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German Pages 344 Year 2017
Mirjam Nast »Perry Rhodan« lesen
Lettre
Mirjam Nast, geb. 1978, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Ludwig-UhlandInstitut für Empirische Kulturwissenschaft der Universität Tübingen.
Mirjam Nast
»Perry Rhodan« lesen Zur Serialität der Lektürepraktiken einer Heftromanserie
Die vorliegende Dissertation entstand im Rahmen der DFG-Forschergruppe »Ästhetik und Praxis Populärer Serialität« und wurde 2016 an der Universität Tübingen eingereicht.
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Inhalt 1 Einleitung: Serienlektüre als Forschungsgebiet | 9 2 Forschungsstand | 17 2.1 Anmerkungen zur Heftromanforschung | 17 2.2 Ansätze und Desiderate der Lese(r)forschung | 31 2.2.1 Lesen und seine vielfältigen Zusammenhänge | 32 2.2.2 Materialität und Medialität | 44 2.2.3 Serialität und Zeitlichkeit | 48 3 Methoden, Erhebung, Auswertung, Darstellung | 61
3.1 Lese(r)forschung in der Perspektive der Akteur-Netzwerk-Theorie | 61 3.2 Methodische Zugänge und Quellen | 72 3.2.1 Leitfadengestützte Interviews mit LeserInnen | 72 3.2.2 Sammlungsbesichtigung und Fotodokumentation | 78 3.2.3 Experteninterviews mit Verlagsvertretern und Autoren | 79 3.2.4 Teilnahme und Beobachtung bei (Fan-)Veranstaltungen | 81 3.2.5 Dokumentenanalyse: schriftliche, audio-visuelle und sachkulturelle Quellen | 82 3.2.6 Auswertung von Onlinequellen zur Serie | 83 3.3 Untersuchungszeitraum | 85 3.4 Auswahl und Darstellung des Materials | 86 4 Vor der Lektüre | 89
4.1 Publikations- und Vertriebsformen | 89 4.2 Praktiken des Bezugs | 95 4.2.1 Organisieren des Bezugs | 95 4.2.2 Erwarten der wöchentlichen Lieferung | 102 4.2.3 Kaufen im Kiosk | 107 4.2.4 Langzeitentwicklungen des Bezugs | 114 4.3 Situationen des Lesens | 116 4.3.1 Lektüre ‚für sich‘ und geteilte Lektüre | 116 4.3.2 Ungestörtes Lesen | 118 4.3.3 Flexibles Lesen | 123 4.3.3.1 Portionslektüre | 123 4.3.3.2 Lektüre unterwegs | 125 4.3.3.3 Heftromanlektüre in der Öffentlichkeit | 130 4.4 Fazit | 136
5 Während der Lektüre | 139
5.1 Entdecken des Universums: Sense of Wonder und Serialität | 141 5.2 Zugänge zum Universum: AutorInnenstile, Figuren und mediale Formate | 151 5.2.1 AutorInnenstile | 151 5.2.2 Figuren | 168 5.2.3 Mediale Formate | 179 5.3 Streifzüge durchs Universum: Lesen im Bezug auf die Gesamtserie | 195 5.4 Fazit | 210 6 Nach der Lektüre | 213
6.1 Kommunizieren | 215 6.1.1 Fans mit und ohne Fandom | 215 6.1.2 Funktionen des Austauschs für die Lektüre | 218 6.1.2.1 Reflexion und Vergleich der eigenen Lektüreerfahrung | 221 6.1.2.2 Vertiefen des Verständnisses | 222 6.1.2.3 Intensivieren der Lektürepraktiken | 226 6.1.3 Die ErbInnen des Universums | 231 6.2 Produzieren | 236 6.2.1 Fanfiction | 236 6.2.2 Mitwirken an der Serienproduktion | 241 6.3 Das Fandom rezipieren | 256 6.4 Sammeln | 259 6.4.1 Der Heftroman als Sammelgegenstand | 262 6.4.1.1 Sammeln und Nichtsammeln | 262 6.4.1.2 Zum Umgang mit dem Heft | 265 6.4.1.3 Sammlerstücke | 269 6.4.2 Gegenstände und Orte der Sammlung | 274 6.4.3 Modi des Sammelns | 287 6.4.3.1 Funktionales Sammeln | 287 6.4.3.2 Ästhetisches Sammeln | 292 6.4.3.3 Dokumentarisches Sammeln | 297 6.5 Fazit | 303 7 Schluss: Serialität im Akteur-Netzwerk des Serienlesens | 307
8 Quellen | 317
8.1 Literatur | 317 8.2 Internetquellen | 337 8.3 Weitere Quellen | 342
1 Einleitung: Serienlektüre als Forschungsgebiet
Serienforschung hatte in den letzten Jahren Konjunktur. Insbesondere neuere TV-Serien US-amerikanischer Provenienz, Exponentinnen des sogenannten „Quality-TV“, regten zur akademischen Beschäftigung an.1 Serien finden dabei vor allem von literatur- und medienwissenschaftlicher Seite Beachtung, wobei der Fokus auf der Untersuchung narratologischer Aspekte liegt.2 Serialität wird also vornehmlich als (text)ästhetische Komponente in den Blick genommen, die Forschungslage zu Lektürepraktiken3 im Bezug auf Serialität lässt sich hingegen als prekär charakterisieren. In der Leser- und Leseforschung werden serielle Lesestoffe und serielles Lesen selten behandelt. Diese widmet sich klassischerweise und größtenteils der Lektüre von Büchern und damit der Rezeption abgeschlossener Einzelwerke oder sie fragt nach LeserInnen generell, wobei sie nicht zwischen SerienleserInnen und anderen unterscheidet. Wenn LeserInnen von Serien – etwa im Kontext von Heftromanlektüre – in den Blick geraten, werden Spezifika der Serialität nur randständig behandelt. Die weitgehende Ausklammerung von Seriennutzung gilt sowohl für die quantitative Forschung als auch für 1
Vgl. Andreas Jahn-Sudmann/Frank Kelleter: Die Dynamik serieller Überbietung. Amerikanische Fernsehserien und das Konzept des Quality-TV. In: Frank Kelleter (Hg.) 2012a: Populäre Serialität: Narration – Evolution – Distinktion. Zum seriellen Erzählen seit dem 19. Jahrhundert. Bielefeld 2012 (Kultur- und Medientheorie), S. 207-224, hier S. 207.
2
Vgl. Frank Kelleter 2012b: Populäre Serialität. Eine Einführung. In: Ders. 2012a, S. 11-46, hier S. 25.
3
Der Begriff „Lektüre“ wird hier, wie im alltagssprachlichen Gebrauch, für den Prozess des Lesens sowie auch für den Lesestoff selbst verwendet. Dabei sind, wie in Kap. 2.2.3 erläutert wird, unter „Lektürepraktiken“ auch solche eingeschlossen, die sich vor oder nach dem eigentlichen Rezeptionsvorgang finden.
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die in weitaus geringerem Umfang vorhandenen qualitativen Arbeiten. Die vorliegende Studie verfolgt nun, indem sie die Nutzung der Heftromanserie Perry Rhodan betrachtet, das Ziel, Charakteristika des Serienlesens zu entfalten. Zu diesem Zweck wird ein breites Spektrum von Lektürepraktiken sichtbar gemacht und auf seine Beziehungen zu Serialität hin analysiert. Eine Serie bzw. ein Serienheft zu lesen, bedeutet nicht zwingend, diesen Vorgang zu wiederholen bzw. zu einer konstanten Praxis zu entwickeln. LeserIn einer Serie kann auch sein, wer durch Zufall einmal an ein Heft gerät, eine Serie kurzfristig verfolgt oder sich von Zeit zu Zeit ein Heft eines favorisierten Genres kauft. Demgegenüber widmet sich die vorliegende Studie solchen LeserInnen, die sich bereits über einen längeren Zeitraum mit derselben Serie befassen. Indem Zugangsweisen wie die zufällige, vereinzelte oder sporadische Lektüre, die freilich einen großen Teil der Nutzung ausmachen, bewusst beiseite gelassen werden, wird gezielt gefragt, welche Praktiken sich charakteristischerweise mit dem ‚Lesen in Serie‘ verbinden. Wenn also im Folgenden von „Serienlesen“ die Rede ist, werden damit vor allem serielle Elemente des Handelns im Bezug auf Heftromane gefasst. Wer sich über längere Zeit hinweg mehr oder weniger intensiv mit ein und derselben Serie beschäftigt, so darf anhand vorliegender Ergebnisse aus der Serien- und Serialitätsforschung geschlossen werden, 4 entwickelt Praktiken, die sich in der ein oder anderen Weise auf die Serialität beziehen, durch sie erst ermöglicht oder zumindest begünstigt werden. Serialität generiert spezifische Nutzungsweisen. Mit dieser Blickrichtung wird die Aufmerksamkeit auf die aktive Stellung gelenkt, die die Serie selbst im Prozess des Lesens einnimmt. Lesen ist nicht einseitig von der Text- oder Rezeptionsseite bzw. Angebots- oder Nutzungsseite her zu begreifen, sondern nur in seinen vielfältigen Wechselbeziehungen. Die vorliegende Studie meidet eine einseitige Schwerpunktsetzung, indem sie LeserIn und Lesestoff systematisch aufeinander bezieht. Sie verfolgt dabei das Ziel einer Exploration der Methodik der AkteurNetzwerk-Theorie (ANT) für eine empirisch-kulturwissenschaftliche Perspektive auf Serienlesen.5 Das Repertoire der ANT, das bislang nicht zum Methodenka-
4
Siehe Kap. 2.2.3.
5
Die vorliegende Studie schließt hiermit einerseits an eine Entwicklung der medienund kommunikationswissenschaftlichen Forschung an, die im Laufe des letzten Jahrzehnts zunehmend das Potenzial erkannte, das der Ansatz der ANT für die Forschung zu Medien und Medienrezeption bietet. Vgl. Matthias Wieser: Das Netzwerk von Bruno Latour. Die Akteur-Netzwerk-Theorie zwischen Science & Technology Studies und poststrukturalistischer Soziologie. Bielefeld 2012, S. 99f. sowie auch den von
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non des volkskundlichen Fachkontexts gehört,6 wird zu diesem Zweck insbesondere auf seine Implikationen für die Forschung zu Mediennutzung hin erkundet. Grundlegende methodische Herangehensweise ist der Versuch, Lesen als „Netzwerk“7 verschiedenster miteinander verbundener Handlungen zu beschreiben. Neben den LeserInnen sind auch ProduzentInnen und Medien als Akteure beteiligt. AutorInnen, RedakteurInnen, Texte und Paratexte der Romane, die materielle Beschaffenheit der Hefte und weiterer medialer Angebote gestalten die Praxis des Lesens aktiv mit. Da insofern nicht nur NutzerInnen, sondern zahlreiche weitere Akteure das Netzwerk des Lesens mitbilden, ist es angemessener, anstelle einer „Leserstudie“ von einer „Lesestudie“ zu sprechen. Eine solche Sichtweise eröffnet die Möglichkeit, das Mitwirken der Serie in den Lektürepraktiken sichtbar zu machen und damit auch Serialität auf ihr aktives Potenzial und die zahlreichen Verbindungen, die sie generiert, hin zu betrachten. Eine Perspektive, die Serien als Akteure im Sinne der ANT begreift, entwickeln innerhalb der literaturwissenschaftlichen Serienforschung die Amerikanisten Frank Kelleter und Daniel Stein.8 In ihrer Untersuchung von Praktiken der Autorschaft im Rahmen amerikanischer Superheldencomics heben sie die Eigendynamik von Serialität hervor, ihre „nicht-intentionale Handlungsmacht
Thielmann und Schüttpelz herausgegebenen Sammelband, der die gegenwärtige Konjunktur der ANT in der deutschsprachigen Medienwissenschaft dokumentiert: Tristan Thielmann/Erhard Schüttpelz (Hg.): Akteur-Medien-Theorie. Bielefeld 2013. Andererseits orientiert sie sich an Arbeiten aus dem eigenen Fach, die theoretische und methodische Schnittstellen und Anschlussmöglichkeiten von Volkskunde und ANT erkunden. Vgl. Stefan Beck/Jörg Niewöhner/Estrid Sørensen (Hg.) 2012a: Science and Technology Studies. Eine sozialanthropologische Einführung. Bielefeld 2012 (VerKörperungen/MatteRealities; 17); Sabine Hess/Johannes Moser/Maria Schwertl (Hg.): Europäisch-ethnologisches Forschen. Neue Methoden und Konzepte. Berlin 2013, hier v.a. die Beiträge von Hess/Schwertl, Knecht, Schwertl sowie König/Papierz. 6
Vgl. Sabine Hess/Maria Schwertl: Vom „Feld“ zur „Assemblage“? Perspektiven europäisch-ethnologischer Methodenentwicklung – eine Hinleitung. In: Hess/Moser/ Schwertl 2013, S. 13-37, hier S. 20f.
7
Zum Netzwerk-Begriff der vorliegenden Arbeit siehe Kap. 3.1.
8
Vgl. Frank Kelleter/Daniel Stein: Autorisierungspraktiken seriellen Erzählens. Zur Gattungsentwicklung von Superheldencomics. In: Kelleter 2012a, S. 259-290. Kelleter verfolgt diese Perspektive auch in weiteren Publikationen. Vgl. Frank Kelleter 2012c: The Wire and Its Readers. In: Liam Kennedy/Stephen Shapiro: The Wire. Race, Class, and Genre. Ann Arbor 2012, S. 33-70; Frank Kelleter: Serial Agencies. The Wire and Its Readers. Wincester/Washington 2014.
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(Agency), etwas, das Aktionsmöglichkeiten, Intentionsmöglichkeiten und Identitäten für alle Beteiligten schafft,“9 und formulieren damit eine Position zwischen Nutzungsforschung und Textanalyse. Es gehe „nicht einfach darum, was mit Serien getan wird, noch darum, was sie narratologisch sind. Beide Fragen, oft in fachwissenschaftlicher Konkurrenz gestellt, können in der Frage zusammenkommen, was Serien tun.“10 Im Anschluss an dieses Verständnis betrachtet die vorliegende Studie die Serie als wichtigen Akteur im Lektüreprozess, der – gerade in seiner „Identität“11 als Serie, d.h. durch seine seriellen Eigenschaften – vielfältige Anschlussmöglichkeiten für die Lesenden eröffnet. Als empirisch-kulturwissenschaftliche Untersuchung kann sie von hier ausgehend fragen, wie sich die Handlungsträgerschaft der Serie im Akt des Lesens im Detail äußert. Fragen nach der Narratologie und Ästhetik, die freilich eher ins Fachgebiet der Literaturwissenschaft fallen, können dabei auch in einer empirischen Lesestudie nicht ignoriert werden, wenn die Serie als Akteur ernst genommen werden soll. Gegenüber literaturanalytischen Zugängen erlauben ethnografische Methoden darüber hinaus auch, materielle Aspekte der Lektüre in den Blick zu nehmen sowie zeitliche Dimensionen des Lesens zu berücksichtigen – und damit an wesentlichen Desideraten der Lese(r)forschung anzusetzen. Insbesondere der Aspekt der Zeitlichkeit erweist sich im Hinblick auf Serialität als essenziell und wird darum in der vorliegenden Studie besonders berücksichtigt, wobei eine prozessuale Perspektive auf Serienlesen entwickelt wird. Anhand der Perry Rhodan-Lektüre wird der Verlaufsprozess der Praktiken im Bezug auf das einzelne Heft in den Phasen vor, während und nach der Lektüre herausgearbeitet. Gleichzeitig wird der serielle Leseprozess als eine Folge von Lektüren betrachtet, die wiederum auf die einzelne Lektüresituation zurückwirken. Die Strukturierungsleistungen, die die Serie in der alltäglichen Nutzung erbringt, werden dabei ebenso betrachtet wie biografische Aspekte der Seriennutzung und der Einfluss der Historizität der Serie auf die Lektürepraktiken.
9
Kelleter/Stein 2012, S. 260.
10 Ebd., S. 259 (Herv. i. O.). 11 Im Zusammenhang mit der TV-Serie The Wire spricht Frank Kelleter von verschiedenen „identities“ der Serie, zu denen etwa ihre institutionelle Identität als HBO-Serie und ihre narrative Identität als komplex aufgebautes Serial gehören. Vgl. Kelleter 2014, S. 6. Analog dazu betrachtet die vorliegende Arbeit Serialität als eine der zentralen Identitäten von Perry Rhodan. Andere wären etwa ihre institutionelle Identität als Pabel-Moewig-Produkt oder ihre Genre-Identität als Science-Fiction-Serie.
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Die ANT liefert dabei die theoretisch-methodische Grundlage für die Darstellung des empirischen Materials. Sie gibt, dies ist zu betonen, keine Präzise Anleitung für die Durchführung einer empirischen Studie vor. Welche Akteure und Praktiken konkret in ein Akteur-Netzwerk einzubeziehen seien, lässt sie offen. Die Auswahl und Gewichtung der einzubeziehenden Aspekte erfolgte daher notwendigerweise sehr subjektiv und im Laufe der längerfristigen empirischen Beobachtung der Praktiken. Sie orientierte sich dabei stets am thematischen Fokus der Serialität, um den herum sich das beschriebene Netzwerk entfaltet und der damit zugleich zur Begrenzung des Netzwerks dient.12 Den Gegenstand der Arbeit bildet mit der Science-Fiction-Serie Perry Rhodan ein ‚Klassiker‘ der populärliterarischen Serienrezeption. Der Heftroman ist das verbreitetste Medium serieller Literatur in Deutschland und zugleich das einzige, das Serienlesen in einer Dimension, die sich über einen Zeitraum mehrerer Jahrzehnte erstreckt, ermöglicht. Perry Rhodan erscheint seit 1961 wöchentlich und ist damit die am längsten fortgesetzte Heftromanserie weltweit. Wie im Heftromanbereich gängig, wird die Serie von einer Vielzahl von AutorInnen verfasst. Produktion und Vertrieb erfolgen eng an die Zeitschriftenbranche gebunden. Die Hefte können am Kiosk, über den Bahnhofsbuchhandel oder per Abonnement erworben werden. Es existiert eine große Vielfalt unterschiedlicher Serienmedien – darunter Taschenbücher, Hardcovers, E-Books und Hörbücher. Das Romanheft stellt dabei nach wie vor das Hauptmedium der Serie dar, mit einer aktuellen Auflage von 80.000 Exemplaren.13 Nach Schätzung des Chefredakteurs hat die Serie „mit Zweitlesern und mit Buchlesern eine Viertelmillion regelmäßiger Leser“14. Perry Rhodan verfügt dabei über eine äußerst aktive Fanszene, innerhalb derer sich im Science-FictionBereich klassische Organisationsformen finden – etwa Conventions, Clubs und die Herausgabe von Fanmagazinen. Anhand der ausdifferenzierten Perry Rhodan-Leserschaft – von den reinen LeserInnen bis zu den aktiven Fans – lässt sich ein breites Spektrum von Nutzungspraktiken betrachten. Während in der Öffentlichkeit vor allem die Fans präsent sind, bezieht die vorliegende Arbeit auch LeserInnen ein, die sich nicht mit anderen vernetzen und keine kreativ-produktiven Fanpraktiken ausüben. Die Vielfalt an verfügbaren Medien und Materialien zur
12 Siehe hierzu auch Kap. 3.4. 13 Die Angabe der Auflagenhöhe entspricht einer Aussage des Chefredakteurs auf dem Perry Rhodan-WeltCon 2012. Vgl. auch http://www.lovelybooks.de/thema/Lovely Books-nachgefragt-mit-Klaus-N-Frick-zum-50-jährigen-Jubiläum-von-PERRYRHODAN-Buchverlosung-739184575/klassisch/?seite=2, 28.03.2016. 14 Interview mit Klaus N. Frick, 10.02.2010.
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Serie wiederum ermöglicht, Serienlesen im Kontext eines diversifizierten Angebots zu betrachten. So können einerseits heftromanspezifische Nutzungsformen und -kontexte in den Blick genommen werden und andererseits die Einbindung des Lesens in die Nutzung der gesamten Palette der Serienmedien untersucht werden. Mit Perry Rhodan wird eine Serie in den Blick genommen, die ein singuläres Phänomen auf dem deutschen Heftromanmarkt ist, was die Länge ihrer Laufzeit, ihre aktive Fanszene und ihre mediale Diversifizierung betrifft. Die hier gemachten Beobachtungen können somit nicht ohne Weiteres auch für andere Heftromanserien postuliert werden. Dennoch lassen sich Momente der Serialität zeigen, die für Serienlesen im Allgemeinen – und nicht nur für das Lesen von Heftromanserien – anschlussfähig sind. Die hohe Erscheinungsdauer ermöglicht zudem, Aspekte der Nutzung von Serien mit langer Laufzeit in den Blick zu nehmen,15 was die Ergebnisse für einen Vergleich mit der Seriennutzung in anderen Medien relevant macht – etwa mit entsprechend langlebigen Produktionen im Comic- und TV-Bereich. Zur Erfassung der serienbezogenen Praktiken bezieht die vorliegende Studie eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden ein. Die Grundlage der Erhebung, die im Zeitraum von 2009 bis 2013 erfolgte, bildeten leitfadengestützte Interviews mit LeserInnen, Verlagsvertretern und Autoren sowie teilnehmende Beobachtung, vor allem bei Fanveranstaltungen. Zur Ermittlung visueller und materieller Aspekte der Serienpraktiken dienten Sammlungsbesichtigungen sowie eine Fotodokumentation von Sammlungen und Serienobjekten. Darüber hinaus wurden schriftliche, (audio-)visuelle und sachkulturelle Dokumente analysiert. Onlinequellen zur Serie, etwa Websites und Blogs von Redaktion, AutorInnen und LeserInnen sowie Internetforen, Wikis und E-Mail-Newsletter, boten einen weiteren Zugang. Auch die eigene Lektüre der Serie floss stellenweise in die Auswertung ein. Den Kern der Analyse bildet der Erscheinungszeitraum des „Stardust“Zyklus (PR Nr. 2500-2599), der zwischen dem 17.07.2009 und dem 10.06.2011
15 Zur Problematik lange laufender Serien vgl. z.B. David Lavery: Lost and Long-Term Television Narrative. In: Pat Harrigan/Noah Wardrip-Fruin (Hg.): Third Person. Authoring and Exploring Vast Narratives. Boston 2009, S. 313-322; Lance Parkin: Truths Universally Acknowledged. How the „Rules“ of Doctor Who Affect the Writing. In: Harrigan/Wardrip-Fruin 2009, S. 13-24; Jason Mittell: Previously On. Prime Time Serials and the Mechanics of Memory. In: Marina Grishakova/Marie-Laure Ryan (Hg.): Intermediality and Storytelling. Berlin/New York 2010 (Narratologia; 24), S. 78-98.
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erschien. Im Zentrum stehen die Praktiken, die den Erscheinungsverlauf dieser 100 Heftromane begleiten. Die Studie erfasst somit einen im Vergleich zum gesamten Serienverlauf eng begrenzten Zeitraum. Es wird damit nicht verfolgt, eine Gesamtschau der Serie zu geben, sondern anhand eines Ausschnitts aus dem Serienverlauf beobachtete Lektürepraktiken auf Serialität fokussierend zu betrachten und in ihren vielfältigen Beziehungen zu beschreiben bzw. – in der Terminologie der ANT ausgedrückt – ein Netzwerk des Lesens zu zeichnen, in dem sich die Serie als zentraler Akteur zeigt, der gerade in seiner Serialität in vielfacher Hinsicht Verbindungen generiert. Das Buch gliedert sich in einen theoretisch-methodischen, einen empirischen und einen konklusiven Teil. Im ersten Teil wird zunächst der Anschluss der eigenen Fragestellung an bestehende Forschungsergebnisse dargelegt und das vertretene Verständnis vom Lesen gegenüber anderen Konzeptionen abgegrenzt (Kapitel 2). Neben Arbeiten aus dem volkskundlichen Kontext werden dabei Ansätze unterschiedlicher Disziplinen diskutiert. Der Schwerpunkt liegt auf kultur- und sozialwissenschaftlichen Untersuchungen, Ergebnisse anderer Forschungsrichtungen zur Medienrezeption ergänzen die Perspektive auf das Lesen. Im anschließenden Kapitel werden die theoretisch-methodischen Voraussetzungen der Studie im Anschluss an die ANT dargelegt, woraufhin das methodische Vorgehen im Einzelnen beschrieben sowie der Untersuchungszeitraum und das Verfahren der Darstellung reflektiert werden (Kapitel 3). Der zweite, empirische Teil stellt die Ergebnisse der Studie vor. Hier erfolgt die Darstellung des Lektüreprozesses eines einzelnen Heftes, eingeteilt in die Stationen vor, während und nach der Lektüre. Das Kapitel „Vor der Lektüre“ (Kapitel 4) beschreibt die vorbereitenden Praktiken, die die Lektüre des wöchentlichen Heftes einleiten. Hierbei werden die verschiedenen Formen des Bezugs der Serie sowie die zeitlichen und räumlichen Situationen des Lesens betrachtet. Im Kapitel „Während der Lektüre“ (Kapitel 5) werden die Zugänge beschrieben, mittels derer sich die LeserInnen Texte und Medien der Serie erschließen. Diese werden dabei in ihrem Wechselverhältnis zu inhaltlichen und stilistischen sowie medialen und materiellen Qualitäten der Lesestoffe betrachtet. Des Weiteren wird in den Blick genommen, wie, jenseits der wöchentlich aktuellen Lektüre, eine Beziehung zur Serie als Ganzes hergestellt wird. Die im Kapitel „Nach der Lektüre“ (Kapitel 6) dargestellten Lektürehandlungen sind solche, die üblicherweise mit dem Begriff der „Anschlusspraktiken“16 gefasst werden. Hier werden neben klassischen Fanpraktiken auch solche beschrieben, die jenseits kommunikativer und produktiver Zusammenhänge stehen. Ein Schwer-
16 Zum Begriff der „Anschlusspraktiken“ siehe Kap. 6.
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punkt des Kapitels liegt auf dem Sammeln von Serienobjekten, anhand dessen Beziehungen zur Materialität der Serie herausgearbeitet werden. Dass eine strikte Zuordnung bestimmter Praktiken zu einer der Lektürephasen nicht durchgehalten werden kann – so etwa, wenn ‚nachbereitende‘ Praktiken zugleich der Vorbereitung der nächsten Lektüre dienen –, wird bereits im Forschungsstand reflektiert (Kapitel 2.2.3). Die Gliederung des Ablaufs in drei klar voneinander geschiedene Phasen ist deshalb als vorläufiges analytisches Konstrukt zu betrachten, das in der Darstellung selbst immer wieder durchbrochen wird. In einem abschließenden Kapitel werden die Ergebnisse der Studie resümierend im Hinblick auf zentrale Begrifflichkeiten der ANT hin reflektiert und Anschlussmöglichkeiten für die ethnographische Medien- und Serienforschung aufgezeigt (Kapitel 7).
2 Forschungsstand
2.1 ANMERKUNGEN
ZUR
H EFTROMANFORSCHUNG
Der Schwerpunkt der empirischen Lese(r)forschung liegt auf Büchern und dem Buchlesen.1 Heinz Bonfadelli weist darauf hin, dass heute zwar ein weites Verständnis von „Buch“ vorausgesetzt werde, das „Trivialromane und Comics, aber auch Sachbücher“2 miteinbeziehe. Jedoch wird Heftromanlektüre nicht gesondert erfasst, so dass keine Möglichkeit besteht, eine formatspezifische Trennung vorzunehmen. Faktisch liefert diese Forschungsrichtung damit kaum verwertbare Daten über HeftromanleserInnen. Die Untersuchung von Heftromanen und deren RezipientInnen bildet demgegenüber einen eigenen, von der (Buch-)Lese(r)forschung gewissermaßen abgetrennten, Forschungszweig. Zum Heftroman und seiner Rezeption liegt eine Vielzahl von Studien vor, deren Gros der sogenannten „Trivialliteraturforschung“ zuzuordnen ist, deren Hochphase in den 1960er und 1970er Jahren lag. 3 Populärliteraturforschung
1
Vgl. hierzu auch Cordula Günther 1999a: „Dann hat der Alltag und die Realität wieder das Vorrecht ...“. Heftromanleserinnen und -leser in den neuen Bundesländern. Halle 1999 (HALMA: Hallische Medienarbeiten; 11), S. 8. http://download.philfak2. uni-halle.de/download/medienkomm/halma/halma11.pdf, 30.09.2015.
2
Heinz Bonfadelli: Theoretische und methodische Anmerkungen zur Buchmarkt- und Leserforschung. In: Stiftung Lesen (Hg.): Lesen im Umbruch. Forschungsperspektiven im Zeitalter von Multimedia. Baden-Baden 1998, S. 78-89, hier S. 78.
3
Vgl. Thomas Gahlen: Zur Erinnerung. ‚Trivialliteratur‘ als vertane Chance der Literaturwissenschaft. In: Wirkendes Wort 39 (1989), H. 1, S. 136-141, hier S. 136. Einen resümierenden Forschungsüberblick über die Studien der „Trivialliteraturforschung“ gibt Günther Fetzer: Trivialliteraturforschung (Forschungsbericht). In: Wirkendes Wort 31 (1981), H. 2, S. 98-125; vgl. dazu auch Gahlen 1989, S. 138, der auf Fetzers Aufsatz als „abschließende Kritik“ dieser Forschungsrichtung hinweist.
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wurde dort, aus literatur- und sozialwissenschaftlicher Perspektive, als ideologiekritische Forschung im Kontext einer pauschalisierenden Interpretation von Horkheimers und Adornos Thesen zur „Kulturindustrie“ betrieben. 4 Den fast durchweg negativ beurteilten ‚trivialen‘ Lesestoffen wurde eine manipulative Wirkung zugeschrieben. Heftromane gehörten, nach dem dort vertretenen Verständnis, stets dem untersten Niveau der ‚Trivialliteratur‘ an.5 Daher ist es nicht verwunderlich, dass viele Studien, um den schädlichen Einfluss dieser Literatur zu demonstrieren, sich gerade der Untersuchung von Heftromanen widmeten,6 die damit zum paradigmatischen Gegenstand der Populärliteraturforschung wurden.7
4
Vgl. Fetzer 1981, S. 105; Jochen Schulte-Sasse: Trivialliteratur. In: Klaus Kanzog/Achim Masser (Hg.): Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. Bd. 4. Berlin/New York, 2. Auflage 1984, S. 562-583, hier S. 565; Gahlen 1989, S. 137f.; Reinhold Krämer: Die gekaufte „Zukunft“. Zu Produktion und Rezeption von Science Fiction in der Bundesrepublik Deutschland nach 1945. Frankfurt a.M. 1990, zugl. Diss. Freiburg 1986, S. 121; Peter Nusser: Trivialliteratur. Stuttgart 1991 (Sammlung Metzler; 262), S. 14f.; Gerhard Teuscher: Perry Rhodan, Jerry Cotton und Johannes Mario Simmel. Eine Darstellung zu Theorie, Geschichte und Vertretern der Trivialliteratur. Stuttgart 1999, S. 31f.; Walter Nutz: Trivialliteratur und Popularkultur. Vom Heftromanleser zum Fernsehzuschauer; eine Literatursoziologische Analyse unter Einschluss der DDR. Opladen/Wiesbaden 1999, S. 23f.; Andreas Dörner/Ludgera Vogt: Literatursoziologie. Eine Einführung in zentrale Positionen; von Marx bis Bourdieu, von der Systemtheorie bis zu den British Cultural Studies. Wiesbaden, 2., völlig überarb. und erg. Auflage 2013, S. 31-39.
5
Hans-Friedrich Foltin etwa ordnet Heftromane, mit ihrer vom Buchmarkt getrennten Produktion in eigenen Verlagen, ihrer Distribution über Kioske und Leihbibliotheken, Bahnhofsbuchhandel und Warenhäuser, ihrer anonymen und vom Verlag bestimmten Autorenschaft („Lohnschreiber“) und ihrer gegenüber Büchern geringeren materiellen Qualität, der „unteren Gruppe der minderwertigen Literatur“ zu. Vgl. Hans-Friedrich Foltin: Die minderwertige Prosaliteratur. Einteilung und Bezeichnungen. In: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 39 (1965), H. 2, S. 288-323, hier S. 295.
6
Zum ausgeprägten Interesse der Trivialliteraturforschung am Heftroman vgl. Peter Domagalski: Trivialliteratur. Geschichte, Produktion und Rezeption. Freiburg i.Br. u.a. 1981 (Studio visuell: Literatur), S. 97; Fetzer 1981, S. 117; Krämer 1990, S. 125.
7
Überblicksdarstellungen zur bisherigen Heftromanforschung finden sich bei Krämer 1990, S. 124-127; Günther 1999a, S. 3-11.
F ORSCHUNGSSTAND
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Textliche wie materielle Aspekte wurden in der Perspektive der Trivialliteraturforschung häufig unter dem Gesichtspunkt einer Standardisierung der Literaturproduktion betrachtet. Mit dem arbeitsteiligen Produktionsvorgang der seriellen Lektüre, so die einschlägige Forschungsmeinung, verbinde sich dabei auch eine Normierung des Produkts, die zu einer Gleichförmigkeit der Inhalte und der formalen Gestaltung und damit zu austauschbaren Lesestoffen führe. 8 Studien dieser Provenienz sprechen dem Heftroman eine nur scheinbare Individualität zu9 und subsumieren ihn unter dem Begriff der „Schema-Literatur“10. Die rationalisierte Produktionsweise bringe dabei einen bestimmten Typus von Autoren hervor, der als „Fließbandarbeiter“11, weitgehend ohne eigene kreative Leistung, die vorgegebenen Anweisungen umsetze.12 Ebenso werden ihr direkte Auswirkungen auf die Rezeption zugesprochen.13 An Herstellungsbedingungen sowie an formale und inhaltliche Texteigenschaften werden – meist ohne jeglichen empirischen Bezug – stereotype Vorstellungen über die Leserschaft der Heftromane geknüpft.14 Cordula Günther resümiert in ihrem Forschungsüberblick aus dem Jahr 1999 das in der Trivialliteraturforschung vertretene LeserInnenbild:
8
Vgl. Armin Volkmar Wernsing/Wolf Wucherpfennig: Die „Groschenhefte“. Individualität als Ware. Wiesbaden 1976 (Schwerpunkte Germanistik), S. 11f.; Beate Ellerbrock/Jürgen Ellerbrock/Frank Thieße: Perry Rhodan. Untersuchung einer Science Fiction-Heftromanserie. Gießen, 2. Auflage 1977, S. 53; Domagalski 1981, S. 98-106; Ludwig Fischer: Strategien der Produktion von Unterhaltungs- und Massenliteratur. In: Rolf Grimminger (Hg.): Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Bd. 10. München/Wien 1986, S. 318-345, hier S. 338341; Nusser 1991, S. 40f.
9
Vgl. z.B. Wernsing/Wucherpfennig 1976, S. 31.
10 Vgl. Hans Dieter Zimmermann: Schema-Literatur. Ästhetische Norm und literarisches System. Stuttgart 1979 (Urban Taschenbücher; 299); Kaspar Niklaus Wildberger: Beates blondes Haar oder Linguistische Aspekte von Schema-Literatur. Bern 1988, zugl. Diss. Basel 1987. 11 Ellerbrock/Ellerbrock/Thieße 1977, S. 53. 12 Vgl. z.B. Wernsing/Wucherpfennig 1976, S. 13f.; Ellerbrock/Ellerbrock/Thieße 1977, S. 53; Fischer 1986, S. 339f. 13 Vgl. z.B. Dietger Pforte: Bedingungen und Formen der materiellen und immateriellen Produktion von Heftromanen. In: Annamaria Rucktäschel/Hans-Dieter Zimmermann (Hg.): Trivialliteratur. München 1976 (UTB; 637), S. 30-60, hier S. 31. 14 Vgl. z.B. Peter Nusser: Romane für die Unterschicht. Groschenhefte und ihre Leser. Stuttgart 1973 (Texte Metzler; 27). Aus einer inhaltlichen und stilistischen Analyse der Texte folgert Nusser: „Es konnte zugleich evident gemacht, wenn auch nicht em-
20 | P ERRY R HODAN LESEN „Kompensation von Versagungen und von Defiziten, Entlastung, Eskapismus, empathische, nicht emanzipatorische Lektüre – damit wird ein Bild von der Heftromanlektüre und vom Heftromanleser umrissen, das zur Existenz stereotyper Vorstellungen geführt hat, obwohl häufig nur von ‚Annahmen‘ die Rede ist.“15
Ein Großteil der Untersuchungen zur Perry Rhodan-Serie entstand in den 1970er Jahren und entspricht dem Paradigma der Trivialliteraturforschung.16 Die inhaltlich-ästhetische Untersuchung stand im Mittelpunkt; diejenigen Studien, die die Rezeption der Serie miteinbeziehen, beruhen häufig auf einer dürftigen empirischen Basis. 17 Zuschreibungen, die auf HeftromanleserInnen allgemein ange-
pirisch nachgewiesen werden, daß die Konsumenten aufgrund ihrer durch Sozialbeziehungen determinierten Orientierungsmuster und Bedürfnisse die auf sie zielenden Angebote und Texte ohne Widerstand, und dadurch um so intensiver, aufnehmen“ (S. 97). Auch die Studie von Ellerbrock, Ellerbrock und Thieße bestätigt, ohne empirische Verifizierung ein solches Muster. Vgl. Ellerbrock/Ellerbrock/Thieße 1977, S. 54-56. 15 Günther 1999a, S. 5. 16 Vgl. Hans Esselborn: Topoi der Perry-Rhodan-Forschung seit den 60er Jahren. In: Klaus Bollhöfener/Klaus Farin/Dierk Spreen (Hg.): Spurensuche im All. Perry Rhodan Studies. Berlin 2003, S. 26-47, hier S. 30-33. Zur Perry Rhodan-Serie existieren mehrere Forschungsüberblicke. Eine Titelübersicht über die bis zum Jahr 1995 erschienene Sekundärliteratur zur Serie gibt Willi Diwo. Vgl. Willi Diwo: Perry Rhodan in der Science-Fiction-Sekundärliteratur. Überherrn 1995. Hans-Edwin Friedrich geht in seinem Forschungsüberblick zur populärliterarischen Science-Fiction ausführlich auch auf die Perry Rhodan-Serie ein. Vgl. Hans-Edwin Friedrich: Science Fiction in der deutschsprachigen Literatur. Ein Referat zur Forschung bis 1993. Tübingen 1995 (Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur – Sonderheft; 7), S. 317-345 und S. 387-389. Einen detaillierten und, aufgrund des Ausbleibens weiterer umfangreicherer Arbeiten zum Gegenstand, nach wie vor weitgehend aktuellen Forschungsüberblick zur Perry Rhodan-Serie liefert Hans Esselborn. Vgl. Esselborn 2003. Esselborn richtet seinen Blick – aus literaturwissenschaftlicher Sicht – auf textliche Aspekte und deren Erforschung, während Cordula Günther die Leserforschung zu Perry Rhodan darstellt. Vgl. Cordula Günther 1999b: „Ich wollte das lesen, und alles andere war mir ziemlich egal“. Perry-Rhodan-Leser in Ost und West. Halle 1999 (HALMA: Hallische Medienarbeiten; 12), S. 2-7. http://digital.bibliothek.uni-halle.de/ pe/content/titleinfo/1320, 30.09.2015. 17 So widmen sich mehrere Untersuchungen aus den 1970er Jahren auch den LeserInnen der Serie. Vgl. Klaus-Peter Klein: Zukunft zwischen Trauma und Mythos: Science-
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wandt wurden, wurden auch für Perry Rhodan-LeserInnen geltend gemacht. Ein in diesem Zusammenhang gegenüber der Serie erhobener Faschismusvorwurf wurde, ohne entsprechende empirische Befunde, direkt auf die LeserInnen projiziert.18 Als Heftroman- und Science-Fiction-LeserInnen wurden Perry RhodanLeserInnen zudem „doppelt stigmatisiert“19. Um die Differenz zu den Studien der Trivialliteraturforschung zu markieren, wird in der vorliegenden Arbeit der Begriff „Populärliteratur“ gewählt, der zugleich eine Abwertung des Gegenstands vermeidet und eine Distanz von einer vornehmlich auf ästhetische Kriterien ausgerichteten Forschung impliziert. 20
fiction. Zur Wirkungsästhetik, Sozialpsychologie und Didaktik eines literarischen Massenphänomens. Stuttgart 1976 (Literaturwissenschaft – Gesellschaftswissenschaft; 19); Ellerbrock/Ellerbrock/Thieße 1976; Claus Hallmann: Perry Rhodan. Analyse einer Science-Fiction Romanheftserie. Frankfurt 1979, zugl. Diss. Saarbrücken 1978. Thesen zur Rezeption werden dabei jedoch entweder weitgehend ohne Bezug zu den empirischen LeserInnen (Klein), in äußerst knapper Auswertung des erhobenen Materials (Ellerbrock/Ellerbrock/Thieße) oder in einer Trennung der deskriptiven Darstellung des empirischen Materials und der eigentlichen ‚Leseranalyse‘ (Hallmann) entwickelt. 18 Vgl. Günther 1999b, S. 3f.; Hans-Friedrich Foltin/Florian Mundhenke: „Jerry Cotton“ und „Perry Rhodan“. Zwei Dauerbrenner. In: Petra Bohnsack/Hans-Friedrich Foltin (Hg.): Lesekultur. Populäre Lesestoffe von Gutenberg bis zum Internet. Marburg 1999 (Schriften der Universitätsbibliothek Marburg; 93), S. 217-230, hier S. 228f.; Teuscher 1999, S. 89f.; Esselborn 2003, S. 26 und S. 29-39; Ralf Wohlgemuth: „Ich muss mich echauffieren!“. Humorkonstruktionen in der Perry Rhodan-Serie und ihre Auswirkungen auf die Erzählwelt. In: Mauerschau 3 (2009), H. 1, S. 44-63, hier S. 45. https://www.uni-due.de/imperia/md/content/germanistik/mauerschau/mauerschau_3_ wohlgemuth.pdf, 30.09.2015. 19 Günther 1999b, S. 2; Dierk Spreen: Perry Rhodan Studies – Einleitende Überlegungen. In: Bollhöfener/Farin/Spreen 2003, S. 7-12, hier S. 7f. 20 Damit schließe ich an einen Begriff der „Populärliteratur“ an, wie ihn auch die Anglistin Gabriele Linke verwendet, um einen Ansatz zu benennen, „der die Fixierung auf ästhetische oder ideologiekritische Wertungen [...] zu durchbrechen sucht.“ Gabriele Linke: Populärliteratur als kulturelles Gedächtnis. Eine vergleichende Studie zu zeitgenössischen britischen und amerikanischen popular romances der Verlagsgruppe Harlequin Mills & Boon. Heidelberg 2003 (American Studies; 104), zugl. Habil. Jena 2001, S. 7. Dass „Trivialität“ als Zuschreibung und nicht vom Gegenstand her zu verstehen sei, darauf machte bereits in den 1960er Jahren der Germanist Helmut Kreuzer aufmerksam, indem er auf die historische Variabilität und damit Relativität der be-
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Ebenso wird damit keine funktionale Bestimmung vorgenommen, wie sie sich etwa im Begriff der „Unterhaltungslektüre“ manifestiert. 21 Dieses Verständnis folgt Rudolf Schendas Begriff der „populären Lesestoffe“, der das Phänomen in erster Linie durch seine weite Verbreitung definiert und damit unabhängig von ästhetischen Wertungsfragen operiert.22
grifflichen Prägung „Trivialliteratur“ hinwies. Vgl. Helmut Kreuzer: Trivialliteratur als Forschungsproblem. Zur Kritik des deutschen Trivialromans seit der Aufklärung. In: Ders. (Hg.): Veränderungen des Literaturbegriffs. Fünf Beiträge zu aktuellen Problemen der Literaturwissenschaft. Göttingen 1975 (Kleine Vandenhoeck-Reihe; 1398), S. 7-26. 21 Erich Schön hat darauf hingewiesen, dass empirisch weder auf Text- noch auf Rezeptionsebene streng zwischen den Kategorien der „Information“ und der „Unterhaltung“ getrennt werden könne. Vgl. Erich Schön: Lesen zur Information, Lesen zur Lust – schon immer ein falscher Gegensatz. In: Gunnar Roters/Walter Klingler/Maria Gerhards (Hg.): Information und Informationsrezeption. Baden-Baden 1999, S. 187212. In der neueren Lese(r)forschung herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass sich die Funktionen nicht aus ästhetischen Aspekten des Lesestoffs bestimmen lassen und dieselben Texte ebenso als unterhaltend wie als informativ genutzt werden können. Vgl. Christoph Klimmt/Peter Vorderer: Unterhaltung als unmittelbare Funktion des Lesens. In: Norbert Groeben/Bettina Hurrelmann (Hg.): Lesesozialisation in der Mediengesellschaft. Ein Forschungsüberblick. Weinheim/München 2004 (Lesesozialisation und Medien), S. 36-60, hier S. 38. 22 Vgl. Rudolf Schenda 1971a: Die Lesestoffe der Beherrschten sind die herrschende Literatur. Bemerkungen zu Klassencharakter und sozialer Schichtung des literarischen Kommunikationsfeldes. In: Dorothee Bayer: Der triviale Familien- und Liebesroman im 20. Jahrhundert. Tübingen, 2., erw. Auflage 1971 (Untersuchungen des LudwigUhland-Instituts der Universität Tübingen; 1), S. 187-211, hier S. 198f.; Rudolf Schenda 1971b: Tausend deutsche populäre Drucke aus dem neunzehnten Jahrhundert. In: Archiv für Geschichte des Buchwesens 11 (1971), Sp. 1465-1652, hier Sp. 1465-1467; Rudolf Schenda: Populäre Lesestoffe. In: Rolf Wilhelm Brednich (Hg.): Enzyklopädie des Märchens. Bd. 8. Berlin 1996, Sp. 950-970, hier Sp. 950; Rudolf Schenda: Leser- und Lesestoff-Forschung. In: Rolf Wilhelm Brednich (Hg.) 2001a: Grundriss der Volkskunde. Eine Einführung in die Forschungsfelder der Europäischen Ethnologie. Berlin, 3., überarb. und erw. Auflage 2001 (Ethnologische Handbücher), S. 543-562, hier S. 453f. Als „populär“ betrachtet Schenda die „massenhaft (in Millionenauflagen) verbreiteten Lesestoffe“ (Schenda 1971a, S. 199), die „den Hauptlesestoff großer Teile der Bevölkerung bilde[n].“ (Schenda 1971b, Sp. 1465). Die Popularität kann sich dabei entweder auf das Werk selbst beziehen oder auf die weite Ver-
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Der Ansatz der vorliegenden Arbeit verortet sich dabei im Kontext der volkskundlichen Forschung, die einen im Vergleich zu den genannten Arbeiten der – allerdings auch im Fach selbst so bezeichneten – Trivialliteraturforschung deutlich differenzierteren Zugang zu populären Formen der Literatur entwickelte. Auch in der volkskundlichen Populärliteraturforschung, die dabei in interdisziplinärem Austausch mit der germanistischen Forschung stand,23 war der ideologiekritische Zugang zunächst stark vertreten. 24 Im Unterschied zu anderen Fachrichtungen wurde hier allerdings die Stigmatisierung von LeserInnen meist vermieden bzw. dezidiert zurückgewiesen.25 Zudem erfolgte bereits vergleichsweise früh eine Hinwendung zu den empirischen LeserInnen, so empfahl Hermann Bausinger bereits 1968, „die Frage nach dem Publikum, nach den Konsumenten möglichst konkret zu stellen.“26 Vor dem Hintergrund ihres Interesses für die alltäglichen Lebenszusammenhänge der NutzerInnen kamen in der volkskundlichen Medienforschung nutzungsorientierte Ansätze stärker als wirkungstheoretische Modelle zum Tragen.27
breitung der Gattung, der das Werk angehört (vgl. Schenda 2001, S. 454). Der Begriff beinhaltet nach Schenda „keinerlei Wertung (primitive, triviale Leser; marginale, kitschige, schmutzige Literatur)“ (Schenda 1971b, Sp. 1466). 23 Vgl. Christoph Bareither/Kaspar Maase/Mirjam Nast: Einleitung. Populäre Unterhaltung und Vergnügung als Forschungsfeld der Europäischen Ethnologie. In: Dies. (Hg.): Unterhaltung und Vergnügung. Beiträge der Europäischen Ethnologie zur Populärkulturforschung. Würzburg 2013, S. 10-22, hier S. 14. 24 Vgl. Hermann Bausinger: Medienforschung am Ludwig-Uhland-Institut. Ein Rückblick. In: Tübinger Korrespondenzblatt 46 (1996), S. 6-11, hier S. 8; Heinz Schilling: Medienforschung. In: Brednich 2001a, S. 563-585, hier S. 575. 25 Vgl. Bareither/Maase/Nast 2013, S. 13. 26 Hermann Bausinger: Zu Kontinuität und Geschichtlichkeit trivialer Literatur. In: Eckehard Catholy/Winfried Hellmann (Hg.): Festschrift für Klaus Ziegler. Tübingen 1968, S. 385-410, hier S. 403. 27 Der Uses-and-Gratifications-Approach wurde hier seit Mitte der 1970er Jahre rezipiert, jedoch hatte sich bereits zuvor eine eigenständige auf Fragen der Mediennutzung ausgerichtete Forschung im Fach etabliert. Vgl. Schilling 2001, S. 565f. Zum Uses-and-Gratifications-Ansatz in der Volkskunde vgl. auch Ute Bechdolf: Kulturwissenschaftliche Medienforschung. Film und Fernsehen. In: Silke Göttsch/Albrecht Lehmann (Hg.): Methoden der Volkskunde. Positionen, Quellen, Arbeitsweisen der Europäischen Ethnologie. Berlin, 2., überarb. und erw. Auflage 2007 (Ethnologische Paperbacks), S. 289-315, hier S. 293f.
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Bereits seit den Anfängen der volkskundlichen Forschung gehörte „Literatur als Quelle und als Bestandteil der Volkskultur“28 zu deren Gegenständen.29 Die Volkskunde hatte sich dabei, aus der Erzählforschung entstanden, zunächst an der Germanistik orientiert.30 In den 1960er und 1970er Jahren erfolgte eine Neuausrichtung des Faches, im Zuge derer Populärliteratur als Teil der modernen Massenkultur in den Blick rückte. 31 Vor allem am Tübinger Ludwig-UhlandInstitut bildete sich ein Forschungsschwerpunkt zu populärer Literatur heraus.32 Hatten zunächst Fragen nach der Motivtradition der Heftromane sowie nach Funktionsäquivalenten von mündlicher und schriftlicher Kultur in einer Perspektive, die Heftromane als ‚Märchen von heute‘ betrachtete, die volkskundliche Forschung beherrscht,33 wurde nun eine sozialwissenschaftliche Ausrichtung bestimmend. 34 Populärliteratur wurde in ihren alltäglichen Nutzungszusammenhängen, insbesondere mit Blick auf die unteren Bevölkerungsschichten, untersucht. 35 Neben einem sozialgeschichtlichen Zugang, für den insbesondere die Arbeiten Rudolf Schendas prägend waren,36 entstanden auch Studien, die sich
28 Hermann Bausinger: Wege zur Erforschung der trivialen Literatur. In: Heinz Otto Burger (Hg.): Studien zur Trivialliteratur. Frankfurt a.M., 2. Auflage 1976 (Studien zur Philosophie und Literatur des neunzehnten Jahrhunderts; 1), S. 1-33, hier S. 4. 29 Die Populärliteraturforschung markierte damit den Beginn volkskundlicher Medienforschung. Vgl. Bausinger 1996, S. 7. 30 Vgl. ebd. 31 Vgl. Schilling 2001, S. 575; Bechdolf 2007, S. 290; Sandra Grocholl/Matthias Kemm/ Annica Starke: Trivialliteratur im Depot. Populäre Lesestoffe im Sammlungskontext. In: Gudrun M. König (Hg.): Anschauungsmaterial. Fachgeschichte als Sachgeschichte. Tübingen 2007, S. 123-132, hier S. 127. 32 Vgl. Bausinger 1996, S. 7; Bechdolf 2007, S. 290; Grocholl/Kemm/Starke 2007, S. 129f. 33 Vgl. Bausinger 1996, S. 8; Bausinger 1976, S. 4. 34 Vgl. Grocholl/Kemm/Starke 2007, S. 124 und S. 128. 35 Bechdolf 2007, S. 290. 36 Vgl. v.a. Rudolf Schenda: Volk ohne Buch. Studien zur Sozialgeschichte der populären Lesestoffe 1770-1910. Frankfurt a.M. 1970 (Studien zur Philosophie und Literatur des neunzehnten Jahrhunderts; 5). Zu Schendas Leistungen für die Erzähl- und Lese(r)forschung im Fach vgl. auch Brigitte Frizzoni: Rudolf Schenda (13.10.193014.10.2000). In: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 97 (2001), H. 1, S. 157-159. Zur sozialgeschichtlichen Erforschung des Phänomens Populärliteratur vgl. auch die Arbeiten Kaspar Maases zum Schundkampf im wilhelminischen Kaiserreich, die sich mit der historischen Variabilität von Literaturbegriffen und damit verbundenen Prak-
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der Populärliteratur – und hier insbesondere dem Heftroman – als Teil der gegenwärtigen Alltagskultur widmeten. In den im Laufe der 1970er Jahre am Ludwig-Uhland-Institut entstandenen Untersuchungen zu Heftromanen begann sich dabei das Interesse an den LeserInnen auch methodisch zu manifestieren. So beziehen die umfangreichen Studien von Manfred Nagl, Jens-Ulrich Davids und Klaus F. Geiger zu verschiedenen Heftromangenres neben inhaltlichen Analysen der Romantexte in unterschiedlichem Ausmaß auch Leserbefragungen mit ein.37 Indem die vorliegende Arbeit an diese volkskundliche Tradition anschließt, nimmt sie nicht nur einen historischen, sondern auch einen fachlich bedingten Abstand zu den meisten älteren Untersuchungen zur Perry Rhodan-Serie ein.
tiken befassen, z.B. Kaspar Maase: Die soziale Konstruktion der Massenkünste. Der Kampf gegen Schmutz und Schund 1907-1918 – eine Skizze. In: Martin Papenbrock u.a. (Hg.): Kunst und Sozialgeschichte. Pfaffenweiler 1995, S. 262-278; Kaspar Maase: Kinder als Fremde – Kinder als Feinde. Halbwüchsige, Massenkultur und Erwachsene im wilhelminischen Kaiserreich. In: Historische Anthropologie 4 (1996), S. 93126; Kaspar Maase: Die soziale Bewegung gegen Schundliteratur im deutschen Kaiserreich. Ein Kapitel aus der Geschichte der Volkserziehung. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 27 (2002), H. 2, S. 45-123; Kaspar Maase: Die Kinder der Massenkultur. Kontroversen um Schmutz und Schund seit dem Kaiserreich. Frankfurt a.M. 2012. 37 Nagls Studie über Science-Fiction-LeserInnen etwa beinhaltet, neben einer eigenen, nicht standardisierten Befragung von 43 HeftromanleserInnen, Daten aus einer Umfrage des Moewig-Verlags unter Perry Rhodan-LeserInnen, einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens Intermarket für das Ludwig-Uhland-Institut sowie einer Umfrage des Science-Fiction-Magazins Astounding Science Fiction zu dessen Leserschaft. Vgl. Manfred Nagl: Science Fiction in Deutschland. Untersuchungen zur Genese, Soziographie und Ideologie der phantastischen Massenliteratur. Tübingen 1972 (Untersuchungen des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen; 30), S. 200 und S. 206-208. Davids’ Arbeit zum Genre des Wildwest-Romanhefts bezieht sich ebenfalls auf die genannte Intermarket-Studie. Vgl. Jens-Ulrich Davids: Das Wildwest-Romanheft in der Bundesrepublik. Ursprünge und Strukturen. Tübingen, 2., erw. Auflage 1975 (Untersuchungen des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen; 24), S. 223-232. Geigers Untersuchung zu Kriegsromanheften umfasst neben einem inhaltsanalytischen Teil die detaillierte Auswertung einer Leserbefragung unter insgesamt 355 SchülerInnen. Vgl. Klaus F. Geiger: Kriegsromanhefte in der BRD. Inhalte und Funktionen. Tübingen 1974 (Untersuchungen des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen; 35), S. 135.
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Seit dem Ende der 1970er Jahre wurden nur noch vereinzelt Untersuchungen publiziert, die sich mit dem Heftroman und seinen LeserInnen befassen. Neuere Studien konnten dabei viele der vorurteilsbehafteten und nicht empirisch verifizierten Thesen der Trivialliteraturforschung widerlegen. So setzte sich eine merklich veränderte Betrachtungsweise der Heftromantexte innerhalb der Literaturwissenschaft durch. Viele der seit den 1980er Jahren zur Perry Rhodan-Serie entstandenen Arbeiten unterscheiden sich deutlich von ihren Vorgängerinnen. Die umfassendste und informierteste Studie ist die des Germanisten und langjährigen Perry Rhodan-Lesers Rainer Stache, der einen inhaltlichen Wandel der Serie von militaristischen Tendenzen hin zu einer pazifistischen Handlungskonzeption ab Mitte der 1970er Jahre beschreibt.38 Mit der Untersuchung tritt erstmals die detaillierte Betrachtung der Texte an die Stelle der dem Identifizieren von Schemata und Formeln gewidmeten Textanalyse. Zugleich wird dem Prinzip der Serialität Rechnung getragen, indem der Text in seinem veränderlichen und veränderbaren Charakter betrachtet wird.39 Neuere Arbeiten aus der Literaturwissenschaft liefern Detailuntersuchungen inhaltlicher und ästhetischer Fragen. So finden sich etwa in dem 2003 erschienenen Sammelband Spurensuche im All40 Beiträge zur Übersetzung der Perry Rhodan-Romane 41 sowie zu deren politischer Ausrichtung in Vergangenheit und
38 Nach Stache leitete der ab Band 600 zunehmend verantwortliche Autor und Exposéredakteur William Voltz diese einschneidende Veränderung der Serie ein. Vgl. Rainer Stache: Perry Rhodan. Überlegungen zum Wandel einer Heftromanserie. Tübingen 1986 (SF Science; 3), zugl. Diss. Berlin 1985, S. 41-44 und S. 65-71. Eine weitere Neuausrichtung der Serie, die die Balance zwischen kampfbasierter Action und moralischem Anspruch sucht, wurde nach Teuscher in den 1980er Jahren spürbar. Vgl. Teuscher 1999, S. 90f. 39 Ergänzungen und Aktualisierungen seiner inhaltlichen Untersuchung nimmt Stache in weiteren Aufsätzen zur Serie vor. Vgl. Rainer Stache 2003b: Der Fluch der Technokraten (1994). In: Ders. 2003a: Perry Rhodan. Überlegungen zum Wandel einer Heftromanserie. Berlin, 2. Auflage 2003, S. 231-245; Rainer Stache 2003c: Die Serie mit dem Zellaktivator (2002). In: Ders. 2003a, S. 246-254; Rainer Stache 2003d: Der Leser als Maßstab. Die Serie muss die Leser ernstnehmen, sonst wird sie von den Lesern nicht mehr ernstgenommen werden. In: Bollhöfener/Farin/Spreen 2003, S. 133-151. 40 Bollhöfener/Farin/Spreen 2003. 41 Vgl. Rainer Nagel: Perry Rhodan in der Übersetzung. Perspektiven der internationalen Rezeption aus linguistischer Sicht. In: Bollhöfener/Farin/Spreen 2003, S. 48-67.
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Gegenwart42, zu Geschlechterverhältnissen43 oder zum Gottesbild44 innerhalb der Serie. Zahlreiche Betrachtungen produktionsästhetischer Aspekte sowie motivgeschichtliche und genreästhetische Untersuchungen hat Hartmut Kasper vorgelegt, der auch als Autor für die Perry Rhodan-Serie tätig ist.45 Daneben betrachtet beispielsweise Ralf Wohlgemuth humoristische Elemente der Serie 46 und Björn Lorenz befasst sich in seiner Magisterarbeit mit inhaltlichen und strukturellen Merkmalen; neben Figuren, Handlung und zentralen Motiven nimmt er dabei den Aufbau der einzelnen Hefte, die zyklische Struktur, die Erzählperspektive und die serielle Form von Perry Rhodan sowie auch die Aufgabenteilung bei der Gemeinschaftsproduktion der Serie in den Blick.47 Die genannten Arbeiten stehen für einen veränderten Umgang mit populärliterarischen Texten inner-
42 Vgl. Gregor Sedlag: Der Perry-Rhodan-Kosmos als Reflex der politischen Geschichte der BRD. In: Bollhöfener/Farin/Spreen 2003, S. 152-162. 43 Vgl. Regina Schleicher: Gender mit wenig Sex. Geschlechterverhältnisse in der Heftserie Perry Rhodan. In: Bollhöfener/Farin/Spreen 2003, S. 121-132. 44 Vgl. Alexander Seibold: Der Gott der Terraner. In: Bollhöfener/Farin/Spreen 2003, S. 163-180. 45 Vgl. Hartmut Kasper: Perry Rhodan. In: Ders. (Hg.): Deutsche Helden. Luis Trenker, Perry Rhodan, Steffi Graf und viele andere. Leipzig 1997, S. 139-145; Hartmut Kasper: Perry Rhodan – Ecce homo. In: Ästhetik und Kommunikation 30 (1999), S. 8186; Hartmut Kasper 2000a: Übersinnliches und Unterirdisches. Anmerkungen zur Hohlwelttheorie, ihrer Geschichte und ihrer Entwicklung zum SF-Motiv. In: Das Science Fiction Jahr 15 (2000), S. 669-692; Hartmut Kasper 2000b: Menschenknochen und ein Damenschuh – Rhodan muss in der Nähe sein! Über einige Materiequellen im Perry-Rhodan-Universum. In: Das Science Fiction Jahr 15 (2000), S. 693-710; Hartmut Kasper: Unsere Männer im All. Kleine Anatomie der deutschen ZukunftsromanSerienhelden und ihrer Begleiter(innen). In: Das Science Fiction Jahr 17 (2002), S. 617-641; Hartmut Kasper: Robby, ES und THOREGON – die Entwicklung der Superintelligenz im Perry-Rhodan-Kosmos. Eine motivgeschichtliche Vorstudie. In: Bollhöfener/Farin/Spreen 2003, S. 107-120; Hartmut Kasper: Perry Rhodan – der Erbe der Space Opera. Über das Motiv des singenden Cowboys und einige damit verwandte Aspekte in der deutschen Weltraumserie. In: Das Science Fiction Jahr 19 (2004), S. 69-98; Hartmut Kasper: Perry Rhodan. In: Heinz Ludwig Arnold (Hg.): Kindlers Literatur-Lexikon. Bd. 12. Stuttgart/Weimar, 3., völlig neu bearb. Auflage 2009, S. 708-710. 46 Vgl. Wohlgemuth 2009. 47 Vgl. Björn Lorenz: Perry Rhodan. Struktur und Erfolgsregeln einer Romanheftserie. Göttingen 2007 (unveröffentlichte Magisterarbeit).
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halb der literaturwissenschaftlichen Forschung, die diese nun als Untersuchungsgegenstand ernst nimmt und sich weitaus differenzierter und unvoreingenommener mit deren Ästhetik befasst. Auch das Bild der HeftromanleserInnen hat sich seit den 1970er Jahren maßgeblich verändert.48 So wurde etwa in Leserbrief-Analysen zu Heftromanserien die aktive Leistung der LeserInnen bei der Rezeption belegt.49 Gegenüber den empiriefernen Arbeiten der 1970er Jahre entstanden auch zur Perry RhodanSerie Untersuchungen, die die empirischen LeserInnen ins Zentrum stellen und deren kenntnisreiche Rezeption und kreativen Umgang mit der Serie betonen.50 Zudem liefern quantitative Erhebungen Daten, die das ältere LeserInnenbild revidieren. Die umfassendste empirische Studie zu HeftromanleserInnen, die der Literatursoziologe Walter Nutz 1999 vorgelegt hat, 51 belegt, entgegen älteren Untersuchungen, die eine Zuordnung von Populärliteratur zu den unteren Gesellschaftsschichten vornehmen, 52 dass HeftromanleserInnen in allen sozialen
48 Auch unter den neueren Arbeiten gibt es dabei solche, die das in der Trivialliteraturforschung vertretene Leserbild fortschreiben. Cordula Günther weist auf die weite Verbreitung und langfristige Wirksamkeit dieses stereotypen Bilds von HeftromanleserInnen hin. Vgl. Günther 1999a, S. 4 und S. 6. Dörner und Vogt merken an, „dass die alten Stereotype zur Unterscheidung von ‚hoher‘ und ‚trivialer‘ Literatur auch dort noch zur Geltung kommen, wo gerade das Abrücken von denselben wortreich proklamiert wird.“ Dörner/Vogt 2013, S. 244. 49 Vgl. Wolfgang Schemme: Aktionsfeld Horror-Heftroman. Ergebnisse einer Leserbrief-Analyse. In: Wirkendes Wort 33 (1983), H. 1, S. 309-326; Krämer 1990. 50 Vgl. z.B. Werner Graf: Die Rätselwelt. Auskunft über tausend Wochen PerryRhodan-Lektüre. In: Hans Joachim Alpers/Walter A. Fuchs/Hansjürgen Kaiser (Hg.): Science Fiction Jahrbuch 1983. Rastatt 1982, S. 95-115; Rolf Kellner: ScienceFiction-Leser. Umfrage-Ergebnisse über das Fandom. Tübingen 1983 (SF Science; 1). 51 Nutz präsentiert hier die Ergebnisse von zwei Fragebogenerhebungen zu HeftromanleserInnen aus den Jahren 1986 und 1989/1990. Die Ergebnisse wurden bereits 1991 veröffentlicht und werden in der Publikation von 1999 um Detailanalysen und Fallbeispiele aus Briefen von HeftromanleserInnen an den Autor sowie eine theoretische Reflexion ergänzt. Vgl. Walter Nutz/Volker Schlögell: Die Heftroman-Leserinnen und Leser in Deutschland. Beiträge zur Erfassung popularkultureller Phänomene. In: Communications 16 (1991), H. 2, S. 129-223; Nutz 1999. 52 Vgl. z.B. Nusser 1973. Diese Festlegung der Schichtzugehörigkeit von HeftromanleserInnen war innerhalb der frühen „Trivialliteraturforschung“ weithin verbreitet. Sie findet sich auch in Studien aus der Volkskunde, etwa bei Bausinger 1968, S. 407.
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Schichten zu finden sind.53 Die Nutzung von Heftromanen ist damit nicht auf eine bestimmte, durch soziale Kriterien definierte Klientel festgelegt. Das Heftromanpublikum wiederum beschränkt sich nicht auf die Nutzung dieser Art von Literatur. So betont Cordula Günther in ihrer qualitativen Studie zu HeftromanleserInnen aus dem Gebiet der ehemaligen DDR, die ProbandInnen seien zugleich ausgeprägte Buch- und VielleserInnen54 und praktizierten einen ‚Bricolage‘-Stil, der die Nutzung hoch- und populärkultureller medialer Angebote verbinde.55 Insgesamt betrachtet, liegt der thematische Schwerpunkt der Heftromanforschung – und dies gilt auch für die Arbeiten zur Perry Rhodan-Serie – jedoch nach wie vor auf der Textanalyse.56 Untersuchungen zur Leserschaft und Nutzung von Heftromanen, wie von Populärliteratur insgesamt, sind rar.57 Die bisherige Forschung nimmt hier vor allem Fanpraktiken, wie beispielsweise die Mitgliedschaft in Clubs58, den Besuch von Conventions59 oder das Schreiben von Leserbriefen60, in den Blick.61 Mit den Fans wird dabei ein kleiner, sehr aktiver
53 Vgl. Nutz 1999, S. 174 und S. 176. Nutz stellt zwar eine „Tendenz auf die Angehörigen der unteren Mittel- bzw. der Unterschicht“ (S. 174) fest, das Spektrum der HeftromanleserInnen sei jedoch „ähnlich ausdifferenziert wie die Gesamtbevölkerung“ (S. 176). 54 Vgl. Günther 1999a, S. 16f. 55 Vgl. ebd., S. 14f. Günther liefert darüber hinaus noch weitere Ergebnisse, die die von der „Trivialliteraturforschung“ geprägte Vorstellung der Heftromanleserschaft relativieren. Vgl. ebd., S. 19-25. Zu Perry Rhodan-LeserInnen hat sie eine Einzelstudie vorgelegt, die eine ausführliche Diskussion älterer LeserInnenstudien zur Serie vornimmt und das dort vertretene LeserInnenbild revidiert. Vgl. Günther 1999b, v.a. S. 47. 56 Vgl. hierzu auch Günther 1999a, S. 4. 57 Vgl. Kaspar Maase: Trivialliteratur. In: Rolf Wilhelm Brednich (Hg.): Enzyklopädie des Märchens. Bd. 13. Berlin 2010, Sp. 944-954, hier Sp. 946; David Glover/Scott McCracken 2012b: Introduction. In: Dies. (Hg.) 2012a: The Cambridge Companion to Popular Fiction. Cambridge u.a. 2012 (Cambridge Companions to Literature), S. 1-14, hier S. 9. 58 Vgl. Hallmann 1979; Wolfgang Both/Hans-Peter Neumann/Klaus Scheffler: Berichte aus der Parallelwelt. Die Geschichte des Science Fiction-Fandoms in der DDR. Passau 1998. 59 Vgl. Kellner 1983. 60 Vgl. Hallmann 1979; Schemme 1983; Krämer 1990.
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und gut sichtbarer Teil der Leserschaften betrachtet. Die alltägliche Nutzung und die, in der Anzahl überwiegenden, LeserInnen, die Heftromane rezipieren, ohne sich dabei mit anderen zu vernetzen, sind weitaus seltener Gegenstand der Untersuchung. Eine Ausnahme stellen hier Cordula Günthers im Rahmen des DFGProjekts „Produktion, Distribution und Rezeption von Heftromanen“ entstandene Publikationen dar, deren Fokus auf der ‚gewöhnlichen‘ Rezeption, jenseits eines fankulturellen Rahmens, liegt.62 Günther legte 1999 die einzige umfangreichere qualitative Studie vor, die sich schwerpunktmäßig mit der Nutzung der Perry Rhodan-Serie befasst. Sie nimmt dabei lesesozialisatorische Aspekte sowie aktuelle Rezeptionsweisen der LeserInnen in den Blick und widmet sich, neben den Nutzungspraktiken und dem damit verbundenen „Medien- und Lebenskontext“63, auch den individuellen Sinnzuschreibungen und den Literaturbegriffen der LeserInnen. Die Studie gibt einen detaillierten Einblick in die Praktiken von Perry Rhodan-LeserInnen. Insbesondere in Bezug auf Serialität bleibt jedoch Anlass zu weiterer Forschung bestehen, so dass es lohnenswert ist, die Serie gezielt unter diesem Aspekt zu betrachten. Neben der Forschung zu LeserInnen und ihren Praktiken bilden Untersuchungen, vor allem neueren Datums, zur Produktion und Distribution von Heftromanen ein weiteres Desiderat.64
61 Zu Heftromanen und ihren Fans liegt auch aus dem nichtakademischen Bereich eine Vielzahl von Veröffentlichungen vor. Zu nennen sind hier insbesondere die Arbeiten von Heinz J. Galle, der sich unter anderem in einem dreibändigen Werk mit der Geschichte der deutschsprachigen Populärliteratur befasst (vgl. Heinz J. Galle: Volksbücher und Heftromane. Streifzüge durch über 100 Jahre populäre Unterhaltungsliteratur. Bd. 1-3. Lüneburg 2005-2006) sowie die Blätter für Volksliteratur des österreichischen „Vereins der Freunde der Volksliteratur“ die Aufsätze zu unterschiedlichen Aspekten des Heftromans sowie des Heftromanmarktes publizieren. Verein der Freunde der Volksliteratur (Hg.): Blätter für Volksliteratur. Wien, seit 1962. 62 Vgl. Günther 1999a; Günther 1999b. Sowohl die Studie zum Heftromanlesen in Ostdeutschland als auch die Detailstudie zu Perry Rhodan-LeserInnen gingen aus dem genannten Projekt der Außenstelle Leipzig des Kulturwissenschaftlichen Instituts Nordrhein-Westfalen hervor. 63 Günther 1999b, o. S. 64 Viele ältere Studien befassen sich, mehr oder weniger ausführlich, mit Herstellungsund Verbreitungsprozessen der Romane. Vgl. z.B. Klaus Ziermann: Romane vom Fließband. Die imperialistische Massenliteratur in Westdeutschland. Berlin 1969, zugl. Diss. Berlin; Davids 1975, v.a. S. 213-222; Pforte 1976; Domagalski 1981, v.a. S. 106-110. Zur Perry Rhodan-Serie vgl. Ellerbrock/Ellerbrock/Thieße 1977, S. 13-16
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Eine Studie zur Heftromannutzung, die gezielt Aspekte der Produktion und Distribution sowie Qualitäten der Lesestoffe selbst integriert, existiert bislang nicht. Die vorliegende Arbeit verfolgt nun genau dieses Ziel, indem sie in ihre breit angelegte Untersuchung von Lektürepraktiken auch die ästhetische wie materielle Beschaffenheit der Heftromane einbezieht und zudem auf Herstellungsprozesse, Verbreitung und Kauf der Perry Rhodan-Serie detailliert eingeht; in diesem Zuge werden auch neuere Entwicklungen des Heftromanmarkts betrachtet, der, insbesondere im Zusammenhang mit Digitalisierungsprozessen, gerade in den letzten Jahren stark in Veränderung begriffen ist. Der Fokus liegt dabei auf den serialitätsbezogenen Prozessen und Praktiken der Lektüre.
2.2 ANSÄTZE
UND
D ESIDERATE
DER
L ESE ( R ) FORSCHUNG
Die wesentlichen Ansätze und Linien der neueren Lese(r)forschung entwickelten sich ohne Berücksichtigung des Heftromans und weitgehend ohne Bezug auf die Spezifika von Serien und Serialität. 65 Im Folgenden sind deshalb Anschlusspunkte und Desiderate zu skizzieren, die für die vorliegende Studie relevant sind.
und S. 52-56; Hallmann 1979, S. 51-118; Stache 1986, S. 72-95. Aktuelle Studien fehlen jedoch. Vgl. hierzu auch Günther 1999a, S. 8. 65 Wichtige Ergebnisse stammen hier aus der Buchmarktforschung und der Medienforschung des Rundfunks, die sich LeserInnen und Lesen mit den Methoden der Demoskopie nähern. Vgl. Bonfadelli 1998, S. 80-82. Einen Überblick über die Schwerpunkte der Buchmarktforschung gibt Ludwig Muth, mit besonderer Berücksichtigung der Studien des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Vgl. Ludwig Muth 1993b: Einführung. Buchmarktforschung – Wozu? In: Ders. (Hg.) 1993a: Der befragte Leser. Buch und Demoskopie. München u.a. 1993, S. 1-25. Neuere Studien gibt vor allem der Börsenverein des Deutschen Buchhandels heraus, der zugleich die langjährigste systematische Forschung zum Buchkauf und zur Buchnutzung in Deutschland betreibt. Vgl. Michael Kollmannsberger: Buchmarktforschung als Grundlagenforschung und angewandte Forschung. Dargestellt am Beispiel der Buchmarktforschung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels in Zusammenarbeit mit dem Institut für Demoskopie Allensbach von 1967 bis 1988. Diss. München 2000, S. 1 und S. 234f. Daneben veröffentlicht die Stiftung Lesen in regelmäßigen Abständen umfassende Untersuchungen zum Leseverhalten in Deutschland. Die zwei letzten umfassenden Publikationen datieren von 2001 und 2008. Vgl. Stiftung Lesen/Spiegel-Verlag (Hg.): Leseverhalten in Deutschland im neuen Jahrtausend. Eine Studie der Stiftung Lesen. Mainz/Hamburg 2001 (Lesewelten; 3); Stiftung Lesen (Hg.): Lesen in Deutschland
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2.2.1 Lesen und seine vielfältigen Zusammenhänge Für eine empirisch-kulturwissenschaftliche Perspektive, die sich für die alltäglichen Zusammenhänge des Lesens interessiert, sind freilich solche Forschungsrichtungen zentral, die, jenseits eines (klassisch-)literaturwissenschaftlichen Verständnisses von Lesen als Textrezeption, unter „Lektüre“ den Umgang mit Lesestoffen in einem weiteren Sinn begreifen und ihren Blick auf Lesen als Praxis richten. Die vorliegende Studie schließt damit an die im Bereich der Lese(r)forschung seit den 1970er Jahren dominierende Nutzungsforschung an, die sich mit dem Uses-and-Gratifications-Approach gegenüber dem zuvor verbreiteten Paradigma der Wirkungsforschung etablierte.66 Während dieser Ansatz seine Aufmerksamkeit jedoch vor allem auf die Seite der RezipientInnen richtet und damit die spezifischen Qualitäten der Lesestoffe weitgehend unberücksichtigt lässt,67 wählt die vorliegende Studie einen Zugang, der das Zusammenspiel von LeserIn und Lesestoff in den Fokus rückt. Hiermit knüpft sie an ethnografische Lese(r)studien an, die, in der Perspektive der Cultural Studies, die Interaktion von LeserIn und Text betrachten sowie Lesen in seinen alltäglichen Kontexten in
2008. Eine Studie der Stiftung Lesen. Mainz 2009. Neuere Daten liefert vor allem die Zeitschrift Media Perspektiven der ARD-Werbung Sales & Services GmbH sowie die Langzeitstudie Massenkommunikation, die zuletzt 2010 durchgeführt wurde. Vgl. Helmut Reitze/Christa-Maria Ridder (Hg.): Massenkommunikation VIII. Eine Langzeitstudie zur Mediennutzung und Medienbewertung 1964-2010. Frankfurt a.M. 2011 (Schriftenreihe Media Perspektiven; 21). 66 Vgl. Erich Schön: Buchnutzungsforschung. In: Dietrich Kerlen/Inka Kirste (Hg.): Buchwissenschaft und Buchwirkungsforschung. VIII. Leipziger Hochschultage für Medien und Kommunikation. Leipzig 2000, S. 113-130, hier S. 124-130. Schön geht detailliert auf die Vorteile des Nutzenansatzes ein. Indem dieser, anstatt von Textmerkmalen direkt auf deren Effekte rückzuschließen, den Blick auf die Rolle der RezipientInnen im Lektüreprozess lenke, ließen sich mit ihm Dispositionen und Motivationen der Nutzung besser erfassen, unterschiedliche Lesemodi herausarbeiten und Wechselwirkungen zwischen Lesen und Gesamtmediennutzung betrachten. Zur aktiven Rolle der RezipientInnen im Rahmen des Uses-and-Gratifications-Ansatzes vgl. auch Schilling 2001, S. 565f.; Nathalie Huber: Den Motiven auf der Spur. Chancen und Grenzen von qualitativen Studien zur Mediennutzung. In: Dies./Michael Meyen (Hg.): Medien im Alltag. Qualitative Studien zu Nutzungsmotiven und zur Bedeutung von Medienangeboten. Berlin 2006 (Mediennutzung; 7), S. 13-42, hier S. 15f.; Bechdolf 2007, S. 293f. 67 Vgl. Schön 2000, S. 122f.
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den Blick nehmen,68 hält dabei jedoch Distanz zu solchen Arbeiten, indem sie Lesen nicht primär unter dem Aspekt der Bedeutungsgenerierung betrachtet. Die niederländische Medienforscherin Joke Hermes hat in ihrer Studie über LeserInnen von Frauenzeitschriften auf eine „fallacy of meaningfulness“69 hingewiesen, die viele Arbeiten aus dem Kontext der Cultural Studies kennzeichne. Indem diese Lesen isoliert von der übrigen alltäglichen Mediennutzung betrachteten und sich auf wissensreiche („knowledgeable“ 70 ) NutzerInnen bzw. Fans konzentrierten, gelangten sie irrtümlicherweise zu dem Schluss, dass bei der Nutzung populärer Lesestoffe notwendigerweise die Produktion von Bedeutung im Vordergrund stehe.71 Hermes hebt demgegenüber das Vermögen der Frauenmagazine hervor, sich in die täglichen Routinen ihrer NutzerInnen einzupassen und geht damit Aspekten der Nutzung nach, die nicht zuvorderst an die Inhalte
68 Als exemplarisch für diese Sichtweise kann, obwohl sie nicht im Birminghamer Kontext entstand, Janice Radways 1984 erschienene Studie zu Leserinnen von Liebesromanen gelten. Vgl. Janice A. Radway: Reading the Romance. Women, Patriarchy, and Popular Literature. Chapel Hill u.a., 2. Auflage 1985. Mit der Medienforschung der Cultural Studies teilt Radway eine semiotische Perspektive auf Mediennutzung. Lesen wird hier primär als interpretativer Prozess in den Blick genommen, bei dem die LeserIn, im Zusammenhang der alltäglichen Nutzung, die jeweilige Textbedeutung herstellt. (Vgl. S. 8) Von einem Standpunkt aus, der Rezeption als „Aneignung“ medialer Angebote begreift, wird Lesen als widerständiger Akt gedeutet, der eine Distanzierung von Textinhalten und eine Nutzung entgegen der von den ProduzentInnen intendierten Bedeutungen ermöglicht. (Vgl. S. 221f.) Für die Liebesroman-Leserinnen habe die Lektüre die Funktion einer „declaration of independence“ (S. 14), indem sie Freiräume im Alltag schaffe und die Leserinnen von ihren Pflichten und Verantwortlichkeiten als Ehefrauen und Mütter entlaste. (Vgl. S. 14) Zur Studie von Radway vgl. auch Joke Hermes: Reading Women’s Magazines. An Analysis of Everyday Media Use. Cambridge 1995, S. 13f.; Hans-Otto Hügel 2003b: Romanheft. In: Ders. (Hg.) 2003a: Handbuch Populäre Kultur. Begriffe, Theorien und Diskussionen. Stuttgart/Weimar 2003, S. 376-383, hier S. 382; Nicola Humble: The Reader of Popular Fiction. In: Glover/McCracken 2012a, S. 86-102, hier S. 86f. Eine umfassende Erläuterung der Studie sowie späterer Arbeiten Radways geben Dörner und Vogt. Vgl. Dörner/Vogt 2013, S. 199-204. 69 Hermes 1995, S. 12. 70 Ebd., S. 14. 71 Vgl. ebd., S. 14-16 und S. 148.
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der Lesestoffe gebunden sind.72 Für die LeserInnen sei ein wesentliches Moment der Magazine, „that they blend in easily with other obligations, other duties and activities. Women’s magazines as a text are not highly significant, but as an everyday medium the are a means of filling a small break and or relaxing that does not interrupt one’s schedule, because they are easy to put down.“73
Die Lektüre der Zeitschriften werde etwa für kurze Pausen während der Hausarbeit genutzt; sie diene als Mittel zur Entspannung und gegen Langeweile.74 Des Weiteren vermittelten die Magazine praktisches Wissen, etwa durch Rezepte, Tipps für Haushalt und Garten oder medizinische Ratschläge.75 Über den praktischen Wert hinaus trage die Lektüre der Magazine dabei zur Identitätsbildung und Erlangung von Selbstvertrauen bei,76 indem diese den LeserInnen die Möglichkeit böten, „to fantasize about being well-organized, perfect women who keep the tips they collect in handy files, who can find the right recipe or tip whenever they want to“77. Indem die Frage nach der alltäglichen Nutzung jenseits interpretativer Zusammenhänge gestellt wird, rücken Elemente des Lesens in den Blick, die über die Interaktion von LeserIn und Text hinausweisen, Aspekte, die zwar nicht unmittelbar sinngenerierend fungieren, aber dennoch einen nicht zu verleugnenden Anteil am Leseerlebnis haben. Nimmt man dies ernst, so müssen die alltäglichen Bedingungen des Lesens in ihren unterschiedlichen Qualitäten viel stärker als bislang in der Lese(r)forschung üblich berücksichtigt werden. Bereits vor mehr als drei Jahrzehnten legte der französische Schriftsteller und Filmemacher Georges Perec einen erhellenden Essay vor, in dem er „eine Ökonomie der Lektüre unter ihren ergologischen (Physiologie, Muskelarbeit) und sozio-ökologischen (raum-zeitliche Umgebung) Aspekten“ 78 entwirft. Im
72 Vgl. ebd., S. 15, S. 19f. und S. 148. 73 Ebd., S. 144. 74 Vgl. ebd., S. 31-36. 75 Vgl. ebd., S. 36-41 und S. 143. 76 Vgl. ebd., S. 48-51. 77 Ebd., S. 49. 78 Georges Perec: Lesen: sozio-physiologischer Abriss. In: Ders.: Denken/Ordnen. Zürich/Berlin 2014, S. 103-120, hier S. 104. Der Aufsatz wurde 1976 erstmals veröffentlicht. Vgl. ebd., S. 167.
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Anschluss an Marcel Mauss’ Die Techniken des Körpers79 beschreibt er Lesen als eine „Tätigkeit“80 des Körpers – der Augen, der Stimme und der Lippen, der Hände, der verschiedenen Haltungen –,81 die in einem jeweils bestimmten Raum, mit jeweils bestimmten zeitlichen Bezügen stattfindet.82 Für eine empirische Betrachtung des Lesens, die Lektürepraktiken in ihren alltäglichen Zusammenhängen in den Blick nimmt, sind diese Dimensionen essenziell und scheinbar selbstverständlich. Jedoch liegen gerade hier wesentliche Desiderate der empirischen Lese(r)forschung. Lesen, darauf hat auch der Literaturwissenschaftler Scott McCracken in seiner Betrachtung visueller und literarischer Repräsentationen von LeserInnen und Lektürepraktiken auf überzeugende Weise hingewiesen, ist ein körperlich und materiell-räumlich gebundener Prozess, der von verschiedenen Ebenen der Zeitwahrnehmung bestimmt wird.83 Entgegen seiner oberflächlichen Anmutung als scheinbar stillgestellter, beinahe zeitenthobener Zustand, bezieht Lesen immer auch die physische Aktivität der Lesenden mit ein, ebenso wie deren Situiertheit in einer bestimmten Umgebung und ihre Beziehung zur Materialität des Lesestoffs. 84 Die vorliegende Studie setzt hier an, indem sie diese ‚kontextuellen‘ Faktoren der Lektüre, die auch in ethnografischen Studien bislang eher randständig behandelt wurden, ausdrücklich in ihre Betrachtung integriert – ohne dabei die spezifischen Qualitäten des Lesestoffs selbst zu vernachlässigen. Lesen wird hier als „ästhetische Erfahrung“ im Sinne Kaspar Maases betrachtet,85 die, neben
79 Vgl. Marcel Mauss: Die Techniken des Körpers. In: Ders.: Soziologie und Anthropologie. Bd. 2: Gabentausch, Soziologie und Psychologie, Todesvorstellungen, Körpertechniken, Begriff der Person. München/Wien 1975, S. 197-220. 80 Perec 2014, S. 104. 81 Vgl. ebd., S. 106-112. 82 Vgl. ebd., S. 112-120. 83 Vgl. Scott McCracken: Reading Time. Popular Fiction and the Everyday. In: Glover/McCracken 2012a, S. 103-121. 84 Vgl. ebd., v.a. S. 105f. und S. 108-110. 85 Vgl. Kaspar Maase: „... ein unwiderstehlicher Drang nach Freude“. Ästhetische Erfahrung als Gegenstand historischer Kulturforschung. In: Historische Anthropologie 8 (2000), H. 3, S. 432-444; Kaspar Maase 2008b: Einleitung: Zur ästhetischen Erfahrung der Gegenwart. In: Ders. (Hg.) 2008a: Die Schönheiten des Populären. Ästhetische Erfahrung der Gegenwart. Frankfurt/New York 2008, S. 9-26; Kaspar Maase 2008c: Die Erforschung des Schönen im Alltag. Sechs Thesen. In: Ders. 2008a, S. 4257; Kaspar Maase: Der Banause und das Projekt des schönen Lebens. Überlegungen
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den spezifischen Dispositionen der LeserInnen und den Qualitäten des Lesestoffs, auch körperliche und räumliche Aspekte miteinbezieht: „‚[S]chön‘ bezeichnet den Rezipienten die Qualität eines gesamten Settings, eines bewußt geschaffenen Arrangements, in dem äußere Bedingungen, körperbezogene Praktiken und subjektive Erfahrungssuche zusammenwirken. [...] Das Ambiente ist untrennbarer Teil der Erfahrung, nicht nur Mittel, sondern Gegenstand komplexen ästhetischen Genusses.“86
Daneben ist nach Maase auch den „kulturellen Ko-Texten“87 Aufmerksamkeit zu widmen, womit auf die Verbindung des Rezeptionsgegenstandes mit zahlreichen weiteren Texten und Praktiken verwiesen ist, die ebenfalls die Rezeption beeinflussen. Um nun gezielt verschiedene Faktoren in den Blick zu nehmen, die in der Nutzungssituation zusammenkommen und diese auf jeweils medienspezifische Weise mitprägen, eignet sich Knut Hickethiers Begriff des „Dispositivs“88, demzufolge Mediennutzung nicht primär eine inhaltliche Auseinandersetzung von RezipientIn und Rezeptionsgegenstand ist, sondern vielmehr eingebunden in ein medienspezifisches Setting, das die Wahrnehmung strukturiert.89 Der DispositivBegriff führt verschiedene, in der Medienforschung meist getrennt betrachtete Aspekte zusammen, indem er technisch-mediale, räumliche und zeitliche Aspekte sowie gesellschaftliche und kulturelle Ordnungsstrukturen direkt in Beziehung
zu Bedeutungen und Qualitäten alltäglicher ästhetischer Erfahrung. In: Ders.: Das Recht der Gewöhnlichkeit. Über populäre Kultur. Tübingen 2011, S. 238-271. 86 Maase 2000, S. 440. 87 Vgl. Maase 2008b, S. 17. 88 Vgl. Knut Hickethier: Apparat – Dispositiv – Programm. Skizze einer Programmtheorie am Beispiel des Fernsehens. In: Ders./Siegfried Zielinski (Hg.): Medien/Kultur. Schnittstellen zwischen Medienwissenschaft, Medienpraxis und gesellschaftlicher Kommunikation. Berlin 1991, S. 421-447, hier v.a. S. 430-433; Knut Hickethier: Dispositiv Fernsehen. Skizze eines Modells. In: montage/av 4 (1995), H. 1, S. 63-83; Knut Hickethier: Einführung in die Medienwissenschaft. Stuttgart/Weimar, 2., aktual. und erw. Auflage 2010, S. 19-22; Knut Hickethier: Film- und Fernsehanalyse. Stuttgart/Weimar, 5., aktual. und erw. Auflage 2012, S. 186-200. Hickethiers Modell geht zurück auf den, zunächst nicht auf Medien angewandten, Dispositiv-Begriff Michel Foucaults und dessen Rezeption durch die französische und US-amerikanische Medientheorie. Vgl. Hickethier 2010, S. 183 und S. 186f.; Hickethier 2012, S. 19. Zur Begriffsgeschichte vgl. auch Schilling 2001, S. 566f. 89 Vgl. Hickethier 2010, S. 187-200.
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zur Wahrnehmung der NutzerInnen setzt.90 Mit Blick auf das Kino formuliert Hickethier: „Zur technischen Apparatur kommen weitere Faktoren, die die mediale Anordnung ergänzen. Technik ist räumlich in einer Konstellation zum Betrachter platziert. Dies führt in der Regel zu besonderen architektonischen Raumformen (Kinoarchitektur), zu bestimmten zeitlichen Strukturen der Präsentation (Veranstaltungsform), daran binden sich ökonomische, juristische, administrative Strukturen (Kinozensur, Kinosteuer, FSK-Bewertung etc.). Das Dispositiv wird also in spezifische gesellschaftliche Institutionalisierungen eingebunden, die Teil der Anordnungsstruktur werden.“91
Auch Faktoren, die in der konkreten Rezeptionssituation zunächst nicht unmittelbar sichtbar sind, wie etwa gesellschaftliche Diskurse und Machtverhältnisse,92 bestimmten damit die Mediennutzung mit. Dispositive geben dabei nicht eine bestimmte Rezeptionsweise vor, sondern ermöglichen unterschiedliche Arten des Umgangs.93 Trotz ihrer zunächst statischen Konzeption sind Dispositive historisch veränderlich.94 So können bereits geringe Modifikationen der technischen Apparaturen zu stark variierenden Nutzungsweisen führen, wie Hickethier am Beispiel der Fernbedienung ausführt: Diese habe aufgrund der erleichterten Möglichkeit des Umschaltens zu einer segmentierteren Rezeptionsweise des Fernsehprogramms geführt. 95 Hickethier geht in seinen Arbeiten insbesondere auf die Dispositive Kino, Fernsehen, Radio und Internet ein. Lesestoffe sind nicht Teil seiner Betrachtungen. Als Charakteristikum des Bücherlesens, und damit als wesentlichen Bestandteil dessen, was man als „Dispositiv Buch“ bezeichnen könnte, beschreibt Martina Gilges dessen Status als „‚harte‘ Freizeitbeschäftigun[g]“ 96 , indem es eine vergleichsweise anspruchsvolle Form der Medienrezeption darstelle. Im Vergleich zum Fernsehen oder Radio hören verlange „[d]as Lesen von Büchern [...] seinen Nutzern ein größeres Maß an Motivation, Eigeninitiative, Aktivität und
90 Vgl. v.a. Hickethier 2012, S. 21. 91 Hickethier 2010, S. 190. 92 Vgl. ebd., S. 193. 93 Vgl. Hickethier 1995, S. 74. 94 Vgl. Hickethier 2010, S. 198; Hickethier 2012, S. 20. 95 Vgl. Hickethier 1995, S. 75. 96 Martina Gilges: Lesewelten. Geschlechtsspezifische Nutzung von Büchern bei Kindern und Erwachsenen. Bochum 1992 (Frauen und Massenmedien; 3), S. 14.
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Konzentration“ ab. 97 Zum Image des Buches gehöre dessen Verbindung mit Wissenserwerb und einer fokussierten Rezeption ohne gleichzeitige Nebentätigkeiten oder begleitende Kommunikation, das diesem ein hohes Ansehen verschaffe – gerade auch gegenüber einem primär als unterhaltend betrachteten und mitunter auch „nebenbei“98 genutzten Medium wie dem Fernsehen.99 Ein wichtiges Merkmal von Büchern sei ihre dauerhafte Verfügbarkeit, gleichzeitig werde mit ihnen eine fehlende Aktualität verbunden.100 Bei der Untersuchung des Lesens einer Heftromanserie sind nun gerade auch jene Aspekte zu berücksichtigen, die das Heftromanformat vom Buchformat und damit auch die jeweiligen Nutzungsmöglichkeiten voneinander unterscheiden. Indem die vorliegende Untersuchung die Bedingungen in den Blick nimmt, unter denen alltägliches Heftromanlesen stattfindet, widmet sie sich gezielt den Spezifika des Dispositivs Heftromanserie und den damit verbundenen Formen der Nutzung. Sie fragt damit nicht nur nach medialen Aspekten der Heftromane als Printmedien, sondern insbesondere auch nach ihren formatspezifischen Qualitäten. Die in der Lese(r)- und Medienforschung vorhandenen Ansätze erfassen stets nur Teilaspekte der Lektüreerfahrung ohne diese systematisch aufeinander zu beziehen. Während der Begriff des „Dispositivs“ geeignet ist, um medienspezifische Aspekte der Nutzung zu betrachten, müssen darüber hinaus auch die Wechselwirkungen der Lektüre mit der Rezeption anderer Medien berücksichtigt werden.101 Literarische Werke stehen dabei immer häufiger in einem Verbund mit weiteren Medien und Produkten und sind Teil crossmedialer Vermarktungsstra-
97 Vgl. ebd., S. 13-15. 98 Ebd., S. 14. 99 Vgl. ebd., S. 14f. 100 Vgl. ebd. 101 In der Lese(r)forschung setzt sich eine Perspektive, die das mediale Umfeld miteinbezieht, zunehmend durch. Vgl. Bonfadelli 1998, S. 79. Die neuere Lesesozialisationsforschung etwa nimmt Lesen als Teil einer umfassenderen Mediensozialisation in den Blick. Vgl. Hartmut Eggert/Christine Garbe: Literarische Sozialisation. Stuttgart, 2., aktual. Auflage 2003 (Sammlung Metzler; 287), S. 53. Sie betrachtet Lektüre nicht isoliert, sondern „im Kontext und in der Verflechtung verschiedener medialer Angebote und Medienformen“ Norbert Groeben u.a.: Das Schwerpunktprogramm „Lesesozialisation in der Mediengesellschaft. In: Ders. (Hg.): Lesesozialisation in der Mediengesellschaft. Ein Schwerpunktprogramm. Tübingen 1999 (Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur – Sonderheft; 10), S. 1-26, hier S. 1.
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tegien.102 Der Aspekt der Medienkonvergenz, im Sinne einer „multimediale[n] Verschmelzung mit zunehmenden Möglichkeiten von Interaktivität“103, ist dabei für eine Serie wie Perry Rhodan besonders relevant, insofern als sich – als Ergebnis einer umfassenden und anhaltenden Diversifizierung – die serielle Erzählung innerhalb eines breiten Medienspektrums entfaltet.104 Die Serie ermöglicht damit potenziell eine Nutzung, die sich über das Romanheft hinaus auf eine Vielfalt von Medien erstreckt. Eine zunehmend wichtige Rolle im Zusammenhang von Diversifizierung und medialer Konvergenz spielen freilich die Optionen des Internets, das einerseits die Vertriebsstruktur und das Marketing des Literaturbetriebs erweitert, andererseits auch die Nutzung von Literatur prägt.105 Onlinequellen werden nicht nur zum Kauf von Büchern genutzt, sie spielen auch als Informationsmöglichkeit über Literatur eine wichtige Rolle 106 sowie für die Rezeption selbst und zum
102 Zum Begriff des „Crossmedia-Marketing“ vgl. Uli Gleich: Crossmedia – Schlüssel zum Erfolg? Verknüpfung von Medien in der Werbekommunikation. In: Media Perspektiven 34 (2003), H. 11, S. 510-516, hier S. 510f. http://www.ard-werbung.de/ media-perspektiven/publikationen/fachzeitschrift/2003/artikel/crossmedia-schluesselzum-erfolg, 08.10.2015. 103 Bonfadelli 1998, S. 79 (Herv. i. O.). Zum Begriff der „medialen Konvergenz“ vgl. auch Henry Jenkins: Convergence Culture. Where Old and New Media Collide. New York/London 2010. Mit Diversifizierungspraktiken im Bereich global vermarkteter Literatur und damit zusammenhängenden kulturkritischen Diskursen hat sich Ingrid Tomkowiak anhand der Harry Potter-Reihe befasst. Vgl. Ingrid Tomkowiak: Vom Weltbürger zum Global Player. Harry Potter als kulturübergreifendes Phänomen. In: Fabula 44 (2003), H. 1, S. 79-97. 104 Mit der zunehmenden medialen Vielfalt kompliziert sich die in der Heftromanforschung diskutierte Trennung in die „materielle“ und „immaterielle Produktion“ – verbunden mit den jeweiligen Bezeichnungen „Romanheft“ bzw. „Heftroman“ – zusehends, indem sich die Erzählung zunehmend auch formal von ihrer Bindung an das Medium Heft und die damit verbundenen Produktions- und Rezeptionsweisen löst. Zur Begriffsdiskussion vgl. Pforte 1976; Günther 1999a, S. 11. Die vorliegende Arbeit schließt sich der eingeführten Terminologie an, indem, wenn direkt materielle Aspekte angesprochen sind, von „Heft“ bzw. „Romanheft“ gesprochen wird und im Falle der textbezogenen Analyse der Terminus „Heftroman“ verwendet wird. 105 Vgl. Gesine Boesken: Literarisches Handeln im Internet. Schreib- und Leseräume auf Literaturplattformen. Konstanz 2010, zugl. Diss. Köln 2009, S. 12-14. 106 Fast 40 % der deutschen BundesbürgerInnen nutzen diese Möglichkeit, sich online über Literatur zu informieren. Vgl. Christoph Kochhan/Kristiane Schengbier: Bücher
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Austausch über das Gelesene. Die Bedingungen der Kommunikation im Internet führen dabei zu erweiterten Partizipationsmöglichkeiten von LeserInnen und zu Rollenüberschneidungen von LiteraturproduzentInnen und -rezipientInnen. 107 ‚Anschlusskommunikation‘ und kreative Praktiken der LeserInnen nehmen in diesem Zusammenhang veränderte Formen an. 108 Auch dieser Aspekt erweist sich für die Perry Rhodan-Nutzung als anschlussfähig, da im Bereich der Serie Formen der Onlinekommunikation – insbesondere innerhalb der Fanszene – weit verbreitet sind. Der kurze Überblick über verschiedene Kontexte, in denen sich Lektüre betrachten lässt, zeigt: Lesen ist nicht aus einer isolierten Betrachtung von NutzerIn und Lesestoff heraus zu begreifen, sondern muss als Prozess der wechselseitigen Interaktion verstanden werden, der in verschiedenste Zusammenhänge eingebunden ist, die wiederum auf die Lektüre Einfluss nehmen. Hier ansetzend, verfolgt die vorliegende Studie das Ziel, anhand der Konzentration auf einen bestimmten Lektüregegenstand – mit freilich unterschiedlichen Ausformungen –
und Lesen im Kontext unterschiedlicher Lebenswelten. Nutzung und Bedeutung von Büchern im Medienvergleich unter Berücksichtigung webbasierter Alternativen. In: Media Perspektiven 38 (2007), H. 12, S. 622-633, hier S. 633. http://www.ard-wer bung.de/media-perspektiven/publikationen/fachzeitschrift/2007/artikel/buecher-undlesen-im-kontext-unterschiedlicher-lebenswelten, 08.10.2015. 107 Die zunehmende Verquickung von ProduzentInnen- und RezipientInnenrollen im Bereich populärer Medien tritt in den Studien von Henry Jenkins und Axel Bruns prominent zutage. Vgl. Henry Jenkins: Textual Poachers. Television Fans & Participatory Culture. New York/London 1992 (Studies in Culture and Communication); Henry Jenkins: Fans, Bloggers, and Gamers. Exploring Participatory Culture. New York 2006; Jenkins 2010; Axel Bruns: Blogs, Wikipedia, Second Life, and Beyond. From Production to Produsage. New York 2008 (Digital Formations; 45). Gesine Boesken untersucht diesen Zusammenhang für den Literaturbetrieb. In ihrer Untersuchung zu Online-Literaturplattformen weist sie auf die Durchlässigkeit der Grenzen zwischen den verschiedenen Bereichen der Literaturpublikation, -vermittlung und -kritik im Internet hin. Rollenwechsel erfolgten hier ohne großen Aufwand, da kein Medienwechsel erforderlich sei und NutzerInnen – zumindest potenziell – eine größere Öffentlichkeit erreichen könnten. Vgl. Gesine Boesken: Das Flüchtige archivieren? Literarisches Handeln und Anschlusskommunikation im Internet. In: Melitta Becker (Hg.): Archiv am Netz. Innsbruck 2009, S. 123-133, hier S. 124f.; Boesken 2010, S. 13-16 und S. 46f. 108 Zum Begriff der „Anschlusskommunikation“ siehe Kap. 6.
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die verschiedenen Dimensionen des Lesens in der empirischen Betrachtung zusammenzuführen. Gerade eine solche Verbindung wurde in der empirischen Lese(r)forschung bisher versäumt. Konzeptualisierungen, die erlauben, verschiedene Bereiche des Lesens systematisch aufeinander zu beziehen, sind selten. Eine Ausnahme stellt die durch Siegfried J. Schmidt begründete Empirische Literaturwissenschaft (ELW) dar, die, im Rückgriff auf systemtheoretische Überlegungen, orientiert vor allem an Niklas Luhmann, 109 eine handlungstheoretische Fundierung des Begriffs vom Lesen leistet.110 Indem Lesen dort als „literarisches Handeln“ 111 konzipiert wird, gerät ein weiter Kontext von Faktoren in den Blick, die den Prozess der Lektüre beeinflussen: „Literarisches Handeln meint [...] jegliches Handeln ‚an, mit und für Literatur‘ und umfasst alle Bereiche des Literaturbetriebs
109 Vgl. Siegfried J. Schmidt: Grundriss der empirischen Literaturwissenschaft. Teilband 1: Der gesellschaftliche Handlungsbereich Literatur. Braunschweig/Wiesbaden 1980 (Konzeption empirische Literaturwissenschaft; 1,1), S. 39; Achim Barsch: „Populäre Literatur“ als Forschungsproblem einer empirischen Literaturwissenschaft. In: Wirkendes Wort 41 (1991), H. 1, S. 101-119, hier S. 102; Achim Barsch: Fiktionalität in der Sicht von Rezipienten. In: Christian Oberwagner/Colin Scholz (Hg.): Literaturwissenschaft als Wissenschaft über Fiktionalität. Szeged 1997 (Studia Poetica; 10), S. 93-109, hier S. 94; Dörner/Vogt 2013, S. 136-138. 110 Vgl. Corinna Pette: Psychologie des Romanlesens. Lesestrategien zur subjektiven Aneignung eines literarischen Textes. Weinheim/München 2001, S. 20; Achim Barsch/ Gebhard Rusch/Reinhold Viehoff (Hg.): Empirische Literaturwissenschaft in der Diskussion. Frankfurt a.M. 1994 (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft; 1107), S. 203; Peter Vorderer: Lesen als Handlung. In: Barsch/Rusch/Viehoff 1994, S. 206; Karsten Gries u.a.: Rezeption der Empirischen Theorie der Literatur in Rezensionen und Handbüchern zur Literaturwissenschaft. Eine qualitativ-quantitative Explorationsstudie zu Bewertungshandlungen. Siegen 1996 (LUMIS-Schriften; 46), S. 9. Grundlegend für diese interdisziplinär ausgerichtete Forschungsrichtung ist Siegfried J. Schmidts zweibändiger Grundriss der empirischen Literaturwissenschaft, in dem der Autor eine „Empirische Theorie der Literatur“ entwirft. Vgl. Schmidt 1980 und Siegfried J. Schmidt: Grundriss der empirischen Literaturwissenschaft. Teilband 2: Zur Rekonstruktion literaturwissenschaftlicher Fragestellungen in einer Empirischen Theorie der Literatur. Braunschweig/Wiesbaden 1982 (Konzeption empirische Literaturwissenschaft; 1,2). 111 Vgl. Boesken 2010, S. 19-22.
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gleichermaßen (Rezeption, Produktion, Vermittlung und Verarbeitung)“112. Lesen wird in der Perspektive der ELW verstanden als „Konstruktion der Textbedeutung“113, die „bestimmt wird durch ein Zusammenspiel aus Lesesituation, Literaturbegriff, literarischen Konventionen, damit zusammenhängenden Leseinteressen, -motivationen und Rezeptionshaltungen.“114 Gegenwärtige Bedingungen fließen dabei ebenso in den Rezeptionsprozess ein wie Aspekte der jeweiligen Sozialisation der LeserInnen.115 Bei aller Nähe dieser Konzeption zu der in der vorliegenden Arbeit vertretenen Perspektive, muss darauf hingewiesen werden, dass der dort vertretene Begriff vom Lesen für eine Untersuchung, die an einer umfassenden Darstellung der mit dem Gegenstand verbundenen Lektürepraktiken interessiert ist, in mehrfacher Hinsicht zu kurz greift. Denn Handeln im Bezug auf Literatur meint in der ELW, was das Lesen betrifft, lediglich den Umgang mit dem Text. Indem „Rezeption“ primär als Prozess der Bedeutungskonstruktion begriffen wird, werden andere Aspekte der Nutzung von Lesestoffen, wie materielle Bezüge oder die Frage der Alltagsintegration, vernachlässigt. Darüber hinaus wird nicht ersichtlich, wie das Zusammenwirken der verschiedenen Handlungsrollen zu denken ist. Die Rolle der „Rezeption“ bleibt von den anderen auf Literatur bezogenen Praktiken isoliert. Wie die verschiedenen Ebenen, auf denen literarisches Handeln stattfindet, konkret in Beziehung zueinander gesetzt werden können, bleibt damit weitgehend unklar. Auch den wenigen empirischen Lese(r)studien, die sich in ihrer theoretischen Grundlegung auf die Empirische Literaturwissenschaft beziehen, lassen sich hierzu kaum Hinweise entnehmen. Gesine Boeskens Studie zu Lese- und Schreibpraktiken auf Online-Literaturplattformen etwa untersucht das Verhältnis von Privatheit und Öffentlichkeit, die Motive des Schreibens und die Formen der Vergemeinschaftung in diesen Räumen.116 Sie bezieht sich dabei allerdings vor allem auf Praktiken, die im Anschluss an die Lektüre der auf den Plattformen
112 Ebd., S. 22. Literarische Rezeption wird in der ELW, neben den Bereichen der Produktion, Vermittlung und Verarbeitung, als eine der vier Handlungsrollen im gesellschaftlichen Handlungssystem „Literatur“ konzipiert. Vgl. Schmidt 1980, S. VIII; Barsch 1991, S. 105f.; Barsch/Rusch/Viehoff 1994, S. 203; Vorderer 1994, S. 206f.; Dörner/Vogt 2013, S. 138. 113 Barsch 1991, S. 105. 114 Ebd. 115 Vgl. Schmidt 1980, S. 243; Schmidt 1982, S. 61 und S. 107; Barsch/Rusch/Viehoff 1994, S. 204. 116 Vgl. Boesken 2010.
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veröffentlichten Literatur stattfinden. Weder ist deren Lektüre selbst Gegenstand der Untersuchung noch werden die beobachteten Praktiken direkt auf die Rezeption rückbezogen. Die Untersuchung lässt damit keine Rückschlüsse darauf zu, wie die dargestellten Praktiken der Literatur-„Produktion“ und -„Verarbeitung“ das Lesen der literarischen Texte selbst beeinflussen. Studien von Achim Barsch, Brigitte Kaczerowski und Corinna Pette befassen sich demgegenüber ausführlich mit der Ebene der Rezeption literarischer Texte.117 Das Interesse der AutorInnen gilt dabei solchen Lektürepraktiken, die sich auf Bedeutungsproduktion richten. Während sich Barsch und Kaczerowski mit literaturästhetischen Begriffen von LeserInnen befassen und damit eher Vorstellungen als Praktiken in den Mittelpunkt ihrer Fragestellungen stellen, liefert Pette eine systematische Untersuchung von Rezeptionsstrategien, mit denen LeserInnen einem Text im Laufe des Lektüreprozesses begegnen. Die Studie bietet eine umfassende Übersicht über textbezogene Lektürepraktiken, jedoch klammert auch sie, wohl aufgrund ihres psychologischen Untersuchungsinteresses, Materialitätsbezogenheit und Alltagseinbindung literarischer Praktiken weitgehend aus. Keine der genannten Arbeiten befasst sich demnach ausführlicher damit, wie Aspekte der Produktion, Vermittlung und Verarbeitung der Lektüre am Lesevorgang mitwirken. Weder in der theoretischen Konzeption noch in empirischen Arbeiten, die sich auf diese beziehen, zeigt die ELW damit eine Verknüpfungsmöglichkeit der verschiedenen Bereiche des literarischen Handelns auf. Die vorliegende Studie nimmt nun, indem sie den Ansatz der ANT für die Lese(r)forschung nutzbar macht, das Zusammenwirken der verschiedenen Dimensionen des Lesens gezielt in den Blick. Dabei widmet sie ihre Aufmerksamkeit auch den bisher vernachlässigten Bereichen. Für die Untersuchung einer Heftromanserie sind insbesondere die Aspekte der Materialität und der Zeitlichkeit relevant, denn zum einen kann mit der Blickrichtung auf Materialität die Frage nach medien- bzw. formatspezifischen Zusammenhängen des Heftromanlesens gestellt werden, zum anderen ist der Aspekt der Zeitlichkeit im Bezug auf serielle Lektüre von besonderer Bedeutung. Die eher vereinzelt vorhandenen Arbeiten aus der Lese(r)forschung, die sich diesen Aspekten widmen, werden im Folgenden vorgestellt.
117 Vgl. Barsch 1991; Barsch 1997; Brigitte Kaczerowski: Welche Rolle spielt Fiktionalität für Leserinnen von Liebesromanen? In: Oberwagner/Scholz 1997, S. 110-122; Pette 2001, v.a. S. 20f.
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2.2.2 Materialität und Medialität Generell scheint innerhalb der Lese(r)forschung Konsens zu sein, dass nicht nur kognitives Verstehen, sondern auch sinnliche Aspekte einen bedeutenden Anteil am Leseerlebnis haben. Unter dem Begriff der „Leselust“ bzw. des „Leseglücks“ wird, vor allem im Rückgriff auf psychologische Ansätze, die emotionale Erfahrung des Lesens in den Blick genommen.118 Zentral wird dabei das von Mihaly Csikszentmihalyi entwickelte Konzept des „Flow[s]“119 diskutiert, das einen Zustand beschreibt, in dem durch vollständiges „Aufgehen in einer Tätigkeit“120 eine Glücksempfindung bewirkt wird.121 Dass beim Bücherlesen eine Art „Flow“ erlebt werden kann, haben repräsentative Umfragen der empirischen Rezeptionsforschung ergeben.122 Wodurch sich allerdings ein solcher Effekt beim Lesen einstellt, ist empirisch noch wenig untersucht.123 Ludwig Muth, der das Konzept auf theoretischer Ebene für die Lese(r)forschung nutzbar macht, 124 führt als Voraussetzungen von „Flow“Erfahrungen folgende Kriterien an, die auch ein entsprechendes Leseerlebnis bestimmten: „1. Eine herausfordernde Aktivität, die den Fähigkeiten entspricht. 2. Ein klares Ziel mit konkreten Rückmeldungen. 3. Völlige Konzentration und Hingabe. 4. Eine Veränderung des Zeitgefühls. 5. Eine spielerische Autonomie. 6. Die Überwindung von Ich-Grenzen. 7. Zusammenfassend: die autotelische Erfahrung.“125
118 Vgl. Pette 2001, S. 44-46; Eggert/Garbe 2003, S. 95f. 119 Vgl. Mihaly Csikszentmihalyi: Das Flow Erlebnis. Jenseits von Angst und Langeweile – im Tun aufgehen. Stuttgart 1985; Mihaly Csikszentmihalyi: Flow. The Psychology of Optimal Experience. New York 1990. 120 Csikszentmihalyi 1985, S. 58f. 121 Vgl. Ludwig Muth: Leseglück als Flow-Erlebnis. Ein Deutungsversuch. In: Alfred Bellebaum/Ludwig Muth (Hg.): Leseglück. Eine vergessene Erfahrung? Opladen 1996, S. 57-81, hier S. 60; Pette 2001, S. 44. 122 Vgl. Pette 2001, S. 44. 123 Vgl. Muth 1996, S. 62; Pette 2001, S. 44. 124 Vgl. dazu auch Pette 2001, S. 44f. 125 Muth 1996, S. 61. Vgl. auch ebd., S. 77.
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Ob die Konzeption des „Flow[s]“ als Erklärung für beim Lesen erlebte Glückserfahrungen ausreicht, ist umstritten.126 Aus Sicht der vorliegenden Arbeit greift sie vor allem hinsichtlich ihrer Konzentration auf innere Vorgänge zu kurz, indem damit außer Acht gelassen wird, dass Lesen stets als Handeln mit einem bestimmten Gegenstand in einer bestimmten Umgebung stattfindet. Vieles spricht dafür, dass gerade nicht eine völlige Konzentration – im Sinne einer eingeschränkten und auf bestimmte Sinne fokussierten Wahrnehmung – das Leseerlebnis bestimmt, sondern dass dieses vielmehr durch eine Gleichzeitigkeit verschiedener Sinneseindrücke geprägt ist. Verschiedene qualitative Studien aus der Lese(r)forschung machen darauf aufmerksam, dass für den Genuss an der Lektüre auch die Interaktion der LeserInnen mit ihrer Umgebung sowie mit der Materialität des Lesestoffes eine Rolle spielt. 127 So weist etwa Erich Schön in einer Analyse lesebiografischer Interviews auf die „körperlichen Dimensionen des Leseglücks“128 hin. Die Erzählungen der Interviewten über das Lesen in ihrer Jugendzeit handelten immer wieder „von Körpererfahrungen wie dem ‚warmen Gefühl im Bauch‘ beim Lesen [...], vom Lesen im Bett, vom Essen beim Lesen, von Süßigkeiten“129. Nach den Befunden von Kristina Pfarr und Birgit Schenk gehört „[z]u den Gratifikationen des Lesens [...] auch das sinnliche Erleben, ein Buch – besonders ein schön aufgemachtes Buch – in Händen zu halten.“130 Auf Gestaltung und Geruch der Bücher werde von den LeserInnen häufig positiv Bezug genommen.131 Meist verbleibt es in entsprechenden Studien bei knappen Hinweisen auf solche Aspekte, ohne dass diese systematisch betrachtet würden. Ansatzpunkte, die darauf schließen lassen, dass materielle Aspekte die Lektürepraxis weitaus stärker mitbestimmen als dies bisher von der Forschung registriert wird, bieten beispielsweise Arbeiten aus der Lesesozialisationsforschung. So zeigen verschiedene quantitative Erhebungen, dass das Vorhandensein von Büchern im elterlichen Haushalt – im Zusammenhang mit dem Lesevorbild der
126 Vgl. Klaus Barheier: Diskussion. In: Bellebaum/Muth 1996, S. 82-85; Pette 2001, S. 45. 127 Vgl. hierzu auch Maase 2000, S. 440; Maase 2008c, S. 50f. 128 Erich Schön: Mentalitätsgeschichte des Leseglücks. In: Bellebaum/Muth 1996, S. 151-175, hier S. 163. 129 Ebd. 130 Kristina Pfarr/Birgit Schenk: „Erzählen Sie doch mal ...“. Ein Werkstattbericht über 120 Interviews mit Lesern und Nichtlesern. In: Stiftung Lesen/Spiegel-Verlag 2001, S. 33-59, hier S. 44. 131 Vgl. ebd.
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Eltern – einen positiven Effekt auf das künftige Leseverhalten und die Einstellung gegenüber Büchern hat.132 Renate Köcher führt aus, bei der elterlichen Leseerziehung komme es auf eine „Verführung“ an, die darauf beruhe, „möglichst viele Kontaktmöglichkeiten zwischen Kindern und Büchern zu schaffen und [...] auf die Faszination des Buches [baue].“133 Ludwig Muth betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung der materiellen Seite der Lektürevermittlung. Nicht nur die Kulturtechnik des Lesens, auch das Medium Buch selbst werde dem Kind, bereits bevor es Lesen gelernt habe, nähergebracht.134 Indem die Beziehung zum Buch hier nicht an das Lesenkönnen gebunden wird, rückt die „Sinnlichkeit“135 der Literaturerfahrung in den Blick. Gerade die Beziehung der kindlichen LeserInnen zu dieser materiellen Seite wird allerdings nicht eingehender betrachtet. Hinweise auf die Bedeutung von materiellen Qualitäten im Umgang mit Büchern finden sich auch in qualitativen Studien zur Lektürepraxis erwachsener LeserInnen. Susanne Kramer arbeitet diesbezüglich vor allem die unterschiedliche Wahrnehmung und Funktion von Taschenbuch- und gebundenen Ausgaben heraus. 136 Sabine Gross wiederum vergleicht Äußerungen zum Bücherlesen und zum Lesen am PC, wobei sie feststellt, dass für die befragten LeserInnen die „Handhabbarkeit“137 der Bücher, gegenüber den Bildschirmmedien, ein wesentliches Kriterium für eine positive Lektüreerfahrung sei.138 Mit der jeweiligen Materialität bzw. Medialität verbänden sich dabei spezifische Lesemodi und Praktiken im Umgang mit der Lektüre.139 Beide Untersuchungen gehen dar-
132 Vgl. Gerhard Schmidtchen: Wie Bücherleser gemacht werden. In: Muth 1993a, S. 3040, hier S. 32 und S. 34; Renate Köcher 1993a: Grundlegende Leseerfahrungen. In: Muth 1993a, S. 45-52, hier S. 47-49. 133 Renate Köcher 1993b: Was Elternhaus, was Schule leistet. In: Muth 1993a, S. 52-60, hier S. 57f.; vgl. dazu auch Muth 1993b, S. 10. 134 Vgl. Muth 1993b, S. 9. 135 Ebd. 136 Vgl. Susanne Kramer: Lesen im Alltag. Persönliche Mitteilungen über Erlebnisse und Erfahrungen mit Literatur. Hamburg 1996, zugl. Diss., S. 153-156. 137 Sabine Gross: Das Buch in der Hand. Zum situativ-affektiven Umgang mit Texten. In: Stiftung Lesen/Spiegel-Verlag 2001, S. 175-197, hier S. 180. 138 Vgl. ebd., S. 180-184 und S. 188-194. 139 Vgl. ebd., S. 188. Als positive Aspekte des Bücherlesens gegenüber der Bildschirmlektüre würden etwa die Möglichkeit des „Blätterns“ gegenüber dem „Scrollen“ sowie die Möglichkeit, den Text mit schriftlichen Anmerkungen zu versehen, hervorgehoben. Vgl. ebd., S. 183 und S. 188-190. Hier ist freilich anzumerken, dass sich seit der
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über hinaus auf die materielle Präsenz von Büchern jenseits des Leseerlebnisses ein und machen dabei divergierende Einstellungen gegenüber dem Besitz von Büchern aus: Das Umgebensein von Büchern werde von manchen als positiv, von anderen als erdrückend erlebt.140 Was das Verhältnis von Lesesituation und Lektürepraktiken betrifft, gehen beide Autorinnen davon aus, dass eine Mischung aus innerer Verfassung und äußeren Umständen zusammenwirke, um eine ‚gemütliche‘ Situation zu schaffen, die optimale Lesebedingungen biete.141 Sie heben dabei hervor, dass zur Lesesituation außer dem Leseort noch weitere Bestandteile – wie etwa Licht, Musik oder Genussmittel – gehörten, die von den Lesenden je nach Geschmack zusammengestellt würden. Gross weist zudem darauf hin, dass die LeserInnen auch die Auswahl der Texte mit den äußeren Gegebenheiten abstimmten, etwa indem sie kürzere literarische Formen, Zeitungen oder Zeitschriften für Zugfahrten oder den Kneipenbesuch wählten.142 Im Unterschied zu den bisher beschriebenen Studien, die anhand von Interviews mit LeserInnen auf Fragen der Materialität eingehen, wählt Klara Löffler einen Ansatz, der von der ‚Objektseite‘ ausgeht, indem sie nicht NutzerInnen zu ihrem Umgang mit Lesestoffen, sondern die Bücher selbst nach den Spuren befragt, die der Gebrauch hinterlassen hat.143 Aus verschmutzten Kochbüchern und mit Randbemerkungen versehener medizinischer Ratgeberliteratur etwa lassen sich Rückschlüsse auf den Umgang mit diesen Lesestoffen ziehen.144 Der Zugang Löfflers macht darauf aufmerksam, dass nicht nur nach Lektürehandlungen der LeserInnen gefragt werden muss, sondern auch die Bücher selbst in ihren materiellen Qualitäten in die Untersuchung einzubeziehen sind, um deren mitge-
im Jahr 2001 erschienenen Studie die Möglichkeiten des Umgangs mit digitalen Texten deutlich erweitert haben. 140 Vgl. Kramer 1996, S. 159f.; Gross 2001, S. 187. 141 Vgl. Kramer 1996, S. 130; Gross 2001, S. 179f. 142 Vgl. Gross 2001, S. 177f. 143 Vgl. Klara Löffler: Warum wir Bridget Jones lieben. Oder: Ethnographische Recherchen zur Ratgeberlektüre. In: Michael Simon u.a. (Hg.): Bilder – Bücher – Bytes. Zur Medialität des Alltags. 36. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde in Mainz vom 23. bis 26. September 2007. Münster u.a. 2009 (Mainzer Beiträge zur Kulturanthropologie/Volkskunde; 3), S. 217-227, hier v.a. S. 218. 144 Vgl. ebd., S. 220-223.
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staltende Funktion zu berücksichtigen.145 Andererseits, so ist zu ergänzen, lässt sich aus den Lesestoffen allein der Umgang mit ihnen freilich nicht restlos erschließen. Indem die vorliegende Studie die Rückbindung von Lektürepraktiken individueller NutzerInnen an einen ganz bestimmten Lesestoff nachvollzieht, kann sie die Bedeutung der materiellen Bezüge der Lesens erhellen und zugleich medienund formatspezifische Aspekte der Heftromanlektüre herausarbeiten. 2.2.3 Serialität und Zeitlichkeit Gegenüber der weitgehenden Vernachlässigung dieses Aspekts durch die Lese(r)forschung, vertritt die vorliegende Arbeit die Ansicht, dass die Untersuchung zeitlicher Aspekte wichtige Einsichten in den Umgang mit Medien liefert und damit auch für die Betrachtung von Lektürehandlungen bedeutsam ist. Im Rahmen seriellen Lesens gestaltet sich die Frage nach der Zeitlichkeit freilich durch die fortgeführte Nutzung desselben, sich dabei wandelnden Lesestoffs, im Vergleich zur Nutzung eines einzelnen Buches, erheblich komplexer. „[T]he popular text has the capacity to colonise everyday time, structuring both the present – the time in which it is read – and the future – the time in which it might be read.”146 Der Hinweis Scott McCrackens auf die zeitlichen Strukturierungsleistungen (populär-)literarischer Texte erhält gerade im Hinblick auf serielle Erzählungen eine besondere Relevanz: „[T]he reader of one might well plan to read the sequels. It is not uncommon for readers to save a sequel for a future holiday, for example.“147 Bereits an diesem Beispiel McCrackens wird deutlich, dass serielle Texte auf nachhaltige Weise den Lesefluss beeinflussen und damit alltagsstrukturierende Qualitäten haben, die über die aktuelle Lektüre hinausgehen. Nach Ergebnissen aus der Forschung zu TV-Serien begünstigt die Serialität medialer Angebote auf spezifische Weise deren Alltagsintegration. Wie die Untersuchungen von Knut Hickethier deutlich machen, ermöglicht ihre fortgesetzte Ausstrahlung zu gleichen Sendezeiten Fernsehserien, zum festen Bestandteil des ZuschauerInnenalltags zu werden.148 Zugleich tragen gleichbleibende wie verän-
145 Löffler gibt in ihrem Aufsatz einen Überblick über die, allerdings nur rudimentär vorhandene, empirische Forschung zu Büchern als Teil der „materiellen Kultur“. Vgl. ebd., S. 219. 146 McCracken 2012, S. 112. 147 Ebd. 148 Vgl. Hickethier 1991, S. 30.
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derliche Aspekte der TV-Erzählungen zu einer Stabilisierung der Nutzungspraktiken bei; so werden einerseits – durch die Wiederholung narrativer Elemente – bestimmte inhaltliche Erwartungen seitens der RezipientInnen geweckt und wird andererseits – durch das Einbeziehen von Neuerungen – Spannung erzeugt, die dazu anregen, die Geschichte weiterzuverfolgen. 149 Das serielle Muster von „Schema und Variation“150 führt damit zu einer gewissen Beständigkeit der Nutzung, indem es Erwartungen und Praktiken seitens der NutzerInnen generiert und festigt. Lothar Mikos zufolge, der die Alltagsintegration von TV-Serien aus ritualtheoretischer Perspektive betrachtet, interagieren zeitliche Strukturen des Fernsehens mit solchen des Alltags, indem sie aufeinander abgestimmt werden: „Das Fernsehprogramm passt sich in die kalendarischen Rhythmen und Rituale ein, da das Medium in seiner täglichen Verfügbarkeit sich am Tagesablauf der Menschen orientiert. Alltägliche Routinen und Rituale gehen mit den Fernsehroutinen und -ritualen eine symbiotische Beziehung ein.“151
In seinen Untersuchungen zur Familienserie weist Mikos auf eine inhaltlichstrukturelle Korrespondenz der Serien mit der Alltagswirklichkeit der ZuschauerInnen hin: „Familienserien sind strukturell bedingt eine Art Reflexion realer Familienverhältnisse, weil sie das Familienleben [...] den zyklischen Rhythmen des Alltagslebens entsprechend darstellen.“ 152 Serien stellen damit Strukturierungsangebote für den Alltag ihrer NutzerInnen bereit und sind demnach offenbar in besonderer Weise prädestiniert, diesen in seinen zeitlichen Rhythmen zu beeinflussen.153
149 Vgl. ebd.; Knut Hickethier: Serie. In: Hügel 2003a, S. 397-403, hier S. 398. 150 Hickethier 1991, S. 30. 151 Lothar Mikos: Ritual, Skandal und Selbstreferentialität. Fernsehen und Alltagszyklen. In: Kathrin Fahlenbrach/Ingrid Brück/Anne Bartsch (Hg.): Medienrituale. Rituelle Performanz in Film, Fernsehen und Neuen Medien. Wiesbaden 2008, S. 35-46, hier S. 41. 152 Lothar Mikos: „It’s a Family Affair“. Fernsehserien und ihre Bedeutung im Alltagsleben. In: Günter Thomas (Hg.): Religiöse Funktionen des Fernsehens? Medien-, kulturund religionswissenschaftliche Perspektiven. Wiesbaden 2000, S. 230-245, hier S. 234. 153 Zum Aspekt der Alltagsstrukturierung durch TV-Serien vgl. auch Lothar Mikos: „Es wird dein Leben!“ Familienserien im Fernsehen und im Alltagsleben der Zuschauer. Münster 1994.
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In empirischen Arbeiten aus der Lese(r)forschung wurden Fragen der zeitlichen Strukturierung durch Serialität bislang allerdings nur marginal betrachtet. Studien aus der Empirischen Rezeptionsforschung, die zeitliche Aspekte der Mediennutzung hauptsächlich mittels quantitativer Verfahren erfassen, bleiben auf eine grobe Darstellung von Zugriffen auf Medien und Zeitspannen der Nutzung beschränkt.154 Für Bücher liegen vor allem Daten zur Nutzungshäufigkeit und -dauer vor.155 Darüber hinaus werden auch – ebenfalls rein quantitativ – die Parallelnutzung von Büchern mit anderen Medien und die Verbindung von Bücherlesen mit anderen Freizeittätigkeiten untersucht.156 In qualitativen Studien, die sich demgegenüber weit besser eignen, um die Einbettung von Mediennutzung in ihre Alltagszusammenhänge zu erfassen und damit potenziell auch, um alltägliches Medienhandeln auf seine zeitlichen Bezüge hin zu betrachten, wird Zeitlichkeit nur in seltenen Fällen explizit reflektiert, und falls doch, dann nicht auf Serialität bezogen. Die bereits erwähnte Studie von Susanne Kramer etwa untersucht anhand von „Lesezeiten“ 157 und „Leserhythmen“ 158 die zeitliche Strukturierung durch Lektüre im Alltag und nimmt darüber hinaus das Problem der mangelnden Zeit für die Lektüre sowie zeitliche Aspekte bestimmter Lesemodi (Parallellektüre, vorzeitiges Beenden der Lektüre, Wiederholungslektüre
154 Vgl. hierzu auch Klaus Beck: Medien und die soziale Konstruktion von Zeit. Über die Vermittlung von gesellschaftlicher Zeitordnung und sozialem Zeitbewußtsein. Opladen 1994, S. 357f. 155 Neuere Ergebnisse liefert z.B. die Studie Massenkommunikation. Vgl. Reitze/Ridder 2011, v.a. S. 56-59, S. 242 und S. 249. Zu den Ergebnissen der Studie Massenkommunikation vgl. auch Christa-Maria Ridder/Irina Turecek: Medienzeitbudgets und Tagesablaufverhalten. Ergebnisse auf Basis der ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation 2010. In: Media Perspektiven 42 (2011), H. 12, S. 570-582. http://www. ard-werbung.de/media-perspektiven/publikationen/fachzeitschrift/2011/artikel/medien zeitbudgets-und-tagesablaufverhalten, 09.10.2015. 156 Zur Parallelnutzung von Büchern und anderen Medien vgl. z.B. Reitze/Ridder 2011, S. 73f.; Stefanie Best/Christian Breunig: Parallele und exklusive Mediennutzung. Ergebnisse auf Basis der ARD/ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation. In: Media Perspektiven 42 (2011), H. 1, S. 16-35. http://www.ard-werbung.de/media-perspekti ven/publikationen/fachzeitschrift/2011/artikel/parallele-und-exklusive-mediennutzung, 09.10.2015; zur Mediennutzung im Verhältnis zu anderen Tätigkeiten in der Freizeit vgl. z.B. Reitze/Ridder 2011, S. 78-84. 157 Kramer 1996, S. 128. 158 Ebd.
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u.a.) in den Blick,159 ohne diese jedoch in Beziehung zu den spezifischen Qualitäten der Lesestoffe zu setzen. Serialität spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Auch die Studien zum Heftroman, bei deren Objekten es sich selbstverständlich stets um Serien- oder Reihenliteratur handelt, haben sich bislang mit der Bedeutung von Zeitlichkeit und Serialität für den Lektüreprozess nur in Ansätzen befasst. Die Ergebnisse von Walter Nutz und Volker Schlögell geben Hinweise darauf, in welchen zeitlichen Situationen Heftromane gelesen werden.160 Heftromanlesen findet demnach hauptsächlich „‚in der Freizeit‘ (70 %), ‚abends zu Hause‘ (66 %) und ‚vor dem Einschlafen‘ (70 %)“161 statt. Die Ergebnisse der Befragung werden allerdings nicht in Verbindung zum Lesestoff gebracht und lassen damit keine Rückschlüsse auf etwaige Zusammenhänge mit seriellen Aspekten der Lektüre zu. In Cordula Günthers bereits zitierter qualitativer Studie zu Perry RhodanLeserInnen spielt der Aspekt der Zeitlichkeit ebenfalls keine herausgehobene Rolle. Bezüglich Serialität beobachtet Günther sehr unterschiedliche Zugangsweisen der LeserInnen. So beschreibt sie unterschiedliche Varianten des Lektürebeginns sowie verschiedene Arten des Umgangs mit der Gesamtserie, die sich zwischen fortgesetzter oder nur zeitweiser Rezeption sowie vollständiger oder nur teilweiser Lektüre des Gesamttextes bewegen;162 der serielle Charakter von Perry Rhodan werde dabei, je nach LeserIn, als „störend“163 oder auch als motivierend erlebt.164 Als weiteren Aspekt von Serialität betrachtet Günther die Möglichkeit, „parasoziale Beziehungen“ zu Serienfiguren aufzubauen.165 Weitere Punkte, wie Lesebiografien, Medieninteressen und der Literaturbegriff der LeserInnen, werden hingegen nicht im Kontext von Serialität beleuchtet. Die vorliegende Arbeit nimmt nun zeitbezogene Lektürepraktiken im Hinblick auf Serialität gezielt in den Blick. Dabei hält sie Abstand zu ritualtheoretischen Ansätzen, die – mit ihrer Fokussierung auf die symbolischen und gemein-
159 Vgl. ebd., S. 132-153. 160 Vgl. Nutz/Schlögell 1991, S. 150-152; Nutz 1999, S. 133-135. 161 Nutz/Schlögell 1991, S. 150; Nutz 1999, S. 133. 162 Vgl. Günther 1999b, S. 7-13. 163 Ebd., S. 11. 164 Vgl. ebd., S. 13-15. 165 Vgl. ebd., S. 15.
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schaftsstiftenden Funktionen von Medienhandeln – 166 nur einen kleinen Ausschnitt der Praktiken fassen können, und sucht demgegenüber nach Möglichkeiten, zeitbezogene Nutzung in ihren vielfältigen Qualitäten zu beschreiben. Insbesondere auch der Begriff der „Routine“, der häufig zur Beschreibung alltäglicher Mediennutzung verwandt wird, ist mit Vorsicht zu behandeln. Unter „Routinen“ werden im Allgemeinen „automatisierte Handlungsabläufe“ 167 begriffen, die in alltäglicher Wiederholung weitgehend unreflektiert stattfinden. Nach Uwe Sander und Ralf Vollbrecht etwa findet Medienhandeln überwiegend innerhalb der sogenannten „Alltagszeit“ statt,168 mit der sie einen „Zeitcharakter andauernder Gleichförmigkeit und ständiger Wiederkehr“ 169 verknüpfen. Bei Praktiken der Mediennutzung handelt es sich folglich um „routinisierte Vorgänge, deren lebenspraktische Relevanz eher in ihrer Existenz als in ihrer zeitlichen Verortbarkeit liegt. [...] Alles, was kommen wird, ist prinzipiell bekannt und erwartbar, da es schon einmal dagewesen ist. [...] Diese Orientierung an der alltäglichen Gesetzmäßigkeit der Zyklik, an den routinisierten Handlungen, die ständig wiederkehren, macht Vergangenheits- und Zukunftsperspektiven als lineare Situierung überflüssig.“170
Mit dieser Perspektive verbindet sich gleichsam eine ‚Entzeitlichung‘ des Medienhandelns oder, anders gesagt, ein Verschwinden der medialen Handlungen in einem vage charakterisierten zeitlichen Kontinuum. Für eine empirische Studie, die gerade daran interessiert ist, mediales Handeln im Detail zu rekonstruieren, ist eine solche Sichtweise wenig hilfreich. Die vorliegende Arbeit macht es sich vielmehr gerade zur Aufgabe, die zeitlichen Beziehungen zwischen den verschiedenen Akteuren sichtbar zu machen, die in der scheinbaren „Routine“ stillgestellt sind. Im Anschluss an den Begriff der „sozialen Zeit“, wie ihn der Medien- und Kommunikationswissenschaftler Klaus Beck entwickelt hat, wird dabei Lesen in
166 Vgl. Mikos 2008, S. 35f.; Anne Bartsch/Ingrid Brück/Kathrin Fahlenbrach: Einleitung. Rituale in den Medien – Medienrituale. In: Fahlenbrach/Brück/Bartsch 2008, S. 11-31, hier S. 11-13. 167 Mikos 2008, S. 35f. 168 Vgl. Uwe Sander/Ralf Vollbrecht: Mediennutzung und Lebensgeschichte. Die biographische Methode in der Medienforschung. In: Dieter Baacke/Hans-Dieter Kübler (Hg.): Qualitative Medienforschung. Konzepte und Erprobungen. Tübingen 1989 (Medien in Forschung + Unterricht – Serie A; 29), S. 161-176, hier S. 169f. 169 Ebd., S. 169. 170 Ebd., S. 169f.
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konstruktivistischer Perspektive als mediale Praxis verstanden, durch die in alltäglichen Zusammenhängen zeitliche Bezüge und Ordnungen hergestellt werden.171 Lektüre ist damit „komplexes Zeithandeln und Zeitgestalten“172. Zeit ist dabei als „Chronotop“ zu begreifen, das sich aus verschiedenartigen Zeitverständnissen und -praktiken zusammensetzt.173 Becks Studie, die unterschiedliche Kriterien herausarbeitet, die zur Analyse der Zeitlichkeit von Medienhandeln dienen können,174 liefert der vorliegenden Arbeit eine Grundlage für eine präzise Betrachtung der Zeitbezüge des Lesens. Beck identifiziert dabei zunächst „die zeitlichen Qualitäten Dauer, Geschwindigkeit, Timing, Sequentialität, Periodik (Rhythmus und Takt), Okkasionalität, Aktualität, Kontinuität, Permanenz, Anfang und Ende, aber auch so komplexe Phänomene wie die Zeitorientierung und so subjektive Erlebnisqualitäten wie de[n] ‚Moment‘“175.
Anhand der mit diesem begrifflichen Instrumentarium in den Blick genommenen Praktiken der Mediennutzung stellt er Hypothesen über die „Taktiken“ bzw. „Strategien“ auf, die die NutzerInnen damit verbinden. Diese subsumiert er unter die Kategorien „Zeitfüllen“, „Zeitsparen“, „Zeit dehnen“, „Zeit strukturieren“, „Habitualisierung“ sowie „Ritualisierung des Medienhandelns“, „Zeitverdichtung oder Zeitvertiefung“, „Steigerung der Zeitautonomie“, „Synchronisation“ sowie das Nehmen einer „Auszeit“. 176 Medienhandlungen sind demnach nicht etwa allein aus zeitökonomischen Überlegungen heraus zu begreifen; in den von Beck analysierten Praktiken kommen nicht nur zeitsparende Strategien zum Einsatz, sondern auch solche, die, wie das Füllen von ‚Leerzeiten‘ im Tagesablauf, gegen Situationen der Langeweile eingesetzt werden oder die durch „Zeitdehnen“, beispielsweise als spannungsgenerierendes Mittel, den Genuss der medialen Erfahrung steigern sollen.177 Aus der Vielfalt der zeitlichen Bezüge, die sich hier ergeben, wird deutlich, dass der analytische Blick zu schärfen ist für Prakti-
171 Vgl. hierzu v.a. ebd., S. 152-161, S. 263 und S. 356. Der in der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegte Handlungsbegriff unterscheidet sich dabei freilich von einem intentionalen Verständnis, wie es auch von Beck vertreten wird. Vgl. z.B. ebd., S. 154 und S. 328. 172 Beck 1994, S. 263. 173 Zum Begriff des „Chronotops“ vgl. ebd., S. 152f. und S. 356f. 174 Vgl. ebd., S. 154-161. 175 Ebd., S. 356f. 176 Zu den einzelnen Kategorien vgl. ebd., S. 329-333. 177 Vgl. ebd., S. 329-331.
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ken und damit verbundene Vorstellungen und Ziele, die über die von der Lese(r)forschung vorwiegend betrachteten zeitlichen Qualitäten deutlich hinausgehen. Im Hinblick auf die Perry Rhodan-Serie werden nun in der vorliegenden Arbeit Fragen nach der Zeitlichkeit der Lektüre auf unterschiedlichen Ebenen betrachtet. So wird 1.) der Rezeptionsprozess eines Heftes in seinen einzelnen Phasen rekonstruiert. Dabei wird 2.) nach der durch die serielle Lektüre bewirkten Alltagsstrukturierung gefragt und zudem 3.) der Einfluss vergangener Rezeptionserfahrungen auf aktuelle Lektürepraktiken in den Blick genommen, der sich freilich im Zusammenhang mit Serialität als besonders wichtig erweist. Der Aufbau der Darstellung orientiert sich dabei an einem schematisierten Verlauf des Lektüreprozesses. In den Kapiteln 4 bis 6, die das empirische Material präsentieren, werden die Lektürepraktiken, in zunächst idealtypischer Gliederung, ihrer zeitlichen Abfolge nach geordnet. Der Lektüreprozess beginnt dabei nicht mit dem Lesen und endet nicht mit dem letzten Beiseitelegen des Heftes. Vor- und nachbereitende Praktiken rahmen die direkte Interaktion mit dem Text. Nach Studien aus der Rezeptionsforschung lässt sich der Prozess der Medienrezeption in verschiedene Phasen einteilen.178 Volker Gehrau unterscheidet von der „Interaktionsphase“179, die „die Rezeption im engeren Sinne, also die Zeit der direkten Nutzer-Angebot-Interaktion“ 180 umfasst, eine „Zuwendungsphase“181 sowie eine „Aneignungsphase“182, die vor bzw. nach der Rezeption er-
178 Vgl. z.B. Michael Charlton: Rezeptionsforschung als Aufgabe einer interdisziplinären Medienwissenschaft. In: Ders./Silvia Schneider (Hg.): Rezeptionsforschung. Theorien und Untersuchungen zum Umgang mit Massenmedien. Opladen 1997, S. 16-39, hier S. 16; Volker Gehrau: Eine Skizze der Rezeptionsforschung in Deutschland. In: Patrick Rössler/Susanne Kubisch/Volker Gehrau (Hg.): Empirische Perspektiven der Rezeptionsforschung. München 2002 (Angewandte Medienforschung; 23), S. 9-47, hier S. 34; Tilmann Sutter: Anschlusskommunikation und die kommunikative Verarbeitung von Medienangeboten. Ein Aufriss im Rahmen einer konstruktivistischen Theorie der Mediensozialisation. In: Norbert Groeben/Bettina Hurrelmann (Hg.): Lesekompetenz. Bedingungen, Dimensionen, Funktionen. Weinheim/München 2009 (Lesesozialisation und Medien), S. 80-105, hier S. 81f. 179 Gehrau 2002, S. 36. 180 Ebd. (Herv. i. O.). 181 Ebd., S. 34. 182 Ebd., S. 38.
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folgen und auf diese Bezug nehmen.183 Eine Untersuchung, die sich der Lektüre belletristischer Literatur in ihren unterschiedlichen Phasen widmet, hat Corinna Pette vorgelegt.184 Aus psychologischer Perspektive analysiert sie die „Lesestrategien“185, die LeserInnen im Verlauf der Lektüre eines Romans einsetzen, um zum angestrebten Lesegenuss zu gelangen. In ihrer Darstellung des Lektüreprozesses unterscheidet Pette zwischen „vorbereitenden, begleitenden und verarbeitenden Lesestrategien“186. An diesen Modellen orientiert sich die vorliegende Studie, wenn die mit der Lektüre eines Serienhefts verbundenen Praktiken in ihrem Ablauf dargestellt werden. Für die einzelnen Phasen werden dabei neutrale Bezeichnungen gewählt, die die jeweiligen Handlungen – im Unterschied zu Begriffen wie „Aneignung“ oder „Verarbeitung“ – nicht funktional determinieren, sondern sie lediglich einem bestimmten Zeitraum im Lektüreverlauf – vor, während oder nach der Lektüre – zuordnen. Während beim Lesen eines einzelnen Romans offenbar die zeitgleich mit der Textlektüre stattfindenden Handlungen am ausgeprägtesten sind,187 lassen sich beim Lesen einer Serie weitaus mehr Praktiken vor und im Anschluss an die Textlektüre beobachten. Serialität, so die Hypothese, wirkt in allen Lektürephasen verstärkend auf die mit dem Lesestoff verbundenen Aktivitäten. Die Zuordnung bestimmter Praktiken zu bestimmten Phasen im Lektüreprozess ist dabei als analytische Konstruktion zu begreifen. Empirisch betrachtet lassen sich den unterschiedlichen Phasen der Rezeption nicht jeweils spezifische Praktiken zuweisen, vielmehr beinhaltet der Prozess Überschneidungen, Gleichzeitigkeiten und Wiederholungen.188 Während schon bei der Nutzung von Ein-
183 Gehrau orientiert sich dabei an dem von Michael Charlton für den Lektüreprozess beschriebenen Ablauf. Vgl. Charlton 1997, S. 16. 184 Vgl. Pette 2001. Zu der Studie von Pette vgl. auch Corinna Pette/Michael Charlton: Empirisches Beispiel. Differenzielle Strategien des Romanlesens: Formen, Funktionen und Entstehungsbedingungen. In: Groeben/Hurrelmann 2009, S. 195-213. Der Beitrag von Pette und Charlton liefert im Wesentlichen eine Zusammenfassung von Pettes Studie, mit besonderer Aufmerksamkeit auf dem Konzept der „Lesestrategien“. 185 Zum Begriff der „Lesestrategie“ vgl. Pette 2001, S. 16, S. 50, S. 53 und S. 296. 186 Ebd., S. 79. 187 So liegt der Schwerpunkt von Pettes Darstellung auf den „begleitenden Lesestrategien“ (Pette 2001, S. 298). Vgl. ebd., S. 295-307. 188 Hierauf macht Volker Gehrau aufmerksam, indem er auf zahlreiche Überlappungen der in der Kommunikationswissenschaft klassischerweise mit den Begriffen der „Se-
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zeltexten Praktiken in den verschiedenen Lektürephasen nicht streng voneinander getrennt betrachtet werden können,189 gilt dies erst recht für serielle Lektüre. Serienlesen, verstanden als fortgeführte Lektüre ein und desselben, sich weiterentwickelnden Werkes, ist ein Prozess mit mehr oder weniger regelmäßig wiederkehrenden Abläufen, Akteuren und Praktiken, die dabei stets auf dem Vorangegangenen aufbauen. Indem die serielle Rezeption nicht mit dem Lesen eines Einzelheftes endet, sind nachbereitende Praktiken ebenso auch als vorbereitende Praktiken zu sehen. Die Beschreibung, die beim Kauf der Serie ansetzt und dem Prozess der Lektüre eines Heftes bis zu den Anschlusspraktiken folgt, berücksichtigt dies, indem durch Querverweise zwischen den Kapiteln Überschneidungen, zeitliche Parallelen und Verflechtungen der einzelnen Lektürephasen aufgezeigt werden. Die Phasen, die beschrieben werden, sind somit als vorläufiges Darstellungsraster zu begreifen, das bereits im Laufe der Beschreibung aufgeweicht wird. Dabei wird ein phasenübergreifendes Netzwerk unterschiedlicher Akteure sichtbar, deren Handlungen über die jeweilige Lektürephase hinaus weisen. Serienrezeption ist dabei nicht zirkulär, im Sinne einer wöchentlichen Wiederholung derselben Praktiken, zu denken, sondern folgt gewissermaßen einem spiralen Verlauf. Es gilt deshalb einerseits, potenziell wöchentlich wiederkehrende Regelmäßigkeiten bzw. Muster der Heftromanrezeption zu betrachten, andererseits Veränderungen im Verlauf der Serienrezeption zu berücksichtigen.190 Wenn also die Phasen vor, während und nach der Lektüre beschrieben werden, wird somit nicht nur die aktuelle Lektüre in den Blick genommen, sondern es werden auch länger zurückliegende Leseerfahrungen und sich verändernde Praktiken betrachtet. Dass die vergangene Lektüre das gegenwärtige Lesen mitprägt, lässt sich Studien zur Lesesozialisation entnehmen, wobei sich vor allem die lektürebiografische Forschung mit der Lektüre erwachsener LeserInnen und der Entwicklung ihrer gegenwärtigen Bedingungen befasst. Nach Werner Graf ist „[b]eim Lesen [...] früher Gelesenes als Erinnerung präsent und strukturiert die literarische Wahrnehmung. Erwartungshaltung und Verstehensdisposition eines Lesers
lektion“, „Evaluation“ und „Reaktion“ verbundenen Phasen hinweist. Vgl. Gehrau 2002, S. 34-38. 189 In der Untersuchung von Pette wird dies deutlich, indem für unterschiedliche Phasen im Lektüreprozess zum Teil dieselben Praktiken nachgewiesen werden. Vgl. die tabellarische Darstellung der Lesestrategien: Pette 2001, S. 309-316. 190 Siehe auch Kap. 2.2.3.
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resultieren aus seiner subjektiven Lesegeschichte“191. Lesen ist dabei in eine fortlaufende Entwicklung eingebunden; „Lesesozialisation“ bzw. „literarische Sozialisation“192 ist als anhaltender Prozess zu verstehen, der die gesamte Lebensdauer betrifft.193 Eine empirische Studie des dänischen Kognitionspsychologen Steen Folke Larsen weist dabei auf drei wichtige lektürebiografische Aspekte hin: 1.) Beim Lesen werden einerseits persönliche Erfahrungen aufgerufen und andererseits Erinnerungen an bereits zuvor Rezipiertes (Gelesenes, Gehörtes, Gesehenes) aktiviert; in der Lektüre findet demnach eine Verknüpfung von früheren Lektürebzw. Medienerfahrungen und Autobiografie statt. 194 2.) Die bisherige Lektüre wird von den LeserInnen nicht als kontinuierlicher, gleichmäßiger Prozess wahrgenommen, sie erinnern sich vielmehr an bestimmte Leseerlebnisse, in Form sogenannter „flashbulb memories“, in besonders nachhaltiger Weise. 195 Solche herausgehobenen Momente regten in besonderem Maße dazu an, die Lektüre – etwa in Form eines Titels desselben Autors, Genres oder Themas – fortzusetzen.196 3.) Dabei erinnern sich ProbandInnen an die äußeren Umstände des Lesen – an das Aussehen von Büchern, konkrete Situationen der Lektüre und damit verbundene Personen – ebenso gut wie an den Inhalt des Gelesenen.197 Für
191 Werner Graf: Lesen und Biographie. Eine empirische Fallstudie zur Lektüre der Hitlerjugendgeneration. Tübingen/Basel 1997, zugl. Habil. Paderborn, S. 172. Vgl. auch Pette 2001, S. 39. 192 Im Unterschied zur „Lesesozialisation“ geht es bei der Frage nach der „literarischen Sozialisation“ spezifischer um die Entwicklung des literarischen Lesens, also um den Zugang zur Literatur als Kunstform. Vgl. Christine Garbe: Leser/Leserin (Lesetheorien/Lesekultur). In: Horst Brunner/Rainer Moritz (Hg.): Literaturwissenschaftliches Lexikon. Grundbegriffe der Germanistik. Berlin, 2., überarb. und erw. Auflage 2006, S. 216-219, hier S. 216. 193 Vgl. Köcher 1993b, S. 56f.; Groeben u.a. 1999, S. 2; Pette 2001, S. 25 und S. 31f. 194 Vgl. Steen Folke Larsen: Studying Reading as a Social Activity by the Memorable Books Method. In: János László/Reinhold Viehoff (Hg.): Literatur(wissenschaft) und Sozialpsychologie. Frankfurt a.M. 1993 (SPIEL; 12-2), S. 206-216, hier S. 206f. Vgl. hierzu auch Graf 1997, S. 175 und S. 189f. 195 Vgl. Larsen 1993, S. 207-210 und S. 214. 196 Vgl. ebd., S. 212. 197 Vgl. ebd., S. 209 und 214. Dem entsprechen auch weitere Befunde aus der Leserforschung, so weisen etwa Eggert und Garbe darauf hin, dass sich Befragte bei der Beschreibung ihrer kindlichen Lesens genauer an die Situation der Lektüre als an deren Inhalt erinnerten. Vgl. Eggert/Garbe 2003, S. 95f.
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die vorliegende Studie gilt es demnach zu berücksichtigen, dass bei der Lektüre Seriengeschichte und Autobiografie gleichermaßen eine Rolle spielen, dass einzelne Momente die Lektüre nachhaltiger prägen können als länger andauernde Leseerfahrungen und dass nicht nur bereits gelesene Texte, sondern auch Praktiken der Lektüre beim aktuellen Lesen mitaufgerufen werden. In Bezug auf serielles Lesen hat die vorangegangene Lektüre insofern eine besondere Bedeutung, als die gegenwärtigen Bedingungen des Lesens sich auch in der Auseinandersetzung mit demselben, freilich sich dabei fortlaufend verändernden, Gegenstand entwickelten. Es ist damit die Vorgeschichte der Perry Rhodan-LeserInnen mit der Serie zu berücksichtigen, die ich, mit Bezug auf den Begriff der „Lektürebiografie“ als „Serienlektürebiografie“ bezeichnen will. Eine solche Biografie stellt dabei eine hybride Beziehung zwischen LeserIn und Gegenstand der Lektüre dar. Sie beinhaltet die Historizität des Lesestoffs ebenso wie die Lektüreerfahrungen der NutzerIn. Mit dem Begriff der „Serienlektürebiografie“ bezieht die vorliegende Arbeit demnach auch Eigenschaften und Entwicklungen der Serie selbst ein und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass „Serien selbst als historische Akteure“198 zu betrachten sind, die ihre Nutzung aktiv mitgestalten.199 Serielle Rezeption findet dabei nicht nur mit Bezug auf die bereits zurückliegende Lektüre, sondern gleichzeitig in vorwärtsgewandter Perspektive statt. Serialität erbringt, im Sinne eines „remembering forward“200, eine Verknüpfungsleistung zwischen Vergangenheit und Zukunft. Die Serie lässt sich damit als Träger und Moderator von Erinnerungen betrachten. Mit ihr werden persönliche Erinnerungen verknüpft, in die Gegenwart überführt und dabei weiterentwickelt. „Serienlektürebiografie“ bezeichnet in diesem Sinne ein Zusammenspiel von Se-
198 Kelleter 2012b, S. 19f. 199 Was in der vorliegenden Arbeit unter „Serienlektürebiografie“ verstanden wird, unterscheidet sich damit von den „Lesebiografien“ der Perry Rhodan-LeserInnen, die Günther beschreibt, die sich auf Lektüreerfahrungen im Allgemeinen beziehen. Vgl. Günther 1999b, S. 18f. 200 Vgl. Sabine Sielke: Joy in Repetition. Acht Thesen zum Konzept der Serialität und zum Prinzip der Serie. In: Kelleter 2012a, S. 385-400, hier S. 390-392 und S. 396. Sielke betrachtet Serialität im Licht von Befunden der Kognitionsforschung, die Erinnern „nicht mehr als eine Art des Speicherns und Abrufens von Lernprozessen und Informationen, sondern als eine Form des ständigen Überschreibens, Updatens, Vergessens und Wiedererinnerns“ (S. 390) begreifen und damit die Zukunftsgewandtheit von Erinnerung hervorheben.
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rie und LeserIn, das einerseits historische Verbindungen beider zu berücksichtigen hat, andererseits sich daraus ergebende, auf die Zukunft gerichtete Praktiken. Um Lektürepraktiken zu beschreiben, die sich über einen längeren Zeitraum ausbilden, eignet sich Begriff des „Lektüremodus“, in Anlehnung an den „Modus der Rezeption“ 201 , wie ihn der Kommunikationswissenschaftler Volker Gehrau ausführt. Gehrau fasst hierunter „bestimmte Arten der Rezeption [...], die sich aus vorhergegangenen Nutzungen ergeben haben, von den Nutzern gelernt wurden, eine gewisse Eigenständigkeit erlangen und zukünftige Rezeptionen beeinflussen“202. Für die vorliegende Arbeit ist nun interessant, ob sich serialitätsspezifische bzw. serialitätstypische Lektüremodi finden lassen, die im Verlauf der Serienlektüre ausgebildet werden. Ebenso stellt sich die Frage, ob mit bestimmten Zeitabschnitten im Verlauf des Serienlesens bestimmte Modi der Lektüre verbunden sind – etwa während der Anfangszeit des Serienlesens oder vor einer Lektüreunterbrechung. Studien aus der Serienforschung weisen darauf hin, dass die sukzessive Erzählweise und die Unabgeschlossenheit von Serien zu einer RezipientInnenbindung führen.203 Was genau dabei – abgesehen von einer wiederholten bzw. regelmäßigen Rezeption – unter einer solchen ‚Bindung‘ zu verstehen sei, welche Praktiken SeriennutzerInnen über einen längeren Zeitraum hinweg entwickeln und wie sie dabei mit dem jeweiligen Gegenstand interagieren, ist größtenteils unerforscht. Während in den letzten Jahren einige Studien erschienen, die sich mit narrativen Besonderheiten von Serien mit langer Laufzeit befassen,204 bleibt die Seite der RezipientInnen – zumindest im Sinne eingehender ethnografischer Forschung – hier weitgehend unberücksichtigt. Indem in der vorliegenden Studie nicht nur der aktuelle Lektüreprozess in seinen einzelnen Phasen vorgestellt, sondern auch zurückliegende Serienerfah-
201 Gehrau 2002, S. 40. 202 Ebd. Als Beispiele für Rezeptionsmodi führt Gehrau „die Interaktion mit den Medienfiguren“, die Differenzierung „zwischen instrumenteller und habitueller Mediennutzung“, die Unterscheidung zwischen „involvierte[r]“ und „distanziert analytische[r] Rezeption“ sowie den „spielerische[n] Umgang mit dem Medium und seinem Angebot“ an. Vgl. ebd. (Herv. i. O.). 203 Vgl. Knut Hickethier: „Das Beste von meiner Erzählung kommt erst noch.“ Historisches und Gegenwärtiges zum Erzählen in Raten. In: TheaterZeitSchrift 8 (1989), H. 1, S. 76-93, hier S. 79; Tudor Oltean: Series and Seriality in Media Culture. In: European Journal of Communication 8 (1993), H. 1, S. 5-31, hier S. 10f. 204 Vgl. z.B. Lavery 2009; Parkin 2009; Mittell 2010; Kelleter/Stein 2012.
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rungen einbezogen werden, können Lektüremodi herausgearbeitet werden, die sich über längere Zeit des Serienlesens entwickelt haben.
3 Methoden, Erhebung, Auswertung, Darstellung
3.1 L ESE ( R ) FORSCHUNG IN DER P ERSPEKTIVE AKTEUR -N ETZWERK -T HEORIE
DER
Wurden im vorangegangenen Kapitel mit den vorgestellten Forschungsrichtungen gleichzeitig die wesentlichen Dimensionen des Lesens benannt, die die vorliegende Studie in den Blick nimmt, wenn sie die seriellen Praktiken der Perry Rhodan-Lektüre beschreibt, werden im Folgenden die Methoden vorgestellt, mit denen sie sich den Lektürepraktiken nähert. Wie aus der Darstellung der Ansätze aus der Lese(r)forschung deutlich wurde, existiert bislang kein Konzept, das die aufgezeigten Perspektiven auf Lesen zusammenführt. Die vorliegende Studie entwickelt nun, indem sie sich theoretisch und methodisch an der ANT orientiert, einen Zugang, der erlaubt, die vielfältigen Aspekte der Lektüre miteinander zu verbinden und damit Lesen in seinem ‚Gesamtzusammenhang‘ zu betrachten. Dies stellt eine wichtige Bedingung dafür dar, die Bezüge, die durch Serialität hergestellt werden, zu erkennen und zueinander in Beziehung zu setzen. Eine Untersuchung, die die ANT integriert, liegt im Bereich der Lese(r)forschung bislang nicht vor, weshalb es zunächst erforderlich ist, nach den analytischen Perspektiven zu fragen, die sie für dieses Gebiet eröffnet.1
1
Die folgende Darstellung orientiert sich vor allem an Latours resümierendem Werk Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft, das den status quo der Begrifflichkeiten der ANT darstellt, und bezieht damit neuere Perspektiven der ANT mit ein. Vgl. Bruno Latour: Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie. Frankfurt a.M. 2010 (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft; 1967).
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Interessant ist die ANT hier vor allem aufgrund zweier Aspekte ihres Handlungsbegriffs. Zum einen eröffnet sie eine neue Perspektive auf Materialität. Mit ihrer Erweiterung des Spektrums der Akteure auf „nicht-menschliche Wesen“ („non-humans“)2 entfernt sie sich von einem intentionalistischen Handlungsbegriff. 3 Im Rahmen ihrer „symmetrischen Anthropologie“ 4 erlaubt sie, ontologisch unterschiedliche Elemente gleichrangig zu behandeln und zu verbinden und ermöglicht damit die Integration materieller Entitäten in ein Konzept sozialen Handelns. Mit der Aufwertung der Dinge, die daraus folgt, lässt sich an die volkskundliche Forschung zu „materieller Kultur“ anschließen, die gegenüber der älteren „Sachkulturforschung“ die Gegenseitigkeit der Mensch-Ding-Beziehung herausstellt. Für die neuere volkskundliche Forschung spricht Heidrich von einer „Dialektik der Beziehung zwischen Kultur und Dingen“5. Die volkskundliche Perspektive habe sich dabei gewandelt „von einer objektzentrierten, funktionsorientierten und instrumentellen Sachforschung hin zu einem umfassenderen kulturwissenschaftlichen Zugang, der die Reziprozität der materiellen Kultur (Menschen formen Dinge – Dinge formen Menschen) zentral setzt“6. Die ANT geht jedoch noch einen Schritt weiter. Sie vermeidet eine Gegenüberstellung von Subjekt und Objekt gänzlich, indem sie von vornherein nicht
2
Vgl. ebd., S. 124.
3
Vgl. ebd., S. 123; Reiner Ruffing: Bruno Latour. Paderborn 2009 (UTB; 3044), S. 12; Tom Mathar: Akteur-Netzwerk Theorie. In: Beck/Niewöhner/Sørensen 2012a, S. 173190, hier S. 184. Die innerhalb der ANT häufig verwendete Bezeichnung „Aktant“, die sich von dem traditionell intentionalem, menschlichem Handeln zugeordneten Wort „Akteur“ abheben soll, verweist auf eine Verschiebung des Handlungsbegriffs hin zu materiellen Entitäten. Vgl. Bruno Latour: Die Hoffnung der Pandora. Untersuchungen zur Wirklichkeit der Wissenschaft. Frankfurt a.M. 2000 (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft; 1595), S. 372; Latour 2010, S. 95. Für die vorliegende Arbeit folge ich der neueren Terminologie Latours – in Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft verwendet er fast ausschließlich die Bezeichnung „Akteur“ für menschliche wie für nicht-menschliche Handelnde – und wähle, den symmetrischen Charakter von Handeln voraussetzend, das Wort „Akteur“, das umfassend für alle am sozialen Handeln Beteiligten gilt.
4
Zum Begriff der „symmetrischen Anthropologie“ vgl. Peter Weingart: Wissenschaftssoziologie. Bielefeld 2003, S. 71; Ruffing 2009, S. 41; Mathar 2012, S. 173 und S. 185f.
5
Hermann Heidrich: Von der Ästhetik zur Kontextualität: Sachkulturforschung. In:
6
Ebd., S. 34.
Göttsch/Lehmann 2007, S. 33-56, hier S. 35.
M ETHODEN , E RHEBUNG , A USWERTUNG , D ARSTELLUNG
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zwischen Materiellem und Sozialem trennt.7 Der Ansatz der ANT verändert damit den Status von Dingen. Von Objekten werden diese zu mit „agency“ 8 ausgestatteten Akteuren, die mit menschlichen Handelnden kooperieren. 9 Auf diese Weise wird es möglich, Menschen und Dinge als ebenbürtige ‚Partner‘ – oder auch als ‚Gegenspieler‘ – im Prozess des Handelns zu betrachten. Dinge bieten mit ihrer je spezifischen Beschaffenheit Anschlussmöglichkeiten für menschliches Handeln. In seiner Formulierung der Mensch-Ding-Beziehung schließt Latour an den von James J. Gibson geprägten Begriff der „Affordanz“ an.10 Die Ei-
7
Vgl. Latour 2010, S. 130; Latour 2000, S. 378; Ruffing 2009, S. 11. Hierin sehen auch Beck, Niewöhner und Sørensen eine Antwort auf die Frage, weshalb die ANT einen Zugewinn für die Volkskunde bedeute. Vgl. Stefan Beck/Jörg Niewöhner/Estrid Sørensen 2012b: Einleitung. Science and Technology Studies – Wissenschafts- und Technikforschung aus sozial- und kulturanthropologischer Perspektive. In: Dies. 2012a, S. 9-48, hier S. 27f. Von einem „material turn“, wie er durch Science and Technology Studies und Kulturanthropologie, in Abgrenzung von dem vorherrschenden Fokus auf die Bedeutungsebene der Mensch-Ding-Beziehung, in den 1980er Jahren disziplinübergreifend eingeleitet wurde, lässt sich dabei, wie Gudrun M. König und Zuzanna Papierz treffend anmerken, für die volkskundliche Fachtradition nicht sprechen, war Materialität doch von Beginn an wichtiger Bestandteil der Forschung des Faches. Vgl. Gudrun König/Zuzanna Papierz: Plädoyer für eine qualitative Dinganalyse. In: Hess/Moser/Schwertl 2013, S. 283-307, hier S. 294. Für eine Darstellung der fachgeschichtlichen Perspektiven auf Materialität vgl. z.B. Beck/ Niewöhner/Sørensen 2012b, S. 27-30; Heidrich 2007.
8
Zum Begriff der „agency“ vgl. Erhard Schüttpelz: Elemente einer Akteur-MedienTheorie. In: Thielmann/Schüttpelz 2013, S. 9-67, hier S. 10f. Schüttpelz hebt mit seiner Favorisierung der Übersetzung des Wortes „agency“ als „Handlungsinitiative“ (im Vergleich zu „Handlungsmacht“ und „Handlungspotenzial“) hervor, dass es nicht auf Größe oder Leistungsvermögen einer Entität ankomme. Er verweist darauf, dass „alles das, was andere Größen in Aktion treten lässt, egal wie stark oder schwach, groß oder klein, als Ausgangspunkt (und Träger) einer „agency“ (also einer Handlungsinitiative) dargestellt werden kann und soll.“ (S. 10).
9
Zum Handlungskonzept der ANT, das diese Kooperation von menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren beschreibt, vgl. Weingart 2003, S. 71f.; Ruffing 2009, S. 8 und S. 10f.; Mathar 2012, S. 173-177, S. 185f. und S. 188; Beck/Niewöhner/Sørensen 2012b, S. 27f., S. 30f. und S. 39.
10 Vgl. Latour 2010, S. 124. Vgl. hierzu auch James J. Gibson: Wahrnehmung und Umwelt: Der ökologische Ansatz in der visuellen Wahrnehmung. München/Wien/Baltimore 1982 (U-&-S-Psychologie).
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genschaften der Dinge stellen ein Angebot dar, das die menschlichen Akteure aufgreifen können – aber nicht müssen. 11 Dinge „determinieren“ nicht menschliches Handeln, sondern können „ermächtigen, ermöglichen, anbieten, ermutigen, erlauben, nahelegen, beeinflussen, verhindern, autorisieren, ausschließen und so fort.“12 Der erweiterte Handlungsbegriff der ANT verändert auch den Blick auf mediales Handeln, das nun viel stärker auch im Hinblick auf seine materiellen Bedingungen betrachtet werden muss. Lesestoffe – Bücher, Heftromane – sind folglich auch als Dinge in den Blick zu nehmen, die mit ihren jeweils spezifischen Qualitäten als Akteure in Erscheinung treten. Gudrun König und Zuzanna Papierz weisen, indem sie Karl-Sigismund Kramers Begriff der „Dingbedeutsamkeit“13 mit dem der „agency“ verbinden, darauf hin, dass symbolische und materielle Eigenschaften in der Analyse von Dingen eng aufeinander zu beziehen seien.14 Für mediales Handeln ist dies besonders relevant, sind hier doch die symbolische und die materielle Ebene offenbar unauflöslich miteinander verbunden. Beim Lesen und dem Umgang mit Lesestoffen ist der Bezug auf Materialität und Bedeutung ausschließlich in Kombination denkbar. In Rückbindung an die volkskundliche Forschung liefert die ANT der vorliegenden Studie folglich eine theoretische und methodische Grundlage dafür, der dynamischen Beziehung von LeserIn und Lesestoff gerecht zu werden und dabei auch deren Bedeutungsebene nicht zu vernachlässigen. Ein zweiter relevanter Aspekt des Handlungsbegriffs der ANT ist, dass dieser nicht die Akteure zum Ausgangspunkt des Handelns macht, sondern den Aspekt der Vermittlung betont. Entitäten werden erst und ausschließlich im Mo-
11 Im Vergleich zu anderen Ansätzen der Medien- bzw. Lese(r)forschung, wie sie mit dem Uses-and-Gratifications-Approach und den Arbeiten aus dem Umfeld der Cultural Studies beschrieben wurden, werden Lesestoffe und NutzerInnen gleichberechtigt betrachtet. Indem die ANT weder menschliches Handeln zum Ausgangspunkt macht, noch eine ‚Alleinherrschaft‘ der Dinge proklamiert, bietet sie einen Weg, technik- wie sozialdeterministische Sichtweisen zu vermeiden. Vgl. Andreas Hepp: Netzwerke, Kultur und Medientechnologie. Möglichkeiten einer kontextualisierten Netzkulturforschung. In: Maren Hartmann/Jeffrey Wimmer (Hg.): Digitale Medientechnologien. Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft. Wiesbaden 2011 (Medien – Kultur – Kommunikation), S. 53-74, hier S. 61f.; Wieser 2012, S. 52f. 12 Vgl. Latour 2010, S. 124. 13 Zu Kramers Begriff der „Dingbedeutsamkeit“ vgl. auch Gottfried Korff: Ein paar Worte zur Dingbedeutsamkeit. In: Kieler Blätter zur Volkskunde 32 (2000), S. 21-34. 14 Vgl. König/Papierz 2013, v.a. S. 302.
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ment ihrer Verbindung sozial.15 Ein Akteur ist damit nicht durch einen einseitigen Akt der Handlung bestimmt, sondern „Akteur ist, wer von vielen anderen zum Handeln gebracht wird“16. In der ANT nimmt das „Kollektiv“17 die Stelle von „Gesellschaft“ ein.18 Nach Latour ist „[d]ie Gesellschaft [...] nicht das Ganze, ‚in dem‘ alles andere eingebettet ist, sondern das, was ‚durch‘ alles zirkuliert, was Verbindungen kalibriert und jeder Entität, die sie erreicht, eine Möglichkeit der Kommensurabilität anbietet.“19 Handeln ist demnach als Verknüpfung zu begreifen. Die medientheoretischen Implikationen sind weitreichend. Gerade das Zentralsetzen von Vermittlungsprozessen, das sich im Begriff des „Mittlers“ bzw. „Mediators“ niederschlägt, ist Grundlegend für eine Verbindung von ANT und Medientheorie. 20 Während sich nach Matthias Wieser klassische medien- und kommunikationswissenschaftliche Studien vor allem mit der Produktion von Medien, der Rezeption von Medien oder, in einem dritten Zugang, mit der medialen Botschaft befassen,21 nimmt „[e]ine Medienanalyse mittels der ANT [...] nun genau den Kommunikationskanal ins Visier, um von dort ausgehend die Praktiken der Produktion und Rezeption zu rekonstruieren. Dabei geraten dann die Medien eben als solche – als Medien oder in der Sprache der ANT als Mediatoren – in den Blick und sind nicht bloße Mittel von Interessen, sei es der Produzenten oder der Konsumenten.“22
Den „Medien selbst und dem Prozess der Medialisierung“ 23 wird also mehr Aufmerksamkeit geschenkt.24 Dies bleibt auch dann gültig, wenn man die ANT
15 Vgl. Latour 2010, S. 112; Mathar 2012, S. 173. Latour bezeichnet die ANT auch als „Soziologie der Assoziationen“ (Latour 2010, S. 30). 16 Latour 2010, S. 81 (Herv. i. O.). 17 Zum Begriff des „Kollektivs“ vgl. z.B. Latour 2000, S. 376. 18 Vgl. Latour 2000, S. 374-376; Latour 2010, S. 32 und S. 129. 19 Latour 2010, S. 415. 20 Vgl. Schüttpelz 2013, S. 17f. Medien sind als ebensolche „Mittler“ zu verstehen, die aktiv den Prozess medialen Handelns beeinflussen. Vgl. Hepp 2011, S. 62f.; Wieser 2012, S. 110. In diesem Sinne können sie als Akteure betrachtet werden. 21 Vgl. Wieser 2012, S. 103. Zur Trennung von medienzentrierter und publikumszentrierter Forschung vgl. auch Sutter 2009, S. 80f. 22 Wieser 2012, S. 102f. 23 Ebd., S. 105. 24 Vgl. ebd., S. 105f.
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mit einem utilitaristischen Ansatz wie dem Uses-and-Gratifications-Approach oder mit der Medienforschung der Cultural Studies vergleicht, die ihren Schwerpunkt eher auf das Aushandeln von Bedeutungen zwischen ProduzentInnen und RezipientInnen legt.25 Der Ansatz der ANT bietet so nicht nur eine Alternative gegenüber dem klassischen Sender-Empfänger-Modell der Medien- und Kommunikationswissenschaft, sondern auch gegenüber neueren, für die empirischkulturwissenschaftliche Medienforschung bedeutsamen Modellen, die vornehmlich die Aneignung durch ihre NutzerInnen betonen.26 Die methodischen Überlegungen der ANT bieten dabei zahlreiche Anschlusspunkte für eine empirische Studie zur Mediennutzung. „Reassembling the social“, das heißt, „das Soziale wieder zusammenzusetzen, wieder zu versammeln“27, ist nach Latour die vordringlichste Aufgabe der Forschenden. Wichtigstes Mittel der Beschreibung ist dabei das „Akteur-Netzwerk“.28 Bei den „Netzwerken“ der ANT handelt es sich nicht um das, was beschrieben wird, etwa in Form empirischer Gebilde, die einen Netzwerkcharakter haben, das „AkteurNetzwerk“ bezeichnet vielmehr eine Methode: den Prozess des Aufzeichnens, des Versammelns, der sein Ergebnis im Bericht der Forscherin findet.29 Demnach ist die ANT auch auf Fälle anwendbar, bei denen der Netzwerk-Begriff zunächst nicht naheliegend erscheint. So weist Latour darauf hin, „daß man einen Akteur-Netzwerk-Bericht von Gegenständen liefern kann, die keineswegs die Gestalt eines Netzwerks haben – von einer Symphonie, einem Stück Gesetzgebung, einem Gestein vom Mond, einer Radierung.“30 Es kommt auf die Darstellungsweise an. Eine gute Darstellung zeichnet sich nach Latour dadurch aus, dass sie eine „Entfaltung“31 ihres Gegenstandes leistet: „Entfalten heißt einfach, daß durch den Bericht, der die Untersuchung abschließt, die Anzahl der Akteure möglicherweise vergrößert wird; das Spektrum der Existenzformen, die die Akteure zum Handeln bringen, möglicherweise erweitert wird; die Anzahl der Objekte, die an der Stabilisierung von Gruppen und Agenzien beteiligt sind, möglicherweise
25 Vgl. ebd., S. 105. 26 Zur Unterscheidung der ANT-spezifischen Sichtweise von der Perspektive der Rezeptionsstudien der Cultural Studies vgl. auch Kelleter 2012b, S. 19f. 27 Latour 2010, S. 22 (Herv. i. O.). Reassembling the social ist der englische Titel des Buches Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. 28 Vgl. ebd., S. 188. 29 Vgl. ebd., S. 228. 30 Ebd. 31 Ebd., S. 236.
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vervielfältigt wird; und die Kontroversen über umstrittene Tatsachen möglicherweise aufgezeichnet werden.“32
Latour bezeichnet die Methode auch als das Zeichnen einer „Karte der Bündnisse und der Veränderungen der Bündnisse“33 verschiedener Akteure. Es komme dabei nicht darauf an, wo die Beschreibung ansetze: „Der Einstiegspunkt ist gleichgültig – darin liegt die Bedeutung der Methode –, denn die Assemblagen vermengen Dinge und Menschen.“34 Der Netzwerk-Begriff der ANT unterscheidet sich damit grundlegend von anderen Netzwerk-Begriffen.35 Dass die Netzwerke der ANT nicht mit sozialen oder kommunikativen Netzwerken zu verwechseln seien, führt der Medien- und Kommunikationswissenschaftler Andreas Hepp aus. 36 Während soziale und kommunikative Netzwerke als „Geflecht[e] von Handlungen [zu verstehen seien], in die Medien als Technologien einbezogen sind, [...] [gehe] die ANT [...] gerade nicht davon aus, dass eine Mediengesellschaft bzw. Medienkultur gegeben ist und Medien als Technologien in dieser eine bestimmte Wirkung entfalten. Vielmehr geht es darum, empirisch zu untersuchen, wie sich das Soziale in verschiedenen Assoziationen aus menschlichen Handlungen und ‚Dingen‘ (und damit auch Medien als Technologien und materielle Objekte) artikuliert.“37
Ein Netzwerk des Lesens, wie es mit der ANT entworfen werden kann, steht damit im Kontrast zu Vorstellungen ‚vernetzter‘ Rezeptionssituationen aus der Leser- und Fanforschung wie etwa Thomas J. Roberts’ Auffassung von Lesen als sozialer Praxis, bei der die Lesenden eine imaginative Verbindung mit anderen LeserInnen und den AutorInnen der Werke herstellen,38 oder jener von Henry Jenkins, dessen Fannetzwerke zwar stark auf neuester Kommunikationstech-
32 Ebd., S. 239. 33 Bruno Latour 1996b: Porträt von Gaston Lagaffe als Technikphilosoph. In: Ders. 1996a: Der Berliner Schlüssel. Erkundungen eines Liebhabers der Wissenschaften. Berlin 1996, S. 17-27, hier S. 21. 34 Ebd. 35 Zur Abgrenzung des Begriffs von anderen Netzwerken, etwa dem technischen Netzwerk, vgl. auch Latour 2010, S. 224-226. 36 Vgl. Hepp 2011, S. 53 und S. 62-64. 37 Vgl. ebd., S. 63f. 38 Vgl. Thomas J. Roberts: An Aesthetics of Junk Fiction. Athens/London 1990, S. 218221.
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nologie basieren, in dessen Betrachtungsweise die Technologie aber deutlich in das Interesse bestimmter Gruppen gestellt wird und die, im Gegensatz zur ANT, nicht die eigene Wirkmächtigkeit der Medien berücksichtigt.39 Der Konzeption einer empirischen Studie zum Thema Lesen den NetzwerkBegriff der ANT zugrunde zu legen, hat zur Folge, den Schwerpunkt der Darstellung auf die Vermittlungsprozesse zu legen und von dort aus den Lektürepraktiken nachzugehen. Vor dem Hintergrund des veränderten Handlungsbegriffs muss auch der Begriff des medialen Dispositivs neu perspektiviert werden. In einer Zusammenführung von Hickethiers und Latours Gedanken werden in der vorliegenden Arbeit Dispositive als fluide und situativ entstehende Formationen verstanden, die sich im Wechselverhältnis von LeserIn und technisch- bzw. materiell-medialen, räumlichen und zeitlichen Akteuren je neu zusammensetzen. Kulturelle Werte und Normen sind dabei nicht als Rahmen für diese Handlungen zu betrachten, sie wirken nicht als Ordnungssystem, respektive als diffuse Kraft ‚im Hintergrund‘, vielmehr manifestieren sie sich – als Folge von Übersetzungsprozessen – in den Akteuren und werden durch diese wirksam. Die ANT, dies ist zu betonen, liefert keine detailliert ausgearbeitete methodische Anleitung zur Durchführung empirischer Untersuchungen. Auch Modellstudien, die Lesen aus einer an der ANT orientierten Perspektive betrachten, existieren bislang nicht. Ein Beispiel dafür, wie sich der Ansatz für die Analyse von Praktiken der Mediennutzung handhabbar machen lässt, stellen Antoine Hennions Arbeiten zu Musikhören und (Musik-)Geschmack dar.40 Das Zusam-
39 Vgl. z.B. Jenkins 2010. 40 Ungeachtet ihrer erst späten breiteren Rezeption durch die Medienwissenschaften, existierte innerhalb der ANT bereits von Beginn an eine eigene Medienforschung, die, neben Cécile Méadel, vor allem durch Antoine Hennion vertreten wurde. Vgl. Schüttpelz 2013, S. 16. Zum hier beschriebenen Ansatz Hennions vgl. Antoine Hennion: Music Lovers: Taste as Performance. Manuscrit auteur. In: Theory, Culture, Society 18 (2001), H. 5, S. 1-22. http://hal.archives-ouvertes.fr/docs/00/19/31/24/PDF/Hen nion2001MusLoversThCultSoc.pdf, 08.10.2015; Antoine Hennion 2010a: The Price of the People. Sociology, Performance and Reflexivity. In: Elizabeth Silva/Alan Warde (Hg.): Cultural Analysis and Bourdieu’s Legacy. Settling Accounts and Developing Alternatives. London/New York 2010, S. 117-127; Antoine Hennion 2010b: Those Things That Hold us Together. Vortrag auf dem Jubiläumskongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Frankfurt a.M. 2010, o. S. http://dgs2010.de/wpcontent/uploads/Hennion_2010_dgs1.pdf, 10.06.2013. Hennion vertritt einen konsequent praxistheoretischen Begriff von „Geschmack“, den er in entschiedener Abgrenzung von der kritischen Soziologie und insbesondere Pierre Bourdieu entwickelt. „Ge-
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menspiel der Akteure bei der Mediennutzung begreift Hennion als „KoProduktion“41 bzw. „Ko-Formation“42, an der NutzerInnen und ProduzentInnen sowie die Werke selbst, einschließlich ihrer Medien und deren technischen und kommerziellen Kontextes, gleichermaßen beteiligt sind.43 Diese beinhaltet auch Praktiken, die über die reine Rezeption hinausgehen.44 Hennion führt dies am Beispiel des Musikhörens aus: „Festivals, dances, clothing, stimulants, social and sexual intercourse, etc., are the modes of collective and personal pleasure which define the conditions of musical taste today. They cannot be disassociated from ‚music itself‘.”45 Mit dem Begriff des „attachment“46 fasst Hennion die heterogenen Verbindungen, innerhalb derer der Musikgeschmack zu verorten ist und veranschaulicht – einigermaßen provokant formuliert – dessen umfassende Bedeutung: „Taste effectively depends on everything”47. Die Verbindungen zum Lesen als Form der Mediennutzung sind evident. Den Begriff des „attachment“48 voraussetzend, lässt sich Lesen als in eine Vielzahl weiterer Praktiken eingebunden betrachten. Zum Perry Rhodan-Lesen gehört auch, auf Conventions zu gehen, Hörbücher zu hören, Plakate aufzuhängen und vieles mehr – Praktiken freilich, die einen potenziellen Charakter haben und individuell differieren, und die doch über die persönliche Nutzung hinausweisen, indem sie LeserInnen mit anderen LeserInnen, mit ProduzentInnen, mit Texten, mit Dingen, mit Räumen verbinden. Hennions äußerst offen gehaltene Formulierung dessen, was alles miteinander verbunden bzw. zu verbinden sei, zeigt jedoch die Schwierigkeit der Übertragbarkeit seiner Vorgehensweise auf andere
schmack“ wird nicht als durch vorhandene Strukturen – wie soziale Herkunft der Rezipierenden oder eine wie auch immer geartete Werkästhetik – von vornherein bestimmt verstanden, sondern performativ, mithin als „Aktivität“, gefasst. Vgl. Hennion 2010b, o. S. Diese Sichtweise hat methodische Konsequenzen. Um Prozesse der Geschmacksbildung zu verstehen, ist es nötig, die damit verbundenen Praktiken der Mediennutzung in den konkreten Situationen zu beobachten und zu beschreiben, die sie hervorbringen. Standardisierte Befragungen etwa sind hier wenig gewinnbringend. Vgl. ebd. 41 Hennion 2001, S. 3. 42 Ebd. 43 Vgl. ebd., S. 3 und S. 10; Hennion 2010b, o. S. 44 Vgl. Hennion 2001, S. 3 und S. 15. 45 Ebd., S. 15. 46 Ebd., S. 16. 47 Ebd. 48 Hennion 2010b, o. S.
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Untersuchungen und offenbart zugleich eine Schwachstelle der ANT insgesamt im Hinblick auf ihre Eignung als systematischer methodischer Ansatz. Welche Verbindungen im Einzelfall hergestellt werden können und auf welche Weise dies zu geschehen habe, bleibt weitgehend ungeklärt. Positiv gewendet lässt sich diese Offenheit jedoch auch als permanente Forderung nach ethnografischer Aufmerksamkeit und Sensibilität lesen. Eigenverantwortung der Ethnografin bei der Auswahl des Dargestellten sowie Kreativität bei der Verbindung der Beobachtungen sind angesprochen. Bleibt die ANT auch vage, was konkrete methodische Anweisungen betrifft, liefert sie doch eine Reihe von Begrifflichkeiten, die zur Untersuchung von Medienhandeln nutzbar gemacht werden können. Matthias Wieser hat vier Begriffe herausgearbeitet, mit denen Latour die Vermittlungsprozesse charakterisiert, die das Handeln kennzeichnen und deren Implikationen für die Betrachtung von Lektürepraktiken im Folgenden beschrieben werden sollen: „Komposition“, „Übersetzung“, „Delegation“ und „blackboxing“.49 Als Beispiel für die Komposition einer Handlung nennt Latour in Die Hoffnung der Pandora das eines Schützen, in dem sich zwei Agenten – Agent 1, die Waffe, und Agent 2, der Mensch, der die Waffe hält – zu einem neuen Agenten verbinden.50 Latour beschreibt hier das Aufeinandertreffen verschiedener Handlungsprogramme 51 , die jeweils transformiert werden, mit dem Ergebnis der „Schöpfung eines dritten Ziels, das keinem der beiden ursprünglichen Handlungsprogramme mehr entspricht“52. Weder Waffen noch Menschen töten, sondern diese Handlung wird allein durch einen Übersetzungsprozess ermöglicht, der zwischen den Handlungsprogrammen beider Akteure vermittelt.53 Bei aller offensichtlichen Ferne des Beispiels von dem in der vorliegenden Arbeit untersuchten Handlungsbereich, ist die Vorstellung eines auf solche Weise zusammengesetzten Handelns für den hier vertretenen Begriff vom Lesen essenziell. Lesen lässt sich in dieser Perspektive als „sozio-materielles Netzwerk“54 verste-
49 Vgl. Wieser 2012, S. 62-64. 50 Vgl. Latour 2000, S. 214-219; Wieser 2012, S. 63. 51 Zu den Begriffen „Handlungsprogramme“ und „Gegenprogramme“ vgl. Latour 2000, S. 375. 52 Ebd., S. 217. 53 Vgl. ebd. Die „Übersetzung“ ist ein zentrales Konzept der ANT. Letztere bezeichnet Latour auch als eine „Soziologie der Übersetzung“. Vgl. Latour 2010, S. 183. Eine Explikation des Begriffs erfolgt u.a. in Latour 2000, S. 217f. und S. 381 sowie Latour 2010, S. 188. Zum Konzept der Übersetzung vgl. auch Mathar 2012, S. 178f. 54 Zum Begriff des „sozio-materiellen Netzwerks“ vgl. Mathar 2012, S. 174.
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hen. Die LeserIn stellt – in Analogie zum Beispiel des Schützen – eine hybride Figuration dar, in der Mensch und Buch bzw. Heft, und damit verschiedene ontologische Bereiche, zusammenkommen und im Moment des Lesens sozial werden.55 Lesen ist demnach nicht von einer Seite – der der LeserIn oder der des Lesestoffs – her zu begreifen, sondern besteht in einer Verbindung beider, die folglich bei der Untersuchung als gleichberechtigte Akteure berücksichtigt werden müssen. Ein weiteres Prinzip, mit dem sich mediales Handeln fassen lässt, ist das der Delegation, das Latour etwa am Beispiel des sogenannten Schlafenden Gendarmen beschreibt, einer Straßenschwelle, die – durch eine Übersetzung der Handlungsprogramme ihrer ErbauerInnen in eine konkrete Materie – AutofahrerInnen dazu zwingt, langsamer zu fahren.56 Im Anschluss an dieses Beispiel lassen sich Medien als Delegierte betrachten, in denen – in ihrer Zielsetzung sowie funktional und materiell modifizierte – Handlungsprogramme nicht mehr anwesender Akteure präsent bleiben, und die ihre Wirkung im Zusammenspiel mit den MediennutzerInnen entfalten.57 Lesen, als Mediennutzung, beschreibt demnach eine Interaktion von Lesenden und Lesestoffen, welche als Delegierte die Handlungen diverser Akteure inkorporieren und damit auch in ihren räumlichen und zeitlichen Dimensionen über sich selbst hinaus weisen – und dies eben nicht nur auf symbolischer Ebene, sondern in ihrer materiellen Präsenz. Auch das blackboxing, mit dem Latour „das Unsichtbarmachen wissenschaftlicher und technischer Arbeit durch ihren eigenen Erfolg“ 58 beschreibt, lässt sich für Medienhandeln zugrunde legen. Latour veranschaulicht das Prinzip anhand der Beispiele einer reibungslos laufenden Maschine bzw. eines Computers. 59 Im Normalfall ihres Funktionierens übermitteln die technischen Geräte „Bedeutung oder Kraft ohne Transformation“60, sie sind dann bloße „Zwischenglied[er]“61. Erst im Falle eines Versagens werden die vielfältigen Verbindungen
55 Zu Latours Begriff des „Hybriden“ vgl. z.B. Ruffing 2009, S. 10f.; Mathar 2012, S. 173f. 56 Vgl. Latour 2000, S. 226-232; Wieser 2012, S. 64. Als weiteres Beispiel zum Begriff der „Delegation“ ließe sich auch der von Latour beschriebene „Berliner Schlüssel“ nennen. Vgl. Bruno Latour 1996c: Der Berliner Schlüssel. In: Ders. 1996a, S. 37-51. 57 Vgl. Latours Ausführungen zum Begriff der „Delegation“: Latour 2000, S. 226f. und S. 230f. 58 Ebd., S. 373. 59 Vgl. ebd.; Latour 2010, S. 70. 60 Latour 2010, S. 70. 61 Ebd.
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sichtbar, die sich in ihnen verbergen. Sie werden zu komplexen „Mittlern“, die das Übermittelte „übersetzen, entstellen, modifizieren und transformieren“ 62 . Vor diesem Hintergrund ist die Aufgabe ernst zu nehmen, dem unauffälligen Agieren von Medien in alltäglichen Prozessen nachzugehen. Das Öffnen der black box besteht für die Lese(r)forschung darin, das, was Lesestoffe als Mittler im Lektüreprozess leisten, sichtbar zu machen und darüber hinaus weitere beteiligte Akteure zu identifizieren. Das vorgestellte begriffliche Instrumentarium bietet die Möglichkeit, Lesen in einer umfassenden Perspektive in den Blick zu nehmen und das Zusammenwirken verschiedenster Akteure zu untersuchen. Eine Orientierung an der ANT birgt damit das Potenzial, einen wichtigen Beitrag zu einer Leser(r)forschung zu leisten, die bislang meist Einzelbetrachtungen zu bestimmten Aspekten der Lektürepraxis lieferte. Die vorliegende Studie erkundet nun, indem sie die für serielle Lektüre charakteristischen Praktiken innerhalb eines Akteur-Netzwerks des Serienlesens beschreibt, die Anwendungsmöglichkeiten dieses Ansatzes.
3.2 M ETHODISCHE Z UGÄNGE
UND
Q UELLEN
Um die kooperativen Prozesse zu erfassen, die bei der Lektüre vonstatten gehen, ist ein multimethodischer Zugang nötig. Dieser ist eine notwendige Bedingung, um unterschiedliche Akteure aufspüren und ihr Handeln adäquat beschreiben zu können und damit nicht in erster Linie als „Validierungsstrategie“63 zu verstehen. Die verwendeten Methoden sichern nicht bloß die jeweiligen Ergebnisse gegenseitig ab, sie ergänzen sich und erweitern das Spektrum der Akteure und beobachtbaren Handlungen. Die verschiedenen Zugänge werden im Folgenden skizziert und im Anschluss das Vorgehen bei der Auswertung und Darstellung des Materials erläutert. 3.2.1 Leitfadengestützte Interviews mit LeserInnen In Einzel- oder Doppelinterviews wurden insgesamt 18 Perry Rhodan-LeserInnen aufgefordert, ihren Umgang mit und ihr Verhältnis zur Serie erzählend zu
62 Ebd. Zur Unterscheidung von „Mittlern“ und „Zwischengliedern“ vgl. auch ebd., S. 186; Latour 2000, S. 382. 63 Uwe Flick: Triangulation in der qualitativen Forschung. In: Ders./Ernst von Kardorff/Ines Steinke (Hg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek, 5. Auflage 2007, S. 309-318, hier S. 310.
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beschreiben.64 Die Studie arbeitet dabei mit teilstandardisierten Interviews,65 die einen biografisch-narrativen mit einem strukturiertere Fragenkomplexe umfassenden Teil verbinden.66 Während der erste Teil des Leitfadens allgemeine und serienbezogene lektüre- und medienbiografische Erfahrungen thematisiert, zielt der zweite darauf, den Umgang mit der Perry Rhodan-Serie zu erheben. Das biografisch-narrative Interview wird innerhalb der Leser- und Leseforschung vor allem im Bereich der Lesesozialisation angewendet.67 Jedoch ist der
64 Die Methode des qualitativen Interviews wurde gewählt, da dieses sich besonders gut eignet, um sich alltäglichen Situationen der Seriennutzung aus der Sichtweise der LeserInnen zu nähern. Zu Spezifika qualitativer Interviews vgl. Jürgen Bortz/Nicola Döring: Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler. Heidelberg, 4., überarb. Auflage 2006 (Springer-Lehrbuch), S. 308f.; Christel Hopf: Qualitative Interviews – ein Überblick. In: Flick/Kardorff/Steinke 2007, S. 349-360; Brigitta Schmidt-Lauber 2007a: Das qualitative Interview oder: Die Kunst des RedenLassens. In: Göttsch/Lehmann 2007, S. 169-188. 65 Unter „teilstandardisiertes Interview“ wird eine Form des Interviews verstanden, die eine offene, narrative Vorgehensweise mit dem Ziel verbindet, durch einen Anteil an festgelegten, allen Befragten gleichermaßen gestellten Fragen eine Grundlage für die Vergleichbarkeit der Interviews zu schaffen. Zum „teilstandardisierten Interview“ vgl. z.B. Uwe Flick: Qualitative Sozialforschung. Eine Einführung. Reinbek, 4. Auflage 2011 (Rowohlts Enzyklopädie), S. 223. 66 Das Vorgehen beim narrativen Teil des Interviews orientiert sich vor allem an Flick 2011, S. 228-238; Siegfried Lamnek: Qualitative Sozialforschung. Weinheim/Basel, 5., überarb. Auflage 2010, S. 326-330; Gabriele Rosenthal: Interpretative Sozialforschung. Eine Einführung. Weinheim/Basel, 4. Auflage 2014 (Grundlagentexte Soziologie), S. 151-166. Zu grundlegenden Prinzipien der Methode des narrativen Interviews vgl. außerdem Bortz/Döring 2006, S. 316 und S. 318; Hopf 2007, S. 355-357; Schmidt-Lauber 2007a, S. 175-177. Zur Vorgehensweise bei leitfadenorientierten Interviews vgl. ebd., S. 177f. 67 Vgl. z.B. die Studie von Irene Pieper u.a.: Lesesozialisation in schriftfernen Lebenswelten. Lektüre und Mediengebrauch von HauptschülerInnen. Weinheim/München 2004 (Lesesozialisation und Medien). Zur Methodik des narrativen Interviews in der Lektürebiografieforschung vgl. auch Erich Schön: Die Leser erzählen lassen. Eine Methode in der aktuellen Rezeptionsforschung. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur (IASL), 15 (1990), H. 2, S. 193-201; Christine Garbe/Silja Schoett/Harald Weilnböck: Geschlechterdifferenz und Lektürepraxis in der Adoleszenz. Funktionen und Bedeutungen von Lektüre im Medienverbund von Jugendlichen. In: Groeben 1999, S. 218-232, hier S. 223-227.
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Bezug auf die Lektürebiografie auch für die Frage nach gegenwärtigem Lesen relevant, da frühere Leseerfahrungen die aktuelle Lektüre stets mitprägen.68 Die Interviewsituation schafft dabei die Bedingungen, die während der alltäglichen Nutzung meist nicht hinterfragte Erfahrung zu reflektieren und ihre Bedeutung im Rückblick zu (re)konstruieren.69 Wenn von „Biografie“ die Rede ist, handelt es sich folglich nicht um eine tatsächliche Abfolge von Ereignissen, sondern um eine individuell modifizierte Darstellung des Erlebten.70 Methodisch bringt die subjektive Prägung das Problem der Unverlässlichkeit hinsichtlich tatsächlicher Praktiken mit sich. Wird dieses jedoch bei der Auswertung der Interviews mitberücksichtigt, lässt es sich ins Positive wenden. So haben narrative Interviews nach Erich Schön den Vorteil, „auch die emotive [Dimension] des Erlebens und damit den ganzen Bereich der literarischen Erfahrung zu betreffen“71 und sind damit gut für ein vielschichtiges Erfassen der Lektüre geeignet. Während die Interviews also mit Fragen nach der vergangenen Lektüre und Mediennutzung begannen, wobei auch die Nutzung von Science-Fiction und die Zuwendung zur Perry Rhodan-Serie thematisiert wurde, stand im Fokus des zweiten Interviewteils die gegenwärtige Erfahrung mit Perry Rhodan. Gefragt wurde, wie die LeserInnen die Serie in ihren verschiedenen medialen Varianten nutzen, wie sie Kauf, Lektüre, Sammeln und andere serienbezogene Praktiken in ihren Alltag integrieren und mit weiteren kulturellen Aktivitäten verknüpfen. Hierbei kamen sowohl die konkrete Rezeptionssituation sowie auch der Umgang mit dem Gesamtwerk (Einstieg, Lektüre welcher Zyklen, Reihenfolge, Rereading, Auflagen, neuester Stand) zur Sprache. Zudem wurden auch Fragen gestellt, die auf die Ästhetik der Serie sowie auf die visuelle Seite der Rezeption abzielten, etwa nach dem Lieblingsroman und der Lieblingsfigur. Ebenso wurde nach kommunikativen Praktiken wie der Vernetzung mit anderen LeserInnen und mit ProduzentInnen gefragt sowie danach, was die LeserInnen unter „Fansein“ verstehen. Zum Abschluss sollten sich die LeserInnen gegenüber der
68 Vgl. Graf 1997, S. 172, S. 316 und S. 318. Zum Aspekt der Einbindung des aktuellen Lesens in die individuelle Lektürebiografie siehe auch Kap. 2.2.3. 69 Vgl. Garbe/Schoett/Weilnböck 1999, S. 225f.; Eggert/Garbe 2003, S. 60. 70 Vgl. Köcher 1993a, S. 45f. Terminologisch manifestiert sich dieser Unterschied in der Differenz von „Lebensverlauf“ und „Biografie“. Vgl. Lamnek 2010, S. 606. Zur Konstruiertheit von Biografien und sich daraus ergebenden methodischen Problemen vgl. Jacques Picard: Biografie und biografische Methoden. In: Christine Bischoff/Walter Leimgruber/Karoline Oehme-Jüngling (Hg.): Methoden der Kulturanthropologie. Bern 2014, S. 177-194, hier S. 185f.; Huber 2006, S. 37f. 71 Schön 1990, S. 195.
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Serie und damit verbundenen Diskursen wie einem Aussterben des Heftromans und einem postulierten ‚Schundcharakter‘ positionieren. Das Sample wurde so gewählt, dass alle ProbandInnen die Serie lesend rezipieren; die zusätzliche Nutzung von Perry Rhodan in anderen Medien ist dabei nicht ausgeschlossen. Mit Ausnahme von zweien, die die Serie als E-Book rezipieren, lesen dabei alle Befragten regelmäßig die Heftromane. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt damit auf diesem Format und den damit verbundenen Praktiken, wobei andere Formen der Veröffentlichung mitberücksichtigt werden. Den Großteil meiner InterviewpartnerInnen gewann ich durch einen Aufruf auf der Homepage der Perry Rhodan-Redaktion, der durch den Chefredakteur der Serie vermittelt und in seiner Formulierung mitgestaltet wurde. Die Aufforderung bekam damit einen offiziellen Charakter und wandte sich zugleich an ‚Insider‘, nämlich an solche Perry Rhodan-LeserInnen, die die Website des Verlages aufriefen. Ein zusätzliches Interview kam durch ein Zufallstreffen in der Bibliothek zustande, und ein weiterer Leser stammt aus meinem eigenen Bekanntenkreis. Auf alle Rückmeldungen hin wurden zunächst persönliche E-Mails mit angehängtem Kurzfragebogen versandt. Mittels der beantworteten Fragebögen wurde daraufhin ein Sample erstellt, das eine möglichst große Bandbreite an Verhaltensweisen erwarten ließ. Dabei erfolgte die Auswahl anhand des Kriteriums „Fan“ oder „Nicht-Fan“ bzw. „NormalleserIn“, das heißt anhand der Frage, ob die LeserInnen nach eigenen Angaben zur Zeit der Erhebung Kontakte zu anderen pflegten bzw. im Serien-„Fandom“ vernetzt waren. Das Verhältnis von „NormalleserInnen“ und „Fans“ im Sample lässt sich mit 2:1 angeben. Von den befragten LeserInnen sind 14 männlich und vier weiblich. Dies entspricht dem überwiegenden Anteil männlicher Leser innerhalb der Perry Rhodan-Leserschaft;72 gleichzeitig sollen mit dieser Auswahl Perspektiven weiblicher Lese-
72 Nutz ermittelt für Science-Fiction-HeftromanleserInnen einen Männeranteil von 75 %. Vgl. Nutz 1999, S. 163. Da die Erhebung aus den Jahren 1989/1990 ausschließlich LeserInnen von „Heft- und Taschenromanreihen der Verlage Bastei, Cora, Kelter und Pabel-Moewig“ (S. 121) erfasst und in diesem Zeitraum neben Perry Rhodan von den genannten Verlagen keine weiteren Serien angeboten wurden, beziehen sich die Ergebnisse ausschließlich auf Perry Rhodan-LeserInnen. Zu den erhältlichen Serien vgl. die von Galle erstellte „Science-Fiction-Zeittafel“ für Heftromanserien und -reihen in Galle 2005, S. 122. Eine neuere, unveröffentlichte Umfrage der GfK ermittelt für die Perry Rhodan-KäuferInnen einen Männeranteil von 68 %. Vgl. GfK Panel Services Deutschland: Sonderanalyse Perry Rhodan. Zeitraum: 2003-1. Halbjahr 2008. o. O. 2008, S. 6f. Die Studie wurde mir von der Perry Rhodan-Redaktion freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
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rInnen innerhalb des männlich dominierten Bereichs explizit berücksichtigt werden. Die Befragten waren zum Zeitpunkt der Interviews zwischen 23 und 62 Jahren alt. Die Konzentration auf erwachsene und insbesondere über 30-jährige LeserInnen entspricht dabei der Alterszusammensetzung der Perry RhodanLeserschaft insgesamt.73 Zehn der Befragten haben einen Universitätsabschluss. Dies ist eine für den Heftromanbereich bemerkenswert hohe Anzahl, das Sample liegt damit jedoch nur leicht über dem Durchschnitt der Perry RhodanLeserInnen, unter denen, laut Nutz, 47 Prozent mit höherer Schulbildung oder Studium zu finden sind.74 Durchgeführt wurden die Interviews bei den Befragten zu Hause oder in Gaststätten, wobei die Wahl des Ortes den InterviewpartnerInnen überlassen blieb. Dabei wurde Wert darauf gelegt, dass die Gespräche in Settings stattfanden, die einen eher privaten Charakter hatten und eine zwanglose Gesprächsatmosphäre ermöglichten. Liste der ProbandInnen – LeserInnen Pseudonym
Alter
ProbandIn
Bildungsabschluss /
Perry
Datum des
Interview
Beruf
Rhodan-
Interviews
Nr.
17.06.2011
1
LeserIn seit ... Stefan Belting
49
Dipl.-Mathematiker,
ca. 1974
in der SoftwareEntwicklung tätig
73 Unter den Perry Rhodan-LeserInnen überwiegen diejenigen mittleren bis älteren Jahrgangs. Während Nutz’ Studie aus den 1990er Jahren einen Altersschwerpunkt bei 20 bis 40 Jahren feststellt, ermitteln neuere Studien der Forsa und der GfK eine Konzentration des LeserInnenalters bei 30 bis 49 bzw. 40 bis 49 Jahren. Vgl. Nutz 1999, S. 163; Forsa. Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH: Markenbekanntheit Perry Rhodan. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung. Berlin 1998, S. 4; GfK 2008, S. 3. 74 Vgl. Nutz 1999, S. 174. Perry Rhodan-LeserInnen verfügen damit unter den HeftromanleserInnen über den höchsten Bildungsstand. Vgl. Nutz 1999, S. 163. Forsa und GfK ermitteln für Perry Rhodan-LeserInnen mit Abitur oder Studium nur Werte von 27,85 % bzw. 30 %; verglichen mit HeftromanleserInnen anderer Genres sind dies jedoch noch immer hohe Anteile.
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Gerd Brehm
60
Referent für Presse-
1963
27.05.2011
2
1988
09.06.2011
3
Versicherungsfachwirt 1961
16.06.2011
4
und Öffentlichkeitsarbeit Markus Ehlers
35
Dipl.-Pädagoge, selbstständig mit eigener Taxifirma
Walter Fischer
Oliver Mohn
62
37
im Vorruhestand
(Bd. 1)
Versicherungs-
1987
30.06.2011
5
1975
09.06.2011
6
ca. 1980
10.06.2011
7
1971
22.06.2011
8
kaufmann Dieter Rathgeb
50
Maschinenführer im Lebensmittelbereich
Jörg Reimann
47
Dipl.-Volkswirt, Finanzanalyst
Michael Schubert 55
Dipl.-Ingenieur Informatik, Projektleiter EDV-Systeme
Matthias Specht
23
B.A. Logistik
2000
26.05.2011
9
Holger Speidel
41
bei einem Hersteller
1982
02.05.2011
10
2008
26.05.2011
11
2007
10.06.2011
12
21.06.2011
13
für Fahrradzubehör tätig Melanie Speidel
38
bei einem Hersteller
ca. 1985
für Fahrradzubehör tätig Katharina Weiß
31
Technomathematikerin
Anja Wendt
26
Mediengestalterin für Printmedien
Thomas Wendt
28
Philipp Wetzler
26
Master of Science
2007
M.A. Geschichte und
2000
Literaturwissenschaft
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Dr.
46
Rainer Weygandt
Promotion, Redakteur
ca. 1970
17.11.2010
14
17.02.2011
15
einer Tageszeitung
(Sammlung) Carolin Winter
29
75
Tobias Winter Frank Zelter
Dipl.-Kauffrau,
ca. 1993
15.01.2009
16
1982
16.06.2011
17
Steuerassistentin 41
Mittlere Reife, Polizeibeamter
3.2.2 Sammlungsbesichtigung und Fotodokumentation In den Fällen, in denen das Interview in der Wohnung der InterviewpartnerInnen stattfand, bot sich die Möglichkeit, zu beobachten, wie Serienbezogenes dort präsentiert wird. Fragen danach, wie die Hefte aufbewahrt werden und welche ordnenden und archivierenden Praktiken hier sichtbar werden, konnte so direkt vor Ort, in den alltäglichen, materiellen Zusammenhängen nachgegangen werden. Auch konnte ein Blick auf die Wohnungsdekoration erfolgen, in der sich mitunter ein Bezug zur Serie zeigte. Eine andere Herangehensweise, um materiellen Serienbezügen und Präsentationsweisen näherzukommen, bot eine Fotodokumentation. So bat ich die ProbandInnen, selbst ihre Nutzungsweisen im Bild festzuhalten, indem ich sie aufforderte, zum einen eine Aufnahme ihrer Sammlung zu machen und zum anderen einen Gegenstand zu fotografieren, der ihnen im Zusammenhang mit der Serien wichtig sei. Insgesamt erhielt ich 94 Fotografien, die Sammlungen und Objekte von elf Perry Rhodan-LeserInnen zeigen. Bei zwei weiteren LeserInnen fotografierte ich im Zuge der Sammlungsbesichtigung selbst, so dass insgesamt Bildmaterial von 13 LeserInnen in die Analyse einbezogen werden konnte.76 Beim Einsatz der fotografischen Methode geht es einerseits um ein Dokumentieren vorhandenen Materials zur Serie sowie von dessen Präsentation im Sammlungskontext, andererseits um eine zusätzliche Artikulationsmöglichkeit der Sichtweise der Befragten auf die Serie. Die dargestellten Gegenstände und ihre Inszenierung ergänzen oder kontrastieren dabei die Äußerun-
75 Carolin Winters Ehemann bzw. damaliger Lebenspartner Tobias Winter nahm spontan, zuhörend und kommentierend, am Interview teil. 76 Einige Fotos eignen sich aufgrund der niedrigen Bildauflösung nicht zum Abdruck in der Publikation, weshalb in diesen Fällen auf Bildbeschreibungen zurückgegriffen wird.
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gen in den Interviews. Direkte Bezüge zwischen Sprachlichem und Visuellem wurden in den Fällen hergestellt, in denen die LeserInnen ihre Fotografien im Nachhinein kommentierten sowie auch durch bereits in den Interviews formulierte Ideen zu Fotos, die später nicht umgesetzt wurden; denn auch diese geben wichtige Sichtweisen auf die Serie preis. 3.2.3 Experteninterviews mit Verlagsvertretern und Autoren Um Wissen und Sichtweisen der Produktionsseite einzubeziehen, wurden Experteninterviews mit Produzenten und Autoren der Serie geführt.77 Mehrmaliger Interviewpartner war der Chefredakteur Klaus N. Frick, der bei zwei Redaktionsbesuchen sowie in kürzeren Gesprächen auf unterschiedlichen Veranstaltungen Auskunft gab.78 Aus der Riege der AutorInnen wurden Wolfgang Kehl (Pseudonym: Arndt Ellmer) befragt, dienstältestes Mitglied des Perry RhodanAutorenteams und Betreuer der „Leserkontaktseite“, sowie Dennis Mathiak, der Romane für Atlan, Perry Rhodan NEO und weitere Spin-offs schrieb.79 Mit dem „Experteninterview“80 wird eine in der qualitativen Forschung etablierte Methode zur Erhebung von berufsbezogenen Wissensbeständen und Praxisformen verwendet, die jedoch für die vorliegende Studie neu perspektiviert werden muss. Gegenstand von Experteninterviews sind für gewöhnlich nicht persönliche Erfahrungen der Befragten, vielmehr wird ihre Funktion innerhalb des in Frage stehenden beruflichen Umfelds fokussiert.81 Persönliche Beziehungen und Nutzungsweisen auszublenden und die Produzenten allein nach ihren professionellen Zugängen zur Serie zu befragen, erwies sich jedoch für die vorliegende Untersuchung als unzureichend. Die weitreichende Flexibilisierung der Handlungsfelder Serienproduktion und -nutzung bringt mit sich, dass die Interviewpartner nicht mehr als Exponenten festgelegter Rollen befragt werden können; ihre
77 Hier verwende ich die männliche Form, da keine weiblichen Redaktionsmitglieder oder AutorInnen befragt wurden. 78 Die Interviews mit Klaus N. Frick fanden am 10.02.2010 und am 29.04.2013 statt. 79 Mit Wolfgang Kehl sprach ich am 08.02.2012, mit Dennis Mathiak am 12.06.2013. 80 Die vorliegende Arbeit orientiert sich hier an Michael Meuser/Ulrike Nagel: Experteninterview. In: Ralf Bohnsack/Winfried Marotzki/Michael Meuser (Hg.): Hauptbegriffe Qualitativer Sozialforschung. Opladen, 3., durchges. Auflage 2011 (UTB; 8226), S. 57-58 und Flick 2011, S. 214-219. 81 Nach Meuser und Nagel „tritt die Person mit ihrer biografischen Motiviertheit in den Hintergrund, stattdessen interessiert der in einen Funktionskontext eingebundene Akteur.“ Meuser/Nagel 2011, S. 57.
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Funktion ist damit nicht Ausgangspunkt, sondern ein erst zu eruierendes Faktum der Erhebung. Einerseits sind nicht mehr alle Wissensbereiche und Praktiken, die traditionell der Produktionsseite vorbehalten waren, von der Nutzung der Serie zu trennen; so beweisen Fans in bestimmten Bereichen ein größeres Expertentum als die Serienproduzenten und werden zudem selbst produktiv tätig. Andererseits sind die Produzenten in ihrer Arbeitsweise durch langjährige Erfahrungen als Perry Rhodan-LeserInnen und Fans geprägt. Für eine angemessene Beschreibung ihres Handelns sind somit, neben ihrer beruflichen Expertise, auch ihre persönlichen Motivationen und Emotionen von Bedeutung. Freilich bleibt ein „Wissensvorsprung“82 der Produzenten teilweise bestehen, weshalb nach ihrem Expertenwissen in bestimmten, für die LeserInnen nicht zugänglichen Bereichen zu fragen ist. Bei den Interviews handelt es sich, als Konsequenz aus diesen Überlegungen, um eine Mischform, die narrative Teile ebenso einschließt wie das gezielte Abfragen von Sachverhalten zur Serie, z.B. zur Produktion, Distribution, ästhetischen Ausrichtung und zur Organisation von Abläufen. Diese Vorüberlegungen voraussetzend, konnte die Form des leitfadengestützten offenen Interviews nach Meuser und Nagel83 gewinnbringend eingesetzt werden. Die Leitfäden wurden individuell auf die jeweilige Person zugeschnitten und flexibel eingesetzt. Erfragt wurden, neben sachlichen Auskünften zum Produkt, die Einbindung des jeweiligen Interviewpartners in den Produktionsprozess, seine Vernetzung mit anderen ProduzentInnen, Kontakte zu LeserInnen bzw. Fans sowie das Verhältnis zum eigenen Fansein und die Schilderung des Übergangs vom Fan zum Produzenten. Liste der ProbandInnen – Produzenten Name ProbandIn
Funktion
Klaus N. Frick
Chefredakteur Perry Rhodan
Datum des
Interview Nr.
Interviews
Wolfgang Kehl
10.02.2010
18
29.04.2013
19
Autor Perry Rhodan, Pseudo- 08.02.2012
20
nym: Arndt Ellmer Dennis Mathiak
82 Ebd. 83 Vgl. ebd., S. 58.
Autor Atlan
12.06.2013
21
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3.2.4 Teilnahme und Beobachtung bei (Fan-)Veranstaltungen In den Jahren 2009 bis 2013 besuchte ich vier Fanconventions. So nahm ich 2009 und 2013 am „GarchingCon“, einer Perry Rhodan-Fanconvention, 2011 am „WeltCon“ zum 50-jährigen Bestehen der Serie und 2013 an der Dortmunder Science-Fiction-Convention „DortCon“ teil. Zudem besuchte ich den Stand der Perry Rhodan-Redaktion sowie eine Podiumsdiskussion zu den Comics auf der Buchmesse Frankfurt 2009 und die Kinopräsentation des Dokumentarfilms Perry Rhodan – Unser Mann im All im September 2011 in Karlsruhe. Auf den Fanconventions konnte Serienpraxis vor Ort teilnehmend beobachtet werden – durch das Miterleben und Nachvollziehen des Verhaltens der TeilnehmerInnen, durch das Führen von Gesprächen mit Fans und die Teilnahme an Diskussionsrunden sowie das Verfolgen von Vorträgen und Podiumsdiskussionen.84 Ziel war hier freilich nicht die Beobachtung alltäglicher Situationen, sondern herausgehobener Momente der Seriennutzung, die jedoch durch regelmäßige Wiederholung eine Reihe spezifischer Praktiken und Routinen mit sich bringen. Es handelt sich um punktuelle und räumlich begrenzte Beobachtungen ganz bestimmter Nutzungssituationen, an denen nur ein kleiner Teil der LeserInnen aktiv beteiligt ist, die jedoch die öffentliche Wahrnehmung der Serie stark prägen und auch Einfluss auf die Seriennutzung von LeserInnen haben, die nicht Teil des aktiven „Fandoms“ sind. Die Teilnahme an den Cons gewährte dabei nicht nur einen Einblick in die Praktiken der LeserInnen; auch die Interaktion von LeserInnen und ProduzentInnen konnte beobachtet werden. Weiterhin diente sie der Information über aktuelle Entwicklungen der Serie. Auf dem Messeteil der Veranstaltungen, auf dem Verkaufsstände unterschiedlichste Science-Fiction-Medien anboten, konnte zudem eine Übersicht über neue und alte Serienmedien, auch in ihrer materiellen Qualität, gewonnen werden. Dass ich zuvor keine Fanveranstaltungen dieser Art besucht hatte, führte zu einer gewissermaßen klassisch-ethnografischen Außenperspektive. Selbst bis zu Beginn meiner Forschungen keine Perry Rhodan-LeserIn, brachte ich bestimmte Vorstellungen mit, die sich bald als falsch erwiesen. So hatte ich beispielsweise erwartet, als vergleichsweise jüngere, weibliche Besucherin unter ScienceFiction- und Perry Rhodan-LeserInnen, auf eine für mich möglicherweise unangenehme Weise aufzufallen. Wie sich herausstellte, fühlte ich mich jedoch nicht
84 Zur Methode der teilnehmenden Beobachtung in der Volkskunde vgl. z.B. Brigitta Schmidt-Lauber 2007b: Feldforschung. Kulturanalyse durch teilnehmende Beobachtung. In: Göttsch/Lehmann 2007, S. 219-248.
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aufgrund des Alters- oder Geschlechtsunterschieds als Außenseiterin, wohl aber aufgrund meines Nicht-Kennertums. So konnte ich humorvollen Anspielungen der Fans inhaltlich oft nicht folgen, an Rätselrunden nicht teilnehmen und bestimmten Praktiken, wie dem Anstehen um Autogramme, folgte ich emotional unbeteiligt. Meine auf den Veranstaltungen gewonnenen Eindrücke hielt ich in Form von Feldnotizen fest, die ich teilweise bereits vor Ort, in einer „Kladde“85, teilweise am Abend des Veranstaltungstages aufzeichnete. 3.2.5 Dokumentenanalyse: schriftliche, audio-visuelle und sachkulturelle Quellen Neben den bisher beschriebenen Methoden fanden auch non-reaktive Verfahren Verwendung.86 Um das Handeln der unterschiedlichen Akteure beschreiben zu können, ist es nötig, möglichst vielfältiges Datenmaterial einzubeziehen. Die Methode der Dokumentenanalyse wurde daher für Quellen sehr unterschiedlicher Qualität angewandt.87 Untersucht wurden die unterschiedlichen Medien, in denen die Serie erscheint, sowie schriftliches Material in Form von Fanzines, Zeitungsinterviews, Bildbänden, Fanfiction etc. Darüber hinaus wurden auch audio-visuelles Material, wie etwa Film- und Radiodokumentationen, sowie Merchandising- und Sammlungsobjekte in die Auswertung einbezogen. Der Studie liegt somit ein weiter Dokumentenbegriff zugrunde: Neben schriftlichen werden auch (audio-)visuelle und sachkulturelle Quellen als „Dokumente“ verstanden.88 Was als Dokument betrachtet werden kann, ist nach Lindsay Prior abhängig vom
85 Vgl. John Lofland: Feld-Notizen. In: Klaus Gerdes (Hg.): Explorative Sozialforschung. Einführende Beiträge aus „Natural Sociology“ und Feldforschung in den USA. Stuttgart 1979, S. 110-120, hier S. 111f. Das Erstellen von Feldnotizen betrachte ich, mit Lofland, als einen sehr persönlichen, möglichst spontanen – das heißt auch, kurz nach der Beobachtung stattfindenden – Aufzeichnungsprozess (vgl. ebd., S. 112 und 116f.), der bewusst ohne das Mitdenken einer Öffentlichkeit stattfindet, um eine etwaige Selbstzensur möglichst zu vermeiden. So wurden spontane Eindrücke auch dann festgehalten, wenn mir bereits beim Notieren bewusst war, dass diese zu hinterfragen und überdenken seien. Die Feldnotizen sind damit als eine erste Form der Verschriftlichung in einem anhaltenden Reflexions- und Schreibprozess zu sehen. 86 Zu non-reaktiven Verfahren vgl. Rolf Wilhelm Brednich 2001b: Quellen und Methoden. In: Ders. 2001a, S. 77-100, hier S. 83; Bortz/Döring 2006, S. 325f. 87 Zur Methode der Dokumentenanalyse vgl. Flick 2011, S. 321-332. 88 Vgl. Peter Atteslander: Methoden der empirischen Sozialforschung. Berlin/New York, 4., erw. Auflage 1975 (Sammlung Göschen; 2100), S. 62f.
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jeweiligen Forschungskontext und stets im Bezug auf das untersuchte Feld zu analysieren.89 Für die vorliegende Arbeit bedeutet dies, dass die Auswahl und Auswertung der „Dokumente“ themengebunden und stets in Bezug zu aus anderen Quellen gewonnenem Material erfolgte. So wurden beispielsweise, ergänzend zu Sammlungsbesichtigungen und entsprechenden Interviewfragen, auch die Gegenstände der Sammlungen einer eingehenden Betrachtung unterzogen; ebenso fand etwa eine Auswertung visuellen Materials zu Lieblingsfiguren von LeserInnen statt. Die genannten Quellen wurden nicht nur als ‚Texte‘, also in ihrer symbolischen und ästhetischen, sondern auch in ihrer materiellen Dimension betrachtet. Der Status von Dokumenten als Dinge entspricht dabei, im Sinne der ANT, nicht dem von Objekten, sondern von potenziellen Akteuren im Netzwerk des Handelns. 3.2.6 Auswertung von Onlinequellen zur Serie Da das Netzwerk der Serienpraktiken dislokal bzw. räumlich nicht eindeutig zu verorten ist, muss auch die Forschung „multi-sited“ erfolgen und Offline- wie Onlinezusammenhänge einbeziehen.90 Die vorliegende Studie teilt das Verständnis neuerer Internet-ethnografischer Arbeiten, dass sich ein Gegensatz von Online- und Offlineaktivitäten nicht aufrechterhalten lässt, sondern die Praktiken vielmehr in ihrer Verschränkung betrachtet werden müssen.91 In der Konsequenz
89 Vgl. Lindsay Prior: Using Documents in Social Research. London/Thousand Oaks/New Delhi 2003 (Introducing Qualitative Methods), S. 2. Vgl. hierzu auch Flick 2011, S. 323. 90 Zum Vorgehen einer „Multi (Web) Sited [...] Research“ vgl. Gertraud Koch: Ethnographieren im Internet. In: Bischoff/Leimgruber/Oehme-Jüngling 2014, S. 367-382, hier S. 369f. 91 Vgl. z.B. Andreas Wittel: Ethnography on the Move. From Field to Net to Internet. In: Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research 1 (2000), H. 1, o. S. http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/1131/2518, 08.11.2015. Diese Perspektive vertreten auch Kozinets Ansatz der „Netnography“ sowie der Methodenband von Hine. Vgl. Robert V. Kozinets: Netnography. Doing Ethnographic Research Online. Los Angeles u.a. 2010; Christine Hine (Hg.): Virtual Methods. Issues in Social Research on the Internet. Oxford/New York, 4. Auflage 2010. Zu den Konzepten der Virtuellen Ethnografie und der „Netnography“ vgl. auch Mario Anastasiadis: Like – Comment – Share. Eine virtuell-ethnographische Annäherung an Popmusik-Fan-Aktivitäten in Facebook. In: Marcus S. Kleiner/Michael Rappe (Hg.): Methoden der Populärkulturforschung. Interdisziplinäre Perspektiven auf Film,
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werden Internetkontexte zum selbstverständlichen Teil der Untersuchung. Die Distribution der Perry Rhodan-Medien erfolgt vielfach über Internetplattformen, Information und Kommunikation über die Serie finden häufig online statt. Gleichzeitig prägen technische Bedingungen – vor allem auch durch die Vervielfältigung der Nutzungsgeräte und deren zunehmende Verbreitung in den letzten Jahren (E-Book-Reader, Smartphone etc.) – das alltägliche Handeln mit Serienmedien. Es ergeben sich Wechselwirkungen von digitalen und analogen Formaten und von Online- und Offlinepraktiken. Hierzu gehört auch, dass über das Internet Vergemeinschaftungsprozesse stattfinden, die bestehende Gruppierungen verändern und neue Möglichkeiten der Vernetzung schaffen. Als Quellen zum Erfassen serienbezogener Praktiken im Internet wurden auch serienrelevante Websites und Blogs (von Redaktion, AutorInnen und LeserInnen) herangezogen sowie Internetforen, die dem Austausch der Fans über die Serie dienen, und das Serienwiki, das von LeserInnen wie AutorInnen genutzt wird. Weiterhin wurden die für den Untersuchungszeitraum relevanten Ausgaben des E-Mail-Newsletters „Perry Rhodan-Infotransmitter“ ausgewertet. Es erfolgte eine themenbezogene inhaltsanalytische Auswertung der Internetquellen, die, ähnlich dem Vorgehen bei der Dokumentenanalyse, bei Bezugspunkten zu anderen Quellen ansetzt und bestimmte Themen vertiefend analysiert. So wurden etwa visuelle Aspekte der Serie wie die Diskussion von Titelbildern in Internetforen betrachtet, Ankündigungen und Werbung für Perry Rhodan-Medien auf der Website der Redaktion ausgewertet oder die (Selbst-)Präsentation von AutorInnen auf eigenen oder Verlagswebsites analysiert. Dabei war stets die Heterogenität der verwendeten Quellen zu berücksichtigen, die unterschiedliche Voraussetzungen für die Analyse mit sich bringen. So lassen sich bestimmte Websites als „Dokumente“ betrachten, wobei allerdings ihre spezifische Qualität zu berücksichtigen ist,92 die etwa die gleichzeitige Anwendung verschiedener Verfahren, zum Beispiel text- und bildanalytischer Art, erfordert.93 Bei anderen Quellen, wie etwa Onlineforen, ist deren kommunikative Struktur zu beachten. Die Foren-Analyse fand dabei rein rezeptiv und, im Gegensatz zu Internet-ethnografischen Ansätzen, nicht in der
Fernsehen, Musik, Internet und Computerspiele. Münster 2012 (Populäre Kultur und Medien; 3), S. 333-359, hier S. 338-340. 92 Vgl. Flick 2011, S. 350-356. Nach Flick sind dabei vor allem ihre Hypertextualität und Vernetzung, ihr unbeständiger, stark veränderlicher Charakter, ihre nichtlineare Struktur, die keine bestimmte Form und Richtung der Lektüre nahelegt, und ihre Multimedialität zu veranschlagen. Vgl. ebd., S. 350f. 93 Vgl. Jörg R. Bergmann/Christoph Meier: Elektronische Prozessdaten und ihre Analyse. In: Flick/Kardorff/Steinke 2007, S. 429-437, hier S. 435f.
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Kommunikation mit den NutzerInnen statt.94 Für die Foren-Analyse wurden dabei ausschließlich öffentlich – das heißt ohne Passwort – zugängliche Bereiche gewählt. Die gewählte non-reaktive Methode ist dabei nicht unabhängig von den anderen, kommunikativen Zugängen der Untersuchung zu sehen. So wurden etwa als InterviewpartnerInnen bewusst auch LeserInnen ausgewählt, die sich in Internetforen betätigen und auf Conventions wurden Gespräche mit weiteren LeserInnen geführt, die im Internet aktiv sind. Erst aus der Verschränkung der Methoden ergibt sich dabei ein hinreichend vielseitiger Blick auf die Lektürepraktiken.
3.3 U NTERSUCHUNGSZEITRAUM Der Untersuchungszeitraum orientiert sich am zyklischen Charakter der Serie, der ihre Produktion und Nutzung strukturiert,95 und vollzieht den Erscheinungsverlauf eines Zyklus und die Lektürepraktiken im Bezug auf diesen nach. Die Interviews fanden, mit Ausnahme von zweien, im Zeitraum von Mai bis Juni 2011 statt. Die ProbandInnen wurden also größtenteils zwischen dem Erscheinen von Band 2593 und Band 2602 der Serie und damit während eines Zykluswechsels interviewt. 96 Somit ist der für die Arbeit relevanteste Abschnitt der Serie der „Stardust“-Zyklus (PR Nr. 2500-2599), erschienen zwischen dem 17.07.2009 und dem 10.06.2011. Die eigene Lektüre betrifft schwerpunktmäßig ebenfalls diesen Zyklus, der komplett rezipiert wurde, und entspricht den Heften, die die Interviewten in den zwei dem Interview vorangegangenen Jahren lasen.97 Auch wenn meine Heftlektüre zum Zeitpunkt der Interviews noch nicht abgeschlossen war, ermöglicht sie damit einen Vergleich der Aussagen der Interviewten mit dem selbst Gelesenen. Die Interviews mit den Produzenten erfolgten zwischen
94 Zur non-reaktiven Vorgehensweise bei der Analyse von Internetforen vgl. Michael Parzer: Der gute Musikgeschmack. Zur sozialen Praxis ästhetischer Bewertung in der Popularkultur. Frankfurt a.M. 2011 (Musik und Gesellschaft; 30), S. 128-143. 95 Die Perry Rhodan-Serie ist seit Beginn ihres Erscheinens in Zyklen gegliedert, die meist 50 oder 100 Hefte umfassen. In neuerer Zeit haben sich Einheiten von 100 Heften etabliert. Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Zyklen#Perry_Rhodan-Heft serie, 24.03.2016. 96 Erscheinungstermin von Band 2593 war der 29.04.2011, Band 2602 erschien am 01.06.2011. 97 Meine Leseerfahrungen notierte ich in einem Lesetagebuch, das als Erinnerungsstütze bei der Auswertung fungierte.
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Februar 2010 und Juni 2013 und wurden damit ebenfalls während der Laufzeit des Zyklus oder im Nachhinein geführt, was erlaubte, auf Themen aus dem Zyklus Bezug zu nehmen. Erste Besuche von Fanveranstaltungen erfolgten bereits 2009, beginnend mit dem „GarchingCon“, der vom 17.07. bis 19.07.2009 stattfand, und reichten bis ins Jahr 2013. Auch die Dokumentenanalyse betrifft schwerpunktmäßig den Kern-Untersuchungszeitraum. So wurden vornehmlich innerhalb dieser Zeit veröffentlichte Medien herangezogen und auch die Auswertung der Fanmagazine sowie die des E-Mail-Newsletters („Perry RhodanInfotransmitter“) betrifft die Ausgaben dieses Zeitraums. Ebenso wurde bei der Internetanalyse hauptsächlich auf diese Periode Bezug genommen. Dabei ließ sich etwa die Entwicklung von Wiki-Beiträgen zum „Stardust“-Zyklus anhand der „Versionsgeschichte“ in der Perrypedia zurückverfolgen und Erhebungen in Perry Rhodan-Foren konnten dank Datums- und Uhrzeitangaben zeitlich zugeordnet und so auch zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden.
3.4 AUSWAHL UND D ARSTELLUNG
DES
M ATERIALS
In die Auswertung und Darstellung wurde verschriftetes Material aus allen beschriebenen Methoden einbezogen (Interviewtranskripte, Feldnotizen, Zitate aus Onlineforen, analytische Texte zu unterschiedlichen Dokumenten – z.B. Bildbeschreibungen, Objektbeschreibungen, Analysen von Websites –, Lesetagebuch). Die Wiedergabe der Interviewtranskripte in der vorliegenden Arbeit entspricht den folgenden Richtlinien:98 I. < > (2) nein vielleiauch ... nei::n ((stöhnt))
Passagen, in denen die Interviewerin spricht Beginn einer Überlappung Ende einer Überlappung Pausen von mehr als einer Sekunde: Anzahl der Sekunden betont Abbruch eines Wortes Abbruch eines Satzes Dehnung im Wort, die Häufigkeit der : entspricht etwa der Länge der Dehnung Kommentar bzw. Anmerkung zu parasprachlichen, nichtverbalen oder gesprächsexternen Ereignissen
98 Die Richtlinien der Transkription orientieren sich an Ralf Bohnsack/Iris NentwigGesemann/Arnd-Michael Nohl (Hg.): Die dokumentarische Methode und ihre Forschungspraxis. Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Opladen 2001, S. 363f.
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@nein@ [...] []
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lachend gesprochen Auslassung im Zitat sonstige Anmerkungen
Längere Anmerkungen bzw. Erläuterungen zu in den Interviewzitaten verwendeten Begriffen sind gegebenenfalls in der jeweiligen Fußnote zum Zitat untergebracht. Dialekt wird ins Schriftdeutsche übertragen; dabei werden idiomatische Ausdrücke beibehalten. Bei der Wiedergabe von Zitaten aus dem Perry RhodanForum wird die Schreibweise grundsätzlich beibehalten; Rechtschreibfehler werden nicht korrigiert. Zeilenumbrüche werden mit „/“, Auslassungen im Zitat mit „[...]“ angegeben. Die Auswahl des Materials wurde nicht im Voraus definiert, sondern im Verlauf des Forschungsprozesses um neue Quellen und damit auch methodische Verfahren erweitert. Diese ergänzen sich gegenseitig und eröffnen jeweils neue Perspektiven auf Gegenstand und Fragestellung. Dieses Vorgehen entspricht der gewählten Darstellungsmethode des Akteur-Netzwerks, die darauf zielt, eine tendenziell möglichst große Vielfalt von Beziehungen herzustellen, die sich im Zusammenhang mit der Lektüre zeigen. Gerade durch diese Offenheit ergibt sich jedoch auch die Problematik der Begrenzung des darzustellenden Netzwerks, d.h. es verbindet sich damit die Schwierigkeit für die Forschungspraxis, welcher ‚Ausschnitt‘ gewählt werden soll, um überhaupt zu sinnvollen Aussagen gelangen. Nicht als sinnvoll erweist es sich hierbei, von feststehenden Akteuren auszugehen bzw. im Voraus potenziell beteiligte Akteursgruppen (etwa LeserInnen, ProduzentInnen, Texte, Fanobjekte etc.) auszuwählen, um mittels dieser eine Eingrenzung des Dargestellten zu erreichen. Denn bereits bei der Datenerhebung lassen sich Akteursgruppen nicht streng separieren, sondern sind stets in ihrem Zusammenwirken präsent. Es empfiehlt sich demnach vielmehr, den Vermittlungen nachzugehen, mittels derer die Akteure erst als solche sichtbar werden und damit Zusammenhänge des Handelns aufzuzeigen, die unsichtbar blieben, bliebe die Darstellung auf festgelegte Akteursgruppen beschränkt. Im Bewusstsein, dass noch weit mehr Akteure als die hier ins Spiel gebrachten das Serienlesen mitbestimmen, erreicht die vorliegende Studie eine Begrenzung des Netzwerks durch: 1.) den thematischen Fokus auf Serialität: Spezifisch serielle Praktiken werden bei der Beobachtung und Darstellung bevorzugt, zugleich werden alle dargestellten Praktiken als Kompositionen stets vorrangig daraufhin betrachtet, welchen Anteil Serialität an ihnen hat und auf welche Weise sie an ihrer Gestaltung mitwirkt; 2.) eine Situationsorientierung: Die Beschreibung geht von konkreten Momenten der Lektüre aus, die dabei in eine prozessu-
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ale Perspektive eingebunden werden; 3.) die Auswahl der Quellen für die Untersuchung: Es wurde versucht, häufiger anzutreffende Rezeptionssituationen und -muster zu erfassen, weshalb eher randständige Bereiche ausgegrenzt blieben. Das zu zeichnende Netzwerk gruppiert sich damit um Serialität herum, die, als eine der zentralen Eigenschaften des Akteurs Serie, zahlreiche Affordanzen für weitere Akteure bietet. Hierbei wird sichtbar gemacht, welche Akteure und Verbindungen das serielle Lesen in seinem prozessualen Verlauf charakteristischerweise konstituieren.
4 Vor der Lektüre
Das vorliegende Kapitel befasst sich mit Praktiken, die dem Lesen des Heftromans vorangehen, die die Lektüre vorbereiten und einleiten. Einstiegspunkt der Beschreibung bildet der Bezug des wöchentlichen Romans, der den Kontakt zwischen LeserIn und Lektüre herstellt und die materielle Grundlage für das Lesen schafft. Hier werden mit dem Organisieren des Bezugs, dem Erwarten der wöchentlichen Lieferung und dem Kaufen im Kiosk verschiedene Momente beschrieben, in denen Serialität in ihrem aktiv-gestaltenden Anteil deutlich hervortritt. Darüber hinaus werden auch Langzeitentwicklungen des Bezugs betrachtet, die eng auf den seriellen Charakter der Lektüre bezogen sind. In einem zweiten Teil werden zeitliche und räumliche Situationen der Lektüre in den Blick genommen, wobei Spezifika des Dispositivs Heftromanserie herausgearbeitet werden. Die Lesesituationen bleiben freilich während des gesamten Lesevorgangs präsent, werden jedoch bereits im vorliegenden Kapitel betrachtet, da dieselben Akteurstypen, die die Lektüre auch in ihrem weiteren Verlauf prägen, bereits dafür verantwortlich sind, dass das Lesen initiiert oder verhindert wird. Vor der Darstellung der Lektürepraktiken erfolgen zunächst einleitend einige knappe Ausführungen zum Publikationskontext der Serie und der damit zusammenhängenden Vertriebsstruktur sowie zu den verschiedenen Ausgaben und Bezugsmöglichkeiten der Serie, die die Voraussetzung für die anschließend beschriebenen Handlungen bilden.
4.1 P UBLIKATIONS -
UND
V ERTRIEBSFORMEN
Perry Rhodan erscheint bei der „Pabel-Moewig Verlag KG“, einem Zeitschriftenverlag mit Sitz im baden-württembergischen Rastatt, der etwa 200 VerlagsmitarbeiterInnen beschäftigt und 47 regelmäßig erscheinende Hefte publiziert
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(Stand: März 2016).1 Neben diversen Frauenzeitschriften und Rätselheften führt der Verlag auch Kindermagazine wie Bussi Bär, Special-Interest-Hefte wie Mein Hund & ich oder das Volksmusik- und Schlagermagazin Meine Melodie im Programm.2 Das Unternehmen in seiner heutigen Form entstand aus einer Zusammenlegung der Verlagshäuser Pabel, Moewig und Semrau nach deren Übernahme durch den Heinrich-Bauer-Verlag im Jahr 1970, die wiederum 1989 mit der Wiesbadener Verlagsunion fusionierten.3 Heute ist der Verlag ein Tochterunternehmen der Bauer Media Group und damit Teil eines international operierenden Medienkonzerns mit einem Jahresumsatz von mehr als zwei Milliarden Euro.4 Mit dem 1949 in Rastatt gegründeten Arthur-Moewig-Verlag, der Perry Rhodan ab 1961 publizierte, und dem 1901 in Dresden als „Verlagshaus Moewig & Höffner“ formierten Erich-Pabel-Verlag waren zwei der führenden Heftromanverlage in Deutschland zusammengeführt worden, die vormals vor allem auf dem Science-Fiction-Sektor miteinander konkurriert hatten.5 Das neu entstandene Unternehmen stand fortan mit dem Bastei-Verlag im Wettbewerb um die Marktführerschaft innerhalb der Branche.6 Perry Rhodan wird demnach in einem Verlagshaus mit langjähriger Erfahrung im Heftromanbereich publiziert. Während in den 1960er und 1970er Jahren eine Vielzahl an Liebes-, Heimat- und Arztromanen sowie Western, Krimis, Grusel- und Science-Fiction-Produktionen erschien,7 wurde die Zahl der Serien und Reihen, im Zuge eines allgemeinen Umsatzrückgangs innerhalb der Branche vor allem in den 1980er Jahren,8 immer weiter reduziert.9 Heute ist Perry Rho-
1
Vgl. http://www.vpm.de/unternehmen.html, 29.03.2016.
2
Vgl. http://www.vpm.de/zeitschriften.html, 11.12.2015.
3
Zur Verlagsgeschichte vgl. http://www.vpm.de/unternehmen.html, 29.03.2016; Krämer 1990, S. 143 und S. 146f.; Bernhard Kempen: Archive des Imperiums. Die Publikationsgeschichte der Perry-Rhodan-Serie. In: Bollhöfener/Farin/Spreen 2003, S. 6884; Eckhard Schwettmann: Allmächtiger! Faszination Perry Rhodan. Höfen 2006, S. 216-218; Jochen Bärtle: Grusel, Grüfte, Groschenhefte. Der deutsche GruselHeftroman von 1968 bis 2008 – Eine Serienübersicht zum 40-jährigen Jubiläum. Norderstedt 2008, S. 35.
4
Vgl.
http://www.mediadb.eu/datenbanken/deutsche-medienkonzerne/bauer-media-
group.html, 11.12.2015. 5
Vgl. Krämer 1990, S. 143; Schwettmann 2006, S. 217f.
6
Vgl. Hallmann 1979, S. 36f.; Krämer 1990, S. 143 und S. 146.
7
Zur Verlagsproduktion bis 1983 vgl. Krämer 1990, S. 143-147.
8
Vgl. Foltin/Mundhenke 1999, S. 217; Kempen 2003, S. 69.
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dan – mit seinen diversen Spin-offs – die einzige Heftromanpublikation im Verlagsprogramm. Daneben publizierte der Verlag im Untersuchungszeitraum noch die Heftromanreihe Der Landser10, die im September 2013 eingestellt wurde.11 Die enge Verbindung zum Zeitschriftensektor ist für einen Heftromanverlag charakteristisch. Produktion und Vertriebswege von Heftromanen sind generell an die Zeitschriftenbranche gekoppelt.12 In der Verlagsdruckerei in Rastatt werden die Perry Rhodan-Hefte auf denselben Druckpressen wie die verlagseigenen Zeitschriften gedruckt. Auch die Distribution verläuft parallel zum Zeitschriftenvertrieb.13 Die Heftromane werden über den Großhandel für Presseerzeugnisse, das Presse-Grosso, ausgeliefert und sind damit nicht über den regulären Buchhandel erhältlich. Der klassische Bezugsweg für Perry Rhodan-Hefte ist vielmehr der des „Kiosks“ – ein Begriff der sowohl freistehende Verkaufshäuschen als auch Ladengeschäfte umfasst und der sowohl reine Zeitschriftenanbieter einschließt als auch Geschäfte, die eine breite Palette unterschiedlichster Waren führen. 14 Ein Blick in die Einzelhandelsstrukturanalyse (EHASTRA) für den Zeitschriften- und Zeitungseinzelhandel macht die Variationsbreite der anbietenden Geschäftstypen deutlich: Laut EHASTRA gehören zu den einschlägigen Presseverkaufsstellen vor allem „[Presse-]Fachgeschäfte“, „Kioske“, „Supermärkte/L[ebensmitteleinzelhandel]“, „Großformen des Einzelhandels“, „Lebensmitteldiscounter“, „Tankstellen“, „Bäckerei[en], Konditorei[en]“ sowie „Fachmärkte“.15 Süßwaren und Tabak sind dabei, neben Zeitschriften, Teil des
9
Vgl. Krämer 1990, S. 147. Die Umsatzeinbußen betrafen auch die Perry Rhodan-Serie selbst; so musste etwa das wöchentlich erscheinende Spin-off Atlan aufgrund immer schlechterer Verkaufszahlen im Jahr 1988 eingestellt werden. Vgl. Rainer Stache 2011a: Am Ende mancher Träume. Perry Rhodan in den 80er-Jahren. In: Frick/ Rohwer 2011, S. 60-64, hier S. 63f.
10 Zu der 1957 eingeführten Kriegsromanheftreihe Der Landser vgl. Galle 2005, S. 134145. 11 Vgl.
http://www.mediadb.eu/datenbanken/deutsche-medienkonzerne/bauer-media-
group.html, 11.12.2015. 12 Vgl. Hallmann 1979, S. 38; Domagalski 1981, S. 110; Stache 1986, S. 27; Bärtle 2008, S. 30f. 13 Zum Vertrieb der Perry Rhodan-Heftromane vgl. auch Schwettmann 2006, S. 220223. 14 Vgl. Elisabeth Naumann: Kiosk. Entdeckungen an einem alltäglichen Ort. Vom Lustpavillon zum kleinen Konsumtempel. Marburg 2003, zugl. Diss. Berlin 1999, S. 55. 15 Vgl.
http://www.pressegrosso.de/bereiche/marktanalyse/ehastra/ehastra-2013.html,
11.12.2015.
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Standardangebots der meisten dieser Geschäfte. Mediales Format und Verkaufsort der Serie sind also qua Vertrieb direkt aneinander gekoppelt. Perry Rhodan ist in diesem Sinne, ebenso wie Zeitschriften und Comics, klassische Kioskliteratur. Einen weiteren Vertriebszweig bilden Bahnhofsbuchhandlungen, die nicht durch den Presse-Grossisten, sondern direkt vom Verlag beliefert werden. 16 Während die Zahl der Presseverkaufsstellen insgesamt in den letzten Jahren stetig sank, wuchs der Bahnhofsbuchhandel im selben Zeitraum kontinuierlich.17 Bahnhofsbuchhandlungen gewinnen damit als potenzielle Perry RhodanVerkaufsorte an Bedeutung. Das Segment des Bahnhofsbuchhandels wird von der Perry Rhodan-Redaktion gezielt beworben. So werden etwa Plakataktionen an Bahnhöfen durchgeführt (siehe Abbildung 1) und auch Anzeigen in den Heftromanen selbst weisen auf diese Bezugsmöglichkeit hin (siehe Abbildung 2). Eine alternative Möglichkeit des Heftbezugs bietet das Abonnement, das beim Verlag für eine Laufzeit von einem oder einem halben Jahr abgeschlossen werden kann.18 Seit 2007 sind die neuen Folgen jeweils auch als E-Book19 sowie als Hörbuch20 erhältlich.
16 Vgl. Thomas Breyer-Mayländer: Wirtschaftsunternehmen Verlag. Frankfurt a.M., 4., völlig neu bearb. Auflage 2010 (Edition Buchhandel; 5), S. 437f.; Insa Sjurts (Hg.): Gabler-Lexikon Medienwirtschaft. Wiesbaden, 2., aktual. und erw. Auflage 2011, S. 47. 17 Vgl.
hierzu
http://www.pressegrosso.de/bereiche/marktanalyse/ehastra.html,
11.12.2015; Börsenverein des Deutschen Buchhandels (Hg.): Buch und Buchhandel in Zahlen 2014. Frankfurt a.M. 2014, S. 72. 18 Vgl.
https://www.bauer-plus.de/shop/perry-rhodan/zeitschriften/freizeit-hobby-und-
sport/perry-rhodan, 14.12.2015. 19 Bereits im Jahr 2005 wurde mit der Digitalisierung der Heftromane ab Band 1 begonnen. Abgeschlossen war sie im April 2014. Seitdem ist die komplette Perry RhodanHeftromanserie im E-Book-Format erhältlich. Zur Veröffentlichung der E-Books vgl. Björn Berenz 2011a: Die digitale Revolution in Häppchen. Perry Rhodan als E-Book. In: Klaus N. Frick/Elke Rohwer (Hg.): Fünfzig Jahre Zukunft. Das Perry RhodanJubiläumsbuch. Rastatt 2011, S. 100-103, hier S. 102; http://www.perry-rhodan. net/ebooks.html, 21.12.2015. 20 Zur Veröffentlichung der Hörbücher vgl. Björn Berenz 2011b: Kinoerlebnis für die Ohren. Das Perryversum im Audio-Universum. In: Frick/Rohwer 2011, S. 104-107, hier S. 107; http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Perry_Rhodan-Heftromane_(Hör bücher), 21.12.2015.
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Indem die ProbandInnen regelmäßig eine Folge der Perry Rhodan„Erstauflage“21 kaufen und lesen, haben sie sich für einen ganz bestimmten Ausschnitt aus der inzwischen äußerst diversifizierten Serie entschieden. Im Vergleich zu den zahlreichen Perry Rhodan-Spin-offs, die als Nebenerzählungen bestimmte Aspekte des Serienuniversums entfalten, enthält die Erstauflage die Haupterzählung der Serie mit ihrer chronologisch fortlaufenden Handlung. Zwar ermöglichen auch weitere Serienmedien eine Rezeption der Perry Rhodan-Serie mit ständigem Nachschub, diese beinhalten jedoch ältere Teile der Seriengeschichte und liefern zudem eine mehr oder weniger stark modifizierte Form der Erzählung. 22 Eine kontinuierliche Rezeption der aktuellen Haupterzählung ist damit an die Perry Rhodan-Erstauflage gebunden. Nur sie liefert im wöchentlichen Rhythmus Erzählungen auf dem neuesten Stand.23
21 So die offizielle, zwischenzeitlich (von PR Nr. 1158-2199) auch auf den Heften abgedruckte, Bezeichnung der seit 1961 laufenden 1. Auflage der Serie, die später in weiteren Auflagen nachgedruckt bzw. in modifizierter Version veröffentlicht wurde. 22 Als Medien, die ebenfalls die Haupterzählung der Serie transportieren und kontinuierlich neue Folgen liefern, erschienen daneben im Untersuchungszeitraum die 14täglich als „Paperback“ herausgegebene 5. Auflage sowie die viermal jährlich publizierten „Silberbände“, eine Hardcover-Ausgabe der Serie. 23 Zu den verschiedenen Medien der Perry Rhodan-Serie siehe Kap. 4.2.3.
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Abbildung 1: Plakate für das Spin-off „Perry Rhodan NEO“.
Quelle: Eigene Aufnahme, Hauptbahnhof Stuttgart, 20.02.2013.
Abbildung 2: Anzeige auf einem „Perry Rhodan“-Rückumschlag.
Quelle: PR Nr. 2511.
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4.2 P RAKTIKEN
DES
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B EZUGS
4.2.1 Organisieren des Bezugs Zehn der befragten LeserInnen kaufen in der Regel wöchentlich einen Heftroman im Kiosk, im Zeitschriftenladen, in der Bahnhofsbuchhandlung oder an der Tankstelle. Sechs weitere beziehen die Erstauflage als Heft im Abonnement per Post, und zwei LeserInnen laden E-Books herunter, wobei eine Leserin ein Download-Abo abgeschlossen hat. Befragt, wie sein wöchentlicher Heftkauf aussehe, sagt Frank Zelter (41, Polizeibeamter) zunächst schlicht: „Nehmen, Kasse gehen, zahlen. ((lacht))“24 Diese Darstellung kann freilich an dieser Stelle als Antwort nicht genügen. Es zeigen sich vielmehr zahlreiche Unterschiede sowie gemeinsame Muster des Bezugs der Serie, der damit zusammenhängenden Praktiken und der Vorstellungen, die die LeserInnen damit verbinden. Im Folgenden wird insbesondere herausgearbeitet, wie Serialität die Lektürehandlungen bereits in der Phase des Bezugs aktiv mitgestaltet. Für die Wahl des jeweiligen Bezugswegs führen die meisten LeserInnen pragmatische Gründe an, betonen meist geradezu, dass ihnen eine möglichst praktische Bezugsweise wichtig sei. Diejenigen, die ihre Hefte im Einzelkauf beziehen, wählen oft leicht erreichbare Adressen, Orte, die ‚auf dem Weg‘ liegen und ermöglichen, den Heftkauf mit weiteren Besorgungen oder anderen anfallenden Tätigkeiten zu verknüpfen. So werden etwa Kioske aufgesucht, die an Supermärkte angegliedert sind, um gleichzeitig Dinge des täglichen Bedarfs zu kaufen, oder das Heft wird im Zeitschriften- und Tabakladen gemeinsam mit der wöchentlichen Ration Zigaretten besorgt. Einige LeserInnen kaufen ihr Heft in der Bahnhofsbuchhandlung, weil sie ohnehin mit der Bahn unterwegs sind und dort vorbeikommen. Wo gekauft wird, ist häufig an den Arbeitsweg und die Arbeitszeiten gebunden. Wie Melanie Speidel (38) und Holger Speidel (41) (beide bei einem Hersteller für Fahrradzubehör tätig), die ihr Heft nach der Frühschicht „auf dem Heimweg, im Vorbeifahren schnell“25 besorgen, kommt es vielen darauf an, keinen Umweg machen zu müssen. BerufspendlerInnen, die mit der Bahn zur Arbeit fahren, nutzen dabei die praktische Lage der Bahnhofsbuchhandlung oder des Bahnhofskiosks. Finden die LeserInnen selbst nicht die Zeit, das Heft zu kaufen, werden gelegentlich andere Personen mit der Besorgung beauftragt. So lässt sich etwa Dieter Rathgeb (50, Maschinenführer im Lebensmit-
24 Interview mit Frank Zelter vom 16.06.2011. 25 Interview mit Melanie Speidel und Holger Speidel vom 02.05.2011, hier: Melanie Speidel.
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telbereich), der Schicht arbeitet, das Heft, wenn es sein Dienstplan nicht zulässt, von seinem Bruder mitbringen. LeserInnen, die sich ihr Heft mit anderen teilen, wechseln sich beim Heftkauf ab. Dementsprechend spielen auch günstige Öffnungszeiten eine Rolle für die Wahl der Verkaufsstelle. Bahnhofsbuchhandlungen etwa bieten diesbezüglich gute Bedingungen, indem sie vertraglich verpflichtet sind, Öffnungszeiten von mindestens 90 Stunden pro Woche zu gewährleisten und an allen Tagen im Jahr geöffnet zu sein,26 und auch Tankstellen werden für den Einkauf außerhalb der üblichen Öffnungszeiten genutzt. Rainer Weygandt (46, Redakteur einer Tageszeitung) etwa, der mitunter bis spät am Abend arbeitet, kauft sein Heft ab und an einer Tankstelle: „Das ist geschickt, weil da kann man rund um die Uhr ... Wenn ich irgendwie erst um elf Uhr heimkomme, abends, und natürlich vergessen habe, eins zu kaufen, krieg’ ich’s da immer noch.“27 Jenseits der Unterschiede in den Bezugsorten zeigt sich ein gemeinsames Muster: Der Heftkauf muss leicht in den eigenen Wochen- bzw. Tagesablauf integrierbar sein. Für das Besorgen der Serie möchten die LeserInnen keine Umwege auf sich nehmen müssen. Die Bestrebungen, den Heftbezug möglichst reibungslos zu gestalten, lassen sich zwar nicht direkt auf den seriellen Charakter der Lektüre beziehen, jedoch ist anzunehmen, dass gerade der regelmäßige Heftnachschub, der in seinem wöchentlichen Turnus immerhin einen gewissen Aufwand bedeutet, den Wunsch nach einer unaufwändigen Bezugsweise verstärkt und die Betonung dieses Aspekts in den Interviews hervorbringt. Bereits hier findet sich damit ein Hinweis auf den kooperativen Charakter der Lektürehandlungen. Die Lektüre mit wöchentlichem Nachschub, die regelmäßig besorgt werden möchte, veranlasst zu einer Bezugsweise, die möglichst wenig Aufwand erfordert, dabei aber optimal organisiert sein will. Dabei spielt auch die zuverlässige Erhältlichkeit am jeweiligen Verkaufsort eine Rolle. Nahezu alle LeserInnen, die ihr Heft im Einzelverkauf beziehen, wählen eine bestimmte Verkaufsstelle, die gewährleistet, dass die Hefte in ausreichender Menge und mit Verlässlichkeit jede Woche vorhanden sind. Nicht alle Presseverkaufsstellen haben die Serie in ihrem Angebot. ProbandInnen, die aus ländlichen Gebieten stammen, müssen meist in den nächstgrößeren Ort fahren, um ihr Heft zu erwerben. Auch in Städten ist die Serie im Zeitschriftenhandel nicht generell vorrätig. Melanie Speidel und Holger Speidel etwa beziehen ihre Hefte deshalb vom lokalen Bahnhofskiosk, da dieser als einziger in ihrem Wohnort Perry Rhodan führe. Auch Philipp Wetzler (26, M.A. Geschichte und
26 Vgl. Breyer-Mayländer 2010, S. 438; Sjurts 2011, S. 47. 27 Interview mit Rainer Weygandt vom 17.11.2010.
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Literaturwissenschaft) kauft meist am Bahnhofskiosk, weil dieser das Heft relativ zuverlässig vorrätig habe. Die Wahl des Verkaufsorts begründet er dabei als „ganz praktisch einfach. Ich kaufe es da, wo ich es auch kriege.“28 Ein weiterer Aspekt, auf den es im Zusammenhang mit der seriellen Lektüre ankommt, ist die zeitnah auf die Veröffentlichung folgende Lieferung. Fast alle Perry Rhodan-LeserInnen legen großen Wert darauf, ihren Roman pünktlich zu erhalten. So besorgen ihn die meisten HeftkäuferInnen bereits am Tag seines Erscheinens bzw. sobald er bei dem üblicherweise besuchten Händler vorrätig ist. Der offizielle Erscheinungstag der Heftromane am Kiosk ist der Freitag. Verkaufsstellen, die die Hefte bereits vor dem offiziellen Termin zum Kauf anbieten, werden gerne genutzt und teilweise gezielt aufgesucht. Michael Schubert (55, Dipl.-Ingenieur Informatik, Projektleiter EDV-Systeme) etwa kauft sein Heft in einer Bahnhofsbuchhandlung, die die Hefte bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt vorrätig hat: „Da kam’s in letzter Zeit immer freitags, morgens schon. Und dann ... Auch mal donnerstags abends ((lacht)), ja, und das ... das ist eigentlich schön. Ja, da geh’ ich dann hin.“29 Philipp Wetzler beklagt hingegen die häufig nicht fristgerechte Lieferung an seinen Händler: „Ich finde, das ist teilweise eine blöde Rennerei an den Kiosk. Und manchmal gehe ich dann donnerstags hin und dann kommt’s aber erst Freitag. Dann war ich umsonst drinnen. Oder manchmal wird der Kiosk gar nicht, also, nicht rechtzeitig beliefert, dann kommt es dann erst später“30. AbonnentInnen umgehen die beim Heftkauf auftretenden Probleme, indem sie sich die Hefte vom Verlag zuschicken lassen. Als Gründe für den Erwerb im Abonnement sprechen sie dieselben Aspekte an, die auch beim Einzelkauf eine Rolle spielen. So schätzt Anja Wendt (26, Mediengestalterin für Printmedien) die zuverlässige wöchentliche Lieferung, um die sie sich nicht weiter zu kümmern braucht, gegenüber dem von ihr als aufwändiger betrachteten Kauf im lokalen Handel: „Also irgendwann war’s zu nervig, jedes Mal zum Bahnhof zu fahren, weil das gibt’s ja nicht überall. Und dann, oah, dann hat man’s verpasst, oder man ist im Urlaub, oder man schafft es nicht und ... [...] Ja, das war dann irgendwie nervig, und das ärgert einen auch, wenn ein Teil zwischendurch fehlt, weil ... Ist halt dann ungünstig, ne. [...] Ja, man könnte
28 Interview mit Philipp Wetzler vom 21.06.2011. 29 Interview mit Michael Schubert vom 22.06.2011. 30 Interview mit Philipp Wetzler vom 21.06.2011.
98 | P ERRY R HODAN LESEN dann zwar noch ’ne Zusammenfassung lesen dann im Internet, aber es ist irgendwie dann doch nicht das Gleiche. Es fehlt ja dann auch was in der Sammlung.“31
Auch was die Pünktlichkeit des Hefts betrifft, bietet das Abonnement einen Vorteil gegenüber dem Einzelkauf. So finden AbonnentInnen ihre Romane üblicherweise bereits am Donnerstag im Briefkasten. Markus Ehlers (35, Dipl.Pädagoge, selbstständig mit eigener Taxifirma) erklärt, er habe ein Abonnement vor allem deshalb abgeschlossen, weil er auf diese Weise sicher sein könne, dass ihn das Heft termingereicht erreiche: „Ich bin irgendwann aus Bequemlichkeit zum Abo übergestiegen. Weil hab’ kein’ Bock, mir zu ’ner gewissen Tages-, äh, -zeit am Bahnhof stehen zu müssen, auch nicht den Druck zu haben, ‚oah, heute kommt das Heft, heute kommt das Heft, ich muss da um 18 Uhr hin‘. Und, äh, äh ... Und dann zu sehen: ‚Och, scheiß- scheiße. Heute haben se’s doch nicht geschafft‘. Lieber ich hab’ ’n ... hab’ mein Abo, es wird mir reingeschmissen und fertig.“32
Was den Zeitpunkt des Erhalts betrifft, sind HeftkäuferInnen damit in der Regel im Nachteil gegenüber AbonnentInnen. Gelegentliche Verspätungen der Postlieferung sind dabei nicht ausgeschlossen; zudem dauert die Zusendung, je nach Lieferungsgebiet, mitunter generell länger. Die pünktlichste Lieferung des neuen Romans garantiert der Bezug der E-Books, die bereits am Mittwochabend zum Download bereitstehen. Auch für die E-Book-LeserInnen zählen die bequeme Art der Besorgung sowie die Verlässlichkeit und Pünktlichkeit der Lieferung zu den wichtigsten Aspekten, die beim Bezug der Romane gegeben sein müssen. So kauft Walter Fischer (62, Versicherungsfachwirt im Vorruhestand) die E-BookVersion, da er eine zuverlässige wöchentliche Lieferung garantiert haben möchte. Zuvor bezog er die Heftromane in einer Bahnhofsbuchhandlung, womit er jedoch diesbezüglich schlechte Erfahrungen machte: „Entweder waren die Hefte dann nicht pünktlich da, oder ich hatte mal wieder keine Zeit. Und musste dann noch von einem Laden zum anderen laufen. Oder die Hefte waren schon aus. Kam ja auch immer wieder vor. Und dann musst’ ich immer von einem zum ander’n laufen und ... Grad bei Perry Rhodan ist’s ja so, dass nur immer die aktuelle Woche auf-
31 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Anja Wendt. 32 Interview mit Markus Ehlers vom 09.06.2011.
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auflag. Ja. Und wenn die aus ist, dann [...] müsste man nachbestellen und so, und das war’s mir dann auch wieder nicht wert.“33
Serialität, so zeigt sich in allen beschriebenen Praktiken deutlich, veranlasst dazu, das Heft möglichst früh erhalten zu wollen. Die Bezugsmuster der LeserInnen orientieren sich deutlich am seriellen Charakter der Lektüre. Auch die Finanzierbarkeit der Lektüre ist bei zu erwartendem regelmäßigem seriellem Nachschub von Gewicht. Die Kaufentscheidung ist – dies legen die Äußerungen der meisten LeserInnen nahe – bereits für lange Zeit im Voraus getroffen worden, und aus diesem Grund spielen hier längerfristige finanzielle Erwägungen eine Rolle als beim einmaligen Kauf. Der finanzielle Aufwand für die unterschiedlichen Arten des Perry Rhodan-Bezugs differiert zum Teil erheblich. Die günstigste Möglichkeit, wöchentlich aktuell an die 100 Ausgaben des Zyklus zu gelangen, ist ein E-Book-Abonnement,34 der Preis der Hefte im Einzelkauf liegt im mittleren Bereich,35 während ein Heft-Abonnement, preislich gesehen, die ‚Luxusvariante‘ unter den Bezugsmöglichkeiten darstellt, da hier zusätzlich zum Heftpreis noch Versandkosten anfallen.36 Die LeserInnen wählen nicht die preisgünstigste Form des Bezugs, sondern die für sie angenehmste. Für die gegenwärtige Bezugsweise spielt der Preis anscheinend eine untergeordnete Rolle. Mit Ausnahme von Philipp Wetzler, der sagt, dass er sein über zwei Jahre hin-
33 Interview mit Walter Fischer vom 16.06.2011. 34 Ein E-Book aus dem „Stardust“-Zyklus konnte für 1,49 Euro erworben werden, im Abonnement kostete eine Folge 1,25 Euro. Am 01.06.2015 fand eine Preiserhöhung auf 1,99 Euro bzw. 1,69 Euro statt. Vgl. http://www.science-fiction-ebooks.de/abo. php5?id=3, 14.12.2015; http://www.perry-rhodan.net/newsreader/items/neue-preisebei-den-perry-rhodan-e-books.html, 14.12.2015. 35 Zum Beginn des „Stardust“-Zyklus kostete ein Heft 1,85 Euro. Im Verlauf des Zyklus fand, mit PR Nr. 2570 vom 19.11.2010, eine Preiserhöhung auf 1,95 Euro statt, und im Januar 2015 wurde der Preis nochmals, auf nunmehr 2,10 Euro, angehoben. Vgl. http://www.perry-rhodan.net/newsreader/items/neue-preise-bei-der-perry-rhodan-erst auflage.html, 23.03.2015. Die Heftpreise sind dabei einheitlich. Zwar gilt für Presseerzeugnisse nicht, wie für Bücher, die gesetzliche Buchpreisbindung, jedoch werden sie üblicherweise durch ein Sammelrevers, eine Verpflichtungserklärung in Form eines privatrechtlichen Vertrags, auf freiwilliger Basis preisgebunden. Vgl. BreyerMayländer 2010, S. 424. 36 Vgl.
https://www.bauer-plus.de/shop/perry-rhodan/zeitschriften/freizeit-hobby-und-
sport/perry-rhodan, 14.12.2015.
100 | P ERRY R HODAN LESEN
weg bezogenes Abonnement „aus Kostengründen“37 kündigte, erwähnt niemand finanzielle Überlegungen, die die unterschiedlichen Bezugswege betreffen. Die AbonnentInnen sind offenbar der Ansicht, dass sich der finanzielle Mehraufwand für die im Allgemeinen als unaufwändiger und angenehmer betrachtete Version des Bezugs lohnt. Wichtig für das Serienlesen ist allerdings, dass die verfügbaren Formate allesamt relativ preisgünstig sind. Indem das sonst für Zeitschriften angewandte Verfahren des Rotationsdrucks für die Romanherstellung Verwendung findet, hängt mit dem Heftromanformat eine kostensparende Produktionsweise zusammen, die es ermöglicht, den Preis gering zu halten – ein Umstand, der gerade für einen seriellen und damit potenziell regelmäßig rezipierten Lesestoff nicht unerheblich ist. Dies zeigt sich einerseits in den Erinnerungen der ProbandInnen an die Perry Rhodan-Lektüre in ihrer Jugend. Für die jugendlichen LeserInnen spielte der Umstand, am Kiosk ‚billigen Lesestoff‘ erwerben zu können, durchaus eine Rolle. „[A]ls Kind kannst du dir keine Bücher leisten“, sagt Markus Ehlers. „Meine Eltern wollten das auch auf keinen Fall unterstützen, aber diese Heftchen, die konnt’ ich mir halt leisten.“ 38 Wie Stefan Belting (49, Dipl.Mathematiker, in der Software-Entwicklung tätig) berichtet, ging sein Taschengeld in der Anfangszeit seiner Serienlektüre vollständig „@für Perry Rhodan und ZACK drauf.@“39 Walter Fischer unterbrach seine Perry Rhodan-Lektüre bald nach Beginn für einige Ausgaben, weil ihm die Hefte – zum damaligen Preis von 60 Pfennig – „[b]ei 63 Mark Lehrlingsgehalt im Monat“40, die er in den 1960er Jahren verdiente, zu teuer waren. Rainer Weygandt wiederum erinnert sich an ein Finanzierungsmodell in seiner Kindheit: „[U]nd dann hab’ ich mir mal zu Weihnachten gewünscht, äh, einfach mal ein Jahr Perry Rhodan lesen. Und dann musste ich 50 Pfennig selber zahlen, weil das dann zu teuer war für uns, die haben damals eine Mark 50 gekostet ... [...] Und da hat mein Bruder 50 Pfennig gezahlt und ich hab’ 50 Pfennig zahlen müssen und meine Mutter hat 50 Pfennig gezahlt. Und dann durfte ich 50 Ausgaben lesen, ein ganzes Jahr lang.“41
Auch gegenwärtig spielt für die SerienleserInnen eine Rolle, den seriellen Lesestoff mit dem Heftroman vergleichsweise kostengünstig zu erhalten. „1,65 Euro
37 Interview mit Philipp Wetzler vom 21.06.2011. 38 Interview mit Markus Ehlers vom 09.06.2011. 39 Interview mit Stefan Belting vom 17.06.2011. 40 Interview mit Walter Fischer vom 16.06.2011. 41 Interview mit Rainer Weygandt vom 17.11.2010.
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in der Woche kann ... kann ich mir immer leisten irgendwie“42, sagt Markus Ehlers. Jörg Reimann (47, Dipl.-Volkswirt, Finanzanalyst) gibt an, Comics lese er aus Kostengründen nicht so häufig wie Heftromane, 43 und aus Frank Zelters Sicht schneiden Heftromane im Vergleich zu gebundenen Büchern besser ab: „Wenn ich mir heut’ einen guten Thriller kauf’, einen aktuellen, der noch nicht ein Taschenbuch ist, dann zahl’ ich halt mal ... Bis zu 26 Euro hab’ ich bezahlt für den großen Schätzing, das sind ... ist ein Haufen Asche. Egal, wie viel man verdient. Und ein Heft für knapp zwei Euro, das kauft man, ohne dass man also groß hier drüber nachdenkt. Und ich hab’ da eine Stunde, wo ich eine Geschichte hab’.“44
Rainer Weygandt weist demgegenüber darauf hin, dass sich die Bedeutung des niedrigen Preises durch günstig produzierte Taschenbücher heute relativiert habe: „Früher haben die Leser kein Geld gehabt und haben sich halt einen Groschenroman gekauft, weil das billig war. Aber heute ... Ein Buch, das kostet ja nichts mehr. Also du kannst auch einfach einen Roman ... So einen Unterhaltungsroman gab’s ja früher so gar nicht. So Thriller-Literatur gab’s ja eigentlich gar nicht richtig. Es gab diesen, äh, pff ... Und jetzt kannst du dir das ja an jeder Ecke kaufen, ne.“45
Festzuhalten bleibt dennoch, dass viele LeserInnen über den Preis der regelmäßigen Lektüre reflektieren und das Heft als günstiges Format schätzen. Der Lesestoff bringt, wie deutlich wird, gerade durch seinen seriellen Charakter ganz bestimmte Bezugspraktiken mit sich. Für Perry Rhodan-KäuferInnen, -AbonnentInnen und -E-Book-LeserInnen gilt gleichermaßen, dass sie in der Regel eine Bezugsmöglichkeit wählen, die für sie bequem und mit wenig Aufwand verbunden ist. Das Beschaffen des wöchentlichen Romans soll optimalerweise reibungslos und möglichst ‚nebenbei‘ erfolgen. Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit der Lieferung sind hier wichtige Gesichtspunkte, ebenso spielen finanzielle Erwägungen eine Rolle. Sichtbar wird dabei einerseits, dass die LeserInnen ihre individuelle Bezugsweise aktiv gestalten, indem sie sie den eigenen Bedürfnissen anpassen, andererseits zeigt sich gleichzeitig, dass das Prinzip Serialität den Bezug ebenfalls aktiv mitorganisiert. Orte, zeitliche Einbindung und
42 Interview mit Markus Ehlers vom 09.06.2011. 43 Vgl. Interview mit Jörg Reimann vom 10.06.2011. 44 Interview mit Frank Zelter vom 16.06.2011. 45 Interview mit Rainer Weygandt vom 17.11.2010.
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Überlegungen zur Finanzierung des Bezugs sind deutlich durch Serialität geprägt, die damit zusammenhängend auch das gewählte Format und die gewählte Bezugsweise – Heftkauf, Abonnement oder E-Book-Download – beeinflusst. Gerade serielle Lektüre erfordert, mit ihrem ständigen Nachschub und ihren regelmäßigen Rhythmen, von ihrer Leserschaft ein relativ hohes Maß an Organisationsbereitschaft. Die beobachteten Handlungen der LeserInnen offenbaren sich in diesem Sinne als Bestrebungen, den Anforderungen gerecht zu werden, die Serialität an sie stellt. Bereits anhand der beschriebenen Praktiken des Bezugs wird also deutlich, dass Lektürehandlungen als Kooperation von LeserInnen und seriellem Lesestoff zu betrachten sind. 4.2.2 Erwarten der wöchentlichen Lieferung Auch in den Situationen des Wartens auf die wöchentliche Lieferung und des Hefterhalts tritt der Lesestoff in seinem seriellen Charakter deutlich als Akteur in Erscheinung. Die meisten LeserInnen, ob HeftkäuferInnen oder AbonnentInnen, schätzen die kontinuierliche Lieferung, die sich mit dem wöchentlichen Erscheinungsrhythmus der Serie verbindet. Für Thomas Wendt (28, Master of Science) etwa „zählt auch irgendwie so ’n bisschen das Erlebnis, dass jed-, dass man jede Woche was Neues bekommt. [...] Und, ähm, es ist halt irgendwie so ’n bisschen so die Kontinuität, die einen dann begleitet [...]. Das sind halt so ... so der Vorteil, an ... an so einem Heft, dass, ähm, dass man das halt jede Woche hat, äh, kontinuierlich. Und, äh, immer etwas hat, worauf man sich freuen kann, als wenn man das in einem großen Buch kauft und dann erst mal nichts weiter passiert.“ 46
Markus Ehlers führt aus, ihm sei nicht allein die inhaltliche Qualität der Serie wichtig, sondern vielmehr vorrangig die Versorgung mit Lesestoff: „Das hat sich wirklich so für mich als meine Grundversorgung rausgestellt. Wirklich, ähm ... Die Serie genügt nicht höchsten Ansprüchen. Ich hab’ viel Kritik an der Serie, aber es ist halt wirklich so meine ... Das, worauf ich mich verlassen kann. [...] Ich weiß auch nicht, wie ... wie andere, äh, ihre ... ihre ... ihr Hobby sehen. Aber für mich ist ... Mein Bruder ist Jäger. Der geht ... Einmal in der Woche geht der in ... in ’n Wald, um Tauben zu schießen. Alleine, um dieses Gefühl zu haben: ‚So, ich hab’ meinem Hobby gefrönt‘. Nicht um ... um irgendetwas Besonderes zu machen, nicht ... Er kommt auch oft wieder
46 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Thomas Wendt.
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und hat nichts geschossen. Aber er geht dorthin, nimmt seinen Hund mit, nimmt seine Flinte mit und ist im Wald.“47
Für ihn als langjährigen Leser sei stets der gesicherte Erhalt neuen Lesestoffs ausschlaggebend für das Lesen der Serie gewesen, um den er sich nicht weiter zu kümmern brauchte: „Jede Woche erscheint ein Roman, wenn du dir kein Buch gekauft hast, du hattest dieses Heft in der Hand. Das heißt, du hattest jede Woche, egal was war, eine Stunde oder anderthalb Stunden, ähm, hattest du neue Literatur.”48 Auch Anja Wendt schätzt die kontinuierliche Lieferung neuer Lektüre, die sich beim Abonnement-Erhalt gewissermaßen verselbstständigt: „[M]an freut sich irgendwie so, jede Woche kommt irgendwas so ins Haus geflattert”49. Carolin Winter (29, Dipl.-Kauffrau, Steuerassistentin) formuliert auf ähnliche Weise: „Also, über das, dass es ja jede Woche einfach rauskommt und man dann auf einem gewissen ... Man hat einfach immer was, man muss sich dann nichts Neues kaufen, sondern es kommt ja dann im Abo“50. Perry Rhodan wird also offenbar gerade aufgrund seines seriellen Charakters gelesen. Die Serie stellt wöchentlich neue Lektüre bereit, die man sich nicht jedes Mal neu aussuchen muss, sondern quasi automatisch erhält. Hält man sich vor Augen, dass das meistgenannte Lesehindernis – so eine Studie der Stiftung Lesen – die „Unübersichtlichkeit des Buchmarkts“51 darstellt, wird die Orientierungshilfe deutlich, die serielle Lektüre hier bietet, indem mit ihr die Auswahl der Lektüre entfällt. Wie bereits im Zusammenhang mit den verschiedenen Bezugsweisen ausgeführt wurde, sind der zuverlässige und pünktliche Erhalt der neuen Folge für die LeserInnen zentrale Kriterien des Bezugs. Der Zusammenhang dieser Aspekte mit dem seriellen Charakter des Lesestoffs wird im Folgenden nochmals expliziert: Gerade durch das Generieren von Spannung nämlich wirkt das serielle Prinzip aktiv an den Praktiken des Hefterhalts mit. Den jeweils aktuellen Roman der Erstauflage zu lesen, ist nahezu allen ProbandInnen sehr wichtig. Die meisten LeserInnen erwarten gespannt die neue Folge und freuen sich auf den Ankunftstag des Heftes. Dies zeigt sich beispielsweise, wenn die Perry Rhodan-AbonnentInnen die Wahl dieser Bezugsweise mit
47 Interview mit Markus Ehlers vom 09.06.2011. 48 Ebd. 49 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Anja Wendt. 50 Interview mit Carolin Winter und Tobias Winter vom 15.01.2009, hier: Carolin Winter. 51 Bodo Franzmann 2001a: Die Deutschen als Leser und Nichtleser. Ein Überblick. In: Stiftung Lesen/Spiegel-Verlag 2001, S. 7-31, hier S. 20.
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der emotionalen Involviertheit in Verbindung bringen, die die serielle Lektüre bewirke. Stefan Belting etwa berichtet von seiner Unruhe am Erscheinungstag: „Meine Frau hat sich dann manchmal amüsiert, wenn ich so donnerstags nervös wurde, weil ich jetzt noch irgendwo zum Kiosk musste ((lacht)) ... kaufen. Und dann hab’ ich’s halt abonniert.“52 Markus Ehlers führt aus, dass er das Abonnement gerade deshalb schätze, weil es ihn davon entlaste, sich um den Erhalt des wöchentlichen Hefts sorgen zu müssen: „Weil [...] als Perry Rhodan-Leser, du willst wissen wie’s weitergeht, du brauchst dieses ... dieses Heft. [...] [U]nd, ähm, dann hoffst du, dass es zu der und der Zeit da ist. [...] Also so einfach, ja, ... brauch’ ich mir um nichts mehr Sorgen zu machen, Gedanken zu machen, wie ich zum Bahnhof komme, damit ich das Heft auch dann in den Händen halte, wenn es erscheint. Das’n ganz wichtiger Faktor, und ich weiß gar nicht warum. Also ich denke, es hängt damit zusammen, mit diesem Gefühl, ich brauch’ diese Grundversorgung. ((lacht leicht))“53
Auch die konkreten Bezugsbedingungen haben ihren Anteil an der Freude auf das wöchentliche Heft. So sagt Anja Wendt: „Aber gerade so der Fakt, dass es jede Woche mit der Post kommt. Also auch wirklich, dass das Heft mit der Post kommt, ist ja auch schon Bestandteil des Konzeptes und der Serie selbst. Also wie unspektakulär wäre es, wenn man es einmal die Woche im E-MailPosteingang hätte? Also ... Das ist irgendwie so auch so ’n ... so ’n Stilbruch. Also wär’s für mich. Das Zusenden nach Hause oder dann halt das Kaufen am Bahnhof, kommt drauf an, wir haben ja nur das Abo, find’ ich, gehört für mich genauso dazu wie das Lesen selbst. Und ich weiß nicht ... Das jetzt als Newsletter zu bekommen, fänd’ ich jetzt irgendwie unspektakulär. Das ist so, wie ein Geschenk zu Weihnachten, was nicht verpackt ist. So, das ist ... Es muss halt unterm Baum liegen, also ich find’, das gehört so dazu, das kann man losgelöst gar nicht betrachten.“54
Der Empfang im Abonnement scheint generell den mit dem Warten auf die neue Folge verbundenen ‚Druck‘ zu vermindern, da AbonnentInnen gegenüber HeftkäuferInnen nicht selbst dafür verantwortlich sind, sich um den Erhalt zu kümmern. Dabei bleiben Spannungsmomente auch beim Abo-Bezug erhalten oder werden gar durch die Lieferbedingungen erst generiert. So veranstalten Anja
52 Interview mit Stefan Belting vom 17.06.2011. 53 Interview mit Markus Ehlers vom 09.06.2011. 54 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Anja Wendt.
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Wendt und Thomas Wendt, die sich ein Abonnement teilen, eine Art Wettbewerb um das neue Heft: „A. W.: Es gibt die klare Regel, wer zuerst am Briefkasten ist, darf zuerst lesen. T. W.: Genau. Und es gibt nur einen, der zuerst am Briefkasten ist, weil ich hab’ die @Schlüssel und du nicht.@ ((lacht)) Obwohl du den manchmal rausfischst.“55
Durch die Lieferung in einem nichttransparenten Umschlag bildet das Öffnen der Verpackung einen weiteren Spannungsmoment, mit dem die LeserInnen auf unterschiedliche Weise umgehen. Wenn Thomas Wendt etwa seine Post öffnet, „ist auch immer der Perry, äh, zuerst dabei“ 56, und auch Oliver Mohn (37, Versicherungskaufmann) erklärt, er schaue sich das neue Heft sofort bei Erhalt an: „Das Erste, was ich machen muss: Ich reiß’ den Aufschlag ... den Umschlag auf, nehm’ das Heft raus, guck’ mir’s Titelbild an.“57 Markus Ehlers zögert dagegen den Blick auf das neue Heft bis kurz vor dem Lesen hinaus: „Also wenn ich’s auspacke, dann ist auch so die Zeit, wo ich weiß, so die nächste Stunde oder so geht’s los, dass ich lese. Also es wird ... Es bleibt in dem Umschlag drin, bis ich’s ... bis ich’s anfangen möchte zu lesen.“58 Auch die Verpackungs- und Versandbedingungen wirken demnach am Leseerlebnis mit. In Verbindung mit der Fortsetzungsstruktur der Serie generieren sie ihrerseits Spannung, indem sie den Blick auf das neue Heft nicht sofort preisgeben und dadurch den Beginn der neuen Serienfolge zeitlich hinauszögern. LeserInnen, die ihr Heft im Einzelkauf beziehen, betreiben mitunter zusätzlichen Aufwand, um die neue Folge möglichst früh zu erhalten. Dafür werden gelegentlich auch Umwege in Kauf genommen. Für Philipp Wetzler geht dabei Pünktlichkeit über Bequemlichkeit. So fährt er, wenn er in der Stadt keine anderen Besorgungen zu erledigen hat, „wirklich direkt für’s Heft dann an den Bahnhof.“59 Bei Ausfällen an der dortigen Verkaufsstelle setzt er seine Suche nach einem Exemplar fort: „Das ist mir vor ein paar Wochen passiert, da war ich am Bahnhof und dann gab’s das Heft nicht. Und der hat dann irgendwie gemeint: Ja::a, sie sind irgendwie nicht beliefert
55 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011. 56 Ebd., hier: Thomas Wendt. 57 Interview mit Oliver Mohn vom 30.06.2011. 58 Interview mit Markus Ehlers vom 09.06.2011. 59 Interview mit Philipp Wetzler vom 21.06.2011.
106 | P ERRY R HODAN LESEN worden. Und dann bin ich zu diversen Supermärkten, anderen Kiosks, und die hatten es dann auch nicht. Und dann habe ich es irgendwo ... Wir haben [...] hier in der Nähe [...] so ein größeres Einkaufszentrum, da habe ich es noch durch Zufall ... habe ich ein Exemplar ergattert.“60
Gerd Brehm (60, Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit) berichtet, wichtige Romane kaufe er bereits früher als gewöhnlich, um sich an Diskussionen im Perry Rhodan-Forum zu beteiligen: „Es gibt auch die Hardcore-Variante, wenn also mittwochs die ersten Abo-Leser die Dinger digital kriegen oder als Abo kriegen, die fangen dann ja schon an zu diskutieren. Und dann kommt der erste Spoiler ins Forum. Und wenn das aber was wahnsinnig Interessantes ist, äh, mach’ ich, muss ich zu meiner Schande gestehen, ab zwei Uhr zum Hauptbahnhof, da gibt’s den auch zwei Tage früher, nämlich mittwochs schon. [...] Das hat zu tun mit den Grossisten, das ist ein technisches Problem. Die Grossisten schmeißen die immer schon paar Tage vorher raus. Eigentlich dürfen die die nicht verkaufen, machen die aber a... Also man muss ’ne gute Bahnhofsbuchhandlung oder sonstige kennen, dann kommt man früher an die Dinger ran.“61
Die Praktiken der Nutzung beziehen sich hier direkt auf die unterschiedlichen Erscheinungstermine der verschiedenen Ausgaben. Die frühere Erhältlichkeit der E-Books stellt einen Anreiz dar, den Heftroman ebenfalls zu einem früheren Zeitpunkt zu kaufen. Erhöhter Aufwand wird nicht nur für den zeitigen Erhalt, sondern auch für die Verfügbarkeit der Romane generell betrieben. Um auch im Urlaub an sein Heft zu gelangen, begibt sich Rainer Weygandt auf die Suche nach Verkaufsstellen, die sich mitunter recht aufwändig gestaltet: „[W]enn ich in Deutschland Urlaub mache, dann muss ich natürlich immer gucken, wo es welche geben könnte. Und das ist dann so eine richtige Jagd nach einer Perry Rhodan-Quelle, das find’ ich auch spannend. ((lacht))“62 Die zusätzlichen Bemühungen werden demnach nicht immer als Last wahrgenommen, sondern im Gegenteil auch als lustvoll erlebte Herausforderung, die den Besitz des Heftes, an das man früher als andere bzw. auch trotz ungünstiger Bedingungen gelangt ist, zu etwas Besonderem macht.
60 Ebd. 61 Interview mit Gerd Brehm vom 27.05.2011. 62 Interview mit Rainer Weygandt vom 17.11.2010.
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Der serielle Vertrieb, der den Lesestoff quasi portionsweise liefert, prägt, wie aus den Interviews ersichtlich wird, die Praktiken des Bezugs deutlich mit. Aktualität und Kontinuität der Lektüre werden dabei von den LeserInnen als positiv wahrgenommen. Der Fortsetzungscharakter, der sich mit der Distributionsform verbindet, macht einen deutlichen Reiz des Serienlesens aus und führt zu spezifisch auf Serialität bezogenen Praktiken, bereits ehe die Lektüre im eigentlichen Sinn begonnen hat. 4.2.3 Kaufen im Kiosk Perry Rhodan, so wurde bereits in der eingangs erfolgten Darstellung der Vertriebsformen sichtbar, ist Kioskliteratur. Im Folgenden wird darum das Verhältnis der LeserInnen zu diesem Verkaufsort näher betrachtet und dabei in den Blick genommen, auf welche Weise sich Serialität in der Beziehung von LeserInnen und Kiosk äußert und wie diese das Kauferlebnis mitbestimmt. Der klassische Zeitschriftenhandel ist der bevorzugte Einkaufsort für Heftromane,63 und auch die Mehrheit der ProbandInnen erwirbt ihre Hefte hier. Perry Rhodan-LeserInnen gehen meist gezielt für den Kauf ihres Serienheftes zum Kiosk. Eine verlagsinterne Erhebung sogenannter Koppelkäufe, die anhand von Kassen-Scannerdaten eruiert wurden, ergab, nach Aussage des Chefredakteurs Frick, dass für eine Mehrheit der Perry Rhodan-KäuferInnen der Erwerb weiterer Produkte von untergeordneter Bedeutung ist. 64 Frick formuliert mit Bezug auf den Perry Rhodan-Kunden: „Also der kauft vielleicht noch einen Tabak oder so was. [...] Und dann kauft er vielleicht noch die TV Movie oder die Computer BILD oder so. Und dann geht es relativ weit nach unten. Drei Prozent John Sinclair oder so was. Ein Prozent Landser. Also es gibt Überschneidungen mit anderen Serien, aber die sind extrem gering.“65
Das vorliegende Sample spiegelt diesen Befund. Aktuell kaufen die ProbandInnen neben Perry Rhodan kaum weitere Kioskliteratur, der Erwerb anderer Produkte wird von einigen erwähnt. Mit dem Gang zum Kiosk verbindet sich dabei selten ausschließlich ein rein pragmatisches Besorgen des Heftes, der Heftkauf
63 Vgl. Pro Gym Datentechnik: Käufermarktstudie 1998 Romane. Eine Untersuchung der Verlage Bastei – Cora – Kelter – VPM. Bergisch Gladbach 1998, o. S. Die Studie wurde mir von der Perry Rhodan-Redaktion freundlicherweise zur Verfügung gestellt. 64 Vgl. Interview mit Klaus N. Frick vom 10.02.2010. 65 Ebd.
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beschränkt sich keineswegs auf das eingangs zitierte „Nehmen, Kasse gehen, zahlen“66. Wie die Interviews zeigen, umfasst die Beziehung der KioskkäuferInnen zu diesem Ort häufig mehr als nur einen flüchtigen, nicht weiter reflektierten Moment des Kaufens. Elisabeth Naumann weist in ihrer soziologischen Studie zum Kiosk darauf hin, dass dieser „zwar durchaus treffend ein ‚beiläufiger Ort‘ genannt werden kann, [...] dass er aber darüber hinaus im Bewusstsein und auch ganz real im Alltagsleben vieler Menschen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt.“67 Wie sie darlegt, lassen sich am Kiosk „typische Merkmale erlebnisorientierten Handelns beobachten“68. Naumann beschreibt den Kiosk dabei in erster Linie als einen Ort der sozialen Kontakte, an dem KäuferInnen und KioskbesitzerInnen interagieren.69 Wie sich im Folgenden für den Perry Rhodan-Kauf zeigen wird, sind jedoch noch zahlreiche weitere Akteure an dieser sozialen Interaktion beteiligt. Viele der befragten LeserInnen machten bereits in ihrer Kindheit oder Jugend Erfahrungen mit Kiosken und Kioskliteratur. Drei Leser schildern, dass sie mit Perry Rhodan erstmals am Kiosk in Kontakt kamen. Walter Fischer etwa, der bereits vor seiner Perry Rhodan-Lektüre regelmäßig ein Science-FictionComicheft am Kiosk kaufte, wurde bei einem seiner Besuche im Jahr 1961 vom Händler auf die damals neue Serie aufmerksam gemacht. „Ja, wie gesagt, ich hatte damals von meinem Lehrlingsgehalt eben die Angewohnheit, dass ich mir diese Comics, Nick, der Weltraumfahrer, kaufte und eben vom Kioskbesitzer damals ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht wurde: Da gibt’s jetzt richt- Hefte, also nicht Comics, sondern, äh, richtigen Lesestoff, in Anführungszeichen.“70
Doch auch wenn die erste Begegnung mit der Serie nicht am Kiosk erfolgte, waren viele mit dem Lektüreangebot jenseits des Buchhandels bereits vertraut und hatten Erfahrung mit der Rezeption von ‚Heftchen‘ gemacht, ehe sie begannen, die Serie zu lesen. Insgesamt hatten zwölf ProbandInnen bereits vor ihrer Perry Rhodan-Lektüre Kioskliteratur in Form von Comics oder Heftromanen rezipiert.71 Comics gehörten dabei für zehn ProbandInnen zu den frühen Leseerfah-
66 Interview mit Frank Zelter vom 16.06.2011. 67 Naumann 2003, S. 7. 68 Ebd., S. 107. 69 Vgl. ebd. und S. 152-159. 70 Interview mit Walter Fischer vom 16.06.2011. 71 Drei ProbandInnen lasen Comics und Heftromane, während sieben ausschließlich Comics und zwei ausschließlich Heftromane rezipierten.
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rungen,72 fünf hatten vor Perry Rhodan bereits andere Heftromane gelesen. Das Format, in dem die Serie erscheint, war ihnen damit nicht fremd und entsprach ihren Rezeptionsvorlieben. Jörg Reimann beispielsweise stellt seine Perry Rhodan-Lektüre als quasi selbstverständliche Fortsetzung seiner bisherigen Rezeption dar. Er las bereits als Kind Comics und hatte, als er im Alter von etwa 16 oder 17 Jahren mit dem Perry Rhodan-Lesen begann, „schon Heftromanerfahrung mit John Sinclair und Dämonenkiller und so weiter, so dass, ähm, Science-Fiction, die Science-Fiction-Serie, eben Perry Rhodan, ähm, eigentlich ein relativ kleiner Schritt war.“73 Die Beziehung zum Kiosk und zur Kioskliteratur wurde bei den Perry Rhodan-LeserInnen also meist schon früh etabliert. Perry Rhodan-Lesen ist für viele mit dem am Kiosk erhältlichen medialen Angebot eng verbunden.74 Wie bereits ausgeführt, überwiegt der regelmäßige Gang zu demselben Händler im Sample.75 Nur ein Leser variiert zwischen drei bis vier Verkaufsorten, und ein weiterer kauft sein Heft, je nach Gelegenheit, bei ganz verschiedenen Händlern. Das Festlegen auf einen bestimmten Kiosk bietet dabei den Vorteil, persönliche Verabredungen mit dem Betreiber treffen zu können. So vereinbarte etwa Frank Zelter mit dem lokalen Zeitschriftenhändler, als dieser sein Geschäft eröffnete, die Hefte regelmäßig bei ihm zu kaufen, wenn dieser sie ins Sortiment aufnehme. Einige LeserInnen nutzen die Möglichkeit, sich Hefte reservieren oder im Fall längerer Abwesenheit zurücklegen zu lassen. 76 Gerd
72 Hier wird eine Vielzahl von Titeln genannt. Mehrfach werden dabei Asterix & Obelix (vier LeserInnen), Fix und Foxi, Micky Maus und ZACK (je drei LeserInnen) sowie Donald Duck und Nick, der Weltraumfahrer (je zwei LeserInnen) erwähnt. 73 Interview mit Jörg Reimann vom 10.06.2011. 74 Die Lektüre von Kioskliteratur scheint dabei vor allem für männliche Leser eine Rolle zu spielen. Keine der vier befragten Leserinnen nennt Comics oder andere Heftromanserien jenseits von Perry Rhodan als Lektüreerfahrung. Dies lässt sich als Indiz dafür interpretieren, dass auch genderspezifische Formen der Mediennutzung den Zugang zur Lektüre bestimmter Formate mitbestimmen, worüber sich allerdings anhand des Interviewmaterials keine genaueren Aussagen treffen lassen. 75 Der regelmäßige Kauf in demselben Geschäft ist offenbar für HeftromanleserInnen charakteristisch. So ermittelt die Studie der Pro Gym Datentechnik einen hohen Prozentsatz (57,8 %) an Romankäufern, die ihre Titel „so gut wie immer“ in derselben Angebotsstelle kaufen, weitere 35,7 % kaufen ihr Heft, der Studie zufolge, „meist im selben Geschäft, ab und zu auch wo anders“. Vgl. Pro Gym Datentechnik 1998, o. S. 76 Auch zu dieser Praxis liegen repräsentative Daten vor. Nach der Studie der Pro Gym Datentechnik lassen 18,5 % der HeftromankäuferInnen sich ihren Roman vom Händler zurücklegen. Vgl. Pro Gym Datentechnik 1998, o. S.
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Brehm beispielsweise lässt sich Sonderausgaben von der Händlerin reservieren oder während der Urlaubszeiten Hefte zurücklegen. Wie er berichtet, kauft er seine Hefte „[b]eim Dealer. Das heißt: kleinerer Zeitschriften-Tabakhandel, ähm, und da fahr’ ich freitags hin, da hol’ ich meine Stange Zigaretten und, äh, da kommt auch der Perry Rhodan. Und die legt mir auch dann immer zurück, wenn es irgendwelche Sondersachen gibt, wie Perry Rhodan-Extra, [...], wenn es irgendwelche Sondersachen gibt vom Verlag, dann holt die immer direkt für mich eins mit und sagt: ‚Wollen se das diesmal haben? Nicht, ja, nein?‘ oder so und, ähm ... Das heißt also auch, wenn ich in Urlaub bin jetzt die nächsten drei Wochen, dann legt die das für mich zurück. [...] Und das läuft seit Jahren, [...] zu beiderseitigem Nutzen sozusagen, ne. Die hat ’n Stammkunden da und, äh, ich krieg’ meine Plörren auch, wenn ich in Urlaub bin. Da muss ich nicht irgendjemandem, der noch nie ’n Perry Rhodan gesehen hat, sagen: ‚Bitte geh’ zum Bahnhof und kauf’ mir die drei Bände X, Y, Z!‘ Und dann bringt der mir mit Sicherheit das Falsche mit oder so, ne.“77
Für die Entscheidung, das Heft stets am selben Verkaufsort zu beziehen, spielen also einerseits praktische Zwecke eine Rolle. Andererseits ist auch der von Naumann beschriebene Aspekt der persönlichen Interaktion mit den KioskbetreiberInnen durchaus von Bedeutung. Die KundInnen genießen den regelmäßigen Kontakt zum Kiosk, freuen sich darüber, persönlich begrüßt bzw. als Perry Rhodan-LeserIn identifiziert zu werden und kurze Gespräche mit dem Kioskpersonal zu führen. Dieter Rathgeb etwa kauft seine Hefte bereits seit vielen Jahren bei demselben Händler, dem er auch bei dessen Umzug folgte: „Ich hätt’s auch woanders kriegen können, aber, äh ... Mit dem verbind’ ich auch inzwischen ’ne Freundschaft, mit dem Menschen, ne? So. Das ist dann ganz interessant. Vor allen Dingen, du bist da und die wissen auch schon, wenn ich komm’: Perry Rhodan-Heft. ((lacht))“78 Das Kioskerlebnis geht jedoch über das Pflegen persönlicher Kontakte weit hinaus. So spielt auch die Atmosphäre in den Ladengeschäften eine Rolle, die die ProbandInnen häufig als angenehm beschreiben. Der Kiosk wird zum Schmökern aufgesucht, die Perry Rhodan-KäuferInnen schauen sich dort um, verschaffen sich einen Überblick über das Angebot und blättern in anderer Kioskliteratur. „Dann, ähm, werf’ ich mal noch eben ’nen Blick, was sonst noch an Heftromanen da ist, jetzt gerade Western und so weiter. Ich schau’ auch auf’s Titelbild vom neuen John Sinclair ... an oder so, blätter’ vielleicht die fünfte Auf-
77 Interview mit Gerd Brehm vom 27.05.2011. 78 Interview mit Dieter Rathgeb vom 09.06.2011.
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lage von Perry Rhodan durch“79, beschreibt Philipp Wetzler die Situation des Heftkaufs. Auch Rainer Weygandt, der seine Hefte „nie abonnieren“ würde,80 nutzt die Gelegenheit des Perry Rhodan-Kaufs, um sich das Angebot im Kiosk anzusehen. Der Redakteur erwirbt sein Heft zumeist an Bahnhofskiosken, weil diese neben Heftromanen „meistens eine größere Auswahl an Zeitschriften und anderer Literatur“81 führen. Manchmal kaufe er neben Perry Rhodan auch noch eine Zeitschrift, generell gucke er aber „alles durch“82: „[A]lso da bin ich wie eine Frau. Also ich geh’ dann rein und guck’ mir die Buchtitel an und zieh’ mal eins rau- ... Also diese, diese, ähm, Zeitschriften, ne ... Weil mich interessiert ja, was die anderen da so machen und manchmal kriegt man auch eine Idee, äh, was man für eine Geschichte machen kann oder welchem Magazin man mal etwas verkaufen könnte.“83
Weygandt nutzt das Umsehen im Kiosk als Information über die aktuelle Heftproduktion, die er beruflich weiterverwerten kann, dabei ist der Hinweis auf die ‚weibliche‘ Seite seines Verhaltens klar als Verweis auf die sinnliche Seite des Kauferlebnisses zu verstehen – auch wenn die Geschlechtszuordnung freilich in Frage zu stellen ist. Weygandt genießt das Stöbern im Kiosk, das für ihn zum Perry Rhodan-Kauf dazugehört. Die spezifische Erlebnisqualität des Kioskgangs zeigt sich auch in Kindheitserinnerungen, die die LeserInnen schildern. Für Markus Ehlers etwa stellte der Kiosk in seiner Kindheit und Jugend einen wichtigen Zugang zu Literatur dar: „[A]ls Zehn-, Zwölfjähriger, der auf’m Bauernhof 30 Kilometer von der nächsten Stadt aufwächst, kommst du nicht so einfach in ’n Buchhandel. Da bist du bei, bei dem kleinen Ba-, Bahnhofskiosk, den’s jetzt auch nicht mal mehr gibt, der war wirklich 20 Quadratmeter und voller Zeitschriften. Das ist die ... die große Literaturwelt für dich, so ungefähr.“84
Die Faszination, die der Kiosk und sein Angebot ausübten, kommt zum Ausdruck, wenn Ehlers von seinem ersten Perry Rhodan-Kauf berichtet:
79 Interview mit Philipp Wetzler vom 21.06.2011. 80 Interview mit Rainer Weygandt vom 17.11.2010. 81 Ebd. 82 Ebd. 83 Ebd. 84 Interview mit Markus Ehlers vom 09.06.2011.
112 | P ERRY R HODAN LESEN „[I]ch bin jeden Tag mit’m Zug [...] gefahren und musste dann vom Zug, der kam so um Viertel nach sieben an und ich musste bis acht Uhr beim ... bei der Schule sein, das waren anderthalb Kilometer, zwei Kilometer, und meistens bin ich dann, äh, im Bahnhofskiosk untergeschlüpft. Hab’ mir vielleicht ’n bisschen Süßig- gekauft oder sonst was und hab’ mich da natürlich umgeguckt. Hauptsächlich hab’ ich damals meine Comics gesucht, die damals auch schon relativ teuer waren, so im Vergleich, für die Jugendlichen. Und bin dann irgendwann an den, äh, Perry Rhodan-, ähm, ähm, -covern hängengeblieben. Und irgendwann hat mich eins so gereizt, dass ich’s mitgenommen hab’. Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr, welches es war, ich hab’ nur noch in Erinnerung, dass ich halt, äh, in diesem Kiosk stand und, äh, immer vor den ... vor den Heftromanen geguckt hab’.“85
Der Heftkauf bildet ein Erlebnis für sich, bei dem es nicht um das reine Beschaffen der Lektüre geht. Die eigenständige Qualität des Kioskgangs wird auch in der Beschreibung von Dieter Rathgeb deutlich, der diesen als Freizeitbeschäftigung gestaltet und ihn mit weiteren Hobbys und Verwandtenbesuchen verbindet: „Man kann’s auch per Abo nach Hause holen lassen, aber ... So komm’ ich hier noch zu meinem Modellbauladen, dann gibt’s noch einen hier [...], da geh’ ich dann auch noch hin. Und dann hol’ ich mein Heft. Manchmal geh’ ich noch bei meinem Bruder vorbei [...]. Dass man nicht nur zu Hause sitzt. Ja, alle miteinander.“86
Nicht nur die Atmosphäre im Kiosk und die Einbindung in weitere angenehme Tätigkeiten tragen dabei zum Erlebnis des Heftkaufs bei. Wie vor allem die Beschreibungen der ersten Begegnung mit der Serie zeigen, übt auch die materielle Präsenz der Hefte und Bücher in den Kiosken offenbar einen starken Reiz auf die LeserInnen aus. Wie Markus Ehlers erzählen auch viele weitere LeserInnen, dass die Serie sie visuell angesprochen habe, so etwa Philipp Wetzler, der bei seinem wöchentlichen Kioskgang als Leser der Gruselserie Geisterjäger John Sinclair auf die Perry Rhodan-Hefte aufmerksam wurde: „Also dass es Perry Rhodan gibt, das weiß ich seit auch ... vielleicht den 90er Jahren, Mitte der 90er Jahre halt einfach, als ich dann Jo- John Sinclair gekauft habe und so. Und dann habe ich immer diese bunten Heftchen auch gesehen, irgendwie mit ... mit diesen schönen Science-Fiction-Titelbildern“87.
85 Ebd. 86 Interview mit Dieter Rathgeb vom 09.06.2011. 87 Interview mit Philipp Wetzler vom 21.06.2011.
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Neben der visuellen Gestaltung der Hefte, macht auch deren gehäuftes und kontinuierliches Auftreten ihre Anziehungskraft aus. Für Melanie Speidel etwa gab die massive Präsenz der Perry Rhodan-Hefte am Kiosk den Ausschlag dafür, in die wöchentlich erscheinende Serie einzusteigen, nachdem sie zunächst nur die Buchversion gekannt hatte. „[A]n jedem Zeitungskio- und jedem ... S-BahnHaltestelle hast du ja die Ständer vor der Nase und dann hab’ ich mich dann irgendwann doch getraut, zu kaufen.“88 Nicht nur die Hefte in den Kioskauslagen wirken ansprechend, auch die Bücher fallen beim Besuch in der Buchhandlung oder Bibliothek ins Auge. Anja Wendt, die gemeinsam mit ihrem Ehemann die Serie liest, beschreibt ihre ersten Eindrücke von der Serie folgendermaßen: „Uns ist im ... im Buchhandel diese riesige Reihe aufgefallen, mit diesen Silberbänden. Oder mir ist die aufgefallen. Dann hatten wir drüber gesprochen, so: ‚Kennst du das, was ist das eigentlich?‘ Und ich bin zu Studienzeiten auch noch in der Bibliothek gewesen, Mitglied, und musste ins Krankenhaus, meine Mandeln mussten rausgenommen werden, dacht’ ich: ‚Ach nimmste noch ’n Buch mit, kannst ja eh nichts machen‘. Und dann bin ich zufällig dann drauf gestoßen, dass ich mir eigentlich mal so ’n Band ausleihen könnte und ich dachte mir noch: ‚Mensch, der Perry Rhodan hat aber viel geschrieben!‘, weil ich da noch dachte, das ist der Autor. ((lacht))“89
Anja Wendt wurde durch die beträchtlichen Ausmaße der Serie, die sich in der langen Regalreihe offenbarten, nicht etwa abgeschreckt, im Gegenteil weckten sie ihr Interesse für die Serie und animierten sie zum Lesen.90 In den genannten Beispielen tritt der Lesestoff deutlich als Akteur in Erscheinung, dessen materielle und serielle Eigenschaften bereits im Vorfeld der Lektüre Wirkung zeitigen. Zum einen, indem die als ästhetisch ansprechend empfundenen Bilder eine Literatur antizipieren lassen, die ebenso gefällt, zum anderen, indem sich im Anblick des Umfangs sowie beim Beobachten der hohen Erscheinungsfrequenz das zu erwartende, umfangreiche und serielle Lesevergnügen bereits auf ganz materieller Ebene ankündigt. Das Kioskerlebnis – und dies gilt auch für weitere Orte des Serienbezugs – wird, wie sich zeigt, wesentlich durch die serielle Literatur selbst, ihre optische und materielle Wahrnehmbarkeit
88 Interview mit Melanie Speidel und Holger Speidel vom 02.05.2011, hier: Melanie Speidel. 89 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Anja Wendt. 90 Der positive Eindruck, den die Größe der Serie bereits beim Kauf erweckte, steht im Einklang mit den Aussagen der ProbandIn zum Beginn ihres Perry Rhodan-Lesens, in denen sie den Reiz der umfangreichen Serie beschreibt. Siehe Kap. 5.1.
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bestimmt, die in ihrer spezifischen ästhetischen und strukturellen Qualität die Praktiken des Kaufs mitbestimmt. 4.2.4 Langzeitentwicklungen des Bezugs So wie serielle Lektüre sich über einen längeren Zeitraum hinweg fortsetzt und entwickelt, trifft dies auch auf den Bezug der seriellen Lesestoffe zu. Auch der Kauf ist Teil der Serienlektürebiografie, die sich im Zusammenspiel von LeserIn und Serie entwickelt. Aus diesem Grund sind auch die Bezugsweisen der Serie auf ihre Veränderungen hin zu betrachten. Hierbei zeigt sich, dass die ProbandInnen sich im Verlauf des Serienlesens an veränderte Bedingungen des Bezugs anpassen, die durch Verlagsentscheidungen wie Preiserhöhungen, aber auch durch Veränderungen der Distributionsbedingungen bewirkt werden – so wird beispielsweise die Verkaufsstelle gewechselt, weil der Kiosk schließt oder die Serie nicht mehr im Sortiment führt.91 Veränderungen können sich auch aus der eigenen Lebenssituation ergeben. Bei einem Umzug ins Ausland muss der Bezug neu geregelt werden, wie Stefan Belting berichtet: „Wir waren auch mal zwei Jahre in den U.S.A., und da hatte ich ’n spezielleres Abo, was quasi ... wo dann immer vier Hefte zusammen geschickt wurden. Also einfach, um die Portokosten zu sparen.“92 Die LeserInnen organisieren dabei den Bezug möglichst weitgehend nach ihren persönlichen Bedürfnissen. Erfahrungen mit unterschiedlichen Bezugsquellen ermöglichen dabei, die Bezugswege im Verlauf des Serienlesens zu optimieren bzw. weniger aufwändig zu gestalten. Stefan Belting spricht von einem „Ritual“93 des Kioskgangs in seiner Kindheit, das er aufgab. Heute hat er ein Abonnement, „[w]eil’s einfach manchmal schwierig ist, halt, äh, ja, einen Ort zu finden wo man’s halt auf jeden Fall bekommt. Und, äh, es quasi irgendwie in den Tagesablauf oder sonst was halt auch, ähm, einzubinden“94. Auch weitere LeserInnen berichten davon, dass sie in der Anfangszeit ihres Lesens mehr Aufwand betrieben, um sich die Hefte zu beschaffen, als dies heute der Fall sei. Matthias Specht (23, B.A. Logistik) etwa fuhr früher regelmäßig freitags nach der Schule zum Kiosk, um das neue Heft zu erwerben. Heute nimmt er keine Umwege mehr
91 Melanie Speidel und Holger Speidel berichten, dass sie auf den Bahnhofskiosk auswichen, nachdem eine Buchhandlung, in der sie Perry Rhodan zunächst kauften, die Serie nicht mehr anbot. 92 Interview mit Stefan Belting vom 17.06.2011. 93 Ebd. 94 Ebd.
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in Kauf, um das Heft sofort zu erhalten, sondern besorgt es, wenn er sowieso in der Nähe der Verkaufsstelle ist: „Ich würd’ nicht extra noch mal dahin fahren, sondern [...] wenn wir da dann einkaufen gehen und so, da ist das dann ein Weg.“95 Andererseits werden etablierte Praktiken des Bezugs von den LeserInnen häufig fortgeführt, selbst wenn sie mühsamer sind als ihnen bekannte Alternativen. Nahezu alle ProbandInnen – mit Ausnahme von zwei AbonnentInnen – bezogen die Serie bereits über einen längeren Zeitraum hinweg über den Kiosk, und viele behalten diese Bezugsweise trotz kostengünstigerer und weniger aufwändiger Varianten wie Heft-Abonnement und E-Book-Bezug bei. Durch den langjährigen Kauf der Serie am Kiosk, ebenso wie durch den Kauf anderer Kioskliteratur, ist bei vielen ProbandInnen, eine Vertrautheit mit diesem Ladentypus entstanden. Wie sich in den Beschreibungen zeigte, sind die Erzählungen über den Kauf am Kiosk häufig emotional geprägt und haben mitunter eine nostalgische Färbung. Im Interview mit Rainer Weygandt, der bereits in seiner Kindheit Perry Rhodan-Hefte am Kiosk kaufte, kommt diese deutlich zum Ausdruck, wenn er seine heutige Beziehung zum Kiosk in Verbindung mit früheren Kioskerlebnissen schildert: „Ich genieße den Kontakt zum Bahnhofskiosk. [...] Und dann gehe ich da rein, so, äh, das ist auch noch meine Unterschichtenherkunft ... Ich mag einfach diese Bahnhofskioske an der Ecke nebenan, wo ein paar @versoffene Gestalten am Tresen hängen@, also das mag ich einfach, ne. ((lacht)) Wir sind früher immer zum [...] Bahnhof und haben heimlich geflippert, @solche Sachen gemacht, ne. Was Jungs halt so machen.@“96
Auch wenn in den meisten Interviews keine solchermaßen deutlichen Verbindungen von heutigen zu vergangenen Situationen des Kioskkaufs gezogen werden, so bleibt doch der Serienkauf für viele untrennbar mit diesem Ladentypus verbunden. Erfahrungen, die in der Vergangenheit mit dem Kiosk gemacht wurden, bestimmen offenbar mit, wie dieser aktuell gesehen wird. Die Erinnerungen an den Heftkauf wiederum wirken in den aktuellen Praktiken fort. Die Serienlektürebiografie respektive die im Laufe der Zeit des Lesens mit der Serie gemachten Erfahrungen kommen damit bei der Gestaltung des Bezugs zum Tragen. Serialität erweist sich hier als langfristig wirksame Eigenschaft, die die Praktiken des Heftbezugs, in Kooperation mit den LeserInnen, mitgestaltet.
95 Interview mit Matthias Specht vom 26.05.2011. 96 Interview mit Rainer Weygandt vom 17.11.2010.
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4.3 S ITUATIONEN
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Im Anschluss an den Bezug der Serie werden in den folgenden Unterkapiteln die Situationen des Lesens in ihren zeitlichen und räumlichen Dimensionen betrachtet. Hierbei wird nicht nur gefragt, wann und wo gelesen wird, sondern auch, welche Akteure die Lesesituation mitbestimmen und wie diese die Lektüre begünstigen oder initiieren bzw. erschweren, stören oder verhindern. Darüber hinaus wird auch die Verteilung der Lektüre in ihrem Verlauf beschrieben. Es treten dabei zwei Lektüremuster hervor: das des ungestörten, ‚gemütlichen‘ Lesens sowie das des flexiblen Lesens, der schnellen Lektüre für zwischendurch. Das Kapitel zu den Lesesituationen nimmt also in den Blick, wie sich das Dispositiv Heftromanserie zusammensetzt und welche Akteure es mitbestimmen. Dabei liegt der Schwerpunkt erneut darin, das Mitwirken von Serialität in den beschriebenen Praktiken zu identifizieren und zu beschreiben. 4.3.1 Lektüre ‚für sich‘ und geteilte Lektüre Ein Aspekt, von dem abhängt, wann – und in gewissem Maße auch wo – gelesen wird, ist der Umstand, ob der Lesestoff den LeserInnen uneingeschränkt zur Verfügung steht oder ob sie ihn mit anderen teilen. Einerseits ist das Perry RhodanLesen zwar eine sehr persönliche Angelegenheit. Dieter Rathgeb etwa, der sein Heft eine Zeit lang mit seinem Bruder teilte, sagt heute über Perry Rhodan: „Das ist eigentlich ganz privat mein Hobby.“ 97 Und Katharina Weiß antwortet, befragt, ob sie ihr Perry Rhodan-E-Book mit jemandem teile, entschieden: „Nein, das ist nur meins. Meins.“98 Gegenseitiges Vorlesen scheint absolut unüblich zu sein. Entsprechende Fragen wurden entschieden zurückgewiesen oder riefen Heiterkeit hervor. Andererseits gibt es aber auch viele LeserInnen, die ihr Heft gerne mit anderen teilen. Dass mehrere LeserInnen dasselbe Heft nutzen, ist durchaus üblich. Innerhalb des Samples wird der Roman vor allem innerhalb der Familie oder Verwandtschaft geteilt. Neben den drei befragten Paaren, die Perry Rhodan jeweils gemeinsam lesen, berichten auch weitere LeserInnen, dass sie ihr Heft mit anderen teilen oder dies in der Vergangenheit taten. Stefan Belting etwa liest sein Heft gemeinsam mit seinem Sohn, Matthias Specht mit seinem Vater und seinem jüngeren Bruder, und Walter Fischer gab sein Heft früher an einen Neffen weiter.
97 Interview mit Dieter Rathgeb vom 09.06.2011. 98 Interview mit Katharina Weiß vom 26.05.2011.
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Dabei stellt sich die Frage der zeitlichen Organisation der gemeinsamen Lektüre. Hierbei wird vor allem die Verteilung der Lektüre im Wochenverlauf angesprochen, die mit den MitleserInnen abgestimmt wird. Wer in Matthias Spechts Familie zuerst liest, bestimmt sich offenbar nach der Begeisterung für die Serie: „Die Reihenfolge ist, dass ich in der Regel als erstes lese, dann kriegt’s mein Vater, und mein Bruder ist der am wenigsten enthusiastische Leser“99, sagt Specht. Auch Thomas Wendt und Anja Wendt berichten von einer gewöhnlich eingehaltenen Reihenfolge des Lesens. So liest Thomas Wendt meist am Wochenende, während seine Frau das Heft üblicherweise im Anschluss, die Woche über in der Bahn, rezipiert. Bei Melanie Speidel und Holger Speidel ist ebenfalls festgelegt, wer das Heft gewöhnlich zuerst liest. Holger Speidel bezeichnet seine Lektüre in diesem Zusammenhang als „Zweitverwertung“ 100 des Romans. Beide betonen, dass sie sich beim Perry Rhodan-Lesen wie bei der Medienrezeption generell problemlos miteinander abstimmten. So gebe es auch bei der Einigung auf ein bestimmtes Fernsehprogramm selten Schwierigkeiten. Carolin Winter und Tobias Winter lesen das Heft gemeinsam mit Carolins Vater. Wer das Heft zuerst bekommt, variiert dabei von Zeit zu Zeit und bestimmt sich danach, wer am meisten liest und es damit schafft, auf dem aktuellesten Stand zu sein. Die Abstimmung mit anderen LeserInnen wird in der Regel ohne Schwierigkeiten organisiert. Diejenigen, die sich ihr Heft teilen, berichten nicht von dadurch entstehenden Problemen. Dabei wird anscheinend eine kritische Menge an MitleserInnen nicht überschritten, in keinem der Fälle sind es mehr als zwei. Carolin Winter weist auf eine Obergrenze hin, jenseits derer sie gemeinsames Serienlesen als kompliziert einschätzt: „[I]ch glaube drei – drei oder vier wäre das absolute Maximum an Leuten.“101 Während das Teilen der Lektüre mit weiteren LeserInnen also offenbar relativ ‚reibungslos‘ funktioniert, ergibt sich, was die Lesezeiten und -orte betrifft, erheblich mehr ‚Reibungsfläche‘ mit der Serie selbst. Wann und wo gelesen wird, dies bestimmt sich, wie sich im Folgenden zeigen wird, eher aus der Kooperation mit dem seriellen Lesestoff als aus der Interaktion mit anderen LeserInnen.
99 Interview mit Matthias Specht vom 26.05.2011. 100 Interview mit Melanie Speidel und Holger Speidel vom 02.05.2011, hier: Holger Speidel. 101 Interview mit Carolin Winter und Tobias Winter vom 15.01.2009, hier: Carolin Winter.
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4.3.2 Ungestörtes Lesen Betrachtet man die zeitlichen Situationen der Lektüre, so tritt das aktive Mitwirken der seriellen Veröffentlichungsform sehr offensichtlich zu Tage: Wann das neue Perry Rhodan-Heft gelesen wird, hängt zunächst davon ab, wie gut oder schlecht der Tag des Erscheinens mit der Freizeit der LeserInnen korrespondiert. Dies erschließt sich beispielsweise, wenn man Veränderungen im Veröffentlichungsrhythmus betrachtet. Gerd Brehm, der als langjähriger Perry RhodanLeser die Verschiebung des Erscheinungstages vom Dienstag auf den Freitag miterlebte, erzählt: „Also früher, als er dienstags rauskam, so mitten in der Woche, äh, nachmittags, war das sehr schön, konnt’ ich das ganz gemütlich lesen, meine Frau war noch bei der Arbeit und das war also sozusagen: kaufen, nach Hause kommen, auf die Couch oder auf ’n Balkon und lesen. Und, äh ... Da gab es zwar nur Bütterchen, weil ich dann nicht gekocht hab’, aber war okay. Und heute ist das ganz anders, heute kauf’ ich die freitags, weil dann hol’ ich auch die Zigaretten, und ich komm’ fast nie freitags dazu, zu lesen. Also, ähm ... Das heißt, ich les’ die irgendwann am Wochenende oder so was. Das geht dann immer, das kriegt man ... Also selbe Wochenende muss schon sein, normalerweise.“102
Der aktuelle Erscheinungstag bzw. der Liefertag der Hefte – Freitag am Kiosk, Donnerstag im Abonnement – bringt es mit sich, dass viele den Roman am anschließenden Wochenende lesen. Thomas Wendt etwa sagt: „[W]enn ich Zeit hab’, dann fang’ ich dann auch meistens gleich an, äh, an dem Abend, das zu lesen. Äh, wenn ich jetzt noch ... den anderen noch, äh, schon durch habe und ansonsten erst mal noch nichts, nichts weiter auf’m Programm steht, dann kommt er gleich, äh, geht das gleich los. Und meistens hab’ ich den auch in ein, zwei Tagen durch, also übers Wochenende, also meistens bin ich bis Sonntag damit durch, ähm.“103
Bei anderen LeserInnen verhält es sich ähnlich. So gibt Matthias Specht an: „Wir kaufen den freitags oder samstags in der Regel, und in der Regel ist er dann spätestens sonntags auch a- ausgelesen.“104 Dieter Rathgeb formuliert beinahe identisch: „Meistens ist das so, freitags oder samstags hab’ ich das Heft, und sonn-
102 Interview mit Gerd Brehm vom 27.05.2011. 103 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Thomas Wendt. 104 Interview mit Matthias Specht vom 26.05.2011.
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tags ist es durch.“105 Das Wochenende wird dabei auch generell als besonders geeignete Lesezeit eingestuft; hier wird mehr gelesen als unter der Woche. Entsprechend sagt etwa Oliver Mohn, er habe als Jugendlicher „unter der Woche ein Buch und am Wochenende ein Buch“ 106 gelesen und Dieter Rathgeb erzählt: „Ich hab’ immer am Wochenende ... die Wochenenden mit Büchern und ... äh, gerechnet und manche von meinen Freunden und Kumpels, die haben da mit Bierkisten am Wochenende gerechnet, ne?“107 Einerseits spielt also die Nähe zum Erscheinungstermin der Serie eine Rolle dafür, wann gelesen wird, andererseits ist es ausschlaggebend, genügend freie Zeit am Stück für die Lektüre zur Verfügung zu haben. Nicht nur am Wochenende, auch im Urlaub wird viel gelesen. Darüber hinaus werden die Zeit abends im Bett und allgemein der Feierabend als bevorzugte Lesezeiten genannt. Für Frank Zelter etwa stellt das Lesen eine Alternative zum abendlichen Fernsehen dar: „Ich bin jetzt nicht so der große Fernsehseher, dass ich sag’, das Abendprogramm muss sein. Da kann’s auch sein, wenn halt irgendwie wieder nur Müll kommt, da les’ ich dann lieber. Joa.“108 Auch längere Krankheitsphasen werden zur vermehrten Lektüre genutzt. Holger Speidel etwa berichtet: „Es gibt so Phasen, wo ich einfach lesefaul bin, wo ich dann gar nicht lese. Dann gibt’s dann wieder so Phasen ... Ich war jetzt ein paar Wochen krank und da hab’ ich dann halt das letzte Dreivierteljahr in zwei Wochen oder so ... Was soll man machen, wenn man nicht schlafen kann, im Bett liegt und Schmerzen hat? Dann liest man halt, um sich abzulenken.“109
Gelesen wird also vorwiegend in längeren Phasen der Freizeit bzw. der Erholung. Die Lektüre korrespondiert dabei auch mit den jeweiligen Arbeitsrhythmen. Dass er zeitweise sehr wenig lese, sagt Holger Speidel, hänge mit seiner Schichtarbeit zusammen:
105 Interview mit Dieter Rathgeb vom 09.06.2011. 106 Interview mit Oliver Mohn vom 30.06.2011. 107 Interview mit Dieter Rathgeb vom 09.06.2011. 108 Interview mit Frank Zelter vom 16.06.2011. 109 Interview mit Melanie Speidel und Holger Speidel vom 02.05.2011, hier: Holger Speidel.
120 | P ERRY R HODAN LESEN „Wenn ich Frühschicht habe, also morgens früh aufstehen muss, lese ich eigentlich fast gar nicht. Ich lese dann immer, wenn ich Spätschicht habe, so zehn nach Hause komme, zwölf ins Bett gehe, dann lese ich noch zwei, drei Stunden.“110
Häufig findet die Perry Rhodan-Lektüre zu Hause statt. Stefan Belting etwa liest sein Heft meist abends im Bett. Zu seinen weiteren Leseorten befragt, zeigt er auf die Sitzgruppe in seinem Wohnzimmer: „Da! ((lacht)) Und da ist die, äh, die Bib, da ist auch noch ’n Sessel. Ja. Aber das, das wären sie eigentlich so. Im bequemen Sessel, sozusagen.“111 Auch Philipp Wetzler liest Perry Rhodan meist zu Hause, „ganz gern auf dem Bett. Oder in der Badewanne.“112 Die ProbandInnen wählen Orte, die ein entspanntes Lesen ermöglichen. So auch Dieter Rathgeb, der sein Heft „[f]ast immer“113 zu Hause liest: „Einfach, weil ich da meine Ruhe hab’. Also ich ... Ich bin ... Ich kann mich total entspannen, ne, keiner stört mich, ich stör’ keinen anderen, ne?“114 Oliver Mohn, der sein Heft ebenfalls zu Hause liest, beschreibt dies auf ganz ähnliche Weise: „Also ich kann dadurch entspannen, ich ... Man vergisst für ein Weilchen mal alles drum ’rum.“115 Befragt, wo er in der Regel lese, sagt er: „Im Bett, ((flüstert:)) auf Toilette, ((nochmals, in normaler Lautstärke gesprochen:)) auf Toilette. ((lacht leicht)) Beim Baden. Gibt nichts Besseres wie nebenher lesen.“116 Die Heftromanlektüre findet hier im privaten Raum statt, eine gewisse Zurückgezogenheit, die ungestörtes Lesen ermöglicht, ist vielen LeserInnen offenbar wichtig für eine entspannende Lektüre.117
110 Ebd. 111 Interview mit Stefan Belting vom 17.06.2011. Belting verwendet hier „Bib“ als Abkürzung für „Bibliothek“. 112 Interview mit Philipp Wetzler vom 21.06.2011. 113 Interview mit Dieter Rathgeb vom 09.06.2011. 114 Ebd. 115 Interview mit Oliver Mohn vom 30.06.2011. 116 Ebd. 117 Von Störungen der Lektüre wird in den Interviews kaum berichtet. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass die ProbandInnen, aufgrund ihrer häufigen und regelmäßigen Lektüre, Wege gefunden haben, um das Lesen störungsfrei zu gestalten. Ergebnisse aus der Buchmarktforschung weisen auf entsprechende Praktiken von VielleserInnen hin. So führt Werner Schmidtchen in Bezug auf Störungen des Lesens durch Familienmitglieder aus: „Der regelmäßige Leser ist so tendenziell jemand, der innerhalb der Familie durchgesetzt hat, daß seine Leseinteressen respektiert werden; oder es handelt
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Die ProbandInnen richten sich die Lesesituation dabei nach ihren Bedürfnissen ein und erzeugen mit dem Lesestoff und anderen Utensilien einen ihnen angenehmen Leseraum. Dieter Rathgeb etwa sagt, er lese in der Regel „[a]uf’m Sofa. Radio dabei an, Musik, oder vor’m Computer, lasse ich da Musik laufen. Aber meistens auf’m Sofa. Also in aller Ruhe, ’n bisschen Musik, ’n Kaffee dabei oder ’n Cappuccino. Und dann in aller Ruhe schön lesen. Dann bin ich auch richtig entspannt, ganz weg. ((lacht))“118
Gerne rezipiere er sein Perry Rhodan-Heft auch im Bett: „Kann schon mal sein, dass ich morgens, wenn ich wach bin: Zack, jetzt noch lesen. Jalousien hoch, Radio an, Fenster auf Kipp. So wie jetzt [bezieht sich auf das schöne Wetter] und dann einfach lesen. ((lacht))“119 Dieter Rathgeb schafft sich einen gemütlichen Raum für die Lektüre, den er mit Radioeinschalten und Cappuccinomachen entsprechend vorbereitet. Auch minimale körperliche Bewegungen und damit Modifikationen des Raumes wie das Fensterkippen kreieren dabei in Kombination mit gutem Wetter eine gute Konstellation für das Lesen. Darüber hinaus trägt auch der Lesestoff selbst durch seine Handhabung zu einer angenehmen Lektüre bei. Die Ansicht, dass das Heft als Printmedium eine angenehmere Form des Lesens ermögliche als elektronische Alternativen, vertritt etwa Matthias Specht: „M. S.: [...] Die hatten ja ab und zu mal ... hatten die das auch als kostenlose E-Books da im Angebot. Das hatte ich dann auch mal gemacht, aber ich find’ die Heftromane einfach schöner zu lesen als wenn das ... wenn man am PC oder so liest da. I.: Okay, mhm. Warum? M. S.: Äh, weil, wenn ich ’n He- ... wenn ich ’n Buch oder so hab’, dann kann ich bequem in d- ... auf die Couch legen oder ich kann mich auf die Gartenliege legen und dann les’ ich im Garten oder ich leg’ mich ins Bett und so. Und das ... Und ich hab’ was in der Hand. Wenn ich dann den Bildsch- ... Das ist ... Also wenn man den ganzen Tag dann vor’m Bildschirm sitzt ist auch nicht so für mich.“120
sich um alleinstehende Personen.“ Schmidtchen 1993, S. 35f. Vgl. hierzu auch Muth 1993b, S. 12. 118 Interview mit Dieter Rathgeb vom 09.06.2011. 119 Ebd. 120 Interview mit Matthias Specht vom 26.05.2011.
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Das Heftformat wird offenbar bewusst gewählt, um eine entspannte Lektüre zu ermöglichen. Thomas Wendt, der sein Heft mit Vorliebe abends im Bett liest, sagt: „Ich les’ auch immer gerne, schon seit ich, äh, klein bin und seit ich lesen kann, immer, ähm, vor’m Schlafengehen im Bett noch, ähm, viertel Stunde, halbe Stunde und es ist dann auch sehr praktisch, wenn man dann so ’n kleines Heft hat, statt so ’nem großen Buch in der Hand. Das macht sich dann ganz gut.“121
Die Interaktion von konkretem Lesestoff und Atmosphäre wird auch in der Äußerung von Tobias Winter deutlich, der angibt, er suche gerade für ‚spannende‘ Lektüre einen ruhigen Ort auf: „Kommt immer darauf an, wie spannend der Roman gerade ist. Also manchmal muss die Stimmung dann stimmen, da kann ich nicht irgendwelche kreischenden Kinder drum herum brauchen. Dann lese ich es dann eher zu Hause.“122 Die beschriebenen Nutzungssituationen deuten auf eine intensive und involvierte Rezeption hin. Perry Rhodan-Lesen erfordert exklusive Zeit, während der keine weiteren Betätigungen stattfinden. Der hier übereinstimmend zum Ausdruck kommende Lektüremodus lässt sich also als der eines ungestörten Lesens beschreiben. Hierbei kommt der serielle Rhythmus zum Tragen, indem der Erscheinungstag von vielen mit der darauffolgenden Lektüre am Wochenende verbunden wird. Die Lektüre wird dabei in den meisten Fällen nicht mit der gleichzeitigen Nutzung weiterer Medien verbunden. Dies ist durchaus typisch für den Umgang mit Printmedien, für die die Rezeptionsforschung feststellt, dass sie weit weniger häufig parallel mit anderen medialen Formen rezipiert werden als etwa TV, Radio oder Internet.123 Sichtbar wird allerdings, dass gerade auch in der ‚Zurückgezogenheit‘ des Lesens zahlreiche Akteure auftreten, die am ‚gemütlichen‘ Leseerlebnis mitwirken: Wie sich zeigte, haben sowohl mit Freizeit und Rekreation verbundene Zeitabschnitte sowie bestimmte räumliche Elemente – vom gemütlichen Sessel bis hin zum schönen Wetter – als auch der konkrete Lesestoff selbst, inklusive seiner Materialität und seines Inhalts, aktiven Anteil an der Gestaltung der Lesesituation. Darüber hinaus tragen weitere ‚Genussmittel‘ zum Vergnügen an der Lektüre bei. Auch das involvierte Lesen bedingt da-
121 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Thomas Wendt. 122 Interview mit Carolin Winter und Tobias Winter vom 15.01.2009, hier: Tobias Winter. 123 Best und Breunig stellen für das Bücherlesen eine Exklusivnutzung von 80 % fest. Vgl. Best/Breunig 2011, S. 23.
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bei nicht generell absolute Ruhe. So werden nicht alle mutmaßlichen ‚Störfaktoren‘ ausgeschaltet; nebenbei Radio zu hören etwa steht einem angenehmen und entspannten Leseerlebnis offenbar nicht entgegen. Der Modus des ungestörten Lesens ergibt sich also in einer Verknüpfung von verfügbarer Zeit der LeserInnen und seriellem Erscheinungstermin sowie inhaltlichen und materiellen Eigenschaften der Serie, die in Kooperation mit weiteren Akteuren die jeweils konkrete Lesesituation mitbestimmen. 4.3.3 Flexibles Lesen 4.3.3.1 Portionslektüre Während die bisher beschriebenen Lesesituationen möglicherweise eine eher in sich geschlossene Lektüre suggerieren, ist zu betonen, dass das Lesen des Heftes in den meisten Fällen mehrmals unterbrochen wird. Michael Schubert, der sein Heft „nicht auf Etappen“124 liest, stellt innerhalb des Samples eine Ausnahme dar. Die meisten ProbandInnen verteilen das Lesen in der Regel über einen längeren Zeitraum. Melanie Speidel etwa liest den Roman in kleineren Einheiten, „so nebenher“125, während anderer Tätigkeiten im Haus: „M. S.: [...] Wenn ich Zeit hab’, dann ... dann setze ich mich hier hin und lese eine halbe Stunde, und dann mach’ ich irgendwas, und dann les’ ich später weiter. I.: Okay, also es muss auch nicht an einem ... M. S.: Muss, muss, muss nicht unbedingt in einem Rutsch sein, das ... H. S.: Da liegt der Roman hier offen auf dem Tisch praktisch, und wenn sie fünf Minuten hat, setzt sie sich hin und liest und macht dann weiter.“126
Einige ProbandInnen rezipieren ihr Heft portionsweise jeweils abends vor dem Schlafen. Häufig wird die Lektüre auch auf die Fahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln verteilt. Anja Wendt etwa liest meist auf dem Weg zur Arbeit in der Bahn: „[I]ch schaff’ das immer genau in einer Woche, wenn ich mit der Bahn
124 Interview mit Michael Schubert vom 22.06.2011. 125 Interview mit Melanie Speidel und Holger Speidel vom 02.05.2011, hier: Melanie Speidel. 126 Interview mit Melanie Speidel und Holger Speidel vom 02.05.2011.
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fahr’, zur Arbeit, dann bin ich immer genau nach einer Woche wieder durch. Das passt irgendwie ganz gut.”127 Sie beginne meist am „Montag, Dienstag, wenn ich dann wieder in der Bahn sitze. Das kann auch manchmal sein, dass ich dann noch zwei, drei Seiten von dem Alten, von dem in der Woche davor, hab’. Dann nehm’ ich den anderen schon mal mit. So ... man immer wieder was in der Tasche hat und, äh, genau. Dann schließen die nahtlos an, es sei denn ich les’ grad noch ’n anderes Buch, dann hab’ ich das mit in der Bahn“128.
Die Lektüre wird damit meist in kürzere Lesesituationen eingeteilt. Sie findet in kleineren Portionen statt, die im Laufe des Wochenendes bzw. der Woche bis zum Erscheinen des nächsten Heftes rezipiert oder auch über einen längeren Zeitraum verteilt werden. Einige LeserInnen weisen auf eine entsprechende Qualität der Romanhefte hin. An den Heften, ebenso wie an Büchern, schätzen die ProbandInnen, dass man sie gut beiseite legen könne. Walter Fischer etwa gibt an, von allen Perry Rhodan-Medien seien ihm die Heftromane am liebsten: „Durch das, äh, die Handhabung, ’s Umblättern. [...] Umgeknickt zur Seite legen und dann wieder bequem da weitermachen, wo’s ... wo die Pause war.“129 Auch Frank Zelter sieht hierin einen Vorzug des Heftromans, den er darin mit dem Buch gleichstellt, gegenüber anderen Medien: „Also Buch und Heftroman ... Der große Vorteil ist, ich kann das Ding, so wie’s ist, einfach mal hinlegen und es ruhen lassen. Ich kann während dem Lesen innehalten und das geistig noch einmal durchlaufen lassen. Beim Film bin ich gezwungen, das von A bis Z anzuschauen. [...] [A]uch wenn ich sag’, jetzt wär’ mir eine Pause recht. Das ist ... Da muss man jetzt einmal irgendwie mal kurz drüber nachdenken. Bei einem Hörbuch ... Ich hör’s wenn, dann meistens beim Autofahren. [...] Aber der Nachteil ist, ich steig’ ins Auto ein und schon läuft die CD an, und ich bin da oben in dem Moment vielleicht noch gar nicht bereit dafür, weil ich beim Ausparken aus der Garage bin, weil sonst irgendwas ist, weil ich im Zeitdruck bin, und schon sind wieder 20, 30 Sekunden weg. Während bei einem Buch, da kann ich halt einfach noch mal eine Seite zurückblättern. ((schnippt mit den Fingern)) Genau. Jetzt geht’s wieder weiter.“130
127 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Anja Wendt. 128 Ebd. 129 Interview mit Walter Fischer vom 16.06.2011. 130 Interview mit Frank Zelter vom 16.06.2011.
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Bücher wie auch Hefte eignen sich, so die von vielen geteilte Ansicht, gut für eine ‚gestückelte‘ Rezeption. Sie lassen sich gut in die Erfordernisse des Alltags integrieren, weil sich die Rezeption ohne weitere Vorbereitung und ohne das Eintreten inhaltlicher Verluste unterbrechen und wiederaufnehmen lässt. Zudem wird geschätzt, dass man bei der Lektüre ohne Schwierigkeiten zwischen mehreren Lesestoffen variieren könne. So sagt Frank Zelter: „[B]eim Buch kann ich auch drei Bücher gleichzeitig lesen. Mach’ ich. Ich geb’s ganz ehrlich zu, da hab’ ich irgendwo ein Buch und les’ es irgendw- bis zu ’ner bestimmten Stelle, dann bekomm’ ich, gerade über den Science-Fiction-Stammtisch, da ist nämlich auch ein reger Buchaustausch drin, ein Buch, wo ich sag’: ‚Woa, das ist jetzt absolut interessant, das fesselt mich jetzt schon‘, und dann les’ ich da, und dann kommt noch ein Perry Rhodan-Heft dazwischen, und dann hat man drei Sachen gleichzeitig.“131
Gerade die Portionierbarkeit macht demnach einen wesentlichen Aspekt der Nutzung aus. Der Heftroman begünstigt als Printmedium eine Form der Lektüre, die sich nicht als in sich geschlossene Lesesituation darstellt, sondern vielmehr häufig unterbrochen wird und phasenweise, im Wechsel mit anderen Tätigkeiten oder der Nutzung weiterer Medien, stattfindet. 4.3.3.2 Lektüre unterwegs Während Ergebnisse aus der empirischen Rezeptionsforschung für Bücher eine primär häusliche Nutzung ermitteln – nach Reitze und Ridder werden diese täglich 14 Minuten „im Haus“132, drei Minuten „außer Haus (ohne PKW)“133 und nur eine Minute am Tag „unterwegs (PKW/Bahn/Bus)“ 134 gelesen – 135 unterscheidet sich das Bild, das sich im vorliegenden Sample von der Heftromannutzung ergibt, davon deutlich. Jenseits der Nutzung im häuslichen Umfeld spielt für die Perry Rhodan-LeserInnen auch das Lesen unterwegs eine wichtige Rolle. Mit der Lektüre wird mitunter bereits direkt im Anschluss an den Bezug, auf dem Nachhauseweg von der Verkaufsstelle, begonnen, und auch darüber hinaus wird Perry Rhodan von vielen ProbandInnen als Lektüre für unterwegs genutzt.
131 Ebd. 132 Reitze/Ridder 2011, S. 86. 133 Ebd. 134 Ebd. 135 Vgl. auch ebd., S. 85-88.
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Für Jörg Reimann ist die Serie explizit „Reiselektüre“136. Er liest seine Hefte „[m]eistens in der Bahn, auf Bahnhöfen, bei Wartezeiten, in Wartezimmern bei Ärzten, so was.“137 Auch Thomas Wendt und Anja Wendt rezipieren ihr Perry Rhodan-Heft, neben der Nutzung zu Hause, unterwegs: „[W]enn man, ähm, unterwegs ist, wenn wir mal am Wochenende in den Park gehen oder, ähm, so unterwegs sind [...] am Strand, zum Strand fahren. Dann nimmt man sich halt was zu lesen mit, und dann ist dann auch oft mal, also, ’n Heft dabei. Oder wenn wir verreisen, zu unseren Eltern, oder man unterwegs ist, mal mit der Bahn oder so, dann ... dann eignet sich das immer ganz gut, das mitzunehmen.“138
Frank Zelter sieht die Vorteile von Büchern und Heftromanen auch in ihrer quasi universellen Einsatzfähigkeit: „Ja, und der große Vorteil vom Buch ist, ich kann’s überall machen. Wenn ich mich heut’ mit einem Buch in ein Café reinsetz’, kein Problem. Ich kann’s in der Arbeit mal mitnehmen, ich kann’s daheim auf’m Balkon haben, in meinem Schrebergarten kann ich’s machen. Ich brauch’ keinen Strom, kein gar nix dazu. Und bei jedem anderen Medium, da steh’ ich da und sag’, also entweder würden sich jetzt andere Leute da irgendwie belästigt fühlen, wenn ich also ’s Laptop auspack’ im Café und mir einen Kinofilm anschau’, oder ich hab’ das Stromproblem irgendwann, oder es geht vielleicht nicht, weil im Café ist draußen so hell, dass das Laptop, der, das Display halt alles wegspiegelt.“139
Zelter liest in seiner Freizeit an unterschiedlichen Orten, ob zu Hause oder unterwegs: „in der Badewanne, im Garten, im Sommer, wenn man an ’n See fährt dann da halt mal, abends.“140 Auch während seiner Arbeitszeit gibt es mitunter Phasen, in denen es möglich ist, zu lesen: „Ich hab’ einen Beruf, wo so viel Langeweile drin ist, dass man zur rechten Zeit auch mal ein Buch in die Hand nehmen kann,“141 erzählt er. Zelter ist als Polizeibeamter für die Überwachung von Radarkontrollen verantwortlich, eine Aufgabe, die offenbar zahlreiche Wartephasen mit sich bringt, die der Proband durch Lesen überbrückt:
136 Interview mit Jörg Reimann vom 10.06.2011. 137 Ebd. 138 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Thomas Wendt. 139 Interview mit Frank Zelter vom 16.06.2011. 140 Ebd. 141 Ebd.
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„F. Z.: Ich sitz’ in meinem Radarwagen drin, muss irgendwann das Gerät aufbauen. Eines der Geräte hat einen völlig vollautomatischen Betrieb, da bin ich eigentlich der Gerätebewacher. Und irgendwann ist mir halt ziemlich langweilig. I.: Ah. Und dann haben Sie ein Buch dabei. Oder ein Heft. F. Z.: Genau. Manche Kollegen nehmen eine Zeitung mit, aber das ist halt ... Das Riesenteil schaut halt irgendwie blöd aus und ein Buch kann man halt einmal schnell ... Das fällt halt nicht so auf, wenn man’s so hält. ((demonstriert das Halten des Buchs nach unten))“142
Auch Markus Ehlers’ Lektüre findet an verschiedenen Orten statt, wie er berichtet: „Ich glaube, in ’ner Kirche würde ich nicht lesen, hab’ ich aber auch schon mal gemacht. Aber ansonsten ... Wo nicht? Also ... Gut, bei Freunden les’ ich mittlerweile nicht mehr, wenn ich mich mit jemandem treffe, das hab’ ich als Jugendlicher gemacht. Dann hab’ ich mir, wenn ... wenn das Gespräch uninteressant war, mein Buch rausgeholt, das ist mittlerweile anders. ((lacht leicht)) [...] Aber ansonsten ... Wo nicht?“143
In den zitierten Interviewpassagen wird die Vielfalt der möglichen Leseorte mit Büchern wie mit Heftromanen gleichermaßen verbunden. Häufig wird allerdings deutlich, dass die LeserInnen gerade dem Romanheft hier eine hohe Flexibilität zuschreiben. Danach befragt, was ihm speziell am Heftroman gefalle, sagt Frank Zelter: „Es ist das leichte Format, das man überall hin mitnehmen kann. Das ist ... Egal, ob das jetzt ein Landser-Heft ist oder ein Frauenarzt-Romanheft oder Perry Rhodan“144, und Walter Fischer zählt zu den Vorteilen des Heftromans „das Handling dabei. Man kann das so nebenbei in der S-Bahn mal lesen: Jetzt bei ... wenn ich ein Buch hab’, dann, äh ... Vielleicht liegt’s auch an meinen Lesegewohnheiten, das ist mir dann einfach zu viel zum ... zu lang zum ... bis ich fertig bin dabei. Während in ’nem Heftroman, ist das eine relativ kurze Geschichte über die 60 Seiten. Und so in ... was weiß ich, zwei, drei Stunden, je nachdem, wie zäh dass sich’s liest, ist es auch vorbei.“145
142 Ebd. 143 Interview mit Markus Ehlers vom 09.06.2011. 144 Interview mit Frank Zelter vom 16.06.2011. 145 Interview mit Walter Fischer vom 16.06.2011.
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Auch Anja Wendt, die Perry Rhodan in den meisten Fällen in der Bahn liest, betont, dass gerade seine spezifischen Formateigenschaften den Heftroman für das Mitnehmen prädestinierten: „Also ich find’ die Größe, also jetzt wirklich vom Format sehr angenehm und ich find’ auch die Länge sehr schön. Also so um die 60 Seiten sind’s ja meistens und, ähm, ganz praktisch gesehen ist es einfach praktisch. Also so im Alltag, man kann’s fix mit einstecken und das ist halt so schön. [...] Und, ähm, so ’n Heftroman, der ist halt auch so flexibel, den kann man mal so zwischenschieben. So, die Bahn kommt fünf Minuten später, dann fahr’ ich noch zwei Stationen, dann schaff’ ich irgendwie noch so ’n ... zwei, drei Seiten. Und dann kann man das auch unterbrechen“146.
Rainer Weygandt, der sein Heft ebenfalls häufig in der Bahn liest, hebt die flexible Handhabung des Heftromans gerade gegenüber ‚dicken Büchern‘ hervor: „Also das Medium ist toll, dass du das in die Hosentasche stecken kannst und in die Hemdtasche stecken kannst. [...] Also du kannst es in der Bahn, Flugzeug, die meisten ... Also Frauen haben ja oft sehr sehr dicke Bücher dabei, die schleppen sich da an so einem Ding ab, ne, und wenn die Bahnfahrt bloß eine Stunde braucht, dann les’ ich eines und dann bin ich da, ne. Und wenn’s zwei Stunden braucht, les’ ich zwei.“147
Gerade die flexible Nutzbarkeit macht anscheinend einen wesentlichen Teil des Genusses an der Lektüre aus. Weygandt beschreibt verschiedene Lesesituationen, in denen er das Heft, je nach Lust und Laune, Wetter und zu Verfügung stehender Zeit, an unterschiedlichen Orten liest: „Also ich komm’ mit dem Zug [...] an [...] [.] Dann [...] kann’s gut sein, dass ich manchmal einfach auch noch ein bisschen Zeit habe und dann, ähm, kauf’ ich mir ein Bierchen in der [Name eines Lokals] und warte, bis der Stammtisch anfängt und lese dann noch eins. [...] Und dann überlege ich mir, wenn ich Zeit habe oder irgendwie Lust drauf habe oder es ist schönes Wetter und ich will in den Biergarten gehen, dann gehe ich mit dem Heft in einen Biergarten und lese es da bei einem schönen Bierchen. Manchmal lese ich es in der Badewanne, weil ... Bloß ... Also eine Stunde in der Badewanne ist ja Obergrenze, ne? Da ist es besser, man hat kein so ein gutes dabei, weil dann wellt sich’s auch immer so von den Dämpfen. Also in der Badewanne lese ich es gerne mal. Ähm, oft ist es dann so, äh, in Zeiten, wo ich ganz wenig Zeit habe, da stapeln die sich auch mal, bis zu ... Und
146 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Anja Wendt. 147 Interview mit Rainer Weygandt vom 17.11.2010.
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dann merke ich auch, auch wieder so eine Richtschnur, wenn da zehn Hefte liegen, sag’ ich: ‚Junge, du musst was machen. Das kann jetzt nicht mehr so weitergehen, sonst kriegst du irgendwann mal einen Herzinfarkt.‘ Und guck’ dann ... Lebenstempo wieder verlangsamen und wieder mehr leben, dann auch wieder mehr Zeit haben zum Perry RhodanLesen, ne. Meistens dann vor dem Einschlafen.“148
Deutlich kommt in der Beschreibung die Verbindung der Perry Rhodan-Lektüre mit Genuss und Lebensqualität zum Ausdruck. Das Lesen wird verknüpft mit dem gemütlichen Biertrinken in der Kneipe, mit Badewannen-Wellness und, wohl generell als behaglich zu betrachtenden, Abenden im Bett. Perry RhodanLesen bedeutet für Rainer Weygandt, sich Zeit für schöne Dinge zu nehmen und es sich gut gehen zu lassen. Es ist Ausdruck eines allgemeinen – auch körperlichen – Wohlbefindens. Der Vorteil des Heftromanformats zeichnet sich gerade auch darin ab, den Lesestoff überall hin mitnehmen zu können, um ihn an schönen Orten – gegebenenfalls allerdings mit Einschränkungen durch die Materialeigenschaften – zu genießen. Die E-Book-LeserIn Katharina Weiß (31, Technomathematikerin) schätzt an diesem Format ebenfalls die flexible Handhabung und betont die Vielfalt ihrer Leseorte. Sie lese unter anderem „zu Hause im Bett ((lacht kurz)), unterm Baum, wenn ich auf jemanden warte, also halt wo die Möglichkeit besteht, wo ich halt Zeit hab’.“149 Zu Hause lese sie gerne Bücher: „[W]enn ich dann auf dem Sofa oder im Garten lesen möchte, dann halt ist es ein Buch, was ich wirklich in die Hand nehmen kann.“150 Für unterwegs bevorzugt sie die Perry Rhodan-E-Books. Dabei nutzt sie den Vorteil, diese unmittelbar nach der Veröffentlichung lesen zu können, gleich, wo sie sich in diesem Moment befindet. Als Dialysepatientin ist Katharina Weiß regelmäßig mittwochs, wenn der Download bereitsteht, im Krankenhaus und beginnt dort sofort mit dem Lesen: „[D]ie sind meistens, meistens Mittwochabend so ab zehn ... neun, zehn Uhr abends da. Jetzt bin ich mittwochs [...] bis Mitternacht eh an der Dialyse, da hab’ ich auch Internet. Dann lade ich mir das Ding, wenn es um zehn Uhr da ist ... fang’ schon an zu lesen.“151
Das neue Format ist in seiner Transportabilität und damit flexiblen Nutzbarkeit dem älteren zunächst vergleichbar. Durch seine nicht ortsgebundene Lieferung
148 Ebd. 149 Interview mit Katharina Weiß vom 26.05.2011. 150 Ebd. 151 Ebd.
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erweitert es darüber hinaus die Situationen des Lesens. Die mit dem jeweiligen Format verbundenen Nutzungsorte hängen jedoch nicht ausschließlich unmittelbar mit dessen konkreten materiellen Eigenschaften zusammen. Sie sind darüber hinaus auch an die kulturellen Zuschreibungen gebunden, die in der Materialität des Hefts verkörpert sind. Dies wird deutlich, wenn im Folgenden mit der Heftromanlektüre in der Öffentlichkeit ein weiterer Aspekt der räumlichen Nutzung der Lesestoffe betrachtet wird, in dem die Formatspezifik deutlich zum Ausdruck kommt.152 4.3.3.3 Heftromanlektüre in der Öffentlichkeit Wie sich in den zitierten Interviews zeigt, sind öffentliche Verkehrsmittel ein beliebter Leseort. Mehr als drei Viertel der LeserInnen rezipierten Perry Rhodan bereits – regelmäßig oder hin und wieder – in der Bahn. Im Zusammenhang hiermit kommt auch das Lesen von Heftromanen in der Öffentlichkeit zur Sprache. Dieses Thema wurde in den Interviews gezielt anvisiert, um einen eventuell gegebenen Zusammenhang mit dem Image der Lektüre aufzudecken. Die entsprechende Frage im Leitfaden lautete: „Stellen Sie sich folgende Szene vor: Jemand sitzt in der Bahn und packt ein Perry Rhodan-Heft aus. Was meinen Sie, denken die anderen Mitreisenden über ihn? Was würden Sie denken?“ Bei der Rezeption von Perry Rhodan in digitaler Form tritt die Problematik des Lektüreimages nicht zutage. „Auf meinem Schirm sieht keiner, dass ich Perry Rhodan lese“153, sagt die E-Book-Leserin Katharina Weiß auf die Frage hin. Während auf dem Handy nicht nur keine spezifischen Inhalte sichtbar sind, sondern auch seitens der Mitreisenden keine bestimmten Inhalte assoziiert werden, verhält es sich beim Lesen des Heftromans deutlich anders. Während die meisten ProbandInnen andere Perry Rhodan-LeserInnen positiv beurteilen, divergieren die Ansichten zur Einstellung anderer Mitreisender gegenüber dem Lesestoff weitaus stärker. Der Kontext der ‚Schundlektüre‘ wird dabei von vielen LeserInnen auf die Frage hin angesprochen. Häufig sind die ProbandInnen dabei der Ansicht, dass Heftromane nach wie vor von anderen mit ‚Schund‘ assoziiert würden. Philipp Wetzler etwa sagt: „Ich würd’ mir vorstellen, die eine Hälfte, die kann gar nix anfangen mit dem Heft. Die ... Die weiß gar nicht, was das ist, wie sie das einordnen soll. Oder die denkt halt, ja, viel-
152 Zu weiteren Formatspezifika, die die LeserInnen mit Printmedien bzw. E-Books verbinden, siehe Kap. 5.2.3. 153 Interview mit Katharina Weiß vom 26.05.2011.
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leicht irgendwie Science-Fiction, je nachdem, wie’s Titelbild aussieht. Und die andere Hälfte belächelt es wahrscheinlich innerlich etwas. Weil sie’s wahrscheinlich doch irgendwie kennt und denkt, ja, irgendwie so Schund oder so was oder so Quatsch halt.“154
Rainer Weygandt spricht an, dass die Reaktion auf den Heftroman möglicherweise eine Generationenfrage sei: „Die ... Die Jüngeren wissen wahrscheinlich gar nicht, was das ist. Und die Älteren denken: ‚Ha ja, der liest Schund‘. ((lacht leicht)) Aber ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht. Also es hat mich auch nie einer darauf angesprochen, ne.“155 Er ist dabei der Ansicht, die Schundzuschreibung habe nach wie vor eine enorme Bedeutung, so betrachtet er Heftromanlesen in der Öffentlichkeit als „subversive Tat“156, die Mut erfordere. Während Weygandt aus der Stigmatisierung gleichsam eine Heroisierung des Heftromanlesens ableitet, sieht der Großteil der ProbandInnen eine soziale Ausgrenzung durch das Heftromanlesen als gegenwärtig nicht mehr gegeben. Den meisten ist es gleichgültig, was andere über ihre Lektüre denken; sie lesen ihr Heft ohne Rücksicht auf die Meinung anderer in der Bahn. Stefan Belting hält es für durchaus legitim, sich als Heftromanleser in der Öffentlichkeit zu erkennen zu geben. Das Schundimage betrachtet er als aktuell nicht mehr wirksam: „Ich hab' früher vielleicht mal Probleme gehabt, wenn irgendwelche Leute mich einen Heftroman lesen sehen, aber darüber bin ich @längst hinweg sozusagen.@ [...] Und wenn andere Leute denken: ‚Upps, der liest einen Heftroman!‘, na ja, gut, das ist mir eigentlich egal.“157
Auch für Michael Schubert ist der Schundaspekt ein Thema, das er in der Vergangenheit verortet. Für die Gegenwart setzt er Liberalität bis hin zu Desinteresse für die Lektüre anderer voraus: „Früher hat man gesagt ‚Schundroman‘, komischerweise. ((lacht auf:)) Ha! Da kann ich nur lachen. Es war ja ... für mich war’s Literatur. Heute ist das anders. Heute sage ich, das ist einfach. Ja. Aber früher war das für mich Literatur. Auch meine Mutter hat immer gesagt: ‚Schund- Schundheftle! Schundheftle!‘ Und heutzutage ist das, glaub’ ich, alles anders. Die Leute sind liberal, die würden sagen ... Die würden gar nichts denken. Äh, der
154 Interview mit Philipp Wetzler vom 21.06.2011. 155 Interview mit Rainer Weygandt vom 17.11.2010. 156 Ebd. 157 Interview mit Stefan Belting vom 17.06.2011.
132 | P ERRY R HODAN LESEN liest halt was. Ob der jetzt ein Buch in der Hand ... und ... oder ... oder ... völlig wurscht!“158
Allerdings gibt es auch LeserInnen, die davon berichten, dass das negative Image sich auf ihre Lektüre auswirke. Jörg Reimann etwa spricht von einer „Stigmatisierung“ der Heftromanliteratur, die bis heute Einfluss auf seine Lektürepraktiken habe: „Ich weiß selber, dass ich, ähm ... selbst heute noch, wenn ich ... wenn ich bei ’nem Arzt sitze oder in der Bahn sitze und das Perry Rhodan-Heft, ähm, herauspacke, äh, es kommt noch aus meiner Kindheit, wo eben das ganz klar man- ... wie ein Stigmata, was man in der Hand hat- ... hielt. Eben nicht die Hasenscharte, sondern das Perry Rhodan-Heft. Und obwohl es heute sicherlich nicht mehr so ist, bin ich immer noch geprägt, dieses Ticken, dass ich schon mal so gucke: ‚Wer macht das?‘ ... oder, würde ich auf einer Geschäftsreise mit meinen Kollegen ... Ich war jetzt in ... vorgestern auf Geschäftsreise unterwegs. Äh, ich hatte ’n Perry Rhodan-Heft dabei auf der Rückfahrt, aber ich hatte auch ein ScienceFiction-Taschenbuch dabei. Äh. Ich hab nicht das Perry Rhodan-Heft ..., weil ich einfach keine Lust hatte, mich mit jemandem darüber zu unterhalten. ((verstellt Stimme zur Imitation:)) ‚Ach, Sie lesen Perry Rhodan?‘ Ähm. Also es ist nicht mehr ... nicht mehr ... längst nicht mehr so, wie es früher einmal war, aber es hat auslaufend noch diese Stigmatisierung, die soziale Stigmatisierung, sicherlich ... im ... im ... im öffentlichen Raum.“159
Eine Diskriminierung der Lektüre wird nicht nur auf das Format bezogen, sondern auch im Zusammenhang mit dem Genre angesprochen.160 Markus Ehlers berichtet, bezogen auf sein Interesse für Science-Fiction-Literatur: „Also früher war’s mir unangenehm, weil meine Eltern, auch meine Frau, mir immer das Gefühl gegeben haben, das ist ein Hobby, das man nicht nach außen zeigen darf, das ist ein komisches Hobby. Aber es ist mein Hobby. [...] Und ich weiß, dass viele Leute dann komisch gucken, ähm, ich weiß, dass, äh, dass, ja, dass dann immer geguckt wird: ‚Öh, was lesen die denn da?‘ oder ‚Was machen die denn da?‘. Aber das ist mir mittlerweile relativ egal.“161
158 Interview mit Michael Schubert vom 22.06.2011. 159 Interview mit Jörg Reimann vom 10.06.2011. 160 Dies entspricht der, bereits in Kapitel 2.1 thematisierten, ‚doppelten Stigmatisierung‘ von Perry Rhodan-LeserInnen als Heftroman- und Science-Fiction-LeserInnen, auf die Cordula Günther hinweist. Vgl. Günther 1999b, S. 2. 161 Interview mit Markus Ehlers vom 09.06.2011.
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Die in früheren Zeiten als stark erfahrene Ausgrenzung hat offenbar gegenwärtig keinen Einfluss auf das Verhältnis des Probanden zur eigenen Lektüre. Dies dürfte auch damit zusammenhängen, dass Ehlers eine Veränderung der Beurteilung von Science-Fiction-Literatur in jüngster Zeit wahrnimmt: Seit Terry Pratchett und Harry Potter werde phantastische Literatur auch über die ‚Nische‘ hinaus gelesen und sei darum in der Öffentlichkeit sichtbarer. Dies habe „viel für die Akzeptanz von, äh, auch von Perry Rhodan gebracht.“162 Auffällig ist, dass die Assoziation des ‚Schunds‘ in keinem der Fälle auf Perry Rhodan selbst bezogen wird, sondern immer auf das Format oder das Genre. Wenn die Lektüre des Heftes negativ beurteilt werde, so die offenbar zugrunde liegende Annahme, könne dies nichts mit der Serie zu tun haben, die von fast allen LeserInnen als qualitativ hochwertig eingestuft wird, und liege wohl vielmehr an der Unwissenheit der anderen als Heftroman-IgnorantInnen oder NichtSF-KennerInnen,163 denen dabei oftmals die Fähigkeit abgesprochen wird, zwischen einzelnen Serien und auch Heftromangenres zu unterscheiden. Mehrere LeserInnen sprechen die Verwechslungsgefahr mit anderen Heften an, die sie am Format störe. Walter Fischer sagt: „Das Image Schundromane ist nun mal auch in dem Forma- ... für die Perry Rhodan-Hefte, äh, angewandt“, sagt er. „Also das Format ist das gleiche, ob jetzt das, äh, der Arztroman ist oder so was oder Perry Rhodan oder sonst was. Also das Ansehen des ... des Produktes.“164 Frank Zelter meint: „Oft wird da gar nicht geschaut, da sieht einer ein Heft und manche gehen da gleich in die Richtung, es ist irgend so ein NaziLandser-Heft“165. Auch Anja Wendt thematisiert den Umstand, dass Heftromane häufig mit bestimmten Genres in Zusammenhang gebracht würden: „A. W.: [...] Ich glaub’, andere Mitreisende würden sich so denken: ‚Äh, liest die da jetzt ’n Groschenroman?!‘ Also gerade die, die’s nicht kennen, glaub’ ich, verbinden vielleicht auch oft mit Groschenroman so, keine Ahnung, diese Schnulzen, Bergdoktor ...
162 Ebd. 163 Dies entspricht den Befunden von Nutz zum Image des Heftromanlesens, der ausführt: „Insgesamt glauben über die Hälfte dieser Leser (53,4 %), daß die Ursache des schlechten Romanheft-Images nicht in der Qualität der Romane begründet liegt, sondern auf die Unzulänglichkeiten der Heftroman-Kritiker zurückzuführen ist, denen sie psychische Schwierigkeiten, Unkenntnis der Romane oder einfach Dummheit bescheinigen.“ Nutz 1999, S. 213. 164 Interview mit Walter Fischer vom 16.06.2011. 165 Interview mit Frank Zelter vom 16.06.2011.
134 | P ERRY R HODAN LESEN T. W.: @Doktor Norden.@ ((lacht leicht)) A. W.: @Weiß ich nicht.@ Und würden das vielleicht so ’n bisschen als trutschig abtun, könnt’ ich mir jetzt vorstellen. [...] Bisschen als altmodisch vielleicht oder spleenig, ich wei- ... Also könnt’ ich mir vorstellen.“166
Wendt, die selbst gerne guckt, welche Bücher in der Bahn gelesen werden, räumt ein, sie fälle ähnliche Urteile über andere LeserInnen: „[I]ch glaub’, dadurch, dass man ja den Titel oft gar nicht sieht, denken auch viele ... Also ich glaub’, mir würde es so gehen, so: ‚Ach so ’n Bergdoktor-Kram‘, so. Mit hochgezogener Augenbraue, so. ‚Wie kann man so was lesen?!‘.“167 Das schlechte Image der Romane hält dabei anscheinend weder sie noch ihren Ehemann davon ab, Perry Rhodan in der Bahn zu lesen: „A. W.: Nein, nein. Um Gottes Willen. T. W.: Nee. ((lacht)) Es sitzen ja noch 100 Leute drum ’rum, die die Bild-Zeitung lesen. @Ist das besser?@ ((lacht)) A. W.: Ist denen ja auch nicht peinlich, ne? ((lacht leicht))“168.
Carolin Winter hingegen liest Heftromane aufgrund der Möglichkeit der Verwechslung explizit ungern im Zug: „C. W.: [...] Also ich lese manchmal auch lieber die Bücher, weil man in Zügen oder so immer doof angeguckt wird, wenn man als Frau dasitzt mit einem Heftroman ((lacht)): ‚Guck mal, die liest Arztromane!‘ ((lacht)) I.: Okay ... ((lacht)) C. W.: Ja, echt! Mich hat mal so eine alte Frau angesprochen und hat gemeint: Das liest sie auch! Wow! Und dann so ... Ja. War dann doch nicht dasselbe. ((lacht)) I.: ((lacht))
166 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011. 167 Ebd., hier: Anja Wendt. 168 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011.
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C. W.: Also es ist halt insgesamt, weil die Heftromane ja kein so gutes Image haben. Weil meistens ist es ja dann doch Trivialliteratur und – ja – da hat man immer ein bisschen ein Imageproblem. Aber ansonsten geht das – wir stehen da ein Stückchen drüber. Aber bei einem Mann ist es ja auch was anderes. Wie gesagt, bei Mädels denken die immer sofort ... I. ((zu T. W.)): Also du würdest dann jetzt im Zug auch so ein Heft lesen? T. W.: Ja, lese ich auch im Zug, ja.“169
Wie sich zeigt, spielt bei der Lektürenutzung auch ein Genderaspekt eine Rolle. Carolin Winter ist die Assoziation mit klassischen ‚Frauenromanen‘ unangenehm, da sie als Science-Fiction-Leserin nicht mit diesem Genre in Verbindung gebracht werden will. Wie das schlechte Image des Heftromanlesens allgemein nimmt also auch die geschlechtliche Konnotation der Serien, ihre Einteilung in ‚Frauen-‘ und ‚Männerromane‘, Einfluss auf die Lektürepraktiken. In den zuletzt zitierten Äußerungen wird Perry Rhodan deutlich von anderer Heftromanlektüre abgegrenzt. Bei der Serie, so die augenscheinliche Ansicht der LeserInnen, handele es sich gerade nicht um das, was im Allgemeinen mit Heftromanlektüre verbunden werde. Auch aufgrund dieser Distanz der LeserInnen zu anderer Literatur im Heftromanformat ist den ProbandInnen die Lektüre in der Öffentlichkeit offenbar unangenehm und es wird mitunter auf sie verzichtet. Der ‚Schundcharakter‘ der Heftromane sowie auch die genderspezifische Zuordnung der Lektüre können, wie sich zeigte, in manchen Fällen die Flexibilität der Nutzung einschränken. Dieser Befund lässt sich in Beziehung setzen zu Ergebnissen einer Studie von Walter Nutz, der eine qualitative Analyse von Briefen von HeftromanleserInnen durchführte.170 Nach Nutz zeige zwar „die allgemeine Erfahrung, daß fast nie jemand im Gespräch zugibt, Heftromane zu lesen. Auch bei der direkten Konfrontation, z.B. bei meiner Befragung am Kiosk, haben sich alle Käufer gescheut, zu ihrem gerade gekauften Lesestoff zu stehen.“171 In dem untersuchten Material findet Nutz jedoch keine Beispiele für eine Einschränkung der Nutzung. 172 Demgegenüber machen die Aussagen der Perry Rhodan-LeserInnen deutlich, wie das Format in konkreten Situationen die individuellen Möglichkeiten der Nutzung begrenzt.
169 Interview mit Carolin Winter und Tobias Winter vom 15.01.2009. 170 Vgl. Nutz 1999, S. 191-201. 171 Ebd., S. 204f. 172 Vgl. ebd., S. 204f. und S. 213.
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Anhand der beschriebenen Beispiele zeigt sich abermals der Akteursstatus der Serie. Dieser lässt sich dabei mit dem Begriff der „Delegation“ genauer fassen. Es wird deutlich, wie die seriellen Lesestoffe, ganz im Sinne der ANT, als Delegierte an den Lektürepraktiken mitwirken. Kulturelle Zuschreibungen, die in die Serie mit ihren spezifischen Materialeigenschaften eingeschrieben sind, bringen die LeserInnen dazu, auf eine bestimmte Weise mit dieser umzugehen. Für das Zustandekommen der entsprechenden Praktiken kommt es dabei nicht auf die jeweils individuelle Bewertung des Lesestoffs an. Ob die LeserInnen oder andere Urteilende die Serie als ‚Schund‘ sehen oder nicht, ist nicht ausschlaggebend für die Praktiken. Von Bedeutung ist ausschließlich, dass die Serie aufgrund eines Delegationsprozesses in ihrer Materialität ‚Schund‘ verkörpert und die mit ihr Agierenden zu entsprechenden Handlungen veranlasst.
4.4 F AZIT Der Lesestoff in seinem seriellen Charakter ist an den Praktiken vor der Lektüre maßgeblich als Akteur beteiligt. Die Heftromanserie prägt ihre Nutzung, in der Kooperation mit weiteren Akteuren – hier wurden vor allem räumliche Aspekte betrachtet –, deutlich mit. Dabei kommen ihre spezifische Materialqualität, die wiederum an die seriellen Produktionsbedingungen gebunden ist, ihre Rhythmen des Erscheinens sowie die in ihr verkörperten kulturellen Zuschreibungen zum Tragen. Dass Lesen als sozio-materielle Komposition zu begreifen ist, in der LeserInnen und Serie zugleich mit zahlreichen weiteren Akteuren wirksam sind, wurde dabei in allen beschriebenen Bereichen deutlich. Das Wirken von Serialität zeigte sich bereits bei der Darstellung der verschiedenen Bezugswege und der damit verbundenen Praktiken. Der Fokus der Betrachtung, der zunächst die LeserInnen als Akteure in den Mittelpunkt stellte, die den Bezug der Serie aktiv planen und gestalten, indem sie ihn nach pragmatischen Gesichtspunkten (Bequemlichkeit, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit) organisieren, wurde erweitert, um sichtbar zu machen, dass Serialität in den Praktiken des Bezugs aktiv mitwirkt. Bereits die organisierenden Handlungen der LeserInnen erwiesen sich dabei als direkte Reaktion auf den seriellen Charakter des Lesestoffs. Auch anhand der Ankunft der wöchentlichen Perry Rhodan-Lieferung wurde deutlich, wie Serialität die Praktiken der Nutzung prägt, nämlich, indem sie Spannung und Vorfreude mitgeneriert. Der Heftroman wird hier gerade in seinem Fortsetzungscharakter als Akteur erkennbar. Darüber hinaus zeigte sich, dass noch weitere Akteure, die dabei immer in Verbindung mit der Serialität agieren, an den Praktiken beteiligt sind. So gestalten auch Details der Bezugsbe-
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dingungen, wie Briefkasten und Schlüssel oder die Versandtaschen beim Abonnement-Empfang, die Spannungsmomente des Bezugs und die entsprechenden Praktiken mit. In der Beschreibung des Verhältnisses der LeserInnen zum Verkaufsort wurde nicht nur die Bedeutung des Kiosks als sozialer Raum augenfällig, zu dem viele ProbandInnen bereits früh eine Beziehung herstellten, in dem Interaktionen zwischen LeserInnen und HändlerInnen stattfinden und dessen Atmosphäre ein wesentlicher Aspekt des Kauferlebnisses ist. Vielmehr wurde auch der unmittelbare Zusammenhang von Lesestoff und Verkaufsort sichtbar. Die Serie, die – als Teil des Zeitschriftensektors – von ihrem Format, ihrem Herstellungs- und Vertriebsprozess her unverkennbar Kioskliteratur ist, wirkt in ihrer seriellen Struktur beim Kioskkauf mit. Einerseits ist sie, durch ihre Präsenz am Kiosk, sowohl in ihrer visuellen Gestaltung als auch in ihrem Umfang und ihrer Erkennbarkeit als Serie, ausschlaggebend für den Kauf. Andererseits zeigt sich die Wirksamkeit der seriellen Struktur, indem mit dem regelmäßigen Serienkauf etablierte Praktiken fortgeführt werden, auch wenn sie sich nicht als die bequemsten oder praktischsten erweisen. Die Serienlektürebiografie, so wurde hier sichtbar, ist im aktuellen Bezug der Serie wirksam. In enger Verbindung von Serie und LeserIn entstandene, eingespielte Abläufe werden häufig beibehalten. Der Kompositionscharakter des Lesens zeigte sich hier in seiner langfristigen Wirksamkeit. Die Analyse der Lesesituationen ergab, dass die ProbandInnen Lesezeiten und -räume aktiv organisieren und gestalten, indem sie sich Zeit nehmen bzw. Räume schaffen, in denen sie ungestört und in gemütlicher Atmosphäre lesen können. Dabei wurde auch die Beteiligung weiterer Akteure deutlich sichtbar. Neben dem Einfluss von MitleserInnen, der vor allem für die Reihenfolge des Lesens ausschlaggebend ist und damit für die zeitlichen Phasen in der Woche, in denen gelesen wird, sind es vor allem serielle und materielle Aspekte des Lesestoffs, die die Zeiten und Räume der Lektüre mitbestimmen. So orientieren sich zeitliche Rhythmen sowie konkrete Zeitpunkte und räumliche Situationen des Lesens stark am Format Heftroman mit seinem spezifischen seriellen Charakter, seiner Materialität und seinen kulturellen Zuschreibungen. Hierbei konnten verschiedene Aspekte herausgearbeitet werden, die das Dispositiv Heftromanserie kennzeichnen und die Handlungen unterschiedlicher Akteure aufgezeichnet werden, die in der medienspezifischen Anordnung wirksam werden. So bringt der regelmäßige Distributionsrhythmus entsprechende, darauf abgestimmte Praktiken der Nutzung hervor; der Erscheinungstermin nimmt Einfluss darauf, wann und wo gelesen wird. Mit der Materialität des Heftromans wiederum verbindet sich unter anderem dessen flexible Nutzbarkeit an den unterschiedlichsten Orten, welche ihn wiederum für das Lesen zu verschiedensten Zeiten geeignet macht.
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Für die Perry Rhodan-Lektüre wurden dabei unterschiedliche Merkmale des Dispositivs und damit verbundene Lektüremodi aufgezeigt. Mit dem Heft kann man es sich gemütlich machen und ‚in Ruhe‘ lesen. Es wird als ‚Genussmittel‘ in Verbindung mit Cappuccino oder dem ‚Bierchen‘, im gemütlichen Sessel, in der Badewanne oder bei schönem Wetter am See genutzt. Der Genuss der Lektüre ist dabei nicht immer mit Abgeschiedenheit und Ruhe verbunden. So kann etwa das Laufen des Radios Teil eines gemütlichen Lesesettings sein, und auch unterwegs, an nicht gänzlich ruhigen Orten, kann entspannendes Lesen stattfinden: Perry Rhodan wird sowohl im privaten Raum als auch an mit Entspannung und Freizeit verbundenen öffentlichen Räumen gelesen. Bestandteil entspannender Situationen ist dabei im Übrigen auch bereits der Heftbezug – bereits der Heftkauf wird mit angenehmen weiteren Tätigkeiten – etwa dem Einkauf im Modellbauladen oder dem Besuch beim Bruder verbunden. Weiterhin zeichnet der Heftroman sich aufgrund des kleinen und leichten Formats auch als Medium für unterwegs aus. Gerade in seiner flexiblen Handhabbarkeit sehen die ProbandInnen ein besonders zu schätzendes Charakteristikum des Heftromans. Im Vergleich zu klassischen Mustern des Bücherlesens steht beim Heftroman nicht immer die ungestörte, zurückgezogene Nutzung im Vordergrund. Vielmehr spielt hier auch die Lektüre ‚zwischendurch‘ eine wichtige Rolle. Das Perry Rhodan-Heft eignet sich – dies hat es mit Printmedien anderer Art gemeinsam – für kurze ‚Lektürehäppchen‘ und damit für kleine ‚Lesepausen‘ während anderer Tätigkeiten oder Verpflichtungen im Alltag. Gegenüber dem Buch kommt dabei die Handlichkeit des Formats zum Tragen. Es wird beim Pendeln zur Arbeit genutzt wie auch in Pausen während der Arbeitszeit oder während Tätigkeiten im Haushalt. Allerdings zeigt sich auch, dass das Format nicht uneingeschränkt flexibel ist. So grenzt der mit dem Heft verbundene ‚Schundcharakter‘ dessen Nutzung wiederum ein. Hierbei werden, wie sich zeigte, in die spezifische Materialität des Heftromans übersetzte kulturelle Zuschreibungen wirksam. Heftromane wurden hier als Delegierte bestimmter Wertvorstellungen sichtbar, die durch ihre konkrete Materialität Handlungen seitens der LeserInnen hervorbringen. Der Heftroman kann damit als Akteur betrachtet werden, der einerseits diverse Möglichkeiten der Nutzung eröffnet, diese jedoch andererseits durch seine kulturellen Konnotationen im konkreten Fall mitunter auch verhindert.
5 Während der Lektüre
„Wissen Sie, was Unsterblichkeit bedeutet? 3000 Jahre lang nicht sterben können. 3000 Jahre lang zusehen, wie das, was man gesät hat, aufgeht, blüht und verwelkt – wieder und immer wieder.“1 Mit diesen Worten des Protagonisten der Serie evoziert der dreiminütige Trailer, den die Perry Rhodan-Redaktion auf ihrer Website zum Download anbietet, eindrücklich die Dimensionen der bereits zurückliegenden Serienhandlung. In den über 50 Jahren des wöchentlichen Erscheinens wurde eine umfangreiche und vielfach verzweigte Erzählung aufgebaut, für die Fans den Begriff des „Perryversums“ 2 geprägt haben. Mit Band 2500 waren – Heftromane und Taschenbücher zusammengenommen – bereits 240.000 Seiten erschienen.3 Zum gängigen Vokabular, das ProduzentInnen und LeserInnen zur Beschreibung der Serie verwenden, gehören zentral die Begriffe „Größe“ und „Komplexität“. Diese sind freilich nicht als einheitliche, analytische Termini zu verstehen, sie werden vielmehr zur Bezeichnung durchaus ungleichartiger Merkmale der Serie verwendet und verbinden sich mit verschiedenen Produktionsstrategien sowie unterschiedlichen Vorlieben und Leseinteressen. Gerade der Fortsetzungscharakter des Lesestoffs bringt weitreichende Folgen für die Lektüre mit sich. Als „progressive“4, d.h. fortschreitende, Heftromanserie, deren einzelne Folgen
1
Transkription des Perry Rhodan-Infotrailers. Vgl. http://www.perry-rhodan.net/
2
Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Perryversum, 30.12.2015.
3
Vgl. Eckhard Schwettmann: Fast alles über Perry Rhodan. Das Buch für Fans –
einsteiger.html, 31.01.2016.
Anekdoten und Wissenswertes zum Jubiläum der größten SF-Serie des Universums. Hannover 2009, S. 18. 4
Anna Basener: Heftromane schreiben und veröffentlichen. Berlin 2010, S. 22. Nach Basener, die einen Leitfaden zum Verfassen von Romanheften erstellte, lassen sich die gängigen Heftromanserien, von denen sie Heftromanreihen ohne „Stammperso-
140 | P ERRY R HODAN LESEN
aufeinander aufbauen, entwickelt sich Perry Rhodan stetig weiter und stellt, damit verbunden, ihrerseits bestimmte Anforderungen an ProduzentInnen wie NutzerInnen. Cordula Günther beschreibt in ihrer Studie zu Perry RhodanLeserInnen die „Abschreckung und Faszination“5, die mit dem Fortsetzungsaspekt zusammenhänge.6 Tatsächlich stellt dieser nicht nur einen Reiz oder eine Hürde des Serienlesens dar, sondern er nimmt auch Einfluss darauf, wie sich die Lektüre im Einzelnen gestaltet. Im vorliegenden Kapitel wird herausgearbeitet, welche Zugänge zu dem ‚komplexen‘ Serienuniversum die LeserInnen entwickeln und welche Lektürepraktiken sich damit verbinden.7 Untersucht werden hierbei nicht in erster Linie die interpretativen Zugänge der LeserInnen zu Texten oder Bildern, sondern die konkreten Lektürepraktiken und -modi, in denen sich eine Kooperation von LeserInnen und Serie zeigt. Hierbei treten inhaltliche und ästhetische Aspekte der Erzählung ebenso in Erscheinung wie Paratexte und mediale und materielle Qualitäten der Heftromane. Ziel der Analyse ist dabei nicht, eine umfassende Aufgliederung dieser verschiedenen Ebenen der Perry Rhodan-Serie zu liefern. Anstatt etwa isoliert die Inhal-
nal“ (S. 21) unterscheidet, „in zirkuläre und progressive Serien unterteilen. Einfacher zu produzieren sind die zirkulären Serien, deren Figuren zu Beginn des Romans dort stehen, wo sie auch am Ende stehen werden [...] Selten passiert ihnen etwas, das ins Serienexposé eingetragen und von allen Autoren bedacht werden muss. Mehr redaktionellen Aufwand erfordern progressive Serien. Sie haben neben dem Stammpersonal eine sich ständig weiterentwickelnde Geschichte. Quereinsteiger – sowohl Autoren als auch Leser – haben hier einiges aufzuholen. Jeder einzelne Roman kann für die gesamte Serie alles verändern, ständig entwickeln sich Figuren weiter oder sterben und der Entwurf jedes einzelnen Romans ist wichtig für das Serienkonzept.“ (S. 22) (Herv. i. O.). 5
Günther 1999b, S. 13.
6
Vgl. ebd., S. 13-15.
7
Die narrative Komplexität serieller Erzählungen wurde innerhalb der literatur- und medienwissenschaftlichen Forschung verschiedentlich in den Blick genommen. Vgl. Lavery 2009; Jason Mittell: Lost in a Great Story. Evaluation in Narrative Television (and Television Studies). In: Roberta Pearson (Hg.): Reading Lost. Perspectives on a Hit Television Show. London u.a. 2009 (Reading Contemporary Television), S. 119138; Mittell 2010; Jason Mittell: Narrative Komplexität im amerikanischen Gegenwartsfernsehen. In: Kelleter 2012a, S. 97-122. Während Publikationen wie die von David Lavery oder Jason Mittell vor allem Erzählstrategien und Herausforderungen für die Produktion fokussieren, betrachtet die vorliegende Studie, wie LeserInnen sich auf ‚Komplexität‘ beziehen.
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te und Themen abzubilden, die den LeserInnen im Zusammenhang mit Perry Rhodan wichtig sind, oder Schreibstile und Ästhetiken zu beschreiben, die sie bevorzugen, wird dargestellt, welche Rolle diese Aspekte im Rahmen von Serialität spielen. Gleichzeitig wird betrachtet, wie Serialität die damit verbundenen Handlungen mitprägt.
5.1 E NTDECKEN DES U NIVERSUMS : S ENSE UND S ERIALITÄT
OF
W ONDER
Perry Rhodan ist eine Science-Fiction-Serie.8 Dies annonciert sie deutlich, nicht nur durch ihren Untertitel – „Die größte Science-Fiction-Serie“ bzw. anfänglich „Der Erbe des Universums“ –, sondern auch durch entsprechende Titelbilder, auf denen häufig interplanetare Konstellationen, fremde Wesen oder futuristische Architektur und Technik zu sehen sind. Exakter charakterisiert handelt es sich bei Perry Rhodan, hierüber sind sich ProduzentInnen und LeserInnen weitgehend einig, um eine klassische „Space Opera“9. Ihr Metier ist damit das Weltraum-Abenteuer. Der Science-Fiction-Verleger David G. Hartwell hat wesentliche Merkmale des Genres der „Space Opera“ in seiner gegenwärtigen Form beschrieben, die auch für die Perry Rhodan-Serie äußerst zutreffend sind. Der Begriff stehe „für kompetent und oft auch gut geschriebene Science-Fiction-Abenteuer mit bunter Szenerie, dramatischen Szenen, einem sympathischen Helden und einer Handlung, die sich
8
Sie steht damit in einem Genre-Zusammenhang, der sich auf das 1926 erstmals veröffentlichte Magazin Amazing Stories von Hugo Gernsback bezieht, durch das der Begriff „Science-Fiction“ maßgeblich geprägt wurde. Vgl. z.B. William Sims Bainbridge: Dimensions of Science Fiction. Cambridge/London 1986, S. 10; Krämer 1990, S. 199; Michael Matzer: Science Fiction. In: François Bondy (Hg.): Harenbergs Lexikon der Weltliteratur. Autoren – Werke – Begriffe. Bd. 5. Dortmund 1989, S. 26222623, hier S. 2622. Der Begriff der „Space Opera“ wurde im Jahr 1941, im Rückgriff auf das Westerngenre der „Horse Opera“, geprägt. Vgl. Kasper 2004, S. 70. Kasper beleuchtet die Verbindungen der Perry Rhodan-Serie zum Genre der „Space Opera“, insbesondere im Hinblick auf Western-Elemente der Serie.
9
Auch die literaturwissenschaftliche Forschung nennt Perry Rhodan als typisches Beispiel einer seriellen „space opera“. Vgl. Andy Sawyer: Space Opera. In: Mark Bould u.a. (Hg.): The Routledge Companion to Science Fiction. Abingdon 2011 (Routledge literature companions), S. 505-509, hier S. 506.
142 | P ERRY R HODAN LESEN über große Zeiträume und unermessliche Weiten erstreckt. Darüber hinaus ist eine tempound actionreiche Handlung wichtig [...], die üblicherweise in einer relativ fernen Zukunft im All oder auf anderen Welten spielt. Typisch ist auch der optimistische Grundton.“10
Abbildung 3 und 4: Das erste „Perry Rhodan“-Heft vom 08.09.1961 und Heft Nr. 2500, erschienen am 17.07.2009.
Quellen: PR Nr. 1 und PR Nr. 2500.
Zentrales Element der Perry Rhodan-Serie ist seit ihrem Beginn das Entdecken des Universums. Die Serienerzählung, die 1961 ihren Anfang nahm, beginnt mit dem Aufbruch der Besatzung der Rakete „Stardust“ unter Leitung des USMajors Perry Rhodan im Jahr 1971 zum Mond, wo diese auf ein Flugobjekt außerirdischen Ursprungs trifft. Mit Unterstützung der notgelandeten Arkoniden, die über eine Technologie verfügen, die derjenigen der Menschen weit überlegen ist, verhindert Perry Rhodan den Ausbruch eines drohenden Dritten Weltkriegs11 und eint die Menschheit zu einer Nation unter dem Namen „Terra“.12 In der Fol-
10 David G. Hartwell: Gold aus der Gosse. Der lange Marsch der Space Opera zur Kunst. In: Das Science Fiction Jahr 19 (2004), S. 17-33, hier S. 30f. Hartwell beschreibt in seinem Aufsatz die Aufwertungsprozesse in der Wahrnehmung des populären Genres seit den 1960er Jahren. 11 Vgl. PR Nr. 2, S. 60. 12 Bereits im zweiten Roman der Serie bezeichnet sich Perry Rhodan als „Terraner“ (PR Nr. 2, S. 14). Vgl. hierzu auch ebd., S. 63.
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ge beginnt der Aufbruch der Menschheit ins All,13 bei dem die Terraner auf einen Kosmos treffen, in dem Tausende unterschiedlicher „Völker“ leben, 14 die mit ihren Raumschiffen das Universum durchqueren. Zunächst beschränkt sich der Handlungsraum auf die Milchstraße, später ermöglicht die „Hyperphysik“15 überlichtschnelle Raumfahrt und man dringt in andere Galaxien vor.16 Jenseits von für die Anfangszeit der Serie charakteristischen Expansionsbestrebungen, spielt das Reisen im Universum, die Möglichkeit des Überwindens enormer Distanzen sowie die damit verbundene Begegnung mit unbekannten Wesen und Kulturen, auch in der im Untersuchungszeitraum aktuellen Handlung eine zentrale Rolle.17 Die Erzählung ist im Jahr 1463 NGZ, d.h. Neuer Galakti-
13 Vgl. ebd., S. 30. 14 Die verschiedenen „Völker“ sind innerhalb der Erzählung nicht nur potenziell, als Hintergrund, vorhanden, sondern werden tatsächlich im Einzelnen beschrieben. Vgl. hierzu die Liste „Völker“ in der Perrypedia: http://www.perrypedia.proc.org/wiki/ Völker, 30.12.2015. 15 In der Serie existiert die Vorstellung eines sogenannten „Hyperraums“, eines als mindestens fünfdimensional gedachten Raums, der über das bekannte vierdimensionale Raum-Zeit-Kontinuum hinausgeht. Eine wesentliche Funktion für die Erzählung besteht darin, dass dieser Raum den Raumschiffen erlaubt, mit Überlichtgeschwindigkeit durch das Universum zu reisen – Voraussetzung für die ausgedehnten Entdeckungsreisen Perry Rhodans und seines Teams. Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/ wiki/Hyperphysik,
03.01.2016;
http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Hyperraum,
03.01.2016; http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Einsteinuniversum, 03.01.2016. 16 Zur Handlung am Beginn der Serie vgl. auch Hallmann 1979, S. 119f.; Rolf Kellner: Perry Rhodan. Der Computermensch. Stuttgart 1982 (Lesehefte für den Literaturunterricht), S. 103f.; Kasper 1997, S. 139-141; Kasper 1999, S. 81f.; Kasper 2009, S. 708. Eine Zusammenfassung der Handlung von Bd. 1-700 findet sich bei Klein 1976, S. 38-41. Den Inhalt der Bände bis 1200 beschreibt Stache 1986, S. 291-300. Eine Übersicht bis etwa Band 2300 liefert Schwettmann 2006, S. 31-43. Einen detaillierten Überblick über die Handlung gibt auch das Fanwiki Perrypedia, vgl. http://www.perrypedia.proc.org, 30.12.2015. Daneben veröffentlichte Schwettmann eine Liste der Romane bis Heft Nr. 2500, vgl. Schwettmann 2009, S. 239-262. 17 Wenn von „aktueller Handlung“ die Rede ist, so sind damit die Inhalte der im Untersuchungszeitraum veröffentlichten Hefte gemeint, d.h. des „Stardust“-Zyklus (PR Nr. 2500-2599), erschienen zwischen dem 17.07.2009 und dem 10.06.2011. Siehe Kap. 3.3.
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scher Zeitrechnung, 18 angelangt, das dem Jahr 5050 nach Christus entspricht. Beginnend mit Band 2500 wird das Geheimnis der sogenannten „Polyport-Höfe“ entfaltet, Stationen eines hochentwickelten Transportsystems, das ermöglicht, innerhalb kürzester Zeit Entfernungen zwischen Galaxien zurückzulegen.19 Als die „Liga Freier Terraner“20 eben auf dem Wege ist, die bei Erkundungsflügen entdeckte21 Transporttechnologie zu erforschen, tritt die Frequenz-Monarchie auf den Plan, die nicht allein die Kontrolle über die Höfe, sondern die absolute Herrschaft beansprucht. Ein kriegerischer Konflikt entwickelt sich, der die folgenden 99 Bände der Serie bestimmt. Wenn die InterviewpartnerInnen auf die Inhalte der Serie Bezug nehmen, handelt es sich – dies dürfte nicht überraschen – meist um Themen genrespezifischer Art. Das für die Erzählung zentrale Entdecken fremder Welten gehört dabei für viele ProbandInnen an vorderster Stelle zum Vergnügen am Perry Rhodan-Lesen. Stefan Belting etwa nennt als Aspekte, die die Serie für ihn interessant machen: „Geheimnisse des Weltraums erforschen, ähm, unbekannte Galaxien, fremde Welten, äh, oder fremde Lebewesen, äh. [...] Wim Vandemaan gelingt es, denke ich, sehr gut, gewisse Fremdartigkeiten zu schildern, also z- versuchen, sich in Gedankenwelten von fremden Lebewesen hineinzuversenken, äh, -denken oder beziehungsweise Welten zu schildern, die tatsächlich in irgendeiner Hinsicht fremd wirken oder anders sind. Und das find’ ich dann schon faszinierend.“22
Markus Ehlers sagt, ihn interessiere „[g]anz allgemein die Vorstellung eines bevölkerten ... einer bevölkerten Milchstraße, eines bevölkerten Universums, in dem du innerhalb von einigen Stunden dein Sonnensys-
18 Die NGZ löste in der Serie die christliche Zeitrechnung im Jahr 3588 ab. Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/NGZ, 03.01.2016. 19 PR Nr. 2500, S. 8. 20 Die „Liga Freier Terraner“ (LFT) ist die staatliche Organisation der Terraner. Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/LFT, 03.01.2016. 21 PR Nr. 2500, S. 8. 22 Interview mit Stefan Belting vom 17.06.2011. Belting bezieht sich hier auf den Autor Hartmut Kasper (Pseudonym: Wim Vandemaan). Ein Beispiel für die genannten Aspekte ist etwa der Roman „Mit den Augen der Gaids“ (PR Nr. 2525), der die Welt dieses in der Galaxie Andromeda angesiedelten „Volkes“ zu großen Teilen aus der Innenperspektive beschreibt.
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tem wechseln kannst, woanders hin kannst. Du kannst Orte besuchen, dort treffen 10.000 verschiedene Völker und Rassen aufeinander, treiben Handel. Du kannst auch die gleichen Geschichten erleben wie hier, aber du hast halt die Vielfalt. Dieses ... Ich glaube, wären wir ’n paar hundert Jahre weiter, in der Welt wär’ ich gerne Raumfahrer. [...] Ich hab’ auch hier ... Ich hab’ viele, viele Länder besucht, einfach um, um das zu sehen, um die Kulturen zu sehen, um das kennenzulernen. Ich hab’ Europa fast ganz durch, war überall. Und gar nicht so sehr die Museen oder die ... die Denkmäler oder die Statuen, sondern ich hab’ Menschen gesehen. Das ist für mich das Interessante, Menschen. Oder halt in dem Fall fremde Kulturen“23.
Wie in den Beschreibungen der LeserInnen deutlich wird, geht es um das Entdecken phantastischer Welten, die zwar einen gewissen Bezug zur eigenen Lebensrealität haben, dabei jedoch von dieser deutlich verschieden sind. So sagt Matthias Specht über seine Perry Rhodan-Lektüre: „Man wird praktisch jede Woche noch mal in ’ne, ja, andere Welt entführt, die eigentlich ganz anders ist. [...] Ja, sagen wir, es gibt Sachen, die so nicht möglich sind, aber wie ... w- w’ne andere ... wie man sich’s ... vielleicht sein könnte.“ 24 Rainer Weygandt schätzt, „wenn sie schöne Utopien hinkriegen. Also manchmal haben sie schöne Welten, ne, also so was gefällt mir dann auch, ne.“25 Der Topos des Entdeckens bzw. Erkundens fremder Welten wird dabei nicht nur im Zusammenhang mit der Serie, sondern auch mit dem Science-Fiction-Genre im Allgemeinen angesprochen. Die LeserInnen verfügen über ein umfängliches Wissen und Vokabular in diesem Bereich. Alle InterviewpartnerInnen haben, auch über Perry Rhodan hinaus, ein ausgeprägtes Interesse für Science-Fiction.26 Frank Zelter etwa bevorzugt im Bereich des Genres Literatur, die positive gesellschaftliche Entwürfe zeichnet. Im Vergleich zu der in den Medien dargestellten Alltagsrealität sei die in der Science-Fiction beschriebene oft „eine Realität, wo man sagen würde: ‚Ah, das könnte ich mir jetzt auch vorstellen, das würd’ mir jetzt auch Spaß machen.‘ Weil wer würde nicht gern einmal schauen, ob’s woanders tatsächliches Leben irgendwo gibt?“27
23 Interview mit Markus Ehlers vom 09.06.2011. 24 Interview mit Matthias Specht vom 26.05.2011. 25 Interview mit Rainer Weygandt vom 17.11.2010. 26 Auf den Aspekt, dass für Perry Rhodan-LeserInnen ein, meist bereits vor dem Beginn der Serienlektüre existierendes, Genreinteresse charakteristisch sei, weist Günther hin. Vgl. Günther 1999b, S. 12. 27 Interview mit Frank Zelter vom 16.06.2011.
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Das Interesse für entsprechende Themen der Science-Fiction verbindet sich häufig mit einer Art Staunen angesichts des in der Literatur Dargestellten. Befragt, was ihn an Science-Fiction reize, sagt Jörg Reimann über seine Genrelektüre, von der Perry Rhodan für ihn einen wichtigen Teil darstellt: „Ich würd’ sagen, auf einen Nenner gebracht: ‚Sense of Wonder‘. Also, dass es sich hier um Geschichten handelt, die in einer Welt spielen, die nicht die unsere ist, die sein könnte, hätte sein können, wie auch immer, alle Spielarten. Und dieses ... äh, ich kann’s nicht anders beschreiben, dieses ‚Sense of Wonder‘, was man bei Karl May als ... als ... da gab’s auch diesen ‚Sense of Wonder‘, weil er im Grunde Fant- ein Fantasie-Amerika geschrieben hat, was es natürlich auch nicht so gab, ähm, was aber ... was man sich als Leser vorstellen konnte und irgendjemand hat mal geschrieben: Dieser ‚Effekt der glühenden Ohren‘, das ist das ‚Sense of Wonder‘.“28
In seiner Beschreibung bezieht sich der Leser auf eine im Science-FictionBereich geläufige Kategorie, die auch im Perry Rhodan-Kontext gängig ist. So wirbt die Perry Rhodan-Redaktion damit in den Romanheften. In einer Anzeige für die „Demetria-Trilogie“ der Perry Rhodan-Action-Serie29 etwa findet sich die Formulierung: „Romane voller Abenteuer und Spannung, Exotik und ‚Sense of Wonder‘ entführen in die ‚Goldene Ära‘ der Perry Rhodan-Serie“30. Mit „Sense of Wonder“ bezeichnen Fans und Analysten des Science-FictionGenres dessen Charakteristikum, sich den großen Themen und Zusammenhängen des Universums zu widmen. Ken Gelder etwa betrachtet als einen wichtigen Aspekt der Science-Fiction, dass diese bevorzugt weite Dimensionen in den Blick nehme: „A key word for science fiction is scale, often the largest scale imaginable. It can open up the widest panoramas in space and time, traversing beginnings and ends or even endlessness, often clearly signaling its ambitions with titles like Foundation, Genesis (Poul Anderson’s last novel, Eon and Eternity (novels by Greg Bear) or The End of Eternity (Asimov again), or Sailing Bright Eternity (Gregory Benford) and so on.“31
28 Interview mit Jörg Reimann vom 10.06.2011. 29 Zu den Spin-offs der Perry Rhodan-Serie siehe Kap. 5.2.3. 30 PR Nr. 2511, Rückseite Heftumschlag. 31 Ken Gelder: Popular Fiction. The Logics and Practices of a Literary Field. London/New York 2004 (Literary Studies/Cultural Studies), S. 70 (Herv. i. O.).
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Entsprechende Darstellungen können dabei mit der Gewaltigkeit von Naturphänomenen aber auch mit technischen Entdeckungen verbunden sein.32 „Sense of Wonder“ ist demnach eine textästhetische Kategorie, die eine Tendenz der Science-Fiction zur Darstellung immenser Ausmaße beschreibt. Darüber hinaus dient der Terminus auch zur Bezeichnung eines durch die Rezeption bewirkten Zustands. Wie auch bei der „Spannung“ handelt es sich beim „Sense of Wonder“ gleichzeitig um eine rezeptionsästhetische Kategorie; der Begriff ist vergleichbar mit dem des „Erhabenen“, allerdings freilich eng auf das Genre bezogen.33 Diese begriffliche Ebene zeigt sich auch in der Schilderung von Jörg Reimann, der eine Verbindung zwischen eindringlicher Beschreibung phantastischer Welten und der Imagination des Lesenden („was man sich als Leser vorstellen konnte“) sowie dessen körperlicher Erfahrung („‚Effekt der glühenden Ohren‘“) herstellt. Das Schlagwort „Sense of Wonder“ dient auch zur Verständigung innerhalb der Perry Rhodan-Fancommunity, wie sich im Forum auf der Redaktionswebsite zeigt.34 Auch hier wird es mit bestimmten Themen oder Ästhetiken verbunden, die dabei je nach LeserIn variieren, und auch hier wird es, darüber hinaus, zur Beschreibung von Rezeptionserfahrungen verwendet. Entsprechende Beispiele werden oft überspitzt und in humoristischer Absicht vorgetragen. So formuliert ein User: „SOW [Abkürzung für „Sense of Wonder“] ist/- wenn ich einen Perry lese und mir dabei ein Schauer (der Spannung und Erwartung) den Rücken runterjagt!/- wenn ich einen Perry lese und ich feststelle: Meine Gedanken sind nicht mehr beim Roman sondern haben sich verselbständigt und entwickeln den Faden von alleine weiter!/- wenn ich den Perry nicht mehr aus der Hand lege und weiter lese obwohl ich dringend auf die Toilette muss!/- wenn
32 Vgl. Farah Mendlesohn: Introduction. Reading Science Fiction. In: Edward James (Hg.): The Cambridge Companion to Science Fiction. Cambridge u.a. 2003, S. 1-12, hier S. 3; Andy Sawyer: Science Fiction. The Sense of Wonder. In: Christine Berberich (Hg.): The Bloomsbury Introduction to Popular Fiction. London u.a. 2015, S. 87107, hier S. 88-90. 33 Vgl. Edward James: Science Fiction in the 20th Century. Oxford 1994, S. 103-107; Friedrich 1995, S. 7. 34 Hierzu wurde der Thread „Am Ende --- SI’s, Menschen, Technik, Zuckerl“ (erstes Posting: 26.05.2009, letztes Posting: 01.06.2009) aus dem Perry Rhodan-Forum analysiert, in dem sich LeserInnen zum Zykluswechsel mit Kritik und Anregungen zu Wort melden, und in dem der Begriff des „Sense of Wonder“ auf Perry Rhodan bezogen diskutiert wird. Vgl. http://forenarchiv.perry-rhodan.net/index.php?showtopic= 17608, 31.01.2016.
148 | P ERRY R HODAN LESEN ich den Perry aus der Hand lege, auf die Toilette gehe und meine Gedanken sich weiter mit der Handlung beschäftigen./- wenn ich....../- wenn ich ...../“35
Im folgenden Posting ergänzt ein anderer: „Wenn ich den PR packe und mit auf die Toilette nehme, und dabei weiterlese..“36 Ein weiterer Nutzer schreibt: „SOW ist für mich, mit dem Roman über die strasse zu gehen, jeder laterne auszuweichen, beim lesen./SOW ist für mich, gar nicht zu bemerken das die Dame neben mir in der Straßenbahn einen MINI trägt,/SOW ist für mich, das‚schaaaatz, wann kommst du ins Bett?‘ mit einem ja gleich zu beantworten./SOW ist für mich, völlig zu vergessen, das ich seit einer Stunde nicht geraucht habe./SOW ist für mich,das ich DABEI bin. [...]/Ich glaube fest daran, das die Autoren uns mit fantastischen Geschichten so zu fesseln vermögen, so zu beeindrucken Vermögen,/das keiner von uns aufs KLO gehen kann! das wir so ein kribbeln verspühren, das/die Gänsehaut bis runter auf den dicken Zeh reicht, Das ICH nicht mal bemerken würde, wenn die dame neben mir im zug NACKT wäre!!!!/Wenn einer PR ändern kann, und zum Alten SOW zum schaudern,zum kribbeln auf dem rücken, zum nicht auf die Toilette gehen führen kann, dann wir Leser.“37
In den Darstellungen des Lesens kommen deutlich die emotionalen Affekte zum Ausdruck, die die Lektüre hervorruft. Auch wenn es sich bei den Beschreibungen offensichtlich um imaginierte Situationen handelt, weist gerade das Teilen dieser Ideen mit anderen darauf hin, dass entsprechende oder ähnliche psychische und physische Zustände den LeserInnen bekannt sind – und darum auch als anderen bekannt vorausgesetzt werden können. Bemerkenswert ist, dass sich gerade in den Beschreibungen einer Lektüre, die scheinbar völlig stillgestellt erfolgt, die ganz im Gegensatz zu bestimmten primären ‚Triebreaktionen‘ zu stehen scheint und die damit im Kontrast zum Handeln – nämlich gerade als NichtHandeln – konstruiert wird, zeigt, dass der Lesestoff fähig ist, bestimmte körperliche Zustände zu bewirken, mithin emotional zu ‚bewegen‘ und dadurch Einfluss auf die Lektürepraktiken zu nehmen. „Sense of Wonder“ ist in diesem Sinne auch ein Begriff zur Bezeichnung von Emotionen, die in Verbindung mit einem spezifischen Rezeptionsgegenstand – nämlich der Perry Rhodan-Lektüre als Science-Fiction-Lektüre – die Praktiken der Nutzung prägen. Die serielle Rezeption wiederum gelangt in diesem Kontext zu einer besonderen Bedeutung. Die oben zitierten Beschreibungen der ProbandInnen zum
35 Posting von Fräulain Samburi, 28.05.2009, 22:04. 36 Posting von erzkoenig, 29.05.2009, 01:02. 37 Posting von nightflyer32dbg, 29.05.2009, 04:00.
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Entdecken des Universums geben nicht nur einen Eindruck davon, welche inhaltlichen Aspekte der Serie eine Vorstellung von ‚Größe‘ evozieren. Es wird darüber hinaus auch sichtbar, als wie vielschichtig und detailliert ausgearbeitet die Erzählung wahrgenommen wird: Die Serie wird als vielfältig bevölkertes Universum betrachtet, in dem man per Lektüre hin- und herreisen kann, um überall etwas vorzufinden. Das ‚Staunen‘ angesichts der Serie wird offenbar nicht nur mit bestimmten – Science-Fiction-spezifischen – Themen verbunden, sondern auch auf die serielle Struktur des Lesestoffs bezogen. Gerade Markus Ehlers' Assoziation zur eigenen Erfahrung des Reisens etwa macht deutlich, wie eng das Leseerlebnis mit einem Erkunden des Universums in der Erzählung verbunden wird. Oliver Mohn, der Perry Rhodan als „gigantisches Epos“38 bezeichnet, setzt den „Sense of Wonder“ direkt in Bezug zur ‚Größe‘ der Serie. Nicht nur das Entdecken des Weltraums innerhalb der Handlung, sondern auch ein Erkunden des umfangreichen und sich stetig ausdehnenden Serienuniversums bewirkt offenbar den „Sense of Wonder“. „Das ist das ... dies- ... dieses ... also ... Wie nennen andere Fans den Effekt? Sense of Wonder. Man hat immer wieder ... Man deckt mal wieder gigantische Zusammenhänge auf. Also ’ne gigantische Geschichte. ((lacht leicht)) Ich wüsste nicht, wie ich es anders beschreiben soll.“39
Auch die Äußerungen zahlreicher weiterer LeserInnen deuten in diese Richtung. Dieter Rathgeb etwa beschreibt als wichtigen Aspekt seiner Perry RhodanLektüre „die Freude an eben dieser großen ... großen Welt. Und, ähm, den Zusammenhängen innerhalb dieser Welt.“40 Thomas Wendt sagt, befragt, warum er gerade Perry Rhodan und nicht irgendeine andere Serie lese, „Ich glaub’, das ist so ... so die Urmutter der Science-Fiction-Serien und, ähm, wenn man so was liest, dann muss man das lesen. Und, äh, es hat ja auch schon so 50 Jahre und es ist so ’n riesiges Universum und es ist, äh, ist ja auch nicht ganz unbegründet, dass es so ’n großen Erfolg hat und es, äh, das schon so lange gibt und, ähm ... Ja, also ich glaube, wenn man sich dafür interessiert, dann ist das irgendwann ... kommt man da automatisch dann hin, also ... [...] [A]ber ich glaub’ schon, dass allein schon die Größe das ziemlich anzieht. Dass man irgendwie da landet. Wenn man sich dafür interessiert. Und dann probiert man’s
38 Interview mit Oliver Mohn vom 30.06.2011. 39 Ebd. 40 Interview mit Dieter Rathgeb vom 09.06.2011.
150 | P ERRY R HODAN LESEN aus und, ich glaube, entweder man lässt sich dann drauf ein oder man kommt dann auch schnell wieder davon ab.“41
Anja Wendt beschreibt ähnliche Erfahrungen: „Als wir so die ersten, oder ich so die ersten paar Hefte gelesen hatte, fand ich’s einfach schön, weil’s so ’ne komplett große Welt war, in sich schlüssig und auch mit so viel Geschichte einfach. Also inhaltlich mein’ ich jetzt. Dass es auch schon so viel Zurückliegendes gab, und das war irgendwie schön, weil das so ’ne komplett eigene Welt war.“42
Das Wissen darum, dass bereits ein ausgedehntes Serienuniversum existierte, regte das Ehepaar Wendt dazu an, mehr lesen und erfahren zu wollen. Sie seien, sagt Thomas Wendt, „über den Inhalt, oder zufällig, äh, über das Genre reinreingestoßen und haben eigentlich erst diese Serienwelt entdeckt, dass es halt diese Serie ist und ... und: ‚Oh, das ist ja toll, das gibt’s immer noch und es setzt sich fort und, äh, dann steigen wir doch mal mit ein‘ und so.“43 Beim „Sense of Wonder“ – möchte man ihn als zusammenfassenden Begriff für die Faszination verwenden, die die LeserInnen mit der ‚Größe‘ der Serie verbinden – handelt es sich somit um einen Effekt, der nicht nur durch bestimmte inhaltliche Merkmale, sondern auch durch Serialität bewirkt wird. Was aus textanalytischer Perspektive zunächst als unzulässiges Vermengen unterschiedlicher Ebenen erscheint, erweist sich gerade in seiner Vermischung als wesentlicher Aspekt des Leseerlebnisses. Der spezifische Lesegenuss besteht offenbar in der Verknüpfung thematischer und struktureller Elemente, die einen Eindruck von ‚Größe‘ vermitteln und ‚Staunen‘ bewirken. Der ästhetische Effekt der Lektüre bleibt dabei nicht auf bestimmte emotionale Reaktionen oder Wahrnehmungsäußerungen beschränkt, sondern er motiviert auch zu Lektürepraktiken, indem er beispielsweise bewirkt, auch in mehr oder weniger ‚unpassenden‘ Situationen nicht von der Lektüre zu lassen bzw. zu einem intensiveren Befassen mit der Gesamtserie anregt. Wenn im Folgenden verschiedene Zugänge der LeserInnen zur Serie dargestellt werden, muss es dementsprechend immer auch darum gehen, zu beleuchten, was sich hinter der Faszination des ‚großen und komplexen‘ Seriellen verbirgt, bzw. welche Eigenschaften des Akteurs Serie diese Faszination vermitteln, und dabei das Wirken von Serialität in den Lektürepraktiken transparent zu machen.
41 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Thomas Wendt. 42 Ebd., hier: Anja Wendt. 43 Ebd., hier: Thomas Wendt.
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5.2 Z UGÄNGE ZUM U NIVERSUM : AUTOR I NNENSTILE , F IGUREN UND MEDIALE F ORMATE Bei aller Vielfalt der Anknüpfungspunkte, die das Serienuniversum bietet, zeigen sich einige Zugänge zur Serie, die von vielen LeserInnen geteilt werden. Im Folgenden wird der Bezug der ProbandInnen auf stilistische und inhaltliche Aspekte dargestellt, die für die Lektüre insofern wichtig sind als sie eine Orientierungsfunktion im Hinblick auf die im Verlaufe des Serienlesens zunehmend unüberschaubar und schwieriger erinnerbar werdende Handlung haben. Zudem bergen sie offensichtlich das Potenzial, die LeserInnen zu bestimmten Lektürepraktiken anzuregen. Darüber hinaus wird in den Blick genommen, wie die LeserInnen mit den unterschiedlichen Formaten verfahren, in denen die Serie angeboten wird. Es werden damit auch Aspekte der Medialität der Serienrezeption erfasst. AutorInnenstile, Figuren und mediale Formate sind dabei nicht als bloße Objekteigenschaften zu begreifen, mit denen die LeserInnen umgehen, sondern als Akteurseigenschaften, durch die die Serie die Lektürepraktiken auf unterschiedliche Weise mitbestimmt. Wie diese Eigenschaften der Serie am Lesen mitwirken, indem sie Anschlussmöglichkeiten für die LeserInnen bieten, wird in den folgenden Unterkapiteln herausgearbeitet. 5.2.1 AutorInnenstile Die Textproduktion von Perry Rhodan ist ein arbeitsteiliger Prozess. Wie im Heftromanbereich üblich, wird die Serie von einer Vielzahl von AutorInnen geschrieben, von den meisten anderen Serien unterscheidet sich der Produktionsablauf der Erzählung dabei durch seine spezifische Organisationsstruktur. Es existiert ein festes Team von AutorInnen, dessen Mitglieder dabei freilich im Serienverlauf immer wieder wechseln. Perry Rhodan wird in sogenannten „Zyklen“ verfasst, Einheiten von in neuerer Zeit meist 50 oder 100 Heften,44 die einmal jährlich auf einer „Autorenkonferenz“ geplant und koordiniert werden. Ein „Exposéautor“ erstellt dabei die Arbeitsvorlagen für das Schreiben der einzelnen Romane, die sogenannten „Exposés“, die in etwa die Funktion von „Treatments“ bei Filmproduktionen haben.45
44 Vgl.
http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Zyklen#Perry_Rhodan-Heftserie, 24.03.
2016. 45 Zur zyklischen Struktur der Serie und dem damit verbundenen Produktionsablauf vgl. auch Klein 1976, S. 36; Hallmann 1979, S. 67-70; Stache 1986, S. 84f.; Teuscher 1999, S. 99; Schwettmann 2006, S. 221; Kasper 2009, S. 708f.
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Ein in Augenschein genommenes Exemplar, das dem Autor Wolfgang Kehl zum Verfassen eines Romans diente, hat mit 41 Seiten in etwa den Umfang von zwei Dritteln eines fertigen Romantexts.46 Ihm liegen „Datenblätter“ mit Informationen über geschichtliche Daten, Technik, bestimmte Planeten, Galaxien, Figuren oder „Völker“ der Serie bei,47 die etwa ein Viertel seines Gesamtumfangs ausmachen. Über Handlungsvorgaben hinaus enthält ein Exposé mitunter auch vorformulierte Passagen, die teilweise wortwörtlich in den Roman integriert werden, deren Übernahme jedoch nicht verpflichtend ist. Dem Exposé beigefügte Zitate aus älteren Romanen erleichtern den AutorInnen, Bezüge zur vergangenen Handlung herzustellen. Die Exposés werden dabei nicht einzeln, sondern in Einheiten von je vier Stück vergeben, um eine Kontextuierung des zu schreibenden Romans zu ermöglichen.48 Die konkrete Ausarbeitung des Romantexts ist dem jeweiligen Autor bzw. der jeweiligen AutorIn überlassen – „Ich les’ das Exposé und, äh, kümmer’ mich aber hinterher einen Scheiß um das Exposé, sondern schreib’ irgendeine spannende, äh, Handlung“ 49 , formuliert Kehl, leicht überspitzt. Dabei besteht eine enge Zusammenarbeit zwischen AutorInnen und Exposéautoren. Im Falle einer Idee, die größere Planungen erfordert, setzt sich Kehl, wie er sagt, mit dem Exposéautor in Verbindung. Nicht nur VielautorInnenschaft, sondern auch eine spezifische Art des Teamworks ist demnach für Perry Rhodan charakteristisch. Im „Stardust“-Zyklus erschienen Heftromane von insgesamt zehn Teamautoren, 50 daneben steuerten der Exposéautor sowie zwei GastautorInnen weitere
46 Vgl. Interview mit Wolfgang Kehl vom 08.02.2012. 47 Zu den „Datenblättern“ vgl. auch Kasper 2009, S. 709. 48 Die Vergabe von Exposés in „Viererblocks“ erwähnt auch Klaus N. Frick in einem Interview. Vgl. Sylvia Nürnberg/Ralf Wohlgemuth: Interview mit Klaus N. Frick: „Eine ganze Welt kann man nicht adäquat schildern.“ In: Mauerschau 3 (2009), H. 1, S. 134145, hier S. 135. https://www.uni-due.de/imperia/md/content/germanistik/mauer schau/mauerschau_3_interview_frick.pdf, 25.03.2016. 49 Interview mit Wolfgang Kehl vom 08.02.2012. 50 Hier findet die männliche Form Verwendung, weil zum festen Autorenteam im Untersuchungszeitraum nur Männer gehörten. Unter den AutorInnen waren dabei seit 1976 immer wieder auch Frauen. Vgl. hierzu auch Hartmut Kasper: Geschlechterrollen in der Science Fiction: Autorinnen bei Perry Rhodan. In: Frick/Rohwer 2011, S. 136139. Aktuell (Stand: März 2016) hat das Team mit Verena Themsen und Michelle Stern zwei weibliche Mitglieder.
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Romane bei.51 Die große Bandbreite an mitwirkenden AutorInnen führt zu einer Heterogenität von Stilen innerhalb der Serie, die im Laufe des Erscheinens immer weiter anwächst. „[M]ittlerweile arbeitet die fünfte Generation an diesem erfolgreichen deutschsprachigen Literaturprojekt“52, schreibt Hartmut Kasper bereits 1999, Eckhard Schwettmann zählt bis zum Band 2500 35 AutorInnen,53 und ein Blick in die „Autorenstatistik“ der Perrypedia veranschaulicht die stete Zunahme: Bis März 2016 wirkten bereits 46 AutorInnen an der Serie mit.54 Ein AutorInnenwechsel findet dabei in neuerer Zeit häufig statt.55 Die Perry Rhodan-Texte sind – im Gegensatz zu denen vieler anderer Heftromane – deutlich autorisiert.56 Der Name des jeweiligen Autors bzw. der jeweiligen Autorin wird auf dem Heftroman-Cover genannt, einzelne VerfasserInnen sind damit für die LeserInnen identifizierbar. Auch auf jeder Doppelseite im Innenteil des Romans sind die AutorInnennamen abgedruckt und somit beim Lesen potenziell stets präsent. Dies war in der Vergangenheit der Serie nicht immer
51 Die im „Stardust“-Zyklus (PR Nr. 2500-2599) aktiven Teamautoren waren: Frank Borsch (10 Romane), Christian Montillon (16 Romane), Leo Lukas (11 Romane), Michael Marcus Thurner (14 Romane), Arndt Ellmer (14 Romane), Horst Hoffmann (1 Roman, danach Ausscheiden aus dem Team), Hubert Haensel (7 Romane), Rainer Castor (3 Romane), Wim Vandemaan (5 Romane), Marc A. Herren (11 Romane). Vom Exposéautor Uwe Anton erschienen 2 Romane, darüber hinaus ein weiterer, den er aus einem hinterlassenen Fragment des verstorbenen Exposéautors Robert Feldhoff fertiggestellt hatte. GastautorInnen in diesem Zyklus waren Andreas Eschbach (1 Roman)
und
Susan
Schwartz
(4
Romane).
Vgl.
http://www.perrypedia.
proc.org/wiki/Stardust_(Zyklus), 11.02.2015. Auskunft zu dem Roman von Anton und
Feldhoff
gibt
der
Perry
Rhodan-Newsletter
vom
11.03.2010.
Vgl.
http://www.schattenblick.de/infopool/unterhlt/perry/prtr-130.html, 03.06.2014. 52 Kasper 1999, S. 81. 53 Vgl. Schwettmann 2009, S. 30. 54 Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Autorenstatistik_der_Perry_Rhodan-Serie, 19.03.2016. 55 Vom Beginn des „Stardust“-Zyklus bis zum Ende des ersten Quartals 2016 gab es mehrere personelle Wechsel innerhalb des Teams. So schieden 2009 und 2015 mit Horst Hoffmann und Rainer Castor zwei langjährige Autoren aus, während als neue AutorInnen Marc A. Herren, Verena Themsen, Michelle Stern und Oliver Fröhlich hinzukamen. Zum Team gehören aktuell (Stand: März 2016) zwölf AutorInnen. Vgl. http://www.perry-rhodan.net/team.html, 20.03.2016. 56 Vgl. Teuscher 1999, S. 92. In anderen Heftromanbereichen wird häufig unter Kollektivpseudonym veröffentlicht. Vgl. Basener 2010, S. 25f.
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der Fall. Autorennamen waren zwar bereits vom Beginn der Serie an auf dem Cover zu finden. Zunächst wurden allerdings nur die Gründungsautoren – an allerdings exponierter Stelle, in Form eines Titelzusatzes – genannt: „Die grosse WELTRAUM-SERIE von K.H. Scheer und Clark Darlton“, woraufhin die Autorennamen zwischenzeitlich (auf PR Nr. 1000 und von PR Nr. 1006 bis PR Nr. 2199) vollständig verschwanden, seit Band 2200 werden sie jedoch stets auf dem Cover genannt. 57 Zur Identifizierbarkeit der Verfasser tragen auch die zunehmende stilistische Vielfalt und deutliche Eigenheiten unterschiedlicher Schreibweisen bei, wie Chefredakteur Frick berichtet: „Die Individualität bei den Autoren ist heute größer als früher, würde ich sagen. Früher haben die halt alle einen relativ konventionellen Heftromanstil geschrieben – wobei man trotzdem jeden von früher unterscheiden kann, also ich kann auch heute noch unterscheiden, was ein Volz war oder was ein Ernsting war oder was ein Scheer war. Aber heute finde ich den Unterschied [...] einfach immens“58.
Ein einheitlicher Perry Rhodan-Stil, so Frick, lasse sich im heutigen Team wesentlich schwieriger ausmachen: „Wenn ich mir alte Romane anguck’, die haben früher so was gehabt, ich hab’ mal ’nen Vergleich gesucht, die haben so ’nen gleichen Beat gehabt. [...] Du guckst dir diese alten Romane an, die haben so ’ne einheitliche Färbung, ’n Beat. Es klingt irgendwie immer ähnlich, auch wenn sie alle für sich schreiben. [...] Das haben wir wahrscheinlich heute nicht mehr. Ich glaub’ halt nicht, dass Leo Lukas das gleiche Bild vom Perry RhodanUniversum hat wie (2) Arndt Ellmer. ((lacht leicht)) Das glaube ich nicht.“59
Die zunehmende Divergenz rühre daher, dass die VerfasserInnen heute keine reinen HeftromanautorInnen mehr seien: „Also damals die Autoren haben bloß Heftromane geschrieben. Die haben nichts anderes gemacht. Die haben davon gelebt, dass sie Heftromane schreiben. Und ... und in ... in der Phase, als die zu viert die Serie geschrieben haben, haben die auch noch Taschenbücher und Atlan geschrieben. Da hat jeder jeden Monat zwei, drei Romane geschrieben. Das
57 Vgl. hierzu auch Rainer Stache 2011b: Kosmokraten und Katastrophen. Perry Rhodan im neuen Jahrtausend. In: Frick/Rohwer 2011, S. 74-82, hier S. 77. 58 Interview mit Klaus N. Frick vom 10.02.2010. 59 Interview mit Klaus N. Frick vom 29.04.2013.
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heißt, die waren komplett in diesem Perry Rhodan-Universum drin. [...] Und heute macht halt jeder auch noch andere Dinge“60.
Ein Überblick über die Bildungsabschlüsse und beruflichen Hintergründe der Perry Rhodan-Autoren macht deutlich, welche unterschiedlichen Autorentypen das Team umfasst. Viele haben akademische Abschlüsse, Geisteswissenschaftler sind – mit Frank Borsch (Anglistik, Geschichte), Wolfgang Kehl (Sprachwissenschaften), Hartmut Kasper (Literaturwissenschaft), Uwe Anton (Anglistik, Germanistik) und Christoph Dittert (Germanistik, Buchwissenschaft, Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft) – prominent vertreten. Der Weg zum Perry Rhodan-Autor gelingt jedoch auch ohne Universitätsabschluss. Hubert Haensel etwa schloss eine Ausbildung zum Bankkaufmann ab, Marc A. Herren ist Diplom-Betriebswirtschafter HF (Schweiz). Der – inzwischen verstorbene – langjährige Autor Rainer Castor war ausgebildeter Baustoffprüfer, der ein Studium des Bauingenieurwesens abgebrochen hatte. Darüber hinaus hatte er vor seiner Tätigkeit für Perry Rhodan als Zeitsoldat gearbeitet.61 Michael Marcus Thurner beendete ein Studium der Anglistik, Geographie und Geschichte vorzeitig, um über verschiedene Jobs – „Kellner, Verkäufer in einem Motorradzubehör-Geschäft, Security und [...] Angestellter in einem Reitstall“62 – zu seiner schriftstellerischen Tätigkeit zu gelangen. Leo Lukas begann seine berufliche Laufbahn als Journalist.63 Was die gegenwärtige Tätigkeit betrifft, so arbeiten zwei der Autoren hauptberuflich für die Perry Rhodan-Redaktion – Wolfgang Kehl betreut die „Leserkontaktseite“ 64und Hubert Haensel die Silberbände sowie einige Beilagen der Heftromane.65 Von den übrigen Autoren sind einige auch über Perry Rhodan hinaus hauptberuflich schriftstellerisch (Borsch, Anton, Dittert, Thurner) bzw. als Übersetzer (Borsch, Anton) tätig, aber auch weitere Berufsbereiche sind vertreten. Herren arbeitet neben seiner Tätigkeit für Perry Rhodan zeitweise als
60 Ebd. 61 Im Autorenporträt Castors ist zu lesen: „Vorübergehend war er Zeitsoldat, mittlerweile ist er aber anerkannter Kriegsdienstverweigerer.“ http://www.perry-rhodan.net/ rainer-castor.html, 27.03.2013. 62 http://www.perry-rhodan.net/michael-marcus-thurner.html, 27.03.2013. 63 Vgl. http://www.kabarettarchiv.at/Bio/Lukas.htm, 20.03.2016. 64 Dies gilt für die Zeit des Erscheinens des „Stardust“-Zyklus. Im Mai 2014 übernahm Stefanie Rafflenbeul die Betreuung der „Leserkontaktseite“. 65 Zu den Heftbeilagen siehe Kap. 5.2.3.
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Tauchlehrer auf Gran Canaria,66 Kasper ist Lehrer67 und Leo Lukas ist bereits seit längerer Zeit hauptberuflich Kabarettist. Die nach Bd. 2600 neu hinzugekommenen AutorInnen erweitern das Spektrum in dieser Hinsicht. Oliver Fröhlich arbeitet als Diplom-Finanzwirt in der Finanzverwaltung68, Verena Themsen ist promovierte Physikerin und im Bereich des Maschinenbaus für die Elektronikindustrie tätig69 und Stefanie Jahnke (geb. Rafflenbeul) studierte Germanistik, Psychologie und Kunstgeschichte und war vor ihrer Tätigkeit für Perry Rhodan als Autorin in unterschiedlichsten Bereichen tätig.70 Innerhalb der Perry Rhodan-Redaktion ist sie zudem seit Mai 2014 (PR Nr. 2750) für die „Leserkontaktseite“ zuständig. So unterschiedlich wie die Berufe der AutorInnen sind auch ihre Selbstinszenierungen sowie ihre Zugänge zur Literatur und ihre individuellen Schreibstile. Die LeserInnen goutieren die durch die arbeitsteilige Produktion entstehende Vielfalt, wie sich zeigt, durchaus. So sind die meisten in der Lage, zwischen einzelnen AutorInnen und deren Stilen zu unterscheiden.71 Viele haben explizit(e) LieblingsautorInnen, meist mehrere, die dabei von LeserIn zu LeserIn variieren. Thomas Wendt beispielsweise nennt vier Autoren, die er besonders schätzt: „Also den Wim Vandemaan find’ ich sehr gut, der hat ja ’ne @sehr blühende@ Fantasie, die er da auch gut umsetzen kann. Ähm, der Marc Herren ist ja neu dabei, den find’ ich auch ganz gut, wobei ich das Thema um ... um den, äh, Alaska, das er ja immer vorangetrieben hat, jetzt irgendwie nicht so::o sehr gut finde, äh, aber vom Stil her schreibt er sehr schöne Romane. Ähm, ähm, Michael Marcus Thurner find’ ich auch sehr gut und, ähm, die restlichen ... Also Robert Feldhoff hat auch sehr gut geschrieben.“72
Auf die Romane von diesen Autoren freue er sich besonders, sagt er. „[M]an hat da halt so seine Lieblinge. Also dann: ‚Oh, es kommt wieder ein Herren, oder ein Vandemaan!‘. Das sind immer so ’n bisschen Highlights, die man dann so hat,
66 Die Informationen entstammen, sofern nicht anders angegeben, den Autorenporträts auf der Perry Rhodan-Website. Vgl. http://www.perry-rhodan.net, 20.03.2013. 67 Vgl. http://www.perry-rhodan.net/wim-vandemaan.html, 20.03.2016. 68 Vgl. http://www.perry-rhodan.net/oliver-froehlich.html, 20.03.2016. 69 Vgl. http://www.perry-rhodan.net/verena-themsen.html, 20.03.2016. 70 Vgl. http://www.perry-rhodan.net/michelle-stern.html, 20.03.2016. 71 Bereits Graf weist anhand eines Leserinterviews auf die Unterscheidung von Autorenstilen hin. Vgl. Graf 1982, S. 96. 72 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Thomas Wendt. „Alaska“ bezieht sich auf die Figur des Alaska Saedelaere.
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ne.“73 Das Vermögen, verschiedene Stile erkennen zu können, so Wendt, habe sich im Verlauf des Serienlesens zunehmend entwickelt: „Also anfangs hab’ ich das nicht so wahrgenommen, diese Unterschiede, aber wenn man dann so gewisse, äh, @Leseerfahrung@ hat, so nach 50 Heften oder so, äh, merkt man ganz klar, ähm, wo Autoren gewisse Stärken und Schwächen haben“74. Auch Katharina Weiß berichtet, es habe einige Zeit gedauert, bis sie die Stile einzelner AutorInnen unterscheiden konnte: „Ganz am Anfang, wie gesagt, wo ich bei 2500 eingestiegen bin, kannte ich ja keine der Autoren. War am Anfang schwer. Inzwischen kann ich sie gut auseinanderhalten. Also ich ... Nicht nur halt, dass der auf dem Titel steht, sondern auch von der Schreibweise her, kann man die schon auseinanderhalten.“75
Anja Wendt hat keine expliziten LieblingsautorInnen – sie sagt vielmehr: „Die schreiben eigentlich alle gut“76 – und gibt an, sie könne die Romane nicht stilistisch bestimmten AutorInnen zuordnen. In einzelnen Fällen ist dies jedoch offenbar anders: „Also mir würde es glaub’ ich auch nicht auffallen, wenn jetzt da der falsche Name draufstehen würde. Also ich würde das am Schreibstil nicht bemerken, nur bei dem einen, wie hieß der? Rainer Castor oder so? Och, wenn der irgendwas schreibt, das ist ganz furchtbar. Das fällt einem dann auf. Der schreibt immer das ‚Glossar‘. Schreibt der das? T. W.: , der ist ja für diese ganzen Datenblätter und diese ganzen Daten zuständig. A. W.: Und es liest sich mehr wie ’n Lexikon. Und nicht w- w- wie ’n Roman, so: Der Stern, der genau auf der und der Position ist und die und die Eigenschaften hat und bis ins kleinste Detail runter, wo man denkt: Ja, das ist ein Stern. Die Info hätte jetzt gereicht. Es ist mehr so wie in Lexika, äh, liest es sich dann ... Also das ‚Glossar‘ schreibt er sehr gut, aber ... Nee. Aber das ... das ist der einzige, der mir jetzt so auffallen würde, wo ich sagen würde: ‚Ach!‘. Das ist ... sind auch die einzigen Romane, die ich auslass’.“77
73 Ebd. 74 Ebd. 75 Interview mit Katharina Weiß vom 26.05.2011. 76 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Anja Wendt. 77 Ebd. Anja Wendt verwechselt hier das „Perry Rhodan-Glossar“ mit dem „Perry Rhodan-Kommentar“, der von Rainer Castor verfasst wird.
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Rainer Castor galt als Technikexperte der Serie, 78 auch deswegen, weil er die „Datenblätter“ zur Serie erstellte und den „Perry Rhodan-Kommentar“ schrieb, eine wöchentlich in den Heften erscheinende Rubrik, die Berichte zu technischen und astronomischen Zusammenhängen der Serie liefert.79 Durch diese zusätzlichen Tätigkeiten war er vielen LeserInnen bekannt. Neben Anja Wendt weisen auch andere LeserInnen auf die klare Identifizierbarkeit von Castors Stil hin. So führt Dieter Rathgeb aus: „[D]a ist einer dabei, der Rainer Castor, das ist ’n sehr sehr sehr technisch bezogener Mensch, der halt auch das Grundgerüst mitmacht für die [...] Exposés. Und wenn du seine Hefte lesen tust, das merkst du sofort am Lesen, weil sehr viel technisches Wissen da drin ist, auch Allgemeinwissen, astronomisches Wissen. Ne.“80
Holger Speidel sagt: „Castor erkennt man relativ schnell. Wenn’s wirklich technisch wird, steckt Rainer Castor dahinter, oft oder meistens“81. Hier zeigt sich, dass der Aspekt des Stils eng verknüpft wird mit dem Hintergrundwissen über den Autor. Aus verschiedenen Eindrücken, die sich aus dem Romanen selbst, aber auch aus anderen Informationsquellen speisen, entsteht ein Bild des Autors, das offenbar beim Lesen stets präsent ist. Wie im Fall von Rainer Castor zeigen sich auch in Bezug auf andere AutorInnen klar umrissene Images. Ein weiteres Beispiel ist Leo Lukas, dessen Arbeitsweise als Kabarettist und Komiker auch sein Schaffen innerhalb der Serie
78 Ein Porträt des Autors findet sich bei Schwettmann 2006, S. 144-146. Zu den Kritikern Castors zählt Rainer Stache, der sich in seinen Aufsätzen mehrfach zu Castors Funktion im Rahmen der Serie äußerte. Vgl. Stache 2003c, S. 248; Stache 2003d, S. 144-148. Auch in früheren Zeiten der Serie gab es Technik-Spezialisten unter den Autoren. So galt etwa der von Beginn an bis 1993 für die Serie tätige DiplomPhysiker Klaus Mahn (Pseudonym: Kurt Mahr) als „Techniker vom Dienst“ (Hallmann 1979, S. 83). Zur Biografie des Autors vgl. Hallmann 1979, S. 82-84; Stache 1986, S. 89-91; http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Klaus_mahn, 20.03.2016. Selbiges gilt für den von 1971 bis 1996 bei Perry Rhodan aktiven Autor Peter Griese, der vor seiner Autorentätigkeit ein Studium der Elektrotechnik abgeschlossen hatte. Vgl. Schwettmann 2006, S. 110. 79 Zu den Beilagen der Perry Rhodan-Heftromane siehe Kap. 5.2.3. 80 Interview mit Dieter Rathgeb vom 09.06.2011. 81 Interview mit Melanie Speidel und Holger Speidel vom 02.05.2011, hier: Holger Speidel.
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prägt.82 Zur Illustration Lukas’ mitunter stark exzentrischen Schreibstils hier eine, freilich singuläre, jedoch in ihrem extremen Charakter aussagekräftige Passage aus dem Roman Der Sturmplanet, die gleichzeitig an Comic-Action und expressionistische Experimentallyrik erinnert: „Prolog: Flaute Zu wenig Auftrieb. Schlecht, sehr schlecht. Kromng klappt Steigspelzen ein. Hilft nichts, muss Plan vergessen. Gipfel unerreichbar. Verdammte Kälte! Kaum Gewölk. Licht sticht. Kromng sackt ab wie Stein. Erwischt gerade genug Thermik, dass er über Zinnenzack schrammt. Au. Landung misslich. Kromng rollt gemein lose Geröllhalde hinunter, erwischt keinen Halt. Schürft sich Wipfelchen harzig, eins, zwei, viele. BAMM!“83
Lukas’ humoristische und sprachlich, zumindest passagenweise, äußerst experimentelle Texte werden von LeserInnen mitunter heftig kritisiert.84 Chefredakteur Frick sagt über den Stil und die Wahrnehmung des Autors: „Lukas ist so ein Autor, den können viele Leute auch nicht leiden. Weil sie das Gefühl haben, der verarscht ihre Serie. Also ich find’ so Sachen lustig, ich weiß noch, es gab mal einen Roman, wo er immer so aufgezählt hat, welche Raumschiffe ’rumflogen, und dann flogen auch einige Love-me-Tender vorbei. ((lacht leicht)) Ich find’ so was witzig. [...] Das ist eigentlich keine Science-Fiction mehr, das ist im Prinzip so popkulturelle Schreibe. Und da gibt’s halt Leser, die fühlen sich verarscht und ausgeschlossen [...]. [...] [E]s gab mal ’n Taschenbuch von Leo Lukas, wo halt ... Ich glaub’, es war sogar ein NEORoman, wo sie halt eindeutig in ’nem Comic- und Science-Fiction-Laden stehen. Und ich weiß dann sogar noch, welcher Laden es ist in Wien, ne. Das ist dann schon sehr InsiderGag-mäßig. Dann gibt’s Leute, die finden das nicht gut. Was Leo Lukas schreibt, ist ei-
82 Zur Biografie von Leo Lukas vgl. auch Schwettmann 2006, S. 147-149. 83 PR Nr. 2524, S. 4. Die Zeilenumbrüche wurden aus der Darstellung im Heftroman übernommen. Im Heft selbst wirkt der Text, aufgrund des zweispaltigen Satzspiegels, noch fragmentierter. 84 Vgl. hierzu auch Stache 2003d, S. 138f.
160 | P ERRY R HODAN LESEN gentlich, streng genommen so was wie Douglas Adams, ja. Also es ist schon eindeutige Science-Fiction, aber es kommt einfach auf ’ner an- ... von ’ner anderen Ebene her. Man merkt halt, dass der Leo auch ’n zweites Standbein hat, ein ganz großes. Und das heißt Kabarett. Das merkst du, dass er aus dem Showgeschäft kommt.“85
Für Oliver Mohn gehört Lukas zu seinen Favoriten: „Leo Lukas find’ ich sehr gut. Er hat einfach ’ne andere Art von Humor. Das macht ... also der macht mir richtig Spaß. [...] Ich hab’ über den Leo Lukas ... man hat Kritiken gelesen: boah, ‚zu ... zu humorlastig‘, ‚schlechter Humor‘ oder ‚tollpatschig‘ oder was weiß ich, was sie geschrieb-. Ich fand den gut. Ich fand den von Anfang an richtig gut. Endlich mal jemand, wo so ’n richtig lebhaften Stil bringt und das macht der gut. Aber er ist auch ... er hat sich ... er schreibt schon wesentlich sanfter wie am Anfang. Er hat das am Anfang so ein bisschen ... also seinen Humor stärker reingebracht und, äh, ... aber er wurde auch schon dezenter“86.
In Mohns Darstellung zeigt sich, wie Informationen über den Autor in seine Wahrnehmung der Texte einfließen. Die Texte betrachtet Mohn als Ausdruck des persönlichen, humorvollen Stils des Autors, der unverkennbar zu diesem gehöre und den er dabei dosiert einsetzen könne. Mohn vergleicht auf diese Weise das ihm bekannte Image des Autors mit seiner eigenen Lektüre. Das Wissen über AutorInnen spielt für viele LeserInnen eine Rolle bei der Reflexion über die Texte. In fast allen Interviews zeigt sich dies mehr oder weniger ausgeprägt. Im Interview mit Philipp Wetzler etwa kommt innerhalb der kurzen Passage, in der er die Frage nach seinem Lieblingsautor beantwortet, eine Fülle von Hintergrundinformation über das Perry Rhodan-Team zur Sprache. So erwähnt Wetzler, Wim Vandemaan habe einen akademischen Hintergrund, Michael Marcus Thurner und Leo Lukas seien Österreicher, Thurner habe aufgrund seiner Herkunft aus Wien eine Neigung zur Morbidität, die sich auch in Romanen des Autors außerhalb der Serie zeige, Susan Schwartz habe auch „außerhalb von Perry Rhodan viel Schreiberfahrung“87, was man der Lektüre ihrer Romane anmerke. Zudem weiß Wetzler, dass Verena Themsen in Kürze neue Perry Rho-
85 Interview mit Klaus N. Frick vom 29.04.2013. 86 Interview mit Oliver Mohn vom 30.06.2011. 87 Interview mit Philipp Wetzler vom 21.06.2011. Susan Schwartz ist auch über Perry Rhodan hinaus Autorin und zudem Verlegerin. Im Fabylon-Verlag veröffentlicht sie eigene Werke sowie auch die anderer AutorInnen, die zum Teil aus dem Perry Rhodan-Umfeld stammen. Vgl. http://www.fabylon-verlag.de, 20.03.2016.
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dan-Teamautorin werden soll und hat bereits zwei Romane, die sie für Perry Rhodan-Spin-offs schrieb, rezipiert. Auch bei weiteren LeserInnen zeigt sich – und dies unabhängig davon, ob sie in Kontakt zu AutorInnen oder der Redaktion stehen – ein großes Wissen über die AutorInnen, das sie im Laufe ihrer langfristigen Lektüre entwickelten. Dies wird bereits durch das Lesen der Hefte selbst ermöglicht, in deren Beilagen auch über die AutorInnen informiert wird.88 Hier kommt also die Formatspezifik des Heftromans zum Tragen.89 Darüber hinaus informieren sich nahezu alle regelmäßig im Internet über die Serie,90 und einige haben bereits Literatur von Perry Rhodan-AutorInnen außerhalb der Serie rezipiert. Eine für den Heftromanbereich durchaus unübliche Transparenz, die sich im Perry Rhodan-Kontext zeigt, nimmt hier offenbar deutlichen Einfluss auf die Rezeption der Serie, indem sie nicht nur zu einer Unterscheidbarkeit der AutorInnen, sondern auch zu deren Inszenierung als Persönlichkeiten mit bestimmten Images führt. Diese ist auf verschiedenen Ebenen sichtbar. Das im Heftroman gängige Verwenden von Pseudonymen trifft innerhalb des Perry Rhodan-Teams bei Weitem nicht für alle AutorInnen zu.91 Kommen doch Pseudonyme zum Einsatz, dienen diese keineswegs zur Verschleierung der Identität. So ist vielen LeserInnen bekannt, wer sich hinter den auf dem Heftcover genannten Namen verbirgt; die jeweiligen Pseudonyme werden auf der Redaktionswebsite aufgelöst. In einigen Fällen haben sie deutlich Anteil an der Selbstinszenierung der AutorInnen, 92 wie die Beispiele „Michelle Stern“ und „Wim Vandemaan“ zeigen, die einen deutlichen Genrebezug haben. Der Autor Hartmut Kasper, dessen Pseudonym „Vandemaan“ sich aus dem Niederländischen („van de maan“, also „vom Mond“) herleitet,93 wird auf der Perry Rhodan-Website mit den Worten zitiert: „Ein Pseudonym gehört für mich wie das Titelbild und die Leserkontaktseite zum Gesamtkunstwerk Heftroman“94. Anders als bei vielen anderen Heftromanproduktionen ist die Onlinepräsenz des Perry Rhodan-Produktionsteams hoch. Auf der Redaktionswebsite werden
88 Zu den Heftbeilagen siehe Kap. 5.2.3. 89 Siehe Kap. 5.2.3. 90 Siehe Kap. 6.3. 91 Von den aktuell aktiven TeamautorInnen haben sich vier für das Schreiben der Perry Rhodan-Serie ein Pseudonym zugelegt (Stand: März 2016). 92 Auf diese Funktion von Pseudonymen im Heftromanbereich, insbesondere innerhalb der Science-Fiction und Fantasy, weist auch Basener hin. Vgl. Basener 2010, S. 25. 93 Vgl. hierzu z.B. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Wim_Vandemaan, 20.03.2016. 94 http://www.perry-rhodan.net/wim-vandemaan.html, 20.03.2016.
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die AutorInnen mit eigenen Profilen vorgestellt, zudem präsentieren sie sich auch darüber hinaus auf unterschiedliche Weisen im Internet, so existieren zahlreiche Websites, Blogs und Twitter-Accounts von AutorInnen.95 Auch auf anderen Ebenen zeigt sich eine mediale Inszenierung von AutorInnen: So existieren „Werkausgaben“96 und „Gedächtnisbände“97 zu wichtigen Vertretern, und Autoren werden auf den Covern der Hefte gewürdigt. Auf dem Heftumschlag von PR Nr. 2538 etwa ist der kurz zuvor verstorbene Exposéautor Robert Feldhoff abgebildet, auch in früheren Zeiten waren bereits Autoren, sowie Redakteure und Zeichner, auf den Titelbildern von Heften zu sehen,98 und diese Praxis der Würdigung wurde auch nach dem „Stardust“-Zyklus fortgeführt. So ist ein Bild des 2015 verstorbenen Autors Rainer Castor auf dem Cover von PR Nr. 2832 zu sehen.
95 Die folgenden Internetseiten stellen eine Auswahl der Online-Präsentationsformen von Perry Rhodan-AutorInnen dar. Die verschiedenen Angebote werden ganz unterschiedlich intensiv betrieben und zum Teil auch phasenweise nicht weiterverfolgt – dies gilt insbesondere für die Twitter-Accounts. Websites von AutorInnen: Frank Borsch, vgl. http://www.frankborsch.de, 19.03.2016; Marc A. Herren, vgl. http://www.marcaherren.ch, 19.03.2016; Stefanie Jahnke, vgl. http://www.stefanierafflenbeul.de, 19.03.2016; Michael Marcus Thurner, vgl. http://www.mmthurner.at, 09.03.2016. Blogs von AutorInnen: Marc A. Herren, vgl. https://canarycation. wordpress.com, 19.03.2016; http://moesli.blogspot.de, 19.03.2016; Christian Montillon, vgl. http://www.christianmontillon.blogspot.de, 19.03.2016; Uschi Zietsch, vgl. http://blog.fabylon-verlag.de, 19.03.2016. Twitter-Accounts von AutorInnen: Frank Borsch, vgl. https://twitter.com/fborsch, 19.03.2016; Arndt Ellmer, vgl. https://twitter. com/ellmermail,
19.03.2016;
Oliver
Fröhlich,
vgl.
https://twitter.com/olifroe,
19.03.2016; Marc A. Herren, vgl. https://twitter.com/Canarycation, 19.03.2016; Christian Montillon, vgl. https://twitter.com/christmontillon, 19.03.2016; Michael Marcus Thurner, vgl. https://twitter.com/mmthurner, 19.03.2016. 96 Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Clark_Darlton-Werksausgabe, 19.03.2016. 97 Vgl.
http://www.perrypedia.proc.org/wiki/William_Voltz_Gedächtnisband,
2016. 98 Vgl. Schwettmann 2006, S. 66, S. 68, S. 72 und S. 166.
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Abbildung 5, 6 und 7: Porträts der Autoren Clark Darlton, Robert Feldhoff und Rainer Castor auf Heftcovern.
Quellen: PR Nr. 1007, PR Nr. 2538 und PR Nr. 2832.
Auch wenn Unterschiede zwischen den AutorInnen, wie gezeigt, deutlich wahrgenommen werden, findet seitens der LeserInnen eine Vereinheitlichung im Sinne eines Serienganzen statt. Betrachtet man die Aussagen zu den AutorInnen, so zeigt sich ein Spannungsverhältnis zwischen dem Herausheben Einzelner und einer Betonung des Gesamteindrucks. So schätzen einige LeserInnen explizit AutorInnen, deren Stil sich von der ‚Masse‘ der Texte abhebt. Dieter Rathgeb sagt: „Im Moment stechen so für mich, wenn wir mal rechnen, vielleicht so zwei, drei hier heraus. Der eine, weil er sehr witzig ist und der andere zum Beispiel, das ist der, der auch das Grundgerüst miterstellen tut. Ne? Wenn der ’n paar Sachen schreiben tut, das liest man dann auch aus den Heften raus.“99
Auch Jörg Reimann schätzt Autoren, die „nicht so gleichstromförmig schreiben, die ... äh, zum Beispiel Leo Lukas find’ ich ganz gut, die so ’nen eigenen Stil haben, der nicht so stromlinienförmig ist, so. Das beschreibt es eigentlich. Früher eben Hanns Kneifel, er hatte eben auch einen ... einen eigenen ... oder eigene Themen, die nicht so stromlinienförmig abliefen.“100
99 Interview mit Dieter Rathgeb vom 09.06.2011. 100 Interview mit Jörg Reimann vom 10.06.2011.
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Oliver Mohn äußert sich dahingehend anders, so sagt er über einen seiner favorisierten Autoren: „[D]er Frank Borsch schreibt ziemlich unauffällig, aber extrem spannend.“101 Auch Philipp Wetzler schätzt nicht nur AutorInnen, die sich deutlich abheben, wie er beschreibt: „Hubert Haensel liest sich nicht schlecht. Deswegen vermiss’ ich den auch. Und ... Wobei ich sagen würde, Hubert Haensel ist jemand, der ist kein Autor, der jetzt vielleicht irgendwie ’nen ganz bestimmten Stil hat, den man sofort erkennt, aber er ... er ist jemand, der sich sehr geschmeidig liest. Der sich gut ins Gesamtbild einfügt.“102
Der Autor wird offenbar genau deshalb für gut befunden, weil er Qualitäten hat, die sich erst als Teil des größeren Ganzen, des Stils der Serie, des Autorenteams entfalten. Gerade in den zahlreichen Interviews, in denen LeserInnen betonen, sie hätten keine bestimmten Vorlieben, was die SerienautorInnen betreffe („Im Moment ist’s eigentlich ziemlich ausgeglichen, ich hab’ da keinen, den ich bevorzugen würde“103, „Die schreiben eigentlich alle gut“104, „Gerade schreiben alle gut“105, „Die sind eigentlich alle gut“106 etc.), zeigt sich häufig eine deutliche Wahrnehmung der AutorInnen als Team. Folgende Passage aus dem Interview mit Carolin und Tobias Winter ist hier ein sprechendes Beispiel: „C. W.: Ja, und also im Moment grad ist es auch ein Autorenteam, das wahnsinnig toll ist. T. W.: Ja, tolles Team gerade. [...] C. W.: [...] Also es sind wirklich im Moment gerade sehr sehr gute Autoren dabei. I.: Habt ihr da bestimmte Lieblingsautoren jetzt aktuell?
101 Interview mit Oliver Mohn vom 30.06.2011. 102 Interview mit Philipp Wetzler vom 21.06.2011. 103 Interview mit Walter Fischer vom 16.06.2011. 104 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Anja Wendt. 105 Interview mit Carolin Winter und Tobias Winter vom 15.01.2009, hier: Tobias Winter. 106 Interview mit Melanie Speidel und Holger Speidel vom 02.05.2011, hier: Melanie Speidel.
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C. W.: Nee, eigentlich im Moment gerade nicht. T. W.: Gerade schreiben alle gut. [...] C. W.: [...] Das macht auch den Reiz dann einfach aus, eben gerade dieses, dass man nicht nur diesen einen Schreibstil hat und einfach unterschiedlich ... aber ich muss auch sagen, ich guck’ auch gar nicht großartig auf die Autoren. T. W.: Nö. Nur wenn’s mal ein richtig schlechter war, guckt man: ‚Oh Gott, was war das jetzt‘. ((beide lachen)) Ansonsten verschlingt man sie einfach.“107
Die unterschiedlichen Schreibstile machen einen Reiz aus, müssen aber, um sie genießen zu können, offenbar nicht unbedingt bestimmten AutorInnen zugeordnet werden. Auch in den Fällen, in denen die LeserInnen durchaus in der Lage sind, zwischen einzelnen AutorInnen zu unterscheiden, zeigt sich mitunter eine gewisse ‚Gleichgültigkeit‘ gegenüber der Leistung einzelner, so etwa in der folgenden Äußerung Melanie Speidels: „Es gibt manchmal Phasen, wo man sagt: ‚Okay der hat grad wirklich ... der schreibt grad wirklich extrem gut‘. Marc A. Herren oder Christian Montillon, zum Beispiel. Aber eigentlich sind sie alle gut. Die, wo grad schreiben, sind eigentlich alle grad ganz gut drauf. Sind ja einige relativ Junge neu dabei, haben bisschen frischen Wind reingebracht und das tut, glaub’ ich, ganz gut. Und das ist aber auch ... Die sind eigentlich alle gut.“108
Wenn sich Melanie Speidel nicht auf einen Lieblingsautor festlegt, kommt darin zum Ausdruck, dass sie das Team eben als Team schätzt. Das dynamische Modell der Serienproduktion erlebt sie dabei als positiv: Neue AutorInnen tragen zur Qualitätssteigerung bei. Ein Verständnis für die Besonderheiten der Autorschaft im Hinblick auf die Serienproduktion zeigt sich in vielen Interviews, und dies auf verschiedensten Ebenen. Wenn Katharina Weiß auf die Unterschiede in der Leistung einzelner Autoren hinweist, kommt ein Bewusstsein dafür zum Ausdruck, dass diese nicht
107 Interview mit Carolin Winter und Tobias Winter vom 15.01.2009. 108 Interview mit Melanie Speidel und Holger Speidel vom 02.05.2011, hier: Melanie Speidel.
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nur von den individuellen Fähigkeiten abhingen, sondern durch die Vorgaben der Serienproduktion geprägt seien, die der Autor erhalte: „Beim letzten Zyklus war’s so, dass ein Strang mir komplett nicht gefiel. Und den hat nur der eine Autor geschrieben. Es kann sein ... Also ich hab’ von diesem Autor bei Atlan Hefte gelesen, die mir super gefallen haben. [...] In der Erstauflage haben mir seine Romane gar nicht gefallen. Wie gesagt, das liegt vielleicht auch an der Thematik.“109
Anja Wendt äußert sich ähnlich, wenn sie zur Qualität der AutorInnen anmerkt: „Es hängt manchmal auch so ’n bisschen daran, wer was für ein Thema kriegt.“ 110 Im Interview mit Holger Speidel wiederum, der mitfühlendes Verständnis für das Schreiben eines schlechten Romans aufbringt, kommt ein weiterer Aspekt der seriellen Produktion zur Sprache: „Wir haben im Bekanntenkreis Leute, die sagen dann: ‚Ach, schon wieder ein Roman von dem und dem Autor, der kann ja nix sein‘. Find ich einfach schade. Man sollte nicht sagen, nur weil der Autor das ist, dass der Roman nix ist, weil (3) man täuscht sich da, glaub’ ich, oft. Es gibt immer wieder mal ... Weiß doch jeder von sich auch, dass er mal ’n schwachen Tag oder so hat. Wieso soll ’n Autor nicht auch mal ’n schwachen Roman hinlegen? Aber das hat, glaub’ ich, jeder Autor schon geschafft, einen schwachen Roman hinzulegen, aber es hat auch jeder Autor schon geschafft, einen wirklich erstklassigen Roman hinzulegen.“111
Speidels Äußerung ist nicht nur als Ausdruck des persönlichen Mitgefühls bzw. der generellen Sympathie für die AutorInnen zu werten. Hier kommt vielmehr gleichzeitig die Sichtweise zum Ausdruck, dass die serielle Produktion mit ihren eng getakteten Rhythmen das permanente Herstellen herausragender Werke erschwere. Zeitliche und inhaltliche Vorgaben verlangen eine rasche, kontinuierliche Produktion mit termingerechter Fertigstellung der Romane, deren Qualität in der Folge nicht immer überzeugen kann. Oliver Mohn spricht einen weiteren Punkt der Serienproduktion an, wenn er individuelle Entwicklungen bestimmter Autoren beschreibt:
109 Interview mit Katharina Weiß vom 26.05.2011. 110 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Anja Wendt. 111 Interview mit Melanie Speidel und Holger Speidel vom 02.05.2011, hier: Holger Speidel.
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„Ich hab’ bei ... also welche mir nicht so gut gefallen ... der Christian Montillon. Aber der wurde besser. Die haben am Anfang so ein bisschen fantasylastig geschrieben, es wird aber besser. Also es ist wirklich schon viel besser geworden und es gibt noch mal einen Autor (7) ... mmm, also fantasylastig abstrakt, da ... Wie heißt der Autor? [...] Wim Vandemaan. Den find’ ich ... Aber sie bessern sich. Also die haben sehr fantasylastig am Anfang geschrieben und, äh, (2) das hat mir ... aber die bessern sich. Es ist lang nicht mehr so fantasylastig und sie machen’s besser.“112
Hier kommt die Vorstellung zum Ausdruck, dass neue AutorInnen sich erst in die Serie hineinarbeiten müssten. Das „Bessern“ der Autoren ist hier in dem Sinne zu verstehen, dass mehr und mehr eine Annäherung an den Stil der Serie erfolgt. Die Fantasy-Elemente, die nicht dem Science-Fiction-Charakter von Perry Rhodan entsprechen, nehmen so, im Sinne einer besseren Integration ins Serienuniversum, im Laufe der Tätigkeit im AutorInnenteam ab. Wie bereits angesprochen, zeigt sich auch hier, dass es als positive Qualität eines Autors bzw. einer Autorin betrachtet wird, sich in das Gesamtbild der Serie einzufügen. Wenn die LeserInnen sich also zurückhaltend hinsichtlich der Bevorzugung bestimmter AutorInnen äußern, zeigt sich nicht etwa, dass sie keine unterschiedlichen Stile identifizieren können, sondern, dass für sie der Gesamteindruck im Vordergrund steht. Ein Bewusstsein dafür, dass es sich um eine Serienproduktion handelt, die mit der Produktion autonomer Einzelwerke nicht vergleichbar ist, zeigt sich bei vielen ProbandInnen. Hier geht es nicht um möglichst individuelle Produktionen, sondern darum, einen Teil zum Serienganzen beizutragen, etwa indem man ein Exposé, das ein bestimmtes Thema vorgibt, gut bearbeitet, indem man regelmäßig einen Beitrag zur Serie abliefert und indem man sich in den Gesamtstil der Serie integriert. Die vielen verschiedenen Einzelleistungen, die weit über das Entwickeln eines individuellen ästhetischen Stils hinausgehen, tragen – und dies ist den LeserInnen offenbar deutlich bewusst – zum funktionierenden Serienganzen bei. Die LeserInnen schätzen, so zeigt sich, eine Ästhetik, die sich in der Kooperation von seriellen Vorgaben bzw. serialitätsspezifischen Mustern der Produktion und den individuellen AutorInnenstilen entwickelt. Als wesentliche Akteure, die am Entstehen eines positiven Leseerlebnisses, an einer in ästhetischer Hinsicht erfolgreichen Lektürehandlung mitwirken, sind, wie sich hier zeigte, nicht nur die LeserInnen mit ihrem Serienwissen und ihren Präferenzen sowie die AutorInnen mit ihren jeweils persönlichen Stilen und spezifischen medialen Inszenierungspraktiken zu identifizieren. Auch die Serie selbst mit ihren seriellen Ei-
112 Interview mit Oliver Mohn vom 30.06.2011.
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genschaften, ihrem arbeitsteiligen Produktionsverfahren, ihrer zeitlichen Taktung sowie bestimmten stilistischen und inhaltlichen Anforderungen, ist hier maßgeblich beteiligt. 5.2.2 Figuren Die Hauptfiguren der Serie lassen sich, grob umrissen, in drei Gruppen einteilen: das Team um den Protagonisten, das das langfristig gleichbleibende Personal der Serie darstellt,113 daneben Charaktere, die innerhalb eines Zyklus oder auch darüber hinaus eine tragende Rolle einnehmen, jedoch auf lange Sicht nicht in der Serie bleiben, sowie eine Vielzahl weiterer Figuren, die den Hintergrund der Erzählung bilden und dabei durchaus auch zu zentralen Handlungsträgern einzelner Romane aufsteigen können. Im „Stardust“-Zyklus ist das langjährige Team mit Perry Rhodan, Reginald Bull, dem Arkoniden Atlan, dem Haluter Icho Tolot, dem Mausbiber Gucky sowie der geheimnisvollen Außenseiterfigur Alaska Saedelaere vertreten. Alle sind bereits seit den Anfangsjahren Teil der Serie.114 Daneben spielt Rhodans Gefährtin Mondra Diamond, die aus Gründen der Unbeliebtheit einige Zeit später aus der Serie entfernt wurde, eine weitere Hauptrolle.115 Auf der Seite der Gegner sind der Frequenzfolger Sinnafoch und dessen echsenartiger Gefährte Philip die am prominentesten vertretenen Figuren. Darüber hinaus beleben zahlreiche weitere Figuren die Handlung, von denen manche mehrere, viele aber auch nur einen Auftritt haben. Im Laufe der Seriengeschichte ist, gerade aufgrund des kurzfristig auftretenden Personals, eine große Figurenvielfalt entstanden. Das Serienwiki Perrypedia führt eine Liste zu den „Personen“ der Serie, die mehr als 16.000 Seiten enthält (Stand: März 2016).116
113 Hallmann spricht von einer „Ingroup“ (Hallmann 1979, S. 135) von Figuren, die „je nach Bedarf und Beliebtheit bei den Lesern, mehr oder weniger oft in Erscheinung treten.“ (ebd.). 114 Perry Rhodan und Reginald Bull traten in PR Nr. 1 (1961), Gucky in PR Nr. 18 (1962), Atlan in PR Nr. 50 (1962), Icho Tolot in PR Nr. 200 (1965) und Alaska Saedelaere in PR Nr. 404 (1969) erstmals auf. 115 Mondra Diamond hatte ihren ersten Auftritt in PR Nr. 1890 (1997). Nach teilweise heftiger Kritik innerhalb der Fanszene schied sie mit PR Nr. 2699 (2013) aus der Serie aus. 116 Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Kategorie:Personen, 22.03.2016.
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Abbildung 8: Hauptfiguren des „Stardust“-Zyklus.
Perry Rhodan
Reginald Bull
Atlan da Gonozal
Icho Tolot
Gucky
Alaska Saedelaere
Mondra Diamond
Sinnafoch
Philip
Quelle: Eigene Zusammenstellung nach Details aus den Covern der PR-Hefte mit den Nummern 2550, 2616, 2596, 2540, 2516, 2539, 2505, 2529 und 2594.
Die Nebenfiguren des Perryversums haben mitunter tragende Rollen in kürzeren Handlungsabschnitten, Teuscher bezeichnet sie sogar als „die eigentlichen Stars
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der Serie“ 117 . Tatsächlich äußern viele LeserInnen, dass solche Figuren einen wichtigen Reiz des Serienlesens ausmachten. So sagt etwa Oliver Mohn, ihm gefalle, dass die ProduzentInnen „manchmal skurrile Figuren entwerfen, skurrile Wissenschaftler. Es macht einfach ... Also der Fantasie sind da, glaub’ ich, keine Grenzen gesetzt, und das ist einfach ... Ich lass’ mich dann immer überraschen, und das macht auch Spaß wieder, welche ... welche neuen Charaktere kommen dazu?“118.
Gerd Brehm, zu dessen bevorzugten Handlungsabschnitten der Zyklus „Die Linguiden“ (PR Nr. 1500-1599) gehört, sagt, er habe diesen einerseits thematisch interessant gefunden: „[D]a geht’s um ein, äh, Volk von Friedenssprechern, die also versuchen, äh, durch Überzeugung, durch Bequatschen, durch Zueinanderführen, durch – neudeutsch – Moderation, äh, Konflikte zu entschärfen. Und das war also auch ’ne interessante Sache.“119 Andererseits habe er den Zyklus auch aufgrund der auftretenden Figuren geschätzt: „Und die Typen waren einfach nett. ((lacht)) Die Typen waren einfach ... Also diese, ähm, ähm ... Das waren kleine nette Typen, sozusagen. Ähm, die waren einfach, ähm ... Ja, die waren einfach sympathisch. Nachher ist das natürlich ’ne ganz dramatische, schreckliche Auflösung, aber, schietegal, aber die haben mir gefallen.“120
Nebenfiguren bzw. nur kurzfristig auftretende Charaktere machen die Serie interessanter, lebhafter, sympathischer. Zudem werden sie auch deshalb geschätzt weil sie, verglichen mit den SerienprotagonistInnen, eine Schilderung alltagsnä-
117 Teuscher 1999, S. 92. Vgl. ergänzend: „Die Serie hat einen recht begrenzten Stamm an Hauptfiguren. Diese haben meistens auch politischen Einfluß. Perry Rhodan selbst ist dabei nur selten die Hauptfigur, er ist überwiegend die Eminenz im Hintergrund. Er trifft zur richtigen Zeit die überwiegend richtigen Entscheidungen, kann sich auf die Unterstützung seiner Umgebung verlassen und sucht immer nach einer friedlichen Lösung für Konflikte. Seine menschlichen Qualitäten stehen über denen seiner Mitstreiter, er gilt als eine Art Übermensch. Neben Rhodan ist Atlan, sein enger Vertrauter, die zweite Hauptfigur der Serie. Getragen wird die Handlung jedoch von sogenannten Subhelden, die abwechselnd in den einzelnen Romanfolgen auftauchen“ (ebd.). 118 Interview mit Oliver Mohn vom 30.06.2011. 119 Interview mit Gerd Brehm vom 27.05.2011. 120 Ebd.
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herer Erfahrungen ermöglichen. Thomas Wendt etwa findet die „Randfiguren“121 deshalb interessant, weil sie im Unterschied zu den Hauptfiguren auch „Schwächen haben dürfen“122. Für Dieter Rathgeb repräsentieren solche Nebenfiguren, im Vergleich zu den Celebrities des Rhodan-Teams, die wichtige politische Größen der „Liga Freier Terraner“ sind, die eher alltägliche Besetzung der Serie, so sagt er: „[M]anche kleinen Leute, die sozusagen nebenbei da auftauchen, die sind auch sehr faszinierend. [...] Für mich ist so ’n bisschen wichtig, äh, nicht nur dieser Übermensch Perry Rhodan, der alles schafft, oder fast alles schafft. Wie viel tausend Toden der von welcher Schippe gesprungen ist, das kann man schon gar nicht mehr nachrechnen, also ist schon ... Der ist ’n Übermensch, so gesehen schon. Ne? Aber das ganze Faszinierende ... Es ist nicht so wichtig, dass da, äh, dieser Supermann, sozusagen, Perry Rhodan ist, sondern auch, was so nebenbei passiert, diese kleinen Geschichten nebenbei, die ... wo Menschen zum Beispiel über sich hinauswachsen oder ihnen was ... auf einmal so wichtig sind, ne? Das Leben auch. Empfind’ ich so ’n bisschen ... Das ist so ’n bisschen auch wichtig für mich.“123
Dass solche Nebenfiguren mitunter nach kurzer Zeit aus der Serie ausscheiden, bedauert er: „Bei manchen gibt’s dann auch, äh, wo du dann sagen tust: ‚Schade, dass du den nur in ein oder zwei Heften gelesen hast. War ’ne faszinierende Figur‘.“124 Thomas Wendt äußert sich ähnlich: „Und, äh, da gewinnt man dann auch so den einen oder anderen, äh, Liebling dann dazu, äh, die dann aber irgendwann wieder schnell verschwinden.“125 Matthias Specht nennt als Lieblingsfiguren mehrere Charaktere, die mitunter über längere Zeit nicht in der Serienhandlung präsent sind. So habe etwa die von ihm geschätzte Figur Monkey126 in dem ersten Zyklus, den er gelesen habe, „’ne ziemlich wichtige Rolle gespielt und das ist dann auch immer weniger geworden.“127 Eine weitere seiner Lieblingsfiguren ist die Superintelligenz ES128. Die
121 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Thomas Wendt. 122 Ebd. 123 Interview mit Dieter Rathgeb vom 09.06.2011. 124 Ebd. 125 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Thomas Wendt. 126 Monkey ist ein Agent und Chef der „United Stars Organisation“. Vgl. http://www. perrypedia.proc.org/wiki/Monkey, 25.03.2016. 127 Interview mit Matthias Specht vom 26.05.2011.
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Figur, die er aus seiner Lektüre der frühen Handlungsabschnitte her schätzt, habe im späteren Verlauf der Serie „kaum eine Rolle gespielt [...], also er ist immer noch geheimnisvoll geblieben, aber er hat keine Rolle mehr gespielt.“129 Dabei spricht Specht als generellen Aspekt von Serialität an, dass Lieblingsfiguren lange Zeit über nicht in Erscheinung träten, auch wenn sie noch im Reservoir der Serie vorhanden seien: „Das Problem ist, es gibt mittlerweile auch so viele potenzielle, ja, Hauptfiguren oder ... die dann ’ne wichtige Rolle spielen können, die verschwinden dann auch für ’ne Zeit lang. Und die hatten mal ... Die hatten mal ein, zwei, vielleicht drei Zyklusse ihre Hochphase, wo die dann viel benötigt wurden oder viele Auftritte hatten, und die verschwinden dann hinterher in der Versenkung dann auch.“130
Mit der Nennung nicht dauerhaft in der Serie präsenter Figuren als Lieblingsfiguren gehört Matthias Specht zu den Ausnahmen unter den LeserInnen. Aufgrund des ständigen Figurenwechsels stehen Nebenfiguren nur temporär im Fokus der Aufmerksamkeit und eignen sich vergleichsweise wenig dazu, sich zu Favoriten zu entwickeln. Während dies ein einigermaßen erwartbares Ergebnis darstellt, ist überraschend, dass auch der Serienheld äußerst selten als Lieblingsfigur genannt wird. Nur in drei Fällen wird er als eine unter anderen bevorzugten Figuren angesprochen, wobei zwei Leser sogleich Einschränkungen hinzufügen. „Perry Rhodan vielleicht ’n bisschen, aber er ist ’n bisschen Über-Über-Übermensch“131, lautet Dieter Rathgebs Antwort. Philipp Wetzler sagt, er habe die anfängliche Darstellung von Rhodan als klassischer „Actionheld“132 bevorzugt. „Heute ist Perry Rhodan jemand so, der sehr als jemand beschrieben wird ... immer diese große Verantwortung und immer ... immer die großen moralischen und ethischen Bedenken und, ähm, das ist mir manchmal ein bisschen zu viel dann. Also ich hab’s dann gerne so eher ‚Hau-drauf‘ und ...“133.
128 „Superintelligenzen“ sind Kollektivwesen, die seit den ersten Romanen Bestandteil der Serie sind. ES hat seinen ersten Auftritt in PR Nr. 19. Vgl. http://www.perrypedia. proc.org/wiki/ES, 25.03.2016. 129 Interview mit Matthias Specht vom 26.05.2011. 130 Ebd. 131 Interview mit Dieter Rathgeb vom 09.06.2011. 132 Interview mit Philipp Wetzler vom 21.06.2011. 133 Ebd.
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Die Figur wird von den LeserInnen häufig in Beziehung zu einer moralisch geprägten Grundidee der Serie gesetzt, wie sich auch in der Beschreibung Michael Schuberts zeigt: „[E]in Zusammenleben in fried- friedlicher Koexistenz, ja. Das ist praktisch das Vorgehen von diesem Perry Rhodan, ja? Und er trifft immer auf andere, die eben nicht so wollen. Und schlussendlich überzeugt dann diese Gewaltlosig-, in Anführungszeichen, Gewaltlosigkeit. Und das ist, ja, das ist ... das Motto gefäll- ... Das ist einfach toll. Ja. Wenn wir das hier auf der Erde durchsetzen könnten, das wär’ super. Und von daher war das immer der strahlende Held, ja, also, die Machtmittel besitzen, sie friedvoll ei- ... friedlich einsetzen zu können. Das hat mich schon immer fasziniert, auch wenn wir’s nicht können, ja.“134
Diese Sichtweise findet sich in den meisten Interviews wieder. Die Figur Rhodan verkörpert das moralische Prinzip der Serie.135 Die Kehrseite dessen ist, dass sie sich als wenig anschlussfähig erweist, was die Frage nach der „Lieblingsfigur“ betrifft, für die allzu große Perfektion offenbar eher hinderlich ist. Insbesondere in den Beschreibungen des Arkoniden Atlan da Gonozal,136 der von vielen als bevorzugter Charakter genannt wird, wird dies deutlich. Die Figur ist als Gegenentwurf, als alternativer Held zu Perry Rhodan angelegt. Im Gegensatz zu dem beherrscht und moralisch integer handelnden Astronauten wird der aus einem arkonidischen Adelsgeschlecht stammende „Kristallprinz“ als impulsiv und genussbetont beschrieben. Gerade aufgrund dieser Eigenschaften wird er von vielen LeserInnen geschätzt. Eine Sichtweise, die in Variationen häufiger auftaucht, tritt im Interview mit Carolin und Tobias Winter zutage: „T. W.: Deshalb gefällt er uns eigentlich dann auch, weil er nicht immer hier auf moralisch macht, sondern irgendwann platzt ihm der Kragen und dann macht er Krieg. ((beide lachen)) Dann macht er Krieg.
134 Interview mit Michael Schubert vom 22.06.2011. 135 Zur engen Verbindung des Helden mit der Moral der Serie vgl. auch Hallmann 1979, S. 136f. 136 Atlan entstammt einem arkonidischen Adelsgeschlecht, er gehört damit dem außerirdischen „Volk“ an, auf das die Mannschaft um Perry Rhodan bei ihrem ersten Flug zum Mond stößt. Er selbst tritt in PR Nr. 50 (1962) erstmals in Erscheinung. Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Atlan, 25.03.2016.
174 | P ERRY R HODAN LESEN C. W.: Auch wenn er ganz genau weiß, dass es nicht gut ist in der Situation, aber er ist einfach kein Diplomat. T. W.: Ja. C. W.: Und Perry Rhodan ist mittlerweile eher in dieser Diplomatenrolle drin. Und überlegt dann teilweise aber auch zu lang.“137
Neben dem mit Härte durchgreifenden Imperator ist Atlan auch ein Genussmensch. Nach der Beschreibung Jörg Reimanns ist er „jemand, der gerne gut isst und gut trinkt, äh, diese Rotwein-Szenarien und so weiter. Jemand, der, ja man könnte sagen, ein Womanizer ist, irgendwo.“138 Die Perrypedia führt eine in 18 Kapitel unterteilte Liste mit Atlans Gefährtinnen139 – selbst bei einem Lebensalter von über 23.000 Jahren ein nicht unbeträchtliches Quantum. Im Vergleich zum Protagonisten Rhodan ist Atlan offenbar die weitaus glamourösere Figur. Atlan steht für Spannung und unerwartete Wendungen in der Handlung, während Rhodan eher als statisch und vorhersehbar betrachtet und auch wortwörtlich als „langweilig“ bezeichnet wird. In der Beschreibung Jörg Reimanns kommt diese Unterscheidung pointiert zum Ausdruck. Er nennt Atlan als Lieblingsfigur, „[w]eil er ’n Außerirdischer ist. Und weil er der einzige, ähm, ... einzige Figur ist, die länger bei der Serie dabei war, die einige Ecken und Kanten hat. Während Perry Rhodan selber ist als Hauptfigur [...] eine der schwächsten Figuren, die man sich überhaupt vorstellen kann. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich mag lieber Perry Rhodan-Romane, wo Perry Rhodan selber als Person gar nicht mitspielt, weil er ist im Grunde wie ein ... er ist kein Mensch, sondern er ist ein ... ein ... ein Roboter, klinisch, ‚Sofortumschalter‘ wie man so sagt. Ähm. Er ist ... Er ist die personifizierte Langeweile als Persönlichkeit, für mich. Während bei Atlan weiß man schon, er hat seine Schwächen und er hat seine Eigenheiten. Und das ist etwas, ähm, was ich dann gut finde. Find’ ich sowieso in Literatur gut, weil es den Menschen etwas mehr so zeigt, wie der Mensch eben auch ist als so ’ne abgeschliffene, äh, weichgespülte Durchschnitts-, äh, Durchschnittsidol ... ein Durchschnittsidol.“140
137 Interview mit Carolin Winter und Tobias Winter vom 15.01.2009. 138 Interview mit Jörg Reimann vom 10.06.2011. 139 Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Atlans_Gefährtinnen, 22.03.2016. 140 Interview mit Jörg Reimann vom 10.06.2011.
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Aufgrund ihrer Anlage als Ideal mangeln der Figur Rhodan Eigenschaften, die ihr ‚Ecken und Kanten‘ verleihen, ja, individuelle Züge überhaupt. Ein Verlagsprospekt beschreibt Rhodan als „Prototyp des Menschen einer neuen Epoche, der sich als Bürger des gesamten Universums versteht – er ist ‚der‘ Terraner.“ 141 Hartmut Kasper hat die Figur Rhodan in einer literaturwissenschaftlichen Analyse als „Palimpsest“ beschrieben: „Die Figur Perry Rhodan selbst ist also keine irgendwie ‚naturalistische‘ Gestalt, die psychologisch homogen und sozial eindeutig verortet wäre; sie ist so etwas wie ein Palimpsest, ein wieder und wieder überschriebenes Pergament, dessen ältere und zugrunde liegenden Textschichten nie vollständig ausradiert worden sind und immer noch durchscheinen. Gleichzeitig bleibt er, dessen Jahrtausende alter Geist sich kaum realistisch darstellen ließe, gerade der Flächigkeit seines Charakters wegen ein Mensch wie du und ich: Keine Lieblingsspeise, kein Lieblingsgetränk legen ihn fest; keine Narbe traumatisiert ihn; nirgends ist er mehr zu Hause als überall; keine Konfession spaltet ihn von anderen ab. Wir wissen eigentlich nichts ‚Wesentliches‘ von ihm, und deswegen unterscheidet ihn ‚nichts Wesentliches‘ von uns. [...] Er ist nicht ein, sondern der ideale Space-Opera-Held.“142
Die geringe Eignung des Protagonisten als Lieblingsfigur entspringt offenbar ebendiesem Faktum. Sie ist damit wesentlich ein Effekt der Serialität, eine Folge der Konzeption Rhodans als Serienfigur. Die Offenheit des Charakters, seine Funktion als Projektionsfläche macht ihn zwar einerseits tauglich, die Serie im Ganzen sowie bestimmte abstrakte Ideen zu repräsentieren. Als Lieblingsfigur, im Sinne eines individuell gestalteten und beweglichen Akteurs auf der Handlungsebene, ist sie jedoch offenbar eben hierdurch wenig anschlussfähig. Es ist damit anscheinend kein Zufall, dass gerade Charaktere aus dem Team um den Serienprotagonisten am häufigsten als Lieblingsfiguren genannt werden – neben Atlan sind dabei auch Alaska Saedelaere und Gucky bei vielen beliebt. Zu einer Lieblingsfigur gehört es, dies zeigen die Interviews deutlich, Bewegung zu ermöglichen, Reibungsfläche zu bieten und auch Schwächen zu besitzen. Dadurch entstehen Aspekte, die einen emotionalen Anschluss gewährleisten und mit denen sich LeserInnen auseinandersetzen und identifizieren können. Insbesondere die Figuren, die auf der ‚mittleren‘ Ebene, zwischen dem Serienhelden und dem austauschbaren ‚Hintergrund‘-Personal, agieren, können dies leisten, indem sie einerseits befähigt sind, an langfristigen Entwicklungen mitzuwirken, andererseits nicht die Bürde der Gesamtlast des ideellen Konzepts zu tragen haben.
141 Vgl. Broschüre „Die Welt des Perry Rhodan“ (2013), o. S. 142 Vgl. Kasper 2004, S. 90-92.
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Ausschlaggebend dafür, welche Figur zur Lieblingsfigur wird, sind folglich nicht nur persönliche Vorlieben und Interessen der LeserInnen, die sich in Charaktermerkmalen des Serienpersonals wiederfinden, nicht nur spezifische Arten der Figurendarstellung seitens der AutorInnen, sondern auch das Prinzip der Serialität selbst, das spezifische Figurenkonstellationen und -eigenschaften bewirkt. Serialität schafft demnach auch hier spezifische ästhetische Anknüpfungsmöglichkeiten für die Lesenden. Serienfiguren wirken hieran mit, indem sie zwischen Serienästhetik und individuellen Lesebedürfnissen vermitteln. Sie stellen dabei nicht nur auf ideeller Ebene Verbindungen her, sondern stoßen auch bestimmte Umgangsweisen mit der Serie an. So vermitteln Serienfiguren beispielsweise zwischen der Lektüre unterschiedlicher Handlungsabschnitte der Serie, wie sich zeigt, wenn Katharina Weiß die Darstellung ihrer Lieblingsfigur Gucky beschreibt. Den Mausbiber kennt Weiß, gewissermaßen punktuell, einerseits aus den Serienanfängen, die sie in den Silberbänden rezipiert, und andererseits aus der aktuellen Erzählung, die sie in Form von E-Books liest. Für Weiß bildet Gucky einen Anknüpfungspunkt innerhalb der von ihr als von heutigen ästhetischen Darstellungsweisen und -inhalten der Serie weit entfernt empfundenen älteren Handlung. So schätzt sie, „dass er so im Kontrast zu dem ganzen Militärischen, was am Anfang der Serie war [, steht.] Ganz am Anfang waren’s ja nur drei, vier Autoren gewesen, und die haben sehr stark diese Weltraumschlachten gehabt und Militär und so weiter“143. Der Mausbiber repräsentiert also einen Aspekt der Handlung, der Katharina Weiß näher steht als andere, die sie in älteren Teilen der Serie vorfindet. Dabei bezieht sie die Darstellung der Figur direkt auf den Autor, der sie erfand: „Der Walter Ernsting war einer ... so ein freundlicher Mensch gewesen, und es gibt halt so ... Also ich hab’ so gehört, dass Karl-Herbert Scheer den mal beobachtet hat, wie er so mit ’ner Katze spielt und so weiter und dachte so: ‚Wir brauchen eine Figur so als Konträr zu dem ganzen Militär.‘ Und das wurde dann Gucky. Und den hat am Anfang wirklich eigentlich nur Walter Ernsting beschrieben, also die ganzen Romane von Walter Ernsting, beziehungsweise Clark Darlton dann als Kunstname ... Sobald ’n Roman von Clark Darlton ist, wird auf jeden Fall Gucky drin vorkommen.“144
Über die Darstellung des Mausbibers durch aktuelle Serienautoren wiederum sagt Weiß: „Einige können Gucky im aktuellen Zyklus nicht so gut. Aber das ist so, wenn ein Autor ihn immer beschrieben hat. Beim vorletzten Roman hat der
143 Interview mit Katharina Weiß vom 26.05.2011. 144 Ebd.
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Christian Montillon ihn sehr gut gemacht, fand ich. Das ist halt von Autor zu Autor unterschiedlich.“145 Anhand der Figur vollzieht Weiß also Veränderungen auf der thematischen Ebene nach, beispielsweise im Hinblick auf den Militarismus, stellt aber auch eine Wandlung ihrer Darstellungsweise fest, je nachdem, welcher Autor an ihrem Charakter weiterschreibt. Die Figur dient ihr als Verknüpfung zwischen den älteren und neueren Ausschnitten der Serienhandlung, die sie rezipiert. Auch über das zwischenzeitliche Schicksal Guckys ist Weiß informiert, obwohl sie die entsprechenden Romane noch nicht rezipiert hat: „Gucky wird wohl irgendwann ’n bisschen ’n Problem haben, weil er ist am Ende der Letzte. Der ist als einziger übrig, [...] ist der einzige Ilt, den es gibt. Kriegt natürlich irgendwann ’ne Krise. So weit bin ich halt noch nicht.“146 Die Figur bietet damit nicht nur einen Orientierungspunkt, an dem sich Serienerfahrungen festmachen lassen und Verknüpfungen entstehen können, sie gibt auch Anlass zu weiterem Nachforschen über noch nicht gelesene Serienabschnitte. Für Michael Schubert hat seine Lieblingsfigur Atlan eine ähnliche Funktion. Auch er begreift die Figur deutlich als durch einen bestimmten Autor geprägt. Befragt, warum er Atlan favorisiere, sagt er: „Das hängt wohl damit zusammen, dass dieser Atlan am Anfang von Hans Kneifel beschrieben wurde. Der hat die ... Der hat auch die Zeitabenteuer vom Atlan verfasst. Und der hat den einfach ... Es ist einer der besten Autoren von Perry Rhodan und der hat auch eigene Bücher und so weiter. [...] Ich les’ jetzt grad momentan auch noch einen AtlanSonderband. Ne, so nebenher, sind so vier oder fünf Bücher oder Heftle drin enthalten in einem Band. Und die sind alle von dem Hans Kneifel. Und das sind so Zeitabenteuer, wie der Atlan eben in der Vergangenheit der Erde [...], wie er da in die Geschichte der Menschheit eingegriffen hat. [...] Und die sind eben so, ha, so ... so echt, ja. Man ... Man meint, man ist dort gewesen, ja, so toll, der Kneifel. Super, ja. Und, äh, da hat dann immer der Atlan mitgespielt.“147
Die Figur, die in enger Verbindung mit ihrem Erfinder steht, dabei aber nicht immer von diesem beschrieben wird, regt auch über die Serie hinaus zur Lektüre an. Schubert liest nicht nur Atlan-Taschenbücher, sondern hat auch alle Hefte des Atlan-Heftroman-Spin-offs rezipiert.148 Darüber hinaus ist die Figur auch für seinen Zugang zur Hauptserie von enormer Bedeutung. Wie sich zeigt, liest
145 Ebd. 146 Ebd. 147 Interview mit Michael Schubert vom 22.06.2011. 148 Zum Atlan-Spin-off siehe Kap. 5.2.3.
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Schubert Perry Rhodan sehr selektiv und dabei in neuerer Zeit fast ausschließlich den Atlan-Handlungsstrang. Befragt, welche Hefte der Serie er bereits gelesen habe, sagt er: „Also durchgängig eins bis 500 auf alle Fälle. Und dann 700 bis 1200, auch durchgängig. Und dann wird’s ... wird’s mau. Und erst die letzten, so ab zwei-zwei ’rum, 2200, dann wird- ... hab’ ich wieder mehr und dann ... Da kam mal so ’ne S- Zeit ... Die splitten die Story ja auf. Mit verschiedenen Handlungsebenen. Und dann hab’ ich festgestellt, also zwei Handlungsebenen haben mir überhaupt nicht gefallen, die- ... hab’ ich die Romane einfach nicht gekauft, ja. Aber eine Handlungsebene, mit dem Atlan und sei- ... der ... und der SOL, ja, die hat mir so gut gefallen, dass ich immer nur die gekauft hab’. Und die mkonnte man ja fast schon ... Aha, da kamen vier Bände und dann hat man wieder nix und kommen wieder vier Bände und ... und so ... und so hab’ ich mich dann über die Hunderte hinweg getröstet, weil einfach ... dieser Rest hat mir nicht so gefallen.“149
Die enge Verbindung der Serienfigur – als Garant für Qualität – mit der mehrsträngigen Struktur der seriellen Erzählung bewirkt also die spezifische Art der Rezeption. Wie sich am Beispiel des Umgangs mit den Serienfiguren von Schubert und Weiß zeigt, haben diese zum einen die Funktion, die Serienlektüre zu koordinieren und zu entfalten, ebenso aber auch Möglichkeiten, sie zu begrenzen und zu kanalisieren, indem sie als spezifischer Zugang zur Erzählung dienen. In dieser Vermittlungsleistung der Serienfiguren zeigt sich wiederum deutlich, wie der Akteur Serie gerade in seiner Serialität wirksam wird. Serienfiguren schaffen, als spezifisch serielle Figuren, Affordanzen für die LeserInnen. Sie vermitteln dabei zwischen unterschiedlichen Ebenen der Lektüre und verursachen spezifische Praktiken im Umgang mit der Serie. Hierunter fallen vor allem die bei der jeweiligen Lieblingsfigur ansetzende zusätzliche Recherche und Lektüre.150 Serienfiguren laden zu Rezeptionsformen ein, die eng auf die serielle Ästhetik mit ihrer hochgradigen Entfaltung bezogen sind. Dabei bringen sie einerseits Diversifizierung im Sinne einer narrativen Ausdifferenzierung und Komplexitätssteigerung hervor, anderseits bieten sie einen Anhaltspunkt für Orientierung und Auswahl.
149 Interview mit Michael Schubert vom 22.06.2011. Bei der SOL handelt es sich um das Raumschiff, mit dem Atlan unterwegs ist. 150 Zu den materiellen Anschlussmöglichkeiten, die Serienfiguren bieten, siehe Kap. 6.4.3.2 und 6.4.3.3.
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5.2.3 Mediale Formate Die Heterogenität, die für die inhaltlichen und stilistischen Merkmale der Serie gilt, ist auch auf Ebene der Medialität anzutreffen. Perry Rhodan präsentiert sich gegenwärtig als hochgradig diversifiziertes Serienuniversum, das unterschiedlichste Medien einschließt. Die Serie ist damit nicht mehr als reines Heftromanoder Printprodukt anzusehen, sondern als vielgestaltiger „Medienverbund“ 151 , der durch neue verlagseigene Produktionen, jedoch vor allem durch Lizenzvergaben, ständig erweitert wird. 152 Es handelt sich hierbei nicht nur um eine mediale Ausdifferenzierung, sondern gleichzeitig um ein Aufsplitten der Erzählung, die hierdurch nicht mehr einsträngig linear, sondern vielfach verzweigt ist. In diesem Sinne ist Perry Rhodan als „Content-Universum“153 zu begreifen, in dem unterschiedliche Ausarbeitungen desselben „inhaltlichen Kerns“154 zusammenwirken und das damit neue Formen der Rezeption und Nutzung eines Stoffes
151 Bereits in den 1980er Jahren wurden innerhalb der kultur- und medienwissenschaftlichen Forschung Aspekte medialer Diversifizierung unter dem Begriff des „Medienverbunds“ bzw. des „Produktverbunds“ in den Blick genommen. Vgl. Klaus Jensen/Jan-Uwe Rogge (Hg.): Der Medienmarkt für Kinder in der Bundesrepublik. Tübingen 1980 (Untersuchungen des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen; 50); Christian W. Thomsen/Werner Faulstich (Hg.): Seller, Stars und Serien. Medien im Produktverbund. Heidelberg 1989 (Reihe Siegen; 89). Eine Untersuchung zum Science-Fiction-Genre in dieser Perspektive legte Manfred Nagl bereits 1981 vor. Vgl. Manfred Nagl: Science Fiction. Ein Segment populärer Kultur im Medien- und Produktverbund. Tübingen 1981 (Literaturwissenschaft im Grundstudium; 5). Der Bezug auf die materielle Seite des „Produktverbunds“ Perry Rhodan, der über die Serienmedien hinaus auch weitere Objekte umfasst, wird im Kapitel zum Sammeln behandelt. Siehe Kap. 6.4. 152 Zu den Medien und Produkten der Serie vgl. auch die ausführliche Liste, die die Perrypedia führt: http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Produkte, 16.03.2016. Im Folgenden wird zu den beschriebenen Medien jeweils die Perrypedia, als zuverlässigste und derzeit am langfristigsten online verfügbare Quelle, angeführt. 153 Den wirtschaftswissenschaftlichen Begriff des „Content-Universums“ macht Silke Günther für die sozialwissenschaftliche Analyse nutzbar. Vgl. Silke Günther: Serienheldinnen multimedial. Content-Universen zu nordamerikanischen Fernsehserien. Frankfurt a.M. 2007 (Beiträge zur Literatur- und Mediendidaktik; 13), zugl. Diss. Hamburg. 154 Ebd., S. 59.
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ermöglicht.155 Zu unterscheiden sind hier Medien, die die Haupterzählung transportieren und „Spin-offs“, die Komponenten der Hauptserie übernehmen und aus diesen neue Erzählungen generieren.156 Die Erstauflage bietet dabei die einzige Möglichkeit, die Haupterzählung in unveränderter Form zu rezipieren. Neuauflagen beinhalten stets mehr oder weniger stark modifizierte Texte. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die im Untersuchungszeitraum publizierten Medien gegeben. Die Haupterzählung der Serie in Printform war im Untersuchungszeitraum, neben der Perry Rhodan-Erstauflage, auch in den viermal jährlich erscheinenden „Silberbänden“, einer Hardcover-Ausgabe, erhältlich. 157 Daneben wurde 14täglich eine 5. Auflage der Serie in Form von Paperbacks herausgegeben,158 in der zeitgleich ältere Teile der Handlung erschienen.159 Darüber hinaus wurden zahlreiche Printausgaben von Spin-offs der Serie publiziert. Im Heftromanformat wurden hier im Untersuchungszeitraum in zweiwöchentlichem Rhythmus die Serie Perry Rhodan-Action (2008-2009),160 sowie, ein- bis zweimal pro Jahr, die Reihe Perry Rhodan-Extra (2004-2012) 161 veröffentlicht. Daneben erschienen
155 Vgl. ebd., v.a. S. 59f. 156 Zum Begriff des „Spin-offs“ Vgl. Rüdiger Petersen: „Serien-Spin-Off“ als Strategie der Programmentwicklung. Köln 2004 (Arbeitspapiere des Instituts für Rundfunkökonomie an der Universität zu Köln; 190), v.a. S. 9-12. 157 Die „Silberband“-Ausgabe erscheint seit 1978. Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/ wiki/Silberbände, 24.03.2016. 158 Die 5. Auflage erschien seit 1982 und wurde im Jahr 2013 eingestellt. Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Auflagen#5._Auflage, 24.03.2016. 159 Siehe auch Kap. 4.2.1. 160 Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Perry_Rhodan-Action, 24.03.2016. Die Serie, die – wie der Titel bereits deutlich macht – den Aspekt der Action in den Vordergrund stellt, war darauf angelegt, an Spannungsromanen interessierte LeserInnen auch jenseits der Perry Rhodan-Leserschaft anzusprechen. Laut Chefredakteur Frick gab es unter den LeserInnen dieser Serie, einer Umfrage zufolge, „eine große Überschneidung“ mit den LeserInnen der Bastei-Serien Sternenfaust, Maddrax und Zamorra. Die Perry Rhodan-„Stammleser“ hätten die Serie indes „zu trivial“ gefunden. Vgl. Interview mit Klaus N. Frick vom 10.02.2010. 161 Bis zum Jahr 2012 erschienen insgesamt 13 Folgen. Vgl. http://www.perrypedia. proc.org/wiki/Perry_Rhodan-Extra, 24.03.2016. Die Reihe „pausiert“ seitdem. Vgl. http://www.perry-rhodan.net/newsreader/items/perry-rhodan-extra-pausiert-408.html, 24.03.2016. Die Erzählungen der Reihe entfalten bestimmte Aspekte, geben Einblicke
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mehrere Perry Rhodan-Taschenbücher im Heyne-Verlag (2002-2011)162 sowie – in zweimonatigem Abstand – Perry Rhodan-Planetenromane als Taschenhefte (2009-2015)163. Zudem wurden diverse Spin-offs um die Figur Atlan publiziert, zu der bereits in den Jahren 1969 bis 1988 eine eigene Heftromanserie erschienen war.164 So wurde eine Hardcover-Ausgabe der Serie, intern als „Blaubände“ bezeichnet, veröffentlicht (1992-2014), 165 daneben mehrere Taschenbuchserien unter den Titeln Atlan (2006-2012)166 und Atlan-X (2009-2011)167. Ein Teil der Atlan-Taschenbuchserien wurde wiederum als Hardcover-Version, genannt „Grünbände“, (2009-2015) publiziert.168 Unter den zahlreichen weiteren Serienmedien gehören die E-Book- 169 und Hörbuchausgaben auf Grundlage der Printprodukte170 sowie die Hörspiele zu be-
in die Seriengeschichte und liefern Hintergrundinformationen zu den in der Hauptserie aktuell behandelten Themen. 162 Vgl.
http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Perry_Rhodan-Taschenbuchserien_(Hey
ne), 24.03.2016. Hierunter waren mehrere Mehrteiler, die, in Sammelbänden zusammengefasst, in den Jahren 2005-2009 erneut publiziert wurden. Vgl. http://www. perrypedia.proc.org/wiki/Sammelbände, 24.03.2016. 163 Bei den Planetenromanen handelt es sich um ein aus eigenständigen Romanen bestehendes Spin-off zur Serie, welches bereits seit 1964 in unterschiedlichen Taschenbuch- bzw. Taschenheftausgaben erscheint und bis heute fortgesetzt wird (Stand: März 2016). Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Planetenromane, 24.03.2016; http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Planetenromane_als_Taschenhefte, 24.03.2016. 164 Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Atlan-Heftserie, 24.03.2016. Zur AtlanHeftromanserie vgl. auch Klein 1976, S. 36 und S. 41; Hallmann 1979, S. 100 und S. 368-370; Werner G. Schmidtke: Das phantastische Abenteuer in 70 Jahren deutscher Heftgeschichte. Ein Serienbericht von damals bis heute. Braunschweig 1980 (Texte zur Heftromangeschichte; 3), S. 26; Olaf R. Spittel: Science-Fiction in der BRD. Zu Theorie und Vermarktung eines literarischen Genres. Berlin 1985, zugl. Diss., S. 19; Krämer 1990, S. 167f. und S. 171f.; Kempen 2003, S. 75. Zur medialen Diversifizierung der Atlan-Figur insgesamt vgl. Rüdiger Schäfer: Ein Außerirdischer als Freund der Menschheit. Atlan und die Atlan-Serie. In: Frick/Rohwer 2011, S. 8489. 165 Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Atlan-Blaubände, 24.03.2016. 166 Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Atlan-Taschenbuchserien, 24.03.2016. 167 Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/ATLAN-X, 24.03.2016. 168 Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Edition_Atlan, 24.03.2016. Eine Weiterführung der Serie befindet sich in Planung. Vgl. ebd. 169 Zu den Perry Rhodan-E-Books vgl. Berenz 2011a. Siehe auch Kap. 4.1.
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stimmten Handlungsabschnitten171 der Serie zu den auflagenstärksten und damit in der Rezeption am weitesten verbreiteten. Das bereits erwähnte Perry RhodanExtra-Spin-off kombiniert dabei den Heftroman mit Hörspiel- und HörbuchBeilagen.172 Andere Medien, wie etwa Comics173, PC-Spiele174 oder ein Rollenspiel175 zur Serie bilden zum Zeitpunkt der Untersuchung eher Randerscheinungen, die teilweise zwar in der Wahrnehmung innerhalb der ‚Serienöffentlichkeit‘ sehr präsent sind, jedoch nur in kleinen Auflagen produziert werden. Die erfolgte Übersicht deckt damit längst nicht alle Serienmedien ab, bildet jedoch die nötige Grundlage für die Einordnung der Mediennutzung der InterviewpartnerInnen im Perry Rhodan-Bereich. Für die LeserInnen des vorliegenden Samples gilt, dass ihr Schwerpunkt auf der Perry Rhodan-Erstauflage liegt. Darüber hinaus werden – oder wurden in der Vergangenheit – häufig die Silberbände, auch in der Hörversion, genutzt, um in die Serie ‚einzusteigen‘, aber auch, um die Anfänge der Serienhandlung kennenzulernen, nachdem zunächst nur die aktuelle Handlung rezipiert wurde. Andere Ausgaben werden genutzt, um die Serienlektüre gewissermaßen auszuweiten, also durch Zusatzerzählungen zu ergänzen. Die zahlreichen Spin-offs der Serie
170 Im Untersuchungszeitraum erschienen Hörbücher zur Erstauflage, den Silberbänden, Taschenbüchern, bestimmten „Jubiläumsromanen“ sowie zur Atlan-Serie. Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Hörbücher#Hörbücher, 24.03.2016. Zu Perry Rhodan-Hörbuchausgaben vgl. auch Berenz 2011b. Siehe auch Kap. 4.1. 171 Im Untersuchungszeitraum erschienen Hörspiele zum Perry Rhodan-Zyklus „Sternenozean“ sowie zum Atlan-Zyklus „Traversan“. Vgl. http://www.perrypedia. proc.org/wiki/Hörbücher#Hörbücher, 24.03.2016. Zu Perry Rhodan-Hörspielen vgl. auch Schwettmann 2006, S. 301-305. 172 Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Perry_Rhodan-Extra, 24.03.2016. 173 Ein Perry Rhodan-Comic erschien erstmals im Jahr 1968. Vgl. Kai Hirdt: Ein Bild sagt mehr als 2600 Hefte. Perry Rhodan im Comic. In: Frick/Rohwer 2011, S. 94-99, hier S. 95. Zu älteren Comicausgaben im Serienbereich vgl. ebd. sowie Hallmann 1979, S. 56-58; Schwettmann 2009, S. 158-166. 174 Im Jahr 2008 erschien das PC-Spiel Perry Rhodan – The Adventure, in den Jahren 2013 und 2015 die Spiele Perry Rhodan – Kampf um Terra und Perry Rhodan – Der Jahrmillionen-Feind.
Vgl.
http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Computerspiele,
24.03.2016. Zu Perry Rhodan-Computerspielen vgl. auch Schwettmann 2009, S. 166171. 175 Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Rollenspiel, 24.03.2016; Schwettmann 2006, S. 296-299.
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bieten hierzu unterschiedliche Möglichkeiten. Stefan Belting sagt, befragt, welches mediale Format ihm am liebsten sei: „Also im Moment ist mir tatsächlich der ... zum einen der Heftroman am liebsten, für so das Ständige und ... und ich denk’, ab und zu mal, äh, Bücher, um quasi so die, ja, die Begrenzung des Heftromans ’n bisschen ausweiten zu können, auch rein vom Umfang her, oder um auch mal andere Sachen auszuprobieren. Also dafür find’ ich diese HeyneBücher [Taschenbuchausgaben] dann ganz gut.“176
Zum Aspekt des Entfaltens in einem umfangreicheren Format ergänzt er: „Der Heftroman hat den Nachteil, denke ich: Er hat halt immer 68 Seiten. Oder, was weiß ich, 60 Seiten Text, äh, ’n Roman. Also rein diese ... diese räumliche Beschränkung, ähm, die in gewisser Hinsicht manchmal durchbrochen wird, indem halt Doppelromane, äh, gemacht werden, zusammenhängende Hefte und so weiter. Aber ’n Taschenbuch oder ’n richtiges Buch hat halt da noch mehr ... mehr Möglichkeiten“177.
Die Funktion des Ausweitens der Serienlektüre auf andere Themen und Bereiche jenseits der Hauptserie hat auch Markus Ehlers’ Nutzung des Perry RhodanRollenspiels. Dieses dient ihm dazu, das Serienuniversum imaginativ weiter auszugestalten: „Im Rollenspiel hat mich immer der Hintergrund fasziniert und, äh, ich hab’ mir das Rollenspiel hauptsächlich deshalb geholt, um mehr über die, äh, diese Welt zu erfahren. Das ist halt - In, äh, in ’ner Geschichte interessiert mich die Überlegung, warum haben Menschen was gemacht, wie haben sie gelebt, wie sah das aus, was für Gedanken, Gefühle, Wünsche müssen sie gehabt haben? Äh. Warum haben sie das gemacht, was sie gemacht haben, wie kam das dazu und, äh, bei einer guten Science-Fiction-Serie oder bei einer tiefgreifenden Hintergrundwelt möchte ich das auch erfahren. [...] Und, äh, da hab’ ich mir halt die Rollenspielsachen gekauft, da werd’ ich mir jetzt auch die neuen Veröffentlichungen irgendwann holen, alleine um ... um mein Wissen, um meine Vorstellung von dieser Hintergrundwelt ... von dieser Welt zu vertiefen.“178
Während einige LeserInnen also weitere Serienmedien neben der Erstauflage gezielt dazu nutzen, zusätzliche Seiten der Serie kennenzulernen, wobei die jeweils
176 Interview mit Stefan Belting vom 17.06.2011. 177 Ebd. 178 Interview mit Markus Ehlers vom 09.06.2011.
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spezifischen Qualitäten der Medien als Bereicherung erlebt werden, rezipieren andere, wie Oliver Mohn, bestimmte Erzählungen bewusst nicht, da sie das Serienuniversum um Aspekte erweitern, die nicht als zur Serie gehörig empfunden bzw. akzeptiert werden. Zur Atlan-Serie befragt, sagt er: „Ich weiß, dass es sie gibt. Aber ich hab’ ... Ich hab’ mal zwei oder drei Bücher gelesen in so ’nem Zyklus. Hat mir nicht gefallen. [...] Das driftet sehr stark ins Fantasy ab, es hat für mich ni- nichts mit Science-Fiction zu tun und dadurch ... Da tu ich mich einfach schwer. [...] Perry Rhodan ist sehr stark technik-basiert. Alles, was passiert, ist irg- ich sag’ mal, in Anführungszeichen, irgendwo durch die Wissenschaft begründet. Es hat nichts mit Fantasie, ... ähm, meiner Meinung nach nichts mit Fantasy zu tun. Und das ist das, was mir sehr gut gefällt. Und Atlan, das driftet so, pff, das driftet viel zu stark in die Fantasy ab.“179
Der Grund dafür, dass das Spin-off nicht rezipiert wird, liegt hier darin, dass es als zu weit vom Genrecharakter der Hauptserie entfernt empfunden wird. Das Charakteristikum von Spin-offs, bestimmte in der Serie angelegte Komponenten weiterführen zu können, wird also von LeserInnen ganz unterschiedlich wahrgenommen – als Bereicherung, aber auch als ‚Störung‘, die die Vorstellung vom Serienuniversum beeinträchtigt. Wie bereits anklang, spielt bei der Rezeption von Serienmedien neben der Hauptserie auch der Aspekt der Medienspezifik eine Rolle. Ein Beispiel hierfür ist das Hören der „Silber-Edition“, der Hörbuchversion der Silberbände. Neben dem Inhalt, der auch in Form von Büchern rezipiert werden könnte, ist hier offenbar auch die Medialität für die Wahl der Ausgabe entscheidend. Vor allem Gründe des Zeitsparens spielen für das Nutzen von Hörmedien eine Rolle, da parallel anderen Freizeitbeschäftigungen nachgegangen werden kann. Anja Wendt etwa, die angibt, aus Gründen der beruflichen Auslastung gegenwärtig wenig Zeit für Medienrezeption zu haben – so sehe sie etwa nur noch „sehr selektiv“180 fern –, nutzt nach wie vor häufig Hörspiele und Hörbücher: „[W]ir haben ja auch die Silberbände als Hörbücher und, ähm, eigentlich mit großer Leidenschaft, das, äh, kann man schön beim Sport hören, oder abends immer auf der Couch. Ich strick’ auch gerne, dann noch mal nebenbei ein Hörf-, äh, ein Hörspiel hören oder ein Podcast. Das ist, äh ... Das ist eigentlich geblieben.“181
179 Interview mit Oliver Mohn vom 30.06.2011. 180 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Anja Wendt. 181 Ebd.
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Auch Oliver Mohn, der momentan neben Perry Rhodan keine weitere Literatur rezipiert, da er hierfür keine Zeit habe – als Grund nennt er ebenfalls die Berufstätigkeit – nutzt häufig Hörbücher, die er meist abends im Bett hört. Die Hörbücher der „Silber-Edition“ besitzt er komplett: „[V]öllig irre, ich weiß. Aber ich komm’ ... Ich hab’ fast keine Zeit mehr zum Lesen. Und so ist das nebenher ein bisschen oder zum Einschlafen dann wieder perfekt.“182 Einerseits wird durch die genannten Formen der Serienrezeption demnach das Wissen über die Serienwelt vertieft bzw. es werden innerhalb dieser Welt zusätzliche Erfahrungsbereiche, neue Rezeptionsmöglichkeiten erschlossen. Andererseits werden die entsprechenden Angebote auch wegen ihrer spezifischen Medialität genutzt, die eine bestimmte, bevorzugte Weise der Nutzung ermöglicht. Insgesamt betrachtet, wird die Vielfalt an Serienmedien von den einzelnen LeserInnen sehr unterschiedlich stark in Anspruch genommen. Das Spektrum reicht von der ausgeprägten Rezeption auch weiterer Ausgaben neben der Erstauflage – inklusive der Komplettrezeption von Spin-off-Reihen oder -Serien – bis zur gelegentlichen Nutzung einzelner Medien. Katharina Weiß, die dabei kein Einzelfall ist, repräsentiert die eine Seite dieses Spektrums. Neben der Erstauflage rezipiert sie auch die Silberbände, liest darüber hinaus Taschenbücher sowie die Atlan-Heftromanserie und hört Hörbücher sowie mitunter auch Hörspiele. Von den fünf Büchern und Hörbüchern, die sie momentan abwechselnd rezipiere, stammten drei aus dem Perry Rhodan-Bereich. Mitunter unterbreche sie die Lektüre von Büchern, um mit der Lektüre anderer zu beginnen oder zwischenzeitlich Hörbücher zu hören. Eines der Taschenbücher, sagt sie, habe sie „so zur Hälfte gelesen, das liegt jetzt erst mal da, weil ich zwischendurch was @anderes angefangen hab’.@ Interessanterweise komm’ ich auch nicht durcheinander. ((lacht))“183 Für den weitaus größten Teil der LeserInnen gilt jedoch, dass sie aktuell weitere Serienmedien neben dem Heft nur in kleinerem Umfang nutzen. Regelmäßige Serienrezeption neben der Hauptserie, sei es lesend oder hörend, ist für viele offenbar schwierig zu bewerkstelligen. Dies zeigt sich beispielsweise, wenn Holger Speidel über die Atlan-Miniserien,184 die er und seine Frau lasen, ausführt:
182 Interview mit Oliver Mohn vom 30.06.2011. 183 Interview mit Katharina Weiß vom 26.05.2011. 184 Sieben jeweils zwölfbändige „Miniserien“ um den Protagonisten Atlan erschienen in den Jahren 1998 bis 2006. Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Atlan-Mini serien, 25.03.2016.
186 | P ERRY R HODAN LESEN „[D]iese Mini-Zyklen mit zwölf Bänden. Das fanden wir beide wirklich gut, weil es war überschaubar. Ah ja, zwölf Romane, die kriegt man irgendwo unter, vom Leseaufwand jetzt betrachtet, ne. Also, na ja, man weiß, das sind jetzt zwölf Romane, die holt man sich und liest sie, dann ist es okay. Aber wie sie dann ... Ja, es ist ... Die Zeit ist halt einfach ein begrenztes Gut. Und ich, ffff, wie gesagt, tu mir manchmal wirklich schon schwer, diesen ... Ja, deswegen habe ich immer wieder, äh, Leserückstände, einfach die Zeit pro Woche zu finden und ich ... Für eine andere Serie hätte ich gar nicht die Zeit.“185
Unter den LeserInnen des vorliegenden Samples werden meist nur kürzere Reihen oder Serien genutzt oder Teile bestimmter Ausgaben. Häufig wird nur hier und da ein einzelnes Heft oder Buch bzw. ein Tonträger rezipiert. Carolin und Tobias Winter etwa lesen „[i]mmer wieder mal“ 186 die HeyneTaschenbuchausgaben, bleiben dabei aber mit der Lektüre nicht auf dem Laufenden. „Eine Zeit lang haben sie mal einen nach dem anderen rausgehauen, das war dann so viel zu lesen. Wir haben sie zwar, aber wir müssen sie, glaube ich, noch lesen“187, sagt Tobias Winter. Dass die häufige Rezeption von Serienmedien neben der wöchentlichen Serie als großer Aufwand betrachtet wird, zeigt sich auch, wenn Anja und Thomas Wendt, die neben der Erstauflage auch die Hörbücher rezipieren, die Frage verneinen, ob sie sie auch einmal andere Auflagen der Serie gelesen hätten: „T. W.: Nein, nein, nein. Also, äh, fünfte Auflage kommt ja auch noch, da fängt jetzt auch der Zyklus an, der neue, aber ... ähm. Da tut man sich auch keinen Gefallen, wenn sich die Hefte stapeln und man, äh, sie A. W.: T. W.: ... äh, dann kommt man nicht so hinterher, also von daher ... Und irgendwann ist es auch zu viel, also manchmal, äh, hör’ ich dann auch gar kein Hörbuch mehr für ein oder zwei Wochen. Wenn man dann irgendwie so ’n ... so ’n ... so ’ne Überdosis mal bekommen hat, dann liest man nur das Heft und dann, äh, liest man noch ’n anderes Buch neben-
185 Interview mit Melanie Speidel und Holger Speidel vom 02.05.2011, hier: Holger Speidel. 186 Interview mit Carolin Winter und Tobias Winter vom 15.01.2009. Beide InterviewpartnerInnen benutzen diese Wendung. 187 Ebd., hier: Tobias Winter.
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her und, ähm, dann, ähm, muss man es auch nicht übertreiben. Also man will ja nun auch Spaß an der Sache haben, ne. Dann lieber nicht überdosieren. ((lacht leicht))“188
Es lässt sich damit festhalten, dass das Verhältnis der LeserInnen zu der diversifizierten Serie in zwei Richtungen tendiert. Die Serialität regt einerseits offenbar dazu an, weitere Erzählungen neben der Hauptserie entdecken und dabei Perry Rhodan auch in anderen Medien erleben zu wollen. Andererseits verhindert gerade der Fortsetzungscharakter, dass regelmäßig weitere Produkte neben der Hauptserie rezipiert werden. In vielen Fällen werden unterschiedliche Medien getestet, ohne dass hierbei jedoch Wert auf Vollständigkeit gelegt würde. Es handelt sich eher um ein ‚Browsen‘, was der Serienbereich neben dem bekannten Format noch zu bieten habe. Die Heftromane werden dabei gegenüber anderen Medien der Serie nicht nur häufiger, sondern auch ausdrücklich bevorzugt genutzt, und dies nicht nur deshalb, weil sie die aktuelle Haupterzählung enthalten, sondern auch aufgrund ihrer medialen und materiellen Spezifika. 189 Zu dieser Präferenz trägt zum einen der Printcharakter bei. Die ProbandInnen sind fast allesamt VielleserInnen. 190 Die meisten berichten, dass sie bereits als Kind sehr viel lasen und größtenteils setzte sich diese Praxis bis in die Gegenwart fort. Alle lesen auch heute noch äußerst gerne und betrachten Lesen als ihr Hobby. Mit der Begeisterung für das Lesen ist eine hohe Affinität zu Printmedien verbunden. Die Handhabung von Heften wie Büchern wird – gerade auch gegenüber den Bildschirmmedien – geschätzt.191 Dies gilt auch für die E-Book-NutzerInnen des Samples. Was den Heftroman dabei von der Anmutung eines Buches deutlich unterscheidet, sind diverse „paratextuelle“192 Elemente, die seinen Charakter prägen.
188 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011. 189 Siehe hierzu auch Kap. 4. 190 Mit Ausnahme von Walter Fischer und Oliver Mohn, die aktuell neben Perry Rhodan keine weitere Literatur rezipieren, lesen alle auch über die Serie hinaus recht viel. Dies entspricht Befunden der bereits erwähnten Studie der GfK, der zufolge Perry Rhodan-LeserInnen im Vergleich zu anderen Belletristik-LeserInnen überdurchschnittlich häufig angeben, in ihrer Freizeit gerne Bücher zu lesen. Vgl. GfK 2008, S. 27. 191 Siehe auch Kap. 4.3.2. 192 Zum Begriff „Paratexte“ vgl. Gérard Genette: Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buches. Frankfurt a.M. 2001 (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft; 1510). Jonathan Gray macht am Beispiel von Paratexten zu Kino- und TV-Filmen auf anschauliche Weise deutlich, dass diese bei der Interpretation eines Werkes ebenso berücksichtigt
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So sind etwa die Heftroman-Cover ein nicht zu vernachlässigender Aspekt des Lektüreerlebnisses. Dies zeigt sich nicht nur, wenn beim Titelbildraten auf Fanveranstaltungen LeserInnen in der Lage sind, aus den über 2000 Covern eines mit Sicherheit zu erkennen. Frank Zelter äußert sich bewundernd über solche Fähigkeiten: „An diesem ‚Ranch Con‘ ist ein Teil des Unterhaltungsprogrammes Titelbildraten. Und zwar in Form einer Powerpoint-Präsentation wird ein kleines Eck von dem Cover, also ein kleines Viereck gezeigt. Wenn man Glück hat, sieht man irgendwo ein Gesicht oder eine Handlung. Wenn man Pech hat, ist es also nur hier so ein Stück blauer Himmel, irgendwo. Und dann kommt noch ein Stück dazu und noch ein Stück dazu und noch ein Stück. Und den echten Fan macht’s aus, und da haben wir einige bei uns am Stammtisch, da ist ein kleines Stück blauer Himmel, wirklich, also auf’m Heft, in Originalgröße wären’s zwei auf zwei Zentimeter, so in der Größe. Und dann springt einer auf und sagt: ‚Heft 687, der Angriff von XY, Autor so und so‘.“193
Entsprechende Fans haben freilich einen Zugang zur visuellen Ebene der Serie, der über den durchschnittlicher LeserInnen deutlich hinausgeht. Jedoch wird am Beispiel des vorliegenden Samples sichtbar, dass das Cover für die Rezeption vieler LeserInnen eine Rolle spielt. Dies zeigt sich etwa in den Erinnerungen an die frühe Serienlektüre, wie bereits im Kapitel zu den Kioskerfahrungen anklang.194 Die Kioskgänger schildern häufig, dass sie als Kinder oder Jugendliche von den Titelbildern der Hefte beeindruckt waren und dass diese zum Einstieg führten. Markus Ehlers sagt, ihn habe ein Perry Rhodan-Cover so sehr „gereizt“195, dass er das Heft gekauft habe, und auch Philipp Wetzler spricht von den „bunten Heftchen [...] mit diesen schönen Science-Fiction-Titelbildern“196, die einer der Gründe gewesen seien, weshalb er „überhaupt angefangen habe, das zu kaufen“ 197. Auch weitere Leser beschreiben, dass sie das Cover attraktiv
werden müssen wie die Texte selbst. Vgl. Jonathan Gray: Show Sold Separately. Promos, Spoilers, and Other Media Paratexts. New York u.a. 2010. 193 Interview mit Frank Zelter vom 16.06.2011. Bei dem genannten „Ranch-Con“ handelt es sich um eine Fanveranstaltung in der Nähe von München. Der Schilderung Zelters entsprechen meine eigenen Beobachtungen auf dem Garching-Con 2009. Zu Perry Rhodan-Conventions und -Stammtischen siehe auch Kap. 6.1. 194 Siehe Kap. 4.2.3. 195 Interview mit Markus Ehlers vom 09.06.2011. 196 Interview mit Philipp Wetzler vom 21.06.2011. 197 Ebd.
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fanden. Gerd Brehm etwa sagt auf die Nachfrage hin, ob das Cover dazu beigetragen habe, dass ihn die Serie ansprach: „Da fragen Sie mich Sachen. Ich werd’ in diesem Jahr 60. Damals war ich zwölf, 13 Jahre alt. Ja doch, doch, hat. (2) Hat. [...] Ich hab’ mir zuerst diese Titelbilder angeguckt. Und dann hab’ ich die Nummern sortiert, und dann hab’ ich bei dem frühesten angefangen zu lesen. Das waren so 70er, 80er Bände, und da waren ganz komische Typen drauf und so. Und das war ja schon spannend. Ja, die Titelbilder haben mich, äh, haben mich da rangeholt, zu lesen.“198
Auch im Zusammenhang mit der aktuellen wöchentlichen Heftlektüre wird der Reiz des Covers beschrieben. Für Oliver Mohn bildet dieses jede Woche ein Highlight seines Heft-Abonnements: „Das Erste, was ich machen muss: Ich reiß den Aufschlag ... den Umschlag auf, nehm’ das Heft raus, guck’ mir’s Titelbild an. Also ich glaube, ohne ... Also die machen sehr, sehr gute Titelbilder. Ich kenn’ die ganzen Figuren. Titelbilder sind mal besser, mal schlechter, aber ich glaub’ ... ich glaube, ja, das ist vielleicht ein Grund. Also die Titelbilder sind sehr gut, das ist glaub’ ich ein ganz wichtiges Erkennungsmerkmal für die ... für die Serie.“199
Obwohl es auch hier einige Gegenbeispiele gibt, betrachten viele LeserInnen die Cover als einen wichtigen Bestandteil der Rezeption. Die Titelbildzeichner sind den LeserInnen zwar nicht in demselben Maße bekannt wie die AutorInnen der Serie, jedoch nennen viele auch Illustratoren namentlich. Insbesondere Johnny Bruck, der von 1961 bis zu seinem Tod im Jahr 1996 einziger Zeichner der Serie war und damit deren Ästhetik wesentlich prägte,200 ist den LeserInnen ein Begriff. Aber auch neuere ZeichnerInnen werden genannt – seit Brucks Tod wirkten insgesamt 15 Illustratoren an der Gestaltung mit. Zum „Stardust“-Zyklus tru-
198 Interview mit Gerd Brehm vom 27.05.2011. 199 Interview mit Oliver Mohn vom 30.06.2011. 200 Zu Johnny Bruck vgl. auch Schwettmann 2006, S. 164-166; Schwettmann 2009, S. 130f. Zum Schaffen Brucks liegen darüber hinaus zwei Bildbände vor. Vgl. H. G. Francis/Horst Hoffmann: Johnny Bruck. Herr über 3000 SF-Welten. Rastatt 1984; Frank G. Gerigk: Perry Rhodan-Illustrator Johnny Bruck. Der meistgedruckte Künstler des Universums. Moers 2013.
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gen, mit Swen Papenbrock, Dirk Schulz, Alfred Kelsner, Jorg de Vos, Michael Peter, Horst Gotta und Peter Eickmeyer sieben ZeichnerInnen Titelbilder bei.201 Bei der Coverrezeption zeigen sich mitunter spezifische ästhetische Vorlieben. Die LeserInnen unterscheiden dabei verschiedene Stile innerhalb der Serie. Stefan Belting etwa bevorzugt die Cover von Johnny Bruck, die neueren gefielen ihm nicht durchgehend, wie er sagt: „S. B.: [...] Johnny Bruck hat die ja bis 1800 gemacht, bis Band 1800. Und jetzt im Moment sind’s ja vier Autoren [meint wohl Zeichner], das ist ein bisschen unterschiedlich, aber eigentlich, im Großen und Ganzen find’ ich das schon ... schon sehr gut. I.: Mh. Was gefällt Ihnen daran? S. B.: Mmm. Also ich bin größerer Fan von, sagen wir mal, den ... den ... mehr WeltraumMotiven, die macht vor allen Dingen Alfred Kelsner. Wobei ja manchmal, äh, also m- ... wobei es nicht immer so geglückt ist. ((lacht leicht)) Manche neueren Bilder sind mir etwas zu comichaft, manchmal. Ähm. Ja, doch, tatsächlich, ich bin Fan von diesen Raumschiff- und klassischen Weltraum-Motiven.“202
Ein weiterer Aspekt der Cover, der erwähnt wird, ist deren Bezug zu den Inhalten der Texte. Thomas Wendt etwa sagt über die Gestaltung: „[G]rundsätzlich find’ ich, äh, die sehr gut. Ähm. Ich versuche auch immer die ... die ... die Cover, äh, dann im Heft wiederzufinden, im ... im Text. Ähm. Ähm, ob d- ... Manchmal passt es, manchmal passt es nicht, manchmal find’ ich das auch gar nicht wieder, was illustriert wurde. Äh, die Szene [...]. Also ich guck’ da schon ’ne ganze Weile drauf und versuch’ da Details zu entdecken.“203
201 Von Swen Papenbrock und Dirk Schulz stammen jeweils 32, von Alfred Kelsner 26 und von Jorg de Vos 4 Bilder. Die weiteren Titelbilder des Zyklus sind Gemeinschaftsproduktionen Dirk Schulz’ mit den Zeichnern Michael Peter (4 Bilder), Horst Gotta (1 Bild) und Peter Eickmeyer (1 Bild). Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/ wiki/Titelbildzeichner-Statistik_der_Perry_Rhodan-Serie, 25.03.2016. Zu den Zeichnern der Serie vgl. auch Schwettmann 2009, S. 130-140. 202 Interview mit Stefan Belting vom 17.06.2011. 203 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Thomas Wendt.
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Matthias Specht befindet über die Titelbilder: „Die passen in der Regel wie die Faust auf’s Auge zu dem Roman“204. Die Abbildungen machten die Inhalte der Serie für ihn plastisch: „Ja, die vermitteln auch ’n guten Eindruck davon, von gewissen, ja, Gebäuden oder auch Personen oder Handlungen, die da in dem Roman drin vorkommen. Also von daher find’ ich die eigentlich schon ziemlich wichtig dann auch. Also es gibt ... Man hat Bilder von der SOL oder von der Solaren Residenz, dann hat man ... Man hat dann ... Man hat’s dann ... Man hat mal etwas vor Augen dann auch richtig.“205
Jörg Reimann schätzt an der Covergestaltung sowohl ihren Bezug zum Inhalt sowie ihre Ästhetik. Ihm gefällt, „dass sie tatsächlich auch was mit dem Roman zu tun hat, dass sie also tatsächlich auch ’ne Umsetzung, äh, des Romans ist und nicht einfach irgendwelche Sachen, die am Markt irgendwo eingekauft werden. Ähm. Und ... sind eigentlich als Science-Fiction-Cover gut. Also find’ ich ... find’ ich ... auch als ... ich bin jetzt kein Experte, aber so als ScienceFiction-Kunst gefällt sie.“206
Auch die Innenillustrationen sind den LeserInnen mitunter wichtig. Hierbei handelt es sich um meist einseitige Schwarz-Weiß-Abbildungen, die sich in nahezu jedem Romanheft finden.207 Diese unterscheiden sich stilistisch zum Teil stark von denen der Cover, mitunter sind hierfür andere Zeichner verantwortlich. So stammen viele Bilder des „Stardust“-Zyklus von Michael Wittmann, der nicht zu den Titelbildillustratoren gehört.208 Einigen LeserInnen gefallen die Zeichnungen im Innenteil der Hefte sogar besser als die Titelbilder. Katharina Weiß etwa, der nach eigener Aussage Cover nicht wichtig seien, da es ihr eher auf den „Inhalt“209 ankomme, findet „manchmal [...] sogar die Innenillustrationen schöner als die, äh, Cover selbst.“210 Über eine Darstellung ihrer Lieblingsfigur Gucky,
204 Interview mit Matthias Specht vom 26.05.2011. 205 Ebd. 206 Interview mit Jörg Reimann vom 10.06.2011. 207 Im „Stardust“-Zyklus befand sich in jedem Heft eine Innenillustration, in seltenen Fällen waren zwei Bilder enthalten. In früheren Zeiten der Serie befanden sich mitunter auch mehrere solcher Abbildungen in einem Heft. 208 Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Innenillustrationen_25, 25.03.2016. 209 Interview mit Katharina Weiß vom 26.05.2011. 210 Ebd.
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die diesen in Umarmung mit seiner Frau Iltu zeigt, freute sie sich besonders, als ein Bekannter sie ihr zukommen ließ. Ein weiteres wichtiges Moment der Heftromanlektüre macht das Rezipieren der Beilagen der Hefte aus. Hierzu gehören, wöchentlich erscheinend, die „Leserkontaktseite“211 sowie der „Kommentar“, der technische oder astronomische Hintergründe zur Serienhandlung vermittelt und über bestimmte „Völker“ oder Handlungsorte informiert, daneben das „Glossar“, das wichtige Begriffe aus der Serie erläutert. In vierwöchigem Rhythmus sind die „Clubnachrichten“ mit Berichten über die Fanszene, Raumschiff-Risszeichnungen212 sowie der „Report“, der verschiedene Beiträge zu Themen aus der Serie oder dem Umfeld versammelt (PR Nr. 2512 etwa behandelt das Thema Atlan, PR Nr. 2520 Berichte über einen Fanfilm zur Serie, über Veröffentlichungen des Gründungsautors K. H. Scheer sowie über ein Turnier zum Perry Rhodan-Sammelkartenspiel). Alle acht Wochen erscheinen, jeweils im Wechsel, das „Journal“ mit Nachrichten aus Wissenschaft und Technik (in PR Nr. 2510 wird schwerpunktmäßig über ein Infrarot-Observatorium berichtet, in PR Nr. 2550 über die Geschichte der Milchstraße) sowie die Kurzgeschichten um das Raumschiff Stellaris, die von AutorInnen der Serie, aber auch von Fans geschrieben werden.213 Für viele LeserInnen sind die Beilagen selbstverständlicher Bestandteil der Heftlektüre. Gerade die technischen Hintergrundinformationen und wissenschaftlichen Berichte, die auf verständlichem, jedoch nicht anspruchslosem Niveau gehalten sind, finden das Interesse vieler LeserInnen, so etwa das von Matthias Specht: „[W]as ich persönlich auch interessant finde an den Heftromanen bei Perry Rhodan ist, dass da öfters mal so interessante Beilagen dann noch mal in ((hustet)) halbwegs regelmäßigen Abständen dabei sind, die dann irgendwie was zur Weltraumforschung dann machen oder irgendwelche Projekte, die damit irgendwie so im Zusammenhang stehen, wo man sonst so auch nicht so drauf achten würde.“214
211 Zur „Leserkontaktseite“ siehe auch Kap. 6.2.2. 212 Zu den Risszeichnern der Serie vgl. Schwettmann 2009, S. 141-157. Zu den Perry Rhodan-Risszeichnungen wurden bereits diverse Sammelbände veröffentlicht. Vgl. Diwo
1995,
S.
22;
http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Risszeichnungsbände,
25.03.2016. 213 Dies betrifft die im „Stardust“-Zyklus enthaltenen Beilagen. Was im Heft enthalten ist, variiert im Laufe der Serie. Viele der Beilagen haben jedoch eine hohe, mitunter jahrzehntelange Konstanz. 214 Interview mit Matthias Specht vom 26.05.2011.
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Über die Beiträge sagt er: „Die haben dann in der Regel auch ’n, ja, doch praktisch irgend’n Bezug auch zur Serie.“ 215 Es sei interessant, die Science-FictionLektüre „mit dem wissenschaftlichen Stand dann abzugleichen.“216 Es wird also ein Bezug zwischen Romaninhalt und Beilagen hergestellt, die in ihrer Wechselseitigkeit rezipiert werden. Gerd Brehm liest gerne den „‚PR-Kommentar‘ vom Rainer Castor, weil da ist das, was in der heutigen ... in dem heutigen Bereich ’n bisschen fehlt, da sind auch technische Hintergründe für irgendwas. Der Rainer Castor ist ja so der Technik-Papst in der Serie und, äh ... Also das les’ ich immer und das les’ ich sehr intensiv. Weil der also derjenige ist, der dafür sorgt, dass also sowohl ’n historischer Hintergrund entsteht, der in den Romanen einfach gar nicht so vermittelt werden kann, und der ebenfalls, das ist sein zweiter Punkt, auch für den technischen Background sorgt.“217
Die Beilage dient hier zur Ergänzung der Romanlektüre, indem sie Aspekte entfaltet, für die, nach Ansicht des Lesers, in den Romanen selbst zu wenig Raum ist. Im Lesen der Beilagen besteht ein deutlicher Unterschied zwischen Heftroman- und Buchrezeption. Wie die zwei Beispiele zeigten, steht die Lektüre der Beilagen dabei in engem Bezug zur Rezeption der Romane und stellt damit nicht nur eine Ergänzung dar, sondern macht die Romanlektüre selbst wiederum interessanter. Die Nutzung der Perry Rhodan-Hefte, die gewissermaßen eine Mixtur aus Heftroman und klassischem Science-Fiction-Magazin darstellen,218 ist demnach mit einer reinen Romanlektüre nicht gleichzusetzen. Rainer Weygandt beschreibt das Format folgendermaßen: „Es ist ja praktisch eine Mischung aus Zeitschrift und, äh, äh, Fiction, ne. Also das gibt’s ja so nicht, außer bei einer Literaturzeitschrift, aber die ist dann oft nicht sehr unterhaltsam. ((lacht)) Und genau, vielleicht ist das die Formulierung: Das ist eine wunderschöne Mischung aus Zeitschrift, also da kannst im ‚Perry Rhodan-Report‘ mal schmökern und
215 Ebd. 216 Ebd. 217 Interview mit Gerd Brehm vom 27.05.2011. 218 Wie Krämer beschreibt, ist für die frühen US-Science-Fiction-Magazine eine „Verbindung von belletristischen Beiträgen mit Sachartikeln und Rezensionen“ (Krämer 1990, S. 200) kennzeichnend. Vgl. ebd.
194 | P ERRY R HODAN LESEN auf der ‚Leserkontaktseite‘ mal was lesen oder mal eine Risszeichnung bestaunen und hast dann deinen Roman dabei.“219
Dieser Zeitschriftencharakter des Heftes äußert sich auch in den Lektürepraktiken. Er kommt vor allem in einem häufig praktizierten Durchblättern des Heftes zum Ausdruck. Hierbei werden oftmals zunächst die Beilagen rezipiert, ohne bereits den Romantext zu lesen. Im Falle von Stefan Beltings Lektüre rahmt die Beilagenrezeption die Romanrezeption. So beginnt er gewöhnlich mit der „Leserkontaktseite“ und liest den „Report“ meist im Anschluss an die Lektüre des Romans. Die Lektüre ermöglicht partitionierte Nutzung also auch durch die Aufteilung des Heftinhalts selbst in verschiedene Bereiche. Die Erlebnismöglichkeiten des Heftromans unterscheiden sich damit nicht nur durch die Kürze der Texte von einem Roman im klassischen Sinne. Gerade durch das – nicht nur ergänzende, sondern in Beziehung zum Romantext genutzte – Bild- und Textmaterial zeichnet sich die Rezeption von Heftromanen gegenüber der Buchlektüre aus. Wie dies bereits am Beispiel der AutorInnenstile und Figuren gezeigt wurde, so bietet die Serie auch durch ihre Entfaltung in sehr unterschiedlichen Serienmedien den LeserInnen je spezifische Affordanzen. Die Serie schafft hier zum einen inhaltliche Anreize für die LeserInnen, indem sie die Möglichkeit bereithält, durch zusätzliche Rezeption das Serienuniversum zu erweitern, zum anderen erlaubt sie, mit den Inhalten unterschiedliche, jeweils medienabhängige Formen des Rezipierens zu verbinden sowie die Nutzung in verschiedene Bereiche des Alltags zu integrieren. Gerade aufgrund der angebotenen Vielfalt werden von den individuellen LeserInnen ganz unterschiedliche Bezugspunkte zur Serie hergestellt. Durch bestimmte mediale Formate vermittelt, ergibt sich dabei für die LeserInnen ein je spezifisches Bild von der Serie. Rezeptionshandeln und ästhetische Erfahrung bedingen sich hier gegenseitig. Dabei sind sie als Aushandlungsprozess, mithin als Kooperation von Format und LeserIn zu verstehen. Die Vervielfältigung der Möglichkeiten der Nutzung bewirkt dabei nicht unbedingt ein Ausweiten der Rezeption. Es konnte ebenso beobachtet werden, dass sie zu Formen der Begrenzung führt, wobei sie in den meisten Fällen zumindest zu einem Austesten der Nutzungsmöglichkeiten, zu einem Erkunden kleiner Bereiche des Serienuniversums, anregt. Im Spektrum der Serienmedien erwies sich gerade der Heftroman als nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ bedeutsam für die Perry RhodanRezeption. Hierbei ließen sich erneut Spezifika des Dispositivs Heftromanserie herausarbeiten. Das Romanheft schafft durch Cover, Innenillustrationen und
219 Interview mit Rainer Weygandt vom 17.11.2010.
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Beilagen, die dabei auch im Wechselverhältnis mit dem Romantext wirksam werden, gegenüber dem Buch zusätzliche Optionen der Lektüre, die von den LeserInnen aufgegriffen werden. Der Akteur Serie wird hier wirksam, indem er durch seine Formateigenschaften spezifische Formen der Nutzung mitbedingt. Die im vorliegenden Kapitel aufgezeigten Formen des Medienhandelns stehen dabei in direkter Verbindung zur Serialität. Sowohl im Umgang mit dem Medienspektrum der Serie, das ohne Serialität nicht denkbar ist, als auch in der formatspezifischen Nutzung des Heftromans, dessen Charakteristika ebenfalls ganz wesentlich eine Folge des seriellen Produktionsprozesses sind, tritt deren aktives Potenzial deutlich hervor.
5.3 S TREIFZÜGE DURCHS U NIVERSUM : L ESEN IM B EZUG AUF DIE G ESAMTSERIE Bereits in den vorangegangenen Unterkapiteln zeigte sich, dass im Umgang mit der Serie auf vielfältige Weise Beziehungen zum Serienganzen geknüpft werden. Wie die LeserInnen über dieses Serienganze reflektieren und welche Praktiken sich im Umgang damit herausbilden, soll in einem letzten Punkt betrachtet werden. Wesentliche Charakteristika des Serienlesens erschließen sich dabei erst, wenn man auch die Lektüre bzw. die Beziehung der einzelnen LeserInnen zur Serie in ihrem Verlauf, mithin ihre Serienlektürebiografie in den Blick nimmt. Einen wichtigen – und dabei auch für die weitere Lektüre bedeutsamen – Punkt der Rezeption markiert der Einstieg in die Serie, wobei am Anfang des Serienlesens häufig eine besonders lektüreintensive Phase steht. Oft werden hier neben der regelmäßigen wöchentlichen Lektüre weitere Hefte anderer Handlungsabschnitte oder zusätzlich die Silberbände gelesen. Die anfangs intensive Lektüre dient dazu, sich möglichst schnell mit der Serie vertraut zu machen und sich einen Überblick über das Seriengeschehen zu verschaffen. Markus Ehlers etwa rezipierte eine „Zeit lang alle fünf Auflagen [...], um auch in diese Geschichte reinzukommen.“ 220 Dieter Rathgeb las anfangs ältere Hefte vom Flohmarkt neben der aktuellen Erstauflage: „Dass ich sozusagen den großen Überblick behalten habe. Das war dann schon extremer, ne?“221 Frank Zelter las in den ersten Jahren seiner Perry Rhodan-Lektüre alle bis dahin erschienenen Hefte nach, um den neuesten Stand zu erreichen: „Gut, in der Aufholzeit, wenn man also überall die Hefte zusammengehamstert hat, da hat man
220 Interview mit Markus Ehlers vom 09.06.2011. 221 Interview mit Dieter Rathgeb vom 09.06.2011.
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natürlich mehr gelesen, das ist klar. Irgendwann war man natürlich auf dem neuesten Stand und dann gab’s halt nur noch die laufende Handlung“222. Auch Jörg Reimann berichtet von vermehrter Lektüre zu Beginn seines Serienlesens, er habe „ein Schwergewicht vor allem auf den frühen“ 223 Heften, mit denen er seine Perry Rhodan-Lektüre begann. In der Anfangszeit las er die Serie regelmäßiger, später mit mehr Unterbrechungen. Nicht nur war die Menge des Gelesenen anfangs meist größer als später, die Anfangszeit des Lesens wurde darüber hinaus von den LeserInnen gegenüber der späteren Lektüre auch als eindrücklicher erlebt, wie sich ihren Beschreibungen entnehmen lässt. Mit ihr verbinden sich offenbar die weitaus stärksten Erinnerungen. Obwohl seit Beginn der Serienlektüre in vielen Fällen Jahrzehnte vergangen sind, erinnern sich viele LeserInnen noch gut an die Handlung des ersten gelesenen Heftes. So beschreibt etwa Dieter Rathgeb seine erste Perry RhodanLeseerfahrung mit einem Roman um den Protagonisten Gucky: „Gucky ist ja ’n Mutant. So und, äh, die hatten ihm so ’n Netz an ’n Kopf gemacht und, äh, ja im Prinzip funktioniert’s nicht, aber er hat durch seinen eigenen Körperschweiß ... hat er sozusagen dieses Netz nachher gelöst. Da kann ich mich noch dran erinnern. ((lacht)) War halt das erste Heft. Ist zwar schon 30 Jahre her, aber ... Das vergisst man dann irgendwann auch nicht mehr. Also i-, i- ... Ob’s jetzt genau 264 oder 263 oder 262 [gemeint sind die Heftnummern] ... Aber irgendwo in dem Bereich ’rum war’s. Das weiß ich noch. Ich hab’ ’n gutes Gedächtnis. ((lacht leicht))“224
Trotz der bruchstückhaften Perry Rhodan-Lektüre in seiner Kindheit behielt auch Rainer Weygandt diese nicht minder intensiv in Erinnerung. So kann er noch heute alle Nummern der Hefte, die sein Bruder besaß, aufzählen. Sein erstes gelesenes Heft behielt er in lebhafter Erinnerung: „[D]ann ist da zum ersten Mal einer gestorben. Das kannte ich ja nicht, äh, von meinen Kinderbüchern her ... Und dann denke ich: ‚Ah, jetzt hast du mal was gelesen, wo einer stirbt, jetzt gehörst du zu den Großen‘, na, dachte ich.“225 Auch den Namen des Protagonisten des Romans, der längst nicht mehr in der Serie auftritt, weiß er bis heute: „Conrad Nosinsky. Also das ist noch eine Kindheitserinnerung, deswegen weiß
222 Interview mit Frank Zelter vom 16.06.2011. 223 Interview mit Jörg Reimann vom 10.06.2011. 224 Interview mit Dieter Rathgeb vom 09.06.2011. 225 Interview mit Rainer Weygandt vom 17.11.2010.
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man es ja noch, ne. ((lacht)) Ist ja klar, ne, wenn du das mit sechs liest. ((lacht))“226. Carolin Winter erlebte ihre Anfangszeit als Perry Rhodan-LeserIn als reizvolle Phase ihres Serienlesens. Wie sie beschreibt, überwogen die positiven Effekte gewisse Einstiegsschwierigkeiten: „[A]lso es war jetzt nicht schlimm. Fand ich. Ich fand’s eher spannend. So in was Neues einsteigen.“ 227 Auch Holger Speidel beschreibt die erste Zeit der Serienlektüre als spannend. Er habe „einen Roman gelesen und der Virus hat zuge- zugeschlagen“228, sagt er. „Und da hat man dann gebibbert, wann der nächste Roman kam.“229 Für Michael Schubert waren seine ersten Leseerlebnisse mit der Serie die positivsten: „War spannend. Der Einstieg war das Wi- ... Ich glaub’, das war das Wichtigste. Wenn man mal ’nen gescheiten Einstieg hat und ... und einem dann Science-Fiction auch gefällt, ja. [...] War ’ne schöne Zeit, wo das ... für mich das Nummer eins war. Und jetzt hab’ ich halt anspruchsvollere Dinge. Es war einfach ... war gut damals und jetzt, ah, nicht mehr. Ist halt einfach nur noch Small-Lektüre.“230
Im Anschluss an Steen Folke Larsen lassen sich die biografischen Beschreibungen, in denen die LeserInnen ihren Lektürebeginn darstellen, als „flashbulb memories“ 231 begreifen, als Erinnerungen, die besonders wichtige Leseerlebnisse präsent machen. Larsens Studie untersucht solche Erinnerungen im Bezug auf die Lektüre von Einzelwerken. Wie im Folgenden sichtbar wird, hat die Erinnerungsfunktion jedoch gerade für das Serienlesen eine herausgehobene Bedeutung. Mit der Serie verbundene Erinnerungen wirken in der aktuellen Lektüre weiter. Eine Verbindung der frühen Leseeindrücke zur gegenwärtigen Lektüre zeigt sich im Zusammenhang mit der Frage nach dem Lieblingsband bzw. Lieblingszyklus innerhalb der Serie. Die Lieblingslektüre bilden freilich solche Handlungsabschnitte, deren Inhalte und deren Stil besonders geschätzt werden. So werden bestimmte Themen und Figuren sowie auch Darstellungsweisen, etwa
226 Ebd. 227 Interview mit Carolin Winter und Tobias Winter vom 15.01.2009, hier: Carolin Winter. 228 Interview mit Melanie Speidel und Holger Speidel vom 02.05.2011, hier: Holger Speidel. 229 Ebd. 230 Interview mit Michael Schubert vom 22.06.2011. 231 Vgl. Larsen 1993, S. 207-210 und S. 214. Siehe hierzu Kap. 2.2.3.
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eine glaubhafte, plastische Schilderung, eine übersichtliche Gestaltung oder ein zügiges Erzählen, angesprochen. Die Bezüge fallen dabei, je nach LeserIn, auch aufgrund der Verschiedenheit der gelesenen Hefte, sehr unterschiedlich aus. Für die Wahl sind allerdings offenbar nicht in jedem der Fälle inhaltliche oder stilistische Qualitäten des Gelesenen ausschlaggebend. Vielmehr spielt auch der Zeitpunkt innerhalb der eigenen Serienlektürebiografie eine Rolle. Mehr als die Hälfte der LeserInnen beurteilt Hefte aus ihrer Anfangszeit des Serienlesens als am besten. Stefan Belting etwa hält bis heute die Zeit seiner frühen Perry Rhodan-Lektüre für die Phase, in der die besten Titel erschienen: „Also rein von der ... von der Zeit her, wo ich angefangen hab’ zu lesen, bin ich natürlich dann William-Voltz-Fan, das heißt, das war ... war die Zeit von ... von 700 bis ... bis 1000, die stark durch Willi Voltz geprägt wurde. [...] Da ist so der Bereich von den ... Das ist sicherlich die Zeit, die mir sozusagen am besten gefallen hat. Immer noch.“232
Auch Anja Wendts positivste Lektüreeindrücke hängen mit dem Beginn ihrer Serienlektüre zusammen. Nach ihrem Lieblingsband bzw. Lieblingszyklus befragt, sagt sie: „Ja, so viele haben wir ja noch nicht gelesen. Ähm. Also ich find’ die allerersten Hefte, oder der allererste Zyklus, den wir als Hörbuch gehört haben, der hatte was ganz Besonderes, weil es war so ... Wie geht’s jetzt weiter? So ... So ... So die Anfänge. So ’n bisschen so was Neues und das hatte für mich jetzt ’n ganz besonderen Reiz und, ähm, jetzt ist ja der zweite Zyklus, den wir gelesen haben, da fand ich den ‚Negasphäre‘-Zyklus deutlich, deutlich besser und ... wär’ jetzt von den beiden auch mein Liebling.“233
Philipp Wetzlers Lieblingszyklen sind die ersten zwei, mit denen er seine Perry Rhodan-Lektüre begann: „Soweit ich gelesen hab’, äh, die ersten paar, 20, 30 Hefte, ‚Das Reich Tradom‘. Kann auch sein, dass es jetzt natürlich, einfach, weil es ist ja schon ein paar Jahre her, dass das
232 Interview mit Stefan Belting vom 17.06.2011. Wilhelm bzw. „William“ oder „Willi“ Voltz war langjähriger Perry Rhodan-Autor und Exposéredakteur. 233 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Anja Wendt.
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irgendwie ein bisschen in Erinnerung verklärt ist oder so. Und ... beziehungsweise der Zyklus, mit dem ich eingestiegen bin, ‚Die Solare Residenz‘.“234
Thomas Wendt wiederum nennt als einen seiner Lieblingsbände das erste Heft, das er las: „Den Band 2400, also den ersten, den ich gekauft hab’. Ähm, das ist auch so ’n bisschen so, das ... das war der Einstieg und das war das erste Mal und man liest es mit anderen Augen, äh, wenn sich so langsam diese ganze Welt erschließt, ähm, das ist dann auch schon so besonders. Und, äh, ich ... Es liegt, glaub’ ich, nicht an der Qualität des ... des Heftes oder ... oder des Inhaltes, sondern eher an dem Erlebnis, was ich daran festmache, ähm, wo ich sagen würde, das wäre jetzt einer der, wo ich sage, das ... der hat besondere Bedeutung für mich.“235
Welche Hefte besonders geschätzt werden, ist also eng mit der persönlichen Perry Rhodan-Lesekarriere verbunden. Den Zusammenhang zwischen der als positiv empfundenen Heftästhetik und dem Zeitpunkt der Lektüre innerhalb des eigenen Serienlesens reflektieren die LeserInnen häufig in ihren Beschreibungen. So auch Matthias Specht, der seinen ersten gelesenen Zyklus bis heute am meisten schätzt. Dass die Anfangszeit generell die interessanteste sei, hält Specht für einen charakteristischen Effekt von Serienlesen im Allgemeinen: „Wenn man so ’ne Serie liest, ne ... es ... ist der erste Band, den man liest, in der Regel der Beste, oft zumi- ... ist mir zumindest so, dass es oft so ist und danach l- lässt die Freude dann einfach ... oder der ... ja, nicht der Spaß dran, aber dann ... dann fehlt oft das Überraschende oder man hat ... man hat ... Oder die Erwartungen, die man als Leser selber dann hat, die sind so hoch und das ist dann ... Und dann ist man zwangsläufig ’n bisschen enttäuscht irgendwie auch.“236
Über seinen Lieblingszyklus sagt er: „[D]a war dann noch der ... die Freude des Neulesers @dabei@ und das ... das verklärt dann auch also einiges in Gedanken und ich fand ... Ja, die ... Das war ’ne gute Mischung,
234 Interview mit Philipp Wetzler vom 21.06.2011. Bei den genannten Zyklen handelt es sich um PR Nr. 2000-2099 („Das Reich Tradom“) und PR Nr. 2100-2199 („Die Solare Residenz“). 235 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Thomas Wendt. 236 Interview mit Matthias Specht vom 26.05.2011.
200 | P ERRY R HODAN LESEN also was gut ... was gute Perry Rhodan-Romane dann halt ausmachen. Also wurden ... Es waren geheime Kommandoaktionen dabei, die eigentlich im Prinzip von Anfang an der Serie dabei waren, es gab packende Raumschlachten, es gab kosmische Entwicklungen, Zusammenhänge mit ... mit der Geburt von ES, die dann aufgedeckt wurden oder weiterverfolgt wurden und ... Also meiner Meinung nach sind da ... Al- Es wurden auch fremde Völker vorgestellt, oder die Geschichten von diesen Völkern, und im Prinzip ist eigentlich all da- ... das ist im Prinzip das, was die guten PR-Romane eigentlich alles ausmacht. Und ich glaube auch nicht mehr, dass es noch mal so ’n Zyklus geben wird, der meinen Geschmack so gut treffen wird.“237
Der Blick auf die Serie erscheint hier als an den ersten Serienleseerfahrungen geschult. Was gute Perry Rhodan-Romane ausmache, erfuhr der Leser offenbar während der frühen Lektüre der Serie. Als ein Gegenbeispiel zu Matthias Spechts Schilderung stellt sich die Beschreibung Oliver Mohns dar, der sagt, er finde jeden Zyklus besser als den vorangegangenen: „O. M.: [...] Also der ‚Thoregon‘-Zyklus war auf vier Jahre ... Ich würde sagen, über rund vier Jahre ist er gegangen. Der war so gigantisch. Ich habe gedacht: ‚Man kann’s nicht mehr besser machen.‘ Doch. Jeder Folgezyklus war noch besser, ohne Ausnahme. Also, na ja, vielleicht seh’ ich das alles durch die Perry Rhodan-Brille, aber ... w- ... also nachdem der alte Chefautor gestorben ist be::i Band ... I.: O. M.: , 2500 ’rum. Also der hat den alten Zyklus noch so zwei, drei Exposévorgaben gemacht und dann ist der gestorben. Dann sind sie von der Spannung so ... Also ich hab’ gedacht, sie kriegen den ... sie kriegen den Dreh nicht mehr. Aber: Weit gefehlt. Die haben den Dreh hingekriegt und (4) also ich ... Na ja, ich bin wieder mit ’nem Riesenspaß dabei. Und ich würd’ sagen, fast jeder Zy- ... also: Jeder Zyklus ist besser wie der Vorgänger. Ich kann’s gar nicht anders sagen. I.: Und wie würden Sie das beschreiben, dass das ... dass es besser ist? Was ist daran besser dann?
237 Ebd.
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O. M.: (3) Pff ... Die überraschen mich immer wieder mit den Ideen ... mit den Ideen, was der Exposéautor vorgibt. Ich glaube, man will immer was Neues lesen. Und die bringen immer was Neues. Und die Ideen sind völlig abgefahren“238.
In den unterschiedlichen Wahrnehmungsweisen kommen zwei Seiten desselben Phänomens zum Ausdruck. So zeigt sich jeweils deutlich, dass gerade die Erinnerungen an vergangene Leseerfahrungen als reizvoll erlebt werden – im einen Fall, indem sie auch aktuell noch als herausragende ästhetische Erfahrung empfunden werden, im anderen, indem gerade aufgrund der langen Lektüreerfahrung der Effekt von Innovationen besonders überraschend wirkt. Dass vergangenes Lesen in der aktuellen Lektüre präsent ist, hat wesentlichen Anteil am Genuss des Serienlesens. Längerfristiges Serienlesen ermöglicht dabei, Veränderungen innerhalb der Serie wahrzunehmen. Lieblingsbände sind häufig auch solche, die eine neue Entwicklung innerhalb der Serie einleiten, etwa indem neue Figuren eingeführt oder neue Handlungsräume erschlossen werden. So sagt etwa Frank Zelter: „[D]ie 200er-Romane, wo’s das erste Mal aus der Milchstraße rausgegangen ist, das war was Besonderes. Und da eben ganz am Anfang, wo der Haluter auftritt, das ist der Roman ‚Straße nach Andromeda‘, und sie an die richtige Stelle hinführt, dass es beginnt. Und dieser Haluter, der damals auftritt, der Icho Tolot, das war halt einfach mal ein richtiges Alien. Zwei Gehirne drin, eins davon streng logisch, eins emotional, kann mit 120 km/h laufen, hat vier Arme, drei Augen, kann seinen Körper zu einer stahlharten Masse verhärten, dass er Wände durchbrechen kann, ich mein’, das ist halt einmal ein Alien!“239
„Jubiläumsbände“ etwa haben in diesem Zusammenhang eine wichtige Bedeutung, indem sie Zyklenanfänge beinhalten und damit neue Handlungsabschnitte der Serie markieren, die neue Themen setzen. Melanie und Wolfgang Speidel sagen, zu ihren Lieblingsbänden gehörten: „M. S.: Ja, oft so die ... Die, die ersten ... H. S.: Ja, halt wirklich so die Zyklenanfänge und wenn dann wirklich, ja, mit einem Zyklusanfang, ja, so ein richtiger ... M. S.: ... Aha-Effekt verbunden war.
238 Interview mit Oliver Mohn vom 30.06.2011. 239 Interview mit Frank Zelter vom 16.06.2011.
202 | P ERRY R HODAN LESEN H. S.: ... so ein richtiger Hammer kommt. So ... Dann halt wirklich noch einigermaßen gut geschildert ist, also ... Dann halt auch noch vielleicht das ganze noch mit ’ner Portion Humor untermalt ist[.] [...] Oder wirklich ... Oder auch Band 1000, wo so ’n, so ’n richtiger Sprung drin ist, find’ ich einfach gut.“240
Die Serie über längere Zeit hinweg zu lesen ermöglicht neben dem Erkennen von Brüchen bzw. punktuellen Veränderungen auch, Entwicklungen innerhalb der Serie mitzuverfolgen. Ein wesentliches Element serieller Lektüre liegt im Mitvollziehen der durch den Fortsetzungscharakter entstehenden Spannungsverläufe der Handlung. Das Wissenwollen, „wie’s weitergeht“241, ist ein wichtiger Grund dafür, dass die Lektüre nicht abgebrochen wird, mithin für den seriellen Lektüremodus. Serialitätsspezifische Spannungsverläufe, das heißt solche, die den einzelnen Roman transzendieren, zeigen sich innerhalb der Serie bereits ‚im Kleinen‘.242 Matthias Specht etwa sagt: „[E]s werden oft ja auch viele, viele Andeutungen, Geheimnisse dann auch gestreut, die dann gelöst werden müssen, welche Zusammenhänge ... welche es da gibt oder welche es nicht gibt. Und ... Ja. Es gibt ja auch verschiedene Handlungsebenen und es i- ... Bei mir ist’s oft so, ich find’ eine Handlungsebene super spannend, die andere find’ ich dann super langweilig, und ich ärger’ mich dann immer, wenn diese Handlungsebene dann unterbrochen wird, und dann wart’ ich schon voller Vorfreude, bis dann wieder der Schwung auf die andere Handlungsebene vollzogen wird.“243
Specht beschreibt in diesem Zusammenhang ein Gestaltungsprinzip, das er wahrnimmt: „Die Einteilung erfolgt oft in so Zweier- oder Viererblocks. Also, dass man dann ... eine Handlungsebene zwei bis vier Romane umfasst und, ja, man wartet dann, wie’s dann weitergeht.“244 Offenbar macht sich hier das oben beschriebene Prinzip der Vergabe von Exposés in Einheiten von je vier Stück in der Rezeptionserfahrung bemerkbar,245 das beim Lesen eine abwartende Haltung erzeugt. Serialitätsspezifische Spannung ergibt sich also bereits beim Lesen
240 Interview mit Melanie Speidel und Holger Speidel vom 02.05.2011. 241 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Anja Wendt. Dieser Aspekt tritt in zahlreichen Interviews zutage. 242 Zu Spannungsverläufen innerhalb der seriellen Erzählung vgl. auch Stache 1986, S. 166. 243 Interview mit Matthias Specht vom 26.05.2011. 244 Ebd. 245 Siehe Kap. 5.2.1.
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mehrerer Hefte innerhalb eines Zyklus. Darüber hinaus sind auch Spannungskurven zu beobachten, die den Gesamtverlauf von Zyklen betreffen. Diesen Aspekt sprechen Carolin und Tobias Winter an, wenn sie beschreiben, wann sie ihr Heft nach dem Erhalt lesen: „C. W.: [...] [E]s kommt echt darauf an, wie wir gerade Zeit haben und wie spannend dann auch die Handlung ist. Also das sind ja dann immer so diese kleinen Zyklen, die sind immer so bei Band 50 ungefähr zu Ende und darauf hinarbeitend wird’s natürlich dann immer spannender, da liest man es dann auch schneller. T. W.: Ja. Genau auf der Hälfte kann es sein, dass mal ein paar Lückenfüller drin sind, die liest man dann quer oder lässt sie manchmal ganz liegen. Der, der es zuerst gelesen hat, erzählt dann immer kurz, lohnt sich’s oder lohnt sich’s nicht, wenn man spät dran ist mit lesen.“246
Während das Zyklusende offenbar dazu animiert, das Heft schneller bzw. in kürzerem Abstand zum Erhalt zu lesen, bewirkt der als langweiliger empfundene mittlere Teil der Zyklenhandlung mitunter, dass Romane nicht gelesen werden. Tobias Winter spricht hier das Phänomen der berüchtigten „Lückenfüller“ bzw. „Füllromane“247 an, die es sogar zu einem eigenen Eintrag in der Perrypedia gebracht haben: „Als Lückenfüller oder Füllromane bezeichnen Fans jene Romane, die nicht oder nur in geringem Maße zur Fortführung der Handlung dienen, die für den Zyklus oder die jeweilige Handlungsebene innerhalb des Zyklus relevant ist, bzw. in denen keine interessanten neuen Informationen vermittelt werden. Romane also, die womöglich nur in einem losen Zusammenhang zur eigentlichen Serie stehen oder sogar in einem völlig anderen fiktiven Universum als dem Perryversum spielen könnten.“248
Auch Frank Zelter beschreibt das regelmäßige Auftreten solcher Romane: „Teilweise ist es ... sind Höhepunkte von Romanen drin und man sagt: ‚Ja, jetzt, jetzt seid’s ihr wieder auf dem richtigen Weg!‘ und dann sind wieder tiefe Sacker drin, wo man sagt: ‚Oah.‘ In der Handlung sind’s dann oft als Lückenfüller-Romane bezeichnet, wo
246 Interview mit Carolin Winter und Tobias Winter vom 15.01.2009. 247 Die Existenz solcher „Füllromane“ und ihre Ablehnung seitens der LeserInnen hat bereits Stache beschrieben. Vgl. Stache 1986, S. 161 und S. 166. 248 http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Füllroman, 25.03.2016 (Herv. i. O.).
204 | P ERRY R HODAN LESEN man sagt: ‚Oh Gott, was hat euch geritten. Oah, es ist nicht wirklich hier der Hit. Da schlä, da rollt’s einem die Zehennägel auf, da schläfst du ein dabei und du musst dich wirklich durchkämpfen.‘“249
Die Empfindung der mangelnden Spannung rührt offenbar daher, dass solche Romane keine Funktion innerhalb der Gesamthandlung haben – aus diesem Grund können sie auch getrost ausgelassen werden. Die gewünschte Spannung betrifft hier den Langzeitverlauf der Serie. Dass Spannung auch über das Ende von Zyklen hinweg generiert wird, beschreibt wiederum Matthias Specht: „[I]m laufenden Zyklus war das so, da war eine Handlungsebene, die ist meiner Meinung nach viel zu ausführlich behandelt worden, auch wenn’s jetzt im Nachhinein durchaus Sinn macht, weil diese Handlungsebene ’ne wichtige Rolle noch sp- ... gespielt, während eine Handlungsebene, um Alaska Saedelaere, der wir- ... ist jetzt ... wird vermutlich, vermut’ ich zumindest oder ich hoffe es, wird in den nächsten Zyklus noch mit fortgetragen. [...] Da bin ich dann @neugierig@, was der dann da noch entdeckt oder auch erleben wird, und da bin ich ... hoff’ ich, dass das im nächsten Zyklus weitergeht dann.“250
In vielen Interviews zeigt sich, dass insbesondere das Verfolgen von über einen längeren Zeitraum angelegten Spannungsverläufen das Serienlesen reizvoll macht. Philipp Wetzler etwa berichtet, den „Negasphäre“-Zyklus (PR Nr. 24002499) habe er deshalb geschätzt, „[w]eil es wirklich ’ne sehr groß angelegte Handlung war, die ja schon im ‚Terranova‘-Zyklus angefangen hat“251. Oliver Mohn beschreibt das Prinzip des Ruhenlassens und Wiederaufnehmens von Handlungssträngen, das ihn anspreche: „[I]n manchen Zyklen gibt’s einfach ‚offene Baustellen‘. Da wird irgendwas beschrieben oder ... oder zu dem Zeitpunkt war’s wichtig, aber es ... es ist da und es hat eigentlich ... für den Zeitpunkt ’n Sinn, aber es wird nicht zu Ende geführt irgendwie. Und man greift dann die Ideen aus’m Vorzyklus wieder auf und ... und also was dort nicht vollendet wurde, wird dann im Folgezyklus vollendet.“252
Das längere Verfolgen der Serie bringt dabei offenbar einen spezifischen Lektüremodus mit sich. Als ich Mohn erzähle, dass ich eben begonnen hätte, den
249 Interview mit Frank Zelter vom 16.06.2011. 250 Interview mit Matthias Specht vom 26.05.2011. 251 Interview mit Philipp Wetzler vom 21.06.2011. 252 Interview mit Oliver Mohn vom 30.06.2011.
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„Stardust“-Zyklus zu lesen, gibt er einen Ausblick auf das zu erwartende Lesevergnügen. Durch den Todesfall des Exposéautors sei der Zyklus zu Beginn weniger gut, während die Spannung später ansteige: „Also es schwächelt ein bisschen am Anfang, meiner Meinung nach. Aber durch das ... Da hab’ ich mich nicht entmutigen lassen, es gibt immer ... man kann nicht gleich die Spannung glei- ... alles auf den Höchststand fahren. Also die Spannung, das muss langsam ... Es fängt langsam an, und ich finde ... und irgendwann haben sie den Dreh gehabt, und dann war’s auch ... Ich weiß nicht, ich glaub’, ich hab’ dann schon die Brille auf. Für mich ist’s dann einfach spannend, es macht einfach Laune.“253
Oliver Mohn verwendet innerhalb des Interviews zweimal den Ausdruck der „Brille“ bzw. der „Perry Rhodan-Brille“, die er aufhabe. Er weist hiermit offenbar auf seine Perspektive als langjähriger Perry Rhodan-Leser hin, die ihm ermöglicht, die Handlung mit mehr Genuss zu rezipieren und sich auch gegebenenfalls durch qualitativ schlechtere Phasen der Serie nicht vom Lesen abbringen zu lassen – eben deshalb, so lässt sich ergänzen, weil er aufgrund seiner Leseerfahrung weiß, dass bestimmte Gratifikationen erst durch langfristiges Lesen entstehen. Einen Zusammenhang des langfristigen seriellen Lesens mit dem Charakter des Heftromans spricht Stefan Belting an, wenn er beschreibt, was er an diesem Format schätzt: „Ja, was ich eigentlich mag, ist natürlich diese ... dies- diese große ... große Welt, diese große, komplexe Welt, die halt w- ständig weitergeschrieben wird. Äh. Wo ... wo ... wo eben Handlungsstränge über ... über Jahre hinweg entstehen. Also wenn ... wenn ich so was in ’nem anderen Format bekäme, nähme ich das sicherlich auch. [...] Ich würd’ auch was anderes lesen, wenn es sozusagen nur sichergestellt wär’, dass es quasi in ’ner gewissen Regelmäßigkeit käme und, äh, wenn halt diese, ja, diese großen Zusammenhänge oder diese ... diese Welt halt weiter da beschrieben wäre. Dann würde ich auch in ’nem anderen Format lesen.“254
Das Erleben spezifischer Gratifikationen seriellen Lesens ist, wie sich hier zeigt, mit dem Heftroman eng verknüpft, da dieser klassischerweise dasjenige Format ist, das Serienlektüre in einem mehr oder weniger großen Umfang ermöglicht. Serienlesen wird also, wie betrachtet, nicht nur von Woche zu Woche, sondern gerade im seinem Langzeitverlauf als reizvoll erlebt. Hierin zeigt sich, dass
253 Ebd. 254 Interview mit Stefan Belting vom 17.06.2011.
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vergangene Lektüreerfahrungen im aktuellen Lesen stets präsent bleiben und dieses mitprägen. Die Option, Verbindungen zwischen verschiedenen Teilen der Serie herstellen und Veränderungen wahrnehmen zu können, stellt dabei einen wesentlichen Grund dafür dar, dass viele LeserInnen versuchen, auch ältere Teile der Serienhandlung kennenzulernen. Bei einigen ProbandInnen zeigt sich in diesem Zusammenhang eine stellenweise äußerst ausgeprägte Tendenz zur Vollständigkeit. Das Füllen von Lücken wird von manchen akribisch betrieben. Die Silberbände etwa, die eigentlich dazu konzipiert sind, die Lesedauer zu verkürzen, indem sie auf konzise Weise die Handlung präsentieren, verlängern die Gesamtlesedauer einiger ProbandInnen noch, weil die durch das Komprimieren der Geschichte entstandenen Änderungen dazu führen, dass die LeserInnen die ‚Originale‘ lesen wollen. „Also in Heftromanen wird ja oft was vom vorherigen Band noch mal aufgegriffen und so. Diese Wiederholungen, die streichen sie raus. Und manchmal kürzen sie auch ein bisschen,“255 sagt Melanie Speidel. Weil sie den Anfang der Serie nur in der gekürzten Silberband-Version kannte, begann sie noch einmal ganz von vorne mit der Heftversion: „Ich hab’ damals [...] die Hefte mit Band 1 angefangen, irgendwann mal. Weil ich die Hefte ... Weil in den Büchern ja auch einige Hefte ausgelassen werden. [...] Und da hab’ ich dann einfach gesagt, ich will jetzt die Originalhefte lesen, und da hab’ ich dann mit Band 1 angefangen und dann jetzt im Lauf der letzten 13 oder zwölf Jahre [...] mich jetzt bis Band 800 immerhin vorgearbeitet. Muss noch bis Band 1600, weil da hab’ ich angefangen in der Erstauflage“256.
Auch andere LeserInnen werden durch die Kürzungen zur Recherche und zum Nachlesen veranlasst. Matthias Specht führt aus: „Man hat hinterher gemerkt, dass da in den Silberbänden auch viel gekürzt wurde. [...] [M]an merkt schon, dass dann einiges fehlt auch. Zum Teil. [...] Ja, ich hatte mir mal den Spaß gemacht, das in der Perrypedia zum Teil abzugleichen, wie das ... was da in den Handlungen da passiert ist und was nicht. Und das war dann ... [...] Es sind auf jeden Fall einige Lücken aufgetreten, man hat’s den Bänden im P- ... nicht angemerkt, aber das ist ’n ganz ... Das ist ’n ganz anderes Lesegefühl.“257
255 Interview mit Melanie Speidel und Holger Speidel vom 02.05.2011, hier: Melanie Speidel. 256 Ebd. 257 Interview mit Matthias Specht vom 26.05.2011.
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Ebenso nutzt Katharina Weiß die Perrypedia zum Recherchieren der ausgelassenen Handlung und kauft und liest die fehlenden Hefte zusätzlich zur SilberbandLektüre: „Und ich hab’ dann versucht, bei den Bänden vorher, da kann man ja in der Perrypedia sehen, welche Hefte ausgelassen wurden. Die Hefte hab’ ich dann im Einzelnen nachgelesen, die da in den Silberbänden ausgelassen waren. Ich hab’ das so verknüpft. [...] [W]enn dann zwischendurch welche fehlten, hab’ ich die dann nachgelesen.“258
Thomas Wendt, der Rezipient der „Silber-Edition“-Hörbücher ist, beschreibt in diesem Zusammenhang eine ähnliche Praxis. Er liest die Hefte dabei nicht nach, sondern informiert sich online über den Inhalt: „Also in der Perrypedia bin ich unterwegs, äh, ähm, auch, äh, im Zusammenhang mit den Hörbüchern, ähm, um mich da ’n bisschen einzulesen. Dann guck’ ich auch immer, welche sind im Silberband reingeflossen an Heften oder wo wurden welche übersprungen oder so was. Äh, weil es sind ja nicht alle drin, alle Hefte“259.
Markus Ehlers lehnt die Silberbände als gekürzte Version gänzlich ab: „Wenn du aus zehn Heften vier zusammenschneiden musst, da bleibt zu viel auf der Strecke, was ... was für mich wichtig wäre“260, sagt er. Für ihn sei „das Zusammenschneiden von diesen Heften eine Art von Zensur.“261 Auf die Rückfrage zum Begriff der „Zensur“ hin sagt er: „Es ist nicht das Gleiche, ich kann es auch verstehen, ich ... Ich kritisiere es nicht, aber für mich, wenn ich es lese, hätte ich immer das Gefühl, ich lese hier etwas Verstümmeltes.“262 An den Praktiken der LeserInnen ist ablesbar, dass mit der Heftromanserie die Vorstellung eines ‚Originals‘ eng verbunden ist. Um die ‚ursprüngliche‘ Version der Serie zu kennen, wird zusätzlicher Recherche- und Lektüreaufwand betrieben. Die Silberbände, die freilich, im Sinne einer autorisierten, offiziellen Version desselben Verlags, ebenfalls als Originale gelten können, werden von manchen LeserInnen als Literatur zweiter Wahl betrachtet. Dass sich teilweise eine so akribische Lektüre beobachten lässt, darf nicht zu der Annahme führen, die Serie werde tatsächlich in den meisten Fällen lückenlos
258 Interview mit Katharina Weiß vom 26.05.2011. 259 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Thomas Wendt. 260 Interview mit Markus Ehlers vom 09.06.2011. 261 Ebd. 262 Ebd.
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rezipiert. So geben nur fünf ProbandInnen an, Perry Rhodan komplett oder annähernd komplett gelesen zu haben. Hierbei handelt es sich ausnahmslos um LeserInnen, die die Serie seit mehreren Jahrzehnten lesen. Häufiger wird die Komplettlektüre hingegen als Ideal formuliert. So nennen auch weitere LeserInnen ausdrücklich das Ziel, die Serie vollständig zu lesen. Katharina Weiß gibt hierbei einen genauen Zeitplan an: „Ich hoffe, das irgendwann so in fünf, sechs Jahren eingeholt zu haben. Ich lese halt sehr viel und gerne.“263 Andere verschieben das Nachlesen in die fernere Zukunft. „[I]ch bin froh, wenn ich jetzt die Erstauflage lese. Mehr geht einfach zeitlich nicht“264, sagt etwa Oliver Mohn. „Ich werd’s ... Ich versuch’, das irgendwann nachzuholen. Das ist eigentlich mein großes Ziel, aber ... Also ich will die Serie einmal komplett gelesen haben, ganz klar. Das ist mein ... das ist mein @Ziel@. Aber es ist schwierig.“ 265 Carolin Winter will zumindest Teile der Handlung, die sie als wichtig erachtet, noch lesen, lässt sich damit aber Zeit: „[I]ch wollte zum Beispiel immer noch mal diesen M. I.-Zyklus nachlesen oder so Sachen, auf die immer wieder auch heute immer noch Bezug genommen wird. Das sind so die Sachen, die dann noch übrig bleiben, wenn wir irgendwann mal in Rente sind. ((lacht))“266 Die meisten LeserInnen beschränken sich, auch wenn der Wunsch besteht, die Gesamthandlung kennenzulernen, weitgehend auf das Lesen der aktuellen Romane. Daneben gibt es auch LeserInnen, die die Komplettlektüre nicht anstreben. Wie Michael Schubert, der eine sehr selektive Lektüre praktiziert, indem er zeitweise ausschließlich den Handlungsstrang um Atlan liest, ist auch Jörg Reimann nicht auf Vollständigkeit bedacht. In der Anfangszeit seiner Lektüre ab Heft Nr. 80 habe er die Serie mehr oder weniger regelmäßig bis Nr. 500 rezipiert. „Dann kommt bei mir ein großes Loch bis, ähm, Band 1000, wo ich vereinzelt mal ’n paar Hefte mir gekauft hab, hin und wieder was gelesen hab’. Und in den letzten Jahren ist es der jetzt laufende Zyklus und der vorherige Zyklus, die ... bei dem vorherigen Zyklus so die letzten 50 Bände ungefähr.“267
263 Interview mit Katharina Weiß vom 26.05.2011. 264 Interview mit Oliver Mohn vom 30.06.2011. 265 Ebd. 266 Interview mit Carolin Winter und Tobias Winter vom 15.01.2009, hier: Carolin Winter. Beim „M. I.-Zyklus“ handelt es sich um den bei vielen LeserInnen beliebten Zyklus „Meister der Insel“ (PR Nr. 200-299). 267 Interview mit Jörg Reimann vom 10.06.2011.
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Auch aktuell sei es ihm nicht so wichtig, jeden Heftroman zu lesen. Die Hefte kauft er an unterschiedlichen Verkaufsstellen, wenn sich eine günstige Gelegenheit bietet. „Ich hab’ sie halt ... lass’ sie mir nicht zurücklegen, und wenn es mal kommen sollte, dass ich ’n Heft verpasse: Okay, gibt Schlimmeres.“268 Derselbe Zusammenhang, der bereits beim Umgang mit der diversifizierten Serie beschrieben wurde, zeigt sich damit auch bei der Frage nach der Vollständigkeit der Rezeption der Handlung: Die Serialität regt einerseits dazu an, mehr erfahren und kennenlernen zu wollen und macht andererseits eine lückenhafte Rezeption nicht nur beinahe unumgänglich, sondern dabei häufig auch bereitwillig akzeptiert. In den beschriebenen Sichtweisen und Praktiken kommt der Charakter der Lektüre als Komposition, als zusammengesetzte Handlung, zum Tragen, die sich in der Kooperation von Lesestoff und NutzerIn entfaltet. Gerade in den Berichten, in denen die ProbandInnen den Beginn ihres Serienlesens schildern, ist dies der Fall. Persönliche und ästhetische Erlebnisse sind hier eng miteinander verknüpft, indem die frühe Serienlektüre nicht nur emotional, sondern häufig auch in der ästhetischen Wertung als die beste Zeit betrachtet wird. Die Anfänge des Serienlesens bilden ein Erlebnis, das auch in der späteren Serienlektüre wirksam bleibt. Die Begeisterung, die in der ersten Zeit der Lektüre erlebt wird, ist offenbar für das weitere Serienlesen konstitutiv, indem hier wichtige ästhetische Bezugspunkte gesetzt werden, an denen das jeweils aktuelle Lektüreerlebnis gemessen wird. Wie sich zeigt, ist es ein wichtiger Aspekt serieller Lektüre, dass das in der Vergangenheit Gelesene im aktuellen Lesen weiterwirkt. Das Präsenthalten vergangener Lektüre bringt spezifische Gratifikationen mit sich, zu den wesentlichen Reizen der Serienlektüre gehört dabei das Wahrnehmen von Veränderungen im Serienverlauf. Zudem bewirkt es bestimmte Handlungen, so ist bei fast allen LeserInnen das – wenn auch meist bruchstückhafte – Ausweiten der Serienlektüre über die aktuelle Handlung hinaus Teil ihrer Perry Rhodan-Lektüre. Die aktuellen Serienlesestoffe lassen sich damit als Delegierte begreifen, in denen die vergangene Lektüre präsent ist. Sie sind nicht nur Repräsentanten, die symbolhaft für die vergangene Serienhandlung stehen, sondern in ihnen ist die Seriengeschichte stets anwesend und wirksam. Als Delegierte veranlassen sie dazu, dass in ihnen nach Hinweisen gesucht wird – nach Vertrautem, nach Wiederzufindendem sowie ebenso nach Neuheiten und Veränderungen. In Kooperation mit den LeserInnen, die wiederum, aufgrund ihres längerfristigen Serienlesens, bestimmte Wahrnehmungsweisen und Lektüremodi mitbringen, gestalten sich so die spezifischen Handlungen seriellen Lesens.
268 Ebd.
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5.4 F AZIT Wie dies bereits für die Vorbereitungen der Lektüre der Fall war, wurde im vorliegenden Kapitel erneut der Charakter des Lesens als Komposition aus menschlichem und nicht-menschlichem Handeln sichtbar. Der Einfluss von Serialität wurde dabei auch in der Kooperation von LeserInnen und Serie während der Lektüre sehr deutlich. In allen betrachteten Punkten zeigte sich, dass die Lektüre gerade durch ihren seriellen Charakter als reizvoll erlebt wird. Dieser bestimmt dabei die Praktiken maßgeblich mit. Am Beispiel der arbeitsteiligen Autorschaft, die ein wichtiges Charakteristikum serieller Produktion darstellt, zeigte sich, dass das Wahrnehmen verschiedener Stile innerhalb der Serie für viele LeserInnen einen gewichtigen Anteil am Lesegenuss hat. Der Stil der AutorInnen entfaltet sich hierbei nicht nur textlich, sondern in bestimmten Inszenierungspraktiken, die ebenfalls von den LeserInnen rezipiert werden. Das Wissen über AutorInnen erbringt in diesem Zusammenhang einen Gewinn für die Lektüre. Darüber hinaus zeigte sich, dass nicht nur die durch die Serialität entstehende Heterogenität der Stile einen Reiz für die LeserInnen birgt, vielmehr wird gerade auch deren Vereinheitlichung zu einem Serienganzen geschätzt. Gerade der Charakter einer Gemeinschaftsproduktion, den Perry Rhodan hat, wird von vielen goutiert. Serialität, die sich in der spezifischen arbeitsteiligen Produktionspraxis äußert, leistet demnach hier einen aktiven Beitrag zu den Lektürepraktiken, die erst durch sie zu ästhetisch genussvollem Handeln werden. Auch die verschiedenen Serienfiguren tragen zum Genuss an der Serie bei. Diese nehmen, wie gezeigt, sehr unterschiedliche Funktionen innerhalb der Erzählung ein und bieten den LeserInnen in sehr unterschiedlichem Grade Anschlussmöglichkeiten. Hierbei stellte sich heraus, dass es gerade Figuren auf einem mittleren Niveau zwischen dem Serienprotagonisten und den Nebenfiguren sind, die am häufigsten als Bezugspunkte dienen. Solche Figuren helfen den LeserInnen nicht nur, zwischen verschiedenen Bereichen der Handlung Beziehungen herzustellen, sie regen auch zum Nachforschen über noch nicht gelesene Teile an. Daneben führen sie mitunter zu einer selektiven Form der Lektüre, die sich an den zur Figur erscheinenden Medien orientiert. Die Figuren sind dabei als Verkörperungen von Serialität zu betrachten, da sie in ihrer spezifischen Ausformung ohne das serielle Prinzip nicht vorstellbar wären. In ihnen zeigt sich das Wirksamwerden von Serialität in den Lektürepraktiken damit wiederum deutlich. Die mediale Ausdifferenzierung der Serie wird, wie betrachtet, von einigen LeserInnen geschätzt und genutzt. Serien-Spin-offs dienen dazu, das Wissen über die Serienwelt zu vertiefen, andererseits werden sie, aufgrund ihres Poten-
W ÄHREND
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zials, diese Serienwelt zu verändern, mitunter auch gemieden. Die Nutzung bestimmter Serienmedien erfolgt dabei nicht generell ihrer Inhalte wegen, sondern auch aufgrund ihrer spezifischen Medialität. Insbesondere der Heftroman wird von vielen LeserInnen – trotz zunehmender Diversifizierung der Serie – geschätzt. Hierbei konnten wesentliche Aspekte gezeigt werden, die das Dispositiv Heftromanserie ausmachen: Die spezifische Visualität und der Zeitschriftencharakter der Lesestoffe prägen ihre spezifische Nutzung. Auch in der Betrachtung der medialen Formate konnte dabei die Mitgestaltung von Serialität festgestellt werden – sowohl im Hinblick auf die mediale Ausdifferenzierung, die ohne Serialität nicht zu denken ist, als auch bei der Betrachtung der Beziehungen der LeserInnen zum Format Heftroman, das sich in seinen Charakteristika deutlich als serielles Format zeigt. Wie Serienlesen im Langzeitverlauf seinen Reiz entwickelt, wurde anhand des Umgangs der LeserInnen mit der Serie als Ganzem betrachtet. Dabei wurde sichtbar, dass Serialität ihre Wirksamkeit während des längerwährenden Lektüreverhältnisses zunehmend entfaltet. Aktuelle Lektürehandlungen sind stets an die Serienlektürebiografie rückgebunden. Der Einfluss von Serialität ist damit nicht nur punktuell – in der vergangen Lektüre sowie im aktuellen Lektürevorgang – wahrnehmbar, sondern Serialität ist an der Entwicklung von längerfristigen Lektüremodi aktiv beteiligt. Die aktuellen Lesestoffe wurden in diesem Zusammenhang als Delegierte sichtbar, in denen die Seriengeschichte materialisiert ist, und die die LeserInnen zu vermehrter Recherche und Lektüre veranlassen. Wenn hier, im Zusammenhang mit allen untersuchten Punkten, die aktive Beteiligung von Serialität betont wird, so ist dabei zu differenzieren: In allen betrachteten Aspekten zeigte sich die doppelte Funktion von Serialität, einerseits zur Ausweitung der Rezeption und zu Anschlusspraktiken anzuregen, andererseits auch Praktiken der Begrenzung hervorzubringen. Beides ist offenbar mit dem Fortsetzungscharakter der Serie untrennbar verbunden.
6 Nach der Lektüre
Im Folgenden werden diejenigen Lektürepraktiken behandelt, die gewöhnlich unter der Perspektive der „Anschlusskommunikation“ betrachtet werden.1 Dieser Begriff ist für die vorliegende Studie ungenügend, da zum einen die entsprechenden Praktiken im Falle der Serienlektüre auch lektürebegleitend sowie lektürevorbereitend erfolgen2 und zum anderen der Schwerpunkt der Betrachtung nicht auf der Kommunikation der LeserInnen untereinander und deren interpretativen oder gemeinschaftsbildenden Funktionen liegt. Im Vordergrund steht also nicht die Leserschaft als „interpretive community“3, die auf der Basis geteilter Vorstellungen über Literatur und Literaturinterpretation im gegenseitigen Austausch Textbedeutungen aushandelt, ebenso wenig geht es darum, die Mediennutzung „als Vehikel sozialer Vergemeinschaftung“4 in den Blick zu nehmen,
1
Zum Begriff der „Anschlusskommunikation“ vgl. Werner Holly/Ulrich Püschel (Hg.): Medienrezeption als Aneignung. Methoden und Perspektiven qualitativer Medienforschung. Opladen 1993; Sutter 2009; Boesken 2009, v.a. S. 125; Boesken 2010, v.a. S. 22.
2
Siehe Kap. 2.2.3.
3
Vgl. Stanley Fish: Is There a Text in This Class? The Authority of Interpretive Communities. Cambridge/London 1980. Zum Begriff der „interpretive community“ vgl. auch die Studien Janice Radways, die sich in ihrer Begrifflichkeit an Fish orientiert: Radway 1985; Janice Radway: Interpretive Communities and Variable Literacies. The Functions of Romance Reading. In: Chandra Mukerji/Michael Schudson (Hg.): Rethinking Popular Culture. Contemporary Perspectives in Cultural Studies. Berkeley/Los Angeles/London 1991, S. 465-486, hier v.a. S. 468f.
4
Claudia Wegener: Medien, Aneignung und Identität: „Stars“ im Alltag jugendlicher Fans. Wiesbaden 2008, S. 67.
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eine Perspektive, bei der letztlich der Gegenstand der Nutzung in den Hintergrund gerät.5 Wenn in den folgenden Unterkapiteln herausgearbeitet wird, wie sich die LeserInnen nach der Lektüre mit anderen austauschen, in welche produktiven Praktiken das Serienlesen mündet und welche Bedeutungen die Praxis des Sammelns für die Lektüre hat, geschieht dies stets mit Fokus auf der Interaktion mit dem Lesestoff, welche dabei auch gezielt hinsichtlich ihrer medialen und materiellen Dimension betrachtet wird. Ein Schwerpunkt des Kapitels liegt deshalb auf dem Sammeln von Gegenständen zur Serie, in dem sich der Umgang mit den ‚Objekten‘ der Lektüre besonders gut beobachten lässt. Mit den Bereichen des Kommunizierens, des Produzierens und des Sammelns werden gewissermaßen klassische Fanpraktiken in den Blick genommen, die freilich nicht generell für die Nutzung der Serie zutreffen.6 In den so betitelten Kapiteln wird demgemäß jeweils eine große Bandbreite von Praktiken wiedergegeben, die die verschiedenen Arten des Umgangs mit der Serie – vom nicht sammelnden, sich nicht vernetzenden und nicht produzierenden ‚Nur-Leser‘ bis zur sammelnden, sich stark vernetzenden und an der Produktion beteiligten Fandom-AkteurIn – beschreibt. Hierbei werden jeweils die Anschlussmöglichkeiten herausgearbeitet, die die Serie bietet, und die in unterschiedlichem Grade von den LeserInnen aufgegriffen werden. Das kürzere Zwischenkapitel „Das Fandom rezipieren“ (Kapitel 6.3) dient der Reflexion eines nicht-kommunikativen, nichtproduzierenden Nutzungsmodus, der dabei an die Fanpraktiken anschließt.
5
Die Fanforschung untersucht in der Regel schwerpunktmäßig die kommunikativen und interaktiven Praktiken der NutzerInnen. Dabei gilt der soziale Austausch als einer der wichtigsten Aspekte des Fanseins. Vgl. Udo Göttlich/Mohini KrischkeRamaswamy: Fan. In: Hügel 2003a, S. 167-172, hier S. 169; Thomas Schmidt-Lux: Fans und alltägliche Lebensführung. In: Jochen Roose/Mike S. Schäfer/Thomas Schmidt-Lux (Hg.): Fans. Soziologische Perspektiven. Wiesbaden 2010 (Erlebniswelten; 17), S. 133-160, hier S. 146.
6
Thomas Schmidt-Lux etwa beschreibt als fünf wesentliche Fanaktivitäten: „(1) Konsumieren und Informieren, (2) Sammeln, (3) Reisen, (4) Produzieren und (5) Protestieren.“ Schmidt-Lux 2010, S. 140. Alle diese Praktiken finden sich im vorliegenden Sample, sie erfassen jedoch nur einen Teil des Umgangs mit der Serie und sind nicht durchgängig charakteristisch für die Hauptleserschaft.
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6.1 K OMMUNIZIEREN 6.1.1 Fans mit und ohne Fandom Studien aus der Lese(r)forschung weisen darauf hin, dass ein wichtiger Aspekt der Lektüre der Austausch mit anderen LeserInnen sei. 7 Fast zwei Drittel der BuchleserInnen „sprechen mit Freunden und/oder Bekannten zumindest gelegentlich über die Bücher.“8 Im Zusammenhang mit Perry Rhodan sind die Praktiken des Austauschs besonders augenfällig. Dies gilt zumindest für den, im Vergleich zur Gesamtleserschaft allerdings äußerst kleinen, Bereich des Fandoms, also jenen Teil der NutzerInnen, der sich in spezifischen Strukturen vernetzt und in der Öffentlichkeit präsentiert.9 Das Perry Rhodan-Fandom hat eine weit zurückreichende Geschichte, in der sich eine für die Science-Fiction insgesamt charakteristische, ausgeprägte Vernetzung von Fans und ProduzentInnen zeigt.10 Zu seinen wichtigsten Organisato-
7
Gross 2001, S. 184-186; Christoph Kochhan/Denise Haddad/Ursula Dehm: Bücher und Lesen als Freizeitaktivität. Unterschiedliches Leseverhalten im Kontext von Fernsehgewohnheiten. In: Media Perspektiven 36 (2005), H. 1, S. 23-32, hier S. 30f. http://www.ard-werbung.de/media-perspektiven/publikationen/fachzeitschrift/2005/ artikel/buecher-und-lesen-als-freizeitaktivitaet, 08.10.2015.
8
Kochhan/Haddad/Dehm 2005, S. 31.
9
Mit dem Begriff „Fandom“ werden innerhalb der Fanforschung gemeinschaftlich praktizierte Formen des Fanseins bezeichnet. Harrington und Bielby unterscheiden zwischen „fanship“, als individuellem Fanverhalten, und „fandom“, das die organisierten Fanaktivitäten fasst. Vgl. C. Lee Harrington/Denise D. Bielby: Soap Fans. Pursuing Pleasure and Making Meaning in Everyday Life. Philadelphia 1995, S. 2. Der Begriff entstammt der Selbstbezeichnung von Fangruppierungen und ist insbesondere im Science-Fiction- und Fantasy-Bereich geläufig. Vgl. Schwettmann 2006, S. 250. Schwettmann gibt einen detaillierten Einblick in die Fanaktivitäten zur Perry RhodanSerie, die in der vorliegenden Arbeit nicht in vollem Umfang abgebildet werden. Vgl. ebd., S. 250-283.
10 Nach dem Vorbild der USA, wo sich bereits in den Jahren ab 1926, eng verbunden mit dem von Hugo Gernsback herausgegebenen Magazin Amazing Stories, ein Science-Fiction-„Fandom“ entwickelt hatte (vgl. Bainbridge 1986, S. 10, S. 54 und S. 57), wurde in der Bundesrepublik im Jahr 1955 der „Science Fiction Club Deutschland“ gegründet, eine Organisation, die mit Perry Rhodan eng verbunden ist, indem mit Walter Ernsting einer der Gründungsautoren der Serie federführend beteiligt war. Vgl. Heinz J. Galle/Markus R. Bauer: Sun Koh, der Erbe von Atlantis, und andere
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ren gehören, zusammen mit aktuell etwa 30 regelmäßig stattfindenden Stammtischen zur Serie, die zahlreichen Perry Rhodan-Clubs, die Conventions11 veranstalten, Onlineplattformen für den Austausch bereitstellen, Magazine herausgeben sowie verschiedenste Fanprojekte unterstützen.12 Die bereits zu Beginn enge
deutsche Supermänner. Paul Alfred Müller alias Lok Myler alias Freder van Holk – Leben und Werk. Zürich 2003 (Unterschlagene Literatur; 1), S. 84; Schwettmann 2006, S. 26 und S. 251. Dabei bestand ein intensiver Kontakt zum US-amerikanischen Fandom, vermittelt über prominente Vertreter wie Hugo Gernsback und Forrest J. Ackerman. Vgl. Rainer Eisfeld: Die Zukunft in der Tasche. Science Fiction und SFFandom in der Bundesrepublik – Die Pionierjahre 1955-1960. Lüneburg, 2., durchges. Auflage 2008, S. 14 und S. 18. Die Entstehung des Science-Fiction-Fandoms in Deutschland beschreibt ausführlich Hallmann 1979, S. 302-343. Zur Vernetzung von Fans und ProduzentInnen innerhalb der Science-Fiction-Szene vgl. auch Lester Del Rey: The World of Science Fiction – 1926-1976. The History of a Subculture. New York/London 1980; James 1994. 11 Bei Conventions handelt es sich um Treffen, auf denen sich Fans und ProduzentInnen der Serie austauschen. Die Veranstaltungen mit den meisten BesucherInnen sind dabei die vom Verlag ausgerichteten „WeltCons“, die in den Jahren 1980, 1986, 1991, 1999 und 2011, jeweils zu Jubiläen der Serie, stattfanden. Vgl. Schwettmann 2006, S. 252255. Weiterhin existieren diverse Fanconventions, die häufig von Clubs oder Stammtischen
ausgerichtet
werden,
wie
beispielsweise
der
„GarchingCon“
(vgl.
http://www.garching-con.net, 02.03.2016), der „Franken-Con“ (vgl. http://www. festak.de, 03.03.2016) sowie weitere, auch kleinere Veranstaltungen. Zudem ist Perry Rhodan auch auf anderen Science-Fiction-Conventions präsent, wie etwa der „Fedcon“ zur Star Trek-Serie (vgl. http://www.perry-rhodan.net/newsreader/items/ die-fedcon-geht-in-die-24-runde.html, 02.03.2016), der Kölner Science-FictionVeranstaltung „ColoniaCon“ (vgl. http://www.coloniacon.eu, 02.03.2016) oder dem „Buchmesse-Con“ zu phantastischer Literatur (vgl. http://www.buchmessecon.info, 02.03.2016). Der Artikel, der dem Wort „Con“ gegeben wird, variiert, je nachdem, ob damit das Wort „Convention“, „Convent“ oder „Congress“ assoziiert wird. 12 Der erste Fanclub zur Serie wurde 1962 gegründet (vgl. Kempen 2003, S. 82). Kellner konstatiert für Mitte der 1980er Jahre eine Anzahl von 550 Clubs (vgl. Rolf Kellner: Das Geheimnis der ewigen Jugend. Science Fiction-Leser und Science Fiction-Lesen. In: Ders./Rolf-Dieter Kluge (Hg.): Aspekte der Science Fiction in Ost und West. Tübingen 1985 (SF Science; 2), S. 89-104, hier S. 98), während die Zahl offenbar in den Folgejahrzehnten deutlich zurückging. Für 1999 sprechen Foltin und Mundhenke noch von „mehr als hundert“ (Foltin/Mundhenke 1999, S. 228). Eine Übersicht über die aktuell aktiven Perry Rhodan-Clubs und -Stammtische findet sich bei Schwett-
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Zusammenarbeit von Fanszene und Verlag setzt sich dabei bis in die Gegenwart fort. So ist beispielsweise die 1995 gegründete „Perry Rhodan-FanZentrale“ (PRFZ), ein Verein mit aktuell etwa 1000 Mitgliedern, der sich als „unabhängige Serviceorganisation für die Leser, Fans und Fanclubs“13 versteht, personell mit der Redaktion verzahnt, indem Mitbegründer Klaus Bollhöfener seit 1997 im Perry Rhodan-Marketingbereich tätig ist.14 Sieben LeserInnen aus dem Sample lassen sich diesem aktiven Teil der Leserschaft zurechnen, indem sie Mitglied in einem Fanclub sind, häufiger Stammtische oder Conventions besuchen oder im Onlineforum zur Serie15 mit anderen
mann 2009, S. 199-218. Die PRFZ listet aktuell 21 Stammtische in Orten in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die sich, meist monatlich, in Gasthäusern treffen. Vgl. http://www.prfz.de/stammtische.html, 01.03.2016. Eine Übersicht über größere Clubs und Stammtische gibt auch die Perry Rhodan-Website. Vgl. http://www.perryrhodan.net/clubs-stammtische.html, 01.03.2016. Die Organisation der Perry RhodanFanclubs war bereits früh eng mit dem Verlag verbunden, der ein „Zentralsekretariat der Perry Rhodan-Clubs“ eingerichtet hatte. Vgl. Kellner 1982, S. 126f. und S. 145; Schwettmann 2009, S. 206. 13 http://www.prfz.de, 12.03.2016. 14 Vgl. http://www.perry-rhodan.net/klaus-bollhoefener.html, 02.03.2016. Zur PRFZ vgl. auch Kempen 2003, S. 82; Schwettmann 2006, S. 256-259. 15 Seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre ist das Perry Rhodan-Fandom auch online aktiv. Als Teil der offiziellen Website der Perry Rhodan-Redaktion existiert ein Onlineforum zur Serie (im Folgenden „Perry Rhodan-Forum“ genannt), dessen aktuelle, im Juni 2012 gestartete Version, im März 2016 mehr als 1200 Mitglieder und über 450.000 Beiträge zählt. Vgl. http://forum.perry-rhodan.net, 03.03.2016. Eine ältere Version des Forums ist abrufbar unter: http://forenarchiv.perry-rhodan.net, 03.03.2016. Daneben existieren auch Foren einzelner Fanclubs, wie etwa des „AtlanClubs-Deutschland“
(vgl.
http://www.atlan-club-deutschland.de/intras/locs.php,
03.03.2016) oder des „Perry Rhodan-Briefclubs Bully’s Schreibtisch“ (vgl. http://www.prbcbs.de/index.php/forum?defaultmenu=30, 03.03.2016) und Spezialforen, wie das Technik-Forum zur Serie (vgl. http://www.prtf.proc.org, 03.03.2016) oder das Forum „Gucky’s Inn“ zum Perry Rhodan-Sammelkartenspiel (vgl. http://www.razyboard.com/system/user_oliveri.html, 03.03.2016). Außerdem sind Unterforen zur Serie innerhalb von Science-Fiction-Foren zu finden, etwa auf der Website scifinet.org (vgl. http://www.scifinet.org/scifinetboard/index.php/forum/215perry-rhodan-crossover, 03.03.2016) oder der des „SF-Forums“ (vgl. http://forum.sffan.de/viewforum.php?f=33, 03.03.2016), sowie in Foren aus anderen Bereichen, wie
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diskutieren.16 Nicht für alle gehört der Austausch mit anderen zum Lesen der Serie. So geben weitere sieben LeserInnen an, in der Regel nicht mit anderen über Perry Rhodan zu kommunizieren. Sich über die Serie auszutauschen ist jedoch auch außerhalb des Fandoms nicht unüblich. So werden nicht immer neue GesprächspartnerInnen gesucht, sondern auch bereits bestehende Kontakte genutzt, um über die Lektüre zu sprechen. Unter PartnerInnen, Eltern und Kindern oder Geschwistern ist dies häufig der Fall. Für die LeserInnen innerhalb wie auch jenseits des Fandoms trägt der Austausch mit anderen in erheblichem Maße zum Vergnügen an der Serie bei. Auf welche Weise das Kommunizieren mit anderen über die Serie einen Gewinn für die Lektüre mit sich bringt, wird im Folgenden herausgearbeitet. Wie dabei sichtbar wird, ist Serialität an den Praktiken des Austauschs wesentlich beteiligt. 6.1.2 Funktionen des Austauschs für die Lektüre Viele der innerhalb der Fanszene aktiven LeserInnen heben die Bedeutung hervor, die das Fandom für ihre Sozialbeziehungen habe, so etwa Melanie und Holger Speidel, die Mitglieder eines der „größten und aktivsten Clubs“17 im Perry Rhodan-Bereich sind, dem etwa 90 Personen angehören. Das Ehepaar, das sich durch den Fanclub kennenlernte, hat zwar im eigenen Wohnort keinen Kontakt zu anderen Perry Rhodan-Fans – der Versuch, einen eigenen Perry RhodanStammtisch im näheren Umkreis ins Leben zu rufen, scheiterte –, ist aber überregional und auch international gut vernetzt. Beide tauschen sich regelmäßig, face-to-face, postalisch oder online, mit anderen LeserInnen aus. Die gemeinsamen Aktivitäten des Clubs seien vielfältig, sagt Holger Speidel: „[W]ir haben mal so Grillfeste gemacht und Ausflüge ins Planetarium, Technikmuseum und einfach so ein bisschen das Zusammensein gefördert und das machen wir immer noch.“18 Dabei betont er, dass der Austausch nicht ausschließlich – und nicht zuvorderst – auf die Serie bezogen sei: „Wenn wir jetzt ein Treffen haben im Verein, also am seltensten fällt das Wort ‚Perry Rhodan‘, denke ich mal. Wir unter-
etwa dem „Midgard-Forum“ zum Thema Rollenspiel (vgl. http://www.midgardforum.de, 03.03.2016). 16 Während es sich beim Perry Rhodan-Fandom um einen männlich dominierten Bereich handelt, gibt es, wie sich im vorliegenden Sample zeigt, Leserinnen, die hier ebenso stark engagiert sind. 17 Interview mit Melanie Speidel und Holger Speidel vom 02.05.2011, hier: Melanie Speidel. 18 Ebd., hier: Holger Speidel.
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halten uns über alles.“19 Es kämen sogar mitunter Mitglieder dazu, die Perry Rhodan (noch) nicht läsen, andere läsen die Serie nicht mehr oder nur noch sporadisch. Auch Katharina Weiß, die im Perry Rhodan-Forum aktiv ist und zudem regelmäßig einen Stammtisch besucht, berichtet, es gehe bei den Treffen nicht immer um die Serie: „Da sind vielleicht von den ganzen Gesprächen 30 Prozent Perry Rhodan-bezogen.“20 Andererseits ist für sie offenbar gerade der Umstand wichtig, auf den Stammtischen und im Forum adäquate AnsprechpartnerInnen für die Diskussion über die Serie zu finden: „[W]eil wenn ich einen meiner Freunde so drauf anspreche, die haben keine Ahnung davon. Oder die haben’s mal gelesen und haben halt von der aktuellen Handlung keine Ahnung, wissen die aktuellen Autoren vielleicht nicht und so weiter. Und so halt über das Forum die Leute, die sind auch welche, die halt dann wirklich jede Woche das Teil lesen und dann kannste’s mit denen bereden.“21
Dass diejenigen, mit denen man sich über Perry Rhodan austauscht, ebenfalls LeserInnen der Serie sind, ist Voraussetzung für gewinnbringende Seriengespräche. Diese Ansicht teilen auch diejenigen LeserInnen, die nicht Teil des Fandoms sind. Während Lektüreerfahrungen allgemein auch innerhalb des Freundes- und Bekanntenkreises oder unter ArbeitskollegInnen ausgetauscht werden, finden Gespräche über die Serie bei den meisten im engeren Kreis der Verwandtschaft statt und beschränken sich auf die LeserInnen, mit denen das Heft geteilt wird. In keinem der Fälle gehören weitere Perry Rhodan-LeserInnen zum Bekanntenkreis. Matthias Spechts Erfahrung ist, dass Nicht-LeserInnen häufig kein Verständnis für die Serie mitbrächten. So berichtet er von einem Referat über Perry Rhodan, das er vor seiner Schulklasse hielt, das „nicht sonderlich gut angekommen“22 sei: „Die Handlung ist ja auch ziemlich komplex dann und für jemanden, der das dann nicht gelesen hat, im Prinzip, ist dann einiges auch unverständlich und es hat ... war nicht ihr Geschmack.“23 Auch ein Freund, dem er die Serie vorstellte, erwies sich als ungeeigneter Gesprächspartner:
19 Ebd. 20 Interview mit Katharina Weiß vom 26.05.2011. 21 Ebd. 22 Interview mit Matthias Specht vom 26.05.2011. 23 Ebd.
220 | P ERRY R HODAN LESEN „Mein bester Freund hatte sich mal ein Heft ausgeliehen und der hat ... der hatte dann da hinterher zum Teil eher nur Spott übrig. [...] Er meinte dann später, er war ... ja ... sind dann Wesen aufgetaucht, die nennen sich ‚Schohaken‘ und der hat dann immer ‚Schokohasen‘ [...] draus gemacht.“24
Es wird also das Gespräch mit SerienleserInnen gesucht, insofern bei diesen ein Verständnis für die Serie vorausgesetzt und mit ihnen über konkrete Inhalte diskutiert werden kann. Dass der Austausch das Lesen und die damit verbundenen Praktiken beeinflusst, zeigt sich in vielen Interviews, auch über das Fandom hinaus. In der folgenden Passage aus dem Interview mit Anja und Thomas Wendt kommen einige Aspekte zur Sprache, an die sich Beobachtungen zu den Äußerungen und Praktiken anderer LeserInnen anschließen lassen. Anknüpfend daran wird in drei Punkten herausgearbeitet, welche Bedeutung der Austausch für das Lesen der Serie hat und wie die Serie gerade durch ihre Eigenschaft der Serialität diesen Austausch mitbestimmt. „T. W.: [...] Also, wenn Anja dann durch ist, oder derjenige, der zuletzt durch ist, ähm, werten wir dann auch den ein oder anderen Roman, der den Handlungsfortgang dann ... dann aus, ob wir das jetzt gut finden oder schlecht finden. Also, ob der Roman so qualitativ gut oder schlecht war, was man vielleicht nicht verstanden hat oder, äh, weil es gibt ja manchmal auch so größere Zusammenhänge, die dann auch irgendwie jenseits, ähm, unseres Lesehorizonts liegen, äh, in der Zeit dazwischen, bei den 2400 Bänden, ähm, und versucht das dann einzuordnen, aber ... Ja, meistens ist’s dann immer so ’ne qualitative Bewertung, das fand ich gut, das fand ich, ähm, das war witzig oder, äh, so was. Das findet dann schon statt. A. W.: Manchmal sind auch so kleine inhaltliche Fehler drinne. Ähm, und dann so: ‚Hast du den auch gesehen?‘ – ‚Ja den hab’ ich auch bemerkt‘. ‚Ist dir das aufgefallen?‘ – ‚Ja, das ist mir auch aufgefallen.‘ Ähm, wo wir auch viel drüber sprechen ist so, wie der Autor geschrieben hat. Man hat ja da auch so seine Lieblinge, wo man sagt, ach Mensch, das wird bestimmt ein guter Roman, weil der schreibt besonders gut. Mmm, ja, aber auch so, wie’s weitergehen könnte und, ähm ... Ja.“25
24 Ebd. 25 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011.
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6.1.2.1 Reflexion und Vergleich der eigenen Lektüreerfahrung Auf einer ganz grundlegenden Ebene dient der Austausch der Reflexion der eigenen Lektüreerfahrung. Die eigenen ästhetischen Wertungen werden mit denjenigen anderer verglichen, wobei häufig eine differenzierte Diskussion bestimmter – stilistischer oder thematischer – Aspekte der Serie erfolgt. Gerade über AutorInnenstile, sagt Thomas Wendt, werde bei ihnen viel gesprochen. Wie in mehreren Interviews zum Ausdruck kommt, bilden sich dabei gemeinsame Sichtweisen und Präferenzen in Bezug auf die Serie aus. So sagt Thomas Wendt, im Anschluss an die Ausführungen seiner Frau über ihre bisherige Serienlektüre: „Ich kann nicht sehr viel mehr hinzufügen, weil in so ’nem Austausch formt sich ja meist ’ne homogene Meinung. ((lacht))“26 Matthias Specht erwähnt diesen Aspekt ebenfalls. So sagt er, sein Vater und er hätten, was Perry Rhodan betreffe, einen „relativ ähnlichen Lesegeschmack“27. Auch im Interview mit Carolin und Tobias Winter kommt häufig ein gemeinsames Verständnis der Serie zur Sprache, wenn sie berichten, welche Inhalte ihnen wichtig seien. Gemeinsame Vorlieben betreffen beispielsweise bestimmte Serienfiguren; nach ihrer Lieblingsfigur befragt, geben sie an, ihr gemeinsamer „Langzeitkandidat“28 sei Atlan. Der Vergleich der eigenen Leseerfahrungen mit denjenigen anderer LeserInnen kann dabei auch durch die Wahrnehmung von Unterschieden zum Nachdenken über die eigene Lektürepraxis anregen. So beschreibt Stefan Belting, die Diskussionen mit seinem Sohn machten ihm Veränderungen seiner eigenen Lektüre bewusst: „[I]m Moment diskutieren wir halt so über einiges, ja. Wo, ja, wo ich dann den Unterschied merke, äh, so, ich sag’s jetzt mal ... Wenn man quasi 2000 Heftromane gelesen hat, ist man sicherlich irgendwann nicht mehr so einfach zu begeistern wie wenn man gerade angefangen hat. Äh. Und, äh, ich denk’, ja. Es ist ... ist schwierig. Ich achte auch auf andere Dinge al- als er. Also sagen wir mal so, äh: Dass ... dass mir oberflächliche Action sozusagen eigentlich m- m- völlig ... mich nicht mehr so interessiert, nach 2000 Heftromanen, äh, die er aber natürlich noch total spannend findet und so weiter. Das heißt, ich merke, dass ... dass ich auf unters- ... auf andere Dinge achte. Oder, ähm, auch was, was diesen ... den Stil der Autoren angeht: Er mag andere als ich. Ähm. Äh. Ich merk’, dass er sehr stark, äh, die Technik, äh, mag. Und ich merke, ja, die mag ich auch, aber das kenn’
26 Ebd., hier: Thomas Wendt. 27 Interview mit Matthias Specht vom 26.05.2011. 28 Interview mit Carolin Winter und Tobias Winter vom 15.01.2009, hier: Tobias Winter.
222 | P ERRY R HODAN LESEN ich sozusagen sehr stark. Und er begeistert sich, äh, sehr an ... an, was weiß ich, irgendwelchen technischen Beschreibungen, ähm, die mich wahrscheinlich gar nicht mehr so ((lacht)) interessieren.“29
Er als langjähriger Leser richtet seine Aufmerksamkeit vielmehr auf „die Zusammenhänge. Wenn ich sozusagen jetzt merke, das ... das, was dort beschrieben ist, hat etwas mit dem zu tun, was vor 200 Heften erzählt wurde oder vor 300 oder am liebsten noch mehr. Oder, als- das heißt, was mich begeistert, sind dann mehr die Geschichten, die über große Zeiträume und eben auch über große Zeiträume innerhalb der Serie halt gehen.“30
Der Austausch dient also der Reflexion der eigenen Lektüre auch in ihrem Langzeitverlauf. Das Wahrnehmen von Veränderungen und das Verfolgen weit gespannter Handlungsbogen innerhalb der Serie stellen einen wesentlichen Reiz der Serienlektüre dar.31 Der Austausch mit anderen steigert sowohl das Bewusstsein für derartige Verknüpfungen als auch den Genuss ihres Entdeckens und Erschließens. Die beschriebenen Diskussionspraktiken sind, wie sich zeigt, an den Doppelcharakter von Serialität gebunden, der in der Fortsetzung der Erzählung gleichbleibende wie sich verändernde Elemente hervorbringt. Die Diskussion über den längerfristig geteilten und sich dabei fortentwickelnden Lektüregegenstand ermöglicht den LeserInnen, gemeinsame, über einen längeren Zeitraum gültige Geschmacksurteile herauszubilden und gegebenenfalls weiterzuentwickeln. Durch ihre gleichbleibenden Anteile erlaubt die Serie darüber hinaus, Veränderungen der eigenen Lektürepräferenzen wahrzunehmen und anhand des Vergleichs der eigenen Lektüreerfahrung mit derjenigen anderer SerienleserInnen zu reflektieren. Während bereits diese Funktionen des Austauschs also auf Serialität bezogen sind, stehen insbesondere die nachfolgend beschriebenen eng damit in Verbindung. 6.1.2.2 Vertiefen des Verständnisses Gespräche mit anderen LeserInnen dienen, über die Reflexion der eigenen Lektüreerfahrungen hinaus, auch dazu, ein besseres Verständnis für Inhalte und Zu-
29 Interview mit Stefan Belting vom 17.06.2011. 30 Ebd. 31 Siehe Kap. 5.
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sammenhänge der Serie zu entwickeln. Gerade für eine Serie mit einer so langen Laufzeit wie Perry Rhodan ist dieser Aspekt relevant. So geben LeserInnen anderen beispielsweise Einstiegshilfe. Stefan Belting etwa beschreibt, wie er seinem Sohn zu Beginn von dessen Lektüre Hilfestellung leistete: „Am Anfang war es sehr ... dass er mich halt m- ausgefragt hat, weil er Begriffe nicht verstanden hat oder Zusammenhänge nicht wusste.“32 Tobias Winter sagt, als er mit der Serienlektüre begann, habe er seine Freundin Carolin „als wandelndes Lexikon immer dabei gehabt.“33 Auch das kollektive Wissen der Perry Rhodan-ForumsnutzerInnen wird zu Informationszwecken genutzt. Markus Ehlers beschreibt: „Das Forum steht immer für Fragen auf, also im Forum kannst du, äh, kannst du ’n Thread eröffnen, ich, äh, ich habe das und das im ... im Bild, zum Beispiel ich such ’n Titelbild. Von den 2600 Titelbildern. Ich weiß, das und das war drauf und du kannst dir sicher sein, innerhalb von zwei Wochen weißt du, welches Titelbild das war. Ganz sicher. Da sind die ... Also was da für ’n Wissen ’rumschwirrt, grade über die Serie, ist unglaublich. Oder wenn du wissen willst, was über einen bestimmten, äh, äh ... Was ... Was die Fi- ... Was das Finale war, was über jemanden gesagt wurde, kommt der Erste: ‚Ja im Heftroman so und so, Abschnitt so und so‘, meistens noch mit Zitat, und dann kommt der nächste: ‚Nee halt, äh, hier in der Spin-off-Serie kam noch mal das und das‘. Also im Forum kannst du fast alles zurückverfolgen.“34
Andere LeserInnen werden auch befragt, um Lücken in der Lektüre zu überbrücken. Wenn einmal ein Heft verloren geht, ehe es die MitleserInnen gelesen haben, so berichtet Tobias Winter, „dann erzählt man schnell die Handlung, dann geht’s dann auch.“35 Ebenso diene die Heftzusammenfassung und -bewertung durch die MitleserInnen dem ‚Abkürzen‘ der Lektüre, wenn das Aktuellbleiben schwer falle.36 Ein vertieftes Verständnis für Zusammenhänge innerhalb der Serie zu entwickeln, gewährt insbesondere der Austausch innerhalb des Fandoms, zu dem auch Gespräche mit ProduzentInnen – vor allem AutorInnen – gehören, welche in en-
32 Interview mit Stefan Belting vom 17.06.2011. 33 Interview mit Carolin Winter und Tobias Winter vom 15.01.2009, hier: Tobias Winter. 34 Interview mit Markus Ehlers vom 09.06.2011. 35 Interview mit Carolin Winter und Tobias Winter vom 15.01.2009, hier: Tobias Winter. 36 Vgl. ebd.
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gem Kontakt zu Fanclubs stehen, an Stammtischen und Conventions teilnehmen und sich mitunter auch in Forumsdiskussionen einschalten. 37 Katharina Weiß etwa erzählt von Gesprächen mit dem Autor Uwe Anton in der Stammtischrunde: „Teilweise gibt’s bei uns Ideen im Forum, die wir dann zum Beispiel Uwe Anton erzählen, wo der sagt so: ‚Huch, das ist auch interessant. Warum ist mir das nicht eingefallen?‘ Und ... Ja und halt, wie gesagt: Wie fand man das? Und was denkt man, was daraus wird? Dadurch, dass die Geschichte ja immer weiter fortgesetzt wird, wo man ’n bisschen anfängt zu spekulieren: ‚Was könnte noch werden?‘ oder [zu] Uwe sagt: ‚Komm mal, kannst Du bitte den da endlich mal killen, der nervt!‘ ((lacht)) ... sag’ ich: ‚Schmeiß den mal aus der Luftschleuse!‘ So in die Richtung zum Beispiel.“38
Frank Zelter berichtet von einer Wette mit dem Autor Marc A. Herren bei einem Stammtischtreffen: „[S]o wie jetzt im letzten Zyklus die Superintelligenz, äh, wo’s geheißen hat, äh, die stirbt, und wo ich dann mit dem Marc A. Herren zehn Euro gewettet habe, dass sie nicht den Mut haben, dass sie’s sterben lassen und er wirklich noch am Stammtisch mit Hand drauf eingegangen ist und ich mir gedacht hab’: ‚Ich glaube, jetzt lassen sie’s wirklich sterben, weil sonst würd’ er nicht sagen: Kauf’ dir den nächsten Roman und die zehn Euro krieg’ ich.‘ Und ich hab’ den Roman dann durchgelesen und hab’ mir gedacht: ‚Poah, ich glaub’, ich muss sie ihm tatsächlich geben.‘ Und der Roman drauf, hoaha, war ja alles nur Fake und in Wirklichkeit sind wir gar nicht tot, weil jetzt sind wir sogar zu zweit. Und da habe ich mir gedacht, die zehn Euro, die hol’ ich mir wieder von ihm. ((lacht leicht))“39
Neben spielerischen Unterhaltungen über den Fortgang der Serie führen die Kontakte zu AutorInnen auch zu privilegierten Informationen und exklusiven Einblicken. Markus Ehlers, der jährlich zu seinem Geburtstag ein Fantreffen veranstaltet, bei dem auch AutorInnen anwesend sind, berichtet:
37 Klassische AutorInnenlesungen, wie sie im Buchbereich üblich sind, sind hingegen selten und finden eher im kleinen Rahmen statt. Vereinzelt gibt es sie jedoch, so fand beispielsweise am 16.07.2009 eine Lesung mit dem Autor Frank Borsch, inklusive Autogramm- und Fragerunde, zum „Jubiläumsband“ Nr. 2500 in einer Freiburger Buchhandlung statt. Vgl. Perry Rhodan-Infotransmitter Nr. 114 vom 08.07.2009, http://www.schattenblick.de/infopool/unterhlt/perry/prtr-114.html, 03.03.2016. 38 Interview mit Katharina Weiß vom 26.05.2011. 39 Interview mit Frank Zelter vom 16.06.2011.
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„Einmal ... einmal hat ’n Autor, äh, ’ne Lesung gemacht. Also er hat den Roman, der vier Wochen später veröffentlicht werden sollte, der eigentlich ’n Tag später abgegeben werden musste, den hat er im Zug angefangen zu schreiben, und dann hat er ... hat er die ersten drei Seiten vorgetragen, abends um zwölf.“40
Der Austausch im Fandom verschafft darüber hinaus auch Aufschluss über die Produktionszusammenhänge der Serie. So sagt Gerd Brehm, die Teilnahme im Forum und der persönliche Kontakt zu ProduzentInnen ermöglichten ihm ein „besseres Verständnis auch, selbst für so was wie, wie die Prozesse hinter dem fertigen Roman. [...] Und, ähm, dieses Dahinter, der Produktionsprozess, äh ... Wenn man mal so mitkriegt, zum Teil, wie kommt es zu solchen Ideen oder so. Das bindet an die Serie. Und das ist auch was, was, äh, was In-, was das Interesse vertieft.“41
Auch durch die Bloggeraktivitäten des Chefredakteurs etwa ergäben sich Einblicke in die Produktion: „[D]a erzählt er manchmal Ideen, die er vor zehn Jahren da reingebracht hat, und wo sie alle gesagt haben, das ist doch die letzte Scheiße, kannst doch nicht machen. Die ... nie was draus geworden sind, ne? Und dann schreibt er auch da drunter, also: ‚Heute bin ich froh, dass @da keiner drauf eingegangen@ ist‘, ne? Oder, äh: ‚Und dann haben wir 400 Bände später ... haben einen Teil dieser Idee aufgenommen und das ist dann eingeflossen in den Zyklus XYZ.‘ Ja? Oder so was. Also auch der macht diese ... diese Verbindung, ähm, hinter die Kulissen gucken, was passiert da, was wird da alles diskutiert und was fließt dann wirklich ein in das Endergebnis, was der Leser hat. Und das ist ein unheimlich spannender Prozess. Und ... Und der ist für mich auch spannend. Und das ist für mich ein Teil dieser Faszination.“42
Die Praktiken den Austauschens und Informierens beleben das Interesse an der Rezeption und verhelfen zu einem Überblick, der nicht nur inhaltliche Zusammenhänge der Serie, sondern auch deren Erstellung einschließt. Der Produktionsprozess, nicht nur das Werk an sich, wird so zum Teil der Rezeption und hat Rückwirkungen auf die Lektüre selbst, ihre Wahrnehmung und die damit verbundenen Praktiken.
40 Interview mit Markus Ehlers vom 09.06.2011. 41 Interview mit Gerd Brehm vom 27.05.2011. 42 Ebd.
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Serialität erzeugt, wie sich hier zeigt, spezifische Formen des Austauschs, die im Hinblick auf ein einzelnes Werk in dieser Weise nicht denkbar sind. In den beschriebenen Praktiken, die einem Vertiefen des Verständnisses für die Serie dienen, zeigt sich der Anteil von Serialität deutlich. Mit der gegenseitigen Hilfestellung reagieren die LeserInnen unmittelbar auf die Komplexität der Serie, die wiederum eine Folge ihres Fortsetzungscharakters ist. Gerade in ihrer ständigen Weiterentwicklung bietet die Serie Anlass, sich mit ihrer Genese zu befassen – und dies nicht nur auf der Ebene der Erzählung bzw. der Handlung, sondern auch auf der Ebene der Produktion. Das Informieren über die Entstehungsprozesse ist dabei im Hinblick auf die ‚Vorgeschichte‘ bzw. die Entwicklung hin zur aktuellen Lektüre, aber auch gerade im Hinblick auf ihre Weiterentwicklung für die LeserInnen interessant. 6.1.2.3 Intensivieren der Lektürepraktiken Insbesondere durch das Spekulieren über den Fortgang der Handlung wirkt der Austausch mit anderen verstärkend auf die Lektürepraktiken. Wie in verschiedenen Interviewzitaten bereits anklang, regt die Serie durch unterschiedliche ästhetische Aspekte zur Diskussion an, etwa durch Fehler, die entdeckt und bemängelt werden, sowie vor allem durch die Offenheit der Erzählung. Viele LeserInnen sehen im gemeinsamen Diskutieren und Spekulieren einen großen Reiz der seriellen Lektüre. Matthias Specht etwa teilt mit seinem Vater die Ansicht, dass sich die besten Romane unter anderem dadurch auszeichneten, dass sie Anlass für Spekulationen böten: „Und wir finden eigentlich im Prinzip immer die Romane am besten, wo neue Völker eingeführt werden. [...] Ja, die sind immer ganz spannend, die Romane. Also ... Die bringen die Handlung vo- vorwärts, sie ... die geben neue Hinweise auf den weiteren Verlauf der Handlung, wie’s ... Man kann dann ... kann darüber viel spekulieren, man erhält neu- ... zum Teil neues Hintergrundwissen, was dann Ereignisse in der Vergangenheit dann wieder in ’n neuen Kontext einordnet und so. Und das ist dann immer sehr interessant.“43
Gerade im Onlinebereich wird intensiv über die künftige Handlung diskutiert und spekuliert. Abgesehen vom „Offtopic“-Bereich ist der „Spoiler“-Thread der-
43 Interview mit Matthias Specht vom 26.05.2011.
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jenige mit den meisten Postings im Perry Rhodan-Forum. 44 ‚Gespoilt‘ wird durch das Posten von Titeln und Untertiteln, Titelbildern, Rezensionen sowie aller möglichen weiteren Informationen zu noch nicht veröffentlichten Heften. Für Gerd Brehm macht das Diskutieren mit anderen LeserInnen im Onlineforum einen großen Reiz des Serienlesens aus. Nach einer Phase, in der er Perry Rhodan weniger intensiv verfolgt habe, habe das Forum seine Motivation, sich mit der Serie zu beschäftigen, wieder bestärkt: „Da waren jetzt, weiß ich nicht, 30, 40, 50 Bekloppte, die auch Perry Rhodan gelesen haben. ((lacht)) Und man konnt’ sich mit denen unterhalten, über’s neueste Heft. Und das war dann spannend.“ 45 Die Forumsdiskussionen hätten „das Lesen wieder intensiviert, weil man sich ja eben über die aktuellen Probleme und Aussichten und Spekulationen unterhalten hat.“46 Die kommunikativen Praktiken haben dabei einen direkten Einfluss auf die Praktiken während des Lesens. So hat Brehm wichtige Romane stets „griffbereit“47, „weil natürlich immer wieder bei Spekulationen, äh, die Frage ist: ‚Ist das stimmig mit dem, was damals da gesagt worden ist oder kann das überhaupt nicht sein?‘ Also dieses Nachrecherchieren, das ist ... das ist ständig, ne. Also nicht tagtäglich und allabendlich, aber bei ’ner interessanten ... bei ’nem interessanten Thema, bei einer interessanten Spekulation, da schnappt man sich den entscheidenden Roman, ne, wühlt darin ’rum, wenn man noch weiß, welcher es war, äh, wühlt da drin ’rum und holt sich die Info raus, ne.“48
Die Lektürepraktiken reichen dabei über das Nachlesen hinaus, wie er schildert: „Ich hab’ auch kein Problem, da drin ’rumzumalen, also, ähm, wenn da ’n interessantes Thema ist oder ’ne Diskussion, ne, dann kritzel’ ich da ’rum und mach’ da Smileys dran oder Blitze oder dumme Fragezeichen oder, ne ... Weil dann arbeite ich da mit dem gelesenen Heft in der Hand am Computer, ne, und beteilige mich an der Diskussion.“49
44 Im alten Perry Rhodan-Forum enthält dieser Thread 108.751, im neuen Forum 71.348 Beiträge (Stand: März 2016). Vgl. http://forenarchiv.perry-rhodan.net, 03.03.2016; http://forum.perry-rhodan.net/viewforum.php?f=57, 14.03.2016. 45 Interview mit Gerd Brehm vom 27.05.2011. 46 Ebd. 47 Ebd. 48 Ebd. 49 Ebd.
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Wie im Forum sichtbar wird, prägen die zeitlichen Rhythmen des Produktionsablaufs dabei die Nutzungspraktiken deutlich mit. So lässt sich, was den Zeitverlauf der Postings betrifft, eine große Regelmäßigkeit beobachten. 50 Üblicherweise findet sich etwa einen Monat vor dem Erscheinungstermin des Heftes ein „Titel-Spoiler“,51 das Titelbild eines Hefts wird meist ein bis zwei Wochen vor dem Erscheinungstermin gepostet,52 und der Spoiler zum Roman folgt in der Regel zwei Tage bevor das Heft im Handel erscheint, nämlich dann, wenn die ersten AbonnentInnen und E-Book-LeserInnen ihren Roman erhalten.53 Eine Ausnahme in diesem Prozess bilden die „Jubiläumsbände“, zu denen die Spoiler früher als üblich erscheinen.54 Gerd Brehm berichtet, zum Zyklusende hin werde besonders stark diskutiert: „Weil den anderen Zyklus, den kennt man jetzt. [...] [I]n das Thema, was jetzt zwei Jahre gelaufen ist, hat man sich eingearbeitet, durchgearbeitet, ist langatmig geworden, es geht wieder zum Ende zu, es wird wieder spannend oder so ... Aber das ist abgefrühstückt. Aber man weiß, es hört jetzt auch auf in drei Wochen und dann machen die was Neues. Und darüber gibt es nichts außer kleinen Hinweisen im Logbuch oder diese Twitterscheiße o- ((lacht laut auf)) Es gibt doch ein paar so Körner, die man picken kann und die werden natürlich alle im Forum zusammengetragen und alles spekuliert wie doof ’rum. Und das ist spannend.“55
Gerade die Serialität mache dabei, auch gegenüber dem Lesen von Romanreihen, den besonderen Reiz aus:
50 Die folgenden Ergebnisse entsprechen einer Auswertung der Spoiler zu PR Nr. 2500 bis 2600 im Perry Rhodan-Forum. 51 Verschiedene User posten jeweils den Hefttitel, zum Teil inklusive Untertitel. Die Titel-Spoiler des Zyklus wurden von insgesamt 20 verschiedenen Usern erstellt. Zwei taten sich darunter durch das Erstellen von 37 bzw. 19 Threads besonders hervor. 52 Während das ‚Spoilern‘ von Titeln von vielen betrieben wird, wird das Titelbild fast immer von demselben User gepostet. Dieser lud 92 Titelbilder des Zyklus hoch. 53 Der Roman-Spoiler wird gewöhnlich von denselben wenigen Usern veröffentlicht. 88 der Roman-Spoiler des Zyklus stammen von insgesamt drei Usern, die die Aufgabe übernommen haben, regelmäßig zu ‚spoilern‘ und sich mitunter auch vertreten lassen. Die übrigen zwölf Spoiler stammen von weiteren neun Usern. 54 Die Spoiler zu den „Jubiläumsbänden“ Nr. 2500 und Nr. 2600 sowie zum „kleinen Jubiläumsband“ Nr. 2550 wurden sechs bzw. fünf und acht Tage vor dem Veröffentlichungstermin des Romans gepostet. 55 Interview mit Gerd Brehm vom 27.05.2011.
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„Also das kann mir auch, das kann mir auch kein Romanautor ... Ich sag’ mal jetzt, Elizabeth George, die kommt doch einmal im Jahr mit so ’nem Schinken raus und natürlich ist interessant, ob Inspector Lynley und die Havers mal ins Bett gehen oder nicht, nach 14 Romanen, oder so was, ne? Aber, äh, eigentlich erwartet man wieder einen psychologisch, äh, psychologisch aufgebauten Kriminalfall und irgendwas passiert und irgendwie kommt der zu ’nem Ende. Aber, äh, man weiß das, aber die Spannung ist nicht wahnsinnig hoch. Weil es wird sich nichts Entscheidendes tun. Aber die Perry Rhodan-Autoren müssen zum Anfang jedes Zyklus, die müssen sich was Neues ausdenken. Die können nicht dasselbe, was sie beim ... vor 200 Bänden oder vor 100 Bänden angefangen haben, in ’ner Neuauflage kurbeln. Das geht nicht. Ne?“56
Während die Serie damit durch ihre spezifische Struktur zur Diskussion anregt, bewirkt der Austausch mit anderen LeserInnen wiederum eine Intensivierung der Lektüre in mehrfacher Hinsicht. So berichtet Brehm, dass ihn die Forumsdiskussionen dazu motivierten, mit der Lektüre auf dem Laufenden zu bleiben: „Das ist ja auch wichtig, dass man die aktuell kriegt. Das ist auch wieder der Zwang dieses Internets und dieses Forums. Wenn ich also jetzt mal drei Wochen nicht lese oder so, dann bin ich aus den aktuellen Diskussionen raus, dann reden die alle über Sachen, die ... von denen ich nichts weiß, das is’ scheiße. Das heißt, da ist so ’n Zwang mit aktuell lesend dabei zu bleiben, ne.“57
Dass der Austausch mit anderen zum ‚Dranbleiben‘ ermuntert, wird auch im Interview mit Stefan Belting deutlich. Dieser sagt, befragt, was ihn zum Weiterlesen der Serie bringe: „@Ein nicht zu unterschätzender@ Aspekt ist jetzt wahrscheinlich mein ... mein Sohn, weil der mich dann auch schon fragt, ob ich weitergelesen hätte und ob ich das und das schon wüsste. Das bestärkt das halt wieder.“58 Im Fall von Katharina Weiß führte das Diskutieren mit anderen LeserInnen im Forum dazu, dass sie anfing, zusätzlich zu den Silberbänden, mit denen sie ihre Serienlektüre begonnen hatte, die aktuelle Handlung zu lesen: „Dann bin ich vor zwei Jahren ins Forum eingestiegen, also hab’ mich da mal angemeldet, hab’ angefangen ein bisschen zu schreiben, dann haben die mich überredet: ‚Steig’ doch bei 2500 auch mit ein in die aktuelle Handlung, damit du mit uns quatschen kannst!‘“59
56 Ebd. 57 Ebd. 58 Interview mit Stefan Belting vom 17.06.2011. 59 Interview mit Katharina Weiß vom 26.05.2011.
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Wie sich hier zeigt, stellt der Austausch also auch einen Anreiz zu vermehrter Rezeption im Serienbereich dar. Diesen Aspekt beschreibt auch Frank Zelter, der als regelmäßiger Teilnehmer eines Perry Rhodan-Stammtischs bestens mit Informationen und Materialien zur Serie versorgt wird. Er berichtet: „[D]as meiste bekommt man über den Stammtisch. Ähm. Wir haben ja ... An unserem Stammtisch haben wir einen sehr Rührigen, der, äh, immer einen, ja, kurzen Flyer mitbringt, was es alles in und um Perry Neues gibt.“60 Durch den Stammtisch gelangt er beispielsweise an Medien, die in Fanprojekten entstanden sind, auch wissenschaftliche Arbeiten zur Serie werden hier verbreitet. Die StammtischbesucherInnen treffen sich darüber hinaus ab und an zum gemeinsamen Filmeschauen, empfehlen sich gegenseitig Bücher oder andere Medien. Auch Versteigerungen finden statt, durch die Frank Zelter Bücher zu einem günstigen Preis erhält. Der Austausch von Medien und Informationen geht dabei weit über die Serie und auch über den Science-Fiction-Bereich hinaus, hat hier jedoch seinen Schwerpunkt. Frank Zelter erhält auf diese Weise zahlreiche Anregungen, die Anlass zu weiterer Rezeption bieten. Das Interesse pflanze sich dabei gewissermaßen fort, wie er berichtet: „Über den Perry Rhodan-Stammtisch bin ich auch zum anderen Stammtisch gekommen, von der Serie Dr. Who, [...] Da bin ich dann auch wieder auf die Serie Torchwood gekommen. Ja, also es ist alles ... Irgendwo hängt das damit zusammen, das eine ergibt sich dann aus dem anderen.“61
Serialität wirkt verstärkend auf die Praktiken des Austauschs, dies zeigte sich jeweils im Zusammenhang mit den beschriebenen Funktionen, die dieser für die Lektüre hat. Der serielle Lesestoff regt zur Diskussion an und wird hierdurch als gegenüber anderer Literatur besonders reizvoll erlebt. Dabei beeinflusst Serialität auch die Rhythmen der Nutzung und regt zum Fortführen der Rezeption an. Der Austausch über die Serie wiederum motiviert und befördert bestimmte Lektürepraktiken. Er trägt zum Aktuellbleiben und zur Bindung an die Serie bei. Er kann dabei als Verstärker für die Rezeption betrachtet werden, nicht nur im Serienbereich, sondern auch darüber hinaus. Gerade in diesem Zusammenhang des wechselseitigen Motivierens und Intensivierens zeigt sich die Kooperation von Serie und menschlichen Akteuren deutlich.
60 Interview mit Frank Zelter vom 16.06.2011. 61 Ebd. Bei Torchwood handelt es sich um ein Spin-off der Dr. Who-Serie.
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6.1.3 Die ErbInnen des Universums Der Austausch mit anderen LeserInnen hat darüber hinaus auch eine wichtige Funktion für die Weitergabe der Serienlektüre. Neben der ‚Tradition‘ durch das Perry Rhodan-Fandom gibt es dabei auch ganz private Formen des Fortführens der Rezeptionspraxis. Dies zeigt sich, wenn die LeserInnen des vorliegenden Samples den Beginn ihrer Serienlektüre beschreiben. Neben Verkaufsorten und dem Genreinteresse haben andere LeserInnen als Vermittlungsinstanz einen herausgehobenen Stellenwert. So wurden 13 ProbandInnen durch persönliche Kontakte auf die Serie aufmerksam. Insofern, nach Erkenntnissen der Buchmarktforschung, für BuchleserInnen neben dem „Stöbern im Geschäft“62 die Empfehlung durch Freunde oder Verwandte die wichtigste Anregungsquelle für den Kauf eines Buches ist,63 überrascht es wenig, dass dieser Kontext auch für Perry Rhodan-LeserInnen eine wichtige Rolle spielt. Es lässt sich allerdings spezifizieren, dass es sich hier um eine Vermittlung durch Personen handelt, die selbst Perry Rhodan lesen oder in der Vergangenheit lasen, es handelt sich also um eine Weitergabe durch andere SerienleserInnen. In diesem Zusammenhang lassen sich wiederkehrende Muster erkennen. So waren bei einigen ProbandInnen gleichaltrige LeserInnen von Bedeutung für die Vermittlung der Lektüre. Sechs ProbandInnen kamen im Kindes- bzw. Jugendalter durch Geschwister oder Kontakte mit Gleichaltrigen im Umfeld der Schule zum Perry Rhodan-Lesen. So berichtet Gerd Brehm, der um 1964 begann, die Serie zu lesen: „[S]o mit, pff, 13, in der Ecke ’rum, bin ich zufällig in ’nem Landschulheimaufenthalt auf ’n Typen gestoßen, der hatte diese merkwürdigen Hefte, Perry Rhodan. Und da mein Lesestoff weg war, durch, ausgelesen,
62 Kochhan/Haddad/Dehm 2005, S. 28. 63 Vgl. Bodo Franzmann 2001b: Lesezapping und Portionslektüre. Veränderungen des Leseverhaltens, besonders bei Jugendlichen. In: Media Perspektiven 32 (2001), H. 2, S. 90-98, hier S. 95 (Abbildung 4). http://www.ard-werbung.de/media-perspektiven/ publikationen/fachzeitschrift/2001/artikel/lesezapping-und-portionslektuere, 08.10.2015; Kochhan/Haddat/Dehm 2005, S. 26 und S. 28f.; Bodo Franzmann: Selektives Leseverhalten nimmt zu. Lesestudien der Stiftung Lesen im Zeitvergleich. In: Stiftung Lesen 2009, S. 31-38, hier S. 36; Christoph Kochhan: Garant für gute Unterhaltung. Kaufverhalten bei Büchern: Zielgruppen, Motive, Präferenzen. In: Stiftung Lesen 2009, S. 102-110, hier S. 108f.
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hab’ ich gesagt: ‚Komm, gib mir mal sowat her!‘.“64 Stefan Belting schildert den Anfang seiner Serienlektüre um 1974 folgendermaßen: „Also ich ging damals in die fünfte Klasse des Gymnasiums, musste halt morgens mit dem Bus hinfahren und das war einer, der war zwei oder drei Jahre älter. Und wir kamen halt so ins Gespräch. Der hat die halt immer gelesen. Und, äh, dann hat er mir eins, äh, gegeben, äh. Und dann so ein, zwei Jahre später hat ein anderer Freund von mir ... ein Jahr später ... auch Perry Rhodan gelesen und der hat sie mir zuerst regelmäßig gegeben, praktisch zum Mitlesen und, äh, ja, und irgendwann bin ich dann quasi selber, selber eingestiegen. Al- ... In dem Sinne, dass ich sie mir halt wirklich gekauft hab’.“65
Das gegenseitige Ausleihen von Heftromanen war unter Gleichaltrigen zu dieser Zeit durchaus gängig, wovon auch weitere Leser berichten, die in den 1960er bis 1980er Jahren begannen, Perry Rhodan zu lesen. Auch für Michael Schubert, der seit etwa 1971 Perry Rhodan-Leser ist, stellte diese Praxis den Kontakt mit der Serie her: „In der Schule haben wir immer getauscht: Heftle. Superman, Bat Man, Fix und Foxi, Micky Maus ... ging immer hin und her. Und mein, ja, mein Klassenkamerad, der hatte schon Perry Rhodan. Und der hat mal eins vorbeigebracht [...] und hat gesagt: Komm lies mal [...]“66. Die Schule war offenbar eine Art ‚Umschlagplatz‘ für Hefte verschiedener Art. Im Gegensatz zur Vermittlung legitimer Literatur im Deutschunterricht wurden Heftromane dabei als ‚Lektüre unter der Schulbank‘ von Schulfreunden an Schulfreunde weitergegeben. Auch für LeserInnen, die erst im Erwachsenenalter mit der Perry RhodanLektüre begannen, spielten persönliche Kontakte beim Kennenlernen der Serie eine Rolle. So erfuhr Katharina Weiß durch einen Freund, mit dem sie sich häufig über Science-Fiction austauscht, von der Serie. Darüber hinaus zeigt sich ein weiteres Muster. Bei meiner Teilnahme an Perry Rhodan-Conventions konnte ich hin und wieder ältere Leser beobachten, die jüngeren die Serie nahebrachten. „Das ist der Wim Vandemaan, der ist super“67, sagte etwa ein neben mir sitzender Vater zu seinem Sohn auf einem Perry Rhodan-Con, als der Autor die Bühne betrat. Diese zufällige Beobachtung und ein Szenario, das ich auf einer Science-Fiction-Convention beobachten konnte – ein älterer Herr und ein kleiner Junge kämpften mit Lichtschwertern, dem typi-
64 Interview mit Gerd Brehm vom 27.05.2011. 65 Interview mit Stefan Belting vom 17.06.2011. 66 Interview mit Michael Schubert vom 22.06.2011. 67 Feldtagebuch GarchingCon, 18.07.2009.
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schen Star Wars-Accessoire –,68 entsprechen einem Muster, das sich auch in vielen der Interviews findet: Offenbar werden die eigenen Rezeptionsvorlieben an die jüngere Generation weitervermittelt. Wie die Interviews ergaben, werden auffallend häufig Perry Rhodan-Hefte oder -Bücher innerhalb der Verwandtschaft weitergegeben.69 Sechs LeserInnen berichten, dass sie durch Verwandte (Vater, Bruder, Onkel, Ehemann der Cousine) zum Lesen der Serie gelangt seien, ein weiterer kam über die Bücher des Vaters eines gleichaltrigen Freundes zu Perry Rhodan, zwei Leser wiederum gaben selbst Hefte an jüngere Verwandte (Neffe, Sohn) weiter. Frank Zelter erzählt von seiner ersten Begegnung mit Perry Rhodan: „Ich war auf einer Familienfeier mit meinen Eltern bei meiner Cousine und es war mir stinkelangweilig, wie’s halt einem mit zwölf Jahren ist, wenn man irgendwo bei den Erwachsenen ’rumsitzt in einer Wohnung, draußen pisst’s und es ist tödlich langweilig, wenn die 40-Jährigen da reden über, hoa, Kinder, Krankheiten und, äh, Immobilien, houaa ... Wär’ ich lieber daheim gewesen, hätt’ ich wenigstens mein Lego oder mein Playmobil gehabt. Und dann ist also der Mann meiner Cousine hergegangen und hat gesagt: ‚Du, ich hab’ da was, lies es mal‘.“70
Für Frank Zelter stellte diese Episode in der Kindheit den Anstoß seiner Serienlektüre dar. Auch Rainer Weygandt gelangte als Kind durch Verwandte zur Perry Rhodan-Lektüre. Er spricht dabei von einer „Familientradition“71 des Perry Rhodan-Lesens, innerhalb derer die Hefte seines Onkels über seinen älteren Bruder an ihn weitervermittelt worden seien. Die Verbreitung dieses Zugangs zur Serie bestätigen auch LeserInnen, die innerhalb des Perry Rhodan-Fandoms aktiv sind und hier zahlreiche persönliche Kontakte pflegen. So sagt Gerd Brehm: „Viele sind da gekommen, weil der Vater ’ne Sammlung hatte. Oder der Opa die Dinger unterm Dachboden hatte und die haben die gefunden oder so.“72 Holger Speidel formuliert den Einstiegsgrund vieler LeserInnen ganz ähnlich:
68 Vgl. Feldtagebuch DortCon, 09.03.2013. 69 In Cordula Günthers Studie lassen sich ebenfalls Hinweise auf dieses Einstiegsmuster finden, das jedoch nicht weiter thematisiert wird. In zwei Kurzdarstellungen von Perry Rhodan-Lesern werden hier Verwandte erwähnt (Cousin, Bruder), die die Serie ebenfalls lasen. Vgl. Günther 1999b, S. 9 und S. 11f. 70 Interview mit Frank Zelter vom 16.06.2011. 71 Interview mit Rainer Weygandt vom 17.11.2010. 72 Interview mit Gerd Brehm vom 27.05.2011.
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„Weil sie die Sammlung beim Papa finden oder was weiß ich.“73 Dass LeserInnen durch Familienangehörige zum Perry Rhodan-Lesen gelangen, indem sie etwa die Heft- oder Buchsammlung des Vaters entdecken, scheint ein gängiges Muster zu sein. Katharina Weiß weist, auf diesen Zusammenhang angesprochen, auf die Genderspezifik dieser Praxis hin: „Eltern, größere Brüder, Onkel. Ja, überwiegend auch männlich.“74 Auch für das vorliegende Sample gilt, dass die Vermittlung ausschließlich von Seiten männlicher Familienmitglieder erfolgte. Bei dem hohen Anteil männlicher Leser der Serie ist dies nicht verwunderlich. Doch auch wenn die Weitergabe gewöhnlich geschlechtsgebunden – von männliche an männliche Leser – erfolgt, existieren Abweichungen von dem typischen Muster. So gilt das Kennenlernen der Serie durch Familienmitglieder auch für Leserinnen des Samples. Carolin Winter etwa kam durch ihren Vater zur Serie und Melanie Speidel las die Bücher ihres Bruders, der diese geschenkt bekam. Indem durch die Vermittlung der Verwandten die fortgesetzte Lektüre angestoßen wird, findet dabei nicht nur eine Weitergabe der Hefte oder Bücher selbst statt, sondern auch die Praxis des Serienlesens wird an die nächste Generation von Perry Rhodan-LeserInnen tradiert. Serienlesen wird somit gewissermaßen ‚vererbt‘. Die Vermittlung durch andere LeserInnen verläuft dabei allerdings nicht immer so unmittelbar, wie es auf den ersten Blick scheint. Daher ist die Weitergabe nicht in einem so direkten Sinne zu verstehen, wie es der Terminus suggeriert. In den meisten Fällen wird die Serie keineswegs von den LeserInnen aktiv weitergereicht. Häufig war nicht die persönliche Vermittlung entscheidend, sondern zunächst die Präsenz der Serie im näheren Umfeld. Dies zeigt sich etwa in der Schilderung von Matthias Specht, der mit den Heften seines Vater anfing, Perry Rhodan zu lesen: „Ja, zu Perry Rhodan bin ich dazu gekommen, wir waren im Urlaub, [...] meine Lektüre da hatte ich schon durchgelesen. [...] [U]nd da lag das Heft dann ’rum und ich hatte dann einfach mal aus, ja, Langeweile dann da reingelesen, angefangen zu lesen.“75 Carolin Winter, die ihre Serienlektüre mit den Silberbänden ihres Vaters begann, erzählt: „[D]ie standen bei uns eben ’rum und – wie das so ist – irgendwann sind mir immer mal wieder die Bücher ausgegangen und dann habe ich dann immer mal wieder geguckt, was ich denn
73 Interview mit Melanie Speidel und Holger Speidel vom 02.05.2011, hier: Holger Speidel. 74 Interview mit Katharina Weiß vom 26.05.2011. 75 Interview mit Matthias Specht vom 26.05.2011.
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noch nicht kenne. Und dann habe ich damit angefangen“76. Dieter Rathgeb, der die Serie durch ein Heft seines Vaters kennenlernte, das er auf dem Dachboden fand, widerspricht sogar meiner Formulierung, er sei durch seinen Vater zum Perry Rhodan-Lesen gekommen: „Nein, das bin ich eigentlich nicht. Also äh ... Ja gut. Im Endeffekt bin ich schon über meinen Vater gekommen, weil die Hefte gelegen haben. Da war ... lag ja dies eine Heft. So gesehen bin ich schon über meinen Vater reingekommen. Aber ich ... ich hab’ nie gesehen, dass mein Vater die gelesen hat. Also auch, äh, auch nicht, wie ich sie hatte.“ 77
Andere Perry Rhodan-LeserInnen im Umfeld tragen häufig in erster Linie dadurch zur Vermittlung der Lektüre bei, dass sie Serienmedien verfügbar machen. Wenn es um die konkreten Gründe dafür geht, dass die LeserInnen zum ersten Perry Rhodan-Heft oder -Buch greifen, kommt, darüber hinaus, neben dem schlichten Bedarf an neuem Lesestoff, auch die Serie selbst als Akteur ins Spiel, das Vermögen der Hefte, von sich aus einen Reiz auf die LeserInnen auszuüben. Wie bereits im Kapitel „Vor der Lektüre“ angesprochen,78 können die Präsenz der Hefte am Kiosk, ihre visuelle Gestaltung und ihr Science-FictionCharakter zur Lektüre führen. Neben der Mitwirkung anderer LeserInnen darf also auch jene der materiellen und visuellen Aspekte nicht vernachlässigt werden, vielmehr treten diese kooperierend in Erscheinung. In der Beschreibung Rainer Weygandts, der Perry Rhodan bereits vor seiner Alphabetisierung für sich entdeckte, kommt noch einmal deutlich die Anziehungskraft zum Ausdruck, den die Hefte auf den angehenden Leser ausübten: „[S]obald ich lesen konnte ... Also als Kind ... Ich habe mir immer die Bilder angeguckt, die sind ja toll, ne, und immer die Innenillustrationen. Also, ich habe mich dann heimlich zu meinem Bruder ins Zimmer geschlichen und habe die rausgezogen, hab’ die Titelbilder angeguckt und die Innenillustrationen. Und sobald ich lesen konnte ... Die waren toll früher, von Johnny Bruck. Und als ich lesen konnte, habe ich mich dann da gleich drangemacht.“79
76 Interview mit Carolin Winter und Tobias Winter vom 15.01.2009, hier: Carolin Winter. 77 Interview mit Dieter Rathgeb vom 09.06.2011. 78 Siehe Kap. 4.2.3. 79 Interview mit Rainer Weygandt vom 17.11.2010.
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Die im vorliegenden Unterkapitel betrachteten kommunikativen Praktiken konnten in einem neuen Licht gezeigt werden, indem nicht nur die Aktivitäten der LeserInnen und ihre Funktionen für die Lektüre, sondern auch der aktive Anteil von Serialität beleuchtet wurde. Serialität, so zeigte sich, bringt dabei nicht nur spezifische Praktiken im Bezug auf die Perry Rhodan-Lektüre selbst hervor, indem sie die Reflexion und den Austausch über das Gelesene befördert und indem sie in ihrer Materialität an der Weitergabe an nachfolgende LeserInnengenerationen beteiligt ist. Sie kann darüber hinaus, wiederum vermittelt durch die durch sie bewirkten Praktiken, auch als Verstärker für Lektüre und Rezeption insgesamt betrachtet werden. Im folgenden Unterkapitel werden nun die mit Perry Rhodan verbundenen Praktiken des Produktivwerdens der LeserInnen in den Blick genommen, wobei erneut nicht nur die LeserInnen in ihrem aktiven Anteil zu betrachten sind, sondern stets die Kooperation mit der Serie zu berücksichtigen ist, die ebenfalls aktiv beteiligt ist.
6.2 P RODUZIEREN 6.2.1 Fanfiction Über den gegenseitigen Austausch hinaus regt Perry Rhodan auch zu eigenen Produktionen in verschiedensten Bereichen an. Dies lässt sich freilich nicht verallgemeinern. So gibt es zahlreiche LeserInnen, die im Zusammenhang mit der Serie nicht produktiv tätig werden, und auch unter jenen, die hier aktiv werden, existiert ein breites Spektrum der Tätigkeiten. Hierbei sind zunächst die verschiedenen Arten der „Fanfiction“80 augenfällig. Zu den verbreitetsten gehören das Schreiben von Storys, das Anfertigen von Zeichnungen und Risszeichnungen, die Produktion von Filmen sowie Modellbau zur Serie. Es handelt sich hierbei um Formen der Produktivität, die zunächst ‚ganz für sich‘, ohne Kontakte zu anderen Perry Rhodan-LeserInnen oder -ProduzentInnen stattfinden kön-
80 Unter „Fanfiction“ werden hier Produktionen von MedienrezipientInnen verstanden, die sich auf ein bestimmtes Werk beziehen und dieses fortschreiben. Vgl. Humble 2012, S. 96. Beim Schreiben von Fanfiction handelt es sich somit um explizite Anschlusspraktiken der Medienrezeption. Im Vergleich zu einem Großteil der Studien aus der Fanforschung, die unter „Fanfiction“ ausschließlich Formen der literarischen Verarbeitung fassen, die von „Fanart“ in anderen Bereichen unterschieden werden, verwendet die vorliegende Arbeit den Begriff medienunabhängig.
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nen,81 und die den LeserInnen sehr verschiedenartige Zugänge zur Serie eröffnen. Als Beispiel sollen hier die Aktivitäten von Dieter Rathgeb herausgegriffen werden, der sich auf dem Gebiet des Modellbaus engagiert. Im Unterschied zu den Werken von ModellbauerInnen aus dem Perry Rhodan-Fandom – hier gibt es durchaus prominente Vertreter –,82 stehen Rathgebs Fanproduktionen für sich. Für den Großteil des Serienpublikums bleiben sie unsichtbar. In der Modellbauszene ist Rathgeb allerdings gut vernetzt. So ist er Mitglied in einem Verein, der regelmäßig Ausstellungen mit eigenen Modellen konzipiert und mit Museen und Schulen kooperiert. Rathgeb wirkt hier aktiv mit und ist auch in der Jugendarbeit engagiert, indem er regelmäßig Modellbauprojekte mit Jugendlichen realisiert. Sein Umgang mit Perry Rhodan ist für ihn Teil dieses Hobbys. Der Schwerpunkt von Rathgebs Modellbau liegt im Bereich Science-Fiction und Raumfahrt, dabei stellt gerade Perry Rhodan für ihn eine wichtige Anregungsquelle dar. Seine Raumschiffe baut Rathgeb dabei nicht nur nach Bausätzen – zu Perry Rhodan besitzt er mehrere –, auch zahlreiche Eigenkreationen sind unter seinen Modellen. Bei der Fertigung verwendet er unterschiedlichste, auch gefundene, Materialien und kombiniert verschiedene Ideen. Ein serienfremdes Raumschiff etwa, mit dessen Bau er bereits begonnen hatte, stellte er nach dem Kauf eines Perry Rhodan-Planetenromans auf der Grundlage von dessen Cover fertig: „Und dann kriegt’ ich dieses Buch in die Hand und das war auch ungefähr das schon, was ich schon so dreiviertel fertig hatte. Und dann hab’ ich halt ’n bisschen mich so dran, äh, dran gehalten, wie das Titelbild davon ist.“83 Rathgeb sammelt unterschiedliches Material aus der und zur Serie, das beim Modellbau Verwendung findet. Vor allem die visuelle Seite der Serie bildet für ihn eine wichtige Anregung. So lädt er viele Bilder zur Serie im Internet herunter und druckt sich Logos als Schriftzüge für Modelle aus. Ideen findet er auch in den Beilagen der Heftromane; regelmäßig liest er den „Perry Rhodan-Report“ und schaut sich die dort erscheinenden Fotos sowie die Risszeichnungen in den Heften an. Eine wichtige Inspiration sind auch die Cover der Serie.
81 Während nach Humble die Verbreitung innerhalb einer bestimmten Fanszene Teil der Definition von „Fanfiction“ ist, (vgl. Humble 2012, S. 96) vertritt die vorliegende Arbeit einen weiteren Begriff, für den der Kontext der Entstehung nicht bestimmend ist. Fanfiction kann man auch ‚für sich selbst‘, ohne Kontakt zu anderen LeserInnen oder eine Veröffentlichung der Werke produzieren. 82 Vgl. Schwettmann 2006, S. 266-269. 83 Interview mit Dieter Rathgeb vom 09.06.2011.
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Rathgeb betont, wie sein Interesse für den Modellbau sowie für Technik im Allgemeinen seine Sichtweise auf Perry Rhodan präge. Er blicke „mit anderen Augen“84 auf die Serie, stets auf der Suche danach, was sich weiterverwerten lasse: „Also ich kann mich da auch sehr begeistern, äh, was es da für Möglichkeiten gibt. Und ich spinn’ so auch so manche Sachen, wenn ich so das lesen tu, fällt mir so einige Sachen ein, äh ... Das könnt’ ich daraus machen, das kann man daraus machen und das könntest du ((atmet tief)) präsentieren als Modell wieder.“85
Rathgeb legt großen Wert auf die Exaktheit seiner Entwürfe: „Wenn ich was bauen tu, auch Perry Rhodan-mäßig, es muss bei Perry Rhodan möglichst dicht an der Serie dran sein. Nach meinen Möglichkeiten. Ich muss das Material dafür kriegen, dann setz’ ich mich da bei und dann mach’ ich das auch. Ne? Und dann guck’ ich auch ’rum, wo ich was kriegen kann und das ist wieder heute der Vorteil Internet. Man kann fast alles kriegen, wenn man’s will. ((lacht leicht))“86.
Bilder ließen sich dabei besser umsetzen als Texte, er verwende aber beides in Kombination: „[I]ch guck’ dann schon, ich versuch’ dann auch, äh, anhand der Risszeichnungen und der Texte, die ich dazu lesen tu, die Form möglichst original an den heranzukommen, was es an Bildern dazu gibt. Du hast halt nur deinen Grundriss über die Bilder und den Text. Und den Text kann man nachher nicht wirklich umsetzen. Du kannst zwar ’n bisschen was lesen, aber Bilder sind immer interessanter, was zu machen.“87
Die Wechselseitigkeit des Verhältnisses zwischen Modellbau und Lesen ist ein wichtiger Aspekt von Rathgebs Serienlektüre, worauf er wiederholt hinweist. So bewirke einerseits das Hobby Modellbau einen bestimmten Blick auf die Serie, andererseits ergebe sich durch die Orientierung an der Serie, dass der Modellbau auf ganz bestimmte Weise betrieben werde. Die Serie veranlasst hierbei zur weiteren Suche nach adäquatem Material für die Umsetzung der Texte und Bilder in ein Modell: „Ich muss einmal das Material haben, ich muss aber andersrum auch
84 Ebd. 85 Ebd. 86 Ebd. 87 Ebd.
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immer gucken: Hoppla, wie haben die sich das gedacht? Dann biste wieder im Internet am Suchen, irgendwas, was wieder mit Perry Rhodan zu tun hat.“88 Rathgeb ist ein „Bastler“ in dem Sinne, wie ihn der Soziologe Alois Hahn beschreibt, indem er Dinge sammelt, um diese „einer neuen praktischen Verwendung zuzuführen“89. Spezifizierend muss ergänzt werden: Es handelt sich im Zusammenhang mit Rathgebs „Basteln“ um Materialien unterschiedlicher Qualität. So finden zum einen Baustoffe, ebenso aber auch visuelles und textliches Material Verwendung. Rathgeb sammelt also auch Leseerfahrungen, um diese weiterzuverwerten. In den hier beobachteten produktiven Praktiken lässt sich demnach zwar kein Zusammenwirken mit anderen SerienleserInnen oder -produzentInnen, sehr wohl aber eine enge Kooperation mit der Serie selbst beobachten. Diese regt den Leser – durch Erzählungen, aber vor allem durch Bilder – dazu an, sich über die Lektüre hinausgehend durch eigene Produktionen mit ihr zu befassen. Die produktiven Praktiken wirken dabei ihrerseits auf das Lektüreerlebnis zurück, indem sie zu einem bestimmten Lektüremodus – einem Lesen als Ideensammeln – führen, der wiederum seinerseits die Lektüre interessanter macht. Vermittelt durch eine enge Kooperation von Lektüregegenstand und Leser in den Anschlusspraktiken der Lektüre bewirkt Serialität hier eine reichere Rezeption.
88 Ebd. 89 Alois Hahn: Soziologie des Sammlers. In: Sociologia Internationalis 29 (1991), H. 1, S. 57-73, hier S. 60. Vgl. hierzu auch Rainer Winter: Der produktive Zuschauer. Medienaneignung als kultureller und ästhetischer Prozess. Köln, 2., erw. und überarb. Auflage 2010, S. 199.
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Abbildung 9: „Perry Rhodan“-Modelle von Dieter Rathgeb.
Modell nach dem Perry Rhodan-Planetenroman „Tod über Derogwanien“.
Diskusraumer der Blues.
Eine Version der SOL. Quelle: Aufnahmen des Probanden.
Die Raumschiffe SOL und CREST.
Space Jet.
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6.2.2 Mitwirken an der Serienproduktion Wurde im vorangegangenen Unterkapitel eine Form des produktiven Umgangs mit der Serie beschrieben, die zwar auf die Lektüre, nicht jedoch auf die Entwicklung der Serie selbst zurückwirkt, kommen im Folgenden Formen der Produktivität zur Sprache, die einen mehr oder weniger direkten Einfluss auf die Produktion der Serie nehmen. Auch hierfür ist Serialität ein wichtiger Motor. Perry Rhodan lädt auf verschiedenen Ebenen dazu ein, sich durch eigene Ideen und Arbeiten in den Entstehungsprozess einzubringen. In diesem Zusammenhang lässt sich beobachten, dass die enge Verbindung von Fandom und ProduzentInnen90 auch bei der Serienproduktion zum Tragen kommt. Die von Frank Kelleter beschriebene, für Serialität charakteristische Tendenz zur Selbstbeobachtung, das heißt die Möglichkeit, bei der Serienproduktion auf Reaktionen und Anregungen des Publikums zu reagieren und diese zu integrieren, 91 zeigt sich bei Perry Rhodan in sehr ausgeprägter Form. Bereits in der Anfangszeit der Serie nahm die Redaktion Anregungen der LeserInnen auf. Neben dem persönlichen Austausch auf Fantreffen werden durch eine „Leserkontaktseite“, die sich bis heute in den Heften findet, seit 1967 Meinungen der LeserInnen abgefragt, die mitunter Einfluss auf die Serienhandlung nehmen. 92 Eine Äußerung des Gründungsautors und Exposéredakteurs Karl-Herbert Scheer aus dem Jahr 1969 scheint hinsichtlich dessen nicht übertrieben: „[W]ir alle, ich besonders, wir alle sind froh, wenn Kritiken in das Haus kommen. Meistens sind es Leserbriefe, die eben den Inhalt haben, dies und jenes könnte man vielleicht verbessern oder überhaupt Ideengut, das vom Leser stammt. Und Sie glauben gar nicht, wie sehr und wie gut ich das schon verwerten konnte in Exposés.“93
Nach Chefredakteur Frick ging die Rückmeldung per Leserbrief, auch in E-MailForm, in den letzten Jahren deutlich zurück. Heute findet der Austausch zwischen Redaktion und LeserInnen vor allem online (über verschiedene Foren, Facebook, Twitter, Google+) statt. Die „Leserkontaktseite“ bleibt dabei ein wichtiges Forum, so spricht Wolfgang Kehl, der für diese verantwortlich ist, von mehreren hundert E-Mails, die die Redaktion auch gegenwärtig noch monatlich er-
90 Siehe Kap. 6.1.1. 91 Vgl. Kelleter 2012b, S. 24; Kelleter 2014, S. 5. 92 Zur „Leserkontaktseite“ vgl. auch Schwettmann 2006, S. 251. 93 Karl-Herbert Scheer in einer Sendung des ARD-Magazins Monitor. Vgl. Claus H. Casdorff (Leitung und Moderation): Monitor. TV-Magazin. ARD 1969.
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reichten.94 Nach wie vor betonen die ProduzentInnen, wie wichtig die Orientierung an den Fans – also jenen LeserInnen, die sich überhaupt öffentlich zur Serie äußern – für die Produktion der Serie sei. Während keine für seine Arbeit brauchbaren Umfragen zur Leserschaft existierten, so Frick, seien die „engagierte[n]“95 LeserInnen für die Redaktion „als Seismographen ganz wichtig“96: „Man kann nicht davon ausgehen, wenn die Foristen irgendwas toll finden, dass es sich besonders toll verkauft, man kann aber auch nicht davon ausgehen, wenn sie es toll finden, dass es sich schlecht verkauft. Also man kann da keine Schlussfolgerungen ziehen. Aber es ist halt ein Seismograph, also wenn es in einem Forum sich abzeichnet, dass die Leute irgendwas – so in der Masse dessen, was sich äußert – ganz schrecklich finden, dann mache ich mir schon meine Gedanken.“97
Durch die verschiedenen Formen des Austauschs wird die Serienproduktion somit an die Leserschaft rückgebunden. Darüber hinaus unterstützt der Verlag auch die produktiven Praktiken der LeserInnen. Hierbei wird eng mit dem Fannetzwerk kooperiert. LeserInnen finden hier zahlreiche Möglichkeiten zur Präsentation bzw. Publikation ihrer Werke. So werden beispielsweise Storywettbewerbe ausgerichtet, deren SiegerInnen regelmäßig auf Conventions gekürt werden, wobei AutorInnen oder Redaktionsmitglieder häufig als Juroren oder bei der Preisverleihung mitwirken.98 Auf den Cons werden zudem auch weitere Fanprojekte, wie Filme, Zeichnungen oder Musikproduktionen zur Serie, vorgestellt; eine
94 Vgl. http://www.zauberspiegel-online.de/index.php/frage-antwort/im-gespaerch-mitmainmenu-179/8799-arndt-ellmer-ber-briefe-mails-und-die-lks, 14.03.2016. 95 Interview mit Klaus N. Frick vom 10.02.2010. 96 Ebd. 97 Ebd. 98 Auf dem GarchingCon 2009 etwa fanden Preisverleihungen zu zwei Storywettbewerben statt, dem „Storywettbewerb zum GarchingCon 8“, bei dem nach einem Anfang für Roman Nr. 2500 gesucht worden war, sowie einem Wettbewerb des „Terranischen Clubs Eden“ mit dem Thema „Mord an Bord“ (im Con-Programm fälschlicherweise mit „Moral an Bord“ angegeben). Vgl. Feldtagebuch GarchingCon, 18.07.2009 und 19.07.2009; http://www.2009.garching-con.net/?page_id=411, 06.03.2016; http:// www.storywettbewerb.terranischer-club-eden.com, 06.03.2016. Ein weiterer, stark wahrgenommener Preis ist der „William Voltz Award“, der bislang fünfmal, in den Jahren 2004-2009, verliehen wurde. Vgl. Schwettmann 2006, S. 82; http://www. williamvoltz.de/Award.html, 08.03.2016.
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weitere Form der Produktivität findet sich in den zahlreichen Vorträgen der Fans zu verschiedensten Themen aus dem Bereich der Serie. Abbildung 10: Anzeige zu einem Storywettbewerb des GarchingCons.
Quelle: PR Nr. 2352.
Daneben stellt das Fandom durch Fanzines und Onlineangebote Publikationsmöglichkeiten für FanautorInnen bereit. Perry Rhodan-Storys finden sich zwar auch auf privaten Webseiten einzelner LeserInnen oder auf allgemeinen Fanfiction-Seiten im Internet,99 größtenteils jedoch werden sie über Fanorganisationen verbreitet. So werden beispielsweise in der SOL, dem Mitgliedermagazin der „Perry Rhodan-FanZentrale“ (PRFZ), regelmäßig Kurzgeschichten von Fans veröffentlicht; zudem gibt es Sonderausgaben des Magazins, die unter dem Titel SOL Stories gänzlich der Publikation von Fanerzählungen gewidmet sind, sowie weitere Buchpublikationen. 100 Viele Fanclubs fungieren als Herausgeber von Kurzgeschichten, Romanen, Sachbüchern oder auch Fanserien, an denen jeweils mehrere FanautorInnen beteiligt sind.101
99 Vgl. z.B. http://www.fanfiktion.de/Perry-Rhodan/c/300000320, 06.03.2016; http://fan fic-de.livejournal.com/390606.html, 06.03.2016. 100 Vgl. hierzu auch Schwettmann 2006, S. 251 und S. 256. 101 Der „Perry Rhodan-Online Club“ (PROC) etwa ist Herausgeber der Fanserien Dorgon (seit 1999) und Vithau (2001-2004). Vgl. http://www.dorgon.net, 06.03.2016;
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Auch der Verlag beteiligt sich an der Publikation von Fanwerken. So erschien 1996 ein Sammelband mit Erzählungen von Perry Rhodan-LeserInnen102 und seit 1999 gibt die Redaktion in Zusammenarbeit mit der PRFZ die „FanEdition“ heraus, in der Romane von FanautorInnen erscheinen.103 Die Titelbildzeichnungen der Hefte stammen dabei ebenfalls von LeserInnen.104 Die Redaktion unterstützt zudem weitere Formen der Produktivität. So werden neben schriftstellerischen Arbeiten und Zeichnungen auch Risszeichnungen von LeserInnen publiziert,105 auch ein erster Filmwettbewerb zur Serie fand bereits statt.106 Zudem fördert der Verlag modellbauerische Aktivitäten durch die Produktion entsprechender Bausätze oder die Mitwirkung an Modellbauveranstaltungen.107
http://www.stories.proc.org/vithau.html, 06.03.2016. Der „Science Fiction Club Black Hole Galaxie” gibt die Fanserie Rätsel der Galaxien (seit 1996) heraus. Vgl. http:// www.sfc-bhg.de.tf, 06.03.2016; Hermann Urbanek: Hefte jenseits des Alltags. In: Blätter für Volksliteratur 52 (2013), H. 1, S. 27-34, hier S. 32. Darüber hinaus erscheinen in der Light-Edition Romane von Fans und TeamautorInnen der Serie. Vgl. ebd; http://www.light-edition.net, 06.03.2016. Neben diesen bekannteren Veröffentlichungen existieren zahlreiche weitere Publikationen verschiedener Perry RhodanClubs. 102 Vgl. Klaus Frick (Hg.): Perry Rhodan-Fan-Stories. Begegnung an der großen Leere – Kurzgeschichten aus dem Perry Rhodan-Universum. Rastatt 1996. 103 Vgl. Kempen 2003, S. 82; Urbanek 2013, S. 32. Seit 1999 wurden bislang 16 Ausgaben publiziert. 104 Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Perry_Rhodan-Fan-Edition, 06.03.2016. 105 RisszeichnerInnen werden explizit aufgefordert, ihre Zeichnungen einzureichen. Hubert Haensel, der für die Koordination dieses Bereichs verantwortlich ist, erbittet auf Conventions die Mitarbeit der LeserInnen und nimmt Vorschläge auf. Vgl. Feldtagebuch GarchingCon, 19.07.2009. 106 Die Gewinnerfilme des Wettbewerbs zum 50. Jubiläum der Serie wurden beim WeltCon 2011 in Mannheim präsentiert. Vgl. Feldtagebuch WeltCon, 30.09.2011. 107 Nachdem in einer Umfrage im Jahr 1996 ermittelt worden war, dass LeserInnen sich Modellbausätze für Raumschiffe wünschten, wurden, in Zusammenarbeit mit der Firma Revell, verschiedene Modelle aus der Serie produziert. Vgl. Schwettmann 2006, S. 293.
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Abbildung 11 und 12: Fanaktivitäten – vom Storyschreiben bis zum Modellbau.
Quelle: 108
Nr. 15.
„Perry
Rhodan-Fan-Edition“,
Quelle: Flyer der Modellbauausstellung „Space Days“, die 2014 in Darmstadt stattfand.
Die Übergänge vom Fanautorentum zum professionellen Bereich gestalten sich fließend. Nicht zu übersehen ist dies im Bereich der schriftstellerischen Tätigkeiten. Seine AutorInnen rekrutiert Perry Rhodan vollständig aus dem Kreis der Leserschaft. AutorInnenbiografien beginnen meist mit einer Schilderung des eigenen Serienlesens. Ein gängiges Muster ist die Darstellung der biografischen Verflechtungen mit der Serie seit der frühen Kindheit, teilweise wird die Mitarbeit an der Serie als Erfüllung eines Jugendtraums inszeniert.109 Andreas Eschbach etwa, Gastautor der Serie, wird mit dem Satz zitiert: „Für mich war das so, als würde ich mit Paul McCartney Gitarre spielen.“110 Voraussetzung dafür, ei-
108 http://www.prfz.de/fan-edition/articles/fanedition-15-die-telepathin.html, 13.03.2016. 109 Nachlesbar etwa in den AutorInnenporträts auf der Verlagswebsite. Vgl. http://www. perry-rhodan.net/aktive-autoren.html, 06.03.2016. 110 Sonja Dirsch/Alexander Seibold: „Um die Homogenität meines Gesamtwerkes mache ich mir überhaupt keine Gedanken!“. Ein Gespräch mit Andreas Eschbach. In: Das Science Fiction Jahr 19 (2004), S. 399-433, hier S. 419. Eine Variation dieser Beschreibung findet sich auf der Perry Rhodan-Website: „Als Dreizehnjähriger habe ich
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nen Roman zur Serie beisteuern zu dürfen, ist offensichtlich, selbst LeserIn der Serie zu sein bzw. diese sehr gut zu kennen. Die AutorInnen, so Chefredakteur Frick, „müssen verstehen, wie die Serie tickt“111. Wie am Beispiel der von mir interviewten Autoren Wolfgang Kehl (Pseudonym: Arndt Ellmer) und Dennis Mathiak deutlich wird, verläuft der Weg vom Leser zum Autor der Serie über verschiedene Zwischenstufen, für die die spezifische serielle Struktur von Perry Rhodan ausschlaggebend ist. Beide waren zunächst langjährige Perry Rhodan-Leser, ehe sie für die Serie tätig wurden. Kehl (Jahrgang 1954), dienstältester Perry Rhodan-Autor, der bereits über 200 Romane innerhalb der Serie veröffentlichte, schlug nach einem Studium der Sprachwissenschaften den Weg zum Heftromanautor ein. Nach seinem Werdegang als Autor befragt, sagt er: „Perry Rhodan-Autor wurde ich natürlich durch das Lesen von Perry Rhodan.“112 Bereits in den 1970er Jahren schrieb er eigene Science-Fiction-Erzählungen, die auf den „Leserkontaktseiten“ von Perry Rhodanund Atlan-Heften veröffentlicht wurden. Daneben arbeitete er an dem Kölner Fanmagazin Science-Fiction-Baustelle mit, zu dem er einige Storys beisteuerte, ehe er begann, für Heftromanverlage zu schreiben. Ab 1980 erschienen Veröffentlichungen im Perry Rhodan-Bereich, wo er zunächst für diverse Spin-offs schrieb. Dann sei er „nach zwei Jahren Atlan, Terra Astra, Perry RhodanTaschenbücher [...] zu Perry Rhodan gestoßen.“ 113 1983 erschien sein erster Roman in der Hauptserie. Aufgrund seiner „guten Connections mit dem Fandom und mit den Lesern“114 übernahm Kehl ab 1989 zusätzlich die Betreuung der „Leserkontaktseite“.115 Wie Kehl kam auch Mathiak (Jahrgang 1986), der hauptberuflich als Industriekaufmann tätig ist, über die Fanszene zum Schreiben. Bereits als Jugendlicher verfasste er eigene Science-Fiction-Romane und tauschte sich online mit anderen FanautorInnen aus, von denen er Tipps für seine Schreibpraxis erhielt. Innerhalb des „Perry Rhodan-Online Clubs“ und im Perry Rhodan-Forum fand er Anregungen und Beratung für seine schriftstellerische Arbeit. In der Folge nahm er an
mit glühenden Ohren Perry Rhodan-Hefte verschlungen – und heute schreibe ich selber eines! Das ist fast so, als hätte Paul McCartney angerufen und mich aufgefordert, mit ihm zusammen eine neue Platte aufzunehmen.“ http://www.perry-rhodan.net/ andreas-eschbach.html, 06.03.2016. 111 Interview mit Klaus N. Frick vom 10.02.2010. 112 Interview mit Wolfgang Kehl vom 08.02.2012. 113 Ebd. 114 Ebd. 115 Zum Werdegang von Wolfgang Kehl vgl. auch Schwettmann 2006, S. 124.
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verschiedenen, von Perry Rhodan-AutorInnen oder -Redaktionsmitgliedern veranstalteten Schreib-Workshops teil,116 die ihm neben der handwerklichen Praxis auch zahlreiche Kontakte innerhalb der Perry Rhodan-Szene vermittelten. So fand er hier Mit-AutorInnen für die von ihm konzipierte Serie Thydery – allesamt heute selbst Perry Rhodan-AutorInnen –,117 des Weiteren erwuchsen seine ersten professionellen Publikationen aus den dort entstandenen Begegnungen.118 Mathiaks Sichtbarkeit in der Perry Rhodan-Szene steigerte sich im Laufe der Zeit. Im Jahr 2007 gewann er mit dem „William Voltz Award“ einen der wichtigsten Storywettbewerbe zur Serie,119 2010 verfasste er eine Story für die Stellaris-Serie, eine Beilage der Perry Rhodan-Heftromane. Auf professioneller Ebene arbeitet er seit 2011 an verschiedenen Spin-offs der Serie mit.120
116 Solche Workshops, die Grundlagen des belletristischen Schreibens vermitteln und AutorInnen Hilfestellung beim Verfassen ihrer Texte bieten, finden, initiiert von AutorInnen und RedakteurInnen der Serie, regelmäßig statt. Drei- bis viertägige Kurse veranstaltet etwa die Perry Rhodan-Autorin Uschi Zietsch (Pseudonym: Susan Schwartz). Vgl. http://www.fabylon-schreibwerkstatt.de/programm.php, 09.03.2016. Auch Klaus N. Frick bietet, in Zusammenarbeit mit verschiedenen ScienceFiction-AutorInnen, Schreibwerkstätten an, die in der Bundesakademie für Kulturelle Bildung in Wolfenbüttel stattfinden. Vgl. http://www.bundesakademie.de/ueberuns/dozent_innen#Feber, 09.03.2016. Vgl. hierzu auch Schwettmann 2009, S. 32. Daneben veranstaltet der Autor Michael Marcus Thurner, unterstützt von weiteren Perry
Rhodan-AutorInnen,
seit
2010
bis
zu
neuntägige
„Schreibcamps“.
Vgl. http://www.mmthurner.at, 09.03.2016; Perry Rhodan-Infotransmitter Nr. 141 vom 16.09.2010, http://www.schattenblick.de/infopool/unterhlt/perry/prtr-141.html, 14.03.2016. 117 In den Jahren 2007 und 2008 erschienen zehn Folgen der Serie, zu der Mathiak die Exposés schrieb und einige Romane beisteuerte. Weitere Mitwirkende waren unter anderem Marc A. Herren, Verena Themsen und Stefanie Rafflenbeul, die heute selbst Perry Rhodan-AutorInnen sind. Vgl. hierzu auch http://www.stories.proc.org/ thydery.html, 09.03.2016. 118 Mathiaks erster professioneller Roman erschien 2009 innerhalb der Serie SunQuest des Fabylon-Verlags von Uschi Zietsch, bei der er einige Schreibseminare besucht hatte. Zwei weitere Publikationen für die Bastei-Heftromanserie Sternenfaust erschienen 2011 und 2012 durch die Vermittlung von Marc A. Herren. 119 Vgl. auch http://www.williamvoltz.de/Sieger2007.html, 08.03.2016. 120 Zum Zeitpunkt des Interviews hatte Mathiak zwei Romane für die Atlan X- und die Atlan-Taschenbücher verfasst. Im Jahr 2014 trug er jeweils zwei Bände zum Spin-off Perry Rhodan NEO und zur Perry Rhodan-Miniserie Stardust bei. Ein weiterer Ro-
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An den Beschreibungen Kehls und Mathiaks lassen sich typische Verlaufsformen des Wegs zum Perry Rhodan-Autor erkennen, für die sich zahlreiche weitere Beispiele unter den AutorInnen finden.121 Die Zwischenstufen des aktiven und produzierenden Fandoms und des Schreibens für Spin-offs sind charakteristisch für die Biografie der SerienautorInnen. Auch die ProtagonistInnen aus anderen Bereichen der Serienproduktion stammen aus der Leserschaft. So finden sich innerhalb der Redaktion ebenfalls Beispiele für den allmählichen Übergang von der Fan- zur ProduzentInnenseite. Sowohl Chefredakteur Klaus N. Frick als auch Marketingleiter Klaus Bollhöfener begannen ihre Karriere als aktive Fans und sind bis heute eng mit der Fanszene vernetzt.122 Auch Titelbildillustratoren und Risszeichner der Serie berichten, dass sie bereits seit langer Zeit Perry Rhodan-LeserInnen waren, ehe sie für die Serie tätig wurden.123 Zudem sind auch die ProduzentInnen von Lizenzprodukten und Merchandising-Artikeln häufig LeserInnen der Serie. So stammt die Idee und Umsetzung einer neuen Version des Stofftier-Guckys ebenso von einem Leser wie auch die eines Perry RhodanComputerspiels.124 Die Serie, so wird hier sichtbar, rekrutiert ihren eigenen Nachwuchs. Sie beobachtet sich damit nicht nur selbst, sie reproduziert sich gewissermaßen auch selbst, indem sie ihre VerfasserInnen auf eine bestimmte Weise heranzieht. Durch ihre hochgradige Diversifizierung schafft sie hierbei unterschiedliche Beteiligungsmöglichkeiten und organisiert spezifische Abläufe. Indem sie dafür sorgt, dass LeserInnen serienbezogene Produkte unterschiedlichster Art herstellen, nährt die Serie ihre eigene Fortsetzung und Entfaltung. Das eigene Lesen und die daran anschließenden Fanpraktiken können in diesem Zusammenhang, wie betrachtet wurde, für die LeserInnen eine Option auf zukünftiges Mitwirken im ProduzentInnen-Team bereithalten. Dass Fans sich zu
man, für die Perry Rhodan-Miniserie Arkon, ist in Vorbereitung (Erscheinungstermin: 01.04.2016). Zu den Veröffentlichungen Mathiaks vgl. auch http://www.perrypedia. proc.org/wiki/Dennis_Mathiak, 06.03.2016. 121 Vgl. hierzu auch Schwettmann 2009, S. 31-33, der unter der Überschrift „Wie wird man Perry Rhodan-Autor?“ einige typische Stationen der Karriere zum Verfasser der Serie aufzeigt. 122 Vgl. hierzu auch Mirjam Nast: Invasion ins Perryversum? Praktiken der Aneignung einer populären Serie. In: Reinhard Johler u.a. (Hg.): Kultur_Kultur. Denken – Forschen – Darstellen. Münster u.a. 2013, S. 160-165. 123 So etwa der Zeichner Dirk Schulz oder die Risszeichner Günter Puschmann und Gregor Sedlag. Vgl. Schwettmann 2006, S. 182, S. 195 und S. 198. 124 Vgl. Interview mit Klaus N. Frick vom 10.02.2010.
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professionellen ProduzentInnen entwickeln, ist freilich die Ausnahme. Jenseits des offiziellen ProduzentInnenstatus wirken sie jedoch auf verschiedenste Weise an der Produktion mit, so etwa durch Praktiken, die der Kontrolle der Arbeit von AutorInnen und LektorInnen dienen. Fehler und Unstimmigkeiten sprachlicher oder inhaltlicher Art regen zu kritischer Rückmeldung an. Die Korrekturimpulse der LeserInnen manifestieren sich dabei nicht nur in den Leserbriefen, sondern vor allem auch online. Gerd Brehm berichtet etwa von der Fraktion der „Sprachnörgler“ im Perry Rhodan-Forum, der er eine Zeit lang angehörte, „denen dann auffällt, wenn irgendwelche Sätze grammatikalisch nicht sauber sind, oder wenn der irgendwie ... äh, wenn der Autor ’n falsches Bild genommen hat, ne. [...] Die meisten Perry Rhodan-Leser halten die Leute für bescheuert, weil was soll das, so lang der Sinn noch verständlich ist, ne? Aber es gibt eben Leute, die so auf Grammatik achten, oder denen fällt dann auf, die ganzen Südautoren, also die aus Österreich, die haben ja natürlich zum Teil andere Satzkonstruktionen [...]. Und das macht natürlich unheimlich Spaß, wenn man einen Austriazismus dann gefunden hat [...]. Also solche Sachen rutschen denen immer wieder rein und, äh, da die Lektoren zum Teil auch Süddeutsche sind, fällt denen das gar nicht auf. Ne, und, äh, das, oder eben einfach, äh, falsche Schreibweisen.“125
Brehm erzählt von einem Leser, der es auf diese Weise zum Lektor der Serie gebracht habe. Die Fanpraktiken hätten dabei eine wichtige Funktion für die Serie: „[A]ber das hat auch den ... den Effekt für ... für den Verlag, die ... sowohl die Autoren, wie die Lektoren passen natürlich auf wie die Schießhunde. Also wenn Sie jetzt ’n billigen, sag ich mal, Bastei-Krimi, so Jerry Cotton oder von mir aus auch Maddrax nehmen, obwohl die ’n guten Lektor haben, äh ... Aber, ähm, wenn Sie den nehmen, Sie haben wesentlich mehr Rechtschreibfehler, Grammatik-, grammatischen Murks oder sonst was drin.“126
Die LeserInnen fungieren somit gewissermaßen als Qualitätskontrolle für die Serie. Dies gilt nicht nur für die sprachliche Ebene, wie Brehm berichtet: „Und genau so gibt es da kleine Gruppen, die interessieren sich für Technisches oder für weiß der Kuckuck was. Also da gibt es immer so Fraktionen, die treffen sich dann so zu bestimmten Themen, findet man immer wieder, ne.“ 127 Onlinenetzwerke bieten dabei die Möglichkeit, die Ergebnisse zusammenzutragen und
125 Interview mit Gerd Brehm vom 27.05.2011. 126 Ebd. 127 Ebd.
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stets aktuell zu halten. So existiert etwa eine eigene Seite im Serienwiki Perrypedia zu „Autorenfehlern“, die häufig aktualisiert wird.128 Neben der Tätigkeit als Korrektoren spielen Fans auch durch verschiedene ordnende Funktionen eine wichtige Rolle für die Serienproduktion, so durch das Erstellen zahlreicher Aufstellungen und Nachschlagewerke. Wichtige Materialien stammen dabei aus der Produktion des „Science Fiction Clubs Universum”, dessen Anliegen es ist, „[m]it unseren Publikationen [...] dem Leser innerhalb des Fandom Material an die Hand zu geben, das ihm Überblick bietet und ihm die Arbeit mit dem Perry Rhodan Universum, aber auch den Neueinstieg erleichtert.“129 Der Club gibt mehrere Überblickswerke zur Serie heraus: die Zeitraffer, „eine heftgenaue und zyklenbasierte ausführliche Zusammenfassung der PRund Atlan-Serie von Michael Thiesen“130, zudem, verfasst von demselben Autor, ein Jahrbuch, das Informationen rund um die Serie beinhaltet, sowie die Jahrmillionenchronik, die das inhaltliche Geschehen der Serie in chronologischer Abfolge wiedergibt. 131 Die Werke werden von Fans verfasst und vollständig durch den Fanclub verlegt und vertrieben. Die Digitalisierung prägt die Fanpraktiken in der Hinsicht, dass sie das gemeinschaftliche Erstellen von Listen und Nachschlagewerken in bisher nicht umsetzbaren Dimensionen ermöglicht. Das umfänglichste OnlineRechercheangebot zur Serie ist die Perrypedia. Das seit 2004 existierende Serienwiki132 umfasst inzwischen über 37.000 Artikel,133 die ausführliche Informationen zum Inhalt und zum Handlungsverlauf der Serie enthalten. So existieren Seiten zu einzelnen Figuren, zur Geschichte bestimmter Völker, zu Planeten, Galaxien, Raumschiffen, Waffensystemen etc. Es finden sich hier Zusammenfassungen einzelner Romane und Hörspiele aber auch kompletter Zyklen. Neben Artikeln zum fiktiven Universum bietet die Perrypedia auch Informationen zu AutorInnen oder Fanclubs, zu verschiedenen Produkten und zum Medienecho. Das Wiki versteht sich dabei als Antwort auf die „Komplexität“ der Serie. In seiner Zielsetzung formuliert es:
128 Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Autorenfehler, 16.01.2016. 129 Gesamtkatalog Publikationen Science Fiction Club Universum. Stand 11/2008, S. 2. 130 Ebd., S. 3. 131 Vgl. ebd. 132 Die Perrypedia ging am 27.01.2004 online. Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/ wiki/Perrypedia, 16.03.2016. 133 Stand am 16.03.2016: 37.063 Artikel. Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/ Hauptseite, 16.03.2016.
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„In den Jahren seit 1961 sind tausende von Heftromanen, Taschenbüchern und anderen Produkten der Perry Rhodan-Serie, sowie ihrer Ableger, ist ein sehr komplexer fiktiver Kosmos entstanden – das Perryversum. Die geschichtlichen Hintergründe und die technologischen/kosmologischen Gegebenheiten des Perryversums haben eine Komplexität erreicht, die es inzwischen nicht nur den Lesern, sondern sogar den Autoren selbst schwer macht, den Überblick zu behalten, Zusammenhänge zu verstehen und die Kontinuität zu bewahren.“134
Abbildung 13: Gesamtkatalog Publikationen Science Fiction Club Universum. Stand 11/2008.
Quelle: Science Fiction Club Universum.
Indem die Perrypedia Erfahrungen und Praktiken, in Form von Textproduktionen und visuellem Material der LeserInnen, akkumuliert und dabei das angesammelte Wissen der NutzerInnen öffentlich – und damit auch für die ProduzentInnen der Serie – zugänglich macht, hilft sie beim Schaffen von Kohärenz. Dabei wird auf Korrektheit und Nachvollziehbarkeit der verbreiteten Informationen geachtet. VerfasserInnen von Artikeln werden ausdrücklich darauf hingewiesen,
134 http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Perrypedia, 16.03.2016.
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ihre Quellen anzugeben.135 Ein weiteres umfangreiches Online-Nachschlagewerk ist die Perry Rhodan Webchronik, die Zusammenfassungen aller erschienenen Heftromane bis Nr. 2699 anbietet.136 Von den Perry Rhodan-AutorInnen werden die Fanproduktionen häufig genutzt. 137 Wolfgang Kehl etwa beschreibt ihre Bedeutung für seine Arbeit am Manuskript: „Ich mach’s dann so: Ich guck’s bei Perrypedia nach und hol’s mir auf den zweiten Schirm, währ- während ich am Manuskript arbeite und prüf’ das aber mit, äh, mit unseren eigenen Daten, äh, die wir haben, also mit den Zeitraffern der einzelnen Zyklen, wo ja immer die ... die Kurzzusammenfassungen der Romanhandlungen drin sind. [...] Und, äh, da macht der Michael Thiesen ja auch immer für jeden Zyklus wieder ’ne aktualisierte Version, mit den ganzen neuen Fußnoten und Querverweisen, die’s gibt. Und, äh, ja. Und da gucke ich dann, äh, und geh’ auch, äh, wenn’s ... wenn’s ... wenn alles nichts nützt, geh’ ich dann auch in den ... in den, äh, Roma- ... in den Originalroman rein. Mit Begriffsuchlauf und schau mir’s wirklich dort, äh, an, wie’s damals veröffentlicht wurde. Das heißt, ich hab’ also, äh, die gesamte Serie bis 2200 ... hab’ ich komplett vorliegen als pdfDatei.“138
Über die verschiedenen Veröffentlichungen hinaus unterstützen LeserInnen AutorInnen auch auf viel direktere Weise bei ihrer Arbeit. Als sogenannte „TestleserInnen“ übernehmen sie die Funktion von LektorInnen mit speziellen Kenntnissen. Gerd Brehm berichtet von seiner Tätigkeit als Testleser für einen Teamautor: „Wenn der ’n Roman schreibt, krieg’ ich den vorher, meistens so Kapitel für Kapitel, so wie der produziert, krieg’ ich dann die Dinger rüber, les’ gegen und dann kriegt er meine gehässigen Kommentare, ne. Oder meine Tipps oder sonstwie was, ne.“139 TestleserInnen übernehmen eine wichtige Aufgabe bei der Erstellung des Manuskripts, da sie als ExpertInnen für verschiedene Gebiete die Perspektive und das Wissen des Autors ergänzen und so unter anderem zur Schaffung von Kohärenz und Vermeidung von Fehlern beitragen können: „Das ist für jeden Autor eigentlich ganz gut, weil der hat natürlich seine Ideen, was er aus’m Roman macht, aber, äh, wenn einer schreibt, kann er nicht überall rechts und links
135 Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Hilfe:Quellenangaben, 06.03.2016. 136 Vgl. http://www.prchronik.com, 06.03.2016. 137 Vgl. hierzu auch http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Perrypedia, 16.03.2016. 138 Interview mit Wolfgang Kehl vom 08.02.2012. 139 Interview mit Gerd Brehm vom 27.05.2011.
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gucken, und nicht je- ... und es kann auch keiner die gesamte Perry Rhodan-Historie im Kopf haben. Das heißt also, wenn man dann Testleser hat, einer von mir aus mehr technisch, äh, orientiert, die gibt es ja auch, einer mehr sprachlich orientiert, einer mehr weiß der Kuckuck, an irgendwelchen Leuten, Charakteren, Figuren interessiert, dann hilft das dem ... dann hilft das dem Autor, die Figuren stimmig zu halten. Oder keinen technischen Bug da reinzuhauen oder sonst was, ne.“140
Gerade die lange Laufzeit der Serie erschwert es, sämtliche Details präsent zu halten und sich zu allen inhaltlichen Schwerpunkten eine Expertise zu erarbeiten. Mit bestimmten Zusammenhängen innerhalb der Serie kennt sich Brehm offenbar besser aus als der betreffende Autor. So berate er diesen etwa in technischen Fragen: „Der hat überhaupt nichts mit Technik am Hut. Der übernimmt die Technik aus den Datenblättern, so wie es sich gehört. Macht da aber auch dann nix Großartiges draus, weil das geht dem am Arsch vorbei, ganz ehrlich gesagt. Den interessiert, was ist mit den Figuren untereinander, ne. Und von daher kann ich dem da beispielsweise reinschreiben: ‚Hör mal, wenn du jetzt diese und jene technische Situation hast, breite die mal aus, mach da mal was draus, mach einen Absatz, wo es knallt oder so, ne. Oder lass irgendeinen Experten durch die Tür reinkommen und sagen: ‚Hör mal, gerade ist der Totalausfall der Systeme, weil dies und jenes ist‘. Dann lass’ den wieder verschwinden, aber dann ist derjenige, der Perry Rhodan vom technischen Aspekt her liest, der ist dann, äh, der ist dann beruhigt. Weil er weiß, warum was passiert, ne.“141
Daneben hilft Brehm dem Autor auch bei der Recherchearbeit. So liefert er etwa Informationen zu historischen Themen, wobei er seine berufliche Erfahrung als Museumsangestellter nutzt. Einerseits übernimmt Brehm also das sprachliche Lektorat und die Aufgabe, den Autor bei nicht geläufigen Themen zu unterstützen – Tätigkeiten, die auch ein Lektor außerhalb der Perry Rhodan-Szene ohne Weiteres durchführen könnte –, andererseits zeichnet den Testleser gerade auch seine Serienerfahrung aus. So sagt Brehm: „[B]estimmte Sachen fallen mir einfach aus ... auf, weil ich langjähriger Leser bin.“142 Er überblickt größere Handlungszeiträume und weiß genau, welche Inhalte und Darstellungsweisen der Serie angemessen sind. Aufgrund seiner Kenntnis des Fandoms ist er darüber hinaus auch in der Lage, die Interessen bestimmter Lesergruppen einzuschätzen und
140 Ebd. 141 Ebd. 142 Ebd.
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entsprechend zu berücksichtigen und übernimmt dadurch gewissermaßen auch die Funktion eines Lobbyisten für die Leserschaft.143 Wie sichtbar wird, findet die Fanproduktion im Perry Rhodan-Bereich im engen Verbund mit der eigentlichen Serienproduktion statt, indem die Fans ordnende Funktionen – Recherche, Lektorat, Erstellen von Listen und Zusammenfassungen – übernehmen und so AutorInnen und Redaktion unterstützen. Sie sind damit ganz grundlegend an den regelmäßigen Abläufen der Serienproduktion beteiligt. Auch diese Praktiken sind dabei als Kooperation der LeserInnen einerseits und der Serie mit ihren spezifisch seriellen Eigenschaften andererseits zu verstehen. So sind auch die ordnenden Tätigkeiten der LeserInnen eine direkte Reaktion auf den Fortsetzungscharakter und die Komplexität des Lesestoffs. Serialität generiert diverse Möglichkeiten für LeserInnen, an der Produktion mitzuwirken, und sie koordiniert die einzelnen Tätigkeiten, indem sie spezifische organisatorische Abläufe hervorbringt. Diese Form der Beteiligung der Fans an der Serienproduktion lässt Begriffe wie „participatory culture“144 oder „produsage“145 assoziieren, die eine produktive Praxis von MediennutzerInnen, insbesondere im Zusammenhang mit Onlinepraktiken, in den Blick nehmen, in der Unterscheidungen von ProduzentInnen und NutzerInnen, gerade durch die Möglichkeiten des Onlineaustauschs, zunehmend durchlässig werden.146 Ob sich im Zusammenhang mit Perry Rhodan allerdings von einer zunehmenden Vermischung der Rollen sprechen lässt, ist fraglich. Zum einen macht die lange Existenz des Fandoms deutlich, dass es sich hier um eine traditionsreiche Verbindung von Rezeptions- und Produktionskultur handelt. Zum anderen entspricht das Bild von Fans als ProduzentInnen weder
143 Die Funktion, die Brehm als Testleser übernimmt, lässt sich insofern mit der Rolle von TestleserInnen, wie sie von der älteren Heftromanforschung im Zusammenhang mit anderen Heftromanserien beschrieben wurde, nicht vergleichen, als für den Perry Rhodan-Testleser gerade seine Serienkenntnis von Bedeutung ist. Bei Perry RhodanTestleserInnen handelt es sich nicht um Mitglieder einer unabhängigen, nach soziodemographischen Daten ausgewählten Testgruppe, sondern um SpezialistInnen, deren lange Dauer des Serienlesens die Grundlage ihrer Aufgabe bildet. Zu TestleserInnen im Heftromanbereich vgl. z.B. Arbeitsgruppe Massenliteratur: Verwertbare Unmündigkeit. Zur Romanheftserie Jerry Cotton. In: Ästhetik und Kommunikation 3 (1972), H. 5-6, S. 49-57, hier S. 49; Davids 1975, S. 214; Wernsing/Wucherpfennig 1976, S. 11; Domagalski 1981, S. 108; Schulte-Sasse 1984, S. 578. 144 Vgl. Jenkins 2010. 145 Vgl. Bruns 2008. 146 Vgl. hierzu auch Nast 2013.
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dem sozialen und ökonomischen Status der Rollen und Praktiken – das Engagement der Fans ist rein ehrenamtlich und wird als Hobby betrieben – noch einem entsprechenden Selbstverständnis der engagierten Perry Rhodan-LeserInnen. Gerd Brehm etwa betrachtet sich, trotz seiner vielfältigen produktiven Tätigkeiten für die Serie, explizit als „Leser“ 147 , mit zwar gegebenen aber doch beschränkten Möglichkeiten der Einflussnahme auf den Text. Seine Praktiken im Rahmen der Serie grenzt er explizit von denen eines Autors ab: „[I]ch bin also auch kein Fanautor und kein Fanschreiber. Mich können Sie jederzeit, ähm, dazu verdonnern, ’n Roman gegenzulesen, mich können Sie jederzeit dazu verdonnern, irgendwo ’n Sachtext zu machen über die Zubereitung von Kakao bei den mesoamerikanischen vorkolumbianischen Kulturen der Maya, also Sachtexte zu machen, ich bin aber absolut kein Romanautor. [...] Äh, und dann wurde ich gefragt, wa-, ob ich denn auch mal ’n Roman schreiben würde, ne, und dann sagte einer der Autoren mit breitem Grinsen, das würden immer nur Kurzgeschichten werden, der hat immer nur die Lösung, der hat aber keine Problemstellung, ne? ((lacht))“148
Für die meisten produzierenden LeserInnen ist nicht zentral, zum Serienproduzenten bzw. zur Serienproduzentin aufzusteigen, sondern einen – mehr oder weniger kleinen –, auf die individuellen Fähigkeiten abgestimmten Teil zum Gelingen der Serie beizutragen. Gerade bei der engen Vernetzung, so wird deutlich, gibt es ein Bewusstsein dafür, wer welche Aufgabe zu übernehmen hat. Jenseits dessen also, dass der Terminus der „Produktion“ für die Praktiken der Fans als Übertreibung erscheint und auch der der „produsage“ nur teilweise greift, indem er vor allem online-spezifische Zusammenhänge bezeichnet, existiert eine feingliedrige Aufgabenteilung mit verschiedensten Mitwirkungsformen. Nicht eine Überschneidung von Rollen ist charakteristisch für die Produktionsweise von Perry Rhodan, sondern eine Vervielfältigung von Tätigkeitsbereichen und Beteiligungsformen, die gerade der serielle Charakter des Lesestoffs ermöglicht. Wie im vorliegenden Unterkapitel deutlich wurde, existieren vielfältige Formen des Umgangs mit der Serie. Dabei konnte die Heterogenität der Erfahrungsbereiche, Zugänge und Möglichkeiten der Partizipation an der Serie herausgearbeitet werden, die die produktiven Praktiken den LeserInnen bieten. Die Produktivität der LeserInnen geht dabei über das Verfassen von Fanfiction deut-
147 Ebd. Befragt, ob er das Gefühl habe, sich in die Serie einbringen zu können bzw. an der Produktion teilzuhaben, sagt er: „Äh, pf ... Eigentlich nicht, also das eine sind die Autoren, das andere sind die Leser.“ 148 Ebd.
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lich hinaus. Sie wirken auf unterschiedliche Weise an der Serienproduktion mit. Zugleich wurde sichtbar, dass auch die Serie einen äußerst produktiven Anteil an den Praktiken hat. Sie schafft auf unterschiedlichsten Ebenen Anschlussmöglichkeiten für Fanproduktionen und bewegt LeserInnen hierbei auch dazu, sich an der Serienproduktion selbst zu beteiligen. Damit sorgt sie für ihre eigene Fortsetzung und Diversifizierung.
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REZIPIEREN
Auch für LeserInnen, die sich nicht kommunikativ oder produzierend am Geschehen zur Serie beteiligen, bergen die diversen Aktivitäten zur Serie einen Reiz. Philipp Wetzler etwa, der sich nicht mit anderen LeserInnen vernetzt, nutzt regelmäßig verschiedene Onlineangebote, um sich über das Treiben rund um die Serie zu informieren. So liest er etwa die Perry Rhodan-Homepage regelmäßig und konsultiert auch die Facebook-Seite zur Serie. Zudem liest er auch Beiträge im Perry Rhodan-Forum; während er früher eine kurze Zeit über selbst einige Postings verfasste, nutzt er es inzwischen nur noch rezipierend. Neben seinem Wissen um verschiedenste Angebote im Bereich der Serie, kennt sich Wetzler auch im personellen Bereich der AutorInnen und Redaktionsmitglieder gut aus und weiß über Fanveranstaltungen und -produktionen bescheid. Befragt, warum er gerade Perry Rhodan lese und nicht irgendeine andere Serie, führt er unter anderem an, dass gerade auch die vielfältigen (Informations-)Angebote und Aktivitäten zur Serie diese für ihn interessant machten: „[D]ass halt wirklich, ähm, Perry Rhodan vor allem die Serie ist, die auch eben multimedial auch präsent ist, im Gegensatz zu den anderen. Also, weil eben ... Es gibt ja ... Perry Rhodan erscheint in unterschiedlichsten Medien und, ähm, eben riesengroß und die eigene Verlagshomepage und so weiter und das spricht mich schon s-, äh, schon sehr an.“149
Perry Rhodan-LeserInnen nutzen also nicht nur die klassischen Serienmedien und -produkte, sondern auch die kommunikativen Angebote rezipierend. Das ‚Drumherum‘ ist offenbar für viele ein wichtiger Teil der Serienrezeption. Dies zeigt sich auch im Interview mit Oliver Mohn. Dieser hat keine Kontakte zu anderen Perry Rhodan-LeserInnen, -AutorInnen oder der Redaktion. Er tauscht sich generell nicht über die Serie aus, weder off-, noch online: „Also ich bin kein so ’n Forum-Mensch. Das würde mir ja noch mehr Zeit kosten. Oder Facebook
149 Interview mit Philipp Wetzler vom 21.06.2011.
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oder so. Ich versuch’s ... also ich bin überhaupt ... also bei Facebook bin ich nicht. Und irgendwelche Foren ... ich ... ich will’s nicht.“150 Dennoch verfolgt er regelmäßig über die Redaktionswebsite das Geschehen rund um die Serie: „[I]ch les’ jeden Tag, was zum Beispiel der Chefredakteur ... Die behandeln ja nicht nur Perry Rhodan, sondern ein Autor st- stellt mal dar, was er sonst noch neben der Perry Rhodan-Serie ..., die arbeiten ja nicht ausschließlich dafür. Der Chefredakteur stellt Comics, Bücher, ... sowohl Konkurrenzserien, andere Bücher vor. Es ist einfach genial. Also man ist nicht nur stur: ‚Perry Rhodan ist alles‘, sondern die berichten über alles Mögliche. Ist interessant.“151
Für Mohn ist die Homepage ein Unterhaltungsmedium an sich, dessen Lektüre er genießt. Zudem entdeckt er hierüber auch weitere mediale Angebote, so lernte er hier die Hörspielserie Dorian Hunter/Dämonen-Killer kennen – eine Produktion, an deren Konzeption der verstorbene Perry Rhodan-Autor Ernst Vlcek beteiligt war –, die er seitdem rezipiert: „Die haben auch drüber berichtet, dann hab’ ich halt mal ... hab’ ich angefangen, eins zu hören. Und dann bleibt man gleich wieder auch dabei hängen.“152 Darüber hinaus ist er durch die Website auch über Fanaktivitäten und -produktionen gut informiert, für die er, wie sich zeigt, durchaus Interesse aufbringt. So begeistert er sich für die Risszeichnungen und den Modellbau zur Serie, er weiß in diesem Zusammenhang von Veranstaltungen zu berichten, auf denen bestimmte Fans, die er namentlich nennt, ihre Modellbauten präsentieren. Die Perry Rhodan-Fankultur mit ihren vielfältigen Praktiken und Produktionen – inklusive einer sehr aktiven Redaktion und AutorInnen, die sich mit den Fans vernetzen – stellt für Mohn eine faszinierende Seite der Serie dar, die er verfolgt, ohne jedoch selbst aktiv daran zu partizipieren. Dabei scheint er auch kein entsprechendes Bedürfnis zu verspüren. Zu Cons etwa gehe er nicht, weil er derart große Ansammlungen von Menschen nicht möge, und im Bereich Modellbau etwa werde er nicht aktiv, da er, wie er angibt, zu ungeschickt sei. Die ‚passive‘ Nutzung der Fankultur gilt auch für zahlreiche weitere LeserInnen des Samples. Viele bedienen sich der vielfältigen Möglichkeiten, sich im Internet über die Serie zu informieren und Unterhaltungsangebote zu rezipie-
150 Interview mit Oliver Mohn vom 30.06.2011. 151 Ebd. 152 Ebd.
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ren.153 Hierbei werden Quellen bevorzugt, die aus der Redaktion, von Fans oder aus dem Bereich des Vertriebs der Serie stammen. Etwa die Hälfte der LeserInnen nutzt die Perry Rhodan-Homepage zur regelmäßigen Information, daneben werden auch weitere Angebote der Redaktion, wie etwa der „Perry RhodanInfotransmitter“, ein von Perry Rhodan-Autor Christian Montillon verfasster Newsletter, der wöchentlich per E-Mail bezogen werden kann, gelesen.154 Auch die diversen Onlineangebote von Fans werden rezipiert. Insbesondere die Perrypedia wird von vielen konsultiert, so geben 14 ProbandInnen an, sie zur Recherche zu verwenden. Thomas Wendt beispielsweise sieht sich die Website zur Vorinformation über kommende Hefte an: „[I]ch, äh, nutze auch die Perrypedia im Netz, also ich bin nur Nutzer, nicht Schreiber, ähm, und schau dann schon, von wem die nächsten Romane sind und wie sie heißen und, ähm, dann kann man sich, äh ... ist immer schon ’ne gewisse Vorfreude dabei: ‚Ach dann kommt wieder der Autor‘ oder, ähm, oder: ‚Das scheint ’n interessanter Roman zu werden‘, allein schon anhand des Titels oder so, ähm, also da guck’ ich auch schon immer gerne voraus, was da noch so kommen soll.“155
Die Aktivitäten des Fandoms sind damit auch für die vielen LeserInnen relevant, die sich nicht aktiv beteiligen. Unabhängig von ihren tatsächlichen Kontakten
153 Insgesamt geben nur drei LeserInnen an, das Netz in der Regel nicht zur Information über die Serie zu nutzen. Die Nutzung des Internets als Informationsquelle für Lesestoffe ist, wie die Buchmarktforschung zeigt, durchaus verbreitet; sie beschränkt sich damit nicht auf Heftroman- bzw. Perry Rhodan-LeserInnen oder auf ‚extreme Fans‘. Nach Kochhan, Haddat und Dehm finden 28 % der BuchleserInnen durch das „Surfen im Internet“ zu ihrer Lektüre. Vgl. Kochhan/Haddat/Dehm 2005, S. 29 (Tabelle 4). Legt man die Daten der BuchleserInnen zugrunde, entsprechen die Perry RhodanLeserInnen nach Geschlecht und Alter der Gruppe von LeserInnen, die am häufigsten das Internet zur Information über ihre Lektüre nutzt. So sagen „[i]nsbesondere Männer (36 %) sowie 20-29-Jährige (39 %) und 30-39-Jährige (42 %) [...], dass sie beim Surfen im Internet auf Bücher aufmerksam werden.“ (ebd., S. 29). 154 Drei LeserInnen aus dem Sample beziehen den Newsletter. Alle seit 20.07.2012 erschienenen „Infotransmitter“ können im „Newsletter Archiv“ der Perry RhodanWebsite eingesehen werden. Vgl. http://www.perry-rhodan.net/newsletter-archiv. html, 16.03.2016. Ein Archiv aller seit dem 16.05.2007 erschienenen „Infotransmitter“ (ab Nr. 60) findet sich unter http://www.schattenblick.de/infopool/unterhlt/ ip_unterhlt_perry_transmitter.shtml, 16.03.2016. 155 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Thomas Wendt.
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birgt es für viele offenbar einen nicht unerheblichen Reiz, an den Praktiken anderer LeserInnen zu partizipieren. Ergänzend zur bisherigen Rezeptions- bzw. Fanforschung, die vor allem die Praktiken von Fancommunitys in den Mittelpunkt stellt, lässt sich demnach beobachten, dass der Aspekt eines Rezipierens des Fandoms relevant ist, der – so lässt sich annehmen – für einen weitaus größeren Teil der LeserInnen gilt. Hierbei handelt es sich freilich um einen Rezeptionsmodus, der auf der aktiven Teilnahme anderer NutzerInnen basiert, insofern stellt sich als charakteristisch für Seriennutzung gerade die Kombination von aktiver und passiver Teilhabe heraus. Die Informationsangebote zur Serie sowie die Fankultur mit ihren vielfältigen Produktionen lassen sich dabei als Teil der Diversifizierung der Serie sehen, der von den LeserInnen ergänzend zur seriellen Erzählung rezipiert wird. Hierin zeigt sich wiederum, wie dies bereits anhand der produktiven Praktiken der Fall war, eine integrative Wirkung von Serialität. Durch die Fähigkeit der Serie, zu Handlungen anzuregen, die wiederum selbst als Teil der Beschäftigung mit der Serie genutzt werden, werden auch ‚Anschlusspraktiken‘ Bestandteil des seriellen Rezipiats. Damit lässt sich keine eindeutige Grenze zwischen Rezeptionsgegenstand und Nutzung mehr ziehen. Die Praktiken sind vielmehr nur in ihrem kooperativen Charakter zu begreifen, der sich aus aufeinander bezogenen Handlungen von Serie und LeserInnen zusammensetzt.
6.4 S AMMELN LeserInnen von Büchern haben offenbar eine starke Tendenz dazu, diese auch nach dem Lesen in ihrem Besitz zu behalten. 95 Prozent aller LeserInnen „bewahren ihre Bücher ‚meistens‘ oder ‚gelegentlich‘ auf“156. Auch im Heftromanbereich ist dies keine unübliche Praxis. Immerhin 40 Prozent der HeftleserInnen heben alle Romane und 18 Prozent bestimmte Romane auf.157 Gerade unter Perry Rhodan-LeserInnen ist das Sammeln in überdurchschnittlichem Maß verbreitet. 158 Dieser Befund, den auch das vorliegende Sample spiegelt, lässt Rück-
156 Kochhan/Haddad/Dehm 2005, S. 29. 157 Vgl. Nutz 1999, S. 136. Dabei zeigt sich ein deutlicher Geschlechterunterschied. So bewahren 72 % der männlichen, aber nur 50 % der weiblichen LeserInnen ihre Romane, zumindest in bestimmten Fällen, nach dem Lesen auf. Vgl. ebd. 158 Vgl. Pro Gym Datentechnik 1998, o. S. Die Studie ermittelt, dass LeserInnen von Science-Fiction-Heftromanen ihre Romane im Vergleich zu LeserInnen von Heftromanen anderer Genres am häufigsten neu kaufen. Als Grund dafür wird angegeben, dass
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schlüsse auf eine entsprechende Kapazität zur Unterbringung sowie auf eine gewisse Wertschätzung der Hefte zu, gibt allerdings noch keinen Aufschluss darüber, welche konkreten Praktiken sich mit dem Sammeln verbinden, auf welche Weise und in welchem Kontext die Heftsammlung präsentiert wird, zu welchen Zwecken sie genutzt wird und welche Bedeutung sie für die LeserInnen hat. Die folgende Analyse, die betrachtet, wie die Perry Rhodan-LeserInnen nach der Lektüre mit ihrem Heft verfahren, gibt einen Einblick in das Gebiet des Heftseriensammelns und erschließt, auf welche Weise die Praktiken des Sammelns durch die Serie selbst – in ihrem Fortsetzungscharakter und insbesondere ihren vielfältigen Materialitäten – mitgeprägt werden. Zu diesem Zweck wird auch in den Blick genommen, wie die ProbandInnen, über die Heftromane hinaus, mit weiteren Serienmedien und -objekten umgehen. Perry Rhodan ist nicht nur medial äußerst diversifiziert, im Laufe der Seriengeschichte erschien auch eine Vielzahl weiterer Produkte zur Serie.159 Für den Bereich der Science-Fiction ist dies freilich nicht überraschend, ist doch der Begriff des „Merchandising“160 eng mit der Star Wars-Reihe verbunden, die durch die Einnahmen aus Zusatzprodukten zu den Filmen einen Gewinn von mehr als 20 Milliarden US-Dollar erwirtschaftete. 161 Die Tradition der Perry Rhodan-
„sich unter den Käufern viele Sammler befinden.“ Vgl. hierzu auch Schwettmann 2006, S. 251. 159 Einblicke in die Welt des Perry Rhodan-Merchandising finden sich bei Stache 1986, S. 76; Kempen 2003, S. 72, S. 76 und S. 83; Schwettmann 2006, S. 286-323; Schwettmann 2009, S. 227-232; Andy Schmid: Plüschgesellen, Pins und Multimedia: Das Perry Rhodan-Merchandising. In: Frick/Rohwer 2011, S. 154-158. Einen Überblick über die ‚Produkte‘ zur Serie gibt auch die Perrypedia. Vgl. http://www.perrypedia. proc.org/wiki/Produkte, 16.03.2016. 160 Unter „Merchandising“ wird hier eine Praxis verstanden, die den Namen der Serie bzw. deren Markenimage auf Produkte überträgt, die nicht die Erzählung transportieren. Serienmedien im engeren Sinne gehören nicht zum Bereich des Merchandising. Nach Breyer-Mayländer handelt es sich bei Merchandising-Produkten um „ausgesprochene Trend-Artikel, um neue Marken, Themen und Figuren bekannt zu machen und am Markt durchzusetzen.“ Breyer-Mayländer 2010, S. 47. Im Fall von Perry Rhodan spielt freilich eher das Präsentbleiben eine Rolle. 161 Vgl. Fabian Mainzer: „Die Phantasie ist die einzige Grenze“. „Star Wars“-Filme glänzen mit Spezialeffekten. In: Museumsmagazin 18 (2012), H. 4, S. 19. Zur Vermarktung der Star Wars-Reihe vgl. auch Peter F. Prentler: „Star Wars“. Geschichte und Struktur eines Megaerfolges im Medien-Produktverbund. In: Thomsen/Faulstich 1989, S. 149-181.
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Fanartikel reicht jedoch weiter zurück. Die Serie war bereits seit ihrer Anfangszeit nicht nur als Lektüre präsent, sondern floss darüber hinaus durch viele weitere Gegenstände in den Alltag ihrer LeserInnen ein. Zu den ersten Merchandising-Produkten gehörten Anstecknadeln und Buttons, die bald durch Abziehbilder, Sammelfiguren aus Kunstharz, Gummi, Zinn und Metall sowie Plüschfiguren ergänzt wurden.162 Es folgten Risszeichnungen, Briefmarken, Weltraum-, Mond- und Sternkarten, Poster, Modellbaubogen und Quartettspiele, 163 Koffer, Taschen, Popcorn-Maker 164 und diverses mehr. Zum aktuell erhältlichen Angebot gehören Kunstdrucke 165 , Sammelbilder 166 sowie Kleidungsstücke und Accessoires 167 . Darüber hinaus werden in regelmäßigen Abständen Werbemittel wie Aufkleber, Feuerzeuge, Kugelschreiber, Plastiktüten oder Plakate zur Serie produziert.168 Wenn im Folgenden betrachtet wird, welche Rolle solche Gegenstände der Serienwelt für die LeserInnen spielen, liegt der Fokus dabei freilich nicht auf einer umfassenden Darstellung des „objektiven Medienverbunds“ 169 der Serie, vielmehr wird der „individuelle Medienverbund“170 der LeserInnen, bezogen auf Perry Rhodan, in den Blick genommen und seine Bedeutung im Kontext der Sammlungen und darüber hinaus betrachtet. Es wird also dargelegt, welchen Serienmedien sich die LeserInnen widmen und auf welche Weise sie mit diesen kooperieren. Dabei wird ersichtlich, dass ein solcher „individueller Medienverbund“ nicht nur als Verbund unterschiedlicher medialer Produkte, sondern tatsächlich auch als enger Verbund zwischen LeserIn und Medien zu sehen ist, in
162 Vgl. Schmid 2011, S. 155-157. 163 Vgl. Hallmann 1979, S. 71. 164 Vgl. Schmid 2011, S. 157. 165 Zusammenarbeit mit „Ooge“ werden Drucke ausgewählter Titelbildmotive in unterschiedlichen Formaten angeboten. Vgl. http://www.ooge.com/index.php?navi=galerie &galerieid=116&galerietype=unikate&partner, 21.02.2016. 166 Vgl. https://www.einsamedien.de/index.php?id=12&categoryID=4974, 21.02.2016. 167 Zu den Lizenzpartnern von Perry Rhodan gehören die Unternehmen „WerkZeugs“ und „Apfelsina“, die unterschiedliche T-Shirts und Taschen zur Serie vertreiben. Vgl. http://www.zeugs-zum-werk.de/epages/63354937.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/ 63354937/Categories/Perry_Rhodan, 21.02.2016; http://www.apfelsina.de/portfolio/ kollektion-perry-rhodan, 21.02.2016. 168 Vgl. Interview mit Klaus N. Frick vom 10.02.2010. 169 Vgl. Garbe/Schoett/Weilnböck 1999, S. 218. Zum Begriff des „Medien- bzw. Produktverbunds“ vgl. auch Thomsen/Faulstich 1989. 170 Vgl. Garbe/Schoett/Weilnböck 1999, S. 218f.
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dem letztere einen entscheidenden Anteil an den medialen Praktiken haben. Die Serie ist, so zeigt sich, nicht als „Sammelobjekt“ zu begreifen, denn einerseits muss aufgrund ihrer Diversifizierung im Plural gedacht werden – was gesammelt wird, materialisiert sich auf unterschiedliche Weise –, andererseits ist die Serie auch im Bezug auf das Sammeln nicht ‚Objekt‘, sondern aktiv an den hier zu beobachtenden Praktiken beteiligt. 6.4.1 Der Heftroman als Sammelgegenstand 6.4.1.1 Sammeln und Nichtsammeln Ob sich die Serie als Sammelgegenstand eigne, hierüber gibt es unter den Perry Rhodan-LeserInnen verschiedene Ansichten, und entsprechend sind unterschiedliche Arten anzutreffen, wie nach dem Lesen mit den Serienmedien verfahren wird. Ob eine Sammlung entsteht oder nicht, scheint zunächst ganz individuell vom Leser bzw. der Leserin abzuhängen. Dieter Rathgeb etwa besitzt die komplette Perry Rhodan-Serie in Heftromanform. Er begann als Jugendlicher mit der Serienlektüre und legte sich seine Sammlung über einen längeren Zeitraum hinweg zu: „[W]ie ich in der Lehre war ... bin auf Flohmärkte gegangen, auf Kirmessen und hab’ mir nach und nach alle Hefte zusammengekauft. [...] Da sind auch mal welche doppelt, das ist schon klar [...]. Jedenfalls gab’s damals ’n Haufen und ich hab’ mir auch, äh, so fast alles dann gekauft und nebenbei halt auch die aktuelle Serie immer noch weiter gekauft und gesammelt. Immer so nach und nach und nach und nach“171.
Über die Heftromane hinaus besitzt Rathgeb auch zahlreiche weitere Printausgaben der Serie, etwa die Silberbände und verschiedene Taschenbucheditionen. Sie sind Teil einer großen Sammlung von Science-Fiction-Literatur. Durch Perry Rhodan sei er in das Science-Fiction-Sammeln „richtig reingekommen“172, sagt er. Da er als Junggeselle allein in einem großen Haus lebe, habe er genügend Platz, um die Lesestoffe unterzubringen. Seine Sammlung behandelt Rathgeb mit Sorgfalt und schätzt neben ihrem ideellen auch ihren finanziellen Wert als hoch ein. BesucherInnen brächten allerdings nicht immer Verständnis dafür auf. Dieter Rathgebs Sammeltätigkeit, der er seit seiner Jugend nachgeht, hält nach wie vor an. Auch seine, was die Printmedien der Serie betrifft, fast voll-
171 Interview mit Dieter Rathgeb vom 09.06.2011. 172 Ebd.
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ständige Perry Rhodan-Sammlung ergänzt er nach wie vor, wenn sich die Gelegenheit bietet: „Es gab ja ’nen ganzen Haufen Taschenbücher, gab’s ja über 400 Stück. Die meisten hab’ ich und ich guck’ halt auch immer noch mal, äh, wenn ich irgendwo welche sehe oder finden tu.“173 Für Rathgeb ist die Suche nach Büchern und Heften in Buchläden und Antiquariaten ein selbstverständlicher Teil seiner Beschäftigung mit Science-Fiction-Literatur. Der unaufwändigere und direktere Weg des Onlinebezugs ist für ihn offenbar keine Option, so bestellte er, wie er sagt, noch nie ein Buch bei Ebay. Für den Gebrauchtkauf fahre er schon mal längere Strecken mit dem Auto: „Da hab’ ich kein Problem mit. Das is’ mein Hobby halt mit, ne?“174 Walter Fischer hingegen, der Perry Rhodan bereits seit dem Erscheinen des ersten Romans im Jahr 1961 liest, sammelt die Serie nicht. Seine Hefte stapelt er nach dem Lesen und tauscht sie nach ein bis zwei Jahren, meist zum Ende eines Zyklus, im Antiquariat gegen Science-Fiction-Bücher ein. Für ihn sind der mit der Pflege der Sammlung verbundene Aufwand sowie das Platzproblem Argumente gegen das Sammeln der Serie. Seine Hefte behandelt er nicht mit besonderer Sorgfalt, es sei „schon mal ein Kaffeefleck dabei“175, sagt er. „Also ich bin da kein Schätzesammler, der’s dann auch noch abstaubt und so.“ 176 Fischer sammelt auch jenseits der Heftromane keine Perry Rhodan-Ausgaben. Auch über die Serie hinaus besitzt er keine Medien. Ebenso verfügt er nicht über Fandevotionalien. Zwar ist er ein treuer Perry Rhodan-Leser – längere Pausen gab es im Laufe seiner Serienlektüre selten – eine Sammlung kommt für ihn jedoch nicht in Frage: „So was hab’ ich nicht, nee. Da hätt’ ich auch alt ausgeschaut, wenn ich, nachdem hier das Haus modernisiert wird und alle Keller ausgeräumt werden mussten [...]. [...] Wenn ich da jetzt 2600 Hefte ’rumstehen hätt’ ... Gottes Willen. ((lacht))“177. Die geschilderten Beispiele lassen sich als zwei Enden des Spektrums der Umgangsweisen der Perry Rhodan-LeserInnen mit dem Heft nach dem Lesen betrachten. Beide Leser repräsentieren dabei keine Extremtypen, in dem Sinn, dass sie Einzelfälle darstellten. Für die unterschiedlichen Arten des Umgangs mit der Serie finden sich jeweils weitere Beispiele im Sample. Neben Dieter Rathgeb gibt es auch andere ProbandInnen, die die Serie komplett besitzen und im Verbund mit einer größeren Science-Fiction-Sammlung aufbewahren. Mehrere Le-
173 Ebd. 174 Ebd. 175 Interview mit Walter Fischer vom 16.06.2011. 176 Ebd. 177 Ebd.
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serInnen vervollständigten ihre Sammlung durch Käufe im Antiquariat, auf dem Flohmarkt oder durch Bestellungen über Zeitungsinserate. Weitere besitzen kleinere Sammlungen zur Serie, die meist unterschiedliche Medien einschließen. Darüber hinaus wird Perry Rhodan auch – ergänzend oder alternativ zur Printsammlung – digital gesammelt, indem E-Books, Hörbücher oder Bilder zur Serie als Dateien auf dem PC gespeichert werden. Abbildung 14: Der Zyklus „Die Cantaro“ aus der „Perry Rhodan“-E-BookSammlung von Katharina Weiß, Detail.
Quelle: Aufnahme der Probandin.
Auch Walter Fischer ist keine Ausnahme, so sammeln auch weitere LeserInnen ihre Hefte nicht oder nur kurzfristig. Markus Ehlers etwa wirft die Hefte generell, nachdem er sie gelesen hat, ins Altpapier. Jörg Reimann sammelt seine Hefte zunächst in einer Kiste im Keller, ehe sie beim nächsten Umzug entsorgt werden, und auch Carolin Winters Schachtel mit Heften „wandert irgendwann dann immer mal wieder ins Altpapier oder auf den Flohmarkt.“178 In Matthias Spechts Familie werden nur ausgewählte Hefte gesammelt, während die meisten weggeworfen werden. Frank Zelter verkauft seine Hefte, nachdem er sie gelesen hat, zum halben Preis an einen Bekannten weiter. Die Frage des Sammelns oder Nichtsammelns der Heftromane hängt dabei eng mit der Materialität des Lesestoffs zusammen.
178 Interview mit Carolin Winter und Tobias Winter vom 15.01.2009, hier: Carolin Winter.
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6.4.1.2 Zum Umgang mit dem Heft Heftromane werden von manchen ProbandInnen aufgrund ihrer Materialeigenschaften als für das Sammeln nicht prädestiniert betrachtet. Markus Ehlers etwa führt als wesentlichen Grund dafür, dass er seine Perry Rhodan-Hefte nicht aufbewahrt, das hierfür seiner Ansicht nach ungeeignete Format an. Heftromane seien für ihn „keine Sammlerobjekte“179: „Also um es wirklich zu sammeln, bräuchte es mehr Widerstandsfähigkeit. Also ich hatte schon mal ’n paar hundert Hefte auf einen Schlag, aber du kannst sie nicht ordentlich hinstellen, die sind nicht haltbar, äh ... Wenn ich sie zusam- ... Meistens roll’ ich ... roll’ ich das Heft zusammen, um’s irgendwohin mitzunehmen, weil ich keine Taschen mitnehme. Das ... das verliert sofort seine Form, äh, jeder ... jeder Wassertropfen weicht drei, vier Seiten auf. Es ist einfach nicht haltbar. [...] Wenn ich normale Bücher sammel’, hast du die Buchrücken, wie in der Bibliothek. Oder bei DVDs hast du halt ... Kannst du rausnehmen, haste ’n schönes Bild und dann ... Da haste was in der Hand, was ... was ... was dir Widerstand gibt. [...] Die [Romanhefte] kannst du nicht grade hinstellen. Die ... Das sieht einfach ... nichts aus und das macht mir dann ... das macht auch keinen Spaß. Die ... die da irgendwo hinzustellen, das sind einfach nur un-, äh, äh, unsauber oder ungepflegt aus. Das sieht einfach blöd aus.“180
Auf das Sammeln bezogen zeigt sich hier die Kehrseite des seriellen Produktionsverfahrens, das die Heftromane zu einem schnell herstellbaren, günstigen und für das Mitnehmen geeigneten Lesestoff macht. Die wesentlichen materiellen Charakteristika des seriellen Lesestoffs werden als Hindernis für seine Aufbewahrung, Erhaltung und ästhetische Präsentation betrachtet.181 Die Serienhefte, die im Rotationsverfahren auf Zeitungspapier gedruckt werden, weisen aufgrund des hohen Holzanteils des Papiers eine nur geringe Haltbarkeit auf. Der relativ dünne Umschlag trägt nicht wesentlich zum Schutz der Hefte bei. Auch eine von
179 Interview mit Markus Ehlers vom 09.06.2011. 180 Ebd. 181 Dies entspricht der klassischen Sichtweise auf das Format. So schreibt Foltin 1965 über Heftromane: „Die Aufmachung ist – das läßt sich bis zur Qualität des Papiers verfolgen – durchwegs billig und primitiv; [...] Die Hefte sind offenbar nur für den sofortigen Konsum bestimmt, sie eignen sich ebenso wenig wie Zeitungen zur Aufbewahrung.“ Foltin 1965, S. 295. Zu den, inhaltlich wie auch materiell begründeten, Schundzuschreibungen des Heftromanformats vgl. auch Maase 2002; Galle 2005.
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den LeserInnen geschätzte Gebrauchsweise – das Mitnehmen unterwegs – beeinträchtigt die Unversehrtheit der Hefte. Für viele LeserInnen sind diese Gesichtspunkte jedoch offenbar keine Hinderungsgründe dafür, die Hefte zu sammeln. Dabei zeigen sich verschiedene Praktiken, die dazu dienen, die Heftromane zu erhalten. Die Vorbereitung des Sammelns beginnt mitunter bereits beim Kauf. Oliver Mohn etwa betont, dass er seine Hefte prinzipiell nicht in gebrauchtem Zustand kaufe, damit sie ihm möglichst lange erhalten blieben: „Ich will die neu, und ich sammle die. In der Hoffnung, dass ich’s vielleicht in meiner R- ... im Rentenalter noch mal lesen kann.“182 Chefredakteur Frick weist darauf hin, dass SammlerInnen auch auf die Klammerung der Hefte achteten. Diese seien rostanfällig und verminderten dadurch den Sammelwert. Ebenso machten maschinelle Fehler mitunter ein Heft für das Sammeln ungeeignet: „[E]s gibt manchmal Hefte, die werden von unserer Druckerei schlecht behandelt. Dann sind die so ein bisschen angekrumpelt. [...] Das hassen Sammler.“183 Im Hinblick auf das Sammeln werden die Hefte auch während der Lektüre auf bestimmte Weise behandelt. Im Vergleich zu denjenigen, die nicht sammeln, achten SammlerInnen meist besonders darauf, sorgfältig mit ihrem Heft umzugehen. Eine Ausnahme unter den befragten SammlerInnen ist Michael Schubert, der nicht am Zustand seines Heftes interessiert ist: „Kann auch mal sein, ich falte den in vier Teile und steck’ ihn in die Brusttasche. Also das ist ... Das ist mir egal. [...] Entweder ich roll’ sie zusammen und steck’ sie irgendwo rein und ... Darf man nicht so ... Das ist ja nur Papier. Bedrucktes Papier.“184 Die meisten SammlerInnen gehen hingegen pfleglich mit ihrem Heft um. Rainer Weygandt etwa sagt, er behandele seine Hefte „sehr sorgfältig, ja. Das ist auch noch ... Also, weil ja Bücher teuer waren früher und wir auch nicht viele hatten und Bücher auch einen Wert hatten, zumindest gute Bücher ... Das habe ich von meiner Mutter. Also Eselsohren oder drin ’rummalen geht nicht, ne. Das ging nicht. Daher kommt das noch. Aber ich mag meine Hefte ja auch. Also ich will nicht, dass die irgendwie verknickt werden“185.
Die Hefte verleiht er grundsätzlich nicht an andere. „Weil die behandeln sie scheiße, die biegen immer die Ränder ... Also die lesen es immer so ((demons-
182 Interview mit Oliver Mohn vom 30.06.2011. 183 Interview mit Klaus N. Frick vom 10.02.2010. 184 Interview mit Michael Schubert vom 22.06.2011. 185 Interview mit Rainer Weygandt vom 17.11.2010.
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triert das Umknicken eines Heftes)), und dann biegt’s die Ränder immer und das finde ich zum Kotzen. Das würde ich nie machen.“186 Auch Dieter Rathgeb berichtet von Bedenken beim Heftverleih: „Ja gut, mein Bruder hat sie ’ne ganze Zeit lang gelesen, dann hab’ ich sie ihm ausgeliehen. Ich hab’ ihm eins gesagt: ‚Keine Kaffeeflecken und keine Ohren!‘.“ 187 Oliver Mohn reagiert ebenfalls empfindlich auf eine für ihn unangemessene Behandlung des Heftes: „Na, der Roman, das ist ein Heiligtum. ((lacht)) @Wenn sich jemand draufsetzt@, was ab und zu passiert, da könnt’ ich durchdrehen. Also ich versuch’s schon, gut zu behandeln. In meiner Anfangszeit hab’ ich’s eher nicht gemacht, aber jetzt: Ja.“188 Anja Wendts Umgang mit dem Heft sorgte in der Anfangszeit des Lesens für Kritik von ihrem Mann: „Ähm, ja, Anja nimmt das ja immer eher in der Bahn. Dementsprechend sahen die ersten Hefte auch sehr liederlich aus, äh, mit umgeknickten Rändern und so, und das fand ich nicht so gut. Seitdem hat sie sich gebessert. ((lacht)) Weil, ähm, wir ... wir sammeln die.“189 Philipp Wetzler benutzt eine Mappe, um die Hefte beim Transport zu schonen: „Dann nehm’ ich mir das Heft oder such’ mir halt aus den paar, die daliegen ... such’ ich mir halt das schönste Exemplar raus. Und, äh, entweder ich lass’ mir von denen da ’ne Tüte geben oder ... Ich hab da so ’n ... so ’ne Mappe, wo ich die reinstecken kann, damit sie halt, äh, kein’ ... keinen Knick kriegen.“190
Die Mappe schütze das Heft auch, wenn er es unterwegs lesen wolle. Häufig entscheide er sich jedoch dafür, ein Taschenbuch mitzunehmen. Die Hefte hingegen lese er meist „zu Hause, weil man eben ganz schnell einen Knick drin hat oder irgendwie Eselsohren oder ... wenn’s regnet oder so und ... es ist halt doch anfällig, sage ich mal.“191 Zusätzlich zum ‚schonenden‘ Lesen, werden die Romane entsprechend sorgfältig aufbewahrt, und mitunter werden aufwändige Konservierungsmaßnahmen betrieben. Stefan Belting etwa berichtet: „Also inzwischen bin ich halt richtiger Sammler. Das heißt, ich hab’, äh, kleine Pa- Plastiktütchen, da wird’s reingetütet ((lacht)) und dann, äh, gesammelt. [...] Ich hatte ’ne Zeit
186 Ebd. 187 Interview mit Dieter Rathgeb vom 09.06.2011. 188 Interview mit Oliver Mohn vom 30.06.2011. 189 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Thomas Wendt. 190 Interview mit Philipp Wetzler vom 21.06.2011. 191 Ebd.
268 | P ERRY R HODAN LESEN lang mal diese ... diese Sammelordner, die es da gibt. Aber das, irgendwie, das war nicht so gut. Ich hab’ jetzt, äh, solche Boxen wo jeweils 50 Hefte reinpassen. Und die sind auch relativ kompakt dann. Das heißt, das geht dann vom Platz her.“192
Zusätzlich verstärkt Belting Hefte, die ihm wichtiger sind – und generell seine Neuerwerbungen – mit einer Pappe. Entsprechende Produkte – Sammelmappen oder -boxen sowie säurefreies Papier – können bei spezialisierten Händlern bestellt werden.193 Mitunter werden die Aufbewahrungsutensilien aber auch selbst hergestellt. Rainer Weygandt etwa hat selbst Holzkisten für seine Hefte gebaut und stellt seine eigenen Sammelmappen her. Zusätzlich bügle er die Hefte, wenn die Ränder umgebogen seien: „Und ich mach’s dann immer so, ich schlag’s in der Mitte auf, äh, dann einmal rüberbügeln, dann außen einmal rüberbügeln und dann tu ich sie am originalen Falz wieder falten und das Papier merkt sich irgendwie, wie das gelegen hat mal und dann gibt’s wieder so richtig schöne Bände und dann kann ich sie hier reinbinden. “194
Dieter Rathgeb kennt einen anderen Kniff, um die Hefte zu glätten. Er beschwert sie, bevor sie in die Sammlung gestellt werden: „Wenn ich sie gelesen hab’, dann kommen sie auf ’n Haufen, kommt auch ’n Gewicht drauf, dass sie schön glatt liegen, dass ich sie nachher schön ins Regal stellen kann.“195 Wenn sich Heftseiten lösen, leimt er sie wieder zusammen: „Nachteil ist so ’n bisschen, äh, diese zusammengetackerten Seiten, zum Teil auch das Papier. ’ne Zeit lang hat man ’n sehr billiges Papier verwandt. Das merkt man auch, vor allem, wenn man ältere Hefte in der Hand hat, du blätterst’s auf und klack-klack-klack gehen die Seiten von alleine schon los. Gut, dann willste bs-bs-bs bisschen Holzleim, zusammengeklebt.“196
192 Interview mit Stefan Belting vom 17.06.2011. 193 Die Perry Rhodan-Website weist auf solche Händler hin. Vgl. http://www.perryrhodan.net/bezugsquellen.html, 16.03.2016. Zu früheren und aktuellen Versionen von Perry Rhodan-Sammelmappen vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Sammel mappen, 19.02.2016. 194 Interview mit Rainer Weygandt vom 17.02.2011. 195 Interview mit Dieter Rathgeb vom 09.06.2011. 196 Ebd.
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Erhebt bereits die Tatsache des Aufbewahrens die Heftromane – als vom Materialwert her relativ wertlose und aufgrund ihres populärkulturellen Hintergrunds herkömmlicherweise als ästhetisch minderwertig betrachtete Gegenstände – in den Stand eines mit Bedeutung und Wert versehenen Sammlerstücks,197 so wird dieser Charakter durch den pfleglichen Umgang und die Konservierungsbestrebungen noch hervorgehoben. Die Praxis des Sammelns bringt eine Aufwertung der Heftchen zu bewahrenswerten Sammelgegenständen – im Gegensatz zu ihrer Konzeption als für den kurzzeitigen Gebrauch bestimmte Wegwerfprodukte – mit sich. Durch das Konservieren wird hier nicht zuvorderst der Wert der Hefte erhalten, die Hefte erhalten vielmehr erst durch die Praxis des Konservierens ihren Wert. Die Praktiken des Konservierens selbst erschließen sich wiederum nur im Wechselspiel von LeserInnen und Lesestoff. Die Romane werden nicht nur ihres Inhalts, sondern auch ihres Formats wegen geschätzt und sollen darum erhalten werden. Aufgrund ihrer verfallsanfälligen Materialität verlangen sie dabei nach einer besonderen Art der Behandlung. Die ‚Wertschöpfung‘, die mit dem Konservieren stattfindet, gründet sich also nicht allein auf menschlichen Praktiken, sondern auch die Serie selbst trägt hierzu bei. Durch ihre ästhetischen wie materiellen Qualitäten bewirkt sie, dass die LeserInnen sie schätzen, sie aus diesem Grund aufbewahren und sie dabei auf eine ihr angemessene Weise in Stand halten. 6.4.1.3 Sammlerstücke John Fiske hat, unter Rückgriff auf Bourdieus Habitus-Begriff, darauf hingewiesen, dass sich die Aufwertung der populärkulturellen Produktion innerhalb der Fanszene nicht gleichzeitig auch in ihrem ökonomischen Wert niederschlage.198 Auch bei Perry Rhodan hält sich die Konvertierbarkeit von kulturellem in ökonomisches Kapital in Grenzen. Zwar gelangen bestimmte Gegenstände gegenüber anderen innerhalb der Sammlerschaft zu einem gewissen Wert, der sich auch in preislichen Unterschieden äußert. Allerdings sind die Preise für Serienmedien und -objekte nicht so hoch, dass sie mit den im Bereich der Hochkultur
197 Arbeiten zur kulturellen Praxis des Sammelns verweisen auf den Aspekt, dass SammlerInnen zunächst wertlose Gegenstände zu mit ästhetischem Wert versehenen Objekten machen. Vgl. Hahn 1991, S. 63f.; Hans-Otto Hügel 2003c: Sammler. In: Ders. 2003a, S. 385-388, hier S. 387f. 198 Vgl. John Fiske: The Cultural Economy of Fandom. In: Lisa A. Lewis (Hg.): The Adoring Audience. Fan Culture and Popular Media. London 1992, S. 30-49, hier S. 44f.
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teilweise üblichen konkurrieren könnten. Chefredakteur Klaus N. Frick spricht an, dass sich, im Vergleich zu anderen populärkulturellen Sammelgegenständen, bei Perry Rhodan die finanzielle Wertsteigerung in Grenzen halte: „Also auch der Wert von so einer Perry Rhodan-Sammlung ist überschaubar. Also Band 1 hat einen großen Wert, aber alle anderen kann man ja irgendwie noch kaufen.“199 Innerhalb des insgesamt also eher niedrigen Preissegments zeigen sich dabei Unterschiede darin, welche Medien innerhalb der Serie als Sammlerstücke begehrt sind. Bei den Preisen, die für gebrauchte Hefte gezahlt werden, zeigt sich eine Differenzierung nach Alter und spezifischer Ausgabe der Hefte. Besonders begehrt ist die Erstauflage. Sie wird, im Vergleich zu den anderen Auflagen der Serie, mit den höchsten Preisen gehandelt. Dabei ist insbesondere das erste Heft nachgefragt. Auf der Auktionsplattform E-Bay werden für Heft Nr. 1 in der Erstauflage Preise von bis um 400 € erzielt.200 Nachdrucke und Neuauflagen des ersten Heftes erreichen in der Regel zwischen 1 und 5 €, in seltenen Fällen auch über 10 €. Im Vergleich zu anderen – auch frühen – Romanen der Serie zeigt sich ein deutlicher Preisunterschied. Hefte der ersten 200 Bände der Erstauflage werden, bei Einzelkauf, in der Regel zwischen 1 und 2 € gehandelt. Im Set – beispielsweise beim Kauf von 100 Heften – ist das einzelne Heft im Durchschnitt teurer. Der Aufwand des Sammelns erhöht offenbar den Preis. Die hohen Preise der Erstauflage sagen noch wenig über die Gründe für ihren Kauf. Im Interview mit Rainer Weygandt zeigt sich, dass mit ihr nicht nur eine mehr oder weniger unbestimmte Aura des Originals verbunden wird, sondern auch bestimmte ästhetische und materielle Qualitäten. So fühlt Weygandt sich offenkundig von den Nachauflagen der Serie nicht angesprochen. Über ein Heft der 4. Auflage sagt er: „Ist ja grässlich, wie das ausgesehen hat. [...] Diese Nachdrucke sind einfach scheiße. ((lacht leicht)) Ja ... Ja ... Sie sind einfach schlechter. Also die Druckqualität war schlechter“201. Hingegen schwärmt er von den schönen Farben und der besseren Ausstattung der Erstauflage: „Guck dir das mal an, das ist die erste Auflage und das ist die vierte. [...] Ja, dieses wunderschöne Weltraumlila hatten die immer. Da ist’s einfach schwarz, Hauptsach’, Leute mit
199 Interview mit Klaus N. Frick vom 10.02.2010. 200 Zwischen dem 25.12.2015 und dem 14.03.2016 wurde das 1. Heft der 1. Auflage bei E-Bay für jeweils 22,27 Euro, 78 Euro, 99,99 Euro, 134 Euro, 140 Euro und 399,90 Euro verkauft. 201 Interview mit Rainer Weygandt vom 17.02.2011.
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billigem Scheiß abgefüttert, Innenillustrationen weggelassen hier, ne. Das trägt einfach zum Lesevergnügen bei, also in hohem Maße, find’ ich.“202
Die Sammelpraktiken – das bevorzugte Sammeln der Erstauflage anstelle der Nachauflagen – sind hier direkt an die Materialität der Hefte, an ihre Farbigkeit und Ausstattung rückgebunden. Neben den Unterschieden der verschiedenen Auflagen spielt auch der Besitz besonderer Stücke eine Rolle für das Sammeln. So erzielen neben Heft Nr. 1 auch die Hunderternummern der Serie mitunter vergleichsweise höhere Preise. Dies spiegelt sich in der Sammelpraxis. So gibt Dieter Rathgeb an, er werde sich den nächsten „Jubiläumsband“ doppelt kaufen, um ein Exemplar in der Verpackung aufzubewahren, während er das andere lese: „Jubiläumsband ... Werd’ ich mir zwei Stück von holen. Warum? Das eine werd’ ich lesen und das andere bleibt in der Tüte originalverpackt. Hat noch ’n bisschen größeren Wert hinterher. Ne. Einfach deswegen. Also ich würd’s in Ruhe lesen können, andererseits ... Ob ich jetzt 1,85 Euro mehr ausgebe ... In ’n paar Jahren ist die Sammlung noch ’n bisschen mehr wert. Ne? Durch diese originalverpackten Hefte.“203
Abbildung 15: Sonderausgabe des ursprünglichen Silberbands „Bardioc“.
Quelle: Sonderausgabe Bardioc.
202 Ebd. 203 Interview mit Dieter Rathgeb vom 09.06.2011.
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Auch im Bereich der Buchproduktion gibt es besonders ausgestattete Sammlerstücke. Die 100. Ausgabe des Silberbands etwa erschien, zusätzlich zur Veröffentlichung im gewohnten schrill-populären Silberband-Outfit, als Sonderausgabe, mit schlichter gehaltenem, modernisiertem Einband in seriös bis edel anmutendem Schwarz – mit einem Preisunterschied von etwa 3 €. Abbildung 16: Die „Bardioc“-Sonderausgabe in der Sammlung von Stefan Belting.
Quelle: Aufnahme des Probanden.
Als Zielgruppe seien, so Frick, einerseits SammlerInnen im Blick gewesen, andererseits LeserInnen, denen die Silberbände aufgrund ihres populärkulturellen Erscheinungsbildes als nicht vorzeigbar erschienen: „Meine Strategie war halt damals, zu sagen, wir machen die Silberbände weiter, wir machen aber eine höherpreisige Ausgabe für den 45-jährigen – oder jetzt bin ich 46 – Redakteur, Rechtsanwalt, Richter, Apotheker – was auch immer. Also die Leute, die früher Perry Rhodan gelesen haben, die aus repräsentativen Gründen garantiert keine Hefte mehr kaufen würden. Never ever kaufen die Hefte, oder nur klammheimlich. Denen das ((weist auf einen Silberband)) ... Wenn sie nicht den Nostalgieeffekt verspüren, gefällt es ihnen
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nicht. Das ((weist auf das schwarze Hardcover)) sieht einfach ... Das stelle ich mir neben meinen Stephen King.“204
Das Konzept habe zwar, vom finanziellen Aspekt her „nicht funktioniert“ 205 , immerhin wurden jedoch 3000 Exemplare der Ausgabe verkauft – zusätzlich zum Silberband, bei dem der Umsatz deswegen nicht zurückging. In der bisherigen Beschreibung zeigte sich deutlich, dass ästhetische und materielle Qualitäten von Serienmedien Einfluss darauf nehmen, ob diese als Sammlerstücke beliebt sind. Wenn nun Melanie Speidel und Holger Speidel von einigen ihrer besonderen Stücke berichten, tritt hervor, dass dabei auch der exotische oder historische Charakter von Objekten eine Rolle spielen kann. So besitzen sie etwa japanische, französische oder US-amerikanische Veröffentlichungen von Romanen der Serie, die nicht gelesen werden, sondern ausschließlich Sammelzwecken dienen. „Muss dann einfach manchmal sein, so ’n paar Schätzchen“206 , sagt Melanie Speidel. Ebenso zur Sammlung gehört eine alte Lexikonausgabe zur Serie, die laut Melanie Speidel „[i]nzwischen gesucht“207 sei. „Das ganz alte Lexikon, das sind dann halt Sachen, die man schnell einmal dann halt auf einem Flohmarkt, oder auf einem Con, dann doch bei einem Händler sich dann mal für viel Geld geleistet hat“208, sagt Holger Speidel. „Ah ja, viel Geld ist übertrieben“, räumt er jedoch sogleich ein. „Also, ich glaub, ich hab’ 20 Euro oder so ... Wenn überhaupt.“209 Beide sagen, sie hätten, was den Preis betreffe, eine „Schmerzgrenze“210. Ab und zu bekämen sie von einem befreundeten Buchhändler Ausgaben zum „Freundschaftspreis“211. Wie sich zeigt, finden im Perry Rhodan-Bereich, auch jenseits der Frage nach dem ökonomischen Wert der Objekte, vielfältige Differenzierungen statt, die bestimmte Serienmedien gegenüber anderen als wertvoll erscheinen lassen und sie zu begehrten Sammelobjekten machen. Hierbei ist wiederum der kooperative Charakter der Lektürepraktiken zu beobachten, der sich darin zeigt, dass die Serie selbst mit ihren spezifischen Eigenschaften die LeserInnen zu unmit-
204 Interview mit Klaus N. Frick vom 10.02.2010. 205 Ebd. 206 Interview mit Melanie Speidel und Holger Speidel vom 02.05.2011, hier: Melanie Speidel. 207 Ebd. 208 Ebd., hier: Holger Speidel. 209 Ebd. 210 Ebd. Beide ProbandInnen verwenden den Ausdruck. 211 Ebd., hier: Melanie Speidel.
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telbar daran anschließenden Handlungen veranlasst. So sind es konkrete Materialqualitäten bestimmter Ausgaben, etwa deren besserer Druck oder ihre bessere Ausstattung, die die LeserInnen dazu bringen, sie – meist zusätzlich zu den ohnehin gelesenen Medien – in die Sammlung aufzunehmen. Dabei sind nicht nur die gute Verarbeitung von Produkten, sondern auch ihre Originalität oder Historizität Kriterien, um sie zu sammeln. 6.4.2 Gegenstände und Orte der Sammlung Die hauptsächlich gesammelten Medien sind die Perry Rhodan-Romanhefte und – daneben oder alternativ – Silberbände sowie E-Books. Zusätzlich besitzen die meisten ProbandInnen weitere Serienmedien und Gegenstände zur Serie, mit jeweils unterschiedlichem Sammelschwerpunkt. Häufig sind die Perry RhodanObjekte Teil größerer Print- und hier insbesondere Science-FictionSammlungen. Andere Buch- sowie Heftserien werden dabei von manchen LeserInnen auch gesammelt, ein Schwerpunkt auf Serien lässt sich hierbei jedoch nicht feststellen. Was in die Sammlung gelangt, hat häufig zufälligen Charakter. Von der Möglichkeit des gezielten Nachbestellens von Heften oder anderen Medien beim Verlag machen nur wenige ProbandInnen Gebrauch.212 Viele berichten von Gelegenheitskäufen auf dem Flohmarkt, im Antiquariat213 oder auf Sammlerbörsen. Bei einigen Käufen handelt es sich offenbar eher um spontane Aktionen, was mitunter dazu führt, dass gekaufte Medien unrezipiert bleiben. So berichtet etwa Jörg Reimann: „Eine meiner schwachsinnigeren Geschichten war vor zwei Jahren ungefähr, da hab’ ich mir auf ’nem Flohmarkt zwei oder drei Kisten mit alten Perry Rhodan-Heften, äh, gekauft, die hab’ ich [...] für 20 Euro, so was, bekommen. Aber meinen Sie, ich hätte ein einziges davon gelesen? Als ich dann umgezogen bin, hab’ ich die Kiste wieder entsorgt,
212 Aktuellere Hefte können direkt über den „Shop“ der Redaktionswebsite erworben werden, ältere Hefte bei einem Vertriebspartner. Vgl. http://www.perry-rhodan.net/ bezugsquellen.html, 16.03.2016. Diese Option, um an frühere Hefte zu gelangen, existiert bereits seit langem. Bereits Hallmann berichtet in seiner Studie aus dem Jahr 1979 von der Möglichkeit des Nachbestellens beim Verlag. Vgl. Hallmann 1979, S. 73. 213 Die Redaktion weist auf ihrer Website auf verschiedene Händler hin, die Perry Rhodan im Angebot führen. Vgl. http://www.perry-rhodan.net/bezugsquellen.html, 16.03.2016.
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hatte sie irgendwo auf ’n Speicher gestellt und ... völlig- völliger Schwachsinn, so was ... so was zu machen.“214
Von nicht gelesenen Heften berichten auch weitere LeserInnen. Die Serie regt offenbar zum Kaufen bzw. Sammeln an, auch wenn das Erworbene nicht genutzt wird. Bei den Sammlungen handelt es sich viel eher um individuell sehr verschiedene, heterogene Konglomerate als um eine von den LeserInnen bewusst komponierte Einheit. Die Objekte werden häufig nicht planvoll erworben; der Erhalt erfolgt eher beiläufig, begleitend zum längerfristigen Serienlesen. Vollständigkeit wird bei Weitem – auch aufgrund des großen Angebots an verschiedenen Ausgaben und Medien – nicht von allen LeserInnen angestrebt. Was sich im Besitz der LeserInnen befindet, hat also eher den Charakter von ‚Ansammlungen‘ als von gezielt zusammengestellten und komplettierten Kollektionen. Dies wird beispielsweise im Interview mit Thomas Wendt und Anja Wendt deutlich, wenn sie erzählen, zu welchen Medien sie über die neu gekauften Hefte und Hörbücher hinaus gelangten. Neben einem Zyklus von 100 Heften, den Thomas Wendt auf E-Bay ersteigerte, der aber aus Zeitgründen, bis auf zwei Hefte, nie gelesen wurde, besitzt das Ehepaar einige Silberbände und Hefte, die auf dem Flohmarkt gekauft wurden. „[W]enn wir mal so auf’m Flohmarkt durchgehen und für ein, zwei Euro das ... denkt man ... Ach, das ist doch nett. Dann nimmt man das mal mit.“215, sagt Anja Wendt. Thomas Wendt erklärt, es handele sich nicht um eine gezielte „Suche nach dem und dem Titel.“216 Über die sporadischen Käufe hinaus gewann Thomas Wendt ein Buch bei einem Gewinnspiel, und von seinem Großvater bekam er einige ältere Taschenbücher sowie ein Heft der 5. Auflage geschenkt, die dieser „irgendwo im Keller rausgekramt [habe], als er dann merkte, dass wir das lesen.“ 217 Die Möglichkeiten des Kaufs werden, so wird in vielen Interviews ersichtlich, gerade, weil sie sich in so großer und wachsender Zahl bieten, nur von Zeit zu Zeit genutzt. Serialität führt hier offenbar, gerade durch das vielfältige Angebot, das sie produziert, zu eher sporadischen, spontanen Zugriffen als zu systematisiertem Sammeln und Ergänzen. Was die Unterbringung der Sammlung betrifft, lässt sich zunächst feststellen, dass viele der ProbandInnen, die Serienmedien sammeln, diese auch – in der ein
214 Interview mit Jörg Reimann vom 10.06.2011. 215 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011, hier: Anja Wendt. 216 Ebd., hier: Thomas Wendt. 217 Ebd.
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oder anderen Form – präsentieren. Auch räumlich gesehen steht die Perry Rhodan-Sammlung dabei meist in enger Verbindung zu weiterer Science-FictionLiteratur. In vielen Fällen wird Wert auf das Ordnen der Medien gelegt, wobei sich vielfältige Ordnungskriterien finden. Neben dem Genre dient auch die Zugehörigkeit zu einer Serie oder Reihe, einer bestimmten Ausgabe innerhalb einer Serie (z.B. einer Taschenbuch-Trilogie oder einer auf besondere Weise gestalteten Jubiläumsausgabe) oder die Publikation durch einen bestimmten Verlag oder Autor zur Sortierung. Alphabetische Ordnungen finden sich dabei ebenso wie chronologische und thematische. Differenzierungen zwischen hoch- und populärkulturellen Werken des Genres sind in der Ausstellungspraxis nicht unmittelbar sichtbar, sie erschließen sich jedoch, wie im Folgenden sichtbar wird, über eine mediale Trennung. Die gesammelten Perry Rhodan-Medien sind nicht immer an einem Ort vereint. Oft werden sie in unterschiedlichen Räumen der Wohnung bzw. des Hauses untergebracht. Bestimmte Medien werden dabei dekorativ ausgestellt, während andere eher unauffällig präsentiert werden. Die folgenden zwei Beispiele geben einen Einblick in den Umfang, die Zusammensetzung und die Präsentation sehr unterschiedlich großer Sammlungen. Carolin Winter und Thomas Winter haben ihre Perry RhodanBuchsammlung in einem Regal im Wohnzimmer ihrer gemeinsamen Wohnung untergebracht. Sie findet sich, wohl sortiert nach Verlag und jeweiliger Ausgabe, in einem schlicht gehaltenen, weißen Bücherregal, zusammen mit weiteren Büchern. Neben den verschiedenen Hardcover- und Taschenbuchausgaben der Serie sowie des Spin-offs Atlan gehören auch weitere Buchveröffentlichungen von Science-Fiction-Heftromanserien (Ren Dhark, Rex Corda) zur Sammlung. Darüber hinaus findet sich auch weitere Literatur aus dem Genre; in der untersten Reihe des Regals sind Bücher des Science-Fiction- bzw. Fantasy-Autors Wolfgang Hohlbein zu sehen. Eine etwaige strenge Trennung in hoch- und populärliterarische Werke lässt sich hier nicht beobachten. Im Regal befinden sich auch diverse philosophische und belletristische Taschenbücher, deren Autoren von Aristoteles über Kant und Heine bis Tolkien reichen. Die Heftromane werden, ganz im Gegensatz zum repräsentativen Charakter der gut abgestaubten und mit dekorativen Buchstützen versehenen Buchsammlung, bis zu ihrer Entsorgung, in Kisten gesammelt und im Geräteschuppen aufbewahrt. Ständiger Zugriff ist hier offenbar nicht gewährleistet. So sagt Carolin Winter, von der ich mir Hefte ausleihen will, dies müsse bis zum Frühjahr warten: „Ich hab’ die ja alle im Schuppen, und da überwintere ich meine Pflanzen. [...] Nein, da ist ein Schrank drüber
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und man kriegt die Schranktür jetzt gerade nicht auf. Also nach dem Frost können wir wieder ran.“218 Abbildung 17: Die „Perry Rhodan“-Buchsammlung im Wohnzimmer von Carolin Winter und Tobias Winter.
Quelle: Aufnahme der ProbandInnen.
Abbildung 18: „Perry Rhodan“-Hefte von Carolin Winter und Tobias Winter in Pappkartons.
Quelle: Aufnahme der ProbandInnen.
218 Interview mit Carolin Winter und Tobias Winter vom 15.01.2009, hier: Carolin Winter.
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Stefan Beltings Perry Rhodan-Sammlung ist an drei verschiedenen Orten in seinem Haus verteilt. Im eigentlichen, repräsentativen Bibliothekszimmer, gleich neben dem Wohnzimmer, befinden sich zur Serie ausschließlich zwei große Bildbände. Seine Frau, sagt Belting, sei nicht damit einverstanden gewesen, dass die Perry Rhodan-Hefte hier untergebracht würden. Das Haus besitzt daneben auf mehreren Ebenen sehr geräumige Flure mit Bücherregalen, in denen große Mengen von Büchern äußerst ordentlich untergebracht sind. Stefan Beltings Perry Rhodan-Medien sind Teil seiner umfänglichen Science-Fiction-Sammlung. Seine Bücher, sagt er, seien thematisch sortiert und innerhalb der Science-Fiction alphabetisch geordnet. Die Perry RhodanSammlung umfasst zahlreiche Bände unterschiedlicher Taschenbuchausgaben, einige Silberbände, Bücher über Autoren, Materialbände mit Risszeichnungen, ein Lexikon und wissenschaftliche Publikationen zur Serie. Daneben sind auch Devotionalien hier untergebracht: einige Pappmodelle von Raumschiffen, die Beltings 16-jähriger Sohn zusammengebaut hat, der seit zwei Jahren auch Leser der Serie ist, ein leergetrunkenes Likörfläschchen, zudem Sammelfiguren der Perry Rhodan-ProtagonistInnen. Auch Erinnerungsstücke von Conventions gehören zur Sammlung: „ein paar Unterschriften oder irgendwas Signiertes, solche Dinge.“219 Direkt unter dem Regal sind Sammelboxen mit mehreren hundert Perry Rhodan-Heftromanen untergebracht. Hierbei handelt es sich um Beltings Neuerwerbungen. Seine übrigen Perry Rhodan-Hefte – das heißt, den größten Teil seiner Heftsammlung – bewahrt er im Gästezimmer auf, das sich im Kellergeschoss des Hauses befindet.
219 Interview mit Stefan Belting vom 17.06.2011.
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Abbildung 19: Science-Fiction-Bücherregal von Stefan Belting, inklusive „Perry Rhodan“-Büchern und Heften.
Quelle: Aufnahme des Probanden.
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Abbildung 20: Science-Fiction-Bücherregal von Stefan Belting, Detail.
Quelle: Aufnahme des Probanden.
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Abbildung 21: Heftsammlung von Stefan Belting im Gästezimmer.
Quelle: Aufnahme des Probanden.
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Wie in den beiden Beispielen zeigt sich im Sample insgesamt häufig ein deutlicher Unterschied im Umgang mit Heften und Büchern bei deren Präsentation. Die Heftromane werden in keinem der Fälle offen sichtbar in zentralen Räumen der Wohnung aufbewahrt. Mit einer Ausnahme verstauen alle ProbandInnen ihre Hefte in Kisten, Kartons oder geschlossenen Schränken. Dies dient freilich einerseits dem Schutz der Hefte, andererseits werden diese dadurch aber gewissermaßen unsichtbar und stehen damit im Kontrast zur Buchsammlung, die häufig – auch in den Fällen, in denen die Hefte weggeworfen oder weiterverkauft werden – gut sichtbar ausgestellt werden. Der ‚Schundcharakter‘ der Hefte,220 so liegt nahe, äußert sich hier auch in den Aufbewahrungspraktiken. Die eher versteckte Aufbewahrungsform ist dabei allerdings nicht generell mit einer Geringschätzung der Romanhefte durch die LeserInnen gleichzusetzen. Häufig ist sogar das Gegenteil der Fall. Wo die Sammlung untergebracht wird, hängt vielmehr auch von der Abstimmung mit den jeweiligen Mitwohnenden ab. Durch das Sammeln, so zeigen die Aussagen einiger männlicher Probanden, entsteht dabei mitunter ein Konflikt mit der Partnerin. 221 Generell lässt sich beobachten, dass männliche Perry Rhodan-Leser mitunter berichten, ihre jeweilige Lebenssituation beeinflusse, eng verbunden mit Familienverhältnissen bzw. Paarbeziehung, die Zeit und den Raum, die dem Hobby gegeben werden. So gibt etwa Oliver Mohn an, er habe, seit er verheiratet sei, generell weniger Zeit, um Perry Rhodan zu lesen, und Jörg Reimann berichtet, er gehe, seitdem er seine Frau kennengelernt habe, nicht mehr zu Conventions. Darüber hinaus schlägt sich die jeweilige Lebenssituation auch in räumlichen Aspekten respektive der Sammelpraxis nieder. Zwei der Probanden beschreiben eine räumliche Begrenzung der Sammlung aus Rücksicht auf ihre Partnerinnen und entsprechende ‚Ausräumaktionen‘ nach Trennungen. Rainer Weygandt etwa, dessen selbst gebaute Kisten mit seiner Heftsammlung aktuell in seinem Wohnzimmer stehen, sagt: „Also meine Ex-Frauen waren, ähm, hatten ein sehr zwiespältiges Verhältnis zu diesen Kisten. Also bei Ex 1 standen sie einfach in einem Flur, in dem niemand war, zur anderen Wohnung. Und da war ihr es wurst. Und bei der anderen Ex waren sie in meinem Arbeits-
220 Zum Einfluss der Schundzuschreibung auf die Lektürepraktiken siehe auch Kap. 4.3.3.3. 221 Eine ähnliche Problematik zeigt sich auch bei anderen, ähnlich sammelaffinen Fans. Winter etwa spricht in seiner Studie zu Horrorfans – in einer sehr kurzen Episode – den Aspekt des Konflikts von Sammlung und Beziehung an. Vgl. Winter 2010, S. 244f.
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zimmer drin und das war natürlich komplett vollgestellt damit, weil es auch nicht sehr groß war. Und jetzt in meiner jetzigen Wohnung habe ich sie einfach in der Wohnung stehen und habe die Kisten weiß gestrichen, und da verschwinden sie so ein bisschen in der Wand. Es gibt dann ... Die Meisten sagen, dass es scheiße aussieht, manche sagen, dass es gut aussieht und ... Mir ist es irgendwie wurst. ((lacht)) Das gehört halt zu mir, fertig, ne.“222
Auch Markus Ehlers räumte nach der Trennung von seiner Ehefrau seiner Mediensammlung einen Platz im Wohnzimmer ein: „Das Erste, was ich gemacht hatte, als meine Ex-Frau ausgezogen ist, die hat mir nie Raum gelassen für diese Dinge, weil das für sie sehr, ja ... ‚Was ist das? Das ist ... Das is’ ja blöd. Das ist ja kein normales Hobby‘. Äh, die hat mir nie Raum gelassen. Und das Erste, was ich gemacht hab’, ich hab’ die Möbel bestellt und ich hab’ meine DVDSammlung, ähm, schön mir so hingestellt, dass man die sehen kann. Ich hab’ meine Bücher aus den Kartons alle rausgeholt, alle sortiert und hab’ die, hab’ die im ga- in den ganzen Schränken und Büchern [meint wohl: Regalen] verteilt. Das war für mich das Größte überhaupt. Mein Hobby, mein Raum, mein Platz.“223
Frank Zelter wiederum verkaufte seine Heftsammlung bei Geburt seiner Tochter. „Ich hab’s in Lego eingetauscht“, sagt er. „Für die Kleine.“224 Das Einrichten eines Kinderzimmers habe dazu geführt, dass viele Bücher, darunter auch Perry Rhodan-Taschenbücher und Silberbände, in den Keller und einen externen Lagerraum ausgelagert wurden: „Damals war das jetzige Kinderzimmer mein Computer- und Leseraum. In der Wohnung ist jetzt eigentlich nichts mehr, außer die laufenden Hefte. Man muss halt irgendwann einmal auch ein bissel sich dem Leben anpassen. ((lacht leicht))“225 Die scheinbar eindeutige Genderspezifik des Befunds – in dem Sinne, dass Männer sammelten und Frauen versuchten, dem Einhalt zu gebieten – relativiert sich deutlich, wenn man einen Blick auf den Umgang der Perry RhodanLeserInnen mit ihren Serienmedien wirft. Auch sie besitzen kleinere oder größere Sammlungen zur Serie. Bei den befragten Paaren zeigt sich darüber hinaus unter umgekehrten Vorzeichen, dass die partnerschaftlichen Beziehungen einen Einfluss auf die Sammelpraktiken haben. Hier werden, als Teil des geteilten
222 Interview mit Rainer Weygandt vom 17.11.2010. 223 Interview mit Markus Ehlers vom 09.06.2011. 224 Interview mit Frank Zelter vom 16.06.2011. 225 Ebd.
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Hobbys, gemeinsame Perry Rhodan-Sammlungen unterhalten, die in gegenseitiger Absprache gepflegt und organisiert werden. Das Wohnzimmerregal von Carolin und Tobias Winter ist nicht das einzige Beispiel. Auch Melanie und Holger Speidel haben eine große Sammlung in ihrem Hobbyraum, und als einzige LeserInnen im Sample stellen Anja und Thomas Wendt ihre Hefte offen aus. Sie bewahren sie in einem „umfunktionierte[n] DVD-Regal“226 im Arbeitszimmer auf, wo auch ihre Buchsammlung untergebracht ist.
226 Mail von Thomas Wendt vom 18.06.2011.
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Abbildung 22: Regal mit „Perry Rhodan“-Heften von Anja Wendt und Thomas Wendt.
Quelle: Aufnahme der ProbandInnen.
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Abbildung 23: Schrank mit „Perry Rhodan“-Büchern und -Heften von Anja Wendt und Thomas Wendt.
Quelle: Aufnahme der ProbandInnen.
Die Befunde aus den Interviews und der empirischen Beobachtung bilden eine Ergänzung zu Ergebnissen aus der Lese(r)forschung, die die Bedeutung des Einflusses des Partners auf das Leseverhalten belegen.227 Nicht nur, ob und wie viel gelesen wird, hängt demnach stark mit dem jeweiligen Partner zusammen, sondern, wie gezeigt wurde, ist offenbar auch die Praxis des Sammelns deutlich davon beeinflusst, ob der Partner oder die Partnerin das Interesse am Lesestoff teilt bzw. toleriert. Zudem kommt hier zum Ausdruck, dass der Lesestoff selbst eine Kooperation mit allen menschlichen Beteiligten eingeht – nicht nur mit den LeserInnen. Die mit dem Format Heftroman verbundene Schundzuschreibung tritt in einen Aushandlungsprozess mit den gemeinsam Wohnenden und prägt die Praktiken der Wohnungseinrichtung. Der Lesestoff selbst also, mit seinen spezifischen – seriell geprägten – Materialeigenschaften, tritt hier als Akteur mit verschiedenen menschlichen Akteuren in eine Beziehung, die die konkreten Präsentationspraktiken hervorbringt.
227 Vgl. Renate Köcher 1993c: Auch auf den Partner kommt es an. In: Muth 1993a, S. 6067, hier S. 60-64.
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6.4.3 Modi des Sammelns In den folgenden Unterkapiteln werden, mit dem funktionalen, dem ästhetischen und dem dokumentarischen Sammeln, drei Modi herausgearbeitet, die sich im Zusammenhang mit dem Sammeln der Perry Rhodan-Serie beobachten lassen. Wenn hier beschrieben wird, welche Formen die Sammelpraktiken annehmen, geht es, neben der Frage, welche Funktionen das Sammeln für die LeserInnen hat, erneut zentral darum, zu verdeutlichen, dass sich die beschriebenen Sichtweisen und Handlungen direkt auf Serialität beziehen, und zu beschreiben, auf welche Weise diese hier in eine Kooperation mit den LeserInnen tritt. 6.4.3.1 Funktionales Sammeln Die LeserInnen benutzen die gesammelten Medien auf verschiedene Weisen. So bietet das Sammeln den Vorteil, die Serienmedien bei Bedarf zur wiederholten Lektüre zur Verfügung zu haben. Als Grund für mehrmaliges Lesen wird zum Beispiel der Mangel an neuem Lesestoff in der Kindheit bzw. Jugend genannt. „Früher war es halt so. Wir hatten ja nur zwölf Hefte und die habe ich dann hin und wieder, als Kind, immer mal wieder noch mal gelesen“228, erzählt Rainer Weygandt, und Oliver Mohn hat die Silberbände, die er besaß, mehrfach gelesen. „Ich hatte viel Zeit und ich glaub’, irgendwann sind mir die Silberbände ausgegangen und dann hab’ ich einfach von vorne noch mal angefangen“229, berichtet er. Bei erwachsenen LeserInnen spielt dieser Grund offenbar keine Rolle. Hier sprechen häufig Zeitgründe gegen die wiederholte Lektüre. Das Aktuellbleiben hat Priorität gegenüber der Mehrfachlektüre. „Also bis jetzt hab’ ich keins zweimal gelesen, weil es einfach so viel Stoff ist, man möchte natürlich weiterkommen“230, sagt Katharina Weiß, und für Carolin und Tobias Winter gilt Ähnliches: „C. W.: [...] Also es gibt ein paar Zyklen, die einfach herausstechen aus diesen ganzen Großzyklen. Und da nimmt man sich dann immer vor, die liest man dann irgendwann noch mal. Aber man macht es nicht. Also, man packt die Dinger nicht mehr aus und liest die noch mal. T. W.: Man kommt einfach auch nicht dazu.
228 Interview mit Rainer Weygandt vom 17.11.2010. 229 Interview mit Oliver Mohn vom 30.06.2011. 230 Interview mit Katharina Weiß vom 26.05.2011.
288 | P ERRY R HODAN LESEN C. W.: Nee. Das ist: Wenn man noch ein Leben drumrum hat, das ist einfach rein zeittechnisch nicht ... T. W.: Das aktuelle Heft, das lastet einen eigentlich immer aus, so für eine Woche, meistens. Wenn man nicht so viel Zeit hat zum Lesen. ((lacht))“231
Während Rereading in größerem Umfang – etwa in dem Maße, dass mehrere hundert Hefte nochmals gelesen würden – selten betrieben wird, findet häufig die gezielte Lektüre bestimmter Bände oder einzelner Zyklen statt. Dabei handelt es sich oft um Lieblingsromane der LeserInnen. Stefan Belting etwa berichtet entsprechend: „[A]bsolute Lieblingshefte hab’ ich sicherlich dann auch schon öfter gelesen. [...] Also rein von der von der Zeit her, wo ich angefangen hab’ zu lesen, bin ich natürlich dann William-Voltz-Fan, das heißt, das war ... war die Zeit von ... von 700 bis ... bis 1000, die stark durch Willi Voltz geprägt wurde. Da gibt’s einige Romane, die ich mehrfach gelesen hab’. [...] Das ist sicherlich die Zeit, die mir sozusagen am besten gefallen hat. Immer noch. [...] Heutzutage wären das mehr ((Kaffeetasse klappert)), ja, auch mal Romane von dem Wim Vandemaan, Hartmut Kasper, denke ich“232.
Aktuellere Bände werden selten ein zweites Mal rezipiert. Häufig sind es ältere Bände, deren Lektüre bereits längere Zeit zurückliegt, die nochmals gelesen werden. Frank Zelter etwa kaufte sich die Hefte des „Cantaro“-Zyklus, als dieser mehr als 20 Jahre nach seiner ersten Veröffentlichung233 in der 5. Auflage erschien, erneut und las sie nochmals, weil ihm „[d]ie Atmosphäre in den Romanen [...] damals so gut gefallen“234 habe. Die Mehrfachlektüre birgt dabei gegenüber der ersten Lektüre andere Reize und bringt andere Lektürepraktiken mit sich. So sagt Zelter: „Man freut sich irgendwo drauf. Weil man weiß: Ah jetzt kommt gleich die Stelle, wo irgendwas passiert, und wo man sagt, das war so eine tolle, äh, Episode da drin, da freut man sich drauf. Ah, jetzt kommt’s dann gleich. Und zur anderen Seite ... Ja, nachdem man
231 Interview mit Carolin Winter und Tobias Winter vom 15.01.2009. 232 Interview mit Stefan Belting vom 17.06.2011. 233 Der Zyklus „Die Cantaro“ (PR Nr. 1400-1499) erschien erstmals vom 21.07.198814.05.1990. Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Zyklen, 16.03.2016. 234 Interview mit Frank Zelter vom 16.06.2011.
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ja weiß, was drin steht, kann man auch sagen: Ah, jetzt kommt das, ja, mach’mer gleich mal drei Seiten weiter.“235
Die Anfänge der Serie werden vergleichsweise häufig mehrfach rezipiert. Mehrere LeserInnen berichten, dass sie die ersten Silberbände bereits mehrmals lasen. Michael Schubert liest den Anfang der Serie zum Zeitpunkt des Interviews, wie er sagt, bereits zum dritten Mal: „Ich hab’ den Band gesehen und dann ... diese ... Wie kam’s? Wie fing alles an? Das möchte ich dann noch mal ... möchte ich mir dann noch mal rekapitulieren und dann les’ ich’s, und dann ... dann les’ ich mich regelrecht fest, ja. Und dann: ‚Oah, ja, das ist doch ... So war das. Ja, genau so war das.‘ Sind dann doch schon viele Jahre her. Sind ... 38 Jahren, ja? Äh. Die feiern jetzt 50, ja. Das ist ja auch der Hammer, ja, sag’ ich mal. Ja. Nächstes Jahr werden die 50 oder Ende des Jahres werden die 50 Jahre alt. Und so lang bin ich noch nicht dabei, aber 38 ist auch nicht zu h- ... zu ver- ... Ja, es ist ganz ordentlich. Und dann, mmm, fällt einem nicht mehr alles ein. Es gibt auch so Zyklen, wo man sagt, äh, ‚das liest du auf keinen Fall, das liest du nicht wieder‘. Aber: Die waren am Anfang wirklich supergut, ja. Die waren einfach klasse. Ja, die haben sehr gute Autoren gehabt, haben sich richtig, boah, richtig ausgelassen. War klasse, hat mir gefallen.“236
Bei vielen LeserInnen tragen die Berichte über den Anfang der Serie, der häufig auch mit der eigenen Anfangszeit des Serienlesens einhergeht, nostalgische Züge.237 Jenseits des emotionalen Bezugs bildet der Anfang der Serie dabei auch eine wichtige Basis der Serienlektüre, die sie sehr gut kennen und über deren Kenntnis sie sich immer wieder vergewissern. Darüber hinaus werden auch bestimmte weitere, einzelne Hefte nochmals gelesen. Mitunter hat dies die Funktion, das Textverständnis zu verbessern. So berichtet Carolin Winter, sie lese manche Hefte erneut, um die dargestellten technischen und naturwissenschaftlichen Zusammenhänge zu verstehen: „Perry Rhodan hat eben den Riesenvorteil, dass es immer sehr nah auch an der aktuellen Wissenschaft ist. Also die Sachen, die man in Perry Rhodan liest, liest man meistens so zwei, drei Monate später dann bei der Wissenschaft oder im Spektrum und das sind einfach ... Die, die das schreiben sind größtenteils Naturwissenschaftler und die bauen wirklich die aktuellen Theorien dann immer ein. Und wenn man da jetzt – also ich hab BWL
235 Ebd. 236 Interview mit Michael Schubert vom 22.06.2011. 237 Siehe auch Kap. 5.3.
290 | P ERRY R HODAN LESEN studiert, ich brauch’ dann eben für die Physik-Sachen dann doch immer ((lacht)) [...] und da braucht man dann manchmal einfach auch ein bisschen Zeit, bis man das dann wieder dann auch so drin hat.“238
Vor allem werden jedoch für den Serienverlauf wichtige Hefte wiederholt rezipiert. Carolin Winter sagt, es gebe „auch manchmal Schlüsselromane, wenn jetzt eine neue Technik eingeführt wird oder irgendwie sie mal wieder das Universum ein bisschen umbauen“ 239 , die man „zweimal lesen“ 240 müsse. Ein häufig genannter Grund für die wiederholte Lektüre sind Rückgriffe auf die Serienvergangenheit innerhalb der aktuellen Handlung. Dies sei besonders bei den Hunderter- bzw. Tausendernummern der Serie der Fall, sagt Carolin Winter: „Also sie machen auch oftmals dann Zeitsprünge drin, gerade eben zu den Tausenderwechseln oder wenn es jetzt auf [Band] 500 dann wieder zugeht, da haben sie oftmals einfach Romane drin, die ... wo sie noch mal ein paar Millionen Jahre in die Vergangenheit dann gehen und wo dann alte Sachen noch mal aufgearbeitet werden und Lücken geschlossen werden. Und das ist dann sehr sehr spannend. Und das ist dann cool.“241
Auch Stefan Belting liest mitunter Jubiläumsbände mehrfach: „Da ist das ... das zweimalige Lesen dann mehr dafür da, dass man sozusagen alle Informationen oder ... die drin sind noch irgendwie versucht, herauszufinden.“242 Häufig wird die Sammlung zum gezielten Nachlesen bestimmter Sachverhalte verwendet, wenn in der aktuellen Handlung auf ältere Romane Bezug genommen wird. Stefan Belting etwa sagt: „Bei manchen Heften, mmm, les’ ich mir bestimmte Teile noch mal durch, bestimmte Szenen oder bestimmte Aussagen.“243 Auch Dieter Rathgeb berichtet von der Praxis des gezielten Nachschlagens: „Irgendwann dann fang’ ich wieder an, dann zieh’ ich welche raus, wenn ich ... irgendwas mir in den Kopf kommt, dann fang’ ich wieder irgendwas zufällig wieder an zu lesen, kommt schon mal vor. Alte, alte, alte Hefte oder so, wenn’s Zusammenhänge hat mit, mit,
238 Interview mit Carolin Winter und Tobias Winter vom 15.01.2009, hier: Carolin Winter. 239 Ebd. 240 Ebd. 241 Ebd. 242 Interview mit Stefan Belting vom 17.06.2011. 243 Ebd.
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mit der heutigen Geschichte von Perry Rhodan, dann gehst du wieder in ’n alten Zyklus zurück, tu ich ab und zu schon mal, aber selten. Ne?“244
Ebenso berichtet Walter Fischer, er habe sich, als im aktuellen Zyklus auf die frühere Handlung Bezug genommen wurde „bestimmte Sachverhalte noch mal in Erinnerung gelesen“245, dabei die Handlung jedoch nicht „vollständig durchgelesen“246, und auch Holger Speidel und Melanie Speidel nutzen ihre Sammlung zum Nachlesen: „H. S.: [...] Wirklich, manche Zyklen in der Serie kann man auch wirklich mehrfach lesen, um wirklich noch mal dahinter zu steigen, was da eigentlich alles passiert ist. Es ist manchmal ... Oder ... Perry Rhodan ist halt ein sehr komplexes Universum. Und zumal sie gerade im Moment, oder in den letzten Jahren, so den Hang haben, immer wieder auf was zuzugreifen, was schon vor fünf-, sechs-, siebenhundert Romanen passiert ist ... M. S.: Da guckt H. S.: noch mal nach, was ist da eigentlich gewesen, weil ... Man kann sich ja nicht alles behalten.“247
In der Sammlung des Ehepaars befinden sich auch diverse Nachschlagewerke, unter anderem ein fünfbändiges Lexikon zur Serie. Bei der Sammlungsbesichtigung weisen sie darauf hin, dass diese auch benutzt würden, was man an ihrem Zustand sehe. Auch nicht gelesene Bände der Serie werden zum Nachschlagen verwendet, wie etwa die Bertelsmann-Buchausgabe der Serie, die zwar regelmäßig gekauft, von der die meisten Bände aber ungelesen blieben. Hingegen seien sie „[u]ltimative Nachschlagewerke“248, sagt Melanie Speidel. Die Sammlungen, so lässt sich resümieren, werden also zum einen genutzt, um durch die Mehrfachrezeption von Lieblingsromanen oder -zyklen vergangene, häufig lange zurückliegende, angenehme Lesemomente in Erinnerung zu rufen. Es zeigt sich damit ein enger Zusammenhang von Nutzung der Sammlung und Serienlektürebiografie. Dass gerade die Anfänge der Serie häufig wiederholt rezipiert werden, dürfte daran liegen, dass die eigene lange Verbundenheit mit
244 Interview mit Dieter Rathgeb vom 09.06.2011. 245 Interview mit Walter Fischer vom 16.06.2011. 246 Ebd. 247 Interview mit Melanie Speidel und Holger Speidel vom 02.05.2011. 248 Ebd., hier: Melanie Speidel.
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der Serie, die eine in allen Interviews spürbare Faszination auf die LeserInnen ausübt, hier lesend erlebt werden kann – im Sinne einer Vergegenwärtigung nicht nur des Gelesenen, sondern auch der eigenen Lektüreerfahrung. Zum anderen gibt offenbar die lange Laufzeit der Serie Anlass dazu, sich über bestimmte Sachverhalte zu vergewissern. Das wiederholte Rezipieren der Serienanfänge dient damit auch als ‚Grundlagensicherung‘, die zum Verständnis der gegenwärtigen Handlungszusammenhänge beiträgt. Ein weiteres Charakteristikum seriellen Lesens stellt dar, dass die Sammlung, ausgehend von der aktuellen Handlung, zur gezielten Recherche innerhalb weiter zurückliegender Teile der Erzählung genutzt wird – zum Teil, weil diese noch nicht rezipiert wurden, teilweise aber auch, weil sie bereits in Vergessenheit gerieten. Die Mehrfachlektüre dient also der Unterstützung des Erinnerungsvermögens sowohl in emotionaler wie auch in ganz pragmatischer Hinsicht. Serialität hat hier als Aktivator und Organisator von Lektüreerinnerungen einen ganz erheblichen Anteil an den Lektürepraktiken. 6.4.3.2 Ästhetisches Sammeln In den Interviews tritt ein weiterer Aspekt deutlich hervor, den Alois Hahn als ästhetisches Sammeln 249 beschrieben hat. Gegenüber dem Sammeln zur „Vorratsbildung“ 250 , einem Verfügbarhalten von Ressourcen, dem nach Hahn die „Sammlung von Wissensvorräten, Bibliotheken, Datensammlungen usw.“251 zugeordnet werden kann, und dem damit die beschriebenen Praktiken des Rereadings weitgehend entsprechen, zeichnet sich die ästhetische Form des Sammelns durch ihren selbstzweckhaften Charakter aus: „So ist ja eine Form des Sammelns gerade dadurch charakterisiert, daß es ihr weder um einen praktischen Nutzen noch um intellektuelle Bereicherung geht, sondern um den schlichten Genuß am Dasein der Dinge.“ 252 Unter Berufung auf Kants Begriff des „interesselosen Wohlgefallens“ 253 beschreibt Hahn eine von funktionalen Aspekten losgelöste Form des Sammelns: „Der hier gemeinte Büchersammler benutzt nicht eigentlich Bücher, sondern freut sich an ihrem Dasein.“254
249 Vgl. Hahn 1991, v.a. S. 59-64. Hahn beschreibt den Modus des „Sammelns als Selbstzweck“ (S. 59), dem der „Sammler als Ästhet“ (ebd.) entspricht. 250 Ebd., S. 58f. 251 Ebd., S. 59. 252 Ebd., S. 57. 253 Vgl. ebd., S. 60. 254 Ebd., S. 61.
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Dieser Modus des Sammelns zeigt sich nicht nur in der Präsentation der Sammlungen. Er wird auch darin sichtbar, dass Fandevotionalien, auch über den räumlichen Kontext der Sammlung hinaus, als Mittel zur Gestaltung des Wohnraumes dienen. Zwar gibt es ProbandInnen, die angeben, überhaupt keine Fandevotionalien zu besitzen. Andere bewahren bestimmte Gegenstände, zum Beispiel Geschenke, auf, verwenden sie aber nicht weiter. Viele jedoch besitzen zumindest einige Perry Rhodan-Objekte, die dabei häufig zur Wohnungsdekoration verwendet werden. So werden etwa Poster oder Postkarten – teilweise gerahmt – aufgehängt, Sticker oder Lesezeichen zu Dekorationszwecken genutzt. Auch weitere Objekte werden in den Wohnraum integriert. Dieter Rathgeb etwa besitzt als besonderen „Gag“255 einen „Zellaktivator mit Kette, die hab’ ich mir mal gekauft, das ist so ’ne Plüschkugel“256. Im Zimmer von Philipp Wetzler steht ein Perry RhodanPappaufsteller, den er, seiner Erinnerung nach kostenlos, von einem Händler auf einer Comic- und Figurenmesse erhielt (siehe Abbildung 24). Gelegentlich hängt er auch ein Perry Rhodan-Poster auf. Er betont dabei den ästhetischen Wert der Gegenstände: „Also es ist halt so, es muss dann schon gut aussehen. So wie jetzt eben dieser Pappaufsteller von Perry Rhodan. Also ich häng’ auch nicht jedes beliebige Poster auf, bloß weil’s irgendwas mit Perry Rhodan zu tun hat. Ich find’, das muss dann irgendwie in mein Zimmer reinpassen, muss mir gefallen, muss gut aussehen“257.
Melanie Speidel und Holger Speidel nutzen Perry Rhodan-Artikel zur Dekoration an verschiedenen Stellen im Haus. An einer Tür im Wohnzimmer hängt eine Collage, die Melanie Speidel aus Postkarten mit Perry Rhodan-Motiven angefertigt hat. „Ich fand’s einfach zu schade, um’s einfach nur im Schrank verrotten zu lassen“258, sagt sie. Im Partykeller seien zudem Poster aufgehängt, berichtet das Ehepaar. „H. S.: [...] Es gibt so verschiedene Sachen. Der Plüsch-Gucky, der steht auch irgendwo ’rum, bei uns. Einmal haben wir ...
255 Interview mit Dieter Rathgeb vom 09.06.2011. 256 Ebd. 257 Interview mit Philipp Wetzler vom 21.06.2011. 258 Interview mit Melanie Speidel und Holger Speidel vom 02.05.2011, hier: Melanie Speidel.
294 | P ERRY R HODAN LESEN M. S.: Einer unten in der Bibliothek, ja, und einer drüben bei mir, also ... Ja, und Feuerzeuge, Kugelschreiber ... Mein Gott, was halt so in den Con-Tüten immer mal wieder drin ist und so. [...] Und Aufkleber und so, äh, es sammelt sich ja zwangsläufig so das ein oder andere dann an.“259
Abbildung 24: Zimmer von Philipp Wetzler mit „Perry Rhodan“- und ScienceFiction-Dekorationsmaterialien.
Quelle: Aufnahme des Probanden.
Melanie Speidel interessiert sich als Briefmarkensammlerin auch für die verschiedenen Briefmarken-Drucke zur Serie. Sie besitzt unterschiedliche Exemplare, die in Deutschland, Österreich oder Schweden hergestellt wurden, die sie, zusammen mit anderen Science-Fiction-Marken, in Bilderrahmen im Treppenhaus aufgehängt hat.260 Ebenfalls zur Wanddekoration im Treppenhaus dienen Drucke aus einer Perry Rhodan-Postermappe.
259 Interview mit Melanie Speidel und Holger Speidel vom 02.05.2011. 260 Eine besondere Verbindung zur Philatelie bestehe durch den Münchner Perry Rhodan-Stammtisch, wie Holger und Melanie Speidel berichten. Vgl. hierzu auch http:// www.prsm.clark-darlton.de/index.php/philatelie, 16.03.2016.
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Katharina Weiß wiederum integriert ihre Lieblingsfigur Gucky auf verschiedene Weisen in ihren Alltag. Sie besitzt mehrere Stofftierversionen des Mausbibers, über den Erhalt der ersten sagt sie:261 „[D]iesen Plüsch-Gucky hab’ ich letztes Jahr zum Geburtstag gekriegt, da hab’ ich aber drei Wochen lang den Freund bearbeitet, dass er mir den auch wirklich schenkt. ((lacht))“262. Auch eine Sammelfigur aus Metall gehört zu ihrem Inventar. Zudem verwendet sie ein Bild von Gucky als Bildschirmfoto auf ihrem Handy. Dieselbe Abbildung hängt auch als Leinwandbild auf Keilrahmen in ihrem Schlafzimmer: „Weil ich find’, das ist das beste Bild, was es von Gucky je gab.“263 Abbildung 25: Stofftier-Guckys von Katharina Weiß.
Quelle: Aufnahmen der Probandin.
Abbildung 26: Gucky-Sammelfigur von Katharina Weiß.
Quelle: Aufnahme der Probandin.
261 Zur Plüschtierversion des Mausbibers vgl. auch Schwettmann 2006, S. 291; Schmid 2011, S. 156f. 262 Interview mit Katharina Weiß vom 26.05.2011. 263 Ebd.
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Die LeserInnen beziehen die Gegenstände zur Serie also auf vielfältige Weise in ihre alltägliche Umgebung ein. Mitunter wird dabei ein bestimmter Aspekt der Serie herausgehoben, so im Falle der Lieblingsfigur. Hier wird eine spezifische inhaltliche Verbindung hergestellt, die gleichzeitig Ausdruck persönlicher Vorlieben innerhalb der Serienerzählung ist. Andere Artikel haben eher einen unspezifischeren, allgemeineren Bezug zur Serie, wie etwa der Zellaktivator, der ein bekanntes, spezifisches Detail der Serie darstellt, oder der Pappaufsteller der Figur des Protagonisten, der als Stellvertreter für die Serie betrachtet werden kann. Durch sie wird also eher ein Verweis auf die Serie insgesamt hergestellt. Die LeserInnen verweisen dabei darauf, dass es nicht darum gehe, irgendetwas aus der Serie auszustellen, sondern es müsse als ansprechend, als schön empfunden werden. Es geht also nicht um einen bloßen Verweis auf das Hobby, sondern um ein ästhetisches Gestalten der eigenen Umgebung mit Gegenständen zur Serie. Ob es sich dabei um klassische Merchandising-Produkte oder um Werbematerial handelt – dass dies zwei zu unterscheidende Produktkategorien seien, darauf weist der Chefredakteur der Serie nachdrücklich hin –264, spielt für die Nutzung ganz offenbar keine Rolle. Vielmehr ist der dekorative Charakter oder der persönliche Bezug der LeserInnen zu den Gegenständen entscheidend für ihre Verwendung. Auch von der Serie eigentlich unabhängige Produkte werden dabei durch die LeserInnen in Bezug zu dieser gesetzt, wie sich in zwei Fällen zeigt, als ich um Fotografien zu Gegenständen bitte, die den Probanden im Zusammenhang mit der Serie wichtig seien. So greift Matthias Specht zunächst zu einem kleinen Himmelsglobus und sagt, er würde sich diesen aussuchen, weil er ihn sich nur wegen Perry Rhodan gekauft habe. Er entfernt den Staub von der Oberfläche, entscheidet sich dann aber doch, ein Medium der Serie, den ersten Silberband, zu fotografieren. Michael Schubert assoziiert ebenfalls einen serienfremden Gegenstand. Er sagt: „Über Perry Rhodan bin ich übrigens zu dem ... zur Astronomie gekommen. Und hab’ dann vom Kosmos-Verlag diese ... diese Scheibe gekauft mit den Sternen. Wo man ein-
264 Vgl. Interview mit Klaus N. Frick vom 10.02.2010. Von „Merchandising-Produkten“ wie der Gucky-Figur oder T-Shirts unterscheidet Frick die „Werbemittel“ zur Serie: „Es gab Jutetaschen, die gab es aber als Gratis-Dinger auf einem Perry RhodanWeltCon, oder so Plastiktüten. Ja, natürlich, klar. Das sind Werbemittel. Also, sehen Sie, das würde ich jetzt nicht als Merchandising betrachten, sondern das sind Werbemittel. [...] So was, oder Aufkleber gibt's, klar. [...] Da kann man sich jetzt über die Begriffe streiten. Aufkleber, Feuerzeuge, Kugelschreiber, Plastiktüten, das sind Werbemittel, ebenso wie Plakate oder so was, die wir immer wieder herstellen.“ (ebd.).
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stellen kann, was man jetzt grad am Himmel sieht und hab’ dann auch des Nächtens draußen gelauert: ‚Was siehst du jetzt grad?‘. Und heute kann ich auch jedem erklären, was die Ekliptik ist [...] [.] Und diese Scheibe, da könnt’ ich mir vorstellen, dass ich da mal ein Bild davon mach’. Weil das, das bewegt mich. Ich hab’ auch ein Riesenposter in meinem Schlafzimmer, wo eben mmm ... ganze Sternenhimmel abgebildet ist, ja. Es ist faszinierend.“265
Von den Inhalten und der Ästhetik der Serie aus werden also Verbindungen zu weiteren Themen und Objekten hergestellt. Die Assoziationen zur Serie schlagen sich dabei in den besagten Gegenständen nieder, die die LeserInnen auswählen. Wie sich in den beschriebenen Praktiken zeigt, wirkt die Serie bis in die Gestaltung des alltäglichen Lebensumfeldes hinein. Wenn Serienobjekte als materielle Produkte, in Hervorkehrung ihrer spezifischen ästhetischen Eigenschaften, zur Dekoration dienen, also auch in ihrer Materialität ästhetisch genutzt werden, wird deutlich, dass die Prägekraft der Serie weit über inhaltliche Aspekte hinausreicht. Serialität schafft hier durch ihre Tendenz zur Diversifizierung Anschlussmöglichkeiten in sehr verschiedenen materiellen Ausprägungen für die LeserInnen. Zudem wirkt die Serie über das eigene Produktspektrum hinaus. Was mit Perry Rhodan identifiziert und in Beziehung zur Serie genutzt wird, ist nicht auf Medien oder Objekte beschränkt, die einen direkten Bezug zur Serie haben. Hier offenbart sich erneut eine integrative Wirkung von Serialität, die Verbindungen zu anderen Bereichen herstellt und dabei erlaubt, diese über einen längeren Zeitraum hinweg weiterzuentwickeln. Wie sich anhand der Entstehung des astronomischen Hobbys als Folge des Serienlesens zeigt, hat die Serie das Potenzial, LeserInnen zu bestimmten Tätigkeiten anzuregen, wodurch diese wiederum in der Folge mit der Serie verknüpft werden. Die mit dem Hobby verbundenen Anschlusspraktiken stehen fortan in enger Beziehung zum Serienlesen. Hier wird abermals sichtbar, wie Serialität in der Serienlektürebiografie wirksam wird, indem sie Praktiken des Lesens und zunächst nicht in ihren Wirkungsbereich fallende Handlungen verknüpft und über längere Zeiträume hinweg zunehmend fest aneinander bindet. 6.4.3.3 Dokumentarisches Sammeln Hans-Otto Hügel hat, bezogen auf populärkulturelles Sammeln, darauf hingewiesen, dass nicht das Ausstellen der Objekte, sondern deren Präsenz ihre Be-
265 Interview mit Michael Schubert vom 22.06.2011.
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deutung für die SammlerInnen ausmache: „Der populärkulturelle Sammler umgibt sich [...] nicht mit ihnen, um sie zu zeigen, sondern weil er mit ihnen lebt.“266 Im vorliegenden Sample ist der hohe Stellenwert, den die Anwesenheit der Serienobjekte für die SammlerInnen hat, deutlich wahrnehmbar. Dieser zeigt sich beispielsweise, wenn Rainer Weygandt über seine Perry Rhodan-Hefte spricht. Auch wenn er diese gewöhnlich niemandem zeige und sie nach dem Einordnen nicht mehr benutze, sei ihm wichtig, sie um sich zu haben: „[I]ch brauch’s ja nie, weißt du. Aber sie müssen hier sein. [...] Sie können nicht irgendwo anders sein.“267 Für viele SammlerInnen repräsentieren die Seriengegenstände in der Wohnung in einem ganz umfänglichen Sinn ihr Interesse für die Serie. Jenseits dessen, dass die LeserInnen die gesammelten Objekte für eine Erweiterung der Serienlektüre nutzen und sie auf ästhetische Weise präsentieren, zeigt sich damit ein weiterer Aspekt der Sammlung: Sie hat eine Dokumentationsfunktion für das Befassen mit der Serie. Von Seiten der Lese(r)forschung wird darauf hingewiesen, dass sich die Bedeutung von Büchern als Sammlungsobjekte nicht in deren ästhetischer Präsentation und Nutzung zur Distinktion erschöpfe.268 Das Buch, so Gross, sei nicht nur ein „Statusobjekt“269, sondern „[d]er Besitz von Büchern ist Dokument angeeigneten Wissens und akkumulierter Leseerfahrungen.“270 Die gesammelten Bücher haben dabei die Fähigkeit, Erinnerungen bei den LeserInnen zu evozieren.271 Die Erinnerungsfunktion von Sammlungsobjekten wird insbesondere in der Museumsforschung diskutiert. Hier wird, im Anschluss an Krzysztof Pomians Begriff des „Semiophors“272, das kommunikative Potenzial hervorgehoben, das den Dingen durch ihren Zeichencharakter sowie ihre materielle Qualität innewohne.273 Für das private Sammeln ist zu berücksichtigen, dass die Objekte
266 Hügel 2003c, S. 389. 267 Interview mit Rainer Weygandt vom 17.02.2011. 268 Vgl. Gross 2001, S. 186. Für Heftromane, so lässt sich ergänzen, ist dieser Aspekt ohnehin von eingeschränkter Bedeutung. 269 Ebd. 270 Ebd. 271 Vgl. Günter Häntzschel: Sammel(l)ei(denschaft). Literarisches Sammeln im 19. Jahrhundert. Würzburg 2014, S. 12. 272 Vgl. Krzysztof Pomian: Der Ursprung des Museums. Vom Sammeln. Berlin 1988 (Kleine kulturwissenschaftliche Bibliothek; 9). 273 Vgl. Thomas Thiemeyer: Die Sprache der Dinge. Museumsobjekte zwischen Zeichen und Erscheinung. In: Museen für Geschichte (Hg.): Online-Publikation der Beiträge des Symposiums „Geschichtsbilder im Museum“ im Deutschen Historischen Museum
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des Erinnerns eng mit dem jeweiligen Sammler bzw. der jeweiligen SammlerIn verbunden sind: Sammlungen repräsentieren subjektive Ordnungen, die von den Sammelnden nach ihren eigenen Präferenzen erzeugt werden.274 Gegenüber musealen Sammlungen ist die mit der privaten Sammlung verbundene Erinnerung damit eine sehr spezifische: Die gesammelten Gegenstände dokumentieren persönliche Erlebnisse, Beziehungen und Erfahrungen. Für die befragten Perry Rhodan-LeserInnen ist der Erinnerungsaspekt offenbar von enormer Bedeutung. Jenseits dessen, wie groß die Sammlung ist, welche konkreten Medien und Objekte sie enthält und wo diese aufbewahrt und wie sie behandelt werden, findet sich eine weitgehende Übereinstimmung darin, dass mit den Objekten bestimmte, häufig serienbezogene Erlebnisse verbunden werden. In den Sammlungen drückt sich dabei die jeweils spezifische Beziehung der LeserInnen zur Serie aus, für die die unterschiedlich gearteten Sammelobjekte stehen. Die Sammlung kann dabei in vielen Fällen als Dokumentation des Gelesenen betrachtet werden. Im folgenden, längeren Auszug aus dem Interview mit Anja und Thomas Wendt kommt dieser Aspekt deutlich zur Sprache: „T. W.: [...] [W]ir haben ein Regal, wo wir die dann reinstellen, und dann stehen die alle nebeneinander, und wir haben eigentlich auch nicht vor, die wegzuwerfen oder ... oder zu verkaufen oder zu verschenken und, äh, wir bauen so langsam dann unsere Sammlung auf und, ähm, es ist schön zu sehen, wie es wächst und, ähm, wir haben auch relativ viele Bücher und, ähm ... A. W.: T. W.: es sieht einfach schön aus, wenn man was stehen hat und, ähm, so viele Hefte und so. Also es ist schon ... schon irgendwie toll, so auch zum Stöbern oder so. Also wenn ich bei jemandem reinkommen würde, wo viele Bücher sind oder ... oder auch so diese vielen Hefte, also das ... das lädt so ein zum Stöbern, also es würde mir gefallen und deswegen, äh, machen wir das auch so. [...]
Berlin, Februar 2011, S. 3 und S. 7. http://www.museenfuergeschichte.de/downloads/ news/Thomas_Thiemeyer-Die_Sprache_der_Dinge.pdf, 24.02.2016. 274 Vgl. Häntzschel 2014, S. 11f. Häntzschel beschreibt hier, im Anschluss an Walter Benjamin, das Spannungsverhältnis zwischen Unordnung und Ordnung, bei dem die SammlerInnen „Organismen nach subjektiven Vorlieben und eigenen Interessen“ (S. 12) bildeten.
300 | P ERRY R HODAN LESEN A. W.: [...] Nee, ich find’ das schön. Auch so schön mit Bücherregalen, auch die zu zeigen, äh, mal gar nicht um anzugeben, sondern, äh ... T. W.: N- Ja, hier sind ja nun keine, also es A. W.: dekorativer Sicht und, ähm, auch um für sich selbst zu schauen, och, was hab ich schon gelesen und, ach komm, da ist was ... da kommt noch was dazu und, ähm. Ja. T. W.: Ist auch so Stück für ... für einen selber so. A. W.: Ich bin auch ein recht ordentlicher Mensch, ich hab’ auch gern den Überblick. Dann sind die schön kategorisiert und kann man auch mal ’ner Freundin empfehlen und zielsicher ins Bücherregal greifen. Und ich find’, das ... das ... es gehört irgendwie ein Stück weit zum Leben dazu. Wenn man dann noch mal guckt, ach guck mal, da hab’ ich grade das Buch gelesen, da war grad das und das. Oder da, weiß ich nicht, haben wir uns gerade kennengelernt, guck mal, da hab’ ich das grad gelesen. Also es ist auch viel Erinnerung, die man damit verbindet, oder Bücher, die man geschenkt bekommt, ähm, oder, ja, vererbt bekommt und ... Da hängt dann auch so ’n bisschen das Herz dran.“275
Neben dem Aspekt, dass die ästhetische Präsenz der Sammlung geschätzt wird, kommt hier deutlich zum Ausdruck, dass die Sammlung gerade in ihrem prozessualen Charakter von Bedeutung für die LeserInnen ist. Es macht offenbar Freude, ihr Anwachsen zu beobachten, das begleitend zur eigenen Biografie stattfindet. In der Heftsammlung manifestieren sich Umfang und Dauer des Serienlesens materiell. Die Sammlung dient damit der Übersicht darüber, was bereits gelesen wurde. Darüber hinaus werden die Sammlungsgegenstände auch mit Erinnerungen an bestimmte Lebenssituationen verbunden, die während der früheren Lektüre präsent waren. Das Gelesene dokumentiert damit nicht nur die Praxis des Lesens, sondern ruft auch vergangene Lesesituationen und damit verbundene Gefühle auf. Auch die Praktiken der Inszenierung, die die LeserInnen wählen, verweisen mitunter auf die Erinnerungsfunktion der Sammlung. So hat Rainer Weygandt seine Heftsammlung in Aufbewahrungsmöbeln untergebracht, die selbst ‚Erinnerungsstücke‘ sind:
275 Interview mit Anja Wendt und Thomas Wendt vom 10.06.2011.
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„Ich habe mal angefangen, aus Möbeln, die ich, ähm, nicht wegwerfen wollte, oder, äh ... mir Kisten zu bauen. Also ich habe mein altes Jugendbett zu Kisten gebaut und meinen alten Jugendschreibtisch, weil das auch eine Erinnerung irgendwie war, aber was willst du mit dem Zeug? Und dann wollte ich es nicht rausschmeißen, dann habe ich gedacht: ‚Komm, dann baust du dir Kisten draus.‘“276
Der Kistenbau war für Weygandt eine bewusste Praktik, wie er sagt, um „die Erinnerungen an mein Jugendzimmer zu bewahren“ 277. Eine andere Form der Inszenierung, die dabei ebenfalls auf den Erinnerungscharakter des Sammelns verweist, wählt Stefan Belting. Einige Monate nach der Sammlungsbesichtigung fotografiert er seine aktualisierte Regalwand, die er inzwischen mit einer Vitrine versehen hat, in der ausgewählte Perry Rhodan-Objekte untergebracht sind (siehe Abbildung 27). In dem Schaukasten sind für die Serie bedeutende Objekte zu sehen: Sammelfiguren wichtiger Charaktere, das erste Heft der Serie, des Weiteren Heft Nr. 19, „Der Unsterbliche“, auf dessen Cover die bekannteste Abbildung des Serienprotagonisten zu sehen ist. Darüber hinaus ist rechts im Bild eine Abbildung des gefeierten Autors und Exposéredakteurs William Voltz zu sehen. Stefan Belting betreibt hier gewissermaßen eine Musealisierung der Serie, gleichzeitig aber auch seiner eigenen Lektüre- und Fanpraktiken, denn viele Objekte zeugen von der persönlichen Verbindung ihres Sammlers zur Serie. So handelt es sich bei der Figur, die in der mittleren Reihe rechts steht, um eine Darstellung von Beltings Lieblingsfigur, Alaska Saedelaere, die er sich als erste aus der Figurenreihe kaufte. Sie steht etwas abgesondert von den anderen, dem Konterfei ihres Erfinders Voltz zugewandt, den Belting zu seinen Lieblingsautoren zählt. Das Bild wiederum schmückt eine Urkunde, die Belting erhielt, als er bei der Teilnahme am „William-Voltz-Kurzgeschichtenwettbewerb“ im Jahr 1998 für seine Story den ersten Preis gewann. Die Gegenstände in der unteren Reihe sind offensichtlich Mitbringsel von Cons, die Belting besuchte: Buttons sowie Eintrittskarten, die seinen Namen tragen278. Darüber hinaus findet sich ein leer(getrunken)es Likörfläschchen, das dem Etikett nach „Vurguzz“, das aus Früchten des Planeten Vurga gebraute Lieblingsgetränk vieler Perry Rhodan-Protagonisten, enthielt.279
276 Interview mit Rainer Weygandt vom 17.11.2010. 277 Ebd. 278 Die Aufschrift wurde für die Abbildung in der vorliegenden Arbeit unkenntlich gemacht. 279 Vgl. http://www.perrypedia.proc.org/wiki/Vurguzz, 16.03.2016.
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Abbildung 27: Vitrine mit „Perry Rhodan“-Objekten von Stefan Belting.
Quelle: Aufnahme des Probanden.
Durch die Sammlungsgegenstände findet damit auch ein Dokumentieren von Fanpraktiken statt. Die Bedeutung der Objekte geht dabei über die Dokumentfunktion offensichtlich hinaus. Die Dinge sind nicht nur Belege bestimmter Praktiken, vielmehr sind sie, mit Latour betrachtet, Delegierte, in denen die mit der Serie verbundenen Praktiken – des Lesens, Sehens, Trinkens, des Teilnehmens und des Produzierens – materiell präsent sind. Als solche fordern sie offenbar einen besonderen Ort innerhalb des Bücherregals. Diese Dinge erhalten ihre Bedeutung nicht aufgrund bzw. infolge der Inszenierung, sondern sie bewegen dazu, ihnen einen zentralen Platz einzuräumen. Auch in der spezifischen Anordnung des Ausgestellten innerhalb der Vitrine zeigt sich der Delegiertenstatus der Seriengegenstände. Belting platziert bestimmte Dinge ganz offensichtlich deshalb in räumlicher Nähe zueinander und richtet sie aneinander aus, weil es sich dabei um Lieblingsdinge – die Lieblingsfigur und den Lieblingsautor – handelt, zu denen er selbst wiederum eine besondere Beziehung hat. Die zu bestimmten seriellen Akteuren installierten Verbindungen, die in den ausgestellten Gegenständen materialisiert sind, bewirken also die spezifischen Ausstellungspraktiken mit. Als Delegierte sind die Seriendinge mit daran beteiligt, welchen Platz sie innerhalb der Sammlung erhalten.
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Bei Stefan Beltings Ausstellungspraxis handelt es sich freilich um eine nicht ganz gewöhnliche Form der Präsentation. Die Dokumentationsfunktion, die die Sammlungsobjekte für die Fanpraktiken haben, findet sich jedoch auch in vielen weiteren Sammlungen aus dem Sample. Gerd Brehm etwa nutzt zur Dekoration an seinem Arbeitsplatz sowie in seinem Arbeitszimmer zu Hause Objekte, die seine Kontakte zu Perry Rhodan-Produzenten und seine semi-professionelle Tätigkeit für die Serie dokumentieren. So steht in seinem Büro der Pappaufsteller der Perry-Rhodan-Figur, den ihm der Chefredakteur als Teil eines Info-Pakets schickte, als er eine Veranstaltung organisierte, und in seinem Arbeitszimmer hängt der Kunstdruck eines Perry Rhodan-Titelbildes, das er für seine Tätigkeit als Testleser vom Autor geschenkt bekam. Ein weiteres Beispiel sind die Objekte der Modellbausammlung von Dieter Rathgeb, die sich unschwer als Dokumente seiner produktiven Tätigkeit im Zusammenhang mit der Serie erkennen lassen. Auch die zahlreichen Gegenstände, die Melanie und Holger Speidel von Conventions mitbrachten, weisen auf ihre serienbezogenen Praktiken hin. Die jeweiligen Objekte werden dabei gerade aufgrund der jeweils spezifischen Verbindungen von Serie und LeserIn, die sich in ihnen materialisieren, als Sammlungs- und Dekorationsobjekte ausgewählt. Der Charakter einer Ansammlung, den die Perry Rhodan-Sammlungen häufig haben, resultiert eben teilweise auch daraus, dass Gegenstände aufgenommen werden, die die LeserInnen im Rahmen ihrer kommunikativen und produktiven serienbezogenen Praktiken erwerben, erhalten oder selbst herstellen. Indem die solcher Art in die Sammlung gelangten Objekte offenbar bewirken, dass ihnen zentrale Orte innerhalb des alltäglichen Lebensumfeldes eingeräumt werden und sie mitunter auf bestimmte Weise inszeniert werden, zeigt sich auch hier, dass sie als Delegierte an ihren Präsentationspraktiken aktiv beteiligt sind. Sie sind also mehr als Dokumente, indem sie von sich aus Handlungen herbeiführen. Resümierend lässt sich somit sagen: Die spezifischen Arten des Sammelns und des Ausstellens erweisen sich als deutlich durch die Seriendinge selbst mitgeprägt. Wie bereits im Zusammenhang des funktionalen und des ästhetischen Sammelns, so zeigt sich damit auch hier, wie die konkreten, mit der Lektüre verbundenen Praktiken in einer Kooperation von LeserIn und Seriengegenständen entstehen.
6.5 F AZIT Nicht alle Anschlusspraktiken, die in der Forschung zum Umgang mit populären Serien und Medien prominent vertreten sind, sind unter Perry RhodanLeserInnen tatsächlich allgemein verbreitet. Weder das extensive Sammeln von
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Serienobjekten noch kommunikative und produzierende Praktiken in größerem Umfang werden von einer Mehrzahl der LeserInnen geteilt. Zudem variieren in allen Bereichen die individuellen Sammelpraktiken stark. Eine Gemeinsamkeit konnte dabei im vorliegenden Kapitel herausgearbeitet werden: In dem jeweiligen Spektrum der Praktiken, das sich mit den einzelnen Aktivitäten des Kommunizierens, des Produzierens und des Sammelns verbindet, ist die Serie ein wirksamer Akteur, der gerade durch seinen seriellen Charakter das Handeln deutlich mitbestimmt. Serialität wirkt dabei für alle beschriebenen Praktiken motivierend bzw. verstärkend. So regt die serielle Lektüre stark dazu an, sich mit anderen SerienleserInnen zu vernetzen. Der gewinnbringende Austausch mit anderen LeserInnen erfolgt dabei, wie sichtbar wurde, auf der Basis einer mehr oder weniger regelmäßigen Lektüre der Serie. Aktualität ist hierfür eine wichtige Voraussetzung, denn gerade das Spekulieren über die kommende Handlung ist wesentlicher Bestandteil und Genussfaktor der Kommunikation. Gerade durch seinen seriellen Charakter lädt Perry Rhodan dabei in besonderem Maße dazu ein, selbst produktiv zu werden.280 Die Serie bietet zahlreiche Anschlussmöglichkeiten für die LeserInnen. Sie lässt sich als Angebot an diese betrachten, selbst einen Teil beizutragen, im Sinne dessen, was Hellekson und Busse im Anschluss an Roland Barthes als „writerly text“ beschreiben, der, im Vergleich zu seinem Gegenstück, dem „readerly text“, die RezipientInnen zu einem kreativen Umgang mit ihm einlädt.281 Bemerkenswert ist dabei, dass im Zusammenhang mit Perry Rhodan nicht in erster Linie Anschlusspraktiken vorzufinden sind, die im Sinne autonomer Fanfiction unabhängig von der Serie entstehen, sondern dass die LeserInnen Anteil am regulären Produktionsprozess der Serie haben. Indem sie quasi redaktionelle Aufgaben übernehmen (Korrigieren, Redigieren, Zusammenstellen von Informationen, Anlegen von Archiven, Lexika, Überblicken), sind sie ein fester Bestandteil der hochgradig arbeitsteiligen Textproduktion. Insofern lässt sich hier der Begriff „produsage“ assoziieren.282 Solche Tätigkeiten sind dabei im Perry Rhodan-Bereich nicht erst seit der Verbreitung des Internets gängige Praxis; durch die Möglichkeiten des digitalen
280 Dass Texte in besonderem Maße als Generatoren für die Produktion von Fanfiction dienen, darauf weisen Studien aus der Fanforschung hin. Vgl. Humble 2012, S. 97. 281 Vgl. Karen Hellekson/Kristina Busse: Introduction. Work in Progress. In: Dies. (Hg.): Fan Fiction and Fan Communities in the Age of the Internet. New Essays. Jefferson u.a. 2006, S. 5-32, hier S. 6. 282 Siehe Kap. 6.2.2.
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Austauschs sind sie jedoch sichtbarer und werden allgemeiner verbreitet betrieben. Auf dem Gebiet des Sammelns ließ sich beobachten, dass die Serie die Sammeltätigkeit in verschiedener Hinsicht motiviert: um nachzuschlagen, um sich an der Ästhetik zu erfreuen, um das Gelesene zu dokumentieren. Bestimmte Seriendinge regen hierbei in besonderem Maße zum Sammeln an – etwa aufgrund ihrer ästhetischen Qualität, wie am Sammeln der Erstauflage sichtbar wurde, die aufgrund ihrer visuellen Spezifika äußerst beliebt ist. Mitunter wirkt jedoch der Fortsetzungscharakter dem Sammeln entgegen, indem er für ständigen Nachschub sorgt und dadurch zu einem Problem der Unterbringung führt. Wenn der Lesestoff, wie in der Analyse gezeigt, in seiner Materialität an bestimmten Sammelpraktiken mitwirkt, so wird dabei deutlich, dass es eine spezifisch serielle Materialität ist, die hier tätig wird. Die seriell bedingten Materialeigenschaften sind dabei an der Tatsache, ob gesammelt wird oder nicht, ebenso beteiligt wie an den konkreten Konservierungspraktiken. So werden die Heftromane bestimmten Instandhaltungsmaßnahmen gerade deshalb unterzogen, weil sie aufgrund ihrer Anfälligkeit als besonders verfallsgefährdete Sammelgegenstände betrachtet werden. Die Anschlusspraktiken wirken in diesem Zusammenhang direkt auf die Praktiken vor und während der Lektüre zurück, so, wenn bereits beim Kauf auf einen guten Zustand der Hefte geachtet wird oder wenn diese im Hinblick auf das Sammeln besonders sorgfältig behandelt werden. Zudem wirken auch die kulturellen Zuschreibungen von Heftromanen – auch diese ein Teil des seriellen Charakters – an den Praktiken des Sammelns mit, wie sich in der unterschiedlichen räumlichen Unterbringung von Perry RhodanHeftromanen und -Büchern zeigte. In Bezug auf Serialität ist auch der Aspekt der langen Laufzeit der Serie von Bedeutung, der ebenfalls spezifische Weisen des Umgangs mit sich bringt. So führt er beispielsweise zu überlieferten Formen des Austauschs im Rahmen der Serie. Besonders offensichtlich ist dies auf der Ebene des Fandoms, das hierbei auch über lange Zeit entwickelte Formen des gemeinschaftlichen Produzierens praktiziert, daneben wurden aber auch private Formen des Tradierens der Serienlektüre, etwa unter Freunden oder im Bereich der Familie, sichtbar. Zudem zeigte sich, dass der durch die lange Laufzeit entstandene biografische Bezug zur Serie, die Serienlektürebiografie, die Praktiken mitprägt. Dies wurde insbesondere im Zusammenhang mit dem Sammeln als Praxis des Erinnerns herausgearbeitet. Die Dinge der Sammlung wirken hier als Delegierte, die Praktiken verschiedener Zeiten miteinander in Beziehung setzen: Sie halten die gelesene Geschichte wie auch die Geschichte des eigenen Lesens präsent und sind gleichzeitig nicht blo-
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ßes Zeichen für Vergangenes, sondern Akteure, die durch die in ihnen materialisierten Erinnerungen zu bestimmten Praktiken anregen. Während die serielle Lektüre verstärkend auf die Praktiken der Lektüre wirkt, wirken diese wiederum auf das Lesen zurück, bewirken eine Bindung an die Serie und tragen zu einem ein interessanteren, reicheren Lektüreerlebnis bei. Deutlich zeigte sich etwa, dass die Fans vom Austausch mit anderen auch jenseits des gemeinschaftsstiftenden Aspekts profitieren. Der Austausch stellt nicht nur eine Motivation zum Weiterlesen und zum Aktuellbleiben dar. Er bringt auch ein vertieftes Verständnis für Inhalte und Zusammenhänge innerhalb der Serie mit sich. So dient das gemeinsame Spekulieren mit anderen LeserInnen dem Aufbau von Spannung und der Austausch mit ProduzentInnen der Information über die Hintergründe der Serienproduktion, die wiederum das Lesen selbst genussvoller machen. Auch die produktiven Tätigkeiten verschaffen ein vertieftes Verständnis für die Serie – so etwa durch damit einhergehende Recherchetätigkeiten – oder sie bewirken spezifische Zugänge zur Serie – wie etwa der ‚sammelnde‘ Lektüremodus des „Bastlers“ – und können in dieser Hinsicht als gewinnbringend auch für das Lesen selbst betrachtet werden. Die Praktiken des Sammelns wiederum, die zu bestimmten, damit verbundenen Lektüremodi führen – denen des Rereadings sowie des recherchierenden Nachschlagens –, die zwischen aktueller und vergangener Serienlektüre vermitteln, bergen hierdurch wiederum eigene, spezifisch auf die Serialität bezogene Reize. Darüber hinaus ist zu beobachten, dass die Anschlusspraktiken nicht nur auf das Lektüreerlebnis der LeserInnen zurückwirken, sondern auch auf den Lesestoff. Über ihre Fähigkeit hinaus, Anschlusspraktiken in vielfältigen Formen zu generieren, wurde im Verlauf der Analyse das Vermögen der Serie sichtbar, diese Praktiken wiederum zu inkorporieren, d.h. zu einem Teil des seriellen Rezipiats zu machen, und damit ihre eigene Fortsetzung und Diversifizierung in Gang zu halten. Gerade in dieser Beobachtung der – über die Kooperation mit den LeserInnen erzielten – gewissermaßen selbstgenerativen Wirkung von Serialität stellt sich nochmals deutlich unter Beweis, dass die Serie als Akteur, und eben nicht als Lektüregegenstand, zu betrachten ist.
7 Schluss: Serialität im Akteur-Netzwerk des Serienlesens
Die vorliegende ethnographische Lesestudie zur Heftromanserie Perry Rhodan setzte sich zum Ziel, darzustellen, in welchem Maß und auf welche Weise Serialität an den Praktiken der Lektüre beteiligt ist. Zu diesem Zweck wurde der Prozess der Lektüre in seinen einzelnen zeitlichen Phasen betrachtet. Mit dem Blick auf Serialität wurde ein in der Lese(r)forschung bislang vernachlässigter Aspekt zentral gesetzt. Ausgehend von entsprechenden Desideraten wurde bei der Betrachtung des seriellen Lesens insbesondere danach gefragt, wie die Lesestoffe mit ihren inhaltlichen bzw. textästhetischen Qualitäten einerseits sowie ihren materiellen und medialen bzw. formatspezifischen Eigenschaften andererseits die Lektürepraktiken mitprägen und welche charakteristischen zeitlichen Abläufe sich im Zusammenhang mit dem Serienlesen zeigen. Hierbei konnten grundlegende Charakteristika des Dispositivs Heftromanserie herausgearbeitet werden. Im Zentrum der Arbeit standen also die Spezifika des Heftromans, die dabei stellenweise im Vergleich mit anderen Serienmedien betrachtet wurden. Methodisch wurde eine Vorgehensweise mit dem Ansatz der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) erprobt. Lesen wurde als Praxis in den Blick genommen und dabei auf der Grundlage eines veränderten Handlungsbegriffs neu perspektiviert. Resümierend wird nun nochmals das Dispositiv Heftromanserie auf seine seriellen Aspekte hin betrachtet. Die Ergebnisse der Studie hinsichtlich der fokussierten Aspekte des Formats – mit seinen materiell-medialen Spezifika –, der Textästhetik und der Zeitlichkeit werden dabei nochmals zusammenfassend dargestellt und im Hinblick auf die zentralen Begriffe der ANT reflektiert. Im Anschluss daran wird diskutiert, inwiefern sich die ANT als Ansatz für ethnographische Arbeiten zu Serien bzw. zum Medienhandeln generell eignet. Lesen, so konnte in der Entfaltung des empirischen Materials gezeigt werden, ist als Komposition zu begreifen, als ein aus vielfältigen – und dabei nicht nur menschlichen – Handlungen zusammengesetztes Phänomen, das sich mit
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den Begriffen der „Rezeption“ oder der „Nutzung“ nicht in seiner ganzen Breite erschließen lässt, denn weder handelt es sich dabei lediglich um die Interpretation von Texten, noch sind die Lesestoffe bloße Objekte, mit denen die Lesenden umgehen. Lesen ist vielmehr als Kooperation zwischen LeserIn und Lesestoff zu verstehen, an der darüber hinaus zahlreiche weitere Akteure beteiligt sind, die dieses Verhältnis mitprägen. Das Dispositiv Heftromanserie ist auf dieser Grundlage nicht als eine festgefügte Anordnung zu betrachten, im Sinne eines Nebeneinanders verschiedener Kontexte, die das Lesen vorstrukturieren, sondern als Netzwerk von Akteuren, in deren Zusammenwirken es entsteht und sich weiterentwickelt. Im dargestellten Lektüreprozess zeigte sich dabei deutlich die Agency der Serie, die als Akteur mit ihren spezifischen ästhetischen und materiellen Eigenschaften das Dispositiv und die damit verbundenen Lektürepraktiken mitgestaltet. Serialität als eine zentrale Eigenschaft der Serie wird dabei in Verbindung mit jedem der drei fokussierten Aspekte wirksam: Es zeigt sich, dass sie sowohl im Zusammenhang mit dem Format als auch mit der Textästhetik sowie mit den zeitlichen Abläufen deutlich mitausschlaggebend für die Praktiken ist. Was die Formatspezifika des Heftromans betrifft, so ist die Wirksamkeit von Serialität in allen Lektürephasen feststellbar. Wie gezeigt werden konnte, prägt bereits die dem Format eigene Bezugsform das Dispositiv auf spezifische Weise. Mit dem wöchentlichen Kauf bzw. dem Abonnementerhalt der Hefte verbinden sich dabei je typische Muster sowie unterschiedliche Gratifikationen, an denen je verschiedene Akteure mitwirken. Der Kiosk vermittelt hier, indem er eine Kooperation von LeserInnen, Verkaufspersonal, räumlich-atmosphärischen Aspekten sowie visuellen und materiellen Eigenschaften der dort erhältlichen Medien ermöglicht, ein sinnlicheres Kauferlebnis als der postalische Bezug, bei dem die Verlässlichkeit des Hefterhalts im Vordergrund steht. Für beide Formen des Bezugs ist dabei relevant, dass sie eng an die Serialität des Lesestoffs gebunden sind: Eben weil Perry Rhodan serielle Lektüre ist, ist der wöchentliche Gang zum Briefkasten so spannend, werden der Briefkastenschlüssel und die nichttransparenten Versandtaschen zu Akteuren, und eben weil Perry Rhodan serielle Lektüre ist, ist sie am Kiosk erhältlich; den spezifisch seriellen Distributionsabläufen zufolge ist ihr klassischer Verkaufsort ein anderer als die Buchhandlung, und dieser bietet wiederum im Vergleich zum Buchkauf andere Möglichkeiten des Erlebens. Das Format prägt darüber hinaus auch die Gestaltung der Lesezeiten und räume durch seine medialen und materiellen Eigenschaften mit. Der Heftroman vermittelt hierbei durch seine Materialität als Printmedium – gerade gegenüber elektronischen Lesemedien – eine mit Entspannung und Genuss verbundene Form der Lektüre. Der ästhetische Genuss steht dabei nicht nur durch die Haptik
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des Hefts in Beziehung zum körperlichen Erleben, sondern steht auch mit weiteren körperlichen Formen des Genusses – der Lektüre in angenehmer Umgebung, teilweise ausgestaltet mit dem Konsum verzehrbarer Genussmittel – in enger Verbindung. Hinsichtlich seiner Nutzungsorte, und in Verbindung damit auch der Zeiten der Nutzung, kommt dabei deutlich die Flexibilität des Heftromans zum Ausdruck, der fast bei ‚allen Gelegenheiten‘ rezipiert wird. Seine spezifische Materialität, die ihn zu einem gut transportablen Format macht, prädisponiert ihn dabei für den Einsatz als Lektüre für unterwegs. Dies wird auch durch die Kürze des Textumfangs begünstigt. Darüber hinaus wird auch ein deutlicher Einfluss der kulturellen Konnotationen sichtbar, die sich mit dem Format verbinden. So wird die Nutzbarkeit des Heftromans in der Öffentlichkeit aufgrund von dessen Bewertung als ‚Schund‘ eingeschränkt. Indem gezeigt werden konnte, dass sowohl die Materialität des Heftromans als auch die mit diesem verbundenen kulturellen Zuschreibungen eng an Serialität gebunden sind, wurde deutlich, dass auch die Praktiken, die diese verursachen, durch Serialität mitbewirkt sind. Über die Vermittlung bestimmter Praktiken des Bezugs und Lesesituationen hinaus ist das Format auch an den ‚Anschlusspraktiken‘ der Lektüre in vielfacher Hinsicht beteiligt. Es prägt kommunikative und produktive Praktiken sowie auch die Praktiken des Sammelns auf deutliche Weise mit. Insbesondere im Zusammenhang der vielfältigen Umgangsweisen mit den Serienobjekten – vom Wegwerfen bis hin zur ausgedehnten Sammelpraxis mit entsprechenden Praktiken der Konservierung –, die dabei eng mit dem Charakter des Heftromanformats korrespondieren, wurde die Wirksamkeit seiner materiellen Spezifika sichtbar. Neben spezifischen, durch Serialität bewirkten, Formateigenschaften bestimmen, wie in der vorliegenden Arbeit gezeigt werden konnte, auch serielle Ästhetiken das Dispositiv Heftromanserie mit. Dieses lässt sich damit nicht von den Inhalten des Lesestoffs trennen. Mit serialitätsspezifischen ästhetischen Mustern verbinden sich nicht nur bestimmte Lektürevorlieben der LeserInnen, vielmehr orientieren sich auch konkrete Praktiken an ihnen, wie am Beispiel der VielautorInnenschaft sowie der Serienfiguren gezeigt wurde. Die LeserInnen entwickeln bestimmte Zugänge zur Lektüre, die mit Serialität eng verbunden sind. Inhaltliche und ästhetische Eigenschaften der Serie eröffnen dabei Anschlussmöglichkeiten verschiedener Art. Sie geben Anlass, die Lektüre auszuweiten oder die Rezeption auf andere Medien auszudehnen, wie sich am Beispiel des Umgangs mit Spin-offs oder der Praktiken des Sammelns erschloss, gleichzeitig haben sie auch eine Orientierungsfunktion, indem sie den LeserInnen helfen, eine Auswahl innerhalb des vielfältigen zur Verfügung stehenden Rezeptionsmaterials zu treffen.
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Wie die Formateigenschaften kommen auch die textästhetischen Eigenschaften der Serie phasenübergreifend zum Tragen. Dass sie über die eigentliche Rezeptionsphase hinauswirken, kommt etwa in spezifischen Mustern des Bezugs zum Ausdruck, so, wenn sich mit der Strukturierung in unterschiedliche Handlungsstränge die Praktik verbindet, nur ganz bestimmte davon zu rezipieren. Ebenso werden textästhetische Eigenschaften auch in den Praktiken nach der Lektüre wirksam. Sie regen die Kommunikation über die Serie an, wobei der seriellen Struktur eine große Bedeutung zukommt, wie sich etwa in den Praktiken des Spekulierens und ‚Spoilerns‘ zeigt, bei denen sich an den Rhythmen der Serie orientierte zeitliche Muster herausbilden. Textästhetische Momente der Serie stellen darüber hinaus Anschlussmöglichkeiten für eine Vielzahl weiterer Praktiken her, wie dies anhand der Aspekte des Produzierens und Sammelns deutlich wurde. Auch hier wiederum treten inhaltliche und ästhetische Eigenschaften als Generator spezifischer mit der Serie verbundener Umgangsweisen in Erscheinung, indem sie den LeserInnen Affordanzen bieten. Wenn etwa Material rund um die Serienfigur gesammelt wird oder Erzählungen und Bilder zum Thema Raumschiffe als Vorlage für Modellbauten dienen, tritt dies deutlich zutage. Über das Format und die Textästhetik hinaus sind es gerade auch seine zeitlichen Bezüge, die das Dispositiv Heftromanserie kennzeichnen. In diesem Zusammenhang wurde sichtbar, dass eine spezifische Verbindung verschiedener Zeitabläufe essenziell für die serielle Lektüre ist. Dies konnte die vorliegende Arbeit zeigen, indem sie das Lesen eines einzelnen Heftromans in seinem Verlauf – eingeteilt in die Stationen vor, während und nach der Lektüre – beschrieb und dabei immer wieder dessen Einbettung in einen längerwährenden Prozess, das Verfolgen der Gesamtserie über einen längeren Zeitraum hinweg, reflektierte. Bei der Betrachtung des auf das einzelne Heft bezogenen Lektüreprozesses zeigte sich, dass sich die mit der Lektüre verbundenen Praktiken in den einzelnen Phasen deutlich überschneiden. Schon vor der Lektüre finden im Sinne einer Vorbereitungsphase Praktiken statt, die in der kommenden Lektüre weiterhin wirksam sind, und dies nicht nur hinsichtlich der räumlichen Umgebung, in der diese stattfindet, sondern auch im Hinblick auf die Rezeption der Erzählung: Bereits die Praktiken des Bezugs wirken an der Generierung von Spannung mit, die im nachfolgenden Lesen zur Entfaltung kommt. Ebenso haben die ‚Anschlusspraktiken‘ einen deutlichen Einfluss auf die inhaltliche Rezeption der Serie sowie auch auf die Praktiken während der Lektüre. Dies zeigt sich beispielsweise sehr prägnant an den kommunikativen Praktiken der Fanszene. Indem LeserInnen mit anderen über die kommende Handlung diskutieren, den Kontakt zu ProduzentInnen pflegen oder selbst produktiv an der Serie mitwirken, wird für sie
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die Serienlektüre selbst wiederum interessanter. Die Fan-Erfahrungen der LeserInnen fließen in ihre Lektüre mit ein. Mit dem Serienlesen verbinden sich also, wie gezeigt werden konnte, nicht nur während der Lektüre selbst, sondern bereits vor dem Lesen sowie auch im Anschluss an dieses zahlreiche Praktiken, die wiederum auf das Lesen selbst zurückwirken. Gerade durch seine Eigenschaft der Serialität, die ein sich fortsetzendes Lesen ermöglicht, nimmt der Akteur Serie hierbei prägenden Einfluss auf das Dispositiv und die damit verbundenen Praktiken der Nutzung. Dass serialitätsspezifische zeitliche Abläufe maßgebend für das Dispositiv Heftromanserie sind, wird vor allem hinsichtlich des längerfristigen Verlaufs der Lektüre sichtbar. Gerade für das Betrachten der Verschränkung der zeitlichen Ebenen erwies sich dabei die Terminologie der ANT als hilfreich, indem sie geeignet ist, den Prozess der einzelnen Heftlektüre und das längerfristige Serienlesen miteinander in Beziehung zu setzen. Indem die zeitlichen Prozesse der Serienlektüre mit den Begriffen der Delegation und der Übersetzung gefasst wurden, ließ sich beschreiben, wie die Serie als Akteur zwischen diesen verschiedenen Ebenen der Zeitlichkeit vermittelt: Serielle Lesestoffe und Seriendinge lassen sich, im Anschluss an Bruno Latour, als Delegierte begreifen, die vergangenes Lesen – in Form von Erinnerungen und Praktiken – infolge eines Übersetzungsprozesses in ihrer Materialität präsent machen. Die Seriengeschichte ist mit ihnen ebenso verknüpft wie lektürebiographische Erinnerungen. Hierdurch wird die jeweils aktuelle Lektüre mit vorangegangenen Lektüreerfahrungen angereichert. Mit dem Format Heftroman werden dabei bestimmte Erinnerungen verbunden, die im aktuellen Umgang mit dem Lesestoff jeweils aufgerufen werden. Dies zeigte sich in der Betrachtung des Kaufens am Kiosk ebenso wie in den ästhetischen Vorlieben, die LeserInnen hinsichtlich der Serie entwickeln, und darüber hinaus auch in den Praktiken nach der Lektüre, etwa dem Sammeln bestimmter, mit persönlichen Erinnerungen verbundener Objekte. Serienmedien wirken also – in ihrer ästhetischen Gestaltung wie in ihren materiellen Qualitäten – als Delegierte, die vergangenes Lesen jeweils erneut präsent machen,– an der aktuellen Leseerfahrung mit. Serialität kann dabei als paradigmatisch für das Prinzip des Vergegenwärtigens von Vergangenem betrachtet werden. Die Delegationsleistung der Serienmedien wird hierbei auch in ihrem zukunftsgestaltenden Charakter sichtbar: Die Serie tritt in stets erneuerter, modifizierter Ausführung auf und bringt damit potenziell stets auch eine veränderte Form der Rezeption mit sich. Im Langzeitverlauf der Serienlektüre ergeben sich dabei spezifische Gratifikationen. Aufgrund der Erfahrung vieler LeserInnen, dass die Zeit der ersten Serienlektüre die beste sei, müsste das Lesen der Serie konsequenterweise früher
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oder später abgebrochen werden. Gerade darin, dass das längerfristige Serienlesen als positiv erlebt wird, dürfte ein Grund dafür liegen, dass dies nicht der Fall ist. Wie sich beobachten ließ, trägt die zunehmende Heterogenität der seriellen Erzählung – in Kombination mit stets erweiterten Fähigkeiten der Wahrnehmung – zu immer weiter verfeinerten Rezeptionsmodi bei, durch die die Lektüre zunehmend genussvoll erlebt werden kann. Beim gegenwärtigen Lesen handelt es sich immer auch um das Vergegenwärtigen vergangener Lektüre, wodurch wiederum die aktuelle Lektüre als reizvoller erlebt wird. Serienlektüre, die demnach als spiralförmiger Prozess zu begreifen ist, aufgrund dessen sich Lesen als stets erweiterte Zusammensetzung bisheriger Lektüreerfahrungen zeigt, wird eben aufgrund dieses Charakters von den LeserInnen geschätzt. Nicht in allen Fällen zeigt sich in der zunehmenden Differenziertheit und Differenzierungsfähigkeit allerdings ein erwünschter Effekt. So gibt es auch LeserInnen, bei welchen die zunehmende Heterogenität der Lektüre – etwa indem diese auch unerwünschte Elemente integriert oder auch durch die zunehmende eigene Kompetenz zur Beurteilung des Gelesenen – dazu führt, dass so empfundene Schwächen der Serie mit zunehmender Deutlichkeit wahrgenommen werden können, wodurch das Lesen weniger zufriedenstellend wird. Bezüglich des Aspekts der Zeitlichkeit, so lässt sich sagen, liegt das spezifisch Serielle der Lektüreerfahrung also darin, dass bereits vergangene Serienerfahrungen – nicht nur in Form vergangener Rezeptionserfahrungen, sondern auch in Form vergangener, mit der Serie verbundener Praktiken – infolge eines Delegationsprozesses in die aktuelle Serienlektüre mit einfließen. Auf diese Weise kann das Lesen zu einer reicheren, ‚komplexeren‘ Erfahrung führen, andererseits aber auch zu einer erhöhten Kritikfähigkeit, die bestimmte Momente des Genusses vermindert. Serielles Lesen ermöglicht hiermit Erfahrungen, die die Lektüre einzelner Werke nicht vermitteln kann. Es kann resümiert werden, dass das Dispositiv Heftromanserie entscheidend durch Serialität – die sich in der Spezifik des Formats, der Textästhetik sowie der zeitlichen Abläufe äußert – geprägt ist, wodurch es sich deutlich vom Dispositiv Buch, wie es die Lese(r)forschung zeichnet, unterscheidet. Zwar sind nicht wenige der in der vorliegenden Arbeit beschriebenen Situationen und Praktiken auch, teilweise in modifizierter Form, im Zusammenhang mit der Nutzung einzelner Bücher vorstellbar. Doch bei allen Gemeinsamkeiten, die Heftroman und Buch als Printmedien teilen, sind es gerade die durch die serielle Produktion bewirkten, formateigenen materiellen und ästhetischen Eigenschaften, die die Heftromanserie und ihre Nutzung von Buch und den darauf bezogenen Praktiken abheben. Inwiefern im Zusammenhang mit Buchserien serielle Akteurseigenschaften auf ähnliche Weise am Werk sind, die vergleichbare Effekte bewirken, bliebe
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zu untersuchen. Auch ein Vergleich mit dem Lesen abgeschlossener literarischer Texte könnte die Wirkmechanismen von Serialität noch zusätzlich erhellen. Der Fokus der vorliegenden Arbeit auf Serialität brachte mit sich, dass serialitätsbezogene Lektürepraktiken in der Darstellung bevorzugt wurden. Dabei steht außer Frage, dass nicht alle Perry Rhodan-LeserInnen die Serie auch tatsächlich ‚in Serie‘ lesen. Die Konzentration auf serielle Praktiken ermöglichte jedoch, gezielt darzustellen, welche ganz spezifischen Affordanzen eine Serie für ihre LeserInnen bietet. Es konnten damit gewissermaßen typische Praktiken vorgestellt und Muster aufgezeigt werden, die für Serialität im Allgemeinen anschlussfähig sein dürften. Zwar ist die Perry Rhodan-Serie in vieler Hinsicht nicht direkt mit anderen vergleichbar. Dies betrifft vor allem ihre über 55-jährige Laufzeit, die innerhalb dieser Zeit entstandene narrative und mediale Ausdifferenzierung sowie die zwischen LeserInnen und ProduzentInnen etablierten Interaktionen. Dennoch ließen sich hier Tendenzen aufzeigen, die auch andere Serien, auch in anderen Medien betreffen. Dies gilt insbesondere für entsprechend komplexe und diversifizierte Serien mit langer Laufzeit. Im Science-Fiction-Bereich wäre hier beispielsweise an die bereits häufig unter anderen Gesichtspunkten untersuchten Produktionen Star Trek und Star Wars zu denken. Der in der vorliegenden Arbeit erprobte methodische Ansatz der ANT ist dabei für die Serienforschung wie auch für die Medienforschung insgesamt in mehrfacher Hinsicht interessant. Für die Analyse serieller Praktiken erwies sich das Arbeiten mit der ANT insofern als gewinnbringend, als mit ihm das Zusammenwirken unterschiedlich gearteter Akteure im Lektüreprozess beschrieben und dabei die zentrale Rolle von Serialität herausgearbeitet werden konnte. Serialität konnte unter den Vorzeichen eines Handlungsbegriffs, der nicht menschliche Handelnde in den Mittelpunkt stellt, sondern auch Dinge als Akteure fasst, in ihrem aktiven Wirken sichtbar gemacht werden. Indem sie nicht als ein strukturelles Merkmal eines von den LeserInnen angeeigneten Rezipiats, sondern als eine zentrale Eigenschaft des Akteurs Serie betrachtet wurde, konnten die zahlreichen Anschlussmöglichkeiten aufgezeigt werden, die sie für die LeserInnen schafft. Die black box, die mit dieser Perspektive geöffnet werden konnte, betrifft also insbesondere die Kooperation von LeserInnen und Serie. Der Ansatz der ANT ist hierin für die Untersuchung von Medienhandeln generell anschlussfähig. Er ermöglicht, ‚NutzerInnen‘ und ‚Nutzungsobjekte‘ als kooperierende Partner wahrzunehmen und dabei die verschiedenen Qualitäten der Medien adäquat zur Geltung zu bringen. Gerade im Hinblick auf materielle, semiotisch-ästhetische sowie zeitliche Dimensionen von Medienhandeln erbringt die Perspektive der ANT, wie gezeigt, einen deutlichen Gewinn, indem der ana-
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lytische Blick für sie geschärft und ihr aktives Wirken innerhalb der MenschMedium-Beziehung sichtbar gemacht werden kann. Zwischen den KooperationspartnerInnen besteht dabei kein einseitiges Determinationsverhältnis. Das Handeln der Medien ist vielmehr im Sinne eines Anschlussgewährens, im Sinne eines Schaffens von Affordanzen zu verstehen. Die Wirksamkeit von Serialität trat dabei in der vorliegenden Arbeit besonders prägnant in deren verstärkender Funktion für die Lektürepraktiken hervor. Diese konnte für alle Phasen der Lektüre und insbesondere auch für das Lesen in seinem Langzeitverlauf gezeigt werden. Zudem wurde die Tendenz von Serialität sichtbar, verschiedenste Praktiken in ihr Netzwerk zu integrieren. Dies zeigte sich deutlich in der Betrachtung der ‚Anschlusspraktiken‘ des Lesens. Durch Diversifizierung schafft die Serie verschiedenste Anschlussmöglichkeiten für ihre LeserInnen, deren ‚Produkte‘ (Handlungen verschiedener Art, etwa in Form von Fanfiction oder Beiträgen in Internetforen) sie wiederum integriert, mithin zu einem Teil von sich selbst macht, wodurch sie erneut die Anschlussmöglichkeiten für die LeserInnen vervielfältigt. Gerade das in der Fanforschung häufig betrachtete Phänomen der „Partizipation“ kann vor diesem Hintergrund mit dem Ansatz der ANT neu konzipiert und betrachtet werden. Mit den im Bereich der Forschung zu Medienhandeln prominenten Begriffen wie „produsage“ oder „participatory culture“ lässt sich, aufgrund ihrer Fixierung auf menschliche Handlungen, die Prägekraft nicht erfassen, die Serialität mit all ihren Materialisierungen im Bereich des Medienhandelns hat. In der Perspektive der ANT rückt, gegenüber dem Umstand, dass Rollen von ProduzentInnen und NutzerInnen fließend werden, in den Vordergrund, dass die Grenzen von ‚Rezipiat‘ und ‚Nutzung‘ zunehmend verschwimmen. Die ‚angelagerten‘ Nutzungspraktiken verschmelzen mit dem (ursprünglichen) Rezipiat. Serialität forciert mit ihrer integrativen Wirkung solche ‚Anlagerungsprozesse‘. Sie generiert also nicht nur die Praktiken der Nutzung mit, sondern diese werden wiederum durch die integrative Wirkung von Serialität zu einem Teil der Serie selbst. Der Ansatz der ANT ist folglich für ethnographische Studien zur Mediennutzung vor allem deshalb interessant, weil sich mit ihm neue Perspektiven generieren lassen. Der Gewinn, der sich aus ihm ziehen lässt, liegt nicht etwa darin, dass er ein bestimmtes Anordnungsschema vorgäbe, anhand dessen die beobachteten Praktiken sortiert und ausgewertet werden könnten. Vielmehr bietet er eine Möglichkeit zur Wahrnehmung und zur begrifflichen Verbindung von beobachteten Handlungen. Mit ihm lassen sich spezifische Handlungskonstellationen von NutzerIn und Medium erkennen und das Zusammenwirken unterschiedlich gearteter
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Akteure beschreiben. Die ANT schärft also den Blick für Zusammenhänge des Medienhandelns und provoziert neue Sichtweisen. Während die ANT damit vor allem eine theoretisch-methodische Perspektive zur Verknüpfung von Handlungen liefert, bleibt die konkrete Form der Darstellung weiterhin eine jeweils auf den Forschungsgegenstand abzustimmende und stets neu zu begründende Angelegenheit. Was die ANT mit sich bringt, ist die Aufforderung zu genauer Beobachtung. Die vorliegende Studie liefert demnach ein Beispiel dafür, wie eine Darstellung des empirischen Materials in Orientierung an der ANT erfolgen kann. Aus ihr lässt sich nicht verallgemeinernd ableiten, welche Akteure jeweils im Zusammenhang des Medienhandelns auftreten, noch können die jeweiligen Arten des Zusammenwirkens automatisiert auf andere mediale Konstellationen übertragen werden. Sie führt jedoch modellhaft vor, welche Fragen im Bezug auf Medienhandeln gestellt, welche potenziellen Akteure betrachtet und welche Formen des Zusammenwirkens gefunden werden können.
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Literaturwissenschaft Uta Fenske, Gregor Schuhen (Hg.) Geschichte(n) von Macht und Ohnmacht Narrative von Männlichkeit und Gewalt September 2016, 318 S., kart., 34,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-3266-8 E-Book: 34,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3266-2
Stefan Hajduk Poetologie der Stimmung Ein ästhetisches Phänomen der frühen Goethezeit Juli 2016, 516 S., kart., 44,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-3433-4 E-Book: 44,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3433-8
Carsten Gansel, Werner Nell (Hg.) Vom kritischen Denker zur Medienprominenz? Zur Rolle von Intellektuellen in Literatur und Gesellschaft vor und nach 1989 2015, 406 S., kart., 39,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-3078-7 E-Book: 39,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3078-1
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Literaturwissenschaft Tanja Pröbstl Zerstörte Sprache – gebrochenes Schweigen Über die (Un-)Möglichkeit, von Folter zu erzählen 2015, 300 S., kart., 29,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-3179-1 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3179-5
Heinz Sieburg (Hg.) ›Geschlecht‹ in Literatur und Geschichte Bilder – Identitäten – Konstruktionen 2014, 262 S., kart., 32,99 € (DE), ISBN 978-3-8376-2502-8 E-Book: 32,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-2502-2
Dieter Heimböckel, Georg Mein, Gesine Lenore Schiewer, Heinz Sieburg (Hg.) Zeitschrift für interkulturelle Germanistik 7. Jahrgang, 2016, Heft 1 Juli 2016, 216 S., kart., 12,80 € (DE), ISBN 978-3-8376-3415-0 E-Book: 12,80 € (DE), ISBN 978-3-8394-3415-4
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de