Planung in der regionalen Strukturpolitik: Regionalpolitisches Kontaktseminar vom 6.–8. Mai 1981 in Hinterzarten/Schwarzwald, veranstaltet von der Gesellschaft für Regionalpolitik und Verkehrswissenschaft an der Universität Freiburg und dem Institut für Regionalpolitik und Verkehrswissenschaft … [1 ed.] 9783428450916, 9783428050918


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German Pages 178 [180] Year 1982

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Planung in der regionalen Strukturpolitik: Regionalpolitisches Kontaktseminar vom 6.–8. Mai 1981 in Hinterzarten/Schwarzwald, veranstaltet von der Gesellschaft für Regionalpolitik und Verkehrswissenschaft an der Universität Freiburg und dem Institut für Regionalpolitik und Verkehrswissenschaft … [1 ed.]
 9783428450916, 9783428050918

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Planung in der regionalen Strukturpolitik Regionalpolitisches Kontaktseminar vom 6. - 8. Mai 1981

Schriften zu Regional- und Verkehrsproblernen in Industrie- und Entwicklungsländern Herausgegeben von

J, Heinz Müller und Theodor Dame

Band 32

Planung in der

regionalen Strukturpolitik Regionalpolitisches Kontaktseminar vom 6.-8. Mai 1981 in Hinterzarten /Schwarzwald

Veranstalter: Gesellschaft für Regionalpolitik und Verkehrswissenschaft an der Universität Freiburg und Institut für Regionalpolitik und Verkehrswissenschaft der Universität Freiburg Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. J. Heinz Müller Direktor des Instituts für Regionalpolitik und Verkehrswissenschaft der Universität Freiburg

DUNCKER & HUMBLOT 1 BERLIN

Redaktion des Tagungsberichts: Dr. Michael Drude Dipl.-Volksw. Bertram Schaeffer Institut für Regionalpolitik und Verkehrswissenschaft der Universität Freiburg

Alle Rechte, auch dte des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtllche Belträge vorbehalten © 198Z Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1982 bei fotokop, wilhelm weihert KG., Darmstadt Pr!nted in Germany ISBN 3 428 05091 6

Vorwort der Herausgeber Auf eine kurze Formel gebracht, besteht das Ziel der Raumordnungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland darin, die großräumige Bevölkerungsverteilung in etwa zu erhalten, jedenfalls aber das Entstehen von Entleerungsgebieten, wie sie - Stichwort z. B. "Landflucht" - aus anderen Zeiten und anderen Staaten bekannt sind, zu verhindern. Getragen wird dieses Anliegen von einer breiten Übereinstimmung in und zwischen den maßgeblichen Parteien und wohl auch (fast) allen sonstigen relevanten gesellschaftlichen Gruppen. Mittel zum Zweck ist die Wahrung oder Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilen des Bundesgebietes, und auch wenn der Mensch nicht von Brot allein lebt, so umfaßt "Gleichwertigkeit" doch in hohem Maße die regionalen Einkommensverhältnisse. Angesprochen ist damit die regionale Strukturpolitik. Diese kann unheselladet der bekannten Schwierigkeiten, im wirtschaftlichen Bereich beobachtbare Sachverhalte eindeutig mit bestimmten Ursachen zu verknüpfen- mit dem Erreichten im ganzen zufrieden sein; jedenfalls klaffen in manchem anderen Politikbereich Anspruch und Wirklichkeit erkennbar sehr viel weiter auseinander. Erfolge der Vergangenheit schließen gleichwohl Besorgnisse für die Zukunft nicht aus. Wenn das Umfeld sich ändert- und zumal die Perspektiven der Bevölkerung und der gesamten Wirtschaftsentwicklung stellen sich heutzutage wesentlich anders dar als zu der Zeit, da die praktizierte Strukturpolitik entworfen wurde -, verlieren überkommene Problemlösungen ihre Gültigkeit, müssen neue Wege gesucht werden - ganz abgesehen davon, daß schon immer das Bessere des Guten Feind war. Damit ist skizziert, was unter dem Generalthema "Planung in der regionalen Strukturpolitik" ein wissenschaftliches Kontaktseminar von Gesellschaft und Institut für Regionalpolitik und Verkehrswissenschaft der Universität Freiburg beschäftigte, dessen Ergebnisse hiermit einem größeren Interessentenkreis zugänglich gemacht werden sollen. Die im Verlauf des Kontaktseminars gehaltenen Referate wurden z. T. von den Verfassern für Zwecke der Veröffentlichung redaktionell

VI

Vorwort der Herausgeber

überarbeitet und erweitert. Die Diskussionszusammenfassungen stützen sich auf Tonbandmitschnitte. Allen Referenten der Tagung und sonstigen Mitwirkenden sei an dieser Stelle nochmals herzlich gedankt. Freiburg, im Dezember 1981

Theodor Dams

J. Heinz Müller

Verzeichnis der Mitwirkenden Albert, Dr. Wolfgang

Senatsdirektor beim Senator für Wirtschaft Martin-Luther-Str. 105 1000 Berlin 62 (davor: Bundesministerium für Wirtschaft)

Freund, Dipl.-Kfm. Ulrich

Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Univ. zu Köln Geibelstr. 5 5000 Köln 41

Fürst, Prof. Dr. Dietrich

Fachbereich Politikwissenschaft/Verwaltungswissenschaft der Universität Konstanz Postfach 7733 7750 Konstanz

Klein, Albert

Regierungsdirektor im Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr Baden-Württemberg Postfach 440 7000 Stuttgart 1

Klemmer, Prof. Dr. Paul

Abteilung für Wirtschaftswissenschaft der Ruhruniversität Bochum Postfach 4630 Bochum-Querenburg

Louda, Dr. Dieter

Oberregierungsrat im Bundesministerium für Wirtschaft Postfach 140 262 5300 Bonn 1

Müller, Prof. Dr. J. Heinz

Institut für Regionalpolitik und Verkehrswissenschaft der Universität Freiburg Werthmannplatz 1 7800 Freiburg

Nieth, Dr. Evelyn

früher Mitarbeiterin des Instituts für Regionalpolitik und Verkehrswissenschaft der Universität Freiburg Justus-Liebig-Str. 12 a 6806 Viernheim

Südfeld, Erwin

Regierungsrat im Statistischen Bundesamt Postfach 6200 Wiesbaden

Inhaltsverzeichnis 1. Räumliche Konzentrationstendenzen in der Wirtschaft der Bundes-

republik Deutschland seit 1970 Dr. Evelyn Nieth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Zusammenfassung der Diskussion des Referates Nieth . . . . . . . . . . . . . . 26 3. Aktivitäten der Länder in eigener Verantwortung versus bundesweite Planung in der regionalen Strukturpolitik Reg.-Dir. Albert Klein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4. Zusammenfassung der Diskussion des Referates Klein . . . . . . . . . . . . .

39

5. Qualitative Erfolgskontrolle in der regionalen Wirtschaftspolitik Dr. Dieter Louda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung der Diskussion des Referates Louda . . . . . . . . . . . .

41 58

7. Rolle und Ausmaß des Mitnahme-Effektes in der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" Dipl.-Kfm. Ulrich Freund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 8. Zusammenfassung der Diskussion des Referates Freund . . . . . . . . . . . 80 9. Lücken in der Koordinierung der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" mit anderen raumwirksamen Maßnahmen und mögliche Abhilfen Prof. Dr. Dietrich Fürst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 10. Zusammenfassung der Diskussion des Referates Fürst . . . . . . . . . . . . . 99 11. Möglichkeiten zu einer Fortentwicklung der Zielplanung in der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" Dr. Wolfgang Albert .... ..... ................................... .. 102 12. Zusammenfassung der Diskussion des Referates Albert ........... 114 13. Zur Situation der Regionalstatistik in der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung von Datenschutzproblemen Reg.-Rat Erwin Südfeld ............. . ............................ 117 14. Zusammenfassung der Diskussion des Referates Südfeld . . . . . . . . . . 137 15. Regionalisierung der Regionalpolitik Prof. Dr. Paul Klemmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 16. Zusammenfasung der Diskussion des Referates Klemmer . . . . . . . . . . 154 17. Die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" im Lichte wahrscheinlicher Entwicklungen der 80er Jahre Prof. Dr. J. Heinz Müller ................. .. .......... . ...... ... .. 157

Räumliche Konzentrationstendenzen in der Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland in den 60er und 70er Jahren Dr. Evelyn Nieth Im Mittelpunkt meines Referats steht die räumliche Konzentration in der Wirtschaft, und zwar im konkreten geographischen Raum der Bundesrepublik Deutschland und in einem konkreten historischen Zeitraum, den 60er und 70er Jahren. Wenn wir uns auf einen kon-

kreten geographischen Raum und Zeitraum beziehen, so beziehen wir uns auch auf einen bestimmten Zielhintergund der Raumordnungspolitik. Deren Ziele, wie immer sie im einzelnen definiert und festgelegt werden, betreffen grundsätzlich die Verteilung der Lebensbedingungen i m Raum. Ob man dabei das Augenmerk mehr auf Ballungsgebiete oder wirtschaftlich zurückgebliebene Gebiete richtet, ob man sich auf Arbeitsplätze oder Umweltbelastung bezieht, immer geht es um Unterschiede im Raum, um räumliche Verteilung, Verdichtung, um Konzentration. Die räumliche Konzentration ist also ein zentrales Objekt der Raumordnungspolitik. Der Politiker möchte die räumliche Konzentration nicht nur beobachten und beurteilen, sondern auch beeinflussen. Dazu sind konkret drei Feststellungen notwendig: 1. Wie hat sich die räumliche Verteilung in der jüngs t en Vergangenheit entwickelt? 2. Wie wird sie sich voraussichtlich in der Zukunft entwickeln?

3. Mit welchen Maßnahmen kann sie beeinflußt werden? Hinter diesen Fragen verbergen sich schwerwiegende Probleme. Schon bei den ersten beiden Fragen geht es nicht nur um eine Diagnose und Prognose im statistischen Sinn, also um Richtung und Ausmaß einer Entwicklung, sondern auch um die Ursachen dieser Entwicklung. Noch mehr in den Vordergrund tritt das Ursachenproblem bei der Suche nach möglichen Maßnahmen. Außerdem stellt sich schon bei der Analys e der Vergangenheit die Frage, in welchem Maße staatliche Maßnahmen die räumliche Verteilung beeinflußt haben, denn zur Planung gehört auch die Kontrolle. Wir befinden uns bei diesen Fragen also sehr bald im Dickicht des gesamten ökonomischen Kausalzusammenhangs, der durch die regionale Betrachtung

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eher noch schwieriger wird, als er ohnehin schon ist. Auf den an sich wichtigen theoretischen Aspekt will ich hier jedoch nicht weiter eingehen. Das ist auch vertretbar, weil ich mich hauptsächlich mit der historischen Fragestellung der räumlichen Konzentration beschäftigen und die Prognose-Problematik nur streifen werde. Ich beschränke mich also auf die beiden ersten Fragen. Neben der rein räumlichen Sicht der Verteilung wird jedoch die branchen- oder sektorweise Gliederung berücksichtigt. Dieser kommt in der Raumtheorie eine gewisse Bedeutung zu, und sie wird auch zu Prognosezwecken verwendet. Die Verteilung einzelner Sektoren im Raum ist jedoch auch von eigener Bedeutung, weil man daraus die interregionale Arbeitsteilung im einzelnen ersehen kann. Die unterschiedlichen Auswirkungen der räumlichen Verteilung der einzelnen Sektoren werden deutlich, wenn man sich z.B. die unterschiedlichen Entwicklungsmöglichkeiten, den Arbeitskräftebedarf oder die unterschiedliche Umweltbelastung der Sektoren vor Augen führt. Ich werde Ihnen von drei Untersuchungen berichten, die im Institut für Regionalpolitik und Verkehrswissenschaft unter Leitung von Prof. Müller erstellt wurden und s i ch u.a. mit der räumlichen Konzentration beschäftigen. Das sind die beiden Dissertationen von H.D. Hoppen und mir, beide über den Sekundärbereich. Die Untersuchung von Prof. Müller und B. Schaeffer behandelt den Tertiärbereich. Von denselben Autoren liegt auch ein zusammenfassender Aufsatz über das Konzentrationsthema vor. 1 ) Bevor ich Ihnen die konkreten Aussagen der genannten Arbe i ten vortrage, will ich Ihnen jedoch einige Probleme nahebringen, denen man bei der empirischen Untersuchung der räumlichen Konzentration gegenübersteht. Diese Probleme scheinen mir sehr wichtig, weil ihre Beachtung oder Vernachlässigung die Ergebnisse einer Untersuchung stark beeinflussen kann. Zunächst werde ich den Begriff der Konzentration näher definieren, denn abweichende Begriffe führen häufig zu Mißverständnissen. Dann will ich Ihnen die Probleme der Regionsabgrenzung schildern und noch etwas zu den Methoden der

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Konzentrationsmessung sagen.

Ich beginne mit einigen Bemerkungen zum Konzentrationsbegriff. Konzentration als Ausdruck der Verdichtung - hier: räumlichen Verdichtung - kann in zweierlei Hinsicht unterschiedlich definiert werden: 1. Konzentration als Zustand oder Prozeß 2. Konzentration als absolute oder relative Aussage Zu 1: Konzentration kann einen Zustand oder einen Prozeß bezeichnen, und im Sprachgebrauch geht das auch durcheinander. Mit dem Zustandsbegriff geraten wir sehr schnell in Beurteilungsprobleme. Praktisch kann die absolute Gleichmäßigkeit einer Verteilung nicht erreicht werden. Ob sie überhaupt erstrebenswert ist, ist schon eine Frage von Werturteilen. Hier tritt das regionale Verteilungsziel auch in Konkurrenz zu anderen Zielen, v.a. dem gesamtwirtschaftlichen Wachstumsziel. Es ist also objektiv nicht möglich, ein Beurteilungskriterium für das Ausmaß der Konzentration als Zustand aufzustellen. Objektiv beurteilbar und auch für den Politiker wichtiger ist die Konzentration als ProzeB. Meist ist ja der Politiker in seiner praktischen Tätigkeit angesichts seiner beschränkten Möglichkeiten- und das gilt auch und gerade in regionalpolitischer Hinsicht - mit einer Veränderung in der richtigen Richtung schon zufrieden, ohne einen konkreten Zustand anzustreben oder erreichen zu können. Zu 2: Die zwei te Möglichkeit unterschiedlicher Definition betrifft die Konzentration als absolute oder relative Aussage. Als Zustand kann eine Konzentration in absoluten Größen oder in Anteilswerten dargestellt werden, und solange man sie nicht international oder im Zeitverlauf vergleicht, macht das keinen Unterschied, Die relative Darstellung in Anteilswerten ist jedoch übersichtlicher. Hier interessiert uns die Konzentration als Prozeß, und dabei entsteht durch die absolute oder relative Interpretation ein Unterschied. Zur Verdeutlichung dieses Unterschieds möchte ich Ihnen hier einige fiktive Fälle darstellen, die ich mit Ausnahme der 2. Alter-

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native dem Aufsatz von Prof. Müller und E. Schaeffer entnommen habe.2) Tabelle 1: Modell zur Entwicklung der absoluten und relativen Konzentration der Eevölkerung

I

Eevölkerung Alternative Alternative Alternative Alternaim Easis2 1 tive 4 3 zeitpunkt nach 10 J. nach 10 J. nach 10 J. nach 10 J in Mio in % in Mio in %in Mio in 96 in Mio in 96 in Mio in %

---

~~llungs 5 aume

62,5

5,8

60,4 5,9

61,5 6

62,5

6,25 65,1

~iichtverichtete 3

37,5 3,8

39,6 3,7

38,5 3,6

37,5

3,35 34.9

äume

'

Die Bevölkerung betrage im Basiszeitpunkt in den Ballungsräumen

5 Millionen, in den Nichtverdichteten Räumen 3 Millionen. Damit haben die Ballungsräume einen Anteil von 62,5%. In Alternative 1 nimmt die Bevölkerung in beiden Raumkategorien absolut gleich zu, nämlich um jeweils 800 000 Personen. Die Zunahme ist also absolut gleich groß, relativ hat sich aber der Anteil der Ballungsräume auf 60,4% verringert. Die relative Konzentration ist also gesunken. In Alternative 2 nimmt die Bevölkerung in den Ballungsräumen absolut mehr zu als in den Nichtverdichteten Räumen, nämlich um

900 000 im Vergleich zu 700 000 Personen. Der relative Anteil sinkt jedoch immer noch auf 61,596. Die relative Konzentration sinkt. Erst wenn in beiden Raumkategorien die Zunahme relativ gleich ist (wie in Alternative 3), bleibt die relative Verteilung unverändert. Die relative Konzentration steigt erst dann, wenn die Bevölkerung in den Ballungsräumen überproportional wächst (Alternative 4). Welche Sicht, die absolute oder die relative, ist nun die "richtige"? Für manche Fragestellungen ist die absolute Interpretation von Bedeutung, nämlich immer dann, wenn man die Konzentration in Beziehung setzt zu anderen, auch absolut gesehenen Größen, z.B. den Straßenbau in großen Städten. Die Betrachtung absoluter Größen entspricht jedoch eigentlich nicht einer Verteilungsvorstel-

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lung. Vill man einen objektiven Maßstab setzen, so muß man den Verteilungsbegriff vom Niveaubegriff trennen. Nur ein relativer Begriff ist eine Aussage über die Konzentrationstendenz unabhängig von der Gesamtentwicklung, d.h. die eigentlichen Verdichtungseffekte werden von allgemeinen Wachstums- oder Abnahmeeffekten getrennt. Man sollte sich jedoch darüber im klaren sein, daß diese Trennung, so objektiv sie erscheinen mag, nicht werturteilefrei ist. Denn letztlich ist eine Verteilung nicht nur eine Reihe statistisch darstellbarer Anteilswerte, sondern sie wird von Menschen bewußt oderunbewußt beurteilt. Hinter der räumlichen Einkommensverteilung steht z.B.eine Nutzenverteilung, hinter der räumlichen Verteilung der Bevölkerung, Beschäftigten oder der industriellen Produktion kann man sich eine Verteilung der Umweltbelastung vorstellen. Geht man z.B. von einem solchen funktionalen Zusammenhang zwischen Einkommen und Nutzen aus {Abb. 1), wie er in der ökonomischen Theorie üblicherweise unterstellt wird, so steigt mit steigendem Einkommen auch der Nutzen, die Nutzenzunahme nimmt jedoch ab. Die Nutzenrelation bewegt sich bei gleichbleibender Einkommensrelation auf den Wert 1 zu. Dann muß man folgern, daß auf einem höheren Einkommensniveau eine relativ gesehen gleiche Einkommensverteilung als gleichmäßiger bzgl. der Nutzenverteilung gewertet wird als auf einem niedrigeren Einkommensniveau. Umgekehrt wird bei dem hier (Abb. 2) dargestellten Zusammenhang zwischen Bevölkerung und Umweltbelastung unterstellt, daß mit zunehmender Bevölkerung die Umweltbelastung überproportional steigt. Hier wäre bei einer gleichbleibenden relativen Bevölkerungsverteilung und absolut steigender Bevölkerung eine zunehmende relative Konzentration bzgl. der Umweltbelastung gegeben. Diese Beurteilungen sind zwar nicht meßbar, aber dennoch existent. Statistisch können wir sie nicht berücksichtigen, deshalb ziehen wir uns auf unser quasi-objektives relatives Konzentrationskonzept zurück. Hat man sich nun - wie ich hoffe - darauf geeinigt, die Konzen-

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Abb. 1: Nutzenfunktion in Abhängigkeit vom Einkommen

Nutzen

Einkommen

Abb. 2: Umweltbelastung in Abhängigkeit von der Bevölkerung

Umweltbelastung

Bevölkerung

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tration als Prozeß und als relative Erscheinung zu beurteilen, so folgt als nächstes Problem die Messung der relativen Konzentration, um sie im Zeitablauf verfolgen zu können. Hat man mehr als

zwei Raumkategorien vor sich, so ist ein Urteil nicht mehr wie im vorigen Beispiel durch einfachen Vergleich der Anteilswerte möglich. Neben der Suche nach geeigneten statistischen Maßen hat man aber auch ein Datenproblem, und naben der Wahl einer geeigneten Variablen muß man sich über die regionale Abgrenzung Gedanken machen. Da mir dieser Punkt für die allgemeine Konzentrationsbetrachtung im Raum sehr wichtig erscheint, möchte ich zunächst noch einige Probleme darstellen, die in diesem Zusammenhang auftreten. Der geographische Raum ist ja an sich eine kontinuierliche Größe, und die Verteilung einer Variablen im Raum kann man sich - sieht man einmal von topologischen Erscheinungen ab - als zweidimensionales Dichteprofil vorstellen. Dieses detaillierte Bild interessiert uns aber nicht. Wir erwarten nicht, daß an derselben Stelle, wo ein Baum wächst, auch eine Maschine steht. Eine räumliche Aggregation ist also schon von der Sache her notwendig. Man kann sich nun Gedanken darüber machen, wie groß die analysierten Regionen sein sollen, und wie man sinnvoll Grenzen zwischen ihnen zieht. Diese Entscheidung ist idealerweise abhängig von der Fragestellung, normalerweise aber bleibt doch nur der Rückgriff auf verwaltungsmäßig zusammengefaSte Teilräume, da nur über sie Daten erhältlich sind. Man wählt dann unter möglichen Alternativen das kleinste Übel. Bezüglich der gestellten Frage bleibt die Abgrenzung meist von einer gewissen Willkür. Jede Aussage - und das muß ganz klar gesehen werden, ob man nun selbst eine solche trifft oder die Aussage eines anderen beurteilen soll - bezieht sich auf eine vorgegebene Regionsgliederung. Dies schafft mehr Probleme, als man auf den ersten Blick annimmt.

Diese gehen von der Regionsgröße an sich, von unterschiedlichen Regionsgrößen und sachfremden Grenzziehungen aus. Mit der Wahl der Regionsgröße wählt man auch die erfaßten Konzentrationserscheinungen aus, denn man mißt ja immer nur die inter-

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regionale Konzentration. Je größer die Raumeinheiten sind, umso mehr Konzentrationserscheinungen werden also intraregional und verschwinden damit statistisch. Das Problem, das sich bzgl. der Beurteilung der Konzentrationsentwicklung aus unterschiedlichen Regionsgrößen ergibt, ist in einem einfachen 2-Regionen-Vergleich darstellbar (Tabelle 2). Tabelle 2: Modell zur Beurteilung der Konzentration bei unterschiedlicher Regionsgröße Basiszeitpunkt

Vergleichszeitpunkt

Bev. Bev.dichte Bev. Bev.dichte in Mio in Pers/qkm in Mio in Pers/qkm Region A 1 100 80 0,8 Region B 2 2 50 50

Fläche in qkm 10 000 40 000

Im Basiszeitpunkt habe die Region A eine Bevölkerung von 1 Million, die Region B 2 Millionen Personen. Im Vergleichszeitpunkt ist die Bevölkerung der Region A auf 0,8 Millionen abgesunken, die Bevölkerung der Region B ist gleichgeblieben. Die relative Konzentration hat offensichtlich zugenommen. Nimmt man nun zusätzlich an, daß die Regionen unterschiedlich groß sind, die Region A eine Fläche von 10 000 qkm, die Region B eine Fläche von 40 000 qkm hat, so liegt ein anderes Urteil nahe. Wir sehen nun nämlich, daß die Region A trotz der kleineren Bevölkerung eine höhere Bevölkerungsdichte hat (nämlich 100 Personen/qkm, in B sind es 50). Die Bevölkerungsdichte von A nimmt durch die Bevölkerungsabnahme auch ab. Dichtemäßig haben sich die Regionen also angenähert, und wir müssen sagen: Die Konzentration hat nicht zu-, sondern abgenommen. Die unterschiedliche Beurteilung liegt daran, daß die Regionen bzgl. der betrachteten Variablen (Bevölkerung) nicht vergleichbar sind. Methodisch muß dieses Problem berücksichtigt werden. Das ist in zweierlei Weise möglich: 1. durch Relativierung der Variablen auf die Regionsgröße (im Beispiel durch Bezug auf die Fläche) oder 2. durch eine geeignete Zusammenfassung der Regionen, z.B. zu Bal-

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lungeräumen und Nichtverdichteten Räumen. Auch diese Lösungen sind jedoch nicht ohne Probleme. Bei der Relativierung bleibt neben der Wahl des Regionsgrößen-Maßstabs die Tatsache übrig, daß intraregionale Konzentrationserscheinungen in unterschiedlichem Maße zugedeckt werden. Je größer die Region ist, desto mehr relevante intraregionale Veränderungen können verschwinden. Bei der Zusammenfassung zu Ballungs- und Nichtverdichteten Räumen muß neben dem Problem der Definition und Abgrenzung berücksichtigt werden, daß bei der Gruppierung zu zwei Kategorien viel Information über die Gesamtverteilung verlorengeht. Das Problem sachfremder Grenzziehungen ist allgemein vorhanden. Deutlich tritt es zutage, wenn die Grenze ein zusammenhängendes Ballungsgebiet durchschneidet. Dann wird die Verteilung statistisch geglättet. Umgekehrt wird eine Grenzziehung direkt um einen Ballungsraum herum die Verteilung statistisch ungleichmäßiger werden lassen. Hier spielt auch die Größe der Regionseinheit eine Rolle. Bei der Wahl größerer Regionen verschwinden zwar die intraregionalen Konzentrationserscheinungen, der willkürliche Einfluß der Grenzziehung wird aber auch unbedeutender. Das Problem bleibt auch bei größeren Regionseinheiten bestehen, wenn man nicht die gesamte ökonomische Aktivi tät betrachtet, sondern nur Teile davon, z.B. die räumliche Verteilung von Sektoren. Ich habe zwei Extremfälle konstruiert (Abb.

3).

Im ersten Fall

ist der Sektor gleichmäßig im Raum verteilt. Die Regionsabgrenzung verbirgt das aber, obwohl die Regionen etwa gleich groß sind.

Die 4 abgegrenzten Regionen enthalten 4, 2, 2 und 1 Sektoreinheiten. Im zwei t en Fall ist der Sektor ungleichmäßig im Raum verteilt, die vorliegende Regionsabgrenzung erzeugt aber eine sta-

tistische Gleichmäßigkeit. In jeder Region finden sich 4 Sektoreinheiten. Ich habe mich hier relativ ausführlich mit dem Problem der Regionsabgrenzung befaßt, weil wir ihm praktisch immer bei

Konzen-

trationsaussagen gegenüberstehen. Ich hoffe nun nicht, daß Sie mir nachher bei der Darstellung der konkreten Aussagen über die

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Abb. 3: Einfluß der Grenzziehung auf die Konzentrati onsbeurteilung

Fall 1













••

Fall 2



- 10 -









Bundesrepublik nichts mehr glauben, aber ich wollte Ihnen nicht vorenthalten, wie problematisch statistische Konzentrationsaussagen auch dann noch bleiben, wenn man sich Mühe gibt. Und nun zur Konzentrationsmessung! Es gäbe viel zu sagen über die verschiedenen möglichen Maße und ihre Eigenschaften. Ich will Sie hier mit Formeln verschonen, zumal in den genannten Untersuchungen mit sehr unterschiedlichen Methoden gearbeitet wurde. Bei der Darstellung der Ergebnisse werde ich jeweils kurz darauf zu sprechen kommen. Jetzt will ich nur einige Hinweise mehr allgemeiner Art über die Anforderungen an eine Konzentrationsmessung geben, die z.T. aus den behandelten Problemen hervorgehen. Die.Konzentration soll ja als Prozeß dargestellt und beurteilt werden. Man muß also Konzentrationsmaße für verschiedene Zeitpunkte berechnen und komparativ-stat i sch vergleichen. Die Konzentrationsmaße selbst sollten entsprechend dem relativen Konzept nicht absolute, sondern Anteilswerte verreahnen, d.h. sie sollten unabhängig von proportionalen Transformationen der Daten sein. Diese erste Anforderung wird auch als Bresciani-Turroni-Bedingung bezeichnet. Sie ist z.B. beim Variationskoeffizienten, beim GiniKoeffizienten und dem informationstheoretischen Konzentrationskoeffizienten erfüllt. Der Chi-Quadrat-Koeffizient beispielsweise ist jedoch niveauabhängig. Die genannten Maße verwerten alle Informationen einer gegebenen

Verteilung, d.h. in ihnen werden alle Anteilswerte verrechnet. Insofern entsprechen sie der zweiten Anforderung, nämlich nach Vollständigkeit der Datenerfassung. Eine unvollständige Erfassung erfolgt z.B. durch Quantile. Durch eine partielle Erfassung werden gewisse Konzentrationserscheinungen selektioniert, der Rest der Informat i on geht verloren. Die selektionierte Information trit t aber umso deutlicher zutage. Meist liegt den partiellen Konzentrationsmaßnahmen ein anschauli cheres Konzept zugrunde a ls den Maßen, die eine Verteilung vollständig erfassen. Nehmen wir Anschaulichkeit als dritte Anforderung, so tritt sie also in Konkurrenz zur

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Anforderung der Vollständigkeit der Datenerfassung. Als viertes muß man fordern, daß bei einer Umverteilung von einer stärker verdichteten zu einer weniger verdichteten Region ein Gleichmäßigerwerden erfaßt, also eine Konzentrationsabnahme gemessen wird. Nur dann wird der Anforderung an die Aussagekraft Genüge getan. Dies trifft z.B. nicht zu bei der Messung der durchschnittlichen Abweichung. Eine .Höglichkeit indirekter Konzentrationsmessung im Zeitablauf wenden Prof. Nüller und B. Schaeffer in ihrer Untersuchung an. Dabei wird nicht eine Verteilung gemessen und zeitlich verglichen, sondern umgekehrt wird die zeitliche Entwicklung der Anteile für jede Region geschätzt, woraus sich indirekt die Entwicklung der Konzentration ergibt. Diese .Hethode wird aber bei mehr als 2 oder

3 Regionskategorien problematisch, wenn man eine Verteilungsaussage daraus ableiten will.

Wir haben in unseren empirischen Untersuchungen konkret eine Verteilung vor uns, die regional und sektoral gegliedert ist. Ich werde Ihnen nun • drei Fragen vorlegen und die Antworten darauf aus den Untersuchungen zusammenstell en. 1. fragen wir, wie sich die rein regionale Konzentration entwikkelt hat. 2. kann man fragen, ob allgemein eine regional-sektorale Spezialisierung vorliegt und wie sie sich entwickelt hat.

3. kann man sektorweise die Entwicklung der räumlichen Konzentration verfolgen. Bei der Untersuchung dieser Fragen wurde sowohl datenmäßig als auch methodisch eine generelle und eine partielle Analyse durchgeführt. Die Antworten auf die drei Fragen liefern uns nun die Untersuchungen f ür den Sekundär- und Tertiärbere ich. Ich beginne mit dem Sekundärbereich. In beiden Untersuchungen von

-

12 -

H.D. Hoppen und mir wurden Daten über die Beschäftigten und Umsätze aus der Industrieberichterstattung verwendet. Es lag eine Gliederung in 34 Regierungsbezirke und 31 Sektoren vor. Diese Datenmatrix wurde über 13 Jahre analysiert, nämlich für 1960-1972. Wenden wir uns nun zunächst der räumlichen Konzentration des gesamtindustriellen Bereichs zu, also ohne sektorale Untergliederung. Hier liegen zweierlei Aussagen vor. Ei nmal wurde die gesamte Information über die räumliche Verteilung verrechnet - soweit sie in den vorliegenden Daten erfaßbar ist. Zum zweiten wurden die Regionen zu Ballungsräumen einerseits und Nichtverdichteten Räumen andererseits zusammengefaßt. Die gesamte Information wurde verwendet in der Berechnung des informationstheoretischen Konzentrationskoeffizienten bzgl. der Beschäftigten- bzw. Umsatzverteilung jeweils für alle 13 Jahre3), Um das vorher besprochene Problem der unterschiedlichen Regionsgröße auszuschalten, wurden zusätzlich die Zahlen auf die Regionsfläche relativiert, d.h. es wurde die Beschäftigten- und Umsatzdichte berechnet. Damit erhält man 4 Zahlenreihen des Konzentrationekoeffizienten.

In Abb , 4 kann man die Entwicklung auf e i nen

Blick erkennen. Die räumliche Verteilung der Industriebeschäftigung und des Industrieumsatzes, jeweils mi t oder ohne Relativierung, ist zwischen 1960 und 1972 gleichmäßiger geworden. Alle 4 Kurven zeigen einen eindeutig fallenden Trend. Die räumliche Konzentration hat also abgenommen. Im Vergleich der Kurven zeigen sich übrigens Effekte, wie ich sie vorher in dem Beispiel mit der Bevölkerungsdichte zum Problem der unterschi edlichen Regionsgröße erläutert habe (Tabelle 2). Die Kurven mit und ohne Bezug auf die Fläche entwickeln sich nicht völlig parallel. Die Konzentrationskoeffizienten bei Bezug auf die Fläche sind auch allgemein höher, worin die relative Verdichtung in kleinen Regionen zum Ausdruck kommt. Dies gilt offensichtlich in extremer Weise für die Regionen Hamburg und Bremen. Bei der Zusammenfassung der 34 Regionen zu Ballungsräumen und Nichtverdichteten Räumen wurden die Verdichtungsräume der Minister-

- 13 -

Abb. 4: Entwicklung der räumlichen Kon zentration im Sekundärbereich

Konzentrations koeff. (in '1. J

15

•••

••••••

20





'f' 'f' 'f' 'f'

15

10

••

0 0 0 0 0 0 V V V V V V 0

0

0 0

vv vv

0

0 0 V V V

Ums ./qKm

Besch.,qKm

Ums. Besch.

-:::::::. 10

u

70

- 14 -

Zeit

konferenzfür Raumordnung von 1968 zugrunde gelegt 4 ). Dort werden aufgrund des Kriteriums der Wohn- und Arbeitsstättenverdichtung 24 Verdichtungsräume ausgewiesen, denen jedoch eine andere regionale Abgrenzung zugrunde liegt als unserer Untersuchung. Nimmt man davon die 10 bevölkerungsmäßig größten Verdichtungsräume mit Ausnahme des Rhein-Neckar-Raums, der sich schlecht einordnen läßt, weil hier ~ Regionen aneinanderstoßen (Problem der sachfremden Grenzziehung) - so werden ca. 81~ der gesamten Verdichtungsbevölkerung erfaßt. Diese verdichteten Räume kann man 11 von ~4

Regierungsbezirken zuordnen. In diesen 11 Regionen entfällt

wieder jeweils mehr als die Hälfte der Wohnbevölkerung auf die eigentlichen Verdichtungsräume. Der Rest wird als Umland einbezogen. Die Abgrenzung ist also nicht ganz trennscharf. Die eigentlichen Ballungsgebiete sind jedoch im wesentlichen erfaßt. Tabelle

~:

Entwicklung der Verteilung auf Ballungs- und Nichtverdichtete Räume (in %) im Sekundärbereich Beschäftigte

Umsätze

1961

1971

1961

1971

Ballungsräume

57,1

55,2

59,6

58,5

Nichtverdichtete Räume

42,9

44,8

40,4

41,5

Vergleicht man die Anteile der beiden Regionskategorien (Tabelle ~),

so sieht man, daß der Anteil der Ballungsräume sowohl an den

Beschäftigten als auch an den Umsätzen zwischen 1961 und 1971 abgenommen hat (die Anteile wurden jeweils aus Dreijahresdurchschnitten berechnet). Auch bei der Zusammenfassung der Regionen zu Ballungsräumen und Nichtverdichteten Räumen ist also die Tendenz zur Abnahme der räumlichen Konzentration feststellbar. Eine räumliche Dekonzentration der gesamten Industrie kann theoretisch mit einer allgemeinen räumlichen Dekonzentration der einzelnen Sektoren, aber auch mit einer verstärkten Konzentration auf verschiedene Regionen, also mit einer stärkeren interregiona-

- 15 -

len Arbeitsteilung verbunden sein. Um festzustellen, inwieweit die allgemeine räumliche Dekonzentration auch LÜr die einzelnen Sektoren gilt, kann man wieder die gesamte Information verwerten oder eine partielle Aussage treffen, die mehr auf die großen Ballungen abstellt. Eine generelle oder Durchschnittsaussage über die Annäherung oder Auseinanderentwicklung der räumlichen Verteilung der einzelnen Sektoren ist möglich durch den zeitlichen Vergleich des informationstheoretischen Kontingenzkoeffizienten. Dieser mißt den Grad der Abhängigkeit zwischen den Merkmalen Region und Sektor. Um eine Vorstellung davon zu geben: Der Koeffizient wird im Extremfall Null, wenn alle Sektoren dieselbe räumliche Verteilung haben. Er

wird 1, wenn jeder Sektor auf eine Region konzentriert ist 5 ). Die

Entwicklung des Kontingenzkoeffizienten für die Beschäftigtenund die Umsatzverteilung von 1960-1972 ist aus Abb. 5 ersichtlich. Trendmäßig sinkt er, d.h. die Spezialisierung der Sektoren im Raum nimmt vorwiegend ab. Prüft man die räumliche Verteilung der Sektoren im einzelnen, so gibt es hier wieder ein informationstheoretisches Maß, den Informationsgewinn. Er mißt den Variationsgrad der regionalen Verteilung sektorweise. Dabei wird das unterschiedliche Gewicht der Regionen berücksichtigt, indem man die räumliche Verteilung eines Sektors mit der räumlichen Verteilung der gesamten Industrie vergleicht. Je größer die Abweichung der Verteilung ist, umso höher wird der Variationsgrad. Ich will Ihnen die Zahlen nicht im einzelnen vorführen. Es wären 2 x 31 x 13 Zahlen6 ). Wesentlich ist: Die Variationsgradwerte sinken in etwa

7~~

der Sektoren über den

betrachteten Zeitraum hinweg ab (Beschäftigte: 71%; Umsätze: 68%). Bei diesen Sektoren hat eine räumliche Dekonzentration stattgefunden. Dem stehen allerdings die restlichen 30% gegenüber, deren räumliche Konzentration gestiegen ist. Betrachten wir nun die räumliche Verteilung der Sektoren unter partiellen Aspekten, so liegen mir hier 2 Aussagen vor. In beiden Fällen wurden die 31 Sektoren zunächst zu 11 Sektorgruppen zusam-

- 16 -

Abb. 5: Entwicklung der regional-sektoralen Abhängigkeit im Sekundärbereich

Kontingenz koeff. (in 7.)

13

12

11

Ums. 10

Besch .

• 10

u

70

- 17 -

Zeit

mengefaßt 7 ). 1. wurde die Entwicklung der Konzentration auf Hauptstandorte betrachtet, 2. die Änderung der Verteilung auf Ballungsräume und Nichtverdichtete Räume festgestellt. Zur Beurteilung der Konzentration auf Hauptstandorte wurde das Medianverhältnis bestimmt 8 ). Dabei wird die Anzahl der Regionen, die

50% der Beschäftigten eines Sektors enthalten, auf die entsprechende Anzahl der Regionen in der gesamten Industrie bezogen. Man erhält damit eine Aussage über die relative Konzentration eines Sektors auf seine Hauptstandorte. Je kleiner der Quotient ist, desto weniger Regionen enthalten 50% des Sektors, desto stärker ist also die Konzentration des Sektors auf seine Hauptstandorte. Tabelle 4: Entwicklung der Konzentration auf Hauptstandorte und der Verteilung auf Ballungs- und Nichtverdichtete Räume im Sekundärbereich Sektor Steine Eisen Chemie Holz 1 Montage Elektro Keramik Holz 2 Papier Textil Nahrung

Medianverhältnis

1961 128,0 24,0 52,6 118,3 87,9 74,6 66,0 91,3 92,0 88,4 116,3

1971 122,7 24,4 59.3 110,7 88,() 75,3 74,2 98,5 97,2 90,7 122,2

Anteil Ballungsräume (in

1961 41,9 76,9 62,6 36,6 62,2 65,2 34,6 43,2 57,9 39.1 50,6

Der zeitliche Vergleich zeigt (Tabelle

1971 42,2 75,7 60,2 35,7 59,2 61.4 34.7 41,6 54,2 35,8 49,8

%)

4), daß dieser Wert in 9

von 11 Sektoren steigt, d.h. in ca. 80% der Sektoren hat eine Dekonzentration bzgl. der Hauptstandorte stattgefunden. Zugenommen hat die Konzentration bei den Sektoren Steine und Holz 1. Betrachtet man als zweiten Partialaspekt die Verteilung auf Bal-

lungs- und Nichtverdichtete Räume (Tabelle 4) 9 ), so trifft auch

hier die allgemeine Abnahme des Anteils der Ballungsräume auf 9

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von 11 Sektoren zu. Der Anteil steigt in den Sektoren Steine und Keramik. Die vorgeführten Ergebnisse beruhen auf unterschiedlichen Methoden und unterschiedlichen Datengliederungen. Bzgl. der hier gestellten Frage nach der räumlichen Konzentrationstendenz sind die Aussagen übereinstimmend. Sie alle zeigen, daß die räumliche Konzentration in generellem und partiellem Sinn, in der Gesamtindustrie und in der Mehrzahl ihrer Sektoren abgenommen hat. Der Zeitraum zwischen 1960 und 1972 war also eine Phase räumlicher Dekonzentration der Industrie. Die Untersuchung der räumlichen Konzentration des Tertiärbereichs von Prof. Müller und B. Schaeffer beschränkt sich auf das Gesamtgebiet Baden-Württemberg. Darüber liegen kreisweise Beschäftigtenzahlen vor, die sektoral in 6 Wirtschaftsunterabteilungen gegliedert sind. Für die regionale Aggregation werden die Kreise drei Regionstypen zugeordnet: Regionstyp 1 umfaßt die kreisfreien Oberzentren, also Stadtkreise ohne Umland. Diese sind als Ballungskerne anzusprechen. Sie sind ein Unterfall von Regionstyp 2. Das sind Oberzentren mit Umland (Stadtkreise und Landkreise mit Oberzentren). Das Gebiet des Regionstyps 2 umfaßt die Verdichtungsgebiete. Zusammen mit dem Gebiet des Regionstyps 3 bilden sie das Gesamtgebiet. Regi onstyp 3 erfaßt die sonstigen Gebiete, die man als ländlichen Raum ansprechen kann. Regionstyp 2 und 3 entsprechen in etwa der auch im Sekundärbereich getroffenen Unterscheidung in Ballungs- und Nichtverdichtete Räume, wobei hier noch eine zusätzliche Information über die Ballungskerne vorliegt. Die Analyse stützt sich auf quartalsweise Daten vom 2. Quartal 1974 bis zum 4· Quartal 1978. Interessiert man sich zunächst wieder für die räumliche Verteilung des gesamten Tertiärbereichs, so zeigt der Anteil der Ballungsräume im Zeitverlauf fallende Tendenz, der Anteil der Nicht-

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verdichteten Räume steigt dementsprechend (Tabelle 5) 10 ). Im Vergleich des 2. Quartals 1974 mit dem 4. Quartal 1978 sind 1,68%Punkte zwischen Ballungsräumen und Nichtverdichteten Räumen umverteilt worden. Diese Umverteilung geht, wie die Entwicklung des Anteils der Stadtkreise zeigt, fast völlig zu Lasten der Ballungskerne. Die Konzentration der räumlichen Beschäftigtenverteilung hat also auch im Tertiärbereich abgenommen. Bei dieser Aussage muß die relative Sicht der Konzentrationsbetrachtung betont werden, weil die Beschäftigung absolut in allen Regionstypen zugenommen hat. Die Tertiärbeschäftigung ist

nämlich allgemein stark ge-

wachsen. Tabelle 5: Entwicklung der Anteile von Ballungskernen, Ballungsräumen und Nichtverdichteten Räumen im Tertiärbereich Anteil Beschäftigte in % des Landeswert es Ballungskerne Ballungsräume Nichtverdichtete Räume Quartal 1974

42,29

74,13

25,87

1978

40,63

72,45

27,55

~~.4· Quartal

Gliedert man sektoral auf, so kann man zunächst wieder generell nach dem räumlichen Spezialisierungsgrad der Sektoren fragen. Das informationstheoretische Kontingenzmaß zeigt eine Abnahme von 0,47 % auf 0,42%. Diese Werte sind im Vergleich zu dem entsprechenden Koeffizienten im Sekundärbereich sehr niedrig. Dort liegen sie in einer Größenordnung von 9-13%. Das liegt z.T. am höheren Aggregationsniveau der Daten des Tertiärbereichs, man muß aber wohl auch von geringeren räumlichen Spezialisierungserscheinungen ausgehen, da der Tertiärbereich ein Komplementärbereich allgemeiner Art ist. Wichtiger als die absolute Höhe des Koeffizienten ist jedoch die Tendenz zu noch weiterer Annäherung der räumlichen Verteilung zwischen den Sektoren. Als letztes Ergebnis wollen wir uns die Ent wicklung der räumlichen Verteilung der einzelnen Sektoren des Tertiärbereichs ansehen. Die räumliche Verteilung der Sektoren unterscheidet sich zwischen den Sektoren nicht sehr, und auch die Änderungen in der Verteilung

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bleiben relativ gering. Dies zeigt ja schon der kleine Kontingenzkoeffizient. Die Beschäftigung damit bleibt also mehr von akademischem Wert. Wo überhaupt wesentliche Verteilungsänderungen feststellbar sind, gehen sie in Richtung einer Dekonzentration (v.a. in den Sektoren Handel, Kredit- und Versicherungswesen und Sonstige private Dienstleistungen). Um darüber in vereinfachter Form eine Vorstellung zu vermitteln, wurden die 3 Sektoren mit allgemein schrumpfendem Anteil und die

3 Sektoren mit allgemein steigendem

Anteil am gesamten Tertiärbereich zu zwei Sektorgruppen zusammengefaßt (Tabelle 6) 11 ).

Tabelle 6: Entwicklung der regionalen Anteile im Tertiärbereich nach Sektorgruppen Anteil Beschäftigte in Ballungskerne

% des

Ballungsräume

Landeswertes Nichtverd. Räume

Quartal Sektor- Sektor- Sektor- Sektor- Sektor- Sektorgruppe 1 gruppe 2 gruppe 1 gruppe 2 gruppe 1 gruppe 2 ~/1974 ~/1978

21,64 19,39

20,65 21,24

35.79 33,01

38,34 39,44

11,06 10,98

14,81 16,56

Vergleicht man hier nur die Anfangs- und Endwerte, wobei der Entwicklungsverlauf nicht im einzelnen berücksichtigt wird, so sieht man, daß die Sektorgruppe 1 in allen drei Regionstypen abnimmt. Die Abnahme ist jedoch in den Nichtverdicht eten Räumen nur geringfügig. Die höhere Abnahme in den Ballungsräumen geht fast ganz zu Lasten der Ballungskerne. Die Umverteilung bewirkt also e i ne räumliche Dekonzentration. Die Sektorgruppe 2 nimmt in allen Regionstypen zu. Die Zunahme ist aber in den Nichtverdichteten Räumen größer als in den Ballungsgebieten. Noch geringer als dort allgemein ist sie in den Ballungskernen. Auch diese Umverteilung bedeutet räumliche Dekonzentration. Die Umverteilung von den Ballungskernen über ihr Umland in di e Nichtverdichteten Gebiete hinein gilt also nicht nur für den gesamten Tertiärbereich, sondern überwiegend auch für die einzelnen Sektoren.

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Die Ergebnisse können wir nun sehr leicht zusammenfassen, da sie eindeutig in dieselbe Richtung weisen. Die Beschäftigtenverteilung änderte sich in den zurückliegenden Jahren in Richtung einer räumlichen Dekonzentration. Dies gilt für den Sekundärbereich ebenso wie für den Tertiärbereich, und zwar jeweils insgesamt und für den größten Teil der Sektoren. Dieselbe Tendenz gilt auch für den Umsatz der Industrie. Die Aussage der allgemeinen räumlichen Dekonzentration kann selbstverständlich keine Allgemeingültigkeit beanspruchen. Sie bezieht sich auch für den untersuchten Zeitraum nur auf die vorgegebene regionale und sektorale Gliederung. Im Tertiärbereich kommt hinzu, daß die Aussage nur für das Land Baden-Württemberg bewiesen werden kann. Bzgl. einer Umverteilungstendenz zwischen Ballungsund ländlichem Raum kann ein Bundesland jedoch wohl als einigermaßen repräsentativ angesehen werden.

Zum Schluß liegt die Frage nahe: Geht das so weiter? Oder ist die festgestellte Dekonzentration nur vorübergehender Natur? Spätestens an diesem Punkt müßte man eigentlich nach den Ursachen der aufgezeigten Entwicklung fragen. Eine ganz grobe historische Betrachtung zeigt, daß die industrielle Entwicklung zuerst eine stark zunehmende Konzentration gebracht hat, diese Tendenz sich aber im Gefolge des industriellen Wachstums abschwächte und schließlich sogar wieder rückläufig war. Die anfängl i che Konzentration ent stand aus der technischen Entwicklung. Um die Kostenvorteile der maschinellen Produktion nutzen zu können, war eine gewisse Konzentration von Beschäftigten und Kapital notwendig. Die Orte der konzentrierten Produktion waren durch die benötigten Rohstoffe bestimmt. Hinzu kamen i m Lauf der Zeit noch Agglomerationsvorteile. Die Dekonzentrationstendenz hingegen, die wir gegenwärtig beobachten können, ist möglich durch ein allgemeines Wachstum, das bei gleich günstigen Kosten ein Mehr an Standorten erlaubt. Gleichzeitig ist

durch geänderte Produktionsmethoden

(in sektorweise unterschiedlichem Maß) und günstigere Transportbe-

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dingungen eine verstrautere Produktion möglich geworden. Eine Rolle spielen auch kostenmä2ige Agglomerationsnachteile infolge von Bodenverknappung und staatlichen Umweltschutzauflagen. Ich kann hier keinen vollständigen Ursachenkatalog vorführen, ganz zu schweigen von den vielfältigen Aspekten des Zusammenwirkeng dieser Ursachen. Es liegt mir aber daran, zu zeigen, daß es verschiedene Einflüsse gab und geben wird, die teile auf Konzentration, teils auf Dekonzentration hinwirken. Im konkreten Fall kommt es immer darauf an, welche Einflüsse überwiegen. So haben wir ja gesehen, daß einige Sektoren entgegen der allgemeinen Tendenz ihre räumliche Konzentration verstärkt haben.

Die Zukunft ist ungewiß, und über die vielfältigen Ursachen und ihre Entwicklung sowie ihre Einflüsse auf die räumliche Verteilung können wir wenig aussagen. Eine statistische Prognose kann deshalb nicht für einen allzu langen Zeitraum aufgestellt werden, zumal sich die Voraussagen meist auf die Extrapolation einer analysierten Entwicklung beschränken. Ein ökonometriechee Modell, in dem ein System von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen erfaßt ist, wäre als Grundlage vorzuziehen, obwohl auch dabei auf längere Sicht immer die Gefahr von Strukturbrüchen besteht. In regionalisierter Hinsicht fehlt jedoch auch weitgehend die Datenbasis, Aus den Untersuchungen von H.D. Hoppen und von Prof. Müller zusammen mit B. Schaeffer liegen auch Prognoseaussagen vor, die ich hier vorbehaltlich der eben geäußerten grundlegenden Zweifel abschließend vortragen möchte. Für den Sekundärbereich stellt H.D. Hoppen eine Prognose der regionalen Entwicklung bis 1985 auf. Grundlage dafür ist eine gründliche Analyse der regional-sektoralen Verteilung im Zeitverlauf, wobei die Leiteaktaren der Regionen feetgestellt und ihre Entwicklung allgemein und in der Region berücksichtigt wird. Da die Regionen mit anfänglich relativ niedrigem Entwicklungsniveau nicht nur im Beobachtungszeitraum überdurchschnittlich gewachsen sind, sondern auch ihre Sektorstruktur verbessern konnten, liegt der

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Schluß nahe, daß sie ihr überdurchschnittliches Wachstum auch weiter beibehalten können. Daraus kann man folgern,daß die regionale Dekonzentration im Sekundärbereich nicht nur vorübergehender Natur . t • 12)

~s

Auch für den Tertiärbereich wurden Prognosen aufgestellt. 1 ~) Aus den regionalen Anteilswerten des Beobachtungszeitraums wurden die Parameter einer mathematischen Funktion geschätzt, die lineare, exponentielle oder Sättigungsentwicklungen darstellen kann. Dabei kommt man zu dem Schluß, daß sich die Verteilung auf Ballungsräume und ländliche Räume bereits weitgehend einer konstanten Verteilung angenähert hat, während eine weitere Umverteilung zu Lasten der Ballungskerne in ihr Umland zu erwarten ist. Da der Beobachtungszeitraum relativ kurz ist, hat die Prognose für den Tertiärbereich statistisch eine etwas schlechtere Grundlage als die Prognose für den Sekundärbereich. Wegen der komplementären Beziehungen zwischen den beiden Bereichen könnte man eigentlich erwarten, daß auch die Konzentrationsentwicklung in eine ähnliche Richtung geht. Sicher gibt es für die Dekonzentration auch eine Grenze. Eine völlige Gleichmäßigkeit der räumlichen Verteilung kann sicher nicht erreicht werden. Über ein gewisses Maß hinaus, das sich aus den ökonomischen Bedingungen ergibt und folglich raum- und zeitabhängig ist, sollte eine Dekonzentration auch nicht angestrebt werden. Entscheidende Wohlstandsnachteile wären die Folge.

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Fußnoten: 1) H.D. Hoppen: Industrieller Strukturwandel. Eine empirische Untersuchung der sektoralen und regionalen Veränderungen im Sekundärbereich der Bundesrepublik Deutschland. Duncker & Humblot-Verlag Berlin 1979. In der Reihe: Schriften zu Regional- und Verkehrsproblemen in Industrie- und Entwicklungsländern (Hrsg.: J.H. Müller und Th. Dams), Band 25. E. Nieth: Industriestruktur und regionale Entwicklung. Eine theoretische und empirische Untersuchung der BRD 1960-1972. Duncker & Humblot-Verlag Berlin 1979, in derselben Reihe Band 30. J.H. Müller und B. Schaeffer: Arbeitsplätze des tertiären Sektors und ihre Verteilung im Raum. Eine empirische Untersuchung für Baden-Württemberg. Veröffentlichung der Akademie für Raumforschung und Landesplanung in Vorbereitung. J.H. Müller und B. Schaeffer: Wider das unspazifische Gerede von der wachsenden räumlichen Konzentration. Mitteilungen der Akademie für Raumforschung und Landesplanung. In Vorbereitung. 2) J.H. Müller und B. Schaeffer: Wider das unspazifische Gerede ••• , Tabelle 1. 3) E. Nieth, a.a.O., S. 142ff. 4) Diese Zusammenfassung wird vorgenommen in: J.H. Müller und B. Schaeffer: Wider das unspazifische Gerede ••• , Tabelle 3 und Tabelle 5. 5) E. Nieth, a.a.o., s. 147ff. 6) Ebenda, s. 151ff. 7) H.D. Hoppen, a.a.o., S. 23f. 8) Ebenda, S. 58 9) J.H. Müller und B. Schaeffer: Wider das unepazifische Gerede ••• , Tabelle 4· 10) Ebenda, Tabelle 6. 11) Ebenda, Tabelle 7. 12) H.D. Hoppen, a.a.O., S. 326ff. 13) J.H. Müller und B. Schaeffer: Arbeitsplätze des tertiären Sektors •••

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Zusammenfassung der Diskussion des Referates von Dr. Nieth In der Diskussion wurden gewisse Zweifel daran geäußert, daß die Dekonzentrationstendenz im Sekundärbereich, d.h. die Umschichtungen der Arbeitsplätze im Sekundärsektor zugunsten der ländlichen Räume, die vorherrschende Tendenz sei, Dabei wurde darauf hingewiesen, daß die regionale Abgrenzung nach Regierungsbezirken zu groß sei, um differenzierte regionale Aussagen machen zu können, insbesondere über Bewegungen zwischen Ballungskernen und Randzonen. Denn es gebe auch in Regierungsbezirken, die als ländlicher Raum ausgewiesen seien, Ballungszentren. Die Entwicklung der strukturschwachen Räume könne bei dieser regionalen Abgrenzung nicht herausgearbeitet werden, d.h. es lasse sich nicht sagen, inwieweit sich die Dekonzentration tatsächlich in die peripheren Räume fortgesetzt habe, oder ob die Umschichtungen nur zwischen Ballungskernen und Umland stattgefunden hätten. Die Heferentin begründete die regionale Abgrenzung auf Regierungsbezirksebene mit der Überlegung, daß die Untersuchung für den Sekundärbereich nicht nur regional untergliedert sei, sondern auch eine sektorals Untergliederung aufweise, und daß bei tiefer gegliederter regionaler Disaggregation - beispieleweise auf Kreisebene - die Schätzprobleme aufgrund der Datenlücken im regional-sektoralen Datensatz zu groß seien, als daß man dann einen vernünftigen Datensatz hätte. Sie machte auch deutlich, daß die Ergebnisse nur für die Regionsabgrenzungen, so wie sie der Untersuchung zugrunde liegen, gelten, d.h., daß man für den Sekundärbereich keine darüber hinaus gehenden regionalen Aussagen machen könne. Der Untersuchung für den Tertiärbereich liege aber eine detailliertere regionale Abgrenzung zugrunde, so daß man den Ergebnissen auf jeden Fall entnehmen könne, daß nicht nur eine Verlagerung in das Umland, sondern auch in die Fläche stattgefunden habe. Es wurde weiterhin bezweifelt, daß die im Sekundärbereich bis 1972 zu beobachtende Dekonzentrationstendenz sich in den 70er Jahren fortgesetzt habe, gar für die 80er Jahre gelte. Dem wurde entgegengehalten, daß zwar für den Sekundärbereich eine Falsifizierung nach 1972 nicht möglich sei, daß aber im Tertiärbereich von 1974 bis

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1978 eine ähnliche Dekonzentration festzustellen gewesen sei. Eine Extrapolation der Ergebnisse für die 80er Jahre hielt die Heferentin auf jeden Fall auch für sehr problematisch und lehnte diese ab. Ein Teilnehmer bemerkte, daß sich in Rheinland-Pfalz die Dekonzentration auch in den 70er Jahren für das verarbeitende Gewerbe fortgesetzt habe, was auch bundesweit durch Zahlen zu belegen sei. So habe die Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe bundesweit zwischen 1974 und 1976 um 14% abgenommen, während in den Fördergebieten von Rheinland-Pfalz die Abnahme nur 6,5% betragen habe und ähnlich geringe Abnahmeraten im Schnit t auch in den übrigen Fördergebieten der Gemeinschaftsaufgabe zu verzeichnen gewesen seien. Es wurde auch die Frage geäußert, ob man nur die Beschäftigtenentwicklung als Indikator für die wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Gebiete nehmen dürfe oder ob man hierfür nicht die Produktivitätsentwicklung pro Beschäftigten mit heranziehen sollte, da erfahrungsgemäß die arbeitsintensiveren Wirtschaftszweige in den ländlichen Regionen angesiedelt seien, während die kapitalintensivereD Wirtschaftszweige in den Ballungsräumen vorherrschen. Eine Umstrukturierung in dieser Hinsicht wäre doch entscheidend für das Aufholen der wirtschaftsschwachen Räume. Dasselbe gelte auch für den Tertiärbereich, denn die Produktivität pro Beschäftigten in den Ballungsräumen sei wesentlich höher als in den ländlichen Räumen. Die Heferentin bemerkte, daß für den Sekundärbereich auch die Entwicklung des Umsatzes als Indikator für die Wertschöpfung untersucht worden sei und daß sich hierfür ebenfalls eine Dekonzentrationstendenz ergeben habe. Zum andern sei die Untersuchung vor allem auf das Beschäftigtenziel ausgerichtet gewesen, während bei der Berücksichtigung der Wertschöpfung vor allem das Einkommensziel verfolgt werde. Schließlich wurde versucht, die Verbesserung des ländlichen Raumes durch das Freisetzen von Arbeitskräften aus dem

~grarsektor

zu er-

klären, d.h. es habe eine Umschichtung innerhalb der ländlichen Räume vom Agrarsektor zum Sekundärbereich stattgefunden, und es sei deshalb bei der Betrachtung von Umschichtungen zwischen Bal-

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lungszentren und ländlichen Räumen irreführend, wenn man diese als Wanderungsbewegungen interpretiere, zumal eher eine entgegengesetzte Wanderung in die ~allungszentren stattfinde, die allerdings durch den Zuwachs aus dem Agrarsektor in den ländlichen Gebieten mehr als ausgeglichen werde. Die Referentin verdeutlichte noch einmal, daß Wanderungsbewegungen in der Untersuchung nicht berücksichtigt worden seien, diese Interpretation der Umschichtungsprozesse von daher nicht zulässig sei. Darüber hinaus habe eine Aufnahme von Arbeitskräften aus dem Agrarsektor zur Voraussetzung, daß die

~etrie­

be neue Arbeitsplätze in den ländlichen Regionen zunächst einmal schaffen müßten und von daher stehe die Erklärung mit den Ergebnissen der Untersuchung in Einklang.

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Aktivitäten der Länder in eigener Verantwortung veraus bundesweite Planung in der reffionalen Strukturpolitik Albert Klein I.

Einleitung

In der Regionalpolitik der Bundesrepublik Deutschland vollziehen sich gegenwärtig starke Veränderungen, zumindest soweit sie die Gemeinschaftsaufgabe betreffen. Erst vor kurzem wurden vom Planungsausschuß die wichtigen Eckwertbeschlüsse gefaßt, die für die Länder erhebliche Folgen haben werden. Dies gilt vor allem für Baden-Württemberg, das fast vollständig aus der Gemeinschaftsaufgabe herausgefallen ist. Deshalb wird das heutige Referat auch sehr stark von dieser Entwicklung in der jüngsten Zeit bestimmt sein. Da Baden-Württemberg nunmehr in eine gewisse "Sonderstellung" gedrängt wurde, werde ich meine Ausführungen überwiegend aus der Sicht dieses Landes machen. Ich möchte betonen, daß ich hier keine offizielle Meinung, sondern meine persönliche Meinung vortragen werde. II. Institutionelle und rechtliche Grundlagen der Regionalpolitik Für die regionale Strukturpolitik ist die föderative Struktur der Bundesrepublik ein wichtiges Datum. Dadurch,daß die Länder zwischen der bundesstaatliehen Ebene und den Gemeinden, die ihrerseits wiederum weitgehende Autonomie genießen, quasi "eingeschoben" sind, ergeben sich ganz besondere Probleme. Es handelt sich also insoweit um ein institutionelles Problem, das aus der Verfassungswirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland resultiert. Wie Sie wissen, sind nach dem Grundgesetz die Bundesländer grundsätzlich in eigener Verantwortung für die regionale Strukturpolitik zuständig. Auch die Einführung des Artikels 91a des Grundgesetzes hat dara n nichts geändert und läßt daran keinen Zwei fel, daß die regionale Strukturpolitik in das Aufgabengebiet der Länder fällt. Der Bund- so heißt es - wirkt mit bei den von den Ländern zu lösenden Aufgaben. Damit räumt auch die rechtliche Regelung der Gemeinschaftsaufgabe den Ländern grundsätzlich noch die Möglich-

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keit ein, außerhalb der regionalen Aktionsprogramme eine zusätzliche regionale Wirtschaftsförderung mit Landesmitteln zu betreiben. Selbstverständlich müssen diese Landesprogramme so angelegt sein, daß sie - insbesondere von den einzuräumenden Präferenzen her die Förderung der Gemeinschaftsaufgabe nicht konterkarieren. Vor allem gilt dies auch im Blick auf die Wettbewerbsregeln nach Artikel 92 des EG-Vertrages. III. Aktivitäten der Länder in der Regionalpolitik Mit diesen einleitenden Ausführungen wird deutlich, daß di e Gemeinschaftsaufgabe aus dem Verständnis der Länder und vor allem auch Baden-Württembergs heraus nicht alle Aktivitäten der regionalen Strukturpolitik in der Bundesrepublik umfaßt. Deshalb ist bei den Aktivitäten der Länder zu unterscheiden zwischen solchen innerhalb und solchen außerhalb der Gemeinschaftsaufgabe. 1. Aktivitäten innerhalb der Gemeinschaftsaufgabe Bei den Aktivitäten innerhalb der Gemeinschaftsaufgabe handelt es sich darum, daß die Länder aufgrund des Rahmenplans eingebunden sind in die Planung und Durchführung der Gemeinschaftsaufgabe. Bekanntlich werden nach § 5 des Gesetze s über die Geme inschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wi rtschaf t sstruktur" im Rahmenplan die Ziele, die Maßnahmen, die Vorausse t zungen, Art und Intensität der Förderung und schließlich die Förderungsgebiete genannt. Allerdings hat die Bundesregierung durch ihr hohes Stimmengewicht im Planungsausschuß eine starke Stellung. Praktisch können die Lä n-

der in keinem der in § 5 aufgeführ ten Tatbestände den Bund über-

stimmen. Es erhebt sich deshalb die Frage, ob - bei aller Anerkennung der Notwendigkeit gewisser Wettbewerbsregeln in der Förderpraxis - die Regionalförderung in den letzten Jahren nicht zu unbeweglich geworden ist. Dies insbesondere im Hinbl ick auf die Vielfalt der zu lösenden räumlichen Probleme. Es wi rd zunehmend zweifelhaft er, ob mit dem vorhandenen regi onalpoliti schen Instrumentari um den verschiedenen Raumkategorien, nämlich den strukturschwachen

län~li c hen

Räumen, den vor immensen Ums t ruk-

turierungsproblemen stehenden alten Industriestandorten, dem Zonen-

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rand und vielen anderen Problemregionen noch Rechnung getragen werden kann. 2. Aktivitäten außerhalb der Gemeinschaftsaufgabe Vor diesem Hintergrund ergeben sich die Hauptdifferenzen zwischen dem Bund und den Ländern oder zwischen dem Bund und einzelnen Ländern bei der Festlegung der Fördergebiete. Die Frage ist: Wie ermittle ich die bedürftigsten Gebiete? Obwohl versucht wurde, die Festlegung der Fördergebiete durch die Mithilfe der Wissenschaft zu objektivieren, war das Ergebnis doch nie so recht befriedigend. Dies insbesondere aus der Sicht Baden-Württembergs, das ja nach den Beschlüssen des Planungsausschusses vom 14. April 1981 den weitaus größten Teil seiner Fördergebiete verloren hat. Es taucht hier die Frage auf, ob es nicht sinnvoll und berechtigt sein könnte, auch noch außerhalb der Gemeinschaftsaufgabe besondere Fördergebiete auf Landesebene auszuweisen. Über die rechtliche Frage dürfte es - wie ich eingangs ausgeführt habe - keinen Zweifel geben. Eine andere Frage ist, ob die Ausweisung von Landesfördergebieten ökonomisch auch sinnvoll ist. Das Problem bei der regionalen Strukturpoliti k ist der räuml i che Bezugsrahmen, in dem man die Strukturschwächen und Strukturprobleme eines Raumes sieht. Vom Standpunkt der EG aus bestehen - wie aus einem erst im Januar 1981 veröffentlichten Bericht über die soziale und wirtschaftliche Lage in den Regionen der Gemeinschaft hervorgeht - in der Bundesrepublik überhaup t keine förderungsbedürftigen Gebiete, wenn man sie z.B. mit Südi t alien, Irland oder Griechenland vergleicht. Vom Standpunkt der Bundesregierung aus werden durchaus im eigenen Land Unterschiede in der Wirtschaftskraft zwischen den einzelnen Teilräumen gesehen. Auch zeigen sich die Problemgebiete, die vom Strukturwandel besonders betroffen sind. Aus Bundessicht sind aber solche Gebiete nicht in Baden-Württemberg zu finden, weshalb nach dem "Eckwertbeschluß" vom 14. April 1981 auch kaum mehr GA-Gebiete in diesem Land ausgewiesen werden. Aus der Sicht des Landes gibt es jedoch räumliche Disparitäten, die auch einen regionalen Handlungsbedarf auslösen können.

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Das Regionalproblem Baden-Württembergs besteht vor allem darin, daß die wirtschaftsstarken und dynamischen Wirtschaftsräume, insbesondere der Mittlere Neckarraum, einen erheblichen Sog ausüben, und zwar auf Erwerbstätige und Unternehmen. Auf Erwerbstätige wegen der qualifizierten Arbeitsplätze, die dort angeboten werden ( im Gegensatz zu vielen anderen Ballungsgebieten hat der Mittlere Nekkarraum besonders niedrige Arbeitslosenquoten aufzuweisen und werden dort in großer Zahl qualifizierte Arbeitskräfte gesucht); auf Unternehmen wegen der tatsächlichen oder vermeintlichen Standortvorteile. Zu nennen sind hier die Fühlungsvorteile eines großen industriellen Zentrums im Bereich von Technologie und Kommunikation; jedoch ist auch der differenzierte Arbeitsmarkt für Unternehmen nicht zu unterschätzen. Für die 80er Jahre gilt zudem, daß in den ländlichen Gebieten mit den lange Zeit hohen Geburtenziffern die Stärke der Jahrgänge, die nunmehr ins Erwerbsleben drängen, besonders ausgeprägt ist. Dies gilt vor allem für Baden-Württemberg. Alle Prognosen sagen dem Land in nächster Zeit eine starke Zunahme der Erwerbspersonen voraus.

Nach Schätzungen des Bundeswirtschaftsministeriums werden 1981 und 1982 im Bundesgebiet jeweils 150.000 zusätzliche Erwerbspersonen auf den Arbeitsmarkt kommen, wobei hiervon auf Baden-Württemberg jeweils rd. ein Drittel entfallen wird. Es besteht daher die Gefahr, daß gerade diese jüngeren und wegen der stark verbesserten schulischen Bildungsmöglichkeiten auch qualifizierten Arbeitskräfte in den peripher gelegenen ländlichen Räumen keine entsprechenden Arbeitsplätze finden und daher in die Verdichtungsräume abwandern. Ein dadurch ausgelöster stärkerer Bevölkerungsrückgang könnte

in diesen schon dünn besiedelten wirt-

schaftsschwächeren Gebieten aber auch dazu führen, daß dort die Tragfähigkeit für die Infrastruktur schwindet und die Standortbedingungen sich verschlechtern, während sich umgekehrt die heute schon schwierigen Infrastruktur- und Umweltschutzprobleme in den Verdichtungsräumen verschärfen. Es kann deshalb ökonomisch durchaus sinnvoll sein, daß ein Land Landesfördergebiete ausweist, auch wenn nach den Kriterien der Gemeinschaftsaufgabe eine Regionalför-

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derung nicht notwendig erscheint. An der hinter uns liegenden Neuabgrenzung zeigt sich übrigens auch die ganze Problematik einer schematisch an bundeseinheitlichen Kriterien ausgerichteten Bestimmung von Fördergebieten. Dies gilt einmal für die Kriterien selbst und zum anderen für deren Gewichtung. Baden-Württemberg hätte sich gewünscht, daß der Wanderungssaldo der Erwerbspersonen als Abgrenzungskriterium stärkere Berücksichtigung gefunden hätte. Große Bedenken bestanden auch seitens des Landes gegen die Aufnahme der Arbeitslosenquote als Abgrenzungskriterium; zumindest hätte es sich eine geringere Gewichtung dieses Indikators im Vergleich zum Arbeitskraftreservekoeffizienten gewünscht. Der Arbeitskraftreservekoeffizient gibt - bei aller Problematik seiner Berechnungsweise - viel besser die künftige Entwicklung des Arbeitsmarktes, also z.B. die Problematik der 80er Jahre wider als die im 5-Jahresdurchschnitt berechnete Arbeitslosenquote. Baden-Württemberg befindet sich hier auch in Übereinstimmung mit der Regionalwissenschaft. Wenn schon die baden-württembergischen Gebiete auf die bundesweiten Indikatoren nicht mehr ansprachen, kam noch erschwerend hinzu, daß der Umfang der Fördergebiete erheblich eingeschränkt wurde. Da gleichzeitig der gesamte Zonenrand und das Saarland unabhängig von der aufgrund der Indikatoren ermittelten Förderbedürftigkeit in der Gemeinschaftsaufgabe vertreten sind, bleibt für die spezifischen Probleme eines Landes wie Baden-Württemberg kein Platz mehr. Immerhin wäre ungefähr die Hälfte des Zonenrandes bei dem nunmehr bestehenden Fördergebietsumfang von 29,77% aufgrundder Indikatoren nicht mehr in der Gemeinschaftsaufgabe vertreten. Die Einbeziehung der Räume wie Wolfsburg, Schweinfurt und Braunschweig mit ihrem überdurchschnittlichen Entwicklungsstand läßt sich nur mit ihrer Lage im Zonenrandgebiet begründen. Aus der Siht Baden-Württembergs kann man auch kurz sagen: "Weil Wolfsburg weiterhin in der GA vertreten ist, fielen Sigmaringen und Waldehut heraus."

3. Sonstige Aktivitäten der Länder Ich habe mich sehr lange bei der Gebietsabgrenzung aufgehalten,

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weil ihr zentrale Bedeutung in der Gemeinschaftsaufgabe zukommt. Allerdings gibt es nicht nur bei

dieser Gebietsabgrenzung, sondern

auch bei den Maßnahmen der Regionalförderung zwischen der Bundespolitik und den Ländern Abweichungen: - So ist einmal festzustellen, daß die GA-Mittel nicht ausreichen, um die regionalen Probleme zu lösen. Der Mitteleinsatz des Bundes ist seit Bestehen der Gemeinschaftsaufgabe nur um rd. 10% erhöht worden, obwohl die Durchschnittskosten für einen zu schaffenden Arbeitsplatz inzwischen von 50.000 auf 190.000.-- Dm angestiegen sind. Für 1981 wurden die Mittel sogar um 20 %gekürzt, was bedeutet, daß die Förderpräferenzen bei weitem nicht mehr ausgeschöpft werden können. Sicher wurde dadurch auch der Druck verstärkt, die Fördergebiete einzuschränken, Allerdings reichten die Mittel schon bisher in der GA-Förderung nicht aus, so daß in den meisten Ländern noch zusätzliche Mittel eingesetzt wurden, Daher vermag auch die Finanzplanung, die im Rahmenplan enthalten ist, nur einen Teilaspekt der Regionalförderung aufzuzeigen, - Was die Zielplanung betrifft, kann rückblickend gesagt werden, daß die Länder natürlich stets bemüht waren, die Ziele der regionalen Strukturpolitik zu erreichen, also konkret zu einer Verbesserung der Beschäftigungs- und Einkommenssituation in den festgelegten Regionen beizutragen. Rein quantitativ ging es vor allem darum, eine bestimmte Zahl neuer Arbeitsplätze zu schaffen, Das gesetzte Ziel zu erreichen, war schon in der Vergangenheit schwer genug. Dies wird auch in Zukunft nicht anders sein, sondern angeeichte der allgemeinen Wachstumsschwäche eher noch problematischer werden. Deshalb dürfte die von Bundesseite verfolgte Fortentwicklung der Zielplanung in der Gemeinschaftsaufgabe, nämlich die jährlich "machbaren" Arbeitsplätze für die einzelnen Regionen vorzugeben, etwas an der Wirklichkeit vorbeigehen. Das rührt vor allem daher, daß sich die Durchführung der regionalen Strukturpolitik - und dafür sind ja die Länder zuständigsehr schlecht an vorgegebenen quantitativen Zielen ausrichten läßt. Die Finanzhilfen sind nur Anreize für bestimmte unterneh-

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merische Verhaltensweisen; es soll vor allem die räumliche Allokation der Ressourcen beeinflußt werden. Die Wirkung der Förderung ist aber von den unternehmeriechen Investitionsentscheidungen abhängig. Es kann seitens des Staates nicht geplant werden, so und so viele Fälle oder eine bestimmte Investitionssumme zu fördern, wenn die entsprechenden Investitionsentscheidungen seitens der Unternehmer nicht getroffen werden. Der Planung eher zugänglich als die einzelbetriebliche Förderung sind die Infrastrukturmaßnahmen. Jedoch ist auch hier zu bedenken, daß letztlich die Investitionen ebenfalls von einer anderen Stelle, z.B. einem anderen Ressort mit spezifischen Zielsetzungen oder von einer anderen Ebene, z.B. Kommune mit eigener Willensbildung, durchgeführt werden. Allerdings bedeutet dies nicht, daß nach meiner Meinung eine Zielplanung generell unterbleiben sollte. Sie ist schon aus Gründen der Zielkontrolle notwendig. Nur sollten die Zielvorgaben nicht zu schematisch sein, weil sie der Wirklichkeit der Förderung nicht standhalten. - Dissens zwischen Bund und Ländern gibt es auch bei der Verwirklichung z.B. des Schwerpunktprinzips. Wenn die Notwendigkeit, an diesem Prinzip möglichst festzuhalten, auch nicht bestritten werden soll, so muß man sich doch hüten, es schematisch anzuwenden. Das Problem stellt sich z.B. in Baden-Württemberg anders als in manchem anderen Bundesland. Die regionale Wirtschaftsförderung hat in Baden-Württemberg eine lange Tradition. Die schon vor mehr als einem Jahrhundert begonnenen staatlichen Bemühungen um Industrieansiedlung haben dazu geführt, daß die industriellen Standorte mittelständischer Unternehmen breiter über das Land gestreut sind als in den meisten anderen Bundesländern. Diese dezentrale Struktur erschwert erheblich die Schwerpunktfindung. Diese Tatsache fand aber in der Gemeinschaftsaufgabe nie ausreichende Berücksichtigung. - Auch bei der Art der Förderung gibt es Abweichungen. So werden

-

~5

-

z.B. in Baden-Württemberg an die kleineren mittelständischen Betriebe zinsgünstige Darlehen anstelle von Zuschüssen vergeben. Sie wird

als die effektivere Förderung für diese Betriebe ange-

sehen, weil es hier auf eine solide längerfristige Finanzierung ankommt. Insgesamt wurden hiermit gute Erfahrungen gemacht. Die Beispiele zeigen, daß auf Länderebene eine größere Flexibilität und eine bessere Anpassung an landesspezifische Gegebenheiten möglich ist. Bundeseinheitliche Regelungen neigen notgedrungen zu einem gewissen Schematismus. Es dauert oft sehr lange, bis neue Aktivitäten in Gang kommen. Konkret denke ich z.B. an die Frage einer innovationsorientierten Regionalpolitik, die auf Bundesebene auch wegen des hohen Konsensbedarfs bisher nur zögernd vorankam. Erste Ansätze in dieser Richtung sind nunmehr für den 10. Rahmenplan vorgesehen, indem künftig die Schaffung neuer hochwertiger Arbeitsplätze im Forschungs-, Entwicklungsund Leitungsbereich besonders gefördert werden kann, IV.Möglichkeiten einer Neuordnung der Gemeinschaftsaufgabe Auf dem Hintergrund dieser Überlegungen erhebt sich deshalb die Frage, ob die jetzige Form der Regionalförderung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe noch optimal ist und ob nicht die Länderaktivitäten, die ja offenbar durch die GA nicht verdrängt wurden und weiterhin fortbestehen, in ein sinnvolles System eingefangen werden könnten. Lassen Sie mich hierzu abschließend noch einige Überlegungen anstellen. - Ein neues System der Regionalförderung könnte so aussehen, daß die GA in konsequenter Anwend11ng des Subsidiaritätsprinzips nur in solchen Gebieten Anwendung findet, in denen die regionalen

Strukturprobleme von einem einzelnen Bundesland nicht gelöst werden können, weil sie die Kraft und die Möglichlceit eines Landes übersteigen. Solche Gebiete könnten nach Lage der Dinge in der Bundesrepublik etwa 15

% der

Bevölkerung umfassen. Es wäre da nn

Sache des Bundes zu entscheiden, ob zu diesen 15 %der gesamte Zonenrand, z.B. Wolfsburg mit dem höchsten Wert des BIP/WOB in der Bundesrepublik und das Saarland gehören sollen oder ob es an-

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dere Gebiete sein müßten. - Bei den verschiedenen Indikatorenmodellen, die der jüngsten Neuabgrenzung zugrunde lagen, zeichnen sich jedenfalls andere als die eben genannten Räume ab: Es sind dies im wesentlichen der Bayerische Wald, große Teile von Rheinland-Pfalz und Gebiete um Emden und Ammerland - Cloppenburg in Niedersachsen. Hier geht es um die Industrialisierung und Strukturverbesserung von noch unter großen Problemen leidenden ländlichen Räumen, letztendlich um die großräumige Verteilung von Industrie und Wachstumspotential in der Bundesrepublik. Dazu kämen sicher noch einige Räume, die strukturell besonders gefährdet sind. Die Größe und Schwierigkeit der hier zu lösenden Probleme übersteigt einfach die Kraft eines Landes. - Die anderen Gebiete könnten in Landesregie gefördert werden. In Baden-Württemberg geht es z.B. praktisch hauptsächlich um die Verteilung des Wirtschaftspotentials im Lande, d.h. vor allem um eine Stärkung des peripher gelegenen ländlichen Raumes, um der Sogwirkung des wirtschaftsstarken Verdichtungsraumes entgegenzuwirken. Ein genereller Industrialisierungsbedarf wie in den vorher genannten Räumen gibt es in Baden-Württemberg nicht mehr. Dies bedeutet allerdings, daß der vorhandene Industriebestand ständig erneuert und angepaßt werden muß. - Die Landesförderunggebiete könnten ebenfalls begrenzt werden auf z.B. 15

% der

jeweiligen Landesbevölkerung, so daß die gesamte

Förderungsgebietskulisse 30

%der

Bundesbevölkerung umfassen wür-

de. Damit hätte jedes Land 15% Fördergebiete, die aufgrund landesspezifischer Kriterien zu bestimmen wären. In bestimmten Ländern kämen dann noch die Gebiete hinzu, für die aufgrund ihrer besonderen Problematik eine Unterstützung von Bundesseite notwendig erscheint. - Mit dieser Mischung aus bundesweit zu ermittelnden "Notstandsgebieten"

und nach Landesmaßstäben zu bestimmenden Problemräumen

ließen sich meines Erachtens die vielschichtigen Regionalproble-

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me in der Bundesrepublik besser in den Griff bekommen. Auch könnte der fortbestehende Dualismus von GA-Planung und abweichender Förderaktivität der Länder wesentlich verringert werden.

V. Zusammenfassung Ich habe versucht, aus der Sicht eines Landes einige Probleme der Regionalförderung, insbesondere wie sie in Form der Gemeinschaftsaufgabe betrieben wird, aufzuzeigen. Mit den Überlegungen zur Neuordnung der Gemeinschaftsaufgabe könnte ich mir vorstellen, daß wieder etwas mehr Bewegung in die Regionalpolitik käme. Verglichen mit anderen Ländern, wie z.B. Frankreich hat die Bundesrepublik Deutschland eine dezentrale Raumstruktur, die gute Ansätze für eine regionsspezifische Wirtschaftspolitik bietet. Diese Chance sollte genutzt werden.

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Zusammenfassung der Diskussion des Referates von Reg.-Dir. Klein In der Diskussion wurde deutliche Kritik an der Vorgehansweise Baden-Württembergs laut, das Hinausfallen der meisten Fördergebiete bei der Neuabgrenzung der Gebietskulisse aus der Gemeinschaftsaufgabe durch landeseigene Programme zu kompensieren. Es wurde befürchtet, daß es bei einer landeseigenen Regionalförderung zwar zu einer intraregionalen Nivellierung innerhalb der einzelnen Bundesländer kommen könne, daß dies aber auf Kosten der interregionalen Angleichung gehen würde, d.h. daß sich die Disparitäten bundesweit zwischen den Ländern fortsetzen würden. Es werde wieder zu einem Wildwuchs der regionalen Förderung kommen, und es trete wieder ein Zustand wie vor Schaffung der Gemeinschaftsaufgabe ein, nämlich daß die einzelnen Länder jeweils ihre eigenen Programme verfolgen und die landeseigenen Regionalprogramme mehr oder minder planlos und unkocrdiniert nebeneinander herliefen. Es wurde darauf hingewiesen, daß die Gemeinschaftsaufgabe gerade dazu geschaffen worden sei, als Korsett diesen Wildwuchs der regionalen Förderung durch die einzelnen Länder mit ihrer unterschiedlichen Finanzkraft zu beschneiden. Dem Planungsausschuß sei oft seine relative Unbeweglichkeit vorgeworfen worden, und wenn er bei der Neuabgrenzung zum ersten Mal seine Handlungsfähigkeit richtig unter Beweis stelle, werde die Stringenz der Planung von einzelnen Ländern, insbesondere Baden-Württemberg, durch eigene Programme in Frage gestellt. Der Referent betonte, daß man auch in Baden-Württemberg nicht glaube, die landeseigenen Programme seien effizienter als die Gemeinschaftsaufgabe. Es sollten vielmehr Probleme berücksichtigt werden, die durch die Gemeinschaftsaufgabe nicht abgedeckt würden. Darüber hinaus gab er zu bedenken, daß aus der Sicht Baden-Württembergs eine Förderung der ländlichen Gebiete mit dem Ziel, einen Ausgleich der Lebensverhältnisse zu schaffen, inzwischen überholt sei, da sich in den vergangeneo zwölf Jahren viel geändert habe. Das Ziel der Gemeinschaftsaufgäbe solle es vielmehr sein, solche Problemregionen zu fördern, die ein Land aus eigener Kraft nicht genug fördern könne. Dieses Ziel könne auch mit einer kleineren Förderkulisee angestrebt werden, als dies heute der Fall sei. Darüber hinaus müsse es den einzelnen Ländern aber gestattet sein,

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durch landeseigene Programme die Unterschiede innerhalb der Länder auszugleichen, zumal durch das föderative System jede Regierung für ihr eigenes Land verantwortlich sei. Die Zielsetzung der Regionalpolitik in Baden-Württemberg sei denn auch etwas anders gelagert als im Bund. Es werde weniger das Ausgleichsziel im Hinblick auf die Angleichung der Arbeitsplätze zwischen den Regionen betrachtet, zumal Baden-Württemberg ohnehin die höchste Industriedichte habe, sondern es stehe das Einkommensziel im Vordergrund. Baden-Württemberg habe in der Einkommensentwicklung im Vergleich zum Bundesdurchschnitt zurück gelegen, habe aber inzwischen aufgeholt. So gehe es in Baden-Württemberg auch weniger als etwa in Rheinland-Pfalz oder Schleswig-Holstein darum, zusätzliche Industrie anzusiedeln, als darum, die Umstrukturierung der Wirtschaft und die Sicherung des Bestandes im Zuge des regionalen Strukturwandels zu ermöglichen, wenn man beispielsweise an die Uhrenindustrie und Textilindustrie denke, Vom Referenten wurde darauf hingewiesen, daß das Gewicht der regionalen Arbeitslosenquote bei der Neufestsetzung der Gebietskulisse aus Baden-Württembergischer Sicht viel zu hoch angesetzt worden sei, zumal die Arbeitslosenquote bei der Abgrenzung der Fördergebiete ursprünglich nur als Ergänzung zu den anderen Indikatoren hinzukommen sollte. Ein Teilnehmer bemerkte, daß die Berücksichtigung der Arbeitslosenquote bei der Abgrenzung der Gebietskulisse sehr wohl sinnvoll sei, da eine jahrelange konstant hohe Arbeitslosenquote doch ein deutlicher Hinweis auf strukturelle Probleme der betreffenden Region sei. Zudem müsse man Arbeitslosenprobleme heute höher bewerten als be i spielsweise Infrastrukturprobleme, obwohl das Gewicht beider Indikatoren jeweils gleich hooh angesetzt wurde.

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Qualitative Erfolgskontrolle in der regionalen Wirtschaftspolitik Dr. Dieter Louda

I. Forderungen nach umfassenden und systematischen Erfolgskontrollen in der öffentlichen Verwaltung werden seit langem erhoben. Schon Anfang 1968 wurde in einer Wissenschaftsdebatte des Deutschen Bundestages im Zusammenhang mit dem überproportionalen Ansteigen des Wissenschaftsetats eine Erfolgskontrolle der Forschungsförderung verlangt. In jüngster Zeit hat die Forderung nach Erfolgskontrollen Möglichkeiten des Subventionsabbaus aufzeigen sollen. Der 7. Subventionsbericht der Bundesregierung vom August 1979 geht daher auch ausführlich auf Möglichkeiten und Grenzen von Erfolgskontrollen ein. Institutionalisierung und Umfang von Erfolgskontrollen hängen eng mit der Ausprägung der Planung zusammen: Je mehr nach Programmen geplant wird, umso eher kann eine ziel- und ergebnisorientierte Erfolgskontrolle Platz greifen. Erfolgskontrollen werden daher in der öffentlichen Verwaltung bisher zumeist nur in Teilbereichen durchgeführt bzw. erprobt. Dabei zeigte sich zumeist, daß ein schrittweises, pragmatisches Vorgehen der einzig erfolgversprechende Weg zur Installierung von Erfolgskontrollen ist. In den Gremien der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" wurde die Bedeutung eines Erfolgskontrollsystems schon Anfang der siebziger Jahre erkannt. Schon im ersten Ra~~enplan der Gemeinschaftsaufgabe, der 1972 in Kraft trat, ist von einer Erfolgskontrolle die Rede, der die Fördergebiete unter-

worfen werden sollen. Im Jahre 1974 wurden dann drei Gutachten vergeben, von denen Vorschläge zum Aufbau eines operationalen Erfolgskontrollsystems erwartet wurden. Die Gutachten, in deren Mittelpunkt die Zielerreichungskontrolle stand, haben zwar eine Reihe wichtiger Denkanstöße gegeben; die Umsetzung der meisten Empfehlungen in ein praktikables Erfolgskontrollsystem erwies sich jedoch als schwierig. Dies lag sicherlich zum Teil daran, daß den politi-

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sehen Implikationen von Erfolgskontrollen zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Es lag aber auch daran, daß die Gutachten nur wenige, hinreichend konkrete Vorschläge für den Aufbau eines umfassenden und in den Methoden flexiblen Erfolgskontrollsystems enthielten. Es verwundert daher nicht, daß der Aufbau einer systematischen Erfolgskontrolle auf der Basis einfacher und überschaubarer Verfahren nur schrittweise vorankam. Das derzeitige System der Erfolgskontrolle in der Gemeinschaftsaufgabe umfaßt im wesentlichen drei Bestandteile, die allerdings unterschiedlich weit entwickelt und ausdifferenziert sind: 1. Einzelbetriebliche Erfolgskontrollen Der Aufbau eines systematischen Berichtssystems und die analytische Auswertung der daraus gewonnenen Ergebnisse stehen noch am Anfang. Wenn die geplanten Vorhaben gelingen - und dies hängt nicht zuletzt von der Lösung der Datenschutzprobleme ab - sind davon jedoch wichtige Informationen zu erwarten. Ich werde dies später noch im einzelnen erläutern. 2. Wirkungskontrollen Wirkungskontrollen sollen vor allem Aufschluß geben, ob das Förderungsinstrumentarium optimal ist und optimal eingese t zt wird. Zwar gibt es einige Ansätze empirischer Wirkungsanalysen zu bestimmten regionalpol i tischen Fragestellungen; ein ü berzeugender Ansatz für eine laufende, systematische Wirkungskontrolle ist aber noch nicht in Sicht. Dies bedeutet aber nicht , daß sich das fragmentarische Wissen nicht für die Ausgestaltung der Förderinstrumente nutzen läßt. Ich werde darauf noch zurückkommen.

3. Zielerreichungskontrollen Zielerreichungskontrollen standen von Anfang an im

Mittelp~t

der Bemühungen um eine Erfolgskontrolle in der Gemeinschaftsaufgabe . Kernstück der Zielerreichungskontrolle ist die sog. Endkontrolle, die auf eine Überprüfung und Neuabgrenzung der Fördergebiete hinausläuft. Ich werde noch im e i nzelnen über die vor kurzem gefaßten Beschlüsse zur Neuabgrenzung der Fördergebiete berichten. Auf die jährliche Zwischenkontrolle, die vor

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allem eine Verbesserung der Planungsgrundlagen für die regionalisierten Ziele des Rahmenplans bringen soll, möchte ich hier nur hinweisen; Herr Dr. Albert wird diese Probleme in seinem Referat in allen Einzelheiten behandeln. Im 6. Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe findet sich erstmals die Ankündigung, daß im Rahmen der Erfolgskontrolle nach Möglichkeit auch qualitative Aspekte regionaler Arbeitsmärkte berücksichtigt werden sollen. Zur Konkretisierung und Realisierung dieses Programms wurden auch einige Gutachten vergeben. Diese Gutachten konnten zwar einige interessante Detailergebnisse zu Tage fördern, machten aber zugleich die Fülle der Probleme deutlich, die beim Versuch einer systematischen Einbeziehung qualitativer Aspekte in das Erfolgskontrollsystem auftreten. Die Bedeutung qualitativer Aspekte für die Regionalpolitik zeigt sich insbesondere daran, daß bei qualitativen Arbeitsmarktungleichgewichten das regionale Entwicklungspotential nur unzureichend ausgeschöpft wird; eine Vernachlässigung qualitativer Aspekte kann daher längerfristig dazu führen, daß regionale Entwicklungsprozesse ins Stocken geraten. Eine Verbesserung der Qualifikationsstruktur des regionalen Arbeitskräftepotentials stellt einen wichtigen Faktor für industrielle Standortentscheidungen dar und erhöht somit die Chancen, Entwicklungsrückstände aufzuholen und der Gefahr einer weiteren sozialen Erosion strukturschwacher Räume zu entgehen. Nach diesen mehr allgemeinen Vorbemerkungen möchte ich nunmehr im einzelnen auf die Elemente des Erfolgskontrollsystems der Gemeinschaftsaufgabe eingehen und dabei auch Ansatzpunkte für Analysen qualitativer Aspekte regionaler Arbeitsmärkte aufzeigen. II. Die gesamtwirtschaftliche und regionalwirtschaftliche Effizienz der regionalen Strukturpolitik läßt sich mit einzelbetrieblichen Erfolgskontrollen sicherlich nicht hinreichend überprüfen. Einzelbetriebliche Erfolgskontrollen können aber eine Reihe wichtiger

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Erkenntnisse liefern, die für regionalwirtschaftliche Effizienzanalysen und politische Entscheidungen nutzbar gemacht werden können. Administrative Nachprüfungen als wichtigste Form einzelbetrieblicher Erfolgskontrollen werden vor allem von der Verwaltung, aber auch durch Stichproben der Rechnungshöfe vorgenommen. Durch administrative Nachprüfungen wird unter anderem fescgestellt, ob in den geförderten Betrieben die im Förderantrag angegebenen Investitionen tatsächlich durchgeführt wurden und ob die angegebenen Arbeitsplätze wirklich geschaffen worden sind. Administrative Nachprüfungen in diesem Sinne sind nicht nur in der regionalen Wirtschaftsförderung, sondern auch bei anderen Förderprogrammen üblich. Nach dem neuen Wirtschaftskriminalitätsgesetz sind die Unternehmen im übrigen verpflichtet, alle subventionserheblichen

~atsachen,

also z.B. Änderungen bei den angegebenen Investitionen und Arbeitsplätzen, den Förders t ellen zu melden. Dies hat sicherlich dazu beigetragen, daß die auf der Auswertung der Förderanträge basierenden Statistiken zuverlässigere Aussagen ermöglichen. Die Bedeutung einzelbetrieblicher Erfolgskontrollen wurde in den Gremien der Gemeinschaftsaufgabe erst in jüngster Zeit voll erkannt. Ein erster Versuch in dieser Richtung bestand darin, im Nachhinein einzelbetriebliche Erfolgskontrollen für die im Zeitraum 1972 1977 geförderten Neuansiedlungsprojekte durchzuführen. Durch die Untersuchung des Werdegangs der seit 1972 in den Fördergebieten neu angesiedelten Betriebe sollte unter ande r em festgestellt werden, wie hoch der Anteil von Betriebsstillegungen bei neu angesiedelten Betrieben ist, welche Bedeutung spätere ErweiteTungsinvestitionen haben und wie sich der Arbeitsplatzbestand in quantitativer und qualitativer Hinsicht entwickelt hat. Dieser interessante Versuch konnte leider nicht erfolgreich abgesc hlossen werden, da keine vergleichbaren Zahlen für alle Länder beschafft werden konnten. Die fragmentarischen Ergebnisse deute t en jedoch darauf hin, daß die neu angesiedelten Betri ebe eine relat iv hohe Persistenz aufwiesen und häufig später Erweiterungsinvestitionen mit beachtlichen Arbeitsplatzeffekten durchführten. Dies weist auf ein posi-

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tives Selektionsergebnis hin. Bei einem anderen Vorhaben geht es darum, Angaben über die t atsächlich geschaffenen Arbeitsplätze aus den Verwendungsnachweisen zusammenzustellen und für Zwecke der Erfolgskontrolle nutzbar zu machen. Derzeit läßt sich noch nicht absehen, ob es gelingt, für alle Länder vergleichbare Zahlen zu erhalten. Diese Zahlen könnten beispielsweise dazu benutzt werden, die Arbeitsplatzzahlen der Antragsstatistik, die im wesentlichen Bruttozahlen sind, zu überprüfen und ggf. zu korrigieren. Bei einem dritten Vorhaben, das gerade in Angriff genommen worden ist, geht es um die Frage, ob man Investoren verpflichten kann, bestimmte Daten einmalig oder ständig mitzut eilen. Dabei ist auch zu prüfen, ob man nicht auf einzelbetriebliche Daten der amtli chen Statistik zurückgreifen kann, die ggf. mit Förderdaten verknüpft werden könnten. So könnte man eventuell im Antragsformular eine Erklärung des Antragstellers aufnehmen, in der dieser seine Bereitschaft zur Verwendung bzw. Heldung bestimmter Daten erklärt. Ich will hier nicht auf die Datenschutzprobleme eingehen, die hierbei auftreten. Herr Südfeld wird in seinem Referat die Datenschutzproblematik sicherlich noch ausführlich behandeln. Im Augenblick ist noch völlig offen, ob und in welcher Form sich dieses Vorhaben

realisieren läßt. Es steht aber außer Frage, daß erst auf dieser Grundlage fundierte regionalwirtschaftlic he Effizienzanalysen möglich sind. So könnte man zunächst versuchen, die tatsächlich geschaffenen und besetzten Arbeitsplätze der geförderten Betriebe durch einzelbetriebliche Kontrollerhebungen zu ermitteln. Ein Vergleich dieser Zahlen mit den

entsprechenden Bruttozahlen der Antragsst atistik

läßt gewisse Rückschlüsse auf den Zielerreichungsgrad zu. Durch Aggregation der Daten für einzelne Betriebe i n best immten Regionen l a ssen sich dann re gionalwirtschaftliche Aussagen über die Effizienz der Förderung gewinnen. Diese Zahlen für die geförderten Betriebe können dann mit der Gesamtentwicklung des Verarbeitenden

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Gewerbes der jeweiligen Region verglichen werden, um festzustellen, in welchem Ausmaß die Gesamtentwicklung von den geförderten Betrieben beeinflußt worden ist. Derartige Ansätze einzelbetrieblicher Erfolgskontrollen gibt es bereits in manchen Bundesländern; vor allem Rheinland-Pfalz verfügt über ein relativ hochentwickeltes System einzelbetrieblicher Erfolgskontrollen. Für die Fördergebiete der Gemeinschaftsaufgabe insgesamt sind derartige Ansätze aber noch nicht hinreichend erprobt. Einzelbetriebliche Erfolgskontrollen bieten auch die Möglichkeit, qualitative Analysen durchzuführen. So können beispielsweise die Angaben über Investitionen und Arbeitsplätze nach Branchen aufbereitet werden, um festzustellen, ob die geförderten Investitionen zu einer Auflockerung der Branchenstruktur beigetragen haben. Von großem Interesse ist auch die Entwicklung der Lohn- und Gehaltssumme je Beschäftigten in den

geförd~rten

Betrieben. Bei starker re-

gionaler und sektoraler Disaggregation der Daten spiegelt die Entlohnung nämlich indirekt die Qualifikation wiier. Nach diesen Bemerkungen zu Ansätzen einzelbetrieblicher Erfolgskontrollen möchte ich nun näher auf den zweiten Bereich des Erfolgskontrllsystems der Gemeinschaftsaufgabe, nämlich die Wirkungskontrollen, eingehen. III.

Der Aufbau umfassender und ständiger Wirkungskontroller- stößt im Bereich der regionalen Strukturpolitik auf viele Schwierigkeiten. Eine Ursache stellt zunächst der Mangel an gesicherten Erkenntnissen über Wirkungsrichtung und Wirkungsgrad des regionalpolitischen Förderinstrumentariums dar. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, daß sich Wirkungskontrollen nicht nur mit dem Kausalitätsproblem, sondern auch mit dem Dosierungsproblem zu befassen haben. Die meisten der vorliegenden Untersuchungen - ich weise hier nur auf die Studien von Recker, Bölting, Ehrfeld, Georgi/Giersch und Freund/Zabel hin - ermitteln eine positive Wirkung des eingesetzten regionalpolitischen Instrumentariums. Es kann also grundsätzlich

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von einer wirksamen Beeinflussung der regionalen Investitionen durch regionalpolitische Instrumente ausgegangen werden. Die Untersuchungen, die sich auf unterschiedliche räumliche, sachliche und zeitliche Einheiten beziehen, differieren allerdings erheblich hinsichtlich der ermittelten quantitativen Effekte der Förderung. Zur begrenzten Aussagefähigkeit empirischer Wirkungsanalysen kommt das zeitliche Nachhinken der Wirkungsforschung hinzu. Die Verwertbarkeit der Ergebnisse für die zukünftige politische Planung wird dadurch sehr erschwert. Hinzu kommt eine Fülle von Detailproblemen, die bei der Durchführung von Wirkungsanalysen zu bewältigen sind: Umfang und Qualität der verfügbaren Daten, Konstruktion von Indikatoren, time lags, Neutralisierungseffekte usw. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die empirische Wirkungsforschung die an sie gestellten Erwartungen nur zu einem geringen Te i l erfüllt. Beim der zeitigen Stand der Forschung bestehen berechtigte Zweifel, ob sich ständige Wirkungskontrollen in der regionalen Wirtschaftsförderung auf absehbare Zeit überhaupt installieren lassen. Die Ergebnisse empirischer Untersuchungen zu bestimmten regionalpolitischen Fragestellungen liefern jedoch wichtige Erkenntnisse für die Ausgestaltung der Förderinstrumente und finden nicht zuletzt in der Anpassung der Förderungsregelungen ihren Niederschlag. Einige Beispiele mögen dies verdeutlichen. Zweigbetriebe werden in der regionalen Wirtschaftsförderung nicht anders behandelt als Stammbetriebe. Untersuchungen zeigen nämlich, daß die vielfach behauptete stärkere Konjunkturanfälligkeit von Zweigbetrieben nur auf parallel-produzierende Zweigbetriebe zutrifft, nicht hingegen auf Zweigbetriebe mit eigenständigem und diversifiziertem Produktionsprogramm. In den Fördergebieten wurde zumeist die letztere Art von Zweigbetrieben angesiedelt. Ein anderes Beispiel. In der Bundesrepublik werden nach wie vor keine Disincentives in Ballungsgebieten als regionalpolitisches Mittel eingesetzt. Untersuchungen zeigen nämlich, daß die bisher in anderer. EG-Ländern praktizierten Kontrollpolitiken nur von eng

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begrenzter Wirksamkeit waren und im übrigen auf die Bundesrepublik kaum übertragbar sind. Die Erfahrungen mit Disincentives in anderen Ländern lassen es generell zweifelhaft erscheinen, ob Disincentives in der Bundesrepublik ein adäquates und praktikables Instrument zur Erreichung regionalpolitischer Ziele sind. Ein drittes Beispiel. Es gibt verschiedene Indizien dafür, daß innovationsorientierte Elemente in der regionalen Wirtschaftsförderung verstärkt werden sollten, um die Fördergebiete stärker auf den technologischen Wandel und die Qualitätskonkurrenz hin zu rüsten. Es wurden daher mit dem 9. Rahmenplan die Förderungsregelungen in der Weise verändert, daß die Forschungszulage nach dem Investitionszulagengesetz künftig zumindest teilweise nicht auf die Förderhöchstsätze des Rahmenplans angerechnet wird, Für den 10. Rahmenplan ist die Erprobung einer spezifischen Förderform für solche Forschungs-, Entwicklungs- und Managementarbeitsplätze geplant, die zwar hohe Einkommen vermitteln, aber nur geringe Investiti onskosten je Arbeitsplatz erfordern, Und schließlich ein letztes Beispiel. In der Gemeinschaftsaufgabe werden Erweiterungsinvestitionen nur dann gefördert, wenn dadurch mindestens 50 neue Arbeitsplätze geschaffen werden oder der Bestand an vorhandenen Arbeitsplätzen um mindestens 15% erhöht wird. Diese Erweiterungsschwelle dürfte auch qualitative Selektionswirkungen haben, da diese Bedingung in erster LiniP. von wachstumsorientierten Unternehmen erfüllt werden kann. Ich möchte nun zu den Zielerreichungskontrollen übergehen und dabei insbesondere die Neuabgrenzung der Fördergebiete behandel n. IV. Der Planungsausschuß für regionale Wirtschaftsstruktur hat t e bereits Ende 1977 den Beschluß gefaßt, mit dem 10. Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe im Jahre 1981 eine Neuabgrenzung der Fördergebiete vorzunehmen. Auf der Basis systematischer Vorarbeiten seines Unterausschusses hat sich der Planungsausschuß Anfang 1979 für die Beibehaltung sog. Arbeitsmarktregionen als Gebietsraster der

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Fördergebietsabgrenzung ausgesprochen und aus einer Vielzahl von Indikatoren zur Analyse von Regionen fünf Indikatoren ausgewählt, die in ihrer Gesamtheit die bestehende Wirtschaftskraft von Regionen und ihre künftigen Entwicklungschancen einigermaßen zutreffend beschreiben können. Grundlage einer sachgerecht en Auswa hl von Fördergebieten ist eine adäquate bundeseinheitliche Abgrenzung von Regionen. Administrative Gebietseinheiten wie Landkreise eignen sich für diese Zwecke im allgemeinen wenig. In der Gemeinschaftsaufgabe werden daher sog. Arbeitsmarktregionen verwendet, die gemeindescharf abgegrenzt sind. Die Arbeitsmarktregionen sind auf der Grundlage von Pendlerverflechtungen abgegrenzt und tragen somit ökonomischen Verflechtungsbeziehungen Rechnung. Der für die Neuabgrenzung der Fördergebiete verwendete Gebietsraster besteht aus einer flächendeckenden Aufteilung der Bundesrepublik in 179 Arbeitsmarktregionen; Bund und Länder haben diesen Gebietsraster einvernehmlich beschlossen. Da die Arbeitsmarktregionen gemeindescharf abgegrenzt sind, mußte eine Datenbasis erarbeitet werden, die auch eine gemeindescharfe Berechnung der Indikatoren erlaubt. Die umfangreichen und zeitaufwendigen Vorarbeiten, in die auch die Statis t ischen Landesämter eingeschaltet werden mußten, konnt en erfolgreich abgeschlossen werden. Sowohl die beiden Arbei t smarktindikatoren als auch die beiden Einkommensindikatoren konnten für gemeindescharf abgegrenzte Arbeitsmarktregionen berechnet werden. Lediglich der Infrastrukturindikator ließ sich nur für kreisscharf abgegrenzte Diagnoseeinheiten berechnen, die hilfeweise zur a nnähernden Beurteilung der gemeindescharf abgegrenzten Arbeitsmarktregi onen verwende t werden und die zwangsläufig Informat ionsverzerrungen mit sich bringen. Bei der Entscheidung über die Indikatoren der Neuabgrenzung hatte der Planungsausschuß i nsbesondere dar auf zu a chten, daß nur solche Indika toren ausgewä hlt wurden, die eindeutigen Zielcharakter (v.a. im Hinblick auf Einkommen und Beschäftigung ) haben und die grundsätzlich mit den Instrument en der Gemeinschaftsaufgabe bee i nflußt werden können. Bei Arbeitsmarkt- und Einkommensindikatoren sind diese Anforderungen im allgemeinen erfüllt. Beim Infrastrukturin-

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dikator ist dies zwar teilweise zweifelhaft, aber dieser Indikator läßt sich in gewissem Maße auch als eine Art Standortindikator interpretieren, dessen Aufnahme in das Abgrenzungssystem eher zu rechtfertigen ist. Als Arbeitsmarktindikatoren wurden der mehr zukunftsbezogene Arbeitskräftereservequotient und die mehr gegenwartsbezogene Arbeitslosenquote ausgewählt: a) Der Arbeitskräftereservequotient wurde aus Regionalprognosen des Arbeitsplatzangebots und der Arbeitsplatznachfrage für das Jahr 1985 ermittelt; er ist definiert als Saldo aus Arbeiteplatznachfrage und Arbeitsplatzangebot bezogen auf die Arbeitsplatznachfrage. Dieser Indikator ist zwar mit Prognoserisiken behaftet, aber er ist der einzige von den fünf Indikatoren, der etwas über künftige Entwicklungen aussagt und damit Hinweise auf das Ausmaß der regionalen Strukturkrisengefährdung gibt. Da die regionale Strukturpolitik auch prophylaktisch wirken soll, ist ein solcher Indikator bei der Abgrenzung von Fördergebieten kaum zu ersetzen. b) Regi onale Arbeitslosenquoten berücksichtigen aktuelle Beschäftigungsprobleme und zeigen in gewissem Maße auch die Konjunkturempfindlichkeit regionaler Arbeitsmärkte an. Da die konjunkturellen Einflüsse eines Bezugsjahres keine geeignete Basis für strukturpolitische Aktivitäten sind, wurde als Indikator für die Fördergebietsabgrenzung ein ungewichteter Durchschnittswert der regionalen Arbeitslosenquoten der Jahre 1976 bis 1980 verwendet. Auch regionale Arbeitslosenquoten sind nicht problemlos; z.B. spiegelt die registrierte Arbeitslosigkeit nicht die gesamte Unterbeschäftigung wider und Abwanderungen entlasten zwar statistisch den Arbeitsmarkt, können aber insbesondere erhebliche qualitative Arbeitsmarktprobleme aufwerfen. Auch beim Einkommen gibt es keinen voll befriedigenden Indikator. Es wurden daher zwei Einkommensindikatoren, nämlich die Lohn- und Gehaltssumme je Arbeitnehmer und das Bruttoinlandsprodukt je Kopf

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der Wohnbevölkerung, in das Abgrenzungssystem aufgenommen; für diese Indikatoren sind aktuelle Informationen verfügbar und sie ergänzen sich in ihrer Aussagekraft: a) Die Lohn- und Gehaltssumme je Arbeitnehmer reflektiert als Näherungsgröße für die Arbeitsproduktivitäten und als Ausdruck für die Möglichkeiten zur Einkommenserzielung sowohl wachstumsals auch ausgleichspolitische Ziele. Teilweise kommen in diesem Indikator auch qualitative Arbeitsmarktprobleme zum Ausdruck. Mit Hilfe aktueller Daten aus der Industrieberichterstattung wurde die Lohn- und Gehaltssumme je Arbeitnehmer für das Jahr 1978 berechnet. Bei der Fortschreibung dieses Indikators mußte aber von der nicht unproblematischen Annahme ausgegangen werden, daß das Verhältnis zwischen der Lohn- und Gehaltssumme je Arbeitnehmer in der Industrie und der entsprechenden gesamtwirtschaftlichen Einkommensgröße konstant bleibt. b) Das Bruttoinlandsprodukt je Kopf der Wohnbevölkerung gibt die in einer Region erwirtschafteten Einkommen an und ist insofern ein Maßstab für die regionale Wirtschaftskraft i.e.S •• Auch dieser Indikator, der für das Jahr 1978 auf gemeindescharfe Arbeitsmarktregionen umgerechnet wurde, ist nicht ohne Problem; Verzerrungen können beispielsweise durch regionale Unterschiede in der Bedeutung der indirekten Steuern hervorgerufen werden. Der komplexe Infrastrukturindikator enthält fünf Bereiche; Verkehrsinfrastruktur, Energieinfrastruktur, Umwelt (v.a. Abwasserbeseitigung), Ausbildungsinfrastruktur und soziale Infrastruktur. Für diese Bereiche wurde wiederum eine Reihe von Einzelindikatoren berechnet, die zunächst zu Bereichsindikatoren und dann zum Gesamtindikator zusamroengefaßt werden. Die zuletzt auf der Datenbasis 1970 berechneten Indikatoren wurden soweit als möglich bzw. vertretbar aktualisiert. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die ausgewählten Indikatoren für sich genommen zwar alle ihre Probleme haben, aber das Indikatorensystem insgesamt doch hinreichend aktuelle und zuverlässige

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Aussagen über die wichtigsten regionalwirtschaftlichen Entwicklungen liefert. Die Neuabgrenzung der Fördergebiete konnte also bundesweit auf einer fundierten und aktuellen Basis erfolgen. Gegenüber der Fördergebietsabgrenzung von 1975 sind als wesentlich neues Element erstmals regionale Arbeitslosenquoten im Indikatorensystem enthalten. Von großer Bedeutung ist auch, daß die Einkommens- und Arbeitsmarktindikatoren nach umfangreichen Vorarbeiten nun für gemeindescharf abgegrenzte Arbeitsmarktregionen berechnet wurden und damit eine Quelle für teilweise bedeutsame Informationsverzerrungen beseitigt wurde. Am 14. April 1981 hatte nun der Planungsausschuß auf der Grundlage des aktuellen Datenmaterials für die Indikatoren Beschlüsse zur Neuabgrenzung der Fördergebiete zu fassen. Man muß sich darüber im klaren sein, daß bei der Fördergebietsauswahl systematische Analysen und politisches Werturteil zusammenwi rken müssen, um sachlich fundierte und politisch vertretbare Entscheidungen zu ermöglichen. Für die Auswahl der Fördergebiete auf der Grundlage der für die einzelnen Regionen ermittelten Indikatorenwerte waren vor a llem zwei im Kern politische Entscheidungen von zentraler Bedeut ung: 1. Es mußte entschieden werden, welche Gewichte die Einzelindikatoren bei der Zusammenfassung zu einem Gesamtindikator haben sollten. Die Gewichtung der Indikatoren reflektiert in gewissem Maße die politische Bewertung regionalpolitischer Ziele. Der Planungsausschuß entschied sich schließlich ohne Gegenstimmen für ein Gewichtungsmodell, bei dem alle fünf Einzelindikatoren das gleiche Gewicht von jeweils

2~fo

erhielten. Arbeits-

markt- und Einkommensaspekten wurde also das gleiche Gesamtgewicht von 4~fo zugeordnet, die Infrastruktur ging mit halbem Gewicht ein. Das Gewichtungsschema blieb also gegenüber der Fördergebietsabgrenzung von 1975 unverände rt . Es wurde zwar auch erwogen, den Arbeitsmarktgruppenindikator, der durch die ungewichtete Zusammenfassung der beiden Einzelindikatoren ermitt elt wurde, als zusätzliches Auswahlkriterium heranzuziehen. Ein derartiges Modell, für das auch der Bund eine gewisse Präferenz

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zeigte, stieß jedoch im Planungsausschuß auf klare Ablehnung der Ländermehrheit, 2. Es mußte der Schwellenwert festgelegt werden, der über die Aufnahme als Fördergebiet Sch~/ellenwertes,

entscheidet. Mit der Festsetzung des

also des Indikatorenwertes der letzten Region,

die gerade noch Fördergebiet

~lird,

ist gleichzei t.iJg der Gesamt-

umfang der Fördergebiete bestimmt, gemessen als Bevölkerungsanteil der Fördergebiete an der Gesamtbevölkerung des Bundesgebietes. Der Planungsausschuß hat sich mit großer Mehrheit darauf geeinigt, die Fördergebiete, in denen derzeit 36% der Bevölkerung des Bundesgebietes leben, auf einen Bevölkerungsanteil von 29,77% zu reduzieren. Da das Zonenrandgebiet in sei ner Gesamtheit gesetzlich fes t gelegtes Fördergebiet ist und da das Saarland auch künftig nur Fördergebiet sui generis bleibt, standen weniger als zwei Drittel der Fördergebiete zur Disposition. Bedenkt man weiterhin, daß auch einige Regionen neu in die Förderung kamen, so zeigt sich, daß deutlich mehr als ein Drittel der disponiblen Fördergebiete entlassen wurden. Diese deutliche Reduzierung der Fördergebiete kann durchaus als Beweis für die Reformfähigkeit der Gemeinschaftsaufgabe

ge1~ertet ~~erden.

Den ausscheidenden Förder gebi eten wurde allerdings eine kulante Übergangsfrist von 3 Jahren eingeräumt, wobei aber 1983 nur noch mit der Investitionszulage gefördert W8rden kann. Diese Übergangsregelung, die schon aus Gründen des Vertrauensschutzes nötig ist, trägt auch dazu bei, die Neuabgrenzung politisch verkraftbar zu machen. Dies ist besonders für Baden-Württemberg sehr wichtig, das 88% seiner Fördergebiete verliert und nur noch die Arbeitsmarktre-

gion Buchen als Fördergebiet behält. Die Tatsache der Ausscheidens aus der Förderung der Gemeinschaftsaufgabe soll t e jedoch von den betroffenen Städten und Geme inden nicht nur negativ gesehen werden: Schließlich ist es keine Schande, wirtschaftli ch relativ besser dazustehen a ls andere Regionen und damit weniger auf staatliche Förderprogramme angewiesen zu sein! Eine relativ positive wirtsc haftliche Entwicklung einer Region läßt s i ch durchaus als attraktives Werbeargument einsetzen; potentielle

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Investoren lassen sich im allgemeinen von .finanziellen Anreizen nur bedingt beeinflussen. Das Etikett "Nicht-Fördergebiet 11 ka nn für eine Region durchaus ein positiver "Standortfaktor" sein bzw. werden, der fehlende Investitionszuschüsse und dergleichen ganz oder zumindest teilwe ise kompensiert. Das umfangreiche r1aterial der Neuabgrenzung wird in wenigen Nonaten zur Veröffentlichung .freigegeben und steht dann für detaill i erte wissenschaftliche Analysen zur Verfügung. Über einige besonders interessante Ergebnisse,

die bei einer ersten Auswertung des Neu-

abgrenzungsmateriale auffallen, möchte ich jedoch hier und heute noch kurz berichten: 1. Zunächst ist bemerkenswert, daß nur wenige neue Regionen als Fördergebiet aufgenommen wurden. Auch wenn keine Reduzierung der Fördergebiete erfolgt wäre, hätte dies nur minimale Auswirkungen auf die Aufnahme neuer Regionen in die Förderung gehabt. Von den .fünf neuen Regionen (Mönchengladbach, Düren, Wesel-Noers, Syke, Lindau) entfallen nach Bevölkerungsanteilen gerechne t ca. 90% auf HRW. Das eigentliche Ruhrgebiet ist allerdings auch künftig nur mit der Arbeitsmarktregion Recklinghausen als Fördergebie t vertreten. 2. Bei den ausscheidenden J!'ördergebieten ist zunächst bemer kenswert, daß nach Bevölkerungsanteilen gerechnet rund die Hälfte auf Bayern (rd. 30%) und Baden-Württemberg (rd. 20%) entfällt. Die günstigere wirtschaftliche Entwicklung im Süden der Bundesrepublik machte sich a lso au ch kleinräuml i ch bei der Fördergebie tsa bgrenzung deutlich bemerkba r. Baden-Württemberg behält nur noch den Raum Buchen als Fördergebiet. In Bayern scheiden vor allem die Regionen Aschaffenburg und Würzburg in Nordbayern, die Regionen Dillingen a.d. Donau, Donauwörth und Nördlingen in Westbayern, die Regionen Regensburg und La ndshut in Ostbayern s o\~ie

die Reg ionen Rosenhei m und Kaufheuren in Südbayern a ls

Fördergebiete aus. I n NRW scheiden insbesondere die Regi onen Aa chen, Gummersbach, Coes.feld, Lüdinghausen-Unna , Neschede und Detmold-Lemgo als Fördergebiete aus; die Summe der Bevölkerungsanteile dieser Regionen entspricht etwa der Bevölkerung der neu

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als Fördergebiet aufgenommenen Regionen. In Schleswig-Holstein, Hessen und Rheinland-Pfalz scheidet jeweils nur eine Region aus (Heide-Meldorf, Korbach, Bad-Kreuznach), auf Niedersachsen entfällt nur etwa ein Sechstel der ausscheidenden Fördergebiete (insbesondere in den Räumen Stade-Bremervörde, Oldenburg, Celle, Fallingboetel,

Lingen und Osnabrück).

3. Von Landau bis Nordfriesland sind auch künftig an der Westgrenze der Bundesrepublik überwiegend Fördergebiete anzutreffen. Lediglich die Nichtfördergebiete Krefeld und Bocholt sowie die ausscheidenden Fördergebiete Aachen, Stade-Bremervörde und Heide-Maldorf unterbrechen diesen Ring der Grenzregionen im Westen.

4• Deutlich mehr als die Hälfte der Zonenrandregionen (nach Bevölkerung gerechnet) erfüllen nicht den SchwellemTert, bleiben aber natürlich kraft Gesetz weiterhin Fördergebiet. Die nicht zuletzt deutschlandpolitisch begründete Einhei tli chkeit der Zonenrandförderung wird nicht nur vom Bund und den Zonenrandländern, sondern auch von einer klaren Mehrheit der Länder auch künftig anerkannt. Die an ökonomischen Bewertungskriterien gemessen rela-

tiv gute Entwicklung vieler Zonenrandregionen, insbesondere an der innerdeutschen Grenze, ist dennoch bemerkenswert und auch deutschlandpolitisch durchaus erfreulich. Das vielzitierte "Schaufenst er zum Osten" gewinnt auch ökonomisch klarere Konturen. Der sicherlich reizvolle und zu vielerlei Spekulationen Anlaß gebende Vergleich zwischen Regionen an der Westgrenze und Regionen an der Ostgrenze soll aber hier nicht fortgeführt werden.

5. Eine Analyse der regionalen Ergebnisse der Einzelindikatoren der Fördergebietsabgrenzung, die schon wegen ihrer Fehlermargen nicht allein zur Auswahl von Fördergebieten herangezogen werden sollten, unterstützt das gewählte Verfahren der Fördergebietsauswahl nach dem Gesamti ndikator. Im einzelnen läßt sich folgendes feststellen: - Sieht man sich bei den durchschnittlichen Arbeitslosenquoten die Regionen an, deren Werte um

5~~

und mehr über dem Bundes-

durchschnitt liegen, so gehören alle bi s auf Gelsenkirchen

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(und dem Saarland) zu den nach dem Gesamtindikatorenverfahren ausgewählten Fördergebieten. Beim Arbeitskräftereservequotienten gehören sogar alle Regionen, deren Werte um rd. 38% und mehr über dem Bundesdurchschnitt liegen, bereits zu den nach dem Gesamtindikator ausgewählten Fördergebieten. Bei den Einkommensindikatoren zeigt sich ein ähnliches Bild. Bei der Lohn- und Gehaltssumme gehören alle Regionen, deren Werte 81% des Bundesdurchschnitts oder weniger ausmachen, bereits zu den nach dem Gesamtindikatorenverfahren ausgewählten Fördergebieten. Beim Bruttoinlandsprodukt je Kopf der Wohnbevölkerung ist dies sogar für alle Regionen der Fall, deren Werte 73% des Bundesdurchschnitts oder weniger ausmachen. - Beim Infrastrukturindikator gehören schließlich alle Regionen, deren Werte 84% des Bundesdurchschnitts oder weniger ausmachen, zu den nach dem Gesamtindikatorenverfahren ausgewählten Fördergebieten. -Faßt man die beiden Einzelindikatoren für den Arbeitsmarkt zu einem Gruppenindikator zusammen, so stellt man fest, daß bei Werten, die bei 75% des Bundesdurchschnitts oder weniger liegen, keine Regionsnamen auftauchen, die nicht schon über den Gesamtindikator als Fördergebiet ausgewiesen werden. Geht man bis etwa 80% hoch, taucht eine Region (Aachen) auf, geht man bis 85% hoch, noch zwei weitere (Saarland und Gelsenkirchen). Bei einer ähnlichen Analyse für den aus den beiden Einzelindikatoren zusammengefaßten Einkommensgruppenindikator taucht bei Werten, die bei 75% des Bundesdurchschnitts oder weniger liegen, wiederum keine Region auf, die nicht schon über den Gesamtindikator als Fördergebiet ausgewiesen wird. Geht man bis etwa 80% hoch, t auchen allerdi ngs berei t s drei Regionen·(Nördlingen, Kaufbeuren, Korbach) auf und geht man bis 85% hoch, noch zehn weitere Re gionen. Zusammenfassend kann man also mit guten Gründen die Ansicht ver-

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treten, daß keine zwingende Notwendigkeit zu erkennen ist, Einzelindikatorenoder Gruppenindikatoren als zusätzliches Kriterium für die Auswahl von Fördergebieten heranzuziehen. In jedem Fall könnte es sich aber nur um ganz wenige Regionen handeln, deren Aufnahme als Fördergebiet aufgrund von Einzel- oder Gruppenindikatoren überhaupt in Erwägung gezogen werden könnte. 6. Interessant sind schließlich noch die Abstände zwischen den Gesamtindikatorenwerten der Regionen. Die Spannweite reicht in Modell A vom Wert 330 (Cham) bis zum Wert 630 (Frankfurt). Der

Schwellenwert wurde bei e i nem Wert von 459 (Coburg) eingezogen.

Je näher die Regionen am Schwellenwert liegen, desto geringer sind tendenziell die Abstände in den Gesamtindikatorwerten. Al-

lein im Bereich 450 bis 459 liegen sechzehn Arbeitsmarktregio-

nen. Die Ergebnisse sprechen dafür, daß die interregionalen Unterschiede kleiner geworden sind. Diese These müßte natürlich noch im einzelnen überprüft werden. Mit diesem Versuch einer ersten Auswertung der Neuabgrenzungsergebnisse möchte ich mein Referat abschließen. Ich bin sicher, daß die Wissenschaft schon bald ausführlichere Analysen des Neuabgrenzungsmaterials vornehmen

~ird.

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Zusammenfassung der Diskussion des Referates von Dr. Louda Die Diskussion drehte sich in erster Linie um die Frage, welches Indikatorensystem zur Abgrenzung der Förderregionen zu den plausibleren Ergebnissen führen würde. Die Feststellung des Referenten, daß die Verwendung des Gesamtindikators im Vergleich zu den Einzelindikatoren prinzipiell zu denselben Ergebnissen geführt habe und deshalb nicht schlechter sei als die Auswahl der Förderregionen nach anderen Systemen, wurde als etwas zu vordergründig in der Argumentation kritisiert, da bei Verwendung des Gesamtindikators auf die Ziele im einzelnen und deren Gewichtung nicht näher eingegangen werde. Der Referent begründete seine Aussage noch einmal damit, daß sich nach drei Jahren intensivster Diskussion mit Wissenschaftlern und Praktikern und auch bei der Datenaufbereitung gezeigt habe, daß man mit den Einzelindikatoren aufgrund des Ausreißerproblems nicht zurande komme. Es habe sich gezeigt, daß einzelne Indikatoren teilweise völlig unplausible Werte liefern, die das ganze System in Frage stellten. An dieser Stelle wurde auf den Wert des Arbeitskräftereservekoeffizienten für Lindau eingegangen. Lindau liegt unter Zugrundelegung dieses Wertes mit Abstand an erster Stelle in der Bundesrepublik Deutschland, was nicht einleuchtend ist und vermutlich auf einen Fehler in der amtlichen Statistik zurückgeht. Der Referent fuhr fort, daß gerade diese Ausreißerproblematik eine Abgrenzung der Gebiete nach Einzelindikatoren verbiete, und da es sich gezeigt habe, daß die Abgrenzung nach Einzelindikatoren bzw. nach Gruppenindikatoren im wesentlichen dieselben Ergebnisse geliefert habe, so spreche vieles für die Verwendung des Gesamtindikatorsystems, das zwar methodisch nicht voll zu befriedigen vermöge, aber der Fehlerkompensation besser Rechnung trage, als dies bei den Einzelindikatoren möglich sei. Als weitere Unausgewogenheit im Indikatorensystem wurde angesprochen, daß die Förderungswürdigkeit einer Region in diesem System gar nicht Berücksichtigung fände. Man habe vielmehr Bedürftigkeitsindikatoren, und man müsse sich im Zeichen der gegenwärtigen Wachstumsschwäche doch überlegen, ob man nicht den Regionen, die förderungswürdig sind, d.h. wo gewisse Chancen zu sehen seien, daß sie

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in absehbarer Zeit aktiv saniert werden könnten, den Vorrang gegenüber den Regionen geben sollte, in denen sichtrotz regionaler Wirtschaftsförderung nicht viel getan habe. Der Referent stimmte diesen Überlegungen im wesentlichen zu und bemerkte, daß man die einzelnen Indikatoren noch einmal darauf abklopfen sollte, inwieweit sie dem Aspekt der Förderungswürdigkeit Rechnung trügen. Aber er verwies noch einmal darauf, daß die Auswahl der Indikatoren sehr gründlich durchgeführt worden und auch wissenschaftlich abgesichert sei, so daß er nicht glaube, daß noch bessere Ergebnisse zu erzielen seien. Er räumte ein, daß das Indikatorensystem in gewisser Weise angreifbar bleibe, daß es aber trotz jahrelanger Diskussionen keinem gelungen sei, bessere Indikatoren vorzulegen. Dies liege sicher auch an der unzureichenden Datenbasis, wenn man beispielsweise an die aufgrund von Geldmangel bisher immer noch nicht durchgeführte Volkszählung denke. Als Politiker könne man aber nicht warten, bis eines Tages ein besserer Indikator vorgelegt werde, vielmehr sei man zum Handeln verpflichtet. Man müsse mit dem Vorlieb nehmen, was im Moment möglich sei. In einem weiteren Punkt kam man noch auf die Frage der Wirkungskontrollen zu sprechen. Im Referat sei nicht ganz deutlich geworden, was darunter nun eigentlich zu verstehen sei, ob die Erfolgskontrolle die Summe der einzelbetrieblichen Erfolgskontrollen sei oder ob sie von Aggregaten ausgehe. Der Referent führte noch einmal aus, daß die Wirkungskontrollen zwar auf einzelbetrieblichen Kontrollen basieren können, daß dies aber nicht notwendig sei, da es auch Untersuchungen gebe, die mit regionalen Aggregaten auf der Ebene der Eundesraumordnungsregionen arbeiten. Ein Teilnehmer bemerkte dazu, es könne, wenn man aus der Praxis heraus argumentiere, lediglich die einzelbetriebliche Überprüfung eine wirkliche Aussage über Erfolgskontrolle bringen, und zwar müsse sie vor Ort durchgeführt werden. Eine antragsmäßige Prüfung lehne er ab, da von den Antragstellern derart geschwindelt würde, daß es zu großen Fehlern bei der Beurteilung der Erfolgskontrolle komme. Der Referent stimmte der Forderung nach einzelbetrieblicher Erfolgskontrolle voll zu, bemerkte jedoch, daß man die Fehler in der Antragsstatistik nicht überdramatisieren sollte, da der Subventionsbetrug

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aufgrunddes Wirtschaftskriminalitätsgesetzes doch nachgelassen habe. Zudem habe eine erste Überprüfung gezeigt, daß die Zahlen der Antragsstatistik gar nicht so schlecht seien. In einem letzten Punkt wurde der Hinweis des Referenten kritisiert, daß die Frage, ob Fördergebiet oder nicht, bei der Standortwahl der Unternehmen keinen großen Stellenwert habe. Wenn man wirklich davon ausgehe, daß die Finanzhilfen bei den Unternehmungsentscheidungen in den Fördergebieten kaum ins Gewicht fallen, dann werde ja das Gecamtsystem der Förderung in Frage gestellt. Dann handle es sich ausschließlich um Mitnahmeeffekte, und man könne sich die regionale Wirtschaftsförderung sparen. Die Zuschüsse wären trotz allem wichtig, auch wenn sie erst an fünfter oder sechster St elle genannt würden, bei der Beantwortung der Frage nämlich, welche Faktoren bei der Standortentscheidung eine Rolle spielten. Denn wenn man davon ausgehe, daß die primären Standortanforderungen in mehreren Regi onen er f üllt seien, dann komme die Konkurrenz zwischen Fördergebieten und Nicht-Fördergebieten ins Spiel. In diesem Fall könnten die Finanzhilfen unter Umständen den Ausschlag geben und eine standortentscheidende Wirkung enthalten. Insofern dürfe

man

den Stellenwert de r Finanzhilfen nicht so weit herunter spielen. Der Referent betonte ergänzend, daß er den Stellenwert der Finanzhilfen bewußt niedrig angesetzt habe. Wenn man sich die Höhe der Zuschüsse bzw. das gesamte Mittelvolumen vor Augen führe, so müsse man diese Wirkung realistisch, und das heiße: zurückhaltend beurteilen.

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Rolle und Ausmaß des Mitnahmeeffektes in der Gemeinschaftsaufgabe •Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur• Ulrich Freund 1. Der Problemhintergrund Im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW) gewähren Bund und Länder in den Fördergebieten finanzielle Hilfen zum einen für die gewerbliche Wirtschaft bei der Errichtung, dem Ausbau, der Umstellung oder der grundlegenden Rationalisierung von Gewerbebetrieben, zum anderen für den Ausbau der kommunalen Infrastruktur, soweit er für die Entwicklung der gewerblichen Wirtschaft erforderlich ist. 1 ) Ein Blick auf die Bewilligungsstatistik zeigt, daß Bund und Länder im Zeitraum von 1972 bis 1978 insgesamt 1,9 Mrd. DM Zuschüsse zugunsten der gewerblichen Wirtschaft und 2,5 Mrd. DM Zuschüsse für Infrastrukturmaßnahmen der Gemeinden bereitstellten. 2 ) Die regionale Investitionszulage, die hinsichtlich der Förderungsvoraussetzungen den Regelungen der Gemeinschaftsaufgabe weitgehend angepaßt und in ihr System eingebaut ist,3) schlägt zugunsten der gewerblichen Wirtschaft für diesen Zeitraum nochmals mit 4,2 Mrd. DM zu Buche.4) Faßt man die Zulagen und Zuschüsse an die gewerbliche Wirtschaft zusammen, so machen sie insgesamt knapp 9 Prozent des dort geförderten Investitionsvolumens aus; bei der kommunalen Infrastruktur ergibt sich nach der Bewilligungsstatistik hingegen ein Gesamtförderungsanteil am Investitionsvolumen von 47 Prozent. 5 ) Diese wenigen Zahlen verdeutlichen, daß zwischen den beiden Förderungsbereichen der Gemeinschaftsaufgabe erhebliche Unterschiede bestehen: Die Förderung der gewerblichen Wirtschaft weist - auch im Einzelfall, wo nur unter besonderen Bedingungen der maximale Vergütungssatz von 25 Prozent der Investitionskosten ausgeschöpft werden kann6 ) - den Charakter einer Spitzenfinanzierung auf, die einen Anreiz zur Änderung von Verhaltensweisen bilden soll. Demgegenüber stellen sich die Zuwendungen an die Gemeinden zum Ausbau der wirtschaftsnahen Infrastruktur eher als grundlegender

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Finanzierungsbeitrag dar. Der Infrastrukturbereich der Gemeinschaftsaufgabe ist damit letztlicheingebettet in die allgemeinere Problematik der kommunalen Finanzausstattung; er kann als ein Sonderfall der Zweckzuweisungen im kommunalen Finanzausgleich angesehen werden. Dies zeigt sich im übrigen auch daran, daß ein Förderungshöchstsatz nicht vorgegeben ist. Ansatzpunkte für eine Diskussion von "Mitnahmeeffekten" ergeben sich bei der Infrastrukturförderung mithin kaum. Im Gegenteil: Angesichts attraktiver Finanzierungsbeiträge können es sich die in ihrem finanziellen Spielraum meist begrenzten Gemeinden oftmals kaum leisten, die angebotenen Fördermittel nicht in Anspruch zu nehmen, so daß es zu den mit der Formel vom "goldenen Zügel" umschriebenen Verzerrungen kommunaler Entwicklungsprioritäten und Entscheidungsmöglichkeiten kommt. Die Betrachtung wird sich im folgenden auf die Förderung der gewerblichen Wirtschaft beschränken. Zuvor sind jedoch einige grundsätzliche Überlegungen zum Begriff der "Mitnahmeeffekte" anzustellen. Die Wirtschaftspolitik von Bund, Ländern und Gemeinden setzt zur Erreichung ihrer Zielsetzungen in bedeutsamem Maße das Instrument der Gewährung von Subventionen ein. Subventionen werden dabei üblicherweise definiert als "Geldzahlungen und Einnahmeverzichte der öffentlichen Hand, die ohne marktmäßige Gegenleistung solchen Unternehmen gewährt werden, di e bestimmte vom Staat gesetzte Kriterien erfüllen 117 ). Voraussetzung ist stets, daß die Erfüllung der geförderten Zwecke ohne die Zuwendung nicht oder nicht im gemäß dem wirtschaftspolitischen Zielsetzungen notwendigen Umfang gelänge. Die Subventionen sollen die Adressaten mithin zu einer Änderung ihrer Verhaltensweisen anreizen. Dabei besteht freilich das Ziel nicht darin, die Präferenzstrukturen der Adressaten völlig umzuwerfen! dies würde e i ne Loslösung der unternehmeriechen Entscheidungen von den Rahmenbedingungen der Marktwirtschaft bedeuten und damit den Verzicht auf die Steuerungseffizienz marktwirtschaftlicher Regelmechanismen für die Allokation knapper Ressourcen.

Viel~r.ehr

geht es darum, eine latent vorhandene Bereit-

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schaft der Wirtschaftssubjekte, in der wirtschaftspolitisch gewünschten Weise zu handeln, durch die Gewährung einer Vergünst igung zu aktivieren. In optimaler Ausgestaltung sollte die Subvention dabei derart bemessen sein, daß sie dem begünstigten Tatbestand gerade eben diejenigen Vorteile verschafft, die ihn in der Bewertung durch den Unternehmer über die "Rentabilitätsschwelle" heben und folglich durchführanswert machen. Aus Gründen der Rechtssicherheit, der Klarheit der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sowie der Handhabbarkelt der Subventionen im Bewilligungsverfahren kann das für eine Verhaltensänderung notwendige Ausmaß der Förderung jedoch kaum bei jedem Subventionsantrag im einzelnen exakt geprüft werden1 vielmehr müssen der Bewilligung generalisierende Förderungsvoraussetzungen und -tatbestände zugrunde gelegt werden, die lediglich eine hohe Plausibilität für veränderte Verhaltensweisen aufweisen können. Es wird in Kauf genommen, daß bei Erfüllung dieser Voraussetzungen zugleich solche Unternehmen Förderungsmittel erhalten, die auch ohne zusätzlichen Anreiz in gleicher Weise den geförderten Tatbestand erfüllt hätten, bei denen eine Verhaltensänderung, die honoriert werden müßte, also gar nicht vorliegt. Diese Unternehmen haben- legitim und aus ihrer Sicht völlig rational - die Förderung nur "mitgenommen". Übertragen wir diese Überlegung nun auf die Gemeinschaftsaufgabe. Sie dient dem Ziel, durch die Förderung von Betriebsansiedlungen, -erweiterungen sowie -umstellungen und grundlegenden Rationallsierungen in den Fördergebieten neue Dauerarbeitsplätze zu schaffen oder bestehende zu sichern. 8 ) Läßt man den eher unwahrscheinlichen Fall außer acht, daß durch die Subventionen Investitionen in den Fördergebieten unmittelbar induziert werden, liegt die Aufgabe der GRW folglich in der Lenkung von Investitionskapital aus den Nichtförder- in die Fördergebiete. "Mitnahmeeffekte" können dabei in zweierlei Hinsicht auftreten: erstens durch die Förderung von formal zwar zielkonformen, tatsächlich in ihrem Verhalten aber unbeeinflußten, "nichtgelenkten" Betrieben (Mitnahmeeffekte dem Grunde nach), zweitens durch

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eine für den Zweck der bewirkten Verhaltensänderung unnötig hohe Bemessung der Fördermittel bei "gelenkten" Betrieben (Mitnahmeeffekte der Höhe nach). 2. Erfassungs- und Bewertungsprobleme von Mitnahmeeffekten in der GRW Eine umfassende und fundierte Beurteilung der Rolle und des Ausmaßes der Mitnahmeeffekte in der GRW scheitert derzeit an beträchtlichen Wissensdefiziten theoretischer wie empirischer Art. So fehlen auf der Ebene der Theorie grundlegende Arbeiten über die Wirkungsbedingungen und -mechanismen der Anreizinstrumente zur Beeinflussung des unternehmeriechen Verhaltens fast völlig. Nur ein theoretischer Überbau würde es aber gestatten, empirische Einzelbefunde über "Mitnahmeeffekte" in systematischer und nicht lediglich plausibler Weise einzuordnen und zu bewerten. Trotz mittlerweile zahlreicher Einzeluntersuchungen über die Bedeutung der Regionalförderung für einzelne Fördergebiete und trotz einiger globaler Erfolgsanalysen sind aber auch die empirischen Erkenntnisse immer noch mangelhaft. Die Erkenntnislücken resultieren dabei zunächst aus der Schwierigkeit, die Wirkung der staatlichen GRW-Förderung von der Wirkung der meist gleichfalls und zum Teil konkurrierend gewährten kommunalen Investitionshilfen für Unternehmen zu trennen. Zwei Beispiele mögen die Höhe der kommunalen Subventionen kurz umreißen. Die Stadt Münster ermittelte für eines ihrer Industriegebiete eine Arbeitsplatzsubvention von 3.400 DM (ohne Folgekosten).9) Eine Untersuchung des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Universität zu Köln kam bei Neuansiedlern und Verlagerern in Saarland/Westpfalz für den Zeitraum 1970 bis 1975 gar zu dem Ergebnis, daß der kommunalen Förderung insgesamt der gleiche Wert zugemessen wurde wie der regionalpolitischen Förderung, die sich auf ca. 12.000 DM pro Arbeitsplatz be-

. f 10) 1 J.e •

Die empirischen Studien beschränken sich zudem meist auf die Analyse von Betriebsansiedlungen; zu Erweiterungen oder gar zu Um-

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stellungen und Rationalisierungen liegen dagegen fast keine Untersuchungen vor. Aus allen genannten Gründen darf von dem anschließend vorgenommenen Versuch, die Mitnahmeeffekte in der GRW zu ermessen, weder ein vollständig ausgefüllter Raster aller Wirkungsve~läufe noch eine exakte Quantifizierung wenigstens in Teilbereichen erwartet werden. Vielmehr können nur einige empirische Einzelergebnisse mit Plausibilitätsüberlegungen verknüpft werden, um zumindest tendenzielle Aussagen zu ermöglichen.

3. Die Anreizwirkung der GRW-Förderung im Investitions- und Standortsuchverhalten von Unternehmen

Der unternehmeriechen Entscheidung, Investitionen im Zuge einer Betriebserrichtung, Betreibeerweiterung oder Betriebsumstellung und grundlegenden Rationalisierung vorzunehmen, liegt ein meist komplexes Ursachenbündel zugrunde. 11 ) Notwendige Voraussetzung der Investitionsdurchführung ist stets die Erwartung, mit den angebotenen Leistungen am Markt Erfolg zu haben; hinzu kommen aber auch Aspekte wie z.B. - die Angst, sonst hinter der Konkurrenz zurückzubleiben, - der Wunsch nach einer Steigerung des Marktanteils, - das persönliche Prestige des Unternehmers. Ob die Gewährung einer einmaligen Subvention auf die Investitionsentscheidung als solche Auswirkungen hat, erscheint zumindest zweifelhaft. Es dürften eher die langfristigen Gewinnerwartungen ausschlaggebend sein, die durch Investitionszuwendungen nur unwesentlich beeinflußt werden. Die unmittelbare Induzierung von Investitionen durch die GRW-Förderung darf daher kaum erwartet werden. Bei einer Untersuchung von F. Wolf bei Betrieben in Hessen, die 1970/71 Mittel aus dem regionalpolitischen Förderprogramm des Bundes erhalten hatten, zeigte sich denn auch, daß 69 Prozent der geförderten Betriebe ihre Erweiterungsinvestitionen schon begon-

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nen hatten, bevor sie überhaupt einen Antrag auf Förderung stellten.12) 91 Prozent hatten die Investition schon begonnen, bevor ihre Anträge positiv entschieden waren. Dabei ist zu bedenken, daß z.B. 1971 immerhin rund 63 Prozent der Anträge auf Investitionszlage abgelehnt wurden, das Risiko der Ablehnung also relativ hoch war. Gäbe es die formalen Voraussetzungen der GRW über die Notwendigkeit einer Antragstellung

~

Investitionsbeginn nicht, so dürf-

te sich heute bei den geförderten Erweiterungs- und Rationalisierungsinvestitionen ein ähnliches Ergebnis zeigen. Eine neuere Untersuchung von H. Krist und G. Walker weist in der Tat in diese Richtung. 1 3) Plausibilität und empirische Indizien deuten also bei vielen Erweiterungs- und bei Rationalisierungsinvestitionen zunächst auf eine geringe Anreizwirkung der GRW-Förderung und folglich auf hohe "Mitnahmeeffekte" hin. Ein anderes Bild kann sich hingegen ergeben, wenn der Investitionsort weniger fest fixiert ist als bei den meisten Erweiterungsinvestitionen sowie den Umstellungen und Rationalisierungen. Zu fragen ist also: Wenn die GRW-Zuschüsse schon nicht die Investition als solche induzieren, in welcher Weise beeinflussen sie die Wahl des Investitionsortes? Das Problem stellt sich natürlich in erster Linie für Betriebsansiedlungen, aber auch für große Erweiterungen, die praktisch die Neuansiedlung eines (Teil-) Betriebes ersetzen. Welchen Determinanten und Rahmenbedingungen folgt der unternehmerieche Standortsuchprozeß? 14 ) Jede Standortwahl unterliegt einerseits zwar dem Dilemma unvollkommener Information über die Gegenwart sowie höchst unsicherer Erwartungen hinsichtlich zukünftiger Entwicklungen. Andererseits hat der Standortsucher jedoch trotzdem eine Flut von Einzeldaten und Zielauswirkungen - keineswegs muß die Maximierung monetärer Gewinne alleiniges Ziel sei n zu verarbeiten. Er tut dies, indem er seine Entscheidung auf wenige, ihm ausschlaggebend erscheinende Faktoren beschränkt, die er in etwa als überschaubar und bewertbar empfindet. Das Ausmaß die-

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ser "Problemvereinfachung" ist von etlichen Einflußgrößen abhängig, in erster Linie der Betriebsgröße sowie der Art der Ansiedlung, dem Unternehmensziel, der Produktpalette, der Rohstoffabhängigkeit sowie dem Lieferanten- oder Kundenkreis. Das Suchverhalten weist - in der Praxis freilich oftmals verkürzt - drei Stufen auf. Zunächst grenzt der Standortsucher die Räume ab, in denen sein Standort liegen könnte. Es folgt nach einem verfeinerten Kriterienkatalog innerhalb dieser Gebiete die Auswahl einiger potentieller Standorte, die schließlich in der dritten Stufe einer eingehenden Analyse im Hinblick auf das Anforderungsprofil hin unterzogen werden. Ergebnis ist die Bestimmung desjenigen Ortes, der den Standortanforderungen am ehesten genügt. Die durch Befragungen bei neuangesiedelten oder verlagerten Unternehmen gewonnenen empirischen Befunde, mit denen dieses Modell eines Standortsuchprozesses nun schlaglichtartig belebt werden soll, lassen die Erfolgsaussichten regionalpolitischer Förderungsinstrumente zur räumlichen Umlenkung von Betrieben zunächst als begrenzt erscheinen und deuten somit auf hohe Mitmahmeeffekte hin& Wie F. Graf Ballestrem bei einer Untersuchung von Betrieben in Nordrhein Westfalen feststellte, die dort in den Jahren 19671970 einen neuen Betriebsstandort fanden, ist sowohl die Zahl der geprüften Standorte als auch der Standortsuchraum meist

äußerst klein. 15 ) Nur knapp

9 Prozent der Betriebe suchten ih-

ren neuen Standort in einer Entfernung von über 50 km Luftlinie vom Sitz des Suchers; knapp 48 Prozent blieben sogar am Ort. Zwar verzeichneten größere Betriebe einen ausgedehnteren Standortsuchraum, jedoch selbst von den Betrieben mit 200 und mehr Beschäftigten suchten nur wenig mehr als 15 Prozent in einer Entfernung von über 50 km. Meist handelte es sich dabei um die Neugründung von Zweigbetrieben. - In fast allen Untersuchungen über die Bedeutung der einzelnen Standortfaktoren für die Standortentscheidung nimmt die öffentliche Förderung nur einen hinteren Rang ein. Die folgende Rang-

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reihe kann als typisch gelten: 1. Flächen und Gebäude, 2. Arbeitskräfteangebot, 3. Absatz und Transport, 4. Private Faktoren, 5. Öffentliche Förderung, 6. Rohstoffe. 16 ) Differenziert man nach unterschiedlichen Betriebstypen, treten freilich einige Besonderheiten zutage. So zeigen- wenig überraschend- bei sektoraler Betrachtung die Industriebereiche Bergbau, Steine und Erden, Nahrung und Genuß sowie Teile der Eisen- und Metallverarbeitung eine höhere Affinität zum Standortfaktor "günstige Lage zu den Rohstoffquellen bzw. zum Beschaf.fungsmarkt" als die

anderen Branchen. 17 ) Zweigstellengründer legen besonderes Gewicht auf den Anschluß an das überregionale Verkehrsnetz. 18 )

Die Untersuchung nach Betriebsgrößenklassen1 9) offenbart, daß Betriebe bis 20 Arbeitnehmer ihre Standortentscheidung auf eine Zahl von etwa 7 Standortfaktoren gründen, über einen Kern gleichgerichteter Interessen hinaus (preiswerte Grundstücke, Grundstücksreserven für Erweiterungsmöglichkeiten, Kundennähe, guter Anschluß an Autobahnen und Bundesstraßen) jedoch ein uneinheitliches Anspruchsbild zeigen und sich einer gemeinsamen Beurteilung entziehen. Betriebe von 21 bis 50 Arbeitnehmern haben ein gegenüber den kleineren mit rund 9 Faktoren höheres Anspruchsniveau, haben aber am letztendlich gewählten Standort auch die meisten Abstriche vom Wunschbild hinzunehmen. Betriebe über 50 Arbeitskräfte zeigen mit 7 als sehr wichtig erachteten Anforderungen ein gegenüber den mittleren Betrieben weniger komplexes Bild. Sie verfügen dabei auch im Gegensatz zu den Kleinbetrieben über einen weitgehend einheitlichen Raster, der sich im wesentlichen aus den Eigenschaften "Investitionsbeihilfen des Staates", "Grundstücksreserven für Erweiterungsmöglichkeiten", "Preiswerte Grundstücke", "Niedrige Erschließungskosten", Guter Anschluß an Autobahnen und Bundesstraßen", "Ausreichendes Angebot an gut ausgebildeten Facharbeitern", "Kundennähe" sowie "Ausreichendes Angebot an ungelernten Arbeitskräften" rekrutiert. Jedoch: Die Ergebnisse aller vorliegenden Studien dürfen nicht ohne weiteres als repräsentativ gelten. 20 ) Teils liegen die Untersuchungszeiträume zu weit zurück, um noch den heutigen Rahmenbedingungen zu entsprechen, teils sind die Regionen und Fallzahlen

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zu klein oder untypiech. Zudem ist eine lediglich auf Standortanforderungsrangfolgen abstellende Analyse nicht problemadäquat. Standortanforderungskataloge spiegeln nämlich zwar eine Nachfrage wider, sie lassen jedoch den Angebotsaspekt außer acht. Standortkriterienverlieren aber in dem Maße ihre Fähigkeit zur Standortlenkung, in dem sie als "ubiquitär" einzustufen sind und das betriebliche Anspruchsniveau in sämtlichen geprüften Ansiedlungsorten überschreiten. Die Bedeutung etwa der Verkehrsanbindung oder preiswerter Grundstücke, die zum Angebotsfächer nahezu aller um Investitionen werbenden Gemeinden zählen, ist vor diesem Hintergrund trotz der hohen Wertschätzung in den Rangkatalogen als Determinante räumlicher Lenkung gering. Entsprechendes dürfte mittlerweile für den Faktor "Arbeitskräfte" gelten, wenngleich u.U. mit Einschränkungen für einige Gruppen qualifizierterer Arbeitnehmer. Die GRW-Förderung ist mithin zwar lediglich eines unter mehreren Standortbestimmungskriterien. Sie wird jedoch stets dann ausschlaggebend, wenn die Mindestanforderungen bei den betriebsnotwendigen Faktoren in den geprüften Orten gleichermaßen erfüllt sind. Der Förderungsanreiz bildet dann den zusätzlichen Vorteil, der die wirtschaftspolitisch gewünschte Verhaltenswe i se induziert; zu Mitnahmeeffekten, wenigstens zu solchen dem Grunde nach, kommt es in diesem Fall nicht. Je niedriger dabei das Anspruchsniveau eines Betriebes hinsichtlich der erforderlichen Mindestvorauseetzungen an einen Standort ist oder je mehr alternative potentielle Standorte das Anspruchsniveau der Betriebe erfüllen, um so stärker wird die Standortentscheidung von der finanziellen Förderung geprägt . 21 )

4. Begünstigungen und Hemmniese für Mitnahmeeffekte im Konzept der GRW

Bei der Suche nach Faktoren, die für oder gegen Mitmahmeeffekte in der GRW sprechen, soll nun die betriebliche Sphäre verlassen und zu einigen Elementen des Konzeptes der GRW übergegangen werden. Die Frage lautet: Inwieweit sind in der GRW Mitnahmeeffekte "vorprogrammiert"?

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Betrachtet man zunächst die Fördergebietsabgrenzung, so ist festzustellen, daß bis zur kürzlich erfolgten Neuabgrenzung für den 10. Rahmenplan die Fördergebiete 61,1 Prozent der Fläche des Bundesgebietes mit 36,6 Prozent aller Einwohner umfaßten 22 >.rn Zukunft wird dies auf knapp 50 Prozent der Fläche mit 30 Prozent der Einwohner reduziert. 2 3) Ganz allgemein läßt sich die These formulieren: Je größer die Fördergebiete, desto höher die Mitnahmeeffekte, weil natürlich bei größeren Fördergebieten der Kreis der begünstigten Unternehmen umfangreicher ist und selbst kleinräumige Standortsuchprozesse, die ihre Regionsgrenzen nicht überschreiten, in höherem Maße in Fördergebieten stattfinden und damit förderbare Tatbestände bilden können. Insofern ist die Reduzierung der Fördergebietskulisse gleichzeitig eine Reduzierung der Mitnahmeeffekte. Ein anderer Aspekt tritt jedoch hinzu. Das Zonenrandgebiet ist kraft Gesetzes in vollem Umfang GRW-Fördergebiet, also auch seine

wirtschaftsstarken Bereiche (etwa Wolfsburg). 2 4) Bei insgesamt reduzierter Fördergebietskulisse und gleichzeitiger Beibehaltung al-

ler Zonenrandgebiete 2 5) steigt natürlich deren relative Bedeutung an. Der Anteil eigentlich wirtschaftsstarker Räume in den Fördergebieten erhöht s i ch damit. Ohnehin hatten die "politischen" För-

dergebiete, bei denen die Indikatorenwerte zur Ermittlung der Förderbedürftigkeit günstiger lagen als es dem für die "nichtpolitischen" Fördergebiete geltenden Schwellenwert entsprach, bereits nach altem Gebietsstand ein hohes Gewicht. Ihr Anteil entsprach, bezogen auf die Bevölkerung, mehr als 20 Prozent der Fördergebietskulisse.26) Der durch die Neuabgrenzung noch gestiegene Wert dürfte tendenziell eine Erhöhung des Anteils derjenigen Fördergebiete bewirken, deren Standortentscheidung für das Fördergebiet eines finanziellen Anreizes gar nicht bedürfte, die die Förderung als willkommene Liquiditätsaufstockung lediglich "mitnehmen". Wenn es dennoch sinnvoll ist, den Umfang der Fördergebiete nicht zu sehr abzusenken, so aus folgendem Grund: Wie berei ts festgestellt, ist der Standortsuchraum der meisten Betriebe klein. Es ist darum i mmer noch die regi onalpolitisch bessere Lösung, diese

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Betriebe zumindest in ein nahegelegenes, wenngleich nur geringfügig gegenüber dem Durchschnitt benachteiligtes Fördergebiet zu holen, als bei zu kleinem Zuschnitt der Fördergebietskulisse zu riskieren, daß die Betriebe lieber gleich in den wirtschaftsstärksten Gebieten bleiben. Entsprechende Überlegungen gelten für die Zahl der Schwerpunktorte. Nach dem 9. Rahmenplan gab es 329 Schwerpunktorte, deren Größe von 3.000 Einwohnern bis zu 267.000 Einwohnern reichte. 27 ) Je höher nun die Zahl der Schwerpunktorte ist, desto größer ist infolge des Standortsuchverhaltens der Betriebe die Zahl der Fälle, in denen Mitnahmeeffekte auftreten können. Jedoch steigt andererseits auch die Zahl der Betriebe, die ihren neuen Standort im nahegelegenen Schwerpunktort wählen, was bei zu großen Entfernungen unterblieben wäre. Eine Verringerung potentieller Mitnahmeeffekte dürfte von den Vorschriften der GRW über die Mindestarbeitsplatzeffekte der geförderten Vorhaben ausgehen. Hilfen werden nur gewährt, wenn "mit den Investitionen Dauerarbeitsplätze geschaffen oder gesichert werden, die eine Verbesserung der Einkommenssituation in der Region erwarten lassen. 28 ) Für die Förderung von Erweiterungen gilt konkret, daß 50 neue Arbeitsplätze geschaffen werden müssen oder eine Erhöhung um mindestens 15 Prozent der Arbeitsplätze eintritt. Bei Umstellungen oder grundlegenden Rationalisierungen müssen die Maßnahmen für den Fortbestand des Betriebes und zur Sicherung der dort bestehenden Dauerarbeitsplätze erforderlich sein. Eine Investition wird nur dann als grundlegende Rationalisierung angesehen,

11

wenn sie sich auf eine Betriebsstätte oder einen wichti-

gen Teil einer Betriebsstätte bezieht, die Wirtschaftlichkeit der Betriebsstätte erheblich steigert und der Investitionsbeitrag, bezogen auf ein Jahr, die in den letzten drei Jahren durchschnittlich verdienten Abschreibungen um mindestens 50 Prozent übersteigt." Durch die Vorschriften wird also sichergestellt, daß die geförderten Investitionsvorhaben eine Mindestgröße aufweisen, die einen Effekt für das Zielsystem der GRW erwarten läßt.

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Potentiell mindernd auf Mitnahmeeffekte wirkt schließlich auch der verlangte Primäreffekt der Investitionen. Er ist dann erbracht, "wenn in der zu fördernden Betriebsstätte überwiegend Güter hergestellt oder Leistungen erbracht werden, die ihrer Art nach regelmäßig überregional abgesetzt werden". 29 ) Die GRW-Mittel werden deshalb nur Betrieben des verarbeitenden Gewerbes - ausgenommen Baugewerbe - sowie Fremdenverkehrsbetrieben gewährt. Gleichgestellt sind einige ausgewählte Handels- und Dienstleistungsbranchen mit

überregionaler Orientierung. 30 ) Die Regelung verhindert die Förderung von kleinen Dienstleistungsbetrieben, Freiberuflern und ähnlichen Betrieben, die einen hohen örtlichen Bezug und nur geringe Lenkungswahrscheinlichkeiten erwarten lassen. Alles in allem ist damit festzustellen, daß die GRW- Konzeption sowohl Mitnahmeeffekte begünstigende wie auch bremsende Regelungen enthält.

5. Quantifizierungsansätze und Beurteilung der Mitnahmeeffekte in der GRW

Versucht man, die Mitnahmeeffekte in der GRW zu quantifizieren und zusammenfassend zu beur teilen, so bi etet sich zunächst der Rückgriff auf summarische Erfolgsanalysen zur GRW an. Einige Ergebnisse seien angeführt. - Die Statistiken des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung über neuerrichtete und verlagerte Industriebetriebe in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) weisen aus, daß von 1972 bis 1977 58,2 Prozent aller neuerricht e t en und Betriebe

ver~agerten

52,6 Prozent der dort beschäftigten Arbeitnehmer auf die Fördergebiete entfielen.3 1 ) Dies war weitaus mehr, als un~

es deren Bevölk erungsanteil von knapp 37 Prozent der Bundesbevölkerung entsprochen hätte. In einem Referenzvergleich, der die Differenz zwischen der tatsächlichen Entwicklung der Indikatoren "Investitionen" und "Beschäftigte" mit einer geschätzten Referenzentwicklung ermittelt, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben hätte, wenn auf - 72 -

den Instrumenteneinsatz verzichtet worden wäre, stellte E. Rekker für den Zeitraum 1970 - 1973 fest, daß eindeutige Investitionserfolge in 11 Fördergebieten sowie der Gesamtheit aller Aktionsräume auftraten.3 2 ) Eindeutige Arbeitsplatzerfolge traten in 9 Aktionsräumen auf. Der Anteil der "gelenkten", andernfalls dort nicht getätigten Investitionen lag danach in den Aktionsräumen bei 13,6 Prozent. In den einzelnen Fördergebieten war diese Erfolgsquote jedoch sehr unterschiedlich. Das Maximum ergab sich für die Region Westmünsterland mit 42,7 Prozent. Da es sich bei dieser Höhe um einen Einzelfall handelte, ist allerdings eine Überschätzung wahrscheinlich. An zweiter Stelle stand das Niedersächsische Zonenrandgebiet mit 28,4 Prozent. Darauf folgte mit 25,2 Prozent die Region Eifel-Hunsrück und mit 20 Prozent Oberbayern-Schwaben. Geringfügig über dem Fördergebietsdurchschnitt liegende Erfolgsquoten waren auch in den Regionen Schleswig-Unterelbe, Oberrhein-Hochschwarzwald, Unterfranken und Westbayern zu verzeichnen. Die übrigen Regionen wiesen nach Rekker eine unterdurchschnittliche Erfolgsquote auf. In vier Fällen waren gar keine Investitionen induziert worden, nämlich in SOWestfalen, Oberfranken, Oberpfalz und SO-Oberbayern. Ein positives Resultat, das auf geringe Mitnahmeeffekte hindeutet, zeigen auch zwei Untersuchungen im Fördergebiet Saarland/ Westpfalz. 33 ) So sind zwar in der vom Verfasser mitbearbeiteten Untersuchung 18 von 29 Unternehmen, die sich zwischen 1970 und 1975 im Untersuchungsraum Saarland/Westpflalz ansiedelten, regional ungelenkt und bei H. Georgi/V. Giersch im Saarland für den Zeitraum 1968 bis 1976 18 von 31 Betrieben. Gewichtet man jedoch mit den Beschäftigtenzahlen, so ergibt sich ein völlig anderes, für die Förderung sehr günstiges Bild. Bei der vom Verfasser mitbearbeiteten Studie zeigt sich dann nämlich, daß 82,5 Prozent der in den 29 Betrieben beschäftigten Arbeitnehmer "gelenkten" Betrieben angehören, ihren Arbeitsplatz in der Region mithin der Förderung verdanken. Bei Georgi/Giersch liegt die Quote bei 69,5 Prozent. Die Umkehrung der Ergebnisse ist natürlich darauf zurückzuführen, daß der Lenkungseffekt bei größeren Unternehmen erheblich ausgeprägter ist als bei kleinen Betrieben, die

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meist regionalgebunden sind und bei deren Ansiedlungsentscheidung weniger die Standortfrage als vielmehr die Suche nach einer - regionalen - Marktnische im Vordergrund steht. Berücksichtigt man zusätzlich die Mittelvergabe, so zeigen sich in der vom Verfasser mitbearbeiteten Studie noch günstigere Resultate.~4) 94,1 Prozent der erfaßten direkten Investitionshilfen waren demzufolge interregional gelenkten Unternehmen zugeflossen. Dies rührt zum einen daher, daß größere Betriebe kapitalintensiver produzieren und höhere Investitionskosten je Arbeitsplatz als Bemessungsgrundlage der Förderung aufweisen. Zum anderen wurden ungelenkte Ansiedlungen - insbesondere Verlagerar - aber offensichtlich von den Bewilligungsstellen bewußt geringer gefördert. Im Ergebnis belief sich der Fördermitteleinsatz pro geschaffenem und gelenktem Arbeitsplatz auf

12,89~

DM gegenüber nur 4.892 DM für "Mitnehmer" bei einem gewogenen Mittel von 11.762 DM. Die Frage ist allerdings: Wie repräsentativ bzw. methodisch unangreifbar sind diese Resultate, die nur geringe Mitnahmeeffekte zumindest bei der Ansiedlungsförderung der GRW signalisieren? Eine Stütze ergibt sich in den Aussagen von Vertretern einiger Wixtschaftsförderungsorganisationen, die der Meinung waren, daß bei grösseren Betrieben "ohne die Investitionshilfen nichts mehr lie-

fe".~5)

Allerdings sei nicht verkannt, daß gerade die im Saarland

gewonnenen Erkenntnisse einen infrastrukturell gut ausgestatteten Raum betreffen; sie sind nur mit Abstrichen auf andere Fördergebiete zu übertragen, wie ja auch die Referenzvergleiche bei Rekker andeuten. Für die Förderung von Betriebserweiterungen sowie Umstellungen und Rationalisierungen bleibt die Skepsis an der Wirksamkeit der Zuwendungen bestehen, zumal einige Autoren festgestellt zu haben glauben, daß Förderungen mit einem Subventionswert von unter 15 Prozent keinen Anreiz für Verhaltensänderungen darstellen, sondern lediglich eine - freilich begrüßte - Liquiditätshilfe sind.~ 6 ) Beim größten Teil der GRW-Förderungen an die gewerbliche Wirtschaft

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(auf Ansiedlungen entfiel von 1972 bis 1978 etwa ein Drittel des geförderten Investitionsvolumens, mehr als die Hälfte waren Erweiterungsinvestitionen, der Rest Umstellungen und Rationalisierungen)37) wären, folgt man dieser Überlegung, somit hohe Mitnahmeeffekte zu konstatieren. Wenngleich zu bedenken ist, daß "große" Betriebserweiterungen sich eher wie Neuansiedlungen verhalten, die Summe der Mitnahmeeffekte sich folglich nicht unbeträchtlich verringert, wenngleich weiter- wie die Saarland/Westpfalz-Studie zeigte - die Bewilligungsbehörden durchaus zu differenzieren vermögen und Mitnehmern geringere Subventionen gewähren, bleibt dies ein gewichtiger Vorwurf. Zu prüfen ist deshalb, ob nicht auch von den vordergründig "mitgenommenen"

Subventionen positive Effekte ausgehen, die eine Wei-

tergewährung nicht nur aus technischen und rechtlichen Zwängen heraus, sondern auch sachlich rechtfertigen. Insbesondere drei Argumente sprechen dafür: Die Einbeziehung von Erweiterungen sowie Umstellungen und Rationalisierungen in die GRW-Förderung führt zur Anwendungspflicht der"GRW-Spielregeln", also auch zum Verbot einer Subventionierung über die festgelegten Höchstsätze hinaus. Blieben diese Investitionen dagegen ausgeklammert, so könnte, wie die Erfahrung nahelegt, unbeachtlich des ökonomischen Sinns einer Begünstigung solcher Investitionen ein Förderungswettlauf mit immer höheren Subventionswerten eintreten. Bei kommunalen Investitionshilfen z.B. ist das schon der Fall. Die derzeitigen Mitnahmeeffekte wären vor diesem Hintergrund eine effizientere Lösung. Eine Verringerung der "Mitnahmeeffekte" bei der Förderung von Erweiterungen sowie Umstellungen und Rationalisierungen wird im übrigen zukünftig dadurch eintreten, daß die Fördereätze ab 1. März 1981 linear um 5 Prozent gekürzt werden.3S) - Formal "mitgenommene" Subventionen an Betriebe, deren Standortentscheidungskalkül Umlenkeffekte nicht erkennen läßt, könnten Abwanderungen verhindert haben. Die Subventionen wären dann eine

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Prämie für den Verzicht, außerhalb der Fördergebiete gelegene Standorte zu prüfen. - Der Erfolg der Ansiedlungsförderung könnte in starkem Maße dadurch mitbestimmt sein, daß die Förderung eventueller späterer Erweiterungen oder Umstellungen vorausgesetzt wird. Die für sich genommen infolge ihrer Mitnahmeeffekte ineffizienten Förderungstatbestände schaffen dann das zusätzliche Sicherheitspolster für unabwägbare

Zukunftsentwicklungen, das in Verbindung mit der

Ansiedlungsförderung erst die Entscheidung für die Ansiedlung in einem Fördergebiet bewirkt.

Das Problem der Mitnahmeeffekte in der GRW ist damit alles in allem wohl als bei weitem weniger schwerwiegend anzusehen, als es vordergründig den Anschein hat. Freilich sichert dies allein nicht schon den Erfolg der regionalen Wirtschaftspolitik, deren Wirksamkeit letztlich danach beurteilt werden muß, inwieweit das Ziel des Disparitätenabbaus bei den regionalen Wirtschaftsstrukturen im Bundesgebiet tatsächlich erreicht wird. Die Vermeidung von Mitnahmeeffekten ist dann zwar ein notwendiges, nicht aber auch ein bereits hinreichendes Effizienzkriterium.

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Fußnoten 1) Vgl. § 1 des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur 11 vom 6. Oktober 1969, BGBl. I, S. 1861 2) Bundesministerium für Wirtschaft (Hrsg.), Wirksame Regionalpolitik - Fortschritte in den Regionen, Bonn 1980, S. 14 3) VGl. § 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 1979, BGBl. I, S.24 4) Bundesministerium für Wirtschaft (Hrsg.), Wirksame Regionalpolitik - Fortschritte in den Regionen, a.a.O. S. 11 5) Vgl. die Angaben der Investitionssummen ebenda, S. 14 6) Vgl. Neunter Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", Bundestagsdrucksache 8/3788, S. 22 7) Vgl. 0. Schlecht, Subventionsfinanzierung, in: F.W.Christians (Hrsg.), Finanzierungshandbuch, Wiesbaden 1980, S. 248 8) Vgl. Neunter Rahmenplan ••• , a.a.o., S. 19 ff. 9) Wirtschaftsdezernat Münster, Wirkungskontrolle kommunaler Wirtschaftsförderung am Beispiel einer vergleichsweisen Untersuchung über Kosten und Nutzen des Gewerbegebietes Siemensstraße in Münster, in: Wirtschaftareport 1976 der Stadt Münster 10) Vgl. U. Freund, G. Zabel, Regionale Wirkungen der Wirtschaftsstrukturförderung, Schriftenreihe "Raumordnung" des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Heft 06.023, Bonn 1978, S. 152 11) Vgl. hierzu etwa G. Hederer, Die Motivation von Investitionsentscheidungen der Unternehmung, Meisenheim am Glan 1971, S. 102 ff. 12) F. Wolf, Effizienz und Erfolgskontrolle der regionalen Wirtschaftsförderung, Hrsg.: Hessische Landesentwicklungs- u. Treuhandgesellschaft mbH., Wiesbaden 1974, s. 86 f. 13) Vgl. H. Krist,. G. Walker, Die Berücksichtigung regiooaler Investitionsanreize in unternehmeriechen Investitionsentscheidungen, ins Informationen zur Raumentwicklung, Heft 6 (1980), s. 345 ff. 14) Das folgende in weitgehender Anlehnung an U. Freund, G. Zabel, Regionale Wirkungen der Wirtschaftsstrukturförderung, a.a.O., s. 119 f. 15) Die folgenden Ergebnisse aus F.Graf Ballestrem, Standortwahl von Unternehmen und Industriestandortpolitik, Berlin 1974 1 s. 86, 130 16) Eine Zusammenstellung der wichtigsten Untersuchungen in der Bundesrepublik Deutschland, ihrer Bezugsräume, -zeiten und Rangfolgen enthält U. Freund, G. Zabel, Zur Effizienz der regionalpolitischen Industrieförderung in der Bundesrepublik Deutschland, in: Raumforschung und Raumordnung, 36. Jhrg.1978, s. 101

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17) H. Kreuter, Industrielle Standortaffinität und regionalpol i tische Standortlenkung, Berlin 1974, S. 101 18) D. Fürst, K. Zimmermann, Standortwahl industrieller Unternehmen, Teilband I, Hrsg.: Gesellschaft für regionale Strukturentwicklung, Bonn 1973, S. 73 19) U. Freund, G. Zabel, Regionale Wirkungen der Wirtschaftsstrukturförderung, a.a.o., s. 134 f. 20) Die folgenden Ausführungen in Anlehnung an U. Freund, G. Zabel, Zur Effizienz der regionalpolitischen Industrieförderung in der Bundesrepublik Deutschland, a.a.o., S. 100 ff. 21) Vgl. F. Wolf, Effizienz und Erfolgskontrolle der regionalen Wirtschaftsförderung, a . a.O., s. 96; Gesellschaft für regionale Strukturentwicklung (Hrsg.), Sta ndortentscheidung und Wohnortwahl, Kleine Schriften der GRS, Bonn 1974, S. 341 H. Brede, Bestimmungsfaktoren industrieller Standorte, Berlin 1974, s. 94 22) Vgl. Neunter Rahmenplan ••• , a.a.O., s. 182 23) Vgl. BMWI Tagesnachrichten Nr. 8067 vom 22. April 1981, S. 1 sowie Handelsblatt vom 16. April 1981, S. 5 24) Vgl. § 1 des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" vom 6. Oktober 1969, BGBl. I, S. 1861 25) Der Status des Zonenrandgebietes blieb bei der Neuabgrenzung zum 10. Rahmenplan unangetastet. Vgl. BMWI Tagesnachrichten Nr. 8067 vom 22. April 1981, S. 2 sowie Handelsblatt vom 16. April 1981, S. 5 26) Ei ne Übersicht der Indikatorenwerte enthält:Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft und Verkehr, Bericht über die str~~­ turelle Entwicklung der bayerischen Wirtschaft, Strukturbericht 1977' s. 198 27) Vgl. Neunter Rahmenplan ••• , a.a.O., S. 9 sowie die Listen der Schwerpunktorte in den Beschreibungen der einzelnen Aktionsprogramme. 28) Ebenda, S. 21 f. 29) Ebenda, S. 19 30) Ebenda, S. 21 31) Vgl. die Angaben in: Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.), Die Standortwahl der Industriebetriebe in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West), Bonn 1977, s. 8 und * 65 sowie derselbe, Bonn 1979, S. 13 und 103 32) Das folgende nach E. Recker, Erfolgskontrolle Regionaler Aktionsprogramme durch Indikatoren, Hrsg.: Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung, Bonn 1977, S. 158 ff. 33) Vgl. hierzu U. Freund, G. Zabel, Regionale Wirkungen der Wirtschaftsstrukturförderung, a.a.O., s. 155; H. Georgi, V. Giersch, Neue Betriebe an der Saar, Hrsg.: Der Chef der Staatskanzlei, Industrie- und Handelskammer, Saarbrücken 1977, S. 170

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34) Vgl. hierzu U. Freund, G. Zabel, Regionale Wirkungen der Wirtschaftsstrukturförderung, a.a.O., S. 155 35) Ebenda, S. 156 36) Vgl. F. Wolf, Effizienz und Erfolgskontrolle der regionalen Wirtschaftsförderung, a.a.o., s. 212; F. Graf Ballestrem, Standortwahl von Unternehmen und Industriestandortpolitik, a.a.O., S. 138 37) Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft (Hrsg.), Wirksame Regionalpolitik- Fortschritte in den Regionen, a.a.O., S. 12 38) Vgl. Handelsblatt vom 16.4.1981, S. 5

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Zusammenfassung der Diskussion des Referats von Herrn Freund Es wurde darauf hingewiesen, daß man die Mitnahmeeffekte der regionalen Wirtschaftsförderung nicht isoliert betrachten dürfe, sondern im Vergleich dazu auch die Mitnahmeeffekte bei anderen Förderinstrumenten sehen müsse, die sicher ähnlich hoch seien, ohne allerdings in dieser Weise hochgespielt zu werden. Die Lenkungseffizienz der regionalen Wirtschaftsförderung sei bei Erweiterungsinvestitionen nicht geringer als bei vielen anderen Förderinstrumenten auch. Insbesondere wurde das Beispiel der Mitnahmeeffekte beim

§ 7b des Einkommensteuergesetzes - Förderung des Wohnungsbaus - an-· gesprochen. Man könne vermuten, daß weitaus der größte Teil der Leute, die von dieser Bestimmung Gebrauch machten, die 7b-Vergünstigungen mitnehmen und nicht deswegen bauen würden. Man solle in Anbetracht dessen die Mitnahmeeffekte auf dem Gebiet der Regionalpolitik relativieren. Man könne sagen, daß es bei jeder Maßnahme des Staates, die etwas beeinflussen wolle, zu Mitnahmeeffekten komme. Dies sei kein typisches Problem der Regionalpolitik. Es wurde die Frage gestellt, inwieweit die gegenwärtig sehr starke Umweltdiskussion Einfluß auf die Standortentscheidungen problembeladener Industrien habe, denn man könne sich vorstellen, daß heute die Errichtung von Problembetrieben an neuen Standorten, abgesehen von ganz abgelegenen Gegenden, fast unmöglich geworden sei. Der Referent schätzte diese Problematik ebenfalls außerordentlich hoch ein. Er bemerkte dazu, daß beim Bund Überlegungen in Gange seien, eine Regionalisierung des Bundesemissionsgesetzes durchzuführen, unabhängig von der Regionalpolitik. Wenn das zum Tragen komme, würde man sicher auch einen noch größeren Einfluß auf die regionalen Standortentscheidungen erhalten. Eine weitere Frage betraf die öffentlichen Finanzierungshilfen, die ja ein Ausgleich für die Standortnachteile in den entsprechenden Fördergebieten seien. Von daher liege die Vermutung nahe, daß mit den Fördereätzen auch die regionale Lenkungseffizienz steige. Beispielsweise hätte ein Fördereatz von 15% mehr Wirkung als ein solcher von 6%. Es wurde die Frage gestellt, ob es Untersuchungen

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gebe, die die Korrelation zwischen der Höhe der Fördereätze und ihrer Lenkungseffizienz berechnet hätten. Der Referent verwies auf Untersuchungen, die besagen, daß unter 15% Förderung kein Effekt zu erzielen sei. Darüber hinaus sei es selbstverständlich, daß der eine oder andere Unternehmer umso eher bereit sei, in ein Fördergebiet zu gehen, je höher die Förderung ausfalle. Bei langfristiger Betrachtungsweise der Unternehmungsentscheidungen müsse man jedoch die einmalige Finanzierungshilfe immer mit den durch den Standortnachteil entstandenen höheren Kosten, Transportkosten usw. abwägen. Insofern glaubte der Referent, daß man auch mit sehr hohen Fördereätzen nicht allzuviel bewege. Man dürfe auch bei zu hohen Fördereätzen nicht die gesamtwirtschaftlichen Auewirkungen vergessen, die schließlich zu einer Benachteiligung der wirtschaftsstarken Gebiete führen könnten. Es wurde darauf hingewiesen, daß man Mitnahmeeffekte nicht gleich Mißerfolg setzen dürfe, denn dies lasse sich nur in der sehr kurzfristigen Analyse sagen. Wenn man aber die Effekte langfristig betrachte, so dürfe man aufgrund der besseren Ertragsaussichten, die auch künftig von diesen Investitionen auegehen würden, die positiven Wirkungen nicht zu gering einschätzen, wenn man sie quantitativ nicht fassen könne. Selbstverständlich sei die beste Regionalpolitik, allgemein formuliert, eine Thnweltpolitik, die zu einer Internalisi~rung der externen Effekte in den privaten bzw. öffentlichen Kostenrechnungen führen würde. Der Referent räumte ein, daß dies vom Ansatz her sicher richtig sei, sich so jedoch nicht durchführen ließe. Das würde heißen, daß man in wirtschaftlich starken Gebieten die Vorteile bei spielsweise wegsteuern müßte. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an das Problem der Ballungsabgabe. Ein Teilnehmer wies auf einen seines Erachtens bisher wenig betrachteten Ansatzpunkt der Regionalpolitik hin, durch vermehrte Information der Unternehmer über Förderungsmöglichkeiten und Förderungsmodalitäten die Lenkungseffizi enz der Regionalpolitik zu verbessern. Es habe sich in Untersuchungen gezeigt, daß viele Unternehmer noch nicht viel darüber wüßten. Der Referent hielt dem entgegen, daß man die Möglichkeiten der regionalen Verlagerungen

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doch relativieren müsse. Klein- und Mittelbetriebe würden i.d.R. ihre Standorte, wenn überhaupt, nur in die nächste Umgebung verlagern, und zwar deshalb, weil einerseits die Familie schon immer in dieser Gegend ansässig gewesen sei und andererseits die Firma ihre Stammarbeiterschaft nicht verlieren wolle. Er räumte ein, daß bei großen Unternehmen diese Gründe sicherlich weniger wichtig seien, daß diese aber auch über einen besseren Informationsstand über Förderungsmöglichkeiten und Förderungsmodalitäten verfügten •



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Lücken in der Koordinierung der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" mit anderen raumwirksamen Maßnahmen und möglichen Abhilfen Prof. Dr. Dietrich Fürst 1. Abgrenzung des Themas1 Begriffsbestimmung Das Lamento über Koordinationsdefizite ist - seit diese in den 60er Jahren im Rahmen der Planungsdiskussion zum Hauptschuldigen unzureichender staatlicher Politik hochstilisiert wurden - noch immer die ideale Exkulpations-Formel, wenn Politiken nicht so anschlagen, wie sie sollten. "Koordinationsdefizite" kann alles beinhalten- von falscher Problemwahrnehmung über fehlende politische Koordination, wobei ich unter Koordination verstehen will OPTIMIERUNG der INTERDEPENDENZEN von PLÄNEN und HANDLUNGEN VERSCHIEDENER AKTEURE mit dem Ziel, in bezug auf ein GEGEBENES ZIELSYSTEM positive externe EFFEKTE zu mehren und negative externe Effekte zu minimieren. Koordination berührt wenigstens zwei Problemebenen a) ein Sachproblem: Interdependenzen müssen erkannt, deren Wirkungen müssen bestimmbar sein (bezüglich anvisierter Ziele) b) ein politisch-administratives Problem: Warum kommt Koordination nicht zustande und welche Vorkehrungen sind zu treffen, um Koordinationsverhalten so zu stimulieren, daß das Optimierungsziel angenähert wird (denn Koordination der Akteure kann ja auch darin bestehen, ein gemeinsames "Kartell" gegen Dritte zu bilden - ein für vertikale Politikverflechtung dokumentiertes Verhalten). Das Sachproblem hat in der Wissenschaft erstaunlich wenig Forschungsinput erfahren. Bei Durchsicht der Literatur stößt man auf das Phänomen, daß es - umfangreiche deduktive Analysen systemanalytischen Charakters gibt, welche logischen und sach-inhaltlichen Voraussetzungen für eine "gute Koordination" vorliegen müssen, - daß es aber kaum empirisch gehaltvolle Untersuchungen gibt, wo konkret Koordinationsdefizite der GRW aufgetreten sind und welchen meßbaren Schaden sie angerichtet haben. Die einzige diesbezügliche Arbeit, die ich kenne, wurde von Klemmer/Thoss und anderen im Auftrage des Planungsausschusses GRW erstellt und

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sollte die Konsistenz von GRW und Agrar-, Energie-, Verkehrspolitik untersuchen. Dieser Tatbestand limitiert mein Referat: Ich könnte Ihnen lediglich Fallbeispiele vortragen, wo Koordinationsdefizite offenbar Probleme verureacht haben - die im Aufdecken dieser Koordinationsdefizite unermüdliche Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung hat dazu in Schwerpunktheften der Zeitschrift "Informationen zur Raumentwicklung" gutes Material zusammengetragen, und auch der Raumordnungsbericht 1978 der Bundesregierung dokumentiert sie in der Analyse der Vollzugsprobleme des Bundesraumordnungsprogrammes. - Oder ich könnte - dem Strom der Literatur folgend - ohne große praktische Relevanz deduktiv analysieren, was alles sachlich notwendig wäre, um eine Koordination zu bewerkstelligen. Ich habe mir deshalb die Freiheit genommen und das Thema modifiziert: Ich spreche nicht über akute Defizite der Koordination der GRW, sondern über die Gründe, warum Koordinationsdefizite auftreten und wie sie beseitigt werden könnten. 2. Koordinationsdefizite beruhen auf fehlenden Koordinationsanreizen Ausgangspunkt ist die Vermutung, daß Koordinationsdefizite kaum auf Unkenntnis der Akteure über einen Koordinationsbedarf beruhen, sondern primär auf fehlenden Anreizen zur Koordination. Zwar ist richtig, daß auch Informationsdefizite zu Koordinationsschwierigkeiten führen, weil jedes Ressort sich auch informatorisch gegen andere abzuschotten sucht. Das führt dazu, daß z.B. die gleiche Stoßrichtung verschiedener Ressorte nicht wahrgenommen wird , weil die gewählten Indikatoren unterschiedlich sind, oder daß auch die Zukunft unterschiedlich eingeschätzt wird, weil unterschiedliche Prognoseprämissen und Prognosemethoden verwendet werden, oder daß die Ergebnisse auf verschiedene Regionsabgrenzungen bezogen werden. Aber auch diese Informations-Diskrepanz kann politisch gewollt sein: Die Ressortabschottung liegt im Interesse des Ressorts selbst wie auch seiner Klientel, die mehr Einfluß auf das Ressort gewinnt, wenn dieses autonom ist. Ressorts neigen deshalb dazu, Probleme

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eng zu definieren, damit sie autonom, d.h. im Rahmen der verfügbaren Kompetenzen und Ressourcen gelöst werden können und damit der Koordinationsbedarf - jedenfalls aus der Sicht des Ressorts minimiert werden kann. Konkretisiert an der GRW: Der Koordinationsbedarf der GRW, (die ja eine Querschnittsaufgabe ist), wurde bereits bei ihrer Etablierung erkannt: vorausgegangen war der Koordinierungsansatz des sog. "Schillerplanes" (1968) und Ansätze im Bundeskanzleramt, eine Koordinationszentrale einzurichten (s. Jochimsen: "Bundesentwicklungsplan"). Das scheiterte nicht zuletzt am Widerstand der Ressorts. Statt dessen wurde das regionalpolitische Problem eng als Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen definiert; das ist - nach traditioneller Ansicht - mit Maßnahmen der Förderung regionaler Kapitalmobilität und Standortangebotsstrategien, hier primär reduziert auf Infrastrukturförderung auf Gemeindeebene, ohne Rekurs auf die Hilfe von Nachbarressorts zu bewerkstelligen. Der Koordinationsbedarf mit anderen Ressorts wurde insofern minimiert, als im Grundsatz das Zentrale-Orte-Konzept der Raumordnung zugrunde gelegt wird; dieses hat - trotz aller Kritik - wenigstens einen Basiskonsens über räumliche Prioritäten sowie Handlungszwänge gegenüber Fachressorts geschaffen: Knotenpunkte der Infrastrukturnetze von Fachplanungen fallen recht gut mit Zentrale-Orte-Strukturen zusammen, wie etwa bei Schulen, Krankenhäusern, Entsorgungsnetzen aufzuzeigen wäre. Allerdings weicht die Umsetzung der GRW häufiger vom Zentrale-Orte-Modell ab. Koordinationsbedarf wird dann ausschließlich negativ definiert: als Abwehr von Störungen, die von anderen Ressorts kommen könnten - wie die Proteste der Vertreter der GRW gegen den Rückzug der Bundesbahn aus der Peripherie sowie gegen die Arbeitsmarkt- und Baulandeffekte der Agrarpolitik das deutlich machten. Der wichtige positive Koordinationsbedarf, der im Gefolge des wirtschaftsstrukturellen Wandels aufgetreten ist, nämlich die Koordination mit verschiedenen Bereichen der sektoralen Strukturpolitik, insbesondere mit der Mittelstandspolitik oder die Koordination mit der Technologiepolitik und der Arbeitsmarktpolitik, vor allem aber die Koordination mit multiregionalen Unternehmen wird eher vernachlässigt.

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Dabei zeigen jedoch alle Untersuchungen zur Effizienz der Regionalpolitik, daß sie allein mit ihrem Instrumentarium ihren Zielen nicht gerecht wird: Mitnehmereffekte und ungewollte Selbstrekrutierungen der begünstigten Unternehmen, nämlich der Unternehmen, deren Beitrag zur Aufgabe der GRW gering ist, werden beklagt. Diese Defizite könnten partiell abgebaut werden, wenn die Kooperationsbereitschaft der Adressaten gewonnen würde, d.h. wenn insbesondere multiregionale Unternehmen stärker zu Partnern herangezogen würden.

Die Bedeutung der multiregionalen Unternehmen hat

im Gefolge der Konzentrationstendenzen in bisher wenig konzentrierten Branchen, insbesondere durch Aufkauf von mittelständischen Betrieben, aber auch durch die - über die regionale Wirtschaftsförderung mit-induzierte - Zunahme der Zweigstellengründungen für die moderne Regionalpolitik ein großes Gewicht bekommen.

3. Koordination ist ein Kollektivgut Koordinationsdefizite sind primär politisch und administrativ verursachte Defizite: Sie beruhen ( wegen mangelhafter Anreizsysteme der Koordination) auf fehlender Bereitschaft der Ressorts/ Akteure, sich zu koordinieren, weil Koordination für sie kostspielig ist. Daraus resultieren entsprechende Problemdefinitionen, die den Koordinationsbedarf auf negative Koordination, d.h. Abwehr von Angriffen Dritter, reduzieren, gleichzeitig aber minimieren. Bei der weiteren Analyse beziehe ich mich auf die sog. "horizontale" Koordination, also die Koordination zwischen GRW und Fachressorts, wobei ich mich vor allem auf Infrastruktur-Ressorts beschränke. Diese Koordination ist die plastischste, wenn auch nach meiner Überzeugung nicht die wichtigste. Denn erstens funktioniert di ese Koordination in Grundzügen ganz gut - etwa die Koordinierung mit Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen nach Städtebauförderungsgesetz, mit der Fortschreibung des Bundesfernstraßenplans

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sowie der Landes-Generalverkehrspläne, mit Schulentwicklungsplanungen einzelner Länder, sogar zum Teil mit den anderen Gemeinschaftsaufgabenl zumindest ist der Raumordnungsbericht 1978 ganz optimistisch. Zweitens dürfte für die Regionalpolitik der Zukunft wichtiger als die Koordination mit Infrastruktur-Ressorts die Koordination mi t der allgemeinen Wirtschaftspolitik sowie mit Gewerkschaftsverbänden und multiregionalen Unternehmen sein; das erste ist teilweise eine hausinterne Koordination der Wirtschaftsministerien, die schwierig genug ist, das andere wird zur Zeit noch eher informell im Wege des regionalen Krisenmanagements betrieben (Saarkrisen-Bewältigung; Ruhrprogramm; Werftprogramm). Aber im Prinzip ist das, was über das Verhältnis GRW zu anderen Fachressorts gesagt wird, übertragbar auf andere zu koordinierende Akteure des öffentlichen Bereichs. Koordinationsbedarf ist ein Kollektivbedarf: Der Nutzen kommt primär dem Kollektiv - hier: dem Staat insgesamt - zu, die einzelnen Akteure tragen dazu mit Belastungen in Gestalt von Autonomieverzichten und Verlust von Macht (nämlich Verlust von Ressourcenkontrolle) sowie Ressourcenopfern (nämlich Zeit, Personal, Finanzen) bei. Allerdings verteilt sich der Nut zen der Koordinat ion auf die verschiedenen Akteure ungleich. So hat die GRW sicherli ch höheren Nutzen von der Koordination als andere

Fachpolitik~n,

weil

mit wirksamer räumlicher Koordination aller Fachpolitiken die interregionale Integration erhöht, die Standortqualität der Peripherie verbessert, der "impact" staatlicher Maßnahmen intensi vier t wird. Damit wird die GRW prinzipiell erfolgreicher, wenn man unterstellt, daß staatl i che Maßnahmen in Bezug auf regionale Entwicklungen komplementär und nicht substitutiv wirken (wie das z.B. die Indikatoren-Addition der GRW suggeriert)* Jedoch ist ihr Nutzen - würde die GRW den Koordinationsbeda rf als Nachfra ge ar t ikulieren - niedriger als der Kollektivnutzen insgesamt für den St aat, *)Infrastrukturmaßnahmen, Einkommen und Arbeit kraftreserven bildeten (bis zum 9. Rahmenplan) zusammen den Indikator für regi ona lpolitische Bedürftigkeit; unterschiedliche Niveaus der Einzel indikatoren sind also wechselseitig kompensierbar.

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wie er sich etwa als Abbau desintegrierender politischer und sozialer Tendenzen, Abbau der "Staatsverdrossenheit", Mobilisierung von Wählerunterstützung etc. darstellen läßt. Die GRW definiert den Nutzen sehr eng. Wenn sie Koordinationsbedarf artikuliert (wie in den Rahmenplänen seit dem Zweiten Rahmenplan (ET-DS 7/401, S. 9) kontinuierlich) dann primär mit dem Ziel, die Verantwortung für Versagen auf andere Akteure abschieben zu können (Exkulpationsformel). Kollektivgutproduktion verlangt eine kollektive Instanz (wie den Staat im Verhältnis zu Bürgern). Eine solche fehlt für die Regionalpolitik. Die Hilfskonstruktionen wie IMNOS und interministerielle Arbeitsgruppen auf Landesebene haben eher Symbolcharakter als große Effektivität: Sie können keine ressort-bindenden Entscheidungen treffen, verfügen über keine eigenen administrativen Ressourcen (z.E. Erlaß-Gewalt, Autorität des Regierungschefs) und sind auch nicht in der Lage, die Entscheidungsgewalt des Kabinetts für sich zu mobilisieren. Die Koordinationsfunktion wird folglich quasi-individualisiert: die beteiligten Ressorts sollen sie untereinander erfüllen. Das kann jedoch nur dadurch geschehen, daß - entweder alle Beteiligten das Kollektivinteresse internalisieren, was aber aufgrund des eng spezialisierten Ressortinteresses und der typischen Ressort-Egoismen eine utopische Vorstellung sein dürfte - oder daß einige Beteiligte als an Koordinati on stärker Interessierte als "Koordinat ions-Nachfrager" auft reten und die anderen Ressorts, die an Koordination weniger interessiert sind, zu "Koordinations-Angeboten" motivieren.

4· Ein Angebot-Nachfrage-Modell der Koordination Eetrachtet man folglich Koordination als Verhandlungsproblem zwischen Ressorts, so können als Einflußinstrumente Zwangsmittel, Appelle an Moral bzw. Überzeugungsstrategien und Tauschmittel gelten. Zwangsmittel zwischen Ressorts sind offen kaum einsetzbar -

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das würde ein Ressort zum "Überressort" hochstilisieren und Widerstände der anderen gegen dieses "Superministerium" auslösen. Appelle an Moral sind wirkungslos, solange die Interessenlage der "Anbieter" dadurch nicht verändert wird. Denkbar wäre allerdings, daß es den

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Nachfragern 11 (hier also: der GRW) gelingt, die "An-

bieter" (hier: Infrastruktur-Ressorts) davon zu überzeugen, daß Koordination in deren langfristig wohlverstandenem Eigeninteresse liegt, was aber trotz der Flut wissenschaftlicher Literatur zum Nutzen der Koordination bisher nicht gelungen ist. Bleibt der Tausch als wichtigste Interaktionsform. Tausch verlangt Tauschmedien; das können materielle und immaterielle Güter bzw. Geld sein, also: Stärkung der Fachressorts durch interbehördliche Allianzen (dann wäre Tauschmedium: Macht und Status), oder: 11 Bestechung durch Zweckzuweisungen" (dann wäre Tauschmedium: Geld) oder Unterstützung in Budgetverteilungskämpfen (St imme). Die Tauschressourcen der GRW gegenüber Fachressorts sind sehr schwach ausgebildet. Die GRW kann sie nicht einmal über indirekte Zwangsmittel aufwerten, indem regionale Disparitäten dramatisiert und damit öffentliches Krisenbewußtsein geweckt wird, was die Fachressorts zwingen würde, auf die Koordinationsnachfrage der GRW mit Angeboten zu reagieren. Denn die GRW würde Gefahr laufen, daß das Krisengerede gegen sie selbst wirkt, als Unfähigkeitsvorwurf, Dennoch muß die GRW versuchen, ihre Tauschressourcen in Verhandlungen mit den Fachressorts so gut wie möglich zu nutzen.

5. Die Nachfrager-Schwäche der GRW Das Angebot-Nachfrage-Modell der interbehördlichen Koordination zeigt eine schwache Nachfrageposition der GRW: (1) Die "Na chfrager" fragen nur so viel Koordination nach, wi e es ihrem unmittelbaren Interesse und ihrer begrenzten Nachfragekapazität (nämlich ihrem Tauschpotential ) entspricht. Diese Nachfrage ist in jedem Falle wesentlich geringer als es dem "objektiven Koordinationsbedarf" aufgrund von Systemanalysen der Ressort- In-

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terdependenzen entsprechen würde. (2) Die

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Anbieter 11 haben in der Regel nur geringes Interesse, Ko-

ordinationsleistungen anzubieten; für sie sind die Vorteile der Koordination niedrig bis nicht-existent, die Kosten jedoch gravierend: Sie müssen auf Autonomie verzichten, weil die Richtung ihrer Politik auch von der GRW mitbestimmt werden sollJ sie müssen Zeit, Personal und Finanzen opfern, müssen Pläne häufiger umschreiben etc. Das mag vielleicht für die Agrarstrukturpolitik anders sein, die um so wirksamer ist, je besser über Regionalpolitik die freigesetzten Arbeitskräfte absorbiert werden können.

(3) Die materiellen Interessenrichtungen decken sich nicht: Die GRW ist räumlich orientiert, die Fachressorts sind dagegen funktional, in der Regel auf infrastrukturelle Engpässe bzw. Klientelforderungen ausgerichtet. Faktisch führt das dazu, daB die Fachressorts eher Verdichtungsräume begünstigen und um so weniger geneigt sind, sich der GRW zu unterwerfen, je knapper ihre Ressourcen werden.

(4) Zudem konfligiert die Deutung der Koordinations-Situation zwischen Nachfragern und Anbietern. - Die Nachfrager verstehen sich als Vertreter des Kollektivs, die übergreifende Interessen zu artikulieren haben; - die Anbieter sehen in den Nachfragern "Imperialisten", die ihre Interessen und Ziele ihnen aufjochen wollen: Denn die Koordination würde nach Gebietskulisse und Zeitplan der GRW erfolgen müssen und würde damit räumliche Prioritäten verlangen, die mit den eher funktionalen Prioritäten der Fachressorts kollidieren.

(5) Die Kosten der Koordination wachsen für die einzelnen Ressorts in dem Maße, wie ihre Politik durch eine Vielzahl von Eindungen an Ressorts anderer föderaler Ebenen (vertikale Politikverflechtung (nach F. Scharpf)) und an die eigene Klientel bereits Konsens-Investitionen trägt. Diese Konsensinvestitionen werden noch durch hausinterne Konsense erhöht, weil Ressorts binnendifferenziert sind und Schwierigkeiten genug haben, wenigstens nach außen

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eine konsistente "Hauspolitik" darzustellen. Konsensinvestitionen sind hochwertiges politisches Kapital - die Ressorts werden es nicht zugunsten der GRW ohne Gegenleistungen abschreiben wollen. Aber die GRW hat kaum Verhandlungsspielraum: Sie unterliegt den gleichen Konsensinvestitions-Bindungen, denn sie ist das Muster vertikaler Ressortverflechtung zwischen Ebenen. Es ist dann kluge Politik, wenn die GRW darauf reagiert, indem sie den Koordinationsbedarf herunterspielt und Koordinationsdefizite nur soweit aufzeigt, wie sie damit "Schuld" auf andere Ressorts verlagern kann. Koordination kann dann nur auf der Grundlage minimaler Koordinationskosten erfolgen. Politische Kostenminimierung wird über die elegante Form symboiischer Politik betrieben: So tun, als ob man erfolgreich sei, faktisch aber nichts investieren. Gesprächskreise, interministerielle AK, Marginalkoordination in Randbereichen sind solche symboli schen Koordinationsstrategien. 6. Ansätze für Koordinations-Verbesserungen Aus dieser Defizitanalyse lassen sich Rückschlüsse auf Verbesserungsansätze ziehen. Die Ansätze müssen sich auf den Kollektivgutcharakter der Koordination und/oder die Nachfrageschwäche der Koordinationsnachfrager und/oder die hohen Koordinationskosten der Koordinationsanbieter beziehen. (a) Ein erster Vorschlag würde am Kollektivgutcharakter ansetzen können und die Koordinationsaufgabe auf eine ressortübergreifende Instanz übertragen. Staatskanzlei bzw. Bundeskanzl eramt liegen nahe, aber auch die Loslösung der GRW von einem Fachressort und ihre Übertragung auf ressortübergreifende Gremien mit Entscheidungskompetenz könnte erwogen werden. So gut der Vorschlag unter Aspekten der Kollektivgutproduktion sein mag, er scheitert an dem herrschenden institutionellen Rahmenwerk: Damit würde das Gleichgewicht zwischen Ressortprinzip, Kanzlerprinzip und Kabinettprinzip (für Bund: Art

65 GG) empfindlich gestört, we i l mit dieser organi-

satorischen Lösung auch entsprechende Machtmittel auf die Koordinationsinstanz übertragen werden müßten (z.B. hierarchische Zwangs-

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instrumente). Das Modell müßte zudem föderal konsistent sein, d.h. mindestens auf Bundes- und Landesebene gleichartig funktionsfähig ausgebildet sein. Die Schwierigkeiten, unter Willy Brandt das Bundeskanzleramt entsprechend aufzuwerten, sowie das Scheitern des PPBS zeigen die Aussichtslosigkeit des Ansatzes. Die Lösung ist also nicht praktikabel, zumal sie auch die nationalen PolitikPrioritäten einseitig verschieben würde (nämlich zur Dominanz der Regionalinteressen über Fachinteressen, was unter den geänderten Rahmenbedingungen heute nicht mehr konsensfähig ist (s. Referat Klemmer)) (b) Wirkungsvoller ist der Ansatz des "Nachfrage-Angebots-Modells". So könnte die Interaktion durch Dezentralisierung intensiviert werden. Dezentral wird- weil Politik dann konkreter ist - der Koordinationsbedarf intensiver empfunden, es entsteht ein höherer Koordinationsdruck. Die Problemnähe z.B. der Regierungspräsidien oder Regionalverbände würde auch die Steuerungsaufgabe der Koordinationsfunktion wirksamer zum Ausdruck bringen können. Denn Koordination hat ja immer die beiden Aufgaben: zu steuern und Interessen auszugleichen. Das hätte den Vorteil, daß problemnahe Lösungen geschaffen werden, daß die dezentrale Konkurrenz um effektive Lösungen intensiviert wird, daß dezentrale Verhandlungssysteme auch gegenüber den - für die Regionalpolitik in meinen Augen wichtigeren- Kommunen und vor allem multiregionalen Unternehmen etabliert würden und daß auch regionale Selbsthilfekräfte, etwa auf Gemeindeebene, mobilisiert werden könnten. Der Ansatz hat jedoch die Schwächen, daß der dezentrale Handlungsspielraum nur sehr gering sein wird, weil auf Zentralebene zu viel vorentschieden wird und die zentralen Steuerungsstellen dazu neigen, auf dem Verordnungs- und Erlaßwege die dezentralen Entscheidungsspielräume wieder abzubauen; - auf dezentraler Ebene die intraregionalen Verteilungskonflikte viel härter auszutragen sind als auf zentraler: Die dezentralen Einheiten werden kaum Chancen haben, regionale Antragsteller/Akteure

z~ückzuweisen,

selbst wenn es sachlich begründet ist.

Vielmehr werden Rücksichten auf Einzelinteressen das "Gießkan-

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nensystem" zum tragenden Verteilungsprinzip machen; - schließlich ist auch kaum zu erwarten, daß sich dezentrale Koordinatoren, z.B. das Regierungspräsidium, gegen vertikal versäulte Fachpolitiken durchsetzen können - wie soll der Regierungspräsident z.B. Verkehrsplaner "koordinieren", also faktisch steuern? (c) Wirksamer ist wahrscheinlich ein dritter Ansatz, die "Koordinationsanbieter" zu mehr Koordinationsleistungen zu motivieren. Mehrere Hebel sind denkbar - Erstens könnten über Systemanalysen und dramatisierte Wirkungsanalysen die Interdependenzen plastischer gemacht werden, so daß die Fachressorts höhere Legitimationskosten zu tragen haben, wenn sie sich nicht koordinieren; das könnte durch die GRW über "regionale Problemkampagnen" ("Raumordnungskampagnen"), wie sie von der frz. Regionalplanungsinstanz DATAR bewußt inszeniert werden, für spezifische Regionen geschürt werden, so daß über regionales Krisenmanagement der Koordinationsdruck gegenüber Fachressorts erhöht wird. Zweitens könnten- wiederum in Anleihe an Einrichtungen der DATAR - der GRW Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden, womit sie ihr Tauschpotential gegenüber Fachressorts erhöhen kann, schlicht gesprochen: womit sie Fachressorts zu ihren Gunsten bestechen kann. - Drittens könnten interbehördlich koordinierte Programme durch Sonder-Boni in den jährlichen Budgetverteilungskämpfen honoriert werden; die - allerdings mißglückten - Modelle der Standortplanung in NRW sowie der Nahbereichsplanung in BW könnten als Beispiele gelten. Das Modell ist nicht ungefährlich; es läuft Gefahr, von tagespolitischen Prioritäten bestimmt zu werden, gesamtgesellschaftliche Bezüge aus dem Blick zu verlieren. Das komplizierte Konsensfindungsverfahren der GRW würde ihr zudem die erforderliche Flexibilität und Reakt i onsfähigkeit nicht gewähren - die GRW müßte neu institutionalisiert werden, was in der gegenwärtigen politischen Situation ausgeschlossen ist. Lediglich Bruchstücke des Ansatzes

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(z.B. budgetäre Belohnung koordinierter Programme) könnten komplementär eingesetzt werden. (d) Der wohl wirkungsvollste Ansatz dürfte ein pragmatischer sein, der eng an bestehende Institutionalisierungen anknüpft und lediglich bestrebt ist, den Koordinationsbedarf auf das unerläßlich notwendige Maß zu reduzieren. Dazu ist jedoch zunächst erforderlich, den Mindest-Koordinationsbedarf anhand differenzierter Systemanalysen und empirischer Wirkungsanalysen offenzulegen, um sodann über Sensitivitäts-Analysen festzustellen, was wohl passieren würde, wenn man die Koordination nicht oder nur sehr vage betreibt. Nur gravierende Koordinationsprobleme sollten aufgegriffen werden. Auch hier kann

der~

Koordinationsbedarf noch weiter

reduziert werden. Z.B. wird der Koordinationsbedarf je Aktor verkleinert, wenn Koordination arbeiteteilig ausdifferenziert wird. So könnte der Koordinationsbedarf über ein Ordnungsmodell reduziert werden, indem bereits der Gesetzgeber bei neuen Rechtsnormen für Fachplanungen die Konsistenzprüfung gegenüber anderen Politikbereichen vornimmt. Der Bundestag hat sich bei der Novellie-

rung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (1980) vorbildlich verhalten, indem er den Gesetzentwurf von Sachverständigen auf seine Vereinbarkeit mit Raumordnung und Regionalpolitik prüfen ließ (IzR,

9. I 1o. 19so).

Der Koordinationsbedarf wird weiter reduziert, wenn - einem Vorschlag von Scharpf/Schnabel folgend - die Koordination auf konkrete Probleme, lax gesprochen: auf Krisenmanagement, beschränkt wird. Das Modell entspricht Lindbioms "disjointed incrementalism". Das ist allerdings nicht ganz unproblematisch, weil dann möglicherweise bereits so viel an Handlungsfreiheit der Ressorts durch vorangegangene Entscheidungen eingebüßt wurde, daß das Krisenmanagement nur sehr geringe Effektivität zeitigt. Krisenmanagement würde deshalb voraussetzen, daß die Fachplanungen auf grobe Rahmenplanungen zurückgenommen werden und daß die Konkretisierung dem fallweisen Problemmanagement überlassen wird. Die GRW ist mit Sonderprogrammen für VW-Standorte (1975) und für die saarländische Stahlindu-

strie (1978) dem Ansatz nach diesen Weg gegangen. Die Erfahrungen

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damit sind zwar nicht gerade begeisternd. Jedoch werden sie andererseits nicht in dynamische administrative und politische Lernprozesse umgesetzt, die auch den institutionellen Rahmen der Planung und Umsetzung der Sonderprogramme infragestallen und verändern lassen könnten. Insofern ist der Ansatz problematisch, obwohl regionales Krisenmanagement den Vorteil hätte, - dezentrale Problemlösungen über Verhandlungen zwischen den am Problem beteiligten Kommunen, privaten Unternehmen, den Verbänden sowie staatlichen Behörden zu verbessern, - die Rückkoppelung der Qualität der Problemlösung zum Problemlösungsbedarf der Betroffenen enger zu gestalten, den Koordinationszwang für alle Akteure zu erhöhen, weil nämlich höhere politische Kosten der Nicht-Koordination entstehen. Ein wichtiges Hilfsmittel, den Koordinationszwang und Lernprozesse der Koordination zu intensivieren, kann die Erfolgskontrolle sein. Jedoch müßte sie aufgabenspezifisch und nicht ressortspezifisch angelegt werden. Denn eine ressortspezifische Erfolgskontrolle versperrt den Blick für Koordinationsdefizite, weil sie von einer zu engen Problemdefinition ausgeht und vom Ansat z her die Schuld für Versagen nur bei dem erfolgskontrollierten Ressort suchen kann. Wichtig wäre, daß systemanalytisch der notwendige Beitrag anderer Politiken sichtbar gemacht wird, so daß Erfolgskontrolle auch Koordinationskontrolle ist. Das setzt wahrscheinlich auch ein anderes Instrumentarium der Erfolgskontrolle voraus: Nicht Soll-Ist-Vergleiche reichen aus, sondern Wirkungsanalysen sind anzuschließen, die bestimmte politisch induzierte Veränderungen auf deren Verureaeher zurückführen lassen. Denn das traditionelle Instrument der Erfolgskontrolle wird im politi schen Prozeß zu leicht zu einem Instrument der Schuldzurechnung, was eher Anreize setzt, die Ressortabschottung zu vertiefen und die ressortspezifische Problemdefinition einzugrenzen: Jedes nicht unmittelbar betroffene Ressort hat dann Anreiz, sich vom Mißerfolg zu distanzieren, indem es sich schon qua Problemdefinition als nicht zuständig erklärt.

7. Schlußbemerkungen

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Ich habe möglicherweise das mir gestellte Thema in Ihren Augen nicht befriedigend behandelt. Mein Ausgangspunkt ist jedoch die Grundüberzeugung, die ich leider nicht beweisen kann, daß Koordinationsdefizite übertrieben werden und der Verweis darauf primär Exkulpations- bzw. Verantwortungs-Verschiebungsfunktion hat. Ich habe deshalb weniger auf objektive Koordinationsdefizite und eine Diskussion der saohrationalen Koordinationsproblematik abgestellt, sondern darauf, wie die Interessenlandschaft und die Verhaltensmuster aussehen, die sich eigentlich koordinieren sollten, und warum sie sich so sohlecht koordinieren. Ich bin allerdings überzeugt, daß der Koordinations~ in der Zukunft steigen wird, nicht weil alles komplexer und arbeitsteiliger wird, sondern schon deshalb, weil die einzelnen Ressorts bei knapper werdenden Ressourcen immer weniger in der Lage sind, Probleme so zu definieren, daß sie im Rahmen ihrer Kompetenzen und Ressourcen mit Anstand als "gelöst" bezeichnet werden können. Vielmehr sind sie darauf angewiesen, die Problemlösungs-Unterstützung anderer Ressorts zu erwerben. Das wiederum setzt in zunehmendem Maße interorganisat orisches Verhandeln voraus - "institutionelle Außenpolitik" und interorganisatorische Diplomatie werden gegenwärtig aber noch von viel zu wenigen Ressort-Vertretern beherrscht. Hier arbeitet beispielsweise das renommierte TAVISTOCK-Institute (London) an entsprechenden experimentellen Lernsituationen ("area coordination approach"). Jedoch wird die Koordinationsbereitschaft der Akteure mit zunehmender Finanzkrise eher abnehmen,denn erzwungene Planrevisionen werden häufiger und jede Planrevision reduziert die in die Koordination investierten Konsensfindungsaufwendungen gegen null. Wenn aber Koordinationsinvestitionen zu schnell abgeschrieben werden müssen, lohnen sie sich nicht. Inhaltlich wird sich der Koordinationsbedarf der GRW verschieben. Die GRW entwickelt sich- wie auch die Neuabgrenzung zum 10. Rahmenplan gezeigt hat- immer mehr zum Arbeitsmarkt-Managementsystem. Ihre Koordinationspartner sind dann die Wirtschafts- und Technologieressorts, die BfA (Nürnberg), multiregionale Unternehmen, Ge-

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meinden. Ihre Funktion verlagert sich immer mehr zu einem Medium der Koordination von sektoralen Strukturpolitiken in einer Region. Dafür dürfte jedoch der gegenwärtige institutionelle Rahmen nicht ausreichen; dezentrale Koordinations-Institutionen müßten komplementär wirksam werden. Die institutionelle Trennung von Raumordnungspolitik, Regionalpolitik und sektoraler Strukturpolitik sowie Arbeitsmarktpolitik wird immer mehr zum Steuerungs-Hindernis, weil die Addition der Politiken nicht-planbare Anreizstrukturen für privates Verhalten setzt - was nach draußen als "Irrationalität der Politik" wirkt. Koordination wird allerdings auch ein immer schwierigeres Geschäft. Sie wird heute vor allem von den Adressaten der Förderung geleistet, die sich aus den verschiedenen verfügbaren Fördertöpfen das Geeignete zusammensuchen. Außer formaler Koordination z.B. über Höchstabgrenzungen (wie bei der GRW) oder institutionelle Arbeitsteilung (wie z.B. bei der baden-württembergischen Mittelstandsförderung) - gelingt es kaum, ressortübergreifende Steuerungen einzuführen, die gleichzeitig indi viduell genug den jeweiligen Förderungsfall fördern können - "throwing money at problems" ist immer noch die herrschende staatliche Strategie der Problembewältigung, auch wenn sie im Zuge der Finanzknappheit schwieriger wird. Man sollte wohl grundsätzlich zweierlei im Auge behalten a) das akademische Ideal der rational koordinierten staatlichen Politik ist Utopie; die Kosten dieser Koordination würden wahrscheinlich ihren Nutzen weit übersteigen; erreichbar ist lediglich, daß sich Politiken nicht konterkarieren, nicht aber, daß sie sich optimal wechselseitig unterstützen. b) Nicht alles ist ein Problem der Koordinati on. Vieles wird fälschlich als Koordinationsproblem defi niert, ist es aber in Wirklichkeit gar nicht: Häufig handelt es sich um eine poli1ische Prioritätsentscheidung. Kann man den Rückzug der Fachressorts aus der Fläche verwerfen, wenn der Aufwand für unterausgenutzte Kapazitäten politisch nicht legitimiert wird? Kann man den Fachressorts verdenken, daß sie verstärkt Krisenmanage-

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ment außerhalb der GRW-Räume betrieben? (Offenbar wird diese Politik jetzt politisch sanktioniert, indem die Mittel von der GRW zu Fachpolitiken umgeschichtet werden). Kann man den Ländern verdenken,daß sie verstärkt Fördermittel außerhalb der GRW- wenngleich nicht unter regionalpolitischen Gesichtspunkten - vergeben, um die prekäre Arbeitsmarktsituation aufzufangen?

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Zusammenfassung der Diskussion des Referates von Prof. Dr. Fürst In der nachfolgenden Diskussion wurde vor allem Kritik an der vom Referenten unterstellten Definition von Koordination laut. Zum einen sei sie zu eng, da sie nicht darauf abstelle, daß auch innerhalb der Institutionen Koordinierungsprobleme aufträten und die vom Referenten betonte Problematik der Bildung eines Abwehrkartells gegenüber Dritten nicht so sehr im Vordergrund stehe. Unter Koordination sei vielmehr ein gemeinsames Verhalten in Bezug auf die Erreichung bestimmter Ziele zu verstehen, und diese Ziele würden nicht in erster Linie darin bestehen, Dritte abzuwehren, Darüber hinaus dürfe man Koordination nicht unabhängig von der Zielfestlegung definieren. Es sei die Frage, ob die Koordination selbst mit vorgegebenen Zielen operieren könne oder ob die Ziele nicht selbst wiederum Gegenstand der Koordination seien, Gerade diese Frage der Koordination in der Zieldiskussion sei in der Praxis zunehmend aktueller geworden, denn die Mittel flössen erheblich knapper als noch vor einigen Jahren, somit fänden heute harte politische Auseinandersetzungen um die Mittelverwendung statt, Deshalb besitze die Zieldiskussion und der dadurch erhöhte Koordinationsbedarf bei der Festlegung der Ziele heute mehr Gewicht als in der Vergangenheit. Der Referent räumte ein, daß er in seiner Definition von Koordination unter einem vorgegebenen Zielbündel operiere, daß er aber auch nicht von abstrakten Zielen ausgehe, da sich die Frage: Wo hören die Ziele auf, und wo fangen die Mittel an, hier ebenso stelle, so daß die Vorgabe von Zielen automatisch mit der Koordinationsproblematik und dem Instrumenteneinsatz verbunden sei. Was die Definition von Koordination als Abwehrkartell gegenüber Dritten betreffe, so sei dies genau das, was die Praxis unter Koordination verstehe. Der Referent betonte, daß er seine Definition im Gegenteil weiter gefaßt sehen wolle, nämlich als Optimierungsansatz im Rahmen eines vorgegebenen Zielsystems, wobei die negativen externen Effekte abgeschwächt und die positiven externen Effekte entsprechend verstärkt werden sollen. Dies gelte ebenfalls für die Intraressort-Koordination. Die Frage der Behandlung der externen Effekte im Rahmen des Opt i-

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mierungsmodells blieb ebenfalls nicht unwidersprochen, da man doch davon ausgehen könne, daß die Mehrung externer Effekte den Koordinationsbedarf erhöhe, Man müsse vielmehr die externen Effekte soweit wie möglich minimieren, auch die positiven, damit am ehesten eine Zurechnung im Sinne einer Verantwortung für bestimmte Maßnahmen möglich sei, was den Koordinationsbedarf verringere. Aufgrund der Kritik an der Behandlung der externen Effekte im Rahmen der Koordinationsproblematik wiederholte der Referent nochmals seine Definition der externen Effekte, und zwar wolle er die externen Effekte so verstanden wissen, daß die einzelnen Akteure Aktivitäten betreiben, die nicht voll zurechenbar seien. Da jedoch die Möglichkeit ausscheide, Handlungen so genau zuzuschneiden, daß sie voll zurechenbar seien, würden insofern immer externe Effekte übrigbleiben, und diese externen Effekte könnten dann auch andere Akteure schädigen. Diese negativen externen Effekte sollen vermindert werden mit dem Ziel, die Koordination einem bestimmten Optimierungsziel anzunähern. Die anderen Akteure könnten durch positive externe Effekte aber auch begünstigt werden, was gefördert werden solle. Bei genereller Minimierung der externen Effekte könne der Fall eintreten, daß positive Koordinierungsmöglichkeiten ausgeklammert würden. Denn positive externe Effekte hätten einen Vermischungseffekt in dem Sinne, daß man durch gemeinsame Koordination als Positivsummenspiel ein Koordinierungsergebnis erreiche, das über dem liege, wie es durch Zurückschrauben auch der positiven externen Effekte erreicht würde. Das heißt, man müsse also immer zuerst konkret untersuchen, welche externen Effekte sich gut zurückschneiden ließen, also nicht koordinierungsbedürftig seien, und welche positiven externen Effekte es gebe, Ein Teilnehmer vermißte in dem Referat eine Behandlung der Koordination von Beihilfen. Während es stark auf die Infrastruktur abgestellt habe, sei doch gerade das Problem einer Ordnung im Bereich der Subventionen sehr aktuell. Die Gemeinschaftsaufgabe sei nämlich nur in zweiter Linie ein Finanzierungsinstrument, in erster Linie aber ein Ordnungsinstrument, das den Wettbewerb der Regionen und Kommunen untereinander in ein System gebracht habe. Bei Betrachtung des Subventionsordnungsgesetzes stelle sich die Frage

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nach der Obergrenze der Intervention in der privaten Wirtschaft. Es gehe hier vor allem um das Problem der Kumulation von Beihilfen. Man müsse einerseits den einzelnen Fachressorts genügend Mittel belassen, um einen nennenswerten Anreiz durch die Subvention zu erzielen, andererseits könne man sich aber nicht in Subventionshöhen kumulieren, die nicht mehr tragbar seien. Dieses Thema müßte im Rahmen der Koordinationsdiskussion auch einen Platz haben. Der Referent stimmte zu,daß die Koordination von Beihilfen immer aktueller werde, doch wisse er selbst noch nicht, mit welchen Modellen - seien es Ordnungsmodelle oder Verhandlungsmodelle - man dieses Problem in den Griff bekommen könne. Hier tauche das alte Problem wieder auf, nämlich inwieweit man die einzelnen Ressorts an eine gemeinsame Politik zu binden vermöge.

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Möglichkeiten zu einer Fortentwicklung der Zielplanung in der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" Dr. Wolfgang Albert Wir haben in der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" ein Entwicklungsniveau erreicht, das - wie ich gleich zu Geginn betonen möchte - durchaus einem internationalen Vergleich standhält. Und wir werden in Brüssel bei den Diskussionen über die europäische Regionalpolitik sehen, wieweit wir manchen unserer Partner in vielen Dingen voraus sind. Mit Herrn Professor Müller verbindet mein Haus in erster Linie auch die Tatsache, daß von ihm vor 20 Jahren ein Gutachten über die Möglichkeiten und Grenzen der Regionalpolitik in einer Marktwirtschaft erstellt worden ist. Es ging damals - das hat man heute alles schon vergessen - um die Grundentscheidung: Darf man denn so etwas überhaupt? Und heute unterhalten wir uns nur noch über die Form und über die Inhalte dieses Unterfangens. Die Entwicklung der Regionalpolitik in Deutschland begann - und das unterscheidet sich nicht von anderen Ländern - mit einer reinen adhoc Aktion zur Bekämpfung von Notständen. Sie ist dann zu kritischen Punkten, die in anderen Referaten dieses Seminars schon angesprochen worden sind, weiter fortentwickelt worden, und es stellt sich beispielsweise die Frage: Ist das, was wir zur Sanierung des Ruhrgebietes machen sollen, was von uns erwartet wird, überhaupt noch Bestandteil einer Regionalpolitik im engeren Sinne - zumindest so, wie sie in der Gemeinschaftsaufgabe definiert ist? Und schließlich sind wir in Europa dabei zu überdenken: Was ist das, was dort Regionalpolitik genannt wird, wenn etwa ganz Irland regionales Förderungsgebiet ist, wenn also innerhalb des Landes gar nicht mehr regional unterschieden wird? Wenn wir im Infrastrukturbereich Straßen, Schulen, Krankenhäuser fördern, landwirtschaftliche Bewässerung - eigentlich außer Sakralbauten alles! - trifft darauf die Bezeichnung Regionalpolitik überhaupt noch zu? Wenn aber im folgenden von Zielplanung die Rede ist, dann von Zielplanung innerhalb der Gemeinschaftsaufgabe, und diese Ziele, an - 102 -

denen wir uns orientieren, sind auch erst im Laufe der Zeit präziser definiert worden, Der Obersatz gilt nach wie vor: Wer das Ziel nicht kennt, wird den Weg nicht finden, Deshalb steht am Anfang der Suche nach Möglichkeiten zur Verbesserung der Zielplanung die Frage: Welche Ziele verfolgen wir eigentlich? Aber auch das zweite Element dieses Wortes "Zielplanung", nämlich Planung, ist lange Zeit eine äußerst umstrittene Angelegenheit gewesen. Was besagt Planung der Ziele in der Marktwirtschaft? Sie ist sicherlich keine Strukturplanung, die unternehmerieche Entscheidungen gegenstandelos macht; sie ist vielmehr eine Planung zielgerichteter Interventionen nach bestimmten Prioritäten und mit festzulegenden Maßnahmen. Diese allgemeine Zielumschreibung möchte ich nur noch einmal in Erinnerung rufen, ohne sie weiter zu erörtern. Sie findet sich auch im Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe. Die regionale Strukturpolitik, so heißt es dort, ist ein Bestandteil der gesamten Wirtschaftspolitik. Die zentralen Ziele sind das Wachstumsziel, das Stabilisierungsziel und das Ausgleichsziel. Konkret geht es der Gemeinschaftsaufgabe um die Verbesserung der Beschäftigungsund Einkommenslage in bestimmten Regionen der Bundesrepublik Deutschland. Es wird also eine Verringerung bestehender Arbeitsplatzdefizite oder drohender Arbeitsplatzdefizite und/oder die Erhöhung der Durchschnittseinkommen angestrebt. Die hier bereits behandelte Neuabgrenzung der Fördergebieta war ein ganz wesentlicher Schritt und zugleich eine Bewährungsprobe für die Regionalpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Sie ging von fünf Kriterien aus, die schon in einem anderen Referat erläutert worden sind, von denen vier die Abweichung beim Arbeitsmarkt und beim Einkommen beschreiben und ein fünftes Kriterium Rückstände bei der Infrastrukturausstattung. Eine Zielplanung wird in erster Linie von den vier erstgenannten Kriterien auszugehen haben und muß darüber hinaus dann auch Sonderfälle berücksichtigen, insbesondere solche Zonenrandregionen, die die Schwellenwertanforderung nicht erreicht haben und die sui generis ausgewählt wurden. Die Entscheidung über die Gewichtung der Kriterien - also diese 40-40-20 Entscheidungist ihrer Natur nach eine politische Problemgewichtung gewesen, Es sind damit Problemtypen entstanden, die man kurz als Arbeitsmarkt-,

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Einkommens- oder politische Problemregionen bezeichnen kann. Eine Zielplanung wird also auch diese drei unterschiedlichen Problemtypen in Bedacht zu nehmen haben. Nun ist eine Auswertung der Daten, die uns ja "mit hängender Zunge" im März geliefert worden sind und durch unermüdlichen Einsatz bestimmter Institute, insbesondere des Forschungsinstituts der Friedrich-Ebert-Stiftung, noch rechtzeitig zur Entscheidung vorgelegt werden konnten, in so kurzer Frist gar nicht möglich. Es wird eine langdauernde und im übrigen primär wissenschaftliche Aufgabe sein, sie zu analysieren. Von der Politik her sind gewisse Fragestellungen schon heute möglich, ohne daß man sie erschöpfend in einem solchen Vortrag erörtern könnte. Aber ich möchte Ihnen einige Beispiele nennen. Zunächst müssen wir jedoch klar sagen, daß es nicht befriedigen kann, wenn wir einen solchen Datensatz, der dann noch der Gewichtung bedarf, verwenden, um die Gebiete abzugrenzen. Optimal wäre ein einziger, regionalstatistisch nachweisbarer Indikator, an dem man alle Situationen mißt. Wir haben nicht zuletzt deswegen fünf Indikatoren zu einem "Mix" gebracht, weil wir uns der Schwächen in der statistischen Genauigkeit und in der Aussagekraft der einzelnen Indikatoren bewußt waren. Man könnte nun also fragen, wie die Fördergebiete aussehen würden, wenn der Abgrenzung nur Arbeitsmarktkriterien oder nur Einkommensindikatoren zugrunde gelegen hätten. Was hätte das gebracht? War es richtig, daß der Bund seine ursprüngliche Vorstellung aufgegeben und sich der von der Mehrheit der Länder vertretenen Forderung angeschlossen hat, ein Gesmatindikatorenmodell zu verwenden? Oder umgekehrt gefragt: Was wäre denn geworden, wenn wir nur nach Arbeitsmarktgesichtspunkten vorgegangen wären? Dann wären schon bekannte Namen - ich glaube, Herr Louda hat sie in seinem Beitrag erwähnt - ganz an erster Stelle erschienen: Aachen, Gelsenkirchen, Dortmund, Bad Kreuznach. Bei einem Vorgehen nur nach Einkommen wären bei 29,77% Bevölkerungsabschneidgrenze zusätzlich erfaßt worden: Nördlingen, Kaufbeuren, Korbach, Sigmaringen, Marburg, Aschaffenburg, Rosenheim, Detmold, Hameln, SchwäbischHall, Würzburg, Kempten, Memmingen, Waldshut, Tauberbiachofsheim, Balingen. Man stellt fest, daß es sich bei diesen Kreisen um einen gänzlich anderen Problemtyp handelt, und es wäre interessant - auch

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von der statistischen Aussagekraft her -, darüber nachzudenken, ob nicht die von uns verwendeten Kriterien, Pro-Kopf-Einkommen und Bruttoinlandsprodukt je Kopf der Wohnbevölkerung, zu mangelhaften Aussagen hinsichtlich der regionalen Problematik führen. Wenn dem so ist, dann kommt man auch durch eine Mischung eigentlich nicht zu einem optimalen Ergebnis - wenn man Fehler mischt, werden sie nicht geringer. Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen, nämlich bestimmte Regelmäßigkeiten, die auffallen, wenn man die Indikatoren durchsieht. Beim Einkommensindikator- dieser setzt sich ja additiv zusammen aus Pro-Kopf-Einkommen und Bruttoinlandsprodukt- stellt man fest, daß in einem Bundesland- es handelt sich um Bayern - die Standardabweichung beim Bruttoinlandsprodukt in fast allen Fällen geringer

ist als bei der Lohn- und Gehaltssumme. Also schlug dort offenbar die Lohn- und Gehaltssumme bei der Gestaltung des Einkommensindikators durch. Bei den anderen Ländern wiederum verhält es sich gerade umgekehrt. Lassen Sie mich eine dritte Überlegung vortragen. Es gibt von 25 anerkannten Förderregionen in Bayern allein 17, die eine positive Abweichung beim Arbeitskraftreservequotienten aufweisen, die also in dieser Beziehung über dem Bundesdurchschnitt liegen; für 10 Regionen gilt das gleiche bei den Arbeitslosenquoten. Hier wird ganz deutlich- und damit komme ich wieder zu meinem Thema im engeren Sinn zurück -, daß ein solches Land hinsichtlich seiner Förderregionen andere Ziele verfolgen muß als ein Land, dessen Förderregionen überwiegend über den Arbeitsmarktindikator zum Zuge gekommen sind. Eine Fortentwicklung der Zielplanung in der Gemeinschaftsaufgabe muß zunächst im quantitativen Sinne angestrebt werden. Sie geht im Grunde immer von der Schaffung neuer und von der Sicherung vorhandener Arbeitsplätze aus. Wenn wir uns zunächst auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze konzentrieren, dann muß man beachten, daß diese zum Teil ein Arbeitsplatzdefizit verkleinern und zum Teil das Einkommen verbessern sollen. Die Einkommensverbesserung vollzieht sich

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im Wege des Ersatzes von Arbeitsplätzen mit geringer Einkommensvermittlung durch solche mit höherer Einkommensvermittlung. In dem Fall, wo es also nur um Ersatz von Arbeitsplätzen geht, muß man anschließend bei der Erfolgskontrolle berücksichtigen, daß diese neuen Arbeitsplätze dann nicht zu den in der Ausgangslage bereits vorhandenen Arbeitsplätzen additiv vorfindbar sind, denn sie haben ja eine substitutive Funktion. Das wird häufig bei flüchtigen Untersuchungen nicht genügend beachtet. Die Erfolgskontrolle muß also Arbeitsplätze, die dem Abbau eines Arbeitsplatzdefizits dienen, additiv, und solche, die zur Verbesserung der Einkommenslage beitragen, substitutiv in das Ergebnis aufnehmen. vlenn ich nun über die Möglichkai ten spreche, Arbeitsplatzziele zu-

nächst quantitativ vorzugeben, so möchte ich daran erinnern, daß eine ganz wesentliche Eigenheit des deutschen Fördersystems darin besteht, klare Fördertatbestände geschaffen zu haben. Die Briten beispielsweise sträuben sich mit Händen und Füßen, in die auf europäischer Ebene geforderten Entwicklungsprogramme Arbeitsplatzziele einzubauen, und sie kennen überhaupt nichts, was unserer Vergehensweise vergleichbar wäre. Wir zählen ja "knallhart" einen neuen Arbeitsplatz nur als solchen, wenn er zusätzlich zum Bestand bei Beginn der Investiti on in der Betriebsstätte vorhanden ist. Wenn also während der Investitionsperiode Umstrukturierungsvorgänge zu Verlusten an Arbeitsplätzen in anderen Abteilungen geführt haben, dann werden diese abgezogen. Entsprechend verringern sich die mit der eigentlichen Investition geschaffenen neuen Arbeitsplätze. Die Briten- und in anderen Mitgliedsstaaten ist das so ähnlich- s i nd bestenfalls bereit anzuerkennen, daß durch eine geförderte Investition eine bestimmte Zahl von Arbeitsplätzen entsteht, ohne Rücksicht darauf, wieviel dann hinterher per Saldo zusätzlich in der Betriebsstätte vorhanden sind. Damit verschwinden die Unterschiede zur Umstrukturierung und auch zu gewissen Fällen der Rationalisierung, und die Erfolgsziffern sind in keiner Weise mehr gleichzusetzen mit einem Beitrag zur Verringerung eines Arbeitsplatzdefizits. In den bisherigen Rahmenplänen der Gemeinschaftsaufgabe waren die Arbeitsplatzziele mehr oder weniger freihändig entwickelt worden.

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Wir haben in den letzten Jahren für das Bundesgebiet als ganzes im Durchschnitt etwa 75.000 Arbeitsplätze pro Jahr als Zielvorstellung gehabt, wohl wissend, daß die tatsächliche Zahl der neu entstehenden Arbeitsplätze geringer ausfällt; aber wir sahen vor der Neuabgrenzung keinen plausiblen Ansatzpunkt, um diese Arbeitsplatzzielziffern zu korrigieren. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um den nächsten Schritt zu wagen. Ich sagte, die Zahl von 75.000 neuen Arbeitsplätzen, die in den bisherigen Rahmenplänen stand, war überhöht. Das soll nicht heißen, daß solche Arbeitsplatzziele völlig unplausibel sind, denn einer "freihändigen" Bestimmung von Arbeitsplätzen sind nach oben und unten politische Grenzen gesetzt. Überhöht man sie, dann wird man bei der Erfolgskontrolle bescheinigt bekommen, daß man schlechte Politik gemacht hat. Das lassen sich Politiker nicht gern bescheinigen. Setzt man die Arbeitsplatzziele zu niedrig an, dann wird man eine Dauerdiskussion erhalten, deren Tenor lautet: Ihr schätzt die Probleme dieser Region falsch ein, ihr verkennt unsere Probleme. Demzufolge kann man schon davon ausgehen, daß die von den Ländern benannten Arbeitsplatzziele in irgendeiner Weise plausibel waren, aber wir hatten diese Ziele in einer Zeit definiert, in der die Rate der jährlich geschaffenen Arbeitsplätze tatsächlich höher lag. Es begann ja 1972 mit 125.000 Arbeitsplätzen und bröckelte dann allmählich bis 1978 auf 48.000 Arbeitsplätze ab. Allerdings handelt es sich dabei um die Zahlen der Antragsstatistik, die sich jedoch in ihrer Aussagekraft erheblich verbessert haben, denn die Unternehmer werden sich zunehmend der Nachteile bewußt, die von überhöhten Angaben in ihren Anträgen ausgehen. Aufgrund dieser Statistik sind somit in den vergangenen Jahren bei einem Investitionsvolumen im gewerblichen Bereich von rund 90 Mrd.DM 670.000 neue Arbeitsplätze entstanden. Immerhin 3096 der geförderten Investitionen entfallen auf neue Betriebe und 60% auf Erweiterungen; der Rest von 10% setzt sich aus Umstellungsund Rationalisierungsmaßnahmen zusammen, die also keine allzugroße quantitative Bedeutung haben. Der nächste Schritt, den wir nun vorhaben, ist eine problemgerechtere Zuordnung von Arbeitsplatzzielen zu den einzelnen Regionen. Wir gehen von einer Arbeitsplatzzahl aus, die uns aufgrund der An-

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tragsstatistik für die nächste Periode plausibel und machbar erscheint. Die jährliche Zielziffer für das gesamte Bundesgebiet im 10.Rahmenplan dürfte 60.000 betragen, deren Regionalisierung nun ein weiteres Problem darstellt. Ich habe Anfang dieser Woche den Kollegen aus den Ländern eine Liste übergeben können, in der die Gruppierung, die wir schon für die Ermittlung der Finanzquote des 10. Rahmenplans benutzt haben, auch auf die Aufschlüsselung der Arbeitsplatzziele angewandt wird. Diese Gruppierung bestand darin, daß wir die Regionen von

Cham bis Coburg, in denen die Förderkri-

terien erfüllt sind, in zwei Hälften mit jeweils gleicher Bevölkerungszahl unterteilt haben. Die dringlichere Hälfte, Cham

bis Mön-

chen-Gladbach, wird mit 1,25 gewichtet, die andere mit 1,0 und Regionen, die diese Kriterien nicht erfüllt haben- sie liegen im Zonenrandgebiet -, mit 0,75. Gewichtung bedeutet in dem Zusammenhang, daß die Einwohner einer Arbeitsmarktregion mit diesen Faktoren 1,25/ 1,0/ 0,75 multipliziert werden. Daraus ergibt sich eine gewichtete Gesamtbevölkerungszahl und daraus wiederum der Anteil jeder einzelnen Arbeitsmarktregion an den 60.000 "machbaren" Arbeitsplätzen. Mathematisch ist das ein recht einfaches Verfahren. Man hät t e durchaus überlegen können, ob man es noch weiter verfeinert. Wir haben z.B. auch eine Gesamtmeßziffer, die exakt nach unserem System die Abstände kardinal angibt. Auch diese Meßziffer hätte sich als Gewichtungsfaktor angeboten, aber bei den ersten Versuchen einer präziseren Regionalisierung wollten wir den Bogen nicht überspannen. So fein sollte man diese Planungsaussagen m.E. auch gar nicht machen. Jetzt verfügen wir für etwa 100 Arbeitsmarktregionen über eine "spitze" Ziffer: In Ammerland-Cloppenburg z.B. 786 neue Arbeitsplät ze, in Helmstedt 246 und in Nordhorn 456. Kein Mensch wird erwarten, daß wir diese Werte in den Rahmenplan eingeben und einem staunenden Publikum vorspiegeln, wir wären in der Lage, etwa in Nordhorn genau 456 Arbeitsplätze zu schaffen. Es handelt sich vielmehr um

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Basisziffern 11 , die nun wieder aggregiert werden müssen zu

den Ziffern für die regionalen Aktionsprogramme. Und auch zwischen den einzelnen regionalen Aktionsprogrammen - darauf komme ich noch zu sprechen - muß di e Landespolitik die Möglichkeit haben, Verschiebungen vorzunehmen, wenn sie eine andere Prioritätensetzung, aus welchen Gründen auch immer, wünscht. Die Arbeitsplatz ziele, die sich

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aus der Addition der auf ein Land entfallenden Arbeitsmarktregionen ergeben, bleiben jedoch für dieses verbindlich, und wenn man die Zahlen abrundet, dann erwarten wir, daß in Schleswig-Holstein pro Jahr 5.600 Arbeitsplätze entstehen, in Niedersachsen 13.800, in Bremen/Bremerhaven 500, in Nordrhein-Westfalen 11.000, in Hessen 4.600, in Rheinland-Pfalz 1.000, im Saarland 3.400, in BadenWürttemberg 600 und in Bayern 13.500 Arbeitsplätze. Diese Einzelwerte summieren sich zu einer Gesamtzahl von 60.000 Arbeitsplätzen. Wir bewegen uns jetzt immer noch im quantitativen Bereich, und diese ganze Rechnung leitet sich ab aus einer Bedürftigkeitsbetrachtung. Bis jetzt noch keine Rolle gespielt hat die Frage der Förderungswürdigkeit. In dem Augenblick, wo man aber die Arbeitsmarktregionen eines regionalen Aktionsprogramms mit ihren Zielziffern zu einer Gesamtzielziffer zusammenfaßt, etwa für den Eifel-HunsrückRaum, kann man nun den nächsten Schritt machen und festlegen, wo innerhalb dieses Raumes in erster Linie Arbeitsplätze entstehen sollen. Die Hierarchie der Schwerpunktorte kommt zum Zuge, und die Präferenzgestaltung muß dem entsprechen. Und wenn sich im Zuge einer jährlichen Erfolgskontrolle - das nennen wir Zwischenkontrolle ergibt, daß statt 2000 Arbeitsplätzen z.B. nur 1000 entstanden sind, dann kann man die Frage anknüpfen: Warum ist dieses Defizit verblieben? War die Präferenzgestaltung nicht in Ordnung? Fehlte es an Grundstücken? Sind die Bürgermeister der Schwerpunktorte unfähig? So kommt man dann in eine fundierte Erörterung von Erfolgen und Mißerfolgen sowie von möglichen Abhilfen. Diese Arbeitsplätze - das war eingangs erwähnt - dienen der Beseitigung eines Defizits und/ oder der Verbesserung d.er Einkommenslage. Etwas vereinfacht ausgedrückt, kann ein Arbeitsplatz die Einkommenslage nur verbessern, wenn er ein höheres Einkommen vermittelt als dem bisherigen regionalen Durchschnitt entspricht. Folgerichtig müssen wir in der Regionalpolitik darauf achten, daß wir nicht durch eine verfehlte Präferenzgestaltung Sektoren mit "billigeren" Arbeitsplätzen- wenn ich sie so nennen darf - ansprechen, die dann über den Arbeitsmarkt bessere Arbeitsplätze verdrängen. Hier kann es also unmittelbar zu Fehlwirkungen der Politik kommen.

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In die Zielbeschreibung der regionalen Aktionsprogramme gehören also qualitative Bedingungen hinein. Die Länder müssen festlegen, welche Probleme es in erster Linie in einem bestimmten Gebiet zu lösen gilt, und dem muß dann auch die Selektion der Förderfälle Rechnung tragen, wobei wir ja, wie Sie wissen, ein Instrumentarium haben, das sich zusammensetzt aus einer

Invest~tionszulage,

auf die

ein Rechtsanspruch besteht, sowie aus Zuschüssen ohne Rechtsanspruch bis zu einer Höchstgrenze; gerade diese schüsse sind das Hauptselektionsinstrument

zusätzlichen Zu-

der Landesbehörden.

Die qualitativen Bedingungen in den regionalen Aktionsprogrammen sollen sich auf die Einkommensqualität der Arbeitsplätze beziehen. Sie müssen jedoch auch andere Aspekte berücksichtigen. So wird immer gefragt, warum Wolfsburg noch Fördergebiet ist. Wir können darauf verweisen, daß wir Anträge des VW-Werkes in Wolfsburg auf Förderung regelmäßig ablehnen, weil an eine solche Förderung eben nicht gedacht ist, sondern an die Förderung von Arbeitsplätzen, di e dort zur Auflockerung der industriellen Monostruktur führen. Gerade dieser Abbau von Monostrukturen ist ein weiterer qualitativer Aspekt der Zielplanung. Auch die Verbesserung der Relation zwischen Männer- und Frauenarbeitsplätzen und die Bezugnahme auf offenkundige Standortvor- und -nachteile kann hier eine Rolle spielen. Damit haben wir regionale Aktionsprogramme mit Zielaussagen, die auch in Richtung auf die angehängten Finanzierungsplanungen weiter konkretisiert werden können. Eine Multiplikation der Arbeitsplatzziffern mit den entsprechenden Investitionskosten je Arbeitsplatz bringt eine Vorstellung, welches Investitionsvol1nnen im gewerblichen Bereich gefördert werden sollte. Wir würden 60.000 bundesweit zu schaffende Arbeitsplätze derzeit mit 190.000 DM multiplizieren, weil dieser Betrag zur Zeit als Durchschnittswert für die Kosten eines neuen Arbeitsplatzes gilt. Wenn man auf die so errechneten Investitionsbeträge die ins Auge gefaßten Subventionspräferenzen anwendet, dann wird der Geldbedarf für diese Arbeitsplätze klar. Bei einer solchen Rechnung werden die Sicherung von Arbeitsplätzen, d.h. Umstellungs- und Rationalisierungsmaßnahmen, sowie die Infrastrukturförderung zur "Restgröße". Wir gehen von einem verfügbaren Betrag aus, reservieren das, was für die Schaffung neuer Arbeits-

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plätze - diese hat die höchste Priorität - notwendig ist, und sehen dann, was an Sicherung von Arbeitsplätzen und Maßnahmen auf infrastrukturellem Gebiet noch möglich ist. Das mag man beklagen, aber es ist nun einmal die Bewirtschaftung eines Mangels. Und daran führt kein Weg vorbei. Man kann sogar sagen: die Infrastrukturförderung bildet sowieso eine offene Flanke dieser Bund-Länder-Veranstaltung Gemeinschaftsaufgabe. Die Infrastruktur, die wir bezuschussen, könnte natürlich auch von den Ländern allein gefördert werden. Sie entlasten sich sozusagen - wenn ich das einmal provokativ sagen darf - von Landesausgaben, soweit das möglich ist nach den Regelungen, welche die Gemeinschaftsaufgabe vorsieht. Im Infrastrukturbereich haben wir im übrigen auch die Möglichkeit, bei Sonderprogrammen, Konjunkturprogrammen usw. ab und zu Beträge zugunsten einer Region locker zu machen. Aber trotzdem ist diese Behandlung der Sicherung von Arbeitsplätzen und der Infrastrukturförderung als Restgröße unbefriedigend. Und daher kann man, ausgehend von einer verfeinerten Zielplanung und einer darauf aufgebauten Finanzierungsplanung, tatsächlich auch versuchen, die optimale Dotierung der Gemeinschaftsaufgabe zu ermitteln. Seit es sie gibt, waren uns bestimmte Beträge vorgegeben, die gelegentlich etwas aufgestockt wurden und sich gegenwärtig auf lächerliche 470 Millionen DM - Bund/ Länder gemeinsam - belaufen, für 1981 steht sogar eine Kürzung um 20% an. Ich weiß, daß der Vertreter des Bundesfinanzministeri ums in unseren Ausschüssen immer einen Horror davor hatte, wir könnten unsere Planung eines Tages weiterentwickeln und dann ganz konkret sagen: Wir brauchen eigentlich anderthalb Milliarden! die Sache funktioniert sonst nämlich nicht richtig. (Die Zahl von anderthalb Milliarden ist von mir aus der Luft gegriffen.) Wir wiederum halten es für nicht zumutbar, daß man die Finanzi erung dieser Gemeinschaftsaufgabe allein zum Spielball haushaltspolitischer Entscheidungen macht; jedenfalls ist das keine für die Regionalpolitik befriedigende Lage. So komme ich abschließend zu der Frage, ob eine solche Fortentwicklung der Ziel- und Finanzplanung, wie ich sie hier nur andeutungsweise skizzieren konnte und für die ich Denkanstöße

von Ihrer Sei-

te dankbar entgegennehme, nur Perfektionismus darstellt, ob wir uns

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am Ende hier in Rechenkunststückehen hineinwagen, die im Grunde genommen nicht weiter führen, politisch gefährlich sind und außerdem - soweit das "Planungsnetz" immer dichter wird- auch noch den Handlungsspielraum der Landesregierungen unnützerweise einengen. An dieser Stelle möchte ich nochmals das Problem Europa in die Betrachtung einbeziehen. Die Bundesrepublik Deutschland ist bekanntlich der größte Nettozahler für die europäische Regionalpolitik. Ich habe schon umschrieben, was sich andere Staaten und die EG-Kommission unter Regionalpolitik in Europa vorstellen. Ob man es nun Entwicklungshilfe, Finanzausgleich oder politische Kostenerstattungen nennt- es hat alles nicht sehr viel mit Regionalpolitik zu tun, wie wir sie hier in der Bundesrepublik Deutschland auffassen und anstreben. Zumindest besteht deutscherseits das dringende Interesse, daß es zu einer Art von Erfolgskontrolle auch auf europäischer Ebene kommt, sonst schütten wir unsere Steuergelder in ein Faß ohne Boden. Das können und wollen wir dem Steuerzahler nicht zumuten, und im übrigen wissen wir ja seit einiger Zeit, wie es um den finanziellen Spielraum der Bundesrepublik Deutschland als eines der reicheren Länder Europas bestellt ist. Wenn wir in Europa Erfolgskontrollen durchführen wollen - und Erfolgskontrollen sind das Gegenstück zur Zielplanung -,dann müssen wir versuchen, auch in Europa eine Zielplanung zustande zu bringen. Es hat sich immer mehr eingebürgert, daß wir Deutschen mit bestimmten Dingen vorangehen, nicht zuletzt in der Absicht zu zeigen, was möglich ist, denn was wir können, das müßten die anderen jedenfalls doch versuchen. Wir bemühen uns um die Weiterentwicklung des periodischen Berichtes mit besseren regionalstatistischen Grundlagen; auch dieses Vorhaben gilt dem Ziel, das ich eben genannt habe. Wenn wir also deutscherseits an einer Verbesserung der Planung und der Erfolgskontrolle interessiert sind, dann nicht zuletzt aus den eben genannten Gründen auf europäischer Ebene. Dann schließlich noch die Frage: Wie halten wir es mit unserem Föderalismus? Werden die wildgewordenen Planer in Bonn nun den letzten Entscheidungsspielraum, den die Länder noch haben, verkonsumieren oder wie geht es weiter? Ich habe es vorhin schon im Zusammenhang mit den Zielen für die regionalen Aktionsprogramme angedeutet:

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Es sind Abweichungen von diesen Zielvorgaben möglich, und diese Abweichungen können sich eben so abspielen, daß z.B. die Bayeri sche Staatsregierung sagt: eigentlich sollten wir gemäß Zielplanung in Westmittelfranken 2000 Arbeitsplätze schaffen und in Oberfranken 1500, aber wir haben ein landespolitisches Modell, und das sieht in Oberfranken 3000 neue Arbeitsplätze vor zu Lasten des Zuwachses in anderen Regionen. So zu verfahren ist das Recht einer Landesregierung, dafür stellt sie sich ja auch periodisch dem Vähler, und wenn der Wähler das Vorgehen für falsch hält, kann er die Regierung abwählen. Der Entscheidungsspielraum für diese Art von Abweichungen ist also nach wie vor gegeben, Wir werden uns in den Gremien der Gemeinschaftsaufgabe dann lediglich über die Begründungen für solche Abweichungen zu unterhalten haben, damit die Abweichungen nicht ein Ausmaß erreichen, das die Zielsetzung für die Fördergebiete der Bundesrepublik insgesamt in Frage stellen würde.

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Zusammenfassung der Diskussion des Referates von Dr. Albert Der Referent ging zu Anfang

d~r

Diskussion noch einmal auf die Er-

folgekontrolle ein, da sie im Referat etwas zu kurz gekommen war. Die Erfolgskontrolle im Sinne der Zielerreichungskontrolle wird eingeteilt in eine Endkontrolle und eine Zwiechenkontrolle. Die Endkontrolle besteht in der Neuabgrenzung der Fördergebiete. Die Zielabweichung, die sich aufgrund der Indikatoren ergibt, ist zugleich Veranlassung, die Zielkonzeption neu festzuleeen. Die Zwischenkontrolle stellt fest, inwieweit die jährlichen Arbeitsplatzziele pro Region erreicht werden. Das Problem ist nun, daß man den Effekt, der durch die Förderung erzielt wird, nicht isolieren kann, d.h. man kann beim Verfehlen eines Arbeitsplatzziels nicht ohne weiteres sagen, daß dies an der ungenügenden Förderung liegt, da man nicht weiß, was passiert wäre, wenn keine Förderung erfolgt wäre. Die Erfolgskontrolle kann nur die Veränderung der tatsächlich vorhandenen Arbeitsplätze zwischen zwei Zeitpunkten messen. Aber Untersuchungen zeigen, daß die Problemregionen wie Emsland usw. zwischen 1969 und 1979 erheblich gegenüber dem Bundesdurchschnitt aufgeholt haben. Demnach hinterläßt die Regionalförderung in der Bundesrepublik Deutschland doch ihre Spuren. Ein Teilnehmer wies auf Ergebnisse von Erfolgskontrollen hin, wonach vor allem Arbeitsplätze geringerer Qualität gefördert worden seien. Dies könne auch daran liegen, daß die Infrastrukturförderung nur eine Restgröße im Programm der gesamten Förderung sei. Eine solche Politik sei falsch, weil durch die Behandlung der Infrastruktur als Restgröße nur am Symptom kuriert werde, nicht aber an der Ursache. Die Politik müsse andere Prioritäten setzen, sonst werde sie bei der Schaffung höherwertiger Arbeitsplätze in den Problemregionen scheitern. Wenn beispieleweise die Bayerische Staatsregierung in Hof eine Beamtenfachhochschule errichtet habe, aber keine Dozenten, und schon gar nicht in München, dafür finde, weil keiner nach Hof wolle, so liege die Ureaehe doch in der fehlenden Infrastruktur von Hof im Vergleich zu München. Der Referent stimmte zu,daß es Behauptungen gebe, wonach nur minderwertige Arbeitsplätze in den Fördergebieten geschaffen würden. Eine Untersuchung für das Saarland zeige jedoch, daß diese Behauptung nicht zutreffe; die Qualität der Arbeitsplätze

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in den neu entstandenen Zweigbetrieben beispieleweise entspreche in etwa derjenigen in den Hauptbetrieben. Man dürfe auch nicht vergessen, daß nur Erweiterungsinvestitionen gefördert würden, d.h. schrumpfende Wirtschaftszweige gelangten gar nicht in die Förderung, so daß die strikte Handhabe der Erweiterungsechwelle den Effekt einer positiven Selektion in Richtung auf wachetumsstarke Branchen habe. Zur Frage der Infrastrukturförderung, wie sie im Sinne der Gemeinschafteaufgabe betrieben wird, bemerkte der Referent, daß der Rahmenplan und das Gesetz der Gemeinschafteaufgabe klar vorsehen, nur die unmittelbar mit den Arbeiteplatzzielen verbundene Infrastruktur zu fördern und weiterreichende Maßnahmen auf diesem Gebiet anderen Ressorte auf Bundes- oder Länderebene zu überlassen. Man könne dies nicht mit den Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe finanzieren. Hier stelle eich wieder die Frage der Koordination. Er stimmte der Kritik aber insoweit zu, daß eine Flankierung durch infrastrukturelle Maßnahmen oder gar Vorleistungen einen umso höheren Stellenwert erlangten, je weiter die Schaffung neuer Arbeitsplätze vorangetrieben werde. Die Infrastrukturförderung selbst könne kein eigenständiges Ziel der Gemeinschaftsaufgabe sein. Im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe auf dem Gebiet der Infrastrukturförderung machbar sei bestenfalls Geländebereitstellung und Erschließung, wenn man von den Bereichen Berufsausbildung und Fremdenverkehr einmal absehe. Alle anderen Maßnahmen müßten von den zuständigen Ressorts durchgeführt werden. Die Frage, warum das Einkommensziel ebenfalle Ziel der Gemeinschaftsaufgabe verfolgt werde, ferent mit dem Hinweis auf die Nebenbedingung Arbeitsplätzen: Sie müssen geeignet sein, die

nicht als eigenes beantwortete der Rebei der Förderung von Einkommenssituation

zu verbessern. Aus diesem Grunde würden zwar die Größen Einkommen und Infrastruktur in das Indikatorensystem eingehen, doch bestehe kein Anlaß, sie in den Rang eigenständiger Ziele der Gemeinschaftsaufgabe zu erheben. Im folgenden wurde noch auf die unbefriedigende Mittelsituation eingegangen. Die Gemeinschaftsaufgabe sei in ihrer Existenz bedroht, weil die Ziele immer mehr an den Mitteln orientiert werden

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müßten. Die Ziele der Gemeinschaftsaufgabe könnten nur erreicht werden, wenn die Länder eigene Mittel in erheblichem Maße beisteuern. ~ährend die Mittel seit 1972 in etwa konstant geblieben und sogar in jüngster Zeit um 20% gekürzt worden seien, seien die Investitionskosten pro Arbeitsplatz kräftig gestiegen, d.h. die Lücke werde immer größer. Der Referent antwortete darauf, daß der Finanzminister sehr wohl von der Notwendigkeit der Regionalpolitik überzeugt sei, die 20%ige Kürzung jedoch aus haushaltspolitischen Zwängen nicht habe umgehen können. Er wies darauf hin, daß die regionale Investitionszulage ungekürzt und im Zeitablauf relativ konstant geblieben sei. Dies deute darauf hin, daß irgendwelche rasante Entwicklungen in der regionalen Investitionstätigkeit nicht stattgefunden hätten. Aufgrund der zunehmenden Kapitalintensität der Arbeitsplätze bestehe aber die Gefahr, daß die sehr kapitalintensiven Unternehmen im beetehenden System relativ mehr gefördert würden als die mehr arbeitsintensiven Unternehmen. Diese Gefahr sei jedoch erkannt worden und habe im zehnten Rahmenplan Regelungen zur Folge gehabt, die Abhilfe versprächen.

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Zur Situation der Regionalstatistik in der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung von Datenschutzproblemen Regierungsrat Erwin Südfeld Heute habe ich die Möglichkeit, vor Ihnen einige Gedanken zur Situation der Regionalstatistik in der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung von Datenschutzproblemen vortragen zu dürfen. Zunächst einige Vorbemerkungen zu diesem Themenbereich. I. Vorbemerkungen Mein Vortrag hat zum Ziel, einen kurz gefaßten Überblick über den gegenwärtigen Stand der Regionalstatistik und ausgewählte Probleme ihrer Weiterentwicklung zu geben. Unter dem Begriff Regionalstatist i k werden dabei alle statistischen Arbeiten verstanden, die Ergebnisse in tiefer regionaler Gliederung - in der Regel bis zur Ebene der Gemeinden hinunter - liefern. Da die wichtigste Quelle der Regionalstatistik die Bundesstatistik ist, behandelt der Vortrag in erster Linie Themenbereiche der Regionalstatistik als Aufgabe der Bundesstatistik und die Rolle de s Statistischen Bundesamt es im Rahmen dieser Arbeiten. Nicht behandelt werden dagegen regionalstatistische Vorhaben, die von Stellen außerhalb der Bundesstatistik durchgeführt werden, z.B. statistische Untersuchungen, die Länder oder Gemeinden in eigener Zuständigkeit für ihr Gebiet vornehmen. Auch Arbeiten von wissenschaftlichen und/oder marktorientierten Instituten bleiben in meinem Vort rag unberücksichtigt. Entsprechend der großen Bedeutung der Bundesstatistiken für die Regionalstatistik wird zunächst auf die Organisation der Bundesstati stik und di e Aufgaben des Sta tistischen Bundesamtes im Rahmen der Bundesstati sti k - unter besonderer Berücksichtigung der regionalstatistischen Aufgaben - eingegangen. Darauf folgt ein Überblick über die Gewinnung regionalstatistischer Daten. Dieser

Ab~chnitt

stellt zunächst das bestehende Angebot an Regionaldaten vor und

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zeigt anschließend Lücken und vorgesehene Erweiterungen im regionalstatistischen Datenangebot auf. Im weiteren werden Überlegungen zur Darbietung und Auswertung regionalstatistischer Ergebnisse präsentiert. Zu guter Letzt sollen Datenschutzprobleme im Bereich der Regionalstatistik behandelt werden. II. Regionalstatistik als Aufgabe der Bundesstatistik Zunächst darf ich einige Ausführungen zum organisatorischen Rahmen machen, d.h. Regionalstatistik als Aufgabe der Bundesstatistik darstellen. Wie bereits erwähnt, sind die wichtigsten statistischen Quellen für die Regionalstatistik die Bundesstatistiken, die in der Regel auf Bundesgesetzen oder Verordnungen des Bundes beruhen, seit dem Bestehen der Europäischen Gemeinschaften auch auf deren Verordnungen, die in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht sind. Obwohl Aufgabe der Bundesstatistiken in erster Linie ist, Zahlenmaterial für Zwecke der Bundesregierung und -Verwaltung bereitzustellen, berücksichtigen die jeweils für den Gesetzentwurf sachlich zuständigen Bundesministerien bei der Formulierung der Entwürfe der einzelnen Statistikgesetze nicht nur, welches Zahlenmaterial sie für ihre eigenen Aufgaben benötigen. Sie tragen darüber hinaus auch den Interessen der Länder und Gemeinden, der internationalen Organisationen sowie der Wirtschaft und Wissenschaft an einem möglichst lückenlosen statistischen Gesamtbild der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse Rechnung. Charakteristisch für die amtliche Statistik in der Bundesrepublik Deutschland ist ihre fachliche Zentralisierung in eigens hierfür eingerichteten statistischen Fachbehörden. Die statistischen Unterlagen werden in der Regel also nicht von den zuständigen Ressorts erhoben und aufbere itet, sondern von den Stati stischen Ämtern. Die statistischen Arbeiten der Ressorts sind dagegen, abgesehen von der Mitwirkung an der Gese tzgebung, im allgemeinen auf die Auswertung statistischer Ergebnisse gerichtet.

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Dem föderalistischen Staats- und Verwaltungsaufbau entsprechend teilen sich Bund und Länder in die Erfüllung der statistischen Aufgaben, die vom Statistischen Bundesamt und von den Statistischen Landesäretern durchgeführt werden. Hierin äußert sich die

~

gional weitgehend dezentralisierte Organisati on der amtlichen Statistik in der Bundesrepublik Deutschland. Nach der Verfassung hat der Bund zwar die volle Gesetzgebungszuständigkeit für die Bundesstatistik, jedoch ist seine Verwaltungskompetenz auf diesem Gebiet begrenzt. Die Länder führen daher die aufgrund der Verfassung auf sie entfallenden Arbeiten als eigene Angelegenheiten durch und müssen auch die Mittel dafür aufbringen. Der Bund hat hinsichtlich der Ausführung der statistischen Gesetze gegenüber den Bundesländern keine Weisungsbefugnis. Diese Art der Arbeits- und Kostenverteilung hat dazu geführt, daß die Länder versuchen, die Bundesstatistiken soweit wie möglich für ihre eigenen Zwecke nutzbar zu machen. So drängen sie z.B. häufig auf tiefe regionale Gliederungen und damit meist auf Totalerhebungen. Für die regionalstatistischen Anliegen des Bundes würde dagegen in manchen Fällen eine regionale Gliederung der Ergebnisse ausreichen, die aus repräsentativen Statistiken erfüllt werden könnte. Die Aufgabenverteilung zwischen dem Statistischen Bundesamt und den Statistischen Landesämtern ist dadurch gekennzeichnet, daß das Statistische Bundesamt als selbständige Bundesoberbehörde die Aufgaben wahrnimmt, die ihrem Wesen nach nur von einer statistischen Zentralbehörde übernommen werden können. Hierzu gehören insbesondere: (1) die methodische und technische Vorbereitung aller Bundesstatistiken; (2) die Festlegung des vorbereiteten Erhebungs- und Aufbereitungsprogramms im Benehmen mit den Ländern, soweit dies für die einheitliche und termingemäße Durchführung von Bundesstatistiken durch die Länder notwendig ist;

(3) die Zusammenstellung der Ergebnisse in der für den Bund erforderlichen sachlichen und - ich betone - regionalen Gliederung.

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Die Erhebung und Aufbereitung der Bundesstat istiken sind dagegen im allgemeinen Angelegenheit der Statistischen Landesämter. Innerhalb des vorstehend geschilderten organisatorischen Rahmens liegt das Schwergewicht der Tätigkeit des Statistischen Bundesamtes für das Gebiet der Regionalstatistik bei der methodischen und technischen Vorbereitung der einzelnen Bundesstatistiken und der Koordinierung der Darbietung ihrer Ergebnisse. Im Rahmen der Vorbereitung einer Statistik wird das Statistische Bundesamt tätig, nachdem vom fachlich zuständigen Bundesministerium der Auftrag zur Vorbereitung einer bestimmten Statistik erteilt und die zu klärenden Probleme und die zu erfassenden Tatbestände in groben Zügen umrissen worden sind. Die Bestrebungen des Statistischen Bundesamtes sind dabei von jeher darauf gerichtet gewesen, ein geordnetes und in sich geschlossenes Gesamtsystem der Statistik insgesamt und der Regionalstatistik speziell aufzubauen, in dem sich die einzelnen Statistiken sinnvoll ergänzen und Überschneidungen und Doppelarbeiten vermieden werden. Zu diesem Zweck wird ständig an der gegenseitigen Abstimmung und Koordinierung des Inhalts der Fragen- und Tabellenprogramme für die verschiedenen Statistiken, an der Vereinheitlichung der Definitionen und der Systematiken, an einer einheitlichen Abgrenzung der Erhebungsbereiche .und einer sinnvollen Verwendung der verschiedenen Erhebungs- und Darstellungseinheiten, an einer vernünftigen Aufteilung zwischen kurz-, mittel- und langfristigen Erhebungen usw. gearbeitet. Neben diesen Arbeiten des Statistischen Bundesamtes, die grundsätzlich alle Statistiken betreffen, sind für die Regionalstatistik insbesondere die Bemühungen um ein ausgewogenes System der regionalen Tiefengliederung in den verschiedenen Erhebungen bzw. Erhebungsteilen und sonstigen statistischen Arbeiten zu erwähnen. Durch diese Bestrebungen konnte in verschiedener Hinsicht der Umfang der durchzuführenden Statistiken reduziert werden. Zum Teil wurden auch neue Statistiken vermieden, weil man die Materialanforderungen durch Kombination von aufeinander abgestimmten Ergebnissen aus vor-

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handenen Statistiken oder durch zusätzliche Berechnungen und Schätzungen aufgrund secher Ergebnisse erfül len konnte. Nach diesen Ausführungen zum organisatorischen Rahmen darf ich Ihnen nachfolgend einige Gedanken zur Gewinnung regionalstatistischer Daten vortragen. III. Gewinnung regionalstatistischer Daten A. Das bestehende Angebot an Regionaldaten

Nicht zuletzt durch den skizzierten föderalistischen Staats- und Verwaltungsaufbau der Bundesrepublik Deutschland und das in der Bundesstatistik wahrgenommene Interesse der Länder an tiefer regionaler Gliederung der Ergebnisse hat sich die Bundesstatistik se i t jeher um die Bereitstellung von regional tief gegliedertem Zahlenmaterial bemüht. Durch die vorhin erläuterte Praxis der Länder, im Hinblick auf tiefe regionale Gliederungen Totalerhebungen zu bevorzugen, sind diese zu Hauptquellen für regional fein gegliederte Angaben geworden. Die wichtigsten Zählungen (das sind Volksund Berufszählung, Arbeitsstättenzählung, Landwirtschaftszählung, Zensus im Produzierenden Gewerbe und Handwerkszählung, Handelsund Gaststättenzählung, Gebäude und Wohnungszählung) liefern vielseitiges Material für regionale Analysen und Planungen; ihre wichtigsten Ergebnisse werden bis zur Ebene der kleinsten administrativen Gebietseinhe i ten der Bundesrepublik Deutschland - den Gemeinden- aufbereitet. Der Nachteil dieser Zählungen besteht darin, daß sie nur in größeren Zeitabständen (etwa alle fünf bis zehn Jahre) stattfinden. Die regionalstatistische Information aus den Zählungen wird deshalb ergänzt durch Angaben aus kurz- und mittelfristigen Statistiken. Zu nennen sind hier vor allem: Flächenerhebung, laufende Bevölkerungsstatistik, Beschäftigtenstatistik, Arbeitsmarktstatistik, Schul- und Hochschulstatistik, Statistik des Gesundheitswesens, die Agrarstatistik, Industrie- und Bauberichterstattung, Statistik

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der Baugenehmigungen,-fertigstellungen und des Bauüberhangs, Fremdenverkehrsstatistik, Gemeindefinanzstatistik (einschl. Schulden und Personal) sowie verschiedene Steuerstatistiken und nicht zuletzt die Sozialproduktsberechnungen. An dieser Stelle will ich nicht die Sorgen verhehlen, die wir Statistiker mit der bereits für dieses Jahr geplanten Volks-, Berufsund Arbeitsstättenzählung haben. Die gesetzliche Grundlage für dieses Zählungswerk ist in der letzten Legislaturperiode am Dissens des Bundes und der Länder wegen einer Finanzzuweisung gescheitert. Derzeit befindet sich das inhaltlich unveränderte Gesetz erneut in der parlamentarischen Beratung, Es bleibt zu hoffen, daß ihm im Interesse all derjenigen, die für ihre Analysen, Planungen u n d g e n

E n t s c h e i d u n -

unabdingbar aktuelle Informationen in tiefer regionaler Un-

tergliederung benötigen, ein günstigeres Schicksal beschieden ist als seinem Vorgänger in der letzten Legislaturperiode.

Zur Aufgabe der amtlichen Statistik in der Bundesrepublik Deutschland gehören nicht nur die Vorbereitung, Erhebung, Aufbereitung und Darbietung von Statistiken, sondern in steigendem Maße auch die Weiterverarbeitung von Ergebnissen statistischer Erhebungen zu neuen - berechneten oder geschätzten - Daten. Neben der Berechnung von Indizes, Kaufkraftparitäten u.ä. kommt hierbei insbesondere den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen eine besondere Bedeutung zu; deren Regionalergebnisse werden in zunehmendem Maße für die verschiedensten Zwecke der Wirtschaftsbeobachtung - u.a. auch im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" - benötigt. Die Statistischen Landesämter haben in Zusammenarbe·it mit dem Statistisuhen Bundesamt wichtige Größen des Systems für Länder und Kreise berechnet; so wird zweijährlich das Bruttoinlandsprodukt nach zusammengefaßten Wirtschaftsbereichen (Land- und Forstwirtschaft, Warenproduzierendes Gewerbe, Handel und Verkehr, Dienstleistungsbereich) für die

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regionale Ebene der Kreise nachgewiesen. Die zur Zeit verfügbaren Angaben decken aber, wie nachfolgend näher ausgeführt wird, erst einen Teil der Anforderungen an die Regionalstatistik ab,

B. Vorgesehene Erweiterungen im regionalstatistischen Datenangebot 1 • lie.!entli.!:..h-2. l!,ü.2.k.2_n_i!!!. ~.2.B"!:8.!!!,11l

In den letzten Jahren haben die wachsende Bedeutung regionalpolitischer Fragen im weitesten Sinne und die verstärkten Bemühungen um eine auf quantitativen Informationen basierende Raumordnung sowie Landes- und Regionalplanung zu erhöhtem Bedarf an regionalstatistischen Angaben geführt. Damit ist die amtliche Statistik vor zahlreiche neue Anforderungen gestellt worden. Die an die amtliche Statistik herangetragenen Wünsche und deren Bedarfsfeststellungen zeigen, daß sich die Anforderungen an die Regionalstatistik sowohl auf einen weiteren Ausbau des regionalstatistischen Instrumentariums als auch auf eine in stärkerem .l>Iaße problemorientierte Bereitstellung des Zahlenmaterials erstrecken. Die wesentlichen Lükken im Zahlenmaterial selbst sehen die Konsumenten insbesondere in den Bereichen der Daten für die Infrastruktur, etwas abgeschwächt auch in den Daten für die Wirtschaftsstrukt ur, und zwar speziell im Dienstleistungsbereich sowie den Daten ü ber Einkommen, Verbrauch und Vermögen. Im Hinblick auf die Datengewinnung durch die Weiterverarbeitung statistischer Ergebnisse sind die Anforderungen hauptsächlich auf die Bereitstellung weiterer regionaler Ergebnisse aus den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (einschl. Input-OutputTabellen)

gerichtet. Das Schwergewicht der Anforderungen liegt bei

Angaben über die Wertschöpfung, die Anlageinvestitionen und das Einkommen der privaten Haushalte und seine Verwendung. Ich darf an dieser Stelle darauf hinweisen, daß einer Ausweitung der Regionalstatistik durch neue oder Erweiterung bestehender Erhebungen, um den Bedürfnissen der Konsumenten entgegenzukommen, derzeit u.a. aus sachlichen, organisatorischen und insbesondere finanziellen Gründen äußerst enge Grenzen gesetzt sind. Die Bestrebungen der amtlichen Statistik konzentrieren sich daher in besonderem HaBe auf die verbesserte Ausnutzung bereits vorhandenen Ma-

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terials sowie auf die verbesserte Darbietung vorliegender Regionalergebnisse. 2.

~uE Er~g~ ~eE ~a!eng~winuung_a~s_a~t~m~tisieEt~n_V~rlialtBPKS~

~1efl~g~n

Da einer Ausweitung des regionalstatistischen Erhebungsprogramms enge Grenzen gesetzt sind, müssen zukünftig in verstärktem Maße neue Wege zur Gewinnung von regionalstatistischen Daten eingeschlagen werden. Gute Aussichten eröffnen sich hier durch die Bestrebungen zur Automatisierung der öffentlichen Verwaltung, d.h. durch den Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung bei Einrichtung und Führung von Registern. Das gilt z.B. für den Bereich der Steuerverwaltung, der Sozialversicherung, des Grundstückswesens, der Schul- und Hochschulverwaltung usw. Ihre Grenze findet die Auswertung automatisierter Verwaltungsunterlagen bei jenen Tatbeständen, die sich nur durch originäre statistische Erhebungen erfassen lassen. Das gilt insbesondere für das große Gebiet der Wirtschaftsstatistiken, aber auch für viele personenbezogene Tatbestände, für die die Verwaltungsunterlagen keine oder nur unvollständige Angaben liefern können. Unterlagen aus automatisierten Verwaltungsvorgängen sind für r e g i o n a 1 e

Aufbereitungen und Nachweisungen insbesondere des-

halb geeignet, weil die öffentliche Verwaltung einerseits zur Erfüllung ihrer Aufgaben in der Regel die Anschriften der Personen, Unternehmen usw. benötigt und andererseits gleichartige Verwaltungsvorgänge total erfaßt. Damit besteht die Möglichkeit einer sehr feinen regionalen Gliederung. Wichtige Regionalstatistiken, die bereits aufgrundvon Verwaltungsunterlagen zusammengestellt werden, sind die Statistiken der natürlichen Bevölkerungsbewegung und die Wanderungsstatistik aufgrund der Unterlagen der Standesämter und der Einwohnermeldeämter, die Beschäftigten- und Arbeitsmarktstatistiken aufgrundder Unterlagen der Finanzämter u.a.m. An dieser Stelle sei nur am Rande darauf hingewiesen, daß die Beschäftigtenstatistik auch zur Ermittlung des Arbeitsplatzreservekoeffizienten im Rahmen der Neuabgrenzung

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der Fördergebiete der Gemeinschaftsaufgabe herangezogen wurde, Zukünftig ist vorgesehen, die zunehmend automatisierten Liegenschaftskataster nach dem neuen Konzept mehr und mehr als Grundlage für die allgemeine Flächenerhebung heranzuziehen. Es wird in der Zukunft auch zu untersuchen sein, inwieweit die Bevölkerungsstatistik in noch stärkerem Maße als bisher von der Automatisierung im Einwohnerwesen der Kommunen profitieren kann. Die in der Automation der Verwaltung für die Statistik liegenden Chancen lassen sich allerdings nur dann voll ausschöpfen, wenn die statistischen Belange schon im Vorbereitungsstadium, vor allem bei der Abfassung der Datenkataloge, berücksichtigt werden. Die statistischen Erfordernisse müssen ferner bei der Aufstellung der Tabellenprogramme und der Aufbereitung beachtet werden. Nur so läßt sich einigermaßen sicherstellen, daß die Angaben aus Registern mit denen aus anderen Statistiken vergleichbar gemacht bzw. auch über die Grenzen der Bundesländer hinweg koordinier t werden können. Das Statistische Bundesamt arbeitet in diesem Zusammenhang bei den wichtigsten Vorhaben zur Automation von Verwaltungsdaten mit und wird auch in Zukunft bestrebt sein, daß die statistischen Belange schon im Vorbereitungsstadium derartiger Vorhaben berücksichtigt werden.

3.

§chä!zye~f~h~eQ ~u~ Qe~iEPB?~

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lie~i~n~l~rße~nis~eQ

Der wachsende Bedarf an regionalstatistischen Informationen kann durch den Ausbau des Programms originärer Erhebungen und die verstärkte Ausnut zung von automatisierten Verwaltungsunterlagen allein nicht gedeckt werden. Es ist daher erforderlich, in verstärktem Maße Schätzungen als Mittel der Datengewinnung einzusetzten. Dieser Weg, der in der amtlichen Statistik der Bundesrepublik Deutschland bereits seit langem, u.a. in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, begangen wird, bietet sich insbesondere an, wenn Ergebnisse in kürzeren Zeitabständen gewonnen werden müssen, als es das Programm der Großzählungen erlaubt, oder wenn Daten ermittelt werden müssen, die statistischen Erhebungen schwer zugänglich sind. Schätzungen kommen im Bereich der Regionalstatistik vor allem in Betracht, um

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(1) im Falle von Änderungen des Gebietsstandes, der Systematiken, Definitionen usw. die zeitliche Vergleichbarkeit der Dat en wenigstens annäherungsweise zu ermöglichen, (2) Daten zu gewinnen, die bisher nicht in entsprechend tiefer regionaler Gliederung vorliegen (z.B. wenn Daten nur für Bundesländer vorhanden sind) oder

(3) durch Aufschätzung von Teilergebnissen zu Gesamtergebnissen in tiefer regionaler Gliederung zu gelangen. Lassen Sie mich auf die einzelnen Punkte kurz eingehen: ad (1) Auf Umschätzungen, die infolge von Gebietsstandsänderungen im Zuge der Gebietsreform auf Gemeinde- und Kreisebene bundesweit notwendig geworden sind, werde ich später noch ausführlicher eingehen. ad (2) Aus Stichproben sind in der Ver gangenheit fast ausschließlich Ergebnisse für die Bundes- und Landesebene gewonnen worden. Überlegungen in der jüngeren Vergangenheit haben jedoch gezeigt, daß eine stärkere Regionalisierung von Stichprobenergebnissen - insbesondere nach Regionstypen - in gewissem Umfang durchaus denkbar ist. Anhand der Wohnungsstichproben 1972 und 1978 und des Mikrozensus 1976 wurden in enger Zusammenarbe i t zwischen dem Statistischen Bundes-

amt und der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung Testrechnungen durchgeführt und mit zufri edenstellenden Ergebnissen abgeschlossen.Weitere Arbeiten auf diesem Gebiet sind vorgesehen. ad (3) Mit der bereits mehrfach erwä hnten, sei t einigen Jahren existierenden Beschäftigtenstatistik liegen für sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer Ergebnisse in tiefer regionaler Gl i ederung vor. Durch Aufschätzung, insbesondere der Selbstä ndigen, der mi t helf enden Familienangehörigen und der Beamten, könnten aus di esen Ergebnissen Daten für die Be schäftigten insgesamt gewonnen werden. Ein erster Vorschlag dazu liegt bereits vor. Nach diesen Ausführungen zur Gewinnung regi onalstatistischer Da-

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ten möchte ich nachfolgend einige Überlegungen zur Darbietung und Auswertung regionalstatistischer Ergebnisse vortragen. IV. Darbietung und Auswertung regionalstatistischer Ergebnisse A. Regionale Gliederung statistischer Ergebnisse

Die regionalstatistischen Darbietungen der amtlichen Statistik sind stark vom verwaltungsmäßigen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland geprägt. Im Vordergrund steht eine regionale Gliederung der Ergebnisse nach den Grenzen der administrativen Gebietseinheiten. In nahezu allen Bundesländern sind nun in den 70er Jahren Verwaltungsgebietsreformen abgelaufen. Noch bei der Volkszählung zum 27. 5.1970 hatte die Zahl der Gemeinden 22 560, die der Kreise 542 und die der Regierungsbezirke 30 betragen. Im Verlaufe der Verwaltungsreform wurden viele der bestehenden Einheiten aufgelöst und anderen Verwaltungseinheiten zugeschlagen. In vielen Fällen wurden dabei Gemeinden, Kreise oder Regierungsbezirke auch auf mehrere andere Einheiten aufgeteilt. Bis zum 31.12.1978 hatte sich so die Zahl der Gemeinden auf 8 519, die 0.er Kreise auf 327 und die der Regierungsbezirke auf 25 verringert. Für die Regionalstatistik ergeben sich aus dieser Verwaltungsgebietsreform verschiedene Probleme. Zum einen wird durch die Verringerung der Gemeindezahl die Dichte der regionalstatistischen Informationen erheblich reduziert mit den besonders gravierenden Folgen für Versorgungs- und Verflechtungsdaten. Die neuen Gemeinden sind als Gebietsgliederungen für die Regionalstatistik oft zu groß und heterogen, um wichtige Strukturuntersuhiede und Verflechtungen noch erkennen zu lassen. Zum anderen wird durch die Änderung der Gebietsgrenzen der Gemeinden, Kreise und Regierungsbezirke die zeitliche Vergleichbarkeit regionalstatistischer Ergebnisse erheblich beeinträchtigt oder sogar zerstört. Um frühere Ergebnisse mit den Aussagenneuerer Erhebungen vergleichen zu können, sind

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langwierige und kostspielige Umrechnungen oder Umschätzungen erforderlich. Die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder haben sich deshalb auf ein gemeinsames Hinimalprogramm für die wichtigsten Tatbestände und Merkmale geeinigt. Ziel dieses Minimalprogramms ist es, in allen Bundesländern die gleichen Gemeindeergebnisse für Zwecke des Zeitvergleichs auf die jeweiligen aktuellen Gemeindegrenzen umzurechnen. Jllit den umgerechneten Gemeindedaten steht auch die Nöglichkeit f ür Zeitvergleiche in allen regionalen Abgrenzungen offen, die sich aus den heutigen Gemeinden zusammensetzen lassen, z.B. die heutigen Kreise oder auch nichtadministrative Gebietsgliederungen wie z.B.

Arbe l tsm~rktregionen.

Im Zuge der Gebietsreform auf der Gemeinde-, Kreis- und Regierungsbezirksebene hat es sich als notwendig

erwi~sen,

auch diese nicht-

administrativen Gebietsgliederungen neu abzugrenzen, weil der en Bausteine Gemeinden oder Kreise waren. Diese Neuabrenzung ist von den jeweils zuständigen Stellen in der letzten Zeit weitgehend vorgenommen worden. Im Verlauf der Gebietsreform sah sich die amtliche Statistik allerdings genötigt, wegen der bereits beschriebenen Schwierigkeiten die Veröffentlichung nach diesen nichtadminis t rativen Gebietsgliederungen weitgehend einzustellen. Mit Abschluß der Gebietsreform sind nunmehr die Voraussetzungen gegeben, statistische Ergebnisse auch in diesen Gliederungen wieder bereitzustellen. B. Veröffentlichungssystem Entsprechend dem föderativen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland hat sich im Veröffentlichungssystem regionalstatistischer Ergebnisse der amtlichen Statistik ein Arbeitsschnitt entwickelt, nach dem regionalstatisti s che Veröffentlichungen überwiegend durch die Statistischen Landesämter vorgenommen werden. Neben den jeweiligen Fachserien, die nach Statistiken gegliedert sind, wird von ihnen auch eine Querschnittsveröffentlichung mit dem Titel "Gemeindestatistik" mit wichtigen Strukturdaten für jede Gemeinde herausge-

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bracht. Hierfür sowie für die übrigen Veröffentlichungen der Länder auf dem Gebiet der Statistik haben die Statistischen Landesämter ein bundeseinheitliches Mindestprogramm vereinbart. Für den an Daten in tiefer regionaler Gliederung für das gesamte Bundesgebiet interessierten Benutzer ergeben sich gewisse Erschwernisse dadurch, daß er anstelle einer Veröffentlichung für das gesamte Bundesgebiet elf Länderpublikationen in die Hand nehmen muß. Es wird deshalb angestrebt, durch eine Erweiterung der von Bund und Ländern herausgegebenen Fundstellenverzeichnisse den Zugang zu diesen Daten weiter zu erleichtern. Derzeit wird an einem solchen Quellenverzeichnis regionalstatistischer Ergebnisse intensiv gearbeitet. Spätestens im Sommer des Jahres soll dieser Fundstallenkatalog den Konsumenten zugänglich sein. Außer den Zahlenveröffentlichungen, die bei starker regionaler Gliederung leicht unübersichtlich werden, sind von den Statistischen Ämtern auch Karten herausgegeben worden. Neben den in Zusammenarbeit mit anderen Stellen erstellten Sammelwerken "Die Bundesrepublik Deutschland in Karten" und "Landesplanungsatlanten" sind besonders die in verschiedenen Veröffentlichungen erscheinenden Flächengraphiken zu erwähnen, die über Schnelldrucker erstellt werden. Wie bereits erwähnt, kommt für die Zukunft der Materialbereitstellung für nichtadministrative - zum Teil über die Ländergrenzen hinausgehende - Raumeinheiten besondere Bedeutung zu. Hier steht das Statistische Bundesamt derzeit vor der Frage, für welche dieser Gebietseinheiten und für welche Tatbes t ände im Veröffentlichungsprogramm der Bundesstatistik ein ständiger regionalstatistischer Nachweis vorgesehen werden soll. Es wird sich empfehlen, solche nichtadministrative Gebie tseinheiten zu berücksichtigen, die für einen größeren Benutzerkreis Bedeutung und nicht allzu provisorischen Charakter haben. Hier sind die Koordinierungsarbeiten des Statistischen Bundesamtes noch in vollem Gange. C. Statistische Informationssysteme

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Ein zunehmend wichtiges Darbietungsinstrument sind die Statistischen Informationssysteme. Mit dem Aufbau dieser Systeme beim Bund und bei den Ländern ergeben sich für die Regionalstatistik neue Möglichkeiten. Die Informationssysteme speichern nämlich möglichst viele statistische Angaben an einem Platz über einen längeren Zeitraum hinweg. Darüber hinaus stehen diese Daten in beliebiger Kombination zur Verfügung und können kurzfristig zu Berechnungen für Zwecke der Analyse, Prognose und Planung verwendet werden. Durch die Statistischen Informationssysteme werden die Bereitstellung und Auswertung statistischer Ergebnisse verbessert und das Dienatleistungsangebot der amtlichen Statistik beträchtlich erweitert. Die Ausstattung des Statistischen Informationssystems des Bundes mit Regionalergebnissen hat bisher keinen befriedigenden Zustand erreicht, so daß in vielen Fällen auf die bei den Statistischen Landesämtern vorhandenen Informationssysteme verwiesen werden muß. Dabei ergibt sich jedoch die mißliche Situation, daß nicht alle Statistischen Landesämter über ein derartiges Informationssystem verfügen. Das Statistische Bundesamt wird deshalb weiterhin bemüht sein, die bestehenden Informationssysteme zu verbessern und Anregungen bei der Neueinrichtung solcher Systeme zu geben. D. Mitwirkung an der Auswertung regionalstat istischer Ergebnisse In der letzten Zeit wird zunehmend die Tendenz erkennbar, daß analytische Arbeiten, die bisher nach gleichen oder ähnlichen Ansätzen mit erheblichem Rechenaufwand von verschiedenen Stellen durchgeführt wurden, den Statistischen Ämtern übertragen werden. Damit zeichnet sich eine gewisse Änderung des Arbeitsschnittes zwischen der amtlichen Statistik und ihren Benutzern ab; in immer stärkerem Maße werden die Statistischen Ämter in die Auswertung von Statistin

ken für die verschiedenen Berichte und Plnungen der Regierungen auf Bundes- und Länderebene eingeschaltet. An Bedeutung gewinnt ferner in der Arbeit der Statistischen Ämter die Durchführung von Vorausschätzungen bzw. die Mitarbeit an solchen Vorausschät zungen. Besondere Bedeutung kommt bei diesen Aufgaben den zuvor erwähnten Statistischen Informationssystemen zu, die im Prinzip folgende Auf-

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gaben auf dem Gebiet der Auswertung übernehmen können: 1. Bereitstellung von statistischen, insbesondere regionalstatistischen Ergebnissen, die von mehreren oder vielen Stellen gebraucht werden, in vergleichbarer, kombinierbarer und vielseitig verwendbarer Form. Dies bedingt in der Regel Umgruppierungen und Umrechnungen, um die vorhandenen Angaben vergleichbar und kombinationsfähig zu machen. Ähnliche Umgruppierungen und Umrechnungen können auch erforderlich werden, wenn statistische Ergebnisse für andere als die ursprünglich vorgesehenen Zwecke verwendet werden. Dabei können u.a. folgende Arbeiten erforderlich werden: Sonderaufbereitungen des Einzelmaterials, Bildung einheitlicher Zeitreihen bei laufenden Statistiken, Vereinheitlichung von Ergebnissen aus verschiedenen Statistiken, Ermittlung neuer Daten durch Kombination verschiedener Ergebnisse oder durch Fortschreibungen bzw. Schätzungen auf der Grundlage vorhandener Daten. 2. Bereitstellung von standardisierten mathematisch-statistischen Berechnungsmethoden und -verfahren, die von zahlreichen Stellen für die Auswertung gebraucht werden.

3. Berechnungen für Analyse-, Prognose- und Planungszwecke auf der Grundlage der in den Statistischen Informationssystemen enthaltenen statistischen Ergebnisse und der vorgesehenen Nethoden durch das Datenbankpersonal oder unmittelbar durch den Benutzer evtl. über den eigenen Datenbankanschluß. Nach diesen Ausführungen über die Si tua.tion der· Regionalstatistik und einige Perspektiven ihrer Weiterentwicklung darf ich zum Schluß noch einige Anmerkungen zu Datenschutz und statistischer Geheimhaltung im Bereich der Regionalstatistik machen. V. Datenschutz und statistische Geheimhaltung im Bereich der Regionalstatistik Unter "Statistischen Daten" werden von mir solche Informationen verstanden, die auf der Grundlage des Art. 73 Nr. 11 GG i.V.o. den

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Vorschriften des Bundesstatistikgesetzes und der Statistischen Einzelgesetze beim Erstellen der Bundesstatistik anfallen. Statistische Daten können Einzelangaben oder Ergebnisse sein. Einzelangaben sind die Angaben eines einzelnen Auskunftgebers über persönliche oder sachliche Verhältnisse. Diese Einzelangaben werden "für eine Bundesstatistik gemacht"; ihre Zweckbestimmtheit geht daher dahin, als Rohmaterial für die Darstellung von Massenphänomenen in Ergebnissen aufzugehen. Im Gegensatz zu der Begriffsbestimmung der "personenbezogenen Daten" i.S.d. Bundesdatenschutzgesetzes ist die statistische Einzelangabe nicht auf die Verhältnisse natürlicher Personen beschränkt und eine statistische Einzelangabe liegt

au~h

dann noch vor, wenn der Betroffene nicht (mehr) bestimmbar ist. Statistische Ergebnisse sind dagegen Zusammenfassungen (Aggregationen) mehrerer Einzelangaben. Ergebnisse sind keine Einzelangaben i.S.d. Bundesstatistikgesetzes. Die unterschiedliche Zweckbestimmung statistischer Daten findet ihren Niederschlag in den Zugangsregelungen des Bundesstatistikgesetzes, das als Lex specialis zum Datenschutzgesetz zu sehen ist: Statistische Einzelangaben unterliegen gern. § 11 Abs.1 BStatG grundsätzlich der Geheimhaltung, Aggregationen fallen nicht unter die statistische Geheimhaltung. Zugangsmöglichkeiten zu statistischen Einzelangaben bestehen für die Regionalwissenschaft und die Regionalpolitik damit nur als Ausnahmen von der statistischen Geheimhaltung. Ausnahmen bestehen nach § 11 Abs.1 BStatG bei Einwilligung des Betroffenen bzw. bei ent sprechender ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung. Die Einwilligung des Betroffenen muß im Einzelfall erfolgen. Ein Datenzugang für die Regionalwissenschaft und -politik läßt sich von daher nicht generell erschließen. Gese tzliche Bestimmungen, die eine Übermittlung von Einzelangaben an Regionalwissenschaft und -politik ermöglichen, sind der § 11

Abs. 3 BStatG mit den dort genannten Voraussetzungen und für Ein-

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zelangaben, die so anonymieiert sind, daß sie Betroffenen nicht mehr zuzurechnen sind, der § 11 Abs.5 BStatG. ~ugä~h~t_z~_§_11,_A~s~t~

i

Voraussetzung der Übermittlungsmöglichkeit nach § 11 Abs. 3 BStatG ist die Zulassung in der die Statistik anordnenden Rechtsvorschrift und die Bekanntgabe in den Erhebungsvordrucken. Dabei muß angegeben werden (1) der Empfängerkreis, (2) die Art des Verwendungszweckes und (3) ob die Übermittlung mit oder ohne Nennung von Namen und Anschrift zugelassen ist. ad (1) Der potentielle Empfängerkreis ist in§ 11 Abs.3 BStatG durch die Beschränkung auf Amtsträger und für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete so abgegrenzt, daß die Datenempfänger ihrerseits bei Verletzung der statistischen Geheimhaltung strafrechtlich belangbar sind. Ein Datenzugang für die Regionalpolitik ist damit weitgehend möglich, da die Personen zu dem genannten Empfängerkreis gehören. Dies ist für die Regionalwissenschaft zum guten Teil ebenfalls gegeben. ad (2) Mit der Notwendigkeit der einzelgesetzlichen Aussagen über die Art der zulässigen Verwendungszwecke wird die Verwendungsbreite der Einzelangaben außerhalb der Statistik auf solche Fälle beschränkt, bei denen der Gesetzgeber ein berechtigtes Auswertungsinteresse anerkannt hat. ad (3) Die Verpflichtung, bei jeder für zulässig erachteten Übermittlung auch die Weitergabefähigkeit von Namen und Anschriften zu prüfen, verlangt vo,;, Einzelgesetzgeber auch eine Entscheidung darüber, ob und ggf. wie weit ein Bedürfnis des Betroffenen nach Anonymität der Auswertung seiner

Angaben respektiert werden muß. Gleiches gilt bei der Prüfung der Frage, ob und ggf. welche - "sensiblen" -Daten von der Übermittlungsmöglichkeit ausgenommen bleiben müssen.

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Danach setzt die Zulässigkeit der Übermittlung von Einzelangaben nach § 11 Abs. 3 BStatG eine konkrete Entscheidung des Gesetzgebers darüber voraus (1) ob überhaupt und ggf. welche Einzelangaben weitergeleitet werden dürfen; (2) in welcher Form (mit oder ohne Nennung von Namen und Anschrift) sie weitergegeben werden dürfen;

(3) zu welchen Zwecken sie übermittelt werden können und (4) an welche der in § 11 Abs. 3 genannten potentiellen Empfänger eine Weiterleitung gestattet ist. Darüber hinaus besteht für die Verwaltung kein Handlungsspielraum, über eine Rechtsgüter- und Interessenahwägung nach allgemeinen Kriterien, wie z.B. den Generalklauseln des Bundesdatenschutzgesetzes (schutzwürdige Belange der Betroffenen/ berechtigte Informati onsinteressen), zusätzliche Weiterleitungsmöglichkeiten zu erschliessen. Der Vorteil dieser vom Gesetzgeber vorgegebenen Wertung bes t eht in einem Höchstmaß an Rechtssicherheit und führ t zu einer Pra k t ika bilität der Handhabung dieser Regelung, die dami t den Massenverfahren der amtlichen Stat istik entspricht.

Der Gesetzgeber des BStatG hat in § 11 Abs. 5 eine generelle Freigabe für Einzelanga ben erteilt, die so anonymisiert s i nd, da ß sie Betroffenen nicht mehr zugeordnet we rden können. Eine Bestimnung der Kriterien, die für eine Anonymisierung i.S.d.

§ 11 Abs. 5 BStatG erfüllt sein müssen, läßt sich anhand des Wortl auts nicht vornehmen. Da jedoch die Übermi t tlung von Einzelangaben, die z.B. durch Weglassen von Namen und Anschrift und ggf. anderer identifizierender Erhebungsmer kma le ebenfalls eine Anonymität erhalten haben, nach den Regelungen des § 11 Abs. 3 BStatG zu beurteilen ist, muß der Anwendungsbereich des

-

1~4

-

S 11

Abs. 5 mit Rücksicht

auf § 11 Abs. 3 abgegrenzt werden: Da ein Weglassen von Namen und i',.nschrift im Rahmen des § 11 Abs. 3 regelmäßig nur zu einer allenfalls relativen Sicherheit vor Deanonymisierung führt, dürfen jedenfalls solche Einzelangaben nach § 11 Abs. 5 weitergeleitet werden, deren Rückidentifizierung

mit~

soluter Sicherheit ausgeschlossen ist. Bei der Beurteilung der Sicherheit der Anonymisierung ist zu berücksichtigen, daß die Möglichkeiten einer Zuordnung von Informationen zu Betroffenen regelmäßig von dem vorhandenen Zusatzwissen und den technischen Möglichkeiten, dieses zu erlangen und ggf. mit den "anonymen" Informationen zu verknüpfen, abhängen. Das vorhandene Zusatzwissen ist für die stat istischen Ä.cter in aller Regel nicht überschaubar, ebenso lassen die Möglichkeiten der Da te nve:~:arbe i tung

und -verknüpfung bereits be i m heutigen Stand der

Technik eine Grenzziehung praktisch nicht mehr zu. Ein sicherer Ausschluß unzulässiger Deanonymisierung ist daher unabhängig von diesen Möglichkeiten nur dann gegeben,

~renn

die in den Einzelanga-

ben enthaltenen Herkmale und Merkmalskombinati onen für eine Nehrzahl von Einzelfäll en identisch sind (sog, homogene Datensätze). Sie können so einem Betroffenen nicht mehr zugerechnet werden. Ein solcher Datensatz gibt nicht mehr Informationen preis, als dies bei einer Aggregation der Fall wäre, und fällt daher nicht in den Anwendungsbereich des § 11 Abs. 3. Besondere Probleme ergeben sich für die sog. "faktisch"-anonymisierten Daten. De-facto-Anonymität is t nach der Definition für Datenschutz beim Europarat dann gegeben, wenn die Einzelperson nur mit unangemessenem Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft identifiziert werden kann. Aus der Entstehungsgeschichte des § 11 Abs.

5, der auf Empfehlung des Innenausschusses i n das BStatG aufgenom-

men wurde, ergibt sich, daß hiermit eine Möglichkeit geschaffen werden sollte, auch Einzelangaben mi t einem Restrisiko der Deanonymisierung ggf. ohne ausdrückliche einzelgesetzliche Ermächtigung übermitteln zu können.

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Hieraus folgt, daß ein "Restrisiko" eine Datenübermittlung na ch

§ 11 Abs. 5 BStatG zulassen kann, wenn keine anderen Möglichkei-

ten zur Befriedigung eines anzuerkennenden Datenbedarfs in Betracht kommen. Dabei obliegt es den Statistischen Ämtern, nach ihren Kenntnissen zu entscheiden; verbleibende Zweifel schließen eine Datenübermittlung aus. Die Entscheidung ist für jede einzelne Statistik nach Maßgabe der dort enthaltenen konkreten Informationen vorzunehmen. Die Unangemessenheit des Deanonymisierungsaufwands, von der die Definition der de-facto-Anonymität ausgeht, scheint uns nicht geeignet, eine generelle, für alle Statistiken in gleichem Maße geltende Abgrenzungsbestimmung zu liefern. Die Arbeiten zur Entwicklung entsprechender Anonymisierungsverfahren sind gerade erst angelaufen. Allerdings sollte man sich von dieserneuen Möglichkeit der Übermittlung von Einzelangaben für regionalwissenschaftliche Anliegen nicht zu viel versprechen, da aus den einzelnen Datensätzen die regionalen Identifikatoren wohl weitgehend herausgenommen werden müssen, um eine Deanonymisierung zu verhindern. Können Einzelangaben aus Gründen der statistischen Geheimhalt ung weder nach § 11 Abs. 3 noch nach § 11 Abs. 5 BStatG übermi t telt werden, so ist von seiten des Benutzers zu prüfen, ob seinem Datenbedarf durch Ausweichen auf weniger tiefe regionale und/oder sachliche Gliederungen, die eine Zusammenfa ssung von Einzelangaben ermöglichen würden, entsprochen werden kann. Alternativ können die gewünschten Sonderauswertungen ohne Weitergabe von Einzelangaben auch durch die Statistischen Ämter selbst durchgeführt werden. Soweit meine Ausführungen zur Situat i on der Regionalstatistik in der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung von Datenschutzproblemen. Meine Damen und Herren,ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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Zusammenfassung der Diskussion des Referates von Herrn Südfeld Zunächst wurde die Frage gestellt, wie eigentlich das Sozialprodukt der Gemeinden tatsächlich errechnet werde, da dies doch statistisch erhebliche Probleme mit sich bringe. Der Referent stimmte zu, doch konnte er darüber auch nicht viel mehr sagen, weil dies Sache des Arbeitskreises "Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung" der Statistischen Landesämter sei. Nichtsdestoweniger hätten es die Politiker für notwendig befunden, im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe das Nettoinlandsprodukt gemeindescharf zu berechnen. Eine weitere Frage drehte sich um die Aussagefähigkeit von Daten bei starker sektoraler und regionaler Gliederung. Ein Teilnehmer wies darauf hin, daß man bei entsprechend tiefer Disaggregation sehr bald auf Grenzen der Aussagefähigkeit durch Geheimhaltungsvorschriften, Datenlücken, etc.stoße, so daß es doch sinnvoll sei, diese Daten noch einmal auf einem höheren Aggregationsniveau auszuweisen, damit man nicht bei der Auswertung in unlösbare Schwierigkeiten komme. Der Referent bemerkte dazu, daß normalerweise die Daten in sektoraler und regionaler Gliederung auch für höhere Aggregationsstufen ausgewiesen würden und somit bei Problemen der aufgezeigten Art immer auf die nächsthöhere Aggregationsstufe ausgewichen werden könne. Darüber hinaus seien Aufbereitungsprogramme auf Länderebene oder auf Regierungsbezirksebene normalerweise stärker sachlich differenziert als auf Kreis- oder gar Gemeindeebene. Im Rahmen der Informationssysteme bestehe auf jeden Fall die Möglichkeit, ausgehend von der tiefsten sachlichen bzw. regionalen Gliederung, sektorale wie regionale Aggregationsstufen prinzipiell frei zu wählen. Dies sei ohnehin die Darbietungsweise der amtlichen Statistik der Zukunft. Eine weitere Frage betraf die einzelbetriebliche Erfolgskontrolle. Der Unterausschuß der Gemeinschaftsaufgabe bemühe sich derzeit, die einzelbetriebliche Kontrolle stärker in den Griff zu bekommen. Bundeseinheitlich sollten die Daten aus der amtlichen Statistik an die obersten Wirtschaftsbehörden weitergeliefert und dabei die Förderdaten mit Daten über die Beschäftigten, Lohnsummen und Gehaltssum-

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men und Investitionen verbunden werden. Die Weitergabe sei zwar im Gesetz über die Statistik des verarbeitenden Gewerbes vorgesehen, aber das Wirtschaftsministerium sträube sich mit vielerlei Begründungen. Dies verbaue jedoch den Weg zu einer einzelbetrieblichen Erfolgskontrolle erheblich. Die Konsequenz bestehe darin, in allen geförderten Betrieben ein neues Erhebungssystem aufzuziehen. Dies sei aber seitens der Verwaltung kaum möglich aufgrund der zu hohen Kosten, zum andern würde es in den Betrieben aufgrund der zusätzlichen Belastungen erheblichen Unmut auslösen. Der Referent stioonte zu, daß die gesetzlichen Regelungen eine Weitergabe der einzelbetrieblichen Daten an die obersten Landesbehörden erlaubten. Wenn Schwierigkeiten auftauchten, gäbe es noch die Möglichkeit, sich die gewünschten Daten durch das jeweilige Statistische Landesamt besorgen zu lassen. Er bemerkte noch dazu, daß das Problem der einzelbetrieblichen Erfolgskontrolle sehr schwierig und von der amtlichen Statistik noch nicht gelöst sei. Eine weitere Frage betraf die Datenwünsche der Länder. Ein Teilnehmer wies darauf hin, daß die Länder mit einer Vielzahl von Wünschen nach Daten in regionaler und sektoraler Gliederung an das statistische System heranträten, während der Bund sich meistens mit Repräsentativstatistiken begnüge. Aber im Hinblick auf die Gemeinschaftsaufgabe müßte der Bund doch das gleiche Interesse an Totalerhebungen haben wie die Länder, da beide ja im gleichen Boot säßen. Der Referent gab zu, daß mit größerer Bedeutung der Gemeinschaftsaufgabe seit Anfang der 70er Jahre das regionalstatistische Interesse des Bundes auch gewachsen sei. Von da aus neige nunmehr auch der Bund eher zu Totalerhebungen. Nur habe sich die finanzielle Lage mittlerweile in einer Weise entwickelt, daß man umgekehrt argumentieren müsse. Es gelte, möglichst viel an regionaler Gliederung aus Stichprobenerhebungen herauszuholen, weil Totalerhebungen in diesem Umfang in Zukunft nicht mehr möglich sein würden. Es gebe bei der Neufassung des Mikrozensusgesetzes Überlegungen, den Stichprobenplan des Mikrozensus so anzusetzen, daß wenigstens Grundtatbestände auf Kreisebene erfaßt werden können; das sei das gemeinsame Interesse des Bundes wie der Länder.

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Ein Teilnehmer äußerte sich erstaunt darüber, daß in Bezug auf private Anlageinvestitionen auf Länderebene keine veröffentlichten Daten vorlägen, obwohl Investitionsdaten mit zu den interessantesten und wichtigsten Statistiken gehören. Er stellte an den Referenten die Frage, inwieweit die Entwicklung der amtlichen Statistik in Zukunft zu einer Regionalisierung der Investitionsdaten führen würde. Der Referent erklärte, daß es, ausgehend von der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, nur Daten auf Länderebene für Anlageinvestitionen gebe und ansonsten an statistischem Material nur die Anlageinvestitionen im produzierenden Gewerbe. Darüber hinaus gebe es nicht mehr viel, und es stehe wohl auch kaum mehr zu erwarten, da die allgemeinen Sparmaßnahmen auch in der amtlichen Statistik ihre Spuren hinterlassen hätten, wenn man beispielsweise an das Statistikbereinigungsgesetz denke.

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Regionalisierung der Regionalpolitik Prof. Dr. Paul Klemmer 1.

Hauptprobleme der gegenwärtigen Ausgestaltung der regionalen Strukturpolitik

1.1 Unitarisierungs- und Uni formierungstendenz Die Entwicklung der regionalen Strukturpolitik in der Bundesrepublik Deutschland ist durch einen Trend von der reagierenden Notstandspolitik zur stärkeren Einbettung in eine längerfristig ausgerichtete Strukturpolitik, vom punktuellen Interventionismus hin zu einem umfassenden Ziel-Mittel-Konzept sowie vom dualistischen hin zum kooperativen Föderalismus mit unitarischen Elementen gekennzeichnet. Dieser Prozeß hat mit dem im Jahre 1970 in Kraft getretenen Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW) seinen vorläufig organisatorischen Abschluß gefunden. Ausgangspunkt dieser Regelung war die Feststellung, daß der Bund in seinen regionalen Förderungsprogrammen seit 1951 jährlich bereits erhebliche Mittel für die Wirtschaftsförderung und den Ausbau der Infrastruktur in sog. strukturschwachen Gebieten bereitstellte,ohne daß dies verfassungsrechtlich abgestützt war. Die verfassungsrechtliche Absicherung dieser bereits weit verbreiteten Praxis der Mischfinanzierung erfolgte darum über das 21. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 12. Mai 1969 (Finanzreformgesetz) und schuf damit das Institut der Gemeinschaftsaufgabe des gemeinsamen Handelns von Bund und Ländern. Die eigentliche Zielkonkretisierung der regionalpolitischen Gemeinschaftsaufgabe erfolgt in den sog. Rahmenplänen, die jeweils für den Zeitraum der Finanzplanung aufzustellen sind, jedes Jahr sachlich geprüft und der laufenden Entwicklung angepaßt werden. Eine in größeren Abständen zu bewältigende Aufgabe besteht vor allem in der Abgrenzung der Fördergebiete bzw. der einheitlichen Festlegung der Kriterien, nach denen die Auswahl der zu fördern-

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den Regionen vorgenommen werden soll.

Am 14. April 1981 faßte der Planungsausschuß der Gemeinschaftsaufgabe wichtige "Eckwertbeschlüsse" für den 10. Rahmenplan (1981 - 1985) in Form der Neufestlegung der Fördergebiete. Dies ist Anlaß, die bisherige Organisation und Ausgestaltung der regionalen Strukturpolitik einer kritischen Bestandsaufnahme zu unterziehen. Analysiert man den Werdegang der regionalen Wirtschaftspolitik nach dem 2. Weltkrieg, so ist eine beachtliche Zentralisierungsund Unitarisierungstendenz festzustellen. Hierfür zeichnen vor allem zwei Ursachenbereiche verantwortlich. Zum einen dehnte der Bund über die sog. Rechtsfigur der "Annexkompetenz", d.h. über die Zuständigkeitkraft Sachzusammenhang seinen Einfluß in vielen Teilbereichen der Politik soweit aus, daß die Gesetzgebung im Bereich der Strukturpolitik bereits vielfach überwiegend Bundessache geworden ist und es kaum einen Bereich gibt, in dem der Bund nicht zumindest finanziell beteiligt ist. Zum anderen schälte sich relativ bald eine Grundüberzeugung heraus, nach der vor allem vom Bund erwartet wurde, daß er die sog. "Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" zu gewährleisten habe. Es darf aber nicht übersehen werden, daß viele der diese Zentralisierungstendenz fördernden Impulse auch von den Ländern ausgingen, die sich auf diese Weise einen Zugang zu den Bundesfinanzen verschaffen wollten. Gleichzeitig ist auch festzuhalten, daß einige der Länder, die heute die Zentralisierungstendenz besonders laut beklagen (etwa das Land Bayern) in ihrem Innenverhältnis zu den Gemeinden einen sehr harten Zentralismus praktizieren. Die Einführung der Gemeinschaftsaufgabe eröffnete dem Bund somit nicht unbedingt einen beherrschenden Einfluß, bewirkte aber immerhin eine Art Politikkartellierung. Trotz der hiermit verbundenen formalen Bindung des Bundes an die Länder, - ohne die Zustimmung der Länder kann der Bund keine Zielvorstellungen durchsetzen -, gilt aber auch, daß die Länder von der Zustimmung des Bundes

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abhängen und ein Bundesveto jede Länderinitiative zunichte machen kann. Der eigentliche Grund für die Unitarisierungstendenz liegt in dem Tatbestand, daß es sich hier um einen Exekutivföderalismus handelt, der durch beachtliche bürokratische Verhaltensmuster mitgeprägt wird, die eine bundesweite Standardisierung von Zielvorstellungen und Handlungsvorschriften begünstigte. Dies wird noch verstärkt durch den hohen Konsensbedarf, dem die in den Rahmenplänen verankerten Bund-Länder-Programme unterworfen sind. Er bewirkt eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner bzw. eine Übernahme pauschaler Durchschnittsnormen. Typisch hierfür ist vor allem die Zielfunktion der regionalen Strukturpolitik, die allen Zielvariablen konstante Gewichte zuordnet, obwohl in Abhängigkeit von der jeweiligen regionalen Ausgangssituation sicherlich anzunehmen ist, daß die einzelnen Teilziele (etwa Beseitigung unterwertiger Beschäftigung oder Abbau von Arbeitslosigkeit) regional als unterschiedlich dringlich empfunden werden. Dünn besiedelte ländliche Räume haben u.U. eine ausgeglichene Arbeitsmarktbilanz, es mag ihnen aber an Beschäftigungsmöglichkeiten für qualifizierte Arbeitskräfte fehlen, woraus sich eine höhere Gewichtung des Einkommenszieles ergibt. Einseitig strukturierte Industrieregionen bieten demgegenüber männlichen Erwerbspersonen oder Facharbeitskräften häufig attraktive Tätigkeitsbereiche, vermögen aber die Arbeitsplatznachfrage von weiblichen Erwerbsinteressierten nicht ausreichend zu befriedigen und werden demzufolge das quantitative Beschäftigungsziel höher ansetzen. 1.2 Zementierungstendenz bzw. zunehmende Inflexibilität Wie bereits dargelegt wurde, erfordert der Abstimmungsmechanismus innerhalb des Planungsausschusses einen relativ hohen Konsensbedarf. Es ist darum davon auszugehen, daß diese Form des kooperativen Föderalismus neuen Problemstellungen erst dann Rechnung tragen wird, wenn die überwiegende Mehrheit der Mitglieder des Planungsausschusses von gleichen Sorgen oder gleichen Schwierigkeiten heimgesucht wird. Man wird die Änderung der sog. "Förderkulisse" darum möglichst lange herausschieben.

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Die hohe Konsensschwelle setzt u.a. voraus, daß die zur Verfügung stehenden Mittel relativ gleichmäßig über die Länder verteilt werden müssen, um die während des Aushandeln& auftretenden Konfliktpotentiale zu mindern und jedem Mitglied den Eindruck zu vermitteln, es partizipiere ebenfalls an den Vorteilen der räumlichen Fördermittelverwendung. Da aber diese Einstimmigkeit zumeist nur auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu erreichen ist und dieser eher die Erhaltung des Status quo als die Korrektur desselben beinhaltet, tendiert der so angelegte kooperative Föderalismus zum Immobilismus. 1.3 Abnehmende Ordnungs- und Koordinierungsfunktion Die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" zeichnet sich sicherlich durch mehrere Vorzüge aus. Im Gegensatz zu anderen strukturpolitischen Handlungsbereichen ist sie z.B. durch ein beachtliches Maß an Klarheit und Nachprüfbarkeit gekennzeichnet. Dies eröffnet natürlich den Kritikern vielfach Tür und Tor und läßt die regionale Wirtschaftspolitik zum allgemeinen Prügelknaben werden. Viele der hier angelasteten Kritikpunkte zielen darum im Grunde genommen auf andere Strukturpolitiken. Von vielen Mitgliedern des Planungsausschusses wird darüber hinaus immer noch die hohe Ordnungs- und Koordinierungsfunktion dieser Institution betont. Insbesondere macht man darauf aufmerksam, daß durch die jetzige Organisationsstruktur die Gefahr eines die finanzstarken Länder oder Gebietskörperschaften begünstigenden Förderwettbewerbs durch die Festlegung eines einheitlichen Wettbewerbsrahmens bzw. von Förderhöchstsätzen gebannt worden sei. Es ist sicherlich zutreffend, diese Ordnungs- und Koordinierungsfunktion besonders herauszuheben. Man sollte sie jedoch in der gegenwärtigen Situation nicht mehr unbedingt überschätzen. Es ist nämlich nicht ganz auszuschließen, daß das Interesse des Bundes an der Gemeinschaftsaufgabe und damit an ihrer Koordinierungsfunktion tendenziell abnimmt. Das äußert sich bereits in der zeitlichen Entwicklung des Mittelvolumens, welches entgegen dem Antrag

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der Bundesländer seit geraumer Zeit nicht mehr erhöht, sondern neuerdings gesenkt wurde. Darüber hinaus kam es zur Entwicklung von Sonderprogrammen (etwa im Bereich der Arbeitsmarktpolitik) mit eindeutig regionalem Bezug, ohne daß die Ausgestaltung dieser Sonderprogramme der Koordinierungsfunktion der Gemeinschaftsaufgabe unterworfen wäre. Schließlich ist nicht zu übersehen, daß manche Länder bestrebt sind, eigene Förderprogramme so auszugestalten, daß damit auch regionale Problemstellungen angegangen werden können. Insofern besteht durchaus der Verdacht, daß die Ordnungs- und Koordinierungsfunktion tendenziell abgenommen haben. 1.4 Ineffizienzaufgrund mangelnder Berücksichtigung regionaler Präferenzen und Entwicklungsbarrieren Bei der Auswahl der Fördergebiete geht der Planungsausschuß von einer Zielfunktion aus, in der Einkommens- und Arbeitsmarktkriterien (samt Infrastrukturindikator) additiv miteinander verknüpft werden. Diese von der jeweiligen regionalen Merkmalsausprägung dieser Indikatoren unabhängige konstante Gewichtung unterstellt somit eine realitätsferne Homogenität der regionalen Präferenzfunktionen. Auf diesen Tatbestand ist bereits hingewiesen worden. Viel wichtiger erscheint jedoch eine zweite Problematik, die sich auf den Fördermitteleinsatz bezieht. In Abhängigkeit von bestimmten Strukturtatbeständen wie Einwohnerdichte, Lage, Siedlungsstruktur und Sektoralstruktur zeichnen sich nämlich die Arbeitsmarktregionen durch unterschiedliche Entwicklungschancen aus. Probleme sind vor allem dort zu erwarten, wo angesichts spezifischer Entwicklungsbarrieren strukturelle Anpassungsprozesse unterbleiben, d.h. regionale Anpassungsinflexibilität konstatiert werden kann. Es wäre darum sinnvoller, die Problemregionen gemäß den vorherrschenden Entwicklungsbarrieren zu gruppieren, um dann anschließend für die einzelnen Gruppen spezielle Therapien zu entwickeln. Da eine derartige ursachenbezogene Ausgestaltung des Instrumentariums bis j etzt noch weitgehend fehlt, besteht durchaus der Verdacht, daß es in einigen Regionen zu nicht gewünschten Mitnahmeeffekten kommt, während in anderen Gebieten der Mitteleinsatz nicht

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ausreicht, um die Entwicklungswiderstände aus dem Wege zu räumen. 2.

Ursachen für die gegenwärtigen Probleme

2.1 Politikverflechtung Die in der regionalpolitischen Gemeinschaftsaufgabe bevorzugte Organisationsstruktur des politischen Planungs- und Entscheidungsprozesses ist durch ein hohes Ausmaß an Politikverflechtung gekennzeichnet. Die zum eigenverantwortlichen Handeln aufgerufenen Länder wurden in ein kollektives Entscheidungsorgan eingegliedert, welches zwischen dem Bund und den Ländern angesiedelt is•. Dies widerspricht zum einen dem klassischen Haftungsprinzip, gemäß dem eine eindeutige Verantwortlichkeit für Entscheidungen gewährlei-

stet sein soll, und verhindert zum anderen eine echte Kontrolle durch das Bundes- bzw. die Länderparlamente. Diese Entscheidungsvernetzung führt zu Kompromissen, die vielfach von den regionalen Präferenzen der Adressaten der Politik abstrahieren. 2.2 Vordringen funktionaler Politikorientierung Bei der regionalpolitischen Gemeinschaftsaufgabe handelt es sich in starkem Maße um eine fachspezifische Regelung, die sich primär am Prinzip der Ressortzuständigkeit orientiert. Die hier praktizierte Form des kooperativen Föderalismus ist somit vertikaler Natur und begünstigt damit eine Interessenverflechtung, die von F. Wagener als "vertikale Ressort-Kumpanei" bezeichnet wird. Hierdurch wird eine Tendenz zur Verselbständigung sektoraler Politikbereiche eingeleitet, die letztlich horizontale Konsistenzprobleme auslösen muß. Derartige Abstimmungsprobleme horizontaler Natur ergeben sich vor allem in Hinblick auf die Agrarpolitik, Energiepolitik, Forschungs- und Technologiepolitik sowie Verkehrspolitik. Ohne derartige Abstimmungen treten konterkarrierende Effekte auf, die die Ausgleichswirkungen der regionalpolitischen Gemeinschaftsaufgabe vielfach zunichte machen. 2.~

Zentralisierung

Die bisherigen Ausführungen haben deutlich gemacht, daß innerhalb

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der Bundesrepublik Deutschland eine zunehmende Präferenz für eine überbetriebliche Planung im Sinne einer quantitativ-interventionistischen Wirtschaftspolitik beobachtet werden kann, die angesichts der föderalen Struktur unseres Staatsgebildes einen beachtlichen Abstimmungs- und Koordinationsbedarf erkennen läßt. Dieser Koordinationsbedarf hat die Entwicklung verschiedenartiger Lösungsansätze begünstigt. Auf der Bund-Länder-Ebene ergab sich hierbei eine Politik- oder Planungsverflechtung, die unter der Flagge des "kooperativen Föderalismus" läuft. Die intensivste Entscheidungsverknüpfung erfolgt bei den sog. Gemeinschaftsaufgaben, da hier Mehrheitsentscheidungenauftreten können, die durchaus im Widerspruch zu den Interessen einzelner Bundesländer stehen. Diese Entwicklungstendenzen beinhalten letztlich eine Zentralisierung, die im Widerspruch zur Idee der Organisation eines Suchprozesses steht. Sieht man nämlich die Herausarbeitung regionaler Entwicklungspotentiale bzw. die Bestimmung regionaler Entwicklungsbarrieren als ein Informationsproblem an, welches am besten auf regionaler Ebene gelöst werden kann, wird eine Zentralisierung stets von der Notwendigkeit der Homogenisierung von divergierenden Tatbeständen ausgehen müssen. Die Kombination von quantitativ -interventionistischer Wirtschaftspolitik mit dieser Zentralisierungstendenz löst somit eine beachtliche Unitarisierung bzw. Uniformierung aus.

3. Regionalisierung der Regionalpolitik als Problemlösungsstrategie

Die Kriti k an der gegenwärtigen Ausgestaltung der regionalen Wirtschaftspolitik hat zu verschiedenartigen Lösungsvorschlägen geführt, die unter dem Stichwort Regionalisierung der Regionalpolitik zusammengeraßt werden können. Hierbei kann man zwei Arten einer Regionalisi~rung unterscheiden: - Regionalisierung bei Beibehaltung der gegenwärtigen Organisationsstruktur der regionalen Strukturpolitik und - Regionalisierung durch Änderung der gegenwärtigen Organisationsstruktur der Regionalpolitik.

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Bei der ersten Form würde das Institut der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" nicht in Frage gestellt. Es wird nur geprüft, inwieweit die regionalen Interessen bzw. die regionalen Entwicklungsbarrieren besser bei der Festlegung der Fördergebiete bzw. der Förderintensitäten im Raum berücksichtigt werden können. Beim zweiten Vorschlag wird hingegen die Änderung der Organisationsstruktur des politischen Planungs- und Entscheidungsprozesses zum entscheidenden Ansatzpunkt gewählt. Die Vorschläge laufen hierbei zumeist auf die Schaffung eines Systems konkurrierender Regionen mit möglichst geringen Finanzkraftunterschieden und vorgegebenem Wettbewerbs- und Ordnungsrahmen hinaus.

4.

Regionalisierung bei Beibehaltung der gegenwärtigen Organisationsstruktur der regionalen Strukturpolitik

4.1 Stärkere Berücksichtigung regionaler Interessen bei der Auswahl der Fördergebiete In der Wirtschaftstheorie herrscht die überwiegende Lehrmeinung vor, daß Wohlstandskomponenten nicht beliebig gegeneinander ausgetauscht werden können. In den Lehrbüchern wird dies üblicherweise mittels

de~

bekannten Gesetzes

von der abnehmenden Grenzrate

der Stubstitution zum Ausdruck gebracht. Der Planungsausschuß der regionalpolitischen Gemeinschaftsaufgabe bevorzugte jedoch bei seinen Eckwertbeschlüssen eine additive Verknüpfung von 5 Wohlfahrtsindikatoren. Er unterstellte damit nicht nur totale Unabhängigkeit der einzelnen Zielvariablen, sondern auch totale Austauschbarkeit dieser Größen. Beides erscheint in dieser extremen Form kaum zulässig und muß als eine Homogenisierung regional divergierender Interessen interpretiert werden. Eine variable Gewichtung der Indikatoren wäre darum dem Anliegen der stärkeren Berücksi chtigung regionaler Interessen viel eher entgegengekommen. Verfahrensmäßig hätte sich z.B. eine geometrische Verknüpfung der Variablen oder, was innerhalb des Planungsausschusses auch diskutiert worden war, die Anwendung der sog.

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Extremwert-Methode angeboten. Letztere hätte insbesondere eine Gruppierung der Beobachtungseinheiten in verschiedenen Kategorien zugelassen und soll darum beschrieben werden. Alle Beobachtungseinheiten wurden mittels fünf Variablen 1 ) diagnostiziert. In Abhängigkeit von dem Tatbestand, für wieviele dieser Kriterien in einzelnen Regionen extrem negative Merkmalsausprägungen2) ausgewiesen wurden, wäre eine Gruppierung möglich gewesen, und zwar: in Gruppen,

-

mit negativen Extremwerten für alle Variablen, mit nagativen Extremwerten für vier Kriterien mit negativen Extremwerten für drei Variablen mit negativen Extremwerten für zwei Größen mit negativen Extremwerten für eine Wohlfahrtkomponente.

Angesichts der empirischen Feststellung, daß die Einkommenskriterien untereinander bzw. mit dem Infrastrukturindikator beachtlich korrelieren, die Korrelationswerte für den Arbeitskraftreservekoeffizienten und die Arbeitslosenquote aber im Grunde statistische Unabhängigkeit signalisieren, wäre es noch sinnvoller gewesen, nur eine Dreier-Gruppierung anhand der Merkmale bzw. Markmalsgruppen - Einkommensindikatoren und Infrastrukturindikator, - Arbeitslosenquote - Arbeitskraftreservekoeffizient vorzunehmen. Als Kontrollvariable hätte man in allen Fällen noch den Wanderungssaldo der Erwerbspersonen hinzunehmen können. Es erscheint nämlich plausibel, nur dort von einer eigentlichen regionalen Notstandssituation zu sprechen, wo die negativen Merkmalsausprägungen nicht durch andere, nicht erfaßte Wohlstandskomponenten (etwa extrem

1) Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen je Kopf der Wohnbevölke-

rung 1978, durchschnittliche Arbeitslosenquote 1976-80, Bruttolohn- und-gehaltssumme je beschäftigten Arbeitnehmer 1978, Ar2) beitskraftreservekoeffizient 1985 und Infrastrukturindikator. Etwas kleiner als das 1,5 fache der Standardabweichung. - 148 -

hoher Freizeitwert) kompensiert werden, sondern Abwanderungsreaktionen induzieren. 4.2 Stärkere Berücksichtigung regionaler Entwicklungsbarrieren beim Instrumenteneinsatz Ein Nachteil der bisher praktizierten regionalen Wirtschaftspolitik besteht sicher darin, daß die räumliche Staffelung der Förderintensität bzw. die Auswahl der zu beeinflussenden Variablen sich wenig an den eigentlichen Entwicklungsbarrieren orientierten. Mittels der eben behandelten Selektionskriterien wurden nur förderungsbedürftige Regionen ausgewählt, die Frage nach den Ursachen der regionalen Strukturgefährdung im Einzelfall blieb jedoch unbeantwortet. Um einen besseren problemgruppenorientierten Instrumenteneinsatz und damit eine Regionalisierung der Regionalpolitik zu erreichen, würde sich u.U. folgende Gliederung der Fördergebiete anbieten: - Verdichtungsräume mit überdurchschnittlich hohem Dienstleistungsanteil bzw. diversifizierter Wirtschaftsstruktur, - hochverdichtete Industrieregionen mit struktureller Verfestigungstendenz, - lage-und siedlungsstrukturell begünstigte Regionen mit ländlichem Charakter, - lage- und siedlungsstrukturell lichem Charakter.

benachteiligte Regionen mit länd-

Bei der ersten Gruppe dürften eigentlich keine Gefährdungstatbestände auftreten, da es sich um Gebietskategorien handelt, die angeeichte ihrer Wirtschaftsstruktur hinsichtlich aller Selektionskriterien durchschnittliche bzw. überdurchschnittliche Merkmalsausprägungen aufweisen müßten. Die zweite Gruppe umfaßt jedoch die klassischen Industrieregionen, für die häufig strukturelle Verfestigungstendenzen beobachtet werden können. Sie sind Ausdruck der großbetrieblich organisierten Produktion, der Monostruktur, der problematischen Siedlungsstruktur (hohe Gemengelagesituation) bzw. fehlender Dienstleistungs- oder Wohn-Umwelt-Attraktivität. Hier würde mit größter Wahrscheinlichkeit eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen (etwa der Baunutzungsverordnung),

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eine Bodenmobilisierung oder die Investitionszulage genügen, um die Anpassungsflexibilität zu erhöhen. In der dritten Kategorie müßte das Instrumentarium der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", nämlich die Förderung der wirtschaftsnahen Infrastruktur bzw. die temporäre Begünstigung der Realkapitalbildung bei den Unternehmern, ausreichen, um die erforderlichen Entwicklungsimpulse zu induzieren. Die eigentlichen Problemregionen werden sich mit größter Wahrscheinlichkeit auf die letzte Kategorie konzentrieren. Dort müßte das hohe Ausmaß an Förderungsintensität gewährleistet sein.

5.

Regionalisierung durch Änderung der gegenwärtigen Organisationsstruktur der Regionalpolitik

5.1

Schaffung eines Systems konkurrierender Regionen mit möglichst geringen Finanzkraftunterschieden und vorgegebenem Wettbewerbs- und Ordnungsrahmen

5.1.1 Regionalisierung des Planungs- und Entscheidungsprozesses Angesichts der Probleme, die sich mit der gegenwärtigen Organisationsstruktur der Regionalpolitik verbinden, müßte eine Regionalisierung der Regionalpolitik erfolgen, die sich letztlich auf folgende drei Gestaltungsprinzipien konzentriert: - horizontale und vertikale Politikverflechtung, - horizontale Aufgabenbündelung (Einheit der V~rwaltung) bei demokratisch-repräsentierten Gebietskörperschaften, wobei möglichst auf vorhandene Gebietskörperschaften zurückgegriffen werden sollte, - optimale Dezentralisierung im Sinne der Planungs- bzw. Entscheidungszuweisung auf Raumeinheiten, die aufgrundder räumlich begrenzten Wirkungsbereiche von Maßnahmen eine weitgehende Deckung der Begünstigten und Kostenträger garantieren. Regionale Entwicklungsplanung ist nämlich ein Suchprozeß, der sich um die Aufdeckung regionaler Entwicklungschancen und -probleme bemüht. Die Organisation eines derartigen Suchprozesses sollte möglichst dezentral erfolgen, um eine stärkere Rückkoppelung mit den spezifischen Bedürfnissen der Regionalbevölkerung bzw. eine bessere Informationsmobilisierung zu garantieren. Die interessanteste Ebene für eine derartige Regionalisierungsstrategie wären die

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Planungsregionen bzw. teilweise die Kreise. 5.1.2 Der Wettbewerbs- und Ordnungsrahmen Für ein derartiges System konkurrierender Regionen müßte ein verbindlicher Ordnungsrahmen festgelegt werden. Er hätte dafür Sorge zu tragen, unzulässige Diskriminierungstechniken aufzuführen und zu verbieten. Analog zu der die privatwirtschaftliehen Entscheidungsträger betreffenden Gesetzgebung müßte es sich um eine bundeseinheitliche Regelung handeln, zu der der Planungsausschuß der regionalpolitischen Gemeinschaftsaufgabe vorbereitende Arbeiten leisten könnte. Das Hauptaugenmerk müßte sich auf die Festlegung von Förderhöchstsätzen bei den finanziellen Anreizen konzentrieren. 5.1.3 Änderung des Finanzausgleichssystems Die Realisierung eines Systems konkurrierender Regionen im Sinne einer Stärkung der Planungs- und Entscheidungsautonomie von Gebietskörperschaften müßten den Abbau gravierender Unterschiede in den finanziellen Handlungsspielräumen zwischen den Gebietskörperschaften sowie die Beseitigung der Mischfi nanzierung bzw. der zweckgebundenen Finanzzuweisungen voraussetzen. Es geht mit anderen Worten um eine finanzielle Entkoppelung der Gebietskörperschaften im Sinne der Schaffung einer größeren Autonomie auf Regionalebene. Noch wichtiger ist jedoch die Forderung, daß das hier zu realisierende Finanzausgleichssystem die Zweckzuweisungen durch weniger einengende Schlüssel- oder Pauschalzuweisungen ersetzen muß. Angesichts der starken Betonung des Haftungsprinzips bzw. des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz sollte möglichst eine größere Einnahmeautonomie der Planungs- und Entscheidungsträger herbeigeführt werden. Nämlich nur dann, wenn eine Gebietskörperschaft das Recht und die Pflicht hat, die aus eigener Verantwortung gewünschten und erfüllten Aufgaben im Wege autonomer Einnahmeerzielung auch den hierdurch begünstigten Bürgern anzulasten, kann es zu jenem wünschenswerten Abwägungsprozeß zwischen den als positiv angesehenen Ausgaben und den dafür erforderlichen, aber als negativ betrachteten Einnahmen kommen.

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5.2 Realisierungsprobleme Gegenwärtig laufen einige Arbeiten, die der inhaltlichen Konkretisierung dieses Alternativkonzepts dienen. Hierbei wird deutlich, daß die Einführung eines derartigen Systems konkurrierender Regionen mit einigen Realisierungsproblemen zu rechnen hat. Da ist einmal das Regionalisierungsproblem. In verschiedenen Fällen werden die vorhandenen Gebietskörperschaften (etwa Kreise) nur unzureichend dem Kriterium funktionaler Verflechtung gerecht. Es gilt darum Organisationsformen zu finden, die die Zusammenarbeit zwischen bestehenden Gebietskörperschaften (etwa Kommunen) auf Regionalebene erleichtern. Gebietsreformvorschläge werden gegenwärtig auf vitalen Widerstand stoßen. Die Aufstellung und inhaltliche Ausformulierung eines Wettbewerbsrahmens stellt des weiteren Neuland dar, dürfte aber weniger Realisierungsprobleme aufwerfen als die Überwindung des bürokratischen Beharrungsvermögens bei der Neuorganisation der gebietskörperschaftliehen Aufgabenneuverteilung. Die Änderung des Finanzausgleichssystems wirft schließlich ebenfalls Fragen auf. Offen ist z.B., wie am besten der Konkretisierung des verteilungspolitischen Anliegens im Rahmen des Finanzausgleichs Rechnung

getragen werden könnte. Darüber hinaus verlangt

das neue System einen Verzicht auf die Politik des goldenen Zügels, was vor allem bei den Ländern bzw. dem Bund Widerstand hervorrufen wird. Schließlich gilt es, die Einnahmeautonomie der unteren Gebietskörperschaften zu stärken, was letztlich von den übergeordneten Einheiten die Abgabe von Einnahmequellen erfordert. Auch hier wird sich darum ein beachtlicher Widerstand auftun. Bei der Regionalisierung der Regionalpolitik durch Änderung der gegenwärtigen Organisationsstruktur der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" handelt es sich somit um eine ordnungspolitische Maßnahme, die noch der Konkretisierung bedarf. Angesichts der Probleme, die die gegenwärtige Organisationsstruktur der regionalpolitischen Gemeinschaftsaufgabe aber

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aufwirft, kommt man nicht umhin, diesen Weg als den längerfristig interessanteren Vorschlag zu interpretieren.

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Zusammenfassung der Diskussion des Referats von Prof. Klemmer Der Referent ging zunächst noch einmal auf die Indifferenzkurvenanalyse ein. Dabei gehe er von der Gemeinschaftsaufgabe als einer Organisationsstruktur aus und frage, wie innerhalb dieser Gemeinschaftsaufgabe regionalisiert werden könne. Ansetzend bei den Wanderungsanalysen behauptete er, daß Tatbestände wie Arbeitslosigkeit, Arbeitskräftereserven, Einkommenswertigkeit für die einzelnen Teilgebiete in Abhängigkeit von ihrem Entwicklungsstand bzw. ihrer Ausgangslage unterschiedliches Gewicht haben. Man könne nachprüfen, daß es tatsächlich Probleme gebe in ländlichen Regionen aufgrund der unzureichenden Einkommenswertigkeit. Er habe volles Verständnis, wenn Dayern oder Rheinland-Pfalz folgerichtig dem Einkommenswert einen höheren Rang einräumen und das Ruhrgebiet, das keine Einkommensprobleme kennt, beispielsweise die Arbeitslosenproblematik höher e inschätze. Man könne nicht über die einzelnen Regionen hinweg eine völlige Austauschbarkeit der einzelnen Teilziele unterstellen. Es wurde bemerkt, daß die' Gemeinschaftsaufgabe ein Koordinierungsinstrument der regionalen Förderung in der Bundesrepublik Deutschland sein müsse. Diese Funktion werde allerdings in zunehmendem Maße ausgehöhlt, so daß die Gemeinschaftsaufgabe gegenwärtig

fur~­

tionslos sei. Früher habe die Zielsetzung in der Regionalpolitik darin bestanden, vorhandenes Arbeitsplatzpotential aus den Verdichtungsräumen in die peripheren Räume zu lenken. Seit 1975 interessiere man sich jedoch mehr für die Verdichtungsräume, da besonders die kapitalintensiven Investitionen gefördert werden sollen; und obwohl in der wissenschaftlichen Diskussion gesagt werde, daß die innovationsorientierte Regionalpolitik den Bedürfnissen peripherer Räume entgegenkomme, seien die Chancen für eine Industrieansiedlung aufgrund der kapitalintensiven Investitionen dort sicher sehr gering. Ein Teilnehmer kritisierte den Koordinierungsanspruch der Regionalplaner als überzogen, denn jeder Politikbereich habe seinen eigenen Zielkatalog und müsse seine Mittel vorrangig zur Erreichung

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dieser Ziele einsetzen. Im Bundesministerium für Forschung und Technologie etwa werde die Entwicklung neuer Technologien beispielsweise primär unter Forschungs- und Technologiegesichtspunkten gefördert, die regionalpolitische Bedeutung, beispielsweise die regionale Diffusion der Anwendung neuer Technologien, trete dahinter zurück. Man könne die Ziele der Regionalpolitik nicht immer als maßgeblich für alle Ressorts hinstellen, denn es gebe noch andere, vielleicht auch wichtigere Anliegen. Der Referent räumte ein, daß er einen gewissen Zwiespalt empfinde, wenn auf die schwindende Ordnungsfunktion der Gemeinschaftsaufgabe hingewiesen werde. Die Bemerkung, jeder politische Bereich habe seine eigene Zielvorstellung, begründe diese Aushöhlung geradezu. Wie solle man sich um andere Bereiche kümmern, wenn man verpflichtet sei, effizient für den eigenen Bereich zu arbeiten. Da. nun aber die Zielfunktion des EMFT nicht übereinstimme mit der Zielfunktion der Gemeinschaftsaufgabe, so ergäben sich Konflikte. Es sei selbstverständlich gefährlich, die Gemeinschaftsaufgabe zum Maßstab aller anderen Politikbereiche zu erheben. Gleichwohl komme man, wenn man die Gemeinschaftsaufgabe diskutiere, zu dem Ergebnis, daß es Politikbereiche gebe, die eindeutig raumwirksam seien und die unabhängig von der Gemeinschaftsaufgabe beachtliche Mittel im Raum verteilen. Dieser Sachverhalt belege die schwindende Ordnungsfunktion der Gemeinschaftsaufgabe. Es stelle sich nun die Frage, ob dies unter gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beklagen sei oder nicht. Diese Frage bleibe offen, denn sie hänge mit der Gewichtung der Gemeinschaftsaufgabe insgesamt zusammen. An den Referenten wurde die Frage gerichtet, wie die Wachstumsund Umweltdiskussion und die mit ihr einhergehende zunehmende Industrie- und Technologiefeindlichkeit im Rahmen der Regionalpolitik und der Wirtschaftswissenschaft allgemein zu bewerten seien. Der Referent räumte ein, daß es in den Regionen zum Teil traumtänzerische Forderungen gebe. Man könne zwar soweit gehen, den einzelnen regionalen Gremien das Recht zuzubilligen, beispielsweise die Entscheidung über eine Autobahn, die durch ihr Gebiet geht, selbst zu fällen, aber man müsse auch die Kehrseite der Medaille betrachten, daß nämlich diese Regionen die sich daraus ergebenden

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Folgen zu tragen hätten. Oft werde verkannt, daß der Verzicht auf ein Projekt zu Folgen führe, die durch Gelder aus einem anderen Topf dann wieder ausgeglichen werden müßten. Schließlich wurden noch die Probleme des Finanzausgleichsmechanismus vor dem Hintergrund der Bevölkerungsabnahme und der daraus resultierenden relativen Stärke der Ballungsräume angesprochen. Es wurde gesagt,daß ein fundamentales Interesse der finanzschwachen Länder, beispielsweise Rheinland-Pfalz, an einer starken Ordnungsfunktion bzw. Koordinierung in der Gemeinschaftsaufgabe

bestehe.

Das Dilemma bestehe darin, daß die Länder einerseits einen größeren Spielraum für eine eigene Regionalpolitik anstrebten, daß aber mit dem Spielraum auch der Koordinationsbedarf wachse. Wenn schließlich der Referent noch eine Regionalisierung der Regionalpolitik durchführen wolle, dann müsse mar., wenn man aus der Praxis heraus argumentiere, den Koordinationsbedarf noch unendlich viel größer ansetzen. Es sei unvorstellbar, wie dies in der Praxis ablaufen solle. Ein regional optimaLer Finanzausgleich möge in der Theorie zwar funktionieren, aber für die Praxis sei dies eine Jahrtausendaufgabe. Dieser optimale Finanzausgleich sei aber die Voraussetzung für den Alternativvorschlag von Professor Klemmer, daran werde sein Modell in der Praxis auch scheitern. Der Referent stimmte zu, daß das Finanzausgleichsproblem in der Tat einer Lösung bedürfe, wenn das System der konkurrierenden Regionen geschaffen werden solle. Es gehe jedoch in diesem Konzept des Finanzausgleichs nicht um Zweckzuweisungen, sondern um Globalzuweisungen, und er sehe dieses Problem nicht als unüberwindlich an .

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Die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" im Lichte wahrscheinlicher Entwicklungen der 80er Jahre Prof. Dr. J.Heinz Müller Die Raumordnungspolitik und speziell die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" werden neuerdings häufig in globaler und überzogener Form kritisiert. Stellvertretend für andere Kritiken wird sich dieser Beitrag zunächst

in Form einer Antikritik auseinandersetzen mit Beiträgen von Ewers 1 : van Suntum 2 ) und Klemmer 3 ). Ziel dieser Auseinandersetzung ist einmal, die Kritik in den Rahmen zurückzuweisen, in dem sie allein Berechtigung hat, und·zweitens, das Ziel der Raumordnungspolitik und der Gemeinschaftsaufgabe weiter zu präzisieren; das geschieh t, um auf dieser Basis die wahrscheinliche Entwicklung der 80er Jahre klarer darstellen zu können. Frau Dr. Evelyn Nieth hat in ihrem Eröffnungsreferat zu diesem Kontaktseminar4) deutlich gemacht, daß drei einschlägige Studien des von mir geleiteten Instituts für Regionalpolitik und Verkehrswissenschaft an der Universität Freiburg im letzten Jahrzehnt weder im industriellen noch im tertiären Sektor eine weitere Verstärkung der räumlichen Konzentration festgestellt haben. Im Gegenteil ist für diese Zeit in diesen Untersuchungen eine schwache räumliche Dekonzentration festzustellen gewesen, Konzentration jeweils verstanden als relative Verteilung bestimmter Größen im Raum. So haben etwa die Anteile der Industriebeschäftigten und der im tertiären Sektor Beschäftigten in Ballungsgebieten an der Gesamtzahl der einschlägig Beschäftigten leicht abgenommen. Zu dem gleichen Ergebnis einer Abnahme der relativen Konzentration kommt auch Hoberg für das

Handwerk im Lande Baden-Württemberg zwischen 1968 und 1977 5 ).

Ewers 6 ) weist demgegenüber darauf hin, daß "es in den 70er Jahren nicht nur nicht gelungen" sei, "die interregionalen Disparitäten in den Erwerbs- und Verdienstmöglichkeiten wesentlich zu verklei-

nern, sondern zum Teil wurde die Schere zwischen Verdicht ungs- und ländlichen Regionen noch weiter geöffnet, wie etwa die Entwicklung der Lohn- und Gehaltssumme je Industriebeschäftigten (Juni 1970 -

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Juni 1976: stark verdichtete Regionen von 1322 auf 2366 DM, ländliche Regionen von 1036 auf 1913 DM) ausweist". Zwar ist die absolute Steigerung dieser Größe in den verdichteten Räumen etwas höher gewesen als in den ländlichen Räumen. Andererseits ist le i cht auszurechnen, daß die Lohn- und Gehaltssumme je Industriebeschäftigten in dieser Zeit in den stark verdichteten Räumen um 78%, in den ländlichen Räumen dagegen um 86% gestiegen ist. Die Würdigung dieses Tatbestands läuft also darauf hinaus, ob man der absoluten oder der relativen Konzentration den Vorzug geben will. Selbst verständlich muß dabei der Analyseparameter von dem Erkenntnisziel abhängi g sein, das sich die jeweilige Untersuchung setzt. Will man beispielsweise die Straßenbelastung im Berufsverkehr zur Zeit der Rush-hour erfassen, so ist die absolute Konzentration das geeignete Maß, da es auf die absolute Zahl der Fahrzeuge ankommt. Die meisten Probleme aus dem Bereich der Raumordnungspolitik und der regionalen Wirtschaftspolitik beschäftigen sich jedoch mit Disparitäten zwischen verschiedenen Gebieten bzw. Gebietskategorien im Raum und stellen damit notwendigerweise auf deren relative Situation, damit also auf ihre relative Konzentration ab. Im Sinne dieses relativen Begriffes zeigt also selbst der von Ewers als Beleg herangezogene Wert der Lohn- und Gehaltssumme je Industriebeschäftigten keine Zunahme, sondern im Gegenteil eine Abnahme. Es ist daher selbst die von Ewers aufgezeigte Entwicklung kein Zeichen für ein Scheitern der Regionalpolitik, sondern im Gegenteil für deren Erfolg. Bei Fortdauer dieser relativen Wachstumsraten über eine längere Zeit würden sich auch die absoluten Unterschiede, deren Steigerung offensichtlich den Unwillen des Autors hervorgerufen hat, im Laufe der Zeit verringern. Stellt man diesen Begriff der relativen Konzentration in den Mittelpunkt der Analyse, so dürfte sich, wie schon am Beispiel der Behauptung von Ewers gezeigt, die Masse eines angeblichen Versagens von Raumordnungspolitik und regionaler Wirtschaftspolitik von selbst erledigen. Zwar sind die von Nieth angeführten Ergebnisse und das Ergebnis von Hoberg immer nur Einzelfälle, und sie lassen sich nicht ohne weiteres verallgemeinern. Andererseits ist bei einer Übersicht über die Literatur festzustellen, daß es an überzeugenden Beweisen

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für eine Zunahme der relativen Konzentration sehr weitgehend fehlt. Es kann deshalb von einem durch statistische Ergebnisse untermauerten Versagen der regionalen Wirtschaftspolitik, insbesondere im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe, nicht die Rede sein. Van Suntum7 ) wirft in seinem Beitrag die zentrale Frage auf, "wieviele Investitionen (oder Arbeitsplätze) durch Aufbringung der Fördermittel verhindert oder vernichtet" worden sind. Eine solche Frage läßt sich jedoch, solange das Nonaffektationsprinzip die staatliche Finanzwirtschaft beherrscht, schlechterdings nicht beantworten; sie kann nach der Logik des Systems nicht einmal gestellt werden. Es läßt sich eben nicht sagen, aus welcher Steuereinnahme die Mittel für die regionale Wirtschaftspolitik stammen, aus der Lohnsteuer, der Einkommenssteuer oder der Hehrwertsteuer usw. Das gilt selbstverständlich erst recht, wenn man die verwickelte Frage der Steuerüberwälzung in die Analyse mit einbezieht. Ob ein finanzwirtschaftliches System ohne Nonaffektationsprinzip politisch möglich ist, steht in diesem Zusammenhang nicht zur Diskussion, weil wir ja die Wirkung der Analyse in dem jetzt vorhandenen Steuersystem analysieren müssen. Es ist mir unverständlich, wie von Suntum8 ) das Verfahren der Gemeinschaftsaufga.be wie folgt kritisieren kann: "Die wiederholten Äußerungen in den Rahmenplänen der GRW, man

1~olle

nur 'Rahmenbe-

dingungen' für den privaten Investor setzen, verhalte sich daher durchaus 'marktkonform', vermögen nicht darüber hinwegzutäuschen, daß es sich bei der in der Bundesrepublik praktizierten Regionalpolitik um staatliche Investitionslenkung (von mir unterstrichen,

H.l1.) in Reinkultur handelt, die dem Grundgedanken der Marktwirtschaft diametral entgegensteht." Ein mäßiger Anreiz, wie ihn die Gemeinschaftsaufgabe bietet, stellt- da.s dürfte Meinung der meisten Wissenschaftler sein- keine Investitionslenkung dar, was immer man darunter im einzelnen verstehen mag. Die Feststellung des Autors muß um so befremdlicher wirken, als er selbst in seinem positiven Ansatz eine Ansiedlungsprämie als Förderungsmittel 9 ) vorsieht.

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Wenn van Suntum10 ) schließlich in diesem Zusammenhang davon spricht, daß "die Regionalpoli tik" ••• "eine Vorstellung von

de~' wünschens\~er­

ten Raumstruktur des gesamten Bundesgebietes entwickelt" hat, "die an Detailliertheit nichts zu wünschen übrig läßt", so kann man diese Äußerung nur zurückweisen. Es gibt keinen Bereich in der Regionalpolitik, der seine Ziele detailliert formuliert hätte.

Ma~

kann

das bedauern, andererseits ist kaum zu sehen, wie im Rahmen einer marktwirtschaftliehen Ordnung, der sich auch die Gemeinschaftsaufgabe verpflichtet fühlt, eine detaillierte Raumstruktur zum Ziel der Regionalpolitik gemacht werden könnte. Ein letztes Problem, das bereits zu dern Beitrag von Klemmer hinüberleitet, ist die Frage, ob in den Ländern eigene regionale Förderungsmaßnahmen möglich sein sollten. Sofern solche regionalen Förderungsmaßnahmen die zentrale Förderung ergänzen und nicht ersetzen, ist sicher dagegen nicht viel einzuwenden. Die Forderungen van Suntums zu diesem Thema würden jedoch eine völlige Umstellung unseres Finanzsystems zur Voraussetzung haben. Es kann an dieser Stelle offen bleiben, ob eine solche Umstellung in der Lage sein würde, die großen Mittel aufzubringen, die unsere öffentlichen Haushalte laufend benötigen. Ein solches Finanzsystem steht bei uns gegenwärtig nicht zur Debatte, und infolgedessen erscheint es nicht sinnvoll, ein solches vorauszusetzen. Klemmer, 11 ) der sich in seinem Beitrag vor allem für eine stärkere Berücksichtigung der Aspekte einzelner Regionen einsetzt, schildert zunächst die Hauptprobleme der gegenwärtigen Form der regionalen Strukurpolitik. Zwei Problembereiche stellt er dabei besonders heraus; einerseits daß die Gemeinschaftsaufgabe eine Uniformierungstendenz aufweise, nnd andererseits, daß ihre Koordinationsfunktion abnehme. Beide Kritikgesichtspunkte sind zumindest teilweise widersprüchlich. Entweder uniformiert die regionale Strukturpolitik die einzelnen Regionen - dann hat sie aber eine hohe Koordinierungsfunktion, - oder sie uniformiert sie nicht, und dann fehlt ihr die Koordinierungsfunktion. So dürften sich diese beiden Kritikgesichtspunkte wenigstens teilweise gegenseitig aufheben.

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Zu dem Vorschlag einer verstärkten Regionalisierung der Regionalpolitik als Problemlösungsstrategie ist zunächst auf die alte Frage nach der Konsistenz der verschiedenen regionalen Planungen einzugehen. Die Zeit liegt doch nicht allzu weit zurück, in der die verschiedenen unteren Einheiten, etwa Kreise oder Regionen, selbständig geplant haben. Personen, die eingermaßen mit der damaligen Situation vertraut sind, wissen noch, daß die Zusammenfassung dieser Planungen auf Landes- oder Bundesbasis damals oft zu insgesamt völlig utopischen Werten geführt hat. Der Bevölkerungbzuwachs war in den einzelnen Teilregionen so hoch angesetzt und wurde immer wieder mit zu erwartenden Wanderungsgewinnen begründet, daß in dem Gesamtraum das Ergebnis ganz unmöglich wurde. Dieses Problem der Abstimmung der Pläne gilt ganz universell: Nan kann den einzelnen Regionen keine völlig selbständige Planung von Krankenhäusern, Straßen oder gar Autobahnen überlassen, immer ist eine Abstimmung mit den Nachbarn dri ngend erforderlich. Es mag eine untere Infrastrukturebene geben, auf der eine solche Abstimmung oder eine solche Koordinierung eine geringere Bedeutung haben, aber bei der Knappheit der finanziellen Mittel, vor der wir stehen, erscheint selbst auf unterer Ebene, etwa bei Schulen und Schwimmbädern, eine Koordinierung mit benachbarten Kreisen bzw. Regionen völlig unentbehrlich. Eine solche Koordinierung ist um so mehr erforderlich, je selbständiger äie einzelnen Gebietseinheiten in ihren Planungen agieren. Eine ganz andere Frage ist, ob bei grundsätzlicher Koordination der Pläne in jeder Gebietseinheit die gleiche Maßnahme zur Erreichung eines bestimmten Zieles angewendet werden muß. Hier stimme ich Herrn Klemmer durchaus zu, daß der Instrument eneinsatz problemgruppenorientierter sein könnte, als er es in der Gegenwart ist. Man könnte etwa hochverdichteten Industrieregionen mit anderen Mitteln in ihrer schwierigen Situat i on helfen als ländlichen Gebieten. Hier könnte eine größere Flexibil i tät allerdings wiederum nur be i Koordinati on von Zielen und Mitteln zweckmäßig sein. Diese Frage darf allerdings nicht damit verwechselt werden - und wie ich glaube, unterliegt der Beitrag von Klemmer etwas dieser Ge-

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fahr - ob nicht bei der Auswahl der Fördergebiete stärker regionale Interessen berücksichtigt werden sollten. Sofern sich hinter dieser Forderung verbirgt, daß man in jeder Region - und zwar ganz nach deren eigenen Wünschen - ihre speziellen Anliegen entscheidend berücksichtigt, erscheint mir das Verfahren im Rahmen einer einheitlichen Politik auf Bundesebene völlig unanwendbar. Es würde zu einem wilden Förderungsdurcheinander und Förderungsgegeneinander in der Bundesrepublik Deutschland kommen. Eine andere Frage ist die, ob man statt des gegenwärtig doch recht starren Schemas bei den Indikatoren zu einem etwas weniger starren übergeht und ob man in diesem Zuge andere Indikatoren, etwa Wanderungsindikatoren, zusätzlich in der Analyse verwendet. Prinzipiell steht die Auswahl der Indikatoren zur Debatte1 jedoch bedarf eine effiziente Förderung im Rahmen einer an Bundesmaßstäben orientierten Politik einer für das ganze Bundesgebiet einheitlichen Gewichtung der Indikatoren. Damit ist aber eine Auswahl der Gewichte nach den Wünschen der einzelnen

Regionen nicht kompatibel. Beschneidet man den Beitrag von Klemmer um diese etwas zu weit gehende Kritik, so enthält er wichtige Ansätze für eine weitere positive Entwicklung der regionalen Strukturpolitik. Man wird sicherlich über die eine oder andere Ergänzung oder auch Änderung, insbesondere im Bereich der

Indikatore~

sprechen können, ohne die er-

forderliche Einheitlichkeit des Förderungsmaßstabes in Frage zu stellen. Soweit die Auseinandersetzung mit der Kritik an den Ergebnissen der Gemeinschaftsaufgabe. Sie sollte dartun, daß die bisher vorliegenden Ergebnisse in keiner Weise die Behauptung untermauern, daß die Gemeinschaftsaufgabe in der zurückliegenden Zeit versagt habe. Andererseits beweisen positive Ergebnisse, wie sie im Rahmen dieses Referates mehrfach aufgezeigt wurden, auch nicht, daß die Gemeinschaftsaufgabe als solche das unbedingt bewirkt hat. Prinzipiell ist im Rahmen einer sozio-ökonomischen Untersuchung die Frage nach

dem, was geschehen wäre, wenn eine bestimmte Maßnahme nicht ergriffen worden wäre, nicht zu beantworten.

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Fragen wir uns in einem zweiten Teil nach der Entwicklung in dem gerade begonnenen Jahrzehnt. Eine wichtige Unterfrage dazu ist die nach den Datenänderungen, die in den 80er Jahren eine von der der 70er Jahre abweichende regionale Entwicklung zur Folge haben könnten. Zunächst könnte man daran denken, daß die Beschäftigung im industriellen Sektor sich in Zukunft weiter reduzieren wird. Sehen wir uns die Entwicklung in der Vergangenheit etwas näher an: Entwicklung der Beschäftigung im Produzierenden Gewerbe und im tertiären Sektor in der Bundesrepublik Deutschland 1960 - 1980 (in Mio) Jahr 1

Produzierendes (!"...,".,..h ..

Sektor in Mio. 'llo,.....J.

Erwerbstätige insgesamt

c::!olr+n.,..

1960

12,518

10 106

26 247

1965

13,138

10.87'3

26 887

1970

1'1.024.

11.'182

26 668

_1972

12,815

11,802

26 655

1974

12.'198

11 . 9'1'i

26 21'i

1975

11,615

11,885

25 323

1976

11 . 4.00

11.94.'i

2'i 088

1977

11. '1'10

12 O'i9

?'i 0..1..1

1978

11 359

12 26'1

2'i 2'10

1979

11 . 482

12.'122

2'i 'i4.8

1) J ahresdurchschnitte Quelle: Statist. Jahrbuch für die Bundesrepubl i k Deutschland, lfd. J a hre Wie die Ent\ücklung zeigt, hat sich die Zahl der Beschäftigten im Produzierenden Gewerbe zwischen 1960 und 1979 um rund 10% (gegenüber dem Höchs tstand von 1965 sogar um rund 15%) verringert, während die Zahl der Be s chäfti gten im Tertiärsektor innerhalb der gleichen Zeit um fast ein Viertel gewachsen ist. Absolut gesehen hat die Zahl der Beschäftigten im Tertiären Sektor die des Produzierenden Gewerbes in dieser Zeit überholt.

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Da die empirischen Befunde im zurückliegenden Jahrzehnt eine leichte Dekonzentration für beide Sektoren ergeben haben und sich die geschilderte Entwicklung in den Ergebnissen niedergeschiagen hat, könnte man dieses Problem auf sich beruhen lassen, wenn nicht zu befürchten stünde, daß die Wirksamkeit der Gemeinschaftsaufgabe dadurch in Zukunft stärker beeinträchtigt werden könnte. Dieser mögliche Zusammenhang wird deutlich, vrenn wir die Gründe, die zur Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes in einem Förderungsgebiet einer der Ansatzpunkte der Gemeinschaftsaufgabe - führen könnte, etwas näher untersuchen. Es gibt zwei Gründe dafür, daß ein industrieller Arbeitsplatz in einem Fördergebiet neu geschaffen wird: 1. die Verlagerung in ein Fördergebiet, \•tobei im Extremfall genau die gleiche Menge an Arbeitsplätzen, die vorher anderswo, u.U. sogar in einem anderen Fördergebiet, bestanden hat, in einem Fördergebiet neu geschaffen wird. In diesem Fall entstehen keine zusätzlichen Industriearbeitsplätze, sondern nur Arbeitsplätze in einem anderen Raum, nämlich einem, für den die Förderung durch die Gemeinschaftsaufgabe Platz greift. 2. die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze, d.h. von bisher noch nieht vorhandenen Arbeitsplätzen, in den Fördergebieten. Der Anlaß dazu kann nun, ohne daß er sich in jedem Fall als solcher mit letzter Sicherheit nachweisen läßt, wiederum verschieden sein. Es kann sich um eine Erweiterungsinvestition für einen an seinem Stammplatz weiter betriebenen Betrieb handeln. Es besteht aber auch die Möglichkeit, daß es sich um einen Betrieb mit e i ner völlig neuen Produktion an dem neuen Ort handelt. Selbstverständlich läßt sich zwischen der Effizienz von Maßnahmen der Gemeinschaftsaufgabe und der Entwicklung der absoluten Zahl der Beschäftigung ein direkter Zusammenhang nic ht herstellen. Andererseits dürfte bei einer wachsenden Zahl von Industriebeschäftigten der Anrei z zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze stärker sein als im Falle einer stagnierenden oder gar rückläufigen Industriebeschäftigung. Mit letzter Gewißheit läßt sich freilich selbst das nicht behaupten, weil die absolute Zahl der Industriebeschäftigten

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stets auf den Saldo der Gesamtentwicklung abstellt. Selbst bei einer Konstanz oder auch bei einem Absinken der Zahl der Industriebeschäftigten besteht immer noch die Möglichkeit, daß zwar eine Reihe von Branchen absolut stärker zurückgeht, daß aber gleichzeitig andere Sektoren völlig neue Produktionen aufnehmen und Erweiterungen durchführen. Auch in diesem Fall könnte die Förderungsmaßnahme mit Erfolg wirken, wenn sich nämlich die neuen Arbeitsplätze in höherem Maße als die in Verlust gehenden Arbeitsplätze in den Förderungsgebieten befinden. Zwar dürfte in den achtziger Jahren ein wichtiges Argument weitgehend fehlen, das in den weiter zurückliegenden Jahren des Arbeitekräftemangels in den Ballungsgebieten e"in wichtiger Grund für den Unternehmer war, einen (zusätzlichen) Betrieb in einem Fördergebiet der Gemeinschaftsaufgabe zu errichten. Mit der Wegentwicklung vom Zustand allgemeiner Vollbeschäftigung könnte der Anreiz entfallen oder zumindest weniger stark werden, zusätzliche Arbeitskräfte in Fördergebieten für sich zu gewinnen. Andererseits ist zu erwarten, daß in einigen Ballungsgebieten, wie z.B. München und Stuttgart, auch in den achtziger Jahren ein Mangel an Arbeitskräften fortbesteht, so daß der vom örtlichen Arbeitskräftemangel ausgelöste Druck in Richtung Verlagerung oder Erweiterung an anderer Stelle, darunter auch in einem von der Gemeinschaftsaufgabe geförderten Raum, insofern teilweise weiter fortbestehen dürfte. Auch der andere Grund, der in der Vergangenheit häufig Anlaß für eine Betriebserweiterung an einem anderen Ort oder für eine Betriebsverlagerung gab, dürfte in Zukunft nur noch vermindert weiterwirken. Ich denke an die räumliche Enge am überkommenen Betriebsort, die nicht selten Anlaß zu einer Verlagerung oder Erweiterung an einem anderen Ort gab. Auch hier ist für die Zukunft mit einer Tendenzabschwächung zu rechnen, die insbesondere die "a.lten" Industriegebiete betrifft. In ihnen geht eine größere Zahl von Arbeitsplätzen verlustig, wobei einzelne Betriebe ihre Pforten völlig schliessen. Das gibt Raum für neue betriebliche Initiativen in diesen Gebieten. Es kommen daher von dort - auch aus Gründen der Arbeitslosigkeit in diesen Gebieten, worauf noch kaum Verlagerungen in Betracht.

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zurü~kzukommen

sein wird -

Da mithin die Wachstumsaussichten des Sekundärsektors nicht besonders günstig sind, dürften Standortverlagerungen in Fördergebiete in der Zukunft weniger wahrscheinlich werden als in der Vergangenheit. Von da aus ergibt sich die Frage, die schon vor rund 6 Jahren in den "Informationen zur Raumentwicklung1112 ) eingehend diskutiert wurde, ob nicht auch die Ansiedlung von Betrieben des Tertiärsektors in diesen Gebieten, insgesamt oder nur für einen ausgewählten Teil des Sektors, gefördert werden sollte. In den Informationen ist damals die Frage für Behördenstandorte behandelt worden; das Ergebnis war die Forderung, daß Behörden und Verwaltungen mit geringem Publikumsverkehr möglichst für Standorte in strukturschwachen Gebieten gewonnen werden sollten. Von einem nennenswerten Erfolg der damaligen Diskussion ist dem heutigen Referenten nichts mekannt. Er möchte deshalb an dieser Stelle anregen, in bewußter Ausdehnung des bisherigen Förderungsbereiches, der von geringen Ausnahmen abgesehen nur den Sekundärbereich umfaßt, auch zu einer Förderung des Tertiärbereiches überzugehen. Bisher wird dieser bekanntlich - vom Fremdenverkehr abgesehen - nur dann gefördert, wenn er - wie z.B. beim Fernhandel - Effekte zur Folge hat, die eine Ausweitung der Basic-Beschäftigung bewirken. Ohne die regionalpolitische Problematik zu verkennen, möchte ich anregen, eine erhebliche Ausdehnung dieses Förderbereiches in der Zukunft ins Auge zu fassen. Ob man dabei den gesamten Tertiärsektor in die Förderung einbezieht oder nur einen Teil dav.on, soll aber an dieser Stelle nicht entschieden werden. Von sehr viel grundsätzlicherer Bedeutung noch ist die Frage, inwieweit in Zukunft bei der regionalen Wirtschaftspolitik Förderungsgesichtspunkte gelten sollen, die überwiegend oder gar weitgehend konjunktureller Natur sind. Es ist in letzter Zeit ein Vordringen von Förderungskriterien in der regionalen Wirtschaftspolitik zu verzeichnen gewesen, die in starkem Maße die konjunkturelle Situation der betreffenden Region widerspiegeln. Ich denke in dieser Hinsicht vor allem an das Vordringen der regi onalen Arbeitslosenquote als Bezugsgrundlage. Mir selbst erscheint das als eine sehr bedenkliche Entwicklung. Zunächst unterscheiden sich die Aufgaben der Konjunkturpolitik und der regionalen Wirtschaftspolitik grundsätzlich. Während die konjuructurelle Situation eher ein kurz- und

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mittelfristiges Phänomen ist, handelt es sich bei den Aufgaben der Regionalpolitik um ein langfristiges Strukturproblem bestimmter R8gionen. Selbstverständlich lassen sich diese beiden Phänomene nicht lupenrein voneinander trennen, und daher ist gegen die Verwendung des regionalen Sozialprodukts je Kopf der Bevölkerung als Fördermaßstab auch nichts einzuwenden, obwohl sich in ihm auch die konjunkturelle Lage des betreffenden Gebiets spiegelt. Ich hätte aber Bedenken, wenn darüber hinaus - und vielleicht noch mit einem erheblichen Gewicht - die regionale Arbeitslosenquote zusätzlich als Kriterium der Förderungsbedürftigkeit in den Katalog einbezogen würde. Diese Arbeitslosenquote spiegelt doch entscheidend die unterschiedlichen konjunkturellen Verhältnisse in den betreffenden Räumen wider. Sie müßte als solche Kriterium für regional differenzierte Maßnahmen zur Konjunkturbelebung sein, sollte aber nichtoder zumindest nicht an vorderer Stelle - als Förderkriterium im Rahmen der regionalen Wirtschaftspolitik Verwendung finden. Etwas anderes kommt noch hinzu. Ich plädiere nachhaltig für die Beibehaltung der bisherigen Förderungsmaßnahmen im Rahmen der regionalen Wirtschaftspolitik. Der ordnungspolitische Vorteil dieser Maßnahme liegt bekanntlich darin, daß sie eine vom Standpunkt der regionalen Wirtschaftspolitik erwünschte Ansiedlung von Betrieben an bestimmten Orten mittels Anreizen fördert, die ihrerseits in mäßigen Grenzen bleiben. Es ist in der räumlichen Struktur unserer Wirt schaft leider nicht so, wie es manche zeitlose interdependente Gleichgewichtsmodelle der Theorie nahelegen, daß sich zu jeder Zeit ein jeder Betrieb an se i nem räumlichen Optimum'befindet. Vielmehr sind die Betriebsorte und Wohnplätze im Laufe der menschlichen Geschichte sukzessi v entsta nden und sukzessiv Ände r ungen unterworfen. Da ß da bei Betriebsorte und Wohnplätze im Zuge der Entwicklung obsolet werden, ist eine natürliche Konsequenz des Entwicklungsprozesses. Ein Betrieb wird aber einen obsolet gewordenen Standort erst dann aufgeben, wenn ganz gewichtige Gründe dafür sprechen. Stets muß er - selbst bei einer sehr s orgfältigen Verlagerungsplanung- am alten Betriebsort eine Reihe von Investitionen zurücklassen, die nicht vollständig abgeschrieben werden konnten. Es kommt hinzu, daß Betriebe sich vielfach nicht - oder zumindest nicht rechtzeit ig- zu einem Stand-

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ortwechsel selbst in dem Fall entscheiden, daS der neue ein wenig günstiger ist. Die Betriebe erhalten damit von anderen Betrieben nicht selten falsche Signale im Sinne einer optimalen räumlichen Allokation. Das alles bewirkt eine übersteigerte Beharrungstendenz in der räumlichen Verteilung, vor allem auch wegen des begrenzten zeitlichen Kalkulationshorizontes sehr vieler Betriebe. Welcher Betrieb beurteilt schon die Frage nach einer eventuellen räumlichen Verlegung anband des dafür allein ausreichenden langfristigen Zeitraums?! Wenn in einer solchen Situation der Staat gewisse räumliche Verlagerungen, an denen er aus allgemeinen regionalpolitischen Gründen interessiert ist, mit einem Anreiz begünstigt, der kaum gröBer ist, als die Investitionen, die der Betrieb am alten Ort UDausgenutzt zurücklassen muB, ist damit eine Mobilisierung des Kapitals hin zu den besseren Standorten verbunden. Ich habe diese Situation gelegentlich mit einem Bild etwas verständlicher zu machen versucht1 Wie bei einem Tanzvergnügen der Boden gebohnert wird, damit die Paare leichter darüberschweben, so wird im Rahmen einer solchen Förderung mit mäßigem Anreiz der Ortswechsel erleichtert, also gewissermaßen der "Boden gebohnert". Zweierlei ist aber Vorbedingung dafür, daS dieser Anreiz nicht fehl geleitet wird. Es darf zunächst zu keiner dauerhaften Subventionierung kommen, vielmehr muB der Betrieb an seinem neuen Standort dem Wettbewerb mit anderen Unternehmen seiner Branche in vollem MaSe ausgesetzt sein. Sodann darf der Anreiz nicht so hoch sein, daS er allein, d.h. ohne daS der Unternehmer seine Chancen am neuen Produktionsort ganz eingehend untersucht, AnlaS für einen Ortswechsel gibt. Nach den Größenordnungen dürfte, jedenfalls solange eine Förderung nach der Gemeinschaftsaufgabe nicht mit anderen Förderungsmaßnahmen zusammentrifft, eine solche Fehlentwicklung kaum auftreten. Konjunkturelle Fehlentwicklungen dürften gegenüber dem regionalen Strukturproblem- und das ist der zweite Gesichtspunkt, warum ich eine Verquickung beider Aspekte ablehne - andere Mittel zu ihrer Behebung erfordern, auch wenn ihr AusmaS regional voneinander ~b­ weicht. Zunächst möchte ich mich mit Nachdruck dagegen wehren, Maßnahmen ins Auge zu fassen, die eine dauerhafte Subventionierung bestimmter Räume oder auch bestimmter Tatbestände ins Auge fassen,

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wie es etwa der Fall ist, wenn alle Räume, in denen die regionale Arbeitslosenquote einen bestimmten Wert übersteigt, laufend Lohnzuschüsse erhalten. Auf diese Weise wird die im Sinne einer positiven Entwicklung der Wirtschaft dringend erforderliche räumliche Mobilität behindert. Wenn auch nicht verkannt werden darf, daS räumliche Mobilität nicht ausschließlich positive Auswirkungen hat, erscheint es doch bedenklich, wenn zur gleichen Zeit gewisse Regionen hohe Arbeitslosenquoten aufweisen, in der andere Räume, wie z. B. München und Stuttgart, nur eine ganz verschwindende Arbeitslosenquote haben. In einer solchen Situation sollte man die Räume mit einer hohen Arbeitslosenquote auf keinen Fall dauerhaft begünstigen, sondern alles tun, um die Wirksamkeit der regionalen Mobilität zu verstärken. Ich sage das mit allem Nachdruck, weil sich für den Außenstehenden der Eindruck in letzter Zeit verstärkt, daS die Tendenz, räumliche Mobilität bei den Arbeitskräften zu behindern, erheblich an Gewicht gewinnt. Eine schwierige Aufgabe dürfte, das sei an dieser Stelle offen zugegeben, im engeren konjunkturpolitischen Bereich liegen. Für die Konjunkturpolitik hat sich seit einigen Jahren das Prinzip der Globalsteuerung durchgesetzt. Sie will die Gesamtnachfrage beeinflussen und ihr in Zeiten der Rezession zusätzliche Impulse verleihen. Schon immer ist dabei ein gewisser Branchenaspekt mitberücksichtigt worden, indem man diese Nachfragespritzen auf besonders notleidende Branchen ausrichtete. Allerdings verbanden sich damit immer auch andere Zielsetzungen, wie z.B. zuletzt bei den Maßnahmen zum verstärkten Energiesparen. An einer direkten regionalen Ausrichtung dieser konjunkturellen Komponente hat es dagegen bisher weitgehend gefehlt. Nur soweit sich die AnkurbelungsmaSnabmen vorwiegend auf bestimmte Branchen richteten, die ihrerseits in bestimmten Regionen massiert vorhanden waren, war damit auch ein indirekter regionaler Aspekt verknüpf~ Von da aus könnte die Frage gestellt werden, ob nicht in Zukunft die Konjunkturpolitik stärker regional ausgerichtet werden sollte. Meinerseits möchte ich das zumindest insoweit ablehnen, als dadurch die regionale Mobilität als wichtiger Wachstumsimpuls behindert und die regionale Wirtschaftspolitik mit konjunkurellem Ballast belastet wird.

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Ein weiterer Problembereich, in dem sich in letzter Zeit erfreulicherweise wichtige Fortschritte ergeben haben, ist der Umfang der regionalen Förderung. Wenn in der Vergangenheit zeitweise mehr als

60% der Fläche des Bundesgebietes eine regionale Förderung erhielt, kann man wohl nur von einer Förderung mit der Gießkanne quer über das Land sprechen, die die Hilfe gerade dort entwertet, wo sie am nötigsten ist. Es ist in dieser Hinsicht erfreulich zu hören, daß auf der letzten Sitzung des Planungsausschusses beschlossen wurde, die Größe der Förderfläche in Zukunft zu verringern. Auch wenn dabei Baden-Württemberg ganz aus der Förderung durch die Gemeinschaftsaufgabe fällt, möchte ich diesen Entschluß nachdrücklich begrüßen. Ich gehe sogar so weit, für die weitere Zukunft eine noch wesentlich darüber hinausreichende Reduzierung der geförderten Fläche zu fordern. Nur dadurch läßt sich die Wirksamkeit der regionalen Wirtschaftspolitik für die Gebiete entscheidend erhöhen, die wirklich der Förderung bedürfen. Wir stehen vor wichtigen Entwicklungen im Bereich der regionalen Wirtschaftspolitik im nächsten Jahrzehnt. Jedoch scheint mir der bisher angewendete Förderungsgrundsatz auch für dieses Jahrzehnt der richtige zu sein. Das viele Gerede um neue Maßstäbe und neue Maßnahmen ist nicht gut1 wir sollten auf dem eingeschlagenen Weg, der sich in der Vergangenheit bewährt hat, auch in die Zukunft fortschreiten.

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Fußnoten 1) Hans Jürgen Ewers: Regionalpolitik nach der industriellen 'l'rendwende, in: "Die Fortbildung", 1980, S. 108 ff. 2) Ulrich van Suntum, \hssenschaftlicher i1i tarbei ter am Seminar für Wirtschafts- und Finanzpolitik der Universität Bochum, Regionalpolitik- Plädoyer für eine Kehrtwende, in; Wirtsch&ft IV/1981, S. 184 ff. 3) Paul Klemmer: Regionalisierung der Regionalpolitik, in diesem Buch, S. 140 ff. A) Evelyn Nieth: Räumliche Konzentrationstendenzen in der Wirtschaft der ~undesrepublik Deutschland seit 1970, in diesem Buch, S. 1 ff. 5) Rolf Hoberg: Regionaler und sektor~ler Strukturwandel im Handwerk Eaden-württemberga, Stuttgart 1981, s. 44 f. 6) Hans Jürgen Ewers, a.a.O. s. 108 7) Ulrich van Suntum, a.a.o. s. 187

Suntu::~, a.a.o. s. 185 9) Ulrich van Suntum, a.a.o. s. 187 10) Ulrich van Suntum, a.a.o. s. 185 11 ) Paul Klellllller: Regionalisierunß der Reßionalpolitik, in diesem Buch, s. 140 ff.

8) Ulrich van

1 2) Informationen zur Raumentwicklung 1975.

s.

447 ff.

U.a. aus Zeitgründen hatte Professor Müller im Verlauf'e seines Referats und z.T. in Abweichung von seinem vorbereiteten Manuskript Gelegenheit genommen, kritisch zu einigen

A~sführungen

von Profes-

sor Klemmer Stellung zu nehmen. Eine gesonderte Diskussion des Referats von Professor Müller entfiel aus diesem Grunde.

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