Phraseologische Wortpaare im Französischen: »sitôt dit, sitôt fait« und Vergleichbares [Reprint 2013 ed.] 9783110960891, 9783484304512

On the basis of a corpus of 273 cases, the study examines phraseological pair formations in standard present-day French,

110 1 5MB

German, French Pages 200 [208] Year 2002

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Abkürzungen
1 Einleitung
2 Morphologisch-syntaktische Klassifikation
3 Semantische Analyse
4 Formale Auffälligkeiten
5 Exkurs: Ikonismus in der Syntax
6 Wortfolge in zwei- und dreigliedrigen Phraseologismen
7 Zusammenfassung und Ausblick
Literatur
Korpus
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Phraseologische Wortpaare im Französischen: »sitôt dit, sitôt fait« und Vergleichbares [Reprint 2013 ed.]
 9783110960891, 9783484304512

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Linguistische Arbeiten

451

Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Hans Jürgen Heringer, Ingo Plag, Heinz Vater und Richard Wiese

Anne Schlömer

Phraseologische Wortpaare im Französischen »sitôt dit, sitôt fait« und Vergleichbares

Max Niemeyer Verlag Tübingen 2002

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Schlömer, Anne: Phraseologische Wortpaare im Französischen : »sitôt dit, sitôt fait« und Vergleichbares / Anne Schlömer. - Tübingen : Niemeyer, 2002 (Linguistische Arbeiten ; 451) Zugl.: Köln, Univ., Diss., 2000 u.d.T.: Schlömer, Anne: Sitôt dit, sitôt fait ISBN 3-484-30451-0

ISSN 0344-6727

© Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2002 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt Einband: Industriebuchbinderei Nädele, Nehren

Inhalt

Vorwort Abkürzungen

IX XI

1 Einleitung 1.1 Gegenstand und Forschungslage 1.2 Phraseologische Wortpaare 1.2.1 Phraseologismen 1.2.2 Phraseologische Wortpaare 1.2.2.1 Definition, besondere Merkmale und Terminologie 1.2.2.2 Idiomatizität 1.2.2.3 Stabilität und Frequenz 1.2.2.4 Reversibilität 1.2.2.4.1 Grad der Reversibilität phraseologischer Wortpaare 1.2.2.4.2 Reversibilität und Frequenz 1.2.2.4.3 Reversibilität nicht-phraseologischer Wortpaare

1 1 6 6 9 9 14 15 17 17 19 20

2

Morphologisch-syntaktische Klassifikation 2.1 Substantivische PWP 2.1.1 PWP mit Verbindungselement 2.1.2 PWP ohne Verbindungselement 2.2 Adjektivische, adverbiale, verbale PWP und weitere Wortarten 2.3 PWP mit zwei identischen Elementen 2.4 Reduplikativa

21 21 22 23 24 26 28

3

Semantische Analyse 3.1 Zur Semantik von Phraseologismen und phraseologischen Wortpaaren 3.2 Bildbereiche in der externen Bedeutung 3.3 . Bezeichnungsbereiche in der internen Bedeutung 3.4 Zusammenfassung von 3.2. und 3.3 3.5 Semantische Relationen in der externen Bedeutung 3.5.1 Ähnlichkeitsbeziehungen 3.5.2 Kontiguität 3.5.3 Gegensatzrelationen 3.5.3.1 Kontradiktion / Komplementärer Gegensatz 3.5.3.2 Antonymie i.e.S. / Gradierbarer Gegensatz 3.5.3.3 Konversheit 3.5.3.4 Richtungsopposition 3.5.3.5 Skalare und zyklische Gegenteile 3.5.4 Folgerungsbeziehungen und Hyponymie 3.6 Semantische Relationen in der internen Bedeutung 3.6.1 „Benutzte" und „geschaffene" Relationen 3.6.2 Probleme bei der Idiomatizitätsbestimmung / Verhältnis zwischen externer und interner Bedeutung

31 31 33 38 43 44 45 49 53 54 56 57 58 59 60 61 61 63

VI

3.6.3 Übertragungsvorgänge 3.6.4 Entwurf eines Analyseschemas 3.6.5 Analyse der koordinativ-verkntlpften PWP 3.6.5.1 Falli 3.6.5.2 Fallii 3.6.5.2.1 Ausgangsrelation: Ähnlichkeit 3.6.5.2.2 Ausgangsrelation: Kontiguität 3.6.5.2.3 Ausgangsrelation: Gegensatz 3.6.5.2.4 Ausgangsrelation: keine 3.6.5.3 Fallili 3.6.5.4 Fall IV 3.6.5.5 Zusammenfassung 3.6.6 „ODER-Verbindungen" 3.6.6.1 Äquivalenz 3.6.6.2 Gleichwertigkeit 3.6.6.3 Schätzung 3.6.6.4 Alternative 3.6.6.4.1 Fall I/II 3.6.6.4.2 Fallili 3.6.6.4.3 Fall IV 3.6.7 Zusammenfassung 3.6.8 Präpositionale Verknüpfungsschemata 3.6.8.1 entre A et Β 3.6.8.1.1 Falli 3.6.8.1.2 Fallii 3.6.8.1.3 Fallili 3.6.8.1.4 Fall II/IV 3.6.8.1.5 Fall IV 3.6.8.2 de A à Β und de A en Β 3.6.8.2.1 Zwischenraum 3.6.8.2.1.1 Falli 3.6.8.2.1.2 Fallili 3.6.8.2.2 Übergang 3.6.8.2.2.1 Falli 3.6.8.2.2.2 Fallii 3.6.8.2.2.3 Fallili 3.6.8.2.2.4 Fall IV 3.6.9 Zusammenfassung 3.6.10 Wortpaare mit zwei identischen Lexemen 3.6.10.1 Konjunktionale Struktur 3.6.10.2 Präpositionale Strukturen 3.6.10.2.1 Gegenüberstellung 3.6.10.2.2 Aneinanderreihung 3.6.10.2.3 Weitere Bedeutungen 3.6.11 Zusammenfassung

65 66 67 67 69 69 70 72 74 75 78 81 83 84 85 86 88 88 89 91 93 94 95 95 95 96 97 98 99 99 100 100 101 101 101 102 103 103 105 105 105 106 106 108 108

VII

4

Formale Auffälligkeiten 4.1 Klangliche Ähnlichkeiten 4.1.1 Alliteration, Fast-Alliterationen, Assonanzen 4.1.1.1 Alliteration 4.1.1.2 Alliteration als Wiederholung von Konsonanten im Wortanlaut, Silbenanlaut oder Wortauslaut 4.1.1.3 Fast-Alliterationen 4.1.1.4 Assonanzen und Klangähnlichkeiten 4.1.2 Reim 4.1.3 Anapher, Morphemwiederholungen und Reduplikation 4.1.3.1 Anapher 4.1.3.2 Morphemwiederholungen 4.1.3.3 Reduplikation 4.1.4 Zusammenfassung 4.2 Silbenzahl 4.3 Gegenseitige formale Veränderung / Angleichung von Elementen

112 112 114 115 116 116 117 118 119 121 125

5

Exkurs: Ikonismus in der Syntax 5.1 Motiviertheit und Ikonizität 5.1.1 Ikonismus in der Morphologie 5.1.2 Ikonismus in der Syntax

127 127 130 131

6

Wortfolge in zwei- und dreigliedrigen Phraseologismen 133 6.1 Symmetrische Konstruktionen 133 6.2 Formale Prinzipien 134 6.2.1 Phonologische Regeln 134 6.2.1.1 Vokalabfolgen 135 6.2.1.2 Konsonantenanzahl und -qualität 140 6.2.2 Wortkomplexität 144 6.2.2.1 Silbenzahl 145 6.2.2.2 Unterschiede in der Wortkomplexität bei gleicher Silbenzahl.. 147 6.2.3 Gründe für die Anordnung nach Wortkomplexität 148 6.3 Semantische Prinzipien 150 6.3.1 Soziale Hierarchien 150 6.3.2 Egozentrik-Prinzip 153 6.3.3 Wahrnehmungsabfolgen 156 6.3.4 Chronologie-Prinzip 161 6.3.5 Weitere semantische Prinzipien 163 6.4 Interaktion der Prinzipien 165 6.5 Frequenz 168

7

Zusammenfassung und Ausblick

Literatur Korpus

109 109 109 109

171 177 187

Vorwort

Die vorliegende Arbeit ist als Dissertation unter dem Titel Sitôt dit, sitôt fait. Phraseologische Wortpaare im Französischen von der Philosophischen Fakultät der Universität Köln angenommen worden. Die Referenten waren Professor Dr. Artur Greive und Professor Dr. Christian Wentzlaff-Eggebert. Das Rigorosum fand am 30. Juni und am 04. Juli 2000 statt. Die Dissertation entstand auf Anregung und unter Anleitung von Professor Dr. Artur Greive, dem ich für die Betreuung sehr verbunden bin. Ihm danke ich für die Förderung und das Interesse an meiner Arbeit sowie für seine unermüdliche Bereitschaft, Fragen zu beantworten, Diskussionen zu führen und wertvolle kritische Hinweise zu geben. Professor Dr. Heinz Vater hat seit dem Beginn meines Studiums immer wieder mein Interesse an der Beobachtung und Untersuchung sprachlicher Phänomene geweckt und mir schließlich die Veröffentlichung der Arbeit ermöglicht. Stets kollegiale Unterstützung erhielt ich von den Mitarbeitern am Romanischen Seminar der Universität Köln Martin Becker, Bernhard Helzle-Drehwald, Joachim Lengert und Mariella Schunck. Meine Freunde Antje Smock, Kamal Naït-Zerrad, Othmar Mauss, Petra Kassler und Udo Gerlach haben mir u.a. durch die aufmerksame Lektüre des Manuskripts geholfen. All ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Ich widme dieses Buch meinen Eltern.

Köln, im September 2001

Anne Schlömer

Abkürzungen

afr. Art. BES CE dial. DC dt. engl. frz. i.e.S. it. LA LAN lat. LP pg· PR Präp. prov. PWP RE qc. qn. RC rum. TC vlat. »

= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = -

? 4Í »V··



altfranzösisch Artikel BÁRDOSI/ETTINGER/ST0LTING 1998 CELL ARD 1982 dialektal DUNETON 1990 deutsch englisch französisch im engeren Sinne italienisch LAFLEUR 1984 Langenscheidt 1989 lateinisch LENOBLE-PINSON 1989 portugiesisch Nouveau Petit Robert 1994 Präposition provenzalisch Phraseologische(s) Wortpaar(e) Robert Électronique 1994 quelque chose quelqu'un REY/CHANTREAU 1994 rumänisch Tertium comparationis vulgärlateinisch Ausdruck ist in bezug auf seine Grammatikalität nicht akzeptabel Ausdruck ist in bezug auf seine Grammatikalität fragwürdig Bedeutungen stehen in Anführungszeichen

Bedeutungsangaben, sofern nicht anders angegeben, nach REY/CHANTREAU 1994 Phonetische Umschrift nach dem System der Association Phonétique Internationale

1 Einleitung

1.1 Gegenstand und Forschungslage

Lange Zeit nachdem Charles Bally (1909) die Notwendigkeit der Untersuchung der „locutions phraséologiques" aufgezeigt hat (Bally 1963: 68), hat sich die Phraseologie als linguistische Teildisziplin etabliert. Arbeiten zur Phraseologie und die damit einhergehenden neuen Kenntnisse - sowohl allgemeinerer als auch sehr spezieller Art - sind in den letzen Jahrzehnten so zahlreich publiziert worden, daß man mittlerweile die Eigenständigkeit einer phraseologischen Disziplin anerkennen muß. Dies gilt insbesondere für die Germanistik, aber auch in der Romanistik1 muß die Erforschung der idiomatischen Redensarten als mehr denn eine reine Unterdisziplin der Lexikologie gelten. Trotzdem gibt es immer noch eine Vielfalt an Terminologien (v.a. in der deutschsprachigen Phraseologie)2 und Definitionen bezüglich der Disziplin „Phraseologie" und ihres Gegenstandes, den sog. „Phraseologismen".3 Einigkeit herrscht offenbar darüber, daß es sich bei Phraseologismen um sprachliche Einheiten handelt, die zwischen Wort und Satz anzusiedeln sind, „[...] à mi-chemin entre le mot et la proposition" (Greimas 1960: 55). Charakteristisch für diese Kategorie ist v.a., daß es sich um vorgefertigte, stabile Konstruktionen handelt, „[...] die im Sprachgebrauch nicht erst nach den Regeln der Sprache aus Elementen zusammengesetzt zu werden brauchen [...]" (Thun 1978: XV). Donalies (1994: 344) sieht nach der Auswertung zahlreicher Definitionsansätze ebenfalls „Mehrwortcharakter" und „Einheitsstatus" als die zentralen Kriterien und kommt zu folgender Definition von Phraseologismen: „Sie sind Einheiten aus mindestens zwei Wörtern, die als Ganzes wahrgenommen und reproduziert werden" (Donalies 1994: 345)4. Allgemein kann man sagen, daß es sich bei Phraseologismen um Wortgruppen („Polylexikalität") handelt, die eine gewisse Fixiertheit aufweisen, d.h., es 1

2

3

4

Für die Romanistik sei insbesondere verwiesen auf die teilkommentierte Bibliographie zur Phraseologie und Parömiologie von Lengert (1999), die Literatur bis 1997 zu allen romanischen Sprachen, Dialekten und Varietäten und sämtliche Inhaltsbereiche der Phraseologie erfaßt, und auf die Bibliographie zur französischen Phraseologie von Bárdosi (1990). Zur Terminologie, insbesondere der deutschsprachigen Phraseologie, vgl. Thun (1978: 1-32) und Donalies (1994). Aus der Vielfalt an Begriffen seien hier nur einige geläufige deutsche und französische Termini genannt: „idiotisme" (Greimas 1960), „Wortgruppenlexem" (Wissemann 1961), „feste Wortverbindungen" (Agricola 1970), „feste Syntagmen" (Rothkegel 1973), „locution" (Guiraud 1962, Rey 1976: Hier im Gegensatz zu „unité idiomatique / phraséologique", Begriffe, die in die kontrastive Linguistik gehören), „Phraseolexem" (Pilz 1978), „fixiertes Wortgefüge" (Thun 1978), „Idiom" (Higi-Wydler 1989), „expression figée, locution" (Gross 1996). In der vorliegenden Arbeit soll jedoch die Terminologiediskussion in keiner Weise geführt werden. Die Termini „Phraseologismus" und „(feste) Redewendung" bzw. „Fügung" erscheinen mir aufgrund ihrer Verbreitung am besten verständlich und bieten u.E. keine Nachteile. „Phraselogismus" wird als übergeordneter Terminus verwendet; unter „Idiom" wird in der vorliegenden Arbeit ein Phraseologismus mit idiomatischer Bedeutung verstanden. Vgl. zur Definitionsproblematik auch Dobrovols'kij (1995: 52ff.).

2 handelt sich um Ausdrücke, deren Elemente immer in einer festgelegten Kollokation auftreten, z.B.5: (1-1)

mettre la puce à l'oreille (,bei jdm. Argwohn/Zweifel erwecken, jdn. mißrauisch, hellhörig machen') jeter/mettre à la rue (jdn. hinauswerfen/auf die Straße setzen') (donner) le feu vert à qn. (,jdm. grünes Licht geben') faire attention (.aufpassen1)

Als allgemeine Darstellungen zur Phraseologie der romanischen Sprachen bzw. des Französischen sind besonders die Arbeiten von Greimas (1960), Guiraud (1962), Thun (1978 gesamtromanisch), Coulmas (1981), Higi-Wydler (1989), Thiele (1990) und Gross (1996) zu erwähnen.6 Gegenstand der vorliegenden Arbeit sollen jedoch nicht die französischen Phraseologismen im allgemeinen sein, sondern ein besonderer Strukturtyp, nämlich phraseologische Wortpaare, die aus zwei (bzw. selten drei) - meist der gleichen Wortart angehörenden - Wörtern bestehen, welche durch eine Konjunktion oder eine Präposition miteinander verknüpft sind, z.B.: ( 1 -2)

bel et bien (,gut und gerne, wirklich') entre chien et loup (,in der Abenddämmerung') corps et bien (,Mann und Maus') de fil en aiguille (,in einem Gespräch von einem Thema auf ein anderes kommen') [être] tout sucre tout miel (.zuckersüß sein') [promettre] monts et merveilles (,goldene Berge versprechen') ni vu ni connu! (,weder gesehen noch erkannt, niemand wird etwas davon erfahren') à pied, à cheval et en voiture (,in jeder Hinsicht')

In ihrer Struktur vergleichbar sind deutsche Ausdrücke wie Kind und Kegel, gut und gerne, von heute auf morgen oder für Gott, König und Vaterland. In den allgemeinen Darstellungen zur Phraseologie werden diese zwei- und dreigliedrigen Phraseologismen (im folgenden als phraseologische Wortpaare bezeichnet, abgekürzt PWP) zwar regelmäßig erwähnt, meist jedoch nur kurz mit einigen markanten Charakteristika ihrer Struktur beschrieben. Zum Deutschen, Englischen (und einigen weiteren Sprachen) liegen mittlerweile jedoch auch eine ganze Reihe von genaueren Untersuchungen zu PWP vor, wobei der Aufsatz von Malkiel (1959), der hauptsächlich das Englische behandelt, noch immer die umfangreichste und eine sehr gute Darstellung bietet. Es handelt sich bei folgenden (ausgewählten) Publikationen größtenteils um Aufsätze oder Kapitel in Monographien, die den PWP und ihren sprachlichen Besonderheiten unter den verschiedensten Gesichtspunkten

5

6

Beispiele nach Thiele (1990: 88). Problematisch bleibt bei obiger Formulierung freilich die Verwendung des nicht klar zu definierenden Wortbegriffes. Zum Italienischen sei auf die Dissertation von Nicklaus (1999) verwiesen, zum Spanischen auf Zuluaga (1980) und zum Portugiesischen auf Hundt (1994). In der Germanistik bieten u.a. Burger (1973), Koller (1977), Pilz (1978, 1981), Fleischer (1982), Schemann (1993, wissenschaftliche Einführung) und Palm (1997), in der Anglistik Makkai (1972) und Gläser (1986) allgemeine Darstellungen zur Phraseologie. Einen Überblick über neuere Publikationen in der germanistischen Phraseologie bietet Stein (1994). Verwiesen sei außerdem auf das Wörterbuch phraseologischer Termini von Günther (1990).

3 gewidmet sind. Die zentralen Fragestellungen sind dabei neben morphologisch-syntaktischen Klassifizierungen stets Wortstellung und stilistische Besonderheiten der Phraseologismen wie Reim und Alliteration: Salomon (1919), Morawski (1927, 1929, 1937), Abraham (1950), Jäger (1960), Bolinger (1962), Gustafsson (1974, 1975, 1976), Cooper/Ross (1975), Ehegötz (1980), Ross (1980), Schröter (1980), Birdsong (1979, 1982, 1995), Szpyra (1983), Lambrecht (1984), Pordány (1986), Allan (1987), Jeep (1987), Kantola (1987), Sütterlinová (1988), Majoras (1988), Fenk-Oczlon (1989), Gil (1989), Kimenyi (1989), Akar (1991), Sternkopf (1991), Nöth (1993), Schemann (1993, wissenschaftliche Einführung), Landsberg (1995), Déas Vera (1997), Dietz (1999). Abgesehen von Abraham (1950), der u.a. auf spanische und italienische Wortpaare eingeht, Morawski (1927, 1929, 1937) und Dias Vera (1997), die spanische Reimformeln analysieren, und Malkiel (1959), der einige französische, spanische und portugiesische Beispiele anführt, werden die romanischen Sprachen in dieser Literatur allerdings nicht berücksichtigt.7 Für das Französische sind lediglich zwei Aufsätze von Hammer (1993a und b) zu erwähnen, die PWP im Sprachvergleich Französisch-Deutsch zum Gegenstand haben, und der fremdsprachendidaktisch ausgerichtete Aufsatz von Stein (1991). Weitere umfangreichere Darstellungen zu französischen PWP der Gegenwartssprache liegen meines Wissens nicht vor8. In der vorliegenden Arbeit sollen nun die zwei- und dreigliedrigen französischen Phraseologismen in synchronischer Sicht auf verschiedene, ihnen eigene strukturelle Merkmale hin untersucht werden. Als Grundlage für die Analyse dient ein Korpus bestehend aus 273 zwei- und dreigliedrigen französischen Phraseologismen9, das nach der Auswertung der im Literaturverzeichnis dieser Arbeit angegebenen Phraseologismus-Wörterbücher zusammengestellt wurde und einen großen Teil der PWP der französischen Gegenwartssprache abdeckt10. Dabei hat sich der Robert des Expressions et Locutions von Rey/Chantreau (1994, im folgenden RC) für unser Thema als das reichhaltigste und zuverlässigste Wörterbuch herausgestellt. Alle behandelten PWP wurden außerdem mehreren französischen Muttersprachlern vorgelegt und auf Bekanntheit, Bedeutung und Reversibilität hin geprüft. Die zweigliedrigen Ausdrücke machen den größten Anteil (gegenüber Phraseologismen, die aus drei oder mehr Komponenten bestehen) des so entstandenen Korpus aus. Neben 7

Casagrande/Sullivan (1993) bieten eine extrem kurze statistische Auswertung englischer und französischer Wortpaare in bezug auf die Reihenfolge der Elemente, führen aber kein französisches Beispiel an. Gold (1991-1993) fuhrt u.a. einige wenige französische, italienische, spanische und rumänische reversible zweigliedrige Ausdrücke an. Wandruska (1979: 955-957) geht kurz auf idiomatische Wortpaare im Übersetzungsvergleich ein (dt., engl., frz., it., sp.). SeidelSlotty (1941) geht innerhalb der sog. „etymologischen Formeln" im Rumänischen auch auf Reduplikativa und kurz auf syndetische Dopplungen ein. Birdsong (1979, 1995) arbeitet mit frei erfundenen „französischen" Nonsense-Paarformeln.

8

Weiter verbreitet ist freilich die verschiedenste Literatur zu Wortpaaren, insbesondere Synonymendopplungen (und binären Konstruktionen im allgemeinen) im Altfranzösischen oder Mittelfranzösischen, so z.B. Elwert (1957, 1959), Steffenelli (1967), Diekamp (1972), Dembowski (1976), Buridant (1988), Melkersson (1992), Jokinen (1994). Einen Überblick über die Geschichte der Synonymendopplungen vom Mittelalter bis zum 17. Jh. bietet Buridant (1980). Ein beliebtes Thema sind des weiteren zweigliedrige Formeln in der Juristensprache (z.B. Löfstedt 1985, Lagüéns Gracia 1992, Schmidt-Wiegand 1997).

9

reine Nominationsstereotype und Reduplikativa nicht mitgerechnet

10

Das der Arbeit zugrundeliegende Korpus befindet sich mit Bedeutungsangaben in alphabetischer Reihenfolge im Anhang.

4 diesen französischen Redewendungen werden bei Bedarf auch einige deutsche, englische oder Wortpaare aus anderen romanischen Sprachen herangezogen. Des weiteren ist es hin und wieder notwendig, Teilreduplikativa (z.B. pêle-mêle ,bunt durcheinander') und frei koordinierte Ausdrücke zu betrachten, da die Grenze vom Phraseologismus zur freien Wortgruppe bzw. zum Kompositum nicht immer eindeutig zu ziehen ist. Die phraseologischen Wortpaare machen im Französischen und noch mehr in anderen Sprachen, wie dem Deutschen und dem Englischen, einen nicht unbeträchtlichen Anteil des gesamten phraseologischen Bestandes aus, was nach Burger darauf zurückzuführen ist, daß „aufgrund ihrer festen formalen Struktur [...] paarige Bildungen zur Phraseologisierung [neigen...]" (Burger 1977: 18). Die Komponenten mehrgliedriger Phraseologismen stehen in einer spezifischen formalen und semantischen Relation zueinander. Es treten u.a. immer wieder die gleichen konjunktionalen und präpositionalen Verknüpfungsschemata auf, d.h., es gibt Schablonen, die mit unterschiedlichen Lexemen gefüllt werden. Inhaltlich zeichnen sich die koordinierten Komponenten v.a. durch synonyme, antonyme und KontiguitätsRelationen aus. Dabei ist zu beachten, daß die Bedeutung vieler Phraseologismen idiomatisch ist, d.h., die Gesamtbedeutung der Redewendung ist nicht gleich der Summe der wörtlichen Bedeutungen der einzelnen Elemente. Die Beschreibung des Phänomens dieser sog. Idiomatizität stellt immer noch eine zentrale Aufgabenstellung in der Phraseologie dar, da die semantischen Übertragungsvorgänge äußerst komplexe Prozesse sind, bei denen es sich um eine Verflechtung der Einzelbedeutungen mit der formalen Struktur handelt, und schließlich das Zustandekommen einer Gesamtbedeutung des Idioms erklärt werden sollte. Trotz einiger erfreulicher Ansätze (Schemann 1981, Weinreich 1972) wird dieses Phänomen aufgrund seiner Komplexität u.E. nicht ausfuhrlich genug und nicht systematisch behandelt. Häufig beschränkt man sich auf die reine Feststellung, ob nun Idiomatizität vorliegt oder in welchem Grad (z.B. Schowe 1994: 49ff), ohne ihr Zustandekommen näher zu analysieren. Gerade der Typ des Phraseologischen Wortpaares bietet eine gute Chance, eine solche Beschreibung anzustreben, da er über eine formal relativ einfache und kurze Struktur verfügt. Sie besteht in der Regel aus zwei koordinativ miteinander verbundenen Lexemen. Des weiteren müssen freilich die Bedeutungen der Konjunktion ou (wie z.B. in Ausdrücken wie tôt ou tard .früher oder später') und der diversen Präpositionen (wie z.B. in de fond en comble ,νοη Grund auf, vom Scheiter bis zur Sohle') berücksichtigt werden, die zur Gesamtbedeutung beitragen, indem sie die Bedeutung der u.U. bereits metaphorisierten Lexeme modifizieren bzw. sie in eine spezifische Beziehung zueinander setzen. Bei einer adäquaten Beschreibung jeder Art von Phraseologismus und insbesondere der PWP ist neben der semantischen Abweichung von freien Wortgefügen auch die formale stilistische Gestaltung ein wichtiger Aspekt. Formal auffällig sind PWP in erster Linie durch die sonst nur in stilisierter Rede auftretenden rhetorischen Mittel wie Klangähnlichkeiten oder metrische Gestaltung. Wie alle Redewendungen weist die Konstruktion der zwei- und dreigliedrigen Phraseologismen eine große Stabilität auf, die sich u.a. darin äußert, daß die Reihenfolge ihrer Elemente festgelegt ist. Im Unterschied zu frei gebildeten koordinativen Ausdrücken ist die Mehrzahl der phraseologischen Wortpaare also irreversibel, vgl. (1-3): (1-3)

* biens et corps •entre loup et chien *ni connu ni vu •[promettre] merveilles et monts

5 •d'aiguille en fil "•[être] tout miel tout sucre dt. * Kegel und Kind * gerne und gut •zu und ab

Konjunktional koordinierte Ausdrücke, die zunächst rein formal als symmetrische Konstruktionen erscheinen, weisen aufgrund ihrer Irreversibilität eine gewisse Asymmetrie auf. D.h., es existiert ein Ungleichgewicht zwischen den Komponenten eines zweigliedrigen Ausdrucks, wobei sich das erste Wort einerseits formal vom Zweitwort unterscheidet und andererseits semantisch meist den dominanteren Teil eines Oppositionspaars bezeichnet. Daraus ergibt sich die Fragestellung, inwieweit die innere Struktur der phraseologischen Wortpaare nicht völlig willkürlich, sondern in bezug auf ihre Wortstellung ikonisch ist und zwar in der Weise, daß in der Wirklichkeit existierende (z.B. soziale) Hierarchien in der Form der linearen Abfolge der Komponenten zur Geltung kommen. Zeichnen sich Erstwörter gegenüber Zweit- (und evtl. Dritt-) Wörtern beim Sprecher durch eine gewisse Dominanz aus? Können, ausgehend von den Merkmalen, aufgrund derer die Präferenzen für eine bestimmte Reihenfolge der Komponenten in Wortpaaren entstehen, formale und semantische Prinzipien formuliert werden? Ziel dieser Arbeit soll es demnach sein, eine synchrone Darstellung der französischen PWP auf allen sprachlichen Ebenen zu bieten. Eventuell zu Tage tretende stilistisch expressive Beobachtungen, die in kontext- oder situationsbedingen Besonderheiten begründet sind, werden dabei aus arbeitsökonomischen Gründen ausgeklammert. Während auf Inhaltsebene der Schwerpunkt auf den verschiedenen Prozessen der Entstehung der idiomatischen bzw. figurativen Gesamtbedeutung liegt, sollen auf Ausdrucksebene v.a. lautliche Besonderheiten und Auffälligkeiten in der Wortstellung beschrieben und - wenn möglich ~ erklärt werden. Neben rein formalen bzw. rein inhaltlichen Beschreibungen wird der Blick immer wieder auf die Verflechtungen und eventuelle Parallelen zwischen Ausdrucks- und Inhaltsseite gerichtet.11

11

Zur Terminologie des Zeichenbegriffs in der vorliegenden Arbeit: Es werden drei Ebenen unterschieden 1. Wirklichkeit (Denotat, Referent, Objekt der Wirklichkeit, auf das sprachlich referiert wird) 2. Inhaltsebene (signifié, Bezeichnetes, Bedeutung, Dargestelltes) 3. Ausdrucksebene (signifiant, Bezeichnendes, Darstellung) Wenn es für den Kontext nicht relevant ist, wird zur Vereinfachung nicht immer der Unterschied zwischen Inhaltsebene (signifié) und Wirklichkeit (Denotat) nachvollzogen.

6 1.2 Phraseologische Wortpaare

1.2.1 Phraseologismen Thiele (1990: 88, 1996: 425f.) nennt als wesentliche Merkmale von Phraseologismen Polylexikalität, Idiomatizität, lexikalisch-semantische Stabilität und Lexikalisierung, wobei nicht immer alle Kriterien erfüllt sein müssen. Phraseologismen sind als Einheit lexikalisiert, d.h., sie werden nicht produziert, sondern sind als Ganzes Bestandteil des Lexikons und werden reproduziert (Pilz 1981: 20). Sie gehören somit dem Sprachsystem, der langue, an (Thiele 1990: 88, Wissemann 1961: 235). Thun zählt sie deshalb zur „wiederholten Rede", in der traditionell fixierte Kombinationen von Wörtern vollständig abgerufen und somit reproduziert werden. In der „freien Rede" werden hingegen beliebige, nicht-fixierte Kombinationen von einfachen lexikalischen Einheiten gebildet. Er führt den Terminus „fixiertes WortgefÜge" ein, der (im Gegensatz zum „freien WortgefÜge") ein Produkt der „wiederholten Rede"12 bezeichnet (Thun 1978: 26ff.). Dennoch sind Phraseologismen „keine starren Einheiten mit einer invariablen Struktur [...] Der Flexibilitätsgrad der formalen und semantischen Strutkur eines idiomatischen Ausdrucks kann stark variieren" (Dobrovols'kij 1997: 51). Die Möglichkeit der Variantenbildung von Idiomen ist beispielsweise in vielen Fällen gegeben. Ein Phraseologismus gilt als „idiomatisch", wenn seine Gesamtbedeutung nicht (oder nicht mehr) aus der wörtlichen Bedeutung der Einzelbestandteile erschließbar ist. Unter „idiomatischer Bedeutung" wird hier die figurative Lesart eines Ausdrucks im Gegensatz zu der häufig parallel existierenden wörtlichen Lesart verstanden. In passer du coq à l'âne liegt z.B. ein hohes Maß an Idiomatizität vor. Die idiomatische Bedeutung (.Gedankensprünge machen, vom Hundersten ins Tausendste kommen') steht in schwachem bis zu keinem offensichtlichen Zusammenhang mit der wörtlichen Bedeutung des Ausdrucks (Thiele 1990: 89). Allerdings müssen lexikalisch-semantisch stabile Ausdrücke nicht unbedingt idiomatisch sein. Auch nicht-idiomatisierte Wortgruppen können eine gewisse Stabilität aufweisen, die sich in einer fixierten Zusammensetzung ihrer Elemente äußert (Thiele 1990: 89). Ein Kennzeichen der lexikalisch-semantischen Stabilität13 ist, daß die Substitution einzelner Wörter des Phraseologismus durch Synonyme entweder unmöglich oder nur stark eingegrenzt möglich ist. Die Austauschbarkeit auf der paradigmatischen Achse, wie sie in der freien Rede natürlicherweise erfolgen kann, ist nicht gegeben: „Nous observons que, dans les suites figées, cette possibilité de substitution synonymique est exclue [...] Une suite comme casser sa pipe [,ins Gras beißen'] ne peut donner lieu à des variations comme *casser sa bouffarde, *briser sa pipe [...]" (Gross 1996: 17f.). „Etwaige Varianten [eines Wortgruppenlexems] gehören der langue an" (Wissemann 1961: 243). Auf Stabilität und Lexikalisierung weist des weiteren das Merkmal der „non-insertion" (Gross 1996: 18) in Phraseologismen hin. Sind in freien Wortketten alle Erweiterungen innerhalb der syntaktischen Regeln einer Sprache möglich, versperren sich zahlreiche Phraseologismen gegen Einfügungen, vgl. (1-4) (Gross 1996: 19): 12 13

Terminus ursprgl. nach Coseriu (1973: 35ff.) Zum „figement linguistique" im allgemeinen vgl. auch Misri (1986,1987).

7 (1-4)

tourner de l'oeil (.ohnmächtig werden, aus den Latschen kippen') •il tourne de l'œil gauche •il tourne du bon œil

Eine weitere Besonderheit von Phraseologismen, aus der syntaktische Stabilität resultiert, ist die sog. „transformationelle Defektivität", d.h., syntaktische Umformungen sind im Gegensatz zur freien Wortkette gar nicht oder nicht in vollem Umfang möglich. Phraseologismen weisen z.B. häufig Defekte bei Transformationen zum Imperativ, Passivtransformationen, Umformungen in einen Fragesatz oder Relativsatz, Pronominalisierungen oder Kontrastierungen auf (vgl. z.B. Burger 1973: 77ff., Thiele 1990: 91, Gross 1996: 12f.), vgl. (1-5) a-f: (1-5)

a. dt. ich fresse einen Besen, wenn... / *friß einen Besen, wenn... b. frz. elle a coiffé sainte Catherine (,mit 25 Jahren noch keinen Mann haben, den Anschluß verpaßt haben, ein spätes Mädchen sein') / * sainte Catherine a été coiffée par elle c. je lui ai rabattu le caquet (,ich habe ihm den Mund gestopft') / *Quel caquet...? d. Luc a pris la tangente (,Luc hat sich aus dem Staub gemacht') / *La tangente que Luc a prise e. Luc a pris la tangente / *Luc l'a prise f. il a pris ses cliques et ses claques (,er ist mit Sack und Pack abgehauen') / *il a pris ses cliques et a laissé ses claques

Ein typischer transformationeller Defekt phraseologischer Wortpaare ist ihre Irreversibilität, vgl. (1-6) und (1-3) (siehe weiter unten, Kap. 1.2.2.4): (1-6)

avec armes et bagages (,mit Sack und Pack') / *avec bagages et armes

Nicht selten ist, daß Phraseologismen „unikale Komponenten" (Fleischer 1982: 42) beinhalten. Dabei handelt es sich um Wörter, die nur im Kontext der festen Fügung anzutreffen sind und in der freien Rede nicht vorkommen, z.B. weil es sich um veraltete oder veränderte Formen handelt, vgl. (1-7): (1-7)

au fur et à mesure (.entsprechend, in dem Maße') peu ou prou (.mehr oder weniger') de gré ou de force (,wohl oder übel') dt. frank und frei mit Fug und Recht

Eine weitere Besonderheit von Redewendungen und Sprichwörtern ist, daß sie eine ungewöhnliche (evtl. archaische) syntaktische Struktur aufweisen können, die vom Sprecher hingenommen bzw. teilweise gar nicht wahrgenommen wird, weil die Ausdrücke als Ganzes gelernt werden. Als Beispiele seien hier nur der Ausdruck (1-8), der in dieser Form nicht ungrammatisch ist, obwohl vor dem subjonctif kein que steht, und der fehlende Artikel in (1-9) und (1-10) genannt14:

14

(1-8)

advienne que pourra (,komme, was wolle')

(1-9)

il pleut comme vache qui pisse (,es schifft, es pißt')

Beispiele nach Thiele (1990: 91), Guiraud (1962: 6, 43ff.)

8 (1-10) baisser pavillon (,sich geschlagen geben, klein beigeben')

Nimmt eine phraseologische Wortgruppe die Größe eines Satzes an, handelt es sich um ein Sprichwort; die Grenze von der Redewendung zum Einzellexem bzw. zum Wort ist jedoch nicht immer klar zu ziehen: Die Meinungen darüber, ob Termini, die aus mehr als einem Lexem bestehen, wie z.B. frz. pomme de terre, phraseologische Einheiten sind, divergieren (Pilz 1981: 17)15, und der Status kann, ohne gleichzeitig eine exakte Definition des Wortbegriffes zugrundezulegen, nicht bestimmt werden. Eine Untergruppe von Phraseologismen sind die sog. „kommunikativen Formeln", d.h. Gruß-, Abschieds-, Kommentarformeln usw., die normalerweise grammatisch unveränderlich sind und immer in bestimmten Kommunikationssituationen als Sprechakt angewendet werden (Thiele 1990: 90), z.B.: (1-11) Au revoir! (,Auf Wiedersehn!') Dites donc! (,Hören Sie mal!') Je touche du bois! (von der Geste begleitet: ,toi, toi, toi')

Phraseologismen treten neben der Hochsprache in allen sprachlichen Varietäten auf. Sie können bestimmten Gruppensprachen, stilistischen oder regionalen Varietäten zuzurechnen sein. Häufig dienen sie als Ausdruck der Zugehörigkeit zu einer Gruppe und als Symbol für die soziale Identität (Lüger 1992: 156f.). „Als konnotierte Zeichen können PHR [Phraseologismen] [auch] Indikatoren des sozialen Verhältnisses zwischen Kommunikationspartnern sein" (Thiele 1990: 91). Als „gehoben, literarisch" sind z.B. Ausdrücke wie passer de vie à trépas .dahinscheiden' oder in Morpheus ' Armen ruhen zu bezeichnen, „umgangssprachlich-salopp" sind z.B. die Redewendungen die Schnauze halten (Fleischer 1982: 202ff.) oder (ferme) ta gueule! (.Halt's Maul!'). Nach Thiele (1990: 91) wird man Phraseologismen, da sie reich an Bildern sind, in Sachtexten seltener antreffen. Der Reichtum bestimmter wissenschaftlicher Fachsprachen (z.B. die Juristensprache) gerade an festen Fügungen und umgedeuteten Ausdrücken ist andererseits jedoch keinesfalls zu unterschätzen; außerdem können einst sehr bildhafte feste Wendungen mit der Zeit verblassen, z.B. de façon à (,so daß'), grâce à (,dank') (Thiele 1990: 91). Die stilistische Funktion - v.a. idiomatischer - Phraseologismen liegt zumeist in einer Expressivitätssteigerung (Gläser 1986: 103). Der Aussage wird mit Hilfe einer starken Bildlichkeit, und gerade bei Wortpaaren durch Wiederholungen oder die Koordination zweier Synonyme, Nachdruck verliehen.

15

Wissemann (1961: 226) zählt präpositionale Komposita, wie pomme de terre, chambre à coucher oder banc de sable, genauso zu den „Wortgruppenlexemen" wie die „klassischen" Phraseologismen.

9 1.2.2 Phraseologische Wortpaare 1.2.2.1 Definition, besondere Merkmale und Terminologie Folgende, an Malkiel (1959) angelehnte, Definition für phraseologische Wortpaare als eine besondere Form der Redewendung wird in dieser Arbeit zugrundegelegt 16 : Phraseologische Wortpaare (PWP) sind formelhafte Ausdrücke17, die zwei Wörter, in der überwiegenden Zahl Lexeme, enthalten, die in den meisten Fällen der gleichen Wortart angehören und durch eine Konjunktion oder eine Präposition verbunden sind. Beispiele: (1-12) corps et bien (,Mann und Maus') jeunes et vieux (Jung und alt') sain et sauf (.wohlbehalten, gesund und munter') aller et venir (.kommen und gehen') ici et là (,hier und da') ni vu ni connu! (.weder gesehen noch erkannt, niemand wird etwas davon erfahren' tôt ou tard (.früher oder später') de fil en aiguille (,in einem Gespräch von einem Thema auf ein anderes kommen') Diese Form der Redewendung ist auch für andere europäische Sprachen typisch, vgl. die Beispiele in (1-13) aus dem Deutschen, Englischen, Spanischen und Italienischen: (1-13) dt. Kind und Kegel Mann und Maus vom Regen in die Traufe Hab' und Gut schön und gut durch dick und dünn hegen und pflegen hier und da engl, law and order (.Recht und Ordnung') odds and ends (.Krimskrams, dies und das, Papierschnipsel') more or less (.mehr oder weniger') hit or miss (,aufs Geratewohl') here and there (.hier und da') sp. pan y agua (.Wasser und Brot') blanco y negro (jedermann, schwarz und weiß, schwarz-weiß') vivo o muerto (,tot oder lebendig')

16

17

„[...] the sequence of two words pertaining to the same form-class, placed on an identical level of syntactic hierarchy, and ordinarily connected by some kind of lexical link" (Malkiel 1959: 113) Die Kriterien für Formelhaftigkeit im Sinne von Zugehörigkeit zum Sprachsystem sind u.E. die oben genannten Merkmale von Phraseologismen im allgemeinen und nicht, wie Dittmer (1981: 442) behauptet, die Häufigkeit, da durchaus auch sehr niedrig frequente Wortpaare formelhaft, d.h. fixiert und idiomatisiert sein können.

10 ital. cielo e terra (,Himmel und Erde') bianco e nero (,schwarz und weiß') acqua e sapone (.Wasser und Seife')

Die obige Definition muß allerdings noch genauer formuliert bzw. erweitert werden, um einerseits eine Reihe von Fällen, die zwar im Gesamtbild eher Ausnahmen darstellen, aber gemeinhin zu den phraseologischen Wortpaaren gerechnet werden, mit in die Definition aufzunehmen, andererseits gewisse Ausdrücke, die auf den ersten Blick wie phraseologische Paarformeln wirken, auszuschließen. Es sind folgende Einschränkungen vorzunehmen: 1. Die Lexeme müssen syntaktisch gleichwertig sein, d.h. - sofern dies eine mögliche Demotivierung noch zuläßt - in der Rede die gleiche syntaktische Funktion einnehmen (vgl. z.B. Malkiel 1959: 113, Jäger 1960: 10, Jeep 1987: 25, Kimenyi 1989: 350), d.h. „es gibt keine über- bzw. untergeordnete Stellung bei ihnen" (Sütterlinova 1988: 56). Dies schließt beispielsweise auf den ersten Blick zweigliedrige Phraseologismen vom Typ à bon chat bon rat (,wie du mir, so ich dir'), in denen eine Kombination von direktem und indirektem Objekt vorliegt, aus. Andererseits kann der (seltene) Fall auftreten, daß die beiden Komponenten nicht der gleichen Wortart angehören, dennoch aber eine Gleichrangigkeit in der Funktion vorliegt (z.B. [c 'est] le moment ou jamais jetzt oder nie'). 2. Die Lexeme können attributiv erweitert werden: (1-14) [c'est] blanc bonnet et bonnet blanc (,das ist Jacke wie Hose')

3. Die Lexeme können durch eine Präposition modifiziert werden: (1-15) [être toujours] par monts et par vaux (,über Berg und Tal, immer unterwegs sein')

4. Die Lexeme können ohne Verbindungselement nebeneinander stehen: (1-16) [être] tout sucre tout miel (.zuckersüßsein')

5. Es gibt die gleiche Form als dreigliedrigen Phraseologismus (auch: „Drillingsformel"). Diese Struktur ist seltener und tritt z.B. in Parolen oder geflügelten Worten auf, also in phraseologischen Grenz-/Sonderbereichen: (1-17) métro, boulot, dodo (beschreibt den Alltag der Pariser Arbeiter: .Metro, Arbeit, Schlaf) veni vidi vici

6. Die phraseologischen Wortpaare sind nicht selten Teil eines komplexeren, meist verbalen Phraseologismus, d.h. sie kommen immer in der gleichen Umgebung vor, in vielen Fällen ist das Verb vorgeschrieben mit dem das PWP üblicherweise gebraucht wird: (1-18) promettre monts et merveilles (.goldene Berge versprechen')

7. Typisch ist auch der Fall, daß die beiden koordinierten Wörter identisch sind, wie z.B. in côte à côte (.Schulter an Schuleter'), de bout en bout (,νοη Anfang bis Ende'). Burger (1973: 42ff.) grenzt diese „Paarformeln mit identischen Monemen" eindeutig ab von den „irreversiblen Paarformeln", die aus zwei verschiedenen Monemen der gleichen Wortart gebildet sind.

11 8. Es muß sich nicht immer um die Koordination von Lexemen handeln. Zwei Pronomen werden beispielsweise in [être] à tu et à toi [avec qn.] (,mit jdm. auf du und du stehen, sehr vertraut sein') miteinander verknüpft. 9. Sehr wenige PWP können durch elliptische Konstruktionen Satzwert erhalten, z.B.: (1-19) aussitôt dit, aussitôt fait (.gesagt, getan')

Kantola (1987: 112) führt noch die häufige Wortäquivalenz phraseologischer Wortpaare als Kriterium an, was aber aufgrund der Schwierigkeit, sowohl einer eindeutigen Wortdefinition als auch der Erfassung aller Bedeutungsanteile idiomatischer Ausdrücke, problematisch bleiben muß18. Als zentrales Charakteristikum wird des weiteren häufig genannt, daß die Nennung eines der beiden Elemente die Nennung des anderen provoziert (Melkersson 1992: 26). Dies besitzt allerdings nur Gültigkeit für PWP mit unikalen Elementen, wie z.B. au fur et à mesure (vgl. auch Ehegötz 1980: 36f.). Irreversibilität wird in einige Definitionen mit aufgenommen (z.B. Burger/Buhofer/Sialm 1982: 37f., Schröter 1980: 193), ist aber nicht mehr als ein Merkmal, daß sich bereits aus der Formelhaftigkeit und damit aus der Festigkeit/Fixiertheit ergibt. Für die obige Definition wurde allein die formale Struktur der PWP herangezogen, und sämtliche semantische Besonderheiten wurden als definitorisches Kriterium oder Hauptklassifikationsmerkmal zunächst nicht berücksichtigt. Die semantischen Auffälligkeiten und insbesondere die spezifischen Inhaltsrelationen, in denen die beiden koordinierten Lexeme stehen, sind mit Sicherheit die interessantesten Aspekte bei der Analyse der PWP. Dennoch stellen sie kein notwendiges Kriterium dar, um PWP von anderen phraseologischen Strukturtypen abzugrenzen; allein der morphologisch-syntaktische Aufbau ist allen als „Paarformeln" bezeichneten Phraseologismen gemeinsam. In dieser Hinsicht äußert sich auch Sütterlinova (1988: 55) nach der Auswertung mehrerer Definitionsansätze: „Die Zweigliedrigkeit wird allgemein für ein wesentliches (oder gar das wesentliche) Merkmal der Wortpaare gehalten".19 Die für Phraseologismen charakteristische Fixiertheit der Paarformeln kann so stark sein, daß der im Satz eingebundene Ausdruck sich syntaktisch wie ein Wort (hier: ein Adverb) verhält (Agricola 1970: XXVII), vgl. (1-20): (1-20) être dévoué corps et âme à qn. (jdm. mit Leib und Seele gehören')

Ein Zeichen für die starke Erstarrtheit einiger Wortpaare im Deutschen ist auch die Tatsache, daß im Genitiv nur das zweite Wort dekliniert wird: (1-21) a. ein Stück eigenen Grund und Bodens b. *ein Stück eigenen Grundes und Bodens

Die Genitivmarkierung beider Wörter wie in (1-21) b. ist ungrammatisch, was daraufhinweist, daß der Phraseologismus wie ein einziges Wort behandelt wird (Lambrecht 1984: 18

19

Beispiele: Tag und Nacht arbeiten = ununterbrochen, etw. steif und fest behaupten = hartnäckig (Kantola 1987: 112) Problematisch ist u.E., wenn in der Definition bereits bestimmte semantische Relationen zwischen den beiden Lexemen vorausgesetzt werden (z.B. Gustafsson 1976: 623) oder die Definition von Akar (1991: 355ff.), der innerhalb der auf formalen Kriterien beruhenden Kategorien eine weitere Unterteilung nach semantischen Merkmalen vornimmt.

12 765f.). Eine weitere syntaktische Besonderheit, die für die starke Bindung zwischen den beiden Elementen eines phraseologischen Wortpaares spricht, ist die teilweise nicht vorhandene Kongruenz von Subjekt und Verb: Dort, wo in der freien Rede das Verb im Plural stehen mtlßte, steht es in der wiederholten Rede im Singular, vgl. (1-22) (Lambrecht 1984: 774): (1-22) C'est le jour et la nuit. (,Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht.') dt. Stock und Hut steht ihm gut. Ihm vergeht Hören und Sehen.

Syntaktisch auffällig bei substantivischen phraseologischen Wortpaaren ist auch das häufige Fehlen des Artikels vor beiden oder nur dem zweiten Element, z.B. 20 : (1-23) les us et coutumes (.Sitten und Gebräuche') entre chien et loup (,in der Abenddämmerung')

In der wissenschaftlichen Literatur werden immer wieder die verschiedenen typischen Charakteristika der PWP in den Vordergrund gestellt bzw. nur eine gewisse Untergruppe von Paarformeln behandelt, die gewisse besondere Merkmale aufweist. Ein beliebtes Thema ist die Analyse und dementsprechende Klassifikation der häufig auftretenden phraseologischen Wortpaare, in denen die Komponenten eine formale Ähnlichkeit durch Reim oder Alliteration aufweisen21, z.B.: (1-24) bel et bien (,gut und gerne, wirklich') [n'avoir] ni foi ni loi (.gewissenlos sein')

Die semantische Relation der Elemente ist in den meisten Fällen durch eine Zusammengehörigkeit gekennzeichnet, wobei Synonymie, Antonymie und Kontiguität die häufigsten Beziehungen sind. Die Komponenten eines phraseologischen Wortpaares verschmelzen dabei normalerweise zu einer einzigen Gesamtbedeutung bis hin zur völligen Undurchsichtigkeit. An der Grenze zu phraseologischen Wortpaaren befinden sich Reduplikativa mit und ohne Lautveränderungen. Dabei handelt es sich entweder um die Koordination zweier identischer, in der freien Rede so nicht vorkommender Elemente oder um ein existierendes Wort, das mit einer leichten formalen Abwandlung wiederholt wird (Schroeder 1989: 42f.), vgl. (1-25): (1-25) bonbon (.Bonbon') bric-à-brac (,Trödelkram, Gerümpel') pêle-mêle (.bunt durcheinander') clopin-clopant (.humpelnd, hinkend')

Wie in der allgemeinen Phraseologie ist auch bei den Termini, welche phraseologische Wortpaare bezeichnen, keine Einheitlichkeit in der Literatur zu finden:

20

21

Das Fehlen des Artikels ist aber nicht nur in Phraseologismen üblich, sondern auch freie Wortpaare können ohne Artikel stehen, vgl. z.B. (...) enfants et vieillards font souvent cause commune (Grevisse 1993: §570). z.B. Morawski (1927, 1929, 1937), Jeep (1987), Diaz Vera (1997)

13 Geläufig für die oben beschriebene Erscheinung sind folgende Termini22: „Zwillingsformeln" (Salomon 1919, Agricola 1970, Gläser 1986, Schemann 1993), „zweigliedrige Ausdrücke" (Jäger 1960), engl, „(irreversible) binomials" (Malkiel 1959, Kimenyi 1989) bzw. frz. „binômes" (Dembowski 1976, Buridant 1980) oder „multinomials" (Sternkopf 1991), „Paarformeln" (Burger 1973, 1977, Schröter 1980, Gläser 1986, Stein 1991, Sternkopf 1991), „Doppelformen" (Rothkegel 1973), „freezes" bzw. dt. „Erstarrungen" (Cooper/Ross 1975, Ross 1980), „(idiomatisiertes) Wortpaar", „phraseologisches Wortpaar" (Fleischer 1982, Kantola 1987, Majoras 1988), „phraseologische Paarformel" (Sütterlinova 1988), „Dopplungsphrasem/Reduplikationsphrasem" (Günther 1990), „itération lexicale" (Melkersson 1992), „feste Wortpaare" (Hammer 1993b). Lambrecht (1984: 760) bezeichnet substantivische Phraseologismen vom Typ [N und N], in denen die Artikel beider Substantive fehlen, als „bare binomials". Die Termini „Phraseologisches Wortpaar" (PWP), „Paarformel" und „zweigliedriger Phraseologismus" spiegeln u.E. am besten die Hauptcharakteristika der hier zu untersuchenden Erscheinung wider, d.h. die Formelhaftigkeit oder Phraseologisierung auf der einen Seite und die Zweigliedrigkeit bzw. parallele, paarhafte Anordnung auf der anderen Seite. Diese drei Ausdrücke werden im folgenden synonym gebraucht. Einerseits konkurrieren eine ganze Reihe von Termini, andererseits wird doch ein relativ eindeutiger Terminus wie „Wortpaar" nicht immer in der Bedeutung der hier gemeinten Paarformeln verwendet. Hundt (1994: 8Iff.) versteht unter „phraseologischen Wortpaaren" auch Phraseologismen, bei denen die beiden koordinierten Lexeme nicht der gleichen Wortart angehören oder das erste Lexem ein Verb und das zweite Lexem ein obligatorischer Aktant ist (z.B. pg. sair caro a alg. jdn. teuer zu stehen kommen'). Nach einer Statistik von Dobrovols'kij (1988: 113) zu der Verteilung der unterschiedlichen Strukturtypen im phraseologischen Bestand bilden Zwillingsformeln im Deutschen und im Englischen nach den verbalen Phraseologismen mit 9,72 % (Deutsch) und 16,67 % (Englisch) die zweitgrößte, im Niederländischen mit 9,96 % die drittgrößte Gruppe.23 Majoras (1988: 177) betont ebenfalls die „außerordentlich hohe Frequenz der idiomatisierten Wortpaare [...]" und ihre Produktivität im Deutschen.24 Legt man das Wörterbuch von Rey/Chantreau (1994) zugrunde, so liegt der Anteil der PWP an dem gesamten dort aufgenommenen phraseologischen Bestand mit ca. 3 % im Französischen deutlich niedriger. Ähnlich äußert sich auch Schemann (1993: LXXXVI): „Wie es scheint, zeichnen sie [die Zwillingsformeln] die germanischen Sprachen (noch) stärker aus als die romanischen".25

22 23

24

25

Quellenangaben nur in Auswahl Die absoluten Zahlen dieser Statistik sind allerdings relativ gering, so daß die Prozentzahlen nur Tendenzen angeben können. Auch Kantola (1987: 118f.) ermittelt die phraseologischen Wortpaare im Deutschen nach den verbalen Phraseologismen als zweitgrößte Gruppe, betont jedoch gleichzeitig die starke Abhängigkeit der Frequenz von Textsorte, Idiolekt und Thema. Eine entsprechende Diskrepanz in der Produktivität fester Wortpaare stellt Hammer (1993b: 173f.) fest. Den Grund sieht sie in einer für die schriftliche und auf guten Stil bedachte Sprache typischen Hierarchisierung der Information im Französischen im Gegensatz zur Vorliebe des Deutschen für die flir den mündlichen Ausdruck typischen koordinativen Strukturen.

14 1.2.2.2 Idiomatizität Ist bei Wortgruppen die Summe der Einzelbedeutungen der Komponenten nicht gleich der Gesamtbedeutung, so bezeichnet man den Ausdruck als idiomatisch26. Die einzelnen Wörter der idiomatischen Redewendung referieren nicht oder nicht alle, und eine Wort-zuWort-Übersetzung ist im Normalfall nicht möglich. Idiomatizität findet man häufig in Phraseologismen und Sprichwörtern, da sie aus einer festgelegten Kollokation von Wörtern bestehen. Man unterscheidet verschiedene Abstufungen von Idiomatizität (oder auch „Demotivation, Undurchsichtigkeit"); „[...] l'opacité est un phénomène scalaire [...]" (Gross 1996: 11): Eine Redewendung ist durchsichtig, wenn die Einzelbedeutungen der Wörter die Gesamtbedeutung des Ausdrucks nahelegen. Es ist dem Sprecher somit möglich, die Gesamtbedeutung aufgrund der formal-inhaltlichen Beschaffenheit dieser Wortgruppen zu erschließen. Ist eine Redewendung völlig durchsichtig, d.h. motiviert, liegt keine Idiomatisierung vor.27 Der Grad der Idiomatizität ist jedoch besonders hoch, wenn der semantische Zusammenhang zwischen den einzelnen Elementen nicht (oder nicht mehr) nachvollziehbar ist. Thiele (1990: 89) unterscheidet bei Phraseologismen wendungsexterne und wendungsinterne Bedeutung. Die interne Bedeutung bezeichnet den Inhalt des gesamten Ausdrucks, die externe Bedeutung ist die wörtliche Bedeutung der einzelnen Lexeme. Läßt sich die interne Bedeutung direkt aus der externen Bedeutung erschließen, so liegt keine Idiomatizität vor, und der Phraseologismus ist durchsichtig, wie es z.B. bei dem Ausdruck frères et sœurs (,Geschwister') der Fall ist. Stehen externe und interne Bedeutung jedoch in keinem offensichtlichen Zusammenhang, ist der Ausdruck hochgradig idiomatisch. Dies ist z.B. der Fall in dem Phraseologismus en dire des vertes et des pas mûres (.schonungslos die Wahrheit sagen'). Obwohl es sich hier sogar um eine Synonymendopplung handelt, gibt die Bedeutung von vert kaum Aufschluß über die Gesamtbedeutung. Unter den phraseologischen Wortpaaren befinden sich jedoch nur wenige, die völlig undurchsichtig sind. In vielen Fällen steht die Gesamtbedeutung in einer Relation zu der wörtlichen Bedeutung eines oder beider koordinierten Elemente. Eine metaphorische Interpretation ist häufig der Schlüssel zur internen Bedeutung (Thiele 1990: 89), vgl. (1-26): (1-26) contre vents et marées (.allen Widerständen zum Trotz, sich durch nichts abschrecken lassen')

Enthält ein Phraseologismus eine unikale Komponente, die evtl. gar keine eigene Bedeutung (oder eine nicht mehr allgemein bekannte) hat, so ist es natürlich unmöglich, die interne Bedeutung der Wortgruppe über die Bedeutungen ihrer Elemente zu erklären: Die internen Bedeutungen von au fur et à mesure (.entsprechend, in dem Maße') und peu ou prou (,mehr oder weniger') sind ausschließlich aufgrund des häufigen Gebrauchs und der 26

27

So äußert sich schon Bally (1963: 74): „il faut que cette signification [d'une unité phraséologique] soit nouvelle et n'équivale pas simplement à la somme des significations des éléments [...]". Zu Kritik und Ungenauigkeit solcher Formulierungen siehe Kap. 3. Nach Munske sind allerdings jegliche Phraseologismen in einem gewissen Grad idiomatisch; er sieht Idiomatisierung in engem Zusammenhang mit Lexikalisierung: „Meines Erachtens gibt es in strengem Sinne Uberhaupt keine nicht-idiomatischen Phraseologismen, da diese im Zuge ihrer Phraseologisierung und Usualisierung stets idiomatische Züge annehmen" (1993: 492).

15

Konventionalität dieser Redewendungen bekannt. Ohne etymologische Kenntnisse ist es nicht möglich, die idiomatische Bedeutung dieser Wortpaare aus den Einzelbedeutungen der Komponenten zu erschließen. Eine gängige Klassifizierung der idiomatischen Phraseologismen ist deren Aufteilung in „teilidiomatische" Ausdrücke, bei denen nicht alle Komponenten einem Übertragungsvorgang unterliegen, sondern ein oder mehrere Elemente ihren literalen Sinn behalten, und „vollidiomatische" Phraseologismen, in denen alle Wörter semantisch transformiert sind (vgl. z.B. Fleischer 1982: 38, Thiele 1990: 90, Palm 1997: 12). Als „teilidiomatisch" ist z.B. die Redewendung promettre monts et merveilles (.goldene Berge versrpechen') zu bezeichnen, in der das Verb seine wörtliche Bedeutung beibehält. Ein „vollidiomatischer Ausdruck", der sich semantisch nicht aufgliedern läßt, ist hingegen se mettre sur son trenteet-un (,seine besten, schönsten Kleidungsstücke anziehen, sich festlich kleiden')· Besonders vollidiomatische Ausdrücke entbehren jeder Form von „[...] Isomorphismus zwischen der syntaktischen Organisation des idiomatischen Ausdrucks und seiner semantischen Analyse bzw. seiner Paraphrase [...]" (Weinreich 1972: 430). Idiomatizität kann andererseits auch durch eine sich in mehreren Ausdrücken wiederholende syntaktische Struktur, zunächst unabhängig von lexikalischer Umdeutung, auftreten. Sog. „Phraseoschablonen" sind Konstruktionsmuster, denen bereits „eine vom entsprechenden nicht-idiomatischen Modell abweichende, irreguläre Bedeutung" (Fleischer 1982: 136) gegeben ist und die mit unterschiedlichen Lexemen gefüllt werden können. Auf diese Weise entstehen - teilweise offene - Reihen von Phraseologismen, denen eine gewisse Grundbedeutung gemeinsam ist. Diese im Grenzbereich zwischen Phraseologie und Syntax anzusiedelnde Erscheinung (Fleischer 1982: 135) ist für die vorliegende Arbeit insofern von Bedeutung als die zweigliedrigen Phraseologismen nur eine begrenzte Anzahl an Verknüpfungsschemata aufweisen und teilweise die Bedeutung der Wortpaare schon stark durch diese sich wiederholende syntaktische Konstruktion vorgeprägt ist. Insbesondere bei Wortpaaren mit zwei identischen Elementen „[stellt] die Eigenschaft der Reihenbildung [...] die Zugehörigkeit derartiger Bildungen [Dopplungen] zur Phraseologie in Frage" (Ehegötz 1980: 86). In der vorliegenden Arbeit werden in bezug auf diese Problematik solche Wortpaare als phraseologisiert betrachtet, wenn sie - normalerweise aufgrund einer hohen Frequenz oder durch eine starke Idiomatisierung - Aufnahme in die phraseologischen Wörterbücher gefunden haben.

1.2.2.3 Stabilität und Frequenz Ein Kennzeichen, das auf Idiomatizität hindeutet, ist „Stabilität" oder „Fixiertheit/figemenf'·, sie ist genauso wie die Undurchsichtigkeit ein graduelles Phänomen (vgl. z.B. Gross 1996: 16f.). Stabilität wird in PWP besonders in einer festgelegten Reihenfolge der Komponenten deutlich: „Häufig ist die Idiomatisierung - d.h. die Konstituierung einer neuen (Teil- oder Gesamt-) Bedeutung der Zwillingsformel - gekoppelt an die eine oder andere Reihenfolge der Glieder — deren Festigkeit die unterschiedlichsten Grade auf weist' (Schemann 1993: XCIII). Es liegt nahe, daß fixierte WortgefÜge in sehr vielen Fällen zumindest leicht idiomatisch sind. Selbst wenn die wörtliche Bedeutung der internen Bedeutung sehr nahe ist, hat eine feste Wortgruppe neben der denotativen Bedeutung meist noch eine expressive oder stilistische Konnotation. Die Redewendung wird z.B. nur in bestimm-

16 ten Kontexten und Situationen verwendet oder kann einer besonderen Stilebene angehören (Gläser 1986: 3Iff.). Dies unterscheidet die Redewendungen von der entsprechenden „konnotationsneutralen Paraphrase" (Stein 1991:246). Zur Stabilität von Phraseologismen tragen z.B. unikale Komponenten bei. Da diese einzelnen Wörter meistens veraltete Formen sind und immer nur im Zusammenhang der festen Fügung auftreten, machen sie die Auflösung der Wortgruppe in ihre einzelnen Bestandteile unmöglich und führen so zur Fixiertheit der phraseologischen Konstruktion. Dennoch muß Stabilität nicht zwangsläufig zu Idiomatizität führen. Stabilität in Wortgefügen kommt auch in einer festgelegten Reihenfolge der Wörter zum Ausdruck (Fleischer 1982: 63). Die Tatsache, daß das Auftreten eines der Elemente einer Wortgruppe mit hoher Wahrscheinlichkeit das Auftreten des anderen Elements provoziert, ist ebenfalls ein Zeichen für Zusammengehörigkeit und Stabilität. Man spricht in diesem Fall von Nominationsstereotypen, da sie durch ihren häufigen Gebrauch an Stabilität gewonnen haben (Fleischer 1982: 64, Thiele 1990: 89f.). Zu den Nominationsstereotypen gehören u.a. Wortpaare wie frères et sœurs (.Geschwister'). Dieses Wortpaar ist nicht-idiomatisch; dennoch ist die Reihenfolge hier fixiert, und der Ausdruck ist in genau dieser Abfolge hochfrequent, auch wenn die Umkehrung der Elemente nicht ungrammatisch ist (Thiele 1990: 89). Weitere Nominationsstereotype sind z.B.: (1-27) père et mère (,Vater und Mutter') autrefois et maintenant (.damals und heute') dt. lesen und schreiben Partei und Regierung Sonne und Mond

Thun (1978: 67) unterscheidet bei Ausdrücken mit festgelegter Reihenfolge drei Möglichkeiten in bezug auf die Funktion der Wortstellung: Bei den meisten fixierten Wortgefügen ist die Reihenfolge festgelegt, ohne daß damit eine bestimmte Funktion erfüllt wird. Diese Beliebigkeit der Fixierung der Reihenfolge zeigt sich deutlich im Sprachvergleich von Kopulativkomposita, deren Abfolge in verschiedenen Sprachen variiert, vgl. (1-28): (1-28) dt. schwarz-weiß frz. noir et blanc aber:

sp. blanco y negro it. bianco e nero

Sind in einem Ausdruck hingegen verschiedene Wortfolgen möglich, so können diese „funktionell ausgenutzt" werden, d.h., mit einer anderen Wortstellung wird auch eine andere Bedeutung ausgedrückt. Ein Beispiel dafür ist die Stellung des attributiven Adjektivs im Französischen: vgl. le pauvre homme (,der unglückliche, bemitleidenswerte Mann') vs. l'homme pauvre (,der arme, mittellose Mann'). Natürlich besteht auch die (dritte) Möglichkeit, daß eine Veränderung in der Wortstellung prinzipiell möglich ist, aber keine Bedeutungsveränderung zur Folge hat.

17 1.2.2.4 Reversibilität 1.2.2.4.1 Grad der Reversibilität phraseologischer Wortpaare Makkai (1972: 158f.) unterscheidet drei Arten von Wortpaaren, die er mit Hilfe der Kriterien Idiomatizität und Reversibilität klassifiziert: 1. Zur ersten Gruppe gehören Wortpaare, deren Reihenfolge man nicht verändern kann, ohne daß sie ungrammatisch werden. Makkai (1972: 157) nennt sie morphotactically irreversible, vgl. z.B.: dt. ab und zu/* zu und ab. „Morphotaktisch irreversibel" sind u.a. Wortpaare, die unikale Komponenten enthalten (Burger 1973: 44): (1-29) *prououpeu *à mesure et au fur dt. *frei und frank •mit Recht und Fug

Auch Wortpaare, die syntaktische Besonderheiten aufweisen, wie z.B. das Fehlen von Artikeln, können bei ihrer Umstellung ungrammatisch werden: (1-30) promettre monts et merveilles •promettre merveilles et monts

Einige Wortpaare sind in ihrer Reihenfolge unter anderem dadurch fixiert, daß eine Umstellung grammatische Veränderungen hervorrufen würde. In bel et bien oder bel et bon (,gut und gerne, wirklich') kommt z.B. die maskuline Sonderform des Adjektivs beau vor, die nur vor vokalisch anlautenden Wörtern auftritt. Bei einer Umstellung muß die Form bei in beau verändert werden, so daß die Ausdrücke bien et beau und bon et beau entstehen. Hier liegt dann aber eine so starke formale Abänderung des ursprünglichen Phraseologismus vor, daß er gar nicht mehr als solcher erkannt wird. Ebenfalls irreversibel sind Wortpaare, deren Elemente durch Präpositionen koordiniert sind und deren Reihenfolge aus semantischen Gründen festgelegt ist, z.B. weil ein sich steigernder Prozeß beschrieben wird, dessen Ablauf nur in einer Richtung sinnvoll ist. Der Ausdruck de mal en pis (.immer schlimmer') würde in der umgekehrten Abfolge (*de pis en mal) seinen Sinn verlieren (vgl. auch von heute auf morgen / *von morgen auf heute). 2. Betrachtet man dagegen ein Wortpaar, das zwar (rein grammatikalisch) umstellbar ist, dabei aber seine Bedeutung derart ändert, daß der idiomatische Charakter verloren geht, so spricht Makkai von „morphotaktisch reversibel", aber „idiomatisch irreversibel". Die Abfolge der Elemente ist hier nur dann fixiert, wenn diese in einer idiomatischen Konstruktion auftreten. Dies ist z.B. der Fall bei dem Ausdruck pepper and salt, der in dieser Reihenfolge die graumelierte Haarfarbe meint. Salt and pepper ist hingegen nicht-idiomatisch und bezeichnet nur die beiden Gewürze.28 Die sprachliche Umgebung, in der der Ausdruck

28

Auf das Französische kann man dieses Beispiel allerdings nicht übertragen, da hier poivre et sei (.Pfeffer und Salz, graumeliert') - je nach Kontext und syntaktischer Funktion - sowohl die Gewürze als auch die Haarfarbe bezeichnen kann.

18 auftritt, spielt dabei eine entscheidende Rolle für seine Interpretation und damit für seine Reversibilität, vgl. dazu (1-31) a. bis d.29: (1-31) a. Both cat and mouse were exhausted after the chase. (,..Katze und Maus...') b. Both mouse and cat were exhausted after the chase. (,...Maus und Katze...') c. Tip never plays cat and mouse with Teddy, (....spielt niemals Katz' und Maus...') d. "Tip never plays mouse and cat with Teddy.

In einem Kontext, der nur die wörtliche Interpretation zuläßt ((1-31) a. und b.), sind beide Reihenfolgen möglich. Läßt der Kontext jedoch nur die idiomatische Interpretation zu, so ist das Wortpaar irreversibel ((1-31) c. und d.). Von „idiomatischer Irreversibilität" kann man z.B. auch bei dem Ausdruck il y a à boire et à manger (,es gibt Vor- und Nachteile') sprechen: (1-32) a. Dans ce livre il y a à boire et à manger. (.Dieses Buch hat gute und schlechte Aspekte') b. *Dans ce livre il y a à manger et à boire.

Schafft man dagegen einen Kontext, in dem nur eine wörtliche Interpretation der Verben boire und manger möglich ist, wie in (1-33) a. und b., sind beide Reihenfolgen grammatisch; (1-33) a. Dans le frigo, il y a à boire et à manger, (,1m Kühlschrank ist etwas zu trinken und zu essen.') b. Dans le frigo, il y a à manger et à boire, (,1m Kühlschrank ist ewas zu essen und zu trinken.')

„Idiomatische Irreversibilität" liegt ebenfalls vor, wenn das Wortpaar Teil eines komplexeren Phraseologismus bzw. Sprichwortes ist. Tritt es im Zusammenhang dieser größeren festen Wortgruppe auf, ist die Vertauschung der Elemente nicht möglich, vgl. (1-34) a. und b.: (1-34) a. Il ne faut pas mélanger les torchons et les serviettes. (,Man muß soziale Unterschiede beachten, man darf nicht alles gleich behandeln.' wörtlich: ....Putzlappen und Servi etten...) b. *II ne faut pas mélanger les serviettes et les torchons, (wörtlich: ....Servietten und Putzlappen...')

Die Umkehrung der Reihenfolge ist nur aus der Verbindung herausgelöst und in einem anderen, disambiguierenden Kontext möglich. In der umgekehrten Reihenfolge genannt, nehmen die Einzelwörter dann wieder ihre ursprüngliche, wörtliche Bedeutung an, vgl. (135): (1-35) En rangeant, la femme de ménage a mélangé les serviettes et les torchons. (.Die Putzfrau hat beim Aufräumen Servietten und Putzlappen verwechselt.')

In der idiomatischen Bedeutung beziehen sich „idiomatisch irreversible" Wortpaare dabei stets auf nur ein (meist abstraktes) Denotat. Stellt man die Elemente dagegen um und verliert der Phraseologismus seine idiomatische Gesamtbedeutung, bezeichnen die beiden

29

Beispiele nach Cooper/Ross (1975: 63). Vgl. mit entsprechenden Beispielen zum Deutschen auch Burger (1973: 43ff.), Rothkegel (1973: 115f.), Lambrecht (1984: 777).

19 Wörter zwei verschiedene Denotate (Burger 1973: 45). Lambrecht stellt fest, daß idiomatische Wortpaare reversibel werden, wenn: „[...] the binomial expresses random conjunction of two specific instances in a given context" (1984: 790). 3. Zur dritten Gruppe gehören nicht-idiomatische Wortpaare, die aber in gewisser Weise in ihrer Reihenfolge konventionalisiert bzw. institutionalisiert sind. Die Elemente stehen in einem inhaltlichen Zusammenhang, z.B. können sie die beiden Teile eines gemischten Getränks bezeichnen. Stellt man sie um, verlieren sie ihren institutionalisierenden Charakter und weisen nur noch die wörtliche Bedeutung auf, z.B. engl, coffee and cream, dt. Whisky mit Soda, Torte mit Schlagsahne (Makkai 1972: 164, Burger 1973: 43). Im Deutschen wird das weniger wichtige Element bzw. der Teil mit der geringeren Quantität in diesen Wortpaaren mit mit angeschlossen (Burger 1973: 43) oder ein typisches Determinativkompositum gebildet: Milchkaffee, Apfelreis etc.. Im Französischen wird in diesen Fällen ein Determinativkompositum gebildet, in dem das zweite Substantiv präpositional oder ohne Verbindungselement angeschlossen wird: café au lait, café crème, menthe à l'eau, whisky soda.

1.2.2.4.2 Reversibilität und Frequenz Nach Malkiel (1959: 118) kann man von der Formelhaftigkeit, d.h. von einem gewissen Grad an Stabilität oder Fixiertheit, eines Ausdrucks dann sprechen, wenn er einerseits in bezug auf seine Reihenfolge fixiert ist und andererseits eine hohe Frequenz aufweist. Irreversibilität ist der auffälligste transformationeile Defekt formelhafter Wortpaare, und es kommt weitaus seltener vor, daß sie in ihrer Reihenfolge nicht festgelegt sind (Malkiel 1959: 116, Weinreich 1972: 442ff.). „Freie" Wortpaare mit einer hohen Frequenz zeigen mit der Zeit die Tendenz, bevorzugt in einer bestimmten Abfolge aufzutreten und werden so zu formelhaften Wendungen. Sind jedoch noch beide Reihenfolgen möglich, so zeigen sich Unterschiede in Frequenz, Akzeptabilität und semantischer Nuancierung (Malkiel 1959: 116).30 Sowohl Malkiel (1959: 119f.) als auch Makkai (1972: 162) betonen, daß bei Wortpaaren, die zwar umstellbar sind, aber üblicherweise in einer bestimmten Reihenfolge gebraucht werden, durch die Umstellung in die unüblichere Abfolge ein spezieller stilistischer Effekt hervorgerufen wird. Sagt man z.B. female and male, so ruft das einen leichten Überraschungseffekt beim Zuhörer hervor (Malkiel 1959: 120)31. Außerdem wird der Hörer bei diesem Beispiel auf die von ihm (unbewußt) hingenommene fixierte Reihenfolge und damit gleichzeitig auf soziale Hierarchien aufmerksam gemacht. In diesem Fall wird die Wortstellung, in einem ähnlichen Sinn wie Thun (vgl. Kap. 1.2.2.3) es beschreibt, funktionell ausgenutzt. Eine formale Veränderung bezüglich der Wortstellung hat durch ihre stärkere Markierung die Funktion, beim Zuhörer oder Leser Aufmerksamkeit zu erregen.

30

31

Zum Zusammenhang von Reversibilität, Formelhaftigkeit und Frequenz vgl. auch Gustafsson (1976). Zu prosodischen Bedingungen (wie z.B. die Silbenzahl) siehe weiter unten, bes. Kap. 4.2.

20 1.2.2.4.3 Reversibilität nicht-phraseologischer Wortpaare Malkiel betont, daß irreversible Wortpaare andererseits nicht unbedingt formelhaft sein müssen. Dies ist der Fall, wenn sie nur Gelegenheitsbildungen sind, z.B. in Zeitungsschlagzeilen. Malkiel (1959: 118) führt folgendes Beispiel an: (1-36) Girl-and-dog murder case

Für den Leser liegt unabhängig vom Kontext zunächst kein semantischer Zusammenhang zwischen den Wörtern girl und dog vor. Lambrecht (1984: 783f.) spricht bei solchen Fällen von einem fehlenden „semantischen Rahmen" (frame), der in diesem Fall erst durch den entsprechenden Kontext geschaffen wird. Irreversible idiomatische Wortpaare besitzen dagegen diesen Rahmen in Form einer festen inhaltlichen Beziehung unabhängig vom Kontext und weisen aus diesem Grund auch eine höhere Stabilität auf, die sich im Fehlen der Artikel vor den Substantiven und größerer Irreversibilität äußert.32 Ein nicht-formelhaftes, spontan gebildetes Wortpaar wie in (1-34) ist nur bedingt umstellbar - zumindest klingt die umgekehrte Reihenfolge höchst unidiomatisch Çidog and girl). Die Tatsache, daß die Begriffe normalerweise in keinem semantischen Zusammenhang stehen und nur durch ein besonderes, vielleicht ungewöhnliches Ereignis zusammengebracht worden sind, hat zur Folge, daß ein entsprechender Ausdruck eine ganz geringe Frequenz hat. Wortverbindungen, die aber höchst selten gebildet werden, haben keine Chance, zu erstarren und zu einer festen Redewendung zu werden. Die Reihenfolge in den nicht-formelhaften Wortpaaren folgt ähnlichen Prinzipien wie in phraseologischen Wortpaaren. Die Silbenzahl z.B. kann entscheidend für die Abfolge der Wörter sein (Malkiel 1959: 118). In dem denkbaren Wortpaar Kind und Katze wirkt zum einen das Prinzip „einsilbig vor mehrsilbig", zum anderen das semantische Prinzip „Mensch vor Tier" (siehe dazu Kap. 6).33

32

33

Die Artikel fehlen in (1-36), weil es sich um eine Zeitungsschlagzeile handelt, wo ein möglichst hoher Informationsgehalt bei kurzem Text erzielt werden soll. Beispiel nach Lambrecht (1984: 784)

2 Morphologisch-syntaktische Klassifikation

Im folgenden werden die PWP kurz morphologisch und syntaktisch klassifiziert, wobei Wortarten, syntaktische Funktionen und die verschiedenen Verknüpfungsmuster schematisch dargestellt werden. Die Wortart der beteiligten Konstituenten, die im Wortpaar miteinander verknüpft sind, soll dabei als primäres Klassifikationskriterium gelten. Die Satzgliedstellungen, in der die PWP auftreten können, stellen ein weiteres Kriterium für die Einordnung dar, denn „PHR [Phraseologismen] sind funktional gesehen identisch mit Einzellexemen" (Thiele 1990: 91) und somit in der Lage, unterschiedliche syntaktische Funktionen zu übernehmen. Das erste Lexem bzw. die erste Komponente eines Wortpaares wird jeweils durch die Variable „A" und die zweite Komponente durch „B" symbolisiert:

2.1 Substantivische P W P

Als substantivisch werden hier PWP bezeichnet, in denen zwei oder drei nominale Elemente koordiniert werden. Die substantivischen Wortpaare machen den größten Anteil (ca. 70 %) des hier untersuchten Korpus aus, und ihr häufigster Verknüpfungstyp ist die Konjunktion et. Diese konjunktional verknüpften substantivischen PWP können die gleichen syntaktischen Funktionen wie einfache nominale Elemente im Satz übernehmen (Subjekt, direktes, indirektes Objekt), sofern ihre Funktion nicht durch die Eingebundenheit in einen längeren Phraseologismus, v.a. als Aktant eines bestimmten, fest zum Phraseologismus gehörenden Verbs, bereits festgelegt ist (z.B. [promettre] monts et merveilles). Als direktes Objekt von avoir fungieren die meisten verneint konjunktionalen PWP (z.B. [n'avoir] ni fin, ni cesse). In vielen Fällen kommutieren die substantivischen PWP, wenn sie Teil eines längeren, verbalen Phraseologismus sind, mit (meist verstärkenden) Adverbien, nehmen also die Funktion einer adverbialen Bestimmung an (z.B. [être dévoué] corps et âme [à qn.J). Auch wenn das PWP durch eine entsprechende Präposition eingeleitet wird, kann die Funktion als Umstandsbestimmung bereits festgelegt sein (z.B. entre chien et loup). Beliebt ist ebenfalls die Verwendung als Prädikativum in Verbindung mit être (z.B. [être comme] le jour et la nuit) oder c'est (z.B. [c'est] l'eau et le feu) (vgl. Fleischer 1982: 112f.). Präpositional verknüpfte substantivische PWP nehmen in der Rede ausnahmslos die Funktion von adverbialen Bestimmungen an (z.B. de fond en comble). Es fällt auf, daß die substantivischen PWP zwar stark überwiegen, es sich bei einigen der darin auftretenden Nomina aber um substantivierte Adjektive, Partizipien, Konjunktionen oder Präpositionen handelt (vgl. auch Stein 1991: 247)1: (2-1)

[aller] du blanc au noir [c'est] du pareil au même au vu et au su

1

Hier und im folgenden Beispiele immer nur in Auswahl

22 des si et des mais le pour et le contre

In einem Fall handelt es sich um die Koordination zweier Eigennamen: [tomber] de Charybde en Scylla. Von substantivischen Wortpaaren mit Verbindungselement (Konjunktion oder Präposition) sind die Wortpaare zu unterscheiden, in denen die beiden nominalen Elemente - evtl. rein graphisch durch ein Komma getrennt - ohne koordinatives Element nebeneinander stehen (z.B. [être] tout sucre tout miel).

2.1.1

PWP mit Verbindungselement

Bei dem am häufigsten auftretenden Strukturtyp der substantivischen PWP mit Verbindungselement tritt zusätzlich zur Konjunktion et noch eine Präposition auf, die teilweise vor dem zweiten Nomen noch einmal wiederholt wird, vgl. (2-2) und (2-3): (2-2)

Präp. (Art.) A et (ou) Präp. (Art.) Β par monts et par vaux au vu et au su de pièces et de morceaux en chair et en os pour le meilleur et pour le pire

(2-3)

Präp. (Art.) A et (ou) (Art.) Β entre ciel et terre contre vents et marées avec armes et bagages en temps et lieu [passer qc.] par pertes et profits [s'entendre] comme chien et chat [jouer] à pile ou face

(2-4)

(Art.) A et (Art.) Β des hauts et des bas les us et coutumes [promettre] monts et merveilles

Unter den koordinierten Nomina überwiegen eindeutig diejenigen mit bestimmten Artikeln im Gegensatz zu solchen mit unbestimmten Artikeln (z.B. une chaumière et un cœur). In einem relativ großen Anteil an PWP fuhren jedoch die Substantive keinen Artikel mit sich. Alle diese Wortpaare sind in dieser Form als Einheit lexikalisiert und nicht ungrammatisch, obwohl in der freien Rede ein Nomen bis auf wenige Ausnahmen immer von einem Artikel begleitet werden muß. Wenn zwei Substantive das gleiche Genus haben und im gleichen Numerus stehen, besteht auch die Möglichkeit, in zweigliedrigen koordinativen Ausdrücken den Artikel vor dem zweiten Element nicht mehr zu wiederholen. In der freien Rede ist diese Form der Ellipse allerdings selten; sie tritt hauptsächlich noch in festen Fügungen (z.B. les us et coutumes) oder in offiziellen Schriftstücken (z.B. les hoirs et ayant causes) auf (Grevisse 1993: §561).

23 In dreigliedrigen Phraseologismen kann natürlich (entsprechend einer Aufzählung) das dritte Substantiv konjunktional angeschlossen werden: (2-5)

à pied, à cheval et en voiture

Die negativ-konjunktionale Verknüpfung in zweigliedrigen Phraseologismen mit der syntaktischen Funktion des direkten Objekts wird durch die Konjunktion ni ausgedrückt. Sie dient zur Negation der beiden Substantive und ist das Gegenstück zum affirmativen et. Es kommt zur verstärkten Verneinung eines Sachverhalts, indem zwei nominale Elemente nach der Form (2-6) negiert werden: (2-6)

ne (Verb) ni A ni Β [ne craindre] ni Dieu ni diable [n'avoir] ni foi ni loi [n'avoir] ni fin ni cesse

Die Negation als adverbiale Bestimmung erfolgt unter Verwendung der Präposition sans im Zusammenhang mit der Konjunktion ni: (2-7)

sans A ni Β sans tambour ni trompette sans trêve ni repos

PWP mit den Strukturen von (2-6) und (2-7) existieren häufig als Varianten eines Phraseologismus' nebeneinander (z.B. [n 'avoir] ni rime ni raison und sans rime ni raison). Die häufigsten präpositionalen Schemata in substantivischen PWP sind (2-8) und (2-9): (2-8)

de (Art.) A à (Art.) Β [c'est] du pareil au même [aller] du blanc au noir

(2-9)

de A en Β de père en fils de fond en comble

2.1.2 PWP ohne Verbindungselement Bei zweigliedrigen Phraseologismen ohne koordinatives Element handelt es sich um asyndetische Konstruktionen, die in der freien Rede selten sind. Wenn eine Konjunktion oder eine Präposition als Verbindungselement fehlt, folgen jedoch nie die beiden Substantive unmittelbar aufeinander, sondern werden in der Form einer Anapher bzw. Wiederholung jeweils durch .das gleiche Wort (oder durch mehrere Wörter) modifiziert. Steht vor dem ersten Substantiv eine Präposition, so wird sie in jedem Fall vor dem zweiten Substantiv wiederholt. Es entsteht Schema (2-10). Die Variable a steht dabei für ein modifizierendes Element, das ein Adverb, ein Adjektiv oder eine Präposition sein kann:

24 (2-10) (Verb) a (Art.) A, a (Art.) Β: rien dans les mains, rien dans les poches [être] tout feu tout flamme [être] tout sucre tout miel mi figue-mi raisin tel maître, tel valet [avoir] deux poids deux mesures bon pied bon œil

Die parallele Struktur unterstützt den Eindruck der Zweigliedrigkeit des Phraseologismus und der Zusammengehörigkeit seiner Komponenten. Die Wortgruppe wird durch das wiederholte Element als eine lexikalische Einheit wahrgenommen und erhält Stabilität. In Wortpaaren mit einsilbigen Komponenten wird durch die Wiederholung außerdem vermieden, daß metrisch zwei akzentuierte Silben direkt aufeinanderfolgen. Auch Reduplikativa enthalten in den meisten Fällen kein koordinatives Element. Bei diesen Doppelformen besteht der Unterschied zwischen den beiden Segmenten meist nur in einem abgeändertem Phonem (z.B. pêle-mêle). Es herrscht also eine so große formale Ähnlichkeit der beiden Elemente, daß ihre Zusammengehörigkeit offensichtlich ist. Ist diese starke formale Ähnlichkeitsbeziehung jedoch nicht vorhanden (wie in den meisten PWP), bedarf es entweder einer Konjunktion, Präposition oder der Anapher zur Markierung der Zusammengehörigkeit der Wortgruppe. Eine Konstruktion wie *être sucre miel erscheint weniger vorstellbar als der (ebensowenig existierende) Ausdruck *être sucre et miel. Bei dreigliedrigen Phraseologismen ohne koordinatives Element ist die Wiederholung eines zusätzlichen Wortes jedoch nicht notwendig, um die Zusammengehörigkeit der drei Nomen zu kennzeichnen, vgl. (2-11): (2-11) liberté, égalité, fraternité métro, boulot, dodo

Diese dreigliedrigen Formeln bilden jeweils eine stabile Wortgruppe durch Reim, Morphemwiederholung und offensichtliche semantische Zusammengehörigkeit.2

2.2 Adjektivische, adverbiale, verbale PWP und weitere Wortarten

Paarformeln, die aus Adjektiven, Verben oder Adverbien gebildet sind, treten seltener auf, verhalten sich in bezug auf ihre formale Verknüpfung jedoch ähnlich wie die substantivischen PWP. Die Koordination durch die Konjunktion et überwiegt eindeutig auch bei diesen Wortarten: (2-12) sain et sauf autrefois et maintenant aller et venir

Daneben findet man die Konjunktion ou 1

Siehe dazu auch Kap. 3.1.3.1 Anapher.

25 (2-13) peu ou prou tôt ou tard [c'est] à prendre ou à laisser und die verneinende Konjunktion ni: (2-14) [ne faire] ni chaud ni froid [à qn.] ni bien ni mal ni vu ni connu! Auch Adjektive und Adverbien können in PWP durch eine Präposition koordiniert werden, wobei als einziges Verknüpfungsschema aber nur das Muster (2-15) auftritt: (2-15)

deAenB de long en large de mal en pis

Adverbien und Verben stehen in einigen Fällen ohne koordinatives Element nebeneinander, wobei gerne - wie bei den substantivischen Phraseologismen - eine modifizierende Komponente in Form einer Anapher wiederholt wird (vgl. dazu (2-10)): (2-16) tout chaud tout bouillant sens dessus dessous bras dessus, bras dessous dire tantôt blanc, tantôt noir Allez, roulez jeunesse! tout passe, tout lasse, tout casse Adverbiale PWP nehmen in der Rede ausschließlich die Funktion von Umstandsbestimmungen ein. Die adjektivischen zweigliedrigen Phraseologismen treten äußerst selten in attributiver Funktion auf (z.B. [espèces] sonnantes et trébuchantes). Sie nehmen entweder die syntaktische Funktion eines Prädikativums ein (z.B. [être] majeur et vacciné) oder werden adverbial verwendet (z.B. [parler] haut et clair) (vgl. auch Fleischer 1982: 112). In einem Fall wird ein aus zwei konjunktional verknüpften Adjektiven bestehender Ausdruck substantiviert: le cher et tendre [d'une femme], womit das Wortpaar als Ganzes die Funktion eines Substantivs einnimmt und entsprechend verwendet werden kann. Verbale zwei- und dreigliedrige Phraseologismen bestehen meistens aus zwei koordinierten infiniten Formen (Infinitiven oder Partizipien), die als Teil einer komplexeren Redewendung nicht konjugiert werden können: (2-17) [il y a] à boire et à manger [ne faire que] croître et embellir [c'est] à prendre ou à laisser ni vu, ni connu! aussitôt dit, aussitôt fait Das Wortpaar aller et venir kann allerdings durch Konjugation verändert werden, z.B.: il allait et venait, en allant et venant. Verbale Phraseologismen fungieren in der Rede nicht unbedingt als Verb. Sie haben in vielen Fällen als Teil einer längeren Redewendung nominale syntaktische Funktionen wie Prädikativum (z.B. [c 'est] à prendre ou à laisser) oder

26 Objekt ([ne faire que] croître et embellir). In einem Fall (le va-et-vient) ist der verbale Phraseologismus als Ganzes substantiviert worden. Funktionswörter treten äußerst selten als die Kerne der Struktur in PWP auf. Im vorliegenden Korpus existieren (abgesehen von eindeutig substantivierten Morphemen, die im Zusammenhang mit den substantivischen PWP bereits erwähnt wurden, vgl. (2-1)) lediglich folgende Beispiele für Wortpaare, in denen zwei Pronomen koordiniert wurden. Die Gesamtausdrücke fungieren syntaktisch jeweils prädikativ, adverbial oder als direktes Objekt: (2-18) [être] à tu et à toi [avec qn.] de vous à moi ni quoi ni qu'est-ce

Zwei Präpositionen werden in dem adverbial zu verwendenden Ausdruck unter (2-19) koordiniert. Als einziges Wortpaar, in dem zwei Konjunktionen in der Funktion eines direkten Objekts gebraucht werden, ist (2-20) zu nennen: (2-19) envers et contre [tous]

(2-20) [n'avoir] ni si ni mais

Sehr selten treten in mehrgliedrigen Phraseologismen zwei Wörter unterschiedlicher Wortart auf (z.B. c 'est le moment ou jamais).

2.3

P W P mit zwei identischen Elementen

In diesem Fall sind PWP gemeint, in denen das erste und das zweite Element identisch sind, bzw. das zweite Element eine leichte (formale) Abwandlung des ersten ist. Diese PWP sind allerdings von Reduplikativa zu unterscheiden (vgl. Kap. 2.4). Die substantivischen Ausdrücke überwiegen bei diesem besonderem Typ des zweigliedrigen Phraseologismus ebenfalls eindeutig. Daneben existiert lediglich eine Form des verbalen Wortpaars, und zwar die Bildungen des Typs coûte que coûte, die aber in der vorliegenden Arbeit nicht behandelt werden, da sie keine eindeutig symmetrische syntaktische Struktur aufweisen. 3 Typischstes Beispiel ist wohl der biblische Ausspruch œil pour œil, dent pour dent (Malkiel 1959: 125), der nach dem gleichen Muster in anderen europäischen Sprachen existiert (Auge um Auge, Zahn um Zahn). Zahlreiche PWP sind nach diesem Schema oder ähnlich aufgebaut, wobei normalerweise zwei Substantive durch eine Präposition koordiniert werden (z.B. jour pour jour). Einzige Ausnahme im hier untersuchten Korpus, in der zwei identische Lexeme konjunktional koordiniert sind, ist folgende Redewendung (zu deren Interpretation siehe Kap. 3.6.5.3): (2-21) il y a fagot et fagot

Die präpositional verknüpften PWP mit zwei identischen Elementen nehmen in der Rede ausnahmslos die syntaktische Funktion einer adverbialen Bestimmung ein. 3

Lediglich in einem Fall (peu à peu) handelt es sich um die Reduplizierung zweier Adverbien.

27

Im folgenden werden die Strukturtypen mit Beispielen kurz dargestellt. Für eine genauere, auch semantische Interpretation dieser reduplikativen PWP, siehe Kap. 3.6.10. Am beliebtesten ist das Verknüpfimgsmuster (2-22) zur Darstellung einer symmetrischen Konstellation: (2-22)

AaA côte à côte mot à mot nez à nez pièce à pièce

Auch das Schema (2-23) beschreibt eine symmetrische Konstellation oder gegenseitige Aktivität: (2-23) de (Art.) A à (Art.) A d'homme à homme du tac au tac

Des weiteren treten bei Wortpaaren mit identischen Elementen folgende Verknüpfimgsmuster auf: (2-24) de A en A de bout en bout d'année en année

Apar A jour par jour

A pour A mot pour mot

Das koordinative Element fehlt in Ausdrücken, die eine Struktur wie être boulot boulot aufweisen. Hier wird durch die Wiederholung eine massive Verstärkung der Bedeutung des einzelnen Wortes erreicht. Gleichzeitig wird durch die Stellung der Substantive in der Position, wo eigentlich ein prädikatives Adjektiv erwartet wird, ein Überraschungseffekt erzielt. Der bezeichnete Mensch wird in dem Ausdruck être boulot boulot mit seiner Arbeit gleichgesetzt, und durch die Doppelnennung werden mögliche andere seiner Eigenschaften, die im folgenden genannt werden könnten, ausgeschlossen. Eine ähnliche Struktur weisen Formulierungen der Art c 'est une femme femme oder manger beaucoup beaucoup auf.4 Da es sich jedoch nicht eindeutig um eine parallelistische, gleichwertige Struktur handelt und keine starke Lexikalisierung vorliegt, ist die Bezeichnung solcher Ausdrücke als reine Zwillingsformeln nicht zu rechtfertigen. Zu den PWP mit zwei identischen Elementen sind auch diejenigen zu rechnen, bei denen die zweite Komponente eine formale Abwandlung der ersten ist. Dies kann durch Deklination geschehen (was natürlich im Französischen nicht möglich ist), durch Konjugation

4

Laut Danon-Boileau handelt es sich bei Wiederholungen dieser Form nicht hauptsächlich um ein Mittel der Expressivitätssteigerung, sondern eher um die Beschreibung der Eigenschaften eines Prototyps (vgl. dazu Danon-Boileau 1993: 82).

28

oder Komposition (Malkiel 1959: 126). Aus dem vorliegenden Korpus sind diesbezüglich die Beispiele (2-25) a. bis c. anzuführen: (2-25) a. [on ne peut pas] être et avoir été b. ni fait ni à faire c. [convoquer] le ban et l'arrière-ban

2.4

Reduplikativa

Bei Reduplikativa handelt es sich um die Verdopplung von ganzen Wörtern oder Wortsegmenten. Dreigliedrige Reduplikativa sind selten (z.B. bla-bla-bla). Viele Doppelformen bestehen aus der Wiederholung lautmalerischer Elemente und dienen der Bezeichnung von Tieren oder Gegenständen (z.B. dindin „Glöckchen"). Reduplikativa sind oft der gesprochenen Kindersprache oder dem Argot zuzurechnen (z.B. dodo), einige gehören jedoch auch der Standardsprache an (z.B. bébé, maman, joujou, bonbon) (Thiele 1993: 103, Kocher 1921: 1). Hier sollen allerdings nur Teilreduplikationen betrachtet werden, in denen meistens ein bereits bestehendes Wort gedoppelt, dabei aber ein Phonem verändert wird, weil die Art, in der Konsonanten und Vokale dabei variiert werden, auf eine Präferenzordnung in der Abfolge von Phonemen hinweist, die z.T. auch für „nicht gedoppelte" Wortpaare gilt. Die Untersuchung der Reihenfolge von Lauten ist bei Reduplikativa besonders effektiv, weil semantische Ursachen für die Bevorzugung einer bestimmten Abfolge weitgehend ausgeklammert werden können. Das modifizierte Segment ist meistens eine Neuschöpfung, die nur im Zusammenhang des Reduplikativums auftritt. Besonders häufig handelt es sich bei diesen Formen um Ablautbildung, also einen Wechsel des betonten Vokals, vgl. (2-26): (2-26) allons-y, allonzo! („laßt uns gehen") bric-à-brac („Trödelkram") bim-bam-(boum) clic-clac („klick, klack, Klappen, Knallen") clopin-clopant („humpelnd, hinkend") flic-flac („klitsch, klatsch") méli-mélo („Tohuwabohu") patati, patata („und so ging es weiter") ping-pong („Tischtennis") prêchi-prêcha („Gequatsche") tic-tac („Ticktack") zigzag („Zickzack")

Seltener sind „[...] Reimbildungen, in denen lediglich die Anlautkonsonanten der beiden Segmente variieren [...]" (Thiele 1993: 104): (2-27) tirelire („Sparbüchse") tohu-bohu („Tohuwabohu") pêle-mêle („bunt durcheinander")

29 Mayerthaler (1977: 48) stellt fest, daß bei onomatopoetischen Echowörtern entweder ein vokalischer oder ein konsonantischer Wechsel auftritt, nie aber gleichzeitig Ablaut und Konsonantenkontrast. Aus diesem Grund sind fast alle Teilreduplikativa Minimalpaare und eignen sich zur Untersuchung von Vokal- und Konsonantenabfolgen (vgl. Kap. 6.2). Die Grenze von zweigliedrigen Phraseologismen zu Reduplikativa ist nicht immer klar zu ziehen. Kennzeichen für ein phraseologisches Wortpaar kann das koordinative Element, d.h. die Konjunktion oder Präposition, zwischen zwei identischen oder formal ähnlichen Wörtern sein. Wenn es sich beim zweiten Element eines Phraseologismus um eine leichte Abänderung des ersten Elementes handelt, so wird hier bewußt ein Bedeutungsunterschied versprachlicht (z.B. au vu et au su [de tout le monde]). Die Segmente der Reduplikativa tragen hingegen nicht jeweils eine eigene Bedeutung, sondern die Bedeutung eines Segments wird (manchmal leicht variiert) verdoppelt (allons-y, allonzo!).

3 Semantische Analyse

3.1 Zur Semantik von Phraseologismen und phraseologischen Wortpaaren

Da es sich bei den meisten Phraseologismen des Korpus um Idiome, d.h. Redewendungen mit übertragener Bedeutung handelt, erscheint eine semantische Analyse relativ kompliziert. Man sieht sich neben der wörtlichen Bedeutung ständig mit einer idiomatischen Bedeutung konfrontiert, deren Zustandekommen erklärt werden will. In diesem Kapitel soll demnach versucht werden, den Zusammenhang zwischen wörtlichen Einzelbedeutungen und der idiomatischen Gesamtbedeutung zu beschreiben und die Übertragungsvorgänge zu klassifizieren. Auch wenn es mittlerweile eine Fülle von Definitionsansätzen fur Phraseologismen gibt (vgl. Pilz 1981: 17ff.), so gilt die Lexikalisierung als eines der zentralen Kriterien für die Abgrenzung von freien Wortgruppen (vgl. z.B. Thiele 1990: 88ff.). Phraseologismen sind lexikalische Einheiten, Zeichen, welche somit der langue angehören (Wissemann 1961: 235). Man könnte sich demnach damit begnügen, Idiomen eine Gesamtbedeutung zuzuordnen, ohne weiter auf die innere Struktur einzugehen. So wird man dem Status der Idiome als lexikalische Einheiten zwar gerecht, der häufig noch vorhandene Motivierungszusammenhang von wörtlicher und idiomatischer Bedeutung wird auf diese Weise jedoch vernachlässigt.1 Selbst wenn eine idiomatische Redewendung als Ganzes eine Einheit der langue ist, so besteht sie doch aus mehreren Einzellexemen (welche bis zu einem gewissen Grad mit freien Morphemen vergleichbar sind). Aus diesem Grund hat man Phraseologismen auch als „Hyperzeichen" („hypo-signes", Rey 1976: 838) oder „Sprachzeichenkombinationen" (Heller 1980: 180) bezeichnet, also Zeichen, die aus mehreren Einzelzeichen zusammengesetzt sind. Diese Einzelzeichen sind natürlich ebenfalls Einheiten der langue und tragen unabhängig von ihrer Verwendung im Idiom eine bestimmte Bedeutung2. Für Wissemann (1961: 226f.) handelt es sich beim Wortgruppenlexem, weil es, im Vergleich zum Einzellexem, mehrere Bedeutungsträger enthält, auch wenn die gleiche Sachbezogenheit vorliegen sollte, um einen Unterschied im „sprachbezogenen Bedeutungserlebnis".3 Allein das Phänomen der volksetymologischen Umdeutung oder Umbildung zeigt das Bewußtsein des Sprechers für Einzelbedeutungen oder nicht mehr durchsichtige sprachliche Formen im komplexen Ausdruck. Um der inneren Struktur von Idiomen gerecht zu werden, ist also vorab die Erfassung der beteiligten Komponenten in ihrer externen Bedeutung erforderlich.

Vgl. die Behandlung von Idiomen in der Generativen Transformationsgrammatik. Idiomatische Ausdrücke stellen für die semantische Interpretation innerhalb eines generativen Syntaxmodells ein Problem dar, wobei eine (jedoch eher unbefriedigende) Lösungsmöglichkeit die Behandlung von Idiomen als ein einziges Formativ wäre (vgl. Weinreich 1972: 438ff., Burger 1973: 62ff.). 2 3

Eine Ausnahme stellen freilich „unikale Komponenten" dar. ,,[...D]ie Tendenz, vom Namen auf die Sache zu schließen, [ist] in uns allen mächtig, nicht nur im Kinde, das seine Muttersprache lernt und glaubt, Meerschweinchen sähen aus wie kleine Schweine und lebten im Meer [...]" (Wissemann 1961: 230).

32 Ein weiteres Problem auf der Ebene der internen Bedeutung wirft die Erfassung der Bedeutung von Phraseologismen auf. Die methodisch praktikabelste Möglichkeit ist dabei, mit lexikographischen Definitionen zu arbeiten, da sie schnell aufzufinden sind und meist einen großen Grad an Zuverlässigkeit besitzen. Dobrovols'kij (1981) macht aber zu Recht darauf aufmerksam, daß es sich bei Phraseologismen lediglich in bezug auf die Grundbedeutung um Synonyme bereits existierender Ausdrücke handelt. „Der Phraseologismus entsteht [jedoch] [...] hauptsächlich zum Zweck der Schaffung konnotierter Aussagen" (Dobrovols'kij 1981: 446). Der Unterschied in der Bedeutung liege in sog. „latenten Semen", die der Phraseologismus normalerweise im Gegensatz zur lexikographischen Definition zusätzlich aufweise. „Latente Seme" zeigen ihre Wirkung v.a. in bezug auf „Konnotationen", „syntagmatische Restriktionen" und „situativ-pragmatische Präsuppositionen" des Phraseologismus. Diese zusätzlichen Bedeutungsanteile hängen stark mit den zwei Bedeutungsebenen von idiomatischen Phraseologismen zusammen, denn die Einzelbedeutungen der Komponenten phraseologischer Ausdrücke gehen trotz Lexikalisierung des Gesamtausdrucks nicht vollkommen unter, sondern schweben in der Semantik des Phraseologismus [mit]. Mitschweben kann sie [die direkte Bedeutung der Konstituenten] aber nur in Form bestimmter Seme, die ,die Doppelnatur' der phraseologischen Semantik bedingen (Dobrovols'kij 1981: 446f.)"

Wenn im folgenden mit lexikographischen Definitionen gearbeitet wird, so geschieht dies in dem Bewußtsein, daß es sich in vielen Fällen nur um Grundbedeutungen handelt und u.U. dem Phraseologismus eigene Seme fehlen. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist jedoch nicht, detaillierte Definitionen für Phraseologismen mit allen Konnotationen und Kombinationsbeschränkungen zu erarbeiten, wie es z.B. für ein Wörterbuch notwendig wäre, sondern in erster Linie, das Entstehen der Grundbedeutung, d.h. das Funktionieren der Bedeutungsübertragung in idiomatischen Ausdrücken, zu beschreiben. Möchte man die Semantik (und u.U. den stilistischen Wert) von phraseologischen Wortpaaren erfassen, so erfordert dies u.a. eine Beschreibung der semantischen Relationen der zwei beteiligten Einzellexeme. Rein formal handelt es sich um eine zweigliedrige, symmetrische Struktur vom Typ A et Β oder A ou Β (wenn man sich zunächst auf die konjunktionalen Verknüpfungsmuster beschränkt). Da die beteiligten Elemente der gleichen Wortart angehören und syntaktisch gleichberechtigt nebeneinander stehen, erscheinen die Konditionen für eine Analyse der semantischen Relationen der Einzelelemente A und Β günstig. (3-1 )

Dort stehen eine Flasche und ein Glas

In (3-1 ) handelt es sich bei der Relation von Flasche und Glas um Kontiguität; die Gesamtbedeutung des Satzteils ist gleich der Summe seiner Einzelbedeutungen und kann bei koordinativen Ausdrücken als Vereinigungsmenge der Bedeutungen von A und Β beschrieben werden. Allerdings stößt man bei der Untersuchung phraseologischer Wortpaare sehr schnell auf das Problem, daß die idiomatischen Wendungen zwei Bedeutungsebenen aufweisen: Einerseits kann man die wörtlichen Bedeutungen der Einzellexeme betrachten und ihre seman4

Zur Bedeutung vom Phraseologismen im Unterschied zu Einzellexemen mit übertragener Bedeutung siehe auch Cernyseva (1981). Zu dem „Mehr" an Bedeutung sowohl im Bereich der denotativen als auch der konnotativen Bedeutungsanteile vgl. auch Wotjak (1992: 24-30).

33 tischen Relationen bestimmen. Andererseits darf nicht einfach die idiomatische Gesamtbedeutung des Ausdrucks außer acht gelassen werden. Aus diesem Grund ist es unerläßlich, auch die Funktion, welche die Einzelbedeutungen innerhalb der übertragenen Gesamtbedeutung annehmen, zu untersuchen, um so das Zustandekommen der idiomatischen Bedeutung zu erklären. Handelt es sich z.B. bei den isoliert betrachteten Lexemen miel und sucre noch um ein semantisches Verhältnis der Bedeutungsähnlichkeit in einem sehr weiten Sinne, so kann man doch behaupten, daß sie in dem Phraseologismus [être] tout sucre tout miel (,se donner une apparence de douceur' RC) die Funktion von Synonymen erfüllen. 5 Es ist demnach wichtig, vorab eine Unterscheidung der beiden Bedeutungsebenen vorzunehmen. Vor einer Analyse des Übertragungsvorgangs wird jedoch zunächst die Beschreibung der semantischen Verhältnisse auf der Ebene der externen (wörtlichen) Bedeutung vorgenommen. Nach der Untersuchung der Bildbereiche der Einzellexeme soll auch festgestellt werden, ob die Gesamtbedeutungen der Phraseologismen nach bestimmten Bezeichnungsbereichen klassifiziert werden können. Somit erhält man einerseits einen Überblick darüber, was bezeichnet wird und andererseits wie es bezeichnet wird. Darauf kann dann anhand der Bestimmung der semantischen Relationen zwischen A und Β eine genauere Analyse des semantischen Aufbaus folgen.

3.2 Bildbereiche in der externen Bedeutung

Die Einzellexeme in gewürfelt", sondern tragenen Bedeutung. d.h. „bildspendenden und es sollen die am um einen Überblick halten.

Phraseologismen sind nicht beliebig aus dem Lexikon „zusammenbestimmte Bildbereiche dienen bevorzugt als Grundlage der überDeshalb soll untersucht werden, aus welchen inhaltlichen Bereichen, Feldern" (nach Weinrich 1976: 284) die beteiligten Wörter stammen, häufigsten beteiligten Lexeme und ihre Sinnbezirke ermittelt werden, über die bemühten und beliebtesten Bildbereiche/Metaphern zu er-

Die Herkunftsbereiche der Bilder und Metaphern in der Idiomatik geben wichtige Aufschlüsse darüber, welche Umwelt- und Welterscheinungen dem Menschen am nächsten liegen, aus welchen Erfahrungen und Vorstellungen er schöpft, wenn die Welt versprachlicht werden muß (Palm 1997:

38)6 Auch im vorliegenden Korpus häufen sich bestimmte semantische Bereiche, welche ausgeschöpft werden, um metaphorische und metonymische Bedeutungen zu schaffen. Diese Bereiche werden im folgenden mit einigen exemplarischen Beispielen und den am häufigsten auftretenden Lexemen genannt, in der Erwartung, daß sie dem Bild, das die gesamte französische Idiomatik in dieser Beziehung abgibt, einigermaßen entsprechen. Es ist un-

5

In welcher Bedeutung die Begriffe der semantischen Relationen (wie Synonymie, Kontiguität, Antonymie etc.) hier gebraucht werden, wird weiter unten diskutiert, Kap. 3.5.

6

An dieser Stelle soll jedoch nicht mittels sprachvergleichender Studien die kulturelle Abhängigkeit bestimmer Metaphern diskutiert oder gar nachgewiesen werden.

34 wahrscheinlich, daß die besondere syntaktische Struktur, die in dieser Arbeit im Vordergrund steht, großen Einfluß auf die Herkunftsbereiche der Bilder hat. Allerdings könnte es sein, daß bevorzugt Lexeme verwendet werden, die sich leicht in binären Kontrast zu einem anderen Lexem stellen lassen, um die formal-zweigliedrige Struktur auch inhaltlich zu stützen. Die meisten PWP sind dabei nur einem Bildbereich zuzuordnen; nur wenige Fälle weisen eine gemischte Zusammenstellung auf, in der die beiden Lexeme aus unterschiedlichen semantischen Gruppen stammen. Diese Wortpaare (dazu gehören z.B. vivre d'amour et d'eau fraîche oder ménager la chèvre et le chou) wurden dann beiden Gruppen zugeordnet. Erwartungsgemäß bestätigt sich auch im vorliegenden Korpus ein Anthropozentrismus: Die Lexeme, die Körperteile bezeichnen, rangieren mit 36 PWP an erster Stelle7. (3-2)

g Körper( teile) / Organe pieds et poings [liés] [suer] sang et eau au nez et à la barbe [de qn.] en chair et en os [n'avoir] que la peau et les os bon pied bon œil [faire] des pieds et des mains corps et âme corps et bien 9 au doigt et à l'œil [couper] bras et jambes à qn. tout yeux tout oreilles de bouche à oreille de la tête aux pieds

Lexeme, die im Gesamtkorpus in drei oder mehr PWP auftreten, werden im folgenden mit der Vorkommenszahl genannt: pied tête chair œil / yeux

7 6 5 4

Auffällig ist, daß nach Schemanns Auswertung seiner Deutschen Idiomatik (Schemann 1993: XCVff.) zwar auch die Körperteile die höchste Frequenz aufweisen. Allerdings ran-

7

8 9

So auch in dem idiomatischen Wörterbuch von Lafleur (1984), dem (vor dem alphabetischen Teil) ein nach den frequentesten Nominalkomponenten geordneter thematischer Teil vorangestellt ist: „Que le corps humain ait donné naissance au plus grand nombre de locutions, rien de plus facile à comprendre [...]" (Lafleur 1984: XXI). Die häufigsten Körperbezeichnungen sind hier tête, cœur, main, œil, nez, oreille, pied (vgl. auch eine Auswertung referiert bei Greciano 1991: 71). Beispiele hier und im folgenden immer nur in Auswahl. Vgl. zu corps et bien die Erklärung von Dupuy (1992: 20), wonach mit corps in diesem Zusammenhang ursprünglich nicht „Körper", sondern „Schiffsrumpf' gemeint war.

35 gieren hier die deutschen Lexeme Hand und Auge an den ersten Stellen, wohingegen in unserem Korpus frz. main nur zweimal vorkommt. 10 Dieser Anthropozentrismus wird weiter unterstützt durch den zweitgrößten Herkunftsbereich mit insgesamt 19 PWP, die Lexeme, die den Menschen selbst bezeichnen, enthalten": (3-3)

Menschen [contenter] tout le monde et son père [défenseur] de la veuve et de l'orphelin tel maître, tel valet tel père, tel fils de père en fils [ne connaître qn.] ni d'Ève ni d'Adam [courtiser] la brune et la blonde

Häufigstes Lexem ist père (5), alle anderen Lexeme (wie auch mère und fils) treten nur in ein bis drei PWP auf. Mit jeweils 16-18 PWP, in denen zugehörige Begriffe verwendet werden, bilden die Bildbereiche „Zeit", „Natur", „Abstrakta", „Raum", „Mengenangaben / Maßangaben / Geld" und „Nahrungsmittel" die folgenden größeren Gruppen. Auffällig häufig sind Begriffe, die in irgendeiner Form temporale Angaben verarbeitet haben. Dabei treten in erster Linie die das menschliche Leben bestimmenden und durch natürliche Vorgänge vorgegebenen Zeitintervalle und -punkte (z.B. „Tag", „Nacht", „Jahr", „Abend") auf. Neben graduierbaren temporalen Ausdrücken (tôt, tard) und Deiktika (maintenant, autrefois) werden nur in dem Fall à Pâques ou à la Trinité über christliche Feste konventionalisierte Zeitpunkte (zu der allgemeinen Bedeutung „nie") metaphorisiert. Diese Quantität an Zeitangaben ist offenbar eine Besonderheit unseres PWP-Korpus, da es in Lafleurs (1984) Auflistung nach Themenbereichen weder eine entsprechende Gruppe gibt noch die Lexeme in anderen Gruppen auftauchen. (3-4)

Zeit [venir] à son jour et à son heure nuit et jour / jour et nuit en (son) temps et lieu du matin au soir et du soir au matin de jour en jour autrefois et maintenant d'ores et déjà tôt ou tard à Pâques ou à la Trinité

10

jour

7

nuit

2

temps

2

Ähnlich die Auflistung der häufigsten Nominalkonstituenten in deutschen Phraseologismen bei

Dobrovols'kij (1988: 126), in der Hand, Kopf, Auge und Herz an den ersten Stellen rangieren. ' ' Nominationsstereotype vom Typ frères et sœurs sind hier nicht mitgerechnet worden.

36 Das Lexem mit der höchsten Frequenz ist hier jour (die Zeit, in der der Mensch wach ist, arbeitet, lebt), welches in sieben Wortpaaren jeweils mindestens einmal auftritt. V.a. die verschiedenen präpositionalen Verknüpfungen von jour sind verantwortlich fur das häufige Vorkommen (z.B. de jour en jour, jour par jour). (3-5)

Natur (Geländeformationen, Wetter, Universum) [promettre] monts et merveilles feu et flammes par monts et par vaux [faire] la pluie et le beau temps [c'est] l'eau et le feu entre ciel et terre [contre] vents et marées [mettre le doigt] entre l'arbre et l'écorce

Im Bereich der Naturphänomene scheint das Feuer die größte Wichtigkeit bei der Versprachlichung der Welt zu haben. Feu tritt immerhin in sechs PWP auf; eau hingegen nur in zwei. 1 2 Die Abstrakta stammen in erster Linie aus den Bereichen Moral / Ehre / Gesetz / Verstand, wobei sich hier und bei den folgenden Bezeichnungsgruppen keine Lexeme auffällig häufen:

12

(3-6)

Abstrakta [n'avoir] ni foi ni loi sans rime ni raison liberté, égalité, fraternité à tort ou à raison

(3-7)

Raum ni de près ni de loin en (son) temps et lieu en lieu et place [de qn.] ici et là

(3-8)

Mengenangaben / Maßangaben / Geld [n'avoir] ni sou ni maille [risquer] le tout pour le tout avec poids et mesure tant et plus

(3-9)

Nahrungsmittel / Essen / Trinken [se demander si c'est] du lard ou du cochon [il y a] à boire et à manger [être] tout sucre tout miel [être] au pain et à l'eau pur jus, pure laine

Diese Feststellung bestätigt zumindest fïir feu und eau in etwa die Liste der fünfzig häufigsten Phrasemkomponenten in Greciano (1991: 71, Auswertung aus Lafleur 1984), in der eau, an fünfter, air an achter und feu an neunter Stelle stehen.

37 Eine weitere größere Gruppe bildet die „Tierwelt". Ein Vergleich mit den Auflistungen von Lafleur (1984) führt diesmal trotz einer etwas anderen Aufteilung zu keinem großen Widerspruch: „Le règne animal" stellt in seiner Aufteilung die zweitgrößte Themengruppe dar; im vorliegenen Korpus treten 14 Wortpaare aus diesem Herkunftsbereich auf: (3-10)

Tierwelt [il boirait] la mer et ses poissons [s'entendre comme] chien et chat entre chien et loup [passer] du coq à l'âne

Bei den Tieren tritt eindeutig als häufigstes Lexem chat auf (dreimal). Chien und poisson sind jeweils noch in zwei PWP vertreten. 13 Wortpaare enthält die Gruppe „Sprache / Schrift", die zum Teil auch metasprachliche Äußerungen enthält: (3-11) Sprache/ Schrift des si et des mais [ne savoir] ni a ni b

Als kleinere semantische Bereiche sind noch die Bereiche „Kleidung / Attribute des Menschen", „Handwerk / Arbeit", „Haus / Haushalt", „Bewegung", „Abstrakta", „Raum", „körperlicher Zustand / Aussehen" und „Glaube / Religion" mit jeweils zwischen neun und elf Vertretern zu nennen, vgl. (3-12) bis (3-17). Die Herkunftsbereiche „Leben / Tod", „Musik" und „Farben", welche auch zentrale Inhalte des menschlichen Lebens darstellen, bilden jedoch nur kleine Gruppen von vier bis sieben Wortpaaren, vgl. (3-18) bis (3-20) Im folgenden sollen exemplarisch einige PWP für jeden dieser Bildbereiche und die zugehörigen Lexeme (wenn sie sich häufen) genannt werden: (3-12) Kleidung / Attribute des Menschen [avec] armes et bagages [être comme] cul et chemise (3-13)

Handwerk [être] entre le marteau et l'enclume [bâtir] à chaux et à sable

(3-14)

Bewegung aller et venir [être] par voies et par chemins

Formen von aller

5

Formen von venir

3

(3-15) körperlicher Zustand / Aussehen sain et sauf frais et dispos (3-16) Religion / Glaube [ne craindre] ni Dieu ni le diable [n'avoir] ni foi ni loi

38 Dieu

4

diable

3

(3-17)

Haus / Haushalt [avoir] le lit et le couvert [chez qn.] de la cave au grenier

(3-18)

Leben / Tod entre la vie et la mort [passer] de vie à trépas

vie

4

mort

3

(3-19)

Farben [dire] blanc et (puis) noir bleu, blanc (et) rouge

blanc (3-20)

Musik sans tambour ni trompette [en avoir] l'air et la chanson

3.3

B e z e i c h n u n g s b e r e i c h e in der internen B e d e u t u n g

Im vorigen Kapitel wurden die Herkunftsbereiche der Einzellexeme nach semantischen Gruppen sortiert, um einen Überblick über die am häufigsten verwendeten Bilder zu erhalten. Damit wurde aber noch nicht darauf eingegangen, welche Bedeutungen die Phraseologismen eigentlich haben, d.h., was sie jeweils als eine ganze Einheit bezeichnen. Nach Weinrich (1976: 2 8 4 ) handelt es sich um die „bildempfangenden Felder". Als Ergebnis einer eingehenden Betrachtung kristallisieren sich auch hier bevorzugte Themen heraus, die jedoch teilweise weniger klar zu bestimmen sind, da es sich vielmals nicht mehr um konkrete Sachbereiche, sondern um abstrakte und komplexere Bedeutungen handelt. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, daß Metaphern gerne Abstraktes mit Konkretem beschreiben. Zum anderen sind P W P Mehrwortlexeme, denen allein schon aufgrund der mehreren beteiligten Einzelbedeutungen, welche in fast allen Fällen in irgendeiner Beziehung zu der Gesamtbedeutung stehen, eine gewisse Komplexität unterstellt werden kann. Im folgenden werden nun die größten Bezeichnungsgruppen mit Beispielen genannt. Des weiteren besteht jetzt die Möglichkeit, einen Vergleich zwischen der jeweiligen Bezeichnungsgruppe und dem zugehörigen Bildbereich zu ziehen. Es soll also festgestellt werden, mit welchen Lexemen bevorzugt bestimmte Bedeutungen in Phraseologismen umschrieben werden, d.h., mit welchen Metaphern bzw. Metonymien eine eventuelle Bedeutungsübertragung zustande kommt.

39 Liebe. Freundschaft, Vertrauen, Emotionen Zahlenmäßig am stärksten vertreten sind die Phraseologismen, welche die zwischenmenschlichen Beziehungen und Gefühlsregungen des Menschen sowohl im positiven als auch im negativen Sinne thematisieren: (3-21) le cher et tendre [vivre] d'amour et d'eau fraîche une chaumière et un cœur (3-22) [courtiser] la brune et la blonde de vous à moi de pair à compagnon (3-23) feu et flammes [être] tout feu tout flamme

In den meisten dieser PWP treten Lexeme auf, die aus dem gleichen inhaltlichen Bereich wie die Gesamtbedeutung stammen, also: amour, cher, cœur etc., vgl. (3-21). Des weiteren werden Wörter benutzt, die Personen (auch pronominal) als Beteiligte der zwischenmenschlichen Beziehungen bezeichnen: compagnon, vous, moi, la brune, la blonde etc., vgl. (3-22). In den zwei PWP die mit den Lexemen feu und flamme gebildet sind, wird mit bereits konventionalisierten Metaphern auf die übertragene Bedeutung .Leidenschaft' verwiesen, vgl. (3-23). Streit / Auseinandersetzungen (3-24) [ne chercher que] plaies et bosses (3-25) [avoir] bec et ongles [jouer] au chat et à la souris [avec qn.] [s'entendre comme] chien et chat (3-26) [c'est] l'eau et le feu [être] entre le marteau et l'enclume [mettre le doigt] entre l'arbre et l'écorce [couper] bras et jambes [à qn.] [ne faire] ni chaud ni froid [rendre] le mal pour le mal

Für diese Gruppe ist vor allem die Tiermetaphorik beliebt, vgl. (3-25). Nur in (3-24) werden Lexeme (plaies, bosses) verwendet, die aufgrund ihrer externen Bedeutung metonymisch direkt auf den Bezeichnungsbereich „Streit, Auseinandersetzung" verweisen. Des weiteren werden Konkreta aus den Inhaltsbereichen „Natur", „Körper", „Handwerk" verwendet, vgl. (3-26).

40 Gespräch / Diskussion / Meinung Auseinandersetzungen und Verhalten in Diskussion und Gespräch sowie dort behandelte Themen bilden eine weitere größere Bezeichnungsgruppe: (3-27) des si et des mais le pour et le contre mot à mot [parler] haut et clair [dire] blanc et (puis) noir des vertes et des pas mûres [parler] de la pluie et du beau temps (3-28) [aller] du blanc au noir du tac au tac de fil en aiguille

Hier finden sich erwartungsgemäß einige metasprachliche Ausdrücke, v.a. in den verbalen Phraseologismen {parler, dire), vgl. (3-27). Zeit Auch Zeitpunkte und -spannen werden gerne mit Hilfe von Phraseologismen bezeichnet: (3-29) autrefois et maintenant d'ores et déjà tôt ou tard nuit et jour / jour et nuit en (son) temps et lieu du matin au soir et du soir au matin de jour en jour d'année en année [c'est] le moment ou jamais de temps en temps jour pour jour à Pâques ou à la Trinité à la vie (et) à la mort (3-30) de but en blanc entre chien et loup

In dieser Gruppe fällt auf, daß fast alle Ausdrücke auf der Grundlage von zeitreferentiellen Einzellexemen entstanden sind, vgl. (3-29). Bei à Pâques und à la Trinité handelt es sich lediglich um zusammengesetzte - Temporalausdrücke. In à la vie (et) à la mort könnte man u.U. vie und mort als Temporalausdrücke auffassen, da sie einen Zeitabschnitt bzw. einen Zeitpunkt bezeichnen. Bei (3-30) sind jedoch komplizierte Übertragungsvorgänge notwendig, um den Wendungen eine temporale Gesamtbedeutung zukommen zu lassen.

41

Quantität Wenn es darum geht, die Menge oder die Größe von Sachverhalten zu beschreiben, werden ebenso gerne phraseologische Wendungen verwendet wie bei qualitativen Aussagen: (3-31)

peuouprou tant et plus plus ou moins ni plus ni moins des mille et des cents du tout au tout

(3-32) en long et en large de fond en comble au fur et à mesure (3-33) de A (jusqu') à Z l'alpha et l'omega

Diese Wendungen werden überwiegend mit Lexemen gebildet, die relative oder absolute Mengenangaben machen, vgl. (3-31) Des weiteren finden sich raumreferentielle Ausdrücke (3-32) und mit A und Ζ bzw. alpha und omega Ausdrücke, deren Bedeutungen eindeutig in bezug auf ihre räumlichen Positionen zuzuordnen sind, vgl. (3-33). Qualität (3-34) de mal en pis ni bien ni mal [c'est] du pareil au même (3-35) [c'est] bonnet blanc et blanc bonnet [compter pour] du poivre et du sel de gré ou de force [tomber] de Charybde en Scylla ça va (et) ça vient [il y a] à boire et à manger [ne faire que] croître et embellir

Qualitative Aussagen werden nur in drei Phraseologismen mit Hilfe von ursprünglich qualitativen Lexemen gebildet, vgl. (3-34). Bei den restlichen PWP in (3-35) liegen komplexere Übertragungsvorgänge vor. Körperlicher Zustand / Aussehen Der menschliche Körper, sein Zustand und Aussehen ist offensichtlich ein weiterer Schwerpunkt fur phraseologische Bezeichnungen, wenn er auch nicht die gleiche herausragende Stellung wie bei den Bildbereichen in der externen Bedeutung einnimmt: (3-36) frais et dispos sain et sauf [n'avoir que] la peau et les os bon pied bon œil

42 [rendre] tripes et boyaux [les cheveux] poivre et sel (3-37) entre la vie et la mort des hauts et des bas

In vielen dieser Redewendungen treten Lexeme auf, die aus dem Bildbereich der Körperbezeichnungen stammen, vgl. (3-36). Dies verwundert nicht, da es sich bei dieser Bezeichnungsgruppe um konkrete Bedeutungen handelt, die aber selbst noch einmal zu metaphorisieren zwar prinzipiell möglich (z.B. Augapfel) aber weitaus seltener als der umgekehrte Fall, die Konkretisierung von Abstrakta, ist. Die folgenden kleineren Bezeichnungsgruppen werden noch genannt, da sie zahlenmäßig einen erwähnenswerten Anteil ausmachen. (3-38) Bewegung / Reise [être] par voies et par chemins un aller et retour aller et venir va-et-vient [ne remuer] ni pied ni patte [ne faire qu']entrer et sortir par monts et par vaux (3-39)

Charakter l'aveugle et le paralytique [en avoir] l'air et la chanson [faire] la pluie et le beau temps [ne craindre] ni Dieu ni le diable

(3-40) Geld / Reichtum [devoir] à Dieu et au diable [devoir] au tiers et au quart [n'avoir] ni sou ni maille (3-41) Gesellschaft / Familie [ne pas mélanger] les torchons et les serviettes tel maître, tel valet de père en fils les us et coutumes

Verhalten in problematischen Situationen Zum Abschluß soll noch eine relativ große, aber insgesamt sehr heterogene Gruppe von Phraseologismen vorgestellt werden, die menschliche Verhaltensweisen in bestimmten, meist problematischen Situationen beschreiben. In den meisten dieser Fälle handelt es sich um verbale Phraseologismen, d.h., ein Verb gehört obligatorisch zur Redewendung und beschreibt eine Handlung, die dann durch ein Wortpaar näher charakterisiert wird. Bei diesen Verben handelt es sich wiederum in den meisten Fällen um Verben mit aktivischer, konkreter Bedeutung (convoquer, prendre, faire, remuer). Die Objekt-Lexeme bzw. die

43 eigentlichen Wortpaare stammen überwiegend aus konkreten Bildbereichen (z.B. Körperteile, Natur). (3-42) [convoquer] le ban et l'arrière-ban [prendre] fait et cause [prendre] son sac et ses quilles [faire] des pieds et des mains [remuer] ciel et terre (3-43) [suer] sang et eau [contre] vents et marées [être] tout yeux tout oreilles

Während die in (3-42) und (3-43) genannten Redewendungen ein Verhalten neutral beschreiben oder es in einem eher positiven Sinne bewerten (z.B. besonderes Engagement, große Tatkraft, Aufmerksamkeit), sind die folgenden PWP (3-44) negativ konnotiert. Sie umschreiben ein Verhalten, das eigentlich unmöglich ist und somit keinen Erfolg verspricht, oder benennen eine Handlungsweise, die von Scheinheiligkeit und/oder Heimlichkeit geprägt ist: (3-44) [contenter] tout le monde et son père [ménager] la chèvre et le chou [promettre] monts et merveilles [être] tout sucre tout miel au nez et à la barbe [de qn.] entre cuir et chair

3.4 Zusammenfassung von 3.2. und 3.3

Bei der Betrachtung der Bild- und Bezeichnungsbereiche fiel auf, daß sich die Schwerpunkte der jeweiligen inhaltlichen Gruppen stark unterscheiden. Während in den Bildbereichen die Lexeme zu großen Teilen aus den konkreten Bereichen „Körperteile", „Mensch", „Nahrungsmittel / Essen / Trinken", „Natur" usw. stammen, handelt es sich bei den Gesamtbedeutungen der Phraseologismen um abstraktere Inhalte. Im Vordergrund stehen dabei eindeutig die menschlichen Beziehungen mit den unterschiedlichsten Untergruppen (Liebe, Streit, Gespräch) sowie menschliches Verhalten in besonderen Situationen, v.a. wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen oder Partei zu ergreifen. Ferner werden der körperliche Zustand des Menschen und seine optische Erscheinung thematisiert. In einem ebenfalls nicht unbeträchtlichen Anteil von PWP werden Aussagen über Quantität und Qualität von Dingen / Sachverhalten gemacht. Auffällig ist, daß „Zeit" sowohl als Herkunftsbereich als auch als Bezeichnungsgruppe in vielen Redewendungen auftritt. PWP mit zeitreferentieller Gesamtbedeutung werden nicht auf der Basis von fremden Bildbereichen geschaffen, und bei einem Großteil dieser Ausdrücke handelt es sich um nichtidiomatische oder nur leicht idiomatische Phraseologismen.

44 Auch wenn sich Bild- und Bezeichnungsbereiche (bis auf den Ausnahmefall „Zeit") wesentlich unterscheiden, so kann man dennoch bei den meisten PWP einen Zusammenhang zwischen den Bedeutungen der Einzellexeme bzw. ihrem Herkunftsbereich und der Gesamtbedeutung feststellen, d.h., es handelt sich in vielen Fällen nicht um besonders ungewöhnliche Metaphern. Die Bereiche grenzen häufig aneinander, so wie z.B. „Körperteile" als Bildbereich und „körperlicher Zustand" als Bezeichnungsbereich oder „Mensch / Person" als Bildbereich und „menschliche Beziehungen" als Bezeichungsbereich. Es zeigt sich, daß die mehrgliedrige formale Struktur der Phraseologismen, im Gegensatz zum Einzellexem, insofern Einfluß auf die Gesamtbedeutung hat, als diese komplexer und abstrakter ist.

3.5 Semantische Relationen in der externen Bedeutung

Der Prototyp des französischen phraseologischen Wortpaares hat, wie bereits erwähnt, die Form A et B. Schon bei einem ersten Blick auf das Korpus fällt auf, daß in den meisten Fällen A und Β in bestimmten semantischen Relationen stehen: „Ungeachtet ihrer Gesamtbedeutung im Kontext (figuriert bzw. nicht-figuriert), bestehen zwischen den Konstituenten A und Β semantische Beziehungen" (Hammer 1993b: 169)13. Dies verwundert nicht, da es sich bei Phraseologismen um sprachliche Elemente mit einem gewissen stilistischen Wert handelt, in denen sich sowohl formale als auch semantische rhetorische Figuren vermehrt wiederfmden. Eine adäquate Beschreibung der Semantik PWP verlangt dementsprechend eine differenzierte Beschreibung der semantischen Relation der beiden Lexeme. Malkiel (1959: 126f.) unterscheidet fünf mögliche semantische Relationen, die zwischen den Elementen seiner irreversible binomials bestehen können: Quasi-Synonymie, Komplementarität, Antonymie, Folgerungsbeziehungen und Hyponymie, wobei die beiden letztgenannten möglichen Beziehungen aber sehr selten in Wortpaaren vorkommen. Diese Kategorien sollen zunächst als Grobklassifizierung einer ersten Zuordnung dienen. Es ist aber nicht unproblematisch, alle möglichen semantischen Relationen in diese fìinf Kategorien einzuordnen. Schwierig zu beurteilen und zu klassifizieren sind z.B. Relationen, wie sie in den dt. Ausdrücken bei Nacht und Nebel14 oder mit Mann und Maus auftreten (Lambrecht 1984: 782).13 Offensichtlich besteht zwischen manchen Lexemen der PWP nur eine sehr schwache oder gar keine inhaltliche Beziehung. Aus unserem Korpus lassen sich beispielsweise die semantischen Relationen in folgenden PWP schwer zuordnen: 13

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Hammer vergleicht französische und deutsche Wortpaare u.a. im Hinblick auf ihre semantische Struktur und geht dabei kurz auf die „internen Relationen (Relationen zwischen den Konstituenten innerhalb des Wortpaares)" (1993b: 169) ein. Auch wenn in diesem Fall das gemeinsame Sem „schlechte Sicht" relativ leicht ermittelt werden kann, so bleibt eine Einordnung in die gängigen Typen der semantischen Relationen (Synonymie, Antonymie etc.) problematisch. Lambrecht (1984: 782) hält eine Klassifizierung der „binomials" in Typen semantischer Relationen prinzipiell für unbefriedigend und wenig sinnvoll zur Erklärung der Irreversibilität und Konventionalisierung von Ausdrücken. Seiner Meinung nach werden Wortpaare dann fixiert, wenn die beiden Lexeme zum gleichen semantischen Rahmen („frame") gehören.

45 (3-45) [vivre] d'amour et d'eau fraîche une chaumière et un cœur [ménager] la chèvre et le chou pur jus, pure laine [prendre] son sac et ses quilles

Vgl. auch den Ausdruck avec délices et orgues, in dem die Gemeinsamkeit der beiden Substantive ursprünglich allein grammatischer Natur war.16 Welche semantische Relation in diesen Fällen allerdings auf der Ebene der internen (idiomatischen) Gesamtbedeutung besteht und durch welche Übertragungsvorgänge sie zustandekommt, wird weiter unten diskutiert. Ebenfalls nicht zu bestimmen ist die semantische Relation bei Wortpaaren, die unikale Komponenten enthalten, welche (zumindest heute) isoliert betrachtet keine Bedeutung haben, wie z.B. au fur et à mesure, peu ou prou. In solchen Fällen muß dann die ursprüngliche Bedeutung des Wortes bzw. des Etymons herangezogen werden. Wir stellen jedoch genauso wie Hammer (1993b: 169) fest, daß diese Fälle nur einen geringen Anteil (in ihrem französischen Korpus sechs von 250, in unserem Korpus sechs von 273) ausmachen. Wie sich im folgenden, bei einer eingehenden Betrachtung des vorliegenden Korpus, herausstellen wird, sind die von Malkiel herausgearbeiteten fünf Gruppen so nicht zu übernehmen; v.a. ist es notwendig, diesbezüglich weitere Untergruppen zu bilden und eine genauere Differenzierung vorzunehmen. Als am häufigsten auftretende semantische Relationen und übergeordnete Kategorien lassen sich zunächst Ähnlichkeitsbeziehungen und Kontiguität sowie Gegensatzbeziehungen feststellen, welche im folgenden jeweils noch weiter zu untergliedern sind.17

3.5.1 Ähnlichkeitsbeziehungen In phraseologischen Wortpaaren werden häufig zwei Synonyme oder Quasi-Synonyme koordiniert. Ebenso wie das literarische Stilmittel des Hendiadyoins verleiht die Synonymendopplung in Redewendungen der Aussage Nachdruck. Betrachtet man die Einzelbedeutungen der Komponenten des Phraseologismus, kann man dabei zwar von einer semantischen Redundanz sprechen, und die Konstruktion erscheint zunächst tautologisch18. Da es sich aber um feste Fügungen handelt, ist ein Weglassen des zweiten Lexems nicht

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„Allusion pédagogique au problème du genre des pluriels amours, délices et orgues dont la compatibilité sémantique a frappé les esprits subtils" (Rey/Chantreau 1994: 384). Diese Beobachtung ist offenbar unabhängig von Einzelsprachen und Varietäten, vgl. z.B. Schmidt-Wiegand (1997: 140f.): ,,[Z]wei der wichtigsten Grundtypen des schriftlichen Formelguts überhaupt [sind]: die tautologische Formel (recht und redlich), bei der semantisch gleiche oder verwandte Wörter miteinander verbunden sind, und die kontrastive Formel (recht geben und nehmen), bei der Gegensatzbegriffe oder einander ausschließende Wörter antithetisch einander gegenübergestellt werden". Vgl. auch Nyrop (1925: 34): „On forme volontiers des pléonasmes tautologiques par la combinaison de termes synonymes. Nous citerons comme exemples les combinaisons suivantes: C 'est sûr et certain. Il est évident et manifeste que.. .Arriver sain et sauf[...\\

46 möglich und würde zur Auflösung der phraseologischen Struktur und damit zum Verlust der idiomatischen Bedeutung führen. Das Problem der Synonymie bzw. Bedeutungsähnlichkeit kann an dieser Stelle freilich nicht erschöpfend behandelt werden. Es ist jedoch notwendig, kurz Probleme aufzuzeigen und den Begriff in einer für das vorliegende Anliegen brauchbaren Weise zu bestimmen. Bedeutungsähnlichkeit oder „Synonymie im engeren Sinne" definieren Agricola/ Agricola folgendermaßen: Die Einheit a und die Einheit b haben einander ähnliche Bedeutungen [...], sie gleichen sich hinsichtlich bestimmter wesentlicher Elemente und unterscheiden sich nur in sekundären Elementen (oft auch nur durch Konnotationen, also mundartliche, regionale, historische, stilistisch u.ä. Faktoren), beziehen sich aber dennoch auf dieselbe Erscheinung der Wirklichkeit [...] (Agricola/Agricola 1979: 14f.) Dies entspricht im wesentlichen Dubois' Definition von synonymie incomplète·. „On considère comme synonymes des mots de même sens cognitif et de valeurs affectives différentes" (Dubois 1973: 477) 19 . Gauger (1972: 13) definiert Synonymität als ein „Verhältnis semantischer Ähnlichkeit zwischen zwei oder mehreren Wörtern". Als Kriterium zieht er die Austauschbarkeit in verschiedenen Kontexten heran: Die Ähnlichkeit äußert sich darin, daß in zahlreichen Sätzen, in denen eines dieser Wörter auftritt, auch die ü b r i g e n stehen könnten, ohne daß sich die Inhalte dieser Sätze entscheidend veränderten (Gauger 1972: 12)20 Wie zahlreich diese Sätze sein müssen und wie entscheidend sich der Inhalt ändern darf, bleibt aber weiterhin fraglich. Wenn man die oben zitierten Definitionen von Synonymie bzw. Bedeutungsähnlichkeit zugrunde legt, kann man immerhin schon eine gewisse Anzahl des vorliegenden Korpus beschreiben, vgl. (3-46). Um völlige Bedeutungsgleichheit oder Identität21 der beiden Elemente eines Wortpaares handelt es sich in dem vorliegenden Korpus hingegen fast nie 22 . (3-46) [parler] haut et clair [n'avoir] ni fin ni cesse en lieu et place [de qn.] ni paix ni trêve ni quoi ni qu'est-ce aux risques et périls de des si et des mais 19

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Vgl. auch Lyons' (1968: 448ff.) Definition und Problematisierung des Begriffs incomplete synonymy. Substituierbarkeit ist das Kriterium für total synonymy bzw. synonymie totale, im Gegensatz zur synonymie partielle, bei der nicht in jedem Kontext, uneingeschränkt eine Austauschbarkeit möglich ist (Lyons 1968: 447f„ Martin 1976: 115). D.h., daß zwei Wörter in jedem Zusammenhang uneingeschränkt substituierbar sind und sowohl in ihrer denotativen als auch ihrer konnotativen Bedeutung übereinstimmen (vgl. Agricola/Agricola 1979: 14 oder Dubois' 1973: 476f. Definition von synonymie complète). Einzige Ausnahme ist c 'est bonnet blanc et blanc bonnet, siehe dazu weiter unten, Bsp. (3-48). Wortpaare, in denen es sich um die Reduplikation eines einzigen Lexems handelt, finden in diesem Kapitel keine Beachtung.

47 sûr et certain sans trêve ni repos [rendre] tripes et boyaux les us et coutumes des vertes et des pas mûres23 [être] par voies et par chemins

Dennoch reichen die Kriterien der Substituierbarkeit und gleichen denotativen Bedeutung nicht aus, um eine ganze Reihe von PWP zu beschreiben, in denen die Bedeutungen der Lexeme eine gewisse Zusammengehörigkeit aufweisen, ohne daß man von „Bedeutungsgleichheit" sprechen kann. Dembowski beschreibt die semantischen Relationen der altfranzösischen Synonymendopplungen folgendermaßen: „Iis possèdent entre eux un degré plus au moins marqué de synonymie, ou, pour être plus exact, ils fonctionnent comme s'ils possédaient une certaine synonymie" (Dembowski 1976: 81)24. Es handelt sich demnach um keine direkte Form der Bedeutungsgleichheit, sondern diese wird erst innerhalb der phraseologischen Wendung wirksam. Da die Lexeme aber wie Synonyme „funktionieren", gleicht ihre stilistische Funktion den „echten" Synonymendopplungen. In den neufranzösischen Wortpaaren werden gleichermaßen häufig zwei Begriffe koordiniert, die ursprünglich nicht einmal in bezug auf ihre denotative Bedeutung als synonym zu bezeichnen sind. Die Substantive sucre und miel referieren z.B. eindeutig auf zwei unterschiedliche Objekte der Wirklichkeit, und es sind wenige Kontexte denkbar, in denen sie substituierbar sind. Dennoch ist ihnen ein im Rahmen des Phraseologismus {[être] tout sucre tout miel) wichtiger Bedeutungsanteil gemeinsam, so daß sie hier die Funktion von Synonymen erfüllen. In gewissen Fällen ist beispielsweise zwei bezeichneten Personen nur eine Eigenschaft gemeinsam: La veuve und l'orphelin (in défenseur de la veuve et de l'orphelin) sind beide traditionell schutzbedürftige Menschen. Dieser gemeinsame Bedeutungsanteil wird gerade durch die Nebeneinanderstellung in der Redewendung hervorgehoben, so daß beim Hörer der Eindruck von Verstärkung und Nachdruck der Aussage entsteht. Bei der Gesamtbedeutung des Phraseologismus handelt es sich in vielen Fällen um die verstärkte (eventuell metaphorische) Bedeutung eines der koordinierten Wörter bzw. um die Schnittmenge der Bedeutungsteile beider Wörter. In der vorliegenden Arbeit soll nun ein Synonymie- bzw. Ähnlichkeits-Begriff in diesem sehr weiten Sinn zugrunde gelegt werden. Somit erhöht sich die Anzahl der Wortpaare, deren semantische Relation und/oder stilistische Wirkung auf Ähnlichkeit beruhen. Je größer die Verschiedenheit der Bedeutungen der beiden Lexeme bzw. je undurchsichtiger die vorhandene Ähnlichkeit, desto größer ist gewiß auch die stilistische Wirkung und damit der ästhetische Reiz des Ausdrucks. Diese Form der Bedeutungsähnlichkeit (im „sehr weiten Sinne") tritt in zahlreichen französischen zweigliedrigen Phraseologismen auf, vgl. (3-47):

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Bei diesem Beispiel handelt es sich um keine lexikalische Ähnlichkeitsrelation, sondern um eine Paraphrase durch Negation des lexikalischen Gegenteils. Vgl. zu dem im Altfranzösischen weitaus größeren Synonymenreichtum u.a. Stefenelli (1967) und Diekamp (1972). Letzterer sieht in der Begriffsgleichheit das grundlegende Merkmal der Synonymendopplungen, wohingegen Bedeutungsgleichheit nicht unbedingt gegeben sein muß und eine gewisse Varianz in der Bedeutung vom Sprecher sogar beabsichtigt ist (1972: 16f.).

48 (3-47) bel et bon / bel et bien le cher et tendre frais et dispos fort et ferme pur et simple sain et sauf l'aveugle et le paralytique [bâtir] à chaux et à sable Allez, roulez [jeunesse]! l'art et la manière en tout bien tout honneur [payer] en chats et en rats [prendre] fait et cause les faits et gestes [n'avoir] ni foi ni loi [être] tout feu tout flamme ni fleurs ni couronnes des goûts et des couleurs [on ne discute pas] [promettre] monts et merveilles ni paix ni trêve avec perte et fracas [il faut que] ça pète ou que ça casse de pièces et de morceaux [ne remuer] ni pied ni patte [ne chercher que] plaies et bosses [avoir] deux poids deux mesures [suer] sang et eau [n'avoir] ni sou ni maille [être] tout sucre tout miel [se moquer] du tiers comme (et) du quart à tort et à travers [être] à tu et à toi [avec qn.] [contre] vents et marées [défenseur] de la veuve et de l'orphelin les voies et moyens [se demander si c'est] du lard ou du cochon à Pâques ou à la Trinité ni chair ni poisson [n'avoir] ni foi ni loi sans rime ni raison [ne remuer] ni pied ni patte sans tambour ni trompette [tomber] de Charybde en Scylla Man trifft also auf die verschiedensten Grade von Bedeutungsähnlichkeit: Von Synonymen wie sûr und certpin oder us und coutumes angefangen bis hin zu einer Bedeutungsähnlichkeit in einem sehr weiten Sinn wie chaux und sable. Es ist auffällig, daß fast alle Synonymenpaare entweder konjunktional verknüpft sind oder die bedeutungsgleichen Elemente ohne Verbindungselement nebeneinander stehen. Präpositionale Verknüpfungsschemata sind - bis auf eine Ausnahme - nicht anzutreffen, da

49 sie in der Regel einen von der einen zur anderen Bedeutung fortschreitenden Prozeß beschreiben, was eine gewisse Unterschiedlichkeit der Bedeutungen der koordinierten Wörter erfordert. Nur in einem Fall tritt ein präpositionales Verknüpfungsschema auf: [c'est] du pareil au même. Hier wird zunächst die absolute Gleichheit zweier Dinge oder Sachverhalte auf Inhaltsebene durch die Dopplung von Synonymen abgebildet. Die Beziehung zwischen den Denotaten wird durch eine horizontale Beziehung zweier bedeutungsgleicher signifiants versprachlicht. Da für die Darstellung dieses Zusammenhangs keine Metaphern, sondern die synonymen Begriffe pareil und même gewählt wurden, wird zusätzlich noch eine Verstärkung der Bedeutung durch mögliche Assoziationen mit einfachen Ausdrücken wie c 'est pareil erzielt. (3-48) [c'est] bonnet blanc et blanc bonnet Ein besonderer Fall liegt bei (3-48) vor, in dem Bedeutungsgleichheit (hier kann man schon von „Identität" sprechen) zweier unterschiedlicher syntaktischer Konstruktionen besteht. Lediglich die Adjektivstellung in den Elementen des Phraseologismus wird verändert. Es handelt sich hier um einen Unterschied in der Bezeichnung mit dessen Hilfe gerade auf Bedeutungsgleichheit aufmerksam gemacht werden soll. Die Tatsache, daß es zu einem signifié mehrere signifiants gibt (also daß es Synonymie gibt), wird ausgenutzt und dient der Redensart als Metapher. Hier liegt der umgekehrte Fall vor wie bei [il y a] fagot et fagot, wo Bezeichnungsgleichheit zur Darstellung eines Bedeutungsunterschiedes genutzt wird. Diese Redewendungen machen deutlich, daß die theoretischen Begriffe der Synonymie und der Polyvalenz Erscheinungen bezeichnen, die dem Sprecher so sehr bewußt oder unbewußt - bekannt sind, daß sie auch in Phraseologismen thematisiert werden.

3.5.2 Kontiguität Unter Kontiguität wird allgemein die „[...] Relation zwischen Lexemen, die der gleichen semantischen, logischen, kulturellen oder Situationellen Sphäre angehören" (Bußmann 1990: 418) verstanden, und sie ist die Grundlage für die rhetorische Figur der Metonymie. Diese Definition erscheint jedoch noch sehr allgemein, da sie Ähnlichkeitsbeziehungen nicht direkt ausschließt. Es handelt sich nach Ullmann (1973: 274f.) um eine Sinnberührung, die in erster Linie darauf beruht, daß etwas räumlich oder zeitlich aneinandergrenzt. Ebenso wie die Synekdoche eine Untergruppe der Metonymie darstellt, stellen Überbegriff-Unterbegriffs- und Teil-Ganzes-Beziehungen Sonderfälle von Kontiguität dar. Um sachliche Zusammenhänge in Form von Kontiguität handelt es sich ebenfalls bei den Relationen zwischen Verursacher/Herkunft und Produkt (z.B. Erfinder/Erfindung, Herkunft/Nahrungsmittel) oder Gefäß und Inhalt (Ullmann 1973: 276). Waltereit faßt vor einer genaueren Klassifizierung verschiedener Kontiguitätstypen das Phänomen der Kontiguität folgendermaßen zusammen: „Kontiguität ist die Assoziation, die Zeichen und Referenten aufgrund ihrer spezifischen, in Erfahrungskontexten gegebenen Beziehung einander zuordnet" (Waltereit 1998: 1). Blumenthal unterscheidet diese „sachliche" Kontiguität, in der eine assoziative Verbindung in der außersprachlichen Welt vorliegt, in Anlehnung an Jakobson von „sprachlicher" Kontiguität, bei der es sich um „[...] assoziative Verbindungen von Wörtern aufgrund der Tatsache, daß sie in stereotypen Wendungen oder in häufig

50 wiederholten Slogans gemeinsam auftreten", handelt (Blumenthal 1983: 20)25. Demnach rufen manche Wörter die Assoziation anderer Wörter allein deswegen hervor, weil sie in einer fixierten Wendung nebeneinanderstehen. Es ist allerdings schwer zu entscheiden, welche Komponenten einer stereotypischen Wendung den Status der sprachlichen Kontiguität bereits erreicht haben - wenn es sich nicht zufällig um unikale Komponenten oder andere auffällige Lexeme handelt, z.B. weil sie morphologisch verändert sind oder weil es sich um Archaismen handelt. Blumenthal (1983: 20) nennt das Beispiel, daß Morgenstund aufgrund sprachlicher Kontiguität in dem bekannten Sprichwort mit Gold assoziiert wird. Wahrscheinlich können nur Assoziationstests Aufschluß darüber geben, bei welchen Lexemen in der Tat sprachliche Kontiguität vorliegt. Hier haben wir es nur mit Phraseologismen zu tun, und somit könnte es sich im Prinzip in allen Ausdrücken des Korpus um sprachliche Kontiguität handeln. Diese sprachliche Kontiguität wird aber nur wirksam, wenn die Relation, die aufgrund des häufigen Vorkommens einer Wendung entstanden ist, in einem anderen, neuen Text ausgenutzt wird. Da wir aber den Rahmen der PWP nicht verlassen, ist diese Form der semantischen Relation hier nicht von Bedeutung, und wir wollen uns vornehmlich mit der sachlichen Kontiguität befassen. Gerade bei den Beispielen einer eher ungenauen Bedeutungsähnlichkeit im vorigen Kapitel stellt sich die Frage der Abgrenzung von Ähnlichkeit zur semantischen Relation der sachlichen Kontiguität. Handelt es sich z.B. bei den unter der Rubrik Ähnlichkeit aufgeführten PWP [être] tout feu tout flamme oder [n'avoir] ni sou ni maille nun um eine Ähnlichkeits- oder eine Kontiguitätsbeziehung? Dinge, die in räumlicher und zeitlicher Nähe stehen, sind häufig auch bedeutungsähnlich, zumindest weisen sie, da sie in vielen Fällen dem gleichen semantischen Bereich angehören, gemeinsame Bedeutungsanteile auf. Man muß sich wohl damit zufriedengeben, daß sich beide Kategorien nicht selten überschneiden: Der gleiche Sachverhalt mag als Kontiguität oder als Ähnlichkeit verstanden werden. So stehen die Teile eines materiellen Ganzen einerseits in räumlicher Nähe zueinander, andererseits lassen sich ihre Namen dem gleichen Oberbegriff unterordnen, was eine Form von semantischer Ähnlichkeit (Hyponymie) darstellt. [...] Wie problematisch die Unterscheidung zwischen beiden Relationen bei Abstrakta sein kann, wird am Beispiel von "Zeit" und "Raum" deutlich. Je nach dem nicht unbedingt auf philosophischer Reflexion beruhenden - Standpunkt des Beurteilers tritt im Verhältnis dieser Begriffe der Aspekt der Ähnlichkeit oder der sachlichen Kontiguität in den Vordergrund (Blumenthal 1983: 6 2 Γ

Gerade der Fall der Koordination eines zeitlichen und eines räumlichen Begriffs kommt in dem Ausdruck en (son) temps et lieu vor.

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Melkersson (1992: 48f.) macht indessen darauf aufmerksam, daß dem häufigen gemeinsamen Auftreten zweier Lexeme im Text oft eine sachliche Kontiguität zugrunde liegt: „Car, si, dans la réalité, deux phénomènes apparaissent d'habitude ensemble, la coordination des termes qui les dénotent est également fréquente à tel point qu'elle a tendance à devenir une expression consacrée" (Melkersson 1992: 49). Mit der Koordination im Text ist allerdings nicht die „sprachliche Kontiguität" im Sinne Blumenthals gemeint, da bei dieser die Assoziation nicht in der Sache begründet ist, sondern erst durch das gemeinsame Erscheinen im Text entsteht. Vgl. auch den Aufsatz von Goosens (1990) mit dem bezeichnenden Titel „Metaphtonymy..." Uber die unterschiedlichen Möglichkeiten der Beziehung zwischen Metapher und Metonymie.

51 Die folgenden PWP aus unserem Korpus, deren Elemente in Kontiguitätsbeziehung stehen, verdeutlichen, von welcher Bedeutung diese semantische Relation gerade in zweigliedrigen phraseologischen Ausdrücken ist. Die häufigste Verbindung der beiden Lexeme ist dabei die räumliche Nähe, welche v.a. bei der Bezeichnung verschiedener Körperteile des Menschen auftritt {bon pied bon œil, de bouche à oreille, pied et poing [liés] u.v.m.). Außerdem benennen Kontiguitätspaare gerne Attribute, die zu einer bestimmten Person gehören (de cape et d'épée). Zu beachten ist allerdings, daß räumliche Nähe immer Gleichzeitigkeit voraussetzt, aber nicht umgekehrt27. Bei der folgenden Liste (3-49) handelt es sich also um räumliche und zeitliche Nähe, wobei aber der materielle, räumliche Aspekt im Vordergrund steht, bei den Ausdrücken unter (3-50) um zeitliche Nähe28. (3-49) räumliche Nähe [avec] armes et bagages [se défendre] bec et ongles [un film] de cape et d'épée en chair et en os [payer] en chats et en rats entre chien et loup 29

[prendre] ses cliques et ses claques [être comme] cul et chemise entre cuir et chair [y mettre] les quatre doigts et le pouce au doigt et à l'œil par le fer et par le feu [mettre] à feu et à sang [n'avoir] ni feu ni lieu du fil et une aiguille [avoir] le lit et le couvert [chez qn] [être] entre le marteau et l'enclume au nez et à la barbe [de qn] [n'avoir] que la peau et les os [faire] des pieds et des mains pieds et poings [liés] bon pied bon œil poivre et sel [il arrive beaucoup de choses] entre la bouche et le verre entre cuir et chair [mettre le doigt] entre l'arbre et l'écorce rien dans les mains, rien dans les poches [être] tout yeux tout oreilles ni fleurs ni couronnes [n'avoir] ni feu ni lieu [ne savoir] ni a ni b [n'avoir] ni queue ni tête

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Dinge können gléichzeitig passieren, ohne daß sie am selben Ort stattfinden. Zu einer differenzierten und vergleichenden Auflistung verschiedener Kontiguitätstypen, wie sie in der Forschung vorgenommen wurde, siehe Waltereit (1998: 20f.). cliques dial. „Beine", claques „Schuhe" (RC)

52 de bouche à oreille [passer] du coq à l'âne de fil en aiguille de but en blanc [tomber] de Charybde en Scylla [en avoir] l'air et la chanson (3-50) zeitliche Nähe [être] majeur et vacciné [venir] à son jour et à son heure entre la poire et le fromage sans tambour ni trompette du jour au lendemain

Um zwei Unterbegriffe eines gemeinsamen Überbegriffs, also um Kohyponyme handelt es sich bei [courtiser] la brune et la blonde. Bei tant et plus und de mal en pis wird die semantische Relation durch Steigerung erreicht. In dem PWP des mille et des cents handelt es sich einerseits um eine Steigerung (in umgekehrter Reihenfolge), andererseits um eine Teil-Ganzes-Beziehung (A schließt Β ein). Je nach Gesichtspunkt kann man [venir] à son jour et à son heure als zeitliche Nähe oder als Teil-Ganzes-Beziehung sehen. Die einzelnen Formen der Kontiguität sind also genauso wenig klar abzugrenzen wie Kontiguität und Ähnlichkeitsrelationen oder Kontiguität und Hyponymie. Einen besonderen Fall von Begriffen, die in einer Kontiguitätsrelation stehen, stellen diejenigen Wortpaare dar, deren Komponenten zusammen eine übergeordnete Einheit bilden, wo es sich folglich um eine Form der komplementären Relation handelt. Kontiguität und komplementäre Gegensätze sind aus diesem Grund nicht immer klar abzugrenzen. Corps und âme ist zum einen ein Gegensatzpaar; in der Redewendung corps et âme sind die beiden Begriffe aber ergänzend, im Sinne des gesamten Menschen, der sich etwas „mit Leib und Seele" hingibt, gemeint (Malkiel 1959: 129). Viele bedeutungsähnliche Lexempaare oder Paare von Kontiguitätsbegriffen erfüllen aber auch erst die Funktion von Komplementärbegriffen, wenn sie zusammen in der festen Fügung des PWP auftreten. Beide Wörter stehen als typische Stellvertreter für einen größeren semantischen Bereich. Man erkennt dann ihre Zusammengehörigkeit an gemeinsamen Bedeutungsanteilen, d.h., die Bedeutungen Uberschneiden sich, und die Gesamtbedeutung des Phraseologismus entsteht über die Schnittmenge der Bedeutungen. In dem idiomatischen Ausdruck [avoir] le lit et le couvert [chez qn.] werden z.B. lit und couvert stellvertretend für die Gesamtbedeutung ,être hébergé' genannt. Ähnliche Fälle, in denen zwei Kontiguitätsbegriffe oder bedeutungsähnliche Lexeme stellvertretend für einen ganzen semantischen Bereich stehen, liegen bei den unter (3-51) aufgeführten Phraseologismen vor. (3-51) [avec] armes et bagages [avoir] bec et ongles [courtiser] la brune et la blonde une chaumière et un cœur au doigt et à l'œil [n'avoir] ni foi ni loi rien dans les mains, rien dans les poches [n'avoir] ni queue ni tête

53 [suer] sang et eau [défenseur] de la veuve et de l'orphelin

Der Fall kann jedoch auch anders liegen: Ein schon vorhandenes nicht-idiomatisches Paar von Komplementärbegriffen wurde koordiniert, erfüllt aber in der idiomatischen Bedeutung nicht mehr die Funktion von Komplementärbegriffen, so wie bei du fil et une aiguille (,Nadel und Faden') und dem idiomatischen Ausdruck de fil en aiguille (,en passant progressivement d'une chose à la suivante dans les propos').

3.5.3 Gegensatzrelationen Diejenigen PWP, die auf semantischen Gegensatzrelationen beruhen, geben ebenfalls ein heterogenes Bild ab. Auch wenn hier die lexikalischen Gegenteile im Vordergrund stehen, ist zu erwähnen, daß ein semantischer Gegensatz in einem Wortpaar grundsätzlich grammatikalisch oder lexikalisch ausgedrückt werden kann. (Malkiel 1959: 128). Bei der syntaktischen Beschreibung eines Gegensatzes wird das gleiche Lexem wiederholt, aber durch ein Negationspartikel verneint. Typischstes Beispiel ist das Shakespeare-Zitat to be or not to be, frz. être ou ne pas être. Auf morphologischer Ebene kann eine Gegensatzrelation auch durch die unterschiedliche Konjugation von Verben versprachlicht werden. In den zwei Beispielen unseres Korpus wird durch den grammatischen Unterschied im Aspekt bzw. Tempus ein Bedeutungsgegensatz versprachlicht, vgl. (3-52)30: (3-52) ni fait ni à faire [on ne peut pas] être et avoir été

Die Gegensatzrelation wird in den meisten Fällen jedoch lexikalisch ausgedrückt. Zur Vereinfachung soll hier zunächst die idiomatische Gesamtbedeutung - sofern eine vorliegt - außer acht gelassen und die beiden Einzellexeme in einer rein paradigmatischen Relation betrachtet werden. Die von Lyons (1980: 28Iff.) herausgestellten Kategorien für den lexikalischen Gegensatz erscheinen für eine Klassifizierung der PWP als Grundlage geeignet. Es ist sinnvoll, die Gegensatzrelationen zuvor an Adjektiven zu illustrieren, denn ,,[d]ie Möglichkeit der A. [Antonymie] ist stark an das Vorhandensein qualitativer Merkmale, die sich graduieren und/oder zum Gegensatz führen lassen, gebunden: das trifft vor allem auf Adjektive und mit ihnen in Relation stehende Substantive und Verben zu [...]" (Lewandowski 1994: 72). Der Hauptteil des vorliegenden Korpus aber ist in der Form N+N aufgebaut, so daß Lyons' Kategorien nicht immer problemlos übernommen werden können. Im folgenden werden (in Anlehnung an Lyons 1980) unterschieden: 1. Kontradiktion (=komplementärer Gegensatz31, nicht-gradierbarer Gegensatz) 2. gradierbarer Gegensatz (= Antonymie im engeren Sinne) 3. Konversion 4. Richtungsopposition 5. skalare und zyklische Gegenteile.

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Grammatikalische Gegensätze können außerdem durch die Umformung des Verbs von Aktiv in Passiv und durch die Permutation von Argumenten hergestellt werden (siehe Martin 1976: 62f.). Im Gegensatz zu Malkiel (1959) zählt Lyons (1980) Komplementarität zu den Gegensatzrelationen und behandelt sie nicht als eine eigene Kategorie.

54 3.5.3.1 Kontradiktion / Komplementärer Gegensatz Im vorliegenden Korpus tritt am häufigsten eine „komplementäre" oder „kontradiktorische" Gegensatzrelation auf. Dabei handelt es sich um zwei nicht-gradierbare (d.h. nicht steigerungsfMhige) Lexeme, wie z.B. verheiratet - ledig oder tot - lebendig. „Nicht-gradierbare Gegenteile teilen, wenn sie als prädikative Ausdrücke verwendet werden, das .universe of discourse' [...] in zwei komplementäre* Subklassen" (Lyons 1980: 282). Wenn eine komplementäre Relation zwischen den beiden Elementen eines Wortpaares besteht, bilden beide Begriffe zusammén ein Ganzes („forming a single team" Malkiel 1959: 127).32 Die Negation des einen Lexems impliziert die Prädizierung des anderen und umgekehrt: (3-53) χ ist nicht verheiratet impliziert χ ist ledig, χ ist verheiratet impliziert χ ist nicht ledig.

(3-54) stellt ein Beispiel für den kontradiktorischen Gegensatz dar, das mit Hilfe des Paares „offen" - „geschlossen" genau die Möglichkeit der „Nicht-Gradierbarkeit" mancher Situationen metaphorisch thematisiert. 33 (3-54) [il faut qu'une porte soit] ouverte ou fermée (,il faut choisir, prendre clairement parti, il faut que la situation soit claire')

Typische substantivische Komplementärbegriffe sind die Wortpaare père et mère und frères et sœurs, die die Eltern bzw. die Geschwister bezeichnen, oder auch aus zwei Eigennamen bestehende Bezeichnungen für traditionelle Paare wie Adam und Eva oder Romeo und Julia. Um zu überprüfen, ob in diesen Fällen nominaler Gegensätze die Negation des einen Lexems die Prädizierung des anderen impliziert, muß hier jedoch zuerst ein neutraler Überbegriff gefunden werden, wie z.B. Elternteil, welchem dann die beiden Gegenteile zugeordnet werden: Dieses Elternteil ist nicht der Vater impliziert z.B. Dieses Elternteil ist die Mutter. Hier überschneiden sich oft Kontiguität und Komplementarität (s.o.). Das Lexempaar bras und jambes (welches z.B. in dem Wortpaar [couper] bras et jambes [à qn.] auftritt) kann einerseits als komplementäre Gegensatzrelation beschrieben werden: Zusammen bezeichnen die beiden Lexeme die Gliedmaßen des Menschen. Zusätzlich handelt es sich jedoch eindeutig um „räumliche oder sachliche Nähe", d.h. die metonymische Relation. Gleiches gilt für die Lexempaare pieds/mains und poivre/sel, die in den Ausdrücken [faire] des pieds et des mains und [compter pour] du poivre et du sei oder [des cheveux] poivre et sel vorkommen. Folgende PWP, die auf der semantischen Relation des komplementären Gegensatzes aufgebaut sind, befinden sich des weiteren im vorliegenden Korpus: (3-55) [remuer] ciel et terre [jouer] au chat et à la souris [avec qn] [s'entendre] comme chien et chat 32

33

Nach Agricola/Agricola (1979: 18) handelt es sich auch um Komplementarität, wenn sich beide Begriffe ergänzen, üblicherweise zusammengehören oder das eine Wort die Nennung des anderen provoziert, also Beziehungen, die wir eher unter Kontiguität subsummieren würden (wenn das eine Wort die Nennung des anderen provoziert, handelt es sich sogar um sprachliche Kontiguität). Für Ogden (1932: 65ff.) ist open gradierbar, was zumindest diskutabel ist (vgl. z.B. frz. plus ouvert, entrouvert oder dt. weiter offen, ganz offen).

55 [c'est] l'eau et le feu entre guerre et paix nuit et jour / jour et nuit [tuer] père et mère comme père et mère [passer qc.] par pertes et profits le pour et le contre [c'est] le jour et la nuit par monts et par vaux à la vie (et) à la mort entre la vie et la mort [une question] de vie ou de mort [jouer à] pile ou face à tort ou à raison de gré ou de force pour un oui, pour un non [devoir] à Dieu et au diable [ne croire] ni à Dieu ni au diable [ne craindre] ni Dieu ni (le) diable [il y a] à boire et à manger [en oublier] le boire et le manger [il faut] en prendre et en laisser [c'est] à prendre ou à laisser [c'est] le moment ou jamais de vous à moi

In (3-55) wird häufig ein Lexem mit positiver Bedeutung bzw. Konnotation (z.B. paix, gré, vie, pour, profit, Dieu) einem Lexem mit negativer Bedeutung (guerre, force, mort, contre, pertes, diable) gegenübergestellt. Die Verknüpfung erfolgt in fast allen Fällen konjunktional; nur in einem Fall tritt ein präpositionales Verknüpfungsschema auf (de vous à moi), was auf die Tatsache zurückzuführen ist, daß die in PWP verwendeten Präpositionen in vielen Fällen (z.B. bei PWP der Form c f e A a B ) einen Prozeß, der über eine gewisse Bandbreite, eine Skala fortschreitet, beschreiben. Die präpositionalen Verknüpfungsschemata sind aus diesem Grund eher bei den skalaren Gegensätzen anzutreffen (s.u.). Besonders auffällig ist, daß sich in dieser Gruppe PWP der Form entre A et Β befinden und somit eine Zwischenstufe beschrieben wird, die eigentlich beim komplementären Gegensatz nicht vorhanden ist. Auf diese Weise gelingt es mit Hilfe der Redewendungen, die Nicht-Gradierbarkeit mancher Zustände in Zweifel zu ziehen. Gibt es nun einen Zustand zwischen Krieg und Frieden oder zwischen Leben und Tod? Hier bestätigt sich, daß Phraseologismen nicht selten lexikalische Lücken füllen, vgl. (3-56): (3-56) entre la vie et la mort entre guerre et paix

Um einen nicht-binären Kontrast handelt es sich bei der dreigliedrigen Formel bleu, blanc (et) rouge, welche die drei Komponenten der Trikolore bezeichnet. Die Begriffe stehen

56 zwar nicht ursprünglich in einer komplementären Relation, da aber alle drei Lexeme genau eine Ganzheit beschreiben, ist die Funktion hier komplementär.34

3.5.3.2 Antonymie i.e.S. / Gradierbarer Gegensatz Die gradierbare Gegensatzbeziehung wird auch als „Antonymie im engeren Sinne" bezeichnet. Antonyme Lexeme sind in ihrer Bedeutung graduierbar. Diese Gegensatzbeziehung läßt sich ebenfalls am besten an Adjektiven illustrieren, da man an ihnen leicht ihre SteigerungsfMhigkeit überprüfen kann: kalt - kälter und heiß - heißer, aber nicht tot * toter und lebendig - ?lebendiger Im Fall der Antonymie impliziert die Negation des einen Lexems nicht die Prädizierung des anderen: (3-57) Der Kaffee ist nicht heiß

impliziert nicht

Der Kaffee ist kalt

Heiß und kalt decken nicht die ganze Wärmeskala ab. Darüber hinaus sind gradierbare Antonyme dadurch charakterisiert, daß sie keine absoluten qualitativen Merkmale zuweisen, sondern quantitative Eigenschaften, die immer relativ zu einer allgemeinen Norm verstanden werden: „Der Satz Unser Haus ist groß kann daher so verstanden werden, daß er eine Bedeutung hat wie ,Unser Haus ist größer als das normale Haus' oder ,Unser Haus ist groß für ein Haus'" (Lyons 1980: 284). Im vorliegenden Korpus befinden sich folgende PWP, die mit Antonymen gebildet sind: (3-58) peu ou prou [ne faire] ni chaud ni froid tôt ou tard de près ou de loin plus ou moins ni bien ni mal ni de près ni de loin le fort et le faible des hauts et des bas jeunes et vieux

Mehr als die Hälfte dieser Wortpaare sind erwartungsgemäß adjektivisch oder adverbial; bei den substantivischen PWP handelt es sich ausnahmslos um substantivierte Adjektive. Gut deutlich wird die Gradierbarkeit bzw. Nicht-Gradierbarkeit von Lexemen an folgenden Ausdrücken: (3-59) ni bien ni mal (3-60) [ne craindre] ni Dieu ni (le) diable

In (3-59) werden zwei gradierbare, in (3-60) zwei nicht-gradierbare Lexeme negiert und koordiniert. Da beim gradierbaren Gegensatz beide Bedeutungen verneint werden können, ohne daß eine unsinnige Aussage entsteht, läßt sich im ersten Fall eine Gesamtbedeutung herleiten, die eine Zwischenstufe zwischen gut und schlecht, also „mittelmäßig" beschreibt. 34

Vgl. zu Gegensätzen im Farbspektrum auch Ogden (1932: 88).

57 Im zweiten Fall existiert hingegen solch eine Mittelposition nicht, da der Gegensatz komplementär ist, und dementsprechend drückt die Gesamtbedeutung die Negation eines ganzen Bereichs aus: ,ne rien craindre, être sans peur'. Bezüglich der Klassifizierung von Lexemen nach ihrer Gradierbarkeit, stellt sich die Frage, ob es sich bei der Relation der schon gesteigerten Adverbien in den PWP plus ou moins und ni plus ni moins um Konversheit (siehe Kap. 3.5.3.3) oder um Antonymie im engeren Sinn handelt. Als Antonyme wären sie anzusehen, wenn sie gradierbar sind, d.h., wenn encore plus / encore moins oder der Superlativ le plus / le moins als Kennzeichen der Gradierbarkeit gelten können35.

3.5.3.3 Konversheit Eine weitere Gegensatzrelation, die im vorliegenden Korpus anzutreffen ist, ist die „Konversheit", welche über die logische Operation der Konverse definiert wird. Tauscht man in einer Proposition das zweistellige Prädikat, welches eine Relation zwischen zwei Argumenten („Mitspielern") festlegt, durch sein konverses Lexem aus, und vertauscht man die beiden „Mitspieler", so entsteht ein zweiter, äquivalenter Satz mit gleicher Bedeutung. In der semantischen Relation der Konversheit stehen häufig Verben, die ein gegenseitiges Tauschverhältnis ausdrücken (z.B. geben/bekommen) und Lexeme aus den Bereichen des Wortschatzes [...], die mit reziproken sozialen Rollen zu tun haben (,Arzt': ,Patient', ,Herr'/,Herrin': ,Diener' usw.), ebenso bei Verwandtschaftsrelationen (,Vater'/,Mutter': ,Sohn'/,Tochter', usw.) einerseits und zeitlichen und räumlichen Relationen andererseits (,oben': ,unten', ,vor': ,hinter', ,vor': ,nach', usw.) (Lyons 1980: 290)

So sind die Sätze (3-61) a. und b. ebenso äquivalent wie (3-62) a. und der grammatikalisch ausgedrückte Gegensatz in (3-62) b., wo Aktiv- und Passivform eines transitiven Verbs in der Relation der Konversheit stehen (Lyons 1980: 290). (3-61 ) a. χ ist Lehrer von y b. y ist Schüler von χ (3-62) a. χ wurde von y getötet b. y tötete χ

Folgende PWP unseres Korpus sind auf der Grundlage von Lexemen, die in der Relation der Konversheit stehen, gebildet: (3-63) sens dessus dessous bras dessus, bras dessous tel maître, tel valet Typische Konyerse sind auch gesteigerte Adjektive: (3-64) χ ist größer als y

35

impliziert

y ist kleiner als χ

Martin (1976: 78) führt das Paar plus/moins unter inversion de dégré auf.

58

Dies hat zur Folge, daß die Kategorien nicht mehr klar abzugrenzen sind und PWP wie plus ou moins oder ni plus ni moins u.U. (s.o.) sowohl zu Antonymie i.e.S. als auch zur Konversheit zu rechnen sind. Die Grenze zum „komplementären Gegensatz" ist ebenfalls nicht immer klar zu ziehen: Einerseits handelt es sich bei père und fils eindeutig um eine Relation der Konversheit typisch für Verwandtschaftsbeziehungen - , andererseits könnte man sie auch als komplementären Gegensatz verstehen, da sie eine Einheit mit traditionell starker Verbundenheit bilden (zumindest klischeehaft), was sich u.a. in den Redewendungen de père en fils (,de génération en génération, par transmission héréditaire') und tel père, tel fils sprachlich verfestigt hat. Die gleiche Konstellation tritt in der (zweigliedrigen) sprichwörtlichen Redensart à père avare, fils prodigue - mit genau der gegenteiligen Aussage - auf. Als sowohl komplementär als auch konvers muß auch das Nominationsstereotyp frères et sœurs bezeichnet werden. Es ist allerdings zu beachten, daß es sich nicht bei allen PWP, in denen Verwandtschaftsbeziehungen benannt werden, um konverse Relationen handelt: „Vater" und „Mutter" verhalten sich nicht konvers zueinander, sondern stehen lediglich in der gleichen Relation zu „Sohn" oder „Tochter" als einer dritten Person36. Als nicht eindeutig konvers muß man die beiden Komponenten des PWPs [on ne peut pas avoir] le beurre et l'argent du beurre bezeichnen. Es handelt sich zwar nicht um offensichtlich zweistellige Prädikate, allerdings kann man ein Satzpaar mit den notwendigen Argumenten, Teilnehmer einer „Tauschaktion", so konstruieren, daß die logische Operation der Konverse möglich ist: X donne le beurre à Y: Y donne l'argent du beurre àX.

3.5.3.4 Richtungsopposition Zwei Lexeme, die in Richtungsopposition (oder: „direktionaler Opposition") zueinander stehen, beschreiben zwei entgegengesetzte Richtungen bzw. „[...] eine Implikation der Bewegung in einer von zwei entgegengesetzten Richtungen in bezug auf einen gegebenen Ort (T (Lyons 1980: 291). Es handelt sich also um Wortpaare wie hinauf/hinunter, kommen/gehen oder rechts/links, welche sich untereinander wiederum darin unterscheiden, ob eine Bewegung beschrieben wird und - wenn ja - ob die Bewegung auf O zu- oder von O weggeht.37 Die PWP unseres Korpus, in denen der Gegensatz durch Richtungsopposition erzeugt wird, sind ausschließlich aus Bewegungsverben (teilweise substantiviert) gebildet, wobei in vier von insgesamt fünf PWP eine Form von aller und noch in drei Phraseologismen eine Form von venir auftritt. Bei den ersten vier Ausdrücken in (3-66) liegt der Fall vor, daß das erste Lexem eine Bewegung vom Ausgangspunkt (nach Lyons O) weg bezeichnet, während das zweite Lexem eine Bewegung zum Ausgangspunkt hin beschreibt: (3-65) aller et venir va-et-vient ça va (et) ça vient

36 37

Vgl. [avoir tué]père et mère und comme père et mère. Die unterschiedlichen Formen der direktionalen Opposition sind weitaus komplexer, z.B. muß zwischen deiktischen und nicht deiktischen Ausdrücken unterschieden werden. Vgl. dazu Lyons (1980: 291 ff.).

59 [un] aller et retour [ne faire qu'] entrer et sortir

Bei [ne faire qu '] entrer et sortir ist lediglich die Reihenfolge umgekehrt. Für eine besondere Form der Richtungsopposition, die „orthogonale Opposition" (typisches Beispiel ist Norden / Osten, Westen) läßt sich im vorliegenden Korpus nur ein Beispiel finden: en long et en large/ de long en large ,dans tous les sens'.

3.5.3.5 Skalare und zyklische Gegenteile Als „skalare Gegenteile" bezeichnet Lyons (1980: 299) die (meist äußeren) Pole in seriell angeordneten Mengen mit mehr als zwei Elementen 38 . Zwischen den Elementen der Menge, bei denen es sich demnach um nicht-binäre Kontraste handelt, herrscht eine Inkompatibilitätsbeziehung. Eine mögliche seriell angeordnete Menge ist die Temperaturskala {,kochend', ,heiß', ,warm', ,kühl', ,kalt\ .eiskalt'}, wobei die äußeren Lexeme „skalare Gegenteile" darstellen. Allerdings bilden in diesem Beispiel die weiteren, jeweils gegenüberliegenden Lexeme innerhalb der Skala im Deutschen ebenfalls Gegensatzpaare, nämlich heiß/kalt und warm/kühl (Lyons 1980: 299). Im vorliegenden Korpus finden sich eine ganze Reihe von PWP mit Gegensatzrelationen, die durch skalare Gegenteile gebildet werden: (3-66) autrefois et maintenant l'alpha et l'oméga [dire] blanc et (puis) noir [en] noir et blanc jeunes et vieux pour le meilleur et pour le pire [faire] la pluie et le beau temps [parler] de la pluie et du beau temps

Daß es sich bei den skalaren Gegenteilen um die zwei Endpunkte einer Serie handelt, wird besonders deutlich an den PWP der Form de A à Β und de A en Β, wo durch die präpositionale Verknüpfung die ganze „Bandbreite" der Skala in die Gesamtbedeutung mit eingeschlossen wird. So handelt es sich bei den Beispielen unter (3-67) um skalare Gegensätze, die allerdings je nach Interpretation auch als einfache Kontiguität aufgefaßt werden könnten: (3-67) de de de de

A (jusqu') à Ζ la cave au grenier fond en comble la tête aux pieds

„Zyklische Gegenteile" unterscheiden sich von den skalaren Gegenteilen dadurch, daß es sich um Elemente aus Mengen handelt, die sich in ihrer Reihenfolge immer wiederholen und demzufolge keine Endpunkte haben. Beispiele fìlr zyklische Mengen sind die

38

Die äußersten Elemente einer Menge mit zwei Elementen sind komplementäre Gegenteile, da sie die Menge in zwei Subklassen teilen.

60 Wochentage ({.Montag' ....Sonntag'}) oder die Jahreszeiten ({.Frühling' ....Winter'}). Diese Mengen haben zwar konventionell festgelegte Anfangs- und Endpunkte, was jedoch nichts an der Tatsache ändert, daß jedes Element einer zyklischen Menge zwischen zwei anderen Elementen steht (Lyons 1980: 300). Im vorliegenden Korpus gibt es ein Beispiel für einen zyklischen Gegensatz, in dem der konventionelle Anfangs- und Endpunkt gegenübergestellt werden: (3-68) du matin au soir et du soir au matin

In (3-68) wird durch die Umkehrung im zweiten Teil der Wendung gerade die zyklische Anordnung der Tageszeiten ausgenutzt, um Kontinuität auszudrücken.

3.5.4 Folgerungsbeziehungen und Hyponymie Seltene semantische Relationen zwischen den Elementen in Wortpaaren sind Folgerungsbeziehungen und Hyponymie. Folgerungsbeziehungen treten hauptsächlich bei verbalen Phraseologismen auf, in denen aufeinanderfolgende Handlungen beschrieben werden. Die semantische Zusammengehörigkeit entsteht in den Beispielen unter (3-69) aber erst durch die Tatsache, daß die Verben in der Redewendung koordiniert werden und der Hörer somit eine Folgerungsbeziehung (v.a. chronologisch) der beschriebenen Handlungen oder Ereignisse annehmen muß39. (3-69) aussitôt dit, aussitôt fait tout passe, tout lasse, tout casse sitôt pris, sitôt pendu veni, vidi, vici

Das einzige Beispiel unseres Korpus, in dem zwischen den beiden Wörtern in ihren isoliert betrachteten Bedeutungen eine konsekutive Beziehung besteht, ist les causes et les effets. U.U. könnte man noch in den PWP au vu et au su [de tout le monde] und ni vu, ni connu eine Folgerungsbeziehung zwischen vu und su bzw. connu feststellen, denn das, was man gesehen hat, kennt oder weiß man im allgemeinen auch. Hyponymie liegt vor, wenn in einem Wortpaar ein Element der Überbegriff des anderen ist, Teil-Ganzes-Beziehungen, wenn ein Element eine kleinere Teilmenge des anderen repräsentiert, vgl. (3-70). In den meisten Fällen folgt dabei der speziellere dem allgemeineren Begriff. (3-70) des mille et des cents [n'avoir] ni sou ni maille [contenter] tout le monde et son père [être] tout feu tout flamme / feu et flammes [il boirait] la mer et ses poissons [mettre le doigt] entre l'arbre et l'écorce [avoir] deux poids deux mesures Allez, roulez [jeunesse]! [se moquer] du tiers comme (et) du quart

39

Siehe dazu auch „ikonische Textinterpretation", Kap. 6.3.4.

61

Es ist allerdings zu beachten, daß Überbegriff-Unterbegriffsrelationen immer eine gewisse Bedeutungsähnlichkeit und Teil-Ganzes-Beziehungen sachliche Kontiguität voraussetzen. Folglich könnten die unter (3-70) aufgeführten Ausdrücke auch den Kategorien Ähnlichkeit bzw. Kontiguität zugeordnet werden.

3.6 Semantische Relationen in der internen Bedeutung

3.6.1 „Benutzte" und „geschaffene" Relationen Nach der Beschreibung der Inhaltsrelationen auf der Ebene der externen Bedeutung stellt sich die Frage, wie die semantischen Relationen auf der Ebene der idiomatischen Bedeutung aussehen und weiterhin, welche Beziehung zwischen beiden Ebenen besteht. Ein Ansatz, das Problem der semantischen Relationen auf zwei Bedeutungsebenen zu beschreiben, ist die Verwendung von Blumenthals (1983) Kategorien der „benutzten" und „geschaffenen" Relationen: Innerhalb des Sprachsystems stehen die einzelnen Zeichen in bestimmten Relationen zueinander. Diese bestehenden Relationen werden in konkreten sprachlichen Äußerungen „benutzt". Blumenthal bezieht sich in erster Linie auf poetische, stilisierte Sprache, in der regelmäßig semantische Relationen in der Absicht stilistischer Wirkung benutzt werden und so rhetorische Figuren, wie z.B. die Antithese, entstehen. Bei Phraseologismen handelt es sich zwar nicht um Dichtung, aber um fixierte Wortgruppen mit einem gewissen stilistischen Wert. Auch wenn die Schaffung von Phraseologismen nicht bewußt geschieht (so wie es hingegen bei Dichtung der Fall ist), kann man die hier auftretenden semantischen Relationen als „benutzt" bezeichnen, wenn man davon ausgeht, daß die Fixierung von Redewendungen vor allem durch besondere stilistische Merkmale (wozu auch die semantischen Relationen gehören) begünstigt wird. Auf der Ebene der langue kann man also in bezug auf die semantischen Relationen der Einzelbedeutungen der Elemente phraseologischer Wortpaare von „benutzten" Relationen im Sinne von Blumenthal reden. Andererseits können Lexeme, die in keiner offensichtlichen semantischen Relation zueinander stehen, alleine durch die Nebeneinanderstellung in sprachlichen Äußerungen in eine bestimmte Relation gestellt werden. So wird eine Relation nicht „benutzt", sondern erst in der parole „geschaffen". Blumenthal nennt als Beispiel für eine durch den Sprecher geschaffene Relation politische Parolen, z.B.: Freiheit oder Sozialismus, wo dem Hörer suggeriert wird, daß sich die beiden Bedeutungen vollständig ausschließen. Bei der Bestimmung von geschaffenen Relationen befindet man sich bereits auf der zweiten Ebene, der der parole. Auch in Untersuchungen zu Stilfiguren im Altfranzösischen wird bei der Beschreibung der semantischer Relationen eine Unterscheidung der sprachlichen Ebenen vorgenommen. Stefenelli (1967) legt für seine Anwendung des Begriffs Synonymie in bezug auf die altfranzösische Dichtersprache die parole zugrunde: Auf der Ebene der parole „[...] ist es sehr wohl möglich, daß zwei oder mehrere in virtueller Sicht [d.h. auf der Ebene der langue] bedeutungsähnliche Formen bedeutungsgleich aktualisiert werden [...]" (Stefenelli 1967: 24). Eine vergleichbare Unterscheidung nimmt Melkersson (1992) bei einer Unter-

62 suchung koordinativer stilistischer Figuren im Altfranzösischen vor. Er macht darauf aufmerksam, daß sich semantische Relationen oft nur auf die Ebene der langue beziehen (Melkersson 1992: 26). Betrachtet man die Lexeme jedoch auf der parole-Ebene, so hat der Kontext normalerweise einen neutralisierenden Einfluß auf ihre Bedeutung40. So können quasi-synonyme Lexeme, die eine große Extension auf der langue-Ebene aufweisen, im Kontext in ihrer Bedeutung so stark eingeschränkt werden, daß sie koordiniert eine perfekte Tautologie darstellen, wie es z.B. bei den Adjektiven bei und bon bzw. dem Adverb bien der Fall sein kann (Melkersson 1992:28ff.) 41 . Nun sind Phraseologismen im Gegensatz zu Gedichten oder Slogans keine Einheiten der parole, sondern Einheiten der langue (s.o.). Eine semantische Relation auf der Ebene der idiomatischen Bedeutung wird ja nicht spontan durch den Sprecher geschaffen, sondern von ihm in einer vorliegenden Form nur reproduziert42. Wenn man in bezug auf idiomatische Phraseologismen nicht von einer parole-Ebene" sprechen kann, so ist es dennoch möglich, von „geschaffenen" semantischen Relationen zu reden, da - auch wenn es sich um lexikalische Einheiten der langue handelt - die einzelnen Komponenten noch sichtbar sind und u.U. als Konnotation einen Beitrag zur Gesamtbedeutung leisten (vgl. auch HigiWydler 1989: 110). Die Idee von Gegensatzrelationen, die als solches nur innerhalb eines festen Ausdrucks existieren, formuliert, wenn auch nur am Rande, Martínez Marín (1990: 625FN): „[...] en varios casos puede decirse que consisten [los lexemas antónimos] en «antónimos de la situación», esto es, determinados por situaciones de habla particulares, o que las situaciones particulares de comunicación representan como antónimos [...]". Außerdem stehen Redewendungen, da es sich oft um syntaktisch wohlgeformte Ketten handelt, auch in der Nähe zum freien Syntagma. So zählt Thun (1978: 206, 252) semantisch präsente, d.h. schwach idiomatische, fixierte WortgefÜge (FWG) zur Norm, semantisch absente, d.h. stark idiomatische, FWG gehörten hingegen zum System. In einem zweiten Schritt soll also die semantische Relation der Komponenten innerhalb der idiomatischen Bedeutung betrachtet und des weiteren entschieden werden, ob es sich dort um eine benutzte semantische Relation handelt (in diesem Fall wäre sie gleich der Relation auf der Ebene der externen Bedeutung) oder ob eine neue semantische Relation geschaffen worden ist. Bis zu diesem Punkt handelt es sich nur um syntagmatische Relationen, die auf den beiden Ebenen erfaßt werden (auch wenn zur Vereinfachung bei der Bestimmung der Inhaltsrelationen auf der wörtlichen Ebene so getan wurde, als handele es sich um paradigmatische Relationen).

40

Vgl. auch Dubois (1973: 477): „La synonymie dépend du contexte beaucoup plus que les autres rapports des sens [...] [L]'importance du contexte est telle qu'elle neutralise les oppositions entre deux termes".

41

Vgl. dazu auch Dembowski (1976: 86), der von einer „homogénisation" (sic!) der Bedeutungen der zwei Komponenten eines binôme synonymique zu einer semantischen Einheit spricht, wenn man von der Gesamtbedeutung eines altfranzösischen Wortpaars ausgeht. Vgl. Thuns (1978) treffende Bezeichnung „Einheiten der wiederholten Rede" (der Ausdruck geht zurück auf Coseriu 1973: 35ff.), in der sowohl der Aspekt der lexikalischen Einheit als auch der des Syntagmas, welches meist die gleiche Struktur wie eine Äußerung der freien Rede aufweist, zur Geltung kommt.

42

63 3.6.2

Probleme bei der Idiomatizitätsbestimmung / Verhältnis zwischen externer und interner Bedeutung

Will man die Semantik von Idiomen erfassen, so muß man sich zwangsläufig mit der sog. Übertragung befassen und folglich mit den Vorgängen, die auf der vertikalen Achse anzusiedeln sind. Folgende Frage liegt auf der Hand: Wie kommt die idiomatische Gesamtbedeutung zustande, und welchen Anteil haben die Einzelbedeutungen an ihr? Häufig wird einfach nur festgestellt, daß die Gesamtbedeutung nicht gleich bzw. mehr als die Summe der Einzelbedeutungen ist.43 Dabei werden jedoch der in den meisten Fällen - zumindest diachron - vorhandene Motivierungszusammenhang und verschiedene Grade der Idiomatizität nicht berücksichtigt. Blank beklagt, nachdem er die Hauptgruppen von Phraseologismen in der gängigen Typologie (nicht-idiomatisch; stark-idiomatisch; metaphorisch motiviert) vorgestellt hat: „Leider brechen jedoch in der Phraseologie-Forschung an diesem Punkt die systematischen Überlegungen zur Semantik von Phraseologismen regelmäßig ab" (Blank 1996: 113f.)44. Wünschenswert wäre eine genauere Beschreibung des Übertragungsvorgangs, was nur möglich ist durch einen Vergleich der internen mit der externen Bedeutung. Auf diese Weise, also durch die Verbindung der beiden Bedeutungsebenen in der Vertikalen, lassen sich die paradigmatischen semantischen Relationen beschreiben45. Die üblichen Übertragungsmechanismen sind Metapher und Metonymie, die dazugehörenden semantischen Relationen Ähnlichkeit und Kontiguität. Häufig (z.B. Fleischer 1982: 38, Palm 1997: 12) findet man die Unterteilung von Phraseologismen in die Kategorien „vollidiomatisch", d.h., alle Lexeme des Phraseologismus unterliegen einer Bedeutungsübertragung, und „teilidiomatisch", in diesem Fall wird nur ein Teil der Lexeme übertragen, alle anderen Komponenten behalten ihre wörtliche Bedeutung (vgl. Kap. 1.2.2.2). Auch mit dieser Klassifizierung kann man nicht allen semantischen Besonderheiten von idiomatischen Redewendungen gerecht werden, da zwar erfaßt wird, ob und welche Lexeme umgedeutet werden, jedoch nicht der Grad und die Art der Idiomatisierung festgelegt werden kann. Es ist nach dieser Klassifizierung z.B. nicht möglich, einen Unterschied zwischen Idiomen, die auf relativ transparenten Metaphern beruhen, und bereits völlig verdunkelten Redewendungen zu machen. Die Art der Übertragung (z.B. Metapher oder Metonymie) kann man auf diese Weise ebensowenig erfassen46. Weinreich (1972: 417ff.) geht genauer auf das Verhältnis der Gesamtbedeutung eines komplexen Ausdrucks (zunächst unabhängig davon, ob er idiomatisch ist oder nicht) zu den

43

44

45

46

z.B. Rothkegel (1973: 56) zu Doppelformen: „Auch ftlr diese FS [feste Syntagmen] trifft zu, daß die Gesamtbedeutung über die Summe der Einzelbedeutungen der Teile hinausgeht" Es folgen einige Beispiele. Auch Dietz (1999: 2) beklagt, daß häufig „in übertragender Bedeutung gebrauchte Mehrwortlexeme einfach als .bildlich' oder eben .metaphorisch' [charakterisiert werden]". Als einen Grund für dieses Defizit führt er „das Problem der Abgrenzung zwischen den verschiedenen Übertragungsphänomenen" an (Dietz 1999:3). Vgl. dazu auch Blumenthals (1983: 15ff.) Unterscheidung zwischen syntagmatischen und paradigmatischen Relationen. Vgl. auch Dietz: „Eine Einstufung nach Graden der Idiomatizität, die auf dem Vergleich zwischen wendungsexterner und wendungsinterner Bedeutung einzelner Komponenten beruht, führt dazu, daß der Blick auf Ursachen der semantischen Verschiebung verstellt wird" (1999: 135).

64 Einzelbedeutungen ein und beschreibt diese als eine Funktion (f) der Bedeutungen seiner einzelnen Morpheme: A/a + B/b = (A + B) / f (a,b),

dabei stehen Großbuchstaben für Phonemfolgen und Kleinbuchstaben für die dazugehörende Bedeutung. Bei idiomatischen Wortgruppen wird diese Gleichung - vereinfacht gesagt - an verschiedenen Punkten „gestört". Einerseits gibt es Ausdrücke, in denen sich die Funktion durch eine oder zwei (bzw. mehrere) neue semantische Konstituenten verändert, z.B. (···) = (A+B) / f (c,d).

In obiger Kette von Variablen unterscheiden sich die semantischen Konstituenten c und d durch „[...] Unterdrückung oder Hinzufügung oder Ersetzung einer Bedeutungskomponente [...]" (Weinreich 1972: 423). Andererseits kann auch die Funktion f selbst verändert sein. In diesem Fall läge dann kein Isomorphismus mehr vor, d.h. keine l:l-Entsprechung zwischen den Morphemen und den Bedeutungen bzw. einer adäquaten Paraphrase. Auf diese Weise können verschiedene Formen und Grade der Idiomatizität genauer bestimmt werden. So unterscheidet Weinreich „Idiome", in denen sich die Übertragung auf alle Komponenten des Ausdrucks bezieht, von „phraseologischen Einheiten", in denen eine Komponente, welche ihre wörtliche Bedeutung behält, die zweite Komponente in einer besonderen Lesart determiniert. (Beispiel red herring in drei Lesarten: .bestimmte Heringssorte, die rot ist': freie Konstruktion; .geräucherter Hering': phraseologische Einheit; .Ablenkungsmanöver': Idiom) (Weinreich 1972: 434)47. Diese Vorgehensweise, d.h. eine Klassifikation, bei der es sich um die reine Erfassung handelt, welche Komponenten einer Wortgruppe idiomatisch verwendet werden, sieht u.a. auch Stein kritisch: Bei ausschließlich quantitativ orientierten Beschreibungen der Anzahl idiomatischer Konstituenten wurden diese weitgehend isoliert analysiert, ohne die inhaltliche Einheit der Wendung als Ganzes zu berücksichtigen, die ja eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Existenz eines PL [Phraseolexems] darstellt (Stein 1991: 251)

Problematisch bleibt des weiteren, zu entscheiden, wann eine bestimmte Lesart eines Lexems als idiomatisch gelten soll, d.h., wann man von einer übertragenen, idiomatischen Bedeutung reden kann, und wann es sich lediglich um eine im Lexikon eingetragene Lesart eines Wortes handelt, welche durch den Kontext ausgewählt wird. Und wenn es sich um eine idiomatische Bedeutung handelt, z.B. weil sie wirklich nur im Kontext des Idioms angenommen wird, in welcher Beziehung steht sie dann zur wörtlichen, externen Bedeutung, d.h., welche Form der Übertragung liegt vor?48 Palm (1997: 14) zeigt exemplarisch an dem Beispiel blinder Passagier und verschiedenen Konstruktionen, die das Adjektiv grün enthalten, eine Möglichkeit der Idiomatizitätsbestimmung (die sie allerdings selbst als problematisch bezeichnet) mithilfe einer Sememanalyse. Dabei muß entschieden werden, welche Lesarten eines Lexems serienhaft sind, d.h., in dieser Bedeutung mit weiteren Wörtern kombiniert werden können, und 47

48

Zur Anwendung der Klassifikation von Weinreich (1972) auf französische Paarformeln vgl. Stein (1991: 250f.). Vgl. zur Kritik an Weinreich auch Schemann (1981: 51ff.).

65 welche Lesarten einzig und allein in der Kombination mit einem bestimmten Lexem aktiviert werden. Ähnlich geht Fleischer (1982: 39f.) vor, um einige „Grenzfälle" zuzuordnen. Auch für ihn gilt, daß es sich bei Ausdrücken wie z.B. eiserne Reserve „[...] - trotz 'übertragener' Bedeutung - nicht um idiomatische Konstruktionen handelt, weil keine 'Einmaligkeit' der Verbindung gegeben ist" (Fleischer 1982: 39). Allerdings verläßt er sich, was die Lesarten dieser „problematischen" Lexeme angeht, auf die Angaben in nur einem Wörterbuch. Gerade Bedeutungsangaben können aber bekanntlich von Wörterbuch zu Wörterbuch variieren und sind somit anzuzweifeln. Aus diesen Ansätzen ist nur zu schließen, daß es äußerst problematisch ist, eine Entscheidung zu treffen, ob es sich um Idiomatizität handelt oder nicht, da man dafür Uber genaue Bedeutungsangaben der Einzellexeme verfügen muß. Weitaus systematischer geht Palm (1992) vor, die Idiomatisierungsprozesse in polysemen deutschen Idiomen untersucht, wobei sie neben der Art (z.B. Metapher) und der Richtung (z.B. Generalisierung) der Übertragung noch Objektdistinktion (z.B. belebt/ unbelebt) und konnotative Effekte (z.B. pejorativ) unterscheidet. Allerdings analysiert sie in erster Linie den Zusammenhang und die Ableitung zweier oder mehrerer idiomatischer Bedeutungen; der genaue Anteil aller wörtlichen Einzelbedeutungen eines Phraseologismus an der idiomatischen Gesamtbedeutung wird nicht aufgezeigt.

3.6.3 Übertragungsvorgänge Auch der Übertragungsvorgang selbst kann sich in Idiomen sehr unterschiedlich gestalten. So muß man unterscheiden, ob nur einzelne Elemente der Redewendung übertragen werden (teilidiomatische Phraseologismen bzw. „phraseologische Einheiten" nach Weinreich) oder ob das Idiom als Ganzes idiomatisch ist (vollidiomatisch bzw. „Idiom" nach Weinreich).49 Eine diesbezüglich sinnvolle Klassifizierung nimmt Schemann vor, der bei seiner sehr ausführlichen Analyse der Idiomatizität portugiesischer Idiome [...] die lineare, die blockartige und die globale Sprachbedeutung [unterscheidet], Jenachdem [sie!] ob die Übertragungsfaktoren - Synekdoche, Metonymie, Metapher - über ein, über mehrere oder Uber alle Glieder der Bildbedeutung operieren, ist die eine oder die andere dieser Sprachbedeutungen gegeben (Schemann 1981:114)

Unterliegen alle Komponenten einer Übertragung, so ist noch festzustellen, wann diese Übertragung stattfindet, d.h., ob jede einzelne Komponente „für sich" übertragen wird und sich dann aus den übertragenen Einzelbedeutungen eine Gesamtbedeutung bildet, oder ob aus den wörtlichen Einzelbedeutungen zunächst eine reguläre, externe Gesamtbedeutung abgeleitet wird, die dann als Ganzes einem Übertragungsvorgang unterliegt. Im ersten Fall, wenn „die semantischen Elemente entsprechend der Struktur der lexikalischen Bestandteile 49

Thun (1978) spricht von semantisch absenten und semantisch präsenten Komponenten in F WG (Fixierten WortgefÜgen). Je nachdem, ob die Lexeme in übertragener oder wörtlicher Bedeutung gebraucht werden, sind sie semantisch absent oder präsent. Natürlich gibt es auch einen „Mischtyp", in dem die semantisch absente Komponente von der präsenten (wörtlich gebrauchten) abhängt. Es besteht (laut Thun) das Problem, die Grenze zwischen semantisch präsenten Komponenten und freien Kontextpartnern zu ziehen.

66 verteilt sind" (Stumpf 1997: 204), spricht man auch von sog. „teilbaren Phraseologismen" (vgl. u.a. auch Dobrovols'kij 1988: 131f. und 1997: 92ff.). Jedem Wort des Phaseologismus ist dann genau eine Komponente der internen Bedeutung zuzuordnen. In der Redewendung caresser la bouteille (3-71) steht beispielsweise jedes Lexem für ein Lexem aus der nichtphraseologischen Paraphrase50: (3-71) caresser ,aimer'

-

la bouteille ,1e vin'

Im letzteren Fall ist dagegen der für idiomatische Redewendungen ohnehin untypische Isomorphismus zertstört (vgl. Weinreich 1972: 430), und es liegt keine „Teilbarkeit" des Ausdrucks mehr vor; er wird als „unteilbar" oder auch „monolith" bezeichnet (Dobrovols'kij 1988: 133), vgl. (3-72)51: (3-72) cracher au bassin,payer, donner de l'argent'

Des weiteren ist die Form der Übertragung näher zu bestimmen, d.h., ob es sich um Metaphern, Metonymien oder evt. andere Prozesse handelt.52 Schließlich ist noch zu berücksichtigen, wie oft eine Bedeutung übertragen wird, ob es z.B. mehrere Metaphorisierungsstufen gibt.53 In einem dritten Schritt muß man also versuchen, die verschiedenen Prozesse, die sich auf der Vertikalen abspielen, zu beschreiben.

3.6.4 Entwurf eines Analyseschemas Aus den in Kapitel 3.6.2 und 3.6.3 angesprochenen Problemen, die sich ergeben, wenn man sich mit Idiomatizität befaßt, ergibt sich für uns folgende Vorgehensweise, um die Übertragungsvorgänge in den zweigliedrigen Phraseologismen unseres Korpus angemessen zu beschreiben: Da an der Semantik eines Idioms sowohl die horizontalen Relationen als auch die vertikalen Übertragungsvorgänge beteiligt sind, ist die Konsequenz, daß man zur Erfassung der Semantik eines Idioms eine „Matrix" erstellen muß. Da zunächst nur phraseologische Wortpaare betrachtet werden, die nach dem Schema A [Konjunktion] Β aufgebaut sind, gestaltet sich die horizontale Achse mit der Ebene des signifiants als Ausgangspunkt relativ einheitlich. Um alle zweigliedrigen Phraseologismen mit ihren unterschiedlichen Übertragungsmechanismen zu erfassen, muß die vertikale Achse, die den Weg vom 50 51 52

53

Beispiel nach Stumpf (1997: 208) Beispiel nach Stumpf (1997: 206) Blank (1996: 123f.) hat bei seiner semantischen Analyse französischer FunktionsverbgefUge festgestellt, daß metaphorische und metonymische Bedeutungen eindeutig überwiegen und andere semantische Relationen nur eine geringe Rolle spielen. Bisher wurden die Überlegungen zur Semantik der Phraseologismen nur aus rein synchronischer Sicht vorgenommen. V.a. in bezug auf die lexikalischen Relationen führen verschiedene Formen des Bedeutungswandels jedoch bei Lexikalisierung zu synchronischen Typen von Polysemie. Vgl. dazu Blank (1996), der neun Typen des Bedeutungswandels nennt und daraus fünf synchrone Relationen herleitet, z.B. Bedeutungsverengung (vit. homo .Mensch' > ,Mann') Ober- / Unterbegriffsrelation (frz. homme .Mensch'; ,Mann').

67 signifiant des Zeichens zur idiomatischen Gesamtbedeutung sukzessive darstellen soll, jedoch eine Reihe von Optionen bieten. Ein einheitliches Schema sieht folgendermaßen aus: (3-73) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen

Bedeutung (A)

A et Β Bedeutung (Β)

semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Übertragungsform der Einzelbedeutungen

[z.B. Ähnlichkeit, Gegensatz, Kontiguität, keine Relation]

Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung

[z.B. Metapher, Metonymie, keine Übertragung]

idiomatische Gesamtbedeutung / signifié

[z.B. Metapher, Metonymie, keine Übertragung!

[z.B. Metapher, Metonymie, keine Übertragung]

[z.B. Synonymie, benutzte Relation oder geschaffene Relation] Bedeutung (A et B)

Nach diesem Schema wurde die Gruppe der 210 konjunktional verknüpften oder asyndetischen PWP analysiert54. Dabei kristallisierten sich vier Haupttypen heraus, die im folgenden jeweils an exemplarischen Vertretern mit Hilfe des Analyseschemas genauer betrachtet werden sollen. Die zuvor behandelten Inhaltsrelationen sollen grundlegend ftir die semantische Beschreibung auf allen Ebenen sein.

3.6.5 Analyse der koordinativ-verkntlpften PWP 3.6.5.1 Falli Bei dem I. Fall handelt es sich um nicht-idiomatische Konstruktionen, die aber dennoch eine gewisse Festigkeit besitzen, was sich z.B. daran zeigt, daß ihre Reihenfolge fixiert ist. Es finden also keine Übertragungsprozesse statt; die Gesamtbedeutung leitet sich regulär aus den Einzelbedeutungen her. Der Unterschied zur freien Wortgruppe besteht hier v.a. darin, daß es sich um Stereotype (auch: „Nominationsstereotype") handelt, also um Wiederholungsverfahren einer besonderen Wortgruppe. Da keine Übertragung stattfindet, ist alleine die semantische Relation auf der Ebene der langue zu bestimmen. In dieser Gruppe, die mit ca. 31 % den zweitgrößten Anteil der konjunktional verknüpften PWP unseres Korpus darstellt, werden v.a. Synonyme (oder bedeutungsähnliche Lexeme) koordiniert, wobei das zweite Element des Ausdrucks keinen Beitrag mehr zur denotativen Bedeutung leistet, sondern einen rein stilistischen Wert für das PWP hat. Exemplarisch im folgenden das PWP [n 'avoir] ni fin ni cesse:

54

Die präpositional verknüpften Wortpaare werden in Kap. 3.5.8, die aus zwei identischen Lexemen gebildeteten PWP in Kap. 3.5.9 behandelt.

68 (3-74) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Übertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung (idiomatische) Gesamtbedeutung / signifié

[n'avoir] ni fin ni cesse ,Ende, Schluß' .Ende, Aufhören' benutzte Ähnlichkeit, Synonymie

,ne pas cesser'

In gleicher Weise konstruiert sind u.a. folgende Ausdrücke55: (3-75) l'art et la manière les faits et gestes en lieu et place [de qn] de pièces et de morceaux à tort et à travers les us et coutumes les voies et moyens aux risques et périls de sain et sauf fort et ferme frais et dispos le cher et tendre sûr et certain pur et simple [parler] haut et clair Neben Synonymendopplungen kommt in nicht-idiomatischen PWP außerdem die Relation des komplementären Gegensatzes vor: (3-76) bêtes et gens le pour et le contre Wie weiter oben beschrieben, teilen komplementäre Gegensatzpaare ein Ganzes in zwei „Subklassen". Da die nicht-idiomatischen PWP alle wörtlich zu verstehen und koordinativ verknüpft sind, wird gut deutlich, daß die Gesamtbedeutung nicht-idiomatischer koordinativer Ausdrücke gleich der Vereinigungsmenge der beiden Einzelbedeutungen ist. In der Relation der Antonymie i.e.S. stehen, u.a. die PWP unter (3-77): (3-77) ni bien ni mal ni plus ni moins Um einen skalaren Gegensatz handelt es sich bei den folgenden zwei Beispielen: 55

Beispiele hier und im folgenden nur in Auswahl

69 (3-78) en noir et blanc autrefois et maintenant Die Gegensatzrelation der Konversion ist einmal in dem mit dessus/dessous gebildeten Beispiel in der ersten Fallgruppe anzutreffen (vgl. (3-79)), und eine Kontiguitätsrelation kann auch nur in einem, u.zw. schwach fixierten und damit am Rande zum freien Syntagma stehenden, Beispiel festgestellt werden, vgl. (3-80): (3-79) bras dessus, bras dessous (3-80) du fil et une aiguille Ein Beispiel für Richtungsopposition stellt (3-81) dar: (3-81) [ne faire qu'] entrer et sortir Die beiden folgenden PWP unter (3-82) stellen einen Sonderfall der I. Gruppe dar, da es sich historisch gesehen zwar um eine Ähnlichkeitsrelation handelt, synchron betrachtet A jedoch keine Bedeutung mehr trägt. Da bei Syonymendopplungen immer ein Lexem für die rein denotative Bedeutung redundant ist, reicht hier Β als Bedeutungsträger alleine aus. Es findet keine Übertragung statt, demnach können diese Ausdrücke in Gruppe I eingeordnet werden. (3-82) au fur et à mesure d'ores et déjà Etwas anders liegt der Fall jedoch bei peu ou prou, da es sich um Antonymie mit einer unikalen Komponente handelt. Die Gesamtbedeutung wird nicht nur durch das zweite Element verstärkt, sondern seine Bedeutung ist notwendig. Aufgrund der Tatsache, daß diese extern nicht präsent ist, muß man dieses Wortpaar als teilidiomatisch bezeichnen.

3.6.5.2 Fallii Der II. Fall repräsentiert mit ca. 51 % die größte Gruppe und ist folgendermaßen zu charakterisieren: Die Einzelbedeutungen stehen in einer benutzten semantischen Relation, welche die Grundlage für eine Übertragung der wörtlichen Gesamtbedeutung bildet. Es handelt sich demnach ausschließlich um idiomatische, genauer gesagt metaphorisch (oder metonymisch) motivierte PWP, die unteilbar sind.

3.6.5.2.1 Ausgangsrelation: Ähnlichkeit Den zahlenmäßig größten Teil (28 PWP) machen in dieser Gruppe Dopplungen von bedeutungsähnlichen Lexemen (im sehr weiten Sinne) aus, deren Wirkung sowohl auf der Ebene der wörtlichen als auch der idiomatischen Bedeutung auf dieser Inhaltsrelation beruht. Eine auf der externen Ebene benutzte Relation bleibt folglich auf der Ebene der übertragenen Bedeutung erhalten. Das zweite Lexem einer Synonymendopplung hat auch hier eine rein stilistische Funktion, d.h., es ist zum Entstehen der übertragenen Bedeutung

70

nicht unerläßlich. Der semantische Aufbau wird an dem Beispiel [ne chercher que] plaies et bosses verdeutlicht: (3-83) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Übertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung

[ne chercher que] plaies et bosses ,Wunden' ,Beulen' Ähnlichkeit (benutzt)

Metonymie

semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung

Synonymie / Ähnlichkeit (benutzt)

(idiomatische) Gesamtbedeutung / signifié

,aimer les querelles, les disputes, la bagarre...'

Die Übertragung wird in diesem wie in zahlreichen anderen Fällen (z.B. [n'avoir] ni foi ni loi) durch eine Metonymie verwirklicht. Ebenso häufig liegt eine metaphorische Übertragung vor, z.B. in [bâtir] à chaux et à sable, [promettre] monts et merveilles. In dem PWP [prendre] fait et cause handelt es sich um eine Verallgemeinerung juristisch-fachsprachlicher Ausdrücke, welche in dieser speziellen Bedeutung nicht dem Normalwortschatz angehören 56 . Hyperbolik ist im Spiel bei der Wendung [rendre] tripes et boyaux. Äußerst selten ist hingegen der Fall, daß die Ähnlichkeitsrelation auf der Ebene der internen Bedeutung die Funktion einer komplementären Relation erhält (z.B. [épousseter] coins et recoins).

3.6.5.2.2 Ausgangsrelation: Kontiguität In einer weiteren zahlenmäßig stark vertretenen Gruppe (insgesamt 38 PWP) stehen zwei Lexeme, die in einer Kontiguitätsbeziehung stehen, stellvertretend für einen größeren Bedeutungsbereich. Sie werden exemplarisch genannt, so daß über ihre gemeinsamen Bedeutungsanteile die Grundlage fllr die Übertragung entsteht. Diese Kontiguitätsbeziehung auf der externen Ebene wird jedoch nur in einem Fall {[venir] à son jour et à son heure) auf der internen Ebene mit der gleichen Funktion aufrechterhalten. In allen anderen Beispielen erhält sie die Funktion einer Ähnlichkeitsbeziehung/Synonymendopplung oder aber die einer komplementären Beziehung, wobei es sich folglich immer um eine neu „geschaffene" Relation handelt. So unterscheiden sich beispielsweise in dem PWP [payer] en chats et en rats die semantischen Relationen auf den beiden Bedeutungsebenen: Handelt es sich bei den isoliert betrachteten Einzelbedeutungen noch um Kontiguität, kann man (über die idiomatische Gesamtbedeutung) als Funktion eine „geschaffene" Ähnlichkeit ermitteln, vgl. 56

prendre cause .soutenir la cause d'une personne dans un procès', fait ,1e sujet concret de l'affaire et le discours des hommes de loi à son sujet' (RC).

71 (3-84). Daß hier die stilistische Funktion der einer Synonymendopplung gleicht, wird durch das Weglassen einer Komponente deutlich: Ein Idiom in der Form *payer en rats (oder *payer en chats) wäre mit der gleichen metaphorischen Übertragung denkbar. (3-84) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Übertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung idiomatische Gesamtbedeutung / signifié

[payer] en chats et en rats ,Katzen' .Ratten' benutzte Kontiguität (sachlich, räumlich)

Metapher (TC: Wertlosigkeit) geschaffene Ähnlichkeit Funktion: Verstärkung ,ne pas payer en bonne monnaie'

Weitere Beispiele für diesen Typ: (3-85) [avoir] bec et ongles [n'avoir] ni feu ni lieu

Im folgenden wird noch ein Beispiel für benutzte Kontiguität vorgestellt, in dem die Wörter in der übertragenen Bedeutung die Funktion von Komplementarität erfüllen. Der Unterschied zum komplementären Gegensatz, der schon auf der externen Bedeutungsebene besteht, liegt darin, daß die beiden Begriffe der Kontiguitätsrelation stellvertretende Sachverhalte für die Gesamtbedeutung bezeichnen, diese aber nicht in genau zwei Subklassen unterteilen, so wie es die Komplementarität erfordert. Auf der Ebene der internen Bedeutung kann man aber dennoch von einer komplementären Relation sprechen, da gerade diese Zweiteilung über die idiomatische Gesamtbedeutung suggeriert wird und die Einzellexeme die Funktion erhalten, genau eine von zwei Teilbedeutungen zu repräsentieren. Aus diesem Grund findet in diesen Fällen stets eine metonymische Übertragung (und zwar pars pro toto) statt57:

57

Dietz (1999: 320 in Anlehnung an Munske 1993) interpretiert auch die deutschen Zwillingsformeln mit Kind und Kegel und mit Mann und Maus untergehen als pars pro toto.

72 (3-86) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Übertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung idiomatische Gesamtbedeutung / signifié

[avec] armes et bagages ,Waffen' .Gepäck' benutzte Kontiguität (sachlich, räumlich)

Metonymie (pars pro toto) geschaffene Komplementarität

,avec tout son matériel, tout ce dont on a besoin'

Weitere Beispiele: (3-87) [un film] de cape et d'épée en chair et en os au doigt et à l'œil

3.6.5.2.3 Ausgangsrelation: Gegensatz Liegt als externe Relation ein komplementärer Gegensatz vor, so besteht zunächst die Möglichkeit, daß die komplementäre Relation auf der Ebene der übertragenen Bedeutung erhalten bleibt, so in Beispiel (3-88): (3-88) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Übertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung idiomatische Gesamtbedeutung / signifié Weitere Beispiele: (3-89) corps et âme par monts et par vaux nuit et jour / jour et nuit comme père et mère

[remuer] ciel et terre ,Himmel' ,Erde' benutzte Komplementarität

Metapher benutzte Komplementarität

.employer tous les moyens'

73 Eine weitere Möglichkeit besteht darin, daß mit zwei Lexemen, die in einem Verhältnis des gradierbaren Gegensatzes stehen, eine komplementäre Relation geschaffen wird. Der Gegensatz bleibt also erhalten, ändert aber seine Form: (3-90) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Ubertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung idiomatische Gesamtbedeutung / signifié

jeunes et vieux junge Leute' ,alte Leute' gradierbarer Gegensatz / Antonymie i.e.S.

Metonymie geschaffene Komplementarität

,tout le monde'

jeunes et vieux scheint zunächst nicht-idiomatisch zu sein, allerdings liegt eine schwache Idiomatizität vor, da neben den alten und jungen auch die mittleren Jahrgänge gemeint sind, aber nicht explizit genannt werden. In einem PWP erhält eine orthogonale Opposition auf externer Ebene auf der Ebene der übertragenen Bedeutung eine komplementäre Funktion: en long et en large (,sous tous aspects'). Eine benutzte komplementäre Relation kann aber auch die Funktion von Ähnlichkeit/Synonymendopplung erhalten, womit eine vollkommen neue Relation geschaffen wird, vgl. (3-91). Dies ist nur möglich, weil Gegensatzrelationen (die eigentlich das „Gegenteil" der Synonymie sind) im Grunde wegen der gemeinsamen Seme eine besondere Form von Ähnlichkeit darstellen: (3-91) signifiant

[couper] bras et jambes [à qn.]

wörtliche Einzelbedeutungen

,Arme' .Beine' benutzte Komplementarität

semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Ubertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung

Metapher

idiomatische Gesamtbedeutung / signifié

.étonner extrêmement, laisser sans aucune réaction'

geschaffene Ähnlichkeit

Auch in dem PWP [en oublier] le boire et le manger (,être entièrement absorbé par une occupation, un souci') handelt es sich extern um einen komplementären Gegensatz, in der

74 internen Bedeutung werden jedoch die ähnlichen Bedeutungsanteile herausgestellt. Nicht an diese Stelle zu interpretieren ist jedoch das PWP [il y a] à boire et à manger (,il y a de bons et de mauvais aspects'), welches nach unserer Klassifizierung in die Gruppe III gehört. An diesen Beispielen kann man gut erkennen, wie unterschiedlich Lexempaare in Phraseologismen eingesetzt werden und daß trotz eines offensichtlichen Motivierungszusammenhangs die gleichen Wörter fllr vollkommen verschiedene Idiomatisierungen genutzt werden können. Auch die Relation eines skalaren Gegensatzes kann in der idiomatischen Bedeutung aufgehoben werden, so daß dort die ähnlichen Bedeutungselemente im Vordergrund stehen, so bei [faire] la pluie et le beau temps und [parler] de la pluie et du beau temps.5*

3.6.5.2.4 Ausgangsrelation: keine Eine weitere Möglichkeit besteht darin, daß auf der externen Ebene keine Relation besteht, wie z.B. bei [avec] délices et orgues. Erst durch das gemeinsame Auftreten in der fixierten Wendung ist es möglich, eine Verbindung zwischen den beiden Lexemen auszumachen, d.h., in dem Kontext der Gesamtbedeutung eine gewisse Ähnlichkeit festzustellen. Diese Ähnlichkeit ist demnach in der Terminologie Blumenthals erst „geschaffen". (3-92) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Ubertragungsform der Einzelbedeutungen Ubertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung idiomatische Gesamtbedeutung / signifié

58

[avec] délices et orgues ,Genuß' keine Relation

, Orgeln'

Metapher geschaffene Ähnlichkeit

,avec le plus grand plaisir'

Dietz (1999: 344f. mit Bezug auf Salomon 1919) betont bei den deutschen antithetischen Paarformeln dieses Typs (z.B. Himmel und Hölle in Bewegung setzen oder Tag und Nacht) den summierenden, additiven Charakter der Einzelbedeutungen, die sich zu einer Gesamtbedeutung verbinden, die einen größeren Bereich abdeckt. Dies entspricht dem oben geäußerten Phänomen der geschaffenen Komplementarität oder der geschaffenen Ähnlichkeit auf der internen Bedeutungsebene.

75 3.6.5.3

Fall III

Bei diesem Fall liegt zwar auch eine Übertragung der wörtlichen Gesamtbedeutung vor; der Unterschied zu II besteht aber darin, daß keine direkte Ähnlichkeit zwischen den wörtlichen Einzelbedeutungen und der Gesamtbedeutung vorliegt, sondern die syntagmatische Beziehung selbst metaphorisiert wird. Die idiomatische Gesamtbedeutung steht nur insofern in einer Ähnlichkeitsrelation zur externen Bedeutung, als auf beiden Ebenen die gleiche semantische Relation ausgedrückt wird. Folglich handelt es sich auf beiden Bedeutungsebenen um „benutzte" semantische Relationen. Das Ergebnis der Übertragung der syntagmatischen Beziehung ist, daß die idiomatische Gesamtbedeutung auf jeden Fall auch immer in irgendeiner Form zweigliedrig sein muß. Diese besondere Form der Übertragung macht im vorliegenden Korpus immerhin noch einen Anteil von ca. 12 % aus. In dem Beispiel [dire] blanc et (puis) noir haben die Bedeutungen der Farben ,schwarz' und ,weiß' keine Ähnlichkeit mit der idiomatischen Gesamtbedeutung, vgl. (3-93). Der gleiche Effekt könnte durch ein anderes Gegensatzpaar erzielt werden, so wäre z.B. ebenfalls das nicht existierende PWP *dire haut et puis bas denkbar. Nicht die Einzelbedeutungen, sondern lediglich die krasse Gegensätzlichkeit der beiden Lexeme wird metaphorisch übertragen. (3-93) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Übertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung idiomatische Gesamtbedeutung / signifié

[dire] blanc et (puis) noir ,weiß' ,schwarz' skalarer Gegensatz (benutzt)

Metapher (Übertragung der syntagmatischen Relation) skalarer Gegensatz

,se contredire'

Diese Form der Übertragung tritt in den Wortpaaren unseres Korpus überwiegend bei semantischen Gegensatzrelationen auf, vgl. (3-94) bis (3-96): (3-94) skalarer Gegensatz: l'alpha et l'oméga [ne pas mélanger] les torchons et les serviettes (3-95) Konversion: [on ne peut pas avoir] le beurre et l'argent du beurre (3-96) komplementärer Gegensatz: [c'est] l'eau et le feu [c'est] le jour et la nuit

76 An den beiden Beispielen unter (3-96), die sowohl syntaktisch gleich konstruiert sind als auch die gleiche Gesamtbedeutung aufweisen, erkennt man gut, daß in diesem Fall die Bedeutung der Einzellexeme im Prinzip von geringerer Wichtigkeit als deren semantische Relation ist. Auf diese Weise können leicht „Phraseoschablonen", d.h., „[...] eine syntaktisch-semantische Struktur [...], deren Bedeutung also unabhängig von der lexikalischen Füllung schon markiert ist" (Palm 1997: 68), entstehen. Die komplementäre Relation wird noch verstärkt, wenn es sich um eine „oder-Verknüpfung" zwischen den beiden komplementären Lexemen handelt, da ou in der Funktion als disjunktive Konjunktion die Teilung in genau zwei mögliche Sachverhalte, die zu erwarten sind, schon als Bedeutung enthält, vgl. (3-97): (3-97) [il faut qu'une porte soit] ouverte ou fermée [jouer à] pile ou face

Fälle, in denen eine synonymische Relation übertragen wird, sind aber ebenso möglich, so z.B. (3-98)59: (3-98) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Übertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung idiomatische Gesamtbedeutung / signifié

[c'est] bonnet blanc et blanc bonnet ,weiße Mütze' ,weiße Mütze' benutzte Synonymie

Metapher (Übertragung der syntagmatischen Relation) benutzte Synonymie

,c'est exactement pareil'

Kontiguität ist in der Gruppe III durchaus auch als semantische Relation auf beiden Bedeutungsebenen möglich: In dem PWP [être comme] cul et chemise wird die syntagmatische Beziehung der räumlichen Nähe übertragen, um die Bedeutung ,être très liées, intimes (de deux personnes)' zu erzeugen, welche genau diesen engen Zusammenhang auf menschliche Beziehungen projiziert. Einen besonderen Fall der III. Fallgruppe stellt die Redewendung [il y a] fagot et fagot dar.60 Daß diese Redewendung mit dem Lexem fagot gebildet wurde, ist sekundär, da die gleiche Gesamtbedeutung mit der Bezeichnung jedes anderen Gegenstandes, von dem bekannt ist, daß vom ihm selten zwei vollkommen identische Exemplare existieren, wenn nicht sogar mit jedem anderen Substantiv erzielt werden könnte. Das Auffällige an diesem

59 60

Vgl. auch die dt. Redewendung das ist gehupft wie gesprungen. Die Redewendung ist in RC mit vieilli gekennzeichnet, was vermutlich daran liegt, daß Reisigbündel nicht mehr zum alltäglichen Leben der meisten Menschen gehören und somit ein Teil der Motivation verloren gegangen ist.

77 PWP ist, daß die semantische Relation auf der Ebene der übertragenen Bedeutung in ihr vollkommenes Gegenteil umgewandelt wird: (3-99) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen

[il y a] fagot et fagot .Reisigbündel'

semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue

Identität

Übertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung idiomatische Gesamtbedeutung / signifié

,Reisigbündel'

metaphorische Übertragung der syntagmatischen Relation geschaffener Gegensatz

,il y a de grandes différences de nature ou de qualité entre des choses désignées par le même terme' (de même qu'il y a des fagots bien ou mal faits, plus ou moins gros, etc.)

In die III. Gruppe gehört auch das PWP [ménager] la chèvre et le chou ,ménager des intérêts contradictoires', welches die Besonderheit aufweist, daß hier drei verschiedene semantische Relationen auftreten. Auf der Ebene der externen Bedeutung besteht zunächst keine offensichtliche semantische Relation zwischen den beiden Lexemen chèvre und chou. Durch den Kontext der relativ bekannten Geschichte des Fährmanns, wird jedoch ein sachlicher Zusammenhang, also Kontiguität, geschaffen. Auch wenn diese Inhaltsrelation nur in einem bestimmten Kontext besteht, so befinden wir uns immer noch auf der Ebene der externen denotativen Bedeutungen von A und B. Bei näherer Betrachtung des Kontextes muß man die Relation der Kontiguität zugunsten einer komplementären Gegensatzrelation aufgeben. Erst an diesem Punkt findet dann eine Übertragung der syntagmatischen Beziehung statt. In unserem Schema kann man diesen Fall folgendermaßen darstellen:

78 (3-100) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Übertragungsform der Einzelbedeutungen Ubertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung idiomatische Gesamtbedeutung / signifié

[ménagerl la chèvre et le chou ,Kohr ,Ziege' 1. keine Relation 2. Kontiguität 3. komplementärer Gegensatz

metaphorische Übertragung der syntagmatischen Relation geschaffener Gegensatz

.ménager des intérêts contradictoires'

Ähnlich zu analysieren ist (3-101), in dem auf externer Bedeutungsebene keine semantische Relation zwischen carpe und lapin besteht. Diese Unterschiedlichkeit bzw. Unvereinbarkeit wird dann auf interner Bedeutungsebene thematisiert und ein Gegensatz neu geschaffen:

(3-101) [mariage] de la carpe et du lapin

3.6.5.4

Fall IV

Der IV. Fall, in dem jede der Einzelbedeutungen zuerst alleine Ubertragen wird, kommt am seltensten vor (ca. 6,8 %). Es handelt sich ausschießlich um teilbare Phraseologismen, da jede genannte Komponente fur eine gemeinte, übertragene Bedeutung steht. Als Beispiel sei unter (3-102) der Ausdruck en avoir l'air et la chanson genannt, bei dem jedoch zusätzlich die Schwierigkeit auftritt, daß air mehrdeutig ist und somit zwei Möglichkeiten bezüglich der Übertragung nachgezeichnet werden müssen:

79 (3-102) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Übertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung idiomatische Gesamtbedeutung / signifié

fen avoir] l'air et la chanson 1. .Erscheinung' .Lied' 2. .Melodie' benutzte Kontiguität

1. keine Übertragung 2. Metapher: ,l'apparence'

Metapher: .les paroles, la réalité'

geschaffene Komplementarität

.être bien tel qu'on paraît, on n'en a pas seulement l'apparence'

Typische Vertreter des IV. Falls sind auch die beiden PWP le sabre et le goupillon und le trône et l'autel, in denen jeweils zu den Institutionen zugehörige Attribute metonymisch für .Armee', ,Kirche' und ,König' stehen. Ähnlich verhält sich das Wortpaar la carotte et le bâton, in dem jedoch auf der Ebene der externen Bedeutung keine semantische Relation festgestellt werden kann. Nach der metonymischen Übertragung der beiden Einzellexeme wird dann eine Gegensatzrelation auf interner Bedeutungsebene geschaffen. In (3-103) zeigt sich, daß die Form der Übertragung nicht immer genau zugeordnet werden kann. Es ist nicht mehr nachvollziehbar, ob in diesem Fall die Einzelbedeutungen jeweils gemäß unserem Fall IV gesondert übertragen werden und jedes Lexem für einen Teil der gemeinten Gesamtbedeutung steht, oder ob es sich nicht doch um Fall II handelt, d.h., es werden zunächst die gemeinsamen Bedeutungselemente „gesucht", um dann den Ausdruck als Ganzes zu metaphorisieren.

80 (3-103) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Übertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung idiomatische Gesamtbedeutung / signifié

[vivre] d'amour et d'eau fraîche ,Liebe' ,frisches/kaltes Wasser' keine Relation

Metonymie: .Gefühle' (oder: keine Übertragung)

Metapher: .einfaches Leben'

geschaffene Ähnlichkeit

,se contenter des sentiments et ne pas se préoccuper des nécessités matérielles'

Ein weiteres Beispiel ist das PWP [les cheveux] poivre et sel, in dem poivre und sel jeweils metonymisch für die Bedeutungen .schwarz' und ,weiß' stehen: (3-104) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Übertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung idiomatische Gesamtbedeutung / signifié

[les cheveuxl poivre et sel .Salz' .Pfeffer' benutzte Kontiguität

Metonymie: .schwarz'

Metonymie: .weiß'

Kontiguität (benutzt)

,mêlé de noir (de brun) et de gris ou de blanc' (RC)

Ein Übertragungsvorgang einzelner Komponenten kommt noch bei weiteren phraseologischen Wortpaaren vor, allerdings handelt es sich bei der Übertragung dann um bereits lexikalisierte Metaphern: (3-105) le fort et le faible des hauts et des bas In den Fällen unter (3-105) ist anzunehmen, daß die Einzelelemente schon in einer metaphorischen Bedeutung lexikalisiert waren, als sich der Phraseologismus als solcher verfestigt hat. Diese PWP könnte man demnach auch in die Gruppe I der nicht-idiomatischen Wortpaare einordnen.

81 3.6.5.5 Zusammenfassung Es gibt drei Möglichkeiten, wie benutzte und geschaffene Relationen auf den beiden Bedeutungsebenen in zweigliedrigen phraseologischen Ausdrücken auftreten können: a) Eine bestimmte semantische Relation, die auf der Ebene der externen Bedeutungen vorliegt, kann auf der Ebene der idiomatischen Bedeutung durchaus erhalten bleiben, auch wenn die Gesamtbedeutung durch einen Metaphorisierungsprozeß entsteht. b) Des weiteren ist die Möglichkeit zu berücksichtigen, bei der zwar eine bereits bestehende inhaltliche Beziehung „benutzt" wird, aber in der idiomatischen Gesamtbedeutung eine andere Funktion erhält, also zusätzlich noch eine neue Relation geschaffen wird (z.B. [être] tout sucre tout miel, s.o.). Dies ist natürlich nur möglich, sofern auf der Ebene der externen Bedeutungen eine Relation festzustellen ist. c) Ist dies nicht der Fall, wird durch die Gegenüberstellung im phraseologischen Wortpaar erst eine semantische Relation geschaffen. Diese inhaltliche Beziehung kann dann nur über die idiomatische Gesamtbedeutung bestimmt werden. Der Übersicht halber sollen in der folgenden Tabelle (3-106) noch einmal für die koordinativ verknüpften PWP alle möglichen Kombinationen der semantischen Relationen auf beiden Bedeutungsebenen und ihre quantitative Verteilung zusammengestellt werden:

(3-106) Fall

I.

semantische Relation auf der Ebene der externen Bedeutung (langue)

semantische Relation auf der Ebene der internen Bedeutung

(parole)

Ähnlichkeit Kontiguität Komplementarität Antonymie i.e.S. skalarer Gegensatz Konversion Richtungsopposition

II.

Beispiel

nicht bestimmbar Ähnlichkeit

Ähnlichkeit

Ähnlichkeit

Komplementarität

[n'avoir] ni fin ni cesse tel maître, tel valet bêtes et gens ni bien ni mal [en] noir et blanc bras dessus, bras dessous [ne faire qu'] entrer et sortir au fur et à mesure [ne chercher que] plaies et bosses [épousseter] coins et recoins

quantitative Verteilung absolut

Summen

absolut

in % ca.

30 9 10 6 3 2 3 2 28 2

65

31

82 Fortsetzung von Tabelle (3-106):

III.

Kontiguität

Kontiguität

Kontiguität

Ähnlichkeit

Kontiguität

Komplementarität

Komplementarität Komplementarität

Komplementarität Ähnlichkeit

Antonymie i.e.S. Antonymie i.e.S.

Komplementarität Ähnlichkeit

skalarer Gegensatz

Ähnlichkeit

orthogonaler Gegensatz Konversion Richtungsopposition Richtungsopposition

Komplementarität

Teil-GanzesBeziehung Teil-GanzesBeziehung keine

Ähnlichkeit

keine

Kontiguität

Ähnlichkeit

Ähnlichkeit

Kontiguität

Kontiguität

Komplementarität

Komplementarität

skalarer Gegensatz

skalarer Gegensatz

Konversion

Konversion

allg. Gegensatz

allg. Gegensatz

Identität / Ähnlichkeit

Gegensatz

Konversion Richtungsopposition Komplementarität

Teil-GanzesBeziehung Ähnlichkeit

[venir] à son jour et à son heure [se défendre] bec et ongles [avec] armes et bagages [remuer] ciel et terre [couper] bras et jambes [à qn.] jeunes et vieux [ne faire] ni chaud ni froid [faire] la pluie et le beau temps en long et en large

2 19 19 9 7 1 4 2 2

sens dessus dessous un aller et retour de droite et de gauche des mille et des cents

1 1 1

[contenter] tout le monde et son père [avec] délices et orgues [pendre qn.] haut et court [c'est] bonnet blanc et blanc bonnet [être comme] cul et chemise [c'est] le jour et la nuit [dire] blanc et (puis) noir [on ne peu pas avoir] le beurre et l'argent du beurre [s'entendre comme] chien et chat [il y a] fagot et fagot

1

1

4 3 107 2 2 6 4 1

2 2

51

83 Fortsetzung von Tabelle (3-106): Kontiguität

Kontiguität

Komplementarität / Kontradiktion Komplementarität / Kontradiktion Kontiguität

Kontiguität

Komplementarität

Kontiguität

skalarer Gegensatz

allg. Gegensatz

allg. Gegensatz

Komplementarität

Komplementarität

keine

Ähnlichkeit

keine

Kontiguität

keine IV.

keine insgesamt

Komplementarität

[n'être] ni lard ni cochon [ménager] la chèvre et le chou [les cheveux] poivre et sel [en avoir] l'air et la chanson [n'avoir] ni queue ni tête [jouer] au chat et à la souris [avec qn]

4

[il faut] en prendre et en laisser [vivre] d'amour et d'eau fraîche une chaumière et un cœur la carotte et le bâton

1

2

25

12

13

6 100

5 2 1 1

1 1 1

210

3.6.6 „ODER-Verbindungen" Die Zahl der mit ou gebildeten PWP (insgesamt 16) ist wesentlich niedriger als die bis hierher betrachteten PWP der Form A et B. Es kann eine auf den gleichen Grundlagen beruhende Bedeutungsanalyse wie bei den „und-Verbindungen" vorgenommen werden: Die semantischen Relationen sind ebenso von Interesse wie die Entstehung der idiomatischen Bedeutung und die entsprechenden Übertragungsvorgänge. Allerdings ist zusätzlich - im Gegensatz zur einfachen Bedeutung von et - die Konjunktion ou aufgrund ihrer Mehrdeutigkeit näher zu betrachten. Laut Nouveau Petit Robert hat die Konjunktion ou fünf Grundbedeutungen, von denen auf die ersten vier im folgenden zurückgegriffen wird, da sie auch in allen mit ou verknüpften PWP unseres Korpus anzutreffen sind. Diese, weiter unten näher zu betrachtenden, Grundbedeutungen decken sich nicht direkt mit den Operationen der Aussagenlogik, also der inklusiven und exklusiven Disjunktion, welche bei der Bestimmung der Bedeutungen von „oder-Verbindungen" in der sprachlichen Realität, d.h. weit entfernt von konstruierten Beispielsätzen und insbesondere in idiomatischen Redewendungen, nicht immer hilfreich sind. Konkrete sprachliche Äußerungen gestalten sich in der Regel komplexer, und Wahrheitswerte sind nicht immer eindeutig zuzuordnen 61 . V.a. die logische

61

Vgl. dazu Ducrot (1972: 107): „Dès qu'on quitte les énoncés assertifs, l'impossibilité de rendre ou par « ν » devient flagrante — et on s'aperçoit que le mouvement de pensée représenté par ou est tout autre chose qu'une disjonction logique (même s'il peut parfois [...] avoir des effets analogues)".

84 Operation der inklusiven Disjunktion läßt sich auf sprachlicher Ebene nur in seltenen Fällen vollständig nachvollziehen, da das sprachliche „oder" in der Regel exklusiv gebraucht wird62. Aus diesem Grund orientiert sich die folgende Gliederung an den Grundbedeutungen von on, innerhalb derer dann u.U. auf mögliche Entsprechungen mit aussagenlogischen Operationen verwiesen wird. Die in den vorangehenden Kapiteln fur die mit „und" gebildeten Wortpaare herausgearbeiteten Fälle erweisen sich auch hier als sinnvolles Klassifikationskriterium, um die Übertragungsvorgänge genauer zu beschreiben. Das in Kap. 3.6.4 entworfene Analyseschema kann deshalb grundsätzlich übernommen werden, muß aber um eine Zeile, in der die Bedeutung der Konjunktion genauer angegeben wird, erweitert werden.

3.6.6.1 Äquivalenz Wird Ott in dieser ersten Bedeutung verwendet, so drückt es eine Äquivalenz zweier Formen aus, die die gleiche Sache bezeichnen63. Aufgrund der Tatsache, daß die beiden koordinierten Lexeme referenzidentisch sind, ist zu erwarten (wenn auch nicht zwingend notwendig64), daß sie in einer semantischen Ähnlichkeitsrelation stehen. Das einzige Beispiel in unserem Korpus, in dem ou in dieser Bedeutung verwendet wird, ist [c 'est] bonnet blanc ou blanc bonnet (der Ausdruck existiert neben dem gleichen PWP, das mit der Konjunktion et gebildet ist). Es muß allerdings zwischen der Ebene der externen Bedeutung, auf der der Fall der Referenzidentität durch die Wiederholung mit unterschiedlicher Attributstellung gegeben ist, und der Ebene der internen Bedeutung unterschieden werden. Auf der letzteren haben beide Lexeme die Funktion der Bedeutungsgleichheit, da in der idiomatischen Bedeutung von zwei Erscheinungen in der Realität die Rede ist und somit keine Referenzidentität gemeint ist. Es handelt sich bei diesem Wortpaar um einen Repräsentanten des III. Falls, d.h., es besteht keine direkte Ähnlichkeit in der Bedeutung der Einzellexeme und der idiomatischen Bedeutung, lediglich die syntagmatische Inhaltsrelation (hier: Ähnlichkeit bzw. Synonymie) wird übertragen:

62 63 64

Vgl. Lewandowski (1994: 115). „Équivalence de dénominations différentes d'une même chose" (PR) Referenzidentität setzt primär die Möglichkeit der syntagmatischen Ersetzung, die u.a. bei entsprechenden Pronomina gegeben ist, voraus und ist nicht direkt von semantischen Relationen abhängig. Handelt es sich jedoch um Lexeme, kann Referenzidentität durch den Gebrauch von Synonymen oder auch Hyperonym und Hyponym erreicht werden, z.B. diese Blume oder, genauer gesagt, die Rose. Lexeme, die in einer Relation der Inkompatibilität (z.B. Kohyponyme wie Rose und Tulpe) oder in einer Gegensatzrelation stehen, können sich hingegen nicht auf die gleiche Erscheinung der Realität beziehen.

85 (3-107) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Bedeutung der Konjunktion Übertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung idiomatische Gesamtbedeutung / signifié

[c'est] bonnet blanc ou blanc bonnet ,weiße Mütze' ,weiße Mütze' Referenzidentität Äquivalenz zweier Formen, die die gleiche Sache bezeichnen Metapher (Übertragung der syntagmatischen Relation) benutzte Synonymie ,c'est exactement pareil'

3.6.6.2 Gleichwertigkeit In seiner zweiten Bedeutung drückt ou eine Gleichgültigkeit oder Gleichwertigkeit zwischen zwei entgegengesetzten Eventualitäten aus65. Um diese Indifferenz besser zu verdeutlichen, werden entsprechende Wortpaare oft von Ausdrücken wie qu 'importe, il lui est égal begleitet. In dieser Bedeutung handelt es sich nicht um die Entsprechung der in der Aussagenlogik als „nichtausschließendes Oder" oder inklusive Disjunktion bekannten Operation (Symbol v, lat. VEL), da lediglich eine gleichgültige Einstellung gegenüber zwei Optionen ausgedrückt wird. Der Fall einer inklusiven Disjunktion erfordert hingegen die Möglichkeit, daß beide Teilausdrücke wahr und gleichzeitig der Gesamtausdruck wahr ist66 Im vorliegenden Korpus tritt ou in der Bedeutung „Gleichwertigkeit/Gleichgültigkeit" in zwei PWP auf, in denen zwar eine Gleichwertigkeit gegenüber zwei Eventualitäten ausgedrückt wird, beide Bedeutungen sich aber aufgrund ihrer Gegensatzrelation ausschließen und es sich dementsprechend um Fälle der exklusiven Disjunktion handelt, was nach aussagenlogischen Gesichtspunkten bedeutet, daß immer genau eine Teilaussage wahr sein muß, damit dem Gesamtausdruck der Wahrheitswert w zugeordnet werden kann67. Welche Bedeutung ou annehmen kann, ist also durchaus auch von der semantischen Relation der

67

„Indifférence entre deux ou plusieurs éventualités" (PR) Die entsprechende Wahrheitstafel lautet (Vater 1996: 150): pvq Ρ S w w w w f w f w w f f f ρ, q: Teilaussagen, denen Wahrheitswerte zugeordnet werden können, u. zw.: w = wahr, f = falsch Lewandowski (1994: 115) unterscheidet noch als Variante des „ausschließenden Oder" die „Unverträglichkeitsrelation" (Symbol I), in der eine der beiden Teilaussagen wahr ist, aber auch beide Teilaussagen falsch sein können, damit der Gesamtaussage der Wahrheitswert w zugeordnet werden kann. Falsch wird der Gesamtausdruck nur, wenn beide Teilaussagen wahr sind.

86 koordinierten Lexeme abhängig68. Beide Beispiele sind nicht-idiomatische Wortpaare und gehören somit Fall I der in Kap. 3.6.5 herausgearbeiteten Kategorien an. Das erste Beispiel ist das PWP à tort ou à raison, welches trotz Fixierung keine idiomatische Bedeutung hat. Das entsprechende Analyseschema gestaltet sich folgendermaßen: (3-108) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Bedeutung der Konjunktion

à tort ou à raison ,zu Unrecht' ,zu Recht' komplementärer Gegensatz / Kontradiktion Gleichwertigkeit zwischen zwei entgegengesetzten Eventualitäten, exklusive Disjunktion

Übertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung (idiomatische) Gesamtbedeutung / signifié ,avec ou sans motif valable'

Ein weiteres Beispiel, das in gleicher Weise interpretiert werden muß, ist das ebenfalls nicht-idiomatische PWP de gré ou de force.

3.6.6.3 Schätzung Die dritte Grundbedeutung von ou wird im Nouveau Petit Robert angegeben mit: „Évaluation approximative par deux numéraux proches". Numeralia treten bei den mit ou verknüpften PWP des vorliegenden Korpus zwar nicht auf. Drei PWP sind aber mit Adjektiven oder Adverbien gebildet, die ungenaue Zeit- oder Mengenangaben machen und somit eine ungefähre Schätzung eines Zeitpunkts oder einer Menge vornehmen: (3-109) plus ou moins peu ou prou tôt ou tard

Die beiden Lexeme stehen jeweils in der semantischen Relation des gradierbaren Gegensatzes, d.h., daß Zwischenstufen zwischen den beiden gegensätzlichen Bedeutungen möglich sind69. Eine gradierbare (möglich wäre auch eine skalare) Gegensatzrelation ist die Voraussetzung dafür, daß ou in diesen Fällen die Bedeutung annehmen kann, daß eine Spanne möglicher Mengen bzw. Zeitpunkte existiert, die sich zwischen den beiden Bedeutungen der koordinierten Lexeme befinden. Legt man ou in dieser Teilbedeutung zugrunde, 68

69

Vgl. Van Hout (1974: 345): „[...] les contraintes du lexique ou du contexte peuvent ramener ou (v) à la disjonction exclusive W". Zu der Frage, ob Komparative selbst als gradierbar bezeichnet werden können, siehe weiter oben, Kap. 3.5.3.2.

87 kann demnach die Gesamtbedeutung der Wendungen regulär aus den wörtlichen Einzelbedeutungen hergeleitet werden, und es handelt sich somit um nicht-idiomatische PWP, also Fall I. Die Gesamtbedeutung der drei vorangehenden Wortpaare könnte auch folgendermaßen paraphrasiert werden: „Man weiß lediglich, daß der beschriebene Sachverhalt vorhanden ist, bzw. daß ein Ereignis mit Sicherheit eintritt, aber man weiß nichts über die Menge bzw. den Zeitpunkt". Eine Beschreibung mit aussagenlogischen Operationen ist hier u.E. nicht sinnvoll, da aufgrund der Unsicherheit des Sprechers bezüglich Zeitpunkt oder Menge des Sachverhalts keine Angaben über die Wahrheitsgehalte der Elementaraussagen gemacht werden können. Exemplarisch soll tôt ou tard im Analyseschema vorgestellt werden (die beiden anderen PWP verhalten sich analog, vorausgesetzt, daß die Bedeutung der unikalen Komponente prou .beaucoup' als bekannt angenommen werden kann, was zumindest im Kontext des Phraseologismus der Fall ist): (3-110) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Bedeutung der Konjunktion Übertragungsform der Einzelbedeutungen Ubertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung (idiomatische) Gesamtbedeutung / signifié

tôt ou tard ,früh' ,spät' gradierbarer Gegensatz / Antonymie i.e.S.

Abschätzung einer Menge oder eines Zeitpunkts zwischen zwei Mengen- oder Zeitangaben

,à un moment futur ou à un autre, inéluctablement'

(3-111) à Pâques ou à la Trinité

(3-111) ist nicht eindeutig zuzuordnen, da es vollständig undurchsichtig ist. Aus diesem Grund ist nicht klar, in welcher Bedeutung die Konjunktion ou hier verwendet wird. Es könnte sich einerseits um die dritte Bedeutungsvariante, also um die Schätzung einer Zeitspanne handeln, andererseits könnte auch beabsichtigt sein, sowohl eine Alternative, also die vierte, als auch eine Gleichwertigkeit gemäß der zweiten Bedeutungsvariante auszudrücken. Da die Motivation des Idioms bei diesem Beispiel nicht offensichtlich ist, könnte man es im Falle einer streng synchronen Betrachtung als nicht-analysierbar auszeichnen und nicht weiter verfolgen. Betrachtet man jedoch die Angaben zur Etymologie dieses Phraseologismus in Rey/Chantreau, ist eine genauere Untersuchung möglich: Les deux fêtes étant bien définies, la valeur de l'expression ne peut venir que d'un contexte : c'est, bien sûr, celui de la chanson de Malbrough, dont il est dit qu'il reviendra-z'à Pâques ou à la Trinité-, mais la Trinité se passe, Malbrough ne revient pas... (Rey/Chantreau 1994: 856)

Offensichtlich ist in dem Kontext des Volksliedes eine Zeitspanne gemeint, in der Malbrough zurückkehren soll, d.h. die dritte Bedeutungsvariante von ou. Eine Zuordnung

88

zu einer bestimmten Fallgruppe ist aber dennoch unmöglich, da der Motivierungszusammenhang vollkommen undurchsichtig ist und in keiner Weise der Idiomatisierungsprozeß nachvollzogen werden kann.

3.6.6.4 Alternative Die letzte und gleichzeitig am häufigsten auftretende Bedeutung von ou ist die Alternative, das „ausschließende Oder", was im Deutschen oft durch entweder... oder und im Französischen auch durch ou bien, soit... soit oder soit... ou ausgedrückt wird. Wird ou in diesem Sinn verwendet, ist es möglich, eine eindeutige Parallele zur exklusiven Disjunktion zu ziehen. Im folgenden werden die Wortpaare, in denen ou die Bedeutung der „Alternative" annimmt, geordnet nach den Fällen der Übertragungsformen, vorgestellt.

3.6.6.4.1 Fall I/II Die „Alternative" kann durchaus wörtlich gemeint sein, wie es bei folgenden PWP der Fall ist: (3-112) [une question] de vie ou de mort tout ou rien

Dies gilt jedoch nur für die erste Bedeutung des Ausdrucks [une question] de vie ou de mort, denn von der Frage oder dem Problem, das das Wortpaar benennt, muß nicht immer das Leben abhängen. Als zweite Bedeutung geben Rey/Chantreau eine idiomatische Bedeutung und zwar .problème d'une gravité toute particulière' an, welche durch eine Verallgemeinerung/Erweiterung der ersten, wörtlichen Bedeutung entstanden ist. Geht man nun von der übertragenen, allgemeineren Bedeutung aus, muß man dieses Wortpaar der zweiten Fallgruppe zuordnen:

89 (3-113) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Bedeutung der Konjunktion Übertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung

(idiomatische) Gesamtbedeutung / signifié

3.6.6.4.2

[une question] de vie ou de mort ,νοη Leben' ,νοη Tod' Kontradiktion / komplementärer Gegensatz

Alternative, exklusive Disjunktion Bedeutungserweiterung / Metonymie oder: vie und mort metaphorisch für positiven oder negativen Ausgang des Problems Kontradiktion (oder: in der idiomatischen Gesamtbedeutung .gravité...' ist keine Zweigliedrigkeit mehr enthalten, somit kann keine semantische Relation auf dieser Ebene bestimmt werden) .problème d'une gravité toute particulière'

Fallili

Die Bedeutung der Alternative, bei der eine Entscheidung immer nur fllr genau eine Option möglich ist und auch auf jeden Fall getroffen werden muß, kommt sehr genau in (3-8) zum Ausdruck. (3-114) [il faut qu'une porte soit] ouverte ou fermée Es wurde bereits in Kap. 3.5.3.1 darauf aufmerksam gemacht, daß es sich im Falle von ouvert und fermé um einen kontradiktorischen Gegensatz handelt, bei dem es keine Zwischenstufen gibt - so wie es die Bedeutung der Alternative erfordert. Da die Gegensatzbeziehung hier metaphorisch Ubertragen wird und keine direkte Ähnlichkeits- oder Kontiguitätsbeziehung zwischen den Einzellexemen und der Gesamtbedeutung besteht, handelt es sich um ein Beispiel der III. Fallgruppe:

90 (3-115) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Bedeutung der Konjunktion Übertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung (idiomatische) Gesamtbedeutung / signifié

fil faut qu'une porte soit] ouverte ou fermée .geschlossen' ,offen' kontradiktorischer Gegensatz / Komplementarität

Alternative Metapher (Übertragung der syntagmatischen Relation) kontradiktorischer Gegensatz / Komplementarität

,il faut choisir, prendre clairement parti, il faut que la situation soit claire'

Eine ähnliche Konstellation der semantischen Relationen auf den beiden Bedeutungsebenen liegt bei dem PWP [jouer / décider à] pile ou face vor. Auch hier wird ou eindeutig in der Bedeutung des „ausschließenden Oder" verwendet. Allerdings muß man davon ausgehen, daß in diesem Fall zwei Metaphorisierungsstufen vorliegen, da in der idiomatischen Gesamtbedeutung (.décider au hasard') nicht notwendigerweise eine Zweigliedrigkeit enthalten ist. Nach der metaphorischen Übertragung der komplementären Gegensatzrelation entsteht demnach zuerst eine Bedeutung, die ungefähr folgendermaßen lauten könnte: .zwischen zwei entgegengesetzten Entscheidungen nach dem Zufallsprinzip auswählen, so als ob man eine Münze wirft'. Der erste Teil des zugehörigen Schemas sieht daher folgendermaßen aus: (3-116) a. signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Bedeutung der Konjunktion Übertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung (idiomatische) Gesamtbedeutung / signifié (erste Bedeutung)

[jouer / décider à] pile ou face .Rückseite der Münze' .Vorderseite der Münze' Komplementarität / Kontradiktion

Alternative, exklusive Dis unktion Metapher (Übertragung der syntagmatischen Relation) Komplementarität / Kontradiktion

.zwischen zwei entgegengesetzten Entscheidungen nach dem Zufallsprinzip auswählen, so als ob man eine Münze wirft'

Die Redewendung kann jedoch bei Zufallsentscheidungen aller Art, unabhängig von einer möglichen komplementären Zweierkonstellation, angewendet werden. Es findet daher nach

91

der Metaphorisierung noch eine Bedeutungserweiterung statt, welche in ihrer Übertragungsform unserer Fallgruppe II entspricht. Das Schema muß also noch um diesen zweiten Idiomatisierungsvorgang erweitert werden, um den Weg von der ersten zur zweiten möglichen Gesamtbedeutung nachzuzeichnen: (3-116) b. 1. Gesamtbedeutung

Übertragungsform der ersten Gesamtbedeutung 2. Gesamtbedeutung

,zwischen zwei entgegengesetzten Entscheidungen nach dem Zufallsprinzip auswählen, so als ob man eine Münze wirft' Bedeutungserweiterung / Metonymie .décider au hasard'

Eindeutig der III. Fallgruppe zuzuordnen ist wiederum (3-117), wo jedoch keine kontradiktorische Relation, sondern eine Ähnlichkeitsbeziehung übertragen wird: (3-117) [se demander si c'est] du lard ou du cochon

Interessant ist in diesem Fall, daß es sich bei lard und cochon um keine versuchte Synonymie handelt, sondern gerade die Merkmale herausgestellt werden, in denen sich die beiden Begriffe - obwohl sie sich ähnlich sind - unterscheiden. Man könnte hier von einer syntagmatischen „Ähnlichkeitsrelation mit Unterschieden" sprechen, die metaphorisch übertragen wird, um so die idiomatische Bedeutung zu bilden.70

3.6.6.4.3 Fall IV Der IV. Fallgruppe ist u.a. das Wortpaar [c 'est] à prendre ou à laisser zuzuordnen, da hier jedes Einzellexem in seiner wörtlichen Bedeutung für einen Teil der gemeinten idiomatischen Bedeutung steht. Bei diesem Beispiel wird ebenfalls die Situation der „Alternative" in der Gesamtbedeutung eindeutig thematisiert:

70

Genau genommen handelt es sich bei lard und cochon auf der Ebene der wörtlichen Bedeutungen um eine Teil-Ganzes-Beziehung. Dies spielt jedoch für die Interpretation der Redewendung keine Rolle.

92 (3-118) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue

[c'est] à prendre ou à laisser .nehmen' .lassen' kontradiktorischer Gegensatz

Bedeutung der Konjunktion

Alternative

Übertragungsform der Einzelbedeutungen

Metonymie:,einen Sachverhalt, eine Situation hinnehmen, akzeptieren und zwar so wie er/sie ist'

Ubertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung (idiomatische) Gesamtbedeutung / signifié

Metonymie: .auf etwas uneingeschränkt verzichten'

kontradiktorischer Gegensatz

,il faut s'accommoder de la situation telle qu'elle est ou renoncer'

Im folgenden Beispiel (3-119) läßt sich auch jeweils eine wörtliche Bedeutung zu einem Teil der Gesamtbedeutung zuordnen, allerdings handelt es sich hier weniger um eine metaphorische oder metonymische Idiomatisierung als um eine elliptische Konstruktion. Die Tatsache, daß es sich bei diesem PWP um eines der wenigen handelt, in dem zwei Lexeme koordiniert werden, die nicht derselben Wortart angehören, spricht ebenfalls dafür, daß es sich um eine Kürzung von zwei ursprünglich vollständigen und mit ou koordinierten Sätzen handelt und nicht um die typische Konstruktion der Zwillingsformel, die in erster Linie aus stilistischen Gründen in ihrer charakteristischen Form erscheint:

93 (3-119) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Bedeutung der Konjunktion Übertragungsform der Einzelbedeutungen

Ubertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung (idiomatische) Gesamtbedeutung / signifié

[c'est] le moment ou jamais .momentaner Zeitpunkt' ,nie' Komplementärer Gegensatz

Alternative, exklusive Disi unktion Metonymie / Ellipse: keine Übertragung / (,1e moment' ,1e Ellipse: moment idéal') jamais' ,l'occasion ne reviendra jamais'

komplementärer Gegensatz, Disjunktion

,c'est l'occasion idéalement propice, à saisir sans la différer (sous peine de ne plus la retrouver)'

3.6.7 Zusammenfassung Folgende Tabelle gibt zusammenfassend einen Überblick über die mit ou gebildeteten PWP: (3-120) Bedeutung der Konjunktion ou

Fall

Äquivalenz

III

Gleichwertigkeit

I

Schätzung

I

semantische Relation auf der Ebene der externen Bedeutung (langue) Referenzidentität

Komplementarität / Kontradiktion Antonymie i.e.S. Kontiguität

semantische Relation auf der Ebene der internen Bedeutung (parole) Synonymie

Beispiel

quantitative Verteilung absolut in % ca.

Summen absolut

in % ca.

1

6

1

6

2

13

2

13

tôt ou tard

3

19

à Pâques ou à la Trinité

1

6

4

25

[c'est] bonnet blanc ou blanc bonnet à tort ou à raison

94 Fortsetzung von Tabelle (3-120): Alternative

I

Komplementarität

I/II

Komplementarität / Kontradiktion

Kontradiktion

III

Komplementarität / Kontradiktion

Komplementarität / Kontradikiton

Ähnlichkeit

Ähnlichkeit

Komplementarität / Kontradiktion

Komplementarität / Kontradiktion

IV

tout ou rien

1

6

[une question] de vie ou de mort [il faut qu'une porte soit] ouverte ou fermée [se demander si c'est] du lard ou du cochon [c'est] à prendre ou à laisser

1

6

2

13

1

6

4

25

16

9

56

100

3.6.8 Präpositionale Verknüpfungsschemata Unter präpositionalen Verknüpfungsschemata werden hier die Fälle verstanden, in denen die beiden Lexeme durch eine Präposition in eine bestimmte semantische Relation gestellt werden. Schon im Kapitel zu den konjunktional verknüpften PWP wurden Phraseologismen vom Typ à A et à Β oder en A et en Β behandelt, wo die Präpositionen keine Verbindung zwischen A und Β herstellen, sondern nur die Einzellexeme selbst modifizieren. Präpositionen, die eine zweigliedrige konjunktionale Struktur als Ganzes modifizieren, sollen hier ebensowenig betrachtet werden, da sie nur bedingt zum Wortpaar gehören, v.a. haben sie keinen Einfluß auf die Beziehung zwischen den beiden Einzellexemen (ein Beispiel dafür ist [jouer à] pile ou face). Die häufigsten präpositionalen Verknüpfungsschemata sind die Strukturen de A en Β und de A à Β. Zusätzlich sollen in diesem Kapitel auch Wortpaare der Form entre A et Β betrachtet werden, die, auch wenn sie konjunktional koordiniert sind, durch eine Präposition eingeleitet werden, die die Bedeutung der Konjunktion verändert und somit Einfluß auf die Relation von A und Β nimmt.71 Die präpositionalen Strukturtypen werden im folgenden genauer betrachtet und (so wie die konjunktionalen Strukturtypen in den vorangehenden Kapiteln) nach den Fällen der Übertragungsform klassifiziert.

71

Weitere präpositionale Verknüpfungsschemata finden sich in den PWP, die mit zwei identischen Lexemen gebildet sind. Sie werden in dem entsprechenden Kapitel gesondert behandelt.

95 3.6.8.1 entre A ef Β Wenn entre im vorliegenden Korpus auftritt, so drückt es den räumlichen oder zeitlichen Zwischenraum zwischen den Bedeutungen der Einzellexeme aus.

3.6.8.1.1 Falli Auf den nicht-vorhandenen Zwischenraum zwischen den nicht-gradierbaren Gegensatzpaaren .Leben' und ,Tod' und ,Krieg' und ,Frieden', so wie er in (3-121)00 thematisiert wird, wurde bereits in Kap. 3.5.3.1 hingewiesen. (3-121)entre la vie et la mort entre guerre et paix

Beide Phraseologismen sind nicht-idiomatisch und aus diesem Grund der Fallgruppe I zuzuordnen.

3.6.8.1.2 Fallii Die Redewendung entre chien et loup ist ein Repräsentant der II. Fallgruppe. Der Motivierungszusammenhang kann mit der Paraphrase ,dann, wenn der Mensch den Hund nicht vom Wolf unterscheiden kann' erklärt werden72. Es wäre aber - zumindest bei einer synchronen Betrachtung - auch eine andere Erklärung, und zwar durch eine Übertragung der einzelnen Komponenten, denkbar. Das hieße, chien und loup stünden jeweils metonymisch für ,das Ende des Tages' und ,der Anfang der Nacht', für den Moment, an dem sie zeitlich aufeinandertreffen. Da eine Verwechslung von Hund und Wolf nicht nur in der Dämmerung, sondern auch nachts geschehen kann, wäre damit die eingegrenzte Bedeutung ,à la tombée du jour' (RC) zu erklären. In diesem Fall müßte der Ausdruck in die IV. Fallgruppe eingeordnet werden. Caws (1995-1996) lehnt diese Deutung jedoch unter Berufung auf den Erstbeleg im Französischen zu Anfang des 13. Jahrhunderts ab. Dort tritt das Wortpaar noch in der umgekehrten Reihenfolge auf {entre leu et chien) und läßt eine Interpretation gemäß dem zeitlichem Ablauf des Auftretens von Hund und Wolf nicht zu (Caws 19951996: 73).73 Interessant ist an diesem Phraseologismus ebenfalls, daß er einer zweiten Metaphorisierungsstufe unterliegen kann und dann eine Bedeutung .rattaché à l'idée de morosité, de vague, d'incertitude' (Caws 1995-1996: 77) annimmt:

72

73

Laut FEW (1922ff.) geht der Ausdruck auf die Antike zurück und ist im 2. Jahrhundert v.Ch. im Hebräischen in der Form „wenn man zwischen wolf und hund unterscheiden kann" belegt. Schuchardt (1904 und 1905) hält einen arabischen Ursprung der Redewendung für wahrscheinlich. Martin hält indes eine dritte Erklärungsmöglichkeit für wahrscheinlich: „[...] entre chien et loup désigne proprement l'intervalle qui sépare le moment où le chien est placé à la garde du bercail et le moment où le loup profite de l'obscurité qui commence pour venir rôder à l'entour [...]" (1875: 82).

96 (3-122) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Übertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung

semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung idiomatische Gesamtbedeutung / signifié

weitere Übertragungsstufe: 1. Gesamtbedeutung Übertragungsform der ersten Gesamtbedeutung 2. Gesamtbedeutung

entre chien et loup ,Hund' benutzte Ähnlichkeit

,Wolf

1. Ellipse:,quand il n'y a plus de différence entre chien et loup' 2. Metonymie (zeitliche Kontiguität): ,dann, wenn man den Hund vom Wolf nicht unterscheiden kann' benutzte Ähnlichkeit / geschaffene Synonymie

,à la tombée du jour' (RC) ,1e soir', auch: ,1e matin'

,à la tombée du jour' (RC) ,1e soir', auch: ,1e matin' Metapher .Vagheit, Unsicherheit'

Weder eine metaphorische noch eine metonymische Übertragung, sondern eine Bedeutungsverengung führt in (3-123) zur idiomatischen Bedeutung: (3-123)entre ciel et terre (,en l'air à une certaine hauteur (implique une position dangereuse, instable ou considérée comme telle)') Da sich das ganze weltliche Leben irgendwo zwischen Himmel und Erde abspielt, muß in diesem Fall eine Spezialisierung der Bedeutung vorliegen.

3.6.8.1.3

Fallili

Eine Übertragung der syntagmatischen Inhaltsrelation, wie es Fall III erfordert, findet sich in Beispiel (3-124): (3-124) [mettre le doigt] entre l'arbre et l'écorce Hier besteht eine räumliche Kontiguitätsrelation zwischen arbre und écorce, und auch in diesem Fall wird der eigentlich nicht vorhandene Zwischenraum zwischen Baum und Rinde metaphorisiert und damit eine extrem große Nähe und Enge auf abstrakter Ebene beschrieben. Im Analyseschema, das nun eine zusätzliche Zeile filr die Bedeutung der Präposition enthält, stellt sich der Übertragungsvorgang folgendermaßen dar:

97 (3-125) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue

[mettre le doigt] entre l'arbre et l'écorce ,Baum' ,Rinde' räumliche Kontiguität

Bedeutung der Präposition

Zwischenraum von A und Β

Übertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung

Metapher: Übertragung der syntagmatischen Relation

semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung

Gegensatz (geschaffen)

(idiomatische) Gesamtbedeutung / signifié

,s'immiscer dans une affaire où il y a des intérêts contradictoires, vouloir concilier à ses dépens les inconciliables'

Ebenfalls in der Relation der räumlichen Kontiguität stehen die zwei Lexeme marteau und enclume, mit welchen in vergleichbarer Weise ein Phraseologismus gebildet worden ist, der in der Gesamtbedeutung eine Gegensätzlichkeit ausdrückt, vgl. (3-126): (3-126) [être] entre le marteau et l'enclume

Eine vergleichbare Struktur weist (3-127) auf, jedoch wird in diesem Fall die semantische Relation der zeitlichen Kontiguität Ubertragen: (3-127) entre la poire et le fromage

Bei (3-127) existiert auch auf der Ebene der wörtlichen Bedeutung ein zeitlicher Zwischenraum zwischen den beiden in Kontiguitätsrelation stehenden Lexemen. Die Beziehung der beiden Ereignisse wird metaphorisch auf in der gleichen Konstellation auftretende Situationen übertragen.

3.6.8.1.4 Fall II/IV Für eine Kombination aus dem IV. und dem II. Fall sei (3-128) angeführt. Das PWP entre cuir et chair stellt einen besonderen Fall der IV. Gruppe dar, da bei diesem Ausdruck nur eins der beiden Einzellexeme - und zwar cuir, metaphorisch fllr ,Haut' - einer Übertragung unterliegt, während das zweite Lexem (chair) seine wörtliche Bedeutung behält. Die semantische Relation der Kontiguität bleibt auf der Ebene der internen Bedeutung erhalten. Aus beiden Einzelbedeutungen ergibt sich in Verbindung mit der Präposition entre eine Gesamtbedeutung und zwar:,entre la peau et les muscles'. Die erste, bereits leicht idiomatische Gesamtbedeutung kann jedoch ein weiteres Mal metaphorisiert werden und im Zusammenhang mit dem Verb rire die in einigen Lexika (z.B. DC, LAN) angegebene Bedeutung .heimlich' annehmen. Ausgehend von der durch diese „Teilmetaphorisierung" entstandenen Gesamtbedeutung ,entre la peau et le tissu sous-jacent' (RC), kann der Ausdruck also noch ein weiteres Mal übertragen werden, so daß die idiomatische Gesamt-

98 bedeutung ,ohne daß etwas davon nach außen dringt' entsteht. Es ergibt sich folgende Darstellung im Analyseschema: (3-128) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Bedeutung der Präposition Übertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung idiomatische Gesamtbedeutung / signifié

weitere Übertragung: 1. Gesamtbedeutung Übertragungsform der ersten Gesamtbedeutung 2. Gesamtbedeutung

3.6.8.1.5

entre cuir et chair .Leder' Kontiguität

.Fleisch'

Zwischenraum von A und Β Metapher: ,Haut' keine Übertragung

Kontiguität

,entre la peau et le tissu sous-jacent' (RC) ,entre la peau et les muscles'

,entre la peau et le tissu sous-jacent' Metapher ,se moquer intérieurement d'une personne et sans qu'il en paraisse rien au dehors' (DC) ,heimlich' (LAN) .secrètement, en soi-même' (FEW)

Fall IV

Der IV. Fallgruppe ist das Wortpaar entre la bouche et le verre zuzuordnen (das Teil eines Sprichworts ist), in welchem jeweils eins der gesagten Lexeme metaphorisch fur einen Teil der idiomatischen Gesamtbedeutung steht. Bouche und verre, die auf der Ebene der externen Bedeutung in einem räumlichen Kontiguitätsverhältnis stehen, werden jeweils metonymisch bzw. metaphorisch für einen Teil der idiomatischen Gesamtbedeutung genannt:

99 (3-129)

signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der

[il arrive beaucoup de choses] entre la bouche et le verre ,Mund' ,Glas' Kontiguität

langue Bedeutung der Präposition Ubertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung idiomatische Gesamtbedeutung / signifié

Zwischenraum von A und Β Metapher: ,ce qui Metonymie: ,1e désir' apporte la satisfaction'

Komplementarität

,il y a une grande différence entre le besoin, le désir et ce qui doit lui apporter la satisfaction'

3.6.8.2 de A ó Β und de A en Β Diese präpositionalen Verbindungen können in einem Kapitel behandelt werden, da sie sich in ihren Bedeutungsvarianten nicht unterscheiden. De markiert jeweils den Anfangspunkt A (örtlich, zeitlich, abstrakt) und à bzw. en den End- oder Zielpunkt B. Für die Bedeutung des Gesamtausdrucks, die den Raum zwischen Anfangs- und Endpunkt beschreibt, bestehen dabei zwei Möglichkeiten, je nachdem welcher Bedeutungsteil im Vordergrund steht: Zum einen kann man die Gesamtbedeutung des Ausdrucks als den zwischen A und Β liegenden Zwischenraum beschreiben, wobei A und Β allerdings mit eingeschlossen sind (im Gegensatz zu der ähnlichen Bedeutung von entre). Zum anderen kann der Schwerpunkt aber auch auf dem Übergang von A nach Β liegen, die Gesamtbedeutung thematisiert dann die Qualität des Weges, der von der einen zur anderen Bedeutung beschritten wird.

3.6.8.2.1 Zwischenraum Damit ein Zwischenraum bzw. eine ganze Bandbreite von A bis Β ausgedrückt werden kann, stehen die Lexeme in allen Fällen in der semantischen Relation des skalaren Gegensatzes, sind also Pole oder Endpunkte einer möglichen Skala, auf der sich verschiedene Grade der Bedeutung befinden.

100 3.6.8.2.1.1

Falli

Vier der sechs Beispiele sind nicht- oder nur ganz leicht idiomatisch, so daß sie bezüglich des Übertragungsvorgangs der Fallgruppe I zuzurechnen sind. Die Gesamtbedeutung läßt sich regulär aus den Einzelbedeutungen herleiten; in (3-130) ist eine Zeitspanne gemeint, in den PWP unter (3-131) wird eine räumliche Ausdehnung beschrieben: (3-130) du matin au soir et du soir au matin (3-131 ) de la tête aux pieds (des pieds à la tête) de pied en cap 74 de la cave au grenier

3.6.8.2.1.2

Fallili

Ein eindeutiger Repräsentant des III. Falls ist Beispiel (3-132)0, in dem die Bedeutungsrelation der Buchstaben A und Ζ im Alphabet als „Skala" metaphorisch auf Anfangs- und Endpunkte im allgemeinen übertragen wird 75 : (3-132)

signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der

de A (jusqu') à Ζ ,Α' skalarer Gegensatz

,Ζ'

langue Bedeutung der Präposition Übertragungsform der Einzelbedeutungen Ubertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung

Zwischenraum

(idiomatische) Gesamtbedeutung / signifié

,du début à la fin'

Metapher (Übertragung der syntagmatischen Relation) skalarer Gegensatz

Die gleiche Stuktur und auch eine ähnliche Gesamtbedeutung weist (3-133) auf. Der Unterschied zu (3-132) liegt lediglich darin, daß es sich nicht um eine Zeitspanne, sondern um einen konkreten oder abstrakten, räumlichen Zwischenraum handelt. (3-133)de fond en comble

74

75

Inwieweit die wörtliche Einzelbedeutung von prov. cap ,tête' beim Sprecher präsent ist, bleibt fraglich. Dietz (1999: 321) interpretiert die deutsche Redewendung von A bis Ζ analog.

101 3.6.8.2.2 Übergang In den folgenden Beispielen der Strukturtypen de A à Β und de A en Β ist die Gesamtbedeutung nicht gleich der von A und Β eingeschlossenen Bandbreite, sondern es wird der Übergang, die Art des Weges, der von A nach Β beschritten wird, zum Thema gemacht.

3.6.8.2.2.1 Falli Da es sich bei Beispiel (3-134) um die Verbindung zweier bedeutungsgleicher Lexeme handelt, kann hier schwerlich von einem besonderen Übergang gesprochen werden. Stattdessen wird auf dieses Weise gemäß der idiomatischen Gesamtbedeutung die Nicht-Unterschiedlichkeit zweier Sachverhalte besonders herausgestellt. (3-134) [c'est] du pareil au même .exactement semblable' Allerdings ist zu beachten, daß in (3-134)0 keine beliebigen Synonyme koordiniert wurden, sondern zwei Lexeme, die jeweils in ihrer wörtlichen Bedeutung schon die Gesamtbedeutung enthalten: pareil, même und exactement semblable bilden eine Synonymenreihe. Die syntagmatische Relation von pareil und même entspricht somit der paradigmatischen Relation der beiden Lexeme und der Gesamtbedeutung. Demnach kann bei (3-134)0 nicht mehr von einer bildlichen Übertragung gesprochen werden, so daß es zur Gruppe der nicht-idiomatischen PWP gehört. (3-135) ist in der Struktur vergleichbar mit (3-134)0, auch wenn man nicht von Synonymie bei pair .Gleichgestellter' und compagnon ,Freund, Partner', sondern nur von einer sehr weit gefaßten Ähnlichkeitsrelation reden kann. (3-135)de pair à compagnon Um ein Verhältnis der Steigerung jedoch ohne bildliche Übertragungsvorgänge handelt es sich in (3-136), um eine komplementäre Gegensatzrelation in (3-137): (3-136) de mal en pis (3-137) [passer] de vie à trépas

3.6.8.2.2.2 Fallii Sehr durchsichtig und allenfalls schwach idiomatisch ist auch (3-138), wo es sich um eine Kontiguitätsrelation handelt, die auf der Ebene der internen Bedeutung die Funktion einer Folgerungsbeziehung erhält. (3-138)de père en fils Da in diesem Fall die Einzelbedeutungen zunächst eine wörtliche Gesamtbedeutung (,vom Vater zum Sohn') bilden, die dann erst als Ganzes metonymisch übertragen wird, so daß die allgemeinere idiomatische Gesamtbedeutung entsteht, handelt es sich bei (3-138) um ein Beispiel der Fallgruppe II. (3-139)de long en large

102 In (3-139) stehen die beiden Lexeme A und Β nicht - wie in allen vorhergehenden Fällen jeweils für einen Ausgangs- und einen Endpunkt. Stattdessen wird eine ungeordnete, alternierende Bewegung zwischen A und Β beschrieben. Der orthogonale Gegensatz zwischen long und large kennzeichnet den extremen Richtungswechsel in einem ungeordneten Bewegungsvorgang. Da long und large jedoch nur zwei mögliche Richtungen bezeichnen, liegt eine metonymische Übertragung vor.

3.6.8.2.2.3 Fallili Bei fast allen dieser PWP wird die bestehende Inhaltsrelation von A und Β auf den zu beschreibenden Sachverhalt übertragen (gemäß der III. Fallgruppe). Gut deutlich wird dies an Beispiel (3-140): (3-140) signifiant wörtliche Einzelbedeutungen semantische Relation der Einzelbedeutungen auf der Ebene der langue Bedeutung der Präposition Übertragungsform der Einzelbedeutungen Übertragungsform der wörtlichen Gesamtbedeutung semantische Relation der Einzelbedeutungen in der idiomatischen Gesamtbedeutung (idiomatische) Gesamtbedeutung / signifié

[aller] du blanc au noir ,das Weiße' skalarer Gegensatz

,das Schwarze'

Übergang Metapher (Übertragung der syntagmatischen Relation) skalarer Gegensatz

.passer d'un extrême à l'autre, changer complètement d'avis'

Ähnlich gestaltet sich der Übertragungsvorgang in (3-141) und (3-142), wobei jedoch in diesen Fällen keine Gegensatzrelation zwischen A und B, sondern eine zeitliche (3-141) Obzw. eine sachliche (3-1420) Kontiguitätsrelation besteht, die jeweils metaphorisch übertragen wird. (3-141 ) du jour au lendemain (3-142) [passer] du coq à l'âne de fil en aiguille

In diesen drei PWP wird in der Gesamtbedeutung gerade auf einen nicht vorhandenen Zwischenraum zwischen A und Β und somit auf einen sehr abrupten Übergang (,brusquement') hingewiesen. In (3-143)0 wird ebenfalls ein direkter Übergang ohne Zwischenstufen, d.h. im übertragenen Sinn ohne Mitwisser des besprochenen Sachverhaltes, beschrieben. In beiden Fällen stehen A und Β in ihrer wörtlichen Bedeutung in einer Relation der sachlichen Kontiguität:

103 (3-143) de vous à moi 76 de bouche à oreille (3-144) de but en blanc

In einer Ähnlichkeitsrelation stehen auch die beiden Lexeme but ,Ziel(scheibe)' und blanc ,Zielscheibe, Mittelpunkt einer Zielscheibe' in (3-144), wobei in diesem Fall allerdings nicht wie in den strukturgleichen Redewendungen auf zwei unterschiedliche Referenten Bezug genommen wird, sondern nur ein Referent gemeint ist. Demzufolge kann auch kein Übergang von A nach Β beschrieben werden bzw. wird gerade der nicht vorhandene Übergang, die Tatsache, daß keine Bewegung notwendig ist, um von A nach Β zu gelangen, thematisiert, und somit entsteht die idiomatische Gesamtbedeutung ,sans détour, directement'. Die wörtliche Bedeutung ,Ziel(scheibe)' aus dem Schießsport wird außerdem metaphorisiert und steht für ,Ziel' im allgemeinen Sinne.

3.6.8.2.2.4 Fall IV (3-145) ist das einzige Beispiel, in dem jede der wörtlichen Einzelbedeutungen fur einen Teil der idiomatischen Gesamtbedeutung steht. (3-145) [tomber] de Charybde en Scylla

Charybde und Scylla repräsentieren jeweils metaphorisch unangenehme Situationen, Gefahren. Als nicht-idiomatisches Gegenstück zu (3-145) ist hingegen (3-136) zu bezeichnen, wo eine parallele Struktur und eine sehr ähnliche Gesamtbedeutung, jedoch ohne bildliche Übertragung, vorliegen.

3.6.9 Zusammenfassung

Präpositionales Verknüpfungsschema

Fall

entre A et Β

I

76

semantische Relation auf der Ebene der externen Bedeutung (langue) Komplementarität / Kontradiktion

semantische Relation auf der Ebene der internen Bedeutung (parole)

Beispiel

entre la vie et la mort

quantitaSummen tive Verteilung in abin absolut % solut % ca. ca. 7 2

In de vous à moi handelt es sich um Pronomen und damit um einen der seltenen Fälle, in denen ein PWP mit Monemen ohne lexikalische Bedeutung gebildet ist, was aber keinen Unterschied bei der momentanen Untersuchung macht.

104 Fortsetzung der Tabelle von S. 105:

de A à Β / de A en Β Bedeutung: „Zwischenraum"

II

Ähnlichkeit

Ähnlichkeit

III

Kontiguität

Gegensatz

Kontiguität

Kontiguität

II/IV

Kontiguität

Kontiguität

IV

Kontiguität

Komplementarität

I

skalarer Gegensatz / Kontiguität skalarer Gegensatz Steigerung

III Bedeutung: „Übergang"

I

III

II

IV

Synonymie / Ähnlichkeit Komplementarität skalarer Gegensatz Kontiguität Ähnlichkeit Kontiguität orthogonaler Gegensatz Ähnlichkeit

skalarer Gegensatz

skalarer Gegensatz Kontiguität Ähnlichkeit Folgerung

Ähnlichkeit

entre chien et loup [mettre le doigt] entre l'arbre et l'écorce entre la poire et le fromage entre cuir et chair [il arrive beaucoup de choses] entre la bouche et le verre

2

7

2

7

1

3

1

3

1

3

de la cave au grenier

4

14

de A (jusqu ')à Ζ

2

7

de mal en pis

1

3

[c 'est] du pareil au même [passer] de vie à trépas [aller] du blanc au noir de fil en aiguille de but en blanc de père en fils de long en large

2

7

1

3

1

3

5 1 1 1

17 3 3 3

[tomber] de Charybde en Scylla

1

3

9

31

6

21

14

48

29 100

105 3.6.10 Wortpaare mit zwei identischen Lexemen 3.6.10.1 Konjunktionale Struktur Das einzige konjunktionale phraseologische Wortpaar, das mit zwei identischen Lexemen gebildet ist, lautet il y a fagot et fagot und wurde bereits in Kap. 3.6.5.3 (zu den konjunktionalen Verknüpfungen) diskutiert.

3.6.10.2 Präpositionale Strukturen Wesentlich zahlreicher sind präpositionale Wortpaare, die mit zwei identischen Lexemen gebildet sind. Im folgenden soll v.a. untersucht werden, welche Bedeutung durch die syntaktische Verbindung der verschiedenen Präpositionen mit den wiederholten Lexemen zustandekommt. Dabei ist besonders von Interesse, in welcher Beziehung die beiden identischen lexikalischen Formen stehen. Zum Zweck der Übersicht werden zunächst die in unserem Korpus auftretenden Strukturtypen mit jeweils einem exemplarischen Vertreter genannt: (3-146) Strukturtyp

Beispiel

AàA A pour A de A en A de AàA Apar A

côte à côte mot pour mot de bout en bout du tac au tac jour par jour

quantitative Verteilung 8 5 4 3 1

An dieser Stelle ist es wichtig, die phraseologischen Wortpaare von freien Syntagmen zu unterscheiden. Bei letzteren werden die präpositionalen Verknüpfungsschemata spontan mit Lexemen gefüllt. Den so gebildeten Syntagmen kommt dann eine bereits durch die präpositionale Schablone stark eingegrenzte Bedeutung zu (Boriilo 1995: 95f.). Betrachtet man die Bedeutungen der phraseologischen Wortpaare, so läßt sich hingegen nicht feststellen, daß ein Strukturtyp immer einer Bedeutung entspricht. Die Anzahl der unterschiedlichen Bedeutungen ist begrenzt und verteilt sich nicht systematisch auf alle Bildungstypen. Aus diesem Grund ist es in diesem Fall sinnvoll, onomasiologisch vorzugehen, und zwar zuerst eine Unterteilung nach Grundbedeutungen vorzunehmen, denen Beispiele zugeordnet werden, um dann feststellen zu können, durch welche Strukturtypen die Inhalte ausgedrückt werden. Da es sich im Gegensatz zu allen bis dahin untersuchten PWP um Dopplungen handelt, ist es hier nicht mehr sinnvoll, die Formen in unserem Analyseschema zu interpretieren. Auf der Ebene der externen Bedeutungen handelt es sich stets um Identität. In welcher Relation die beiden identischen Formen in der idiomatischen Gesamtbedeutung stehen und welche Rolle die präpositionale Struktur spielt, wird durch die Überschriften der folgenden Abschnitte deutlich.

106 3.6.10.2.1 Gegenüberstellung Die häufigsten PWP, die mit zwei identischen Lexemen gebildet sind, drücken eine konkrete Gegenüberstellung zweier Personen oder Dinge aus. Um eine Phraseoschablone handelt es sich bei dem Strukturtyp A à A, der mit unterschiedlichen lexikalischen Füllungen eine Reihe von bedeutungsähnlichen Phraseologismen gebildet hat. Die Einzellexeme stehen hier jeweils für einen Teil der Gesamtbedeutung, und die Präposition repräsentiert die Verbindung beider Glieder. Boriilo (1995: 106) stellt bei der Untersuchung von syntagmes à redoublement eine vergleichbare semantische Kategorie auf, die er „symétrie" nennt. Da hier eine vollkommen symmetrische Konstruktion auf sprachlicher Ebene einer symmetrischen Anordnung in der Realität entspricht, handelt es sich bei den folgenden Ausdrücken um ikonische Strukturen: (3-147)faceàface [en] tête à tête nez à nez côte à côte

Die PWP in (3-147)0 haben außerdem gemeinsam, daß Körperteile jeweils für Personen stehen, d.h., in diesen Ausdrücken wird eine leicht idiomatische Bedeutung durch metonymische Übertragungen erzeugt.77 In einem Fall wird die Bedeutung „Gegenüberstellung" durch die Form de A à A ausgedrückt, vgl. (3-148). Eine Bedeutungsübertragung findet im Gegensatz zu den Beispielen unter (3-147) nicht statt: (3-148)d'homme à homme

3.6.10.2.2 Aneinanderreihung In einer zweiten größeren Gruppe wird eine Wiederholung von mehr als zwei gleichen, aufeinanderfolgenden Sachen/Sachverhalten ausgedrückt. Die zwei identischen Lexeme stehen demnach stellvertretend für eine ganze Reihe von Wiederholungen und entsprechen nicht (wie in der „Gegenüberstellung") auch genau zwei Erscheinungen der Realität. Dabei ist es nicht möglich, die Bedeutungskategorie „Aneinanderreihung" einem bestimmten Strukturtyp zuzuordnen, sondern sie kommt in den verschiedensten präpositionalen Verknüpfungen zum Ausdruck. Auch wenn der Strukturtyp A à A, wie oben betrachtet, überwiegend gegenüberliegende Zweierkonstellationen ausdrückt, so muß dies nicht zwingend der Fall sein, wie die Beispiele unter (3-149) und (3-150) zeigen, in denen eine Abfolge von mehr als zwei Sachen gemeint ist78: 77

78

Auch Boriilo (1995: 97f., 106) stellt fest, daß der Typ A à A bevorzugt mit Bezeichnungen für Körperteile gefüllt wird. Laut Boriilo (1995: 100) handelt es sich bei der Kategorie „Aneinanderreihung" (die er „séquentialité" oder „enchaînement" nennt) um eine Grundbedeutung des präpositionalen Schemas A à A, d.h. eine Bedeutungskomponente, die v.a. für auf diese Weise gebildete freie Syntagmen gilt.

107 (3-149) mot à mot (3-150)peu à peu

Die gleiche Grundbedeutung, allerdings mit dem Schwerpunkt auf einer zeitlichen Aneinanderreihung, kommt in (3-151) zum Ausdruck, jeweils durch den Strukturtyp de A en A repräsentiert: (3-151) de jour en jour de temps en temps

Daß die Bedeutungen in diesen Fällen relativ unabhängig von den jeweiligen präpositionalen Verknüpfungsschemata sind, zeigt auch (3-152), das trotz unterschiedlicher Präposition Quasi-Synonym zu (3-149) ist. Die Struktur A pour A weist außerdem noch (3153) auf: (3-152) mot pour mot (3-153) jour pour jour

(3-152) und (3-153) besitzen wiederum als gemeinsamen Bedeutungsanteil „Genauigkeit" (vgl. auch Boriilo 1995: 108). Eine letzte Möglichkeit, die Grundbedeutung der „Aneinanderreihung" auszudrücken, stellt der allerdings nur einmal auftretende Typ A par A dar - gleichzeitig das insgesamt vierte Wortpaar mit der Wiederholung des Wortes jour: (3-154) jour par jour

Auch bei (3-155) handelt es sich um eine mehrmalige Wiederholung und somit auch um eine Art der „Aneinanderreihung" gleicher Handlungen. (3-155) du tac au tac

Allerdings schwingt in diesem Fall noch die Bedeutung einer „Gegenseitigkeit" und „direkten Reaktion" mit, d.h., es handelt sich nicht um eine gleichmäßige Aneinanderreihung, sondern um ein „hin und her" zwischen zwei Mitspielern. Das Onomatopoetikum tac steht dabei metonymisch und metaphorisch79 zum einen für die immer wieder große „Schlagkraft" der Antworten, welche jedoch, da es sich normalerweise um einen Meinungsaustausch handelt, immer genau die entgegengesetzte Bedeutung haben. Zum anderen kann tac auch metonymisch Ausdruck für das „kräftige" Aufeinanderprallen der Meinungen in der Diskussion sein, die, ohne daß eine Sprechpause entsteht, direkt aufeinanderfolgen. In der letzteren Deutung steht tac für einen sich immer wiederholenden gleichartigen Sachverhalt. Wie schon gesagt, läßt sich in den oben genannten Fällen (3-147) bis (3-155) weder der Bedeutung eine formale Struktur zuordnen, noch kann man sagen, daß eine formale Struktur immer genau identische Bedeutungen ausdrückt.

79

Metonymie: das begleitende Geräusch tac für den gemeinten „Schlag". Metapher: der konkrete Schlag für die gemeinte verbale „Schlagfertigkeit".

108 3.6.10.2.3 Weitere Bedeutungen Auch (3-156) enthält die Bedeutung einer gleichartigen, in diesem Fall aber nur einmaligen, Reaktion auf das Verhalten eines Gegenübers, noch verstärkt durch das fest zum Phraseologismus gehörende Verb rendre80: (3-156) [rendre] le mal pour le mal

Eine Gegenseitigkeit in der Bedeutung eines Austausches, und zwar im einmaligen Sinne und ohne Wiederholung auf Inhaltsebene, da sich tout in der Wiederholung auf Ausdrucksebene nicht auf etwas Gleiches, sondern lediglich auf eine Entsprechung in der Größe/Menge bezieht, wird in beiden Wendungen unter (3-157) ausgedrückt: (3-157) [risquer] le tout pour le tout du tout au tout

3.6.11 Zusammenfassung Zu der Frage, welchen Anteil die Einzellexeme an der idiomatischen Gesamtbedeutung in den mit zwei identischen Lexemen gebildeten PWP haben, ist zusammenfassend folgendes zu konstatieren: Welche Form der Übertragung in dem Ausdruck il y a fagot et fagot vorliegt, wurde schon in dem Kapitel zu den konjunktionalen Verknüpfungen 3.6.5.3 betrachtet. In (3-147) steht jeweils ein Lexem durch metonymische Übertragung (pars pro toto) für eine Person in der Realität. An den Beispielen (3-148) bis (3-157) fällt auf, daß alle Lexeme (tout eingeschlossen) direkt mit ihrer wörtlichen Bedeutung in die Gesamtbedeutung der PWP mit einfließen, d.h., es finden keine bildlichen Übertragungen wie in sehr vielen der bis dahin betrachteten Phraseologismen statt. Das Erschließen der Gesamtbedeutungen der Wortpaare erfordert demzufolge keine Interpretation einer bestimmten Metaphorik oder Metonymik. Einzige Ausnahme ist (3-155) du tac au tac, dessen Übertragungsmechanismus bereits an der entsprechenden Stelle beschrieben wurde. Bei (3-149) bis (3-155) liegt dennoch insofern eine Abstraktion vor, als keine 1:1- Entsprechung zwischen den Einzellexemen und den Erscheinungen in der Realität besteht. Statt dessen steht eine einzige Wiederholung für eine ganze Reihe gleichartiger Sachverhalte.

80

Boriilo (1995: 108) hat eine entsprechende Bedeutungskategorie mit dem Namen „réciprocité et échange" dem Strukturtyp A pour A zugeordnet.

4 Formale Auffälligkeiten

Neben semantischer Zusammengehörigkeit, die sich v.a. in nicht-willkürlichen Inhaltsrelationen äußert, tragen auch formale Merkmale zur Stabilität von Phraseologismen bei. Diese „bindenden Kräfte" bestehen in erster Linie aus klanglichen Ähnlichkeiten zwischen den Elementen eines Wortpaares (Malkiel 1959: 122), aber auch bezüglich der Wortlänge, die sich v.a. in der Silbenzahl manifestiert (bzw. messen läßt), lassen sich gewisse Regelhaftigkeiten feststellen. Neben stilistischen Effekten kann ein Phraseologismus, dessen Lexeme in bezug auf die Form gleiche Merkmale aufweisen, leichter memoriert werden, hat somit größere Chancen zu erstarren und kann eines seiner wichtigen Kriterien, das der Stabilität, erfüllen. Die Funktion der formalen Besonderheiten könnte aber auch über eine rein mnemotechnische hinausgehen. Dies bedeutet, daß auch der Frage nachgegangen werden soll, inwieweit die formale Gestaltung Parallelen zur inhaltlichen Struktur aufweist. Werden u.U. besondere semantische Relationen durch Beziehungen auf der Lautebene unterstützt? Um die in diesem Kapitel zu analysierenden (also die formal auffälligen) zwei- und dreigliedrigen Phraseologismen auch in bezug auf diese Fragestellung zu bewerten, werden neben den formalen Beziehungen der beiden koordinierten Lexeme auch die im vorangehenden Kapitel erarbeiteten semantischen Relationen nochmals berücksichtigt.

4.1 Klangliche Ähnlichkeiten

4.1.1 Alliteration, Fast-Alliterationen, Assonanzen 4.1.1.1 Alliteration Die in unserem Korpus am häufigsten auftretende Klangähnlichkeit ist die Alliteration, welche in insgesamt 41 PWP (und dreigliedrigen Ausdrücken) zu verzeichnen ist1. In fast allen Fällen handelt es sich dabei um Alliteration2 im engeren Sinne, d.h., daß nur ein Phonem am Wortanlaut wiederholt wird. Allerdings ist dieser Laut in einigen Fällen gleichzeitig der erste Konsonant eines Präfixes oder einer unbetonten Vorsilbe, siehe (4-1). Die dem jeweiligen PWP in Kap. 3 zugeordneten semantischen Relationen, sowohl auf der Ebene der wörtlichen, externen Bedeutung als auch - sofern sie sich unterscheidet - auf der

1

2

Malkiel (1959: 123) und auch Hammer (1993b: 171) merken an, daß u.a. in französischen Phraseologismen weniger Alliterationen anzutreffen sind als in entsprechenden Ausdrücken der germanischen Sprachen, was sich bei der Analyse des vorliegenden Korpus aber nicht bestätigen ließ. Vgl. Lausberg (1973: 885): „allitération >figure de diction qui consiste à répéter ou opposer plusieurs fois la même ou les mêmes lettres< [...] Die alliteratio unterscheidet sich aber dadurch von der annominatio, daß in der alliteratio die Gemeinsamkeit der Wörter auf einen einzigen Laut beschränkt werden kann".

110 Ebene der internen, idiomatischen Bedeutung, werden zum Vergleich in der zweiten und dritten Spalte aufgeführt. (4-1) Laut

Beispiel

semantische Relation: externe Bedeutungsebene

[f]

fort et ferme le fort et le faible feu et flamme(s) [être] tout feu tout flamme par le fer et par le feu ni fait ni à faire bel et bon bel et bien [c 'est] bonnet blanc et (ou) blanc bonnet [courtiser] la brune et la blonde de but en blanc bleu, blanc (et) rouge peu ou prou pieds et poings [liés] [passer qc.] par pertes et profits [ne remuer] ni pied ni patte sitôt pris, sitôt pendu

Ähnlichkeit Antonymie i.e.S. Ähnlichkeit Ähnlichkeit Kontiguität Komplementarität Ähnlichkeit Ähnlichkeit Identität Kontiguität Ähnlichkeit Kontiguität

tôt ou tard à tort et à travers [s'en aller] sans tambour ni trompette [être] à tu et à toi [avec qn.J d'ores et déjà sens dessus dessous bras dessus, bras dessous [devoir] à Dieu et au diable [ne croire] ni à Dieu ni au diable [ne craindre] ni Dieu ni (le) diable

Antonymie i.e.S. Ähnlichkeit Kontiguität Ähnlichkeit

[b]

[p]

[t]

[d]

[k]

[ν]

[s] m [m] [1] [R1

ni quoi ni qu 'est-ce à cor et à cri va-et-vient ça va (et) ça vient veni, vidi, vici sain et sauf sûr et certain [être comme] chien et chat [ménager/ la chèvre et le chou [promettre] monts et merveilles mi-figue mi-raisin en long et en large de long en large sans rime ni raison

Kontiguität Komplementarität Kontiguität Folgerung

Ähnlichkeit Konversion Konversion Komplementarität Komplementarität Komplementarität Ähnlichkeit Ähnlichkeit / Kontiguität Richtungsopposition Richtungsopposition Folgerung Ähnlichkeit Ähnlichkeit Gegensatz

semantische Relation: interne Bedeutungsebene

Ähnlichkeit

Komplementarität Komplementarität Antonymie i.e.S. Komplementarität Ähnlichkeit

Ähnlichkeit

Komplementarität Ähnlichkeit Ähnlichkeit Ähnlichkeit

Komplementarität

Gegensatz Ähnlichkeit Ähnlichkeit Gegensatz Gegensatz Ähnlichkeit

Gegensatz Komplementarität Komplementarität

Ill Die beliebtesten sich wiederholenden Anlaute sind der Frikativ [f] und die Plosivlaute [p], [b], [t] und [d], welche jeweils in vier bis sechs Wortpaaren auftreten. Lediglich in den folgenden, unter (4-2) aufgeführten, Ausdrücken werden zwei bzw. drei Laute (im Falle von mi-figue mi-raisin koinzidieren diese mit einem Morphem) am Wortanfang wiederholt: (4-2) Laute Beispiel

[des] [dj]

[mil \b\] [kl]

bras dessus, bras dessous sens dessus dessous [devoir] à Dieu et au diable [ne croire] ni à Dieu ni au diable [ne craindre] ni Dieu ni (le) diable mi-figue mi-raisin bleu, blanc (et) rouge ses cliques et ses claques

semantische Relation: externe Bedeutungsebene Konversion Konversion Komplementarität Komplementarität Komplementarität Ähnlichkeit Kontiguität Kontiguität

semantische Relation: interne Bedeutungsebene

Komplementarität Ähnlichkeit Ähnlichkeit Gegensatz Komplementarität Komplementarität

Auffällig ist, daß kein PWP eine echte vokalische Alliteration aufweist. Nur vier Wortpaare sind mit vokalisch anlautenden Lexemen gebildet, von denen zudem in drei Fällen die Lexeme durch Elisionen von Artikel oder Präposition nicht mehr direkt vokalisch anlauten und somit lautlich eine untrennbare Einheit mit dem verbliebenen Konsonant aus den vorhergehenden Partikeln bilden. 3 Der vokalische Anlaut der Lexeme hat zumindest zur Folge, daß die mit Artikel oder Präposition zu einem (phonetischen) Wort verschmolzenen Lexeme mit dem gleichen Konsonanten beginnen und somit eine Art konsonantischer Alliteration mit [1] und [d] entsteht: (4-3) Laut

Beispiel

[a]-[o] bzw.

[vivre] d'amour et d'eau fraîche

semantische Relation: externe Bedeutungsebene

M Gegensatz [a]-[o] l 'alpha et l'oméga bzw. [1] [a]-[e] [mettre le doigt] entre l'arbre et l'écorce Kontiguität bzw. [1]

semantische Relation: interne Bedeutungsebene Ähnlichkeit

Gegensatz

Im Französischen kann aufgrund des nicht vorhandenen coup de glotte nicht von Alliteration im Sinne des germanischen Stabreims die Rede sein. ,,[...S]o alliterieren in germ. Stabreimdichtungen [...] alle Vokale miteinander, weil der Knacklauteinsatz vor Vokalen als Konsonant realisiert wurde [...]" (Bußmann 1990: 70), siehe auch Jeep (1987: 141) mit weiteren bibliographischen Angaben zu dem Thema.

112 4.1.1.2 Alliteration als Wiederholung von Konsonanten im Wortanlaut, Silbenanlaut oder Wortauslaut In den in (4-4) aufgeführten Phraseologismen treten weitere Formen von Alliterationen auf, wobei es sich nicht ausschließlich um Wiederholungen von Konsonanten am Wortanlaut, sondern auch im Wortinnern zu Beginn der betonten Silbe oder im Auslaut eines der beiden Wörter handelt 4 . (4-4) Laut

Beispiel

[p]

[un film de] cape et d'épée de pair à compagnon ni fleurs ni couronnes aux risques et périls bras dessus, bras dessous sens dessus dessous [c 'est] le moment ou jamais à pied, à cheval et en voiture [prendre] son sac et ses quilles

m [s]

Ν M M

semantische Relation: externe Bedeutungsebene Kontiguität Ähnlichkeit Kontiguität Ähnlichkeit Konversion Konversion Komplementarität Ähnlichkeit -

semantische Relation: interne Bedeutungsebene Ähnlichkeit Ähnlichkeit

Komplementarität Ähnlichkeit

In jeweils zwei Wortpaaren werden der Plosiv [p] und der Vibrant [®] wiederholt.

4.1.1.3 Fast-Alliterationen Neben diesen zahlreichen Fällen von Alliteration ist festzustellen, daß sich im Korpus noch 37 Wortpaare befinden, in denen sich die Anlaute der zwei Lexeme nur durch ein artikulatorisches Merkmal unterscheiden, siehe (4-5). Der lautliche Unterschied zwischen den beiden Konsonanten ist dabei oft so gering, daß man u.E. diese Gruppe nicht unberücksichtigt lassen darf. 5 In einem Ausdruck wie z.B. [ne chercher que] plaies et bosses trägt die durch [ρ] und [b] entstehende „Fast-Alliteration" als formales Merkmal zur Stabilität des Phraseologismus bei.

4

5

Frédéric (1985: 133f.) bezeichnet diese Formen der Konsonantenwiederholung als „Alliteration", wobei man sie hier jedoch sicherlich in einem weiteren Sinne als üblich verstehen muß. Vgl. auch Scholz (1913: 386), welcher in bezug auf die Alliterationen in der altprovenzalischen Lyrik schreibt: „[man...] kann sich sagen, dass der Unterschied zwischen stimmhaften und stimmlosen Konsonanten derselben Artikulation kein so grosser ist, dass sie nicht, zusammengestellt, einen hörbaren Gleichklang ergäben".

113 (4-5) Laut

Beispiel

le pour et le contre [y mettre] les quatre doigts et le pouce ça passe ou ça casse [il faut que] ça pète ou que ça casse de pair à compagnon de pied en cap de la tête aux pieds [p]-[t] ni paix ni trêve tant et plus [contenter] tout le monde et son père à Pâques ou à la Trinité [b]-[m] ni bien ni mal [m]-[b]-[d] métro, boulot, dodo [il y a] à boire et à manger [en oublier] le boire et le manger bon an mal an bon gré mal gré [aller] de cul et de tête [k]-[t] [n 'avoir] ni queue ni tête [se moquer] du tiers comme (et) du quart [devoir] au tiers et au quart [ne chercher que] plaies et bosses [p]-[b] [faire] la pluie et le beau temps [parler] de la pluie et du beau temps [n 'avoir] ni fin ni cesse [f]-[s] [mettre] à feu et à sang moitié farine, moitié son [bâtir] à chaux et à sable [J]-[s] [jouer] au chat et à la souris [avec qn.] [tomber] de Charybde en Scylla de la cave au grenier [k]-[g] des goûts et des couleurs [on ne discute pas] bon chic bon genre [SI-[31 de droite et de gauche fdl-ißl [b]-[v] [il arrive beaucoup de choses] entre la bouche et le verre

[p]-[k]

semantische Relation: externe Bedeutungsebene Komplementarität Kontiguität

semantische Relation: interne Bedeutungsebene Komplementarität

Gegensatz Ähnlichkeit Ähnlichkeit Gegensatz Gegensatz Ähnlichkeit Steigerung Hyponymie Ähnlichkeit Gegensatz Folgerung Komplementarität Komplementarität Antonymie i.e.S. Antonymie i.e.S. Kontiguität Kontiguität Kontiguität Kontiguität Ähnlichkeit Gegensatz Gegensatz Ähnlichkeit Kontiguität Kontiguität Ähnlichkeit Gegensatz

Ähnlichkeit

Komplementarität Gegensatz Komplementarität Komplementarität Ähnlichkeit Ähnlichkeit Ähnlichkeit Komplementarität

Ähnlichkeit Gegensatz Ähnlichkeit -

Ähnlichkeit

Gegensatz Kontiguität

Besonderer Beliebtheit erfreut sich offensichtlich die Kombination von stimmlosen Plosivlauten [p]-[t], [p]-[k] und [k]-[t] mit insgesamt 15 Vorkommen. Erwähnenswert ist des weiteren, daß sich in sechs Fällen die beiden bilabialen Laute [b] und [m] als Anlaute ge-

114 genüber stehen, was aber in fünf Fällen auf die inhaltliche Gegenüberstellung der Wortpaare bien/bon - mal und boire - manger zurückzuführen ist, womit die Fast-Alliteration als zufälliger Nebeneffekt zu bewerten ist.6

4.1.1.4 Assonanzen und Klangähnlichkeiten „L'ASSONANCE est la répétition d'une voyelle et, notamment, la répétition de la dernière voyelle accentuée [...], cette homophonie étant suivie d'une hétérophonie" (Frédéric 1985: 134). Dieser Definition von Assonanz entspricht nur das folgende PWP: (4-6) Laut

Beispiel

Μ

les us et coutumes

semantische Relation: externe Bedeutungsebene Ähnlichkeit

semantische Relation: interne Bedeutungsebene

An dieser Stelle sollen ebenfalls solche Klangähnlichkeiten betrachtet werden, die teilweise weder direkt im An- oder Auslaut auftreten noch die betonten Silben betreffen. Es handelt sich in einem Fall um eine Phonemgruppe, bestehend aus Vokal und Konsonant, in einem Fall um einen Diphthong, in zwei Fällen um einzelne Vokale und in einem Fall um einen Konsonanten, die jeweils im zweiten Wort in der unbetonten Silbe wiederholt werden: (4-7) Laut

Beispiel

[-CR]

[il faut qu 'une porte soit] ouverte ou fermée les voies et moyens des goûts et des couleurs [on ne discute pas] [tomber] de Charybde en Scylla ni trêve ni repos

fwal Μ PI

6

semantische Relation: externe Bedeutungsebene Kontradiktion

semantische Relation: interne Bedeutungsebene

Ähnlichkeit -

Ähnlichkeit

Ähnlichkeit Ähnlichkeit

Als „Fast-Alliteration" ist bei streng synchroner Betrachtungsweise nicht die Abfolge [k] - [J] anzuführen, da sich die beiden stimmlosen Laute durch mehr als nur ein artikulatorisches Merkmal unterscheiden. Stattdessen handelt es sich um einen direkten diachronen Zusammenhang, hat sich doch im Altfranzösischen lat. [k] vor [a] im Anlaut zu [J] entwickelt: chemise wechselt. Generalisierend läßt sich daraufhin festhalten, daß das erste Segment eines Reduplikativums mit Ablautbildung überwiegend ein [i] und das zweite Segment tiefere Vokale enthält. Dieses Prinzip bestätigt sich auch für deutsche und englische Reduplikativa: (6-5)

dt. hali-halo Hickhack klipp und klar Krimskrams schnickschnack Tingeltangel Wirrwarr Zickzack engl, flip-flop obladi-oblada shilly-shally splish-splash tip-top

Auch bei Mayerthalers morphologischer Untersuchung von französischen Echowörtern findet sich diese Beobachtung3: „In den aufgelisteten Echowörtern liegt [...] ein [i] : [a] : (u)Kontrast vor [...] Das Kontrastmuster '/' vor anderen Vokalen (vorzugsweise α)' findet sich [...] auch in anderen Sprachen [...]" (1977: 48). Besonders für englische Reduplikativa werden entsprechende Regeln häufig formuliert, so beispielsweise Kimenyi (1989: 348): „What is interesting about vowel alternation in the reduplicated words is that the stem vowel of the part on the left is always the high front vowel /' which alternates with either a or o". Einen Schritt weiter in die gleiche Richtung gehen Cooper/Ross (1975: 7Iff.), die auf der Grundlage eines Korpus aus englischen freezes eine ganze Vokalreihe entwickelt haben, die Ross (1980: 44f.) dann später noch leicht modifiziert hat. Sie ordnen die Vokale nach ihrer Höhe und ihrem Artikulationsort. Demnach enthält das erste Segment gegenüber dem zweiten Segment eines Reduplikativums oder eines Wortpaars ,,ein[en] höhere[n] Vokal; bei gleich hohen Vokalen ein[en] vorderere[n] Vokal" (Ross 1980: 40). Ross (1980: 3

Es handelt sich größtenteils um die gleichen Beispiele oder Beispiele gleichen Typs, z.B. clic-clac, tic-tac, zigzag (1977: 46f.). Die zitierten Beispiele von Teilreduplikativa in moderneren Wortbildungslehren Weisen ebenfalls diesen Typ der Ablautbildung auf (z.B. THIELE 1993: 106).

137 45) kommt schließlich zu folgender Ordnung der Vokale: [i, e, ε, u, o, o, a]. Diese Abfolge wurde von Birdsong/Pinker (1979) und Birdsong (1979, 1995: 32ff.) anhand von englischen und französischen Nonsense-Wörtern überprüft, welche Probanden in ihre bevorzugte Reihenfolge bringen sollten. Ein Beispiel fllr ein „französisches" Nonsense-Wort aus Birdsong (1995: 34), das der Abfolge [ε]-[ο] folgt, ist der Ausdruck à bon pèque, bon poque. Da sowohl englische bzw. französische Muttersprachler als auch Nicht-Muttersprachler bei ihrer Anordnung der Vokalqualität oben genannter Form folgten, vermutet Birdsong, daß es sich um ein universelles Prinzip handelt. Die in (6-2) bis (6-4) genannten französischen Reduplikativa widerlegen diese Reihenfolge zunächst nicht, da auch dort in der überwiegenden Zahl der Fälle [i] und [ε] als höchste Vokale allen anderen vorausgehen. In Kochers Korpus befinden sich jedoch auch einige Gegenbeispiele zu Ross' Vokalreihe, in denen beispielsweise [a] vor [o] (z.B. babo, insg. 3 Fälle) oder [o] vor [u] (z.B. bobou 1 Fall) steht.4 Bei der Untersuchung der 66 französischen PWP des vorliegenden Korpus mit Wechsel des betonten Vokals, bei denen andere Prinzipien, die filr die Wortstellung verantwortlich sein könnten, weitgehend ausgeschlossen werden können, ergibt sich folgendes Bild5: (6-6) [(q)i]vor[S]:

des si et des mais entre cuir et chair entre le zist et le zest

ΓΠ vor fol m vor roi [i] vor [ä]

la faucille et le marteau avec délices et orgues des mille et des cents bon chic bon genre [jouer à] pile ou face [aller] de cul et de tête pur jus, pure laine [être] tout sucre tout miel

[il vor [al [y] vor [ϋ)ε]

ivi vor ΠΙ [y] vor [öl [y] vor [(w)a] Μ vor räl [(j)e] vor [(w)c] [0)e] vor [a].

comme cul et chemise [courtiser] la brune et la blonde [être] à tu et à toi [avec qn.] de but en blanc pieds et poings [liés] [faire] des pieds et des mains au nez et à la barbe [de qn.] [ne remuer] ni pied ni patte de pied en cap

4

Eine Betrachtung der Vokale in Jeeps Analyse zu den stabreimenden Wortpaaren bei Notker Labeo (Jeep 1987: 142f.) ist nicht ergiebig. 23 Fälle verhalten sich gemäß der Vokalreihe von Cooper/Ross, 23 Wortpaare widerlegen diese jedoch. 11 Wortpaare verhalten sich neutral. Ebenso wenig aufschlußreich ist die Verteilung von Länge und Kürze bei gleicher Vokalqualität: In ca. 59 % der Belege werden zwei Kurzvokale koordiniert, in ca. 4 % zwei Langvokale, in ca. 14 % tritt die Reihenfolge kurz-lang auf und in ca. 23 % die Reihenfolge lang-kurz.

5

Bei mehrsilbigen Wörtern wird lediglich der betonte Vokal betrachtet. Diphthonge werden als Kombination von Konsonant + Vokal betrachtet und somit die Halbvokale vernachlässigt.

138 Fortsetzung von Tabelle (6-6): t(j)e] vor [ceG)] [ε] vor [e] fei vor i(j)cl [ε] vor [0]: [ε] vor [ä]

[ε] vor [o]: [ε] vor [o]

[ε] vor [δ] [ε] vor [u] [ε] vor [a] [ε] vor [o] [ε] vor [o] [εΐ vor Γεί Γ(ί)ε1 vor ful [0] vor fei [0Ι vor fai [0] vor fai [0I vor fu] ful vor foe] [u] vor [ε] fol vor fil [0] vor fa(j)l

fol vor fei Γοΐ vor Γεί [ο] vor [al [5] vor f(j)e]

[5] vor [a] fol vor ful [a] vor fi] [(w)a] vor [ε] f(w)al vor foe(j)l f(w)a] vor [ε] f(w)a] vor ful

bon pied bon oeil [il faut qu'une porte soit] ouverte ou fermée bel et bien par le fer et par le feu le cher et tendre bêtes et gens de chair et de sang [ne chercher que] plaies et bosses en chair et en os [prendre] fait et cause [pour] les effets et les causes bel et bon [avoir] bec et ongles [ménager] la chèvre et le chou [il faut que] ça pète ou que ça casse sain et sauf [être] au pain et à l'eau rien dans les mains, rien dans les poches [n'avoir] ni fin ni cesse entre chien et loup [n'avoir] ni queue ni tête feu et flammes [mettre] à feu et à sang peu ou prou [venir] à son jour et à son heure sans tambour ni trompette à cor et à cri corps et âme [passer] du coq à l'âne d'estoc et de taille fc'estl l'eau et le feu [parler] haut et clair rbâtir] à chaux et à sable [ne pas mélanger] les torchons et les serviettes [contenter] tout le monde et son père en long et en large / de long en large [pendre qn.] haut et court [prendre] son sac et ses quilles poivre et sel ni quoi ni qu'est-ce au doigt et à l'œil [être] par voies et par chemins [y mettre] les quatre doigts et le pouce

139 Fortsetzung von Tabelle (6-6): m vor m rai vor m)0i [ä] vor [0]

pour de l'argent et un sourire en (son) temps et lieu [suer] sang et eau

Aufgrund der obigen Beispiele erscheint es sinnvoll, an den Anfang der von gestellten Vokalreihe noch den Laut [y] zu setzen, der in der größtenteils lischen/Amerikanischen orientierten Literatur nicht berücksichtigt wird und nahmslos in Erstwörtern auftritt6. Damit bestätigen 24 von 66 PWP, d.h. ca. folgende Vokalreihe: (6-7)

Ross aufam Enghier aus36 % die

[y, i, e, e, u, o, o, a]

Dieser Abfolge widersprechen neun PWP direkt; bei der Verteilung von [0], [oe] und den französischen Nasalvokalen läßt sich keine Regelmäßigkeit feststellen, und sie können somit nicht in die Vokalreihe eingeordnet werden. Für einen großen Teil der PWP, die sich der Vokalreihe entgegengesetzt oder neutral verhalten, lassen sich jedoch andere Faktoren ermitteln, die ebenfalls Einfluß auf die Wortstellung nehmen können. Es handelt sich um die Anzahl der Anlautkonsonanten und die Wortkomplexität, gemessen an der Zahl der Phoneme. Auch wenn diese Faktoren in den folgenden Kapiteln noch eingehender betrachtet werden, sollen sie als mögliche Erklärungen für die Ausnahmen zur Vokalreihe bereits jetzt in Betracht gezogen werden: Die Anzahl der Anlautkonsonanten könnte den Ausschlag für die Anordnung der Komponenten in den Wortpaaren aus (6-8) gegeben haben, bei welchen ebenfalls weder semantische Präferenzen noch obiger Regel entsprechende Merkmale der Vokalqualität offensichtlich sind (vgl. dazu Kap. 6.2.1.2). In diesen Beispielen enthält jeweils das zweite Lexem mehr Konsonanten im Anlaut als das erste Lexem: (6-8)

pour de l'argent et un sourire à cor et à cri [c'est] l'eau et le feu feu et flammes [parler] haut et clair [pendre qn] haut et court [il faut qu'une porte soit] ouverte ou fermée peu ou prou sans tambour ni trompette

Eine Erklärungsmöglichkeit fllr drei weitere Ausnahmen zur Vokalreihe ist die Anzahl der Phoneme der Einzellexeme, ein Anzeichen fllr die Wortkomplexität unabhängig von der Silbenzahl, welche erwartungsgemäß in Zweitwörtern höher ist: (6-9)

6

[n'avoir] ni fin ni cesse [n'avoir] ni queue ni tête [ne pas mélanger] les torchons et les serviettes

Allerdings trifft man auf die Aussage „gespreizte Vokale stehen vor gerundeten" (so Landsberg 1984: 238), welche unserer Beobachtung bezüglich des [y] widerspricht.

140 Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß zwar nur relativ wenige Ausnahmen zur Vokalreihe (6-7) existieren, sich andererseits aber auch nur deutlich weniger als die Hälfte der hier untersuchten und für eine Betrachtung der Vokalabfolge geeigneten PWP in ihrer Wortstellung danach richten. Weder für [0], [œ] noch für die Nasalvokale lassen sich regelhafte Verteilungen ermitteln. Mit der Anzahl der Anlautkonsonanten und der Anzahl der Phoneme lassen sich zwar einige der Ausnahmen erklären, dennoch bleibt eine nicht unerhebliche Gruppe von zwölf PWP, für die keines der Prinzipien als Erklärung dienen kann: (6-10) bel et bien au doigt et à l'œil par le fer et par le feu [mettre] à feu et à sang poivre et sel [venir] à son jour et à son heure [prendre] son sac et ses quilles ni quoi ni qu'est-ce [y mettre] les quatre doigts et le pouce en (son) temps et lieu [suer] sang et eau [être] par voies et par chemins

6.2.1.2 Konsonantenanzahl und -qualität Cooper/Ross (1975: 71ff.) und Ross (1980: 42f.) machen auch Aussagen darüber, welchen Einfluß die Anzahl und Qualität von Konsonanten in Wortpaaren auf die Reihenfolge ihrer Elemente haben können. Ihrer Meinung nach haben Zweitwörter mehr Konsonanten im Anlaut, und einige ihrer überzeugenden Beispiele lauten: (6-11) dt. angst und bang mit Ach und Krach recht und schlecht Sang und Klang engl, long and strong nitty-gritty

Auch Morawski (1927: 115) stellt für spanische Reimformeln fest: „Le mot commençant par une voyelle ou par A précède, ceteris paribus, le mot commençant par une consonne". Als Beispiele führt er u.a. an: (6-12) sp. Ares y mares en haz y en paz ni hiél ni miel oro y moro

141 Für das Französische finden sich jedoch insgesamt nur zehn Wortpaare, die Morawskis Prinzip eindeutig bestätigen7. Zusätzlich zu den neun in (6-8) bereits aufgeführten PWP mit Vokalwechsel, sind hier lediglich noch (6-13) und gleichzeitig vier Gegenbeispiele zu nennen. (6-13) ni paix ni trêve aber:

[suer] sang et eau [venir] à son jour et à son heure au doigt et à l'œil [être] au pain et à l'eau

Ross (1980: 42f.) untersucht des weiteren Wortpaare im Hinblick auf die Anzahl der Auslautkonsonanten und stellt fest, daß das Zweitwort auch im Auslaut mehr Konsonanten aufweist: (6-14) dt. voll und ganz Weh und Ach engl, odds and ends

Auch die von Birdsong mit englischen und französischen Nonsense-Wörtern gewonnenen Daten bestätigen dieses Prinzip. Das „französische" Nonsense-Wortpaar les stermes et les sterds wurde beispielsweise von den Probanden umgestellt (Birdsong 1995: 35). In dem vorliegenden französischen Korpus lassen sich zwar mehr Beispiele für dieses Prinzip als Gegenbeispiele finden, und es bietet sich als Erklärungsmöglichkeit für einige der unter (610) aufgeführten PWP, die der Vokalreihe widersprechen, an. Dennoch kann aufgrund der geringen Zahl der Beispiele nicht die Rede von einer eindeutigen Regel oder gar einem Gesetz sein, vgl. (6-15): (6-15) pour de l'argent et un sourire feu et flammes [parler] haut et clair les faits et les gestes [n'avoir] ni fin ni cesse ni quoi ni qu'est-ce [ne pas mélanger] les torchons et les serviettes [n'avoir] ni queue ni tête aber:

[être] tout sucre tout miel [il faut qu'une porte soit] ouverte ou fermée par le fer et par le feu bêtes et gens à cor et à cri

Als weiteres Prinzip hält Ross (1980: 4If.) fest, daß die Konsonantenqualität im Anlaut in ihrem Grad an Obstruenz steigt. Er stellt die Reihenfolge

7

Um andere Prinzipien auszuschließen, können auch hier nur Wortpaare betrachtet werden, die Elemente ohne offensichtliche semantische Präferenzen und mit gleicher Silbenzahl enthalten oder deren erstes Element eine höhere Silbenzahl als das zweite hat.

142 g

Gleitlaute - Liquide - Nasale - Frikative - Verschlußlaute

auf und nennt Beispiele aus dem Englischen und dem Deutschen9: (6-16) dt. Hinz und Kunz Hokuspokus Rat und Tat Sack und Pack engl, mumbo-jumbo

Bei der Überprüfung des vorliegenden französischen Korpus hat sich aber herausgestellt, daß dieses Prinzip keineswegs gilt und sich zahlreiche Gegenbeispiele finden, vgl. (6-17): (6-17) bêtes et gens [aller] du blanc au noir çà et là clair et net [n'avoir] ni feu ni lieu [n'avoir] ni foi ni loi pur jus, pure laine [c'est] du pareil au même [jouer à] pile ou face [être] tout sucre tout miel en (son) temps et lieu pêle-mêle tire-lire

Dies bestätigt auch Birdsong (1995), der festgestellt hat, daß es sich offenbar um ein nur für das Englische geltendes, einzelsprachliches Prinzip handelt, da bei der Überprüfung französischer Nonsense-Wörter (z.B. lurible et purible) von französischen Native-Speakern keine Präferenz für eine bestimmte Wortstellung in Abhängigkeit der Obstruenz der Anlautkonsonanten gezeigt wurde10. Wenn auch die Anzahl der Beispiele nicht ausreicht, um generalisierende Aussagen zu treffen, so zeichnet sich doch in (6-17) die Tendenz ab, daß im Französischen Verschlußlaute gerne im Anlaut des Erstwortes stehen und das Zweitwort mit Nasalen oder Liquiden anlautet. Außerdem fällt - wie im vorhergehenden Kapitel gesehen - eine nicht unerhebliche Anzahl an PWP auf, die durch Alliterationen und FastAlliterationen gekennzeichnet sind, z.B. durch die Kombination zweier Verschlußlaute im Anlaut, so daß für diese Beispiele eine Ordnung nach Artikulationsarten hinfällig ist. Morawski (1927: 115f.) ordnet die Anlautkonsonanten für die spanischen Reimformeln anders; seiner Meinung nach gilt: stimmlos vor stimmhaft, palatal vor dental, dental vor

8

9

10

Diese Reihenfolge entspricht (dem konsonantischen Teil) der in der Analyse von Silbenstrukturen angewendeten „Sonoritätshierarchie", also dem Grad der Schallfülle, welcher für die Phonotaktik in Silbenanlaut und -auslaut verantwortlich ist (siehe z.B. Vennemann 1986: 36). Vgl. auch Dundes (1974: 4), der ebenfalls das häufigere Vorkommen von Verschlußlauten im Anlaut des Zweitwortes in englischen reimenden Reduplikativa bestätigt: „[...] the great preponderance of rhyming reduplicatives in English beginning with an initial /h/ contain a second element beginning with the labials /p/ or Ibi. The second favorite would appear to be the dentals Ν or/d/" genauso Birdsong/Pinker (1979: 504)

143 labial. Die Labiale sind wiederum folgendermaßen geordnet: [f] vor [p] vor [m]. Einige (spanische) Beispiele aus seiner Untersuchung: stimmlos vor stimmhaft: sp. no temer ni deber palatal vor dental: sp. cantos y santos dental vor labial: sp. seso y peso, de Ceca en Meca palatal vor labial :sp. comer y beber, llegar y besar [ρ] vor [m]: sp. picos y micos [f] vor [ρ]: sp. en faz y en paz Für das Französische finden sich sieben Beispiele, die Morawskis Annahme zur Konsonantenabfolge bestätigen: (6-18) [aller] de cui et de tête [c'est] du pareil au même [ne chercher que] plaies et bosses des si et des mais [être] tout sucre tout miel chari-vari pêle-mêle tohu-bohu Auch hier treten jedoch zu viele Gegenbeispiele auf, als daß man Morawskis Behauptung auch für das Französische grundsätzlich bestätigen könnte, vgl. (6-19): (6-19) bêtes et gens [prendre] fait et cause [pour] [n'avoir] ni fin ni cesse ni paix ni trêve [jouer à] pile ou face Andererseits ist zu bedenken, daß er seine These für Reimformeln aufgestellt hat, in denen meistens nur der Anlautkonsonant wechselt. Da es sich bei den hier untersuchten französischen Beispielen hingegen nur in drei Fällen um Minimalpaare handelt, sind eventuelle andere, unbekannte Prinzipien, die zusätzlich wirken, nicht auszuschließen. 11 Mayerthaler (1977: 49) stellt wiederum eine andere, nicht nur für das Französische geltende Regel auf, wonach „[...] der anlautende Konsonant des zweiten Bestandteils eines Echoworts ein vorderer Konsonant sein muß (z.B. p, b, m, s, t, l, v, ts etc.[...])" 12 . Mayerthalers Ordnung der Anlautkonsonanten stellt eine lockere Fassung von Morawskis These dar, da die Abfolge „palatal - dental - labial" auch eine Steigerung des Artikulationsortes von hinten nach vome ausdrückt. Zumindest widersprechen die französischen

11

12

Vgl. zur Kritik an Morawski auch Abraham (1950: 281f.), der zahlreiche Gegenbeispiele nennt, und in bezug auf englische Beispiele auch Diaz Vera (1997: 5). Eine entsprechende Vermutung äußert schon DUNDES (1974: 8) für englische reimende Reduplikativa: „[A] possible principle at work is a definite movement from back to front (referring to the point of articulation), e.g., Henny-Penny, palsy-walsy".

144 Beispiele in (6-20) Mayerthalers Regel nicht und machen sie damit zum bisher überzeugendsten Ansatz. (6-20) [aller] du blanc au noir çà et là charivari de chair et de sang clair et net [n'avoir] ni feu ni lieu [n'avoir] ni foi ni loi pur jus, pure laine [chercher qn.] par mer et par terre [jouer à] pile ou face [c'est] du pareil au même pêle-mêlè [être] tout sucre tout miel tohu-bohu tirelire en (son) temps et lieu au vu et au su

Dennoch können die Wortpaare in (6-20) nicht die Regel nachweisen, daß der Artikulationsort ein Kriterium für die Wortstellung ist, da sie alle mit vorne artikulierten Konsonanten anlauten. Zusammenfassend kann man sagen, daß, sobald man nicht nur reine Reduplikativformen, sondern eigentliche Phraseologismen mit zwei freien Lexemen im Hinblick auf die Abhängigkeit der Wortstellung von bestimmten Lauten untersucht, es sich bei allen formulierten Prinzipien nur um Tendenzen handelt. Am stärksten wirken offensichtlich noch Regeln, die die Abfolge von Vokalen betreffen (vgl. 6-7) und sich an Reduplikativformen und Minimalpaaren fast eindeutig nachweisen ließen. Alle die Konsonanten betreffenden möglichen Regelmäßigkeiten blieben jedoch sehr zweifelhaft. Als Tendenz konnte lediglich festgestellt werden, daß im Französischen häufig stimmhafte Laute, Nasale und Liquide im Anlaut des Zweitwortes stehen. Die Äußerungen von Hammer (1993b: 171) bestätigen das oben ermittelte uneinheitliche Bild. Auch sie kann für das Französische keinen statistischen Nachweis der von Cooper/Ross (1975) aufgestellten Regeln auf phonologischer Ebene geben und schließt: ,,[...S]egmentalphonologische Faktoren [spielen] keine dominante Rolle in der Fixiertheit der NK [koordinativ verbundenen Nominaleinheiten] im Französischen" (Hammer 1993b: 171). Dies heißt jedoch nicht, daß solche Prinzipien nicht existieren, sondern nur daß hier offensichtlich in sehr vielen Fällen andere, vermutlich semantische Aspekte der Einzellexeme, den Ausschlag für die Wortstellung gegeben haben.

6.2.2 Wortkomplexität Die Wortkomplexität scheint eins der ausschlaggebenden Kriterien für die Festlegung der Reihenfolge in Wortpaaren zu sein. Wortkomplexität kann anhand der Silbenzahl und durch die Anzahl und Dauer von Phonemen bestimmt werden.

145

6.2.2.1 Silbenzahl Eine „Bestandsaufnahme" der Anzahl der Silben der beteiligten Lexeme in den Wortpaaren des vorliegenden Korpus wurde bereits in Kap. 4.2 vorgenommen. Ebenfalls wurde festgestellt, daß die Silbenstruktur offensichtlich nicht willkürlich ist, sondern eine abnehmende Silbenanzahl ausgesprochen selten und zwar nur in 5,6 % der Fälle auftritt (vgl. Kap. 4.2, Tab. 4-27). Entsprechend äußert sich Hammer (1993 a und b): „Bei Ungleichheit [der Silbenzahl] folgt die Reihenfolge dem Panini-Gesetz mit einer Silbe mehr für Β [zweites Lexem] als für A [erstes Lexem]" (Hammer 1993a: 576). Am häufigsten sind die Silbenkonstellationen 1+1, 1+2 und 2+2, d.h., die Silbenzahl ist entweder ausgewogen oder sie nimmt zu, was sich auch für die dreigliedrigen Phraseologismen bestätigt. Man kann also die Regel formulieren, daß die Silbenzahl des zweiten (und evtl. dritten) Elements einer Mehrfachformel nicht größer ist als die des ersten Elements. Zu diesem Prinzip finden sich in dem untersuchten Korpus nur elf Gegenbeispiele, in denen die Reihenfolge der Komponenten - vermutlich - semantisch motiviert ist (siehe Kap. 6.3). Dies entspricht einem Anteil von ca. 4 % des gesamten französischen Korpus. In pour le meilleur et pour le pire steht das positive Element vor dem negativen. In ici et là nimmt das Wort, das das dem Sprecher örtlich Nähere bezeichnet, die erste Stelle ein. Ein ähnlicher Fall liegt vor in [c 'est] le moment ou jamais, wo der „näher liegende" Zeitpunkt zuerst genannt wird (Chronologie-Prinzip) und vor dem negativen Ausdruck steht (vgl. dt. jetzt oder nie). Die chronologische Abfolge der Komponenten wird auch in den Ausdrücken autrefois et maintenant und du matin au soir beibehalten. Der Ausdruck une chaumière et un cœur folgt dem Prinzip „konkret vor abstrakt". Die Reihenfolge in [contenter] tout le monde et son père geht möglicherweise auf eine Regel zurück, die besagt, daß allgemeine Ausdrücke vor speziellen stehen. Unklar bleibt v.a. die Motivation der Wortstellung in [c 'est] du pareil au même, wo es sich um ein Synonymenpaar handelt und keine semantischen Präferenzen erkennbar sind. Möglicherweise folgt dieses Wortpaar in der Abfolge den gleichen Prinzipien wie pêle-mêle, d.h., daß die Anlautkonsonanten entscheidend sind. Weiterhin unklar in bezug auf die Motivation der Wortstellung bleibt auch der Ausdruck [avec] délices et orgues. Das Prinzip der ansteigenden Silbenzahl bestätigt sich auch in weiteren Sprachen, wie die Untersuchung von Cooper/Ross (1975) für englische Wortpaare oder Malkiels (1959: 149ff.) Betrachtung für englische und einige deutsche, spanische, portugiesische, russische und polnische Beispiele zeigen. Szpyra (1983: 47f.) bestätigt für zwei- und dreigliedrige polnische Phraseologismen die Gültigkeit des Prinzips. Sie stößt zwar auf einige Ausnahmen, nimmt aber an, daß in diesen Fällen das Bestreben, rhythmische Schemata einzuhalten, stärker war als das Prinzip der ansteigenden Silbenzahl. So ergebe die Abfolge zweier betonter Silben eine unerwünschte Sequenz, was z.B. zu der „zweisilbig - einsilbig"Abfolge in poln. húla hop führe (Szpyra 1983: 48)13. Pordány (1986) führt für das Ungarische neben irreversiblen Wortpaaren, deren Anordnung nach dem Prinzip der ansteigenden Silbenzahl erfolgt, auch eine ganze Reihe von reversiblen Wortpaaren (in Gedichttiteln) an, in denen bevorzugt das Element mit der höheren Silbenzahl in Zweitposition steht. Auch 13

Zu einem Erklärungsansatz der Wortstellung in festen Wortpaaren anhand prosodischer Schemata vgl. auch GIL: „Freezes are [...] of iambic prosodie structure, with a weak first conjunct followed by a strong second conjunct" (GIL 1989:380).

146 Morawski (1927: 114) sieht für sein Korpus spanischer Reimformeln das Prinzip der ansteigenden Silbenzahl bestätigt (z.B. ir y venir, de hecho y de derecho). Abraham (1950: 279ff.) nennt hingegen für das Englische und das Spanische Gegenbeispiele (z.B. engl. butter and eggs, sisters and wives, sp. altura y peso, gasolina y aceite, vitalidad y vigor) und sieht die Regel auf keinen Fall losgelöst von phonetischen und semantischen Prinzipien. Behagel (1909) nennt Beispiele von koordinierten Satzgliedern aus Versdichtung und Prosa für das Althochdeutsche, Neuhochdeutsche, Altgriechische und Lateinische, in denen das umfangreichere Glied an zweiter Stelle steht.14 Jeep (1987) analysiert die althochdeutschen stabreimenden Wortpaare im Werk von Notker Labeo auch in bezug auf die Verteilung der Silbenzahl und kommt zu folgendem Ergebnis: In annähernd der Hälfte aller Belege ist die Silbenzahl der stabreimenden Glieder gleich. Die Silbenzahl des zweiten Gliedes ist höher als die des ersten Bestandteils in knapp Uber einem Drittel der Belege. Etwa ein Sechstel der Wortpaare haben das silbenmäßig längere Wort vor dem kürzeren. (Jeep 1987: 147)'5 Auch bei der Analyse (neuhoch-)deutscher Wortpaare bestätigt sich das Prinzip, daß die Silbenzahl des zweiten Wortes normalerweise nicht größer als die des ersten Wortes ist. V.a. Verkürzungen des Erstwortes wie in Hab ' und Gut oder Reih ' und Glied weisen auf diese Regelhaftigkeit und auf die Tendenz zu einer symmetrischen Anordnung hin. Weitere deutsche Beispiele zu den Konstellationen „einsilbig - einsilbig" und „einsilbig - zweisilbig" unter (6-21) 16 : (6-21) 1+1: [mit] Müh' und Not [mit] Ach und Krach voll und ganz Haus und Hof [mit] Mann und Maus weit und breit klipp und klar [durch] dick und dünn 1+2: Kind und Kegel Furcht und Schrecken kurz und bündig Land und Leute Lust und Laune 14

15

16

Behagel fuhrt diese Tendenz nicht auf metrische Gründe zurück: „Daß die Erklärungen nicht in metrischen Einflüssen gefunden werden können, ist nun wohl klar bei einer Erscheinung, die im Gewände der altdeutschen Kurzzeile und Langzeile oder im fünffüßigen Jambus die gleiche bleibt wie im Hexameter, im Senar, Septenar, Oktonar und den lyrischen Maßen der Antike" (Behagel 1909: 128). An gleicher Stelle finden sich auch Überlegungen dazu, inwieweit die Wortstellung der jeweiligen lateinischen Vorlage übernommen wurde, Jeep kann aber nicht klären, warum in ca. 1/6 der Fälle die Wortstellung lang-kurz gewählt wurde. Beispiele z.T. nach Malkiel (1959: 151) und Schröter (1980: 193f.)

147 [bei] Nacht und Nebel Pech und Schwefel Wind und Wetter gut und gerne fix und fertig Leib und Leben gang und gäbe null und nichtig

Die dreigliedrige Parole [fur] Gott, König und Vaterland (1+2+3) verhält sich ebenfalls entsprechend dem Prinzip der ansteigenden Silbenzahl. Ein Gegenbeispiel aus dem Deutschen ist [bei] Wasser und Brot. Die Reihenfolge der Wörter in dieser Wendung scheint jedoch semantisch motiviert zu sein. Hier wird die Silbenregel unterlaufen, so daß die Bezeichnung für das wichtigere und essentielle Nahrungsmittel,Wasser' an erster Stelle steht.17 Daß es sich, genauso wie bei der Anordnung in Abhängigkeit von der Vokal-Qualität, um ein über-einzelsprachliches Phänomen handelt, bestätigt auch Birdsong nach seinen bereits oben erwähnten Experimenten: „[...] respondents favored orderings dictated by the syllable number and vowel quality constraints. Thus the results of the two experiments favor Cooper and Ross's (1975) proposal that these two rules may be universal" (Birdsong 1995: 34).

6.2.2.2 Unterschiede in der Wortkomplexität bei gleicher Silbenzahl Die Silbenzahl ist nur ein mögliches Anzeichen für die Länge eines Wortes. Ebenso kann die Anzahl der Phoneme eines Wortes ein Maßstab für seine Komplexität sein. Betrachtet man die Anzahl der Phoneme in den französischen Paarformeln, so fallen zunächst die Wortpaare auf, deren Elemente die gleiche Silbenzahl haben und deren zweites Wort auf einer Konsonantenansammlung und einem „e muet" endet, z.B.: (6-22) le cher et tendre en long et en large pur et simple le pour et le contre [bâtir] à çhaux et à sable [avoir] bec et ongles de fond en comble

In (6-22) enthält das erste Wort immer zwei oder drei Phoneme. Das zweite Wort enthält jeweils drei oder vier Phoneme und kann somit als komplexer bezeichnet werden. Im Falle von le pour et le contre ist natürlich auch eine semantische Erklärung naheliegend: Das Positive steht vor dem Negativen. Auch in (6-23) ist bei gleicher Silbenzahl eine Steigerung der Wortkomplexität durch eine höhere Anzahl an Phonemen vom Erst- zum Zweitwort und damit die Anordnung „kurz vor lang" festzustellen:

17

Vgl. auch den französischen Ausdruck [en oublier] le boire et le manger.

148 (6-23) Allez, roulez [jeunesse]! [être] tout feu tout flamme [parler] haut et clair pur jus, pure laine sain et sauf

[ne pas mélanger] les torchons et les serviettes Es lassen sich jedoch auch einige Gegenbeispiele aufzählen: (6-24) bel et bon bêtes et gens par le fer et par le feu [suer] sang et eau [être] tout sucre tout miel

Damit bleibt ein mögliches Prinzip der zunehmenden Anzahl an Phonemen bei gleicher Silbenzahl nur eine Tendenz und wirkt weitaus schwächer als das der zunehmenden bzw. der nicht-abnehmenden Silbenzahl.

6.2.3 Gründe für die Anordnung nach Wortkomplexität Es hat sich herausgestellt, daß die formalen Charakteristika zwei- und dreigliedriger Phraseologismen eine bestimmte Form in bezug auf die Abfolge der Komponenten teils tendenziell, teils sehr regelhaft bedingen: Es besteht einerseits der Drang nach einer symmetrischen Anordnung, also einem ausgewogenem Verhältnis der Länge der beiden Elemente eines Wortpaars. Zum anderen hat sich das Prinzip, daß die Wortkomplexität des zweiten (oder dritten) Elementes größer als die des Erstwortes ist, bestätigt. Der Gegensatz „kurzlang" zeigt sich in vielen Beispielen, und bis auf ganz wenige Ausnahmen ist die Komplexität des Zweitworts phraseologischer Wortpaare nicht kleiner als die des Erstworts. Dieses Prinzip hat Behagel „das Gesetz der wachsenden Glieder" genannt (Behagel 1909: 139)18. In einem Ausdruck oder Satz wächst die Komplexität der Wörter oder Satzglieder von vorne nach hinten. Unabhängig von Redewendungen gilt diese Regel also auch für die freie Rede. Behagel führt als Begründung für sein Gesetz an, daß der Hörer die komplexeren Satzglieder besser memorieren könne, wenn sie am Ende des Satzes stehen. Außerdem neige der Mensch dazu, „[...] zunächst das leichtere zu erledigen und dann erst sich den größeren Aufgaben zuzuwenden" (Behagel 1909: 138). Ebenso verfahre er auch in der Sprache: Der Sprecher wird erst die weniger komplexen Elemente eines Satzes äußern, sich für die aufwendigeren Ausdrücke dann mehr Zeit nehmen und sie am Ende des Satzes nennen: „So bildet sich unbewußt in den Sprachen ein eigenartiges rhythmisches Gefühl, die Neigung, vom kürzeren zum längeren Glied überzugehen; [...]" (Behagel 1909: 139).19 Birdsongs (1995: 34) Tests mit Nonsense-Wörtern haben allerdings ergeben, daß es sich zwar bei der sich nach der Silbenzahl richtenden Abfolge um ein universelles Prinzip han18

19

Dieses Prinzip ist auch als „Panini-Gesetz" bekannt, von Panini (ca. 350 v.Ch.) zuerst formuliert (vgl. z.B. Birdsong 1979: 28). Verwiesen sei hier auf die interessante Feststellung von Sacks (1984: 20), daß bereits Nebrija dieses Prinzip für spanische Wortpaare in seiner Grammatik beschreibt (vgl. auch Landsberg 1995: 65).

149 delt, nicht jedoch bei der Anordnung nach Vokalquantität. Die Aussage „Erstwörter enthalten eher kürzere Vokale als Zweitwörter" gelte als allein einzelsprachliche Regel nur für das Englische und nicht für das Französische und unterstütze somit die Idee eines allgemeinen Prinzips, welches grundsätzlich die Anordnung nach der Wortkomplexität regelt, nicht.20 Im vorliegenden Korpus befinden sich keine Minimalpaare mit der Opposition Kurz-/Langvokal, so daß der Faktor Vokalquantität nicht überprüft werden konnte. Ross stellt wiederum fest, daß die meisten seiner phonetischen Regeln „[...] dem Ausdruck eines übergreifenden Längenkontrasts dienen [...]" (Ross 1980: 47). Unter anderem sieht er in der Tatsache, daß hohe Vordervokale eher in Erstwörtern vorkommen (was sich ja auch für französische Reduplikativa gezeigt hat), eine Bestätigung des Kontrasts klein/groß bzw. kurz/lang: „Wie Edward Sapir (1929) zeigt, neigen die Menschen dazu, hohe Vordervokale mit kleinen Gegenständen zu assoziieren [...]" (Ross 1980: 47)21. Eine einleuchtende Begründung für diese „Neigung" liefert Pesot: Helle (palatale) Sprachlaute werden mit kleinem Resonanzkörper artikuliert; erfahrungsgemäß geben kleine Objekte helle Töne von sich. Ein heller Sprachlaut (im Gegensatz zu nicht-hellen Sprachlauten) kann also kleine Objekte (im Gegensatz zu nicht kleinen Objekten) ikonisch darstellen. Umgekehrt kann ein dunkler Sprachlaut [...] große Objekte [...] ikonisch darstellen (Pesot 1980: 15)22

Auch die vermehrte Anzahl an Konsonanten in An- und Auslaut des Zweitwortes, die sich für das Französische allerdings nicht einwandfrei nachweisen ließ, ist ein Hinweis auf die erhöhte Komplexität des zweiten Elements in einem Wortpaar. Da sich der Kontrast kurz/lang nicht nur für Wortpaare, sondern auch für die Länge von Konstituenten vor der Satzgrenze oder für natürliche Phänomene wie Vogelstimmen bestätigt, kommt Ross zu dem Schluß, „[...] daß die Sequenz (19) [kurz/lang] [...] auf phonetischer Ebene das zu Erwartende, Unmarkierte darstellt" (Ross 1980: 48). Dies bestätigt auch Gustafsson (1974), die eine Analyse der akustischen Länge der einzelnen Elemente in englischen Wortpaaren vorgenommen hat. Dabei wurde die Zeit, die für die Aussprache eines Wortes benötigt wird, bis auf 1/100 Sekunde genau gemessen. Das Korpus bestand aus Wortpaaren, deren Elemente entweder die gleiche Silbenzahl hatten oder deren Erstwort mehr Silben als das Zweitwort aufwies. Für irreversible Wortpaare, die diese Charakteristika aufwiesen, hat sich herausgestellt, daß für die Aussprache des ersten Wortes im Durchschnitt weniger Zeit benötigt wurde. Außerdem zeigte sich, daß das Zweitwort, wenn es am Satzende steht, länger ausgesprochen wird, als wenn es sich in einer Satzanfangs- oder Mittelposition befindet. Des weiteren wurde die Länge der Elemente reversibler Wortpaare jeweils in unterschiedlicher Reihenfolge gemessen, und man beobachtete, daß die Länge der Elemente sich entsprechend ihrer Anordnung änderte, d.h., ein Element wurde länger ausgesprochen, wenn es in der Zweitposition auftrat. In einem vierten Experiment wurden nicht-idiomati20

21

22

Eines seiner „Testpaare" lautet la lettre et la lète. Hier stellt sich freilich die Frage, inwieweit Oppositionen wie z.B. /«/ vs. /«:/, im Französischen gemeinhin als „gefährdet" tituliert, von den Probanden überhaupt realisiert wurde. Vgl. zur Kritik an den entsprechenden Tests auch Birdsong (1979: 133ff.). Sapir (1929) führte Tests mit Minimalpaaren ohne Bedeutung durch und kam u.a. zu dem Ergebnis, daß ca. 70-90 % der Probanden mit [a] einen größeren Referenten als mit [i] assoziieren. Über weitere Assoziationen zu bestimmten Lauten und „sound-symbolism" siehe WAUGH/ NEWFIELD (1995).

150 sehe adjektivische Wortpaare für unterschiedliche Reihenfolgen getestet. In diesem Fall war die Länge der Elemente allerdings weitaus konstanter als bei den phraseologischen Paarformeln. Gustafsson hält fest: The results show that in idiomatic binomials, whether irreversible or reversible, there is a tendency to pronounce the second member so that it is longer than the first member, irrespective of the syllabic or phonemic length of the members. The lengthening was greatly intensified in sentencefinal position [...] (Gustafsson 1974: 673)

Die Abfolge „kurz-lang" ist also nicht nur grundsätzlich in phraseologischen Wortpaaren vorhanden, sie wird sogar vom Sprecher hergestellt (wenn die phonetische Komplexität eigentlich gleich groß ist) oder noch intensiviert, indem er Erstwörter kürzer und Zweitwörter länger ausspricht.23 In neueren Publikationen wird für die Abfolge „weniger komplex" - „komplexer" sowohl in bezug auf die phonetische als auch auf die semantische Komplexität der Grund des „ease of processing" angeführt (z.B. Allan 1987, in mehreren Aufsätzen in Landsberg 1987 und 1995 wie Cooper/Klouda und Birdsong).

6.3 Semantische Prinzipien

Bei der Untersuchung, ob und welche semantischen Prinzipien für die Wortstellung in PWP verantwortlich sind, werden in höherem Maße als bisher freie Wortpaare, die grundsätzlich in einer bestimmten Reihenfolge auftreten, und sogenannte Nominationsstereotype betrachtet. Diese können insofern besonders aussagekräftig für die Fragestellung sein, als sie keiner Bedeutungsübertragung unterliegen, und die wörtlichen Einzelbedeutungen im Unterschied zu vollidiomatischen Phraseologismen noch vollständig präsent sind.24

6.3.1 Soziale Hierarchien In der Gesellschaft herrschen Rangordnungen zwischen Personen, unter gesellschaftlichen Gruppen und zwischen Personen und anderen Lebewesen. Bei der Untersuchung phraseologischer und freier Wortpaare hat sich herausgestellt, daß in vielen Fällen diese in der Gesellschaft vorhandenen Hierarchien in der inneren Struktur der Phraseologismen, und zwar in der Reihenfolge ihrer Elemente, zum Ausdruck kommen. Aus der Analyse der Wortpaare ergeben sich Dominanzhierarchien, wobei die Wörter, die in der ersten Position 23

24

Vgl. auch Birdsong/Pinker (1979: 507), die sich (mit bezug auf Cooper) ähnlich äußern: „[...] words spoken at ends of phrases have longer durations, regardless of their internal structure". Semantische Reihenfolge-Prinzipien lassen sich laut Lenz (1999: 252) nicht nur in PWP sondern auch in anderen Formeltypen feststellen. Die an gleicher Stelle angeführten Beispiele (z.B. wie der Vater, so der Sohn) weisen jedoch alle eine parallele Struktur auf, in der zwei Substantive vorkommen. Zahlreiche Beispiele und Gegenbeispiele zu semantischen Prinzipien im Englischen und Spanischen befinden sich bei Abraham (1950: 284ff.).

151 stehen, dabei gesellschaftlich höher gestellte Menschen, Tiere, Dinge, Gottheiten usw. bezeichnen. Bezeichnungen für den Mensch als das am höchsten bewertete Lebewesen und seinen Körper stehen dementsprechend in den meisten Fällen in der Erstposition eines Wortpaars, vgl..(6-25): (6-25) Mensch - Tier / menschlich - sächlich / belebt - unbelebt corps et biens comme cul et chemise à pied, à cheval et en voiture [ne remuer] ni pied ni patte dt. Mann und Maus aber:

bêtes et gens

Die Bezeichnung männlicher Personen steht vor der weiblicher Personen, Ausdrücke für Erwachsene oder Personen mit mehr Autorität stehen vor denen für Kinder oder Personen mit weniger Autorität, vgl. (6-26) bis (6-28): (6-26) männlich— weiblich25 homme et femme le mari et la femme père et mère papa et maman grand-père et grand-mère frères et sœurs Monsieur et Madame X le roi et la (sa) reine Paul et Virginie Adam et Eve aber:

les filles et les garçons Mesdames et Messieurs dt. die Damen und Herren vom Empfangskomitee

(6-27) Person mit mehr Autorität - Person mit weniger Autorität tel maître, tel valet le maître et l'esclave le maître et les serviteurs le président et les ministres le roi, la reine et le dauphin engl, the President an the Secretary of State26 25

26

Es ist nicht das grammatische Genus der Wörter, sondern das biologische Geschlecht der bezeichneten Personen gemeint, auch wenn in (6-26) immer beides zusammenfällt. Interessant ist indes, daß bei spanischen Konstruktionen vom Typ sin dineros ni dineros, in denen lediglich das grammatikalische Genus variiert, offenbar die Reihenfolge maskulin-feminin in der überwiegenden Zahl der Fälle eingehalten wird - und das unabhängig von der semantischen Relation und auch bei nicht-belebten Referenten oder unikalen Komponenten ohne jegliche Referenten, denen aufgrund der relativ eindeutigen Genusmarkierung im Spanischen mit -o und -a dennoch ein Genus zugewiesen werden kann (vgl. die Beispiele bei González Ollé 1981). das englische Beispiel ursprünglich von Jakobson, zitiert nach Landsberg (1995: 72)

152 (6-28) Erwachsene - Kinder [défenseur] de la veuve et de l'orphelin de père en fils tel père, tel fils le père, la mère et les enfants les parents et leurs enfants aber:

jeunes et vieux

Die Ausnahmen in (6-26) folgen einem Höflichkeitsprinzip, das dem Prinzip „männlich vor weiblich" entgegenwirkt. Nöth (1993: 33) bezeichnet es als „sub-code of politeness", wobei der Ausdruck für die weibliche Person in die erste Position gestellt wird. Er nimmt außerdem an, daß die Kindersprache patriarchalische soziale Strukturen noch nicht angenommen hat und aus diesem Grund im Englischen Abfolgen wie engl, mum and dad oder ma andpa zustande kommen (Nöth 1993: 33f.). Da Kinder in der Regel in den ersten Lebensjahren stark auf die Mutter fixiert sind, leuchtet diese Begründung ein. Abfolgen wie mum and dad sind zugleich eine Bestätigung dafür, daß der Vertrautheitsgrad bei der Sprachproduktion eine Rolle spielt. Das leichter zugängliche und vertrautere sprachliche Material - und das dürfte bei den meisten Kleinkindern eher mum als dad sein - wird zuerst genannt (vgl. Allan 1987: 70). Man beachte jedoch das entsprechende französische Wortpaar: papa et maman. Neben diesen Prinzipien, die sich aus den unter Personen geltenden Hierarchien herleiten, können weitere gesellschaftliche Rangordnungen als Grundlage für Wortstellungsregeln dienen. Das Prinzip, daß das Überlegenere zweier Lebewesen zuerst genannt wird, bestätigt sich auch bei der Koordination von Tierbezeichnungen untereinander, vgl. (6-29): (6-29) dominanteres Tier - unterlegenes Tier [jouer] au chat et à la souris [avec qn.] [être comme] chien et chat

Die Verallgemeinerung, daß ein höher entwickeltes Lebewesen grundsätzlich vor einem weniger hoch entwickelten steht, ist jedoch nicht eindeutig nachzuvollziehen. Unklar bleibt z.B. die Abfolge in bêtes et gens, die dem Prinzip „Mensch vor Tier", das sich in anderen Sprachen bestätigt, entgegengesetzt ist (vgl. engl, man and beast, man or machine, dt. Mensch und Tier)}1 Auch die Anordnung „Tiere vor Pflanzen" läßt sich nicht generalisieren: Im Französischen heißt es zwar la faune et la flore, und auch in der Redewendung ménager la chèvre et le chou steht die Tierbezeichnung vor der Pflanzenbezeichnung. Andere Sprachen haben aber genau die umgekehrte Reihenfolge realisiert: dt. Flora und Fauna (aber: Tiere und Pflanzen), engl, flora and fauna}* Auf religiös-kulturelle Hierarchien ist die Erstnennung von Göttlichem gegenüber Weltlichem und Teuflischem in (6-30) zurückzuführen (vgl. auch Malkiel 1959: 145, FN):

27

28

Der Titel von J. Steinbecks Novelle „Of mice and men" widerspricht auch dem Prinzip „Mensch vor Tier", wobei sich hier die Gründe für die unübliche und überraschende Wortstellung eher aus dem Inhalt der Geschichte ergeben. Vgl. Allan (1987: 59) und Cooper/Ross (1975: 67), die für das Englische die Regel aufstellen, daß Pflanzen vor Tieren stehen und dafür die Beispiele plant and animal und flora and fauna anführen.

153 (6-30) göttlich - weltlich, göttlich - teuflisch [devoir] à Dieu et au diable [ne craindre] ni Dieu ni (le) diable [n'avoir] ni foi ni loi ni Dieu ni maître [remuer] ciel et terre entre ciel et terre le Paradis et l'Enfer aber:

le sabre et le goupillon le trône et l'autel

Beide Ausnahmen sind durch das Prinzip der ansteigenden Silbenzahl zu erklären.

6.3.2

Egozentrik-Prinzip

Das Kind erfährt zuerst sich selbst als Zentrum der Welt und gibt erst später einen Teil seiner subjektiven Weltsicht auf. In der Sprache, v.a. bei den Deiktika, wird deutlich, daß der Mensch die Welt beim Sprechen aus einem egozentrischen Blickwinkel heraus einteilt (Nöth 1993: 29). Nach Bühler (1982: 102) wählt er die Umstände seiner eigenen Sprechsituation als Hauptbezugspunkt29. Das deiktische Zentrum eines Sprechvorgangs setze sich aus dem „hier" als Ort des Sprechers, dem .jetzt" als Zeitpunkt des Sprechaktes und dem „ich" als Person, die spricht, zusammen. Ross hat die Auswirkung dieser egozentrischen Sichtweise des Sprechers auf die Reihenfolge der Elemente in Wortpaaren als „Ich-vorallem-Regel" formuliert: Bezeichnen wir den Prototyp, das typische Exemplar, den Normalfall als "Ich", so wird von zwei Konjunkten dasjenige zuerst erwähnt, das dieses Ich am besten trifft, beschreibt, verkörpert. Proximale Deiktika (Hinweise auf Naheliegendes) gehen daher distalen Deiktika (Hinweise auf Fernliegendes) voran. (Ross 1980:48) Dieses Prinzip - laut Landsberg (1995: 72) ,,[m]ost important of all" - wird bereits in sehr frühen Stadien des Spracherwerbs beherrscht bzw. erworben und erst später teilweise wieder schwächer bzw. abgelöst durch Höflichkeitsregeln wie z.B. you vor 1 (Birdsong 1995: 36ff.). Ross (1980: 48) führt als Beispiele hauptsächlich deiktische Wortpaare an, die irreversibel sind oder bei denen die Umkehrung der Reihenfolge von geringer Akzeptanz ist: (6-31) dt. dies und das dieses und jenes hier und dort hie und da engl, this and that here and there now and then

29

Siehe auch Lyons (1983, Bd.2: 250).

154 Daß das erste Wort dabei jeweils die dem Sprecher zeitlich bzw. räumlich nähere Position bezeichnet, bestätigt sich auch für das Französische, wie die Beispiele in (6-32) deutlich machen: (6-32) de près ou de loin ni de près ni de loin ceci et cela ici et là çà et là tôt ou tard [c'est] le moment ou jamais aber:

de vous à moi autrefois et maintenant

In dem Ausdruck de vous à moi wird die „Ich-vor-allem-Regel" unterlaufen, um ein Höflichkeitsprinzip zur Wirkung kommen zu lassen, nach dem man seinen Gesprächspartner zuerst nennen sollte30. Die spontane gesprochene Sprache kennt allerdings weniger Höflichkeitsregeln. Kinder (und auch viele Erwachsene) nennen sich selbst unbewußt zuerst (Ich und Du) und bestätigen auf diese Weise das Egozentrik-Prinzip (vgl. Nöth 1993: 29 und Allan 1987: 58f.). Die zweite Ausnahme im französischen Korpus ist die Formel autrefois et maintenant (vgl. auch dt. damals und heute), die dem Chronologie-Prinzip (d.h. Ausdrücke werden in ihrer chronologischen Abfolge genannt, vgl. Kap. 6.3.4) folgt, das in diesem Fall stärker als das Egozentrik-Prinzip wirkt. Schroeder formuliert für türkische erstarrte Wortpaare eine Gesetzmäßigkeit, wonach „[...] Gegenwart vor Zukunft und vor Vergangenheit steht" (Schroeder 1989: 59). Steht Gegenwart vor Vergangenheit, so widerspricht dies zwar dem Chronologie-Prinzip, bestätigt aber die Regel, daß das Element, das sich zeitlich näher am Ich befindet, die erste Position in einem Wortpaar einnimmt. Die „Ich-vor-allem-Regel" bezieht sich aber nicht nur auf die temporalen und spatialen Deiktika. Nach Ross zeichnet sich das Ich als „männlicher erwachsener Mensch [...], der sich in Hinsicht auf Raum und Zeit am Sprechereignis befindet" aus (Ross 1980: 48). Cooper/Ross ordnen dem Ich als prototypischem Sprecher genau die Eigenschaften zu, die Wörter, die in englischen Wortpaaren an erster Position stehen, semantisch auszeichnen. Diese Charakteristika fügen sie zum Bild eines amerikanischen Helden zusammen, der „[...] Here, Now, Adult, Male, Positive, Singular, Living, Friendly, Solid, Agentive, Powerful, At Home, and Patriotic, among other things" ist (Cooper/Ross 1975: 67). Einige in Kap. 6.3.1 aus sozialen Hierarchien abgeleitete Prinzipien könnten dementsprechend auf die „Ich-vor-allem-Regel" zurückgeführt werden. Die Erstwörter in homme et femme, corps et biens oder dt. Mann und Maus, Herr und Hund, Agens und Patiens oder Leben und Tod beziehen sich auf das Bild dieses Ichs als prototypischen Sprecher. Dem Ich übergeordnet ist allerdings alles Göttliche, wodurch Abfolgen wie in God and man zustande kommen (vgl. Kap. 6.3.1). In Äußerungen, in denen der Sprecher geographische Angaben macht, nimmt er ebenfalls immer die Perspektive seines momentanen örtlichen Standpunktes an, was sich dann in der Reihenfolge koordinierter Städte- oder Länderbezeichnungen zeigt: 30

In de vous à moi wird allerdings das Egozentrik-Prinzip insofern bestätigt, als durch die Präposition à auf den Sprecher hinverwiesen wird.

155 (6-33) frz. la France et la Grande-Bretagne (...) Européens et Américains (...) la France et la Russie (...) 31 dt. Deutschland und seine Anrainerstaaten die Fähre von Calais nach Dover

Auch Ausdrücke wie Import und Export zeigen, daß der Standort des Ichs der Bezugspunkt für sprachliche Äußerungen ist; das Präfix weist als Bezugspunkt auf den Ort des Sprechers hin, welcher damit als Initiator für eine Handlung ausgezeichnet wird (Nöth 1993: 30). Die egozentrische Haltung des Sprechers läßt sich nicht nur in bezug auf seine Sprechsituation (räumlich, zeitlich) feststellen. Liegt beim Sprecher eine größere Vertrautheit („familiarity") mit der Bedeutung eines von zwei Elementen in koordinativen Ausdrücken vor, so kann dies Einfluß auf die Wortstellung nehmen. Erstwörter in Wortpaaren können sich also in ihrer Bedeutung auch durch Sprechernähe auszeichnen, vgl. (6-34) (Beispiele nach Allan 1987: 52)32: (6-34) a. b.

I gave the four of them a lift back from the party. Mary and Paul fought with each other all the way home in the back of the car; it was awful, I gave the four of them a lift back from the party. Paul and Mary fought with each other all the way home in the back of the car; it was awful.

Die fast synonymen Sätze (6-34) a. und b. unterscheiden sich nur in der Wortstellung des Syntagmas Paul and Mary, die durch die Situation des Sprechers motiviert ist, d.h. er wird diejenige Person, zu der er ein intensiveres Verhältnis hat, an erster Stelle nennen. Mary in a. bzw. Paul in b. ist demzufolge die Person, zu der der Sprecher z.B. einen engeren Kontakt hat, mit der er länger befreundet ist usw. V.a. Kinder richten die Wortstellung in koordinativen Ausdrücken nach Prinzipien, die mit persönlichen Präferenzen oder individuellen Beziehungen zu tun haben, wie in Tests erwiesen wurde (Birdsong 1982 und 1995: 36f.). Die Abfolgen von Bezeichnungen für Personen aus dem Umkreis eines Kindes werden beispielsweise in der überwiegenden Zahl der Fälle dem Vertrautheitsgrad entsprechend angeordnet, d.h. die Person, die dem Kind vertrauter ist, wird es zuerst nennen. Wird es älter, werden allerdings einige dieser Prinzipien schwächer oder von anderen Regeln, wie z.B. Höflichkeitsprinzipien, abgelöst (Birdsong 1982: 30 und 1995: 40). Eine weitere Möglichkeit, wie größere Sprechernähe die Syntax beeinflussen kann, besteht in der Subjektwahl. Ertel hat bei der Analyse von Fußballreportagen festgestellt, daß Sportreporter bevorzugt den Spieler der heimischen Mannschaft als Subjekt und den Spieler der gegnerischen Mannschaft als Objekt im Satz wählen (Ertel 1977: 156): (6-35) Overath lost the ball to Müller

Ertel erklärt Beispiele wie (6-35) folgendermaßen: The members of the reporter's home team are, in general, psychologically closer to the reporter's ego than the members of an opposing team. Therefore the members of the reporter's team should be referred to linguistically and more frequently in the subject position than the members of the opposing team, and less frequently in the object position (Ertel 1977:156) 31 32

französische Beispiele aus Le Monde In diesem Fall ist mit „Sprechernähe" nicht räumliche und zeitliche Nähe, sondern die oben beschriebene Vertrautheit gemeint.

156 Größere psychologische Nähe zum Sprecher kann jedoch die Satzstellung hauptsächlich nur in der freien (oder noch freien, d.h. vor einer möglichen Fixierung) Rede bzw. in frei koordinierten Phrasen motivieren. Phraseologismen gehören der wiederholten Rede an, d.h., daß sie immer wieder in genau einer Form reproduziert werden und somit stabil sind. Vertrautheit hingegen ist ein subjektives Kriterium, das von Sprecher zu Sprecher variieren kann, und somit nicht mehr die Wortstellung in bereits fixierten und in einer festen Form lexikalisierten WortgefÜgen beeinflussen kann.

6.3.3 Wahrnehmungsabfolgen Es gibt Unterschiede in der Intensität, mit der die Sinne akustisch, visuell oder taktil wahrnehmbare Informationen aufnehmen. Die leichter zugängliche Information stellt dabei in Antonymenpaaren den positiven, unmarkierten (häufiger auftretenden und weniger Auffälligkeiten aufweisenden) Teil dar. So gibt es in der visuellen Wahrnehmung z.B. eine Dominanz von „hell" gegenüber „dunkel" und von „Vordergrund" gegenüber „Hintergrund". Laute Geräusche werden leichter als leise und heiße Temperaturen intensiver als kalte wahrgenommen (Givón 1979: 133). Aus der perzeptuellen Abfolge „oben vor unten" läßt sich eine entsprechende sprachliche Gesetzmäßigkeit ableiten: Plank (1979: 140) nennt Wortpaare aus dem Deutschen, in denen die Bezeichnung für Höherliegendes vor der für Tieferliegendes steht33: (6-36) hoch und tief Berg und Tal von oben bis unten vom Scheitel bis zur Sohle auf und ab

Das gleiche Prinzip stellen Cooper/Ross (1975: 82) für das Englische fest und führen u.a. folgende Beispiele an: (6-37) up and down rise and fall high and low over and under peak and valley

„Up" sei dabei der unmarkierte Teil des Oppositionspaares „up vs. down", was u.a. auch dadurch bestätigt werde, daß man zur Beschreibung der vertikalen Relation von zwei Gegenständen A und Β eher die Aussage A is above Β als Β is below A formulieren wird (Cooper/Ross 1975: 82f.)34. Plank hält für das Deutsche als einzige Gegenbeispiele die Ausdrücke drunter und drüber und Hals über Kopf fest, die er mit Hilfe der Markiertheitsumkehrung trotzdem als 33

34

Die Produktivität dieses Prinzips zeigt sich an neueren Ausdrücken wie Hoch- und Tießau (Küper 1981: 151). Vgl. auch Cooper/Klouda (1995: 337f.): „oben" ist unter perzeptuellen Gesichtspunkten der leichter und schneller wahrnehmbare und zu verarbeitende Teil des Paares „oben" - „unten". Siehe auch Landsberg (1995: 69).

157

regelmäßig erachtet. Das markierte Glied („unten") steht hier vor dem unmarkierten („oben"). Da beide Wortpaare einen Zustand von Unordnung ausdrücken, wird dieser Inhalt durch vertauschte Markiertheit abgebildet (Plank 1979: 141)35. Bezeichnungen für „oben" und „unten" können auch Metaphern für soziale Stellungen sein. Derjenige, der mehr Autorität besitzt, befindet sich bekanntlich „über" demjenigen, der weniger Autorität besitzt. Eine höhere Position bürgt in jeder Hinsicht für mehr Autorität gegenüber tiefer gelegenen Positionen. Sie ist die bessere Kampfposition und der ideale Platz zur Machtausübung. Außerdem befindet sich der Kopf des Menschen als sein wichtigster Körperteil räumlich über dem restlichen Körper. Man sieht einem Menschen zuerst ins Gesicht und betrachtet ihn dann „von oben nach unten". Das „Oben" scheint also in der konkreten und der daraus hervorgegangenen bildlichen Bedeutung der stärkere und positive Pol des Oppositionspaars „oben - unten" zu sein36. Diese Abfolge ist demzufolge ebenso in die in Kap. 6.3.5 zu formulierenden Prinzipien „positiv vor negativ", „stark vor schwach" und „wichtig vor unwichtig" einzuordnen. Wahrnehmungsabfolgen der Form „oben vor unten" könnten folglich auch ursprünglich mit Respektverhalten zusammenhängen. Für das Französische bestätigt sich die Abfolge „oben vor unten" fast eindeutig: (6-38) oben - unten / hoch - tief [couper] bras et jambes [à qn.] entre ciel et terre sens dessus dessous / bras dessus dessous flux et reflux de haut en bas des hauts et des bas marée haute et marée basse [être] entre le marteau et l'enclume par monts et par vaux de la tête aux pieds aber:

de la cave au grenier de fond en comble

Zu den zwei Ausnahmen in (6-38) sind Erklärungen formeller Art möglich: In de la cave au grenier steht das einsilbige Wort vor dem zweisilbigen, und in de fond en comble folgt das Element mit mehr Phonemen dem mit weniger Phonemen. Auffällig sind die französischen zweigliedrigen Phraseologismen, die neben anderen Bezeichnungen für Körperteile das Wort pied enthalten und in denen die Bezeichnung für den ,Fuß' in der Erstposition steht. Andere „höher gelegene" Körperteile nehmen hingegen die zweite Position des Wortpaars ein. Dies widerspricht eindeutig dem Prinzip „oben vor unten"37: 35

36

37

Eine weitere Ausnahme für das Deutsche ist das Wortpaar Ebbe und Flut, das neben dem Prinzip „oben vor unten" auch dem Prinzip der ansteigenden Silbenzahl widerspricht. Vgl. auch Lakoff/Johnson (1980: 14ff.), nach denen up, zumindest in unserer westlichen Kultur, als Metapher für eine ganze Reihe von positiven Konzepten, wie „happy, conscious, health" und viele andere mehr, steht. Cooper/Ross stellen für englische Wortpaare, die Bezeichnungen für Körperteile enthalten, genau die umgekehrte Reihenfolge fest und sehen dadurch das Prinzip „oben vor unten" bestätigt: head and shoulders, hands and feet, head to toe, arms and legs. Einzige Ausnahme ist der Ausdruck

158

(6-39) pieds et poings [liés] bon pied bon œil [faire] des pieds et des mains de pied en cap Weitere räumliche Dimensionen beschreiben die Oppositionspaare in (6-40) und (6-41): (6-40) vertikal - horizontal vertical et horizontal nord-est, nord-ouest, sud-est, sud-ouest dt. Nordwesten, Nordosten, Südwesten, Südosten Vertikalität ist nach Lyons (1983 Bd.2: 297) die Dimension, die der Mensch natürlicherweise durch die Schwerkraft und seine aufrechte Haltung erfährt. (6-41) rechts - links frz. à droite et à gauche / de droite et de gauche (Nord,) Est, (Sud,) Ouest dt. rechts und links Osten und Westen engl, east and west Es gibt eine universelle kulturelle Präferenz der rechten vor der linken Seite, die sich auch in der Sprache, z.B. in den Himmelsrichtungen, widerspiegelt. 38 So wie in der vertikalen Dimension die Abfolge „Norden - Süden" Üblich ist39, besteht in der horizontalen Dimension eine Präferenz von Ost gegenüber West (Cooper/Ross 1975: 86). Die Beispiele in (6-42) bis (6-43) geben Aufschluß über mögliche weitere visuelle Wahrnehmungsabfolgen, wobei die Abfolgen „vorne - hinten", „proximal - distal" und „innen - außen" auch dem egozentrischen Prinzip entsprechen, d.h. das Glied, welches das dem Ich zeitlich oder räumlich Nähere bezeichnet, wird zuerst genannt. (6-42) vome - hinten40 / proximal - distal41 l'avant et l'arrière de près ou de loin ni de près ni de loin çà et là

38

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40

41

hoof and mouth (disease), dessen Struktur sie mit Hilfe von formalen Prinzipien erklären (Cooper/Ross 1975: 83). Vgl. dazu Needham (1973), Cooper/Ross (1975: 90), Landsberg (1995: 69f.); allerdings auch Lyons (1983 Bd.2: 297Í), Cooper/Klouda (1995: 338f. und mit weiteren Literaturangaben zu diesem Thema), wonach die horizontalen Dimensionen weitaus weniger asymmetrisch sind und sich somit nicht eine gleichermaßen eindeutige Präferenz für eine Seite feststellen läßt wie bei den vertikalen Dimensionen. Vgl. auch Cooper/Klouda (1995: 337): Auch die Abfolge „vertikal - horizontal" steht im Zusammenhang mit einer schnelleren Perzeption und Verarbeitung der vertikalen Dimension. Zu der Dominanz von „vorne" gegenüber „hinten" siehe auch Lyons (1983 Bd.2: 297f.): „Seine [des Menschen] wichtigsten Wahrnehmungsorgane sind nach vorne gerichtet, und normalerweise bewegt er sich in die Richtung, in die er schaut". Landsberg (1984: 188) sieht in der Lautgestalt des Wortpaares near / far mit den Oppositionen [i] / [a] und [n] / [f] die Widerspiegelung der Begriffe „Nähe" und „Ferne".

159 ici et là ceci et cela (6-43) innen - außen à l'intérieur et à l'extérieur [mettre le doigt] entre l'arbre et l'écorce dt. Haus und Hof (6-44) lang - breit en long et en large (et en travers) de long en large dt. lang und breit [erklären] (6-45) groß - klein / viel - wenig grand et petit les gros et les maigres plus ou moins ni plus ni moins des mille et des cents [n'avoir] ni sou ni maille aber:

peu ou prou

Nicht besonders regelhaft ist hingegen die Übertragung der Abfolge „hell - dunkel" in der visuellen Wahrnehmung auf die Sprache. Eine Präferenz bezüglich der Helligkeit, wie sie in den Beispielen aus (6-46) ersichtlich wird, läßt sich aufgrund der eindeutigen Gegenbeispiele nicht verallgemeinern42. (6-46) hell-dunkel [aller] du blanc au noir [dire] tantôt blanc tantôt noir clair et sombre jour et nuit engl, light and dark dt. hell und dunkel aber:

nuit et jour [un film en] noir et blanc dt. schwarz-weiß engl, black and white

Im Französischen (und in anderen romanischen Sprachen) existiert neben der Abfolge jour et nuit auch die umgekehrte Reihenfolge nuit et jour, und zwar besonders, wenn man betonen möchte, daß die ganze Nacht gemeint ist (z.B. il travaille nuit et jour). Spitzer (1918) führt dafür mehrere Gründe an: Es handele sich bei dem Ausdruck nicht um die „logische" sondern eine „affektivische Wortstellung", da mit „Nacht" Bedeutungen wie ,dunkel', ,böse' und ,Gefahr' assoziiert werden. Das Wort, das die emotional bewegendere Bedeutung trägt, steht demnach vor dem neutralen Begriff. Außerdem sei nuit et jour nicht un42

Probanden, die im Englischen Farbbezeichnungen ordnen sollten, nannten bevorzugt hellere Farben, v.a. white, an zweiter Stelle (vgl. Conley/Cooper 1981).

160

bedingt ein Hysteron-Proteron, weil man normalerweise tagsüber spricht. Der Tag ist also zum Sprechzeitpunkt schon halb vergangen und insofern folgt als nächster Abschnitt die Nacht. Erst daraufhin ist der nächste Tag zu nennen (Spitzer 1918: 278f.). In der taktilen Wahrnehmung gibt es die Präferenzordnung „heiß vor kalt", vgl. (6-47): (6-47) h e i ß - k a l t [ne faire] ni chaud ni froid à qn. [souffler] le chaud et le froid le feu et la glace dt. heiß und kalt Feuer und Eis engl, fire and ice

Laute Geräusche werden leichter wahrgenommen als leise Geräusche. Sie stehen dementsprechend in Erstposition eines Oppositionspaars. Für die akustische Wahrnehmung gilt also „laut vor leise": (6-48) l a u t - l e i s e jouer forte et piano jouer fort et doucement dt. laut und leise fortepiano

Beschreibt man ein in der Lautstärke alternierendes Geräusch, so wird man es als abwechselnd laute und leise Töne bezeichnen und nicht umgekehrt, gleichermaßen im Französischen, vgl. (6-49) Çides sons doux et des sons fort / Heise und laute Töne). (6-49) (on entendait) parfois des sons forts et parfois des sons doux

In der akustischen Perzeption gibt es außerdem noch festgelegte Abfolgen bezüglich der Tonhöhe. Die gängigen Reihenfolgen sind „hoch - tief' und „hell - dunkel", die sich lautmalerisch auch in der Vokalabfolge der Reduplikativa widerspiegeln: [i] vor [a], [i] vor [o, o] u.s.w. (Nöth 1993: 27, vgl. Kap. 6.2.1.1). Die üblichen Reihenfolgen sind dementsprechend: des sons aigus et des sons graves, dt. hohe und tiefe Töne. Des weiteren hat sich herausgestellt, daß oft konkrete Begriffe - und damit mit den Sinnen wahrnehmbare - vor abstrakten Begriffen stehen (Nöth 1993:28)43: (6-50) konkret-abstrakt corps et âme [promettre] monts et merveilles pour de l'argent et un sourire une chaumière et un cœur [ne faire que] croître et embellir

Diesem Prinzip widerspricht allerdings der Ausdruck [vivre] d'amour et d'eau fraîche, der einer Regel folgt, die besagt, daß emphatische Begriffe eher in Erstposition eines Wortpaares stehen, vgl. (6-51)44: 43

44

Vgl. auch Jeep (1987: 163): „Ein Paar nennt die Tätigkeit an erster Stelle, wobei das zweite Glied die geistige Haltung bezeichnet [...]". Vgl. dazu Spitzer (1918): „affektivische Wortstellung".

161 (6-51) emphatisch - neutral [suer] sang et eau [vivre] d'amour et d'eau fraîche aber:

dt. von Luft und Liebe [leben]

Auch bei der Versprachlichung der Wahrnehmungsabfolgen kann man von einer Form des diagrammatischen Ikonismus sprechen. Die zeitliche Abfolge perzeptueller Vorgänge spiegelt sich in der Abfolge der Äußerungselemente wider: „[...] das perzeptuelle 'Zuerst' wird so in ein sprachliches 'Zuerst' relationstreu übersetzt" (Plank 1979: 140).

6.3.4 Chronologie-Prinzip Es ist üblich, bei der Wortstellung auf die Chronologie in der Abfolge der beschriebenen Ereignisse Rücksicht zu nehmen. Die serielle Anordnung von Äußerungselementen spiegelt also die temporale Abfolge der dargestellten Handlungen wider. Wenn eine besondere Markierung fehlt, wird der Leser die Reihenfolge der sprachlichen Darstellung mit der Reihenfolge der dargestellten Handlung gleichsetzen. Posner nennt dieses Phänomen „ikonische Textinterpretation" (Posner 1980b: 57ff.), für Siewierska ist es gar „[...] the most obvious form of iconicity" (Siewierska 1988: 79). (6-52) Il dit „Au revoir". Il sortit. (6-52) würde man nicht in der Weise verstehen, daß die Person erst hinausging und dann „Au revoir" rief. Haiman nennt einen ähnlichen Fall bei der konjunktionalen Verknüpfung zweier Sätze, die eine gegenseitige Handlung beschreiben wie in (6-53) a. und b.: (6-53) a. Joe hit Harry and Harry hit Joe. b. Harry hit Joe and Joe hit Harry. In (6-53) a. ist Joe derjenige, der zuerst schlägt, in (6-53) b. ist es Harry. Die Abfolge der Elemente wird vom Hörer als zeitliche Abfolge der Handlung interpretiert: „In the absence of special marking, it is the sequence of clauses alone which ensures the interpretation of the compound sentences above [(6-53) a. und b.] [...]" (Haiman 1980: 53If.). Die zeitliche Analogie der Abfolgen von Sprache und Denotaten kann allerdings durch besondere Markierungen aufgehoben werden. In diesem Fall kann die Reihenfolge der sprachlichen Elemente der Abfolge der beschriebenen Ereignisse widersprechen, vgl. (6-54): (6-54) Avant qu'il parte, il est allé voir son ami. Unter dem Wort zählen versteht man gemeinhin, von den kleineren zu den größeren Zahlen zu zählen und nicht umgekehrt. Sagt man das Alphabet auf, so nennt man es von A bis Ζ und nicht in der umgekehrten Reihenfolge, eine scheinbar triviale Regel, die sich auch in folgenden zweigliedrigen Phraseologismen widerspiegelt: (6-55) de A àZ [ne savoir] ni a ni b l'alpha et l'omega

162 Man nennt also die Dinge in ihrer natürlichen Reihenfolge, d.h. in ihrer chronologischen Abfolge oder in der Reihenfolge, in der sie konventionell festgelegt sind (Allan 1987: 54f.). So wird man z.B. auch sagen: (6-56) Dans les années cinquante et soixante... (6-57) Il faut prendre le médicament deux fois par jour: le matin et le soir. (6-58) J'ai passé trois examens: en janvier, en juin et en décembre. (6-59) a. J'ai trois fils. Ils ont six, treize et quinze ans.

Andere Reihenfolgen in den oben genannten Beispielen sind unüblich und nur in speziellen Kontexten denkbar. Satz (6-59) a. ist allerdings noch in der umgekehrten Reihenfolge möglich: (6-59) b. J'ai trois fils: Ils ont quinze, treize et six ans.

In (6-59) b. wird die Abfolge der sprachlichen Elemente durch die Chronologie der Geburt der Kinder festgelegt. (6-59) c. ? J'ai trois fils: Ils ont six, quinze et treize ans.

(6-59) c. ist allerdings unüblich, da keinerlei Motivation für gerade diese Sequenz vorliegt.45 Auch bei der Betrachtung v.a. der verbalen zwei- und dreigliedrigen Phraseologismen fällt auf, daß das Element, welches das zeitlich früher liegende Ereignis bezeichnet, an erster Position steht. So auch in dem Ausspruch veni, vidi, vici, der durch die Verkettung der Verben in einer bestimmten Reihenfolge den Hergang von Cäsars Eroberung spezifiziert (Jakobson 1971: 350). Weitere Beispiele in (6-60): (6-60) métro, boulot, dodo de bouche à oreille [ne faire que] croître et embellir aussitôt dit, aussitôt fait tout passe, tout lasse, tout casse sitôt pris, sitôt pendu

In (6-60) ist die Reihenfolge der sprachlichen Elemente ein Abbild des zeitlichen Verlaufs der beschriebenen Handlungen. Eine ikonische Textinterpretation ist notwendig zum Verständnis der Bedeutung, d.h., der Leser setzt unbewußt die Abfolge der sprachlichen Elemente mit dem Ablauf der beschriebenen Ereignisse gleich46. Ebenso treten Temporaladverbiale und -adverbien in Wendungen entsprechend chronologisch geordnet auf: (6-61 ) autrefois et maintenant tôt ou tard 45 46

Beispiele nach englischen Beispielsätzen von Allan (1987: 55) Gold (1991-1993) sieht in der Herstellung einer chronologischen Ordnung einen Grund fur die Möglichkeit der Umstellung nicht-ikonisch angeordneter Wortpaare: „Reversible binomials may result from a desire to change non chronological order so that the binomial will be iconic" (Gold 1991-1993: 105).

163 à Pâques ou à la Trinité du matin au soir (et du soir au matin) de père en fils ni fait ni à faire [c'est] le moment ou jamais du jour au lendemain [passer] de vie à trépas aber:

[on ne peut pas] être et avoir été

(6-61) zeigt, daß, auch wenn es sich lediglich um eine koordinative Verknüpfung von z.B. zwei Temporaladverbien (bzw. -adverbialen) handelt und eine Umstellung der koordinierten Ausdrücke keinen direkten Einfluß auf die Bedeutung hätte, diese entsprechend ihrer zeitlichen Relation geordnet werden.

6.3.5 Weitere semantische Prinzipien Neben den genannten auf sozialen Hierarchien, der Chronologie, der Egozentrik des Sprechers und Wahmehmungsabfolgen beruhenden Regeln lassen sich für das vorliegende Korpus die in (6-62) bis (6-68) durch Beispiele aufgezeigten weiteren semantischen Prinzipien konstatieren. Dabei zeichnet sich als allgemeines Prinzip ab, daß Erstwörter in Oppositionspaaren eher die positiv beurteilten Bedeutungen tragen47: (6-62) positiv - negativ ni bien ni mal bon an mal an bon gré mal gré les bons et les méchants [devoir] à Dieu et au diable [ne craindre] ni Dieu ni (le) diable [ne croire] ni à Dieu ni au diable moitié farine, moitié son le fort et le faible de gré ou de force de mal en pis pour le meilleur et pour le pire [c'est] le moment ou jamais pour un oui, pour un non le paradis et l'enfer ça passe ou ça casse le pour et le contre tout ou rien à la vie (et) à la mort

47

Vgl. hingegen Jeep (1987: 162): „Ordnet man die Belege nach den Semen ,+ mehr' und ,+ positiv', so ensteht eine Gruppe von 48 Paaren. In 34 dieser Wortpaare erscheint das Glied mit dem Merkmal ,mehr' oder .positiv' an erster Stelle". Jedoch etwas weiter unten: „Die stabreimenden Wortpaare bei Notker überliefern ein Glied mit dem semantischen Merkmal ,negativ' oder .weniger' an erster Stelle recht häufig".

164 entre la vie et la mort [une question] de vie ou de mort aber:

entre guerre et paix [faire] la pluie et le beau temps [parler] de la pluie et du beau temps [par] pertes et profits à tort ou à raison

In drei der vier Ausnahmen zu (6-62) steigt die Silbenzahl vom Erst- zum Zweitwort, d.h. ein formales Prinzip war in diesen Fällen dominant. Unklar bleibt die Motivation der Reihenfolge in dem Wortpaar guerre et paix (vgl. auch dt. Krieg und Frieden, engl, war and peace). Möglicherweise wirkt in diesem Wortpaar das gleiche Prinzip, das zur Reihenfolge nuit et jour führt, die Spitzer (s.o.) mit einer affektivischen Wortstellung erklärt. (6-63) und (6-64) sind auch als Subprinzipien von (6-62) zu sehen: (6-63) stark - schwach le fort et le faible (6-64) Leben-Tod à la vie (et) à la mort entre la vie et la mort [une question] de vie ou de mort Ist ein Lexem wichtiger zum Verständnis der evtl. auch metaphorischen Gesamtbedeutung des Ausdrucks und/oder prototypischer für seine Kategorie, so steht es an erster Stelle48: (6-65) wichtiger - weniger wichtig (zum Verständnis/Inhalt) [avoir] bec et ongles [avoir] le lit et le couvert [chez qn.] liberté, égalité, fraternité Von den drei Begriffen der französischen Revolutionsparole stellen liberté und égalité die grundsätzlichsten und unumstrittensten Rechte des Einzelnen dar: „liberté und égalité sind nicht nur Eckpfeiler der Naturrechtslehre, sie entwicklen sich im zugehörigen Schrifttum auch zu einem festen Wortpaar" (Greive 1969: 746) 49 . In (6-66) steht entweder das Lexem mit der größeren Extension oder das Lexem, welches das „Ganze" in einer metonymischen (Teil-Ganzes-)Beziehung bezeichnet, vor dem speziellen oder nur einen Teil der Bedeutung umfassenden Wort.50

48

49

50

Daß Bezeichnungen für prototypischere Vertreter einer Kategorie eher in der Erstposition koordinativer Ausdrücke stehen, aber auch bevorzugter am Satzanfang und in Subjektposition als Namen für weniger prototypische, zeigen Kellyl/Bock/Keil (1986). Die Reihenfolge der ersten beiden Lexeme entspricht formal vollkommen dem Prinzip der steigenden Silbenzahl (3+4). Die ganze Formel zeichnet sich durch steigende Wortkomplexität aus, denn „[...] fraternité als das zuletzt genannte Glied der Devise zählt die meisten Phoneme" (Greive 1969: 750). Vgl. zu den Wortpaaren fleur et rose / flor y rosa (und ähnlichen Wortpaaren, auch in anderen Sprachen), das eine typische Oberbegriff-/Unterbegriffsrelation darstellt und in der entsprechenden Reihenfolge steht, auch Spitzer (1950).

165 (6-66) allgemein - speziell allez, roulez [jeunesse]! [mettre le doigt] entre l'arbre et l'écorce [être] tout feu tout flamme feu et flammes [venir] à son jour et à son heure [il boirait] la mer et ses poissons des mille et des cents [n'avoir] ni sou ni maille [contenter] tout le monde et son père [se moquer] du tiers comme du quart aber:

liberté, égalité, fraternité

Allerdings zeigt die französische Revolutionsparole, daß es sich bei der Abfolge „allgemein-speziell" (6-66) um ein schwächeres Prinzip handelt, das eindeutig stärkeren Prinzipien wie (6-66) oder den formalen Regeln der ansteigenden Wortkomplexität unterliegt, denn ,,[d]ie Aussage über den Einzelnen weitet sich zu einer Aussage über die Gemeinschaft" (Greive 1969: 750). Bei den. Prinzipien „Zeit - Ort" (6-67) und „vom Ort des Sprechers weg - zum Ort des Sprechers hin" (6-68) handelt es sich allenfalls um Tendenzen oder um eine einzelsprachliche Gesetzmäßigkeit, da die Abfolgen in anderen Sprachen nicht verifizierbar sind: (6-67) Z e i t - O r t en (son) temps et lieu aber:

lat. hic et nunc dt. hier und jetzt

(6-68) vom Ort des Sprechers weg - zum Ort des Sprechers hin un aller et retour aller et venir va-et-vient ça va (et) ça vient aber:

frz. flux et reflux [ne faire qu'] entrer et sortir dt. Kommen und Gehen

6.4 Interaktion der Prinzipien

In den wenigsten der PWP wirkt ein Prinzip, das für die Wortstellung verantwortlich ist, isoliert. Meist sind mehrere formale und semantische Prinzipien gleichzeitig in einem zweioder mehrgliedrigen Ausdruck wirksam und nehmen Einfluß auf die Reihenfolge seiner Komponenten. Wenn zwei Regeln in einem Wortpaar jeweils ein unterschiedliches Wort als Erstwort auszeichnen, die Prinzipien also in entgegengesetzter Richtung wirken, gibt die

166 Realisierung einer bestimmten Reihenfolge Aufschluß über die Stärke der einzelnen Regeln.51 Als schwächste Prinzipien haben sich die phonologischen Regeln (Vokal- und Konsonantenabfolgen52) erwiesen, da sie lediglich in Teilreduplikativa einwandfrei zu belegen sind. Nur wenn andere formale Charakteristika wie die Wortkomplexität und semantische Prinzipien völlig ausgeschlossen werden können, ist es möglich, auch in phraseologischen Wortpaaren gewisse Tendenzen in der Abfolge der Phoneme festzustellen. Die größere Wortkomplexität ist hingegen das stärkste formale Merkmal, das folgende Wörter gegenüber dem Erstwort in Mehrfachformeln auszeichnet. V.a. dem Prinzip, das besagt, daß die Silben- und Phonemzahl des Zweitwortes nicht kleiner als die des Erstwortes sein darf, sind mehrere semantische Regeln unterlegen, vgl. (6-69)53: (6-69) de la cave au grenier, de fond en comble (statt „oben vor unten") peu ou prou (statt „viel vor wenig") la pluie et le beau temps, [par] pertes et profits, à tort ou à raison (statt „positiv vor negativ")

Andererseits finden sich auch (die schon in Kap. 6.2.2.1 erwähnten) Beispiele, in denen das formale Prinzip der ansteigenden Wortkomplexität aufgrund semantischer Charakteristika der Wörter aufgegeben wird: (6-70) pour le meilleur et pour le pire („positiv vor negativ") ici et là (Egozentrik-Prinzip) [c'est] le moment ou jamais (Egozentrik- und Chronologie-Prinzip) une chaumière et un cœur („konkret vor abstrakt") [contenter] tout le monde et son père („allgemein vor speziell")

In einigen Fällen wirken mehrere semantische Prinzipien in einem phraseologischen Wortpaar entgegengesetzt, so daß das jeweils stärkere Prinzip den Ausschlag für die Wortstellung gibt: (6-71) Mesdames et Messieurs, filles et garçons (Höflichkeits-Prinzip statt „männlich vor weiblich") autrefois et maintenant (Chronologie-Prinzip statt Egozentrik-Prinzip) de vous à moi (Höflichkeits-Prinzip statt Egozentrik-Prinzip)

Einige semantische Prinzipien wirken allerdings auch in die gleiche Richtung, da sie ähnliche inhaltliche Merkmale beschreiben: So haben die Oppositionspaare „allgemein speziell" und „viel - wenig" gemeinsame Charakteristika. V.a. die Regel „positiv negativ" umfaßt mehrere Sub-Prinzipien wie: „Leben - Tod", „göttlich - teuflisch", „stark 51

52

53

Eine unterschiedliche Gewichtung semantischer Prinzipien nimmt Ross (1982: 286) aufgrund gewonnener Daten aus Aphasieforschung und Kindersprache an. Der Gegensatz „here - there" sei beispielsweise grundsätzlicher und damit auch universeller als der Gegensatz „good - bad". Zu wenige unserer Beispiele sind geeignet, Rückschlüsse auf die Stärke der einzelnen Lautregeln zu ziehen. Die genannte Vokalabfolge (6-7) ist jedoch offenbar eine stärkere (und wie gezeigt wurde eine über-einzelsprachliche) Regel, der Prinzipien zur Konsonantenabfolge unterliegen (vgl. z.B. zum Englischen Oden/Lopes 1981: 677). Szpyra (1983: 51) äußert sich für englische und polnische Beispiele eindeutig: „[...] Panini's Law is definitely the strongest phonological rule since it can only override a semantic regularity".

167 - schwach". Das Autoritätsprinzip ist als übergeordnete Regel der Prinzipien „Erwachsene - Kinder" und „männlich - weiblich" zu sehen und hängt auch mit der Wahrnehmungsabfolge „oben - unten" zusammen (vgl. Kap. 6.3.3). Ebenso sind das Egozentrik-Prinzip und das Chronologie-Prinzip mit Wahmehmungsabfolgen (z.B. „proximal - distal") verbunden, da der Sprecher natürlich ausgehend von seiner egozentrischen Position in Raum und Zeit die Welt wahrnimmt und seine Wahrnehmungen auch in einer bestimmten zeitlichen Abfolge betrachtet werden können54. Die Auswertung der Daten des vorliegenden Korpus läßt dennoch nicht zu, eine „Hierarchie von Prinzipien" aufzustellen55 Auch wenn es möglich ist, einige Regeln als stärker, andere als schwächer zu bewerten, bleiben doch zu zahlreiche Beispiele, in denen es zufällig erscheint, welches der bekannten Prinzipien sich durchgesetzt und letztendlich die Wortstellung determiniert hat. Neben diesen Merkmalen spielt aber auch immer wieder der Begriff der Markiertheit eine nicht unerhebliche Rolle. Offensichtlich beeinflußt die semantische Komplexität und die damit einhergehende Markiertheit die Anordnung der Komponenten. Antonymenpaare besitzen unabhängig davon, ob sie in formelhaften Ausdrücken auftreten oder nicht, normalerweise ein markiertes und ein unmarkiertes Lexem (vgl. Lenz 1999: 253); die jeweils durch die oben angeführten semantischen Prinzipien ausgezeichneten Erstwörter haben weniger semantische „features" und sind somit weniger markiert. Diese Abfolge, unmarkiert - markiert, erleichtert wiederum die Sprachverarbeitung und wäre somit nicht nur eine ikonische Darstellung sprachexterner Ungleichgewichtsverhältnisse, sondern zugleich ein Ökonomieprinzip zur Reduzierung des Aufwandes bei Sprachproduktion und rezeption (vgl. Birdsong 1995: 40ff.). Mayerthaler (1981: 13) sieht ebenfalls einen direkten Zusammenhang zwischen prototypischen Sprechereigenschaften, semantisch weniger markierten Kategorien und perzeptiver Zugänglichkeit. Aber auch die leichtere kognitive Verarbeitung der Ausdrucksseite der sprachlichen Zeichen wird als ein die Wortstellung beeinflussender Faktor angesehen (Fenk-Oczlon 1989, Cooper/Klouda 1995). So zeigten Tests, daß beispielsweise Phoneme, die in den Wortkonstellationen einsilbig - zweisilbig auftraten, schneller wahrgenommen werden als Phoneme in Konstruktionen mit umgekehrter Anordnung der Elemente (Cooper/Klouda 1995: 335). Die Anordnung von Wörtern nach den oben formulierten formalen und semantischen Prinzipien trägt offenbar zu einer optimalen Aufteilung bei Produktion und Perzeption des sprachlichen Materials bei: „[...] language is sequenced in such a fashion that these relatively difficult-to-process elements are placed at the end of a string" (Cooper/Klouda 1995: 336).

54

55

Vgl. auch Landsberg (1995: 70): „[...] egocentricity is temporal as well as spatial. Both in time and space, we always start from where we are at, conceiving ourselves to be at zero point". wie beispielsweise bei Allan (1987: 74)

168 6.5 Frequenz

Neben formalen und semantischen Prinzipien ist noch ein weiterer Faktor, der die Wortstellung beeinflußt, zu berücksichtigen. Zumindest wenn man die Untersuchung von FenkOczlon (1989) zur Kenntnis nimmt, muß man sich fragen, in welchem Zusammenhang alle oben genannten Prinzipien mit der Frequenz der Einzelwörter stehen. Sprachliche Elemente mit höherem Informationsgehalt stünden bevorzugt am Ende einer Aussage.56 Dies führe unweigerlich zu der alten Frage „why old before new?" (1989: 518), womit wiederum die Frequenz als Faktor zu berücksichtigen sei, denn die Information, die „älter" ist, ist einem vertrauter und hat - wenn auch nur subjektiv und in einem bestimmten Kontext - den geringeren Informationsgehalt gegenüber „neuen" Elementen. Gerade Wörter mit einer hohen Frequenz haben für die Sprecher einen höheren Grad an Vertrautheit. Fenk-Oczlon formuliert ausgehend von dieser Feststellung nicht nur die Regel: „high frequency before low frequency" (1989: 521), sondern sieht in der Frequenz sogar den entscheidenden, die Wortstellung determinierenden Faktor, dem alle anderen, bisher häufig formulierten und zitierten „alten" Prinzipien untergeordnet sind. V.a. die Abfolge „kurz - lang" führt FenkOczlon auf die Frequenz zurück, da die Tendenz besteht, höher frequente Wörter in ihrer Wortkomplexität (beispielsweise auch durch Abkürzungen, Sigelbildungen usw.) zu reduzieren (1989: 52Iff.). Aber nicht nur die formalen, sondern auch die semantischen Prinzipien ließen sich mit dem Faktor Frequenz erklären, seien doch kürzere Wörter weniger markiert und in gleichem Maße wie sie formal weniger komplex seien auch semantisch weniger komplex und vice versa (so auch Ross 1980: ,je mehr Ton, desto mehr Bedeutung"). Weniger markierte und sowohl für den Sprecher als auch für bestimmte Kategorien prototypischere Wörter hätten nunmehr - wie auch kürzere Wörter ohnehin eine höhere Frequenz (Fenk-Oczlon 1989: 526f.). Eine empirische Untersuchung für Englisch, Russisch und Deutsch ergab: „this rule [,high frequency before low frequency'] has far exceeded in accuracy all other rules suggested previously" (Fenk-Oczlon 1989: 537). Nur in wenigen Ausnahmen gaben ikonische Prinzipien - wenn sie ein anderes Wort als der Frequenzfaktor als Erstwort auszeichneten - den Ausschlag für die Wortstellung. Diese Beobachtungen sind natürlich nicht von der Hand zu weisen. Dennoch stellt sich die Frage, warum hier immer wieder festgestellt wird, daß eine hohe Frequenz der Grund für eine größere Vertrautheit mit einer sprachlichen Einheit ist und somit zu einer leichteren Verarbeitung für Sprecher und Hörer führt: „it [the unit] has - at least in similar contexts become familiar as a result of frequent use" (Fenk-Oczlon 1989: 537). Nichts spricht dagegen, die hohe Frequenz als die Konsequenz einer großen begrifflichen und folglich sprachlichen Vertrautheit mit einem Konzept zu sehen. Der Faktor Frequenz wäre damit nichts weiter als ein zufälliger Nebeneffekt und keineswegs als Ursache für eine bestimmte Wortstellung zu betrachten. Allenfalls mögen die gleichen Prinzipien, die einer sprachlichen Einheit eine bestimmte Frequenz bescheren, auch dafür sorgen, daß diese als Erstwort in Wortpaaren auftaucht. Auch eine stichprobenartige Berechnung der Frequenz von Erst- und Zweitwörtern der Wortpaare unseres französischen Korpus läßt die Aussagen Fenk-Oczlons nicht überzeu56

Der Grund dafür liege darin, daß auf diese Weise ein gleichmäßiger Informationsfluß und damit auch eine leichtere, ökonomischere kognitive Verarbeitung gewährleistet sei (siehe Kap. 6.4).

169 gender erscheinen. 42 willkürlich ausgewählte Wortpaare, d.h. 84 Wörter und ca. jedes sechste PWP unseres Gesamtkorpus, wurden anhand der Datenbank FRANTEXT in Nancy auf ihre absolute Frequenz hin untersucht57. Dabei wurden alle verfügbaren Textsorten miteinbezogen, diese jedoch auf das Erscheinungsjahr nach 1950 beschränkt. Das Ergebnis der Frequenzberechnung ist leider nicht besonders aussagekräftig: In 24 der 42 Wortpaare, dies entspricht ca. 57 %, war die Frequenz des Erstwortes höher als die des Zweitwortes, was umgekehrt bedeutet, daß in 43 % aller untersuchten Fälle nicht die Frequenz, sondern andere Prinzipien den Ausschlag für die Wortstellung gegeben haben. Auch ein Vergleich der Summen aller Frequenzen der Erst- und der Zweitwörter gibt diesbezüglich keinen Aufschluß: Die getesteten Erstwörter haben insgesamt eine Frequenz von 241.371, die Zweitwörter von 198.072, was einem fast ausgewogenem Verhältnis von ca. 6:5 entspricht. Da wie oben begründet der Frequenz als einem die Wortstellung ursächlich determinierenden Faktor ohnehin keine große Bedeutung beigemessen werden sollte, sei hier nur als einziges Beispiel autrefois et maintenant genannt: Das Chronologie-Prinzip wird hier trotz einer sehr eindeutigen Frequenzverteilung {autrefois: 1455, maintenant·. 7703) bestätigt.

57

Es wurden alle möglichen Flexionsformen berücksichtigt, allerdings keine Homographen ausgeschlossen, da sie auch einen Beitrag zur sprachlichen Vertrautheit mit einem Wort leisten.

7 Zusammenfassung und Ausblick

PWP sind zwar seit jeher bekannt als besonderer phraseologischer Strukturtyp und finden in allgemeinen Darstellungen zur Phraseologie Beachtung, sie werden jedoch in der Regel nur kurz mit einigen markanten formalen und semantischen Besonderheiten beschrieben. Wenn für englische und deutsche PWP mittlerweile auch eine Reihe von Monographien und/oder ausführlicheren Aufsätzen vorliegt, fehlt sowohl für die französische Gegenwartssprache als auch für die anderen romanischen Sprachen nach wie vor eine genauere Darstellung der sog. „Zwillingsformeln". Eine systematische Aufzeichnung der Übertragungsvorgänge in idiomatischen Redewendungen ist u.E. ein weiteres Desiderat in der gesamten Phraseologie-Forschung. Da es sich häufig um äußerst komplexe - Syntax und Semantik auf die unterschiedlichste Weise verflechtende - Prozesse handelt, erscheint der Typ des PWP aufgrund seiner recht klaren, zweigliedrigen Struktur als geeignet, Idiomatisierungen in ihrem synchronen Funktionieren angemessen zu beschreiben (Kap. 1.1). Ziel dieser Arbeit war demnach eine systematische Beschreibung der französischen Paarformeln auf morpho-syntaktischer, semantischer und stilistischer Ebene. Als Grundlage diente ein Korpus, bestehend aus 273 französischen Wortpaaren, das aus phraseologischen Wörterbüchern gewonnen und durch Sprecherbefragungen überprüft wurde (siehe Korpus im Anhang). Zu der für Phraseologismen typischen Stabilität tragen in den zwei- und dreigliedrigen Ausdrücken mehrere inhaltliche und formale Charakteristika bei: -

immer wieder auftretende Verknüpfiingsschemata

-

semantische Zusammengehörigkeit der koordinierten Elemente (v.a. Bedeutungsähnlichkeit, Kontiguität, Antonymie, Komplementarität)

-

formale Ähnlichkeiten zwischen den Komponenten, die unter Umständen erst durch Akzeptanz veränderter oder veralteter Formen entstehen

-

Irreversibilität der Wortpaare.

Die französischen PWP lassen sich aufgrund ihrer formalen Strukturierung gut klassifizieren. Es gibt eine begrenzte Zahl an konjunktionalen und präpositionalen Verknüpfungsschablonen, deren Leerstellen mit unterschiedlichen Lexemen gefüllt werden (Kap. 2). Den größten Anteil machen dabei die (überwiegend substantivischen) konjunktional verknüpften PWP vom Typ „A et B" aus (z.B. la carotte et le bâton). Typisch sind des weiteren Verbindungen mit ou (z.B. tôt ou tard), die präpsitionalen Schemata „entre A et Β" (z.B. entre chien et loup), „de A à B" (z.B. du coq à l'âne) und „de A en B" (z.B. de fil en aiguille) und PWP ohne Verbindungselement (z.B. tout chaud tout bouillant). Problematischer als die morphologisch-syntaktische Klassifikation ist es jedoch, eine Kategorisierung nach semantischen Gesichtspunkten vorzunehmen. Für PWP mit idiomatischer Bedeutung gilt, daß die Beziehungen, die zwischen der externen und der internen Bedeutung bestehen, äußerst vielfältig sind. Dennoch läßt sich generell sagen, daß sich die Relationen zwischen den Elementen stets durch eine Zusammengehörigkeit auszeichnen, die in fast allen Fällen inhaltlicher Natur ist und die - z.B. über gemeinsame Bedeutungsanteile - auf die Gesamtbedeutung der Redewendung verweist. Bei der Untersuchung der

172 semantischen Relationen zwischen den einzelnen Elementen der PWP muß unbedingt zwischen der Bedeutung, die ein isoliert betrachtetes Wort trägt, und der internen Bedeutung, die einem Wort im Kontext des Phraseologismus zukommt, differenziert werden. So unterscheidet sich häufig die semantische Relation der beiden koordinierten Elemente auf den beiden Bedeutungsebenen, d.h., eine Inhaltsrelation wird auf der Ebene der internen, idiomatischen Bedeutung erst neu „geschaffen" (Kap. 3.6.1). Auch der in der Regel durch Metaphorisierung oder Metonymisierung erzeugte Übertragungsvorgang selbst gestaltet sich nicht einheitlich. Es kristallisieren sich bei idiomatischen Wortpaaren drei unterschiedliche Formen der BedeutungsUbertragung heraus, die - zunächst für die konjunktionalen (mit et) gebildeten Beispiele - als primäre Klassifizierungskriterien dienen. Es ergeben sich, inklusive des Falls des nicht-idiomatischen PWP, vier Gruppen (Kap. 3.6.5.1 bis 3.6.5.4): 1. Nicht-idiomatische Wortpaare, die dennoch als „phraseologisch" bezeichnet werden müssen, weil sie in ihrer Form fixiert sind (Fall I, z.B. sûr et certain). 2. Die beiden wörtlichen Einzelbedeutungen bilden zusammen zunächst eine wörtliche Gesamtbedeutung, die dann als Ganzes übertragen wird (Fall II, z.B. [avoir] bec et ongles). 3. Es besteht keine direkte Inhaltsrelation zwischen den wörtlichen Einzelbedeutungen der koordinierten Lexeme und der idiomatischen Gesamtbedeutung. Lediglich die syntagmatische Beziehung wird übertragen (Fall III, z.B. [c 'est] l'eau et le feu). 4. Jede wörtliche Einzelbedeutung wird für sich übertragen und steht so für eine gemeinte Bedeutung. Die beiden übertragenen Einzelbedeutungen bilden dann zusammen die idiomatische

Gesamtbedeutung (Fall IV, z.B. [les cheveux] poivre et sel). Die unterschiedlichen Bedeutungen der polysemen Konjunktion ou und die Bedeutungen der Präpositionen fließen des weiteren bei den entsprechenden Wortpaaren mit in die idiomatische Gesamtbedeutung ein, haben jedoch keinen Einfluß auf die Form der Übertragung, so daß auch hier die oben genannten Fälle als Hauptklassifikationsstruktur dienen können. Ou tritt am häufigsten in der Bedeutung des „ausschließenden Oder" bzw. der „Alternative" auf (June question] de vie ou de mort) (Kap. 3.6.6). Bei den präpositionalen Verknüpfungsschemata „de A à Β" und „de A en Β" ist es notwendig, zwischen den beiden Grundbedeutungen „Zwischenraum" (z.B. de la cave au grenier) und „Übergang" (letztere tritt am häufigsten auf, z.B. de but en blanc) zu differenzieren (Kap. 3.6.8). Bei präpositionalen PWP mit identischen Lexemen fällt auf, daß nicht ein Strukturtyp auch immer einer Grundbedeutung entspricht, sondern eine unsystematische Verteilung der Inhalte auf die verschiedenen Verknüpfungsmuster vorliegt (z.B. du tac au tac vs. du tout au tout vs. d'homme à homme) (Kap. 3.6.10). Die Semantik der PWP muß eindeutig als wichtigster Bildungsfaktor gelten, da in allen Wortpaaren zumindest auf interner Bedeutungsebene eine inhaltliche Verbindung zwischen den beiden koordinierten Lexemen besteht. Zusätzlich zeichnen sich ca. die Hälfte der PWP unseres Korpus noch durch formale stilistische Besonderheiten aus. Die Zweigliedrigkeit und semantischen Beziehungen werden von Alliteration, Reim und Anapher (Kap. 4.1) begleitet, wobei jedoch festzustellen ist, daß die inhaltliche Nähe der koordinierten Lexeme nicht systematisch mit formaler Gleichgestaltung korreliert. Die Anzahl an Beispielen, in denen die Inhaltsrelationen der Ähnlichkeit und der Kontiguität zusätzlich durch lautliche Ähnlichkeiten gestützt werden, ist nicht signifikant (z.B. bel et bien vs. peu ou prou) (Kap.

173 4.1.4). Eine weitere formale Auffälligkeit ist die besondere Wortfolge, die sich v.a. in der recht eindeutigen Verteilung der Silbenzahl in der Weise manifestiert, daß das Erstwort in ca. 95 % des Korpus nicht mehr Silben als das Zweitwort aufweist (z.B. majeur et vacciné) (4.2). In PWP äußert sich die Fixiertheit der Konstruktion v.a. in ihrer Irreversibilität, und auch die Elemente frei koordinierter Ausdrücke zeigen die Tendenz, bevorzugt in einer bestimmten Reihenfolge aufzutreten. Bei dem Versuch, Regeln zu formulieren, welche die Abfolge der Komponenten in mehrgliedrigen Phraseologismen determinieren, hat es sich als größtes Problem erwiesen, daß in einem Ausdruck offenbar häufig mehrere Prinzipien gleichzeitig wirksam sind. Um festzustellen, ob auch lautliche Merkmale der Elemente für die Wortstellung verantwortlich sind, wurden Teilreduplikativa betrachtet, da es sich bei ihnen hauptsächlich um Minimalpaare handelt. Für Doppelformen mit Ablaut hat sich ein eindeutiges Bild ergeben: Höhere Vokale (vornehmlich [i]) stehen vor tieferen (vornehmlich [a]) (z.B. palati, patata). Für PWP konnte diese Abfolge jedoch nur als Tendenz nachgewiesen werden (Kap. 6.2.1.1). Auch die von Ross (1980) im Englischen und Morawski (1927) im Spanischen festgestellten Abfolgen von Anlautkonsonanten überzeugten bei der Analyse des französischen Korpus nicht (Kap. 6.2.1.2). Sehr eindeutig ließ sich hingegen die ansteigende Wortkomplexität in den französischen Wortpaaren nachweisen. Behageis „Gesetz der wachsenden Glieder" gilt für französische Ausdrücke gleichermaßen wie für englische und deutsche. Alle formalen Charakteristika der untersuchten Phraseologismen und Reduplikativa weisen auf die Abfolge „kurz - lang" hin (Kap. 4.2 und 6.2). Bei der Analyse des Korpus im Hinblick auf semantische Merkmale, die für die Reihenfolge verantwortlich sein könnten, ergeben sich mehrere übergeordnete Prinzipien: soziale Hierarchien, Egozentrik, Wahrnehmungsabfolgen und Chronologie (Kap. 6.3.1 bis 6.3.4). Daneben stellt sich noch eine Reihe von Sub-Prinzipien (z.B. „positiv vor negativ") heraus, die in den meisten Fällen in die gleiche Richtung wirken, d.h., sie zeichnen jeweils das gleiche Element eines Wortpaares als Erstwort aus (Kap. 6.3.5). Für die Untersuchung der semantischen Prinzipien hat es sich als sinnvoll erwiesen, nicht nur Phraseologismen, sondern auch freie, koordinative Ausdrücke im Hinblick auf ihre Wortstellung zu betrachten. Die semantischen Regeln wirken offenbar in konjunktional verknüpften Phrasen oder Aufzählungen der freien Rede in gleicher Weise wie in den Redewendungen. Bezüglich der Fragestellung, inwieweit die Wortstellung in zwei- und dreigliedrigen Phraseologismen ikonisch ist, läßt sich zunächst festhalten, daß ein inhaltliches Ungleichgewicht zwischen den Elementen überwiegend durch eine Asymmetrie in der Form der Wortpaare, d.h. durch ihre Irreversibilität, ausgedrückt wird. Eine relativ hohe strukturelle Entsprechung von Sprache und Wirklichkeit bzw. Ausdrucks- und Inhaltsebene besteht in bezug auf die chronologische Anordnung. Die Ähnlichkeitsbeziehung zwischen den Ebenen der signifiés und der signifiants ist im Fall des Chronologie-Prinzips (Kap. 6.3.4) leicht zu erreichen, da es sich bei Sprache um sequentielle Lautketten handelt. Das, was sich zeitlich früher ereignet, wird auch sprachlich früher beschrieben (z.B. aussitôt dit, aussitôt fait oder veni, vidi, vici), vgl. (7-1):

174 (7-1)

,Ich kam - sah - siegte'

->

veni - vidi - vici

signifié

signifiant

Ähnlich liegt der Fall bei den Wahrnehmungsabfolgen (Kap. 6.3.3): Das Phänomen, welches leichter und somit auch früher perzeptuell erfaßt wird, wird als Erstwort versprachlicht (z.B. haut et bas, chaud et froid). Bei den anderen semantischen Prinzipien, wie z.B. den sozialen Rangordnungen (Kap. 6.3.1), handelt es sich hingegen um die Übertragung einer in der Wirklichkeit existierenden Skala auf die lineare Struktur der Sprache, vgl. (7-2): (7-2)

,Gott'

ι

• signifiant

\

devoir à Dieu et au diable

Jeufei'

4signifié

Gesellschaftlich positiver bewertete Begriffe stehen in der Erstposition eines koordinativen Ausdrucks (z.B. devoir à Dieu et au diable). Die Reihenfolge der Komponenten ist also auch hier motiviert, da sie den Grad der gesellschaftlichen Anerkennung, die Lebewesen und Dinge in einem Kulturkreis erfahren, relationsgetreu abbildet. In welche Richtung diese Abbildung vorgenommen wird, ist jedoch willkürlich. Es wäre ebenso gut vorstellbar, daß die positiv bewerteten Begriffe überwiegend in der Zweitposition eines Wortpaares stehen, was aber in der Realität nur in Ausnahmefällen auftritt. Zu beachten ist demnach, daß es sich bei der Reihenfolge der Komponenten in Wortpaaren nicht unbedingt um die ikonische Darstellung einer der Natur inhärenten Struktur handelt (Nöth 1993: 36). Natürlich vorhandene Präferenzen (z.B. Egozentrik) konkurrieren unter Umständen mit kulturellen, von der Gesellschaft vorgegebenen Rangordnungen (z.B. Höflichkeitsregeln), so daß in manchen Fällen ein Prinzip zugunsten einer stärkeren Regel aufgegeben wird (vgl. auch Kap. 6.4). Zum Teil besteht auch eine Konkurrenz zwischen formalen und semantischen Regeln. Dabei hat sich die zunehmende Silbenzahl als eins der stärksten Prinzipien mit den wenigsten Ausnahmen herausgestellt. Dennoch ist oft nicht klar, warum sich in einigen Fällen ein formales, in anderen ein semantisches Prinzip durchsetzt oder wie entgegengesetzt wirkende semantiche Prinzipien interagieren (z.B. la pluie et le beau temps und pour le meilleur et pour le pire, Kap. 6.4). Es fällt jedoch auf, daß - abgesehen von den äußerst schwachen phonologischen Regeln - in sehr vielen Fällen die verschiedenen Kräfte in die

175 gleiche Richtung wirken und nur selten ein Prinzip aufgrund eines stärkeren aufgegeben werden muß. Die phraseologischen Wortpaare sind also aus stilistischen Gründen so gebildet worden (bzw. sie haben sich in dieser Form durchgesetzt und sind erstarrt), daß semantisch typische Anordnungen noch durch formale Charakteristika unterstützt werden. Malkiel erklärt dieses Phänomen, das auch auf sein hauptsächlich aus englischen Wortpaaren bestehendes Korpus zutrifft, folgendermaßen: Since binomials in many instances are something of a dispensable frill or adornment rather than a strict necessity for the conveyance of messages, they simply may not come into existence unless produced by an ensemble of favorable conditions (Malkiel 1959: 154)

Auffällig ist, daß es sich bei den Erstwörtern in Wortpaaren Uberwiegend um den - aus der Sicht des Sprechers - dominanten Teil eines Begriffspaares handelt. Die vom Sprecher höher bewerteten Lebewesen, Dinge, Sachverhalte usw. stehen - bis auf wenige Ausnahmen - in der Erstposition eines koordinativen Ausdrucks. Ross sieht in den semantischen Merkmalen, die Erstwörter in Wortpaaren auszeichnen, den jeweils unmarkierten Teil eines Oppositionspaares. Die semantische Abfolge „unmarkiert - markiert" stellt er der formalen Abfolge „kurz - lang" gegenüber und hält fest: „ j e m e h r T o n , d e s t o m e h r B e d e u t u n g . Semantische Unmarkiertheit zeigt sich in phonetischer Unhörbarkeit" (Ross 1980: 48). Seiner Meinung nach unterliegen also auch die formalen Prinzipien einer Motiviertheit, da in ihnen semantische Präferenzordnungen zum Ausdruck kommen. Formale Markiertheit würde demnach mit inhaltlicher Markiertheit korrelieren, oder wie Schroeder (1989: 61) es formuliert: „Auffälligerer Ton hat auffälligere Bedeutung". Als Beispiel für dieses Prinzip seien hier noch einmal die Deiktika herangezogen. Unter der Voraussetzung, daß größere Sprechernähe den weniger markierten Fall repräsentiert, stellt Greenberg fest: „Greater distance from the speaker is sometimes indicated by the addition of a marker to the less distant. A well known instance involving demonstratives of place is the French series ici/là/là-bas" (Greenberg 1985: 274f.).' Woodworth (1991) hat Wortpaare und Paare von Affixen mit deiktischer Bedeutung in 26 Sprachen in bezug auf ihren Vokalwechsel untersucht und kommt zu dem Ergebnis, daß eine eindeutige Tendenz besteht, die proximale Form durch hohe Vordervokale - vorzugsweise [i], [i] - zu versprachlichen. Sie faßt folgendermaßen zusammen:

1

Ein unter diesem Gesichtspunkt wenig beachtetes Phänomen führt Suter als Hinweis auf eine ikonische Strukturierung bestimmter Paradigmen an: Faßt man Sprechernähe nicht nur räumlich, sondern auch in einem weiteren Sinne zeitlich auf, müßten beispielsweise Präsensformen im Gegensatz zu Präteritumformen den weniger markierten Fall darstellen. Daß sich diese Opposition in gleicher Weise wie bei den spatialen Deiktika in der Lautstruktur, und zwar im Vokalwechsel, der unregelmäßig flektierten Verben des Englischen mit einer relativ hohen Systematik widerspiegelt, zeigt Suter (1991: 223ff.). So finden sich in den Präsensformen in mehr als drei Viertel der Fälle hohe Vordervokale, vorzugsweise [i], die dann auf tiefere und / oder hintere Vokale wechseln, z.B. sing-sang, stick-stuck, see-saw, tell-told. Interessant ist ebenfalls sein Vergleich mit dem in der Akkustik als „Doppler-Effekt" bekannten Phänomen. Eine Geräuschquelle, die sich mit einem konstanten Ton auf uns zubewegt, wird - je näher sie kommt - als höher empfunden und wenn sie sich wieder fortbewegt, wird der Ton als langsam tiefer werdend wahrgenommen. Es besteht also auch hier die in der Deixis anzutreffende Korrespondenz zwischen Sprechernähe und Tonhöhe (Suter 1991: 225).

176 [...] there is a relation between the proximal and distal form of deictic pronouns and of place adverbs and the phonetic character of their vowels such that, given that there is a difference in vowel quality, the pitch of the vowel associated with the form with proximal meaning is higher than that of the vowel associated with the form with distal meaning (Woodworth 1991: 290f.) Eine strikte Trennung der phonologischen von den semantischen Prinzipien ist somit nicht möglich, sondern es ist zumindest in einem gewissen Maß von einer Abbildung auszugehen. Die semantischen Kriterien sind auf jeden Fall als primär und die lautlichen Merkmale stets in Abhängigkeit zu sehen. Dies kann offenbar auf zweifache Weise geschehen: 1. Es besteht eine direkte Entsprechung: Läßt sich das Wortpaar in einen semantisch unmarkierten und einen markierten Teil aufteilen, so wird der semantisch unmarkierte durch eine kurze und hohe Lautgestalt ausgedrückt (z.B. ici et là). 2. Eine Reihenfolgestruktur, die formalen Prinzipien (wie „kurz vor lang" und „hoher vor tiefem Klang") folgt, läßt sich unabhängig von der Bedeutung der koordinierten Wörter beobachten. Dies ist besonders eindeutig der Fall bei Synonymendopplungen oder Reduplikativa (z.B. sûr et certain). Die scheinbar rein formalen Prinzipien sind sowohl auf semantische als auch auf außersprachliche Prinzipien zurückzuführen, da eine kurze, hohe Lautgestalt in jedem Fall als Abbild eines semantisch unmarkierten Wortes gelten kann. Man muß also davon ausgehen, daß sich in dem formalen Reihenfolgemuster eine übergeordnete inhaltliche Präferenzordnung widerspiegelt, auch wenn die aktuellen Bedeutungen der koordinierten Lexeme keine Rolle spielen. Gegen die Annahme, daß es sich in diesen Fällen um Regularitäten handelt, die allein Vorschriften des einzelsprachlichen Grammatiksystems folgen2, sprechen einerseits die zahlreichen Untersuchungen, in denen formale Prinzipien wie „kurz vor lang" übereinzelsprachlich beobachtet wurden. Zum anderen gibt es keine Grammatikregeln für die freie Rede, die festlegen, welche Komponente eines koordinativen Ausdrucks zuerst genannt werden soll; es ist allenfalls möglich, von stilistischen Unterschieden zu sprechen. Faßt man nach dem Vorbild von Cooper/Ross (1975: 67) die semantischen Charakteristika, welche die Erstwörter in dem vorliegenden Korpus auszeichnen, zusammen, so ergibt sich aus der Mehrzahl dieser Merkmale auch das Bild eines „französischen prototypischen Sprechers". Er ist menschlich, männlich, erwachsen, lebendig, machtvoll, stark, hier, jetzt, groß, konkret, positiv, wichtig und unterscheidet sich somit nicht wesentlich von dem von Cooper und Ross beschriebenen amerikanischen Helden (Kap. 6.3.2). Interessant wäre es in diesem Zusammenhang zu analysieren, in welchen Sprachen dieses Bild anders aussieht und ob dies eventuell auf entsprechende, anders strukturierte Kulturen zurückzuführen ist. Dennoch sind nicht alle Präferenzordnungen in diese Merkmalzusammenstellung einzuordnen, wie wir an entsprechender Stelle gesehen haben (Kap. 6.4), und das Egozentrik-Prinzip kann somit nicht als eine allen anderen Prinzipien übergeordnete Regel gesehen werden.

2

So z.B. Lenz (1999: 253): „Die phonologischen Reihenfolgekriterien finden wohl eher im Rahmen des Grammatiksystems eine Erklärung als die semantischen, die offensichtlich vorwiegend außersprachlichen Regularitäten folgen".

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185 Le Nouveau Petit Robert. Dictionnaire alphabétique et analogique de la langue française (1994). Nouvelle édition du Petit Robert de Paul Robert. Texte remanié et amplifié sous la direction de Josette Rey-Debove et Alain Rey. Paris. (=PR) Rat, Maurice (1957): Dictionnaire des expressions et locutions traditionnelles. Paris. (=RA) Rey, Alain / Chantreau, Sophie (1994): Dictionnaire des expressions et locutions. Paris. (=RC) Wartburg, Walther von (1922ff.): Französisches Etymologisches Wörterbuch. Eine Darstellung des galloromanischen Sprachschatzes (FEW). Bonn / Leipzig / Basel.aa Weil, Sylvie / Rameau, Louise (1981): Trésors des expressions françaises. Préf. de G. Perec. Illustr. de Blachon. Paris. (=WR)

Korpus

Die Mehrzahl der Phraseologischen Wortpaare und ihre Bedeutungsangaben sind in Anlehnung an die im Literaturverzeichnis (mit Kürzel) aufgeführten Wörterbücher aufgeführt. Für alle PWP, die nicht aus RC stammen, steht die Quelle jeweils hinter der Bedeutungsangabe mit Kürzel in Klammern. Die Ordnung ist alphabetisch nach dem ersten koordinierten Wort des zweigliedrigen Ausdrucks; Varianten werden in runden Klammern oder Schrägstrichen angegeben. 1 ne savoir ni a ni b „être complètement ignorant" de A (jusqu') à Ζ „du début à la fin" en avoir l'air et la chanson „être bien tel qu'on paraît, on n'en a pas seulement l'apparence" un aller et retour „une situation ou deux mouvements inverses se succèdent" aller et venir Allez, roulez jeunesse! „Allez-y! Allons-y! En avant! Continuez!" (CE) l'alpha et l'oméga „le commencement et la fin, le contenu intégral" les amis et connaissances vivre d'amour et d'eau fraîche „se contenter des sentiments et ne pas se préoccuper des nécessités matérielles" d'année en année (PR) mettre le doigt entre l'arbre et l'écorce „s'immiscer dans une affaire où il y a des intérêts contradictoires, vouloir concilier à ses dépens les inconciliables" pour de l'argent et un sourire „für Geld und gute Worte" (COU) avec armes et bagages „avec tout son matériel, tout ce dont on a besoin" l'art et la manière „la bonne façon de procéder" autrefois et maintenant l'aveugle et le paralytique, „deux personnes associées dont les défauts, les lacunes s'additionnent" convoquer (appeler) le ban et l'arrière-ban „s'adresser à tous ceux dont on espère de l'aide, du secours" avoir bec et ongles „être bien armé pour répondre, répliquer" vieilli plutôt aujourd'hui: se défendre bec et ongles „ de toutes ses forces" bel et bon (RE) bel et bien „véritablement, sans aucun doute" bêtes et gens (PR) (on ne peut pas avoir, réclamer) le beurre et l'argent du beurre „on ne peut avoir tout à la fois, il faut choisir entre deux choses" en tout bien tout honneur „avec des intentions honorables" ni bien ni mal c'est bonnet blanc et blanc bonnet „exactement pareil" / c'est bonnet blanc ou blanc bonnet aller (passer, changer) du blanc au noir „passer d'un extrême à l'autre, changer complètement d'avis" dire tantôt blanc tantôt noir (dire blanc et (puis) noir) „se contredire" bleu, blanc (et) rouge il y a à boire et à manger „il y a de bons et de mauvais aspects, du bon et du mauvais" en oublier (perdre) le boire et le manger „être entièrement absorbé par une occupation, un souci" bon an mal an „en moyenne, en tenant compte des bonnes comme des mauvaises années" Reduplikativa und Nominationsstereotype sind nicht vollständig und normalerweise nicht mit Bedeutungsangaben aufgeführt.

188 bon gré mal gré „volontairement ou de force, par tous les moyens" de bouche à oreille „secrètement, sans intermédiaire" il arrive beaucoup de choses entre la bouche et le verre „il y a une grande différence entre le besoin, le désir, et ce qui doit lui apporter la satisfaction" de bout en bout „d'une extrémité à l'autre; dans toute sa longeur ou son étendue" couper (casser) bras et jambes à qn. „étonner extrêmement, laisser sans aucune réaction" courtiser la brune et la blonde „faire la cour à toutes les femmes" de but en blanc „brusquement, sans détour" çà et là „en des endroits dispersés" (un film) de cape et d'épée „se dit des aventures, des romans, etc., qui mettent en scène des gentilshommes-soldats au caractère chevaleresque et batailleur" la carotte et le bâton „alternance de la douceur et de la manière forte (LA) mariage de la carpe et du lapin „union mal assortie, alliance impossible par nature entre deux choses qui paraissent s'exclure mutuellement" de la cave au grenier „dans toute la maison" en chair et en os „en personne" de chair et d'os „humain, vivant" ni chair ni poisson „indéfinissable" de chair et de sang „humain vivant" tomber de Charybde en Scylla „échapper à un inconvénient, un danger, etc., pour tomber dans un autre plus grave" jouer au chat et à la souris avec qn. „faire semblant de le laisser s'échapper, alors qu'on est certain de le vaincre" payer en chats et en rats „ne pas payer en bonne monnaie" tout chaud tout bouillant „immédiatement, sans délai" ne faire ni chaud ni froid „être indifférent à qn." souffler le chaud et le froid „changer d'opinion ou de ton, en faisant alterner les contraires, ou l'amabilité et la froideur" une chaumière et un cœur „une vie sentimentale et simple" bâtir à chaux et à sable (à chaux et à ciment) „ rendre (être) d'une solidité à toute épreuve" le cher et tendre (d'une femme) „son amant, celui dont elle est éprise" ménager la chèvre et le chou „ménager des intérêts contradictoires" bon chic bon genre (b.c.b.g.) „convenable, comme il faut, bourgeois" s'entendre comme chien et chat „se disputer sans cesse" entre chien et loup „à la tombée du jour" comme ci, comme ça „ni très bien ni très mal; à peu près" entre ciel et terre „en l'air à une certaine hauteur (implique une position dangereuse, instable ou considérée comme telle)" remuer ciel et terre „employer tous les moyens (notamment dans une recherche)" clair et net „tous frais déduits" (RE) ses cliques et ses claques „toutes ses affaires" épousseter coins et recoins (PR) passer (sauter) du coq à l'âne „passer brusquement d'un sujet à un autre très différent, sans liaison" (réclamer) à cor et à cri „à grand bruit, vivement, avec éclat et insistance" (LP) corps et âme „avec toute son énergie physique et morale" corps et bien „totalement, sans réticence" côte à côte „en étant placé tout près et à côté" coude à coude „très près l'un de l'autre" ne faire que croître et embellir „être de plus en plus important; (plus souvent) aller de pire en pire" la croix et la bannière „tout un appareil solennel", „de grandes complications"

189 entre cuir et chair „entre la peau et le tissu sous-jacent" être comme cul et chemise „très liées, intimes (de deux personnes)" aller de cul et de tête „s'évertuer, déployer toute son énergie" avec délices et orgues, fam. „avec le plus grand plaisir" bras dessus, bras dessous „chacun tenant l'autre par le bras" sens dessus dessous „à l'envers, dans un grand désordre" ne croire ni à Dieu ni au diable „être totalement incrédule" devoir à Dieu et au diable „à tout le monde" „überall Schulden haben" (BES) ne craindre ni Dieu ni (le) diable „ne rien craindre, être sans peur" ni Dieu ni maître: formule anarchiste, qui rend à Dieu et à César ce qui leur est respectivement dû, en les rejetant tous les deux avoir beau dire et beau faire „s'exprimer et agir en vain" aussitôt dit, aussitôt fait / sitôt dit, sitôt fait / aussitôt dit que fait „la chose est exécutée, faite immédiatement après la décision" au doigt et à l'oeil „avec vigilance et précision" de droite et de gauche/à droite et à gauche „de tous côtés", „partout" dru et menu „fin et serré (d'une chose qui tombe: pluie, etc.)" c'est l'eau et le feu (le feu et l'eau) „ce sont deux personnes, deux choses absolument opposées" les effets et les causes (les causes et les effets) (PR) ne faire qu'entrer et sortir „ne rester qu'un instant" envers et contre tous „en dépit de toutes les oppositions, de toutes résistances" sauf erreur ou omission (frapper) d'estoc et de taille „de la pointe (estoc) et du tranchant (taille) de l'épée, c'est-à-dire (en se battant) avec violence, avec acharnement" on ne peut pas être et avoir été „du moment que vous avez possédé l'être au passé et qu'il y a incompatibilité entre le présent et le passé du verbe, c'est que vous n'êtes pas; donc vous êtes mort" ne connaître qn. ni d'Ève ni d'Adam „ne pas le connaître du tout" face à face „en présence directe l'un de l'autre (deux personnes)" il y a fagot et fagot „il y a de grandes différences de nature ou de qualité entre des choses désignées par le même terme" laisser faire, laisser passer: célèbre dévise des économistes libéraux du XVIIIe siècle prendre fait et cause (pour...) „prendre parti pour; défendre" ni fait ni à faire „mal fait; en partie fait" les faits et les gestes „la conduite de qn." moitié farine, moitié son (PR) la faucille et le marteau: les emblèmes de la classe paysanne, et ouvrière, choisis par les Républiques soviétiques, sont entrés dans la langue pour symboliser le parti communiste par le fer et par le feu „par les moyens les plus radicaux, les plus violents" feu et flamme(s): s'emploie pour évoquer une vive colère être tout feu tout flamme „être enthousiasmé (pour...)" n'avoir ni feu ni lieu (sans feu ni lieu) „(être) sans domicile" mettre à feu et à sang „détruire par la guerre" mi-figue, mi-raisin „d'un air à la fois satisfait et mécontent; ou à la fois sérieux et plaisant" de fil en aiguille „en passant progressivement d'une chose à la suivante dans les propos" n'avoir ni fin ni cesse „ne pas cesser" ni fleurs ni couronnes „d'une manière simple et sans apparat, en parlant d'un enterrement" n'avoir ni foi ni loi „n'avoir ni religion ni morale; être capable de tout" de fond en comble „complètement" le fort et le faible (d'une chose) „ses aspects opposés (avantages, inconvénients)"

190 fort et ferme „vigoureusement, avec acharnement" frais et dispos „en bonne santé et dans un état euphorique, actif' (PR) au fur et à mesure „dans la même mesure ou proportion, en même temps" offrir le gîte et le couvert à qn. (PR) des goûts et des couleurs, on ne discute pas „chacun peut légitimement avoir ses goûts et ses Opinions" de gré ou de force „spontanément ou par la contrainte" entre guerre et paix des hauts et des bas „des alternances de sons et de mauvais états, de santé (au physique et au moral) ou de fortune" traiter qn. de haut en bas „le considérer avec mépris, dédain" parler haut et clair (PR) pendre qn. haut et court „avec une corde courte, difficile à détacher" (PR) d'homme à homme „directement, sans intermédiaire" tirer à hue et à dia „aller dans des directions opposées, agir de manière contradictoire, sans esprit de suite" ici et là (PR) (jouer) bon jeu bon argent „sérieusement, pour de bon" jeunes et vieux ,jung und alt" (LA) jour par jour „un jour après l'autre" jour pour jour „le jour anniversaire d'un événement" de jour en jour „graduellement, peu à peu" venir à son jour et à son heure „inéluctablement, au moment fixé par le destin" du jour au lendemain „sans transition, brusquement" c'est le jour et la nuit (être comme le jour et la nuit) „opposés" pur jus, pure laine „absolu, parfait, sans mélange" se demander si c'est du lard ou du cochon „ne pas savoir à quoi s'en tenir (à propos de qc. ou de qn.), de quoi il s'agit exactement, hésiter entre deux choses, deux interprétations très voisines, malgré l'opposition de leurs apparences" n'être ni lard ni cochon „être mal définissable, n'appartenir complètement à aucune catégorie" liberté, égalité, fraternité en lieu et place de qn. „à sa place, en son nom" avoir le lit et le couvert chez qn. „être hébergé" de long en large „dans tous les sens, dans deux sens opposés, alternativement" en long et en large „sous tous ses aspects" en long, en large et en travers „sous tous ses aspects" lu et approuvé (RE) rien dans les mains, rien dans les poches: formule du prestidigitateur par laquelle il attire l'attention sur l'absence d'accessoires (qui seraient cachés dans le creux de la main ou dans la poche) tel maître, tel valet „les maîtres ont des valets qu'ils méritent" être majeur et vacciné „être suffisamment grand pour savoir ce qu'on a à faire" (DC)" rendre le mal pour le mal „se venger de qn. qui vous a fait mal" de mal en pis „de plus en plus mal, en s'aggravant" être (se trouver) entre le marteau et l'enclume „entre deux camps adverses, et comme tel, exposé à recevoir des coups des deux côtés" du matin au soir (et du soir au matin) „toute la journée, sans discontinuité" pour le meilleur et pour le pire „pour les plus heureuses et pour les plus pénibles circonstances de la vie" il boirait la mer et ses poissons „il a une soif inextinguible" chercher qn. par mer et par terre „en divers endroits, en plusieurs endroits de la ville"

191 métro, boulot, dodo: slogan résumant la situation du travailleur parisien (PR) des mille et des cents „beaucoup d'argent" c'est le moment ou jamais „c'est l'occasion idéalement propice, à saisir sans la différer" promettre monts et merveilles à qn. „des avantages considérables, des choses merveilleuses" (être toujours) par monts et par vaux „partout, de tous côtés" mot à mot „textuellement, en suivant l'ordre littéral des mots" mot pour mot „sans changer un mot, avec une rigoureuse exactitude" au nez et à la barbe de qn. „en échappant à sa vigilance, en le bravant" nez à nez „face à face" un film en noir et blanc nuit et jour (jour et nuit) „continuellement, sans arrêt" œil pour œil, dent pour dent d'ores et déjà „dès maintenant, désormais" pour un oui, pour un non „à tout propos, sans raison valable" il faut qu'une porte soit ouverte ou fermée „il faut choisir, prendre clairement parti, il faut que la situation soit claire" être au pain et à l'eau de pair à compagnon „en agissant comme un égal vis-à-vis de qn" ni paix ni trêve „aucune interruption dans la lutte, le combat" à Pâques ou à la Trinité „dans un avenir lointain, indéterminé; jamais" c'est du pareil au même „exactement semblable" (il faut que) ça passe ou ça casse „on n'a pas le choix, c'est inévitable" tout passe, tout lasse, tout casse (proverbe) „les choses - notamment les relations affectives - s'usent" n'avoir que la peau et les os „être très maigre" de père en fils „de génération en génération, par transmission héréditaire" tel père, tel fils „le fils ressemble au père tuer père et mère „commettre les pires méfaits (PR) comme père et mère „comme des grands" avec perte et fracas „à grand bruit, avec éclat, scandale" passer qc. par pertes et profits „se résigner à la perte de qc., à un échec" il faut que ça pète ou que ça casse (crève) (ou que ça dise pouquoi) „il faut en finir; il faut que la difficulté cède" peu à peu „progressivement" peu ou prou „plus ou moins" de pièces et de morceaux „d'éléments hétéroclites" pièce à pièce „progressivement, en prenant successivement chaque élément" de pied en cap: sert à qualifier un habillement, un équipement complet à pied, à cheval et en voiture „complètement, absolument, de toutes les façons, autant qu'il est possible" (CE) bon pied bon œil „avec une allure vive et alerte ne remuer (bouger) ni pied ni patte „être immobile" ou „être mort" faire des pieds et des mains „employer tous les moyens" pieds et poings liés „sans ouvoir agir d'aucune façon" (ne pas laisser) pierre sur pierre „détruire de fond en comble" (RE) jouer (décider) à pile ou face: pari que l'on fait sur le côté que présentera en tombant une pièce lancée en l'air „décider au hasard (...)" ne chercher que plaies et bosses „aimer les querelles, les disputes, la bagarre..." parler (causer) de la pluie et du beau temps „parler des choses insignifiantes" faire la pluie et le beau temps „être très puissant, décider de tout" plus ou moins „à des dégrés différents et dans une mesure variable selon les cas" (PR)

192 ni plus ni moins „exactement comme il vient d'être dit" avoir deux poids deux mesures .juger de manière différente deux choses analogues, selon l'intérêt, les circonstances, etc." avec poids et mesure „avec sagesse, retenue; raisonnablement" entre la poire et le fromage „à un moment de conversation libre et détendu, comme vers la fin d'un repas", aujourd'hui: „entre deux événements; de manière fortuite, à un moment perdu" compter pour du poivre et du sel „compter pour rien, ne pas être pris en considération" poivre et sel „mêlé de noir (de brun) et de gris ou de blanc, en parlant des cheveux, des poils" le pour et le contre „ les arguments en faveur de qc. et ceux qui s'y opposent" il faut en prendre et en laisser „il y a du bon et du mauvais, du vrai et du faux" c'est à prendre ou à laisser „il faut s'accommoder de la situation telle qu'elle est ou renoncer" de près ou de loin „de quelque manière" (RE) ni de près ni de loin „en aucune façon" sitôt pris, sitôt pendu: se dit en parlant d'une décision immédiate (RE) pur et simple „complet, sans restriction ni réserve" y mettre les quatre doigts et le pouce „toute la main" n'avoir ni queue ni tête (sans queue ni tête) „se dit d'un récit incohérent, sans début ni fin compréhensibles" ni quoi ni qu'est-ce „rien du tout" sans rime ni raison „sans aucune raison, sans rien de rationnel" aux risques et périls de „de telle sorte que toutes les conséquences négatives soient assumées par (celui qui prend une initiative, entreprend qc. et en prend la responsabilité)" le sabre et le goupillon „L'Armée et l'Église" prendre (trousser) son sac et ses quilles „déguerpir sans demander son reste, prendre ses affaires et s'en aller" sain et sauf „indemne, en bon état physique, après avoir échappé à un danger" suer sang et eau „faire de grands efforts, se donner beaucoup de peine" seul et unique des si et des mais „des objections" / n'avoir ni si ni mais espèces sonnantes et trébuchantes „argent liquide" être sans sou ni maille (n'avoir ni sou ni maille) „ne rien posséder, être très pauvre" être tout sucre tout miel „se donner une apparence de douceur" sûr et certain „absolument sûr" du tac au tac „avec vivacité et sur le même ton" sans tambour ni trompette „secrètement et sans bruit" tant et plus „abondamment, en grande quantité" en (son) temps et lieu „au moment et à la place convenables" de temps en temps „parfois, épisodiquement" de la tête aux pieds (des pieds à la tête) (PR) (en) tête à tête „seul à seul, face à face" devoir au tiers et au quart „à tout le monde" se moquer du tiers comme (et) du quart „se moquer de tout le monde, de tout" (il ne faut pas mélanger) ne pas mélanger les torchons et (avec) les serviettes „ il ne faut pas confondre les choses, les gens de qualité différente" à tort ou à raison „avec ou sans motif valable" à tort et à travers „ sans discernement; n'importe comment" tôt ou tard „à un moment futur ou à un autre, inéluctablement" contenter tout le monde et son père „faire plaisir à tout le monde à la fois" (le) tout ou rien „une solution extrême, sans compromis" (RE) du tout au tout „complètement, entièrement"

193 risquer le tout pour le tout „prendre un maximum de risques pour tenter d'échapper à une situation désespérée" sans trêve ni repos (sans repos ni trêve) (PR) vomir (rendre) tripes et boyaux „vomir tout le contenu de l'estomac" le trône et l'autel „l'autorité du Roi et celle de l'Église" être à tu et à toi avec qn. „être très lié avec lui" les us et coutumes „les habitudes, les traditions d'un milieu donné" (le) va-et-vient „mouvement alternatif' (PR) ça va (et) ça vient „il y a du pour et du contre; du bon et du moins bon" veni, vidi, vici (aller, poursuivre) contre vents et marées „envers et contre tout" (en dire) des vertes et des pas mûres „des choses très choquantes, incongrues, excessives" défenseur de la veuve et de l'orphelin „avocat, défenseur des opprimés" à la vie (et) à la mort „pour toujours" entre la vie et la mort „dans un état de santé critique" une question de vie ou de mort „question très grave, capitale au sens plein du terme, c'est à-dire de nature à mettre en cause la vie de qn., problème d'une gravité toute particulière" passer de vie à trépas „mourir" être (toujours) par voies et par chemins „être toujours en chemin, jamais au même endroit" (les) voies et moyens „moyens de tous genres servant à financer le budget de l'État" de vous à moi „confidentiellement" ni vu, ni connu! „personne n'en saura rien" au vu et au su „ouvertement, au grand jour, au regard et à la connaissance de" être tout yeux tout oreilles „très attentif (aux paroles de qn.)" entre le zist et le zest „ni bon ni mauvais, en parlant d'une chose, flottant, hésitant, en parlant de qn."