Opus Tertium 3787336249, 9783787336241

Von den drei Hauptwerken, die Roger Bacon in dem kurzen Zeitraum zwischen 1266 und 1268 verfasste, war das »Opus tertium

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Roger Bacon: Opus Tertium
Impressum
Inhaltsverzeichnis
EINLEITUNG
1. Der Entstehungshintergrund des Opus tertium
1.1 Die Situation Roger Bacons zur Zeit der Abfassung des Opus tertium
1.2 Die Beziehung des Opus tertium zum Opus maius und Opus minus
1.3 Struktur und Inhalt des Opus tertium
2. Das Grundanliegen der Reform Roger Bacons
2.1 Die Einheit der Weisheit und ihr Nutzen für die Gesellschaft
2.2 Der Verfall der Theologie und Bacons ­wissenschaftlicher Messianismus
3. Die Bedeutung der einzelnen Wissenschaften in Roger Bacons Reformentwurf
3.1 Die Gründe für den menschlichen Irrtum (Opus maius, Teil I; Opus tertium, Kap.  22)
3.2 Das Verhältnis zwischen Theologie und Philosophie (Opus maius, Teil II; Opus tertium, Kap.  24)
3.3 Die Behandlung der Sprachen der Weisheit (Opus maius, Teil III; Opus tertium, Kap.  25–27)
3.4 Die Rolle der Mathematik (Opus maius, Teil IV; Opus tertium, Kap.  28–76)
3.5 Die Perspektivik (Opus maius, Teil V; Opus tertium, Kap.  80–89)
3.5.1 Die Quellen der Perspektivik
3.5.2 Das Licht und die Vervielfältigung der species
3.6 Die Erfahrungswissenschaft (Opus maius, Teil VI; Opus tertium, Kapl 104)
3.7 Die Moralphilosophie (Opus maius, Teil VII; Opus tertium, Kap.  105–110)
4. Schlussbemerkung
5. Zu dieser Edition und Übersetzung
6. Danksagung
Opus tertium
TEIL I
Brief des Papstes Clemens IV. an Roger Bacon
KAPITEL 1Brief Roger Bacons an den Papst Clemens [IV.]
KAPITEL 2Gründe für die Verzögerung der Arbeit
KAPITEL 3Weitere Gründe für die Verzögerung
KAPITEL 4Alle Wissenschaften sind miteinander verbunden
KAPITEL 5Erster Grund für eine einführende Abhandlung vom Nutzen der Wissenschaften
KAPITEL 6 Zweiter Grund für eine einführende Abhandlung
KAPITEL 7Dritter Grund für eine einführende Abhandlung
KAPITEL 8Vierter Grund für eine einführende Abhandlung
KAPITEL 9Die Beseitigung von fünf Einwänden
KAPITEL 10Weiteres über den vierten Grund für eine einführende Abhandlung
KAPITEL 11Über Mathematik und Perspektivik
KAPITEL 12Über die Alchemie
KAPITEL 13Über die Erfahrungswissenschaft
KAPITEL 14Über die Moralphilosophie
KAPITEL 15Die Moralphilosophie ist das Ziel aller Wissenschaften
KAPITEL 16Über die Schwierigkeiten des Verfassens grundlegender Schriften
KAPITEL 17Gründe Roger Bacons für das Verfassen seiner Schriften
KAPITEL 18Weitere Gründe
KAPITEL 19Über Bacons Boten Johannes
KAPITEL 20Mit der richtigen Methode könnten die Menschen alles in sehr kurzer Zeit lernen
KAPITEL 21Bemerkungen über die Funktion des Opus minus und des Opus tertium
KAPITEL 22Über die vier Gründe des Irrtums (Opus maius, Teil I)
KAPITEL 23Über den tätigen Intellekt
KAPITEL 24Über das Verhältnis von Philosophie und Theologie (Opus maius, Teil II)
KAPITEL 25Über die Sprachen der Weisheit (Opus maius, Teil III)
KAPITEL 26Über den Nutzen der Sprachen für die Kirche
KAPITEL 27Über sprachliche Zeichen
KAPITEL 28Über die Mathematik (Opus maius, Teil IV)
KAPITEL 29Die Mathematik ist die erste aller Wissenschaften
KAPITEL 30Über die Astrologie
KAPITEL 31Einführendes über die species
KAPITEL 32Über die Vervielfältigung der species durch gebrochene Strahlen
KAPITEL 33Über die Vervielfältigung durch reflektierte Strahlen
KAPITEL 34Über die Vervielfältigung entlang akzidentieller Nebenlinien
KAPITEL 35Über die Ausbreitung der species
KAPITEL 36Über die Wirkungsweise der species
KAPITEL 37Über Astronomie und Geographie
KAPITEL 38Über die Einheit der Materie
KAPITEL 39Über die Teilbarkeit der Materie 
KAPITEL 40Über die Weltkörper
KAPITEL 41Über das Aevum
KAPITEL 42Über Bewegung in einem Vakuum
KAPITEL 43Ob es in der Natur ein Vakuum geben kann
KAPITEL 44Über die Nahrungsaufnahme als Argument für ein Vakuum
KAPITEL 45Weitere Argumente gegen ein Vakuum
KAPITEL 46Über die Bewegung geistiger Substanzen
KAPITEL 47Ob geistige Substanzen einen Ort einnehmen
KAPITEL 48Weiteres über die diese Frage
KAPITEL 49Unsere Vorstellung von geistigen Substanzen beruht auf sprachlicher Ungenauigkeit
KAPITEL 50Weiteres hierüber
KAPITEL 51Ob das Aevum teilbar ist
KAPITEL 52Erklärung für den Einschub der Diskussionen über das Vakuum, die geistigen Substanzen und das Aevum
KAPITEL 53Über die Anwendung der Mathematik auf die Theologie
KAPITEL 54Über den Nutzen der Mathematik für die Geographie und die Zeitberechnung
KAPITEL 55Über den Nutzen der Zeitberechnung für die Heilige Schrift
KAPITEL 56Über den Termin des Pessachfestes
KAPITEL 57Über die Berechnung des Ostersonntags
KAPITEL 58Über den Nutzen der Geometrie für die Theologie
KAPITEL 59Über Musik
KAPITEL 60Der Nutzen der Musik für das Verständnis der Heiligen Schrift
KAPITEL 61Über die richtige Betonung eines Textes
KAPITEL 62Über Satzzeichen
KAPITEL 63Über Metrik und Rhythmik
KAPITEL 64Abschließende Bemerkungen über die Musik
KAPITEL 65Über die Verteidigung der Mathematik
KAPITEL 66Vom Nutzen der Mathematik für den Glauben
KAPITEL 67Vom Nutzen der Mathematik für die Berechnung des Kalenders
KAPITEL 68Weiteres über den Kalende  r  
KAPITEL 69Bestimmung der Tagundnachtgleichen und der Sonnenwenden
Kapitel 70Über die Mondwechsel im Zusammenhang mit dem Ostertermin
KAPITEL 71Weiteres über die Berechnung des Ostertermins und die Mondzyklen
KAPITEL 72Vom Nutzen der Mathematik für den Gottesdienst
KAPITEL 73Über die wunderbare Macht der Musik
KAPITEL 74Weiteres über den Nutzen der Musik für die Kenntnis von Metrik und Rhythmik
KAPITEL 75Vom Nutzen der Musik für das Predigen und über Rhetorik
Opus Tertium TEIL II
KAPITEL 76Von dem Nutzen der Mathematik für die Lenkung des Gemeinwesens
KAPITEL 77Über die Ausgangspunkte astrologischer Vorhersagen
KAPITEL 78Über die Orte der Welt
KAPITEL 79Über die Förderung des Guten und die Verhinderung des Schlechten
KAPITEL 80Über die Perspektivik
KAPITEL 81Über die zehn Bedingungen, die für das Sehen erforderlich sind. Kap. I
KAPITEL 82Über die sichtbaren Sinnesgegenstände, die in 22 unterschieden werden. Kap. II
KAPITEL 83Über die besonderen Arten des Sehens. Kap. III
KAPITEL 84Über die Beschaffenheit des Sehens. Kap. IV
KAPITEL 85Über die drei allgemeinen Arten des Sehens. Kap. V
KAPITEL 86Über das Erkennen eines sichtbaren Gegenstandes durch logisches Schließen. Kap. VI
KAPITEL 87Über die drei Teile der Perspektivik. Kap. VII
KAPITEL 88Über das Sehen von gebrochenen Strahlen. Kap. VIII
KAPITEL 89Über die Anwendung dieser Wissenschaft auf die Weisheit. Kap. IX
KAPITEL 90Über die Bewegung der Himmelskörper
KAPITEL 91Die Ansicht des Ptolemäus über die zwei ersten Himmelsbewegungen
KAPITEL 92Über die Bewegung der Sonne. II
KAPITEL 93Über die Bewegungen des Mondes. III
KAPITEL 94Über die Bewegung von Saturn, Jupiter und Mars. IV
KAPITEL 95Über die Bewegungen von Venus und Merkur. V
KAPITEL 96Über die Ansichten anderer, die Ptolemäus nachgeahmt haben
KAPITEL 97Bemerkenswert ist auch die Ansicht des Alpetragius, der sich bemüht, die vorher genannten Ansichten zurückzuweisen und die Ansichten der Naturphilosophen zu stärken
KAPITEL 98Über eine andere Bewegung, die vom ersten Himmel ausgeht
KAPITEL 99Über die Eigenbewegung der Sternensphäre
KAPITEL 100Hier müssen die Widersprüche zwischen ihren Meinungen bestmöglich dargestellt werden, und zwar zuerst die Ansicht des Ptolemäus über die beiden ersten Bewegungen
KAPITEL 101Über die Exzenter, die Epizykel und die Bewegungen der Planeten
KAPITEL 102Über einige moderne Vorstellungen
KAPITEL 103Über das Korpuskel des Epizykels
KAPITEL 104Über die Erfahrungswissenschaft: die als würdiger als alle anderen Teile der Naturphilosophie der Perspektivik bezeichnet wird. Und die daher äußerst betrachtenswert ist
KAPITEL 105Über die Wissenschaft der fünften Essenz
KAPITEL 106Über die moralische oder politische Wissenschaft
KAPITEL 107Über den zweiten Teil der Moralwissenschaft
KAPITEL 108Über den dritten Teil der Moralphilosophie
KAPITEL 109Über den vierten Teil der Moralphilosophie
KAPITEL 110Über den fünften Teil der Moralphilosophie
KAPITEL 111Über das Opus minus
KAPITEL 112Über die Rätsel der Alchemie
KAPITEL 113Über die Erläuterung der verschlüsselten Wörter in der Alchemie
KAPITEL 114Über die Schlüssel der Alchemie
Anmerkungen
SIGLENVERZEICHNIS
BIBLIOGRAPHIE
NAMENREGISTER
SACH- UND ORTSREGISTER
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Philosophische Bibliothek

Roger Bacon O   pus tertium Lateinisch – Deutsch

Meiner

RO GER BACON

Opus tertium

Edition und Übersetzung, mit einer Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von

Nikolaus Egel

Lateinisch – Deutsch

FELIX MEINER VERL AG H A MBURG

PH I LO S OPHI S C HE BI BL I OTHE K B A ND 718

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN  978-3-7873-3624-1 ISBN eBook  978-3-7873-3625-8

Gedruckt mit Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung © Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 2020. Alle Rechte v­ orbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§ 53 und 54 UrhG ausdrücklich gestatten. Satz:  post scriptum, Vogtsburg-Burkheim / Hüfingen. Druck: Druckhaus Nomos, Sinzheim. Bindung: Josef Spinner, Ottersweier. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruckpapier, hergestellt aus 100 % chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany.

I N H A LT

Einleitung. Von Nikolaus Egel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII 1. 1.1 1.2 1.3 2. 2.1 2.2

Der Entstehungshintergrund des Opus tertium . . . . . . . . . . . XIII Die Situation Roger Bacons zur Zeit der Abfassung des Opus tertium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXII Die Beziehung des Opus tertium zum Opus maius und Opus minus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXII Struktur und Inhalt des Opus tertium . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXVI Das Grundanliegen der Reform Roger Bacons . . . . . . . . . . . . . XLI Die Einheit der Weisheit und ihr Nutzen für die Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XLI Der Verfall der Theologie und Bacons w ­ issenschaftlicher ­Messianismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XLVII

3.

Die Bedeutung der einzelnen Wissenschaften in Roger Bacons Reformentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LIX 3.1 Die Gründe für den menschlichen Irrtum (Opus maius, Teil I; Opus tertium, Kap.  22) . . . . . . . . . . . . . . . LXI 3.2 Das Verhältnis zwischen Theologie und Philosophie (Opus maius, Teil II; Opus tertium, Kap.  24) . . . . . . . . . . . . . . LXV 3.3 Die Behandlung der Sprachen der Weisheit (Opus maius, Teil III; Opus tertium, Kap.  25–27) . . . . . . . . . . . LXX 3.4 Die Rolle der Mathematik (Opus maius, Teil IV; Opus tertium, Kap.  28–76) . . . . . . . . LXXVI 3.5 Die Perspektivik (Opus maius, Teil V; Opus tertium, Kap.  80–89) . . . . . . LXXXVIII 3.5.1 Die Quellen der Perspektivik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XCII 3.5.2 Das Licht und die Vervielfältigung der species . . . . . . . . . . . XCVII 3.6 Die Erfahrungswissenschaft (Opus maius, Teil VI; Opus tertium, Kap.  104) . . . . . . . . . . . . . CI 3.7 Die Moralphilosophie (Opus maius, Teil VII; Opus tertium, Kap.  105–110) . . . . . . . . CXI 4. Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CXVIII 5.

Zu dieser Edition und Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CXXII

6. Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . CXXVI

VI

Inhalt

RO G E R B AC O N Opus tertium TEIL I Brief des Papstes Clemens IV. an Roger Bacon . . . . . . . . . . . . . . . 5 KAPITEL 1

Brief Roger Bacons an den Papst Clemens [IV.] . . 7

KAPITEL 2 Gründe für die Verzögerung der Arbeit . . . . . . . . 27 KAPITEL 3 Weitere Gründe für die Verzögerung . . . . . . . . . . . 31 KAPITEL 4 Alle Wissenschaften sind miteinander verbunden 35 KAPITEL 5 Erster Grund für eine einführende Abhandlung vom Nutzen der Wissenschaften . . . . . . . . . . . . . . 37 KAPITEL 6 Zweiter Grund für eine einführende Abhandlung. 41 KAPITEL 7 Dritter Grund für eine einführende Abhandlung 45 KAPITEL 8 Vierter Grund für eine einführende Abhandlung

47

KAPITEL 9 Die Beseitigung von fünf Einwänden . . . . . . . . . . . 51 KAPITEL 10 Weiteres über den vierten Grund für eine einführende Abhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 KAPITEL 11 Über Mathematik und Perspektivik . . . . . . . . . . . . 71 KAPITEL 12 Über die Alchemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 KAPITEL 13 Über die Erfahrungswissenschaft . . . . . . . . . . . . . 87 KAPITEL 14 Über die Moralphilosophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 KAPITEL 15 Die Moralphilosophie ist das Ziel aller Wissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 KAPITEL 16 Über die Schwierigkeiten des Verfassens grund­ legender Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 KAPITEL 17 Gründe Roger Bacons für das Verfassen seiner ­Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

Inhalt

VII

KAPITEL 18

Weitere Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

KAPITEL 19

Über Bacons Boten Johannes . . . . . . . . . . . . . . . . 125

KAPITEL 20

Mit der richtigen Methode könnten die Menschen alles in sehr kurzer Zeit lernen . . . . . 129

KAPITEL 21

Bemerkungen über die Funktion des Opus minus und des Opus tertium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

KAPITEL 22

Über die vier Gründe des Irrtums (Opus maius, Teil I) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

KAPITEL 23

Über den tätigen Intellekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

KAPITEL 24

Über das Verhältnis von Philosophie und Theologie (Opus maius, Teil II) . . . . . . . . . . . . . . 163

KAPITEL 25

Über die Sprachen der Weisheit (Opus maius, Teil III) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

KAPITEL 26

Über den Nutzen der Sprachen für die Kirche. . 195

KAPITEL 27

Über sprachliche Zeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

KAPITEL 28

Über die Mathematik (Opus maius, Teil IV) . . . 209

KAPITEL 29

Die Mathematik ist die erste aller Wissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

KAPITEL 30

Über die Astrologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

KAPITEL 31

Einführendes über die species . . . . . . . . . . . . . . . 221

KAPITEL 32

Über die Vervielfältigung der species durch ­gebrochene Strahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

KAPITEL 33

Über die Vervielfältigung durch reflektierte Strahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229

KAPITEL 34

Über die Vervielfältigung entlang akzidentieller ­Nebenlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

KAPITEL 35

Über die Ausbreitung der species . . . . . . . . . . . . 235

KAPITEL 36

Über die Wirkungsweise der species . . . . . . . . . . 237

KAPITEL 37

Über Astronomie und Geographie . . . . . . . . . . . 243

VIII

Inhalt

KAPITEL 38

Über die Einheit der Materie . . . . . . . . . . . . . . . . 249

KAPITEL 39

Über die Teilbarkeit der Materie . . . . . . . . . . . . . 271

KAPITEL 40

Über die Weltkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

KAPITEL 41

Über das Aevum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

KAPITEL 42

Über Bewegung in einem Vakuum . . . . . . . . . . . 309

KAPITEL 43

Ob es in der Natur ein Vakuum geben kann . . . 319

KAPITEL 44

Über die Nahrungsaufnahme als Argument für ein Vakuum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329

KAPITEL 45

Weitere Argumente gegen ein Vakuum . . . . . . . 345

KAPITEL 46

Über die Bewegung geistiger Substanzen. . . . . . 351

KAPITEL 47

Ob geistige Substanzen einen Ort einnehmen. . 361

KAPITEL 48

Weiteres über die diese Frage . . . . . . . . . . . . . . . 369

KAPITEL 49

Unsere Vorstellung von geistigen Substanzen beruht auf sprachlicher Ungenauigkeit . . . . . . . . 375

KAPITEL 50

Weiteres hierüber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389

KAPITEL 51

Ob das Aevum teilbar ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395

KAPITEL 52

Erklärung für den Einschub der Diskussionen über das Vakuum, die geistigen Substanzen und das Aevum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417

KAPITEL 53

Über die Anwendung der Mathematik auf die ­Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417

KAPITEL 54

Über den Nutzen der Mathematik für die Geographie und die Zeitberechnung . . . . . . . . . 427

KAPITEL 55

Über den Nutzen der Zeitberechnung für die Heilige Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451

KAPITEL 56

Über den Termin des Pessachfestes . . . . . . . . . . 457

KAPITEL 57

Über die Berechnung des Ostersonntags . . . . . . 463

KAPITEL 58

Über den Nutzen der Geometrie für die Theologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473

Inhalt

IX

KAPITEL 59

Über Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479

KAPITEL 60

Der Nutzen der Musik für das Verständnis der ­Heiligen Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487

KAPITEL 61

Über die richtige Betonung eines Textes . . . . . . 511

KAPITEL 62

Über Satzzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521

KAPITEL 63

Über Metrik und Rhythmik . . . . . . . . . . . . . . . . . 539

KAPITEL 64

Abschließende Bemerkungen über die Musik . . 563

KAPITEL 65

Über die Verteidigung der Mathematik . . . . . . . 571

KAPITEL 66

Vom Nutzen der Mathematik für den Glauben . 575

KAPITEL 67

Vom Nutzen der Mathematik für die Berechnung des Kalenders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579

KAPITEL 68

Weiteres über den Kalende  r   . . . . . . . . . . . . . . . . 583

KAPITEL 69

Bestimmung der Tagundnachtgleichen und der ­Sonnenwenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585

Kapitel 70

Über die Mondwechsel im Zusammenhang mit dem Ostertermin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599

KAPITEL 71

Weiteres über die Berechnung des Ostertermins und die Mondzyklen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615

KAPITEL 72

Vom Nutzen der Mathematik für den Gottesdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625

KAPITEL 73

Über die wunderbare Macht der Musik . . . . . . . 629

KAPITEL 74

Weiteres über den Nutzen der Musik für die Kenntnis von Metrik und Rhythmik . . . . . . . . . . 637

KAPITEL 75

Vom Nutzen der Musik für das Predigen und über Rhetorik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641

X

Inhalt

OPUS TERTIU M TEI L II KAPITEL 76

Von dem Nutzen der Mathematik für die Lenkung des Gemeinwesens . . . . . . . . . . . . . . . . 659

KAPITEL 77

Über die Ausgangspunkte astrologischer ­Vorhersagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667

KAPITEL 78

Über die Orte der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 677

KAPITEL 79

Über die Förderung des Guten und die Verhinderung des Schlechten . . . . . . . . . . . . . . . 689

KAPITEL 80

Über die Perspektivik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 703

KAPITEL 81

Über die zehn Bedingungen, die für das Sehen ­erforderlich sind. Kap. I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 713

KAPITEL 82

Über die sichtbaren Sinnesgegenstände, die in 22 unterschieden werden. Kap. II. . . . . . . . . . . . . 719

KAPITEL 83

Über die besonderen Arten des Sehens. Kap. III. 725

KAPITEL 84

Über die Beschaffenheit des Sehens. Kap. IV . . . 727

KAPITEL 85

Über die drei allgemeinen Arten des Sehens. Kap. V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 729

KAPITEL 86

Über das Erkennen eines sichtbaren Gegenstandes durch logisches Schließen. Kap. VI . . . . 733

KAPITEL 87

Über die drei Teile der Perspektivik. Kap. VII . . 739

KAPITEL 88

Über das Sehen von gebrochenen Strahlen. Kap. VIII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 747

KAPITEL 89

Über die Anwendung dieser Wissenschaft auf die Weisheit. Kap. IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 753

KAPITEL 90

Über die Bewegung der Himmelskörper . . . . . . 759

KAPITEL 91

Die Ansicht des Ptolemäus über die zwei ersten Himmelsbewegungen . . . . . . . . . . . . 763

KAPITEL 92

Über die Bewegung der Sonne. II . . . . . . . . . . . . 767

Inhalt

XI

KAPITEL 93

Über die Bewegungen des Mondes. III . . . . . . . . 771

KAPITEL 94

Über die Bewegung von Saturn, Jupiter und Mars. IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 773

KAPITEL 95

Über die Bewegungen von Venus und Merkur. V 777

KAPITEL 96

Über die Ansichten anderer, die Ptolemäus nachgeahmt haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 779

KAPITEL 97

Bemerkenswert ist auch die Ansicht des Alpetragius, der sich bemüht, die vorher genannten Ansichten zurückzuweisen und die ­A nsichten der Naturphilosophen zu stärken . . . 783

KAPITEL 98

Über eine andere Bewegung, die vom ersten Himmel ausgeht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 787

KAPITEL 99

Über die Eigenbewegung der Sternensphäre . . . 789

KAPITEL 100 Hier müssen die Widersprüche zwischen ihren ­Meinungen bestmöglich dargestellt werden, und zwar zuerst die Ansicht des Ptolemäus über die b ­ eiden ersten Bewegungen . . . . . . . . . . . . . . . 797 KAPITEL 101 Über die Exzenter, die Epizykel und die Bewegungen der Planeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 809 KAPITEL 102 Über einige moderne Vorstellungen . . . . . . . . . . 821 KAPITEL 103 Über das Korpuskel des Epizykels . . . . . . . . . . . . 829 KAPITEL 104 Über die Erfahrungswissenschaft: die als würdiger als alle anderen Teile der Naturphilosophie der Perspektivik bezeichnet wird. Und die daher äußerst betrachtenswert ist . . . . . . . . . . . . . . . . . 849 KAPITEL 105 Über die Wissenschaft der fünften Essenz . . . . 881 KAPITEL 106 Über die moralische oder politische Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 895 KAPITEL 107 Über den zweiten Teil der Moralwissenschaft. . 901 KAPITEL 108 Über den dritten Teil der Moralphilosophie . . . 905 KAPITEL 109 Über den vierten Teil der Moralphilosophie . . . 911

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Inhalt

KAPITEL 110 Über den fünften Teil der Moralphilosophie . . . 943 KAPITEL 111 Über das Opus minus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 947 KAPITEL 112 Über die Rätsel der Alchemie . . . . . . . . . . . . . . . 951 KAPITEL 113 Über die Erläuterung der verschlüsselten Wörter in der Alchemie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 959 KAPITEL 114 Über die Schlüssel der Alchemie . . . . . . . . . . . . . 965

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 973 Siglenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1031 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1033 Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1061 Sach- und Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1073

EIN LEITU NG

1.  Der Entstehungshintergrund des Opus tertium Roger Bacon (1214/1216–1292/1294), von den Zeitgenossen doctor mirabilis genannt, ist für Charles S. Peirce der bemerkenswerteste Geist, »der in der Mitte des 13. Jahrhunderts schon fast wissenschaftlich dachte, erschien [ihm doch] die scholastische Vorstellung vom schlussfolgernden Denken nur als ein Hindernis der Wahrheit. Er sah, daß die Erfahrung allein uns alles lehrt […]«1. Roger Bacon lebte in einer von Kriegen, Gewalt und in allen Lebensbereichen von Auseinandersetzungen geprägten Zeit. Einer Zeit der Moderne: des Umbruchs, der Durchsetzung neuer Ordnungen in der Kirche, der Gesellschaft, der Kultur und in der Geldund Warenwirtschaft. Das Hochmittelalter ist die Hochzeit des Kaisertums wie sein beginnendes Ende, die Hochzeit des Papsttums wie der Beginn von dessen beginnender Zersetzung, die Hochzeit des Rittertums wie dessen einsetzende Auflösung, die Zeit der Minnesänger wie des Walther von der Vogelweide, des chanson de geste und des Roman de la Rose. Die größten Kathedralen wurden in dieser Zeit zu bauen begonnen, Universitäten wurden gegründet. Neue Orden entstanden. Vor allem aber herrschten apokalyptische Ängste wie zugleich Hoffnungen auf einen Wandel aller Verhältnisse, denn die Zeit des Antichrist schien nahe zu sein. Joachim von Fiore war 1202 gestorben und seine Visionen sowie seine Geschichtstheologie hatten Hoffnungen und Ängste geweckt, die alle Parteiungen und Gruppen der Zeit ansprachen. Die größte Bedrohung aber und zugleich Bestätigung dieser Ängste schien von außen zu kommen: Die Mon1 Charles S. Peirce, Die Festlegung einer Überzeugung, in: ders., Schriften I. Zur Entstehung des Pragmatismus, hg. v. Karl-Otto Apel, Frankfurt / Main 1967, S.  293.

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goleneinfälle in Europa, die in den Schlachten von Liegnitz und Sajó mit der vollständigen Vernichtung zweier europäischer Ritterheere im Jahr 1241 gipfelten, riefen in ganz Europa das schiere Entsetzen hervor2, das so groß war, dass Matthaeus Parisiensis in seiner Großen Chronik nur darüber spekulieren konnte, dass die »Tartari« (so die Bezeichnung für die Mongolen in den Quellen der Zeit) nur aus dem Tartarus, also der Hölle selbst, entsprungen sein könnten, um die Welt zu strafen und die letzten Tage einzuläuten3, wie es in der Offenbarung des Johannes steht: »Und wenn tausend Jahre vollendet sind, wird der Satanas los werden aus seinem Gefängnis, und wird ausgehen zu verführen die Heiden in den vier Örtern der Erde, den Gog und den Magog, sie zu versammeln in einem Streit, welcher Zahl ist wie der Sand am Meer.«4 Ludwig der Heilige – ein Zeitgenosse Roger Bacons und ­König von Frankreich – soll nach der Schlacht von Liegnitz zu seiner Mutter gesagt haben: »Nur Mut, wenn die, die wir Tartaren nennen, bis zu uns gelangen, treiben wir sie entweder in ihre tartarische Hölle zurück, oder sie schicken uns alle in den Himmel.«5 Auch Roger Bacon war diese Gefahr nur allzu präsent. So geht er 2  Die m. W. einzige Monographie zur Verbindung zwischen den Mongoleneinfällen und den Endzeiterwartungen Roger Bacons (und Adam Marshs) ist: Davide Bigalli, I Tartari e l’Apocalisse. Ricerche sull’escatologia in Adamo Marsh e Ruggero Bacone, Florenz 1971; allgemein zu den Mongolen im 13. Jahrhundert: Axel Klopprogge, Ursprung und Ausprägung des abendländischen Mongolenbildes im 13. Jahrhundert, Wiesbaden 1993. 3  Vgl. Matthäus Parisiensis, Chronica majora, hg. v. Henry Richards Luard, 7 Bde., Bd.  4 [A. D. 1240 – A . D. 1247], London 1877 [Nachdruck Wiesbaden 1964], S.  76; vgl. dazu auch: Auszüge aus der größeren Chronik des Matthäus von Paris. Nach der Ausgabe der Monumenta Germaniae (die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit. XIII. Jahrhundert. Fünfter Band. Matthäus von Paris), übers. v. G. Grandauer u. W. Wattenbach, Leipzig 1890, zu den Tartaren: S.  112–123. 4  Offenb. Johannes 20, 7–8. 5  Zitiert nach: Jacques Le Goff, Ludwig der Heilige, Stuttgart 2000, S.  127.

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im Opus tertium auf die Tartaren ein, die er in direkten Zusammenhang mit dem legendären Volk Gog und Magog und der Antichristlegende bringt. Er schreibt hier abschließend über den Nutzen der geographischen Studien für das christliche Europa mit Blick auf die Tartaren und ihren Platz in der Geschichte: »Siebentens ergibt sich der größte Nutzen [der Geographie] aus der [Zurückschlagung der] Gewalt der Völker, die die Welt überfallen werden, wie zum Beispiel die in den Hirkanischen Bergen eingeschlossenen Juden und Gog und Magog. Weiterhin gibt es noch die Völker, die von Alexander dem Großen hinter den Toren in der Nähe des Kaspischen Meeres eingesperrt worden sind, und natürlich den Antichrist mit seinem Gefolge. Denn sie werden alle gegen Ende der Welt am Tag des Antichrist hervorbrechen und die Völker der Welt heimsuchen; schließlich hat schon Hieronymus geschrieben, dass die von Alexander eingeschlossenen Völker ihre Tore und Schlösser aufbrechen und dem Antichrist entgegenziehen werden. Und sie werden ihn den Gott der Götter nennen. Wenn wir also wüssten, aus welchem Teil der Welt diese Völker kommen werden, könnten wir darauf schließen, dass der Antichrist aus dem entgegengesetzten Teil kommen wird. Zudem haben die Tartaren ohne Zweifel bereits die Tore niedergerissen, das Gefängnis Alexanders überwunden und die Welt verwüstet. Daher müssen wir uns sehr vor ihnen fürchten.«6

Zugleich fesselte ihn die Neugier auf diese neu auftretenden Völker, wie wir sie aus seinen Aufzeichnungen zu Wilhelm von Rubrucks Reise zum Großkhan7 in seinem Opus maius entnehmen können8, der im Auftrag Ludwig IX. gereist war, der bei aller Sorge 6  Siehe S.  683 in dieser Übersetzung (im Folgenden nur zitiert als: OT). 7  Vgl. Wilhelm von Rubruk, Reisen zum Grosskhan der Mongolen: von Konstantinopel nach Karakorum 1253–1255, hg. v. Hans Dieter Leicht, Wiesbaden 2012. 8 Siehe die Erwähnungen Wilhelm von Rubrucks in: Roger Bacon, Opus maius, hg. v. John H. Bridges, 3 Bde., Oxford 1897–1900, Bd.  1, S.  303, 305, 322, 356, 400 sowie ebd., Bd.  2, S.  368. Die Informationen, die Bacon

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im Rahmen seiner Kreuzzugsplanungen zugleich Hoffnungen an die Mongolen knüpfte. Europa schien für diese Bedrohung nicht gerüstet zu sein, da es selbst von Kämpfen zerrissen war. So hat Roger Bacon mit den Päpsten Gregor IX. (1227–1241), Innozenz IV. (1242–1254), Alexander IV. (1254–1261) und Clemens IV. (1265–1268) machtbewusste Päpste erlebt, die mit Friedrich II., dem »Staunen der Welt und ihrem wunderbaren Verwandler« (stupor quoque mundi et immuta­ tor mirabilis), einen mindestens ebenso bedeutenden Gegenspieler um die geistige und weltliche Vorherrschaft in Europa hatten – und er hat auch die Kämpfe nach dem Untergang der Staufer um eine Neuordnung der europäischen Staaten erlebt. Zugleich war er Zeitgenosse Ludwigs IX. (1226–1270)9, dessen Hauskaplan Robert de Sorbon das theologische Kollegium an der Pariser Universität gründete und dessen Nähe und vertrauter Umgang mit den neuen Bettelorden vielleicht auch Roger Bacon bei seiner Entscheidung, in den Franziskanerorden einzutreten, beeinflusst hat.10 Doch die Päpste kämpften in dieser Zeit nicht nur gegen den Kaiser, sondern versuchten auch, die Kirche auf ein neues Fundament zu stellen und zugleich zahlreiche Häresien zu bekämpfen, wofür die Vernichtung der südfranzösischen Katharer – in deren Zuge auch der Dominikanerorden gegründet worden war – das bekannteste Beispiel ist. Während man in Südfrankreich die Ka­ tha­rer vernichtete, erstarkten in Nordfrankreich die freien Städte aus dem Bericht Rubrucks entnommen hat, sind aufgeführt in: Jarl Charpentier, William of Rubruck and Roger Bacon, in: Geografiska Annaler 17, 1935, S.  255–267. – Siehe weiterführend auch: Michèle Gueret-Laferté, Le voyageur et le géographe. L’insertion de la relation de voyage de Guillaume de Rubrouck dans l’Opus Majus de Roger Bacon, in: La Géographie au Moyen Age. Espaces pensées, espaces vécus, espaces révés, Perspectives médiévales, Suppl. 24, 1998, S.  81–96; Nikolaus A. Egel, Die Welt im Übergang, Heidelberg 2014, S.  147 ff. 9  Vgl. zu Ludwig IX.: Jacques LeGoff, Ludwig der Heilige, Stuttgart 2000, insb. S.  658 ff. 10  Vgl. dazu zum Beispiel: ebd., S.  288 ff.

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und handelten mit dem französischen Königtum weitreichende eigenständige Rechte aus. Eine Entwicklung, die in Italien schon viel früher eingesetzt hatte: Mailand, Florenz, Venedig und Genua waren nicht nur freie Stadtrepubliken, sondern zentrale europäische Wirtschaftsmächte, die ihren Handel zu dieser Zeit bis an die Grenzen der damals bekannten Welt ausgeweitet hatten. Hier war eine neue Klasse von Bürgern entstanden, die in erster Linie dezidiert wirtschaftliche Interessen verfolgten und die als eigenständige politische Akteure auftraten, was auch zu wechselnden Bündnissen sowie zu blutigen Konflikten zwischen den Stadtrepubliken und dem Reich (resp. Friedrich II.) führte. Für die Grausamkeit der Zeit sei an die Worte des päpstlichen Legaten, des Abtes Arnaud Amaury, erinnert, der auf die Frage, ob sich unter den Einwohnern von Béziers neben den Katharern nicht auch »rechtgläubige Christen« befänden und wie man sich da verhalten solle, kurz und trocken bemerkt haben soll: »Tötet sie alle, der Herr wird die Seinen erkennen.«11 Die Gründung des Franziskanerordens durch Franz von Assisi, der ursprünglich aus einer reichen Tuchhändlerfamilie stammte, Ritter werden wollte und in einem der Kriege zwischen den Stadtrepubliken (zwischen Assisi und Perugia im Jahr 1202) gefangen genommen wurde, sei in diesem Zusammenhang ebenfalls erwähnt, da Roger Bacon selbst später in diesen Orden eintrat. Dieses Kriegserlebnis muss Franz von Assisi so sehr verstört haben, dass er eine radikale Entscheidung traf, die in der Abkehr von der Welt bestand. Viele folgten ihm in den nächsten Jahren und traten in den Franziskanerorden ein, der – im Gegensatz zu anderen ähnlichen Bewegungen der Zeit, wie etwa der der Waldenser und der Humiliaten12 – durch Papst Innozenz III. im Jahr 1209 aus 11  Vgl. Caesarius von Heisterbach, Caesarii Heisterbacensis monachi ordinis Cisterciensis Dialogus miraculorum, hg. v. Joseph Strange, Köln u. a. 1851, Bd.  1, S.  302. 12  Siehe zu diesen Bewegungen: Ketzergeschichte des Mittelalters, hg. v. Herbert Grundmann, Göttingen 1963, S.  22–33; von einem ökonomi-

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Einsicht in die Reformbedürftigkeit der Kirche heraus approbiert worden war.13 An allen diesen Bewegungen zeigt sich: Es war für viele Menschen einfach zu viel Moderne auf einmal. Das 13. Jahrhundert war aber nicht nur durch große politische und soziale Umwälzungen geprägt, sondern auch im Bereich der Wissenschaften gab es durch die seit dem 12. Jahrhundert einsetzenden Übersetzungen vieler griechischer philosophischer Texte aus dem Arabischen zahlreiche neue Entwicklungen, die an den ebenfalls in dieser Zeit gegründeten Universitäten in ganz Europa zu erheblichen Konflikten in der akademischen Welt – von der Theologie, über die Philosophie bis zu den politischen Wissenschaften – führten. Mit der Universität war eine neue Bildungs­ institu­tion entstanden14, die eine bis dahin unbekannte intellektuelle und kritische Diskussionskultur nicht nur ermöglichte, sondern notwendig machte und förderte.15 Es stellte sich zugleich drängend die Frage nach einer Neuordnung des Wissens sowie nach dem Stellenwert, den die neuen Texte und Wissenschaften im Lehrplan der ebenfalls neuen Universitäten und in der Kirche schen und marxistischen Standpunkt betrachtet diese Phänomene: Karl Kautsky, Vorläufer des neueren Sozialismus, 2 Bde., Bd.  1: Kommunistische Bewegungen im Mittelalter, Berlin 21947, S.  193 ff. 13  Vgl. Jacques Le Goff, Franz von Assisi, Stuttgart 2006; einführend ebenfalls lesenswert: Helmut Feld, Franziskus von Assisi, München 22007. 14  Siehe für einen Überblick: Geschichte der Universität in Europa, hg. v. Walter Rüegg, 2 Bde., Bd.  1: Mittelalter, München 1993; speziell zu Oxford, wo Bacon studiert hat: The History of the University of Oxford, 2 Bde., Bd.  1: The Early Oxford Schools, hg. v. J. I. Catto, Oxford 1984; Sammlung der Statuten und sonstiger Dokumente für die Universität Paris: Chartularium Universitatis Parisiensis, hg. v. Emile Chatelain u. Heinrich Denifle, 4 Bde., Paris 1889–1897. 15  Zur Organisation und zum Klima der Studien lesenswert: Jacques Le Goff, Die Intellektuellen im Mittelalter, Stuttgart 31991. – Zu den Studien im Franziskanerorden, dem Roger Bacon wahrscheinlich seit 1257 angehörte, siehe: Hilarin Felder O.CAP., Geschichte der wissenschaftlichen Studien im Franziskerorden bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts, Freiburg 1904.

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einnehmen sollten, für welche Kämpfe und Konflikte die Verurteilung von 219 als häretisch bewerteten Thesen in Paris im Jahr 1277 durch den damaligen Bischof Stephan Tempier nur das bekannteste Beispiel ist.16 Im Jahr 1272 beschrieb auch Roger Bacon in seinem Kompen­ dium für das Studium der Philosophie die furchtbaren Zustände seiner Zeit und die Probleme des universitären Studiums ausführlich und mit eindringlichen Worten, die wichtig sind, weil die Verbesserung dieser Zustände das Grundanliegen seines gesamten Schaffens bildet. Für Bacon waren alle Missstände seiner Zeit eine Folge mangelnden Wissens und der schlechten Ausbildung der damaligen Eliten. Die päpstliche Kurie, die Kirche, jeder Stand und jeder Orden war von diesen Missständen betroffen.17 Die Welt brauchte ganz dringend eine Reform; vor allem eine Reform der Universität und damit der Ausbildung, sodann – daraus folgend – der Welt: »Sicher ist jedenfalls, dass sich das gesamte Studium seit vierzig Jahren im äußersten Zustand der Verdorbenheit befindet. Und diese Verdorbenheit tritt in so vielen Facetten auf, dass es so scheint, als verwalte sie der Teufel selbst. Aber wenn die Menschen im Studium verdorben werden, werden sie es notwendigerweise auch im Leben sein. Sie verlassen [das Studium] und übernehmen Ämter in der Kirche und den Königtümern, sie beraten dann die Fürsten, die Übergeordneten, die Prälaten und das gesamte Laienvolk.«18

16  Vgl. Aufklärung im Mittelalter? Die Verurteilung von 1277, hg. u. übers. v. Kurt Flasch, Mainz 1989. 17  Vgl. Roger Bacon, Kompendium für das Studium der Philosophie, übers. u. hg. v. Nikolaus Egel, Hamburg 2015, S.  21 f. – Eine aktuelle Edition mit englischer Übersetzung liegt ebenfalls vor: Roger Bacon, Compendium of the Study of Philosophy, hg. u. übers. v. Thomas S. Maloney, Oxford 2018. 18  Roger Bacon, Kompendium für das Studium der Philosophie, a.  a. O., 25 f.

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An diesem Zitat wird bereits deutlich, dass Roger Bacon19 eine sehr kritische und aufmüpfige Persönlichkeit war, ein outsider, der dem Gehorsamsideal, das für den Franziskanerorden – dessen Mitglied er ab 1257 war – verpflichtend war, nur schwer folgen konnte.20 Er war in dieser Zeit ein an den gesellschaftlichen Zuständen verzweifelnder Mann, der seine Zeit mit Entsetzen sah und der sich im Alter gedrängt fühlte, zur Verbesserung derselben sich noch einmal zu äußern. Aber er war auch ein Mann, der eine sich ihm bietende Möglichkeit zur Verbesserung der Welt mit bewundernswerter Energie hatte nutzen wollen: In dem enorm kurzen Zeitraum zwischen 1266 und 1268 verfasste Roger Bacon mit dem Opus maius21, dem Opus minus22 und dem Opus tertium seine drei Hauptwerke auf eine briefliche Aufforderung23 des damaligen Papstes Clemens IV. hin. Zudem entstanden in dieser Zeit zwei weitere eigenständige Abhandlungen, die Roger Bacon ebenfalls an den Papst sandte24: 19 Zur Biographie Bacons verweise ich auf: Roger Bacon, Kompendium für das Studium der Philosophie, a.  a. O., S.  X IV–XXXII; ders., Opus maius: Teile I, II und VI. Brief an Papst Clemens IV. Brief über die geheimen Werke der Natur und der Kunst, übers. v. Nikolaus Egel u. Katharina Molnar, hg. v. Nikolaus Egel, Hamburg 2017, S.  V II–XIV. 20  Dafür spricht – neben dem sehr angriffslustigen Ton seiner Texte – auch die Tatsache, dass er sich in den 1260er Jahren in Paris aufhielt, wohl weil er in Oxford Streit mit einem Mitbruder hatte, dessen Vorlesungen er öffentlich kritisiert hatte. – Vgl. Eugenio Massa, Roger Bacons Werke für Papst Clemens IV. Textkritische Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte von Opus maius, Opus minus und Opus tertium, in: Roger Bacon in der Diskussion, hg. v. Florian Uhl, 2 Bde., Frankfurt / Main u. a. 2001, Bd.  2, S.  13–100, S.  71 f. 21  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, 3 Bde., hg. v. John H. Bridges, Oxford 1897–1900; englische Übersetzung: The Opus majus of Roger Bacon, 2. Bde., hg. u. übers. v. Robert B. Burke, Philadelphia 1928; deutsche Übersetzung: ders., Opus maius: Teile I, II und VI, a.  a. O. 22  Vgl. Roger Bacon, Opus minus, in: Fr. Rogeri Bacon, Opera quaedam hactenus inedita, hg. v. John S. Brewer, London 1859, S.  313–389. 23  OT, S.  5. 24  Vgl. Roger Bacon’s Philosophy of Nature. A Critical Edition, with

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seine naturphilosophische Schrift De multiplicatione specierum (Über die Vervielfältigung der species) und der Traktat De speculis comburentibus (Über Brennspiegel).25 Die drei oben genannten Schriften waren von Bacon jedoch nicht als abgeschlossene Werke gemeint, sondern als vorläufige Überzeugungsschriften (persuasiones), die er an Papst Clemens  IV. schickte, um dessen Unterstützung für seine Reformpläne des universitären Bildungssystems sowie der Gesellschaft zu gewinnen. Eine grundlegende und umfassende Schrift sollte in der Vorstellung Roger Bacons erst folgen, wenn der Papst sich mit seinen Reformvorschlägen einverstanden erklären und ihm seine Unterstützung zusichern sollte. Das hier vorliegende Opus tertium ist als »drittes Werk« zu weiten Teilen eine Zusammenfassung der zwei vorangehenden Werke (des Opus maius und des Opus minus), die er zur Zeit der Abfassung des Opus tertium im Jahr 126726 bereits an den Papst gesandt hatte27. Ob Bacon das Opus tertium jemals an den Papst ­abgeschickt hat, ist eine offene Frage. English Translation, Introduction, and Notes, of De multiplicatione spe­ cierum and De speculis comburentibus, hg. v. David C. Lindberg, Oxford 1983, S.  xxxii f. 25  Vgl. ebd. 26  Dass Bacon sein Opus tertium im Jahr 1267 geschrieben hat, geht aus einer Bemerkung in diesem Werk hervor, in der es um die Berechnung der Tagundnachtgleichen geht: »Doch vom Zeitpunkt des Beweises durch Ptolemäus bis jetzt sind 1127 Jahre unseres Herrn vergangen, weil das derzeitige Jahr das Jahr 1267 ist, von dem an 1127 Jahre bleiben, wenn man die 140 Jahre abzieht, die seit der Geburt unseres Herrn bis zum Beweis des Ptolemäus vergangen sind.« (In: OT, S.  591.) 27  Die Datierung der drei Werke war in der Roger-Bacon-Forschung lange eine vieldiskutierte Frage, da Pierre Mandonnet im Jahr 1913 die These formuliert hatte, dass das Opus maius erst nach dem Opus minus und dem Opus tertium fertiggestellt worden sei. Eugenio Massa konnte diesen Zweifel jedoch überzeugend ausräumen, weshalb ich das in der Einleitung nicht ausführlich diskutieren werde. – Vgl. dazu: Pierre Mandonnet, Roger Bacon et la composition des trois »Opus«, in: Revue Néosco-

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Das Opus maius ist Roger Bacons umfangreichste und umfassendste Schrift, die jedoch ihrerseits nur den Charakter einer vorläufigen Einleitung, resp. eines – um es mit einem heutigen Begriff zu formulieren – Förderungsantrags hat (was anhand des Umfangs von drei Bänden in der Edition John H. Bridges’ bemerkenswert ist und ein bezeichnendes Licht auf die Ambitionen R ­ oger Bacons wirft). Daraufhin hat er, sozusagen um seine Überzeugungsschrift nochmals zu überarbeiten und die Dringlichkeit seines Anliegens weiter zu verdeutlichen, sein »kleines Werk« (Opus minus) und sein hier vorliegendes »drittes Werk« (Opus tertium) verfasst, das sowohl das im Opus maius als auch das im Opus minus Behandelte weiter zusammenfassen und erweitern sollte. 1.1  Die Situation Roger Bacons zur Zeit der Abfassung des Opus tertium Die Vorgeschichte der Abfassung der drei großen Werke Bacons ist ebenso erstaunlich wie das Ereignis selbst. Im Jahr 1264 muss es dem Kleriker Raimund von Laon gelungen sein, das Interesse des Kardinals Guy de Foulques – zu diesem Zeitpunkt Berater Ludwigs IX. – am Werk Roger Bacons zu wecken, der daher eine Abschrift erbitten ließ.28 Der Wunsch blieb jedoch vorerst vergeblich, weil Bacon zu diesem Zeitpunkt noch nichts verschriftlicht hatte. Als Guy de Foulques am 5. Februar 1265 in Nachfolge Urbans IV. in Perugia zum Papst gewählt worden war, nahm Bacon den Kontakt – vermittelt durch den Ritter William Bonecor29 – wieder auf und war erfolgreich: Auf den 22. Juni 1266 ist ein Brief des Papslastique de philosophie 20, 1913, S.  52–68; Eugenio Massa, Roger Bacons Werke für Papst Clemens IV. Textkritische Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte von Opus maius, Opus minus und Opus tertium, in: ­Roger Bacon in der Diskussion, a.  a. O., Bd.  2, S.  13–100. 28  Vgl. Charles B. Vanderwalle, Roger Bacon dans l’histoire de la philologie, in: France franciscaine 12, 1929, S.  77–90, S.  82. 29  Vgl. Eugenio Massa, Roger Bacons Werke für Papst Clemens IV. Text­

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tes Clemens IV. als Antwort eines Briefes Bacons30 datiert, in dem er ihn bittet, »uns jenes Werk […], ungeachtet der gegenteiligen Vorschrift irgendeines Vorgesetzten oder irgendeiner Bestimmung deines Ordens, in schöner Schrift geschrieben, so schnell wie möglich zu übersenden«31. Mit diesem kleinen, auf einem Missverständnis beruhenden Brief initiierte Clemens IV. (von ihm sicher nicht in dieser Form intendiert) zwar eines der bemerkenswertesten Projekte des Hohen Mittelalters, zugleich muss er Bacon jedoch in große Verlegenheit gebracht haben, da Bacon zu dieser Zeit ja noch nichts verfasst hatte und daher das von ihm Erbetene nur mit Verzögerung liefern konnte: »Dennoch kam die eingetretene Verzögerung zwangsläufig und gegen meinen Willen zustande, und ich bedauerte dies sehr und bedauere es noch. Denn als ihr letztes Mal geschrieben habt, war das, was ihr verlangtet, nicht verfasst, wenngleich ihr dies geglaubt habt. In meinem anderen [weltlichen] Stand habe ich nämlich keinerlei Buch über die Philosophie verfasst, und auch nicht in dem, in dem ich jetzt bin. Ich wurde darüber von meinem Ordensoberen befragt. Denn es wurde dagegen eine schwerwiegende Konstitution erlassen mit Vorschrift kritische Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte von Opus ma­ius, Opus minus und Opus tertium, a.  a. O., S.  14. 30  Dieser Brief ist nicht mehr erhalten, dass Bacon jedoch zumindest einen Brief an Clemens IV. geschickt haben muss, geht aus der Antwort des Papstes hervor, der gleich zu Beginn seines Briefes schreibt: »Wir haben deine an uns gerichteten Briefe mit großer Freude erhalten […].« In: OT, S.  5. – Einen Brief Bacons an den Papst, der wahrscheinlich dem Opus maius vorausging, liegt vor in: Roger Bacon, Brief an Papst Clemens  I V., in: ders., Opus maius, Teile I, II und VI, a.  a. O., S.  3–56. – Siehe zum Verhältnis Bacons zu Guy de Foulques: Theodore Crowley, Roger Bacon. The ­Problem of the Soul in his Philosophical Commentaries, Löwen 1950, S.  34–42; Stewart C. Easton, Roger Bacon and his Search for a Universal Science, a.  a. O., S.  144–166; Amanda Power, Roger Bacon and the Defence of Christendom, Cambridge 2013, S.  63–73. 31  OT, S.  5.

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und Strafandrohung des Buchverlustes und mehrtägigen Fastens bei Wasser und Brot, wenn irgendeine bei uns entstandene Schrift anderen Leuten mitgeteilt würde.«32

Neben der Tatsache, dass Bacon noch nichts geschrieben hatte, weshalb »sich euer Kleriker Raimund von Laon ganz und gar getäuscht [hatte], als er mich Euch gegenüber erwähnte«33, weist ­Bacon hier auf ein weiteres Problem hin, das auch Clemens IV. in seinem Brief erwähnt hatte: Es gab eine Vorschrift des Franziskanerordens, die es den Brüdern untersagte, Schriften ohne Einwilligung der Ordensoberen zu veröffentlichen.34 Die Konstitution, die infolge der kontroversen Reaktionen auf das joachimitische Liber introductorius in Evangeliam aeternam35 des Gerhard von Borgo San Donnino36 erlassen worden war und auf die der Papst und ­Bacon hier anspielen, ist die des Generalkapitels zu Narbonne von 1260, das von Bonaventura, der ab 1257 Generalminister des Franziskanerordens war, einberufen worden war und an dem auch der Papst Clemens IV. – zu dieser Zeit noch Guy de Foulques, Erz­

32  OT, S.  27. 33  OT, S.  27. 34  Der Wortlaut dieser Konstitution lautet: »Auch verbieten wir, dass in Hinkunft irgendeine neue Schrift außerhalb des Ordens publiziert wird, wenn sie nicht zuvor sorgfältig vom Generalminister oder vom Provinzial und den definitores im Provinzialkapitel geprüft wurde. Und wer immer dagegen verstößt, soll drei Tage bei Wasser und Brot fasten und der Schrift verlustig gehen.« (In: Eugenio Massa, Roger Bacons Werke für Papst Clemens IV. Textkritische Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte von Opus maius, Opus minus und Opus tertium«, a.  a. O., S.  16.) 35  Der Text ist nicht mehr erhalten, lässt sich aber anhand der Prozess­ akten von Anagni rekonstruieren. – Vgl. hierzu: Heinrich Denifle, Das Evangelium aeternum und die Commission zu Anagni, in: Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte des Mittelalters 1, 1885, S.  49–98. 36  Vgl. Dieter Berg, Art. ›Gerhard von Borgo San Donnino‹, in: Lexikon des Mittelalters, Bd.  4, Stuttgart 1989, Sp.  1316.

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bischof von Narbonne – teilgenommen hatte.37 Die Schrift Gerhards war bereits mit Thesen Joachims von Fiore auf dem Kardinalskonzil von Anagni (1255) verboten worden. Gerhard selbst wurde bis an sein Lebensende eingekerkert. Roger Bacon muss wegen dieser Verordnung besorgt gewesen sein, sogar so besorgt, »dass ich die Hoffnung verlor, veröffentlichen zu können«38. Allerdings beinhaltete diese Vorschrift nur dann ein Publikationsverbot, wenn eine Schrift nicht zuvor geprüft worden war. Bacon wird also damit gerechnet haben, dass seine Schriften die Zensur innerhalb des Ordens nicht würden passieren können. Er war zu diesem Zeitpunkt isoliert und allein: Vor sich eine Welt, die er verändern wollte, hinter sich nur seine Vorgesetzten, die »mit unsagbarer Heftigkeit darauf bestanden, dass ich mitsamt den anderen ihrem Willen gehorchen solle«39. Hoffnung setzte er in den Papst, der auch der Grund dafür war, dass Bacon seinen Vorgesetzten nicht gehorchen konnte: »Aber das konnte ich doch nicht, weil Euer Befehl mich band, der mich zu dem Werk für Euch verpflichtete, ungeachtet irgendeines Gebotes vonseiten meiner Vorgesetzten.«40 Doch der Papst scheint nicht geholfen zu haben: »Und gewiss deshalb, weil ich von Euch nicht entschuldigt war, begegnete ich so vielen und so großen Hindernissen, wie ich es gar nicht beschreiben kann.«41 Bacon nennt uns die weiteren dieser Hindernisse im Opus ter­ tium, die ein bezeichnendes Licht nicht nur auf seine problematische Situation, sondern allgemeiner auch auf die Arbeitsbedingungen von Intellektuellen im 13. Jahrhundert werfen. Da Bacon seine Schriften an den Papst im Geheimen verfassen musste, hätte er – um schneller voranzukommen – keine ordensinternen Schrei37 Vgl. Eugenio Massa, Roger Bacons Werke für Papst Clemens IV. Textkritische Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte von Opus maius, Opus minus und Opus tertium«, a.  a. O., S.  16. 38  OT, S.  27. 39  OT, S.  31. 40  OT, S.  31. 41  OT, S.  31.

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ber, sondern externe Laien als Kopisten seiner Schriften anstellen müssen. Eine gefährliche Sache, da solche Laienkopisten durchaus ihre eigenen Geschäftsinteressen damit verbanden und seine Werke missbräuchlich hätten verbreiten können.42 Außerdem hätten diese Kopisten Geld gekostet, das Bacon jedoch nicht hatte und aufgrund seiner Ordenszugehörigkeit gar nicht haben durfte: »Darüber hinaus stand ich noch vor einer anderen Art von Hindernis, das genügte, das ganze Unternehmen zu Fall zu bringen: Es war das Fehlen finanzieller Mittel. Denn es mussten mehr als sechzig Pariser Pfund für diese Arbeit aufgewandt werden, wofür ich die Ursachen und Gründe später an gegebener Stelle ausführlich angeben werde.«43

Auch hier hätte der Papst helfen müssen, was er jedoch nicht getan hat. Damit war Bacon in einer unhaltbaren Position. Da der Papst kein Geld geschickt hatte44, versuchte Bacon bei anderen Personen an Geld zu kommen. Doch auch dies vergeblich, weil seine Freunde ebenso arm gewesen sein müssen wie er selbst zu diesem Zeitpunkt.45 Neben diesen Hindernissen nennt Bacon noch einen weiteren und entscheidenden Grund für die Verzögerung seiner Arbeit: die Neuheit seiner Vorschläge: der Papst müsse ihm die Verzögerung der Arbeit nachsehen, weil er über Dinge schriebe, die noch keiner vor ihm behandelt hätte. Er betrat nach seiner eigenen Überzeugung mit seinen Werken wissenschaftliches Neuland:

42  OT, S.  27. 43  OT, S.  31. 44  Was auch daran liegen mag, dass die Kurie unter Clemens IV. – wie bereits unter seinen Vorgängern – hochverschuldet war und wenig Geld hatte. Bereits Papst Innozenz IV. musste sich 1243 vor den Gläubigern seines Vorgängers verstecken. – Vgl. Adolf Gottlob, Päpstliche Darlehensschulden des 13. Jahrhunderts, in: Historisches Jahrbuch 20, 1899, S.  665– 717, S.  675. 45  Vgl. OT, S.  33.

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XXVII

»Das könnt ihr durch hochberühmte Gelehrte in der Christenheit prüfen; einer von ihnen ist Bruder Albert[us Magnus] vom Predigerorden, der andere Meister Wilhelm von Shyreswood, der Schatzmeister der Kirche von Lincoln in England, der noch bei weitem gelehrter als Albert ist, denn in der Philosophie übertrifft ihn keiner. Eure Weisheit möge ihnen also schreiben und die Abschnitte jener Werke angeben, die ich geschickt habe und die ich in dieser dritten Schrift behandeln werde, und ihr werdet sehen, dass zehn Jahre vergehen, bevor sie Euch das schicken, was ich geschrieben habe.«46

Der Stoff, den Bacon zu behandeln hatte, war zu anspruchsvoll, ging es doch um nichts weniger als um eine Neuordnung der Wissenschaften und des Bildungswesens seiner Zeit unter Einbeziehung neuer und bis dahin weitestgehend unbekannter Wissenschaften. Von wem anderen als Bacon hätte Clemens IV. überhaupt entsprechende Texte erhalten können, in welcher Zeit auch immer? Es sind ganz neue Wissenschaften, mit denen Roger Bacon sich hier beschäftigt,47 von denen für Bacon jedoch ganz klar war, »dass wir in einem Jahr mehr wüssten als derzeit in zwanzig«48, wenn man den Unterricht in diesen Wissenschaften nur institu­ tio­nalisieren würde. In der Tat kennt Roger Bacon neben Robert Grosseteste und Adam Marsh nur einen, den er als wissenschaftliches Idealbild immer wieder in seinen Schriften nennt, und das ist der Magister Peter von Maricourt, der eine von der Universität unabhängige Gelehrtenlaufbahn eingeschlagen hatte. Leider ist über ihn nur wenig bekannt. Unter anderem hat er über Astronomie, Astrolabien und Brennspiegel geschrieben; wir haben von ihm zudem einen 46  OT, S.  29. 47  »Doch wozu verheimliche ich hier die Wahrheit? So sage ich Euch, dass ihr unter den Lateinern niemanden finden werdet, der diesen Bereich der Wissenschaft erschöpfend behandelt, weder in einem noch in zehn Jahren.« (In: OT, S.  29.) 48  OT, S.  133.

XXVIII

Einleitung

der ersten lateinischsprachigen Texte über den Magneten überliefert.49 Lassen wir Roger Bacon selbst zu Wort kommen, weil die Beschreibung Peter von Maricourts zum einen einen Typus von Wissenschaftler vorstellt, den man im 13. Jahrhundert nicht erwartet, und zum anderen einen Eindruck davon zu geben vermag, wo Roger Bacons eigene Interessen lagen: »Denn ich kenne nur einen [Peter von Maricourt], der in den Arbeiten dieser Wissenschaft [der Erfahrungswissenschaft] rühmend genannt werden kann; geht es ihm doch nicht um schönes Gerede und Wortgefechte, sondern er geht den Werken der Weisheit nach und findet darin Befriedigung. Was andere nur blind zu sehen vermögen wie die Fledermäuse im Zwielicht, ergreift er in vollem Licht, weil er der Meister des Experimentes ist; durch die Erfahrung erhält er Wissen über die Dinge der Natur, über medizinische und alchemische Dinge und über alle Phänomene im Himmel und auf der Erde; daher schämt er sich, wenn Laien oder alten Weiblein oder Soldaten oder Bauern Dinge bekannt sind, die er nicht weiß. Daher hat er sich alle diejenigen Werke, die sich mit den Metallen, mit Gold und Silber und anderen Metallen und Mineralen beschäftigen, ganz genau angeschaut; er weiß alles, was mit der Kriegskunst, mit Waffen und mit der Jagd zu tun hat. Er hat sich eingehend mit der Landwirtschaft, mit der Vermessung und der Arbeit der Bauern beschäftigt; sogar über die Erfahrungen der alten Weiblein und der Wahrsagerei, ihrer und der Magier Zaubersprüche hat er sorgfältig nachgedacht, ebenso wie über die Täuschungen und Tricks der Spaßmacher, damit ihm nichts, was man wissen könnte, entgeht und damit er fähig ist, die Falschheiten der Magier zu entlarven. Daher ist es ohne ihn unmöglich, die

49  Vgl. A. Radl, Art. ›Petrus Peregrinus‹, in: Lexikon des Mittel­a lters, 10  Bde., Stuttgart 1977–1999, Bd.  6, Sp.  1980; Erhard Schlund O. F. M., ­Petrus Peregrinus von Maricourt: sein Leben und seine Schriften (ein Beitrag zur Roger Baco-Forschung), in: Archivum Franciscanum historicum 4, 1911, S.  436–455; Petrus Peregrinus de Maricourt, Opera, hg. v. Loris Sturlese u. Ron B. Thomson, Pisa 1995.

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XXIX

Philosophie zu vollenden und sie auf nützliche und sichere Weise zu gebrauchen.«50

Bacon beschreibt hier einen neuen Typus eines experimentellen Wissenschaftlers, der durch praktische Erfahrung wissenschaftliche Fortschritte zu machen suchte – ähnlich wie Bacon selbst, der sich mit Mathematik und Optik beschäftigte und seine berühmte scientia experimentalis vorantrieb, die er in seinen Hauptwerken beschreibt. Es gibt weitere Beispiele dafür in dieser Zeit, außerhalb von Bacons Gesichtsfeld und auf einem anderen eher »adeligen« Feld: die Hippiatrik des Jordanus Rufus51, des Hofmarschalls Friedrichs II., »maresacalcia equorum«, und das Falkenbuch Friedrich II. selbst: De arte venandi cum avibus. Friedrich formuliert seine wissenschaftliche Maxime hier fast wie Bacon: »Unsere Absicht ist es, die Dinge, die sind, so sichtbar zu machen, wie sie sind« (Intentio vero nostra est manifestare ea quae sunt sicut sunt52). Das sind sozusagen Beispiele aus dem Herrscherkreis adligen Vergnügens, aber experimentell betrachtet, als Lebensmotto dienend und zu weiterer Verbesserung aufgezeichnet. Bacons Situation und Blick war ein anderer. Auch der Blick Maricourts offensichtlich, wie Bacon ihn schildert. Solche Wege zu beschreiten, bedeutete für Menschen wie Bacon und Maricourt den Weg persönlicher Opfer: Allen Aufwand und alle Kosten muss man selbst tragen, seine sonstigen Pflichten muss man vernachlässigen, sogar sein persönliches Wohlergehen muss man hinten­ anstellen, wie uns Bacon anhand von Peter von Maricourt verdeutlicht:

50  OT, S.  95. 51  Vgl. Jordanus Rufus, La Science du Cheval au Moyen Age: Le Traité d’hippiatrie de Jordanus Rufus, hg. v. Brigitte Prévot, Paris 1992, 52  Friedrich II., De arte venandi cum avibus, hg. v. Arnold Willemsen, 2 Bde., Leipzig 1942, Bd.  1, S.  2.

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Einleitung

»Ich habe weiter oben schon erwähnt, […] dass ein [Brenn-]Spiegel hergestellt worden ist, ein Beispiel für dieses Wunder der Natur, sodass die Möglichkeit solch eines Werkes offensichtlich ist. Dieser Spiegel ist mit viel Arbeit und hohen Ausgaben entstanden, denn sein Hersteller musste hundert Pariser Pfund dafür ausgeben und viele Jahre daran arbeiten, weswegen er das Studium und andere notwendige Dinge vernachlässigt hat.«53

Und dennoch hat es sich gelohnt, für die »Herrlichkeit der Weisheit« alle diese Mühen und Kosten auf sich zu nehmen, weshalb der Konstrukteur dieses »Wunders der Natur« gar kein anderes Leben führen wollen würde, obwohl er es zweifellos könnte.54 Man ahnt, dass Bacon hier mit Peter von Maricourt auch sich selbst beschreibt. Und nun, nach dieser langen Zeit der persönlichen Entbehrungen, sieht Roger Bacon endlich die Möglichkeit, seine Vision einer Bildungsreform, in der diese neuen Wissenschaften, über die es »bei den Lateinern noch keine schriftliche Abhandlung bis auf diejenige, die ich Eurer Heiligkeit geschickt habe«55, gibt, dem Haupt der Christenheit vorzutragen. Die Zeit drängt, da aufgrund der Verdorbenheit der Studien und der Gesellschaft die Zeit des Antichrist nahe ist: »So wird der Antichrist die Welt als Lohn aufteilen, wie die Heilige Schrift sagt. Denn er wird jede Stadt und jede Region verderben und die Menschen dort zu Feiglingen machen, und er wird sie fangen wie verführte Vögel.«56 Vor diesem Hintergrund57 wird deutlich, warum Bacon seine drei Hauptwerke in der für seine Zeit sehr ungewöhnlichen Form verfasst hat, in der sie uns heute vorliegen. Eigentlich wollte Roger 53  OT, S.  239. 54  Vgl. OT, S.  97. 55  OT, S.  241. 56  OT, S.  895. 57  Vgl. zur joachimitischen Diskussion und ihrer Bedeutung für Roger Bacon und Adam Marsh: Davide Bigalli, I Tatrtari e l’Apocalisse, a.  a. O.

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Bacon eine noch viel grundlegendere Abhandlung schreiben, sein oft von ihm angesprochenes scriptum principale. Das war jedoch ein Projekt der Art, das ein einzelner Mensch nicht hätte leisten können, ganz besonders, da Bacon – gemäß seiner Überzeugung, dass alle »Wissenschaften miteinander verbunden [sind] und sich gegenseitig Hilfe leisten«58 – nicht nur eine bestimmte Wissenschaft beschreiben wollte, sondern alle die neuen Wissenschaften, die für eine Reform in seinen Augen notwendig gewesen wären. Nun wird durch die Aufforderung des Papstes, ihm seine Schriften zu schicken, für Roger Bacon ein langersehnter Traum wahr, der ihn – anhand seiner eigenen Ambitionen, dem »Aufbau der Weisheit« – jedoch zur Eile drängt. Roger Bacon stand in den Jahren 1266 bis 1268 vor einem ernsten Problem: der Kürze der Zeit angesichts der Größe seines Projekts. Denn auch wenn »das Holz und die Steine, nämlich die Kraft der Wissenschaften und der Sprachen«59 bereits da waren, war doch das Fundament noch nicht gelegt. Nun lag es in seinen Augen an ihm, dieses Fundament zu legen. Doch wie? Die Schwierigkeit dieses Unterfangens war ihm selbst nur zu klar: »Hundertmal war ich kurz davor, das begonnene Werk aufzugeben«60, und manchmal muss Bacon wirklich aufgegeben haben: »Oft ließ ich vom Werk ab, oft verzweifelte ich und arbeitete nicht mehr weiter.«61 Es ist offensichtlich, dass diese Situation eine tiefgehende Auswirkung auf die Textgestaltung der Werke Roger Bacons haben musste. Er wollte seine Vision einer neuen Wissenschaft unbedingt öffentlich machen und glaubte, durch das Mandat des Papstes die Möglichkeit dazu an die Hand bekommen zu haben. Die Aufforderung des Papstes kam jedoch überraschend: noch nichts war geschrieben, noch nichts war fertig. Seine ersehnte grundlegende Schrift konnte er in der Kürze der Zeit nicht anfertigen. 58  59  60  61 

OT, S.  37. OT, S.  17. OT, S.  31. OT, S.  33.

XXXII

Einleitung

Also wird er sich gedacht haben: Dann fertige ich erst einmal etwas Vorläufiges an, eine Überzeugungsschrift, um die Unterstützung und Förderung des Papstes zu gewinnen: das Opus maius. Doch nach Absendung dieses Textes muss Bacon nachdenklich geworden sein, andere Gebiete und Themen werden ihm eingefallen sein, die zu erwähnen er vergessen hatte. Zudem war sein Opus maius äußerst umfangreich, würde der Papst solch einen Textkorpus überhaupt lesen? Überdies war der Weg des Boten nach Rom weit und die Straßen unsicher. Vielleicht würde der Papst das Werk niemals erhalten und alle Mühen wären vergebens gewesen. Jetzt war es jedoch zu spät, das Werk war abgeschickt. Was also tun? 1.2  Die Beziehung des Opus tertium zum Opus maius und Opus minus Roger Bacon schrieb einfach zwei weitere Werke, das Opus minus und das Opus tertium, in denen er das aufgrund der Eile Vergessene nachtragen und das bereits Geschriebene kürzer zusammenfassen wollte: »Aber aufgrund der großen Gefahr auf den Wegen und dem möglichen Verlust des Hauptwerkes war es notwendig, noch ein weiteres kleineres Werk [das Opus minus, Anm. N. E.] zu schreiben, um das Anliegen des Hauptwerkes noch einmal zu verdeutlichen. […] Und da mein Hauptwerk so umfangreich ist, dass ich es in vier Teile einteilen musste, und da die Pflichten des Heiligen Stuhls beschwerlich und vielfach sind, so habe ich gedacht, dass Ihr in einem Kompendium das kürzer dargestellt sehen könntet, was in meinem Hauptwerk weiter verstreut zu finden ist. Aber wie ich aus diesen Gründen zum Verständnis und zur Ergänzung des ersten Werkes das zweite verfasst habe, so habe ich aus denselben Gründen dieses dritte Werk [das Opus tertium, Anm. N. E.] zum besseren Verständnis und zur Vervollkommnung der beiden vorangehenden Werke geschrieben. Denn

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hier kommt noch soviel Großartiges über die Schönheit der Weisheit hinzu, das an anderen Stellen jedoch nicht gefunden wird.62

Das Zitat gehört – wie auch alle anderen Äußerungen, die uns über den Hintergrund der Entstehungsgeschichte der drei Hauptwerke Bacons Auskunft geben – dem Opus tertium an und erklärt die Gründe für das Schreiben des zweiten und dritten Werks. Die Beziehung verläuft direkt zwischen dem Opus minus (dem zweiten Werk) und dem Opus maius (dem ersten Werk). Sie wird im Opus tertium erneut geknüpft und erweitert in Bezug auf das Opus maius und das Opus minus. Jedoch bleibt es im Opus minus und im Opus tertium nicht dabei, dass Bacon nur den Inhalt des Opus maius zusammenfasst. Das Opus minus ist nur noch als Fragment erhalten. Vieles lässt sich hier nur noch anhand des Opus tertium rekonstruieren. Was aber klar ist: Sowohl im Opus minus als auch im Opus tertium gibt es Zusätze, die über den Inhalt des Opus maius hinausgehen. Gleichzeitig verweist Bacon im Opus tertium immer wieder auf seine ausführlicheren Bemerkungen zu bestimmten Themen in seinen beiden vorangehenden Werken. Das ist für Bacons Arbeitsweise charakteristisch und macht die Faszination, aber auch die große Schwierigkeit der Lektüre des Opus tertium aus: Da dies alles für Bacon nur vorläufige Schriften sind, nimmt er sich die Freiheit, die Themen abzuhandeln, wie es ihm in den Sinn kommt. Doch es gibt im Opus tertium nicht nur häufige Querverweise zu den anderen Werken Bacons oder einige kleine Zusätze. Teilweise bilden die Erweiterungen im Opus tertium ganze eigene Traktate, die für sich selbst stehen und äußerst anspruchsvoll sind. Ein Beispiel ist der lange Abschnitt über die Bewegung der Himmelskörper (Kapitel 90–103 in dieser Übersetzung), der sich im Opus tertium in direktem Anschluss an die Zusammenfassung der Perspektivik (Teil V des Opus maius) befindet. Bacon nennt

62  Vgl. OT, S.  13.

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Einleitung

seine Beweggründe für diesen eigenständigen Einschub ganz ungezwungen: »Hier möchte ich mich zum Ende der Perspektivik noch einigen Bemerkungen über die Bewegungen der Himmelskörper zuwenden, weil man sich nur durch das Sehen mit Hilfe von optischen Geräten über diese Phänomene Gewissheit verschaffen kann. […] Ich hätte tatsächlich an vielen Stellen [meiner Schriften] dieses Kapitel über die Himmelskörper hinzufügen können, doch da es sich bei allen um vorbereitende und nicht um grundlegende Abhandlungen handelt, habe ich die einzelnen Themen so angeordnet, wie sie mir jeweils in den Sinn gekommen sind. Und dennoch erscheint mir dieser Ort hier wegen der Übereinstimmung der Perspektivik und ihrer Macht mit den Himmelskörpern der beste Ort zu sein.« (OT, S.  759)

Das ist aber nicht der einzige Grund für die Verstreutheit der Abhandlungen. Ein weiterer Grund ist die Geheimhaltung: In einer Zeit unsicherer Übermittlungswege wollte Bacon – zumal da es sich um neue Wissenschaften handelte, die man teilweise »magischer« Praktiken beschuldigen könnte – seine Schriften nicht in einem Konvolut, sondern in mehreren Einzelabhandlungen schicken. Charakteristisch dafür ist der Schluss des Opus tertium: Nachdem Bacon das Opus maius und das Opus minus erläutert hat, endet das Kapitel 111 des Opus tertium mit den Worten: »Und so findet die Zielsetzung beider Werke ihren Schlusspunkt.«63 Der Leser wird jedoch überrascht, da beginnend mit dem nächsten Kapitel direkt eine Abhandlung über die Alchemie folgt, die »die größten Geheimnisse enthält, die sich sogar bis auf die Verlängerung des Lebens erstrecken«.64 Warum nun noch diese Abschweifung über die Geheimnisse der Alchemie? Zuerst gibt uns Bacon eine Erklärung, die wir mittlerweile kennen: Die Eile hat ihn in den vorigen Abhandlungen einiges vergessen lassen, was 63  OT, S.  951. 64  OT, S.  953.

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XXXV

nun noch hinzugefügt werden muss.65 Er schreibt als Erklärung jedoch weiter: »Der zweite Grund liegt darin, dass sie vor den anderen geheim bleiben. Denn kaum werden diese vier Schriften [also seine vorherigen Abhandlungen und die Passage im Opus tertium, Anm. N. E.] in irgend jemandes Hand fallen. Und es bereitet mir keine Sorge, wenn jemand eine oder auch zwei oder selbst drei zu Gesicht bekommt. Denn wenn er nicht alle vier eingehend studiert, wird er von den höchsten Geheimnissen nichts erfassen können. Aber da es immerhin möglich ist, dass durch irgendein Missgeschick alle vier in unberufene Hände gelangen, so muss ich dem gerechten Urteil Gottes und dem Beispiel und Ratschluss aller Weisen folgend auch weiterhin so schreiben, dass noch etwas der mündlichen Erklärung vorbehalten bleibt.«66

Man kann daher schließen, dass Roger Bacon aus zwei fundamentalen Gründen das Verfassen mehrerer Schriften an den Papst gewählt hat: Der erste Grund ist die Notwendigkeit, in der Eile Vergessenes oder nur kurz Ausgeführtes hinzuzufügen resp. zu vertiefen. Der andere Grund liegt in der Geheimhaltung. Roger Bacon hat sich für wissenschaftliche Gebiete interessiert, die ihn leicht in den Ruf bringen konnten, verbotene und »magische« Wissenschaften zu betreiben.67 Nicht abzusehen, was passieren würde, 65  Vgl. OT, S.  951. 66  OT, S.  957. 67  Diese Sorge muss berechtigt gewesen sein, wissen wir doch, dass Bacon sich nach der Abfassung seiner drei Werke für den Papst in einer Situation erzwungenen Schweigens befunden haben muss. Ob dies mit einer Haft einherging, ist freilich nicht gesichert, zumindest wurden seine Werke wegen »gewisser verdächtiger Neuerungen« – wie wir aus einer franziskanischen Chronik aus dem 14. Jahrhundert wissen – verworfen. Viele Historiker sind der Auffassung, dass Bacon tatsächlich nicht eingekerkert wurde. Am ausführlichsten ist Stewart Easton auf diese Frage eingegangen, der eine ganze Reihe von Gründen für eine Verurteilung an-

XXXVI

Einleitung

wenn seine Gedanken in einer vollständigen Schrift in die falschen Hände geraten würden. Auch das erklärt die Fragmentarität seiner Werke, die eine zusammenhängende Analyse erschweren. Dieses Problem stellt sich in besonderer Weise auch für das Opus tertium, da es den Abschluss einer Trilogie bildet, in der stets auf die anderen beiden, vorangehenden Werke Bezug genommen wird. Ich möchte daher im Folgenden zuerst die Struktur und den Inhalt des Opus tertium aufführen, um dann in einem weiteren Schritt das grundlegende Anliegen Roger Bacons darzustellen. 1.3  Struktur und Inhalt des Opus tertium Das Opus tertium hat folgende Struktur, die hier in Tabellenform dargestellt sei. Die Seitenzahlen beziehen sich auf diese Übersetzung. Ich habe das Opus tertium in zwei Teile unterteilt, da zwei Handschriftentraditionen vorliegen, die eine solche Unterteilung nahelegen (siehe ausführlicher hierzu Punkt 5: Zu dieser Edition und Übersetzung, unten, S.  C XXII  ff.).

führt, unter denen Bacons Sympathien für die Spiritualen und für joachimitische Überlegungen zweifellos einen großen Anteil hatten. – Vgl. Chronica XXIV Generalium Ordinis Minorum, in: Analecta franciscana III, S.  360, deutsch in: Camille Bérubé, Der ›Dialog‹ St. Bonaventura – Roger Bacon, in: Roger Bacon in der Diskussion, a.  a. O., Bd.  1, S.  67–136, S.  74 Anm. 13; Stewart Easton, Roger Bacon and his search for a universal science, A Reconsideration of the Life and Work of Roger Bacon in the Light of his own stated Purpose, New York 1952, S.  186–205. – Das Interesse Bacons an Astro­nomie und magischen Praktiken, die zu Anfeindungen innerhalb des Ordens geführt haben könnten, hebt indessen Theodore Crowley mehr hervor: Theodor Crowley, Roger Bacon. The Problem of the Soul in his Philosophical Commentaries, a.  a. O., S.  50 ff.

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Opus tertium Teil I Kapitel

Seitenzahlen Inhalt

1–21

7–141

Einführung; Brief an den Papst u. Erläuterung des Grundanliegens; Kurzdarstellung der einzelnen Wissenschaften (Sprachen, Mathematik, scientia experimentalis, Moralphilosophie).

22

141–150

Zusammenfassung Opus maius, Teil I: Die vier Ursachen des Irrtums.

23–24

151–179

Zusammenfassung Opus maius, Teil II: Verhältnis zwischen Philosophie und Theologie.

25–27

181–209

Zusammenfassung Opus maius, Teil III: Wichtigkeit des Studiums des Griechischen, Hebräischen und Arabischen für die Wissenschaften.

28–29

209–217

Zusammenfassung Opus maius, Teil IV: ­ istinctio i, Über Logik und Mathematik. D

30–35

219–237

Zusammenfassung Opus maius, Teil IV: ­ istinctio ii, Astrologie und Vervielfältigung D der species.

36

237–243

Zusammenfassung Opus maius, Teil IV, ­ istinctio iii, Vervielfältigung der species und D Geometrie.

37–52

243–417

Zusammenfassung Opus maius, Teil IV: ­ istinctio iv, Astronomie, erste Materie, EwigD keit der Welt, Natur der Bewegung, Vakuum.

53–64

417–571

Zusammenfassung Opus maius, Teil IV: Der Nutzen der Mathematik für die Theologie.

65

571–575

Zusammenfassung Opus maius, Teil IV: ­A stronomische Vorhersagen.

66–71

575–625

Zusammenfassung Opus maius, Teil IV: ­Korrektur des Kalenders.

72–75

625–657

Beschäftigen sich mit der Musik u. haben keine Entsprechung im Opus maius; abschließend ­einige Bemerkungen zur Rhetorik.

Einleitung

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Opus tertium Teil II Kapitel

Seitenzahlen Inhalt

76–79

659–701

Zusammenfassung des Endes des vierten Teils des Opus maius (Geographie und Astrologie).

80–89

703–759

Zusammenfassung Opus maius, Teil V: ­Per­spektivik.

90–103

759–847

Über die Himmelskörper, Diskussion über die Astronomie des Ptolemäus und Alpetragius.

104–105 849–895

Zusammenfassung Opus maius, Teil VI: Scientia experimentalis; Bemerkungen über den Halo und den Regenbogen.

106–110 895–945

Zusammenfassung Opus maius, Teil VII: ­Moralphilosophie.

111

947–951

Zusammenfassung des Opus minus.

112–14

951–971

Bemerkungen über Alchemie.

Die im Opus tertium behandelten Themengebiete sind – wie anhand dieser Zusammenfassung deutlich ist – so vielfältig, dass sie in einer Einleitung nicht alle eingehend behandelt werden können. Ich werde mich daher im Folgenden auf das Grundanliegen sowie die m. E. wesentlichen Aspekte Roger Bacons in seinem Opus ter­ tium konzentrieren. Im Opus tertium werden jedoch auch weitere, über die in dieser Einleitung dargestellte Themen hinausgehende und wichtige Diskussionen über zu Bacons Zeit zentrale naturphilosophische und astronomische Fragen geführt, die ich an dieser Stelle zumindest erwähnen möchte: 1. Roger Bacons Diskussion über die Einheit und die Teilbarkeit der Materie (Kap.  38–39, S.  249–279), in der er die zu seiner Zeit gängige Annahme bestreitet, dass die Materie in allen Dingen numerisch eine sei68, wobei den Hintergrund für diese 68  Vgl. zur Einheit der Materie bei Roger Bacon: Theodore Crowley,

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XXXIX

beiden Kapitel Diskussionen bilden, die bei den Franziskanern in Paris über die Einheit der Materie geführt wurden69. 2. Weiterhin die Erörterung der damals hochbrisanten Frage nach der Ewigkeit der Welt und den damit verbundenen Diskussionen des Verhältnisses zwischen »geschaffener Ewigkeit« (aevum), Ewigkeit (aeternitas), Zeit und Bewegung (Kap.  41 u. 51, S.  291–307; S.  395–415).70 3. Roger Bacons komputistische Darlegungen über die Berechnung der Zeit anhand der richtigen Sonnenwenden und Mondzyklen für eine Kalenderreform (Kap.  54–57, S.  427–473; Kap.  67–71, S.  579–625).71 4. Seine astronomischen Überlegungen bezüglich der Himmelssysteme von Ptolemäus, al-Bitrūjī und anderen (Kap.  90–103, S.  759–847), von denen Pierre Duhem, der diesen Teil des Opus tertium erstmals herausgegeben hat, meint, dass sie »die sorgfältigste Studie über das Dilemma, das bereits die antike Astro­nomie gespalten hatte« sei, nämlich »über den Gegensatz zwischen dem homozentrischen System und dem System Roger Bacon. The Problem of the Soul in his Philosophical Commentaries, a.  a. O., S.  81–118; Jeremiah Hackett, Roger Bacon, in: Individuation in Scholasticism. The Later Middle Ages and the Counter-Reformation 1150–1650, hg. v. Jorge J.  E . Garcia, Albany 1994, S.  117–140; Anna Rodolfi, »Dicitur materia propriissime et strictissime.« Roger Bacon and the ontological status of matter, in: Roger Bacon’s Communia Naturalium. A 13th Century Philosopher’s Workshop, hg. v. Paola Bernardini u. Anna Rodolfi, Florenz 2014, S.  83–102. 69  Vgl. Anna Rodolfi, Interpretazioni dell’ilemorfismo universale nella scuola francescana: Bonaventura, Bacone e Olivi, in: Rivista di Filosofia Neo-Scolastica 102, 2010, S.  569–590. 70  Vgl. Jeremiah Hackett, Motion, Time and Aevum in Roger Bacon’s Communia Naturalium: Context and Content, in: Roger Bacon’s Commu­ nia Naturalium. A 13th Century Philosopher’s Workshop, a.  a. O., S.  191– 216. 71  Vgl. hierzu: C. Philipp E. Nothaft, Dating the Passion. The Life of ­Jesus and the Emergence of Scientific Chronology (200–1600), Leiden  / Boston 2012, bes. S.  155 ff.

XL

Einleitung

der Exzenter und der Epizykel.«72 Wir haben hier eine der tiefgehendsten Abhandlungen über das ptolemäische Sternensystem im Vergleich zum aristotelischen Himmelsmodell und deren Rezeptionen in der arabischsprachigen Tradition vor uns, deren Bedeutung mir bisher unterschätzt worden zu sein scheint. 5. Roger Bacons Bemerkungen über den Nutzen der Musik (Kap.  59–64, S.  479–571; Kap.  73–75, S.  629–657) nicht nur in Bezug auf die Sprachen (bildete für Bacon die Musik doch die Grundlage der Grammatik73), sondern auch in Bezug auf die Moral- und Naturwissenschaften74 sowie – für Bacon als Franziskaner besonders wichtig – deren Nutzen für das Predigen und die Missionierung.75 6. Die Ausführungen über die Alchemie, die den Abschluss des Opus tertium bilden (Kap.  112–114, S.  951–971).76 Obwohl die 72  Pierre Duhem, Le Système du Monde. Histoire des doctrines cosmologiques de Platon a Copernic, Paris 1958, Bd.  3, S.  429; lesenswert in diesem Zusammenhang der ganze Abschnitt über das Opus tertium, S.  428– 442. 73  Vgl. Florian Uhl, Roger Bacon: Die Wissenschaften als Weg zu Nutzen und Heil. Über Grammatik, Scientia Experimentalis und Moralphilosophie, in: Roger Bacon in der Diskussion, a.  a. O., Bd.  2, S.  257–277. 74  Vgl. Nancy van Deusen, Roger Bacon on Music, in: Roger Bacon and the Sciences, a.  a. O., S.  223–242. 75  Siehe hierzu: Peter W. Loewen, Roger Bacon on the Science of Music and Preaching, in: ders., Music in Early Franciscan Thought, Leiden 2013, S.  129–165. 76  Vgl. zur Alchemie bei Bacon: Roger Bacon, Brief über die geheimen Werke der Natur und der Kunst und über die Nichtigkeit der Magie, in: ders., Opus maius, Teile I, II u. VI, a.  a. O., S.  229–261, sowie die Einleitung S. LXII ff.; Agostino Paravicini Bagliani, Ruggero Bacone e l’Alchimia di Lunga Vita, in: Alchimia e medicina nel Medioevo, hg. v. Chiara Crisciani u. Agostino Paravicini Bagliani, Florenz 2003, S.  33–54; William R. Newman, The Philosopher’s Egg: Theory and Practice in the Alchemy of Roger Bacon, in: Micrologus 3, 1995, S.  75–101; ders., The Alchemy of Roger Bacon and the Tres Epistolae Atrributed to him, in: Comeprendre et maitriser la nature au moyen age, hg. v. Guy Beaujouan, Genf 1994, S.  461–479;

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XLI

Alchemie im Opus tertium nur zwei Kapitel einnimmt – und auch in Bacons anderen Werken nur einen kleineren Teil –, wurden jedoch künftig gerade diese Spekulationen Bacons sowie seine Ausführungen zur Astrologie prägend für die Rezeption seines Werkes und haben dessen lang andauernden Ruf als »Magier und Alchemisten«77 bis hin zu Giovanni Pico della Mirandola und weiterhin begründet, der ihn in diesem Zusammenhang noch positiv nennt.78 Diese verschiedenen Debatten weiter zu erörtern ist hier leider nicht der Raum. Ich wende mich daher nun dem Grundanliegen der Reform Roger Bacons zu, um in einem weiteren Schritt einen Überblick über die Wissenschaften zu geben, die für Roger Bacons Reformprogramm zentral waren. 2.  Das Grundanliegen der Reform Roger Bacons 2.1  Die Einheit der Weisheit und ihr Nutzen für die Gesellschaft Trotz des Umfangs seines Werkes ist das prinzipielle Herangehen Roger Bacons stets dasselbe, das ich als »wissenschaftlichen Kreationismus« bezeichnen möchte: die Reform seiner Zeit durch das Wiederauffinden eines allumfassenden »Wissens in Weisheit«, das ders., An Overview of Roger Bacon’s Alchemy, in: Roger Bacon and the Sciences, a.  a. O., S.  317–336.; Günther Mensching, Roger Bacon, Münster 2009, S.  69 ff. 77  Vgl. Amanda Power, A Mirror for Every Age: The Reputation of Roger Bacon, in: English Historical Review 121, 2006, S.  657–692; George Molland, Roger Bacon as Magician, in: Traditio 30, 1974, S.  445–460. 78  Vgl. Giovanni Pico della Mirandola, De dignitate hominis. Über die Würde des Menschen, lat.-dt., hg. v. August Buck, übers. v. Norbert Baumgarten, Hamburg 1990, S.  55; ders., Neunhundert Thesen, lat.-dt., hg. u. übers. v. Nikolaus Egel, Hamburg 2018, S.  141.

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»von einem Gott einer Welt zu einem Ziel gegeben worden ist«79. Diese Weisheit ist – so denkt Bacon – einfach zu herrlich, als dass sie die Menschen für sich allein gefunden haben könnten. Alle menschliche Weisheit muss daher denselben göttlichen Ursprung haben: sie muss den Propheten Gottes von Anfang der Welt an geoffenbart worden sein.80 Und ebenso, wie die gesamte Weisheit nur einen Urheber hat, hat sie auch nur ein Ziel: den Nutzen für den Menschen und die Verbesserung der Gesellschaft in vier Bereichen: »Denn durch das Licht der Weisheit wird die Kirche Gottes geleitet; das Gemeinwesen der Gläubigen wird durch sie gelenkt; die Bekehrung der Ungläubigen wird durch sie vorangetrieben; und jene, die in ihrer Böswilligkeit verharren, können durch die Kraft der Weisheit in Schranken gehalten werden, sodass sie von den Grenzen der Kirche weit besser ferngehalten werden als durch das Vergießen von Christenblut. So können alle Angelegenheiten, die der Führung der Weisheit bedürfen, auf diese vier Bereiche eingeschränkt werden; denn mehr lassen sich nicht hinzufügen.«81

Doch worin besteht diese Weisheit? Auch hierauf hat Bacon eine Antwort, die traditionell anmutet und die auf Bacons Überzeugung von einer einheitlichen, von Gott geoffenbarten Weisheit zurückgeht: Diese Weisheit ist jenes allumfassende Wissen, das den Propheten am Beginn der Zeit von Gott geoffenbart worden ist, das daher in der Bibel vollständig enthalten ist und das durch die

79  Roger Bacon, Opus maius, Teile I, II u. VI, a.  a. O., S.  103; siehe allgemein: Florian Kolbinger, Zeit und Ewigkeit: Philosophisch-theologische Beiträge Bonaventuras zum Diskurs des 13. Jahrhunderts um tempus und aevum, Berlin 2012. 80  Dies zu zeigen bemüht sich Bacon im gesamten zweiten Teil seines Opus maius. – Vgl. Roger Bacon, Opus maius. Teile I, II und VI, a.  a. O., S.  103–156. 81  Roger Bacon, Opus maius. Teile I, II u. VI, a.  a. O., S.  57.

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Theologie entfaltet werden muss.82 Das scheint keine spektakuläre Antwort zu sein. Bacon fährt jedoch fort: »Die anderen [Wissenschaften] sind für [die Theologie] notwendig, weil sie ohne diese ihr Ziel nicht erreichen kann und weil sie deren Kraft für sich beansprucht; dem Wink und Befehl dieser Wissenschaft unterstehen die übrigen, oder besser gesagt: Es gibt nur eine vollkommene Weisheit, die in ihrer Gesamtheit in der Heiligen Schrift enthalten ist und die durch die Philosophie erklärt werden soll. Die Darlegung der göttlichen Wahrheit geschieht durch jene Wissenschaften, mit denen ihr die Erklärung gleichsam in die offene Hand gelegt wird, während sie doch die gesamte Weisheit von sich selbst aus in der Faust zusammenschließt.«83

Das ist das Grundpostulat des gesamten Bacon’schen Reform­ programms: Für Bacon sind die philosophischen Wissenschaften Gegenstand der göttlichen Offenbarung, ganz so wie die Heilige Schrift, und unterscheiden sich von ihr nur durch ihren Grad an Vollkommenheit, weshalb »die ganze geschmückte Kraft der Philosophie im Literalsinn der heiligen Mysterien der Gnade und des Ruhmes [der Heiligen Schrift] verborgen«84 liegt. Roger Bacon weist den philosophischen Wissenschaften damit eine ganz einzigartige Gewichtung zu, die ihn in Konflikt mit seiner Zeit gebracht haben muss: Die Theologie ist – und das ist eine spätestens seit Augustinus in der Spätantike klar formulierte und nicht neue Posi­ tion – die Herrin aller Wissenschaften, die Heilige Schrift deren Gegenstand und die übrigen Wissenschaften ihre D ­ ienerinnen.85 82  Vgl. ebd., S.  103 f. 83 Ebd. 84  Ebd., S.  124. 85  Dieser Gedanke bestand auch in Bacons Zeit noch als kanonische Vorschrift, formuliert im Schreiben Gregors IX. vom 7. Juli 1228 an die Magister der Pariser Universität: hier wird die Theologie als Königin der Wissenschaften dargestellt. Die Theologie dürfe nur gemäß den durch die Kirchenväter gebilligten Traditionen dargelegt werden, nicht nach den

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Zugleich aber ist diese Herrin für die Erläuterung der in der Heiligen Schrift enthaltenen, allumfassenden und ursprünglich durch Gott geoffenbarten Weisheit auf die anderen Wissenschaften angewiesen, weil erst diese die »geschlossene Faust der Weisheit« in eine »offene Hand« zu verwandeln vermögen, was nichts anderes heißt, als dass die übrigen Wissenschaften der Theologie methodologisch und propädeutisch vorgeordnet und damit für diese notwendig sind.86 In der Bacon’schen Rangordnung der Wissenschaften liefern – entgegen den allgemeinen wissenschafts­ theo­retischen Vorstellungen seiner Zeit – nicht die »werthafteren« Wissenschaften die Prinzipien für die vorangehenden (weshalb also die Theologie in diesem Schema die Prinzipien der anderen Wissenschaften bestimmen müsste), sondern die »niederen« philosophischen Wissenschaften liefern erst die Grundlage für die höheren – bis hin zur Theologie als der höchsten Wissenschaft, die er im siebenten Teil seines Opus maius87 als christliche »Moralphilosophie« fasst88 und die ohne die anderen Wissenschaften nicht betrieben werden kann. Mit dem Gedanken einer Reform der Theologie und der Gesellschaft durch die philosophischen Wissenschaften eng verbunden Lehren der Philosophen. Eine Vorschrift, die konträr zu Roger Bacons Überlegungen verläuft. – Vgl. Gregor IX., Epistula »Ab Egyptiis argentea«, 7. Juli 1228, in: Chartularium Universitatis Parisiensis, a.  a. O., Bd.  1, S.  114–116, n.  59. 86  Vgl. hierzu ausführlicher: Florian Uhl, Roger Bacon: Die Wissenschaften als Weg zu Nutzen und Heil, in: Roger Bacon in der Diskussion, a.  a. O., Bd.  2, S.  257–277. 87 Übersetzung der Moralphilosophie in Auszügen: Roger Bacon, Opus maius. Eine moralphilosophische Auswahl, lat.-dt., hg. u. übers. v. Pia Antolic-Piper, Freiburg u. a. 2008. 88  Roger Bacon hat einen sehr eigenwilligen und verschwommenen Begriff der Theologie. Daher ist die Behauptung der Chronica XIV gene­ ralium ordinis zweifelhaft, die Roger Bacon als einen Doktor der Theologie bezeichnet. Roger Bacon hatte keine tiefergehende Vorstellung von der Theologie, als ein säkularer Magister Artium der Universität davon haben konnte. – Vgl. o., S.  LVIII Anm. 126.

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ist zudem Bacons Grundüberzeugung von der Einheit aller Wis­ senschaften, mit der Überzeugung also (in Bacons Worten), dass »alle Wissenschaften miteinander verbunden sind und sich gegenseitig Hilfe leisten, wie die Teile eines Ganzen«89. Das bedeutet, dass alle Wissenschaften, die den Menschen ursprünglich ge­offen­ bart worden sind, in dem Lehrgebäude der Weisheit notwendig und aufeinander bezogen sind. Bacons Anliegen war es, alle Wissenschaften nutzbringend in einen methodischen Rahmen innerhalb der Theologie zu integrieren, der jeder Wissenschaft ihr Recht und ihren Nutzen für die Menschheit90 zuspricht. Aus dieser Überzeugung heraus wird der Aufbau des Opus maius verständlich, wie er auch im Opus tertium aufgegriffen wird: Nach der Betrachtung der allgemeinen »Gründe für den Irrtum« im ersten Teil91 des Opus maius, die dem Weisheitsstudium entgegenstehen und die präliminarisch für eine erfolgreiche Vermittlung der Weisheit zuerst einmal ausgeräumt werden müssen, versucht Bacon im zweiten Teil92 zu zeigen, dass die Philosophie ebenso wie die Theologie zu Beginn der Welt von Gott geoffenbart worden ist und sie dementsprechend eine Einheit bilden. Daraufhin gibt er im dritten Teil93 des Opus maius seiner Überzeugung Ausdruck, dass jeder Studierende die »Sprachen der Weisheit« (Chaldäisch, Hebräisch, Griechisch und Arabisch) beherrschen müsse, in denen die Worte Gottes und der Philosophen überliefert worden sind, da man andernfalls die heiligen und 89  OT, S.  37. 90  Dies ein hoffnungsvoller Gedanke der Aufklärung, als deren Vorgänger man Roger Bacon, ebenso wie andere Intellektuelle des Hohen Mittelalters, sehen kann. – Vgl. hierzu: Das Licht der Vernunft. Die Anfänge der Aufklärung im Mittelalter, hg. v. Kurt Flasch u. Udo Reinhold Jeck, München 1997. 91  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teil I: Über die vier Ursachen des Irrtums, in: ders., Opus maius, Teile I, II u. VI, a.  a. O., S.  57–101. 92  Vgl. ebd., S.  103–156. 93  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, hg. v. John Henry Bridges, a.  a. O., Bd.  3, S.  80 ff.

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wissenschaftlichen Texte der Vergangenheit gar nicht verstehen könne. Der vierte (und bei weitem umfangreichste) Teil94 des Opus maius ist der Mathematik gewidmet, da sie für Bacon – ganz platonisch gedacht – das »Tor und der Schlüssel«95 für die übrigen Wissenschaften ist, worauf sich mit dem fünften Teil96 seine Wissenschaft der Perspektivik anschließt, deren Brechungsgesetze nur mit mathematischen Mitteln verstanden werden können. Darauf folgt mit Teil sechs97 Roger Bacons berühmte »Erfahrungswissenschaft« (scientia experimentalis), die mit ihrer ausführlichen Beschreibung des Phänomens des Regenbogens u. a. eine praktische Anwendung der Perspektivik ist und der experimentellen Überprüfung der anderen Wissenschaften dient. Alle in den vorherigen Teilen beschriebenen Wissenschaften münden sodann im siebenten Teil98 des Opus maius in die Moralphilosophie (moralis philosophia), die mit ihren praktischen Vorschriften der richtigen Verehrung Gottes und des richtigen subjektiven und intersubjektiven Verhaltens im Gemeinwesen die »werthafteste« aller Wissenschaften ist, die ohne die vorangegangenen Wissenschaften jedoch nicht verstanden und ausgeübt werden kann. Das ist – kurz zusammengefasst – das Reformprogramm Roger Bacons, wie er es im Opus maius ausführlich beschrieben hat. Das Problem, auf das Bacon in seinen Werken immer wieder zurückkommt, besteht nun darin, dass niemand bis auf ihn selbst die Notwendigkeit für das Studium dieser »weltlichen« Wissenschaften 94  Vgl. ebd., Bd.  1, S.  97–404. 95  Vgl. ebd., S.  97. 96  Vgl. David C. Lindberg, Roger Bacon and the Origins of Perspectiva in the Middle Ages: A Critical Edition and English Translation of Roger Bacon’s Perspectiva, hg. v. David C. Lindberg, Oxford 1996 (im Folgenden: Perspectiva). 97  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teil VI: Über die Erfahrungswissenschaft, in: ders., Opus maius, Teile I, II u. VI, a.  a. O., S.  157–228. 98  Vgl. Roger Bacon, Moralis philosophia, hg. v. Eugenio Massa, Padua 1953; Auszüge in deutscher Übersetzung: Roger Bacon, Opus maius. Eine moralphilosophische Auswahl, a.  a. O.

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(Mathematik, Optik, Astronomie usw.) für den Nutzen der Theologie einsieht. Seine Zeitgenossen haben sich – für Bacon aus Unkenntnis – einfach mit den falschen Studien beschäftigt und ihre Pflicht als Gebildete für die Gesellschaft vernachlässigt, was zu eben den Verfallserscheinungen geführt hat, die Bacon beschreibt und die wir nun schon kennengelernt haben. Hier schließt sich eine Frage an, auf die ich kurz eingehen will: Gegen genau welche Art von Missständen im Studium wendet sich Bacon eigentlich? 2.2  Der Verfall der Theologie und Bacons ­wissenschaftlicher Messianismus Alles, was in der Welt gut und wertvoll ist, ist für Bacon ein Werk der Weisheit. Alles Schlechte beruht auf Irrtümern. Auf Irrtümern, die Bacon in seiner Zeit überhand nehmen sah und die er im Opus minus unter dem Stichwort der »sieben Sünden der Theologie« (septem peccata theologiae) beschreibt.99 Die Irrtümer haben seines Erachtens vierzig Jahre früher begonnen100: Die erste Sünde101 besteht für Bacon in der falschen Anwendung der Philosophie und ihrer Methoden auf den theologischen Unter­ richt, wodurch sich die heiligen Studien auf spitzfindige Quästionen, rein philosophische Argumentationen und scholastische Besserwisserei reduzieren.

99 Vgl. ausführlich zu den sieben Sünden der Theologie: Camille Bérubé, Der »Dialog« S. Bonaventura – Roger Bacon, a.  a. O., S.  100 ff. 100  Vgl. Roger Bacon, Kompendium für das Studium der Philosophie, a.  a. O., S.  21. – Vgl. zu dieser Äußerung, die vor allem die Änderung des Theologieunterrichts durch Alexander von Hales betrifft: Hilarin Felder, Geschichte der wissenschaftlichen Studien im Franziskanerorden, a.  a. O., S.  530 ff., insbes: S.  534–538. 101  Vgl. Roger Bacon, Opus minus, in: Opera quaedam hactenus in­ edita, a.  a. O., S.  322 f.

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Die zweite Sünde102 besteht darin, dass die Theologen nicht die richtigen Wissenschaften – wie die alten Sprachen, die Mathematik, die Optik, die Erfahrungswissenschaft usw. – zu Rate ziehen, sondern sich nur minderwertiger Wissenschaften: wie der lateinischen Grammatik, der Logik, eines schlechten Teils der Naturphilosophie und der Metaphysik, bedienen. Die dritte Sünde103: Die Theologen kennen nicht einmal jene wenigen Wissenschaften, die sie benutzen, ausreichend. Da sie die Sprachen nicht können, in denen jene Wissenschaften überliefert sind, können sie auch die Wissenschaften nicht wirklich kennen und nicht richtig auf die Heilige Schrift anwenden, die doch eigentlich der Grundlagentext der Theologie sein müsste (die aber durch die Konzentration auf die Sentenzen des Petrus Lombardus verdrängt worden ist). Doch die vierte Sünde104 wiegt noch schwerer: An der theologischen Fakultät wird nicht mehr die Heilige Schrift selbst (in der doch alle Weisheit enthalten ist!), sondern nur noch die Senten­ zen105 des Petrus Lombardus als Handbuch über die Theologie gelesen (deren Kommentierung ein elementarer Bestandteil des Magisterstudiums war).106 Ein Lektor der Sentenzen gilt mehr als ein Lektor der Bibel selbst: er hat die besseren Räume, die besseren 102  Vgl. ebd., S.  323. 103  Vgl. ebd., S.  325. 104  Vgl. ebd., S.  328. 105  Vgl. Petrus Lombardus, The Sentences, hg. u. übers. v. Giulio Silano, Toronto 2007–2010. 106  Bacon übersieht mit seiner Kritik jedoch, dass die Sentenzen, die von Petrus Lombardus im 12. Jahrhundert verfasst worden waren, anhand sorgfältig ausgewählter Aussagen der Kirchenväter und Kirchenlehrer eine Darstellung des wesentlichen Inhaltes der Theologie bilden und einen wesentlichen Anteil an der Systematisierung des Theologieunterrichts hatte, der einen wirklichen Fortschritt darstellte. – Siehe dazu u. a. auch: Jacques Le Goff, Die Intellektuellen im Mittelalter, a.  a. O., S.  65 f.; ders. zu einer Kontroverse zu Bibel und Talmud im 13. Jh.: Ludwig der Heilige, Stuttgart 2000, S.  904 Anm. 57.

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Vorlesungszeiten. Jedoch: Niemand kennt nunmehr den Text der Bibel. Noch schlimmer ist die fünfte Sünde107: Der Bibeltext ist entstellt. Jeder »verschlimmbessert« hier, wie es ihm gefällt, was ­Bacon zufolge besonders für den Orden der Dominikaner gilt. Das zu dieser Zeit in Paris verfügbare Exemplar der Bibel sei daher fast unlesbar. Die sechste Sünde108 ist aber noch schlimmer: Aufgrund der Unkenntnis der alten Sprachen, in denen die Heilige Schrift ursprünglich überliefert wurde, können die Theologen nicht einmal die an sich schon zu großen Teilen falschen Texte verstehen. Überall in der Bibel gibt es daher Fremdwörter, die kein Mensch mehr kenne. Dadurch wird der Literalsinn der Bibel verdorben, woraus folge, dass man auch den Spiritualsinn nicht erfassen kann. Die siebente und allerschlimmste Sünde109 ist aber die Unkenntnis des Literal- und Spiritualsinns der Bibel infolge der Unkenntnis der natürlichen Eigenschaften der Dinge. Denn der Lite­ralsinn besteht in den Eigenschaften der dinglichen Welt, die durch passende Angleichungen auf den Spiritualsinn übertragen werden müssen. Um diese Eigenschaften zu kennen, müsse man aber die Wissenschaften studieren, die Bacon für wichtig hält, was seiner Meinung nach aber bei den Theologen nicht der Fall sei. Diese sieben Sünden der Theologie verweisen auf den Kerngedanken von Roger Bacons Reformprogramm: Zwischen den Aussagen der Heiligen Schrift und den Naturwissenschaften besteht eine große inhaltliche Nähe. Der Spiritualsinn der Heiligen Schrift liegt im Text verborgen und muss von der Theologie durch die richtige Auslegung und Übertragung des Literalsinns entfaltet werden. Die ganze Bibel ist wie eine Geschichte der Natur und der Dinge, die 107  Vgl. Roger Bacon, Opus minus, in: Opera quaedam hactenus in­ edita, a.  a. O., S.  59. 108  Vgl. ebd., S.  349. 109  Vgl. ebd., S.  357.

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es in der Welt gibt. Sie bedient sich jedoch einer Art »chiffrierter Sprache«, die man entschlüsseln muss, um die Bibel und damit den Grund der Dinge in der Welt zu erkennen. Da die Philosophie auf nichts anderes abzielt, als die Natur der Dinge zu erkennen, ist sie das geeignete Werkzeug, um den Spiritualsinn der Bibel zu entfalten, der in ihr verschlüsselt enthalten ist und der durch die Theologie erläutert werden sollte.110 Wenn man den Spiritualsinn entschlüsselt, kann man – so denkt es Bacon – alles wissen. Eben hier versagen jedoch die Theologen seiner Zeit, weil sie: 1. die Bibel überhaupt nicht mehr als Primärquelle benutzen, sondern den Studenten die Theologie durch die bereits systematisierte und von der Bibel losgelöste Form der Sentenzen des Petrus Lombardus vermitteln; 2. den ursprünglichen Text der Bibel, wie er von Gott den Propheten der Vorzeit geoffenbart worden war, gar nicht kennen, da sie die alten Sprachen (Chaldäisch, Hebräisch und Griechisch) nicht beherrschen. Dadurch verschlechtern sie mit jedem Versuch der Textkorrektur die Bibel nur und vergehen sich durch Unkenntnis am Text Gottes. 3. Um den Text der Bibel wirklich verstehen zu können, müssten sich die Theologen seiner Zeit mit den »neuen« philosophischen Wissenschaften beschäftigen, die durch die Übersetzungen aus dem Arabischen in der Zeit Bacons wieder verfügbar waren. Die Weisen und Propheten des Altertums kannten alle diese Wissenschaften, nun müsste es gelten, diese Studien wiederzubeleben. Das Ziel wäre die Wiederherstellung jener allumfassenden Weisheit, wie sie in der Bibel eigentlich ent110  Timothy Johnson zeigt das sehr schön am Beispiel des Begriffes »locus« (Ort) im Denken Roger Bacons: Timothy J. Johnson, Place, Analogy, and Transcendence. Bonaventure and Bacon on the Franciscan Relationship to the World, in: Innovationen durch Deuten und Gestalten. Klöster im Mittelalter zwischen Jenseits und Welt, hg. v. Gert Melville u. a., Regens­burg 2014, S.  83–96.

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halten ist, das Ziel wäre die Aufhebung aller Missstände, wie sie Roger Bacon im Kompendium für das Studium der Philo­ sophie so ausführlich beschreibt, das Ziel wäre die Rettung der Welt vor dem Antichrist durch die Kraft der Wissenschaft. Das ist ein Gedanke, den ich als »wissenschaftlichen Messianismus«111 im Denken Roger Bacons bezeichnen möchte: Denn dem Anschein nach ist es das Ideal Bacons, die Wissenschaft wieder in den Zustand zu versetzen, den sie bei den »Alten« – den Propheten und Patriarchen – hatte. Aber seine tatsächliche – und von ihm vielleicht nur unbewusst intendierte112 – Zielsetzung ist die Schaffung eines methodologischen Rahmens, innerhalb dessen jede Wissenschaft (gerade die für ihn als wichtig empfundenen »neuen« Wissenschaften, wie die Perspektivik113 und seine berühmte Er111  Eine Bezeichnung, die ich von Camille Bérubé übernommen habe, der m. E. einen der erhellendsten Texte über Bacon aus philosophiehistorischer Sicht geschrieben hat: Camille Bérubé, Der »Dialog« S. Bonaventura – Roger Bacon, in: Roger Bacon in der Diskussion, a.  a. O., Bd.  1, S.  67–136 (Auszug); der vollständige Text in französischer Sprache: Camille Bérubé, De la Philosophie à la Sagesse chez saint Bonaventure et Roger Bacon, Rom 1976; vgl. ähnlich auch: Dieter Hattrup, Ekstatik der Geschichte. Die Entwicklung der christologischen Erkenntnistheorie Bonaventuras, Paderborn 1993, S.  126–171. 112  Das wahrhafte Ideal Bacons scheint mir ein anderes zu sein, als ­Bacon selbst – in dem Rahmen, den ihm seine Zeit und der damit verbundene geistige Rahmen vorgaben – es formuliert: Ihm ging es eigentlich nicht um eine Wiederherstellung der Wissenschaften, wie sie im Zustand der »Alten« waren, sondern um die Schaffung eines neuen Rahmens, in dem jede Wissenschaft ihren singulären Platz – letztendlich losgelöst von der Theologie – zum Dienst an der Menschheit hatte. Daher auch die Faszination für Bacon als »Vorreiter der modernen Wissenschaft« in der Zeit des Positivismus des 19. Jahrhunderts. – Vgl. hierzu ausführlich: Stewart C. Easton, Roger Bacon and his search for a universal science, a.  a. O., S.  66 f. u. S.  117–185. 113  Vgl. David C. Lindberg, Roger Bacon and the Origins of Perspectiva in the Middle Ages. A Critical Edition and English Translation of Bacon’s Perspectiva with Introduction and Notes, Oxford 1996.

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fahrungswissenschaft, die »der Menge der Studenten vollkommen unbekannt ist«114) ihren unbedingt notwendigen Platz einnimmt, und die Heranziehung der verschiedenen Wissenschaften, um den aktuellen Gefahren und Verfallserscheinungen seiner Zeit zu begegnen. In diesem Sinne ließe Bacon sich als Anhänger der Spiritualen mit ihrer Tendenz zum Joachimismus115 im Franziskaner­ orden bezeichnen, jedoch nicht, indem er das ursprüngliche Armutsideal Franz von Assisis wiederzubeleben suchte, um den von vielen Zeitgenossen als negativ wahrgenommenen wirtschaftlichen Tendenzen der Zeit zu begegnen und die Welt vor dem Antichrist zu retten, sondern indem er ein – durch die Zeiten für ihn verloren geglaubtes, eigentlich aber neues – wissenschaftliches Idealbild wiederherstellen wollte, um die Missstände seiner Zeit zu reformieren. Es handelt sich hier um einen »Messianismus der Wissenschaft«, in dem Papst Clemens IV. – vermittelt durch Roger Bacon – die Rolle zufallen sollte, die Sache der neuen Wissenschaften innerhalb der Kirche in die Hand zu nehmen und die Welt von allen Missständen durch die richtige Bildung zu befreien: und d ­ amit die Welt als »Engelspapst«116 zu retten: »Denn wenn man meinen Darlegungen tatsächlich folgen würde, würde das gesamte Studium von selbst verbessert und die ganze Kir114  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teil VI: Über die Erfahrungswissenschaft, in: ders., Opus maius, Teil I, II u. VI, a.  a. O., S.  157–228, S.  163. 115  Siehe hierzu vertiefend: Marjorie Reeves, The Influence of Prophecy in the Later Middle Ages. A study in Joachimism, Oxford 1969, S.  133–292. 116  Vgl. zu diesem Gedanken: Friedrich Baethgen, Der Engelspapst: Idee und Erscheinung, Leipzig 1943. – Bernhard Töpfer machte darauf aufmerksam: »[…] das erste Zeugnis, in dem die Herbeiführung einer Reform der Kirche geradezu ausschließlich als das Werk eines vorbildlichen großen Papstes hingestellt wird, ist das wohl im Jahre 1267 entstandene Opus tertium des Roger Bacon« (in: Bernhard Töpfer, Das kommende Reich des Friedens. Zur Entwicklung chiliastischer Hoffnungen im Hochmittel­a lter, in: Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte, Bd.  11, Berlin 1964, S.  206).

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che in die richtige Richtung gelenkt werden, wie zu den Zeiten der Heiligen; und es würde einen allgemeinen Frieden sowohl bei Kirchenangelegenheiten als auch bei den Angelegenheiten der Fürsten und Laien geben. Wenn das aber nicht durch Eure Weisheit verwirklicht wird, so glaube ich, dass es niemals geschehen wird. Denn es ist vor langer Zeit prophezeit worden, dass das, was ich hier erzähle, durch einen Papst umgesetzt werden wird. Diese Prophezeiung muss jedoch in unserer Zeit eintreten, wie ich weiter unten noch ausführ­ licher erläutern werde. Ich will damit sagen, dass die Kirche heute bei den Christen ebenso durch das Gesetz Gottes gelenkt werden muss wie in den alten Zeiten bei den Hebräern. Denn ebenso, wie die Urkirche durch das Gesetz gelenkt worden ist, sollte sie auch heute wieder geleitet werden: Da die ganze Weisheit dort grundlegend und von der Quelle her enthalten ist, muss auch die Kirche [heute] prinzipiell durch sie gelenkt werden.«117

Die philosophischen Wissenschaften, die zu diesem Ziel führen sollten, stellt Roger Bacon in seinen drei Hauptwerken vor: es sind dies die Wissenschaft von den alten Sprachen, die Mathematik, die Optik, die Erfahrungswissenschaft, die Astronomie und Astrologie sowie die Alchemie. Diese Wissenschaften liefern der Theo­ logie die spekulativen Prinzipien, auf deren Grundlage die Theologie erst vernünftig betrieben werden kann: »Und auch, wenn diese

117  Vgl. OT, S.  171. – Wieweit Bacon hier von joachimitischen Vorstellungen beeinflusst war, die sich aber bei Joachim von Fiore »ganz eindeutig auf die zwei kommenden neuen Orden richteten« (vgl. Töpfer, Das kommende Reich, a.  a. O., S.  206), kann im Rahmen dieser Einleitung nicht weiter verfolgt werden. Es sei aber auf Grundmann verwiesen, der mit Bezug auf Tondellis Deutung der Tafel IV des liber figurarum von einer papsttreuen Gesinnung Joachims und der Wiederherstellung der römischen Kirche spricht: temporalis gloria ecclesiae imminuta manebit (vgl. Herbert Grundmann, Neue Forschungen über Joachim von Fiore, Marburg 1950, S.  62).

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Dinge der Wahrheit nach zur Theologie gehören, sind sie doch philosophischer Natur, die aber im Dienst der Theologie steht.«118 Die Philosophie liefert der Theologie aber nicht nur die spekulativen Prinzipien, sondern auch deren praktische Nutzanwendung. Denn die Wissenschaften haben für Bacon keinerlei Wert, wenn sie nicht im praktischen Dienst für die Menschheit stehen – gerade dies macht ihre »Herrlichkeit«, ihre »Schönheit« aus. Es sind vor allem fünf Punkte, an die Roger Bacon hierbei denkt119: 1. Die Stufenleiter der Ausbildung an der Universität zu bilden; 2. für das geistige Wohl der ganzen Kirche zu sorgen; 3. alles auf das Seelenheil der christlichen Gemeinschaft auszurichten, auf die Bewahrung der körperlichen Unversehrtheit ihrer Mitglieder, für deren Lebensverlängerung und für die richtigen Sitten zu sorgen, mit deren Hilfe die Gemeinschaft in Wohlstand und Frieden leben kann; 4. auf die Bekehrung der zum Heil berufenen Nichtchristen hinzuwirken; 5. die Unbekehrbaren abzuwehren, jedoch durch weise Überlegungen, nicht durch die Kriege der Laien, die nur dem Zufall womöglich Erfolg verdanken. Was Bacon der geistigen Elite seiner Zeit vorwirft, ist ihr rein spekulatives Interesse an der Wissenschaft, das zum Wohl der Menschheit nichts beizutragen scheint.120 Daher seine Feindschaft gegenüber der Logik, der Metaphysik und der weiteren damals an der Universität betriebenen Wissenschaften verbunden mit der wissenschaftlichen Methodik, die wir als scholastische Methode

118  Roger Bacon, Opus maius, Teil I, II u. VI, a.  a. O., S.  152. 119  Vgl. Roger Bacon, Kompendium für das Studium der Philosophie, a.  a. O., S.  17 f. 120  Siehe zum franziskanischen Kontext des Predigens als praktischer Anwendung der Wissenschaften und Bacons Kritik an der Theologie: Timothy J. Johnson, Roger Bacon’s Critique of Franciscan preaching, in: Institution und Charisma. Festschrift für Gert Melville zum 65. Geburtstag, hg. v. Franz J. Felten u. a., Köln u. a. 2009, S.  541–548; ders., Preaching precedes Theology: Roger Bacon and the Failure of Mendicant Education, in: Franciscan Studies 68, S.  83–95.

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kennen121 und deren für uns bekannteste Hauptvertreter Albertus Magnus und Thomas von Aquin immer wieder vehement von Roger Bacon kritisiert werden. Der wissenschaftliche Wert der neuen Wissenschaften ist für Bacon viel größer als der Wert der zu seiner Zeit gängigen Wissenschaften, weil der eigentliche Nutzen der Wissenschaft sich nicht in spitzfindigen Disputationen erschöpfen darf, sondern auf den Nutzen für die Seele, den Körper und die Gesellschaft gerichtet sein muss: »Welch große Torheit ist es doch, Wissenschaften, die in Bezug auf die Theologie so nützlich sein können, links liegen zu lassen und sich in Wissenschaften zu vertiefen, die verglichen mit jenen anderen völlig unbedeutend sind.«122 Fassen wir nochmals zusammen: Die Umstände der Zeit ließen eine Reform als dringlich erscheinen. Die Zeit des »Antichrist« schien nahe. Beleg dafür: die Mongolen, die gerade Asien und Teile Europas verwüstet hatten und denen das christliche Europa aufgrund innerer Zerwürfnisse nichts entgegenzusetzen hatte. Ihr Rückzug: reiner Zufall. Dagegen wollte Roger Bacon seine Reform stellen, seine Moral­ philosophie und seine neuen wissenschaftlichen Methoden: seine Reformideen wären hilfreich und durchschlagend. Was für ihn, Roger Bacon, notwendig schien, das waren gute Mitarbeiter, das war Geld für neue Bücher, für Pergament, für die Instrumente, ohne die Wissenschaft nicht betrieben werden kann. Was für ­Roger Bacon notwendig war: das wäre Hilfe gewesen. Die Rettung der Welt durch die Kraft der Wissenschaften war greifbar. Aber anstatt ihm zu helfen, legten ihm seine Vorgesetzten tausend Hindernisse in den Weg. Alles schien gegen die Weisheit verbündet zu sein. Dabei stand der Untergang kurz bevor. Allein die Autorität des Papstes hätte in dieser Situation Hilfe zu bringen vermocht. Roger Bacon rief aus der Tiefe zum Stellvertreter Gottes und zum 121 Vgl. Martin Grabmann, Die Geschichte der scholastischen Methode, 2 Bde., Freiburg 1909–1911. 122  Roger Bacon, Opus minus, a.  a. O., S.  324.

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Führer der Christenheit. Doch vergebens: Papst Clemens IV. starb am 29. November 1268, wahrscheinlich ohne die Werke gelesen zu haben, die Roger Bacon ihm geschickt hatte. Das Opus tertium hat den Papst nie erreicht. Es ist kein Wort über eine Reaktion des Papstes überliefert. Roger Bacon und seine Vision gerieten in Vergessenheit. Wenn überhaupt, dann erinnerte man sich seiner als eines verstiegenen Magiers und Alchemisten.123 Noch heute ist er im deutschsprachigen Raum kaum präsent. Um Roger Bacons Anliegen klar herauszustellen: 1. Die Welt, in der er lebte, war reformbedürftig. Im Gegensatz zu den Häresien seiner Zeit, die auf einen anderen Glauben oder eine andere Kirchenstruktur abzielten, suchte Bacon allein Wissen in und für die Welt. Sie ließ sich für ihn nur durch eine Wissensreform auf Grundlage der vom Herrn gegebenen »Herrlichkeit der Weisheit« verbessern. 2. Bacon sah das Grundübel an der Universität in der Auseinanderentwicklung der Theologie und der philosophischen Wissenschaften. Hier galt es für ihn, eine Einheit wiederherzustellen, von der er annahm, dass es sie in der Vorzeit gegeben hätte, und dass diese von Gott geoffenbart worden sei. Der Papst sollte diese Reform verwirklichen. 3. In dieser Einheit ist die Theologie die Herrin aller Wissenschaften, sie ist methodologisch jedoch auf die »philosophischen« Wissenschaften angewiesen. Das räumt den philosophischen Wissenschaften eine wichtige propädeutische Funktion für das Verständnis der Theologie ein. Diese philosophischen Wissenschaften – wie sie auch im Opus tertium beschrieben werden – wollte Roger Bacon zum Wohl der Welt voranbringen. Ich habe das vorangehende Kapitel mit »Roger Bacons wissenschaftlicher Messianismus« überschrieben. »Messianismus« des123  Vgl. Amanda Power, A Mirror for Every Age: The Reputation of ­Roger Bacon, a.  a. O.

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halb, weil sich in Bacons Denken der Wunsch ausdrückt, dass die Welt sich auch angesichts der bevorstehenden Apokalypse vernünftig und zum Wohle aller Menschen gestalten lassen müsste. Der Untergang der Christenheit schien ihm bevorzustehen. Nur eines konnte die Welt davor bewahren: die Wissenschaft, für die Roger Bacon zeit seines Lebens eingetreten ist, der er sein Leben gegen alle Hindernisse gewidmet hatte. Roger Bacon schreibt dies selbst ganz eindrücklich als Befürchtung nach einer Schilderung seiner scientia experimentalis – der Erfahrungswissenschaft – in seinem Opus tertium: »Diese wunderbare Wissenschaft wird auch der Antichrist benutzen. Und er wird sie noch viel mächtiger benutzen als Aristoteles, weil er viel mehr weiß als Aristoteles.«124 Roger Bacon sah sich als der Einzige, der mit der Macht der Wissenschaften dieser Bedrohung begegnen könnte. Und er war in seiner Zeit damit – zumindest in seinen Augen – ganz allein. Die Beschreibung der Macht der Wissenschaften war sein drängendes Anliegen, das er dem Papst als Haupt der Christenheit vorgetragen hatte. So schreibt er im Opus maius : »Da diese Erfahrungswissenschaft der Menge der Studenten vollkommen unbekannt ist, kann ich niemanden von ihrer Nützlichkeit überzeugen, wenn nicht zugleich ihre Kraft und ihre Eigentümlichkeiten beschrieben werden. Nur diese Wissenschaft weiß auf vollkommene Art zu zeigen, was durch die Natur geschehen kann und was durch die Anstrengung der Kunst hervorgerufen wird.«125

Die »Kraft und die Eigentümlichkeiten der Wissenschaft« hat ­ oger Bacon beschrieben. Eine Antwort vom Papst hat er nie erR halten. Stattdessen eine Verurteilung durch seine Ordensoberen, die uns durch den Eintrag aus einer franziskanischen Chronik aus dem 13. Jahrhundert belegt ist und die wir hier abschließend zitie­ ren wollen: 124  OT, S.  895. 125  Roger Bacon, Opus maius, Teile I, II u. VI, a.  a. O., S.  163.

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»Hier verwarf und verurteilte der Ordensgeneral Hieronymus [von Ascoli] auf Beschluß vieler Brüder die Lehre des englischen Bruders Roger Bacon, Magister der heiligen Theologie, da sie einige verdächtige Neuerungen enthalte, aufgrund deren jener Roger zu Kerkerhaft verurteilt wurde, wobei für alle Brüder die Vorschrift gilt, daß niemand sich an diese Lehre halten dürfe, sondern sie vielmehr zu meiden habe, da sie vom Orden verworfen ist.«126

Doch die Hoffnung bestand für Roger Bacon weiterhin: »Denn auch wenn die Grundsteine noch nicht gelegt sind, sind doch bereits das Holz und die Steine da, nämlich die Kraft der Wissenschaften und der Sprachen; und auch die anderen Dinge, die zum Aufbau der Weisheit notwendig sind.«127

Für Roger Bacon war das ein drängendes Anliegen. Ein Anliegen, das vielleicht auch wir teilen, um mit den Worten Senecas – die Bacon durch die Zeit hindurch bis zu uns weiterträgt – zu sprechen: »Es wird eine Zeit kommen, in der der Tag und die Sorgfalt einer weiter entfernten Zeit das, was nun verborgen ist, ans Licht bringen werden.«128

126  Chronica XIV Generalium Ordinis Minorum, in: Analecta franciscana III, S.  360, zitiert nach: Camille Bérubé, Der ›Dialog‹ St. Bonaventura – Roger Bacon, in: Roger Bacon in der Diskussion, a.  a. O., Bd.  1, S.  67–136, S.  74 Anm. 13. 127  OT, S.  17. 128 Roger Bacon, Kompendium für das Studium der Philosophie, a.  a. O., S.  70. – Vgl. Seneca, Naturales quaestiones. Naturwissenschaftliche Untersuchungen, lat.-dt., hg. u. übers. v. M. F.  A. Brok, Darmstadt 1995, 7, 25, 3–5.

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3.  Die Bedeutung der einzelnen Wissenschaften in Roger Bacons Reformentwurf Roger Bacons Bedeutung besteht vor allem in der grundlegenden Entwicklung eines neuen methodischen Gesamtkonzepts einer vereinheitlichten und systematischen Wissenschaft, die er in den Dienst der Reform seiner Zeit mit dem Ziel stellt, ein vernünftiges und friedlich geregeltes Zusammenleben der Menschen zu ermöglichen.129 Welchen Stellenwert die einzelnen Wissenschaften in Bacons Programm haben, wollen wir im Folgenden anhand ­einer Zusammenfassung der sieben Teile des Opus maius, auf das sich Roger Bacon in seinem Opus tertium aus den oben genannten Gründen (siehe S. XXXII  ff.) ständig bezieht, verdeutlichen. Doch zuvor: Worin besteht das Charakteristische von Roger ­Bacons Wissenschaftsprogramm, das auf so großes Unverständnis bei seinen Zeitgenossen gestoßen ist und das Bacon – zumindest außerhalb Englands, denn in England heißen sogar Schulen nach ihm und wird er in populären Kriminalromanen wie denen von Colin Dexter zitiert – als Folge lange in die zweite Reihe der wichtigen Denker verbannt hat? Heute ist auch ein Mondkrater nach ihm benannt sowie der Asteroid 69312. Für Theodore Crowley130 bestand es in der Gegenüberstellung von Bacons Interessen für die Astrologie und die Alchemie, die seinen Zeitgenossen zu weiten Teilen suspekt war. Für Stewart C. Easton131 waren es Roger Bacons Sympathien für die Spiritualen und den Joachimismus, die er mit seinem Wissenschaftssystem 129  Dass Bacons Denken weiter gefasst werden muss als nur bezogen auf eine Reform des Universitätswesens der Zeit, macht Amanda Power deutlich: »It has been assumed that he was writing about the universities and their future when he was actually writing about the future of the Church and, through it, of humanity.« (In: Amanda Power, Roger Bacon and the Defence of Christendom, a.  a. O., S.  178 f.) 130  Vgl. Theodore Crowley, Roger Bacon, a.  a. O., S.  50–64. 131  Vgl. Stewart C. Easton, Roger Bacon and his Search for a Universal Science, a.  a. O., S.  136–143.

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zu verbinden gesucht haben soll.132 Franco Alessio133 sah den Konflikt in einer traditionellen Auffassung der Wissenschaft augustinischer Prägung und Bacons Konzept einer neuen, auf Erfahrung und Forschung gegründeten Wissenschaft, wie sie vor ihm Robert Grosseteste und Adam Marsh initiiert hatten. Raoul Carton134 und Etienne Gilson135 betonten hingegen gerade die augustinische Auffassung Bacons von der Weisheit und einer universalen Wissenschaft. Alle diese Aspekte lassen sich m. E. auf eine grundlegende Haltung Bacons zurückführen, für die weder die Theologen seiner Zeit noch seine Ordensmitglieder Verständnis hatten noch haben konnten: seinen szientistischen Optimismus, den Gedanken 132 Auf diesen Zusammenhang verweist auch: Zachary Matus, Reconsidering Roger Bacon’s Apocalypticism in Light of his Alchemical and Scientific Thought, in: Harvard Theological Review 105, 2012, S.  189–222. – Bei aller im Geist der Zeit liegenden und auch aus persönlichen Verbindungen Bacons zu joachimitisch gesinnten Kreisen (Raimund von Laon, Hugo von Digne, Guy de Foulques, Petrus Johannis Olivi) zu vermutenden Nähe Bacons zum Joachimismus blieb dies aber bisher Spekulation. Dem Geist erneuerter Studien, gerade der alten Sprachen, und Bacons szientistischem Optimismus widerspricht das Zeitalter des Geistes, das Joachim heraufziehen sieht und das das Studium der Alten und jede Buchstabengesinnung geradezu überflüssig machte, m. E. zentral. Jeremiah Hackett fand jedoch jüngst starke Hinweise darauf, dass es sich bei dem Boten Johannes, den Roger Bacon im Opus tertium sehr oft erwähnt, tatsächlich um Petrus Johannis Olivi gehandelt hat, was Bacons Nähe zum Joachimismus und den Spiritualen im Franziskanerorden bestätigen würde (vgl. Jeremiah Hackett, Bacon and his First Interpreter, the Anonymus Iuvenis Iohannes, in: Vedere nell’ombra. Studi su natura, spiritualità e scienze operative offerti a Michela Pereira, hg. v. Cecilia Panti u. Nicola Polloni, Florenz 2018, S.  179–192.) 133  Vgl. Franco Alessio, Mito e Scienza in Ruggero Bacone, Mailand 1957, S.  90–97. 134  Vgl. Raoul Carton, La synthèse doctrinale de Roger Bacon, Paris 1924, S.  58 f. 135  Vgl. Etienne Gilson, La philosophie franciscaine, in: Saint Francois d’Assise, son oeuvre, son influence, Paris 1927, S.  148–175.

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also, dass sich die Welt allein durch die Macht der Wissenschaft verbessern ließe. Man kann hier durchaus von einem »wissenschaftlichen Pelagianismus«136 sprechen, einem sehr weltlichen Selbsterlösungsgedanken des Menschen durch die Kraft der Wissenschaften, der der Kirche – spätestens seit Augustinus’ Kampf gegen diese theologische Position137 – suspekt sein musste und der bei den Franziskanern mit deren Armuts-, Demuts- und Prediger­ ideal auf wenig Verständnis stoßen konnte. Untersuchen wir, welche Rolle die einzelnen Wissenschaften in Bacons szientistischem Reformprogramm spielen. 3.1  Die Gründe für den menschlichen Irrtum (Opus maius, Teil I; Opus tertium, Kap.  22) »Es gibt vier grundlegende Ursachen für alle unsere Übel, die von Beginn der Welt an jeden Zustand verdorben haben und die jeden Menschen, wie weise er auch sein mag (außer unseren Herren Jesus Christus und die Heilige Jungfrau) mitunter vom rechten Weg oder von der letzten Vollkommenheit abgebracht haben. Diese Ursachen sind: die Beispiele brüchiger Autoritäten, die alltägliche Gewohnheit, die Meinung der unwissenden Menge und die Überheblichkeit des menschlichen Geistes, denn jeder sucht nach Trost für seine eigene Unwissenheit, damit er nicht zugeben muss, was er alles nicht weiß. Daher erfreut er sich unvernünftigerweise daran, das bisschen, was er weiß oder zu wissen glaubt, vorzuzeigen.«138

Einer umfassenden und grundlegenden Reform des Studienwesens stellten sich für Bacon nicht nur kontingente Hindernisse ordens136 Vgl. Gerald Bonner, Art. »Pelagius / Pelagianischer Streit«; in: Theologische Realenzyklopädie, Bd.  26, 1996, S.  178–185. 137  Vgl. Augustinus, Schriften gegen die Pelagianer; hrsg. von Sebastian Kopp u. a., Würzburg 1955. 138  OT, S.  143.

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und universitätspolitischer Art entgegen, sondern allgemeinere erkenntnistheoretische und ideologische Hindernisse, die ausgeräumt werden müssten. Dieser Punkt ist Roger Bacon so wichtig, dass er nicht nur in allen seinen Hauptwerken über »die Haupt­ ursachen der menschlichen Unwissenheit« (universales causae ­totius ignorantiae humanae) schreibt, sondern dass er auch den gesamten ersten Teil seines Opus maius139 mit der Darstellung dieser Hindernisse beginnt. Diese vier »grundlegenden Ursachen«, die es für eine erfolgreiche Wissensvermittlung auszuräumen gilt, sind: 1. 2. 3. 4.

die Beispiele brüchiger Autoritäten, die Gewohnheit, die Meinung der Menge und der Wunsch, seine Unwissenheit zu verbergen.

Worauf die Bemerkungen über die causae erroris (Gründe für den Irrtum) bei Bacon hinauslaufen, ist – wie Florian Uhl überzeugend gezeigt hat140 – eine grundsätzliche Kritik an dem blinden Glauben gegenüber Autoritäten, deren Wahrheitsgehalt nicht ausreichend überprüft worden ist. Die »Hindernisse gegenüber der Weisheit« dürfen hier jedoch nicht unabhängig voneinander gedacht werden: Weil wir auf fragile Autoritäten hören, werden uns deren Annahmen zu Gewohnheiten, die sich verfestigen und den Charakter einer anerkannten Tatsache bekommen, denn »[niemand] irrt für sich allein, sondern ist Ursache und Urheber des Irrtums beim Mitmenschen, und so treibt mit uns der Irrtum, der von Hand zu Hand weitergegeben wird, sein Spiel, und wir gehen am Beispiel der anderen zu­

139  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teile I, II u. VI, a.  a. O., S.  57–101. 140  Vgl. Florian Uhl, Hindernisse auf dem Weg zum Wissen. Roger Bacons Kritik der Autoritäten, in: Roger Bacon in der Diskussion, a.  a. O., Bd.  1, S.  219–235.

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grunde«141. Und falls man doch einmal zu der Erkenntnis gelangen sollte, etwas nicht zu wissen, erwacht im Menschen die Eitelkeit, die ihn daran hindert, die eigenen Fehler einzugestehen. Mit beredten Worten weist Roger Bacon auf die zerstörerischen Konsequenzen dieser vier Irrtümer hin, die den Menschen an jeder Erkenntnis und jedem Fortschritt hindern: »Von diesen tödlichen Plagen her kommen alle Schlechtigkeiten des menschlichen Geschlechts; denn die nützlichsten, größten und schönsten Lehren der Weisheit sowie alle Geheimnisse der Wissenschaften und Künste bleiben hierdurch unbekannt; noch schlimmer ist, dass die Menschen ihre eigene Unkenntnis nicht einsehen können, weil sie durch diese vier Gründe [für den Irrtum] in der Dunkelheit gefangen sind. Im Gegenteil verdecken und verteidigen sie mit aller Sorgfalt ihre Unkenntnis, sodass sie kein Heilmittel dagegen finden können. Doch am Schlimmsten ist, dass sie von sich glauben, sie seien im hellsten Licht der Wahrheit, obwohl sie doch in der dichtesten Dunkelheit gefangen sind. Daher denken sie, dass die wahrsten Dinge an der äußersten Grenze des Falschen liegen, dass das Beste keinen Wert hat und dass die größten Errungenschaften weder Gewicht noch Bedeutung haben. Dagegen feiern sie das Falscheste, loben das Schlechteste und preisen das Gemeinste. Sie sind blind gegenüber dem Glanz der Weisheit und rennen nur zu den Dingen hin, die sie am leichtesten erreichen können.«142

Mit dieser Autoritätskritik war Bacon nicht allein. Seine Gewährsmänner im ersten Teil des Opus maius sind sowohl pagane Autoren wie Aristoteles, Cicero und Seneca als auch Texte der Bibel, von Avicenna und Averroes. Und auch zeitgenössischere Autoren wie etwa Adelard von Bath, der das blinde Vertrauen in brüchige

141  Roger Bacon, Opus maius, Teile I, II u. VI, a.  a. O., S.  61. 142  Ebd., S.  59.

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Autoritäten in seinen Quaestiones naturales bereits im 12. Jahrhundert als »Halfter« bezeichnet hatte.143 Die Tradition zu kennen ist zwar notwendig, sie muss jedoch stets einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Bacon war mit diesem Anspruch keine exzeptionelle Figur des Mittelalters. Ähnliches hatte neben Adelard von Bath bereits Anselm von Canterbury formuliert, als er um 1100 schrieb, dass die Vernunft das Wesentliche am Menschen sei und Richterin sein müsse über alles, was im Menschen ist.144 Auch Abaelard hatte diesem Thema mit seinem Werk Sic et non bereits ein Buch gewidmet, aus dem ein Satz des Prologes wegen seiner Eindringlichkeit zitiert sei: »Durch den Zweifel gelangen wir zur Befragung. Durch die Befragung erreichen wir die Wahrheit.«145 Roger Bacon fasst eine kritische Geisteshaltung zusammen, die untergründig im Mittelalter schon lange Zeit präsent war.146 Viele andere Vertreter ließen sich hier nennen, von denen Maimonides, Averroes, aber auch Albertus Magnus und Thomas von Aquin nur die bekannteren sind.147 Wenn es demnach stimmt, dass es – wie Kurt Flasch postuliert hat148 – eine Aufklärung im Mittelalter gab, dann wäre Roger ­Bacon einer ihrer wichtigsten Vertreter. Anhand von Roger Bacon lässt sich exemplarisch ersehen, dass es auch ein kritisches und 143  Vgl. Adelard von Bath, Quaestiones naturales, in: Adelard of Bath, Conversations with his nephew. On the Same and the Different, Questions on Natural Science and On Birds, lat.-engl., hg. u. übers. v. Charles Burnett, Cambridge 1998, VI, S.  102. 144  Vgl. Anselm von Canterbury, Epistola de incarnatione verbi, hg. v. Franciscus S. Schmitt, Stuttgart-Bad Cannstatt 1984 (= Opera omnia II, S.  1–35), S.  1–2. 145  Petrus Abaelardus, Sic et non. A critical Edition, hg. v. Blanche B. Boyer u. Richard McKeon, Chicago  /  London 1977, S.  103. 146  Vgl. Dominik Perler, Zweifel und Gewissheit. Skeptische Debatten im Mittelalter, Frankfurt / Main 22012. 147  Vgl. die verschiedenen Aufsätze in: Kurt Flasch u. Udo Reinhold Jeck (Hrsg.), Das Licht der Vernunft. Die Anfänge der Aufklärung im Mittelalter, a.  a. O. 148  Vgl. ebd.

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aufklärerisches Mittelalter jenseits der »großen Denkkathedralen«149 der Scholastik gab. Auch der nächste wichtige Aspekt im Denken Roger Bacons, der im zweiten Teil des Opus maius thematisiert wird, weist in diese Richtung: dass nämlich das Verhältnis zwischen der Theologie, der »Königin aller Wissenschaften«, gegenüber den weltlichen Wissenschaften neu überdacht werden muss. 3.2  Das Verhältnis zwischen Theologie und Philosophie (Opus maius, Teil II; Opus tertium, Kap.  24) »Nur eine Weisheit ist vollkommen, jene, die in ihrer Gesamtheit in der Heiligen Schrift enthalten ist und die durch das kanonische Recht und die Philosophie erklärt werden soll. Denn die Darlegung der göttlichen Wahrheit geschieht durch jene Wissenschaften, mit denen ihr die Erklärung gleichsam in die offene Hand gelegt wird, während sie doch die gesamte Weisheit von sich selbst aus in der Faust zusammenschließt.«150

Durch die Übersetzungs- und Rezeptionsbemühungen philosophischer Texte, die vor allem seit dem 12. Jahrhundert verstärkt eingesetzt hatten, ergaben sich Spannungen und Probleme: Das neue Wissen, die sich zunehmend ausdifferenzierenden Wissenschaften, mussten in einen etablierten Bildungskanon integriert werden, in dem die Theologie an erster Stelle stand. Nehmen wir als Beispiel die Texte des Aristoteles, über die Roger Bacon als junger Magister in Paris Vorlesungen gehalten hatte151: Durch Aris149  Vgl. Loris Sturlese, Philosophie im Mittelalter. Von Boethius bis Cusanus, München 2013, S.  7 f. 150  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teile I, II u. VI, a.  a. O., S.  103. 151  Ferdinand M. Delorme, »Introduction«, in: Roger Bacon, Opera hactenus inedita, Bd.  X III, hg. v. Robert Steele u. Ferdinand M. Delorme, Oxford 1935, S.  x xvii–xxxi; einschränkend hierzu jedoch: Silvia Donati, Pseudoepigrapha in the »Opera hactenus inedita Rogeri Baconi?« The

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toteles hatte man ein zwar vorchristliches, aber stringentes und umfassendes Wissenschaftssystem wieder zur Verfügung, das den traditionellen Lehr- und Wissensrahmen erheblich erweiterte und das den philosophischen Wissenschaften gegenüber der Theologie eine neue Gewichtung ermöglichte. Bis zum 12. Jahrhundert waren die septem artes liberales, die philosophische Grundausbildung der Studenten, bevor sie sich den höheren Fakultäten der Theologie, des Rechts oder der Medizin zuwandten, klar umgrenzt. Autoritäten wie Boethius152, Cassiodor153, Martianus Capella154 und Isidor von Sevilla155 hatten in der Spätantike einen Kanon formuliert, an den man sich für die nächsten Jahrhunderte hielt. Als gegen Ende des 12. Jahrhunderts neue Texte bekannt wurden, genügte dieses System nicht mehr. Die artes-Fakultät erhielt eine neue und anspruchsvollere Funktion: Man lehrte dort nicht mehr nur Grammatik, Dialektik und Rhetorik, sondern auch Naturphilosophie, Ethik und Politik. An dieser erheblichen Erweiterung des Studienplanes hatten – wie gesagt – die Schriften des Aristoteles einen wesentlichen Anteil: Commentaries on the Physics and on the Metaphysics, in: Les débuts de l’enseignement universitaire à Paris (1200–1245), hg. v. O. Weijers u. J. Verger, Turnhout 2013, S.  152–203. 152  Auf Boethius gehen die Übersetzungen der Logikschriften des Aristoteles zurück, die bis ins 12. Jahrhundert als »logica vetus« bekannt waren. Zudem soll Boethius auch Lehrbücher über alle sieben freien Künste verfasst haben, von denen aber nur seine Bücher über Musik und Arithmetik erhalten sind, die auch im Mittelalter benutzt wurden. – Vgl. den jüngst erschienenen Aufsatzband: A Companion to Boethius in the Middle Ages, hg. v. Noel Harold Kaylor u. Philip Edward Phillips, Leiden 2012. 153 Vgl. Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus, Institutiones divinarum et saecularium litterarum, lat.-dt., 2 Bde., hg. u. übers. v. Wolfgang Bürsgens, Freiburg u. a. 2003. 154 Vgl. Martianus Capella, Die Hochzeit der Philologia mit Merkur. De nuptiis Philologiae et Mercurii, hg. u. übers. v. Hans Günter Zekl, Würzburg 2005. 155  Vgl. Isidor von Sevilla, Die Enzyklopädie, hg. u. übers. v. Lenelotte Möller, Wiesbaden 2008.

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Bereits gegen Ende des 13. Jahrhunderts hatte sich der Aristotelismus trotz der wiederholten Verbote institutionell durchgesetzt156 und bestimmte den universitären Lehrplan für die nächsten Jahrhunderte derart, dass noch Thomas Hobbes im 17. Jahrhundert abschätzig sagen wird, dass der Aristotelismus und die Universität dasselbe seien.157 Doch nicht nur Texte des Aristoteles waren übersetzt worden. Fast in jedem Bereich der Wissenschaft gab es neue Texte, sei es in der Astronomie, der Optik, der Physik oder der Medizin. Die Frage stellte sich daher: Wie konnte man alle diese neuen Wissenschaften in den Lehrplan integrieren und wie viel Raum konnte man ihnen einräumen? Roger Bacons Antwort auf diese Frage ist uns bereits bekannt: Man müsse alle Wissenschaften fördern, weil sie zur Theologie überhaupt keinen Gegensatz bilden, sondern auf sie hingeordnet sind. In der Konzeption Bacons ist der Zweck der Wissenschaften immer auf die Theologie bezogen, gleichzeitig sind die anderen Wissenschaften ihr methodologisch jedoch vorgeordnet, weil man ohne sie keine Theologie betreiben könne. Die Theologie ist das Ziel, da alle Wissenschaften nur ihretwegen betrieben werden, die Wissenschaften aber sind die notwendigen Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Bacon ging davon aus, dass die Weisheit als alles umgreifendes Wissen am Anbeginn der Welt von Gott den Heiligen der Vorzeit

156  Bereits 1252 schrieben die Statuten des englischen Teils der Pariser Artistenfakultät vor, dass Kandidaten für eine Dozentur das Buch Über die Seele von Aristoteles gehört haben müssen. Am 19. März 1255 geboten die Statuten der Pariser Artistenfakultät, die Schriften des Aristoteles zu erklären. – Vgl. Kurt Flasch, Aufklärung im Mittelalter? Die Verurteilungen von 1277, a.  a. O., S.  29 f. 157  Vgl. Thomas Hobbes, Leviathan, vierter Teil: Vom Königreich der Finsternis, Kap.  X LVI, übers. v. Jutta Schlösser, hg. v. Hermann Klenner, Hamburg 1996, S.  563.

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und den Propheten bereits als prisca theologia158 geoffenbart worden sei. In seiner Vorstellung ist die Geschichte in jeder Hinsicht eine Verfallsgeschichte: Das Wissen war bereits da, die Menschheit hat es vergessen. Selbst die paganen Philosophen hatten noch einen gewissen Anteil an der Weisheit Gottes, weil sie sozusagen näher am Ursprung waren.159 Die Beharrlichkeit, mit der Roger Bacon immer wieder zu zeigen versucht, dass die gesamte Weisheit, also die Gesamtheit der Wissenschaften, zuerst von Gott den Patriarchen und Heiligen ge­ offen­bart und dann von Aristoteles und den anderen Philosophen weitergeführt worden sei, ist durch seine umfassende Auffassung der Weisheit bestimmt. Für ihn sind die Wissenschaften ebenso geoffenbart wie die Aussagen der Heiligen Schrift und unterscheiden sich von dieser nur in dem Grad ihrer Vollkommenheit. Nun nehmen die Überlegungen von Roger Bacon jedoch eine Wendung, die die Wichtigkeit der Wissenschaften nochmals erklärt und die gleichzeitig für den methodologischen Vorrang160 der Wissenschaften noch vor dem Studium der Heiligen Schrift sorgt. In den Worten des Opus tertium: »Damit endet der zweite Teil [meines Opus maius], dessen prinzipielles Anliegen darin besteht, zu zeigen, dass die ganze Weisheit in der Heiligen Schrift enthalten ist, die durch das Recht und die Philosophie erklärt werden muss: So wie in der Faust bereits alles enthalten ist, was in der offenen Hand sichtbarer wird. Ebenso ist alle nütz­ liche Weisheit in den heiligen Schriften enthalten, wenn sie dort auch nicht vollkommen erklärt wird. Diese Erklärung übernimmt daher das Kirchenrecht gemeinsam mit der Philosophie. Denn beide liegen

158 Vgl. Charles B. Schmitt, Perennial Philosophy: from Agostino Steuco to Leibniz, in: Journal of the History of Ideas 27, 1966, S.  505–532. 159  Vgl. OT, S.  163 ff. 160  Zu dieser Vorrangstellung lesenswert: Florian Uhl, Roger Bacon: Die Wissenschaften als Weg zu Nutzen und Heil, in: Roger Bacon in der Diskussion, a.  a. O., Bd.  2, S.  257–277, bes. S.  260–263.

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im Inneren der Heiligen Schrift verborgen und müssen aus ihr hervorgeholt werden.«161

Hier zeigt sich eine tiefe Ambivalenz im Denken Bacons: Auf der einen Seite bildet die Heilige Schrift – und damit die Theologie, die für Bacon eben das Studium der Heiligen Schrift sein sollte, was sie aber, wie Bacon kritisiert, zu seiner Zeit nicht mehr sei – die Grundlage und das Ziel aller anderen Wissenschaften. Auf der anderen Seite wird das Verhältnis zwischen Theologie und Philosophie umgekehrt: Die Theologie ist zwar die werthafteste und wichtigste aller Wissenschaften, die anderen Wissenschaften stellen jedoch die Prinzipien für sie bereit: Die Theologie ist abhängig von den anderen Wissenschaften. Die Wissenschaften, von denen die Theologie abhängt, sind jene Wissenschaften, die Roger Bacon zu Beginn des dritten Teils des Opus maius »Über den Nutzen der Grammatik«162 mit den Worten einführt: »Es ist erklärt worden, dass es nur eine vollkommene Weisheit gibt, die in der Heiligen Schrift enthalten ist und die durch das kanonische Recht und die Philosophie erläutert werden muss. Durch diese Weisheit muss die Welt regiert werden, und eine andere Wissenschaft wird für den Nutzen des Menschengeschlechts nicht gebraucht. Nun möchte ich zu jenen wundervollen Teilen dieser Weisheit kommen, die für eine Erklärung am geeignetsten sind. Und es sind fünf [Wissenschaften], ohne die weder in göttlichen noch in menschlichen Belangen irgendetwas gewusst werden kann, deren sichere Kenntnis es uns aber leicht macht, alles zu erkennen.«163

Diese fünf Wissenschaften, über die nun zu sprechen sein wird, sind: Die Sprachen der Weisheit, die Mathematik, die Perspekti161  OT, S.  165 ff. 162  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a.  a. O., Bd.  1, S.  66–96. 163  Ebd., S.  66 [Übers. N. E.].

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vik, die Erfahrungswissenschaft und die Moralphilosophie, mit der das Opus maius seinen Abschluss findet. 3.3  Die Behandlung der Sprachen der Weisheit (Opus maius, Teil III; Opus tertium, Kap.  25–27) »Sprachkenntnis ist der allererste Weg zur Weisheit, besonders für die Lateiner, die keine anderen theologischen oder philosophischen Texte besitzen als solche, die in einer fremden Sprache verfasst sind. Daher sollte jeder Mensch die Sprachen kennen, sie studieren und ihre Regeln verstehen. Man kann nicht durch natürliche Mittel zu ihrer Kenntnis gelangen, weil sie von der Überzeugung der Person abhängig sind und nach ihrem Willen verschieden.«164

Den Ausgangspunkt der gesamten Bacon’schen Kritik an dem Wissenschaftsbetrieb seiner Zeit bildet für ihn die mangelhafte Sprachkenntnis der Theologen, die den fehlerhaften Übersetzungen der theologischen und philosophischen Schriften aus dem Hebräischen, dem Griechischen und dem Arabischen vertrauen und die daher – da Latein für Bacon eine aus diesen Sprachen abgeleitete Sprache war165 – auch ihre eigene Sprache nicht richtig verstehen könnten. Für Bacon bleiben die Ausbildung und das Studium daher mangelhaft, wenn die Theologen nicht die alten Sprachen lernen würden. Die Sprachen, die die Lateiner kennen sollten, waren für Roger Bacon: Hebräisch, Griechisch, Arabisch und Chaldäisch.166 Welche Konsequenzen der Mangel an Sprachkenntnis für das Studium hat, zeigt Roger Bacon anhand seiner eigenen Erfahrung als Lehrer, die er während einer Vorlesung des pseudo-aristoteli164  OT, S.  209. 165  OT, S.  67 f. 166  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a.  a. O., S.  66; OT, S.  121, S.  181; Kompendium für das Studium der Philosophie, a.  a. O., S.  63.

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schen Textes Über die Pflanzen167 erlebt hat, der aus dem Arabischen übersetzt worden war: »Zudem gibt es zahlreiche weitere Wörter der lombardischen, der spanischen und anderer Sprachen, die in die übersetzten Bücher eingefügt worden sind. Ein Beispiel dafür ist das Buch Über die Pflanzen von Aristoteles, in dem auch das ›belenum‹ [Bilsenkraut] behandelt wird, das in Persien zwar schädlich, wenn es jedoch in Jerusalem gepflanzt wird, genießbar ist. Als ich diese Passage in meinem Unterricht vorgelesen hatte und seine richtige Interpretation nicht kannte, haben mich meine spanischen Schüler ausgelacht. Danach habe ich von ihnen gelernt, dass das Wort [›belenum‹] entgegen der Meinung aller Doktoren kein arabisches, sondern ein spanisches Wort ist. Und es bezeichnet dasselbe wie ›semen cassilaginis‹ [Bilsenkraut], wie der Übersetzer Hermann mir gesagt hat. So verhält es sich auch mit unzähligen anderen Wörtern, die die lateinischen Doktoren nicht kennen und sich auch nicht einmal dafür schämen, dass ihnen die Auslegungen [dieser Wörter] unbekannt sind. Sie glauben, dieses Wort sei griechisch oder arabisch und denken, sie könnten sich für ihre Unkenntnis der Sprachen damit rechtfertigen, dass sie doch so weit verbreitet und allen gemeinsam sei.«168

Die Studenten dieser Anekdote lagen mit ihrer Vermutung richtig, da das Wort ›beleño‹ auch heute noch im Spanischen für besagte Pflanze gebraucht wird.169 Roger Bacon weist mit dieser Erinnerung auf ein Problem hin, das an der Universität zum Alltag gehörte: fehlerhafte Übersetzungen, die nur zu häufig zu Fehlern in der Sache führten. Denn 167  Vgl. Pseudo-Aristoteles, De Plantis, in: Nicolai Damasceni De Plantis libri duo, Aristoteli vulgo adscripti, hg. v. Ernst H. F. Meyer, Leipzig 1841. 168  Roger Bacon, Kompendium für das Studium der Philosophie, a.  a. O., S.  106 f. – Vgl. auch: OT, S.  187. 169  Siehe zu dieser Anekdote vertiefend: Thomas Antoine, Roger Bacon et les étudiants espagnols, in: Bulletin Hispanique 6, 1904, S.  18–28.

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die Texte, die nach Europa gelangt waren, hatten meistens einen weiten Überlieferungsweg hinter sich: In der Spätantike waren sie aus dem Griechischen ins Syrische übersetzt worden, dann aus dem Syrischen ins Arabische. Aus dem Arabischen in Südspanien sodann in die dortige spanische Umgangssprache, erst dann ins Lateinische.170 Daraus wird evident, dass ein Text, der am Ende dieses langes Rezeptionsprozesses in Paris oder Oxford ankam, nicht mehr der Text sein konnte, der ursprünglich geschrieben worden war. Auch wenn die Kritik Bacons an den Übersetzungen und den Übersetzern seiner Zeit überzogen ist171, die bei Bacon in der Bemerkung gipfelt, dass man die Übersetzungen der aristotelischen Texte am besten sämtlich verbrennen sollte172, bleibt doch die von Bacon erwähnte Tatsache, dass das Studium der alten Sprachen im 13. Jahrhundert nicht institutionalisiert war und dass man daher auf Übersetzungen angewiesen war, die von unterschiedlicher Qualität waren. Allerdings hatte Roger Bacon mit dem Kreis um Robert Grosseteste173 – eine Generation vor ihm – zahlreiche vom ihm bewun170  Ein schönes Beispiel hierfür ist Dominicus Gundissalinus: Er hat in Toledo etwa 20 Übersetzungen mit Hilfe mozarabischer Gelehrter angefertigt, die des Arabischen mächtig waren. Diese haben aus dem Arabischen ins Kastilische übersetzt. Die kastilische Übersetzung hat Gundissalinus dann ins Lateinische gebracht. Oft waren die Texte aber ursprünglich auf Griechisch geschrieben worden. – Vgl. Dominicus Gundissalinus, De divisione philosophiae. Über die Einteilung der Philosophie, lat.-dt., hg. u. übers. v. Alexander Fidora u. Dorothée Werner, Freiburg 2007, S.  10. 171 Vgl. Richard Lemay, Roger Bacon’s Attitude towards the Latin Translations and Translators of the Twelfth and Thirteenth Centuries, in: Roger Bacon and the Sciences, a.  a. O., S.  25–47. 172  Vgl. Roger Bacon, Kompendium für das Studium der Philosophie, a.  a. O., S.  108 f. 173  Einen Überblick über den wichtigen Einfluss Robert Grossetestes auf Roger Bacon gibt: Ludwig Baur, Der Einfluss des Robert Grosseteste auf die wissenschaftliche Richtung des Roger Bacon, in: Roger Bacon Essays, hg. v. Andrew G. Little, Oxford 1914, S.  33–54.

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derte Vorläufer174, die sich ebenfalls intensiv mit den alten Sprachen beschäftigt und viele theologische und philosophische Texte aus dem Griechischen übersetzt hatten. Vor allem Robert Grosseteste selbst175, dessen Übersetzung der Nikomachischen Ethik des Aristoteles aus dem Griechischen noch im 15. Jahrhundert gegenüber der neueren Übersetzung von Leonardo Bruni von Baptista de Giudici auf der Grundlage verteidigt werden konnte, dass sie philosophisch gesehen die bessere Übersetzung gewesen sei176. Zudem war Bacon mit seinen Überlegungen zum Erlernen des Arabischen für missionarische Zwecke auch unter seinen Zeitgenossen nicht allein, sondern griff damit Empfehlungen der Predigtbrüder wie Humbert Romanis auf, der bereits 1255 das Sprachenstudium für die missionarische Predigt empfohlen hatte, oder wie Raymond Lull, der sich um 1270 für die Einrichtung eines franziskanischen Studiums des Arabischen in Miramar auf der Insel Mallorca eingesetzt hatte.177

174  Vgl. Samuel A. Hirsch, Roger Bacon and Philology, in: Roger Bacon Essays, a.  a. O., S.  101–152, S.  101 ff. 175 Vgl. zur Bedeutung Robert Grossetestes als Übersetzer die Aufsätze von: James McEvoy, Catherine Cavanagh, Jean-Michel Counet und R.  M. Ball, in: Robert Grosseteste. His Thought and its Impact, hg. v. Jack P. Cunningham, Toronto 2012, Part One: Translations and Commentaries, S.  3–108. 176 Vgl. Martin Grabmann, Eine ungedruckte Verteidigungsschrift der scholastischen Übersetzung der Nikomachischen Ethik gegenüber dem Humanisten Leonardo Bruni, in: ders., Mittelalterliches Geistes­ leben. Abhandlungen zur Geschichte der Scholastik und Mystik, München 1926, S.  440–448. – Auch Le Goff, Die Intellektuellen im Mittelalter, a.  a. O., S.  165 f., zieht verschiedene Entgegnungen gleichen Sinnes zur Verteidigung der Übersetzung Grossetestes heran. 177  Vgl. Gilbert Dahan / Irène Rosier / Luisa Valente, L’arabe, le grec, l’hebreu et les vernaculaires, in: Geschichte der Sprachtheorie 3: Sprach­ theorien in Spätantike und Mittelalter, hg. v. Sten Ebbesen, Tübingen 1995, S.  265–321.

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Auch wenn über die persönlichen Kenntnisse des Hebräischen, Griechischen und Arabischen von Bacon Unklarheit herrscht178, hat Roger Bacon auf jeden Fall versucht, philologische Standards der Textedition zu etablieren.179 Die »Wissenschaft von den Sprachen der Weisheit« stellte für ihn die Grundlage jedes Studiums dar, da ohne die Kenntnis der alten Sprachen in den anderen Wissenschaften seiner Ansicht nach keine Fortschritte erzielt werden könnten. Der Grund hierfür liegt in Bacons genealogischem Sprach- und Wissensverständnis: Gott hatte den Propheten zu Anbeginn der Welt sämtliches Wissen offenbart, die Propheten haben es in ihren Sprachen (dem Hebräischen und Chaldäischen) aufgezeichnet. Dieses Wissen ist durch die Griechen an die Araber weitergegeben worden, weswegen es nun an den lateinischsprachigen Gelehrten sei, diese Sprachen zu lernen, um das »Wissen in Weisheit« zurückzugewinnen.180 Bacon war der Ansicht, dass das Erlernen dieser Sprachen eigentlich nicht schwer sei. Außerdem mache der Nutzen einer solchen Kenntnis die Mühen bei weitem wieder wett, zumal in ­Europa Lehrer für das Hebräische und Griechische vorhanden seien, die man nur um Unterricht bitten müsste.181 Bacon nennt sowohl im Opus maius182, im Opus tertium183 als auch im Kompendium für 178  Roger Bacon hat Grammatiken des Griechischen und Hebräischen geschrieben, von denen Irène Rosier-Catach meint, dass sie »in Europa die ersten ihrer Art« sind. – Vgl. Roger Bacon, The Greek Grammar of Roger Bacon and a Fragment of his Hebrew Grammar, hg. v. Edmond Nolan u. Samuel A. Hirsch, Cambridge 1902; Irène Rosier-Catach, Roger Bacon und die Grammatik, in: Roger Bacon in der Diskussion, a.  a. O., Bd.  2, S.  101–142, S.  125. 179  Vgl. Roger Bacon, Kompendium für das Studium der Philosophie, a.  a. O., S. LXXV ff. 180  Vgl. OT, S.  49. 181  Vgl. Roger Bacon, Kompendium für das Studium der Philosophie, a.  a. O., S.  64. 182  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a.  a. O., Bd.  1, S.  67–89. 183  Vgl. OT, S.  181 ff.

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das Studium der Philosophie184 zahlreiche Gründe für die Notwendigkeit des Erwerbs dieser Sprachen, die auf einen Grundgedanken hinauslaufen: dass ohne das Erlernen dieser Sprachen kei­ ner der überlieferten Texte verständlich sei. In diesem Sinne ist die »Wissenschaft von den Sprachen« für Roger Bacon eigentlich keine eigene Wissenschaft, sondern ein grundlegendes Hilfsmittel und eine propädeutische Vorbedingung, um die Wissenschaften, von denen Bacon im Weiteren spricht, betreiben zu können. In den letzten Jahren sind auch Bacons Überlegungen zur Sprach- und Zeichentheorie185 zunehmend in das Interesse der Forschung gerückt: Gebiete, auf denen er zum Teil Erstaunliches geleistet hat. So hat Irène Rosier-Catach in ihrem Artikel zur Sprache im Werk Bacons bemerkt, dass die »Verschiedenheit und der Reichtum von Roger Bacons Reflexionen zur Sprache beachtlich« seien, weshalb es »einigermaßen schwierig« sei, »sie in einer gut formulierten allgemeinen Idee zusammenzufassen«.186 Denn: »Für Roger Bacon hat die Grammatik nicht eine einzige Bedeutung und noch weniger eine, die mit der übereingestimmt hätte, welche seine Zeitgenossen dem Wort gaben. Für ihn beginnt diese Disziplin mit dem elementaren Lateinunterricht, setzt sich fort mit der ›ver­ nunftgegründeten‹ Grammatik, wie sie an der Universität gelehrt wird, um in der Sprachenkenntnis zu kulminieren, einem Ausdruck, der die Weisheitssprachen, wie sie sich in der diachronen Perspektive der translatio linguarum verorten, die Wissenschaft von den Zeichen und die Debatten zur magischen Kraft des gesprochenen Worts beinhaltet.«187 184  Vgl. Roger Bacon, Kompendium für das Studium der Philosophie, a.  a. O., S. LXXII ff. 185  Vgl. Roger Bacon, On Signs (Opus maius, Part 3, Chapter 2), hg. u. übers. v. Thomas S. Maloney, Toronto 2013; siehe zudem: Thomas Maloney, The Semiotics of Roger Bacon, in: Mediaeval Studies 45, 1983, S.  120–154. 186  Vgl. Irène Rosier-Catach, Roger Bacon und die Grammatik, a.  a. O., S.  137. 187  Ebd., S.  101.

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Es bleibt festzuhalten, dass die Kenntnis der »alten Sprachen« für Roger Bacon die Grundlage für jedes weitere Studium bildete, deren Erlernen – so Bacons Idee – im Studium selbst institutionalisiert werden müsste, »weil das ganze Studium der Lateiner von fremden Sprachen abhängt«188. Den Propheten und Weisen des Altertums waren diese Sprachen bekannt, und »wir sind die Nachfolger der Heiligen, der Philosophen und der Weisen des Altertums und müssen daher ebenso wie sie das Notwendige über die Sprachen wissen«189. Wenn die Lateiner diese Sprachen nicht erlernten, könnten sie in den Wissenschaften der Weisen der Vorzeit keine Fortschritte machen: »Denn wir werden das, was sie überall verstreut behandeln, weder lesen noch verstehen können.«190 3.4  Die Rolle der Mathematik (Opus maius, Teil IV; Opus tertium, Kap.  28–76) »Nachdem ich die Notwendigkeit des Spracherwerbs erläutert habe, setze ich danach die Mathematik an die zweite Stelle, damit wir alles Wissenswerte wissen können: Denn sie ist uns zwar nicht von Natur aus bekannt, aber sie ist dennoch der natürlichen Erkenntnis von allen Wissenschaften, die wir durch Erfindung und Unterweisung kennen lernen, am nächsten. Ihre Betrachtung ist nämlich leichter als die aller anderen Wissenschaften, sodass selbst die Jugendlichen diese Wissenschaft verstehen, wie wir sehen. […] Daraus folgt, dass die Mathematik die erste der Wissenschaften ist, ohne die man die anderen Wissenschaften nicht betreiben kann.«191

Der äußerlich als erstes ins Auge fallende Unterschied zwischen Bacons Diskussionen über die Rolle der Mathematik und denen 188  189  190  191 

OT, S.  181. OT, S.  183. OT, S.  183. OT, S.  217.

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seiner Vorgänger und seiner Zeitgenossen besteht in der Länge seiner Ausführungen: Wo andere dieses Thema nur in wenigen Zeilen oder einigen Seiten abgehandelt haben, hat Bacon mehr als 500 Seiten geschrieben.192 Nicht nur diese Tatsache zeigt bereits die Bedeutung der Mathematik für Bacon, sondern auch die Breite des Anwendungsbereichs der Mathematik: Für ihn sind nicht nur Arithmetik, Algebra und Geometrie Bereiche der Mathematik, sondern auch »singen, Musikinstrumente benutzen [und] tanzen«193, also das, was wir heute unter Musik verstehen. Da auch die Grammatik auf den Grundlagen der Musik beruht, ist sie ebenso ein Teil der Mathematik.194 Der Unterschied besteht jedoch auch in der Rolle, die Bacon der Mathematik für die Physik und die Theologie zuspricht. Es herrschten zu seiner Zeit ganz andere Ansichten zur Mathematik, die nicht davon ausgingen, dass sich mit dieser Wissenschaft die Wirklichkeit erklären ließe. Am bekanntesten für diesen Standpunkt ist sicherlich die Äußerung von Albertus Magnus, der in seinem Metaphysikkommentar schreibt: »Zu vermeiden ist hier aber der Fehler Platons, der behauptete, dass die natürlichen Dinge in den mathematischen und die mathematischen in den göttlichen wie die dritte Ursache in der zweiten und die zweite in der ersten ihre Grundlage hätten, und deshalb behauptete, dass die mathematischen Dinge Prinzipien der natürlichen Dinge seien, was ganz falsch ist.«195

192 Im Opus maius schreibt er mehr als 300 Seiten dazu, im Opus ter­ tium ungefähr 200. 193  OT, S.  217. 194  Vgl. Florian Uhl, Roger Bacon: Die Wissenschaften als Weg zu Nutzen und Heil. Über Grammatik, Scientia Experimentalis und Moralphilosophie, a.  a. O., S.  263 ff. 195  Albertus Magnus, Metaphysica I, 1, cc. 1–3, übers. v. Silvia Donati, in: Albertus Magnus und sein System der Wissenschaften. Schlüsseltexte in Übersetzung, lat.-dt., hg. v. Hannes Möhle u. a., Münster 2011, S.  291. – Für eine Diskussion zu Alberts Position, siehe: George Molland, Mathe-

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Alle Phänomene lassen sich nach Roger Bacon – platonisch gedacht – auf mathematische Verhältnisse zurückführen, weshalb die Mathematik die Erklärungsgrundlage für alles Weitere bildet: »Es gibt vier große Wissenschaften, ohne die man von den anderen Wissenschaften nichts wissen und die Dinge nicht erkennen kann. Doch wer diese Wissenschaften kennt, kann auf herrliche Weise in der Macht der Weisheit ohne Schwierigkeit und Aufwand voranschreiten, und dies nicht nur in den menschlichen, sondern auch in den göttlichen Wissenschaften. […] Und das Tor und der Schlüssel zu diesen Wissenschaften ist die Mathematik, die die Heiligen zu Beginn der Welt gefunden haben, wie ich zeigen werde, und die von allen Heiligen und Weisen mehr benutzt worden ist als jede andere Wissenschaft. Ihre Vernachlässigung in den letzten dreißig bis vierzig Jahren hat das ganze Studium bei den Lateinern zerstört, da derjenige, der diese Wissenschaft nicht kennt, auch die anderen Wissenschaften und die Dinge dieser Welt nicht kennen kann, wie ich ebenfalls zeigen werde. Noch schlimmer ist, dass Menschen, die diese Wissenschaft nicht kennen, ihre Unkenntnis nicht wahrnehmen und daher nach keinem Heilmittel verlangen. Im Gegenteil bereitet die Kenntnis dieser Wissenschaft jedoch den Geist vor und erhöht ihn zu einer gesicherten Erkenntnis aller Dinge, sodass derjenige, der die Grundlagen der Weisheit jener Wissenschaft kennt und diese Grundlagen in der richtigen Weise auf die anderen Wissenschaften und Erkenntnisse der Dinge anwendet, alles daraus Folgende leicht und wirksam und ohne Irrtum oder Zweifel wissen kann. Denn ohne diese können weder das Vorangehende noch das Folgende gewusst werden. Daher vervollkommnen und regulieren sie das Vorausgehende, so wie das Ziel diejenigen Dinge vervollkommnet und reguliert, die auf es hingerichtet sind, und sie ordnen und öffnen den Weg zu den Dingen, die ihnen folgen.«196 matics in the Thought of Albertus Magnus, in: Albertus Magnus and the Sciences, hg. v. James Weisheipl, Toronto 1980, S.  463–478. 196  Roger Bacon, Opus maius, a.  a. O., Bd.  1, S.  97 f. [Übers. N. E.].

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Dass die Mathematik das »Tor und der Schlüssel« zu den anderen Wissenschaften und den Dingen der Welt ist, zeigt sich auch anhand der Konzeption des »mathematischen Teils« im Opus tertium: Roger Bacon geht nach einer Lobrede auf die Mathematik von der Astrologie197 zur Geometrie198 über, kommt dann zur Astro­nomie und Geographie199 und überrascht den Leser daraufhin, indem er in den nächsten Kapiteln Themen behandelt, die mit der Mathematik nichts mehr zu tun zu haben scheinen: die Einheit der Materie200, die Weltkörper201, das Aevum202, das Vakuum203 und die Verortung geistiger Substanzen204. Seine Erklärung dafür: Er hat alle diese Themen als Teil der Geometrie und damit als Teil der Mathematik betrachtet.205 Die Vorzüge der Mathematik206, die diese Wissenschaft für alles Weitere so grundlegend machen, dass deren »Vernachlässigung in den letzten dreißig bis vierzig Jahren […] das ganze Studium bei den Lateinern zerstört [hat]«, bestehen in folgenden Punkten207: 1. Alle wichtigen Teile der Philosophie lassen sich auf die Meta­ physik, die Physik und die Mathematik zurückführen. Die Me-

197  Vgl. OT, S.  219. 198  Vgl. OT, S.  221. 199  Vgl. OT, S.  243 ff. 200  Vgl. OT, S.  249 ff. 201  Vgl. OT, S.  281 ff. 202  Vgl. OT, S.  291 ff. 203  Vgl. OT, S.  309 ff. 204  Vgl. OT, S.  351 ff. 205  Vgl. OT, S.  417. 206  Vgl. zu den Vorzügen der Mathematik bei Bacon auch: George Molland, Roger Bacon’s De laudibus mathematicae: a preliminary study, in: Texts and Contexts in Ancient and Medieval Science, hg. v. John Emery Murdoch u. Edith Dudley Sylla, Leiden 1996, S.  68–83. 207  Vgl. David C. Lindberg, On the Applicability of Mathematics to Nature: Roger Bacon and his Predecessors, in: The British Journal for the History of Science 15, 1983, S.  3–25, bes. S.  16 ff.

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taphysik und die Physik bedienen sich jedoch der Mathematik.208 Auch Grammatik und Logik brauchen die Mathematik: Die Grammatik hat als Erklärungsgrundlage die Musik209, diese ist für Bacon jedoch eine von der Mathematik abhängige Wissenschaft. Die Logik braucht sprachliche Schönheit210, um zu überzeugen, was einen wieder auf die Musik verweist. Auch logische Beweise bedienen sich der Mathematik.211 Alle aristotelischen Kategorien (und damit die Grundlagen dessen, was man über die Welt überhaupt allgemein in Begriffe fassen kann) beruhen auf Quantitäten. Diese sind aber Gegenstand der Mathematik.212 Alle Wissenschaften bedienen sich mathematischer Beispiele. Wenn diese Beispiele nicht verstanden werden können, dann auch nicht die Wissenschaften, in denen sie vorkommen.213 Die Mathematik ist quasi angeboren und die einfachste aller Wissenschaften, die man am frühesten lernen kann. Daher muss sie auch als erste Wissenschaft studiert werden und bildet – pädagogisch gedacht214 – die Grundlage für alle höherstehenden Wissenschaften.215

208  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a.  a. O., Bd.  1, S.  98–99. 209  Vgl. Florian Uhl, Roger Bacon: Die Wissenschaften als Weg zu Nutzen und Heil. Über Grammatik, Scientia Experimentalis und Moralphilosophie, a.  a. O., S.  263 f. 210  Vgl. Jeremiah Hackett, Roger Bacon über Rhetorik und Poetik, in: Roger Bacon in der Diskussion, a.  a. O., Bd.  2, S.  195–228. 211  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  100 f. 212  Vgl. ebd., S.  102 f. 213  Vgl. ebd., S.  103. 214  Siehe zum pädagogischen Aspekt des Studiums der Mathematik bei Bacon: George Molland, Roger Bacon’s Mathematik-Kenntnisse, in: Roger Bacon in der Diskussion, a.  a. O., Bd.  1, S.  43–65, S.  56 f., und N. W. Fisher u. Sabetai Unguru, Experimental Science and Mathematics in Roger Bacon’s Thought, in: Traditio 27, 1971, S.  353–378, S.  361 ff. 215  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a.  a. O., Bd.  1, S.  103–105.

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6. Die Mathematik ist die einzige Wissenschaft, in der es sichere Erkenntnis geben kann, weshalb es auch in den anderen Wissenschaften nur gesicherte Erkenntnis geben kann, wenn sie auf der Mathematik beruhen.216 7. Man sieht die Bedeutung der Mathematik an den Erfolgen derer, die sie benutzt haben: »Alle Weisen des Altertums haben in den mathematischen Wissenschaften gearbeitet, sodass sie alles wissen konnten. Das haben wir auch in unserer Zeit bei einigen sehen können und wir haben von anderen gehört, die durch die Mathematik, die ihnen gut bekannt war, jede andere Wissenschaft erkennen konnten. Es gab nämlich berühmte Männer, wie den Bischof Robert [Grosseteste] von Lincoln, Bruder Adam Marsh und viele andere, die durch die Kraft der Mathematik die Gründe für alle Dinge erklären und sowohl menschliche als auch göttliche Angelegenheiten darlegen konnten.«217 Doch nicht nur für die Philosophie, sondern auch für die Theologie ist die Mathematik unabdingbar: »Die Überlegungen der allgemeinen Bedeutung der Mathematik bestehen zuerst einmal in ihrer Notwendigkeit für die anderen Wissenschaften und für die [Kenntnis] der Dinge in dieser Welt. Denn da die anderen Wissenschaften für die Theologie notwendig sind, und da die Kenntnis der geschöpflichen Welt, wie sie in der Heiligen Schrift dargestellt wird, ähnlich notwendig ist, folgt, dass auch die Mathematik für das Verständnis der Heiligen Schrift notwendig ist, weil ohne die Mathematik die Dinge dieser Welt und die anderen Wissenschaften nicht verstanden werden können, wie gezeigt worden ist.«218

216  Vgl. ebd., S.  107. 217  Ebd., S.  108 [Übers. N. E.]. 218  OT, S.  417.

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Folgende weitere Gründe gibt Roger Bacon für die Wichtigkeit der Mathematik für die Theologie an: 8. Sie wurde von den Patriarchen und Propheten seit Beginn der Welt als erste Wissenschaft gefunden und von allen Heiligen gepriesen.219 9. Viel wichtiger: Der Literalsinn der Heiligen Schrift kann ohne das Wissen über die Eigenschaften der Natur und der Schöpfung, der Geschöpfe, der Orte auf der Erde, der Himmels­ erschei­nungen, der Chronologie der menschlichen Geschichte, der geometrischen Formen, und der Musik nicht verstanden werden220: »Gott, der allein die Macht der Geschöpfe kennt, die er geschaffen hat, hat in seiner Schrift die geschaffenen Dinge beschrieben […]. Da alle Dinge, von Gott, den Engeln und den höchsten Himmelshöhen bis zu den niedersten Dingen in der Heiligen Schrift gesetzt sind, entweder in sich selbst oder in Ähnlichkeiten oder in Gegensätzen […] muss der Theologe die Dinge dieser Welt kennen, wenn er den Heiligen Text verstehen will.«221 Nicht nur für die Philosophie und die Theologie ist die Mathematik also absolut notwendig, sondern auch für die Organisation der Kirche, die Regierung des Staates und die Bekehrung der Ungläubigen: »Ich habe gezeigt, dass eine genaue Kenntnis der Mathematik für die anderen Wissenschaften notwendig ist, ebenso wie für die Erkenntnis der Dinge dieser Welt und für die Theologie. Um die Lästerungen der Toren auszuräumen, habe ich den Nutzen der Mathematik für die Kirche Gottes und die Gemeinschaft der Gläubigen, für die Bekehrung der Ungläubigen und für die Unterdrückung derer, die nicht be219  Vgl. OT, S.  419. 220  Vgl. OT, S.  419 ff. 221  Roger Bacon, Opus maius, a.  a. O., Bd.  1, S.  175 [Übers. N. E.].

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kehrt werden können, gezeigt. Und diese Dinge sind wichtiger als alle vorangegangenen, wodurch belegt wird, dass die Mathematik absolut nicht mangelhaft ist, sondern im Gegenteil voll von unaussprechlichem Nutzen und Zierde für die Weisheit.«222

Für Roger Bacon beruhte alles, der Fortgang der philosophischen und theologischen Wissenschaften, die Lenkung der Kirche und des Staates, auf den Werken der Mathematik. Dahinter steht eine Ansicht Platons223, die sich deutlich durch die Philosophiegeschichte hindurchzieht und zugleich schon seit Aristoteles224 immer wieder kritisiert worden ist: nämlich dass die Welt, der Bereich der Physis, durch möglichst wenige mathematische Prinzipien erklärt werden müsse, um in einer sich verändernden Welt Sicheres und Bleibendes finden zu können. Platons Ansatz liegt ein metaphysischer Gedanke zugrunde, den Aristoteles (für das Mittelalter ganz entscheidend) nicht teilte: dass die Welt nicht nur durch mathematische Prinzipien erklärt werden könne, sondern dass sie auf diesen Prinzipien beruhe, dass sie also schon von ihrem Ursprung her mathematisch strukturiert sei.225 Da die Mathematik den ursprünglichen platonischen Ideen so nahe ist, kann der Mensch nur zur Erklärung der Erscheinungen gelangen, wenn 222  OT, S.  575. 223  Siehe Platons Timaios, vor allem 53c–55c, in dem Platon die Elemente des Empedokles zwar übernimmt, sie aber aus (insgesamt fünf) geometrischen Körpern bestehen lässt, die ihrerseits alle aus nur einer geometrischen Form bestehen: dem Dreieck. Dazu: Francis M. Conford, Plato’s Cosmology: The Timaeus of Plato, London 1937 – noch immer die beste Ausgabe, mit hervorragendem Kommentar von Conford). 224  Vgl. Aristoteles’ Kritik an den mathematischen Erklärungsversuchen im Bereich der physikalischen Welt in: Aristoteles, Über den Himmel, übers. u. erl. v. Alberto Jori, Darmstadt 2009, III, 1, 299 a 25 ff. u. III, 7, 306 a 1 ff. 225  Siehe zu diesem Unterschied zwischen Platon und Aristoteles: David C. Lindberg, On the Applicability of Mathematics to Nature: Roger Bacon and his Predecessors, a.  a. O., S.  5 f.

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er mathematische Prinzipien anwendet.226 Roger Bacon hatte für diese Überzeugung (außer Platon und Pythagoras als deren Urhebern227) aber auch näher liegende Vorbilder in seiner geistigen Umwelt228: Er folgte darin vor allem Robert Grosseteste und dessen Schülerkreis229, der nun seinerseits wiederum neuplatonischaugusti­n ische Positionen und Überlegungen über die Rolle der Mathematik weitergeführt hatte, die sich bereits im zwölften Jahrhundert in Paris – vor allem vermittelt durch Augustinus und

226  »Thus it is not Plato’s Position simply that the material world of the senses, or certain aspects of it, will submit to mathematical description. Rather, Plato affirms that the material world derives from and must be understood in terms of causal and explanatory factors that are mathematical; it is mathematical in its very origin. […] Mathematics takes us closer to the ultimate reality, informing us what lies behind the world of sensible phenomena; and by grasping the mathematical principles from which the physical world proceeds, we come closer to true knowledge.« (In: ebd., S.  5.) 227  Einen direkten Einfluss auf das Mittelalter konnte der Timaios Platons nicht haben, da er nur in der Übersetzung und dem Kommentar des Calcidius bekannt war, der jedoch bei der Stelle 53c abbrach, sodass die Vorstellungen von den Weltkörpern im Mittelalter nicht direkt bekannt waren. – Vgl. Béatrice Bakhouche, Calcidius: Commentaire au Timée de Platon. 2 Bände, Paris 2011; zur Rezeptionsgeschichte des Timaios siehe: Thomas Leinkauf u. Carlos Steel (Hrsgg.), Platons Timaios als Grundtext der Kosmologie in Spätantike, Mittelalter und Renaissance, Leiden 2005. 228  Vgl. David C. Lindberg, On the Applicability of Mathematics to Nature: Roger Bacon and his Predecessors, a.  a. O., S.  7 ff. 229  Vgl. Jeremiah Hackett, From Sapientes antiqui at Lincoln to the New Sapientes moderni at Paris c. 1260–1280: Roger Bacon’s Two Circles of Scholars, in: Robert Grosseteste and the pursuit of Religious and Scientific Learning in the Middle Ages, hg. v. Jack P. Cunningham u. Mark Hocknull, Zürich 2016, S.  119–142; David C. Lindberg, On the Applicability of Mathematics to Nature: Roger Bacon and his Predecessors, a.  a. O., S.  10 f. – Vgl. zur Methodologie Grossetestes auch: Alistair C. Crombie, Robert Grosseteste and the Origins of Experimental Science, Oxford 1953, S.  91–104; Zum Einfluss von Grosseteste auf die ›Schule von Oxford‹: Alistair C. Crombie, Robert Grosseteste and the Origins of Experimental Science, a.  a. O., S.  135 ff.

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­Boethius230 – ausgeprägt hatten.231 Dieser Zugang zur Wirklichkeit ist jedoch auch durch die im Mittelalter viel zitierten Worte aus dem Buch der Weisheit angeregt worden: »Aber du hast alles geordnet mit Maß, Zahl und Gewicht.«232 Man hat sich angesichts der Wichtigkeit der Mathematik im Denken Roger Bacons, die ihm in einer Abschrift einer seiner Abhandlungen aus dem 16. Jahrhundert auch den Beinamen doc­ tissimus mathematicus eingetragen hatte233, spätestens seit dem 18. Jahrhundert darüber gewundert234, dass Bacon auf diesem Gebiet eigentlich keine großen Kenntnisse gehabt zu haben scheint, sondern dass er beredter im Lob der Mathematik als in ihrer Anwendung gewesen sei. Moritz Cantor zum Beispiel hat Bacons mathematische Kenntnisse systematisch-kritisch beurteilt und ist zu dem Schluss gekommen, dass es um dessen mathematische Fähigkeiten sehr schlecht bestellt gewesen sei.235 Cantor hat nicht nur bemerkt, dass Bacon schwerwiegende mathematische Fehler machte, sondern dass er darüber hinaus auch mathematische Konzepte nicht verstanden hätte, die zu seiner Zeit schon längst bekannt gewesen seien.236

230  Vgl. David C. Lindberg, On the Applicability of Mathematics to Nature: Roger Bacon and his Predecessors, a.  a. O., S.  7 f. 231  Vgl. zur Bedeutung des Platonismus für die mittelalterliche Naturphilosophie des 12. u. 13. Jahrhunderts: Clemens Baeumker, Der Platonismus im Mittelalter, München 1916. 232  Buch der Weisheit 11, 21. 233  Vgl. David Eugene Smith, The Place of Roger Bacon in the History of Mathematics, in: Roger Bacon Essays, a.  a. O., S.  153–183, S.  170. 234  Einen Überblick über die Sicht auf Bacons Mathematikkenntnisse seit dem 18. Jahrhundert gibt: David Eugene Smith, The Place of Roger ­Bacon in the History of Mathematics, a.  a. O., S.  153–183, S.  170 ff. 235  Vgl. Moritz Cantor, Vorlesungen über die Geschichte der Mathematik, Zweiter Band: 1200–1668, Leipzig 1892. 236  Einen kurzen Überblick über die Mathematik zur Zeit Bacons gibt: David Eugene Smith, The Place of Roger Bacon in the History of Mathematics, a.  a. O., S.  154 ff.

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Diese Kritik ist – mit Einschränkungen – berechtigt237: Weder im Opus maius noch im Opus minus oder im Opus tertium finden wir tiefergehende Betrachtungen über Algebra und Arithmetik, die nun eigentlich doch zu den Kerndisziplinen der Mathematik zählen. Und auch wenn bereits John Henry Bridges in seiner Einleitung zum Opus maius davor gewarnt hatte, dass man aus der Nichtbehandlung eines Gegenstandes in einer vorläufigen Abhandlung, wie es das Opus maius schließlich sei, nicht auf die Unkenntnis des Autors schließen dürfe238, gilt das doch nicht für Bacons eingehendere Abhandlungen, wie es zum Beispiel die Com­ munia mathematica239 sind, in denen sich ähnlich wenig hierzu findet. George Molland240 kommt hinsichtlich Bacons Kenntnissen der Geometrie zwar zu einem ausgeglicheneren Urteil, doch bleibt festzuhalten, dass Bacon über die Mathematik als solche wenig zu sagen hat. Man darf bei aller Kritik jedoch nicht vergessen, dass Bacon zwar im Bereich der eigentlichen Mathematik wenig Neues geleis237  Man schaue sich beispielsweise die Passage im Opus tertium über die Bewegung der Himmelskörper (Kap.  90  ff.) an, die eine sehr umfassende Kenntnis der ptolemäischen Astronomie und seiner Nachfolger zeigt, so umfassend, dass Pierre Duhem dazu bemerkt: »Dans cette partie de l’Opus tertium, Bacon reprend, plus complètement qu’il ne l’avait fait jusq’alors, plus complètement qu’aucun philosophe ne l’avait fait avant lui, la comparaison des deux systèmes de Ptolémée et d’Al Bitrogi […]. Cette dissertation de Bacon sur les systèmes astronomiques mérite de nous arreter longuement; elle est l’étude la plus approfondie qui ait été faite sur le dilemne qui a partagé l’Astronomie ancienne, sur le duel qui a mis aux prises le système des spheres homocentriques avec le système des excentriques et des epicycles.« In: Pierre Duhem, Le Système du Monde. Histoire des doctrines cosmologiques de Platon a Copernic, a.  a. O., S.  428 f. 238  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a.  a. O., Bd.  1, S. lvi. 239 Vgl. Robert Steele, Opera hactenus inedita Fr. Rogeri Baconis, a.  a. O., Fasc. XVI: Communia Mathematica Fratris Rogeri Baconi, Oxford 1940. 240  Vgl. George Molland, Roger Bacons Mathematik-Kenntnisse, in: Roger Bacon in der Diskussion, a.  a. O., Bd.  1, S.  43–65.

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tet haben mag, dass die eigentliche Bedeutung seiner Überlegungen zur Mathematik aber gerade in seinen Gedanken über die Mathematik und über ihre Rolle in seinem System der Wissenschaften zu sehen ist, die von seinen tatsächlichen mathematischen Kenntnissen unberührt bleibt. Ich möchte diesen Abschnitt daher mit den Worten David C. Lindbergs schließen, der die Leistungen Bacons im Bereich der Mathematik gerade in Bezug auf die Rolle, die die Mathematik in Bacons System spielt, zusammenfasst: »If Bacon did not represent a novel philosophical stance, what contributions did he make? […] He wrote on the subject at much greater length than any predecessor. He multiplied illustrations of the power and utility of mathematics beyond anything the protagonists had theretofore seen. He replaced careful philosophy with polemic and rhetoric, attempting with missionary zeal to win converts to the mathematical faith. He followed Grosseteste and others in introducing mathematics into nature through the radiation of force or multiplication of species, but he went far beyond Grosseteste in developing the mathematics of radiation and defending its applicability to all aspects of human knowledge. Finally, Bacon bent all of this to the use of the church. For Grosseteste, mathematics was the source of causes for the physicist and […] of metaphor and example for the theologian and epistemologist; for Bacon, it was not only these, but also the cure for many of the greatest ills facing the church. Mathematics has been enlisted not merely in the cause of philosophy, but also directly in the cause of Christendom.«241

Ein Anwendungsbeispiel der Mathematik in einer anderen Wissenschaft gibt Bacon dem Leser im nächsten Teil des Opus maius und des Opus tertium: die Perspektivik als Wissenschaft vom Sehen und von den Eigenschaften des Lichts. 241  David C. Lindberg, On the Applicability of Mathematics to Nature: Roger Bacon and his Predecessors, a.  a. O., S.  25.

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3.5  Die Perspektivik (Opus maius, Teil V; Opus tertium, Kap.  80–89) »Nachdem ich die Macht der Mathematik gezeigt hatte, bin ich zur Würde der Perspektivik übergegangen. Sie ist schöner als alle anderen Wissenschaften, und sie hat gegenüber allem einen Nutzen, ohne den nichts gewusst werden kann. Darüber hinaus ist sie gegenüber der Weisheit für sich genommen und in Bezug zu den anderen [Wissenschaften] nützlich und wirksam und bedient sich wunderbarer Methoden, die den anderen Wissenschaften fremd sind. Aus diesem Grund habe ich diese Wissenschaft sorgfältiger behandelt als die vorhergegangenen, vor allem deshalb, weil sie nicht nur der Menge der Lateiner, sondern auch vielen Weisen wegen ihrer Neuheit und herrlichen Tiefe nicht bekannt ist.«242

Wir mögen die Perspektivik (also die Optik) als ein eng umgrenztes wissenschaftliches Spezialgebiet der Physik auffassen und uns fragen, warum Bacon diesem Thema mit drei Abhandlungen243 soviel Raum gegeben hat. Er erklärt es dem Leser zu Beginn seiner Perspectiva, indem er unter anderem darlegt, dass sie die schönste der Wissenschaften sei.244 Die Perspektivik ist jedoch nicht nur die schönste aller Wissenschaften, sie ist auch die Wissenschaft mit den vielfältigsten Anwendungsmöglichkeiten:

242  OT, S.  703. 243  Gemeint sind seine Abhandlungen De multiplicatione specierum, seine Perspectiva sowie De speculis comburentibus. – Vgl. Roger Bacon’s Philosophy of Nature: A Critical Edition, with English Translation, Introduction, and Notes, of De multiplicatione specierum and De speculis com­ burentibus, hg. v. David C. Lindberg, Oxford 1983; Roger Bacon and the Origins of Perspectiva in the Middle Ages: A Critical Edition and English Translation of Roger Bacon’s Perspectiva, hg. v. David C. Lindberg, Oxford 1996. 244  Vgl. Roger Bacon, Roger Bacon and the Origin of Perspectiva in the Middle Ages, a.  a. O., S.  2.

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»Zudem […] zeigt uns das Sehen die Unterschiede zwischen den Dingen, da wir durch das Sehen sichere Erfahrungen von allem machen, was sich in den Himmelssphären und auf der Erde befindet. Denn Himmelsobjekte werden mit Hilfe von visuellen Instrumenten beobachtet […], ebenso wie die Dinge, die in der Luft entstehen, wie Kometen, Regenbögen und ähnliche Phänomene, weil ihre Höhe über dem Horizont, ihre Größe, ihre Gestalt, ihre Anzahl und alles anderen an ihnen durch das Sehen erkannt wird, das durch Instrumente unterstützt wird. Durch das Sehen bringen wir auch die Dinge hier auf Erden in Erfahrung, da der Blinde keine Erfahrung haben kann, die diesen Namen verdient.«245

Darüber hinaus liegt der Vorzug der Perspektivik darin, dass sich deren Brechungsgesetze mathematisch konstruieren lassen. Die Perspektivik stellt demzufolge ein Beispiel für Bacons Mathematisierung246 der Naturerkenntnis dar, die er im vorigen Teil des Opus maius entworfen hatte. Im Opus tertium projektiert er anhand der Perspektivik eine mathematisch verfahrende Wissenschaft, die das Entstehen von Bildern und ihrer Wahrnehmung geometrisch fasst. Denn das Entstehen von (Licht-)Strahlen und deren Verarbeitung durch das Auge folgen nach Bacon geometrischen Gesetzen: »Aber diese Vervielfältigung kann man nur kennen und erklären, wenn man sie durch Linien, Winkel und [geometrische] Figuren darstellt. Daher habe ich die Vervielfältigung der species anhand der verschiedenen Linien, Winkel und Figuren beschrieben, in denen es der Natur zu wirken gefällt. […] Was man also mit aller Deutlichkeit festhalten muss, ist die Tatsache, dass man die Gründe für die Naturdinge nur auf den Wegen der Geometrie angeben kann.«247 245  Ebd. [Übers. N. E.]. 246  Zur Mathematisierung der Optik bei Bacon, vgl.: Roger Bacon, Per­ spectiva, a.  a. O., S.  xlii ff. 247  OT, S.  225.

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Einleitung

Doch mehr noch: Die Perspektivik lässt sich nicht nur mathematisieren, sie ist für Bacon und für viele seiner Vorgänger (man denke hier an Robert Grossetestes Lichtphilosophie248) sowie seine Nachfolger249 das grundlegendste Gebiet der Naturwissenschaft. So schreibt schon Robert Grosseteste in seiner Abhandlung Über das Licht, in der er die Entstehung der Welt auf die Ausbreitung des Lichts zurückführt: »Die erste körperliche Form, die einige auch als ›Körperlichkeit‹ bezeichnen, ist meiner Ansicht nach das Licht. Denn Licht breitet sich seiner Natur nach in alle Richtungen derartig aus, dass ein Lichtpunkt augenblicklich eine Lichtsphäre von jeder möglichen Größe hervorbringen wird, bis ein lichtundurchlässiges Objekt im Weg steht.«250

248  Dass Grossetestes metaphysisch-physikalische Überlegungen zur Natur des Lichts Roger Bacon und die Optik nach ihm überhaupt entscheidend beeinflusst haben, steht außer Frage. Siehe hierzu: Ludwig Baur, Die Philosophie des Robert Grosseteste, Bischofs von Lincoln, Münster 1917, insbes. § 9, S.  76–84.; Alistair C. Crombie, Robert Grosseteste and the Origins of Experimental Science 1100–1700, a.  a. O., S.  128 ff. (Verbindung zu Bacon ab S.  144); James McEvoy, The Philosophy of Robert Grosseteste, Oxford 1982, S.  149 ff.; David C. Lindberg, Auge und Licht im Mittelalter. Die Entwicklung der Optik von Alkindi bis Kepler, Frankfurt / Main 1987, S.  174 ff.; Andreas Speer, Licht und Raum. Robert Grossetestes spekulative Grundlegung einer scientia naturalis, in: Raum und Raumvorstellungen im Mittelalter, hg. v. Jan A. Aertsen u. Andreas Speer, Berlin  /  New York 1998, S.  77–100. 249  Vgl. für einen Überblick: David C. Lindberg, Auge und Licht im Mittelalter, a.  a. O., S.  212 ff.; direkt zu Bacons Einfluss auf seine Nachfolger, siehe auch: David C. Lindberg, Lines of Influence in Thirteenth-Century Optics: Bacon, Witelo and Pecham, in: Speculum 46, 1971, S.  66–83. 250  Robert Grosseteste, Tractatus de Luce secundum Lincolniensem, lat.-engl., übers. u. hg. v. Cecilia Panti, in: Robert Grosseteste and his Intellectual Milieu, hg. v. John Flood u. a., Toronto 2013, S.  226–247, S.  226 [Übers. N. E.]. – Dort umfangreiche Informationen zu dieser Abhandlung.

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Und Roger Bacon schreibt im Opus tertium programmatisch: »Und es ist für jeden notwendig, eine Kenntnis dieser Wissenschaft [der Perspektivik] zu haben, denn alles Wirken der Dinge geschieht durch Vervielfältigung der species und Kräfte, die von den Agenzien in dieser Welt ausgehen und die in der sich ihnen darbietenden Materie wirksam werden. Die Gesetze dieser Vervielfältigungen können nur durch die Perspektivik erkannt werden, die bis jetzt andern­ orts noch nicht bekannt ist. Diese Gesetze gelten jedoch nicht nur für die Tätigkeiten des Sehsinns, sondern für alle Sinne und für das ganze Weltgetriebe, sowohl in den Himmelssphären als auch auf der ­Erde.«251

Die Perspektivik wird von ihm als mathematisch verfahrende Wissenschaft gedacht, die jeden Aspekt und jede Kausalität in der Natur zu erklären vermag: Die Perspektivik umfasste seit der griechischen Antike zwei klar umrissene und dennoch nicht unterschiedene Problemgebiete, die wir heute trennen: auf der einen Seite die Beschaffenheit und Ausbreitung des Lichts, auf der anderen Seite den Vorgang des Sehens. Für Roger Bacon war die Perspektivik jedoch sehr viel mehr: Als die Wissenschaft vom Licht war es die Wissenschaft, die nicht nur die Manifestationen des göttlichen Lichts beschreiben252, sondern auch die innersten Kräfte der Natur aufdecken könne. Der Grund dafür liegt darin, dass das Licht eine sichtbare Instantiierung e­ ines viel grundlegenderen Prinzips ist, auf dem die gesamte Natur aufbaut und das Bacon ebenso ausführlich in einer eigenständigen 251  OT, S.  75 f. 252  Vgl. zur für die Optik im Mittelalter nicht unerheblichen Verbindung zwischen Optik – Licht – Metaphysik – Theologie: Clemens Baeumker, Witelo, ein Philosoph und Naturforscher des XIII. Jahrhunderts, Münster 1908, S.  284–523; Klaus Hedwig, Sphaera lucis: Studien zur Intelligibilität des Seienden im Kontext der mittelalterlichen Lichtspekulation, Münster 1980.

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Abhandlung253 betrachtet: der Vervielfältigung der species. Die Perspektivik ist so wichtig, weil sie sich mit der grundlegendsten aller Naturerscheinungen beschäftigt, die sich gerade anhand des Lichts sichtbar nachvollziehen lässt und die im Denken Bacons eine wichtige systematische Stelle einnimmt: der Bewegung von Strahlen, die die Gründe aller Veränderung und Kausalität in der Natur sind. Wir müssen Roger Bacons Überlegungen zur Perspektivik daher im Rahmen seiner species-Theorie betrachten und wollen uns deshalb hier nicht auf die Einzelheiten der Bacon’schen Perspektivik einlassen254, sondern vielmehr die Bedeutung und die Methodik der Perspektivik in Verbindung mit Bacons Theorie der species erläutern. Doch zuvor sei ein kurzer Überblick über die Quellen gegeben, auf denen aufbauend Bacon seine Perspektivik entworfen hat. 3.5.1  Die Quellen der Perspektivik Niemand im lateinischsprachigen Raum hat so ausführlich über die Perspektivik geschrieben wie Roger Bacon. Auch wenn Bacon mit seiner Versicherung an den Papst »dass ihr unter den Lateinern niemanden finden werdet, der diesen Bereich der Wissenschaft erschöpfend behandelt«,255 übertrieben auftritt, gerade da diese Aussage gegen Albertus Magnus gerichtet ist, der auch vieles zur Perspektivik (allerdings von einem mehr aristotelischen

253  Vgl. Roger Bacon, Roger Bacon’s Philosophy of Nature: A Critical Edition, with English Translation, Introduction, and Notes, of De multi­ pli­c atione specierum and De speculis comburentibus, a.  a. O. 254  In aller Ausführlichkeit und genauer Sachkenntnis macht dies David C. Lindberg in seinen Einleitungen zu seinen Editionen von De multi­ plicatione specierum und der Perspectiva deutlich. Beide Einleitungen seien daher unbedingt empfohlen. – In deutscher Sprache siehe auch: Günther Mensching, Roger Bacon, a.  a. O., S.  59 ff. 255  Vgl. OT, S.  29.

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Standpunkt256) geschrieben hat257, bleibt Roger Bacons Leistung in dieser Disziplin hervorzuheben. Robert Grosseteste hatte mit seiner metaphysisch-physikalischen Annahme, dass das Licht die erste und grundlegende Materie sei, die sich durch geometrische Gesetze erklären lasse258, den Boden für die Bedeutung der Perspektivik bereitet. Roger Bacon schuf darauf aufbauend die größte Synthese des 13. Jahrhunderts und machte die Perspektivik auf Grundlage von Texten, die Grosseteste eine Generation vorher noch weitestgehend unbekannt waren, zu einer eigenständigen Wissenschaft – bis hin zu Kepler.259 Doch was waren die Quellen, die Bacon seine grundlegende Synthese ermöglicht haben? Zuerst sind hier natürlich die Diskussionen des Lichts und des Sehens aus dem im Mittelalter bekannten Teil von Platons Timaios260 zu nennen, mit denen jeder Naturphilosoph der Zeit Bacons vertraut war. Ebenso kannte er die strikt geometrisch-mathematische Behandlungen des Lichts und des Sehvorgangs aus 256 Vgl. zu den unterschiedlichen Herangehensweisen an die Per­ spek­tivik zwischen Albertus Magnus und Robert Grosseteste resp. Roger ­Bacon, Perspectiva, a.  a. O., S.  xxxvii ff. 257 Vgl. David C. Lindberg, Auge und Licht im Mittelalter, a.  a. O., S.  191 ff. 258  Vgl. Robert Grosseteste, De lineis, angulis et figuris seu de fractionibus et reflexionibus radiorum, in: Die philosophischen Werke des Robert Grosseteste, Bischofs von Lincoln, Münster 1912, S.  59–65. – Englische Übersetzung: Edward Grant (Hrsg.), A Source Book in Medieval Science, Cambridge / Massachusetts 1974, S.  385–388. 259 Vgl. David C. Lindberg, Auge und Licht im Mittelalter, a.  a. O., S.  183 f. – Generell zu der These, dass die »wissenschaftliche Revolution« bereits im Mittelalter wenn auch nicht anzusetzen, so doch zumindest vorbereitet wurde: Alistair C. Crombie, The Significance of Medieval Discussions of Scientific Method for the Scientific Revolution, in: ders., Science, Optics and Music in Medieval and Early Modern Thought, London 1990, S.  139–160. 260  Vgl. Platon, Timaios, a.  a. O., 45 B –46 A. – Vgl. auch: David C. Lindberg, Auge und Licht im Mittelalter, a.  a. O., S.  22–27.

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Euklids Optica261 und Catoptrica262, die zur Zeit Bacons im lateinischsprachigen Mittelalter als De visu (resp. De aspectibus) und De speculis bekannt waren. Außerdem war er mit Ptolemäus’ Op­ tica263 (zu Bacons Zeit unter dem lateinischen Titel De aspectibus bekannt) und mit Alkindis De aspectibus264 vertraut. Besonders Alkindi ist hier wichtig, weil seine optischen Schriften in enger Verbindung zu dessen neuplatonischer265 Naturphilosophie gesehen werden müssen, die – im Zusammenspiel mit Avicebrons fons vitae266, Avicennas Metaphysik267 und dem anonymen Liber de causis268 – sowohl Robert Grossetestes als auch Roger Bacons Überlegungen zur Vervielfältigung der species be-

261  Vgl. Euklid, De visu, in: Liber de visu: The Greco-Latin Translation of Euclid’s Optics, in: Medieval Studies 41, 1979, S.  44–104. 262 Vgl. Euklid, De speculis, in: The Medieval Latin Traditions of Euclid’s Catoptrica: A Critical Edition of De Speculis, with an Introduction, English Translation and Commentary, Tokyo 1990. 263  Vgl. Ptolemäus, Optica, in: L’Optique de Claude Ptolémée, dans la version latine d’après l’arabe de l’émir Eugène de Sicile, lat.-fr., hg. u. übers. v. Albert Lejeune, Leiden 1989; ders., Optics, in: Ptolemy’s Theory of Visual Perception: An English translation of the Optics with introduction and commentary, hg. u. übers. V. A. Mark Smith, Philadelphia 1996. 264  Vgl. Alkindi, De aspectibus, in: Alkindi, Tideus und Pseudo-Euklid. Drei optische Werke, hg. u. erl. v. Axel Anthon Björnbo u. Sebastian Vogl, Leipzig  /  Berlin 1912, S.  3–42. 265 Vgl. zum Einfluss des Neuplatonismus auf Roger Bacons Naturphilosophie und Perspektivik: Roger Bacon’s Philosophy of Nature, a.  a. O., S.  xxxv ff. 266  Vgl. Salomon ibn Gabirol, Die Lebensquelle, hg. v. Sabine S. Gehlhaar, übers. v. Orm Lahann, Cuxhaven 1989. 267  Vgl. Avicenna, Die Metaphysik. Enthaltend die Metaphysik, Theologie, Kosmologie und Ethik, übers. u. erl. v. Max Horten, Halle  /  New York 1907. 268 Vgl. Anonymus, Liber de causis. Das Buch von den Ursachen, lat.-dt., eingel. v. Rolf Schönberger, übers. v. Andreas Schönfeld, Hamburg 2003.

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einflusst haben.269 So schreibt Alkindi in seiner kurzen Abhandlung Über Strahlen: »Es ist offenkundig, dass alle Dinge dieser Welt, ob Substanz oder Akzidenz, auf ihre eigene Art Strahlen wie ein Stern erzeugen. […] Alles, was in der Welt der Elemente wirklich existiert, sendet in alle Richtungen Strahlen aus, die die gesamte Welt erfüllen.«270

Weiterhin kannte er natürlich die entsprechenden Stellen des aristotelischen Korpus, vor allem die sich darauf beziehenden Passagen aus Über die Seele271 und Über das Wahrgenommene272, doch ebenso waren ihm die Meteorologie273 und Stellen aus den Schriften des Aristoteles über die Tiere bekannt. Auch die medizinische Literatur zur Augenanatomie benutzte er gerade im ersten Teil seiner Perspectiva ausführlich, vor allem Johannitius’ Buch über die ­Augen274, das in der Übersetzung des Constantinus Africanus vorlag, und ebenso Passagen aus Avicennas Liber canonis275. Und 269  Vgl. Lynn Thorndike, A History of Magic and Experimental Science, 8 Bde., New York 1923–1956, Bd.  1, S.  646; Graziella Federici Vescovini, Studi sulla prospettiva medievale, Turin 1965, S.  40. 270 Al-Kindi, De radiis. Théorie des arts magiques, hg. u. übers. v. ­Didier Ottaviani, Paris 2003; zitiert nach: David C. Lindberg, Auge und Licht im Mittelalter, a.  a. O., S.  49. 271  Vgl. Aristoteles, Von der Seele, in: ders., Vom Himmel. Von der Seele. Von der Dichtkunst, hg. u. übers. v. Olof Gigon, München 1983, 418 a 32 ff., S.  301 ff. 272  Vgl. Aristoteles, Über die Wahrnehmung und die Gegenstände der Wahrnehmung, in: ders., Kleine naturwissenschaftliche Schriften (Parva Naturalia), übers. u. hg. v. Eugen Dönt, Stuttgart 1997, S.  47–86, 437 a ff., S.  49 ff. 273 Vgl. Aristoteles, Meteorologie. Über die Welt, übers. v. Hans Strohm (= Aristoteles. Werke in deutscher Übersetzung, hg. v. Ernst Grumach u. Hellmut Flashar, Bd.  12), Darmstadt 1970. 274  Vgl. Der »Liber de oculis« des Constantinus Africanus, ins Deutsche übers. u. m. Anm. vers. v. Dominique Haefeli-Till, Zürich 1977. 275  Vgl. Avicenna, Liber canonis, Venedig 1507 [Nachdruck Hildesheim 1964], III, 1 f.

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letztendlich kannte er von den aus dem Arabischen übersetzten Texten auch De aspectibus276 von Alhazen, der mit diesem umfangreichen Text bereits im 11. Jahrhundert eine Zusammenführung der verschiedenen optischen Traditionen geleistet hatte277 und der eine der wichtigsten Quellen für Roger Bacon war. Auch die eher bescheidenen Beiträge zur Perspektivik der lateinischen Tradition bezog Roger Bacon in seine Perspektivik mit ein. Zu nennen sind hier neben Plinius278, Solinus279 und Isidor von Sevilla280 vor allem die theologisch-metaphysischen Lichtspekulationen des Augustinus281 und dessen Illuminationslehre, die Bacon stark beeinflusst hat282. Anhand der Quellen wird jene Besonderheit an Bacons Seh- und Lichttheorie ersichtlich, die David C. Lindberg treffend beschreibt: »Bacon war nicht nur Anhänger Alhazens; wie er es selbst sah, war er auch Anhänger von fast jedermann sonst. Bacon war tief von der 276  Alhazen, Opticae thesaurus Alhazeni Arabis libri septem, hg. v. Friedrich Risner, Basel 1572, Nachdruck New York 1972; Alhacen’s Theory of Visual Perception: A Critical Edition, with English Translation and Commentary, of the first three Books of Alhacen’s »De aspectibus«, the Medieval Latin Version of Ibn al-Haytham’s »Kitab al-Manazir«, hg. v. A. Mark Smith, 2 Bde., Philadelphia 2001. 277  Vgl. David C. Lindberg, Auge und Licht im Mittelalter, a.  a. O., S.  114 ff. 278  Vgl. Gaius Plinius Secundus, Naturalis historia, lat.-dt., hg. u. übers. v. Gerhard Winkler u. Roderich König, 32 Bde., Düsseldorf  /  Zürich 1973– 2004, Buch XI, 53 ff. 279  Vgl. Solinus, Collectanea rerum memorabilium. Wunder der Welt, lat.-dt., hg. u. übers. v. Kai Brodersen, Darmstadt 2014. 280  Vgl. Isidor von Sevilla, Die Enzyklopädie, a.  a. O., XI, 1, 36 f. u. XIII, 8, 2. 281  Vgl. Augustinus, Über den Wortlaut der Genesis, übers. v. Carl Johann Perl, 2 Bde., Paderborn 1961–64. 282  Vgl. Roger Bacon’s Aristotelian explanation of Augustine, in: The Cambridge History of later Medieval Philosophy, hg. v. Norman Kretzmann u. a., Cambridge 1982, S.  449 f.; Günther Mensching, Roger Bacon, Münster 2009, S.  66.

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Einheit allen menschlichen Wissens (als Folge seines göttlichen Ursprungs) überzeugt und sah seinen eigenen Beitrag darin, es zu einer Einheit zusammenzufügen. […] Zwar war Bacon sehr wohl fähig, Fehler in überkommenen philosophischen Systemen ausfindig zu machen, vor allem dann, wenn es um die Feinheiten ging, aber gewöhnlich neigte er zum Verschmelzen. Seine erste Reaktion, wenn scheinbar Abweichungen in den Lehren der verschiedenen Autoritäten entdeckt wurden, war die, eine Aussöhnung zwischen ihnen zu versuchen. Diese Neigung kennzeichnete natürlich nicht nur Bacon allein, sondern das Mittelalter weithin. Jedoch machte Bacon sie zur Grundlage seines Lebenswerks, und sie tritt in seiner Theorie des Sehens offen zutage.«283

Indem Roger Bacon ganz verschiedene Traditionen in der Optik miteinander verband, machte er die Perspektivik im lateinischen Mittelalter durch seine Werke zu einer eigenständigen wissenschaftlichen Disziplin, die für die nächsten Jahrhunderte – vor allem durch den Einfluss auf Witelos284 Hauptwerk, dessen Perspec­ tiva sowie durch die perspectiva communis von Bacons Ordensbruder John Peckham285 – fruchtbar werden sollte286 und deren Grundlage seine Theorie über die Vervielfältigung der species war, auf die wir in diesem Zusammenhang eingehen müssen. 3.5.2  Das Licht und die Vervielfältigung der species Für Bacon resultiert jeder Prozess und jede Wirkung aus sogenannten species, die strahlenförmig von den Gegenständen aus283  David C. Lindberg, Auge und Licht im Mittelalter, a.  a. O., S.  203 f. 284  Siehe zu Witelo: Agostino Paravicini Bagliani, Witelo et la science de l’optique à la cour pontificale de Viterbe (1277), in: Mélanges de l’Ecole francaise de Rome 87, 1975, S.  425–453. 285  Vgl. hierzu: David C. Lindberg, Lines of Influence in Thirteenth Century Optics: Bacon, Witelo and Pecham, in: Speculum 46, 1971, S.  66–83. 286  Siehe zur Rezeptionsgeschichte der Perspectiva Bacons allgemein: David C. Lindberg, Roger Bacon and the Origins of Perspectiva in the Middle Ages, a.  a. O., S.  xciv ff.

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gehen und sich immer weiter vervielfältigen. Das Licht, mit dem sich der Perspektiviker befasst, ist das grundsätzliche Beispiel für diese strahlenförmige Ausbreitung, weshalb der Perspektivik ein so wichtiger Stellenwert zukommt: Denn indem man die Wirkungsweise des Lichts beschreibt, beschreibt man zugleich mathematisch die Wirkungsweise aller species (da sich auch die anderen species nach denselben Prinzipien verhalten) und damit aller Wirkungen der Natur. Bacon beschreibt eine species wie folgt: »Jede Wirkursache handelt auf Grund ihrer eigenen Kraft, die sie auf die angrenzende Materie ausübt, so wie das Leuchten (lux) der Sonne seine Kraft auf die Luft ausübt (diese Kraft ist Helligkeit (lumen), die sich vom Sonnenlicht [lux] aus in die ganze Welt verbreitet). Und diese Kraft wird ›Ähnlichkeit‹, [similitudo] ›Bild‹ und ›Form‹ [species] genannt und auch durch viele weitere Namen bezeichnet; sie wird sowohl durch geistige wie körperliche Substanzen und Akzidenzien […] hervorgerufen. Diese Form [species] ruft jede Wirkung in der Welt hervor, denn sie wirkt auf den Sinn, auf den Verstand und bei der Erzeugung der Dinge auf die gesamte Materie der Welt.«287

Roger Bacon nennt noch weitere Bezeichnungen für ›species‹, die er aus der naturphilosophischen Tradition übernimmt288: ›Abbild‹ [ymago], ›Idol‹ [idolum], ›Phantasma‹ [ fantasma], ›Simulacrum‹ [simulacrum], ›Schatten der Philosophen‹ [umbra philosopho­ rum].289 Alle diese Namen bezeichnen dasselbe Ding mit verschiedenen Begriffen: das, was Bacon in seinen Schriften ›species‹ nennt. Eine species ist zusammengefasst: »die erste Wirkung eines Agens; denn alle sind sich darin einig, dass durch species alle anderen Wirkungen hervorgerufen werden. Der 287  Roger Bacon, Roger Bacon’s Philosophy of Nature, a.  a. O., S.  2 ff., zitiert nach: David C. Lindberg, Auge und Licht im Mittelalter, a.  a. O., S.  205. 288  Vgl. Roger Bacon’s Philosophy of Nature, a.  a. O., S. liv ff. 289  Vgl. ebd., S.  4.

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Weise und der Unwissende sind zwar in vielen Dingen die species betreffend verschiedener Ansicht, aber sie stimmen doch darüber überein, dass das Agens in die Materie des Empfangenden eine spe­ cies aussendet, derartig, dass es [das Agens] vermittelt durch die ursprünglich [vom Agens] hervorgebrachte species aus der Potenz der Materie die vollständige Wirkung verursachen kann, die es beabsichtigt. Daher besteht kein Zweifel daran, dass die species die erste Wirkung ist.«290

Bacon entfaltet im Fortgang seiner Abhandlung von De multi­pli­ catione specierum dieses Thema weiter, indem er erläutert, welche Agenzien species hervorbringen, wie sie diese hervorbringen, durch welche Medien sich die species vervielfältigen, wie die spe­ cies von den Rezipienten aufgenommen werden und wie die spe­ cies geschwächt werden. Alles das braucht uns hier im Detail nicht weiter zu beschäftigen; wichtig ist, dass Bacon in seiner naturphilosophischen Abhandlung eine vollständige physikalische und mathematische Analyse der strahlenförmigen Ausbreitung von Kräften und damit von natürlicher Verursachung zu formulieren versucht. Doch Bacon wendet sich gegen die vor allem durch Platon und die Atomisten vertretene Ansicht, dass die species eine materielle Ausstrahlung seien. Vielmehr erzeugt ein Gegenstand sein Abbild [oder species] in dem an ihn angrenzenden Teil eines Mediums, die dann eine weitere species an dem an ihn angrenzenden Teil erzeugt usw.: »Aber eine Form [species] ist kein Körper. Sie wird auch nicht als Ganze von einem Platz zum anderen bewegt; was im ersten Teil der Luft [durch den Gegenstand] gebildet wird, ist vielmehr von diesem Teil gar nicht getrennt, denn eine Form kann nicht von der Materie, in der sie ist, getrennt sein, es sei denn, sie sei geistig. Sondern sie ruft im nächsten Teil der Luft eine Ähnlichkeit ihrer selbst hervor und 290  Roger Bacon’s Philosophy of Nature, a.  a. O., S.  6 [Übers. N. E.].

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Einleitung so weiter. Deshalb findet keine Ortsveränderung statt, sondern eine sich durch die verschiedenen Teile des Mediums fortpflanzende Erzeugung. Es gibt auch keinen im Medium erzeugten Körper, sondern eine körperliche Form, die für sich über keine Dimensionen verfügt, sondern gemäß den Dimensionen der Luft erzeugt wird.«291

Damit sind die wesentlichen Aspekte der Bacon’schen speciesTheo­rie genannt: Eine species ist bei ihm ein ›Abbild‹ eines Gegen­ standes, das sich strahlenförmig und nicht-materiell durch das Medium der Luft in alle Richtungen vervielfältig und auf die Gegenstände wirkt, auf die sie trifft. Im zweiten Teil seines Traktats De multiplicatione specierum führt er aus, nach welchen Gesetzen sich die species vervielfältigen. Dieser Thematik ist auch seine Abhandlung über die Perspektivik im Opus maius gewidmet, in der er diese Gesetze anhand der Ausbreitung der species des Lichts – als der am deutlichsten sichtbaren Art einer species – mathematisch beschreibt. Die Arten, auf denen sich species ausbreiten können, lassen sich durch die geometrischen Gesetze der geradlinigen strahlenförmigen Ausbreitung, der Brechung und der Reflexion beschreiben. Das wird in den entsprechenden Passagen im Opus tertium (Kapitel 80–88) weiter ausgeführt. Um die Bedeutung Roger Bacons und seiner Perspektivik zusammenzufassen: 1. Roger Bacon steht mit seiner Perspektivik in einer langen optischen Tradition, die er durch seine Kenntnis der griechischen und arabischen Werke zu Perspektivik erstmalig im lateinischen Mittelalter zu einer Synthese führte und selbstständig weiterentwickelte. 2. Damit begründete Bacon die Perspektivik im 13. Jahrhundert als eigenständige wissenschaftliche Disziplin, auf der auch die 291  Roger Bacon, Opus maius, a.  a. O., Bd.  2, S.  71 f.; zitiert nach: David C. Lindberg, Auge und Licht im Mittelalter, a.  a. O., S.  206.

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nächsten Generationen aufbauten (noch René Descartes hat sich bei seinen Überlegungen zur Optik mit Bacon auseinandergesetzt). 3. Die Perspektivik war für Bacon eine Exemplifizierung seiner mathematischen Methodik, da sie die Ausbreitung und Wahrnehmung des Lichts durch geometrische Analyse erklärt. 4. Roger Bacon verbindet in seiner Perspektivik metaphysische Lichtspekulationen (ausgehend vom Neuplatonismus und Augus­tinismus) mit einer physikalischen Beschreibung des Lichts und damit der sichtbaren Realität. 5. Das Licht ist das am besten beschreibbare Beispiel für Bacons grundlegendere Annahme, dass sämtliche Prozesse in der Natur durch species bestimmt und mathematisch beschrieben werden können. In diesem Sinne muss man, will man die Bedeutung der Perspektivik für das Denken Roger Bacons verstehen, seine Perspectiva mit seiner weiteren Abhandlung De multiplicatione specierum zusammen lesen, da die Perspectiva seine grundlegenden Annahmen, wie sie in seiner Abhandlung über die Vervielfältigung der species formuliert wurden, anhand des Lichts weiter entfaltet. 3.6  Die Erfahrungswissenschaft (Opus maius, Teil VI; Opus tertium, Kap.  104) »Doch über diese Wissenschaften hinausgehend gibt es noch eine weitere [Wissenschaft], die alle anderen übertrifft, der alle anderen dienen und die alle anderen Wissenschaften auf wunderbare Weise bestätigt: Diese Wissenschaft wird ›Erfahrungswissenschaft‹ genannt. Sie verlässt sich nicht auf Argumente, weil diese [die Wissenschaften] nicht bestätigen, wie beweiskräftig sie auch sein mögen, wenn ihre Schlussfolgerungen nicht durch die Erfahrung bestätigt werden […]. Diese Wissenschaft lehrt, die Schlussfolgerungen aller anderen Wissenschaften durch Erfahrung zu prüfen, die in den anderen Wissenschaften entweder durch bloße Argumente oder durch

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die Untersuchung natürlicher und unvollkommener Erfahrungen belegt werden.«292

Im sechsten und vorletzten Teil des Opus maius, der systematisch auf der Abhandlung über die Optik aufbaut, widmet sich Roger Bacon der Erfahrungswissenschaft [scientia experimentalis], die spätestens seit dem 19. Jahrhundert immer wieder zu lebhaften Debatten angeregt hat. Worum es in diesen Debatten ging, zeigt sich schon an dem (von Roger Bacon geprägten) Begriff einer scien­ tia experimentalis: »Über die Bedeutung der Erfahrungswissenschaft bei Roger Bacon sind viele einander entgegengesetzte Meinungen geäußert worden. Teils wurde der Begriff im Gefolge Francis Bacons als induktive empirische Forschung verstanden, die das Mittelalter sonst vernachlässigt habe, teils erfuhren die Reflexionen im Opus maius und in den Com­ munia naturalium eine differenziertere Deutung, die einen facettenreichen Erfahrungsbegriff zum Vorschein brachten.«293

Je nachdem, welchen Aspekt des sechsten Teils des Opus maius: De scientia experimentalis man stark machen möchte, kommt man zu unterschiedlichen Ergebnissen, eine Ambivalenz, die im Text selbst liegt: Man kann Bacon als Vordenker der wissenschaftlichen Revolution294 der Frühen Neuzeit sehen oder als Magier und Alchemisten oder auch als einen wenig originellen Denker – alle diese Perspektiven sind in der Forschung eingenommen worden.295 292  OT, S.  87. 293  Günther Mensching, Roger Bacon, a.  a. O., S.  52. 294  So bei den Versuchen, die Parallelen zwischen Francis Bacon und Roger Bacon aufzuzeigen: Fernando Sanford, Francis and Roger Bacon and Modern Science, in: The Scientific Monthly 44, 1937, S.  440–452; Herbert Hochberg, The Empirical Philosophy of Roger and Francis Bacon, in: Philosophy of Science 20, 1953, S.  313–326; Joseph Kupfers, The Father of Empiricism: Roger not Francis, in: Vivarium 12, 1974, S.  52–62. 295  Siehe für einen kurzen Überblick über die Ansichten des Beitrags

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Bacons scientia experimentalis kann übersetzt werden als »Ex­ pe­ri­men­talwissenschaft« oder als »Erfahrungswissenschaft«. In ­Bacons Opus maius und in seinem Opus tertium muss scientia experimentalis so verstanden werden, dass sie sowohl eine Experimentalwissenschaft als auch eine Wissenschaft von der Erfahrung meinen kann. Ich gebe scientia experimentalis mit »Erfahrungswissenschaft« wieder, weil dies dem Sinn im Opus tertium entspricht und weil ich allzu moderne Konnotationen vermeiden will296, da wir mit einem »Experiment« etwas anderes meinen als Roger Bacon. Ich denke aber, dass Bacon an bestimmten Stellen seiner scientia experimentalis über wirkliche Experimente auch in heutigem Sinne spricht. Roger Bacon beginnt seine Abhandlung über die Erfahrungswissenschaft im Opus maius mit einer Unterscheidung zwischen Wissen durch Argumente – also syllogistischen Beweisformen – und durch die Erfahrung, ohne die man seiner Ansicht nach nichts wissen könne: Roger Bacons zum »Experiment« auch: David C. Lindberg, Science as Handmaiden: Roger Bacon and the Patristic Tradition, in: Isis 78, 1987, S.  518–536. 296  Siehe zu den Begriffen des »experimentum« und der »scientia experimentalis« bei Bacon vertiefend: Jeremiah Hackett, Scientia Experimentalis: Von Robert Grosseteste zu Roger Bacon, in: Roger Bacon in der Diskussion, a.  a. O., Bd.  2, S.  195–227, insbes. S.  210–227. – Siehe hierzu ebenso weiterführend: Jeremiah Hackett, Experience and Demonstration in Roger Bacon: A Critical Review of some Modern Interpretations, in: Erfahrung und Beweis. Die Wissenschaften von der Natur im 13. und. 14. Jahrhundert, hg. v. Alexander Fidora u. Matthias Lutz-Bachmann, Berlin 2007, S.  41–58; ders., Ego expertus sum: Roger Bacon’s Science and the Origins of Empiricism, in: Expertus sum. L’expérience par les sens dans la philosophie naturelle médiévale, hg. v. Thomas Bénatouil u. Isabelle Draelants, Florenz 2011, S.  145–173; Steven J. Williams, Roger Bacon in Context: Empiricism in the High Middle Ages, in: Expertus sum. L’expérience par les sens dans la philosophie naturelle médiévale, a.  a. O., S.  123–144; Jaqueline Hamesse, Experientia / Experimentum dans les Lexiques Médiévaux et dans les Textes Philosophiques antérieurs au 14e siècle, in: Experientia, hg. v. Marco Veneziani, Florenz 2002, S.  77–90.

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Einleitung

»Nachdem die Wurzeln der Weisheit bei den Lateinern dargelegt worden sind, soweit sie die Sprachen, die Mathematik und die Perspektivik betreffen, möchte ich nun die Prinzipien der Erfahrungswissenschaft erläutern, weil man ohne die Erfahrung nichts wirklich wissen kann. Denn es gibt zwei Arten des Wissenserwerbs: das Argument und die Erfahrung. Das Argument folgert und führt uns dazu, der Schlussfolgerung zuzustimmen, doch es beweist [die Schlussfolgerung] nicht und beseitigt nicht den Zweifel, sodass unser Geist durch den Anblick der Wahrheit nicht zur Ruhe kommen kann, es sei denn, er findet sie auf dem Weg der Erfahrung. Denn viele haben zwar Argumente für das Wissbare, doch da sie keine Erfahrung [davon] haben, ignorieren sie es und vermeiden daher weder das Schlechte, noch folgen sie dem Guten.«297

Der einzige Weg, auf dem wir zu wirklichem und vollständigem Wissen gelangen können, ist nach Bacon der Weg der Erfahrung. Doch was heißt das hier? Bacon gibt im Folgenden Beispiele aus unterschiedlichen Bereichen, denen der Aspekt der Überprüfung durch die Wahrnehmung gemeinsam ist: Erfahrung in diesem Sinne ergänzt das Wissen, das durch einen Syllogismus, also einen theoretischen Beweis, erworben wird. Nehmen wir an, jemand habe gelesen, dass Feuer verbrennt und schmerzt – er wird sich aus dieser Erkenntnis nichts machen, bevor er nicht selbst erlebt hat, dass Feuer diese Eigenschaft hat.298 Das zweite Beispiel kommt aus dem Bereich der Geometrie: Jemand mag zwar den Beweis eines gleichseitigen Dreiecks verstanden haben, er wird darauf jedoch nichts geben, bevor er nicht selber solch ein Dreieck gezeichnet und es gesehen hat.299 Was Bacon hier anspricht, könnte man als eine psychologische Annahme über die Intensität des persönlichen Wissenserwerbs bezeichnen: Wirklich wissen können wir nur etwas, wenn wir es 297  Roger Bacon, Opus maius, Teile I, II u. VI, a.  a. O., S.  157. 298  Vgl. ebd., S.  157 f. 299  Vgl. ebd., S.  158.

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selbst erlebt und durch die Wahrnehmung überprüft haben, wenn wir also eine persönliche Erfahrung von etwas gemacht haben. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Bacon direkt im Anschluss an das Beispiel aus dem Bereich der Mathematik die aristotelische Vorstellung eines Wissens durch den Beweis, die ­demonstratio, erheblich verändert: »Wenn Aristoteles also sagt, dass ein Beweis ein Syllogismus ist, der uns wissend macht, ist das so zu verstehen, dass dies nicht für den nackten Beweis gilt, sondern nur, wenn der Beweis von einer entsprechenden Erfahrung begleitet wird.«300

Das entspricht jedoch in keiner Weise der aristotelischen Definition eines Beweises. Bei Aristoteles ist ein Beweis (eine demon­ stra­tio) ein Syllogismus, der Wissen auf analytischem Wege generiert301 – eine Überprüfung eines so gewonnenen Beweises durch die eigene Erfahrung ist für Aristoteles nicht mehr notwendig. Für Bacon stellt sich dies jedoch anders dar: Selbst der beste theo­retische Beweis befreit uns nicht vom Zweifel, wenn wir ihn nicht durch die Erfahrung nochmals »beweisen« können.302 Er führt hierfür Beispiele an: ein Diamant, der angeblich durch Bocksblut zerbrochen werden kann303; heißes Wasser, das schnel300 Ebd. 301 Vgl. Aristoteles, Analytica posteriora (= Aristoteles. Werke in deutscher Übersetzung 3, II/1), hg. u. übers. v. Wolfgang Detel, Berlin 1993, 71 b 17, S.  18. 302  Hinter dieser scheinbaren epistemologischen Naivität Bacons steht ein sehr viel grundlegenderes Problem, als wir es hier im Rahmen einer Einleitung erörtern können: Es ist der Gegensatz zwischen Platonismus und Aristotelismus und damit zwischen einer auf mathematischer und einer auf qualitativer Erfassung und Beschreibung der Welt beruhenden Wissenschaftsmethodik, der nicht nur das Mittelalter durchzogen hat, sondern auch heute noch eines der grundlegenden Probleme der Erkenntnis- wie der Wissenschaftstheorie darstellt. 303  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teile I, II u. VI, a.  a. O., S.  158 f.

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Einleitung

ler gefrieren soll als kaltes304. Gegen solche falschen Annahmen weiß Bacon ein einfaches Mittel: man möge es selbst probieren und sehen, ob es stimmt oder nicht: »Ich habe das mit eigenen Augen gesehen […]. Daher müssen alle Dinge auf dem Weg der Erfahrung bestätigt werden.«305 Roger Bacon definiert die Erfahrung im weiteren Verlauf seiner Abhandlung nun auf folgende Weise: »Die Erfahrung ist aber zweifach: Eine Art von Erfahrung gewinnen wir durch unsere äußeren Sinne. Durch sie gewinnen wir mit der Hilfe von Instrumenten Erfahrung von den Himmelsdingen und durch den Gesichtssinn von den Dingen auf der Erde. Von den Dingen, die sich nicht an den Orten befinden, wo wir sind, wissen wir durch andere weise Menschen, die von ihnen Erfahrung gesammelt haben. […] Diese Art der Erfahrung ist eine menschliche und philosophische Erfahrung, die so weit reicht, wie der Mensch durch die ihm zuteil gewordene Gnade gelangen kann. Doch diese Erfahrung ist für die Menschen oft nicht ausreichend, weil sie über die körperlichen Dinge aufgrund ihrer Schwierigkeit nicht alles bestätigt, und weil sie geistige Dinge überhaupt nicht berührt. Deshalb muss dem Intellekt des Menschen anders geholfen werden, weshalb die heiligen Patriarchen und Propheten, die als erste der Welt die Wissenschaften gegeben haben, innere Illuminationen erhalten haben und daher nicht ausschließlich von den Sinnen abhängig waren.«306

Hier sehen wir deutlich, dass Bacon seiner Erfahrungswissenschaft einen anderen Begriff von Erfahrung zugrunde legt, als wir es heute tun: Es gibt auf der einen Seite ›Erfahrungen‹, die wir durch unsere äußeren Sinne gewinnen können; diese reichen für die Erkenntnis eines Sachverhaltes jedoch meist nicht aus, weshalb eine

304  Vgl. ebd., S.  159. 305 Ebd. 306  Ebd., S.  159 f.

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Form von göttlicher Illumination307 notwendig ist, die Bacon direkt im Anschluss an seine eben genannten Ausführungen in sieben Stufen verschiedener moralischer und religiöser Einsichten beschreibt, die – wie Jeremiah Hackett bemerkt – »a standard Franciscan account«308 folgen. Dieser augustinische Illuminismus muss berücksichtigt werden, da er deutlich zeigt, dass Bacons Erfahrungswissenschaft sich nicht im Sinne einer modernen empirischen Methodik (kontrollierte Laborexperimente etc.) bewegt. Der Punkt, den Roger Bacon hier anspricht, ist der, dass das Wissen, das aus Büchern und von Autoritäten gewonnen werden kann, durch persönliche Erfahrung überprüft werden muss: sei es durch die äußeren Sinne, sei es durch göttliche Eingebung (zu erinnern sei in diesem Zusammenhang auch daran, dass die meisten Phänomene durch die persönliche, durch die äußeren Sinne gewonnene Erfahrung nicht überprüft werden konnten, man nehme hier nur die Astronomie: die oberen Himmelskörper waren zu weit entfernt, um sie persönlich in Augenschein nehmen zu können, und die entsprechenden Instrumente standen nicht zur Verfügung). Das Unglück war nur: Die Erfahrungswissenschaft war in ­Bacons Augen eine so neuartige Wissenschaft, dass sie im Abendland noch vollkommen unbekannt war, weshalb es nun an Bacon war, sie in den universitären Wissenschaftskanon einzuführen. Dabei ist ihr Nutzen doch außerordentlich: »Da diese Erfahrungswissenschaft der Menge der Studenten vollkommen unbekannt ist, kann ich niemanden von ihrer Nützlichkeit überzeugen, wenn nicht zugleich ihre Kraft und ihre Eigentümlichkeit be-

307  Vgl. ausführlich zur Rolle der Illumination bei Roger Bacon: ­Raoul Carton, L’expérience mystique de l’illumination intérieure chez Roger ­Bacon, Paris 1924. 308 Vgl. Jeremiah Hackett, Roger Bacon on scientia experimentalis, a.  a. O., S.  294. – Vgl. vertiefend hierzu auch: Ewert H. Cousins, Bonaventure and the Coincidence of Opposites, Chicago 1978.

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Einleitung

schrieben werden. Nur diese Wissenschaft weiß auf vollkommene Art zu zeigen, was durch die Natur geschehen kann, was durch die Anstrengung der Kunst hervorgerufen wird, was durch Betrug passiert, was Gesänge, Beschwörungen, Herbeirufungen, Fürsprachen und Opfergaben wollen und wovon sie träumen, die allesamt magischer Natur sind; und was bei ihnen geschieht, damit alle Falschheit beseitigt wird und damit nur die Wahrheit der Kunst beibehalten wird. Nur diese Wissenschaft lehrt, alle Verrücktheiten der Magier einzuschätzen, damit sie nicht bestätigt, sondern vermieden werden, so wie die Logik die Scheinschlüsse aufdeckt.«309

Hier führt Bacon einen weiteren Gedanken ein, der uns deutlich macht, dass er sich unter seiner neuen Erfahrungswissenschaft unter anderem und nicht zuletzt eine Methodik in den praktischen und spekulativen Wissenschaften vorstellt, die ein Unterscheidungskriterium zwischen der wirklichen Wissenschaft und den bloß magischen Täuschungen bereitstellt, womit er nicht die eingangs genannten causae erroris meint, sondern den im Alltagsund teils auch Wissenschaftsbewusstsein seiner Zeit vorhandenen Wust magischer und abergläubischer Praktiken. Dieser Gedanke wird von ihm auch im Brief über die geheimen Werke der Natur und der Kunst310 thematisiert. Bacon versucht, ein Unter­ scheidungskriterium dafür zu finden, was Wissenschaft (in Bacons Worten: »Natur und Kunst«) gegenüber magischen Praktiken ist und wie sie von diesen getrennt werden kann. Die Erfahrungswissenschaft hat Bacons Ansicht nach drei einzigartige Vorzüge bzw. Vorrechte: (1) Sie überprüft alle Schlussfolgerungen der anderen Wissenschaften durch die Erfahrung und dient so der Überprüfung der Ergebnisse der anderen Wissenschaften: »Denn die anderen Wissenschaften wissen zwar, wie sie ihre Prinzipien 309  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teile I, II u. VI, a.  a. O., S.  163. 310  Vgl. Roger Bacon, Brief über die geheimen Werke der Natur und der Kunst, in: ders., Opus maius, Teile I, II u. VI, a.  a. O., S.  231–261.

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durch die Erfahrung gewinnen können, doch ihre Konklusionen schließen sie aus Argumenten, die aus den gefundenen Prinzipien gewonnen werden. Doch wenn sie eine besondere und vollständige Erfahrung ihrer Konklusionen haben wollen, müssen sie diese mit der Hilfe dieser noblen Wissenschaft gewinnen.«311 Hier dient ihm – als bei weitem längstes Beispiel der Abhandlung im Opus maius – der Regenbogen312. Anhand des Regenbogens versucht er, die verschiedenen Situationen, in denen ein Regenbogen und dessen Farben erscheinen, nach einem gemeinsamen mathematischen Modell zu begreifen. Um dieses sehr lange Beispiel adäquat zu verstehen, müssen ­Bacons Überlegungen zur Perspektivik313 (und damit – dem zugrunde liegend – der Geometrie, also der Mathematik), zur Vervielfältigung der species314 sowie Robert Grossetestes Spekulationen über den Regenbogen315 miteinbezogen werden, die er in den vorangehenden Teilen des Opus maius entfaltet hat.

311  Roger Bacon, Opus maius, Teile I, II u. VI, a.  a. O., S.  163. 312  Vgl. zum Regenbogen bei Bacon: Roger Bacon, Opus maius, Teile I, II u. VI, a.  a. O., S.  164 ff.; David C. Lindberg, Roger Bacon’s Theory of the Rainbow: Progress or Regress?, in: Isis 57, 1966, S.  235–248; Hans Kraml, Roger Bacon’s Theory of the Rainbow as a Turning point in the Pre-Galilean Theory of Science, in: Analyomen 1, hg. v. Georg Meggle u. Ulla Wessels, Berlin  /  New York 1994, S.  353–361. – Vgl. Zum Aspekt der »Lichtmetaphysik«, die hierbei auch eine Rolle spielt: Ruggero Bacone, La scienza sperimentale, hg. v. Francesco Bottin, Mailand 1990, Introduzione, S.  21–27. 313  Vgl. Roger Bacon and the Origins of Perspectiva in the Middle Ages, a.  a. O. 314  Vgl. Roger Bacon, Roger Bacon’s Philosophy of Nature, a.  a. O. 315  Vgl. Bruce S. Eastwood, Robert Grosseteste’s Theory of the Rainbow, in: ders., Astronomy and Optics from Pliny to Descartes, London 1989, S.  313–332; Alistair C. Crombie, Robert Grosseteste and the Origins of Experimental Science, a.  a. O., S.  189–259; allgemein zur Optik (und damit auch zum Regenbogen): David C. Lindberg, Auge und Licht im Mittel­ alter, a.  a. O.

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Einleitung

(2) Sie führt auch zu eigenen Ergebnissen an den »Grenzen« der übrigen Wissenschaften, die diese allein nicht erreichen können. Das erreicht sie, indem sie durch die Erfahrung gewonnene Instrumente und Erkenntnisse bereitstellt, ohne die man in den übrigen Wissenschaften keine Fortschritte machen kann. Diesen wichtigen Vorzug hebt Günther Mensching hervor: »Ein weiterer Sinn von scientia experimentalis meint das Wissen, das durch geplante Konstellationen von Phänomenen und Instrumenten operativ gewonnen wird. Hier nimmt ­Bacon die moderne Bedeutung der experimentellen Methode vorweg. […] Seine Thesen sind im übrigen eher programmatisch, als daß sie Resultate empirischer Forschung darstellten. Neu ist indessen an diesen Überlegungen, daß der Fortschritt der Erkenntnis an operative, gleichsam handwerkliche Verfahren gebunden ist. Galten die artes mechanicae im Mittelalter als separate und gegenüber den spekulativen Wissenschaften untergeordnete Disziplinen, so verleiht ihnen Roger Bacon als Momenten seiner scientia experimentalis eine weitaus höhere Funktion. In der Erkenntnis führen sie, wie alle wahre Wissenschaft, zu Gott und zur Erlösung, zudem haben sie aber eine Nützlichkeit für das profane Leben.«316 (3) Der dritte Vorzug ist für Bacon der wichtigste, für uns jedoch der am schwersten verständliche: »Er liegt in den nur dieser Wissenschaft eigenen Eigenschaften, die sie nicht gegenüber den anderen Wissenschaften hat, sondern mit denen sie aus ihrer eigenen Macht heraus die Geheimnisse der Natur betrachtet. Dieser [Vorzug] besteht aus zwei Teilen: In der Erkenntnis der zukünftigen, vergangenen und gegenwärtigen Ereignisse und in den wunderbaren Werken, durch die sie die verbreitete Astronomie in ihrer vorhersagenden Macht übertrifft.«317 ­Bacons Bemerkungen sind ein wenig kryptisch, er bezieht sich hierbei aber auf jeden Fall auf den Bereich der vorhersagenden 316  Günther Mensching, Roger Bacon, a.  a. O., S.  53 ff. 317  Roger Bacon, Opus maius, Teile I, II u. VI, a.  a. O., S.  219.

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Astronomie / A strologie. Er scheint der Ansicht zu sein, dass die Erfahrungswissenschaft Instrumente (Astrolabien, Sterntafeln etc.) bereitstellen könnte, die astronomische Vorhersagen erleichtern würden. Zudem spricht er über verschiedene Wunderwerke, die nur durch die Erfahrungswissenschaft hergestellt werden können, wie z. B. Schwarzpulver, bestimme Heilmittel gegen Gifte etc. Anhand der drei Vorzüge der Erfahrungswissenschaft zeigt sich, dass sie zwischen den theoretischen und den praktisch verfahrenden Wissenschaften quasi eine Scharnierstelle einnimmt. Zugleich ist sie durch ihre vielen »Wunderwerke« auf das Wohl der Christenheit ausgerichtet und kann mit ihrer Betonung der experimentellen und auf Erfahrung beruhenden Überprüfung wissenschaftlicher Annahmen als Modell einer experimentell verfahrenden Naturwissenschaft und als ernsthafter Vorläufer des neuzeitlichen Wissenschaftsverständnisses gesehen werden. 3.7  Die Moralphilosophie (Opus maius, Teil VII; Opus tertium, Kap.  105–110) »Alle Ergebnisse der Kunst und der Natur sind auf jene moralischen Werke hingeordnet, sie sind ihretwegen da und haben keinen Nutzen, wenn sie nicht den sittlichen Werken dienen. Deshalb werden die praktischen und ausführenden Wissenschaften, wie die experimentelle Alchemie und ähnliche [Wissenschaften], spekulativ im Hinblick auf die Handlungen genannt, die in der moralischen oder auch bürgerlichen Wissenschaft behandelt werden. Diese Wissenschaft ist die Herrin aller Teile der Philosophie, bedient sich ihrer und befiehlt ihnen um des Nutzens für die Städte und Königreiche willen.«318

318  OT, S.  99.

CXII

Einleitung

Die wichtigste aller von Roger Bacon im Opus maius gepriesenen Wissenschaften ist die Moralphilosophie. Zugleich muss daran erinnert werden, dass Roger Bacons Reformprojekt das Ziel einer organischen und einheitlichen Wissenschaft verfolgt, in der alle Wissenschaften aufeinander bezogen sind. Roger Bacon sah sein Werk als eine vorläufige Überzeugungsschrift für die Verbesserung des Lebens des Menschen durch die Wissenschaft. Er wollte Papst Clemens IV. von seinem Reformprogramm einer allumfassenden scientia universalis überzeugen. Dabei laufen alle Wissenschaften auf den Nutzen für die Menschheit hinaus, weshalb die Moralphilosophie die Spitze des gesamten Wissenschaftskanons bildet: »Und weil die Moralphilosophie das Ziel aller Teile der Philosophie ist, ist es notwendig, dass die Schlussfolgerungen der anderen Wissenschaften Prinzipien in dieser sind […].«319 Die Wissenschaften haben nach Bacon einen wesentlichen und einzigen Zweck außerhalb ihrer selbst, der in der Moralphilosophie gipfelt, nämlich »das Heil des Menschen, das durch Tugend und Glück­ seligkeit zu vollenden ist«320. Die Moralphilosophie gliedert sich in sechs Teile, die Pia Antolic-Piper321 folgendermaßen zusammenfasst: (1) Wissenschaftstheoretische Grundlagen der Moralphilosophie; Erörterung menschlicher Handlungen in Beziehung zu Gott322, (2) Moralphilosophie als Politik: Erörterung menschlicher Handlungen in Beziehung zum Mitmenschen323, (3) Moralphilosophie als Tugendlehre (der umfangreichste Teil der Moralphilosophie): Abhandlungen über Tugenden und

319 Roger Bacon, Opus maius. Eine moralphilosophische Auswahl, a.  a. O., S.  83. 320 Ebd. 321  Vgl. ebd., S.  36. 322  Vgl. OT, S.  897 ff. 323  Vgl. OT, S.  901 ff.

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Laster im Selbstverhältnis des Menschen; ›Anthologie‹ von Texten Senecas324 und Ciceros325, (4) Moralphilosophie im Religionsdialog: Überlegenheit der christlichen gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften326, (5) Rhetorik und Poetik als praktische Teile der Moralphilosophie327, (6) Forensische Rhetorik328. Auf alle diese Teile gesondert einzugehen, ist hier nicht der Ort.329 Ich möchte stattdessen den einzigartigen Gedanken im Werk Bacons herausstellen, der auch der Moralphilosophie zugrunde liegt: dass der Menschheit durch die theoretischen Wissenschaften, die als notwendige Helfer für die Moralphilosophie beschrieben und mit ihr verschränkt gedacht werden, geholfen werden könne, eine bessere und verantwortlichere Existenz zu führen:

324  Vgl. zur Verwendung der Schriften Senecas in der Moralphilosophie: Thomas Ricklin, Seneca der Minderbruder. Die Réécriture einer moralischen Herausforderung durch Roger Bacon und Johannes von Wales und ihr frühhumanistischer Epilog, in: Ethik – Wissenschaft oder Lebenskunst? Modelle der Normenbegründung von der Antike bis zur Frühen Neuzeit, hg. v. Sabrina Ebbersmeyer u. Eckhard Keßler, Münster 2007, S.  51–74; Daniele Crivelli, Libertà e Interiorità: Seneca una Fonte per la Filosofia Morale di Ruggero Bacone, in: Les philosophies morales et politiques au Moyen Age, hg. v. B. Carlos Bazán u. a., New York  /  Toronto 1992, S.  837–843. 325  Vgl. OT, S.  905 ff. 326  Vgl. OT, S.  911 ff. 327  Vgl. OT, S.  943 ff.; siehe zu dem wichtigen Stellenwert, den Rhetorik und Poetik in Bacons Moralphilosophie innehaben: Jeremiah Hackett, ­Roger Bacon über Rhetorik und Poetik, in: Roger Bacon in der Diskussion, a.  a. O., Bd.  2, S.  195–228. 328  Vgl. OT, S.  945. 329  Vgl. dazu ausführlicher die Einleitung von Pia Antolic-Piper, in: Roger Bacon, Opus maius. Eine moralphilosophische Auswahl, a.  a. O., S.  35–69.

CXIV

Einleitung

»Und es ist nicht verwunderlich, wenn die Philosophen in der gesamten theoretischen Philosophie moralische Bemerkungen verstreut haben: weil sie [nämlich] wussten, dass sie vom Heil des Menschen handelt. So mischten sie deshalb schöne Lehrsätze unter alle Wissenschaften, damit die Menschen immer zum Guten des Heils aufgerufen würden und damit alle wüssten, dass sie weitere Wissenschaften allein wegen derjenigen suchen, welche die Herrin der menschlichen Weisheit ist.«330

Alle Wissenschaften sind auf ihren Nutzen für die Menschen hingeordnet, weshalb es kein Zufall ist, dass der Moralphilosophie der zweitumfangreichste Teil des Opus maius (nach der Mathematik) gewidmet ist, sodass das Interesse an einem diesseitigen Wohl­ ergehen des Menschengeschlechts beinahe den Humanismus vorwegnehmende Züge erhält.331 Die übrigen Wissenschaften sind nach Bacon spekulative Wissenschaften, denen als fünfte Wissenschaft die praktische Wissenschaft der Moralphilosophie gegenübersteht, sie ergänzt und ihnen ihr Ziel gibt: »Nun aber will ich die Grundlagen der fünften Wissenschaft [der Moralphilosophie, Anm. N. E.] aufrollen, die besser und ehrwürdiger ist als die zuvor genannten Wissenschaften. Unter allen [Wissenschaften] ist sie praktisch, das heißt eine tätige [Wissenschaft], und sie handelt von unseren Handlungen in diesem und im anderen Leben; alle anderen [Wissenschaften] dagegen werden theoretische genannt.«332

330  Ebd., S.  85. 331  Vgl. Sabrina Ebbersmeyer, Einführung, in: Ethik des Nützlichen. Texte zur Moralphilosophie im italienischen Humanismus, hg. v. Sabrina Ebbersmeyer u. a., München 2007, S.  12–19. 332 Roger Bacon, Opus maius. Eine moralphilosophische Auswahl, a.  a. O., S.  81.

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CXV

Bacon versteht den Begriff der Praxis in einem zweifachen Sinn: bezogen auf jede »tätige« bzw. operative Wissenschaft und als moralische Praxis, wobei die moralische Praxis, wie sie in der Moral­ philosophie entfaltet wird, der Zweck ist, auf den die anderen Wissenschaften ausgerichtet sind: »Weswegen ›praktisch‹ hier im strengen Sinne auf die sittlichen Handlungen bezogen wird, durch die wir gut und schlecht werden, obgleich wenn ›praktisch‹ in einem weiteren Sinne aufgefasst wird, [nämlich] für jede tätige Wissenschaft, viele der anderen [ebenfalls] praktisch sind. Diese eine [Wissenschaft] aber wird im wörtlichen Sinne als praktische bezeichnet, [nämlich] derjenigen höchstrangigsten Tätigkeiten des Menschen wegen, die einen Bezug haben zu Tugenden und Lastern, zu Glückseligkeit und Elend des anderen Lebens.«333

Die Wissenschaften sind nicht durch eine metaphysische Rangordnung, sondern durch deren Bedeutung für das menschliche Leben miteinander verbunden und auf dieses Ziel gerichtet. Der Rang und die Gliederung der Wissenschaften bestimmen sich im Denken Bacons nach ihrer Nützlichkeit für die menschliche Praxis. Deswegen sind sie so wichtig. Dieser Gedanke muss hervorgehoben werden: Denn Roger Bacon projektiert im 13. Jahrhundert ein organisches und allumfassendes Wissenschaftskonzept, eine ganz neuartige Idee von dem Stellenwert der menschlichen Wissenschaft, das letztendlich ohne die Theologie auskommen könnte und für das der Nutzen für den Menschen in der Praxis grund­ legend und bestimmend ist. Günther Mensching fasst diesen Anspruch Roger Bacons prägnant zusammen: »Roger Bacons Reformprojekt, um das sich der größte Teil seiner Schriften bemüht, verfolgt das Ziel einer Einheitswissenschaft, die auf der arbeitsteiligen Kooperation vieler Einzeldisziplinen beruht. Darin weist das Denken des Doctor mirabilis [d. h. Roger Bacons, Anm. N. E.] 333  Ebd., S.  83.

CXVI

Einleitung

in die Zukunft, auch wenn viele seiner Theoreme überholt oder falsch sind. Sein moralphilosophischer Impetus ist gleichfalls vom Bewußtsein seiner Epoche getragen. Die politischen Zeichen seiner Zeit deutet er als Vorboten des barbarischen Reiches des Antichrist, der alle Kulturen und Religionen zu vernichten droht. Erfolglos und dennoch zukunftweisend hat er sich gegen den Fanatismus der Religionskriege und für geistige Auseinandersetzung eingesetzt. Trotz aller apokalyptischen Vorstellungen, die Bacon, wie zeitweilig sein Orden insgesamt, von Joachim von Fiore übernommen hat, ist sein Werk auf diesseitige Praxis gerichtet. Die utilitas, die die Menschen in allen weltlichen Dingen beachten sollen, leitet sich von der Teleologie des höchsten Gutes, der glückseligen Schau, her und unterstellt das Profane dem sakralen Endzweck. Dennoch ist individuelles wie kollektives menschliches Handeln nicht durch einen starren Weltplan festgelegt; es vermag den apokalyptischen Schrecken noch im Diesseits durch den Fortschritt der Wissenschaften zu mindern.«334

Ich würde jedoch noch weiter gehen als Günther Mensching und den Aspekt des diesseitigen Nutzens der Wissenschaften stärker betonen: Wir haben in Bacons Denken mehr einen Messianismus der Wissenschaften für den Nutzen in dieser Welt vor uns als ­einen Messianismus der durch die neuen Wissenschaften erneuerten Theologie335. Das ist der Grund, der seine Lektüre auch heute noch lohnend macht: Roger Bacon entwirft die vorläufige Idee einer säkularen Wissenschaft – die freilich im Dienst der Theologie zu stehen hat, die aber auch einen eminenten Wert in sich selbst hat – und ist in diesem Aspekt »moderner« als die von ihm kritisierten Zeitgenossen, die mit dieser Idee – gerade im Franziskanerorden – nur wenig anfangen konnten. In den Worten Camille Bérubés, der Bacons Reformprogramm den Vorstellungen seines damaligen Ordensoberen Bonaventura gegenüberstellt: »Bacon 334  Günther Mensching, Roger Bacon, a.  a. O., S.  123. 335  Dagegen jedoch: Frank Finkenberg, Ancilla theologiae? Theologie und Wissenschaften bei Roger Bacon, Mönchengladbach 2007.

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CXVII

verbrennt, was Bonaventura anbetet, und betet an, was Bonaventura gerne verbrennen würde.«336 Für Roger Bacon ist es der Mensch, der durch seine eigene Vernunft und die Kraft der Wissenschaften bis hin zur Moralphilosophie – die zwar im Dienst der Theologie stehen, gleichzeitig jedoch die unverzichtbare und notwendige Voraussetzung für diese bilden – bereits in dieser Welt für ein gutes Leben zu sorgen hat.337 Die Menschheit brauche nur die richtige Anleitung durch die Eliten, die das Privileg und die Möglichkeiten hätten, sich die dafür notwendige Bildung anzueignen. Dies wäre die Aufgabe der Intellektuellen an der Universität, die ihrer Verpflichtung – in den Augen Bacons – jedoch nicht nachkamen, sondern die sich in ihrem universitären Elfenbeinturm nur über theologische und rein spekulative Spitzfindigkeiten stritten. Dabei müsste man doch die Wissenschaft betreiben, »die nach jenem Heil [eben] in dem Maße trachtet, soweit es der Philosophie möglich ist«338. Franco Alessio hat das in seinem Buch Mito e scienza in Rug­ gero Bacone339 bereits herausgearbeitet, was in der überwiegend englischsprachigen Baconforschung wenig zur Kenntnis genom336  Camille Bérubé, Der »Dialog« S. Bonaventura – Roger Bacon, in: Roger Bacon in der Diskussion, a.  a. O., Bd.  1, S.  135. 337  Beeindruckend ist die offene Naivität von Bacons wissenschaftlichem Vernunftoptimismus. Theodor Adorno und Max Horkheimer hätten in ihrer Dialektik der Aufklärung die »Entzauberung der Welt durch den Mythos der Aufklärung« nicht mit Francis Bacon, sondern mit Roger ­Bacon beginnen lassen sollen. Zwischen Francis und Roger Bacon bestehen tatsächlich so auffällige Ähnlichkeiten, dass eine Beeinflussung Francis Bacons durch die Werke Roger Bacons nahe zu liegen scheint und auch tatsächlich oft thematisiert worden ist. – Vgl. Theodor W. Adorno u. Max Horkheimer, Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Frankfurt / Main 152001, S.  9 ff. 338 Roger Bacon, Opus maius. Eine moralphilosophische Auswahl, a.  a. O., S.  83. 339  Vgl. Franco Alessio, Mito e scienza in Ruggero Bacone, Mailand 1957, bes. S.  15–21.

CXVIII

Einleitung

men worden ist: Dass man bei Roger Bacon zwischen dem Mythos der Wissenschaft unterscheiden müsse, der auf die Theologie gerichtet ist, und seinem tatsächlichen Reformprogramm, das in der praktischen Anwendung der Wissenschaften für die Menschheit besteht. Damit findet das vorläufige Reformprogramm Bacons seinen Abschluss: mit der Moralphilosophie, die auf die Theologie hingeordnet ist und der die anderen Wissenschaften die notwendigen Prinzipien liefern, denn »wie der Mensch sich im Studium der Weisheit verhält, so [verhält er sich] auch im Leben«340. 4. Schlussbemerkung Roger Bacon hat ein großes Werk geschaffen. Er hat ein Reformprogramm zur Erneuerung der Wissenschaften und zur Umgestaltung des Lehrbetriebs zum Nutzen der Menschheit und der Rettung der Christenheit verfasst. Dabei ging es ihm nicht um dogmatische Auseinandersetzungen und theologische Spezialfragen. Seine Ansichten und Überzeugungen hat er nicht in Disputationen, Quaestionen und Sentenzenkommentaren geäußert, sondern in Denkschriften und Traktaten, die zugleich auch alle den Charakter einer vorläufigen Meinungsbildung, einer Intervention sozusagen, hatten. Sein großes Reformprogramm – durchsetzt mit unzähligen Abhandlungen zu allen möglichen Einzelfragen und Themen – hat er direkt an das Oberhaupt der Christenheit, Papst Clemens IV., in für uns heute diffus anmutenden, verschiedenen Anläufen geschickt. Wirklich zur Kenntnis genommen hat man ihn nicht. In seinem Orden wurden seine Vorschläge wahrscheinlich verurteilt, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass sein Wirken in die Zeit des Streites im Orden um die Spiritualen und das Vermächtnis Joachims von Fiore fiel und davon eventuell überschattet wurde. Aber das 340  Siehe OT, S.  23.

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ist aufgrund der Überlieferungslage zu Bacon weitestgehend Spekulation. In der Sicht seiner näheren Nachwelt blieb ihm auf jeden Fall der Ruf eines Magiers und Alchemisten, wobei anzumerken bliebe, dass er nicht schwarzer Magie bezichtigt, sondern ganz allgemein im Geist der Zeit als ein Mann der Geheimwissenschaften betrachtet wurde. Sein eigentliches Werk und Wollen, sein ­Reformprogramm, wurde nicht zur Kenntnis genommen. Was können die Gründe dafür sein, dass Roger Bacon so außerhalb der großen Traditionslinien der wissenschaftlichen Rezeption und Diskussion schon seiner Zeit stand? Im Unterschied zu Siger von Brabant und Boethius von Dacien hatte er keine von der Kirche perhorreszierten Thesen aufgestellt. Er trat stets als Kämpfer gegen Häresien und Ungläubige auf, ohne sich aber auf dogmatische Streitigkeiten einzulassen. Ihm ging es lediglich um die Klärung des Denkens, der Sprache und der Quellen sowie um eine Wissenschaft, die aus diesen Quellen für die Zukunft der Christenheit schöpft. Im Unterschied zu anderen versuchte er, möglichst viele Gegensätze einzuebnen und eine allgemeine Synthese des Wissens herzustellen. Einer der möglichen Gründe könnte seine soziale Stellung als verarmter Aristokrat und säkularer Magister in einer bewegten Zeit sein: Er war ein Beispiel für das damalige akademische Proletariat. Seine Tätigkeit als Magister der Philosophie fiel in die Zeit großer Auseinandersetzungen an der Pariser Universität während des Mendikantenstreits341 (vor allem 1252–1259 u. 1265–1271) zwischen den neuen Orden der Dominikaner und Franziskaner und den säkularen Magistern, zu denen Bacon vor seinem Eintritt in den Franziskanerorden in den 50er Jahren selber zählte. Hierbei ging es in erster Linie um Lehr- und vor allem um Geldprivilegien: denn im Gegensatz zu den säkularen Magistern der Universität, die für ihren Lebensunterhalt für ihre Vorlesungen einen Beitrag 341  Vgl. Jacques Le Goff, Die Intellektuellen im Mittelalter, Stuttgart 1991, S.  105 ff.; Die Auseinandersetzungen an der Pariser Universität im 13. Jahrhundert, hg. v. Albert Zimmermann, Berlin 1976. 3

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von den Studenten verlangen mussten, lehrten die Mitglieder der Bettelorden an der Universität umsonst und brachen regelmäßig die universitäre Solidarität, indem sie trotz Streikversuchen der säkularen Magister weiterlehrten. Von Bacons Position in diesen Auseinandersetzungen ist uns nichts überliefert, außer dass er in dieser Zeit in den Franziskanerorden eintrat. Seine Gründe für den Eintritt sind uns nicht bekannt. Ein weiterer und entscheidender Grund ist seine Hinneigung zur scientia experimentalis und seine Abneigung gegenüber dem, was wir als scholastische Methode kennen, die hochintellektuell bis hin zu den calculatores342 der Merton-Schule in Oxford um Thomas Bradwardine und Richard Swineshead Fragen generierte und Antworten daraus imaginierte, die keinen Realbezug hatten. Damit stellte er sich außerhalb des wissenschaftlichen Diskurses und der Rezeption seiner Zeit. Mehr noch: Er trat damit aus der Methodologie des Diskurses seiner Zeit aus: Das Paradigma der formallogischen Wissenschaft der Zeit und deren Gegenstände galten für ihn nicht mehr. Er wollte eine neue Wissenschaft und fand für diese neue Ziele: den Nutzen für die Gesellschaft, den Sieg über die Feinde des Glaubens und den Aufbau einer neuen wissenschaftlichen Methode, zu der er das Holz und die Baumaterialien glaubte herbeigeschafft zu haben. Seine Korporation, seine akademischen Kollegen und den Lehrbetrieb schätzte er zur Realisierung dieses Zieles dafür als gering ein. Er wandte sich an das Oberhaupt der Christenheit, Papst Clemens IV., um Geld und Unterstützung und hoffte, sozusagen von oben, sein Ziel mit Hilfe des Papstes direkt zu verwirklichen – vergebens, da die Kurie zu dieser Zeit selbst verschuldet war343 und Clemens IV. im Jahr 1268 verstarb, worauf eine mehrjährige Se342  Vgl. Edith Sylla, The Oxford Calculators, in: The Cambridge History of Later Medieval Philosophy: From the Rediscovery of Aristotle to the Disintegration of Scholasticism 1100–1600, hg. v. Norman Kretzmann u. a., Cambridge (NY) 1982, S.  540–563. 343  Vgl. o., S.  X XVI Anm. 44.

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disvakanz folgte, über die sich Roger Bacon mit bitteren Worten beklagt hat.344 Seine große Reformhoffnung hatte sich nicht erfüllt. Damit ging es ihm wie vielen Reformern vor und nach ihm – beginnend mit Platons Versuch, eine Philosophen­regie­rung mit Hilfe des Diogenes von Syrakus einzurichten. Er hatte eine Idee, für die es in der gesellschaftlichen und intellektuellen Wirklichkeit seiner Zeit keine Basis gab: Weder Eingliederung in ein korporatives System noch Mäzenatentum – beides hatte er versucht – konnten hier Abhilfe schaffen. Spätere Generationen – die Humanisten – setzten vorwiegend auf Letzteres, scheiterten in der Regel aber daran auch (z. B. Thomas Morus, Juan Luis Vives). Zugleich aber verachteten sie die Bemühungen ihrer Vorgänger, da deren mangelnde klassische Latinität ihren Ansprüchen nicht genügte. Leider gingen ihnen damit auch deren aus gleichem Geist geborenen Hoffnungen verloren, sodass Roger Bacons anwendungsorientiertes Reformprogramm der Wissenschaft, das auf einer ihnen eigentlich eingängig hätte sein sollenden Verbesserung des Sprachstudiums beruhte, für sie zusammen mit allem, was aus den dunklen Jahrhunderten kam, verloren war. In der Betrachtung mag es als ein merkwürdiger Zufall erscheinen, dass ein onomastisch gleichlautender Landsmann Roger Bacons, Francis Bacon, etwa dreihundert Jahre später mit seinem Programm einer Instauratio magna345 ein erneutes Reformprogramm der Wissenschaft in das wissenschaftliche Gespräch brachte, das mit seiner Betonung des Experiments und der Kritik an den wissenschaftlichen Bemühungen der Vorgänger sehr an Roger Bacon erinnert und das uns nun als die theoretische Fundierung der wissenschaftlichen Moderne gilt. Auf jeden Fall ist hier ein neues Paradigma gesetzt worden; und es wird kein Zufall 344  Vgl. Roger Bacon, Kompendium für das Studium der Philosophie, a.  a. O., S.  22 f. 345  Vgl. Francis Bacon, Neues Organon, hg. v. Wolfgang Krohn, 2 Bde., Hamburg 1990.

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Einleitung

sein, dass das wissenschaftliche Bemühen auch um Roger Bacon seit dem 19. Jahrhundert vorwiegend im angelsächsischen Raum eingesetzt hat. Schließen wir mit den Worten Francis Bacons, die auch für das Bestreben Roger Bacons Geltung haben: »Multi pertransibunt et scientia augebitur.«346 5.  Zu dieser Edition und Übersetzung Das Opus tertium ist zu großen Teilen eine Zusammenfassung des Opus maius Roger Bacons, die er im Jahr 1267 an Papst Clemens IV. geschickt hat. Ich habe das Opus tertium in zwei Teile gegliedert. Grundlage für die Edition und Übersetzung des hier als Teil I gekennzeichneten Teils des Opus tertium ist die Edition John S. Brewers347 aus dem Jahr 1859. Dieser Teil ist in 75 Kapitel eingeteilt, die auf die Edition von John S. Brewer zurückgehen und die ich übernommen habe. Die Überschriften in der deutschen Übersetzung finden sich nicht in den lateinischen Handschriften und sind von mir eingefügt worden, um den Text übersichtlicher zu gestalten. Ebenso habe ich den lateinischen und den deutschen Text in Paragraphen in [ ]-Klammern eingeteilt, um das Zurechtfinden im Text zu erleichtern. Die Edition John S. Brewers stützt sich auf folgende Handschriften, die ich ebenfalls in Augenschein genommen und zu Rate gezogen habe:

346  So steht es auf der Titelvignette der Instauratio magna, in: Francis Bacon, Neues Organon, a.  a. O., Bd.  1, S.  1. 347  Vgl. Roger Bacon, Opus tertium, in: Fr. Rogeri Bacon, Opera quaedam hactenus inedita, hg. v. John S. Brewer, London 1859, S.  3–310.

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1. Ti = London, British Museum, Cotton, Tiberius C v, (15. Jh.), ff.  2–45 (15. Jh); enthält den vollständigen Text der Edition Brewers.348 2. L = London, Lambeth Palace Library, MS 200, (15. Jh.); ff.  38– 52; enthält Kapitel 1–45 der Edition Brewers.349 4. B = Oxford, Bodlein Library, Ms. e Mus. 155, (15. Jh.), ff.  1–184; enthält den vollständigen Text der Edition Brewers.350 5. U = University College Library, Oxford, C 20; Abschrift von B aus dem Jahr 1617.351 Der Text des Opus tertium bricht in der Edition John S. Brewers jedoch auf Grund der ihm vorliegenden Handschriften mit Kapitel 75 bei der Zusammenfassung resp. Darstellung des vierten Teiles des Opus maius (über die Mathematik) ab. Das bedeutet, dass die Darstellung der restlichen Teile des Opus maius (ein Rest des Teils vier sowie die Teile fünf bis sieben, also die Perspectiva, die Scientia experimentalis und die Moralis philo­ sophia) in der Edition John S. Brewers nicht ediert wurden. Im Jahr 1909 hat Pierre Duhem352 eine Handschrift aus der Biblio­ thèque nationale in Paris (No.  10264, fonds latin) herausgegeben, die neben einer eigenständigen Behandlung der Astronomie des Ptolemäus und Alpetragius (Duhem, S.  98–137, hier S.  759–847), der Beschreibung des Opus minus Roger Bacons (Duhem, S.  179– 181, hier S.  947–951) und einer Abhandlung über die Alchemie (Duhem, S.  181–190, hier S.  951–971) auch die Teile fünf bis sieben des Opus tertium enthält. Im Vorwort der Publikation bemerkte Duhem jedoch bereits, dass noch immer eine Lücke zwischen der Zusammenfassung des 348  Siehe für eine ausführlichere Beschreibung: ebd., S.  x l ff. 349  Vgl. ebd., S.  x l. 350  Vgl. ebd., S.  x xxix ff. 351  Vgl. ebd., S.  x liii f. 352  Vgl. Roger Bacon, Un fragment inédit de l’Opus tertium précédé d’une ètude sur ce fragment, hg. v. Pierre Duhem, Quarrachi 1909.

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Einleitung

Opus maius im Opus tertium in der Edition Brewers und des von ihm entdeckten Fragments des Opus tertium bestünde, da weiterhin eine Passage über einen Teil des vierten Abschnitts des Opus maius – nämlich über die Geographie und Astrologie – fehle. Diese Lücke konnte Andrew Little im Jahr 1912 mit der Veröffentlichung einer Edition353 basierend auf drei Handschriften (Winchester College MS.  39; Bodleian Library Tanner MS  116; Cambridge University Library Ff.  4, 12, fol.  318 ff.) schließen, die sich zu großen Teilen mit der Edition Duhems deckt, jedoch zugleich die fehlenden Passagen (auf den Seiten 1–19 in Littles Edition, hier S.  659–701) enthält. In der Edition von Andrew Little fehlt gegenüber der Edition von Pierre Duhem aber die äußerst wichtige Passage über die Astronomie in der Diskussion zwischen Ptolemäus und Alpetragius (bei Duhem S.  98–137) sowie eine weitere Stelle über den Regenbogen und den Halo (Duhem S. 138–148). Wir haben mit den Handschriften, die Pierre Duhem und Andrew Little entdeckt haben, eine gegenüber den von John S. Brewer edierten Manuskripten unabhängige Handschriftentradition vor uns. Das Opus tertium muss schon recht früh in zwei verschiedene Teile getrennt worden sein, wobei der Zusammenhang der Teile vergessen worden zu sein scheint. Ich habe den von Pierre Duhem und Andrew Little edierten Teil des Opus tertium daher in dieser Edition und Übersetzung als Teil II bezeichnet. Bei der Inaugenscheinnahme der Handschriften ist mir zudem aufgefallen, dass die Handschriften dieses Überlieferungsstranges stilistisch vom ersten Teil des Opus tertium, den Brewer ediert hat, abweichen: die Orthographie widerspricht den Regeln, die Roger Bacon selbst für ein korrektes Latein aufstellt und die auch in den Handschriften, die dem ersten Teil des Opus tertium zugrunde liegen, eingehalten werden. Die Handschriften, die ich für diese Edition als Teil II benannt habe, entsprechen nicht der Qualität der 353  Vgl. Roger Bacon, Part of the Opus Tertium of Roger Bacon Including a Fragment Now Printed for the First Time, hg. v. Andrew G. Little, Aberdeen 1912.

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Schreiber der Handschriften, die dem Teil I des Opus tertium zugrunde liegen. Hier fällt in einigen Teilen eine weniger elaborierte Schreibweise und Diktion auf, die in der bisherigen Editions- und Rezeptionsgeschichte des Opus tertium noch nicht thematisiert wurde und auf die hiermit hingewiesen sei. Es handelt sich beim Opus tertium dennoch um ein durchgehendes Werk, das Roger Bacon sicher nicht in mehrere Teile unterteilt hatte. Die Bezifferung der Kapitel (76–114) des Teils II stammt von mir. Die Kapitelüberschriften (ohne Bezifferung) stammen hier hingegen aus den Handschriften, die von Duhem und Little ediert wurden. Diesen Editionen – und daraus folgend auch dieser Edition – liegen folgende Handschriften zu Grunde: 1. W = Winchester College, MS 39, (15. Jh.), ff.  183–198.354 2. Ta = Oxford, Bodleian Library, Tanner MS 116 (13. Jh.), ff.  6r–13v.355 3. C = Cambridge University Library, Ff.  IV, 12 (16. Jh.), f.  318.356 4. P = Paris, Bibliothèque nationale, MS No.  10264, fonds latin, ff.  186–226.357 Zudem habe ich für die Seiten 760–846 in dieser Edition auch die entsprechende Edition eines Teiles der Communia naturalium ­Bacons von Robert Steele berücksichtigt, der sich mit unserem Text weitest­gehend deckt; sie ist gekennzeichnet mit: 5. S = Roger Bacon, Communium naturalium Fratris Rogeri, liber secundus: De celestibus, in: Opera hactenus inedita Rogeri Baconi, Fasc. IV, hg. v. Robert Steele, Oxford 1913. – Die354  Siehe für eine ausführlichere Beschreibung: Roger Bacon, Part of the Opus Tertium of Roger Bacon Including a Fragment Now Printed for the First Time, a.  a. O., S.  xi ff. 355  Vgl. ebd., S.  x iii f. 356  Vgl. ebd., S.  x iv f. 357  Vgl. Roger Bacon, Un fragment inédit de l’Opus tertium précédé d’une ètude sur ce fragment, a.  a. O., S.  6 ff.

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Einleitung

ser Text aus Bacons Communia naturalium deckt sich mit P, ff.  193r–206v. Es liegt für das gesamte Opus tertium demnach eine recht unübersichtliche Überlieferungssituation vor. Die entsprechenden Wechsel der Handschriften für die verschiedenen Textteile sind in den Anmerkungen des lateinischen Textes angegeben. In dieser Edition ist – basierend auf den hier genannten Editio­ nen – nun erstmals das gesamte Opus tertium in aller Vollständigkeit auf Latein mit deutscher Übersetzung verfügbar. Es bleibt ein schwieriger Text, der mich in der Übersetzung oft an meine Grenzen geführt hat. Ich wäre daher jedem Leser und Nutzer des Textes dankbar, auf Verbesserungen der Edition wie der Übersetzung aufmerksam gemacht zu werden. Es ist mit Sicherheit nur ein Schritt auf dem Weg, Bacons Leistung in unserer Zeit zu würdigen. 6. Danksagung Zuerst möchte ich der Fritz Thyssen Stiftung für ein zweieinhalbjähriges Stipendium von 2014 bis 2016 danken, ohne das diese Edition und Übersetzung nicht entstanden wäre, sowie für die großzügige Unterstützung des Druckes dieses Werkes. Insbesondere möchte ich dem Meiner Verlag und seinem Lektor, Herrn ­Marcel Simon-Gadhof, dafür danken, dass sie dieses Buch schon früh großzügig in das Programm des Verlages aufgenommen h ­ aben, wie auch Herrn Jens-Sören Mann für seine aufmerksame Betreuung des schwierigen Satzes. Ebenso – und ganz besonders – meinen Eltern, die mich mit ­ihrer Liebe und Hilfe in einer für mich nicht ganz einfachen Zeit immer begleitet haben und von denen ich weiß, dass ich mich immer auf sie verlassen kann, solange es die Zeit erlaubt. Münster, im Juni 2019

RO G E R BAC ON

Opus tertium

O PU S T E RT I U M

Fratris Rogeri Baconi Opus tertium in quo tanguntur Omnes Radices Sapientiae: et hoc opus summe reputatur necessarium. Et sine quo nil fieri potest in consideratione Sapientiae. Et dedicatur Clementi quarto summo Pontifici.

O PU S T E RT I U M

Bruder Roger Bacons Opus tertium, in dem alle Wurzeln der Weisheit behandelt werden: Dieses Werk wird als äusserst notwendig eingeschätzt, weil ohne es in der Betrachtung der Weisheit nichts ­g eschehen kann. Es ist Papst Clemens IV. gewidmet.1

4

PA R S I Epistola Clementis Papae IV. ad Rogerium Baconem.1 [1] Dilecto

filio, Fratri Rogerio dicto Bacon, Ordinis Fratrum Mino­ rum. Tuae devotionis litteras gratanter recepimus: sed et verba notavimus diligenter quae ad explanationem earum dilectus filius G. dictus Bonecor, Miles, viva voce nobis proposuit, tam fideliter quam prudenter. Sane ut melius nobis liqueat quid intendas, volumus, et tibi per Apostolica scripta praecipiendo mandamus, quatenus, non obstante praecepto Praelati cujuscunque contrario, vel tui Ordinis constitutione quacunque, opus illud, quod te dilecto filio Raymundo de Lauduno communicare rogavimus in minori officio constituti, scriptum de bona littera nobis mittere quam citius poteris non omittas; et per tuas nobis declares litteras quae tibi videntur adhibenda remedia circa illa, quae nuper occasione tanti discriminis intimasti: et hoc quanto secretius poteris facias indilate. Datum Viterbii, x. Cal. Julii, anno II.

1  Anm. Brewer: Martene, Thesaurus Novus Anecdotorum, ii, S.  358.



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TEIL I Brief des Papstes Clemens IV. an Roger Bacon2 [1] An meinen geliebten Sohn, Bruder Roger, genannt Bacon, vom Or-

den der Minderbrüder. Wir haben deine an uns gerichteten Briefe mit großer Freude erhalten; und wir haben den gewissenhaften und klugen Ausführungen sehr aufmerksam zugehört, die uns unser geliebter Sohn William, genannt Bonecor, zur Erklärung deiner Briefe mündlich gegeben hat.3 Damit uns dein Vorhaben auch wirklich klarer wird, wollen wir und lassen es dich durch Auftrag mit apostolischem Schreiben wissen, dass du es nicht unterlassen mögest, uns jenes Werk, das unserem geliebten Sohn Raimund von Laon mitzuteilen wir dich gebeten haben, als wir noch in ­einem niederen Amt waren, ungeachtet der gegenteiligen Vorschrift irgend­ eines Vorgesetzten oder irgendeiner Bestimmung deines Ordens, in schöner Schrift geschrieben, so schnell wie möglich zu übersenden. Und erkläre uns darin auch, was du als Heilmittel gegen die Gefahren vorschlagen würdest, die du kürzlich beschrieben hast: und tue dies unverzüglich und so geheim, wie du nur kannst. Geschrieben in Viterbo, an den 10. Kalenden des Juli [22. Juni] des zweiten Jahres [meines Pontifikats 1266].

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Teil I

CAPITULUM I. Incipit Epistola Rogeri Bacon ad Clementem Papam.1 [2] Sanctissimo

patri ac domino domino2 Clementi, Dei providentia summo pontifici, suae sanctitatis servus pedum oscula beatorum. Vestrae sapientiae3 magnitudini duo transmisi genera scripturarum: quorum unum est principale, in quo propter vestrae celsitudinis reverentiam4 et officii dignitatem, qua totius mundi utilitas debet5 procurari, prout potui propter impedimenta, et ut memoriae occurrebat6, sapientiam philosophiae conabar usque ad ultimam sui deducere potestatem; et ideo comprehendi eam non solum absolute, ut secundum se consideratur, sed ut ministrat sapientiae divinae, ut est utilis Dei ecclesiae7, et secundum quod est utilis et8 necessaria reipublicae fidelium dirigendae, et quo modo multum est efficax ad infidelium conversionem; et ut illi, qui converti non possunt, non minus per opera sapientiae quam per laborem bellicum reprimantur. [3] Non enim potest sapientia philosophiae pluribus modis annotari, nec ejus utilitas magnifica et decora relucet, nisi his gradibus describatur. Nullum etiam commodum est in consideratione philosophiae absoluta, nisi quinque comparationes ejus9 habeantur; quia infideles sine his comparationibus philosophia abutuntur in sui damnationem, non ad utilitas effectum. Sapientiae igitur phi-

1  »Opus Minus Fratris Rogeri Baconis:« Korrektur am Seitenrand, »Opus III. Fratris Rogeri, praeambulum ad duo Opera, pri …, sc. Opus Majus, atque I …« Korrektur bricht ab. Auf der Seite unten: »Incipit Summa Fratris Rogeri Baconis ad Clementem IV. Papam.« Oben, mit anderer Hand geschrieben: »Bene­d icite Ihs. Maria Frideswida Johannes Dns.« T. »A. D. 1267 (ut patet ­i nfra ex cap. lxix.) scripsit hoc opus Rog. Bacon, ut videtur, Parisius. U. in marg. 2  patri ac domino ]  domino patri domino, C. L.; ac domino, om. Ti. 3  sapientiae ]  om. L. 7  Dei ecclesiae ]  ecclesiae Dei, L. 4  reverentiam ]  obedientiam, L. 8  utilis et ]  om. Ti. B. 5  debet ]  debeat, L. 9  ejus ]  om. Ti. 6  occurebat ]  occurrebant, L. Ti 7  Dei ecclesiae ]  ecclesiae Dei, L. 8  utilis et ]  om. Ti. B. 9  ejus ]  om. Ti.

KAPITEL 1

7

KAPITEL 1 Brief Roger Bacons an den Papst Clemens [IV.] [2] An

den Heiligsten Vater und Herren Clemens, Höchster Pontifex von Gottes Gnaden, dessen Diener Seiner Heiligkeit dessen heilige Füße küsst. Ich habe der Größe Eurer Weisheit zwei Arten von Schriften geschickt: Die eine von ihnen ist mein grundlegendes Werk, in dem ich aus Achtung vor Eurer Erhabenheit und der Würde E ­ ures Amtes, das aller Welt nützlich sein soll, so gut es mir aufgrund der Hindernisse und dem, was meinem Gedächtnis entgegensteht, möglich war, versucht habe, die Weisheit der Philosophie zu ihrer größten Kraft zu führen. Ich habe sie daher nicht nur im Allgemeinen und für sich genommen behandelt, sondern auch in ihrem Dienst für die göttliche Weisheit, da sie nicht nur für die Kirche Gottes und für die Führung des Gemeinwesens der Gläubigen nützlich und notwendig ist, sondern weil sie auch äußerst wirksam für die Bekehrung der Ungläubigen ist sowie dafür, dass diejenigen, die nicht bekehrt werden können, nicht weniger durch die Werke der Weisheit als durch Kriegshandlungen zurückgedrängt werden. [3] Denn man kann die verschiedenen Bereiche der Weisheit der Philosophie nicht beschreiben, wenn man ihre herrliche und schmückende Nützlichkeit nicht erhellt und ihre verschiedenen Abstufungen nicht beschrieben werden. Denn es gibt bei der Betrachtung der Philosophie für sich genommen keinen Vorteil, wenn man nicht ihre fünf Bereiche miteinbezieht, weil die Ungläubigen durch die Philosophie ohne eine Beschreibung dieser fünf Bereiche in die Verdammnis und nicht zum Nutzen ihrer Wirkung ­geführt werden.

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Teil I

losophicae arborem consideravi, radices principales ejus1 revolvi, stipitis robusti erectionem et ramorum productionem majorum2 notavi, flores suavis intelligentiae olfeci, culmos Cereris aureos et Bacchi maturos palmites pro fructibus diligenter requisivi; et ne foliorum utilis et grata viriditas abesset, eloquentiae modulos, qui3 per folia designantur, in ultima parte voluminis, secundum vias sanctorum et philosophorum brevibus comprehendi: cogitans quod sapientia sine eloquentia est quasi gladius acutus in manu paralytici, sicut eloquentia expers sapientiae est quasi gladius acutus in manu furiosi. [4] Non quia in scribendo secter rhetoricum4 decorem, et verborum pulchritudine condelecter. Cum enim tria sint5 opera oratoris, ut veritatem aperiat, ut delectet, ut flectat, quibus tribus per ordinem tres styli correspondent, humilis, mediocris, et grandis; in omnibus scripturis quas feci vobis, et adhuc facio6, non intendo principaliter nisi veritatem aperire; et ideo secundum auctores eloquentiae humili stylo, sine verborum phaleris7, uti cogor; qui etiam meae congruit parvitati; unde in his scripturis libentius uter8 eo. Et sapiens suapte natura in sapientia delectatur, ac seipsum flectit9 in opus propria virtute. Non exercitatis in sapientia necessarius est sermo decorus ut delectet, et potens permovere10 ut flectat. Sed cum sapientissimum alloquor majoribus eloquentiae11 viribus non est opus, nec tempus habeo captandi ornatus rhetoricos, cum nec sufficio veritatem, ut congruit, enodare.

1  principales ejus ]  ejus principales, Ti. U. 2  majorum ]  majorem, Ti. 3  qui ]  quae, B. L. 4  rhetoricum ]  rhetoricorum, L. 5  sint ]  sunt, B. 6  et adhuc facio ]  om. Ti. 7  phaleris ]  om. L. 8  uter ]  utor, L. 9  flectit ]  flectet, L. 10  permovere ]  promovere, Ti. U. 11  eloquentiae ]  sapientiae, Ti.

KAPITEL 1

9

Ich habe daher den Baum der philosophischen Weisheit betrachtet, seine tiefsten Wurzeln ausgegraben, die Aufstellung seines kräftigen Stammes und die Hervorbringung der Hauptäste aufgezeichnet, an den süßen Blüten seiner Erkenntnis gerochen und gewissenhaft nach den Früchten der goldenen Ähren der ­Ceres sowie den reifen Reben des Bacchus gesucht; und damit die nützliche und anmutige grüne Frische der Blätter nicht fehlt, habe ich auch die Arten der Beredsamkeit, die durch die Blätter versinnbildlicht werden, im letzten Teil des Buches entsprechend den Methoden der Heiligen und der Philosophen kurz beschrieben: Denn ich habe bedacht, dass die Weisheit ohne Beredsamkeit wie ein Schwert in der Hand eines Gelähmten ist, während die Beredsamkeit ohne die Weisheit einem Schwert in der Hand eines Rasenden ähnelt.4 [4] Jedoch nicht deswegen, weil ich beim Schreiben dem Schmuck der Rhetorik nachjagen und durch die Schönheit der Worte erheitert werden möchte. Denn die Redekunst hat drei Aufgaben: die Wahrheit offen zu legen, zu erfreuen und zu rühren.5 Diesen drei Aufgaben entsprechen in derselben Reihenfolge drei Stile: nämlich der niedrige, der mittlere und der gehobene Stil.6 In allen Schriften, die ich für Euch angefertigt habe, wie auch in der Schrift, die ich jetzt schreibe, beabsichtige ich nichts anderes, als die Wahrheit offen zu legen, weshalb ich den Autoritäten der Beredsamkeit entsprechend dazu gezwungen werde, den niederen Stil ohne rhetorische Verzierungen zu benutzen. Dieser Stil passt jedoch auch besser zu meiner eigenen Niedrigkeit, weshalb ich ihn in diesen Schriften bereitwillig benutze. Schließlich wird der Weise aufgrund seiner Natur von der Weisheit erfreut und lässt sich von dem Werk rühren, das der Tugend gemäß ist. Wenn man nicht in der Weisheit geschult ist, ist eine geschmückte Rede, die einen erfreut und zur Rührung bringt, freilich notwendiger. Da ich mich hier aber an den Weisesten wende, kann ich freimütig eingestehen, dass dies kein Werk ist, das größere Kräfte der Redegewandheit braucht, da ich weder die Zeit habe, es mit dem Schmuck der Redner auszustatten, noch imstande bin, die Wahrheit, wie es eigentlich angemessen ist, zu erklären.

Teil I

10 [5] Sed

propter viarum maxima pericula1, et amissionem operis possibilem, necesse fuit ut aliud opusculum formarem, in quo principalis scripturae intentionem aperirem; ut etiam labor meus vestrae clementiae innotescat, quatenus habeatis exemplar, quo ad memoriam revocetis quid a sapientibus hujus mundi petere debeatis. Quoniam etiam voluminis quantitas magna est, propter quam oportuit ipsum in quatuor dividi2, et occupationes sedis apostolicae3 graves sunt et multifariae, cogitavi ut sub quodam compendio videretis quod latius in Majori Opere est diffusum. Difficilia enim4 multa tractantur, quae ardua sunt intellectui et opere graviora. Ideoque velut introductorium5 volui secundam parare scripturam, quatenus difficultas primi operis mitigetur; memoria etiam invalida, quae rerum multitudine gravatur, aliqua prius omiserat, quae in hoc opere utiliter inseruntur. Et impedimentorum remedia priorum nactus, potui aliqua addere necessaria, quae prius ponere non valebam. Tantarum etiam rerum admiranda sublimitas, quanto saepius revolvitur, tanto elucescit6 clarius, suavis redolet, et dulcius7 adamatur. Nam sive per diversos sapientes8 tractetur, sive per eundem diversis temporibus et scripturis, vix ad fundum venitur, in quo positae sunt radices. »Veritas enim in alto latet, et in profundo posita est,« ut ait Seneca. Et intellectus noster se habet ad ea, quae in sua natura9 manifestissima sunt, sicut oculus vespertilionis ad lucem solis10, ut summus philosophorum ­A ristoteles contestatur. Unde licet mens multorum puerili stultitia

1  maxima pericula ]  maximum periculum, Ti. 2  quatuor dividi ]  om. L. 3  et occupatiuones sedis apostolicae ]  et apostolicae sedis occupationes, Ti. 4  enim ]  etiam, L. Ti. 5  introductorium ]  introductionem, Ti. 6  elucescit ]  elucescet, Ti. 7  suavius … dulcius ]  et suavius redolet, dulcius, B. 8  sapientes ]  om. L. 9  sua natura ]  natura sua, L. 10  ad lucem solis ]  ad solem, T.

KAPITEL 1 [5] Aber

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aufgrund der großen Gefahr auf den Wegen und dem möglichen Verlust des Hauptwerkes7 war es notwendig, noch ein weiteres kleineres Werk8 zu schreiben, in dem ich das Anliegen meines grundlegenden Werkes verdeutlichen könnte. Denn ich wollte unbedingt, dass meine Arbeit Eurer Gnaden bekannt wird und dass Ihr ein Exemplar hättet, das Euch in Erinnerung zurückrufen könnte, was Ihr von den Weisen dieser Welt verlangen müsst. Da mein Hauptwerk so umfangreich ist, dass ich es in vier Teile einteilen musste, und da die Pflichten des Heiligen Stuhls beschwerlich und vielfach sind, habe ich gedacht, dass Ihr in einem Kompendium das kürzer dargestellt sehen könntet, was in meinem Hauptwerk weiter verstreut zu finden ist. Denn darin sind viele schwierige Dinge dargelegt worden, die für den Verstand nur schwer zu fassen und noch schwieriger umzusetzen sind. Daher wollte ich sozusagen als Einleitung ein zweites Werk 9 schrei­ben, durch das die Schwierigkeiten des ersten Werkes gemildert werden könnten; und weil die Erinnerung schwach ist, wenn sie durch die Vielzahl der Dinge beschwert wird, habe ich einige Dinge in dem ersten Werk ausgelassen, die ich im zweiten Werk der Nützlichkeit wegen eingefügt habe. Da ich zudem die Heilmittel gegen die Hindernisse [die der Weisheit entgegenstehen] im ersten Werk schon beschrieben hatte, konnte ich im zweiten Werk andere notwendige Dinge hinzufügen, die ich zuvor einzufügen nicht die Kraft hatte. Denn die bewundernswerte Erhabenheit vieler Dinge leuchtet umso klarer, riecht umso lieblicher und wird umso inniger geliebt, je öfter sich das Denken mit ihr befasst. Mag sie auch von verschiedenen Gelehrten behandelt werden oder von demselben zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Werken, gelangt man doch kaum bis zum letzten Grund, in dem die Wurzeln verborgen liegen: »Denn die Wahrheit schwebt in der Höhe und ist in der Tiefe verborgen«10, wie Seneca sagt. Unser Intellekt verhält sich nämlich gegenüber den Dingen, die von ihrer Natur her am klarsten sind, wie das Auge der Fledermaus gegenüber dem Sonnenlicht, wie auch von Aristoteles, dem Höchsten aller Philosophen, belegt wird.11

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Teil I

evanescens, delicata mollitie muliebri familiaris pigritiae, fastidiat omnia, tamen animus sapientiae studiosus non solum de veritate in veritatem novam1 avide discurrit, sed eandem repetitam cum delectatione2 praesentit. Quia in eadem veritate sunt gradus quasi infiniti, et varia atque verisimilia falsa eam circumstantia restant excludenda, ut vix aliqua veritas magnifica per humanum laborem valeat complanari; et maxime ea, quae sunt de prima, et media, et ultima3, sapientiae potestate4, quam in sex gradibus comprehendi perfectis5; scilicet in absoluta consideratione sapientiae, et numero quinario comparatae. [6] Sed sicut propter has rationes opus secundum ad intelligentiam et complementum primi6 composui, sic propter easdem hanc scripturam tertiam7 formavi ad intelligentiam et perfectionem utrius­ que operis praecedentis. Nam quamplurima hic adduntur magnifica decorem sapientiae continentia, quae in locis aliis non habentur. Primo igitur in opere Secundo8, secundum formam epistolae9 Marci Tullii post exilium revocati, humiliantis se et congratulantis senatui Romano, recolens me jam a decem annis exulantem, quantum ad famam studii, quam retroactis temporibus obtinui, meam parvitatem recognoscens, et ignorantiam multiplicem, ac os elingue, et calamum stridentem, vestramque sapientiam admirans, quod a me jam omnibus inaudito, et velut jam sepulto et oblivione deleto, sapientales scripturas petere dignetur; secundo assurgens vestrae clementiae, exordium sermonis capiens, post pedum oscula beatorum, stylum altius elevando, propter vestram celsitudinem, sub10 his verbis incepi perorare: 1  novam ]  om. L. 2  delectatione ]  veritate, Ti. 3  media, et ultima ]  ultima, et media, L. 4  potestate ]  potestatem, L. 5  perfectis ]  Hier ist ein folio oder mehr in B. U. verloren gegangen. 6  primi ]  prius, Ti. 7  scripturam tertiam ]  tertiam scripturam, Ti. 8  opere Secundo ]  secundo opere, Ti. 9  Sic Ti.; omittunt caeteri. 10  sub ]  om. L.

KAPITEL 1

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Daher kommt es, dass der Geist der meisten in kindliche Dummheit hinabgleitet und dass die Weichheit der Trägheit alles verschmäht, obwohl doch der Geist des Weisheitssuchenden nicht nur begierig von einer Wahrheit zur nächsten voraneilen, sondern dieselbe Wahrheit auch mit Freude wiederholen sollte. Denn in derselben Wahrheit gibt es unzählige Abstufungen und so viele der Wahrheit ähnliche sowie falsche Annahmen in ihrer Umgebung, die ausgeschlossen werden müssen, dass kaum eine herr­ liche Wahrheit jemals durch menschliche Arbeit hervorgeholt werden kann. Das gilt vor allem für jene Wahrheiten, die die erste, die mittlere und die letzte Stufe der Kraft der Weisheit betreffen, die in sechs vollendeten Abstufungen zu verstehen sind: nämlich in der Betrachtung der Weisheit für sich genommen und in den fünf [Bereichen], die mit ihr verbunden sind. [6] Aber wie ich aus diesen Gründen zum Verständnis und zur Ergänzung des ersten Werkes das zweite [Werk]12 verfasst habe, so habe ich aus denselben Gründen dieses dritte Werk 13 für das bessere Verständnis und die Vervollkommnung der beiden vorangehenden Werke geschrieben: denn hier kommt noch viel Großartiges über die Schönheit der Weisheit hinzu, das an anderen Stellen nicht gefunden wird. So habe ich zuerst im zweiten Werk in der Form des Briefes von Cicero14, der sich, nachdem er aus dem Exil zurückberufen worden war, vor dem Senat erniedrigte und ihn begrüßte, meiner nun schon zehnjährigen Verbannung gedacht und, trotz des Ansehens an der Universität, das ich in vergangenen Zeiten genossen hatte, meine Geringfügigkeit sowie meine vielfache Unkenntnis erkannt, da mein Mund doch bereits sprachlos war und meine Schreibfeder knirschte. Daher staunte ich sehr über Eure Weisheit, dass man mich, von dem schon niemand mehr hörte und der schon gleichsam begraben und in Vergessenheit geraten war, für würdig hielt, Schriften über die Weisheit zu erbitten. So habe ich daraufhin durch Euer Gnaden ermuntert mit der Einleitung des Schreibens begonnen und meinen Griffel unter dem Küssen Eurer heiligen Füße erneut erhoben, um Eurer Erhabenheit in diesen Worten zu schreiben:15

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Teil I

[7] Cum tantae reverentiae dignitas sapientiae scaturiens plenitudine1,

indicibili nitore vernans eloquentiae, me indignum ut transmitterem sapientiales scripturas excitaverit, si admiratione deficiam, si minus congratuler tantae dignationi2, si elinguis efficiar, si calamus scribentis vacillet, supplico ne solum meae imbecillitati, sed vestrae inclinationis ingenti miraculo ascribatur. Attonitus enim et oppressus gloria scribentis, nec valens satis admirari sublimitatem praecepti, non habeo quid dignum respondeam in hac parte. Nam quae potest esse tanta ingenii3 foecunditas, quis4 tantus rationis vigor, memoriae tam indefessa capacitas, et5 ubi tanta reperitur6 eloquendi potestas, tam inauditum genus sermonis, tantus facundiae splendor, quibus vestrae7 celsitudinis humiliatio in­prae­ sentiarum valeat annotari? Caput enim ecclesiae plantam pedis indignam requisivit; vicarius Salvatoris et orbis totius dominator me, vix numerandum inter partes universi sollicitare dignatur! Sol sapientiae mundum irradians, vas admirabile opus Excelsi, hominem8 ignorantiae multiplici caligine involutum, mandati sui radio penetrans, sapientum jubet exprimere monumenta! Dux verbi, deliciis affluens rhetoricis, balbutienti et non solum phaleras urbani sermonis, sed ipsa exordia mendicanti, praecepit ut scriberet, scripturas destinaret! Sane etsi mandati gloria, cum sit quiddam immensum et infinitum propter scribentis majestatem, opprima-

1  plenitudine ]  placitudine, B. 2  dignationi ]  dignationis, Ti. 3  tanta ingenii ]  ingenii tanta, L. 4  quis ]  et quis, L. 5  et ]  ut, B. Ti. 6  tanta reperitur ]  reperitur tanta, Ti. 7  vestrae ]  tuae, L. 8  hominem ]  hominum, Ti.

KAPITEL 1 [7] Weil

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die Ehre einer so großen Ehrerbietung – so voller Weisheit und von solch einem unbeschreiblichen Glanz an Redegewandtheit – mich Unwürdigen dazu angetrieben hat, Euch meine philosophischen Schriften zu schicken, bitte ich demütig, dass es nicht allein meiner Schwäche, sondern auch Eurer gewaltigen, wunderbaren Geneigtheit zugeschrieben wird, wenn ich es an der womöglich angemessenen Verehrung fehlen lassen sollte, wenn ich eine so große Ehre scheinbar zu wenig begrüßen sollte, wenn ich gar sprachlos werden und meine Schreibfeder zittern sollte. Denn ich war wie vom Donner gerührt und vom Ruhm des mich Anschreibenden vollkommen niedergedrückt; und ich konnte die Feinheit Eures Befehls fast nicht genug bewundern, weshalb ich nichts Würdiges habe, was ich darauf erwidern könnte. Denn wer könnte solch scharfsinnige Fülle, solche Frische des Verstandes und solch ein nahezu unbegrenztes Fassungsvermögen der Erinnerung aufbringen, die einen würdig machen würde, Eurer Erhabenheit zu antworten? Und wo sollte man die Macht der Beredsamkeit finden, wo den Glanz der Redegewandtheit hernehmen, um Euch eine bisher unbekannte Schrift angemessen zu präsentieren? Schließlich hat das Oberhaupt der Kirche jemanden aufgesucht, der nicht einmal würdig ist, seine Fußsohle zu sein. Der Stellvertreter des Erlösers, der Herr über den ganzen Erdkreis, hat sich entschlossen, mich zu beauftragen, der ich doch kaum zu den einzelnen Teilen der Welt gezählt werden kann. Die Sonne der Weisheit, die die Welt erleuchtet, das wunderbare Gefäß des großartigen Himmels, erreicht mit den Lichtstrahlen ihres Befehls einen Menschen, der durch die vielfache Dunkelheit der Unwissenheit in Finsternis gehüllt ist, und befiehlt mir sogar, ein monumentales Werk zu gestalten! Der Fürst des Wortes, der so reich an den Freuden der Redegewandtheit ist, hat jemandem, der stammelt und der nicht nur den rhetorischen Ausschmückungen des Hochlateins, sondern auch dessen Anfangsgründen ermangelt, die Anordnung erteilt, etwas zu schreiben und schriftliche Abhandlungen anzufertigen! Jedoch, fürwahr: Die Ehre dieses Befehls, die wegen der Erhabenheit seines Auftraggebers geradezu unermesslich und unend-

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Teil I

tur mea infirmitas, quia tamen ejusdem virtute potenti sentio meipsum super vires proprias altius1 elevatum, concipio spiritus fervorem, assurgo in vigore, congratulor affectu plenissimo, et de tanta dignatione mandantis libenter2 exulto. [8] Nec modicum gratus3, immo gratissimus esse debeo, cum vestra beatitudo me pulsavit super hoc, quod ardenti desiderio concupivi, grandi4 elaboratum sudore, expensis multiplicibus ventilatum. Et tamen nondum posita sunt5 fundamenta, licet ligna et lapides, hoc est scientiarum et linguarum potestatem, et caetera aedificio sapientiae necessario construendo6 investigaverim diligenter. Nam artium et scientiarum magnalia tantae difficultati sunt subjecta, et maxime his temporibus, contra dies Antichristi et suorum, pro quibus Diabolus furore repletus est, ut studium sapientiae multipliciter confundat, sicut apertius patebit ex sequentibus, quod sine apostolica providentia speciali nunquam remedium apponetur. Sed ubi tanta praesit auctoritas nulla potest esse difficultas, quoniam ejus7 potentia coelos penetrat, purgatorium solvit, inferna conculcat, mundum comprimit universum. [9] Quoniam vero vestra mandavit dominatio ut philosophica scripta transmitterem, ideo, sicut in toto opere requisito necesse est, sic in hac epistola praeeunte philosophorum sententias securius allegabo. Nihilominus, auctoritate Augustini ductus, qui in secundo De Doctrina Christiana sententiat, quod philosophorum aurum sapientiae et argentum eloquentiae, tanquam ab injustis posses-

1  altius ]  om. L. 2  libenter ]  abundanter, Ti. 3  gratus ]  om. L. 4  grandi ]  om. Ti. 5  posita sunt ]  sunt posita, L. 6  construendo ]  constituendo, L. 7  ejus ]  hujus, Ti.

KAPITEL 1

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lich ist, lässt mich meine Schwäche überwinden, weil ich durch diesen mächtigen Antrieb fühle, dass ich selbst meine eigenen bescheidenen Kräfte weit übersteigen kann. Ich spüre eine glühende Begeisterung, erhebe mich mit neuer Lebenskraft, freue mich mit äußerster Leidenschaft und juble mit größter Aufregung über die freundliche Herabneigung dessen, der mir diesen Auftrag erteilt hat. [8] Ich bin nicht nur dankbar, sondern muss sogar äußerst dankbar sein, weil Eure Seligkeit mich dazu angetrieben hat, das, was ich mit glühendem Verlangen begehrt habe, was ich mit großer Mühe und vielen Kosten betrieben habe, nun tatsächlich umsetzen zu können! Denn auch, wenn bisher die Grundsteine noch nicht gelegt sind, so sind doch das Holz und die Steine bereits vorhanden, nämlich die Kraft der Wissenschaften und der Sprachen; und ich werde sorgfältig erforschen, wie die übrigen Gebäude errichtet werden müssen, die für die Weisheit notwendig sind. Denn die Wunderwerke der Künste und Wissenschaften sind derzeit äußerst großen Schwierigkeiten unterworfen, besonders [nun] in den Zeiten, die den Tagen des Antichrist und seiner Anhänger entgegeneilen und denen gegenüber der Teufel voll rasendem Zorn sein wird, sodass er das Studium der Weisheit vielfach verwirrt, wie sich im Folgenden klar zeigen wird. Deshalb wird ohne die besondere apostolische Voraussicht niemals ein Heilmittel dagegen bereitgestellt werden können. Doch wenn Eure Autorität herrscht, kann es kein Hindernis geben, da deren Macht die Himmel durchwaltet, das Fege­feuer auflöst, die Hölle niedertritt und die ganze Welt zur Ruhe bringt. [9] Weil Eure Herrschaft mir aufgetragen hat, Euch meine philosophischen Schriften zu senden, werde ich daher in diesem vorangehenden Brief die Ansichten der Philosophen auf die sicherste Weise anführen, wie es für jedes Werk und jede Untersuchung angemessen sein muss. Ich werde dabei auch von der Autorität des Augustinus geleitet, der im zweiten Buch von Über die christliche Bildung 16 die Ansicht äußert, dass das Gold der Weisheit und das Silber der Beredsamkeit der Philosophen durch die Christen gleichsam wie von

Teil I

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soribus vindicanda sunt Christianis; et in hoc consentiunt omnes sacri doctores, ut loco suo1 abundantius exponetur. Et quia »in omnibus causis auctoritas solet et debet valere plurimum«, ut Tullius docet primo De Quaestionibus Tusculanis, et quod2 extranea multitudini imperitae tractabo, volo non meo sensu, sed auctorum soliditate probare quae dico. Et si cupiam rationibus fulcire quae pono3, tamen ratio, auctoritatis beneficio vallata, fortior est; nam duplex confirmatio singulari praefertur. Sed quia ipsa varietas studio legentium medetur, ut dicit Plinius xiv. Naturalium, et ex ipsa idemptitate, satietatis matre, animus fastiditus indignatur, ut in libro De Conquestione Naturae, qui est Alani, docetur, et Seneca scribit libro De Copia Verborum, »quod nihil est jucundum nisi quod reficit varietas,« ideo4 plures auctoritates ad eandem sententiam aliquotiens introducam. [10] Benedictus igitur sit5 Deus et Pater Domini nostri Jesu Christi, qui super solium regni sui principem exaltavit sapientem, qui de studio sapientiae cupit utiliter cogitare. Praedecessores quidem ­vestrae beatitudinis, aliis ecclesiae negotiis occupati, insuper contumacibus et tyrannis multipliciter gravati, animos ad studii regimen non laxarunt. Sed auctoritate Dei dextra virtutis vestrae vexillum triumphale de coelo laxavit, gladium exemit utrumque, contrarias partes in infernum dejecit, pacem restituit ecclesiae, omnibus fidelibus acquisivit laetitiae principatum, propter quod

1  loco suo ]  suo loco, L. 2  quod ]  om. Ti., quia, L. 3  pono ]  dico, L. 4 ideo ] om. 5 sit ] om. L.

KAPITEL 1

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unrechten Besitzern wieder zurückgeholt werden müssen. Darin stimmen auch alle heiligen Kirchenväter überein, wie an geeigneter Stelle ausführlicher erörtert werden wird. Da zudem »in allen Angelegenheiten die Autorität größte Bedeutung haben muss und gewöhnlich auch hat«, wie Cicero im ersten Buch seiner Gesprä­ che in Tusculum lehrt 17, und weil ich außerdem Dinge behandeln werde, die der unwissenden Menge unbekannt sind, werde ich das, was ich sage, nicht nur durch meine eigenen Ansichten, sondern auch durch die Festigkeit sicherer Gewährsmänner belegen. Denn auch wenn ich das, was ich hier schreibe, gerne mit Vernunftgründen stützen möchte, ist doch jene Vernunft stärker, die von den Wohltaten der Autorität unterstützt wird: denn eine doppelte Bestätigung ist einer einfachen vorzuziehen. Da die Vielfalt selbst den Lesenden beim Lernen hilft, wie Plinius im vierzehnten Buch seiner Naturgeschichte 18 sagt, und da durch die stete Selbigkeit, die die Mutter der Übersättigung ist, der geistige Widerwille erregt wird, wie Alanus [ab Insulis] in seinem Buch Über die Klage der Natur 19 lehrt, und weil auch Seneca in seinem Werk Über die Menge der Worte schreibt, »dass nichts erfreulich ist, wenn es nicht durch die Vielfalt gekräftigt wird«20, werde ich manchmal verschiedene Autoritäten zu demselben Sachverhalt anführen. [10] Gepriesen sei daher Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der einen weisen Herrscher auf den Thron seines Königreichs gesetzt hat, der sich sorgfältig dem Studium der Weisheit widmet. Die Vorgänger Eurer Seligkeit wurden freilich von anderen kirchlichen Angelegenheiten in Anspruch genommen und zudem vielfach von eigensinnigen Fürsten bedrängt, weshalb sie ihren Geist nicht von einem solchen Studium leiten und beruhigen lassen konnten. Durch die Autorität Eurer Tugend, als die rechte Hand Gottes, hat sich die Fahne des Triumphs jedoch über dem Himmel geöffnet, das Schwert entfernt, beide verfeindeten Parteien in die Hölle geworfen, den Frieden der Kirche wiederhergestellt und allen Gläubigen die Herrschaft der Freude zuteil werden lassen – und das alles, weil die unerschöpfliche Tiefe Eures Verstandes auf

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Teil I

vestri1 sensus inexhausta profunditas tempus considerationibus opportunum sapientalibus magnifice praeparavit. [11] Quoniam sedatis perturbationibus, anima fit sapiens ac prudens, ut philosophus scribit vii. Physicorum2; et ii. De Somno et Vigilia, mentes a curis et tumultibus hujus mundi desertas grandibus et arcanis comprehensionibus veritatis aptissimas esse sanxit. Prae omnibus vero ecclesiae occupationibus quilibet juxta posse suum, et praecipue illi, qui praesunt, debent esse solliciti de studii salutifera promotione. Quoniam studio sapientiae in quocunque neglecto, virtutum in eodem opera negliguntur. Nam ut philosophi tertio De Anima utar eloquio, intellectus speculativus veritatis per extensionem ejus ad amorem boni fit practicus. Ratio enim praevia est rectae voluntati, et eam dirigit in salutem. Non enim operamur bonum nisi scitum, nec malum, nisi cognitum, evitamus. [12] Ignorantia enim dum durat, remedium contra mala homo3 non invenit. Quoniam homo, tenebris ejus obscuratus, ruit in peccatum sicut caecus in foveam; propter quod nullum4 periculum ignorantiae comparatur. Qui enim veritatem novit5, etsi aliquando, quae agenda sunt, negligit, habet tamen unde ad conscientiam redeat, ut doleat de comissis et caveat de futuris. Et ideo nihil est dignius studio sapientiae, per quam omnis ignorantiae caligo fugatur, et mens humana illustratur, ut omnia bona eligat, et6 mala singula detestetur. Caeterum studiosi non solum sibi prosunt, sed ecclesiae in omni gradu regendae praeferuntur, et principum rectores

1 vestri ] tui, L. 2 Für Physicorum steht in T Ethicorum. 3  homo ]  om. Ti. contra mala remedium homo, L. 4  nullum ]  multum, L. 5  novit ]  om. L. 6  et ]  om. Ti.

KAPITEL 1

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wundervolle Weise eine für die Weisen günstige Zeit zum Nachdenken geschaffen hat. [11] Denn wenn sich die Störungen gelegt haben, wird die Seele weise und klug, wie der Philosoph [Aristoteles] im siebenten Buch seiner Physik 21 geschrieben hat. Und im zweiten Buch seines Werkes Vom Schlafen und Wachen 22 bekräftigt er, dass der Geist in hohem Maße zum Verständnis bedeutender und geheimer Wahrheiten fähig ist, sobald er von den Sorgen und Unruhen dieser Welt befreit wurde. Ein jeder aber ist gemäß seinem Vermögen zu allen kirchlichen Beschäftigungen verpflichtet; und vor allem müssen sich diejenigen, die an der Spitze stehen, um die heilbringende Förderung der wissenschaftlichen Tätigkeit kümmern. Denn wo auch immer das Studium der Weisheit vernachlässigt wird, werden auch die Tugenden in den Werken vernachlässigt. Um mich in dieser Sache der Ausdrucksweise des Aristoteles im dritten Buch seines Werkes Über die Seele 23 zu bedienen: Der spekulative Intellekt der Wahrheit wird durch die Ausdehnung auf die Liebe zum Guten zu einem praktischen, weil die Vernunft dem richtigen Willen vorausgeht und ihn zum Heil führt. Wir können nämlich das Gute nicht tun, wenn es uns nicht bekannt ist, und wir können das Schlechte nicht vermeiden, das wir nicht kennen. [12] Während Unwissenheit herrscht, findet sich daher kein Heilmittel gegen das Schlechte für den Menschen, weil der in die Finsternis gehüllte Mensch in die Sünde hinabgestürzt ist wie ein Blinder in eine Grube, weswegen keine Gefahr mit der Unwissenheit vergleichbar ist. Wer aber die Wahrheit kennt, besitzt sie, auch wenn er manchmal das vernachlässigt, was getan werden muss: Trotzdem kann er zu seiner Überzeugung zurückkehren, seine Vergehen bedauern und sich vor zukünftigen Übeln in Acht nehmen. Daher gibt es nichts Würdigeres als das Studium der Weisheit, durch das man dem Nebel der Unwissenheit entflieht und durch das der menschliche Geist erleuchtet wird, sodass er das Gute wählt und jedes Übel vermeidet. Außerdem dienen die Wissbegierigen nicht nur sich selbst, sondern werden auch für jede Führungsposition innerhalb der Kirche vorgezogen. Sie werden zu den führenden

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Teil I

effecti, totum vulgus dirigunt laicorum, haereticos et caeteros infideles convertunt, dantque consilia reprimendi obstinatos et ad mortem aeternam praestitos. [13] Ergo totius mundi utilitas a studio sapientiae dependet, et a sensu contrario ejus damno mundus confunditur universus. Nam qualis est homo in studio sapientiae, talis est in vita. »Quoniam veritas bene cognita adamatur, et probatio dilectionis exhibitio est operis,« ut dicit Gregorius. Et propter hoc homines multi de studio corrupto exeunt corrupti in vita, et cum ad regimen ecclesiae et consilia principum et totius populi delegantur, corruptio infinita accidit in hoc mundo, ut nec fideles dirigantur, ut oportet, in vita secundum exigentiam fidei, nec infideles ad agnitionem veritatis Christianae excitentur: immo magis per malam Christianorum vitam scandala ineffabilia patiuntur, et a devotione fidei elongantur. [14] Opus autem injunctum cum omni virtute exsequendum judicavi; nam cum plenitudo potestatis me ligaverit, dissimulare non valeo. Quod si praeceptum non adesset, adhuc propter apostolicam reverentiam negligere erubesco. Porro ipsa res, de qua agitur, cum sit bonum sapientiae, suapte natura invitat quemlibet ad liberalem ejus communicationem. Quoniam Boetius in prologo Hypotheticorum Syllogismorum, dicit: »Etsi ipsa speculatio veritatis sua quadam specie sectanda est, fit tamen amabilior cum in commune deducitur: nullum enim bonum est quod non pulchrius elucescit si plurimorum notitia comprobetur.« Et Seneca libro primarum

KAPITEL 1

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Personen, sie lenken die gesamte Menge der Laien, sie bekehren die Häretiker und die übrigen Ungläubigen und geben Ratschläge, wie man die Widerspenstigen und zum ewigen Tode Bestimmten zurückdrängen muss. [13] Folglich hängt das Glück der ganzen Welt vom Studium der Weisheit ab; aus einer entgegengesetzten Gesinnung folgt hingegen ihr Verlust, wodurch die ganze Welt in Unordnung gestürzt wird. Denn wie der Mensch sich im Studium der Weisheit verhält, so auch im Leben: »Denn die erkannte Wahrheit wird innig geliebt, und der Beweis für die Liebe ist die Zurschaustellung eines Werks [der Liebe]«, wie Gregor [der Große] sagt.24 Deshalb gehen viele Menschen aus einem verdorbenen Studium verdorben ins Leben. Da jedoch die Kirche ebenso wie die Fürsten und das ganze Volk durch ihre Ratschläge gelenkt werden, tritt eine unnennbare Verdorbenheit in dieser Welt auf, sodass die Gläubigen weder in die Richtung einer Lebensführung gelenkt werden, die den Anforderungen des wahren Glaubens entspricht, noch die Ungläubigen zur Anerkennung der christlichen Wahrheit ermuntert werden. Daher werden durch das schlechte Leben der Christen unaussprechliche Ärgernisse erregt, wodurch sie von der Verehrung des Glaubens abkommen. [14] Ich habe in meinem Werk deshalb versucht, mit aller Tugend meine Urteile zu fällen: denn weil die Fülle Eurer Macht mich gebunden hat, wage ich nicht, mich zu verstellen. Wenn Euer Auftrag nicht an mich ergangen wäre, hätte ich mich aufgrund der Ehrfurcht vor der apostolischen Autorität gescheut [dieses Werk zu schreiben]. Außerdem lädt die Sache, um die es hier geht – nämlich das Gut der Weisheit – aufgrund der Gefälligkeit ihrer Natur jeden zur freien Verbreitung ein. Wie schon Boethius im Prolog zu seinem Werk De syllogismis hypotheticis sagt: »Auch wenn die Betrachtung der Wahrheit auf die ihr gemäße Art erfolgen muss, geschieht sie dennoch umso liebenswürdiger, wenn sie der Allgemeinheit zugänglich gemacht wird. Es gibt nämlich kein Gut, das nicht noch heller erstrahlen würde, wenn es von den meisten Leuten gekannt und anerkannt wird.«25 Auch Seneca sagt in seinem ersten Buch der

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Teil I

epistolarum versus finem sic eloquitur: »In hoc gaudeo discere, ut doceam. Nec me ulla res delectabit, quamvis sit eximia et salutaris, quam mihi uni sciturus sum. Si cum haec exceptione datur sapientia, ut illam inclusam teneam, nec enunciem, rejiciam; nullius enim boni sine socio jucunda est possessio.« Et ideo rex magnificus Alexander Macedo, Aristotelis magni discipulus, Dindimum regem Bragmannorum invitans ad communicationem sapientiae, in disputatione philosophica inter eos conflata sic ait: »Libera res1 est communitas, et nesciens pati dispendium cum2 in alterum participata transfunditur; sicut si ex una face lumina plura succenderis, nullum damnum principali materiae generabis, quae quidem facultatem accipit plus lucendi quotiens causas invenit plus praestandi.« [15] Quoniam autem vestra praecepit sublimitas ut quam cito possem rescriberem3, plena festinatione fui sollicitus in hac parte. Nam si amicorum petitio celeriter est effectui4 mancipanda, ne frigere videatur caritas otiosa, ut scribit Platearius, auctor medicinae, longe magis dominorum, et maxime dominatoris mundi voluntas debet quam citius fieri poterit adimpleri. Nam ut ait Sallustius in Jugurthino, »Animo cupienti nihil satis festinatur.« »Etiam ipsa celeritas desiderio mora est,« ut dicit Seneca in libro memorato. »Multo enim gratius venit quod de facili, quam quod de plena manu sumitur,« ut septimo De Beneficiis idem scribit; quoniam »Spes anxia mentem / Distrahit, et longo consumit gaudia voto,« sicut in libro Tristium Ovidius pandit sententiam Salomonis.

1  res ]  om. L. 2  Hier setzt B wieder ein. 3  rescriberem ]  scriberem, B. U. 4  celeriter est effectui ]  est effectui celeriter, L.

KAPITEL 1

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Briefe [an Lucilius] gegen Ende sehr beredt: »Ich bin froh darüber, etwas zu lernen, um belehren zu können. Nichts erfreut mich nämlich, mag es auch noch so vortrefflich und heilsam sein, wenn ich nur für mich allein darum wissen darf. Sollte Weisheit unter der Bedingung verliehen werden, dass ich sie unter Verschluss halte und nicht ausplaudere, würde ich sie wohl verschmähen. Am Besitz eines Gutes kann man sich nur mit einem Partner freuen.«26 Daher hat auch der großartige König Alexander von Makedonien, der große Schüler des Aristoteles, als er den König der Brachmanen, Dindimus, zu einem Gespräch über die Weisheit eingeladen hatte, in einer philosophischen Diskussion gesagt: »Eine frei zugängliche Sache nämlich ist die Gemeinsamkeit, die nicht Gefahr läuft, einen Schaden zu erleiden, wenn sie teilweise auf einen anderen erweitert wird, ebenso wie man der ursprünglichen Materie keinen Schaden zufügt, wenn man an einer Fackel weitere Lichter entzündet. Sie ergreift vielmehr die Möglichkeit, mehr zu leuchten, sooft sie Anlässe findet, mehr zu leisten.«27 [15] Weil Eure Erhabenheit mir befohlen hat, so schnell wie möglich zurückzuschreiben, war ich hierbei unruhig und voller Eile. Denn wenn bereits eine Bitte von Freunden schnell und voller Hingabe erfüllt werden muss, damit es nicht scheint, als würde die der wissenschaftlichen Tätigkeit gewidmete Liebe erkalten (wie schon Platearius28 schrieb, ein berühmter Fachmann auf medizinischem Gebiet), muss umso mehr noch der Wille der Machthaber und am meisten der Wille des Herrschers über die Welt so schnell wie möglich erfüllt werden. Denn wie sagt Sallust in seinem Buch Über den Krieg gegen Jughurta: »Für ein begieriges Herz geht nichts schnell genug.«29 Und Seneca meint in seinem berühmten Buch: »Selbst die Schnelligkeit bedeutet für die Begierde eine Verzögerung.«30 Derselbe schreibt im siebten Buch Über die Wohltaten zudem: »Um einiges willkommener nämlich ist das, was mit einer leichten als mit einer vollen Hand gegeben wird.«31 So erweitert auch Ovid die Worte Salomons in seinen Briefen aus der Verban­ nung 32: »Quälende Hoffnung zerreißt die Seele und verzehrt die Lebensfreude durch lange währendes Verlangen.«33

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Teil I

CAPITULUM II. Sed tamen dilatio, quae facta est, evenit necessario1 et contra meam voluntatem, et dolui nimis ad doleo. Non enim quando ultimo scripsistis fuerunt composita quae jussistis, licet hoc credebatis. Nam in alio statu non feci scriptum aliquod philosophiae, nec in hoc, in quo sum modo, fui requisitus a praelatis meis2; immo facta est constitutio gravis in contrarium, sub praecepto et poena amissionis libri, et jejunio in pane et aqua pluribus diebus, si aliquod scriptum factum apud nos aliis communicetur. [17] Sed scribi non posset littera bona nisi per scriptores alienos a statu nostro, et illi tunc transcriberent pro se, vel aliis, vellem nollem, sicut saepissime scripta per fraudes scriptorum Parisius divulgantur. Et certe se potuissem libere communicasse, ego pro fratre meo scholari, et aliis amicis meis carissimis multa composuissem. Sed quando desperavi de communicatione neglexi componere; unde quando vestrae gloriae obtuli me paratum, certissime sciatis quod hoc fuit pro scriptis faciendis, nondum factis; et ideo Reimundus de Lauduno, clericus vester, fuit omnino deceptus, quando ipse de me vobis fecit mentionem. Licet enim aliqua capitula de diversis materiis, ad instantiam amicorum, aliquotiens more transitorio compilavi, hoc non est scriptum aliquod notandum, nec vestrae sapientiae offerendum, cum et ego hujusmodi negligo, quia nihil continuum est, nec perfectum. Caeterum magnitudo et auctoritas

[16]

1  facta est, evenit necessario ]  facta, necessario evenit, L. 2  meis ]  om. B. L. U.

KAPITEL 2

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KAPITEL 2 Gründe für die Verzögerung der Arbeit Dennoch kam die eingetretene Verzögerung zwangsläufig und ­gegen meinen Willen zustande, und ich bedauerte dies sehr und bedauere es noch. Denn als Ihr letztes Mal geschrieben habt, war das, was Ihr verlangtet, nicht verfasst, wenngleich Ihr dies geglaubt hattet. In meinem anderen [weltlichen] Stand habe ich nämlich keinerlei Buch über die Philosophie verfasst; und auch nicht in dem, in dem ich jetzt bin. Ich wurde darüber auch von meinen Ordensoberen befragt: Denn es wurde dagegen eine schwerwiegende Konstitution34 erlassen mit Vorschrift und Strafandrohung des Buchverlustes und mehrtätigen Fastens bei Wasser und Brot, wenn irgendeine bei uns entstandene Schrift anderen Leuten mitgeteilt würde. [17] Aber in schöner Schrift geschrieben werden könnte es nur von Schreibern, die nicht unserem Stand angehören, und diese würden [meine Werke] dann für sich oder für andere übertragen, ohne dass man Einfluss darauf hätte, so wie sehr oft in Paris Schriften durch den Betrug der Schreiber verbreitet werden. Und gewiss hätte ich, wenn ich frei hätte veröffentlichen können, für meinen studierenden Bruder [ fratre meo scholari] und für andere sehr liebe Freunde von mir vieles geschrieben. Aber als ich die Hoffnung verlor, veröffentlichen zu können, habe ich das Schreiben aufgegeben. Als ich Eurer Herrlichkeit mitteilte, dass ich bereit sei, solltet Ihr ganz sicher wissen, dass sich dies auf Schriften bezog, die erst entstehen sollten, nicht auf solche, die schon verfasst waren; und so hat sich Euer Kleriker Raimund von Laon35 ganz und gar getäuscht, als er mich Euch gegenüber erwähnte. Wohl habe ich manchmal auf Drängen von Freunden einige Kapitel zu verschiedenen Themen zusammengestellt, doch ist das keine eigentliche Schrift zu nennen und nicht etwas, das man Eurer Weisheit darbieten dürfte. Denn ich selbst lasse dergleichen nicht gelten, weil es nichts Zusammenhängendes und Abgeschlossenes darstellt. Auch ließ mich die Größe und Autorität Eurer Erhabenheit [16]

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Teil I

vestrae reverentiae me diu tenuit, nesciens statim quod dignum possem offerre. Et cum consideravi quod nihil vestrae celsitudini debeat praesentari nisi quod sit magnificum, vestrae beatitudini quicquid optimum, vestrae sapientiae1 quicquid pulcherrimum, non est mirum si distuli in tractando. Quod probare potestis per sapienties famosiores inter Christianos, quorum unus est frater Albertus, de ordine Praedicatorum, alius est magister Gulielmus2 de Shyrwode, thesaurarius Lincolniensis ecclesiae in Anglia, longe sapientior Alberto. Nam in philosophia communi nullus major est eo. [18] Scribat igitur vestra sapientia eis articulos operum quae misi, et quae tangam in hac tertia scriptura, et videbitis quod ante transibunt decem anni quam ipsi mittant vobis ea, quae scripsi. Certe centum loca reperietis ubi per ea, quae modo sciunt3, non attingent usque ad finem vitae suae; cognosco enim eorum scientiam optime, et scio quod ad minus non reddent vobis quae scripsi, infra tantum tempus quod elapsum est a vestro mandato; et sicut nec ab ultimo, sic nec a primo. Non igitur mirandum si ego dilationem tantam fecerim in hac parte. Sola enim perspectiva sapientia4, quam scribo, non fieret ab aliquo infra annum. Sed ad quid occulto hic veritatem? Assero igitur vobis quod nullum invenietis inter Latinos, qui sicut nec usque ad unum annum hanc partem5 sapientiae persolvet, sic nec usque ad decem. Nam quantumcunque bene sciret eam, varias oportet ipsum facere experientias rerum hujusmodi, et figurationibus uti difficillimis et quasi infinitis, quae multum requirunt de tempore, et exemplaria quinque vel sex multiplicari oporteret, antequam unum haberet electum et fideliter consummatum. Taceo nunc de caeteris majoribus, usquequo tempus fuerit opportunum. 1  sapientiae ]  reverentiae, L. 2  Gulielmus ]  Gilbertus kor. B et Shirewode 3  sciunt ]  sciuntur, B. 4  sapientia ]  om. L. 5  partem ]  om. L.

KAPITEL 2

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längere Zeit zögern, da ich nicht sogleich wusste, was von entsprechender Würdigkeit ich anbieten könnte. Und weil ich bedachte, dass Eurer Erhabenheit nur etwas dargebracht werden dürfte, das großartig wäre, Eurer Seligkeit nur das Allerbeste, Euer Hochwürden nur das Allerschönste, ist es nicht verwunderlich, dass ich mit der Arbeit zögerte. Das könnt Ihr durch hochberühmte Gelehrte in der Christenheit prüfen; einer von ihnen ist Bruder Albert vom Predigerorden36, der andere Meister Wilhelm von Shyreswood37, der Schatzmeister der Kirche von Lincoln in England, der noch bei weitem gelehrter als Albert ist, denn in der Philosophie übertrifft ihn keiner. [18] Eure Weisheit möge ihnen also schreiben und die Abschnitte jener Werke angeben, die ich geschickt habe und die ich in dieser dritten Schrift behandeln werde, und Ihr werdet sehen, dass zehn Jahre vergehen, bevor sie Euch das schicken, was ich geschrieben habe. Gewiss werdet Ihr hundert Stellen finden, wo sie mit dem Einsatz ihres Wissens bis zum Ende ihres Lebens nicht zu Rande kämen. Ich kenne ihr Wissen nämlich sehr gut und weiß, dass sie Euch das, was ich geschrieben habe, zumindest nicht in der Zeit liefern würden, die seit Eurem Auftrag verstrichen ist. Das gilt sowohl für den Letztgenannten als auch für den Erstgenannten. So ist es nicht verwunderlich, dass ich diesbezüglich in so große Verspätung geraten bin. Denn allein schon die Wissenschaft der Perspektivik38, die ich schreibe, würde nicht von irgendwem innerhalb eines Jahres bewältigt werden. Doch wozu verheimliche ich hier die Wahrheit? So sage ich Euch, dass Ihr unter den Lateinern niemanden finden werdet, der diesen Bereich der Wissenschaft erschöpfend behandelt, weder in einem noch in zehn Jahren. Denn so viel Wissen jemand auf diesem Gebiet auch haben mag, so muss er doch verschiedene Experimente in den betreffenden Dingen anstellen, muss mit höchst schwierigen und fast zahllosen graphischen Darstellungen arbeiten, die viel Zeit in Anspruch nehmen, und es würden fünf oder sechs Abschriften erforderlich sein, bis er ein gutes und ganz einwandfreies [Werk] hätte. Von allem anderen schweige ich hier, bis die rechte Zeit gekommen sein wird.

Teil I

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CAPITULUM III. Deinde occurrerunt longe majores causae dilationum, propter quas oportuit me multotiens desperare; et centies opus inceptum cogitavi negligere; et nisi esset vicarii1 Salvatoris solius reverentia, et utilitas mundi per ipsum solum procuranda, non processissem cum his impedimentis in hoc negotio, pro omnibus quae sunt in ecclesia Dei, quatumcunque rogassent et institissent. [20] Et primum impedimentum fuit per eos, qui mihi praefuerunt, qui­ bus cum nihil scripsistis in excusationem meam, et eis non potui revelare vestrum2 secretum, nec debui, propter vestrum mandatum de celando, instabant ineffabili violentia ut cum aliis3 eorum voluntati obedirem; sed nequivi, propter vinculum vestri praecepti, quod obligavit me ad opus vestrum, non obstante aliquo mandato praelatorum meorum. Et certe cum non fui excusatus per vos, ego recepi impedimenta tot et tanta quod enunciare non possum. Articulos tamen certos hujusmodi impedimenti suo loco4 fortassis explicabo, et manu mea propter secreti magnitudinem conscribam. [21] Caeterum aliud genus impedimenti recepi, quod suffecit ad subversionem totius negotii, et fuit defectus expensarum. Nam oportuit plus quam sexaginta libras Parisienses5 effundi pro hoc negotio, cujus rationes et causas sufficienter reddam inferius suo loco. Non miror vero si non cogitastis de expensis his, quia sedentes in culmine mundi habetis de tot et tantis cogitare, quod nullus pot­est mentis vestrae sollicitudines aestimare. Sed mediatores, qui literas [19]

1  vicarii ]  vicarius, B. 2  vestrum ]  verum, B. L. 3  cum aliis ]  in aliis, B. T. 4  suo loco ]  loco suo, Ti. 5  Parisienses ]  Parisiensum, L.

KAPITEL 3

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KAPITEL 3 Weitere Gründe für die Verzögerung Weiterhin gab es noch viele andere Ursachen für Verzögerungen, derentwegen ich oft verzweifeln musste; und ich war schon hundertmal kurz davor, das begonnene Werk aufzugeben; und bestünde da nicht die Ehrfurcht vor des Heilands einzigem Stellvertreter, der allein selbst für Heil und Wohl der Welt zu sorgen hat, würde ich unter solchen Behinderungen auch um der ganzen Kirche willen das Werk nicht fortgeführt haben, soviel sie auch fragten und mich bedrängten. [20] Das erste Hindernis bereiteten mir meine Vorgesetzten, denen ich wegen Eures Gebotes, den Auftrag geheim zu halten, Euer Geheimnis ja nicht enthüllen konnte und durfte, und die, weil Ihr ihnen nichts zu meiner Entschuldigung geschrieben habt, mit unsagbarer Heftigkeit darauf bestanden, dass ich mitsamt den anderen ihrem Willen gehorchen solle. Aber das konnte ich nicht, weil Euer Befehl mich band, der mich zu dem Werk für Euch verpflichtete, ungeachtet irgendeines Gebotes seitens meiner Vorgesetzten. Und gewiss deshalb, weil ich von Euch nicht entschuldigt war, begegnete ich so vielen und so großen Hindernissen, wie ich es gar nicht beschreiben kann. Gewisse Einzelheiten dieser Hindernisse werde ich jedoch vielleicht an gegebener Stelle erklären, aber ich werde sie dann wegen der Wichtigkeit der Geheimhaltung mit eigener Hand schreiben. [21] Darüber hinaus stand ich noch vor einer anderen Art von Hindernis, das genügte, das ganze Unternehmen zu Fall zu bringen: dem Fehlen finanzieller Mittel. Denn es mussten mehr als 60 Pariser Pfund für diese Arbeit aufgewandt werden, wofür ich die Ursachen und Gründe später an gegebener Stelle ausführlich angeben werde. Aber ich wundere mich nicht, dass Ihr an derartige Ausgaben nicht gedacht habt, denn Ihr, der Ihr auf den Höhen der Welt thront, habt so vieles und so Großes zu bedenken, dass niemand die Sorgen, die Euren Geist beschäftigen, abzuschätzen vermag. Doch waren die Vermittler, die die Briefe überbrachten, unbedacht, dass [19]

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Teil I

portaverunt, fuerunt incauti, qui vobis non fecerunt mentionem de expensis; et ipsi unum denarium noluerunt expendere, cum tamen dixi eis quod vobis scriberem numerum expensarum, et unicuique quod suum fuerit1 redderetur. Ego vero nec pecuniam habeo, ut scitis, nec possum habere, nec per consequens mutuari, cum non habeam quid reddam. Misi igitur fratri meo diviti in terra mea, qui ex parte regis consistens2, cum matre mea, et fratribus, et tota familia exulavit, et pluries hostibus deprehensus3 se redemit pecunia; et ideo destructus, et depauperatus, non potuit me juvare, nec etiam usque ad hunc diem habui responsum ab eo. Considerans igitur vestram reverentiam et praeceptum, sollicitavi multos et magnos; et aliquorum faciem bene cognoscitis, sed non mentem; et dixi quod negotium quoddam vestrum debuit tractari in Francia per me4, licet illud5 non expressi, cujus executio indiget pecunia magna6. Sed quotiens reputatus improbus, quotiens repulsus7, quotiens dilatus spe vana, quantum confusus in meipso, non possum8 exprimere. Etiam mihi non credebant amici, quia non potui eis negotium explicare; unde per hanc viam non p ­ otui procedere. Angustianus igitur supra id9, quod potest aestimari, ­coegi familiares homines et pauperes expendere omnia, quae habebant, et multa vendere, et caetera impignorare, etiam multotiens ad usuras, et promisi eis quod ego10 vobis scriberem partes singulas expensarum, et quod bona fide procurarem apud vos perfectam solutionem. Et tamen propter istorum paupertatem multotiens ­dimisi opus, et multotiens desperavi et neglexi procedere; unde si vos scivissem non pensasse11 rationem expensarum harum12 pro toto mundo non processissem: citius enim me carceri dedissem. Nec 8  possum ]  possem, L. 1  fuerit ]  fuerat, B. U. 9  supra id ]  supra modum et id, L. 2  qui ex parte … consistens ]  qui 10  ego ]  om. L. est ex parte … consistens, L. 11  scivissem non pensasse ]  non pen­ 3  deprehensus ]  deprehensis, L. sasse in einer Marginalie in T, nicht 4  per me ]  om. Ti. in den anderen Abschriften, welche 5  illud ]  om. Ti. scivissetis für scivissem angeben. 6  magna ]  om. Ti. 12  harum ]  omnium, Ti. 7  repulsus ]  expulsus, L. 8  possum ]  possem, L. 9  supra id ]  supra modum et id, L. 10  ego ]  om. L. 11  scivissem non pensasse ]  non pensasse in einer Marginalie in T, nicht in den anderen Abschriften, welche scivissetis für scivissem angeben. 12  harum ]  omnium, Ti.

KAPITEL 3

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sie Euch gegenüber keine Erwähnung von Ausgaben taten; und sie selbst wollten nicht einen einzigen Denar ausgeben, obwohl ich ihnen sagte, dass ich Euch die Höhe der Ausgaben schreiben würde und dass jedem von ihnen das Seine zurückerstattet werden würde. Ich selbst aber verfüge über kein Geld, wie Ihr wisst, und kann auch keines besitzen und folglich auch keines entleihen, da ich ja keines zur Rückzahlung hätte. So sandte ich Nachricht an meinen wohlhabenden Bruder in meiner Heimat, der aber, auf der Seite des Königs stehend, mitsamt seiner Mutter, den Brüdern und der ganzen Familie die Heimat verlassen hatte und sich, als er mehrmals von den Feinden ergriffen worden war, mit Geld loskaufen musste. Und so konnte er mir, zugrundegerichtet und verarmt, nicht helfen, und ich habe auch bis heute keine Antwort von ihm erhalten. Daher ging ich viele und hochgestellte Persönlichkeiten an, nachdem ich den Auftrag Eurer Hochwürden erhalten hatte. Und Ihr kennt wohl mancher Angesicht gut, nicht aber ihre Gesinnung; ich sagte, dass eine gewisse Unternehmung für Euch – die ich nicht näher nannte – von mir in Frankreich durchgeführt werden müsse, wozu es großer finanzieller Mittel bedürfe. Aber so oft wurde ich für unredlich gehalten, so oft wurde ich abgewiesen, so oft mit vergeblicher Hoffnung hingehalten: wie sehr ich innerlich zerrüttet bin, kann ich gar nicht sagen. Sogar Freunde schenkten mir keinen Glauben, weil ich ihnen das Unternehmen ja nicht erklären konnte. Auf diesem Weg konnte ich also nicht vorankommen. So unvorstellbar in die Enge getrieben, brachte ich engst befreundete und arme Menschen dahin, alles herzugeben, was sie hatten, vieles zu verkaufen und das übrige zu verpfänden, oft auch Geld auf Zinsen aufzunehmen, und ich versprach ihnen, dass ich Euch die einzelnen Posten der Ausgaben schicken würde und mich mit Eurer Hilfe in gutem Glauben um eine angemessene Lösung kümmern würde. Und doch ließ ich wegen der Armut dieser Menschen oft vom Werk ab, verzweifelte häufig und hörte auf, weiterzuarbeiten; hätte ich also gewusst, dass Ihr nicht die Rechnung für diese Ausgaben begleichen würdet, wäre ich nicht um alles in der Welt mit der Arbeit fortgefahren: Eher hätte ich mich ins Ge-

Teil I

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[22]

potui nuntios proprios mittere vobis1 pro expensis, quia non habui unde mitterem. Et malui illud, quod potui procurare, semper ponere in negotio promovendo, quam vobis nuntium proprium destinare. Et etiam propter vestram reverentiam decrevi quod non facerem rationem de expensis antequam aliqua mitterem, quae vobis placerent, et quae oculata2 fide darent testimonium expensarum. Propter igitur haec omnia accidit tanta dilatio in hoc negotio, de quo vehementer doleo; quia non solum accidit vestrae clementiae taedium pro spe dilata, sed ego sustuli3 multiplex damnum, sicut satis ex praedictis potestis cogitare, et inferius explicabitur certius et plenius suo loco.

CAPITULUM IV. [23]

Recepto tamen mandato, cogitavi diligenter quid posset esse gratum vicario Jesu Christi: etiam praecepti consideratio me arctabat; utilitas iterum mundi, per vos procuranda, me excitavit, atque vivificatio sapientiae, quae mortua jam a multis temporibus jacuit, me valde instigabat. Et ideo consideravi sapientiam, quam petistis, non solum absolute, sed longe magis relate quinque modis, et quic­ quid potui considerare decorum, utile, et magnificum, cogitavi ­annotare; praecipue cum hujusmodi non sunt in usu vulgi studentium, sed semper latent apud solos sapientes. Et non ad unam partem philosophiae excutiendam me dedi, quia mihi nullam signastis,

1  vobis ]  om. Ti. L. 2  oculata ]  occulta, L. 3  sustuli ]  om. B. L.

KAPITEL 4

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fängnis sperren lassen. Ich konnte auch nicht wegen der Ausgaben eigens einen Boten zu Euch schicken, weil ich ja nichts hatte, wovon ich ihn bezahlen konnte. Auch wollte ich das, was mir zu beschaffen möglich war, stets lieber für die Weiterführung der Arbeit verwenden, anstatt einen Boten zu Euch zu senden. Und auch wegen Euer Hochwürden beschloss ich, keine Rechnung über die Ausgaben aufzustellen, bevor ich nicht etwas geschickt hätte, das Euch gefallen könnte und das Euch ein augenscheinliches Zeugnis meiner Ausgaben wäre. [22] Aus all diesen Gründen ergab sich diese große Verzögerung in der Ausführung des Werkes, die ich sehr bedaure; nicht nur, weil ich Euer Gnaden durch die verzögerte Hoffnung Verdruss bereiten musste, sondern auch, weil ich selber großen Schaden zu leiden hatte, wie Ihr Euch anhand des Gesagten sicherlich vorstellen könnt. Ich werde das weiter unten noch an seinem Ort ausführ­ licher und sicherer ausführen.

KAPITEL 4 Alle Wissenschaften sind miteinander verbunden [23]

Als ich Eure Aufforderung erhielt, überlegte ich daher sorgfältig, was dem Stellvertreter Christi wohl am ehesten angemessen sein könnte, wobei die Erwägung Eures Befehls mich dabei einschränkte; die Nützlichkeit für die Welt, für die Ihr zu sorgen habt, spornte mich jedoch ebenso an, wie die Wiederbelebung der Weisheit, die nun schon seit langer Zeit wie tot darniederliegt. Daher betrachtete ich die Weisheit, nach der Ihr fragt, nicht nur für sich genommen, sondern vielmehr in Bezug auf fünf Bereiche; und ich wollte alles hinzufügen, was auch immer man an ihr schön, nützlich und herrlich finden kann, vor allem deshalb, weil [diese Bereiche] der Menge der Studenten nicht bekannt sind, sondern immer schon nur bei einigen weisen Männern verborgen waren. Dabei konzentrierte ich mich nicht nur auf einen bestimmten Teil der Philosophie, weil Ihr mir dies nicht angezeigt hattet, da Ihr doch

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Teil I

immo magis totam petistis; nec pars potest veraciter1 cognosci, nisi in suo toto2 cum aliis. »Difficile enim3 est aliquem scire pauca, nisi cui nota sunt pleraque aut omnia,« ut ait Tullius, ii. De Quae­ stioni­bus Tusculanis; et bene subjungit, omnia esse scienda, ut, more philosophico et omnium sapientum, primam partem sermonis corrigat per secundam. Nam omnes scientiae sunt connexae, et mutuis se4 fovent auxiliis, sicut partes ejusdem totius, quarum quaelibet opus suum peragit, non solum propter se, sed pro aliis: ut oculus totum corpus dirigit, et pes totum sustentat, et de loco ad locum deducit; et sic de aliis. Unde pars extra totum est sicut oculus erutus vel pes5 abscissus; et sic erit de partibus sapientiae: nam6 nulla consequitur sui7 utilitatem sine alia, cum sint partes ejusdem sapientiae totalis. Etiam nihil est jucundum nisi quod reficit varietas, ut prius habitum est.

CAPITULUM V. [25]

Sed duplex est modus totam sapientiam congregandi, aut in summa et sub compendio, aut in particulari singulas partes discutere8, et in propria disciplina. Istud autem opus secundum tradi non debet ante primum; nec potest; quia natura9 est nobis via cognoscendi a communibus ad propria, ab universalibus ad particularia, ut

1  potest veraciter ]  non potest veraciter, B. U.; veraciter potest, L. 2  toto ]  om. L. 3  enim ]  om. T., est enim, L. 4  se ]  sese, L. 5  pes ]  in U.; in den anderen Exemplaren ausgelassen. 6  nam ]  cum, Ti. 7  consequitur sui ]  sui consequitur, L. 8  discutere ]  discurrere, L. 9  natura ]  nata, B. L. U.

KAPITEL 5

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vielmehr das Ganze erkennen wolltet. Doch man kann keinen Teil von etwas wahrhaft erkennen, wenn man ihn nicht in Beziehung zu den anderen Teilen [des Ganzen] betrachtet, wie bereits Cicero im zweiten Buch seiner Gespräche in Tusculum sehr treffend bemerkte: »Denn es ist sehr schwierig von irgendetwas auch nur weniges zu wissen, wenn nicht das meiste oder alles bereits bekannt ist.«39 Und er fügt sehr schön hinzu, dass alles gewusst werden muss, damit – nach Art der Philosophie und aller Weisen – der erste Teil einer Rede durch den folgenden verbessert werden möge. Denn alle Wissenschaften sind miteinander verbunden und leisten sich gegenseitig Hilfe wie die Teile eines Ganzen, von denen ein jeder seine Arbeit leistet, nicht nur um seiner selbst, sondern auch um der anderen willen, so wie das Auge den ganzen Körper lenkt und der Fuß das Ganze stützt und von einem Ort zum anderen führt. Ebenso verhält es sich auch mit den anderen Dingen. Daher ist ein Teil außerhalb des Ganzen wie ein ausgerissenes Auge oder ein abgeschnittener Fuß, und so verhält es sich auch mit den Teilen der Weisheit: Keiner kann seine Nützlichkeit ohne die anderen entfalten, weil sie Teile derselben umfassenden Weisheit sind. Aus diesem Grund ist nichts erfreulich, wenn die Vielfalt es nicht vervollständigt, wie wir bereits festgestellt haben.

KAPITEL 5 Erster Grund für eine einführende Abhandlung vom Nutzen der Wissenschaften [25]

Man kann die Weisheit jedoch auf eine zweifache Weise zusammenführen: entweder in ihrer Gesamtheit in der Form eines Kompendiums oder indem man ihre einzelnen Teile diskutiert und jede Sache in der ihr eigenen Disziplin verhandelt. Dieses Werk aber darf und kann nicht zur zweiten Weise gelangen, bevor nicht die erste Weise richtig abgehandelt worden ist, da es der Natur unseres Wissenserwerbs entspricht, vom Allgemeinen zum Besonderen voran­zuschreiten, vom Universellen zum Speziellen,

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Teil I

Aristoteles dicit primo Physicorum; et ideo in vanum aspirat homo ad habendam diffusam, et plenam, ac specialem doctrinam, nisi prius gustet in universali et in summa, quod postea latius debet recipere1 in particulari doctrina. Si enim particularem scientiam et propriam2 cujuslibet primo petit, tunc de necessitate ingenium obruetur difficultate, memoria fragilis3 confundetur multitudine, et ejiciet sicut recipit lubrica, et abominans evomet quodcunque4 receperit. [26] Caeterum ante omnia utilitas cujuslibet rei5 consideranda est. Haec autem utilitas consistit in fine, propter quem res est: ut finis domus est custodia a caumatibus, et algoribus, et caeteris tempestatibus, et ab inimicis, et ab animalibus rapacibus, et hujusmodi periculis. Et qui hunc finem domus nescit, nunquam faciet domum. Nam finis est primum in intentione, et movet efficientem ut trans­ mutet6 materiam et educat formam, et totam rem in esse constituat. Sic igitur est in omnibus rebus et scientiis. Quapropter oportet quod homo consideret utilitatem scientiarum antequam aggrediatur singulas divisim prosequendo. Sed hoc impossibile est, nisi in tractatu praeambulo et separato a singulis tractatibus particularibus, quia enarratio et declaratio istarum utilitatum est multiplex et magna, et difficilis, et utilis; et ideo scientia constituenda est de ea antequam ulterius procedatur. »Ars enim,« ut dicit Aristoteles7 in Ethicis, »est de diffcili et bono;« et quoniam illud bonum multas habet veritates, oportet quod tractatum habeat separatum8. Sed circa istam utilitatem sunt multae veritates difficiles.

1  recipere ]  accipere, L. 2  scientiam et propriam ]  et propriam scientiam, L. 3  fragilis ]  om. Ti. 4  quodcunque ]  quotcunque, L. 5  rei ]  om. L. 6  transmutet ]  transmittat, L. 7  dicit Aristoteles ]  Aristoteles dicit, L. 8  habeat separatum ]  habeat veritates separatum, L.

KAPITEL 5

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wie A ­ ristoteles im ersten Buch der Physik  4 0 sagt. Daher versucht der Mensch vergeblich, eine weitgefächerte, vollständige und bestimmte Lehre zu erhalten, wenn er nicht vorher in Gesamtheit und im Allgemeinen kostet, was er daraufhin eingehender in einer bestimmten Fachrichtung empfangen muss. Wenn sich daher jemand zuerst um eine einzelne Wissenschaft bemüht, wird sein Verstand notwendig durch die damit einhergehenden Schwierigkeiten verdunkelt, das schwache Gedächtnis wird durch die Vielfalt verwirrt und er wird sie wieder ausspeien, als ob er etwas Schlechtes aufgenommen hätte: sie verabscheuend wird er dementsprechend alles wieder von sich geben, was er aufgenommen hat. [26] Im Übrigen ist vor allem die Nützlichkeit eines jeden Dinges in Betracht zu ziehen. Diese Nützlichkeit besteht aber in dem Zweck, dessentwegen eine Sache da ist: wie auch der Zweck eines Hauses der Schutz vor Hitze und Kälte und vor anderen Unbilden des Wetters, vor Feinden sowie vor Raubtieren und Gefahren dieser Art ist. Wer diesen Zweck eines Hauses nicht kennt, wird nie ein Haus bauen. Denn alles ist zuerst auf einen bestimmten Zweck gerichtet, der die Wirkungen festlegt, die Materie verändert, ihr eine Form gibt und alle Dinge in ihrem Sein bestimmt. So ist es bei allen Dingen und auch bei allen Wissenschaften. Daher steht es fest, dass der Mensch erst die Nützlichkeit der gesamten Wissenschaften in Betracht ziehen sollte, bevor er zu ihren einzelnen Gebieten voran­ schreitet. Doch das ist unmöglich, außer in Form einer vorangehenden Schrift, die von den einzelnen und besonderen Abhandlungen getrennt ist, weil die Erklärung und Erläuterung ihres Nutzens zwar äußerst vorteilhaft, aber auch vielfältig, weitverzweigt und schwierig ist; daher muss zuerst ein allgemeines Wissen von ihnen begründet werden, bevor man weiter voranschreitet. »Die Kunst nämlich«, wie Aristoteles in der Ethik sagt, »handelt von dem, was schwierig und gut ist«41; und weil jenes Gute viele Wahrheiten enthält, muss es darüber eine eigene Abhandlung geben. Doch bezüglich ihrer Nützlichkeit gibt es zahlreiche Wahrheiten, die nur schwer aufzudecken sind.

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Teil I

Nam utilitas philosophiae est respectu theologiae, et ecclesiae, et reipublicae, et conversionis infidelium, et reprobationis eorum, qui converti non possunt. Et certe hae utilitates sunt magnae et multis modis variatae, et ideo indigent tractatu separato a tractatibus scientiarum propriis. Iterum, non solum est utilitas ista quintuplex radicalis, quae habet ramos paene innumerabiles, sed quaelibet pars philosophiae est utilis respectu alterius, ut praedixi; nec potest una sine alia sciri1. Et haec utilitas est multiplex et magna2, et habet difficultates varias et grandes, propter quod tractatus requiritur specialis de his utilitatibus.

CAPITULUM VI. [28]

Sed quia homines nesciunt utilitates philosophiae primas, ideo despiciunt multas scientias magnificas et pulcherrimas, et dicunt, »Quid valet haec scientia, vel illa?« deridendo, et non ut addiscant. Nec volunt auscultare, et propter hoc excludunt illas scientias a se, et contemnunt eas. Similiter de utilitatibus secundis accidit. Nam philosophantes his diebus, quando dicitur eis quod sciant perspectivam, aut geometriam, aut linguas, et alia multa, quaerunt cum derisione, »Quid valent haec?« asserentes quod inutilia sunt. Nec volunt audire sermonem de utilitate; et3 ideo negligunt et contemnunt scientias quas ignorant. Et aliquando accidit quod aliqui dicunt se velle libenter scire hujusmodi scientias; sed deficiunt infra paucos dies, quia non vident utilitatem illarum s­cientiarum. Utilitas enim illarum4 non traditur in eis,

1  sine alia sciri ]  sciri sine alia, Ti. 2  et magna ]  om. Ti. 3  et ]  om. L. Ti. 4  illarum ]  earum, Ti.

KAPITEL 6 [27]

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Denn der Nutzen der Philosophie betrifft die Theologie, die Kirche, das Gemeinwesen, die Bekehrung der Ungläubigen und die Zurückschlagung derjenigen, die nicht bekehrt werden können. Diese Nützlichkeiten sind groß und vielfältig, weshalb sie einer von den Abhandlungen der einzelnen Wissenschaften gesonderten Abhandlung bedürfen. Zudem besteht der Nutzen der Philosophie nicht nur in diesen fünf Wurzeln, die ihrerseits unzählbare Verzweigungen haben, sondern jeder Teil der Philosophie ist für jeden anderen nützlich, wie ich bereits gesagt habe; und man kann nicht einen Teil ohne die anderen kennen. Da diese Nützlichkeit so groß und so vielfältig ist, und da in ihr zugleich verschiedene und große Schwierigkeiten enthalten sind, braucht man eine eigene Abhandlung, in der diese Nützlichkeiten erläutert werden.

KAPITEL 6 Zweiter Grund für eine einführende Abhandlung [28]

Doch weil die Menschen die ersten Nützlichkeiten der Philosophie nicht kennen, verachten sie viele der herrlichen und schönen Wissenschaften und sagen: »Was ist diese oder jene Wissenschaft schon wert?« So machen sie sich über die Wissenschaften lustig, ohne sie zu lernen. Da sie nicht zuhören wollen, schließen sie die Wissenschaften von vornherein aus und verspotten sie. Ähnlich verhält es sich auch mit den zweiten Nützlichkeiten. Denn wenn den Philosophierenden heutzutage gesagt wird, sie müssten etwas über die Perspektivik, die Geometrie oder die Sprachen und die anderen Wissenschaften wissen, fragen sie mit Spott: »Was sind sie denn wert?« und nehmen dabei an, dass sie unnütz sind. Da sie über deren Nutzen keine Belehrung annehmen wollen, ignorieren und verachten sie die Wissenschaften, die sie nicht kennen. Manchmal kommt es sogar vor, dass einige sagen, sie würden gerne etwas über diese Wissenschaften wissen; doch nach wenigen Tagen kommen sie schon von diesem Vorhaben ab, weil sie den Nutzen der Wissenschaften nicht sehen. Ihr Nutzen liegt nämlich

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Teil I

sed exterius exspectatur; sicut utilitas domus non apparet in ea, nec in ejus compositione, sed quando tempestates veniunt, et latrones, et caetera incommoda ingravescunt. Et ideo sicut aliquis ignorans utilitates domus, volens tamen tentare ut fabricet et componat, cito gravabitur, et taedio afficietur, et dimittet opus, tum propter opera taediosa, tum propter expensas, tum propter quod reputat se tempus amittere si utiliatem non exspectat1; sic est hic quod isti qui ignorant utilitatem alicujus scientiae, ut sit geometriae, statim, nisi sint pueri qui coguntur2 per virgam, resiliunt et tepescunt, et vix volunt tres vel quatuor propositiones scire. Unde ex hoc accidit quod quinta propositio geometriae Euclidis dicitur3 Elufega, id est, fuga miserorum; elegia enim Graece dicitur, Latine miseria; et elegi sunt miseri4. Et igitur5 cogitavi in praeambulo tractatu utilitates philosophiae praemittere, ut tunc scientiae, quae videntur nihil valere, quaerantur cum diligentia et fervore. Et certus sum quod aliter non est via ad considerandum scientias philosophiae in particulari et in propria disciplina. Et ideo qui hunc tractatum praeambulum negligit, oportet quod ipse desperet de tractatu pleniori; et cum eo jam non est agendum, quia jam6 viis sapientialibus est rebellis. Et hoc probavi per experientiam in multis personis, qui, nolentes utilitates scientiarum7 et linguarum primo in tractatu8 considerare, aggredientes tamen laborem ipsarum scientiarum, deficiebant statim, quia utilitatem non videbant9. Et non est dubium quin quicunque, quantumcunque sit10 sapiens, resiliret a primo libro geo1  exspectat ]  exspectet, Ti. 2  coguntur ]  cogantur, L. 3  dicitur ]  dicatur, L. 4  miseri ]  »Et non est dubium quin quicunque, quantumcunque sit sapiens, resiliret a primo libro geometriae, nisi sciret ejus utilitatem; et sic de omnibus aliis scientiis, ut probavi centies.« T., dort wird es weiter unten [§ 37] weg­gelas­sen. 5  igitur ]  ideo, L. 6  quia jam ]  qui, L., om. jam L. 7  utilitates scientiarum ]  scientiarum utilitates, L. 8  primo in tractatu ]  in primo tractatu, L. 9  videbant ]  viderunt, B. U. 10  sit ]  om. L.

KAPITEL 6

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nicht in ihnen selbst begründet, sondern muss außerhalb von ihnen gesucht werden: ebenso wie der Nutzen des Hauses nicht an ihm selbst oder seiner Konstruktion ersichtlich ist, sondern erst dann, wenn Unwetter und Straßenräuber kommen oder andere Unbilden über einen hereinbrechen. Wenn daher jemand den Nutzen eines Hauses nicht einsieht und sich dennoch daran macht, es zu bauen und zu planen, wird er sehr bald beschwert; ermüdet hört er mit diesem Werk auf; sei es, weil es zu anstrengend ist, sei es wegen der Kosten oder weil er denkt, es sei Zeitverschwendung, weil man den Nutzen dieses Vorhabens nicht absehen kann. Ebenso ist es auch mit denen, die den Nutzen der einzelnen Wissenschaften, etwa der Geometrie, nicht kennen: Wenn sie keine Kinder sind, die durch die Rute gezwungen werden, schrecken sie davor zurück, ihr Enthusiasmus erkaltet und sie wollen kaum noch drei oder vier Propositionen kennenlernen. Aus diesem Grund wird das fünfte Postulat in der euklidischen Geometrie auch Elufega genannt, also die Flucht der Elenden; das griechische Wort ›elegia‹ bedeutet auf Latein nämlich ›miseria‹ [Elend] und ›elegi‹ sind die ›Elenden‹.42 Daher wollte ich die Nützlichkeiten der Philosophie in einer vorangehenden Abhandlung voranstellen, damit die Wissenschaften, die als wertlos eingeschätzt werden, mit Sorgfalt und Leidenschaft gesucht werden. Und ich bin mir ganz sicher, dass es keinen anderen Weg gibt, um dann auch die philosophischen Wissenschaften einzeln und in der ihnen jeweils eigenen Disziplin kennenzulernen. Daher wird derjenige, der diese vorangehende Abhandlung nicht beachtet, auch an einer ausführlicheren Abhandlung verzweifeln; und mit solch einem Menschen kann man nichts anfangen, weil er sich gegen die Wege der Weisheit auflehnt. Das habe ich selbst oft anhand meiner eigenen Erfahrung mit Personen erlebt, die die Nützlichkeit der Wissenschaften und der Sprachen nicht zuerst in einer Abhandlung kennenlernen wollten – denn auch wenn sie mit viel Arbeit an die einzelnen Wissenschaften herangegangen sind, haben sie doch bald aufgegeben, weil sie den Nutzen daraus nicht gesehen haben. Es besteht daher kein Zweifel, dass jeder, wie klug er auch immer sein mag, schon beim ersten Buch der Geometrie

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Teil I

metriae, nisi sciret ejus utilitatem; et sic de aliis scientiis omnibus, ut probavi centies. Qui enim auscultat quod triangulus habet tres angulos aequales duobus rectis angulis1, et demonstrationem ejus, si nescit utilitatem, ipse non dabit festucam, immo non dignabitur scire. Sed si tractatus ei detur, in quo nobiles veritates in rebus et scientiis, et quasi infinitae2, verificantur et certificantur per hanc propositionem, sicut ostendi in quarta parte Operis Majoris, tunc ipse ex evidentia utilitatis cogetur requirere intellectum hujus propositionis; et sic de aliis. Et ideo oportuit3 quod tractatum prae­ ambulum componerem de utilitatibus his.

CAPITULUM VII. Sed tertia ratio hujus tractatus praeambuli est annexa jam dictis; nam impossibile est in summa degustare scientiarum potestatem, cum utilitatibus praedictis, nisi tangantur omnes radices sapientiae fortiores, et rami erectiores, et flores suaviores, et fructus maturiores, et foliorum eloquentiae viror acceptus, et hoc tam de sapientia relata modis praedictis quam absoluta. Et quis est igitur insanus qui4 hujusmodi tractatum deberet refugere? Certe ei denuntio quod nunquam fuit aptus ad sapientiam, nec verus sapientiae amator. [31] Si homo non haberet plus de sapientiae potestate, certe deberet multum5 gaudere quia per haec posset caetera perquirere; et ­a liter [30]

1  angulis ]  om. L. 2  et quasi infinitae ]  om. L. 3  et ideo oportuit ]  Ideo oportet, L. 4  qui ]  quod, L. 5  multum ]  om. Ti. L.

KAPITEL 7

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[des Euklid] aufgeben wird, wenn er nicht deren Nutzen vor Augen hat; und so ist es mit allen anderen Wissenschaften, wie ich schon hunderte Male gezeigt habe. Wenn jemand zum Beispiel hört (und auch den Beweis dafür kennt), dass ein Dreieck drei Winkel hat, die gleich zwei rechten Winkeln sind, wird er dafür keinen Grashalm geben und es für nicht wissenswert halten, wenn er nicht den Nutzen daraus kennt. Wenn ihm jedoch eine Abhandlung gegeben würde, in der die ehrwürdigen und unzähligen Wahrheiten der Dinge und der Wissenschaften durch diese Aussage bestätigt und erklärt würden, wie ich es im vierten Teil meines Opus majus gezeigt habe43, würde er wegen der Erkenntnis der Nützlichkeit mit aller Kraft seinen Verstand auf den Erwerb dieses Wissens richten; und so ist es auch bei den anderen [Wissenschaften]. Daher war es notwendig, dass ich [zuerst] eine vorangehende Abhandlung über die Nützlichkeit der Wissenschaften geschrieben habe.

KAPITEL 7 Dritter Grund für eine einführende Abhandlung Der dritte Grund für diese vorangehende Abhandlung ist eng mit dem bereits Gesagten verbunden: Denn man kann unmöglich die Kraft der Wissenschaften mit ihren bereits genannten Nützlichkeiten in ihrer Gesamtheit kosten, wenn nicht alle die starken Wurzeln der Weisheit berührt werden, wenn nicht ihre festen Äste, ihre lieblichen Blüten, ihre reifen Früchte und die immergrünen Blätter der Beredsamkeit aufgenommen werden. Und das gilt sowohl für die Weisheit in Bezug auf die vorher genannten einzelnen Bereiche als auch für die Weisheit insgesamt. Wer könnte also so verrückt sein, eine solche Abhandlung zurückzuweisen? Solch einem müsste ich sicherlich ankündigen, dass er niemals für die Weisheit bereit wäre noch sie jemals wahrhaft lieben könnte. [31] Selbst wenn der Mensch nichts weiter von der Kraft der Weisheit hätte, müsste er sich doch sehr darüber freuen, weil er durch sie zu anderen Dingen voranschreiten kann. Das ist auf einem ande [30]

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Teil I

est impossibile. Si quis1 tamen dicat quod haec non intelligam nisi sciam tractatus plenos: respondeo, quod similiter nec2 eos sine hoc tractatu. Et melius est in paucis laborare, licet cum difficultate aliqua, quam in multis. Atque satis potest homo3 hic videre, dummodo veritates propositas recipiat, quae sunt satis intelligibiles, licet non omnes probationes sint ita faciles; sed possunt de facili exponi, et citius centies quam scripta principalia de qualibet scientia. Pro certo audeo asserere, quod cum tanta4 difficultate istius tractatus praeambuli reputo me fecisse plus ob reverentiam vestram, quam si tradidissem in scriptis principalibus totam grammaticam Latinorum, et logicam, et naturalem philosophiam, et metaphysicam, et alkimiam speculativam5, et quatuor mathematicas speculativas, non dico practicas; quia haec omnia nullam comparationem habent respectu eorum6 quae scripsi, nec possunt sciri sine eis, sicut7 probo evidenter. Et ideo summe necessarium reputo hunc tractatum, sine quo nihil potest fieri in consideratione sapientiae.

CAPITULUM VIII. [32]

Praeterea quarta ratio est quare oportet tractatum fieri praeambulum, ut non solum per ejus rationem pateat, quod non est possibile dare volumina completa de scientiis, sed per capitulum speciale, quod habet inseri in hoc tractatu; et est8 hujus capituli intentio revelare quibus hominibus, et quibus operibus, et quibus auxiliis, et quibus expensis habeat fieri scriptum principale, et qualiter impe1  Si quis ]  Sed quis, L. 2  nec ]  neque, L. 3  potest homo ]  homo potest, L. 4  tanta ]  tota, B. L. U. 5  alkimiam spekulativam ]  et medicinam speculativam, Zusatz B in Marginalie. 6  eorum ]  ipsorum, L. Ti. 7  sicut ]  ut, L. 8  et est ]  est et, L.

KAPITEL 8

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ren Weg nicht möglich. Wenn nun jemand sagt, dass ich das gar nicht wissen kann, wenn ich nicht jene ausführlichen Abhandlungen kenne, antworte ich, dass auch diese nicht ohne meine Abhandlung verstanden werden können. Und es ist besser, auf wenigen [Gebieten] zu arbeiten, wenn es auch mit einigen Schwierigkeiten verbunden sein mag, als auf vielen. Man kann das mit nicht allzu großen Schwierigkeiten einsehen, wenn man nur die [hier] vorgeschlagenen Wahrheiten annimmt, die doch verständlich genug sind, wenn auch nicht alle Beweisführungen so einfach sein mögen; dennoch können sie leicht erklärt werden, und zwar hundertmal schneller als durch spezielle Abhandlungen über jede Wissenschaft. So wage ich mit Sicherheit zu behaupten, dass es mir viel größere Schwierigkeiten gemacht hat, diese einführende Abhandlung für Euer Hochwürden anzufertigen, als wenn ich Euch in langen Einzeldarstellungen die gesamte lateinische Grammatik, die Logik, die Naturphilosophie, die Metaphysik, die spekulative Alchimie und die vier spekulativen mathematischen Wissenschaften (von den praktischen ganz zu schweigen) dargelegt hätte. Denn alle diese Wissenschaften lassen sich mit dem, was ich geschrieben habe, nicht vergleichen und können ohne meine Schriften nicht verstanden werden, wie ich deutlich zeige. Daher denke ich, dass diese Abhandlung äußerst notwendig ist, ohne die in der Betrachtung der Weisheit nichts erreicht werden kann.

KAPITEL 8 Vierter Grund für eine einführende Abhandlung [32]

Der vierte Grund für die Anfertigung einer einführenden Abhandlung besteht darin, dass es unmöglich ist, für alle Wissenschaften vollständige Bücher zur Verfügung zu stellen, sondern erst einmal ein spezielles Kapitel, dass in diese Abhandlung eingefügt werden muss. Der Zweck dieses Kapitels ist es, zu zeigen, welche Menschen, welche anderen Werke, welche Hilfeleistungen und welche Ausgaben nötig wären, wenn man ein grundlegendes Werk über

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Teil I

dimenta excludantur. Nam facile est dicere, fiant scripturae completae de scientiis; sed nunquam fuerunt apud Latinos aliquae1 condignae, nec fient, nisi aliud consilium habeatur. Et nullus sufficeret ad hoc2, nisi dominus papa, vel imperator, aut aliquis rex magnificus, sicut est dominus rex Franciae. [33] Aristoteles quidem, auctoritate et auxiliis regum, et maxime Alexandri3, fecit in Graeco quae voluit, et multis millibus hominum usus est in experientia scientiarum, et expensis copiosis, sicut historiae narrant. Salomon vero, rex ditissimus, similiter complevit philosophiam in Hebraeo; et filii Adae et Noae, et filii ejus, et Abraham, et illa familia, tum divitiarum potentia, tum longitudine4 vitae omnia compleverunt5. Deinde Avicenna, princeps magnus6, qui semper in libris sapientiae7 vocatur princeps Abhohali, ipse iterum revocavit philosophiam in Arabico, et exposuit opera antiquorum. Sic igitur quater fuit philosophia8 sufficienter tradita, sed bis omnino completa; scilicet, primo per filios Adae9 et Noae, et secundo per Salomonem. Caeteri duo juxta sua tempora tradiderunt sufficienter10, sed non omnino compleverunt, quia fuerunt infideles. [34] Et non fuit ab aliis tradita, nec unquam apud Latinos facta, nec complete translata, sed imperfecte, et pessime per partes pejores ab aliis linguis transfusa11. Haec patent ex secunda parte Operis Majoris, in capitulo illo ubi traditur numerus sapientum et tempora singulorum a mundi principio12. Et nulla causa est, nisi 1  aliquae ]  om. Ti. 2  ad hoc ]  om, L. 3  et maxime Alexandri ]  om. Ti. 4  tum longitude … compleverunt ]  om. Ti. 5  compleverunt ]  expleverunt, L. 6  magnus ]  magnificus, Ti. 7  sapientiae ]  om. L. 8  Sic igitur … philosophia ]  om. L. 9  primo per filios Adae ]  per filios Adae primo, B. 10  tradiderunt sufficienter ]  sufficienter tradiderunt, L. Ti. 11  transfusa ]  transcripta, L. 12  mundi principio ]  principio mundi, L. Ti.

KAPITEL 8

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alle Wissenschaften schreiben wollte, und wie man die Hindernisse dabei ausschließen müsste. Denn es ist leicht zu sagen, dass vollständige Schriften über die Wissenschaften enstehen sollten; doch bei den Lateinern gab es bisher noch keine Schriften, die diese Anforderung erfüllt hätten, und es wird sie auch nicht geben, wenn nicht ein anderer Weg gefunden wird. Doch niemand bis auf den Papst oder den Kaiser oder einen anderen mächtigen König, wie etwa der König von Frankreich, würde hierfür genügen. [33] Gewiss war es Aristoteles nur durch die Autorität und die Hilfe von Königen – vor allem des Königs Alexander – möglich, auf Griechisch zu schreiben, was immer er wollte. Er brauchte für die wissenschaftlichen Erkenntnisse viele tausend Männer und viel Geld, wie die Geschichten hierüber berichten. Auch König Salomon war sehr reich, weshalb er die Philosophie auf Hebräisch vervollständigt hat. Ebenso haben auch die Kinder von Adam und Noah und deren Söhne und Abraham und dessen Familie aufgrund ihres Reichtums und ihrer Langlebigkeit alles vollendet. Später ließ der große Fürst [der Philosophen] Avicenna, der in den Büchern der Weisheit immer der Fürst Abhohali44 genannt wird, die Philosophie im Arabischen wieder aufleben und erläuterte die Werke des Altertums. Auf diesem Wege wurde die Philosophie viermal zureichend überliefert, zweimal aber insgesamt und vollständig, nämlich zuerst durch die Söhne Adams und Noahs und danach durch Salomon. Die beiden anderen überlieferten sie hinreichend für ihre Zeit, sie haben sie aber nicht völlig vervollständigt, weil sie ­Ungläubige waren. [34] Von anderen ist die Weisheit nicht überliefert worden; und die Lateiner haben sie bis jetzt weder selbst zustande gebracht noch sie vollständig übersetzt: denn sie haben nur unvollkommene Übersetzungen angefertigt. Am schlimmsten ist es mit den Übersetzungen aus anderen Sprachen, wie aus dem zweiten Teil meines Opus maius45 hervorgeht, und zwar aus jenem Kapitel, das die Zahl der Weisen und der Weltalter seit Beginn der Welt behandelt46. Es gibt dafür keinen anderen Grund als die Nachlässigkeit

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Teil I

­negligentia principum et praelatorum Latinorum, qui nunquam fuerunt solliciti de studio sapientiae promovendo, sicut fuerunt apud Hebraeos, et Graecos1, et Arabes. Nam bene inventi sunt semper aliqui studiosi, et nunc sunt, qui aspirassent2 ad magnitudinem sapientiae; sed non potuerunt, nec possunt, propter defectum adjutorii, procedere.

CAPITULUM IX. [35]

[36]

Sed oportet me hic quinque dubitationes incurrentes removere, ut persuasio veritatis appareat manifesta. Una est quod ea, quae dico et quae dicenda, sunt contra3 exemplata, et consueta, et vulgata; et nos omnes allegamus haec tria in studio et in vita. Sed planum est consideranti quod haec tria inducunt omnem errorem et imperfectionem in hoc mundo, et omnem hominem et statum quemlibet corrumpunt; et quod4 nullus videbit veritatem, nisi haec tria a sua cogitatione removeat; et quartum similiter, quod est defensio propriae ignorantiae per reprobationem eorum quae nescimus, et non propter amorem veritatis. Et quia haec quatuor destruunt omnia, ideo feci in Opere Majori partem primam de hac materia, ostendens per Scripturam Sacram et per5 dicta sanctorum, per jus canonicum, per philosophiam, quod haec quatuor contrariantur veritati et perfectioni. Et quia ibi probavi hoc in principio, propter omnia sequentia, et in Secundo Opere feci mentionem, et adhuc in hoc Tertio Opere exprimam quae necessaria sunt, ideo haec objectio nulla est apud sapientes,

1  Hebraeos, et Graecos ]  Graecos, Hebraeos, L. Ti. 2  aspirassent ]  U. Caeteri, aspirabant. 3  contra ]  L. Caeteri, supra. 4  quod ]  om. Ti. 5  per ]  om. L. Ti.

KAPITEL 9

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der lateinischen Fürsten und Prälaten, die sich nie um die Förderung des Studiums der Weisheit gekümmert haben, wie es bei den Hebräern, den Griechen und den Arabern üblich war. Denn es war immer und ist auch jetzt noch leicht, lernwillige Studenten zu finden, die sich liebend gern der Herrlichkeit der Weisheit zuwenden würden; doch sie konnten und können aufgrund fehlender Unterstützung nicht vorankommen.

KAPITEL 9 Die Beseitigung von fünf Einwänden An dieser Stelle gilt es für mich, fünf auftretende Zweifel zu beseitigen, damit die Überzeugung von der Wahrheit deutlich aufscheinen kann. Der erste Einwand ist, dass das, was ich sage und was gesagt werden muss, gegen die gängigen Beispiele, Gewohnheiten und weit verbreiteten Bräuche ist, von denen wir uns alle im Studium und im Leben leiten lassen. Doch dem Nachdenkenden ist offensichtlich, dass diese drei [Irrtümer] uns zu allen Fehlern und Unvollkommenheiten in dieser Welt führen und jeden Menschen und jedes Amt verderben; und dass niemand jemals die Wahrheit sehen wird, wenn er diese drei [Irrtümer] nicht aus seiner Überlegung entfernt. Ebenso verhält es sich mit einem vierten Irrtum, der darin besteht, dass wir unsere Unwissenheit durch die Zurückweisung dessen verbergen, was wir nicht wissen, nicht jedoch aufgrund der Liebe zur Wahrheit. [36] Da diese vier Irrtümer alles zerstören, habe ich mich im ersten Teil des Opus maius47 mit ihnen beschäftigt. Dort habe ich mit der Heiligen Schrift, den Aussprüchen der Heiligen, dem Kirchenrecht und der Philosophie gezeigt, dass diese vier Irrtümer der Wahrheit und Vollkommenheit entgegengesetzt sind. Das habe ich dort sowohl bezüglich des Ursprungs als auch bezüglich der Folgen gezeigt. Auch im Opus minus48 habe ich darauf hingewiesen; und so tue ich es auch hier in meinem Dritten Werk, in dem ich sage, was notwendig ist, um diesem Einwand zu begegnen: Denn er gilt für [35]

Teil I

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[37]

[38]

qui semper fuerunt divisi a multitudine, et consuetudine, et exemplis vulgatis; ut sunt sancti, et philosophi, et caeteri notati in ­sapientia. Secunda objectio potest fieri, quod sancti neglexerunt a principio ecclesiae, et non approbabant multa quae hic scribo. Sed oportet nos stare judicio sanctorum, ut Gratianus1, et multi post eum usque nunc. Nam vulgus philosophantium et theologorum multa horum vel non approbat, vel deridet et reprobat. Ad hoc respondeo quod in primitiva ecclesia, et in tempore sanctorum, non fuerunt scientiae translatae apud Latinos; unde an esset perspectiva inter scientias numeranda non fuit auditum; et sic de multis aliis magnis scientiis, de quibus loquor. Nam minores usque ad tempora nostra2 non fuerunt translatae, nec adhuc sunt complete in Latinum conversae: dico logicam, et naturalem philosophiam, et metaphysicam; nec omnes partes grammaticae; et hae sunt viliores et minores scientiae. Nam sicut ostendo in grammaticalibus, in tertia parte Operis Majoris, ubi de linguis et grammaticalibus ago3, aliquae partes grammaticae deficiunt in Latino, et aliquae de logica, et multae de naturali philosophia, et multae de metaphysica. Et ideo non fuit mirum si sancti a principio non usi sunt his scientiis, nec approbaverunt, quia nescierunt an fuerunt in rerum natura possibiles. Sed aliud est reprobare, et aliud est non approbare. Homo qui nec laudat nec vituperat, non approbat, non tamen reprobat. Sed pro certo sancti non reprobaverunt has scientias, de quibus loquor; licet maxime videatur hoc de mathematica, scilicet astro-

1  ut ]  atque postea, T. B. 2  nostra ]  om. Ti. 3  ubi de linguis … ago ]  om. Ti.

KAPITEL 9

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nichts bei den Weisen, die immer schon von der Menge, den Gewohnheiten und den gängigen Beispielen geschieden waren, was für die Heiligen, die Philosophen und für viele andere gilt, die für ihre Weisheit bekannt sind. [37] Der zweite Einwand mag darin bestehen, dass die Heiligen der Kirche von Beginn an das, was ich hier schreibe, verachtet und vieles davon nicht gutgeheißen haben. Doch wir müssen uns nach dem Urteil der Heiligen richten, wie etwa Gratian und viele andere nach ihm bis heute. Denn die Menge der Philosophen und der Theologen hat vieles von ihnen entweder nicht bestätigt oder sogar ausgelacht und zurückgewiesen. Darauf antworte ich, dass in der frühen Kirche und zu der Zeit der Heiligen die Wissenschaften bei den Lateinern noch nicht übersetzt vorlagen, weshalb man etwa von der Perspektivik unter den damals bekannten Wissenschaften noch nichts gehört hatte, ebenso wie von vielen anderen wichtigen Wissenschaften, von denen ich hier spreche. Denn schon die geringeren Wissenschaften wurden bis in unsere Zeit hinein nicht übersetzt und sind bis heute nicht vollständig auf Latein zugänglich: ich meine hier die Logik, die Naturphilosophie und die Metaphysik. Dasselbe gilt für alle Teile der Grammatik. Und dies sind schließlich nur die wertloseren und geringen Wissenschaften. Denn wie ich im dritten Teil des Opus maius49 zeige – jenem Teil, in dem ich von den Sprachen und ihrer Grammatik spreche –, sind einige Teile der Grammatik im Lateinischen verloren gegangen; und ebenso einige Teile der Logik, große Teile der Naturphilosophie und weite Teile der Metaphysik. Es war daher nicht verwunderlich, dass die Heiligen zu Beginn diese Wissenschaften nicht benutzt und sie auch nicht gutgeheißen haben, weil sie schließlich nicht wussten, was es in den Naturdingen für Möglichkeiten gab. Doch etwas zurückweisen und etwas nicht gutheißen sind zwei verschiedene Dinge. Ein Mensch, der weder lobt noch tadelt, mag zwar etwas nicht anerkennen, aber dennoch weist er es nicht zurück. [38] Mit Sicherheit haben die Heiligen die Wissenschaften, von denen ich hier spreche, nicht zurückgewiesen; auch wenn das für einen

Teil I

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nomia, propter judicia, et quia multi mathematici imposuerunt necessitatem libero arbitrio. Sed sancti non reprobant mathematicam, quae est pars philosophiae, sed quae pars est artis magicae, ut manifestum est per sanctos. Nam Isidorus in tractatu Astronomiae dicit, quod astronomia duplex est: una est naturalis, et alia superstituosa; et mathematica una derivatur a mathesi, media correpta, et illa est pars philosophiae; altera dicitur a μάθησι1, media producta, et illa est secunda species artis magicae; et haec sola maledicta imponit necessitatem rebus et libero arbitrio. Et quicquid sancti dicunt, est contra hanc; et eam non solum sancti, sed philosophi omnes reprobant, ut Aristoteles et Plato, sicut Isidorus etiam testatur, et Ptolemaeus, et Avicenna, et Plinius, et Tullius, et omnes sapientes. Et aliam mathematicam sancti approbant super omnes scientias, et scripserunt eam, et docuerunt, et exposuerunt Scripturam per eam. Haec autem, quae nunc narro, ego probo evidenter per sanctos et philosophos in quarta parte Operis Majoris, ubi de judiciis anstronomiae fit sermo specialis. Nunquam igitur sancti reprobaverunt multa, quae moderni credunt reprobanda, quia decepti sunt in aequivocatione nominis, non distinguentes inter mathematicam veram et falsam. Et sic est de aliis multis, in2 quae aliquando impegit Gratianus, et posteriores eo, et modernorum theologorum vulgus. Sed sapientes theologi hoc non faciunt; et Gratianus multa dixit, quae modo abrogata sunt, et plura abrogabuntur per temporum successionem, secundum quod magis clarescet

1  μάθησι ]  mathηsi, Ti. 2  in ]  om. Ti.

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Zweig der Mathematik, nämlich für die Astronomie, aufgrund der Zukunftsvorhersagen so scheinen mag, und weil viele Mathematiker dem freien Willen eine Notwendigkeit aufgezwungen haben. Doch die Heiligen haben nicht jene Mathematik zurückgewiesen, die ein Teil der Philosophie ist, sondern jene, die ein Teil der magischen Kunst ist, wie anhand der Heiligen offensichtlich ist. Denn Isidor [von Sevilla] sagt in seinem Werk über die Astronomie, dass die Astronomie zweifach ist: die eine ist natürlich, die andere hingegen abergläubisch50. Die eine Mathematik wird von mathesi, in der Mitte kurz betont, abgeleitet und ist ein Teil der Philosophie; die andere kommt von μάθησι, in der Mitte lang betont, und diese ist eine Unterart der magischen Kunst. Nur diese letzte verfluchte Mathematik zwingt den Dingen und dem freien Willen eine Notwendigkeit auf. Was immer die Heiligen sagen, ist gegen diese gerichtet. Denn diese [magische Kunst] haben nicht nur die Heiligen, sondern alle Philosophen – nicht nur Aristoteles und Platon, wie auch hier Isidor bestätigt 51 –, sondern auch Ptolemäus, Avicenna, Plinius, Cicero und alle Weisen immer schon verworfen. Die andere Mathematik hingegen haben die Heiligen seit jeher höher geschätzt als alle anderen Wissenschaften: sie haben über sie geschrieben, haben sie gelehrt und die Heilige Schrift mit ihrer Hilfe ausgelegt. Was ich hier darlege, beweise ich ausführlich und klar mit Hilfe der Heiligen und Philosophen im vierten Teil meines Opus maius52, wo es über die Vorhersagen der Astronomie eine gesonderte Abhandlung gibt. Denn niemals haben die Heiligen viel von dem verworfen, wovon unsere Zeitgenossen denken, dass es zurückgewiesen werden müsse, weil sie durch den Gleichklang getäuscht worden sind und nicht zwischen wahrer und falscher Mathematik unterscheiden. So verhält es sich auch mit vielem anderen, an dem sich Gratian und seine Nachfolger ebenso wie die Menge der zeitgenössischen Theologen gestoßen haben. Doch die weisen Theologen täuschen sich hier nicht; und Gratian hat vieles gesagt, was mittlerweile verworfen worden ist. Ebenso werden sich auch in Zukunft viele Irrtümer aufklären, damit die Sicherheit der Wahrheit

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certitudo veritatis. Sunt autem multae causae quare scientiae non fuerunt a principio translatae, nec in usu sanctorum, quas rationes scribo in fine primae partis Operis Majoris. [39] Et si obnixe adhuc tertio objiciatur, quod sancti aliqua redarguunt de his, quae scribo, et Gratianus et alii, respondeo quod nunquam fuit tempus quin ea, quae de novo proponuntur, habeant contradictionem, etiam a sanctis et a bonis viris, et a sapientibus, in aliis, licet non in his, quae inconvenienter reprobant. Aaron et Maria restiterunt Moisi, ut habetur decimo Numerorum; et tamen ­Aaron sanctus est, et similiter creditur de Maria. Omnes sancti et sapientes reprobaverunt translationem beati1 Hieronymi in Biblia, et vocaverunt eum falsarium et corruptorem Scripturae: unde beatus Augustinus dixit ei multa opprobria, et caeteri sancti deriserunt eum; et tamen praevaluit post mortem Hieronymi sua translatio, qua nunc tota Christianitas utitur Latinorum. Similiter post mortem beati Gregorii, voluerunt homines comburere libros ejus, qui tamen sunt optimi et sanctissimi. Theologi Parisius, et episcopus, et omnes sapientes, jam ab annis circiter quadraginta, damnaverunt et excommunicaverunt libros Naturalis et Metaphysicae Aristotelis; qui nunc ab omnibus recipiuntur pro sana et utili doctrina. Certe multi fuerunt sancti et boni inter Judaeos quando crucifixus est Dominus, et tamen omnes dimiserunt Eum, praeter Matrem suam, et beatum Johannem, et Marias; et dicitur adhuc quod sola Mater Dei fidem rectam habuit. Tanta est humana fragilitas, quod sancti etiam aliquid humanum saepe passi sunt; multi enim sancti propter acerbitatem poenarum negaverunt Christum ad tempus, licet postea redierunt ad statum mentis. Et papa obtulit thura

1  beati ]  sancti, Ti.

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heller erstrahlen wird. Denn es gibt viele Gründe, aus denen die Wissenschaften nicht von Beginn an übersetzt wurden und daher auch nicht im Gebrauch der Heiligen waren, über die ich gegen Ende des ersten Teils meines Opus maius53 geschrieben habe. [39] Wenn nun drittens standhaft entgegnet würde, dass die Heiligen ebenso wie Gratian und andere einiges von dem, was ich hier schreibe, widerlegen, antworte ich, dass Neuheiten niemals ohne Widerspruch geblieben sind. Sogar Heilige und gute Männer, ja sogar die Weisen, haben einiges von den Dingen, die ihnen unpassend schienen, zurückgewiesen. Aaron und Mirjam haben sich Moses widersetzt, wie im zehnten Kapitel des Buches Numeri 54 zu lesen steht – und doch ist Aaron heilig, ebenso wie man es auch von Mirjam glaubt. Alle Heiligen und Weisen haben die Bibelübersetzung des seligen Hieronymus verworfen und nannten ihn ­einen Verfälscher und Verderber der Schrift: daher hat der selige Augustinus ihn beschimpft 55 und andere Heilige haben ihn ausgelacht; und doch galt seine Übersetzung nach seinem Tod mehr [als alle anderen] und wird noch heute von der gesamten lateinischen Christenheit benutzt.56 Genauso wollten die Menschen nach dem Tod des seligen Gregor [des Großen] seine Bücher verbrennen57, obwohl sie äußerst heilig und gut sind. Die Pariser Theologen, der Bischof von Paris und alle Weisen haben vor nicht einmal 40 Jahren die Bücher des Aristoteles über die Natur und seine Metaphysik verdammt und [vom Lehrplan] ausgeschlossen58; doch heute werden sie von allen als gesunde und nützliche Lehren ­aufgenommen. Sicher waren auch viele heilige und gute Menschen unter den Juden, als sie den Herrn gekreuzigt haben, und doch haben ihn alle verlacht außer seiner Mutter, der selige Johannes und die Marien. Heute wird jedoch gesagt, dass nur die Mutter Gottes den richtigen Glauben hatte. So groß ist die menschliche Gebrechlichkeit, dass ihr selbst die Heiligen mitunter unterworfen waren, denn viele von ihnen verleugneten Christus zu seiner Zeit, weil sie die Härte der Strafen fürchteten, auch wenn sie später doch wieder zur rechten Vernunft kamen. Der Papst selbst hat sich aus

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i­dolis, ex timore a fidei veritate discedens, sed postea rediit ad eandem veritatem. Unde si sancti non omnia philosophica approbant, vel aliqua reprobant, ex ignorantia, et propter quinque causas, quas tango in prima parte Operis Majoris versus finem illius partis, non miror, cum1 aliud tempus fuit tunc, et aliud nunc est. [40] Nam inter caeteras causas una est quod philosophia regebat mundum tunc, et non habuerunt homines sapientes, nec imperatores, aliam legem; cui etiam tunc ars magica fuit annexa secundum aestimationem vulgi, licet philosophi veri eam semper abhorrebant. Et quia sic praevaluit mundo2 philosophia, et homines gaudent sensu suo et consuetudine, ideo non voluerunt aliam legem recipere; et ideo secundum judicium philosophorum et consilium actum est contra Christianos; et propter hoc a principio ecclesia abhorruit philosophiam, et diu hoc duravit; et ideo sancti aliqua reprobaverunt. Sed tamen qui bene considerat, haec sunt secundum veritatem magica quae tunc ascripta fuerunt philosophiae, secundum judicium sanctorum et ecclesiae. Et proculdubio infideles per artem magicam multa mala fecerunt; nam et miracula sanctorum ascripserunt artibus magicis, quia vulgus infidelium multa viderunt fieri mirabilia ab hominibus fraudulentis per artem magicam. [41] Quarta objectio potest fieri, quia in his, quae vobis scribo, utor multis reprobationibus, et alias multis laudibus, et de personis et de scientiis. Ad hoc respondeo quod non possum aliter aperire veritatem, sicut videbitis ex serie omnium scripturarum, quas facio vobis; et affirmo, coram Deo et vobis, quod hoc non facio nisi propter necessitatem persuadendae veritatis, et propter utilitatem

1  cum ]  sed, Ti. B. 2  mundo ]  in mundo, Ti.

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Angst, von der Wahrheit des rechten Glaubens abzuweichen, geweigert, den Weihrauch der Götzenbilder anzunehmen, und kam doch danach zu eben jener Wahrheit zurück. Wenn daher die Heiligen nicht alle philosophischen Wahrheiten billigen, sondern einige von ihnen verwerfen, geschieht das aus Unwissenheit und aus den fünf Gründen, auf die ich gegen Ende des ersten Teils meines Opus maius59 eingehe. Und ich wundere mich darüber nicht, denn damals war eine andere Zeit als heute. [40] Denn unter den anderen Gründen besteht einer darin, dass die Philosophie damals die Welt beherrscht hat: Die weisen Menschen und die Herrscher hatten damals noch kein anderes Gesetz, die Magie war mit diesem Gesetz verbunden, und die Menge hat die Magie verehrt, auch wenn die Philosophen sie schon immer verabscheut haben. Da die Philosophie damals so viel in der Welt gegolten hat, und da die Menschen sich an ihr aus Gewohnheit erfreuten, wollten sie kein anderes Gesetz annehmen, weshalb die Urteile und Ratschläge der Philosophen sich meist gegen die Christen gerichtet haben. Daher verabscheute die Kirche die Philosophie zu Beginn und tat dies auch noch sehr lange Zeit, weshalb die Heiligen damals einiges von dem abgelehnt haben, was die Philosophie lehrte. Wer jedoch genau darüber nachdenkt, muss zugeben, dass vieles von dem, was früher nach dem Urteil der Kirche und der Heiligen der Philosophie zugeschrieben worden ist, in Wahrheit magische Praktiken sind. Und ohne Zweifel haben die Ungläubigen durch Magie großen Schaden angerichtet; aber auch die Wunder der Heiligen sind oft als Magie gesehen worden, weil die ungläubige Menge viele Wunder als durch betrügerische Menschen verursachte Magie eingeschätzt hat. [41] Ein vierter Einwand kann entstehen, weil ich in dem, was ich an Euch schreibe, viele Personen und Wissenschaften über das Maß tadele oder zu sehr lobe. Darauf antworte ich, dass ich die Wahrheit anders nicht aufzeigen kann, wie Ihr an allen Schriften sehen werdet, die ich für Euch anfertige. Ich versichere daher im Angesicht Gottes und vor Euch, dass ich das nur tue, um von der Wahrheit zu überzeugen und um Euch, mir und der gesamten Kirche

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Teil I

v­ estram, et meam, et totius ecclesiae. Unde non sic loquerer alicui nisi vobis, qui estis caput mundi; et ideo mihi parcat vestra sapientia in hac parte. Quinta vero objectio est fortis et gravis mihi; sed solvitur per quartam; et est quod jam aestimatur a vulgo studentium, et a multis qui valde sapientes aestimantur, et a multis viris bonis, licet sint decepti; quod philosophia jam data sit Latinis, et completa, et composita in lingua Latina, et est facta in tempore meo et vulgata Parisius, et pro auctore allegatur compositor ejus. Nam sicut Aristoteles, Avicenna, et Averroes allegantur in scholis, sic et ipse; et adhuc vivit, et habuit in vita sua auctoritatem, quod nunquam homo habuit in doctrina. Nam Christus non pervenit ad hoc, cum et Ipse reprobatus fuerit1 cum sua doctrina in vita sua. Non sine magna compassione et de auctore hoc, et de errore vulgi decepti per eum, ego loquor; sed nisi hoc sit consideratum, non potest veritas apparere. Sed veritas fortior est omnibus, ut dicit Scriptura. Tangam vero veritatem de scriptis his, et de persona, solum propter amorem veritatis, et propter utilitatem communem. Haec autem scripta habent peccata quatuor: Unum est vanitas puerilis infinita; secundum est falsitas ineffabilis; tertium est superfluitas voluminis, eo quod tota potestas illarum scientiarum posset coarctari utili tractatu2, et veraci, et plano, et perfecto in vicesima parte illorum voluminum; quartum est, quod partes philosophiae magnificae utilitatis, et immensae pulchritudinis, et sine quibus non possunt sciri quae vulgata sunt, de quibus ego vestrae gloriae scribo, auctor istorum operum omisit. Et ideo nulla est utilitas

1  fuerit ]  fuerat, B. U. 2  utili tractatu ]  tractatu utili, Ti. U.

KAPITEL 9

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nützlich zu sein. Ich spreche daher nur zu Euch in dieser Art und Weise, der Ihr das Haupt der Welt seid, weshalb Eure Weisheit mich in dieser Angelegenheit sicher schonen wird. [42] Der fünfte Einwand ist stark und schwer für mich, wird jedoch durch den vierten Einwand gelöst. Er wird zwar von der Menge der Studierenden und von vielen, die als sehr weise eingeschätzt werden, ebenso wie von vielen guten Männern geschätzt, doch irren sie sich hier: Sie meinen nämlich, den Lateinern sei die Philosophie bereits in ihrer Gesamtheit übereignet und in lateinischer Sprache zugänglich gemacht und erklärt worden, und dies heutzutage und ausgehend von Paris. Der Verfasser dieser Philosophie wird als ›Autor‹ gefeiert60, den man in den Schulen so wie Aristoteles, Avicenna und Averroes zitiert. Dabei ist er ein noch lebender Zeitgenosse und genießt zu Lebzeiten eine Autorität, die noch kein Mensch je für seine Lehre besaß. Denn nicht einmal Jesus Christus hat es je dahin gebracht, da er ja in seinem Leben samt seiner Lehre verurteilt wurde. Nicht ohne tiefes schmerzliches Empfinden spreche ich von diesem Autor und von dem Irrtum, in den er die Menge geführt hat. Wird jedoch das Augenmerk nicht darauf gelenkt, kann die Wahrheit nicht aufscheinen. Doch die Wahrheit ist stärker als alles andere, wie die Heilige Schrift sagt. Ich spreche daher die Wahrheit über seine Schriften und ihn selbst nur aufgrund der Liebe zur Wahrheit und für den allgemeinen Nutzen aus. [43] Seine Schriften haben vier Fehler: der erste ist ihre grenzenlose jugendliche Eitelkeit; der zweite ist ihre unsägliche Falschheit; der dritte Fehler ist die überflüssige Anzahl seiner Bücher, denn alle seine Darlegungen über die Wissenschaften könnte man in einer einzigen nützlichen Abhandlung zusammenbringen, die in einem Zehntel der von ihm geschriebenen Menge an Büchern alles ebenso wahrhaftig, klar und vollkommen behandeln würde. Der vierte Fehler besteht darin, dass gerade die Teile der Philosophie, die durch ihre herrliche Nützlichkeit und immense Schönheit bestechen, von denen ich hier an Euch schreibe und ohne die nicht einmal die allgemeinsten Dinge gewusst werden können, von dem Autor dieser Werke vollkommen ausgelassen werden. Daher ­haben

Teil I

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[44]

in1 scriptis illis, sed maximum sapientiae detrimentum. Nec mirum si merito sua scripta habent negligi, quoniam nunquam philosophiae partes audivit nec didicit ab aliquo, nec fuit nutritus in studio Parisiensi, nec alibi, ubi viget studium philosophiae; nec legit, nec disputavit, nec exercitatus est disputando et conferendo cum aliis; nec revelationem habuit, quia nec ad hanc se paravit aliter vivens; et falsa, et vana, ac superflua cumulans, et utilia ac necessaria dimittens, quae non indicant revelationem: sed per seipsum praesumpsit tractare quae ignoravit. Non sine causa haec locutus sum de hoc auctore ficto2, quia non solum ad propositum meum facit, sed dolendum est quod studium philosophiae per ipsum est corruptum plus quam per omnes qui fuerunt unquam inter Latinos. Nam alii licet defecerunt, tamen non praesumpserunt de auc­ toritate, sed iste per modum authenticum scripsit libros suos, et ideo totum vulgus insanum allegat eum Parisius, sicut Aristotelem, aut Avicennam, aut Averroem, et alios auctores3. Et iste non solum magnum detrimentum dedit studio philosophiae sed theologiae, sicut ostendo in Opere Minori, ubi loquor de Septem peccatis studii Theologiae; et praecipue tertium peccatum est contra istum, quod discutio apertius propter eum. Duos enim noto ibi, sed ipse est principalis in re; sed alius majus nomen habet, qui ­tamen mortuus est. Et ista patent evidenter ex Opere Majori et Minori, quia in illis, tam divinis quam humanis, de quibus nititur certificare, ostendo quod multiplicantur omnia vana, falsa, et superflua, et singula

1  in ]  om. Ti. 2  ficto ]  dicto, Ti. U. 3  et alios auctores ]  om. Ti.

KAPITEL 9

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seine Schriften nicht nur keinen Nutzen, sondern sie sind zum größten Schaden für die Weisheit. Es ist auch kein Wunder, dass seine Schriften keinen Wert haben, denn er hat niemals von den verschiedenen Teilen der Philosophie gehört oder sie von irgendwem gelernt, noch ist er jemals durch die Studien an der Universität von Paris oder sonst irgendwo genährt worden, wo das Studium der Philosophie in Blüte steht; auch hat er nie Vorlesungen gehalten oder disputiert und ist nicht in der Disputation und der Diskussion mit anderen geübt; er hatte auch keine Offenbarung [revelatio], weshalb er auch darin keinen lebenden Menschen übertreffen würde. Er häuft Falsches, Eitles und Überflüssiges an und vernachlässigt das Nützliche und Notwendige, was nicht auf eine Offenbarung schließen lässt. Doch er hat dennoch vorgegeben, Dinge zu behandeln, die er gar nicht kannte. Wohl habe ich Grund, von diesem Autor so zu sprechen, der sich selbst dazu aufgeworfen hat, nicht nur, weil er nicht nach meinem Sinn handelt, sondern weil es ein Jammer ist, wie das Studium der Philosophie durch ihn mehr als durch irgendjemanden sonst unter den Lateinern verdorben wurde. Zwar haben auch andere Fehler gemacht; doch haben sie sich keine Autorität angemaßt. Dieser aber schrieb seine Bücher mit autoritativem Anspruch, und so beruft sich nun in Paris die ganze hingerissene Menge auf ihn wie auf einen Aristo­teles, ­einen Avicenna, einen Averroes oder andere Autoren. Und er hat nicht nur dem Studium der Philosophie, sondern auch dem Studium der Theologie viel Schaden zugefügt, wie ich im Opus minus zeige, wo ich die sieben Fehler im Studium der Theologie bespreche61. Besonders trifft ihn der dritte Fehler62, den ich im Hinblick auf ihn daher ganz offen erörtere. Allerdings nenne ich dort zwei Persönlichkeiten, aber er ist der Hauptverantwortliche in der Sache. Der andere, der einen bedeutenden Namen hat63, ist freilich schon ­gestorben. Das alles wird im Opus maius und im Opus minus klar, weil ich in diesen Werken, die sich sowohl mit menschlichen als auch mit göttlichen Dingen beschäftigen, zeige, dass durch diese Männer alles Eitle, Falsche und Überflüssige vorangebracht wird, wohin-

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Teil I

prae­clara, ac magnifica, et utilia relinquuntur. Et haec satis liquide ­patebunt ex haec tertia scriptura.

CAPITULUM X. [45]

[46]

Redeo igitur ad propositum, scilicet ad quartam causam, asserens quod necessarium est ut scriptum praeambulum fiat, in quo ostendatur difficultas faciendi scripturas principales, immo quod impossibile est quod aliquis de his, qui modo vivunt, solus haec peragat, quantumcunque habeat in expensis, nec omnes sapientes mundi, nisi expensas habeant pro sua voluntate. Et quia horum consideratio non traditur in scriptis, homines nunquam percipiunt quid faciendum est, et negligunt excitare praelatos et principes ad perfectionem sapientiae. Totum autem quod scripsi in duplici opere est de hac materia, et ostendit difficultatem, quae semper cucurrit apud Latinos. Sed modo reducam omnia ad quasdam radices certas, scilicet sex. Placuit autem Deo dare sapientiam cui voluit; nam omnis sapientia a Domino Deo est; et Ipse philosophis, tam infidelibus quam fidelibus, eam revelavit. Et hoc declaro in capitulo secundae partis memorato, et quibusdam aliis capitulis illi annexis, in eadem parte voluminis. Revelavit igitur Deus primo philosophiam sanctis suis, quibus et legem dedit; nam philosophia utilis est legi Dei, ad intellectum, ad promulgationem, ad probationem, ad defensionem, et

KAPITEL 10

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gegen die einzelnen klaren, herrlichen und nützlichen Lehren verloren gehen. Auch in diesem dritten Werk wird das hinreichend deutlich werden.

KAPITEL 10 Weiteres über den vierten Grund für eine einführende Abhandlung [45]

[46]

Doch ich kehre nun zu dem Vorangegangenen zurück, nämlich zum vierten Grund, der darin besteht, dass eine einführende Abhandlung benötigt wird, in der die Schwierigkeiten für das Schreiben von vertiefenden und grundlegenden Werken aufzeigt werden. Denn gewiß ist es unmöglich, dass jemand von den heute Lebenden das alleine durchführen könnte, wie viele finanzielle Mittel er auch haben möge. Es wäre sogar für alle Weisen der Welt unmöglich, wenn sie nicht die dafür benötigte finanzielle Unterstützung nach ihrem Willen bekämen. Weil die Betrachtung dieser [Schwierigkeiten] jedoch nie in den Schriften erwähnt wird, wissen die Menschen nie, was zu tun ist, und unterlassen es, die Prälaten und Fürsten zur Vervollkommnung der Weisheit zu ermuntern. Alles, was ich in meinen beiden anderen Werken geschrieben hatte, handelte von diesem Thema, das die Schwierigkeit aufzeigte, die es bis jetzt immer bei den Lateinern gab. Doch jetzt werde ich alles auf einige sichere Wurzeln zurückführen, nämlich auf sechs [Wurzeln]. Es hat Gott aber gefallen, die Weisheit dem zu geben, den er ausgesucht hat, denn alle Weisheit kommt von Gott dem Herrn. Und er selbst hat sie den Philosophen geoffenbart, seien sie gläubig oder ungläubig. Das erkläre ich im bereits erwähnten Kapitel des zweiten Teils64 [des Opus maius] und in einigen anderen Kapiteln, die mit diesem in demselben Teil des Buches verbunden sind. So hat Gott seinen Heiligen die Philosophie zuerst geoffenbart, denen er auch sein Gesetz gegeben hat. Denn die Philosophie ist dem Gesetz Gottes äußerst nützlich: sowohl, um es zu verstehen, als auch, um es voranzubringen, zu beweisen, zu verteidigen und

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Teil I

multis aliis modis, ut patet per opera quae scribo. Et ideo primo tradita est principaliter et complete in lingua Hebraea. Deinde renovata est principaliter per Aristotelem in lingua Graeca; deinde principaliter per Avicennam in lingua Arabica; sed nunquam in Latina fuit composita, sed solum translata de linguis alienis, et meliora non sunt translata. Et de his scientiis, quae translatae sunt, nihil est perfectum; et translationes sunt perversae, nec intelligibiles in multis scientiis, maxime in libris Aristotelis. Et infinita vocabula de linguis aliis remanserunt cum Latino, quae non possunt intelligi. Et quae bene translata fuerunt, sunt modo depravata, quia linguas ignoramus. Et falso translata sunt infinita, quia interpres debet scire scientiam, quam vult transferre, et linguam a qua transfert, et aliam in quam transfertur. Sed solus unus scivit scientias, ut Lincolniensis episcopus; solus Boetius scivit linguas omnes; alii ignoraverunt scientias et linguas, sicut expono in iis, quae scribo in tertia parte Majoris Operis, ubi probo quod propter hoc quod vulgus Latinorum ignorat linguas tres dictas, quod periit philosophia ab iis, et non solum philosophia, sed intellectus Sacri Textus. Nam omnes doctores sancti, et omnes philosophi et poetae, et omnes sapientes antiqui, usque ad tempora nostra, sciverunt linguam saltem Graecam. Nam Italia fuit Magna Graecia, et adhuc vestigia restant; quoniam in Calabria, et Apulia, et Sicilia, et alibi, sunt multae ecclesiae Graecae, et populus eis subjectus. Insuper, ut ostendo ibi, ipsa lingua Latina est pro majori parte composita ex Graeco et Hebraeo; unde Latini nihil magnificum scire possunt sine notitia

KAPITEL 10

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auf viele andere Arten, wie es anhand meiner Werke offensichtlich ist. Zuerst ist die Philosophie grundlegend und vollständig in hebräischer Sprache überliefert worden. Dann ist sie grundsätzlich von Aristoteles in griechischer Sprache erneuert und später von Avicenna auf Arabisch weitergeführt worden. Auf Latein wurde sie jedoch nie abgefasst, sondern nur aus fremden Sprachen übersetzt, wobei die wertvolleren Dinge nicht übersetzt worden sind. Von den Wissenschaften aber, die übersetzt worden sind, ist nichts vollkommen. Die Übersetzungen sind verfälscht und in vielen Wissenschaften nicht verständlich, was vor allem für die übersetzten Bücher des Aristoteles gilt. Außerdem gibt es immer noch unzählige Wörter aus anderen Sprachen im lateinischen Sprachgebrauch, die unverständlich sind. [47] Selbst die gut übersetzten Texte sind entstellt, weil wir die Sprachen nicht kennen. Unzählige Texte sind auch deshalb falsch übersetzt worden, weil der Übersetzer die Wissenschaft kennen muss, die er übersetzen will, und außerdem die Sprache, aus der er übersetzt, sowie die Sprache, in die er übersetzt. Nur einer kannte die Wissenschaften, nämlich [Robert Grosseteste] der Bischof von Lincoln65; und nur Boethius66 kannte alle Sprachen. Die anderen kannten weder die Sprachen noch die Wissenschaften, wie ich im dritten Teil des Opus maius67 schreibe, wo ich auch zeige, dass die Menge der Lateiner die drei genannten Sprachen [Hebräisch, Griechisch und Arabisch] nicht kennt, weshalb ihnen die Philosophie verloren gegangen ist – und nicht nur die Philosophie allein, sondern auch das Verständnis der Heiligen Schrift. Denn alle Kirchenväter, alle Philosophen, alle Dichter sowie alle Weisen der Antike bis zu unserer Zeit konnten zumindest Griechisch. Italien war früher schließlich Großgriechenland [Magna Graecia], wovon es heute noch Spuren gibt, da es in Kalabrien, Apulien, Sizilien und andernorts noch viele griechische Kirchen gibt, denen die dort lebende Bevölkerung untergeordnet ist. Darüber hinaus ist die latei­ nische Sprache – wie ich dort auch gezeigt habe – zu großen Teilen aus dem Griechischen und Hebräischen zusammengesetzt, weshalb die Lateiner nichts Herrliches ohne die Kenntnis dieser

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[48]

Teil I

harum linguarum, sicut satis declaro1 in illa2 tertia parte operis, et in Opere Minori, ubi loquor de potestate studii theologiae, scilicet in tertio peccato3, et quinto et sexto. Sed auctor praedictus et fictus nihil scit de linguarum potestate, sicut nec totum vulgus; nam non sunt quatuor Latini, qui sciant grammaticam Hebaraeorum, et Graecorum, et Arabum: bene enim cognosco eos, quia et citra mare et ultra diligenter feci inquiri, et multum4 in his laboravi. Multi vero inveniuntur, qui sciunt loqui Graecum, et Arabicum, et Hebraeum, inter Latinos, sed paucissimi sunt qui5 sciunt rationem grammaticae ipsius, nec sciunt docere eam: tentavi enim permultos. Sicut enim laici loquuntur linguas quas addiscunt, et nesciunt rationem grammaticae, sic est de istis. Vidimus enim multos laicos, qui optime loquebantur Latinum, et tamen nihil sciverunt de regulis grammaticae; et sic est modo de omnibus Hebraeis fere, et similiter de Graecis veris, non solum de Latinis qui sciunt Graecum et Hebraeum. Nam Hebraei et Graeci amiserunt sapientiam Dei et sapientiam philosophiae, ita quod paucissimi eorum sciunt docere grammaticam veraciter, cum causis et rationibus reddendis, sicut nos Latini scimus per libros Prisciani. Et nullus eorum, qui scivit aliquid de linguis, est qui sciat scientias. Et ideo transferre non possunt, nec magnam utilitatem facere, nec se intromittunt de studii potestate, quamvis boni adjutores essent necessarii. Oportet6 igitur primo habere homines peritos in linguis alienis, et hi haberi non possunt sine magnis expensis. Et similiter oportet habere libros aliarum

1  declaro ]  declaravi, Ti. 2  illa ]  om. Ti. 3  tertio peccato ]  peccato tertio, Ti. 4  multum ]  diligenter, Ti. 5  qui ]  quia, B. 6  Oportet ]  Oporteret, B.

KAPITEL 10

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Sprachen wissen können. Ich habe darüber im dritten Teil [des Opus maius]68 und im Opus minus genug gesagt, wo ich anhand des dritten69, fünften70 und sechsten71 Fehlers über die Macht des Studiums der Theologie gesprochen habe. [48] Aber der vorhin genannte heuchlerische Autor72 weiß nichts über die Macht dieser Sprachen, ebenso wenig wie die Menge; denn es gibt nicht einmal vier Personen unter den Lateinern, die die he­ bräi­sche, griechische und arabische Grammatik beherrschen. Ich kenne diese Leute gut, weil ich mich diesseits und jenseits des Meeres ausführlich nach ihnen erkundigt und viel im Sprachenstudium gearbeitet habe. Es können unter den Lateinern zwar viele gefunden werden, die Griechisch, Arabisch und Hebräisch sprechen können, doch es gibt nur sehr wenige, die auch die Regeln und Gründe der Grammatik dieser Sprachen kennen oder sie lehren können: ich habe nämlich viele von ihnen geprüft. Denn so wie auch das Laienvolk die Sprachen spricht, die es erlernt hat, ohne die grammatischen Regeln zu kennen, ist es auch bei diesen Leuten. Schließlich haben wir bereits viele Laien gesehen, die Latein perfekt sprechen konnten und doch nichts über die grammatischen Regeln wussten. Genauso ist es auch jetzt bei fast allen Hebräern und bei den Griechen, nicht nur bei den Lateinern, die Griechisch und Hebräisch können. Die Hebräer und Griechen haben die Weisheit Gottes und die Weisheit der Philosophie verloren, sodass nur noch äußerst wenige von Ihnen wirklich die richtige Grammatik dieser Sprachen lehren können, indem sie Gründe und Regeln für sie in der Art angeben können, wie wir Lateiner es durch die Bücher Priscians73 kennen. Und keiner von ihnen, der irgendetwas von den Sprachen verstanden hat, kennt sich mit den Wissenschaften aus. Daher können sie nichts von ihrem Wissen weitergeben noch Nutzen daraus ziehen oder sich auf die Kraft der Studien gründlich einlassen, obgleich fähige Helfer doch so notwendig wären. Es ist daher zuerst nötig, in den fremden Sprachen bewanderte Männer zu haben, die es jedoch nicht ohne große Ausgaben geben kann. Ähnlich notwendig ist es auch, verschiedene Bücher über die fremden Sprachen zu bekommen, vor allem

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Teil I

linguarum plurimos, scilicet de grammatica, et textus singularum partium philosophiae, ut viderentur defectus et falsitates in codicibus Latinorum. Sed hi libri et hae personae non possunt procurari sine principibus et praelatis, ut manifestum est.

CAPITULUM XI. [49]

[50]

Secunda radix istius difficultatis est quod oporteret habere mathematicos optimos, qui non solum scirent ea, quae translata sunt et facta, sed addere ad opera eorum, quod est facile bonis mathematicis1. Non sunt enim nisi duo perfecti, scilicet magister Jo. London et magister Petrus de Maharncuria Picardus. Alii duo boni sunt, scilicet magister Campanus de Novaria2, et magister Nicholaus, doctor domini Almarici de Monte Forti3. Sine vero mathematica nihil dignum sciri potest in philosophia, ut ostendo in quarta parte Operis Majoris multum diffuse. Nam primo ostendo in universali quod nulla scientia potest sciri sine ea; secundo, in particulari magis scilicet, quod res istius modi4 et loca mundi sciri non possunt, et ideo nec scientiae de rebus; et in Opere Minori similiter hoc ostendo. Nam planum est quod sine mathematica non possunt sciri coelestia: et coelestia sunt causae rerum inferiorum, et causata non possunt sciri sine causis suis. Et aliae viae sunt speciales5, per quas ostenditur quod nulla res sciri potest sine mathematica, ut abundanter patet in partibus mathematicae in Opere Majori. Et ideo

1  bonis mathematicis ]  Danach in L. u. U.: Et sunt aliqui tales inter Latinos. 2  Novaria ]  Naverria, Ti. 3  Non sunt enim … de Monte Forti ]  om. in B. u. U. vom Text, dort aber in Marginalien hinzugefügt. 4  modi ]  mundi, Ti. B. L. 5  Et … sunt speciales ]  Sunt etiam … speciales, U.

KAPITEL 11

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über die Grammatik und Texte aus einzelnen Gebieten der Philosophie, damit die Unzulänglichkeit und die vielen Fehler in den lateinischen Handschriften deutlich werden. Doch diese Bücher und diese Personen können klarerweise nicht ohne die Unterstützung der Fürsten und Prälaten gefördert werden.

KAPITEL 11 Über Mathematik und Perspektivik Die zweite Wurzel jener Schwierigkeit besteht darin, dass man fähige Mathematiker haben müsste, die nicht nur das kennen, was schon übersetzt und gemacht worden ist, sondern die zu deren Werken noch etwas hinzufügen können, was für gute Mathema­ tiker einfach ist. Doch es gibt nur zwei ausgezeichnete Mathematiker: den Magister Johannes von London74 und den Magister Petrus von Maricourt aus der Picardie75. Zwei weitere sind gut, nämlich die Magister Campanus von Novara76 und Nikolaus77, der Lehrer des Herrn Almerich von Montfort78. Ohne die Mathematik kann aber in der Philosophie nichts Wertvolles gewusst werden, wie ich im vierten Teil meines Opus maius79 verstreut zeige. Denn zuerst mache ich allgemein deutlich, dass keine Wissenschaft ohne die Mathematik betrieben werden kann; zweitens zeige ich weiterhin im Besonderen, dass die Dinge und die Orte der Welt ohne sie nicht erkannt werden können; und daher auch nicht die Wissenschaften, die diese Dinge behandeln. Ähnliches zeige ich auch im Opus minus80. [50] Denn es ist klar, dass ohne die Mathematik die Phänomene der Himmelssphären nicht erkannt werden können: doch die himmlischen Bewegungen sind die Gründe für das, was hier auf der Erde geschieht. Das Verursachte kann man jedoch nicht kennen, wenn man das Verursachende nicht kennt. Es gibt darüber hinaus besondere Wege, um zu zeigen, dass keine Sache ohne die Mathematik erkannt werden kann, wie es in den Teilen über die Mathematik im Opus maius ausführlich deutlich wird. Daher müs [49]

Teil I

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oportet quod mathematici boni haberentur, qui paucissimi sunt et rari1, nec reputantes pretium sui; nec possit aliquis habere eos, nisi dominus papa aut alius magnus princeps, et maxime illum, qui melior est2 omnibus, de quo in Minori Opere satis scripsi, et scribam suo loco. Nam vix cum aliquo staret qui3 vult esse dominus sui studii, et experiri sapientiam ut placet ei. [51] Et praeter expensas istarum personarum oporteret magnas expensas fieri: nam sine instrumentis mathematicis nihil potest sciri, et instrumenta haec non sunt facta apud Latinos, et non fierent pro ducentis libris, nec trecentis4. Adhuc autem sunt tabulae meliores; nam licet certificatio tabularum sit per instrumenta, tamen instrumenta, nisi sint immensae quantitatis, nihil valent; et haec mali usus sunt, et difficilis conservationis propter rubiginem; nec possunt portari de loco ad locum sine periculo fractionis; et homo non potest habere ubique et semper nova instrumenta, cum tamen oporteat hoc, nisi habeat tabulas semel certificatas. Sed hae tabulae vocantur Almanach et Tallignum, in quibus semel sunt omnes motus coelorum certificati a principio mundi usque in finem, sine quotidiano labore, ut homo possit inspicere omnia quae in coelo sunt omni die, sicut nos in calendario inspicimus5 omnia festa sanctorum; et tunc omni die possemus considerare in coelo causas omnium, quae in terra renovantur, et consimilem dispositionem coeli quaerere in praeterito, et invenire consimiles effectus. Et similiter de futuro. Et sic omnia cognoscerentur. Et hae tabulae

1  rari ]  cari, Ti. L.; rari, B. corr. 2  melior est ]  est melior, Ti. 3  qui ]  quia, B. 4  trecentis ]  trecentis libris, Ti. 5  inspicimus ]  aspicimus, Ti.

KAPITEL 11

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sen wir gute Mathematiker haben, von denen es nur sehr wenige gibt und die nicht ihrem Wert entsprechend geschätzt werden. Es kann heutzutage aber niemand über gute Mathematiker verfügen, außer vielleicht der Papst oder ein anderer großer Fürst, was vor allem für jenen gilt, der alle anderen weit überragt, und von dem ich im Opus minus81 genug geschrieben habe und über den ich am dafür geeigneten Ort noch Weiteres schreiben werde. Denn er würde es kaum bei jemandem aushalten, der über seine Forschung bestimmen und die Weisheit so beweisen wollte, wie es ihm g­ efällt. [51] Abgesehen von den Kosten für diese Personen fallen noch weitere hohe Ausgaben an: denn ohne mathematische Instrumente kann nichts gewusst werden, und derartige Instrumente sind bei den Lateinern bisher nicht hergestellt worden – und sie können auch nicht für 200 oder 300 Pfund hergestellt werden. Außerdem braucht man bessere Tafeln [Sterntafeln]; um diese Tafeln zu überprüfen, braucht man jedoch wiederum die entsprechenden Instrumente, doch die Instrumente haben keinen Wert, außer wenn sie sehr groß sind. Sie werden zudem falsch benutzt und sind wegen des Rostes nur schwer zu erhalten. Überdies können sie nicht von ­einem Ort zu einem anderen ohne die Gefahr getragen werden, zu zerbrechen. Ein Mensch kann jedoch auch nicht überall immer neue Instrumente haben, wie es nötig wäre, wenn er nicht bereits überprüfte Tafeln hat. Diese Tafeln82, in denen alle Himmelsbewegungen vom Beginn der Welt bis zu ihrem Ende verzeichnet sind, werden Almanach und Tallignum genannt: Anhand dieser Tafeln könnte der Mensch alles betrachten, was jeden Tag am Himmel geschieht, ohne es für jeden Tag neu berechnen zu müssen, so wie wir auch anhand des Kalenders alle Festtage der Heiligen nachschauen können. So könnten wir für jeden Tag die Ursachen für die Himmelsbewegungen kennenlernen, die sich auf der Erde widerspiegeln. Wir könnten auch nach der Planetenkonstellation in der Vergangenheit fragen und ähnliche Wirkungen finden. Dasselbe gilt auch für die Zukunft. So könnte alles erkannt werden. Daher wären diese Tafeln

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valerent thesaurum unius regis; et ideo non fierent sine magnis expensis. Et saepe aggressus sum compositionem istarum tabularum, sed non potui consummare propter defectum expensarum, et stultitiam eorum cum quibus habui facere. Nam primo oportet facere instrui pueros decem vel duodecim in canonibus et tabulis astronomiae vulgatis; et quando bene scirent operari, tunc per unum annum deberent1 invenire motus singulorum planetarum ad omnem diem et horam, secundum omnem2 varietatem motuum eorum, et caetera quae in coelis renovantur. Deinde sunt alia instrumenta et tabulae geometricae practicae, et arithmeticae practicae, et musicae, quae sunt utilitatis magnae, et necessario requiruntur. Sed longe magis quam haec oporteret homines haberi, qui bene, immo optime scirent perspectivam et instrumenta ejus. Nam haec3 scientia est de visu vero4, et per visum scimus omnia. Caecus enim nihil scit de hoc mundo5; visus enim ostendit nobis rerum differentias, ut Aristoteles dicit, et scimus per experientiam. Haec autem certificat mathematica et omnia6, quia instrumenta astronomiae non vadunt, nisi per visionem, secundum leges istius scientiae. Nec mirum si omnia sciantur per mathematicam, et omnia per hanc, quia omnes scientiae sunt connexae (ut superius dixi), licet quaelibet simul7 cum hac habeat suam8 proprietatem. Unde quae­ libet habet potestatem in aliam, nec potest una sciri sine alia, ut praedictum est. Et necesse est omnia sciri per hanc scientiam, quia9 omnes actiones rerum fiunt secundum specierum et virtutum multiplicationem ab agentibus hujus mundi in materias patientes; et le1  deberent ]  debent, B. U. 2  omnem ]  om. Ti. 3  Nam haec ]  Haec enim, Ti. 4  vero ]  rerum, B. U. L. 5  mundo ]  modo, Ti. 6  mathematica et omnia ]  mathematicam et omnia, B. L. 7  simul ]  om. Ti. 8  habeat suam ]  suam habeat, Ti. 9  quia ]  quoniam, Ti.

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den ganzen Schatz eines Königs wert, weshalb sie auch nicht ohne große Kosten angefertigt werden können. [52] Ich selbst habe mich oft daran gemacht, solche Tafeln zu entwerfen, die ich jedoch aufgrund mangelnder Geldmittel und der Dummheit meiner Mitarbeiter nicht vollenden konnte. Denn zuerst muss man zehn bis zwölf Jungen in den normalen Regeln und Tafeln der Astronomie schulen. Wenn sie damit gut umzugehen wüssten, müssten sie ein Jahr die Bewegungen der einzelnen Planeten an jedem Tag und zu jeder Stunde kennenlernen, und zwar entsprechend der Vielfalt ihrer Umläufe und der übrigen Dinge, die am Himmel immer wiederkehren. Darüber hinaus braucht man dringend noch weitere Instrumente und Tafeln, die von großem Nutzen für die praktische Geome­trie, die praktische Arithmetik und die Musik sind. Doch noch wichtiger als das wäre es, Menschen zu haben, die sich gut und sogar sehr gut mit der Perspektivik und ihren Instrumenten auskennen. Denn diese Wissenschaft handelt vom Sehen, und durch das Sehen wissen wir alles. Der Blinde nämlich weiß nichts über diese Welt, weil der Sehsinn uns die Unterschiede in den Dingen zeigt, wie Aristoteles sagt83 und wie wir auch durch unsere Erfahrung wissen. Das Sehen bestätigt auch die mathematischen Erkennt­nisse und alle anderen [Wissenschaften], weil die astronomischen Instrumente nur durch das Sehen und durch die Gesetze jener Wissenschaft funktionieren. [53] Es ist daher nicht verwunderlich, dass alles durch die Mathematik gewusst wird, weil alle Wissenschaften miteinander verbunden sind (wie ich oben bereits gesagt hatte), sodass jede [Wissenschaft] mit ihr gewisse Eigentümlichkeiten gemeinsam hat. Daher hat jede Wissenschaft einen Einfluss auf eine andere, und man kann eine Wissenschaft nicht ohne alle anderen kennen, wie schon gesagt worden ist. So ist es notwendig, dass alles durch diese [Wissenschaft] erkannt wird, denn alles Wirken der Dinge geschieht durch Vervielfältigung der species und Kräfte, die von den Agenzien in dieser Welt ausgehen und die in der sich ihnen darbietenden Materie wirksam werden. Die Gesetze dieser Vervielfältigungen können

Teil I

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ges hujusmodi multiplicationum non sciuntur nisi a perspectiva, nec alibi sunt traditae adhuc; cum tamen non solum sint communes actioni in visum, sed in omnem sensum, et in totam mundi machinam, et in coelestibus et in inferioribus. Haec autem scientia non est adhuc lecta Parisius, nec apud Latinos, nisi bis Oxoniae in Anglia; et non sunt tres qui sciant1 ejus potestatem: unde ille, qui fecit se auctorem, de quo superius dixi, nihil novit de hujus scientiae potestate, sicut2 apparet in libris suis, quia nec fecit librum de hac scientia, et fecisset si scivisset, nec in libris aliis aliquid de hac scientia recitavit; cum tamen oportet quod usus istius scientiae cadat in omnibus aliis, et quod per ejus virtutem sciantur omnia. Et ideo non potest scire aliquid3 de sapientia philosophiae. Sed hi, qui sciunt haec, sunt pauci, sicut qui mathematicam, nec habentur sine magnis expensis; similiter nec instrumenta hujus scientiae, quae sunt multum difficilia, et majoris sumptus quam instrumenta mathematicae. [54] Et quae4 de perspectiva narravi modo patent manifeste ex Opere Majori, et tractatu quem collegi de perspectiva, qui est pars quinta principalis illius operis; et simul cum ea consulenda est magna pars quartae partis totius operis, scilicet ubi de multiplicatione specierum et virtutum agentium determinavi, quam licet ascribo ibi geometriae propter rationes suas, tamen extraxi de scientia perspectivae. Sed completiorem tractatum mitto vobis5 de hac multiplicatione, ut facio postea mentionem; et hoc ideo, quia summa et principalis radix sapientiae; et pro philosophia et pro6 theologia,

1  sciant ]  sciunt, Ti. U. 2  sicut ]  ut, U. 3  aliquid ]  om. B. T. L. 4  quae ]  quia, B. 5  mitto vobis ]  vobis mitto, Ti. 6  pro ]  om. B. U.

KAPITEL 11

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nur durch die Perspektivik erkannt werden und sind bis jetzt andernorts noch nicht überliefert worden. Denn diese Gesetze gelten nicht nur für die Tätigkeiten des Sehsinns, sondern für alle Sinne und für das ganze Weltgetriebe, sowohl in den Himmelssphären als auch auf der Erde. Aber diese Wissenschaft wird bis jetzt weder in Paris noch bei den Lateinern überhaupt gelehrt, außer zweimal in Oxford in England; und es gibt keine drei Menschen, die die Macht dieser Wissenschaft kennen. Daher wusste auch jener, von dem ich oben gesprochen habe84 und der sich selbst zu einer Autorität gemacht hat, nichts über diese Wissenschaft, wie anhand seiner Bücher deutlich wird. Denn er hat kein Buch darüber geschrieben – und er hätte sicher eines darüber geschrieben, wenn er es gekonnt hätte – und auch in seinen sonstigen Büchern führt er nichts zu dieser Wissenschaft an. Dabei ist es doch offensichtlich, dass der Gebrauch dieser Wissenschaft auch alle anderen betrifft, und dass durch ihre Kraft alles gewusst werden kann. Daher kann man ohne sie nichts über die Weisheit der Philosophie erkennen. Doch es gibt nur sehr wenige, die etwas von der Perspektivik verstehen, ebenso wie von der Mathematik, und sie sind nicht ohne große Kosten zu haben. Ebenso verhält es sich auch mit den für diese Wissenschaft notwendigen Instrumenten, die sehr kompliziert sind und daher deutlich mehr kosten als die mathematischen Instrumente. [54] Was ich über die Perspektivik gesagt habe, geht klar aus dem Opus maius hervor, vor allem aus der Abhandlung, die ich über die Perspektivik geschrieben habe85 und die den fünften Teil jenes Werkes bildet. Doch auch der vierte Teil86 dieses Werkes betrifft dieses Thema, wo ich über die Vervielfältigung der species und die Kräfte der Agenzien gesprochen habe, denn auch, wenn ich dort die Geometrie mit den ihr eigenen Prinzipien behandle, habe ich diese doch aus der Perspektivik übernommen. Doch ich schicke Euch auch noch eine eigene Abhandlung zu dieser Vervielfältigung 87, die ich nach dieser Erwähnung anfertige – und zwar deshalb, weil sie die grundlegende und vollendende Wurzel für die Weisheit ist. Das gilt auch bezüglich der Philosophie und der Theologie; und in

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Teil I

est in istis multiplicationibus, et infinita pulchritudo; et nec perspectiva, nec aliquid de philosophia sciri potest1 sine hoc. Sed ille, qui multiplicavit volumina, ignorat has radices: nam nihil de eis2 tangit; et ideo certum est ipsum ignorare res naturales, et omnia quae de philosophia sunt; et non solum ipse, sed totum vulgus philosophantium, quod errat per ipsum. Scribatis enim3 ei quod pertractet de his radicibus, et invenietis ipsum impossibilem ad eas. Et certe hoc dico quia doleo de ejus et vulgi ignorantia: nam sine his nihil scire possunt. Et ideo hoc solum valet centies plus quam quicquid sciunt. Nullus vero de auctoribus, nec de magistris antiquis, nec de modernis, scripsit de his; sed laboravi per annos decem, quantumcunque4 potui vacare, et discussi omnia ut potui, redigens in scriptum a tempore mandati vestri.

CAPITULUM XII. [56]

Sed alia est scientia, quae est de rerum generatione ex elementis, et de omnibus rebus inanimatis: ut de elementis, et5 de humoribus simplicibus et compositis; de lapidibus communibus, gemmis, marmoribus; de auro et caeteris metallis; de sulphuribus, et salibus, et atramentis; de azurio, et minio, et caeteris coloribus; de oleis et bituminibus ardentibus, et aliis infinitis, de quibus nihil habemus in libris Aristotelis; nec naturales philosophantes sciunt6 de his, nec totum vulgus Latinorum7. Et quia haec scientia ignoratur a vulgo studentium, necesse est ut ignorent omnia, quae ­sequuntur, de rebus naturalibus; scilicet de generatione animato-

1  sciri potest ]  potest sciri, Ti. 2  eis ]  his, Ti. 3  enim ]  om. B. Ti. 4  quantumcunque ]  quandocunque, Ti. 5  et ]  om. B. 6  sciunt ]  et – nihil sciunt, B. 7  Latinorum ]  Latinum, Ti.

KAPITEL 12

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den Vervielfältigungen liegt eine unendliche Schönheit, ohne die man weder in der Perspektivik noch auf einem anderen Gebiet der Philosophie etwas wissen kann. Doch jener, der nur seine Bücher vervielfältigt hat, weiß nichts über diese Wurzeln: denn er spricht sie mit keinem Wort an, woran deutlich wird, dass er von den Naturdingen und dem sonstigen, was die Philosophie betrifft, nichts versteht. Es geht aber nicht nur ihm so, sondern der ganzen Menge der Philosophierenden, die sich durch ihn irrt. Solltet Ihr ihm schreiben, dass er diese Wurzeln behandeln soll, werdet Ihr finden, dass ihm das unmöglich sein wird. Ich sage das mit Sicherheit deswegen, weil mich seine und die Unwissenheit der Menge schmerzt, da sie doch alle ohne diese Wurzeln nichts wissen können. Daher ist diese eine Wissenschaft mehr wert als hunderte Dinge, die sie vielleicht wissen. Aber niemand von den Autoritäten oder den antiken Lehrern, und auch niemand von unseren Zeitgenossen hat über sie geschrieben. Ich aber habe seit zehn Jahren daran gearbeitet, wann immer ich Zeit erübrigen konnte, und alles untersucht, soviel ich konnte, um es zu der Zeit Eures Ersuchens verschriftlicht in einem Text vorzulegen.

KAPITEL 12 Über die Alchemie [56]

Eine andere Wissenschaft umfasst die Entstehung der Dinge aus den Elementen sowie die unbelebten Dinge: die Elemente, die einfachen und zusammengesetzten Mischungen, die gewöhnlichen Steine, Edelsteine und Marmorsteine; sie behandelt Gold und andere Metalle; Schwefel, Salze und Tinten, Azur, Mennig und andere Farben; sie untersucht Öle, heiße Peche und viele andere Dinge, von denen nichts in den Büchern des Aristoteles steht und von denen weder die Naturphilosophen noch die Menge der Lateiner etwas wissen. Da diese Wissenschaft der Menge der Studenten nicht bekannt ist, folgt notwendig, dass sie nichts darüber wissen, was den Dingen der Natur folgt, wie etwa die Entstehung der

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Teil I

rum, ut vegetabilium, et animalium, et hominum: quia ignoratis prioribus, necesse est ignorari quae posteriora sunt. Generatio enim hominum, et brutorum, et1 vegetabilium est ex elementis et humoribus, et communicat cum generatione rerum inanimatarum2. Unde, propter ignorantiam istius scientiae, non potest sciri naturalis philosophia vulgata, nec speculativa medicina, nec per consequens practica; non solum quia naturalis philosophia et speculativa medicina3 necessariae sunt ad practicam ejus, sed quia omnes simplices medicinae de rebus inanimatis accipiuntur de hac scientia, quam tetigi, sicut manifestum est in secundo libro Avicennae Medicinalis, qui simplices medicinas enumerat; et ex aliis auctoribus manifestum est: quarum medicinarum nec nomina sciri possunt, nec significata, nisi per hanc scientiam; et haec scientia est alkimia speculativa, quae speculatur de omnibus inanimatis et tota generatione rerum ab elementis. Est autem alkimia operativa et practica, quae docet facere metalla nobilia, et colores, et alia multa melius et copiosius per artificium, quam per naturam fiant. Et hujusmodi scientia est major omnibus praecedentibus, quia majores utilitates producit. Nam non solum expensas et alia infinita reipublicae potest dare, sed docet invenire talia, quae vitam humanam possunt prolongare in multa tempora, ad quae per naturam produci potest. Sed nos morimur citius longe quam deberemus, et hoc propter defectum regiminis sanitatis a juventute, et propter hoc quod patres nostri dant nobis complexionem corruptam, propter eundem defectum regiminis sui; unde senectus citius contingit4 et mors ante terminos, quos Deus constituit nobis.

1  et ]  om. B. 2  inanimatarum ]  Notandum de alkimia quod duplex est, speculativa et practica. T. in Marginalie. 3  medicina ]  medicinae, B. 4  contingit ]  contigit, Ti.

KAPITEL 12

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belebten Dinge: also der Pflanzen, der Tiere und der Menschen. Denn wer das Vorhergehende nicht kennt, kennt notwendig auch das Folgende nicht. Doch Menschen, Tiere und Pflanzen entstehen aus den Elementen und Feuchtigkeiten [humoribus] und sind mit der Entstehung der unbelebten Dinge verbunden. Daher kann man aufgrund der Unkenntnis jener Wissenschaft auch nichts über die verbreitete Naturphilosophie, die spekulative Medizin und – daraus folgend – die angewandte Medizin wissen; nicht nur deshalb, weil die Naturphilosophie und die spekulative Medizin für die angewandte Medizin notwendig sind, sondern weil auch alle einfachen medizinischen Rezepte von den unbeseelten Substanzen in dieser Wissenschaft behandelt werden, die ich vorgestellt habe, wie es auch Avicenna im zweiten Buch seines Kanon der Medizin88 schreibt, in dem die einfachen medizinischen Rezepte aufgelistet werden. Ebenso wird auch von anderen Autoritäten bestätigt, dass man die medizinischen Zutaten, ihre Namen und ihre Bedeutungen nur durch diese Wissenschaft kennen kann. Diese Wissenschaft ist die spekulative Alchemie, die alle unbeseelten Dinge und die Entstehung der Dinge aus den Elementen erforscht. [57] Es gibt aber auch eine ausführende und praktische Alchemie, die lehrt, edle Metalle, Farben und viele andere Dinge herzustellen, die durch diese Kunst besser und wertvoller werden, als sie von Natur aus sind. Diese Wissenschaft ist größer als alle vorhergehenden, weil sie die größten Nützlichkeiten hervorbringt: Denn sie kann dem Gemeinwohl [reipublicae] nicht nur Geldmittel und andere nützliche Dinge in unendlicher Zahl zur Verfügung stellen, sondern sie erlaubt auch, die Dinge zu finden, die das Leben des Menschen weit über die natürliche Lebensspanne hinaus verlängern können. Doch wir sterben wegen mangelnder Gesundheitslehren [regiminis sanitatis] seit unserer Kindheit und weil unsere Väter aufgrund ihrer eigenen falschen Lebensführung uns bereits eine schwächliche Konstitution vererbt haben, viel früher, als wir eigentlich müssten. Deshalb ereilen uns das Alter und der Tod viel eher, als Gott es uns eigentlich zugedacht hat.

Teil I

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Haec igitur scientia habet utilitates hujusmodi proprias; sed tamen certificat alkimiam speculativam per opera sua, et ideo certificat naturalem philosophiam et medicinam: et hoc patet ex libris medicorum. Nam auctores docent suas medicinas sublimare, distillare, et resolvere, et multis aliis modis secundum operationes istius scientiae, sicut patet in aquis salutaribus, et oleis, et infinitis aliis. Unde Galenus, in libro Dinamidiarum docet medicos facere calcecuminon, quod medici, sicut nesciunt facere, sic nesciunt nominare. Et Avicenna docet, in primo libro Medicinae, probare per opera alkimiae quod solus sanguis non nutrit, ut Galenus aestimavit, sed alii humores: sed hoc nullus medicorum scit nec intelligere, nec facere; et sic de infinitis. Haec igitur scientia duplex alkimiae ignoratur ab omnibus fere; nam licet multi per mundum laborent ut faciant metalla, et colores1, et alia, tamen paucissimi sciunt veraciter facere colores et utiliter; et fere nullus scit facere metalla, et pauciores sunt qui sciant facere opera, quae valent ad prolongationem vitae. Et etiam pauci sunt qui sciant destillare bene, et sublimare, et calcinare, et resolvere, et hujusmodi opera artis facere, per quae omnes res inanimatae certificantur, et per quae certificantur alkimia speculativa, et naturalis philosophia, et medicina. Deinde non sunt tres inter Latinos, qui dederunt se ad hoc, ut scirent alkimiam speculativam, secundum quod sciri potest, sine operibus alkimiae practicae; scilicet secundum quod libri et auctores docent, qui hoc probaverunt per opera. Unus solus est qui pot­ est in hoc, et peritissimus est in istis omnibus. Et quia tam pauci

1  et colores ]  om. Ti.

KAPITEL 12

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Daher hat diese Wissenschaft ihren eigenen vielfachen Nutzen. Darüber hinaus bestätigt sie durch ihre Werke auch die spekulative Alchemie, die Naturphilosophie und die Medizin, wie aus den Büchern der Mediziner ersichtlich wird. Denn die Autoren lehren, wie man ihre Arzneimittel sublimiert, destilliert, wie man Lösungen herstellt und wie man vieles Weiteres den Anleitungen dieser Wissenschaft entsprechend ausführt, wie durch gesundheitsfördernde wässrige Lösungen, Öle und unzählige andere Dinge deutlich wird. Daher zeigt Galen z. B. in seinem Buch der Heil­k räfte89 den Medizinern, wie man Kupferkalk [calcecuminon] herstellt, weil die Mediziner weder etwas über dessen Herstellung wissen, noch dessen Bezeichnung kennen. Desgleichen lehrt Avicenna in seinem Kanon der Medizin90, wie man durch die Alchemie beweist, dass nicht nur Blut (wie Galen dachte), sondern auch andere Körpersäfte den Körper nähren. Doch kein Mediziner weiß oder versteht oder tut, was diese Bücher lehren. Das gilt auch für unzähliges Weiteres, weshalb diese zweifache Wissenschaft fast allen unbekannt ist. Denn obwohl viele in der ganzen Welt daran arbeiten, Metalle, Farben und andere Dinge herzustellen, wissen doch nur sehr wenige, wie man Farben auf richtige und nützliche Weise herstellt. So gut wie niemand weiß, wie man Metalle herstellt; noch weniger wissen, wie man die Dinge herstellt, die das Leben verlängern. Und auch wenige wissen gut zu destillieren, zu sublimieren, auszuglühen, Lösun­gen herzustellen und derartige Kunstgriffe zu vollbringen, durch die alle unbelebten Dinge untersucht werden und durch die auch die spekulative Alchemie, die Naturphilosophie und die Medizin bestätigt werden können. [59] Ferner gibt es keine drei Menschen unter den Lateinern, die sich dieser Wissenschaft so weit angenommen haben, dass sie die spekulative Alchemie ohne die praktische Alchemie kennen würden, soweit man etwas darüber wissen kann: also entsprechend dem, was die Bücher und Autoren lehren, die das durch ihre Werke bewiesen haben. Und es gibt nur einen Mann, der hierin fähig und in allen diesen [Gebieten] äußerst bewandert ist. Weil es auf diesem [58]

Teil I

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sciunt haec, ideo non dignantur aliis communicare nec cum aliis esse: quia alios homines reputant asinos et insanos, qui vacant cavillationibus juris et sophismatibus artistarum, quae defoedaverunt philosophiam, et medicinam, et theologiam. Et opera istius scientiae sunt difficilia, et maximarum expensarum, propter quas etiam illi, qui bene sciunt artem operandi, non possunt operari; et libri hujus scientiae sic occultantur, quod vix potest homo invenire eos, cum tamen sint plures quam in alia facultate, qui etiam propter multitudinem multi constarent. [60] Radices autem alkimiae speculativae ego posui secundum considerationem Avicennae, praecipue in expositione peccati sexti in Studio theologiae. Nam ibi texui totam rerum generationem ex elementis, et conatus sum certificare cum magna diligentia quicquid oportet ibi sciri secundum vias alkimiae, et naturalis philosophiae, et medicinae; quae radices applicari debent ad omnium rerum generationem: et hanc applicationem exposui in auro, et metallis caeteris, cum magno studio; nec ulterius processi, quia persuasio mea in illo opere non plus requirebat. Et judicio meo haec, quae ibi tango de istis radicibus, cum applicatione ad metalla, valent longe plus quam quicquid aestimatur sciri ab omnibus naturalibus qui modo sunt; quoniam extra radices has in vanum quaerunt ramos, flores, et fructus. Hic excedo in verbis, sed non in animo, quia hoc dico propter hoc quod doleo de errore infinito, et ut excitem vos ad considerationem veritatis. Ille vero, qui composuit tot et tam magna volumina de naturalibus, (de quo superius locutus sum), ignorat haec fundamenta, et ideo suum aedificium stare non potest. [61] Radices vero alkimiae practicae multum sciuntur per haec, quae hic1 tractavi; et tamen pono eas secundum verba philosophorum,

1  hic ]  ibi, U.

KAPITEL 12

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Gebiet so wenig fähige Menschen gibt, wollen sie ihre Kenntnisse den anderen nicht mitteilen und nichts mit anderen zu tun haben: Denn sie halten die Übrigen für Verrückte und Esel, die nur die Betrügereien der Juristen und die Sophismen der Artisten bedienen, die die Philosophie, die Medizin und die Theologie schon immer verabscheut haben. Außerdem sind die Werke dieser Wissenschaft schwierig und sehr teuer, weshalb sogar diejenigen, die sich mit dieser Kunst gut auskennen, von ihrer Ausübung abgehalten werden; und die Bücher über diese Kunst sind so verborgen, dass man sie nur sehr schwer finden kann – auch wenn es über dieses Fachgebiet mehr Bücher gibt als über jedes andere, die aufgrund ihrer Menge auch viel kosten würden. [60] Die Wurzeln der spekulativen Alchemie habe ich Avicennas Überlegungen entsprechend bei der Erläuterung des sechsten Fehlers beim Theologiestudium behandelt.91 Denn dort habe ich die gesamte Entstehung der Dinge aus den Elementen dargelegt und versucht, mit großer Sorgfalt zu beschreiben, was man dort durch die Wege der Alchemie, der Naturphilosophie und der Medizin wissen sollte. Diese Wurzeln müssen aber auf die Entstehung aller Dinge angewandt werden: Ich habe diese Anwendung auch bei Gold und anderen Metallen unter großer Mühe ausführlich erläutert, wobei ich dort nicht weiter gegangen bin, weil meine Überzeugungsschrift hier nicht mehr erforderte. Und mein Urteil über diese Wurzeln mit ihrer Anwendung auf die Metalle ist mehr wert als alles, wovon man meint, dass es von sämtlichen derzeitigen Naturphilosophen gewusst wird; denn ohne diese Wurzeln suchen sie umsonst nach den Ästen, den Blumen und den Früchten. Ich gehe hier in meinen Worten vielleicht zu weit, aber nicht im Sinn, weil ich dies alles in großer Trauer über die unendlichen Fehler sage und um Euch zur Betrachtung der Wahrheit zu ermuntern. Jener aber, der alle diese vielen Bücher über die Naturphilosophie geschrieben hat (von dem ich weiter oben gesprochen habe), kennt diese Fundamente nicht, weshalb sein Lehrgebäude nicht stehen kann. [61] Vieles über die Wurzeln der praktischen Alchemie kann man durch das wissen, was ich dort behandelt habe; und doch behandle

Teil I

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et praecipue Avicennae in Majori Alkimia, quem vocat »Librum de Anima secundum Aenigma;« et has radices ego pono in Secundo Opere post intentionem Majoris Operis datam: sed et in hac tertia scriptura ponam exquisitius. Sed nec quod hic ponam potest intelligi sine aliis locis, nec illa sine eis quae hic pono; nec omnia haec dant intellectum, nisi sapientissimis et omnino perfectis in hac scientia; qui non sunt tres in hoc1 mundo. Deus enim occultavit semper a multitudine potestatem hujus scientiae: nam vulgus non solum2 nescit uti rebus dignissimis, sed etiam convertit in malum; nec etiam vulgus sapientum ad haec unquam potuit attingere, sed solum sapientissimi et omnino expertissimi. Nolui vero radices istarum duarum scientiarum ponere in Majore Opere, quia non proposui tunc scribere de eis. Sed postea in Minore Opere vidi opportunum esse, et scripsi quae videbantur mihi expedire.

CAPITULUM XIII. [62]

Sed praeter has scientias est una perfectior omnibus, cui omnes famulantur, et quae omnes miro modo certificat: et haec vocatur scientia experimentalis, quae negligit argumenta, quoniam non certificant, quantumcunque sint fortia, nisi simul adsit experientia conclusionis, ut ostendo in tractatu de ista scientia. Et ideo haec docet experiri conclusiones nobiles omnium scientiarum, quae in

1  hoc ]  om. Ti. 2  non solum ]  om. T. B.

KAPITEL 13

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ich dieses Thema dort gemäß den Worten der Philosophen, vor allem dementsprechend, was Avicenna in seiner Großen Alchemie 92 geschrieben hat, das man auch Das Buch über die Seele gemäß dem Geheimnis93 nennt. Diese Wurzeln habe ich in meinem zweiten Werk beschrieben, nachdem ich die Absicht des Opus maius angegeben hatte. Hier in dieser dritten Schrift werde ich dieses Thema nun noch sorgfältiger darstellen.94 Doch kann das, was ich hier schreibe, nicht ohne einen Vergleich mit anderen Stellen in meinen anderen Werken verstanden werden; noch die anderen Stellen ohne das, was ich hier schreibe. Und es wird nicht allen verständlich sein, außer den Weisesten und Vollkommensten in dieser Wissenschaft – von denen es keine drei auf der ganzen Welt gibt. Denn Gott hat die Macht dieser Wissenschaft schon immer vor der Menge verborgen, weil die Menge nicht nur unfähig ist, die würdigsten Dinge zu nutzen, sondern sie zum Schlechten verkehrt. Doch nicht einmal die Menge der Weisen konnte hier jemals etwas erreichen, sondern nur die Weisesten und Erfahrensten von allen. Ich wollte die Wurzeln dieser beiden Wissenschaften nicht im Opus maius darstellen, weil ich damals nichts über sie öffentlich machen wollte. Doch danach schien es mir im Opus minus passend zu sein, weshalb ich dort geschrieben habe, was mir angeraten schien.

KAPITEL 13 Über die Erfahrungswissenschaft [62]

Doch über diese Wissenschaften hinaus gibt es noch eine weitere, die alle anderen übertrifft, der alle anderen dienen und die alle anderen Wissenschaften auf wunderbare Weise bestätigt: diese Wissenschaft wird »Erfahrungswissenschaft« genannt. Sie verlässt sich nicht auf Argumente, weil diese [die Wissenschaften] nicht bestätigen, wie beweiskräftig sie auch sein mögen, wenn ihre Schlussfolgerungen nicht durch die Erfahrung bestätigt werden, wie ich in meiner Abhandlung über diese Wissenschaft ­zeige.95 Daher lehrt sie, die edlen Schlussfolgerungen aller anderen Wis-

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aliis scientiis aut probantur per argumenta, aut investigantur per experientias naturales1 et imperfectas; et haec est una ejus praerogativa, sicut ego in sexta parte Operis Majoris ostendo, in conclusionibus naturalis philosophiae et perspectivae, quae sunt veri­ tates sciendae circa iridem, et circulos coloratos circa lunam, et solem, et stellas. Et ostendo ibi maximam potestatem, quam habet haec scientia super alias certificandas. Naturales quidem in libro Meteorum Aristotelis, et perspectivi, negotiantur circa haec certificanda, sed in vanum; quia sola experientia certificat hic, et non argumentum. Et ideo pono radices experientiarum circa ista, quas nullus Latinorum potest intelligere, nisi unus; scilicet2 magister Petrus. Et sic est3 de aliis rebus naturalibus. Alia est dignitas hujus scientiae, quod certificat veritates nobiles in terminis aliarum scientiarum, quae non possunt ibi probari, nec aliquo modo investigari; ut est prolongatio vitae humanae, et multae aliae; nam haec veritas est in terminis medicinae, sed nunquam ars medicinae se extendit ad hanc veritatem, nec est aliquid de hoc in libris medicinae. Sed experimentator fidelis consideravit aquilam, et cervum, et serpentem, et phoenicem et multa prolongare vitam et renovare juventutem, et scit quod haec dantur brutis ad instructionem hominis; propter quod excogitavit vias nobiles ad hoc, et jussit alkimiae practicae praeparare ei corpus aequalis complexionis, ut hic experimentator uteretur eo. Nam haec scientia se habet ad omnes alias,

1  naturales ]  viles (?), Ti. 2  unus; scilicet ]  om. Ti. 3  est ]  om. Ti.

KAPITEL 13

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senschaften durch die Erfahrung zu prüfen, die in den anderen Wissenschaften entweder durch Argumente oder durch die Untersuchung natürlicher und unvollkommener Erfahrungen belegt werden. Das ist eine ihrer besonderen Vorzüge, wie ich im sechsten Teil des Opus maius über die Schlussfolgerungen der Naturphilosophie und der Perspektivik zeige, wo ich die Wahrheiten über die Erklärungen des Regenbogens96, der farbigen Ringe um den Mond, der Sonne und der Sterne darlege97. [63] Ich zeige dort die ganze Macht, die diese Wissenschaft gegenüber den anderen hat, indem sie deren Ergebnisse bestätigt. Denn gewiss bemühen sich die Naturphilosophen anhand von Aristoteles’ Meteorologie 98 und die Perspektiviker um eine Bestätigung ihrer Ergebnisse, doch vergebens. Denn diese bestätigt kein Argument, sondern nur die Erfahrung. Daher beschreibe ich die Wurzeln der Erfahrungen in dieser Wissenschaft, die keiner unter den Lateinern verstehen kann, außer einem: nämlich der Magister Petrus [von Maricourt]99. Gleichermaßen verhält es sich auch bei den anderen Naturdingen. Ein anderer Vorzug dieser Wissenschaft besteht darin, dass sie die erhabenen Wahrheiten an den Grenzen der anderen Wissenschaften bestätigt, die dort nicht bewiesen oder auf andere Weise gefunden werden können, wie es sich zum Beispiel an der Verlängerung des menschlichen Lebens und vieler anderer Dinge zeigt: Denn diese Wahrheit befindet sich zwar an der Grenze der Medizin, doch hat sich die Medizin noch niemals auf diesen Bereich erstreckt, und man kann darüber nichts in den medizinischen Büchern finden. [64] Dieser tüchtige Experimentator [Petrus von Maricourt] aber hat den Adler, den Hirsch, die Schlange, den Phoenix und viele weitere [Tiere] genau betrachtet, um über die Verlängerung des Lebens und die Rückgewinnung der Jugend zu forschen; und er weiß, dass diese Tiere zur Belehrung des Menschen beitragen. Deshalb hat er auch ehrwürdige Wege dorthin betreten: Er hat die praktische Alchemie benutzt, um einen Körper mit ausgeglichenen Elementqualitäten [corpus aequalis complexionis] herzustellen, damit der Experimentator ihn benutzen könnte. Denn diese Wissenschaft

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Teil I

sicut navigator se habet ad carpentatorem; cui praecipit navigator ut faciat ei navem, quae debet uti; et sicut ars militaris praecipit fabrili ut faciat ei arma, quibus novit uti miles, et non faber. Et hanc prolongationem vitae prosequor in tractatu istius scientiae, cum aliis exemplis quibusdam. Tertia vero dignitas istius scientiae est, quod non1 recipit veritates in terminis aliarum scientiarum, sed tamen utitur eis sicut ancillis. Et haec pars hujus scientiae extendit se ad cognitionem futurorum, et ad operationem mirabilium operum naturae et artis. De hac enim cognitione dicit Ptolemaeus in libro de Dispositione Sphaerae2: certior est via judicandi de futuris quam per astronomiam; et hoc est per experientiam, super quam Aristoteles nobilis fundatus est, et multa turba fidelium philosophorum, et domini judiciorum astrorum. Et habet quatuor scientias proprias et magnas de ista cognitione. Deinde in secunda parte docet experientias totius possibilitatis naturae et artis. Et sicut logica docet proprietates sophistici argumenti ut vitentur, sic haec scientia revolvit omnes artes magicas, ut doceat eas reprobare; ut, reprobata omni falsitate, sola veritas artis et naturae3 teneatur. Sed haec non reprobat falsa quae ignorat, nec vera cum falsis, sicut faciunt fere omnes4. Et Gratianus5 et multi minus bene dixerunt in hac parte, quia non omnia sunt magica quae ipsi docent reprobari, et reprobant falsa quae ignorabant. Sed6 homo, qui reprobat aliquid, debet scire ejus conditiones, et sic falsum reprobare, ut veritas semper maneat i­ llaesa.

1  quod non ]  Ti. om. non; quae non, B. L. 2  de Dispositione Sphaerae ]  de Sphaerae Dispositione, Ti. 3  naturae ]  naturalis, B. 4  faciunt fere omnes ]  fere omnes, Ti, om. faciunt. 5  Gratianus ]  gratiam, B. 6  Sed ]  om. B. Ti.

KAPITEL 13

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verhält sich gegenüber allen anderen wie der Seemann gegenüber dem Schreiner: der Seemann befiehlt ihm, er soll ihm ein Schiff bauen, das dieser dann nutzen kann; und wie die Kriegskunst dem Arbeiter vorschreibt, er soll ihr Waffen bereitstellen, die der Soldat benutzen kann, nicht der Arbeiter. Die Verlängerung des Lebens verfolge ich in meiner Abhandlung über diese Wissenschaft 100, wo ich auch noch andere Beispiele anführe. [65] Der dritte Vorzug der Erfahrungswissenschaft besteht darin, dass sie keine Wahrheiten von den Grenzen der anderen Wissenschaften erhält, sondern diese vielmehr wie ihre Mägde benutzt. Dieser Teil dieser Wissenschaft erstreckt sich auf die Erkenntnis zukünftiger Dinge und auf die wunderbaren Wirkungsweisen der Werke der Natur und der Kunst. Von dieser Erkenntnis spricht Ptolemäus in seinem Buch De dispositione sphaerae 101: denn es gibt einen sichereren Weg für Zukunftsvorhersagen als die Astronomie; und dieser ist die Erfahrung, auf die der ehrwürdige Aristoteles ebenso gegründet ist wie die große Menge der tüchtigen Philosophen und derjenigen, die sich mit den Sternen beschäftigen.102 Diese Wissenschaft hat vier große und eigene Wissenschaften für diese Erkenntnis zur Verfügung. Weiterhin lehrt sie in einem zweiten Teil die Erfahrungen sämtlicher Möglichkeiten der Natur und der Kunst. Und so wie die Logik die Eigenschaften von Scheinschlüssen lehrt, um sie zu vermeiden, deckt diese Wissenschaft alle magischen Künste auf und lehrt, wie sie zurückgewiesen werden, damit – wenn alle Falschheit beseitigt ist – nur die Wahrheit der Kunst und der Natur ergriffen wird. Doch diese Wissenschaft weist nicht ihr unbekannte Falschheiten zurück, noch beschreibt sie Wahres als Falsches, wie es fast alle machen. Gratian103 und viele andere haben zu diesem Thema oft weniger gut gesprochen, weil nicht alles, wovon sie gelehrt haben, dass es zurückgewiesen werden müsse, magische Praktiken sind, weshalb sie das als falsch zurückwiesen, was sie nicht kannten. Doch ein Mensch, der etwas verwirft, muss dessen Eigenschaften kennen und auf dieser Grundlage das Falsche zurückweisen, damit die Wahrheit immer unverletzt bleibt.

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Teil I

Sed hujus reprobationis indiscretae sunt quinque causae, quas assignavi in fine primae partis Majoris Operis1, ubi declaro quomodo sancti neglexerunt et multa quae modo sunt in usu, et alia quae deberent esse longe magis. De ista scientia multa tango in parte sexta; sed ubique relucet ejus potestas et in astronomia et in omnibus. Nam sicut navis compositio pertinet ad carpentatorem, et usus ad navigatorem, sic est hic de omnibus magnificis operibus sapientiae. Omnia enim magnifica ad usum hujus scientiae pertinent, licet praeparetur operatio multorum per alias scientias. Verbi gratia: facere speculum comburens pertinet ad geometriam, quia figuratio determinata requiritur; sed geometria non excogitat hoc opus mirabile, nec usum ejus, sed experimentator, qui vult omne combustibile comburere per hoc speculum ad radios solis, et in omni distantia qua voluerit. Et ideo magnum artificium est hic2 quod solus experimentator fidelis novit excogitare, sed tamen imparat geometriae3 ut corpus speculare praeparet et figuret; et ideo quantum ad usum attribuitur experimentatori, quantum ad compositionem geometriae. Et haec scientia certificat omnia naturalia et artificalia in particulari et in propria disciplina, per experientiam perfectam; non per argumenta, ut scientiae pure speculativae, nec per debiles et imperfectas experientias, ut scientiae operativae. Et ideo haec est domina omnium scientiarum praecedentium, et finis totius speculationis. Sed patet quod multae expensae requiruntur in operibus istius scientiae, in quibus Aristoteles magnus, auctoritate Alexandri, praeter eos quibus domi usus est in experientia, misit plurima

1  Operis ]  om. Ti. 2  hic ]  haec, Ti. 3  geometriae ]  geometro, Ti. et infra.

KAPITEL 13

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Für diese Zurückweisung gibt es aber fünf voneinander nicht zu trennende Gründe, die ich am Ende des ersten Teils des Opus maius dargelegt habe104, wo ich erkläre, wie die Heiligen vieles von dem, was heutzutage in Gebrauch ist, vernachlässigt haben; ebenso wie andere Dinge, die es noch weit mehr sein müssten. Über diese Wissenschaft schreibe ich zwar vieles im sechsten Teil [des Opus maius], doch ihre Macht erstrahlt überall, in der As­ tro­nomie und in allen anderen Bereichen. Denn wie die Herstellung eines Schiffes die Aufgabe des Zimmermannes ist und der Gebrauch dem Seemann zufällt, ist es auch mit all den herrlichen Werken der Weisheit. Alle wunderbaren Dinge erstrecken sich nämlich auf den Gebrauch dieser Wissenschaft, auch wenn die Anwendung von vielem durch andere Wissenschaften vorbereitet wird. Zum Beispiel: Einen Brennspiegel105 herzustellen gehört zur Geometrie, weil dafür eine bestimmte Anordnung erforderlich ist. Aber nicht die Geometrie denkt sich dieses Wunderwerk oder seinen Gebrauch aus, sondern der Experimentator, der alles Brennbare durch diesen auf die Sonnenstrahlen gerichteten Spiegel aus jeder beliebigen Entfernung verbrennen will. Das ist hier das große Kunstwerk, das nur der zuverlässige Experimentator auszudenken weiß, aber dennoch weist er die Geometrie an, dass diese den Spiegelkörper vorbereiten und gestalten soll. Daher wird er in Bezug auf den Gebrauch dem Experimentator zugeschrieben, in Bezug auf die gestaltende Vorbereitung aber der Geometrie. [67] Diese Wissenschaft bestätigt alle natürlichen und künstlich hergestellten Dinge im Besonderen und in der ihnen entsprechenden Fachrichtung durch vollkommene Erfahrung; nicht durch Argumente, wie die rein spekulativen Wissenschaften, oder durch die schwachen und unvollständigen Erfahrungen, die den ausführenden Wissenschaften eigen sind. Daher ist sie die Herrin aller vorhergehenden Wissenschaften und das Ziel aller theoretischen Überlegungen, weswegen jedoch auch große finanzielle Mittel für die Werke dieser Wissenschaft aufgewandt werden müssen. Schon der große Aristoteles hat mit Hilfe der Autorität Alexanders des Großen über jene hinausgehend, die zuhause in der Erfahrung [66]

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[68]

Teil I

millia hominum per mundum ad experiendum rerum omnium naturas et proprietates, sicut Plinius dicit septimo Naturalium, et alii confirmant. Et certe combustio in omni distantia, qua voluerimus, constaret plus quam mille marcas antequam specula sufficientia fierent ad hoc; sed valerent plus quam unus exercitus contra Tartaros et Saracenos. Nam omnem exercitum et castrum contrarium posset experimentator perfectus destruere per hujusmodi combustionem ad solos radios solares, sine alio igne. Mira res est haec1, sed multa alia sunt mirabiliora in hac scientia; et paucissimi sunt dediti huic scientiae propter defectum expensarum. Non enim cognosco nisi unum, qui laudem potest habere in operibus hujus scientiae; nam ipse non curat de sermonibus et pugnis verborum, sed persequitur opera sapientiae, et in illis quiescit. Et ideo quod alii caecutientes nituntur videre, ut vespertilio lucem solis in crepusculo, ipse in pleno fulgore contemplatur, propter hoc quod est dominus experimentorum; et ideo scit naturalia per experientiam, et medicinalia, et alkimistica, et omnia tam coelestia quam inferiora; immo verecundatur2 si aliquis laicus, vel vetula, vel miles, vel rusticus de rure sciat quae ipse ignorat. Unde omnia opera fundentium metalla, et quae operantur auro, et argento, et caeteris metallis, et omnibus mineralibus, ipse rimatus est; et omnia quae ad militiam, et ad arma, et ad venationes ipse novit; omnia quae ad agriculturam, et ad mensuras terrarum et opera rusticorum, examinavit; etiam experimenta vetularum et sortilegia, et carmina earum et omnium magicorum consideravit; et similiter omnium joculatorum illusiones et ingenia; ut nihil quod sciri debeat lateat ipsum, et quatenus omnia falsa et magica

1  haec ]  haec ista, B. 2  verecundatur ]  verecundantur, B.

KAPITEL 13

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geschult waren, mehrere tausend Menschen in die Welt hinaus­ gesandt, um alle Naturdinge und ihre Eigenschaften zu erforschen, wie Plinius im siebenten Buch seiner Naturgeschichte 106 schreibt und wie andere bestätigen. Gewiss würde eine solche Inbrandsetzung auf jede beliebige von uns gewünschte Entfernung mehr als 1000 Mark kosten, bis dafür ausreichend gute Spiegel gebaut wären – aber sie wären gegen die Tataren und Sarazenen doch mehr wert als ein ganzes Heer. Denn der geschickte Experimentator könnte ein Heer und ein feind­liches Lager durch eine solche Inbrandsetzung ohne ein anderes Feuer, sondern allein durch Sonnenstrahlen zerstören. Das ist eine wunderbare Sache, doch es gibt in dieser Wissenschaft Dinge, die noch weitaus wunderbarer sind – aber nur wenige betreiben diese Wissenschaft, weil sie für deren Kosten nicht aufkommen können. [68] Denn ich kenne nur einen, der in den Arbeiten dieser Wissenschaft rühmend genannt werden kann. Ihm geht es nicht um schönes Gerede und Wortgefechte, sondern er geht allein den Werken der Weisheit nach und findet darin Befriedigung107. Was andere nur blind zu sehen vermögen, wie die Fledermäuse im Zwielicht, ergreift er in vollem Licht, weil er der Meister des Experimentes ist. Daher erhält er sein Wissen über die Dinge der Natur durch die Erfahrung, ebenso wie über medizinische und alchemische Dinge und über alle Phänomene im Himmel und auf der Erde. Er schämt sich, wenn Laien, alte Weiblein, Soldaten oder Bauern Dinge wissen, die er nicht weiß. Deswegen hat er sich alle Werke, die sich mit Metallen, Gold, Silber und anderen Metallen und Mineralen beschäftigen, genau angeschaut. Er weiß alles, was mit der Kriegskunst, mit Waffen und mit der Jagd zu tun hat. Er hat sich eingehend mit der Landwirtschaft, der Landvermessung und der Arbeit der Bauern beschäftigt; sogar über die Erfahrungen der alten Weib­lein und der Wahrsagerei, ihrer und der Magier Zaubersprüche hat er sorgfältig nachgedacht, ebenso wie über die Täuschungen und Tricks der Gaukler, damit ihm nichts Wissenswertes entgeht und er fähig ist, alle Falschheiten und alle Magie zu entlarven.

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Teil I

sciat reprobare1. Et ideo sine eo impossibile est quod compleatur philosophia, nec tractetur utiliter nec certitudinaliter. Sed hic, sicut non est dignus pretio, sic nec pretium aestimat sui. Nam si vellet cum regibus et principibus stare, bene inveniret qui eum honoraret et ditaret. Aut si Parisius vellet ostendere quae scit per opera sapientiae, totus mundus sequeretur eum. Sed quia per utramque viam impediretur ab experientiarum magnitudine, in qua summe delectatur, ideo negligit omnem honorem et divitias, praecipue cum poterit, quando voluerit, per suam sapientiam ad divitias pervenire. Circa vero unum speculum comburens in certa distantia laboravit jam per tres annos, et cito veniet ad finem per gratiam Dei, quod omnes Latini nescirent facere, nec unquam fuit attentatum inter eos, cum tamen libros habemus de hujusmodi speculorum compositione.

CAPITULUM XIV. [69]

Omnes vero hae scientiae sunt, simpliciter loquendo et proprie, speculativae. Nam licet in omni scientia distinguantur duae partes, practica et speculativa, ut docet Avicenna primo Artis Medicinae, tamen moralis philosophia sola dicitur autonomatice et proprie practica: quia practica dicitur a praxi, quod est operatio; et non a quacunque, sed ab operatione nostra, scilicet de virtute et vitio, de2 felicitate et poena. Et omnes aliae dicuntur speculativae, quae non considerant haec opera vitae praesentis et futurae, quibus homo salvatur vel damnatur.

1  reprobare ]  Petrus de Maharne Curia, Ti. in marg. 2  de ]  et, B.

KAPITEL 14

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Daher ist es ohne ihn unmöglich, die Philosophie zu vollenden und sie auf nützliche und sichere Weise zu gebrauchen. Doch wie es keinen angemessenen Lohn dafür geben kann, sucht er ihn auch nicht. Wenn er die Bekanntschaft von Königen und Fürsten machen wollte, würde er sicher jemanden finden, der ihn mit Ruhm und Reichtum überschütten würde. Wenn er das, was er durch die Werke der Weisheit weiß, in Paris bekannt machen würde, würde ihm sicher die ganze Welt folgen. Da diese beiden Wege ihn jedoch von der Großartigkeit der Experimente abhalten würden, die ihn so sehr erfreuen, kümmert er sich nicht um Ruhm und Reichtum, weil er weiß, dass seine Weisheit ihm jederzeit Reichtum sichern würde, wenn er es wollte. Denn in den letzten drei Jahren hat er an einem Brennspiegel auf eine gewisse Distanz gearbeitet, den er sehr bald mit der Hilfe Gottes vollendet haben wird. Solches konnten die Lateiner noch niemals herstellen und haben es auch bis jetzt noch niemals versucht, auch wenn wir Bücher über die Herstellung dieser Spiegel besitzen.

KAPITEL 14 Über die Moralphilosophie [69]

Alle diese Wissenschaften sind, einfach und angemessen gesprochen, spekulative Wissenschaften. Denn auch wenn in jeder Wissenschaft zwei Teile unterschieden werden: nämlich ein praktischer und ein spekulativer Teil, wie Avicenna im ersten Buch seines Kanon der Medizin108 lehrt, kann nur die Moralphilosophie im eigentlichen Sinn praktisch genannt werden: denn ›practica‹ kommt von ›praxi‹, was ›Betätigung‹ [operatio] bedeutet. Doch ist damit nicht irgendeine Betätigung gemeint, sondern unsere Betätigung, also die Tugend und die Sünde, die Glückseligkeit und die Strafe. Alle anderen Wissenschaften werden spekulative Wissenschaften genannt, weil sie nicht unsere Werke in unserem jetzigen Leben und der Zukunft behandeln, durch die der Mensch erlöst oder verdammt wird.

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Teil I

Omnia vero opera artis et naturae ordinantur ad haec opera moralia, et sunt propter ea; nec habent utilitatem nisi secundum quod operibus morum deserviunt; et ideo practicae et operativae scientiae, ut experimentalis alkimia et caetera, dicuntur speculativae respectu operationum, quae sunt in morali seu in1 civili scientia. Et haec scientia est domina partium omnium2 philosophiae, et utitur eis et imperat, propter utilitates civitatum et regnorum. Nam per hanc debent eligi homines qui studeant in diversis scientiis et artibus, propter bonum commune; et omnes in civitate et regno sic ordinat, ut nullus remaneat otiosus. Et haec habet sex partes magnas: prima ordinat hominem ad Deum, secundum quod esse posset philosophiae, et certificat quae potest de Deo, et de angelis, et daemonibus, et vita futura, tam de gloria quam de poena; et non solum de vita animae, sed de corporis3 resurrectione. [71] Et mira scripserunt philosophi in hac parte. Nam usque ad Christum et Beatam Virginem considerationem suam exaltaverunt, sicut scribo in parte prima Moralis Philosophiae. Et hujus ratio magna est, quia patriarchi et prophetae non solum scripserunt de Deo in Veteri Testamento, sed in multis aliis libris, tam philosophicis quam aliis, ubi sunt expressae auctoritates de Christo nobilissimae, sicut declaro in secunda parte Operis Majoris et in prima Moralis Philosophiae. Et occurrit mihi modo una auctoritas, quam non posui loco suo sub verbis propriis; et est de B. Virgine nutriente Filium suum Dominum Jesum Christum, quam dicit Albumazar in Majori Introductorio, in sexto libro; sed expressius secundum [70]

1  in ]  om. Ti. 2  partium omnium ]  omnium partium, Ti. 3  corporis ]  corporum, B.

KAPITEL 14

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Alle Ergebnisse der Kunst und der Natur sind auf jene moralischen Werke hingeordnet, sie sind ihretwegen da und haben keinen Nutzen, wenn sie nicht den sittlichen Werken dienen. Deshalb werden die praktischen und ausführenden Wissenschaften, wie die experimentelle Alchemie und ähnliche [Wissenschaften], spekulativ im Hinblick auf die Handlungen genannt, die in der moralischen oder auch bürgerlichen Wissenschaft [civili scientia] behandelt werden. Diese Wissenschaft ist die Herrin aller Teile der Philosophie, bedient sich ihrer und befiehlt ihnen um des Nutzens für die Städte und Königreiche willen. Denn durch diese Wissenschaft müssen die Menschen für das Allgemeinwohl ausgewählt werden, die in den verschiedenen Wissenschaften und Künsten tätig sind: So ordnet sie alles in den Städten und Königreichen, damit niemand untätig bleiben möge. Sie hat sechs große Teile: Der erste Teil ordnet den Menschen zu Gott hin, gemäß dem, was von der Philosophie zu erwarten sein kann, und er beantwortet beweisend – soweit es ihm möglich ist – die Frage nach Gott, den Engeln, den Dämonen und dem zukünftigen Leben: sowohl im Hinblick auf den ewigen Ruhm wie auch die Strafen, nicht nur in Bezug auf das Weiterleben des Geistes, sondern auch in Bezug auf die Auferstehung des Körpers. [71] Die Philosophen haben Wunderbares darüber geschrieben. Denn sie erhoben den Blick ihrer Betrachtung bis zu Christus und zur Seligen Jungfrau, wie ich im ersten Abschnitt der Moralphiloso­ phie 109 schreibe. Diese Überlegung ist wichtig, weil die Patriarchen und Propheten nicht nur im Alten Testament über Gott geschrieben haben, sondern auch sonst in vielen philosophischen und anderen Büchern, wo sich sehr erhabene Aussprüche über Christus finden, wie ich im zweiten Abschnitt des Opus maius 110 und im ersten Teil der Moralphilosophie 111 darlege. Nun fällt mir ein Ausspruch ein, den ich an seinem Ort nicht mit den angemessenen Worten angeführt habe. Es ist ein Sinnspruch über die Selige Jungfrau, die ihren Sohn stillt, unseren Herrn Jesus Christus, wie Albumasar im sechsten Buch seiner Großen Einführung 112 sagt, besonders deutlich wiedergegeben in der Übersetzung von Hermann [70]

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Teil I

translationem Hermanni: »Oritur puella in primo decano Virginis, ut Persae, Chaldaei, Aegyptii, et omnes a prima aetate docent: virgo munda, puella dico immaculata, corpore decora, vultu venusta, habitu modesta, crine prolixo1, puerum nutriens ac jure pascens in loco cui nomen Hebraea, (vel terra Hebraeorum,) puerum dico a quibusdam nationibus vocatum Jesum, quem nos2 Graece Christum dicimus.« Intentio auctoris3 est quod Beata Virgo habet figuram et imaginem infra decem primos gradus Virginis, et quod nata fuit quando sol est in Virgine; et ita habetur signatum in calendario; et quod nutriet Filium suum Jesum Christum4 in terra Hebraeorum. Sed de hoc multa conscribo in applicatione mathematicae ad ecclesiam, propter sectas inquirendas principales, quae sunt sex, ut certificetur secta5 Christiana, et omnes aliae reprobentur, et quatenus sciatur quando secta Machometi destruetur, ut nec unus dies deficiat. Haec enim revolvunt astronomi et determinant; et in his deservit astronomia morali6 philosophiae, cujus proprium est determinare de sectis in particulari et in propria disciplina, secundum quod patebit post. [72] Nam secunda pars moralis philosophiae dat leges publicas, et primo de cultu divino, dein7 de regimine reipublicae, et civitatibus et regnis; et sub hac parte continetur jus civile imperatorum et regnum per universum mundum, et multi tradiderunt multa de hac parte. Sed Aristoteles, et ejus discipulus Theophrastus, omnia compleverunt, ut dicit Marcus Tullius quinto Academicorum libro; et ab his habuerunt omnes Latini omnes leges principaliter; quanquam leges XII. Tabularum fuerunt transcriptae ex dictis Solonis Atheniensis.

1  prolixo ]  prolixa, Ti. 2  nos ]  vos, B. 3  auctoris ]  auctoritatis, B. 4  Jesum Christum ]  Christum Jesum, Ti. 5  secta ]  om. Ti. 6  morali ]  moralis, B. 7  dein ]  et deinde, B.

KAPITEL 14

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[von Carinthia]: »Er wird von einem Mädchen in der ersten Blüte der Jungfräulichkeit geboren, wie die Perser, Chaldäer, Ägypter und alle von frühester Zeit an lehren: sie ist eine reine Jungfrau, d. h. ein unberührtes Mädchen, von schöner Gestalt und lieblichem Antlitz, bescheiden in der äußeren Erscheinung, mit langem Haar. Sie stillt und umsorgt den Knaben in einer Gegend, die Hebraea (oder Land der Hebräer) heißt, und der Knabe wird von ­einigen Völkern Jesus, von uns auf Griechisch Christus genannt.« Die Absicht des Autors ist, zu versinnbildlichen, dass die Selige Jungfrau ihre Gestalt und ihr Bild in den ersten zehn Stufen der Jungfräulichkeit hat, und dass sie geboren worden ist, als die Sonne im Zeichen der Jungfrau stand, weshalb das auch so im Kalender angezeigt wird, und dass sie ihren Sohn Jesus Christus im Land der Hebräer genährt hat. Doch darüber schreibe ich viel im Zusammenhang mit der Anwendung der Mathematik auf die Kirchendinge und der Erforschung der verschiedenen Glaubensgemeinschaften, von denen es insgesamt sechs gibt, damit die christliche Glaubensgemeinschaft bestätigt wird, alle anderen verworfen werden, und sodass man auf den Tag genau weiß, wann die Glaubensgemeinschaft Mohammeds zerstört werden wird. Das verdeutlichen und bestimmen nämlich die Astronomen; und hierin dient die Astronomie der Moralphilosophie, deren Eigentümlichkeit es ist, die einzelnen Glaubensgemeinschaften im Besonderen und in ihrer jeweiligen Lehre, die später klar werden wird, zu bestimmen. [72] Denn der zweite Teil der Moralphilosophie 113 gibt die öffentlichen Gesetze. Zuerst die Gesetze, die den göttlichen Kult betreffen, daraufhin die Gesetze über die Lenkung des Gemeinwesens, der Städte und der Königtümer. Unter diesen Teil [der Moralphilosophie] fällt auch das Zivilrecht der Kaiser und der Königreiche für die ganze Welt, worüber viele Autoren vieles überliefert haben. Doch bereits Aristoteles und sein Schüler Theophrast haben alles vollendet, wie Marcus Tullius im fünften Buch seiner Academica114 sagt; von ihnen haben die Lateiner ursprünglich alle Gesetze übernommen, obwohl das Zwölftafelgesetz eine Verschriftlichung der Aussprüche des Atheners Solon gewesen ist.

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Teil I

Sed dolendum est quod haec pars philosophiae non est apud Latinorum usum, nisi laicaliter, secundum quod imperatores et reges statuerunt; nam philosophice, secundum quod tradita est ab Aristotele et Theophrasto, non est haec pars in usu Latinorum. [73] Tertia pars est de virtutum honestate ut amentur, et vitiorum turpitudine ut vitentur; et haec est pulchrior sapientia quam possit dici. Mirum enim est de nobis Christianis, qui sine comparatione sumus imperfectiores in moribus quam philosophi infideles. Legantur decem libri Ethicorum1 Aristotelis et innumerabiles Senecae, et Tullii, et aliorum, et inveniemus quod sumus in abysso vitiorum, ut dicamus, »Gratia Dei salvavit nos.« Summus enim zelus castitatis, et mansuetudinis, et patientiae, et constantiae, et omnium virtutum fuit apud philosophos. Nam non est homo in aliquo vitio ita absorptus quin si legeret diligenter libros hos illud vitium dimitteret; quoniam ita potenter allegant pro qualibet virtute, et contra quodlibet vitium, quod non est finis. Unde cum pessimum vitium sit ira, quia omnem hominem et totum mundum destruit, non est homo ita iracundus qui2 si videret diligenter libros tres Senecae quin verecundaretur irasci. Mira sapientia in illis libris continetur; et sic in aliis. Et ideo de illis libris de Ira, et de multis aliis conscripsi, in parte hac tertia moralis philosophiae, ut videatur infinita sapientia philosophorum, quoniam postquam Deus iis concessit, potuerunt in aliis praevalere; quia virtus illuminat animum in cognitione veritatis, et peccatum obfuscat. [74] Et quarta est de sectarum revolutione, ut una eligatur quae per totum mundum habeat dilatari, et aliae reprobentur. Et hic tradi-

1  Ethicorum ]  om. Ti. 2  qui ]  quia, B.

KAPITEL 14

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Es ist jedoch bedauerlich, dass dieser Teil der Philosophie bei den Lateinern nur im laikalen Bereich entsprechend der Festsetzung der Kaiser und Könige in Gebrauch ist. Denn auf philosophische Weise – und das heißt so, wie Aristoteles und Theophrast es überliefert haben – wird dieser Teil bei den Lateinern nicht benutzt. [73] Der dritte Teil [der Moralphilosophie]115 handelt von der Ehrwürdigkeit der Tugenden, damit sie geliebt werden, und von der Schändlichkeit der Sünden, damit sie vermieden werden; und das ist eine schönere Weisheit, als man sagen kann. Es ist bei uns Christen verwunderlich, dass wir unvergleichlich unvollkommener in unseren Sitten sind als die ungläubigen Philosophen. Wenn wir die zehn Bücher über die Ethik 116 des Aristoteles und unzählige weitere Bücher von Seneca, Cicero und anderen lesen, werden wir sehr schnell sehen, dass wir uns selbst in solch einem Abgrund der Sünden befinden, dass wir nur sagen können: »Allein die Gnade Gottes hat uns errettet.« Denn bei den Philosophen gab es ein Höchstmaß an Keuschheit, Milde, Geduld, Stetigkeit und allen anderen Tugenden. Doch kein Mensch ist so sehr in eine Sünde verstrickt, dass er diese Sünde nicht ausmerzen könnte, wenn er die Bücher der alten Philosophen nur sorgfältig lesen würde, denn sie bringen so starke Argumente für jede Tugend und gegen jede Sünde vor, dass es hier gar kein Ende gibt. Auch wenn der Zorn die schlimmste Sünde ist, weil sie jeden Menschen und die gesamte Welt zerstört, gibt es keinen Menschen, der so zornmütig wäre, dass er sich seines Zorns nicht schämen würde, wenn er sorgfältig die drei Bücher Senecas117 lesen würde. Denn in diesen Büchern ist eine wundervolle Weisheit enthalten; und so auch in anderen. Daher scheint in den Büchern Über den Zorn sowie in vielen ähnlichen Büchern, die im dritten Teil der Moralphilosophie von mir behandelt wurden, die unendliche Weisheit der Philosophen auf, die, nachdem Gott sie ihnen gegeben hatte, auch in anderen vorherrschen konnten; denn die Tugend erleuchtet den Geist in der Erkenntnis der Wahrheit und löscht die Sünde aus. [74] Der vierte Teil118 betrachtet die Entwicklung der Glaubensgemeinschaften, sodass eine ausgewählt wird, die sich über die ge-

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Teil I

tur probatio fidei Christianae; et sunt rationes hujus probationis in magna copia et pulcherrimae. Et haec1 est pars melior totius2 philosophiae, non solum moralis, sed totius3 sapientiae humanae. Nec mirum, cum haec ordinet hominem in vitam aeternam secundum possibilitatem philosophiae; et probat quod lex debet a solo Deo revelari, et uni legislatori perfecto, qui est vicarius ejus in terra, et qui habet toti mundo dominari et omnia regna disponere; et hic debet legem promulgare et ordinare de suo successore, quem philosophi vocant summum sacerdotem. Et hic tota philosophiae potestas concurrit, ut per speculativas scientias et per practicas docea­tur persuasio sectae fidelis. De hac autem parte scripsi sicut de aliis, et in parte mathematicae comparatae ad ecclesiam praemisi capitulum nobile, in quo astronomia deservit huic parti moralis philosophiae. Et omnia opera scientiae experimentalis et caetera mirabilia operantur hic, et consideratio scientiarum magicarum, ut destruantur, quia sectas perversas constituunt. Et hic linguae deserviunt et omnia, sicut in singulis partibus Operis Majoris ego ostendo. Nam quaelibet ad conversionem infidelium secundum varias potestates operatur; quia non minus per opera sapientiae mirabilia quae prius ignoramus, et credimus ut postea intelligamus, erigimur ad magnalia fidei credenda, quam per speculationes sapientales persuademur de hac eadem fide. Quando

1  haec ]  om. Ti. 2  totius ]  om. Ti. 3  totius ]  om. Ti.

KAPITEL 14

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samte Welt erstrecken soll, und damit die übrigen zurückgewiesen werden können. Dieser Teil enthält die Bestätigung für den christlichen Glauben, für dessen Richtigkeit es zahlreiche und sehr schöne Gründe gibt. Dieser Teil ist der beste in der gesamten Philosophie, nicht nur der Moralphilosophie, sondern der gesamten menschlichen Weisheit überhaupt. Daher ist es nicht erstaunlich, dass sie den Menschen entsprechend den Möglichkeiten der Philosophie auf das ewige Leben vorbereitet. Hier beweist die Moralphilosophie, dass das Gesetz nur von Gott geoffenbart werden kann und dass es nur e­ inen vollkommenen Gesetzgeber geben kann, der dessen Stellvertreter auf Erden ist, der über alle Welt herrschen und alle Länder ordnen soll. Dieser [Gesetzgeber] muss das Gesetz öffentlich machen und für seinen Nachfolger vorbereiten, den die Philosophen den Höchsten der Priester [summum sacerdotem] nennen. Hier kommt die gesamte Macht der Philosophie zusammen, damit sowohl durch die spekulativen als auch durch die praktischen Wissenschaften die Gemeinschaft der Gläubigen gestärkt wird. Hiervon habe ich ebenso wie von vielem Weiteren geschrieben, vor allem habe ich in meinem Abschnitt [des Opus maius], der von der Beziehung der Mathematik zur Kirche handelt, ein wertvolles Kapitel vorangeschickt, in dem die Astronomie diesen Teil der Moral­philosophie unterstützt.119 Denn die gesamten Werke der Erfahrungswissenschaft und der anderen wunderbaren Wissenschaften kommen hier zum Einsatz, ebenso wie die Betrachtung der magischen Wissenschaften, damit sie zerstört werden, da sie die Grundlage für die falschen Glaubensgemeinschaften bilden. Auch die Sprachen und alle anderen Dinge dienen diesem Ziel, wie ich in den einzelnen Teilen meines Opus maius zeige. Jede Wissenschaft arbeitet nämlich entsprechend ihrer eigenen Macht auf die Bekehrung der Ungläubigen hin: Schließlich werden wir ebenso durch die wunderbaren Werke der Weisheit, die wir erst nicht kennen, sondern an die wir glauben, um sie später zu verstehen, zu den großen Dingen des Glaubens geführt, wie wir durch die Betrachtungen der Weisheit von diesem Glauben überzeugt werden. Denn wenn wir alle die Wunder

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Teil I

enim videmus mirabilia in perspectiva et aliis scientiis, quae ante instructionem reputamus impossibilia, tunc longe magis debemus nos humiliare mentes nostras divinis veritatibus ut credamus eas, quamvis sint1 supra intellectum nostrum; cum sic sunt infinitae veritates in creaturis, quarum nullam rationem possumus2 habere, et tamen recipimus eas, quando instruimur in eis. Quinta vero pars est de sectae jam persuasae et probatae3 exhortatione, ad implendum in opere et ad nihil faciendum in contrarium; et hic exigitur modus praedicationis. Et tam haec pars quam quarta utitur potenter ornatu rhetorico, non solum in verbis, sed et4 in sententiis, et in gestibus corporis, et in animi motibus, sicut ego declaro per radices certas, secundum vias sanctorum et5 non solum philosophorum. Nam ut Augustinus docet, quarta de Doctrina Christiana, summa eloquentia est in usu sanctorum in Scriptura; et optime hoc docet. Hanc autem partem elevo ad considerationes scientiarum, quia comparo eam ad usum theologiae, et similiter facio de omnibus quae scripsi, tam in Opere Majori quam Minori. Nam una comparatio est philosophiae ad theologiam, ut saepe dixi. Sexta vero pars moralis philosophiae est de causis ventilandis coram judice inter partes, ut fiat justitia; sed hanc solam tango propter causas, quas assigno.

1  sint ]  sunt, B. 2  possumus ]  sufficimus, Ti. 3  persuasae et probatae ]  probatae et persuasae, Ti. 4  et ]  om. Ti. 5  et ]  om. B.

KAPITEL 14

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der Perspektivik und der anderen Wissenschaften sehen, an deren Möglichkeit wir vor der Belehrung nicht gedacht hätten, müssen wir unseren Geist noch viel mehr vor den göttlichen Wahrheiten in Demut üben, damit wir an sie glauben, wie sehr sie auch unseren Verstand übersteigen mögen. Es gibt schließlich unzählige Wahrheiten über die geschaffene Welt, von denen wir eigentlich keine Vorstellung haben können, und doch erhalten wir sie, wenn wir über sie belehrt werden. [75] Der fünfte Teil120 behandelt die Ermahnung der Glaubensgemeinschaft, die schon überzeugt und gebilligt worden ist, damit sie sich in ihren Werken dem Glauben entsprechend verhält und nichts tut, was dem Glauben widerspricht. Das wird aber durch die Predigt erreicht. Dieser Teil benutzt ebenso wie der vierte [Teil] auf wirkungsvolle Weise den Schmuck der Redekunst, nicht nur bei Worten, sondern auch bei Aussprüchen, in den Gesten des Körpers und den Gemütsbewegungen, wie ich mit sicheren Gründen nicht nur der Philosophen, sondern auch der Heiligen erkläre. Denn wie Augustinus im vierten Buch seiner Abhandlung Über die christ­ liche Bildung 121 lehrt, wird die höchste Form der Redekunst von den Heiligen in der Schrift benutzt; und er lehrt das auf die beste Weise. Diesen Teil [der Moralphilosophie] beziehe ich in die Betrachtungen der Wissenschaften mit ein, weil ich ihn auf den Gebrauch in der Theologie beziehe, und ähnlich mache ich es auch mit allem anderen, was ich im Opus maius und im Opus minus geschrieben habe. Denn ein Aspekt der Philosophie besteht in ihrem Bezug zur Theologie, wie ich oft gesagt habe. [76] Der sechste Teil der Moralphilosophie 122 beschäftigt sich mit jenen Streitfällen, die zwischen den Parteien vor dem Richter zu verhandeln sind, um Gerechtigkeit walten zu lassen. Aber ich behandle das [dort] nur wegen der Gründe, die ich dort anführe.

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Teil I

CAPITULUM XV. [77]

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Posui igitur intentionem grossam istius scientiae nobilissimae, ut appareat quod magnus defectus in studio sapientiae est apud philosophantes Latinos1, quod haec scientia magna non est in usu eorum. Et haec est scientia optima, et respectu cujus aliae non habent comparationem; quia haec sola docet bonum animae. Caeterum isti omnes aliae sunt subjectae, et propter quam omnes aliae sunt inventae. Haec enim est finis omnium, et domina et regina. Nec potest utilitas alicujus esse nisi respectu istius scientiae; quia ea, quae sunt ad finem, non habent utilitatem suam nisi a fine. In se enim vana sunt et inutilia. Quoniam igitur, ut Aristoteles docet in secundo Physicorum, finis imponit necessitatem in eis quae sunt ad finem; nam utilitas eorum est a fine, nec potest utilitas aliarum scientiarum cognosci nisi per hanc; – ideo qui hanc ignorat nescit quare addiscit alias. Et dico quare secundum veritatem, non secundum aestimationem cujuslibet; quia nisi bonum animae consideretur, in quolibet opere et in qualibet occupatione, ut omnia fiant et considerentur propter illud bonum, omnia sunt cassa et vana, et nihil sunt; sicut non solum fides nostra docet, sed doctrina philosophorum quae in morali philosophia traditur. Et ideo sequitur quod propter ignorantiam istius scientiae non potest veritas aliarum patere; nam nihil sunt sine ea, sicut tota sapientia philosophiae nihil est sine sapientia fidei Christiani. Nam sicut nos credimus quod omnis sapientia inutilis est nisi reguletur per fidem Christi, nec aliter apparet ejus utilitas, sic aesti­-

1  philosophantes Latinos ]  philosophantes magnos Latinos, Ti.

KAPITEL 15

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KAPITEL 15 Die Moralphilosophie ist das Ziel aller Wissenschaften Ich bin so ausführlich auf die Absicht dieser Herrlichsten aller Wissenschaften eingegangen, damit der große Mangel beim Studium der Weisheit unter den lateinischen Philosophen deutlich erkennbar wird, weil diese großartige Wissenschaft von ihnen nicht benutzt wird. Dabei ist diese Wissenschaft doch die beste Wissenschaft, gegenüber der die anderen keinen Vergleich aushalten, weil nur sie das Gut für die Seele lehrt. Dieser Wissenschaft sind alle anderen unterworfen, denn nur ihretwegen sind sie erfunden worden: Sie ist das Ziel aller anderen, sie ist ihre Herrin und Königin, weshalb die anderen Wissenschaften nur in Bezug zu ihr nützlich sein können. Denn die Dinge, die auf ein Ziel gerichtet sind, haben für sich genommen keinen Nutzen, außer in Bezug auf das Ziel. [78] Für sich genommen sind sie nämlich eitel und nutzlos. Schon Aristoteles lehrt im zweiten Buch der Physik 123, dass das Ziel die Notwendigkeit für die Dinge bildet, die auf das Ziel gerichtet sind, weil ihr Nutzen doch in Hinblick auf das Ziel besteht, weshalb man den Nutzen der anderen Wissenschaften nur durch ihr Ziel verstehen kann. Wer aber das nicht weiß, weiß auch nicht, warum er die anderen Wissenschaften lernen sollte. Ich sage das, weil es die Wahrheit ist, nicht weil es der Einschätzung von irgendwem entspricht: Denn wenn nicht in jedes Werk und in jede Beschäftigung das Gut für die Seele miteinbezogen wird, damit alles auf dieses Gut gelenkt und in diese Richtung hin bedacht wird, ist alles vergeblich und eitel. Es ist nichts, wie nicht nur unser Glaube lehrt, sondern auch die Lehre der Philosophen, die in der Moralphilosophie behandelt wird. Daraus folgt, dass man aufgrund der Unkenntnis dieser Wissenschaft die Wahrheiten der anderen Wissenschaften nicht erfassen kann: Denn sie sind nichts ohne sie, wie auch die gesamte Weisheit der Philosophie ohne die Weisheit des christlichen Glaubens nichts ist. [79] Wir glauben daher, dass alle Weisheit nutzlos ist, wenn sie nicht durch den christlichen Glauben gelenkt wird, und dass sie keinen [77]

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Teil I

maverunt philosophi de tota philosophia speculativa respectu istius practicae. Quia haec fuit theologia eorum et per hanc credebant salvari, non per alias. Si igitur utilitas aliarum scientiarum non cognoscitur nisi notitia istius1 habeatur in quantum ad eam applicantur et ordinentur, tunc tamen Latini ignorant hanc scientiam, quia non est in usu eorum, ignorabunt potestatem utilem aliarum. Et ideo licet haec sit finis omnium scientiarum tamen alio modo est initium. Nam finis primo est in intentione et cogitatione et movet efficiens2 ad totam operationem; et ideo haec scientia deberet primo sciri ut homo cognosceret ad quid et propter quid operaretur; quatenus haec scientia sit regula totius operationis humanae, ut nihil faceret nisi secundum hanc scientiam. Et ideo a juventute deberet quilibet instrui saltem in universali in hac scientia. Et propter hoc quilibet a juventute instruitur per ecclesiam in iis quae fidei sunt. Et deberemus longe plus instrui in scientia Christi a juventute quam instruimur. Nam lex Dei deberet3 legi pueris, ut assuescerent semper ad veritatem fidei, et maxime libri planiores et magis morales utriusque Testamenti; sicut etiam aliqui audiunt Bibliam versificatam; sed melius esset quod audirent et construerent evangelium in prosa, et Epistolas, et libros Salomonis, quia illa versificata truncat omnia, et nihil valet. Nam primo est homo instruendus in iis quae pertinent ad salutem animae, ut semper assuescat proficere in melius. Et propter hoc Judaei a juventute primo addiscunt legem Dei. Et

1  notitia istius ]  ista, Ti. 2  efficiens ]  efficientem, U. 3  deberet ]  debet, U.

KAPITEL 15

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anderen Nutzen haben kann. So haben auch alle Philosophen die gesamte spekulative Philosophie gegenüber der praktischen eingeschätzt. Denn diese war ihre die Theologie und durch sie allein  – und durch nichts anderes – meinten sie, gerettet werden zu können. Der Nutzen der anderen Wissenschaften wird daher nicht begriffen, wenn man von ihr keine Vorstellung hat und nicht weiß, wie die anderen Wissenschaften auf sie angewandt und zu ihr hingelenkt werden. Da die Lateiner diese Wissenschaft jedoch nicht richtig kennen, weil sie bei ihnen nicht in Gebrauch ist, werden sie auch die nützliche Kraft der anderen Wissenschaften nicht erkennen können. Daher ist sie zwar das Ziel aller Wissenschaften, zugleich aber auch deren Beginn. Denn das Ziel ist bei der Absicht und Überlegung stets das Erste, was die Wirkursache zum Tätigwerden bewegt, weshalb diese Wissenschaft eigentlich zuerst erkannt werden müsste, damit der Mensch überhaupt weiß, wozu und weswegen er handeln sollte. Insofern sollte diese Wissenschaft die Richtschnur aller menschlichen Werke sein, damit der Mensch nichts tut, was nicht dem Ziel dieser Wissenschaft entspricht. Daher sollte jeder von Jugend an wenigstens in den Grundlagen dieser Wissenschaft unterrichtet werden. Infolgedessen wird auch jeder von Jugend an durch die Kirche in Glaubensdingen unterrichtet; aber wir müssten von Jugend an noch viel mehr in der Wissenschaft Christi unterrichtet werden, als es tatsächlich der Fall ist. [80] Denn das Gesetz Gottes müsste schon den Kindern vorgelesen werden, damit sie sich immer an die Wahrheit des Glaubens gewöhnen, vor allem die klareren und moralischeren Bücher der beiden Testamente. Einige hören die Bibel zwar in Versen, aber es wäre besser, wenn sie das Evangelium in Prosa hören und nachvollziehen würden. Das gilt vor allem für die Briefe und die Bücher Salomons, weil hier alles verloren geht, wenn man sie in Verse setzt, sodass nichts von ihnen bleibt. Zuerst muss der Mensch in den Dingen unterwiesen werden, die zum Seelenheil führen, damit er sich daran gewöhnt, immer nach dem Besseren zu streben. Deswegen haben auch die Juden von frühester Jugend an zuerst das Gesetz Gottes gelernt. Auch Boethius lehrt in seinem Buch

112

Teil I

Boetius in libro de Disciplina Scolarium docet quod pueri primo instruendi sunt in libris Senecae; et Beda exponit quod hoc dicit quia primo sunt docendi in moribus, quia libri Senecae sunt morales. Sed non sic instruuntur, sed in fabulis et insaniis Ovidianis et caeterorum poetarum, ubi omnes errores in fide et moribus proponuntur. Nam multitudinem deorum ibi audiunt, et quod homines et stellae sunt dii, et aliae creaturae, et de vita futura errores infiniti vulgantur, tam de vita bonorum quam malorum. Et omnes superstitiones1 pro religione in eis inveniuntur2, et omnes morum corruptiones3. Et ideo juvenes concipiunt malos mores a juventute, et quando temptaverunt semper crescunt in eis. [81] Et inde accidit quarta ratio ad propositum. Nam sic fiunt inhabiles ad veritatem sapienitae magnificam, quia scriptura dicit quod in malevolam animam non introibit sapientia, nec habitabit in corpore subdito peccatis. Et anima deturpata peccatis est sicut speculum rubiginosum et vetus, in quo non possunt species rerum apparere, ut pulchre dicit Algazel in Logica; et anima ornata virtute est sicut speculum novum et politum in quo apparent clare rerum imagines. Hoc satis ostendo in Moralibus. Et ideo quia vulgus nescit hanc scientiam a juventute, homines habent animas obscuras et excaecatas quae nunquam possunt proficere nisi in vanis, et falsis, et in malis, cavillationibus et in magnis imperfectionibus ­sapientiae. [82] Et ideo multitudo studentium negligit omne quod pulchrum est et utile in sapientia philosophiae, et perit philosophia. Sed libri istius scientiae Aristotelis et Avicennae, Senecae et Tullii, et aliorum, non possunt haberi nisi cum magnis expensis; tum quia

1  omnes superstitiones ]  omnis superstitio, Ti. 2  inveniuntur ]  invenitur, Ti. 3  omnes morum corruptiones ]  omnis morum corruptio, Ti.

KAPITEL 15

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De disciplina scolarium124, dass die Jungen zuerst in den Büchern Senecas unterwiesen werden sollen; und Beda erklärt, dass er dies sagt, weil sie zuerst in guten Sitten unterwiesen werden sollen, weil die Bücher Senecas von der Moral handeln. Doch sie werden nicht darin unterrichtet, sondern in den Geschichten und irrwitzigen Erzählungen Ovids und anderer Dichter, wo alle Fehler im Glauben und in den Sitten versammelt werden. Denn hier hören sie von einer Vielzahl von Göttern und davon, dass Menschen, Gestirne und andere Lebewesen Götter sind, wodurch unzählige Irrtümer über das zukünftige Leben – sowohl über die Güter als auch die Übel des Lebens – verbreitet werden. Bei ihnen kann man sämtlichen Aberglauben und alle Verderbnis der Sitten finden, wodurch die Jugendlichen von Kindheit an schlechte Sitten aufnehmen, die in ihnen jedes Mal wachsen, wenn sie in Versuchung geführt ­werden. [81] Von hier aus kommen wir zum vierten Punkt dieser Thematik: denn so werden [die Jugendlichen] unfähig, die wunderbare Wahrheit der Weisheit zu erfassen, weil die Schrift sagt, dass in eine übel gesinnte Seele die Weisheit nicht einkehren, noch in einem sündigen Körper wohnen wird.125 Eine von der Sünde verstörte Seele ist wie ein rostiger und alter Spiegel, in dem die Abbilder der Dinge nicht erscheinen können, wie Algazel sehr schön in seiner Logik 126 sagt. Eine durch die Tugend geschmückte Seele ist hingegen wie ein geputzter und neuer Spiegel, in dem sich die Bilder der Dinge klar widerspiegeln. Das zeige ich ausführlich genug in meiner Abhandlung über die Moralphilosophie. Da die Menge diese Wissenschaft aber von Jugend an ignoriert, hat sie eine verdunkelte und gleichsam erblindete Seele, die niemals voranschreiten kann und sich nur in eitlem, falschem und schlechtem Gerede und in den großen Unvollkommenheiten der Weisheit ergeht. [82] Daher beachtet die Menge der Studenten das nicht, was an der Weisheit der Philosophie schön und nützlich ist, wodurch die Philosophie zugrunde geht. Doch die Bücher zu dieser Wissenschaft von Aristoteles und Avicenna, von Seneca, Cicero und anderen können sie nicht bekommen, außer wenn sie viel Geld dafür aus-

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Teil I

principales libri non sunt translati in Latinum, tum quia aliorum non reperitur exemplar in studiis solemnibus, nec alibi; quia libri Marci Tulii De Republica1 optimi nusquam inveniuntur, quod ego possim2 audire, cum tamen sollicitus fui quaerere per diversas partes mundi, et per diversos mediatores. Similiter multi alii libri ejus. Libros vero Senecae, quorum flores vestrae beatitudini conscripsi, nunquam potui invenire, nisi a tempore mandati vestri, quamvis diligens fui in hac parte jam a viginti annis et pluribus. Et sic est3 de multis aliis utilissimis libris istius scientiae nobilis. Paucissimi etiam sunt qui sciunt hujusmodi libros, nec sunt exercitati hic; nec scirent ex infinita multitudine colligere quae necessaria sunt, et collecta ordinare. Et illi sunt homines valentes, et senes, et magni viri, qui sine magnis expensis non redirent ad studium, sed quiescunt in locis suis in pace cum delectatione istius sapientiae finalis.

CAPITULUM XVI. [83]

Enumeravi jam linguas et scientias quae ignorantur a vulgo studentium, et quae faciunt sciri omnes alias, et sine quibus nihil pot­ est veraciter cognosci: et recitavi difficultatem habendi istas, tum propter raritatem personarum quae sciunt de his, tum propter raritatem librorum, tum propter expensas varias in personis, in

1  De Republica ]  om. Ti. 2  possim ]  possum, Ti. 3  est ]  om. Ti.

KAPITEL 16

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geben: sei es, weil die für diese Wissenschaft grundlegenden Bücher noch nicht ins Lateinische übersetzt worden sind, sei es, weil sich eine Abschrift der anderen weder bei den gewöhnlichen Studiengängen noch sonst irgendwo finden lässt. So sind zum Beispiel die hervorragenden Bücher von Marcus Tullius Vom Gemeinwe­ sen127 noch nicht gefunden worden. Andernfalls hätte ich davon gehört, weil ich eifrig in verschiedenen Teilen der Welt danach geforscht und zu diesem Zweck auch viele Mittelsmänner befragt habe. Ähnlich verhält es sich auch mit vielen anderen Büchern von ihm. Auch die Bücher von Seneca, deren schönste Blüten ich ­Eurer Seligkeit [im Opus maius] aufgeschrieben habe128, konnte ich bis zu der Zeit Eurer Aufforderung nie finden, obwohl ich 20 Jahre und mehr eifrig nach ihnen gesucht hatte. Gleichermaßen ist es auch bei vielen anderen äußerst nützlichen Büchern dieser sehr würdigen Wissenschaft. Es gibt nur sehr wenige, die derartige Bücher kennen und sich in dieser Wissenschaft auskennen oder die wüssten, wie man aus der unzähligen Menge der Texte die wichtigen Dinge heraussuchen und daraus ordentliche Kompilationen machen könnte. Diese wenigen Menschen sind äußerst fähig, alt und in der Tat große Männer, die nicht ohne große Kosten zur Rückkehr an die Universität [ad studium] zu bewegen sind, sondern die sich lieber in Frieden an ruhige Orte zurückziehen, um ihre endgültige Weisheit zu genießen.

KAPITEL 16 Über die Schwierigkeiten des Verfassens grundlegender Schriften [83]

Ich habe bis hierher die Sprachen und Wissenschaften aufgezählt, die zwar den meisten Studenten nicht bekannt sind, durch die man jedoch alle anderen erst kennen und ohne die man nichts wirklich wissen kann. Ich habe auch die Schwierigkeiten ihres Erlernens genannt: der Mangel an Personen, die etwas darüber wissen, der Mangel an Büchern, die großen Kosten für Forscher, für Bücher

116

[84]

Teil I

l­ibris, in instrumentis, in tabulis, in operibus sapientiae magnis, in experientiis secretis. Et ideo patet quod scripta principalia de sapientia philosophiae non possunt fieri ab uno homine nec a pluribus, nisi manus praelatorum et principum juvent sapientes cum magna virtute. Unde oportet quod fiat scriptura praeambula, in qua tangantur omnia, quae necessaria sunt ad scripta principalia, et ut sciantur impedimenta. Et praeter jam dicta exigeretur1 pergamenum infinitum, et scriptores multi, et multa fierent exemplaria, antequam unum haberetur ultimatum. Nam in curiis praelatorum et principum una littera parvi valoris transit per plures manus antequam bullam recipiat aut sigillum; multo igitur magis in proposito et sine comparatione oportet manus multiplicari2, et scripturas varias consumi, antequam habeatur exemplar unum limatum et ultima examinatione probatum. Nam tractatus sufficiens debet habere septem conditiones, scilicet: Quod omnia sint vera quae scribuntur. Quod sint electa, quia haec adhuc sunt quasi infinita, et sufficiunt. Iterum, tertio, quod propria ad quamlibet materiam de qua est sermo, non quod confundantur naturalia cum metaphysicis; et sic de aliis. Iterum, quarto, quod sint brevia moderate3; quia superfluitas impedit multum ad cognitionem veritatis et reddit opus abominabile. Iterum, quinto, quod sint plana. Sed hoc est difficile; quia maxima cautela est ut planities habeatur cum brevitate. Iterum, sexto, quod sint certificata sine omni dubitatione. Iterum, septimo, quod sint perfecta secundum possibilitatem hominis.

1  exigeretur ]  exigitur, Ti. 2  multiplicari ]  multiplicitari, B. 3  moderate ]  moderata, B.

KAPITEL 16

[84]

117

und Instrumente, für Tafeln, für die Werke der Weisheit im Allgemeinen und für geheime Experimente. Daraus ist ersichtlich, dass grundlegende Schriften über die Weisheit der Philosophie weder von einem noch von mehreren Menschen geschaffen werden können, wenn nicht die Prälaten und Fürsten den Weisen mit tugendhafter Hand helfen. Deshalb muss zuerst eine vorangehende Abhandlung geschrieben werden, in der alles thematisiert wird, was für diese grundlegenden Werke notwendig ist, und in der auf die Hindernisse hingewiesen wird, die diesem Projekt entgegenstehen. Hinzu kommt, dass Unmengen von Pergament und viele Schreiber erforderlich sind, damit viele Exemplare geschrieben werden können, bis man eine Endfassung hat. Denn an den Höfen der Prälaten und Fürsten geht schon ein Blatt geringer Bedeutung durch mehrere Hände, ehe es Bulle oder Siegel erhält. Um wie viel mehr, ja unvergleichlich mehr, muss man in unserem Fall die Anzahl der helfenden Hände erhöhen und viele Seiten verbrauchen, bevor ein wirklich ausgereiftes Exemplar vorliegt, das durch eine letzte Durchsicht geprüft ist. Denn eine zufriedenstellende Abhandlung muss sieben Anforderungen erfüllen: Es muss alles wahr sein, was darin geschrieben steht. Es muss aus dem Unzähligen, was es zu wissen gibt, gut ausgewählt werden und standhalten können. Zudem muss sie drittens jedes Gebiet passend behandeln, damit zum Beispiel nicht die Naturphilosophie mit der Metaphysik vermischt wird; und so verhält es sich auch mit den anderen [Wissenschaften]. Viertens muss sie angemessen kurz sein, denn eine übertriebene Weitschweifigkeit hält viele von der Erkenntnis der Wahrheit ab und macht ein Werk unangenehm. Fünftens muss sie klar sein. Doch das ist äußerst schwierig, da man sehr darauf bedacht sein muss, Klarheit und Kürze zu verbinden. Sechstens muss das, was darin steht, ohne Zweifel belegt sein. Siebentens muss eine solche Abhandlung der Möglichkeit des Menschen entsprechend vollkommen sein.

Teil I

118 [85]

Et hae septem conditiones non possunt fieri nisi multa fiant exemplaria, et destructio pergameni ineffabilis. Iterum, cum omnia verificantur et certificantur per figuras et numeros, ut patet ex operibus quae mitto, oportet quod multi sint collaterales et adjutores, et maxime juvenes qui figurent et numerent; nam seniores taedio afficerentur talibus1 operibus puerilibus. Atque correctores varios oportet haberi, qui omnia scripta praevia vice corrigant, ad exemplaria ultimata, donec artifices principales perlegerunt omnia, ut nihil esset superfluum, nihil diminutum. Et plures oporteret haberi qui praeessent fraudibus scriptorum, et qui rationem redderent et facerent expensarum.

CAPITULUM XVII. [86]

[87]

Haec autem recitavi2 propter quatuor causas; una est propter vestrae gloriae mandatum, de quo confundor et doleo quod non adimplevi sub forma verborum vestrorum, ut scriptum philosophiae mitterem principale. Et jam potest sapientia vestra clarissime intueri, quod hoc non fuit in mea potestate. Deinde propter vestrae clementiae desiderium adimplendum de futuro haec recitavi; ut si placeat vestrae celsitudini, omnia fiant sicut fuerit3 ­opportunum. Tertio, propter bonum commune, et totius studii philosophiae et theologiae, ac4 propter utilitates ecclesiae varias, sicut scribo in operibus, et propter directionem reipublicae fidelium, et propter conversionem infidelium, et propter repressionem eorum qui non possunt converti, sicut multis modis hoc ostendo.

1  talibus ]  in talibus, Ti. 2  recitavi ]  tractavi, Ti. U. 3  fuerit ]  fuerat, B. 4  ac ]  atque, Ti. U.

KAPITEL 17 [85]

119

Diese sieben Anforderungen können nicht erfüllt werden, wenn nicht viele Exemplare anfertigt werden, was mit einem sehr großen Verbrauch von Pergament verbunden ist. Da zudem alles durch Zeichnungen und Zahlen bestätigt und verdeutlicht werden muss, wie es in den Werken, die ich Euch schicke, offensichtlich ist, sind viele Assistenten und Gehilfen notwendig – vor allem junge Leute, die zeichnen und rechnen, weil den Älteren solche Schülerarbeiten zuwider wären. Ferner braucht man mehrere Korrektoren, die alle Schriften bis zum letztgeschriebenen Exemplar überarbeiten, bis dann die ursprünglichen Urheber alles noch einmal durchlesen, damit jedes Zuviel oder Zuwenig vermieden wird. Darüber hinaus kommt noch vieles weitere hinzu, was man braucht, um die Irrtümer der Schreiber zu korrigieren und allem die rechte Vernunft zurückzugeben. Das alles ist aber mit großen Kosten verbunden.

KAPITEL 17 Gründe Roger Bacons für das Verfassen seiner Schriften [86]

[87]

Ich habe das aus vier Gründen angeführt: Ein Grund ist, dass mich die Aufforderung Eurer Herrlichkeit aus der Fassung gebracht hat, weshalb ich es sehr bedaure, dass ich Euch die von Euch gewünschte grundlegende Abhandlung über die Philosophie nicht schicken konnte. Aber Eure Weisheit kann nun sicher ganz klar erkennen, dass das nicht in meiner Macht stand. Weiterhin habe ich das alles geschrieben, damit der Wunsch Eurer Gnaden in Zukunft erfüllt werden kann: Denn wenn es Eurer Hoheit gefiele, kann alles so werden, wie es angemessen wäre. Drittens habe ich das wegen des Allgemeinwohls und der philosophischen und theologischen Studien geschrieben, wegen des mannigfaltigen Nutzens für die Kirche, wie ich in meinen Schriften ausführe, wegen der Lenkung des Gemeinwesens der Gläubigen, wegen der Bekehrung der Ungläubigen und wegen der Zurückschlagung derer, die nicht bekehrt werden können, wie ich auf vielfache Weise zeige.

120 [88]

[89]

Teil I

Quarta ratio est propter meipsum, quia jam a juventute laboravi in scientiis, et linguis, et omnibus praedictis multipliciter; et collegi multa utilia, et ordinavi de personis. Nam quaesivi amicitiam omnium sapientum inter Latinos, et feci juvenes instrui in linguis, et figuris, et numeris, et tabulis, et instrumentis, et in multis necessariis. Et examinavi omnia quae hic necessaria sunt, et scio qualiter procedendum est, et quibus auxiliis, et quae sunt impedimenta; sed non possum procedere propter defectum expensarum prae­ dicta­rum. Si tamen aliquis posuisset tantum ibi quantum1 ego posui, certe posset magna pars compleri. Nam per viginti annos quibus specialiter laboravi in studio sapientiae, neglecto sensu vulgi, plus quam duo millia librarum ego posui in his, propter libros secretos, et experientias varias, et linguas, et instrumenta, et tabulas, et alia; tum ad quaerendum2 amicitias sapientum, tum propter instruendos adjutores in linguis, in figuris, in numeris, et tabulis, et instrumentis, et multis aliis. Nec est intentio mea suscitare vestram clementiam, ut per violentiam corrigatur multitudo, nec capita multitudinis; nec quod ego contendam cum eis; sed ago ad3 haec propter causas quatuor4 praedictas. Et si vestrae sapientiae placeat quod communicentur, primo possunt sapientes recipere exemplar; deinde paulatim quicumque velit, ut nullus cogatur. Et tamen scio quod omnes vellent accipere, sed non omnes ad omnia sunt digni. Nam speculativae scientiae possunt tradi cuilibet, ut grammatica, secundum quatuor linguas, Latinam, Hebraeam, Graecam, et Arabicam; et logica, et naturalis philosophia vulgata, et metaphysica, et scientia alchymiae speculativa, et quatuor mathematicae speculativae, et perspectiva speculativa, et naturalis philosophia, et multae aliae5; sed ubi sunt

1  quantum ]  sicut, B. 2  quaerendum ]  inquirendum, Korr. zu quaerendum, B. 3  ad ]  om. U. 4  causas quatuor ]  quatuor causas, Ti. 5  aliae ]  om. B. Ti.

KAPITEL 17

121

Viertens habe ich das meinetwegen geschrieben, denn ich habe seit meiner Jugend in den Wissenschaften, den Sprachen und in allem Genannten gearbeitet, habe viele nützliche Dinge zusammengetragen und von vielen Personen gelernt. Denn ich habe die Freundschaft mit allen Weisen unter den Lateinern gesucht und die Jugendlichen in den Sprachen, Zeichnungen, Zahlen, Tafeln, Instrumenten und in anderen Notwendigkeiten unterwiesen. Ich habe alles eingehend geprüft, was hierfür notwendig ist; und ich weiß, auf welche Weise man fortschreiten muss, was für Hilfsmittel es gibt und worin die Hindernisse bestehen. Doch ich kann wegen des bereits genannten129 Mangels an finanziellen Mitteln nicht weitermachen. Wenn jemand so viel dafür geben würde, wie ich es bereits getan habe, könnte er sicher einen großen Teil vollenden. [89] Denn in den 20 Jahren, die ich vor allem in der Philosophie gearbeitet habe, ohne mich um die Meinung der Öffentlichkeit zu kümmern, habe ich mehr als 2000 Pfund aufgewendet für geheime Bücher, verschiedene Versuche, Sprachenstudien, Instrumente, Tafeln und anderes; ferner, um freundschaftliche Beziehungen zu Gelehrten anzuknüpfen, auch um Gehilfen in Sprachen, Zeichnen, Rechnen, in der Handhabung von Tafeln, Instrumenten und vielem anderen auszubilden. Doch es ist nicht meine Absicht, Euer Gnaden dazu zu bringen, die Menge oder die Häupter der Menge mit Gewalt zu korrigieren, noch möchte ich mit ihnen einen Streit anfangen, sondern ich sage das nur aus den vier Gründen, die ich vorher genannt habe. Wenn es Eurer Weisheit aber gefiele, dass meine Ansichten anderen mitgeteilt würden, könnten zuerst die Weisen eine Abschrift bekommen, daraufhin – Stück für Stück – wer immer es will, damit niemand gezwungen wird. Ich weiß zwar, dass alle meine Darlegungen gerne annehmen würden, aber nicht alle sind für alles würdig. Denn die spekulativen Wissenschaften können jedem beigebracht werden, welche sind: die Grammatik der vier Sprachen Latein, Hebräisch, Griechisch und Arabisch; die Logik, die allgemeine Naturphilosophie, die Metaphysik, die spekulative Alchemie, die vier spekulativen mathematischen Wissenschaften, die spekulative Perspektivik, die Naturphilosophie und [88]

122

Teil I

arcana naturae et artium magnalia1 non deberent tradi multitudini, quae nescit uti talibus, sed magis omnia pervertit.

CAPITULUM XVIII. [90]

Patet igitur quod scriptum principale non potui mittere, sed oportuit me formare aliquid praeambulum, in quo radices meliores, et ramos proceriores, et flores pulchriores, et fructus dulciores praemitterem: simul ostendendo2 qualiter, et quibus auxiliis et expensis possint omnia fieri, et quomodo impedimenta amoveantur omnia, ut centies melius3 fiant, vestra auctoritate praecognoscente pondus negotii, quam quod incepissem imprudenter opus principale, et pejus4 promovissem per5 me solum, et nunquam ad medietatem pervenissem; nec possem melius fecisse, quam sic in tractatu praeambulo totum negotium ostendere. Nam omnia negotia pereunt, ubi homines nolunt considerare, quid sit quodlibet negotium in universali et in summa, et quae sit utilitas cujuslibet, et quae exigantur6, et qualiter fieri habeant, et quibus laboribus, et quibus expensis, et quibus auxiliis. Et ideo decrevi haec omnia prae­m ittere, ut hoc negotium maximum processu debito terminetur.

1  magnalia ]  magnalium, B. 2  ostendendo ]  ostendo, U. 3  centies melius ]  centies millesies, U. 4  pejus ]  pereius, Ti. 5  per ]  ad, Ti. 6  exigantur ]  exiguntur, MSS.

KAPITEL 18

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viele andere. Doch wo es sich um die wunderbaren und geheimen Wissenschaften der Natur und der Künste handelt, dürfen diese nicht an die Menge weitergegeben werden, weil sie nicht weiß, wie man derartige Wissenschaften benutzt, sondern vielmehr alles verdirbt.

KAPITEL 18 Weitere Gründe [90]

Daraus wird also offensichtlich, dass ich kein grundlegendes Werk schicken konnte, sondern etwas Vorläufiges schreiben musste, in dem ich die besseren Wurzeln, die schlankeren Äste, die schöneren Blüten und die süßeren Früchte vorausgeschickt habe. Zugleich zeige ich, auf welche Weise, mit wessen Hilfe und mit welchen Kosten alles zustande kommen könnte und wie alle Hindernisse beseitigt werden müssten, was sicher hundertmal besser ist – da ich auch Eure Lasten des Amtes vorausgeahnt hatte –, als wenn ich unklugerweise ein grundlegendes Werk begonnen hätte, das ich nur schlecht für mich allein hätte ausführen und niemals auch nur bis zur Hälfte hätte fertigstellen können. Ich hätte daher gar nichts Besseres tun können, als in einer vorläufigen Abhandlung das ganze Vorhaben deutlich zu machen. Denn alle Vorhaben gehen zugrunde, wenn die Menschen nicht bedenken wollen, wie das Vorhaben insgesamt und allgemein aussehen soll, was sein Nutzen sein soll, was untersucht werden soll und wie, durch welche Arbeiten, zu welchen Kosten und mit welchen Hilfsmitteln das zu geschehen hat. Daher habe ich mich entschieden, das alles hier vorauszuschicken, damit dieses Vorhaben mit dem schnellstmöglichen Fortschritt gebührend vollendet werden kann.

Teil I

124

CAPITULUM XIX. [91]

[92]

Quoniam vero a longis temporibus fuit vestra sapientia negotiis ecclesiasticis et curis variis rerum publicarum occupata, atque sedes apostolica non permittit hominem vacare multo studio, et haec quae scribo sunt magnae difficultatis et extranea sensui multorum, major fuit mea sollicitudo de mediatore idoneo, vestrae reverentiae praesentando, quam de omnibus quae scribo, ne vestrum desiderium impedimentum reciperet, et labor meus cassaretur. Et licet alius melius componeret ea quae scripsi, tamen quilibet gaudet sensu suo, et ideo nullus hoc intelligeret nisi meam intentionem ostendissem. Et propter hoc consideravi unum1 adolescentem quem2 a quinque vel sex annis feci instrui in linguis, et mathematicis, et perspectivis, in quibus est tota difficultas earum quae mitto; et gratis eum ore meo instruxi, postquam recepi mandatum vestrum, praesentiens quod alium non potui habere ad praesens secundum cor meum. Et ideo cogitavi quod ipsum transmitterem, ut si vestrae sapientiae placeret uti mediatore inveniretis paratum; si non, nihilominus iret ad vos pro scripturis vestrae gloriae offerendis. Nam procul dubio nullus est inter Latinos, qui in omnibus quae scribo possit ad tot respondere propter modum quem teneo, et quia eum instruxi, – nec ille magister magnus, nec aliquis eorum de quibus superius feci mentionem, quia nesciunt modum meum, – sicut iste qui ore

1  unum ]  quod unum, B. U. 2  quem ]  B. U.

KAPITEL 19

125

KAPITEL 19 Über Bacons Boten Johannes130 Da Eure Weisheit nun schon seit langer Zeit mit den Aufgaben der Kirche und den Sorgen um zahlreiche öffentliche Dinge beschäftigt war, da der Apostolische Stuhl es dem Menschen nicht erlaubt, viel Zeit für das Studium zu haben, und weil das, was ich schreibe, sich mit schwierigen Dingen beschäftigt, die außerhalb des Blickfeldes der Menge liegen, war es mein dringlichstes Anliegen, einen geeigneten Boten zu finden, der Euer Hochwürden das, was ich über alles schreibe, angemessen präsentieren kann, damit Euer Wunsch nicht durch Hindernisse verstellt würde und meine Arbeit nicht umsonst gewesen ist. Und auch wenn ein anderer das, was ich geschrieben habe, vielleicht besser hätte zusammenstellen können, so gefällt doch jedem sein eigener Verstand, weshalb niemand meine Schriften verstehen würde, wenn ich nicht meine Absicht ganz deutlich zeigte. [92] Deswegen habe ich mir überlegt, Euch einen jungen Mann zu schicken, den ich seit fünf oder sechs Jahren in den Sprachen, den mathematischen Wissenschaften und der Perspektivik unterwiesen habe, also in den Fächern, in denen die Hauptschwierigkeiten dessen liegen, was ich Euch schicke. Ich habe ihn kostenlos selbst unter­w iesen, nachdem ich Eure Aufforderung erhalten hatte, weil ich geahnt hatte, dass ich derzeit niemand anderen finden konnte, der meinem Herzen entspricht. Daher dachte ich, dass ich Euch jenen jungen Mann schicken könnte, den Eure Weisheit bereit und fähig finden wird, wenn es Euch gefallen sollte, diesen Boten zu befragen; wenn nicht, dann gäbe es sicher keinen, der stattdessen zu Euch gehen könnte, um Eurer Herrlichkeit meine Schriften zu präsentieren. Denn ohne Zweifel gibt es unter den Lateinern keinen, der zu allem von mir Geschriebenen angemessen und meinem Sinn nach antworten könnte und den ich so gut [wie diesen jungen Mann] belehrt habe. Denn weder jener große Magister [Albertus Magnus] noch ein anderer von denen, die ich weiter oben erwähnt hatte, kennen meine Methode so gut wie jener, den ich mit eigenen [91]

126

[93]

Teil I

meo didicit, et qui consilio meo est instructus. Et Deus testis est quod nisi esset vestra reverentia et vestra utilitas, non fecissem de eo mentionem; quia si pro utilitate mea ipsum misissem, bene invenissem alios in negotiis mihi procurandis magis idoneos; si vero pro utilitate nuntii, magis diligo alios, et plus eis teneor, quia isti in nullo sum obligatus, nec jure sanguinis, nec aliter, nisi sicut cui­libet de populo, et minus. Quia cum venit puer et pauper ad me, ego feci eum nutriri et instrui pro amore Dei, praecipue cum tam habilem juvenem in studio et in1 vita non inveni. Et ad tantum promotus est, quod magnifice et verius plus quam alius, quicunque sit Parisius, poterit lucrari quae necessaria sunt sibi, quamvis juvenis sit viginti annorum aut viginti et unius ad plus. Nam non remansit unus Parisius, qui tantum novit de philosophiae radicibus, quamvis ramos, et flores, et fructus nondum produxerit propter aetatem juvenilem; et quia non est expertus in docendo. Sed habet unde omnes Latinos transcendat, si vivat usque ad senectutem, et procedat secundum fundamenta quae habet. Sicut vero vestrae sapientiae magnitudinem decet mediator prudens et bene instructus, sic et vestrae sanctitatis eminentiae2 sanctus convenit intercessor3. Et quia non decet ut aliquis peccatis deditus vestram frequentet sanctitatem, ideo volo nuntii idoneitatem in vita aperire. Vere nihil sibi conscius est de peccato mortali, sed virgo mundissimus4 a me recessit, nec habens alicujus conscientiam mortalis peccati a sua nativitate. Nam hoc diligenter inquisivi et feci inquiri, et certus esse credo de hoc, sicut quod vos estis

1  in ]  om. Ti. 2  eminentiae ]  eminentiam, B. 3  interventor ]  intercessor, in Ti ist darüber geschrieben: interventor 4  mundissimus ]  Ti. B. Aber U: mundissima.

KAPITEL 19

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Worten unterwiesen habe und der durch meinen Ratschlag belehrt worden ist. Gott ist mein Zeuge, dass ich ihn nur aus Ehrfurcht vor Euch und für Euren Nutzen erwähne; denn wenn ich jemanden für meinen eigenen Nutzen geschickt hätte, hätte ich leicht andere gefunden, die meine Belange angemessener hätten vertreten können. Wenn es nur um die Nützlichkeit irgendeines Boten gegangen wäre, hätte ich andere mehr geschätzt und vorgezogen, weil ich diesem jungen Mann durch nichts mehr verpflichtet bin als irgendeinem aus dem Volke – und vielleicht sogar weniger, weder durch Blutsverwandtschaft noch durch etwas anderes. Denn als dieser als Junge und ganz verarmt zu mir kam, habe ich ihn aus Liebe zu Gott ernährt und unterwiesen, auch wenn ich einen so geschickten Jungen im Leben und im Studium bis jetzt kein zweites Mal gefunden habe. Nun ist er schon so weit vorangekommen, dass er herrlicher und wahrhaftiger das für seinen Lebensunterhalt Notwendige wird gewinnen können als jeder andere, den es in Paris geben mag, auch wenn er nur ein junger Mann von 20 oder 21 Jahren ist. Denn es gibt nicht einen in Paris, der so viel über die Wurzeln der Philosophie kennengelernt hat, obwohl er aufgrund seiner Jugend noch nicht bis zu ihren Ästen, Blüten und Früchten vorgedrungen ist, weshalb er auch im Unterrichten noch nicht erfahren ist. Doch er könnte alle unter den Lateinern übertreffen, wenn er bis ins Greisenalter leben und entsprechend den Grundlagen, die er jetzt schon hat, weitermachen würde. [93] Wie es sich für die Herrlichkeit Eurer Weisheit ziemt, dass der Bote klug und gut unterwiesen sein muss, ist es auch mehr als angemessen, dass ein frommer Vermittler mit Eurer erhabenen Heiligkeit zusammentrifft. Und da es sich nicht gehört, dass Euch jemand besucht, der mit einer Sünde beschmutzt ist, möchte ich die Geeignetheit meines Boten im Leben offen darlegen: Er ist sich wirklich keiner Sünde bewusst, sondern er ist wie die reinste Jungfrau von mir fortgegangen, ohne seit seiner Geburt irgendeine Vorstellung von einer Sünde zu haben. Denn ich habe ihn eingehend danach befragt und denke, dass ich mir darin ebenso sicher sein kann wie

Teil I

128

in sublimitate papali1 decoratus. Et in hoc valde mihi complacet2, quod vestra clementia re et nomine inveniet juvenem clementem, benignum et mansuetum, fidelem in commissis, non loquacem nec bilinguem, sed secretorum optimum celatorem. Et licet nihil conscius sit, tamen non in hoc justificatus. Et ideo ut ab occultis suis mundet eum Deus, et de necessitatibus ejus eruat eum, et ut sit Deo gratus de gratiis sibi collatis, ac propter custodiam suae sanctitatis, atque3 propter mundi peccata, adolescens pro loco et tempore gaudet carni suae cilicium adhibere.

CAPITULUM XX. [94]

Nec solum ex hac causa mitto nuntium istum, sed ut pateat quod nihil est difficile homini diligenti et confidenti, quamvis negligens aut desperans a se omne quod bonum est excludit. Cum enim hic juvenculus quindecim annorum venit ad me, et pauper, non habens unde viveret, nec magistros sufficientes inveniens, nec bene­volos propter paupertatem suam, nec posuit quantitatem unius anni in discendo4, eo quod oportuit eum servire eis qui dabant ei necessaria, in his5 quae didicit non invenit aliquem6 per duos annos qui doceret eum unum verbum, et tamen scit tot et tanta propter bonum consilium quod habuit, et propter hoc quod speravit et diligens fuit; quanto magis nos senes, qui sumus exercitati in sapientia, si consideremus et diligentes simus, vincemus omnia. Certo non est comparatio; quia Aristoteles dicit in septimo Ethicorum, quod

1  papali ]  gestrichen in B. 2  complacet ]  cum placet, B. 3  atque ]  ac, Ti. 4  discendo ]  addiscendo, B. U. 5  in his ]  om. Ti. 6  aliquem ]  aliquando, Ti.

KAPITEL 20

129

darin, dass Ihr mit der päpstlichen Erhabenheit geschmückt seid. Es gefällt mir sehr zu wissen, dass Euer Gnaden in ihm einen Jungen finden wird, der selber voller Gnade ist, gütig und sanft, zuverlässig darin, ein Geheimnis zu bewahren, nicht geschwätzig und nicht doppelzüngig, sondern ein optimaler Hüter von Geheimnissen. Und wenn er sich auch nichts bewusst sein mag, so ist er darin dennoch nicht gerechtfertigt.131 Damit ihn Gott von seinen verborgenen Fehlern reinigen und ihn aus seinen Nöten führen mag und damit er Gott durch das von ihm angesammelte Ansehen willkommen sein mag – wegen der Bewahrung seiner Heiligkeit und aufgrund der Sünden der Welt –, wird sich der Jüngling am rechten Ort und zur rechten Zeit daran freuen, ein Bußgewand zu tragen.

KAPITEL 20 Mit der richtigen Methode könnten die Menschen alles in sehr kurzer Zeit lernen [94]

Doch ich schicke Euch jenen Boten nicht nur aus diesem Grund, sondern auch, weil dadurch deutlich wird, dass für einen aufmerksamen und zuversichtlichen Menschen nichts schwierig ist, obgleich doch Vernachlässigung und Verzweiflung eigentlich alles Gute ausschließen. Denn als dieser Jüngling mit 15 Jahren zu mir kam, war er vollkommen arm, nichts besitzend, wovon er leben konnte, wegen seiner Armut ohne ausreichende Lehrer oder Gönner, ohne auch nur ein Jahr eine Ausbildung genossen zu haben, die ihm das hätte geben können, was für ihn notwendig gewesen wäre; und ohne zwei Jahre lang jemanden zu finden, der ihm auch nur ein Wort hätte beibringen können. Trotzdem weiß er nun so vieles aufgrund der guten Unterweisung und weil er hoffnungsvoll und aufmerksam war. Wie viel mehr würden wir Alten, die wir in der Weisheit bereits erfahren sind, gewinnen können, wenn wir aufmerksam wären und alles mit Ruhe durchdenken würden – ­sicher gibt es hier keinen Vergleich. Auch Aristoteles sagt im siebenten Buch der Nikomachischen Ethik 132, dass die Jugendlichen

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Teil I

juvenes non possunt proficere in sapientalibus sicut seniores, quia non sunt prudentes; et causam quare non sunt prudentes assignat, quia non sunt experti per longitudinem temporis. Et in tertio De Anima dicit quia intellectus noster convalescit et fortificatur per exercitationem intellectus, et magis ac magis vigoratur. Et ideo intellectus seniorum magis et1 magis fortificatur propter consuetudinem et usum sapientiae; sicut homo consuetus ad aliquam operationem facilius faciet eam, quam alius qui non est assuetus. [95] Et Beatus Petrus, cujus estis successor, disputans contra Simonem Magum arguebat immortalitatem animae rationalis per hoc, quod non debilititatur debilitatione2 corporis, sicut anima sensitiva, immo vigoratur magis in senio; et hoc docet Tullius libro de Senectute. Nam in antiquis est sapientia, ut dicit scriptura. Et hoc est verum universaliter, dum senectus tenet vias naturales. Sed aliquando contingit quod laesio organorum et virtutum3 animae accidat innaturaliter propter defectum regiminis sanitatis, et tunc senes delirant. Nec mirum, cum propter consimilem defectum4 regiminis sanitatis juvenes fiunt multotiens phrenetici et stolidi5 et insani; et pluries videmus hoc in juvenibus quam in senibus; quia juvenes magis excedunt multipliciter in vita. [96] Sciat igitur pro certo vestra sapientia, quod si senes confidant et velint esse diligentes, et habeant doctores ita bonos sicut juvenes, quod plus addiscent in una septimana, quam juvenes infra mensem, de quacunque scientia. Nam in linguarum cognitione, et figurarum, et numerorum, videtur ignorantibus ea quod sit magna perplexitas et difficultas; et vulgatum est quod juvenes melius ad-

1  et ]  ac, Ti. 2  debilitatione ]  a debilitatione, B. U. 3  organorum et virtutum ]  virtutum et organorum, Ti. 4  consimilem defectum ]  defectum consimilem, Ti. 5  phrenetici et stolidi ]  stolidi et phrenetici, Ti.

KAPITEL 20

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in der Weisheit nicht so vorankommen können wie die Älteren, weil sie noch nicht so klug sind. Und als Grund für ihre mangelnde Klugheit gibt er an, dass sie noch nicht genug erlebt haben. Außer­ dem sagt er im dritten Buch von Über die Seele 133, dass unser Verstand durch die stetige Ausübung gestärkt, gekräftigt und schrittweise immer mehr angeregt wird. Daher wird der Verstand der Älteren zusehends durch die Gewohnheit und den Gebrauch der Weisheit gestärkt – so wie ja auch dem Menschen, der an etwas gewöhnt ist, die Dinge leichter von der Hand gehen als einem, der daran nicht gewöhnt ist. [95] Der Heilige Petrus, dessen Nachfolger Ihr seid, hat im Streitgespräch134 mit dem Magier Simon135 für die Unsterblichkeit des vernünftigen Seelenteils argumentiert, indem er sagte, dass diese nicht durch den Verfall des Körpers in Mitleidenschaft gezogen werde, wie es bei dem sensitiven Teil der Seele der Fall sei, sondern dass sie im Gegenteil durch das Alter gestärkt werde. Dasselbe lehrt auch Cicero in seinem Buch Über das Alter.136 Denn in den Alten ist die Weisheit, wie die Schrift sagt.137 Das gilt im Allgemeinen, wenn der alte Mensch den Wegen seiner natürlichen Veranlagung folgt. Doch manchmal geschieht es, dass es aufgrund schlechter hygienischer Pflege zu einer unnatürlichen Beschädigung des Körpers und der geistigen Kräfte kommt, was zur Folge hat, dass alte Menschen irrsinnig werden. Deswegen ist es nicht erstaunlich, dass auch junge Menschen wegen einer ähnlichen hygienischen Vernachlässigung oft wahnsinnig, dumm und irrsinnig werden. Wir sehen das bei ihnen sogar häufiger als bei den Älteren, weil die Jugendlichen viel ausschweifender leben. [96] Eure Weisheit sollte daher mit Sicherheit wissen, dass die Alten in einer Woche mehr über jede Wissenschaft lernen könnten als die Jugendlichen in einem Monat, wenn sie nur zuversichtlich und achtsam wären und wenn sie so gute Lehrer hätten wie die Jugendlichen. Aber zum Erlernen der Sprachen, der Zeichnungen und der Zahlen scheinen ältere Menschen weniger fähig zu sein, weil diese Dinge oft verwirrend und schwierig sind, weshalb die verbreitete Meinung ist, dass die Jugendlichen derartiges leichter lernen. Doch

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Teil I

discunt hujusmodi. Sed certus sum quod hoc est falsum; nam vidi senes longe magis proficere in his quam unquam aliquem juvenem. Et certus sum quod de quacunque lingua mihi et isti juveni proposita, ego plus addiscerem infra unum diem quam iste infra septimanam; et sic de omnibus quae ignoramus ambo. Non est mihi dubium quin nulla sit difficultas a parte aetatis, nec a parte addiscentium, si volunt addiscere, et confidant et diligentes sint. Nec a parte linguarum et scientiarum, sed a parte doctorum, qui nolunt aut nesciunt docere. Non enim invenimus doctores utiles a juventute, et ideo languemus per totam vitam et parum scimus. Sed si haberemus doctores sufficientes, non dubito quin plus sciremus in uno anno quam modo infra viginti. Nam hoc paratus sum probare per effectum, et dabo caput meum si deficiam. Multum laboravi in scientiis et linguis, et posui jam quadraginta annos post­quam didici primo1 alphabetum; et fui semper studiosus; et praeter duos annos de istis quadraginta fui semper in studio; et habui expensas multas, sicut alii communiter; et tamen certus sum quod infra quartam anni, aut dimidium anni, ego docerem ore meo hominem sollicitum et confidentem, quicquid scio de potes­ tate scientiarum et linguarum, dummodo composuissem primo quiddam scriptum sub compendio. Et tamen notum est quod nullus in tot scientiis et linguis laboravit, nec tantum2; quia homines mirabantur in alio statu quod vixi propter superfluum laborem; et tamen postea fui ita studiosus sicut ante. Sed non tantum laboravi, quia non fuit necesse propter exercitium sapientiae. De linguis enim videtur esse valde difficile, et de figuris et nume-

1  primo ]  om. Ti. 2  nec tantum ]  nisi tantum, U.

KAPITEL 20

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ich bin mir sicher, dass das falsch ist: denn ich habe gesehen, dass die Älteren auch in diesen Dinge viel größere Fortschritte machen als jemals irgendeiner von den jungen Leuten. Ich bin mir nämlich sicher, dass ich von einer Sprache, die mir und einem von jenen Jungen vorgelegt wird, an einem Tag mehr lernen würde als jener in einer ganzen Woche – und so wäre es mit allem, was wir beide gemeinsam noch nicht kennen würden. Für mich besteht kein Zweifel, dass weder von Seiten des Alters noch von Seiten der Lernenden ein Problem besteht, wenn sie nur lernen wollen und zuversichtlich und aufmerksam sind. Auch die Sprachen und Wissenschaften stellen nicht das Problem dar, sondern die Lehrer, die nicht lehren wollen oder können. Denn wir finden von Jugend an keine nützlichen Lehrer, weshalb wir das ganze Leben kränkeln und nur wenig wissen. Aber hätten wir geeignete Lehrer, so zweifle ich nicht, dass wir in einem Jahr mehr wüssten als derzeit in zwanzig. Denn ich bin bereit, das durch die Wirkung zu beweisen, und ich werde meinen Kopf hergeben, wenn es mir nicht gelingt. Ich habe in den Wissenschaften und in den Sprachen viel gearbeitet und habe schon 40 Jahre darauf verwendet, seit ich zuerst das Alphabet lernte; ich war immer fleißig, und außer zweien von diesen 40 Jahren habe ich immer studiert. Ich hatte viele Ausgaben, wie sie auch andere für gewöhnlich haben. Dennoch bin ich sicher, dass ich selbst einem regen und ehrgeizigen Menschen in weniger als einem viertel oder einem halben Jahr alles beibringen könnte, was immer ich von diesen Wissenschaften und Sprachen weiß, wenn ich nur erst ein Lehrbuch geschrieben habe. Es ist aber bekannt, dass niemand in so vielen Wissenschaften gearbeitet hat [wie ich]. Als ich noch in meinem anderen Stand138 war, wunderten sich die Menschen, dass ich das Übermaß an Arbeit überhaupt durchhielt. Trotzdem war ich nachher ebenso um das Studium bemüht wie zuvor. Doch habe ich dann nicht mehr soviel gearbeitet, weil es für die Übung in der Weisheit nicht mehr so notwendig war. Hinsichtlich der Sprachen scheint es sehr schwierig zu sein [im Lernen schnelle Fortschritte zu machen], auch bezüglich der Geo-

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Teil I

ris ut praedixi; sed certum est mihi quod infra tres dies ego quem­ cumque diligentem et confidentem docerem Hebraeum, ut sciret legere et intelligere quicquid sancti dicunt, et sapientes antiqui, in expositione sacri textus, et quicquid pertinet ad illius textus correctionem et expositionem, si vellet se exercitare secundum doctrinam datam. Et per tres dies sciret de Graeco iterum; et non solum sciret legere et intelligere quicquid pertinet ad theologiam, sed ad philosophiam et ad linguam Latinam. Nam consideret vestra sapientia quod in linguarum cognitione sint tria; scilicet ut homo sciat legere et intelligere ea, quae Latini tractant in expositione theologiae et philosophiae et linguae Latinae. Et hoc est facile, ut dixi; quia si sciat legere potest intelligere; nam auctores exponunt omnia et dant intellectum. Sed aliud est in linguarum cognitione, scilicet ut homo sit ita peritus quod sciat transferre. Certe hoc est difficilius; non tamen ita difficile sicut homines aestimant. Tertium vero est difficilius utroque, scilicet quod homo loquatur linguam alienam sicut suam; et doceat, et praedicet, et peroret quaecunque1, sicut in lingua materna. De istis igitur duobus non loquor modo, sed de primo, nam hoc est quod pertinet ad meum propositum. Similiter de figuris et2 numeris in geometria et arithmetica, sine quibus nihil sciri potest de potestate philosophiae, ut opera quae scripsi probant. Sed aestimatur a vulgo insano quod tanta sit ibi difficultas quod stultum est ibi laborare; unde desperant et ideo semper ignorant haec, et per consequens omnia. Sed certum est mihi quod infra unam septimanam, quemcunque sollicitum et confidentem docerem totam geo-

1  quaecunque ]  om. Ti. 2  et ]  om. Ti. B.

KAPITEL 20

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metrie und der Arithmetik, wie ich bereits sagte. Doch steht für mich fest, dass ich als Lehrer jemanden, der mit Fleiß und Mut an die Sache herangeht, in drei Tagen soviel Hebräisch beibrächte, dass er zu lesen und zu verstehen vermöchte, was die Heiligen und Gelehrten der Antike über die Auslegung der heiligen Texte sagen; ebenso wie alles weitere, was sich auf die Erklärung und Berichtigung dieser Texte bezieht, wenn der Studierende nach der ihm gegebenen Anweisung üben würde. Und in drei Tagen wüsste er auch so viel auf Griechisch: Er könnte nicht nur das lesen und verstehen, was die Theologie betrifft, sondern auch das, was sich auf die Philosophie und die lateinische Sprache bezieht. Denn Eure Weisheit möge bedenken, dass es drei Stufen des Sprach­ erwerbs gibt; nämlich, dass der Mensch das lesen und verstehen lernt, was die Lateiner zur Erläuterung der Theologie, der Philosophie und der lateinischen Sprache geschrieben haben. Das ist einfach, wie ich bereits gesagt habe, denn wer lesen kann, kann es auch verstehen, weil die Autoren alles erklären und dem Verstand bereitstellen. Etwas anderes ist es dann schon, andere Sprachen so gut zu beherrschen, dass man weiß, wie man sie zu übersetzen hat: das ist sicher schwieriger, doch nicht so schwierig, wie die meisten Menschen glauben. Die dritte Stufe ist aber am schwierigsten zu erreichen: dass ein Mensch eine fremde Sprache genauso gut spricht wie seine eigene, und dass er alles in dieser fremden Sprache ebenso gut lehren, äußern und sagen kann wie in seiner Muttersprache. Doch von diesen beiden letzten Stufen spreche ich jetzt nicht, sondern von der ersten Stufe, weil sie den Vorschlag betrifft, den ich hier unterbreite. Ähnlich ist es auch mit den Zeichnungen und den Zahlen in der Geometrie und der Arithmetik, ohne die von der Macht der Philosophie nichts gewusst werden kann, wie die Werke beweisen, die ich geschrieben habe. Doch die törichte Menge denkt, dass die Schwierigkeiten hier so groß seien, dass es töricht ist, in diesem Gebiet zu arbeiten: daher verzweifeln sie und kennen es nicht, was zur Folge hat, dass sie gar nichts kennen. Ich bin mir aber sicher, dass ich in einer Woche jedem, der zuversichtlich und bemüht ist, die ganze Macht der Geometrie lehren könnte, und

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Teil I

metriae potestatem, et majorem1 quam mathematici addiscunt per decem annos. Et similiter de numeris in alia septimana. Quia rarissime inveniuntur aliqui doctores mathematicae, et illi pessimum modum habent in docendo, et docent infinita superflua, propter quae omnes fere despiciunt mathematicam. Et hoc diabolus procuravit, quatenus radices sapientiae humanae ignorarentur. Nam hoc est alphabetum philosophiae; ut nunquam possit homo aliquid dignum scire, postquam harum scientiarum ignorat potestatem. Et hoc factum est contra dies Antichristi, ut tollatur tota2 sapientia philosophiae, et per consequens theologiae, quantum est in expositione Scripturae. Nam textus ipse, et expositiones sanctorum sunt plenae numeris, et figuris, et caeteris mathematicis consequentibus ad haec, ut ego probo in Majori Opere, comparando mathematicam ad theologiam. Et patet evidenter per rationem Scripturae et in expositionibus sanctorum; et hoc asserunt sancti, sicut copiose probo per auctoritates eorum pulcherrimas, et per exempla omnium a principio mundi. Nam sancti invenerunt mathematicam et docuerunt, ut ostendo, et post Christum sicut ante. Et scitis figuris et numeris possumus omnia scire de facili; quia tota sapientia exit ab eis sicut a radicibus, et per haec declaratur, sicut patet ex iis quae mitto.

CAPITULUM XXI. [101]

Post haec et hujusmodi tradita in Opere Secundo incepi descendere ad partes Operis Primi propter majorem ejus evidentiam, et ut melius cognosceretur ejus intentio et partium distinctio, et

1  et majorem ]  om. Ti. 2  tota ]  om. B. U.

KAPITEL 21

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dass er mehr lernen würde als die Mathematiker [derzeit] in zehn Jahren. Und ähnlich bezüglich der Zahlen in einer weiteren Woche. Denn man findet nur wenige Lehrer der Mathematik; und jene, die man findet, haben einen sehr schlechten Lehrstil und sagen unzählige überflüssige Dinge, deretwegen fast alle die Mathematik verachten. Das hat aber der Teufel so eingerichtet, weil die Wurzeln der menschlichen Weisheit nicht beachtet werden. Denn sie ist das Alphabet der Philosophie, weshalb der Mensch niemals etwas von Wert wissen kann, wenn er die Macht der zu ihr gehörenden Wissenschaften nicht kennt. So ist es aber in der heutigen Zeit geschehen, in der der Antichrist nahe ist, dass die Weisheit der Philosophie und dadurch auch die Weisheit der Theologie – soweit sie die Erläuterung der Heiligen Schrift betrifft – vernachlässigt werden. Denn die Heilige Schrift und die Erläuterungen der Heiligen sind voller Zahlen, Bilder und anderer Dinge, die aus der Mathematik folgen, wie ich im Opus maius an der Stelle zeige, wo ich die Mathematik auf die Theologie beziehe139. Das wird in der Schrift und den Erläuterungen der Heiligen immer wieder deutlich; und das versichern auch die Heiligen, wie ich vielfach anhand ihrer wunderschönen Aussprüche und ihrer aller Beispiele seit Beginn der Welt zeige. Denn die Heiligen haben die Mathematik erfunden und gelehrt: sowohl nach als auch vor der Geburt Christi. Ihr müsst auch wissen, dass wir durch Bilder und Zahlen leicht alles wissen können, da alle Weisheit von ihnen wie von Wurzeln ausgeht und durch sie erklärt wird, wie aus dem ersichtlich wird, was ich Euch schicke.

KAPITEL 21 Bemerkungen über die Funktion des Opus minus und des Opus tertium [101]

Nachdem ich das alles behandelt hatte, habe ich in meinem zweiten Werk damit begonnen, die einzelnen Teile meines ersten Werkes zu beschreiben, damit das dort Geschriebene klarer wird und damit die Absicht und die Unterteilung, die ich darin verfolgte,

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Teil I

quasi in summa gustaretur et in quodam compendio, quod late in Majori Opere est tractatum. Et hoc praecipue feci propter occupationes vestras, ut brevius videretis articulos veritatum Primi Operis; quatenus quum tempus haberetis rationes et causas earum, in tractatu majori, conspicere possetis. Et si forsitan contingeret propter viarum pericula, ut amitteretur Opus Majus, hic haberetis ejus intentionem, ut a me vel ab alio peteretis declararationem, et quatenus labor meus esset vestrae sapientiae notus, atque ut melius et certius aliqua tractarentur, et alia mutarentur, et quaedam adderentur. Propter igitur hujusmodi rationes necesse fuit ut1 descenderem ad partes Operis Majoris, atque ad innuendum et signandum quae essent magis notabilia, aut propter necessitatem, aut propter pulchritudinem sapientiae, aut propter admirationem quasi miraculi, aut propter magnificentiam veritatum, aut propter omnes2 has causas vel plures. Et sicut feci in Secundo Opere respectu Primi secundum has rationes, faciam hic respectu utriusque; et praecipue respectu Secundi. Et quia non omnia signavi, nec notanda propter suas causas demonstravi3, ideo nunc singula tangam, et dicam quare notanda sunt. Et ad ea ponam aliqua signa; scilicet vel capita hominis exterius ponendo, vel aliud pro nota, quatenus facilius vestra occupatio eligat ea quae magis consideranda sunt. Quia non possum satis juvare magnitudinem occupationum vestrarum, eo quod sunt quasi4 infinitae. Enumeravi vero intentionem partium Operis Primi secundum ordinem naturae in partibus, scilicet secundum majorem dignita-

1  ut ]  quod, B. 2  omnes ]  om. Ti. 3  demonstravi ]  declaravi, Ti. 4  sunt quasi ]  quasi sunt, Ti. B.

KAPITEL 21

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deutlicher werden. Ich wollte nämlich, dass das, was ausführlich im Opus maius erklärt worden ist, in seiner Gesamtheit und gleichsam in der Form eines Kompendiums gekostet werden kann. Ich habe das vor allem aus Rücksicht auf Eure Amtsgeschäfte unternommen, damit Ihr schneller einen Überblick über die Artikel der Wahrheiten des ersten Werkes gewinnen könntet, um dann – wenn Ihr die Zeit dafür fändet – die Ursachen und Gründe in der Darlegung im Opus maius nachlesen zu können. Wenn es zudem infolge der Gefahren unterwegs geschehen sollte, dass das Opus maius verlorenginge, so würdet Ihr hier [im Opus minus] die darin entworfene Absicht haben und könntet sie Euch von mir oder jemand anderem erläutern lassen. So würde die Arbeit, die ich aufgewandt habe, Eurer Hoheit bekannt sein, und manches wäre besser und deutlicher behandelt, manches abgeändert, manches hinzugefügt. Aus solchen Gründen also musste ich auf die Abschnitte des Opus maius näher eingehen, um zu zeigen, welche davon am wichtigsten sind: sei es wegen der Notwendigkeit, sei es wegen der Schönheit der Weisheit, sei es aufgrund der Bewunderung für das Wissen, das fast schon wunderbar zu nennen ist, sei es wegen der Herrlichkeit der Wahrheiten oder sei es aus allen diesen oder noch weiteren Gründen. Auf diese Weise habe ich es also im zweiten Werk bezüglich des ersten Werks gemacht. Hier will ich es genauso in Bezug auf die beiden [vorangehenden Werke] unternehmen, besonders aber im Hinblick auf das zweite Werk. Und weil ich nicht alles angezeigt und als wegen seiner Ursachen beachtenswert aufgezeigt habe, möchte ich jetzt vor allem Einzelnes behandeln und sagen, warum es zu beachten ist. Ich setze daher gewisse Zeichen (etwa in Form menschlicher Köpfe) oder andere Merkzeichen außen an den Text, damit Ihr – so vielbeschäftigt, wie Ihr seid – leichter das auswählen könnt, was größere Beachtung verdient. Denn ich kann Euch wahrscheinlich gar nicht genug bei Euren Verpflichtungen helfen, die sicherlich fast unendlich sind. Ich bin aber bei der Aufzählung der Abschnitte des ersten Werkes nach deren natürlicher Folge vorgegangen, d. h. nach der höheren

Teil I

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tem; et ideo inter scientias quas tetigi incepi ab ultima, scilicet a moralis philosophia, et deinde a scientia experimentali; et sic ultra ordine contrario illi quam in executione tenebam. Sed hoc licet ad delectationem et amorem sapientiae magis alliciebat, et hoc oportuit fieri in prima persuasione, ut animus praeveniretur quadam suavitate complacentiae, tamen minus fecit ad intelligentiam, quae naturaliter prior est delectatione; et ideo prosequar partes secundum ordinem nostri intellectus, ut incipiam a minoribus quae magis necessaria sunt secundum apostolum, et magis utilia licet non tam bona. Quia aliud est utile, aliud bonum absolute. Quia utile est quod ad aliud ordinatur, ut ea quae sunt ad finem respectu finis. Et haec sunt minora respectu majorum. Bonum autem absolutum non est nisi in fine, et majus est finis semper respectu minoris1. Et quia nec possumus intelligere nec habere majora sine minoribus ideo primo dicam de minoribus.

CAPITULUM XXII. [ 104]

Cogitavi vero quod intellectus humanus habet magnam2 debilitationem ex se, ut quilibet experitur, et sancti et philosophi contestantur: nam ea quae sunt maximae cognitionis secundum se, sunt minimae cognitionis quoad nos, et3 e converso; ut philosophus dicit septimo Metaphysicae. Et ideo sufficit intellectui nostro sua propria infirmitas, ut non demus ei occasiones et causas erroris. Et

1  minoris ]  minorum, Ti. 2  magnam ]  o. Ti. 3  et ]  om. Ti.

KAPITEL 22

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Wertigkeit. So habe ich bei den Wissenschaften, die ich behandelte, mit der letzten – nämlich der Moralphilosophie – begonnen, habe dann von der Erfahrungswissenschaft gesprochen usw.: in der umgekehrten Reihenfolge zu jener, die ich bei der Abfassung [des Opus maius] eingehalten hatte. Das habe ich gemacht, damit man mehr zur Bewunderung und zur Liebe der Weisheit hingezogen wird; das war in meiner ersten Überzeugungsschrift notwendig, damit der Geist durch eine gewisse Lieblichkeit eingefangen werde, auch wenn dies freilich für unsere Einsicht nicht so wichtig war, die von Natur aus dem Vergnügen vorgeordnet ist. Daher habe ich die Teile meines Werkes gemäß der Ordnung unseres Verstandes angelegt und habe [im Opus maius] mit den niederen Dingen begonnen, die gemäß dem Apostel [Paulus] notwendiger und nützlicher sind, wenn auch nicht besser, weil das Nützliche und das absolut Gute unterschieden sind. Denn nützlich ist, was auf etwas anderes hingeordnet ist – wie die Dinge, die auf das Ziel hingeordnet sind. Und diese sind kleiner gegenüber dem größeren [Ziel]. Denn das absolut Gute ist nur beim letztendlichen Ziel zu finden, das immer größer als die ihm untergeordneten Ziele ist. Da wir die höheren Dinge ohne die niederen jedoch weder verstehen noch erreichen können, habe ich zuerst von den untergeordneten Dingen gesprochen.

KAPITEL 22 Über die vier Gründe des Irrtums (Opus maius, Teil I) [ 104]

Ich habe bedacht 140, dass der menschliche Verstand von sich aus eine große Schwäche an sich hat, wie jeder selbst erfährt und wie es auch durch die Heiligen und Philosophen bestätigt wird. Denn die Dinge, die für sich genommen am Erkennbarsten sind, werden von uns am schlechtesten erkannt, und umgekehrt, wie der Philosoph [Aristoteles] im siebenten Buch seiner Metaphysik 141 sagt. Daher müssen wir die Gebrechlichkeit unseres Intellekts erkennen, damit wir ihm keine Gelegenheiten und Gründe für Fehler geben. Deswegen wollte ich die Ursachen für den menschlichen Irrtum

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Teil I

ideo volui excludere errorum humanorum causas1, quia dum hae durant in corde hominis impossibile est ipsum videre veritatem. Quatuor vero sunt causae generales omnium malorum nostrorum, et omnem statum a principio mundi corruperunt, et omnem hominem quantumcunque sapientem (praeter Dominum nostrum Jesum Christum et Beatam Virginem) aliquando extra viam rectam, vel extra ultimam perfectionem2 coegerunt declinare. Et sunt fragilis auctoritatis exempla, consuetudinis diuturnitas, et sensus multitudinis imperitae, atque praesumptio humanae mentis, qua quilibet nititur suae imperitiae solatium quaerere, et ea, quae nescit, aut non approbare aut reprobare, et illud modicum quod scit vel aestimat scire, licet nesciat, gaudet imprudenter ostentare. Omnes autem3 scimus quod exempla et consuetudo nostra, et sensus vulgi, ut in pluribus, cadunt super mala et falsa; et si aliquando super bona et vera cadant exemplum et consuetudo, hoc est in pluribus imperfectum, et rarissime accidit aliquod exemplum quod in consuetudinem4 trahit perfectionem, nec in vita nec in scientia. Vulgus autem imperitum semper est imperfectum; unde sufficit ei ut non erret: nam in sapientia Dei vulgus generis humani errat, quia multitudo est in mortali peccato, paucitas respectu hujus multitudinis est in statu salutis. Et si illam paucitatem dividamus in vulgus et in caeteros, vulgus est imperfectum, et paucissimi sunt in statu perfectionis; et adhuc regnat tanta imperfectio, quod sapientes istius temporis contendunt de ista perfectione, nescientes eam invenire. Quis igitur perfectus est? Deus novit omnia: sed saltem scio quod multitudo est imperfecta, etiam multitudo istorum

1  errorum humanorum causas ]  causas errorum humanorum, Ti. 2  perfectionem ]  perfectionem aliquando, Ti. 3  omnes ]  om. Ti. 4  aliquod exemplum quod in consuetudinem ]  aliquod quod exemplum quod in inconsuetudinem, L.

KAPITEL 22

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ausschließen, weil es dem Menschen unmöglich ist, die Wahrheit zu erkennen, solange diese noch in seinem Herzen sind. Es gibt vier grundlegende Ursachen für alle unsere Übel, die von Beginn der Welt an jeden Zustand [status] verdorben haben und die jeden Menschen, wie weise er auch sein mag (außer unseren Herren Jesus Christus und die Heilige Jungfrau), mitunter vom rechten Weg oder von der letzten Vollkommenheit abgebracht haben. Diese Ursachen sind: die Beispiele brüchiger Autoritäten, die alltägliche Gewohnheit, die Meinung der unwissenden Menge und die Überheblichkeit des menschlichen Geistes, denn jeder sucht nach Trost für seine eigene Unwissenheit, damit er seine Unkenntnis nicht zugeben muss. Daher erfreut er sich unvernünftigerweise daran, das Wenige, was er weiß oder zu wissen glaubt, herauszustellen, obwohl er es eigentlich nicht weiß. Wir alle wissen, dass die Beispiele [anderer], unsere Gewohnheit und die Meinung der Menge meist zum Schlechten und Falschen führen. Selbst wenn uns die Beispiele anderer und die Gewohnheit manchmal doch zum Richtigen und Guten führen sollten, ist auch dieses doch meist unvollkommen. Nur äußerst selten finden wir im Leben und in der Wissenschaft ein Beispiel, das in der Gewohnheit verankert ist und dabei trotzdem eine Vollkommenheit an sich hat. Die unwissende Menge aber ist immer unvollkommen, weshalb es ihr schon reicht, sich manchmal nicht zu irren: Denn in der Weisheit Gottes täuscht sich die Menge des Menschengeschlechts, weil sie sich im Zustand der Todsünde befindet, der gegenüber nur ein ganz kleiner Teil der Menschen sich des Zustandes des Heils erfreuen kann. Wenn wir diese geringe Zahl in die Menge [der Unwissenden] und in die anderen teilen, dann ist die Mehrzahl unvollkommen, und nur sehr wenige haben die Vollkommenheit erreicht. Es herrscht zur Zeit eine so große Unvollkommenheit, dass die Weisen der heutigen Tage zwar behaupten, über Vollkommenheit zu verfügen, doch ohne zu wissen, wie sie sie überhaupt finden sollen. Denn wer ist schon vollkommen? Gott freilich weiß alles: Doch ich weiß zumindest, dass die Menge unvollkommen ist, also auch die Menge der heutigen Weisen, die ihre

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Teil I

sapientum qui sic contendunt; et utinam non essent, quia totam Dei ecclesiam conturbant. Similiter patet quod vulgus humani generis errat in sapientia philosophiae, et paucitas philosophorum habet veritatem. Et adhuc vulgus philosophantium semper est imperfectum, et pauci sapientissimi fuerunt in perfectione philosophiae; ut primi compositores, et Salomon, et deinde Aristoteles pro tempore suo; et postea Avicenna, et in diebus nostris dominus Robertus episcopus nuper Lincolniensis, et frater Adam de Marisco, quia hi fuerunt perfecti in omni sapientia, et nunquam fuerunt plures perfecti in philosophia. Vulgus igitur, ut in pluribus errat, et capita sua similiter, et raro sentiunt veritatem et in paucis. Et hoc declaro per auctoritates scripturae sacri canonis, sanctorum et philosophorum, et per rationes et exempla. Et est hic utilissima et pulcherrima sapientia, et facilis ac jucunda. Sed tamen semper utimur tribus argumentis pessimis pro omnibus quae facimus et dicimus: scilicet hoc exemplificatum est, hoc consuetum est, hoc vulgatum est, ergo faciendum est. Sed oppositum conclusionis1 sequitur ex praemissis, ut in pluribus, et optime stat cum eis. Excludamus igitur has tres pestes, quae omnem hominem in errorem inducunt, et quartam, scilicet defensionem propriae ignorantiae per reprobationem eorum quae ignoramus, cum ostentatione2 eorum quae scimus. Nam haec est pejor aliis tribus, quoniam est causa earum. Quia homo defendens suam ignorantiam, et ostentans ea quae scit, et reprobans3 aliena, ipse jam facit se auctorem, sed fragilem; et tunc cum nemo sibi erret, sed dementiam suam spargit in proximos, ut ait Seneca libro Epistolarum

1  conclusionis ]  his, Ti. 2  ostentatione ]  ostensione, Ti. 3  reprobans ]  reprobet, Ti.

KAPITEL 22

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Vollkommenheit behaupten – wobei es besser wäre, sie täten das nicht, weil sie dadurch die ganze Kirche Gottes stören. Ähnlich offensichtlich ist, dass sich die Menge des Menschengeschlechts auch in der Weisheit der Philosophie irrt und dass nur wenige Philosophen die Wahrheit kennen. Zudem ist die Menge der Philosophierenden immer unwissend, und es waren stets nur wenige sehr weise Menschen, die einen Zustand der Vollkommenheit in der Philosophie erreicht haben. Von dieser Art waren ihre ersten Begründer und Salomon, danach Aristoteles in seiner Zeit, daraufhin kam Avicenna und in unseren Tagen der Herr Robert [Grosseteste]142, der bis vor kurzem noch Bischof von Lincoln war, sowie Adam Marsh143. Denn diese waren in der Weisheit vollkommen, und mehr gab es nie, die vollkommener in der Philosophie waren. Die Menge und deren Köpfe irren sich also meist, wobei nur manchmal und in wenigen Dingen die Wahrheit aufscheint. Das erkläre ich mit Hilfe der Autoritäten der Schriften des Heiligen Kanons, der Heiligen und Philosophen, durch Argumente und durch Beispiele. Das ist eine äußerst nützliche und schöne Weisheit, die leicht einzusehen und zu schätzen ist. Dennoch benutzen wir immer drei sehr schlechte Argumente für alles, was wir tun und sagen: das ist durch Beispiele belegt, das ist die Gewohnheit, das ist weitverbreitet – also muss man es so machen. Doch in viel stärkerem Maße folgt das Gegenteil aus diesen Prämissen, das sich sehr viel besser damit vereinbaren lässt. Schließen wir also diese drei Krankheiten aus, die jeden Menschen in den Irrtum führen. Ebenso wie die vierte [Krankheit], nämlich die Verteidigung der eigenen Unwissenheit durch die Zurückweisung dessen, was wir nicht wissen, und dafür nur das zu zeigen, was wir wissen. Dieser Irrtum ist schlimmer als die anderen drei, weil er deren Grundlage bildet. Wenn nämlich ein Mensch seine Unwissenheit verteidigt, indem er nur das zeigt, was er weiß, und das zurückweist, was er nicht weiß, macht er sich selbst zu einer zweifelhaften Autorität. Weil sich aber niemand nur für sich allein irrt, sondern seine Torheit an die Menschen in seiner Umgebung weitergibt, wie Seneca in seinen Briefen an Lucilius144 sagt, verbrei-

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Teil I

Secundarum, ideo iste auctor jam vulgat sententiam suam, et inficit ipsum vulgus. Et quia omnis homo diligit opera sua, ut Aristoteles dicit quarto Ethicorum, et planum est, ac quod diligimus trahimus libenter in consuetudinem, ideo consuescit hic autor sensum suum et nutrit vulgus in eodem. Et ideo hic1 accidunt haec tria mala: scilicet, auctoritas fragilis, et sensus vulgi, et consuetudo, ex defensione propriae ignorantiae, cum ostentatione ejus quod scitur, et reprobatione eorum quae nesciuntur. Aperiamus igitur ignorantiam nostram, ut remedium quaeramus sapientiae, et nihil ostentemus, sed humiliter alios doceamus, et non reprobemus quae ignoramus, et quae scimus esse falsa reprobemus sine contentione, et sine confusione alicujus, et cum excusatione humanae fragilitatis. Et exemplorum multitudinem declinemus, et consuetudinem semper habeamus suspectam, et simus ex paucis et de numero sapientum et sanctorum quantum possumus, ut sensum multitudinis evitemus. Nam semper a principio mundi sapientes omnes, ut sancti et veri philosophi, separaverunt se a sensu vulgi, tam in scientia quam in vita: quia ille ut in2 pluribus est erroneus, et nunquam est perfectus. Totam vero primam partem Majoris Operis facio de hac materia, quia, nisi istae causae excluderentur, nulla persuasio potest fieri veritatis; nec unquam volo persuadere homini vel de studio, vel de vita, nisi primo moneam eum ista declinare sicut venenum, et quod saltem teneat hanc auctoritatem de libro Secundarum Epistolarum Senecae in memoria: »Inter causas malorum nostrorum est, quod vivimus ad exempla; nec ratione componimur, sed con-

1  hic ]  om. Ti. 2  in ]  om. B.

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tet solch ein Autor seine Ansichten und steckt die Menge damit an. Da jeder Mensch seine eigenen Werke schätzt, wie Aristoteles im vierten Buch der Nikomachischen Ethik 145 sagt und wie offensichtlich ist, und da wir uns das, was wir schätzen, gerne zur Gewohnheit machen, gewöhnt sich ein Autor an seine Ansichten und bestärkt auch die Menge darin. Daher entstehen die drei weiteren Irrtümer: die zweifelhafte Autorität, die Haltung der Menge und die Gewohnheit aus der Verteidigung der eigenen Unwissenheit, die mit der Zurschaustellung dessen, was man weiß, und der Zurückweisung dessen, was man nicht weiß, zusammenfällt. Geben wir also unsere Unwissenheit lieber zu, damit wir nach e­ inem Heilmittel der Weisheit suchen können. Stellen wir nichts zur Schau, sondern belehren lieber vorsichtig und mit Bedacht die anderen, und weisen wir nicht das, was wir nicht wissen, zurück. Das jedoch, wovon wir wissen, dass es falsch ist, sollten wir ohne Streitsucht und ohne irgendeine Verwirrung zurückweisen und unser Wissen von der Gebrechlichkeit des Menschen als Entschuldigung benutzen. Von den Beispielen der Menge müssen wir abweichen, die Gewohnheit sollte uns immer suspekt sein. Wir sollten so sehr wir können versuchen, zu den Wenigen zu gehören und unter den Weisen und Heiligen zu sein, damit wir die Vor­urteile der Menge meiden ­können. Denn seit Beginn der Welt haben sich alle Weisen, seien es nun Heilige oder wahrhafte Philosophen, von der Meinung der Menge abgewandt – sowohl in der Wissenschaft als auch im Leben, weil diese sich meistens irrt und niemals vollkommen ist. Ich habe den ganzen ersten Teil meines Opus maius hierüber geschrieben146, weil es keine Überzeugung von der Wahrheit geben kann, wenn diese Ursachen nicht ausgeschlossen werden. Ich will außerdem niemals einen Menschen vom Studium oder vom Leben überzeugen, wenn ich ihn nicht zuerst darauf hinweise, dass er diese Irrtümer fliehen muss wie ein Gift, wobei er zumindest die Autorität Senecas aus dem zweiten Brief [an Lucilius] ergreifen sollte: »Eine der Ursachen unseres Ungemachs ist die, dass wir uns in unserer Lebensweise nach dem Beispiel anderer richten und uns nicht durch die Vernunft leiten lassen, sondern der Gewohn-

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Teil I

suetudine adducimur. Quod si pauci facerent, nollemus imitari; cum plures facere, coeperint quia frequentius quasi honestius facimus. Recti locum apud nos1 tenet error, ubi publicus factus est.« In tota sapientia theologiae et juris canonici et philosophiae, non est de hac materia tam pulchra sententia, istas tres causas errorum nostrorum colligens in una auctoritate continua. Optimum verbum et omni sapiente dignum, et ab ipso Deo revelatum. Unde Apostolus Paulus dicit in epistola ad Senecam: »praeprudenti tibi revelata sunt quae paucis Divinitas concessit.« Si igitur has tres pestes cum quarta principali velimus excludere, tunc possumus veritatem in omnibus videre, et omnem falsitatem vitae et sapientiae a nobis relegare. Et si aliis praesumus, tunc possumus ab eis omnem occasionem ignorantiae et peccati auferre. Unde principibus et praelatis haec consideratio maxime valet, quia non solum habent sibi ipsis providere, sed plebi commissae, quae semper movetur secundum arbitrium praesidentis, quia quod principi ejus placet legis apud ipsam habet vigorem. Et multitudo accepta veritate de facili mutat sententiam, ut dicit Hieronymus super Esaiam. Unde licet non potest duci ad perfectionem, quia hoc repugnat naturae vulgi, tamen bene potest trahi ad agnitionem veritatis, si ille qui praeest ostendit eam2 verbo et facto. Causa enim quare infideles non convertuntur ad fidem est, quia principes et praelati eorum tenent eos in errore, et sic est in omni statu. Sed infinitus est defectus in eis, qui praesunt nunc temporis studio et vitae3, et ideo oportet quod subjecta multitudo erret in infinitis.

1  apud nos ]  om. Ti. 2  eam ]  illam, Ti. 3  sed infinitus … studio et vitae ]  Ti. Caeteri om.

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heit als Führerin folgen. Wären es nur wenige, die dies täten, dann würden wir nicht geneigt sein, es ihnen nachzumachen; aber wenn die Mehrzahl sich dazu bereit findet, als wäre es anständiger, weil es überwiegend geschieht, so schließen auch wir uns an. So gelangt an die Stelle des gesunden Urteils der Irrtum zur Herrschaft, sobald er sich der öffentlichen Meinung bemächtigt hat.«147 In der gesamten theologischen, kirchenrechtlichen und philosophischen Weisheit gibt es über dieses Thema keine schönere Äußerung als diese, die alle drei Ursachen unserer Irrtümer so gut in einem Satz zusammenfasst: das ist der beste Ausspruch und aller Weisheit würdig, von Gott selbst geoffenbart. Daher sagt auch der Apostel Paulus in seinem Brief an Seneca: »Äußerst kluge Dinge sind Dir geoffenbart worden, wie sie Gott nur wenigen zugesteht.«148 Wenn wir also diese drei Krankheiten mit der vierten zusammen grundlegend ausschließen wollten, können wir die Wahrheit in allem erkennen und allen Irrtum der Weisheit und des Lebens beseitigen. Und wenn wir anderen in dieser Weise voranstehen, können wir bei jeder Gelegenheit die Unwissenheit und die Sünde von ihnen entfernen. Daher sind diese Überlegungen auch für Prälaten und Fürsten von größtem Nutzen, die nicht nur für sich selbst sorgen müssen, sondern die auch das Volk zusammenhalten müssen, das immer dem Vorsteher entsprechend gelenkt wird: Denn was der Herrscher billigt, hat auch beim Volk Gesetzeskraft. Und die Menge ändert schnell ihre Meinung, nachdem sie die Wahrheit kennengelernt hat, wie Hieronymus in seinem Kommentar zu Jesaja149 sagt. Daher kann sie zwar nicht zur Vollkommenheit geführt werden, weil solches der Natur der Menge widerspricht, aber sie kann gut zur Anerkennung der Wahrheit hingezogen werden, wenn derjenige, der über sie befiehlt, ihr die Wahrheit durch Wort und Tat zeigt. Dies ist auch der Grund, aus dem die Ungläubigen noch nicht zum wahren Glauben bekehrt worden sind: Denn ihre Fürsten und Würdenträger halten sie im Irrtum, und so ist es in jedem Zeitalter [in omni statu]. Doch die Schwäche derer, die heute im Studium und im Leben voranstehen, ist unendlich, weshalb sich auch die ihnen untergeordnete Menge unendlich irrt.

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Teil I

CAPITULUM XXIII. [111]

Deinde aggressus sum partem secundam, in qua ostendo quod una sola est sapientia perfecta, ab uno Deo data uni generi humano propter unum1 finem, scilicet vitam aeternam, quae in sacris litteris tota continetur, per jus tamen canonicum et philosophiam explicanda. Nam quicquid est contrarium sapientiae Dei, vel alienum, est erroneum et inane; nec potest humano generi valere. Et hoc ostendo per proprietatem juris canonici, et per philosophiam multipliciter; et sub philosophia comprehendo jus civile, quia proculdubio est pars ejus: nam continetur sub secunda parte moralis philosophiae, ut superius est notatum, et patet ex Opere Majori. Et hic multa occurrunt notanda. Nam ibi docetur per sanctos, quod tota philosophia est necessaria legi divinae2, et quod in ea invenitur. Et est pulchra consideratio Augustini, Hieronymi, et Bedae de hac materia. Deinde ostenditur hoc idem, quia sapientia philosophiae est tota revelata a Deo et data philosophis, et Ipse est, qui illuminat animas hominum in omni sapientia; et quia illud, quod illuminat mentes nostras, vocatur nunc a theologis intellectus agens, quod est verbum philosophi in tertio De Anima, ubi distinguit quod duo sunt intellectus, scilicet agens et possibilis. Ideo propter propositum meum consequendum, scilicet quod a Deo est tota philosophorum illustratio, ostendo quod hic intellectus agens est Deus principaliter, et secundario Angeli, qui illuminant nos. Nam Deus respectu animae est sicut sol respectu oculi corporalis, et Angeli sicut stellae. Et non solum ostendo istud propter meam

1  unum ]  ultimum, B. 2  divinae ]  Dei, B; dort korrigiert zu divinae.

KAPITEL 23

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KAPITEL 23 Über den tätigen Intellekt [111]

Daraufhin bin ich zum zweiten Teil [des Opus maius]150 übergegangen, in dem ich zeige, dass es nur eine vollkommene Weisheit gibt, die von einem Gott einem Menschengeschlecht zu einem Ziel gegeben worden ist. Dieses Ziel ist das ewige Leben, das in den heiligen Schriften vollkommen enthalten ist, und das durch das Kirchenrecht und die Philosophie erklärt werden muss. Denn was auch immer gegen die Weisheit Gottes gerichtet oder ihr fremd ist, ist falsch und hohl und kann dem Menschengeschlecht nichts nutzen. Das zeige ich anhand des Kirchenrechts und der Philosophie auf vielfache Weise. Unter der Philosophie verstehe ich auch das Zivilrecht, denn ohne Zweifel ist es ein Teil von ihr, da es im zweiten Teil der Moralphilosophie enthalten ist, wie weiter oben gesagt worden ist und wie im Opus maius151 klar wird. Und hier gibt es viele bemerkenswerte Dinge. Denn dort wird von den Heiligen gelehrt, dass die Philosophie notwendig zum göttlichen Gesetz gehört und in diesem gefunden wird. Das ist zumindest die schöne Ansicht von Augustinus152, Hieronymus153 und Beda [Venerabilis]154 zu diesem Thema. Daher wird das auch von mir dargestellt, denn alle Weisheit der Philosophie ist von Gott geoffenbart und den Philosophen gegeben worden; er selbst ist es, der die Seelen der Menschen mit der Weisheit erleuchtet. Heute wird das, was unsere Seelen erleuchtet, von den Theologen der ›tätige Intellekt‹ genannt, was eine Bezeichnung des Philosophen [Aristoteles] im dritten Buch von Über die Seele 155 ist, wo er zwei Intellekte unterscheidet, nämlich den ›tätigen Intellekt‹ und den ›möglichen Intellekt‹. Daher zeige ich für die Verfolgung meines Vorhabens, das in dem Nachweis besteht, dass die Erleuchtung der Philosophen von Gott kommt, dass der tätige Intellekt in grundlegender Weise Gott ist, und dass es auf zweiter Stufe die Engel sind, die uns erleuchten. Denn Gott ist für die Seele wie die Sonne für die körperlichen Augen, und die Engel sind wie die Sterne. Ich lege das hier nicht nur wegen meines Vorhabens dar, sondern auch, um einen

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Teil I

intentionem hic, sed propter evacuationem unius maximi erroris, qui sit in theologia et philosophia. Nam omnes moderni dicunt quod intellectus agens in animas nostras, et illuminans eas, est pars animae, ita quod in anima sunt duae partes, agens scilicet et possibilis; et intellectus possibilis vocatur qui est in potentia ad scientiam, et non habet eam de se; sed quando recipit species rerum, et agens influit et illuminat ipsum, tunc nascitur scientia in eo; et hoc est verum. Sed falsum est quod agens sit pars animae. Nam hoc est penitus impossibile, sicut ibi ostendo per auctoritates et rationes sufficientes. Et omnes sapientes antiqui, et qui adhunc remanserunt usque ad tempora nostra, dixerunt quod fuit Deus. Unde ego bis audivi venerabilem antistitem Parisiensis ecclesiae, dominum Guillielmum Alvernensem, congregata universitate coram eo, reprobare eos, et disputare cum eis; et probavit per aliquas rationes, quas pono, quod omnes erraverunt. Dominus vero Robertus episcopus Lincolniensis1, et frater Adam de Marisco, majores clerici de mundo, et perfecti in sapientia divina et humana, hoc idem firmaverunt. Unde quando per tentationem et derisionem aliqui Minores praesumptuosi quaesiverunt a fratre Adam, »Quid est intellectus agens?« respondit, »Corvus Eliae;« volens per hoc dicere quod fuit Deus vel angelus. Sed noluit exprimere, quia tentando et non propter sapientiam quaesiverunt. Sed quia non solvi ibi illud2, unde iste error venerit, ideo, ne suspendam animum vestrae clementiae, dico, quod accidit haec fal1  episcopus Lincolniensis ]  Lincolniensis episcopus, Ti. 2  Sed … illud ]  »Ubicunque veritas invenitur Christi indicatur: – idcirco quamvis aliquo modo veritas philosophiae dicitur philosophorum, ad hanc tamen primo habendam lux divina influxit in animos eorum. Ideoque meliores philosophi posuerunt intellectum agentem et possibilem. Anima humana dicitur ab eis possibilis, quae de se est impotens ad scientias et virtutes, et eas recipit aliunde. Intellectus agens dicitur qui influit in animas nostras, illuminans ad scientiam et virtutem; et sic intellectus agens non est pars animae, sed substantia intellectiva separata per essentiam ab intellectu possibili; licet intellectus possibilis etiam dicatur agens, ab actu intelligendi.« – Ex Opere Majori [cap.  v.], R. B., U.

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der schlimmsten Fehler zu entkräften, die es derzeit in der Theologie und der Philosophie gibt. Alle Zeitgenossen sagen nämlich, dass der tätige Intellekt in unseren Seelen ein Teil der Seele sei und sie erleuchte, sodass es in der Seele zwei Teile gibt: den tätigen und den möglichen Intellekt. Der mögliche Intellekt wird derjenige genannt, der die Möglichkeit für die Erkenntnis bildet und sie nicht aus sich selbst heraus hat. Wenn er aber die species der Dinge aufnimmt, und wenn der tätige Intellekt auf ihn einwirkt und ihn erleuchtet, entsteht in ihm Erkenntnis: und das ist wahr. Es ist jedoch falsch, dass der tätige Intellekt ein Teil der Seele ist. Das ist nämlich ganz und gar unmöglich, wie ich dort [im Opus maius] unter Hinweis auf Autoritäten und durch hinreichende Gründe zeige. Sowohl die Weisen des Altertums als auch die, die bis in unsere Zeit überdauert haben, sagten nämlich, dass es Gott war. So habe ich auch zweimal den ehrenwerten Bischof von Paris, Herrn Wilhelm von Auvergne156, vor der gesamten Universitätsleitung gehört, wie er sie widerlegte und mit ihnen diskutierte, wobei er durch einige Gründe, die ich angebe, zeigte, dass sie allesamt irrten. Zudem bekräftigten auch Herr Robert, Bischof von Lincoln, und Bruder Adam von Marsh, die größten Kleriker der Welt, die beide vollkommen im Hinblick auf ihr Wissen um die göttlichen und die menschlichen Dinge sind, ganz dasselbe. Als daher einige anmaßende Minderbrüder in der Absicht der Herausforderung und Lächerlichmachung Bruder Adam fragten: »Was ist der tätige Intellekt?«, antwortete dieser: »der Rabe des Elias«; womit er sagen wollte, dass er Gott oder ein Engel sei. Doch er wollte es nicht erklären, da sie herausfordernd und nicht um der Weisheit willen gefragt hatten. Doch weil ich ihn dort [im Opus maius] nicht gelöst habe, ist dieser Irrtum weiterhin bestehen geblieben. Um den Geist Euer Gnaden nicht weiter in der Schwebe zu halten, sage ich, dass dieser

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Teil I

sitas ex mala translatione textus Aristotelis, nec est ita mala quin possit a bono et pio interprete satis de plano exponi, et probari per textum suum ibidem et alibi. Volens igitur Aristoteles ostendere quod ad effectum scientiae et intellectus duo requirantur, agens scilicet, quod est illuminans, et materia patiens seu recipiens illuminationem, probat hoc per simile in omnibus. Nam in omni effectu et operatione duo requiruntur, efficiens et materia recipiens actionem efficientis; et non solum in naturalibus, sed in artificialibus, ut artifex ad materiam in quam operatur, et lux ad visum et colores videndos pro exemplo naturali. Et cum in omnibus sic sit, erit ita a parte animae et in operatione intelligendi. Unde oportet quod anima humana sit nata recipere illuminationes ab agente, et quod aliquod agens in animam concedatur, qui illuminet1 eam per quoddam lumen spirituale, sicut lux solis visum. Haec est intentio Aristotelis in prima parte et in principio capituli. Sed ibi translatum est sic: »Quoniam autem in omni natura est aliquid quod agat, et aliquid quod patiatur, ita erit in anima.« Ex hoc concludunt quod agens et patiens erunt in anima, et quod sint duae partes animae; quod est impossibile et contra Aristotelem ibidem. Nam exempla declarant quod non vult dicere nisi quod duo requiruntur ad operationem animae, sicut ad omnem operationem naturae et artis. Unde quod dicit »sic est in anima,« intendit quod sic est in operatione animae, secundum quod exemplificat dicens, »ut artifex ad materiam, et lux ad colores.« Certe carpentator est

1  illuminet ]  illuminat, B.

KAPITEL 23

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Fehler aus den schlechten Übersetzungen des Aristoteles resultiert. Doch das ist kein Irrtum, der durch einen guten und gewissenhaften Interpreten nicht klar erklärt werden und durch die Texte des Aristoteles dort und auch anderswo nicht gezeigt werden könnte. Denn Aristoteles möchte zeigen, dass für die Hervorbringung von Wissen und Verstehen zwei Dinge benötigt werden: nämlich eine wirkende Ursache, die erleuchtet, und eine Materie, die diese Erleuchtung empfängt, was er durch Ähnlichkeit in allen Dingen zeigt. Denn für jede Wirkung und Tätigkeit werden zwei Prinzipien benötigt: die Wirkursache und die Materie, die die Wirk­ursache empfängt. So ist es nicht nur in der Natur, sondern auch bei den Dingen, die durch die Kunst zustande kommen, zum Beispiel bei dem Künstler, der ein Material bearbeitet. Als natürliches Beispiel kann das Licht dienen, das die Wirkursache für das Sehen und für die gesehenen Farben ist. Da das bei allen Dingen so ist, wird es auch bei der Seele und der Tätigkeit des Verstehens derartig sein. Daher muss die menschliche Seele dafür geschaffen sein, Eindrücke von einem Agens zu erhalten; und es muss ein Agens für die Seele zugestanden werden, das sie durch ein gewisses geistiges Licht erleuchtet, wie das Licht der Sonne den Sehsinn. Das zu zeigen, ist die Absicht von Aristoteles zu Beginn des Kapitels im ersten Teil [von Über die Seele]. Doch dieser Abschnitt wird dort folgendermaßen übersetzt: »Weil es in der gesamten Natur immer etwas gibt, das tätig ist, und etwas anderes, das empfängt, verhält es sich auch so in der Seele.«157 Daraus schließen sie, dass das Agens und das Empfangende in der Seele sind, und dass es zwei Seelenteile gibt, was unmöglich ist und ebendort auch gegen Aristoteles spricht. Denn seine Beispiele zeigen, dass er nichts anderes sagen will, als dass für die Betätigung der Seele zwei Dinge benötigt werden, ebenso wie für jede Betätigung in der Natur und der Kunst. Wenn er daher sagt: »So verhält es sich in der Seele«, meint er damit, dass es sich so mit der Betätigung der Seele verhält, wie er es erläutert, wenn er weiter sagt: »wie der Künstler in Bezug auf die Materie und das Licht in Bezug auf die Farben«.158 Denn gewiss

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Teil I

extra materiam secundum suam essentiam, et non sunt1 artifex et materia partes ejusdem2 rei, nec lux solis et color quem illuminat. Et praeterea versus finem capituli docet quod intellectus agens est separatus a possibili secundum substantiam et secundum esse, et3 quod anima scit, et semper est4 in actu; et hoc non est creatura, sed solus Deus. Et hoc per Avicennam, et Alpharabium, et multas rationes probo, quibus responderi non potest. Et ideo, licet translatio ibi non sit ita plana sicut necesse esset, tamen patet per exempla ejus, et ea quae sequuntur, et per expositores suos famosos et majores patet5, quod intentio ejus est, quod intellectus agens in animas nostras est Deus principaliter, et secundario Angeli. Possumus enim causari6 translationem suam fere ubique, propter perversitatem, et truncationem, et dubitationem7. Nam quilibet scit hoc, atque contrarietas opinantium quasi ubique hoc ostendit. Immo quod plus est, scimus quod translatores posuerunt falsum textum ex ignorantia sua aut ex vitio exemplaris Graeci. Nam in tertio Coeli et Mundi habetur quod figura circularis in superficiebus, et orbicularis in corporibus8, replent locum. Sed scimus hoc esse falsum; et aliae translationes habent aliter. Et Averroes hoc demonstrat9, et planum est. Similiter in10 tertio Meteororum habetur, quod iris non fit ex radiis lunae, nisi bis in quinquaginta annis, et scimus quod hoc est falsum. Nam in omni plenilunio potest contingere si pluat, et luna non obtegatur nubibus. Et sic in multis locis. Prima igitur responsio contra hunc errorem est, quod mala translatio est et dubia, et potens exponi in varias partes, sicut alia loca infinita. 1  sunt ]  om. Ti. »Quod intellectus agens sit Deus vel Angelus, probat per totam paginam. – Ti. in Marginalie. 2  ejusdem ]  ejus, B. 3  et ]  om. B. 4  est ]  et Ti. 5  patet ]  om. B. 6  causari ]  cassare, Ti. 7  truncationem, et dubitationem ]  dubitationem, et truncationem, T. 8  corporibus ]  corporeis, B. 9  demonstrat ]  declarat, Ti. 10  in ]  et in, Ti.

KAPITEL 23

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ist der Schreiner seinem Wesen nach außerhalb der Materie; und der Künstler sowie die Materie sind nicht Teil derselben Sache, genauso wenig wie das Licht der Sonne und die Farben, die das Licht erleuchtet. Zudem lehrt er gegen Ende des Kapitels, dass der tätige Intellekt seiner Substanz und seinem Sein nach vom möglichen Intellekt verschieden ist, und dass die Seele weiß und beständig ausführt: das gilt aber nicht für die Geschöpfe, sondern nur für Gott. Das beweise ich durch Avicenna, Alfarabi und durch viele Gründe, denen man nicht widersprechen kann. Die richtige Interpretation wird demnach durch seine eigenen Beispiele und andere Beispiele, die den hier genannten folgen, ebenso deutlich wie durch seine berühmtesten und wichtigsten Erläuterer, wenn auch die Übersetzung nicht so eindeutig ist, wie sie eigentlich sein sollte. Seine Absicht ist also die Erklärung, dass der tätige Intellekt in unseren Seelen grundlegend Gott ist, und darauf folgend die Engel. Wir können fehlerhafte Übersetzungen der Bücher des Aristoteles fast überall für Irrtümer verantwortlich machen, denn sie sind oft falsch, verstümmelt und zweifelhaft. Jeder weiß das, und auch die Widersprüchlichkeit der verschiedenen Meinungen zeigt das gleichsam überall. Weiterhin wissen wir sogar, dass die Übersetzer aus eigener Unkenntnis oder aufgrund der Verdorbenheit der griechischen Manuskripte oft einen falschen Text hergestellt haben. Denn im dritten Buch von Über den Himmel und die Welt 159 steht, dass die Kreisform bei Flächen und die Kugelform bei Körpern ­einen Ort ausfüllen. Doch wir wissen, dass das falsch ist; und in anderen Übersetzungen steht es anders. Auch Averroes zeigt das, und es ist offensichtlich. Ähnlich steht im dritten Buch der Meteo­ ro­logie 160, dass aus den Mondstrahlen kein Regenbogen entstehen kann, außer zweimal in 50 Jahren – und wir wissen auch hier, dass das falsch ist. Denn ein Regenbogen kann bei jedem Vollmond auftreten, wenn es regnet und wenn der Mond nicht von Wolken verdeckt wird. Solche Fehler gibt es an vielen weiteren Stellen. Die erste Erwiderung auf diesen Fehler ist daher, dass die Übersetzung schlecht und zweifelhaft ist, was man hier wie auch an vielen anderen Stellen erklären kann.

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Secundo potest exponi per exempla textus, et ea quae sequuntur, expresse continentia quae contraria sunt huic errori; etiam per expositionem Avicennae et Alpharabii; licet Averroes somniet hic et vacillet in verbis, nunc unum, nunc aliud balbutiendo. Duo hic testimonia uni praeferuntur; et tamen Averroes non plane decernit1 contrarium, et Avicenna fuit major eo, et praecipuus imitator Aristotelis, et dux ac princeps philosophiae post eum2, ut commentator dicit super tertium Meteororum. Et omnes sapientes hoc fatentur; et philosophiae suae complementum hoc ostendit. Nam ipse totam complevit philosophiam, et vulgatam in uno volumine, et secundum propriam philosophiae veritatem in alio, quae non timet ictus lancearum contradicentium, ut ipsemet fatetur in prologo libri Sufficientiae3, in quo philosophiam vulgatam apud philosophos proponit. Sed quid moror in his, nam evacuatio erroris istius plena habetur ex ipsis verbis Aristotelis. Quoniam quum dicit, sicut in omni natura sunt duo, agens et materia, sic et in anima concedo. Sed in nulla natura coincidunt agens et materia sicut partes ejus, ut ipsemet docet, secundo Physicorum. Nam ibi dicit quod materia non coincidit cum efficiente in eodem secundum numerum, nec secundum speciem; sed forma bene coincidit cum efficiente in eodem secundum speciem. Nam efficiens facit formam sibi similem secundum speciem, ut homo generat hominem, et asinus asinum. Quare manifestum est aut Aristoteles mentitur, et sibi ipsi contradicit, aut non est sicut moderni dicunt. Quia in nulla re de mundo

1  decernit ]  discernit, Ti. 2  eum ]  ipsum, Ti. 3  Sufficientiae ]  sufficientis, Ti.

KAPITEL 23 [ 116]

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Zweitens kann man das durch verschiedene Textbeispiele erläutern; und die folgenden [Beispiele] haben deutlich einen Inhalt, die diesem Fehler widersprechen. So verhält es sich zum Beispiel bei den Erläuterungen von Avicenna161 und Alfarabi. Averroes mag hierzu zwar Verschiedenes träumen und in den Worten schwanken, wenn er bald dieses und bald jenes stottert: Doch zwei Zeugnisse sind einem vorzuziehen, zumal Averroes das Gegenteil nicht klar erklären kann – und außerdem war Avicenna bedeutender als er. Denn er war der vorzüglichste Nachfolger des Aristoteles und der Führer und Fürst der Philosophie nach ihm, wie der Kommentator [Averroes] selbst im dritten Buch seines Meteorologie­ kommentars162 sagt. Das gestehen alle Weisen ein, und seine [den Aristoteles] ergänzende Philosophie zeigt es. Denn er hat selbst die Philosophie vervollständigt und in einem Buch verbreitet sowie in einem anderen Buch entsprechend der Wahrheit der Philosophie geschrieben, die den Stich der Speere der Widersprechenden nicht fürchtet, wie er selber im Prolog seines Buches der Heilung 163 sagt, in dem er die verbreitete Philosophie bei den Philosophen erläutert. Doch was soll ich hierbei noch lange verweilen, da die Ausräumung dieses Irttums aus den Worten des Aristoteles selbst klar hervorgeht. Denn ich gestehe zwar zu, dass [Aristoteles] sagt, dass es in jedem Naturphänomen zwei Prinzipien gibt: nämlich das Agens und die Materie, und dass es sich auch in der Seele so verhält 164. Doch gleichzeitig lehrt er selbst im zweiten Buch der Phy­ sik 165, dass in der Natur das Agens und die Materie niemals als ihre Teile zusammenfallen. Denn dort sagt er, dass die Materie mit der Wirkursache in derselben Sache weder numerisch noch der Art nach zusammenfällt, sondern dass es vielmehr die Form ist, die in jedem Ding mit der Wirkursache der Art nach zusammenfällt. Denn die Wirkursache gibt einem Ding eine ihr ähnliche Form entsprechend der ihr jeweils eigentümlichen Art, so wie ein Mensch einen Menschen zeugt und ein Esel einen Esel. Daher ist es offenkundig, dass Aristoteles entweder lügt und sich selbst widerspricht oder dass es nicht so ist, wie unsere Zeitgenossen sagen. Denn in keiner Sache auf der Welt können die Materie und die

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Teil I

possunt materia et efficiens simul esse, sicut docet secundo Physicorum, ita quod sint secundum substantiam suam in eodem, et quod sint partes ejusdem rei. Et1 ideo debet exponi quod dicit, ut dictum est; quod ait in omni natura et in anima, hoc est, in omni operatione naturae et animae, duo requiruntur, agens et materia, non tamen quod sint partes ejusdem, vel2 quod sint in eodem secundum substantiam, sed unum extra aliud secundum essentiam, ut artifex et materia. Aut potest exponi secundum modos dicendi unum esse in alio. Nam octo sunt, ut Aristoteles docet quarto Physicorum, quorum unum est sicut movens3 in moto et efficiens in materia. Sed non est ibi secundum substantiam, sed secundum virtutem et influentiam; ut sol est ubique in mundo praeterquam in umbra terrae; quia influit lumen suum ubique extra umbram illam4, et illuminat stellas5 et omnia. Sic igitur est intellectus agens in anima, scilicet secundum influentiam sui luminis, sed non secundum essentiam, vel quod sint ejusdem essentiae et naturae scilicet quod sint partes animae. Hoc dico quia Deus non solum est secundum influentiam suae virtutis ubique, sed secundum essentiam ejus infinitam. Sed sua essentia non est pars alicujus rei, nec ejusdem naturae cum aliquo, sicut hic ponitur, quod intellectus agens et possibilis sint6 partes unius naturae, scilicet animae rationalis. Si igitur haec pertractatio conjungatur probationi, quae est in Opere Majori, erit pulchra et utilis consideratio veritatis istius7, quae tam solemniter tractatur in philosophia et in theologia, licet cum maximo errore.

1  Et ]  om. Ti. 2  vel ]  ut, Ti. 3  movens ]  movens est, B. 4  illam ]  suam, Ti. 5  stellas ]  omnes stellas, Ti. 6  sint ]  sit, Ti. 7  veritatis istius ]  istius veritatis, Ti.

KAPITEL 23

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Wirkursache gleich sein, wie er selbst im zweiten Buch der Physik lehrt, sodass sie der Substanz nach in derselben Sache und damit Teile desselben Dinges wären. Daher muss man das von ihm Gesagte so erklären, wie ich es vorgeschlagen habe. Denn er sagt, dass in jedem Ding und in jeder Seele, das bedeutet: in jeder Betätigung der Natur und der Seele, zwei [Prinzipien] benötigt werden, nämlich ein Agens und die Materie. Doch nicht derart, dass sie Teile derselben Sache sind oder dass sie der Substanz nach in einem Ding sind, sondern so, dass das Eine dem Wesen nach außerhalb des Anderen ist, so wie der Künstler außerhalb der Materie ist. Man kann es auch entsprechend den verschiedenen Bedeutungen erklären, nach denen man sagt, dass sich etwas in einem anderen befindet. Denn es gibt acht [Bedeutungen], wie Aristoteles im vierten Buch der Physik 166 lehrt, von denen eine sich auf das Bewegende in der Bewegung und das Bewirkende in der Materie bezieht. Doch verhält es sich dort nicht der Substanz nach so, sondern der Kraft und der Einwirkung nach: so wie die Sonne überall im Weltganzen scheint, außer im Schatten der Erde. Denn ihr Licht strömt überall außerhalb jenes Schattens hin, und es erleuchtet die Sterne und alles andere. So ist es auch bei dem tätigen Intellekt in der Seele, dessen Licht auf die Seele wirkt, jedoch nicht, weil sie wesensgleich oder von der gleichen Art und Natur wären, das heißt, weil sie beide Teile der Seele wären. Das sage ich, weil Gott nicht nur durch den Einfluss seiner Kraft überall ist, sondern durch sein unendliches Wesen. Doch sein Wesen ist nicht Teil irgendeiner Sache oder der Natur nach mit irgendeiner Sache identisch, wie man es in diesem Fall sagt: dass nämlich der tätige und der mögliche Intellekt Teile derselben Natur seien, das heißt, des vernünftigen Seelenteils. Wenn die Behandlung [dieses Themas] mit einem Beweis verbunden wird, wie es im Opus maius geschehen ist, ergibt sich eine schöne und nützliche Betrachtung jener Wahrheit, die für gewöhnlich in der Philosophie und der Theologie behandelt wird, wenn auch freilich mit dem größten Irrtum.

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Teil I

CAPITULUM XXIV. [ 119]

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Deinde probo quod tota sapientia philosophiae data est a Deo, quia sancti patriarchae et prophetae a principio mundi eam receperunt a Deo; quibus Deus1 dedit longitudinem vitae; et haec2 est valde notanda consideratio. Nam ut probem quod sancti primo habuerunt philosophiam et sapientiam totam antequam philosophi infideles, revolvo totum tempus a principio mundi, discurrens per omnes aetates et saecula, ut3 inveniam quando primo fuerunt singuli qui aliquem titulum sapientiae habuerunt, sive sint poetae praeclari, sive Sybillae, sive septem sapientes, sive philosophi qui post illum septem venerunt, qui non voluerunt se vocare sapientes sed amatores sapientiae; unde philosophus est amator sapientiae; et principalis de istis4 et primus fuit Pythagoras. Nam cum quaesitum fuit5 ab eo, »Quis esset?« respondit quod philosophus; et ab eo omnes postea habuerunt hoc nomen; prius enim vocabantur sophi, id est, sapientes. Hoc autem capitulum est summe notandum, quia non solum certificat hoc principale intentum, sed certificat omnia quae sunt in coelo et in terra, et totam sapientiam philosophorum, et ostendit nobis unde habuerunt quod de coelestibus mira dicunt, et de secretis naturae et scientiarum magnalium, et de sectis, et de Deo, et de secta Christi, et de virtutum pulchritudine et legum honestate6, et de vita aeterna gloriosa et poenali, et de resurrectione mortuorum, et de omnibus. Nam philosophi habuerunt haec omnia a sanctis Dei; unde philosophi non invenerunt haec primo, nec homo7, sed Deus revelavit

1  Deus ]  om. Ti. 2  haec ]  hic, B. 3  ut ]  et, Ti. 4  de istis ]  et primus de istis, Ti. 5  fuit ]  fuerat, Ti. 6  legum honestate ]  honestate legum, Ti. 7  nec homo ]  om. Ti.

KAPITEL 24

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KAPITEL 24 Über das Verhältnis von Philosophie und Theologie (Opus maius, Teil II) [ 119]

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Danach zeige ich [im Opus maius], dass die gesamte Weisheit der Philosophie von Gott gegeben ist, weil die heiligen Patriarchen und Propheten sie zu Beginn der Welt von Gott erhalten haben.167 Gott hat ihnen auch ein langes Leben geschenkt, was eine bedenkenswerte Überlegung ist. Weil ich jedoch zeigen möchte, dass den Heiligen die gesamte Philosophie und Weisheit vor allen ungläubigen Philosophen bekannt war, gehe ich auf die ganze Zeit seit Beginn der Welt ein und eile durch alle Zeitalter und Jahrhunderte, um herauszufinden, wann es die Ersten gab, die den Titel der Weisheit getragen haben: ob es die berühmten Dichter waren oder die Sybillen oder die sieben Weisen oder die Philosophen, die nach den sieben Weisen kamen, die sich aber nicht als ›die Weisen‹ bezeichnen wollten, sondern als ›Liebhaber der Weisheit‹. Daher bedeutet ›philosophus‹ ›Liebhaber der Weisheit‹. Der Früheste und der Erste von ihnen war Pythagoras. Denn als über ihn die Frage gestellt worden war: »Wer mag das sein?«, hat er geantwortet, dass er ein Philosoph sei; und von ihm ausgehend haben alle nach ihm diese Bezeichnung erhalten. Denn vorher sind sie sophi genannt worden, also ›die Weisen‹. Dieses Kapitel [meines Opus maius] ist äußerst wichtig, denn es belegt nicht nur diesen grundlegenden Punkt, sondern es belegt alles, was es auf Erden und im Himmel gibt sowie alle Weisheit der Philosophen. Es zeigt uns, woher sie das wußten, was sie Wundervolles über die Himmelserscheinungen gesagt haben, genauso wie über die Geheimnisse der Natur und die großen Dinge der Wissenschaften, über die verschiedenen Glaubensrichtungen, über Gott, über die Gemeinschaft der Christen, über die Schönheit der Tugenden, über die Ehrwürdigkeit der Gesetze, über das Glück des zukünftigen Lebens und die Strafen, über die Auferstehung der Toten – und überhaupt über alles. Denn die Philosophen haben alles von den Heiligen Gottes übernommen. Daher haben weder die Philosophen noch ein Mensch

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Teil I

suis sanctis. Nam quis homo per se posset scire coelestia, et indicia rerum per ea, et alia infinita quae scribunt philosophi? Certe nec Salomon, nec Adam maximus, nec aliquis; sed Deus ipse1 revelavit legem suam sanctis, et philosophiam, propter intellectum legis, et extensionem, et probationem, et promulgationem, et defensionem; et hi sancti scripserunt libros philosophiae omnes. Et non solum in sacra Scriptura fecerunt mentionem de veritate fidei, sed in suis libris philosophicis, et praenuntiaverunt omnia ante quam philosophi fuerunt; et ab his tunc philosophi habuerunt omnem sapientiam, sicut Aristoteles, dominus philosophorum, confitetur in libro Secretorum. Et cum his infero quod perfectio philosophiae non est uti ea secundum vias philosophorum infidelium, sed debet elevari ad statum legis Christianae. Et hoc est ad theologiam, et ecclesiam, et directionem reipublicae fidelium, et conversionem infidelium, et reprobationem eorum qui non possunt converti; et addo ad confirmationem sapientiae philosophorum prophetiam Sibyllae de Christo, et de ecclesia, et de vita futura. Nam si una muliercula potuit haec a Deo recipere, multo fortius et rationabilius est quod viri tam boni et tam sapientes, sicut Pythagoras, et Socrates, et Plato, et Aristoteles, et alii zelatores maximi sapientiae, receperunt a Deo speciales illuminationes, quibus intellexerunt multa de Deo, et salute animae, et forsan magis propter nos Christianos quam propter2 eorum salutem. Et sic terminatur pars secunda in qua principale propositum est ostendere, quod tota sapientia concluditur in sacra Scriptura, per

1  sed Deus ipse ]  om. Ti. 2  propter ]  om. B.

KAPITEL 24

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diese Dinge zuerst gefunden, sondern Gott hat es seinen Heiligen geoffenbart. Denn welcher Mensch könnte allein so viel über die Himmelserscheinungen wissen? Wer könnte anhand der Himmels­ erscheinungen Aussagen über die Dinge und alles unendlich Weitere machen, wovon die Philosophen schreiben? Sicher nicht einmal Salomon oder der sehr große Adam [Adam maximus] oder sonst jemand. Gott selbst hat also seinen Heiligen sein Gesetz und die Philosophie geoffenbart, damit der Sinn des Gesetzes, sein Bereich, sein Beweis, seine Verbreitung und seine Verteidigung verstanden werden; und diese Heiligen haben alle Bücher über die Philosophie verfasst. Sie haben demnach nicht allein in der Heiligen Schrift die Glaubenswahrheit dargelegt, sondern auch in ihren philosophischen Schriften, in denen sie alles bereits gezeigt haben, bevor es die Philosophen gab. Die Philosophen haben von ihnen ihre ganze Weisheit übernommen, wie Aristoteles selbst, der Herr aller Philosophen, im Buch der Geheimnisse eingesteht.168 Daraus schließe ich, dass die Vollkommenheit der Philosophie von den ungläubigen Philosophen noch gar nicht genutzt worden ist, sondern dass sie erst zum christlichen Gesetz emporgehoben werden muss. Das geschieht aber, damit sie der Theologie, der Kirche, der Lenkung des Gemeinschaft der Gläubigen, der Bekehrung der Ungläubigen und der Zurückdrängung derer, die nicht bekehrt werden können, nützlich ist. Und ich füge, um die Weisheit der Philosophen zu bestätigen, noch die Prophezeiung der Sybille169 über Christus, die Kirche und das zukünftigen Leben hinzu. Denn wenn schon ein Weiblein solches von Gott empfangen konnte, ist es noch viel vorstellbarer und vernünftiger, dass herausragende und weise Männer wie Pythagoras, Sokrates, Platon, Aristoteles und all die anderen großen Weisheitssuchenden von Gott ganz besondere Erleuchtungen erhalten haben, durch die sie sehr viel von Gott und dem Seelenheil verstanden haben – und vielleicht mehr für das Heil von uns Christen als für ihr eigenes. Damit endet der zweite Teil [meines Opus maius], dessen prinzipielles Anliegen in dem Nachweis besteht, dass die ganze Weisheit in der Heiligen Schrift enthalten ist, die durch das Recht und die

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Teil I

jus tamen et philosophiam explicanda; ut sicut in pugno colligitur quod latius in palma explicatur; sed ejus explicatio est jus canonicum cum philosophia. Nam utrumque jacet in visceribus sacrae Scripturae, et de his eruuntur, et super hoc1 fundantur omnia quae utiliter dicuntur in jure canonico et philosophia. Et hoc per plures considerationes ostendo, quas hic non expono. Nam in sensu litterali jacet tota philosophiae potestas, in naturis, et proprietatibus rerum naturalium, artificialium et moralium; ut per convenientes adaptationes et similitudines eliciantur sensus spirituales; ut sic simul sciatur philosophia cum theologia; quia philosophia nihil facit nisi explicare naturas et proprietates rerum naturalium, quae jacent in textu sacro a summis coelorum usque ad terminos eorum, et artificialium et moralium; sicut pono ibi exemplum de Iride. Unde haec est via propria sciendi Scripturam, et via sanctorum, et omnium sapientum antiquorum2; ut episcopi Lincolniensis et fratris Adae, et aliorum; ut sic tota philosophiae sapientia sciatur in textu Dei. Et tota potestas juris canonici jacet in sensu litterali et spirituali, et ab illis elicitur. Nam quicquid sacri et summi pontifices statuerunt in jure canonico confirmaverunt per auctoritates textus sacri, et per dicta sanctorum, ut patet per totum corpus juris canonici; unde eadem est scientia penitus, quia nihil nisi lex Dei, per quam ecclesia regitur, invenitur utrobique. Nam sicut per Vetus Testamentum litteraliter ecclesia antiquorum regebatur, sic nunc per sensum spiritualem Veteris Testamenti et per Novum habet regi Dei3 ecclesia. Sed nullus potest negare quin regatur per

1  hoc ]  haec, Ti. 2  sapientum antiquorum ]  antiquorum sapientum, Ti. 3  Dei ]  om. Ti.

KAPITEL 24

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Philosophie erklärt werden muss: so wie in der Faust bereits alles enthalten ist, was in der offenen Hand sichtbarer wird; doch ihre Erklärung geschieht durch das kanonische Recht gemeinsam mit der Philosophie. Denn beide liegen im Inneren der Heiligen Schrift verborgen und müssen aus ihr freigelegt werden, da auf ihr alles Nützliche begründet ist, was im Kirchenrecht und der Philosophie gesagt wird. Das zeige ich durch viele Betrachtungen, die ich hier nicht wiedergebe. Denn im Literalsinn [der Bibel] liegt die ganze Macht der Philosophie verborgen – sowohl der Natur und der Eigen­schaften der Naturdinge als auch der Künste und der Moral, damit die Spiritualsinne durch zutreffende Vergleiche und Analogien aus den Worten der Bibel herausgelockt werden, und damit die Theologie und die Philosophie zugleich erkannt werden; denn die Philosophie erklärt die Natur und die Eigenschaften der Naturdinge, die im Heiligen Text enthalten sind, vom einen Ende des Himmels zu den anderen ebenso wie die künstlich angefertigten Dinge und die Moral, wie ich dort am Beispiel des Regen­bogens zeige.170 Daher ist das der eigentliche Weg, die Heilige Schrift zu kennen: Es ist der Weg, den die Heiligen und alle Weisen des Altertums gegangen sind, ebenso wie der Bischof von Lincoln171, Bruder Adam172 und andere, weil sich die ganze Weisheit der Philosophie in der Schrift Gottes befindet. Ebenso liegt die gesamte Macht des Kirchenrechtes im Literal- und Spiritualsinn [der Bibel] begründet und wird durch sie erklärt. Denn was auch immer die Heiligen und die höchsten Bischöfe im Kirchenrecht niedergelegt haben, haben sie stets durch die Autorität der heiligen Schriften und der Aussprüche der Heiligen bestätigt, wie man am ganzen Corpus Iuris Canonici 173 sehen kann; daher ist sie zugleich dieselbe Wissenschaft, da nichts anderes als das Gesetz Gottes, durch das die Kirche gelenkt wird, in beiden Fällen gefunden wird. Denn ebenso, wie durch das Alte Testament im wörtlichen Sinn die Kirche der Alten gelenkt worden ist, wird nun durch den Spiritualsinn des Alten und des Neuen Testaments die Kirche von Gott gelenkt. Niemand kann aber bestreiten, dass die Kirche durch das Kirchen-

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Teil I

jus canonicum. Ergo hoc jus continetur in sapientia legis divinae, et erunt una sapientia mutuo se modis variis1 continentes. Et totam hanc probationem facio propter certas causas omnino notandas2. Una est propter vestrum3 mandatum de philosophia, ut ostendam quod philosophia inutilis sit et vana, nisi prout ad sapientiam Dei elevatur, ut ei serviat absolute, et relative4 ad ecclesiam, et caetera tria, cui servire regnare est, sicut et ejus auctori Deo. Et quod philosophiae utilitas sciri non potest, nec intelligi, nisi prout in sacro usu consideratur. Nam creaturae verius positae sunt in Scriptura quam philosophi infideles scirent cogitare; sicut probo per exemplum de Iride, cujus causam finalem ignoraverunt; quae est dissipatio aquae humiditatis et diluviorum, ut liber Geneseos docet. Et propter hoc ignoraverunt generationem ejus, quia ignorato fine necesse est ignorari alia; quia finis est quod primo cognoscitur, et movet tunc agens in omni opere et consideratione. Deus enim fecit creaturas suas et in Scriptura sua posuit eas, et ideo accepit eas, secundum omnem veritatem, quam veritatem nititur philosophia infidelium exponere. Sed quia non habuerunt usum istius Scripturae ideo non potuerunt omnino venire ad certitudinem veritatis. Et ideo qui vult scire philosophiam, sciat eam in usu Scripturae, et secundum quod Scriptura requirit, et tunc veraciter pot­ est eam scire. Et sic paratus sum tractare eam meliori modo quo possum per adjutorium sapientum quos nominabo, et secundum quod explicabo inferius suo loco. Et hoc est melius sine compara-

1  modis variis ]  variis modis, Ti. 2  notandas ]  annotandas, Ti. 3  vestrum ]  verum, B. 4  relative ]  relate, B.

KAPITEL 24

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recht gelenkt wird: also ist dieses Recht in der Weisheit des göttlichen Gesetzes enthalten. Sie sind Bestandteil einer Weisheit, die sie wechselseitig auf verschiedene Weisen enthalten. Diese Beweisführung lege ich aus sicheren Gründen dar, die äußerst bemerkenswert sind. Ein Grund ist Euer Befehl die Philosophie betreffend: dass ich nämlich zeigen soll, dass die Philosophie unnütz und eitel ist, wenn sie nicht zur Weisheit Gottes emporgehoben wird, damit sie ihr sowohl für sich genommen als auch in Bezug auf die Kirche und die anderen drei [Bereiche] uneingeschränkt dient – denn ihr zu dienen heißt zu regieren, ebenso wie ihrem Urheber, der Gott selbst ist. [Weiterhin wollte ich zeigen], dass man den Nutzen der Philosophie weder erkennen noch verstehen kann, wenn er nicht im heiligen Gebrauch betrachtet wird. Denn das Geschaffene ist wahrhaftiger in der Heiligen Schrift beschrieben worden, als die ungläubigen Philosophen es zu wissen meinten. Das zeige ich anhand des Regenbogens174, dessen Finalursache – die in der Zerstreuung des Wassers nach der Sintflut besteht, wie das Buch Genesis 175 lehrt – den Philosophen unbekannt war. Daher wussten sie nichts über die Gründe für dessen Entstehen, denn wenn man das Ziel nicht kennt, muss auch das andere unbekannt sein. Denn das Ziel wird zuerst erkannt, das das Agens dann zu jedem Werk und jeder Betrachtung bewegt. Denn Gott hat die Geschöpfe geschaffen und in seine Schrift gesetzt, weshalb sie diese der ganzen Wahrheit entsprechend enthält, die auch die Philosophie der Ungläubigen zu erklären versucht. Doch da jene Schriften bei ihnen noch nicht in Gebrauch waren, konnten sie nicht vollständig zur Gewissheit der Wahrheit gelangen. Wer also die Philosophie kennen will, muss sie in dem Gebrauch der Schrift entsprechend den Erfordernissen der Schrift suchen, denn erst dann kann er wirklich etwas über sie wissen. Daher bin ich hier zu ihrer Beschreibung auf die beste Weise, die mir möglich ist, in der Lage, indem ich mich auf die Hilfe von Weisen verlasse, die ich nennen werde, und auf das, was ich weiter unten am dafür geeigneten Ort erläutern werde. Diese Methode ist unvergleichlich bes-

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Teil I

tione quam facere volumina philosophiae secundum se, et postea iterum dilatare expositionem Scripturae per philosophiam. Non tamen nego quin aliquod scriptum philosophiae de quibusdam communibus debeat fieri, quae non possunt poni in explanatione Scripturae. Sed tamen illa debent anteponi, ut totum fiat unum volumen. Et satis modicum erit respectu librorum philosophiae et theologiae; immo nihil respectu eorum habens quantitatis. Et sic omnis superfluitas infinita quae nunc est resecabitur, et omnis falsitas tolletur, et omnis vanitas excludetur; et omnia necessaria sapientiae divinae et humanae, quorum infinita quasi nunc desunt, addentur, et redigetur studium sapientiae ad statum debitum, secundum istius temporis possibilitatem. Secunda causa quare ostendi sapientiam totam comprehendi in lege Dei utriusque Testamenti est summe notanda, et nihil in ecclesia Dei plus debet considerari. Quia si fiant, quae narro, tunc totum studium rectificabitur per seipsum, et tota ecclesia regetur, sicut in temporibus sanctorum, et fiet pax universalis, tam apud ecclesiastica negotia quam apud regimen principum et laicorum. Et nisi per vestram fiant haec sapientiam, non credo quod unquam fient. Et tamen prophetatum est a multis temporibus quod per unum Papam1 debent fieri quae narrabo; et debet ille esse istis temporibus, sicut inferius magis2 explicabo. Et quod volo dicere est, quod regimen ecclesiae sicut per legem Dei regebatur antiquitus apud Hebraeos, sic debet esse nunc apud Christianos. Et sicut in primitiva ecclesia regebatur per eam, sic nunc habet regi. Et si tota sapientia est ibi principaliter contenta et fontaliter, tunc prin-

1  papam ]  delevit, B. ut fere. 2  magis ]  om. Ti.

KAPITEL 24

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ser, als Bücher über die Philosophie zu schreiben und danach die Erklärung der Heiligen Schrift durch die Philosophie anzugehen. Damit sage ich nicht, dass nicht irgendeine philosophische Schrift über allgemeine Dinge geschrieben werden darf, die nicht in der Erläuterung der Heiligen Schrift selbst eingefügt werden können. Doch diese müssen ihr vorangestellt werden, damit alles in einem Buch enthalten ist. Das wäre in Bezug auf die Bücher der Philosophie und der Theologie angemessen, denn eine größere Menge an Büchern wäre gar nicht notwendig. So würde die ganze momentan übliche unendliche Weitschweifigkeit unterbunden, alle Falschheit würde aufgehoben sein und alle Eitelkeit würde ausgeschlossen werden. Alle notwendigen Dinge für die göttliche und die menschliche Weisheit jedoch, die jetzt vollständig fehlen, würden hinzugefügt und das Studium der Weisheit den heutigen Möglichkeiten entsprechend zum richtigen Zustand geführt werden. Der zweite Grund dafür, dass gezeigt werden muss, dass die ganze Weisheit im Gesetz Gottes und den beiden Testamenten enthalten ist, ist äußerst beachtenswert, sodass nichts in der Kirche Gottes in höherem Grade in Betracht gezogen werden muss. Denn wenn alles meinen Darlegungen entsprechend geschehen würde, würde das gesamte Studium von selbst verbessert und die ganze Kirche wie zu den Zeiten der Heiligen gelenkt werden; und es würde einen allgemeinen Frieden sowohl bei Kirchenangelegenheiten als auch bei den Angelegenheiten der Fürsten und Laien geben. Wenn das aber nicht durch Eure Weisheit verwirklicht wird, so glaube ich, dass es niemals geschehen wird. Denn es ist vor langer Zeit prophezeit worden, dass das, was ich hier erzähle, durch einen Papst umgesetzt werden wird.176 Diese Prophezeiung muss jedoch in unserer Zeit eintreten, wie ich weiter unten ausführlicher erläutern werde. Ich will damit sagen, dass die Kirche heute bei den Christen ebenso durch das Gesetz Gottes gelenkt werden muss wie in den alten Zeiten bei den Hebräern. Denn ebenso, wie die Urkirche durch das Gesetz gelenkt worden ist, soll sie auch heute wieder geleitet werden. Und wenn die gesamte Weisheit dort grundlegend und von der Quelle her enthalten ist, dann muss sie sich

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Teil I

cipaliter ad minus debet per illam regi. Sed nunc non est ita; nam plus laudatur in ecclesia Dei unus jurista civilis, licet solum sciat jus civile et ignoret jus canonicum et theologiam, quam unus magister in theologia, et citius eligitur1 ad ecclesiasticas dignitates. Et ut videmus quod principaliter currit regimen ecclesiae per juristas, et hoc per abusum et cavillationes juris, et contra jura, quia injuriae infinitae fiunt respectu unius justitiae, et justitia tam tardatur ubique, quod pauperes dimittunt causas suas, et divites taedio afficiuntur, et gravantur nimis, ut2 etiam dimittant saepissime jus suum, et discordiae infinitae suscitantur in ecclesia Dei, et pax tollitur per juristas. Et non solum lites promoventur, sed bella quae contingunt in omni regno habent ortum ex abusu juris; sicut quilibet potest intueri qui vult considerare. Nam quia divites non possunt habere justitiam per ecclesiam, pugnant adinvicem et confundunt se regna. Et mirum est quod cum jus canonicum eruatur de fontibus sacrae Scripturae, et expositionibus sanctorum, quod ad illas non convertitur principaliter, tam in lectione quam in usu ecclesiae. Nam per illas debet exponi, et concordari, et roborari, et confirmari; sicut per eas factum est hoc jus sacrum. Sed nunc principaliter tractatur, et exponitur, et concordatur per jus civile, et totaliter trahitur ad eam et in usu et in lectione3; quod non licet fieri, quamvis ei valeat4 sicut ancilla suae dominae servitura.

1  eligitur ]  eligetur, Ti. 2  ut ]  et ut, B. 3  et in usu … lectione ]  eam in usu et lectione, B. L. 4  valeat ]  habeat, Ti.

KAPITEL 24

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doch zumindest von ihr leiten lassen. Aber heutzutage ist es nicht so: Denn heute wird ein Jurist des Zivilrechts in der Kirche Gottes mehr gelobt als ein Magister der Theologie, auch wenn er nur das weltliche Recht kennt und das kanonische Recht und die Theologie ignoriert – und er erhält viel schneller die Würden eines Kirchenamtes. So sehen wir, dass die Kirche vor allem durch die Juristen geleitet wird, damit aber durch Missbrauch und rechtliche Spitzfindigkeiten, also gerade gegen das Recht: denn es treten gegenüber der einen Gerechtigkeit unzählige Ungerechtigkeiten auf. So wird die Gerechtigkeit überall so lange hinausgezögert, dass die Armen ihre Rechtsfälle aufgeben und dass die Reichen von Überdruss gepeinigt und so sehr belastet werden, dass sie ihr eigenes Recht sehr häufig selbst durchsetzten wollen: Auf diese Weise herrscht unendliche Zwietracht in der Kirche, und der Frieden wird durch die Rechtsgelehrten gestört. Dadurch werden nicht nur gerichtliche Streitigkeiten immer weiter befeuert, sondern auch die Kriege, die in jedem Königreich auftreten, entspringen dem Rechtsmissbrauch der Juristen. Das kann jeder erkennen, der darüber nachdenken will: Denn da die Reichen durch die Kirche nicht zur Gerechtigkeit finden können, bekämpfen sie sich gegenseitig und stürzen ihre Reiche in Verwirrung. Es ist daher äußerst verwunderlich, dass das Kirchenrecht, das doch aus der Heiligen Schrift und den Erläuterungen der Heiligen heraus­geschöpft wird, heutzutage nicht auf diese bezogen wird, weder in den Vorlesungen noch in seiner Ausübung in der Kirche. Dabei müsste es [das Kirchenrecht] doch durch sie erklärt werden, es müsste zur Übereinstimmung [mit ihnen] gebracht werden, es müsste durch sie gestärkt und bestätigt werden, da das heilige Recht doch durch sie begründet worden ist. Stattdessen wird [das Kirchenrecht] heute jedoch durch das Zivilrecht behandelt, erklärt und mit dem Zivilrecht in Übereinstimmung gebracht. Man beschäftigt sich heute ausschließlich mit dem Zivilrecht, sei es im praktischen Gebrauch, sei es in der Lehre; was nicht so sein dürfte, auch wenn das Zivilrecht seinen Wert als Magd haben mag, die ihrer Herrin zu dienen hat.

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Teil I

Utinam igitur excludantur cavillationes et fraudes juristarum, et terminentur causae sine strepitu litis, sicut solebant esse ante quadraginta annos. O si videbo oculis meis hoc contingere! Nam si strepitus juris removeretur, et cavillationes et abusus juristarum, tunc laici et clerici haberent justitiam et pacem. Si etiam jus canonicum purgaretur a superfluitate juris civilis, et regularetur per theologiam, tunc ecclesiae regimen fieret gloriose, et1 secundum ejus propriam dignitatem. Si etiam haec fierent, tunc2 studium theologiae, et3 juris canonici, et philosophiae sublimaretur et perficeretur necessario; quoniam tunc4 principes et praelati darent beneficia et divitias studentibus in hac triplici facultate; unde studiosi possent habere expensas, et in vita, et in studio sapientiae promovendo. Nam sunt multi et erunt qui nunquam cessarent a sapientiae studio5 donec complerent eam, si haberent expensas; sed quidam complerent theologiam, quidam philosophiam, et quidam rectificarent jus canonicum, et redigerent ad suum statum6. Sed juristae civiles, aut civiliter jus canonicum tractantes, recipiunt nunc omnia bona ecclesiae et provisiones principum et prae­ latorum; ita quod alii non7 possunt nec8 vivere in studio, nec studium sapientiae exercere; et expediunt se breviter, aut omnino transeunt, sine sapientia philosophiae et theologiae, ad jus civile. Nec etiam multum curant de canonico jure, nisi propter gloriam scientiae civilis; et sic perit totum studium sapientiae, et totum regimen ecclesiae, et pax de terra tollitur, et justitia denegatur, et omnia mala contingunt.

1  et ]  om. Ti. 2  tunc ]  om. Ti. 3  et ]  om. Ti. 4  tunc ]  om. Ti. 5  sapientiae studio ]  studio sapientiae, Ti. 6  suum statum ]  statum suum, Ti. 7  non ]  nec, Ti. 8  nec ]  om. Ti.

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Wenn doch die Spitzfindigkeiten und Täuschungen der Rechtsgelehrten endlich beendet werden und die Rechtsprozesse ohne Streit und Verwirrungen zu Ende gebracht werden könnten, wie es vor 40 Jahren noch der Fall war! Oh, wenn ich das nur mit meinen eigenen Augen in Erfüllung gehen sehen könnte! Denn wenn der Lärm des Gesetzes und die leeren Spitzfindigkeiten und Missbräuche der Juristen zum Schweigen gebracht würden, hätten die Laien und die Kleriker endlich Frieden und Gerechtigkeit. Wenn das Kirchenrecht von den Überflüssigkeiten des Zivilrechts gereinigt und von der Theologie geleitet werden würde, würde die Herrschaft der Kirche ruhmreich sein und ihrer Würde entsprechen. Wenn dies einträte, würde das Studium der Theologie, des Kirchenrechts und der Philosophie notwendigerweise verfeinert werden und Vollkommenheit erreichen. Denn dann würden die Fürsten und Prälaten den Studenten in diesen drei Bereichen Wohltaten und finanzielle Unterstützung zukommen lassen, die Studenten hätten die Mittel, ihre Ausgaben zu bestreiten, und könnten im Leben und im Studium der Weisheit vorankommen. Denn es gibt viele und es würde noch viele mehr geben, die niemals vom Studium der Weisheit ablassen würden, bis sie es abgeschlossen hätten, wenn sie nur die finanziellen Mittel dazu hätten. Etliche würden dann die Theologie vollenden, etliche die Philosophie, etliche würden das Kirchenrecht verbessern und es zu seiner eigentlichen Würde führen. Nun sind es jedoch die weltlichen Rechtsgelehrten oder diejenigen, die das Kirchenrecht auf zivilrechtliche Art behandeln, die alle Pfründen der Kirche und alle Fürsorge der Fürsten und Prälaten erhalten. Deswegen können die anderen nicht von ihren Studien leben und sich nicht dem Studium der Weisheit widmen; daher gehen sie schnell zum Zivilrecht über, ohne die Weisheit der Philosophie und der Theologie kennengelernt zu haben. Und sie kümmern sich nicht mehr sehr um das Kirchenrecht, außer vielleicht, um im Zivilrecht zu Ruhm zu gelangen. So gehen das ganze Studium der Weisheit und die Lenkung der Kirche zugrunde, der Friede wird von der Erde entfernt, die Gerechtigkeit abgelehnt, und alle Missstände treten auf.

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Teil I

Sed, beatissime Papa et Domine sapientissime, dignetur vestra gloria hoc considerare, quia solus potestis remedium adhibere, eo quod nunquam fuit Papa qui ita veraciter sciret jus sicut vos; nec credo quod erit aliquis. Et licet aliqui sciant bene jus1, tamen non2 est spes de eis quod fiant Papae. Sed prophetatum est a quadraginta annis, et multorum visiones habitae sunt, quod unus Papa erit his temporibus qui purgabit jus canonicum et ecclesiam Dei a cavillationibus et fraudibus juristarum, et fiet justitia universaliter sine strepitu litis. Et propter istius Papae bonitatem, veritatem3, et justitiam accidet, quod Graeci revertentur ad obedientiam Romanae Ecclesiae, et quod pro majori parte convertentur Tartari ad fidem, et Saraceni destruentur; et fiet unum ovile et unus pastor, sicut in auribus prophetae sonuit istud4 verbum. Et unus qui vidit haec per revelationem dixit, et dicit quod ipse videbit haec magnifica fieri temporibus suis. Et certe infra annum unum possent fieri si Deo placuerit et summo Pontifici, et infra minus: unde temporibus vestris possunt fieri. Et Deus conservat vitam vestram ut haec per vos fiant. Et ideo non expedit quod sitis magnae abstinentiae5, nec vigiliarum magnarum, quia exercitatio corporis ad modicum valet, pietas autem ad omnia, ut dicit apostolus. Recolo verbi Marci Tullii ad Caesarem, pro6 M. Marcello. Cum enim alias in libro De Immortalitate Animae dicat, quod haec vita mors est, et persuadet quam-

1  sicut vos … bene jus ]  om. Ti. 2  tamen non ]  non tamen, Ti. 3  veritatem ]  et veritatem, Ti; virtutem, L. 4  istud ]  illud, Ti. 5  abstinentiae ]  sapientiae, Ti. 6  pro ]  in epistola pro, B. L.

KAPITEL 24 [ 129]

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Doch wenn es – seligster Papst und allerweisester Herr – E ­ urer Herrlichkeit würdig wäre, hierüber nachzudenken, wäret Ihr der Einzige, der ein Gegenmittel gegen diese Missstände finden könnte, da es noch niemals einen Papst gab, der das Recht so gut kannte wie Ihr. Ich denke auch nicht, dass es jemals in Zukunft einen Papst geben wird, der sich hierin mit Euch vergleichen ließe. Denn selbst wenn andere das Recht gut kennen würden, gibt es doch keine Hoffnung, dass sie Papst werden würden. Denn es ist vor 40 Jahren prophezeit worden – und seitdem gab es viele weitere Visionen, die dieselbe Bedeutung hatten –, dass es in unseren Zeiten einen Papst geben wird, der das Kirchenrecht und die Kirche Gottes von den leeren Spitzfindigkeiten und den Betrügereien der Rechtsgelehrten säubern und ein umfassendes Recht ohne das ständige Geklapper von Gerichtsverfahren errichten wird. Aufgrund der Güte, der Wahrhaftigkeit und der Gerechtigkeit dieses Papstes könnte es sogar geschehen, dass die Griechen zum Gehorsam gegenüber der römischen Kirche zurückkehren werden, dass die Tartaren zu großen Teilen bekehrt und die Sarazenen vernichtet werden. Es wird dann eine Herde geben und einen Hirten, wie jenes Wort schon in den Ohren des Propheten erklungen war. Dies sagte einer, dem es geoffenbart worden war; und er sagte weiterhin, dass diese Herrlichkeit in unserer Zeit eintreten wird. Sicherlich könnten diese wunderbaren Dinge in weniger als einem Jahr geschehen, wenn Gott und der vollkommenste aller Päpste das wünschen sollten. Sie könnten sogar in noch kürzerer Zeit eintreten: sie könnten sogar in Euren Tagen Wirklichkeit werden. Gott möge daher Euer Leben erhalten, sodass diese Dinge durch Euch ­geschehen. Daher möge es nicht passieren, dass Ihr zu enthaltsam seid oder nachts zu viel wacht, denn die körperliche Übung mag in Maßen zwar gesund sein, doch allein durch die Frömmigkeit werden alle Dinge erreicht, wie der Apostel sagt. Ich rufe die Worte Ciceros gegenüber Caesar in der Verteidigung des Marcellus in Erinnerung: Denn auch wenn er sonst im Buch Über die Unsterblichkeit der Seele sagt, dass dies Leben eigentlich der Tod ist, und obwohl er

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Teil I

libet privatam personam ad mortis desiderium, propter immortalitatem vitae futurae; tamen bono principi reipublicae hic suadet contrarium; non propter se in quantum est persona singularis, sed in quantum publica, et habet alios dirigere et salvare. Dicit ergo: »Omitto doctorum hominum in contemnenda morte sententiam; noli nostro periculo esse sapiens. Saepe solebas dicere tibi1 satis te vixisse, credo; sed tunc id audirem si tibi soli viveres, aut2 si tibi soli natus esses. Omnium salutem civium, cunctamque rempublicam, res tuae gestae complexae sunt.« Et sanum documentum sapientissimi Senecae et optimi in vita invenietis in libro De Tranquilitate Animae observanda, versus finem voluminis majoris, ubi docet quod non potest3 in hac vita servari continua tranquilitas, nisi homo corporis necessitates recipiat. Et feci signum in margine ut4 bene notaretur a vestra sapientia; et specialiter propter hoc5 quod habetis ecclesiam Dei in potestate vestra, et mundum totum habetis dirigere. De hoc autem capitulo pro jure divino et canonico et civili, et toto studio, iterum faciam mentionem in Remediis Studii. Nam non est mirum si theologi negligantur in regimine postquam jus ignoratur6 canonicum; nec est mirum si tractantes hoc jus sine theologia vacillent ad jus civile et abusum ejus. Et ideo oportet in Remediis Studii aliquid super his annotari.

1  tibi ]  om. Ti. 2  aut ]  om. Ti. 3  quod non potest ]  quod in hac vita non potest servari, Ti. 4  ut ]  unde, Ti. 5  hoc ]  om. B. 6  ignoratur ]  ignoretur, Ti.

KAPITEL 24

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den Menschen als Privatperson wegen der zukünftigen Unsterblichkeit der Seele zur Sehnsucht nach dem Tod überreden will, überzeugt er den Fürsten zum Wohle des Gemeinwesens doch vom Gegenteil. Jedoch nicht als Privatperson, sondern soweit er eine öffentliche Person ist, die andere zu lenken und zu retten hat. Denn er sagt: »Ich strebe nicht nach der Meinung der gebildeten Leute, die den Tod verachten; suche nicht zu unserem Schaden weise zu sein. Ich glaube, dass du oft gesagt hast, du hättest für dich lange genug gelebt. Ich könnte dir darin nur dann zustimmen, wenn du nur deinetwegen leben würdest oder nur deinetwegen geboren wärst. Du hast jedoch das Heil aller Bürger und das gesamte Staatswesen in dein Handeln einbezogen.«177 Ihr werdet auch einen schönen Ausspruch des so weisen und im Leben so edlen Seneca im Buch Über die Gemütsruhe der Seele 178 gegen Ende des Opus majus179 finden, wo er lehrt, dass in diesem Leben eine stete Seelenruhe nur zu bewahren ist, wenn der Mensch auch die Notwendigkeiten beachtet, die ihm der Körper auferlegt. Ich habe am Rand ein Zeichen gesetzt, damit es von Eurer Weisheit bemerkt wird; vor allem deshalb, weil Ihr die Macht der Kirche Gottes in Eurer Hand habt und die ganze Welt lenken müsst. Über dieses Kapitel, das das göttliche, das kirchliche, das zivile Recht und das ganze Studium betrifft, werde ich noch Weiteres in meinem Buch Über die Heilmittel für das Studium180 schreiben. Denn es ist kein Wunder, dass die Theologen in der Leitung der Regierung vernachlässigt werden, nachdem das Kirchenrecht vernachlässigt wird; ebenso wenig ist es erstaunlich, dass diejenigen, die dieses Recht ohne die Theologie behandeln, zum Zivilrecht und seinem Missbrauch umschwenken. Daher ist es notwendig, hier­über noch einiges in meinem Werk Über die Heilmittel für das Studium anzumerken.

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Teil I

CAPITULUM XXV. [132]

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Transeo igitur ad partem tertiam in Opere Majori, et illa1 est de linguis, seu de utilitate grammaticae, secundum linguas praecipue tres, scilicet2, Hebraeam, Graecam, et Latinam. De Arabica tango locis suis; sed nihil scribo Arabice, sicut Hebraee, Graece et Latine; quia evidentius et facilius ostenditur propositum meum in his. Nam pro studio theologiae parum valet, licet pro philosophia multum, et pro conversione infidelium. Et tracto duas scientias grammaticae Latinorum. In prima3 ostendo quod necesse est Latinos habere tractatum brevem et utilem de linguis alienis quo utantur, et quod haec deberet esse prima pars grammaticae, quia totum studium Latinorum dependet a linguis alienis, et etiam ipsa lingua Latina, sicut ostendo, multis modis. Nam hujus rei necessitatem manifesto per ea quae pertinent ad studium absolute, et per comparationem ad regimen ecclesiae, et ad directionem reipublicae, et ad conversionem infidelium, et ad reprobationem eorum qui converti non possunt. Et forsan pono octo rationes in prima parte per studium absolute. Nam omnes sancti et philosophi Latini et poetae sciverunt de linguis alienis, et omnes sapientes antiqui, quorum multos vidimus durare usque ad nostrum tempus; ut dominum episcopum4 Lincolniensem, et sanctum David, et fratrem Adam, et multos viros. Et adhuc aliqui senes perdurant qui sciunt multum, ut sapientissimus homo in studio sacrae Scripturae, qui nunquam habuit parem a tempore sanctorum in litera corrigenda, et expositione sensus literalis.

1  illa ]  prima, Ti. L. 2  scilicet ]  om. Ti. 3  prima ]  primis, Ti. 4  dominum episcopum ]  duos episcopos, Ti. L.

KAPITEL 25

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KAPITEL 25 Über die Sprachen der Weisheit (Opus maius, Teil III) [132]

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Ich gehe nun zum dritten Teil meines Opus maius181 über, der von den Sprachen oder vom Nutzen der Grammatik in vor allem drei Sprachen handelt: Hebräisch, Griechisch und Latein. Arabisch erwähne ich an einigen dafür geeigneten Stellen, doch ich schreibe nirgends auf Arabisch so, wie ich auf Hebräisch, Griechisch und Latein schreibe, da mein Vorhaben leichter und verständlicher in diesen [drei] Sprachen gezeigt werden kann. Denn für das Studium der Theologie bringt [Arabisch] wenig, für die Philosophie und die Bekehrung der Ungläubigen hingegen sehr viel. Und ich behandle zwei grammatische Wissenschaften der Lateiner. Vor allem zeige ich, dass es für die Lateiner notwendig ist, eine kurze und nutzbringende Abhandlung über den Gebrauch der fremden Sprachen zu haben, und dass diese Abhandlung den ersten Teil der Grammatik bilden müsste, weil das ganze Studium der Lateiner von fremden Sprachen abhängt. Das gilt sogar für die lateinische Sprache selbst, wie ich auf vielfache Weise zeige. Die Notwendigkeit dieser Sache begründe ich durch Argumente, die das Studium [dieser Sprachen] für sich genommen betreffen sowie durch ihren Nutzen für die Lenkung der Kirche und des Gemeinwesens, der Bekehrung der Ungläubigen und der Zurückschlagung derer, die nicht bekehrt werden können. Im ersten Teil [des dritten Teils des Opus maius] stelle ich ungefähr acht Gründe für das [Sprachen-]Studium für sich genommen vor. Denn alle lateinischen Heiligen, Philosophen und Dichter kannten die fremden Sprachen, ebenso wie alle Weisen des Altertums, von denen wir viele bis in unsere Zeit überdauern sehen, wie den Bischof von Lincoln [Robert Grosseteste], den Heiligen David [Thomas Wallensis], Bruder Adam [von Marsh] und viele andere Männer. Auch jetzt gibt es noch alte Menschen, die vieles wissen, etwa der äußerst weise Mann im Studium der Heiligen Schrift 182, der seit der Zeit der Heiligen unvergleichlich darin ist, die Schrift zu korrigieren und den Literalsinn zu erläutern.

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Teil I

Sed nos sumus successores sanctorum et philosophorum et sapientum antiquorum, et ideo debemus scire de linguis quod necesse est sicut ipsi; aut illi fuerunt stulti et nos sapientes, quod non est fatendum. Beatus Hieronymus persecutus est linguarum diversitatem per regiones Orientis, et dentes suos aptari fecit1, ut anhelantia verba formaret, sicut ipse testatur. Deinde si nesciamus aliquam rationum linguarum, quibus usi sunt sancti et2 philosophi et poetae, et omnes sapientes in scriptis suis, etiam pro certo erimus vacui a sapientia sanctorum, et philosophorum et sapientum omnium; quia nec legere nec intelligere poterimus ea quae tractant diffuse. Et hoc probo per exempla sanctorum manifesta, et magni erroris apud vulgus theologorum propter ignorantiam linguarum; ubi ad evidentiam eorum quae dico, posui alphabetum Graecum et Hebraeum, et aliqua notanda circa hoc pro intellectu exemplorum. Et puer Johannes novit melius intelligere haec exempla, quamvis sint theologica, quam omnes theologi qui sunt lectores et doctores in hoc mundo. Poterit autem vestra gloria probare sapientiam juvenis in hac parte. Et affero alias rationes hujus rei, quarum ordinem forte non recolo, nec forsan omnes; sed bene scio quod una est, quod tota sapientia Latinorum theologiae et philosophiae translata est de linguis; et haec causa est valde notanda, quia Hieronymus vult in libro3 de Optimo Genere Interpretandi, quod non potest una lingua exprimi per aliam fideliter, propter diversitatem proprietatum loquendi in diversis linguis. Nam quod bene resonat in una, absurdum est in alia et ridicolosum. Unde Hieronymus

1  aptari fecit ]  aptavit, Ti. 2  et ]  om. Ti. 3  libro ]  ultimo libro, Ti.

KAPITEL 25 [ 134]

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Doch wir sind die Nachfolger der Heiligen, der Philosophen und der Weisen des Altertums und müssen daher ebenso wie sie das Notwendige über die Sprachen wissen – oder sie waren töricht und wir sind weise, was man nicht behaupten darf. Der selige Hiero­ nymus ist durch die verschiedenen Gebiete des Orients gereist, um die Vielfalt der Sprachen kennenzulernen. Dabei hat er sogar seine Zähne verändert, um die [dort üblichen] Hauchlaute bilden zu können, wie von ihm selbst überliefert wird.183 Wenn wir ferner nicht gewisse Grundlagen der Sprachen kennen, die von den Heiligen, den Philosophen, den Dichtern und von allen Weisen in ihren Schriften benutzt worden sind, werden wir gewiss der Weisheit der Heiligen, der Philosophen und aller Gelehrten entbehren; denn wir werden das, was sie überall verstreut behandeln, weder lesen noch verstehen können. Das belege ich durch Beispiele der Heiligen ebenso deutlich wie durch den großen Irrtum der Menge der Theologen aufgrund der Unkenntnis der Sprachen; und ich habe dort zum Beweis meiner Behauptung auch das griechische184 und hebräische185 Alphabet geschrieben sowie viele weitere Dinge, die zum Verständnis der [dort angeführten] Beispiele erforderlich sind. Der junge Mann Johannes kann diese Beispiele besser verstehen, wenn sie auch die Theologie betreffen, als alle Theologen der Welt, die Lehrer und Doktoren sind. Auch Eure Herrlichkeit wird das Wissen des Jungen in dieser Hinsicht prüfen können. Ich führe noch andere Gründe hierfür an, die ich vielleicht in ihrer richtigen Reihenfolge und in ihrer Gesamtheit nicht in Erinnerung habe, aber eines weiß ich sehr wohl: dass einer der Gründe darin besteht, dass die ganze theologische und philosophische Weisheit der Lateiner aus diesen Sprachen übersetzt worden ist. Dieser Grund ist sehr bemerkenswert, weil bereits Hieronymus in seinem Buch Von der besten Art der Auslegung meint, dass man eine Sprache aufgrund der vielzähligen Eigenschaften des Sprechens in den verschiedenen Sprachen nicht getreu durch eine andere ausdrücken kann. Denn was in einer [Sprache] gut klingt, ist in einer anderen absurd und lächerlich. Daher sagt Hieronymus in dem genann-

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Teil I

dicit libro memorato, cum Homerum transfers in Latinum videbis ridiculum, et poetam eloquentissimum vix loquentem. Et hoc potest quilibet probare, si scientiam quam novit velit in linguam maternam convertere. Certe logicus non poterit1 exprimere suam logicam si monstrasset per vocabula2 linguae maternae; sed oporteret ipsum nova fingere, et ideo non intelligeretur nisi a seipso. Et sic de aliis scientiis. Et hoc videmus in idiomatibus diversis ejusdem linguae; nam idioma est proprietas alicujus linguae distincta ab alia; ut Picardicum, et Gallicum, et Provinciale, et omnia idiomata a finibus Apuliae usque ad fines Hispaniae. Nam lingua Latina est in his omnibus una et eadem, secundum substantiam, sed variata secundum idiomata diversa. Et manifeste videmus quod aliquid optime et proprie sonat in uno idiomate et ridiculose sonat3 in alio; ut patet non solum de longinquis sed propinquissimis; sicut de Picardis et Gallicis; nam mutuo se derident. Et haec fuit causa principalis quare sancti omnes, et philosophi, et4 sapientes antiqui, voluerunt scire linguas alias, quatenus in ipso fonte dulcius et plenius biberent aquas sapientiae. Quarta causa potest esse quod vocabula infinita ponuntur in textibus theologiae et philosophiae, de alienis linguis, quae non possunt scribi, nec proferri, nec intelligi, nisi per eos qui linguas sciunt. Et necesse fuit hoc fieri propter hoc, quod scientiae fuerunt compositae in lingua propria, et translatores non invenerunt in lingua Latina vocabula sufficientia. Quinta est quod multa fuerunt male translata, et praecipue de philosophia. Nam oportet quod translator sciat scientiam quam vult

1  poterit ]  potest, Ti. 2  si monstrasset per vocabula ]  So Gale; si jurasset per vocabula, B. Ti. L.; nisi erraret a vocabulis, Ti. 3  sonat ]  om. Ti. 4  et ]  om. B.

KAPITEL 25

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ten Werk auch186, dass dir selbst Homer lächerlich erscheinen wird, wenn er ins Lateinische übersetzt wird; und selbst der beredeste aller Dichter scheint dann kaum noch sprechen zu können. Das kann jeder leicht selbst einsehen, wenn er eine ihm bekannte Wissenschaft in seine Muttersprache übersetzen will. Sicher wird der Logiker seine Logik nicht mehr formulieren können, wenn er sie in seiner Muttersprache schreiben würde; denn er müsste für sich selbst neue Worte erfinden und könnte daher von niemand anderem als von sich selbst verstanden werden. Ebenso verhält es sich auch in den anderen Wissenschaften. Das sehen wir auch anhand der verschiedenen Idiome in derselben Sprache. Ein Idiom ist eine besondere Eigenheit in einer Sprache, die in derselben Sprache doch von dieser verschieden ist: wie das Pikardische, das Gallische, das Provençalische und alle Idiome von den Grenzen Apuliens bis zu den Grenzen Spaniens. Denn die lateinische Sprache ist in ihnen allen ihrem Wesen nach gleich, doch sie unterscheidet sich je nach den verschiedenen Idiomen. Wir sehen hier ganz deutlich, dass etwas in einem Idiom hervorragend und passend klingt, das sich in einem anderen lächerlich anhört; das gilt nicht nur für Idiome von Menschen, die weit voneinander entfernt sind, sondern auch für solche, die ganz nahe beieinander sind; wie etwa bei den Pikarden und den Galliern, die sich gegenseitig auslachen. Das war der Hauptgrund dafür, dass alle Heiligen, Philosophen und Weisen des Altertums die anderen Sprachen kennen wollten, denn sie wollten das Wasser der Weisheit aus derselben Quelle trinken, weil es dann süßer und reichhaltiger schmeckt. Der vierte Grund kann darin bestehen, dass in den theologischen und philosophischen Texten unzählige Wörter aus anderen Sprachen stehen, die man nicht schreiben und nicht bilden oder verstehen kann, außer durch jene, die diese Sprachen kennen. Das war notwendig, weil die Wissenschaften in einer eigenen Sprache entwickelt worden sind und weil die Übersetzer im Lateinischen keine angemessenen Wörter dafür gefunden haben. Der fünfte [Grund] besteht darin, dass viele – vor allem philosophische – Texte schlecht übersetzt worden sind. Denn ein Über-

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Teil I

transferre1 et sciat duas linguas, a qua et in quam transfert. Sed nullus scivit linguas nisi Boetius de translatoribus famosis, nullus scientias nisi dominus Robertus episcopus Lincolniensis, per longitudem vitae et experientiae, et studiositatem ac diligentiam; et quia scivit mathematicam et perspectivam, et potuit omnia scire; simul cum hoc quod tantum scivit de linguis quod potuit intelligere sanctos et philosophos et sapientes antiquos. Sed non bene scivit linguas ut transferret nisi circa ultimum vitae suae, quando vocavit Graecos, et fecit libros Grammaticae Graecae de Graecia et aliis congregari. Sed isti pauca transtulerunt.2 Alii vero qui infinita quasi converterunt in Latinum ut Gerardus Cremonensis, Michael Scotus, Aluredus Anglicus, Hermannus Alemannus, et translator Meinfredi3 nuper a domino rege Carolo devicti; hi praesumpserunt innumerabilia transferre, sed nec scientias nec linguas sciverunt, etiam non Latinum. Nam in locis quasi innumerabilibus ponunt linguam maternam. Ut cum in libro De vegetabilibus Aristotelis habetur, »belenum in Perside perniciosissimum transplantatum4 Hierusalem fit commestibile.« Belenum est Hispanicum, et nullus Parisius nec in Anglia potest per illam translationem scire quid est belenum; cum tamen quaesivi diligenter, et inveni quod est jusquiamus5, seu semen cassilaginis, quod idem est. Et sic de aliis vix numerandis. Et ideo isti male et pessime transtulerunt, et conturbaverunt totam philosophiam per perversitatem translationis. Et maxime libri

1  transferre ]  transferri, Ti. 2  Sed isti … transtulerunt. ]  om. Ti. 3  Meinfredi ]  Menfredi, B. 4  transplantatum ]  Sic corrigit in marg. Ti.; transplatum, B. 5  jusquiamus ]  hyosciamus, Gale.

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setzer muss die Wissenschaft, in der er einen Text übersetzen will, ebenso kennen wie zwei Sprachen: nämlich die Sprache, aus der er übersetzen will, und die Sprache, in die er übersetzen will. Doch niemand außer Boethius kannte von den bekannten Übersetzern wirklich die Sprachen; und niemand bis auf den Bischof von Lincoln, Robert [Grosseteste], kannte wirklich die Wissenschaften, weil er sehr lange gelebt hat und sehr erfahren war. Zudem war er sehr lerneifrig und sorgsam. Da er zudem die Mathematik und die Perspektivik kannte, konnte er alles wissen; zugleich wusste er so viel über die Sprachen, dass er die Heiligen, die Philosophen und die Weisen des Altertums verstehen konnte. Doch er beherrschte die Sprachen erst gegen Ende seines Lebens so gut, dass er sie übersetzen konnte, als er nämlich Griechen zu sich gerufen und Bücher über griechische Grammatik aus Griechenland und anderen Orten gesammelt hatte. Doch diese haben nur Weniges übersetzt. Die anderen, die unzählige Texte ins Lateinische übertragen haben, wie Gerhard von Cremona187, Michael Scotus188, Alfred von Sareshel189, Hermann der Deutsche190 und der Übersetzer Manfreds [Wilhelm von Moerbeke]191, der vor kurzem von König Karl [I. von Anjou] besiegt worden ist 192, haben zwar vorgegeben, unzählige Dinge zu übersetzen, doch sie kannten weder die Wissenschaften noch die Sprachen, nicht einmal Latein: denn sie übersetzten die Worte an unzähligen Stellen in ihre Muttersprache. Zum Beispiel steht in Aristoteles’ Buch Über die Pflanzen: »Das Bilsenkraut [Belenum] ist in Persien zwar gefährlich, jedoch genießbar, wenn es in Jerusalem angepflanzt wird.«193 Belenum ist jedoch ein spanisches Wort, weshalb niemand in Paris oder England aus dieser Übertragung entnehmen kann, was Belenum ist; doch als ich diesem Wort sorgfältig nachgeforscht habe, habe ich herausgefunden, dass es dasselbe bedeutet wie jusquiamus oder auch der ›Samen des Bilsenkrautes‹, denn diese Worte bedeuten dasselbe. Ähnlich verhält es sich auch bei unzähligen anderen Wörtern: Sie haben die Texte also schlecht und miserabel übersetzt und damit die ganze Philosophie aufgrund ihrer falschen Übersetzungen in Verwirrung gestürzt. Vor allem sind die Bücher des

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Teil I

Aristotelis sunt destructi per hoc, qui tamen aestimantur1 in philosophia tenere principatum. Nemo potest scire quid velit dicere, quia quod unus dicit alius negat. Praeterea translationes istae habent multas et magnas falsitates, in omni parte philosophiae, sicut superius posui exempla, de Iride et figuris replentibus locum. Et licet Beatus Hieronymus scivit linguas optime et sapientiam Dei, tamen quia falsarius reputabatur a viris ecclesiasticis non ausus fuit ubique transferre secundum Hebraicam veritatem; immo interdum se coaptavit aliis translatoribus, et permisit multa stare ut fuerunt translata, quamvis bene scivit mutare in melius, sicut ipsemet pluries dicit. Ut est illud quarto Sapientiae: »Spuria vitulamina non dabunt radices altas.« Nam Augustinus ostendit secundo De Doctrina Christiana quod falsa est haec translatio. Et etiam Hieronymus, celeritate dictandi deceptus, ut ipse fatetur, in multis locis, transtulit contra veritatem; sicut posui exempla tam in Opere Minori quam Majore. Sed sine comparatione est istud vitium in philosophia, et multum gravat Latinos2. Sexta vero causa est, quod illa quae fuerunt bene translata sunt modo corrupta, propter hoc quod linguas ignoramus, sicut patet per totam Bibliam et philosophiam. Quia nec scimus scribere ea, nec legere, nec proferre; et ideo per consequens perit verus intellectus. Et haec causa habet locum in corruptione textus sacri. Nam pro majori parte est corruptus in exemplari vulgato, quod est Parisiense. Et in aliis locis est dubius, quae dubitatio cadit in virum

1  aestimantur ]  in philosophia aestimantur, Ti. 2  Latinos ]  Latinam, Ti.

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Aristoteles dadurch zerstört worden, die doch in der Philosophie als diejenigen gelten, die den ersten Platz einnehmen. Niemand kann wissen, was er eigentlich sagen will; denn was einer sagt, verneint ein anderer. Weiterhin gibt es bei den Übersetzungen in jedem Teil der philosophischen Schriften noch viele und schwerwiegende Fehler anderer Art. Dafür habe ich weiter oben bereits Beispiele genannt, als ich über den Regenbogen und die Ausfüllung des Raumes durch die Körper gesprochen habe.194 Und selbst Hieronymus, der die Sprachen und die Weisheit Gottes sehr gut kannte, hat sich doch nicht getraut, den Text der hebräischen Wahrheit gemäß überall getreu zu übersetzen, weil er von Mitgliedern der Kirche als Verfälscher der Schrift betrachtet worden ist. Vielmehr hat er sich mitunter den anderen Übersetzern angepasst und vieles von dem, was bereits übersetzt worden war, stehengelassen, auch wenn er (wie er selber oft sagt) sehr gut wusste, wie man es besser übersetzten könnte. So verhält es sich zum Beispiel auch mit der Übersetzung im vierten Buch der Weisheit: »Falsche Schößlinge haben keine tiefen Wurzeln.«195 Denn Augustinus zeigt im zweiten Buch von Über die christliche Bildung 196, dass diese Übersetzung falsch ist. Hieronymus hat [zudem] an vielen Stellen falsch und gegen die Wahrheit übersetzt, wie er selbst zugibt 197, weil er durch die Schnelligkeit des Diktierens in Verwirrung geraten ist. Dafür habe ich sowohl im Opus maius198 als auch im Opus minus199 Beispiele angeführt. Dieses Laster ist in der Philosophie noch unvergleichbar weiter verbreitet und belastet die Lateiner sehr. Der sechste Grund besteht darin, dass die ehemals gut übersetzten Texte jetzt verdorben sind, weil wir die Sprachen nicht kennen, wie anhand der Bibel und aller philosophischen Schriften deutlich wird. Denn wir können sie weder richtig schreiben noch lesen, noch weiter überliefern, weshalb uns zwangsläufig ihr wahrer Sinn verloren geht. Das liegt in der Verderbnis des Heiligen Textes begründet, weil er zu größten Teilen in dem heute verbreiteten Pariser Exemplar korrupt ist; an anderen Stellen ist er zumindest äußerst zweifelhaft, und dieser Zweifel befällt auch den

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Teil I

sapientem1; et ideo approbanda, sicut timor approbatur qui cadit in virum constantem. Nullus enim homo sciens hanc falsitatem et dubietatem potest secundum conscientiam uti litera, legendo et praedicando, quae est in exemplari Parisiensi. Et cum quodam quod inferam est prae omnibus considerandum in studio theologiae. Et quia infinitum est istud damnum et vituperium sapientiae Dei, ideo probavi hoc diligenter et dedi radices hujus probationis, de falsitate textus, in hoc loco Operis Majoris, per rationes certas, secundum correctores et sanctos, penes Grae­ cum et Hebraeum; et per exempla multa secundum quod corrumpitur textus additione, subtractione, immutatione, conjunctione, divisione, orationis, dictionis, syllabae, literae, diphtongi, aspirationis, notae. Sed non solum2 litera corrumpitur3 sed sententia mutatur4. Et in comparatione numerorum ad theologiam in quarta parte Operis Majoris, addidi specialiter quaedam exempla de numerorum falsitate; et in Minore similiter addidi exemplum specialissimum cum omnibus modis probationis; scilicet in Quinto Peccato studii theologiae, quod est de literae corruptione. Clamo ad Deum et ad vos de ista corruptione literae; quia vos soli potestis apponere remedium sub Deo per consilium illius sapientissimi de quo superius sum loquutus, et per alios, sed maxime per eum, secundum quod in Remediis Studii apertius5 declarabo. Et in hoc aggravatur haec corruptio, quod quilibet corrigit pro sua voluntate. Nam quilibet lector in ordine Minorum corrigit ut vult; et similiter apud Praedicatores; et eodem modo saeculares. Et quilibet mutat

1  sapientem ]  constantem, Ti. 2  solum ]  sola, B. 3  corrumpitur ]  corrumpatur, B. L. 4  mutatur ]  mutetur, B. L. 5  apertius ]  om. Ti.

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Weisen. Daher muss man ihn heutzutage so gutheißen, wie man die Furcht gutheißt, die selbst den mutigen Mann befällt. Denn kein Mensch, der von diesen Irrtümern und Unsicherheiten weiß, kann die Worte, die heute im Pariser Exemplar stehen, mit gutem Gewissen für das Vorlesen und das Predigen benutzen. Was ich hier sage, muss man ganz besonders in Bezug auf das Studium der Theologie bedenken. Weil hier der Schaden und die Beleidigung der Weisheit Gottes nahezu unendlich ist, habe ich das in diesem Teil meines Opus maius sehr gründlich belegt und die Ursprünge meiner Beweise über die Verderbtheit des Textes angegeben. Hierbei habe ich mich auf sichere Gründe gestützt, indem ich den Korrektoren und den Heiligen gefolgt bin – sowohl den Griechen als auch den Hebräern. Ich habe auch viele Beispiele dafür angegeben, dass dem Text Dinge hinzugefügt oder weggelassen und der Text verändert worden ist. Das betrifft sowohl die Verbindungen und Trennungen als auch die Redeweise, die Diktion, die Silben, Buchstaben, Diphtonge, Behauchungen und Schreibweisen. Aber nicht allein die Buchstaben werden verdorben, sondern auch der Gedanke wird dadurch verändert. Als ich im vierten Teil meines Opus maius 200 über das Verhältnis der Zahlen zur Theologie gesprochen habe, habe ich dort auch einige besondere Beispiele über die Falschheit der Zahlen hinzugefügt. Auch im Opus minus habe ich ein besonderes Beispiel mit allen Arten von Beweisen angeführt, nämlich die fünfte Sünde des Theologiestudiums, die die Verdorbenheit des Textes betrifft.201 Ich rufe Gott und Euch bezüglich dieser Verdorbenheit des [heiligen] Textes an, weil nur Ihr unter Gott ein Heilmittel gemäß dem Rat der Weisesten und anderer, von denen ich weiter oben geschrieben habe, finden könnt. Doch vor allem könnt Ihr entsprechend dem, was ich in meinen Heilmitteln für das Stu­ dium 202 ganz offen erklären werde, ein Heilmittel finden. Diese Verdorbenheit wird noch dadurch verschlimmert, dass jeder den Text nach seinem Gutdünken korrigiert: denn jeder Vorleser im Orden der Minderbrüder verändert ihn, wie er Lust hat. Ähnlich ist es auch beim Predigerorden und dem weltlichen Klerus. Jeder

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Teil I

quod non intelligit, quod non licet facere in libris poetarum. Sed Praedicatores maxime intromiserunt se de1 hac correctione. Et jam sunt viginti anni et plures quod praesumpserunt facere unam correctionem, et redegerunt eam in scriptis. Sed postea fecerunt aliam ad reprobationem illius; et modo vacillant, plus quam alii, nescientes ubi sint. Unde eorum correctio est pessima corruptio et destructio textus Dei; et longe minus malum est et sine comparatione uti exemplari Parisiensi, non correcto, quam correctione eorum vel aliqua alia2. Oportet enim quod homo sciat Graecum et Hebraeum sufficienter et bene grammaticam Latinorum in libris Prisciani; et quod bene consideraverit modos corrigendi et vias probationum verae correctionis, ad hoc quod sapienter corrigat; quod nullus unquam fecit nisi ille sapiens quem dixi. Nec mirum cum ipse posuit fere quadraginta annos in literae correctione, et sensu literali exponendo. Omnes sunt idiotae respectu illius, et nihil sciunt in hac parte. Septima causa quare oportet nos scire rationes linguarum est pro sensu literali sciendo, et spirituali eliciendo veraciter ex literali. Et posset haec causa dividi in duo, sed non est jus3. Et hic notandum quod haec septima causa cum sexta debet considerari super omnia, et magis quam sexta4. Nam si litera est falsa, sensus literalis et spiritualis sunt falsi. Et ideo linguae corrigentes literam sunt necessariae ad hoc sensus. Caeterum linguae specialiter requiruntur ad intellectum utrumque5, etsi litera esset optime correcta.

1  de ]  om. Ti. 2  aliqua alia ]  alia aliqua, Ti. 3  jus ]  vis? Ti. So Gale. 4  et magis quam sexta ]  om. Ti. 5  utrumque ]  utriusque, Ti.

KAPITEL 25

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verändert hier, was er nicht versteht, was nicht einmal bei den Büchern der Dichter gestattet sein würde. Die Dominikaner haben sich am meisten auf diese Korrekturen eingelassen, da sie schon seit 20 Jahren und mehr vorgeben, einen korrigierten Text herzustellen, den sie immer wieder in ihren Schriften überarbeitet haben. Doch danach haben sie einen anderen gemacht, um den vorherigen zu ersetzen: So irren sie noch mehr als alle anderen herum und wissen nicht, wo sie sind. Daher ist ihre Verbesserung die schlimmste Verschlechterung und eine Zerstörung des Textes Gottes, sodass es bei weitem weniger schlimm ist, das unkorrigierte Pariser Exemplar zu benutzen, als deren korrigierten Text oder irgendeinen von den anderen korrigierten Texten. Der Mensch muss also genügend Griechisch und Hebräisch und die Grammatik der Lateiner kennen, wie sie in den Büchern Priscians203 dargelegt worden ist. Zudem muss er ausführlich über die verschiedenen Arten des Korrigierens nachgedacht haben und die Wege kennen, durch die eine wahrhaftige Verbesserung hergestellt werden kann, damit er weise berichtigen kann – was noch keiner gemacht hat, außer jenem Weisen, über den ich gesprochen hatte. Das ist jedoch kein Wunder, denn er hat fast 40 Jahre damit verbracht, die Schrift zu korrigieren und den Wortsinn auszulegen. Alle anderen sind ihm gegenüber unwissend und wissen nichts ­darüber. Der siebente Grund für die Kenntnis der Sprachen liegt darin, dass wir dadurch den Wortsinn erkennen und so auch den Spiritualsinn besser aus dem Wortsinn ableiten können. Man könnte diesen Grund in zwei [verschiedene Gründe] teilen, doch das ist nicht üblich [sed non est jus]. Man muss auch festhalten, dass man diesen siebenten Grund mit dem sechsten gemeinsam ganz besonders betrachten muss und noch mehr als den sechsten Grund [allein]. Denn wenn der Buchstabe falsch ist, sind auch der Wort- und der Spiritualsinn falsch. Daher sind die anderen Sprachen für die Korrektur der Buchstaben für die richtige Wiedergabe dieses Sinnes notwendig. Weiterhin ist eine spezielle Sprache für das Verständnis der beiden Sinne notwendig, auch wenn der Buchstabe schon

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Teil I

Quod ostendo manifeste per exempla tam in Opere Majori in hoc loco, quam in Opere Minori per exempla egregia in Peccato Sexto studii theologiae; et vera1 exempla hujus corruptionis sunt quasi infinita. Octavo ratio, ut aestimo, est propter linguam2 Latinam. Nam ostendo quomodo est composita ex Graeco et Hebraeo; tam in ecclesiasticis vocabulis quam in communibus. Et utilis est haec consideratio valde.

CAPITULUM XXVI. [ 147]

Deinde comparo linguarum utilitatem ad ecclesiam Dei, tum propter officium divinum, tum propter consecrationes ecclesiarum et hujusmodi, tum propter alia secretiora de cursu totius ecclesiae, secundum omnes status a principio usque ad3 finem, secundum potestatem literarum. Quia iota unum aut unus apex non praeteribit a lege donec omnia fiant. Et haec consideratio valet multum pro futuris periculis Antichristi et aliorum considerandis4, sicut docetur libro De Seminibus Scripturarum; ut ego expono in hoc loco. Et respectu reipublicae fidelium manifesta est utilitas, tum propter treugas et pacem inter nos et alios contrahendas, tum propter mercationes et negotia varia tractanda cum aliis nationibus, et propter multa alia. Et ad conversionem infidelium et schismaticorum manifesta est utilitas linguarum. Sed de reprobatione eorum qui converti non possunt, non est evidens. Nam hoc est unum de secretis secretorum, et quod apud vulgum reputaretur magicum vel falsum. Sed philosophica est haec consideratio et sanctorum,

1  vera ]  vere, B. L. 2  propter linguam ]  propter totam linguam, Ti. L. 3  ad ]  in, B. 4  considerandis ]  om. Ti.

KAPITEL 26

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optimal berichtigt worden ist. Das zeige ich deutlich sowohl im Opus maius 204 an dem dafür bestimmten Ort als auch im Opus minus durch ausgezeichnete Beispiele an der Stelle, an der ich die sechste Sünde205 beim Studium der Theologie behandle. Und es gibt unzählige weitere wahre Beispiele für diese Textverderbnis. Ich denke, der achte Grund liegt in der lateinischen Sprache selbst begründet: denn ich zeige, auf welche Weise sie aus dem Griechischen und dem Hebräischen zusammengesetzt ist, sowohl, was die kirchlichen Wörter, als auch, was die Wörter des allgemeinen Sprachgebrauchs betrifft. Und diese Betrachtung ist äußerst ­nützlich.

KAPITEL 26 Über den Nutzen der Sprachen für die Kirche [ 147]

Danach behandle ich den Nutzen der Sprachen für die Kirche Gottes; sowohl für den Gottesdienst als auch für die Weihungen von Kirchen und Ähnlichem sowie für andere Geheimnisse der gesamten Kirche, gemäß allen Zeitaltern [secundum omnes status] vom Beginn bis zum Ende entsprechend der Macht der Buchstaben. Denn hier darf kein iota und kein Punkt vom Gesetz hinweggenommen werden, bis alles vollendet ist. Diese Überlegung ist auch in Hinblick auf viele zukünftige Gefahren durch den Anti­ christ und auf andere zu bedenkende Dinge sehr wertvoll, wie in dem Buch Über die Samen der Schriften 206 gelehrt wird, wie ich an diesem Ort erkläre. Hinsichtlich der Gemeinschaft der Gläubigen ist der Nutzen [der Sprachen] offensichtlich: sowohl für den Landfrieden zwischen uns und anderen als auch für die Händler und die vielfältigen Handelsbeziehungen mit anderen Ländern sowie für viele andere Dinge. Auch für die Bekehrung der Ungläubigen und der Schismatiker ist der Nutzen der Sprachen augenscheinlich. Doch für die Zurückschlagung derer, die nicht bekehrt werden können, ist er nicht eindeutig. Denn das ist eines der Geheimnisse aller Geheimnisse, das von der Menge als magisch und falsch zurückgewiesen wird. Dabei ist es eine philosophische Be-

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Teil I

licet consimilis et in eisdem rebus sit occupatio magica et vetularum. Eadem enim res potest fieri bene et male; et per eandem rem possunt bona et mala fieri. Et judex suspendit hominem secundum judicium, et alius interficit contra jura. Et per cultellum possum scindere panem et hominem vulnerare. Sic similiter per verba pot­ est sapiens sapienter operari, et magicus magice. Sed alia ratio et alia est in operatione hinc et1 inde. Nam unus facit per potestatem naturalem; alius aut nihil facit, aut diabolus auctor est2 operis. Nunc igitur tangam aliquas radices circa haec quas diligentius exposui in Secundo Opere, ubi de coelestibus egi. Sed considerare debemus quod verba habent maximam potestatem; et omnia miracula facta a principio mundi fere facta sunt per verba. Et opus animae rationalis praecipuum est verbum, et in quo maxime delectatur. Et ideo cum verba proferuntur profunda cogitatione et magno desiderio, et recta3 intentione, et cum forti confidentia, habent magnam virtutem. Nam cum haec quatuor contingunt excitatur substantia animae rationalis fortius ad faciendum suam speciem et virtutem a se in corpus suum et res extra, et in opera sua, et maxime in verba, quae ab intrinsecus formantur; et ideo plus de virtute animae recipiunt. Nam secundum quod Avicenna docet, octavo De Animalibus, natura obedit cogitationibus animae; et docet in exemplo de gallina cui ex gloria victoriae galli crevit cornu in crure. Ex hoc igitur cognovimus, quod natura obedit cogitationibus animae sensitivae, ut ait; sed longe magis obedit cogitationibus animae intellectivae, quae est dignior creaturarum praeter angelos. Et secundum quod anima est sancta vel peccatrix

1  et ]  om. B. L. 2  auctor est ]  est auctor, Ti. 3  recta ]  in Ti. zu certa korrigiert.

KAPITEL 26

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trachtung ebenso wie eine Überlegung der Heiligen, wenn auch die magische Praxis und die Tätigkeiten der alten Weiblein sich mit ähnlichen Dingen beschäftigen mögen. Denn dieselbe Sache kann gut und schlecht sein, und durch dieselbe Sache können gute und schlechte Dinge entstehen. Ein Richter zum Beispiel spricht einen Menschen nach dem Recht frei, ein anderer verurteilt ihn gegen das Gesetz zum Tode. Und mit einem Messer kann ich Brot schneiden und einen Menschen verletzen. Ebenso kann der Weise durch Worte auch weise handeln, der Magier aber magisch, wobei in diesen Fällen doch jeweils eine andere Vernunft und eine andere Ausführung vorherrschen. Denn der eine tut etwas mittels der Macht der Natur, der andere schafft entweder gar nichts oder der Teufel ist der Urheber des Werks. Daher werde ich nun auf andere Wurzeln darüber eingehen, was ich ausführlich im zweiten Werk erläutert habe, wo ich die Himmelsdinge behandelt habe. Denn wir müssen bedenken, dass Worte eine außergewöhnlich große Macht besitzen; und nahezu alle Wunder, die seit Beginn der Welt gewirkt worden sind, sind durch Worte bewirkt worden. Denn das vorzüglichste Werk der Seele ist das Wort, an dem sie auch die größte Freude hat. Wenn Worte aus tiefer Einsicht, mit großem Wunsch, mit ehrlicher Absicht und mit starkem Vertrauen gesprochen werden, haben sie große Kraft. Denn wenn diese vier Dinge zusammenkommen, wird das Wesen der vernünftigen Seele mit großer Macht dazu geführt, ihre ihr eigene species und ihre Kraft in ihrem Körper, den äußeren Dingen und in ihren Werken zu wirken. Das geschieht vor allem durch ihre Worte, da sie innen geformt werden, wodurch sie mehr von der Kraft der Seele erhalten. Denn Avicenna lehrt im achten Buch von Über die Tiere 207 am Beispiel einer Henne, der aus Freude über den Sieg über einen Hahn ein Horn am Bein gewachsen ist, dass die Natur den Bewegungen der Seele gehorcht. Daraus haben wir erkannt, dass die Natur den Bewegungen der sensitiven Seele folgt, wie er sagt. Doch noch viel mehr gehorcht sie den Bewegungen der intellektiven Seele, die gleich nach den Engeln edler als alles sonst Geschaffene ist. Je nachdem, ob eine

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Teil I

variatur generatio speciei et vocis; et secundum quod anima est benevola vel malevola; et sic virtus animae bonae vel malae1, fortiter multiplicata, imprimitur et incorporatur fortiter in voce, et in aere deferente vocem. Et hic aer sic figuratus voce, et habens fortem speciem animae rationalis, potest alterari per hanc virtutem, et alterare res in eo contentas, in varios effectus et passiones varias. Similiter corpus fortiorem speciem facit ex his cogitationibus et desideriis animae, et intentione et confidentia. Nam quia unum per essentiam fit ex corpore et anima, natura corpus2 obedit cogitationibus animae, et facit suam speciem fortiorem, quae etiam recipitur in aere formato per vocem; et sic aer alteratur per hanc speciem corporis sicut per speciem3 animae, et alterat res in eo contentas; et secundum quod est malae vel bonae4 complexionis sic accidit passio in aere et in rebus diversa. Tertia alteratio venit a coelesti operatione. Nam coelestes dispositiones ad omnem horam alterant haec inferiora5; et opera quae fiunt hic inferius variantur secundum diversitatem coelestium constellationum; ut opera medicinae et alchimiae, et omnia. Et ideo in hora prolationis vocis aer figuratus per vocem recipit coe­ les­tem virtutem, et alteratur secundum eam, et alterat res. Et ex ista quadruplici specie et virtute, scilicet vocis figurantis aerem, et animae rationalis bonae vel malae, et corporis6, et coelestis constellationis, potest ineffabilis fieri variatio et mirabilis in aere, et in

1  vel malae ]  om. Ti. 2  corpus ]  corporis, B. L. 3  per speciem ]  om. B. L. 4  malae vel bonae ]  bonae vel malae, Ti. 5  inferiora ]  infera, Ti. 6  et corporis ]  om. B.

KAPITEL 26

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Seele heilig oder sündig ist, wird das Entstehen der species und der Stimme verändert; das hängt auch davon ab, ob die Seele wohlwollend oder übelwollend ist. So wird die Kraft einer guten oder schlechten Seele, stark vervielfältigt, in der Stimme und in der sie umgebenden Luft stark verkörperlicht und eingedrückt. Auf diese Weise wird die Luft durch die Stimme geformt und trägt eine starke species der Vernunftseele mit sich, die durch diese Kraft [die Umgebung] zu ändern vermag. So verändert die Luft auch die in ihr enthaltenen Dinge auf viele Arten und bringt verschiedene Wirkungen hervor. In ähnlicher Weise bringt ein Körper eine stärkere species aus den Überlegungen, Wünschen, der Absicht und dem Selbstvertrauen seiner Seele hervor. Denn auch wenn dem Wesen nach dieselbe species aus dem Körper und der Seele hervorgeht, gehorcht die Natur des Körpers doch den Überlegungen der Seele und erschafft eine stärkere species, die dann auf die durch die Stimme geformte Luft übertragen wird: so wird die Luft durch eine körperliche spe­ cies ebenso wie durch eine species der Seele verändert und verändert daraufhin ihrerseits die Dinge, die in ihr enthalten sind. Die Wirkung in der Luft und in den verschiedenen Dingen hängt jedoch davon ab, ob die Seele eine gute oder eine schlechte Zusammensetzung hat. Die dritte Veränderung resultiert aus der Wirkung der Himmelskörper: Denn die Stellungen der Himmelskörper verändern zu jeder Stunde die Dinge auf der Erde; und die Werke, die sich hier auf der Erde ereignen, verändern sich je nach der Verschiedenheit der himmlischen Konstellationen, was auch für die Werke der Medizin, der Alchemie und für alles andere gilt. Daher erhält die durch die Stimme geformte Luft in dem Moment des Vortragens auch die Kraft des Himmels, wird gemäß dieser Kraft verändert und verändert die Dinge. Aus dieser vervierfachten species und Kraft: also der Stimme, die die Luft formt, der guten oder schlechten Vernunftseele, der körperlichen Seele und der Stellungen der Himmelskörper, können eine Menge unglaublicher und wundervoller Effekte in der Luft und in den in ihr enthaltenen Dingen

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Teil I

rebus contentis; et hoc si eligatur tempus bonae constellationis vel malae, secundum qualitatem alterationis quae cogitatur, et1 intenditur, et2 desideratur, et fortiter speratur. Nam tunc fiet alteratio certa secundum conditionem constellationis cum adjutorio aliarum virtutum operantium; sicut medicus peritus qui juxta desiderium purgandi choleram, quae est causa morbi, quaerit debitam constellationem in aliqua hora ut fiat quod intendit; et sic est hic. Et per hanc viam verborum aestimavit Avicenna in sexto Naturalium, quod prophetae et sapientes antiqui alterabant materiam mundi, ad pluvias et siccitates et alias alterationes aeris. Et aestimaverunt philosophi quod sic contingit allicere homines et animalia bruta, et serpentes, et dracones de cavernis, et fugare secundum libitum hominis3, et uti iis. Et hic oritur omne genus fascinationis; non quod fascinatio dicatur per solum verbum casualiter prolatum, non in tempore debitae constellationis, nec cum forti cogitatione animae, et desiderio confidenti, et intentione certa, sed ad nutum loquentis, sic est stulta consideratio, et magica, et vetularum, et extra considerationem sapientum, et nihil operetur, nec fit aliquid4, nisi diabolus propter peccata hominum operetur latenter. Sed si virtutes quatuor praedictae concurrant5 cum quinque conditionibus animae, scilicet forti cogitatione, desiderio vehementi, intentione certa et6 firma spe, bonitate animae vel malitia, et cum complexione corporis mala vel bona, tunc erit alteratio, quocunque modo vocetur, seu fascinatio sive aliud.

1  et ]  om. Ti. 2  et ]  om. Ti. 3  hominis ]  om. Ti. 4  nec fit aliquid ]  om. Ti. 5  concurrant ]  contracurrant, B. 6  et ]  om. B.

KAPITEL 26

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entstehen. Das geschieht entsprechend der Auswahl einer guten oder schlechten Zeit der Himmelskonstellation und der Art der Veränderung, die man herbeiführen will, die man anstrebt, nach der man sich sehnt und die man stark erhofft. Denn dann wird entsprechend der jeweiligen Himmelsstellung mit Sicherheit etwas verändert, wenn die Veränderung durch andere Wirkkräfte unterstützt wird. So wird der erfahrene Arzt, der den Wunsch hat, die Galle zu reinigen, die die Krankheitsursache ist, die erforderliche Himmelsstellung zu einer bestimmten Stunde suchen, damit das von ihm Beabsichtigte eintritt. So verhält es sich hiermit. Durch solch eine Verwendung von Worten haben die Propheten und Weisen des Altertums – wie Avicenna im sechsten Buch seiner Naturabhandlungen 208 annahm – die Materie der Welt verändert, indem sie für Regen und Trockenheit und andere Ver­ ände­rungen der Luft sorgten. Die Philosophen meinten auch, dass man dadurch Menschen und wilde Tiere, Schlangen und Drachen aus den Höhlen ganz nach Belieben der Menschen anlocken, vertreiben und nutzen kann. So entsteht jede Art von Zauberkunst. Wenn der Zauber jedoch nur durch ein zufälliges Wort hervorgerufen wird und nicht während der richtigen Himmelsstellung, nicht mit einer starken Bewegung der Seele, nicht mit einem bewussten Wunsch und sicherer Achtsamkeit, sondern nur auf den zufälligen Wink eines Sprechenden hin, dann ist das eine dumme Überlegung und eine magische Praktik von alten Weiblein, die jenseits der Überlegungen des Weisen steht und nichts bewirkt. Daraus kann nichts entstehen, außer der Teufel führt das Werk dahinter verborgen aus, indem er sich die Sünden des Menschen zunutze macht. Doch wenn die vier vorher genannten Kräfte zusammen mit den fünf Beschaffenheiten der Seele zusammengehen: nämlich mit einer starken Überlegung, einem drängenden Wunsch, einer sicheren Absicht und einer festen Hoffnung, der Gutheit oder auch Bosheit der Seele und mit einer guten oder schlechten Zusammensetzung des Körpers, wird eine Veränderung stattfinden, wie auch immer man sie nennen mag, ob nun Zauberei oder anders.

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Teil I

Et hic oritur tota consideratio carminum et incantationum et characterum; quia characteres sunt figurae literarum ad invicem congregatae in figuram unam, secundum quod aliquae nationes Orientales scribunt, ut in tractatu De regionibus Mundi conscripsi in fine mathematicae. Si igitur hujusmodi voces quae vocantur incantationes et carmina, non fiant consideratis speciebus quatuor, et conditionibus animae et corporis, sed a casu et secundum nutum cujuslibet, tunc sunt magica; et non habent virtutem naturalem alterandi; sed si est operatio tunc daemones faciunt. Si vero fiant secundum species et conditiones dictas, tunc sunt philosophica et sapientis incantantis sapienter; ut recitat David propheta. Sed haec materia est difficilior quae sit in philosophia, et minus probabilis propter hoc, quod possunt haec intelligi magice et philosophice. Sed in Opere Minore ubi de coelestibus tractavi, exposui magis ista, ubi maxima secreta naturae tetigi, quae non sunt cuilibet exponenda, sed solis sapientissimis viris. Et in Opere Majore in hoc loco tetigi aliqua; et similiter alibi tetigi parum de fascinatione, sed incomplete. Nam proposui addidisse multa secundum tenorem illius considerationis, quam facio hic, et in Secundo Opere; sed tradidi oblivioni. Et cum exponam intentionem mathematicae tangam de his. Praeterea considerare oportet diligenter1 Tractatum de Speciebus et Virtutibus Agentium quem dupliciter misi vobis; et tertio modo incepi, sed non potui consummare. Hae quidem species faciunt omnem mundi alterationem et corporum nostrorum et animarum.

1  oportet diligenter ]  diligenter oportet, Ti.

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Hieraus entsteht die gesamte Diskussion über Zaubersprüche, Beschwörungen und Zauberformeln. Denn Zauberformeln sind ­gemeinsam in einer Figur zusammengefasste Buchstabenzeichen in der Art, wie in einigen orientalischen Ländern geschrieben wird, wie ich in meiner Abhandlung über die Gebiete der Erde gegen Ende des Teils über die Mathematik geschrieben habe209. Wenn daher solche Stimmäußerungen – die Zaubersprüche und Beschwörungen genannt werden – nicht gemäß der vier bereits angesprochenen Arten und ohne die entsprechenden Verfassungen der Seele und des Körpers ausgesprochen werden, sondern nur durch Zufall und auf Geheiß von jemandem, dann handelt es sich um magische Praktiken, die nicht die natürliche Veränderungskraft innehaben. Wenn hier doch eine Veränderung stattfindet, dann sind es Dämonen, die das bewirken. Wenn die Zaubersprüche aber unter den schon genannten Umständen gesprochen werden, sind es philosophische Sprüche, die der Weise auf eine weise Art vorbringt. Von dieser Art sind die Sprüche, die der Prophet David rezitiert. Doch dieses Thema gehört zum Schwierigsten in der Philosophie und ist zugleich weniger glaubhaft, weil die Zaubersprüche sowohl magisch als auch philosophisch verstanden werden können. Aber im Opus minus brachte ich da, wo ich von den Himmelskörpern handelte, mehr von diesen Dingen an der Stelle, an der ich die größten Naturgeheimnisse besprach, die man nicht jedem, sondern nur den weisesten Männern darlegen darf. Auch im Opus maius schrieb ich hierzu einiges an derselben Stelle; und ebenso an einem anderen Ort ein wenig über die Zauberei, aber nur unvollständig.210 Denn ich hatte vor, vieles nach Art jener Betrachtungen hinzuzufügen, wie ich sie hier und im zweiten Werk anstelle: aber dann vergaß ich es. Wenn ich auf das Ziel der Mathematik zu sprechen kommen werde, werde ich etwas über diese Dinge sagen. Ferner muss man meine Abhandlung über die Vervielfältigung der species und ihrer Kräfte 211 genau bedenken, die ich Euch zweifach gesandt habe. Ich habe auch eine dritte Version begonnen, die ich jedoch nicht ausführen konnte. Die species bewirken gewiss jegliche Veränderung in der Welt, in unserem Körper und unserem

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Teil I

Sed quia haec multiplicatio specierum non est nota vulgo studentium, nec alicui nisi tribus vel quatuor Latinis, et hoc in perspectivis, scilicet in multiplicatione specierum lucis et coloris usque ad visum, ideo mirabiles actiones naturae, quae tota die fiunt1 in nobis, et in rebus coram oculis nostris non percipimus; sed aestimamus eas fieri vel2 per specialem operationem divinam, vel per angelos, vel per daemones, vel a casu et fortuna. Et non est ita, nisi secundum quod omnis operatio creaturae est quodammodo a Deo. Sed hoc non excludit quin operationes fiant secundum rationes naturales; quia natura est instrumentum divinae operationis.

CAPITULUM XXVII. [155]

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Post haec addidi intentionem alterius partis grammaticae quae non est adhuc composita apud Latinos nec translata; et est utilissima in scientialibus, quantum ad inquirendum et sciendum omnes veritates speculativas philosophiae et theologiae. Et est de compositione3 linguarum, et de impositionibus vocum ad significandum, et quomodo significant per impositionem et per4 alias vias. Et quia haec non possunt sciri nisi homo sciat rationes et modos significandi ideo aggressus sum illos modos ostendere, sicut Augustinus docet in libro secundo et tertio De Doctrina Christiana, quod signa quaedam sunt naturalia, et quaedam data ab anima. Et illa quae sunt naturalia sunt dupliciter; quaedam sunt per concomitantiam signatorum, ut habere magnas extremitates est si-

1  tota die fiunt ]  fiunt tota die, Ti. 2  vel ]  om. Ti. 3  compositione ]  compositionibus, Ti. 4  per ]  om. Ti.

KAPITEL 27

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Geist. Da diese Vervielfältigung der species der Menge der Studierenden jedoch ebenso unbekannt ist wie jedem anderen unter den Lateinern mit Ausnahme von drei oder vier Menschen – und auch diese sind nur in der Perspektivik, nämlich der Vervielfältigung der species des Lichts und der Farbe für den Gesichtssinn, bewandert –, nehmen wir die wunderbaren Tätigkeiten der Natur, die alle Tage in uns und in den Dingen vor unseren Augen geschehen, nicht wahr, sondern urteilen, sie seien entweder durch eine besondere göttliche Handlung verursacht worden oder durch Engel oder Dämonen oder durch Zufall und Schicksal. Doch das ist nur insofern der Fall, als jede Tätigkeit eines Geschöpfes in gewisser Weise von Gott stammt. Das schließt aber nicht aus, dass diese Prozesse durch natürliche Ursachen entstehen, weil die Natur ein Instrument göttlicher Tätigkeit ist.

KAPITEL 27 Über sprachliche Zeichen [155]

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Danach habe ich den Inhalt eines weiteren Teils der Grammatik behandelt, der bei den Lateinern bisher weder zusammengestellt noch übersetzt worden ist. Er ist äußerst nützlich für die Wissenschaften, soweit man durch ihn nach allen spekulativen Wahrheiten der Philosophie und der Theologie fragen und sie wissen kann. Er handelt von der Komposition der Sprachen und davon, wie gesprochene Zeichen durch Einsetzung 212 [per impositionem] etwas bezeichnen, und auf welche Weise sie durch Einsetzung und auf andere Arten bezeichnen.213 Da man hierüber nichts wissen kann, wenn man nicht die Prinzipien und die verschiedenen Arten des Bezeichnens kennt, bin ich auf diese Arten näher eingegangen, so wie auch Augustinus im zweiten und dritten Buch der christlichen Bildung 214 lehrt, dass einige Zeichen natürlich, andere hingegen von der Seele gesetzt sind. Die natürlichen Zeichen sind zweifach: Die einen Zeichen bezeichnen durch das gleichzeitige Vorhandensein mit dem Bezeichneten,

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Teil I

gnum fortitudinis; quaedam per configurationem, ut imago Sancti Nicholai est signum ejus configuratum et conformatum. Et sic omnes species rerum sunt signa. Et utrumque istorum modorum1 habet modos multos. Signum autem datum ab anima vel est naturaliter, ut gemitus infirmorum et latratus canum; vel est ad placitum, ut circulus vini et panis in fenestra, et omnes voces linguarum. Nam lingua non potest componi ex vocibus significantibus naturaliter, sicut probo multipliciter per Avicennam. Et tunc considero quomodo2 vox imponitur univoce, quomodo aequivoce, et quot modis quantumcunque; et quomodo analogice et quot modis. Et quando univoce significat, et tamen potest significare infinita, licet non per impositionem, nec aequivoce, nec analogice, secundum modos communes analogiae. Et expressi quomodo vox imponitur Creatori, et quomodo creaturae simplici, et quomodo composito. Et qualiter absolutis rebus imponitur, et quomodo relatis. Et quando univoce significat, et tamen simul multa significat, declaravi quod naturaliter et non ad placitum significat illa. Et illa sic significata naturaliter sunt connotata3 apud theologos. Et expressi quomodo et quot per nomina divina possunt connotari4, et per nomina creaturarum simplicium, et compositarum, et absolutarum, ac relatarum. Et sic per omnia jam dicta terminavi multas dubitationes graves, et multas veritates, per quas omnia sciuntur, quae sub quaestione et dubitatione versantur. Caeterum consideravi quomodo vox in Scriptura Sacra significat sensum spi-

1  modorum ]  om. B. 2  quomodo ]  quae, B. 3  connotata ]  convocata, B. U. 4  connotari ]  convocari, B. U.

KAPITEL 27

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so wie es ein Zeichen von Stärke ist, große Gliedmaßen zu haben. Die anderen bezeichnen durch Ähnlichkeit, so wie das Bild des Heiligen Nikolaus ein ähnliches und gleichartiges Zeichen [für die Person] ist. Auf diese Weise sind alle species Zeichen für Dinge; und jedes von diesen beiden hat viele Unterarten. Das von der Seele gesetzte Zeichen ist entweder natürlich (wie etwa das Stöhnen eines Kranken und das Bellen eines Hundes) oder willentlich [ad placitum] (wie zum Beispiel ein Weinkranz215, Brot im Fenster und alle sprachlichen Äußerungen). Denn eine Sprache kann nicht aus natürlich bezeichnenden Lauten zusammengesetzt sein, wie ich vielfach mit der Hilfe Avicennas zeige. Danach überlege ich, wie die Stimme univok bezeichnet, wie sie äquivok bezeichnet und wie viele Arten der Bezeichnung es gibt. Weiterhin bedenke ich, wie und auf wie viele Arten [die Stimme] durch Analogie bezeichnet. Ebenso stelle ich dar, wann die Stimme zwar univok, aber dennoch unendlich viele Dinge bezeichnet, und zwar ohne Einsetzung, nicht äquivok und ebenso wenig durch Analogie, entsprechend den allgemein üblichen Arten der Analogiebildung. Ferner habe ich gezeigt, wie die Stimme den Schöpfer bezeichnet, wie sie ein Einzelwesen bezeichnet, wie sie zusammengesetzte Dinge bezeichnet, und wie sie Dinge absolut und relativ bezeichnet. Zudem habe ich erklärt, dass ein sprachlicher Laut, wenn er zwar univok ist, aber doch viele Dinge gleichzeitig bezeichnet, jene vielen Dinge natürlich und nicht entsprechend einem Willensakt bezeichnet. Jene so natürlich bezeichneten Dinge werden von den Theologen ›konnotierend‹ genannt. Zudem habe ich gezeigt, wie viele Dinge durch göttliche Namen konnotiert werden können, wie viele durch Namen von einfachen Lebewesen und wie viele durch zusammengesetzte, durch absolute und durch relative Namen. Durch all diese von mir vorgebrachten Argumente habe ich viele schwerwiegende Zweifel ausräumen und viele Wahrheiten zeigen können, durch die alles gewusst werden kann und die bis dahin fragwürdig und zweifelhaft waren. Ferner habe ich betrachtet, wie und auf welche Bezeichnungsarten die Stimme in der Heiligen Schrift den Spiritualsinn gemeinsam mit

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Teil I

ritualem cum literali, et quibus modis signi; et quomodo sensus literalis significat spiritualem; et quomodo Vetus Testamentum est signum Novi; et quomodo sacramenta sunt signa; et multa intermiscui difficilia; ut de lingua prima Adae et qualiter dedit nomina rebus; et an pueri in deserto nutriti aliqua lingua per se uterentur, et si obviarent sibi invicem quomodo mutuos indicarent affectus; et multa alia quae non possum modo explicare. Unde reputo hanc partem grammaticae summe necessariam theologiae, et philosophiae, et toti sapientiae. Et probo quod sit pars grammaticae et non alterius scientiae. Et tamen non indico probationem ex Augustino de secundo et tertio libro Doctrinae Christianae, cum tamen ipse ista tractet grammatice, ut patet ex serie sui tractatus.

CAPITULUM XXVIII. [ 158]

Procedendum1 est ad expositionem quartae partis quae est de mathematicae potestate. Notitia linguarum est prima porta sapientiae, et maxime apud Latinos, qui non habent textum theologiae, nec philosophiae, nisi a linguis alienis; et ideo omnis homo deberet scire linguas, et indiget studio et doctrina harum, eo quod non pot­est ea cognoscere naturaliter, quia fiunt ad placitum hominis, et variantur secundum hominum voluntatem. Cognitio enim naturalis est ante inventionem et doctrinam; et quod primo habemus per eas2 est notitia linguae alicujus, quam aquirimus ex doctrina. Sed

1  Procedendum ]  accedendum, Ti. 2  per eas ]  om. Ti.

KAPITEL 28

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dem Literalsinn bezeichnet. Und wie der Literalsinn den Spiritualsinn bezeichnet, inwieweit das Alte Testament ein Zeichen für das Neue Testament ist und inwiefern die Sakramente Zeichen sind. Ich habe noch viele weitere schwierige Dinge dazwischen gestreut: so über die erste Sprache Adams und wie er den Dingen ihren Namen gab. Und ob Kinder allein in der Einöde für sich eine Sprache benutzen könnten; ob und auf welche Weise sie ihre Gefühle mitteilen könnten, wenn sie sich treffen würden; und noch vieles weitere, worauf ich hier nicht weiter eingehen kann. Daher denke ich, dass dieser Teil der Grammatik für die Theologie, die Philosophie und für die gesamte Weisheit äußerst notwendig ist. Ich zeige, dass es sich hier um einen Teil der Grammatik handelt und nicht um eine andere Wissenschaft. Und dennoch führe ich nicht den Beweis aus Augustinus’ zweitem und drittem Buch der christlichen Bildung 216 an, auch wenn er ihn selbst dort als Teil der Grammatik behandelt, wie anhand der Abfolge seiner ­Abhandlung ersichtlich ist.

KAPITEL 28 Über die Mathematik (Opus maius, Teil IV) [ 158]

Nun muss zur Erläuterung des vierten Teils [des Opus maius] übergegangen werden, der die Macht der Mathematik behandelt.217 Sprachkenntnis ist das erste Tor zur Weisheit, besonders für die Lateiner, die keine anderen theologischen oder philosophischen Texte besitzen als solche, die sie aus fremden Sprachen haben. Daher sollte jeder Mensch die Sprachen kennen, sie studieren und ihre Regeln verstehen, da man sie nicht von Natur aus kennen kann, weil sie von der Gewohnheit des Menschen [ad placitum hominis] abhängig und dem Willen der Menschen entsprechend verschieden sind. Denn die natürliche Erkenntnis kommt vor der Erfindung und der Lehre, und was wir als erstes durch sie lernen, ist ein gewisses Verständnis von einer Sprache, das wir uns durch Unterweisung aneignen. Aber die ersten Urheber der Sprachen ha-

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Teil I

primi auctores linguarum eas invenerunt, vel a Deo habuerunt in divisione linguarum, cum constructa est Turris Babel post Diluvium. Secunda vero porta principalis, quae nobis deficit naturaliter, est notitia mathematicae. De logica enim non est vis tanta, quia scimus eam per naturam, licet vocabula logicae in lingua, quae utimur, quaerimus per doctrinam. Sed ipsam scientiam habent omnes homines ex natura, sicut1 docet auctor Perspectivae in secundo libro, et Boetius hoc docet in primo libro super Topica M. Tullii, et inferius in eodem commentario. Et Aristoteles dicit quod idiotae syllogizant. Nam auctor Perspectivae ponit exemplum de puero, qui cum ei offeruntur duo poma, quorum unum est pulchrius altero, ipse eligit pulchrius, et non nisi quia judicat pulchrius esse melius, et quod est melius est magis eligendum. Ergo de necessitate puer arguit sic apud se: quod est pulchrius est melius, et quod est melius est magis eligendum; ergo pomum pulchrius est magis eligendum2. Et tamen nescit quid vocetur argumentum; ex quo concludit auctor quod homo arguit a natura sine difficultate et ­labore. Et hoc patet per rationem: quia omnis homo reddit causas et rationes dictorum, et factorum suorum, et rerum aliarum, in quibus exercitatus est. Sed hoc fieri non potest nisi per argumentum; quia argumentum facit fidem de re dubia per assignationem causae et rationes. Sed quod omnibus notum est, noscitur naturaliter. Quod enim omnibus individuis ejusdem speciei convenit, oportet quod naturaliter eis conveniat: ut gemitus infirmorum, et latratus canum, et calefactio ignium; et sic de omnibus, ut patet. Et Aristoteles hoc dicit, ut patet3 quinto Ethicorum. Et omnes homi-

1  sicut ]  ut, Ti. 2  ergo … magis eligendum ]  om. Ti. 3  ut patet ]  om. B. U.

KAPITEL 28

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ben diese erfunden oder sie haben sie von Gott während der Teilung der Sprachen erhalten, als der Turm von Babel nach der Sintflut gebaut worden ist. Der zweite grundlegende Zugang, an dem es uns von Natur aus mangelt, ist die Kenntnis der Mathematik. Die Logik zu lernen bedeutet nämlich keine große Anstrengung, da wir sie von Natur aus beherrschen, auch wenn wir die logischen Begriffe, die wir in einer Sprache gebrauchen, erst durch Unterweisung lernen. Doch diese Wissenschaft selbst haben alle Menschen von Natur aus, wie der Autor der Perspektivik im zweiten Buch218 lehrt. Das lehrt auch Boethius im ersten Buch seines Kommentars zur ­Topik 219 von Cicero220 sowie weiter unten in demselben Kommentar 221. Und Aristoteles sagt, dass auch ungebildete Menschen Syllogismen bilden. Der Autor der Perspektivik 222 führt dafür das Beispiel eines Jungen an, der zwischen zwei ihm angebotenen Äpfeln wählen sollte. Da der eine Apfel schöner war als der andere, wählte er den schöneren: weil er geurteilt hatte, dass etwas Schöneres auch besser sein muss, das Bessere aber wählenswerter sei. So hat der Junge ganz eigenständig und notwendig für sich argumentiert: Was schöner ist, ist besser. Was besser ist, ist wählenswerter. Also ist der schönere Apfel auch der wählenswertere. Und dennoch wusste er nicht, was ein Argument ist, woraus der Autor [der Perspektivik] schließt, dass der Mensch von Natur aus ohne Schwierigkeiten und Anstrengung argumentiert. Das wird auch durch Überlegung klar: Denn jeder Mensch gibt Gründe und Ursachen für seine Worte, Taten und alle anderen Dinge an, in denen er geübt ist. Doch das kann nur durch ein Argument geschehen, weil ein Argument in einer zweifelhaften Sache durch die Angabe von Gründen und Ursachen Klarheit schafft. Was aber allen bekannt ist, wird von Natur aus gewußt. Was nämlich allen Individuen derselben Art zukommt, muss ihnen von ­Natur aus zukommen: zum Beispiel das Seufzen der Kranken, das Gebell des Hundes, das Brennen des Feuers. Es ist ganz klar, dass es sich mit allem so verhält, wie auch Aristoteles im fünften Buch seiner Nikomachischen Ethik 223 sagt. Außerdem antwor-

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Teil I

nes respondent ad falsa per negationem, et ad malas consequentias, quae vocantur fallaciae, dicendo quod non sequitur propter talem vel talem causam. Unde licet laici non habeant vocabula logicae quibus clerici utuntur, tamen habent suos modos solvendi omne argumentum falsum. Et ideo vocabula sola logicorum deficiunt laicis, non1 ipsa scientia logicae. Et hoc2 iterum probatur per hoc, quod cum omne quod fit de novo notum, fit notum per notius, ibitur in infinitum, si logicam non sciamus naturaliter. Nam si fiat nobis nota de novo, tunc per aliquam scientiam nobis notam prius, et illa per aliam, et sic de infinitum; quod non potest esse. Quare standum est ad aliquam scientiam, quae sit nota naturaliter; sed nulla est, nisi logica, cum qua comprehendo grammaticam. Quia communi nomine utraque logica dicitur; id est, sermocinalis scientia. Nam λόγος idem est quod sermo in una significatione. Et Avicenna dicit, in logica sua, quod rusticus Arabicus scit grammaticam per naturam; quod oportet, si logicam sciamus per naturam, quae posterior est. Vocabula enim grammaticae et logicae discimus; sed naturaliter scimus componere orationes ex dictionibus, et argumenta ex propositionibus. Et hoc docet grammatica, et logica. Praeterea, si logica inventa sit per studium humanum, sicut aliae scientiae, et haec3 est de argumento, et omnis scientia probat suas conclusiones per argumenta, ergo ante constitutionem logicae auctor primus4 scivit arguere et modum arguendi, ut logicam investigaret, et probaret in ea quae probanda sunt. Ergo ipse scivit

1  non ]  et non, B. 2  hoc ]  om. Ti. 3  haec ]  hoc, B. 4  primus ]  prius, Ti.

KAPITEL 28

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ten alle Menschen auf Falsches mit einer Verneinung, ebenso wie auf schlechte Schlussfolgerungen, die auch Fehlschlüsse genannt werden, indem sie sagen, dass dies aus diesem oder jenem Grund nicht folgt. Daran wird ersichtlich, dass die Laien ihre eigene Art haben, jedes falsche Argument zu durchschauen, auch wenn sie nicht die Begriffe haben mögen, die von den Kirchenleuten benutzt werden. Daher fehlen den Laien nur die Begriffe der Logiker, nicht jedoch die Wissenschaft der Logik selbst. Das wird auch dadurch gestützt, dass alles, was erkannt wird, durch etwas anderes bereits Bekanntes erkannt wird – was unendlich so weiterginge, wenn wir die Logik nicht von Natur aus kennen würden. Denn wenn uns etwas Neues bekannt wird, erkennen wir es nur durch eine bereits bekannte Wissenschaft und diese wiederum durch eine andere – und so geht es ins Unendliche. Das kann aber nicht sein. Daher muss [dieser infinite Regress] bei einer Wissenschaft zum Stillstand kommen, die von Natur aus bekannt ist: doch diese kann keine andere [Wissenschaft] sein als die Logik, unter der ich auch die Grammatik verstehe. Denn beide werden mit dem allgemeinen Begriff ›Logik‹ bezeichnet, was nichts anderes bedeutet, als die Wissenschaft von der Gesprächsführung. Denn eine Bedeutung von λόγος ist: ›das Gespräch‹. Und Avicenna sagt in seiner Logik, dass der arabische Bauer die Grammatik von Natur aus kennt – was so sein muss, wenn wir auch die Logik von Natur aus kennen, die danach kommt. Denn wir lernen die Worte der Grammatik und der Logik; und wir können von Natur aus Sätze aus Wörtern und Argumente aus Vordersätzen bilden. Und das lehren die Grammatik und die Logik. Wenn im Übrigen die Logik wie die anderen Wissenschaften durch menschliches Studium erfunden worden wäre, das heißt aber durch das Argument – da ja jede Wissenschaft ihre Schlüsse durch Argumente beweist –, hätte der erste Autor vor der Begründung der Logik die entsprechende Argumentationsweise gekannt und zu argumentieren gewusst, als er die Logik erfand: Er hätte also Beweise geführt mit Mitteln dessen, was erst zu beweisen gewesen wäre. Also hätte er zu argumentieren gewusst, b ­ evor er das Argument überhaupt gefunden hatte,

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Teil I

arguere antequam invenit argumentum; quod est impossibile, si argumentum est solum ex inventione. Quapropter scientia de argumentis est nota homini per naturam, quatenus per eam possit investigare omnes alias scientias. Et hoc manifeste scimus per experientiam. Nam licet simus edocti logicam Aristotelis in arguendo, tamen cum tractamus difficultates aliarum scientiarum, non consideramus artem Aristotelis, quoniam non scimus an quaestio proposita sit problema de genere vel specie, vel aliquod aliud. Neque scimus qua consideratione Aristotelis1 ad illa problemata utamur, nec sciremus hoc signare; et tamen scimus quod bene arguimus. Ergo aliud regimen arguendi habemus quam per artem Aristotelis datum; sed non est aliud quam innatum. Relinquitur igitur quod a natura scimus arguere, et similiter dissolvere argumenta per interemptionem propositionum falsarum, et per divisionem et distinctionem malarum consequentiarum. Quapropter de logica et grammatica non est necessaria instructio humana, nisi propter vocabula linguarum, quibus utimur in collatione facienda cum aliis, propter necessitatem scientiae secundum se. Et ideo patet quod logica et grammatica sunt accidentales scientiae, et non principales, quantum ad inventionem2 et doctrinam; sed linguae, in quibus haec explicantur, quaeruntur per inventionem3 et doctrinam, ut praesto fiant mutuae voluntatis indicia.

1  Aristotelis ]  Aristotele, Ti. 2  inventionem ]  intentionem, Ti. L. 3  inventionem ]  intentionem, Ti.

KAPITEL 28

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was unmöglich ist, wenn das Argument nur aus Erfindungs­gabe entsteht. Weil dem Menschen die Wissenschaft von den Argumenten von Natur aus bekannt ist, kann er durch sie auch die anderen Wissenschaften untersuchen. Das wissen wir sicher aus der Erfahrung: Denn auch, wenn wir in der aristotelischen Logik beim Streitgespräch [in arguendo] unterwiesen sind, ziehen wir die Kunst des Aristoteles nicht in Betracht, wenn wir uns mit den Fragen der anderen Wissenschaften beschäftigen, da wir nicht wissen, ob eine vorliegende Frage sich mit einem Problem der Gattung oder der Art oder etwas anderem beschäftigt. Auch wissen wir weder, welche Überlegung des Aristoteles wir für diese Probleme benutzen sollten, noch könnten wir sie angeben; und doch wissen wir, dass wir gut argumentieren. Wir haben also einen anderen Leitfaden für die Argumentation als den durch die Kunst des Aristoteles gegebenen: das ist aber kein anderer als ein angeborener [Leitfaden]. Daher bleibt nur übrig, dass wir von Natur aus argumentieren können, ebenso wie wir auch Argumente durch das Bestreiten falscher Prämissen und durch die Unterscheidung falscher Schlüsse auflösen können. Aus diesen Gründen braucht der Mensch in der Logik und in der Grammatik keine Unterweisung, außer in den Wörtern der Sprachen, die wir benutzen, um sie mit anderen Dingen in jeder Wissenschaft für sich genommen in Verbindung zu bringen. Daraus ist ersichtlich, dass die Grammatik und die Logik hinsichtlich der Erfindung und der Lehre nur akzidentielle und keine grundlegenden Wissenschaften sind; doch die Sprachen, in denen diese erklärt werden, werden durch Erfindungsgabe und Lehre erforscht, damit die Anzeichen der gegenseitigen Absicht förderlich hervorgebracht werden.224

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Teil I

CAPITULUM XXIX. [ 162]

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Et ideo post linguarum necessitatem pono mathematicam esse in secundo loco necessariam, ad hoc ut sciamus quae scienda sunt; quae non est nota nobis per naturam; sed tamen est prope cognitionem naturalem inter omnes scientias quas scimus per inventionem et doctrinam. Nam ejus speculatio facilior est omnibus scientiis, eo quod pueri statim capiunt has scientias, sicut videmus; et Aristoteles hoc dicit septimo Ethicorum; non sic naturales scientias, et metaphysicas, et alias. Et praeterea laici sciunt de facili figurare, et numerare, et cantare, et uti instrumentis musicalibus, et exultare, et gestus facere conformes cantui et sono instrumentorum; et haec omnia sunt opera mathematicae. Quapropter oportet quod sit facilis scientia, et quasi innata, vel prope cognitionem ­innatam. Atque propter hoc sequitur quod est prima scientiarum, sine qui­ bus aliae sciri non possunt. Quia illa est naturaliter prima, quae communis est clericis et laicis, et quae convenit statui puerili. Et ideo haec scientia fuit primo data mundo a principio ejus. Nam Adam et filii sui a Deo receperunt eam; et per longitudinem vitae experti sunt illam, sicut docet Josephus in primo Antiquitatum libro. Et ideo ostendo in prima parte mathematicae, per auctores et rationes copiosas, quod haec est primo scienda, sine qua nulla scientia potest sciri. Et hoc est primo notandum in parte illa: nam pulchra probatio est et copiosa, et multum elevat animum hominis1 ad desiderium mathematicae.

1  animum hominis ]  homines, Ti.

KAPITEL 29

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KAPITEL 29 Die Mathematik ist die erste aller Wissenschaften [ 162]

[163]

Daher setze ich die Mathematik an die zweite Stelle der Notwendigkeit gleich nach der Notwendigkeit des Spracherwerbs, damit wir alles Wissenswerte wissen können: Denn sie ist uns zwar nicht von Natur aus bekannt, aber sie ist dennoch von allen Wissenschaften, die wir durch Erfindung und Unterweisung lernen, der natürlichen Erkenntnis am nächsten. Ihre Betrachtung ist nämlich leichter als die aller anderen Wissenschaften, sodass augenscheinlich selbst die Jugendlichen diese Wissenschaft verstehen; und Aristoteles sagt das im siebenten Buch der Nikomachischen Ethik 225; [er sagt das] nicht aber von den Naturwissenschaften, der Metaphysik und den anderen Wissenschaften. Weiterhin können auch Laien sehr leicht zeichnen, zählen, singen, Musikinstrumente benutzen, tanzen und sich zum Klang der Instrumente und der Stimme bewegen: alles das aber sind Werke der Mathematik. Daher muss sie eine einfache und quasi angeborene Wissenschaft sein oder doch zumindest einem angeborenen Verständnis sehr nahe sein. Daraus folgt, dass die Mathematik die erste der Wissenschaften ist, ohne die man die anderen nicht betreiben kann. Denn von Natur aus kommt das als erstes, was den Klerikern und Laien gemeinsam ist und was schon mit dem Kindesalter beginnt. Diese Wissenschaft ist der Welt bereits bei ihrem Beginn gegeben worden, denn schon Adam und seine Söhne haben sie von Gott erhalten; und aufgrund ihrer Langlebigkeit waren sie sehr erfahren in dieser Wissenschaft, wie Flavius Josephus im ersten Buch der Altertü­ mer 226 lehrt. Daher zeige ich im ersten Teil der Mathematik [meines Opus maius] mit Hilfe vieler Autoritäten und zahlreicher Argumente, dass sie die erste Wissenschaft ist, ohne die man auch in den anderen Wissenschaften nichts wissen kann.227 Das ist in jenem Teil vorzüglich zu beachten: denn es ist ein schöner und von mir reichhaltig dargestellter Beweis, der den Geist des Menschen sehr zum Wunsch nach der Mathematik erhebt.

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Teil I

CAPITULUM XXX. [ 164]

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Quod autem manifestatum1 est de scientiis in universali potest nunc in particulari edoceri, non solum de scientiis, sed de2 rebus hujus mundi omnibus, de quibus scientiae sunt constituae. Et planum est cuilibet quod major pars mathematicae, et melior, est de rebus coelestibus; ut astrologia, tam speculativa quam practica. Nam speculativa certificat numerum et figuram coelorum et stellarum, et magnitudines earum, et altitudines a terra, et spissitudines, et ortus et occasus signorum et stellarum, et motus, et eclipses, et quantitatem et figuram terrae habitabilis, et partes ejus magnas, quae sunt climata mundi, et quomodo in eis accidit diversitas3 dierum et nocticum, secundum diversitatem horizontium. Deinde astrologia practica docet et praeparat instrumenta, et4 canones, et tabulas, quibus certificantur ad omnem horam ea, quae in coelestibus renovantur et in aere; cujus modi sunt cometae, et irides, et caeterae impressiones superius renovatae; et praeparat vias ad5 judicia facienda6 de omnibus inferioribus, et ad opera mira et utilia in hoc mundo, quae fieri habent in certis electionibus constellationum, in actibus hujus vitae, propter prospera mundi promovenda in melius, et ut omnis adversitas reprimatur. Et sic patet quod coelestia cognoscuntur per astrologiam duplicem, et nihilominus quod praeparatur7 per easdem cognitio ad haec inferiora. Nam non cognoscuntur effectus nisi per suas causas; sed coelestia

1  manifestatum ]  manifestum, Ti. 2  de ]  om. Ti. 3  diversitas ]  diversitates, Ti. 4  et ]  om. Ti.; ut, L. 5  ad ]  et, Ti. 6  facienda ]  om. Ti. 7  praeparatur ]  praeparetur, Ti.

KAPITEL 30

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KAPITEL 30 Über die Astrologie [ 164]

[165]

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Was bis hierher von den Wissenschaften im Allgemeinen verdeutlicht worden ist, kann nun im Detail gelehrt werden. Hier wird nicht nur von den Wissenschaften selbst zu handeln sein, sondern auch von allen Dingen dieser Welt, die in den Wissenschaften behandelt werden. Es ist aber jedem klar, dass der größte und zugleich schönste Teil der Mathematik von den himmlischen Dingen handelt.228 Diese sind aber Gegenstand der Astrologie, sowohl der spekulativen als auch der praktischen. Die spekulative Astrologie behandelt die Anzahl und Gestalt der Himmelssphären und der Sterne, ihre Größe und ihre Entfernung von der Erde, ihre Dichte, den Auf- und Untergang der Sternbilder und der Sterne, die Bewegungen, die Eklipsen, die Ausdehnung und die Gestalt der bewohnbaren Erde und ihrer großen Erdteile, welche Klimazonen es auf der Erde gibt und wie in den verschiedenen Klimazonen wegen der unterschiedlichen Horizontlinien die verschiedenen Tages- und Nachtzeiten entstehen. Die praktische Astrologie lehrt weiterhin die Verwendung und die Herstellung von Instrumenten, von Leitfäden [Canones] und von Tafeln, durch die zu jeder Stunde gezeigt werden kann, was in den Himmelssphären und der Luftsphäre geschieht und wie Kometen, Regenbögen und die anderen Himmelserscheinungen entstehen. Sie zeigt auch die Wege, auf denen wir über die Erscheinungen der unteren Erdsphäre Vorhersagen treffen können, ebenso wie über die wundervollen und nützlichen Werke in dieser Welt, die während bestimmter Sternenkonstellationen durch unsere Tätigkeit in diesem Leben ausgeführt werden können, damit die günstigen Dinge der Welt zum Besseren hin verändert und alles Gegenteilige vermieden werden kann. Daher ist klar, dass die sich am Himmel ereignenden Dinge durch eine zweifache Astrologie erkannt werden; und ebenso, dass die Erkenntnis der Dinge auf der Erde durch die Astrologie vorbereitet wird. Denn die Wirkungen werden nur durch ihre Ursachen erkannt: Wie jedem klar ist, sind die Him-

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Teil I

sunt causae generationis et corruptionis omnium1 rerum inferiorum, ut manifestum est cuilibet. Et per experientiam hoc videmus, secundum quod philosophi determinant evidenter. Et cum ita sit, tunc omnium inferiorum cognitio dependet a mathematicae potestate. Hoc autem specialiter potest ostendi per virtutem geometricae, cum tamen haec est vilior inter omnes partes mathematicae. Ergo, si hoc potest demonstrari sine contradictione2 possibili in illa3, multo magis credendum est rerum cognitionem dependere a caeteris partibus mathematicae nobilibus, et etiam qua ratione ab ea, et ab aliis. Ergo, si ab illa dependet, similiter ab aliis habet dependere. Sufficiat igitur4 nunc propositum declarari in geometricis.

CAPITULUM XXXI. [ 168]

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Circa vero geometricalia, respectu rerum et scientiarum sciendarum, consideravi quod res omnis, quae fit in hoc mundo, exit in esse per efficiens et materiale principium, ex quo producitur per virtutem efficientis, et ideo tota originalis rerum cognitio dependet ex parte efficientis et materiae. Nam efficiens influit suam virtutem in materiam, et transmutat eam usquequo res generetur. Et hic sunt radices totius sapientiae rerum et scientiarum, propter quod diligenter volui has revolvere et examinare, et ad ramos, et5 flores, et fructos applicare. Et diligentius scripsi de hoc, quia vulgus totaliter ignorat hanc philosophiae partem nobilissimam, quoniam non est scripta apud Latinos. Consideravi igitur a parte efficientis tria, scilicet generationem virtutis ejus, et multiplicationem, et actionem; et circa generationem, 1  omnium ]  horum, Ti. 2  sine contradictione ]  sine omni contradictione, Ti. 3  in illa ]  om. Ti. 4  igitur ]  om. Ti. 5  et ]  om. Ti.

KAPITEL 31

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melserscheinungen jedoch die Ursachen für das Entstehen und Vergehen aller Dinge der unteren Sphären. Das sehen wir anhand der Erfahrung dementsprechend, was die Philosophen darüber beweiskräftig dargelegt haben. Weil das so ist, hängt alle Erkenntnis der Dinge auf der Erde von der Macht der Mathematik ab. Das kann man vor allem durch die Kraft der Geometrie zeigen, auch wenn diese wertloser als alle anderen Teile der Mathematik ist. Da man das ohne Widerspruch für die Geometrie feststellen kann, muss man noch viel mehr glauben, dass die Erkenntnis der Dinge erst recht von anderen, edleren Teilen der Mathematik abhängt. Wenn solches also von der Geo­me­ trie gilt, gilt es auch von anderen Wissenschaften. Wenn sie nämlich von der Geometrie abhängt, folgt daraus, dass sie ähnlich auch von anderen abhängig sein muss: Es müsste daher nun ausreichen, dieses Thema anhand der Geometrie zu erklären.

KAPITEL 31 Einführendes über die species [ 168]

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In der Geometrie habe ich bezüglich des Wissens über die Dinge und die Wissenschaften bedacht, dass jede Sache, die in dieser Welt entsteht, durch ein wirkendes und ein materielles Prinzip ins Sein tritt, aus welchem es durch die Kraft der Wirkursache entsteht. Daher hängt jede ursprüngliche Erkenntnis der Dinge von der Wirkursache und der Materie ab. Denn die Wirkursache lässt ihre Kraft auf die Materie fließen und verändert sie, bis daraus ein Ding entsteht. Das sind die Wurzeln aller Weisheit über die Dinge und die Wissenschaften, die ich deswegen sehr sorgfältig behandeln und betrachten wollte, um sie auf ihre Äste, Blüten und Früchte anzuwenden. Ich habe darüber eingehend geschrieben, weil dieser äußerst edle Teil der Philosophie der Menge vollständig unbekannt ist, da die Lateiner noch nichts darüber geschrieben haben. Im Zusammenhang mit der Wirkursache habe ich drei Aspekte bedacht: die Entstehung ihrer Kraft, ihre Vervielfältigung und ihre

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Teil I

primo, quid sit ista virtus, quam omne agens influit in materiam in quam agit; quoniam est effectus ejus univocus, similis agenti natura et diffinitione. Et cum vocetur virtus, vel species, vel imago agentis, et multis aliis nominibus, consideravi quomodo educitur in esse; an per generationem de potentia materiae, an per exitum ab agente, an per impressionem, sicut sigillum agit in ceram. Nam hic1 est summa difficultas, propter ignorantiam istius partis philosophiae. Probavi tamen certitudinaliter quod haec virtus educitur de potentia materiae, sicut aliae res naturaliter generatae. Et consideravi quae agentia faciunt species, et quod tantum accidentia octo faciunt speciem, vel novem ad plus2; scilicet, calidum, frigidum, humidum, siccum, lux, color, odor, sapor, sonus. Sed tamen omnes substantiae, tam spirituales quam corporales, faciunt eam. Species enim substantiae agentis est composita, et non est solius formae, ut aestimatur. Et quod species rei universalis sit universalis, et species rei singularis sit3 singularis. Et quomodo idem facit agens in quodcunque agat: ut si calidum agat in frigidum, et in tactum, facit illud idem in utrumque, scilicet speciem; sed diversificatur operatio a parte recipientium, sicut sol per eandem virtutem dissolvit glaciem et constringit lutum. Et addidi quae agentia possunt complere suas species, et quae non. Nam agentia nobilia non possunt, ut angeli, et coelestia, et homines, et caetera animata; nec etiam inanimata mixta ex elementis: quia tunc angelus produceret angelum, et4 sol

1  hic ]  haec, Ti. 2  faciunt speciem … plus ]  om. B.; in B eingefügt nach sonus. 3  sit ]  om. Ti. 4  et ]  om. Ti.

KAPITEL 31

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Tätigkeit. Betreffs der Entstehung habe ich erstens behandelt, was diese Kraft ist, durch die jedes Agens die Materie beeinflusst, in der es wirkt. Denn ihre Wirkung ist univok, sodass die Natur eines Agens und dessen Begriff übereinstimmen. Da sie mit ›Kraft‹ oder ›species‹ oder auch mit ›Abbild des Agens‹ und mit vielen anderen Bezeichnungen benannt wird229, habe ich überlegt, auf welche Weise sie ins Sein geführt wird: ob durch das Entstehen aus der Potenz der Materie, ob durch den Ausgang von einem Agens, oder durch einen Eindruck, wie ein Siegel in Wachs eingedrückt wird. Denn hier liegt wegen der Unkenntnis dieses Teils der Philosophie eine äußerst große Schwierigkeit. Ich habe dennoch mit Sicherheit zeigen können, dass diese Kraft ebenso wie die anderen Dinge, die natürlich entstehen, aus der Potenz der Materie herausgeführt wird. Ich habe auch bedacht, welche Agenzien species hervorbringen und dass es nur acht oder höchstens neun Akzidentien gibt, die species hervorbringen, nämlich: Wärme, Kälte, Feuchtigkeit, Trockenheit, Licht, Farbe, Geruch, Geschmack, Klang. Alle Sub­stanzen hingegen, sowohl geistige als auch körperliche, bringen immer eine species hervor. Denn eine species ist aus der Sub­ stanz eines Agens zusammengesetzt – und besteht nicht nur in der Form, wie angenommen wird. [Ich habe auch gezeigt], dass die species einer Universalie auch eine Universalie ist, und dass die species eines Einzeldinges ein Einzelding ist. Und auf welche Weise ein Agens [eine species] hervorbringt, wo auch immer es wirken mag: denn wenn etwas Warmes in etwas Kaltem und etwas Fühlbarem wirkt, bringt es in beiden dieselbe species hervor. Doch es verändert seine Auswirkung je nachdem, auf welchen Empfänger es wirkt: so lässt die Sonne durch dieselbe Kraft Eis schmelzen und Schlamm trocknen. Ich habe auch hinzugefügt, welche Agenzien ihre species vollenden können und welche nicht. Denn äußerst edle Agenzien können das nicht: wie etwa Engel, himmlische Dinge, Menschen und andere beseelte Dinge. Ebenso wenig vermögen das unbeseelte Dinge, die aus den Elementen zusammengesetzt sind. Denn dann würde ein Engel einen Engel durch eine species hervorbringen, die Sonne eine

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Teil I

solem, et homo hominem, in generatione speciei; et sic quidlibet generaret per hanc viam completum individuum simile ei nomine et definitione, quod esse non potest. Sunt etiam agentia debilia, quae1 non possunt complere suas species, ut color, odor, sapor, et sonus. Sed alia, ut quatuor elementa, et eorum quatuor qualitates, et lux, possunt complere suas species. Haec enim novem sunt habentia generationem specierum2. Et de patientibus et recipientibus hujusmodi speciem est magna consideratio: quomodo scilicet elementa possunt pati a coelo, et quomodo coelestia possunt recipere species elementorum, et quomodo coelestia a coelestibus, et hujusmodi. Et ostendi causas omnium istorum circa generationem specierum.

CAPITULUM XXXII. [ 172]

Deinde converti stylum ad multiplicationem specierum a loco suae generationis; et ibi sunt longe majora et plura. Sed3 haec multiplicatio non potest explicari, nec sciri, nisi in lineis, angulis et figuris; et ideo exposui totam multiplicationem secundum omnes differentias linearum, et angulorum, et figurarum, in quibus delectatur natura operari. Et certificavi quod species multiplicatur super lineas rectas, dum vadit in eodem corpore, ut in coelo, vel igne, vel aere, vel aqua, vel alio. Sed cum venit ad corpus subtilius vel4 densius, tunc adhuc, si cadit perpendiculariter super corpus secundum densius vel rarius, tenet in eo vias rectas. Si etiam corpus

1  agentia debilia, quae ]  agentia debilia, ut color, odor, sapor, et sonus, quae non possunt, etc., Ti. 2  haec enim novem ]  haec enim novem sunt necessaria ad generationem rerum, B. So auch L. U., außer dass sie novem auslassen. 3  Sed ]  et, Ti. 4  vel ]  et, Ti.

KAPITEL 32

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Sonne, der Mensch einen Menschen. Jede Sache würde auf diese Weise ein weiteres Einzelding entstehen lassen, das seinem Namen und seiner Definition nach mit ihr identisch ist, was unmöglich ist. Doch es gibt auch schwache Agenzien, die ihre species nicht vollenden können: wie etwa Farbe, Geruch, Geschmack und Klang. Andere Agenzien jedoch, nämlich die vier Elemente und ihre vier Eigenschaften können – ebenso wie das Licht – ihre species vollenden. Es gibt also neun Agenzien, die species hervorbringen. Auch über die Empfänger, auf welche die species wirken, muss man gründlich nachdenken: auf welche Weise die Elemente vom Himmel beeinflusst werden, auf welche Weise die himmlischen Dinge die species der Elemente aufnehmen können, wie himmlische Dinge durch species vom Himmel beeinflusst werden und anderes Derartiges. Ich habe die Gründe aller jener Phänomene bezüglich der Ent­ stehung der species gezeigt.

KAPITEL 32 Über die Vervielfältigung der species durch gebrochene Strahlen [ 172]

Daraufhin habe ich meinen Schreibgriffel der Vervielfältigung der species von ihrem Entstehungsort aus zugewendet, worüber es vieles und sehr Wichtiges zu sagen gibt.230 Aber diese Vervielfältigung kann man nur erkennen und erklären, wenn man sie durch Linien, Winkel und Figuren darstellt. Daher habe ich die Vervielfältigung der species anhand der verschiedenen Linien, Winkel und Figuren beschrieben, in denen es der Natur zu wirken gefällt. Ich habe gezeigt, dass eine species sich in geraden Linien vervielfältigt, wenn sie in denselben Körper eindringt: sei es im Himmel, im Feuer, der Luft, dem Wasser oder einem anderen Medium. Wenn sie auf einen feineren oder dichteren Körper trifft, behält sie ihre geradlinige Bewegung in ihm bei, sofern die species senkrecht auf diesen anderen Körper trifft. Wenn der erste und der zweite Kör-

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[ 174]

Teil I

primum et secundum aequentur in raritate vel densitate, adhuc in utroque tenet vias rectas. Sed si corpus secundum fuerit densius1 primo radii cadentes ad angulos inaequales, scilicet qui radii non sunt perpendiculares, declinant in superficie corporis secundi a recto incessu, et ibi faciunt angulum; et haec declinatio angularis vocatur fractio radii. Sed haec fractio variatur duobus modis. Nam si corpus secundum est densius primo, ut accidit descendendo a coelo in sphaeras elementorum, tunc fractio radii est inter incessum rectum et perpendicularem ducendam a loco fractionis in corpus secundum. Si vero corpus secundum est rarius, tunc incessus rectus cadit inter fractionem et perpendicularem ducendam a loco fractionis. Et haec variatio fractionis in multiplicatione2 virtutum naturalium est una de majoribus mirabilibus naturae. Unde hic patet quod natura est sagacitas quasi infinitae. Nam per has varietates incessuum et fractionum fiunt infinita naturae secreta, et similiter manifesta sensibus nostris; sicut patet ad visum de urinali pleno aqua, vel de crystallo rotundo objecto radiis solaribus. Nam per hanc duplicem fractionem, quarum prima fit in corpore urinalis, quod est densius aere, et secunda in aere retro urinale, quod est subtilius urinali, accidit quod radii congregantur ad punctum unum in aere retro urinale, in quo puncto accenditur ignis, qui comburit levia combustibilia; et ideo haec combustio probat nobis quod natura operatur secundum duas fractiones: et sic probatur causa per effectum. Et hoc est argumentum naturalis philosophi, quando per suam propriam industriam arguit. Sed quando adjuvatur per geometricam potestatem, tunc potest demonstrare combustionem hanc per causam suam. Et sic est de omnibus operationibus naturalibus. Et ideo non possunt dari causae rerum

1  fuerit densius ]  fuit rarius vel densius primo, et radii cadentes, U.; fuerit vel densius primo, L. 2  multiplicatione ]  multiplicitate, Ti.

KAPITEL 32

[ 173]

[ 174]

227

per sich in Feinheit und Dichte entsprechen, behält sie [die species] in beiden eine geradlinige Bewegung bei. Doch wenn der zweite Körper dichter als der erste ist, fallen die Strahlen in ungleichen Winkeln ein, weil sie nicht mehr senkrecht verlaufen. Sie weichen also an der Oberfläche des zweiten Körpers von ihrem geraden Eintrittswinkel ab und bewegen sich in einem anderen Winkel fort; und dieses Abweichen wird ›Strahlenbrechung‹ genannt. Diese Brechung tritt auf zweifache Art auf: Denn wenn der zweite Körper dichter ist als der erste, wie es geschieht, wenn [eine species] vom Himmel zu der Sphäre der Elemente herabsteigt, werden die Strahlen so gebrochen, dass sie zwischen der Verlängerung der geraden Eintrittslinie und ihrer Senkrechten hindurchgehen. Wenn der zweite Körper feiner ist, fällt die gerade Linie zwischen den gebrochenen Strahl und der Senkrechten vom Ort der Brechung ausgehend. Diese Vielfalt der Brechung bei der Vervielfältigung der Kräfte der Natur ist eines der größten Naturwunder, aus dem ersichtlich wird, dass die Natur mit fast unend­licher Klugheit handelt; denn durch diese Vielfalt der Eintrittslinien und Brechungen entstehen unendlich viele Naturgeheimnisse, die wir auch durch unsere Sinne erfassen; wie es zum Beispiel bei der Betrachtung eines Beckens mit Wassers deutlich wird oder bei der Brechung der Sonnenstrahlen in einer runden kristallenen Linse. Denn durch diese doppelte Brechung, die zuerst in der Linse stattfindet, die dichter ist als die Luft, und danach in der feineren Luft hinter der Linse, sammeln sich die Strahlen in einem Punkt in der Luft hinter der Linse, an dem Feuer entsteht, das leicht entzündliche Dinge verbrennt. Auf diese Weise zeigt uns diese Entzündung, dass die Natur mit Hilfe von zwei Brechungen wirkt: so wird die Ursache durch die Wirkung gezeigt. Das ist das Argument des Naturphilosophen, soweit er es durch seine eigene Anstrengung entwickelt hat. Doch wenn dieses Argument noch durch die Macht der Geometrie unterstützt wird, kann man diese Verbrennung auch durch ihre Ursache beweisen – und so ist es bei allen Tätigkeiten der Natur. Was man also mit aller Deutlichkeit fest-

228

Teil I

naturalium nisi per vias geometriae, quod est summe notandum. Nam si vos a quocunque philosophante naturaliter, quantumcunque audiverit vel legerit, quaeratis causam hujus combustionis, nihil poterit respondere; sed dicet sic esse ex occulta causa. Puer vero Johannes portavit crystallum sphaericum ad experiendum; et instruxi eum in demonstratione et figuratione hujus rei occultae. Nec est aliquis in tota Italia, sicut nec Parisius duo, qui possunt dare causam sufficientem in hac parte; et multa exposui circa has fractiones.

CAPITULUM XXXIII. [ 175]

[ 176]

Deinde descendi ad aliam radicem cognitionis rerum, et est per multiplicationem virtutum agentium per lineas reflexas. Species quidem rei non recipit violentiam repercussionis, quia non est corpus. Sed cum densum occurrit, et non potest se multiplicare ulterius, multiplicat se in partem sibi1 possibilem; et hoc est redeundo in partem a qua venit, si reflexio fiat ad angulos rectos, vel a latere illius partis, si reflexio fiat ad angulos inaequales. Et utraque istarum necessaria est in operatione naturae, ut2 videmus ad sensum in visu. Nam per speculum fit reflexio speciei visibilis ad nos, et oculus videt se per radium reflexum ad angulos rectos, et videt alia per radios reflexos ad angulos obliquos3. Et haec reflexio variatur: quia si a plana superficie fiat reflexio, tunc unus radius reflectitur ad unum punctum4; si vero a concavo sphae-

1  sibi ]  ei, B. L. 2  ut ]  et, B. L. 3  angulos obliquos ]  obliquos angulos, B. 4  unum punctum ]  punctum unum, B.

KAPITEL 33

229

halten muss, ist die Tatsache, dass man die Gründe für die Natur­ erscheinungen nur auf den Wegen der Geometrie angeben kann. Denn wenn Ihr einen Naturphilosophen nach der Ursache dieser Verbrennung fragen werdet, wird er Euch nicht antworten können, wie viel auch immer er gehört oder gelesen haben mag; sondern er wird sagen, es handele sich hier um eine verborgene Ursache. Mein Junge Johannes hat Euch jedoch eine runde, kristallene Linse zur Veranschaulichung mitgebracht, und ich habe ihn in der Konstruktion und im Beweis dieser verborgenen Sache unterwiesen. Denn es gibt niemanden in ganz Italien und nur zwei in Paris, die hierfür eine entsprechende Ursache angeben können. Ich selber habe jedoch vieles über diese Brechungen erklärt.

KAPITEL 33 Über die Vervielfältigung durch reflektierte Strahlen [ 175]

[ 176]

Anschließend bin ich zu einer anderen Wurzel der Erkenntnis der Dinge übergegangen, nämlich zur Betrachtung der Vervielfältigung der Kräfte der Agenzien durch reflektierte Strahlen.231 Denn die species eines Dinges wird nicht zurückgestoßen, weil sie kein Körper ist. Doch wenn sie auf etwas Dichtes trifft und sich nicht darüber hinaus vervielfältigen kann, vervielfältigt sie sich in dem Teil, in dem es ihr möglich ist. Das bedeutet, dass sie zu dem Teil, von dem sie kommt, zurückkehrt, wenn sie rechtwinklig reflektiert wird; oder zur Flanke jenes Teils hin, wenn die Reflexion in schiefen Winkeln stattfindet. Jede von diesen beiden [Reflexionen] ist für die Werke der Natur notwendig, wie wir mit Hilfe des Sehsinns sehen. Denn durch einen Spiegel findet eine Reflexion der sichtbaren species zu uns hin statt: Das Auge sieht sich selbst durch einen rechtwinklig reflektierten Strahl, und es sieht andere Dinge durch Strahlen, die in schiefen Winkeln reflektiert werden. Diese Reflexion findet auf verschiedene Arten statt: Wenn [die Strahlen] von einer ebenen Oberfläche zurückgeworfen werden,

230

[ 177]

Teil I

rico, tunc omnes cadentes in unam circulationem circa axem sphaerae reflectuntur in punctum unum, et congregantur per hunc modum, et fit combustio levium combustibilium, sicut per fractionem superius dictam, et fortior. Unde vulgatum est quod speculo concavo ad solem posito ignis accenditur, cujus demonstrationem et figurationem transcripsi. Si iterum fiat reflexio radiorum solarium in fervido tempore a superficie ovalis figurae vel annularis, possunt congregari omnes radii, qui cadunt in totam superficiem corporis specularis; et tunc, quia infinities infiniti radii congregantur, potest fieri combustio cujuscunque combustibilis, ut ligna comburantur, et lapides calcinentur, et metalla fundantur. Et hoc est unum de ultima et maxima potestate geometricae; prae­ cipue cum poterit fieri haec combustio in omni distantia quam volumus, ut omnis1 exercitus contrarius, et castrum, et civitas infidelium comburantur. Et patet possibilitas hujus rei, quia ubi pauci radii per fractionem, vel per speculum sphaericum congregantur, accidit combustio sensibilis, ut videmus. Ergo ubi infinities infiniti possunt congregari, fiet combustio completa. Et hoc docent auctores certi, et testantur possibilitatem hujus rei. Et jam per Dei gratiam factum est hoc speculum per sapientissimum Latinorum.

1  ut omnis ]  om. Ti.

KAPITEL 33

[ 177]

231

wird jeweils ein Strahl auf jeweils einen Punkt reflektiert; werden sie jedoch von einer konkaven Kugeloberfläche zurückgeworfen, werden alle Strahlen in einem Umlauf entlang der Kugelachse in einem Punkt reflektiert und auf diese Weise gebündelt. Dadurch können leicht entzündliche Gegenstände ebenso wie bei der Brechung, von der ich weiter oben gesprochen hatte, in Brand gesetzt werden, jedoch stärker: so ist bekannt, dass ein konkaver Spiegel, der gegen die Sonne gesetzt wird, Feuer entzünden kann, wofür ich den Beweis und den Verlauf übertragen habe. Wenn solch eine Reflexion der Sonnenstrahlen zu einer heißen Zeit des Jahres von ­einem ovalen oder ringförmigen Spiegel aus stattfindet, können sich alle Strahlen, die von der Oberfläche des Spiegels zurückgeworfen werden, [in einem Punkt] sammeln. Da auf diese Weise unendlich viele Strahlen gebündelt werden, kann jede brennbare Sache in Brand gesetzt werden. So kann Holz verbrannt, Steine kalziniert und Metalle geschmolzen werden. Dies ist eine der letzten und größten Stärken der Geometrie – ganz besonders, weil man diese Verbrennung aus jeder beliebigen Entfernung stattfinden lassen kann. Derart können jedes gegnerische Heer, jedes feindliche Lager und jede Stadt der Ungläubigen verbrannt werden. Dass diese Verbrennung möglich ist, ist ganz deutlich, da, wie wir sehen, überall dort, wo auch nur wenige Strahlen durch Brechung oder durch einen runden Spiegel gesammelt werden, schon eine wahrnehmbare Verbrennung stattfindet. Wo sich unendlich viele Strahlen sammeln können, kommt es also zu einer vollständigen Verbrennung. Das lehren verlässliche Autoritäten, durch die uns die Möglichkeit dieser Sache belegt ist. Und durch die Gnade Gottes ist solch ein Spiegel sogar schon von dem Weisesten aller Lateiner [Peter von Maricourt] hergestellt worden.232

Teil I

232

CAPITULUM XXXIV. [ 178]

[ 179]

Quarta radix est magis utilis mundo, ac mirabilior, quantum ad utilitates publicas, sine quibus homines et mundus durare non possunt, nec sciri. Et est ista multiplicatio super lineas accidentales, quae non veniunt ab agentibus, sed a radiis principalibus, rectis, fractis, et reflexis. Non enim possumus semper exponi radiis principalibus stellarum, nec rerum aliarum; neque etiam animalia et planetae, quia sic omnia viva morerentur. Et ideo natura temperavit actiones suas per hujusmodi multiplicationes accidentales, sicut est multiplicatio lucis per totam domum a radio principali, qui cadit per fenestram, vel qui extra est in aere. Et haec multiplicatio facit quod homo existens in profundo loco, ut in profundo putei, vel alicujus foveae profundae, videret stellas de die clarissima, quod non faceret in superficie putei, quia superius existens lumen solis principale occultat lumen stellarum. Sed in fundo putei venit lumen solis accidentale, et non principale. Sed lumen stellarum principale descendit in puteum, et non potest occultari per lumen accidentale solis; fortius enim est lumen tale stellarum quam lux accidentalis solis; sed fortius lumen occultat semper a visu debilius. Et quinto modo super lineam flexuosam fit multiplicatio in nervis sensuum, supra leges naturae, secundum tortuositatem nervi, et non sequuntur1 leges multiplicationis, quae fit in mundi corporibus. Unde species in medio animato, quod est humor in nervo

1  sequuntur ]  sequitur, B.

KAPITEL 34

233

KAPITEL 34 Über die Vervielfältigung entlang akzidentieller Nebenlinien [ 178]

[ 179]

Die vierte Wurzel ist für die Welt am nützlichsten und am wunderbarsten, jedenfalls wenn man vom öffentlichen Nutzen ausgeht, ohne den die Menschen und die Welt nicht bestehen und die Menschen nichts wissen könnten: Dies ist die Vervielfältigung entlang akzidentieller Nebenlinien233, die nicht von den Agenzien, sondern von geraden, gebrochenen oder reflektierten Hauptstrahlen ausgehen. Denn wir können nicht immer den Hauptstrahlen der Sterne oder anderer Dinge ausgesetzt sein. Dasselbe gilt auch für Tiere und Planeten, weil dann alles Lebendige sterben würde. Daher hat die Natur ihre Tätigkeiten durch diese Art von akzidentiellen Strahlen gemäßigt, die zum Beispiel bei der Vervielfältigung von Licht von einem Hauptstrahl ausgehend auftreten, das durch ein Fenster fallend den ganzen Innenraum eines Hauses erleuchtet oder das draußen in der Luft ist. Diese Vervielfältigung sorgt auch dafür, dass ein Mensch, der sich in einem tiefen Ort – wie etwa einem Brunnen oder einer Grube – befindet, die Sterne an einem klaren Tag sehen kann, die oberhalb des Brunnens nicht sichtbar sind, weil das Hauptlicht der Sonne das Licht der Sterne an der Erdoberfläche verdeckt. Doch auf den Boden des Brunnens reicht nur das akzidentielle Licht der Sonne, nicht deren Hauptlicht. Das Hauptlicht der Sterne hingegen dringt auf den Grund des Brunnens und kann nicht durch das akzidentielle Licht der Sonne überdeckt werden. Denn dieses Licht der Sterne ist stärker als das akzidentielle Licht der Sonne; und das stärkere Licht verdrängt immer das schwächere aus dem Gesichtsfeld. Auf eine fünfte Weise verläuft die Vervielfältigung in den Sinnesnerven auf gekrümmten Linien entlang der gewundenen Nervenbahnen.234 Diese Vervielfältigung übersteigt die normalen Vorgänge in der Natur und folgt daher nicht den üblichen Gesetzen der Vervielfältigungen in der körperlichen Welt. In diesem Fall weicht die species in einem beseelten Lebewesen aufgrund der

234

Teil I

sensitivo, derelinquit incessum rectum, et vadit per leges supra naturam, secundum quod necesse est opera animae perfici. Et qui hoc nescit, non potest dare causas de visu, et auditu, et olfactu, et gustu, et tactu.

CAPITULUM XXXV. [180]

[181]

Postea texui multiplicationes secundum1 figuras, et ibi majora inveniuntur quam in praecedentibus, et longe plura. ­Principalis ­tamen figura in multiplicatione est duplex: una est quantum ad diffusionem multiplicationis, et haec est sphaera: quia2 omne agens fit centrum suae multiplicationis undique fiendae, secundum omnes diametros, ut patet ad sensum. Sed figura, quae maxime competit fortitudini multiplicationis, est pyramis rotunda. Nam per eam solam potest species venire a tota superficie agentis ad singula puncta patientis, ut fortissima fiat virtutis diffusio. Et isti multiplicationi figuratae multae veritates praeclarae sunt annexae: scilicet, quod multiplicatio non potest fieri in spatium ­vacuum, et quod non potest fieri in spatium infinitum, et quod non fiat in instanti, ut apparet, sed in tempore; de quo est maxima quaestio, quia videtur quod Aristoteles velit quod sit3 in instanti, et multi alii auctores. Sed omnia solvuntur. Et quod haec multiplicatio lucis in medio non sit corpus, cujus contrarium dixerunt multi, roborantes eorum positionem per

1  Postea … secundum ]  Postea texui secundum, Ti. L. 2  quia ]  quoniam, Ti. 3  sit ]  om. Ti. B. L.

KAPITEL 35

235

Feuchtigkeit in den Sinnesnerven von ihrem geradlinigen Weg ab und bewegt sich über den Gesetzen der Natur – was notwendig ist, damit die Werke des Geistes ausgeführt werden können. Wer das nicht weiß, kann die Gründe für das Sehen, das Hören, das Riechen, das Schmecken und das Tasten nicht angeben.

KAPITEL 35 Über die Ausbreitung der species [180]

[181]

Dann habe ich die Vervielfältigungen [der species] durch Figuren dargestellt.235 An dieser Stelle findet sich Wichtigeres und weit mehr als in den vorangegangenen [Kapiteln]. Es gibt hauptsächlich zwei Figuren, die für die Vervielfältigung geeignet sind: die eine Figur ist für die Ausbreitung der Vervielfältigung wichtig, nämlich die Kugel. Denn jedes Agens bildet den Mittelpunkt der Vervielfältigung seiner species in alle Richtungen entlang sämtlicher von ihm ausgehenden Durchmesser, wie durch unsere Sinne deutlich wird. Doch die Figur, die am meisten für die Kraft der Vervielfältigung geeignet ist, ist der Kegel. Denn nur durch die Kegelform kann eine species von der gesamten Oberfläche eines Agens zu einem einzelnen Punkt der Oberfläche eines Dinges, auf das sie trifft, gelangen, sodass die Kraft der Ausbreitung am stärksten ist. Mit der Darstellung dieser Figuren bei der Vervielfältigung sind viele wichtige Wahrheiten verbunden: zum Beispiel, dass eine Vervielfältigung nicht in einem leeren und nicht in einem unendlichen Raum stattfinden kann; und dass sich eine species nicht – wie es uns erscheint – augenblicklich, sondern in einer gewissen Zeitdauer ausbreitet. Das ist die größte Frage [maxima quaestio], weil es scheint, dass Aristoteles236 und viele andere Autoren eine augenblickliche Ausbreitung befürworten. Doch das alles ist nun ­gelöst. Weiterhin [habe ich erklärt], dass die Vervielfältigung des Lichts in einem Medium unkörperlich stattfindet. Viele haben nämlich – gestärkt durch die Behauptung des Augustinus237, dass das Licht

236

Teil I

Augusti­num dicentem quod lux est corpus, et per Aristotelem dicentem quod tres sunt species ignis, carbo, flamma, et lux. Et est gravis quaestio de hoc. Et quod species lucis in medio sit accidens verum, et omnis species accidentis sit accidens, et species substantiae sit substantia, quod totum vulgus negat; et quod species universalis sit universale, et species singularis sit singulare, quod nullus considerat; et quod species rei corporalis habeat esse corporale et materiale in medio et in sensu, et non esse spirituale, quamvis totum vulgus hoc dicat1.

CAPITULUM XXXVI. [182]

Sed de actione virtutum maxima est consideratio, et melior quam de multiplicatione et generatione. Nam finis et utilitas completa virtutum agentium est actio. Sed considerandum est quod est actio univoca2, ut lux generat lucem: et haec est multiplicatio speciei. Alia est aequivoka, ut lux generat calorem et vitam, et in contrarium, putrefactionem et mortem; et infinita talia, quae sunt alterius naturae a luce. Et sic loquor hic principaliter de actione. Nam per hujusmodi actionem fit generatio, et corruptio, et omnis alteratio in hoc mundo, tam in coelestibus quam in3 aliis. Et hic dantur canones de omni actione forti ac debili; et ostenditur per

1  hoc dicat ]  dicat hoc, B. 2  quod est actio univoca ]  quod actio una est univoca, U. 3  in ]  om. Ti.

KAPITEL 36

237

körperlich sei, sowie durch Aristoteles238, der sagt, dass es drei ­species des Feuers gebe: nämlich Kohle, Flamme und Licht – eine gegenteilige Position vertreten. Auch das ist in der Tat eine äußerst schwierige Frage. Zudem habe ich erklärt, dass die species des Lichts, die sich in einem Medium ausbreitet, in Wahrheit ein Akzidens ist, und dass jede species eines Akzidens selbst ein Akzidens ist, ebenso wie die species einer Substanz eine Substanz ist, was die ganze Menge stets bestreitet; und dass die species einer Universalie selbst eine Universalie ist, ebenso wie die species eines Einzeldinges ein Einzelding ist, was keiner bedenkt. [Außerdem habe ich bewiesen], dass die species eines Körpers in einem Medium und in der Wahrnehmung nicht ein geistiges, sondern ein körperliches und materielles Sein haben muss, auch wenn die ganze Menge das [Gegenteil] behauptet.

KAPITEL 36 Über die Wirkungsweise der species [182]

Doch die wichtigste Überlegung betrifft die Wirkungsweise [­actio] der Kräfte, über die man noch besser nachdenken muss als über ihre Vervielfältigung und ihre Entstehung. Denn das Ziel und der vollständige Nutzen der Kräfte der Agenzien bestehen in ihrer Wirkungsweise. Zu bedenken ist auch, dass es eine univoke Wirkungsweise gibt, so wie Licht Licht hervorbringt: das geschieht durch die Vervielfältigung der species. Die andere Wirkungsweise ist äquivok, so wie das Licht einerseits Hitze und Leben entstehen lässt, andererseits aber auch Fäulnis und Tod. Weiterhin gibt es unzählige weitere Wirkungsweisen, die von einer anderen Natur des Lichts bewirkt werden. Derartig spreche ich prinzipiell von der Wirkungsweise. Denn durch eine derartige Wirkungsweise findet jede Entstehung, Zerstörung und jede andere Veränderung in dieser Welt statt, sowohl in den Himmelssphären als auch in den anderen [Teilen der Welt]. So werden Regeln für jede starke und schwache Wirkungsweise angegeben239: Es wird mit Hilfe von geo-

238

[183]

Teil I

geometricas demonstrationes, quod actio est fortior super lineam rectam, quam super fractam vel reflexam; et quod actio super lineam rectam, ad angulos aequales, sit fortior actione ad angulos inaequales; et quod fortior est actio per speciem fractam quam reflexam; et quod illa fractio, quae est inter incessum rectum et perpendicularem ducendam a loco fractionis, sit fortior; et duplex fractio est fortis nimis, et inducit violentam actionem; et quod reflexio ad angulos aequales sit debilior quantum est de natura reflexionis, licet quantum ad aequalitatem angulorum; et quia ibi geminantur in eodem loco radius incidens et reflexus, sit1 haec reflexio fortior. Sed et fortior est reflexio a concava superficie quam a plana; et ab ovali vel annulari fortissima. Nam in hoc ostenditur specialiter bonitas naturae, ut dicit auctor libri de speculis comburentibus. Etiam tetigi superius quod hoc genus congregationis fieri pot­ est per reflexionem, et quod jam speculum factum est tanquam exemplar quoddam et indicium hujus miraculi naturae, ut possibilitas tanti operis videatur. Sed cum magnis expensis et laboribus factum est: nam artifex damnificatus est in centum libris Parisiensibus, et pluribus annis laboravit, dimittens studium et alias occupationes necessarias. Sed tamen pro mille marcis non vellet neglexisse laborem, tum propter sapientiae potestatem pulcherrimam, quam percepit, tum propter hoc quod de caetero potest facere meliora et paucioribus expensis: quia per experientiam didicit quae prius nescivit. Nec mirum si tantum expendit et tantum laboravit in primo opere, quia nunquam aliquis Latinorum scivit hoc attentare ante ipsum; et mirum est quod ausus est aggredi

1  sit ]  fit, Ti.

KAPITEL 36

[183]

239

metrischen Beweisen gezeigt, dass die Wirkung einer geradlinigen Bewegung stärker ist als die Wirkung entlang von gebrochenen oder reflektierten Linien; und dass die Wirkung einer Bewegung entlang einer geraden Linie bei gleichen Winkeln stärker ist als die einer Bewegung bei ungleichen Winkeln; und dass eine Wirkung durch eine gebrochene species stärker ist als die einer reflektierten species. [Weiterhin wird gezeigt], dass eine Brechung, die zwischen einer geraden Linie und ihrer Senkrechten stattfindet, stärker ist; und dass eine doppelte Brechung noch stärker ist und mit aller Kraft zu einer Wirkung führt. Und dass eine Reflexion bei gleichen Winkeln schwächer ist, insofern es die Natur der Reflexion betrifft, dass heißt, sofern sie bei gleichen Winkeln stattfindet; und dass die Reflexion stärker ist, wenn an demselben Ort der eintretende und reflektierte Strahl verdoppelt werden. [Außerdem wird erklärt], dass eine Reflexion an einer gebogenen Oberfläche stärker als an einer ebenen Oberfläche ist; und dass sie auf einer ovalen oder ringförmigen Oberfläche am stärksten ist. Denn hierin zeigt sich die Vortrefflichkeit der Natur ganz besonders, wie der Autor des Buches Über Brennspiegel schreibt. Ich habe weiter oben schon erwähnt, dass diese Bündelung [von Strahlen] durch Reflexion erreicht werden kann und dass ein Spiegel hergestellt worden ist 240, ein Beispiel für dieses Wunder der Natur, sodass die Möglichkeit solch eines Werkes offensichtlich ist. Dieser Spiegel ist mit viel Arbeit und hohen Ausgaben entstanden, denn sein Hersteller hatte einen Verlust von 100 Pariser Pfund und musste viele Jahre daran arbeiten, weswegen er das Studium und andere notwendige Dinge vernachlässigt hat. Dennoch möchte er auch für 1000 Mark die Arbeit nicht missen, sowohl wegen der herrlichen Macht der Weisheit, derer er teilhaftig wurde, als auch wegen der Möglichkeit, in Zukunft noch Besseres mit geringeren Kosten erreichen zu können. Denn er hat durch Erfahrung gelernt, was er zuvor nicht gewusst hatte. Es ist auch kein Wunder, dass er so viel dafür ausgeben musste und so lange an diesem ersten Werk gearbeitet hat, weil noch niemals ein Lateiner vor ihm gewusst hat, wie man solches erreichen kann. Ein Wunder ist es

240

[184]

Teil I

tam ignotum et tam arduum negotium. Sed sapientissimus est, et nihil ei difficile est, nisi propter defectum expensarum. Certe si duodecim talia specula haberent Aconenses, et illi1 qui sunt ultra mare Christiani, ipsi sine effusione sanguinis pellerent Saracenos de finibus eorum; nec oporteret2 dominum regem Franciae cum exercitu transire pro illa terra aquirenda. Et quando ibit, plus valeret ei habere illum magistrum cum duobus aliis, quam majorem partem exercitus sui, ne dicam totum exercitum. Quia non solum possunt haec specula fieri, sed multa longe majora, quibus Alexander, de consilio Aristotelis, mundum non armorum potentia, sed operibus sapientiae prostravit; de quibus postea tangam suo loco. Et non credo quod Aristoteles plus scivit quam sciunt aliqui sapientes simul congregati. Non dico quin scivit plura quolibet per se, sed aliquot simul juncti plura facerent quam ipse fecit, si expensas sufficientes haberent. Postea de actione secundum figuras additum est, et ostensum quod figura pyramidalis est melior, et praecipue illa, cujus basis est superficies agentis; et maxime pyramis brevior, quamvis multae rationes efficaces in contrarium habeantur; sed veritas praevalet. Sic in summa tetigi intentionem istius partis philosophiae nobilissimae, quae tamen tota ignoratur a vulgo. Necdum edita est scriptura super hac inter Latinos, nisi quod ego vestrae gloriae trans­ misi. Nam in opere primo posui multa de hac materia. Et praeter

1  illi ]  om. Ti. 2  oporteret ]  oportet, Ti.

KAPITEL 36

[184]

241

jedoch, dass er es gewagt hat, sich an ein solch unbekanntes und beschwerliches Werk zu machen. Doch er ist der weiseste Mann von allen, für den – bis auf den Mangel an Geldmitteln – nichts schwierig ist. Sicher könnten die Bewohner von Akkon und die anderen Christen, die sich jenseits des Meeres befinden, die Sarazenen ohne Blutvergießen von ihren Grenzen vertreiben, wenn sie zwölf solcher Spiegel hätten; und es gäbe keine Notwendigkeit für den König von Frankreich, mit einem Heer überzusetzen, um dieses Land einzunehmen. Wenn er dorthin geht, wäre es viel nützlicher für ihn, einen solchen Magister und zwei weitere [Personen dieser Art] bei sich zu haben, als den größten Teil seines Heeres, um nicht zu sagen sein ganzes Heer. Denn es könnten nicht nur diese Spiegel, sondern noch viel größere Dinge hergestellt werden, mit denen Alexander auf Anraten des Aristoteles die Welt nicht mit Waffengewalt, sondern mit Hilfe der Werke der Weisheit unterworfen hat, worüber ich weiter unten am dafür geeigneten Ort noch sprechen werde.241 Ich denke aber nicht, dass Aristoteles mehr wusste als die heutigen Weisen, wenn sie sich gleichzeitig zusammen­schließen würden. Ich sage damit nicht, dass er nicht mehr wusste als jemand für sich allein genommen, doch ich meine, dass mehrere [Weise], die sich zusammenschließen, mehr erreichen könnten als Aristoteles, wenn sie die ausreichenden finan­zi­ ellen Mittel hätten. Daraufhin ist noch einiges über die Wirkungen anhand verschiedener Figuren hinzugefügt worden.242 Es wurde gezeigt, dass die Kegelform am geeignetsten ist, vor allem jene, deren Basis direkt von der Oberfläche eines Agens ausgeht. Das gilt vor allem für den kurzen Kegel, auch wenn viele dagegensprechende Gründe zu haben scheinen – doch die Wahrheit siegt. So habe ich den ganzen Inhalt dieses höchst edlen Teils der Philosophie zusammenfassend behandelt, der dennoch der Menge vollkommen unbekannt ist. Daher gibt es bisher zu diesem Thema bei den Lateinern noch keine schriftliche Abhandlung bis auf diejenige, die ich Eurer Herrlichkeit geschickt habe. Denn in meinem ersten Werk habe ich über dieses Thema vieles geschrieben und Euch dazu zu-

242

Teil I

hoc, misi tractatum specialem de hoc negotio ex propositu editum. Et hic plus habebitis in scriptis quam posset de facili aestimari. Et per haec poteritis1 omnem hominem philosophantem examinare, et cum quolibet sapientissimo competenter conferre. Et per haec aperta est via sciendi omnia, quae sunt in hoc mundo; in omni scilicet actione, sive in visum, sive in auditum, sive in tactum, sive in alios sensus, sive in intellectum, sive in totam mundi hujus materiam. Et per hanc viam sciatur2 illa scientia magnifica, quae perspectiva vocatur; nec aliter potest sciri.

CAPITULUM XXXVII. [185]

Deinde postea applico has radices sapientiae geometricae ad res istius mundi, quomodo in coelestibus currunt hi canones actionum. Inter quae nunc memoriam facio de aliquibus: scilicet, quod orbis ignis non est lucidus in sphaera sua, sed nec orbes coelestes, nisi in locis stellarum; quia omne lucidum est densum ad quod visus terminatur; et isti orbes sunt rari, quod visus penetrat. Unde ignis de sua natura prima non lucet, ut aestimatur a vulgo; atque cum idem vulgus philosophantium et theologorum dicat quod stella non differt3 ab orbe, nisi per majorem aggregationem et minorem lucis, falsum est, quia sola stella lucet, ut probo. Et tamen Platonici et Augustinus videntur sapere, et multi, quod coelum et stellae sunt ignae naturae, et quod sphaera ignis revolutum sphae­ rice facit coelum, ut Magister in Historiis et alii recitant. Istud

1  poteritis ]  om. Ti. 2  sciatur ]  scitur, Ti. 3  differt ]  differat, Ti.

KAPITEL 37

243

dem noch eine spezielle Abhandlung geschickt.243 Auf diese Weise werdet Ihr mehr hierüber Verschriftlichtes haben, als man einschätzen kann. Mit Hilfe dieser Schriften werdet Ihr jeden philosophierenden Menschen prüfen und Euch mit jedem Weisen fachmännisch austauschen können. Denn durch diese Werke liegt die Straße offen vor Euch, auf der man alles über die Welt wissen kann: nämlich über jede Tätigkeit, sei es über das Sehen, das Hören, das Tasten oder über die anderen Sinne; sei es über den Verstand, sei es über jeden Stoff dieser Welt. Auf diesem Weg wird jene herr­liche Wissenschaft erkannt, die Perspektivik genannt wird; und auf andere Art kann man sie nicht kennen.

KAPITEL 37 Über Astronomie und Geographie [185]

Danach wende ich die Wurzeln der geometrischen Weisheit auf die Dinge dieser Welt an und zeige, auf welche Weise die Phänomene des Himmels sich mit Hilfe dieser Regeln beschreiben lassen.244 Ich möchte hier nur einige aus dem Gedächtnis erwähnen: dass der Feuerhimmel ebenso wie die anderen Sphären nicht in seiner eigenen Sphäre leuchtet, außer an den Orten, an denen sich Sterne befinden. Denn alles Leuchtende muss eine gewisse Dichte haben, die unseren Blick begrenzt, jene Sphären sind jedoch dünn, da der Sehsinn sie durchdringt. Daher leuchtet das Feuer seiner ersten Natur nach nicht, auch wenn die Menge das denkt. Wenn dieselbe Menge der Philosophen und Theologen zudem sagt, dass ein Stern sich nur durch eine größere bzw. geringere Verdichtung des Lichts von der Sphäre [in der er sich befindet] unterscheidet, ist das doch falsch, weil (wie ich zeige) nur der Stern selbst leuchtet. Trotzdem scheinen die Platoniker sowie Augustinus245 und viele andere zu meinen, dass der Himmel und die Sterne von feuriger Natur sind, und dass die feurige Sphäre durch beständige Kreisbewegung den Himmel erschafft, wie der Magister der Historien 246 und viele andere schreiben. Doch das ist absolut nicht der Fall:

244

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Teil I

nihil est; nam per fractiones radiorum in sphaera ignis patet quod sit alterius naturae et aliud corpus a coelo. Et per hoc, quod fractio fit inter incessum rectum et perpendicularem ductam a loco fractionis, patet quod corpus ignis sit densius quam coelum. Et instrumenta radiorum, quae fiunt ad hoc, docent istud, sicut ipsemet probavi. Et cum dicunt omnes quod lux, quae a luna venit, sit lux solis reflexa a superficie lunae, propter hoc quod dicitur in libro De Proprietatibus Elementorum, quod sol est sicut candela et luna sicut speculum, ostenditur, per aequalitatem angulorum incidentiae et reflexionis, quod lux illa non est reflexa, sed propria lux lunae, quae tamen per virtutum solis educta est in corpore lunae de potentia materiae. Et haec est sententia Averrois super secundum ­librum Coeli et Mundi. Et in his potest vestra celsitudo1 conferre cum omnibus sapientibus, et reprobare quod vulgus theologorum et philosophantium dicunt in hac parte. Postea fit longe major et pulchrior consideratio de locis mundi, scilicet de partibus habitabilibus per multiplicationes radiorum, quantum scilicet potest habitari propter calorem, et quantum propter frigus, et quantum non. Et investigantur complexiones omnium locorum mundi principalium, per quae potest sciri de aliis; et invenitur quod loca sub polis mundi quaedam sunt inhabitabilia propter frigus, quaedam propter calorem, quaedam sunt2 temperatissima; cum tamen Ptolemaeus, et fere omnes auctores, et totum vulgus philosophantium dicat, quod omnia loca sub polis mundi sunt inhabitabilia propter frigus. Sed ostendo per Aristotelem quod

1  potest vestra celsitudo ]  vestra celsitudo potest, Ti. 2  sunt ]  om. Ti.

KAPITEL 37

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[187]

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Denn anhand der Brechungen der Strahlen der feurigen Sphäre lässt sich sehen, dass sie von einer anderen Natur und von anderer Körperlichkeit sein muss als der Himmel. Außerdem wird aus der Tatsache, dass ein Strahl zwischen dem geraden Eintritt und der Senkrechten vom Ort der Brechung ausgehend gebrochen wird, ganz deutlich, dass ein feuriger Körper dichter als der Himmel sein muss. Das lehren auch die existierenden Instrumente für die Strahlenberechnung, wie ich es selbst geprüft habe. Während ferner alle sagen, dass das vom Mond herkommende Licht das Licht der Sonne sei, das an der Mondoberfläche reflektiert werde – weil im Buch Über die Eigenschaften der Elemente 247 gesagt wird, dass die Sonne wie eine Kerze und der Mond wie ein Spiegel ist –, kann durch die Ähnlichkeit der Eintritts- und der Brechungswinkel gezeigt werden, dass jenes Licht kein reflektiertes Licht von der Sonne ist, sondern ein dem Mond eigenes Licht, das durch die Kraft der Sonne im Mondkörper aus der Potenz der Materie hervorgebracht wird. Das ist auch die Ansicht von Averroes in seinem Kommentar zum zweiten Buch Vom Himmel und von der Welt 248. Eure Erhabenheit kann darüber nun mit allen Weisen sprechen und das zurückweisen, was die Menge der Theologen und Philosophen hierzu sagt. Darauf folgt eine weit längere und noch schönere Betrachtung der Orte dieser Welt: also ihrer bewohnbaren Teile, soweit sie aufgrund der Vervielfältigung der Strahlen bewohnbar sind – das heißt, soweit man in bestimmten Gebieten aufgrund der Wärme bzw. der Kälte leben kann und in welchen Gebieten das nicht möglich ist.249 Es werden dort weiterhin alle grundlegenden Mischungen der Orte auf der Erde gezeigt, von denen aus man auch auf andere Dinge schließen kann. Es wird zudem darauf eingegangen, welche Orte jenseits des Pols wegen Kälte unbewohnbar sind, welche Orte wegen Hitze nicht bewohnt werden können und welche Orte ein ausgeglichenes Klima haben. Denn Ptolemäus sowie fast alle anderen Autoren und die Menge der Philosophen sagen zwar, dass alle Orte unterhalb des Erdpols wegen Kälte unbewohnbar sind, doch ich zeige mit Aristoteles250, dass es dort auch ver-

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Teil I

ibi sunt loca combusta; et per Plinium quod sint loca temperatissima; et assigno causas istarum contrarietatum: et radiorum multiplicatio secundum figuras et lineas hic specialiter operatur. Nam propter pyramides radiorum longiores, et propter reflexiones diversas, accidit, cum aliis causis, haec mirabilis varietas, sicut ostendi. Et invenitur quod loca in medio mundi, sub aequinoctiali circulo, ubi maxime currit sol, sunt temperata, quod est contra vulgus; et etiam sapientes aliqui rationabiliter dubitant. Nam ibi bis in anno cadunt radii recti, et ad angulos rectos, et non franguntur, et reflectuntur in se, propter quod geminantur, et pyramides breviores ibi accidunt, quae omnia sunt causa combustionis. Sed quia fortiores causae sunt in contrarium, ideo succumbunt hae rationes. Et sapientes multi aestimant quod haec loca sint temperatissima. Nam Avicenna hoc dicit in decimo De Animalibus et in primo Artis Medicinae. Sed si sol habet excentricum, sicut omnes mathematici fatentur, non videtur mihi1 quod hoc potest stare, propter rationem quam explico. Et elevatur consideratio haec ad locum paradisi, et ponitur sententia theologorum, fundata super positionem Avicennae, quae ratio dubia est, sicut suum fundamentum. Ex his locis potest vestra sapientia invenire virtutes magnificas et electas, valde ignoratas a vulgo, et a paucis sapientibus notas. Cognitio vero locorum mundi est nobilis secundum se, sed nobilior propter notitiam rerum, quia locus est principium generationis. Secundum enim diversitatem

1  mihi ]  om. Ti.

KAPITEL 37

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brannte Orte gibt; und mit Plinius251 zeige ich, dass dort auch Orte mit äußerst gemäßigtem Klima liegen. Ich gebe sogar die Gründe für diese Widersprüche an, wobei die Vervielfältigung der Strahlen durch [geometrische] Figuren und Linien in meiner Argumentation eine besondere Rolle spielt. Denn wie ich gezeigt habe, kommt diese wunderbare Vielfalt unter anderem wegen der pyramidenförmigen Ausbreitung der Strahlen und der verschiedenen Reflexionen zustande. Es wird auch herausgefunden, dass die Orte in der Mitte der Welt unterhalb des Äquators, wo die Sonne am stärksten scheint, gemäßigt sind – was der Meinung der Menge widerspricht und was sogar einige weise Menschen mit vernünftigen Gründen bezweifeln. Denn [sie geben zu bedenken], dass die Strahlen [der Sonne] dort zweimal im Jahr geradlinig und senkrecht auf die Erde einfallen und nicht gebrochen, sondern reflektiert werden, weshalb sie sich verdoppeln und in kurzer Kegelform auftreten: was der Grund für die Verbrennung ist. Weil es für das Gegenteil bessere Gründe gibt, sind diese Überlegungen jedoch nicht stichhaltig. Zudem sind viele Weise der Ansicht, dass diese Orte ein sehr gemäßigtes Klima haben: Avicenna sagt das beispielsweise im zehnten Buch von Über die Tiere 252 und im ersten Buch seiner Medizinischen Kunst 253. Doch wenn die Sonne sich entlang einer exzentrischen Kreisbahn bewegt – wie alle Mathematiker annehmen –, scheint mir diese Ansicht aus Gründen, die ich erkläre, nicht aufrechterhalten werden zu können. Ich weite meine Überlegungen auch auf den Ort des Paradieses254 aus und führe die Aussprüche der Theologen dazu an, die auf der Position Avicennas beruhen, deren Begründung hier jedoch ebenso fraglich ist wie sein Fundament. An diesen Stellen [meiner Schrift] kann Eure Weisheit herrliche und außergewöhnliche Leistungen finden, die der Menge weitestgehend unbekannt sind und die nur wenige Weise kennen. Denn in Wahrheit ist die Kenntnis der Orte auf der Welt für sich selbst zwar schon sehr ehrwürdig; doch noch ehrwürdiger ist sie für die Erkenntnis der Dinge, weil der Ort schließlich die Grundlage ihrer Entstehung ist: denn den unterschiedlichen Mischungen an bestimm-

Teil I

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locorum in complexione diversificantur res in complexionibus, et homines in artibus, et scientiis, et linguis, et negotiis, et moribus, ut videmus oculata fide, secundum diversitatem regionum. Et ideo descendi per multiplicationes radiorum ad diversitatem rerum in complexionibus; et posui radices de hoc in summa, quia non potui ad singula descendere in hac persuasione. Sed tamen unum de famosioribus et maximis exemplis in rebus, et de difficilioribus, scilicet de fluxu et refluxu maris, explicavi1, assignans causam hujus per multiplicationem radiorum, ubi valde pulchra accidit consideratio sapientiae, et toti vulgo ignota; in qua pulchre potestis conferre cum omni sapiente.

CAPITULUM XXXVIII. [189]

Post haec descendo ad causam materialem, et ad ea quae consequuntur2 ad illam. Et cum omnes ponant quod materia sit una numero in omnibus rebus, scilicet, spiritualibus et corporalibus, et in coelestibus, et in elementis, et mixtis et inanimatis, et in anima, et in omnibus; et cum hic sit error pessimus qui unquam fuit3 in4 philosophia positus, ideo aggredior hanc positionem, et hujus­ modi positionis destructio est valde necessaria. Sed quamvis per rationes naturales et metaphysicas possumus hunc errorem eliminare, tamen quia tenorem persuasionis intente sequor, ideo solum pono demonstrationes aliquas geometricas in lineis explicandas. Ostendi etiam quod ex hoc errore sequitur quod materia sit ­aequalis Deo, et sit Deus; et impossibile est has demonstrationes

1  explicavi ]  om. B. L. Ti. 2  consequuntur ]  sequuntur, Ti. 3  fuit ]  sit, Ti. 4  in ]  de, B. L.

KAPITEL 38

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ten Orten entsprechend verändern sich auch die Eigenschaften der Dinge. Ebenso sind die verschiedenen menschlichen Künste, Wissenschaften, Sprachen, Geschäfte und Lebensgewohnheiten augenscheinlich von der Verschiedenheit der Regionen abhängig. Daher bin ich auch von den Vervielfältigungen der Strahlen zu den verschiedenen Mischungen der Dinge übergegangen. Ich habe die Wurzeln [für die verschiedenen Mischungen] jedoch nur im Allgemeinen angegeben, weil ich in dieser Überzeugungsschrift nicht alles im Detail behandeln konnte. Trotzdem habe ich eines der bekanntesten und wichtigsten – und zugleich am schwierigsten zu beschreibenden – Naturphänomene, nämlich Ebbe und Flut des Meeres, dort mit Hilfe der Vervielfältigung der Strahlen behandelt.255 Das ist eine der schönsten Betrachtungen der Weisheit, die der ganzen Menge unbekannt ist und über die Ihr mit jedem Weisen herrliche Gespräche führen könnt.

KAPITEL 38 Über die Einheit der Materie [189]

Danach komme ich zur Materialursache [causa materialis] und den Dingen, die aus ihr folgen.256 Da alle behaupten, dass die Materie in allen Dingen dieselbe sei, das heißt: in geistigen und körperlichen [Dingen], in den Himmelsdingen, in den Elementen, in gemischten und ungemischten [Dingen], in der Seele und in allem sonst, und da das der schlimmste Fehler ist, der in der Philosophie jemals behauptet worden ist, greife ich diese Position an, weil die Zerstörung dieser Position sehr notwendig ist.257 Doch obwohl wir diesen Fehler mit natürlichen und metaphysischen Gründen ausräumen können, stelle ich hier nur einige geometrische Beweise zur Erläuterung vor, die durch Linien erklärt werden, weil ich aufmerksam der Eigenart einer Überzeugungsschrift folge. Ich habe aber gezeigt, dass aus diesem Irrtum folgt, dass die Materie mit Gott identisch sein und daher selbst Gott sein würde.258 Es ist unmöglich, gegen diese Beweise etwas vorzubringen. Denn das ist

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Teil I

impediri. Non solum igitur est error, sed haeresis, quia blasphemiam inducit. Et tamen vulgus studentium in theologia et philosophia hoc affirmant, sed non advertunt inconvenientia quae sequuntur propter hoc, quod jam exemplificatum est per capita vulgi, et per consuetudinem longam firmatum, et celebratum per sensum multitudinis. Sed etsi non sequeretur illud inconveniens theologicum ex hac positione, tamen sequitur ex hoc quod tota veritas rerum creatarum destruitur, et quod impossibile est aliquid sciri de veritate generationis et corruptionis. Nam si materia est una numero, et forma appropriat sibi suam materiam, ut Aristoteles dicit; et certum est quod materia propria requirit formam propriam, et e converso – nam materia asini non potest capere animam rationalem, nec materia hominis animam asini – et ideo si materia est eadem in omnibus secundum essentiam, et forma erit eadem in eis; et ita omnia erunt unum et idem; et angelus sic erit lapis, et homo asinus, et coelum terra, et quidlibet erit quidlibet. Iterum, si quod est accidentale rei variatur in essentia secundum numerum rerum, ut propria passio cujuslibet, sicut risibile hominis, et rudibile asini, et hinnibile equi, multo magis quod est essentiale variabitur1. Cum ergo materia est2 essentialis rei, et magis sine comparatione adhaerens ei quam aliquod accidens, variabitur in essentia secundum numerum rerum compositarum. Iterum si materia est una et eadem in omnibus, tunc in generatione unius rei ex alio, ut ignis ex terra, non fiet nova materia, sed solum forma generabitur. Sed Aristoteles docet et probat septimo

1  quod est essentiale variabitur ]  om. B. L. Ti. 2  est ]  sit, Ti.

KAPITEL 38

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nicht einfach nur ein Irrtum, sondern eine zur Gotteslästerung führende Häresie. Trotzdem bestätigt die Menge der Studierenden der Theologie und der Philosophie diesen Irrtum, ohne auf die aus dieser Position folgenden Unstimmigkeiten zu achten, weil sie bereits von den Häuptern der Menge anerkannt sowie durch lange Gewohnheit gefestigt ist und von der Menge gefeiert wird. Doch selbst wenn jene theologische Unstimmigkeit nicht aus dieser Position folgen würde, würde durch sie doch alle Wahrheit über die geschaffene Welt vernichtet werden, wodurch es unmöglich wäre, etwas Wahres über das Entstehen und Vergehen der geschaffenen Dinge zu wissen. Denn wenn die Materie [in allen Dingen] dieselbe wäre, müsste sie die Form annehmen, die ihr entspricht, wie Aristoteles259 sagt. Es ist also gewiss, dass die [einem Ding] eigene Materie eine eigene Form erfordert und umgekehrt: denn die Materie eines Esels kann nicht eine vernünftige Seele annehmen, und die Materie eines Menschen nicht die Seele eines Esels. Wenn daher die Materie in allen Dingen in ihrem Wesen dieselbe wäre, wäre auch die Form in ihnen dieselbe, woraus folgen würde, dass alle Dinge dasselbe wären: Ein Engel wäre ein Stein, ein Mensch ein Esel, der Himmel die Erde und jedes Beliebige wäre jedes andere Beliebige. Weiterhin: Wenn schon das einem Ding nur akzidentiell Zukommende in den Dingen numerisch verschieden ist – wie die spezifischen Eigenheiten einer jeden Sache, zum Beispiel: das Lachen eines Menschen, das Schreien eines Esels, das Wiehern eines Pferdes usw. –, wird das, was einem Ding essentiell zukommt, in noch viel stärkerem Maße verschieden sein. Da die Materie aber für ein Ding essentiell ist und ihm unvergleich stärker anhaftet als irgendein Akzidenz, muss sie in ihrem Wesen auch in den zusammengesetzten Dingen numerisch verschieden sein. Wenn die Materie also in allen Dingen dieselbe wäre, würde bei der Entstehung einer Sache aus einer anderen – z. B. beim Feuer, das aus der Erde entsteht – keine neue Materie hervorgebracht werden, sondern nur eine Form. Doch Aristoteles lehrt und beweist im siebenten Buch

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Teil I

Metaphysicae quod compositum novum generatur, et non forma tantum. Iterum, sicut substantia composita, quae est genus generalissimum, ideo dicitur tale genus esse respectu compositorum omnium, quae sunt in illo praedicamento, quia praedicatur de omnibus, et est commune omnibus, et dividitur per suas differentias in eis: ut, substantia alia est spiritualis, alia corporalis, alia est coe­ lestis, alia non coelestis, et sic ulterius; et sic forma prima, quae1 praedicatur de omnibus formis, et est communis iis, et dividitur ­eadem divisione per spiritualem et corporalem, et sic ultra usque2 ad specialissimam, habet unitatem generis generalissimi, et non est una numero, nec specie, nec genere subalterno, sed genere3 generalissimo: ergo similiter, cum materia praedicetur de omnibus materiis rerum, et sit eis communis, et dividatur in materias secun­dum divisionem compositi et formae, dicendo quod materia alia est spiritualis, alia est4 corporalis, et paribus passibus sc. descendit, sicut compositum et forma, a generalissimo in specialissima per omnia media; quare manifestum est quod habebit unitatem generis generalissimi. Sed dicetur ad hoc, quod haec divisio materiae non est secundum alietatem veram, sed apparentem, et secundum nomen, quia una est numero, et ideo erit haec divisio solum secundum modum loquendi. Istud deletur sic: si5 ponamus hoc, tunc cum materia haec

1  quae ]  om. Ti. 2  usque ]  om. Ti. 3  genere ]  om. L. Ti. 4  est ]  om. Ti. 5  si ]  nam si, B. L. U.

KAPITEL 38

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seiner Metaphysik 260, dass hier ein neues Zusammengesetztes entsteht und dass sich nicht nur die Form ändert. Weiterhin: Es wird gesagt, dass eine zusammengesetzte Substanz, die eine allgemeinste Gattung [genus generalissimum] ist, auch in Bezug auf alle zusammengesetzten Dinge, die unter diesen Begriff der allgemeinsten Gattung fallen, eben jene allgemeinste Gattung sein muss, da sie schließlich von allen Dingen prädiziert wird und allen Dingen gemeinsam ist. Sie wird daher nur durch ihre spezifischen Unterschiede in die verschiedenen Dinge geteilt: Daher ist eine geistige Substanz eine andere als eine körperliche [Substanz], eine himmlische Substanz eine andere als eine nicht-himmlische [Substanz] usw. So muss es sich dann auch bei der ersten Form verhalten, die von allen Formen prädiziert [praedicatur] wird und die allen gemeinsam ist. Sie wird deswegen durch dieselbe Unterteilung in eine geistige und eine körperliche [Form] geteilt. Und so hat alles bis zur speziellsten Gattung [genus specialissimum] doch eine Einheit in der allgemeinsten Gattung, ist aber dennoch nicht numerisch dasselbe; auch nicht der Art nach oder in einer untergeordneten Gattung, sondern nur in der allgemeinsten Gattung. Ähnliches kann man dann von der Materie sagen: Da die Materie von allen materiellen Dingen prädiziert wird, ihnen allen gemeinsam ist und in die verschiedenen materiellen Dinge durch ihre Zusammensetzung und die Form unterteilt wird, muss man zugeben, dass eine geistige Materie ein andere [Materie] ist als eine körper­ licher Materie. So geht es der Zusammensetzung und der Form entsprechend die verschiedenen Stufen hinab, vom Allgemeinsten bis zum Speziellsten – durch alle Zwischenstufen hindurch. Daher ist offensichtlich, dass sie eine Einheit in der allgemeinsten Gattung haben muss. Doch es wird darauf erwidert, dass diese Einteilung der Materie nicht der wahren Andersheit [alietas] entspricht, sondern nur einer scheinbaren und namentlichen, weil sie doch numerisch dieselbe ist, weshalb diese Unterteilung nur der Sprechweise nach sein wird. Das wird jedoch folgendermaßen widerlegt: Wenn wir dies setzen, dann – da die Materie in diesem Fall die Form der all-

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Teil I

habeat formam generis generalissimi, et fiat substantia quae est genus generalissimum, non1 erit aliqua2 ulterior differentia materiae, nec gradus, licet gradus formae addantur usque ad specialissimam; ut loquamur de substantia, et corpore, non coelesti, et mixto, et animato, et animali, et asino: hic ergo sunt septem gradus formae a generalissimo ad specialissimum, scilicet, forma substantialis, forma corporalis, non coelestis, forma mixti, forma animati, forma animalis, forma asini specifici. Sed a parte materiae non est aliquis gradus, nec differentia, quia una est numero indivisa secundum essentiam suam, ut dicitur, quae recipit formam generis generalissimi, ut formam substantiae. Sed tunc ostendo quod non plus potest capere de forma, nec est in potentia ad alios gradus formae, et ita nunquam generabitur asinus, nec aliqua species specialissima. Nam res generis generalissimi est incorruptibilis et ingenerabilis, quia natura non potest illam corrumpere nec generare, quia praecedit naturam angelicam et coelestem, quae sunt incorruptibiles et ingenerabiles. Sed causa incorruptionis in angelo et coelo3, ut omnes concedunt, est quia forma complet totam potentiam materiae in eis, et appetitum ejus finit: quia potentia ad formam novam et appetitus est causa corruptionis in rebus corruptibilibus, ut omnes sciunt et dicunt. Ergo cum res generis generalissimi sit incorruptibilis, manifestum est quod sua forma complet totam potentiam et appetitum materiae. Ergo non est illa materia in potentia ad ulteriorem formam, nec apta,

1  non ]  tunc non, B. L. U. 2  aliqua ]  alia, Ti. 3  coelo ]  in coelo, Ti.

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gemeinsten Gattung hätte und dadurch zu einer Substanz wird, die eine allgemeinste Gattung ist – wird es keinen darüber hinausgehenden Unterschied der Materie geben. Ebenso wenig wie eine Abstufung, außer wenn [der Materie] eine Abstufung in der Form bis zur besondersten [untersten] Art hinzugefügt werden würde. So sprechen wir von einer Substanz, einem Körper, von ­etwas Nicht-Himmlischem, von etwas Gemischtem, von etwas Beseeltem, von etwas Tierischem und von einem Esel. Das sind sieben Abstufungen der Form vom Allgemeinsten zum Besondersten, nämlich von der Form einer Substanz, der Form eines Körpers, der Form von etwas Nicht-Himmlischem, der Form von etwas Gemischtem, der Form von etwas Beseeltem, der Form von etwas Tierischem bis zur spezifischen Form eines Esels. Doch auf Seiten der Materie gibt es keine Abstufung und keinen Unterschied, da sie in ihrem Wesen numerisch dieselbe ist, wie gesagt wird, der die Form einer allgemeinsten Gattung wie die Form einer Substanz zukommt. Ich zeige aber, dass man dann nichts weiter von der Form erfassen kann und dass sie auch nicht in einer Potenz zu anderen Graden der Form steht. Daher könnte auf diese Weise niemals ein Esel oder irgendeine andere besonderste Art entstehen. Denn das Ding einer allgemeinsten Gattung ist unvergänglich und nicht erzeugbar, weil die Natur es weder zerstören noch hervorbringen kann, da es selbst der engelhaften und himmlischen Natur vorausgeht, die ihrerseits auch unvergänglich und nicht erzeugbar sind. Doch wie alle zugeben, liegt der Grund für die Unvergänglichkeit der Engel und des Himmels darin, dass die Form in ihnen die gesamte Potenz der Materie vervollständigt und das Streben der Materie dadurch zu ihrem Ziel bringt: denn die Potenz und das Streben zu einer neuen Form ist die Ursache für die Vergänglichkeit in den vergänglichen Dingen, wie alle wissen und zugeben. Da ein Ding einer allgemeinsten Gattung unvergänglich wäre, steht es fest, dass seine Form jede Potenz und jedes Streben der Materie vervollständigt. Also steht jene Materie nicht in Potenz zu einer weitergehenden Form und ist nicht an sie gebunden, sondern ihr

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Teil I

sed finietur ejus appetitus in ea. Ergo cessabit generatio rerum, et nihil fiet post rem generis generalissimi in istis rebus inferioribus. Sed quia habent quasdam evasiones falsas, ideo aliquae considerandae sunt. Dicunt enim quod materia, si consideretur secundum essentiam, tunc est una in omnibus; si secundum esse, tunc diversificatur. Sed istud falsum est per rationes dictas, quae concludunt diversitatem in essentia, et penes gradus et differentias. ­Praeterea reprobatur aliter: nam esse est prima passio rei (sicut1 dicit Avicenna in Metaphysica), et illi, qui fingunt hunc errorem, dicunt quod esse est magis essentiale rei quam propria passio; quod ego volo hic audire, sed non alibi, quia falsum est. Sed si sit propria passio, tunc numeratur solum secundum numerationem sui subjecti, ut risibile numeratur secundum numerationem hominis, in ­Socrate et Platone. Ergo secundum numerationem esse ipsius materiae numerabitur essentia materiae2, quae est subjectum illius esse. Si vero est magis essentiale, ut ipsi dicunt, tunc longe fortius sequetur quod illud, cui est essentiale, numerabitur, et ideo essentia haec numerabitur de necessitate. Iterum dicunt quod materia, si3 non esset una numero, tunc esset genus vel species, vel universale vel praedicabile. Sed haec4 abhorrent; quia Aristoteles dicit septimo Metaphysicae, quod materia est alia ab essentia cujuslibet praedicabilis. Sed patet ex serie textus quod praedicabile ibi sumitur5 pro praedicamentali; unde docet ibi

1  sicut ]  ut, Ti. 2  materiae ]  ipsius materiae, Ti. 3  si ]  si materia non, Ti. 4  haec ]  hoc, L. Ti. 5  ibi sumitur ]  sumatur ibi, Ti.

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Streben wird in ihr [bereits] ihr Ziel gefunden haben. Also wird die Entstehung der Dinge aufhören und es wird nach dem Ding [post rem] dieser allgemeinsten Gattung in den unteren Dingen nichts entstehen. Doch weil sie hier gewisse falsche Ausflüchte machen, müssen noch weitere Aspekte in meine Überlegung miteinbezogen werden. Sie sagen nämlich, dass die Materie, wenn sie dem Wesen nach betrachtet wird, in allen Dingen dieselbe ist; wenn sie ihrem Sein nach betrachtet wird, ist sie jedoch verschieden. Das ist aber aus den genannten Gründen falsch, aus welchen sich ergeben hat, dass die Materie ihrem Wesen nach unterschieden ist – und das gilt auch für ihre Abstufungen und Unterschiede. Darüber hinaus wird das noch auf eine weitere Art bestritten: Das Sein [esse] ist die erste Eigenschaft [passio] eines Dinges (wie Avicenna in der Meta­ physik 261 sagt); und jene, die sich diesen Fehler ausdenken, sagen, dass das Sein wesentlicher für ein Ding ist als die erste eigentümliche Eigenschaft [propria passio]. Was ich zwar hier hören muss, aber bitte nirgendwo anders, weil es falsch ist. Doch wenn es die eigentümliche Eigenschaft wäre, würde sie nur entsprechend der Aufzählung ihrer Subjekte gezählt werden, so wie die Fähigkeit des Lachens entsprechend der Aufzählung des Menschen aufgezählt werden würde, wie zum Beispiel Sokrates und Platon. Demnach wird gemäß der Aufzählung des Seins jener Materie auch deren Wesen gezählt, das das Subjekt jenes Seins ist. Wenn es wirklich wesentlicher [magis essentiale] ist – wie sie sagen –, müsste daraus in noch viel stärkerem Maße folgen, dass jenes, dem es wesentlich ist, aufgezählt werden wird, weshalb das Wesen hier notwendig aufgezählt werden wird. Weiterhin behaupten sie, dass die Materie, wenn sie nicht numerisch stets dieselbe wäre, entweder eine Gattung oder eine Art oder eine Universalie oder ein Prädikabile sein müsse. Doch hier irren sie sich, weil Aristoteles im siebenten Buch der Metaphysik 262 sagt, dass die Materie vom Wesen eines jeden Prädikabile verschieden ist. Doch aus dem weiteren Text geht hervor, dass das Prädikabile dort zusammenfassend für die Prädikamente steht, weshalb

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quod materia est alia per essentiam ab omni forma praedicamentali1, ut a forma substantiali, et a2 quantitate, et a qualitate, et sic3 secundum alia praedicamenta; et ideo non sumitur praedicabile pro universali, nec pro eo quod natum sit praedicari de pluribus, sed pro praedicamentali; et est vitium aliquod4 translationis, sicut per totum illum locum invenitur. Similiter ex mala translatione arguunt quod solus actus dividit, ut imponunt Aristoteli in eodem septimo Metaphysicae. Sed forma et actus idem sunt, ut assumunt: ergo sola forma dividit et distinguit res. Sed istud5 nihil est, quoniam non dicit quod solus actus dividat, sed quod actus dividat6; et si de forma intelligatur, tunc hoc dicit propter hoc, quod magis manifesta est divisio per formam quam per7 materiam; quia utraque dividit et distinguit, licet magis manifestetur divisio a parte formae, et licet principaliter dividat, quia potentior et nobilior est in composito quam materia. Et praeterea non sumitur actus ibi8 pro forma, sed pro actualitate, quae opponitur potentiae. Nam actus tripliciter accipitur: uno modo pro forma, secundum quod Aristoteles dicit secundo de Anima, »quod anima est actus corporis«, id est, forma. Actus9 aliter sumitur pro operatione, ab hoc verbo agere dictus, et sic vocatur ab Aristotele ibidem actus secundus. Nam forma est actus primus, et ab ea fit operatio, quae est actus secundus; unde dicit quod anima non est actus secundus, sed primus10. Tertio modo opponitur potentiae, secundum quod dicit saepe, quod actus et potentia sunt opposita. Et sic accipitur pro actualitate, secundum 1  unde … praedicamentali ]  om. Ti. 2  a ]  om. L. Ti. 3  sic ]  om. Ti. 4  aliquod ]  malae, Ti. 5  istud ]  om. Ti. 6  dividat ]  dividit, B. 7  per ]  om. Ti. 8  actus ibi ]  ibi actus, Ti. 9  Actus ]  om. Ti. 10  quae est … primus ]  om. Ti.

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er dort lehrt, dass die Materie in ihrem Wesen von jeder Form der Prädikamente und von jeder Form der Substanz, der Quantität, der Qualität und von allen weiteren Prädikamenten verschieden ist. Daher wird ein Prädikabile dort nicht als Bezeichnung für eine Universalie und ebenso wenig für etwas genommen, das von mehreren [Dingen] ausgesagt werden kann, sondern für die Prädikamente. Hier liegt nämlich ein Übersetzungsfehler vor, der an dieser gesamten Stelle auftritt. Ähnlich behaupten sie auch aufgrund einer schlechten Überset­ zung, dass nur der Akt [solus actus] teilt, was sie Aristoteles in eben jenem siebenten [Buch] der Metaphysik 263 zuschreiben. Doch Form und Akt sind dasselbe, wie sie annehmen: also teilt  und unter­scheidet nur die Form ein Ding. Doch das [Argument] ist bedeutungslos, weil er nicht sagt, dass nur der Akt etwas einteilt, sondern dass der Akt etwas einteilt. Wenn hierunter die Form verstanden werden sollte, sagt er das vor allem deswegen, weil die Einteilung durch die Form offenkundiger ist als die Einteilung durch die Materie. Denn beide teilen und unterscheiden; doch die Einteilung durch die Form ist offenkundiger und grundsätzlicher, weil sie in einem Zusammengesetzten stärker und mächtiger wirkt als die Materie. Zudem wird der Akt dort [bei Aristoteles] nicht für die Form angenommen, sondern für die Verwirklichung [actualitate], die der Potenz [potentiae] entgegengesetzt wird. Denn der Akt wird dreifach verstanden: Auf eine Weise als Form, entsprechend dem, was Aristoteles im zweiten [Buch] von Über die Seele sagt: »dass die Seele der Akt des Körpers ist«264 – also die Form. Auf eine andere Weise wird der Akt als Bezeichnung für eine Tätigkeit genommen und wird auch von dem Verb agere abgeleitet. Diese [Bedeutung] von Akt wird von Aristoteles dort ›zweiter Akt‹ genannt. Denn die Form ist der erste Akt, und von ihr geht die Tätigkeit aus, die der zweite Akt ist, weshalb er auch sagt, dass die Seele kein zweiter, sondern ein erster Akt sei. Auf die dritte Weise wird er der Potenz entgegengesetzt, weil [Aristoteles] oft sagt, dass der Akt und die Potenz entgegengesetzt sind. Das gilt auch für die Verwirklichung:

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Teil I

quod dicimus rem esse in actu, id est actualitate, existendi: secundum quod dicimus quod filius natus est in actu, et filius in semine est in potentia. Sed hoc tertio modo loquitur Aristoteles ibi1 in septimo, cum dicit actus dividit. Nam dicit quod ex duobus in actu non fit unum, nec ex duobus in potentia potest fieri unum2; sed ex duobus, quorum unum est in potentia, et reliquum in actu, fit unum. Et per hoc frangitur eorum Achilles, in quo pro demonstratione confidunt. Nam arguunt sic: »Excludamus per intellectum formam a stella, et a lapide, et a quocunque. Cum igitur forma dividit et distinguit, quia actus dividit, ut Aristoteles dicit, ergo materia hinc inde non habebit quo secundum se differat: quare erit una eadem.« Hic est stultitia infinita. Nam primo fundant se super auctoritatem falso et male intellectam, ut patet ex dictis. Secundo asininant cum quaerunt quomodo materia hinc inde distinguatur. Nam idem argumentum faciam de forma, sic: Excludamus a forma coeli et forma3 lapidis materiam hinc inde; quaero igitur quomodo distinguerentur formae? Certe per seipsas, quia sunt aliae in natura. Eodem modo dicam de materia hinc inde; nam per seipsas differunt in rebus diversis secundum speciem, et non propter formas. Nam non solum formae sunt aliae per essentiam in diversis speciebus, ut in lapide et stella, sed ipsae materiae sunt diversae in natura specifica secundum se. Unde compositum differt a composito per formam et materiam diversas a materia et

1  Aristoteles ibi ]  om. Ti. 2  potest … unum ]  om. B. 3  forma ]  om. B.

KAPITEL 38

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denn wir sagen, dass ein Ding im Akt – also in seiner Verwirklichung – existiert. Dementsprechend sagen wir, dass ein geborener Sohn im Akt [ein Sohn ist] und dass ein Sohn im Samen in der ­Potenz [ein Sohn] ist. Von dieser dritten Weise spricht Aristoteles dort im siebenten [Buch der Metaphysik 265], wenn er sagt, dass der Akt teilt. Denn er meint dort, dass aus zwei Dingen in der Verwirklichung [in actu] nicht eines werden kann, ebenso wenig wie aus zwei Dingen in der Potenz [in potentia] eines werden kann; doch aus zwei Dingen, von denen eines in der Potenz und das andere in der Verwirklichung vorhanden ist, wird ein Ding. Hierdurch wird auch ihr Beispiel des Achilles zerstört, in das sie zum Beweisen so großes Vertrauen haben. Denn sie argumentieren so: »Ziehen wir durch unseren Verstand die Form von einem Stern, einem Stein oder von einer anderen beliebigen Sache ab. Da die Form einteilt und unterscheidet, weil der Akt einteilt, wie Aristoteles sagt, wird es in der Materie hier nichts geben, das in ihr selbst eine Unterscheidung erlaubt: daher wird alles dasselbe sein.« Das ist aber eine unend­ liche Dummheit. Denn sie berufen sich hier erstens auf eine falsche und schlecht verstandene Autorität, wie aus dem Gesagten bereits deutlich geworden ist. Zweitens reden sie wie Esel, wenn sie fragen, auf welche Weise die Materie hier eingeteilt wird. Denn ich kann dasselbe Argument für die Form vorbringen, nämlich so: Schließen wir von der Form des Himmels und von der Form eines Steins die Materie aus. Dann frage ich jedoch, wie die Formen voneinander unterschieden werden könnten? Sicherlich doch durch sich selbst, weil sie in der Natur jeweils andere sind. Davon ausgehend würde ich dasselbe auch von der Materie behaupten, da sich diese der Art nach in den verschiedenen Dingen unterscheidet und nicht den Formen nach. Denn in den verschiedenen Arten sind nicht nur die Formen ihrem Wesen nach verschieden – wie etwa in einem Stein und ­einem Stern –, sondern auch deren Materie ist in ihrer jeweiligen Natur in ihnen unterschiedlich. Daher unterscheidet sich ein Zusammengesetztes von einem anderen Zusammengesetzten durch

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Teil I

forma alterius. Sed forma differt a forma secundum se, et materia a materia per suas naturas proprias, ita quod diversitas materiae non est a forma, sicut nec e converso. Et tamen possumus allegare pro nobis Aristotelem, qui dicit in septimo Metaphysicae: »generans non generat aliud nisi propter materiam.« Ergo materia est causa alietatis, et non forma. Ita potest argui contra eos. Sed non indigemus hoc argumento pro veritate, quia iste sermo Aristotelis habet alium intellectum. Sicut ergo genera generalissima, ut substantia, qualitas, quantitas, differunt non per alia, sed per suas essentias, diversas et distinctas secundum se, sic materia a materia differt per essentiam, et forma a forma. Aut si velimus magis proprie loqui, dicemus quod differunt per suas differentias specificas. Nam secundum veritatem, formae rerum diversarum secundum speciem habent suas differentias specificas, sicut res ipsae. Unde, sicut substantia incorporea et corporea1 differunt penes has differentias, corporeum et incorporeum, sic materia corporea et incorporea, quae sunt species materiae, differunt per has differentias, quae sunt corporeum et incorporeum; et similiter forma corporea et incorporea. Prius tamen loquebar secundum vulgatum modum loquendi, ac si materia et forma rerum diversarum non haberent differentias specificas, ut

1  incorporea et corporea ]  corporea et incorporea, Ti.

KAPITEL 38

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eine andere Form und eine andere Materie von der Materie und der Form eines anderen Zusammengesetzten. Doch eine Form unterscheidet sich durch sich selbst von einer anderen Form, ebenso wie die Materie sich von einer anderen Materie durch ihre natürlichen und jeweils eigenen Eigenschaften unterscheidet, sodass die Verschiedenheit der Materie nicht auf der Form beruht – und auch nicht umgekehrt. Und doch können wir hier Aristoteles als Gewährsmann anführen, der im siebenten Buch sagt, dass »etwas Hervorbringendes etwas nur durch die Materie hervorbringt:«266 Also ist die Materie – und nicht die Form – der Grund für die Andersheit [causa alietatis]. So kann man gegen sie argumentieren. Doch wir brauchen dieses Argument gar nicht für die Wahrheit, weil die Argumentation des Aristoteles einen anderen Sinn hat. Denn die allgemeinsten Gattungen – wie die Substanz, die Qualität, die Quantität usw. – unterscheiden sich nicht durch anderes, sondern durch ihre Wesenheiten, die in sich selbst verschieden und klar voneinander abgegrenzt sind. Auf diese Weise unterscheidet sich auch die Materie von einer anderen Materie in ihrem Wesen, ebenso wie sich eine Form von einer anderen Form unterscheidet. Wenn wir angemessener sprechen wollten, könnten wir auch sagen, dass sie sich durch ihre jeweils spezifischen Artunterschiede [differentias specificas] voneinander unterscheiden. Denn in Wahrheit haben die Formen der verschiedenen Dinge – wenn sie ihrer Art nach betrachtet werden – ebenso wie die Dinge selbst ihre jeweils spezifischen Artunterschiede. In derselben Weise, wie die unkörperlichen und die körperlichen Substanzen sich gemäß ihrer Artunterschiede in körperliche und unkörperliche Substanzen unterscheiden, unterscheiden sich auch die körperliche und die unkörperliche Materie, die eine Art der Materie sind, durch Artunterschiede in ›körperlich‹ und ›unkörperlich‹. Ebenso verhält es sich auch bei der Form der körperlichen und der unkörperlichen [Dinge]. Zuerst habe ich jedoch dem verbreiteten Sprachgebrauch entsprechend gesprochen, so als ob die Materie und die Form der verschiedenen Dinge keine spezifischen Artunterschiede hätten, sodass ich die ganze

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Teil I

totum istud materiam incorpoream vocem materiam rei incorporeae, et materiam corpoream vocem materiam rei corporalis, et sic includam in istis specificas differentias, et sic differunt per se; sicut si quaererem quomodo differat1 substantia incorporea, tota simul sumpta, a substantia corporea totaliter2 sumpta, certe dicam quod secundum se differunt; et sic materia incorporea a corporea. Sed in idem redit quod prius, quantum ad intentionem veritatis. Similiter cum objicitur, quod si potentia materiae est tanta ut possit esse in duobus, eadem ratione in tribus, et sic in infinitis; ergo sua potentia est infinita; ergo et essentia: quare erit aequalis Deo: respondent quod non; quia haec est potentia passiva, potentia Dei est activa. Sed demonstrationes geometricae, quas pono in hoc loco Operis Majoris, evacuant penitus hanc responsionem. Et prae­terea potentia activa nobilior est quam potentia passiva: ergo, si potentia materiae assimilatur potentiae divinae infinitae3, multo magis potentia formae, quia nobilius nobiliori magis4 assimilatur. Et si materia potest esse in pluribus eadem, et in5 infinitis, tunc longe magis forma. Et similiter potentia compositi nobilior est quam materiae et formae, quia compositum nobilius est utraque divisim, cum habeat plus quam forma praeter materiam, et plus quam materia praeter formam. Et hoc Aristoteles dicit septimo Metaphysicae, licet male a vulgo construatur littera. Ergo potentia

1  differat ]  differunt, B. L. 2  totaliter ]  tota simul, Ti. 3  infinitae ]  om. B. 4  magis ]  om. Ti. 5  in ]  om. Ti.

KAPITEL 38

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unkörperliche Materie als Materie einer unkörperlichen Sache bezeichne, und sodass ich die ganze körperliche Materie als die Materie einer körperlichen Sache bezeichne. Auf diese Weise würde ich bei ihnen spezifische Artunterschiede inkludieren: und so unterscheiden sie sich für sich genommen. Wenn ich jedoch fragen würde, auf welche Weise eine unkörperliche Substanz ganz allgemein sich von einer körperlichen Substanz ganz allgemein unterscheidet, würde ich sicherlich sagen, dass sie sich durch sich selbst voneinander unterscheiden; und das gilt auch für die unkörper­ liche und die körperliche Materie. Doch in Bezug auf die Wahrheit läuft es auf das Gleiche hinaus wie das, was vorher gesagt worden ist. Außerdem kann eingewendet werden, dass dann, wenn die Potenz der Materie so groß ist, dass sie in zwei [Dingen] sein kann, sie auch in dreien sein kann und so ins Unendliche: also ist ihre ­Potenz unendlich; also auch ihr Wesen; daher wird sie Gott gleich sein. Sie antworten hierauf, dass das nicht der Fall ist, da es sich hierbei um eine passive Potenz handelt, wohingegen die Potenz Gottes aktiv ist. Doch die geometrischen Beweise, die ich in dem entsprechenden Teil des Opus maius 267 anführe, räumen diese Antwort gründlich beiseite. Darüber hinaus ist eine aktive Potenz edler als eine passive Potenz, also: Wenn die Potenz der Materie der unendlichen göttlichen Potenz angeglichen werden würde, müsste das noch mehr auch für die Potenz der Form gelten, weil das Würdigere dem Würdigeren mehr angeglichen wird. Und wenn dieselbe Materie in vielen oder sogar unendlich vielen Dingen zugleich sein kann, dann doch noch viel mehr die Form. Da weiterhin die Potenz einer zusammengesetzten Sache ehrwürdiger ist als die Potenz der Materie und die Potenz der Form, weil ein Zusammengesetztes würdiger ist als zwei geteilte Teile, dann muss [etwas Zusammengesetztes] mehr haben als eine Form außerhalb der Materie oder als eine Materie außerhalb der Form. Das sagt Aristoteles auch im siebenten Buch268 der Metaphysik, wenn der Wortlaut von der Menge auch schlecht zusammengefügt worden sein mag. Also wird die Potenz von Zusammengesetzten am meisten der göttli-

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Teil I

compositi maxime assimilabitur1 potentiae divinae2, ut possit esse in pluribus et in infinitis. Haec et multa alia possunt adduci, quae latior3 sermo requirit. Nam propter perversitatem translationis textus Aristotelis et commentariorum super ipsum, accidit hoc error apud vulgus, sicut alia erronea infinita. Quoniam in primo Physicorum dicit quod omnia sunt unum secundum materiam, diversa secundum formam: sed istud exponitur per quintum Metaphysicae, ubi vult quod illa sunt diversa genere, quae sunt diversa secundum materiam; et, e converso, quae4 sunt eadem genere sunt eadem secundum materiam, et e converso. Nam in veritate materiae naturalis, quae subjicitur in generatione rerum, est essentia alicujus generis communis duabus speciebus contrariis; quia nihil est commune speciebus nisi genus, et semper duae species alterantur ad invicem, quia generatio unius est corruptio alterius. Genus enim non est in potestate proxima nisi ad duas species, et semper est sub altera illarum. Sed quando agens naturale corrumpit unam, generat aliam; ut aliquid est commune semini et animali, scilicet corpus mixtum, et tollitur natura seminis in generatione ab illo, et fit animal. Et quia omne illud quod est in potentia ad aliud, et est fundamentum aliorum, vocatur materiale principium et materia, ideo genus vocatur materia, species et differentiae vocantur formae. Si igitur comparemus omnia5 ad genera sua, reddendo singulas species coaequaevas singulis generibus, tunc omnia sunt unum genere, et ideo materia, quia materia et genus idem sunt; sed differunt forma, id est, differentia specifica: ut substantia incorporea et corporea sunt

1  assimilabitur ]  B. cor. 2  potentiae divinae ]  Dei potentiae, Ti. 3  latior ]  lacorum, B. 4  quae ]  et quae, B. 5  comparemus omnia ]  omnia comparemus, Ti.

KAPITEL 38

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chen Potenz angeglichen werden – und das kann für mehrere und unendlich viele [Dinge] gelten. Solches und vieles weitere könnte zu diesem Thema noch hinzugefügt werden, was jedoch eine umfangreichere Schrift erfordert. Denn dieser Fehler tritt – ebenso wie unendlich viele weitere – bei der Menge wegen der Verdorbenheit der Schriften des Aristoteles und ihrer Kommentare auf. So sagt er im ersten Buch der Phy­ sik 269, dass alle Dinge der Materie nach gleich sind, sich aber durch die Form unterscheiden. Das wird aber durch das fünfte Buch der Metaphysik 270 erläutert, wo er will, dass die Dinge, die in der Materie verschieden sind, auch der Gattung nach verschieden sind, und ebenso umgekehrt; und dass die Dinge, die von der gleichen Gattung sind, auch in der Materie gleich sind und umgekehrt. In Wahrheit nämlich ist die natürliche Materie, die der Entstehung der Dinge zugrunde liegt, das Wesen jeder gemeinsamen Gattung von zwei entgegengesetzten Arten. Denn nur die Gattung ist den Arten gemeinsam; und zwei Arten wechseln einander immer ab, weil das Entstehen der einen das Vergehen der anderen bedeutet. Die Gattung ist in der nächsthöheren Kraft nämlich immer nur in Bezug auf zwei Arten vorhanden und fällt stets unter die andere [Art] von den zweien. Doch wenn ein natürliches Agens die eine [Art] zerstört, lässt es die andere entstehen: So ist dem Samen und einem Tier etwas gemeinsam, nämlich der gemischte Körper, von dem die Natur des Samens bei dem Entstehen [eines Tiers] aufgehoben wird, sodass daraus ein Tier wird. Und da alles, was in der Potenz zu etwas anderem steht und die Grundlage für die anderen [Dinge] ist, ›materielles Prinzip‹ und ›Materie‹ genannt wird, wird die Gattung ›Materie‹ genannt, die Art und die [Art-]unterschiede werden jedoch ›Formen‹ genannt. Wenn wir also alle Dinge mit den zu ihnen gehörenden Gattungen vergleichen und die einzelnen Arten auf die dazugehörigen einzelnen Gattungen zurückführen, fallen alle Dinge unter eine Gattung und demnach auch unter eine [für alle Dinge gleiche] Materie, weil die Materie und die Gattung dasselbe sind. Sie unterscheiden sich aber in der Form, das heißt, in dem speziellen Artunterschied: Denn eine unkörper-

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Teil I

unum in genere suo, scilicet generalissimo, quia in substantia, quod est genus, sunt unum; sed differunt differentiis specificis, quae sunt corporeum et incorporeum. Et coelum et corpus elementare sunt unum in corpore, sed differunt differentiis specificis, quae sunt coeleste et non coeleste. Et sic de omnibus speciebus coaequaevis1 comparatis ad suum genus. Et similiter, si omnia comparantur ad genus generalissimum, omnia sunt unum in eo, et ipsum est materia, quae est in potentia ad omnia. Et si de naturalibus rebus loquamur solum, tunc omnia sunt unum secundum materiam naturalem, quae est tertium genus, scilicet substantia corporea non coelestis; quia istud est commune omnibus naturalibus, et est in potentia ad omnia, et dividitur in omnia; et sic intendit Aristoteles. Et in his modis non sumitur materia sicut in errore dicto. Nam ibi sumitur pro materia quae est altera pars compositi, quae est substania simplex, diversa in essentia a forma: sed hic sumitur materia pro quodam composito incompleto, quod est essentia alicujus generis, quae est in potentia ad species consequentes. Et hoc modo semper accipitur materia per totam naturalem philosophiam, et quando loquimur de subjecto generationis, quod est materia. Metaphysicus vero considerat principalius de illa materia simplici, quia de illa verificatur illud in2 septimo Metaphysicae3, quod materia alia est ab essentia cujuslibet praedicabilis; et multa alia. Quod vero Aristoteles dicit quarto Physicorum, et alibi multotiens, quod materia contrariorum est eadem numero, ut calidi et frigidi, rari et densi, ignis et terrae, et

1  coaequaevis ]  coaequis, Ti. 2  in ]  om. Ti. 3  Metaphysicae ]  om. L. T. B.

KAPITEL 38

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liche und eine körperliche Substanz sind in ihrer Gattung eines, nämlich in der allgemeinsten Gattung, weil sie der Substanz nach  – die ja eine Gattung ist – eines sind. Doch sie unterscheiden sich in ihren speziellen Artunterschieden, da die einen [Substanzen] körperlich, die anderen [Substanzen] unkörperlich sind. Weiterhin sind der Himmel und ein aus den Elementen bestehender Körper das gleiche in Bezug auf das Körperlichsein; doch sie unterscheiden sich durch die spezifischen Artunterschiede, die himmlisch und nicht-himmlisch sind. Und so verhält es sich mit allen ähn­ lichen Arten bezüglich ihrer Gattung. Ebenso: Wenn alle [Dinge] mit der allgemeinsten Gattung verglichen werden, sind sie in ihr alle eines; und dasselbe gilt für die Materie, die in Potenz zu allem steht. Wenn wir nur von den natürlichen Dingen sprechen, bestehen alle Dinge aus einer natür­ lichen Materie, die eine dritte Gattung ist – nämlich eine körperliche und nicht-himmlische Substanz. Denn diese Gattung kommt allen Dingen in der Natur zu, steht in Potenz zu allem und wird in alles geteilt. Das ist es, worauf Aristoteles hinaus will – wodurch die Materie nicht wie in dem genannten Fehler interpretiert wird. Denn dort wird die Materie als ein anderer Teil eines Zusammengesetzten gesehen, das eine einfache Substanz ist, die durch ihr Wesen von der Form verschieden ist. Doch hier wird die Materie als ein unvollständiges Zusammengesetztes genommen, weil sie das Wesen einer Gattung ist, die in Potenz zu den folgenden Arten steht. In dieser Weise wird die Materie in der ganzen Naturphilosophie erklärt, wenn wir von dem Zugrundeliegenden des Entstehens reden – denn das ist die Materie. Der Metaphysiker behandelt in Wahrheit die ersten Prinzipien jener einfachen Materie, weil im siebenten [Buch] der Metaphysik erläutert wird, dass die Materie vom Wesen her etwas anderes ist als irgendeines der Prädikabilien, ebenso wie viele weitere Dinge dieser Art. Denn Aristoteles sagt im vierten [Kapitel] der Physik 271 und an vielen anderen Stellen in Wahrheit, dass die Materie von entgegengesetzten [Dingen] numerisch dieselbe ist, wie bei warmen und kalten [Dingen], bei dünnen und dichten [Dingen], bei Feuer und Erde und so auch bei anderen

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Teil I

sic de aliis; et quod commentator Averroes in undecimo Metaphysicae dicit, quod materia est una numero, intelligendum est de materia, sicut nunc dictum est; quia genus vocatur hic materia. Et sicut unum genus numero, et non plura, subjectum est1 duobus contrariis; sic certe una materia, quae scilicet est essentia illius generis, est2 in potentia ad diversas species, quae formae vocantur. Sed cum dico unum genus numero, non est propter hoc aliquid singulare, quod est vere unum numero, ut Socrates vel Plato; sed est una essentia generis, et non plures. Unde, secundum quod unum numero sumitur3 pro singulari, et unum specie et unum genere dividuntur ab invicem, sic non est genus unum numero. Sed tamen unum genus non est plura genera secundum numerum; et ideo dicitur unum genus numero, non unum numero4 absolute. Nam cum dico in hoc loco unum genus numero5, hoc quod dico genus est differentia distrahens unum numero a sua ratione secundum quod pro singulari accipitur. Sicut cum dicitur homo mortuus, qui6 non est homo, sic genus unum numero non est unum numero.

CAPITULUM XXXIX. [ 206]

Haec addidi hic ad confirmationem geometricarum demonstrationum, quae destruunt errorem praedictum, ut videat vestra sapientia quid sentiendum sit in hac parte, donec plenior tractatus consequatur. Transeo igitur ad ulteriora in parte mathematicae. Nam postea descendo ad ea, quae consequuntur materiam in rebus,

1  subjectum est ]  est subjectum, Ti. 2  est ]  ens, Ti. B. korr. est. 3  sumitur ]  om. B. 4  non unum numero ]  numero non unum, Ti. 5  numero ]  om. Ti. 6  qui ]  quia, B. L.

KAPITEL 39

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[Dingen]. Und wenn der Kommentator Averroes im elften Buch der Metaphysik 272 sagt, dass die Materie numerisch dieselbe ist, muss das für die Materie in der Weise verstanden werden, die ich hier genannt habe, weil die Gattung hier als ›Materie‹ bezeichnet wird. Und ebenso, wie eine Gattung zwei Gegensätzen zugrunde liegt, die numerisch dieselbe und nicht mehrere verschiedene ist, verhält es sich sicherlich auch mit der Materie: Denn eine Materie, die das Wesen jener Gattung ist, steht in Potenz zu den verschiedenen Arten, die ›Formen‹ genannt werden. Doch wenn ich hier von »einer numerisch identischen Gattung« spreche, ist damit nicht ein Einzelding gemeint, wie Sokrates oder Platon, sondern vielmehr ein Gattungswesen und nicht mehrere. Da »numerisch eines« für die Einzeldinge gilt; und da eine Art und eine Gattung sich gegenseitig voneinander unterscheiden, kann eine Gattung nicht numerisch eine sein. Aber dennoch ist eine Gattung der Zahl nach nicht gleich mehreren Gattungen; daher wird von einer numerisch gleichen Gattung gesprochen, doch nicht von ›numerisch‹ im absoluten Sinn. Denn wenn ich an dieser Stelle von numerisch einer Gattung spreche, ist das, was ich Gattung nenne, der Unterschied, der entsteht, wenn ›numerisch eines‹ von seiner Bedeutung, die Einzeldinge zu bezeichnen, getrennt wird. Etwa in dem Sinn, wenn von einem gestorbenen Menschen gesprochen wird, der kein Mensch [mehr] ist: so ist auch eine Gattung, die numerisch dieselbe ist, doch nicht numerisch dieselbe.

KAPITEL 39 Über die Teilbarkeit der Materie 273 [ 206]

Das habe ich zur Bestätigung der geometrischen Beweise hinzugefügt, die den vorher genannten Fehler zerstören, damit Eure Weisheit sehen möge, wie man in diesem Teil argumentieren sollte, bis eine vollständigere Abhandlung folgen wird. Ich komme nun zu den letzten Themen dieses Teils der Mathematik. Denn danach gehe ich zu Themen über, die aus der Materie in den Dingen fol-

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Teil I

quae sunt continuitas, et unitas, et figuratio, et tempus, et motus. Et ideo revolvo positiones philosophorum famosas de his, quae sunt in ore cujuslibet, et quas Aristoteles certificat; quae tamen, sicut habent pulchritudinem sapientiae, sic habent difficultatem magnam. Nam Parmenides et Melissus credebant quod omnia corpora mundi fuerunt unum continuum a terra usque ad ultimum coelum. Et cum hoc reprobatum est in multiplicationibus specierum pulcherrime1 per visum, hic supersedeo de hoc. Sed pono rationes falsigraphicas in terminis geometriae pro positione illorum philosophorum, quae fuerunt semper insolubiles apud vulgus et capita eorum; et solvo eas. Deinde, relicta hac positione, descendo ad positionem Democriti et Leucippi, qui posuerunt partes mundi diversas, sed posuerunt eas esse infinitas et indivisibiles, quia posuerunt omnia fieri ex atomis indivisibilibus. Et Aristoteles multum laborat contra eos in principio De Generatione, et tertia Coeli et Mundi. Sed in libris Latinorum, propter perversitatem translationis, nihil profecit. Nullo enim modo potest intelligi solutio rationum istorum philosophorum, et tamen Aristoteles multum nititur ad solvendum; nec habemus aliquam reprobationem certam de hac positione per Aristotelem. Et ideo addidi demonstrationem geometricam, quae destruit hanc positionem finaliter. Nam ex ea sequitur quod diameter sit commensurabilis costae, et non solum commensurabilis, sed aequalis, quorum utrumque est impossibile. Et nunc apponam rationem solutionis eorum, quae est clava Herculis; qua soluta, perit tota eorum phantasia. Et istud valde considerandum est et

1  pulcherrime ]  pulchre, B.

KAPITEL 39

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gen, als da sind: die Kontinuität, die Einheit, die Gestalt, die Zeit und die Bewegung. Ich bespreche hierfür die berühmten Stellungnahmen der Philosophen hierüber, die in aller Munde sind und die Aristoteles bestätigt, die aber ebenso große Schwierigkeiten bereiten, wie sie die Schönheit der Weisheit an sich haben. Denn Parmenides und Melissus dachten, dass alle Körper der Welt von der Erde bis zum letzten Himmel ein Kontinuum bilden würden. Da diese Ansicht bei der Vervielfältigung der species durch den Sehsinn wunderschön zurückgewiesen worden ist, übergehe ich diese Diskussion hier. Ich stelle aber auch die falschen und irreführenden Begründungen für die Positionen jener Philosophen in geometrischen Begriffen dar, die für die Menge der Philosophen und sogar für ihre Häupter immer unlösbar waren; und ich löse sie.274 Nachdem ich diese Ansicht hinter mir gelassen habe, komme ich zur Position von Demokrit und Leukipp, die behauptet haben, dass die Welt aus vielen Teilen bestehe.275 Sie meinten aber, dass diese Teile unendlich viele und unteilbar seien, weil sie angenommen haben, dass alles aus unteilbaren Atomen entstehe. Aber Aristoteles hat gegen diese [Philosophen] zu Beginn seines Buches Über Werden und Vergehen 276 und im dritten Buch Vom Himmel und der Welt 277 viele Argumente vorgebracht, von denen aber in den Büchern der Lateiner wegen der Verdorbenheit der Übersetzungen nichts erhalten geblieben ist. Denn man kann die Lösung der Argumente dieser Philosophen keinesfalls verstehen, obwohl Aristoteles einen großen Aufwand für ihre Widerlegung betreibt; doch wir haben keine sichere Zurückweisung dieser Position durch Aristoteles. Daher habe ich einen geometrischen Beweis hinzugefügt 278, der diese Ansicht letztendlich zunichte macht. Denn aus diesem folgt, dass ein Durchmesser kommensurabel zur Seite sein müsste; und nicht nur kommensurabel, sondern sogar gleich, was beides unmöglich ist. Ich führe nun hier einen [zusätzlichen] Beweis zur Lösung der Überlegungen jener Philosophen an, der wie die ›Keule des Herkules‹ ist; denn wenn sie widerlegt werden, zerfallen alle ihre Einbildungen. Das muss man daher ausführlich bedenken und sich gut

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Teil I

notandum. Dicunt enim sic: Omne corpus potest dividi secundum omnia puncta, quia continuum potest dividi ubique, et qua ratione in uno loco et in alio. Sed posito possibili, non accidit impossibile. Ergo, si ponamus corpus esse divisum secundum omnia puncta, non est inconveniens. Sed res componitur ex eis, in qua dividitur. Ergo corpus componitur ex punctis indivisibilibus seu ex1 atomis, quia atomus respondet corpori, sicut punctus lineae. Ad hoc distinguendum2 est primo, secundum compositionem et divisionem. Cum dicitur »corpus potest dividi secundum omnia puncta,« si3 haec determinatio, secundum omnia puncta, determinet hoc quod dico, potest dividi, vel ratione ejus quod est di­ vidi, sic falsa est; quia hoc verbum dividi est praesentis temporis4, et significat actualem divisionem corporis in puncta omnia, quod est impossibile; vel potest determinare hoc quod est potest, et tunc distinguendum secundum aequivocationem. Quia hoc verbum potest aut significabit potentiam, quae potest reduci ad actum purum et completum; et tunc adhuc falsa est oratio, quia potentia divisionis in corpore non potest reduci ad actum talem. Si vero dicat potentiam, quae reducitur ad actum impurum et incompletum, cui semper est aliquid admixtum de potentia ad ulteriorem actum, quae scilicet sic reducitur ad actum, quod semper relinquitur potentia ad alium actum divisionis, sic est vera. Nam haec est potentia continui, quia est divisibile in infinitum; et ideo, si semel reducatur haec potentia ad actualem divisionem, non excluditur actus alius divisionis. Immo necessario ponitur: quia pars divisa

1  ex ]  om. Ti. 2  distinguendum ]  dicendum est, Ti. 3  si ]  sed, L. 4  praesentis temporis ]  temporis praesentis, Ti.

KAPITEL 39

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einprägen. Sie sagen nämlich Folgendes: Jeder Körper kann in jedem Punkt geteilt werden, weil ein Kontinuum überall geteilt werden kann – ­sowohl an einem Ort als auch an einem anderen Ort. Doch wenn e­ twas Mögliches gesetzt wird, folgt nichts Unmög­ liches. Wenn wir also annehmen, dass ein Körper in jedem Punkt geteilt werden kann, ist das nicht widersprüchlich. Eine Sache ist aber aus dem zusammengesetzt, in das sie geteilt wird: also ist ein Körper aus unteilbaren Punkten oder aus Atomen zusammengesetzt, weil ein Atom zu einem Körper gehört, ebenso wie ein Punkt zu einer Linie [gehört]. Hier muss man jedoch zuerst zwischen ›Zusammensetzung‹ und ›Teilung‹ unterscheiden. Wenn gesagt wird: »Ein Körper kann in jedem Punkt geteilt werden«, ist diese Aussage falsch, wenn sie sich auf das ›geteilt werden‹ in ›kann geteilt werden‹ bezieht, bzw. auf die Bedeutung dessen, was es heißt, geteilt werden zu können. Denn das Verb ›geteilt werden‹ steht in diesem Fall im Präsens und bezeichnet eine tatsächliche Teilung [actualem divisionem] eines Körpers in alle seine Punkte, was unmöglich ist. Die Aussage kann sich jedoch auch auf das ›kann‹ beziehen. Dann muss man entsprechend einer Äquivokation unterscheiden: Denn entweder bezeichnet das Verb ›kann‹ eine Potenz, die auf einen reinen und vollständigen Akt zurückgeführt werden kann; auch dann ist diese Aussage jedoch falsch, weil die Potenz der Teilung [potentia divi­ sionis] in einem Körper niemals auf einen solchen Akt reduziert werden kann. Wenn damit jedoch eine Potenz gemeint sein sollte, die sich auf einen unvollständigen Akt bezieht, dem immer etwas von der Potenz zu einer weiteren Aktualisierung beigemischt ist, die also in dem Sinne auf eine Aktualisierung zurückgeführt wird, dass immer eine weitere Potenz zu einem anderen Teilungsakt [ac­ tum divisionis] hin möglich ist, ist diese Aussage wahr. Denn dann handelt es sich um die Potenz eines Kontinuums, weil es unendlich teilbar ist. Wenn eine solche Potenz auf eine tatsächliche Teilung zurückgeführt wird, wird dadurch nämlich nicht ein Akt einer anderen Teilung ausgeschlossen. Vielmehr muss dies als notwendig gesetzt werden, da ein bereits geteilter Teil weiter unendlich geteilt

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[209]

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Teil I

potest iterum dividi, cum sit quantum; et sic in infinitum. Et hic solus sensus est possibilis, et1 ex eo non sequitur impossibile: quia nunquam sequetur quod erit divisio actualis aliquando in omnia puncta vel atomos. Sed Democritei objiciunt adhuc contra haec. Nam secundum alios sensus propositionis, quaelibet singularis est vera, ergo universalis. Haec enim est vera. Possibile est corpus esse divisum in A puncto actualiter, et similiter in B puncto actualiter; et sic de aliis. Ergo haec est vera: possibile est corpus esse divisum secundum omnia puncta actualiter. Et fortificatur haec objectio, quia quaelibet singularis est possibilis, et nulli alii incompossibilis. Ergo universalis est simpliciter possibilis, et poterit poni2. Verbi gratia, haec est possibilis: Socrates loquitur in actu, et hic Plato loquitur actualiter, et sic de aliis3; et nulla singularis alii4 repugnat. Ergo haec universalis: omnis homo loquitur actualiter, est possibilis, et potest poni in esse. Sed haec universalis propositio, omne contingens est verum, non est possibilis ut ponatur in esse, et dicatur aliquando quod sit vera: quia ejus singularia licet sint possibilia, tamen unum alteri comparatum est ei incompossibile, quia sunt contradictoria. Utrumque enim contradictoriorum est possibile secundum se, ut Socrates loquitur5, est possibile, et Socrates non loquitur. Sed non compatiuntur se in eodem tempore. Et utrumque est contingens6; ideo haec universalis, omne contingens est verum, est impossibilis. Cum igitur in7 impedimentum possibilitatis alicujus universalis est quod vel aliqua singularium non est possibilis, vel aliqua alii est incompossibilis, et non potest aliud impedimentum dari de possibilitate universalis: sed haec divisio in quolibet puncto est possibilis secundum se, ut patet; et divisio in A puncto actualis 1  et ]  om. Ti. 2  poni ]  om. Ti. 3  et sic de aliis ]  Cichero loquitur in actu, add. B. 4  alii ]  aliter, Ti. 5  loquitur ]  loquitur, actu, Ti. 6  est contingens ]  contingens est, Ti. 7  in ]  om. Ti. L.

KAPITEL 39

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277

werden kann, da er ja ein Quantum ist. Und das ist der einzig mögliche Sinn, aus dem nichts Unmögliches folgt: denn es wird niemals folgen, dass eine tatsächliche Teilung jemals in jedem Punkt oder Atom stattfindet. Doch die Anhänger Demokrits wenden dagegen noch Weiteres ein. Denn anderen Auslegungen dieser Behauptung gemäß heißt es, dass das, was von einem Einzelnen wahr ist, auch für das Ganze wahr ist. Und das ist in der Tat wahr. Es ist möglich, dass ein Körper in einem Punkt A aktualiter und zugleich in einem Punkt B aktualiter geteilt wird; und das gilt auch von anderen [Punkten]. Also ist dieses wahr: Es ist möglich, dass ein Körper aktualiter in allen Punkten geteilt wird. Und dieser Einwand wird verstärkt, weil jedes Einzelne [quaelibet singularis] möglich und mit keinem anderen unvereinbar ist; also ist auch das Allgemeine [universalis] schlechthin möglich und kann gesetzt werden. Zum Beispiel ist dies möglich: Sokrates spricht aktualiter, Platon spricht aktualiter usw. Kein Einzelnes widerspricht dabei einem anderen. Also ist auch das Allgemeine, dass jeder Mensch aktualiter spricht, möglich und kann als seiend angenommen werden. Doch diese allgemeine Aussage: »Alles Kontingente ist wahr« ist nicht möglich, wenn sie als seiend gesetzt und gesagt wird, dass sie manchmal wahr ist: Denn auch wenn deren Einzelne [singularia] möglich sein sollten, so ist doch ein anderes, das damit verglichen wird, damit unvereinbar, weil sie widersprüchlich sind. Denn jedes von zwei Widersprüchlichen ist für sich selbst genommen zwar möglich, wie etwa: Es ist möglich, dass Sokrates spricht, und es ist möglich, dass er nicht spricht. Doch sie können nicht zur gleichen Zeit stattfinden. Beides ist aber kontingent; daher ist das Allgemeine, dass alles Kontingente wahr ist, unmöglich. Das Hindernis gegenüber der Möglichkeit des Allgemeinen besteht darin, dass es nicht mit anderen Einzeldingen zugleich möglich ist; oder dass es mit anderen nicht vereinbar ist und gegenüber der Möglichkeit eines Allgemeinen kein anderes Hindernis angegeben werden kann: Doch diese Teilung in irgendeinem Punkt ist für sich genommen möglich, wie offensichtlich ist; und eine Teilung aktu-

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Teil I

non repugnat divisioni actuali in B puncto; similiter in C puncto, et de quolibet dato, quia nulla est contradictoria alterius; ergo relinquitur quod haec universalis, corpus est divisum in actu secundum omnia puncta, est possibilis. Et dicendum est quod quaelibet singularis est possibilis secundum se, et cuilibet alicui assignatae in actu compossibilis; sed tamen alicui indeterminatae et assignandae de futuro est incompossibilis, propter hoc quod partes in quas fit divisio actualis in A puncto, et in B, et in C, et in quolibet dato, sunt iterum divisibiles in novis punctis, quae non potuerunt prius dari; quia non omnia puncta divisionum simul possunt accipi, eo quod puncta non sunt continua; sed pars quanta est inter quaelibet duo puncta data, et cum illa sit quanta potest in puncto medietatis suae dividi in duo media. Et ideo concedendum est quod divisio in A puncto non repugnat divisioni in aliquo puncto dato in praesenti et in actu, sed in aliquo1 dando; nec possunt omnia puncta divisionis dari simul2, sed successive dantur in infinitum. Quia semper post divisionem in quocunque puncto restat divisio illarum partium quae sunt divisae, quia quantae sunt. Et sic evacuatur haec Herculis clava, licet cum maxima difficultate. Nam totum vulgus haec ignorat; aliqui tamen periti noverunt haec, sed valde pauci.

1  in aliquo ]  aliquo, B. L. Ti. 2  dari simul ]  simul dari, Ti.

KAPITEL 39

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aliter in einem Punkt A verhindert nicht eine ebensolche Teilung in einem Punkt B. Genauso verhält es sich auch bei einem Punkt C und bei jedem anderen gegebenen Punkt, weil keiner von ihnen einem anderen durch einen Widerspruch entgegengesetzt ist. Dann bleibt, dass dieses Allgemeine, dass ein Körper tatsächlich in ­jedem Punkt geteilt werden kann, möglich ist. Hierzu ist zu sagen, dass jedes Einzelne für sich genommen möglich ist. Das gilt auch dann, wenn er gleichzeitig mit irgendeinem anderen Punkt geteilt wird. Aber dennoch kann es nicht mit einem unbestimmten und erst in Zukunft noch anzugebenden Punkt geteilt werden, weil die Teile, in denen die Teilung aktualiter eines Punktes A und eines Punktes B und C und jedes anderen Punktes geteilt worden ist, wiederum in neue Punkte teilbar sind, die vorher nicht angegeben werden konnten; und zwar deshalb, weil nicht alle Punkte gleichzeitig geteilt werden können, weil die Punkte nicht kontinuierlich sind. Denn irgendein Teil bleibt immer noch zwischen zwei gegebenen Punkten; und auch dieser Teil kann wieder durch einen Punkt in seiner Mitte in zwei weitere Teile geteilt werden. Daher bleibt festzuhalten, dass eine Teilung eines Punktes A nicht einer Teilung irgendeines anderen Punktes widerspricht, der zeitgleich und aktualiter gegeben ist, aber sie widerspricht einer Teilung eines Punktes in der Zukunft; und es können auch nicht alle Punkte gleichzeitig geteilt werden, sondern nur unendlich nacheinander. Denn nach einer Teilung in irgendwelche kleinsten Einheiten bleiben doch immer noch die Teilung solcher Teile, die geteilt worden sind, wie klein diese auch sein mögen. Und auf diese Weise kann die ›Keule des Herkules‹ vermieden werden, wenn auch nur mit der größten Schwierigkeit. Denn der gesamten Menge ist dies unbekannt; einige fähige Männer mögen das vielleicht gewußt haben, aber doch nur sehr wenige.

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Teil I

CAPITULUM XL. [ 212]

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Postea texui sermonem de figuratione corporum mundi; et nus­ quam in Naturalibus Aristotelis est major difficultas, nec pulchritudo veritatum pure scientialium, nec delectabilior, hominibus scientibus bene geometriam. Et si tempus non habueritis examinandi has difficultates, Johannes potens est in his plusquam omnes qui sunt Parisius, et faciet omnia ante oculos vestros, et corpora sicut figuras. Et hic sunt tria capitula principalia. Nam primo docetur vera figuratio per veras et pulchras demonstrationes, tam de coelo quam de elementis quatuor. Secundo assignatur magnum mirabile in natura, et probatur per demonstrationem, quod vas, vel cyphus, vel aliud potest plus continere de liquore in inferiori loco quam in superiori, nulla alia mutatione facta. Tertio reprobatur falsitas figurationum quibus philosophi ante Aristotelem usi sunt. Et quamvis per primum habeatur veritas figurationis, tamen tertium habet pulchriores et majores difficultates. Et aliqua in summa hic recitabo. Exposui igitur quo modo philosophi figurabant quinque corpora mundi, scilicet coelum et quatuor elementa, per quinque figuras corporales, de quibus determinatur in tertio libro Elementorum Euclidis. Et quia hae sunt figurae regulares solae, et pulchriores aliis et meliores, propter hoc dederunt corporibus mundi principalibus. Sed quia in Tertio Opere exposui has figuras brevius, et latius in Primo, ideo nunc omitto. Et quia Aristoteles tertio Coeli

KAPITEL 40

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KAPITEL 40 Über die Weltkörper [ 212]

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Danach bin ich auf die Gestalten der Weltkörper zu sprechen gekommen. Und nirgendwo in den naturphilosophischen Schriften des Aristoteles gibt es Fragen von größerer Schwierigkeit, von größerer wissenschaftlicher Schönheit oder von größerer Erfreulichkeit für Menschen, die sich gut in der Geometrie auskennen. Doch wenn Ihr nicht die Zeit haben solltet, Euch diesen Schwierigkeiten zu widmen, ist [mein Schüler] Johannes fähiger in diesen Dingen als alle, die zur Zeit in Paris lehren. Er kann alles mit allen Körpern und sonstigen Figuren vor Euren Augen aufzeichnen. Hier gibt es drei grundsätzliche Kapitel: Denn, erstens, wird die wahre Gestalt des Himmels und der vier Elemente mit wahren und schönen Beweisen gelehrt.279 Zweitens wird ein großes Geheimnis der Natur offen gelegt; und es wird durch einen Beweis gezeigt, dass eine Vase oder ein Becher oder ein anderes Gefäß mehr Flüssigkeit enthalten kann, wenn es an einem niedrigen Ort steht, als wenn es an einem höheren Ort steht, solange keine andere Veränderung stattgefunden hat.280 Daraufhin wird, drittens, die Falschheit der Gestalten zurückgewiesen, die bei den Philosophen vor Aristoteles in Gebrauch waren. Und auch wenn das erste Kapitel die Wahrheit über die Gestalt [des Himmels] enthält, gibt es doch im dritten [Kapitel] noch schönere und noch größere Schwierigkeiten. Einige werde ich hier im Allgemeinen nennen. Ich habe also erklärt, auf welche Weise die Philosophen die fünf Weltkörper, das heißt den Himmel und die vier Elemente, durch fünf körperliche Figuren [Polyeder] beschrieben haben, über die im dritten Buch der Elemente 281 von Euklid gesprochen wird282. Und dass diese die einzigen gleichmäßigen Figuren sind, die schöner und besser als alle anderen sind, weshalb sie auch als die grundsätzlichen Körper der Welt angegeben worden sind. Aber da ich im dritten Werk diese Figuren nur kurz, im ersten Werk jedoch weiter ausholend beschrieben habe, übergehe ich sie jetzt. Weil Aristoteles im dritten Buch von Über den Himmel und die

282

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Teil I

et Mundi destruit hanc positionem, ut in Primo Opere explicavi, sed in Tertio pertransivi, ideo aliquid dicam hic ad expositionem illius quod in Majori Opere scripsi. Aristoteles quidem dicit contra eos, quod tantum duae figurae corporales possunt locum replere sine vacuo, scilicet cubus et pyramis; et has dederunt igni et terrae; ergo in reliquis tribus corporibus erit vacuum; scilicet aqua, et1 aere, et coelo. Replere vero locum est tripliciter; uno modo sicut omne corpus habet locum praeter coelum ultimum, et non solum coeli inferiores et elementa, sed composita ex elementis. Quia quidlibet habet aliquod elementum2 continens ipsum et locans, praeter ultimum coelum; et sic locus est ultimum continentis, ut Aristoteles docet3 quarto Physicorum; et sic omne corpus replet locum, quia quodlibet aequatur suo loco, et neque plus neque minus habet; et sic communiter et vulgariter accipimus locum et replere ipsum4. Sed sic non accipit Aristoteles in reprobatione ista, sed aliter, secundum quod magis proprie replere locum convenit superficiei5 quam corpori. Nam paucitas superficierum implentium sua loca est causa paucitatis corporum implentium sua loca. Sunt enim tantum tres superficies implentes loca, et duo corpora tantum, secundum quod hic accipitur repletio loci. Replere vero superficialiter locum est implere quatuor angulos rectos circa punctum unum, qualitercunque figurae ad invicem componantur, quia non possunt plures esse. Figurae superficiales igitur, quae congregatae circa punctum unum possunt praecise occupare quatuor angulos rectos, et6 nec plus nec minus, illae possunt locum replere; ut sunt quatuor quadrata, nam angulus

1  et ]  om. Ti. L. 2  elementum ]  om. B. aliquid, L. 3  docet ]  dicit, Ti. 4  ipsum ]  locum, Ti. 5  superficiei ]  tam superficiei, L. 6  et ]  om. Ti.

KAPITEL 40

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283

Welt 283 diese Auffassung widerlegt, wie ich im ersten Werk erklärt habe284, im dritten Werk aber bisher darüber hinweggegangen bin, so will ich nun hier etwas zur Erläuterung dessen sagen, was ich im Opus maius geschrieben habe. Aristoteles sagt nämlich dagegen, dass nur zwei Körper einen Ort ausfüllen können, ohne dass ein Vakuum entsteht: der Würfel und die Pyramide.285 Diesen beiden [Körpern] sind das Feuer und die Erde zugeordnet worden.286 Bei den anderen drei verbleibenden Körpern – denen das Wasser, die Luft und der Äther zugeordnet sind – wird es ein Vakuum geben. Denn ein Ort wird in Wahrheit dreifach ausgefüllt: auf die eine Weise so, dass jeder Körper in Bezug auf den letzten Himmel seinen Ort einnimmt, was nicht nur für die unteren Himmelssphären und die Elemente gilt, sondern auch für die Körper, die aus verschiedenen Elementen zusammengesetzt sind. Denn jeder [Körper] besteht aus einem Element, das ihn enthält und bezüglich des letzten Himmels verortet. Auf diese Weise ist der Ort das letzte Enthaltende, wie Aristoteles im vierten Buch der Physik 287 lehrt. Auf diese Weise füllt jeder Körper einen Ort aus, weil jeder [Körper] seinem Ort entspricht und weder mehr noch weniger hat. So verstehen wir für gewöhnlich den Ort und seine Ausfüllung. Doch das meint Aristoteles nicht in der Zurückweisung [jener Argumente], sondern er argumentiert anders: nämlich so, dass ein Ort vielmehr durch die Oberflächen als durch einen Körper ausgefüllt wird. Denn die geringe Anzahl der Oberflächen, die ihre Orte ausfüllen, ist der Grund für die geringe Anzahl der Körper, die ihre Orte ausfüllen. Es gibt nur drei Oberflächen288 und zwei Körper 289, die Orte ausfüllen, wenn wir dem folgen, was über die Ausfüllung eines Ortes angenommen wird. Dass Oberflächen einen Ort ausfüllen, bedeutet nämlich, dass vier rechte Winkel um einen Punkt herum angeordnet sind. Mehr als vier rechte Winkel kann es nicht geben, welche Figur auch immer aus ihnen zusammengesetzt werden mag. Oberflächen, die um einen Punkt herum angeordnet sind, können daher genau vier rechte Winkel einnehmen, und nicht mehr und nicht weniger von ihnen können einen Ort ausfüllen; wie es vier Quadrate sind,

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Teil I

quadrati rectus est. Et tres hexagoni regulares, nam angulus hexagoni talis est rectus, et tertia recti et tres trinae1 constituunt integrum. Et sex trianguli regulares, quia anguli tres tales valent duos rectos angulos; et alii tres anguli habent duos alios2 rectos; et ideo sex anguli talium triangulorum congregati circa punctum unum replent locum superficialiter; et impossibile est quod aliae figurae repleant locum, ut demonstratio docet. Nam angulus pentagoni regularis est rectus, et quinta recti; sed tres tales non faciunt quatuor angulos rectos, ut patet; et quatuor faciunt plus. Et multo fortius heptagonus et octagonus non replebunt locum. Corporales vero figurae duae (secundum quod Averroes exponit Aristotelem) replent locum, scilicet cubus et pyramis. Sed ex textu Aristotelis3 in Latino non potest haberi certitudo, quia textus vulgaris falsus est et male translatus. Alia etiam translatio dubia est. Replere autem locum corporaliter est implere4 octo angulos corporales circa puntum unum. Quia enim corpus habet trinam dimensionem, in longum, latum, et profundum, ideo accidunt octo anguli corporales circa punctum unum, quorum quilibet est5 ex tribus superficialibus rectis; et sic6 sunt in universo, viginti quatuor anguli recti superficiales. Et tamen duodecim superficiales possunt locum istum replere, quod videtur mirabile. Sed intelligendum quod omnis angulus corporalis est ex tribus superficiebus ad minus. Et ideo si octo anguli corporales, ab invicem divisi et existentes in octo corporibus, congregentur circa punctum unum, oportet quod sint viginti quatuor anguli superficiales diversi, quia quilibet corporalis habet suos angulos tres diversos ab angulis aliorum; et tamen si in uno corpore, ut in aere, intelligamus tres lineas intersecare se ad angulos rectos secundum longum,

1  trinae ]  tertiae, B. L. 2  duos alios ]  alios duos, T.; alios duos rectos angulos, L. 3  in ]  om. Ti. 4  implere ]  replere, Ti. 5  est ]  om. Ti. 6  sic ]  om. Ti.

KAPITEL 40

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weil der Winkel eines Quadrates ein rechter Winkel ist. Ebenso auch drei Sechsecke, weil der Winkel eines Sechsecks auch rechtwinklig ist. Und drei rechte Winkel und drei mal drei bilden ein Ganzes. Ebenso können auch sechs gleichmäßige Dreiecke [einen Ort ausfüllen], weil drei Ecken von ihnen zwei rechten Winkeln entsprechen. Genauso ergeben auch die anderen drei Ecken zwei rechte Winkel, weshalb sechs Ecken solcher Dreiecke auch einen Ort oberflächlich [superficialiter] ausfüllen können, wenn sie um einen Punkt herum angeordnet sind. Es ist unmöglich, dass andere Figuren einen Ort ausfüllen, wie eine Veranschaulichung deutlich macht. Denn die Ecke eines gleichseitigen Fünfecks bildet einen rechten Winkel und ein Fünftel eines rechten Winkels; doch drei Ecken bilden nicht vier rechte Winkel, wie offensichtlich ist; vier Ecken bilden jedoch mehr.290 In noch viel stärkerem Maße werden auch das Sieben- und das Achteck keinen Ort ausfüllen. Denn in der Tat füllen nur zwei Figuren (wie Averroes Aristoteles erklärt) einen Ort aus, nämlich der Würfel und die Pyramide. Doch aus dem lateinischen Text des Aristoteles kann man hierüber keine Gewissheit erlangen, weil der verbreitete Text falsch und schlecht übersetzt worden ist. Eine andere Übersetzung ist zudem zweifelhaft. Denn einen Ort körperlich auszufüllen heißt, acht Ecken eines Körpers um einen Punkt herum anzuordnen. Da ein Körper drei Dimensionen hat: die Länge, die Breite und die Tiefe, treten acht körperliche Ecken um einen Punkt herum auf, von denen jede aus drei rechtwinkligen Oberflächen besteht. Daher gibt es insgesamt 24 rechtwinklige Oberflächen. Und doch können zwölf dieser Oberflächen einen Raum ausfüllen, was wunderbar zu sein scheint. Doch man muss verstehen, dass jede körperliche Ecke aus mindestens drei Oberflächen besteht. Wenn daher acht körperliche Ecken, die voneinander verschieden sind und die in acht Körpern existieren, um einen Punkt herum zusammenkommen würden, ergäben sich 24 verschiedene Ecken an den Oberflächen, weil jeder Körper seine drei Ecken hat, die von den anderen Ecken verschieden sind; wenn wir dennoch in einem Körper, wie in der Luft, annehmen, dass sich drei Linien rechtwinklig in der Länge, der Breite und der

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Teil I

latum et profundum, vel suspendamus ibi tria fila, vel tres festucas, vel alia se intersecantia, videbimus ad sensum quod non erunt nisi duodecim anguli superficiales, qui tamen possunt capere viginti quatuor angulos superficiales, qui sunt in angulis octo corporalibus, qui sunt in corporibus octo diversis, congregatis circa punctum unum. Nam semper duo anguli superficiales duorum angulorum corporalium conjuncto secundum profundum, tantum faciunt quantum unus; quia mille millia non facerent aliquid de profundo; et ideo duodecim tantum capiunt, quantum viginti quatuor, secundum hanc viam. Sed in theologicis magnum mysterium est1. Nam Christus est lapis angularis tanquam punctus in quo componuntur duodecim Apostoli; et alias viginti quatuor seniores in Apocalypsi; et oportet quod de uno numero vel alio spiritualiter sit quilibet, qui Christo Domino2 debeat uniri et super Christum fundari. Secundum igitur Averroem, octo cubi replent locum, circa3 punc­ tum unum corporaliter; et hoc non est dubium; quia angulus cubi componitur ex tribus rectis. Et quoniam anguli pyramidis duodecim valent octo angulos cuborum (nam angulus pyramidis valet duos rectos, sicut angulus cubi tres) ideo bis duodecies erunt viginti quatuor, sicut ter octo. Vulgus tamen naturalium Parisius, quia nescit terminos geometriae, contradicit suo auctori; quia unus stultus proposuit in publico, qui nomen habuit in vulgo, et dixit quod Averroes mentitur, quando dicit quod duodecim pyramides replent locum; nam viginti replent, ut iste asserebat. Sed impossibile est quod dicit. Nam viginti habent quadraginta angulos rectos superficiales, quia quilibet angulus de his pyramidibus replentibus locum habet duos rectos, ut patet; sed quadraginta anguli recti non sunt circa punctum unum. Sed aliam objectionem ego infero hic validissimam; et videtur quod novem octocedron impleant locum; et est octocedron figura octo basium 1  est ]  om. Ti. 2  Domino ]  om. Ti 3  circa ]  circum, Ti B.

KAPITEL 40

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Tiefe schneiden, oder wenn wir drei Fäden spannen oder dünne Halme oder andere sich überschneidende Dinge aufhängen, werden wir sehen, dass sich nicht mehr als zwölf Oberflächenecken ergeben werden, die dennoch 24 Winkel bilden können, die sich in acht körperlichen Ecken befinden, die in acht verschiedenen Körpern sind, und die um einen Punkt herum versammelt sind. Denn wenn zwei Oberflächenecken mit zwei körperlichen Ecken in der Tiefendimension verbunden sind, ergeben sie nicht mehr als eine. Denn auch 1000 mal 1000 ergeben nichts in der Tiefendimension. Deswegen decken zwölf [Oberflächenecken] genauso viel ab wie 24. Doch in der Theologie gibt es hier ein großes Mysterium: Denn Christus ist der Eckstein und gleichsam der Punkt, in dem die zwölf Apostel enthalten sind;291 ferner die 24 Ältesten in der Of­ fenbarung des Johannes 292. Daher ist es offensichtlich, dass aus der einen oder anderen Zahl im Spritualsinn alles abgeleitet wird, was durch Christus vereinigt und auf ihn begründet werden müsste. Nach Averroes293 füllen acht Würfel einen Ort aus, die um einen Punkt herum körperlich angeordnet sind. Daran besteht kein Zweifel, weil die Ecke eines Würfels aus drei rechten Winkeln besteht. Da zwölf Ecken einer Pyramide genau denselben Wert haben wie acht Ecken eines Würfels (da die Ecke einer Pyramide aus zwei rechten Winkeln besteht, so wie die Ecke eines Würfels aus dreien), machen zwei mal zwölf Ecken 24 [Ecken], ebenso wie drei mal acht [Ecken]. Doch die Menge der Naturphilosophen in Paris widerspricht der Autorität [des Averroes], weil sie die geometrischen Begriffe nicht kennt. Denn ein dummer Mensch, der bei der Menge einen gewissen Namen hatte, hat in aller Öffentlichkeit gesagt, dass Averroes gelogen hat, als er meinte, dass zwölf Pyramiden294 einen Ort ausfüllen, weil es seiner Annahme nach eigentlich 20 sein müssten. Doch was er da sagt, ist unmöglich: denn 20 Pyramiden haben 40 rechte Winkel, weil jede Ecke dieser Pyramiden klarerweise zwei rechte Winkel hat; und 40 rechte Winkel können nicht um einen Punkt herum angeordnet sein. Doch einen anderen Einwand halte ich für noch stichhaltiger: Es scheint, dass auch neun Achtecke einen Ort ausfüllen. Denn ein Achteck besteht aus

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Teil I

triangularium, quae est una de quinque corporalibus figuris famosis, quam figuram philosophi dederunt aeri. Nam anguli novem de angulis octocedron novem faciunt viginti quatuor rectos angulos; quia angulus unius1 talis constat ex duobus rectis superficialibus, et duobus tertiis unius recti. Si igitur novem tales accipiantur erunt octodecim; et si novies duae tertiae minus accipiantur fiunt sex anguli recti; quia ter duae tertiae faciunt duos rectos. Manifestum est igitur et videtur quod novem anguli tales faciunt viginti quatuor rectos. Et tamen Aristoteles et Averroes videntur dicere quod tantum cubus et pyramis replent locum. Si igitur dignetur vestra gloria considerare quae nunc scribo, et in Primo Opere, poteritis conferre cum omni geometro et naturali, et neminem invenietis qui vobis resistet. Adolescens quidem vobis in his omnibus poterit respondere, quia docui eum omnia, quae sunt de istis figurationibus corporum. Sed fere viginti anni sunt quod egi intra2 principia multa3 magistrorum novorum de hac materia; sed nullus unquam inventus est in tota universitate qui terminos ipsos intelligeret; et ideo pluries feci lectionem magistri novi de veritate quam Aristoteles et Averroes narrant, cum expositione vocabulorum, et tamen nullus potuit disputationi4 respondere. Non potest quidem plena certitudo haberi5 de his nisi fiant corpora, et figurentur secundum quod docetur in decimo tertio libro geometriae. Sed saltem oportet quod hujusmodi figuratio corporum mundi destruatur. Nam vacuum pluribus modis reperitur si hujusmodi configuratio concedatur; quia saltem in coelo et in aqua. De figuris enim respondentibus illis corporibus certum est quod non possunt locum replere.

1  unius ]  unus, L. Ti 2  intra ]  om. B. L. 3  multa ]  om. Ti 4  potuit disputationi ]  disputationi poterit, B. 5  plena certitudo haberi ]  haberi plena certitudo, Ti

KAPITEL 40

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[218]

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acht gleichseitigen Dreiecken, das eine der fünf bekannten geometrischen Körper ist, die die Philosophen der Luft zugeordnet haben: denn neun Ecken eines Achtecks ergeben 24 rechte Winkel. Denn eine solche Ecke besteht aus zwei rechtwinkligen Oberflächen und zwei Dritteln eines rechten Winkels. Wenn neun solche Ecken zusammen genommen werden, werden 18 rechte Winkel entstehen. Wenn davon neunmal zwei Drittel abgezogen werden, ergibt das sechs rechte Winkel; denn zwei mal zwei Drittel ergeben zwei rechte Winkel. Es ist also klar und augenscheinlich, dass neun solcher Ecken 24 rechte Winkel ergeben. Und dennoch scheinen Aristoteles295 und Averroes296 zu sagen, dass vor allem der Würfel und die Pyramide einen Ort ausfüllen. Wenn es Eurer Herrlichkeit daher gefallen würde, das, was ich hier schreibe und was ich im ersten Werk geschrieben habe, in Betracht zu ziehen, werdet Ihr Euch mit jedem Geometer und Naturphilosophen austauschen können und niemanden finden, der Euch widersprechen könnte. Mein Junge wird Euch in allem antworten können, weil ich ihm alles beigebracht habe, was man über diese Körper wissen kann. Es ist nun schon fast 20 Jahre her, dass ich viele der Überlegungen der neuen Lehrer über dieses Gebiet kennengelernt habe, doch es ist in der gesamten Gelehrtenwelt noch niemand gefunden worden, der alle diese Begriffe verstehen würde. Und ich habe mich schon sehr häufig mit neuen Lehrern über diese Wahrheiten ausgetauscht, die Aristoteles und Averroes berichten, auch mit Erläuterungen der speziellen Begriffe, und dennoch konnte nie jemand in einer Disputation antworten. Man kann von allen diesen Dingen sicherlich keine Gewissheit erlangen, wenn man nicht selbst solche Körper herstellt, die nach den Anweisungen des 13. Buches der Geometrie 297 modelliert werden. Doch wenigstens steht es fest, dass derartig die Anordnung der Weltkörper zerstört werden würde. Denn wenn eine solche Anordnung zugestanden würde, würde sehr häufig ein Vakuum entstehen – zumindest im Himmel und im Wasser. Denn von den diesen Körpern entsprechenden Figuren steht fest, dass sie keinen Ort ausfüllen können.

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Teil I

CAPITULUM XLI. 1 [ 219]

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Deinde conclusi breviter per geometricas demonstrationes2 unitatem mundi et finitatem; quia Averroes super principium coeli et mundi, qui ponit mundum esse infinitum, aut mundos plures, non potest ponere ipsum3 habere aliquod principium, neque aeter­num, neque non aeternum. Quia si esset infinitus tunc haberet potentiam infinitam, et esset Deus, et4 non haberet principium. Si plures, tunc essent plures dii5 secundum pluralitatem mundorum; quod est impossibile. Et ideo non haberent Deum creatorem, nec6 principium. Et ideo hae veritates sunt magis theologicae, quam multae aliae a theologis disputatae, ut de figura, et motu, et hujusmodi. Sed quia non sunt in usu eorum ideo brevius transivi. Nunc autem addam aliqua quae in aliis operibus non habentur. Aristoteles autem primo Coeli et Mundi arguit unum mundum esse; nam si plures essent tunc terra utriusque esset7 una secundum speciem, sicut duae glebae istius terrae quae nunc est8 in hoc mundo; sed unius rei secundum speciem est unus motus secundum speciem, et unus locus. Ergo sicut duae glebae istius terrae habent motum consimilem ad centrum hujus mundi, sic duae terrae duorum mundorum natae essent movere ad centrum utriusque mundi. Sed hoc non posset fieri, nisi terra apta nata esset penetrare suum mundum9, ut tenderet in centrum alterius mundi, et hoc non fieret nisi terra apta nata esset sursum a centro elevari. Sed haec10 aptitudo non 1  In B ist die Anordnung des Textes in diesem Kapitel sehr durcheinander. 2  demonstrationes ]  disputationes, Ti 3  ponere ipsum ]  ipsum ponere, B. 4  et ]  quia, Ti 5  dii ]  mundi, Ti 6  nec ]  neque, Ti 7  terra … esset ]  terrae essent, Ti 8  est ]  sunt, L. 9  suum mundum ]  finem mundi, Ti 10  haec ]  om. Ti

KAPITEL 41

291

KAPITEL 41 Über das Aevum298 [ 219]

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Daraufhin habe ich kurz mit einigen geometrischen Beweisen für die Einheit und Endlichkeit der Welt geschlossen.299 Denn Averroes schreibt zu Beginn seines Kommentars zu Über den Himmel und die Welt 300, in dem behauptet wird, dass die Welt unendlich ist oder dass es mehrere Welten gibt, dass man nicht entscheiden kann, ob sie einen Beginn hat, und dass man nicht sagen kann, ob sie ewig oder nicht ewig ist. Denn wenn sie ewig wäre, hätte sie auch eine unendliche Potenz, wäre also Gott und hätte keinen Anfang. Wenn es aber verschiedene Welten gäbe, gäbe es auch entsprechend den verschiedenen Welten verschiedene Götter, was unmöglich ist. Und daher hätten sie weder einen Schöpfergott noch einen Anfang. Diese Wahrheiten sind daher in weit größerem Maße theologischer Natur als viele andere, die von den Theologen diskutiert werden: wie etwa die Fragen über die Gestalt, die Bewegung und andere derartige Dinge. Doch da [diese Dinge] bei ihnen nicht viel in Gebrauch sind, habe ich sie nur kurz behandelt. Nun möchte ich aber einige Bemerkungen hinzufügen, die sich in den anderen Werken nicht finden. Aristoteles legt im ersten Buch von Über den Himmel und die Welt 301 dar, dass es nur eine Welt gibt; denn wenn es mehrere gäbe, müsste doch die Erde in beiden Welten von derselben Art sein, so wie es bei zwei Erdschollen auf dieser Erde der Fall ist, die sich in dieser Welt befindet. Doch einer artgleichen Sache kommt auch eine artgleiche Bewegung und ein artgleicher Ort zu. So wie also auch zwei Erdschollen auf dieser Erde dem Weltmittelpunkt gegenüber die gleiche Bewegung haben, müssten sich auch zwei Erden, die sich in zwei verschiedenen Welten befinden, zum Zentrum der jeweiligen Welt bewegen. Doch das kann nicht geschehen, außer wenn die eine Erde ihre Welt durchbrechen und sich zum Zentrum der anderen Welt hinbewegen würde. Das wäre jedoch nur möglich, wenn die Erde sich vom Zentrum wegbewegen würde. Diese Fähigkeit kann die Erde aber nicht haben,

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Teil I

pot­est esse in terra; quare non potest alia terra esse, nec alius mundus. De finitate mundi ipse ponit manifestas1 rationes geometricas. Sed tertia demonstratio quae facta est de finitate materiae est melior omnibus rationibus suis, quamvis eam non ponat. Et quia hic evidentior est2 quam ubi3 de materia agitur4, ideo propter planiorem5 intellectum illorum6, quae de materia dicta sunt in Opere Majori, ponam hic ipsam demonstrationem. Et non solum propter hoc, sed utilis est ad quaestionem de aeternitate motus et mundi. Nam ibi habet locum suum sicut hic. Si igitur mundus extendatur in infinitum undique, ducatur linea DB , AC , ex utraque parte in infinitum, et signentur quatuor puncta, D, B, A, C. Planum igitur est quod A BD linea vadit in infinitum ex parte B et D, et AC linea ex parte C, et sunt aequales, quia infinitum est aequale infinito. Similiter BD linea vadit in infinitum, et BAC linea similiter, ergo sunt aequales. Sed BAC linea est major AC linea per quantitatem A B : ergo illa eadem, scilicet BAC linea, est major ei aequali, scilicet A BD linea. Sed si BAC linea est major quam A BD linea, ergo aequa­lis BAC lineae erit major quam A BD linea. Sed aequalis BAC lineae est BD ; ergo BD linea est major quam A BD linea; scilicet pars major suo toto. Nam A BD est totum ad BD. Sed hoc est impossibile; quapropter mundus non potest esse infinitus. Quoniam vero circa tempus et aevum totaliter erratur et maxime circa eorum unitatem et pluralitatem, ideo demonstravi veritatem praecisam circa haec7, sed breviter. Ad intellectum igitur pleniorem8 volo uberius immorari; nam hic est una de majoribus difficultatibus philosophiae et theologiae, et digna omni consideratione, non solum propter evacuationem errorum multorum et magno1  manifestas ]  multas, B. L. 2  evidentior est ]  est, om. Ti 3  ubi ]  om. B. L. 4  agitur ]  om. B. L. 5  planiorem ]  pleniorem, Ti 6  illorum ]  eorum, L. Ti 7  haec ]  hoc, B. L. 8  pleniorem ]  planiorem, L.

KAPITEL 41

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weshalb es keine andere Erde und auch keine andere Welt geben kann.302 Er führt auch deutliche geometrische Beweise für die Endlichkeit der Welt an.303 Doch ein dritter Beweis, der sich auf die Endlichkeit der Materie bezieht, ist besser als alle seine Gründe, auch wenn er selber ihn nicht angibt. Da dies hier einleuchtender ist als dort, wo von der Materie gehandelt wird, füge ich diesen Beweis zu meinen Bemerkungen über die Materie in meinem Hauptwerk304 hinzu, damit sie besser verständlich werden. Doch nicht nur deswegen, sondern auch, weil [dieser Beweis] auch für die Frage nach der Ewigkeit der Bewegung und der Welt von Bedeutung ist. Denn er hat dort ebenso seinen Platz wie hier. Wenn die Welt sich überallhin unendlich ausdehnen würde, ziehe man eine Linie DB und eine Linie AC , die sich unendlich weit erstrecken, und trage darauf vier Punkte, D, B, A, C ein. Es ist dann offensichtlich, dass sich die Linie A B D aus dem Teil B und D unendlich weit erstreckt, ebenso wie die Linie AC aus dem Teil C, und dass sie gleich sind, weil die Unendlichkeit überall gleich unendlich ist. Genauso geht auch die Linie BD ins Unendliche, ebenso wie die Linie BAC : also sind auch sie gleich. Doch die Linie BAC ist um die Länge der Linie A B länger als die Linie AC : also ist auch jene Linie selbst, nämlich BAC , länger als die ihr entsprechende Linie A BD. Doch wenn die Linie BAC länger ist als die Linie A BD, wäre auch eine Linie, die gleich BAC ist, länger als die Linie A BD. Doch die Linie BD ist gleich der Linie BAC : also ist die Linie BD länger als die Linie A BD. Das heißt, dass der Teil größer ist als sein Ganzes, weil die Linie A BD dann vollständig in der Linie BD enthalten ist. Das ist aber unmöglich, weshalb die Welt nicht unendlich sein kann. Da aber über die Zeit und das Aevum vollkommener Irrtum herrscht, vor allem über ihre Einheit und Vielheit, so habe ich in diesem Punkt die genaue Wahrheit bewiesen, aber nur in K ­ ürze.305 Daher will ich das für ein besseres Verständnis ausführlicher darstellen. Denn hier liegt eine der größten Schwierigkeiten in der Philosophie und der Theologie, die alle Beachtung verdient: nicht nur, um die vielen und schweren Fehler auszuräumen, die hier ge-

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Teil I

rum, sed propter pulchritudinem et altitudinem veritatum. Vulgus igitur1 naturalium dicit quod tempus est unum numero omnium motuum simul existentium; et hoc est verum. Sed causam unitatis dicunt esse motum coeli cui primo debetur. Et quia ille motus primus est unus, tempus est unum. Et dicunt quod haec est positio Averrois, nam inclinat se ad hoc. Sed Aristoteles dicit quarto Physicorum, si plures essent coeli primi, tunc plures essent motus primi, non tamen plura essent tempora. Ergo cum ad pluralitatem motuum non sequitur pluralitas temporum, nec ad unitatem motus sequetur unitas temporis; quod concedendum est. Alii, ut theologi, aestimant quod tempus habet unitatem a materia, quia debetur rebus ex parte materiae; et quia materia est una numero secundum eos, ideo tempus. Sed hoc peccat in duobus; nam materia non est una numero, ut ostendi copiose. Deinde non potest tempus habere unitatem a materia, licet materia esset una. Nam materia non est subjectum temporis, nec corpus habens materiam; sed motus; et accidens non numeratur secundum numerum, nisi a subjecto suo. Unde materia est illud ad quod a longe sequitur tempus, et non immediate, sed ad motum, et ideo non numeratur per eam. Sed oportet sic dici; omne dimensionatum a parte ea, qua non est dimensionatum, compatitur secum aliud. Ut plures superficies possunt simul esse secundum profundum, et plures lineae secundum latum et profundum, et plura puncta secundum omnem dimensionem. Sed corpora plura non, quia undique habent dimensionem per quam quodlibet excludit aliud. Motus autem omnis habet dimensionem solam linearem, secundum longitudinem spatii;

1  igitur ]  autem, L.

KAPITEL 41

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macht werden, sondern auch wegen der Schönheit und der Herrlichkeit der Wahrheit. Die Menge der Naturphilosophen sagt, dass die Zeit numerisch dieselbe für alle gleichzeitig existierenden Bewegungen ist; und das ist wahr. Doch sie sagen weiter, dass der Grund dieser numerischen Einheit die Bewegung des Himmels ist, der zuerst gegeben ist. Und weil jene erste Bewegung eine ist, gibt es auch eine Zeit. Sie sagen ferner, dass das die Position des Averroes ist, weil er zu dieser Ansicht neige. Doch Aristoteles sagt im vierten Buch seiner Physik 306, dass es auch dann, wenn es mehrere erste Himmel und damit auch mehrere erste Bewegungen geben würde, doch nicht mehrere Zeiten geben würde. Daher folgt aus der Vielzahl der Bewegungen [der Himmel] nicht eine Vielzahl der Zeiten, ebenso wenig wie aus einer einheitlichen Bewegung eine einheitliche Zeit folgt – was man zugeben muss. Andere, wie die Theologen, meinen, dass die Zeit ihre Einheit von der Materie her habe, da die Dinge aus Materie bestehen; und weil nach ihrer Ansicht die Materie numerisch dieselbe ist, ist es auch die Zeit. Doch hier liegt gleich ein zweifacher Irrtum vor: denn zum Einen ist die Materie nicht numerisch identisch, wie ich weitläufig gezeigt ­habe.307 Zum Anderen kann die Zeit nicht von der Materie her ihre Einheit haben, selbst wenn die Materie numerisch dieselbe wäre. Denn weder die Materie noch ein aus Materie bestehender Körper ist das Zugrundeliegende [subjectum] der Zeit: sondern die Bewegung. Und ein Akzidenz wird nur von seinem Zugrundeliegenden numerisch gezählt. Daher folgt die Zeit der Materie erst viel später und nicht unvermittelt, sondern in Bezug zur Bewegung, weshalb sie auch nicht durch diese [die Materie] gezählt wird. Man muss es aber so sagen: Jedes Ausgedehnte kann von dem Teil aus, in dem es nicht ausgedehnt ist, mit einem anderen gleichzeitig bestehen. So können viele Oberflächen gleichzeitig in der Tiefe existieren; und viele Linien in der Länge und der Tiefe; und viele Punkte in jeder Dimension. Doch gilt das nicht für mehrere Körper, weil sie überall eine Ausdehnung haben, durch die jeder einen anderen ausschließt. Die Bewegung hat aber immer nur ­einen geradlinigen Verlauf in der Länge des Raumes; das gilt für die Be-

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Teil I

et hoc per decursum a priori in posterius, et a praeterito in futu­ rum. Ergo secundum comparationem ad praesens non excludet unus alium1. Ergo cum sic plures possunt esse, et qua ratione duo, et tres, et quatuor, et infiniti, oportet quod unum tempus numero praesens sit omnium simul existentium motuum. Et si dicatur quod accidens numeratur a numeratione subjecti, ergo tempus numerabitur secundum numerationem motuum, dicendum est, quod est aliquod accidens quod debetur aliquibus per modum diversitatis, et divisionis, et distinctionis, in quantum scilicet diversa sunt, et distincta, et divisa; et tale accidens numeratur a numeratione rerum in quibus est, et hujusmodi est omne accidens praeter tria; scilicet2, ubi, et tempus, et aevum. Nam ubi est accidens rei locatae; locus est accidens rei locantis3; et unum locans et unus locus possunt esse plurium rerum, ut infinitarum superficierum secundum profundum, et infinitarum linearum secundum latum et profundum. Et ideo unum ubi debetur pluribus superficiebus secundum profundum, et similiter pluribus lineis secundum profundum, et secundum latum. Quia sic sunt superficies indivisibiles et indistinctae carentes divisione; et ideo debetur eis ubi4 per naturam unionis et indivisionis, et privationis distantiae et dimensionis; et ita unum potest esse et non plura, licet plures res habeant idem ubi; et tantum facit una res pro subjecto illius ubi, sicut plures; et plures non plus faciunt quam una; quia debetur uni vel pluribus per naturam unionis et privationis diversitatis, et dimensionis, et distantiae, secundum quod una res non habet distantiam unde aliam excludat; et ideo secum compatitur sub eodem ubi et loco. Similiter est de tempore; nam

1  excludet unus alium ]  excludit motum aliud, B. 2  scilicet ]  om. Ti 3  locantis ]  locanti, L. B. 4  ubi ]  om. Ti

KAPITEL 41

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wegung von einem Ausgangspunkt zu einem folgenden Punkt ebenso wie von der Vergangenheit in die Zukunft. Daher schließt eine Bewegung eine andere gleichzeitige Bewegung nicht aus. Da es also mehrere Bewegungen geben kann – theoretisch zwei, drei, vier und unendlich viele –, steht es fest, dass alle gleichzeitig existierenden Bewegungen in numerisch einer Zeit gegenwärtig sein können. Und wenn gesagt wird, dass ein Akzidenz entsprechend der Aufzählung des Zugrundeliegenden [numeratione subjecti] gezählt wird: dass also die Zeit ensprechend der Aufzählungen der Bewegungen gezählt werden muss, ist dazu zu sagen, dass das ein anderes Akzidenz ist, das von anderen gemäß der Vielfalt, der Teilung, der Unterscheidung gemessen werden muss – und zwar insofern sie verschieden und unterschiedlich und geteilt sind; auf diese Art wird ein Akzidenz durch die Aufzählung der Dinge gezählt, in denen es sich befindet. Dies gilt für jedes Akzidenz außer dreien: dem ›Wo‹ [ubi], der Zeit [tempus] und der Ewigkeit [aevum]. Denn ›Wo‹ ist das Akzidenz einer ortsbestimmten Sache [rei loca­ tae]; ›Ort‹ ist das Akzidenz einer ortsbestimmenden Sache [rei locantis]. Ein Ortsbestimmendes [locans] und ein Ort können mehrere Dinge sein und unendlich viele Oberflächen in der räumlichen Tiefe teilen. Dasselbe gilt auch für unendlich viele Linien in der Breite und der Tiefe. Daher kann einem ›Wo‹ in der Tiefe viele Oberflächen zukommen, ebenso wie in der Breite. Denn so sind unteilbare und ununterscheidbare Oberflächen, die einer Teilung entbehren; und daher kommt ihnen das ›Wo‹ von der Natur der Vereinigung, der Unteilbarkeit und der Privation der Entfernung und der Dimension zu; daher kann es sich um ein ›Wo‹ handeln und nicht um mehrere, auch wenn verschiedene Dinge dasselbe ›Wo‹ haben mögen; und eine Sache macht genauso viel für das Zugrundeliegende jenes ›Wo‹ aus wie viele, und viele machen nicht mehr aus als eines; denn eines oder mehrere gibt es aufgrund der Natur der Einheit, der Privation der Vielheit und des Ausmaßes und der Entfernung, weil ein Ding keine Entfernung hat, aus der es ein anderes ausschließt; daher erlaubt es mit sich [ein anderes Ding] unter demselben ›Wo‹ und demselben Ort. Ähnlich verhält

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Teil I

tempus praesens1 debetur pluribus motibus, in quantum non habent dimensionem et distantiam, et ideo debetur eis per indivisionem et unionem, et ita non multiplicatur. Sicut vero est de puncto, quod secum compatitur aliud, sic est de aevo, si aevum non habet prius et posterius, nec partes, ut tota clamat philosophia, et Augustinus, et Dionysius. Si vero habet prius et posterius, ut vulgus dicit, tunc est sicut de tempore; et ideo omnino erroneum est, quod dicitur a vulgo theologorum et2 philosophantium, quia aevum sequitur formam, sicut tempus materiam. Et quia forma diversificatur in rebus, ideo aevum numeratur in aeviternis. Ita quod secundum numerum aeviternorum est numerus aevorum; unde quilibet Angelus secundum eos habet unum aevum; et quaelibet anima rationalis separata a corpore. Et hoc est impossibile vilissimum; sed erit unitas aevi et temporis sicut dixi. Caeterum per haec eadem magni errores alii excluduntur; nam cum loquuntur theologi de temporibus propriis cujuslibet rei, et de tempore communi, manifestus est3 error, quoniam per jam ­dicta patet, quod non potest esse nisi tempus unum omnium temporalium simul existentium. Non enim est intelligere quod plures horae sint simul, nec plures dies, nec plures septimanae, nec plures menses, nec plures anni; et sic de aliis partibus temporis majoribus vel minoribus. Cum etiam plura instantia non sint4 simul, sicut Aristoteles dicit, et patet per demonstrationem praedictam. Cum igitur quaerunt de transmutatione panis in Corpus Christi, vel de motu Angeli, vel de casu Luciferi, vel de justificatione impii,

1  tempus praesens ]  praesens tempus, Ti 2  theologorum et ]  om. Ti 3  est ]  om. Ti 4  sint ]  sunt, B. L.

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es sich auch mit der Zeit: denn die Gegenwart kann aus vielen Bewegungen bestehen, soweit sie keine Ausdehnung und keine Entfernung haben. Also ist es ihnen durch die Unteilbarkeit und die Einheit gegeben, und wird so nicht vervielfältigt. Wie es sich in Wahrheit mit dem Punkt verhält, weil er nichts anderes ausschließt, so verhält es sich auch mit dem Aevum, wenn es kein Vorher und Nachher und keine Teile hat, wie die ganze Philosophie meint, ebenso wie auch Augustinus308 und Dionysius. Denn wenn es tatsächlich ein Vorher und Nachher hätte, wie die Menge behauptet, würde es sich hier [beim Aevum] wie mit der Zeit verhalten; und daher ist alles falsch, was von der Menge der Theologen und der Philosophen gesagt wird, dass das Aevum ebenso auf die Form folgt wie die Zeit auf die Materie. Weil die Form jedoch in den Dingen vervielfältigt wird, wird auch das Aevum durch verschiedene Ewigkeiten [aeviternis] gezählt: sodass die Zahl der Ewigkeiten [aeviternorum] auch die Zahl der ganzen Ewigkeiten im uneigentlichen Sinn [aevorum] bestimmt, weshalb nach ihrer Ansicht jeder Engel sein eigenes Aevum habe, genauso wie jede vernünftige Seele, die vom Körper getrennt ist. Das ist aber eine scheußlich falsche Ansicht; es wird aber eine Einheit von Aevum und Zeit geben, wie ich es gesagt habe. Zudem können hierdurch zahlreiche weitere Fehler ausgeschlossen werden. Denn wenn die Theologen von den jeder Sache eigenen Zeiten sowie von einer gemeinsamen Zeit reden, wird ihr Fehler deutlich, weil aus dem Gesagten hervorgeht, dass es nichts weiter geben kann als eine einheitliche Zeit für alle gleichzeitig existierenden Dinge. Denn es ist doch unverständlich, dass es gleichzeitig verschiedene Stunden geben soll, verschiedene Tage, Wochen, Monate oder gar Jahre; und so gilt es auch bei allen anderen langen oder kurzen Zeitabschnitten. Daher gibt es nicht verschiedene Augen­blicke gleichzeitig, wie Aristoteles309 sagt und wie aus der bereits genannten Beweisführung hervorgeht. Wenn sie nach der Veränderung des Brotes in den Leib des Herrn fragen; oder nach der Bewegung der Engel; oder nach dem Fall Luzifers; oder nach der Rechtfertigung der Gottlosen oder auch nach

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Teil I

vel in aliis, loquuntur multum de natura temporum, et inferunt tempora propria1 numerari secundum numerum rerum temporalium. Sed tempus commune unum esse non est intelligibile2, quod dicitur, nec verum esse potest, ut patet per ea quae dicta sunt. Cum etiam finguntur duo instantia sibi invicem in istis transmutationibus succedere et contiguari, non est hoc possibile. Nam Aristoteles dicit, octavo Physicorum, quod unum instans est in omnibus talibus transmutationibus, in quo acquiritur esse termini ad quem fit mutatio. Ut cum de non albo fit album, erit aliquod tempus in quo res est non alba. A C B  Sit illud tempus A; et aliud tempus in quo res est alba, sit illud tempus3 B. Inter haec igitur tempora, ut Aristoteles docet, non est nisi unum instans, quod est finis ipsius A, et principium ipsius B. Sit igitur C hoc instans. Dicit igitur4 quod in C instanti acquiritur terminus ad quem fit motus. Unde in C res fit alba, et in toto tempore A; id est, in qualibet parte ejus est non alba, sed non in termino ejus, qui est C. Nam in eo jam est mobile sub termino ad quem; et istud est necessarium in omni generatione, et alteratione, et transmutatione secundum formam. Nam quaelibet transmutatio talis est finita, aliquando enim terminatur; ergo fit in tempore finito et terminato. Sed finis temporis ab una parte non est nisi unus; et hic finis est instans. Ergo in hujusmodi trans­ mutatione complenda non reperietur nisi unum instans a parte post. Quare in A tempore, cum fine suo, qui est C, complebitur talis transmutatio; sed non completur transmutatio nisi inducatur terminus ad quem. Ergo sicut totus motus est in toto tempore,

1  propria ]  om. Ti 2  intelligibile ]  intelligere, Ti 3  illud tempus ]  om. B. 4  igitur ]  ergo, Ti; om. L.

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anderen Dingen, reden sie viel über das Wesen der Zeiten und zählen die Zeiten entsprechend der Aufeinanderfolge der zeitlichen Dinge. Doch eine gemeinsame Zeit für ein Sein ist nicht verständlich, wie gesagt wird, noch kann es wahr sein, wie aus dem hervorgeht, was gesagt worden ist. Denn wenn sie sich zwei Augenblicke für solche Veränderungen ausdenken, die einander folgen und sich fortsetzen sollen, ist das nicht möglich. Denn Aristoteles sagt im achten Buch seiner Physik 310, dass es nur einen Augenblick bei allen diesen Veränderungen gibt, an dem die Grenze erreicht worden ist, bei der eine Veränderung stattfindet. Und wenn aus etwas nicht-Weißem etwas Weißes wird, wird es ein anderer Zeitabschnitt sein, in dem eine Sache nicht weiß ist. A C B Gegeben sei jene Zeit A. Eine andere Zeit, in der eine Sache weiß ist, sei jene Zeit B. Zwischen diesen Zeiten gibt es, wie Aristoteles lehrt, nur einen einzigen bestimmten Augenblick, der das Ende jener Zeit A und der Beginn jener Zeit B ist. Dieser Augen­ blick sei C. Er sagt also, dass in dem Augenblick C die Grenze erreicht wird, bis zu der hin eine Bewegung stattfindet. Daher wird eine Sache in dem Augenblick C weiß, ebenso wie in der gesamten Zeit A. Das heißt, dass in jedem Teil der Zeit A eine Sache noch nicht weiß ist, sondern erst zum Endzeitpunkt des Zeitverlaufes A, der durch C gekennzeichnet ist. Denn in der Zeit A verändert sich eine Sache bis zu der Grenze ihrer Bewegung; und das ist für jedes Entstehen, jede Veränderung und auch für jede Veränderung der Form notwendig. Denn jede solche Veränderung ist endlich und muss irgendwann beendet sein; also findet sie in einer endlichen und begrenzten Zeit statt. Doch das Ende einer Zeitspanne von einem Teil muss ein bestimmter Zeitpunkt sein – dieser Endzeitpunkt aber ist der Augenblick. Man wird also in jeder derartigen Veränderung einen bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft finden [a parte post], weshalb in dem Zeitabschnitt A mit seinem Ende, dem Zeitpunkt C, die Veränderung abgeschlossen sein wird; doch die Veränderung wird nicht abgeschlossen sein, wenn sie nicht zu dem Augenblick geführt wird, bis zu dem der alte Zustand gilt. Da also während der gesamten Zeit eine durchgehende Bewegung

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Teil I

sic subita introductio termini ad quem est in fine temporis, qui est unum instans et non duo. Et illud idem instans est principium sequentis temporis, in quo continuatur res sub termino ad quem, acquisito tamen in ejus principio; quia totum tempus a principio mundi continuum est propter motum coeli continuum; et ideo non sunt ibi duo instantia sed unum, ad quod copulantur partes temporis, sibi invicem succedentes per ordinem sine divisione actuali; sicut partes lineae unius copulantur ad puctum unum, et in eo1 uniuntur. Et ideo cum arguunt sic: accipiatur ultimum instans in quo res est sub termino a quo, et primum2 in quo res est sub termino ad quem, non potest esse quod idem sit instans; quia tunc in eodem instanti esset res simul et semel sub contrariis dispositionibus; ut simul alba et non alba; ergo erunt diversa instantia. Sed inter quaelibet diversa instantia cadit tempus medium; ergo erit tempus medium in quo res nec est alba, nec non alba, quod est impossibile; et similiter quod tempus erit medium, in quo neque sit panis neque Corpus Christi. Solvunt sic; quod unum est tempus commune omnibus, quod sequitur motum coeli; alia sunt tempora propria singulorum motuum et singularum rerum, et sic possunt plura tempora simul esse, et sic possunt plura tempora contiguari ad invicem, id est, succedere sibi invicem sine medio; et haec habent diversa instantia sibi vicina sine tempore medio, sicut duae lineae obviantes sibi invicem habent diversa puncta in suis extremitatibus simul applicatis; et ideo concedunt hic esse plura instantia et plura tempora;

1  eo ]  uno, Ti 2  primum ]  pm, L.

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stattfindet, liegt der Zeitpunkt, bis zu dem hin [termini ad quem] eine Veränderung abgeschlossen ist, am Ende eines bestimmten Zeitraums, der durch genau einen Augenblick – und nicht durch zwei Augenblicke – bestimmt ist. Und dieser Augenblick ist der Anfang der folgenden Zeit, in der eine Sache bis zu dem Zeitpunkt fortgeführt wird, bis zu dem sie Bestand hat, und die sie zu Beginn [des Zeitabschnittes] erhalten hat. Denn die ganze Zeit seit Beginn der Welt ist aufgrund der kontinuierlichen Himmelsbewegung ein Kontinuum. Daher sind es dort nicht zwei Augenblicke, sondern nur einer, in dem die Teile der Zeit zusammenfallen, die ohne eine bestehende Einteilung [divisio actualis] in einer bestimmten Ordnung folgen; so wie auch die Abschnitte einer Linie in einem Punkt verbunden und in ihm vereint sind. Wenn sie folgendermaßen argumentieren: Angenommen sei der letzte Augenblick, in dem sich eine Sache bis zu dem Zeitpunkt der Veränderung befindet: dann kann es nicht derselbe Augenblick sein [in dem eine Sache sich verändert hat], weil dann eine Sache in demselben Augenblick zugleich mit entgegengesetzten Eigenschaften existieren müsste, also zum Beispiel als gleichzeitig weiße und nicht-weiße Sache. Also müssen es verschiedene Augenblicke sein. Doch zwischen alle verschiedenen Augenblicke fällt eine Zwischenzeit. Also müsste es eine Zwischenzeit geben, in der eine Sache weder weiß noch nicht-weiß wäre, was unmöglich ist; und ähnlich müsste es auch eine Zwischenzeit geben, in der das Brot weder Brot noch der Leib Christi wäre. Das lösen sie so: Es gibt eine für alle Dinge gleiche Zeit, weil sie der Himmelsbewegung folgt. Es gibt aber auch andere Zeiten, die jeder einzelnen Bewegung und jedem einzelnen Ding eigen sind; und auf diese Weise kann es gleichzeitig verschiedene Zeiten geben. So können auch mehrere Zeiten aufeinander folgen, das heißt, ohne dass zwischen ihnen eine Zwischenzeit vergeht. Auf diese Weise folgen verschiedene Augenblicke einander ohne eine Zwischenzeit, so wie auch zwei sich schneidende Linien gleichzeitig mehrere Punkte in den sich überlagernden Abschnitten haben. Und so meinen sie, dass es auch mehrere Augenblicke und meh-

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Teil I

scilicet, tempus unum ipsius termini a quo, et aliud ipsius termini ad quem. Et cum dicitur, quod inter qaelibet duo instantia est tempus medium, dicunt quod hoc est verum1 in eodem tempore, non in diversis; sicut inter quaelibet puncta duo in eadem linea est linea media; sed non inter puncta quae sunt duarum linearum extremitates, sibi invicem occurrentium. Sed haec solutio falsa est multis de causis; una est quod non est possibile, quod plura tempora sint simul; ut probatum est. Secunda est quod in illo tempore communi unum instans responderet illis duobus instantibus propriorum temporum; et ideo in eodem instanti illius temporis communis esset res alba et non alba; quod est impossibile. Tertio, contra Aristotelem est haec solutio, quia facit eamdem cavillationem in octavo Physicorum, et solvit dicens, quod non contingit dare instans in quo est res ultimo sub termino a quo, sed primum2 in quo res est3 sub termino ad quem. Quia non est nisi unum instans hic; ergo est finis praeteriti et principium futuri, et in eo acquiritur terminus ad quem. Et hoc est intelligendum quando terminus ad quem est permanens; quia res successiva non potest esse in instanti sed in tempore. Et his visis non solum patet falsitas hic vulgata de instantibus pluribus et temporibus pluribus, sed quomodo veritas de omnibus his plana est, secundum hujusmodi considerationem. Nam ubi major est difficultas, scilicet in transmutatione panis in Corpus Domini, quia haec transmutatio est supra naturam plus quam aliae, dicendum est quod oportet nos loqui de aliquo tempore finito et certo; quia non durat haec transubstantiatio in

1  est verum ]  verum est, Ti 2  primum ]  pm, L. 3  est ]  om. B.

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rere Zeiten gibt, nämlich einen Zeitpunkt, von dem aus eine Sache ist [termini a quo], und einen Zeitpunkt, bis zu dem hin sie ist [termini ad quem]. Wenn dagegen eingewendet wird, dass es zwischen zwei beliebigen Augenblicken immer einen Zwischenzeitraum gibt, sagen sie, dass dies für dieselbe Zeit wahr ist, nicht aber für verschiedene Zeiten. So wie es auch zwischen zwei beliebigen Punkten auf derselben Linie immer einen Zwischenabstand gibt, nicht aber zwischen zwei Punkten, die auf zwei sich überlagernden Linien liegen, die sich gegenseitig überschneiden. Doch diese Lösung ist aus vielen Gründen falsch: Einer davon besteht darin, dass es nicht möglich ist, dass es verschiedene Zeiten gleichzeitig gibt, wie gezeigt worden ist. Der zweite Grund liegt darin, dass in jener gemeinsamen Zeit ein Zeitpunkt zwei Zeitpunkte der jeweils eigenen Zeiten überlagern würde, weshalb in demselben Zeitpunkt jener gemeinsamen Zeit eine Sache weiß und nichtweiß sein würde, was unmöglich ist. Drittens ist diese Lösung gegen Aristoteles, der im achten Buch seiner Physik 311 dieselben sophistischen Spielereien anführt und sie löst, indem er sagt, dass man keinen Augenblick angeben kann, zu dem eine Sache zeitlich zu sein anfängt, sondern erst einen Augenblick, bis zu dem hin eine Sache existiert, weil es hier nur einen Zeitpunkt gibt; also ist er das Ende der Vergangenheit und der Beginn der Zukunft, und dieser Augenblick bildet den Zeitpunkt, bis zu dem hin eine Sache existiert. Und dies muss man verstehen, wenn ein Zeitpunkt, bis zu dem etwas gilt, fortdauernd ist, weil die folgende Sache nicht in einem Augenblick, sondern nur in der Zeit sein kann. Wenn man das verstanden hat, wird nicht nur die verbreitete Falschheit [der Annahme] von vielen Augenblicken und verschiedenen Zeiten klar, sondern auch, auf welche Weise es sich dieser Überlegung entsprechend der Wahrheit nach eigentlich verhält. Doch es gibt noch eine größere Schwierigkeit: die Transsubstantiation des Brotes in den Leib des Herrn, weil diese Veränderung weit mehr als alle anderen jenseits der Natur liegt. Hierzu ist zu sagen, dass wir bei dieser Sache über eine endliche und begrenzte Zeit sprechen, weil diese Transsubstantiation klarerweise nicht in

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Teil I

infinitum ut patet. Sit igitur illud tempus A, et postquam finitur a parte post, sicut a parte ante, non habebit nisi unum finem a parte post, et unum a parte ante; et hic finis est instans, secundum quod sit C. Ergo in A tempore finito per C instans a parte post complebitur haec transubstantiatio. Sed in A tempore est semper panis, et in C instanti est corpus Christi. Et ideo debet dici quod nunc primo, scilicet in C, est Corpus Christi, et non ante. Et quia non est ibi nisi unum instans a parte post, scilicet ipsum C, ideo non continget dare aliquod instans in quo ultimo est panis. Sed aliquam partem temporis A possumus assignare; ut si1 dividamus A, per intellectum, in duas medietates, vel in tres tertias, vel alia divisione, secundum rationem divisionis ipsius continui in partes quotlibet aliquotas; quoniam tempus est quantitas continua; tunc possemus dicere de secunda medietate, vel de ultima tertia, aut2 de quacunque alia parte aliquota ultima, quod nunc ultimo est panis; et nunquam hoc dicetur de aliquo instanti, quia non est nisi unum a parte una temporis in quo fit transmutatio; et in illo est Corpus Christi, et ideo non panis. Sed in toto A tempore praecedenti instans est panis, et in qualibet parte ejus. Et sic dicendum de aliis exemplis praedictis et de tota transmutatione naturalium rerum. Nec est aliqua differentia, nisi quod in naturalibus motus ad terminum ad quem fit in A tempore, et corrumpitur in eo terminus a quo. Sed hic in toto A tempore remanet panis, nec3 corrumpitur; sed in C instanti jam desinit panis, et transubstantiatur in Corpus Christi, et non est panis sed Corpus Domini. Et ideo nunquam danda sunt duo tempora, nec duo instantia, quae hic finguntur.

1  si ]  om. Ti 2  aut ]  vel, B. 3  nec ]  et non, B.

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alle Ewigkeit andauert. Gegeben sei also jene Zeit A, die, nachdem sie a parte post ebenso wie a parte ante beendet sein wird, nur einen Endpunkt a parte post und einen Endpunkt a parte ante haben wird: dieser Endpunkt ist der Augenblick C. Also wird die Transubstantiation vollendet sein, wenn der Zeitverlauf A durch den Zeitpunkt C beendet worden ist. Doch während der Zeit A ist das Brot die ganze Zeit Brot; und ab dem Zeitpunkt C ist es der Leib Christi. Daher muss man sagen, dass es nicht vor dem Zeitpunkt C der Leib Christi ist. Da es aber nur ab dem Zeitpunkt C und danach der Leib Christi ist, kann man keinen anderen letzten Zeitpunkt angeben, an dem das Brot noch Brot ist. Doch wir können natürlich irgendeinen Teil der Zeit A angeben; denn wenn wir den Zeitabschnitt A in Gedanken in zwei Hälften oder drei Drittel oder in eine andere Einteilung teilen, kann man ihn immer noch weiter teilen, weil die Zeit eine kontinuierliche Einheit ist. Dann können wir von der zweiten Hälfte oder dem letzten Drittel oder von irgendeinem anderen letzten Teil eines beliebigen Teils sagen, dass dies nun der letzte Teil [der Zeit] ist, in dem das Brot noch Brot ist. Und dies kann niemals von einem anderen Teil gesagt werden, weil es nur einen Augenblick gibt, in dem die Veränderung stattfindet. In diesem Augenblick aber [wird das Brot] zum Leib Christi und ist daher kein Brot mehr. Doch in jedem vorhergehenden Augenblick des Zeitabschnittes A ist es Brot – und zwar in jedem nur möglichen Abschnitt dieses Zeitverlaufs. Das muss man auch für alle anderen vorher genannten Beispiele und für alle Veränderungen von natürlichen Dingen feststellen. Es gibt hier eigentlich kaum einen Unterschied, außer dass bei natürlichen Prozessen die Bewegung bis zum Endpunkt stattfindet und ab dem Anfangspunkt [einer neuen Bewegung] aufhört. In diesem Beispiel bleibt das Brot in der ganzen Zeit A Brot und hört nicht auf, Brot zu sein. Doch in dem Moment C hört es sofort auf, Brot zu sein und wird in den Leib Christi gewandelt – dann ist es nicht mehr Brot, sondern der Leib des Herrn. Daher können hier niemals zwei Zeiten oder zwei Augenblicke angegeben werden, wie es hier erdichtet wird.

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Teil I

CAPITULUM XLII. [ 233]

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Quoniam vero motus mensuratur a tempore et est consequens ad materiam, licet a longe, et veritates praeclarae sunt circa motum figurationibus pulchris describendae, ideo eas explicavi, et posui radices unius scientiae magnae, quae vocatur scientia de ponderibus, hoc est de motibus gravium et levium. Et haec Distinctio est de pulchrioribus quae misi, et multum utile est in naturalibus sciendis; sed vulgus totum hoc ignorat. Et nunc addo aliqua ad haec, quae non posui alibi, in quibus errat vulgus; et unum quod certum apud Latinos naturales non est: an motus gravium et l­ evium possit fieri in medio vacuo. Nam ante Aristotelem philosophi posuerunt vacuum in mundo propter motum, non aestimantes quod motus localis possit esse sine vacuo; quia si in pleno sit motus, arguebant duo corpora esse simul in eodem loco, quod esse non potest. Quaerunt igitur1, an in tempore, vel in instanti, fieret lapis a coelo in terram, si vacuum esset in medio, ita quod nullum corpus2 naturale, sed spatium vacuum. Et aestimant quidam quod in instanti, et erit mutatio non motus; quidam quod in tempore et erit motus non mutatio, quia mutatio est in instanti, et motus in tempore secundum naturales. Nam illi qui ponunt in instanti arguunt sic: Aristoteles demonstrat

1  igitur ]  ergo, Ti 2  corpus ]  tempus, L.

KAPITEL 42

309

KAPITEL 42 Über Bewegung in einem Vakuum [ 233]

[ 234]

Da die Bewegung von der Zeit her bestimmt wird und – zumindest von Weitem – aus der Materie folgt; und da es viele hochberühmte Wahrheiten über die Bewegung gibt, die durch sehr schöne Darstellungen beschrieben werden können, habe ich sie erklärt und die Wurzeln jener einen großen Wissenschaft dargestellt, die Wis­ senschaft von den Gewichten312 genannt wird, und die die Bewegungen von schweren und leichten [Körpern] behandelt. Diese Distinktion [meines Opus maius]313 gehört zu den schönsten Teilen, die ich Euch geschickt habe, da [diese Wissenschaft] äußerst nützlich für die Naturerkenntnis ist. Doch die Menge kennt diese Wissenschaft nicht. Ich füge nun weiteres hinzu, über das sich die Menge im Irrtum befindet, was ich nicht anderswo besprochen habe; und eine weitere Sache, über die es bei den lateinischsprachigen Naturforschern keine Sicherheit gibt: ob es eine Bewegung von Schwerem und Leichtem in einem Vakuum geben kann.314 Denn vor Aristoteles haben die Philosophen behauptet, es müsse aufgrund der Bewegung in der Welt ein Vakuum geben, ohne dabei zu beachten, dass eine Lokalbewegung auch ohne ein Vakuum möglich ist: denn sie meinten, dass im Falle einer Bewegung in einem gefüllten Raum zwei Körper gleichzeitig an demselben Ort sein müssten, was unmöglich ist. Sie untersuchen also, ob es in einer Zeitspanne oder in einem Augenblick möglich sein könnte, dass ein Stein vom Himmel auf die Erde fällt, wenn es dazwischen ein Vakuum geben würde, sodass sich dazwischen in diesem Vakuum kein anderer natürlicher Körper befindet. Einige meinen, dass das in einem Augenblick geschehen wird und dass es sich dabei um eine Veränderung, nicht aber um eine Bewegung handelt. Einige andere sind hingegen der Ansicht, dies geschähe in der Zeit und sei eine Bewegung und keine Veränderung, weil die Ver­änderung diesen Naturphilosophen nach in einem Augenblick geschähe, die Bewegung aber in einer bestimmten Zeitspanne. Denn diejenigen, die sich [in dieser Frage] für den Augenblick aus-

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Teil I

in littera sc. quarto Physicorum, capitulo de vacuo, sub his verbis: »Vacui ad plenum non est proportio, sed cujuslibet temporis ad aliud est proportio; et corpus movetur in tempore aliquo in pleno; ergo si in vacuo moveretur, non fieret in tempore, sed in non tempore, quod est instans.« Haec est demonstratio Aristotelis. ltem arguunt quod motus causatur per hoc, quod medium in parte resistit, et in parte cedit. Si enim omnis resisteret non esset motus; si nulla resistentia esset tunc motu non indigeret, nec tempore; quia, secundum quod plus vel minus resistit medium, citius vel tardius movetur corpus in eo, ut videmus. Quapropter cum in vacuo nulla resistentia est, quia nec molle nec1 durum, non enim habet aliquam passionem naturalem, subito et in instanti fieret mobile in eo a coelo in terram. Sed hae rationes2, non procedunt nisi de motu naturali, et non de motu in communi. Intelligamus igitur motum ante proprietatem naturalem, et corpus in communi antequam fiat naturale; et non consideremus proprietates naturales pleni; scilicet densitatem et raritatem, secundum quas variatur motus naturalis3; sed consideremus tantum quantitatem spatii, abstractam a conditionibus naturalibus, ut mathematicus considerat eam; tunc falsum est quod dicitur, vacui ad plenum non est proportio. Quia plenum hic accipitur ante proprietatem naturalem. Et certe licet vacuum et plenum in naturali proprietate non communicant, tamen communicant in quantitate spatii. Nam potest utrumque spatium distingui penes stadia, et milliaria, et caeteras mensuras geometricas. Et sic poterit motus in vacuo fieri

1  nec ]  om. Ti 2  hae rationes ]  rationes hae, Ti 3  motus naturalis ]  naturalis motus, Ti

KAPITEL 42

[ 235]

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sprechen, argumentieren wie folgt (Aristoteles gibt ihre Meinung in seinen eigenen Worten im vierten Buch der Physik im Kapitel über den leeren Raum315 wieder): »Das Vakuum steht zum Vollen in keinem Verhältnis, doch steht jede Zeitspanne zu einer anderen Zeitspanne in einem Verhältnis; und ein Körper wird im Vollen zu einer Zeit bewegt; wenn er also im Vakuum bewegt werden würde, wäre dies nicht in der Zeit, sondern in einer Nicht-Zeit, was augenblicklich ist.« Das ist der Beweis des Aristoteles. Weiterhin argumentieren sie, dass Bewegung verursacht wird, weil das Medium zum Teil widersteht, zum Teil aber nachgibt. Denn wenn [das Medium] vollkommen widerstehen würde, gäbe es keine Bewegung. Wenn [das Medium] jedoch gar nicht widerstehen würde, ergäbe sich auch keine Bewegung und auch keine Zeit; denn wie wir sehen, wird ein Körper abhängig vom Widerstand des Mediums schneller oder langsamer bewegt. Weil es in einem Vakuum keinen Widerstand gibt – denn es ist weder weich noch hart –, hat es auch keine natürlichen Eigenschaften. Deshalb würde sich ein Bewegtes in ihm plötzlich und augenblicklich vom Himmel zur Erde bewegen. Doch diese Gründe gelten nur für eine natürliche Bewegung, nicht für die Bewegung im Allgemeinen. Stellen wir uns nun also eine Bewegung unabhängig von ihren natürlichen Eigenschaften und einen [von seinen natürlichen Eigenschaften] abstrahierten Körper vor, bevor er tatsächlich in der Natur vorkommt. Und beachten wir auch nicht die natürlichen Eigenschaften des vollen Raumes, nämlich Dichte und Lockerheit, nach denen sich die natürliche Bewegung ändert. Sondern stellen wir uns nur die abstrakte Ausdehnung des Raumes vor, wie der Mathematiker ihn betrachtet: Dann ist es falsch, zu sagen, dass ein Vakuum zum vollen Raum in keinem Verhältnis stünde, weil der volle Raum hier unabhängig von seinen natürlichen Eigenschaften betrachtet wird. Und wenn auch ein Vakuum und der volle Raum in ihren natürlichen Eigenschaften nicht verbunden sind, haben sie doch in der reinen Ausdehnung des Raums eine Gemeinsamkeit. Denn man kann jeden dieser Räume in Stadien, Meilen und andere geometrische Maßeinheiten einteilen. Wenn man sich das

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Teil I

in aliquo tempore, quod habeat proportionem ad tempus motus in pleno. Et propter hoc, hae rationes, et hujusmodi multae quas Aristoteles facit, non sunt nisi quod motus naturalis non potest fieri in spatio vacuo. Et ideo alii aestimant quod motus bene potest esse in vacuo, dummodo non intelligatur motus cum naturali proprietate. Et arguunt sic: prius et posterius in tempore causantur a priori et posteriori in motu; et1 prius et posterius in motu causantur a priori et posteriori in spatio, et istud dicitur ab Aristotele in capitulo de Tempore. Sed in spatio vacuo sunt prius et posterius propter quantitatem quae habet prius et posterius; ergo in vacuo potest esse motus; et si hoc, tunc fiet in tempore; quia motus non fit in instanti. Iterum, sicut se habet instans ad tempus, sic se habet punctus ad lineam; ergo permutatim, sicut instans ad punctum sic tempus ad lineam. Sed transmutatio puncti est in instanti; ergo linea transitur in tempore. Quare spatium vacuum2 lineare non potest pertransiri nisi in tempore, et ideo fiet motus in eo. lterum, corpus motum, ut lapis, habet prius et posterius in suis partibus, et aequidistant semper. Ergo prius occupabit primam partem vacui prima pars mobilis quam secunda; nam aliter prima et posterior pars corporis essent simul, quod est impossibile. Relin-

1  et ]  ac, Ti; prius ac posterius, L. 2  vacuum ]  om. L.

KAPITEL 42

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vorstellt, kann auch in einem Vakuum eine Bewegung stattfinden, nur in einer anderen Zeitspanne, als [ein Körper] dafür in einem vollen Raum benötigen würde. Deswegen zeigen diese – ebenso wie die anderen von Aristoteles angestellten Überlegungen – nur, dass keine natürliche Bewegung in einem Vakuum stattfinden kann. Andere sind daher der Ansicht, dass eine Bewegung sehr gut in ­einem Vakuum möglich sein kann, wenn darunter nicht eine natürliche Bewegung verstanden wird. Sie argumentieren dafür folgendermaßen: Ein Vorher und Nachher in der Zeit werden durch ein Vorher und ein Nachher der Bewegung verursacht; und ein Vorher und Nachher der Bewegung werden durch ein Vorher und Nachher im Raum verursacht – und so wird es auch von Aristoteles im Kapitel über die Zeit 316 gesagt. Doch auch in einem Vakuum gibt es aufgrund der Quantität, die ein Vorher und ein Nachher beinhaltet, ein Vorher und ein Nachher: also kann in einem Vakuum Bewegung stattfinden. Wenn es aber Bewegung geben kann, muss sie auch in der Zeit stattfinden, weil sich eine Bewegung nicht augen­blicklich vollziehen kann. Weiterhin: Wie sich der Augenblick zu einer Zeitdauer verhält, verhält sich auch der Punkt zur Linie. Wenn man dieses Verhältnis vertauscht, verhält sich der Augenblick zum Punkt so wie die Zeitdauer zur Linie.317 Doch die Veränderung eines Punktes geschieht in einem Augenblick, also setzt sich eine Strecke in einer bestimmten Zeitdauer fort. Deshalb kann eine Strecke in einem Vakuum nur in einem gewissen Zeitraum zurückgelegt werden: daher muss die Bewegung zeitlich stattfinden. Weiterhin: Ein bewegter Körper (wie zum Beispiel ein Stein) hat [in der Bewegung] ein Vorher und ein Nachher in seinen Teilen, die immer gleich weit voneinander entfernt sein müssen. Also wird er mit seinem ersten Teil einen entsprechenden Teil eines Vakuums vor dem zweiten Teil einnehmen: Denn andernfalls wären der erste und der folgende Teil des Körpers zugleich [an einem Ort], was unmöglich ist. Daher bleibt nur, dass die Teile des sich bewegenden Körpers die Teile jenes Vakuums immer nacheinander

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Teil I

quitur ergo quod successive transibunt semper partes mobilis partes1 ipsius vacui; et ideo in tempore. lterum, nulla virtus finita agit in instanti; sicut probatur sexto Physicorum. Ergo cum virtus gravis sit finita, non fiet deorsum in ­instanti. Iterum, nihil potest simul et semel esse in diversis locis, nisi Crea­ tor. Sed si in instanti fieret, tunc esset simul et semel in principio spatii, et in medio, et in fine, et per consequens in omnibus partibus spatii; ergo non esset creatura. Et isti credunt quod motus voluntarius potest fieri in vacuo, etsi2 non naturalis. Et hoc accipere se dicunt ab Averrois commentatore. Sed hoc impossibile est; quoniam vacuum, ut philosophi posuerunt, et ut Aristoteles utitur contra eos, est spatium vacuum, habens longum, latum, et profundum, carens tamen naturalibus passionibus, quae sunt calidum, frigidum, rarum, densum, molle, durum, grave, leve, et hujusmodi. Sed hoc spatium sic positum habet unde repleat locum et nunquam cedat alicui, ut dicit Aristoteles, capitulo De Vacuo; quoniam per trinam dimensionem corpus quodlibet replet locum. Unde corpus naturale non replet locum propter calorem et frigiditatem, vel aliam passionem naturalem, sed propter trinam dimensionem; et ideo cum vacuum habeat hujusmodi dimensionem, natum est locum suum replere, sicut quodcunque corpus naturale. Nec potest cedere, quia nullam passionem habet naturalem. Corpus enim alii non cedit nisi quia est3 molle, et hujusmodi causatur4 a qualitatibus primis, quae sunt calidum, frigidum, humidum, siccum; ergo vacuum

1  partes ]  et partes, B. L. 2  etsi ]  sed, Ti. 3  est ]  om. Ti. 4  causatur ]  So in Ti.; tangit von anderer Hand. Tangitur, L.

KAPITEL 42

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durchlaufen – und dementsprechend auch in einem gewissen Zeitabschnitt. Weiterhin: Keine endliche Kraft wirkt augenblicklich, wie im sechsten Buch der Physik 318 [des Aristoteles] gezeigt worden ist. Wenn also die Kraft eines schweren [Körpers] endlich ist, kann er nicht in einem Augenblick nach unten fallen. Weiterhin: Nichts außer dem Schöpfer kann zugleich und auf einmal an verschiedenen Orten sein. Doch wenn [eine Bewegung] in einem Augenblick geschehen könnte, wäre etwas zugleich und auf einmal am Anfang des Raums, in dessen Mitte und an dessen Ende, also in allen Teilen des Raums zugleich. Dementsprechend wäre es aber nichts Geschaffenes. Und jene glauben, dass eine willentliche Bewegung in einem Vakuum stattfinden kann, obwohl sie keine natürliche Bewegung ist. Sie sagen weiterhin, dass dies auch von dem Kommentator Averroes angenommen wird. Doch das ist unmöglich, weil ein Vakuum, wie die Philosophen es sich vorgestellt haben und wie Aristoteles gegen sie vorbringt, eben nur ein leerer Raum ist, der aus Länge, Breite und Tiefe besteht. Doch [dieses Vakuum] hat keine natürlichen Eigenschaften, die da sind: Hitze, Kälte, Lockerheit, Dichte, Weichheit, Härte, Schwere, Leichtigkeit und ähnliche weitere Eigenschaften. Ein solcher Raum hat aber eine Lage, von der aus er einen Ort ausfüllt und einem anderen Ort nicht nachgibt, wie Aristoteles im Kapitel Über das Vakuum sagt: denn ein jeder Körper nimmt einen Ort in drei Dimensionen ein. Ein Körper nimmt einen Ort also nicht aufgrund seiner Hitze oder seiner Kälte oder [aufgrund] sonst einer natürlichen Eigenschaft ein, sondern aufgrund seiner Dreidimensionalität. Weil ein Vakuum jene [drei] Dimensionen hat, muss es auch für einen Körper [in einem Vakuum] einen Ort geben, den er ausfüllt; wie [es in der Natur] schließlich für jeden natürlichen Körper gilt. Und [ein solcher Körper] kann nicht weichen, weil er keine natürlichen Eigenschaften hat. Denn ein Körper weicht einem anderen nur dann, wenn er weich ist, was nur durch die ersten Qualitäten verursacht wird, die da sind: Hitze, Kälte, Feuchte und Trockenheit. Aus diesem Grund kann ein Vakuum

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Teil I

nulli corpori cedit1. Sed motus non est nisi ubi medium cedit mobili, quia aliter essent duo corpora simul; ergo relinquitur quod non potest esse aliquis motus corporis in vacuo, nec naturalis nec voluntarius, nec aliquo2 alio modo excogitandus. Et haec est demonstratio Aristotelis versus finem capituli De Vacuo. Et istud concedo. Et mirum est quod doctores vulgi non considerant hoc cum in suo textu consistat. Et cum objicitur per rationes tres primas, quod ibi possit esse motus, licet non naturalis, dicendum est quod hoc esset verum, si sola quantitas spatii consideraretur, ut illae rationes procedunt. Sed aliud est impediens; scilicet quod non potest vacuum cedere corpori, et ideo nec potest in eo recipi nec moveri. Quod autem aliae rationes sequentes probant quod in instanti non fiet in spatio vacuo, concedo. Sed non propter hoc sequitur, quod in tempore; quia medium est; scilicet quod neque in instanti, neque in tempore; et hoc est quia vacuum cedere non potest. Sed si cederet sequeretur bene3, quod motus posset esse in eo, licet non naturalis. Et ideo si dicatur, quod si nihil esset ultra sphaeram aquae nisi vacuum, et medietas unius lapidis esset in vacuo, et alia medietas4 in aqua, lapis posset descendere in sphaera aquae; sed sicut descenderet in aqua sic alia medietas recederet a loco suo in vacuo, ergo tunc relinquitur quod medietas lapidis5 moveretur in

1  cedit ]  cedet, B. L. Ti. 2  aliquo ]  om. Ti. 3  bene ]  om. Ti. 4  medietas ]  om. Ti. 5  lapidis ]  om. Ti.

KAPITEL 42

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keinem Körper nachgeben. Doch eine Bewegung findet nur dort statt, wo ein Medium einem bewegten [Körper] nachgibt, weil ansonsten zwei Körper gleichzeitig an einem Ort sein müssten. Also bleibt nur, dass es keine Bewegung eines Körpers in einem Vakuum geben kann, weder eine natürliche [Bewegung] noch eine willentliche, noch irgendeine andere vorstellbare Art von Bewegung. Das ist also der Beweis des Aristoteles gegen Ende seines Kapitels Über das Vakuum319, mit dem ich übereinstimme. Aber es ist doch sehr verwunderlich, dass die Lehrer der Menge diesen [Beweis] nicht beachten, da er doch in seinem Text steht. Wenn einem dann jene drei ersten Einwände dafür begegnen, dass es auch dort [in einem Vakuum] Bewegung geben könne, wenn sie auch nicht natürlich sei, ist dazu zu sagen: Das könnte durchaus wahr sein, wenn nur die reine Ausdehnung des Raumes in Betracht gezogen würde, wovon diese Gründe auch ausgehen. Doch es gibt hierbei [noch] das andere Hindernis, das darin besteht, dass ein Vakuum keinem Körper nachgeben und dass daher ein Körper in einem leeren Raum weder aufgenommen noch bewegt werden kann. Ich gebe zu, dass andere schlüssige Gründe beweisen, dass [eine Bewegung] in einem Vakuum nicht augenblicklich stattfindet. Doch daraus folgt nicht, dass [eine Bewegung] in einer Zeitspanne möglich sein kann, weil es ein Medium gibt; das heißt, dass eine Bewegung weder in einem Augenblick noch in einer bestimmten Zeitspanne stattfindet, weil ein Vakuum nicht nachgeben kann. Wenn es aber nachgeben könnte, würde daraus folgen, dass in ihm auch eine Bewegung möglich sein könnte, wenn dies auch keine natürliche Bewegung wäre. Man mag hier folgenden Einwand vorbringen: Gesetzt sei der Fall, dass es jenseits der Wassersphäre nichts als ein Vakuum gibt und dass die eine Hälfte eines [fallenden] Steins sich in diesem Vakuum befindet, die andere Hälfte [des Steins] hin­ gegen innerhalb der Wassersphäre. In diesem Fall könnte der Stein in die Wassersphäre hinabfallen. Doch da der Stein mit der einen Hälfte in die Wassersphäre eintreten würde, würde auch die andere Hälfte des Steins von ihrem Ort im Vakuum zurückweichen, woraus folgen würde, dass auch diese Hälfte des Steins im Vakuum

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Teil I

vacuo: dicendum1, quod ponit corpus recipi in vacuo, et ingredi partes ejus, quod esse non potest. Si tamen dicatur, quod si ponatur vacuum, et ponatur quod sit divisio2 inter partes ejus, ut locari possit medietas lapidis, tunc moveretur lapis inter latera vacui, sicut modo inter latera aeris divisi fertur lapis ab aere; concedendum est quod posset fieri motus tunc, sed non naturalis; quia in vacuo nulla est natura; et ideo motus naturalis in eo esse non possit. Sed illud non est contra praedicta; quoniam nos negamus motum posse fieri in vacuo, si corpus sit extra vacuum, et vacuum sit continuum, non divisum secundum se. Quia sic posuerunt philosophi vacuum necessarium ad motum.

CAPITULUM XLIII. [ 244]

Et juxta hoc potest quaeri de vacuo, an possit esse in rerum natura; quia vacuum non est nisi trina dimensio geometrica, secundum longum, latum et profundum, et pertinet ad haec quae quaesita sunt. Philosophi vero ante Aristotelem vacuum extra coelum et infra coelum propter motum posuerunt. Et ipse quarto3 Physicorum, de Vacuo, disputat contra hoc. Cum igitur probatum est quod propter motum localem non est necessarium, sed magis impedit, quia non cedit corpori, quaerendum est an aliquo modo4

1  dicendum ]  et dicendum, MSS. 2  divisio ]  indivisio, MSS. 3  quarto ]  quarto capitulo, B. 4  modo ]  om. B.

KAPITEL 43

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bewegt werden würde. Dazu ist zu sagen, dass ein in ein Vakuum gesetzter Körper dann [von dem Vakuum] aufgenommen werden würde und dass seine Teile mit in es hineingingen, was unmöglich ist. Hierauf kann aber weiterhin erwidert werden, dass man durchaus ein Vakuum annehmen kann, das in verschiedene Teile geteilt ist. Dann könnte man die Hälfte eines Steines örtlich bestimmen, sodass der Stein zwischen den verschiedenen Grenzen des Vakuums bewegt werden würde, und zwar auf dieselbe Weise, wie er auch zwischen den Grenzen der [in Teile] geteilten Luft bewegt werden könnte. In diesem Fall muss man zugeben, dass es auf diese Weise durchaus Bewegung geben könnte: wenn auch keine natürliche, weil es im Vakuum keine Natur gibt. Daher kann dort auch keine natürliche Bewegung möglich sein. Doch dieses [Argument] spricht nicht gegen das vorher Gesagte. Denn wir verneinen nur, dass eine Bewegung in einem Vakuum stattfinden könnte, wenn der Körper sich außerhalb des Vakuums befinden würde und wenn das Vakuum ein in sich ungeteiltes Kontinuum wäre. Denn auf diese Weise haben die Philosophen ein Vakuum als für die Bewegung notwendig angenommen.

KAPITEL 43 Ob es in der Natur ein Vakuum geben kann [ 244]

In diesem Zusammenhang kann man auch fragen, ob es ein Vakuum in der Natur geben kann. Denn ein Vakuum ist nichts ande­ res als ein dreidimensionaler geometrischer Raum, der sich in der Länge, der Breite und der Tiefe ausdehnt, was auch die Dinge betrifft, die hier untersucht werden. Die Philosophen vor Aristoteles haben aufgrund der Bewegung in der Tat ein Vakuum oberhalb und unterhalb der Himmelssphäre angenommen. Und er selbst hat im vierten Buch der Physik  320 im Kapitel über das Vakuum gegen diese Ansicht argumentiert. Da bereits gezeigt worden ist, dass ein Vakuum für die Ortsbewegung nicht notwendig ist, sondern sie sogar verhindert, weil es keinem Körper weicht, muss unter-

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Teil I

possit vacuum aliter salvari1. Et ostenditur quod non; quia omnes partes universi habent ordinationem naturalem ad invicem. Sed in vacuo nulla est inclinatio naturalis, nec aliqua natura, ut Aristoteles dicit, ergo non potest esse in rerum ordine2 naturali. Iterum, si vacuum esset, ut dictum est, non esset aliqua forma naturalis uniens ejus partes, sed quaelibet pars vacui esset in actu discreta ab alia, cum nullam formam naturalem unientem eas3 in suo toto haberent, quia in vacuo nulla natura est, sed partes in omni quanto sunt infinitae; et hoc in potentia, quando sunt unitae per formam totius. Ergo cum non possunt uniri in vacuo per aliquam formam, erunt infinitae in actu; quod est impossibile. Iterum, si trina dimensio per se staret sine substantia corporali aliqua4, tunc non esset accidens, quia accidens non potest per se stare; ergo esset substantia sed non incorporea; ergo esset corpus aliquod, et ita esset plenum ibi, non vacuum, vel elementum, vel aliud. Iterum, quod non extra coelum possit5 esse, dicit6 Aristoteles, primo Coeli et Mundi; sed non affert ibi rationem, sed duae rationes ultimae probant hoc tam infra coelum quam extra; et tertio Physicorum ponit demonstrationem ad hoc: vacuum est locus privatus corpore, natus tamen et aptus recipere corpus, ut dixerunt; et vacuum extra coelum esset perpetuum, et in perpetuis non differt esse a posse; id est, actus a potentia; ergo si vacuum ibi esset,

1  vacuum … salvari ]  vacuum esse aliter salvari, B.; vacuum esse, aliter esse, aliter salvari, L. 2  rerum ordine ]  ordine rerum, Ti. 3  unientem eas ]  eas unientem, Ti. 4  aliqua ]  alia, L. 5  possit ]  posset, B. 6  dicit ]  om. B.

KAPITEL 43

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sucht werden, ob ein Vakuum auf eine andere Weise angenommen werden kann. Es wird aber gezeigt werden, dass das nicht der Fall ist, weil alle Teile des Universums eine natürliche Zuordnung [zu­ einan­der] haben. Doch nach Aristoteles gibt es in einem Vakuum weder ein natürliches Bestreben noch irgendeine andere [Art von] Natur, weshalb es in der natürlichen Welt kein Vakuum geben kann. Weiterhin: Wie bereits erwähnt worden ist, gäbe es in einem Vakuum keine natürliche Form, unter der seine Teile vereint werden könnten, sondern jeder Teil eines Vakuums wäre aktualiter von einem anderen [Teil] verschieden, da [ein Vakuum] keine natürliche Form hätte, die alle Teile in sich vereinen könnte. Daher wären alle Teile unendlich weit ausgedehnt. Das gilt auch in der Potenz, wenn sie durch eine umfassende Form vereint sein würden. Da [die verschiedenen Teile] in einem Vakuum nicht durch eine Form verbunden sein können, werden sie alle aktualiter unendlich sein, was unmöglich ist. Weiterhin: Wenn ein dreidimensionaler Raum für sich ohne irgendeine körperliche Substanz existieren würde, gäbe es dort auch kein Akzidenz, weil ein Akzidenz nicht für sich allein bestehen kann; dann gäbe es aber eine Substanz, doch keine unkörperliche; dann gäbe es aber irgendeinen Körper; also wäre [ein Vakuum] mit einem Körper gefüllt und kein Vakuum mehr, weil es ein bestimmtes Element oder etwas anderes enthalten würde. Weiterhin: Aristoteles sagt im ersten Buch von Über den Himmel und die Welt 321, dass kein Vakuum außerhalb des Himmels liegen kann. Er bringt dort zwar keine Beweise dafür vor, doch zeigen zwei triftige Gründe, dass ein Vakuum weder innerhalb noch außerhalb des Himmels möglich ist. Im dritten Buch seiner Phy­ sik 322 beweist er dies auch: Denn [die Philosophen vor Aristoteles] haben gesagt, dass ein Vakuum zwar keinen Körper enthalte, aber dennoch dafür bestimmt und dazu fähig sei, einen Körper aufzunehmen. Das Vakuum jenseits des Himmels sei aber unendlich, und im Unendlichen gibt es keinen Unterschied zwischen Sein und Können, also zwischen Wirklichkeit und Potenz. Wenn

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Teil I

haberet aliquod corpus in actu; sed non potest corpus esse extra mundum, ut planum est, et Aristoteles demonstrat primo Coeli et Mundi. Sed hujus contrarium videtur, et fortissimum argumentum ad hoc est quod Aristoteles inducit contra se, scilicet de nutrimento et augmento. Nam cum alimentum sit corpus, et corpus non potest esse cum alio corpore in eodem loco, tunc oportet poni poros vacuos in quos alimentum intret, et coaguletur in carnem et ossa per calorem naturalem, et non ingrediatur solidum os vel carnem. Iterum, impleatur vas plenum aqua, et habeat1 foramina in inferno et orificium in supremo. Obstruatur ergo orificium; aut igitur aqua descendet inferius et tunc erit vacuum, cum aer a superiori intrare non possit, aut aqua cum sit gravis quiescet superius, contra naturam et violenter, non impedita2. Sed Aristoteles dicit quod omne corpus fertur naturaliter in suum locum, non prohibitum. Si dicatur non descendet aqua ne fiat vacuum: sed istud non debet dici; nam pura negatio non est causa affirmationis; hoc autem quod dicitur, ne fiat vacuum, est pura negatio. Ergo non erit causa quare aqua quiescat sursum. Iterum, argui potest per quaedam, quae adducta3 sunt in Majori Opere pro opinione Parmenidis et Melissi, qui posuerunt omnia unum. Nam illa4 argumenta possunt formari pro vacuo sic: accipiantur duae tabulae planae et sphericae, et conjungantur undique, et eleventur ab invicem aequaIiter, aer exterior citius veniet

1  habeat ]  om. Ti. 2  impedita ]  impeditur, Ti. 3  adducta ]  addita, L. 4  illa ]  prima, Ti.

KAPITEL 43

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es dort also ein Vakuum geben sollte, müsste es aktualiter irgendeinen Körper enthalten; doch außerhalb der Welt kann es keinen Körper geben, wie offensichtlich ist und wie Aristoteles im ersten Buch von Über den Himmel und die Welt 323 zeigt. Doch es mag so scheinen, dass das Gegenteil der Fall ist: Das stärkste Argument [für die gegenteilige Ansicht], das Aristoteles selbst gegen sich vorbringt, ist das Argument von der Nahrungsaufnahme und dem Wachstum.324 Denn da jedes Nahrungsmittel ein Körper ist und da kein Körper mit einem anderen Körper denselben Raum einnehmen kann, muss man [im Körper] leere Öffnungen annehmen, durch die die Nahrung eintreten kann, die im Fleisch und in den Knochen durch eine natürliche Hitze umgewandelt wird und die nicht fest in den Knochen oder das Fleisch eingebracht wird. Weiterhin: Es werde ein Gefäß mit Wasser gefüllt, das unten Löcher und oben eine Öffnung hat.325 Nun schließe man die Öffnung: Entweder fließt das Wasser dann unten heraus und es wird ein Vakuum entstehen, weil die Luft von oben nicht eindringen kann, oder das Wasser bleibt [in dem Gefäß] stehen, obwohl es schwer ist – zwar gegen seine Natur und mit Gewalt, aber trotzdem ohne gehindert zu werden. Doch Aristoteles326 sagt, dass jeder Körper von Natur aus seinen ihm bestimmten Ort einnimmt, wenn er nicht daran gehindert wird. Nun wird gesagt, dass [aus dem Gefäß] kein Wasser ausfließt, damit es kein Vakuum gibt. Doch das darf man nicht behaupten, weil eine Verneinung noch kein Grund für eine positive Annahme ist. Wenn jedoch gesagt wird: »damit es [in dem Gefäß] kein Vakuum gibt«, ist das eine reine Verneinung; also wird das nicht der Grund dafür sein, dass das Wasser oben stehen bleibt. Weiterhin: Man kann auch die Meinung des Parmenides und des Melissus heranziehen, die ich im Opus maius327 dargestellt habe. Diese hatten nämlich behauptet, dass alles eines sei. Diese Argumente können die Annahme eines Vakuums folgendermaßen stützen: Gegeben seien zwei Tafeln, die eine ebene Oberfläche und eine gebogene Form haben und die überall miteinander verbunden sind. Wenn sie nun gleichmäßig voneinander emporgehoben

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Teil I

ad latera tabularum quam ad centrum; ergo dum partes laterales replentur erit vacuum in centro. Iterum, si linea transeat per duo corpora inter quae non sit tertium1 corpus medium, tunc cum superficies illorum non secabunt lineam illam in uno puncto, quia tunc idem esset terminus utriusque, et essent corpus unum, secabunt eam in diversis punctis; sed inter quaelibet puncta in eodem cadit linea media; ergo ibi erit spatium lineare medium; et si lineare medium2 tunc superficiale et corporale; quia linea non est sine superficie, nec superficies sine corpore3; ergo ibi erit trina dimensio inter illa corpora; sed nullum corpus plenum ibi est, ut positum est; ergo erit vacuum. Iterum, si etiam duo corpora sint inter quae non sit aliquod plenum, et ducantur duae lineae a centris eorum aequidistanter usque ad tertium corpus superpositum, illae lineae cum sint aequidistantes, et terminatae in corporibus illis ad diversa puncta, terminabuntur in tertio corpore ad diversa puncta; ergo pars corporis4 illius est in medio earum, et tantum distant in parte inferiori, quia aequaIiter distant semper: ergo spatium corporale est inter tabulas illas ­vacuum, cum plenum positum est ibi non esse. Iterum, alio modo potest argui; si inter duos parietes solidissimos auferetur omne corpus starent non mutati; ergo sicut prius di-

1  tertium ]  om. Ti. 2  medium ]  om. B. 3  nec superficies sine corpore ]  om. Ti. 4  corporis ]  om. Ti.

KAPITEL 43

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werden, füllt die von außen hereinströmende Luft die Seiten der Oberflächen schneller als das Zentrum. Da sich auf diese Weise [der Raum um] die äußeren Oberflächen füllen wird, muss im Zentrum ein Vakuum entstehen. Weiterhin: Gegeben sei eine Linie, die zwei Körper durchläuft, zwischen denen sich kein mittlerer dritter Körper befindet. Dann werden die Oberflächen jener [zwei Körper] die Linie nicht in einem Punkt schneiden, weil [die Linie] dann die Grenze [beider Körper] wäre und sie [die zwei Körper] demzufolge ein Körper sein müssten. Sie werden [die Linie] also an verschiedenen Punkten schneiden. Doch zwischen allen Punkten verläuft eine Mittellinie. Also wird es dort auch eine geradlinige Strecke geben. Wenn es jedoch dort eine Strecke [zwischen den Punkten] gibt, gibt es dort auch eine Oberfläche und einen Körper, weil es keine Linie ohne Oberfläche und keine Oberfläche ohne einen Körper gibt. Es wird zwischen diesen Körpern also auch einen dreidimensionalen Raum geben. Doch wie angenommen wurde, gibt es in jenem Raum keinen Körper: also muss dort ein Vakuum sein. Weiterhin: Gegeben seien zwei Körper, zwischen denen sich nichts befindet. Nun werden von den beiden Körpermitten zwei Linien in gleichem Abstand zu einem dritten Körper gezogen, der sich [über den anderen beiden Körpern] befindet. Da die Linien in gleichem Abstand zueinander verlaufen und von den beiden Körpern an verschiedenen Punkten ausgehen, werden sie den dritten Körper auch an verschiedenen Punkten erreichen. Daher wird ein Teil jenes [dritten] Körpers sich zwischen ihnen befinden, und zwar in demselben Abstand, den [die Linien] auch weiter unten haben, weil sie ja immer in dem gleichen Abstand zueinander verlaufen: also wird zwischen den Flächen ein Vakuum sein, da wir ja angenommen haben, dass es [zwischen diesen Körpern] keinen gefüllten Raum gibt. Weiterhin: Man kann auch anders argumentieren. Wenn zwischen zwei sehr stabilen Wänden jeder Körper weggenommen werden würde, würden die Wände doch unverändert stehen bleiben. Daher würden sie weiterhin in der gleichen Entfernung zueinander

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Teil I

starent; sed non per plenum, ergo per distantiam vacuam. Ad hoc dicendum est quod vacuum esse non potest in rerum natura propter rationes superius tactas. Primum argumentum fuit philosophorum pro vacuo astruendo per motum nutrimenti; sed hoc argumentum non solvit Aristoteles secundum veritatem, sed convertit argumentum eorum contra eos, dicens, quod istud argumentum est ita bene contra illos, sicut contra ipsum. Et quod sit contra eos patet sic; nam si alimentum, quia corpus est, non recipiatur in solidas partes corporis, sed in poris vacuis, et ibi coaguletur in carnem, et ossa, et nervum, et caetera; tunc non erit nutrimentum solidi, nec augmentum ejus, sed generatio novae carnis, et novi ossis, extra carnem et os. Sed caro et os, vel alia, indigent in seipsis nutrimento et augmento, quia in ipsis est deperditio propter actionem elementorum, quae debet restaurari in se; et ideo oportet quod aliquid fiat infra partes solidas corporis nutriendas et augmentandas. Aristoteles vero non solvit aliter, et licet istud, quod1 dictum est, velit dicere, tamen nec hoc expressit. Si autem velimus solvere hoc argumentum, supposita philosophia Aristotelis, et supposita veritate, scilicet quod vacuum non est; tunc occurrit major dubitatio quae sit in naturalibus et in medicina. Nam ipsemet Aristoteles non solum in capitulo de Vacuo, quarto Physicorum, horruit hanc dubitationen explicare, sed nec ubi ex principali proposito determinat2 de nutrimento et augmento, voluit certificare de hoc argumento. Utrum scivit nescio;

1  istud, quod ]  idem, Ti. 2  determinat ]  docet, B.

KAPITEL 43

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stehen. Doch nicht aufgrund eines [zwischen ihnen] gefüllten Raums: also muss zwischen ihnen ein Vakuum sein. Hierzu ist allerdings zu sagen, dass es aufgrund der schon oben genannten Gründe in der Natur kein Vakuum geben kann. Das erste Argument für die Existenz eines Vakuums wurde von den Philosophen durch die Veränderung während der Nahrungsaufnahme gestützt. Dieses Argument löst Aristoteles nicht wahrheitsgemäß auf, sondern er wendet [deren eigenes Argument] gegen sie, indem er sagt, dass dieses Argument genauso gegen sie wie gegen ihn selbst spricht. Dass es gegen sie spricht, wird aus dem Folgenden ersichtlich: Wenn die körperliche Nahrung nicht durch feste Teile des Körpers aufgenommen werden würde, sondern durch durchlässige, leere Öffnungen und dort in Fleisch, Knochen, Nerven usw. umgewandelt werden würde, fände doch keine Ernährung und Vergrößerung der festen [Bestandteile des Körpers] statt, sondern ein Entstehen neuen Fleisches und neuer Knochen außerhalb des [schon vorhandenen] Fleisches und der [schon vorhandenen] Knochen. Doch das Fleisch, die Knochen und die anderen Bestandteile des Körpers verlangen aus sich selbst heraus nach Nahrung und Vermehrung, weil in ihnen aufgrund der Bewegung der Elemente eine Abnahme stattfindet, die in ihnen wieder aufgefüllt werden muss. Daher muss irgendetwas in den festen Bestandteilen des Körpers passieren, die ernährt und vermehrt werden müssen. Aristoteles erklärt das tatsächlich nicht weiter – aber er wird das hier Gesagte wahrscheinlich gemeint haben, auch wenn er es nicht deutlich formuliert hat. Wenn wir dieses Argument nun auflösen und die Philosophie des Aristoteles sowie die Wahrheit zugrunde legen, nämlich dass es kein Vakuum gibt, ergibt sich der größte Zweifel, den es in den Naturdingen und der Medizin gibt. Sogar Aristoteles ist nicht nur in dem Kapitel über das Vakuum im vierten Buch seiner Physik 328 davor zurückgeschreckt, jenen Zweifel auszuräumen, sondern er erklärt nirgends grundlegend seine Annahmen über die Ernährung und das Wachstum, auch wenn er jenes Argument eigentlich erklären wollte. Ob er darüber wirklich etwas wusste, weiß ich

328

Teil I

sed scio quod in ejus libris non continetur; scilicet in secundo de Anima, et in primo de Generatione; ubi tamen ex principali intentione docet de hac materia. Quilibet autem potest videre in textu quod Aristoteles non certificat de hoc; et aliter patet hoc, quia omnes Latini discordant. Nullus enim1 de magnis dicit sicut alius, sed quilibet fingit Aristotelem velle quod cupit.

CAPITULUM XLIV. [255]

Nunc igitur reprobabo positiones magis famosas. Aliqui vero dixerunt et sumunt ex verbis Averrois male intellectis, quod nihil intrat solidas partes; sed sunt pori, licet non vacui, immo humore subtili repleti expellendo2 per alimentum adveniens, in quibus recipiatur et coaguletur, per virtutem animae et calorem naturalem; et sic augmentantur caro et os, et ingrossantur3. Sed istud superius reprobatum est; nam hic esset quaedam additio carnis, et ossis, et aliorum, extra carnem augmentandam. Sed haec augmentatio non est in rebus animatis, sed in lapidibus et hujusmodi4 inanimatis; quando scilicet una pars materiae mineralis primo5 convertitur in mineram per virtutem naturalem6, et alia pars convertitur in mineram per virtutem mineralem7. Sicut venenum receptum in panem recentem primo inficit unam partem, secundo aliam extra illam, ei tamen continuam; et ita est augmentum in istis per addi-

1  enim ]  om. B. 2  expellendo ]  expellendi, B. 3  ingrossantur ]  augmentantur, B. 4  et hujusmodi ]  et in hujusmodi, Ti. 5  primo ]  om. Ti. 6  virtutem naturalem ]  virtutem mineralem, L. 7  in mineram … mineralem ]  om. B. L.

KAPITEL 44

329

nicht. Ich weiß aber, dass in seinen Büchern [keine Erklärung dafür] enthalten ist, weder im zweiten Buch von Über die Seele noch im ersten Buch von Über Werden und Vergehen, wo er doch seiner grundlegenden Absicht nach eigentlich einiges über dieses Thema hätte lehren müssen. Doch jeder kann ja selbst in den Texten sehen, dass Aristoteles nichts Sicheres hierüber sagt, was man auch daran sieht, dass alle Lateiner hier uneinig sind. Denn keiner von den bedeutenden [Autoren] spricht hier wie der andere, sondern jeder schreibt Aristoteles zu, dass dieser wolle, was er sich wünscht.

KAPITEL 44 Über die Nahrungsaufnahme als Argument für ein Vakuum [255]

Nun werde ich die bekanntesten Positionen zurückweisen. Denn einige haben mit schlecht verstandenen Worten von Averroes gesagt und angenommen, dass nichts in die festen Teile [des Körpers] eindringt. Es gibt aber Poren, wenn auch keine ganz leeren Poren, in denen der feine Saft aufgefüllt wird, der aus der festen [in den Körper] kommenden Nahrung gewonnen wird. In [diesen Poren werde die Nahrung] durch die Kraft der Seele und der natürlichen Hitze geronnen; und so werden das Fleisch und die Knochen des Körpers vergrößert und wachsen. Doch diese Ansicht ist weiter oben bereits widerlegt worden, weil es in diesem Fall irgendeine Form von Hinzufügung des Fleisches, der Knochen und der anderen Dinge außerhalb des zu vergrößernden Fleisches geben müsste. Aber solch eine Hinzufügung findet bei belebten Dingen nicht statt, sondern nur bei Steinen und ähnlichen unbelebten Dingen. Zum Beispiel dann, wenn ein Teil der Materie eines Minerals in einer Mine zuerst durch eine natürliche Kraft umgewandelt wird und ein weiterer Teil in der Mine durch die Kraft des Minerals selbst. Oder so wie ein Gift, das zu einem Brot gegeben wird, erst einen Teil [des Brotes] durchdringt, danach einen weiteren und so fortlaufend. Das ist freilich eine Vergrößerung durch Hinzu-

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Teil I

tionem, sed non infra se, nec nutritio similiter, quod tamen oportet, quia deperditio est intra partes solidas, propter mutuam et contrariam operationem elementorum, ex quibus componuntur illae partes. Alii quidem aestimant quod alimentum auget, quia fit in fine corporeum et attrahitur a partibus, et incorporatur carni et ossi, et ideo non sunt duo corpora simul. Et cum Aristoteles dicat quod augmentum fit per corpus adveniens et non per incorporeum, ipsi dicunt quod ipse intendit, quod in principio alterationis alimentum sit corpus, sed in unione ejus fit incorporeum et ingreditur membrum. Sed certi sumus quod Aristoteles ad literam negat quod sit incorporeum quod debet uniri, qualitercumque glossetur textus ejus. Quia tamen ejus translatio est perversa, quam licet propter obscuritatem interpretari secundum fortitudinem rationum quas habemus, ita ut veraciores rationes sunt aliquando1 minus probabiles, ideo per textum in hac parte non possumus nos juvare, et ideo ad rationem recurrendum. Dicam igitur si incorporeum ingrediatur solidas partes, tunc non erit augmentum; quia augmentum est incrementum quantitatis corporalis; sed incorporeum non habet hujusmodi quantitatem, ergo nihil faceret ad augmentum, et certe nec ad nutrimentum. Nam de facili quis diceret, quod substantia illa incorporea recipitur in membrum, et restaurat deperditionem substantiae, licet non sufficiat ad quantitatem. Sed dicendum est quod licet in principio deperditionis sit major quantitas partis nutriendae, quam ejus

1  sunt aliquando ]  aliquando sunt, B. L.

KAPITEL 44

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fügung, doch nicht zwischen [den bestehenden Teilen selbst] oder durch Nahrungsaufnahme, was aber notwendig ist, weil eine Abnahme in den festen Bestandteilen stattfindet. [Das verhält sich so] wegen der gegenseitigen und sich widerstreitenden Bewegungen der Elemente, aus denen jene Bestandteile zusammengesetzt sind. Andere sind der Ansicht, dass die Nahrung vermehrt, weil sie am Ende körperlich und von den Teilen [des Körpers] angezogen wird, wodurch sie dem Fleisch und dem Knochen einverleibt wird, weshalb es dort keine zwei Körper gleichzeitig gibt. Und da Aristoteles329 sagt, dass das Wachstum durch einen hineinkommenden Körper und nicht durch etwas Unkörperliches stattfindet, sagen sie, dass [Aristoteles] meint, dass zu Beginn dieser Qualitätsveränderung die Nahrung körperlich sei, doch in der Vereinigung [mit dem Körper] unkörperlich werde und so in die Glieder des Körpers eingefügt werde. Doch wir sind sicher, dass Aristoteles ganz wörtlich bestreitet, dass jenes, was sich dort vereinigen muss, unkörperlich sei, wie auch immer sein Text ausgelegt werden mag. Denn da die Übersetzungen seiner Werke verdorben sind, müssen wir wegen der Dunkelheit der Übersetzung doch alle uns möglichen Vernunftgründe heranziehen, sodass wir an Stellen, an denen die wahrhaftigeren Gründe manchmal wenig wahrscheinlich klingen und wir uns daher durch den Text selbst nicht helfen können, auf die Vernunft zurückgehen können. Ich würde daher sagen, dass keine Zunahme stattfindet, wenn etwas Unkörperliches in die festen Teile [des Körpers] aufgenommen wird. Denn eine Zunahme ist ein Zuwachs an körperlicher Quantität; doch etwas Unkörperliches hat keine derartige Quantität: also kann es auch nichts zu dieser Zunahme – und sicher auch nichts zur Ernährung – beitragen. Denn es mag leicht jemand sagen, dass jene unkörperliche Substanz in einem Glied aufgenommen wird und so den Verlust der Substanz [deperditionem substantiae] ausgleicht, auch wenn das freilich quantitativ nicht ausreicht. Dazu ist aber zu sagen, dass es durchaus sein mag, dass zu Beginn des Verlustes die Quantität des zu ernährenden Teils größer ist als nach

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Teil I

quantitas post nutritionem factam, tamen in fine deperditionis est minor quantitas, quam sit post nutrimentum. Quia secundum hanc viam semper crescit pars nutrita, et augmentatur quantitas, et fit major quam in fine deperditionis. Sed hoc non potest fieri nisi per quantitatem nutrimenti; ergo nutrimentum esse non pot­ est per incorporeum. Iterum, penitus deletur haec positio per hoc, quod natura supponit semper quantum in suis operibus. Nam in omni generatione supponit materiam corporalem, quia nec ex nihilo fit generatio, nec ex substantia incorporea, nec etiam ex substantia corporea in universali, et absolute. Quia tunc coelum posset generare1. Sed incipit generatio a substantia corporea non coelesti, quae est communis elemento, et mixto, et omnibus generabilibus; et hanc supponit pro radice, nec potest haec produci per naturam, sed fuit creata a principio2 in sphaeris elementorum. Sed si in generatione sic subjicitur materia corporalis, similiter erit in corruptione. Quod est primum in generatione est ultimum in corruptione, et super eandem materiam feruntur; quapropter non potest alimentum fieri incorporeum, nec in instanti, nec in tempore. Et ideo semper erit corpus3 dum alteratur et digeritur, et dum unitur et convertitur. Et ideo expirat4 haec positio, quae magis favorabilis est, et quod exemplum habet familiarius. Nam dicunt quod vapor resolvitur a fundo aquae, et non habet dimensiones corporales proprias a dimensionibus5 totius aquae, scilicet dum est infra aquam; sed statim cum fit extra habet dimensiones proprias. Et dicunt hic ita esse per contrarium quantum ad ordinem; quia in principio nutritionis et unionis advenit corpus, sed cum

1  generare ]  generari, Ti. 2  a principio ]  in principio, Ti. L. 3  corpus ]  corruptio, L. 4  expirat ]  experirat, Ti. 5  a dimensionibus … proprias ]  om. Ti.

KAPITEL 44

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der Nahrungsaufnahme, dass aber dennoch gegen Ende des Verlustes die Quantität geringer ist als nach der Nahrungsaufnahme. Denn gemäß diesem Argument wächst der ernährte Teil immer und seine Quantität wird vergrößert, sodass er größer sein wird als gegen Ende des Verlustes. Doch das kann nur durch die Quantität der Nahrung geschehen; also kann die Nahrungsaufnahme nicht durch etwas Unkörperliches geschehen. Weiterhin: Diese Position kann auf sehr wirksame Weise dadurch zerstört werden, dass die Natur ihren Werken immer ein Quan­ tum330 zugrunde legt. Denn bei jedem Werden legt sie eine körperliche Materie zugrunde, weil ein Werden weder aus dem Nichts noch aus einer unkörperlichen Substanz und nicht einmal aus ­einer körperlichen Substanz im Allgemeinen und einfachhin [in universali, et absolute] stattfindet. Denn dann könnte auch der Himmel etwas entstehen lassen. Doch das Werden beginnt mit einer körperlichen und nicht-himmlischen Substanz, was für das Element, das Vermischte und für alles Erzeugbare gilt. Und diese unterliegt dem Ursprung [des Werdens] und kann nicht von der Natur geschaffen werden, sondern wurde zu Beginn in der Elementarsphäre geschaffen. Doch wenn das Werden auf diese Weise von der körperlichen Materie abhängt, wird das ähnlich auch für das Vergehen gelten: denn was zuerst im Entstehen ist, ist zuletzt im Vergehen, und diese Prozesse geschehen in derselben Materie. Daher kann die Nahrung weder in einem Augenblick noch in einem Zeitraum unkörperlich werden, weshalb sie immer ein Körper sein wird, der verändert und aufgelöst, dann wieder vereint und umgewandelt wird. So vergeht diese Position, die sehr beliebt ist und die durch ein bekanntes Beispiel belegt wird. Denn sie sagen: Dampf wird am Boden von Wasser aufgelöst. Solange er innerhalb des Wassers ist, hat er gegenüber dem Wasser keine eigene körperliche Ausdehnung. Doch sobald er aus dem Wasser ausgetreten ist, hat er eine eigene Ausdehnung. Und sie sagen, dies geschehe durch den Gegensatz bezüglich der [Natur]ordnung; denn zu Beginn der Ernährung und der Vereinigung gelangt ein Körper [in einen anderen Körper],

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Teil I

intrat amittit proprias dimensiones, et fit non corpus, ut remaneant dimensiones partis1 nutriendae. Sed de vapore falsum est; nam habet suas dimensiones proprias infra aquam, et dividit partes aquae ab invicem, et ascendit; quoniam aliter non fieret fluxus maris. Vapores enim resoluti per virtutem lunae expellunt aquas maris a canalibus suis, et a locis, et ideo fluit mare; quibus resolutis ad plenum et consumptis, revertuntur aquae maris ad loca sua per refluxum. Et hoc videmus in ollis bullientibus; nam vapores exeunt de fundo vasis, et dividunt partes humoris coquendi, et exit. Caeterum non potest dici quin vapor sit corpus, aut2 sicut pars in toto, aut sicut totum divisum a toto. Sed alimentum intra partem nutritam non potest esse totum divisum a toto in dimensionibus; quia tunc essent plura corpora simul. Nec est sicut pars carnis aliqua, quia tunc residua non augmentaretur; et quia adhuc non est alimentum conversum in carnem. Ergo non est simile de vapore et alimento. Iterum, sicut vapor fit corporeus3 in exitu, sic alimentum fit incorporeum in ingressu; sed vapor fit vere4 corpus in exitu, ergo alimentum fit vere non corpus in introitu; et ita fieret substantia spiritualis; quod est absurdum. Et ideo est alia positio famosa et hominis famosissimi in naturalibus: scilicet, quod alimentum non intrat corpus secundum suam substantiam, sed secundum suam speciem, et sic nutrit et augmentat corpus; sed hoc omnino falsum est. Nam Aristoteles dicit

1  partis ]  corporis partis, Ti. 2  aut ]  aut ergo, Ti. 3  corporeus ]  corporeum, Ti. L. 4  vere ]  fere, L.; verum, Ti.

KAPITEL 44

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doch wenn er eintritt, verliert er seine eigene Ausdehnung und wird zu etwas Nicht-Körperlichem, damit die Ausdehnungen des zu ernährenden Teils erhalten bleiben können. Doch für das Beispiel des Dampfes ist diese Erklärung falsch, da er schließlich innerhalb des Wassers durchaus seine eigene Ausdehnung hat, weil er die Teile des Wassers voneinander scheidet und dann austritt. Denn andernfalls könnte es keine Ebbe geben, da die Dämpfe, die durch die Kraft des Mondes aufgelöst worden sind, das Meer aus seinen gewohnten Bahnen und Orten verdrängen, weshalb das Meer zurückweicht. Wenn die Dämpfe jedoch vollständig aufgelöst und verzehrt worden sind, kehrt das Meer während der Flut an seine gewohnten Orte zurück. Das sehen wir auch anhand von Töpfen mit kochendem Wasser: denn die Dämpfe entstehen am Grund des Gefäßes, trennen die kochenden Teile [der Flüssigkeit] voneinander und treten dann aus. Man kann darüber hinaus nicht wissen, ob der Dampf selbst ein Körper ist oder ob er wie ein Teil im Ganzen ist oder ob er wie das Ganze durch das Ganze geteilt wird. Doch die Nährstoffe innerhalb des ernährten [Körper]teils können in ihrer Ausdehnung nicht vollständig vom ganzen [Körper] verschieden sein, denn dann gäbe es gleichzeitig verschiedene Körper. Auch kann die Nahrung nicht ein anderer Teil des Fleisches sein, weil dann das restliche Fleisch nicht wachsen würde. Daher würde die Nahrung nicht in Fleisch umgewandelt werden – weshalb nicht das Gleiche für den Dampf gilt wie für die Nahrung. Weiterhin: Wie der Dampf beim Austreten körperlich wird, wird die Nahrung beim Eintritt [in den Körper] unkörperlich. Doch der Dampf wird tatsächlich beim Austritt körperlich, also wird die Nahrung beim Eintritt tatsächlich unkörperlich. So würde sie aber zu einer geistigen Substanz werden, was absurd ist. Es gibt unter sehr berühmten Menschen, die sich mit der Natur beschäftigen, noch eine weitere bekannte Ansicht: Dass nämlich die Nahrung nicht gemäß ihrer Substanz in einen Körper eindringt, sondern gemäß ihrer species, und dass sie den Körper auf diese Weise ernährt und wachsen lässt. Das ist aber ganz und gar falsch.

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Teil I

quod, quia alimentum est in potentia caro et os, ideo nutrit, et debet corrumpi secundum naturam1 suam specificam, ut convertatur in carnem et os, et ita digeritur, et alteratur, et transmutatur a forma sua specifica; ut de pane et vino cum fiunt sanguis et caeteri humores, et cum fiunt semen, quod est quarta digestione decoctum, quod est nutrimentum substantiale membrorum; ut dicit Avicenna, tertio de Animalibus. Et certum est hoc. Cum igitur agens non est in potentia sed in actu, et non corrumpitur sed corrumpit vel generat per suam speciem, manifestum est quod alimentum non agit hic per speciem suam, sed patitur a specie carnis animatae, et ossis, et animae, et caloris naturalis. Iterum, species est similis agenti, in natura et definitione, ut probavi in tractatu speciali, quem vestrae gloriae misi. Ergo alimentum faciet in carne nutrienda aliquid, quod habet naturam specificam alimenti, et quod erit alimentum, licet incompletum; sicut lux solis faciet lucem in aere incompletam, sibi similem in natura. Ergo per actionem alimenti assimilabitur caro alimento, et ordinabitur ad hoc tota operatio nutritionis. Sed nunc Aristoteles et omnes concedunt, quod per hanc operationem nutriendi intenditur quod alimentum assimiletur corpori nutriendo, et nunquam concedunt assimilationem corporis nutriendi ad alimentum. Ergo non fiet hujusmodi nutritio per speciem alimenti. Iterum, ex hoc sequitur, quod non generabitur caro, sed natura alimenti. Sed oportet in nutrimento quod2 fiat plus de carne quam

1  naturam ]  materiam, L. 2  in nutrimento quod ]  quod in nutrimento, B.

KAPITEL 44

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Denn Aristoteles331 sagt, dass die Nahrung der Möglichkeit nach bereits Fleisch und Knochen ist und aus diesem Grund den Körper nährt. Daher muss die der Nahrung eigene Natur vergehen, damit sie in Fleisch und Knochen umgewandelt werden kann. Auf diese Weise wird sie aufgelöst, verändert und von ihrer ursprünglichen Form ausgehend umgewandelt. So ist es auch bei Brot und Wein, wenn sie zu Blut und zu anderen Säften werden; so entstehen auch die Samen nach der vierten Verkochung durch die Verdauung, die die substanzielle Nahrung für die Glieder ausmacht, wie Avicenna im dritten Buch von Über die Tiere332 sagt. Und sicherlich ist es auch so. Denn da ein Agens nicht der Möglichkeit nach, sondern tatsächlich [in actu] da ist und nicht zerstört wird, sondern selbst etwas bewirkt oder durch seine species etwas hervorbringt, ist es offensichtlich, dass die Nahrung nicht durch ihre species wirkt, sondern durch die species des beseelten Fleisches, des Knochens, der Seele und der natürlichen Hitze etwas erleidet [patitur]. Weiterhin: Eine species ist einem Agens ihrer Natur und ihrer Definition nach ähnlich, wie ich in jener speziellen Abhandlung gezeigt habe, die ich Eurer Herrlichkeit bereits zugesandt habe333. Also muss die Nahrung in dem zu ernährenden Fleisch etwas bewirken, das der Natur der Nahrung entspricht – was also auch Nahrung sein wird, wenn auch in unvollkommener Form: wie auch das Licht der Sonne das abgeschwächte Licht in der Luft hervorruft, das seiner Natur nach [dem Licht der Sonne] ähnlich ist. Also wird die Nahrung in das Fleisch durch eine Wirkung der Nahrung aufgenommen, wofür der ganze Prozess der Nahrungsaufnahme bestimmt ist. Doch meinen Aristoteles und alle anderen, dass bei der Nahrungsaufnahme beabsichtigt ist, dass die Nahrung durch den zu ernährenden Körper aufgenommen wird. Sie meinen jedoch nirgendwo, dass der zu ernährende Körper sich der Nahrung angleicht. Also findet keine derartige Ernährung durch die species der Nahrung statt. Weiterhin: Daraus folgt, dass nicht Fleisch entstehen würde, sondern etwas der Natur der Nahrung entsprechendes. Doch für die Ernährung ist es notwendig, dass danach mehr Fleisch vorhan-

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Teil I

prius. Si dicatur quod hoc est verum quantum ad actionem univocam, sed tamen quantum ad actionem aequivocam potest fieri caro, sicut lux in aere facit calorem; contra hoc multipliciter argui potest. Nam primo sequitur quod in carne fiant duo; primo natura specifica alimenti, quae est species, per quam assimilabitur caro alimento, sicut aer assimilatur luci solis per speciem lucis quam habet, et assimilatur igni per speciem ignis quando calefit; et secundario habet caro naturam carnis generatam ab illa specie alimenti, sicut aer habet calorem generatum ex luce praesenti. Sed sic esset hic tantum generatio alicujus de potentia1 materiae; quia species generatur de potentia, ut probavi in tractatu praedicto, et species operatur educendo de potentia materiae formam, ut lux calorem; ergo nihil erit hic nisi generatio. Sed motus nutritionis non est generatio, nec motus augmenti similiter; non enim generatur caro quae crevit per nutrimentum, sed additur ex conversione substantiae nutrimenti in substantiam carnis. Iterum, effectus aequivocus non remanet nisi dum effectus univocus est praesens; ut calor non manet in aere nisi dum ibi sit lux generans; ergo non maneret caro nutrita, nec aucta, nisi dum species alimenti maneret in carne. Sed species non est res fixa, nec manet in re cui imprimitur, nisi in presentia agentis; ut dum sol est super terram manet ejus species et ejus calor; quando occidit aufertur utrumque, ut patet de nocte. Ergo, similiter, postquam

1  de potentia ]  tantum de potentia, Ti.

KAPITEL 44

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den ist als vorher. Wenn gesagt wird, dass dies zwar für eine univoke Wirkung gelten mag, dass aber dennoch durch eine äquivoke Wirkung aus der Nahrung Fleisch werden kann – so wie z. B. das Licht in der Luft Wärme verursacht –, kann man dagegen sehr viele Gründe vorbringen. Denn erstens würde daraus folgen, dass es im Fleisch zwei Prinzipien gäbe: erstens die der Nahrung eigene Natur, die eine species ist, durch die das Fleisch die Nahrung aufnimmt, so wie die Luft das Licht der Sonne durch die leuchtende species des Lichts aufnimmt und sich die Eigenschaften des Feuers durch die species des Feuers zu eigen macht, wenn sie erwärmt wird. Und zweitens müsste das Fleisch die Natur des Fleisches haben, die durch jene species der Nahrung hervorgebracht werden würde, so wie die Luft die Wärme durch das [in ihr befindliche] Licht hat. Doch das wäre lediglich ein Werden von etwas aus der Potenz der Materie, weil eine species aus der Potenz [der Materie] entsteht, wie ich in dem bereits angeführten Traktat 334 gezeigt habe. Und eine species wirkt, indem sie aus der Potenz der Materie eine Form so herausführt, wie das Licht die Wärme hervorbringt. Also gäbe es hier nichts Weiteres als ein Werden. Doch die Nahrungsaufnahme ist kein Werden, ebenso wenig wie eine Vermehrungsbewegung, weil das Fleisch, das durch die Nahrung angewachsen ist, auf diese Weise nicht neu gebildet wird, sondern [weil] ihm durch die Veränderung der Substanz der Nahrung in die Substanz des Fleisches etwas hinzugefügt wird. Weiterhin: Die äquivoke Wirkung bleibt nicht bestehen, wenn die univoke Wirkung nicht mehr gegenwärtig ist: so wie die Wärme nicht in der Luft bleibt, wenn es nicht zugleich das Licht gibt, das diese Wärme verursacht. Also bliebe auch das Fleisch nicht ernährt und würde nicht vermehrt werden, wenn nicht die species der Nahrung im Fleisch bliebe. Doch eine species ist keine feste Sache und bleibt nicht in den Dingen, in die sie eingedrungen ist, wenn das Agens verschwunden ist. Zum Beispiel: Solange die Sonne auf die Erde scheint, bleiben auch ihre species und ihre Wärme auf der Erde; wenn sie jedoch untergeht, wird beides hinweggenommen, wie es nachts deutlich wird. Ähnlich ist auch klar,

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Teil I

substantia alimenti consumpta est in venis et nihil remansit, non fiet species, nec manebit facta. Et si non fiat species nova, nec maneat facta, non fiet caro, nec manebit facta. lterum, species generata, et res generata per eam, cujus generatio non est per puram rarefactionem, non addit ad quantitatem; ut patet de luce generata, et de specie coloris in aere, et de speciebus aliarum rerum. Et dixi de re cujus generatio non est per rarefactionem solam, propter calorem qui generatur via rarefactionis. Sed frigiditas, et humiditas, et siccitas, et alia infinita, non generantur per rarefactionem. Cum ergo in augmento et nutrimento addatur ad quantitatem, et non est motus rarefactionis, quia omnino alii motus sunt, eo quod rarefactio est in rebus inanimatis, sed non nutrimentum nec augmentum, ergo non fiunt hujusmodi motus per speciem et operationem speciei. Iterum, fortior est virtus animae quam alimenti, quia alimentum per animam alteratur et praeparatur; et quicquid nobilitatis habet respectu corporis animati, habet per animae virtutem, et caloris naturalis, qui est instrumentum animae. Et iterum est magis unita corpori nutriendo quam alimentum, quia anima est actus et perfectio ejus. Sed anima non potest per suam speciem, nec per suam substantiam, quod plus est, promovere carnem vel os in plus de substantia, nec in plus de quanto; quia tunc nutrimentum non esset necessarium; ergo nec nutrimentum potest hoc facere. Et quia hujusmodi positiones famosae et magis probabiles non possunt stare, tunc potest dici quod substantia corporalis alimenti

KAPITEL 44

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dass keine species entstehen oder bestehen bleiben kann, nachdem die Substanz der Nahrung in die Venen übergegangen ist und nichts von ihr übrig bleibt: Wenn aber keine neue species entsteht oder bestehen bleibt, kann auch kein Fleisch entstehen und bestehen bleiben. Weiterhin: Eine species und die Sache, die durch diese species hervorgebracht wird, dessen Werden nicht durch reine Verdünnung [rarefactio] geschieht, fügt nichts zur Quantität hinzu. Das ist anhand der Entstehung des Lichts, anhand der species der Farbe in der Luft und anhand der species der anderen Dinge augenscheinlich. Ich habe schon über die Sache gesprochen, dessen Werden wegen der Wärme, die durch die Verdünnung freigesetzt wird, nicht durch reine Verdünnung entsteht. Doch Kälte, Feuchtigkeit, Trockenheit und unzählige andere Eigenschaften werden nicht durch Verdünnung hervorgebracht. Da also durch den Prozess der Vermehrung und der Ernährung etwas zur Quantität hinzugefügt wird, und da solches nicht durch eine Verdünnungsbewegung geschieht, weil dies gänzlich andere Bewegungen sind, weil in den unbelebten Dingen zwar eine Verdünnung, aber weder eine Ernährung noch Vermehrung stattfindet, geschehen solche Bewegungen nicht durch eine species und das Wirken von einer species. Weiterhin: Die Kraft der Seele ist stärker als die Kraft der Nahrung, weil die Nahrung durch die Seele verändert und vorbereitet wird. Welche Eigenschaften auch immer die Nahrung für einen beseelten Körper haben kann, hat sie durch die Kraft der Seele und durch deren natürliche Wärme, die ein Mittel der Seele ist. Außer­dem ist der zu ernährende Körper in viel größerem Maße eine Einheit als die Nahrung, weil die Seele dessen Verwirklichung und Vollkommenheit ist. Doch die Seele kann weder durch ihre species noch durch ihre Substanz, die noch weitaus mehr ist, dem Fleisch und den Knochen etwas zu deren Substanz oder Quantität hinzufügen, weil dann die Nahrung nicht notwendig wäre. Also kann auch die Nahrung das nicht tun. Weil diese bekannten und wahrscheinlichen Ansichten nicht aufrechterhalten werden können, kann man sagen, dass die kör-

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Teil I

venit ad partem nutriendam, et per virtutem illius partis digeritur ultima digestione, et assimilatur parti nutriendae, per completam assimilationem, quantum possibile est, usque ad unionem. Et hoc facto virtus animae in carne attrahit hoc corpus in se per conversionem in carnem, ita quod non maneant duo corpora, sed unum fit ex eis statim ipsa1 conversione; quia cum alimentum convertitur in carnem recipit naturam carnis; ideo fit plus de carne, et sicut fit una substantia, sed major, ex substantiis alimenti et carnis. Ita fit una dimensio corporalis ex dimensione carnis et alimenti, sed major, quam prius, secundum omnes diametros. Quod enim habemus pro inconvenienti, quod duo corpora sint simul, hoc est verum, quando duo sunt, et diversa remanent, et2 in substantia, et in dimensione corporali; nam hoc est impossibile. Sed quando una natura substantialis fit ex eis, et una quantitas sed major, tunc nullum est inconveniens. Et sic est hic.3 Nec tamen hic fit unum per compositionem, ut ex quantis fit unum quantum, quia tunc esset per solam additionem, ut in rebus inanimatis, sed fit per conversionem unius in aliud. Nec ideo quantitas potest convertere quantitatem in se, sed corpus quantum convertit corpus quantum. Conversio enim est actio quaedam, quae non debetur quantitati, nec materiae, sed formae, et composito mediante forma; et ideo caro quanta convertit in se alimentum quantum; non tamen quantitas convertit quantitatem, sed substantia quanta convertit

1  ipsa ]  in ipsa, B.; om. Ti. 2  et ]  om. Ti. 3  Et sic est hic ]  Etsi adhuc, L.

KAPITEL 44

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perliche Substanz der Nahrung zu dem zu ernährenden Teil [des Körpers] kommt und dass durch die Kraft jenes [zu ernährenden] Teils [des Körpers] letztendlich die Verdauung stattfindet. Und [die Nahrung] wird durch den zu ernährenden Teil durch die größtmögliche Aneignung bis zur Vereinigung hin vorbereitet. Wenn das geschehen ist, wandelt die Kraft der Seele im Fleisch jene Nahrung in sich selbst, indem sie die Nahrung in Fleisch umwandelt, sodass nicht länger zwei Körper bestehen bleiben: vielmehr wird aus den beiden [Körpern] durch diese Umwandlung augenblicklich ein Körper. Denn wenn die Nahrung in Fleisch umgewandelt wird, erhält sie die Natur des Fleisches, weshalb es einen Zuwachs an Fleisch gibt. Auf diese Weise entsteht eine Substanz aus den Sub­ stanzen der Nahrung und des Fleisches. So entsteht aus dem Fleisch und der Nahrung eine körperliche Einheit, die in ihrer Ausdehnung größer als zuvor ist. Denn wir halten es für unangebracht, dass zwei Körper gleichzeitig [an einem Ort] sein sollten. Das ist vollkommen richtig, solange es wirklich zwei [Körper] sind, die gleichzeitig sowohl in der Substanz als auch in der körperlichen Ausdehnung verschieden voneinander bleiben: denn das ist tatsächlich unmöglich. Doch sobald eine natürliche Substanz und eine größere Ausdehnung aus den beiden entsteht, gibt es daran nichts Unangebrachtes – und so verhält es sich hier. Doch geschieht das nicht durch eine Vermischung in dem Sinne, dass aus verschiedenen Quantitäten eine Quantität wird: denn das wäre eine bloße Hinzufügung, die es nur in den unbeseelten Dingen gibt. Sondern [dieser Vorgang] ist eine Wandlung einer Sache in eine andere. Daher kann eine Quantität auch nicht eine [andere] Quantität in sich selbst umwandeln, sondern ein körper­ liches Quantum wandelt ein anderes körperliches Quantum um. Denn eine Umwandlung ist ein gewisser Prozess, der nicht von einer Quantität oder der Materie, sondern von der Form abhängt, weshalb er durch die Form bestimmt wird. Deswegen wandelt ein gewisses Quantum des Fleisches ein gewisses Quantum an Nahrung in sich um; jedoch nicht so, dass die Quantität eine andere Quantität umwandelt, sondern so, dass das Quantum einer Sub-

Teil I

344

­substantiam quantam. Sicut materia carnis non convertit materiam alimenti, quia materia non est activa, sed forma carnis, seu magis compositum, licet mediante forma, convertit compositum; quia omnes actiones, ut dicit Aristoteles primo de Anima, sunt ipsius conjuncti et compositi.

CAPITULUM XLV. [ 271]

Ad secundum dicendum est quod aqua non impeditur descendere nec prohibetur, sed ex natura sua propria quiescit superius1, propter continuitatem naturae communis, salvatae2 in partibus universi. Nam aqua est natura quaedam, et habet duos respectus; unus est ad locum suum; et alium habet secundum continuitatem medii naturalis, ut eam salvet cum aliis corporibus naturalibus; quod non faceret si descenderet, eo quod aer non intraret orificio obstructo. Et prior est aquae comparatio ad salvandam hanc continuitatem, quam illa quae est ad locum; quia illa comparatio debetur aquae in quantum est pars universi; illa quae est respectu descensus debetur ei3 in quantum est locabilis, et circumscriptibilis ab aliquo sibi magis convenienti. Sed prius est aqua pars universi, et magis est ei essentiale4, quam locari ab aliquo convenienti, et circumscribi; quia potest manere aqua etsi a tali convenienti non circumscribatur; sed non potest manere aqua si non fuerit pars

1  superius ]  om. L. 2  salvatae ]  salvandae, U. 3  ei ]  om. Ti. 4  essentiale ]  essentialis, Ti.

KAPITEL 45

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stanz ein anderes Quantum einer anderen Substanz umwandelt: wie ja auch die fleischliche Materie nicht die Materie der Nahrung umwandelt, weil die Materie kein aktives Prinzip ist; sondern die Form des Fleisches, oder besser gesagt: die durch die Form gestaltete Vermischung wandelt eine [andere] Vermischung um. Denn alle Tätigkeiten sind miteinander verbunden und vermischt, wie Aristoteles im ersten Buch von Über die Seele335 sagt.

KAPITEL 45 Weitere Argumente gegen ein Vakuum [ 271]

Zum zweiten [Argument für das Vakuum] ist zu sagen, dass das Wasser nicht am Ausfließen gehindert oder davon abgehalten wird, sondern aufgrund seiner eigenen Natur weiter oben zur Ruhe kommt. Das geschieht aufgrund der allgemeinen Kontinuität der Natur, die in allen Teilen des Weltganzen aufrechterhalten bleibt. Denn das Wasser ist von einer gewissen Natur und hat zwei Neigungen: die eine ist, dass es an seinem Ort bleiben möchte; die andere besteht in der Erhaltung der natürlichen Kontinuität, die das Wasser mit den anderen Stoffen [der Welt] einhalten möchte. Das könnte es jedoch nicht, wenn es ausfließen würde, sodass die Luft nicht in die zerstörte Öffnung eintreten würde. Es ist für das Wasser jedoch wichtiger, diese Kontinuitätsbeziehung beizubehalten, als seinen Ort zu wechseln. Denn diese Kontinuitätsbeziehung kommt dem Wasser insoweit zu, als es Teil der ganzen Weltordnung ist. Jene [Ortsbeziehung], die dazu führen würde, dass das Wasser herausfließt, kommt dem Wasser nur zu, insofern es örtlich und gegenüber einem anderen Stoff abgegrenzt ist. Doch zuallererst ist das Wasser ein Teil des Weltganzen; und dieser Teil zu sein, ist ihm in höherem Maße eigen, als sich gegenüber einem umgebenden und passenden Stoff zu positionieren und eingeschlossen zu werden; denn das Wasser kann auch Wasser bleiben, wenn es nicht von einem es umgebenden Stoff eingeschlossen wird; doch es kann kein Wasser bleiben, wenn es nicht Teil des Weltganzen

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Teil I

universi. Non igitur stat aqua sursum propter negationem vacui primo et per se, sed propter hoc, ut salvet continuitatem naturae in mundo, ad quam sequitur secundario privatio vacui. Et ideo negatio non est causa affirmationis, sed affirmatio. Nec est inconveniens quod1 illi affirmationi sit annexa negatio, quia omnis affirmatio habet secum infinitas negationes adjunctas; ut si homo est animal, non est lignum nec lapis, nec coelum, nec infinita alia, quae negari possunt ab eo. Sed primo et principaliter non potest negatio inferre affirmationem, nec potest esse causa ejus, sed potest concomitari2 ad3 ejus causam, sicut hic. Ad tertium, de tabulis planis circularibus dicendum est, quod non possunt ab invicem elevari, sub eadem figuratione, et aequali distantia partium undique; quia tunc sequeretur quod esset discontinuatio naturae in partibus universi, cui est annexum vacuum, sicut prius. Unde quantumcunque4 homo nitatur elevare aequaliter, nunquam deveniet ad hoc quod sic faciat; sed cum omni facilitate inclinat tabulas ab inaequalitate; et hoc potest fieri infinitis modis; et ideo non percipitur5 propter subtilitatem aeris minimam6, qui cedit quantumcunque parum tangatur. Sed in aqua bene apparet. Nam si quis ponat concavitatem cyphi vitrei in aqua, tenens ipsum per pedem, potest experiri quod sub aequalitate figurationis non potest per aliquam violentiam extrahi de aqua. Et ista experientia potest notari propter corpulentiam aquae, quae non cedit ita de facili ad tactum alterius, sicut aer, quia ipse mutat situm ad omnem

1  quod ]  si, Ti. 2  concomitari ]  concomitare, Ti. 3  ad ]  om. Ti. 4  quantumcunque ]  quandocumque, L. 5  percipitur ]  percipit, B. L. 6  minimam ]  in materia, U.

KAPITEL 45

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wäre. Denn das Wasser bleibt nicht in erster Linie wegen der Vermeidung eines Vakuums oben, sondern damit die natürliche Kontinuitätsbeziehung in der Welt aufrechterhalten wird, woraus erst nachgeordnet die Vermeidung eines Vakuums folgt. Daher ist hier die Verneinung nicht der Grund für eine affirmative Bestimmung, sondern die affirmative Bestimmung selbst. Es ist auch nicht weiter störend, dass eine Verneinung mit jener affirmativen Bestimmung verbunden ist, da jede affirmative Bestimmung mit unendlich vielen verneinenden Bestimmungen verbunden ist. Wenn der Mensch zum Beispiel ein Tier ist, ist er kein Holz oder Stein, auch kein Himmel und auch nicht unzählige andere Dinge, die man von ihm verneinen kann. Doch zuallerst und grundsätzlich kann eine Verneinung nicht zu einer Bejahung führen, noch kann sie der Grund für eine solche sein. Sie kann aber den Grund einer solchen begleiten, so wie es hier der Fall ist. Zum dritten Punkt, der die gebogenen Tafeln behandelt, ist zu sagen, dass sie nicht unter Beibehaltung derselben Gestalt und der gleichen Entfernung aller Teile voneinander wegbewegt werden können. Denn dann würde folgen, dass es eine Diskontinuität in der Natur in den Teilen des Weltganzen geben würde, die mit einem Vakuum in Zusammenhang stünde, wie bereits gesagt worden ist. Wann immer ein Mensch also versucht, die beiden gleichmäßig anzuheben, wird er es niemals schaffen; doch mit der größten Leichtigkeit und auf unzählige Arten wird er diese Tafeln ungleich voneinander entfernen können. Er wird aber wegen der Feinheit der Luft gar nicht mitbekommen, dass sie stets eindringt, wie wenig man auch immer jene Tafeln bewegt. Im Wasser lässt sich dieses Phänomen aber sehr gut beobachten: Denn wenn man die Höhlung eines durchsichtigen Bechers in Wasser taucht und den Becher dann umdreht, kann man sehen, dass kein Wasser ausfließen kann, egal, wieviel Gewalt man anwendet. Diese Erfahrungstatsache lässt sich aufgrund der Dichte des Wassers beobachten, das nicht leicht einem anderen Element weicht, das es berührt. Bei der Luft verhält sich dies prinzipiell ebenso, es lässt sich jedoch nicht beobachten, weil die Luft ständig ihren Ort wechselt, sodass

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Teil I

eventum, ita quod nullam experientiam hujus rei potest sustinere. Et mihi videtur modo quod in Opere Majori aliqua alia1 hic dixi, propter hoc quod multae responsiones falsae hic dicuntur, et nunc sufficit veritas absoluta. Ad quartum dicendum est quod in uno puncto virgae fit sectio ad duas2 superficies, quia superficies sunt indivisibiles secundum profundum; et ille punctus quia est terminus communis duarum partium lineae continuat eas in una linea. Sed non est terminus corporum illorum, nec in eis est, et ideo ea non continuat. Hoc magis manifestum est in Opere Majori, et videbatur apud antiquos quod hoc sophisma esset Achilles. Quintum solvitur, quod cum ponuntur simul3 duo corpora sine medio, necesse est quod illae lineae non aequidistent, quia non distant in aliquo, et ideo terminantur ad punctum unum in tertio corpore. Nec obstant duo puncta inferius; quia simul sunt sine medio, et ideo non plus valent quam unus punctus in uno corpore, et sic nihil intercipietur. Sextum solvitur per hoc, quod si ponatur omne corpus plenum amoveri, tunc nihil erit in medio, et ideo simul erunt. Nam distantia non est nisi per aliquid quod sit substantia per se stans; et ita erit corpus verum quod est substantia, et ita plenum; quia vacuum non est substantia. Ergo cum ponunt distantiam, erit substantia et corpus plenum; ideo hoc argumentum implicat opposita, cum dicit quod non sit corpus in medio4 plenum, et quod sit distantia; nam ex distantia sequitur, quod sit corpus plenum, ut dictum est.

1  alia ]  om. Ti. 2  ad duas ]  per duas, L. 3  simul ]  om. Ti. 4  in medio ]  om. Ti.

KAPITEL 45

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man diese Erfahrung mit der Luft unter keinen Umständen machen kann. Mir scheint gerade, dass ich im Opus maius noch einiges anderes dazu gesagt habe336, weil hier viele falsche Antworten gegeben werden, wohingegen nun aber die vollkommene Wahrheit genügt. Zum vierten Punkt ist zu sagen, dass zwei Oberflächen entstehen, wenn man einen Zweig an einer Stelle durchschneidet, weil die Oberflächen in der Tiefe unteilbar sind; und jener Punkt setzt diese in einer Linie fort, weil er das gemeinsame Ende der beiden Teile der Linie ist. Doch er ist nicht der Endpunkt jener Körper, noch ist er in ihnen, und setzt sie daher auch nicht fort. Das wird noch deutlicher im Opus maius337 und es schien in der Antike so, als sei dies der Sophismus des Achilles. Die fünfte Frage wird gelöst, indem man sich zwei gleiche Körper ohne ein Medium vorstellt. Dann ist es notwendig, dass ihre Linien nicht äquidistant sind, weil sie in nichts voneinander entfernt sind und daher an einem Punkt eines dritten Körpers enden. Auch stehen weiter unten keine zwei Punkte im Weg, weil auch diese in keinem Medium sind und daher nicht mehr gelten als ein Punkt in einem Körper, wodurch nichts unterbrochen wird. Der sechste Punkt wird dadurch gelöst, dass man sich vorstellt, ein Körper werde in ein Vakuum gesetzt und jeder gefüllte Raum würde entfernt. Dann gäbe es in dem Medium nichts, was bedeuten würde, dass beide gleichzeitig wären. Denn eine Entfernung kommt erst zustande, wenn es eine für sich stehende Substanz gibt. Also muss ein Körper solch eine Substanz sein – und daher muss es auch einen gefüllten Raum geben. Denn ein Vakuum ist keine Substanz. Doch was für sich selbst besteht, muss eine Sub­ stanz sein. Wenn sie also eine Entfernung behaupten, wird es eine Substanz und einen gefüllten Raum geben. Deswegen führt dieses Argument zu Widersprüchen, weil man sagt, dass es keinen Körper in einem vollen Medium geben würde, aber eine Entfernung; denn aus der Entfernung folgt, dass es einen Körper in einem vollen Raum geben muss, wie gesagt worden ist.

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Teil I

CAPITULUM XLVI. [ 277]

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Occasione vero horum quae jam quaesita sunt occurrunt tres quae­stiones difficiliores, quae sunt in tota philosophia et theologia, et vix umquam scientur ab homine in hac vita; et praecipue propter errores studii jam vulgatos; et istae sunt metaphysicae quaestiones. Et prima est, an substantia separata, ut angelus vel anima rationalis, cum a corpore recedit, posito quod pertranseat spatium inter coelum et terram, vel quodcunque aliud, an pertranseat subito et in instanti, vel in tempore; hoc est, an sit motus ibi vel mutatio. Et jam superius fuerunt rationes positae ad hoc, quando dicebatur quod nulla virtus finita agit in instanti. Quia si aliqua virtus ageret in instanti, major possit agere in minori; ut arguit Aristoteles sexto et octavo Physicorum, ubi dicit quod virtus finita et infinita1 non possunt agere in eadem duratione; sed virtus infinita agit in instanti, ergo omnis virtus finita aget in tempore. Iterum, tunc esset angelus simul in coelo, et in medio spatii, et in terra; et ita simul et semel in diversis locis; quod non potest esse. Et sic de aliis rationibus, quae ostendebant quod transmutatio corporis in vacuo debet esse in tempore, tum ratione divisibilitatis spatii, tum quia transitus puncti est in instanti; ergo linearis spatii transitus est in tempore. Nec impediuntur hae duae rationes propter resistentiam; quia vacuum resistit corpori, sed medium plenum non

1  finita et infinita ]  infinita et finita, Ti.

KAPITEL 46

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KAPITEL 46 Über die Bewegung geistiger Substanzen [ 277]

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In Zusammenhang mit den Themen, denen bis jetzt nachgeforscht worden ist, stehen auch drei äußerst schwierige Fragen der ganzen Philosophie und Theologie. Diese Fragen können in diesem Leben kaum von irgendeinem Menschen beantwortet werden, was vor allem an den Missständen liegt, die zur Zeit im Studium verbreitet sind. Es handelt sich hierbei um metaphysische Fragen. Die erste Frage ist, ob eine getrennte Substanz [substantia sepa­ rata] – wie zum Beispiel ein Engel oder eine vernünftige Seele –, wenn sie aus einem Körper weicht, den Raum zwischen Himmel und Erde oder irgendeinen anderen Raum augenblicklich oder während eines längeren Zeitraums durchquert. Es geht also um die Frage, ob in diesem Fall eine Bewegung oder eine Veränderung stattfindet. Zu dieser Frage haben wir schon einige Betrachtungen angestellt, als gesagt worden ist, dass keine endliche Kraft augenblicklich wirkt. Denn wenn eine Kraft augenblicklich wirken würde, könnte sie noch stärker in kleineren Zeiträumen wirken, wie Aristoteles im sechsten und achten Buch seiner Physik 338 geschrieben hat, wo er sagt, dass eine endliche und eine unendliche Kraft nicht in derselben Zeitdauer wirken können; sondern eine unendliche Kraft wirkt augenblicklich, also wirkt jede endliche Kraft in einer gewissen Zeitdauer. Weiterhin: Dann wäre ein Engel zugleich im Himmel, in dem Raum dazwischen und auf der Erde, also zur selben Zeit an verschiedenen Orten, was unmöglich ist. Dasselbe gilt auch für die anderen Gründe, die bereits gezeigt haben, dass eine Veränderung ­eines Körpers im Vakuum zeitlich stattfinden muss: sowohl wegen der Teilbarkeit des Raumes als auch, weil die Durchquerung eines Punktes augenblicklich geschieht; daher muss ein Raum geradlinig in einer gewissen Zeitspanne durchlaufen werden. Diese beiden Argumente werden auch nicht durch [das Argument] e­ ines Widerstandes gehindert, weil ein Vakuum einem Körper widersteht, doch ein gefülltes Medium nicht einem Geist widersteht.

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Teil I

resistit spiritui; et ideo potest intrare illud, et transibit prius unam partem spatii quam aliam, propter quantitatem spatii et finitatem virtutis. Et proculdubio si transibit spatium, transibit in tempore, propter finitatem virtutis et caeteras rationes prius dictas; unde in instanti non potest transire. Sed objicitur in contrarium quod Aristoteles dicit, quod impartibile non movetur, et probat hoc in sexto Physicorum. Et una rationum ejus est talis; nam in suo transitu pertransibit semper indivisibilia, seu puncta semper ei aequalia; et cum talia in minimo spatio sint infinita, nunquam pertransiret minimum spatium; quia omne mobile signat in actu semper partes spatii sibi aequales; ut mobile pedale semper transit spatium pedale, quantum est de termino ad quem vadit immediatum. Iterum, tunc spatium pertransitum esset ex punctis pertransitis, et ita linea ex punctis; quod iterum est impossibile. Et iterum, dum mobile est totaliter in termino a quo, non movetur; dum totaliter est in termino ad quem, fit motus, immediate jam motum est et quiescit mobile; ergo non movebitur nisi partim sit in termino a quo, et partim in termino ad quem. Sed impartibile, ut angeIus, non habet partem et partem, sicut nec punctus; et ideo non movebitur. Et hae sunt demonstrationes Aristotelis, per quas ostendit quod impartibile non movebitur; ergo si transit spatium transibit in instanti, et erit mutatio et non motus. Sed hic respondetur, quod aliquid est de impartibili quod non commetitur se partibus spatii divisibilibus neque indivisibilibus,

KAPITEL 46

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Daher kann [jenes Geistwesen] zwar dort eindringen, wird jedoch wegen der Ausdehnung des Raumes und seiner endlichen Kraft einen vorangehenden Teil des Raumes vor einem anderen Teil durchmessen müssen. Und wenn es den Raum durchquert, wird es das aufgrund seiner endlichen Kraft und anderer bereits genannter Gründe ohne Zweifel in der Zeit tun. Also kann es [den Raum] nicht augenblicklich durchqueren. Dagegen wird eingewendet, Aristoteles sage, dass etwas Unteilbares nicht bewegt wird, wie er im sechsten Buch seiner Physik 339 beweist. Einer seiner Beweise verläuft wie folgt: in seiner Bewegung wird es immer Unteilbares durchlaufen oder immer Punkte, die sich in gleichem Abstand von ihm befinden. Da solche Punkte auch im kleinsten Raum unendlich viele sind, kann es selbst den kleinsten Raum niemals durchqueren, weil jedes sich Bewegende sich tatsächlich immer in gleichen räumlichen Abständen bewegt: so wie ein laufendes bewegliches Ding immer einen Raum durchquert, der zum Laufen geeignet ist, bis es unmittelbar zu der Grenze kommt, zu der es hingeht. Weiterhin: Dann müsste der durchquerte Raum aus durchquerten Punkten bestehen; und daher auch eine Linie aus Punkten, was unmöglich ist. Und weiterhin: Wenn etwas sich Bewegendes vollkommen in dem Ausgangspunkt enthalten ist, an dem [die Bewegung] beginnt, wird es nicht bewegt. Und bis zu dem Endpunkt, an dem die Bewegung aufhört, bewegt es sich, bis es unmittelbar zur Ruhe kommt; daher wird es nicht bewegt, außer zwischen dem Ausgangspunkt, an dem es anfängt, sich zu bewegen, und dem Endpunkt, an dem die Bewegung aufhört. Doch etwas Unteilbares – wie ein Engel – hat keine Teile, ebenso wenig wie ein Punkt. Daher kann es nicht bewegt werden. Das sind die Beweise des Aristoteles, mit deren Hilfe er zeigt, dass etwas Unteilbares nicht bewegt werden kann. Denn [etwas Unteilbares] durchquert den Raum augenblicklich, weshalb in diesem Fall eine Veränderung und keine Bewegung stattfinden wird. Doch hier kann erwidert werden, dass es sich mit etwas Unteilbarem (wie dem Engel und der Seele) anders verhält, weil es weder

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Teil I

sicut est angelus vel anima. Nam duo prima inconvenientia non sequuntur hic, ut dicunt; quia substantia spiritualis situm non habet, sed1 transit in tempore propter finitatem virtutis, et nec commetitur se spatio, et ideo tertia ratio non habet locum. Nam cum dicit, quod omne quod movetur partim est in termino a quo, partim in termino ad quem, hoc est verum de eo quod commensurat se dimensionibus spatii; sed substantia spiritualis non habet proportionem nec commensurationem ad quantitatem spatii, quod pertransit. Sed contra hanc responsionem est, quod quamvis substantia spiritualis non habeat situm, et punctus situm habeat et positionem licet simplicem, non propter hoc impedientur rationes praedictae. Quia aut erit angelus in loco indivisibili aut2 divisibili; si in indivisibili, vel praesens loco tali, vel tali3, determinabit sibi locum indivisibilem, ita quod ibi est dum quiescit, et non alibi; licet non commetiatur se illi indivisibili, per situm, sicut indivisibile corporale, quod est punctus vel atomus; et tunc eadem inconvenientia sequentur. Nam sit A indivisibile in spatio, cui praesens sit angelus, et est terminus a quo fiet motus; et B sit indivisibile aliud, qui sit terminus primus et immediatissimus ad quem movebitur angelus, et cui praesens fiet per motum, licet ei4 non commensuretur per situm, sed sit ei praesens per determinationem loci, ut omnes ponunt. Et C sit tertium indivisibile in spatio, propinquissimum ipsi B; et D sit quartum immediatissimum ipsi C; et sic ultra. Cum igitur angelus secundum haec non potest esse praesens nisi alicui indivisibili soli, et per transmutationem fiet ab uno indivisibili in aliud, et angelus nullum indivisibile omittit5 in suo transitu,

1  sed ]  om. Ti. 2  aut ]  vel, Ti. 3  tali ]  taliter, Ti. 4  ei ]  om. Ti. 5  omittit ]  omittat, Ti.

KAPITEL 46

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durch teilbare noch durch unteilbare Teile des Raumes gemessen werden kann. Denn sie sagen, dass die zwei ersten Unannehmlichkeiten hier nicht folgen, weil eine geistige Substanz keine Lage hat, sondern aufgrund der Endlichkeit seiner Kraft [zwar] in der Zeit verläuft, aber keinen Raum durchquert, weshalb auch der dritte Grund hier nicht gilt. Denn wenn man sagt, dass alles, was bewegt wird, einen Ausgangspunkt und einen Endpunkt hat, ist das nur von den Dingen richtig, die die Dimensionen des Raumes teilen. Doch eine geistige Substanz hat keinen Anteil und kein Verhältnis zu dem ausgedehnten Raum, den sie durchquert. Doch gegen diese Antwort spricht, dass auch dann, wenn eine geistige Substanz keine Lage einnehmen mag, sondern nur ein Punkt eine Lage und eine Position hat, doch die vorher genannten Gründe dadurch nicht ausgeräumt werden. Denn entweder wird ein Engel an einem unteilbaren Ort sein oder an einem teilbaren Ort; wenn er an einem unteilbaren Ort sein sollte, ist er doch an solch einem Ort präsent und wird durch diesen unteilbaren Ort bestimmt, sodass er an genau diesem einen Ort ist, wenn er sich in Ruhe befindet, und nicht irgendwo anders; obgleich er nicht durch die Lage an jenem Unteilbaren gemessen wird, wie ein körperlich Unteilbares wie ein Punkt oder ein Atom. Doch auch dann folgen die gleichen Unannehmlichkeiten: denn sei A ein unteilbarer Ort im Raum, an dem sich ein Engel befindet; und dies sei auch der Punkt, an dem eine Bewegung beginnt; und B sei ein anderes Unteilbares im Raum, das den ersten und unmittelbaren Endpunkt bildet, zu dem ein Engel sich hinbewegen und durch Bewegung gelangen wird, auch wenn er diesem Punkt nicht durch seine Lage entspricht, sondern durch eine Bestimmung des Ortes, wie alle behaupten. Und C sei ein weiterer unteilbarer Ort im Raum, der ganz nahe an jenem Punkt B liegt. Und D sei ein vierter Punkt, der unmittelbar neben jenem Punkt C liegt, und so weiter. Da der Engel demnach nur an einem einzigen unteilbaren Ort sein und durch Veränderung nur von einem unteilbaren Ort zu einem anderen unteilbaren Ort gelangen kann – und auch keinen unteilbaren Punkt in seiner Durchquerung auslässt –, noch irgendeinen Teil

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Teil I

nec aliquid de spatio potest omittere, cum totum transeat; manifestum est igitur quod semper pertransibit indivisibilia, sicut punctus corporalis transiret; sed solum erit differentia in situ. Prae­ sens tamen erit angelus cuilibet indivisibili sicut punctus; ergo sicut in transitu puncti acciderent duo inconvenientia, quod minimum spatium non transiret, quia infinita sunt puncta in quolibet, et quod quantitas sit ex punctis; sic erit hic. Et tertia ratio non potest impediri; quia dum est praesens ipsi A quiescit; et dum est totaliter praesens ipsi B quiescit; et non pot­ est esse1 secundum partem unam praesens A, et secundum aliam prae­sens ipsi B, quia indivisibilis est; et semper locum indivisibilem obtinet. Ergo nunquam movebitur. Sed proculdubio istae rationes non solum tollunt motum sed mutationem, si Angelus habeat locum indivisibilem. Nam cum2 secundum veritatem linea non est ex punctis, sed est spatium quantum, et3 divisibile inter A et B, et tunc cum sit angelus praesens in A, et non sit B terminus continuus ei, et tamen est propinquissimus qui potest significari, angelus quiescet in A, et non poterit moveri ulterius; quia primus terminus ad quem veniret esset B, eo quod semper est in indivisibili, et ideo nunquam pertransiret spatium quod est inter A et B, neque motu neque mutatione4. Et ideo rationes Aristotelis duae primae possunt formari aequaliter contra mutationem, sicut contra motum, si angelus sit praesens loco indivisibili. Nam sive per motum, sive per5 mutationem, transeat illa puncta, et totum spatium pertransit, tunc totum spatium erit ex

1  potest esse ]  est, Ti. 2  cum ]  om. Ti. 3  et ]  om. Ti. 4  motu neque mutatione ]  mutatione neque motu, Ti. 5  per ]  om. Ti.

KAPITEL 46

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des Raums auslassen kann, weil er durch alle hindurch muss, ist es offensichtlich, dass er immer diese unteilbaren Punkte durchquert, ebenso wie er auch einen körperlichen Punkt durchqueren würde. Es gibt hier nur einen Unterschied in der Lage: denn der Engel wird jedem unteilbaren Ort ebenso gegenwärtig sein wie in jedem Punkt. Also werden auch hier die gleichen zwei Unannehmlichkeiten auftreten wie bei der Durchquerung der Punkte: dass er nämlich nicht einmal den kleinsten Raum durchqueren könnte, weil in jedem Teil des Raumes unendlich viele Punkte sind, und weil die Ausdehnung des Raumes aus unzähligen Punkten besteht. Und gegen den dritten Grund kann man nichts vorbringen: denn wenn er an jenem Punkt A ist, kommt er zur Ruhe; und wenn er vollständig an jenem Punkt B ist, ruht er auch. Er kann aber nicht mit einem Teil an dem Punkt A sein und mit einem anderen Teil an dem Punkt B, weil er unteilbar ist und immer einen unteilbaren Ort einnimmt. Also wird er niemals bewegt. Doch ohne Zweifel sprechen diese Gründe nicht nur gegen eine Bewegung, sondern auch gegen eine Veränderung, wenn der Engel einen unteilbaren Raum einnehmen sollte. Denn da eine Linie der Wahrheit entsprechend nicht aus Punkten besteht, sondern ein ausmessbarer Raum ist, der zwischen Punkt A und Punkt B teilbar ist, kann der Punkt B nicht der Endpunkt sein, wenn ein Engel sich am Punkt A befindet, auch wenn er so nahe an dem Punkt B ist, wie man nur angeben kann. Der Engel ruht dennoch an Punkt A und wird nicht weiter bewegt werden können, da sein erster Endpunkt, zu dem er gelangen könnte, der Punkt B sein müsste. Doch da der Ort immer unteilbar ist, könnte er niemals den Raum zwischen A und B durchqueren: weder durch Bewegung noch durch Veränderung. Daher können die ersten beiden Gründe des ­A ristoteles gleichermaßen gut gegen eine Veränderung wie auch gegen eine Bewegung angeführt werden, wenn der Engel sich an einem unteilbaren Ort befinden würde. Denn es ist egal, ob der Engel jene Punkte durch Bewegung oder durch Veränderung durchqueren würde – denn auch, wenn er den gesamten Raum durchqueren würde, würde der Raum doch immer aus Punkten

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Teil I

illis punctis; et cum infinita sint1 in minima parte, nunquam poterit pertransire spatium minimum, nec minimam ejus partem2. Et ideo hae tres rationes nunc tactae ostendunt, quod nec movebitur nec mutabitur, si angelus habeat locum indivisibilem. Et illa ratio ultima Aristotelis quae dicit quod omne quod movetur, partim est in termino a quo, partim in termino ad quem, ostendit specialiter quod non movebitur. Rationes vero quatuor primae ostendunt quod nullo modo mutabitur; et ista non videntur posse impediri. Sed si habeat locum divisibilem tunc proculdubio poterit moveri, et nulla rationum istarum3 prohibet. Nam si sit in A loco divisibili, tunc potest B locum divisibilem aggredi, sicut vult, et quando vult; et tunc cum4 pertransit B locum divisibilem, et C, et D, et alia loca divisibilia, aequalia ipsi A. Nam pertransitum erit semper ex divisibilibus partibus compositum; et poterit pertransire minimum spatium et maximum sicut vult. Et sic existens in A loco divisibili, qui est terminus a quo, potest relinquere illum locum secundum partem, et occupare de B loco partem, ut hae duae partes aequentur toti A5. Relinquitur ergo quod partim poterit esse in termino a quo, et partim in termino ad quem, et ita poterit moveri; quia demonstratio Aristotelis non requirit, nisi quod mobile possit quoquo modo occupare partes terminorum duorum, sive hoc fiat per partibilitatem sui ut corpus6, sive per partibilitatem terminorum occupatorum a mobili, licet non sit corpus. Sed mutatio nullo modo fiet, si habeat angelus locum divisibilem, propter rationes superius assignatas de finitate virtutis et suis comitibus.

1  sint ]  sunt, B. 2  ejus partem ]  partem ejus, Ti. 3  istarum ]  om. Ti. 4  cum ]  non, Ti. 5  A ]  om. Ti. 6  corpus ]  est de corpore, Ti.

KAPITEL 46

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bestehen. Da diese Punkte selbst im kleinsten Teil [des Raumes] unendlich viele sind, könnte er niemals auch nur den kleinsten Raum durchqueren, ebenso wenig wie einen kleinsten Teil dieses kleinsten Teils. Und daher zeigen die drei nun genannten Gründe, dass er weder bewegt noch verändert werden könnte, wenn der ­Engel an einem unteilbaren Ort wäre. Und jener letzte Grund des Aristoteles340, der besagt, dass alles, was bewegt wird, teils an dem Punkt ist, von dem aus die Bewegung stattfindet, und teils an dem Punkt, zu dem hin die Bewegung stattfindet, zeigt ganz besonders, dass er nicht bewegt werden kann. Ferner zeigen die vier bereits genannten Gründe auch, dass er auf keine Weise verändert werden kann. Gegen diese Gründe scheint man nichts vorbringen zu können. Doch wenn er einen teilbaren Ort einnehmen würde, könnte er ohne Zweifel bewegt werden; und keiner der [genannten] Gründe spricht dagegen. Denn wenn er an einem teilbaren Ort A ist, kann er einen anderen teilbaren Ort B erreichen, wie er will und wann er will; und nachdem er den teilbaren Ort B durchquert hat, kann er C und D und alle anderen teilbaren Orte durchqueren, die dem Ort A gleich sind: denn der durchquerte Raum wäre immer aus teilbaren Abschnitten zusammengesetzt. Daher wird er nach seinem Belieben den kleinsten und den größten Raum durchschreiten können. Und wenn er an einem teilbaren Ort A ist, der zugleich der Ausgangspunkt ist, kann er diesen Ort in jedem Teil zurücklassen und den Ort B einnehmen, sodass diese beiden Teile insgesamt dem ganzen Ort A entsprechen. Denn er kann zum Teil am Ausgangspunkt sein, zum Teil auch am Endpunkt – und kann also bewegt werden. Denn der Beweis des Aristoteles verlangt nichts weiter, außer dass ein sich Bewegendes auf irgendeine Art die Teile von zwei Punkten einnimmt, sei es durch die Teilhaftigkeit von ihm als Körper, sei es durch die Teilhaftigkeit der eingenommenen Endpunkte, wenn es auch kein Körper sei. Doch eine Veränderung findet aufgrund der bisher genannten Gründe über die Endlichkeit der Kraft und der damit einhergehenden Konsequenzen keinesfalls statt, wenn der Engel einen teilbaren Ort einnimmt.

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Teil I

CAPITULUM XLVII. [ 289]

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Quoniam autem haec quaestio de transmutatione substantiarum spiritualium fundatur super existentiam earum in loco, ut patet ex jam dictis; quia si habeant locum indivisibilem nec movebuntur nec mutabuntur localiter, et si divisibilem non mutabuntur sed movebuntur; ideo oportet hic considerare de loco eorum, quod non habet aliquid difficilius se in tota speculatione sapientiae. Habet tamen duo aequalia ei in difficultate, de quorum altero dicetur post hoc, quia annexum est istis. Sed in hoc loco volo procedere secundum vias inquisitionis et recitationis, magis quam determinationis et diffinitionis alicujus sententiae, et sine praejudicio melioris sententiae. Atque referam opinionem aliquorum theologorum famosam, cui etiam sapientissimi viri concordabant quos vidimus, licet viam universae carnis ingressi sunt. Quod autem substantia spiritualis nullam rationem habet ad locum corporalem, neque divisibilem neque indivisibilem, persuadetur sic. Locus corporalis, qualitercunque intelligatur, habet necessario situm de suo intellectu; quia etiam punctus situm habet, et linea, et superficies, et corpus. Sed substantia spiritualis nullum situm potest habere, ergo nullam rationem habet loci corporalis. Iterum, substantia spiritualis neque habet divisibilitatem quantitatis nec puncti, quia sua natura est1 indivisibilis; neque est quantum, neque terminus quanti. Et ita sicut divisibilitas quantitatis a substantia spirituali extranea est, sic indivisibilitas termini quan-

1  est ]  om. B.

KAPITEL 47

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KAPITEL 47 Ob geistige Substanzen einen Ort einnehmen [ 289]

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Die Frage nach der Veränderung der geistigen Substanzen beruht auf ihrer örtlichen Existenz, wie aus dem bisher Gesagten ersichtlich geworden ist: denn wenn sie einen unteilbaren Ort einnehmen, werden sie örtlich weder bewegt noch verändert. Wenn sie einen teilbaren Ort einnehmen, werden sie nicht verändert, aber bewegt. Also muss man über ihren Ort nachdenken; und es gibt bei der Betrachtung der Weisheit kaum eine schwierigere Frage. Es gibt noch zwei weitere ähnlich schwierige Fragen, von denen nachher zu sprechen sein wird, weil sie mit dem jetzigen Thema verbunden sind. Doch an dieser Stelle möchte ich durch die Nachforschung und Wiedergabe der Ansichten anderer vorgehen, ohne dabei über einzelne Ansichten zu sehr zu urteilen oder sie übertrieben von­einander abzugrenzen, und ohne ein Vorurteil darüber auszusprechen, welche Ansichten die besseren sind. Ich werde auch auf eine bekannte Meinung einiger Theologen eingehen, die  – wie wir sehen werden – auch die Zustimmung der weisesten Männer gefunden hat, die bereits den Weg allen Fleisches gegangen sind. Dass die Überlegungen über den Ort körperlicher Substanzen nicht für eine geistige Substanz gelten – sei sie nun teilbar oder unteilbar –, lässt sich wie folgt zeigen: Jeder Körper, wie auch immer er verstanden wird, nimmt notwendig irgendeine Lage ein; denn sowohl ein Punkt als auch eine Linie, sowohl eine Oberfläche als auch ein Körper haben eine bestimmte Lage. Doch eine geistige Substanz kann keinen Ort einnehmen, weshalb die Überlegungen für den Ort eines Körpers in diesem Fall nicht gelten. Weiterhin: Einer geistigen Substanz kommt weder die Teilbarkeit einer Quantität noch eines Punktes zu, weil ihre Natur unteilbar ist: sie ist nämlich weder ein Quantum noch die Begrenzung eines Quantums. Und so, wie die quantitative Teilbarkeit außerhalb des Bereichs der geistigen Substanz liegt, liegt auch die Unteilbarkeit einer quantitativen Grenze – die ein Punkt ist – außerhalb ih-

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Teil I

titatis, qui est punctus. Sed quae non sunt ejusdem generis non habent ad invicem comparationem nec proportionem; ut non est proportio albedinis ad lineam, nec ad substantiam, quae sunt diversorum generum praedicamentalium a genere albedinis; nec ad musicam, nec ad dulcedinem, quae sunt in diversis generibus sub­ alternis ad albedinem. Quapropter natura indivisibilis spiritualis nullam comparationem nec proportionem habebit ad indivisibile vel divisibile in quanto corporali. Iterum, hoc videmus per locum a majori: nam quaedam res sunt corporales, quia proprietates corporum sunt, et tamen non habent aliquam comparationem ad locum corporalem de sui natura, ut unitas et numerus. Non enim contingit dicere quod de sui natura alicubi sunt; quia non habent situm nec positionem. Unitas enim non est hic nec ibi; neque locum divisibilem nec indivisibilem occupat; nec praesens est alicui loco naturaliter, et de se, sed per accidens, ratione corporis cujus est unitas. Ergo manifestum est, quod longe minus substantia spiritualis, quae a corpore non dependet aliquo modo, habebit respectum vel comparationem ad locum corporalem. Iterum, corpus non habet aliquam proportionem nec comparationem ad locum spiritualem; ergo nec spiritus locum corporalem. Iterum, omnis res, quae locum habet, aut habet locum naturalem aut accidentalem; sed res quae habet locum accidentalem, ut lapis, qui elevatur sursum, est ibi per violentiam, et habet necessariam inclinationem ad locum naturalem. Et ideo omne quod habet locum accidentalem in actu, aptum natum est habere locum naturalem, in quo salvetur1, et extra quem2 est per violentiam. Sed in

1  salvetur ]  salvatur, B. 2  quem ]  quod, B.

KAPITEL 47

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res Bereichs. Doch Dinge, die nicht von der gleichen Art sind, lassen sich nicht untereinander vergleichen, weil sie nicht die­selben Eigen­schaften teilen: so wie man nicht die Weißheit mit einer Linie oder ihrer Substanz vergleichen kann, weil sie verschiedene Arten von Prädikamenten gegenüber der Eigenschaft der ›Weißheit‹ sind. Ebenso wenig kann man [die Weißheit] mit der Musik oder der Süße vergleichen, weil sie in verschiedenen untergeordneten Gattungen gegenüber der Weißheit stehen. Aus diesem Grund kann man die Natur einer unteilbaren geistigen Substanz nicht mit einem körperlichen Unteilbaren oder Teilbaren vergleichen. Weiterhin: Wir sehen das auch, wenn wir vom Größeren aufs Kleinere schließen: denn einige Dinge sind körperlich, weil ihre Eigenschaften körperlich sind, und stehen doch von ihrer Natur aus mit einem körperlichen Ort in keinem Verhältnis: wie es für die Einheit und die Zahl gilt. Denn man kann nicht sagen, dass diese von ihrer Natur aus irgendwo sind, weil sie weder eine Lage noch eine Position einnehmen. Denn eine Einheit ist weder hier noch dort; und sie nimmt weder einen teilbaren noch einen unteilbaren Ort ein. Auch ist sie nicht von Natur oder von sich aus an irgendeinem Ort, sondern nur akzidentiell und aufgrund des Körpers, deren Einheit sie ist. Daher ist es offensichtlich, dass eine geistige Sub­ stanz, die von einem Körper in keiner Weise abhängt, noch viel weniger einen Bezug zum körperlichen Raum haben wird. Weiterhin: Ein Körper hat weder ein Verhältnis noch einen Bezug zu einem geistigen Ort; also auch kein geistiges Wesen zu einem körperlichen Ort. Weiterhin: Jede Sache, die einen Ort einnimmt, nimmt entweder einen natürlichen oder einen akzidentiellen Ort ein. Eine Sache, die einen akzidentiellen Ort einnimmt, wie ein Stein, der nach oben geworfen wird, befindet sich dort nur durch äußere Gewalteinwirkung und hat ein notwendiges Bedürfnis, zu seinem natürlichen Ort zurückzugelangen. Daher hat alles, was aktualiter einen akzidentiellen Ort einnimmt, eine Sehnsucht nach seinem natürlichen Ort, an dem es zur Ruhe kommt und außerhalb dessen es sich nur durch Gewalt befindet. Doch für geistige Substanzen gibt

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Teil I

substantiis spiritualibus non est aliqua violentia; ergo non possunt habere locum accidentalem. Neque in eis est necessitas conservationis, quia incorruptibiles sunt; ergo nullo modo determinant sibi locum naturalem, et ita nullo modo habebunt locum. Si dicatur quod substantia spiritualis non indiget loco salvante sed continente, quia est pars universitatis rerum, et extra coelum esse non potest1 nec debet, et ideo limitatur ejus natura ut sit infra coe­ lum contenta; – contra hoc est multiplex ratio. Nam coelum ulti­ mum locum non habet, et tamen est pars universi; nec aliquod coelum indiget loco continente; quia si coelum ultimum non esset de partibus universi coelum penultimum locum non haberet, nec continentem, nec salvantem2; et sic3 nec de aliquo coelo. Unde quod non indiget salvante non indiget continente, et ideo coeli non indigent aliquo loco continente; quare longe magis substantia spiritualis non indigebit loco continente. Iterum, natura elementaris quia indiget salvante non indiget continente4. Unde coelum per virtutem suam salvat elementa; et quodlibet elementum superius salvat inferius; et ideo oportet quod elementa habeant undique continens. Quare cum substantia spiritualis non indiget salvante, nec indigebit continente. Iterum, universitas rerum non requirit continentiam unius per aliud. Nam si res creatae essent ita ut nulla aliam circumdaret, adhuc esset universitas; et tamen nulla continentia. Ergo pars universi, in quantum5 hujusmodi, nisi aliud reformet pactum, non requirit continens.

1  potest ]  posset, B. 2  nec continentem, nec salvantem ]  et nec continens, nec salvans, B. 3  sic ]  om. B. 4  et ideo coeli … continente ]  om. Ti. 5  quantum ]  quam, Ti.

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es keine Gewalt, also können sie auch keinen akzidentiellen Ort einnehmen. Es gibt bei ihnen auch keine Notwendigkeit, sich aufrechtzuerhalten, weil sie unzerstörbar sind. Daher brauchen sie in keiner Weise einen natürlichen Ort – und werden aus diesem Grund auch keinen haben. Wenn gesagt wird, dass eine geistige Substanz keinen Ort braucht, an dem sie zur Ruhe kommt, sondern einen Ort, der sie enthält, weil sie ein Teil der Gesamtheit der Dinge ist; und dass sie außer­ halb des Himmels weder sein könne noch dürfe, sodass sie von ihrer Natur aus auf den Himmel beschränkt sei, gibt es gegen diese Ansicht viele Gründe. Denn der Himmel hat keinen letzten Ort und ist doch ein Teil des Weltganzen. Auch ein anderer Himmel braucht keinen ihn enthaltenden Ort. Denn wenn der letzte Himmel kein Teil des Weltganzen wäre, hätte auch der vorletzte Himmel keinen Ort – weder einen, der ihn enthielte, noch einen, an dem er zur Ruhe kommen könnte, wie es auch für die anderen Himmel gilt. Da also der letzte Himmel weder einen Ort der Ruhe noch einen Ort des Enthaltenseins braucht, brauchen auch die anderen Himmel einen solchen Ort nicht. Dies gilt in noch viel größerem Maße auch für eine geistige Substanz, die keinen Ort brauchen wird, der sie enthält. Weiterhin: Die elementarische Natur braucht nichts, was sie enthält, weil sie nach Erhaltung strebt. So erhält der Himmel durch seine Kraft die Elemente; und jedes übergeordnete Element erhält ein untergeordnetes Element, weshalb es notwendig ist, dass die Elemente von allen Seiten her umschlossen werden. Deshalb strebt eine geistige Substanz weder nach Erhaltung noch nach etwas sie Enthaltendem. Weiterhin: Die Gesamtheit der Dinge erfordert nicht, dass eines durch etwas anderes umgeben wird. Denn wenn die geschaffenen Dinge so wären, dass sie nichts umgeben würde, gäbe es doch noch immer eine Gesamtheit, obwohl es in diesem Fall kein Enthaltensein gäbe. Also braucht ein derartig beschaffener Teil des Ganzen nichts, das ihn enthält, außer etwas anderes würde dieses Verhältnis umgestalten.

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Teil I

Iterum, si1 consideremus radicem unde accidit continentia in hoc mundo, videbimus quod ad hoc, quod res sit pars universi, non requiritur quod contineatur ab aliquo. Nam quia elementa indigent salvante undique, ideo indigent continente undique; et ideo elementum est sphaericum corpus; et per consequens corpus coeleste est sphaericum; et ideo contentivum elementi. Sed si elementa ex nulla parte indigerent salvante, aut non undique, non esset necesse, quod elementa essent sphaericae figurae, nec per consequens coe­ lum; et ideo continentia non requireretur necessario; et tamen ­essent partes universi. lterum, in quantum mundus debet moveri propter generationem et corruptionem, oportet quod sit sphaericitas figurae; quia non posset ultimum corpus mundi moveri, nisi in figura tali, sicut probavi in Opere Majori. Sed si coelum non moveretur, nec fierent generatio et corruptio, sicut erit post resurrectionem – quia tunc omnia erunt incorruptibilia, et adhuc erunt partes universi – ergo figura ista sphaerica, quae facit continentiam in hoc mundo, non potest convincere, quin idem sit pars universi, et necessario contentum, secundum quod requirit continens et locum continentem. Quapropter concludi videtur necessario, quod spiritualis substantia nullum locum, nec divisibilem nec indivisibilem, corporalem requirit, nec debeat habere, propter continentiam, sicut neque propter salutem.

1  Iterum, si ]  om. B.

KAPITEL 47 [ 298]

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Weiterhin: Wenn wir uns die Wurzel vorstellen, von der das Enthaltensein in dieser Welt ausgeht, werden wir sehen, dass – davon ausgehend, das eine Sache Teil des Ganzen ist – es nicht erforderlich ist, dass sie beinhaltet wird von etwas anderem. Denn weil die Elemente danach streben, von allen Seiten her erhalten zu werden, streben sie auch danach, von allen Seiten umschlossen zu werden: daher ist das Element auch ein runder Körper. Daher ist auch der Himmel ein runder Körper, der voller Elemente ist. Doch wenn die Elemente von keinem Teil aus oder nicht von überall her erhalten werden wollten, wäre es nicht notwendig, dass die Elemente eine runde Gestalt hätten, und folglich wäre das auch für den Himmel nicht notwendig; daher wäre ein Enthaltensein nicht notwendig, dennoch wären sie Teile eines Ganzen. Weiterhin: Insoweit die Welt entsprechend dem Werden und Vergehen bewegt werden muss, muss sie von runder Kugelgestalt sein; denn sonst könnte der letzte Körper der Welt nicht bewegt werden, außer wenn er eben von solch einer Gestalt ist, wie ich im Opus maius gezeigt habe341. Doch wenn der Himmel nicht bewegt werden würde, gäbe es kein Werden und kein Vergehen, wie es nach der Wiederauferstehung sein wird, weil dann alle Dinge zwar unvergänglich, aber immer noch Teile des Weltganzen sein werden. Daher kann jene kugelförmige Figur, die in dieser Welt für den Zusammenhang sorgt, nicht widerlegen, dass sie selbst ein Teil des Ganzen ist und notwendig umschlossen, weil sie etwas Umschließendes und einen umschließenden Ort braucht. Aus diesem Grund scheint mir der Schluss notwendig zu sein, dass eine geistige Substanz keinen körperlichen Ort – weder einen teilbaren noch e­ inen unteilbaren – braucht, noch dass sie einen haben müsste: weder wegen des Enthaltenseins, noch wegen des ­Erhaltens.

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Teil I

CAPITULUM XLVIII. [ 300]

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Deinde in particulari argui potest ad utrumque, et primo quod locum indivisibilem non obtinebit nec requiret. Nam tunc sit illud A punctus in coelo; sequitur igitur per superius dicta quod non transibit ipsum A in aeternum, neque per motum neque per mutationem; ergo non operabitur nisi apud ipsum A. Ergo angeli cum fuerint omnes in coelo creati, et primo existentes ibi, non possent aliquid operari in hoc mundo1, nec ad homines pertingere, neque praesentes eis esse, quod est2 plane falsum; quia scriptura dicit plane3 contrarium, et multiplex historia, et experientia; et est contra fidem et contra veritatem. Si dicatur quod, existens in A puncto in coelo potest hic inter homines operari, propter potestatem magnam virtutis, sine mutatione locali; – contra, potestas non excedit essentiam, quia aut essentia nobilior est potentia, aut potentia aequatur saltem essentiae; sicut dicitur in libro de Causis. Ergo ubi sua essentia non est, non potest operari. Iterum, divina potentia non operatur, nisi ubi est praesens sua essentia; quia sicut potentia est ubique, sic sua essentia; et ideo multo magis angelica potentia non operabitur, nisi ubi est sua essentia praesens. Iterum, secundum fidem ecclesiae et scripturae, et dicta sanctorum, et secundum historias certas, angeli non solum facti sunt praesentes hominibus secundum opera, sed secundum suam substantiam, et essentiam, et naturam. Sed hoc esse non potest si angelus determinet4 sibi locum punctalem, ut probatum est.

1  mundo ]  mundo inferri nec ad homines, B.; nec ad hoc homines, Ti. 2  quod est ]  om. Ti. 3  plane ]  om. B. 4  determinet ]  determinat, B.

KAPITEL 48

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KAPITEL 48 Weiteres über die diese Frage [ 300]

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Weiterhin kann man vertiefend für zwei Dinge argumentieren: Erstens, dass man einen unteilbaren Ort weder behaupten noch brauchen wird. Denn es sei der Punkt A ein Punkt im Himmel; aus dem weiter oben Gesagten folgt, dass [ein Engel] jenen Punkt A nicht in Ewigkeit durchquert, weder durch Bewegung noch durch Veränderung; daher wird er nirgendwo anders tätig sein als an jenem Ort A. Aus diesem Grund könnten auch die Engel, da sie schließlich alle im Himmel erschaffen worden sind und dort zuerst existiert haben, nirgendwo anders in der Welt tätig sein. Sie könnten nicht für die Menschen wirken oder ihnen erscheinen. Doch das ist ganz offensichtlich falsch, weil die [Heilige] Schrift, die Geschichte auf vielfältige Weise und die Erfahrung das Gegenteil sagen; und es ist gegen den Glauben und gegen die Wahrheit. Wenn aber gesagt wird, dass ein Engel, der an einem Punkt A im Himmel ist, zwischen den Menschen ohne Ortsveränderung aufgrund seiner großen Kraft wirken kann, spricht gegen diese Ansicht, dass eine Kraft nicht außerhalb ihres Wesens wirken kann, weil das Wesen entweder würdiger ist als die Kraft oder weil die Kraft doch wenigstens dem Wesen gleich ist, wie im Liber de cau­ sis342 gesagt wird. Wo also sein Wesen nicht ist, kann es auch nicht wirken. Weiterhin: Die göttliche Potenz ist nur dort tätig, wo auch ihr Wesen anwesend ist; und so, wie ihre Kraft überall ist, ist auch ihr ­Wesen überall: daher wird die Kraft eines Engels viel weniger wirksam sein können, wenn nicht auch sein Wesen anwesend ist. Weiterhin: Gemäß dem Glauben der Kirche, der Heiligen Schrift, den Aussprüchen der Heiligen und sicherer geschichtlicher Ereignisse haben die Engel in Gegenwart der Menschen nicht nur Dinge getan, sondern sie waren dabei auch in ihrer Substanz, in ihrem Wesen und in ihrer Natur anwesend. Doch das wäre unmöglich, wenn ein Engel auf einen bestimmten Ort beschränkt wäre, wie gezeigt worden ist.

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Iterum, anima rationalis est praesens corpori humano viventi; et est praesens non solum secundum operationem sed secundum substantiam, ut patet, et fit in coelo per praesentiam suae substantiae quae beata est, aut in inferno quae damnatur, aut in purgatorio quae spem habet salutis. Ergo substantia spiritualis non erit solum et semper praesens uni loco punctuali, secundum suam essentiam, sicut nec secundum suam potentiam solam operandi. Iterum, si angelus esset arctatus solum1 ad punctum, et esset substantia punctalis, impossibile est quod esset dignitatis illius quae praedicatur de eo; nam tunc et essentia esset punctalis et potentia, et ita esset vilissima substantiarum, et vilior omnibus aliis, quae ad puncti miseriam non arctantur. Nec expedit dici quod sint2 arc­ tati ad punctum mole, non tamen virtute; quia virtus et potestas idem sunt, et moles importat essentiam; sed potestas non excedit3 essentiam, ergo nec virtus; et ideo haec pars concedenda est. Quod si objiciatur quod angelus est indivisibilis, igitur4 et suus locus, dicendum est quod indivisibilitas angeli et loci sunt aequivoca et alterius generis; quia angelus est ita indivisibilis quod nec est quantum nec terminus5 quanti; sed punctus localis est terminus quanti, et ideo non correspondent sibi invicem. Si etiam dicatur, quod sicut se habet divisibile locatum ad locum divisibilem, sic indivisibile ad locum indivisibilem, ergo angelus occupabit locum indivisibilem; dicendum, quod prima propositio vera est de indivisibili locato, quod est ejusdem generis cum divi-

1  solum ]  om. B. 2  quod sint ]  quod sunt, B. 3  excedit ]  excedet, B. 4  igitur ]  ergo, B. 5  nec est quantum nec terminus ]  non est … non, Ti.

KAPITEL 48 [ 303]

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Weiterhin: Die vernünftige Seele befindet sich in einem mensch­ lichen lebenden Körper; und sie befindet sich klarerweise nicht nur gemäß ihrer Tätigkeit, sondern gemäß ihrer Substanz in diesem Körper. Sie wird zudem in ihrer Substanz im Himmel sein, wo sie gesegnet ist; oder in der Hölle, wo sie verdammt ist; oder im Fegefeuer, wo sie noch Hoffnung auf Erlösung haben kann. Daher wird eine geistige Substanz nicht nur und immer ihrem Wesen nach an einem bestimmten Ort anwesend sein, wie sie nicht nur durch ihre Potenz wirken wird. Weiterhin: Wenn ein Engel an einen Punkt gebunden wäre und somit eine an einen Punkt gebundene Substanz wäre, wäre es unmöglich, dass er ein so würdiges Wesen wäre, wie es von ihm gesagt wird; denn dann wären sein Wesen und seine Kraft genauso an einen Punkt gebunden, wodurch er die wertloseste aller Sub­ stanzen wäre – noch wertloser als alle anderen, die nicht unter dieser punktuellen Beschränkung zu leiden hätten. Hier ist es auch kein Ausweg, zu sagen, dass sie von ihrer Masse her zwar an einen Ort gebunden seien, nicht jedoch von ihrer Kraft her; denn ›virtus‹ und ›potestas‹ sind das Gleiche, und die Masse führt das Wesen mit sich; doch die Kraft [potestas] überschreitet nicht das Wesen, also auch nicht die ›virtus‹. Daher muss dieser Teil hier zugegeben werden. Wenn dagegen eingewendet wird, dass der Ort eines Engels unteilbar ist, weil er selbst unteilbar ist, muss dazu gesagt werden, dass die Unteilbarkeit eines Engels und die Unteilbarkeit eines Ortes äquivok und von einer anderen Gattung sind. Denn der Engel ist insofern unteilbar, dass er kein Quantum und keine Begrenzung eines Quantums ist. Doch ein örtlicher Punkt ist die Begrenzung eines Quantums, weshalb sie sich gegenseitig nicht entsprechen. Wenn gesagt wird, dass sich ein unteilbarer im Raum befindlicher Körper gegenüber einem unteilbaren Ort genauso verhält wie ein teilbarer Körper gegenüber einem teilbaren Ort, dass also der Engel einen unteilbaren Ort einnehmen wird, muss man dazu sagen, dass die erste Annahme über den unteilbaren im Raum befindlichen Körper wahr ist, da er in dieselbe Kategorie fällt wie der teil-

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Teil I

sibili, ut est punctus corporalis respectu corporis; sed non de alio indivisibili quod est spirituale; quod nec est terminus corporis nec quantitatis. Sed tota difficultas est respectu loci divisibilis; et probatur quod angelus non potest sibi determinare locum divisibilem, nec magnum nec parvum, ad quem1 limitetur per praesentiam. Nam plus convenit ei locus indivisibilis quam divisibilis, quia substantia est indivisibilis; ergo si locus ei indivisibilis non congruit, nec multo magis locus divisibilis. Iterum, non contingit nos assignare uni angelo quantum debet occupare, nec potest per naturam loci et locati assignari; scilicet ut sit unus pes, vel duo, vel quantum locus hominis vel stellae; quoniam cum sit res spiritualis non habet majorem convenientiam ad locum unius quantitatis quam alterius, dummodo sit quantitas finita; ergo indifferenter se habebit ad omnem quantitatem loci, seu parvam seu magnam; ergo ad nullum locum certae quantitatis ­fi nitae potest arctari. Si dicatur2 quod sic, quia sua potestas limitatur, et ideo oportet quod locum limitatum et certum occupet: contra hoc; aut haec limitatio est limitatio suae potestatis, et sic patet quod non habebit locum infinitum ex sua potestate; et hoc non impedit argumentum. Sed si limitatio potestatis dicat locum certae quantitatis, qua minorem nec majorem occupabit; hoc reprobatur sic, quia sua potestas est spiritualis, sicut sua essentia, et non repugnat ei nec disconvenit; et ideo si sua essentia quia est spiritualis3 non habet

1  quem ]  quod, Ti. 2  dicatur ]  dicam, MSS. 3  essentia est spiritualis ]  essentia spiritualis quia est, B.

KAPITEL 48

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bare, wie es auch der Punkt eines Körper gegenüber dem Körper ist; doch das gilt nicht für ein anderes Unteilbares, weil es eine geistige Substanz ist; denn diese hat weder eine körperliche Begrenzung noch irgendeine Quantität. Doch die ganze Schwierigkeit ergibt sich erst bei einem teilbaren Ort. Es ist aber bereits gezeigt worden, dass ein Engel nicht einen teilbaren Ort einnehmen kann, sei er nun klein oder groß, an den er gebunden wäre. Denn einem Engel kommt eher ein unteilbarer als ein teilbarer Ort zu, weil er eine unteilbare Substanz ist; wenn ihm also kein unteilbarer Ort zukommen sollte, dann erst recht kein teilbarer. Weiterhin: Es steht uns nicht zu, einem Engel zuzuteilen, einen wie großen Raum er einnehmen könnte; noch kann man es ihm aufgrund der Natur des Ortes oder eines einen Ort einnehmenden Körpers zuschreiben: denn ob er nun einen Fuß oder zwei Fuß groß ist, [oder] ob er so groß ist wie ein Mensch oder wie ein Stern [können wir nicht sagen]. Denn da ein Engel eine geistige Sache ist, hat er keine größere Bindung an einen Ort mit einer bestimmten Quantität als an irgendeinen anderen, wenn es sich um eine endliche Quantität handelt. Also wird er sich gleichgültig gegenüber jeder örtlichen Quantität verhalten, sei dieser Ort nun groß oder klein. Daher kann man ihn auf keinen Ort mit einer bestimmten endlichen Quantität festlegen. Wenn gesagt wird, dass es sich doch so verhalte, weil seine Kraft begrenzt ist und es sich daher gehört, dass er einen begrenzten und klar bestimmten Ort einnehmen muss, spricht Folgendes dagegen: Entweder ist diese Einschränkung eine Einschränkung seiner Kraft – und daraus wird offensichtlich, dass er keinen unendlichen Raum aus seiner Kraft heraus einnehmen kann; und das behindert nicht das Argument. Doch wenn man sagt, dass die Einschränkung seiner Macht sich auf einen klar umgrenzten Ort erstreckt und er deshalb weder einen kleineren noch größeren Ort einnehmen wird, lässt sich das folgendermaßen zurückweisen: Da seine Kraft geistiger Natur ist, ist es auch sein Wesen; und diesem kann er nicht widerstehen oder es verändern; und wenn daher sein Wesen, da es geistiger Natur ist, keine größere Ähnlichkeit

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Teil I

familiaritatem magis ad locum unius quam alterius, ergo nec sua potestas. Iterum, si locum divisibilem necessario occupabit et omnes ejus partes, hoc non facit propter sui divisibilitatem1, nec quantitatem, nec extensionem, ut patet; ergo hoc facit2 quia potest esse in pluribus particularibus locis, ex nobilitate suae substantiae, et naturae, et potestatis, et virtutis; quae omnia idem sunt. Sed Aristoteles dicit in capitulo de Vacuo quod si aliquid potest esse in duobus locis, potest esse in tribus, et in quatuor3, et in infinitis: ergo si angelus potest loca particularia alicujus loci divisibilis occupare, propter suae potentiae nobilitatem, poterit iterum majoris loci in duplo partes occupare, et in triplo, et in quadruplo, et sic de partibus loci infinitis; sed tunc esset potentiae infinitae; ergo relinquitur quod plura loca, vel partes plures ejusdem loci, occupare non potest.

CAPITULUM XLIX. [311]

Rationes has nescio dissolvere, quamvis multae cavillationes possent dici, sed expertus in consideratione quantitatis, et rerum non habentium comparationem ad quantitatem, potest de facili eas dissolvere. Sed difficilia sunt argumenta in contrarium, propter imaginationes corporalium, quibus absorpti sumus, quia omnis intellectus noster est cum continuo, ut dicit Aristoteles, libro de Memoria et Reminiscentia. Et ideo primo intuitu non transcendit intellectus noster ultra continuum, quod est quantitas corporalis. Et propter hoc de spiritualibus format sibi imaginationes ­corporales, aut similes eis; aut si has non faciat aliquando, tunc

1  divisibilitatem ]  divisionem, B. 2  facit ]  faciet, B. 3  et in quatuor ]  om. Ti.

KAPITEL 49

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mit einem als mit einem anderen Ort hat, hat es auch seine Kraft nicht. Weiterhin: Wenn er notwendig einen teilbaren Ort mit allen seinen Teilen einnehmen wird, dann klarerweise nicht wegen seiner Teilbarkeit, seiner Quantität oder seiner Ausdehnung; also kann er solches tun, weil er an vielen ganz verschiedenen Orten sein kann – wegen der Würde seiner Substanz, seiner Natur, seiner Macht und seiner Kraft, die alle dasselbe sind. Doch Aristoteles343 sagt in seinem Kapitel über das Vakuum, dass dann, wenn etwas an zwei Orten sein kann, es auch an drei, vier und unendlich vielen Orten sein kann: Wenn ein Engel also aufgrund der Würde seiner Macht verschiedene Teile eines teilbaren Ortes einnehmen kann, kann er auch doppelt so viele Teile einnehmen, drei- und viermal so viele und unendlich viele Teile. Doch dann wäre seine Kraft unendlich groß: also bleibt nur, dass er nicht mehrere Orte oder mehrere Teile eines Ortes einnehmen kann.

KAPITEL 49 Unsere Vorstellung von geistigen Substanzen beruht auf sprachlicher Ungenauigkeit [311]

Ich kann diese Argumente nicht auflösen, auch wenn darüber viele leere Spitzfindigkeiten vorgebracht werden könnten, die ein Experte auf dem Gebiet der Quantität und der Dinge, die in keiner Vergleichung [comparatio] zur Quantität stehen, jedoch leicht auflösen kann. Doch wesentlich schwieriger sind die Argumente für das Gegenteil: Das liegt an den körperlichen Vorstellungen, die wir alle in uns aufgenommen haben, weil unser Intellekt in einem Kontinuum denkt, wie Aristoteles im Buch Über das Gedächt­ nis und die Erinnerung 344 sagt. Daher kann unser Intellekt dieses Kontinuum zuerst nicht überwinden, das eine körperliche Quantität ist. Aus diesem Grund macht er sich auch von geistigen Dingen eine körperliche Vorstellung: oder doch zumindest Vorstellungen, die diesen sehr ähnlich sind. Wenn er sich solche Vorstellungen

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Teil I

deficit a comprehensione veritatum circa spiritualia, et nihil contemplatur; et ideo in his multa sunt vulgata secundum modum loquendi in corporalibus, cum tamen aliter intelligenda sunt, et non solum de angelis, sed de Deo. Nam dicimus quod Deus descendit de coelo; sed secundum modum vulgatum apud nos, quod descendit de alto, relinquit locum illum et adquirit novum locum, quem prius non habuit. Sed haec sunt absurda de Deo. Et cum dicitur: »Misit Deus Filium suum in terris,« non est intelligendum sicut homo mittit filium suum a se ad locum distantem, in quo non est mittens, et quem prius non habuit missus. Haec enim in corporalibus locum habent; et sic de infinitis aliis attributis Deo, secundum sermones vulgatos de corporalibus. Quae aliter intelligenda sunt. Similiter vero est de angelis, quod multa loquimur de eis secundum similitudines loquendi in corporalibus1; quia talis modus loquendi est proprius intellectui nostro, qui corporalia non transcendit, primo aspectu et principali mentis intuitu; licet ex consequenti per corporalia, quae sunt effectus et privationes spiritualium, devenimus via argumenti in aliquales cognitiones spiritualium; et praecipue quantum ad quaestiones2, an sint et quot sint. Quia scimus quod Deus est propter creationem et gubernationem mundi; et scimus quod est unus, quia unus est mundus. Et per motus coelorum, qui non sunt naturales, nec violenti, sed voluntarii, scimus quod angelica natura est quae movet coelos; et quia sunt sexaginta motus secundum Aristotelem, in nono Metaphysicae, scimus etiam quod angeli, motores orbium coelestium, sunt sexa-

1  in corporalibus ]  om. Ti. 2  quaestiones ]  quaestionum, B.

KAPITEL 49

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manchmal auch nicht macht, täuscht er sich doch bei dem Verständnis der Wahrheit geistiger Dinge und denkt nicht richtig über sie nach. Daher sind über geistige Substanzen viele Ansichten verbreitet, die einem körperlichen Sprachgebrauch entspringen, wenn sie auch anders aufgefasst werden müssten. Und das gilt nicht nur für die Engel, sondern auch für Gott selbst. Wir sagen zum Beispiel, dass Gott vom Himmel herabsteigen würde. Doch einem bei uns weit verbreiteten Verständnis nach heißt das, dass er von der Höhe herabsteigt, also seinen alten Ort verlässt und einen neuen Ort einnimmt, den er vorher nicht innehatte. Das sind aber absurde Aussagen über Gott. Und wenn gesagt wird: »Er schickte seinen Sohn auf die Erde«345, ist das nicht in dem Sinn zu verstehen, wie ein Mensch seinen Sohn an einen entfernten Ort schickt, an den er ihn nicht schicken kann und zu dem er ihn vorher nicht geschickt hatte. Denn nur Körper haben solch eine Art von Ortsbewegung. Dasselbe gilt auch von unzähligen anderen Eigenschaften Gottes, die zwar der verbreiteten Redeweise entsprechend als körperlich beschrieben werden, aber ganz anders verstanden werden müssen. Ähnliches gilt auch für Engel, weil wir viel über sie sprechen, indem wir Vergleiche mit körperlichen Dingen benutzen, da diese Art zu sprechen unserem Verstand entspricht, der die körperliche Welt im ersten Augenblick geistig nicht zu überschreiten vermag. Deswegen gelangen wir über die körperlichen Dinge der Welt, die die Wirkungen und Privationen der geistigen Dinge sind, durch Argumentation zu einer ungefähren Vorstellung einiger geistiger Dinge. Das gilt besonders für die Fragen danach, was diese geistigen Dinge sind und wie sie beschaffen sind. Denn wir wissen, dass Gott aufgrund der Erschaffung und der Lenkung der Welt existiert; und wir wissen, dass er einer ist, weil die Welt eine ist. Aufgrund der Himmelsbewegungen, die nicht von Natur aus und nicht durch Gewalt, sondern durch den Willen gelenkt werden, wissen wir, dass es die Natur der Engel ist, die die Himmel bewegt. Da es nach Aristoteles’ neuntem Buch der Metaphysik 346 sechzig solcher Himmelsbewegungen gibt, wissen wir auch, dass es sechzig Engel

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Teil I

ginta, praeter millia millium et decies centena millia, et innumerabiles nobis, quos scimus esse per fidem ecclesiae, et scripturae, et sanctorum. Si igitur objiciatur, quod cum angeli sint in gloria coelesti, erunt infra coelum, et ita vel totum coelum, vel partem, quilibet eorum sibi determinabit, et ita locum divisibilem vel indivisibilem; dixerunt viri famosi quod hoc argumentum non valet; quia Deus est in coelo, et in hoc mundo, et tamen nullum locum sibi determinat, nec divisibilem, nec indivisibilem. Si tunc dicatur, quod angelus erit similis Deo in hac parte, et ita tamen Deus propter hoc, quod in se est, non dicitur esse in loco; similiter et angelus; quod est nefarium, quia tunc esset Deus: dicunt quod Deus est natura spiritualis per privationem corporalis naturae, et in hoc similis est ei angelus. lterum, quia est imago Dei, non solum est similis per privationem corporalis, sed per imitationem naturae divinae, licet non sit similis per participationem alicujus communis Deo et ei. Deus igitur quia est natura spiritualis, et quia in se est, non determinat sibi locum, nec magnum nec parvum; et ita ex duplici causa. Sed angelus ex una illarum, quia est spiritualis natura, et non ex alia, scilicet quod esse habeat in se, quia hoc debetur Majestati. De proprietate tamen naturae spiritualis est, ut non habeat proportionem aliquam ad locum corporalem; quia nulla est proportio spiritus ad corpus, nec ad aliquid corporis.

KAPITEL 49

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gibt, die die Himmelssphären bewegen. Ebenso wissen wir tausende weitere, für uns unzählbar viele Dinge durch den Glauben der Kirche, der Schrift und der Heiligen. Dagegen mag eingewendet werden, dass die Engel sich schließlich in der himmlischen Glorie befinden und daher im Himmel sein werden, weshalb sie entweder durch den ganzen Himmel oder doch zumindest durch einen Teil davon örtlich bestimmt sein werden; sei dieser Ort nun teilbar oder unteilbar. Doch sehr berühmte Männer haben bereits gezeigt, dass dieses Argument nicht gültig ist. Denn Gott ist im Himmel und in dieser Welt. Dennoch wird er durch keinen Ort gebunden – weder durch einen teilbaren noch durch einen unteilbaren. Nun wird gesagt, dass ein Engel Gott in dieser Hinsicht ähnlich sein wird und dass von Gott gesagt wird, dass er seine Existenz in sich hat, nicht jedoch, dass er an einem bestimmten Ort ist: ähnlich verhalte es sich auch mit einem Engel. Dies zu sagen ist jedoch ein Frevel, weil er dann Gott gleich wäre: Sie sagen, dass Gott durch das Befreitsein von einer körperlichen Natur [per privationem corporalis naturae] von geistiger Natur sei und dass ihm in dieser Eigenschaft ein Engel gleich sei. Weiterhin: Da ein Engel ein Abbild Gottes ist, ist er ihm nicht nur durch das Befreitsein von allem Körperlichen ähnlich, sondern auch durch die Nachahmung seiner göttlichen Natur – auch wenn er Gott nicht durch direkte Teilhabe einer Gemeinsamkeit ähnlich ist. Weil Gott von geistiger Natur ist und in sich alles hat, braucht er für sich keinen Ort: weder einen großen noch einen kleinen, und zwar aus zwei Gründen [nämlich wegen seiner geistigen Natur und seines eigenständigen Seins]. Doch der Engel nur aus einem Grund von diesen: weil er nämlich geistiger Natur ist. Nicht aber aus dem anderen Grund, weil er also ein Sein in sich selbst hätte, da er der Herrschaft eines anderen unterworfen ist. Von seinen natürlichen Eigenschaften her ist er jedoch trotzdem geistiger Natur, sodass er an einem körperlichen Ort keinen Anteil hat; denn zwischen einer geistigen Substanz und einem Körper – oder zwischen etwas anderem Körperlichen – gibt es kein Verhältnis [proportio].

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Teil I

Si vero objiciatur, quod si neque habet locum divisibilem, neque indivisibilem, ergo neque mutabitur neque movebitur, et ita non possunt1 angeli fieri praesentes nobis, nec daemones, nec animae nostrae unquam seperarentur a corporibus, et fiant in coelo et purgatorio, quae omnia sunt falsa et impossibilia: consequentia patet ex supra dictis; quia ostensum est quod si non habeat locum divisibilem non poterit moveri nec mutari; et si non habet comparationem aliquo modo2 ad locum non potest3 habere comparationem ad motum secundum locum, quia motus secundum locum non potest fieri nisi considerata ratione loci; et ita erunt omnino immobiles secundum locum. Ex quo videntur sequi inconvenientia dicta. Et hoc philosophia clamat tota, quod substantia spiritualis est immobilis, secundum locum, ut habetur in4 libro de Causis, et tamen operatur in locis diversis. Et haec est quorundam theologorum positio famosa Parisius, volentes quod operetur in coelo et in terra, licet non moveatur secundum locum, nec mutetur. Ponitur igitur, quod nulla distantia corporalis impedit operationem angeli, nec respectu ejus est aliqua hujusmodi distantia; nam distantia corporalis ad corpora refertur, sed non ad spiritus. Et ideo si imaginemur angelum in coelo, seu presentem coelo, non propter hoc distat a terra distantia corporali, quia respectu ejus nulla est, sed respectu corporis, ut stellae in coelo existentes; et ideo angelus praesens coelo potest operari in terra, et e converso; et non est nisi ubi operatur, sicut dicit positio theologorum praedictorum, vel non debet dici alicubi esse nisi per operationem, vel quod operatio ejus sit alicubi in coelo vel in terra; sed ejus substantia nusquam est localiter per determinationem alicujus loci;

1  possunt ]  possint, B. 2  aliquo modo ]  om. Ti. 3  potest ]  poterit, B. 4  in ]  om. Ti.

KAPITEL 49 [ 316]

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Dagegen kann freilich eingewendet werden, dass die Engel, wenn sie weder einen teilbaren noch einen unteilbaren Ort einnehmen (und daher nicht verändert oder bewegt werden), auch nicht bei uns anwesend sein können. Das würde dann auch für Dämonen gelten; und unsere Seelen können dann auch nicht irgendwann von unseren Körpern getrennt werden – und daher nicht im Himmel oder im Fegefeuer sein, was alles falsch und unmöglich ist. Die Konsequenz ergibt sich aus dem weiter oben Gesagten. Denn es ist gezeigt worden, dass ein Engel, wenn er keinen teilbaren Ort innehat, nicht bewegt oder verändert werden kann. Und wenn er nicht auf irgendeine Art ein Verhältnis zu einem Ort hat, kann er auch kein Verhältnis zu einer örtlichen Bewegung haben, weil eine Ortsveränderung nur an einem Ort stattfinden kann. Daher werden sie alle unbeweglich sein. Doch daraus scheinen die schon genannten Unannehmlichkeiten zu folgen. Diese Art von Philosophie behauptet demnach, dass eine geistige Substanz zwar örtlich unbeweglich ist (wie es auch im Liber de causis steht 347), aber dennoch an verschiedenen Orten wirken kann. Das ist die Ansicht einiger bekannter Theologen in Paris, die annehmen, dass [eine geistige Substanz] im Himmel und auf der Erde wirkt, auch wenn sie sich dem Ort nach nicht bewegt oder verändert. Sie behaupten, dass keine körperliche Entfernung die Handlung eines Engels behindert, und dass keine wie auch immer geartete Entfernung sich überhaupt auf einen Engel auswirken kann, weil eine körperliche Entfernung sich auf Körper bezieht, nicht jedoch auf Geistwesen. Wenn wir uns also einen Engel im Himmel vorstellen wollen bzw. einen Engel, der im Himmel lokalisiert ist, ist dieser von der Erde nicht aufgrund einer körperlichen Entfernung getrennt, weil diese für ihn überhaupt keine ist, sondern in Hinsicht eines Körpers, so wie die Sterne, die am Himmel sind. Daher kann ein Engel im Himmel auf der Erde wirken und umgekehrt; und er ist genau dort, wo er wirkt, wie es die Meinung der genannten Theologen ist. Besser gesagt: Man kann nicht sagen, dass er überhaupt irgendwo ist; außer durch sein Wirken, das überall sein kann, ob nun im Himmel oder auf der Erde. Doch seine Substanz ist niemals örtlich an-

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Teil I

quia situm non habet. Et ideo cum angelus duxit et reduxit Tobiam, operatio ejus et corpus assumptum mutabant locum, et fiebant in diversis locis; sed substantia angelica remansit immobilis praesens scilicet coelo, non absens a terra, nec tamen locum alicubi occupans, nec determinans in coelo nec in terra. Sed tunc fortis objectio oritur, quia tunc erit ubique sicut Deus, et ita erit potentiae infinitae. Si enim est immobilis secundum locum, et non determinat sibi locum in coelo nec in terra, et cum praesens est coelo non abest a terra, ergo erit in coelo et in terra simul et semel; et ita ubique, sicut Deus; et erit potentiae infinitae, quia posse esse ubique est potentiae infinitae. Et dixerunt ad hoc quod Deus ex causa duplici non abest alicui loco, tum quia substantia spiritualis est, et respectu spiritus non attenditur distantia corporaIis; tum quia est potentiae infinitae continentis omnia et singula per praesentiam majestatis. Nam aliter esset vacuitas in creatura et defectus, quibus tenderet in non esse. Et ratione istius proprietatis divinae est recte ubique, et quia ubique, ex hac ratione, ideo non abest alicui loco. Quoniam etiam Deus est natura spiritualis, non recipit distantiam corporalem, et ideo praesens coelo non abest terra1. Angelus autem non habet rationem majestatis nec potentiae infinitae, et ideo ex hac parte non est ubique, nec cum praesens est coelo non abest terra2. Sed ratione spiritualitatis, quae nullam distantiam recipit corporalem, quia nullum situm habet, quia nec situatur in coelo ut stella, nec in terra ut homo, habet quod praesens coelo non abest

1  terra ]  terrae, B. 2  terra ]  terrae, B.

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wesend, weil er keine bestimmte Lage einnimmt. Als ein Engel also Tobias geführt und zurückgeführt hat 348, haben zwar sein Wirken und sein angenommener Körper den Ort gewechselt und waren an verschiedenen Orten. Doch die Engelssubstanz blieb unbeweglich im Himmel und war trotzdem nicht abwesend von der Erde, obwohl der Engel keinen Ort eingenommen hat und weder im Himmel noch auf der Erde lokalisierbar war. Doch gegenüber dieser Ansicht tritt sofort ein starker Einwand auf: Dann wäre [ein Engel] ebenso wie Gott überall und würde demnach über eine unbegrenzte Macht verfügen. Denn wenn er unbeweglich und durch keinen Ort im Himmel oder auf der Erde bestimmt wäre; und wenn er, während er im Himmel ist, von der Erde doch nicht abwesend wäre, dann wäre er doch zur gleichen Zeit im Himmel und auf der Erde: also überall, ebenso wie Gott. Er hätte dann eine unendliche Macht, da es ein Zeichen für eine unendliche Macht ist, überall zu sein. Sie haben dazu gesagt, dass Gott aus einem zweifachen Grund nicht von einem Ort abwesend sein kann, nämlich [erstens] weil er eine geistige Substanz ist und weil bei einer geistigen Substanz jede körperliche Entfernung gleichgültig ist. Und weil er [zweitens] eine unendliche Macht hat, die alles durch seine majestätische Gegenwärtigkeit enthält. Denn sonst gäbe es in den Geschöpfen eine Leere und einen Mangel, durch die sie zum Nichtsein neigen würden. Ihnen zufolge ist die göttliche Eigenschafte daher zu Recht überall; und weil sie überall ist, ist sie von keinem Ort abwesend. Da Gott nämlich eine geistige Natur ist, betrifft ihn keinerlei körperliche Entfernung; daher ist er nicht von der Erde abwesend, obwohl er sich im Himmel befindet. Ein Engel verfügt jedoch nicht über seine [Gottes] Majestät und seine unendliche Macht, weshalb er nicht überall sein kann. Deswegen kann er aber trotzdem auf der Erde sein, während er sich im Himmel befindet. Er kann nämlich aufgrund seiner reinen Geistigkeit, die keine körperliche Entfernung spüren kann, weil sie keinen Ort einnimmt – sich demnach auch nicht im Himmel befindet wie ein Stern, und auch nicht auf der Erde wie der Mensch –, zugleich auf der Erde und im Himmel

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Teil I

terra, nec distat. Et ideo secundum hanc viam non debet adhuc proprie, et primo, et principaliter dici quod sit ubique per affirmationem, et hoc praecipue ut dissimilitudo ejus ad majestatem Dei notetur. Sed tamen per negationem potest dici, quod nec abest ­coelo nec terra, propter hoc, quod nulla distantia corporalis ei conceditur; nec habet notam respectu ejus, quia non est proportio spiritus ad aliquid corporale. Quatenus igitur non solum vitemus errorem, sed sermones similes erroribus, praecipue propter reverentiam divinae majestatis, non dicemus quod angelus est simul et semel ubique; quia hoc appropriatur Deo tam in re quam in sermone; nec oportet quod dicamus quod angelus est simul et semel praesens coelo et terrae, sed per negationem, quod non abest nec distat a coelo nec a terra, et cum est praesens coelo non distat a terra, nec abest ab ea; et, e converso, cum consideratur praesens terrae, non abest nec distat a coelo; ut semper aliqua negatio exprimatur, quia nullam habet rationem ­distantiae corporalis, cum sit spiritus. Si autem iterum objiciatur, quod adhuc sequitur ex hac ratione angelum adhuc1 esse potentiae infinitae, quia si distantia esset infinita, et mundus esset infinitus, angelus eadem ratione se haberet ad spatium infinitum, sicut ad finitum per hanc positionem; quia, ut dictum est, nulla distantia localis ad angelum refertur, nec est comparatio nec proportio. Ponamus igitur quod a terra extendatur mundus in infinitum, sicut philosophi ante Aristotelem dixerunt,

1  adhuc ]  om. B.

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sein. Daher darf man gemäß dieser Argumentation nicht affirmativ und grundlegend sagen, dass [ein Engel] überall ist: vor allem, weil der Unterschied zwischen [einem Engel] und der göttlichen Majestät zur Kenntnis genommen werden muss. Doch verneinend kann man sagen, dass er weder vom Himmel noch von der Erde abwesend ist, weil er durch keine körperliche Entfernung gebunden ist. Es gibt im Hinblick auf einen Engel davon gar keinen Begriff, weil es zwischen einem Geistwesen und etwas Körperlichem keine Beziehung gibt. Damit wir nicht nur diesen einen Irrtum vermeiden können, sondern auch weitere falsche Darstellungen, dürfen wir – vor allem aus Achtung vor der göttlichen Allmacht – nicht sagen, dass ein Engel gleichzeitig überall ist. Denn das wird nur Gott, sowohl der Sache als auch den Worten nach, zugeschrieben. Auch steht es uns nicht zu, zu sagen, dass ein Engel zugleich im Himmel und auf der Erde anwesend sein kann. Sondern wir können das nur durch eine Negation aussagen: dass er weder von der Erde noch vom Himmel abwesend und durch irgendeine Entfernung getrennt ist. Während er im Himmel ist, ist er doch nicht von der Erde entfernt oder von ihr abwesend. Und umgekehrt: Wenn man sich vorstellt, dass er auf der Erde ist, ist er doch nicht vom Himmel entfernt oder von diesem abwesend. Es muss hier also immer irgendeine Negation benutzt werden, weil es keinen Sinn hat, bei einem Engel über eine körperliche Entfernung zu sprechen, da er schließlich ein geistiges Wesen ist. Dagegen mag nun wiederum eingewendet werden: daraus folgt, dass ein Engel über eine unendlich große Macht verfügt. Denn wenn eine Entfernung unendlich groß und die Welt unendlich ausgedehnt wäre, müsste sich ein Engel dieser Annahme nach aus denselben Gründen genauso gegenüber einem unendlichen wie gegenüber einem endlichen Raum verhalten. Denn es ist gesagt worden, dass eine örtliche Entfernung einen Engel nicht betrifft, weil es zwischen ihnen keinen Bezug [comparatio] und kein Verhältnis [proportio] gibt. Setzen wir also den Fall, dass das Weltganze sich von der Erde aus ins Unendliche erstreckt, wie die Philosophen vor

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Teil I

et sit angelus in hoc spatio, non igitur aberit terra, quia spatium usque terram nullum est respectu angeli, ut dicit haec positio; et hoc propter spiritualitatem. Sed spatium infinitum, sicut finitum, habet eandem differentiam ad naturam spiritualitatis, nec potest ei comparari infinitum, sicut nec finitum; ergo praesens erit toti spatio infinito, sicut finito. Et si hoc, tunc de necessitate erit infinitae potentiae. Et dicendum est, quod ea quae dicta sunt, vera sunt de spatio finito, et quantum ad privationem spiritualitatis adhuc verum est, quod sicut neque spatium finitum comparationem habet ad spiritum, sic neque spatium infinitum. Sed haec privatio comparationis sufficit pro spatio finito, ut non absit alicui parti ejus; non tamen sufficit hoc ad spatium infinitum, quia angelus et est natura spiritualis, et est creatura, et potentiae finitae. Quod igitur non absit alicui parti spatii infiniti, non repugnat angelo in quantum est natura spiritualis, sed in quantum est creatura, et potentiam habens finitam. Et ideo illa causa privationis absentiae angelicae, respectu cujuslibet partis spatii, propter naturam spiritualitatis, intelligenda est de spatio finito, sicut inter coelum et terram. Nec oportet nos loqui de alio spatio, quia nullum aliud est, eo quod mundus est finitus. Et ideo sermo refertur ad spatium finitum; et propter hoc, si fingatur spatium infinitum, tunc oportet dicere, ut nunc tactum est. Et per hoc tunc habetur quomodo anima rationalis est in corpore. Dicitur enim quod est ubique in corpore, et in singulis partibus,

KAPITEL 49

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Aristoteles gesagt haben. Setzen wir weiterhin, dass ein Engel sich in diesem [unendlichen] Raum befindet und deshalb nicht von der Erde abwesend ist, weil der Raum bis zur Erde hin für einen Engel keine Bedeutung hat, wie diese Position annimmt. Das gilt, weil er ein geistiges Wesen ist. Doch ein unendlicher Raum macht für ein geistiges Wesen ebenso wenig einen Unterschied wie ein endlicher Raum, da man ihn weder mit einem unendlichen noch mit einem endlichen Raum vergleichen kann. Also wird er ebenso in einem gesamten unendlichen Raum wie auch in einem endlichen Raum anwesend sein. Wenn dies aber der Fall ist, muss er notwendig über eine unendlich große Macht verfügen. Dazu ist zu sagen, dass diese Argumentation für einen begrenzten Raum richtig ist, soweit man sie auf die Privation der Geistigkeit [eines Engels] bezieht, da sich weder ein endlicher noch ein unendlicher Raum mit einem geistigen Wesen vergleichen lässt. Doch diese Privation der Vergleichbarkeit ist nur für einen endlichen Raum ausreichend, damit er [ein Engel] nicht von irgendeinem Teil des Raumes abwesend ist. Das gilt aber nicht für einen unend­lichen Raum, da ein Engel zwar eine geistige Natur hat, aber gleichzeitig etwas Geschaffenes von endlicher Macht ist. Dass ein Engel also nicht von irgendeinem Teil eines unendlichen Raumes abwesend ist, widerspricht der Natur des Engels daher nicht, insoweit er eine geistige Natur besitzt, sondern insoweit, dass er eine geschaffene Kreatur ist und daher nur über eine endliche Macht verfügt. Daher ist jene Ursache der Privation der Abwesenheit ­eines Engels in jedem Teil des Raumes aufgrund seiner geistigen Natur nur im Zusammenhang mit einem endlichen Raum zu sehen, wie es ihn zwischen Himmel und Erde gibt. Von einem anderen Raum können wir nicht sprechen, da es keinen anderen Raum gibt, weil die Welt endlich ist. Daher bezieht sich die ganze Diskussion auf einen endlichen Raum. Wenn man sich etwas über einen unendlichen Raum ausdenkt, muss man darüber so sprechen, wie es hier gemacht worden ist. Daraus folgt auch, auf welche Weise eine vernünftige Seele im Körper ist: Es wird nämlich gesagt, dass sie sich überall im Körper be-

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Teil I

sed tamen non localiter, sed ut forma et perfectio corporis, ex quo cum corpore fit unum1 per essentiam, scilicet una persona; quae tamen non ideo habet situm in toto corpore, nec in aliqua parte, nec occupat totum nec partem localiter; licet praesens cordi, non abest capiti nec pedi, nec distat ab eis; quia nulla est distantia corporalis respectu spiritus annotanda.

CAPITULUM L. [324]

Tota vero disputatio ista fundatur super hoc, quod distantia corporalis considerata respectu substantiae spiritualis tanquam nihil, et ideo nullam proportionem habet spiritus ad locum corporalem, neque ad partes loci, neque ad partes distantiae. Et confirmatur hoc per quaedam corporalia, quae licet sint talia, tamen non habent comparationem nec2 ad locum, nec distantiam corporalem, ut Pascha, et Pentecoste, et Natale, non distant secundum locum, et tamen haec tempora sequuntur motum coeli corporalem, et sic quodammodo corporalia sunt; nullam tamen habent proportionem ad distantiam corporalem, ut scilicet dicantur distantia localiter. Ergo longe minus notabitur distantia corporalis respectu spiritus, cum tempus sit res corporalis quodammodo, et spiritus nullomodo. Et cum quaesivi a viro sapientissimo, scilicet fratre Ada de Marisco, quomodo fuit anima beati Ambrosii in sepultura

1  et in singulis … unum ]  om. Ti. 2  nec ]  om. B.

KAPITEL 50

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findet, also zugleich in allen seinen Teilen. Das gelte für die Seele jedoch nicht deshalb, weil man sie körperlich verorten kann, sondern weil sie die Form und die Vollkommenheit eines Körpers ist. Aus diesem Grund sei sie mit dem Körper wesenseins und mache daher die Person aus. Dennoch hat sie ihren Sitz nicht im ganzen Körper oder in einem Teil und lässt sich auch nicht im ganzen Körper oder in einem Teil davon lokalisieren. Das heißt: Wenn sie im Herzen ist, ist sie nicht vom Kopf oder von den Füßen abwesend oder von ihnen entfernt. Denn es gibt zwischen einem körper­ lichen Ding und einem geistigen Wesen keine Entfernung.

KAPITEL 50 Weiteres hierüber [324]

Diese ganze Diskussion beruht darauf, dass eine körperliche Entfernung gegenüber einer geistigen Substanz als gleichsam nichts gedacht wird, weshalb ein Geistwesen kein Verhältnis zu einem körperlichen Raum hat: weder mit den Teilen eines Ortes noch mit den Abschnitten einer Entfernung. Das wird mit einigen bestimmten körperlichen Ereignissen bestätigt, die sich – obwohl körperlich – trotzdem keinen Bezug zu einem Ort oder einer körperlichen Entfernung haben: zum Beispiel Ostern, Pfingsten und die Geburt [Christi], die örtlich zwar nicht voneinander entfernt sind, aber dennoch den körperlichen Himmelsbewegungen folgen und daher auf eine gewisse Art körperlich sind. Dennoch haben sie kein Verhältnis zu einer körperlichen Entfernung, sodass sie zum Beispiel als örtlich entfernt beschrieben werden können. Daher wird man eine körperliche Entfernung noch viel weniger von einem geistigen Wesen behaupten können, da doch die Zeit irgendwie eine körperliche Sache ist [da sie von einer körperlichen Bewegung abhängt], der Geist jedoch überhaupt nicht. Als ich einmal einen äußerst weisen Mann, nämlich Adam von Marsh, danach gefragt habe, auf welche Weise die Seele des seligen Ambrosius beim Begräbnis des seligen Martin anwesend gewesen sein kann349,

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Teil I

beati Martini, respondit quod distantia corporalis respectu animae nulla est; et ideo potuit anima beati Ambrosii contemplari omnia quae fuerunt in exsequiis beati Martini, secundum quod divina illustratio ei claruit, et ibi corpus assumptum per angelicum ministerium ostendi potuit, in quo existimaretur beatus Ambrosius. Pati igitur et operari in diversis locis potest, secundum hanc opinionem, spiritus, secundum quod ei est a Deo ordinatum, licet substantia sua non habeat proportionem ad locum hunc et illum. Et secundum hoc facilius intelligitur quomodo daemones dicuntur a sanctis portare semper infernum, id est poenam inferni, secum. Si enim non habent spiritus comparationem ad partes distantiae corporalis, tunc daemon, praesentialiter ardens in inferno non abest a loco quocunque dato, quin poterit operari ea quae ei permissa sunt, ut tentare homines ad peccata. Nam frater Adam dixit: »Sicut duo enuntiabilia non distant localiter, ex sua proprietate; sic nec duo spiritus, ut anima hominis hic, et spiritus daemonis in inferno.« Et sic angeli et daemones sciunt quae in diversis locis fiunt, cum distantia locorum non sit respectu eorum aestimanda. Et ideo daemones dant responsa de rebus absentibus, quando loquuntur praesenter cum hominibus. Et sic in morte animam esse in coelo, vel in purgatorio, vel in inferno, non est per motum localem; sed absolvitur a vinculo corporis quod rexit; et operatur, vel patitur, vel glorificatur, alibi, sine suo motu locali, quia distantia localis nulla est respectu illius. Et dum vitam habet in corpore, et vivificat illud, potest sine suo motu coelestibus praesens esse secundum divinam revelationem; secundum quod apostolus raptus fuit usque ad tertium coelum, et Stephanus vidit coelos apertos.

KAPITEL 50

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hat er geantwortet, dass eine körperliche Entfernung für eine Seele nicht existiert. Daher konnte die Seele des seligen Ambrosius alles beobachten, was während der Trauerfeier für den seligen Martin passiert ist, weil die göttliche Erleuchtung es ihm gezeigt hat. Dort konnte ihm daher auch die Himmelfahrt [des seligen Martin] mit Hilfe eines Engels gezeigt werden, wie es vom seligen Ambrosius geglaubt wird. Der Geist kann nach dieser Ansicht also an verschiedenen Orten erleben und wirken, wenn er von Gott dazu berufen wird, auch wenn seine Substanz keinen Anteil an jenem oder diesem Ort hat. So ist auch leicht zu verstehen, auf welche Weise die Dämonen nach dem Zeugnis der Heiligen [die Verdammten] in die Hölle zur ewigen Höllenstrafe bringen können. Denn wenn die geistigen [Substanzen] keine Verbindung zu den verschiedenen örtlichen Entfernungen haben, ist ein Dämon, auch wenn er gerade in der Hölle schmort, doch nicht von einem anderen gegebenen Ort entfernt, sodass er die Dinge tun können wird, die ihm erlaubt sind, auf dass die Menschen zur Sünde verführt werden. Denn Bruder Adam [von Marsh] hat gesagt: »So wie zwei Aussageinhalte aufgrund ihrer Eigenschaften nicht örtlich voneinander entfernt sind, sind es auch zwei Geistwesen nicht, wie die Seele des Menschen hier und der Geist eines Dämons in der Hölle.« Daher wissen Engel und Dämonen auch, was an verschiedenen Orten geschieht, weil eine örtliche Entfernung für sie nicht gilt – weswegen Dämonen auch Antworten über abwesende Dinge geben, wenn sie mit den Menschen sprechen. So gelangt auch die Seele nach dem Tod nicht durch eine Ortsbewegung in den Himmel oder in das Fegefeuer oder in die Hölle, sondern sie wird von den Ketten des Körpers befreit, die sie vorher beherrscht haben. Sie wirkt, erleidet oder wird an einem anderen Ort ohne eine Ortsbewegung gerühmt, weil eine örtliche Entfernung [die Seele] nicht mehr betrifft. Und solange sie in einem Körper lebt und ihn erst belebt, kann das ohne seine eigene Bewegung durch die Himmel gemäß der göttlichen Offenbarung stattfinden. So wie auch der Apostel [Paulus]350 bis in den dritten Himmel entrückt worden ist und wie Stephan351 die

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Teil I

Operationes igitur et passiones substantiarum spiritualium locis distinguuntur, sed respectu suarum substantiarum non habent ad loci distantiam comparationem, ac si nihil esset inter loca. Haec igitur omnia consequuntur se, aut in veritate aut falsitate. Si enim unum est verum, omnia sunt vera; si unum est falsum, omnia sunt falsa. Vulgus tamen non capit haec, nec ejus capita multa. Aliqui tamen se confricant ad haec, nulla tamen rationum potentia ducti, sed imaginatione sua in hoc, sicut in aliis, magis falsis quam veris gaudentes. Unde vilificatur haec positio per eos si vera est. Extollitur autem per consensum antiquorum sapientum, ut fratris Adae, et episcopi Roberti magistri sui, et caeterorum. Disputationem igitur approbo, sed nihil assero in praejudicium sententiae melioris1. Fateor tamen quod rationes pro hac positione nescio dissolvere, et fortiores rationes in contrarium dissolvi. Nec credo quod omnes qui nunc vivunt rationes quas induxi valeant veraciter impedire, quamvis multi obstinati cavillaverunt2. Et hic aperitur nobis via ad intelligendum sacratissimum sacramentum Dominici Corporis. Nam vel sublimata est humanitas Christi super omne esse creaturae ad esse divinum, ut sicut essentia Dei praesens est omni parti hostiae sine commensuratione locali, sic corpus Christi; aut saltem sublimatum est hoc corpus super omne esse corporalis naturae3 ad esse consimile spiritibus; quia non commetitur se partibus hostiae, nec partibus loci, et prae­sens est coelo, et ecclesiae, et cuilibet fideli participanti hoc sacramentum.

1  melioris ]  sanioris, B. 2  cavillaverunt ]  resistunt, ut bene novi, B. 3  naturae ]  creaturae, B.

KAPITEL 50

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[327]

393

Himmel offen stehen gesehen hat. Die Werke und die Widerfahrnisse der geistigen Substanzen lassen sich zwar örtlich trennen, doch in ihren Substanzen haben sie keinen Bezug zu einer örtlichen Entfernung, so als würde sich gar keine Entfernung zwischen den Orten befinden. Daraus folgen nun alle weiteren Dinge, die entweder wahr oder falsch sind. Denn wenn eines wahr ist, sind alle wahr. Wenn eines falsch ist, sind alle falsch. Doch die Menge begreift das nicht, ebenso wenig wie viele ihrer Häupter. Einige beschäftigen sich freilich damit, doch sie werden nicht durch die Kraft der Vernunft geleitet, sondern nur durch ihre Einbildung. Daher haben sie darin  – wie auch bei anderen Dingen – mehr Freude an falschen als an wahren Urteilen, weshalb diese Position von ihnen herabgemindert wird, wenn sie wahr ist. Sie wird jedoch durch die Übereinstimmung der Weisen des Altertums ebenso emporgehoben wie durch Bruder Adam, seinen Lehrer Robert [Grosseteste] und viele andere. Ein Streitgespräch hierüber heiße ich also willkommen, doch ich erlaube mir kein Urteil darüber, welche Meinung hier die bessere ist. Ich gebe aber zu, dass ich die Gründe für diese Position nicht auflösen kann und die stärkeren Gründe für das Gegenteil gelöst habe. Weiterhin glaube ich nicht, dass diejenigen, die jetzt leben, wirklich etwas gegen meine angeführten Gründe sagen können, auch wenn viele Eigensinnige sich darüber lustig ­gemacht haben. Hier wird uns auch der Weg zum Verständnis des allerheiligsten Sakramentes des Körpers des Herrn gezeigt: Denn entweder ist die Menschlichkeit Christi so weit über alle anderen Geschöpfe zum Göttlichen hin erhaben, dass sich das göttliche Wesen ebenso wie der Körper Christi in allen Teilen der Hostie ohne örtliche Bestimmung befindet; oder dieser Körper ist doch wenigstens so weit über die Natur aller anderen körperlichen Dinge erhaben, dass sie den geistigen Substanzen gleich ist. Denn die Hostie lässt sich nicht auf ihre körperlichen oder örtlichen Teile beschränken; und der Himmel sowie die Kirche sind in diesem Sakrament jedem Gläubigen gegenwärtig.

394 [328]

Teil I

Et per hoc excitamur ad considerationem maximae rei, scilicet quomodo Dominus Jesus Christus glorificabit singulos electos in vita aeterna. Nam sicut deitas praesens erit cuilibet, ita et humanitas, ut argui potest sicut nunc de sacramento, ut Dominus ­Jesus sit1 omnia in omnibus. Sed ibi revelatur2 gloria majestatis, hic occultata propter statum hujus mortalitatis. Et dixi ut argui potest, non sententiari, quia non praesumo hic sententiare ad praesens. Contingit tamen sic arguere, quoniam sicut se habet Deus ad crea­ turas, sic Christus ad electos. Sed majestas Dei requirit ut sit prae­ sens omnibus creaturis3, et necessitas creaturae hoc idem exigit; quia aliter deficeret in nihil. Quapropter potest argui quod Christus, Deus et homo, erit praesens cuilibet electo in gloria. lterum4 per simile de statu gratiae. Nam per sacramentum altaris fit Christus praesens cuilibet electo in statu gratiae; ergo similiter arguitur quod in gloria. Sed de hoc sacramento grandis5 sermo fit in Opere Majori, cujus intentio in hoc opere, in Moralibus, breviter annotatur.

CAPITULUM LI. [329]

Difficultas vero aequalis localitati et immobilitati substantiarum spiritualium, secundum locum, est de duratione earum; scilicet de aevo, quod vocatur a philosophis aeternitas creata. De unitate vero aevi dictum est prius; quod si habeat partes, tunc erit de ejus

1  sit ]  scit, B. 2  revelatur ]  revelata, B. 3  omnibus creaturis ]  cuilibet creaturae, Ti. 4  Iterum ]  licet, B. 5  grandis ]  respondis, B.

KAPITEL 51 [328]

395

Durch diese Überlegungen werden wir zur Betrachtung der größten Sache angeregt: wie der Herr Jesus Christus die einzelnen Auserwählten im ewigen Leben verherrlichen wird. Denn dort wird seine Göttlichkeit ebenso wie seine Menschlichkeit jedem ebenso gegenwärtig sein, wie man es jetzt vom Sakrament behaupten kann, weil Jesus der Herr von allem in allem ist. Doch dann wird sich der Ruhm seiner Herrlichkeit offenbaren, der nun wegen der Sterblichkeit verborgen ist. Und ich sagte, dass man darüber eine Behauptung aufstellen kann, jedoch kein abschließendes Urteil, weil ich mir nicht anmaßen kann, darüber im Moment mit letzter Sicherheit zu sprechen. Man kann aber behaupten, dass Christus ein ebensolches Verhältnis zu den Auserwählten haben wird wie nun Gott gegenüber seinen Geschöpfen. Doch die Herrlichkeit Gottes und die Notwendigkeit der Geschöpfe erfordern, dass er allen Geschöpfen stets gegenwärtig ist – denn andernfalls würden sie zu Nichts werden. Aus diesem Grund kann man annehmen, dass Christus, der Gott und Mensch ist, allen Auserwählten in der himmlischen Glorie gegenwärtig sein wird. Das gilt ähnlich auch für den Zustand der Gnade. Denn durch das Sakrament des Altars ist Christus jedem Auserwählten im Zustand der Gnade gegenwärtig. Daher lässt sich sagen, dass sich dies auch im Zustand der himmlischen Glorie ähnlich verhalten wird. Doch über dieses Sakrament habe ich im Opus maius352 viel geschrieben, dessen Inhalt ich in diesem Werk im Teil über die moralischen Belange kurz anfüge.

KAPITEL 51 Ob das Aevum teilbar ist [329]

Eine weitere Schwierigkeit, die der Unbeweglichkeit und der örtlichen Lokalisierung der geistigen Substanzen ähnlich ist, besteht in der Frage nach ihrer Dauer. Es geht bei diesem Problem also um das Aevum353, das von den Philosophen ›geschaffene Ewigkeit‹ genannt wird. Von der Einheit des Aevum ist weiter oben schon ­gesprochen worden354: denn wenn es tatsächlich Teile haben sollte,

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Teil I

unitate, sicut de tempore. Si vero non habeat, tunc erit sicut de ubi respectu1 punctorum indivisibilium; ita quod oportet quod unum sit aevum sicut unum est tempus; et reprobatae sunt positiones falsae in contrarium. Sed nunc considerandum est an aevum potest habere partes vel non. Quod autem non habeat partes clamat tota philosophia; et Augustinus dicit hoc, et Dionysius. Iterum, aevum se habet ad res permanentes sicut tempus ad res2 successivas. Sed esse rei permanentis dividitur per oppositum contra esse rei successivae. Ergo cum de natura successionis sit ut habeat partes3, tunc esse permanentis erit per carentiam partium. Et ideo sicut mensura rei successivae habet4 partes, sic mensura rerum permanentium carebit eis. Iterum, se habeat aevum partes, tunc aut erunt simul aut suc­cede­ rent. Si simul, tunc altera superfluit, quia quod est de esse rei permanentis simul potest una parte ejus mensurari; nam indivisibile est ad omne praesens. Si vero succedunt sibi, aut posteriori adveniente corrumpitur prior, et tunc erit de natura temporis, quia hoc est essentiale tempori. Si vero remaneat prior, adveniente posteriori, tunc erit una superflua, sicut prius dictum est, quia nihil est mensurandum nisi illud quod pars posterior mensurat. Totum enim esse permanentis potest illa posterior mensurare, quia de esse permanentis non est simul, nisi quod una pars aevi potest mensurare, indivisibile enim est ad omne praesens. Iterum, in quantitatibus habentibus positionem et permanentiam accidit pluralitas partium, propter positionem diversam. Nam si

1  respectu ]  om. B. 2  res ]  om. B. 3  partes ]  »tunc esse permanentis dividitur per oppositum contra esse rei successivae. Ergo cum de natura successionis sit ut habeat partes, tunc.« Hinzugefügt in B. 4  habet ]  habeat, B.

KAPITEL 51

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wären sie doch in einer Einheit und in einer bestimmten zeitlichen Abfolge angeordnet. Wenn es keine Teile haben sollte, würde es so sein, wie das ›Wo‹ gegenüber unteilbaren Punkten. Daher muss es ein einheitliches Aevum geben, so wie es auch eine einheitliche Zeit gibt. Alle anderen falschen und gegenteiligen Positionen sind bereits zurückgewiesen worden. Doch nun muss darauf eingegangen werden, ob das Aevum überhaupt Teile haben kann oder nicht. Die ganze Philosophie sagt, dass es keine Teile habe; auch Augustinus355 sagt das, ebenso wie Dionysius [Areopagita]356. Weiterhin steht das Aevum in demselben Verhältnis zu beständigen Dingen [res permanentes] wie die Zeit zu sukzessiven Dingen [res successivas]. Doch das Sein eines beständigen Dings wird durch das Entgegengesetzte von einem sukzessiven Ding abgegrenzt: Da es aber der Natur der [zeitlichen] Abfolge entspricht, Teile zu haben, wird ein beständiges Seiendes durch das Fehlen von Teilen gekennzeichnet sein. Daher wird – da das Maß eines sukzessiven Dinges Teile hat –, das Maß von beständigen Dingen keine Teile haben. Weiterhin: Wenn das Aevum Teile hätte, wären diese entweder gleichzeitig oder sie würden aufeinander folgen. Wenn sie gleichzeitig wären, würden die Teile einander überlagern, denn was vom Sein eines beständigen Dinges gilt, muss zugleich für dessen Maß gelten, da es in Bezug auf jede Gegenwart unteilbar ist. Wenn die Teile jedoch aufeinander folgen, wird der folgende Augenblick den vorigen ablösen: Es wäre daher von zeitlicher Natur, da ebendies das Wesen der Zeit ist. Wenn der vorige Augenblick jedoch bleiben sollte, wenn der folgende kommt, wird es einen [Augenblick] zu viel geben, wie vorher schon gesagt worden ist, da es nichts ­außer dem zu messen gibt, was der folgende Teil misst. Denn jener folgende Teil kann das ganze fortdauernde Sein messen, weil er mit dem fortdauernden Sein nicht gleichzeitig ist, sodass er nichts ­außer einen Teil des Aevum messen kann, da er gegenüber der gesamten Gegenwart unteilbar ist. Weiterhin: Bei Quantitäten, die eine Position und Beständigkeit haben, gibt es wegen der verschiedenartigen Positionen eine Viel-

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Teil I

linea non haberet positam hic unam partem, ibi aliam, non esset partium distinctio propter permanentiam; quia una posset sufficere si posset positiones diversas habere; ergo cum aevum sit permanens, non habens positionem, oportet quod una pars sufficiat, nec exigentur plures. Iterum, non sunt nisi duo in re permanente, scilicet esse ejus et continuitas sui esse. Sed propter esse ejus non potest aevum habere plures partes, quia indivisibile est esse rei permanentis ad praesens illius esse. Nec propter continuitatem et conservationem; quia sicut se habet mensura successivi ad esse et continuitatem ejus, sic mensura permanentis ad esse et continuitatem; sed eadem mensura, sine partium multiplicatione majori, mensurat rem successivam et ejus continuitatem; ut idem dies mensurat motum esse1 diurni et continuitatem ejus, et non plus requiritur. Ergo eadem pars aevi, sive eadem mensura, penitus mensurabit et esse rei permanentis et ejus continuitatem; ita quod plus non erit, nec aliquid addetur, sicut nec a parte mensurae successivae. Et ad hujus evidentiam loquamur non de exemplo quod finem habet, ut de motu diurno, propter cavillatoriam instantiam, sed de toto tempore quod erit sine fine, aut quod saltem potest continuari, si Deus vult, per motum coeli, et saltem in inferno2, in motibus qui erunt in inferno, per alterationes et poenas damnatorum, quae erunt in motu et tempore. Et tunc erit simile de aeviterno, et de tali temporali, quod semper erit; quia sicut eadem mensura temporalis mensurat esse talis successivi et continuitatem, sic erit de aevo, quod idem mensurabit esse rei et continuitatem; et ideo partibilitas ­omnino

1  motum essse ]  esse motus, B. 2  in inferno ]  om. B.

KAPITEL 51

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zahl von Teilen. Denn wenn eine Linie nicht hier einen Teil hätte und dort einen anderen, gäbe es bei ihr aufgrund der Beständigkeit keine Einteilung in Teile, da ein Teil genügen würde, wenn er verschiedene Positionen einnehmen könnte. Da das Aevum aber beständig ist und keine Position hat, muss ein Teil ausreichen: mehrere sind nicht erforderlich. Weiterhin: Bei einer beständigen Sache gibt es nur zwei Aspekte, nämlich dessen Sein und die Kontinuität seines Seins. Doch aufgrund des Seins kann das Aevum nicht viele Teile haben, weil das Sein einer beständigen Sache untrennbar mit der Gegenwart des Seins dieser Sache verbunden ist. Doch auch nicht aufgrund der Kontinuität und Erhaltung: Denn wie eine sukzessive Sache aufgrund des Seins und der Kontinuität gemessen wird, so wird auch eine beständige Sache aufgrund des Seins und der Kontinuität gemessen. Dasselbe Maß misst eine sukzessive Sache und seine Kontinuität aber ohne eine Vervielfältigung der Teile – so wie derselbe Tag die Bewegung des täglichen Seins und seiner Kontinuität misst, wobei darüber hinaus nichts weiter erforderlich ist. Also ist auch derselbe Teil des Aevum – oder auch dasselbe Maß – in der Lage, das Sein eines Dinges und seine Kontinuität zu messen. Es wird also nichts weiter vonnöten sein und nichts hinzugefügt werden, so wie es auch von Maßen für sukzessive Sachen gilt. Bei diesem Beweis reden wir nicht über ein Beispiel, das ein Ende haben kann, wie die tägliche Bewegung (wegen des täuschenden Augenblicks), sondern wir reden davon, dass die ganze Zeit ohne Ende sein wird, oder dass sie wenigstens durch die Bewegung des Himmels fortdauern kann, wenn Gott es möchte. Das gilt auch für die Hölle, für die Bewegungen, die in der Hölle geschehen werden, für die Veränderungen und für die Strafen der Verdammten, die dort in der Bewegung und in der Zeit stattfinden werden. So wird es auch für die Ewigkeit und für andere zeitliche Vorgänge gelten, weil sie immer sein wird; denn so, wie dasselbe zeitliche Maß die sukzessiven Dinge und ihre Kontinuität misst, wird es sich auch beim Aevum verhalten, weil auch dort dasselbe Maß das Sein und die Kontinuität einer Sache misst, wodurch jede Teilbarkeit aus-

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Teil I

evacuabitur; quia non ponunt eam, nisi propter continuitatem esse ipsius aeviterni; nam in ipso esse non ponunt partem et partem. Sed contra hoc est triplex fortis objectio. Una est quod tunc simul et semel esset anima patris et filii, et creatio mundi et creatio animae istius qui nunc nascitur, quod videtur absurdum. Nam haec omnia creantur in aevo; quia creatio est in illo, et omnia creata mensurantur eo quantum ad esse suum proprium; sed generata non et corporalia. Si igitur est aevum indivisibile, non habens partem et partem, et fuit a principio mundi, quia mundus creatus est in eo toto, et est nunc in eo toto, anima istius nati modo tunc simul et semel sunt, quantum ad mensuram propriam suae durationis. Et ita sic simul et semel possunt dici esse in terminis. Et tamen est longissimi temporis distantia. Et potest dici quod hic fallit nos imaginatio temporalis, quae est propria intellectui nostro sicut corporalis. Quia Aristoteles dicit quod omnis intellectus noster est cum continuo et tempore, quia nihil primo aspectu concipimus nisi quanta, ut quae quantitate continua mensurantur intrinseca, quae est trina dimensio; et quae quantitate extrinseca extenduntur; ut sunt temporalia, quae sub tempore cadunt. Et ideo spiritualia et permanentia in suo esse invariabili non percipimus primo mentis intuitu, nec aliquo modo, nisi quando abstraxerimus animum a corporalibus et temporalibus, et transiverimus haec. Sed tunc quantum est de potestate intellectus nostri, sine speciali illuminatione non possumus intelligere hujusmodi, nisi per privationem corporalium et temporalium, et non per positionem. Et ideo cum summa

KAPITEL 51

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geschlossen wird. Denn sie nehmen eine solche [Teilbarkeit] nur wegen der Kontinuität des ewigen Seins an: denn das Sein selbst unterteilen sie nicht in Teile. Doch dagegen gibt es drei starke Einwände: Einer davon ist, dass die Seele des Vaters und des Sohnes dann zugleich und auf einmal wären, ebenso wie die Erschaffung der Welt und die Erschaffung der Seelen, die gerade geboren werden – was absurd zu sein scheint. Denn alles das wird im Aevum erschaffen, da die Erschaffung in ihm stattfindet und da alle geschaffenen Dinge in Bezug auf das Aevum gemessen werden – doch das gilt nicht für die entstandenen und körperlichen Dinge. Wenn das Aevum also unteilbar ist, demnach keine Teile hat und von Beginn der Welt an existiert hat – da die Welt in dieser Gesamtheit erschaffen worden ist und sich demzufolge auch nun in dieser Gesamtheit befindet –, dann ist die Seele aller derjenigen, die geboren werden, überall zugleich und auf einmal, zumindest hinsichtlich der ihr eigenen Dauer. Daher kann man auch sagen, dass ihre Endpunkte zugleich und auf einmal sind. Aber dennoch gibt es zwischen ihnen eine ausgesprochen lange zeitliche Entfernung. Hierzu ist zu sagen, dass uns hier unsere Vorstellung von der Zeit täuscht, die unserem Verstand ebenso eigen ist wie seine körperliche Vorstellung. Denn Aristoteles357 sagt, dass unser Intellekt die Dinge nur in einem Kontinuum und in der Zeit erfasst, da wir auf den ersten Blick nichts als Größen wahrnehmen. Daher werden die ausgedehnten Größen mit ihrem intrinsischen Maß gemessen, nämlich anhand ihrer drei Dimensionen. [Diese Vorstellung] wird dann auf ihr extrinsisches Maß ausgedehnt, die zeitliche Abfolge, die in [den Bereich der] Zeit fällt. Daher nehmen wir geistige und beständige Dinge in ihrem unveränderlichen Sein nicht sofort mit dem Geist oder auf eine andere Art wahr, außer wenn wir den Geist von den körperlichen und den der Zeit unterworfenen Dingen abwenden und über sie hinausgehen. Doch unser Verstand hat nicht die Kraft, diese Dinge ohne eine besondere Erleuchtung verstehen zu können. [Er kann das nur] durch Privation von den körperlichen und zeitlichen Dingen, nicht jedoch durch Setzung. Daher neh-

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Teil I

difficultate percipimus esse spiritualium et permanentium, quod mensuratur aevo indivisibili et impartibili. Si tamen velimus sequi philosophiae veritatem, et sanctos majores, et sermones vulgatos exponere, dicemus quod secundum se non est divisibilitas in aevo, sed totum simul est; quia esse permanens est per oppositum ad successionem. Si tamen consideretur aevum respectu temporis, sic secundum locutionem damus ei divisibilitatem, secundum quod tempus habet prius et posterius; et sic dicimus quod anima patris est prius, quam anima filii, propter distantiam temporalem, et principium mundi est prius quam creatio alicujus in fine mundi. Sed si absolvamus aevum a comparatione ejus ad tempus, tunc non est anima patris prior anima filii, sed simul, vel in eodem aevo toto, licet quantum ad tempus consideratum inter duas creationes sit ibi prius et posterius. Et quia super hoc semper fertur intellectus noster, ideo difficile est nobis considerare quomodo in eodem aevo sunt animae patris et filii, et quomodo respectu aevi absolute sint simul omnia permanentia. Secundo objicitur quod cum duratio aeviterni, ut cujuslibet mensurati aevo sit infinita, vel sine fine, et non est ibi successio et additio in partibus, tunc erit infinitum in actu, quod est impossibile in esse creaturae: ad hoc tamen dicendum quod mala imaginatio decipit nos sicut prius. Nam debemus hic considerare, sicut prius dictum est de substantia spirituali respectu distantiae corporalis; quantum enim ad illam nulla distantia corporalis notari pot­est, quia non est comparatio spiritus ad hujusmodi distantiam; similiter est hic; quantum enim ad distantiam et fluxum temporalem,

KAPITEL 51

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men wir das Sein geistiger und beständiger Entitäten nur unter den größten Schwierigkeiten wahr, weil es [das Sein] durch das unteilbare Aevum gemessen wird. Wenn wir aber der Wahrheit der Philosophie und der großen Heiligen folgen und die verbreiteten Ansichten darlegen wollen, sagen wir, dass es für sich genommen im Aevum keine Teilbarkeit gibt, sondern dass alles zugleich ist, da ein beständiges Sein durch das Gegenteil einer [zeitlichen] Abfolge gekennzeichnet ist. Wenn das Aevum jedoch unter dem Aspekt der Zeit betrachtet wird, sprechen wir ihm in unserem allgemeinen Sprachgebrauch eine Teilbarkeit zu, nach der die Zeit ein Vorher und ein Nachher hat. So sagen wir aufgrund des zeitlichen Abstands, dass die Seele des Vaters früher entstanden ist als die Seele des Sohnes, und dass der Anfang der Welt vor der Erschaffung von etwas am Ende der Welt stattgefunden hat. Doch wenn wir das Aevum von einem Vergleich mit der Zeit ablösen würden, ist die Seele des Vaters nicht vor der des Sohnes, sondern zugleich in der Gesamtheit des Aevum, wenn es auch in Bezug auf die Zeit zwischen zwei Erschaffungen ein Früher und ein Später geben mag. Doch weil unser Intellekt dieses immer übergeht, ist es für uns schwierig zu überlegen, auf welche Art und Weise in dem gleichen Aevum die Seelen des Vaters und des Sohnes sind, und auf welche Weise im Hinblick auf das absolute Aevum alle beständigen Dinge zugleich sind. Zweitens wird eingewendet: wenn die Dauer des Aevum unendlich und ohne Ende sei und es darin keine Abfolge oder Hinzufügung von Teilen gäbe, müsste sie auch aktualiter unendlich sein, was bei den erschaffenen Dingen aber unmöglich ist. Doch auch hierauf ist zu erwidern, dass uns – wie vorher – eine falsche Vorstellung täuscht. Denn wir müssen an dieser Stelle dasselbe bedenken, was schon vorher von den geistigen Substanzen gegenüber den räumlichen Entfernungen gesagt worden ist: dass man zwischen einer geistigen Substanz und einem Körper nicht von einer Entfernung sprechen kann, weil sich ein Geist nicht mit irgendeiner [ört­ lichen] Entfernung vergleichen lässt. Ähnlich ist es auch hier, weil das ­Aevum sich nicht mit einem zeitlichen Unterschied und einer

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Teil I

non habet comparationem aliquam; et ideo infinitas durationis temporalis, quae hic imaginatur, cui semper praesens est aevum, non debet notari; quia aevum nullam habet comparationem ad eam, sicut1 nec spiritus ad distantiam corporalem. Unde sicut spiritus praesens uni loco non abest alteri, quia distantia inter illa loca non habet comparationem ad spiritum, etiam si esset infinita, ut prius dictum est; sic est hic. Et ideo quantumcunque extendamus tempus in infinitum, aevum semper concomitabitur, et praesens erit omni praesenti tempori, et non aberit alicui, et tamen non habet infinitatem illam, quia fluxum temporis non habet, nec comparationem2 ad eum3, sicut nec spiritus ad distantiam corporalem. Si dicatur, aut est duratio aevi finita aut infinita; si infinita, tunc sequitur idem quod prius; si finita, tunc finem habet, et cessabit, quod falsum est; dicendum est, quod infinitum, ut Aristoteles docet tertio Physicorum, est multis modis: uno modo est per extensionem quantitivam, sive in longitudine spatii, sive in longitudine durationis, secundum partes sibi invicem ordinatas; et sic infinitum non potest esse simul, nec loco, nec duratione. Et hoc est proprie infinitum de quo loquitur philosophus, et quod est in communi sermone nostro, cui opponitur finitum, quod est quantum extensum inter duos terminos, ut spatium pedale, vel hora diei aut dies, et quodlibet consimile. Et sic sumitur infinitum per privationem terminorum; et sic non est aevum infinitum.

1  sicut ]  sic, B. 2  comparationem ]  proportionem, B. 3  eum ]  aevum, B.

KAPITEL 51

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zeitlichen Abfolge vergleichen lässt. Daher darf man in diesem Fall nicht von einer solchen imaginierten Unendlichkeit einer zeitlichen Dauer sprechen, die im Aevum immer gegenwärtig wäre, weil das Aevum mit [einer solchen Unendlichkeit] keine Gemeinsamkeit hat, so wenig wie der Geist mit einer körperlichen Entfernung. Es verhält sich hier daher ebenso wie bei einem geistigen Wesen, das sich an einem Ort aufhält und trotzdem nicht von einem anderen Ort entfernt ist, weil eine Entfernung zwischen diesen beiden Orten auf ein geistiges Wesen keine Auswirkungen hat; es sei denn, die Entfernung wäre unendlich, wie bereits gesagt worden ist. Und wie sehr wir auch die Zeit ins Unendliche ausdehnen, wird das ­Aevum doch immer mit ausgedehnt; und es wird jeden Augenblick der Gegenwart begleiten. Es wird daher von keinem Augenblick abwesend sein; und es wird doch nicht jene [zeitlich bestimmte] Unendlichkeit haben, weil es sich mit dem Fluss der Zeit genauso wenig vergleichen lässt wie ein geistiges Wesen mit einer räum­ lichen Entfernung. Es wird mitunter gesagt, dass die Dauer des Aevum entweder endlich oder unendlich ist; wenn sie unendlich ist, folgt dasselbe wie bereits vorher; wenn sie endlich ist, hat sie ein Ende und wird aufhören, was falsch ist. Dazu ist zu sagen, dass es das Unendliche auf viele Weisen gibt, wie Aristoteles im dritten Buch seiner Physik 358 lehrt: Eine Weise davon ist ist die quantitative Ausdehnung, sowohl in der Länge des Raumes als auch in der Länge der [zeitlichen] Dauer, die in aufeinander folgende Teile geordnet sind. Auf diese Weise kann das Unendliche nicht zugleich sein, ebenso wenig wie der Ort oder die Dauer. Das ist nämlich die Eigenschaft des Unendlichen, von der der Philosoph [Aristoteles] spricht und die auch unsere Vorstellung bestimmt: dass es einem Endlichen entgegengesetzt werden muss. So gilt es zum Beispiel für die Ausdehnung zwischen zwei Begrenzungen: etwa für den Raum zwischen den Füßen, für die Stunde des Tages, für den Tag selbst und für alles, was auch immer diesen ähnlich ist. In dieser Art wird das Unendliche demnach durch eine Privation von Begrenzungen ­gebildet. Das unendliche Aevum ist jedoch nicht von dieser Art.

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Teil I

Alio modo accipitur1 infinitum per negationem finiti, et sine extensione quantitativa, quod finem et corruptionem non habet; et dicitur infinitum non per privationem terminorum quantitatis, sed per negationem corruptionis et non esse. Et hoc potest esse vel a parte ante et post, et sic aeternitas increata dicitur infinita; vel a parte post tantum, et sic aeternitas creata, quae est aevum, dicitur infinita; et sic infinitum potest esse totum simul, et non est inconveniens; sed primo modo inconveniens est. Si dicatur adhuc, quod si infinitas a parte post est in aeternitate creata, qualis in increata, tunc a principio creaturae in esse, usque in aeternum, aequabitur creatura Deo, quod est absurdum; quia nullo modo aequatur creatura Creatori, nec unquam aequari potest ad horam: dicendum est, quod infinitas a principio creaturae in esse constitutae duplici ratione convenit Deo: una est, quia sine fine erit, alia est ex eo, quod sua duratio est eadem cum sua essentia, quae est infinita intensive, non extensive; sicut sua virtus et potentia. Et hoc est tertium genus infinitatis, quod non est in creatura aliquo modo, sed in solo Creatore. Et in hoc genere infinitatis infinitas Creatoris excellit infinitatem creaturae in infinitum. Si vero loquamur de infinitate secundo modo, scilicet per negationem non esse et corruptionis, certe haec est in Deo cum negatione actualis corruptionis, et cum negatione pura potentiae et habitudinis ad non esse. Sed in aeviterno non est negatio nisi corruptionis actualis; quia creatura semper apta nata est non esse, et potest de sui natura non

1  Alio modo accipitur ]  Aliter sumitur, B.; modo, om. Ti.

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Anders wird das Unendliche durch die Negation des Endlichen bestimmt. In diesem Fall schreibt man ihm keine quantitative Ausdehnung zu, weil das Unendliche hier keine Ende hat und unvergänglich ist. Das Unendliche wird hier also nicht durch eine Privation von quantitativen Begrenzungen definiert, sondern durch die Negation von Vergehen und Nichtsein. Das kann sowohl für die Ewigkeit a parte ante als auch für die Ewigkeit a parte post gelten, und auf diese Weise wird die ungeschaffene Ewigkeit unendlich genannt. Oder man kann die Ewigkeit vor allem a parte post bestimmen, und derartig wird die geschaffene Ewigkeit, bei der es sich um das Aevum handelt, unendlich genannt. Auf diese Weise kann in der Ewigkeit ohne irgendeinen Widerspruch alles zugleich sein. Auf die erste Weise tritt jedoch ein Widerspruch auf. Dagegen wird mitunter erwidert: Wenn die Unendlichkeit a parte post in der geschaffenen Ewigkeit existiert, müsste sie auch so in der ungeschaffenen Ewigkeit existieren, was hieße, dass das Geschaffene vom Beginn bis in die Ewigkeit im Sein wäre, wodurch es Gott gleich wäre. Das sei jedoch absurd, weil das Geschaffene dem Schöpfer in keiner Weise gleicht, noch ihm jemals gleichen wird. Dazu ist zu sagen, dass die Unendlichkeit des Geschaffenen zu Beginn Gott in zwei Punkten gleicht: einer ist, dass sie ohne Ende sein wird; der andere besteht darin, dass ihre Dauer dasselbe ist wie ihr Wesen, das – ebenso wie ihre Kraft und Potenz – intensiv unendlich ist, nicht extensiv [unendlich]. Das ist nämlich die dritte Art der Unendlichkeit, die sich nicht in etwas Geschaffenem findet, sondern nur im Schöpfer. Und in dieser Gattung des Unendlichen überragt die Unendlichkeit des Schöpfers die Unendlichkeit des Geschaffenen unendlich weit. Wenn wir wahr von der zweiten Art der Unendlichkeit sprechen wollen – also als Negation von Vergehen und Nichtsein –, ist diese sicherlich in Gott als die Negation der tatsächlichen Vergänglichkeit und als Negation der reinen Potenz und des Neigens zum Nichtsein. Doch im Aevum gibt es keine andere Negation als das tatsächliche Vergehen des Gegenwärtigen, weil das Geschaffene immer zu Nichtseiendem wird und aus seiner eigenen Natur heraus nicht

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Teil I

esse; quod enim continuatur esse ejus sine corruptione, hoc est ex bonitate Creatoris, qui per praesentiam majestatis omnia tenet in esse. Et ideo patet quod duratio creaturae non est aequalis durationi Creatoris, licet consideremus durationem Creatoris a principio durationis creaturae sine fine; nec est una communis eis per participationem; sed una est similis alteri per imitationem quantum potest creatura sustinere. Si dicatur quod nullum indivisibile commensurat se extensioni alicujus divisibilis, igitur non1 potest nec esse praesens omnibus partibus ejus extensis; igitur2 duratio aevi, si sit indivisibilis, non aequabitur durationi temporis, et ita non attinget ad finem minimi temporis, sed deficiet; igitur multo magis non durabit cum toto tempore: dicendum3 est, quod licet indivisibile non potest commensurari divisibili, nec aequari, quia non sunt comparabilia in quantitate; nec indivisibile, quod est terminus indivisibilis, potest aliquo modo esse cum divisibili toto; tamen indivisibile, quod est alterius generis, quod non dependet aliquo modo4 a divisibili, sed habet esse absolutum a quo dependet divisibile, potest habere, sine extensione quantitiva, dignius esse quam divisibile; per quam dignitatem potest esse praesens omni parti divisibili; sicut non solum videmus de causa prima, sed de anima rationali, quae ubique est praesens corpori; et ideo non solum esse divinum potest esse praesens toti tempori, sed esse animae rationalis quod aevo mensuratur, et sic totum aevum cum toto tempore, et sic leniter5 potest haec objectio solvi, licet ejus explanatio plura requirat.

1  igitur non ]  ergo nec, B.; igitur potest nec, Ti. 2  igitur ]  ergo, B. 3  dicendum ]  et dicendum, MSS. 4  aliquo modo ]  om. B. 5  et sic leniter ]  sic leviter, B.

KAPITEL 51

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existieren kann. Wenn es ohne zu vergehen bestehen bleiben kann, liegt das an der Gutheit des Schöpfers, der durch seine herrliche Gegenwart alles im Sein erhält. Daran sieht man, dass die Dauer des Geschaffenen nicht gleich der Dauer des Schöpfers sein kann: zumindest nicht, wenn wir die Dauer des Schöpfers von Beginn an mit der Dauer des Geschaffenen ohne Ende vergleichen. Ebenso wenig ist das Geschaffene dem Schöpfer durch Anteilnahme gemeinsam, sondern es ist dem Schöpfer vielmehr durch Nachahmung in dem Maße ähnlich, in dem das Geschaffene [durch ihn] erhalten werden kann. Es mag nun gesagt werden, dass kein Unteilbares mit irgendeinem Teilbaren in seiner Ausdehnung kommensurabel ist. Daher kann es sich auch nicht zugleich in allen Teilen der Ausdehnung eines Teilbaren befinden. Deswegen wird die Dauer des Aevum, wenn es unteilbar sein sollte, nicht der Dauer der Zeit entsprechen – und daher bis zum Ende auch nicht den kleinsten Teil der Zeit berühren. Aus diesem Grund wird es noch viel weniger mit der gesamten Zeit andauern. Hierauf ist zu erwidern: Es ist zwar durchaus richtig, dass ein Unteilbares nicht mit einem Teilbaren verglichen werden kann. Das ist aber auch nicht erforderlich, weil sie quantitativ nicht vergleichbar sind; auch kann das Unteilbare, weil es ein unteilbares Ende hat, in keiner Weise mit dem Teilbaren als Ganzes zusammenfallen. Dennoch kann etwas Unteilbares, das einer anderen Gattung angehört [als das Teilbare], die in keiner Weise von etwas Teilbarem abhängt, sondern die ein vollkommenes Sein hat, von dem das Teilbare abhängt, auch ohne quantitative Ausdehnung ein würdigeres Sein haben als ein Teilbares: durch diese Würde kann es in jedem Teil eines Teilbaren zugleich anwesend sein. Das sehen wir nicht nur am Beispiel der Erstursache, sondern auch an der vernünftigen Seele, die sich überall im Körper befindet. Daher kann nicht nur das göttliche Sein die ganze Zeit über gegenwärtig sein, sondern auch das Sein der vernünftigen Seele, das vom Aevum gemessen wird. Dasselbe gilt auch für das Aevum in Bezug zur Gesamtheit der Zeit. So lässt sich dieser Einwand leicht auflösen, auch wenn die Erklärung weiterer Ausführungen bedürfte.

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Teil I

Sed tertio objici potest, quod aevum, cum sit mensura durandi, sicut tempus, erit in genere quantitatis; si igitur est indivisibile, erit terminus quantitatis, sicut punctus et unitas, instans et linea; sed nulla species quantitatis ei in tantum convenit sicut tempus, quod est mensura durandi; ergo aevum erit terminus temporis si est indivisibile, et ita erit instans. Et ad hoc dicendum, quod aevum est in praedicamento quantitatis sicut species, et non sicut principium indivisibile. Unde nec est quantitas divisibilis, nec est terminus quantitatis, sed est nova species, sicut substantia incorporea est species substantiae, et non est corpus substantiae neque principium ejus; et ideo aevum pot­ est esse indivisibile, sicut substantia spiritualis et1 indivisibilis; et tamen neque erit divisibile, neque terminus et principium alicujus quantitatis indivisibilis. Unde sicut substantia incorporea nec est indivisibile ut atomus, neque divisibile ut corpus, sed est natura absoluta alia ab eis, sic aevum nec est indivisibile ut instans, nec est divisibile ut tempus, sed mensura absoluta alia ab illis. Si contra hoc objiciatur, quod Boetius dicit tertio Consolationum libro2, quod tempus ab aevo procedit, ergo erit instans: dicendum est, quod tempus ab aevo procedit, id est post aevum, secundum quod Aristoteles dixit3 secundo et quinto Metaphysicae, quod ab aliquo vel ex aliquo est multipliciter aut ordinaliter; ut ex nocte fit dies; aut materialiter, ut ex ferro fit cultellus; aut effective, ut ex patre fit filius; aut originaliter, tanquam ex termino; ut ab instanti fit tempus, et a puncto fit linea. Sed ordinaliter fit

1  et ]  est, B. 2  libro ]  om, Ti. 3  dixit ]  distinguit, B.

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Doch ein dritter Einwand kann sein, dass das Aevum, da es – wie die Zeit – das Maß einer Dauer ist, eine quantitative Gattung sein müsste; da es aber unteilbar ist, wird es eine quantitative Grenze sein, so wie es auch für den Punkt, die Einheit, den Augenblick und die Linie gilt. Doch dem Aevum kann keine quantitative Art wie der Zeit zukommen, da es ja selber das Maß der Zeit ist. Daher wird das Aevum die Grenze der Zeit sein, wenn es unteilbar ist: es wird also ein Augenblick sein. Dazu ist zu sagen, dass das Aevum zum Prädikament der Quantität wie eine Art gehört, nicht wie der Ursprung des Unteilbaren. Daher ist es keine teilbare Quantität und auch nicht die Grenze eines Teilbaren, sondern eine neue Art, so wie eine unkörperliche Sub­ stanz die Art einer Substanz und weder ein Körper einer Substanz noch ihr Ursprung ist. Aus diesem Grund kann das Aevum unteilbar sein, ebenso wie eine geistige und unteilbare Substanz. Dennoch wird es weder teilbar noch die Begrenzung und der Ursprung irgendeiner unteilbaren Quantität sein. Das gilt in demselben Sinn, in dem eine unkörperliche Substanz weder unteilbar wie ein Atom noch teilbar wie ein Körper ist, sondern von einer vollkommen anderen Natur als diese: So ist auch das Aevum weder unteilbar wie ein Augenblick noch teilbar wie die Zeit, sondern hat ein vollkommen anderes Maß als jene. Dagegen kann man einwenden, dass Boethius in dritten Buch seines Trostes der Philosophie 359 sagt, dass die Zeit aus dem Aevum hervorgeht, dass das Aevum also ein stets gegenwärtiger Augenblick sein wird. Dazu ist zu sagen, dass die Zeit aus dem Aevum in dem Sinne hervorgeht, dass sie nach dem Aevum aus ihm hervortritt, gemäß dem, was Aristoteles im zweiten und fünften Buch seiner Metaphysik 360 gesagt hat: dass die Zeit nämlich von etwas oder aus etwas vielfach oder geordnet hervorgehe, so wie aus der Nacht der Tag hervorgeht; oder stofflich, wie aus dem Eisen ein Messer wird; oder durch die Wirkung, wie aus dem Vater der Sohn hervorgeht; oder im Sinne des Ursprungs, also aus der Grenze, so wie aus dem Augenblick die Zeit wird und aus einem Punkt eine Linie. Doch die Zeit entsteht aus

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Teil I

tempus ab aevo, id est post aevum, quia aevum est mensura prior tempore. Si dicatur, quod Aristoteles non ponit aevum inter species quantitatis, neque in Praedicamentorum libro, neque in quinto Metaphysicae, ubi de speciebus praedicamentalibus docet, igitur1 non videtur esse species aliqua, aut Aristoteles erit diminutus: potest dici, quod nusquam Aristoteles dat species alicujus praedicamenti, quia de substantia incorporea nihil tangit in libro Praedicamentorum, nec in capitulo de Substantia in quinto Metapbysicae. Placuit igitur Aristoteli exemplificare de speciebus aliquibus aliquorum prae­dicamentorum. Sed nec de aliquo omnes ejus species assignavit, neque de singulis posuit aliquas species; quoniam de actione et passione, quando, ubi, situ, et habitu, nullam ponit divisionem specierum in libro Praedicamentorum, nec etiam in quinto Metaphysicae; sed magis distinguit ibi significata multiplicia, ut patet ex illo libro. Nec de substantia, nec de relatione, sed de quantitate et qualitate expressius ponit species aliquas, sed non omnes. Non tamen fuit Aristoteles diminutus. Nam texere omnes species prae­ dicamentorum est dare notitiam omnium rerum secundum diffinitiones veras. Quia oporteret quamlibet elicere ex genere, per divisionem ejus in differentias specificas. Sed hoc est quod in omnibus scientiis investigatur; et magnum volumen et speciale requiritur ad hoc. Et ideo omisit in libris, quos habemus, forsan aliquem librum specialem de hoc componens, qui nondum venit ad manus Latinorum, sicut nec melior pars nec major suae philosophiae. Nam mille tractatus edidit, sicut dicitur in libro de2 Vita sua.

1  igitur ]  nec alibi, ergo, B. 2  libro de ]  om. B.

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dem Aevum geordnet, kommt also nach ihm, weil das Aevum das Maß ist, das der Zeit vorgeordnet ist. Es mag auch gesagt werden, dass Aristoteles das Aevum nicht unter den Arten der Quantität anführt: weder in seinen Katego­ rien361 noch in seinem fünften Buch der Metaphysik, wo er über die Arten der Kategorien lehrt. Daher scheint es keinerlei Art zu sein oder Aristoteles wird vermindert. Hier kann man sagen, dass Aristoteles niemals die Art irgendeiner Kategorie362 angibt, weil er die unkörperlichen Substanzen nirgendwo in seinen Kategorien behandelt, auch nicht in seinem Kapitel über die Substanz im fünften Buch seiner Metaphysik 363. Es hat Aristoteles also behagt, nur einige Arten von einigen Kategorien anzugeben. Doch hat er von keiner [Kategorie] alle Arten angegeben, und selbst von den einzelnen [Kategorien] hat er nur einige Arten beschrieben. Denn von den Kategorien des ›Tuns‹ und des ›Leidens‹, des ›Wann‹, des ›Wo‹, des ›Gelegenseins‹ und des ›Habens‹ gibt er sowohl in seinen Kategorien als auch im fünften Buch der Metaphysik gar keine weitere Einteilung in Unterarten an; vielmehr unterscheidet er dort vielfältige Bezeichnungen, wie aus diesem Buch hervorgeht. Er gibt dort weder von der Substanz noch von der Beziehung, sondern nur von der Quantität und der Qualität einige Arten an, doch nicht alle. Dennoch ist Aristoteles dadurch nicht vermindert worden. Denn alle Arten der Kategorien zu beschreiben, bedeutet nichts weniger, als von allen Dingen durch wahre Definitionen einen Begriff zu geben. Denn dann müsste man alles nach Belieben aus den Gattungen durch Unterteilung gemäß den jeweiligen artbildenden Unterschieden hervorlocken. Das aber ist es, was in allen Wissenschaften betrachtet wird, und man bräuchte für deren Darstellung ein sehr großes und spezielles Buch. Das hat er in den uns bekannten Schriften von ihm unterlassen, wenn er auch vielleicht ein spezielles Buch hierüber verfasst hat, das noch nicht in die Hände der Lateiner gelangt ist, ebenso wenig wie der beste oder auch nur der größte Teil seiner Philosophie. Denn er hat 1000 Abhandlungen geschrieben, wie in seiner Lebensbeschreibung 364 zu lesen ist.

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Teil I

Si tamen dicatur, quod proprium est quantitatis dividi in infinitum, unde Aristoteles in quinto Metaphysicae diffinit quantitatem per naturam divisibilitatis, dicens: »Quantitas est quae dividitur in res,« etc.: dicendum est quod, quia non est nisi una species quantitatis divisione carens, et illa est ignotissima, vix a sapientissimis comprehensa; ita ut multitudo sapientum nunquam sciverit ejus veritatem, sicut nec vulgus philosophantium; ideo quantitas in sermone vulgato accipitur semper tanquam divisibilis, et alia indivisibilis; si tamen secundum exquisitam veritatem aliqua quantitas est divisibilis et aliqua indivisibilis; unde in scripturis aliquorum antiquorum invenitur haec divisio quantitatis: quantitatum alia divisibilis, alia indivisibilis, ut discreta et continua; alia indivisibilis1, ut instans, et unitas, et punctus. Sed indivisibilis est dupliciter: una est species quantitatis, ut aevum; alia est principium et terminus, ut punctus, et caetera. Nec praedicatur quantitas univoce de terminis et speciebus, ut de instanti et tempore; sed aequivoce, sicut substantia de composito, et materia, et forma. De aevo tamen et aliis speciebus praedicatur univoce, sicut est univoca2 substantia de spirituali et corporali. Et illa natura univoca, quae est in genere generalissimo quantitatis, non arctatur ad naturam divisionis, sed antecedit eam, et abstrahitur a natura divisibilitatis, et stat in ratione generali mensurandi; quia proprium est quantitatis cujus­ libet mensurare.

1  alia ]  om. B. 2  est univoca ]  om. B.

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Wenn gesagt wird, dass es die Eigentümlichkeit der Quantität ist, ins Unendliche teilbar zu sein, da Aristoteles im fünften Buch der Metaphysik die Quantität durch die Natur der Teilbarkeit beschreibt, wenn er sagt: »Die Quantität ist es, was in der Sache geteilt wird«, usw.365, ist zu sagen: es gibt nur eine Art der Teilbarkeit der Quantität, die äußerst unbekannt ist und kaum von den Weisesten verstanden wird. Da die Menge der Weisen ihre Wahrheit nie kannte, ebenso wenig wie die Menge der Philosophierenden, wird die Quantität in der allgemeinen Diskussion immer als teilbar oder unteilbar aufgefasst. Doch gemäß der herrlichen Wahrheit ist eine Quantität teilbar, eine andere jedoch unteilbar. Daher wird in den Schriften einiger der Alten diese Unterteilung der Quantität gefunden: Einige Quantitäten sind teilbar, andere Quantitäten sind unteilbar, wie das Getrennte und das Kontinuierliche; unteilbare Quantitäten sind etwa der Augenblick, die Einheit und der Punkt. Doch das Unteilbare ist zweifach: das eine ist eine Art der Quantität, wie das Aevum; das andere [Unteilbare] ist ein Ursprung und eine Grenze, wie der Punkt usw. Die Quantität wird jedoch nicht univok von Grenzen und Arten prädiziert, wie es sich bei dem Augenblick und der Zeit verhält, sondern äquivok, wie bei der Substanz in Bezug auf das Zusammengesetzte, den Stoff und die Form. Doch vom Aevum und anderen Arten wird sie univok prädiziert, so wie es auch eine univoke Substanz von geistigen und körperlichen Dingen gibt. Und jene univoke Natur, die die allgemeinste Gattung der Quantität bildet, ist nicht in der Natur der Teilung verborgen, sondern geht ihr voraus, abstrahiert von der Natur der Teilbarkeit, und liegt in der Geordnetheit des Maßes. Denn es ist der Quantität eigentümlich, alles Beliebige zu messen.

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Teil I

CAPITULUM LII. [ 347]

Haec igitur quae jam diu protraxi de vacuo, et de immobilitate et localitate substantiarum spiritualium, et de aevo, annectere volui, propter hoc quod sunt annexa prioribus, quoniam reducuntur ad quantitatem quae consequitur ad naturam materiae, et quantitatem quam geometria considerat. Et quia haec difficillima sunt, cogitavi quod in aliquo operum haec notarem. Sed in primo et secundo aut non multum cogitavi de eis, ut excitarer ad scribendum, aut propter quantitatem operum libenter omisi, et propter hoc quod multum in illis festinavi. Nunc autem volo prosequi materiam Primi Operis.

CAPITULUM LIII. [ 348]

Postquam igitur habita est comparatio mathematicae ad res et scientias philosophiae, secundario comparatur ad scientiam theo­ logiae; et ibi primo docetur hoc in universali, secundo in particulari. Consideratio vero in universali erit per hoc; primo per necessitatem scientiarum et rerum. Nam cum scientiae aliae sunt necessariae theologiae, et cognitio rerum creatarum, quae ponuntur in Sacra Scriptura, similiter necessaria est, tunc patet quod ma-

KAPITEL 53

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KAPITEL 52 Erklärung für den Einschub der Diskussionen über das Vakuum, die geistigen Substanzen und das Aevum [ 347]

Ich wollte das, was ich bis hierher über das Vakuum, die Unbeweglichkeit und Verortung der geistigen Substanzen und über das ­Aevum vorgebracht hatte, miteinander verbinden, da diese Themen miteinander zusammenhängen, weil die materiellen Dinge auf Quantitäten zurückgeführt werden können und weil die Geometrie Quantitäten betrachtet. Weil das äußerst schwierige Betrachtungen sind, habe ich gedacht, dass ich in einem meiner Werke darauf hinweisen sollte. Aber beim ersten [Opus maius] und zweiten Werk [Opus minus] habe ich diese Dinge entweder nicht so sehr in Betracht gezogen, dass ich mich veranlasst gesehen hätte, sie aufzuschreiben, oder ich habe sie wegen des Umfangs der Werke absichtlich weggelassen, zumal ich bei diesen Werken in großer Eile war. Nun aber will ich die Thematik des ersten Werkes weiter­verfolgen.

KAPITEL 53 Über die Anwendung der Mathematik auf die Theologie [ 348]

Nachdem die Mathematik auf die Dinge und Wissenschaften der Philosophie bezogen worden ist, wird daraufhin ihre Beziehung zur theologischen Wissenschaft erläutert.366 Zuerst wird ihr Nutzen für die Theologie im Allgemeinen und danach im Besonderen gelehrt. Die Betrachtung der allgemeinen Bedeutung besteht zuerst in der Betrachtung ihrer Notwendigkeit für die anderen Wissenschaften und für die [Kenntnis] der Dinge in dieser Welt. Denn da die anderen Wissenschaften für die Theologie notwendig sind, und da die Kenntnis der geschaffenen Welt, die in der Heiligen Schrift dargestellt wird, ähnlich notwendig ist, folgt, dass die Mathematik für die heiligen Schriften notwendig ist, weil ohne sie die

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Teil I

thematica necessaria est Scripturae Sacrae, quia sine illa res hujus mundi et scientiae non possunt cognosci, ut ostensum est. Secundo ostendo hoc per sanctos. Nam sancti invenerunt et compleverunt hanc scientiam a principio mundi, scilicet filii Adae, et Noe et filii ejus, et Abraham, qui docuerunt primo Chaldaeos et Aegyptios hanc scientiam, sicut probo evidenter. Deinde sancti post Christum occupaverunt se magis in hac scientia quam in aliis, sicut probo, tam scribendo de his quam docendo alios, et exponendo Scripturam, et laudando eam super omnes alias scientias. Et licet in Opere Majori probavi hoc per multas auctoritates sanctorum, tamen1 hic volo unam earum referre, quae est generalis ad totam mathematicam et quatuor ejus partes, quae sunt geometria, arithmetica, astronomia, musica. Dicit eum Cassiodorus, doctor famosus in theologia, has scientias quatuor dum sollicita mente revolvimus, sensum acuunt, limumque ignorantiae detergunt, et ad illam speculativam contemplationem2, Domino largiente, perducunt. Quas merito sancti patres legendas3 persuadent; quia ex magna parte per eas appetitus a carnalibus rebus abstrahitur; et faciunt desiderare quae solo, Domino largiente, corde4 possumus respicere. Quomodo autem laudant sancti singulas partes mathematicae secundum se, et in particulari, patet ex Opere Majori. Deinde descendo ad utilitatem mathematicae respectu theologiae magis specialiter, et ostendo quod in septem radicibus magnis necessaria est mathematica respectu theologiae. Et sunt haec: coelestia, loca mundi, tempora, passiones temporum, numeri, figurae, musicalia. Quatuor prima pertinent ad astronomiam; nam haec

1  tamen ]  quae tamen, B. 2  contemplationem ]  geschrieben über considerationem, in Ti. 3  sancti patres legendas ]  legendas sancti patres, Ti. 4  corde ]  om. Ti.

KAPITEL 53

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Dinge dieser Welt und die anderen Wissenschaften nicht verstanden werden können, wie gezeigt worden ist. Zweitens zeige ich das mit Hilfe der Heiligen. Denn die Heiligen haben diese Wissenschaft am Beginn der Welt erfunden und vervollständigt. Schließlich waren es die Söhne Adams, Noah und dessen Söhne und Abraham, die diese Wissenschaft zuerst den Chaldäern und Ägyptern gelehrt haben, wie ich beweiskräftig zeige. Später haben sich die Heiligen nach Christi Geburt, wie ich ebenfalls zeige, mehr mit der Mathematik beschäftigt als mit anderen Wissenschaften: sowohl, indem sie hierüber geschrieben haben, als auch, indem sie sie gelehrt haben. Sie haben die [Heilige] Schrift durch die Mathematik ausgelegt und sie mehr als alle anderen Wissenschaften gelobt. Das habe ich im Opus maius zwar bereits durch viele Beispiele der heiligen Autoritäten belegt, doch hier möchte ich mich nur auf eine von ihnen beziehen, die die ganze Mathematik und ihre vier Teile – Geometrie, Arithmetik, Astronomie und Musik – allgemein beschreibt. Der bekannte Lehrer der Theologie, Cassiodor, sagt nämlich, dass diese vier Wissenschaften – wenn wir sie mit sorgsamem und begierigem Geist angehen – die Sinne schärfen, den Schmutz der Unwissenheit wegwischen und durch die Gnade Gottes zur spekulativen Kontemplation führen.367 Von diesem Verdienst überzeugen uns auch die Texte der heiligen Kirchenväter: denn man wird durch sie zu einem großen Teil von den fleischlichen Begierden weggezogen. Und sie führen uns dazu, zu begehren, was wir allein durch das Geschenk des Herrn mit dem Herzen erwarten können. Auf welche Weise die Heiligen hingegen die einzelnen Teile der Mathematik für sich genommen und im Besonderen loben, wird im Opus maius klar. Daraufhin komme ich auf den Nutzen der Mathematik in spezielleren Bereichen der Theologie zu sprechen und zeige, dass die Mathematik in sieben großen Bereichen für die Theologie notwendig ist.368 Diese Bereiche sind: die Himmelserscheinungen, die Orte der Welt, die Zeitalter, die passiones temporum369, die Zahlen, die geometrischen Figuren und die Dinge, die die Musik betreffen. Die ersten vier [Bereiche] sind Teile der Astronomie, denn nur sie kann

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Teil I

sola de illis certificat. Et ostendo multis modis quod cognitio coe­ lestium est omnino necessaria, et propter textum et propter sententias. Nam multa disputant theologi de his; et multa in textu et expositione ejus in libris sanctorum inveniuntur, quae habent magnas difficultates. Nam theologi disputant in sententiis de continuitate et de multitudine coelorum, de figura eorum, et de circulis eccentricis et epicyclicis, et aliis; de motibus coelorum, de influentia coelorum in haec inferiora, de fato, et hujusmodi per coelestia respectu hominis, et de multis aliis ac magnis. Textus etiam in operibus Sex Dierum requirit notitiam de coelestibus; et in Josua, et in1 Libris Regum, et Esaia, de longitudine diei in horologio Achaz, et in Ecclesiaste, cum dicatur: »Oritur sol et occidit, et ad suum locum2 revertitur: gyrat per meridiem, et flectitur ad aquilonem.« Et in Ecclesiastico, quadragesimo tertio capitulo, de altitudine firmamenti, et multis quae in illo capitulo continentur; et in Job, de Hyadibus, et Pleiadibus, et Orione, et Arcturo, et hujusmodi. Et sic per diversa loca Scripturae. Et Hieronymus dicit super Esaiam de Orione, quod habet viginti duas stellas, quarum novem primae sunt in tertia magnitudine, et novem residuae in quarta magnitudine, et quatuor aliae in quinta magnitudine; et sic de multis quae in originalibus sanctorum dicuntur, quae nullus de vulgo theologorum potest intelligere. Nam ad intelligendum hoc verbum Hieronymi oportet videre octavum librum Almagesti, ubi distinguuntur magnitudines stellarum fixarum. Quoniam sex

1  et in ]  om. Ti. 2  suum locum ]  locum suum, Ti.

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diese Phänomene erklären. Ich zeige auch auf vielerlei Weise, dass die Kenntnis der Himmelserscheinungen überhaupt notwendig ist: sowohl für das Verständnis der Heiligen Schrift als auch für das Verständnis der Aussprüche [der Heiligen]. Denn die Theologen führen zahlreiche Diskussionen darüber; und man findet vieles in der Heiligen Schrift und in ihrer Auslegung in den Büchern der Heiligen, was nur sehr schwer verständlich ist. Denn die Theologen diskutieren in ihren Kommentaren unter anderem über die Fortdauer und die Anzahl der Himmelssphären, ihre Gestalt, die exzentrischen und epizyklischen Kreisbahnen und über vieles andere; über die Bewegungen der Himmelssphären, über den Einfluss der Himmelserscheinungen auf die Dinge in der Erdsphäre, über das Schicksal und den Einfluss der Sterne auf den Menschen und über viele andere und große [Phänomene]. Denn der Text über das Sechstagewerk erfordert ebenso eine Kenntnis der Himmelsdinge wie das, was im Buch Josua und in den Büchern der Könige und Jesaiah geschrieben steht: etwa die Länge des Tages in der Stundenzählung Ahas370 oder die Stelle im Buch Kohelet, wenn gesagt wird: »Die Sonne geht auf und geht unter und läuft an ihren Ort: Der Wind geht gen Mittag und kommt herum zur Mitternacht.«371 Man kann auch das 43. Kapitel des Buches Kohelet anführen, wo die Höhe des Firmaments behandelt wird, ebenso wie vieles andere, was in diesem Kapitel enthalten ist.372 Auch im Buch Hiob, etwa über die Hyaden, die Pleiaden, den Orion, das Sternzeichen des Bären und Ähnliches. Das gilt für viele Stellen in der Heiligen Schrift. Und Hieronymus sagt in seinem Kommentar zu Jesaia 373 über das Sternbild des Orion, dass es aus 22 Sternen besteht, von denen die ersten neun [Sterne] zur dritten Größenordnung gehören, weitere neun [Sterne] zur vierten Größenordnung und die restlichen vier [Sterne] zur fünften Größenordnung. Ähnlich gibt es auch vieles Weitere, was ursprünglich von den Heiligen gesagt worden ist, wovon die Menge der Theologen heute aber nichts verstehen kann. Denn um diesen Ausspruch des Hieronymus verstehen zu können, muss man sich das achte Buch des Almagest 374 anschauen, in dem die verschiedenen Grö-

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Teil I

sunt magnitudines earum, de quarum tribus hic fit mentio. Stellae in prima magnitudine sunt quindecim, et quaelibet earum est plus quam centies major tota terra. Plures autem sunt in sexta magnitudine, quae est minima, et quaelibet earum est decies octies major1 tota terra. Sed de his inferius in Opere Majori fit expositio sufficiens, ut tangam suo loco. Similiter super illud Ecclesiastes, »Sol oritur2 et occidit,« dicit Hieronymus in originali, quod hoc verbum non solum intelligitur de motu annuo, sed diurno. Sed nullus est homo ita peritus in astronomia qui satis haberet hoc salvare et intelligere. Requisivi enim peritissimos super hoc et nesciverunt respondere. Nam a solstitio aestivali usque ad solstitium hyemale, verum est quod sol omni die in zodiaco3 flectitur ad aquilonem4 fere per gradum unum, id est, per partem coeli in circuitu fere trecentesimam sexagesimam. Sed a solstitio hyemali nusquam flectitur ad aquilonem, sed ad meridiem5, usque ad solstitium aestivale. Similiter consideretur aequidistans in qua fertur illa flectitur ad aquilonem in6 illo dimidio anno, sed magis ad meridiem, propter gradum quem acquirit sol motu sui. Unde, quantum ad sensum, non flectit se in aliquam partem, licet tamen secundum veritatem in uno dimidio anno flectit se parum ad aquilonem, et in alio parum ad meridiem, omni die fere per unum gradum7. Unde aequidistantes8 non sunt vere circuli, sed spirae; eo quod finis et principium non cadunt in idem punctum, et ideo in idem redit flexus solis in zodiaco et in9 aequidistante. Nec potest flexus hic considerari secundum declinationem horizontis, quia adhuc flectitur in illo dimidio anno ad meridianam 1  major ]  om. B. 2  sol oritur ]  oritur sol, Ti. 3  in zodiaco ]  om. Ti. 4  ad aquilonem ]  ad meridiem, Ti. Korrigiert von ab aquilone. 5  ad … meridiem ]  ad meridiem, sed ad aquilonem, Ti. 6  in ]  om. Ti. 7  unum gradum ]  gradum unum, Ti. 8  aequidistantes ]  »aequidistantes sunt paralleli quas describit sol omni die.« Ti. in Marg. 9  in ]  om. Ti.

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ßen der Fixsterne unterschieden werden. Von diesen haben sechs Sterne die Größe derjenigen Fixsterne, von denen ich hier gesprochen habe. Es gibt 15 Fixsterne erster Größe, und jeder von ihnen ist mehr als hundertmal größer als die Erde. Viele [Fixsterne] werden aber auch der sechsten Größenordnung zugeordnet, die die kleinste ist, und jeder von ihnen ist 18 mal größer als die Erde. Doch davon spreche ich weiter unten im Opus maius zu Genüge375, weshalb ich darauf am dafür geeigneten Ort eingehen werde. Ähnlich verhält es sich auch mit Hieronymus’ Kommentar der Stelle im Kohelet, wo es heißt »Die Sonne geht auf und geht unter«. Dort sagt [Hieronymus] im Original, dass dieser Satz nicht nur bezüglich des jährlichen, sondern auch bezüglich des täglichen Sonnenlaufs verstanden werden muss376. Doch es gibt keinen Menschen, der so bewandert in der Astronomie wäre, dass er diese Stelle hätte auflösen und verstehen können. Ich habe deswegen sehr fähige Astronomen aufgesucht, doch keiner konnte mir diese Stelle erläutern. Denn es ist wahr, dass die Sonne von der Sommersonnenwende bis zur Wintersonnenwende ihre Position entlang des Tierkreises jeden Tag um ungefähr einen Grad in Richtung Norden ändert, also in diesem Himmelsbereich in einem Umlauf ungefähr um 360 Grad. Doch von der Wintersonnenwende bis zu Beginn der Sommersonnenwende wandert sie niemals nach Norden, sondern nach Süden. Ähnlich sollte auch die Äquidistanz eingeschätzt werden, die die Sonne während eines halben Jahres Richtung Norden zurücklegt. Doch weiter geht sie aufgrund ihrer Eigenbewegung gen Süden. Daher bewegt sich die Sonne in Wahrheit in einem halben Jahr jeden Tag um einen Grad ein wenig Richtung Norden; und in einem anderen halben Jahr Richtung Süden, auch wenn es den Sinnen so scheint, als ob sie sich nicht bewegen würde. Daher sind die Äquidistanzen eigentlich nicht wirklich kreis-, sondern spiralförmig, sodass Ende und Anfang nicht in demselben Punkt zusammenfallen, und sodass daher der Sonnenwendepunkt im Tierkreis und der Äquistanz zurückgeht. Auch kann ihre Wanderung hier nicht gemäß einer Abweichung des Horizonts erklärt werden, weil sie sich in jenem halben Jahr

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Teil I

partem horizontis, nec habet comparationem ad horizonta, nisi propter aequidistantem; ergo judicabitur secundum eam. Non igitur videtur quod hic flexus possit salvari secundum veritatem, sed secundum judicium sensus. Nam quia in communi judicio judicamus secundum sensum, multa reperiuntur apud auctores quae dicta sunt secundum quod apparent. Ex perspectiva igitur dictum est, quod magis comprehendimus distantiam stellarum in oriente et occidente, propter interpositionem terrae, quam in meridie. Et ideo, licet secundum lineam extensam inter orientem et occidentem1 videntur plus distare a nobis, quam secundum lineam extensam a medio coeli usque ad angulum terrae, tamen videntur esse propinquiores nobis in oriente et occidente quam in meridie, considerando lineam quae est extensa inter polos mundi. Et quia nos sumus multum versus polos, ideo in ortu et occasu videtur sol magis esse2 versus aquilonem quam in meridie; sicut quilibet potest judicare omni die ad visum, quando sol videtur in ortu, et meridie, et in occasu. Videtur enim quod quando est in ortu et occasu propinquior sit polo nostro, et quasi sit in directo nostri; sed quando est in meridie, videtur multum flecti ad polum meridianum. Omni igitur die anni videtur sol, quantum ad sensum, flecti ad aquilonem in occasu, postquam gyravit secundum sensum nostrum ad meridiem in medio diei. Certe sic occurit dubitatio gravis de aliis quae dicta sunt, et de multis quae non possum hic enarrare.

1  orientem et occidentem ]  oriens et occidens, B. Ti. 2  magis esse ]  esse magis, Ti.

KAPITEL 53

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zum südlichen Teil des Horizonts bewegt und keine Beziehung zum Horizont hat, außer durch ihre Äquidistanz; also wird sie ihr entsprechend bestimmt. Es scheint daher nicht so, dass man diese Wanderung der Wahrheit entsprechend lösen kann, sondern nach dem Urteil der Sinne. Denn da wir beim allgemeinen Urteilen dem Sinn nach urteilen, werden bei den Autoren viele Dinge gefunden, die nach den Erscheinungen bestimmt werden. Folglich ist auch in der Perspektivik gesagt worden, dass wir die Entfernung der Sterne im Osten und Westen aufgrund der Zwischenposition der Erde besser erfassen können als im Süden. Daher: auch wenn sie gemäß der zwischen Osten und Westen gezogenen Linie weiter von uns entfernt zu sein scheinen als gemäß der von der Himmelsmitte bis zum Winkelpunkt der Erde gezogenen Linie, scheinen sie uns doch im Osten und Westen näher zu sein als im Süden, wenn man die Linie betrachtet, die zwischen den Polen der Erde gezogen wird. Da wir uns weit gegenüber den Polen befinden, scheint uns die Sonne während ihres Auf- und Untergangs mehr im Norden als im Süden zu sein, wie jeder jeden Tag selbst sehen kann, wenn die Sonne während ihres Aufgangs, während der Mittagszeit und während ihres Untergangs scheint. Es scheint nämlich, dass sie unserem Pol während ihres Auf- und Untergangs näher ist, als ob sie uns gleichsam in gerader Linie gegenüber liegt; doch während der Mittagszeit scheint sie sehr vom Südpol abzuweichen. Denn jeden Tag des Jahres scheint die Sonne für die Sinne während ihres Unter­gangs nach Norden abzuweichen, nachdem sie sich für unsere Sinne in der Mitte des Tages nach Süden gedreht hat. Sicher tritt auch schwerwiegender Zweifel bei anderen hier von mir genannten Dingen auf, ebenso wie über viele andere Dinge, die ich hier nicht anführen kann.

Teil I

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CAPITULUM LIV. [ 354]

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Deinde descendo ad radicem secundam, quae est de cognitione locorum mundi. Manifestum enim est quod totus textus decurrit super haec loca, et per haec loca corporalia significantur loca spiritualia, et per vias ad ea viae spirituales; et majora mysteria in his locis continentur quam auris mortalis potest audire, aut mens humana intelligere, sicut dicit Origines super Josue. Et sanctus Hieronymus, et Eusebius, et alii iverunt per loca sacra, ut haberent intellectum Scripturae. Et ipsi, et Isidorus, et Orosius ad Augustinum, Beda, et multi, diligenter scripserunt de his locis; et descriptiones ordinaverunt in pellibus, propter intellectum tam sensus literalis quam spiritualis. Et pono exemplum de hoc in1 Jordane, Hiericho2, et Hierusalem, et de via inter haec, quomodo sensus spirituales possunt pulchre elici, cognita distinctione locorum mundi. Nihil enim magis necessarium est sciri propter intellectum Scripturae. Nam loca mundi ­dispersa sunt ubique in visceribus Scripturae, tam Novi quam Veteris Testamenti3. Et etiam res locatae non possunt cognosci nisi per loca; quia complexiones earum accidunt per complexiones locorum. Et ideo pluries et plus scripsi de his locis in Majori Opere, quam de aliis rebus. Nam prius posui radices de complexionibus locorum; nunc autem aliquos ramos, fructus, et flores.

1  de hoc in ]  in hoc de, Ti. 2  Hiericho ]  Jerico, Ti. B. 3  Nam … Testamenti ]  om. Ti.

KAPITEL 54

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KAPITEL 54 Über den Nutzen der Mathematik für die Geographie und die Zeitberechnung [ 354]

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Daraufhin komme ich zur zweiten Wurzel [der Nützlichkeit der Mathematik für die Theologie], die in der Kenntnis der Orte auf der Erde besteht 377. Es ist nämlich offensichtlich, dass die ganze Heilige Schrift sich oft auf bestimmte Orte bezieht. Durch diese körperlichen Orte auf der Erde werden auch die geistigen Orte bezeichnet; und auf diesen Wegen gelangt man auch zu den geistigen. Denn es sind größere Mysterien an diesen Orten geschehen, als die sterblichen Ohren hören oder der menschliche Verstand verstehen kann, wie Origines in seiner Homilie über Josua378 sagt. Der Heilige Hieronymus, Eusebius und andere sind zu den heiligen Orten gegangen, um den Sinn der Schrift besser verstehen zu können. Diese haben auch sorgfältig und ausführlich über diese Orte geschrieben, ebenso wie Isidor [von Sevilla]379, Orosius in seiner Schrift an Augustinus380, Beda [Venerabilis] und viele andere. Und ihre Beschreibungen haben sie auf Pergament geordnet, damit wir den Literalsinn und den Spiritualsinn verstehen können. Ich führe hierfür [im Opus maius] den Jordan, Jericho, Jerusalem und den Weg zwischen diesen Orten an.381 Ich erkläre dort, auf welche Weise die Spiritualsinne sehr schön enthüllt werden können, wenn man die Unterschiede der verschiedenen Orte auf der Erde kennt. Denn nichts ist wichtiger, um die Heilige Schrift verstehen zu können, weil die Orte der Welt überall im Inneren der Schrift verstreut sind, sowohl im Alten Testament als auch im Neuen Testament. Daher kann man die Dinge, die an bestimmten Orten geschehen sind, nur durch eine Kenntnis der Orte selbst verstehen; denn die Eigenschaften dieser Dinge ergeben sich aufgrund der Mischungen bestimmter Orte. Aus diesem Grund habe ich über diese Orte im Opus maius mehr geschrieben als über die anderen Dinge. Denn zuerst habe ich die Wurzeln für die Mischungen der Orte beschrieben; nun aber einige Äste, Früchte und Blüten.

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Teil I

Sed postea in comparatione mathematicae ad rempublicam digero1 totam divisionem locorum mundi secundum astronomiam; et deinde secundum naturales philosophos, et secundum sanctos, et secundum eos qui nostri temporis experti sunt loca mundi, et per iter et navigium. Et hoc est quasi maximum quod fieri potest, ut sic homo habeat totum mundum in imaginatione certa, et omnes diversitates hominum, et sectas, et ritus; et depingat ante oculos suos quando vult et quibus vult hoc exponere. Et ideo summe notanda est consideratio horum locorum, propter sapientiae magnitudinem. Tertia radix est penes tempora: nam nulla scientia potest tempora certificare nisi ista; nec aliqua2 alia se de hoc intromittit. Et ibi sunt multae considerationes utiles et magnae. Nam maxima inter omnes considerationes Scripturae Sacrae3 est de cursu historiae a principio mundi usque ad Christum, per omnes aetates et saecula. Tota vero Scriptura Vetus ad ipsum ordinatur, et ut tempus ejus habeatur, nec ante tempus ejus expectetur Salvator mundi; nec post, sicut Judaei adhuc inaniter et erronee expectant. Et Saraceni credunt quod tempus salutis incepit quando venit Machometus. Necessarium igitur est nobis Christianis, et maxime theologis, ut pro nostra utilitate, et intellectu Scripturae, et contra Judaeos, et Saracenos, et omnes sectas perversas, sciamus certificare historiam hanc a principio usque ad Christum. Et ideo reputo summe notandum istud. Sed Textus Sacer non continuat hanc historiam, ut patet per totum tempus a Machabaeis usque ad Nativitatem Domini; nec chroni-

1  digero ]  dirigo, Ti. 2  aliqua ]  om. Ti. 3  Scripturae Sacrae ]  Sacrae Scripturae, Ti.

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Daraufhin habe ich in Anwendung der Mathematik auf den Nutzen des Allgemeinwohls alle Orte der Erde so angeordnet, wie es die Astronomie lehrt.382 Danach bin ich auf die Ansichten der Naturphilosophen und der Heiligen eingegangen und habe auch diejenigen erwähnt, die in der heutigen Zeit die Orte der Welt gut kennen, weil sie zu Fuß oder mit dem Schiff dorthin gereist sind. Denn mehr kann fast nicht erreicht werden, als dass der Mensch eine sichere Vorstellung der gesamten Welt und aller Unterschiede der verschiedenen Völker, der verschiedenen Religionen und ihrer Riten hat – denn so kann der Mensch die Welt vor seinem Auge entstehen lassen, wann immer er will; und er kann sie jedem erklären, wenn er möchte. Daher ist eine Betrachtung dieser Orte aufgrund der Herrlichkeit der in ihr liegenden Weisheit äußerst bedenkenswert. Die dritte Wurzel [der Mathematik] betrifft die Zeitalter383: denn keine andere Wissenschaft als die Mathematik kann uns hier­über Auskunft geben oder uns in dieses Themengebiet einführen. Es gibt darüber viele weitreichende und äußerst nützliche Überlegungen, denn die Heilige Schrift behandelt häufig den Lauf der Geschichte seit dem Beginn der Welt bis zu Christus und durchschreitet alle Zeitalter und Jahrhunderte. Das ganze Alte Testament ist auf Christus und darauf hingeordnet, wann seine Zeit kommen wird, damit der Erretter nicht vor der Zeit und auch nicht danach erwartet wird, wie die Juden vergeblich und fälschlicherweise hoffen. Und die Sarazenen glauben, dass die Heilszeit begonnen hat, als Mohammed gekommen ist. Es ist für uns Christen – ganz besonders für die Theologen – daher äußerst notwendig, dass wir für unseren eigenen Nutzen, für das Verständnis der Schrift und gegen die Juden, Sarazenen und alle anderen falschen Religionen wissen, wie man die Geschichte vom Beginn der Welt bis zu Christus richtig berechnen kann. Daher denke ich, dass das äußerst betrachtenswert ist. Doch der Heilige Text setzt die Geschichte nicht ununterbrochen fort, wie anhand der gesamten Zeit von den Makkabäern bis zur Geburt des Herrn deutlich wird. Und weder die Chroniken

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cae, nec historiae sanctorum et aliorum historiographorum certificant hic: nam apparet in eis contrarietas infinita, et translationes textus discordant crudeliter. Quapropter istud magnificum fundamentum1 Scripturae et professionis fidei Christianae non potest sciri usque ad haec tempora per has vias. Deinde non solum hoc tempus ignoratur quantum ad summam, sed tempora singularum aetatum et saeculorum habent infinitam dubitationem. Quod vero nunc dixi de summa temporis et partium, aliqua exempla proponam. Secundum quod reperitur in chronicis Eusebii, quas Hieronymus transtulit, et quibus maxime utitur ecclesia, ab Adam usque ad Nativitatem Christi, primo anno Christi incluso, fiunt anni 5198, scilicet quinque millia centum nonaginta octo. Hoc autem declarat sic: Ab Adamo usque ad Diluvium anni fuerunt 2242; a Diluvio usque ad Abraham, 942 anni; ab Abraham usque ad Nativitatem Christi, anni 2014. Sed cum sequatur editionem Septuaginta Interpretum, ut planum est, patet per aggregationem annorum singularum generationum, praedictum Eusebium in secunda aetate in centum triginta annis esse diminutum. Quod etiam probatur per Augustinum de Civitate Dei, libro xvi. capitulo x.2, qui dicit a Diluvio usque ad3 Abraham 1072 anno4 fuisse promulgatam editionem, id est, Septuaginta Interpretum. Sed Eusebius non posuit nisi 942; et hoc est minus in 130, ut patuit supra. Orosius vero, in libro de Ormesta Mundi, scribens beato Augustino, his addit unum annum, dicens quod fuerint ab Adam usque ad Nativitatem Christi 5199; qui numerus, licet videatur inclusive intelligi, tamen exclusive scribitur, in cereo paschali. Secundum vero Hebraicam veritatem, sicut Beda scribit in libro Temporum, fuerunt 3952 anni. Sicut vero colligitur ex moderno1  magnificum fundamentum ]  fundamentum magnificum, Ti. 2  libro … x. ]  xviii. libro, capitulo x., B. 3  ad ]  om. Ti. 4  anno ]  anni, Ti.

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noch die Geschichtsdarstellungen der Heiligen und der anderen Geschichtsschreiber bieten hier Sicherheit: denn in ihren Schriften treten unzählige Widersprüche auf; und die Übersetzungen des Textes weichen alle furchtbar voneinander ab, weswegen dieses herrliche Fundament der Schrift und des christlichen Glaubensbekenntnisses bis heute auf diese Weise nicht erkannt werden kann. Zudem ist diese Zeit nicht nur im Allgemeinen unbekannt, sondern es herrscht auch über die einzelnen Zeitalter und Jahrhunderte unendlicher Zweifel. Ich werde das, was ich hier über die Zeit im Allgemeinen und über ihre Teile gesagt habe, mit weiteren Beispielen belegen. Nach den Berechnungen in den Chroniken des Eusebius, die Hiero­nymus übersetzt hat 384 und die in der Kirche regelmäßig benutzt werden, sind von Adam bis zur Geburt Christi – das erste Jahr Christi eingeschlossen – 5198 Jahre vergangen, also fünftausendeinhundertachundneunzig Jahre. Das erklärt er so: Von der Geburt Adams bis zur Sintflut sind 2242 Jahre vergangen; von der Sintflut bis Abraham 942 Jahre; von Abraham bis zur Geburt Christi 2014 Jahre. Doch wenn man die Septuaginta berücksichtigt, folgt aus der Aneinanderreihung der Lebensjahre der einzelnen Generationen, dass die genannte Chronik des Eusebius im zweiten Zeitalter um 130 Jahre verkürzt ist. Das wird auch durch Augustinus in seinem Gottesstaat, Buch 16, Kapitel 10, belegt 385, wo er sagt, dass der Sep­ tuaginta entsprechend von der Sintflut bis zu Abraham 1072 Jahre vergangen sind. Doch Eusebius hat hierfür nur 942 Jahre angesetzt, was 130 Jahre weniger sind, wie oben deutlich geworden ist. Orosius hingegen hat in seiner Weltgeschichte, die er für Augustinus verfasst hat, ein Jahr hinzugefügt und ist der Ansicht, dass von Adam bis zur Geburt des Herrn 5199 Jahre vergangen sind386; eine Zahl, die – auch wenn sie anscheinend einschließlich verstanden wird – doch äußerlich auf die Osterkerze geschrieben wird. Nach der hebräischen Wahrheit, die uns Beda [Venerabilis] in seinem Buch über die Zeitberechnung überliefert, waren es 3952 Jahre387. Wenn man die Zahl jedoch der modernen hebräischen

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rum Hebraeorum computatione, ab Adam usque ad tempus quo nos ponimus Nativitatem Christi, fuerunt 3760 anni. Similiter in partibus hujus1 temporis est magna contrarietas, et dubitatio major. Nam in secunda aetate, undecimo capitulo Geneseos, habetur in codicibus Latinorum, quod vixit Arphaxad, postquam genuit Sale, trecentis tribus annis; et Hebraeus habet quadringentos tres annos; et Graecus, secundum Septuaginta Interpretes, inter Arphaxad et Sale interponit aetatem Chamam in 130 annis; de quo Lucas meminit in generatione Domini. Similiter de annis Abrahae. Textus enim dicit, septuaginta quinque annorum erat Abraham, cum egrederetur de Haran. Sed cum post mortem patris exivit, qui ducentis quinque annis vixit, et Thare existens septuaginta annorum generavit Abraham, constat quia, mortuo patre, erat 135 annorum; nam tot remanent, demptis septuaginta de 205. Augustinus nititur hoc solvere, et Hieronymus, et Hebraei; sed valida et insolubilia adhuc fiunt argumenta contra quamlibet solutionem. Sed longum esset hoc scribere, et ideo dimitto usque ad pleniorem scripturam. De annis vero Salomonis dubitatio est2 gravis; nam Josephus in octavo Antiquitatum libro, super quem omnes sancti et historiae fundamentum habent, dicit quod3 mortuus est Salomon valde longaevus, et regnavit octoginta annis. Et secundum hoc texit historiam sacram. Sed textus noster non habet nisi medietatem. Baasa vero rex, tertii Regum capitulo xv., dicitur in tertio anno4 Asa incepisse regnare, et viginti quatuor annis regnasse. Ergo usque ad vigesimum sextum ipsius Asa, ad plus regnavit; et hoc patet per xvi. capitulum, ubi dicitur quod anno vicesimo sexto Asa regnavit Hela filius Baasa; sed secundo Paralipomenon xvi. dicitur, quod anno trigesimo sexto regni Asa ascendit Baasa. Similiter in

1  hujus ]  om. Ti. 2  est ]  om. Ti. 3  quod ]  om. Ti. 4  anno ]  regni, Ti.

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Zeitberechnung entnimmt, sind seit Adam bis zu der Zeit, in der wir die Geburt Christi ansetzen, 3760 Jahre vergangen. Ähnlich gibt es auch bei den einzelnen Zeitabschnitten viele Widersprüche und große Zweifel: Denn im elften Kapitel der Genesis steht in den lateinischen Handschriften, dass Arphachsad im zweiten Zeitalter noch 303 Jahre lebte, nachdem er Salah gezeugt hatte388; bei den Hebräern steht jedoch 403 Jahre; und die Griechen fügen gemäß der Septuaginta zwischen Arphachsad und Salah noch das Zeitalter Kenans mit 130 Jahren ein, woran uns Lukas im Stammbaum des Herrn erinnert 389. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Alter Abrahams: denn der Text sagt, dass Abraham 75 Jahre alt war, als er aus Haran fortzog 390. Doch da er erst nach dem Tod seines Vaters Therach fortzog, der 205 Jahre gelebt hat 391, und da Therach mit 70 Jahren Abraham gezeugt hat 392, steht es fest, dass es bis zu dem Tod des Vaters noch 135 Jahre waren; denn so viele Jahre bleiben zwischen den 70 und den 205 Jahren übrig. Augustinus hat sich sehr darum bemüht 393, diesen Widerspruch aufzulösen, ebenso wie Hieronymus394 und die Hebräer; doch sind die Argumente gegen jede Art von Lösung stark und nicht lösbar. Aber hierüber ließe sich viel schreiben, weshalb ich das hier bis zu einer umfangreicheren Schrift zurückstelle. Ebenso bestehen hinsichtlich der Lebenszeit Salomons große Zweifel: Denn Josephus schreibt im achten Buch der Altertümer 395, auf das sich alle Heiligen und alle Geschichtsdarstellungen stützen, dass Salomon recht hochbetagt gestorben ist und 80 Jahre regiert hat. Und dementsprechend hat man die heilige Geschichte bestimmt. Doch nach unserem Text hat er nur halb so lange gelebt. Denn im dritten Buch der Könige396, Kapitel 15, wird gesagt, dass der König Bascha im dritten Jahre der Regierung Asas zu regieren begonnen habe, und dass Bascha 24 Jahre lang regierte. Er hat also bis zum 26. Jahr des Königs Asa regiert, was aus dem 16. Kapitel hervorgeht 397, wo gesagt wird, dass im 26. Jahr des Königs Asa der Sohn des Bascha, nämlich Ela, zu regieren begonnen habe. Doch im zweiten Buch der Chronik, Kapitel 16, steht geschrieben, dass Bascha im 36. Jahr der Regierung Asas gegen Asa hinaufzog 398.

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vicesimo primo capitulo, secundi Paralipomenon, habetur: Joram fuit triginta duo annorum cum regnare coepisset, et octo annis regnavit in Hierusalem; quorum summa est quadraginta anni. Et in principio xxii. dicitur quod filius ejus, Ocozias, erat quadraginta duorum annorum cum regnare coepisset, et uno anno regnavit in Hierusalem. Ex quo sequitur quod Ocozias fuit natus ante patrem suum per biennium, quod nihil est dictu. Eusebius vero et Beda non ponunt nisi triginta annos captivitatis Babyloniae, cum tamen secundum Hieremiam videatur quod debeant poni septuaginta duo anni, usque ad solutionem captivitatis, quae praedicta fuerat per Cyrum debere impleri. Et haec est communis sententia, scilicet quod septuaginta duo anni captivitatis fuerunt. Sunt autem alia quae habent dubitationes consimiles, vix numerabilia; sed haec sufficiant pro exemplis. Est igitur necessaria consideratio de his propter istas controversias. Et similiter propter certitudinem temporis Christi, qua nihil in Scriptura magis considerandum, nisi corruptio Textus Sacri in litera et in sensu literali, de qua superius est annotatum, et adhuc inferius in peccatis studii recitabitur. Sed, ut dixi, nulla scientia certificat de temporibus, nisi astronomia; quia ejus est considerare revolutiones motuum coelestium, qui fiunt in temporibus certis; et similiter renovationes eclipsium, quae non cadunt nisi ad tempora certa, et in his non potest errare. Et ideo Ptolomaeus in Almagesti consideravit per eclipses tempora, et certificavit tempus Nabuchadonozor, et totum tempus ab eo usque ad Alexandrum Magnum, et ab illo usque ad Ocatavianum Augustum; cujus quadragesimo secundo anno Dominus noster natus est secundum omnes historias, et secundum sanctos; et

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Ähnlich steht im 21. Kapitel399, dass Joram 32 Jahre alt war, als er zu regieren begonnen habe, und dass er acht Jahre lang in Jerusalem regierte. Was eine Summe von 40 Jahren ergibt. Und zu Beginn des 22. Kapitels400 steht, dass sein Sohn Ahasja 42 Jahre alt war, als er zu regieren begann, und dass er ein Jahr in Jerusalem regierte. Woraus folgt, dass Ahasja zwei Jahre vor seinem Vater geboren worden ist, was darauf hinausläuft, nichts zu sagen. Eusebius401 und Beda402 meinen, dass die Babylonische Gefangenschaft 30 Jahre gedauert habe, wobei es nach Jeremias403 doch so scheint, als hätten sie 72 Jahre bis zur Befreiung aus der Gefangenschaft annehmen müssen, deren Erfüllung durch Kyros vorhergesagt worden war. Es ist auch die allgemeine Ansicht, dass die Gefangenschaft 72 Jahre gedauert hat. Es gibt noch unzählige weitere Passagen, bei denen ähnliche Zweifel herrschen, doch mögen diese hier als Beispiele genügen, weil an ihnen bereits deutlich wird, dass aufgrund dieser Widersprüche eine eingehendere Betrachtung notwendig ist. Ebenso viele Zweifel herrschen auch bei sicheren Berechnungen der Zeit Christi, über die man in der Schrift nicht viele Informatio­ nen erhält. Hinzu kommt noch die Verdorbenheit vieler Passagen des Heiligen Textes in den Buchstaben und im Literalsinn, von der schon weiter oben die Rede war und über die noch weiter unten unter dem Stichwort der Sünden des Studiums einiges gesagt werden wird. Wie ich bereits sagte, vermag man mit keiner anderen Wissenschaft die Zeiten zu berechnen als mit der Astronomie. Denn es fällt in ihr Aufgabengebiet, die Umläufe der Himmelssphären zu betrachten, die zu bestimmten Zeiten stattfinden, ebenso wie die Sonnen- und Mondfinsternisse, die nur zu festgesetzten Zeiten auftreten und bezüglich derer man sich nicht irren kann. Daher hat Ptolemäus im Almagest 404 die Zeitverläufe durch die Eklipsen berechnet und so die gesamte Zeit von Nebukadnezar bis zu Alexander dem Großen und bis zu Augustus bestimmt, in dessen 42. Jahr unser Herr Jesus Christus geboren worden ist, wie die Geschichtsschreiber und die Heiligen berichten. Und von diesem an

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ab illo certificavit quantum fuit usque ad tempus suum, scilicet usque ad Adrianum principem, sub quo Ptolomaeus fecit considerationes suas; sed ante Nabuchadonozor non consideravit tempora. Alii tamen non tacuerunt, et praecipue Albumazar in libro Conjunctionum. Nam ibi ponit principium mundi et primum hominem, scilicet Adam; et a creatione ejus notat tempus usque ad Diluvium, docens qua die et qua hora fuit Diluvium. Nam a plasmatione Adae usque ad noctem diei Veneris, in qua fuit Diluvium, fuerunt anni 2226, et mensis unus, et viginti tres dies, et quatuor horae. Deinde dicit modos verificandi totum tempus a Diluvio usque ad destructionem legis Machometi per omnia media, scilicet de tempore Nabuchadonozor, et Alexandri, et Christi, et Machometi; volens quod princeps legis foedae et malignae habeat sequi Machometum; et hic est Antichristus: quia nulla lex sequitur, nisi lex Antichristi, ut planum est. Secundum quod considerandum est de temporibus est principium anni, et per consequens principium mundi; an sit in lunatione Octobris, an in lunatione Aprilis. Haec sunt optime consideranda, propter difficultatem et pulchritudinem considerationis, quae per Textum Sacrum maxime potest fieri. Vulgus autem aestimat quod principium mundi fuit in vere, et quod primus mensis anni est Aprilis, sicut dicitur in Exodo: »Hic mensis est primus in mensibus anni.« Sed hoc dictum est ab inchoatione festorum legalium, non secundum seriem naturalem temporis, sicut pulchre dicit Josephus in primo Antiquitatum libro. Et quod hoc sit verum sine contradic­ tione possibili probavi in Opere Majori per textum, qui dicit hoc

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berechnete er die Zeit, die bis zu ihm selbst vergangen war, also bis zu der Zeit des Kaisers Hadrian, unter dem Ptolemäus seine Überlegungen angestellt hatte. Doch für die Zeit vor Nebukadnezar hat er keine Berechnungen angestellt. Andere haben hierüber jedoch nicht geschwiegen, vor allem Albumasar in seinem Buch Über die Konjunktionen405. Denn dort beschreibt er den Beginn der Welt und die Schöpfung des ersten Menschen Adam. Und vom Beginn der Welt an berechnet er die Zeit bis zur Sintflut so genau, dass er sogar lehrt, an welchem Tag und zu welcher Stunde die Sintflut stattgefunden hat. Seit der Schöpfung Adams bis zur Nacht des Freitag, in der sich die Sintflut ereignete, sind demzufolge 2226 Jahre, ein Monat, 23 Tage und vier Stunden vergangen. Danach berichtet er von vielen Mitteln, mit denen man die Zeit von der Sintflut bis zur Zerstörung des Gesetzes Mohammeds berechnen kann. Er berichtet auch von der Zeit Nebukadnezars, Alexanders, Christi und Mohammeds, weil er zeigen möchte, dass der Fürst der Verdunkelung und der Bösartigkeit Mohammed folgen muss. Dieser Fürst ist aber der Antichrist. Denn es folgt [Mohammed] klarerweise kein anderes Gesetz als das des Antichrist. Das zweite, was man bezüglich der Zeitberechnung bedenken muss, ist der Beginn des Jahres und – daraus folgend – der Beginn der Welt. Hier stellt sich die Frage, ob man das Jahr mit dem Mondwechsel im Oktober oder mit dem Mondwechsel im April beginnen lässt. Diese Dinge muss man wegen der Schwierigkeit und der Schönheit sorgfältig betrachten, die sich hier aus der Heiligen Schrift ergeben. Die Menge denkt, dass der Beginn der Welt im Frühling war, und dass der erste Monat des Jahres dementsprechend der April ist, wie im Buch Exodus gesagt wird: »Dieser Monat ist der erste der Monate des Jahres.«406 Doch diese Aussage bezieht sich auf den Beginn der durch das Gesetz festgeschriebenen Feste, nicht auf den natürlichen Zeitablauf, wie auch Flavius Josephus im ersten Buch der Altertümer 407 sehr schön erklärt. Dass dies ohne einen Widerspruch möglich ist, habe ich im Opus maius408 durch die Heilige Schrift gezeigt, in der im Buch Exo­

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in1 Exodo, vicesimo tertio capitulo: »Solemnitatem celebrabitis in exitu anni;« et in eodem, tricesimo quarto: »Et solemnitatem quando, redeunte anni tempore, cuncta conduntur.« Et hoc patet per praecepta de metendis et seminandis agris. Nam si sextus annus finitur ad Aprilem, tunc fructus non colligentur, sed peribunt, quia septimus annus est ferialis, in quo non licet metere. Item tunc octavus annus incipiet ab Aprili, et nihil metetur in eo, quia nihil fuit seminatum in septimo anno. Sed nullus annus caret messe nisi septimus, quia solus ferialis est. Sed si ab Octobri incipiatur annus, nullum inconveniens contra praecepta invenitur. Item patet hoc per principium Nehemiae satis manifeste. Et hoc dicit Hieronymus in Epistola de Festis, et primo Ezechielis vult illud idem. Nam ibi dicit quod Januarius est quartus mensis, ergo Novembris est secundus. Et non est dubium, quin secundum ordinem temporum naturalem, principium anni est in lunatione Octobris. Et hoc2 astronomi orientales, Aegyptii, et Graeci, et Persae, et omnes considerant, qui a patriarchis et prophetis habuerunt astronomiam. Et hoc est consonum naturae, ut quando spoliatur vetus annus a fructibus suis, incipiat novus; nam finis annualis laboris est collectio fructuum. Et ideo seminatio et fructuum collectio debent esse in eodem anno: quod non potest servari si annus incipiat ab Aprili; sed in uno anno seminabitur, et in alio metetur. Et cum hoc sit verum, tunc forte est argumentum de principio mundi, quia principium primi anni fuit principium mundi. Sed principium anni3 est ab Octobri, ut nunc probatum est. Unde dicit Josephus quod licet Moyses constituit anni principium in Aprili, quantum ad initium solemnitatum,

1  hoc in ]  in hoc, Ti. 2  hoc ]  om. Ti. 3  fuit principium … principium anni ]  om. Ti.

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dus, Kapitel 23, geschrieben steht: »Und das Fest sollt ihr feiern am Ausgang des Jahres«.409 In demselben Text steht im 34. Kapitel auch: »Und das Fest der Einsammlung, wenn das Jahr um ist.«410 Das ergibt sich auch aus den Vorschriften für das Ernten und das Bestellen des Ackers: denn wenn das sechste Jahr im April enden würde, könnten die Früchte nicht geerntet werden, sondern sie müssten verfaulen, weil das siebente Jahr ein Ruhejahr ist, in dem man nicht ernten darf. Wenn nun das achte Jahr im April beginnen würde, könnte in diesem Jahr nichts geerntet werden, weil im siebenten Jahr nichts gesät worden wäre. Doch nur im siebenten Jahr darf nichts geerntet werden, weil es das einzige Ruhejahr ist. Wenn das Jahr aber erst im Oktober beginnt, tritt kein Verstoß gegen diese Vorschrift auf. Das wird auch anhand des Beginns des Buches Nehemia411 ausreichend genug deutlich. Auch Hieronymus412 sagt das in seinem Brief über die Feste; und im ersten Kapitel des Buches Hesekiel 413 steht dasselbe. Denn dort wird gesagt, dass der Januar der vierte Monat ist – also muss der November der zweite Monat sein. Es kann demnach keinen Zweifel daran geben, dass dem natürlichen Zeitverlauf entsprechend der Beginn des Jahres mit dem Mondwechsel im Oktober angesetzt werden muss. Das sagen auch die orientalischen Astronomen, die Ägypter, die Griechen, die Perser und alle anderen, die von den Patriarchen und Propheten die Astronomie erhalten haben. Das ist auch im Einklang mit der Natur, denn wenn das alte Jahr von seinen Früchten entkleidet worden ist, beginnt das neue. Denn das Ende der alljährlichen Arbeit besteht in der Einsammlung der Früchte, weshalb die Saat und die Ernte der Früchte in demselben Jahr stattfinden müssen. Das kann aber nicht geschehen, wenn das Jahr im April beginnt, denn dann müsste in einem Jahr gesät und in einem anderen Jahr geerntet werden. Da dies also der Wahrheit entspricht, spricht das auch für das Argument bezüglich des Beginns der Welt: denn der Beginn des ersten Jahres war auch der Anfang der Welt. Wie gezeigt worden ist, beginnt das Jahr also im Oktober. Daher sagt auch Flavius Josephus414, dass Moses den Jahresanfang zwar auf den April gesetzt hat, was den Beginn der Feiertage anging, doch

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t­amen in venditione, et emptione, et reliqua gubernatione, Moyses prioris saeculi decreta servavit, quantum ad anni principium. Sed prius saeculum fuit a Moyse usque ad principium mundi revertendo; ergo illud saeculum habuit principium anni in Octobri, ergo principium mundi. Et hic est ingens consideratio per astronomiam; scilicet, ad inveniendum nobilissimam coeli dispositionem, in qua planetae omnes fuerunt in suis locis dignioribus, et ubi omnes suas fortitudines habuerunt, de quibus postea scripsi tam in Minore quam in Majori. Et haec debuerunt esse in principio mundi: hoc est congruum. Et ideo si ista potuerunt inveniri, in primo anno mundi, in principio Octobris, consonum est naturae quod ibi fuit principium mundi. Sed nondum est haec consideratio certificata: tetigi tamen de ea aliquas vias in Opere Majori. Tertium, quod hic est notabile de temporibus, est de longitudine vitae patriarcharum. Nam per mille annos, secundum Josephum, vixerunt aliqui; et textus fere deducit vitam ad hoc. Et aliqui ascribunt hoc bonitati dispositionis coelestis in principio mundi, et alii aliis causis, ut tetigi in Opere Majori. Quartum autem est1 de tempore Diluvii: nam in veritate fuit in Novembri, in secundo mense, secundum ordinem temporis naturalem; quod est valde considerandum. Nam hoc plane dicit Josephus in primo Antiquitatum. Caeterum Scriptura, ut probatum est, accipit anni principium in omnibus apud Octobrem, praeterquam in serie festorum: ergo oportet quod Diluvium2 fuerit in Novembri. Sed Magister in Historiis hic turpiter erravit, non solum propter

1  est ]  om. Ti. 2  Diluvium ]  om. Ti.

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in Bezug auf Käufe, Verkäufe und Regierungsangelegenheiten die Ordnung des Jahresanfangs der früheren Jahrhunderte beibehielt. Doch von dem früheren Jahrhundert kann man von Moses bis zum Beginn der Welt zurückrechnen: da jenes Jahrhundert den Jahresanfang im Oktober hatte, muss das auch für den Beginn der Welt gelten. Das lässt sich auch durch eine außerordentliche Überlegung im Bereich der Astronomie zeigen: indem man nämlich die beste Sternenkonstellation findet, in der die Planeten an den für sie würdigsten Orten waren, und in der sie die größte Kraft hatten. Ich habe darüber sowohl im Opus minus als auch im Opus maius einiges geschrieben. In solch einer Konstellation müssen sie sich auch am Anfang der Welt befunden haben: denn so ist alles im Einklang. Wenn sie sich in dieser Stellung im Oktober des ersten Jahres der Welt befunden hatten, stimmt es auch mit der Natur überein, dass dies der Beginn der Welt war. Doch noch ist diese Überlegung nicht sicher bestätigt worden. Ich habe aber einige Betrachtungen dazu in meinem Opus maius415 angestellt. Drittens muss man im Zusammenhang mit der Zeitberechnung auch die Lebensspanne der Patriarchen betrachten. Denn nach Flavius Josephus haben einige von ihnen 1000 Jahre gelebt.416 Und der Text führt das [lange] Leben oft darauf [auf die Stellung der Himmelskörper] zurück. Einige schreiben diese Langlebigkeit der Himmelsstellung zu Beginn der Welt zu; und andere auf weitere Gründe, die ich im Opus maius417 angesprochen habe. Viertens muss man über die Zeit nachdenken, in der die Sintflut stattgefunden hat. Denn sie hat sich in Wahrheit im November ereignet, also im zweiten Monat gemäß der natürlichen Zeitordnung. Darüber muss man gründlich nachdenken, weil das auch Flavius Josephus ganz eindeutig im ersten Buch der Altertümer  418 sagt. Zudem geht aus der Heiligen Schrift hervor, dass der Beginn von allen Dingen – ausgenommen die Abfolge der Festtage – gegen Anfang Oktober war, weshalb die Sintflut im November aufgetreten sein muss. Aber der Magister der Historien hat sich hier ganz furchtbar geirrt, und zwar nicht nur deswegen, weil er sagt,

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Teil I

hoc, quod in Maio dicit Diluvium fuisse, sed1 quia vilis ignorantia nominum mensium secundum Hebraeos et Graecos duxit eum in errorem. Nam Josephum imitatus, non intellexit nomina Hebraea et Graeca, sicut docui in Opere Majori: quoniam credidit quod Maius vocaretur illo nomine quod Novembri datur in Hebraeo et Graeco; et sic2 deceptus est3. Et ideo glossa magistralis, quae similiter in hoc loco textus ponitur, nullius auctoritatis est; quia4 falsum dicit manifeste; et deceptio illius glossatoris fuit sicut magistri in historiis. Quintum hic considerandum diligenter est de principio diei naturalis; nam vulgus theologorum aestimat quod dies artificialis praecessit noctem, et lux tenebras in principio mundi. Sed istud patet falsum esse per Hieronymum super Jonam et super Matthaeum; et per hoc, quod secundum legem ab occasu solis incipiebat dies; et tabulae Hebraeorum astronomicae factae sunt ab occasu solis. Et Judaei considerant tempus lunare. Et apud omnes nationes considerantes hoc tempus, dies naturalis incipit ab occasu solis, ut dicit Alfraganus. Et textus dicit semper quod factum est vespere et mane dies unus. Ergo hoc vesper et hoc mane sunt partes unius diei naturalis; et vesper prius ponitur, et ideo praecedit diem artificialem. Haec igitur quinque notabilia volui ponere circa tempus consideratum secundum ejus substantiam. Nunc volo tangere ea, quae scripsi de passionibus temporum. Et voco passiones hic primationes, lunationes, et embolismos, et hujusmodi, quae in computo et kalendario considerantur. Et hic oritur unus de majoribus fructibus

1  sed ]  om. Ti. 2  sic ]  fuit, Ti. 3  est ]  om. Ti. 4  quia ]  quoniam, Ti.

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dass die Sintflut im Mai stattgefunden hat419, sondern auch aufgrund der allgemein verbreiteten Unkenntnis der Monatsnamen im Hebräischen und Griechischen, die auch ihn in die Irre geführt hat. Denn er hat zwar Josephus gelesen, doch er hat die hebräischen und griechischen Monatsnamen nicht verstanden, wie ich im Opus maius420 gelehrt habe: Denn er glaubte, dass der Mai jener Monat genannt werde, der im Hebräischen und im Griechischen dem November gegeben worden ist, wodurch er getäuscht wurde. Daher hat auch die Magistralglosse421, die den Text ähnlich auslegt, an dieser Stelle keine Autorität, weil sie ganz offensichtlich etwas Falsches sagt. Denn jener Glossenschreiber hat sich genauso geirrt wie der Meister der Historien. Die fünfte Sache, die man gut überlegen muss, betrifft den natürlichen Beginn des Tages. Die Menge der Theologen denkt, dass der Tag der Nacht zu Beginn der Welt vorausgegangen ist, ebenso wie das Licht dem Schatten. Doch Hieronymus zeigt in seinen Kommentaren zu Jona422 und Matthäus423, dass das falsch ist, und dass dem Gesetz zufolge der Tag mit dem Sonnenuntergang begonnen haben muss; auch die astronomischen Tafeln der Hebräer sind nach dem Sonnenuntergang eingerichtet. Und die Juden bestimmen die Zeit nach dem Mond. Alfraganus424 weist auch darauf hin, dass bei allen Völkern, die sich mit der Zeitberechnung beschäftigen, der Tag mit dem Sonnenuntergang beginnt. Die Heilige Schrift sagt zudem immer wieder, dass der Abend und der Morgen an einem Tag geschaffen worden sind. Daher sind dieser Abend und dieser Morgen Teil eines natürlichen Tages. Der Abend wird jedoch vorher angesetzt und geht dem künstlichen Tag ­voraus. Bis hierher wollte ich fünf bemerkenswerte Aspekte des Wesens der Zeit herausstellen. Nun möchte ich darauf zu sprechen kommen, was ich über die Passionen der Zeiten geschrieben habe. Ich bezeichne mit ›Passionen‹ die neuen Monde, die Mondwechsel, das Einfügen von Schaltjahren und alles weitere, was mit der Zeitberechnung und dem Kalender zu tun hat. Hier zeigt sich uns eine der schönsten Früchte der Astronomie, die in der Erstellung, der

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Teil I

astronomiae, qui consistit in compositione, et correctione, et intellectu, et usu kalendarii et computi. Et duo principaliter considerari possunt: unum pertinet ad correctionem kalendarii, quod est maxime notandum post correctionem Sacri Textus, ut suo loco inferius exponetur. Nam horribiles et viles errores sunt hic; quia ex ignorantia computi, secundam vias astronomiae, permittunt praelati hanc corruptionem regnare. Quamvis enim astronomi sint, qui possent hujusmodi corruptionem tollere1; tamen non sunt ausi, sine auctoritate summi pontificis, secundum quod concilium generale ordinavit. Sed de hoc inferius; nunc prae manibus sunt alia; inter quae una de maximis difficultatibus continetur, et similiter quod non terminabitur nisi per auxilium papale, quia nec certificabitur veritas, nec falsitas excludetur; et est de Passione Domini. Ad hoc vero intelligendum, et quaedam alia, quae volo hic tangere, oportet nos revolvere considerationes Hebraeorum in astronomicis, et in eis quae ad kalendarium et computum, propter legem Dei sciendam, requiruntur. Nam licet in Majori Opere plura scripsi de hac materia, tamen aliqua certius tangam, propter infinitam difficultatem. Gens autem Hebraeorum consideravit semper tempus lunare, et annos et menses; et his utitur Scriptura Sacra, quae mundo per Hebraeos tradita est, tam in Novo quam in Veteri Testamento. Nam Dominus noster et apostoli fuerunt Hebraei, sicut patriarchae et prophetae. Unde dicitur in Ecclesiastico, quadragesimo tertio capitulo: »A luna signum diei festi – mensis secundum ejus nomen est.« Et hoc patet per computationes mensium et annorum in

1  tollere ]  e medio, hinzugef. in Marg. Ti.

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Verbesserung, dem Verständnis und dem Gebrauch des Kalenders und der Zeitberechnungen besteht. Grundsätzlich gibt es hier vor allem zwei Bereiche zu bedenken: einer betrifft die Verbesserung des Kalenders. Das ist gleich nach der Verbesserung der Heiligen Schrift besonders wichtig, wie weiter unten noch eingehender erklärt werden wird.425 Denn hier gibt es ganz furchtbare und verächtliche Fehler; und die Prälaten gestatten nur aufgrund der Unkenntnis der korrekten Richtlinien der Astronomie, dass diese Verdorbenheit herrscht. Denn auch, wenn es noch so viele Astronomen geben mag, die diese Verdorbenheit beheben könnten, haben sie es dennoch bisher ohne die Autorität des Papstes nicht gewagt, wie es das Generalkonzil bestimmt hatte; doch davon weiter unten426, da sich vor unseren Händen nun andere Gegenstände befinden. Ein besonderes Problem stellt uns vor die größten Schwierigkeiten und kann nur durch die Hilfe des Papstes gelöst werden, weil ohne ihn hier die Wahrheit nicht bestätigt und die Falschheit nicht ausgeschlossen werden kann: es geht dabei um die Passion des Herrn. Um dies und andere Dinge, auf die ich nun zu sprechen kommen möchte, wirklich zu verstehen, müssen wir zuerst die astronomischen Überlegungen der Hebräer soweit behandeln, wie es für den Kalender und die Zeitberechnung notwendig ist, damit wir das Gesetz Gottes erkennen können. Denn auch wenn ich im Opus maius hierüber vieles geschrieben habe427, werde ich nun aufgrund der unglaublichen Schwierigkeit dieses Bereichs noch auf andere Aspekte eingehen. Die Hebräer haben für die Berechnung der Tage und für die Einteilung der Monate stets die Mondzeit zugrunde gelegt. Die Mondzeit wird daher immer in der Heiligen Schrift benutzt, die der Welt durch die Hebräer überliefert worden ist, sowohl im Alten als auch im Neuen Testament. Denn unser Herr und die Apostel waren Hebräer, ebenso wie die Patriarchen und die Propheten. Daher steht auch im 43. Kapitel des Buches Ekklesiastes geschrieben: »Der Mond gibt das Signal für die großen Feste, auch der Monat hat von ihm den Namen.«428 Das zeigt sich an den Berechnungen der Mo-

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Teil I

Diluvio, et alibi multipliciter; quae verificari non possunt, nisi de annis et mensibus lunaribus. Mensis vero secundum vulgus Hebraeorum quidam est triginta dierum, quidam novem et viginti. Nam omnes in numero impari, ut primus, tertius, et caeteri, sunt triginta dierum; omnes in numero pari, ut secundus, et quartus, et caeteri, sunt novem et viginti dierum. Sed haec consideratio vulgaris alia est1 ab astronomica veritate, quam Hebraei astronomi consideraverunt, et ad quam sensum vulgarem reduxerunt; ut non esset error finaliter in vulgi consideratione. Astronomi igitur eorum, qui praefuerunt observationibus legis, consideraverunt aliter, scilicet per aliquem numerum dierum aequalem, ut omnes menses essent aequales propter certitudinem computandi. Sed a visione nova in visionem aliam non est tempus aequale; quia aliquando inter lunam ultimam et novam sunt tres dies integri naturales, aliquando duo, aliquando in eadem die accidunt. Et ideo nulla certitudo potest contingere ex hac consideratione, nec potest considerari mensis penes conjunctionem veram lunae cum sole; quia tempus inter quaslibet conjunctiones has non est aequale alteri; aliquando enim est majus, aliquando minus, ut sciunt astronomi. Et ideo consideraverunt alium locum lunae per aliquam distantiam a conjunctione vera, et invenerunt aequalitatem semper in omni mense penes illum locum; et, mediante hoc, potuerunt certificari de vero loco lunae; et isti motui lunae dederunt nomen, et vocaverunt motum aequatum, et aequalem, et medium; quia semper aequalis est; et, mediante illo, invenitur motus lunae verus, et locus verus2 in coelo, et vera conjunctio. Et ideo adhuc, quando luna consideratur penes locum istum, dicunt quod

1  alia est ]  om. Ti. 2  et locus verus ]  om. Ti.

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nate und Jahre bei der Sintflut und anhand vieler weiterer Stellen, die sich nicht verstehen lassen, wenn man sich nicht an den Mondjahren und Mondmonaten orientiert. Den Hebräern zufolge haben einige Monate 30 Tage, andere aber nur 29 Tage. Denn alle Monate mit ungeraden Zahlen – wie der erste, der dritte usw. – bestehen aus 30 Tagen. Alle Monate mit geraden Zahlen hingegen – wie der zweite, der vierte usw. – bestehen aus 29 Tagen. Doch weicht diese gängige Ansicht von der astronomischen Wahrheit ab, die die hebräischen Astronomen erkannt und für die Menge vereinfacht h ­ aben, damit in der verbreiteten Betrachtung am Ende kein Fehler bleiben möge. Denn die Astronomen unter den Hebräern, die bei den Beobachtungen des Gesetzes an der Spitze standen, haben sie [die Monate] anders eingeteilt: nämlich durch bestimmte gleiche Tage, damit alle Monate für die Stabilität der Berechnung gleich sind. Doch zwischen einer neuen Sichtung [des Mondes] bis zu einer anderen Sichtung ist die Zeit nicht gleich, weil zwischen dem letzten und dem neuen Mond manchmal drei Tage vergehen, manchmal zwei und sie manchmal auch an demselben Tag erscheinen. Daher kann diese Überlegung keine Sicherheit bieten, ebenso wenig, wie man die Monate nach der Konjunktion429 von Mond und Sonne berechnen kann, weil die Zeit, die zwischen einigen Konjunktio­ nen vergeht, oft nicht der Zeit entspricht, die zwischen anderen vergeht. Denn die Astronomen wissen, dass sie [die Zeit zwischen den Konjunktionen] manchmal größer und manchmal kleiner ist. Daher haben sie sich einen anderen Ort des Mondes überlegt, der von der wirklichen Konjunktion in einem bestimmten Abstand steht, und so eine stetige Gleichheit in jedem Monat nahe diesem Ort gefunden. Dieser Bewegung des Mondes haben sie einen Namen gegeben und haben sie als ›gleichartige‹, ›gleiche‹ oder auch ›mittlere Bewegung‹ bezeichnet, weil sie immer gleichartig ist. Hierdurch konnten sie die wirkliche Bewegung des Mondes bestimmen, ebenso wie seinen wirklichen Ort am Himmel und die wirkliche Konjunktion. Daher sagen sie dann, wenn der Mond als in der Nähe dieses Ortes betrachtet wird, dass dies eine dem Mond

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Teil I

est conjunctio ejus aequalis, et media in coelo, quia, mediante illa, habetur vera conjunctio. Hoc dico propter verba eorum. Dicamus igitur quod mensis lunaris consideratur penes conjunctionem mediam, quia tempus inter quaslibet tales conjunctiones est semper aequale; et ideo certum quid est, et potest certificari computatio secundum eam. Et sic mensis lunaris dicetur una lunatio, quae continet novem et viginti dies et dimidium, et aliquas partes minutas horarum, quae vocantur fractiones. Hebraei vero dividunt unam horam in mille octoginta partes, propter certitudinem computationis; unde1 propter hanc divisionem certius considerant quam astronomi aliarum nationum, qui dividunt horam in sexaginta partes. Hoc supponendum est nunc, nam probatio certa currit super hoc. Et has fractiones horarum in quolibet mense colligunt, donec possint2 aequare annum lunarem solari, quod accidit eis in suo tertio anno. Nam quia annus solaris addit super annum lunarem undecim dies; – annus enim solaris habet trecentos sexaginta quinque dies integros, et lunaris nisi ccc.liv. – colligunt ter undecim dies, et constituunt unum mensem lunarem, et ponunt ante Aprilem, ex causa certa quam inferius tangam, et utuntur lunari sicut nos decennovenali; qui cyclus lunaris incipit in quarto anno cycli decennovenalis, et continet xix. annos, sicut noster cyclus. Et posuerunt unam tabulam ex tredecim cyclis talibus, qua revoluta complentur omnes, et omnia redeunt ad idem temporis principium. Et hic cyclus, cum canonibus suis et expositionibus, est apud eos loco computi, et kalendarii apud nos, quantum ad multa. Et hanc tabulam literis Hebraicis misi in Opere Majori, cum ejus expositione et canonibus suis, secundum quod pertinet ad computum eorum.

1  unde ]  ut, Ti. 2  possint ]  possunt, Ti.

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gleichartige Konjunktion ist, und dass durch diese die wirkliche Konjunktion in der Mitte des Himmels erkannt wird. So weit hier nur, um ihre Ausführungen zu erklären. Wir sagen also, dass der Mondmonat nach der mittleren Konjunktion des Mondes berechnet wird, weil die Zeit zwischen jeder dieser Konjunktionen immer gleich ist. Daher bietet uns diese Beobachtung die Sicherheit, mit der man Berechnungen anstellen kann. Auf diese Weise wird ein Mondmonat nach einem Mondwechsel eingeteilt. Der Mondmonat enthält 29 Tage, einen halben Tag und einige weitere Teile von einigen verkürzten Stunden, die ›Fraktionen‹ genannt werden. Denn die Hebräer teilen eine Stunde für die Genauigkeit ihrer Berechnungen in 1080 Teile ein. Aufgrund dieser Einteilung können sie die Zeit besser berechnen als die Astronomen anderer Länder, die eine Stunde in 60 Teile einteilen. Das müssen wir nun zugrunde legen, weil darauf ein sicherer Beweis beruht: Denn diese Stundenteile sammeln sie in jedem Monat, bis sie ein Mondjahr mit einem Sonnenjahr gleichsetzen können, was in jedem dritten Jahr möglich ist. Denn da das Sonnenjahr elf Tage mehr hat als das Mondjahr – denn ein Sonnenjahr besteht aus 365, ein Mondjahr hingegen aus 354 Tagen –, sammeln sie drei mal elf Tage und machen daraus einen Mondmonat, den sie aus Gründen, die ich weiter unten anführen werde, vor den April setzen.430 Sie benutzen ebenso wie wir einen neunzehnjährigen Mondzyklus, der im vierten Jahr des neunzehnjährigen Zyklus beginnt und 19 Jahre enthält, ebenso wie unser Zyklus. Sie haben eine Tafel aus 13 solcher Zyklen angefertigt, mit der sie alles erfassen und bis zum Anfang der Zeit zurückberechnen können. Dieser Zyklus wird zusammen mit entsprechenden Regeln und Erläuterungen bei ihnen für die Berechnung vieler Dinge benutzt, so wie der Kalender bei uns. Diese Tafel habe ich Euch im Opus maius431 auf Hebräisch mit einer Erläuterung und ihren Regeln geschickt, sodass man mit ihr rechnen kann.

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Teil I

CAPITULUM LV. [ 379]

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Posita sic in universali ratione temporis Hebraeorum, nunc volo applicare eam ad Scripturam, tam in Novo quam in Veteri Testamento, quam ad aliqua exempla, ut haec persuasio requirit. Primum exemplum occurrit de lunatione a principio mundi: nam vulgus theologorum aestimat quod fuit plena; et aliqui doctorum sanctorum inclinantur ad hoc propter perfectionem operum divinorum. Sed opera illa inceperunt a tenebris, et a materia confusa mundi, et defectu ornatus et distinctionis, ut omnes fatentur. Ideo non est mirum si tempus incepit ab imperfectione lucis lunaris. Et cum Judaei et Scriptura1 utuntur tempore lunari, et menses lunares incipiant a novilunio, non a plenilunio, videtur omnino necesse quod primus mensis in principio inceperit a novilunio. Quod2 vero Magister in Historiis, quem vulgus sequitur, dicit quod Noe egressus est arcam vicesima octava luna, Beda dicit quod vicesima septima, et quod pro errore suo fingit, dicens: »Potest autem esse quod Noe egressus est de arca vicesima septima, jam imminente vicesima octava; media vero tempora extremorum nomine saepe nominantur;« – manifeste patet falsum; quia Judaei non incipiunt diem nisi ab occasu solis. Et ideo non dicunt lunam esse alicujus aetatis, ut primam, vel secundam, vel tertiam, nisi in occasu vel ante occasum inveniatur ejus aetas nova facta. Dicit enim Beda in3 libro Temporum, quacunque hora accendatur luna, priusquam

1  et Scriptura ]  om. Ti. 2  Quod ]  quia, Ti. 3  in ]  om. Ti.

KAPITEL 55

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KAPITEL 55 Über den Nutzen der Zeitberechnung für die Heilige Schrift [ 379]

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Nachdem ich die Zeitberechnung der Hebräer im Allgemeinen dargestellt habe, möchte ich diese Überlegungen nun auf die Heilige Schrift beziehen, wobei ich ebenso auf das Alte und das Neue Testament wie auf andere Beispiele eingehe, wie es diese Überzeugungsschrift erfordert. Das erste Beispiel betrifft den Mondstand zu Beginn der Welt: Denn die meisten Theologen meinen, dass er zu Beginn der Welt voll war, und einige der Kirchenlehrer neigen wegen der Vollkommenheit der göttlichen Werke auch zu dieser Ansicht. Doch wie alle bekennen, entstanden jene Werke aus der Dunkelheit, aus der ungeordneten Weltmaterie: also aus einem Mangel an Ordnung und Unterscheidung. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn die Zeit mit einer Unvollkommenheit des Mondlichts begonnen hat. Da die Juden und die Schrift die Mondzeit benutzen, und da die Mondmonate bei Neumond und nicht bei Vollmond beginnen, scheint es notwendig zu sein, dass auch der erste Monat zu Beginn der Welt bei Neumond begonnen hat. Der Magister der Historien [Petrus Comestor], dem die Menge folgt, sagt aber, dass Noah die Arche während des 28. Mondes verlassen hat432. Er beruft sich auf Beda [Venerabilis], der meinte, dass Noah die Arche während des 27. Mondes verlassen hat433, und erfindet dabei folgendes Argument für seinen Irrtum: »Es kann aber sein, dass Noah die Arche während des 27. Mondes verlassen hat, doch sehr kurz vor dem 28. Mond; denn die Zwischenzeit kann mit jedem Namen benannt werden«.434 Das ist offensichtlich falsch, weil die Juden einen Tag mit dem Sonnenuntergang beginnen lassen. Daher sagen sie nicht, dass der Mond sich in irgendeinem Mondalter befinde: weder im ersten noch im zweiten noch im dritten, außer wenn bei Sonnenuntergang oder vor Sonnenuntergang bereits ein neues Mondalter begonnen hat. Denn in seinem Buch über die Zeitberechnung 435 sagt auch Beda, dass man vom Mond – zu welcher Zeit auch im-

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Teil I

vespera veniat, non dicetur prima. Si vero post occasum solis accendatur, non prima in praecedente vespera, sed tricesima aestimabitur. Unde prima non dicetur, nisi ante occasum vel in ipso occasu accendatur; et sic nec secunda, nec tertia, nec alicujus aetatis. Et ideo si vicesima septima luna exivit, secundum quod Beda dicit et Magister fatetur, non potest dici vicesima octava: oportet enim quod aIterum horum determinate contingat. Nec est medium tempus inter istas1 lunationes, ut fingit, quod utriusque extremi nomen accipiat. Sed ex glossa Strabi, quam non intellexit, sumpsit occasionen errandi. Nam eodem die quo intravit, exivit, ut dicit Strabus. Sed hoc quantum ad feriam intelligendum est; ut si Dominica intravit, Dominica exivit, sed non quantum ad kalendarium intelligendum. Et hoc credidit Magister, et ideo deceptus est. Eodem modo in Exodo, de tempore legis datae, turpiter errat, et inducit vulgus in errorem, et sapientes in2 magnam intricationem. Nam cum tertia die mensis tertii fuit lex data, et quinquagesima die ab Azymis, quae comedebant in Aegypto, vult hoc Magister salvare ponendo quod mensis lunaris sit semper triginta dierum. Hoc autem absurdum est3; quia tunc in anno lunari essent trecenti sexaginta dies4, quia duodecies triginta perficiunt trecenta sexaginta. Sed hoc falsum est, ut patet per praedicta. Computavit tamen septendecim dies de primo mense, quia tredecim praecesserunt ante Azyma et occisionem agni, quia quartadecima die occisus fuit; quibus tredecim si addamus septendecim, fiunt triginta,

1  istas ]  ipsas, Ti. 2  in ]  om. B. 3  est ]  om. Ti. 4  dies ]  om. Ti.

KAPITEL 55

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mer er beleuchtet werden mag – nicht sagen könne, er befinde sich im ersten Mondalter, wenn es noch nicht Abend geworden ist. Wenn er aber nach Sonnenuntergang beleuchtet wird, befindet er sich nicht im ersten Mondalter des vorhergegangenen Abends, sondern im dreizehnten. Daher wird es nicht das erste Mond­a lter genannt, solange der Mond nicht vor dem Sonnenuntergang oder während des Sonnenuntergangs leuchtet. Und daher auch nicht das zweite, das dritte oder sonst irgendein Mondalter. Wenn Noah also während des 27. Mondes die Arche verlassen hat, wie es Beda sagt und der Magister zugibt, kann man nicht daraus machen, dass es der 28. Mond gewesen wäre: denn es muss notwendig zu e­ iner bestimmten Zeit geschehen sein. Es kann auch nicht die Zeit zwischen diesen beiden Monden gewesen sein, wie er es sich ausdenkt, weil jeder von beiden seinen eigenen Namen hat. Doch aus der Glosse des Strabo436, die er nicht verstanden hat, geht der Grund für seinen Irrtum hervor: denn Noah verließ die Arche an demselben Tag, an dem er sie auch betreten hatte, wie Strabus sagt. Das kann aber nur für einen Wochentag zu verstehen sein: wenn er sie am Sonntag betreten hat, hat er sie auch an einem Sonntag verlassen. Doch das bezieht sich nicht auf die Kalendertage, wie der ­Magister irrtümlich geglaubt hat. Genauso irrt er sich auch ganz fürchterlich bezüglich des Buches Exodus437 an der Stelle, wo es um die Zeit geht, zu der das Gesetz gegeben worden ist. Er führt damit auch die Menge in die Irre und verwirrt selbst die Weisen. Denn da das Gesetz [Moses] am dritten Tag des dritten Monats und 50 Tage nach dem Fest der ungesäuerten Brote gegeben worden ist, das sie in Ägypten gefeiert hatten, möchte der Magister annehmen, dass ein Mondmonat immer 30 Tage habe. Das ist aber absurd, weil ein Mondjahr dann 360 Tage hätte, weil 12 mal 30 gleich 360 ist. Aus dem bereits Gesagten geht aber hervor, dass das falsch ist.438 Er berechnete dennoch 17 Tage des ersten Monats, weil bereits 13 Tage vor dem Fest der ungesäuerten Brote und der Schlachtung des Schafes vergangen waren, da dieses am 14. Tag geschlachtet worden ist. Wenn wir zu den 13 Tagen nun 17 hinzuzählen, macht das 30; und 30 Tage

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Teil I

et triginta computat in secundo mense. Sunt igitur quadraginta septem dies de tertio mense; unde sic colligit quinquaginta dies usque ad legem datam. Sed Beda dicit, quod in summa praedicta temporis, non possunt nisi quadraginta novem dies inveniri; quoniam duo menses lunares non tenent nisi quinquaginta novem dies. Et ideo si septendecim accipiantur a primo mense, non accipiuntur nisi viginti novem de secundo; aut si triginta de secundo accipiantur, tunc de primo non nisi sexdecim accipi debent; et ad hos tres primi tres de tertio mense additi sunt, ut si in universo sint quadraginta novem dies. Non igitur potest textus exponi secundum intentionem Magistri; sed oportet aliud dicere, sicut expressi in Opere Majori. De neomeniis vero et kalendis multum est in Scriptura, et de his consideratio bene notanda. Neomenia, seu novilunium (a νέον, quod est novum, et μήνη, quod est luna), non erat festum feriale; et ideo non ponitur Levitici vicesimo tertio cum aliis ferialibus diebus. Sed quia erat festum sacrificiorum et epularum, ideo ponitur inter illa, in quibus sacrificia offerebantur, Numerorum vicesimo octavo. Quia igitur Judaei menses computabant secundum lunam, idcirco in kalendis, scilicet in novilunio seu neomeniis, sacrificia offerebant, et epulas faciebant, sicut patet primo Regum, vicesimo: »Cras kalendae erunt et requireris.« Nam omnes menses in impari numero, ut primus, tertius, et caeteri, habent unum diem epularum, scilicet primum, qui incipit in occasu solis, et durat usque ad alterum occasum. Menses vero in pari numero, ut secundus, quartus, et caeteri, habent duos dies pro epulis. Nam lunatio primi mensis non habet nisi viginti novem dies et dimidium, exceptis fractionibus horarum, quae negliguntur in ordine mensium. Et ille dimidius dies incipit in occasu solis, et terminatur in fine noctis, scilicet in mane tricesimae diei. Unde ille dies artificialis, scilicet

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berechnet er auch für den zweiten Monat. Bleiben also 47 Tage bis zum dritten Monat, weshalb er bis zum Tag der Gesetzgebung 50 Tage zusammenzählt. Doch Beda439 sagt, dass bis zur Gesetzgebung nur 49 Tage gefunden werden können. Wenn wir also für den ersten Monat 17 Tage akzeptieren würden, könnten im zweiten Monat nur 29 Tage vergangen sein; oder wenn im zweiten Monat 30 Tage vergangen wären, dürften im ersten Monat nur 16 Tage gezählt werden. Zu diesen drei ersten müssen noch drei des dritten Monats hinzugefügt werden, damit sich insgesamt 49 Tage ergeben. Daher kann man den Text nicht derartig auslegen, wie es der Magister vorgeschlagen hat, sondern man muss hier anders sprechen, wie ich im Opus maius deutlich gemacht habe440. Über die Zeiten des Neumonds und über die Kalendertage gibt es generell sehr vieles in der Schrift, das man sorgfältig bedenken muss. ›Neomenia‹ oder auch ›Neumond‹ (von νέον, das heißt ›neu‹ und μήνη, ›Mond‹) war kein Festtag, weshalb er im 23. Kapitel des Buches Levitikus441 nicht unter den Festtagen erwähnt wird. Doch weil der Tag des Neumonds ein Tag der Opfer und der Festmähler war, wird er zu den Tagen gezählt, an denen Opfer dargebracht wurden, wie im 28. Kapitel des Buches Numeri 442 zu lesen ist. Weil die Juden die Monate nach dem Mond berechnet haben, haben sie an den ersten Tagen des Kalenders – also bei Neumond – die Opfer dargebracht und Festmähler abgehalten, wie aus dem 1. Buch der Könige, Kapitel 20, ersichtlich wird: »Morgen ist der Neumond, so wird man nach dir fragen.«443 Denn alle Monate mit einer ungeraden Zahl: also der erste, der dritte usw., haben einen Tag der Festmähler, nämlich den ersten Tag, der bei Sonnenuntergang beginnt und bis zum nächsten Sonnenuntergang andauert. Monate mit einer geraden Zahl: wie der zweite, der vierte usw., haben zwei Tage, die für Festmähler bestimmt sind. Denn ein Mondwechsel im ersten Monat besteht nur aus 29 und einem halben Tag – einige Stundenteile ausgenommen, die aber bei der Anordnung der Monate nicht beachtet werden. Dieser halbe Tag beginnt bei Sonnenuntergang und endet am Ende der Nacht, also am Morgen des 30. Tages. Daher mag jener Tag, der vom Morgen des 30. Tages bis

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Teil I

a mane tricesimae diei usque ad vesperam, licet sit pars mensis primi, non tamen est pars lunationis primae, sed est pars lunationis secundae. In illo enim est novilunium, et neomenia, et kalenda, usque ad vesperam. Et quia in novilunio faciebant festum epularum, ideo illa die fuerunt in epulis. Et quoniam secundus mensis incipit in occasu solis illius tricesimae diei, ideo iterum faciunt in illa die, quae incipit in occasu illo, usque ad alium occasum, scilicet in tota die tricesima prima1. Et ideo primo Regum vicesimo: »Sedes David die secunda post kalendas vacua apparebat.«

CAPITULUM LVI. [ 383]

Sed majus exemplum et plus notandum est de celebratione Paschae secundum legem; nam cum in illo2 fuit festum primitiarum de spicis et granis, oporteret quod omni anno in festo Azymorum haberent grana nova. Sed cum considerabant annum lunarem, et hic finitur per undecim dies ante finem anni solaris, (considerato quod simul incipiant), si lunatio Aprilis, quae est Paschalis, accideret in primo anno in tempore spicarum novarum, tunc infra tres annos erit retro versus hyemem haec lunatio per mensem unum, et infra sex per menses duos, et infra duodecim per menses quatuor; et ita in profunda hyeme celebraretur Pascha, contra legem, nisi aliud remedium apponeretur. Et ideo collegerunt fractiones ultra menses, et undecim dies ter infra tres annos congregaverunt, et fecerunt unum mensem3 triginta dierum, et residuos tres dies suspenderunt usque ad aliam computationem. Et hunc mensem apposuerunt ante Aprilem, ut elevarent mensem debitum primitiarum

1  tricesima prima ]  tricesima una, B. 2  illo ]  illa, B. 3  unum mensem ]  mensem unum, Ti.

KAPITEL 56

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zum Abend geht, zwar ein Tag des ersten Monats sein, aber er ist dennoch kein Teil des ersten Mondwechsels, sondern des zweiten. An jenem Tag ist also der Neumond, das Fest des Neumonds und der erste Kalendertag bis zum Abend. Da sie das Festmal bei Neumond abgehalten haben, muss es an diesem Tag stattgefunden haben. Und weil der zweite Monat bei Sonnenuntergang des 30. Tages beginnt, halten sie dieses Fest wiederum an diesem Tag, der bei Sonnenuntergang beginnt und bis zum nächsten Sonnenuntergang geht, sich also über den gesamten 31. Tag erstreckt. Daher heißt es auch im 20. Kapitel des ersten Buches der Könige: »Den zweiten Tag nach Neumond war der Sitz Davids leer.«444

KAPITEL 56 Über den Termin des Pessachfestes [ 383]

Doch ein noch wichtigeres und bedenkenswerteres Beispiel ist das Feiern des Pessachfestes entsprechend dem Gesetz. Denn da zu diesem Zeitpunkt auch das Fest der ersten Opfergaben der Ähren und des Korns war, müsste es sich eigentlich gehören, dass sie jedes Jahr zum Fest der ungesäuerten Brote neues Korn haben. Da sie sich aber nach dem Mondjahr gerichtet haben, das elf Tage vor dem Sonnenjahr endet (wenn man davon ausgeht, dass beide gleichzeitig beginnen), beginnt der Mondwechsel des Monats April, auf den das Pessachfest fällt, im ersten Jahr zwar zur Zeit des neuen Korns, doch nach drei Jahren verschiebt sich der Termin um einen Monat zurück Richtung Winter, nach sechs Jahren um zwei Monate zurück, und in zwölf Jahren um vier Monate. Daher wäre Pessach dann entgegen dem Gesetz mitten im Winter gefeiert worden, wenn kein Heilmittel dagegen hätte gefunden werden können. Deswegen haben sie die überzähligen Teile der Monate gesammelt, in drei Jahren drei mal elf Tage zusammengezählt und daraus einen eigenen Monat mit 30 Tagen gemacht. Die restlichen drei Tage haben sie aber für eine andere Berechnung zurückbehalten. Und diesen Monat haben sie vor den April gesetzt, damit

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Teil I

statum, quatenus tempus lunare aequaretur sic solari, quod tempus solare facit ortum spicarum et granorum, non tempus lunare. Hic annus habet tredecim menses, et dicitur embolismalis, id est, superexcrescens; et ita ab Hebraeis primo incepit ratio embolismorum. Et Latini et Graeci acceperunt ab eis. Et sicut Hebraei ponunt embolismum in tertio anno cycli, et sexto et octavo, et sic ultra secundum quod occurrit, sic Latini et G ­ raeci. Sed tamen considerandum quod cyclus Hebraeorum, ut praedixi, incipit quarto anno cycli Latinorum. Sed quia astronomi et computistae non advertunt1 hanc differentiam, ideo saepe inaniter, et cum confusione, contendunt cum Judaeis, reprobantes eos de festo Paschali, quando multum, ut per mensem vel circiter, a nobis discordant2 in hoc festo. Nam si cyclus noster et eorum simul inciperent, tunc redarguendi essent. Sed non est ita; et ideo habent embolismum, quum nos non habemus, et e converso. Et ideo ille mensis addendus aliquando additur apud eos, vel subtrahitur, quum nos nec addimus nec subtrahimus. Vidi autem peritos viros et famosissimos turpiter errare, et a Judaeis viliter derideri. Et majus hoc3 exemplum accidit in observatione legali. Nam propter praecepta legis non possunt incipere annum in Dominica, nec in die Veneris, nec in die Mercurii. Quoniam si in die Dominica inciperet annus, tunc in lunatione Octobris, quando incipit annus secundum seriem temporis naturalem, quintadecima dies illius mensis erit in Dominica; et in vigilia illius festi colliguntur rami de arboribus propter festum scenopegiae, quod non licet facere in Sabbato. Similiter nec4 in die Mercurii, quia tunc decima dies illius

1  advertunt ]  antevertunt, B. 2  a nobis discordant ]  discordant a nobis, Ti. 3  hoc ]  om. Ti. 4  nec ]  ne, B.

KAPITEL 56

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die richtige Reihenfolge des ersten Korns eingehalten werden kann, bis Mond- und Sonnenzeit wieder gleich sind, weil die Sonnenzeit  – und nicht die Mondzeit – schließlich die Ähren und das Korn reifen lässt. Dieses Jahr hat 13 Monate und wird ›embolismalis‹ genannt, was so viel heißt wie ›überschüssig‹. Es waren also die Hebräer, die zuerst das Schaltjahr erfunden haben, das die Griechen und Lateiner dann von ihnen übernommen haben. Wie die Hebräer ein Schaltjahr an die Stelle des dritten, des sechsten, des achten und jedes weiteren entsprechendes Jahres des Zy­ klus setzen, halten es auch die Lateiner und die Griechen. Doch man muss hier immer bedenken, dass der Zyklus der Hebräer – wie ich bereits gesagt habe – im vierten Jahr des Zyklus der Lateiner beginnt. Doch weil die Astronomen und die Komputisten diesen Unterschied nicht beachten, streiten sie sich immer vollkommen fruchtlos und voller Verwirrung mit den Juden und verwerfen deren Berechnung des Pessachfestes, wenn sie um einiges – etwa um einen Monat oder zumindest in der Nähe dieser Zeit – von uns in der Festsetzung dieses Festes abweichen. Denn wenn unser und ihr Zyklus gleichzeitig beginnen würden, würden sie widerlegt werden. Doch so ist es nicht; und daher haben sie ein Schaltjahr, wo wir keines haben, und umgekehrt. Daher wird jener zusätz­liche Monat manchmal bei ihnen hinzugefügt oder abgezogen, wo wir ihn weder hinzufügen noch abziehen. Ich selbst habe nämlich äußerst fähige und berühmte Männer hierin furchtbar irren sehen, wofür sie von den Juden voller Geringschätzung ausgelacht worden sind. Doch das beste Beispiel betrifft die Beachtung des Gesetzes. Denn gemäß den Gesetzesvorschriften darf ein Jahr weder am Sonntag noch am Freitag noch am Mittwoch beginnen. Denn wenn das Jahr mit einem Sonntag begänne, wäre der 15. Tag des Mondmonats Oktober, in dem das Jahr gemäß dem Verlauf der natürlichen Zeit beginnt, ein Sonntag. Und in der Nachtwache dieses Festes werden die Äste der Bäume für das Laubhüttenfest gesammelt, was man während des Sabbats aber nicht tun darf. Ähnliches gilt auch für den Mittwoch, weil er am zehnten Tag dieses Monats auf einen

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Teil I

mensis esset in die Veneris. Sed in illa die nihil licet fieri, nam1 est par Sabbato; quapropter non facerent cibaria in illa die, sed oporteret in die Jovis illa fieri, quod esset grave propter putrefactionem, et maxime in calida regione et in calido tempore. Item, si aliquis esset mortuus in die Jovis, non sepeliretur usque ad diem Dominicam, quod non esset tolerabile in terra illa. Nec potest die Veneris annus incipere, quia tunc decima esset in die Dominica, et ita acciderent inconvenientia nunc dicta; quia idem est sive decima dies sequatur Sabbatum, sive praecedat immediate. Et ideo de necessitate legis divinae oportet quod Hebraei incipiant annum suum die Lunae, et die Martis, et die Iovis, et die Sabbati, et non aliter. Et quia sic est, deo sancti patriarchae et prophetae posuerunt unum annum communem, qui habet trecentos quinquaginta quatuor dies, sicut astronomi omnes considerant annum lunarem; et alium annum posuerunt diminutum, scilicet trecentorum quinquaginta trium dierum; et alium superfluum, scilicet trecentorum quinquaginta quinque dierum2, propter hoc quod non potuerunt incipere annum tribus diebus praedictis; et composuerunt tabulam tredecim cyclorum, in qua potuerunt omnia complere quae pertinent ad festa, et quae ad veritatem primationum requiruntur, secundum considerationem astronomicam. Et in hac tabula est mirum artificium astronomiae, et summa legis intelligendae utilitas, et omnium festorum legalium, quam qui nescit nunquam potest scire intellectum legis, ut oportet, nec cum Judaeis conferre de talibus, nec eis persuadere utiliter. Et ideo totam posui Hebraicis literis in Opere Majori, cum omnibus canonibus, id est regulis suis et expositione, docens artem inveniendi singulis annis nostris quando debet esse principium anni secundum Hebraeos; et docui Johannem hanc tabulam cum suis canonibus. Et ideo hoc

1  nam ]  quia, Ti. 2  dierum ]  om. Ti.

KAPITEL 56

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Freitag fallen würde. Doch an diesem Tag darf nichts geschehen, weil dann Sabbat ist. Daher bereiten sie an diesem Tag auch keine Nahrungsmittel zu, sondern bereits am Donnerstag. Dieses Essen wäre aber sehr schwer zu erhalten, ganz besonders in einer solch warmen Gegend und zu einer solch warmen Zeit. Wenn daher etwas am Donnerstag geschlachtet werden würde, könnte es bis zum Sonntag nicht begraben werden, was in einem solchen Erdteil der Welt nicht zum Aushalten wäre. Genauso wenig kann das Jahr am Freitag beginnen, weil der zehnte Tag [des Monats] dann ein Sonntag wäre, wodurch auch hier die schon genannten Unannehmlichkeiten auftreten würden. Denn entweder er ist selbst ein Sabbattag oder der zehnte Tag folgt dem Sabbat oder geht ihm direkt voraus. Daher verlangt das göttliche Gesetz mit Notwendigkeit, dass die Hebräer das Jahr mit einem Montag, einem Dienstag, einem Donnerstag oder einem Samstag beginnen lassen, und mit keinem ­anderen Wochentag. Da es sich so verhält, haben die Heiligen und Patriarchen Gottes ein gemeinsames Jahr festgesetzt, das 354 Tage hat, so wie alle Astro­nomen das Mondjahr berechnen. Ein weiteres Jahr haben sie verkürzt, sodass es nur 353 Tage hat. Ein weiteres [Jahr] haben sie verlängert, sodass es 355 Tage hat, weil sie das Jahr ja nicht mit den drei vorher genannten Tagen beginnen lassen konnten. Sie haben entsprechend astronomischen Überlegungen auch eine Tafel mit 13 Zyklen angefertigt, in die sie alles einfügen konnten, was mit den Festen und den Wahrheiten der ersten Primationen445 zu tun hat. Diese Tafel ist ein Wunderwerk der Astronomie und das beste Hilfsmittel für das Verständnis des Gesetzes und aller Festzeiten; wer diese nicht kennt, kann niemals ein angemessenes Verständnis des Gesetzes haben, noch kann er mit den Juden über ihre Gesetze sprechen oder sie in nützlicher Weise überzeugen. Daher habe ich alles das in hebräischer Schrift in mein Opus maius eingefügt: mit allen Richtlinien, das heißt, mit all ihren Regeln und mit Erläuterungen. Dort wird für jedes unserer Jahre gelehrt, wann gemäß den Juden das Jahr beginnt; ich habe auch [meinem Schüler] Johannes die Benutzung dieser Tafel und ihrer Regeln beigebracht. Daher ist

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Teil I

capitulum est unum de majoribus notabilibus in omnibus quae scribo, et magnis laboribus et expensis acquisitum.

CAPITULUM LVII. [ 387]

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Sed maximum omnium quae referuntur1 ad has passiones temporis, est de kalenda et lunatione Dominicae Passionis; et haec corruptio kalendarii cum corruptione textus est maxime notanda; et hic certius procedo quam in Opere Majori, propter quod haec scriptura magis tenenda est2. Latini enim3 dicunt quod luna fuit quintadecima in die Passionis; ita quod Beda fulminat contra eos qui ponunt quartam decimam in die Passionis. Nam dicit in libro Temporum, quod Dominus quinta decima luna, feria sexta, crucem ascenderit, et Dominica die resurrexerit, nulli licet dubitare catholico. Et Magister in Historiis hoc4 idem sententiat, et multipliciter nititur confirmare; et totum vulgus theologorum hoc asserit evidenter. Et quod octavo kalendas Aprilis signatur dies Passionis, hoc dicit Augustinus, et Hieronymus; et totum vulgus Latinorum nunc tenet idem. Sed Augustinus dicit in libro de Quaestionibus Veteris et Novi5 Testamenti, quod fuit passus quartadecima luna. Et hoc videtur per Evangelia multipliciter; quia in Matthaeo dicitur: »Non in die festo«, qui est dies primus Azymorum; et hic est in quintadecima luna: quia quartadecima fuit agnus occisus. Nam comedebatur post occasum solis, a quo occasu incipiebat dies quintadecima et quintadecima luna: ergo ante decimam quintam fuit occisus

1  referuntur ]  refero, Ti. 2  et haec corruptio … magis tenenda est ]  om. B. U. 3  Latini enim ]  quoniam Latini, B. U. 4  hoc ]  om. Ti. 5  Veteris et Novi ]  Novi et Veteris, Ti.

KAPITEL 57

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dieses Kapitel eines der bemerkenswertesten von allen, die ich geschrieben habe, und ich habe viel Arbeit und große Ausgaben darauf verwendet.

KAPITEL 57 Über die Berechnung des Ostersonntags [ 387]

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Doch das Wichtigste von allem, was mit der Zeitberechnung zu tun hat, betrifft den Kalender und den Mondwechsel des Ostersonntags, weil hier die Verdorbenheit des Kalenders zusammen mit der Verdorbenheit des Textes ganz bemerkenswert ist. Ich gehe an dieser Stelle mit größerer Sicherheit darauf ein als im Opus maius446, weshalb diese Schrift der anderen hierin vorzuziehen ist. Die Lateiner sagen, dass der Tag der Kreuzigung auf den 15. Mond gefallen ist. Jedenfalls ist das die Meinung Bedas [Venerabilis], die er gegen diejenigen vorbringt, die die Kreuzigung während des 14. Mondes annehmen. Denn er sagt im Buch über die Zeitberechnung 447, dass der Herr während des 15. Mondes, an einem Freitag, das Kreuz bestiegen hat und am Sonntag wieder­ auferstan­den ist, was kein Katholik bezweifeln darf. Der Magister der Historien sagt dasselbe448 und bemüht sich mehrfach darum, das zu bestätigen. Ebenso nimmt die ganze Menge der Theologen das als sicher an. Sowohl Augustinus449 als auch Hieronymus sagen, dass der Passionstag auf den achten Tag vor den Kalenden des April [25. März] fällt, was die ganze Menge der Lateiner teilt. Doch Augustinus sagt im Buch über einige Fragen des Alten und des Neuen Testa­ ments, dass dieses Ereignis während des 14. Mondes stattgefunden hat.450 Das scheint auch durch die Evangelien mehrfach bestätigt zu werden, weil bei Matthäus gesagt wird: »Nicht am Feiertag«451, der der erste des Festes der ungesäuerten Brote ist. Und dieses Datum ist während des 15. Mondes, weil am 14. Mond das Schaf geschlachtet worden ist. Denn es ist nach dem Sonnen­unter­ gang verzehrt worden, an dem der 15. Tag und der 15. Mond begonnen haben. Also muss der Erlöser vor dem 15. Mond getötet

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Teil I

Salvator. Iterum, Johannes octavo decimo: »Non introierunt praetorium, ut non contaminarentur, sed ut manducarent Pascha.« Et ita in vespere post Passionem manducaverunt Pascha; et tunc incipit quintadecima luna, et non ante. Item Johannes decimo nono: »Erat autem parasceue Paschae,« ergo eadem die ad vesperam paraverunt Pascha. Item Johannes eodem: »Ibi igitur propter parasceuen Judaeorum, quia juxta erat monumentum, posuerunt Jesum;« et ideo acceleraverunt sepulturam, ne in die quintadecima sepelirent. Nam in die Azymorum non sepelissent Eum, quia nullum sepeliebant in praecipuis festis, sicut est dies Azymorum, et Scenopegia, et hujusmodi. Item in Luca: »Et revertentes mulieres in die Crucifixionis paraverunt aromata, et Sabbato siluerunt secundum mandatum.« Sed non licuit eis parare aromata in die Azymorum. Nam Exodi duodecimo de prima et ultima die Azymorum dicitur: »Nihil operis facietis in eis, exceptis his quae ad vescendum pertinent.« Quapropter videtur quod Dominus fuit passus quartadecima luna. Et figura debet respondere veritati. Sed agnus Paschalis fuit occisus in lege quartadecima luna semper. Et si hoc est verum, tunc Dominus praevenit Azyma; nam celebravit coenam in Azymis, secundum quod ecclesia Latinorum utitur, auctoritate principis apostolorum fulcita; quam usque nunc secuta est Romana ecclesia, et tota occidentalis ecclesia similiter. Et oportuit quod praeveniret propter Passionem suam. Et plures hic periti in astronomia voluerunt invenire lunationes circa tempus Passionis in omni anno, a nativitate Domini, usque versus triginta annos vel quadraginta. Et consideraverunt haec per

KAPITEL 57

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worden sein. Ferner sagt Johannes im 18. Kapitel: »Und sie gingen nicht in das Richthaus, auf das sie nicht unrein würden, sondern das Pessachmahl essen möchten.«452 Sie aßen aber an dem Abend nach der Kreuzigung das Pessachmahl, weshalb es am 15. Mond stattgefunden haben muss und nicht früher. So auch Johannes im 19. Kapitel: »Es war aber der Tag der Vorbereitung des Pessachfestes,«453 – also müssen sie am Abend desselben Tages das Pessachmahl gegessen haben. Und weiter Johannes in demselben [Kapitel]: »Dahin legten sie Jesum um des Rüsttages willen der Juden, dieweil das Grab nahe war.«454 Daher eilten sie zu seinem Grab, weil sie ihn am 15. Tag nicht bestatten konnten. Denn am Tag des Festes der ungesäuerten Brote konnten sie ihn nicht begraben, da an den Festtagen niemand begraben wurde. Das gilt für das Fest der ungesäuerten Brote, für das Laubhüttenfest und für alle Feste dieser Art. So auch bei Lukas: »Die Frauen kehrten aber um und bereiteten Spezerei und Salben. Und den Sabbat über waren sie still nach dem Gesetz.«455 Denn es stand ihnen nicht frei, während des Festes der ungesäuerten Brote Salben zuzubereiten. Weiterhin wird im zwölften Kapitel des Buches Exodus über den ersten und den letzten Tag des Festes der ungesäuerten Brote gesagt: »Keine Arbeit sollt ihr an dem tun; außer, was zur Speise gehört für allerlei Seelen, das allein mögt ihr für euch tun.«456 Daher scheint es so zu sein, dass der Herr während des 14. Mondes gestorben ist – was mit der Wahrheit übereinstimmen muss. Doch nach dem Gesetz wurde das Pessachlamm immer am 14. Mond geschlachtet. Wenn das aber wahr ist, muss das Abendmahl des Herrn diesem Datum vorangegangen sein: denn gemäß der Ansicht, die die lateinische Kirche vertritt – und worin sie durch die Autorität der Apostel gestützt wird – hielt er das Abendmahl während des Festes der ungesäuerten Brote. Dieser Ansicht ist die römische Kirche und die ganze Kirche des Abendlandes bis heute gefolgt. Es muss aber seiner Kreuzigung vorangegangen sein. Viele sehr fähige Astronomen wollten schon die Mondumläufe um die Passionszeit herum in jedem Jahr untersuchen, von der Geburt des Herrn bis zu 30 oder 40 Jahre danach. Sie haben versucht, das

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Teil I

oppositionem mediam solis et lunae, et per diem quae sequitur oppositionem, et per eam quae praecedit; et constituerunt tabulas ad hoc; et non potuerunt invenire lunam quintamdecimam in die Veneris in Martio, quanquam diligenter quaesiverunt. Et egomet ordinavi tabulas ad hoc1 cum consilio peritorum in lege divina et astronomia. Et non invenimus adhuc istam quintamdecimam lunam in die Veneris in Martio, circiter tempus Passionis. Et contra haec omnia objecta nihil invenitur pro solutione digna. Nam aliquae cavillationes allegantur; sed de facili evacuantur per eos, qui legem Dei noverunt et astronomiam. De kalenda vero consimilis vel major dubitatio. Nam Theophilus, qui fuit vicinus apostolis, scripsit quod decimo kalendas passus fuit; et ideo Gerlandus, omnium computistarum doctissimus, ei adhaeret. Et quod Augustinus, et Hieronymus, et vulgus Latinorum ponunt octavo kalendas Aprilis, reputat non per auctoritatem dictam, sed secundum vulgi. Nam cum Augustinus dicit quod passus est octavo kalendas infert quod passus est sub geminis consulibus; quod non est verum, ut patet per2 annos consulum Romanorum. Et ideo hoc dixit secundum opinionem vulgi, non ex definitiva sententia. Multa enim dicunt sancti3 et referunt secundum vulgum, ubi aut non habuerunt posse determinandi veritatem, aut propter difficultatem reliquerunt, aut in aliis satis4 occupati, suffecit illud ad tempus loqui ut plures, quamvis fuit eis sentiendum ut pauci. Et Beda inclinatur ad hanc sententiam, dicens quod si

1  ad hoc ]  om. Ti. 2  per ]  om. Ti. 3  sancti ]  om. Ti. 4  satis ]  om. Ti.

KAPITEL 57

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durch die mittlere Opposition von Sonne und Mond für den Tag, der dieser Opposition folgt, und für den Tag, der ihr vorausgeht, zu berechnen, wofür sie auch Tafeln hergestellt haben. Sie konnten aber keinen 15. Mond am Freitag im März finden, so gründlich sie auch gesucht haben. Ich selber habe solche Tafeln mit dem Rat von äußerst fähigen Astronomen und Schriftgelehrten zusammengestellt.457 Und auch wir haben keinen 15. Mond am Freitag im März finden können, der um die Zeit der Passion gelegen gewesen wäre. Gegen alle diese Einwände ist bis jetzt kein überzeugendes Argument für eine Lösung gefunden worden. Denn auch, wenn einige leere Spitzfindigkeiten angeführt werden mögen, können sie doch leicht durch jene, die das Gesetz Gottes und die Astronomie kennen, entkräftet werden. Bezüglich des Kalenders gibt es ähnliche und sogar noch größere Zweifel. Denn Theophilus, der den Aposteln zeitlich sehr nahe war, sagt, dass [die Kreuzigung] am zehnten Tag vor den Kalenden [des April] geschehen ist.458 Und Gerlandus, der gelehrteste von allen Komputisten, schließt sich ihm an459. Dass Augustinus, Hieronymus und die Menge der Lateiner den achten Tag vor den Kalenden des April dafür ansetzen, hat nichts mit der genannten Autorität [des Gerlandus und Theophilus] zu tun, sondern richtet sich nur nach der verbreiteten Meinung. Denn Augustinus sagt, dass dies am achten Tag vor den Kalenden des April geschehen ist, und schließt, dass sie sich unter dem Konsulat der beiden Gemini ereignet hat460. Das ist aber nicht wahr, wie aus den Jahreszahlen der römischen Konsuln hervorgeht. Also sagt er das, weil er der gängigen Meinung folgt – nicht, weil er es selbst genügend untersucht hat. Denn die Heiligen sagen viele Dinge und beziehen sich dabei auf gängige Meinungen, sei es, weil sie selber nicht fähig waren, die Wahrheit herauszufinden, sei es, weil sie mit den Schwierigkeiten nicht fertig geworden sind, oder sei es, weil sie einfach mit anderen Dingen beschäftigt waren. Daher mag es ihnen manchmal gereicht haben, zu sprechen wie die Menge, auch wenn sie eigentlich wie die Minderheit hätten denken müssen. Auch Beda [Venerabilis]461 neigt zu dieser Ansicht, wenn er sagt, dass du Gott danken mögest,

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Teil I

inveneris ut chronographi dicunt de passione Domini, gratias age Deo; non potens invenire quod vulgatum est. Et per tabulas astronomiae non possumus invenire quod a vulgo dicitur; cum tamen in revolutione temporis lunaris nullo modo errent tabulae astronomiae, ut certum est1; quia proprium est astronomiae certificare haec tempora; et nunquam invenimus falsitatem secundum tabulas illas, sicut probamus per eclipses et caetera quae in coelo renovantur. Et si opinionem totam vulgi de lunatione et kalenda accipiamus, dicentes quod Dominus fuit passus octavo kalendas Aprilis, et quintadecima luna, tunc aureus numerus in anno Passionis fuit decimus tertius, sicut Beda scribit, et patet manifeste in kalendario. Sed Dominus fuit natus secundo anno cycli decennovenalis, secundum ecclesiam et omnes, et ita secundum cyclum habuit octodecim annos in fine primi cycli; quibus si tredecim anni alterius cycli addantur (quia decimus tertius fuit aureus numerus in anno Passionis), tunc erunt anni triginta et unus secundum cyclum. Sed hi triginta et unus non sunt secundum aetatem veram Christi nisi viginti novem, et quantum fluxit a Natali usque ad Passionem Domini, ut patet consideranti. Ergo fuit passus in tricesimo anno aetatis suae, quod est contra Evangelia. Nam Lucas refert Johannem Baptistam baptizasse Christum incipientem quasi trigenta annorum. Et secundum fidem Evangeliorum praedicavit postea pluribus annis. Sed longe fortius potest objici. Nam sequitur ex hoc quod Dominus fuit passus in die Dominica, quod est manifeste falsum. Quod autem sequatur2 ex hoc, ostendo sic. Ecclesia sequitur tabulam Dionysii abbatis3 Romani, et in cereo paschali; inveniatur igitur litera tabularum; et revolvatur tabula usque ad Nativitatem et diem Passionis; et supponatur quod quintadecima fuit luna in Passione

1  ut certum est ]  om. Ti. 2  sequatur ]  sequetur, B. 3  Dionysii abbatis ]  abbatis Dionysii, Ti.

KAPITEL 57

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wenn du etwas Wahres finden mögest, wenn die Chronographen über die Passion Christi reden: denn du kannst nicht dem folgen, was die gängige Meinung ist. Wir zumindest können durch die Sterntafeln nichts davon bestätigt finden, was von der Menge gesagt wird. Doch bei der Zurückrechnung der Mondzeit können sich die Sterntafeln mit Sicherheit nicht irren, weil es gerade der Astronomie eigen ist, diese Zeiten zu belegen; und wir werden in diesen Tafeln niemals eine Falschheit finden, wie wir selber durch die Eklipsen und andere Himmelsphänomene bewiesen haben. Wenn wir die Meinung der Menge über die Mondzeit und den Kalender akzeptieren würden, die sagt, dass der Herr am achten Tag vor den Kalenden des April gestorben ist, wäre die goldene Zahl462 für das Jahr der Passion Christi die [Zahl] 13, wie bereits Beda geschrieben hat und wie auch aus dem Kalender hervorgeht. Doch der Herr wurde im zweiten Jahr des 19. Mondzyklus geboren, wie die Kirche und alle anderen bestätigen; und entsprechend dieses Zyklus war er gegen Ende des ersten Zyklus 18 Jahre alt. Wenn wir zu diesen Jahren noch die 13 Jahre des nächsten Zyklus hinzuzählen (da die 13 die goldene Zahl im Jahr der Passion war), dann waren es dem Zyklus nach insgesamt 31 Jahre. Doch diese 31 Jahre entsprechen nicht dem wirklichen Alter Christi. Auch sind zwischen seiner Geburt und seinem Leidensweg nicht nur 29 Jahre vergangen, wie jedem klar ist, der darüber nachdenkt. Er wäre also im 31. Jahr seines Lebens gestorben, was den Evangelien widerspricht. Denn Lukas berichtet uns463, dass Johannes der Täufer ­Jesus getauft hat, als dieser 30 Jahre alt war. Und gemäß den Evangelien predigte er danach noch viele weitere Jahre. Doch dagegen kann noch weit Bedeutsameres angeführt werden. Denn daraus folgt, dass der Herr am Sonntag gestorben ist, was ganz klar falsch ist. Das zeige ich so: Die Kirche folgt der Tafel des römischen Abtes Dionysius464 in Bezug auf die Osterkerze. Nehme man also diese Tafeln zur Hand und lese darin zurück bis zur Geburt und dem Kreuzigungstag. Setze man weiterhin voraus, dass die Kreuzigung am 15. Mond und am achten Tag vor den Kalenden

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Teil I

in octavo kalendas; tunc manifestum erit1 quod fuit passus in die Dominica. Nam quilibet qui scit aliquid de computo potest hoc probare per revolutionem temporis usque ad diem Passionis. Et cum totum vulgus vel erret hic, vel dubium sapientibus proponat, nec habet aliquis de vulgo unde probet quod dicit, nec qualiter respondeat rationibus, Magister tamen in historiis pessime errat. Quoniam ponamus quod non erret in dicendo quod quintadecima luna, et octavo kalendas fuerit2 passus Dominus; tamen cum vult hoc probare, errat ultra modum, et ducit omnes in errorem, ut credant quod bene probaverit quod proponit. Si enim homo veritatem aliquam pro falsa nititur probare, et asserit suam probationem, non minus est vituperabilis quam ille qui falsum nititur per falsa probare; immo magis in hoc deridendus est, quod per falsa maculat veritatem. Veritas enim mendacio non indiget. Dico igitur quod quicquid sit de conclusione intenta Magister errat omnino in sua propositione quam ponit, in fine capituli de Coena Domini; cum dicit, si revolvas tabulas3 computi in anno Passionis, invenies lunam vicesimam secundam, in kalendis Aprilis, et diem Veneris; ergo in octavo kalendas fuit luna quintadecima, et dies Veneris. Totum istud argumentum ponit compositum ex duabus consequentiis. Sed ex prima sequuntur duo impossibilia. Nam si revolvamus tabulas computi4, et luna fuerit vicesima secunda in kalendis Aprilis, sequitur quod aureus numerus fuerit decimus tertius in anno Passionis, et ita quod fuerit decimus tertius annus Christi secundum cyclos. Sed tunc de necessitate sequitur quod Dominus fuit passus in tricesimo anno, et in die Dominica, sicut quilibet potest experiri, qui scit tabulam hanc revolvere. Et hoc poterit

1  erit ]  om. B. 2  fuerit ]  fuit, B. 3  tabulas ]  tabulam, B. 4  tabulas computi ]  computum, B.

KAPITEL 57

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des April stattgefunden hat – dann wird ganz deutlich, dass er an einem Sonntag gestorben ist [was falsch ist]. Denn jeder, der etwas über die Berechnung weiß, kann das durch die Rückverfolgung der Zeit bis zum Kreuzigungstag beweisen. Da sich die ganze Menge hier irrt oder die Weisen in die Irre führt, hat die Menge nichts, bis sie beweisen mag, was sie sagt – oder richtig auf Vernunftgründe antwortet. Auch der Magister [Petrus Comestor] irrt sich in seinen Historien auf die scheußlichste Weise: Denn selbst wenn wir annehmen würden, dass die Kreuzigung des Herrn während des 15. Mondes und des achten Tages vor den Kalenden des April stattgefunden hat, irrt er sich doch maßlos in seiner Beweisführung und führt alle in den Irrtum, die glauben, dass er das Vorgeschlagene auch gut geprüft hat. Denn wenn ein Mensch versucht, die Wahrheit mit Falschheiten zu beweisen und auf seinem Vorschlag beharrt, ist er nicht weniger tadelnswert als einer, der Falsches durch Falsches beweisen will; er ist sogar noch mehr dafür zu verlachen, dass er die Wahrheit durch Falschheiten beschmutzt, weil die Wahrheit die Lüge nicht braucht. Ich sage also, dass, was auch immer die Intention des Magisters gewesen sein mag, er sich doch in seinem gesamten Vorschlag gegen Ende seines Kapitels über das Abendmahl des Herrn465 irrt. Denn er sagt dort, dass du, wenn du die Kalendertafeln bis zum Leidensjahr des Herrn zurückverfolgst, den 29. Mond in den Kalenden des April finden wirst, und dass das ein Freitag ist. Daher [so sagt der Magister weiter] war der achte Tag vor den K ­ alenden des April am 15. Mond und an einem Freitag. Das ganze von ihm vorgebrachte Argument ist also aus zwei Annahmen zusammengesetzt. Doch schon aus der ersten folgen zwei Unmöglichkeiten: Denn wenn wir die Berechnungstafeln zurückrechnen, und wenn der 22. Mond in den Kalenden des April gewesen wäre, würde folgen, dass die goldene Zahl die 13 im Kreuzigungsjahr gewesen wäre, und dass die Passion Christi dementsprechend im 13. Jahr des Zyklus stattgefunden hätte. Dann würde aber notwendig folgen, dass der Herr in seinem 30. Lebensjahr und an einem Sonntag gestorben wäre, wie jeder selbst nachprüfen kann, der die Tafeln zu lesen versteht. Das wird Euch auch Johannes, den

Teil I

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Johannes, quem misi, probare ante oculos vestros; nam docui eum specialiter in hoc casu, et similiter in tabula astronomiae facta ad hanc materiam, quam tabulam inserui in Opere Majori, magno labore et multis expensis acquisitam. Multa plura scripsi in Opere Majori, quae hic non tango, sed certius scribo hic, et ideo magis est huic scripturae adhaerendum.

CAPITULUM LVIII. [ 395]

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Post haec descendo ad quintam radicem mathematicae respectu theologiae, et est figuratio geometrica. Nam omnia artificialia in Scripturis, ut arca Noe, tabernaculum, et omnia quae ad ipsum pertinent, et templa Salomonis, et Ezechielis, et Esdrae, et infinita alia, indigent magno artificio geometriae. Et necesse est ut fiant1 haec coram oculis vestris2 propter intellectum sensus literalis, et spiritualis eliciendi ex literali; et quatenus videremus ad sensum figuram veritatis, quam tenemus, ut simul vetus et novum praesentialiter contemplaremur. Et sic fecerunt sancti et sapientes retroacti temporis, ut sapientiam Dei, literam et spiritum, viderent. Et ego vidi hujusmodi oculis meis. Nam vidi in veste poderis Aaron totum orbem terrarum describi, et parentum magnalia, sicut liber Sapientiae refert descriptum esse. Et cum prius probatum est copiose quod nihil dignum potest sciri in scientiis et3 in rebus humanis, sine geometrica potestate, et rerum et scientiarum cognitio est necessaria theologiae, tunc planum est quod hanc scientiam sapientia Dei omnino requirit.

1  fiant ]  sciant, B. 2  vestris ]  nostris, B. 3  sciri in scientiis et ]  om. T. B.

KAPITEL 58

473

ich Euch geschickt habe, vor euren Augen zeigen können. Denn ich habe ihn in diesem Fall ganz besonders unterrichtet und auch im Gebrauch der Tafeln unterwiesen, die zu diesem Zweck angefertigt worden sind. Ich habe auch eine Tafel in mein Opus maius eingefügt466, was mich große Mühen und viele Ausgaben gekostet hat. Ich habe noch vieles Weitere im Opus maius geschrieben, was ich hier nicht noch einmal aufnehme. Doch ich schreibe hier mit größerer Sicherheit, weshalb diese Schrift vorzuziehen ist.

KAPITEL 58 Über den Nutzen der Geometrie für die Theologie [ 395]

[ 396]

Danach komme ich zur fünften Wurzel der Mathematik in Bezug auf die Theologie, und das sind die geometrischen Figurationen467. Denn alle mit Kunst ausgeführten Hervorbringungen des Menschen, wie die Arche Noahs, das Tabernakel und alles, was damit zusammenhängt: die Tempel Salomons, Hesekiels [Hesekiel 40, 1–48,7] und Esras [Esra 1, 1–7] und unzählige andere [dieser Dinge] erfordern ein großes Maß an geometrischer Kenntnis. Es ist jedoch notwendig, dass diese Dinge vor Euren Augen erklärt werden, um den Literalsinn und den daraus resultierenden Spiritual­ sinn zu verstehen, damit wir die Gestalt der Wahrheit sehen, die wir ergreifen sollten, damit wir das Neue und das Alte gleichzeitig betrachten können. So haben es auch die Heiligen und Weisen vergangener Zeiten gehalten, damit sie die Weisheit Gottes sowohl im Literalsinn als auch im Spiri­tual­sinn sehen mögen. Und so habe auch ich diese Dinge mit eigenen Augen gesehen. Denn ich habe die gesamte Welt in der Kleidung Aarons aufgezeichnet gesehen468 sowie die ruhmreichen Namen der Väter, wie es schon das Buch der Weisheit 469 beschrieben hat. Da bereits umfangreich gezeigt worden ist, dass nichts Würdiges in den Wissenschaften und menschlichen Angelegenheiten ohne die Macht der Geometrie erkannt werden kann, ist es nun deutlich, dass die Weisheit Gottes jene Wissenschaft für alles braucht. Deshalb sagt

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[ 397]

Teil I

Propter quod Cassiodorus dicit: »Sancta divinitas, quando creaturae suae diversas species formulasque concedit, quando cursus stellarum potentia reverenda distribuit, et statutis lineis fecit currere quae moventur, certaque sede, quae sunt fixa, constituit, quic­ quid bene disponitur ac completur, potest hujus scientiae qualitatibus applicari.« Et ostendi hoc per exempla specialia de lride, quae invenitur pluries in Scriptura; et quomodo sol tripliciter exurit montes, Ecclesiastici quadragesimo tertio, per radios incidentes, et reflexos, et fractos, et iterum per triplicem diversitatem angulorum, et tertio per triplicem figurationem. Et ideo non solum simul1 exurit montes tripliciter, sed tribus modis trinam facit combustionem. Et cum in eodem loco dicitur, in meridiano sol exurit terram, hoc est sub tropicis et prope, nam radii possunt ibi cadere recti, et2 non citra tropicum, quia citra franguntur omnes, item ad angulos rectos, et non citra. ltem geminantur ex reflexione. ltem breviores sunt pyramides. Et cum theologi quaerant multa de luce, quid sit, et ejus multiplicatione et actione, nihil dignum potest sciri de his sine geometrica potestate: sicut etiam tractatus de Radiis manifestat, quem vobis misi3 separatim ab Opere Majori, et sic de aliis infinitis. Et postea comparo multiplicationes specierum, secundum figuras geometricas, ad veritates gratiae et peccati, et ad veritates gloriae et poenae damnatorum. Nam gratia tenet incessum rectum in hominibus perfectis, et incessum fractum in imperfectis, et reflectitur a

1  simul ]  semel, Ti. 2  et ]  om. Ti. 3  vobis misi ]  misi vobis, Ti.

KAPITEL 58

[ 397]

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auch Cassiodor: »Sie ist die heilige Göttlichkeit, und zwar dann, wenn sie ihren Geschöpfen unterschiedliche Arten und Formen zugesteht; wenn sie den Lauf der Sterne mit staunenswürdiger Macht ordnet, das sich Bewegende in festgefügten Bahnen ziehen lässt und dem Unbeweglichen einen festen Ort zuweist. Was immer trefflich geordnet und vollendet ist, kann man unter die Eigenschaften dieser Wissenschaft rechnen.«470 Ich habe das an einigen ausgesuchten Beispielen über den Regenbogen gezeigt471, von denen man mehrere in der Schrift findet. Ich erkläre auch, wie die Sonne die Berge dreifach in Brand setzt, wie es in Ekklesias­ tes 43 geschrieben steht.472 Das ist nämlich durch einfallende, reflektierte und gebrochene Strahlen möglich, durch eine dreifache Art von Einfallswinkeln und durch eine dreifache Art von geometrischer Anordnung. Daher werden die Berge nicht dreimal auf die gleiche Weise in Brand gesetzt, sondern diese Verbrennung findet auf drei mal drei verschiedene Arten statt. An demselben Ort wird auch ausgeführt, dass die Sonne im Süden die Erde verbrennt  – also in der subtropischen Region und darum herum –, weil dort die Strahlen geradlinig einfallen können, wie es jenseits der subtropischen Regionen nicht der Fall ist, da die Strahlen dort alle in rechten Winkeln gebrochen werden. Daher werden sie durch die Reflexion verdoppelt, weshalb auch die Pyramiden [der Strahlen] kürzer sind. Und da die Theologen viele Fragen bezüglich des Lichts behandeln – was es ist, seine Vervielfältigung und seine Wirkung – [muss man wissen], dass man darüber nichts Würdiges ohne die Macht der Geometrie wissen kann. Das zeigt meine Abhandlung Über Strahlen473, die ich Euch gesondert vom Opus maius zugesandt habe, und in der auch andere Dinge ausführlich behandelt werden. Danach vergleiche ich die Vervielfältigung der species anhand geometrischer Figuren mit den Wahrheiten der Gnade und der Sünde und mit den Wahrheiten der Erlösung und der Strafe der Verdammten.474 Denn die Gnade Gottes nimmt einen geradlinigen Eingang in die vollkommenen Menschen, einen gebrochenen in die unvollkommenen Menschen und wird von den schlechten

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Teil I

malis. Sed ab hypocritis tanquam a speculis politis per honestatem exteriorem, ab aperte1 malis tanquam ab asperis corporibus, quae dissipant lucem, et faciunt insensibilem, sicut mali aperte qui in se et coram aliis totam ecclesiam dissipant. Et sic multas pulchras adaptationes geometricas brevibus tango, et innuo majores. Et post haec2 docendo potestatem numerorum pro arithmetica. Quia Augustinus dicit quod ad Divinarum Scripturarum cognitionem nemo debet accedere sine potentia numerorum. Et primo ostendo quomodo quatuor modis sunt numeri necessarii: quorum unus est propter falsitatem Textus Sacri corrigendam3; et pono4 exempla de hoc. Et postea tango quomodo medietates tres, quas considerat arithmeticus, reperiuntur in Divinis Scripturis, de qui­ bus5 theologi et doctores sacri negotiantur. Deinde quia textus et quaestiones6 theologiae multum utuntur coelestibus, et loquuntur de altitudine coelorum, et de eorum et stellarum spissitudine et magnitudine, et non possunt haec sciri nisi per magnam numerorum potestatem, ideo posui radices circa haec, et extraho flores et fructus. Et haec7 est distinctio magna, et digna valde et pulchra, quam omnis homo deberet habere prae manibus. Nam mirabilia Dei et naturae rerum mundi manifestantur per hoc. Et ibi est certitudo sufficiens. Sed labor magnus fuit in certificando, et expensae multae.

1  ab aperte ]  ab a parte, B. 2  haec ]  om. Ti. 3  corrigendam ]  corrigendi, B. 4  pono ]  ponam, Ti. 5  quibus ]  qua, Ti. B. 6  textus et quaestiones ]  quaestiones et textus, Ti. 7  haec ]  hic, B. Ti.

KAPITEL 58

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Menschen reflektiert. [Ein weiterer Vergleich lässt sich in diesem Zusammenhang anstellen]: Die Gnade wird von den Heuchlern aufgrund ihrer nach außen gezeigten Ehrwürdigkeit gleichsam wie von polierten Spiegeln reflektiert, doch von den ganz offenbar schlechten Menschen wird die Gnade wie von rauen und un­ ebenen Körpern zerstreut und unfühlbar gemacht, so wie die offenbar schlechten Menschen für sich selbst und vor den anderen die ganze Kirche auflösen. Auf diese Weise gehe ich auf viele kurze schöne geometrische Anwendungen ein und streife die größeren zumindest oberflächlich. Daraufhin lehre ich die Kraft der Zahlen für die Arithmetik.475 Denn schon Augustinus476 sagt, dass sich dem Studium der Heiligen Schrift niemand ohne die Macht der Zahlen nähern darf. Zuerst zeige ich, auf welche vier Arten die Zahlen hierfür notwendig sind: Die erste von ihnen besteht in der Korrektur der Falschheit des Heiligen Textes; und ich führe auch Beispiele hierfür an. Danach behandle ich die Frage, inwiefern die drei Größen enthaltenden Proportionen, die der Arithmetiker behandelt, sich in den Heiligen Schriften wiederfinden, mit denen sich die Theologen und die heiligen Doktoren beschäftigen. Weil die Heilige Schrift und die Quaestionen der Theologie viele Beispiele aus dem Bereich des Himmels benutzen, über die Höhe des Himmelsgewölbes und über seine und der Sterne Dichte und Ausdehnung sprechen, und weil man darüber nur mit Hilfe der großen Macht der Zahlen etwas wissen kann, beschreibe ich ihre Wurzeln und lese die Blüten und Früchte heraus. Das ist eine äußerst wichtige Distinktion [in meinem Opus maius] und sie ist äußerst würdig und schön, weshalb sie jeder Mensch in seinen Händen halten sollte. Denn hierdurch zeigen sich die Wunder Gottes und der Dinge dieser Welt. Daher gibt es davon [in meinem Opus maius] genügend Sicherheit. Doch es hat viel Arbeit und viele Ausgaben gekostet, das alles zu belegen.

Teil I

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CAPITULUM LIX. [ 399]

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Post hoc tetigi utilitatem musicae in Scriptura; et sancti non possunt satiari de laude musicae respectu theologiae et Scripturae Sacrae intelligendae. Nam secundum quod exposui in Opere Majori, Augustinus libro Retractationum, et Ad Homerum, et secundo libro1 De Doctrina Christiana, et in multis locis, declarat quod omnino necessaria est. Et ideo scripsit sex libros de musica. Et Cassiodorus similiter multa explicans de ejus laude in Sacra Scriptura infert in generali; ut breviter cuncta complectar2 quicquid in supernis rebus et terrenis convenienter secundum auctoris dispositionem geritur, ab hac disciplina [non] refertur acceptum3. Sed ut veraciter pateat utilitas musicae in particulari, expedit quod ejus partes principales revolvam; et in hoc additur ad opera priora, propter hoc quod multae4 partes musicae non sunt notae vulgo, nec etiam multitudini eorum qui sapientes existimantur. Musica vero secundum omnes auctores considerat sonum. Sed Pythagorici aestimaverunt differentias sonorum esse in motibus coelestium corporum, et ideo posuerunt musicam mundanam de sono coelesti. Sed Aristoteles probat, secundo Coeli et Mundi, quod nullo modo potest sonus generari in coelestibus, et quod Pythagoras erravit. Propter quod alii subtilius philosophantes dixerunt quod musica mundana non est ex sono coelestium corporum, sed ex sono generato ex radiis corporum illorum, dicentes sonum tripliciter generari, scilicet ex collisione duri cum duro, de quo est musica instrumentalis, ut in citharis, et psalteriis, et aliis;

1  libro ]  om. B. 2  complectar ]  complector, B. 3  acceptum ]  exceptum, B. Ti. 4  multae ]  om. B.

KAPITEL 59

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KAPITEL 59 Über Musik [ 399]

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Danach habe ich die Nützlichkeit der Musik für die Heilige Schrift behandelt477, weil die Heiligen die Musik für das Verständnis der Theologie und der Heiligen Schrift nicht genug loben können. Denn wie ich im Opus maius478 geschrieben habe, hat Augustinus in seinem Buch Überarbeitungen479, in seinem Brief An Me­ morius480, im zweiten Buch seiner christlichen Bildung 481 und an vielen anderen Stellen erklärt, dass die Musik wirklich notwendig ist. Aus diesem Grund hat er auch sechs Bücher über die Musik geschrieben.482 Auch Cassiodor schreibt vieles zum Lob der Musik für das Verständnis der Heiligen Schrift im Allgemeinen: »Um das Ganze auf den Punkt zu bringen: Alles, was sich an Überirdischem wie Irdischem gemäß dem Willen des Schöpfers zuträgt, gilt als zu dieser Wissenschaft gehörig.«483 Damit aber der Nutzen der Musik auch in den einzelnen Bereichen klarer wird, ist es zuträglich, dass ich auf ihre einzelnen Teile näher eingehe. Insofern wird hierdurch noch etwas zu den vorigen Werken hinzugefügt, weil viele Teile der Musik weder der Allgemeinheit noch den meisten von denen, die als weise eingeschätzt werden, bekannt sind. Alle Autoren sind sich darin einig, dass die Musik den Klang behandelt. Doch die Pythagoreer meinten, dass die Unterschiede der Klänge sich in den verschiedenen Bewegungen der himmlischen Körper wiederfänden, weshalb sie [den Ursprung] der Sphärenmusik in dem Klang der Himmelskörper suchten. Bereits Aristoteles hat aber im zweiten Buch seines Werkes Vom Himmel und von der Welt 4 84 gezeigt, dass ein Klang auf keinen Fall in den Himmelskörpern entstehen kann, und dass Pythagoras sich geirrt hat. Deshalb haben andere nach ihm, die scharfsinniger philosophiert haben, gesagt, dass die Sphärenmusik nicht von dem Klang der Himmelskörper hervorgebracht wird, sondern von dem Klang der Strahlen jener Körper. Weiterhin meinten sie, dass ein Klang auf dreifache Weise entstehen kann: aus dem Zusammenstoß zweier harter Dinge, woraus die instrumentale Musik entsteht, die von verschie-

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Teil I

vel ex motione spirituum ad vocalem arteriam, de quo est musica humana, ut in voce hominis; vel1 ex radiis rarefacientibus aerem; de tali sono est musica mundana; ut magni viri dixerunt, et valde sapientes, licet non in hoc. Nemo enim ex omni parte beatus est2. Nam quod hoc sit falsum, patet: quia etsi esset sonus ex radiis, non esset cantui et instrumentis conformandus in delectationem auditus. Sed musica non considerat nisi de his, quae motibus consimilibus possunt conformari cantui et sono instrumentorum in delectationem sensus. Deinde nunquam alicujus auditus potuit hunc sonum percipere, cum tamen, si sonus est, est praesens auditui. Caeterum non omnis rarefactio aeris generat sonum, sed quae causatur ex motu percussionis, secundum quod Aristoteles docet. Sed radius non percutit, sed generatur ex potentia materiae, ut probavi in tractatu De Radiis, quem Johannes extra principalia opera deportavit. Et praeterea rarefactio radii inducit calorem, et ad hoc est ordinata; sed sonus est alterius generis. Sed explicare ista non est praesentis negotii. Tantum tamen teneatur, quod non generatur sonus ex radiis coe­ lorum, et ideo nulla est musica mundana, licet secundum opinionem antiquorum Pythagoricorum duravit haec opinio apud vulgum. Sed magis recitatur apud sapientes, quam approbatur. Et ideo, quia Boetius fecit mentionem de ea in sua Musica, hoc non est nisi secundum opinionem vulgi recitando. Omnis igitur sonus vel est ex collisione duri cum duro, vel ex motione spirituum

1  vel ]  et, Ti. B. 2  est ]  om. Ti.

KAPITEL 59

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denen Saiteninstrumenten, Harfen und anderen Musikinstrumenten erzeugt werden kann; oder aus der Bewegung des Atems in den Stimmbändern, woraus die menschliche Musik besteht, etwa die menschliche Stimme; oder auch aus Strahlen, die die Luft verdünnen. Von dieser Art Klang ist die Sphärenmusik. Das mögen große Männer gesagt haben, die sehr weise waren, auch wenn sie sich hier freilich geirrt haben. Schließlich trifft niemand in jedem Bereich immer das Richtige. Dass diese Ansicht falsch ist, geht aus Folgendem hervor: Wenn ein Ton aus Strahlen bestehen würde, würde er nicht gesungen und nicht durch Instrumente in den Hörgenuss umgewandelt werden können. Doch die Musik behandelt nichts anderes als die Dinge, die durch ähnliche Bewegungen in Gesang und durch Instrumente zum Genuss des Hörens führen. Kein Gehör konnte jemals einen solchen Ton [der Sphärenmusik] hören, obwohl er doch, wenn er ein Ton ist, für den Gehörsinn wahrnehmbar sein müsste. Zudem entsteht nicht aus jeder Verdünnung der Luft ein Ton, sondern – nach der Lehre des Aristoteles – nur durch solche, die durch Aneinanderschlagen hervorgebracht wird. Doch ein Strahl schlägt nicht auf ein Medium, sondern er entsteht aus der Kraft der Materie, wie ich in der Abhandlung Über Strahlen485 gezeigt habe, die Euch Johannes gesondert vom Opus maius mitgebracht hat. Daraufhin lässt die Verdünnung der Strahlen Hitze entstehen, was auch ihre Funktion ist; der Ton aber gehört zu einer ganz anderen Gattung. Doch dies zu erläutern ist hier nicht meine Aufgabe. Obwohl man es als feststehend betrachten kann, dass ein Ton nicht durch himmlische Strahlen entsteht und es daher keine Sphärenmusik gibt, gibt es diese Ansicht der Pythagoreer bei der Menge noch immer. Doch sie wird weit öfter von den Weisen bloß wiedergegeben, als dass sie wirklich akzeptiert werden würde. Wenn zum Beispiel Boethius darauf in seinem Buch über die Musik 486 eingegangen ist, geschah das nur wegen der weitverbreiteten Ansicht. Denn jeder Ton entsteht entweder aus dem Zusammenstoß von etwas Hartem mit etwas Hartem oder aus der Bewegung des

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Teil I

ad vocalem arteriam. Si est ex collisione, tunc est musica instrumentalis, cujus instrumenta vel sunt percussionalia, ut acetabula et cymbala; vel tensilia, ut cithara, nidula, et multa; vel inflativa, ut fistula, et tibia, et hujusmodi. Sic distinguit1 Cassiodorus in sua Musica. Si vero sit musica de sono humano, tunc vel est melica vel prosaica, vel metrica vel rhythmica. Melica in cantu consistit, quae nota est. Alia tria sunt in sermone, prosaico, metrico, et rhythmico. Nec obstet hic grammaticus, musicam ignorans, sibi vindicans rationes2 prosae, metri et rhythmi. Nam auctores musicae docent quod sunt hae partes musicae, quae dictae sunt; quoniam conformantur cantui et instrumentis proportionibus consimilibus3, in delectationem auditus. Quoniam Cassiodorus hoc dicit4 et probat per alios auctores, scilicet per Augustinum, et per5 Censorinum, et per Gaudentium et Albinum. Et Martianus, in De Septem Artibus suis, eodem modo consentit, et omnes auctores et doctores antiqui. Et non solum isti Latini, sed principales auctores, scilicet Ptolomaeus et Euclides, et etiam Alpharabius libro De Scientiis, in hoc concordant. Boetius tamen morte praeventus est antequam Musicam suam finit6; et ideo de una parte tantum docuit, et non de omnibus. Musicus igitur, cum sit demonstratur eo quod sit mathematicus, qui universaliter utitur demonstrationibus, dat causas, et rationes de his assignat, quia demonstratio facit scire per causam. Ergo grammaticus, qui per viam narrationis laborat, cui demonstratio

1  distinguit ]  dixit (?), Ti. 2  sibi vindicans rationes ]  rationes sibi vindicans, Ti. 3  proportionibus consimilibus ]  consimilibus proportionibus, Ti. 4  dicit ]  docet, Ti. 5  et per ]  om. Ti. 6  finit ]  om. B.

KAPITEL 59

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Lufthauches zu den Stimmbändern. Wenn er aus einem Zusammenstoß entsteht, handelt es sich um Instrumentalmusik. Die Instrumente dieser Musik sind entweder Schlaginstrumente: wie die Trommel und die Zimbel; oder Saiteninstrumente: wie die Kithara, die Nidula und viele andere; oder Blasinstrumente: wie die Flöte, die Pfeife und Instrumente dieser Art. So unterscheidet sie Cassio­ dor487 in seiner Musik. Im Falle der Musik, die durch menschliche Laute hervorgebracht wird, unterscheidet man zwischen dem Lied, der Prosa, der Metrik und der Rhythmik. Das Lied besteht aus aufgeschriebenem Gesang. Die anderen drei Formen der Musik findet man in der Rede, nämlich in der prosaischen, der metrischen und der rhythmischen Rede. Das widerspricht auch nicht dem Grammatiker, der die Musik [als Fach] zwar nicht kennt, dem aber trotzdem die Vernunftgründe der Prosa, des Metrums und der Rhythmik bekannt sind. Denn die Autoren, die über die Musik geschrieben haben, lehren alle, dass die Musik aus den Teilen besteht, von denen auch ich hier gesprochen habe. Weiterhin bilden der Gesang und die Instru­mentalmusik ja auch in Bezug auf die Freude für den Gehörsinn ähnliche Formen aus. Das sagt auch Cassiodor488 und beweist es durch viele Autoren wie Augustinus489, Censorinus490, Gaudentius491 und Albinus492. Auch Martianus [Capella] sagt solches in seinem Buch über die sieben freien Künste493, ebenso wie alle anderen Autoren und Lehrer der Antike. Darin stimmen nicht nur jene lateinischsprachigen Autoren, sondern auch andere grundlegende Autoren wie Ptolemäus, Euklid und sogar Alfarabi in seinem Buch Über die Wissenschaften494 überein. Boethius aber ist durch seinen Tod daran gehindert worden, sein Buch über die Musik zu vollenden, weshalb er vor allem über einen Teil der Musik und nicht über alle Teile gelehrt hat. Der Musiker lässt sich also eher mit einem Mathematiker vergleichen, weil dieser [genauso wie der Mathematiker] Beweise benutzt, Gründe angibt und sie erklären kann, da der Beweis einen durch Angabe des Grundes wissen lässt. Der Grammatiker aber, der mit [bloßen] Erzählungen arbeitet, die sich nicht auf einen Beweis er-

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Teil I

non pertinet, non dabit causas istorum, sed solum quia sic sunt, et sic habent fieri. Ergo grammaticus se habet ad musicum, sicut carpentator ad geometricum1. Et ideo grammaticus est mechanicus in hac parte, et musicus est artifex principalis. Quapropter sufficiens et principalis cognitio, scilicet quae est per causas et rationes, non habetur per grammaticam, sed per hanc scientiam; et hoc manifestum est ex2 libris antiquorum hujus scientiae. Nam musicaliter tractant ista per causarum assignationem; sicut etiam confirmat Alpharabius in3 libro memorato. Et Augustinus hoc docet secundo Musicae, ut inferius explicabitur. Praeter vero has partes musicae, quae sunt circa sonum, sunt aliae, quae sunt circa visibile, quod est gestus, qui comprehendit exultationes et omnes flexus corporis. Nam conformantur gestus cantui, et instrumentis, et metro, motibus consimilibus et configurationibus4 competentibus, ut completa delectatio habeatur, non solum auditus sed visus. Nos enim videmus quod ars instrumentorum, et cantus, et metri, et rhythmi, non vadit in plenam delectationem sensibilem, nisi simul adsint gestus, et exultationes, et flexus corporales; quae omnia cum conformentur proportionibus convenientibus5, fit perfecta delectatio sensibilis apud duos sensus. Et istud dicitur in libro De Ortu Scientiarum; scilicet, quod gestus est radix musicae, sicut metrum et sicut melos, id est, cantus. Et ­Augustinus dicit hoc secundo Musicae. Alii vero motus, qui non possunt conformari sono proportionibus convenientibus, ut fiat completa delectatio sensibilis, non sunt de scientia musicae. Aliqui tamen motus alii habent consimiles proportiones, sed non possunt sono et gestui conformari in unam

1  geometricum ]  geometrem, B. 2  ex ]  om. Ti. 3  in ]  om. B. 4  configurationibus ]  figurationibus, Ti. 5  convenientibus ]  competentibus, B.

KAPITEL 59

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strecken, gibt keine Gründe an, sondern sagt bloß, dass die Dinge so sind und eben so sein müssen. Daher verhält sich der Grammatiker zur Musik wie der Zimmermann zur Geometrie, weshalb der Grammatiker mit seiner Wissenschaft eher ein Mechaniker ist; der Musiker ist jedoch der eigentliche Künstler. Deshalb wird eine zufriedenstellende und grundlegende Kenntnis durch Gründe und Vernunftprinzipien nicht durch die Grammatik gegeben, sondern durch die Musik, wie es auch aus den Büchern der Alten über diese Wissenschaft ganz deutlich wird. Denn sie behandeln die Musik mit Hilfe der Angabe von Gründen, wie auch Alfarabi495 in seinem schon genannten Buch erklärt. Und Augustinus lehrt das im zweiten [Kapitel] seiner Musik 496, wie weiter unten erläutert werden wird. Abgesehen von den Teilen der Musik, die den Klang behandeln, gibt es noch weitere Teile, die die sichtbaren Dinge behandeln, wie zum Beispiel die Gestik, die Äußerungen der Freude und alle Bewegungen des Körpers beinhaltet. Denn die Gestik muss den Gesang, die Instrumentalmusik und das Versmaß mit ihnen ähnlichen Bewegungen und fachgerechten Bildungen begleiten, damit eine vollkommene Freude erreicht wird, die nicht nur das Gehör, sondern auch das Sehen einschließt. Schließlich sehen wir, dass die Instrumentalkunst, der Gesang, die Metrik und die Rhythmik nicht zu einer vollkommenen Befriedigung der Sinne führen, wenn sie nicht von der richtigen Gestik und angemessenen Bewegungen des Körpers begleitet werden. Wenn das alles jedoch in den richtigen Anteilen zusammenkommt, wird eine vollkommene Befriedigung beider Sinne erreicht. So wird auch in dem Buch Über den Ursprung der Wissenschaften497 gesagt, dass die Gestik die Wurzel der Musik, des Metrums und des Liedes sei. Das sagt auch Augustinus im zweiten [Kapitel] seiner Musik 498. Andere Bewegungen, die nicht mit dem Ton in eine harmonische Beziehung gebracht werden, sodass eine vollkommene Erfreuung der Sinne eintritt, sind kein Teil der Musik. Denn es treten zwar auch andere Töne in regelmäßigen Abständen auf, doch sie können nicht mit der Gestik in einer vergnüglichen Form zusammen-

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Teil I

delectationem, ut sunt motus pulsus. Fiunt enim secundum debitas proportiones, quibus musica utitur; sed ibi existentes non possunt referri ad auditum, sed respectu tactus1 tantum; et ideo non sunt de scientia musicae. Scientia tamen eorum est subjecta et subalternata musicae. Nam nunquam bonus erit medicus et perfectus2 in consideratione pulsuum, nisi sit instructus in proportionibus musicae, sicut docent auctores medicinae, ut Haly in libro De Regimine Regali, et multi alii.

CAPITULUM LX. 3 [ 407]

Partibus igitur musicae inventis, possumus liberius considerare quomodo musica est utilis in Scriptura. Nam si ad instrumenta descendamus, planum est quod abundanter reperiuntur in Scriptura. Unde Cassiodorus ait, »decalogi decachordus, tinnitus citharae, tympana, organi melodia, cymbalorum sonus, ipsum quoque psalterium instar instrumenti musici nominatum, non dubium est4 quin in ipso contineatur coelestium virtutum5 suavis nimis et grata modulatio.« Si igitur rerum omnium proprietates requiruntur sciendae propter sensum literalem, ut per convenientes adaptationes eliciantur sensus spirituales, secundum quod sancti docent et omnes sapientes, et videmus quod ipsa expositio Scripturae hoc requirit; manifestum est igitur quod necessse est ut expositor Scripturae perfectus sciat proprietates horum instrumentorum, et

1  respectu tactus ]  tactum, Ti. 2  et perfectus ]  om. Ti. 3  Capitulum LX.  ]  Cap. LIX., B. Alle diese Kapiteleinteilungen sind jedoch von neuerer Hand geschrieben. 4  dubium est ]  est dubium, Ti. 5  coelestium virtutum ]  om. Ti.

KAPITEL 60

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gebracht werden, wie es etwa bei gleichmäßigen Pulsbewegungen der Fall ist. Denn sie wiederholen sich zwar in gleichmäßigen Abständen, die auch in der Musik benutzt werden. Doch auch wenn diese Bewegungen auftreten, können sie nicht gehört, sondern nur durch Berührung gefühlt werden, weshalb sie kein Teil der Musik sind. Die Wissenschaft [von den Pulsbewegungen] ist der Musik nämlich unterworfen und untergeordnet. Denn ein Mediziner wird niemals fähig und vollkommen in der Beurteilung des Pulses sein, wenn er nicht in den Klangverhältnissen der Musik unterwiesen ist, wie die medizinischen Schriftsteller lehren, etwa Haly in seinem Buch De Regimine Regali [Liber Regalis] und viele andere.

KAPITEL 60 Der Nutzen der Musik für das Verständnis der Heiligen Schrift [ 407]

Nachdem wir so die Teile der Musik bestimmt haben, können wir nun mit größerer Freiheit überlegen, auf welche Weise die Musik für die Heilige Schrift nützlich ist. Denn wenn wir auf die verschiedenen musikalischen Instrumente zu sprechen kommen, wird deutlich, dass sie sehr häufig in der Heiligen Schrift vorkommen. Daher sagt auch Cassiodor: »Zeugen hierfür sind die ›Zehn Saiten des Dekalogs‹, der Klang der Harfe und der Handpauke, die Melodie der Orgel und der Ton der Zimbeln. Überdies besteht auch kein Zweifel daran, daß der Psalter selber nach einem Musik­instru­ment genannt wurde, weil er die wunderbar liebliche und anmutige Harmonie der himmlischen Vollkommenheit enthält.«499 Wenn daher alle Eigenschaften der Dinge bekannt sein müssen, damit man den Literalsinn verstehen kann und damit durch passende Übertragungen auch der Spiritualsinn erhellt wird, wie es alle Heiligen und Weisen lehren, und wenn wir bedenken, dass das auch für die Erklärung der Heiligen Schrift notwendig ist, wird ersichtlich, dass ein Exeget der Bibel eine vollkommene Kenntnis der Eigenschaften dieser Instrumente und der Harmonien haben muss, die

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Teil I

harmoniarum quae per ea exercentur, quatenus ad literam veritatem Scripturae cognoscat, et ut sciat elicere sensus spirituales. Respiciat igitur quomodo Maria, soror Moysi, cum caeteris tympanistriis, percutiebat instrumenta musicae; quomodo Debora et cae­terae tympanistriae sacrae; qualiter David propheta, et caeteri citharistae et organistae: ut simul cum eorum litera intellecta ascendat in sublimitatem sensuum spiritualium, et laudet Dominum1 in tympano, et choro, et2 cordis, et organo, et in cymbalis bene sonantibus, et caeteris spiritualibus instrumentis. Et si ipse, animo in aeterna supenso, non possit his instrumentis uti, vocet saltem cum Elizaeo propheta, ut divinas revelationes devotius suscipiat, et totus in Deum3 efferatur. Et si melicam consideremus musicam, inveniemus eam per corpus Scripturae diffusam, in jubilis, et psalmis, et canticis, et hymnis, non solum sensibilibus sed spiritualibus, ut docet apostolus; quorum omnium cognitio Scripturae proprietates et differentias requirit, ut sensus spirituales plenius habeantur. Sed maxime musica prosaica in usu Scripturae requiritur, ut rite proferatur et intelligatur. Ad prosam vero pertinet debitus modus accentuandi et aspirandi syllabas, et conveniens distinctio orationum per cola, commata, et periodos. Et hoc non solum propter debitum pronuntiationis, sed propter intellectum. Nam ad horum impropietatem et confusionem perit intelligentia literalis, et per consequens spiritualis. Tetigi autem aliqua de his in parte tertia Majoris Operis, propter scientiam linguarum, quia grammatica tractat, licet mechanice, ut dixi; et in parte quarta in4 hoc loco de musica aliquid5 de his innuebam. Nec est magna necessitas proponendi exempla,

1  Dominum ]  Deum, Ti. 2  et ]  in, Ti. 3  Deum ]  Dominum, B. 4  in ]  et in, Ti. 5  aliquid ]  aliqua, Ti.

KAPITEL 60

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durch diese erzeugt werden können, damit er die Wahrheit des Textes erkennen und den Spiritualsinn erläutern kann. Er wird dann schauen, auf welche Weise Mirjam, die Schwester des Moses, mit anderen Tympanonspielern die Instrumente anschlug, ebenso wie Debora und andere heilige Tympanonspieler. Und auf welche Weise der Prophet Daniel und andere Kithara- und Orgelspieler gespielt haben, damit er wie sie durch das Verstehen des Literalsinns zur Feinheit des Spiritualsinns emporsteigt, und so den Herrn durch den Wohlklang des Tympanons, des Gesangs und der Saiten, der Orgel, der Zimbel und durch andere geistige In­ stru­mente loben möge. Wenn einer, dessen Seele in die Schau des Ewigen emporgehoben wurde, diese Instrumente nicht benutzen können sollte, dann möge er mit dem Propheten Elisa singen, damit er die göttlichen Offenbarungen ehrfürchtig erfahren und in Gott aufgehen möge. Denn wenn wir uns das Lied in der Schrift anschauen wollen, finden wir es an vielen Stellen in der Bibel, in den Jubelgesängen, den Psalmen, den Liedern und den Hymnen – und zwar nicht nur mit den Sinnen, sondern mit der ganzen Seele, wie der Apostel500 lehrt. Denn alle diese Dinge werden für das Verständnis der Schrift gebraucht, damit man den Spiritualsinn vollständig erfassen kann. Doch am meisten wird eine Kenntnis der Musik im Bereich der Prosa benötigt, damit die Schrift richtig verstanden werden kann. Zur Prosa gehört die richtige Art des Akzentuierens, der Behauchung der Silben und die richtige Unterteilung der Rede durch Punkte [cola]501, Kommata [comata]502 und Strichpunkte [perio­ dos]503. Und das nicht nur für die richtige Aussprache, sondern auch für das richtige Verständnis. Denn durch die unsachgerechte Setzung und Verwirrung dieser Zeichen geht das Verständnis des Literalsinns und – daraus folgend – auch des Spiritualsinns verloren. Ich habe darüber Weiteres im dritten Teil meines Opus maius im Zuge meiner Darstellung der Sprachwissenschaft behandelt 504, die von der Grammatik als mechanische Kunst handelt, wie ich bereits gesagt habe; zudem habe ich auch im vierten Teil bei meiner Behandlung der Musik etwas davon angeführt. Es gibt hier aber

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Teil I

quia infinitae sunt abusiones hic, nec alicubi in tantum erratur. Remedia igitur magis sunt necessaria, quae tamen difficiliora sunt, propter consuetam et vulgatam corruptionem, quam dare certam cognitionem unius nobilis et magnae1 scientiae. Nam non dubito quin facilius esset dare scientiam perspectivae certitudinaliter, et instruere multitudinem in ea sufficienter, quae tamen est una de majoribus scientiis, et tota2 multitudini incognita, quam docere ea, quae requirit haec pars musicae, licet grammaticaliter simus omnes a juventute instructi in his. Sed pejor est ignorantia malae3 dispositionis quam purae negationis. Habet enim multitudo ignorantiam negationis de perspectiva, sed ignorantiam pravae dispositionis in hac parte, quae in tantum corrumpitur quod nec scire veritatem vult, nec audire de hac loqui. Et licet haec sint puerilia, nihilominus non sunt negligenda, et tanto turpior est error in senibus et viris literatis, quia debent evacuare pueriles errores. Item apostolus dicit quod minora magis necessaria sunt; atque ut ait Scriptura: »Qui spernit minima, paulatim decidet.« Et certe ignorantia minorum inducit errorem multiplicem in majoribus. Ponam igitur4 hic aliqua exempla. Verbi gratia: Quaelibet dictio habet naturaliter suum accentum proprium; et diversae dictiones habent distinctos accentus. Sed nos proferimus in Apocalypsi, et in Esdra, et alibi, has duas dictiones, Allelu-ia, sub uno accentu, et tanquam sit5 una dictio, dicendo6 Alleluya. Ex quo primo corrumpitur pronuntiatio sacrorum verborum; secundo intellectus confunditur, immo fit7 vox non significativa; quia jam vox periit a significatis distinctis, quibus vocabula imponebantur. Allelu

1  et magnae ]  om. Ti. 2  tota ]  toti, Ti. 3  malae ]  B. 4  igitur ]  om. Ti. 5  sit ]  om. Ti. 6  dicendo ]  dicentes, B. 7  fit ]  om. B.

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keine große Notwendigkeit dafür, zu viele Beispiele anzuführen, weil der Missbrauch hier unendlich ist, und weil bei nichts anderem so viele Fehler auftreten. Die Heilmittel dagegen sind daher äußerst notwendig, aber sie sind wegen der verbreiteten und gewohnten Verdorbenheit schwerer zu finden, als von einer der edlen und großen Wissenschaften eine sichere Kenntnis zu geben. Denn ich zweifle nicht, dass es einfacher wäre, über die Wissenschaft der Perspektivik sicher zu sprechen und die Menge darin ausreichend zu unterrichten, die doch eine der größten Wissenschaften und der ganzen Menge unbekannt ist, als diese Wissenschaft zu lehren, die diesen Teil der Musik erfordert, auch wenn wir seit unserer Jugend alle in der Grammatik unterwiesen sind. Doch die Unwissenheit aus einer schlechten Gewöhnung heraus ist weit schlimmer als die reine Unkenntnis. Denn von der Perspektivik hat die Menge gar keine Ahnung; von der Grammatik hat sie jedoch eine derart verkehrte und verdorbene Vorstellung, dass sie die Wahrheit weder wissen noch von ihr hören will. Und auch wenn dies Kindereien sein mögen, muss man sie dennoch ernst nehmen; und dieser Irrtum ist bei den alten und lesefähigen Menschen viel schlimmer, weil sie sich von diesen Kindheitsverirrungen eigentlich frei machen müssten. Daher sagt der Apostel505, dass gerade die kleinsten Dinge am notwendigsten sind. Und auch die Schrift sagt: »Wer das Kleine verschmäht, wird nach und nach darnieder siechen.«506 Denn mit Sicherheit führt die Unkenntnis bei den kleinen Dingen zu vielfachem Irrtum bei den größeren. Ich werde hier einige Beispiele anführen. Zum Beispiel: Jedes Wort hat seiner Natur nach einen bestimmten Akzent, und verschiedene Worte haben verschiedene Akzente. Doch wir schreiben in der Apokalypse, im Buch Esra und auch an anderen Orten diese beiden Worte: ›Allelu-ia‹ unter einem Akzent und behandeln sie so, als ob sie ein Wort wären, indem wir ›Alleluya‹ sagen. Dadurch wird zum Ersten die Aussprache der heiligen Wörter verdorben. Zum Zweiten wird ihre Bedeutung verwirrt, weshalb sie beim Aussprechen nichts mehr bezeichnen, weil die Stimme die unterscheidenden Bedeutungen verliert, die den Worten eigent-

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Teil I

enim idem est quod laudate. Ja vero est unum de decem nominibus Dei, sicut dicit Hieronymus ad Marcellum, et significat invisibilem Deum. Similiter Ecclesiastici quadragesimo sexto, »in oblatione viri immolati,« pro inviolati; conjunguntur enim1 v et i in unam literam m, et duplex accentus convertitur in unum. Similiter, e converso, de uno fiunt duo, ut Ezechielis vicesimo primo: »Mucro, mucro evagina te,«2 pro evaginate, quod est vocativi casus, ut patet ex Graeco, et Hebraeo, et expositionibus sanctorum. Ut ibidem lima te pro limate, quod est vocativi casus. Et primo Regum, primo3: Ramata in Sophin pro Ramathaim Sophin4. Et sic de infinitis. Sed non solum his modis fit corruptio prolationis et sensus, sed in simplici accentu dictionis unius; et hoc habet exempla innumerabilia. Nam omnia Graeca et Hebraea fere male accentuantur, quia nescimus has linguas. Unde in prologis bibliae saepe obelus, et acuitur penultima, cum tamen debet gravari; quia in Graeco scribitur per ε breve. Et Virgilius corripit eam similiter. Sed secundum generalem regulam accentuandi, dictio trisyllabica acuitur in antepenultima cum habet penultimam correptam longari. Et in tertio Regum, sexto, anaglypha penultima acuta, sed vulgus gravat: nam γλυϕὴ est sculptura vel caelatura, et γλυϕω est scribo vel ­caelo; et acuitur in Graeco penultima in simplicibus, ergo in composito. Et praeterea prima hujus dictionis γλυϕὴ longa est s­ ecundum Grae-

1  enim ]  om. Ti. 2  evagina te ]  evaginato, Ti. 3  primo ]  om. Ti. 4  Ramathaim Sophin ]  Ratamathaim Sophin, B.

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lich zu eigen sind. ›­A llelu‹ ist nämlich dasselbe wie ›laudate‹ [lobet]. ›Ja‹ ist in Wahrheit einer der zehn Namen Gottes, der den unsichtbaren Gott bezeichnet, wie Hieronymus in seinem Brief an Marcellus507 sagt. Ähnlich heißt es im 46. Kapitel des Buches Ekklesiastes508 auch »durch die Opferung geopferter Männer [viri immolati]« für ›unversehrte Männer‹ [viri inviolati]. Durch diesen Fehler werden nämlich v und i in dem einen Buchstaben m zusammengezogen und ein doppelter Akzent wird zu einem einfachen Akzent gemacht. Ähnlich werden aus einem Wort manchmal auch zwei, wie bei Hezechiel 509 im 21. Kapitel: »Das Schwert, das Schwert, zücke Dich« für ›evaginate‹ [zückt], was ein Vokativ ist, wie anhand des Griechischen, des Hebräischen und der Erläuterungen der Heiligen deutlich wird. Ebendort auch ›lima te‹ [­poliere dich] für ›limate‹ [poliert], was der Vokativ ist. Und im Ers­ ten Buch der ­Könige510, Kapitel eins: ›Ramata in Sophin‹ für ›Rama­ thaim ­Sophin‹. Es gibt hier noch unzählige weitere Beispiele. Doch die Aussprache und der Sinn werden nicht nur auf diese Weise verdorben, sondern auch bei der Betonung einzelner einfacher Wörter, wofür es zahlreiche Beispiele gibt. Denn es werden fast alle griechischen und hebräischen Wörter von uns schlecht betont, weil wir diese Sprachen nicht können. So wird im Prolog zur Bibel oft das Wort ›obelus‹ [Spieß] benutzt, wobei die vorletzte Silbe scharf 511 betont wird, obwohl man sie eigentlich schwer512 betonen müsste, weil sie im Griechischen mit einem kurzen ε geschrieben wird. Auch Vergil verkürzt diese Silbe. Doch den generellen Betonungsregeln entsprechend wird ein dreisilbiges Wort auf der drittletzten Silbe scharf betont, weil die vorletzte Silbe lang ausgesprochen wird. Auch im dritten Buch der Könige, Kapitel sechs, wird bei dem Wort ›anaglypha‹ die vorletzte Silbe eigentlich scharf betont 513, aber die Menge betont sie wie eine schwere Silbe: denn γλυϕὴ bedeutet ›Skulptur‹ oder ›Ziselierkunst‹ und γλυϕω heißt ›schreiben‹ oder auch ›verzieren‹. Da bei griechischen unzusammengesetzten Wörtern die vorletzte Silbe betont wird, muss das auch für zusammengesetzte Wörter gelten. Weiterhin wird in dem Wort γλυϕὴ die erste Silbe bei den Griechen lang ge-

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Teil I

cos: ergo cum in hac dictione anaglypha penultima est longa, secundum generalem regulam accentuandi acuetur illa penultima. Nam sic est in omni trisyllaba et polysyllaba. Et Sapientiae decimo sexto ortygometra1, quod est coturnix, penultima est acuta, quia scribitur apud Graecos per η longum. Et pelicanus in psalterio habet penultimam acutam. Nam omne nomen Graecum desinens in an habet in obliquis apud Latinos penultimam acutam, ut Ti­ tan, Titanis. Unde Lucanus ait: »Longi volvunt Titana labores.« Et ­paean similiter, nam dicitur: »Sacrum paeana canebant.« Ergo cum nominativus in Graeco sit pelican, cujus genitivus est pelicanos, a quo dicitur pelicanus, os mutato2 in us, habebit peli­ canus penultimam productam3. Sed et4 hoc pateat5 magis. Nam in veritate apud Graecos penultima in obliquis circumflectitur, ut certum est per signum accentus in psalterio Graeco. Sed nunquam syllaba, nisi sit naturaliter longa, circumflectitur; ergo relinquitur quod debet acui apud nos, cum non utamur circumflexo; et ideo male gravatur et breviatur. Et in Luca, decimo quinto, symphonia penultimam acuit, et est concentus concors in laude Dei. Sed in Daniel est genus organi, et habet penultimam gravem; nam Horatius breviat, dicens »symphonia discors« in fine versus6. Et exemplum de ptisana, quod in Opere Primo posui, recitabo nunc propter majorem necessitatem et pleniorem probationem.

1  ortygometra ]  ortigomitra, B; orthimegra, Ti. 2  mutato ]  mutati, Ti. 3  productam ]  om. B. 4  et ]  om. Ti. 5  pateat ]  Ti. 6  breviat, dicens symphonia discors in fine versus ]  breviat, dicens in fine versus »symphonia discors«, Ti.

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sprochen. Da in dem Wort ›anaglypha‹ die vorletzte Silbe lang ist, muss sie entsprechend den Betonungsregeln auch scharf betont werden, weil das für alle dreisilbigen und mehrsilbigen Wörter gilt. Und im Buch der Weisheit wird im 16. Kapitel514 das Wort ›ortygometra‹, was ›Wachtel‹ bedeutet, auf der vorletzten Silbe scharf betont, weil es bei den Griechen mit einem langen η geschrieben wird. Ebenso wird auch das Wort ›pelicanus‹ [Pelikan] im Psalter auf der vorletzten Silbe scharf betont. Denn jedes griechische Nomen, das mit der Silbe an aufhört, hat in abgeleiteten Fällen bei den Lateinern eine vorletzte scharfe Silbe, wie bei ›Titan, Titanis‹. Daher sagt auch Lukan: »Longi volvunt Titana labores.«515 Ähnlich ist es auch bei dem Wort ›paean‹ [Loblied], denn es wird gesagt: »Sie sangen heilige Loblieder.«516 Da der Nominativ im Griechischen ›pelican‹ lautet, der den Genitiv ›pelicanos‹ hat, woher ›pelicanus‹ gesagt wird – wobei sich die Silbe os zu us gewandelt hat –, muss in dem Wort ›pelicanus‹ die vorletzte Silbe betont werden. Das wird noch deutlicher, wenn wir diese Sache weiter bedenken. Denn in Wahrheit wird im Griechischen bei obliquen Fällen immer die vorletzte Silbe lang betont, wie anhand des Akzentzeichens im griechischen Psalter deutlich wird. Doch es wird niemals eine Silbe lang betont, die nicht auch von Natur aus lang ist; daher bleibt nur, dass [diese Silbe] bei uns scharf betont werden muss, weil wir kein Zirkumflexzeichen verwenden, weshalb diese Silbe oft falsch verlängert oder verkürzt wird. Und im Lukasevangelium, Kapitel 15517, wird in dem Wort ›symphonia‹ die vorletzte Silbe scharf betont; das Wort selbst bezeichnet dort den einträchtigen Zusammenklang im Lobe Gottes. Doch bei Daniel bezeichnet dieses Wort die Art des Musik­ instru­mentes, weshalb die vorletzte Silbe dort schwer betont werden muss: denn Horaz kürzt sie am Ende des Verses, wenn er sagt: »symphonia discors«518. Ich möchte hier aufgrund der großen Notwendigkeit und der besseren Beweisführung als weiteres Beispiel das Wort ›ptisana‹ [Graupensuppe, Gerstengrütze] noch einmal anführen, auch wenn ich es in meinem ersten Werk schon einmal gebracht hatte519.

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Nam non recitavi istud vocabulum nisi ex decimo septimo secundi Regum, cum tamen sit in1 vicesimo septimo Proverbiorum. Et non solum necesse est quod media acuatur, propter versum Horatii: »Tu cessas, agedum2, sume hoc ptisanarium oryzae;« quia scandendo versum non aufertur nisi ultima syllaba, quae est um, sicut probavi Opere Majori. Sed quia Macer dicit: »Cum ptisana succum porri sorbere juvabit.«

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Et p litera semper scribitur ante t, ut in hoc vocabulo, Ptolomaeus, cum tamen communiter scribitur et profertur non solum post t, sed post i, sic; tipsana3, per magnum errorem. Et ad haec inferam unum errorem abominabilem, qui de novo apud multos et literatos et famosos theologos, Parisius et alibi in multis locis, vulgatur. Et ejus reprobatio ex hoc est utilior, quia secum habet annexas multas veritates, quae pulchrae sunt et bonae, juxta materiam in qua sunt; et quatenus ejus falsitas manifeste appareat, ponam radices quasdam circa modum accentuandi. Secundum igitur Graecos et Latinos, ut Priscianus docet, et omnes auctores Latini, et etiam omnes qui sciunt mentes4 auctorum et usus communes, habent pro certo generales regulas accentuandi; scilicet, quod omnis monosyllaba apud Latinos modernos acuitur de se et naturaliter, quia circumflexo non utimur ad praesens. Item omnis dissyllabica5 dictio Latina habet acutum accentum in prima, quia

1  in ]  om. B. 2  agedum ]  agendum, Ti. 3  tipsana ]  tipsanas, B. 4  mentes ]  mentem, B. 5  dissyllabica ]  dissyllaba, Ti. B

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Denn ich habe dieses Beispiel damals nur aus dem 17. Kapitel des zweiten Buches der Könige520 zitiert, obwohl es auch im 22. Kapitel der Sprüche521 zu finden ist. Und es ist nicht nur nötig, dass es in der Mitte scharf betont wird, nach dem Vers des Horaz: »Tu cessas? agedum sume hoc tisanarium orizae«522 [»Du zögerst noch? Nimm diese Graupensuppe hier.«] Hier wird beim Vortragen nämlich die letzte Silbe -um abgetrennt, wie ich im Opus maius gezeigt habe. Doch auch Macer sagt: »Cum ptisana succum porri sorbere iuvabit.«523 [»Den Lauchsaft zusammen mit dem Trank der Gerstengrütze herunter­schlucken wird helfen.«]

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Hier muss der Buchstabe p ebenso wie in dem Wort ›Ptolomaeus‹ immer vor dem t geschrieben werden, obwohl es üblich ist, dass das p nicht nur nach dem t, sondern auch nach dem i gesetzt wird, also so: ›tipsana‹ – was aber ein großer Fehler ist. Damit weise ich auf einen sehr garstigen Fehler hin, der nun wieder bei vielen belesenen und bekannten Theologen in Paris und andernorts verbreitet wird. Und die Zurückweisung dieses Fehlers ist deshalb so wichtig, weil mit ihr viele äußerst schöne und gute Wahrheiten verbunden sind, die aufs Engste damit zusammenhängen. Damit die Falschheit [dieses Irrtums] jedoch ganz offensichtlich aufscheint, stelle ich einige Wurzeln für die richtige Betonung dar. Gemäß den Griechen und den Lateinern, gemäß allen lateinischen Schriftstellern und gemäß allen, die die geistige Haltung der alten Autoren und den allgemeinen Gebrauch kennen, gibt es – wie Priscian lehrt – im Griechischen und Lateinischen gewisse sichere Regeln für die Betonung: dass nämlich alle einsilbigen Wörter von sich und von Natur aus bei den lateinischsprachigen Zeitgenossen scharf betont werden müssen, weil wir zur Zeit kein Zirkumflexzeichen benutzen. Ebenso hat jedes zweisilbige Wort einen Akutakzent auf der ersten Silbe, weil wir kein Zirkumflexzeichen

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circumflexo non utimur. Item omnis trisyllabica1, si habet penultimam brevem, ut Tullius, acuit antepenultimam. Si penultimam habet longam, tunc acuit eam, ut catellus, perosus, Athenae, quia circumflexo non utimur. Deinde considerandum est quod monosyllabica2 non amittit accentum acutum, quando3 nihil sequitur ipsam, ut Johannis primo: »Propheta es tu? Et respondit, Non.« Hic hoc pronomen tu acuitur secundum Graecos, et secundum veritatem nihil sequitur ­ipsum quod potest impedire, et ideo secundum suam naturam retinet acutum accentum; et haec negatio Non similiter. Si etiam gravis syllaba sequatur, adhuc dictio monosyllabica retinet acutum accentum, ut »dixit ad Noe.« Hic haec praepositio ad acuitur, quia prima syllaba hujus dictionis Noe gravatur, propter hoc quod ­u ltima acuitur apud Latinos in dictionibus Hebraicis quae non declinantur. Et similiter cum dicimus »dixit ad Johannem«: hic ad acuitur, quia prima dictionis sequentis gravatur, eo quod pen­u ltima est longa, ut tertia regula dicit. Similiter si dictio enclitica sequatur, adhuc monosyllabica retinet acutum accentum, et hoc faceret si naturaliter gravaretur; quia dictio enclitica inclinat accentum suum super syllabam praecedentem, et naturaliter gravatur, ut que, ve, ne, sicut dicit Priscianus, in declinatione primi versus Aeneidos, virumque, subjectisve, tantone. Idem facit cum in his dictionibus, nobiscum, vobiscum, ­t ecum, mecum. Sed quarto casu monosyllabica amittit acutum accentum, quando scilicet acuta syllaba sequitur. Non enim duae acutae conveniunt simul, nec est euphonia, nec bonus sonus;

1  trisyllabica ]  trisyllaba, Ti. B. 2  monosyllabica ]  monosyllaba, Ti. B. 3  quando ]  quum, Ti.

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benutzen. Und jedes dreisilbige Wort, bei dem die vorletzte Silbe kurz ist, wie ›Tullius‹, hat eine scharfe drittletzte Silbe. Wenn die vorletzte Silbe lang ist, wird sie auch scharf betont, wie bei ›catellus‹ [Hündchen], ›perosus‹ [sehr hassend] und ›Athenae‹ [Athen], weil wir keinen Zirkumflex benutzen. Weiterhin ist zu bedenken, dass ein einsilbiges Wort seinen scharfen Akzent nicht verliert, wenn ihm nichts weiter folgt; wie im Johannes­e vangelium, erstes Kapitel: »Bist du ein Prophet? Und er antwortete ›Nein‹.«524 Hier wird gemäß den Griechen das Pronomen ›tu‹ scharf betont. Da der Wahrheit entsprechend hier nichts folgt, was das verhindern könnte, behält das Pronomen seiner Natur nach den scharfen Akzent; und bei der Verneinung ›Non‹ verhält es sich ebenso. Wenn aber eine schwere Silbe folgen würde, würde das einsilbige Wort seinen scharfen Akzent verlieren, wie bei »dixit ad Noe« [Er sprach zu Noah]525. Hier wird die Präposition ›ad‹ scharf betont, weil die erste Silbe des Wortes ›Noah‹ nach der Regel, dass bei hebräischen Wörtern, die nicht dekliniert werden, im Gebrauch der Lateiner die letzte Silbe scharf ist, schwer betont wird. Ähnlich ist es auch, wenn wir sagen »dixit ad Johannem:« [Er sagte zu Johannes:]. Hier wird das ›ad‹ scharf gesprochen, weil das erste nachfolgende Wort schwer betont wird, sodass die vorletzte Silbe lang ist, wie die dritte Regel besagt. Ähnlich verhält es sich, wenn ein enklitisches Wort folgt. Denn dann erhält ein einsilbiges Wort einen scharfen Akzent, was es auch täte, wenn es von Natur aus eigentlich schwer betont werden würde, weil ein enklitisches Partikel seinen Akzent auf die vorhergehende Silbe überträgt und von Natur aus schwer betont wird. Das gilt zum Beispiel für que, ve, ne, wie Priscian in seiner Abhandlung der ersten Verse des Vergil schreibt 526, wo er dies für ›virumque‹, ›subjectisve‹ und ›tantone‹ abhandelt. Ebenso macht man es auch bei den Worten ›nobiscum‹, ›vobiscum‹, ›tecum‹ und ›mecum‹. Doch in einem vierten Fall verliert ein einsilbiges Wort den scharfen Akzent: nämlich dann, wenn eine scharfe Silbe folgt. Denn zwei scharfe Akzente gehen nicht zugleich zusammen, weil es dann keinen schönen Zusammenklang und keinen Wohlklang

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quia nihil est jucundum nisi quod reficit varietas, ut Seneca dicit; et Boetius dicit in Musica quod1 harmonica delectatio causatur ex acuto et gravi; non sic ex duabus acutis. Et ideo oportet quod quando monosyllabica praecedit dictionem, cujus prima syllaba est acuta, altera illarum gravetur; sed sequens gravari non debet, nisi sit enclitica, quia non sistitur in primo, sed transitur ad posterius, ubi statur; propter quod major instabilitas accentus accidit priori quam posteriori: et ideo dictio praecedens magis mutat accentum quam subsequens. Item a fine denominatur res, et finis imponit necessitatem rei, ut Aristoteles dicit; et ideo magis obtinet finis immutabilitatem suae proprietatis, quam illud quod finem praecedit. Propter igitur hoc, naturale est quod dictio monosyllabica gravetur quando praecedit dictionem, cujus principium est acutum, ut »dixit ad illum;« hic praepositio ad gravatur, quia prima syllaba dictionis sequentis acuitur, secundum regulam secundam. Et confirmatur hoc per dissyllabas, quae similiter gravantur propter consequentiam dictionis, ut David rex; ultima hujus dictionis David acuitur, sed convertitur in gravem propter dictionem acutam quae sequitur. Et idem accidit si sequens dictio sit dissyllabica, ut David regis. Et hoc2 iterum confirmatur, quia syllaba naturaliter gravis praecedens gravem in acutam vertitur, ut dixit Jacob. Ultima hujus dictionis dixit est gravis, secundum secundam regulam, sed acuitur,

1  in Musica quod ]  quod in musica, Ti. 2  hoc ]  om. Ti.

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gibt. Denn nichts ist angenehm, wenn es nicht durch die Vielfalt erfrischt wird, wie Seneca527 sagt; und Boethius meint in seiner Schrift über die Musik, dass die Freude an der Harmonie durch den Wechsel von scharfem und schwerem Akzent hervorgerufen wird, also nicht durch zwei aufeinanderfolgende scharfe Akzente. Daher muss in dem Fall, dass einem Wort, dessen erste Silbe scharf betont wird, ein einsilbiges Wort vorausgeht, die andere Silbe jenes Wortes schwer betont werden. Doch die darauf folgende Silbe darf nicht schwer betont werden, außer wenn es sich um einen enklitischen Partikel handelt, weil die Betonung dann nicht auf der ersten Silbe bleibt, sondern auf die folgende Silbe übertragen wird, wo sie dann bleibt – weshalb es eine größere Unbeständigkeit bei den ersten als bei den folgenden Silben gibt. Daher ändert ein vorhergehendes Wort den Akzent viel leichter als ein nachfolgendes. Ferner wird eine Sache durch ihr Ziel bestimmt, und das Ziel legt einer Sache seine Notwendigkeit auf, wie Aristoteles sagt.528 Daher erhält das Ziel weitaus leichter die Unveränderlichkeit seiner Eigenschaften aufrecht als das, was dem Ziel vorausgeht. Deswegen ist es von Natur aus so, dass ein einsilbiges Wort schwer betont werden muss, wenn es einem Wort vorausgeht, dessen Anfang scharf betont wird, wie bei »dixit ad illum« [er sagte zu ihm]. Hier wird die Präposition ›ad‹ schwer betont, weil die erste Silbe des folgenden Wortes der zweiten Regel entsprechend scharf ausgesprochen wird. Das wird auch durch zweisilbige Wörter bestätigt, die auf ähnliche Weise wegen der Wortfolge schwer betont werden, wie etwa ›David rex‹ [der König David]: Eigentlich müsste hier der letzte Teil des Wortes ›David‹ scharf ausgesprochen werden, er wird jedoch trotzdem wegen des scharfen folgenden Wortes schwer betont. Dasselbe geschieht auch, wenn das folgende Wort zweisilbig ist, wie bei ›David regis‹ [des Königs David]. Das wird wiederum dadurch bestätigt, dass eine von Natur aus schwere Silbe, die einer anderen schweren vorausgeht, in eine scharfe Betonung geändert wird, wie bei ›dixit Jacob‹ [Jakob sagte]. Die letzte Silbe des Wortes ›dixit‹ ist nach der zweiten Regel in der Betonung schwer, wird jedoch trotzdem scharf gesprochen, weil die erste

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quia prima hujus dictionis Hebraicae Jacob gravatur; nam ultima ejus acuitur. Et tertio confirmatur hoc per Graecos; nam ita faciunt Graeci, quos Latini imitantur. Nam Johannis primo, »Tu quis es?« et »Non sum ego Christus«: hic Tu et Non secundum Graecos gravantur, quia quis et sum monosyllabae acuendae sequuntur. Et similiter gravis in acutum vertitur apud eos, ut patet in dictionibus praecedentibus partes quae habent vim enclesis1, ut δέδοκάς μοι2, i. e. dedisti mihi. Ultima hujus dictionis δέδοκας3 est gravis naturaliter, sed acuitur propter encliticam dictionem; quia apud Graecos hoc pronomen μοι4 est encliticum. Et hoc docet Priscianus in libro de Pronomine. Nam quaedam pronomina Graeca sunt absoluta, et illa sunt enclitica; quaedam respectiva, et illa non sunt talia. Ex his sequitur quod si monosyllaba aliam praecedat, prima de jure gravatur, ut »apud te est;« similiter »et facta est lux.« Hic te gravatur, quia haec dictio est acuta sequitur. Similiter, in secundo exemplo est gravatur, quia lux acuenda sequitur. Sed contra haec insurgit famosa opinio et usus solemnis, Parisius et5 alibi, multorum modernorum, dicentium quod solae monosyllabae indeclinabiles mutantur; declinabiles vero non mutant accentum naturalem. Et ideo cum dicitur in fine versus »qui ait,« dicunt quod qui acuitur, et non gravatur; et sic de aliis6 declinabilibus monosyllabis. Sed contra hoc multa veraciter possunt dici. Nam cum probatum est, quod duae acutae, propter defectum e­ uphoniae,

1  enclesis ]  enclisis, B. 2  δέδοκάς μοι ]  In lateinischen Buchstaben geschrieben in Ti. B. 3  δέδοκας ]  In lateinischen Buchstaben geschrieben in Ti. B. 4  μοι ]  mi, B. Ti. et supra. 5  et ]  om. B. 6  aliis ]  multis: om. Ti.

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Silbe des hebräischen Namens ›Jacob‹ schwer betont wird; denn die letzte Silbe wird scharf betont. Zum Dritten wird das durch die Griechen bestätigt; denn die Lateiner ahmen in diesem Fall nach, was die Griechen tun. Im ersten Kapitel des Johannesevangeliums heißt es: »Tu es quis?« [wer bist du] und »Non sum ego Christus«529 [Ich bin nicht der Erlöser]: Hier wird ›Tu‹ [Du] und ›Non‹ [nicht] bei den Griechen schwer betont, weil diesen beiden Wörtern einsilbige Wörter folgen, die scharf betont werden müssen. Ähnlich wird bei ihnen auch ein schwerer in einen scharfen Akzent umgewandelt, wie anhand vorhergehender Wortteile deutlich wird, die enklitische Kraft haben, wie etwa δέδοκάς μοι, das heißt: ›dedisti mihi‹ [du hast mir gegeben]. Die letzte Silbe des Wortes δέδοκας ist von Natur aus eigent­lich schwer, wird aufgrund des enklitischen folgenden Wortes jedoch scharf betont, weil bei den Griechen das Pronomen μοι enklitisch ist. Das lehrt jedenfalls Priscian in seinem Buch von den Pronomen530. Denn einige griechische Pronomen sind absolut, jene enklitisch; einige respektiv, und jene sind nicht derartig. Daraus folgt, dass in dem Fall, dass ein einsilbiges Wort einem anderen vorausgeht, das erste von Natur aus schwer betont wird, wie bei »apud te est« [es liegt bei dir]; ähnlich auch »et facta est lux«531 [und es ward Licht]. Hier wird ›te‹ [dir] schwer betont, weil das scharfe Wort ›est‹ [ist] folgt. Ebenso wird in dem zweiten Beispiel das Wort ›est‹ [ist] schwer betont, weil das Wort ›lux‹ [Licht] folgt, das scharf ausgesprochen wird. Doch dagegen steht die bekannte Meinung und der lange Brauch von vielen Zeitgenossen in Paris und andernorts, dass nur un­dekli­ nierbare einsilbige Wörter geändert werden. Bei deklinierbaren Wörtern hingegen wird der natürliche Akzent immer beibehalten. Wenn also gegen Ende des Verses »qui ait« [wer spricht] geschrieben steht, sagen sie, dass das ›qui‹ scharf und nicht schwer betont werden müsse, was auch für die anderen deklinierbaren einsilbigen Wörter gelte. Doch dagegen kann man schnell vieles anführen. Denn weil bereits gezeigt worden ist, dass zwei scharfe Silben wegen des fehlenden Wohlklanges nicht zusammen auftreten dür-

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Teil I

non se compatiuntur, et secunda mutari non debet propter causas jam dictas, tunc prima mutabitur in gravem; et ideo cum dicitur qui ait, hoc nomen qui gravabitur, quia prima hujus dictionis ait acuitur per secundam regulam. Et cum dico qui loquitur, hic similiter gravabitur, quia per tertiam regulam prima hujus dictionis loquitur acutum habet accentum. Caeterum omnes antiqui Latini usque nunc gravabant declinabiles sicut indeclinabiles. Iterum, Graeci, a quibus artem traximus accentuandi, similiter gravant utrasque eodem modo. Iterum, cum quaelibet monosyllaba sit naturaliter acuta, et tantum habet de acuto quantum alia, ergo omnis monosyllaba retinebit accentum indifferenter. Iterum, declinatio accidentalis est accentui, et indeclinatio similiter; ergo nihil faciunt ad mutationem accentus. Nam oportet quod alia natura soni hoc faciat, quia hoc pertinet ad accentum; et ideo euphonia, quae est bonitas soni, est in causa. Iterum, acutus accentus magis convenit indeclinabilibus, ut patet in istis: uná, poné, illó, illíc, illúc, quae acuuntur in fine, non sic declinabiles. Nec est instantia in benedic, benefac, quia in talibus remansit accentus propter concisionem vocalis; nam naturaliter deberet dici bene­ face, benedice, et tunc ultima non acueretur. Iterum, Priscianus sua auctoritate elidit hunc errorem; nam dicit in majori volumine quod hoc nomen qui, relativum, in oratione gravatur. Et in libro de Declinatione versuum Aeneidos dicit, fere omnis monosyllaba gravatur. Et dicit fere ad differentiam quarundam, quae d ­ ifferentiae

KAPITEL 60

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fen, und dass das zweite Wort sich wegen der bereits genannten Gründe nicht verändern darf, muss sich das erste Wort in ein Wort mit schwerer Betonung ändern. Wenn man daher sagt: ›qui ait‹, muss das Pronomen ›qui‹ schwer ausgesprochen werden, weil nach der zweiten Regel der Anfang des Wortes ›ait‹ scharf betont werden muss. Und wenn ich sage ›qui loquitur‹ [wer spricht], muss das ebenso schwer gesprochen werden, weil – der dritten Regel nach – der erste Teil des Wortes ›loquitur‹ einen scharfen Akzent hat. Des Weiteren haben bis jetzt alle Lateiner sowohl die deklinierbaren als auch die undeklinierbaren Wörter schwer ausgesprochen. Zudem haben auch die Griechen, von denen wir die Betonungsregeln übernommen haben, auf die gleiche Art beide Silben schwer betont. Außerdem ist bei jedem einsilbigen Wort das Akzentzeichen gleichgültig, weil ein einsilbiges Wort seiner Natur nach scharf ist und daher genauso einen Akutakzent hat wie jedes andere. Zudem ist die Deklinierbarkeit für die Betonung ebenso akzidentiell wie die Undeklinierbarkeit, weshalb sie auch den Akzent nicht ändern. Denn eine Akzentveränderung muss zu einer anderen Klangeigenschaft führen, da der Akzent die Aussprache verändert. Daher geht es hier eigentlich um den harmonischen Zusammenklang, der schließlich eine Schönheit des Tones ist. Zudem passt ein scharfer Akzent besser zu undeklinierbaren Wörtern, wie anhand der folgenden Wörter deutlich wird: ›uná‹, ›poné‹, ›illó‹, ›illíc‹, ›illúc‹, die, anders als die deklinierbaren Wörter, am Ende scharf betont werden. Doch bei den Wörtern ›benedic‹ und ›benefac‹ ist das anders, weil bei solchen Wörtern der Akzent wegen des Wegfalls des Vokals erhalten bleibt; denn eigentlich müsste man ›beneface‹ und ›benedice‹ sagen, weshalb die letzte Silbe nicht scharf betont werden würde. Außerdem zerschlägt Priscian mit all seiner Autorität diesen Fehler. Denn er sagt in seinem Hauptwerk, dass das Relativpronomen ›qui‹ in der Aussprache schwer betont werden muss532. In seinem Buch Über die Deklination der Verse der Aeneis533 sagt er zudem, dass beinahe alle einsilbigen Wörter schwer betont werden müssen. Er sagt aber ›beinahe‹ aufgrund einiger abweichender Wörter, die unter bestimmten Bedingungen

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Teil I

causa circumflectuntur; ut sic, quando est adverbium similitudinis, circumflectitur; quando est adverbium jurandi, gravatur. Si dicatur quod nunc temporis non utimur circumflexo, sed quae antiquitus circumflectebantur, nos acuimus, ergo hoc adverbium sic similitudinis debet acui in oratione; et ita duae acutae simul esse possunt. Et dicendum est quod primo per auctoritatem Prisciani non accideret hoc, nisi in hoc quod dico sic. Et si quod aliud est causa differentiae, acuendum. Et ideo contra Priscianum erit quod hoc nomen qui, et alia declinabilia, universaliter acuantur. Secundo patet quod per errorem nostrum est quod non utimur circumflexo accentu. Deberemus enim hoc facere sicut antiqui et sicut Graeci; quia circumflexus accentus est unus gradus naturalis accentuum, sicut gravis et acutus; et multas evidentias proferendi faceret, si eo uteremur. Quod1 igitur per errorem facimus, non debet allegari ad probandum aliquid, quod tot auctoribus et rationibus contradicit. Unde non debet sic similitudinis acui, quando acutum praecedit, quia duae acutae non simul concordant; et magis vitium est quam quod causa differentiae possit excusare. Et potest sufficienter per sensum dictionum, quibus hoc adverbium sic adjungitur, notari quando est similitudinis et quando jurandi. Unde quod antiquitus circumflectebatur, hoc fuit de bene esse, non de necessitate. Et omnia quae dicta sunt possunt adhuc confirmari. Nam cum dico qui ait2, non possunt acuere sonum hujus dictionis3 qui, respectu sequentis, nisi altius elevetur quam prima

1  Quod ]  Quia, Ti. 2  qui ait ]  qui aut, B. 3  dictionis ]  om. Ti.

KAPITEL 60

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mit einem Zirkumflex betont werden; so etwa ›sic‹ [so], wenn es als Ähnlichkeitsadverb auftritt; wenn es jedoch ein Adverb des Schwörens ist, wird es schwer betont. Heute wird freilich gesagt, dass wir in unserer Zeit den Zirkumflex nicht mehr benutzen, sondern dass der Zirkumflex nur in antiken Zeiten benutzt worden ist; weshalb wir ihn wie einen Akut betonen, sodass auch das Adverb ›sic‹, wenn es eine Ähnlichkeit bezeichnet, beim Sprechen scharf betont werden muss; und dass daher auch zwei scharfe Betonungen hintereinander möglich sein können. Dazu muss man sagen, dass solches erstens aufgrund der Autorität Priscians nicht eintreten dürfte, außer bei dem Beispiel ›sic‹. Wenn es sich jedoch um ­einen anderen Gebrauch handelt, muss es scharf betont werden. Daher ist es gegen [die Regeln des] Priscian, wenn das Pronomen ›qui‹ und andere deklinierbare Wörter immer scharf betont ­werden. Zweitens ist es klar, dass es unser Fehler ist, dass wir den Zirkumflex534 nicht benutzen. Denn wir müssten es eigentlich ebenso machen wie die Alten und die Griechen. Denn der Zirkumflex ist ebenso wie der Gravis und der Akut ein natürlicher Akzent. Wenn wir ihn benutzen würden, würde uns das viele Sicherheiten [der Betonung] bieten. Da wir hier aber etwas aus einem Irrtum heraus tun, kann das nicht zu einem Beweis herangezogen werden, weil das allen Autoritäten und Vernunftgründen widerspricht. Daher darf man das vergleichende ›sic‹ nicht scharf betonen, wenn ein anderer scharfer Akzent vorausgeht, weil zwei Akutzeichen zusammen nicht gut zusammenklingen. Und das ist eine größere Sünde, als dass man sie mit einem Unterscheidungsgrund entschuldigen könnte. Außerdem kann man vollkommen ausreichend aus dem Sinn der Wörter erschließen, denen das Adverb ›sic‹ hinzugefügt wird, ob es sich um ein ›sic‹ des Vergleichs oder des Schwörens handelt. Wenn man in der Antike eine Silbe mit einem Zirkumflex betont hat, geschah das wegen der Schönheit der Aussprache, nicht aus Notwendigkeit, wie durch alles bisher Gesagte bestätigt werden kann. Denn wenn ich sage ›qui ait‹, können sie den Klang des Wortes ›qui‹ wegen des folgenden Wortes nicht scharf beto-

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Teil I

syllaba sequens, aut illa syllaba sequens gravabitur. Et hoc negant, quia contra generalem regulam accentuandi esset, sine causa et ratione. Et quia finis dignior est, ut dictum est prius, ergo acuetur. Sed in acuto non est differentia; nam unus acutus accentus non est alio acutior, sicut nec unus gravis gravior; nec unquam ab aliquo dicebatur quod gradus essent in acuto. Gradus enim sunt in accentu penes acutum, gravem, et circumflexum; sed non in aliquo illorum unquam gradus positi sunt1, nec apud Graecos nec apud Latinos. Et praeterea finis dignior est; et ideo non auferetur aliquid de acuitate syllabae sequentis; ergo erit par monosyllabae praecedenti, quod stare non potest propter coincidentiam duorum acutorum, ut prius habitum est. Et iterum ipsi, licet in fine versus acuunt, tamen in medio, quum fit alia pausatio per colon vel comma, non hoc faciunt, sed gravant. Ut, »Israel praevaricatus est legem.« Hic est gravatur, et elevatur prima syllaba sequens. Sed nulla ratio potest assignari, quare in uno loco, et non in alio, elevant2: ergo fatua, et contra artem et rationem, est hujusmodi elevatio. Et sic quasi ubique in Scriptura confunditur recta vocabulorum sacrorum prolatio, et scandalum generatur vehemens hominibus literatis, qui sequuntur vias artis et rationis.

1  gradus positi sunt ]  positi sunt gradus, Ti. 2  elevant ]  elevent, Ti.

KAPITEL 60

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nen, außer es wird vom Klang her gegenüber der anderen Silbe erhöht oder jene andere Silbe wird schwer. Diese Tatsache bestreiten sie ohne Grund und Verstand, weil es ihrer Meinung nach gegen die allgemeinen Regeln der Betonung verstoße. Und weil das Ziel würdiger ist, wie vorher gesagt worden ist, muss sie scharf betont werden. Doch bei den Akutzeichen gibt es [in der Aussprache] keinen Unterschied; denn ein Akut ist nicht schärfer als ein anderer, ebenso wenig wie ein schwerer Akzent schwerer als ein anderer schwerer Akzent sein kann. Es ist außerdem noch niemals behauptet worden, dass es beim Akut irgendwelche Abstufungen geben könnte. Abstufungen gibt es nämlich nur zwischen den verschiedenen Akzenten: also zwischen dem Akut, dem Gravis und dem Zirkumflex. Doch innerhalb der einzelnen Akzentgruppen sind noch niemals Unterschiede gemacht worden, weder bei den Griechen noch bei den Lateinern. Weiterhin ist das Ziel wirklich würdiger; und daher kann an der scharfen Betonung einer folgenden Silbe nichts geändert werden; also muss an der vorhergehenden Silbe etwas geändert werden, weil zwei scharfe Akzente nicht zusammen stehen können, wie schon erklärt worden ist. Zudem betonen jene gegen Ende eines Verses [ein Wort] scharf, doch in der Mitte betonen sie es schwer, wenn durch einen Punkt oder ein Komma eine Pause angezeigt wird: wie in »Israel praevaricatus est legem« [Israel hat das Gesetz verletzt]535. Hier betonen sie das Wort ›est‹ [ist] schwer und die folgende Silbe leicht. Doch man kann keinen vernünftigen Grund dafür angeben, dass sie an einem Ort leicht betonen, an einem anderen aber nicht – daher ist diese leichte Betonung vollkommen verfehlt und gegen jede Kunst und Vernunft. So wird fast überall in der Schrift eine richtige Aus­ legung der heiligen Worte verhindert, und bei den lesenden Menschen, die den Wegen der Kunst und der Vernunft folgen, werden unzählige Anstöße erregt.

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Teil I

CAPITULUM LXI. [ 421]

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Transeo ad alia musicalia prosaica annexa his; et patet quod aspiratio est unum de istis, nam sub accentibus continetur apud Graecos. Nam prosodia apud Graecos dicitur a προσωδεῖν1, quod est cantare; πρὸς enim praepositio Graeca valet ad, et ᾠδὴ2 est cantus. Unde prosodia est idem quod ad-cantus, seu accantus, et hoc est accentus; quia accentus dicitur ab3 accino, accinis, quasi ad cantus4 vel accantus5, et accino dicitur de ad et cano, canis6. Unde dicitur accentus, quia una syllaba alii accantatur in prosodia. Et cum apud Graecos sint7 decem prosodiae, scilicet8 tres toni, et duo spiritus, duo9 tempora, et tres passiones; tonos vocamus nos specialiter nomine accentus, et spiritus vocamus aspirationes. Tempora sunt longum et breve. Passionibus non utimur. Et ideo secundum generalem significatum accentus, secundum quod significat idem quod prosodia, aspiratio reducitur ad accentum. Et quoniam multi errores fiunt in Scriptura per aspirationes, tam in sensu quam in litera, ideo aliqua dicam de his. Nos habemus, sicut omnis lingua, duas10 aspirationes, scilicet fortem et levem. Et Graeci habent duas figuras ad has notandas, et vocantur δάσια et ψιλή11. Δάσια est fortis aspiratio, ψιλή est levis. Nos vero non habemus nisi unam aspirationis notam, scilicet H, quae est fortis; et per privationem notae cognoscimus levem: quando scilicet ad

1  προσωδεῖν ]  prosodin, Ti. B. 2  ᾠδὴ ]  ode, Ti. 3  ab ]  de, Ti. 4  quasi ad cantus ]  quia accantus, B. 5  accantus ]  ad cantus, B. 6  cano, canis ]  cano, B. 7  sint ]  sunt, B. 8  scilicet ]  om. Ti. 9  duo ]  et duo, B. 10  duas ]  suas, B. 11  δάσια et ψιλή ]  dasia, psili, Ti; und so immer.

KAPITEL 61

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KAPITEL 61 Über die richtige Betonung eines Textes [ 421]

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Ich gehe zu anderen damit verbundenen Themen über, die die Musikalität eines Textes in seiner Aussprache betreffen. Es ist deutlich, dass die Behauchung eines dieser Themen ist, weil sie bei den Griechen in der Akzentsetzung behandelt wird. Denn das Wort ›Prosodie‹ kommt von dem griechischen Wort ›προσωδεῖν‹, was ›singen‹ bedeutet. Und ›πρὸς‹ ist bei den Griechen eine Präposition, die so viel wie ›ad‹ [hin, zu] heißt, ›ᾠδὴ‹ bedeutet aber ›Gesang‹. Daher heißt ›prosodia‹ nichts anderes als ›ad-cantus‹ [zum Gesang] oder ›accantus‹ – und das bedeutet ›accentus‹ [Akzent]. Denn es heißt ›accentus‹ von ›accino, accinis‹ [ich stimme an, du stimmst an], also ›ad cantus‹ [zum Singen]; oder ›accantus‹ und ›accino‹ kommt von ›ad‹ [zu] und ›cano, canis‹ [ich singe, du singst]. Daher sagt man ›Akzent‹, weil eine Silbe mit anderen [Silben] in einem Wortakzent sozusagen gesungen wird. Bei den Griechen gibt es zehn verschiedene Akzente: drei ›Töne‹ [toni], zwei ›Behauchungen‹536 [spiritus], zwei ›Zeiten‹ [tempora] und drei ›Passionen‹ [passiones]. Mit ›Tönen‹ meinen wir die Namen der Akzente537, mit ›spiritus‹ meinen wir die Behauchungen. Die ›Zeiten‹ beziehen sich auf eine lange und kurze Aussprache. Die ›Passionen‹ benutzen wir nicht. Da der Akzent generell dasselbe bezeichnet wie ein prosodisches Zeichen, kann die Behauchung auf den Akzent zurückgeführt werden. Da in der Heiligen Schrift sowohl dem Sinn als auch den Buchstaben nach viele Fehler wegen falscher Behauchungen auftreten, möchte ich hierüber einiges sagen. Wir haben, wie in jeder Sprache, zwei Behauchungen: nämlich starke und schwache Behauchungen. Im Griechischen gibt es zwei Zeichen, um das anzuzeigen, die ›dasia‹ und ›psilli‹ genannt werden. Der ›dasia‹ ist ein Zeichen für eine starke Behauchung, der ›psilli‹ zeigt eine schwache Behauchung an. Wir haben in Wahrheit aber nur ein Zeichen für eine Behauchung, nämlich das H, das stark ist. Durch das Weglassen dieses Buchstabens bilden wir schwache Behauchungen. In dem Wort ›amo‹

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Teil I

­syllabam non ponitur H, ut amo; cum tamen in dativo hujus nominis hamus, cum dico hamo, ponatur. Accidit autem error ex subtractione aspirationis fortis, cum dicitur prima ad Thessalonicos, secundo, »ad tempus ore;« et glossator Epistolarum, scilicet ille qui fecit Sententias dicit quod est ablativus casus hujus nominis os, oris, quod non aspiratur. Et sic dicunt doctores theologiae; sed falsum est hoc. Nam in Bibliis antiquis est aspiratio, ut sit genitivus hujus nominis hora, horae. Et sic est in Graeco, de quo sumptus est textus Latinorum. Nam in Graeco habetur ὥρας1, quod est genitivus hujus nominis Graeci, hora, horas. Unde hoc nomen hora declinatur Graece: hujus horas, huic horai, hanc horan, O hora. Manifestum est quod non solum hic est error in voce, sed in sensu, propter subtractionem aspirationis. Et primo Regum, de Golia, quod lorica hamata induebatur, non discernitur a vulgo haec aspiratio, sed quasi lorica dilecta propter fortitudinem ejus. Et iterum cum dicitur Judicum undecimo, »Filia mi,« aestimat vulgus quod sit vocativi casus. Sed nusquam hoc invenitur nisi in masculino genere; et ideo est dativi casus. Nam Priscianus in libro Pronominis dicit, quod antiqui dixerunt quod fuit dativi casus. Unde in dativo primae personae est mi. Et si quis profundius inquirat, inveniet hoc necessario. Nam Priscianus vult in primo libro, et Isidorus dicit expresse, quod non aspiratur apud linguam Latinam nisi vocalis. Unde in Latinis dictionibus nunquam aspiratur consonans. Sed in Graecis vocabulis, quibus Latini utuntur, aspirantur quatuor consonantes2, c, p, r, t, et non plures. Si igitur

1  ὥρας ]  horas, B. 2  quatuor consonantes ]  vocales quatuor, B.

KAPITEL 61

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[Ich liebe] setzt man vor die erste Silbe kein H; vor den Dativ des Wortes ›hamus‹ [Haken, Stachel] wird es hingegen gesetzt, deshalb sagt man ›hamo‹ [dem Haken]. Doch durch das Weglassen des starken Behauchungszeichens tritt ein Fehler auf. So wird zum Beispiel im ersten Kapitel des Briefes an die Thessaloniker gesagt: »ad tempus ore« [zu der Zeit der Rede]. Der Glossator der Briefe, also jener, der die Sentenzen geschrieben hat 538, sagt, dass es sich hier um den Ablativ des Wortes ›os, oris‹ [Mund] handelt, weil es nicht behaucht wird. Dasselbe sagen auch die Doktoren der Theologie; aber das ist falsch. Denn in den alten Bibeln gibt es hier ein Behauchungszeichen, und es handelt sich hier um den Genitiv des Wortes ›hora, horae‹ [Stunde]. So ist es auch im Griechischen, aus dem der lateinische Text entnommen ist. Denn im Griechischen steht hier ὥρας, was der Genitiv des griechischen Wortes ›hora, horas‹ [Stunde] ist.539 Das Wort wird im Griechischen wie folgt dekliniert: ›hujus horas‹ [Genitiv], ›huic horai‹ [Dativ], ›hanc horan‹ [Akkusativ], ›O hora‹ [Vokativ]. Es ist offensichtlich, dass sich hier durch das Weglassen des Behauchungszeichens nicht nur ein Fehler in der Aussprache, sondern auch im Sinn ergibt. Und im ersten Buch der Könige legte Goliath eine ›lorica hamata‹ [römisches Kettenhemd] an540, doch weil die Menge das Behauchungszeichen nicht erkennt, macht sie daraus wegen dessen Stärke den ›geliebten Brustpanzer‹ [lorica amata]. Weiterhin denkt die Menge an der Stelle im Buch der Richter, wo ›filia mi‹ [meiner Tochter]541 steht, dass es sich hier um einen Vokativ handelt. Doch diesen findet man in der Form nur beim männlichen Geschlecht. Denn auch Priscian sagt in seinem Buch über das Pronomen542, dass die Alten gesagt hätten, dies sei der Dativ. Daher muss das Wort ›mi‹ hier im Dativ der ersten Person Singular stehen, wie jeder erkennen wird, der hier tiefgehender nachforscht. Denn Priscian will in seinem ersten Buch543, dass in der lateinischen Sprache nur ein Vokal behaucht wird, was auch Isidor ausdrücklich sagt 544. Deshalb wird in lateinischen Wörtern niemals ein Konsonant behaucht. In den griechischen Wörtern, die die Lateiner benutzen, werden nicht mehr als die vier Konsonanten: c,

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Teil I

nulla consonans aspiratur in Latinis dictionibus, tunc cum dicitur michi, nichil, in usu modernorum, male apponitur c litera in ultima syllaba, quia Latinae dictiones sunt, habentes aspirationem in ultima syllaba. Et patet in omnibus Bibliis, et aliis libris antiquis1 recte scriptis, quod non invenitur c litera in istis vocabulis, sed solum dicitur mihi et nihil. Sed cum sint ibi duae vocales breves, oportet quod in sono, propter hiatum, causa euphoniae, coincidant in unam longam; et ideo recte dicitur nil et mi. Et propter hoc oportet quod mi sit dativi casus hujus2 pronominis ego. Quod autem Priscianus dicit, quod ei non placet quod sit dativi casus, non est vis de hoc. Non enim semper imitandus est, licet ut in pluribus. Unde hic dicit quod antiqui dixerunt quod mi fuit dativi casus. Sed antiquis magis credendum est quam ei, qui compilator est magis3 quam auc­ tor. Solum enim recitat aliena; et aliquando placuit ei opinio una, aliquando alia. Sed experti in grammatica antiquorum tenent hic opinionem illorum; et necesse est hoc propter rationem dictam de aspiratione. Et ne stupefiamus propter verbum Prisciani in hoc loco, considerandum est4, quod Priscianus non solum secutus est opiniones aliquando, quae ei placuerunt, sed aliquando, licet raro, manifeste erravit, et falsum imposuit auctoribus. Verbi gratia: Ipse vult quod obtundo faciat supinum obtunsum, ut n litera sit in media syllaba, et quod participium praeteriti passivi sit obtun­ sus, obtunsa, obtunsum. Sed omnes Latini dicunt obtusum5, et ita

1  libris antiquis ]  antiquis libris, Ti. 2  hujus ]  om. Ti. 3  magis ]  potius, Ti. 4  est ]  om. B. 5  obtusum ]  obtunsum, Ti.

KAPITEL 61

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p, r und t behaucht. Da in den lateinischen Wörtern aber gar kein Konsonant behaucht wird, wird das c in den Wörtern ›michi‹ und ›nichil‹ in der modernen Sprechweise in der letzten Silbe fälschlich gesetzt, denn weil es lateinische Wörter sind, haben sie eigentlich eine Behauchung in der letzten Silbe [und kein c]. Es wird aber anhand aller Bibeln und aller anderen alten Bücher, in denen richtig geschrieben wird, deutlich, dass man dort den Buchstaben c nicht finden kann, sondern dass nur gesagt wird ›mihi‹ und ›nihil‹. Doch weil in beiden Wörtern kurze Vokale auftreten, gehört es sich, dass sie für die Öffnung des Klanges wegen des Wohlklanges in einem langen Vokal zusammengezogen werden; daher heißt es richtig gesprochen eigentlich ›nil‹ und ›mi‹. Deswegen ist auch klar, dass das ›mi‹ der Dativ des Personalpronomens ›ego‹ [ich] ist. Was Priscian sagt, dem der Dativ hier nicht gefallen will, hat in diesem Fall also keine Aussagekraft. Denn wenn man ihn auch in vielem nachahmen sollte, so doch nicht in allem. Zum Beispiel irrt er sich in diesem Fall, weil bereits die Alten sagten, dass das Wort ›mi‹ ein Personalpronomen im Dativ gewesen ist. Doch den alten Schriftstellern muss man mehr glauben als Priscian, weil er doch eher ein Kompilator als ein wirklicher Urheber war. Denn er gibt nur Fremdes wieder; und manchmal gefällt ihm die eine Ansicht besser, manchmal eine andere. Doch die Fachleute der antiken Grammatik ziehen hier die Meinung der alten Schriftsteller vor, was auch wegen des genannten Vernunftgrunds über die Behauchung notwendig ist. Damit wir über Priscians Ansicht an dieser Stelle nicht verdutzt sind, ist zu bedenken, dass Priscian manchmal nicht nur Ansichten gefolgt ist, die ihm gefallen haben, sondern sich manchmal – wenn auch sehr selten – wirklich schwer geirrt und seinen Autoritäten dementsprechend bisweilen Falschheiten untergeschoben hat. Zum Beispiel: Er will, dass das Wort ›obtundo‹ [ich mache stumpf] das Supinum ›obtunsum‹ [abgestumpft, schwer] bildet, sodass der Buchstabe n sich in der mittleren Silbe befindet, und sodass das Partizip Perfekt Passiv dieses Wortes ›obtunsus, obtunsa, obtunsum‹ ist.545 Doch alle Lateiner sagen ›obtusum‹; und so steht es

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Teil I

habent omnes auctores; ita quod nusquam1 invenitur apud aliquem. Cum tamen ipse errorem suum voluit per Virgilium probare, allegans illud in Georgicis, »vomeris obtunsi:« sed exemplar quo usus est fuit falsum in hoc loco. Nam in veracibus libris invenitur, »vomeris obtusi.« Et non solum ibi aufertur n litera, sed alibi in eodem, cum dicit, »acies obtusa videtur.« Et sic Servius, commentator Virgilii, exposuit2 evidenter; qui Servius est major Prisciano, quoniam saepe adducit eum Priscianus3 pro auctore. Hariolus et haruspex, quae saepius sunt in Biblia, aspirantur in omnibus libris antiquis; ergo non dicuntur de ara, quod est altare, quia ara non aspiratur. Quandocunque enim derivatum vel compositum aspiratur, oportet quod ejus primitivum4 aspiretur, et e converso. Et ideo ducuntur ab hara, quod est avis augurialis. Propter igitur inconsiderationem aspirationis mutantur non solum voces hae, sed significata. Et per haec eadem patet quod abunde adverbum, et abundo verbum, et omnia quae his attinent, non habent aspirationem in principio; nam secundum omnes auctores nulla praepositio Latina aspiratur. Sed haec componuntur de ab et unda. Similiter et annus non habet aspirationem; et5 ideo nec6 perennis nec biennis: cum tamen scribatur et dicatur perhennis, cum aspiratione secundae syllabae. Similiter arceo, arces, verbum, non habet aspirationem; ergo nec arca, -ae, nomen, habebit aspirationem; cum tamen semper sic scribitur; et sic de7 quam plurimis et fere infinitis. Cum igitur amo verbum scriberetur et diceretur pro hamo, quod est dativus casus8 vel ablativus hujus nominis hamus, vel e con-

1  nusquam ]  nuncquam, B. 2  exposuit ]  exponit, Ti. 3  saepe … Priscianus ]  Priscianus saepe adducit, Ti. 4  primitivum ]  primativum, B. 5  et ]  om. Ti. 6  nec ]  non, Ti. 7  de ]  dicitur, B. 8  casus ]  om. Ti.

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auch bei ­a llen Autoren. Das Wort ›obtunsum‹ findet man jedoch niemals bei irgendwem. Weil er seinen Fehler aber durch Vergil belegen wollte, hat er jenes Beispiel aus der Georgica angeführt: »vomeris obtunsi.«546 Doch das von Priscian benutzte Exemplar ist an dieser Stelle falsch, da man in den richtigeren Büchern hier »vomeris obtusi« findet. Und nicht nur an dieser Stelle muss der Buchstabe n entfernt werden, sondern auch an einer anderen Stelle in demselben Text, wo er sagt »acies obtusa videtur«. Das zeigt Servius, der Kommentator Vergils, ganz eindeutig.547 Und Servius ist älter als Priscian, weil er oft von Priscian als Autor zitiert wird. Die Wörter ›hariolus‹ [Wahrsager] und ›haruspex‹ [Opferschauer], die mehrmals in der Bibel auftreten, werden in allen alten Büchern behaucht. Sie kommen daher nicht von ›ara‹, was Altar bedeutet, weil das Wort ›ara‹ nicht behaucht wird. Denn immer, wenn ein abgeleitetes oder zusammengesetztes Wort behaucht wird, muss auch das ursprüngliche Wort behaucht werden und umgekehrt. Die Worte kommen daher von ›hara‹, dem Vogel der Auguren. Wegen der Nichtbeachtung der Behauchung ändern sich hier nicht nur die Klänge [dieser beiden Wörter], sondern auch ihre Bedeutungen. Daraus wird auch ersichtlich, dass das Adverb ›abunde‹ [reichlich, vollständig], das Verb ›abundo‹ [überfließen] und alle anderen damit zusammenhängenden Wörter zu Beginn nicht behaucht werden: denn entsprechend der Ansicht aller Autoren wird keine lateinische Präposition behaucht. Doch diese Zusammensetzung besteht aus ›ab‹ und ›unda‹. Genauso hat auch das Wort ›annus‹ [Jahr] keine Behauchung, ebenso wenig wie ›perennis‹ [dauernd, beständig] und ›biennis‹ [zweijährig]: und doch wird mit ­einer Behauchung auf der zweiten Silbe ›perhennis‹ gesagt. Auch das Verb ›arceo, arces‹ [abhalten, hindern] wird nicht behaucht; also hat auch das Substantiv ›arca,-ae‹ [Arche] keine Behauchung, auch wenn es immer so geschrieben wird. So verhält es sich auch mit unzähligen und fast unendlich vielen anderen Wörtern. Wenn weiterhin das Verb ›amo‹ [ich liebe] wie ›hamo‹ geschrieben und gesprochen wird, was eigentlich der Dativ oder Ablativ des Nomens ›hamus‹ [Haken, Stachel] ist oder umgekehrt, ent-

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Teil I

verso, esset error in voce et significato, sic erit in omnibus istis. Nam cum cadit vocis proprietas determinata significato, perit vel mutatur significatum. Nam Notus, pro vento australi, non habet aspirationem ad t literam, sed nothus, pro adultero, habet; sed semper scribitur nothus pro vento cum aspiratione, ut cum sono pereat significatio. Similiter Hieremia, Hierusalem, Hiericho, Hie­ ronymus, Hyacinthus, et hujusmodi, aspirantur in principio dictionis apud omnes Biblias antiquas et libros sanctorum. Sed moderni, virtutem aspirandi ignorantes, ponunt notam aspirationis post primam vocalem, quae est j, quod stare non potest. Nam j litera aut stabit vice consonantis aut vocalis; si vice consonantis, tunc aspirari non potest, quia nulla consonans aspiratur, nisi c, p, t, r, in Hebraicis et Graecis vocabulis tantum. Si vero sit vocalis, non potest aspirari a parte post, quia vocalis non aspiratur nisi a parte ante, et consonans a parte post, secundum omnes auctores, ut augmentetur debilis sonus consonantis, et ne nimis fortificetur sonus vocalis; quia aspiratio in principio debilior est quam in fine; et consonans habet debiliorem sonum quam vocalis; propter quod ponitur aspiratio vocali a parte ante, et consonanti a parte post. Sic igitur infinita quasi sunt exempla de corruptione vocabulorum in sensu et litera, propter hoc quod hujusmodi aspirationum proprietas non servatur. Sed transeo ad alia.

KAPITEL 61

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steht auch hier ein Fehler beim Aussprechen und der Bedeutung, wie es in allen diesen Fällen ist. Doch wenn die richtige und bedeutungsbestimmende Aussprache wegfällt, ändert sich auch das Bezeichnete. Denn ›Notus‹, das Wort für den Südwind, hat nach dem Buchstaben t keine Behauchung, ›nothus‹ jedoch, das Wort für ›Ehebruch‹ hat eine Behauchung. Aber für den Südwind wird immer das Wort ›nothus‹ mit Behauchung geschrieben – und mit dem Klang geht [in diesem Fall] auch die Bezeichnung verloren. Ähnlich werden auch ›Hieremia‹, ›Hierusalem‹, ›Hiericho‹, ›Hieronymus‹, ›Hyacinthus‹ und ähnliche Wörter in allen alten Bibeln und den Schriften der Heiligen zu Beginn des Wortes behaucht. Doch die Zeitgenossen setzen das Behauchungszeichen nach dem ersten Vokal, weil sie die richtige Art des Behauchens nicht kennen. Sie setzen es also nach dem j, was man keinesfalls so stehen lassen kann. Denn der Buchstabe j steht entweder anstelle eines Konsonanten oder eines Vokals: Wenn er anstelle eines Konsonanten steht, kann man ihn nicht behauchen, weil kein Konsonant außer c, p, t und r im Hebräischen und Griechischen behaucht werden darf. Steht er jedoch anstelle eines Vokals, kann er nicht in dem folgenden Teil des Wortes behaucht werden, weil der Vokal immer vorher und der Konsonant immer nachher behaucht wird. Das gilt gemäß allen Autoren, damit der schwächere Ton eines Konsonanten verstärkt und der Klang eines Vokals nicht zu sehr verstärkt wird, weil eine Behauchung zu Anfang schwächer als am Ende ist. Der Konsonant hat aber einen schwächeren Klang als der Vokal, weshalb die Behauchung vor dem Vokal und nach dem Konsonanten gesetzt wird. Es gibt noch unzählige weitere Beispiele für die Verdorbenheit der Wörter dem Sinn und dem Buchstaben nach, weil man nicht den Regeln der Behauchungen folgt. Doch ich gehe nun zu anderen Dingen über.

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Teil I

CAPITULUM LXII. [ 428]

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Longitudo vero et brevitas penultimarum syllabarum requiritur in prosa, sed non aliarum. Sed quia ad metricam musicam pertinent, ideo usque ibi differenda. Hujusmodi igitur prosodiae, quae accentus, ut dictum est, vocantur, sumendo accentum communiter ad tonos et pneumata, et longitudines et brevitudines, debent servari circa literas, et1 syllabas, et dictiones; nam originaliter literis et syllabis debentur, et secundario dictionibus. Sed orationibus prosaicis aliae pronuntiationes debentur, quae Graece vocantur comma, colon, periodus, secundum lsidorum, Hieronymum, et omnes; quae si rite non fiant, mutatur sensus cum pronuntiatione. Secundum lsidorum et auctores caeteros, periodus dicitur ubi versus debet fieri, scilicet ubi sententia perfecte terminatur, et fit punctus ac pausatio, ut una sententia ab alia distinguatur, ne sententiarum fiat confusio diversarum; et non debet fieri ante perfectam sententiam. Sed reliqua duo fiunt ante eam, differenter tamen. Nam si in uno versu cadunt2 haec tria, tunc comma fit primo, ubi semiplena est sententia totius versus; et ubi decurrit sententia, non tamen adhuc finitur, sed ad aliud tenditur, fit colon. Et comma habet pausationem parum flexam, colon vero elevatam, periodus perfecte descendit. Et hoc totum, quod nunc ultimo dixi de istis

1  et ]  om. B. 2  cadunt ]  cadant, B.

KAPITEL 62

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KAPITEL 62 Über Satzzeichen [ 428]

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Bei einem Prosatext müssen nur die Länge und Kürze der vorletzten Silben beachtet werden, nicht die der anderen. Da sich [die Regeln der Akzentsetzung] aber auch auf die Metrik beziehen, müssen sie dort weiter unterschieden werden. Denn die prosodischen Zeichen, die – wie gesagt worden ist – Akzente genannt werden, und die sich auf den Klang, die Behauchung, die Längen und Kürzen [der Silben] beziehen, müssen bei der Aussprache von Buchstaben, Silben und Wörtern helfen; denn zuerst bestimmen sie die Buchstaben und Silben und dann – daraus folgend – die Aussprache in der gesprochenen Rede. Doch für gesprochene Reden braucht man noch weitere Betonungszeichen, die die Griechen Komma [comma], Punkt [colon]548 und Strichpunkt [peri­ odus] nennen, und die von Isidor, Hieronymus und alle anderen beschrieben werden. Wenn diese Zeichen nicht auf die richtige Weise gesetzt werden, ändert sich mit der Betonung auch der Sinn [eines ­Textes].549 Gemäß Isidor [von Sevilla] und anderen Autoren sagt ein Strichpunkt einem, wo der Vers richtig gesetzt werden muss, das heißt, wo ein abgeschlossener Satz aufhört und wo ein Punkt oder eine Pause gesprochen werden müssen, damit ein Satz von einem anderen unterschieden werden kann, und damit es keine Verwirrung zwischen verschiedenen Sätzen gibt. Dieses Zeichen darf daher nicht vor einem abgeschlossenen Satz gesetzt werden. Doch die verbleibenden zwei [Satzzeichen] werden vor [dem Strichpunkt] gesetzt und haben eine andere Funktion. Denn wenn in einem Vers diese drei [Satzzeichen] vorkommen, wird dort zuerst ein Komma gesetzt, wo der Satz des Verses erst zur Hälfte beendet ist; wo der Satz sich zwar dem Ende hinneigt, aber noch nicht ganz beendet wird, sondern zu einem weiteren Satz überleitet, muss ein Punkt gesetzt werden. Nach dem Komma betont man eine kleine Pause, nach dem Punkt eine größere. Der Strichpunkt aber schließt den Satz vollkommen ab. Diese drei Satzzeichen zusammen bilden

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Teil I

tribus, est unus versus. Sed illud, quod dixi, comma habet pausationem flexam parum ac depressam, est comma; quod autem sequitur colon vero elevatum, est colon. Tertia pars facit periodum. Ut Genesis primo: »Terra autem erat inanis et vacua,« est comma1. »Et tenebrae erant super faciem abyssi,« est colon2. »Et spiritus ­Domini ferebatur super aquas,« est periodus3. Et ibi fit versus. Hae vero sunt pausationes principales; sed tamen aliquando intercipitur aliquis punctus simplex, ut Deuteronomiae tertio decimo: »Si surrexerit in medio tui prophetes, aut qui somnium vidisse se dicat, et praedixerit signum atque portentum, et evenerit quod locutus est, et dixerit tibi, Eamus et sequamur deos alienos, quos ignoras, et serviamus eis.« In omnibus clausulis praecedentibus debet fieri simplex aspiratio sine elevatione vel depressione, sed hic deprimitur vox. Et cum infertur, »Non audies verba prophetae illius aut somniatoris;« hic elevatur, et tunc sequitur periodus, ubi sententia completur. Sed considerandum quod non semper cadunt haec tria in eodem versu, sed aliquando solum comma cum ­periodo, aliquando solum colon. Punctus vero depressus, seu comma, fit quandocunque est suspensiva constructio; quando scilicet versus incipit ab istis4 dictionibus, si vel siquis, quoniam, quia, et qui nomine infinito, et quaecunque, cum, cumque, postquam, ut pro postquam, licet, quamvis; quando etiam praeponitur ablativus absolutus, et participium praesentis temporis. Exemplum de primo Proverbiorum, vicesimo septimo: »Si contuderis stultum in pila, quasi ptisanas desuper feriente pilo,

1  comma ]  ( · ), Ti. 2  colon ]  ( : ), Ti. 3  periodus ]  ( / ), Ti. 4  istis ]  his, Ti.

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­einen Vers. Das Komma zeigt eine kurze und niedrige Pause an und muss entsprechend betont werden. Wenn die Stimme daraufhin gehoben werden muss, wird das durch einen Punkt angezeigt. Den dritten Teil bildet dann der Strichpunkt. Als Beispiel sei hier das Buch Genesis, erstes Kapitel, angeführt: »Terra autem erat inanis et vacua,«550 – hier muss ein Komma gesetzt werden. »Et tene­ brae erant super faciem abyssi,«551 – hier folgt ein Punkt. »Et spiritus Domini ferebatur super aquas,«552 – das Ende bildet der Strichpunkt. Alle diese Teile zusammen bilden einen Vers. Das sind die grundlegenden Interpunktionszeichen, die eine Pause anzeigen. Doch manchmal wird ein Satz auch durch einen einfachen Punkt unterbrochen, wie zum Beispiel im 13. Kapitel des Buches Deuteronomium: »Si surrexerit in medio tui prophetes, aut qui somnium vidisse se dicat, et praedixerit signum atque portentum, et evenerit quod locutus est, et dixerit tibi, Eamus et sequamur deos alienos, quos ignoras, et serviamus eis.«553 Hier muss in allen Vordersätzen eine einfache Betonung ohne Erhöhung oder Senkung [der Stimme] gesetzt werden, aber dennoch muss die Stimme heruntergehen. Und wenn es weiter geht: »Non ­audies verba prophetae illius aut somniatoris«554, muss die Stimme gehoben werden, worauf ein Strichpunkt folgt, der den Satz abschließt. Doch man muss auch bedenken, dass diese drei Zeichen nicht immer in demselben Vers auftreten, sondern manchmal nur ein Komma mit einem Strichpunkt, manchmal auch nur ein Punkt. Den niedrigen Punkt [punctus depressus] oder das Komma setzt man immer dann, wenn es sich um eine einleitende Satzbildung handelt. Also immer dann, wenn ein Satz mit diesen Worten anfängt: ›si‹ [wenn], ›siquis‹ [wenn jemand], ›quoniam‹ [da ja], ›quia‹ [weil] und ›qui‹ [wer] als Infinitivpronomen, ›quaecunque‹ [wie auch immer], ›cum‹ [als, nachdem], ›cumque‹ [jederzeit], ›postquam‹ [nachdem], ›ut‹ für ›postquam‹, ›licet‹ [es ist erlaubt], ›quam­v is‹ [obleich, obwohl]: also dann, wenn sie einen Ablativus absolutus oder ein Partizip Präsens einleiten. Als Beispiel führe ich eine Stelle aus den Sprüchen Salomos, Kapitel 27, an: »Si contuderis stultum in pila, quasi ptisanas desuper feriente pilo, non

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non auferetur ab eo stultitia ejus.« Et sic de omnibus aliis quae dixi; ita quod punctus depressus sit totius quod suspenditur, ut per illud quod sequitur versus compleatur. Item Johannis decimo quinto: »Si non venissem et locutus fuissem eis, peccatum non haberent.« Hic cadit negatio super duas orationes primas, et negat totum. Et ideo debet fieri punctus ad illud quod dicit eis, et non ad illud quod dicit venissem, sicut vulgus facit, et apponit negationem in secunda oratione, et corrumpit translationem antiquam, dicens, »et non locutus fuissem eis.« Sed omnes antiquae Bibliae habent unam solam negationem, et sic transtulit Hieronymus, et sacrosancta recipit Romana ecclesia; et ideo non est fas mutare textum Dei et ecclesiae. Et sic de infinitis quasi. Et quia non servatur punctatio recta, mutatur ordo rectus sententiae, et sensus perit cum litera. Punctus vero elevatus debet fieri quando non est suspensio absoluta, sed sententia imperfecta, quae immediate perficitur per id quod sequitur. Nam potest esse multiplex1 clausula absoluta; sed illa2 quae non statim perficitur, facit comma; et3 secunda, quae immediate perficit, facit colon; ut in primis exemplis est expositum. Sed aliquando non est nisi una sententia perficienda, et quia absoluta est, ideo elevatur punctatio. Et hic sunt casus valde multi, propter determinationes et negationes4, et multa. Multis enim modis fit determinatio, et diligenter cavendum ut conjungatur vel separetur secundum quod sententia requirit. Nam ut non videatur

1  multiplex ]  triplex, Ti. 2  illa ]  ea, Ti. 3  et ]  om. Ti. 4  determinationes et negationes ]  negationes et determinationes, Ti.

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auferetur ab eo stultitia ejus.«555 So verhält es sich auch bei allen anderen Beispielen, von denen ich gesprochen habe. Das Komma zeigt also an, dass etwas aufgeschoben werden muss, damit durch das Folgende der Satz vollendet werden kann. Wie im 15. Kapitel des Johannesevangeliums: »Si non venissem et locutus fuissem eis, peccatum non haberent.«556 Hier bezieht sich die Verneinung auf die beiden ersten Redeteile und verneint den gesamten Satz. Deshalb muss das Komma hier nach der Stelle ›eis‹ gesetzt werden und nicht nach der Stelle ›venissem‹, wie es die Menge macht, die die Verneinung auf den zweiten Satzteil setzt und damit die alte Übersetzung verdirbt, indem sie sagt: »et non locutus fuissem eis« [Und ich hätte es ihnen nicht gesagt]. Doch in allen alten Bibeln steht nur eine einfache Verneinung: so hat es Hieronymus übersetzt, so hat es die heilige römische Kirche übernommen. Daher ist es in diesem Fall nicht richtig, den Text Gottes und der Kirche zu ändern. Dafür gibt es fast unzählige [weitere] Beispiele. Wer sich jedoch nicht an die richtige Zeichensetzung hält, ändert die richtige Reihenfolge des Satzes – und mit dem Buchstaben vergeht der Sinn. Ein punctus elevatus557 muss gesetzt werden, wenn der [Sinn des Satzes] noch nicht vollkommen erfüllt ist, sondern wenn der Satz noch unvollkommen ist und durch einen anderen Teil vollendet werden muss, der darauf unmittelbar folgt. Denn es gibt viele Formen von Satzteilen: Wenn ein Satz noch lange nicht abgeschlossen ist, muss man ein Komma setzen; wenn ein Satz unmittelbar vor seinem Abschluss steht, setzt man einen Punkt, wie es in den vorigen Beispielen gezeigt worden ist. Doch manchmal gibt es nur einen einzigen Satz, der abgeschlossen werden soll: und weil dieser Satz für sich genommen schon vollständig ist, setzt man einen punctus elevatus. Dafür gibt es viele Beispiele, vor allem bei Satzabschlüssen und Verneinungen, aber auch in vielen anderen Fällen. Denn ein Satzabschluss lässt sich auf viele Arten setzen, und man muss gut darauf achten, ob ein Satz zusammengenommen oder getrennt werden muss: je nachdem, wie der Satz es erfordert. Denn damit es nicht so scheint, dass ein bereits beendeter Satz

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determinatio cum proximo determinabili debere solum continuari, debet aliquando separari ab utroque; sicut Genesis quadragesimo: »Restituitque alterum in locum suum, ut porrigeret regi poculum; alterum suspendit in1 patibulo, ut conjectoris veritas probaretur.« Debet enim elevari punctus post illud in patibulo, quia determinatio refertur ad utrumque; sed si proximum debet determinare tantum, tunc post primum determinabile debet fieri punctus elevatus; ut Lucae secundo: »Et pannis eum involvit, et reclinavit eum in praesepio, quia non erat ei locus in diversorio.« Unde post illud involvit debet punctus elevari; et multis aliis modis variatur punc­ tatio propter determinationem. Negatio vero aliquando negat multa, aliquando unum; et ideo quando includit plura, non potest fieri punctus elevatus antequam utrumque proferatur sub negatione; ut Exodi duodecimo: »Sin autem minor est numerus ut sufficiat ad vescendum agnum, assumet,« etc. Nam quia non consideratur hic quod negatio hujus dictionis sin, includit totum usque ad verbum assumet, ideo moderni corrumpunt textum antiquum, et addunt negationem ad hoc verbum sufficiat; dicentes quod non sufficiat2. Sed hoc est magnum3 inconveniens, quia apponitur negatio quae non fuit a translatore posita, sicut patet per4 omnes antiquos. Et Exodi septimo: »Et induratum est cor Pharaonis, et non audivit eos, sicut praeceperat Dominus,« punctus elevatur ad Pharaonis, et non ad eos, quia negatio est similitudinis, et cadit super totum quod sequitur. Si enim fieret punctus elevatus ad eos, tunc protenderet prolatio sermonis quod Dominus praecepit ut induraretur cor Pharaonis, et quod non exaudiret eos. Sed non praecepit Dominus hoc5, nec est intentio sermonis; et tamen vulgus non curat quomodo proferatur.

1  in ]  om. Ti. 2  quod non sufficiat ]  om. Ti. 3  magnum ]  om. Ti. 4  per ]  om. Ti. 5  hoc ]  om. Ti.

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mit einem weiteren einfach weitergeht, muss er manchmal [von dem anderen Satz] getrennt werden. So etwa im Buch Genesis, Kapitel 40: »Restituitque alterum in locum suum, ut porrigeret regi poculum; alterum suspendit in patibulo, ut conjectoris veritas probaretur.«558 Hier muss nach den Worten ›in patibulo‹ ein Punctus elevatus gesetzt werden, weil das Satzende sich auf beide Satzteile bezieht. Doch wenn der nächste Satz mehr betont werden muss, muss der punctus elevatus nach dem ersten Satzteil gesetzt werden, wie in Lukas zwei: »Et pannis eum involvit, et reclinavit eum in praesepio, quia non erat ei locus in diversorio.«559 Hier muss nach dem Wort ›involvit‹ der punctus elevatus gesetzt werden; und die Zeichensetzung ändert sich auf viele andere Arten wegen des [richtigen] Abschlusses eines Satzes. Eine Verneinung verneint manchmal mehrere [Satzteile], manchmal nur einen. Wenn sie mehrere verneint, darf der punctus eleva­ tus nicht vor die Teile des Satzes gesetzt werden, die verneint werden sollen, wie es im zwölften Kapitel des Buches Exodus der Fall ist: »Sin autem minor est numerus ut sufficiat ad vescendum agnum, assumet,«560 usw. Da hier nicht beachtet wird, dass die Verneinung durch das Wort ›sin‹ alles bis zu dem Verb ›assumet‹ beinhaltet, verderben die Zeitgenossen den alten Text und fügen dem Verb ›sufficiat‹ eine Verneinung hinzu, indem sie sagen ›quod non sufficiat‹. Doch das ist unpassend, weil hier eine vom Übersetzer nicht beabsichtigte Verneinung hinzugefügt wird, wie alle alten Autoren bestätigen können. Und im siebenten Kapitel des Buches Exodus heißt es: »Et induratum est cor Pharaonis, et non audivit eos, sicut praeceperat Dominus,«561. Hier muss der punctus eleva­ tus nach ›Pharaonis‹ gesetzt werden und nicht nach ›eos‹, weil die Verneinung in diesem Fall eine Ähnlichkeit bezeichnet und sich auf alles Folgende bezieht. Denn wenn der punctus elevatus nach dem Wort ›eos‹ gesetzt werden würde, würde der Sinn des Satzes dahin gehen, dass der Herr befohlen hätte, dass das Herz des Pharaos hart werden solle, und dass er sie nicht hören solle. Doch das hat der Herr nicht befohlen – und es ist auch nicht die Aussage des Satzes. Dennoch kümmert es die Menge nicht, wie er vorgetragen

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Et per relationes et implicationes, et multis aliis modis, variatur, ut patet. Sed sermo praesens plura non requirit. Periodus vero male fit multis modis; sed aliquando est oratio plana, aliquando est interrogativa. Nunquam vero debet fieri periodus inter verbum transitivum et illud quod terminat ejus transitum; nam illud quod ejus transitum terminat est accusativus casus, sive sit dic­tio simplex, sive sit1 oratio materialiter retenta2. Quando vero est dictio simplex, nullus est ita insanus quod separet casum a verbo, ut in verbo fiat versus; sed tota die3 et fere ubique in Scriptura4 fit versus ad verbum transitivum, si illud quod sequitur sit oratio. Sed hoc est omnino inconveniens. Nam si dicam, »Audio angelos canere,« vel »quod angeli canunt,« vel »quia angeli canunt,« non potest vere fieri punctus et versus ad verbum, ut patet, licet quod sequitur sit oratio. Et ideo cum dicitur per totam Scripturam, »et dixit,« vel »ait,« vel »respondit,« et sic5 de aliis transitivis, oportet quod illud, quod terminat transitum verbi, construatur et6 continuetur cum tali verbo. Ut in Johanne: »Dixit Jesus discipulis suis, Ego sum panis vivus, qui de coelo descendi;« et »Dixit7 iis Jesus: Amen, amen, dico vobis, nisi manducaveritis carnem Filii hominis, et biberitis sanguinem ejus, non habebitis vitam in vobis.« Cum vero accidit quod illud, quod sequitur verbum transitivum, est una oratio simplex, vel composita ex paucis, ut anhelitus proferentis sufficiat ad hoc, debet totum continuari. Cum autem magnus sermo sequitur verbum transitivum, sicut in Matthaeo: »Et aperuit os suum, dicens, Beati pauperes spiritu, quoniam ipsorum est regnum coelorum,« etc., quamvis totum quod sequitur terminet transitum verbi, tamen quia sententia una suf-

1  sit ]  om. Ti. 2  retenta ]  sumpta, Ti. 3  die ]  om. B. 4  Scriptura ]  Scripturis, Ti. 5  sic ]  ita, Ti. 6  et ]  vel, Ti. 7  dixit ]  dicit, B.

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werden muss. So ändern sich die Sätze offensichtlich durch Bezüge, Implikationen und auf viele andere Arten. Doch im Moment muss hierzu nichts weiter gesagt werden. Der Strichpunkt wird sehr oft falsch gesetzt. Manchmal wird er bei einer Aussage, manchmal bei einer Frage gesetzt. Ein Strichpunkt darf aber niemals zwischen einem transitiven Verb und dem Objekt stehen, das das transitive Verb abschließt. Denn das Objekt, das sich auf das transitive Verb bezieht, steht im Akkusativ – sei es in einer einfachen, sei es in einer indirekten Rede. Wenn es sich um eine einfache Rede handelt, ist es nicht unvernünftig, dass der Fall vom Verb getrennt wird, sodass in dem Verb der Satz enthalten ist; doch sehr oft und fast überall in der Schrift hängt ein Satz von einem transitiven Verb ab, wenn das, was folgt, eine Rede ist. Doch das ist alles nicht überzeugend. Denn wenn ich sagen würde, »­Audio angelos canere« [Ich höre die Engel singen] oder »quod angeli canunt« [dass die Engel singen] oder »quia angeli canunt« [weil die Engel singen], kann das Verb offensichtlich nicht mit einem Punkt oder einem Vers beendet werden, außer es folgt eine Rede. Da aber überall in der Schrift gesagt wird »et dixit« [und er sprach] oder »ait« [er sagte] oder »respondit« [er antwortete], und so auch bei anderen transitiven Verben, gehört es sich, dass jener [Satzteil], der das transitive Verb abschließt, mit diesem Verb konstruiert und fortgeführt werden muss. Wie in Johannes: »Dixit J­esus discipulis suis, Ego sum panis vivus, qui de coelo descendi;«562 und: »Dixit iis Jesus: Amen, amen, dico vobis, nisi manducaveritis carnem Filii hominis, et biberitis sanguinem ejus, non habebitis vitam in vobis.«563 Da es hier in Wahrheit so ist, dass jener Satz, der dem transitiven Verb folgt, eine einfache oder doch nur aus Wenigem zusammengesetzte Rede ist, sodass einmal Luftholen ausreicht, um sie zu sprechen, muss der vollständige Satz fortgeführt ­werden. Etwas anderes ist es jedoch, wenn dem transitiven Verb eine lange Rede folgt, wie in Matthäus: »Et aperuit os suum, dicens, Beati pauperes spiritu, quoniam ipsorum est regnum coelorum,«564 usw. Denn obgleich die ganze folgende Rede von dem transitiven Verb

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ficienter terminatur in modico sermone, et anhelitus proferentis sufficit ad hoc, et non ad plus, oportet quod fiat versus ad illud quod dictum est coelorum; et tunc quia nova sententia venit in secunda beatitudine, potest fieri novus versus. Similiter quandocunque nominativus proprius non sequitur hoc verbum erit, sed oratio perfecta, tunc debet fieri versus. Ut Esaiae septimo: »Et erit, in die illa sibilabit Dominus muscae,« etc. Et infra: »Et erit, in illa die nutriet Dominus vaccam boum1,« etc. Et infra: »Et erit, omnis locus ubi fuerint mille2 vites,« etc. Et sic fit versus, quia in istis nihil quod sequitur potest construi cum hoc quod dico3 erit. Sed quando dicitur, »Et erit tempus eorum in saecula;« hic non fit versus post erit, quia quod sequitur construitur cum illo verbo. Sed quando perfecta sententia habetur, et auctoritate vel ratione pot­ est probari quod talis sit intentio auctoris, fiet versus; quamvis aliter facilius possit intelligi litera, ut aliquo alio modo versum faciamus. Verbi gratia, Matthaei octavo: »Volo, mundare.« Glossa exponit, et utitur hoc quod est mundare imperative; et ideo fiet versus necessario ad hoc quod est volo. Nam nulla constructio est inter istas dictiones, si mundare est imperativum. Oportet enim quod infinitivus modus intelligatur, qui terminet transitionem hujus verbi volo. Et quia haec vox mundare est aequivoca ad infinitivum et imperativum, ideo aestimat vulgus quod sit infinitivum, et quod versus ibi terminetur. Sed in hoc quod dicit volo, ostenditur pietas volentis mundare. Et in hoc quod dicit mundare imperative, ostenditur potentia majestatis, ut dicit interlinearis. Et ideo duo versus sunt, et4 tollitur aequivocatio, atque non erit infinitivi modi. Sed vulgus credit5 quod sit infinitivi modi; et bene literati credunt quod utroque modo possit dici; sed non est verum.

1  boum ]  bonam, Ti. 2  fuerint mille ]  fuerunt nullae, Ti. 3  quod dico ]  verbo, Ti. 4  et ]  om. Ti. 5  credit ]  credat, B.

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abhängt, muss der Vers bei dem Wort ›coelorum‹ beendet werden, weil dieser Satz für den Vortrag die ausreichende Länge hat, und weil die Luft nicht für eine Weiterführung des Satzes ausreicht. Da danach ein neuer Satz in neuer Schönheit kommt, muss auch ein neuer Vers folgen. Ähnlich ist es auch, wenn dem Verb ›erit‹ kein eigentlicher Nominativ folgt, sondern eine abgeschlossene Rede. Denn dann muss ein neuer Vers begonnen werden. Wie in Jesaiah sieben: »Et erit, in die illa sibilabit Dominus muscae,«565 usw. Und weiter unten: »Et erit, in illa die nutriet Dominus vaccam boum,«566 usw. Und weiter unten: »Et erit, omnis locus ubi fuerint mille vites,«567 usw. Dies ist ein Vers, weil das, was dem Wort ›erit‹ folgt, nicht mit diesem Wort gebildet werden kann. Doch wenn gesagt wird: »Et erit tempus eorum in saecula«568, gibt es nach dem ›erit‹ keinen Vers, weil das, was dem ›erit‹ folgt, mit jenem Verb gebildet wird. Wenn ein Satz abgeschlossen ist, sodass die Autorität oder die Vernunft belegen kann, dass die Intention des Autors jene sei, [den Satz zu be­enden], dann gibt es einen eigenen Vers. Wenn aber auf eine andere Art die Schrift leichter verstanden werden kann, setzen wir den Vers anders an. Zum Beispiel bei Matthäus 8: »Volo, mundare.« [Ich will’s tun: Sei gereinigt]569 Hier erklärt die Glosse – und so wird es auch verwendet –, dass ›mundare‹ im Imperativ steht. Daher hängt der Vers notwendig von ›volo‹ ab. Denn zwischen diesen beiden Wörtern gibt es keine weitere Konstruktion, wenn ›mundare‹ ein Imperativ ist. Das Verb muss aber im Infinitiv verstanden werden, der das Herübergehen des Verbs ›volo‹ be­endet. Weil das Wort ›mundare‹ im Infinitiv und im Imperativ gleich lautet, denkt die Menge aber, dass es im Infinitiv stünde, und dass dort der Vers aufhören würde. Doch darin, dass er ›volo‹ sagt, zeigt sich die Gnade des Heilenwollens. Und darin, dass er ›mundare‹ sagt, zeigt sich die herrschaftliche Macht, wie in der Interlinearglosse steht. Daher sind es zwei Verse, die Gleichheit wird aufgehoben, und ›mundare‹ steht nicht im Infinitiv. Doch die Menge denkt, dass es als Infinitiv gemeint sei – und auch Gelehrte denken, dass man es auf beide Weisen auslegen kann, was jedoch nicht stimmt. Ähnlich ist es auch an vielen weiteren Stellen, an

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Et sic est de multis in quibus erratur omnino. ltem, per ellipsim fit versus ­saepe; ut ­Lucae decimo tertio: »Et si quidem fecerit fructum.« Ibi proculdubio debet fieri versus. Nam non continuatur sententia; sed contraria sententia subinfertur cum dicitur, »Sin autem, in futurum, succides illam;« et ideo supplendum est ibi, bene actum est, vel praemium accipiet, vel non succidetur; et sic de quam plurimis, quae non observantur. ltem, quando auctor introducit1 aliquem loquentem, ponens hoc verbum dixit, vel simile, completis verbis personae introductae, versus est faciendus, nisi impediatur per aliquam suspensionem constructionis. Ut Johannis primo2: »Invenit hic primo fratrem suum; et dicit ei, Invenimus Messiam.« Hic fit versus, quia finiuntur verba personae introductae; et quod sequitur additur ab auctore, scilicet »quod interpretatur Christus.« Non enim Andreas hoc exposuit, quia Petrus scivit linguam Andreae; et ideo additum est ab evangelista. Sed vulgus continuat in uno versu, totam sententiam debitam permutans, et falsum sententians, eo quod non dixit Andreas quod ei imponit. Similiter Johannis quarto: »Dicit ei mulier, Scio quia Messias venit.« lbi terminatur dictum mulieris, et ibi est versus. Nam quod sequitur, »qui dicitur Christus,« non dixit mulier, sed addidit evangelista. Et multa similia alibi in Johanne

1  introducit ]  introdit, Ti. 2  primo ]  decimo, Ti.

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denen sich die meisten vollkommen irren. Zudem besteht ein Vers auch oft aus einer Ellipse, wie im Lukasevangelium, Kapitel 13: »Et si quidem fecerit fructum« [Ob er wolle Frucht bringen]570. Das muss ohne Zweifel ein Vers sein. Doch der Satz wird nicht fortgesetzt, sondern ein weiterer Satz wird untergeordnet, wenn gesagt wird: »Sin autem, in futurum, succides illam« [Wo nicht, so haue ihn danach ab].571 Der Satz muss hier also in dem Sinne ergänzt werden, dass man, wenn man gut handelt, entweder einen Lohn erhalten oder zumindest nicht abgehauen werden kann. In ähnlicher Weise gibt es noch viele weitere Beispiele, die nicht beachtet werden. Wenn ein Autor eine sprechende Person einführt, indem er ein Verb wie ›dixit‹ [er hat gesagt] oder Ähnliches schreibt, durch das die vollständige Rede einer Person wiedergegeben wird, muss man einen eigenen Vers setzen, außer das wird durch irgendeine Unter­ brechung in der Konstruktion verhindert. Wie im ersten Kapitel des Johannesevangeliums: »Invenit hic primo fratrem suum; et dicit ei, Invenimus Messiam.« [»Der findet zuerst seinen Bruder und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden.«]572 Das ist ein eigener Vers, weil hier die Worte der eingeführten Person be­ endet werden. Was diesem Satz folgt, wird vom Autor hinzugefügt, nämlich: »quod interpretatur Christus« [»Welches heißen soll: Christus.«]573 Das hat Andreas nämlich nicht [selbst] erklärt, weil Petrus die Sprache von Andreas kannte. Daher ist es vom Evangelisten hinzugefügt worden. Doch die Menge setzt diese beiden Teile in einem Vers fort. Dadurch verändert sie die richtige Satzfolge, wodurch der Satz falsch wiedergegeben wird, weil Andreas nicht das gesagt hat, was man ihm [durch diese Fortführung] zuschreibt. Ähnlich ist es auch im vierten Kapitel des Johannesevan­ geliums: »Dicit ei mulier, Scio quia Messias venit.« [»Spricht das Weib: Ich weiß, dass der Messias kommt.«]574 Hier endet die Aussage der Frau, und hier muss auch der Vers enden. Denn wenn folgt »qui dicitur Christus« [»der Christus genannt wird«], sagt das nicht die Frau, sondern das fügt der Evangelist hinzu. Es gibt viele ähnliche Stellen an vielen Orten im Johannesevangelium und

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et multis locis Scripturae. Sed contingit quod inter verba introducti ad loquendum, interponuntur verba auctoris introducentis, et tunc non fiet versus, antequam compleantur verba introducti. Ut Johannis primo: »Rabbi1 (quod dicitur interpretatum Magister), ubi habitas?« Sed vulgus non facit hoc; et sic in multis aliis. De interrogationibus vero multiplex accidit defectus; nam non debet fieri, nisi completis omnibus quae cadunt sub interrogatione. Ut Esaiae capitulo tertio: »Quis est iste qui venit de Edom, tinctis vestibus de Bozra?« Usque ibi »fortitudinis suae« concluduntur omnia sub interrogatione, et ideo sub uno versu. Nam respondetur ad interrogationem cum dicitur: »Ego, qui loquor justitiam,« etc. Et ibi incipit versus. Sed non fit sic. Dictio quae est gravis in fine, in qua finitur interrogatio, acuenda est; et fit una elevatio et unus punctus. Ut ad Romanos septimo, »Quid ergo dicemus?« ergo dictio in fine acuenda est, vel2 monosyllaba, quae naturaliter est acuta, bis est elevanda; nam in simplici et plana pronuntiatione semel acueretur; ergo in interrogatione bis acuetur. Ut trigesimo sexto capitulo Esaiae: »Ubi est Deus Emath et Arthat?« Et ad Romanos septimo, »Lex peccatum est?« Et quando interrogationes absolutae et particulares, habentes notas ejusdem generis ad invicem ordinantur, fit una interrogatio et unus versus. Ut Job septimo,

1  Rabbi ]  om. Ti.; Raby, B. 2  vel ]  om. B.

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an anderen Stellen in der Heiligen Schrift. Doch es kommt auch vor, dass zwischen den Worten der sprechenden Person Äußerungen des Verfassers eingeschoben werden, wobei kein eigener Vers abgeschlossen wird, bis die Worte der sprechenden Person beendet sind. Dafür gibt es etwa ein Beispiel im Johannesevangelium, Kapitel 1: »Rabbi (quod dicitur interpretatum Magister), ubi habitas?« [»Meister (was soviel heißt wie Lehrer), wo bist du zur Herberge?«]575 Doch die Menge macht das hier – ebenso wie an vielen anderen Stellen – nicht so. Auch bei Fragen gibt es in Wahrheit unglaublich viele Mängel: denn eine Frage darf nicht beendet werden, bis nicht alles beendet ist, was unter die Frage fällt. So wie im dritten Kapitel des Buches Jesaja: »Quis est iste qui venit de Edom, tinctis vestibus de Bozra?« [»Wer ist der, so von Edom kommt, mit rötlichen Kleidern von ­Bozra?«]576 Bis zu der Stelle »fortitudinis suae« [»mit seiner großen Kraft«] ist der ganze Satz ein Fragesatz und muss daher auch als ein zusammenhängender Vers aufgefasst werden. Denn auf die Frage wird geantwortet, indem gesagt wird: »Ego, qui loquor justitiam« [»Ich bin es, der Gerechtigkeit lehrt«],577 usw. – und hier beginnt der neue Vers. Doch so wird es nicht gemacht. Das Ende einer Frage, das in der Aussprache schwer ist, muss betont werden. Eine Frage wird mit einem Punkt abgeschlossen und die Stimme muss am Ende erhöht werden. Wie im Brief an die Römer, Kapitel sieben: »Quid ergo dicemus?« [»Was wollen wir also sagen?«]578 Das Wort ›ergo‹ [also] muss am Ende betont werden; ein einsilbiges Wort, das von Natur aus scharf betont werden muss, muss doppelt erhöht werden. Denn in einer einfachen und flachen Betonung wird es schon von sich aus scharf betont; daher muss es in einer Frage doppelt scharf betont werden. Wie im 36. Kapitel aus Jesaja: »Ubi est Deus Emath et Arthat?« [»Wo ist der Gott von Emath und Arthat?«]579 Und im Brief an die Römer, Kapitel sieben: »Lex peccatum est?« [»Ist das Gesetz S ­ ünde?«]580 Wenn bereits für sich abgeschlossene und einzelne Fragen durch Fragewörter der gleichen Art eingeleitet werden, die sie in einem Satz aufeinander hinordnen, wird aus ihnen eine Frage und ein Vers gebildet. Wie

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Teil I

»Cur non tollis peccatum meum; et quare non aufers iniquitatem meam?« Cur et quare sunt notae ejusdem generis. Sed cum sunt notae diversi generis, ubi sunt interrogationes absolutae et particulares, fiunt diversi versus. Ut Marci quarto: »Nescitis parabolam hanc? et quomodo omnes parabolas cognoscetis?« Et similiter quando est generalis interrogatio praeposita, et specialis subsequitur1, quia sunt diversi modi interrogandi, fiunt2 diversi versus. Ut Matthaei vicesimo septimo; »Quem vultis ut dimittam vobis? Barabbam an Jesum, qui dicitur Christus?« Et Actuum octavo, »Obsecro de quo propheta dixit hoc? de se, aut de aliquo3 alio?« Multaque alia et quasi infinita de interrogationibus et reliquis4 praedictis considerari debent propter sensum Scripturae; in quibus vulgus non solum errat, sed pueriliter stultizat; de quibus non est ad praesens per omnia dicendum. Haec igitur volui recitare circa illa quae ad musicam pertinent prosaicam, quae etiam sunt grammaticalia in usu simplici; sed musica horum causas et rationes assignat, sicut auctores musicae dicunt, ut superius expressi. Et patet hoc, quia omnia haec consistunt in elevatione vocis et depressione, et ideo sunt quasi quidam modi cantus; et propter hoc ad musicam pertinet ratio omnium istorum.

1  subsequitur ]  subsequetur, B. 2  fiunt ]  fient, B. 3  aliquo ]  om. Ti. 4  et reliquis ]  om. Ti.

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im Buch Hiob, siebentes Kapitel: »Cur non tollis peccatum meum; et quare non aufers iniquitatem meam?« [»Und warum vergibst du mir meine Missetat nicht und nimmst weg meine Sünde?«]581 ›Cur‹ und ›quare‹ sind Fragewörter derselben Art [und werden daher in einem Vers angeführt]. Doch wenn einzelne Fragen mit verschiedenen Wörtern auftreten, muss man verschiedene Fragen daraus machen. Wie etwa im Markus­e vangelium, Kapitel 4: »Nescitis parabolam hanc? et quomodo omnes parabolas cognoscetis?« [»Versteht ihr dieses Gleichnis nicht? Und wie wollt ihr dann die anderen alle verstehen?«]582 Ähnlich muss man auch verschiedene Verse setzen, wenn eine generelle Frage vorangestellt wird, der eine [weitere] spezielle Frage folgt, weil es sich um verschiedene Arten von Fragen handelt. So verhält es sich zum Beispiel bei Mat­ thäus, Kapitel 27: »Quem vultis ut dimittam vobis? Barabbam an Jesum, qui dicitur Christus?« [»Wen wollt ihr, dass ich euch gebe? Barabbas oder Jesus, von dem gesagt wird, er sei der Christus?«]583 Ebenso auch eine Stelle im achten Kapitel der Apostelgeschichte: »Obsecro de quo propheta dixit hoc? de se, aut de aliquo alio?« [»Ich bitte dich, von wem redet der Prophet solches? von sich selber oder von jemand anders?«]584 Man müsste noch unzählige weitere Dinge über Fragen und Weissagungen bedenken, um den Sinn der Heiligen Schrift verstehen zu können. Denn hierbei irrt sich die Menge nicht nur, sondern redet die kindischsten Dummheiten, von denen ich hier bei weitem nicht alle anführen kann. Diese Ausführungen wollte ich hier nur in Bezug auf die Musikalität [und Aussprache] eines Textes ansprechen, die gleichzeitig auch grammatische Phänomene in ihrem einfachen Gebrauch betreffen. Doch die Musik gibt für diese einfachen grammatischen Fragestellungen die Gründe und Vernunftwahrheiten an, wie auch die Autoren gesagt haben, die sich mit der Musik befasst haben, wie ich weiter oben ausgeführt habe. Das wird daran ersichtlich, dass alle diese Fragen die Hebung und Senkung der Stimme betreffen, die gleichsam Arten des Gesangs sind, weshalb die Überlegungen hierüber in den Bereich der Musik fallen.

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Teil I

CAPITULUM LXIII. [ 438]

Sed nunc aliqua inferam de aliis partibus musicae: ut de musica metrica, et similiter de rhythmica, et de illa quae ad visum pertinet, quomodo necessaria sunt Scripturae. Et quod hujusmodi sunt musicalia omnes volunt auctores. Sed specialiter accidit certitudo de hoc per Augustinum in libris quinque De Musica. Nam manifeste tractat de his, et docet quod licet grammatici et alii his utantur, tamen principaliter sunt de consideratione musicae. Nam dicit in secundo libro quod grammaticus non probat ea, quae in his pertinent ad1 rationem, sed ascribit auctoritati eorum qui sic usi sunt in libris suis. Musica vero rationes et causas investigat. Et ponit exemplum de brevitate et longitudine syllabarum, ut in exemplo Virgiliano: »Arma virumque cano, Trojae qui primus ab oris.« Si enim alius diceret ibi primis in dativo, grammaticus solum diceret quod ipse contra auctores posuit longam pro brevi. Sed musicus dicit quod tempus hujus syllabae longae superfluit in medietate sua, quia duo tempora habet longa syllaba, brevis habet unum. Sed metrum, quod hic oritur, non requirit nisi unum tempus secundum debitam proportionem metri; et ideo oportet quod syllaba ibi ponatur brevis, et non longa. Cum igitur prosa requirit ut breves syllabae et longae serventur debito modo in syllabis omnium trisyllabicarum dictionum2 et plurimum syllabarum, n ­ ecessaria

1  ad ]  per, B. 2  dictionum ]  om. Ti.

KAPITEL 63

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KAPITEL 63 Über Metrik und Rhythmik [ 438]

Doch nun werde ich einige weitere Dinge aus den anderen Teilen der Musik hinzufügen. Es geht mir nun um die Metrik und die Rhythmik sowie um die Dinge, die sich auf das Sehen beziehen, soweit sie für das Verständnis der Schrift notwendig sind. Dass diese Dinge zur Musik gehören, geben alle Autoren einmütig zu. Darüber erlangt man vor allem durch die fünf Bücher der Mu­ sik des Augustinus585 Gewissheit. Denn er behandelt das ganz klar und lehrt in diesen Büchern, dass die Grammatiker diese Dinge zwar in ihrem Fachgebiet benutzen, dass sie aber prinzipiell in der Musik behandelt werden. Denn er sagt im zweiten Buch586, dass der Grammatiker nichts beweist, was sich bei der Metrik und dem Rhythmus auf die Vernunft erstreckt, sondern sich nur auf die Auto­ritä­ten beruft, die er in seinen Büchern benutzt. Doch die ­Musik betrachtet in Wahrheit die Gründe und die zugrundeliegenden Vernunftwahrheiten. Er [Augustinus] führt auch ein Beispiel über die Kürze und Länge der Silben an587, wie bei Vergil: »Arma virumque cano, Trojae qui primus ab oris.«588 [»Waffentat künde ich und den Mann, der als erster von Trojas Küsten«] Wenn Vergil hier nämlich das Wort ›primus‹ in den Dativ gesetzt und somit ›primis‹ gesagt hätte, würde der Grammatiker nur sagen, dass er gegen die Autoritäten verstoßen habe, als er eine lange Silbe anstatt einer kurzen Silbe gesetzt hat. Doch der Musiker sagt, dass die Zeit der langen Silbe in der Mitte dadurch zu lang ist, weil eine lange Silbe zwei Zeiten hat, eine kurze Silbe hingegen nur eine. Doch das Metrum, das hier verwendet wird, erfordert für die Richtigkeit des Versmaßes nur eine Zeit, weshalb hier eine kurze und keine lange Silbe gesetzt werden muss. Denn da die Prosa erfordert, dass kurze und lange Silben in der richtigen Weise bei a­ llen dreiund mehrsilbigen Wörtern beachtet werden, sind für den richti-

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Teil I

sunt ad prolationem Scripturae musica, metrica et rhythmica, quae hujusmodi longitudines et brevitates considerant. Nam docet Augustinus quod non solum metra, sed rhythmi componuntur ex pedibus et longis et brevibus. Cum vero regulae circa haec sint quasi infinitis modis variatae, percurram in summa de his, ponens exempla magis vulgata in Biblia, in quibus est major obscuritas. Vocalis ante vocalem in Latinis dictionibus corripitur, ut caprea, praemia, trabea, contumelia, controversia; licet quaedam excipiantur, de quibus non est vis. De Graecis et Hebraeis, nomina desinentia in ea, solebant poduci, ut Medea, Platea, Corea; et propria in ia, ut Maria, Saruia, Lucia: tamen tetrasyllabica breviat usus noster, ut Athalia, Anastasia, Caecilia; et nomina regionum, ut Media, Syria, Samaria, sicut dicit Priscianus in libro Appellativorum quarto; vero quaedam longantur, ut agonia, epiphania, hierarchia, psalmodia, melodia, symphonia in Luca pro concentu, sed pro organo in Daniele corripitur: unde Horatius, »symphonia discors.« Sed corripiuntur quaedam, ut gastrimargia, synonymia, latria, scenophagia. Nomen in eas et in ias producitur, ut Andreas, Aeneas, Elias, Lysias; excipitur Herodias. Nomen in aus et in eus producitur, ut Menelaus, Asmodeus in Tobia, Zaccheus, trocheus, spondeus. Et

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gen Vortrag der Schrift die Musik, die Metrik und die Rhythmik notwendig, mit deren Hilfe die Längen und Kürzen der Silben betrachtet werden können. Denn Augustinus lehrt, dass nicht nur das Metrum, sondern auch der Rhythmus aus Versfüßen – und somit aus langen und kurzen Silben – zusammengesetzt ist. Da es dazu fast unendlich viele Regeln gibt, werde ich zusammenfassend auf sie eingehen und die Beispiele anführen, die in der Bibel am verbreitetsten sind und bei denen sich die größte Dunkelheit findet. [ 439] In lateinischen Wörtern wird ein Vokal vor einem anderen Vokal verkürzt, wie zum Beispiel bei ›caprea‹ [Reh], ›praemia‹ [Preis], ›trabea‹ [Trabea], ›contumelia‹ [Beleidigung], ›controversia‹ [Streit]; einige Ausnahmen gibt es jedoch, die hier aber nicht von Bedeutung sind. Die griechischen und hebräischen Namen, die mit -ea enden, werden in der Regel lang ausgesprochen, wie zum Beispiel ›Medea‹, ›Platea‹, ›Corea‹; ebenso die Namen, die auf -ia enden, zum Beispiel ›Maria‹, ›Saruia‹, ›Lucia‹. Dennoch ist es unsere Gewohnheit, dass wir dreisilbige Namen kurz aussprechen, wie zum Beispiel ›Athalia‹, ›Anastasia‹, ›Caecilia‹; ebenso wie die Namen bestimmter Regionen, etwa ›Media‹ [Iran], ›Syria‹ [Syrien] und ›Samaria‹ [Landschaft in Palästina], wie Priscian im vierten Kapitel seines Buches über die Appellative589 sagt. Einige werden jedoch in Wahrheit lang ausgesprochen, wie etwa ›agonia‹ [Agonie], ›epiphania‹ [Epiphanie], ›hierarchia‹ [Hierarchie], ›psalmodia‹ [Psalmengesang], ›melodia‹ [Melodie], ›symphonia‹ [Zusammenklang] – bei Lukas590 steht das Wort für den Zusammenklang, doch bei Daniel591 wird es als Bezeichnung für das Instrument verkürzt, weshalb auch Horaz vom »zwieträchtigen Zusammenklang« [sym­ phonia discors] spricht.592 Doch andere werden auch kurz gesprochen, wie ›gastrimargia‹ [Gefräßigkeit], ›synonymia‹ [Synonymie], ›latria‹ [Dienst], ›scenophagia‹ [Laubhüttenfest]. Eigennamen auf -eas und -ias werden lang betont, zum Beispiel ›Andreas‹, ›Aeneas‹, ›Elias‹, ›Lysias‹. Der Name ›Herodias‹ ist davon ausgenommen. Namen, die auf -aus und -eus enden, müssen lang betont werden, wie ›Menelaus‹, ›Asmodeus‹ im Buch Tobias, ›Zaccheus‹, ›trocheus‹ [Trochäus], ›spondeus‹ [Spondeus]. Wörter mit der Endung -eum

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nomen in eum producitur, ut mausoleum, canopeum in Judith: nam Juvenalis longat canopeo in fine versus, et Lucanus longat mauso­ lea. Sed theloneum licet a pluribus longatur, tamen in ­Graeco habet accentum acutum in antepenultima: igitur secundum regulam generalem accentus breviabitur penultima. Nomen vero desinens in ius corripitur, ut Cornelius, et desinens in ous producitur, ut Eous, id est orientalis. Caetera corripiuntur, et ultimum acuunt: Jechaa, Josua, Bersabee, Josue, lsaia, Ragao, Nechao, et hujusmodi. Et si consideremus vocalem ad consonantem, tunc in pluribus a ante b breviatur, ut Artaba, Barnabas, Agabus: excipitur Barabbas, nomen latronis, quem Judaei petebant. Nam Sedulius longat penulti­mam, sic: »Tunc coluere Baal, tunc elegere Barabbam.« Nam duplex b est in ultima, sive componatur de bar et abbas, sive de bar et rabbi. Excipiuntur etiam candelabrum, dolabrum, ventilabrum, velabrum. a ante c breviatur, ut Rabaces, psitacus, farmacum, Challimacus, stomacus; excipiuntur tamen opacum, meracum, cloaca; et genitivus in acis, ut dicit Priscianus in septimo, ut thoracis. Candacis Graece habet accentum acutum in penultima, cujus nominativus est Candace, hujus Candacis, et non candax, sicut in Graeco. a ante d breviatur, ut Hyades, Pleiades in Job, hebdomades; exci-

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müssen auch lang betont werden, wie ›mausoleum‹ [Mausoleum] und ›canopeum‹ [Mückenschleier] im Buch Judith: denn Juvenal macht ›canopeo‹ am Ende des Verses lang 593 und Lukan verlängert ›mausolea‹.594 Doch das Wort ›theloneum‹ [Zoll] hat im Griechischen einen scharfen Akzent auf der drittletzten Silbe, auch wenn es von vielen lang gesprochen wird: denn nach der generellen Regel ist der Akzent in der vorletzten Silbe kurz. Namen auf -ius – wie zum Beispiel ›Cornelius‹ – werden kurz ausgesprochen; wenn sie auf -ous enden, werden sie lang gesprochen, zum Beispiel ›Eous‹, das heißt: ›aus dem Orient‹. Weitere werden gekürzt, während die letzte Silbe scharf betont wird: ›Jechaa‹, ›Josua‹, ›Bersabee‹, ›Josue‹, ›lsaia‹, ›Ragao‹, ›Nechao‹ und Wörter dieser Art. Wenn wir den Fall betrachten, dass ein Vokal vor einem Konsonanten steht, wird a in den meisten Fällen vor einem b kurz gesprochen, wie in ›Artaba‹, ›Barnabas‹, ›Agabus‹. Ausgenommen ist der Name des Diebes ›Barabbas‹, den die Juden begnadigt haben. Denn Sedulius verlängert die vorletzte Silbe wie folgt: »Tunc coluere Baal, tunc elegere Barabbam.«595 [»Damals wählte man Baal, nun wählt man Barabbas.«] Denn in der letzten Silbe steht ein doppeltes b, sei das Wort nun aus ›bar‹ und ›abbas‹ oder aus ›bar‹ und ›rabbi‹ zusammengesetzt. Ausgenommen von dieser Regel sind auch ›candelabrum‹ [Kerzenleuchter], ›dolabrum‹ [Spitzhacke], ›ventilabrum‹ [Wurfschaufel] und ›velabrum‹ [Lebensmittelmarkt]. Der Buchstabe a wird vor einem c kurz betont, wie in ›Rabaces‹, ›psitacus‹ [Papagei], ›farmacum‹ [Heilmittel], ›Challimacus‹, ›stomacus‹ [Magen]; ausgenommen davon sind ›opacum‹ [schattig], ›meracum‹ [rein], ›cloaca‹ [Kloake] und die Genitivform, wenn sie auf -acis endet, wie Priscian im siebenten Buch sagt (wie ›thoracis‹ [des Brustharnischs]). Das griechische Wort ›Candacis‹ hat in der vorletzten Silbe einen scharfen Akzent. Der Nominativ dieses Wortes ist ›Candace‹ und nicht ›candax‹, wie im Griechischen. Der Buchstabe a wird vor einem d kurz ausgesprochen, wie in

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piuntur cicada, et verbum suadeo, suades; et alia, de quibus non est vis. a ante f  breviatur, ut colafus, Epafus, chirografus. Juvenalis: »Vana supervacui dicunt chirographa ligni.« [ 441]

a ante g producitur in tertia declinatione, ut imago, propago. Sed Astyages corripitur secundum Statium, et nomina primae et secundae declinationis, ut chiragra, podagra, ceragra; in Exodo, onager, sarcophagus. Excipiuntur Areopagus, praesagus, suffragor. a ante l breviatur, ut Tantalus, Caligula, bubalus, cymbalum, onocrotalus, ut in Levitico et Deuteronomia; et genitivi masculini generis, ut Hannibalis: sed excipiuntur annalis, extales, vectigalis. a ante m breviatur, ut Semiramis, pyramis, cinnamum. Unde Macer: »Cinnama tres species dicuntur habere, sed harum.« Sed in neutro genere tertiae declinationis producitur, ut solamen, thymiama. a ante n breviatur, ut Helcana, Bragmana, ptisana, galbanum,

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›Hyades‹ [die Hyaden] und ›Pleiades‹ [Pleiaden] bei Hiob und ›hebdomades‹ [die Wochen]. Ausgenommen sind ›cicada‹ [Grille] und das Verb ›suadeo, suades‹ [raten] sowie einige weitere, von denen hier nicht gesprochen werden kann. Der Buchstabe a wird vor f ebenfalls gekürzt, wie bei ›colafus‹ [Faustschlag], ›Epafus‹, ›chirografus‹ [Schriftstück]. So bei Juvenal: »Vana supervacui dicunt chirographa ligni.«596 [»Für nichtig erklären sie den Text auf dem wertlosen Holz.«] [ 441]

Vor g wird a in der dritten Deklination lang betont, wie in ›imago‹ [Bild], ›propago‹ [Sprößling]. Doch ›Astyages‹ wird nach Statius597 kurz betont, ebenso wie die Wörter der ersten und zweiten Deklination, wie ›chiragra‹ [Gicht an der Hand], ›podagra‹ [Fußgicht], ›ceragra‹ [Handgicht]; im Buch Exodus ›onager‹ [Wildesel], ›sarcophagus‹ [Sarkophag]. Davon ausgenommen sind ›Areopagus‹ [Areopag], ›praesagus‹ [ahnend], ›suffragor‹ [begünstigen]. Wenn a vor einem l steht, wird es kurz gesprochen, wie in ›Tantalus‹, ›Caligula‹, ›bubalus‹ [Gazelle, Büffel], ›cymbalum‹ [Zimbel], ›onocrotalus‹ [Kropfgans], ein Wort, das im Levitikus 598 und im Deuteronomium599 vorkommt. Genauso werden auch Wörter im Genitiv Maskulin betont, wie ›Hannibalis‹ [des Hannibal]. Davon ausgenommen sind ›annalis‹ [des Jahres], ›extales‹ [Beulen] und ›vectigalis‹ [steuerpflichtig]. Der Buchstabe a wird vor m kurz gesprochen, wie in ›Semiramis‹, ›pyramis‹ [Pyramide], ›cinnamum‹ [Zimt]. Daher bei Macer: »Cinnama tres species dicuntur habere, sed harum.«600 [»Man unterscheidet drei Arten von Zimt, doch diese«] Doch in der dritten Deklination Neutrum wird es lang betont, wie in ›solamen‹ [Trost], ›thymiama‹ [Thymian]. Wenn a vor n steht, wird der Vokal kurz gesprochen, wie in ›Helcana‹, ›Bragmana‹, ›ptisana‹, ›galbanum‹, ›Libanus‹, ›platanus‹, ›Garganus‹ für den Menschen. Doch wenn mit ›Garganus‹

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Libanus, platanus, Garganus pro homine. Sed Garganus pro monte producitur. Unde Lucanus: »Appulus Adriacas exit Garganus in undas.« Derivativa vero producuntur, ut Spartanus, Romanus; et obliqui qui veniunt a nomine desinente in an, ut Titan, Titanis. Unde Lucanus: »Et longi volvunt Titana labores.« [ 442]

Et ideo pelicanus, pelicani, debet produci; nam Graece declinatur pelican hujus nominis, a quo formatur pelicanus, mutato o in us; et obliqui in penultima circumflectuntur. Sed nunquam syllaba, nisi sit naturaliter longa, circumflectitur. Quod igitur a pelle et cano vel canus componatur, ut sic per falsam compositionem probetur quod penultima sit correpta, error est non solum propter dicta, sed quia Graece scribitur hoc nomen per unum l, et Graecum nomen non componitur a Latino, quia lingua prior non dependet a posteriori. Nomina tertiae declinationis producuntur, ut Jordanus, Nichanor in Machabaeis. a ante r in primitivis breviatur, ut Sisara, Geraris, Acharis, Eucharis, et hujusmodi: derivativa producuntur, ut ignarus et hujus­ modi; et genitivus in aris, ut calcaris. Unde Lucanus: »Nec quamvis crebris jussi calcaribus addunt;«

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das Gebirge gemeint ist, muss das a lang betont werden. So auch bei Lukan: »Appulus Adriacas exit Garganus in undas.«601 [»Mit dem Garganus tritt Apulien ins Adriameer hinaus.«] Abgeleitete Wörter werden lang betont, wie ›Spartanus‹, ›Romanus‹. Ebenso auch oblique Wörter, die von einem auf -an endenden Wort herkommen, wie ›Titan, Titanis‹. So Lukan: »Et longi volvunt Titana labores.«602 [»Und solange Titan in rastlosem Schaffen kreist.«] [ 442]

Daher muss auch das Wort ›pelicanus, pelicani‹ lang betont werden. Denn im Griechischen heißt des Wort ›pelican‹ – und daher kommt auch unser Wort ›pelicanus‹, wobei das o sich in -us ändert. Oblique Wörter aber werden auf der vorletzten Silbe lang betont. Doch es wird niemals eine Silbe mit einem Zirkumflex betont, a­ ußer sie ist von Natur aus lang. Wenn aber von Wörtern, die aus ›pelle‹ [Haut] und ›cano‹ oder ›canus‹ zusammengesetzt sind, aufgrund einer falschen Wortbildung gezeigt wird, dass die vorletzte Silbe kurz sein sollte, ist dies ein Fehler nicht nur aufgrund des schon Gesagten, sondern auch, weil das Wort im Griechischen mit einem l geschrieben wird. Und griechische Wörter werden nicht aus dem Lateinischen abgeleitet, weil die vorhergehende Sprache nicht von einer nachfolgenden abhängt. Wörter der dritten Deklination werden lang betont, wie ›Jordanus‹ und ›Nichanor‹ in Makkabäer. In einfachen Wörtern wird das a vor einem r gekürzt, wie in ›Sisara‹, ›Geraris‹, ›Acharis‹, ›Eucharis‹ und derartigen Wörtern. Abgeleitete Wörter werden lang betont, wie ›ignarus‹ [unwissend] und Wörter dieser Art. Ebenso auch der Genitiv auf -aris, wie ›calcaris‹ [des Antriebs]. Daher auch Lukan: »Nec quamvis crebris jussi calcaribus addunt;«603 [»obwohl sie mit Peitschen und Stacheln angetrieben werden«]

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sed alia corripiuntur, ut nectaris. a ante s breviatur in primitivis, ut extasis, Damasus, Caucasus. Quaedam corripiuntur, quae nota sunt. a ante t in primitivis breviatur, ut Ephrata, Galata, calatus. Quae tamen in ates desinunt longantur, ut Euphrates, Mithridates. Excipiuntur Socrates et schenobates. Spartiates in Machabaeis producitur, quia in Graeco acuitur penultima. Spartiatae sunt Lacedemones. Aphatim pro abunde corripitur, sed pro facunde producitur. e ante b producitur, ut ephebus in Machabaeis; excipitur Esebon, et quae sunt nota. e ante c producitur, ut apotheca, vervecis. Excipiuntur, ut seminecis, et alia quae nota sunt. e ante d producitur, ut Chalcedon, traiedus; sed in da breviantur, ut Andromeda, exedra, quibus additur Macedo, et multa quae nota sunt. e ante f breviatur, ut elefas. e ante g breviatur, ut Tristega in Genesi; sed alia nota producuntur, ut collega. e ante l producitur, ut suadela, Abela, Carmelus, et hujusmodi. Excipiuntur angelus, Abimalech, et obelis in prologis Bibliae, quia Virgilius breviat obeliscum, quod est diminutivum ejus; et frigelus corripitur, sed Gabelus in Tobia longatur. e ante m longatur, ut triremis, volemum. Sed anathema secun-

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Doch andere Wörter werden kurz betont, wie ›nectaris‹ [des Nektars]. [ 443] A vor s wird in einfachen Wörtern gekürzt, wie in ›extasis‹ [Extase], ›Damasus‹ [der Diamantene], ›Caucasus‹ [Kaukasus]. Auch einige weitere werden kurz betont, die bekannt sind. A wird vor t in einfachen Wörtern gekürzt, wie in ›Ephrata‹, ›Galata‹, ›calatus‹ [Trossknecht, Diener]. Die Wörter aber, die auf -ates enden, werden lang betont, wie etwa ›Euphrates‹, ›Mithridates‹. Ausgenommen sind ›Socrates‹ und ›schenobates‹ [der Seiltänzer]. ›Spartiates‹ [Spartiaten] wird in Makka­bäer   6 04 lang betont, weil im Griechischen die vorletzte Silbe scharf betont wird. ›Spartiaten‹ sind dasselbe wie die Lakedämonier. ›Aphatim‹ für ›abunde‹ [vollständig] wird gekürzt, doch wenn es für ›facunde‹ [leicht] steht, wird es lang betont. [444] E wird vor b lang ausgesprochen, wie in ›ephebus‹ [junger Mann] im Buch der Makkabäer. Ausgenommen ist ›Esebon‹ und weitere Wörter, die bekannt sind. E vor c wird lang ausgesprochen, wie in ›apotheca‹ [Vorratskammer] oder ›vervecis‹ [Hammel]. Ausgenommen davon sind ›seminecis‹ [halbtot] und andere bekannte Wörter dieser Art. E vor d wird lang ausgesprochen, wie in ›Chalcedon‹ und ›tra­ iedus‹ [Tragöde]; doch vor -da wird der Buchstabe gekürzt, wie bei ›Andromeda‹, ›exedra‹ [Apsis], denen noch ›Macedo‹ [Makedonier] hinzugefügt werden kann, und andere bekannte Wörter. E vor f wird kurz ausgesprochen, wie in ›elefas‹. E vor g wird kurz ausgesprochen, wie in ›Tristega‹ [dritter Stock] im Buch Genesis605. Andere bekannte Wörter hingegen werden lang ausgesprochen, wie ›collega‹ [Kollege]. E vor l wird lang ausgesprochen, wie in ›suadela‹ [Überreden], ›Abela‹, ›Carmelus‹ und Wörter dieser Art. Ausgenommen sind ›angelus‹ [Engel], ›Abimalech‹ und ›obelis‹ [Kreuzchen] im Prolog der Bibel606, weil Vergil das Wort ›obeliscum‹ auf diese Art verkleinert, denn es ist der Diminutiv. Und ›frigelus‹ wird zusammen­ gezogen, doch ›Gabelus‹ im Buch Tobias wird lang gesprochen. E vor m wird lang ausgesprochen, wie in ›triremis‹ [Dreidecker],

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dum Graecum corripitur, licet usus habeat contrarium. Et producuntur propria, ut Palemon, Philemon, Lacedemon; sed Artemas, Eupolemus, et Triptolemus breviantur. e ante n producitur, ut camena, Magdalena; sed propria breviantur, ut Helena, Demosthenes, Sosthenes, Hermogenes, Parmenas. Origenes vero breviatur secundum Horatium, quia simile est prae­ dictis, sed usus producit. Excipiuntur Anthene, Mitylene, Siene in Ezechiele, quatenus in prosa habet accentum acutum super penultimam, licet sit brevis. e ante r breviatur, ut Patera, civitas sancti Nicholai, et multa quae nota sunt. Excipiuntur Maiera, Megera. Sed haec breviantur: Treveris, teneris, et poderis in usu breviatur, licet in Graeco producatur. Quae in rus desinunt producuntur, ut sincerus, et similiter sinceris semper; de quo apostolus, »ut sitis sinceres.« Excipiuntur Eleutherus et quaedam alia. e ante s breviatur, ut Genesis, et multa. Excipiuntur secundum Graecum frenesis, fronesis, mathesis secundum quod significat disciplinam, et poiesis; et in Graecis vocabulis recte deberemus Graecos imitari. Praeteritum in esi, et supinum in esum, et participium ab eo formatum, producuntur, ut adhesi, obesus, commesus. e ante t producitur, ut athleta, boletus. Excipiuntur Areta in Actibus, et arete quod est virtus, Massagetae, veletus. Producuntur

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›volemum‹ [Birne]. Doch das Wort ›Anathema‹ [Bann] wird eigentlich im Griechischen kurz gesprochen, auch wenn es bei uns gegenteilig betont wird. Und Eigennamen werden lang ausgesprochen, wie ›Palemon‹, ›Philemon‹, ›Lacedemon‹. Doch ›Artemas‹, ›Eupolemus‹, und ›Triptolemus‹ werden kurz gesprochen. E vor n wird lang ausgesprochen, wie ›camena‹ [Muse, Dichtung] und ›Magdalena‹; doch Eigennamen werden gekürzt, wie ›Helena‹, ›Demosthenes‹, ›Sosthenes‹, ›Hermogenes‹, ›Parmenas‹. Der Name ›Origines‹ wird Horaz zufolge tatsächlich gekürzt, weil er den schon genannten Namen ähnlich ist, doch im allgemeinen Gebrauch wird er lang betont. Ausgenommen sind ›Anthene‹ und ›Mitylene‹. Ebenso auch ›Siene‹ bei Hesekiel: Weil das Wort in der Prosa einen Akut über der vorletzten Silbe hat, muss es auch kurz gesprochen werden. E vor r wird gekürzt, wie in ›Patera‹, der Stadt des heiligen Niko­ laus607 und vielen anderen bekannten Wörtern. Ausgenommen von dieser Regel sind ›Maiera‹ und ›Megera‹. Auch diese Wörter müssen kurz betont werden: ›Treveris‹, ›teneris‹ [in zarter Jugend] und ›poderis‹ [Langalbe] wird in unserem Gebrauch gekürzt, auch wenn es im Griechischen eigentlich lang betont wird. Wörter, die aus -rus enden, werden lang betont, wie ›sincerus‹ [rein, echt], und genauso auch immer ›sinceris‹ [aufrichtig]. So auch der Apostel: »ut sitis sinceres« [»auf dass ihr aufrichtig seid«].608 Ausgenommen von dieser Regel sind ›Eleutherus‹ und einige andere Wörter. E vor s wird gekürzt, wie in ›Genesis‹ und in vielen weiteren Wörtern. Im Griechischen sind von dieser Regel die Wörter ›frenesis‹ [Geisteskrankheit], ›fronesis‹ [Klugheit], ›mathesis‹ [Mathematik] (soweit damit die Wissenschaft gemeint ist) und ›poiesis‹ [Dichtkunst] ausgenommen – und bei den griechischen Lehnwörtern müssen wir das Griechische richtig nachahmen. Das Präteritum auf -esi, das Supinum auf -esum und das von ihnen abgeleitete Partizip müssen lang betont werden, wie ›adhesi‹ [festgehalten], ›obesus‹ [fett, geschwollen], und ›commesus‹ [verzehrt]. E vor t wird lang betont, wie in ›athleta‹ [Athlet], und ›boletus‹ [essbarer Pilz]. Ausgenommen sind ›Areta‹ in der Apostel­

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Teil I

etiam Libetis, Rampnetis, et hujusmodi obliqui; sed aliqui breviantur, ut arietis, parietis, Seretis. i ante b breviatur, ut Mulciber, Celtiber. i ante c breviatur, ut Helicon, pervicax, aulicus. Excipiuntur amicus, apricus, et propria nomina Latina, ut Fredericus. Sed ­Graeca corripiuntur, ut Andronicus, Tithicus. Nomen in ica breviatur, ut cronica, scutica, Utica, pedica, Salomantica, Tessalonica. Excipiuntur lorica, mirica, postica vel posticum, et hujusmodi. Nomen in icen breviatur, ut tubicen; excipitur tibicen; et genitivus in icis veniens a nominativo in ix breviatur, ut caricis, pellicis, indicis. Tamen vibex producit vibicis. Et genitivus veniens a nominativo in ex breviatur, ut onicis, sardonicis, fornicis, varicis, sandicis, masticis, silicis; sed alia longantur, ut ibicis, lodicis, fenicis. i ante d breviatur, ut Numida, Persida, Bachides, Simonides, trifidus; sed malefidus producitur. Obliqui in idis breviantur, ut Adonidis in Ezechiele, coloquintidis in tertio Regum, periscelidis

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geschichte 6 09, und ›arete‹, was soviel wie ›Tugend‹ bedeutet, ›Massagetae‹ [Massageten], und ›veletus‹. Lang betont werden hingegen ›Libetis‹, ›Rampnetis‹ und ähnliche oblique Fälle. Andere werden gekürzt, zum Beispiel ›arietis‹ [des Widders], ›parietis‹ [der Wand] und ›Seretis‹. I [i] vor b wird kurz ausgesprochen, wie zum Beispiel in ›Mulciber‹ und ›Celtiber‹. I vor c wird kurz ausgesprochen, wie in ›Helicon‹, ›pervicax‹ [beharrlich], ›aulicus‹ [Höfling]. Ausgenommen von dieser Regel sind ›amicus‹ [Freund], ›apricus‹ [sonnig] und lateinische Eigennamen, wie zum Beispiel ›Fredericus‹. Doch griechische Eigennamen [mit einem i vor dem c] werden kurz gesprochen, wie ›Andronicus‹, ›Tithicus‹. Worte, die auf -ica enden, werden gekürzt, wie ›cronica‹ [Chronik], ›scutica‹ [Knute], ›Utica‹, ›pedica‹ [Fußfessel], ›Salomantica‹, ›Tessalonica‹. Ausgenommen davon sind ›lorica‹ [Harnisch], ›mirica‹ [Heide (Vegetation)], ›postica‹ oder auch ›posticum‹ [Hinterseite] und andere derartige Wörter. Wörter mit der Endung -icen werden gekürzt, wie zum Beispiel ›tubicen‹ [Tubabläser]; ausgenommen ist das Wort ›tibicen‹ [Flötenspieler]. Der Genitiv auf -icis, der von der Nominativform -ix abgeleitet wird, muss ebenfalls kurz betont werden, wie etwa ›caricis‹ [des Riedgrases], ›pellicis‹ [der Konkubine], ›indicis‹ [des Anzeigers]. Doch bei dem Wort ›vibex‹ [Schwiele] wird der Genitiv ›vibicis‹ [der Schwiele] lang betont. Die Genitivformen, die von dem Nominativ, der auf -ex endet, abgeleitet werden, müssen gekürzt werden, wie etwa ›onicis‹ [des Onyxes], ›sardonicis‹ [des Sardonyxes], ›fornicis‹ [des Bogens, des Gewölbes], ›varicis‹ [der Krampfader], ›sandicis‹ [der Weide], ›masticis‹ [des Harzes des Mastixbaumes], ›silicis‹ [des Kiesels]. Andere Wörter hingegen werden lang ausgesprochen, etwa ›ibicis‹ [des Steinbocks], ›lodicis‹ [der Bettdecke], ›fenicis‹ [des Phönix]. I vor d wird kurz gesprochen, wie in ›Numida‹, ›Persida‹, ›Bachides‹, ›Simonides‹ und ›trifidus‹ [dreizackig]. Doch das Wort ›malefidus‹ [treulos] wird lang betont. Oblique Fälle auf -idis werden kurz betont, wie zum Beispiel ›Adonidis‹ [des Adonis] in Hese­

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Teil I

in Esaia. Si quidem quum conjungitur cum subjunctivo verbo facit duas dictiones, ut Lucae tertio decimo: »Et si quidem fecerit fructum:« alias est pars una, et habet accentum in antepenultima. i ante f corripitur; sed excipitur anaglifus, de quo superius est dictum. i ante l corripitur, ut Dalila, altilis, Zoilus; excipitur asilum. i ante m breviatur, ut optimus. i ante n breviatur, ut adamantinus, amethystinus, crystallinus, bissinus, coccinum, hyacinthinus, onychinus, smaragdinus, bombichinus. Nam coccinum et onychinum breviamus sine calumnia; igitur reliqua, cum sint similia, debent breviari. Et omnes poetae Latini breviant haec. Igitur non est poetica cum a nullo contrarium inveniatur. Nam quum aliquis in uno loco producit, et in alio corripit vel alias, tunc fit poetica licentia. Sed nunc omnes corripiunt, igitur non est poetica licentia. Nec est Priscianus in contrarium cum velit longari ea, quae in inus terminantur, ut porcinus, lupinus, quia de Latinis loquitur, non de Graecis. Etsi Priscianus exemplificat de leonino quod formatur a leone Latino, et non a leonte Graeco. Latinus dicit leo, leonis, Graecus leon, leontis, pro rege bestiarum.

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kiel  610, ›coloquintidis‹ [der Koloquinten] im dritten Buch der Kö­ nige611 und ›periscelidis‹ [Knieband] bei Jesaia612. Wenn ›si quidem‹ [weil, insofern] mit einem Verb im Konjunktiv verbunden wird, werden daraus zwei Wörter, wie im 13. Kapitel des Lukas­ evangeliums: »Et si quidem fecerit fructum.« [»Ob er wolle Frucht bringen«613]. Ansonsten ist es ein Wort, dessen Betonung auf der drittletzten Silbe liegt. I vor f wird kurz gesprochen. Davon ausgenommen ist allerdings das Wort ›anaglifus‹, von dem schon weiter oben die Rede gewesen ist.614 I vor l wird kurz gesprochen, wie in ›Dalila‹, ›altilis‹ [gemästeter Vogel], ›Zoilus‹ [kleinlicher Kritiker]. Ausgenommen davon ist das Wort ›asilum‹ [Asyl]. I vor m wird kurz gesprochen, wie in ›optimus‹ [das Beste]. I vor n wird gekürzt, wie ›adamantinus‹ [stählern], ›amethystinus‹ [aus Amethyst], ›crystallinus‹ [aus Kristall], ›bissinus‹ [aus feinem Leinen], ›coccinum‹ [Scharlachdecke], ›hyacinthinus‹ [hyazinthenfarbig], ›onychinus‹ [aus Onyx], ›smaragdinus‹ [smaragdfarben], ›bombichinus‹ [aus Seide]. Da wir die Wörter ›coccinum‹ und ›onychinum‹ ohne Zweifel kurz aussprechen, müssen auch die anderen Wörter, da sie ähnlich sind, kurz betont werden. Zudem werden sie von allen lateinischen Dichtern kurz betont. Deshalb gibt es keine Dichtung, in der etwas Gegenteiliges gefunden werden kann. Denn wenn jemand [ein Wort] an einem Ort lang betont, an einem anderen hingegen kurz oder auf sonst eine andere Weise, handelt es sich um dichterische Freiheit. Doch diese Wörter betonen alle kurz, also gibt es in diesem Fall keine dichterische Freiheit. Dagegen spricht auch nicht die Ansicht Priscians615, wenn er die Wörter lang betont wissen möchte, die auf -inus enden, wie ›porcinus‹ [vom Schwein], ›lupinus‹ [des Wolfes], weil er von lateinischen Wörtern spricht, nicht von griechischen. Priscian616 erläutert dies zum Beispiel an dem Wort ›leonino‹ [Löwen-], indem er sagt, dass es aus dem lateinischen Wort ›leone‹ [dem Löwen, mit dem Löwen] gebildet wird und nicht von dem griechischen Wort ›leonte‹. Denn

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Teil I

i ante na longatur, ut runcina in Esaia. Excipiuntur quaedam, ut fuscina, fiscina. Salamis civitas in Actibus producit obliquos, ut Salaminis, cujus accusativus est in a, ut Salamina, more Graeco; et sic est in Actibus, et apud Virgilium, et Horatium, et Ovidium: unde non declinatur haec Salamina, ut in Actibus ponatur Salaminam. Nunc vulgus corrumpit textus propter ignorantiam ­Graeci sermonis. i ante p breviatur, ut polipus, et est infirmitas ex qua nasus rubet anterius et inflatur ac si esset leprosus, tamen non sit, sed similis ei. i ante r breviatur, ut butirum, secundum Macrum et Statium, et secundum Graecum. Et obliqui isti breviantur: Gadiris, semiviri, septemviri; sed Jairus producitur. i ante s corripitur, ut anisum. Excipiuntur quae nota sunt. i ante t longatur, ut Tesbites, Sunamites, Cochitus, hermaphroditus, lechitus, parasitus, qui est lecator, et demolitus, quod aliquando active, aliquando passive accipitur, oblitus ab obliviscor; sed oblitus ab oblino breviatur. Ambitus participium producitur, sed nomen breviatur. Idolothitum breviatur. Nam thio Graece, quod est sacrifico Latine, habet primam brevem. i ante v producitur, excipiuntur Ninive, semivir, et velivox.

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der Lateiner sagt für den König der Tiere ›leo, leonis‹, der Grieche hingegen ›leon, leontis‹. I vor na wird lang betont, wie in ›runcina‹ [Hobel] bei Jesaiah. ­Einige Wörter sind von dieser Regel jedoch ausgenommen, wie zum Beispiel ›fuscina‹ [Dreizack] und ›fiscina‹ [Korb aus Flechtwerk]. Die Stadt ›Salamis‹ aus der Apostelgeschichte617 muss in obliquen Fällen lang betont werden, ebenso wie ›Salaminis‹, dessen Akkusativ auf a endet, also ›Salamina‹, nach griechischer Art. So steht es in der Apostelgeschichte, bei Vergil618, bei Horaz619 und bei Ovid620. Daher sagt man nicht ›dieses Salamina‹, weil in der Apos­ telgeschichte ›Salaminam‹ steht. Doch zur Zeit verdirbt die Menge den Text aufgrund ihrer Unkenntnis des Griechischen. I vor p wird kurz gesprochen, wie in ›polipus‹ [Geschwulst]. Das ist eine Krankheit, bei der die Nase vorne anschwillt und sich rötet, als wäre sie von der Lepra befallen, obwohl es sich nicht um diese Krankheit handelt, sondern nur so ähnlich aussieht. I vor r wird gekürzt, wie in ›butirum‹ [Butter], nach Macer und Statius und auch gemäß dem Griechischen. Und jene obliquen Fälle werden auch gekürzt: ›Gadiris‹, ›semiviri‹ [des Kentaures], ›septemviri‹ [Septemvirn]. Doch ›Jairus‹ wird lang betont. I vor s wird kurz betont, wie in ›anisum‹ [Anis]. Es gibt aber Ausnahmen, die bekannt sind. I vor t wird lang ausgesprochen, wie in ›Tesbites‹, ›Sunamites‹, ›Cochitus‹, ›hermaphroditus‹ [Hermaphrodit], lechitus [Krug], ›parasitus‹ [Parasit] – das ist ein Schmarotzer – und ›demolitus‹ [zerstört], das manchmal im Aktiv, manchmal im Passiv auftritt. Ebenso auch ›oblitus‹ [vergessen] von dem Verb ›obliviscor‹ [vergessen]. Doch wenn ›oblitus‹ von ›oblino‹ [beschmieren] abgeleitet wird, muss es kurz gesprochen werden. Wenn mit ›ambitus‹ das Partizip gemeint ist, wird es lang gesprochen, doch als Substantiv [Umfang] wird es kurz betont. ›Idolothitum‹ wird kurz betont. Denn das griechische Wort ›thio‹, was auf Latein ›sacrificio‹ [Opfer] bedeutet, hat eine erste kurze Silbe. I wird vor v lang gesprochen, ausgenommen sind ›Ninive‹, ›semi­v ir‹ und ›velivox‹.

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o ante c breviatur, ut Cappadoces secundum auctores, et mediocris in prosa, secundum Priscianum de Accentu. o ante d breviatur, ut in Lege chiropodes; excipiuntur quae nota sunt. o ante f breviatur, ut Colofon, Demofon. o ante n producitur, ut Adonis in Ezechiele, et Orionis in Isaia, et in Job. Sed breviantur iconis ab icon, quod est imago, et Philemonis a Philemon. Nam in Graeco habent o breve. o ante p breviatur semper, excipitur hyssopus, qui nunquam poterit breviari, quia scribitur per o longum; et ideo versus grammaticalis falsus est, qui aliquando breviari concedit, dicens: »Hyssopus est herba, hyssopo spargitur unda.« Sed auctores producunt pro herba. Unde Bernardus Silvester: »Pectoris herba cavas rupes incidit hysopus.« Et cum hyssopus pro aspersorio fingatur longari propter illud Psalmi: »Asperges me, Domine, hyssopo et mundabor,« error est; nam ibi sumitur hyssopus pro herba, sicut Hieronymus exponit illum versum.

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O wird vor c kurz betont, wie in ›Cappadoces‹ gemäß den Autoren; und nach Priscians Schrift über den Akzent 621 in der Prosa in der Mitte. O wird vor d kurz betont, wie im Gesetz das Wort ›chiropode‹ [Chiropoden, eine Gattung der Wundervölker]. Es gibt hier einige bekannte Ausnahmen. O vor f wird kurz gesprochen, wie in ›Colofon‹, ›Demofon‹. O vor n wird lang gesprochen, wie in ›Adonis‹ bei Hesekiel, ›Orionis‹ bei Jesaiah und Hiob. Doch die Form ›iconis‹ [des Bildes], die von dem Wort ›icon‹ herstammt, was ›Bild‹ bedeutet, wird ebenso gekürzt wie das Wort ›Philemonis‹ [des Philemon], das von ›Philemon‹ hergeleitet wird. O vor p wird immer kurz gesprochen. Die einzige Ausnahme ist ›hyssopus‹ [Ysop, eine Heilpflanze], das man niemals kurz betonen darf, weil es mit einem langen o geschrieben wird. Daher ist auch der grammatische Vers falsch, der zulässt, dass man das Wort manchmal kürzen kann, wenn man sagt: »Hyssopus est herba, hyssopo spargitur unda.« [»Der Ysop ist eine Pflanze, mit dem Ysop wird das Weihwasser gespritzt.«] Doch die Autoren betonen das Wort für die Pflanze. Daher auch Bernhard Silvester: »Pectoris herba cavas rupes incidit hysopus.«622 [»In die Höhlen der Felsen schmiegt sich als Brustkraut der Ysop.«623] Wenn aber erdichtet wird, dass das Wort ›hyssopus‹ für ›Weih­ wedel‹ wegen des Psalms 51: »Asperges me, Domine, hyssopo et mundabor,« [»Besprenge mich mit Ysop, o Herr, auf dass ich rein werde«]624 verlängert betont werden muss, ist das falsch. Denn hier wird mit ›Ysop‹ die Pflanze bezeichnet, wie ja auch Hieronymus jenen Vers erläutert.

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o ante r longatur, ut Procorus, proprium nomen in Actibus, et Polydorus, secundum poetas et Graecos; similiter Theodorus et Heliodorus. Nec est in his licentia poetica, quia per o longum in Graeco scribuntur. o ante s producitur; sed excipitur Colosis, a quo Colosenses. o ante t producitur, ut Scariotes. u ante b producitur, ut nubo. Et tamen ejus composita breviantur, ut innuba, pronubus. u ante c producitur, ut Pollux, Pollucis, allux, allucis. Sed volux, tradux, redux corripiunt obliquos. u ante d corripitur, ut pudens et impudens. u ante l breviatur; excipiuntur adulor, Gaetulus, curulis, edulis, tribulis, unde contribules in Machabaeis. u ante m producitur, sed excipiuntur autumo, posthumus. Et nota u ante r producitur, ut Palinurus, sabura, quae est pondus navium per sabulum vel arenam, vel aliud, praeter homines et merces, necessarium ad deprimendum navem; et similiter avium diu volantium. Unde Solinus dicit in libro de Mirabilibus Mundi, quod grues saburrant guttura sua, id est accipiunt sabulum in guttura, ut fortius possint aerem dividere quando volant gregatim. Excipiuntur Bethsura, cetura, lemures, et obliqui, ut a satur, saturis, Liguris; sed telluris producitur.

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O vor r wird lang gesprochen, wie in ›Procorus‹, ein Eigenname in der Apostelgeschichte625, und ›Polydorus‹, gemäß den Dichtern und den Griechen. Genauso auch ›Theodorus‹ und ›Heliodorus‹. Hier gibt es auch keine dichterische Freiheit, weil diese Wörter im Griechischen mit einem langen o geschrieben werden. O vor s wird lang gesprochen. Ausgenommen ist aber ›Colosis‹, von woher auch ›Colosenses‹ kommt. O vor t wird lang gesprochen, wie in ›Scariotes‹. U wird vor b lang betont, wie in ›nubo‹ [heiraten]. Dennoch werden die Komposita von ›nubo‹ gekürzt, wie ›innuba‹ [unverheiratet] und ›pronubus‹ [zur Heirat]. U vor c wird lang betont, wie in ›Pollux, Pollucis‹ und ›allux, allucis‹ [Zeh]. Doch bei den Wörtern ›volux‹, ›tradux‹ [Weinranke] und ›redux‹ [zurückführend] werden die obliquen Fälle kurz gesprochen. U vor d wird kurz betont, wie in ›pudens‹ [schamhaft, sittsam] und ›impudens‹ [unverschämt, schamlos]. U vor l wird gekürzt. Ausgenommen sind ›adulor‹ [sich anschmiegen], ›Gaetulus‹, ›curulis‹ [kurulisch], ›edulis‹ [essbar] und ›tribulis‹ [Landsmann], daher auch ›contribules‹ im Buch der Makkabäer 626. U vor m wird lang gesprochen. Ausgenommen sind aber ›autumo‹ [behaupten, meinen] und ›posthumus‹ [nachgeboren, Nachkömmling]. U vor r wird lang gesprochen, wie in ›Palinurus‹ und ›sabura‹. ›Sabura‹ ist ein Gewicht für Schiffe, das aus feinkörnigem oder gröberem Sand oder aus etwas anderem besteht, das zusätzlich zu Menschen und Waren geladen wird, um ein Schiff zu beschweren. Ähnlich machen es auch wilde Vögel. Denn Solinus sagt in seinem Buch Über die Wunder der Welt 627, dass Kraniche ihre Kehlen mit Sand füllen, also Sand fressen, damit sie besser die Luft teilen können, wenn sie in Scharen fliegen. Ausgenommen [von dieser Regel] sind ›Bethsura‹, ›cetura‹, ›lemures‹ [Lemuren] und einige oblique Fälle, wie ›satur, saturis‹ [satt, voll] und ›Liguris‹. Aber ›telluris‹ [der Erde] wird lang gesprochen.

Teil I

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u ante s producitur, ut Arethusa, Medusa. u ante t producitur; excipitur arbutus; et obliqui producuntur; excipitur intercutis.

CAPITULUM LXIV. [ 449]

Haec igitur vocabula pro exemplis enumeravi, ut pateat quod notitia longitudinum et brevitatum multum necessaria est1 Scripturae; et nullum vocabulum nominavi quin sit in Scriptura, vel in ejus expositione, necessarium, secundum usum sanctorum et aliorum sapientum. Et tamen quam plurima omisi gratis, nec auctores ad singula produxi in2 testes, quia persuasio praeambula non requirit hoc3, sed scriptum principale. Patet igitur quod musica metrica et rhythmica sunt necessariae theologiae, quia hae considerant rationes et causas istorum. Et etiam aliter sunt necessariae propter textum et dicta sanctorum. Nam in prologo Job dicitur quod fere totum volumen metris et rhythmis est confectum; et dicit quod metricus magis quam simplex lector ista intelligit4, quae ibi enumerat. Certe oportet quod bene intelligat rationes metrorum et rhythmorum, qui hunc prologum debet exponere; et impossibile est eum haec intelligere, nisi sciat libros quinque De Musica Augustini. Quia nusquam apud grammaticos invenitur unde expositio certa hujus prologi habeatur, et maxime quantum ad proprietatem rhythmicam; quia solus Augustinus hujus rei aperuit veritatem. Nunquam enim potui scire quid est rhyth-

1  est ]  sit, Ti. 2  in ]  om. Ti. 3  hoc ]  om. Ti. 4  intelligit ]  intelliget, B.

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U vor s wird lang betont, wie in ›Arethusa‹ und in ›Medusa‹. U vor t wird lang betont. Ausgenommen ist ›arbutus‹ [Erdbeerbaum]. Auch die obliquen Fälle werden lang betont, ausgenommen ›intercutis‹ [unter der Haut].

KAPITEL 64 Abschließende Bemerkungen über die Musik [ 449]

Diese Worte habe ich als Beispiele aufgezählt, damit deutlich wird, dass die Kenntnis der langen und kurzen Betonungen der Silben für die Heilige Schrift äußerst wichtig ist; und ich habe kein Wort angeführt, das nicht für die Schrift oder ihre Erklärung entsprechend dem Gebrauch durch die Heiligen und andere Weise notwendig ist. Dennoch habe ich vieles ausgelassen und die entsprechenden Autoren für die einzelnen Fälle häufig nicht zitiert, weil eine einführende Überzeugungsschrift das nicht erfordert, sondern [erst] mein grundlegendes Werk. Es ist aber deutlich, dass die musikalische Metrik und Rhythmik notwendige Voraussetzungen für die Theologie sind, weil sie die Vernunftprinzipien und Gründe für diese Wissenschaft betrachten. Sie sind aber auch auf eine andere Art für das Verständnis der Texte und Aussprüche der Heiligen wichtig: denn im Prolog zum Buch Hiob wird gesagt, dass beinahe das ganze Buch in einem bestimmten Versmaß und einer bestimmten Rhythmik geschrieben ist628. Weiterhin sagt er, dass der in den Versmaßen geschulte Leser weit besser versteht, was dort zur Sprache kommt, als der einfache Leser629. Sicher ist jedenfalls, dass der Leser die Gründe für das Versmaß und den Rhythmus gut verstehen können muss, wenn er diesen Prolog erklären will, wobei das für ihn unmöglich ist, wenn er nicht die fünf Bücher des Augustinus über die Musik630 kennt. Denn bisher hat kein Grammatiker herausgefunden, wie dieser Prolog sicher erklärt werden kann – vor allem in Bezug auf den Rhythmus, weil nur Augustinus die Wahrheit dieser Sache bisher aufgedeckt hat.631 Daher kann man niemals tatsächlich und angemessen wissen, was ein Rhyth-

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Teil I

mus, nec metrum, nec versus, veraciter et proprie, nisi per illos libros. Caeterum Hieronymus dicit ibi1, quod Psalterium, et Lamentationes Hieremiae, et omnia fere2 Cantica Scripturae sunt metrica. Cum igitur probavi in operibus utrisque quod Scriptura sciri non potest, nisi homo sciat legere et intelligere eam3 in Hebraeo et Graeco, et ideo sancti se dederunt ad hoc, et prius de hoc tetigi, et postea in Peccatis Studii et Remediis4 hoc exponam; et manifestum est quod textum, plenum metris et rhythmis, in libris dictis, nullus potest intelligere, nec comprehendere secundum ejus rationem, nisi sciat de metris et rhythmis; tunc ad plenum intellectum textus Dei necessaria est scientia de metris et rhythmis. Spiritus enim Sanctus non in vacuum protulit suam sapientiam, sub legibus metricis et rhythmicis comprehensam; immo summam suavitatem in hoc exprimens, voluit nos allicere ad interiora sapientiae divinae, quatenus per haec musicalia sensibilia raperemur ad invisibilia Dei, sicut dicit Augustinus libro Retractationum; quibus viis se ostendit sapientia hilariter, sicut dicit idem Augustinus ad Homerum. Item hoc genus sermonis congruit5 maxime sapientiae Dei. Nam, ut probavi in Majori Opere, duobus locis praecipue, et exposui in quinta parte Moralis Philosophiae, [quod]6 argumentum poeticum, quod est morale et theologicum, debet fieri cum pulchritudine metrica et rhythmica, sicut Aristoteles docet in libro suo de hoc argumento, et Avicenna et omnes hoc docent. Nam Alpharabius hoc dicit in libro de Scientiis, capitulo de Logica, quod argu-

1  ibi ]  om. Ti. 2  fere ]  ferme, B. 3  eam ]  ipsam, Ti. 4  Remediis ]  Remedii, Ti. Quod opus est posterius, Ti. in Marg. 5  congruit ]  convenit, Ti. 6  quod ]  quia, Ti.

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mus, ein Versmaß oder ein Vers ist, wenn man nicht diese Bücher gelesen hat. Weiterhin sagt Hieronymus dort, dass der Psalter, die Klagelie­ der des Jeremias und nahezu alle Lieder der Schrift in Versen geschrieben sind.632 Daher habe ich auch in meinen beiden vorhergehenden Werken gezeigt, dass man die Schrift nur kennen kann, wenn man sie auf Hebräisch und Griechisch lesen und verstehen kann. Aus diesem Grund haben sich die Heiligen auch mit diesen Sprachen beschäftigt, worauf ich am Anfang eingegangen bin, und wie ich es weiter anhand der Sünden des Studiums und ihrer Heilmittel erläutern werde. Und es ist deutlich, dass der Text, da er in den genannten Büchern voll von verschiedenen Versmaßen und Rhythmen ist, von keinem verstanden oder seiner Aussage gemäß begriffen werden kann, wenn er nicht die Versmaße und Rhythmen kennt, weshalb die Wissenschaft vom Versmaß und der Rhythmik für ein vollständiges Verständnis des Textes Gottes notwendig ist. Denn der Heilige Geist hat seine Weisheit nicht in einem Vakuum ausgegossen, sondern sie unter den Gesetzen der Metrik und der Rhythmik verständlich gemacht; indem er sie derartig mit der größten Lieblichkeit erklärt hat, wollte er uns für die tiefsten Geheimnisse der göttlichen Weisheit gewinnen, damit wir durch diese wahrnehmbaren musikalischen Mittel zu den unsichtbaren Wundern Gottes hingerissen werden, wie Augustinus in seinem Buch Überarbeitungen633 sagt. Durch diese Wege zeigt sich die Weisheit mit aller Freude, wie derselbe Augustinus in seinem Brief an Memorius 634 schreibt. Daher stimmt jene Redegattung am meisten mit der Weisheit Gottes überein. Denn im Opus maius habe ich vor allem an zwei Stellen gezeigt – und es im fünften Teil der Moralphilosophie auch ausführlich erläutert635 –, dass die poetische Argumentation in der Moralphilosophie und der Theologie mit aller metrischen und rhythmischen Schönheit formuliert werden muss, wie auch Aristoteles in seinem Buch hierüber schreibt, ebenso wie Avicenna und alle anderen. Alfarabi sagt das ebenso in seinem Buch über die Wissenschaften, in dem Kapitel über die Logik636: dass ein Argu-

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mentum hoc debet esse sublime et decorum per pulchritudinem metri et rhythmi, quatenus animus subito et fortiter rapiatur ad amorem rei persuasae1 si sit bonum, vel ad detestationem si sit malum. Et hoc argumento utitur moralis philosophia et Sacra Scriptura, ut exposui in parte quinta2 Moralium. Et ideo sapientia Dei in lingua primitiva habuit usum istius argumenti per totum. Nam non semper fit hoc genus argumenti3 per leges metri et rhythmi, sed per colores rhetoricos et omnem ornatum sermonis; et ideo ubique est hoc argumentum respersum in Scriptura. Sed aliquando prosaice, cum omni suavitate rhetorica, ut probavi per Augustinum multis modis; aliquando secundum pulchritudinem metricam et rhythmicam compositum, sicut Hieronymus docet4 in libris Scripturae memoratis. Sed translatores Latini non habuerunt illam musicae potestatem, quam patriarchae et prophetae, qui omnes scientias adinvenerunt; et nimis difficile esset illa metra Hebraica et rhythmos Latino sermone5 secundum proprietatem eorum explicari. Et ideo non remanserunt haec in textu Latinorum. Sed quia Spiritus Sanctus per ora sanctorum suorum haec effudit, ut pulchritudo et efficacia sapientiae divinae paterent, ideo oportet theologum recurrere ad sapientiam Dei in Hebraeo, ut sciat ex6 ipso fonte dulcius haurire aquas sapientiae. Et cum ibi tradita est per vias musicae, metricae et rhythmicae, necesse est quod perfectus theologus sciat rationem istarum partium musicae. Caeterum sancti se occupaverunt in his7 diligenter, ut patet per Augustinum, et Bedam de Arte

1  persuasae ]  om. Ti. 2  parte quinta ]  quinta parte, Ti. 3  Nam … argumenti ]  om. Ti. 4  Hieronymus docet ]  docet Hieronymus, Ti. 5  Latino sermone ]  om. Ti. 6  ex ]  in, B. 7  his ]  istius partibus, Ti.

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ment durch die Schönheit des Metrums und des Rhythmus erhaben und schmückend sein muss, damit der Geist sofort und mit aller Macht zur Liebe und Überzeugung einer Sache hingezogen wird, wenn sie gut ist, oder zu ihrer Verachtung, wenn sie schlecht ist. Und dieses Argument muss auch für die Moralphilosophie und für die Heilige Schrift benutzt werden, wie ich im fünften Teil meiner Abhandlung über die Moralphilosophie gezeigt habe, weil die Weisheit Gottes in der Ursprache vollständig in poetischen Ausdrücken formuliert wurde. Denn diese Form des poetischen Ausdrucks wird nicht nur durch die Gesetze der Metrik und des Rhythmus bestimmt, sondern auch durch die verschiedenen Färbungen der Rhetorik und durch allen Schmuck der Rede, weshalb die gesamte Schrift mit poetischen und bildlichen Redeweisen durchzogen ist. Einige Male in Form der Prosa, wo sie durch alle Süße der Rhetorik verziert wird, wie ich mit Augustinus auf viele Arten gezeigt habe; andere Male in Versform und der dafür bestimmenden Rhythmik, wie Hieronymus in seinen berühmten ­Büchern über die Schrift lehrt. Doch die lateinischen Übersetzer verfügten nicht über dieses musikalische Können der alten Patriarchen und der Propheten, die alle Wissenschaften erfunden haben; und es wäre viel zu schwer, alle hebräischen Versmaße und Akzentmuster in der lateinischen Rede nach ihren ursprünglichen Eigenschaften zu erläutern, weshalb sie in den lateinischen Übersetzungen nicht erhalten geblieben sind. Doch weil der Heilige Geist das alles durch die Münder seiner Heiligen ausgegossen hat, damit die Schönheit und Wirksamkeit der göttlichen Weisheit deutlich werden, müssen die Theologen zur göttlichen Weisheit auf Hebräisch zurückkehren, damit sie lernen, das Wasser der Weisheit auf süßere Weise aus deren Quelle zu schöpfen. Und da sie dort auf den Wegen der Musik, der Metrik und der Akzentmuster überliefert worden ist, muss der vollkommene Theologe die Vernunftprinzipien dieser Teile der Musik kennen. Zudem haben sich die Heiligen sehr ausführlich mit diesen Bereichen der Musik beschäftigt, wie anhand von Augustinus deutlich wird637, aber auch durch Bedas Abhandlung

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Teil I

Metrica, et Cassiodorum, et Ambrosium, qui fecit hymnos ecclesiae; quod non fecerunt nisi quia sciebant hoc excellenter valere ad sapientiam divinam, eo quod fuerunt expositores illius sapientiae, et sancti Dei, quod maxime patet ex sexto Musicae Augustini. Quapropter cum nos sumus filii sanctorum, et utimur ac gloriamur sapientia eorum, debemus scire haec si velimus cognoscere sapientiam Dei ab his expositam et tractatam. Et cum jam feci sermonem de omnibus partibus musicae, quae sonum respiciunt, breviter secundum sanctos, in unam utilitatem illius partis, quae respicit visibile conformatum sono, motibus consimilibus, et configurationibus competentibus, ut est illa pars musicae quae gestus, et exultationes, et saltus, et plausus, et choros, et omnes flexus corporum considerat. Illa enim est pars necessaria musicae, sicut Augustinus docet secundo Musicae, dicens quod1 plausus necessarius est, quia non solum est delectatio auditus necessaria, sed visus. Sed Scriptura plena est his, nam praecipit omnibus gentibus2: »Plaudite manibus, et exultate Deo adjutori ­vestro.« Et »Laudate Deum in tympano et choro.« Ibi est chorus pro chorea, secundum Hebraeum3. Et secundo Regum, sexto, inducit David subsilientem et saltantem coram Arca Domini. Et sic Maria, soror Moysi, cum caeteris mulieribus choreas duxerunt; et sic per loca Scripturae innumerabilia sunt vocabula istius partis musicae sparsa; ut etiam beatissima Virgo dicat: »Exultavit spiritus meus in Deo salutari meo;« nos per hoc docens quod haec omnia, quae Lege Veteri facta sunt ad literam, faciamus spiritualiter; et

1  quod ]  quia, Ti. 2  omnibus gentibus ]  omnes gentes, B. 3  Hebraeum ]  Hebraeos, Ti.

KAPITEL 64

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Über die Kunst der Metrik 638, und durch Cassiodor639 und Ambrosius640, der die Kirchenlieder geschaffen hat. Das hätten sie aber nicht tun können, wenn sie diesen Teil der Wissenschaften nicht auf die göttliche Weisheit hätten anwenden können, weil sie die Ausleger jener Weisheit und des heiligen Gottes waren, was besonders aus dem sechsten Buch von Über die Musik des Augustinus hervorgeht641. Da wir die Söhne der Heiligen sind und ihre Weisheit benutzen und verherrlichen, müssen wir das wissen, wenn wir die Weisheit Gottes verstehen wollen, die von ihnen erläutert und überliefert worden ist. Daher habe ich auch kurz über alle Teile der Musik gesprochen, die den Klang betreffen. Den Heiligen entsprechend habe ich auch die eine Nützlichkeit jenes Teils [der Musik] angeführt, der das Sichtbare im Einklang mit dem Ton verbindet, und zwar durch ähnliche Bewegungen und durch dem Ton angemessene körperliche Figuren. Das ist nämlich der Inhalt jenes Teils der Musik, der die Gestik, den Jubel, das Heil, den Beifall, den Chortanz und alle körperlichen Bewegungen behandelt. Denn das ist auch ein notwendiger Teil der Musik, wie Augustinus im zweiten [Kapitel] seiner ­Musik  6 42 lehrt, wenn er sagt, dass der Beifall notwendig sei, weil nicht nur die Freude am Gehörten unabdingbar ist, sondern auch die Freude am Gesehenen. Die Heilige Schrift ist voll davon, denn sie schreibt allen Völkern vor: »Klatscht in die Hände und lobet den Herrn, Euren Helfer.« Und: »Lobet den Herrn mit dem Tympanon [Pauke] und dem Chor.«643 Dort steht ›chorus‹ für ›chorea‹ [Chor­tanz], wie es im Hebräischen heißt. Und im zweiten Buch der Könige, Kapitel sechs, führt David die Bundeslade des Herrn in aller Öffentlichkeit springend und tanzend [nach Jerusalem] ein.644 So hat auch Mirjam, die Schwester des Moses, mit anderen Frauen einen Chorgesang angestimmt; und auf diese Weise sind an unzähligen Stellen in der Schrift viele Wörter über jenen Teil der Musik untergemischt, sodass sogar die heilige Jungfrau sagt: »Mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilands«645 und uns dadurch lehrt, dass alles das, was im Alten Testament dem Literalsinn gemäß geschehen ist, nun von uns spiritualiter gemacht wer-

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Teil I

secundum literam et secundum spiritum exponamus textum Dei hujusmodi continentem. Quapropter oportet nos scire proprietates istorum et conditiones, ut sensum literalem exponamus, et spiritualem extrahamus. Sed horum notitia est ex parte musicae de visibili jucunditate constituta; et ideo haec pars, sicut caeterae, necessaria est legi divinae.

CAPITULUM LXV. [ 454]

Posthaec videbatur mihi opportunum inserere capitulum de excusatione mathematicae, ut evacuarem mendacia quae ei inferuntur. Nam aliter ejus laus, de qua locutus sum1 super, denigrabitur, et in gloria ejus macula ponetur. Homines enim semper2 sunt parati reprobare quod nesciunt, et quae non sunt vulgata, nec consueta, nec exemplis declarata. Et maxime accidit hic casus apud homines respectu mathematicae. Et hoc procuravit Diabolus, quia nulla utilitas sapientiae, theologiae, et philosophiae, nec istius mundi3, per vias sapientales procurari potest sine beneficio mathematicae, ut patet ex dictis, sed planius ex dicendis. Et ideo decrevi in hac parte ad evidentiam praecedentium et subsequentium, ut omnis infamia mathematicae tollatur; et quod respondeatur efficaciter blasphemiis insanorum, qui contra sanctorum documenta, et omnium sapientum, veritatem nituntur evertere, et infinitatem utilitatum excludere moliuntur. Et intravit cor eorum haec damnata perversitas, quia nesciunt partes philosophiae, quibus uti debent, et partes artis magicae, quas vitare tenentur. Non enim vitatur

1  locutus sum ]  sum locutus, Ti. 2  semper ]  om. Ti. 3  mundi ]  modi [?].

KAPITEL 65

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den muss; und dem Literal- und Spiritualsinn entsprechend legen wir den Text Gottes aus, der auf diese Weise darin enthalten ist. Daher müssen wir die Eigenschaften und Besonderheiten dieser Texte kennen, damit wir den Literalsinn richtig erläutern und den Spiritualsinn entsprechend ableiten können. Doch die Kenntnis dieser Dinge ist von der Musik für die Annehmlichkeit des Sichtbaren geschaffen; und daher ist dieser Teil, ebenso wie andere, für das Gesetz Gottes notwendig.

KAPITEL 65 Über die Verteidigung der Mathematik [ 454]

Daraufhin schien es mir passend zu sein, ein Kapitel zur Verteidigung der Mathematik einzufügen, um sie vor den Lügen zu bewahren, die ihr untergeschoben werden. Denn andernfalls wird ihr Lob, von dem weiter oben die Rede war, beschmutzt und ihrem Ruhm werden Flecken beigebracht. Die Menschen sind nämlich immer bereit, das Unbekannte zurückzuweisen, was nicht verbreitet, bekannt oder durch Beispiele belegt ist. Und am meisten tritt dieser Fall bei den Menschen gegenüber der Mathematik ein. Das hat der Teufel so eingerichtet, weil keine Nützlichkeit der Weisheit, der Theologie, der Philosophie oder von sonst etwas auf der Welt, auf den Wegen der Weisheit ohne die Hilfe der Mathematik vorangebracht werden kann, wie aus dem bereits Gesagten, doch noch deutlicher aus dem, was hier gesagt wird, klar ist. Daher habe ich in diesem Teil meines Werkes für die Klarheit des Vorigen und des Nachfolgenden beschlossen, dass aller Makel von der Mathematik entfernt und auf wirksame Weise den Schmähungen der Wahnsinnigen geantwortet werden muss, die entgegen den Zeugnissen der Heiligen und aller Weisen die Wahrheit zu verdrehen suchen, und die diese unendliche Nützlichkeit ausschließen wollen. Diese verdammenswerte Widersinnigkeit ist jedoch nur in ihr Herz eingedrungen, weil sie nicht die Teile der Philosophie kennen, die sie benutzen müssen, und nicht jene Teile der magischen Kunst, die sie vermeiden müssen. Denn das unbekannte Übel kann nicht

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Teil I

malum nisi cognitum, nec reprobari potest nisi sciatur; sed veritas cum ea cadit1 ex ignorantia reprobantis. Quoniam igitur nesciunt quod mathematica est duplex, una quae est magica, et altera quae est philosophiae pars nobilissima, ideo decipiuntur, unam pro alia accipientes, et utramque pro una computantes, cum sint omnino diversae. Sed in nomine conveniunt quoquo modo. Et quia fraus magicae praesumit suam insaniam occultare, miscendo considerationes suas cum coelestibus, quibus abuti magis creditur quam abutatur, quia fingit se sequi coelestia, sed mentitur. Declaravi igitur quod una mathematica derivatur a μάθεσι2, media aspirata et correpta; et haec est pars philosophiae, quae in nullo potest reprehendi, ut probo per sanctos et philosophos. Alia derivatur a ματήσει3, media producta, sine aspiratione, vel a μάντις, vel a μαντεία, secundum Hieronymum. Et haec est secunda species artis magicae, quae sunt hae, μαντική, μαθηματική, maleficium, praestigium, sortilegium; quarum quaelibet habet species multas. Et haec sola dampnatur a sanctis et philosophis similiter, non alia mathematica, sicut patet per Aristotelem, et Platonem, et Plinium, et Tullium, et omnes. Nam haec sola imponit necessitatem libero arbitrio, et docet hominem fingere mores suos in coelo; et de omnibus nititur certum dare indicium: et haec est maledicta. Et omnes auctoritates Augustini, et Hieronymi, et aliorum, in Homiliis Epiphaniae, et alibi, directae sunt contra ea, quae haec ars docet4. Et in nullo contrariantur mathematicae, quae est pars philosophiae; sicut manifeste ostendo in hoc capitulo.

1  cadit ]  cadet, B. Ti. 2  μάθεσι ]  mathesi, Ti. 3  ματήσει ]  matesi, Ti., et infra. 4  docet ]  dicit, Ti.

KAPITEL 65

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vermieden und nicht zurückgewiesen werden, wenn man es nicht kennt; und so geht die Wahrheit mit ihr aus Unkenntnis dessen, der sie zurückweist, verloren. Da sie nämlich nicht wissen, dass die Mathematik zweifach ist – eine nämlich ist eine magische Kunst, die andere hingegen der würdigste Teil der Philosophie –, werden sie getäuscht und halten die eine Form für die andere oder werfen beide zusammen, obwohl sie doch vollkommen verschieden sind. Doch unter derselben Bezeichnung werden beide Formen verstanden. So möchte die Hinterlist der magischen Künste ihren Wahnsinn verbergen, indem sie ihre eigenen Überlegungen mit den himmlischen Dingen mischt, deren Missbrauch mehr geglaubt wird, als dass er zurückgewiesen wird, da sie lügnerisch vorgibt, den Himmelserscheinungen zu folgen. Ich habe daher erklärt646, dass ein Teil der Mathematik von μάθεσι abgeleitet wird, mit einer behauchten und kurz gesprochenen mittleren Silbe. Das ist der Teil der Philosophie, der nicht zurückgewiesen werden darf, wie ich anhand der Heiligen und der Philosophen zeige. Der andere [Teil] wird von ματήσει abgeleitet, dessen mittlere Silbe ohne Behauchung lang gesprochen wird, oder von μάντις [Wahrsager] oder μαντεία [Weissagung], wenn man Hieronymus folgt. Und das ist die zweite Art einer magischen Kunst, nämlich μαντική und μαθηματική, also eine auf Übeltaten, Blendwerke und Wahrsagereien gerichtete Kunst, von denen jede wieder viele Unterarten hat. Nur diese [schädliche Kunst] wird von den Heiligen und den Philosophen gleichermaßen verdammt, nicht jedoch die andere Mathematik, wie aus [den Bemerkungen von] Aristoteles, Platon, Plinius, Cicero und allen anderen deutlich wird. Denn nur diese zwingt den freien Willen und lehrt den Menschen, seine Verhaltensweisen im Himmel zu erdichten, weil sie von allem ein sicheres Vorwissen geben will, was verdammenswert ist. Alle Aussprüche von Augustinus, von Hieronymus und von anderen richten sich in den Homilien über die Epiphanie und an ­anderen Stellen gegen das, was diese Kunst lehrt. Sie widersprechen jedoch in nichts der Mathematik, die ein Teil der Philosophie ist, wie ich in diesem Kapitel klar zeige.

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Teil I

Et si vultis copiosius videre, jubeatis Johanni ut faciat scribi de bona litera tractatum pleniorem, quem habet, pro vobis, ut videatis quod philosophi sunt sobriissimi in judiciis astronomiae, et quod in nullo praesumunt, nec errant. Et per hoc capitulum deprehendetis vulgi philosophantium et theologorum multorum stultitiam infinitam; quia illud, quod maxime valet eis, (ut patet ex dictis et dicendis) reprobant; et1 non solum in veritatem blasphemant, sed quod reprobant, ignorant, et modum reprobandi, ut merito ab omni sapiente derideantur. Nullus vero judex habet judicare causam quam ignorat; et ideo in nullo est eis credendum, immo sunt sicut asini deridendi.

CAPITULUM LXVI. [ 457]

Ostenso quod mathematica est necessaria scientiis, et rebus hujus mundi, et theologiae, evacuatis blasphemiis stultorum qui mathematicam ignorant, tunc consideravi mathematicam respectu ecclesiae Dei et reipublicae fidelium, et conversionis infidelium, et repressionis eorum qui non possunt converti. Et hic longe majora sunt quam in omnibus praecedentibus; et per haec certificabitur quod mathematica non est in aliquo vitiosa, sed praegnans et plenissima omni utilitate et decore sapientiae ineffabili. Et ad praesens comparatur ad ecclesiam in septem rebus maximis, quamvis in multis possit comparari. Sed tria nunc sufficiunt propter ipsorum magnitudinem et arcanum.

1  et ]  om. Ti.

KAPITEL 66 [ 456]

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Wenn Ihr das umfassender sehen wollt, dann möget Ihr Johannes befehlen, für Euch eine in schöner Schrift geschriebene ausführlichere Abhandlung anzufertigen, die er für Euch hat, damit Ihr sehen könnt, dass die Philosophen in ihren Urteilen über die Astro­nomie äußerst besonnen sind und in nichts Vermutungen anstellen oder sich irren. Durch diese Kapitel könnt Ihr die unend­ liche Dummheit der Menge der Philosophen und der Theologen mit Händen greifen, weil sie das, was ihnen am meisten bedeutet (wie aus dem Gesagten und dem dazu zu Sagenden ganz deutlich wird), zurückweisen. Sie vergehen sich aber nicht nur gegen die Wahrheit, sondern werden auch von allen Weisen verlacht, weil sie auf eine törichte Art zurückweisen, was sie nicht kennen. Schließlich kann kein Richter über einen ihm unbekannten Fall urteilen; daher darf man auch solchen Menschen nicht glauben, sondern muss über sie lachen wie über Esel.

KAPITEL 66 Vom Nutzen der Mathematik für den Glauben [ 457]

Nachdem ich gezeigt habe, dass die Mathematik für die anderen Wissenschaften, für die Erkenntnis der Dinge dieser Welt und für die Theologie notwendig ist, und nachdem ich die Lästerungen der Toren ausgeräumt habe, die die Mathematik nicht kennen, habe ich den Nutzen der Mathematik für die Kirche Gottes und die Gemeinschaft der Gläubigen, für die Bekehrung der Ungläubigen s­ owie für die Unterdrückung derer, die nicht bekehrt werden können, betrachtet. Diese Dinge sind wichtiger als alle voran­ gegangenen; und dadurch wird belegt, dass die Mathematik nicht mangelhaft ist, sondern im Gegenteil voll von unaussprechlichem Nutzen und großer Zierde für die Weisheit. Jetzt wird sie in sieben sehr großen Bereichen auf die Kirche bezogen, auch wenn man sie auf noch viel mehr Bereiche anwenden könnte. Doch drei Bereiche werden hier aufgrund ihrer Herrlichkeit und ihres geheimnisvollen Charakters ausreichen.

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Teil I

Primum est de comparatione mathematicae ad fidem quam tenet ecclesia, ut nos parati simus et confirmare nosmetipsos in fide nostra, et reddere rationem omni petenti. Et hoc est unum de majoribus rebus; et in hoc mathematica deservit quartae parti moralis philosophiae, cujus est proprium determinare de sectis, et eligere illam quae est in fine veritatis, et haec est fides Christiana; sicut manifestissime potest probari per vias astronomiae, et per ea quae illa pars moralis philosophiae docet magnifice. Unus igitur modus negotiandi circa sectarum electionem est per astronomiam, ut pulchre confirmetur fides, quam sacra tenet ecclesia, et gaudeat quilibet Christianus quod testimonium suae fidei poterit per sententias philosophorum habere, ipsa veritate coactorum. Nec est mirandum de hoc, quia philosophi infideles habuerunt totam suam sapientiam a sanctis patriarchis et prophetis, sicut in secunda parte Operis Majoris edocui, et tetigi satis in expositione illius partis; et etiam, secundum quod dicit apostolus, »Deus illis revelavit.« Et Augustinus et sancti hoc satis docent, sicut in illa parte Operis Majoris exposui. Et ideo ostendo quomodo astronomi revolvunt sectas principales sex, scilicet sectam Saturni quae est Judaeorum, sectam Martis quae est Chaldaeorum, sectam Solarem quae est Aegyptiorum, sectam Veneris quae est Saracenorum, et sectam Mercurialem, quae est plena sapientia, et doctrina, et eloquentia; super1 quibus attestatur Mercurius, qui vocatur dominus sapientiae et eloquentiae, et non dominatur nisi in Virgine: et haec est lex Christiana, sicut ipsi declarant, quae est plena omni sapientia et eloquentia, et est prophetae2 qui natus est de Virgine. Et secta

1  super ]  om. Ti. 2  prophetae ]  propheta, B.

KAPITEL 66 [ 458]

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Der erste Bereich betrifft die Verknüpfung der Mathematik mit dem Glauben, den die Kirche lehrt, damit wir für unseren Glauben bereit sind, ihn für uns selbst bestätigen und Gründe für jeden Begehrenden angeben können. Das ist eines der wichtigsten Dinge, worin die Mathematik dem vierten Teil der Moralphilosophie dienlich ist, dessen Eigentümlichkeit in der Bestimmung der verschiedenen Religionen besteht, um jene herauszufinden, die sich in der höchsten Wahrheit befindet: der christliche Glaube. Das kann man ganz sicher mit den Mitteln der Astronomie sowie mit dem, was jener Teil der Moralphilosophie auf herrliche Weise lehrt, beweisen. Denn eine Art, zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen die richtige Wahl zu treffen, besteht in der Astronomie, mit deren Hilfe der Glaube, den die Kirche für heilig hält, bestätigt werden kann. Und es kann sich jeder Christ darüber freuen, dass ihr Zeugnis des Glaubens auch durch die Aussprüche der Philosophen bestätigt werden kann, die die Vorgänger jener Wahrheit waren. Das ist nicht erstaunlich, weil die ungläubigen Philosophen ihre ganze Weisheit von den heiligen Patriarchen und Propheten übernommen haben, wie ich im zweiten Teil des Opus maius647 gelehrt und ausführlich genug in der Erläuterung dieses Teils gezeigt habe. Zudem hat der Apostel [Paulus] gesagt: »Gott hat es ihnen offenbart.«648 Das lehren auch Augustinus und die Heiligen ausführlich, wie ich in jenem Teil des Opus maius erläutert habe. Daher zeige ich auch, auf welche Weise die Astronomen die sechs grundlegenden Glaubensrichtungen darstellen: die Sekte des Saturn ist die der Juden, die Sekte des Mars die der Chaldäer, die Sekte der Sonne sind die Ägypter, die Sekte der Venus die Sarazenen. Dann gibt es noch die Sekte des Merkur, die voller Weisheit, Bildung und Beredsamkeit ist; das wird auch von Merkur bestätigt, der der Herr der Weisheit und der Beredsamkeit genannt wird, und der nur im [Sternzeichen der] Jungfrau herrscht: und diese ist die Versinnbildlichung des christlichen Gesetzes, wie [die Heiligen] erklären, das voller Weisheit und Beredsamkeit ist. Es ist auch das Gesetz des Propheten, der von der Jungfrau geboren worden ist. Die Sekte

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Teil I

Lunae principis foedi et maligni; et haec est secta Antichristi. Pono igitur hic magnam astronomiae potestatem secundum conjunctiones planetarum; et adapto eas ad sectas, prout astronomi faciunt1. Et licet aliqua sint difficilia eis, qui non audiverunt astronomiam, tamen propter seriem persuasionis pono quae necessaria sunt; atque sententia satis potest2 a quolibet in summa deprehendi. Et hic invenitur tempus destructionis Machometi; quod probo per philosophiam, et per Apocalypsim, et per effectum, quod valde considerandum est, et magnum gaudium Christianis.

CAPITULUM LXVII. [ 460]

Secundum quod expono circa ecclesiastica est de corruptione kalendarii, quae est intolerabilis omni sapienti, et horribilis omni astronomo, et derisibilis ab omni computista3. Unde omnes instructi in astronomia, et in4 computo, et in talibus, mirantur quod tam abominanda falsitas sustinetur; sed impossibile est quod sustineretur, nisi quia illi, qui habent auctoritatem super hac correctione, non sunt exercitati in astronomia, et computo, et in hujus­ modi. Nullus enim percipiens talem abominationem sustineret eam. Et ideo quilibet sapiens Christianus, qui haec tractat, ostendit articulos istius corruptionis et docet remedia. Non tamen aliquis

1  astronomi faciunt ]  faciunt astronomi, Ti. 2  satis potest ]  potest satis, Ti. 3  computista ]  compotista, Ti. 4  in ]  om. B.

KAPITEL 67

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des Mondes aber ist diejenige des Fürsten der Verdunkelung und der Bösartigkeit, und das ist die Sekte des Antichrist. Ich stelle dort deshalb die große Macht der Astronomie anhand der Planetenkonstellationen dar und beziehe sie auf die verschiedenen Glaubensrichtungen, so wie es auch die Astronomen machen. Auch wenn einiges davon für diejenigen schwer zu verstehen sein mag, die noch nichts von der Astronomie gehört haben, beschreibe ich doch wegen der richtigen Abfolge meiner Überzeugungsschrift die Dinge, die für dieses Thema notwendig sind – so kann auch derjenige, der nichts davon versteht, meine Ansicht im Allgemeinen begreifen. Hier wird auch die Zeit der Zerstörung der Sekte Mohammeds untersucht. Das beweise ich mit Hilfe der Philosophie, der Apokalypse und durch die Wirkungen, was zur großen Freude der Christen ausführlich zu betrachten ist.

KAPITEL 67 Vom Nutzen der Mathematik für die Berechnung des Kalenders [ 460]

Der zweite Bereich, den ich in Bezug auf den Nutzen der Mathematik für die Kirchenangelegenheiten erläutere, ist die Verdorbenheit des Kalenders, die für jeden Weisen unannehmbar ist, jeden Astro­nomen mit Abscheu erfüllt, und die für jeden Komputisten lachhaft ist. Daher wundern sich alle, die in der Astronomie, der Komputistik und in ähnlichen Bereichen bewandert sind, dass solch eine verabscheuungswürdige Falschheit aufrechterhalten wird. Doch es ist unmöglich, dass sie weiterhin gestützt werden sollte, es sei denn, dass diejenigen, die die Aufsicht über die Korrektur haben, nicht in der Astronomie, der Komputistik und den Dingen, die damit zusammenhängen, bewandert sind: denn niemand, der solch eine verabscheuungswürdige Falschheit sieht, könnte sie beibehalten. Daher möge uns ein weiser Christ, der sich damit beschäftigt, die verschiedenen Teile dieser Verderbtheit beschreiben und uns Heilmittel dagegen zeigen. Das Problem be-

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Teil I

praesumit tradere kalendarium correctum, propter hoc, quod concilium generale prohibet ne quis mutet kalendarium sine licentia sedis apostolicae speciali. Et hoc justum est. Sed illa sedes beatissima deberet hoc monstrum tollere de ecclesia. Julius quidem Caesar constituit kalendarium quod habemus, nec unquam postea fuit correctum; et in tempore suo non habuit falsitatem quae nunc regnat, propter mutationes quae acciderunt a tempore ejus1 in coelestibus2. Atque ecclesia in principio multum conata est corrigere kalendarium, et multi papae de hoc ordinaverunt. Sed non fuit satisfactum, eo quod in aliis occupata, et oppressa diu per tyrannos, deinde per haereticos circiter3 quingentos annos, et ideo invaluit consuetudo longa, et protracta4 est ad nos. Caeterum non fuerunt in primitiva ecclesia astronomi perfecti, qui requiruntur ad hoc sublime negotium. Nam multi summi pontifices rogaverunt viros, quos aestimabant aliqua laudabiliter scire de astronomia, ut apponerent remedium; et tentaverunt multi, ut Theophilus, Eusebius et Victorinus, Cyrillus, Beda, et multi. Sed non fuit astronomia in usu Latinorum nisi parum, nec in usu ecclesiae apud Graecos et Hebraeos, sicut nec aliae partes philosophiae, propter multas causas, quarum aliquas scripsi superius. Sed in Opere Majori plenius, scilicet in prima parte, illas exposui. Sed modo sunt astronomi sufficientes ad haec. Et quatenus videretis radices principales errorum istorum, cum remediis, scripsi satis in Opere Majori; quia tamen propter festinantiam et propter

1  ejus ]  suo, B. 2  in coelestibus ]  om. Ti. 3  circiter ]  circiter per, Ti. 4  protracta ]  pertracta, Ti. B.

KAPITEL 67

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steht jedoch darin, dass niemand die Verbesserung des Kalenders für sich alleine vorwegnehmen kann, weil ein allgemeines Konzil vorschreibt, dass niemand den Kalender ohne besondere Zustimmung des Heiligen Stuhles korrigieren darf – was natürlich richtig ist. Doch dann muss der Heilige Stuhl auch dafür sorgen, dass diese Abscheulichkeit von der Kirche entfernt wird. Julius Caesar hat zwar den heutigen Kalender eingerichtet, doch seitdem ist er nie korrigiert worden; und zu seiner Zeit hatte er noch nicht die Falschheit, die heute herrscht, weil seit seiner Zeit viele Veränderungen in der Himmelssphäre stattgefunden haben. Zwar hat die Kirche zu Beginn versucht, den Kalender zu reformieren; und viele Päpste hatten Entsprechendes angeordnet; doch wurde dieses Unternehmen nie zufriedenstellend vollendet, weil die Kirche immer mit anderen Dingen beschäftigt war: denn sie ist lange von Gewaltherrschern unterdrückt worden und musste sich daraufhin ungefähr für 500 Jahre gegen Häretiker zur Wehr setzen. Daher ist diese Gewohnheit lange stärker geworden und hat sich bis zu uns hingezogen. Zudem gab es in der Urkirche noch keine vollkommenen Astronomen, die für diese anspruchsvolle Aufgabe erforderlich sind, denn viele Päpste haben die Männer, die sie für ihre Astronomiekenntnisse geschätzt haben, damit beauftragt, für die Missstände des Kalenders ein Gegenmittel zu finden. Und viele haben das auch versucht, wie etwa Theophilus649, Eusebius,650 Victorinus,651 Kyrill652, Beda653 und viele andere. Doch die Astronomie war damals bei den Lateinern zu wenig in Gebrauch, ebenso wenig in der Kirche wie bei den Griechen und den Hebräern. Das gilt – wegen vieler Gründe, von denen ich einige weiter oben beschrieben habe – auch für viele andere Teile der Philosophie. Die Gründe hierfür habe ich besonders im ersten Teil meines Opus maius654 erläutert. Doch heutzutage sind die Astronomen befähigt genug dafür. Damit Ihr die Hauptursachen für ihre Fehler und mögliche Heilmittel dagegen kennenlernen könnt, habe ich im Opus maius655 genug darüber geschrieben; doch da das Exemplar, das ich Euch habe zukommen lassen, aufgrund der gebotenen Eile und anderer be-

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Teil I

occupationes in aliis magnas et varias, vestrum exemplar non fuit usquequaque correctum, hic iterum feci transcribi et correxi. Et hoc ideo facio, ut certitudinaliter considerare et conferre possitis de hac materia cum quocunque velitis.

CAPITULUM LXVIII. [463]

Sed haec hactenus. Nunc vero inferam istud negotium de kalendario, quod non solum expedit ecclesiae, sed quod1 maxime decet eam, et quod sine grandi periculo et2 confusione vitari non potest; quamvis tamen a longis temporibus jam accidit multiplex abusus. Et quoniam totus hic error procedit ex pura ignorantia et negligentia considerationis, tanto est vilior coram Deo et omnibus3 sanctis, et apud omnes. Non solum sapientes astronomi, sed et compu­tistae vulgati sciunt multiplicem errorem, et scribunt super hoc sicut et astronomi, quorum utrorumque scripta per Dei ecclesiam vulgata sunt, in quibus errores4 hi notantur, et datur consilium. Sed nullus propter concilium generale ausus est facere hoc remedium. Julius quidem Caesar in astronomia edoctus complevit ordinem kalendarii secundum quod potuit tempore suo; et, sicut narrant historiae, contra Achorum astronomum, et Eudoxum ejus doctorem, disputavit in Aegypto de quantitate anni solaris, super quem fundatum est kalendarium nostrum. Unde, sicut Lucanus refert, ipse Julius dixit: »Non meus Eudoxi vincetur fastibus annus.«

1  quod ]  om. Ti. 2  sine grandi periculo et ]  sine periculo et grandi, Ti. 3  omnibus ]  hominibus, Ti. 4  errores ]  om. Ti. B.

KAPITEL 68

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schwerlicher und vielfältiger Verpflichtungen nicht in jeder Hinsicht korrigiert worden war, habe ich es hier noch einmal abschreiben und verbessern lassen. Das tue ich, damit Ihr darüber sichere Überlegungen anstellen könnt und mit jedem, mit dem es Euch beliebt, darüber sprechen könnt.

KAPITEL 68 Weiteres über den Kalende  r  656 [463]

Doch genug davon. Nun möchte ich meine Abhandlung auf den Kalender selbst lenken, weil das nicht nur für die Kirche sehr angebracht ist, sondern weil es sie auch sehr schmückt und man dieses Thema ohne große Gefahr und Verwirrung nicht umgehen kann; und doch herrscht hier seit langer Zeit ein vielfacher Missbrauch. Weil dieser ganze Irrtum aus reiner Unwissenheit und dem Mangel an jeder Überlegung resultiert, ist er vor dem Angesicht Gottes, aller Heiligen und aller anderen noch viel hässlicher. Dabei kennen doch nicht nur die Weisen unter den Astronomen, sondern auch ganz normale Komputisten sehr viele von diesen Irrtümern und schreiben ebenso wie die Astronomen darüber. Die Schriften von beiden Gruppen, in denen die Fehler aufgezeichnet worden sind, sind in der Kirche verbreitet und bekannt; und es wird auch immer wieder ein Rat [zur Lösung dieser Probleme] gegeben; doch kann hier wohl niemand, außer einem Konzil, Abhilfe schaffen. Sicher hat der in der Astronomie äußerst erfahrene Julius Caesar die Kalenderordnung den Möglichkeiten seiner damaligen Zeit entsprechend vollkommen eingerichtet. Denn wie die Geschichten berichten, hat er gegen den Astronom Achorius und gegen seinen Lehrer Eudoxus über den Umfang des Sonnenjahres diskutiert, auf dem auch unser Kalender beruht. Wie Lukan berichtet, hat Julius [Caesar] selbst gesagt: »Mein Jahr soll nicht durch den Kalender des Eudoxus besiegt werden.«657

Teil I

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Sed non pervenit Julius ad veram anni quantitatem, quam ponit in kalendario nostro trecentos sexaginta quinque dies et quartam diei integram; quae quarta colligitur per quatuor annos, ut in anno bisextili computetur unus dies, scilicet plus in1 anno, quam in aliis annis communibus. Manifestum enim2 est per omnes computistas antiquos et novos, sed et certificatum est per vias astronomiae, quod quantitas anni solaris non est tanta, immo minor; et istud minus aestimatur a sapientibus esse quasi centesima tricesima pars unius diei. Unde tanquam in centum triginta annis superflue computatur unus dies; qui si auferretur, esset kalendarium correctum quoad hoc peccatum. Et ideo cum omnia, quae sunt in kalendario, fundentur super quantitatem anni solaris, necesse est ea vacillare, postquam est erroneum fundamentum.

CAPITULUM LXIX. [ 464]

Deinde accidit alius error major, scilicet de fixione aequinoctiorum et solstitiorum. Nam hic error non solum est ex quantitate anni, sed habet in se graves errores. Ponuntur autem aequinoctia in diebus fixis, ac si semper fuissent ibi ac3 debeant esse in aeternum. Sed certum est astronomis quod non figuntur, immo ascendunt in kalendario, sicut per tabulas et instrumenta probatur sine dubitatione. Et in principio ecclesiae ponebatur solstitium hyemale octavo Kalendas Januarii, in die Nativitatis Domini, et aequinoctium vernale octavo Kalendas Aprilis, in festo Annuntiationis Virginis gloriosae; et solstitium aestivale octavo Kalendas Julii, in

1  plus in ]  scilicet quarto, Ti. 2  enim ]  autem, Ti. 3  ac ]  et, Ti.

KAPITEL 69

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Doch Julius Caesar konnte nicht die wirkliche Länge eines Jahres berechnen, von dem er annahm, dass es in unserem Kalender 365 Tagen und einem Vierteltag entsprechen würde. Dieser vierte Teil eines Tages wird in vier Jahren zusammengerechnet, sodass in einem Schaltjahr jedes vierte Jahr ein Tag mehr hinzugenommen wird als in anderen normalen Jahren. Doch ist aufgrund aller antiken und zeitgenössischen Komputisten sowie aufgrund vieler astronomischer Beweise klar, dass ein Sonnenjahr kürzer ist; diese Abweichung wird von den Weisen auf den 130. Teil eines Tages geschätzt, weshalb alle 130 Jahre ein Tag überzählig ist. Wenn dieser Fehler behoben werden würde, wäre der Kalender zumindest in Bezug auf diesen Irrtum korrekt. Da aber alle Termine im Kalender die Länge eines Sonnenjahres als Grundlage haben, sind sie notwendig unzuverlässig, weil sie auf einem fehlerhaften Fundament ruhen.

KAPITEL 69 Bestimmung der Tagundnachtgleichen und der Sonnenwenden [ 464]

Weiterhin gibt es noch einen anderen größeren Fehler bei der Bestimmung der Tagundnachtgleichen und der Sonnenwenden. Denn dieser Fehler resultiert nicht nur aus der Länge des Jahres, sondern beinhaltet auch in sich selbst viele Irrtümer. Zudem werden die Tagundnachtgleichen immer an festgesetzten Tagen bestimmt, als ob sie immer an genau diesen Zeitpunkten aufgetreten wären und es in alle Ewigkeit weiterhin so tun würden. Doch für die Astronomen ist gewiß, dass sie nicht feststehend sind, sondern immer weiter im Kalender aufsteigen, wie durch Tafeln und Instrumente ohne Zweifel bewiesen ist. Zu Beginn der Kirche wurde die Wintersonnenwende auf den achten Tag vor den Kalenden des Januar gelegt, auf den Tag der Geburt unseres Herrn; und die Tag­ undnacht­g leiche des Frühlings auf den achten Tag vor den Kalenden des April, auf das Fest der Verkündigung der ruhmreichen Jungfrau; die Sommersonnenwende wurde auf den achten Tag vor

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Teil I

die nativitatis beati1 Johannis Baptistae2; et aequinoctium autumnale octavo Kalendas Octobris. Et istius opinionis fuit Hippocrates3 medicus, cui Christiani facile concordabant, propter hoc quod beatus Johannes Baptista dixit: »Illum autem oportet crescere, me vero minui.« Unde expositores aliqui Sacrae Scripturae posuerunt Dominum natum quando dies incipiunt crescere, et hoc est in solstitio hyemali, et Johannem Baptistam nasci quando dies incipiunt minui, ut in solstitio aestivali. Et lsidorus fuit istius opinionis Hippocraticae, ut patet ex quinto libro Etymologiarum, et sanctus Anatholius4, qui in principio ecclesiae de hujusmodi disputavit. Sed postea mutaverunt hoc viri ecclesiastici, et statuerunt aequinoctium vernale esse duodecimo Kalendas Aprilis, sicut dicit Beda in libro Temporum; quod usque nunc tenetur. Et hoc manifestum est omnibus qui aliquid sciunt de computo, et considerant usum ecclesiae. Nam sicut in Lege Veteri, post aequinoctium vernale, quando luna fuerat quarta decima, celebrabatur Pascha, sic ecclesia ordinavit quod terminus Paschae fuisset ibi, et in die Dominica sequente celebraretur Pascha; quia oportet quod in die Dominica fiat festum istud apud Cbristianos; et ideo non possumus celebrare Pascha in quarta decima lunae, sed in Dominica sequente. Et posuerunt quod primum Pascha sit undecimo Kalendas Aprilis5, ut nullo modo sit ante, propter hoc quod aequinoctium dixerunt figi in duodecimo Kalendas, ubi luna potest esse aliquando6 quarta decima. Nam, sicut Beda dicit in Computo suo, ecclesia non utitur

1  beati ]  sti., Ti. 2  Baptistae ]  om. B. 3  Hippocrates ]  Ypocras, B. semper 4  Anatholius ]  Anathasius, Ti. 5  Aprilis ]  om. Ti. 6  esse aliquando ]  aliquando esse, B.

KAPITEL 69

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den Kalenden des Juli festgesetzt, also auf den Tag der Geburt des seligen Johannes des Täufers; und die Herbsttagundnachtgleiche auf den achten Tag vor den Kalenden des Oktober. Dieser Ansicht war der Arzt Hippokrates, mit dem die Christen leicht übereinstimmen konnten, weil der selige Johannes der Täufer gesagt hatte: »Er muss wachsen, ich hingegen muss abnehmen.«658 Daher waren einige der Erläuterer der heiligen Schrift der Meinung, dass die Geburt des Herrn stattgefunden hat, als die Tage wieder länger zu werden begannen, was während der Wintersonnenwende geschieht; und dass Johannes der Täufer geboren worden ist, als die Tage wieder kürzer zu werden begannen, also während der Sommersonnenwende. Isidor [von Sevilla] war zum Beispiel dieser Meinung des Hippokrates, wie anhand des fünften Buches seiner Enzyklopädie659 deutlich wird, ebenso wie der heilige Anatolius, der zu Beginn der Kirche Fragen dieser Art behandelt hatte. Doch später haben die Männer der Kirche diese Termine geändert und entschieden, dass die Tagundnachtgleiche des Frühlings am zwölften Tag vor den Kalenden des April liegt, wie Beda [Venerabilis] in seinem Buch über die Zeitberechnung schreibt660 – und dieses Datum wird auch von uns noch akzeptiert. Das ist allen klar, die etwas von der Zeitberechnung verstehen und den Brauch der Kirche kennen. Denn da nach dem alten Gesetz das Pessachfest während der Frühlingstagundnachtgleiche nach dem 14. Mond gefeiert worden ist, hat die Kirche festgesetzt, dass Ostern von diesem Datum an berechnet werden muss, und dass an dem folgenden Sonntag Ostern gefeiert werden soll. Denn dieses christliche Fest muss notwendig auf einen Sonntag fallen, weshalb es uns nicht möglich ist, Ostern während des 14. Monds zu feiern, sondern an dem darauffolgenden Sonntag. Sie haben weiterhin festgeschrieben, dass der früheste Ostertermin am elften Tag vor den Kalenden des April liegt, und dass es vorher keinen Ostertermin geben kann, weil die Tagundnachtgleiche – wie sie sagten – auf den zwölften Tag vor den Kalenden fällt, wenn zu dieser Zeit manchmal der 14. Mond ist. Denn Beda sagt in seinem Buch über die Zeitberechnung 661, dass

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Teil I

quarta decima luna quae praecedit aequinoctium, sed quae est in aequinoctio, vel post ipsum; et ipsum aequinoctium, ut dicit, est duodecimo Kalendas Aprilis, et ibi est primus terminus Paschae, ut omnes computistae sciunt. Quod si sit in die Sabbati, tunc1 in crastino potest esse Pascha, quia dies Dominicus est; et ideo, propter rationem aequinoctii fixam in duodecimo Kalendas Aprilis, dicit ecclesia quod infimum Pascha est in undecimo Kalendas Aprilis. Sed quamvis usus ecclesiae tenuit in principio aequinoctium esse octavo Kalendas, et postea mutavit, et teneat nunc aequinoctium fixum duodecimo Kalendas Aprilis, tamen certum est quod aequinoctium istud non est in locis istis2, sed jam ascendit in kalendario longe ab his locis, et similiter solstitia, et reliquum aequinoctium3. Nam hoc anno fuit solstitium hyemale ldibus Decembris4 per duodecim dies ante Nativitatem Domini, et aequinoctium vernale tertio Idus Martii. Et solstitium aestivale est5 decimo septimo Kalendas Julii, et aequinoctium autumnale decimo sexto Kalendas6 Octobris. Et hoc potest non solum astronomus certificare, sed quilibet laicus ad oculum perspicere per casum radii solaris, nunc altius, nunc inferius ad parietem, vel aliud, secundum quod quisque potest notare. Et mutabuntur ab his locis in temporibus succedentibus; quia post annos circiter xciv., scilicet7 anno Domini, millesimo trecentesimo sexagesimo uno, erit solstitium hyemale pridie Idus Decembris, et aequinoctium vernale quarto Idus Martii, et solstitium aestivale decimo octavo Kalendas Julii, et aequinoctium autumnale decimo septimo Kalendas Octobris; scilicet quodlibet

1  tunc ]  om. Ti. 2  istis ]  illis. 3  et reliquum aequinoctium ]  et similiter aequinoctium reliquum, Ti. 4  Decembris ]  Octobris, B. 5  est ]  om. Ti. 6  Kalendas ]  om. Ti. 7  scilicet ]  circiter, Ti.

KAPITEL 69

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die Kirche nicht denjenigen 14. Mond beachtet, der der Tagundnachtgleiche vorangeht, sondern nur den, der während oder nach der Tagundnachtgleiche auftritt. Die Tagundnachtgleiche ist aber, wie er selber sagt, am zwölften Tag vor den Kalenden des April; und von diesem Tag an wird Ostern berechnet, wie alle Komputisten wissen: denn wenn dieser Termin auf den Sabbat fällt, kann an dem folgenden Tag Ostern gefeiert werden, weil dieser Tag dann ein Sonntag ist. Wegen dieser Festsetzung der Tagundnachtgleiche auf den zwölften Tag vor den Kalenden des April sagt die Kirche, dass der frühestmögliche Ostertermin auf den elften Tag vor den Kalenden des April fällt. Doch obwohl die Kirche zu Anfang den Brauch hatte, die Tagundnachtgleiche auf den achten Tag vor den Kalenden festzusetzen, das Datum jedoch später geändert hat und nun daran festhält, dass die Tagundnachtgleiche nun am zwölften Tag vor den Kalenden des April sein müsse, ist doch sicher, dass die Tagundnachtgleiche nicht an diesen Terminen eintritt, sondern sich im Laufe der Zeit sehr weit von diesen Terminen entfernt, ebenso wie die Sonnenwenden und die andere Tagundnachtgleiche. Denn dieses Jahr war die Wintersonnenwende an den Iden des Dezember, zwölf Tage vor der Geburt unseres Herrn, und die Frühlingstagundnachtgleiche war am dritten Tag vor den Iden des März; und die Sommersonnenwende ist am 17. Tag vor den Kalenden des Juli, die Herbsttagundnachtgleiche aber am 16. Tag vor den Kalenden des Oktober. Diese Tatsache kann nicht nur der Astronom belegen, sondern das kann jeder Laie mit seinen bloßen Augen durch den Einfall der Sonnenstrahlen sehen, die entweder höher oder tiefer auf eine Wand oder etwas anderes einfallen, wie jedem ersichtlich sein kann. Und diese Termine werden sich in Zukunft noch weiter ändern: denn nach ungefähr 94 Jahren, also im Jahr 1361, wird die Wintersonnenwende auf den Tag vor den Iden des Dezember fallen, die Frühlingstagundnachtgleiche auf den vierten Tag vor den Iden des März, die Sommersonnenwende auf den 18. Tag vor den Kalenden des Juli und die Herbsttagundnachtgleiche auf den 17. Tag vor den Kalenden des Oktober. Das heißt also, dass jede von

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Teil I

eorum per unum diem antequam sit modo. Nam post annos circiter centum viginti quinque ascendit per unum diem; et hoc accidit ex errore quantitatis anni, quia sol circiter tantum tempus diminuit de quantitate anni quo utitur kalendarium per unum diem. Et hoc est quod plus concordat cum annis quos computamus ab Incarnatione. Nam Ptolomaeus anno centesimo quadragesimo ab Incarnatione invenit aequinoctium vernale undecimo Kalendas Aprilis, et solstitium hyemale undecimo Kalendas Januarii, ut patet ex Almagesti. Sed ab hoc loco in kalendario usque ad Idus Decembris, ubi nunc est solstitium, fiunt novem dies, quibus ascendit hoc solstitium. Sed ab annis probationis Ptolomaei sunt nunc de annis Domini mille centum viginti septem; eo quod nunc sit annus Domini millesimus ducentesimus sexagesimus septimus, a quibus si demantur centum quadraginta, qui fluxerant ab Incarnatione usque ad probationem Ptolomaei, remanebunt mille centum viginti septem. Sed in isto tempore nunc dicto centum viginti quinque anni reperiuntur nonies, et duo anni ultra; quapropter hoc tempus, id est, centum viginti quinque anni, satis convenit cum numero annorum Christi; ut semper unus dies in tanto tempore minuatur de quantitate anni, et denotet mutationem solstitii et aequinoctii. Protestor tamen quod in tanta difficultate non loquor praecise, sed multum propinque veritati certificandae, usquequo currat finalis probatio super anni quantitate et mutatione solstitiorum. Per jam dicta tamen, secundum probationem Ptolomaei, non potuit in octavo Kalendas Januarii1 esse solstitium hyemale in tempore Nativitatis Domini, sed oportuit quod in decimo Kalendas, eo quod in centum quadraginta annis a tempore Nativitatis usque ad probationem Ptolomaei non potuit mutari solstitium per tres dies,

1  Januarii ]  om. Ti. B.

KAPITEL 69

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ihnen einen Tag früher sein wird als derzeit. Denn nach ungefähr 125 Jahren ergibt sie sich jeweils einen Tag früher. Das geschieht aufgrund der fehlerhaften Bestimmung der Länge des Jahres, weil die Sonne in ungefähr dieser Zeit das Jahr, wie es durch den Kalender festgesetzt ist, verkürzt. Und das ist so, weil es besser zu den Jahren passt, die wir seit der Fleischwerdung [Christi] berechnen. Denn Ptolemäus hat im 140. Jahr nach der Fleischwerdung die Frühlingstagundnachtgleiche am elften Tag vor den Kalenden des April gefunden und die Wintersonnenwende am elften Tag vor den Kalenden des Januar, wie aus seinem Almagest hervorgeht. Doch von dieser Position im Kalender bis zu den Iden des Dezember, wenn die Sonnenwende nun stattfindet, sind es neun Tage, die die Sonnenwende im Kalender aufgestiegen ist. Doch vom Zeitpunkt des Beweises durch Ptolemäus bis jetzt sind 1127 Jahre unseres Herrn vergangen, weil das derzeitige Jahr das Jahr 1267 ist, von dem an 1127 Jahre bleiben, wenn man die 140 Jahre abzieht, die von der Geburt unseres Herrn bis zum Beweis des Ptolemäus vergangen sind. Doch in dieser nun genannten Zeit sind neun mal 125 Jahre enthalten, plus zwei überzählige Jahre. Daher befindet sich diese Zeit, also die 125 Jahre, in ausreichender Übereinstimmung mit der Zahl der Jahre der christlichen Ära, sodass immer ein Tag in einem solchen Zeitabschnitt von einem Jahr abgezogen werden sollte; und dieser Wandel sollte bei der Sonnenwende und der Tag­undnachtgleiche angezeigt werden. Ich muss aber doch deutlich darauf hinweisen, dass ich in einem so wichtigen Problemfeld nicht ganz eindeutig sprechen kann, denn viele Wahrheiten müssen erst noch bewiesen werden, bis eine letztgültige Antwort auf die Fragen über die Länge des Jahres und die Daten der Sonnenwenden angegeben werden kann. Doch so weit es sich bis jetzt sagen lässt, kann die Wintersonnenwende zur Zeit der Geburt unseren Herrn den Forschungen des Ptolemäus zufolge nicht am achten Tag vor den Kalenden stattgefunden haben, sondern am zehnten Tag, der den Kalenden vorausging; denn in den 140 Jahren, die zwischen der Geburt [unseres Herrn] bis zu Ptolemäus vergangen sind, kann sich die Sonnenwende nicht um drei

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Teil I

neque per duos, sed per unum et partem de alio. Et ideo decimo Kalendas Januarii potuit esse, secundum quod Ptolomaeus invenit undecimo Kalendas. Et cum per eandem probationem Ptolomaei potuit aequinoctium primo anno Nativitatis fuisse undecimo Kalendas Aprilis, non potuit esse octavo, sicut primo crediderunt in ecclesia primitiva, et longe magis non potuit esse in1 duodecimo kalendas Aprilis, sicut nunc creditur, secundum usum ecclesiae. Quia cum semper ascendit aequinoctium, et in tempore Ptolomaei fuit undecimo Kalendas Aprilis, tunc ante illud tempus fuit retro hunc locum magis versus Aprilem, et ideo decimo Kalendas secundum probationem Ptolomaei. Secundum hoc igitur non sunt aequinoctia et solstitia fixa, neque sunt fixa illis diebus, quibus usus fuit ecclesia. Nec fuit Hippocrates2 longe a veritate, quanquam ipse fuit ante Christum plus quam trecentis annis; et ideo potuit aequinoctium temporibus suis fuisse octavo Kalendas, vel prope, scilicet septimo. Sed tertium inconveniens est longe majus. Nam, ut prius tactum est, veritas est quod sine errore debet Pascha celebrari die Dominica post quartam decimam lunam quae invenitur vel in aequinoctio vel post aequinoctium vernale, propter conformitatem legis Christianae ad legem antiquam, propter Paschae solemnitatem, quae primo fuit in Lege Veteri3, et praecessit sicut figura novae4 Paschae. Cum igitur veritas est quod aequinoctium sit tertio Idus Martii, et possibile est quod ibi sit luna quarta decima, scilicet in quarto decimo anno cycli decennovalis, ut prima computetur pridie Kalendas Martii super c literam, oportet quod die

1  in ]  om. Ti. 2  Hippocrates ]  Hippocras, et supra, Ti. 3  Lege Veteri ]  Veteri Lege, Ti. 4  novae ]  novi, Ti. B.

KAPITEL 69

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oder auch nur zwei Tage verschoben haben, sondern nur um einen Tag und einen kleinen Teil eines weiteres Tages. Daher konnte der zehnte Tag der Kalenden des Januar entsprechend der Entdeckung des Ptolemäus auch der elfte Tag der Kalenden gewesen sein. Und da nach den Berechnungen des Ptolemäus die Tagundnachtgleiche im ersten Jahr der Geburt [unseres Herrn] nicht am elften Tag vor den Kalenden des April stattgefunden haben kann, kann sie auch nicht am achten Tag stattgefunden haben, wie die Urkirche geglaubt hat. Noch unmöglicher kann dies am zwölften Tag vor den Kalenden des April gewesen sein, wie es heute dem Glauben gemäß der Brauch der Kirche ist. Denn da die Tagundnachtgleiche sich im Kalender immer weiter nach vorne verschiebt und zur Zeit des Ptolemäus am elften Tag vor den Kalenden des April war, war sie vor der Zeit des Ptolemäus nach diesem Datum und mehr gegen April hin. Gemäß diesen Tatsachen sind die Tag­undnacht­g leichen und Sonnenwenden nicht immer an den gleichen Tagen und erst recht nicht an den Tagen, die von der Kirche festgesetzt worden sind. Auch Hippokrates war demnach nicht weit von der Wahrheit entfernt, schließlich hat er mehr als 300 Jahre vor Christi Geburt gelebt, in einer Zeit also, als die Tagundnachtgleiche durchaus am achten Tag vor den Kalenden gewesen sein kann – oder doch in der Nähe dieser Zeit, nämlich am siebenten Tag. Doch die dritte Unannehmlichkeit ist noch weitaus größer. Denn es ist die Wahrheit, wie wir vorher bereits gezeigt haben, dass Ostern ohne Fehler an dem Sonntag gefeiert werden muss, der nach dem 14. Mond kommt, der entweder während oder nach der Frühlingstagundnachtgleiche scheint. Der Grund hierfür liegt in der Übereinstimmung des christlichen Gesetzes mit dem alten Gesetz, nämlich der Beachtung des Pessachfestes, das zuerst im alten Gesetz gefeiert wurde, und das als Vorbild für das Osterfest gedient hat. Denn da es der Wahrheit entspricht, dass die Tagundnachtgleiche am dritten Tag vor den Iden des März ist, und da es möglich ist, dass an diesem Datum der vierzehnte Mond scheint, nämlich im 14. Jahr eines neunzehnjährigen Zyklus, sodass der erste Mond an dem Tag vor den Kalenden des März über dem Buchsta-

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Teil I

Dominica proxima post illum diem sit Pascha secundum veritatem. Sed non potest ab hac quarta decima luna dies Dominica elongari plus quam usque1 ad tertium decimum Kalendas Aprilis, ut patet in kalendario. Sed hoc est ante undecimum Kalendas Aprilis, ubi primum Pascha celebrat ecclesia; quare in illo anno quarto decimo cycli non celebrabitur Pascha gloriosum tempore suo. Et idem accidit in tertio anno cycli, ut patet per aureum numerum in Kalendis Martii. Nam duodecimo Kalendas Aprilis, vel citra, erit Pascha. Et quoniam potest contingere dies Dominica in his annis pridie Idus Martii, et Idibus, et2 sic ultra, usque ad duodecimum Kalendas Aprilis, ideo multipliciter debet fieri Pascha in illis diebus, quod observari non potest si primum Pascha sit undecimo Kalendas Aprilis. Et quoniam aequinoctium verum ascendit plus et plus, ita quod3 circiter millesimum quadringentesimum octogesimum et unum annum erit quinto Idus Martii, et sic ulterius antecedendo versus principium Martii, secundum computationem4 kalendarii, et ultra Martium continue propter errorem de falsitate anni, necesse est quod Pascha fieret circa principium Martii vel in Februario; et sic antecedendo secundum antecessionem aequinoctii. Sed hoc est inconveniens maximum; quia sic non solum Pascha, sed quadragesima, et omnia festa mobilia recederent horribiliter a statu suo, et confunderetur totus ordo ecclesiastici officii. Praeterea, cum secundum veritatem Pascha potest celebrari ante undecimum Kalendas Aprilis, secundum aequinoctiorum veritatem, et hoc per multos dies, et quot volumus, secundum quod

1  plus quam usque ]  nisi, Ti. 2  et ]  om. B. 3  quod ]  om. B. 4  computationem ]  compositionem, Ti. B.

KAPITEL 69

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ben C gezählt wird, muss der Ostertermin notwendig und in Übereinstimmung mit der Wahrheit auf den nächsten Sonntag nach diesem Tag fallen. Doch von diesem 14. Mond an kann der Sonntag nicht weiter entfernt sein als bis zum 13. Tag vor den Kalenden des April, wie anhand des Kalenders deutlich wird. Doch dieses Datum liegt vor dem elften Tag vor den Kalenden des April, an dem die Kirche den frühestmöglichen Ostertermin feiert. Daher wird in jenem 14. Jahr des Zyklus das ruhmreiche Osterfest zur falschen Zeit gefeiert werden. Das Gleiche geschieht auch im dritten Jahr des Zyklus, wie sich anhand der Goldenen Zahl in den Kalenden des März zeigen lässt. Denn Ostern wird sich am zwölften Tag vor den Kalenden des April oder doch sehr nahe um diesen Zeitraum herum ereignen. Da der Sonntag in diesen Jahren auf den Tag vor den Iden des März oder auf die Iden selbst usw. bis zum zwölften Tag vor den Iden des April fallen kann, sollte Ostern aus vielen Gründen an diesen Tagen gefeiert werden – was jedoch unmöglich ist, wenn der früheste Ostertermin auf den elften Tag vor den Kalenden des April gelegt wird. Da die wahre Tagundnachtgleiche zunehmend im Kalender aufsteigt, wird sie im 1481. Jahr am fünften Tag vor den Iden des März stattfinden. Auf diese Weise wird die Tagundnachtgleiche immer mehr Richtung Anfang April wandern und sich nicht mehr im März ereignen, weil die Länge des Jahres falsch berechnet wird. Ostern wird dann am ersten März oder im Februar gefeiert werden müssen, und so wird das Osterfest in Übereinstimmung mit dem früheren Datum der Tagundnachtgleiche immer früher angesetzt werden müssen. Doch das ist ein äußerst großer Nachteil: Denn nicht nur Ostern, sondern auch die Fastenzeit und alle beweglichen Feste werden in einer furchtbaren Weise von ihren Positionen abweichen, wodurch die gesamte Ordnung des Kirchendienstes in Verwirrung gebracht werden wird. Da weiterhin Ostern vor dem elften Tag vor den Kalenden des April in Übereinstimmung mit den wahren Zeitpunkten der Tagundnachtgleichen gefeiert werden kann, nämlich in Bezug auf den immer früheren Zeitpunkt der Tagundnachtgleiche in vielen Jahren, ja, in so vielen Jahren, wie wir

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Teil I

aequi­noctium antecedit, oportet quod verum quadragesimae principium similiter ascendat, antequam incipiatur secundum usum ecclesiae. Et ita in vera quadragesima carnes per multos dies comedentur. Et in tantum potest aequinoctium antecedere quod tota quadragesima vera erit in tempore quo Christiani comedent carnes, quod est absurdissimum. Et sic festum Paschale, quo mundus salvatur, et festum Pentecostes, quo gratia Dei diffusa est in ecclesiam, et caetera festa mobilia violantur; et per consequens alia festa immobilia, quia illa cedunt Paschali1 et festis aliis sui generis, ut notum est evidenter. Et cum haec sunt horribilia ex se, sunt magis stulta et derisione digna, quia propter ignorantiam et negligentiam diabolus procuravit quod sic accideret Dei ecclesiae. Nam non oporteret aliud, nisi quod certificaretur anni quantitas et aequinoctium. Et si peritissimis astronomis non denegatur certificatio quantitatis anni, tamen facilius est certificare aequinoctium; quia per centum et circiter viginti annos non mutatur nisi per unum diem, secundum opinionem magis probatam nunc diebus. Et daretur ars de hoc; et etiam inveniretur aequinoctium per saecula futura, usque in finem mundi et ultra, quod facile est; et fierent tabulae et canones de hoc, et scriberentur per totam ecclesiam Dei, et ponerentur cum kalendario, et tunc non accideret impedimentum in hac parte. Et similiter aliud aequinoctium inveniri possit, et solstitia de facili; et omnis error in his de facili evacuaretur, ad laudem et honorem Dei, et tolleretur infamia et scandalum, quae nunc2 multiplicantur apud omnes computistas, et astronomos, et sapientes, propter errores, qui in hac parte vulgari ab ecclesia permittuntur.

1  Paschali ]  Paschati, Ti. 2  nunc ]  in, Ti.

KAPITEL 69

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nur wollen, ergibt sich notwendig, dass sich auch die Fastenzeit im Kalender dementsprechend immer weiter nach vorne verschiebt: bis hin zu einem Zeitpunkt, der deutlich vor der durch die Kirche festgesetzten Zeit liegt. Daher wird in der wahren Fastenzeit schon seit vielen Tagen Fleisch gegessen werden, was in einem so großen Ausmaß möglich sein wird, dass die gesamte Fastenzeit damit ausgefüllt sein wird, dass die Christen Fleisch essen, was äußerst absurd ist. Auf diese Weise werden dem Osterfest, durch das die Welt gerettet wird, ebenso wie Pfingsten, durch das die Gnade Gottes in der Kirche verbreitet wird, große Gewalt angetan. Das gilt auch für die anderen beweglichen Feste, weil sie, wie jeder weiß, von Ostern und den anderen Festen dieser Art abhängen. Diese Verwirrungen sind zwar an sich schon schlimm genug, doch sie werden noch törichter und verlachenswerter, weil durch Unkenntnis und Nachlässigkeit der Teufel diesen Zustand in der Kirche Gottes herbeigeführt hat. Denn es wäre doch nur notwendig, dass die Länge des Jahres und die Tagundnachtgleichen richtig bestimmt werden. Wenn die richtige Berechnung der Jahreslänge ­einigen äußerst fähigen Astronomen ermöglicht werden würde, wäre es auch einfacher, den richtigen Zeitpunkt für die Tagundnachtgleiche festzusetzen, weil sie sich nach der heutigen anerkannten Ansicht in ungefähr 120 Jahren nur um einen Tag verschiebt. Man könnte daraus heute eine ernstzunehmende Wissenschaft machen, durch die die zukünftigen Tagundnachtgleichen auf ganz einfache Weise für alle fernen Zeiten bis zum Ende der Welt und darüber hinaus bestimmt werden könnten. Tafeln und Leitfäden für ihre Benutzung könnten angefertigt werden, die in der ganzen Kirche Gottes zusammen mit einem Kalender veröffentlicht werden könnten, wodurch es hier kein Hindernis mehr geben würde. Ähnlich könnten auch die andere Tagundnachtgleiche und die Sonnenwenden leicht gefunden werden; und jeder Fehler in dieser Angelegenheit wäre zum Lobe und zur Ehre Gottes ausgeräumt. Alle Täuschungen und Makel, die heute bei den Komputisten, den Astronomen und den Weisen aufgrund der Erlaubnis der Kirche, sie publik zu machen, so weit verbreitet sind, wären beseitigt.

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Teil I

CAPITULUM LXX. [ 473]

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Sed majus inconveniens accidit ex primatione designata per aureum numerum in kalendario; nam quilibet potest videre ad oculum, si aspiciat coelum, quod luna est prima secundum veritatem1 per tres dies vel quatuor antequam signetur in kalendario. Et in omnibus septuaginta sex annis recedit primatio a loco suo in kalendario per sexdecim minuta unius diei et quadraginta secunda2; et hoc est plus quarta unius diei, et prope tertiam unius diei, quia sexdecim minuta diei et quadraginta secunda diei sunt sex horae et quadraginta minuta unius horae3. Et in omnibus trecentia et quatuor annis recedit a loco primationis per unum diem, et sex minuta unius diei4 et quadraginta secunda. Et post quatuor millia ducenta quinquaginta sex dicetur luna secundum kalendarium prima, quando est plena lumine. Et post septem millia noningentos quatuor annos erit error unius lunationis integrae, excepto modico, scilicet exceptis triginta octo minutis et triginta secundis. Et hic error potest devenire ad centum lunationes, et tunc iterum redibit error primus, ut sequantur sequentes per ordinem; et sic in infinitum hi errores revolvuntur. Et quod haec omnia sint vera non est dubium peritis astronomis; et quilibet computista novit quod fallit primatio per tres dies vel quatuor his temporibus; et quilibet rusticus potest in coelo hunc errorem contemplari. Quantumcunque vero5 brevius possum6, aperiam grossam declarationem errorum praedictorum. Nostrum vero kalendarium ponit cyclum decennovalem esse aequalem novendecim annis solaribus cum quarta integre sumptis, secundum quod kalendarium utitur hujusmodi anno solari, ut prius habitum est. Et hic cyclus 1  secundum veritatem ]  om. Ti. 2  secunda ]  om. Ti. 3  plus quarta unius … unius horae ]  om. in B. Dort steht jedoch in einer Marginalie: »Error scriptoris est; deberet scribi: ›et hoc est plus quarta unius diei; et hoc est verum, quia xvi. minuta diei et xl. secunda diei‹, etc.« 4  unius diei ]  om. Ti. 5  vero ]  om. Ti. 6  possum ]  possim, Ti.

Kapitel 70

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Kapitel 70 Über die Mondwechsel im Zusammenhang mit dem Ostertermin [ 473]

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Doch eine noch größere Unannehmlichkeit ergibt sich aus dem Mondwechsel, der durch die Goldene Zahl im Kalender angezeigt wird. Denn wenn man den Himmel beobachtet, kann jeder mit eigenen Augen sehen, dass der neue Mond in Wahrheit drei oder vier Tage vor diesem Kalenderdatum aufgeht. Alle 76 Jahre weicht der Mondwechsel von seinem ihm zugewiesenen Ort im Kalender um 16 Minuten eines Tages und 40 Sekunden ab. Das macht also mehr als ein Viertel und fast ein Drittel eines Tages aus, denn 16 Minuten und 40 Sekunden sind sechs Stunden und 40 Minuten. Alle 304 Jahre weicht das Datum des ersten Mondwechsels im Kalender um einen Tag, sechs Minuten eines Tages und 40 Sekunden ab. Nach 4256 Jahren wird der Mond nach unserem Kalender also Neumond genannt werden, wenn er in hellstem Licht steht. Nach 7904 Jahren wird es eine Abweichung einer ganzen Mondphase geben, mit der Ausnahme eines kleinen Teils, der 38  Minuten und 30 Sekunden beträgt. Dieser Fehler kann sich bis auf 100 Mondwechsel erstrecken, und dann wird wieder der erste Fehler auftreten, sodass die anderen in dieser Ordnung wieder von neuem folgen, was sich für immer wiederholen wird. Die fähigen Astronomen kennen diese Tatsachen; und jeder Komputist weiß, dass der Beginn des Mondwechsels um drei oder vier Tage verschoben ist, wie auch jeder Bauer mit eigenen Augen am Himmel sehen kann. Ich möchte diese genannten Fehler nun, so kurz ich kann, aufzeigen. Unser Kalender setzt einen Zyklus von 19 Jahren mit 19 Sonnenjahren gleich, zu denen ein viertes ganzes Sonnenjahr gerechnet wird. Demzufolge benutzt der Kalender ein Sonnenjahr der Art, die bereits weiter oben beschrieben worden ist. Der Zyklus

600

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Teil I

continet omnes lunationes1, quae contingunt in novendecim annis lunaribus, et computantur ducentae triginta quinque: quia quolibet lunari anno, qui dicitur communis, habemus duodecim lunationes; et illis addimus septem lunationes in toto cyclo decennovenali, ad restaurationem defectus qui accidit duodecim lunationibus respectu duodecim mensium solarium in anno solari; quia annus lunaris, consistens ex duodecim lunationibus, non habet nisi trecentos quinquaginta quatuor dies integros, et solaris habet undecim plures, nam habet trecentos sexaginta quinque; et ideo annus lunaris citius finitur quam solaris per undecim dies. Et tunc colliguntur isti undecim dies superflui usque ad tertium annum, et fit una lunatio seu mensis lunaris. Et sic in tertio anno cycli apponitur unus mensis lunaris, et vocatur embolismus, et annus embolismalis, id est, superexcrescens, quia habet tredecim lunationes, et sic ultra per totum cyclum semper colliguntur isti menses embolismales, ut fiant anni embolismales, quatenus cyclus lunationum decennovenalis aequetur novendecim annis solaribus. Sed istud est impossibile: nam secundum Ptolomaeum in Almagesti, et omnes astronomos2, mensis lunaris proprie non est ad visionem novae lunae, quia hoc tempus est in­ aequale, quia3 aliquando in mane ejusdem diei est novacula veteris lunae, et in vespere novacula novae lunae, et4 aliquando est spatium duarum dierum inter eas, et aliquando tres dies intercipiuntur, ut planum est sensui et causae ab astronomis assignantur. Sed menses debent aequari. Item nec a conjunctione solis et lunae secundum eorum cursum verum, quia hoc tempus est inaequale; et ideo considerabitur penes conjunctionem solis et lunae, secundum utriusque eorum cursum medium et aequalem; quia hoc tempus est aequale et uniforme. Et secundum quod probat Ptolomaeus in Almagesti, hoc tempus est viginti novem dies et triginta unum minuta5 unius diei et quinquaginta secunda, et octo6 tertia, et novem quarta, et vi1  omnes lunationes ]  lunationes omnes, Ti. 2  et omnes astronomos ]  om. Ti. 3  quia ]  quum, Ti. 4  et ]  B. 5  minuta ]  minutum, B. 6  et octo ]  octo et, B.

4  et ]  B. 5  minuta ]  minutum, B. 6  et octo ]  octo et, B.

Kapitel 70

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enthält alle Mondwechsel, die in 19 Mondjahren stattfinden und die auf 235 berechnet werden. Denn in jedem sogenannten normalen Mondjahr haben wir zwölf Mondwechsel; und zu diesen rechnen wir in einem gesamten Zyklus von 19 Jahren noch sieben Mondwechsel hinzu, um die Abweichungen auszugleichen, die sich in zwölf Mondwechseln gegenüber den zwölf Monaten im Sonnenjahr ergeben. Denn das aus zwölf Mondwechseln bestehende Mondjahr hat nur 354 volle Tage, das Sonnenjahr hingegen hat mit 365 Tagen elf Tage mehr. Daher endet das Mondjahr elf Tage früher als das Sonnenjahr. Dann werden die überzähligen elf Tage in drei Jahren zusammengezählt, woraus dann ein weiterer Mondwechsel bzw. ein weiterer Mondmonat gemacht wird. Auf diese Weise wird im dritten Jahr eines Zyklus ein Mondmonat eingefügt, der Schaltmonat genannt wird, und das Jahr [in das dieser Monat eingefügt wird] nennt man Schaltjahr. Das Schaltjahr ist also ein längeres Jahr, weil es 13 Monate hat. Und diese Schaltmonate werden während des gesamten Zyklus gesammelt, damit sie zu Schaltjahren werden, sodass ein neunzehnjähriger Zyklus von Mondwechseln 19 Sonnenjahren gleicht. Das ist jedoch unmöglich, weil nach Ptolemäus’ Almagest und nach den anderen Astronomen der Mondmonat nicht korrekt vom ersten Neumond an berechnet wird, weil diese Zeit oft ungleich ist: denn manchmal gibt es am Morgen desselben Tages noch einen Rest des alten Mondes, während sich am Abend die erste Sichel des neuen Mondes zeigt. Manchmal vergehen zwischen diesen Ereignissen jedoch zwei Tage, manchmal auch drei, wie den Sinnen deutlich ist, und wofür von den Astronomen auch Gründe angegeben werden. Doch die Monate müssen gleich sein. Ebenso beginnt ein Mondmonat nicht mit einer Konjunktion von Sonne und Mond nach ihrer wahren Bahn, weil auch diese Zeit oft wechselt. Daher lässt man ihn mit der mittleren und gleichen Bahn der Sonne und des Mondes beginnen, weil diese Zeit gleichbleibend ist. Gemäß dem Beweis, den Ptolemäus in seinem Alma­ gest aufgestellt hat, beträgt diese Zeit 29 Tage, 31 Minuten, 50 Sekunden, acht Drittel, neun Viertel und zwanzig Fünftel. ­A zarchel

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Teil I

ginti quinta. Et huic concordat Azachel1, qui fundavit tabulas suas super quantitatem anni lunaris, qui annus lunaris continet trecentos quinquaginta quatuor dies, et quintam et sextam unius diei, id est, viginti duo minuta. Et secundum hoc erit tempus aequalis lunationis viginti novem dies, et triginta unum minuta, et quinquaginta secunda: quia viginti novem dies, et triginta unum minuta, et quinquaginta secunda, multiplicata per duodecim, faciunt trecentos quinquaginta quatuor dies et viginti duo minuta. Sed Azachel2 omisit tertia Ptolomaei, et quarta, et quinta, quia in maximo tempore parum quantitatis adjiciunt. Posito igitur quod tempus aequalis lunationis sit viginti novem dies, et triginta unum minuta, et quinquaginta secunda, accidit quod minimum tempus, reducens integras lunationes ad idem temporis principium, est triginta anni Arabum, qui constant ex trecentis sexaginta lunationibus integris, et continent dies decem millia sexcentos triginta unum praecise. Quoniam cum una lunatio sit viginti novem dies, et triginta unum minuta, et quinquaginta secunda, duodecim lunationes, quae faciunt unum annum Arabum et annum unum lunarem, continebunt trecentos quinquaginta quatuor dies et viginti duo minuta unius diei. Sed trecenti quinquaginta quatuor multiplicati per triginta faciunt decem millia sexcentos viginti; et viginti duo minuta multiplicata per triginta faciunt undecim dies integros, qui conjuncti prioribus faciunt decem millia sexcentos triginta unum, reducentes primo lunationes aequales ad consimile temporis initium. Cum igitur triginta anni Arabum sint tempus minimum, quod reducit integras lunationes ad consimile temporis initium, non est possibile ut aliud tempus hoc idem faciat, nisi sit ei aequale vel multiplex. Sed decem et novem anni kalendarii nostri non aequantur triginta annis Arabum, nec sunt eis multiplices; quia triginta Arabum continent viginti novem annos solares, et unum mensem, et octo dies. Ergo relinquitur quod novendecim anni solares non possunt aequari vero cyclo primationum, nec per consequens novendecim anni cycli decennovenalis, et ideo cyclus decennovenalis non est verus cyclus primationum. 1  Azachel ]  Artachel, B. 2  Azachel ]  Artachel, B.

Kapitel 70

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stimmt dem zu und ließ seine Tafeln auf einem Mondjahr mit 354 Tagen, einem Fünftel und einem Sechstel von einem Tag beruhen, das heißt auf 22 Minuten. Demnach wird die Zeit eines gleichmäßigen Mondwechsels 29 Tage, 31 Minuten und 50 Sekunden betragen, was 354 Tage und 22 Minuten ergibt, wenn man [diesen Betrag] mit zwölf multipliziert. Doch Arzachel ließ die Drittel, Viertel und Fünftel des Ptolemäus beiseite, weil sie selbst in einer sehr langen Zeitperiode nur wenig hinzufügen. Wenn wir also annehmen, dass die Zeit eines Mondmonats 29 Tage, 31 Minuten und 50 Sekunden beträgt, dann ergibt sich, dass die kürzeste Zeit 30 Jahre der Araber ergibt, wenn man die Mondwechsel auf den jeweils gleichen Zeitanfang zurückführt. Dreißig Jahre der Araber enthalten aber 360 Mondmonate und 10 631 Tage. Denn da ein Mondmonat aus 29 Tagen, 31 Minuten und 50 Sekunden besteht, enthalten zwölf Mondmonate, die ein Jahr bei den Arabern und ein Mondjahr sind, 354 Tage und 22 Minuten. Doch 354 mal 30 machen 10 620, und 22 mal 30 machen elf ganze Tage, was insgesamt 10 631 ergibt, wenn man die ersten gleichen Mondwechsel auf die gleiche Zeit festlegt. Da 30 Jahre bei den Arabern die mindeste Zeit sind, durch die sich ganze Mondwechsel auf die gleiche Zeit festlegen lassen, ist es unmöglich, dass eine andere Zeiteinteilung Ähnliches erreichen kann, außer sie ist dieser Zeiteinteilung gleich oder ein Vielfaches davon. Doch 29 Jahre unseres Kalenders sind nicht 30 Jahren der Araber gleich oder ein Vielfaches davon, weil 30 Jahre der Araber 29 Sonnenjahre, einen Monat und acht Tage enthalten. Daher bleibt also, dass 19 Sonnenjahre nicht einem korrekten Zyklus von Mondjahren entsprechen, was natürlich auch für die 19 Jahre des neunzehnjährigen Zyklus gilt. Daher ist der neunzehnjährige ­Zyklus kein wirklicher Zyklus der Mondwechsel.

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Teil I

Praeterea istud potest magis in particulari manifestari, ut appareant inconvenientia prius nominata. Nam singuli novendecim anni solares non sunt aequales ad invicem; eo quod in primo sunt tantum quatuor bisextiles anni, et in aliis tribus1 sunt quinque: quia quartus annus in primo cyclo bisextilis est, et octavus, et duodecimus, et sextus decimus, eo quod quartus annus sit semper bisextilis. Et ideo in secundo cyclo primus est bisextilis, et sic ulterius, ita quod in illo sunt quinque, ut patet consideranti. Et similiter in duobus aliis2; et tunc iterum redit cyclus, qui habet quatuor bisextiles, et subsequuntur tres qui habent quinque, et sic semper currit ordo cyclorum. Primus autem cyclus annorum solarium novendecim habet prae­ cise sex millia noningentos triginta novem dies, et in illis assignantur ducentae triginta quinque lunationes. Sed si multiplicaverimus tempus aequalis lunationis, hoc est viginti novem3 dies, triginta unum minuta, et quinquaginta secunda, in ducenta triginta quinque, resultabunt sex millia noningenti triginta novem dies, et quadraginta minuta et quinquaginta secunda; quae sunt plus quam duae tertiae unius diei. Quapropter completis novendecim annis, habentibus tantum quatuor dies bisextiles, nondum completae sunt ducentae triginta quinque lunationes, sed desunt eis quadraginta minuta et quinquaginta secunda unius diei. Quilibet vero novendecim anni, habentes quinque dies bisextiles, habent dies sexaginta novem millia trecentos quadraginta: unde cum ducentae triginta quinque lunationes aequales habent4 sex millia noningentos triginta novem dies, et quadraginta minuta, et quinquaginta secunda, tunc novendecim anni, habentes quinque annos bisextiles, superant ducentas triginta quinque lunationes spatio novendecim minutorum et decem secundorum; quod est fere tertia unius diei. Quod patet, si de uno die, quo superfluunt nunc dicti novendecim anni super ducentas triginta quinque lunationes5, subtrahamus 1  tribus ]  om. B. 2  duobus aliis ]  aliis duobus, B. 3  viginti novem ]  triginta novem, cor. B [?]. 4  sexaginta novem … habent ]  om. Ti. 5  lunationes ]  om. Ti.

4  sexaginta novem … habent ]  om. Ti. 5  lunationes ]  om. Ti.

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Weiterhin kann das mehr im Detail verdeutlicht werden, sodass die oben erwähnten Nachteile noch klarer bezeichnet werden können. Denn aufeinander folgende Perioden von 19 Sonnenjahren haben nicht die gleiche Länge, weil es im ersten Zyklus nur vier Schaltjahre gibt und in den drei folgenden fünf, da das vierte, das achte, das zwölfte und das 16. Jahr im ersten Zyklus Schaltjahre sind, weil das jeweils vierte Jahr immer ein Schaltjahr ist. Daher ist im folgenden Zyklus das erste Jahr ein Schaltjahr und so weiter, sodass es in diesem Zyklus und den beiden folgenden Zyklen fünf Schaltjahre gibt, wie jedem schnell klar wird, der über diese Dinge nachdenkt. Und dann beginnt der Zyklus mit den vier Schaltjahren wieder von vorn, worauf die drei weiteren Zyklen folgen, die fünf Schaltjahre haben; und auf diese Weise verläuft die Ordnung der Zyklen immer weiter. Der erste Zyklus von 19 Sonnenjahren hat genau 6939 Tage; und diese Jahre enthalten 235 Mondmonate. Doch wenn wir die Zeitperiode gleichlanger Mondmonate, also 29 Tage, 31 Minuten und 50 Sekunden, mit 235 multiplizieren, ergeben sich 6939 Tage, 40 Minuten und 50 Sekunden, was mehr als zwei Drittel eines Tages sind. Daher sind nach Vollendung von 19 Jahren, die nur vier Schalttage enthalten, 235 Mondmonate noch nicht erreicht, weil noch 40 Minuten und 50 Sekunden eines Tages fehlen. Doch jeder neunzehnjährige Zyklus mit fünf Schalttagen enthält 6940 Tage. Es verhält sich demnach so, dass sich 235 Mondmonate auf 6939 Tage, 40 Minuten und 50 Sekunden belaufen, und dass Jahreszyklen mit fünf Schalttagen 235 Mondmonate um 19 Minuten und zehn Sekunden übertreffen, was immerhin ungefähr ein Drittel eines Tages ist. Das wird ersichtlich, wenn von dem einen Tag, durch den die zuerst genannten 19 Jahre die 235 Mondmonate überragen,

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Teil I

quadraginta minuta et quinquaginta secunda, quibus illae lunationes eadem superfluebant super novendecim annos, habentes tantum quatuor dies bisextiles1, et ita patet quod non quilibet novendecim anni solares aequantur sibi invicem, sed quater novendecim anni redeunt ad idem temporis principium, qui faciunt septuaginta sex annos, et semper aequantur aliis septuaginta sex annis. Si2 ergo aggregentur ter novendecim minuta et decem secunda, quae quilibet novendecim anni, habentes quinque bisextos, addunt super ducentas triginta quinque lunationes, provenient nobis quinquaginta septem minuta et triginta secunda, quibus isti ter novendecim anni, habentes quinque bisextos, simul sumpti excedunt suas lunationes. Sed novendecim anni, habentes tantum dies quatuor bisextiles, sunt minores suis lunationibus in quadraginta minutis et quinquaginta secundis. Si igitur subtrahantur haec quadraginta minuta et quinquaginta secunda a praedictis quinquaginta septem minutis et triginta secundis, relinquentur sexdecim minuta et quadraginta secunda, quibus quater novendecim anni solares, qui ­faciunt septuaginta sex annos, excedunt suas lunationes. Et hic est primus error notabilis quem a principio notavi; ex quo sequitur secundus. Nam si accipiamus quater septuaginta sex annos, qui faciunt trecentos et quatuor annos, superabunt suas lunationes in quater sexdecim minutis et quadraginta secundis. Sed haec sumpta quater faciunt unum diem, et sex minuta, et quadraginta secunda: relinquitur igitur error secundus, quod trecenti et quatuor anni superant suas lunationes in uno die, et sex minutis unius diei, et quadraginta secundis. Et ideo accidit quod post trecentos et quatuor annos, ut dicamus3 secundum kalendarium lunam primam, ipsa existente majoris aetatis quantitate unius diei, et sex minutorum, et quadraginta secundorum. Et si haec accidunt, manifestum est inquirenti quod, multiplicato tempore, multiplicabuntur inconvenientia. Et ideo post qua1  bisextiles ]  non omnes novendecim anni solares sunt sibi invicem aequales, sicut nec cycli decennovales, Ti. in. Marg. 2  Si ]  om. Ti. 3  dicamus ]  dicas, Ti.

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die 40 Minuten und 50 Sekunden abgezogen werden, durch die die Mondmonate länger als die 19 Jahre mit nur vier Schalttagen sind. Daraus ergibt sich ebenso, dass auch die Perioden von jeweils 19 Sonnenjahren nicht untereinander gleich sind. Vier mal 19 Jahre hingegen – also 76 Jahre – kehren zu demselben Anfang in der Zeit zurück und sind immer gleich zu anderen Perioden mit 76 Jahren. Wenn daher die 19 Minuten und zehn Sekunden zusammengenommen werden, die jede Zeitperiode von 19 Jahren mit den Schaltjahren zu dem Überschuss gegenüber den 235 Mondmonaten beiträgt, ergeben sich für uns 57 Minuten und 30 Sekunden, die die drei mal 19 Jahre mit den fünf Schaltjahren gegenüber den Mondmonaten zu viel haben. Doch 19 Jahre mit nur vier Schalttagen sind um 40 Minuten und 50 Sekunden kürzer als die Mondmonate. Wenn daher die 40 Minuten und 50 Sekunden von den vorher genannten 57 Minuten und 30 Sekunden abgezogen werden, bleiben noch immer 16 Minuten und 40 Sekunden, durch die vier mal 19 Sonnenjahre, also 76 Sonnenjahre, die Mondjahre überschreiten. Das ist der erste bemerkenswerte Fehler, den ich zu Anfang bereits angesprochen hatte. Und aus diesem ersten Fehler folgt der zweite. Denn wenn wir vier mal 76 Jahre nehmen, was 304 Jahre ergibt, werden diese Jahre ihre entsprechenden Mondmonate um vier mal 16 Minuten und 40 Sekunden übersteigen. Doch vier mal 16 Minuten und 40 Sekunden ergeben einen Tag, sechs Minuten und 40 Sekunden. So ergibt sich also der zweite Fehler, dass 304 Jahre ihre entsprechenden Mondjahre um einen Tag, sechs Minuten eines Tages und 40 Sekunden überragen. Daher passiert es, dass wir nach 304 Kalenderjahren sagen, es wäre Neumond, auch wenn der wirkliche Mond um einen Tag, sechs Minuten und 40 Sekunden älter ist. Da dies Tatsachen sind, ist dem Forscher schnell klar, dass sich mit der Vervielfältigung der Zeit auch die Unannehmlichkeiten vervielfachen. Daher wird nach 4256 heutigen Kalenderjahren der

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Teil I

tuor millia trecentos1 quinquaginta sex annos dicetur luna prima, quum secundum computationem kalendarii ipsa erit plena lumine; et ulterius quod una lunatio integra superabundabit; et tandem quod centum lunationes in maximo tempore superfluent, sicut patet per radices jam datas; nec est necesse facere computationes majores pro praesenti persuasione, quia promptae sunt demonstrationes ad hoc cum fuerit opportunum. Manifestissimus igitur est error primationum secundum kalendarium, et non unus sed multiplex, nec parvus sed quasi infinitus. Et cum ita sit error cycli decennovalis in singulis annis, sequitur quod similiter erit error in cyclis epactarum. Nam undecim dies excrescentes in anno solari super annum lunarem dicuntur epactae2 sequentis anni solaris, quasi epi-aucta, hoc est, super-augmentata; et per illos undecim dies majoratur aetas lunae in primo die sequentis anni, et per eosdem dies3 majoratur aetas ­lunae in principio cujuslibet mensis futuri anni super aetatem suam in principio cujuslibet mensis prioris anni. Et quia hujus­ modi errores contingunt, necesse est ut aetas lunae vera quaeratur aliter quam per hujusmodi cyclos. Et remedium horum omnium est quod possumus cognoscere primationem lunae secundum veritatem astronomicam, si inveniremus tempora secundum annos et menses Arabum. Quia primus dies cujuslibet mensis Arabum est dies conjunctionis solis et lunae secundum eorum utriusque cursum medium. Unde si diem hunc volumus dicere primum diem aetatis lunae, tunc cognitis initiis mensium, cognoscuntur initia primationum. Quod si velimus inchoare primationes nostras prima die visionis lunae, vel a secunda, vel a tertia, incipiemus primationes nostras secundum hoc, et procedemus uniformiter in

1  trecentos ]  ducentos, Ti. 2  epactae ]  epacta, B. Ti. 3  dies ]  om. Ti.

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Mond als Neumond bezeichnet werden, wenn er doch in vollem Licht am Himmel steht. Weiterhin wird ein ganzer Mondmonat zu viel vorhanden sein; und auf lange Sicht werden in einer sehr langen Zeitspanne 100 Mondmonate überschüssig sein, wie aus den gerade genannten Prinzipien ersichtlich wird. Doch es ist jetzt nicht nötig, für diese Überzeugungsschrift umfangreichere Berechnungen anzustellen, weil die Beweise dafür bereits alle vorhanden sind. Der Fehler der ersten Mondwechsel nach dem Kalender ist jedenfalls ganz offensichtlich; und es ist nicht nur ein Fehler, sondern es ergeben sich daraus ganz verschiedene weitere Fehler, die nicht klein, sondern fast unendlich groß sind. Da dieser Fehler in den einzelnen Jahren des neunzehnjährigen Zyklus auftritt, ergibt sich automatisch, dass sich ebenso Fehler in den Zyklen der Epakten einschleichen werden. Denn die elf Tage eines Sonnenjahres, die gegenüber dem Mondjahr überzählig sind, werden der Epakt des folgenden Sonnenjahres genannt, also gleichsam ›epi-aucta‹, was so viel bedeutet wie ›zusätzlich vermehrt‹. Durch diese elf Tage wird das Mondalter am ersten Tag des folgenden Jahres vergrößert; und durch dieselben Tage wird das Mondalter zu Beginn jeden Monats des kommenden Jahres gegenüber dem Beginn jedes Neumonds des ersten Jahres vermehrt. Weil es diese Fehler gibt, muss das Mondalter mit anderen Mitteln als diesen Zyklen bestimmt werden. Das Heilmittel für alle diese Probleme besteht darin, dass wir lernen, den Neumond der astronomischen Wahrheit entsprechend zu bestimmen, indem wir die Zeit nach den Jahren und Monaten der Araber berechnen; denn der erste Tag jedes Monats des Jahres der Araber ist der Tag der Konjunktion von Sonne und Mond gemäß ihrem idealisierten mittleren Erdumlauf. Wenn wir also danach streben, diesen Tag den ersten Tag des neuen Mondmonats zu nennen, sind zugleich die Anfänge der Mondwechsel bekannt, wenn die Anfänge der Mondmonate bekannt sind. Doch wenn wir die Mondwechsel mit dem ersten Tag des sichtbaren Mondes beginnen wollen oder dem zweiten oder dritten, sollten wir unsere Mondwechsel mit dem zweiten oder dritten Tag jedes Monats der Araber beginnen lassen; und wir sollten gleich-

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Teil I

computatione lunationum, et non proveniet nobis error. Et quia scientia annorum Arabum et initia mensium eorum dabit veram cognitionem primationum, ideo non oportet nisi recurrere ad tabulas et canones annorum et mensium Arabum, et secundum hoc1 doctrinam, quae vulgata est apud astronomos Latinos et Arabes. Si tamen velimus alia via procedere, possumus eadem certitudine, sed majori auctoritate probare quae volumus, scilicet per tabulas Graecorum, et2 maxime Hebraeorum. Nam a principio Hebraei fuerunt peritissimi in sapientia astronomiae3. Et omnes nationes habuerunt4 hanc scientiam sicut caeteras ab eis, sicut probavi in superioribus. Et ideo si quis consideret tabulas Hebraeorum ad occasum solis Hierusalem, inveniet plenam in his veritatem. Sed quamvis errores, quos enumeravi, sint horribiles secundum se, tamen non est comparatio ad eos, qui ex jam dictis sequuntur. Nam totus ordo ecclesiasticarum solemnitatem confunditur per hujusmodi primationes erroneas secundum kalendarium, sicut per aequinoctiorum falsam fixationem5. Et ne differam in alios annos ad evidentiam istius erroris, pono6 casum in hoc anno M.CC. ­L XVII . Nam non solum media conjunctio solis et lunae in hoc anno fuit sexto Kalendas Aprilis super B literam, sed prima ­accensio lunae et visio primae lunae. Ergo luna fuit quarta decima quinto Idus Aprilis super A literam; et quarta decima luna est terminus Paschae, ac Dominica sequens est dies Paschae: quare in B litera sequente, scilicet in crastino, videlicet quarto Idus Aprilis, debet esse dies Paschae secundum veritatem. Sed modo transfertur usque ad octo dies ultra, propter primationem sumptam juxta aureum numerum.

1  secundum hoc ]  hoc secundum, Ti. 2  et ]  sed, Ti. 3  sapientia astronomiae ]  astronomia, et sapientia ejusdem, B. 4  habuerunt ]  om. Ti.; aber in Marg. »didicerunt«. 5  fixationem ]  fixionem, B. 6  pono ]  pone, Ti.

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mäßig in dieser Weise mit der Berechnung der Mondwechsel fortfahren – dann werden wir keinen Fehler finden. Denn die Kenntnis der Jahre der Araber und des Beginns ihrer Monate wird uns die wahre Kenntnis der Anfänge der Mondwechsel geben. Was wir dafür tun müssen, ist nur, auf die Tafeln und Richtlinien über die Jahre und Monate der Araber zurückzugehen und ihre Lehre aufzunehmen, die sowohl bei den Lateinern als auch bei den Arabern bekannt und verbreitet ist. Wenn wir jedoch auf einem anderen Weg voranschreiten wollen, können wir mit derselben Sicherheit und mit noch größerer Autorität alles, was wir wollen, mit Hilfe der Tafeln der Griechen und vor allem der Hebräer beweisen. Denn die Hebräer waren von Beginn an in der Astronomie sehr bewandert; und alle anderen Länder haben diese Wissenschaft – ebenso wie die anderen Wissenschaften – von ihnen erhalten, wie ich weiter oben bereits gezeigt habe. Wenn daher jemand die hebräischen Tafeln zu Rate ziehen will, um die Stellung der Sonne über Jerusalem zu berechnen, wird er dort die Wahrheit über diese Dinge finden. Doch auch wenn diese genannten Fehler für sich genommen schon schlimm sind, so sind sie doch nichts im Vergleich zu den Folgen, die aus dem Gesagten resultieren. Denn die gesamte Ordnung der Kirchenfeste wird durch diese Fehler verwirrt, die die Anfänge der Mondwechsel im Kalender und die Berechnung der Tagundnachtgleichen betreffen. Ich möchte mich für die Darstellung dieser Fehler gar nicht auf andere Jahre beziehen, sondern mich auf dieses Jahr beschränken. Denn nicht nur war die mittlere Konjunktion von Sonne und Mond dieses Jahr am sechsten Tag vor den Kalenden des April, über dem Buchstaben B, sondern auch die erste Erhellung und das Erscheinen des Mondes. Deshalb schien dieses Jahr der 14. Mond am fünften Tag vor den Iden des April, über dem Buchstaben A, und der 14. Mond ist das letzte Datum vor Ostern, denn an dem Sonntag darauf ist Ostersonntag. Daher sollte der Wahrheit entsprechend Ostern auf den folgenden Buchstaben B fallen, also auf den vierten Tag vor den Iden des April. Doch es wird wegen dem durch die Goldene Zahl errechneten Beginn des Mondwechsel um acht Tage nach vorne verlagert.

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Teil I

Nam aureus numerus istius anni est decimus quartus, qui ponitur tertio Kalendas Aprilis super E literam. Et ibi dicitur esse primatio secundum kalendarium: et ideo secundum hoc quarta decima luna, quae est terminus Paschae, est pridie Idus Aprilis; et in Dominica sequente assignatur Pascha, scilicet quinto decimo Kalendas Maii, et sic per octo dies ultra veritatem. Quapropter solemnitas Paschalis, qua mundus salvatur, non celebrabitur tempore suo; et jejunatur hoc anno per totam septimanam Paschae veram; nam jejunium extenditur per octo dies plus quam deberet. Et tunc sequitur aliud inconveniens, quod per octo dies tardius incipiebatur jejunium quadragesimale. Ergo Christiani comedebant carnes in vera quadragesima per octo dies; quod est absurdum. Et iterum tunc nec Rogationes, nec Ascensio, nec Pentecostes celebrantur hoc anno suis temporibus. Et sicut hoc anno M.CC.­ LXVII . accidit, ita accidet in1 anno sequente: nam secundum aureum numerum erit Pascha quarto Idus Aprilis, scilicet anno Domini M.CC.LXVIII . Sed esse debet tertio Nonas Aprilis per octo dies ante, quia2 luna prima est per tres dies antequam3 assignatur per aureum numerum. Et ideo quarto Kalendas Aprilis, vel saltem tertio, erit quarta decima luna, quae est terminus Paschae. Quapropter in prima Dominica sequente erit dies secundum veritatem. Et sicut his annis accidit, ita et saepius per antecessionem aequinoctii et primationis potest contingere, quod Pascha non solum per octo dies, sed per multo4 plures, celebratur antequam debeat, et caetera festa, sicut prius expositum est de aequinoctio. Nam per longitudinem temporis accidet lunam dici primam quando erit plena, et quando erit in quacunque distantia a sole, ut prius habi-

1  in ]  om. Ti. 2  quia ]  quam [?], Ti. 3  antequam ]  ante quod, B. 4  multo ]  multos, B.

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Denn die goldene Zahl dieses Jahres ist die 14, die auf den dritten Tag vor den Kalenden des April über den Buchstaben E gesetzt wird, und auf dieses Datum fällt dem Kalender zufolge der Beginn des Mondwechsels. Demnach wird der 14. Mond, der das letzte Datum vor Ostern ist, dieses Jahr am Tag vor den Iden des April sein; und auf den folgenden Sonntag fällt das Osterfest, also auf den 15. Tag vor den Kalenden des Mai und damit 8 Tage später als das wahre Datum. Daher wird Ostern, durch das die ganze Welt gerettet wird, nicht zu seiner richtigen Zeit gefeiert werden, sondern es wird dieses Jahr während der gesamten Osterwoche gefastet werden, weil das Fasten acht Tage länger andauert, als es eigentlich sollte. Daraus folgt als weiterer Nachteil, dass die Fastenzeit acht Tage zu spät begonnen hat, weshalb die Christen während der eigentlichen Fastenzeit acht Tage lang Fleisch gegessen haben, was absurd ist. Weiterhin werden dieses Jahr weder der Rogate-Sonntag noch Christi Himmelfahrt noch Pfingsten zu ihren richtigen Zeiten gefeiert werden. Und so wie es dieses Jahr 1267 geschieht, wird es auch in dem folgenden Jahr passieren. Denn gemäß der goldenen Zahl wird Ostern auf den vierten Tag vor den Iden des April im Jahr unseres Herrn 1268 fallen. Doch es sollte am dritten Tag vor den Nonen des April sein, also acht Tage früher, weil der erste Mond drei Tage früher scheint, als es durch die goldene Zahl angezeigt wird. Daher wird der 14. Mond, der das Ausgangsdatum für Ostern ist, in diesem Jahr auf den vierten oder zumindest dritten Tag vor den Kalenden des April fallen, weshalb es eine Tatsache ist, dass der darauffolgende Sonntag der Ostersonntag sein wird. So wie es dieses Jahr ist, kann es auch noch öfter für das frühere Datum der Tagundnachtgleiche und den Beginn des Mondwechsels gelten, dass Ostern nämlich nicht nur acht Tage, sondern noch viele Tage früher gefeiert wird, als es eigentlich gefeiert werden sollte. Ebenso die anderen Feste, wie wir bereits vorher anhand der Tagundnachtgleiche erklärt haben. Denn nach einer langen Zeitspanne wird der Mond ›erster‹ genannt werden, wenn er sich in irgendeinem beliebigen Abstand von der Sonne befindet, wie

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Teil I

tum est in erroribus primationum. Et ideo multiplex inconveniens et intolerabile hic sequetur. Cum igitur omnes astronomi et computistae possunt videre hos errores, et omnis homo, qui vult inclinare cervicem suam ad veritatis inquisitionem1, potest hos intueri, necessarium esset et debitum, ac Deo beneplacitum, et hominibus sapientibus desideratum, ut remedium poneretur: et remedium facile esset. Nam inveniretur verum aequinoctium per tabulas astronomiae, et per instrumenta; et verificaretur primatio per easdem considerationes, ut evacuarentur omnes modi errorum praedictorum; et quarta decima luna ab aequinoctio sumeretur, sive esset in die aequinoctii, sive post eum. Et ibi fieret terminus Paschae, ut in die Dominica sequente fieret dies Paschalis: et ideo non esset sequendus aureus numerus, nec aliquid fixum super kalendarium2. Et possent fieri tabulae de his primationibus et aequinoctiis, et secundum illas posset ordinari kalendarium in anno et in mensibus, secundum consimile artificium quo Hebraei utuntur.

CAPITULUM LXXI. [ 487]

Sed contra haec posset objici de synodo Nicena, quae statuit primationes Paschales inveniri juxta cyclum decennovalem. Et beatus papa Leo, discussione facta de3 hujusmodi contentione, tandem definivit adhaerere sententiae synodi Nicaenae. Atque Beda, in libro quatuor Temporum, capitulo quadragesimo tertio, nititur

1  inquisitionem ]  intuitionem, Ti. 2  kalendarium ]  kalendas, B. 3  de ]  super, Ti.

KAPITEL 71

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wir vorher anhand der Fehler über den Beginn des Mondwechsels erläutert haben. Daher folgen aus diesen Problemen viele und un­ erträgliche Unannehmlichkeiten. Da alle Astronomen und Komputisten und jeder Mensch, der die Wahrheit untersuchen will, diese Fehler sehen kann, sollte es eigentlich notwendig, unerlässlich und sowohl für Gott erfreulich als auch für alle Weisen wünschenswert sein, dass ein Heilmittel angewendet wird. Das Heilmittel wäre auch leicht anzuwenden; denn die wahre Tagundnachtgleiche könnte – ebenso wie der Beginn der jeweiligen Mondwechsel – anhand astronomischer Tafeln und Instrumente bestimmt werden, sodass alle angesprochenen Fehler ausgeräumt werden könnten. Es könnte auch der wirkliche 14. Mond der Tagundnachtgleiche bestimmt werden, egal ob er auf den Tag der Tagundnachtgleiche oder auf einen Tag danach fallen würde. So könnte der Beginn der Osterzeit richtig bestimmt werden, sodass der Ostersonntag auf den folgenden Sonntag fallen würde. Deshalb müsste man auch der goldenen Zahl dann nicht als etwas folgen, das in Bezug auf die Kalenden strikt festgelegt wäre. Zudem könnten Tafeln angefertigt werden, mit deren Hilfe sich die Anfänge der Mondwechsel und Tagundnachtgleichen leicht bestimmen ließen; und damit in Übereinstimmung könnten die Kalenden in Jahre und Monate eingeteilt werden, indem man einer ähnlichen Anleitung folgen würde wie der, die von den ­Hebräern benutzt wird.

KAPITEL 71 Weiteres über die Berechnung des Ostertermins und die Mondzyklen [ 487]

Dagegen könnte eingewendet werden, dass das Konzil von Nicaea entschieden hat, den österlichen Beginn des Neumondes nach dem neunzehnjährigen Zyklus einzurichten. Der selige Papst Leo hat sich dafür ausgesprochen, als diese Frage diskutiert worden ist, dem Konzil von Nizäa zu folgen. Auch Beda [Venerabilis] versucht im 43. Kapitel seiner Buches Über die Berechnung der Zeit 662 – so

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Teil I

quantum potest roborare hunc cyclum et primationes per discursum hujus cycli1 accidentes. Nam auctoritatem Nicenae synodi et Leonis papae introducit, et miraculum interponit: quoniam cum multi voluerunt quodam tempore Pascha debere celebrari octavo Kalendas Aprilis, et alii decimo Kalendas Maii, secundum quod ordo cycli decennovenalis exigebat, elisa est haec2 contentio per quoddam baptisterium, in quo nocte Paschae singulis annis replebatur fons sacer aqua per se, et baptizatis hominibus, sicut venerat, recedebat. Quod accidit decimo Kalendas Maii, secundum quod cycli ratio exigebat, et non octavo Kalendas Aprilis. Sed si haec3 bene intelligantur, non contradicunt veritati: nam cum Eusebius Caesariensis episcopus ordinaverat primo4 hunc cyclum, ipse fuit parum ante synodum Nicaenam; ita quod cum ipse ordinavit veraciter hunc cyclum, secundum quod cursus lunae fuit tunc, non potuit esse mutatio sensibilis in tempore quo celebrata fuit illa synodus sacrosancta. Et ideo sancti patres statuerunt hunc cyclum observari, quia non habuit tunc errorem, nec diu postea habuit falsitatem notabilem. Unde cum papa Leo fuerit post synodum Nicaenam quasi centum viginti annis, sub Marciano principe, manifestum est non posse5 primationem ad plus recessisse a loco suo in kalendario a tempore Eusebii nisi per unum diem. Et cum ipse discussit hunc errorem, saltem dedit occasionem posterioribus considerandi veritatem in hac parte. Caeterum novus error fuit, et non multum notabilis; et synodus Nicaena magnae auctoritatis fuit, propter quod non expedivit tunc temporis definitioni hujus synodi contraire. Caeterum non invenit astronomos in ecclesia sufficientes ad hoc; quia a principio fuit astronomia odiosa Christianis, propter cau-

1  cycli ]  om. Ti. B. 2  haec ]  om. Ti. 3  si haec ]  haec si, B. 4  ordinaverat primo ]  primo ordinaverat, Ti. 5  posse ]  posse plus, Ti.

KAPITEL 71

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gut er kann – die Richtigkeit dieses Zyklus und der Neumonde im Verlaufe dieses Zyklus zu beweisen. Denn er führt die Autorität des Konzils von Nicaea sowie des Papstes Leo an und zitiert ein Wunder: als einmal viele das Osterfest am achten Tag vor den Kalenden des April feiern wollten, andere hingegen am zehnten Tag vor den Kalenden des Mai, wie es die Reihenfolge des neunzehnjährigen Zyklus eigentlich erforderte, wurde der Streit durch ein gewisses Taufbecken gelöst, in dem sich jedes Jahr zu Ostern das Wasser für die Taufe von selbst auffüllte und, nachdem die Taufen abgeschlossen waren, auch von selbst wieder verschwand. Und das geschah am zehnten Tag vor den Kalendes des Mai, wie es die Ordnung des Zyklus erforderte, und nicht am achten Tag vor den Kalenden des April. Doch wenn diese Dinge richtig verstanden werden, widersprechen sie nicht der Wahrheit. Denn als Eusebius, der Bischof von Caesarea, diesen Zyklus zuerst eingerichtet hatte, lebte er sehr kurz vor dem Konzil von Nizäa, sodass seine Einteilung des Zyklus zu dieser Zeit in richtiger Übereinstimmung mit dem Mondverlauf war. Von seiner Einteilung an bis zum heiligen Konzil [von Nicaea] kann es aber keinen ernstzunehmenden Wechsel im Verlauf des Mondes gegeben haben. Daher haben die heiligen Kirchenväter entschieden, dem Zyklus zu folgen, weil er zu dieser Zeit noch keinen Fehler enthielt; außerdem war der Zyklus für eine lange Zeit danach noch nicht fehlerhaft. Da Papst Leo etwa 120 Jahre nach dem Konzil unter dem Kaiser Markian gelebt hat, steht fest, dass der Beginn des Neumonds von seinem durch den von Eusebius bestimmten Kalenderzyklus nicht um mehr als einen Tag abgewichen sein kann. Da der Papst selbst diesen Fehler diskutierte, gab er der Nachwelt zumindest die Möglichkeit, die Wahrheit in dieser Angelegenheit zu überdenken. Doch der Fehler war neu und nicht weiter bemerkenswert; und da das Konzil von Nicaea über große Autorität verfügte, war es zu dieser Zeit nicht zweckdienlich, dem Beschluss des Konzils zu widersprechen. Zudem fand er keine Astronomen, die für diese Aufgabe geeignet gewesen wären, weil die Astronomie den Christen zu Beginn aus

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Teil I

sas superius annotatas, scilicet in prima parte primi tractatus1; nec adhuc inventi sunt usque nunc, qui darent remedia in hac parte. Nam bene fuerunt multi, qui sciverunt probare hos errores per vias astronomiae, et quantum erratur; nec mirum, cum visus nobis multa2 ostendit; et in universali dixerunt quod essent remedia, scilicet quod3 certificaretur quantitas4 anni, quod aequinoctia et solstitia invenirentur veraciter5, quod6 primationes similiter; et tangunt modos universales ad haec. Sed nullus adhuc expressit nobis veram quantitatem anni cum plena demonstratione, in qua non sit dubitatio; similiter nec de aliis. Et ideo non fuit mirum si non fuerunt haec certificata temporibus ecclesiae primitivae, quando mathematica reputabatur inter artes suspectas et inutiles Dei ecclesiae, sicut multae aliae scientiae, propter quinque rationes in prima parte assignatas. Synodus ergo7 Nicaena decrevit cyclum observari dum haberet veritatem, et quia illis temporibus non fefellit. Caeterum decrevit hoc teneri, ut vitaretur contentio juxta caput cujuslibet, donec accideret in ecclesia Dei potestas mathematicae, qua certificari possunt omnia de quibus est quaestio. Minus enim malum est sine comparatione unum inconveniens ad tempus tolerari propter impossibilitatem remedii, quam quod quilibet opinionem suam promulget aeque falsam, sicut est illa, quae ab omnibus communiter sustinetur. Et sic loquitur Beda. Nam dicit, cum lunam sic secundum cycli rationem signabant, aliud majus periculum per hoc

1  primi tractatus ]  tractatus primi, B. 2  multa ]  multos, Ti. 3  quod ]  om. Ti. 4  quantitas ]  qua, Ti. 5  quod aequinoctia … veraciter ]  quod invenirentur veraciter aequinoctia et solstitia, Ti. 6  quod ]  et, Ti. 7  ergo ]  igitur, B.

KAPITEL 71

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Gründen, die ich bereits im ersten Teil des Opus maius663 genannt habe, verhasst war. Auch bis heute ist niemand gefunden worden, der Heilmittel für diesen Missstand zur Verfügung stellen könnte. Denn es hat zwar viele gegeben, die wussten, wie man diese Fehler mit astronomischen Mitteln beweisen kann und in welchem Ausmaß es hierbei einen Irrtum gibt – was nicht verwunderlich ist, weil unser Blick viele von ihnen zeigt. Im Allgemeinen haben sie gesagt, dass es durchaus Heilmittel gäbe, nämlich dass die Länge des Jahres richtig berechnet werden sollte, und dass die Tagundnachtgleichen, die Sonnenwenden und der Neumondbeginn richtig bestimmt werden sollten. Sie haben auch durchaus die hierfür erforderlichen Mittel diskutiert. Doch niemand hat uns bis jetzt die wirkliche Länge des Jahres mit allen Beweisen angegeben, sodass kein Raum für Fehler bliebe, noch haben sie uns für die anderen Fragen überzeugende Antworten ohne Platz für Irrtum liefern können. Es war freilich nicht erstaunlich, dass die Dinge über die richtige Zeitberechnung nicht durch die frühe Kirche angemessen behandelt worden sind, als die Mathematik unter den Künsten noch als eine suspekte Wissenschaft galt und ebenso wie andere Wissenschaften auch für die Kirche Gottes aus den fünf Gründen, die ich im ersten Teil [des Opus maius] bereits angeführt habe664, für nutzlos gehalten wurde. Das Konzil von Nicaea hat demnach bestimmt, dass der Zyklus eingehalten werden sollte, weil er zu dieser Zeit noch der Wahrheit entsprach und nicht fehlerhaft war. Doch es hat so entschieden, damit die Verwirrung vermieden werden konnte, die daraus entstanden wäre, wenn jeder sein eigenes Urteil gefällt hätte, bis in der Kirche wieder die Kraft der Mathematik aufscheinen würde, durch die alle diese fraglichen Dinge entschieden werden können. Denn es ist mit Sicherheit das unvergleichlich geringere Übel, dass eine Unannehmlichkeit aus der Unmöglichkeit eines Heilmittels entsteht, als das jeder sein eigenes Urteil hätte, dass genauso falsch ist wie das allgemeine Urteil aller. So formuliert es jedenfalls Beda [Venerabilis].665 Denn er sagt, dass sie ein größeres Übel vermieden, als sie den Neumond entsprechend dem Verlauf dieses Z ­ y­k lus

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Teil I

declinaverunt; et quod Beda adduxit miraculum considerandum est, quod illis temporibus non fuit error in cyclo, ut manifestum est. Sed postea crevit et apparuit sensibiliter. Quod etiam adducit exemplum de lapide Selenite1, cujus candor crescit cum luna primi mensis, vel decrescit, per quae cognoverunt antiquitus primationes Paschales, istud non est pro cyclo, nisi dum habuit veritatem, sed magis contrarium: quia ille lapis ostendit nobis verum aequinoctium et quartam decimam lunam Paschalem in eo, vel post ipsum, sumendam in termino Paschae. Quod non potest hic cyclus his temporibus facere, nec unquam faciet, nec fecit diu2. Caeterum Beda fuit prope exordium cycli; nam ipse in computo suo refert se tunc attigisse annum Domini septingesimum primum. Et ab Incarnatione usque ad tempora Constantini, sub quo fuit synodus Nicaena, fuerunt trecenti triginta duo anni secundum Bedam; et ab hoc tempore usque ad Marcianum principem fuerunt centum et viginti anni, sub quo Leo papa fuit; qui sunt in universo quadringenti quinquaginta duo. Ex quibus3 patet quod Beda non fuit per trecentos annos postea; sed nec a synodo, nisi per circiter trecentos sexaginta novem annos; et ideo non pot­ uit lunatio multum recedere a loco suo: nam ad plus per unum diem integrum, et per aliquid de secundo, eo quod in trecentis annis et quatuor fit mutatio minus diei. Et ideo, propter causas prius tactas4, bene5 potuit cyclus observari in tempore Bedae, sicut in tempore Leonis papae. Sed tamen scrupulus dubitationis exortus fuit a tempore Leonis, et augmentabatur haec dubitatio in tempore beati papae6 Hilarii, qui praecepit Victorino7 novum cyclum componere; in quo, quia non fuit certitudo, sicut nec in decennovenali,

1  Selenite ]  Silenite, B. 2  diu ]  diu est, B. Ti. 3  quibus ]  quo, B. Ti. 4  tactas ]  tractas, B. 5  bene ]  om. Ti. 6  papae ]  om. Ti. 7  Victorino ]  Victorio, B.

KAPITEL 71

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bestimmt hatten. Und zu der Tatsache, dass Beda ein Wunder angeführt hat, muss gesagt werden, dass der Zyklus zu dieser Zeit nicht fehlerhaft war, wie jedem offensichtlich ist. Denn der Fehler entstand später und wuchs langsam an. Dass er als weiteres Argument das Beispiel des Seleniten anführt666, dessen durchsichtige Klarheit mit dem Mond zu Anfang des Monats steigt und dann wieder abfällt, wodurch man in der alten Zeit den Beginn des österlichen Neumondes zu bestimmen gelernt hatte, ist kein Argument für die Richtigkeit des Zyklus (außer zu der Zeit, als er noch korrekt war), sondern eher für das Gegenteil: Denn dieser Stein zeigt uns die wirkliche Tagundnachtgleiche und den 14. Mond an diesem oder kurz nach diesem Datum als Beginn des Osterfestes, was der Zyklus in unserer Zeit nicht mehr kann, noch können wird, noch seit langer Zeit überhaupt gekonnt hat. Zudem lebte Beda in der Zeit der Einführung dieses Zyklus. Denn er selbst sagt in seinem Komputus, dass er zu dieser Zeit das 701.  Jahr des Herrn erreicht habe. Von der Fleischwerdung des Herrn bis zur Zeit Konstantins, unter dem das Konzil von Nicaea stattgefunden hatte, sind nach Beda 332 Jahre vergangen. Und von diesem Zeitpunkt bis zum Kaiser Markian, unter dem Papst Leo gelebt hat, sind weitere 120 Jahre vergangen. Das macht alles in allem 452 Jahre. Daraus wird ersichtlich, dass Beda nicht 300 Jahre später gelebt hat, sondern dass er sogar von dem Konzil nur 359 Jahre entfernt war, aus welchem Grund der Neumond noch nicht allzu weit von seiner durch den Kalender bestimmten Position abgewichen sein kann. Denn die Abweichung kann nicht mehr als einen Tag und einen Teil eines weiteren Tages betragen haben, weil sich der Beginn des Neumonds in 304 Jahren um einen Tag nach hinten verschiebt, weshalb der Zyklus aus den genannten Gründen zur Zeit Bedas und zur Zeit Leos noch angemessen eingehalten werden konnte. Dennoch ist seit der Zeit Leos ein leiser Zweifel entstanden, der sich zur Zeit des Papstes Hilarius667 weiter verstärkt hatte, sodass dieser Victorius668 befohlen hatte, ­einen neuen Zyklus zu bestimmen. Dieser war jedoch auch nicht viel besser als der neunzehnjährige Zyklus, weshalb die Nachwelt

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Teil I

adhaeserunt posteriores consuetudini antiquae et statuto concilii Niceni. Patet igitur ex his, quod, salva omni auctoritate Nicaenae synodi, potest cyclus hic mutari; quia tunc error non fuit: et ut vitaretur majus periculum ad tempus, (donec ecclesia possit astronomicam habere potestatem, per quam solam potest remedium adhiberi,) sustinebatur. Nam primitiva ecclesia non habebat usum astronomiae; et ideo postea usque nunc fuit omissa correctio hujus rei, propter longam consuetudinem; et propter hoc quod usus astronomiae non fuit in usu praelatorum, nec multitudinis studentium, nec adhuc est, licet aliqui sint satis prompti et periti1 in hac parte. Debet autem nunc temporis remedium apponi propter ipsos errores manifestos et palpabiles atque propter scandalum multiplex in ecclesia. Nam omnes literati in computo2 et astronomia3 sciunt haec, et derident ignorantiam praelatorum, qui haec sustinent. Atque philosophi infideles, Arabes, Hebraei, et Graeci, qui habitant inter Christianos, ut in Hispania, et in Aegypto, et in partibus Orientis, et multis aliis mundi4 regionibus, abhorrent stultitiam, quam conspiciunt in ordinatione temporum, quibus utuntur Christiani in suis solemnitatibus. Et jam Christiani habent peritiam astronomiae, per quam potest fieri certificatio. Potest igitur vestra reverentia jubere, et invenietis homines qui praeclara remedia apponent in hac parte5; et non solum in praedictis, sed in totius kalendarii defectibus. Nam tredecim sunt radicales, et habent ramos quasi infinitos. Si igitur istud gloriosum opus fieret temporibus vestrae sanctitatis, tunc una de majoribus rebus, et6 melioribus, et pulchriori-

1  periti ]  parati, Ti. 2  computo ]  compoto, Ti. semper. 3  astronomia ]  astronomi, B. 4  mundi ]  om. Ti. 5  apponent in hac parte ]  in hac parte apponent, Ti. 6  et ]  om. Ti.

KAPITEL 71

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weiterhin an dem alten Brauch und an der Entscheidung des Konzils von Nicaea festgehalten hat. Daraus geht doch klar hervor, dass der Zyklus unter Wahrung der Autorität des Konzils von Nicaea geändert werden kann. Denn zu dieser Zeit gab es noch keinen Fehler – und so wurde der Zy­k lus beibehalten, damit ein größeres Unheil zu der Zeit vermieden werden konnte, bis die Kirche wieder die Kraft der Astronomie hätte, durch die allein ein Heilmittel bereit gestellt werden kann. Denn in der alten Kirche war die Astronomie nicht in Gebrauch, weshalb seit dieser Zeit bis heute aufgrund der langen Gewohnheit und der fehlenden astronomischen Kenntnisse unter den Prälaten und unter der Menge der Studenten keine Verbesserung in dieser Sache vorgenommen worden ist, und auch heute nicht in Angriff genommen wird, obwohl es doch in diesem Bereich einige durchaus fähige Leute gibt. Doch heutzutage muss das Heilmittel wegen der ganz deutlichen und offensichtlichen Fehler und des großen Verrufes für die Kirche angewendet werden. Denn alle diejenigen, die in der Zeitberechnung und der Astronomie bewandert sind, kennen diese Fehler und lachen über die Prälaten, die sie dennoch beibehalten. Auch den ungläubigen Philosophen, den Arabern, den Hebräern und den Griechen, die unter den Christen leben, wie es in Spanien, in Ägypten, in Teilen des Orients und in vielen anderen Teilen der Welt der Fall ist, graust es vor der Dummheit, die sie in der Zeitordnung sehen, die die Christen für die Berechnung ihrer Feste benutzen. Dabei haben die Christen doch längst die astronomischen Fähigkeiten, durch die sichere Ergebnisse erzielt werden könnten. Eure Erhabenheit hat jedoch die Macht, solches zu befehlen; und Ihr werdet Männer finden, die gegen diese speziellen genannten Missstände hervorragende Heilmittel anwenden können – und nicht nur gegen diese Missstände, sondern auch gegen solche, die den gesamten Kalender betreffen. Denn es gibt hier 13 grundlegende [Missstände] mit zahlreichen Verzweigungen. Wenn dieses ruhmreiche Unternehmen in der Zeit Eurer Heiligkeit durchgeführt werden würde, könnte eines der wichtigsten, besten und

Teil I

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bus, consummaretur, quae unquam in ecclesia Dei fuerunt attemptatae.

CAPITULUM LXXII. [ 494]

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Tertium quod exigitur ad usum ecclesiae consistit in modo legendi, et psallendi, et componendi ea quae necessaria sunt officio divino. Et hic quicquid superius1 dictum est pro studio theologiae, de accentibus, et longitudinibus et brevitatibus in penultimis, de metris et rhythmis, plus habet hic locum quam in studio. Et cum ostendi copiose necessitatem horum ibi, multo magis hic consideranda sunt; quia hic plus accedunt2 ad cantum, et ideo expressius, et sensibilius, et distinctius requiruntur. Deinde cum usus psallendi sit necessarius, ut manifestum est, tunc3 considerandum esset diligenter ne mutetur harmoniae proprietas, quam sacrosancta ecclesia instituit a principio observari. Nam secundum quod Boetius et caeteri auctores musicae declarant, triplex est genus harmoniae; unum est ferox et immite; aliud lascivum et dissolutum; tertium virile et constans, quod est medium inter duo praedicta. Primum vocatur diatonicum, secundum dicitur chromaticum, tertium dicitur4 enharmonicum, quod est optime apteque conjunctum, ut ait Boetius. Certe totius harmoniae modus ab ecclesia et sanctis institutus est enharmonicus; ut et mens humana cum tanta maturitate in delectationem raperetur, quod non frangeretur pueriliter, nec muliebriter molliretur, nec quod ruditate cantus inhor-

1  superius ]  om. Ti. 2  accedunt ]  accidunt, Ti. 3  tunc ]  om. Ti. 4  dicitur ]  nuncupatur, B.

KAPITEL 72

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schönsten Dinge erreicht werden, die in der Kirche jemals versucht worden sind.

KAPITEL 72 Vom Nutzen der Mathematik für den Gottesdienst [ 494]

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Der dritte Bereich, der den Nutzen der Mathematik für die Kirche betrifft, besteht in der Art des Vortragens, des Singens der Psalmen und in der Zusammenstellung der übrigen Dinge, die für den Gottesdienst notwendig sind. Denn das, was weiter oben für das Studium der Theologie erwähnt worden ist (also meine Ausführungen über die Akzente, über die Längen und Kürzen der vorletzten Silben, über das Metrum und die Rhythmik), hat hier eher seinen Ort als im Studium. Und obwohl ich dort schon sehr ausführlich auf die Notwendigkeit dieser Dinge eingegangen bin, muss man sie hier noch viel mehr bedenken; denn sie sind für den Gesang äußerst wichtig, weshalb sie hier eine deutlichere, klarere und genauere Behandlung verdienen. Da es weiterhin deutlich ist, dass das Singen [in der Kirche] notwendig ist, muss man sorgfältig darauf achten, die Eigenschafen der verschiedenen Tonarten [harmoniae]669 nicht zu ändern, deren Beachtung die heilige Kirche von Beginn an festgeschrieben hat. Denn nach Boethius670 und anderen Autoren, die über die Musik geschrieben haben, gibt es drei Gattungen von Tonarten: eine ist wild und rauh; eine andere ist lustig und ausgelassen; eine weitere ist männlich und gleichmäßig und befindet sich in der Mitte zwischen den anderen beiden.671 Die erste Tonart wird ›diatonisch‹ genannt, die zweite ›chromatisch‹ und die dritte ›enharmonisch‹, weil sie die anderen beiden auf die beste Art verbindet, wie Boethius sagt672. Sicherlich war es von allen Tonarten die enharmonische, die von der Kirche und den Heiligen eingeführt worden ist, damit der menschliche Geist mit aller Reife zum Genuss der Musik hingezogen und nicht kindlich geschwächt oder weibisch verweichlicht wird; und damit er durch die Rauheit des Gesanges nicht abgeschreckt oder durch

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Teil I

resceret, nec rigore angeretur; sed ut1 vigor harmoniae permoveret, et suavitas sincera delectaret. Non enim sanctam fidelium devotionem decet mollis et lasciva sonoritas, nec rusticanus clangor silvestris competit; sed moderata vis soni, quae et aures mulceat, et mentem dulcius erigat ad superna. Nec mirum, cum hujusmodi contraria extrema contra naturam hominis judicantur. Quoniam Boetius dicit nihil tam proprium humanitati quam remitti dulcibus modis, astringique contrariis. Nam animus, ut infert, lasciviores modos saepe audiens emollitur, asperioribus asperatur; et ideo Plato maxime cavendum existimat ne de bene morata musica aliquid permutetur. Negat enim ullam tantam morum labem, quam paulatim de pudenti ac modesta musica invertere. Statim enim animos audientium pati, ac paulatim discedere, nullum honesti ac recti retinere vestigium, sed vel per lasciviores modos inverecundum aliquid, vel per asperiores ferox et immane mentibus illabatur. Et ideo Plato praecipit oportere pueros non ad omnes modos erudiri, sed potius ad valentes et simplices. ldcirco Lacedaemonii haec2 maxima ope, ut ait Boetius, servavere, dum apud eos Thaletes, et Gorgias3 Leontinus, magno pretio acciti, pueros disciplina musicae artis inoluerunt; et Timothaeum postea damnaverunt, qui harmoniam, quam modestam acceperat, in genus chromaticum, quod est mollius, invertisset. Nam puerorum animis quos erudiendos susceperat offecit, et a virtutis modestia praepedivit. Nulla enim magis via ad animum disciplina quam auribus patet. Cum igitur per eas modi cantus animum usque descenderunt, dubitari non

1  ut ]  om. Ti. 2  haec ]  hoc, Ti. 3  Thaletes et Gorgias ]  Taletas et Georgonius, B.

KAPITEL 72

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seine Härte geängstigt, sondern durch die Frische der Harmonien aufgerichtet wird und an der aufrichtigen Lieblichkeit Gefallen findet. Denn der Verehrung des heiligen Glaubens steht ein schwächlicher oder zügelloser Klang ebenso wenig an wie bäuerlicher und ländlicher Lärm, sondern ein moderater Klang ist angebracht, der die Ohren streichelt und den Geist auf süße Weise zum Höheren erhebt. Daher verwundert es nicht, dass die gegenteiligen Extreme als gegen die Natur des Menschen eingeschätzt werden. So sagt auch Boethius673, dass nichts der menschlichen Natur eigener sei, als durch liebliche Tonarten besänftigt und durch ihre Gegenteile gestört zu werden. Denn der Geist, so fährt er fort, wird durch allzu liebliche Musik schnell zu weich, durch raue Musik jedoch zu hart. Aus diesem Grund ist auch Platon674 der Meinung, dass wir in dieser Sache äußerst vorsichtig sein müssen und nur erlauben sollten, dass eine Musik mit verbessernden moralischen Eigenschaften zugelassen wird. Er meint nämlich, dass es kein größeres Unheil für die Sitten gibt, als allmählich von einer sittsamen und maßvollen Musik abzufallen. Denn die Gemüter der Hörer lassen sich unmittelbar durch die Musik bewegen und fallen Stück für Stück [von ihrem sittlichen Charakter] ab, bis keine Spur des Ehrenvollen oder Richtigen mehr zurückbleibt. So werden sie durch allzu ausgelassene Musik mit der Zeit unverschämt, durch raue Musik jedoch wild und barbarisch. Daher hat Platon675 auch vorgeschrieben, dass die jungen Männer nicht in allen Mu­sik­a rten unterrichtet werden sollen, sondern nur in den wertvollen und einfachen. Auch die Lakedämonier haben aus diesem Grund für viel Geld Thaletes und Georgias Leontinus angeheuert, damit sie ihren Kindern die Musik beibrächten676; und sie haben später Timothäus677 scharf verurteilt, weil er die gemäßigte Tonart in eine chromatische geändert hatte, weil sie weicher ist. Denn er hat damit die geistige Entwicklung der Kinder, die er zu belehren vorgab, behindert und sie von der Besonnenheit der Tugend abgehalten, weil es keinen schnelleren Weg für die Belehrung des Geistes gibt als den Hörsinn. Da durch diese Arten des Gesangs also der Geist dazu gebracht wird, [von einem Zustand

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Teil I

potest quin suapte natura mentem afficiant, et conforment. Et ideo Spiritus Sanctus, qui est Magister ecclesiae, et per omnia membra se suaviter infundit, ordinavit genus cantus enharmonicum, quod et robor habet sine horrere, et sine lascivia condelectat. Sed jam per ecclesiam paulatim crevit abusus cantus, qui a gravitate et virtute antiqua cecidit, et in mollitiem inverecundam lapsus, mansuetam et naturalem probitatem amisit; quod novarum harmoniarum1 curiositas, et prosarum lubrica adinventio, multipliciumque cantilenarum inepta voluptas manifestat. Et super omnia voces in falseto2 harmoniam virilem et sacram falsificantes, pueriliter effusae, muliebriter dissolutae fere per totam ecclesiam comprobant illud idem. Possem ponere exempla de maximis ecclesiis cathedralibus, et aliis collegiis famosis; in quibus totum officium confunditur propter haec vitia, quae narravi.

CAPITULUM LXXIII. [ 498]

Sed vitiosus cantandi modus non solum corrigendus est et vitandus, immo qui rite institutus est, ut enharmonicus, debet in melius semper commutari. Multos enim gradus habet, et nihil perfectum in humanis inventionibus reperitur. Et certe possent tam exquisite excogitari, et cum tanta potentia musicae, quod ad omnem gradum devotionis, quem vellemus, excitaretur populus Christianus; praecipue si instrumenta fierent musicalia secundum hujus

1  harmoniarum ]  historiarum, Ti. 2  falseto ]  falsetto, Ti.; insulsae, U.

KAPITEL 73

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der Vollkommenheit] abzufallen, besteht kein Zweifel, dass ihre liebliche Natur den Geist ergreift und bildet. Aus diesem Grund hat der Heilige Geist, der der Lehrer der Kirche ist, und der sie durch alle ihre Glieder auf liebliche Art durchdringt, die enharmonische Tonart angeordnet, damit sie ohne Angst fest und ohne Ausschweifung vergnügt sei. Doch mit der Zeit ist in der Kirche ein Missbrauch der Musik gewachsen, der von der Gemessenheit und der Tugend der alten Zeit immer weiter abgewichen ist. Sie hat ihre natürliche Mildheit und Angemessenheit verloren und ist in einen Zustand weibischer Lüsternheit abgeglitten. Sie zeigt heute eine Neugierde nach neuen Harmonien, einen unzüchtigen Einfallsreichtum an neuen Texten und eine vollkommen unpassende Begierde nach mehreren Stimmen. Vor allem zeigt sich der Niedergang des Gesanges an den Falsettstimmen, die in ihrer Jugendlichkeit exaltiert und in ihrer Weiblichkeit zügellos sind, die nun aber in nahezu der gesamten Kirche die männlichen und heiligen Harmonien verfälschen. Ich könnte dafür als Beispiele die größten kirchlichen Kathedralen und andere bekannte Kollegien anführen, in denen der gesamte Gottesdienst wegen der Sünden, die ich genannt habe, verwirrt wird.

KAPITEL 73 Über die wunderbare Macht der Musik [ 498]

Doch muss diese fehlerhafte Art der Musik nicht nur verbessert und vermieden werden, sondern es muss auch die nach dem richtigen Brauch eingerichtete Form der Musik, wie die enharmonische Ton­art, noch weiter zum Besseren hin gestaltet werden. Denn sie hat viele Abstufungen, und man findet nichts Vollkommenes in den menschlichen Erfindungen. Mit Sicherheit könnten noch hervorragende [Formen der Musik] entwickelt werden, die solche musikalische Kraft haben, dass das Volk der Christen für jeden Grad der Frömmigkeit, den wir uns vorstellen können, begeistert werden könnte. Das wäre vor allem dann möglich, wenn man jetzt

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Teil I

scientiae arcana, caeterarumque partium musicae praedictarum1 virtus jungeretur, ut non solum cantus promoveret, sed simul cum eo2 totius musicae potestas exquisita humanae melodiae motibus consimilibus et proportionibus aequalibus conformaretur. Et ideo sapientes antiqui, ut patriarchae et prophetae, adinvenerunt multa3 quibus populum rudissimum ad magnam devotionem deducebant4, ut Textus sacer in psalterio satis, et in locis pluribus aliis, manifestat. Nam et ipse Elisaeus propheta jussit psaltem5 adduci, ut ad ejus melodiam non solum raperetur in devotionem, sed ut ad revelationes divinas fieret praeparatus. Sic beatus Franciscus jussit fratri cytharistae ut dulcius personaret, quatenus mens excitaretur ad harmonias coelestes, quas pluries audivit. Mira enim musicae super omnes scientias6 est et spectanda potestas. Nam, ut ait Boetius, aliae scientiae veritatis investigatione laborant; haec vero non solummodo speculationi sed moralitati conjuncta est, et naturam permutat universam. Mores enim reformat, ebrietates sedat, infirmitates curat, sanitatem conservat, quietem somni inducit, non naturam auditus pervertens, sed superior7 eo facta, ipsam suaviter vincens. Bestiarum animos commutat, et in hominis obedientiam perducit. Nam Boetius et caeteri auctores ponunt exempla de istis permutationibus. Empedocles enim hominis invadentis alium in mortem harmonica potestate iracundiam temperavit, et mansuetum reddidit et sedatum. Pythagoras ebrium et vino plenius delibutum, frangere domum scorti cupientem, melodiae suavitate et sui compotem

1  praedictarum ]  om. Ti. 2  simul cum eo ]  ut cum ea, Ti. 3  multa ]  multum, B. 4  deducebant ]  reducebant, B. Ti. 5  psaltem ]  psaltes, Ti. 6  super omnes scientias ]  om. Ti. 7  superior ]  super, Ti.

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noch unbekannte musikalische Instrumente dieser Wissenschaft entsprechend herstellen und sie mit den anderen schon angesprochenen Teilen der Musik verbinden würde, damit nicht nur der Gesang Fortschritte machen würde, sondern damit gleichzeitig auch die weitere hervorragende Kraft der Musik durch die Übereinstimmung der menschlichen Melodien mit dazu passenden Bewegungen und Verhältnissmäßigkeiten geformt würde. Daher haben die Weisen des Altertums, wie die Patriarchen und Propheten, viele Dinge ersonnen, durch die sie das äußerst wilde Volk zu großer Frömmigkeit geführt haben, wie uns der heilige Text zu Genüge im Psalter und an vielen anderen Orten belegt. Denn selbst der Prophet Elisa678 befahl, ihm den Psalter vorzusingen, damit er durch seine Melodie nicht nur zur Gottesverehrung hingezogen, sondern sogar auf die göttlichen Offenbarungen vorbereitet werde. So hat auch der selige Franziskus einen Mitbruder gebeten, auf liebliche Weise die Kithara zu spielen, damit sein Geist zu den himmlischen Harmonien emporgehoben werde, die er vielfach gehört hatte.679 Denn die wunderbare Macht der Musik liegt über allen Wissenschaften und über allem, was sich beobachten lässt. Die anderen Wissenschaften arbeiten nämlich, wie Boethius sagt680, an der Aufdeckung der Wahrheit; doch nur die Wissenschaft der Musik ist mit den spekulativen und den moralischen Wahrheiten direkt verknüpft und verändert die ganze Natur. Denn sie verbessert die Sitten, beruhigt Rauschzustände, heilt Krankheiten und bewahrt die Gesundheit, führt zu ruhigen Träumen und pervertiert nicht die Natur des Gehörsinns, sondern macht sie besser, indem sie sie auf liebliche Weise bewegt. Sie verwandelt selbst die Seelen wilder Tiere und ruft in den Menschen Gehorsam hervor. Boethius und andere Autoren geben uns zahlreiche Beispiele für solche Verwandlungen. So hat bereits Empedokles681 durch die Macht der Harmonien einen Menschen, der einen anderen aus Zorn umbringen wollte, beruhigt und ihm seine Milde und Ausgeglichenheit wiedergegeben. Auch Pythagoras682 hat einmal einen betrunkenen Mann, der vor Wein ganz außer sich war, von der Stürmung eines Hauses abgehalten, ihn

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Teil I

reddidit, et luxuriosum animum ad statum debitum revocavit. Cum etiam vinolenti adolescentes mulieris pudicae fores frangere molirentur, gravitate harmoniae illorum furentem petulantiam consedavit. Asclepiades vero medicus phraeneticum sanavit musicae potestate; et David Saulem a daemonica possessione liberavit; et Hippocrates Democritum insanum melodia curavit. Refert etiam Boetius alios medicos, non solum unam personam, vel paucos, sed populos multos a sciatica passione, et ab aliis morbis gravissimis, harmonica dulcedine liberasse. Et Avicenna primo Artis Medicinae docet quod, inter omnia exercitia sanitatis, cantare melius est; quia non solum animus hilarescit, ut totum corpus confortetur per mentis solatium, sed cantus vigor omnes nervos et venas totius corporis distendit, ut vapores corrupti exhalentur, et subtiles aeris inspirationes restaurentur. Et ait Boetius quod in tantum priscae philosophiae studiis vis musicae artis innotuit, ut Pythagorici, cum diurnas in somno resolverent curas, quibusdam cantilenis utebantur, ut eos laetus et quietus somnus arriperet; et expergefacti aliis quibusdam modis stuporem somni confusionemque purgabant. Haec itaque omnia, ut ait Boetius, docuerunt sapientes, quia sciverunt quod tota animae nostrae corporisque compago musica compactione conjuncta sit; nam ut sese affectus corporis habent, ita et pulsus cordis motibus incitantur. Sed non solum animi nostri immutantur secundum proprietatem musicae harmoniae, immo Varro peritissimus Latinorum docet per musicas consonantias bestias sedari, serpentes, volucres, del-

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durch die Lieblichkeit einer Melodie wieder zu Sinnen gebracht und seinen ausschweifenden Geist wieder ins rechte Maß gerückt. Und als einmal ein paar betrunkene Jugendliche die Türen einer schamhaften Frau aufbrechen wollten, hat die Würde der Musik ihre rasende Ausgelassenheit gestoppt683. Der Arzt Asklepiades684 hat einen Geisteskranken durch die Macht der Musik geheilt, und David685 hat Saul durch die Musik von der Besessenheit eines Dämons befreit; auch Hippokrates686 hat den geisteskranken Demokrit mit einer Melodie geheilt. Boethius berichtet uns ebenso von anderen Ärzten, die nicht nur eine Person oder einige wenige, sondern ganze Völker durch die Süße der Harmonien von der Gicht und von anderen äußerst schlimmen Krankheiten befreit haben. Avicenna lehrt weiterhin im ersten Buch seiner Medizin, dass von allen gesundheitlichen Übungen das Singen die beste ist: denn es erhebt nicht nur den Geist so weit, dass der ganze Körper durch den geistigen Trost gestärkt wird, sondern die Lebenskraft des Gesangs strömt durch alle Nerven und Venen des Körpers, sodass alle verderblichen Dünste ausgeatmet werden und der feinere Hauch der Luft wiederhergestellt wird. Ferner sagt Boethius687, dass in den Studien der alten Philosophie die Kraft der musikalischen Wissenschaft so bekannt war, dass die Pythagoreer gewisse Melodien benutzt haben, wenn sie im Schlaf ihre täglichen Sorgen vergessen wollten, damit der Schlaf sie glücklich und leise erreichen möge; in derselben Art haben sie ähnliche Melodien nach dem Aufstehen gespielt, um sich von der Erstarrung und Verwirrung des Schlafes zu reinigen. Das alles haben die Weisen gelehrt, wie Boethius sagt, weil sie wussten, dass die gesamte Struktur unseres Geistes und unseres Körpers durch die Harmonie der Musik miteinander verbunden ist; denn sogar unser Herzschlag wird durch die Affekte unseres Körpers bestimmt.688 Doch nicht nur unsere Seelen werden den Eigenschaften der musikalischen Harmonien entsprechend gelenkt: denn Varro689, der fähigste unter den lateinischen Schriftstellern, lehrt, dass durch die Musik selbst wilde Tiere beruhigt werden und dass Schlangen,

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Teil I

phinos attrahi. Scimus enim per experientiam quod cervi et aliae sylvestres bestiae confugiunt ad sonum cytharae, et vidulae, et aliorum instrumentorum; et equi ad audaciam, et ferocitatem, et bellicum animum, per instrumenta musicalia concitantur. Et aves cantatrices non solum in sua harmonia delectantur sed humana. Et delphini naves persequuntur propter musicam dulcedinem; et serpens nequam delectatur et mansuescit ad melodiam. Et si haec omnia in hominibus et in brutis videris adimpleri per vulgatas melodiarum suavitates et instrumenta communia, quid erit si, juxta ultima istius scientiae arcana, fierent instrumenta exquisita et harmoniae electissimae, cum excellenti suavitate rhythmi et metri, ut omnes partes musicae in unum effectum delectationis perfectum convenirent? Certe raperentur bruta in omnem voluntatem nostram, ut manu caperentur, stupefacta et oppressa nimia suavitate. Et similiter hominum animi in quemlibet gradum devotionis raperentur, et in plenum cujuslibet virtutis amorem excitarentur, et in omnem sanitatem et vigorem. Sed quia haec musicae potestas non est consueta, nec vulgus philosophantium ad haec aspirat, nec libros antiquorum sapientum revolvit, nec se experientiae diligenti commendat, ideo non sunt multis nota, quae scripsi. Sed tamen verissima et ab omni sapiente recipienda. Haec igitur breviter perstrinxi, ut saltem vestra beatitudo in summa videret musicae ineffabilem potestatem respectu ecclesiae dirigendae.

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wilde Vögel und Delphine mit ihrer Hilfe angelockt werden können. So wissen auch wir aus Erfahrung, dass Hirsche und andere Tiere des Waldes sich zu den Tönen der Kithara, der Flöte und anderer In­strumente hinflüchten, und dass Pferde durch musikalische Instru­mente zum Wagemut, zur Wildheit und zu einem kriegerischen Geisteszustand getrieben werden. Zudem erfreuen sich die Singvögel nicht nur an ihrem eigenen Gesang, sondern auch am Gesang des Menschen. Sogar die Delphine folgen den Schiffen wegen der Lieblichkeit der Musik; und die Schlange wird durch die Musik erfreut und zahm. Und wenn du schon siehst, dass alles dies bei Menschen und bei Tieren durch die Erfreulichkeit verbreiteter Melodien und Instrumente erreicht werden kann, was wäre dann erst, wenn diese Wissenschaft mit den letzten Geheimnissen verbunden werden würde, wenn es ganz außergewöhnliche Instrumente und ganz ausgewählte Harmonien gäbe, bei denen sich alle Lieblichkeit in Rhythmus und Metrik vereinen würde, sodass alle Teile der Musik in einer vollkommenen Wirkung des Erfreuens zusammenkämen? Sicher würden alle wilden Tiere sich unserem Willen unterordnen, sodass sie mit unserer bloßen Hand ergriffen werden könnten, weil sie von der äußersten Lieblichkeit der Musik erstaunt und überwältigt wären. In ähnlicher Weise würde auch die menschliche Seele zu jedem Grad der Frömmigkeit hingerissen werden und sich mit aller Liebe, Reinheit und Frische für die Tugend begeistern. Doch weil die Macht der Musik nicht bekannt ist und die Menge der Philosophen weder danach strebt noch die Bücher der Weisen des Altertums zur Hand nimmt, noch sich der eigenen Erfahrung mit Sorgfalt anvertraut, sind diese Dinge, von denen ich hier geschrieben habe, nicht vielen bekannt, obwohl sie doch vollkommen wahr sind und von allen Weisen aufgenommen werden müssen. Daher habe ich dieses Fachgebiet hier zumindest kurz gestreift, damit Eure Seligkeit wenigstens im Allgemeinen die unaussprechliche Macht der Musik für die Lenkung der Kirche ­sehen kann.

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Teil I

CAPITULUM LXXIV. [ 503]

Sed tamen, praeter modos jam enumeratos, utilis valde et gratiosa est musica virtus in ecclesia. Nam dictum est quod musica alia est metrica, alia rhythmica1. Sed hymni, et historiae, et prosae sanctorum debent fieri secundum artem veram metri et rhythmi, sicut sancti fecerunt a principio. Metra enim communia sunt ex versibus hexametris et pentametris, quibus solis nunc vulgus Latinorum utitur. Sed hymni, et prosae rhythmicae, et hujusmodi, facta ab ecclesia et sanctis, non sunt secundum leges communes metri et rhythmi, sed secundum speciales modos: ut cum dicitur: Ut queant laxis Re-sonare fibris Mi-ra gestorum Fa-muli tuorum2, Sol-ve pollutos La-bii reatus, Sancte Johannes. Hic est metrum pulchrum et versus distincti, sed ex paucioribus pedibus, quinque et sex; et sic de aliis hymnis, et caeteris. Et haec metra non solum utuntur pedibus tribus notis, scilicet dactylo, spondaeo, et trochaeo sed aliis, qui ascendunt usque ad viginti octo, de quibus Augustinus docet in libris Musicae, et alii auctores

1  metrica, alia rythmica ]  rythmica, alia metrica, Ti. 2  tuorum ]  Nach tuorum lassen B und Ti den Rest weg.

KAPITEL 74

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KAPITEL 74 Weiteres über den Nutzen der Musik für die Kenntnis von Metrik und Rhythmik [ 503]

Aber die Musik ist noch über die von mir aufgezählten Gründe hinaus in der Kirche sehr nützlich und zierend. Es ist bereits angesprochen worden, dass ein Teil der Musik sich auf die Metrik erstreckt, ein weiterer auf die Rhythmik. Doch die Lobgesänge, die Geschichtstexte und die Prosa der Heiligen müssen nach der wirklichen Kunst der Metrik und der Rhythmik wiedergegeben werden, wie es die Heiligen selbst von Beginn an getan haben. Die gängigen Versmaße sind der Hexameter und der Pentameter, die heute von der Menge der Lateiner ausschließlich benutzt werden. Doch die Lobgesänge, die rhythmische Prosa und andere Texte dieser Art, die von der Kirche und den Heiligen geschaffen worden sind, sind nicht entsprechend den gängigen Regeln der Metrik und der Rhythmik aufgebaut, sondern gemäß spezieller Regeln. So wird etwa gesagt: Ut queant laxis Re-sonare fibris Mi-ra gestorum Fa-muli tuorum, Sol-ve pollutos La-bii reatus, Sancte Johannes.690 [Auf dass die Schüler mit lockeren Stimmbändern mögen zum Klingen bringen können die Wunder deiner Taten, löse die Schuld der befleckten Lippe, heiliger Johannes] Hier finden wir ein schönes Versmaß und streng gegliederte Verse, die jedoch aus sehr wenigen Versfüßen bestehen, nämlich aus fünf und sechs; und Ähnliches gilt auch für andere Lobgesänge usw. Diese Versmaße benutzen aber nicht nur die drei bekannten Versfüße – nämlich den Daktylus, den Spondäus und den Trochäus –, sondern andere, die bis auf 28 Versfüße hinaufreichen und von denen Augustinus in seinem Buch über die Musik  691

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Teil I

musicae. Cum igitur pulchre resonant hujusmodi hymni, et caetera, in ecclesia Dei, et excitant animas fidelium ad devotionem, et hoc maxime propter pulchritudinem metricam et rhythmicam, necesse est ecclesiae quod haec scientia metrica et rhythmica sciatur, propter usum ecclesiae, ut quandocunque canonizantur1 sancti, vel ecclesiae dedicantur2, vel aliae solemnitates statuantur3, quae ob specialem devotionem requirunt hymnos proprios et rhythmos in officio divino, occurrat devota ancilla ecclesiae, quae musica dicitur, ut ei possit aptissime deservire. Si vero dicatur quod4 sine musicae ratione haec fiant, et fieri possint, ut grammatica sufficiat, patet quod non, per praedicta, quoniam musici est dare causas et rationes horum, ut legitime fiant secundum artem metricam et rhythmicam. Sed grammatica est mechanica in hac parte, horum causas et rationes ignorans. Ex quo sequitur quod quicunque facit5 secundum artem, sciens causas et rationes istorum, oportet eum esse musicum, licet hoc vulgus ignoret. Et si dicatur quod non exigitur magna ars ad hoc, quia homines de facili faciunt talia in officiis sanctorum, et aliis, quando volunt6, dicendum est7 quod nihil faciunt secundum artem, nec secundum veritatem, sed est derisio officii divini. Nam quicquid a triginta annis factum est, est contra artem et contra veritatem: quia compositores hujusmodi nec sciunt quibus pedibus debent uti, nec quot pedibus, nec quo genere metri, nec qualiter componantur secundum vias artis; sed, ad exempla alio-

1  canonizantur ]  canonicentur, B. 2  dedicantur ]  dedicentur, B. 3  statuantur ]  statuentur, B. 4  quod ]  om. Ti. 5  facit ]  faciens, Ti. 6  et aliis, quando volunt ]  om. Ti. 7  est ]  om. Ti.

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ebenso wie andere Autoren im Bereich der Musik lehren. Da diese und andere in der Kirche gesungene Gesänge sehr schön klingen und die Seelen der Gläubigen vor allem wegen der Schönheit der Metrik und des Rhythmus zur rechten Frömmigkeit hinziehen, ist die Kenntnis dieser Wissenschaft über die Metrik und die Rhythmik für die Kirche notwendig: schließlich ist sie für den Gebrauch in der Kirche äußerst wichtig, etwa bei Heiligsprechungen, bei Kircheneinweihungen oder anderen Kirchenfesten, die aufgrund ihrer besonderen Verehrungswürdigkeit die richtigen Lobgesänge und die richtige Rhythmik während der Messfeierlichkeiten erfordern. Hier tritt die diensteifrige Magd der Kirche hervor, die Musik genannt wird, damit sie der Kirche untertänigst dienen kann. Wenn dagegen eingewendet werden sollte, dass alle diese Dinge auch ohne musikalische Kenntnis erreicht werden und erreicht werden können, weil die Grammatik hierfür doch schließlich ausreiche, zeigt sich anhand der bereits genannten Gründe, dass das nicht der Fall ist. Denn es ist die Aufgabe der Musiker, für die Lobgesänge usw. die Gründe und Vernunftprinzipien anzugeben, damit sie entsprechend der metrischen und rhythmischen Kunst vorgetragen werden können. Doch in diesem Bereich ist die Grammatik nur eine mechanische Kunst, die die Gründe und Vernunftprinzipien der Gesänge nicht kennt. Daraus folgt, dass jeder, der diese Dinge kunstgemäß ausführt und die Gründe und Vernunftprinzipien dieser Kunst kennt, ein Musiker sein muss, auch wenn die Menge das nicht wissen mag. Wenn weiterhin gesagt wird, dass dies gar keine große Kunst erfordere, weil die Menschen das alles ganz leicht in den Messen für die Heiligen usw. von selbst machen, wann immer sie wollen, muss dazu gesagt werden, dass sie nichts davon kunstgemäß und der Wahrheit entsprechend ausführen, sondern dass das alles eine Karikatur des Gottesdienstes darstellt. Denn alles, was in diesem Bereich seit etwa dreißig Jahren getan wird, entspricht weder der Kunst noch der Wahrheit, weil die Komponisten weder wissen, welche, noch wie viele Versfüße sie benutzen müssen. Sie wissen auch nicht, welches Metrum angebracht ist oder wie man kunstgemäß komponiert. Daher schauen

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Teil I

rum hymnorum, et hujusmodi sic factorum, computant syllabas casualiter, non1 observantes legem metri in aliquo. Et ideo derisio est hic coram Deo, et angelis sanctis, et omnibus sapientibus in hac parte. Sancti enim, qui primo fecerunt, ut beatus Ambrosius, et Augustinus, et Beda, et alii, optime noverunt leges et rationes metri et rhythmi; et secundum vias artis fecerunt, tanquam potestatem scientiae habentes, et non a casu2 operantes, sicut moderni, qui fingunt quod volunt.

CAPITULUM LXXV. [ 506]

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Quartum est in quo philosophia musicae potenter deservire potest ecclesiae, scilicet in officio praedicandi, licet prima facie videatur absurdum. Hoc autem officium non pertinet ad studium, quia in lectione et disputatione consistit. Sed praedicatio fit fidelibus et infidelibus, laicis et clericis. Caeterum non possunt aliqui praedicare, nisi mittantur auctoritate praelatorum. Unde hoc officium proprium est praelatorum, et ab iis conceditur aliis, qui vice eorum funguntur; et ideo non ad studium pertinet absolute, sed ad ecclesiam. Quod autem philosophia ministret magnam potestatem persuasionis, satis patet ex his, quae misi in partibus Moralis philosophiae. Nam ibi radices persuasionis revolvi, tam secundum doctrinam sanctorum quam philosophorum, propter quarum radicum ignorantiam ­perit tota ratio praedicandi apud vulgum, et ars ipsa ignoratur. Et quoniam

1  non ]  et non, B. 2  casu ]  casu et, B.

KAPITEL 75

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sie sich nur die Beispiele anderer Gesänge an und zählen diesen entsprechend die Silben ganz zufällig, ohne die Regeln der Metrik zu beachten. Alles das ist vor dem Angesicht Gottes, der heiligen Engel und aller Weisen jedoch nur verlachenswert. Denn die Heiligen, die die Gesänge als erste entwickelt haben – wie der selige Ambrosius, Augustinus, Beda und viele andere –, kannten die Regeln und Prinzipien der Metrik und der Rhythmik ganz genau. Daher haben sie der Kunst entsprechend komponiert, weil ihnen die Macht dieser Wissenschaft bewusst war. Sie haben nichts dem Zufall überlassen wie die Modernen, die einfach alles erfinden, was sie wollen.

KAPITEL 75 Vom Nutzen der Musik für das Predigen und über Rhetorik [ 506]

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Viertens kann die Philosophie der Musik sehr wirksam der Kirche dienlich sein, indem sie sich in den Dienst des Predigens stellt, auch wenn das auf den ersten Blick abwegig erscheinen mag. Denn diese Aufgabe hat nichts mit dem Studium zu tun, das in der Vorlesung und der Disputation besteht. Doch gepredigt wird den Gläubigen und den Ungläubigen, den Laien und den Klerikern. Außerdem können sie nicht predigen, wenn sie nicht mit der Erlaubnis der Prälaten ausgesandt werden. Daher fällt diese Aufgabe den Prälaten zu, von denen sie auf andere übertragen wird, die diese Tätigkeit für sie verrichten, weshalb diese Aufgabe nicht in den Bereich des Studiums für sich genommen fällt, sondern direkt die Kirche betrifft. Dass aber die Philosophie [der Kirche] mit der großen Macht der Beredsamkeit sehr hilfreich ist, geht deutlich genug aus dem hervor, was ich in den Teilen der Moralphilo­ sophie 692 darüber gesagt habe. Denn dort habe ich den Heiligen und den Philosophen entsprechend die Wurzeln der Beredsamkeit aufgedeckt, wegen deren Unkenntnis alle Vernunft des Predigens bei der Menge verloren gegangen ist, und deretwegen diese Kunst selbst mittlerweile nicht mehr verstanden wird. Die Ungläubigen

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Teil I

infideles habent modos debitos persuadendi in his, quae pertinent ad eos, ideo modus hujus persuasionis est philosophicus, quia communis est fidelibus et infidelibus. Et propter hoc ex fontibus philosophiae descendit modus unus specialis in hac parte, quamvis et alius modus sumatur ex doctrina sanctorum. Sed modus philosophiae primus est, et disponit nos ad viam altiorem, ei necessarius, tanquam servus dominatori. Unde, sicut philosophia in aliis est necessaria ecclesiae, sic maxime in hac parte; quoniam principalis intentio ecclesiae et ultimus finis est opus praedicationis, ut infideles ad fidem convertantur, et fideles in fide et moribus conserventur. Sed quia utrumque modum vulgus ignorat, ideo convertit se ad summam et infinitam curiositatem, scilicet per divisiones Porphyrianas, et per consonantias ineptas verborum et clausularum, et per concordantias vocales, in quibus est sola vanitas verbosa, omni carens ornatu rhetorico et virtute persuadendi. Quoddam enim phantasma est pueriliter effusum, et a pueris adinventum, vacuis ab omni sapientia et eloquendi potestate, ut manifeste patet cuilibet intuenti, sicut in Secundo Opere et hoc1 Tertio Opere in Peccatis Theologiae declaravi. Et tamen est ibi maxima temporis consumptio. Nam propter curiositatis superfluitatem plus in decuplo laborant circa hujusmodi telam araneae construendam, quam circa sententiam sermonis. Quoniam autem libri Logicae Aristotelis de his modis, et commentarii Avicennae, deficiunt apud Latinos, et pauca quae translata sunt, in usu non habentur nec leguntur, ideo non est facile exprimere quid oporteat in hac parte. Quod autem Aristoteles fecit duos libros Logicae de hoc genere persuasionis in secta et moribus, manifestavi in tertia parte Operis

1  hoc ]  om. Ti.

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haben jedoch die ihnen angemessenen richtigen Mittel der Überzeugung; und ihre Art der Beredsamkeit besteht in philosophischen Argumenten, weil diese den Gläubigen und Ungläubigen gemeinsam sind. Daher entspringt ein spezieller Teil [der Moralphilosophie] aus philosophischen Quellen, wenn auch ein weiterer aus den Lehren der Heiligen genommen wird. Doch die philosophische Argumentation kommt vorher und bereitet uns auf den höheren Weg vor, für den sie notwendig ist, gleichsam wie der Sklave für den Herrscher. Daher ist die Philosophie, die auch in anderen Bereichen für die Kirche notwendig ist, vor allem in diesem Bereich von größtem Nutzen, weil es schließlich das grundsätzliche Anliegen der Kirche und zugleich der letzte Zweck des Predigens ist, dass die Ungläubigen zum Glauben bekehrt und die Gläubigen im Glauben und in den rechten Sitten gestärkt werden. Da die Menge aber keine der beiden Wege [der richtigen Beredsamkeit] kennt, wendet sie sich der ausufernden und nahezu unendlichen Neugierde zu, nämlich Porphyrischen Einteilungen und unpassenden Konsonanzen von Wörtern und Schlussfolgerungen, in denen sich nur die reine Worteitelkeit findet, die jedes rhetorischen Schmucks und jeder Überzeugungskraft entbehrt. Diese Illusion wird zur Zeit auf kindische Art verbreitet; da sie aber selbst von Kindern erfunden worden ist, hat sie nicht die Kraft der Weisheit und der Überzeugung, wie jedem Betrachter ersichtlich ist, und wie ich im zweiten Werk und in diesem dritten Werk anhand der Sünden der Theologie693 erläutert habe. Doch trotzdem wird damit die meiste Zeit verschwendet. Denn an der Konstruktion dieses Spinnengewebes arbeiten mehr als zehnmal so viele Menschen wie an dem Entwurf einer wirklich überzeugenden Redeweise. Da aber die Bücher des Aristoteles über die Logik und die Kommentare des Avicenna bei den Lateinern weitestgehend fehlen, und da die wenigen Bücher, die übersetzt worden sind, von uns weder benutzt noch gelesen werden, ist es nicht einfach auszudrücken, was für diesen Teil notwendig ist. Dass Aristoteles zwei Bücher über die Logik geschrieben hat, in denen auch diese Form der Überzeugung für die Lehren und Sitten besprochen wird, habe ich

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Teil I

Majoris, et in septima; quoniam non est dubium quin libros fecerit optimos; licet Latini hos ignorent; sicut ignoraverunt libros novae Logicae, dum solum veterem Logicam habuerunt. In illis enim docetur quomodo fiant sermones sublimes, tam in voce quam sententia, secundum omnes ornatus sermonis, tam metrice et rhythmice quam1 prosaice, ut animus ad id, quod intendit persuasor, rapiatur sine praevisione, et subito cadat in amorem boni et odium mali, secundum quod docet Alpharabius in libro De Scientiis. Et non solum consistunt haec praedicandi argumenta in pulchritudine sermonis, nec in magnitudine divinae2 sapientiae, sed in affectibus, et gestu, et debito corporis et membrorum motu proportionato, usque quo doctrina sanctorum accedat, qui docent praedicantem gratiam Spiritus Sancti in prothemate implorare et pro se3 et pro populo, et lachrymas devotas in serie persuasionis effundere abundanter. Nam sic docet Augustinus formam praedicationis Evangelicae, in quarto libro De Doctrina Christiana. Et sic ipsemet se praedicasse confitetur. Hic igitur invenitur persuasio legis credendae, de qua in quarta parte Moralis Philosophiae disserui. Et hic similiter consistit persuasio legis jam creditae, ut secundum eam recta fide et moribus vivatur, sicut expressi in quinta parte illius Scientiae. Sed ibi in universali et radices tetigi; modos vero particulares posui pro magna parte de facto in prima parte pro fidei articulis, et in tertia pro moribus. Nam qualiter contingat persuadere de divitiis vitandis et virtutibus exequendis manifeste explicavi per libros Senecae De Ira, et in

1  quam ]  et, Ti. 2  divinae ]  om. Ti. 3  pro se ]  om. Ti.

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im dritten und im siebenten Teil des Opus maius694 gezeigt. Von diesen Büchern besteht kein Zweifel, dass sie außerordentlich gut sind, auch wenn die Lateiner sie nicht kennen. Ebenso wenig haben sie die Bücher der neuen Logik gekannt, weil sie nur die alte Logik695 hatten. In diesen wird nämlich gelehrt, auf welche Weise man wirklich erhabene Reden schreiben muss: sowohl was den Vortrag als auch was die Ausarbeitung betrifft. Und zwar entsprechend dem richtigen Redeschmuck, der richtigen Metrik, der richtigen Rhythmik und der richtigen Prosa, damit der Geist von den Dingen, von denen er überzeugt werden soll, unmittelbar ergriffen wird und sich sofort zur Liebe des Guten und zum Hass gegen das Böse hingezogen fühlt, wie Alfarabi in seinem Buch über die Wis­ senschaften696 lehrt. Doch diese Redeformen der Predigt bestehen nicht nur in der Schönheit der Rede und der Macht der göttlichen Weisheit, sondern in dem Ansprechen von Gefühlen, in Gesten, in der ausgewogenen Bewegung des Körpers und seiner Glieder. Dazu tritt noch die Lehre der Heiligen, die darlegen, dass der Prediger dank des Heiligen Geistes während des Prothemas inständigst flehen und zum Nutzen für sich und die Zuhörer während seines Vortrages reichlich fromme Tränen fließen lassen sollte. Denn so lehrt Augu­ stinus die Form des Predigens des Evangeliums im vierten Buch seiner christlichen Bildung 697 und gibt auch zu, dass er selbst immer so gepredigt habe. Hier wird auch die Überzeugung des zu glaubenden Gesetzes gefunden, von der ich im vierten Teil meiner Moralphilosophie698 gesprochen habe. Ähnlich verhält es sich mit der Überzeugung dessen, was schon geglaubt worden ist, damit man dem rechten Glauben und den richtigen Sitten entsprechend lebt, die ich im fünften Teil699 dieser Wissenschaft beschrieben habe. Doch dort bin ich im Allgemeinen und von der Wurzel her darauf eingegangen; die einzelnen Beschreibungen habe ich zu großen Teilen im ersten Teil, der die Glaubensartikel behandelt, und im dritten Teil700, der sich den Sitten widmet, gebracht. Denn wie man jemanden davon überzeugen kann, Reichtümer zu meiden und die Tugenden zu suchen, habe ich deutlich anhand der

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aliis optimis, in quibus inveniuntur ad vitium vel virtutem modi speciales persuadendi; nunc per exempla magnorum sapientum, nunc per rationes, nunc per auctoritates, nunc per similitudines sumptas ex rebus naturalibus et aliis, ita quod nullus est ita sapiens in hoc mundo quin possit mirari de tanta efficacia persuadendi. Quae de ira scripsi plana sunt, quia correxi illa et signavi. Alia vero quae sequuntur non ita patent, quia non sunt correcta nec signata; propter quod modo mitto exemplar correctum; et poterit vestra beatitudo videre tam proprios modos arguendi de amore virtutis talis et talis, vel de horrore vitiorum, et tam pulchros, quod non est finis. Et certe nunquam fuissent sic1 philosophi loquuti, nisi quia per experientiam longam habuerunt exercitium virtutis. Seneca vero refert de seipso, quod omni die antequam in nocte dormiret, totam vitam suam diurnam recoleret, ut videret in quibus verbis et factis aut male fecisset aut minus; dicens in quo gravor si dicam mihi ipsi, vide ne plus feceris hoc, vel dixeris. Et tamen habuit uxorem juxta se, quae non fuit ausa impedire eum, sciens, ut ait, meam consuetudinem. O quam efficax argumentum morale per exemplum tanti viri accipitur hic, ut quilibet Christianus excitetur, quatenus antequam dormiat recolligat omnia facta et dicta diurna, et de his confiteatur sacerdoti, si copiam possit habere; aut saltem coram solo Deo revolvat sua delicta. Si enim homo paganus, gratia fidei non illustratus, hoc fecit, ductus sola vivacitate

1  fuissent sic ]  sic fuissent, B.

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Bücher Senecas Über den Zorn701 ebenso wie anhand weiterer hervorragender Bücher erklärt, in denen ganz einzigartige Methoden gefunden werden können, von [der Vermeidung des] Lasters und von der Tugend zu überzeugen. Mal überzeugt er einen mit den Beispielen der großen Weisen, dann wieder mit Vernunftgründen, nun mit Autoritäten und Ähnlichkeiten, die aus der Natur und von anderswo gewonnen sind, sodass es wohl keinen Weisen auf der Welt geben kann, der sich über solch überwältigende Beredsamkeit nicht wundern würde. Ich habe vieles über den Zorn geschrieben, wobei ich [die Abhandlung Senecas] verbessert und mit Anmerkungen versehen habe. Mit anderen Texten, die dieser Abhandlung folgen, verhält es sich jedoch nicht so, weil sie weder korrigiert noch mit Anmerkungen versehen sind, weshalb ich Euch ein verbessertes Exemplar zusende; und Eure Seligkeit wird sehen, dass es darin sehr viele einzigartige Argumente gibt, die uns zur Liebe der Tugend oder zum Abscheu vor dem Laster hinführen, und die so schön sind, dass es dabei gar kein Ende zu geben scheint. Es ist wohl aber auch sicher, dass die Philosophen niemals so beredt hätten sein können, wenn sie nicht durch lange Ausübung der Tugend darin erfahren gewesen wären. Seneca berichtet uns von sich selbst, dass er jeden Tag, bevor er zur Nacht ins Bett geht, sein ganzes Leben täglich für sich noch einmal überdenkt, damit er von sich selbst sehen könne, in welchen Worten und Taten er schlecht oder zu wenig gehandelt hat; er sagt auch, dass er dort, wo er von sich selbst sagen muss, dass er sich selbst lästig und beschwerlich sei, darauf sehen muss, solches nicht mehr zu tun oder zu sagen. Und dabei hatte er eine Frau, die es niemals gewagt hat, ihn dabei zu stören, weil sie, wie er sagt, »meine Gewohnheiten kennt«.702 Was wäre das für ein starkes moralisches Argument, wenn viele Menschen diesem Beispiel folgen würden, sodass jeder Christ, bevor er zu Bett ginge, alle seine täglichen Taten und Worte für sich sammeln und sie einem Priester beichten würde, wenn er vieles zu beichten hätte, oder seine Verfehlungen doch wenigstens vor dem Angesichte Gottes eingestünde! Denn wenn sogar ein pa­ga­ ner Mensch, der nicht durch die Gnade des Glaubens erleuchtet

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Teil I

rationis, quanto magis debet quilibet Christianus hoc facere, qui non solum cum Seneca habet potestatem rationis, sed excedit eum in infinitium per sapientiam Christianam. Sed de his et hujusmodi scripta principalia requiruntur. Sed diceret aliquis quid haec ad musicae proprietatem? Certe multum, immo principaliter; et hoc volo ostendere, ut appareat quid est proprium unius scientiae et quid alterius. Non enim possum negare quin multae scientiae considerent haec. Nam moralis philosophus scit uti sermone suavi, et gestibus convenientibus orationi delectabili conformandis. Similiter logicus et grammaticus. Sed nullius istorum est causas et rationes assignare, sed alterius scientiae. Et quod haec sit musica patet per ea quae ad hos sermones et gestus pertinere noscuntur. Aristoteles enim et omnes ejus1 expositores in libris de his sermonibus testantur, quod hi sermones debent esse in fine decori2 et sublimes; et hoc non solum prosaice secundum omne genus coloris et ornatus, sed pro qualitate temporis, et personarum, et locorum, et materiae de qua fit sermo, debent ornari omni genere metri et rythmi, ut animus subito rapiatur in amorem boni et odium mali; quatenus homo totus sine praevisione rapiatur et elevetur supra se, et non habeat mentem in sua potestate; sed si fuerit malus amore boni absorbeatur; si imperfectus, induat animum perfectionis, non violentia, sed virtute sermonis potenti et suavi.

1  ejus ]  om. Ti. 2  decori ]  decoris, B.

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war, dies nur durch die Kraft seiner Vernunft getan hat, wie viel mehr müsste erst jeder Christ dasselbe tun, der nicht nur dieselbe Vernunfterkenntnis besitzt, sondern ihn noch unendlich durch die christliche Weisheit übertrifft. Doch zu diesem Thema und weiteren ähnlichen Bereichen werden noch dringend grundlegende Schriften benötigt. Es könnte aber jemand fragen, was das denn alles mit der Musik zu tun hat? Mit Sicherheit vieles, ja sogar ganz Grundlegendes. Daher möchte ich das hier zeigen, damit deutlich wird, was zu e­ iner Wissenschaft gehört und was zu einer anderen. Denn ich kann nicht abstreiten, dass viele Wissenschaften sich [mit der Beredsamkeit] beschäftigen, da der Moralphilosoph eine überzeugende Redeweise sehr wohl zu nutzen versteht, ebenso wie die entsprechenden Gesten, die zu einer gefälligen Rede gehören. Ähnlich ist es auch beim Logiker und Grammatiker. Doch es ist nicht die Aufgabe dieser Wissenschaften, die Gründe und Prinzipien [für diese Redeweise] anzugeben, sondern das gehört in den Bereich einer anderen Wissenschaft. Dass diese Wissenschaft jedoch die Musik ist, wird aus den Dingen deutlich, von denen wir wissen, dass sie die Sprechweise und die Gestik betreffen. Denn Aristoteles703 und alle Erklärer seiner Bücher über die Rhetorik bezeugen, dass die Reden verziert und erhaben sein müssen; und das betrifft nicht nur den Fall, dass Prosatexte mit jeder Färbung und jedem Schmuck verziert sein müssen, sondern es betrifft auch die richtige Zeitform, die richtige Darstellung der Personen, Orte und Inhalte, von denen die Rede handelt. Diese müssen alle mit jeder Art von Metrik und Rhythmik ausgestaltet sein, damit der Geist sofort zur Liebe zum Guten und zum Hass gegen das Böse hingerissen wird – in einem solchen Maße, dass der Mensch ohne jede Voraussicht hingerissen und über sich selbst erhoben wird, ohne darüber nachdenken zu können; vielmehr muss er durch die Liebe zum Guten gleichsam verschlungen werden, wenn er vorher schlecht gewesen sein sollte; wenn nur unvollkommen, sollte sein Geist durch die Vollkommenheit gekräftigt werden – und zwar nicht durch Gewalt, sondern durch die mächtige und süße Kraft der Rede.

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Teil I

Grammaticus igitur utitur his pueriliter; sed logicus quantum ad formam arguendi quam constituit, in his procedit viriliter, et causas et rationes assignat. Sed quantum ad decorem et ornatum et suavitatem argumenti, certe non potest logicus, sicut nec grammaticus, causas et rationes assignare, sed musicus; sicut geometer causas linearum, et angulorum, et figurarum, quibus utitur carpentator, habet dare. Nam ut prius patuit, musica quaedam est prosaica, quaedam1 metrica, quaedam rhythmica; et hae dant omnes causas et rationes ornatus et decoris sermonis. Similiter moralis philosophus utitur his; sed non potest causas et rationes dare, nec scit primam artem componendi hos sermones, sed accipit a logico formam arguendi, et a musico2 omnem decorem et ornatum. Rhetor vero sive orator utitur his, quia appropriamus vulgariter ornatum rhetori et oratori, et colores rhetoricos vocamus, et artem eloquendi attribuimus rhetori et oratori. Sed hic attendere debemus, quod rhetorica est duplex. Una est quae docet quomodo et ex quibus et qualiter habet componi argumentum rhetoricum. Et haec est pars logicae, sicut demonstravi in communibus mathematicae, quarta parte, Primi Operis. Alia est rhetorica, quae utitur hoc genere arguendi; et haec est pars moralis philosophiae, cujus socia est poetica quae consistit in dictis, sicut reliqua pars moralis philosophiae consistit in factis. Ex quibus patet quod rhetorica non est scientia principalis per se divisa, contra logicam et grammaticam, ut vulgus assignat partes Trivii. Oportet enim quod rhetorica, componens argumenta et docens arguere, sit pars logicae, et quod utens sit pars moralis

1  quaedam ]  om. Ti. 2  musico ]  musica, Ti.

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Der Grammatiker aber benutzt alles das auf kindische Weise. Soweit es die Form des Argumentierens betrifft, wird der Logiker schon auf männliche Weise voranschreiten und Gründe und Prinzipien angeben. Doch für die Zierde, den Schmuck und die Lieblichkeit eines Argumentes können sicher weder der Logiker noch der Grammatiker Gründe und Prinzipien angeben, sondern nur der Musiker: ebenso, wie der Geometer die Gründe für die Flächen, Winkel und Figuren anzugeben hat, die vom Zimmermann benutzt werden. Denn wie aus dem zuvor Gesagten hervorgeht, teilt sich die Musik in die Prosa, die Metrik und die Rhythmik, die die Gründe und Prinzipien für eine schöne und geschmückte Rede angeben. Der Moralphilosoph benutzt diese zwar in ähnlicher Weise, aber er vermag nicht die Gründe und Prinzipien anzugeben und kennt nicht die erste Kunst, die für den Entwurf seiner Reden notwendig ist; sondern er übernimmt vom Logiker seine Argumentationsformen und vom Musiker die Zierde und den Schmuck. Der Redelehrer oder der Redner benutzt diese Dinge freilich, weil wir uns für gewöhnlich den Schmuck der Rede des Redelehrers oder Redners aneignen, und ebenso das, was wir als rhetorische Färbungen bezeichnen, weshalb wir dem Rhedelehrer und dem Redner die Kunst der Rede zuschreiben. Doch es muss uns klar sein, dass die Rhetorik zweifach ist: Der eine Teil der Rhetorik lehrt uns, auf welche Weise und mit welchen Figuren ein rhetorisches Argument formuliert werden muss. Und dies ist ein Teil der Logik, wie ich im vierten Teil des Opus maius704 in den allgemeinen Bemerkungen zur Mathematik gezeigt habe. Der andere Teil der Rhetorik nutzt diese Form des Argumentierens. Dieser Teil ist ein Teil der Moralphilosophie, deren Verbündete die Poetik ist, die aus Worten besteht, so wie der verbleibende Teil der Moralphilosophie aus Handlungen besteht. Daraus wird deutlich, dass die Rhetorik keine Wissenschaft für sich ist, die der Logik und der Grammatik gegenübersteht, wie es die Menge im Trivium generell annimmt. Denn eigentlich verhält es sich so, dass die Rhetorik, die das Zusammenstellen von Argumenten und das Disputieren lehrt, ein Teil der Logik ist. Die praktische Umsetzung

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Teil I

philosophiae. Et similiter est poetica duplex, scilicet docens componere argumentum poeticum, et utens eo. Prima est pars logicae; secunda est pars moralis philosophiae. Qualiter autem poetica differt a rhetorica, tam in logicalibus quam in moralibus exposui in illa parte quarta1 Primi Operis2, et magis in septima. Haec autem ideo distinxi, quia vulgus non intelligit aliquid discretum hic, nec scit cui scientiae pertineat uti sermone decoro; nec cujus sit causas et rationes assignare. Apud igitur musicam est potestas hujus considerationis secundum causas et rationes; sed apud alias3 est usus; diversimode tamen; quoniam aliter grammaticus, aliter logicus, aliter moralis, et rhetor, et poeticus. Similiter de gestibus; nam ostensum est prius, quod omnes gestus, et exultationes, et flexus corporis pertinent ad musicam, quantum ad causas et rationes assignandas, ut fiant proportionales sermoni, motibus consimilibus, et configurationibus competentibus. Et ideo cum persuasor honesti et boni debet habere hujusmodi gestus suaves et conformes, sicut exposui in quinta parte Moralis Philosophiae, manifestum est quod in his musica sit necessaria moribus persuadendis. Cytharista vero operatur mechanice et utitur instrumento musico per consuetudinem; sed ipse nescit causas et rationes proportionum sonorum, et tamen bene contingit, quod manualis operator sciat melius cytharizare quam musicus. Sed manu artifex nescit artem secundum rationes et causas dare, musicus tamen scit. Ita est hic, quod persuasor aliquando scit me-

1  parte quarta ]  quarta parte, Ti. 2  Primi Operis ]  Operis Primi, B. 3  alias ]  alia, Ti.

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[der Rhetorik] ist jedoch ein Teil der Moralphilosophie. Genauso ist auch die Poetik zweifach: Indem sie nämlich zum Einen lehrt, ein poetisches Argument zu entwickeln, zum Anderen aber, es praktisch zu benutzen. Das Erste gehört zur Logik; das Zweite jedoch zur Moralphilosophie. Auf welche Weise sich die Poetik von der Rhetorik sowohl in der Logik als auch in der Moralphilosophie unterscheidet, habe ich im vierten und vertiefend im siebenten Teil des Opus maius erläutert705. Ich habe diese Unterscheidung deshalb getroffen, weil die Menge hier nicht richtig zu trennen weiß, und sich nicht im Klaren darüber ist, zu welcher Wissenschaft es gehört, eine schöne Rede zu benutzen; oder welcher Wissenschaft die Aufgabe zukommt, Gründe und Prinzipien anzugeben. Denn zur Musik gehört die Kraft, die Beredsamkeit nach ihren Gründen und Prinzipien zu behandeln, doch bei den anderen [Wissenschaften] liegt ihr Gebrauch, wenn auch auf ganz verschiedene Weise: denn etwas gehört sich für den Grammatiker, etwas anderes aber für den Logiker, für den Moralphilosophen, für den Rhetor und für den Dichter. Mit den Gesten ist es ähnlich: denn weiter oben ist gezeigt worden, dass jede Geste, jede Bewegung und jede Drehung des Körpers zur Musik gehört, soweit deren Gründe und Prinzipien angegeben werden sollen; dasselbe gilt für die einzelnen Redeteile, die dazugehörigen gebotenen Bewegungen und die richtigen Anordnungen [der Rede]. Da jemand, der andere von ehrenhaften und guten Dingen überzeugen will, diese angemessenen und lieblichen Gesten kennen muss, wie ich im fünften Teil der Moralphilosophie706 erklärt habe, ist die Musik notwendig, wenn man andere von den richtigen Sitten überzeugen möchte. Der Kitharaspieler nämlich führt seine Tätigkeit nur mechanisch aus und benutzt sein Musikinstrument nur gewohnheitsmäßig, doch er kennt nicht die Gründe und Prinzipien der richtigen Tonverhältnisse. Trotzdem kann es durchaus vorkommen, dass derjenige, der mit den Händen die Kithara spielt, besser als ein Musiker weiß, wie er sie zu spielen hat. Doch der Instrumentalist kennt seine Kunst nicht bis hin zu den Gründen und Prinzipien, der Musiker dagegen schon. Ebenso kommt es vor,

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Teil I

lius ex consuetudine sermones decoros proferre, et gestus nobiles componere, quam multi musici. Sed tamen ars est penes musicum, et causarum ac rationum potestas, non apud persuasorem. Ex his igitur quae in hac distinctione dicta sunt de modo persuadendi circa virtutes et vitia, et poenam, et gloriam, et ex illis quae in parte quarta et septima operis primi exposui, patet tota radicalis potestas persuadendi in fide et moribus, quantum ad modum persuadendi; qui modus est plenus pulchritudine sapientiae et potestate, et omnino conveniens praedicatori. Sicut non solum philosophia docet, sed beatus Augustinus in tertio et quarto libro De Doctrina Christiana. Et alii sancti similiter in multis locis. Quae forma praedicandi non tenetur a vulgo theologorum, sed sunt elongati ab ea his diebus. Et quia praelati, ut in pluribus, non sunt multum instructi in theologia, nec in1 praedicatione dum sunt in studio, ideo postquam sunt praelati, cum eis2 incumbit opus praedicandi, mutuantur et mendicant quaternos puerorum, qui adinvenerunt curiositatem infinitam praedicandi, penes divisiones et consonantias et concordantias vocales, ubi nec est sublimitas sermonis, nec sapientiae magnitudo, sed infinita puerilis stultitia, et vilificatio sermonum Dei; sicut praecipue exposui in Peccato Septimo studii theologiae, in Opere Secundo, et in Peccato Octavo in hoc Opere Tertio; quam curiositatem Deus ipse auferat ab ecclesia sua; quia nulla utilitas praedicationis potest fieri per hunc modum. Sed excitantur audientes ad omnem curiositatem intellectus, ut in nullo affectus elevetur in bonum per eos qui talibus modis utuntur in praedicatione. Sed licet vulgus praedicantium sic utatur, tamen aliqui modum alium habentes, infinitam faciunt utilitatem,

1  in ]  om. Ti. 2  eis ]  om. Ti.

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dass ein Redner manchmal aus Gewohnheit besser als viele Musiker weiß, wie man schöne Reden gestalten und dazu edle Gesten benutzen muss. Dennoch gehört diese Kunst mehr zur Musik, weil sie im Gegensatz zum Redner über die Macht der Gründe und der Prinzipien verfügt. Aus all dem, was ich in dieser Unterscheidung über die Tugenden und die Laster, über die Strafe und den Ruhm und über alles Weitere gesagt habe, was im vierten und siebenten Teil des Opus maius beschrieben wird, geht die ganze Macht der Überzeugung vom Glauben und den Sitten hervor, soweit sie die Überzeugungskunst betreffen: denn diese Überzeugungskunst ist voller Schönheit an Weisheit und Kraft; und alles daran ist dem Prediger nützlich. So lehrt es nicht nur die Philosophie, sondern auch der selige Augustinus im dritten und vierten Buch seiner christlichen Bildung 707 ebenso wie andere Heilige an vielen Stellen. Doch diese Art des Predigens wird von der Menge der Theologen nicht aufgenommen, sondern sie haben sich in diesen Tagen sehr weit von ihr entfernt. Und weil die Prälaten, wie in vielem anderen, in der Theologie nicht sehr unterwiesen sind – und auch nicht im Predigen, solange sie im Studium sind –, müssen sie sich, nachdem sie Prälaten geworden sind und ihnen die Aufgabe des Predigens zufällt, die Skizzenbücher der Jungen erbetteln, wo sie aber nur unendliche Neugierde finden, endlose Einteilungen, Konsonanzen und Konkordanzen von Wörtern, in denen es keine Erhabenheit der Rede, keine Fülle der Weisheit zu finden gibt, sondern nur unendliche kindische Dummheit und eine endlose Verunglimpfung der Worte Gottes, wie ich besonders anhand der siebenten Sünde708 des Theologiestudiums und anhand der achten Sünde in diesem dritten Werk gezeigt habe. Denn diese Neugierde wollte Gott selbst von seiner Kirche fernhalten, weil daraus kein Nutzen für die Predigt gewonnen werden kann. Doch wird der Intellekt der Zuhörer nur zur Neugierde geführt, sodass überhaupt kein gutes Gefühl durch diejenigen geweckt wird, die sich solcher Mittel in der Predigt bedienen. Aber auch wenn die Menge der Prediger sich so verhält, gibt es doch ebenso andere, die anders predigen, und die dadurch unendlich viel Nütz-

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Teil I

ut est Frater Bertholdus Alemannus, qui solus plus facit de utilitate magni­fica in praedicatione, quam fere omnes alii fratres ordinis utriusque. DEO GR ATIAS. AMEN. AMEN. AMEN.

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liches tun, wie zum Beispiel Bruder Berthold der Deutsche709, der allein mehr herrliche Nützlichkeit durch seine Predigt vollbringt, als fast alle anderen Brüder der beiden Orden. DANK SEI DEM HERRN. AMEN. AMEN. AMEN.

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O PU S T E RT I U M PA R S I I

CAPITULUM LXXVI. 1 De utilitate mathematice ad rem publicam dirigendam2 [1] Post hec sequitur operatio3 mathematice ad rem publicam fidelium

dirigendam. Et hec directio est in duabus maximis rebus, scilicet in cognitione presentium, preteritorum et futurorum secundum possibilitatem philosophie, et in operatione mirabilium pro utilitate rei publice. Et jam data4 est via qualiter possibile5 est convenienter judicare; sed de operibus parum tactum est. Non est a­ utem possibile hec duo adimpleri, nisi sciamus complexiones rerum, quia secundum varietates rerum stat6 omne judicium. [2] Nam secundum quod complexiones variantur, tam hominum quam aliorum, variantur sanitates et infirmitates hominum, et scientie et artes, et occupationes et negotia, et lingue et mores, ut videmus in diversis regionibus. Nam in omnibus his non solum remote regiones in eodem tempore [variantur]7, sed propinque, ut omnibus notum est. Item res ejusdem regionis variantur multipliciter in eodem tempore. Nam alie sunt calide, alie frigide; et homines in omnibus predictis variantur in eadem regione, licet non tantum sicut in diversis regionibus. Ceterum res eadem in diversis 1  Hier beginnt der Teil des Opus tertium, der von Brewer nicht ediert worden ist (siehe die Einleitung in diese Edition, S.  C XXIII ). 2  Keine Überschriften in W. 3  operacio ]  comparatio, Ta. 4  data ]  om. Ta. 5  possibile ]  publice, W. 6  complexiones rerum … varietates rerum stat ]  complexiones rerum habi­ tabilium, quia secundum varietates complexionum stat, Ta. 7  variantur ]  om. MSS.

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O PU S T E RT I U M TEIL II

KAPITEL 76 Von dem Nutzen der Mathematik für die Lenkung des Gemeinwesens [1] Darauf folgt die Anwendung der Mathematik auf die Lenkung der

Gemeinschaft der Gläubigen.710 Diese Anwendung ist auf zwei gewaltig große Dinge gerichtet: auf die Erkenntnis der gegenwärtigen, der vergangenen und der zukünftigen Ereignisse, soweit die Philosophie es ermöglicht, und auf die Ausübung von wunderbaren Werken für den Nutzen des Gemeinwesens. Wir haben schon den Weg aufgezeigt, mit dem man richtige Vorhersagen treffen kann; doch über die Werke ist erst Weniges gesagt worden. Es ist aber unmöglich, über diese zwei Bereiche etwas zu wissen, wenn wir nicht die Mischungen der Dinge auf der Erde kennen, weil jede Vorhersage von den Unterschieden in den Dingen abhängt. [2] Denn entsprechend den unterschiedlichen Mischungen – sei es bei den Menschen oder den Dingen – unterscheiden sich auch die Gesundheit und die Krankheiten der Menschen, ihre Wissenschaften und Künste, ihre Beschäftigungen und Tätigkeiten und ihre Sprachen und Sitten, die wir in den verschiedenen Regionen [der Erde] beobachten können. So ist allen bekannt, dass in allen diesen Aspekten nicht nur verschiedene, weit voneinander entfernte Re­gio­nen zur gleichen Zeit voneinander abweichen, sondern auch solche, die nahe beieinander liegen. Ebenso unterscheiden sich auch die Dinge derselben Region zu derselben Zeit vielfach voneinander, denn einige [Regionen] sind warm, andere hingegen kalt; und auch die Menschen unterscheiden sich in allen genannten Aspekten in derselben Region voneinander, wenn auch freilich nicht so stark wie dann, wenn sie aus verschiedenen Gegenden stammen.

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Teil II

suis partibus, ut homo et alia, similiter habent magnam diversitatem in eodem tempore. [3] Item eadem pars rei et eadem res numero mutatur multis modis secundum diversa tempora, scilicet in horis diversis et diebus diversis1 et annis et revolutionibus multorum annorum, et hoc tam in monstruosa generatione quam recta. Sed complexiones rerum istarum sciri non possunt nisi cause huiusmodi complexionum sciantur. [4] Cause vero omnium istorum inferiorum sunt celestia que influunt virtutes suas et faciant varias complexiones in diversis. Nam elementa, ut dicit Aristoteles 2° de Generatione, respectu celi2 agunt3 tantum sicut securis respectu artificis; ergo sicut domificatori per artem suam ascribitur domus et non securi, sic celo ascribuntur4 effectus in his inferioribus et non virtutibus elementorum, que tamen sunt hic maxime active. Item in eodem libro dicit quod 2X allacio solis in circulo obliquo5 est causa generationis et corruptionis in rebus et specialiter in rebus animatis. Nam in generatis per putrefactionem idem facit virtus solis quod virtus patrum in seminibus, ut dicit Averoys super 7m Methaphysice. Et in vegetabilibus dicit Aristoteles libro suo de illis, quod sol est pater plantarum et terra mater. Et in 2° Phisicorum dicit quod homo generat hominem et sol. [5] Et Averoys dicit quod magis sol quam homo, quia continuat suam virtutem a principio generationis usque in finem; et si ita est de ho-

1  diebus diversis ]  hinzugefügt in Ta: et septimanis et mensibus. 2  celi ]  celestium, Ta. 3  agunt ]  non agunt, W. 4  ascribuntur ]  ascribenter, Ta. 5  circulo obliquo ]  sub obliquo circulo, Ta.

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Überdies gibt es auch in den verschiedenen Teilen eines Dinges zur selben Zeit eine große Vielfalt, sei es bei Menschen oder anderen Dingen. [3] Weiterhin verändert sich auch der Teil und die Anzahl derselben Sache auf sehr vielfältige Art zu verschiedenen Zeiten, das heißt zu verschiedenen Stunden, an verschiedenen Tagen und in verschiedenen Jahren und Jahrzehnten in der natürlichen wie auch in der von der Natur abweichenden Entstehung [monstruosa genera­ tione]. Doch über die unterschiedlichen Mischungen aller dieser Dinge kann man nichts wissen, wenn man nicht die Gründe für diese Mischungen kennt. [4] Tatsächlich sind die Gründe für alle Veränderungen auf der Erde die Himmelskörper, die durch ihre Kräfte auf die Erdsphäre einwirken und dadurch die verschiedenen Mischungen in den Dingen hervorbringen. Denn die Elemente verhalten sich gegenüber den Himmelskörpern ebenso, wie eine Axt gegenüber dem Zimmermann, wie Aristoteles im zweiten Buch Vom Werden und Verge­ hen711 sagt: wie der Zimmermann nämlich durch seine Kunst und nicht durch die Säge ein Haus fertigstellt, bewirken auch die Himmelskörper auf der Erdsphäre die Veränderungen und nicht die Kräfte der Elemente, die freilich auch äußerst aktiv daran beteiligt sind. In demselben Buch schreibt er auch, dass die zweimalige Entfernung der Sonne auf einer schiefen Kreisbahn der Grund für das Werden und Vergehen in den Dingen, vor allem in den belebten Dingen, ist.712 Denn in den entstandenen Dingen bewirkt die Sonne durch einen gewissen Fäulnisprozess das Gleiche wie das, was der Vater durch seinen Samen bewirkt, wie Averroes im siebenten Buch seiner Metaphysik 713 schreibt. Und in seinem Buch Über Pflanzen714 sagt Aristoteles über die Pflanzen, dass die Sonne deren Vater und die Erde deren Mutter ist. Zudem schreibt er im zweiten Buch seiner Physik 715, dass der Mensch und die Sonne gemein­sam den Menschen hervorbringen. [5] Und Averroes sagt, dass die Sonne stärker an diesem Prozess beteiligt ist als der Mensch, da ihre Kraft vom Beginn der Hervorbringung bis zu deren Ende wirksam ist. Wenn sich das so bei den

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Teil II

minibus, multo magis erit de brutis, quia natura est magis sollicita circa homines quam circa bruta. Et 18° de Animalibus Avicenna docet quod tota generatio recta et augmentum in rebus et termini vite et mortis dependent a celestibus motibus et virtutibus1. [6] Et prima variatio est per dies naturales secundum revolutionem solis: deinde per septimanas secundum figuram et lumen lune et motum in quadraturis sui circuli: deinde per menses secundum revolutiones [solis]2 in signis diversis, precipue3 per conjunctiones solis et lune: deinde secundum 4tas  anni per revolutionem solis in 4tis 4 Zodiaci; deinde per revolutiones planetarum altiorum qui sunt Mars, Jupiter et Saturnus, qui sunt tardi motus; ad quos sequitur5 effectus per revolutionem temporis multi; secundum quod in quadraturis suorum circulorum moventur per magna tempora, accidunt effectus varii et longis6 temporibus interceptis et secundum quod complent suos circulos: ut Mars in 2bus annis, et Jupiter in 12 et Saturnus in 30. Sic tardantur effectus et suis temporibus renovantur. [7] Similiter secundum quod complent multas revolutiones, fiunt multa et non solum naturalia sed renovationes principatuum et regnorum, secundum quod dicit Albumazar in Libro Conjunctionum, ut7 in tempore regni Persarum fuerunt 10 revolutiones [Saturni]8 pertransite, exortum est regnum Alexandri. Et quando 10 alie revolutiones, dicit quod apparuit dominus Jesus filius Marie, super quem sunt orationes cum permutatione secte: non quod

1  motibus et virtutibus ]  om. Ta. 2  solis ]  om. W. 3  precipue ]  om. Ta. 4  4tis ]  quartis, Ta. 5  sequitur ]  consequuntur, Ta. 6  et longis ]  et in longis, Ta. 7  ut ]  ut quando, Ta. 8  Saturni ]  om. W.

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Menschen verhält, dann wird sich dies bei den wilden Tieren noch viel mehr so verhalten, da die Natur sich viel mehr um Menschen als um wilde Tiere sorgt. Im 18. Buch von Über die Tiere716 lehrt Avicenna auch, dass jedes Werden, jede Vermehrung und jeder Anfangs- und Endpunkt des Lebens und des Todes von den Bewegungen und Kräften der Himmelskörper abhängen. [6] Die erste Ursache für eine Veränderung ergibt sich aus den natürlichen Tagen, die sich nach dem Lauf der Sonne richten. Zweitens aus den Wochen, die entsprechend der Gestalt und dem Licht, sowie entsprechend den Quadraturen der Kreise des Mondes gezählt werden. Drittens aus den Monaten, die aus den Umläufen der Sonne in den verschiedenen Sternzeichen entstehen, wobei die Konjunktionen von Sonne und Mond eine ganz besondere Rolle spielen. Viertens aus den Vierteljahren, die sich aus den Umläufen der Sonne in den vier Tierkreiszeichen ergeben. Weiterhin aus den Planeten Mars, Jupiter und Saturn, die weiter oben [am Himmel] gelegen sind, und deren Bewegung langsam ist. Aus den Umläufen [dieser drei Planeten] folgen auch längerfristige Effekte, die sich erst nach langer Zeit bemerkbar machen. Denn da sie sich über lange Zeiten in den Quadraturen ihrer Kreise bewegen, ergeben sich auch ihre Wirkungen erst, wenn sie ihre Bahnen erfüllt haben, zwischen denen lange Zeiträume liegen: denn der Mars braucht zwei Jahre für eine Umrundung [der Erde], Jupiter braucht 12 Jahre und der Saturn benötigt 30 Jahre. Dementsprechend werden auch ihre Effekte verzögert, und ihre Zeitperioden brauchen länger, um erneuert zu werden. [7] Nach mehreren solcher Umrundungen geschehen auch viele große Veränderungen – nicht nur im Bereich der Natur, sondern es verändern sich ganze Fürsten- und Königtümer, wie Albumasar in seinem Buch über die Konjunktionen717 sagt: denn nach zehn Umrundungen des Saturn ging die Herrschaft der Perser zu Ende und die Königsherrschaft Alexanders des Großen begann.718 Nachdem zehn weitere Umrundungen vollendet waren, sagt er, dass Jesus, der Sohn Marias, erschien, von dem es viele Prophezeiungen darüber gab, dass er die Religionen verändern würde.719 Es ist zwar

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Teil II

celestia sint cause legis christiane, sed sunt in signum quantum ad Christum; sed hoc expositum est prius in distinctione de sectis. Et quando complete sunt 10 alie, venit Meni1 quidam rex cum lege que est inter paganos et nazarenos. Et post 10 alias venit Machometus cum lege sua. Et non artantur hujusmodi mutationes ad 10 revolutiones, quia fortasse aliquando fiunt in 9a, aliquando in 11a  revolutione, et hoc secundum potestatem conjunctionum Saturni et Jovis, de quibus dictum est quando de sectis actum est. [8] Et cum2 conjunctiones sunt tres, scilicet magna, major et maxima, ut habitum3 est, docet Albumazar quod in omnibus 20 annis per magnam conjunctionem accidit mutatio rerum magna. Nam signat super gravitatem annone et sublimationem potentum et multa. Major vero conjunctio accidit in omnibus 240 annis et signat super aeris alterationes, et ad sectarum mutationes et consuetudinum4 movet corda hominum et excitat. Maxima vero fit post quoslibet 960 annos et signat super diluvium, terremotus, ignitas impressiones in aere, mutationes regnorum et imperiorum. Et non solum in recta generatione rerum accidunt hujusmodi per revolutiones celestes, sed in monstruosa5, sicut in libro memorato dicit Avicenna, secundum figurationes celestium virtutum accidunt huiusmodi monstra, ut quod filius hominis habuerit caput arietis, et similia. [9] Philosophi igitur omnia que contingunt in his inferioribus ascribunt celestibus, scilicet vel causaliter et effective ut in omnibus

1  Meni ]  Neni, Ta. 2 cum ] om. Ta. 3  ut habitum ]  et habitum, W. 4  consuetudinum ]  consuetudines, Ta. 5  monstruosa ]  menstruosa, W.

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nicht der Fall, dass die Himmelskörper die Ursachen für das christliche Gesetz sind; aber sie sind Zeichen, die sich auf ­Jesus Christus beziehen, wie ich bereits in meiner Passage [im Opus maius] über die Unterscheidungen der Religionen ausgeführt habe. Als weitere zehn Umrundungen vollständig waren, kam ein gewisser König namens Mani, dessen Gesetz zwischen den Heiden und den Nazarenern liegt.720 Nach zehn weiteren Umrundungen kam Mohammed mit seinem Gesetz.721 Solche Veränderungen lassen sich jedoch nicht immer auf zehn Umrundungen eingrenzen, da sie sich vielleicht manchmal bereits nach neun Umrundungen ereignen, manchmal vielleicht auch nach elf, was sich nach der Kraft der Konjunktionen von Saturn und Jupiter richtet, von denen schon gesprochen worden ist, als es um die verschiedenen Religionen ging. [8] Da es drei Konjunktionen gibt, nämlich eine große, eine größere und eine größte, lehrt Albumasar, dass alle 20 Jahre aufgrund einer großen Konjunktion722 eine große Veränderung der Dinge stattfindet723. Denn eine große Konjunktion kann ein Zeichen für eine schlechte Getreideernte sein, für eine Erhöhung der Mächtigen und für viele weitere derartige Dinge. Eine größere Konjunktion tritt alle 240 Jahre724 auf und ist ein Zeichen für Veränderungen der Atmosphäre, der Religionen und der Sitten der Menschen, da sie deren Herzen bewegt und beeinflusst. Eine größte Konjunktion tritt alle 960 Jahre725 auf und kündigt große Fluten, Erd­beben, feurige Erscheinungen in der Luft und Veränderungen von König­ tümern und ganzen Imperien an. Solche Beeinflussungen geschehen durch die Bewegungen der Himmelskörper nicht nur bei der naturgemäßen und richtigen Entstehung, sondern auch bei von der Natur abweichenden und monströsen Erscheinungen, wie Avi­cenna726 in dem berühmten Buch sagt. Denn durch die Kräfte der Himmelskörper kommt es auch zu Missbildungen, wie etwa zu dem Jungen, der einen Ziegenkopf hatte, und zu zahlreichen weiteren [solcher Phänomene]. [9] Die Philosophen schreiben daher alles auf der Erde Geschehende den Himmelskörpern zu: entweder ursächlich und anhand der

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naturalibus, vel1 occasionaliter et inductive ut in voluntariis. Nam voluntas cogi non potest, ut non solum fides recta sed etiam2 philosophia tota clamat, et tamen valet excitari per complexionem corporis et virtutem celi que causat hujusmodi complexionem, ut gratis velit homo illud ad quod celestis inclinatio movet, non coactus. Secundum quod nos videmus quod homines ad presentiam3 rerum delectabilium, ut ciborum et potuum et aliarum rerum, mutant suas voluntates, et similiter per presentiam4 tristibilium; et tamen sola species venit ab eis et alterat sensum, et intellectus sequitur gratis inclinationem sensus sine coactione, ut etiam contra legem Dei faciat, immo mutat legem suam5, sicut Salamon coluit idola propter amorem mulierum. Et jam per experientiam probatum est quod hujusmodi alterationes mundi contingunt per celestia, et auc­tores certi sunt de his. Nam Noe et filius ejus Sem et primogenitus Sem docuerunt primo Caldeos, deinde Abraham exivit de Uz Caldeorum et docuit Egiptios, sicut hystorie et sancti et philosophi testantur, quamvis vulgus philosophantium hec ignoret, et ab Egiptiis et Caldeis venit hec scientia ad Grecos et Latinos.

CAPITULUM LXXVII. De radicibus judiciorum astrologie [10]

Radices6 horum judiciorum inveniuntur penes naturas stellarum. Nam oportet hic scire que sunt proprietates 7 planetarum, et que provincie sequuntur complexiones cujuslibet eorum7, et que res et que partes ejusdem rei. Et similiter de stellis fixis et8 maxime 1  vel ]  et, Ta. 2  etiam ]  om. Ta. 3  presentiam ]  per p’n’icia’, W. 4  presentiam ]  p’m’icia’, W. 5  suam ]  om. Ta. 6  Radices ]  Radices vero, Ta; mit Marginalie: Quomodo inveniuntur radi­ ces judiciorum. 7  eorum ]  horum, Ta. 8  et ]  sed, Ta.

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Wirkungen, wie in allen Naturerscheinungen oder indem sie gelegentlich den Willen [der Menschen] leiten. Denn der Wille kann zwar nicht gezwungen werden, wie nicht nur der richtige Glaube, sondern auch die gesamte Philosophie erklärt, aber er kann durch die Mischung des Körpers und durch die Kraft des Himmels, der diese Mischung verursacht, in eine gewisse Richtung gedrängt werden, sodass er freiwillig und ungezwungen tut, wozu ihn der Himmel hinneigen lässt. So sehen wir zum Beispiel, dass die Menschen angesichts von angenehmen Dingen – wie etwa gewissen Speisen, Getränken und anderem – ihren Willen ändern, und dasselbe gilt auch für unangenehme Dinge. Dennoch gelangt nur eine species von diesen Dingen zu ihnen, die ihre Wahrnehmung verändert. Der Wille folgt dann freiwillig und ohne Zwang der Neigung der Sinne, sodass er nicht nur mitunter etwas gegen das Gesetz Gottes tut, sondern sogar das Gesetz selbst ändert, so wie Salomon aus Liebe zu seinen Frauen Götzenbilder angebetet hat.727 Aufgrund der Erfahrung und der Übereinstimmung aller Autoren ist es hierbei aber sicher, dass solche Veränderungen in der Welt von den Himmelskörpern bewirkt werden. Denn Noah, sein Sohn Sem und der erstgeborene Sohn von Sem haben die [Astrologie] den Chaldäern gelehrt, danach hat Abraham das chaldäische Uz [Ur] verlassen und die Ägypter darin unterrichtet, wie die Geschichte, die Heiligen und die Philosophen bezeugen, wenn auch die Menge der Philosophierenden das ignorieren mag. Von den Ägyptern und Chaldäern ist diese Wissenschaft dann zu den Griechen und Lateinern gelangt.

KAPITEL 77 Über die Ausgangspunkte astrologischer Vorhersagen [10]

Die Ausgangspunkte jener astrologischen Vorhersagen liegen in den Eigenschaften der Sterne. Man muss hier wissen, was die Eigen­schaften der sieben Planeten sind; und welche Regionen, welche Dinge und welche Teile von welchen Dingen den Mischungen jedes der Planeten folgen. Ähnlich muss man die Fixsterne

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de 10221 quarum quantitas potest2 apprehendi per instrumenta, et inter illas precipue de stellis 12 signorum, ut sciantur bene proprietates illarum in effectu; et que regiones et que res et que partes rerum alterantur per singulas. Nam a principio mundi fuerunt planete et signa 12 in directo regionum determinatarum, et tunc aer cujuslibet regionis fuit alteratus nova et subita alteratione. Et quod nova testa capit inveterata sapit3. Et ideo per hanc viam dant philosophi causam quare diversis regionibus dominantur planete diversi et signa diversa, quamvis et alias ponant rationes. [11] Similiter de diversis [rebus ejusdem regionis. Nam quando generantur semper in diversis]4 temporibus, diversi planete et signa diversa elevantur super eandem regionem. Et similiter in eodem tempore veniunt diverse figurationes virtutum celestium ab eisdem stellis ad diversas partes ejusdem regionis. Immo si precise velimus loqui, scimus quod ad singula puncta terre veniunt coni5 diversarum piramidum virtuosarum a stellis eisdem, que piramides inducunt diversitatem6 in singulis punctis terre. Quod probamus per effectum. Nam quasi in eodem7 puncto terre, vel in propinquissime positis punctis, nascuntur herbe diversarum specierum, et in eadem matrice nascuntur gemelli diversarum complexionum, et qui ex propria complexione concreverant8, inclinantur ad diversos mores et ad diversas artes et officia et alia multa. [12] Et causa varietatis partium ejusdem rei accidit similiter ex diversis partibus9 stellarum et ex diversis figurationibus illarum virtutum. Et conformantur stelle10 in natura et proprietate, secundum quod 1  1022 ]  1422, W. 2  potest ]  non potest, W. 3  quod … sapit ]  quod nova testa capit, etc., Ta. 4  W. om. Wörter in Klammern. 5  coni ]  om. T. 6  diversitatem ]  diversitates, Ta. 7  eodem ]  uno, Ta. 8  concreverant ]  concreverint, Ta. 9  partibus ]  virtutibus, Ta. 10  stelle ]  stellis, Ta.

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kennen, vor allem die 1022 Fixsterne, deren Größe man mit Hilfe von Instru­menten erkennen kann. Von diesen Fixsternen sind die Sterne der zwölf Tierkreiszeichen am wichtigsten, weshalb man ihre Eigen­schaften und Wirkungen ganz besonders gut kennen muss. Ebenso muss man wissen, welche Regionen, welche Dinge, und welche Teile der Dinge durch jeden einzelnen [dieser Fix­ sterne] verändert werden. Denn zu Beginn der Welt standen die Planeten und die zwölf Sternzeichen direkt über gewissen Gebieten, deren Luft sich immer wieder plötzlich und von neuem geändert hat. Doch »was man zuerst in einen Topf getan, das hängt ihm an«.728 Daher nennen die Philosophen auf diesem Weg die Gründe dafür, aus denen verschiedene Regionen von verschiedenen Planeten und verschiedenen Sternzeichen dominiert werden, wenn sie freilich auch noch andere Ursachen hinzuziehen. [11] Ähnlich verhält es sich bei verschiedenen Dingen in derselben Region. Denn da sie immer zu verschiedenen Zeiten entstehen, stehen auch immer verschiedene Planeten und Sternzeichen über derselben Region. Genauso gelangen zu derselben Zeit immer andere Zusammensetzungen der himmlischen Kräfte von denselben Sternen zu den verschiedenen Teilen derselben Region. Wenn wir genau sprechen wollen, können wir sagen, dass zu jedem einzelnen Punkt auf der Erde ein kegelförmiger Strahl von denselben Sternen gelangt, der für den Unterschied jedes Punktes auf der Erde von jedem anderen Punkt sorgt. Das können wir anhand der Wirkung auch beweisen: Denn in fast demselben Punkt auf der Erde – oder doch in äußerst nah beieinander liegenden Punkten – wachsen Pflanzen verschiedener Arten; und in derselben Gebärmutter wachsen Zwillinge mit ganz verschiedenen Mischungen heran, die aus ihrer jeweils eigenen Mischung zu unterschiedlichen Verhaltensweisen, Künsten, Beschäftigungen und vielen anderen verschiedenen Dingen neigen. [12] Auch der Grund für die Vielfalt der Teile derselben Sache liegt in den verschiedenen Anordnungen der Sterne und in der unterschiedlichen Verteilung ihrer Kräfte. Außerdem befinden sich auch die Teile eines Einzeldinges ihrer Natur und ihren Eigen­schaften

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caput conformatur stellis Arietis in complexione, et collum Tauro, et sic ulterius per singula membra. Et hoc probamus per effectum. Quoniam si luna sit in signo conformato membro, periculum est tangere membrum ferro; ut dicit Ptolomeus in Centilogio. Nam, ut Haly in expositione istius verbi dicit, tunc ad membrum illud confluunt humores et multiplicant1 ibi, et inde accidunt multa incommoda sepe2. Nam putrescit locus ex superfluitatibus3 humorum et generantur apostemata et fistulantur membra, et hoc ante oculos nostros sepe accidit, sed vulgus non considerat quia nescit celestia. [13] Et alie radices sunt horum judiciorum. Nam oportet bene scire dignitates planetarum in signis, quoniam quilibet planeta habet magnam convenientiam et differentiam respectu diversorum signorum et respectu partium ejusdem signi, unde secundum hoc fortius agunt vel deterius agunt4 in hoc mundo. Et quilibet habet 5 dignitates que vocantur domus, exaltatio, triplicitas, terminus, facies; et sunt hec nomina methaforica, [secundum quod a principio fere omnia vocabula scientiarum secretarum sunt data per methaforas]5 ut ab indignis et vulgo occultarentur, et in Majori Opere sunt hec nomina exposita, nec modo vis est, nisi quod6 sciamus quod maxima fortitudo est domus et facies7 minima, exaltatio valet 4or, triplicitas tres, terminus duas. [14] Secundum igitur quod Sol est in signo quod est domus ejus, ut Leo, tunc fortissme agit, ut8 videmus hoc per effectum. Nam calor fortissimus est tunc; et secundum quod est in opposito signo, sic

1  multiplicant ]  multiplicantur, Ta. 2  sepe ]  se, Ta. 3  superfluitatibus ]  superfluitate, Ta. 4  agunt ]  om. Ta. 5  W. om. Wörter in Klammern. 6  quod ]  ut, Ta. 7  facies ]  facies est, Ta. 8  ut ]  et, Ta.

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nach in Übereinstimmung mit den Sternen: So entspricht die Mischung des Kopfes dem Sternbild des Widders, die Mischung des Nackens dem Sternbild des Stiers, und das gilt analog auch für die anderen Körperteile, wie wir auch anhand der Wirkungen [der Planeten] sehen. Denn wie Ptolemäus in seinem Centiloquium729 sagt, ist es gefährlich, ein Körperteil mit Eisen zu berühren, wenn sich der Mond in einem Sternzeichen befindet, das mit diesem Körperteil in Verbindung steht. Haly730 führt diese Passage weiter aus und sagt in seiner Erläuterung dieser Worte, dass die Körpersäfte dann an dieser Stelle zusammenfließen, weshalb dort zahlreiche Un­a nnehmlichkeiten auftreten. Denn dieser Ort verfault aufgrund des Überfließens der vielen Körpersäfte, wodurch Geschwüre und Fisteln entstehen. Das geschieht oft direkt vor unseren Augen, doch die Menge denkt nicht darüber nach, weil sie die Himmelserscheinungen nicht kennt. [13] Es gibt auch noch andere Ausgangspunkte für die Vorhersagen in der Astrologie. Man muss daher gut die Würden der Planeten in den verschiedenen Sternzeichen kennen, da jeder Planet eine große Übereinstimmung bzw. eine große Abweichung gegenüber den unterschiedlichen Sternzeichen und gegenüber den verschiedenen Teiles desselben Sternzeichens aufweist, denen entsprechend er entweder stärker oder schwächer wirkt. Jeder Planet hat fünf Würden, die ›Haus‹, ›Erhöhung‹, ›Triplizität‹, ›Grenze‹ und ›Facies‹ genannt werden. Das sind alles metaphorische Bezeichnungen (so wie zu Beginn fast alle Wörter von geheimen Wissenschaften meta­phorisch gebraucht werden), damit sie vor den Unwürdigen und der Menge verdunkelt werden. Im Opus maius731 habe ich diese Begriffe jedoch erläutert, weshalb das hier nicht notwendig ist. Wir müssen aber wissen, dass das ›Haus‹ die größte Kraft hat, die ›Facies‹ jedoch die geringste. Die ›Erhöhung‹ hat ­einen Wert von vier, die ›Triplizität‹ drei, die ›Grenze‹ zwei. [14] Wenn die Sonne zum Beispiel in dem Zeichen ist, das ihr Haus ist  – also dem Sternzeichen des Löwen –, ist ihr Einfluss am stärksten, wie an ihrer Wirkung ersichtlich ist, weil dann ihre Hitze am größten ist. Wenn sie sich jedoch in dem Zeichen befindet, das

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minimum habet effectum, ut in Aquario; tunc enim omnia mortificantur. Nam et ille mensis vocatur mensis mortuus, unde Aquarius vocatur detrimentum Solis, unde animalia non faciunt fetum in illo mense, quamvis multa omni alio mense producant fetum, ut columbe1. Et quando planete sint2 sic3 in suis dignitatibus, videndum est quis eorum habeat4 plures dignitates in conjunctione5 et secundum hoc stabit alteratio rerum inferiorum ad illud tempus. [15] Et preter hec considerandi sunt aspectus planetarum. Nam non solum ex signis habent diversitatem sed ex seipsis, secundum quod aspiciunt se 5 modis. Nam possunt esse in eodem signo et tunc vocatur conjunctio, vel in oppositis et tunc vocatur oppositio, vel unus in 3° signo ab alio et tunc vocatur sextilis aspectus, vel in 4° et tunc vocatur 4us aspectus, vel in 5to et tunc vocatur trinus. [16] Et sic6 miro modo variantur virtutes planetarum et operationes eorum in hoc mundo tam in malum quam in bonum, secundum quod auctores omnes docent et nos videmus in effectu et per experientiam, licet vulgus philosophancium non consideret. Nam licet Jupiter sit semper [causa]7 bonarum operationum quantum est de se, propter bonitatem sue virtutis, que vitalis est et confortat, tamen, si Lune conjungatur, non prodest accipere medicinam. Nam in tantum confortatur natura8 ex beneficiis9 Jovis quod resistit virtuti

1  columbe ]  columba, Ta. 2  sint ]  sunt, Ta. 3  sic ]  om. Ta. 4  habeat ]  habet, Ta. 5  in conjunctione ]  Ta stattdessen: in quo est. 6  sic ]  similiter, Ta. 7  causa ]  om. MSS. 8  natura ]  om. W. 9  beneficiis ]  beneficio, Ta.

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dem Zeichen [des Löwen] entgegengesetzt ist – also im Wassermann –, hat sie den geringsten Effekt und alles muss sterben. Daher wird jener Monat [in dem die Sonne im Zeichen des Wassermannes steht] ›Monat des Todes‹ genannt und der Wassermann wird als ›Schaden der Sonne‹ bezeichnet. Die Tiere zeugen in diesem Monat keinen Nachwuchs, wie sie es doch in allen anderen Monaten zahlreich tun – schauen wir uns hier nur die Tauben an. Wenn die Planeten sich also in ihren verschiedenen Würden befinden, muss man darauf achten, welcher von ihnen in seiner entsprechenden Konjunktion die höchste Würde hat, denn dem­ entsprechend ändern sich auch die Dinge auf der Erde zu jener Zeit. [15] Darüber hinaus müssen auch die Aspekte der Planeten betrachtet werden. Die Planeten wirken nämlich nicht nur wegen der Sternzeichen auf verschiedene Weise, sondern auch wegen sich selbst, je nachdem, in welcher von fünf verschiedenen Arten sie zueinander stehen. Sie können sich in demselben Sternzeichen befinden, was man eine ›Konjunktion‹ nennt. Sie können sich auch in entgegengesetzten Sternzeichen befinden, was man als ›Opposition‹ bezeichnet. Oder ein Planet kann sich drei Sternzeichen von einem anderen entfernt befinden, was man als ›Sextil‹ bezeichnet. Befindet er sich vier Sternzeichen von einem anderen Planeten entfernt, nennt man das den ›vierten Aspekt‹, ist er fünf Sternzeichen entfernt, nennt man dies ›Trinus‹. [16] Auf diese wunderbare Weise wirken die Kräfte der Planeten ganz unterschiedlich sowohl zum Guten als auch zum Schlechten, wie die Autoritäten lehren und wie wir es anhand der Auswirkungen und der eigenen Erfahrung sehen, auch wenn sich die Menge der Philosophierenden darüber keine Gedanken macht. Denn auch wenn Jupiter für sich genommen wegen der Gutheit seiner Kraft, die lebensspendend und stärkend ist, immer positive Auswirkungen hat, soll man doch keine Medizin zu sich nehmen, wenn er in einer Konjunktion mit dem Mond steht. In diesem Fall wird die Natur durch die Wohltaten Jupiters nämlich so sehr gestärkt, dass sie der Kraft des Heilmittels widersteht und dessen Wirkung ver-

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medicine et impedit operationem eius, sicut volunt Ptholomeus et Haly ejus expositor in Centilogio. [17] Et jam exemplificatum est superius de conjunctionibus Jovis et Saturni, quomodo accidunt mira in hoc mundo, et certe sic est de aliis aspectibus eorum et ceterorum planetarum. Et in tractatu de sectis manifestatum est quomodo mira contingunt ex conjunctionibus1 Jovis cum singulis planetis, secundum quod per has conjunctiones investigatur2 numerus et ordo et tempora sectarum. [18] Ceterum considerandum est diligenter, quando planete sunt in altioribus partibus suorum circulorum, et quando sunt in inferioribus, et quando sunt in mediis locis, scilicet in quadraturis. Nam secundum hoc variantur res mirabiliter, quoniam, quando Sol est in parte superiori sui circuli, vel prope, ut in solsticio estivali, tunc omnia terre nascentia plus crescunt in una septimana quam alias in quindena, et plus in una quindena quam alias in mense, et plus in uno mense quam alias in duobus, sicut ad sensum videmus. Et similiter quando Luna est in partibus superioribus suorum circulorum, scilicet epicicli et ecentrici, fiunt multe mutationes rerum et fortes3. Nam tunc accessio maris est4 fortior et virtus omnium humidorum, et tunc pisces marini5, et maxime qui6 degunt in conchis, sunt meliores, et multa fiunt, sicut docent auctores7 et experientia: et sic de aliis planetis accidit, et8 maxime de individuis altioribus, que sunt Mars, Jupiter, Saturnus. [19] Specialis vero consideracio est de conditionibus Lune. Nam quia propinquior est terre, et quia multas habet varietates in motu, luce et figura9, quas non habent alii planete remotiores a nobis, miris 1  conjunctionibus ]  conjunctione, Ta. 2  investigatur ]  investigantur, Ta. 3  multe … fortes ]  multe divinationes rerum et sortes, W. 4  est ]  quantum potest, Ta. 5  marini ]  maximi, W. 6  qui ]  que, Ta. 7  auctores ]  actores, Ta. 8  et ]  om. W. 9  motu … figura ]  motu et luce et signa, Ta.

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hindert, wie sowohl Ptolemäus im Centiloquium732 als auch sein Ausleger Haly733 erklären. [17] Zudem ist weiter oben schon über die Konjunktionen von Jupiter und Saturn und deren wunderbare Auswirkungen in dieser Welt gesprochen worden, was sicher auch für deren weitere Aspekte und die Aspekte der anderen Planeten gilt. In meiner Abhandlung über die Religionen734 habe ich außerdem dargestellt, auf welche Weise durch die Konjunktionen von Jupiter mit den anderen einzelnen Planeten verschiedene Wunder geschehen, sodass aufgrund dieser Konjunktionen die Anzahl, die Abfolge und die Zeiten der verschiedenen Religionen betrachtet werden können. [18] Überdies muss sorgfältig bedacht werden, wann die Planeten in den oberen Teilen ihrer Kreise sind, wann sie in den unteren Teilen sind, und wann sie sich an mittleren Orten dazwischen, also in ihren Quadraturen, befinden. Denn auch dementsprechend ändern sich die Dinge auf eine wunderbare Weise. Wenn die Sonne sich zum Beispiel im oberen Teil ihres Kreises befindet, wie es während der Sommersonnenwende der Fall ist, wachsen die Dinge, die in dieser Zeit entstanden sind, augenscheinlich in einer Woche schneller als andere in zwei Wochen, in zwei Wochen schneller als andere in einem Monat und in einem Monat schneller als andere in zwei Monaten. Ähnlich verhält es sich auch, wenn der Mond sich auf den oberen Teilen seiner Kreise, also seiner Epizykeln und Exzenter, befindet, denn dann geschehen viele und starke Veränderungen auf der Erde. Die Flut des Meeres und die Kräfte aller feuchten Dinge sind dann stärker, und die Meeresfische und Schalentiere sind dann zahlreicher und besser, wie die Autoritäten und die Erfahrung lehren. Dasselbe gilt auch für die anderen Planeten, vor allem für die weiter oben liegenden Planeten Mars, Jupiter und Saturn. [19] Ganz besonderes Augenmerk muss man auf die Zustände des Mondes richten. Denn da er der Erde am nächsten ist und viele Unterschiede in seiner Bewegung, seinem Licht und seiner Gestalt aufweist, die die anderen Planeten, die weiter von uns entfernt sind, nicht aufweisen, werden durch ihn die Dinge auf ganz wun-

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modis alterantur res. Et preterea omnes conditiones dicte superius communes omnibus planetis1 considerande sunt in Luna. Et preter has consideratur eius variatio penes mansiones suas 28 quas habet, secundum quod transit per totum Zodiacum infra 28 dies. Quantum enim transit in die vocatur mansio, et Luna habet in qualibet mansione diversas virtutes; et secundum has oriuntur diversi venti, et alteratur aer in siccitate et humiditate, calore et frigore; ita quod homo exercitatus in his posset omni die pronosticare aeris dispositiones, secundum quod dicit Albumazar in maiori Introductorio Astronomie, et experientia scitur hoc. Deinde videndum est quando est2 in cauda vel capite Draconis vel prope, quia per3 hoc multum variatur ejus operatio propter qualitates capitis vel caude Draconis: deinde quando eclipsatur. Nam si ejus luminis diversitas multum alterat4 mundum, oportet quod privatio sui luminis sit causa magne transmutationis, sicut absentia naute est causa periculi navis, cujus presentia est causa salutis. Et licet major sit mutatio mundi in eclipsi Solis quam Lune ad tempus illud, tamen frequens est eclipsis Lune in eadem regione, non sic de Sole.

CAPITULUM LXXVIII. 5 De locis mundi [20]

Hec igitur et hujusmodi6 consideranda sunt in celestibus quatenus sciamus complexiones et naturas rerum in hoc mundo inferiori. Sed 5tum quod est hic sciendum7, et primo est ut sciamus distinguere partes habitabiles8 secundum situs suos et9 figuras, et hoc est unum de maximis fundamentis10 sapientie, tum propter divina 1  omnibus planetis ]  omnibus planetis maxime, Ta. 2  quando est ]  om. W. 3  per ]  secundum, Ta. 6  hujusmodi ]  hujusmodi multa, Ta. 4  alterat ]  alteret, Ta. 7  Der Text scheint hier korrupt zu sein. 5  Titel in Ta: Quod per astrono­ 8  habitabiles ]  habitabil’, Ta; habitabilis, W. miam possunt sciri presentia prete­ 9  et ]  vel, Ta. rita et futura. 10  fundamentis ]  fundatis, W. 6  hujusmodi ]  hujusmodi multa, Ta. 7  Der Text scheint hier korrupt zu sein. 8  habitabiles ]  habitabil’, Ta; habitabilis, W. 9  et ]  vel, Ta. 10  fundamentis ]  fundatis, W.

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derbare Weise beeinflusst. Alle für die anderen Planeten geltenden Gemeinsamkeiten müssen daher auch beim Mond bedacht werden, wobei darüber hinaus beim Mond darauf zu achten ist, dass er eine Vielfalt von 28 Häusern hat, die er an 28 Tagen durch den gesamten Tierkreis hindurch durchquert. Er befindet sich dementsprechend an jedem Tag in einem bestimmten Haus, in dem er jeweils spezielle Kräfte hat: Diesen Kräften entsprechend ändern sich die Winde und die Luft wird in ihrer Trockenheit, Feuchtigkeit, Wärme und Kälte verändert. Daher kann ein Mensch, der in diesen Dingen unterrichtet ist, für jeden Tag die Disposition der Luft vorhersagen, wie Albumasar in seiner Großen Einfüh­ rung in die Astronomie735 lehrt und wie wir aus Erfahrung wissen. Weiterhin muss darauf geachtet werden, wann der Mond sich im Schwanz oder im Kopf des Drachen befindet, weil sich abhängig davon seine Wirkung stark verändert. Überdies muss man darauf achten, wann er verdunkelt ist. Denn wenn schon die Verschiedenheit seines Lichtes einen so starken Einfluss auf die Welt hat, muss die Abwesenheit seines Lichtes noch ein viel größerer Grund für Veränderungen sein, wie auch die Abwesenheit des Steuermannes der Grund für die Gefahr des Schiffes ist, seine Anwesenheit jedoch der Grund für dessen Wohlergehen. Und auch wenn durch eine Sonnenfinsternis eine noch größere Veränderung geschehen wird als durch eine Mondfinsternis, tritt eine Mondfinsternis in derselben Region doch weit häufiger auf als eine Sonnenfinsternis.

KAPITEL 78 Über die Orte der Welt [20]

Diese Eigenschaften der Himmelskörper sind zu bedenken, damit wir die Mischungen und natürlichen Eigenschaften der Dinge auf der Erde erkennen können. Ein fünfter wissenswerter Aspekt besteht darin, dass wir die verschiedenen bewohnbaren Teile der Erde und ihre Gestalt unterscheiden, was eine der wichtigsten Grundlagen der Weisheit ist – der göttlichen ebenso wie der mensch-

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tum propter humana. Nam primo occurrit hic1 divisio locorum et descriptio tam in scripto quam in pictura seu figuratione in membrana, ut oculis nostris contemplemur nomina et situs et distantias omnium regionum et civitatum famosarum ad invicem2, ut sciamus omnium gentium diversitates in linguis, in moribus, in sectis, ritibus3 et legibus, et que sunt sine lege, ut sciamus ubi sunt4 pagani, ubi idolatre, ubi Tartari, ubi scismatici, ubi Sarraceni, ubi Christiani et Judei et alie diversitates. [21] Hic ergo5 oritur cognitio locorum mundi et decursus marium plena et perfecta, cujus utilitas pulcra est. Nam primo possumus contemplari totum hunc mundum secundum distinctionem partium suarum, quantum qualiter6 quelibet distat ab oriente et occidente, septentrione7 et meridie, secundum eandem proportionem quam habent in rerum natura; quia secundum illam formam qua posita sunt sub celo, possunt poni8 ante oculos nostros in scripto et figura per leges astronomorum et naturalium philosophorum, qui per experientiam itineris et navigationis investigaverunt omnes partes habitabiles, tum per se ipsos tum per fide dignos. Nam Aristoteles misit plura milia hominum per mundi loca auctoritate9 Alexandri magni, et similiter alii sapientes et reges scrutati sunt et certificaverunt de his. [22] Pulcra igitur est consideratio de his et utilis valde. Nam primo sciemus quantitates et situs et distantias et figuras locorum; 2° excitabimur per hoc ad cognoscendum complexiones eorum, cum comparavimus ea ad celestes virtutes. Nam de plano videbimus quantum elongantur singula loca a Sole vel appropinquant ei, et 1  hic ]  hoc, Ta. 2  ad invicem ]  ab invicem, W. 3  ritibus ]  in ritibus, Ta. 4  sunt ]  sint, Ta. 5  ergo ]  igitur, Ta. 6  qualiter ]  om. Ta. 7  septentrione ]  et 7trione, Ta. 8  poni ]  om. W. 9  auctoritate ]  actores, Ta.

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lichen. Als Erstes muss man diese Einteilung und Beschreibung der Orte aufschreiben und [die Gestalt der Erde] auf Pergament aufzeichnen, damit wir mit unseren Augen die Namen, die Lagen und die Entfernungen der Regionen und der wichtigsten Städte vor uns sehen können, sodass wir die Unterschiede aller Völker in den Sprachen, den Sitten, den Religionen, den Riten und Gesetzen kennenlernen und wissen, welche Völker ganz ohne Gesetz leben. So lernen wir auch, wo sich Heiden befinden, wo auf der Welt Götzen­ anbeter und Tartaren sind, wo Schismatiker und Sarazenen leben, und wo sich Christen und Juden und alle anderen verschiedenen Völker aufhalten. [21] Auf diese Weise gelangen wir zu einer vollkommenen und weitläufigen Erkenntnis der Orte der Erde sowie der Verläufe der Meere, deren Nutzen äußerst schön ist. Wir können dadurch über die ganze Welt entsprechend ihren einzelnen Teilen nachdenken und wissen, wie weit ein jeder Teil vom Osten und Westen, vom Norden und Süden entfernt ist – entsprechend den Proportionen, den diese Teile auch in der Wirklichkeit haben. Denn entsprechend der Form, in der sie unter dem Himmel gelegen sind, können sie uns durch die Gesetze der Astronomen und der Naturphilosophen vor Augen geführt werden, die sowohl durch eigene Weg- und Reise­ beschreibungen als auch durch Informationen von anderen vertrauenswürdigen Menschen alle Teile der Welt kennengelernt haben. Aristoteles736 hatte zum Beispiel bereits mehrere tausend Menschen mit der Hilfe der Autorität Alexanders des Großen zu den Orten der Welt geschickt; ähnlich haben auch andere weise Männer und Könige darüber Untersuchungen angestellt und sichere Informationen über die Welt gesammelt. [22] Die Betrachtung dieser Dinge ist daher äußerst schön und sehr nützlich. Denn erstens kennen wir dadurch die Ausdehnungen, die Lagen, die Entfernungen und die Gestalten der verschiedenen Orte auf der Erde. Zweitens werden wir dadurch zur Erkenntnis der Mischungen der Orte angeregt, indem wir sie mit den Kräften der Himmelskörper in Verbindung bringen. Schließlich sehen wir so auf einer ebenen Fläche, wie weit die einzelnen Orte von

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penes hoc est principalis variatio regionum in complexione secundum diversa climata et spacia ante climata et post illa, ut in universali prius est inquisitum. Et auctores docent qui planete et que signa dominentur singulis regionibus. Et 3° variantur per stellas fixas que feruntur super eas, et docetur in libris que sunt1 ille stelle et quas habent virtutes, ut sic possint loca singula cum complexionibus suis notari. Deinde possumus 3am utilitatem considerare, ut sciamus complexiones omnium rerum per complexiones locorum, quia secundum varietatem virtutum locorum est rerum varietas in sanitate et infirmitate. 4to possumus considerare varietates hominum in scientiis et artibus, in2 linguis et moribus et consuetudinibus et sectis et legibus et negociis et officiis. Nam licet ad hoc non cogantur homines, quia liberum arbitrium non potest cogi, tamen ad hec omnia fortiter inclinantur et inducuntur per complexionem et per virtutem celi, ut hec omnia velint gratis ad que celestis virtus cum complexione inclinat. Videmus enim quod variantur homines secundum hec, scilicet locorum mundi et celi varietatem. 5to possumus3 per hec loca scire totum decursum textus sacri, et necessarium est4 non solum ad sensum literalem sed ut eliciantur sensus spirituales. Nam majora misteria in his locis continentur quam auris mortalis potest audire aut mens humana potest intelligere, sicut dicit Origenes super 18° Josue, et sicut in Opere Majori exposui suo loco.

1  sunt ]  sint, Ta. 2  in ]  et, Ta. 3  possumus ]  possumus considerare (ausgestrichen), Ta. 4  et necessarium est ]  et est necessaria, Ta.

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der Sonne entfernt sind oder ob sie sich ihr nähern, was einer der wichtigsten Gründe für die Veränderung der Mischungen der Regionen entsprechend den verschiedenen Klimazonen und den Bereichen zwischen den Klimazonen ist, die im Allgemeinen bereits schon beschrieben worden sind. Zudem lehren die Autoren, welche Planeten und welche Zeichen die einzelnen Regionen dominieren. Drittens verändern sich die Orte auf der Erde entsprechend den über ihnen stehenden Fixsternen; und in den Büchern wird gelehrt, welche diese Sterne sind und welche Kräfte sie haben, sodass dadurch die einzelnen Orte mit ihren Mischungen beschrieben ­werden können. Ferner können wir den dritten Nutzen [der Geographie] bedenken, dass wir nämlich die Mischungen aller Dinge aufgrund der Mischungen der Orte erkennen können, weil die Vielfalt der Dinge in ihrer Gesundheit oder Krankheit sich nach den Eigenschaften der Orte richtet. Viertens können wir die Vielfalt der menschlichen Wissenschaften und Künste, der Sprachen, Sitten und Gewohnheiten, der Religionen und Gesetze, der Beschäftigungen und Tätigkeiten erwägen. Denn auch wenn die Menschen zu nichts gezwungen werden können, weil der menschliche Wille nicht gezwungen werden kann, neigen die Menschen zu allen diesen Dingen sehr stark durch die Mischungen und Kräfte der Himmelskörper, sodass sie alles freiwillig wollen, wozu die Kraft der Himmelskörper sie führt. Schließlich sehen wir, dass die Menschen sich entsprechend den Orten der Welt und den verschiedenen Himmelskörpern unterscheiden. Fünftens können wir durch die Kenntnis dieser Orte den ganzen Inhalt der Heiligen Schrift verstehen. Das gilt nicht nur für den Literalsinn, sondern auch für die Erhellung des Spiritualsinns. Denn an diesen Orten sind größere Wunder geschehen, als die Ohren der Sterblichen hören können oder als der menschliche Verstand verstehen kann, wie Origines in seiner achtzehnten Homilie über Josua737 sagt, und wie ich im Opus maius738 am dafür geeigneten Ort erläutert habe.

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Teil II

6ta est utilitas grandis propter negotia Christianorum apud infidelium naciones tractanda, et maxime propter negocia ecclesie, et super omnia propter conversionem infidelium. Nam necesse est talibus qui mittuntur, ut sciant quas naciones petant et per quas incedant; ut in temporibus electis transeant regiones calidas et frigidas vel temperatas, ne mortem vel pericula diversa incurrant, secundum quod multi boni et magni viri sepius ex hac ignorantia incurrerunt. Item ut sciant quas naciones petant, an paganos, an idolatras, an Tartaros, an1 Saracenos vel Christianos, et hos vel2 hereticos vel scismaticos vel Nestorianos aut Nichoalitas vel alterius secte homines. Nam Christianorum diverse secte sunt et ritus, secundum quod magis et minus instructi sunt in fide. Necesse3 est has diversitates sciri4 a nunciis Christianorum et ecclesie, tum propter vitandos magis contrarios Latinis, tum propter hoc quod, si agendum est de negociis ecclesie et maxime de conversione infidelium aut de rectificatione malorum Christianorum, sciant illi qui vadunt invenire facilius eos quos intendunt, ne in una nacione5 pro alia cadant, et sic a suo frustrentur proposito. Nam alia suasio6 debetur genti unius secte quam alterius, et ideo necesse est ut diversitates regionum et nacionum presciantur. 7° accidit utilitas maxima et finalis propter violentiam gentium que invadent mundum, ut sunt Judei inclusi in montibus Hircanorum et Gog et Magog, et naciones incluse ab Alexandro ad portas Caspias, et propter Antichristum et suos. Nam isti exibunt contra dies Antichristi et fines mundi, ut visitent hominum naciones;

1  an ]  vel, Ta. 2  vel ]  om. Ta. 3  Necesse ]  Necesse igitur, Ta. 4  sciri ]  om. W. 5  in una nacione ]  in unam nacionem, Ta. 6  suasio ]  persuasio, Ta.

KAPITEL 78

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Sechstens [ist die Geographie] für den Austausch der Christen mit den ungläubigen Völkern sehr nützlich, vor allem für Kirchen­ angelegenheiten und ganz besonders für die Bekehrung der Ungläubigen. Denn für diejenigen, die in solche Gebiete geschickt werden, ist es wichtig zu wissen, nach welchen Völkern sie suchen und welche Gebiete sie dabei durchqueren müssen. Nur so können sie zu den richtigen Zeiten warme, kalte oder auch gemäßigte Regionen durchqueren, ohne dass ihnen der Tod oder andere Gefahren begegnen, wie es schon vielen guten und großen Männern aus Unkenntnis häufig ergangen ist. Außerdem müssen sie etwas über die Völker wissen, die in den verschiedenen Regionen leben, ob es dort also Tartaren, Sarazenen oder Christen gibt. Von den Christen müssen sie wiederum wissen, ob es sich bei ihnen um Häretiker oder Schismatiker, um Nestorianer oder Nikolaiten oder um eine andere Sekte handelt. Denn unter den Christen gibt es viele Sekten und Riten, je nachdem, wie sie im Glauben unterrichtet sind. Es ist für die Boten der Christen und der Kirche notwendig, diese verschiedenen Völker der Erde zu kennen, weil dadurch die größten Feinde der Lateiner umgangen werden können. Überdies hilft es enorm bei den Kirchenangelegenheiten – ganz besonders bei der Bekehrung der Ungläubigen und der Berichtigung der schlechten Christen –, wenn die Missionare leichter diejenigen Völker finden, die sie suchen, damit sie nicht ein Volk versehentlich für ein anderes halten und so ihr Vorhaben vergeblich ausführen. Denn eine bestimmte Sekte braucht eine andere Art von Überzeugung als eine andere, weshalb die Verschiedenheiten der Regionen und Völker bereits vorher bekannt sein müssen. [27] Siebentens ergibt sich der größte und letzte Nutzen aus der [Zurückschlagung der] Gewalt der Völker, die die Welt überfallen werden, wie zum Beispiel die in den Hirkanischen Bergen eingeschlossenen Juden und Gog und Magog. Weiterhin gibt es noch die Völker, die von Alexander dem Großen hinter den Toren in der Nähe des Kaspischen Meeres eingesperrt worden sind, und natürlich den Antichrist mit seinem Gefolge. Denn sie werden alle gegen Ende der Welt am Tag des Antichrist hervorbrechen [26]

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Teil II

quoniam Ieronimus scribit quod naciones incluse ab Alexandro exibunt portas et claustra ejus, et obviabunt Antichristo, et eum vocabunt deum deorum. Si ergo sciverimus ex qua parte isti venient, possumus considerare quod a parte contraria veniet Antichristus. Et proculdubio Tartari ruperunt portas et transiverunt claustra Alexandri et mundum vastaverunt, unde timendum est multum de eis. [1Sed astronomia est omnino necessaria respectu rei publice fidelium et hoc quantum ad opera naturalia et artificialia pura. Sicud enim naute et agricultores et alkimiste et medici per vias astronomie considerant tempora electa in quibus operentur et in quibus dimittant, sic ad alias utilitates infinitas contingit eligere tempora bone constellacionis ad multa et maiora quam volo dicere, et operari pro salute ecclesie et fidelium contra inimicos ecclesie. Unde si principes et prelati essent instructi in astronomicis, sicud expediret, possent tueri ecclesiam et infideles expugnare, sicud vellent, per constellaciones debitas, in quibus res2 eligerent que maximam virtutem haberent, seu per herbas, seu per lapides, seu per alia inanimata, seu aliis modis, que omnia miram efficaciam haberent in temporibus electis, quam alias non haberent; que nunc salvarent aeris, aquarum et terrarum et hominum complexionem, et immutarent in melius: nunc dignos pena inficerent et corrumperent: nunc claustra aperirent serrata: nunc sompnia certa excitarent in cautelam multorum, sicud multi ex parte de plebeis sciunt3 et non ignorant. Dicit enim Aristoteles in libro Secretorum quod quedam est herba, et determinat nomen et naturam et proprietates, cujus grana si

1  Marginalie in Ta: Quod omnia naturalia et artificialia debent fieri sub certa constellatione; der gesamte folgende Abschnitt in Klammern steht nur in Ta, nicht in W. 2  Oben auf f. 24 von Ta steht in anderer (zeitgenössischer) Hand: Nota hic secundum quem modum loca mundi deberent describi et cognosci. 3  sciunt ]  sunt, Ta.

KAPITEL 78

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und die Völker der Welt heimsuchen; schließlich hat schon Hieronymus739 geschrieben, dass die von Alexander eingeschlossenen Völker ihre Tore und Schlösser aufbrechen und dem Antichrist entgegenziehen werden. Und sie werden ihn den Gott der Götter nennen. Wenn wir also wüssten, aus welchem Teil der Welt diese Völker kommen werden, könnten wir darauf schließen, dass der Antichrist aus dem entgegengesetzten Teil kommen wird. Zudem haben die Tartaren ohne Zweifel bereits die Tore niedergerissen, das Gefängnis Alexanders überwunden und die Welt verwüstet. Daher müssen wir uns sehr vor ihnen fürchten. [28] Doch die Astronomie ist auch für das Gemeinwesen der Gläubigen unbedingt notwendig – sowohl im Bereich der natürlichen Werke als auch in dem Bereich, der nur durch die menschliche Kunst hervorgebracht wird. Denn ebenso wie Schiffsleute, Bauern, Alchemisten und Mediziner mit Hilfe der Wege der Astronomie auf die richtigen Zeiten dafür achten, wann sie tätig werden und wann nicht, muss man auch für mehr und größere Dinge, als ich hier sagen möchte, auf die Zeiten der richtigen Konstellationen achten, insbesondere, wenn man zum Wohl der Kirche und der Gläubigen und gegen die Feinde der Kirche handeln will. Wenn die Fürsten und Prälaten der Kirche richtig in der Astronomie unterwiesen wären, könnten sie nach ihrem Willen die Kirche und die Gläubigen schützen und die Ungläubigen erobern. Sie müssten nur auf die richtigen Konstellationen achten und Dinge aussuchen, die zu gewissen Zeiten ihre größte Kraft haben: seien es Pflanzen, seien es Steine, seien es andere unbelebte Dinge, sei es etwas anderes. Denn alles hat zu bestimmten Zeiten einen wunderbaren Effekt, den es zu anderen Zeiten nicht hat. So könnten nun die Mischungen der Luft, der Gewässer und der Menschen erhalten und sogar verbessert werden; die Strafwürdigen könnten nun infiziert und verdorben werden; Schranken könnten nun durchbrochen werden; sichere Träume könnten nun für den Schutz vieler hervorgerufen werden, wie viele aus dem Volk wissen. [29] Denn Aristoteles sagt in seinem Buch der Geheimnisse740, dass es eine gewisse Pflanze gibt, deren Namen, Natur und Eigenschaften

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Teil II

fuerint trita in ortu Luciferi et Veneris, ita ut radii ipsorum tangant ipsa, et aliquis dederit alii illam bibere, timor dantis intraret accipientem, et semper obediret ei accipiens toto tempore vite sue. Sunt et alia multa in herbis: testis est martagon: et in lapidibus et aliis rebus: sed transeo nunc de hiis. Sic Tartari mundum prostraverunt, qui super omnes homines considerant temporum electiones, et tantum confidunt in eis quod vexillum non levant contra aliquam nacionem nisi juxta temporis idonei qualitatem. Ita dicunt et scribunt qui fuerunt apud eos. Propter quod subito veniunt super aliquam nacionem in tempore electo, et facta vastacione recedunt usque ad annos multos, donec tempus debite constellacionis inveniant ad alterandas regiones et voluntates hominum excitandas, licet non cogendas, in stuporem et tactum et figuram. Set1 et locorum naturales diversitates et modos varios et mirabiles locatorum inducentes sola astronomia docet. Belenum enim in Persia vel Perside est perniciosissimum: transplantatum Jerusalem fit comestibile. Si quis condiciones locorum sciret per certas vias astronomie secundum longitudines et latitudines earum, possit omnia cognoscere juxta suas virtutes, que mutata de locis ad loca miras trans­ mutaciones facerent in corporibus. Hec autem naturalia sunt considerata tamen per rationem mathematice, sed mathematica longe mirabiliora docet facere per artem perficientem naturam et adjutricem nature et aptantem eam. Quando enim industria rationis humane addit ad virtutem ut eam compleat, plus facit uno

1 Marginalie: Nota quid docet astronomia, W.

KAPITEL 78

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er dort auch nennt, deren Samen während der richtigen Stellung des Morgensterns und der Venus zerrieben werden müssen, sodass deren Strahlen die Samen berühren. Wenn nun jemand dieses Gebräu einem anderen zu trinken gibt, erfüllt die Angst vor dem Gebenden den Trinkenden, sodass er ihm für sein ganzes Leben gehorcht. Es gibt noch zahlreiche weitere Pflanzen mit derartigen Wirkungen: Der Beweis dafür ist die Martagon. Ähnlich verhält es sich auch mit Steinen und anderen Dingen. Doch ich übergehe das nun. Auf diese Weise haben die Tartaren jedenfalls die Welt verwüstet, weil sie mehr als alle anderen Menschen die richtigen Zeiten ausgewählt und so darauf vertraut haben, dass sie ihre Stan­ darte gegen kein Volk erhoben haben, wenn die richtige Zeit dafür noch nicht gekommen war. Das sagen und schreiben diejenigen, die bei ihnen gewesen sind. Deswegen kommen sie zu genau der richtigen Zeit ganz plötzlich über ein Volk und ziehen sich nach einer erfolgreichen Verheerung für viele Jahre zurück, bis sie die passende Zeit mit einer günstigen Konstellation ausfindig gemacht haben, um die Regionen und den Willen der dort lebenden Menschen zu verändern (wenn auch natürlich nicht zu zwingen) und sie mit Furcht zu erfüllen. Doch wie man die natürlichen Unterschiede der Orte verändert und welche Methoden für solche wunderbaren Werke zu befolgen sind, lehrt nur die Astronomie. Das Bilsenkraut ist in Persien zum Beispiel sehr gefährlich, wenn es in Jerusalem angepflanzt wird, wird es jedoch genießbar.741 [30] Wenn jemand die Beschaffenheiten der Orte durch die sicheren Wege der Astronomie entsprechend ihrer Längen- und Breitengrade kennen würde, könnte er alle ihre verschiedenen Kräfte kennen, die von Ort zu Ort die wunderbarsten Veränderungen in den Körpern hervorbringen. Diese natürlichen Eigenschaften der Dinge sind zwar durch die Vernunft der Mathematik erfasst worden; doch die Mathematik lehrt noch viel herrlichere Dinge durch die Kunst herzustellen, die die Natur vervollkommnet, ihr dient und sie ihren eigenen Bedürfnissen anpasst. Denn wenn die Anstrengung der menschlichen Vernunft zur Kraft der Natur hinzugenommen wird und sie vervollständigt, schafft sie mehr an einem

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Teil II

die quam natura in centum annis: testis est alkimia, que, preparato alicxir quod est medicina laxativa et transmutativa vel trans­ mutandi metalla vilia in aurum et argentum, facit uno die quod natura sola vix facit in centum annis, ut vult Aristoteles in libro Secretorum.]1

CAPITULUM LXXIX. De bonis promovendis et malis impediendis2 [31]

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Posui ergo3 propter has causas loca mundi astronomice in scripto et figura, et deinde copiosius omnes naciones secundum sanctos et naturales et eos qui propria experientia mundum pervagati sunt. Et hec omnia feci principaliter propter duo, scilicet propter cognicionem futurorum, presentium et preteritorum tam in naturalibus quam in voluntariis secundum proprietatem cujuslibet; certius ­tamen in naturalibus transmutacionibus quam aliis, quia magis sequuntur inclinaciones celestes: et jam sunt radices superius tacte de his. Et ad cautelam maiorem possumus revolvere historias et invenire quando acciderunt mira in hoc mundo, ut diluvia, terremotus, comete et cetere impressiones ignite notabiles, et alterationes aeris et tempestates et fames et pestilencia, et renovaciones consuetudinum et sectarum et legum, et mutationes regnorum et imperiorum, et multa mirabilia. Et tunc revolvere debemus tabulas et canones ad illa tempora, et sic invenimus omnium istorum causas in celo vel signa. Et tunc possumus extendere tabulas ad tempora futura

1  Hier endet die Passage in Klammern, die nur in Ta steht. 2  Überschrift in Ta: Quod constellaciones observande sunt in omnibus ac­ tibus. 3  ergo ]  igitur, Ta.

KAPITEL 79

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Tag als die Natur in hundert Jahren. Der Beleg dafür ist die Alchemie, mit der man ein Elixier herstellen kann, das eine abführende und verändernde Wirkung hat oder mit der man wertlose Metalle in Gold und Silber umwandeln kann. Auf diese Weise schafft sie an einem Tag mehr, als die Natur für sich genommen in 100 Jahren schaffen würde, wie Aristoteles im Buch der Geheimnisse742 schreibt.

KAPITEL 79 Über die Förderung des Guten und die Verhinderung des Schlechten Aus diesen Gründen habe ich die Orte der Welt in Bild und Schrift nach den Regeln der Astronomie aufgezeichnet und alle Länder ausführlich entsprechend den Berichten der Heiligen, der Naturphilosophen und derer, die selbst dort gewesen sind, beschrieben.743 Das alles habe ich vor allem aus zwei Gründen getan: wegen der Erkenntnis der zukünftigen, gegenwärtigen und vergangenen Geschehnisse – und zwar sowohl in den Naturdingen als auch den menschlichen Willensangelegenheiten, entsprechend den Eigenschaften eines jeden; in den Naturdingen sind Veränderungen jedoch sicher einfacher zu erreichen als anderswo, weil sie mehr den Vorgaben der Himmelskörper folgen. Die Wurzeln hierfür sind weiter oben bereits besprochen worden. [32] Zu unserer größeren Sicherheit können wir uns die Geschichte anschauen und sehen, wann in dieser Welt Wunder geschehen sind. Wir können zum Beispiel feststellen, wann es Überflutungen gab; ebenso wie Erdbeben, Kometen und andere bemerkenswerte feurige Himmelserscheinungen, Veränderungen der Atmosphäre, Unwetter, Hungersnöte und Seuchen, Umwälzungen der Sitten, der Religionen und der Gesetze, Veränderungen der Königreiche und Imperien und viele weitere wunderbare Dinge. Dann müssen wir uns nur die Tafeln und [astronomischen] Richtlinien für diese Zeiten anschauen, um alle Gründe und Zeichen für diese Ereignisse zu finden. Daraufhin können wir die Tafeln auf zukünftige [31]

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Teil II

et consimiles constellaciones invenire, ut sic presciamus consimiles effectus in hoc mundo inferiori fore venturos. Et in hoc modo1 judicandi magnum secretum est, quod latet astronomos, quia non utuntur isto modo, cum tamen necessarius est et utilis omnino. Aliud autem est principalius et ultimum quod potest fieri, ut bona cognita promoveantur, et mala previsa impediantur, [quatinus omnes utilitates reipublice fidelium expediantur et omnia alia]2 excludantur. Et hec sunt opera astronomie et geometrie et aliarum scienciarum3 diversa. Nam astronomia habet proprias sapientie considerationes; prout4 rectificet omnia opera scientiarum aliarum, ut Medicine, Alkimie et agriculture et hujusmodi omnium5, quarum opera electa tempora requirunt. Et non solum opera istarum scientiarum sed opera artificialia et moralia, quando scilicet melius et perfectius et sine impedimento fiant, salva tamen in omnibus arbitrii libertate. Sed dico propter hoc quod animus potest inclinari per celestes virtutes, licet non cogi. Et ideo omnia6 opera constituendi civitates, castra7, domus et omnia alia8 artificialia. Et similiter in moralibus expedit, ut scilicet tempus in omnibus queratur9, quia omnia tempus habent, sicut ait scriptura. Et ideo sive10 homo operetur in pace sive in bello, sive studium aggrediatur sive mercationem sive iter sive quodcumque aliud, in omnibus potest tempus eligere idoneum vel contrarium evitare. Sed11 majora sunt hic. Nam ultima secreta nature et sapientie hu1  modo ]  mundo, W. 2  In W statt der Wörter in Klammern nur: et contraria. 3  scienciarum ]  duarum, MSS. 4  prout ]  primo ut, W. 5  omnium ]  trium, Ta. 6  omnia ]  alia, Ta. 7  castra ]  instrumenta, Ta. 8  omnia alia ]  omnia opera alia, Ta. 9  queratur ]  queratur aptum, Ta. 10  sive ]  si, Ta. 11  In Ta beginnt hier ein neues Kapitel mit der Überschrift: Quod res pos­ sunt fieri in temporibus electis que producant bonum persone et reipublice.

KAPITEL 79

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Zeiten anwenden und ähnliche Konstellationen finden, wodurch wir ähnliche Auswirkungen in dieser niederen Sphäre vorhersagen können, bevor sie eingetreten sein werden. Auf diese Weise Vorhersagen zu treffen, ist ein großes Geheimnis, das den Astronomen noch verborgen ist, da sie diese Methoden nicht verwenden, wenn das auch sehr notwendig und nützlich ist. [33] Etwas anderes ist jedoch noch grundlegender und das Äußerste, was man erreichen kann: dass bekannte Güter vorangebracht und vorhergesehene Übel verhindert werden, damit alle Nützlichkeiten für das Gemeinwesen gefördert und alles andere ausgeschlossen werden kann. Dafür sind die Werke der Astronomie, der Geometrie und der anderen verschiedenen Wissenschaften notwendig. Denn die Astronomie stellt Überlegungen an, die der Weisheit eigen­tümlich sind; darüber hinaus ordnet sie auch alle Werke der anderen Wissenschaften, wie die der Medizin, der Alchemie, der Landwirtschaft und ähnlicher weiterer Wissenschaften, deren Werke gewisse ausgewählte Zeiten erfordern. Das gilt jedoch nicht nur für die Werke dieser Wissenschaften, sondern auch für andere Werke der menschlichen Kunst sowie Moral, indem sie bestimmt, wann sie ausgeführt werden sollten, damit sie besser, vollkommener und ohne Hindernis umgesetzt werden können, wobei natürlich stets der freie Wille gewahrt bleibt. [34] Ich sage das, weil der menschliche Geist durch die Himmelskörper beeinflusst, wenn auch nicht gezwungen werden kann. Ebenso ist [die Astronomie] für alle Werke [notwendig], die mit dem Bau von Städten, Burgen, Häusern und anderen menschlichen Erzeugungen zu tun haben. Sie erstreckt sich auch auf den Bereich der Moral, damit für alle Dinge die richtige Zeit gesucht wird, weil alles seine Zeit hat, wie die Heilige Schrift sagt.744 Ob der Mensch im Frieden oder im Krieg tätig ist, ob er ein Studium beginnt oder einen Handel abschließt, ob er eine Reise antritt oder was auch immer, bei allem kann [die Astronomie] die richtige Zeit bestimmen und das Gegenteil vermeiden. [35] Doch es gibt hier noch größere Dinge. Denn durch [die Astronomie] werden die äußersten Geheimnisse der Natur und der

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Teil II

mane hic reperiuntur, quoniam possunt res fieri in temporibus electis, que omne bonum persone et reipublice producant, et in contrarium omne malum pariant eis qui digni sunt. Nam ut alterentur homines ad sanitatem, longevitatem, fortitudinem et audaciam, prudentiam et sapientie eminencias1 et ad bonos mores et ad eufortunia in rebus, negociis, officiis2 et omnibus, potest per hujus­modi procurari. Et per contrarium qui digni sunt horum contrariis, possunt in his omnibus deprivari. Et hec quantum ad multitudinem civitatis vel3 regionis dimittendam4 fiunt per alterationem aeris, secundum quod Aristoteles Alexandro, querenti consilium quid faceret de quadam gente pessima, an occideret eam vel vivere dimitteret, rescripsit sub his verbis: Si potes alterare eorum5 aerem, dimitte eos vivere; si non, interfice omnes. Scimus enim quod secundum diversitatem aeris in diversis regionibus mutantur complexiones hominum et mores et omnia, ut prius dictum est, et patet quod aer diversarum regionum continet6 diversas virtutes stellarum, et certe sic accederet7 diversitas in complexione et in moribus hominum ejusdem regionis et civitatis, si eorum aer mutaretur per celorum virtutes in temporibus diversis. Et hoc patet in exemplo communi. Nos enim videmus quod secundum 4 tempora anni variantur complexiones rerum et hominum, et similiter homines inclinantur ad diversos mores, ut patet in estate, autumpno, hieme8 et vere, ut notum est omnibus9. Quare10 si fortes constellationes renovantur, possunt complexiones mutari et mores et omnia; et maxime si res alique preparentur, que recipiant et retineant celestem virtutem post horam constel1  eminencias ]  eminenciam, Ta. 2  negociis, officiis ]  et negociis et officiis, Ta. 3  vel ]  et, Ta. 4  dimittendam ]  immutandam, Ta. 5  eorum ]  om. Ta. 6  continet ]  retinet, Ta. 7  accederet ]  accideret, Ta. 8  hieme ]  et hyeme, Ta. 9  ut notum est omnibus ]  et notum est hominibus, Ta. 10  Quare ]  Quare igitur, Ta.

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menschlichen Weisheit aufgedeckt, da die Dinge durch sie zu ausgewählten Zeiten geschehen können, die alles Gute für die Individuen und das Gemeinwesen hervorbringen, und die alles Schlechte für diejenigen verursachen, die es verdienen. Denn sie kann dafür sorgen, dass die Menschen gesünder werden, länger leben und kräftiger und wagemutiger werden. Sie kann für Klugheit und die Würden der Weisheit sorgen, für gute Sitten, für das gute Gelingen aller Dinge, zum Beispiel bei Handelsabschlüssen und anderen Tätigkeiten, und bei allen anderen Angelegenheiten. Sie kann diejenigen, die das Gegenteil verdienen, aber auch aller dieser Dinge berauben. Das kann alles bis zu einer Verschonung einer ganzen Stadt oder Region durch die Veränderung der Luft geschehen: So hat Aristoteles, nachdem er von Alexander dem Großen gefragt worden war, was dieser mit einem äußerst schlechten Volk tun solle, ob man es töten oder am Leben lassen solle, folgende Worte zurückgeschrieben: Wenn du kannst, ändere ihre Luft und lass sie leben; wenn nicht, töte sie alle.745 [36] Wir wissen nämlich, dass sich die Mischungen der Menschen, ihre Sitten und alles andere entsprechend der Verschiedenheit der Luft in den unterschiedlichen Regionen der Welt ändern, wie weiter oben gesagt worden ist. Das ist auch offensichtlich, weil die Luft in den verschiedenen Regionen jeweils andere Kräfte der Sterne annimmt, was mit Sicherheit auch zu den Unterschieden in den Mischungen und Sitten der Menschen in derselben Region oder derselben Stadt führt, wenn die Luft dort durch die Kräfte der Himmelskörper zu verschiedenen Zeiten verändert wird. Das geht auch aus einem allgemeinen Beispiel hervor: Wir sehen nämlich, dass sich in den vier Jahreszeiten die Mischungen der Dinge und der Menschen verändern, wodurch die Menschen zu verschiedenen Verhaltensweisen gedrängt werden, wie im Sommer, im Herbst, im Winter und im Frühling ersichtlich wird, und wie alle wissen. Wenn starke Konstellationen erneuert werden, können sie die Mischungen, Sitten und alles Weitere verändern. Das gilt ganz besonders, wenn Dinge auf irgendeine Weise so ausgestattet worden sind, dass sie die Kraft der Himmelskörper empfangen und bis

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lationis, sive fuerit medicamen sive cibus sive potus sive aliud secundum rectam rationem constitutum. Et hic est origo1 cognoscendi an virtutem aliquam habeant ymagines, caracteres, carmina, orationes et deprecationes et multa hujus­modi, que estimantur a vulgo esse magica sed a sapientibus in multis2 philosophica. Nam hec possunt fieri bene et male, et bona intentione et mala, et ad bonum vel malum; sicut per arma fiunt bona et mala, et per cultellum scinditur panis in mensa et inter­ficitur homo, et similiter injuste3 alium occidit. Sed tamen sciendum quod proprie dicuntur illi esse magi4 qui non operantur secundum artem et philosophie potestatem, sed aut ex ignorantia operantur, estimantes tamen se scire veritatem, aut fingunt se philosophice agere5, cum sciant quod non sic operantur6, aut in omnem eventum agunt aliqua levia considerantes, quibus colorent sua facta; sed isti nihil producunt in effectu, quantum est de potestate suarum operationum, sed7 aliquando a casu et fortuna accidit quod aliquid contingat. Et similiter demones perficiunt quod tales falsarii intendunt. Unde propter superfluitatem erroris et pravitatis istorum hominum, quia non solum contra Deum sed contra philosophiam operantur, demones assistunt suis occupationibus et producunt8 effectus, ut confirmentur magis in erroribus, et ut decipiant alios. Hi igitur sunt vere magici qui a philosophia sunt alieni, sicut a veritate Dei, et a philosophis reprobantur, sicut9 ab Aristotele et10 Platone, ut dicit Ysidorus in tractatu suo de astronomia, et Plinius reprobat per totum librum 1  Et hic est origo ]  Et hec origo, W. 2  in multis ]  om. Ta. 3  injuste ]  juste, W. 4  illi esse magi ]  ilil magici vel magi, Ta. 5  agere ]  facere, Ta. 6  operantur ]  operentur, Ta. 7  sed ]  licet, Ta. 8  producunt ]  perducunt, W. 9  sicut ]  sic, W. 10  et ]  om. Ta.

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nach der Zeit einer bestimmten Konstellation bewahren, seien es Heilmittel, Speisen oder Getränke oder etwas anderes, das nach der richtigen Vernunft eingerichtet worden ist. Das ist auch die richtige Methode, um zu erfahren, ob Bilder, Zauberformeln, Zaubersprüche, Gesänge, Anrufungen und weitere Dinge dieser Art irgendeine Kraft haben. Denn sie werden zwar von der Menge als magische Praktiken eingeschätzt, viele Weise halten diese Dinge jedoch für einen Teil der Philosophie. Alle diese Praktiken können nämlich gut und schlecht gebraucht werden, mit einer guten und schlechten Absicht, zu einem guten und schlechten Zweck; so wie auch durch Waffen Gutes und Schlechtes geschehen kann; und wie man mit einem Messer am Tisch Brot schneiden und einen Menschen töten kann, und zwar mitunter auch auf ungerechte Weise. Doch trotzdem muss man wissen, dass diejenigen zu Recht Magier genannt werden, die nicht entsprechend der Kunst und der Macht der Philosophie wirken, sondern die entweder völlig unwissend tätig sind, obwohl sie glauben, die Wahrheit zu kennen, oder die nur vorgeben, ihre Werke in philosophischer Weise zu betreiben, obwohl sie wissen, dass das nicht stimmt, oder indem sie bei allem irgendwelche Kleinigkeiten erschaffen, mit denen sie das von ihnen Geschaffene schmücken können. Doch solche Leute bringen letztendlich nichts hervor, soweit es die Macht ihrer Werke betrifft, sondern ihre Beschwörungen haben nur manchmal und zufällig eine Wirkung. Manchmal führen auch Dämonen aus, was solche Betrüger wollen. Wegen der vielen Fehler und der Unehrlichkeit solcher Menschen, die nicht nur gegen Gott, sondern auch gegen die Philosophie handeln, helfen die Dämonen ihnen bei ihren Handlungen und bringen eine Wirkung hervor, damit sie noch mehr in ihren Fehlern gestärkt werden und andere noch besser betrügen können. Das sind alles magische Werke, die der Philosophie und der Wahrheit Gottes fremd sind, und die von den Philosophen wie Aristoteles und Platon zurückgewiesen worden sind, wie Isidor in seiner Abhandlung über die Astronomie746 sagt. Auch Plinius argumentiert ebenso wie alle anderen Philosophen in seiner gan-

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Teil II

suum Naturalis Historie et precipue 30mo libro, et omnes philosophi1. [39] Cum etiam aliqui ex odio vel amore operantur secundum philosophiam et inducunt effectus malos et damna aut personis aut reipublice, hi, quia contra legem Dei et contra legem philosophie, prohibentis peccata et mala hujusmodi fieri, operantur, possunt vocari magici2, quia malum operantur et intendunt, sicut alii magici, de quibus dictum est. [40] Et quia secundum eandem apparentiam agunt, scilicet referentes suas actiones ad virtutes celestes, quamvis priores magici sint sophiste in operationibus suis et nihil operentur3 nisi a casu et fortuna; hi autem operantur secundum veritatem sed tamen contra legem4 philosophie, sicut ille qui interficit hominem cultello injuste. Antichristus vero et sui operabuntur secundum plenam potestatem philosophie, sed non nisi malum personarum et reipublice, et ideo erunt de 2° genere magicorum. Et ubi potestas philosophie deficit, demones adimplebunt residua, ut totus mundus conturbetur5 et confundatur. [41] Quamvis igitur mala possunt6 a malis fieri per philosophiam, non tamen propter hoc est philosophia reprehendenda, sed abusus philosophie. Et tamen verum est quod iste scientie magnifice, per quas7 magna bona fieri possunt sicut et magna mala, non debent sciri nisi a certis personis, et hoc auctoritate summi pontificis, qui subjecti et subditi pedibus Romane8 ecclesie debent pro utilitate magna ad papale imperium operari, ita quod ecclesia9 possit10 in omnibus suis tribulationibus recurrere ad ista, ut tandem finaliter obviaretur Antichristo et suis ut, cum similia11 opera fierent per 1  philosophi ]  philosophi veri, Ta. 2  magici ]  om. Ta. 3  operentur ]  operantur, Ta. 4  legem ]  legem tamen, Ta. 5  conturbetur ]  turbetur, Ta. 6  possunt ]  possint, Ta. 7  quas ]  que, MSS. 8  Romane ]  ratione, W. 9  ecclesia ]  etiam, W. 10  possit ]  posset, Ta. 11  cum similia ]  consimilia, Ta.

  9  ecclesia ]  etiam, W. 10  possit ]  posset, Ta. 11  cum similia ]  consimilia, Ta.

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zen Naturgeschichte gegen diese Art der Magie, ganz besonders im 30. Buch747. [39] Da jedoch einige aus Hass oder Liebe zwar entsprechend den Richtlinien der Philosophie arbeiten, jedoch schädliche und schlechte Effekte für Personen oder das Gemeinwesen hervorbringen, können solche Leute, die gegen das Gesetz Gottes und gegen das Gesetz der Philosophie tätig sind, indem sie derartig Schaden verursachen wollen, auch als Magier bezeichnet werden, weil sie ebenso wie die andere Sorte von Magiern, über die schon gesprochen worden ist, Böses beabsichtigen und hervorbringen. [40] Und beide Arten von Magiern sind unter derselben Erscheinung tätig, da auch sie vorgeben, sich mit ihren Beschwörungen nach den Himmelskörpern zu richten, auch wenn die erste Gruppe von Magiern nur durch Glück und Zufall etwas erreicht; diese hingegen sind der Wahrheit entsprechend tätig, doch gegen das Gesetz der Philosophie, so wie derjenige, der einen anderen ungerecht mit einem Messer umbringt. Der Antichrist und die Seinen werden entsprechend der ganzen Macht der Philosophie ihre Werke ausführen, aber sie werden den Menschen und dem Gemeinwesen damit schaden, weshalb sie zur zweiten Art von Magiern gehören werden. Und wo die Macht der Philosophie nicht ausreichen wird, werden Dämonen aushelfen, sodass alle Welt verwirrt und verstört werden wird. [41] Doch auch wenn durch böse Menschen schlimme Dinge mit Hilfe der Philosophie geschehen können, darf deshalb doch nicht die Philosophie zurückgewiesen werden, sondern nur deren Missbrauch. Dennoch ist es richtig, dass diese herrlichen Wissenschaften, durch die so viele gute Dinge, aber auch so viele schlechte Dinge geschehen können, nur von bestimmten Personen gekannt werden dürfen, die unter der Autorität des Papstes stehen müssen. Da sie so der Kirche unterworfen und untertänig sind, dürfen sie für den großen Nutzen der päpstlichen Herrschaft arbeiten, damit die Kirche bei jeder ärgerlichen Situation auf sie zurückgreifen kann. Am Ende wird man dem Antichrist und dessen Gefolge entgegentreten, und es wird hoffentlich durch ähnliche Werke der

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Teil II

fideles, ostenderetur quod non esset deus, et impediretur ejus persecutio in multis et mitigaretur per hujusmodi opera perpetranda. Et ideo1 si ecclesia de studio ordinaret, possent homines boni et sancti laborare in hujusmodi scientiis magicis auctoritate summi pontificis speciali. Hec autem que2 jam de locis mundi et3 alterationibus locorum et4 rerum per celestia et de judiciis et operibus secretis tetigi, non posui omnia in Majori5 Opere, sed de locis tantum. Alia posui in Minori Opere, quando veni ad declarandam intentionem istius partis Operis Majoris. Non enim proposui tunc plura ibi in Opere Majori tractare, volens festinare propter Vestre Sanctitatis mandatum. Post hec adjunxi opera geometrie et arismetice [sic!] et musice, que sunt similiter de maximis secretis nature et arcium magnalium; et ibi nichil secundum veritatem est magicum, nec secundum apparentiam, sed fiunt opera utilissima secundum veritatem philosophie et tante sapientie quod non est finis. Et quia6 temporibus meis facta sunt7 sicut et antiquis, ideo possum loqui certius, ut non estimer falsum dicere propter rerum magnitudinem infinitam; ut scilicet est de speculis conburentibus in omni distantia quam volumus, ut omne contrarium reipublice comburatur, sive castrum sive exercitus sive civitas seu quodcunque. Et de instrumento volandi, et de instrumento navigandi, uno regente navem plenam multitudine armatorum cum incredibili velocitate. Et de curribus falcatis, qui armatis pleni arte mirabili currerent sine beneficio animalis, et omnia obstantia rumperent et secarent. [Similiter de instrumentis et armoniis musicalibus de quibus prius

1  ideo ]  om. Ta. 2  Hec autem que ]  Sed que (jam de in Marginalien hinzugefügt), Ta. 3  et ]  et de, Ta. 4  et ]  om. Ta. 5  Majori ]  majore, Ta. 6  quia ]  om. W. 7  sunt ]  om. Ta.

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Gläubigen gezeigt werden können, dass der Antichrist kein Gott sein wird. Durch solche Werke wird die Verfolgung vieler durch ihn gemildert werden können. Wenn die Kirche solch ein Studium anordnen würde, könnten gute und heilige Menschen unter der speziellen Vollmacht des Papstes in diesen magischen Wissenschaften arbeiten. Was ich bis hier über die Orte der Welt und über die Veränderungen der Orte und Dinge durch die Himmelskörper, über Vorhersagen und geheime Werke angesprochen habe, habe ich nicht alles im Opus maius behandelt, sondern ich habe mich dort vor allem auf die Geographie konzentriert. Andere Bereiche habe ich im Opus minus thematisiert, als ich die Absicht jenes Teils des Opus maius näher erläutert habe. Ich habe im Opus maius nämlich nicht noch mehr behandeln wollen, da ich mich aufgrund ­Eures Befehls beeilen wollte. Danach habe ich die Werke der Geometrie, der Arithmetik und der Musik hinzugefügt, die auch von den größten Geheimnissen der Natur und der Künste handeln. An ihnen ist in Wahrheit und auch in ihrer Erscheinung nichts magisch, sondern es entstehen mit deren Hilfe entsprechend der Wahrheit der Philosophie die nützlichsten Werke, die so viel Weisheit enthalten, dass es hier gar kein Ende gibt. Da meine Zeit so beschaffen ist wie die Zeit der antiken Menschen, kann ich mit Sicherheit sprechen und muss nicht fürchten, dass ich wegen der unendlichen Größe der Dinge Falsches erzähle oder übertreibe. So kann ich zum Beispiel sagen, dass es Brennspiegel gibt, mit denen man aus jeder Entfernung alles tun kann, was man möchte: Man kann damit alle Feinde des Gemeinwesens verbrennen, seien es Burgen, Heere, Städte oder was auch immer. Ich kann auch über Fluginstrumente sprechen und über Schiffe, die unglaublich schnell und schwer bewaffnet sind, und die trotzdem nur einen Seemann benötigen. Und über Sichelwagen, die vollkommen bewaffnet durch wunderbare Kunst vollständig ohne die Hilfe von Tieren angetrieben werden, und die alle Hindernisse durchbrechen und zerteilen können. Genauso könnte ich auch über Musikinstrumente und Harmonien sprechen, die ich

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Teil II

tetigi, et maxime si fierent in constellacionibus debitis, ut celestes virtutes reciperent speciales]1, et sic de aliis infinitis, quorum aliqua tetigi in aliis, sed tamen nec hic nec in operibus prioribus ­potui omnia explicare. Postea exposui quomodo mathematica valet ad conversionem infidelium secundum modum quem superius tetigi de consideratione sectarum 6 principalium, que consideratio potest fieri ad confirmationem fidei quam tenet ecclesia, et potest fieri ad conversionem infidelium ad eandem fidem, et ideo breviter ibi2 pertransivi. Similiter de operatione Mathematice respectu reprobandorum qui converti non possunt: eadem enim opera que pro utilitate reipublice fidelium fieri possunt, de quibus nunc feci memoriam [tam de astromicis quam de geometricis et aliis]3, possunt fieri contra inimicos ecclesie et Christianorum, ut reprimantur et confundantur, sicut necesse est. Nam ista4 opera, que Antichristus faciet per astronomiam et geometriam et alias contra ecclesiam, possunt nunc fieri contra Tartaros, Sarcenos, idolatras5 et alios infideles; et certum est quod nunquam aliter reprimentur ut exigit utilitas mundi; quia bella sunt dubia, et ita male accidit Christianis sepe sicut infidelibus, ut patet de ultima invasione Damiete per dominum regem Francie Lodowicum. Et si aliquando vincantur infideles, tamen redeuntibus Christianis ad propria, infideles suas recuperant regiones et semper multiplicantur ut parati sint bella dare, quandocunque velint, Christianis6.

1  Die Worte in Klammern finden sich nicht in W. 2  ibi ]  om. W. 3  Die Worte in Klammern finden sich nicht in W. 4  ista ]  illa, Ta. 5  Saracenos, idolatras ]  et Saracenos et ydolatras, Ta. 6  quandocunque velint, Christianis. ]  quandocunque veniunt Christiani, Ta.

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weiter oben schon erwähnt hatte, vor allem, wenn sie zu den richtigen Konstellationen benutzt werden würden, an denen sie die besonderen Kräfte der Himmelskörper empfangen könnten. Und von unendlich vielen weiteren Dingen, von denen ich einige an einigen Orten behandelt habe, die ich aber trotzdem weder hier noch in meinen anderen Werken alle erklären konnte. Danach habe ich erläutert, auf welche Weise die Mathematik für die Bekehrung der Ungläubigen von Nutzen ist, indem ich die sechs wichtigsten Religionen behandelt habe. Diese Überlegung kann nämlich zur Bestätigung des Glaubens der Kirche und zur Bekehrung der Ungläubigen zu diesem Glauben führen, weshalb ich es dort kurz thematisiert habe. Ich habe auch über die Rolle der Mathematik bei der Zurückschlagung derer geschrieben, die nicht bekehrt werden können. Denn dieselben Werke, die zum Nutzen der Gemeinschaft der Gläubigen ausgeführt werden können und an die ich hier erinnert habe – sowohl die astronomischen als auch die geometrischen und andere Werke – können auch gegen die Feinde der Kirche und der Christen gerichtet werden, damit sie zurückgedrängt und verwirrt werden können, wie es notwendig ist. Denn jene Werke, die der Antichrist durch die Astronomie, die Geometrie und die anderen Wissenschaften gegen die Kirche richten wird, können bereits jetzt gegen die Tartaren, die Sarazenen, die Götzenanbeter und gegen andere Ungläubige gerichtet werden. Denn es ist sicher, dass sie niemals anders zurückgedrängt werden können, sodass der Nutzen für die Welt vollendet wird; denn Kriege sind immer unsicher, und den Christen passiert dabei Schlechtes ebenso oft wie den Ungläubigen, wie anhand der letzten Belagerung von Damiette durch den französischen König Ludwig gerade erst deutlich geworden ist.748 Und wenn die Ungläubigen doch manchmal besiegt werden, dann holen sie sich ihre Länder zurück und vermehren sich wieder, nachdem die Christen abgezogen sind, sodass sie jederzeit wieder für den Krieg gegen die Christen bereit sind.

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Teil II

CAPITULUM LXXX. De perspectiva1 [46]

Postquam manifestavi mathematice potestatem, aspiravi2 ad perspective dignitatem. Que quia pulcrior est omnibus scientiis, et utilitates habet respectu omnium sine qua nulla sciri potest; insuper, respectu sapientie3 absolute et relate, est utilis et efficax, et miris modis quibus alie scientie non utuntur; ideo prosecutus sum hanc scientiam diligentius quam precedentes, et precipue quia non solum a vulgo Latinorum, sed a sapientibus multis ignoratur, propter sui novitatem et mirabilem profunditatem. Et propter hoc decrevi quod non imitarer unum auctorem, sed ab omnibus eligerem electiores sententias4. Nam licet Perspectiva Alhacen5 sit in usu aliquorum sapientum Latinorum, tamen paucioribus est Perspectiva Ptolomei precognita, que tamen est radix illius scientie, a qua Alhacen sumpsit originem sue sapientie. Nam nihil aliud facit, nisi quod fideliter explicat Ptolomeum; quamvis tamen superfluus est ultra modum. Sententias etiam electas extraxi ab aliis auctoribus, scilicet a Jacobo Alkindi, et a Tideo, et ab Euclide, et a libris de Visu et Speculis, secundum quod hic videbatur michi expedire; multa relinquens propter superfluitatem eorum et quia inutilia sunt, et alia propter abbreviationem, secundum formam persuasionis intente, quia non feci scripta principalia, sed preambula, ut sepe dixi. Nichilominus tamen perfectius longe tractavi hanc scientiam propter pulcritudinem, et quia [magis]6 ignota est quam alias scientias. 1  Titel in P: Liber tertius Alpetragii. In quo tractat de perspectiva: De com­ paratione scientie ad sapientiam: De motibus corporum celestium secundum ptolomeum. De opinione Alpetragii contra opinionem ptolomei et aliorum. De scientia experimentorum naturalium. De scientia morali. De articulis fidei. De Alkimia. 2  aspiravi ]  aspreavi, P. 3  sapientie ]  sapit, P. 4  sententias ]  scientias, P. 5  Alhacen ]  Albateni, P. 6  magis ]  om. W. P.

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KAPITEL 80 Über die Perspektivik [46]

Nachdem ich die Macht der Mathematik gezeigt hatte, bin ich zur Würde der Perspektivik übergegangen.749 Sie ist schöner als alle anderen Wissenschaften und hat gegenüber allem einen Nutzen, ohne den nichts gewusst werden kann. Darüber hinaus ist sie gegenüber der Weisheit für sich genommen und in Bezug zu den anderen [Wissenschaften] nützlich und wirksam und bedient sich wunderbarer Methoden, die in den anderen Wissenschaften nicht benutzt werden. Aus diesem Grund habe ich diese Wissenschaft sorgfältiger behandelt als die vorangegangenen, vor allem deshalb, weil sie nicht nur der Menge der Lateiner, sondern auch vielen Weisen wegen ihrer Neuheit und herrlichen Tiefe nicht bekannt ist. Daher habe ich beschlossen, nicht nur einem Autor zu folgen, sondern von allen die würdigsten Ansichten auszuwählen. Denn auch wenn die Perspectiva750 von Alhazen einigen Lateinern bekannt sein mag, kennen doch die wenigsten die Perspectiva751 von Ptolemäus, die dennoch die Wurzel dieser ganzen Wissenschaft ist, und die Alhazen als Vorlage für seine eigene Weisheit genommen hat. Denn er tut doch nichts anderes, als getreu Ptolemäus zu erklären, wobei er mitunter über alle Maßen weitschweifig ist. Daher habe ich auch viele Ansichten anderer Autoren berücksichtigt, zum Beispiel von Jakob Alkindi752, Tideus753 und Euklid754; und ich habe aus den Büchern über das Sehen und über Spiegel, soweit es mir passend erschien, diese Dinge zusammengetragen; vieles habe ich jedoch auch nicht berücksichtigt, weil es überflüssig und häufig unnütz ist. Anderes habe ich der Kürze wegen weggelassen, da Kürze einer Überzeugungsschrift angemessener ist und da ich, wie schon oft gesagt, kein Grundlagenwerk, sondern eine vorläufige Schrift anfertigen wollte. Trotzdem habe ich diese Wissenschaft wegen ihrer Schönheit und weil sie weniger bekannt ist als die anderen Wissenschaften, auch ausführlicher behandelt als die übrigen Wissenschaften.

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Teil II

Et nunc volo discurrere per principales veritates tactas in singulis distinctionibus et capitulis; ut si scriptum quod misi fuerit amissum, videat Vestra Sapientia que debetis a sapientibus hujus mundi de hac scientia nobili requirere. Discussi igitur in hac scientia omnes virtutes anime sensitivas, et organa earum, et objecta, et operationes. Virtutes1 sunt 102, et maxime de interioribus dixi3, que sunt sensus communis, ymaginatio, cogitatio, estimatio et memoria. Et certificavi has, propter summam difficultatem, et errores qui hic dicuntur; et quia una4 radix istius scientie consistit in eis, sicut manifesto. Deinde certifico originem et compositionem oculorum, quia sine hoc non potest sciri quomodo fiat visio. Declaro hic5 quomodo nervi optici, id est6 concavi, in quibus est virtus visiva, oriuntur a partibus cerebri, et quomodo7 componuntur ex triplici8 tunica, et quomodo9 in modum crucis se intersecant in superficie cerebri, in qua sectione est organum principale videndi, et non in oculis; quia visio10 non perficitur antequam species rei vise veniat ad locum illum11; et qualiter tunc ab illa sectione venit nervus dexter ad sinistrum oculum, et sinister ad dextrum; et quomodo tunc nervus ingreditur foramen ossis oculi; et qualiter se expandit12 in concavitate13 ossis; et sicut componitur ex triplici tunica nervali, sic se explicat in 3bus pelliculis, que faciunt 3es 14 tunicas oculi, infra quas15 continentur tres humores, per quos perficitur visus, licet tamen in uno eorum sit virtus visiva. Et hec omnia nomino16 et certifico se1  Virtutes ]  que virtutes, P. 2  10 ]  decem, P. 3  dixi ]  om. P. 4  una ]  om. P. 5  Declaro hic ]  Detego ergo, P. 6  id est ]  scilicet, P. 7  quomodo ]  eo modo, P. 8  triplici ]  3ci, W. 9  quomodo ]  et que, P. 10  visio ]  visus, P. 11  illum ]  suum, P. 12  expandit ]  extendit, P. 13  concavitate ]  concavitatem, P. 14  3es ]  tribus … tres, P. 15  quas ]  om. W. 16  nomino ]  nomina, W.

13  concavitate ]  concavitatem, P. 14  3es ]  tribus … tres, P. 15  quas ]  om. W. 16  nomino ]  nomina, W.

KAPITEL 80

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Nun möchte ich die verschiedenen grundlegenden Wahrheiten entsprechend der Reihenfolge der Distinktionen und Kapitel [im Opus maius] durchgehen, damit Eure Weisheit weiß, was Ihr von den Weisen dieser Welt über diese ehrwürdige Wissenschaft erwarten dürft, falls meine Schrift, die ich Euch geschickt hatte, verlorengehen sollte. Ich habe in dieser Wissenschaft über alle sensitiven Kräfte der Seele, ihre Organe, ihre Objekte und ihre Tätigkeiten geschrieben.755 Es gibt zehn Kräfte, und ich habe vor allem über die inneren Kräfte gesprochen: den Gemeinsinn [sensus com­ munis], die Einbildungskraft, das Denkvermögen, das Beurteilungsvermögen und das Gedächtnis. Ich habe diese inneren Sinne wegen ihrer großen Schwierigkeit und wegen der Fehler, die hier gemacht werden, sehr ausführlich beschrieben, zumal eine wesentliche Wurzel dieser Wissenschaft in diesen inneren Sinnen besteht, wie ich deutlich mache. [48] Danach bestimme ich den Ursprung und die Anatomie der Augen756, weil man ohne eine Beschreibung der Augen nicht wissen kann, wie das Sehen zustande kommt. Hier erkläre ich, auf welche Weise die Augennerven – das heißt die konkav gewölbten Nerven, in denen sich die Sehkraft befindet – aus den Teilen des Gehirns hervorgehen, auf welche Weise sie aus einer dreifachen Haut bestehen und wie sie sich kreuzweise an der Oberfläche des Gehirns überschneiden. Denn in diesem Teil des Gehirns – und nicht in den Augen – befindet sich das grundlegende Organ für das Sehen. Das wird daran ersichtlich, dass das Sehen nicht zustande kommt, bevor die species einer gesehenen Sache zu diesem Ort gelangt. Außerdem habe ich beschrieben, wie von dieser Region des Gehirns aus ein rechter Nerv zum linken Auge und ein linker Nerv zum rechten Auge führt. Und wie der Nerv dann in die Knochenöffnung des Auges eintritt und sich dann in der Knochenhöhlung ausbreitet. Daher besteht das Auge aus drei Nervenhäutchen oder besser gesagt aus drei Häutchen, die die drei Augenhäutchen bilden. In diesen Augenhäutchen sind drei Flüssigkeiten enthalten, durch die das Sehen ermöglicht wird, wenn sich auch nur in einer [dieser drei Augenhäutchen] die Sehkraft befindet. Alles das [47]

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Teil II

cundum auctores perspective, cum adjutorio naturalis philosophie et medicine, quoniam perspectivus dicit hec1 in universali, et supponit quod omnis qui ista2 vult scire habeat noticiam radicalem a naturali philosophia et medicina. Et hec3 est pulcra consideratio cum exclusione4 multorum errorum. [49] Deinde prosequor figuram oculi, et omnium tunicarum ejus, et humorum, ut inveniantur centra omnium, quia sine his non pot­ est intelligi visio; et pono figuram oculi magnam5, qua signantur tunice oculi, et humores, et centra omnium. Et hec6 est difficultas, et pulcritudo, et exclusio erroris multiplicis. Deinde ostendo proprietates nobiles omnium tunicarum, et humorum, et omnium que attinent oculo, ut ciliorum et palpebrarum, ut appareant utilitates singulorum speciales in operatione videndi. [50] Et post hec ostendo quod species rei exigitur ad visum, et quomodo tollitur omnis confusio videndi, que triplex esset, nisi natura sagax occurreret. Et una estimaretur esse propter parvitatem pupille, que videt maxima corpora, et fere quartam7 celi, et hoc distincte secundum omnes partes8 ejus; et illud est mirabile, nec fieret9, nisi propter figuram oculi determinatam. [51] Alia posset estimari, quia ad omnem partem pupille veniunt species a singulis partibus rei; et ideo species diversorum colorum10 miscentur in qualibet parte pupille. Quare videretur11 fieri confusio visionis. Res enim quelibet multiplicat speciem suam in omnes dyametros, et undique sperice, ut probatum est in geometricis. Et ideo quelibet pars rei vise facit speciem ad quamlibet partem 1  hec ]  hoc, P. 2  ista ]  om. P. 3  hec ]  hic, P. 4  exclusione ]  expulsione, P. 5  magnam ]  om. P., stattdessen dort: in. 6  hec ]  hic, P. 7  quartam ]  4tam, W. 8  partes ]  om. W. 9  fieret ]  fieri, P. 10  colorum ]  occulorum, W; om. ideo, W. 11  videretur ]  videtur, P.

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zähle ich auf und beweise es entsprechend den Autoren der Perspektivik sowie mit Hilfe der Naturphilosophie und der Medizin, da der Perspektiviker dies alles im Allgemeinen behandelt, wobei er voraussetzt, dass alle, die sich mit dieser Wissenschaft befassen wollen, zumindest eine ungefähre Kenntnis der Naturphilosophie und der Medizin haben. Das ist eine schöne Betrachtung, in der viele Fehler ausgeschlossen werden. [49] Daraufhin gehe ich zur Gestalt des Auges, seiner Häutchen und seiner Flüssigkeiten über,757 damit die Mittelpunkte von allen gefunden werden, weil man ohne sie den Sehvorgang nicht verstehen kann. Ich gebe auch eine große Zeichnung des Auges wieder758, in der die Augenhäutchen, die Flüssigkeiten und die Mittelpunkte gekennzeichnet sind. Das ist von außerordentlicher Schwierigkeit und Schönheit, und viele Fehler werden dadurch ausgeschlossen. Danach zeige ich die ehrwürdigen Eigenschaften aller Häutchen, Flüssigkeiten und aller anderen mit dem Auge zusammenhängenden Dinge, wie den Augenlidern und den Augenbrauen, damit die besonderen Nützlichkeiten eines jeden Augenteils für den Sehvorgang deutlich werden. [50] Im Anschluss daran stelle ich dar, dass für das Sehen eine species einer [gesehenen] Sache erforderlich ist; und wie die Verwirrung beim Sehen vermieden wird, die dreifach wäre, wenn die Weisheit der Natur dem nicht entgegenwirken würde.759 Eine Schwierigkeit besteht in der Kleinheit der Pupille, die doch die größten Körper und ein Viertel des Himmels sieht, wobei sie jeden Gegenstand klar in allen seinen Teilen unterscheiden kann. Das ist ein wirkliches Wunder, das es nicht geben würde, wenn die Gestalt des ­Auges nicht genauso wäre, wie sie ist. [51] Als eine weitere Schwierigkeit könnte man ansehen, dass die spe­ cies aller Teile einer Sache zu jedem Teil der Pupille gelangen, weshalb sich die species verschiedener Farben in jedem beliebigen Teil der Pupille mischen, woraus sich eine Verwirrung beim Sehen ergeben müsste. Jede Sache sendet ihre species nämlich kugelförmig in alle Richtungen aus, wie in der Geometrie gezeigt worden ist. Daher sendet jeder beliebige Teil einer Sache zu jedem Teil der

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­ upille, quia in qualibet parte eius confunduntur species, et mip scentur, ut fiat visio confusa, nisi operatio nature secreta obviaret. 3a videretur, quia procul dubio species venientes a diversis visibilibus, et a partibus diversis ejusdem rei, miscentur vera mixtione in quolibet puncto aeris; et ideo videtur quod fieret visio confusa. Nam estimant omnes quod species distinguuntur in quolibet puncto aeris1, quatenus fiat visio distincta. Sed hic est error magnus fictus in vanum, eo quod dabimus veram mixtionem specierum in quolibet puncto aeris, et tamen salvabimus distinctionem visus2; et hoc est inauditum usque ad hoc tempus. Nam invenimus quod non solum vulgus naturalium, sed perspectivi et auctores multi dicunt3 species esse in medio distinctas, propter distinctam visionem. Sed dando oppositum, possumus veraciter salvare visionem: et hoc ostendo in figura, et probo sine contradictione, quod species in omni puncto aeris miscentur vera mixtione naturali. Unde multum erratur in hac parte. Deinde quia tolleretur visio, nisi fieret fractio speciei inter pupillam et nervum communem, in quo est nervorum sectio4, de qua superius dixi; et dextra videretur sinistra, et e converso; ideo demonstro hoc per legem fractionum, in geometricis expositam, ut sic salvetur visio. Et nichilominus tamen oportet quod species rei vise multiplicet se novo genere multiplicationis, ut non excedat

1  et ideo … aris ]  om. P. 2  visus ]  visionem, W. 3  multi dicunt ]  om. multi; dicant, P. 4  nervorum sectio ]  communis sectio nervorum, P.

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Pupille seine species aus, sodass die species in jedem Teil [der Pupille] eigentlich vermengt und vermischt werden würden. Daraus müsste eigentlich ein verworrener Sehvorgang resultieren, wenn eine geheime Tätigkeit der Natur das nicht verhindern würde. Eine dritte Schwierigkeit scheint darin zu liegen, dass sich die species, die von verschiedenen gesehenen Gegenständen und von verschiedenen Teilen desselben Gegenstandes ausgehen, auch in ­jedem Punkt der Luft vermischen, woraus sich ebenfalls ein verworrener Sehvorgang ergeben müsste. Alle sind nämlich der Ansicht, dass die species in jedem Punkt der Luft verschieden voneinander sind, woraus dann auch der distinkte Sehvorgang folge. Doch das ist ein großer Fehler, der vergeblich erfunden wird, da wir die wahre Vermischung der species in jedem beliebigen Punkt der Luft angeben und doch die Unterscheidung beim Sehen erhalten können. Das alles ist jedoch bis zu dieser Zeit noch vollkommen unbekannt. Denn wir sehen, dass nicht nur die Menge der Naturphilosophen, sondern auch die Perspektiviker und viele andere Autoren sagen, dass die species bereits im Medium unterschieden seien, weil sich nur so die Unterscheidungsfähigkeit während des Sehvorgangs erklären lasse. Doch indem wir das Gegenteil erklären, können wir den wirklichen Grund für das richtige Sehen angeben: Ich zeige das auch anhand einer Zeichnung760 und beweise ohne jeden Widerspruch, dass die species sich in jedem Punkt der Luft entsprechend ihrem natürlichen Vermischungsbestreben mischen. Daher irrt sich die Menge hier. Weiterhin dürfte es keinen Sehvorgang geben, wenn keine Brechung der species zwischen der Pupille und dem Hauptsehnerv stattfinden würde, in dem sich die verschiedenen Nerven befinden, von denen ich weiter oben bereits gesprochen hatte: Was sich rechts befinden würde, müsste dann links gesehen werden und umgekehrt. Daher gehe ich mit Hilfe des bereits von mir in der Geometrie erklärten Brechungsgesetzes darauf ein, damit das Sehen erläutert werden kann. Trotzdem muss sich eine species einer gesehenen Sache entsprechend dem Vervielfältigungsgesetz ver-

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Teil II

legem quam1 natura servat in corporibus mundi. Nam species a loco istius fractionis incedit secundum tortuositatem nervi visualis, et non tenet incessum rectum quod est mirabile, sed tamen est2 necesse, propter operationem anime3 complendam. Unde virtus anime facit speciem relinquere leges communes nature, et incedere secundum quod expedit operationibus ejus. [55] Et adjungo, quod omnibus est contrarium, cum tamen veracissimum sit, et ab Aristotele 19° de Animalibus, et ab Augustino sexto Musice, et4 in pluribus locis, et a Ptolomeo, et a5 Tideo, et Jacobo Alkindi, et aliis multis; et est: Quod visus fiat extramittendo6. Et fit virtus visiva, vel species oculi animati, radiosa usque ad omne visibile quod videtur: quamvis Aristoteles in Topicis suis exemplificet secundum opiniones vulgatas, quod visus non fiat extramittendo. Et Averroys, et Avicenna, et Alhacen videntur secundum hoc stare; ex quo omnes capiunt errorem; et ita vulgatum est et7 infixum in cordibus vulgi, quod nolunt contrarium audire. Et pauci vident 19m librum8 de Animalibus; et illi negligunt sensum Aristotelis, propter opinionem vulgatam. Et ideo probo hic et expono quomodo fiat visus extramittendo, et explico Avicennam, et Averroys, et Alhacen in perspectiva, quomodo non sentiunt sicut vulgus, sed sicut Aristoteles, et sicut veritas est. Et hec, et omnia eis annexa, verifico in 3bus distinctionibus, cum capitulis suis.

1  legem quam ]  leges quas, P. 2  est ]  om. P. 3  anime ]  a se, P. 4  sexto Musice et ]  om. W. 5  a ]  om. P. 6  visus fiat extramittendo ]  unterstrichen in W. 7  et ]  et ita, P. 8  19m librum ]  XVIIII, om. librum, P.

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vielfältigen, damit sie nicht die Regel übersteigt, die die Natur für die Körper dieser Welt festgeschrieben hat. Denn eine species tritt vom Ort ihrer Brechung entlang der Windungen der Sehnerven ein. Sie nimmt dabei jedoch keinen gradlinigen Verlauf, was ganz wunderbar, aber auch notwendig ist, damit die Seele ihre Tätigkeiten erfüllen kann. Die Kraft der Seele bringt die species also dazu, die allgemeinen Gesetze der Natur zu überschreiten und so einzutreten, wie es ihre Tätigkeit erfordert. [55] Ich füge auch etwas hinzu, was allen [Ansichten] entgegengesetzt ist, obwohl es doch wahr ist und von Aristoteles im 19. Buch von Über die Tiere761, von Augustinus im sechsten Buch seiner Musik 762 sowie an vielen anderen Orten und von Ptolemäus763, Tideus764, Jakob Alkindi765 und vielen anderen gesagt wird: dass das Sehen durch Extramission geschieht. Denn die Sehkraft oder auch die species des lebenden Auges sendet Strahlen zu jedem wahrnehmbaren Objekt aus, das gesehen wird. Und das, obwohl Aristoteles in seiner Topik 766 anhand geläufiger Meinungen schreibt, dass das Sehen nicht durch Extramission stattfindet. Auch Averroes767, Avicenna768 und Alhazen769 scheinen dieser Ansicht zu sein, woraus alle diesen Fehler übernehmen, weshalb er verbreitet ist. Er ist so sehr in die Herzen der Menge eingeschrieben, dass sie das Gegenteil nicht hören will. Nur wenige schauen in das 19. Buch von Aristoteles’ Buch Über die Tiere770; und sie beachten aufgrund der verbreiteten Meinung die wahre Ansicht von Aristoteles nicht. Daher beweise ich das und erkläre, wie das Sehen durch Extramission geschieht; und ich erläutere mit Avicenna, Averroes und Alhazen in dessen Perspectiva, dass sie nicht der entgegengesetzten Ansicht der Menge waren, sondern der Ansicht des Aristoteles und der Ansicht, die der Wahrheit entspricht.771 Dieses und alles damit in Zusammenhang Stehende beweise ich in drei Distinktionen mit den entsprechenden Kapiteln.

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Teil II

Capitulum LXXXI. De decem necessariis que ad visum requiruntur. Cap.Im. [56]

Deinde in 4a, 5a et 6a distinctione, procedo ad ulteriora istius1 scientie, et primo declaro que exiguntur ad visum. Nam sunt decem2; quoniam species rei vise est primum, de qua dictum est in prioribus. 2m est lux, sine qua nichil videri potest; et causas hujus signo veras, reprobando3 falsas. 3m est distantia. Nam sensibile positum super sensum non sensitur4; cujus causam assigno; et quot miliaria potest a remotis videri5, et in plana terra, et in altiore monte. 4m est oppositio recta visibilis respectu visus, quando fit visus sine reflexione6, sed tamen audimus et olfacimus undique; et hoc est mirabile et ignotum. 5m est quod quantitas rei vidende exigitur debita; sed quantum possit ad plus videri ab oculo, estimant perspectivi quod 4ta 7 celi, et hoc si oculus esset in centro terre. Et hic faciunt perspectivi maximam vim, et curiosissimam movent8 dubitationem, et errant multum, sicut probo per rationes et experientiam. Nam non potest videri 4ta tota ab oculo, nec in centro, nec alibi, sed fere 4ta; et hoc est propter dispositionem oculi, sicut declaro.

1  istius ]  hujus, P. 2  decem ]  novem, W. 3  reprobando ]  reprobo, P. 4  sensitur ]  viedetur, P. 5  videri ]  videre, P. W. 6  reflexione ]  reflexione et fractione, P. 7  4ta ]  quartam, P. 8  movent ]  om. W.

KAPITEL 81

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KAPITEL 81 Über die zehn Bedingungen, die für das Sehen erforderlich sind. Kap. I [56]

In der vierten, fünften und sechsten Distinktion gehe ich zu den weiteren Details dieser Wissenschaft über und zeige zuerst, welche Bedingungen für das Sehen benötigt werden.772 Es gibt für das Sehen nämlich zehn Bedingungen: Die erste [Bedingung] ist die species eines gesehenen Gegenstandes.773 Über sie ist weiter oben schon gesprochen worden. Die zweite [Bedingung] ist das Licht, ohne das man nichts sehen kann. Ich gebe dessen wahre Ursprünge an und weise die falschen zurück.774 Die dritte [Bedingung] ist die Entfernung.775 Denn ein Gegenstand, der direkt vor ein Wahrnehmungsorgan gesetzt wird, kann nicht wahrgenommen werden. Dafür gebe ich auch den Grund an. Ich nenne auch den Grund dafür, dass das Auge aus 1000 Schritten Entfernung etwas sehen kann, sei es auf der flachen Erde, sei es auf der Höhe eines Berges. Die vierte [Bedingung] ist das geradlinige Gegenüberliegen des Gesehenen zum Auge, wenn das Sehen ohne Reflexion geschieht.776 Dennoch hören und riechen wir von überall her, was wunderbar ist und wofür wir die Gründe bisher nicht kennen. Die fünfte [Bedingung] besteht darin, dass ein Gegenstand groß genug sein muss, um gesehen werden zu können.777 Doch den größten Radius, den das Auge sehen kann, bestimmen die Autoren in der Perspektivik mit einem Viertel des Himmels, wenn das Auge im Zentrum der Erde wäre. Auf die Klärung dieser Frage verwenden die Autoren in der Perspektivik viel Mühe, und es gibt bei dieser Thematik viele Zweifel und Irrtümer, wie ich durch theoretische Überlegungen und die Erfahrung zeige. Denn das Auge kann weder vom Zentrum noch von einem anderen Ort aus ein Viertel des Himmels sehen, sondern etwas weniger als ein Viertel; das liegt, wie ich dort erkläre, an der Beschaffenheit des Auges.

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Teil II

6m quod ad visum exigitur specialiter est ut visibile, quod per se et de se natum est facere speciem suam in visum, quod vocamus communiter objectum visus et visibile, sit minus rarum medio videndi, quod est aer, et ideo minus rarum igne et orbibus celestibus, qui sunt medium in visu; sed non oportet esse minus rarum aqua; quia aqua et cristallus et alia media videndi possunt videri per se; sunt enim sensibilia per se, et non per accidens. Et ideo si omnes orbes celestes sunt rari, nichil videmus in eis nisi stellas, quamvis estimemus aliquid videre spericum et rotundum, in quo sunt stelle. Nam Ptolomeus dicit, 2° Perspective, quod ex magna distantia medium1 quantumcunque rarum potest terminare speciem visus, ut ultra se non multiplicet, et stat sicut ad densum quod est prope, et ideo deficit visio, et non est aliquid quod videtur2. Si vero aliquod celorum esset totum densum, ut orbis stellatus, secundum quod aliqui estimant3, vel saltem celum aqueum, et decimum, tunc terminabitur visus ad eos, et erunt vere visibilia. Sed de his latius dictum est in Opere Majori. Ad que tamen addendum4 est hic quod celum nonum ponitur per omnes astronomos, et celum 10m secundum Ptolomeum, et Mesahala5, et alios; et secundum theologos ponitur celum 10m, et nonum, quod est aqueum; qui celi influunt in hec inferiora, ad salutem mundi; et ideo celum octavum non videtur esse densum, sed rarum, ut per ipsum influentia superiorum transeat celorum.

1  medium ]  om. P. 2  videtur ]  videatur, P. 3  estimant ]  existimant, P. 4  addendum ]  attendendum, P. 5  mesahala ]  Messaalac, P.

KAPITEL 81

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Die sechste [Bedingung] für das Sehen besteht darin, dass der wahrnehmbare Gegenstand, der von sich aus während des Sehvorgangs eine species aussendet, und den wir im Allgemeinen als Objekt des Sehens und als sichtbaren Gegenstand bezeichnen, dichter ist als das Medium, durch das wir ihn sehen.778 Er muss daher dichter sein als Luft, als Feuer und als die Himmelssphären, die als Medien für das Sehen notwendig sind. Er muss aber nicht dichter sein als Wasser, weil Wasser, Kristall und andere Medien für sich selbst genommen gesehen werden können. Sie sind nämlich auch für sich genommen und nicht nur akzidentiell wahrnehmbar. Da alle Himmelssphären dünn sind, sehen wir in ihnen nichts anderes als die Sterne, auch wenn wir mitunter denken mögen, noch etwas weiteres Rundes und Gebogenes zu sehen, in dem sich die Sterne befinden. Denn Ptolemäus sagt im zweiten Buch seiner Optik 779, dass ein Medium – wie dünn es auch immer sein mag – über eine weite Entfernung die species eines gesehenen Gegenstandes zum Stillstand bringen kann, sodass sie sich über diese Grenze hinweg nicht vervielfältigen kann. Daher steht [dieses Medium] dann ebenso vor dem Auge wie ein naher und dichter Gegenstand und behindert das Sehen, sodass [der Gegenstand in der Entfernung] nicht mehr gesehen werden kann. Wenn also eine der Himmelssphären vollkommen dicht wäre – wie der gesamte Sternenhimmel nach Einschätzung einiger [Autoren] oder doch zumindest wie die Wassersphäre und die zehnte Himmelssphäre –, würde der Blick durch sie begrenzt werden und sie würden in Wahrheit selbst sichtbar sein. Doch darüber wird im Opus maius780 noch mehr gesagt. Hier muss noch hinzugefügt werden, dass ein neunter Himmel von allen Astronomen angenommen wird, ein zehnter Himmel von Ptolemäus, Messalah und anderen. Den Theologen zufolge gibt es einen zehnten Himmel und einen neunten Himmel, der der Wasserhimmel ist.781 Diese Himmel fließen in die unteren Sphären zum Wohle der Welt aus. Daher scheint der achte Himmel nicht dicht, sondern dünn zu sein, damit die Einflüsse der höher gelegenen Himmelssphären durch ihn hindurchgehen können.

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Teil II

7m est quod oportet quod1 medium sit rarum, ut non impediatur transitus speciei; sed licet rarum medium exigatur2 respectu oculi humani, de quo loquitur perspectiva, tamen linx videt per medium parietum solidorum, ut3 dicunt philosophi. Si etiam medium esset vacuum, non fieret visus, quia medium naturale exigitur ad operationes nature; et ideo nec4 generatio speciei potest fieri in vacuo, sicut nec motus naturalis, ut superius dictum est. [59] 8m quod requiritur est tempus sensibile quod exigitur ad visum, et ad judicium visus, et ad multiplicationem speciei. De judicio enim manifestum est, quia tempus potest esse tam parvum quam visus nichil judicabit de visibili. [60] Sed de multiplicatione speciei, an fiat in instanti5, mira et ineffabilis est dubitatio, non solum apud magistros sapientes naturales, sed apud auctores; ita quod ipse Aristoteles in libro de Sensu et Sensato dicit quod multiplicatio soni et odoris fit in tempore, de luce vero aliud est; et in 2° de Anima estimatur idem sentire; et omnes auctores declinant ad hoc, quod in instanti fiat, preter Alhacen6, in sua Perspectiva. Nam et Jacobus Alkindi asserit in sua Perspectiva quod in instanti fiat, et hoc conatur demonstrare7. Sed istam8 contentionem discussi in Opere Primo, et probavi de necessitate quod fiet9 in tempore, quia omnis virtus finita agit in tempore, ut prius probatum est. Et solvo omnes rationes in contrarium, et expono auctoritates Aristotelis in 2° de Anima, et in libro10

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1  quod ]  om. P. 2  exigatur ]  exigitur, P. 3  ut ]  sicut, P. 4  nec ]  visio, nec, P. 5  instanti ]  instanti vel in tempore, P. 6  Alhacen ]  Alacen, W. 7  Nam … demonstrare ]  om. P. 8  istam ]  istam longam, P. 9  fiet ]  fiat, P. 10  in libro ]  om. P.

KAPITEL 81

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Die siebente [Bedingung] besteht darin, dass das Medium dünn sein muss, damit es den Durchgang der species nicht behindert.782 Doch auch wenn für das menschliche Auge (um das es in der Perspektivik schließlich vor allem geht) ein dünnes Medium erforderlich ist, kann der Luchs doch durch eine dichte Wand hindurchsehen, wie die Philosophen783 sagen. Wenn das Medium jedoch ein Vakuum wäre, gäbe es gar kein Sehen, weil für naturgemäße Tätigkeiten auch ein natürliches Medium vorhanden sein muss. Daher könnten in einem Vakuum species ebenso wenig entstehen wie eine natürliche Bewegung, von der weiter oben schon gesprochen worden ist.784 [59] Die achte [Bedingung] besteht darin, dass es für das Sehen, für das Urteilen über das Gesehene und für die Vervielfältigung der species eine wahrnehmbare Zeit geben muss.785 Für das Urteilen ist das ganz deutlich, weil hier irgendeine Zeit vergehen muss, wie gering sie auch immer sein mag, da der Sehsinn selbst nicht über das Gesehene urteilt. [60] Doch betreffs der Vervielfältigung der species gibt es eine sehr große und fast unaussprechliche Kontroverse, nämlich ob sie augen­blicklich [oder in der Zeit] stattfindet.786 Dies diskutieren nicht nur die Magister der Naturphilosophie, sondern auch die [alten] Autoren: Denn selbst Aristoteles sagt in seinem Buch Über die Wahrnehmung 787, dass die Vervielfältigung der Töne und der Gerüche in der Zeit geschieht, dass es sich mit dem Licht jedoch anders verhalte. Man meint zudem, dass er im zweiten Buch von Über die Seele788 das Gleiche sagt. Daher meinen alle Autoren ­außer Alhazen in seiner Perspectiva789, dass die Vervielfältigung [des Lichts] augenblicklich stattfindet. Auch Jakob Alkindi nimmt in seiner Perspectiva790 an, dass sie augenblicklich stattfindet, und versucht, das zu beweisen. Doch ich habe diesen Streit in meinem ersten Werk bereits diskutiert und gezeigt, dass diese Vervielfältigung in der Zeit stattfindet, da jede endliche Kraft in der Zeit wirkt, wie vorher schon gezeigt worden ist.791 Ich löse dort auch alle Gegengründe auf und erläutere die Aussagen von Aristoteles aus dessen zweitem Buch von Über die Seele und dessen Buch [58]

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Teil II

de Sensu et Sensato; nec est aliquod1 dubium consideranti ea que scribo. 9m est sanitas visus; quia oculus infirmus et turbatus male videt, ut patet. 10m est situs; quia oportet quod visibile objiciatur2 visui, vel facialiter3, vel ex obliquo; et tantum potest obliquari quod videbitur unum, duo. Sed hoc coincidit cum aliis dicendis in sequentibus, ut magis exponatur. [61] Hec autem decem4 cum non egrediuntur temperamentum, nec5 per defectum, nec per superfluitatem, faciunt visionem bonam. Quando vero egrediuntur temperamentum6, tunc faciunt errorem aliquem in visu.

CAPITULUM LXXXII. Que sint visibilia, que in viginti duo distincta sunt. Cap. II m. [62]

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Post hec considerari debent que sint visibilia per se, que debent videri sine errore per hujusmodi octo, quando non egrediuntur temperamentum; et qui modi universales cognoscendi omnia. Et hujusmodi visibilia sunt 22: ut lux et color, [que sunt propria visibilia]7 et alia 208, que sunt communia sensibilia, quia communiter sentiuntur ab aliis sensibus, et maxime a tactu, ut dicit Ptolomeus 2° Perspective; quia omnia que a visu sentiuntur, preter lucem et colorem, potest tactus sentire; et omnia que potest tactus sentire, preter calidum, frigidum9, humidum et siccum, potest 1  aliquod ]  aliquid, P. 2  objiciatur ]  om. W. 3  facialiter ]  faciliter, W. 4  decem ]  novem, W. 5  nec ]  om. W. 6  temperamentum ]  om. W. 7  que … visibilia ]  om. W. 8  et alia 20 ]  alia viginti, om. et, P. 9  frigidum ]  et frigidum, P.

KAPITEL 82

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Über die Wahrnehmung. Daher gibt es keinen Zweifel an dem, was ich schreibe.792 Die neunte [Bedingung] ist die Gesundheit des Sehsinns.793 Denn ein krankes und verwirrtes Auge sieht offensichtlich schlecht. Die zehnte [Bedingung] ist die Lage.794 Denn der sichtbare Gegenstand muss sich im Gesichtsfeld des Sehenden befinden, sei er direkt gegenüber oder schräg von der Seite. Er kann so weit von der Seite gesehen werden, dass er wie zwei erscheint. Doch das fällt mit anderen Dingen zusammen, über die im Weiteren noch gesprochen werden wird und die daher noch ausführlicher erklärt werden. [61] Diese zehn [Bedingungen] sorgen für ein gutes Sehvermögen, wenn die richtige Mitte nicht durch Abfall oder Überfluss behindert wird. Wenn die richtige Mitte jedoch überschritten wird, führt das zu einem Fehler des Sehsinns.

KAPITEL 82 Über die sichtbaren Sinnesgegenstände, die in 22 unterschieden werden. Kap. II [62]

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Danach müssen die Sinnesgegenstände bedacht werden, die sichtbar sind und die durch die acht [Bedingungen] ohne Fehler gesehen werden können, wenn bei diesen Bedingungen die richtige Mitte nicht behindert wird.795 Zudem muss überlegt werden, welche allgemeinen Erkenntnisarten es gibt. Die sichtbaren Sinnesgegenstände sind 22: das Licht, die Farben, die im eigentlichen Sinn sichtbar sind, und weitere 20, die allgemein wahrnehmbar sind, weil sie gemeinsam von den anderen Sinnen wahrgenommen werden, vor allem vom Tastsinn, wie Ptolemäus im zweiten Buch seiner Optik 796 sagt. Denn alle Sinnesgegenstände, die durch das Auge wahrgenommen werden, können bis auf das Licht und die Farben auch mit dem Tastsinn wahrgenommen werden; und alle Sinnesgegenstände, die mit dem Tastsinn wahrgenommen werden können, können – bis auf Wärme, Kälte, Feuchtigkeit und Trockenheit – auch durch den Sehsinn be-

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Teil II

visus judicare. Et inter omnia visibilia alia1 a luce et colore, et tangibilia alia a quatuor predictis, sunt 20 que dicuntur per se sensibilia. Aristoteles autem, 2° de Anima, non nominat nisi 4or vel 5 de istis: ut magnitudo, figura, numerus, motus, quies. Sed Alhacen2 ponit omnia in 2° Perspective, que sunt; remotio, situs, figura, magnitudo, continuatio, separatio, numerus, motus, quies, asperitas, lenitas, diaphaneitas3, spissitudo, umbra, obscuritas, pulcritudo, turpitudo, similitudo, diversitas. Et quedam alia sunt, que ad hec4 reducuntur, et sub his comprehenduntur, ut expressi in Opere Majore. Omnia vero alia ab his dicuntur sensibilia per accidens. Sed qualiter hoc intelligendum sit, expressi in Opere Majore5; nam fideli indiget expositione. Et de istis aliis visus non judicat per se, sed mediantibus istis 22. Tres autem sunt modi cognoscendi ista 22°; et ut perspectivo6 utar eloquio, dico quod vocantur cognitio per sensum solum, et cognitio per scientiam, et cognitio per sillogismum vel argumentum. Sed hec verba sunt male translata; quia bruta animalia non habent scientiam, nec sillogismum, et tamen cognoscunt his 3bus modis secundum quod exprimuntur in Perspectiva; sed non est vis de vocabulis, dummodo in sensu non erremus. Lux igitur in universali et color universalis dicuntur cognosci solo visu7, sine alia virtute anime adjutrice, quia visus sufficit ad hec8. Sed lux particularis, vel9 lux Solis, vel Lune, vel candele, et color albus, vel niger, vel rubeus, et hujusmodi non cognoscuntur solo sensu visus, sed

1  alia ]  et alia, P. 2  Alhacen ]  Halgacen, W. 3  diaphaneitas ]  diafoneitas, W.; dyaphonitas, P. 4  hec ]  hoc, P. 5  Majore ]  Majori, P. (und so immer) 6  perspectivo ]  perspectivarum, P. 7  solo visu ]  solo sensus visus, P. 8  hec ]  hoc, P. 9  vel ]  ut, P.

KAPITEL 82

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urteilt werden. Unter allen anderen sichtbaren Sinnesgegenständen (bis auf Licht und Farbe) und unter allen tastbaren Sinnesgegenständen (bis auf die vier bereits genannten) gibt es 20, die von sich aus als wahrnehmbar bezeichnet werden. Aristoteles nennt im zweiten Buch von Über die Seele797 nicht mehr als vier oder fünf von ihnen: Größe, Gestalt, Zahl, Bewegung und Ruhe. Doch Alhazen führt im zweiten Buch seiner Optik alle an: Zurückbewegung, Lage, Gestalt, Größe, Kontinuität, Trennung, Anzahl, Bewegung, Ruhe, Härte, Weichheit, Durchsichtigkeit, Dichte, Schatten, Dunkelheit, Schönheit, Hässlichkeit, Ähnlichkeit, Verschiedenheit. Es gibt noch einige weitere, die sich jedoch auf diese zurückführen lassen, wie ich im Opus maius erläutert habe. Alle weiteren Sinnesgegenstände werden als ›akzidentiell wahrnehmbar‹ bezeichnet. Doch wie man das verstehen muss, habe ich im Opus maius erklärt, weil das eine sorgsame Erläuterung erfordert.798 Über die anderen [nur akzidentiell] wahrnehmbaren Sinnesgegenstände urteilt der Sehsinn nicht für sich allein, sondern vermittels dieser 22 [grundlegenden Sinnesgegenstände]. Man kann diese 22 Sinnesgegenstände auf drei Arten erkennen. Um mich der Ausdrucksweise der Perspektiviker zu bedienen, sage ich, dass diese drei Arten der Erkenntnis als ›Erkenntnis durch die Sinne allein‹, als ›Erkenntnis durch die Wissenschaft‹ und als ›Erkenntnis durch Syllogismen und Argumente‹ bezeichnet werden. Doch diese Begriffe sind schlecht übersetzt, weil die Tiere zwar weder eine Wissenschaft noch Syllogismen haben, aber dennoch auf diese drei Arten erkennen, wie in der Perspektivik erklärt wird. Allerdings muss man nicht zu sehr auf die Worte achten, wenn wir uns nur im Sinn nicht irren. Das Licht im Allgemeinen und die Farbe im Allgemeinen werden als erkennbar durch den Sehsinn allein bezeichnet. Denn bei ihnen wird keine andere Kraft der Seele als Hilfe benötigt, da der Sehsinn für ihre Erkenntnis ausreicht. Doch das einzelne Licht, wie zum Beispiel das Licht der Sonne oder des Mondes oder einer Kerze, und eine einzelne Farbe, wie zum Beispiel weiß oder schwarz oder rot, und andere derartige Farben werden nicht nur durch das Auge erkannt, sondern brau-

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Teil II

indigent virtute alia que vocatur virtus distinctiva, que distinguit universale a particularibus et particularia ab invicem; et hujus­ modi est memoria. Nam quando vidi aliquando1 colorem rubeum, et iterum mihi presentetur, et recolo quod ego2 prius viderim rubeum, habeo notitiam de rubeo, et scio quod est rubeus. Si autem tradidero oblivioni, tunc ignoro quis color sit. Sed illa 20 aliter cognoscuntur. Non enim sufficit habere visum, nec memorari preteritum, sed exigitur3 quod multa considerentur a vidente, antequam illa cognoscat. Verbi gratia: Aliquis tenet aliquando lapidem4 diaphanum, vel aliud transparens, in manu sua, et nescit quod sit diaphanum5 et transparens; sed si teneat illud in aere, et post illud prope sit aliquod corpus densum, et sit lux sufficiens, tunc videbit illud densum per medium lapidis vel alterius quod in manu sua tenebit. Et quando considerat hec omnia, tunc scit quod hoc quod in manu sua tenet sit diaphanum6. Et ideo diaphaneitas non cognoscitur solo visu, nec per memoriam, sed per7 collectionem quorundam que exiguntur ad hujusmodi visionem, ut posui in exemplo. Et quia videns sic discurrit per multa, antequam percipit diaphanum, sicut arguens et sillogisans discurrit per propositiones plures ad unam conclusionem, ideo vocatur cognitio per argumentum et per sillogismum. Notabile vero est quod lux et color tantum multiplicant speciem in visum, et alia non. Et hoc dicit Ptolomeus 2° libro; quamvis tamen objectiones sint8 in contrarium; sed solvuntur in Opere Majori.

1  aliquando ]  aliquem, P. 2  ego ]  om. P. 3  exigitur ]  oportet, P. 4  lapidem ]  aliquem lapidem, P. 5  diaphanum ]  diaphonum … diafonum, W. 6  diaphanum ]  diafonum … diafoneitas, W. 7  per ]  om. P. 8  sint ]  sunt, P.

KAPITEL 82

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chen noch eine andere Kraft, die als ›Unterscheidungskraft‹ [vir­ tus distinctiva] bezeichnet wird. Diese Kraft unterscheidet allgemeine Qualitäten von besonderen Qualitäten und diese wiederum untereinander. Von dieser Art ist das Gedächtnis. Denn wenn ich einmal etwas Rotes gesehen habe und es mir dann wieder gezeigt wird, erinnere ich mich daran, dass ich bereits vorher etwas Rotes gesehen habe. Ich habe dann also einen Begriff von etwas Rotem und weiß daher, dass es rot ist. Wenn ich das jedoch vergessen würde, wüsste ich auch nicht mehr, welche Farbe das sein würde. Doch die 20 [weiteren grundlegenden] Sinnesgegenstände werden auf andere Art erkannt. Denn hier reicht es nicht, sie zu sehen und eine Erinnerung an die Vergangenheit zu haben, sondern es müssen viele Aspekte vom Sehenden bedacht werden, bis er sie erkannt hat. Zum Beispiel: Jemand nimmt einen durchsichtigen Stein oder einen anderen durchsichtigen Gegenstand in seine Hand, ohne zu wissen, dass es ein durchsichtiger und transparenter Gegenstand ist. Wenn er diesen Gegenstand in die Luft halten und sich dahinter bei ausreichendem Licht ein dichter Körper befinden würde, dann wird er diesen dichten Körper durch den Stein oder durch etwas anderes in seiner Hand Befindliches hindurchsehen. Wenn er über das alles nachdenkt, wird er wissen, dass es sich bei dem in seiner Hand Befindlichen um etwas Durchsichtiges handelt. Daher wird die Durchsichtigkeit nicht nur durch das Auge und die Erinnerung erkannt, sondern durch ein Zusammenspiel aller Erkenntnisarten, die für diese Art von Erkenntnis notwendig sind, die ich in dem Beispiel dargestellt habe. Da der Sehende auf diese Weise ganz viele Dinge bedenkt, bis er etwas als durchsichtig wahrnimmt und auf diese Art [für sich] argumentiert und Syl­ logismen bildet, bis er zu einer Konklusion kommt, wird das als ›Erkenntnis durch Argumentation und Syllogismen‹ bezeichnet. Bemerkenswert ist auch, dass lediglich Licht und Farbe ihre spe­ cies vervielfältigen, die anderen [Sinnesgegenstände] hingegen nicht. Das sagt jedenfalls Ptolemäus im zweiten Buch [seiner Op­ tik]. Allerdings gibt es dagegen auch Einwände, die im Opus maius gelöst worden sind.

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Teil II

CAPITULUM LXXXIII. De particularibus modis videndi. Cap. III m. [67]

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Post hec descendo ad modos cognoscendi particulares. Et quia eadem est scientia oppositorum et propter brevitatem1, simul demonstravi errores visus cum recta visione. Et primo exposui omnia que contingunt visui de bonitate videndi et impedimento propter compositionem tunicarum oculi et humorum. Et dedi causas omnium eorum, secundum quod perspectivi et2 naturales et medici communiter3 concordant. Et primo quare homines habentes oculos profundos longius vident. Et hujus assignavi causas 4or per experientiam, cum exclusione cavillationis in contrarium. Et juxta hoc declaravi quare senes, quando4 volunt certius5 videre, apponunt visibile longius a se quam in juventute, cujus causam dat solus Ptolomeus in6 2° libro. Et adjunxi causas quare aliqui acutius, discretius7, et certius vident quam alii, et quare multi in tenebris et parva luce vident melius, et alii econtrario8. Deinde dedi causas quare visus aliquando judicat unum duo. Et hoc potest esse propter compositionem oculi malam, sicut in lusco, et propter9 motus spirituum secundum diversos situs, et propter vacillationem humorum in nervo visibili, et propter multa que contingunt a parte oculi: et iterum propter vapores ascendentes ad oculos propter iram10 aut propter ebrietatem, aut ex materia alicuius11 morbi. Et pluries accidit quod aliquis humor extraneus co­operit medium pupille ex transverso vel secundum longum; et tunc aspiciens oculo12 judicat unum duo. Et aliquando accidit quod 1  et propter brevitatem ]  om. P. 2  et ]  om. P. 3  communiter ]  naturaliter, P.   9  propter ]  om. P. 4  quare senes, quando ]  quando senes, W. 10  iram ]  vaporem qui venit 5  certius ]  rectius, P. propter iram ad oculos, P. 6  in ]  om. W. 11  alicuius ]  alterius, P. 7  discretius ]  et discretius, P. 12  oculo ]  oculo uno, P. 8  econtrario ]  econverso, P. 9  propter ]  om. P. 10  iram ]  vaporem qui venit propter iram ad oculos, P. 11  alicuius ]  alterius, P. 12  oculo ]  oculo uno, P.

KAPITEL 83

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KAPITEL 83 Über die besonderen Arten des Sehens. Kap. III Anschließend bin ich auf die besonderen Arten des Erkennens eingegangen.799 Aufgrund der gebotenen Kürze und weil Entgegen­ gesetztes derselben Wissenschaft unterliegt800, habe ich sowohl die Fehler beschrieben, die bei der Sehkraft auftreten können, als auch die richtige Sehkraft. [68] Zuerst habe ich daher den gut funktionierenden Sehsinn und dessen Beeinträchtigung durch Fehlbildungen der Augenhäutchen sowie der Augenflüssigkeiten beschrieben, wofür ich auch Gründe angegeben habe, in denen sich alle Perspektiviker, Naturphilosophen und Mediziner einig sind. Als Erstes habe ich erklärt, warum Menschen mit tiefliegenden Augen weiter sehen können.801 Ich habe dafür vier Erfahrungsgründe angeführt und die Spitzfindigkeiten ausgeräumt, die Gegenteiliges behaupten. In diesem Zusammenhang habe ich auch dargelegt, warum alte Menschen die Gegenstände, die sie besser erkennen wollen, weiter von sich weg halten als in ihrer Jugend, wofür nur Ptolemäus802 im zweiten Buch [seiner Optik] den Grund nennt. Überdies habe ich erklärt, aus welchen Gründen einige schärfer, genauer und besser sehen können als andere, und warum viele im Schatten und bei wenig Licht besser sehen können, und andere umgekehrt. [69] Daraufhin habe ich die Gründe dafür genannt, aus denen das Auge einen Gegenstand manchmal doppelt wahrnimmt.803 Das kann zum Beispiel passieren, wenn die Augen nicht richtig zueinander angeordnet sind, wie es beim Schielen auftritt oder weil die Geister sich zu verschiedenen Orten hinbewegen. Ein weiterer Grund liegt vor, wenn die Säfte im Sehnerv zu stark fluktuieren. Und es gibt noch viele weitere Gründe dafür, die direkt mit der Funktion des Auges zusammenhängen. Zudem kommt es auch vor, dass Feuchtigkeiten zu den Augen aufsteigen, wenn man zornig oder betrunken ist oder gewisse Krankheiten hat. Oftmals geschieht es auch, dass eine Flüssigkeit von außen in die Pupille gelangt und diese quer oder der Länge nach durchquert. Manchmal sind in einem [67]

Teil II

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in uno oculo1 sint due pupille; et oportet tunc quod unum videatur duo. Sed hec omnia explicavi de plano in Opere Majori, in quibus magna et occulta sapientia nature reperitur.

CAPITULUM LXXXIV. De bonitate videndi. Cap. IIII. Deinde descendi ad bonitatem videndi, et errores a parte specierum visus et visibilium. Et primo, quare homo, existens in nube vel vapore, non videt nubem vel vaporem; sed quando a longe est, tunc potest videre. Et qualiter unus punctus rei vise videtur in fine certitudinis; et alie partes non videntur2, nisi3 valde remote et oblique, sed non in fine certitudinis; potest tamen quilibet4 certificari, per diversum visus, per singulas5 ordinate6. Et accidunt hic errores videndi, scilicet quod unum videatur duo, multis de causis. [71] Et est ibi pulcra consideratio, sed non potest exprimi pro7 plano veritas, nisi in figuris; et propter hoc figuras posui ad omnes casus visionis in hac parte, et docui instrumenta figurari, ut homo per experientiam possit hec videre. Et omnes hi errores ex diversitate situs ipsius visibilis respectu visus contingunt. Et exposui quomodo accidit aliquando quod quando videtur unum duo, tunc si oculus dexter claudatur, disparebit imago sinistra; et si oculus sinister claudatur8, disparebit imago dextra. Quod valde admiratus est beatus Augustinus 11° de Civitate Dei, capitulo 2°; et dicit quod longum esset dare causam hujus rei; et vere longum, nisi homo [70]

1  oculo ]  loco, P. 2  non videntur ]  videntur, P. 3  nisi ]  nisi sint, P. 4  quilibet ]  quelibet, P. 5  singulas ]  singulos, P. 6  ordinate ]  ordinare, W. 7  pro ]  de, P. 8  claudatur ]  clauditur, P.

KAPITEL 84

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Auge auch zwei Pupillen, woraus folgt, dass ein Gegenstand als zwei erscheint. Doch alle diese Phänomene, in denen die große und verborgene Weisheit der Natur aufscheint, habe ich ausführlich im Opus maius erklärt.

KAPITEL 84 Über die Beschaffenheit des Sehens. Kap. IV Im Folgenden bin ich auf die Beschaffenheit [bonitatem] des Sehens eingegangen und habe die Fehler genannt, die bei den species des Auges und der gesehenen Gegenstände auftreten können.804 Ich habe dort erstens erklärt, warum ein Mensch, der sich in einer Wolke oder in Dunst befindet, die Wolke oder den Dunst nicht sehen kann; doch wenn er sich in einiger Entfernung befindet, kann er sie sehen. Und auf welche Weise ein Punkt eines gesehenen Gegenstandes mit aller Sicherheit gesehen wird, während andere Punkte nicht scharf, sondern nur entfernt und unscharf wahrgenommen werden. Hier treten beim Sehen aus unzähligen Gründen viele Fehler auf, zum Beispiel, dass eine Sache als zwei gesehen wird. [71] Dazu habe ich einige ganz herrliche Betrachtungen angestellt, die man in ihrer ganzen Wahrheit aber nur durch bildliche Darstellungen verstehen kann, weshalb ich für jede Art des Sehens Zeichnungen eingefügt und Instrumente vorgestellt habe, damit sich jeder diese Betrachtungen durch eigene Erfahrung veranschaulichen kann. Denn alle diese Fehler treten aufgrund der Vielfalt an Positionen des Auges gegenüber den gesehenen Gegenständen auf. Ich habe auch erklärt, warum es manchmal geschehen kann, dass in einem Augenblick, in dem eine Sache doppelt gesehen wird, das linke Bild verschwindet, wenn das rechte Auge geschlossen wird.805 Und wenn das linke Auge geschlossen wird, verschwindet das rechte Bild. Darüber hat sich schon Augustinus im zweiten Kapitel des elften Buches Vom Gottestaat 806 sehr gewundert und gesagt, dass es noch lange dauern dürfte, bis jemand das erklären kann – und es wird in der Tat noch lange dauern, wenn man [70]

Teil II

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sciat optime que scripsi1 in hac parte. Et tamen non semper accidit hoc; sed aliquando, sinistro oculo clauso, disparet imago sinistra, et dextro clauso disparet imago2 dextra, quamvis hoc non exprimat Augustinus; et hoc potest quilibet experiri in crepusculo estatis, aspiciendo stellam aliquam in celo, si rite experiatur quod hic exigitur.

CAPITULUM LXXXV. De triplicibus universalibus modis videndi. Cap. V. [72]

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Hiis habitis, descendo3 ad modos triplices universales4 videndi, et ad decem5 superius tacta, que requiruntur ad visum; que, cum temperamentum non excedant, faciunt visum bonum, et alias erroneum. Primum istorum fuit lux, quia nichil videtur sine luce. Et quando superfluit, tunc impedit visum; unde non videmus lucem stellarum de die, sole existente super orizonte, et oculo existente in superficie terre, quia lux solis egreditur de temperamento respectu stellarum videndarum, et occultat lucem earum. Sed quando oculus est in loco profundo, ut in puteo, potest videre stellas, quia tunc lux solis temperata6 ingreditur os putei; que est accidentalis, sicut prius dictum est. Sed de galaxia, mirum est quod non potest apparere in spera celesti, nec in spera aeris, sed in spera ignis tantum, cujus causam reddo per egressum lucis a temperamento. 2m fuit distantia; ex cujus egressu a temperamento cum7 egressu8 raritatis medii a temperamento apparet, quare videmus lucem in

1  scripsi ]  scripsit, P. 2  sinstra … imago ]  om. P. 3  descendo ]  descendi, P. 4  universales ]  utiles, W. 5  decem ]  novem, W. 6  temperata ]  temperantius, P. 7  egressu … cum ]  om. P. 8  egressu ]  egressio, W.

KAPITEL 85

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nicht genau das weiß, was ich hierüber geschrieben habe. Doch das geschieht auch nicht immer, sondern es kann auch vorkommen, dass das linke Bild verschwindet, wenn das linke Auge geschlossen wird; und dass das rechte Bild verschwindet, wenn das rechte Auge geschlossen wird, auch wenn Augustinus das nicht erwähnt. Das kann jeder selbst in der Abenddämmerung durch eigene Erfahrung überprüfen, indem er sich irgendeinen Stern am Himmel anschaut.

KAPITEL 85 Über die drei allgemeinen Arten des Sehens. Kap. V Nachdem ich das erläutert hatte, bin ich zu den drei allgemeinen Arten des Sehens übergegangen und habe diese im Zusammenhang mit den bereits genannten zehn Bedingungen807 behandelt, die für das Sehen benötigt werden, die im richtigen Maß für eine gute Sehkraft sorgen, für eine schlechte hingegen, wenn sie dieses Maß überschreiten.808 [73] Die erste [dieser Bedingungen] war das Licht, weil ohne Licht nichts gesehen wird. Doch auch bei zu viel Licht wird der Sehsinn behindert. Aus diesem Grund sehen wir das Sternenlicht am Tag nicht, wenn die Sonne über dem Horizont steht und das Auge sich auf der Erde befindet, weil das Sonnenlicht das richtige Maß gegenüber dem Sternenlicht überschreitet und dessen Licht damit überdeckt. Doch wenn das Auge sich an einem tiefer gelegenen Ort befindet – beispielsweise in einem Brunnen –, kann es die Sterne sehen, weil dann nur ein gemäßigteres Licht der Sonne in die Mündung des Brunnens eindringt. Diese Lichtstrahlen sind akzidentiell, wie bereits angesprochen worden ist. Allerdings ist es verwunderlich, dass die Milchstraße weder in der Sphäre der Himmelskörper noch in der Sphäre der Luft sichtbar ist, sondern nur im Feuerhimmel, was ich auf die Abweichung des Lichts von der richtigen Mitte zurückführe.809 [74] Die zweite Bedingung war die Entfernung. Aufgrund der weiten Entfernung in Verbindung mit einer extremen Dünnheit des Me [72]

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Teil II

aurora, sole existente sub orizonte per 18 gradus in suo circulo altitudinis1, et non ante. [75] Deinde consideravi quare impressiones lucentes in aere que vocantur a vulgo stelle cadentes, et a philosophis secunde2 stellarum, ut Assub ascendens et descendens, et alie multe, videntur esse magne longitudinis, licet sint parve quantitatis. Et similiter in scintillis evolantibus a caminis consimilis causa est. [76] Et sicut visio diversificatur circa lucem, propter illa novem3, sic est de colore. Nam si corpus coloratum4 applicetur immediate cristallo, vel alii perspicuo, a parte post, videtur esse color cristalli; si distet5 multum, non sic videtur. Et cum viderit oculus colores, et converterit6 se ad loca luminosa, species coloris remanens in oculo apparebit primo quasi color puniceus, deinde purpureus, 3° niger, et sic evanescet. Et plures colores videntur unus ex distantia superflua; ut in troco7 habente colores diversos in partibus suis, velociter moto8, apparet unus color compositus ex omnibus, propter causas certas quas Ptolomeus assignat. [77] Deinde manifestavi quomodo per illa novem9 visio varietur in cognitione per scientiam. Unde luna habet lumen album extra umbram terre, et in superiore parte umbre10 habet lumen rubeum, et in inferiore parte non apparet; et similiter in conjunctione sua cum sole, non apparet per duos dies, ut plurimum. Et11 similiter de colore. Nam si inter visum et rem boni coloris ponitur pannus12 rarus habens foramina et intervalla magna, color rei apparebit sicut est: 1  altitudinis ]  altitudines, P. 2  secunde ]  secunda, W. 3  novem ]  novem seu decem, P. 4  coloratum ]  om. P. 5  si distet ]  sed distat, W. 6  converterit ]  convertit, W. 7  ut in troco ]  et in toto, P. 8  moto ]  in P. danach hinzugefügt: ut in troco diversis coloribus colorato. 9  novem ]  novem seu decem, P. 10  umbre ]  om. P. 11  Et ]  om. P. 12  ponitur pannus ]  ponatur pennus, P.

KAPITEL 85

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diums wird deutlich, weshalb wir das Licht in der Morgendämmerung erst sehen, wenn die Sonne sich am Horizont in der Höhe von 18 Grad befindet, nicht vorher. [75] Danach habe ich überlegt, warum leuchtende Phänomene in der Luft, die von der Menge ›fallende Sterne‹ und von den Philosophen ›zweite Sterne‹ genannt werden, wie zum Beispiel der aufsteigende und der absteigende ›Assub‹ [Sternschnuppe] und viele andere, einen großen leuchtenden Schweif zu haben scheinen, obwohl sie doch sehr klein sind. Dafür ist der Grund dem sehr ähnlich, der auch das Leuchten von Funken an einem Feuer erklärt.810 [76] Ebenso, wie das Sehen von Licht von den neun [zehn] Bedingungen abhängt, verhält es sich auch mit der Farbe. Denn wenn ein farbiger Gegenstand direkt hinter einen Kristall oder etwas anderes Durchsichtiges gesetzt wird, scheint der Kristall farbig zu sein. Wenn die beiden Körper jedoch in großer Entfernung hintereinander sind, scheint es nicht so zu sein. Und wenn das Auge erst eine Farbe und dann einen beleuchteten Ort anschaut, erscheint die im Auge bleibende species erst purpurrot, dann tiefrot und dann schwarz, bevor sie verschwindet. Und viele Farben erscheinen aus großer Entfernung wie eine Farbe. Und wenn man einen Reifen, der aus verschiedenen Farben besteht, sehr schnell dreht, scheint er aus sicheren Gründen, die Ptolemäus angibt811, nur eine Farbe zu haben, die aus allen Farben zusammengesetzt ist. [77] Daraufhin habe ich verdeutlicht, wie sich das Sehen durch diese neun [zehn] Bedingungen in der Wahrnehmung aufgrund von Wissen ändert.812 Daher hat der Mond ein weißes Licht, wenn er sich außer­halb des Schattens der Erde befindet, ein rotes Licht, wenn er sich im oberen Teil des Schattens befindet, und wenn er sich im unteren Teil befindet, scheint er gar nicht. Auch wenn er sich in Konjunktion mit der Sonne befindet, scheint er für zwei Tage oder mehr nicht. Ähnlich verhält es sich auch mit der Farbe. Denn wenn zwischen das Auge und eine farbige Sache ein dünnes Tuch gehalten wird, wird die Farbe des Gegenstandes durch das Tuch gesehen genau so erscheinen, wie sie ist, wenn die Fäden des Tuchs weit auseinander liegen. Wenn es jedoch engmaschiger ge-

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Teil II

si vero sint foramina parva, tunc color apparebit mixtus, et erit error in scientia circa colorem.

CAPITULUM LXXXVI. De cognitione rei vise per sillogismum. Cap. VI. [78]

[79]

Postea consideravi qualiter per illa novem fiat cognitio per sillogismum, secundum quem modum cognoscuntur illa 221 communia sensibilia, que sunt distantia et cetera. Et hic ostendi qualiter certificatur omnis distantia, et dedi causam quare in locis planis non certificatur2 altitudo nubium, sed in locis montuosis. Et quare videtur nobis quod due res, ut muri vel alia3, que multum distant, videntur nobis esse non distantia, quando sumus prope unum illorum et respicimus4 aliud. Et quare res multum distantes, ut arbores, vel homines, vel animalia, ex longinquo videntur esse continua, vel multum propinqua. Et quare stelle erratice, id est planete, videntur esse in eadem superficie cum stellis fixis, id est non plurimum5 distare. Et corpus multorum laterum equalium videtur spericum longe6. Et spera estimatur plana figura, ut stelle; et circulus videtur recta linea. Et juxta hoc manifestavi quare luna habet multas figurationes sui7 luminis secundum quod nos videmus ad sensum quod est valde difficile. Nam aliquando8 linea que est terminus piramidis lucis solis recepte in corpus lune est linea recta, ut in septima die et 21a; et aliis diebus semper est circumferentia vel arcus circuli. Mirum 1  22 ]  viginti, P. 2  certificatur ]  certificatur nobis, P. 3  alia ]  alique, W. 4  respicimus ]  aspiciamus, P. 5  plurimum ]  plus, P. W. – Duhem korrigiert zu minus, siehe jedoch: Opus maius, Bd.  2, S.  108. 6  longe ]  a longe, P. 7  sui ]  sue, W. 8  aliquando ]  aliqua, W.

KAPITEL 86

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webt ist, wird die Farbe [mit der Farbe des Tuchs] gemischt wirken. Daher wird es hier im Wissen darüber einen Fehler geben.

KAPITEL 86 Über das Erkennen eines sichtbaren Gegenstandes durch logisches Schließen. Kap. VI [78]

[79]

Danach habe ich betrachtet, auf welchen Wegen auf der Grundlage der neun [zehn] Bedingungen eine Erkenntnis der 22 sichtbaren Sinnesgegenstände (Entfernung usw.) durch logisches Schließen [per sillogismum] geschehen kann.813 An dieser Stelle habe ich gezeigt, wie jede Entfernung bestimmt werden kann, sowie den Grund dafür angegeben, dass an flachen Orten die Höhe der Wolken nicht bestimmt werden kann, was hingegen in bergigen Gegenden möglich ist. Und warum es uns scheint, dass zwei voneinander weit entfernte Sachen, wie zum Beispiel Mauern (oder auch andere Dinge) für uns nicht weit voneinander entfernt zu sein scheinen, wenn wir uns in der Nähe der einen Sache befinden und die andere betrachten. Und warum es aus einer großen Entfernung so scheint, dass voneinander verschiedene Gegenstände, wie Bäume oder Menschen oder Tiere, ineinander übergehen oder doch sehr nahe beieinander liegen. Und warum die sich bewegenden Sterne, also die Planeten, in derselben Sphäre wie die Fixsterne zu sein scheinen, ohne weit von ihnen entfernt zu sein. Ein Polygon mit mehreren gleichlangen Seiten erscheint dann wie ein Kreis, eine Kugel aber wie eine flache Oberfläche, was wir an den Sternen beobachten können. Und ein Kreis scheint eine gerade Linie zu sein. Damit verbunden habe ich auch gezeigt, warum der Mond in seinem Licht verschiedene Formen hat, soweit wir es mit unseren Sinnen wahrnehmen, was ein äußerst kompliziertes Phänomen ist.814 Denn manchmal scheint die Basis des Kegels des vom Mond aufgenommenen Sonnenlichts eine gerade Linie zu sein, wie es am siebenten und einundzwanzigsten Tag [des Mondzyklus] ist, davor und danach ist sie immer kreisrund und gekrümmt. Diese Viel-

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Teil II

est de hac diversitate, et ideo magnum capitulum composui de hoc. [80] Et sicut ostendi visionem diversificari penes distantiam in multis, addidi de comprehensione magnitudinis1. Et estimaverunt Latini, ante translationem Perspective, quod magnitudo comprehenditur per quantitatem anguli in oculo; sicut dicitur in libro de Visu quod majora sub majori angulo apparent, et minora sub minori, et equalia sub equalibus. Sed hec falsa esse ostendunt auctores perspective in exemplis ad oculum. Nam latera quadrati2 sunt equalia, et tamen3 sub inequalibus angulis comprehenduntur; et diametri in circulo sunt4 equales, et tamen non videntur sub angulis equalibus, ut patet in figura. [81] Et exposui quomodo non potest visus videre medietatem corporis sperici, sed necessario minorem ejus portionem. Et licet stelle in ortu et occasu videantur majores quam in meridie, quando vapores interponuntur inter eas et visum, cujus causa postea in fractionibus radiorum dicetur, tamen semper est quod majores apparent ex causa perpetua, que est difficillior5 quam hic expono in figura. [82] Deinde manifestavi visionem circa motum et quietem, et quomodo accidit error in eis; ut quando celum coopertum est nubibus aeris6, et luna7 poterit videri per medium earum, tunc apparet velocissime moveri; quando vero nubes8 sunt pauce et distantes, vix apparet moveri, aut9 parum. Et quare videtur homini ambulanti versus Lunam vel Solem, quod Luna vel Sol precedat10 eum;

1 magnitudinis ] multitudinis, W. 2  quadrati ]  quadri, P. 3  tamen ]  om. P. 4  sunt ]  sub, P. 5  que est difficillior ]  que ex difficilis, P. 6  aeris ]  raris, P. 7  et luna poterit ]  et luna non poterit 8  nubes ]  om. P. 9  aut ]  et, P. 10  Luna vel Sol precedat ]  Luna et Sol precedant, P.

KAPITEL 86

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falt ist ganz wunderbar, weshalb ich ein langes Kapitel darüber geschrieben habe. [80] Nachdem ich gezeigt habe, dass sich das Sehen von vielen Dingen entsprechend der Entfernung verändern kann, habe ich auch einiges zum Erkennen der Ausdehnung hinzugefügt. Die Lateiner haben vor der Übersetzung der Perspektivik nämlich angenommen, dass die Ausdehnung durch die Größe der Winkel im Auge verstanden werden könnte. So wird im Buch über das Sehen815 gesagt, dass Gegenstände unter einem größeren Winkel auch größer erscheinen, unter einem kleinen Winkel kleiner, unter gleich großen Winkeln gleich. Doch dass das falsch ist, zeigen verschiedene Autoren der Perspektivik anhand von das Auge betreffenden Beispielen. Denn die Seiten eines Vierecks sind zwar gleich, werden aber trotzdem unter verschiedenen Winkeln gesehen. Und zwei Durchmesser in einem Kreis sind zwar gleich, werden aber trotzdem nicht unter gleichen Winkeln gesehen, wie anhand einer bildlichen Darstellung leicht einsehbar ist.816 [81] Ich habe auch erklärt, auf welche Weise das Auge nicht die Hälfte eines runden Körpers sehen kann, sondern notwendig nur einen kleineren Teil.817 Und warum die Sterne im Osten und im Westen größer erscheinen als in der Mitte des Himmels. Das wird durch Dämpfe zwischen den Sternen und dem Auge erklärt, was eine Brechung der Strahlen zur Folge hätte. Aber die Sterne erscheinen auch aus einem anderen und ständig bleibenden Grund größer, der so schwierig ist, dass ich eine graphische Darstellung818 dazu an­ gefertigt habe. [82] Danach bin ich auf die Wahrnehmung von Gegenständen in Bewegung und in Ruhe eingegangen und auf welche Weise hier Fehler auftreten können.819 Denn wenn der Himmel mit Wolken bedeckt ist und der Mond durch die Wolken hindurch gesehen wird, scheint er sich äußerst schnell zu bewegen. Wenn es aber nur wenige und weit entfernte Wolken am Himmel gibt, scheint er sich kaum zu bewegen. [Ich habe auch gezeigt,] warum es einem Menschen, der dem Mond oder der Sonne entgegengeht, immer so scheint, dass der Mond oder die Sonne ihm stets vorausgehen. Und wenn er vom

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et quando fugit Lunam, videtur quod ipsa1 sequatur; et videtur homini semper quod sit in eadem distantia respectu stellarum. Et si homo vadat2 ad oriens, vel occidens, et Luna vel Sol sit in meridie, semper videtur ei quod Luna et Sol sint in directo ejus. Et similiter si multi homines stent in eadem linea inter oriens et occidens, licet multum distent, videtur tamen cuilibet quod Sol sit in directo sui. Et stelle, licet moveantur velocissimo motu, tamen videntur stare. Et quando homo revolvit se in circuitu, tunc, quando quiescit, videtur ei quod res moveantur circulariter. Et quando homo est in navi mota, videtur ei quod res in ripa moveantur. Et omnium husjus­modi dedi causas. [83] Et his adjunxi rem dubitationis infinite, que est in ore omnium, et auctorum, et magistrorum, scilicet de causa scintillationis; quare scilicet planete non scintillant, sed stelle fixe, ut dicit Aristoteles primo Posteriorum et 2° Celi et Mundi. Et ideo sermonem copiosum feci de hoc, et investigavi causas multas ex3 quibus una completur. [84] Et in fine omnium istorum, discussi que virtus anime est illa que cooperatur visui in cognitione per scientiam et per4 sillogis­mum. Videtur etiam5 esse anima rationalis, quia ea sola habet scientiam et sillogismum. Sed declaro per multa exempla et experimenta quod anima sensitiva est hujusmodi, et quod est quadruplex6 virtus anime sensitive, scilicet: cogitatio, ymaginatio, memoria et estimatio. Et propter hoc a principio distinxi omnes virtutes anime sensitive.

1  ipsa ]  om. P. 2  vadat ]  vadit, P. 3  ex ]  de, P. 4  per ]  om. P. 5  Videtur etiam ]  Videretur autem, P. 6  quadruplex ]  4x, W.

KAPITEL 86

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Mond weggeht, scheint dieser ihm immer zu folgen. Und es scheint dem Menschen so, dass er sich gegenüber den Sternen immer in derselben Entfernung befindet. Und wenn ein Mensch nach Osten oder Westen geht und der Mond oder sie Sonne im Süden sind, scheinen sie trotzdem immer direkt über ihm zu liegen. Wenn mehrere Menschen zudem in einer Linie durch weite Entfernungen getrennt zwischen Osten und Westen stehen, scheint es doch jedem so, als ob die Sonne direkt über ihm wäre. Und die Sterne scheinen zu stehen, obwohl sie sich doch äußerst schnell bewegen. Und wenn ein Mensch sich schnell dreht, scheinen ihm sich die Dinge immer noch zu drehen, nachdem er schon zur Ruhe gekommen ist. Und wenn ein Mensch sich in einem sich bewegenden Schiff befindet, scheint es ihm, als würde sich das Ufer bewegen. Für alle diese Phänomene habe ich die Gründe angegeben. Diesen Erläuterungen habe ich noch eine weitere Erklärung über eine Frage beigegeben, über die unendlicher Zweifel herrscht und über die alle sprechen, seien es Autoren oder Lehrer [auctorum et magistrorum]: das ist die Frage danach, was der Grund für das Funkeln ist.820 Die Frage besteht – genauer gesagt – darin, warum die Planeten nicht funkeln, die Fixsterne hingegen schon, wie A ­ ristoteles im ersten Buch seiner zweiten Analytik 821 und im zweiten Buch von Über den Himmel und die Welt 822 schreibt. Daher habe ich sehr ausführlich hierüber geschrieben und viele Gründe betrachtet, aus denen ich einen vollständigen [Grund] gewonnen habe. Am Ende aller dieser Betrachtungen habe ich diskutiert, welche Kraft der Seele mit dem Auge in der Erkenntnis durch Wissen und durch logisches Schließen in Zusammenhang steht.823 Es scheint nämlich so, dass dies doch der vernünftige Seelenteil sein müsste, weil nur dieser die Fähigkeit für Wissen und logisches Schließen hat. Doch ich erkläre anhand vieler Beispiele und Erfahrungstatsachen, dass es sich hier um den sensitiven Seelenteil handelt, und dass hier vier Kräfte der sensitiven Seele involviert sind: nämlich das Denkvermögen, die Imagination, das Gedächtnis und die Urteilskraft. Deswegen habe ich auch von Beginn an [in meiner Perspektivik] alle Kräfte des sensitiven Seelenteils unterschieden.824

Teil II

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CAPITULUM LXXXVII. De tribus partibus perspective. Cap. VII. [85]

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Sic1 igitur tetigi in summa ea que latius tractavi circa visum factum super lineam rectam, scilicet de visu recto. Nam postea tractavi de visu facto2 super lineam curvam, et fractam, et reflexam. Quia tres sunt partes perspective principales: Una est de visu facto super lineam rectam; alia, secundum lineam reflexam; tertia3 secundum lineam fractam. Due ultime communicant multum cum prima, et 3a cum 2a; et prima facilior est aliis, et 2a quam 3a, propter quod sic ordinantur. Que vero sint leges reflexionum et fractionum communes omnibus actionibus naturalibus, ostendi in tractatu geometrie, tam in Opere Tertio quam Primo; sed principaliter in Opere separato ab aliis4, ubi totam generationem specierum, et multiplicationem, et actionem, et corruptionem explicavi in omnibus corporibus mundi. Sed in hoc tractatu5 perspective, applicavi illas leges ad actionem specierum visibilium in visum. Et ostendi in prima parte quomodo fit actio in visum secundum speciem venientem super lineam rectam; et in aliis duabus partibus, quomodo secundum reflexionem et fractionem, in quibus longe est major difficultas, et pulcrior consideratio, et utilior. Que tamen6 sunt propria istis sunt pauciora in quantitate, licet7, majora in virtute. Nec mirum si propria sint8 pauciora, quoniam multa que dicta sunt de visu recto hic requiruntur.

1  Sic ]  Hic, P. 2  facto ]  fracto, P. 3  tertia ]  et tertia, P. 4  aliis ]  his, P. 5  tractatu ]  tractavi, W. 6  tamen ]  tunc, P. 7  licet ]  et in, W. 8  sint ]  sunt, P.

KAPITEL 87

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KAPITEL 87 Über die drei Teile der Perspektivik. Kap. VII Das ist zusammengefasst jenes, was ich ausführlicher über das Sehen von geradlinig einfallenden Strahlen, also über das geradlinige Sehen, geschrieben habe. Danach habe ich das Sehen entlang von gekrümmten, gebrochenen und reflektierten Strahlen beschrieben.825 [86] Denn es gibt in der Perspektivik drei grundlegende Teile: Ein Teil behandelt das Sehen von gerade einfallenden Strahlen, ein weiterer Teil das Sehen von reflektierten Strahlen, und ein dritter Teil behandelt das Sehen von gebrochenen Strahlen. Die beiden letzten Teile beziehen sich häufig auf den ersten Teil, ebenso wie der dritte sich auf den zweiten bezieht. Der erste ist jedoch leichter als die anderen; und der zweite Teil ist leichter als der dritte, weshalb sie in dieser Reihenfolge angeordnet werden. [87] Wie die tatsächlichen Gesetze der Reflexion und der Brechung lauten, die allen Naturphänomenen gemeinsam sind, habe ich in meinen Bemerkungen über die Geometrie gezeigt, die sich sowohl im dritten als auch im ersten Werk finden. Doch ganz grundsätzlich habe ich diese Thematik in einem gesonderten Werk behandelt, in dem ich die Entstehung, die Vervielfältigung, die Wirkung und das Vergehen der species von allen Körpern der Welt beschrieben habe.826 [88] Doch in meiner Abhandlung über die Perspektivik habe ich jene Gesetze auf die Wirkungen der sichtbaren species auf das Auge angewandt. Ich habe im ersten Teil gezeigt, welche Wirkungen auf das Auge durch species entstehen, die auf geraden Linien in das Auge gelangen. In den beiden anderen Teilen bin ich auf diesen Prozess anhand von gebrochenen und reflektierten Strahlen eingegangen, was viel größere Schwierigkeiten, aber auch größere Schönheit und Nützlichkeit beinhaltet. Die Erläuterungen [dieser beiden letzteren Teile] sind zwar kürzer, aber von größerer Kraft. Man sollte sich jedoch nicht darüber wundern, dass [jene beiden Teile] kürzer sind, weil das über in die Augen einfallende gerad­ linige Strahlen Gesagte auch für diese Teile benötigt wird. [85]

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Teil II

Nam illa que a principio dicta sunt de partibus anime, et de compositione oculi, et de incessu speciei in tunicis oculi et humoribus; et illa triplex1 cognitio per sensum solum, et per scientiam, et per2 sillogismum; et illa novem que3 requiruntur ad visum; et illa 22 visibilia hic observantur sicut in visu recto. Et ideo non oportet quod hic exponantur ista; sed diversitas que oritur, respectu visus recti, per reflctionem et fractionem hic consideratur. [90] Replicavi hic igitur de operibus predictis qualiter fiat reflexio speciei, et quid ad hoc exigitur. Nam oportet quod densum corpus resistat; et ad sensibilem et manifestam reflexionem, oportet quod sit corpus lene et politum, ut est speculum, propter causas certas. Et exposui quomodo omnis reflexio fit ad angulos equales angulis incidentie; et hoc demonstro multipliciter, tam in planis speculis, et concavis, et convexis; et pono demonstrationes diversorum auctorum ad hec4. Deinde ostendo quod nichil in speculo5 videtur nec est, sed sola res videtur a qua venit species. [91] Unde species non est in speculo, nec ymago aliqua, nec ydolum, licet hoc estimat vulgus; nec aliquid tale videtur, sed res ipsa. Et hoc ostendo per causas certas. Et adjungo quod res visa per reflexionem non apparet in loco suo; sed, ut in pluribus, apparet in concursu radii visualis cum catheto, licet non semper. Quia cathetus et radius visualis aliquando eque distant6, sed raro. Et quando [89]

1  triplex ]  3x. W. 2  per ]  om. P. 3  que ]  om. W. 4  hec ]  hoc, P. 5  speculo ]  speculis, P. 6  eque distant ]  equidistanter, P.

KAPITEL 87

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Denn jenes, was ich zu Beginn über die Seelenteile, über die Beschaffenheit des Auges, über den Eingang der species in die Augenhäutchen und die Augenflüssigkeiten, über das dreifache Erkennen durch den Sinn allein, durch das Wissen und durch das logische Schließen, über die neun [zehn] für das Sehen benötigten Bedingungen und über die 22 sichtbaren Sinnesgegenstände geschrieben habe, muss auch hier genauso wie im Fall des geradlinigen Sehens beachtet werden. Daher war es nicht notwendig, jene Dinge dort noch einmal zu erläutern, sondern ich musste nur auf die Abweichungen eingehen, die es bei der Reflexion und der Brechung gibt. [90] Ich habe daher das [bereits im ersten Teil] Dargestellte darauf bezogen, was sich auf die Reflexion der species bezieht. Denn [für eine Reflexion] ist es notwendig, dass ein fester Körper widersteht. Für eine offensichtliche und deutlich wahrnehmbare Reflexion ist es aus klaren Gründen ferner notwendig, dass der Körper glatt und poliert ist, wie zum Beispiel ein Spiegel.827 Weiterhin habe ich gezeigt, auf welche Weise jede Reflexion durch Strahlen stattfindet, deren Reflexionswinkel gleich dem Eintrittswinkel ist. Das habe ich auf ganz vielfältige Weise gezeigt, bin in meinen Erläuterungen auf ebene, konkave und konvexe Spiegel eingegangen und habe für alle meine Beschreibungen Beweise von den verschiedensten Autoren angeführt. Daraufhin habe ich gezeigt, dass in dem Spiegel selbst nichts gesehen wird, und dass sich nichts darin befindet, sondern dass man nur das sehen kann, von dem die species ausgeht.828 [91] Daher befindet sich die species ebenso wenig wie ein Abbild von ihr in dem Spiegel, auch wenn die Menge das glaubt. Durch sichere Gründe habe ich zeigen können, dass überhaupt nichts Derartiges im Spiegel gesehen wird, sondern nur die Sache selbst. Zudem habe ich hinzugefügt, dass eine gesehene Sache bei der Reflexion nicht an ihrem richtigen Ort gesehen wird, sondern – wenn auch nicht immer, so doch zumindest in den meisten Fällen – an dem Schnittpunkt der sichtbaren Strahlen mit der Kathete829. Denn manchmal, wenn auch sehr selten, verlaufen der Sehstrahl und die Kathete parallel zueinander [und schneiden sich daher nicht]. [89]

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concurrunt, tunc concursus esse potest vel in oculo, vel retro caput, vel in superficie speculi, et aliquando infra speculum, et1 aliquando ultra. Et hec diversitas accidit ex diversitate speculorum. Et propter hoc2 descendo ad omnia genera speculorum regularia3 in quibus ars consistit. Et sunt 7: planum, spericum, columnare, pyramidale, intus et extra polita; que sunt 7; nam 3a ultima possunt esse concava vel convexa, et hoc est intus et4 extra polita. Ostendi ergo qualiter5 fit visio in omnibus his speculis. Et in planis accidit minimus error, quoniam res apparent6 in quantitate et figura debita, sed situs partium mutatur. Et in his speculis res apparet tantum ultra speculum quantum res distat a speculo, quod non accidit in aliis; et hoc demonstro in figura. Et tunc discurro per omnia specula alia, quot errores contingunt in singulis, et ubi est locus ymaginis, id est ubi res appareat; quia apparitio rei vocatur locus ymaginis, ab ipsis perspectivis. Et pono in figura quomodo in eodem speculo7 res potest apparere in oculo, vel retro caput, vel in speculo, vel ultra, vel equidistanter catheto. Et quia in libro de Speculis tangitur quod diversimode fit reflexio a concavo speculo, si visibile sit prope vel distans, et in hoc erratur multum. Nam commentator illius libri male figurat, et pejus demonstrat, et omnino errat, ideo attuli veram figurationem et certam demonstrationem ad hoc. Et juxta hoc manifesto8 ­causam quare diversitas apparitionis coloris fiat in collo columbe et in

1  et ]  om. P. 2  propter hoc ]  propterea, P. 3  regularia ]  regularium, P. 4  et ]  vel, P. 5  ergo qualiter ]  igitur quomodo, P. 6  apparent ]  apparet, P. 7  in eodem speculo ]  om. P. 8  manifesto ]  demonstro, P.

KAPITEL 87

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Wenn sie sich jedoch schneiden, kann dieser Schnittpunkt hinter dem Kopf, auf der Oberfläche des Spiegels, in dem Spiegel selbst oder manchmal auch hinter dem Spiegel sein, was immer von der Art des Spiegels abhängt. [92] Deswegen bin ich auch auf alle Arten von gängigen Spiegeln eingegangen, die in dieser Kunst [der Perspektivik] bekannt sind.830 Es gibt sieben Spiegelarten: eben, kugelförmig, zylinderförmig, kegel­ förmig, auf der Innenseite poliert und auf der Außenseite poliert. Das macht sieben [Spiegelformen], weil die drei letztgenannten [Spiegel] konkav oder konvex sein können, also innen oder außen poliert. Ich habe also gezeigt, wie das Sehen [durch Reflexion] mit jedem dieser Spiegel funktioniert. Bei ebenen Spiegeln tritt der geringste Fehler auf, weil die Dinge in der richtigen Form und Größe erscheinen, wobei nur die Lage der Teile verändert wird. Bei diesen Spiegeln erscheint eine Sache so weit hinter dem Spiegel, wie die Entfernung zwischen ihr und dem Spiegel ist, was bei den anderen Spiegeln nicht der Fall ist, wie ich durch Schaubilder zeige. [93] Auf diese Weise untersuche ich alle Spiegel darauf, welche Fehler durch die Spiegelungen auftreten, und wo sich der Ort des Abbildes befindet, also wo eine Sache [die durch den Spiegel reflektiert wird] erscheint. Denn der Erscheinungsort einer Sache wird von den Perspektivikern als ›Ort des Abbildes‹ bezeichnet. Ich habe auch Schaubilder davon gezeichnet, wie in demselben Spiegel eine Sache im Auge oder hinter dem Kopf oder in dem Spiegel oder hinter dem Spiegel oder in gleichem Abstand zur Kathete verlaufend erscheinen kann. Das war auch notwendig, weil im Buch über Spiegel  831 behauptet wird, dass die Reflexion von einem konkaven Spiegel auf viele Arten stattfinden kann, je nachdem, ob der sichtbare Gegenstand sich nah oder fern [von dem Spiegel] befindet. [Das stimmt zwar,] doch bei der Darstellung tritt ein großer Irrtum auf. Denn der Kommentator jenes Buches stellt das schlecht dar, beweist es noch schlechter und irrt sich hier sowieso in allem, weshalb ich die richtigen Schaubilder und Beweise hierfür hinzugefügt habe.832 Im Zusammenhang damit gehe ich auch darauf ein, warum bei einem Taubenhals und bei Pfauengefieder eine solche

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cauda pavonis, secundum diversitatem casus lucis super illa ad angulos diversos; quia uni videbitur unus color, et alii alius, simul existentibus et aspicientibus ista. Et quare infirmi et ebrii vident se ante facies suas ambulare, ut Aristoteles exemplificat 3° Metheororum, et Seneca in Naturalibus; et hoc duobus modis1 potest intelligi, secundum quod declaro, scilicet vel per visum reflexum, vel per rectum; et utrunque est mirabile. Et dedi causam quare quando homo aspicit ad candelam, videt magnam multotiens lucis dispersionem attingere ad oculum ejus, cujus conus est in candela, ac si candela emitteret a2 se radios infinitos in3 modum pyramidis; et satis est occulta hec causa. Et dedi causam mirabilis apparitionis que accidit quando homo aspicit a longe aliquod splendidum, ut crucem vel aliud super campanilia et turres ecclesiarum. Nam videtur ei quod illud splendidum scintillet. Et hic assignavi specialem modum scintillationis, et causam ejus, preter ea que superius annotavi. Et hic4 aliqui periti5 in perspectiva estimant multa, sed in vanum, quia aliter est quam ipsi putant. Deinde majus mendacium6 enunciavi. Nam mira hominum fantasia vertitur super apparitionem ymaginum plurium in speculo posito in aqua, et credunt quod ad radios Solis videant Solem et aliquam stellam erraticam juxta Solem; et estimant quod sit Venus, quia non multum elongatur a Sole. Sed stultitia hec magnorum virorum apparet ad radios Lune, et, quod plus est, ad candelam.

1  duobus modis ]  2ter, W. 2  a ]  ex, P. 3  in ]  om. W. 4  hic ]  hoc, P. 5  periti ]  valde periti, P. 6  mendacium ]  mendacium perspectivorum, P.

KAPITEL 87

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Fülle an verschiedenen Farben auftritt, was davon abhängt, unter welchen Winkeln das Licht [auf die Federn] jener Tiere trifft. Daher sieht einer eine Farbe, während ein anderer andere Farben sieht, wenn beide gleichzeitig auf das Gefieder schauen. [94] Ich habe auch den Grund dafür angegeben, warum kranke und betrunkene Menschen sich selbst vor sich herlaufen sehen, wie Aristoteles im dritten Buch seiner Meteorologie833 beispielhaft erläutert, und wie auch Seneca in seinen Naturwissenschaftlichen Untersuchungen834 erklärt. Dieses Phänomen kann meiner Einschätzung nach auf zwei Weisen erklärt werden, nämlich durch reflektiertes und durch geradliniges Sehen.835 Und jede dieser Erklärungen ist ganz wunderbar. [95] Ferner habe ich beschrieben, warum ein Mensch, der auf eine Kerze schaut, eine große Lichtstreuung wahrnimmt, deren Schnittpunkt in der Kerze zu sein scheint, so als ob die Kerze von sich aus unendlich viele kegelförmige Strahlen abgeben würde, wofür der Grund nur sehr schwer zu finden ist.836 Ich bin auch auf die bemerkenswerte Erscheinung eingegangen, die auftritt, wenn ein Mensch aus weiter Entfernung etwas Glänzendes wie ein Kreuz auf einem Glockenturm und auf Kirchtürmen sieht. Denn es scheint ihm dann so, als würde dieses Glänzende schimmern, was ich durch einen speziellen Fall des Schimmerns und dessen Grund erklärt habe, der über meine anderen Bemerkungen zum Schimmern noch hinaus­geht. Hierfür nehmen diejenigen, die in der Perspektivik bewandert sind, viele Gründe an: doch vergeblich, weil es sich ganz anders verhält, als sie denken. [96] Dann habe ich einen großen Irrtum berichtigt.837 Denn der erstaunliche Einfallsreichtum der Menschen wendet sich auch dem Phänomen zu, dass mehrere Abbilder in einem Spiegel erscheinen, der sich unter Wasser befindet. Und sie glauben, dass ein Abbild auf die Strahlen der Sonne zurückgeht, während ein weiteres von einem beweglichen Stern herrühre. Dieser Stern – meinen sie – müsse die Venus sein, da sie nicht weit von der Sonne entfernt sei. Doch die Torheit dieser großen Männer wird daran ersichtlich, dass sich dasselbe Phänomen auch bei Mondlicht und

Teil II

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Nam proculdubio apparet duplex ymago ad Lunam et ad candelam, sicut ad Solem. Sed nulla stella potest dari respectus candele, ut patet, nec etiam respectu Lune. Dedi igitur causam hujus apparitionis, que communiter invenitur in Sole, et Luna, et candela.

CAPITULUM LXXXVIII. De visu facto per lineam fractam. Cap. VIII. [97]

Post hec converti stilum ad visum factum per lineam fractam; et ibi sunt majores veritates quam in precedentibus, et multa requirerentur hic certificanda, nisi quia patent ex eis que in partibus prioribus dicta sunt. Quod autem specialiter hic1 primo requiritur est2 quod non solum ab oculo videtur illud a quo venit piramis radialis, sed multa que extra cadunt. Piramis vero radialis seu visualis est composita ex speciebus venientibus a partibus rei vise que cadunt perpendiculariter super primam tunicam oculi, que vocatur cornea; et illa piramis ingreditur in foramine uvee usque ad anterius glacialis, et pertransit postea in humorem vitreum, in cujus superficie frangitur, propter necessitatem visionis recte, sicut ostendi in3 principio. Multa igitur posita a lateribus istius piramidis faciunt species suas super corneam, ad angulos obliquos; et per fractionem attingunt4 he5 species ad glacialem, ubi est virtus visiva, et ideo videntur. Posui igitur demonstrationem ad hoc in figura.

1  hic ]  in, P. 2  est ]  om. W. 3  in ]  a, W. 4  attingunt ]  contingunt, P. 5  he ]  hec, P.; hē, W.

KAPITEL 88

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selbst bei dem Licht einer Kerze ergibt, weil ohne jeden Zweifel auch durch den Mond und durch eine Kerze, ebenso wie durch die Sonne, ein doppeltes Abbild entstehen kann. Doch gegenüber einer Kerze kann kein Stern sein, ebenso wenig wie gegenüber dem Mond. Deshalb habe ich den Grund für diese Erscheinung angegeben, der sowohl bei der Sonne als auch beim Mond und einer Kerze zutrifft.

KAPITEL 88 Über das Sehen von gebrochenen Strahlen. Kap. VIII [97]

Danach habe ich meinen Schreibgriffel dem Sehen von gebrochenen Strahlen zugewendet.838 In diesem Teil gibt es noch größere Wahrheiten zu entdecken als in den vorhergegangenen, und wir würden vieles benötigen, um diesen Teil zu erläutern, wenn nicht schon in den vorherigen Teilen ein Großteil davon vorbereitend erklärt worden wäre. Das Erste, was für gebrochene Strahlen im Besonderen erforderlich ist, besteht darin, dass vom Auge nicht nur das gesehen werden kann, wovon der Strahlenkegel ausgeht, sondern auch viele [Strahlen], die von außerhalb dieses Kegels [in das Auge einfallen]. Der sichtbare Strahlenkegel ist aus species zusammengesetzt, die von verschiedenen Teilen eines Gegenstandes ausgehen und senkrecht auf das erste Augenhäutchen fallen, das auch Hornhaut genannt wird. Jener Strahlenkegel dringt zuerst in den Vorhof der mittleren Augenhaut bis zur vorderen Eisschicht [anterius glacialis] ein und bewegt sich dann weiter zum Glaskörper des Auges fort, an dessen Oberfläche er wegen der Notwendigkeit des geradlinigen Sehens gebrochen wird, wie ich zu Beginn schon gezeigt habe. Denn viele Dinge, die sich außerhalb dieses Strahlenkegels befinden, geben auch ihre species ab, die dann in schrägen Winkeln auf die Hornhaut des Auges treffen und durch Brechung bis zur Eisschicht des Auges gelangen, in der sich die Sehkraft befindet, und die daher gesehen werden. Ich habe für diesen Vorgang auch eine Zeichnung zur Veranschaulichung angefertigt.839

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Secundo adjunxi quod omne quod videtur per lineam rectam vel reflexam, videtur per fractam; et hoc est de bonitate visionis, et complemento, ut non videatur res aliqua uno modo, sed pluribus, de necessitate, quatenus visio fiat certior et melior. Et hoc ostendi in figura cum demonstratione. Et non solum videtur eadem res per unam lineam fractam, sed per infinitas, ut visio compleatur. Et 3° declaravi quod aliquid1 videtur fracte2, et non recte, quamvis visibile sit in directo visus. Et post hoc descendi ad omnem diversitatem visionis per fractionem et rimatus sum concursum radii visualis cum catheto. Nam locus ymaginis ibi reperitur. Et quia hoc potest variari penes corpora plana, et sperica, et convexa, et concava, et penes medium3 subtilius et densius, ideo exposui omnes istos modos; et sunt decem principales. Et in his est major nature potestas quam aliquis mortalis possit estimare. Posui igitur omnes casus, et exposui demonstrationes in figuris magnis. Et duo sunt de corpore plano. Nam cum duplex medium exigatur in fractione, tunc oculus potest esse in subtiliori, vel densiori, et res visa e contrario. Si vero oculus sit in medio subtiliori, et res in densiori, tunc oportet quod res propinquius videatur, et major longe appareat. Si e converso, tunc contrarium accidit. Si autem sint4 corpora sperica, tunc vel5 convexitas est versus oculum, vel concavitas; et utrumque est 4or modis. Nam si concavitas6

1  aliquid ]  aliquod, P. 2  fracte ]  aliquotiens fracte, P. 3  medium ]  om. W. 4  sint ]  sunt, P. 5  vel ]  om. W. 6  concavitas ]  convexitas, W.

KAPITEL 88

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Zweitens habe ich hinzugefügt, dass alle Dinge, die durch gerad­ linige und reflektierte Strahlen gesehen werden, auch durch gebrochene Strahlen gesehen werden. Das ist für die Genauigkeit und Vollständigkeit des Sehens notwendig, damit eine Sache nicht nur auf eine, sondern auf viele Weisen gesehen werden kann. Dadurch ist das Sehen besser und genauer. Auch dies habe ich mit Erläuterungen in einem Schaubild dargestellt.840 Eine Sache wird zudem nicht nur durch einen gebrochenen Strahl, sondern durch unendlich viele Strahlen gesehen, damit das Sehen vollständig sein kann. [99] Und drittens habe ich erklärt, dass einige Dinge durch gebrochene und nicht durch geradlinige Strahlen gesehen werden, auch wenn der gesehene Gegenstand sich in gerader Linie gegenüber dem Auge befindet. [ 100] Danach bin ich auf alle verschiedenen Arten des Sehens durch gebrochene Strahlen eingegangen und habe vor allem den Schnittpunkt der Sehstrahlen mit der Kathete untersucht, weil sich dort der Ort des Abbildes befindet. Und weil sich dieses Phänomen ändern kann, je nachdem ob es bei ebenen, kugelförmigen, konvexen oder konkaven Körpern auftritt, und je nachdem, ob das Medium dünner oder dichter ist, habe ich alle diese insgesamt zehn Möglichkeiten erklärt.841 Hier findet man mehr von der Kraft der Natur als irgendein Sterblicher schätzen kann, weshalb ich alle Gründe vorgestellt und durch bemerkenswerte Zeichnungen veranschaulicht habe. [101] Bei einem ebenen Körper gibt es zwei Fälle. Denn da für eine Brechung zwei Medien erforderlich sind, kann sich das Auge entweder in einem dünneren oder in einem dichteren Medium befinden, was jeweils umgekehrt auch für den gesehenen Gegenstand gilt. Wenn das Auge sich in einem dünneren Medium befindet und der gesehene Gegenstand in einem dichteren Medium, erscheint der Gegenstand näher und sehr viel größer. Wenn es umgekehrt ist, tritt das Gegenteil ein. [ 102] Wenn die Körper kugelförmig sind, befindet sich entweder die Konvexität oder die Konkavität des Körpers vor dem Auge, und für beide Möglichkeiten gibt es jeweils vier verschiedene Fälle. [98]

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est versus oculum, tunc duobus modis potest esse si oculus sit in medio1 subtiliori, et duobus modis si oculus sit in densiori. Quoniam si oculus sit in subtiliori medio et concavitas medii sit versus oculum, potest oculus esse inter centrum corporis et rem visam, aut centrum inter oculum et rem visam. Si primo modo, res apparet propinquior et minor est ymago quam res. Si 2° modo, adhuc propinquius videbitur et minor erit ymago. Et sic currunt omnes alii2 canones usque ad 10, cum figuris suis et demonstrationibus, ut appareat mira visionis diversitas; et nus­ quam sunt pulcriores figure quam hic, nec3 mirabiliores4 demonstrationes, nec tam admirandi effectus. Quoniam ostendo primo quomodo et5 qualiter quedam vulgata nobis apparent et que sint cause hujus apparitionis. Omnes vero admirantur quare baculus apparet fractus in aqua; et artiste querunt semper in suis disputationibus de quolibet; et nullus unquam Latinorum potuit dare causam in tali disputatione, quia nesciverunt has regulas fractionum. Nam per primam et 7am 6 datur causa hujus visionis, sicut exposui in hac parte. Similiter cum lapis vel aliud visibile mittatur in vas sine aqua, et videns se elonget in tantum ut ibi primo7 non possit visibile contueri, tunc si aqua infundatur, videbit illud visibile, quod sine aqua videri

1  modis ]  om. W. 2  alii ]  om. P. 3  nec ]  om. W. 4  mirabiliores ]  mirabiles, W. 5  quomodo et ]  om. P. 6  et 7am ]  et per 7am, P. 7  primo ]  om. P.

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Denn wenn sich die Konkavität eines Körpers gegenüber dem Auge befindet, gibt es zwei Möglichkeiten, wenn das Auge sich in einem dünneren Medium befindet, und zwei weitere Möglichkeiten, wenn es sich in einem dichteren Medium befindet. Wenn sich das Auge in einem dünneren Medium befindet und die Konkavität des Mediums gegenüber dem Auge ist, kann das Auge zwischen dem Mittelpunkt des Körpers und dem gesehenen Gegenstand sein; oder der Mittelpunkt kann sich zwischen dem Auge und dem gesehenen Gegenstand befinden. Wenn der erste Fall eintritt, erscheint der Gegenstand näher [als er in Wirklichkeit ist] und das Abbild ist kleiner als der Gegenstand. Wenn der zweite Fall eintritt, wird der Gegenstand ebenfalls näher gesehen [als er eigentlich ist] und sein Abbild erscheint auch kleiner. Auf diese Weise gehe ich auch alle weiteren Fälle durch, die sich insgesamt auf zehn belaufen, und gebe für alle diese Fälle Zeichnungen und Beweise an, damit die herrliche Vielfalt des Sehens deutlich wird. Und nirgendwo gibt es bessere Zeichnungen als hier, noch herrlichere Beweise oder bewundernswertere Wirkungen. Denn dadurch konnte ich zeigen, wie und auf welche Weise uns einige allgemein bekannte Phänomene erscheinen; und ich konnte die Gründe für diese Erscheinungen angeben. Es wundern sich zum Beispiel alle, warum ein Stock im Wasser gebrochen erscheint. Dieses Beispiel nehmen die Artisten [an der Universität] immer für ihre quodlibetischen Disputationen, und keiner unter den Lateinern konnte in diesen Disputationen bis jetzt den wirklichen Grund angeben, weil sie die Regeln der Brechung nicht gekannt haben. Denn durch die erste und die siebente [der zehn ­Regeln] kann der Grund für diese Erscheinung bestimmt werden, wie ich dort erklärt habe.842 Ähnlich verhält es sich auch, wenn ein Stein oder ein anderer Gegenstand in ein Gefäß ohne Wasser gegeben wird und sich der­ jenige, der diesen Stein sieht, so weit von dem Gefäß entfernt, dass er den Stein nicht mehr sehen kann. Wenn nun Wasser in das Gefäß gegeben wird, wird er diesen Stein wieder sehen können, den er ohne das Wasser nicht hat sehen können. Das ist ein äußerst

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non potuit. Et illud1 est valde mirandum. Sed causa ejus patet ex primo et 7 canone. Similiter, quando2 Sol, et Luna, et stelle videantur insolite magnitudinis propter interpositionem vaporum, quando3 sunt in ortu et occasu, accidit per 3m canonem, cum ejus figura. Et hic solvo objectiones perspectivorum in contrarium factas, quibus valde ­periti decipiuntur. Et stelle omnes apparent minoris quantitatis quam si esset unum medium inter nos et eas, quia cadit hic canon 5us 4: quando oculus est in medio subtiliori, et concavitas corporis est versus oculum, et oculus est inter centrum corporis et rem visam. Et solvo hic dubitationes occurrentes. Et declaravi quod si corpus spericum5 ponatur super literas minutas, apparebunt magne, quod instrumentum est valde utile senibus. Et cadit hic canon precipue 7us; quia melius fit visio per ipsum quam per alios. Et sic possunt infinita determinari in rebus naturalibus.

CAPITULUM LXXXIX. De comparatione scientie ad sapientiam. Cap. VIIII. [ 107]

Sed postquam6 comparavi potestatem istius scientie prout necessaria est ad sapientiam philosophie absolute, tunc comparavi eam ad sapientiam divinam absolute7 et relate, et ostendi in exemplis quomodo necessaria est sapientie divine intelligende et exponende. Nam nihil plus multiplicatur in Scriptura sicut ea que pertinent ad visionem, et lucem, et colores, et specula, et hujusmodi;

1  illud ]  istud, P. 2  quando ]  quod, W. 3  quando ]  qui, W. 4  5us ]  quintus, P. 5  spericum ]  perspicuum, P. 6  postquam ]  postea, W. 7  tunc … absolute ]  om. W.

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verwunderliches Phänomen, das jedoch ebenfalls durch die erste und die siebente Regel erklärt werden kann. Eine weitere Erscheinung [die ich erklärt habe], besteht darin, dass die Sonne, der Mond und die Sterne während ihres Auf- und Unter­gangs ungewöhnlich groß zu sein scheinen, wenn wir sie durch einen Nebel hindurch sehen. Dieses Phänomen lässt sich mit der dritten Regel und der entsprechenden Zeichnung erklären.843 Auf diese Weise löse ich die gegenteiligen Einwände der Perspektiviker auf, durch die schon sehr erfahrene und fähige Menschen getäuscht worden sind. Die Sterne erscheinen uns kleiner, wenn sich zwischen ihnen und uns ein Medium befindet, was sich mit der fünften Regel verstehen lässt: nämlich mit der Regel, die den Fall behandelt, dass das Auge sich in einem dünneren Medium befindet, die Konkavität des Körpers sich vor dem Auge befindet, und dass das Auge zwischen dem Mittelpunkt des Körpers und dem gesehenen Gegenstand ist. So löse ich alle auftretenden Zweifel auf. Außerdem habe ich gezeigt, dass kleine Buchstaben größer erscheinen, wenn man eine kugelförmige Linse darüber hält, was gerade für alte Menschen ein sehr nützliches Gerät ist. Dieser Fall fällt unter die siebente Regel, weil hierdurch das Sehen besser wird als durch die anderen. Auf diese Weise können im Bereich der Natur unendlich viele Dinge erklärt werden.

KAPITEL 89 Über die Anwendung dieser Wissenschaft auf die Weisheit. Kap. IX [ 107]

Nachdem ich die Macht dieser Wissenschaft gezeigt habe, soweit es für die Weisheit der Philosophie für sich genommen notwendig ist, habe ich sie auf die göttliche Weisheit angewandt und anhand von Beispielen die Notwendigkeit dieser Wissenschaft für das Verstehen und Erklären der göttlichen Weisheit dargelegt.844 Denn nichts tritt in der Heiligen Schrift häufiger auf als die Dinge, die mit dem Sehen, dem Licht, den Farben, Spiegeln und derglei-

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Scriptura enim pregnans est his. Dicit enim Apostolus: Videmus enim1 nunc per speculum in2 enigmate, tunc autem facie ad faciem. Et beatus Jacobus comparat auditorem verbi, qui non est factor, homini consideranti vultum nativitatis sue in speculo. Et audivi hic magistrum in theologia et3 famosum dicere: quod illud4 simile attenditur in hoc, quod ymago videtur in speculo, et non res, et ideo statim oblivisceris qualis fueris5, sicut Jacobus dicit: et omnes credunt hoc; sed falsum est hoc. Nam ostendi in hac scientia, quod6 res ipsa sola videtur, et non ymago aliqua. Et ideo videmus facie ad faciem, sed non per rectas lineas, sed per reflexas, et reflexio multum debilitat speciem; et ideo obscure et sub enigmate videmus. Non igitur intellexit Apostolus quod videns alium, vel seipsum, in speculo nullo modo videat facie ad faciem, sed quod non per visionem rectam, licet per reflexam7 videamus facie ad faciem; et ideo sub enigmate et obscuritate. Enigma enim Grece sonat8 obscuritatem Latine, et non est ymago, vel species. Sed talia sunt exempla pene innumerabilia in Scriptura, que indigent certa interpretatione per hanc scientiam, sicut ostendi in hac scientia. Et postea comparavi hanc scientiam ad rem publicam dirigendam, et ibi majora continentur quam non solum vulgus, sed sapientum multitudo possit assignare. Soli enim sapientissimi possunt hec dare in instrumentis figuratis9 ad sensum. Nam sic potest una res videri multe, ut unus homo videatur populus, per diversas fractiones10 speculorum. Sic enim plures Soles et Lune aliquando videbantur simul, sicut Plinius et historie docent. Et sic res possunt 1  enim ]  eum, P. 2  in ]  et in, W. 3  et ]  om. P. 4  illud ]  istud, P. 5  oblivisceris qualis fueris ]  obliviscitur qualis fuerit, P. 6  quod ]  quam, P. 7  relfexam ]  reflexum, P. 8  sonat ]  signat, P. 9  figuratis ]  figurans, P. 10  fractiones ]  figurationes, W.

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chen zu tun haben. Die Schrift ist nämlich voll von diesen Dingen. So sagt auch der Apostel [Paulus]: »Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort; dann aber von Angesicht zu Angesicht.«845 Und der selige Jakobus vergleicht einen Hörer des Wortes, der kein Täter ist, mit einem Mann, der sein leibliches Angesicht im Spiegel schaut.846 Ich habe hierzu einen sehr bekannten Magister in der Theologie als Erklärung sagen hören: »Das lässt sich so verstehen, dass nur ein Abbild und nicht die Sache selbst im Spiegel gesehen wird, weshalb du sofort vergisst, wer du gewesen bist, wie Jakobus sagt«. Und diese Erklärung halten alle für richtig, obwohl sie doch falsch ist. Denn ich habe mit Hilfe der Per­ spektivik gezeigt, dass nur die Sache selbst gesehen wird und kein Abbild. Daher sehen wir von Angesicht zu Angesicht, doch nicht durch geradlinige, sondern durch reflektierte Strahlen – und die Reflexion schwächt die species sehr, weshalb wir nur undeutlich und in einem dunkeln Wort sehen. Der Apostel hat nicht verstanden, dass man einen anderen oder sich selbst durch einen Spiegel keinesfalls von Angesicht zu Angesicht sehen kann, jedoch nicht durch geradliniges Sehen, sondern durch das Sehen reflektierter Strahlen. Daher sehen wir nur undeutlich und wie in einem dunkeln Wort. Das griechische Wort ›aenigma‹ bedeutet auf Latein nämlich ›Dunkelheit‹, und das ist kein Abbild oder eine species. Solche Beispiele gibt es in der Heiligen Schrift unzählige, und alle brauchen eine richtige Auslegung durch diese Wissenschaft, wie ich in [meiner Abhandlung über] diese Wissenschaft gezeigt habe. Danach habe ich diese Wissenschaft auf die Lenkung des Gemeinwesens angewendet, wobei größere Dinge zur Sprache kommen, als sich nicht nur die Menge, sondern auch die meisten der Weisen vorstellen können.847 Denn nur die Weisesten können durch diese Wissenschaft Geräte herstellen, die die Sinne betreffen. Durch diese Geräte kann eine Sache wie mehrere erscheinen, und ein Mensch kann durch verschiedene Brechungen mit Hilfe von Spiegeln wie ein ganzes Volk erscheinen. So scheinen manchmal auch mehrere Sonnen und Monde gleichzeitig am Himmel zu stehen, wie Plinius848 und die Geschichte lehren. Derartig können Dinge

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veraciter videri; et cum videns iret1 ad loca visionis, nichil inveniret. Et sic abscondita et occulta possunt investigari et ostendi, et distantia manifestari, et minima apparere maxima, et econverso, et propinquius posita videri in omni2 remotione quam volumus: et quantumcunque res distent, possunt videri juxta nos: ita quod3 ex incredibili distantia legeremus litteras minutas, et arenas maris numeraremus; et Solem4, et Lunam, et stellas videremus inclinari supra capita nostra. [Et sic Sol et Luna possunt videri discurrere per omnes angulos castri, vel domus.]5 Et sic puer appareret gigas, et parvus excercitus videretur magnus, et econverso. Et sic de aliis infinitis mirabilibus, que hic possunt fieri, secundum quod expressi in hac scientia. Et hec eadem valent ad conversionem infidelium, et ad reprobationem eorum qui converti non possunt. Nam postquam omnis homo hec a principio non intelligeret, sed oporteret quod crederet ut, excercitatus in hac scientia, horum rationes videret; et6 sic manu duceretur ad divina, ut subdat colla eis, et credat donec sit tritus in illis, et rationem percipiat qua intelligat et sciat. Cum enim videmus quod intellectus noster non potest attingere ad veritates creaturarum, que nulle sunt respectu veritatum divinarum, debet homo considerare quod multo magis debet gaudere in credendo divina quam creata, quatenus ex fide facili Deus ipse prebeat intellectum, secundum quod dicitur in Ysaia, secundum Septuaginta interpretes: Si non credideritis, non intelligetis.

1  iret ]  erit, P. 2  in omni ]  cum, P. 3  ita quod ]  itaque, P. 4  et Solem ]  om. W. 5  Et … domus ]  om. W. 6  et ]  om. P.

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wirklich gesehen werden, doch wenn man zu dem Ort geht, an dem man etwas gesehen hat, findet man nichts. So können verborgene und dunkle Geheimnisse betrachtet und gezeigt werden, Entfernungen können gemessen werden, ganz kleine Dinge können ganz groß erscheinen und umgekehrt, ganz nahe Dinge können in jeder von uns gewünschten Entfernung erscheinen; und wie weit eine Sache auch entfernt sein mag, kann sie doch so scheinen, als wäre sie direkt neben uns. Das kann sogar so weit gehen, dass wir aus unvorstellbaren Entfernungen die kleinsten Buchstaben lesen und die Sandkörner des Meeresgrundes zählen könnten. Und selbst die Sonne, der Mond und die Sterne könnten direkt über unseren Köpfen erscheinen. Und derartig können die Sonne und der Mond den Eindruck erwecken, dass sie durch alle Winkel einer Festung oder eines Hauses hindurchscheinen [discurrere]. So würde ein Kind wie ein Riese erscheinen und ein kleines Heer wie ein großes, und ebenso umgekehrt. Und so gibt es noch unzählige andere Wunder, die durch das, was ich in dieser Wissenschaft dargestellt habe, erreicht werden können. Alle diese Dinge wären auch für die Bekehrung der Ungläubigen und für die Zurückdrängung derjenigen, die nicht bekehrt werden können, von unschätzbarer Hilfe. Denn bevor ein Mensch alles dies von Beginn an verstanden hat, muss er es glauben, bis er in dieser Wissenschaft so weit geschult ist, dass er ihre Gründe einsieht. Auf diese Weise wird er zu den göttlichen Wahrheiten geführt, dass er seinen Nacken unter ihnen beugen möge und an sie glaubt, bis er in ihnen geübt ist und die Gründe kennenlernt, indem er sie versteht und weiß. Denn wenn wir sehen, dass unser Intellekt nicht zu den Wahrheiten der geschaffenen Welt vordringen kann, die gegenüber den göttlichen Wahrheiten doch nichts sind, muss der Mensch zu der Überzeugung kommen, dass es viel größere Freude machen muss, an die göttlichen Wahrheiten als an die Wahrheiten dieser Welt zu glauben, bis Gott aus dem Glauben heraus die Einsicht ganz leicht gewährt, so wie es auch bei Jesaja in der Übersetzung der Septuaginta heißt: »Wenn ihr nicht glaubt, so erkennt ihr nicht.«849

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Et hec persuasio de fide fortior est et melior quam per verbum predicationis, quia plus est opus1 quam sermo. Et hec via persuadendi est similis miraculorum operationi. Et ideo potentius est quam verbum. Et similiter patet quod hec valent ad reprobationem eorum qui non possunt converti. Nam quicquid valet ad defensionem rei publice fidelium, valet ad reprobationem infidelium. Omnia enim eorum secreta possent deprehendi, et terrores infiniti possent eis fieri ut minimum non expectarent, sicut patet satis ex istis mirabilibus que tetigi. Hic terminatur pars quinta Maioris Operis.2

CAPITULUM XC. De motibus corporum celestium3 [111]

Hic in fine perspectivarum volo advertere aliqua de motibus celestibus. Nam non potest fieri certificatio de eis, nisi per visum, mediantibus instrumentis Perspective. Propter quod Ptolomeus, in quinto Perspective, negociatur de celestibus, propter hujusmodi instrumenta. Et in omnibus instrumentis quibus astronomi utuntur in consideratione celestium fit inspectio per visum. Potuissem vero in multis locis hanc distinctionem de celestibus addidisse. Sed quia hii sunt tractatus preambuli, et non principales, ideo pono singula secundum quod mihi occurrunt. Et tamen propter convenientiam Perspective et potestatem ejus respectu celestium, locus optior occurrit. Quoniam etiam omnia que scripsi fere sunt

1  opus ]  om. P. 2  Hic … Operis ]  om. P. 3  Hier beginnt ein Einschub, der sich nur in dem ursprünglich von Duhem veröffentlichten Manuskript: Paris, Bibliothèque nationale, MS No. 10264, fonds latin, ff. 186–226 findet, das hier mit P wiedergegeben wird. Veröffentlicht in: Roger Bacon, Un fragment inédit de l’Opus tertium précédé d’une ètude sur ce fragment, hg. v. Pierre Duhem, Quarrachi 1909, S.  98–137.

KAPITEL 90 [ 110]

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Und diese Überzeugung vom Glauben [durch die Werke der Wissenschaft] ist stärker und besser als durch das gepredigte Wort, weil das Werk mehr ist als das Wort. Dieser Weg des Überzeugens ist aber den wunderbaren Werken ähnlich, weshalb er mächtiger ist als das Wort. Ähnlich wird auch klar, dass diese Wissenschaft für die Zurückdrängung derjenigen von Bedeutung ist, die nicht bekehrt werden können. Denn was auch immer für die Verteidigung der Gemeinschaft der Gläubigen nützlich ist, ist auch für die Zurückdrängung der Ungläubigen nützlich. Doch [mit dieser Wissenschaft] könnten alle ihre Geheimnisse aufgedeckt werden, und es könnte unter ihnen eine Furcht verbreitet werden, mit der sie niemals rechnen würden, wie aus den wunderbaren Dingen, die ich beschrieben habe, deutlich genug hervorgeht. Damit endet der fünfte Teil des Opus maius.

KAPITEL 90 Über die Bewegung der Himmelskörper [111]

Hier möchte ich mich zum Ende der Perspektivik noch einigen Bemerkungen über die Bewegungen der Himmelskörper zuwenden, weil man sich nur durch das Sehen mit Hilfe von optischen Geräten hierüber Gewissheit verschaffen kann. Deswegen behandelt auch Ptolemäus die Himmelskörper im fünften Buch seiner Perspektivik 850 im Zusammenhang mit den entsprechenden [optischen] Geräten. Und bei allen Instrumenten, die die Astronomen bei der Betrachtung der Himmelskörper benutzen, geschieht die Betrachtung durch den Sehsinn. Ich hätte tatsächlich an vielen Stellen [meiner Schriften] dieses Kapitel über die Himmelskörper hinzufügen können, doch da es sich bei allen um vorbereitende und nicht um grundlegende Abhandlungen handelt, habe ich die einzelnen Themen so angeordnet, wie sie mir jeweils in den Sinn gekommen sind. Trotzdem erscheint mir dieser Ort hier wegen der Übereinstimmung der Perspektivik und ihrer Macht mit den Himmelskörpern der beste Ort zu sein. Da es sich bei fast allem,

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Teil II

secreta, ideo gratis dissimulavi loca propria multorum, ne forsan, propter viarum pericula, aliquod operum istorum que misi ad manus deveniret alicujus contra meam voluntatem. Que igitur ignorantur a vulgo Latinorum et ejus capitibus in studio hic conscribo. Et tamen non est nisi quedam declaratio opinionum solemnium apud auctores Astronomie et naturalium philosophorum, per viam disputationis efficacis, ad quam omnes sapientes astronomi latini nihil adhuc addiderant; et sunt tres qui hec fideliter congregarant. Nec potest addi quantum oportet, nisi Vestra ordinaverit Celsitudo, quoniam instrumenta desunt Latinis, per que hec certificari debent et compleri; que nullus philosophantium valet consequi his diebus. Quoniam1 igitur2 propter intemperantiam visibilis a visu3 accidit error, in omnibus intentionibus a visu comprehensis, sicut ostensum est in precedentibus4, non est mirum si in qualitate5 motuum corporum celestium cognoscenda accidit nobis difficultas et opinionum varietas.

1  Mit dem Wort quoniam beginnt ein Abschnitt des Textes, der sich auch in Bacons Communia naturalium findet. Robert Steele hat diesen Abschnitt des Textes auf Grundlage der Handschrift 3576 der Bibliothèque Mazarine ediert und herausgegeben, in: Roger Bacon, Communium naturalium Fratris Rogeri, liber secundus: De celestibus, in: Opera hactenus inedita Rogeri Baconi, Fasc. IV, hg. v. Robert Steele, Oxford 1913. – Der hier im Opus tertium wiedergegebene Textabschnitt ist weitestgehend identisch mit: Steele, ebd., S.  418– 441. Ich werde Abweichungen in der Edition Steeles in den Anmerkungen mit S kennzeichnen. 2  igitur ]  om. S.   3  Visu ]  visu eciam, S.   4  Sicut … precedentibus ]  sicut ostenditur libro tercio de Aspectibus, S.   5  Quaitate ]  equalitate, S.  

KAPITEL 90

[ 112]

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was ich geschrieben habe, um geheime Dinge handelt, habe ich absichtlich bei vielem die eigentlichen Stellen unkenntlich gemacht, damit nicht etwa durch die Gefahren unterwegs eines der Werke, die ich gesandt habe, gegen meinen Willen in jemandes Hände gelange. Ich lege also hier das dar, was bei der Allgemeinheit der Lateiner und deren führenden Köpfen an der Universität unbekannt ist. Doch auch meine Bemerkungen müssen an dieser Stelle auf die Erklärung einiger altehrwürdiger Meinungen der Autoren in der Astronomie und der Naturphilosophie beschränkt bleiben, die ich hier in der Art einer Disputation darstellen möchte, und zu denen keiner der lateinischen Autoren bis jetzt etwas hinzufügen konnte. Und es gibt nur drei Menschen, die das alles vertrauenswürdig zusammengetragen haben. Momentan kann man auch nicht so viel hinzufügen, außer wenn Eure Erhabenheit dies anordnen würde, weil bei den Lateinern die Instrumente fehlen, mit denen man diese [altehrwürdigen Meinungen] zeigen und vervollständigen müsste, wozu keiner der heutigen Philosophierenden fähig ist. Da aufgrund der Unverhältnismäßigkeit der sichtbaren Dinge mit unserem Sehsinn zudem bei allen Versuchen, die Dinge durch das Sehen wahrzunehmen, Fehler auftreten, wie vorher bereits gezeigt worden ist, kann man sich kaum darüber wundern, wenn uns bei der Erkenntnis der Beschaffenheit der Bewegungen der Himmelskörper große Schwierigkeiten und viele Meinungen begegnen.851

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Teil II

CAPITULUM XCI. Opinio Ptolomei de duobus motibus principalibus celorum [113]

[114]

Ptolomeus1, igitur, atque plures ejus2 sequaces, duos motus celi principales affirmant3; quorum unus est simpliciter4 primus, qui movet totum celum ab oriente in occidentem uniformiter super duos polos, qui dicuntur poli mundi; cujus quelibet puncta describunt circulos ad invicem equidistantes; et punctus in medio describit maximum, qui dicitur equinoctialis, quem5 describit Sol, secundum sensum, motu predicto, cum equantur6 dies et nox. Alius motus est, quo moventur orbes stellarum erraticum et etiam orbis stellarum fixarum, et est ab occidente ad orientem7, contra predictum modum8, super duos alios polos, cujus medius punctus inter polos describit circulum qui dicitur9 cingulus10 zodiaci; in cujus superficie movetur Sol, hoc secundo motu. Sed alii planete ab eo declinant. Ad cognitionem autem prioris motus per sensum visus devenerunt per hoc quod videbant omni die omnia in celo visibilia primo oriri, et mediare celum, postea occidere, et hoc secundum circulos visibiliter equinoctiali equidistantes. Secundum autem motum similiter experimento visuali intellexerunt per hoc quod videbant omnes stellas erraticas, postquam conjuncte fuerint cum stellis fixis non mutantibus11 situm secundum aspectum, ab eisdem ad orientem saparari, et hoc non secundum arcum circuli equidistantis equinoctiali, ymo, declinantis. Si autem esset separatio secundum arcum circuli equidistantis, dicit Ptolomeus quod sufficeret tunc ponere unum motum in omnibus corporibus celestibus, scilicet ad occidentem; ita quod 1  Ptolomeus ]  Phtolomeus, S.  (so immer in S) 2  atque plures ejus ]  atque ejus, S.   3  affirmant ]  affirmat, P. 4  simpliciter ]  simplex, S.   8  modum ]  motum, S. 5  quem ]  quoniam, P. 9  qui dicitur ]  qui circulus dici­ 6  equantur ]  equatur, S.   tur, S. 7  Alius … orientem ] Alius motus est, 10  cingulus ]  om. S. quo moventur orbes stellarum fixarum, et 11  mutantibus ]  imitantibus, P. est motus ab occidentem ad orientem, S.   8  modum ]  motum, S.   9  qui dicitur ]  qui circulus dicitur, S.   10  cingulus ]  om. S.   11  mutantibus ]  imitantibus, P.

KAPITEL 91

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KAPITEL 91 Die Ansicht des Ptolemäus über die zwei ersten Himmelsbewegungen [113]

[114]

Ptolemäus und die meisten seiner Nachfolger behaupten, dass es zwei erste Bewegungen des Himmels gibt.852 Die erste Bewegung ist diejenige, von der alle Gestirne über zwei Pole, die als Weltpole bezeichnet werden, gleichmäßig von Osten nach Westen geführt werden, wobei [die Bewegung] beliebiger Punkte auf der Welt in Parallelkreisen verläuft. Ein Punkt in der Mitte beschreibt das Maximum und wird Äquinoktialpunkt genannt. Das ist der Punkt, den die Sonne sinnlich wahrnehmbar während der genannten Bewegung zu dem Zeitpunkt einnimmt, an dem Tag und Nacht gleich lang sind. Durch die zweite Bewegung werden die Wandelsterne [d. h. die Planeten] und auch der Fixsternhimmel bewegt. Diese Bewegung verläuft der ersten Bewegung entgegengesetzt von Westen nach Osten entlang zweier weiterer Pole, deren gegenseitiger Mittelpunkt einen Kreis beschreibt, der als Tierkreis bezeichnet wird, auf dessen Ebene die Sonne entsprechend dieser zweiten Bewegung bewegt wird, wobei die anderen Planeten von ihr abweichen. Zur Erkenntnis der ersten Bewegung durch den Sehsinn sind sie dadurch gelangt, dass sie alle Gestirne entlang wahrnehmbarer Parallelkreise zum Äquator am Himmel jeden Tag zuerst aufgehen, dann den Himmel durchqueren und danach untergehen gesehen haben. Zu der zweiten Bewegung sind sie auch durch eine ähnliche visuelle Erfahrung gelangt, da sie gesehen haben, dass alle Wandelsterne von den Fixsternen, die ihre Positionen nicht verändern, nach Osten abgedreht sind, nachdem sie mit diesen gemeinsam verlaufen sind. [Weiterhin haben sie gesehen,] dass sie sich nicht entlang von Parallelkreisen zum Äquator bewegen, sondern auch von diesen Kreisbewegungen abweichen. Wenn diese Abweichung entlang des Bogens des Äquators stattfinden würde, sagt Ptolemäus, dass es ausreichen würde, eine nach Westen verlaufende Bewegung für alle Himmelskörper anzunehmen, sodass jene Abweichung nach

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[115]

[ 116]

Teil II

illa separatio ad orientem non esset1 per motum planetarum, nisi secundum estimationem; ymo esset per majorem velocitatem motus stellarum fixarum; et tunc diceretur arcus separationis proprie incurvatio planete. Sed propter hoc quod cum separatione ad orientem, videmus etiam eos habere motum ad septentrionem et ad2 meridiem a circulo equinoctiali, affirmat Ptolomeus3 quod talis separatio fuerit propter hoc quod omnes planete habent4 motum ad orientem super circulum declivem5 a circulo equinoctiali. Et consimilem etiam motum ponit in stellis fixis continuum qui, quamvis in modico tempore imperceptibilis fuerit, tamen in prolixo experimentis instrumentalibus manifestatur. Et cum assertione omnium philosophantium et6 rationibus innumerabilibus et7 necessariis pateat omnem motum in celo esse circularem, continuum et regularem, et motus planetarum appareant8 extra circularitatem, discontinui et irregulares, ut apparentia rationi non contradicat, ymaginatus est Ptolomeus planetas describere circulos quorum centra sunt extra centrum mundi, qui dicuntur ecentrici, et epiciclos, quorum centra sunt in ipsis ecentricis. Ponit9 igitur planetam vel centrum epicicli, in quo epiciclo existit planeta, describere ecentricum circularem10, continue et regulariter; et planetam etiam eodem modo describere epiciclum; et omnem motum planetarum dictas proprietates participare. Sed11 quoniam aspectus noster non exit a centris epiciclorum, nec etiam ecentricorum, ita quod ad ipsos sicut ad objectum terminetur, ymo exit quasi a medio celi ultimi et ad ipsum finitur, in comparatione ad eundem situs12 planetarum et eorum13 motus dijudicans, necesse est, cum uniformiter moveantur in suis ecentricis 1  esset ]  est, P. 2  ad ]  om. S.   3  Ptolomeus ]  Tholomeus, S.   4  habent ]  habeant, S.   5  declivem ]  declinantem, S.   6  et ]  et in, S.   7  Innumerabilibus et ]  verisimilibus ac, S.   8  appareant ]  appareat, P. 9  Ponit ]  Pone, S.   10  circularem ]  circulariter, S.   11  sed ]  om. S.   12  situs ]  situm, S.   13  eorum ]  eorundem, S.  

  9  Ponit ]  Pone, S. 10  circularem ]  circulariter, S. 11  sed ]  om. S. 12  situs ]  situm, S. 13  eorum ]  eorundem, S.

KAPITEL 91

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[ 116]

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Osten nicht wirklich von der Eigenbewegung der Planeten ausginge, sondern dass es uns nur so schiene. Denn der Grund für diese Abweichung läge in diesem Fall darin, dass sich der Fixsternhimmel einfach schneller bewegen würde. Man könnte die abweichenden Kreisbahnen dann auf eine stärkere Krümmung der Planetenbewegungen zurückführen. Doch da die Planeten neben der abweichenden Ostbewegung auch noch nach Norden und Süden vom Äquator abweichen, nimmt Ptolemäus an, dass jene Abweichung darauf zurückzuführen sein müsse, dass alle Planeten noch eine nach Osten verlaufende Bewegung entlang einer zum Äquator schiefen Kreisbahn haben. Eine ähnliche gleichmäßige Bewegung schreibt er auch den Fixsternen zu. Diese Bewegung geht zwar in einem unwahrnehmbar langen Zeitraum vor sich, lässt sich aber durch eine auf lange Zeit angelegte und mit Hilfe von Instrumenten durchgeführte Beobachtung nachweisen. Da aus den Behauptungen aller Philosophen und aus unzähligen und notwendigen Vernunftgründen jedoch hervorgeht, dass jede Bewegung am Himmel kreisförmig, kontinuierlich und gleichmäßig sein muss; und da die Bewegungen der Planeten unkreisförmig, diskontinuierlich und ungleichmäßig sind, hat Ptolemäus es sich einfallen lassen – um den Erscheinungen nicht widersprechen zu müssen –, für die Planeten Kreise zu beschreiben, deren Mittelpunkte sich außerhalb des Mittelpunktes der Welt befinden, die ›Exzenter‹ genannt werden. Ebenso hat er auch Epizykel postuliert, deren Mittelpunkte auf den Exzentern liegen. Er nimmt also bei allen Planeten kleine Kreise [die Epizykel] an, auf denen sich die Planeten entlang der exzentrischen Kreise kreisförmig, gleichförmig und gleichmäßig bewegen. Aber da unser Blick nicht von den Mittelpunkten der Epizykel und auch nicht von den Exzentern herkommt, sodass er bis zu diesen wie bis zu einem Gegenstand hinreichen würde, sondern da er vielmehr sozusagen von dem Mittelpunkt des letzten Himmels ausgeht und bei ihm endet, ist es beim Beurteilen des Vergleichs zwischen der Stellung der Planeten und deren Bewegungen notwendig der Fall, dass sie sich ungleichmäßig zu bewegen scheinen, obwohl

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Teil II

et1 epiciclis, ut inuniformiter moveri appareant. Et erit possibile ut aliquando videantur moveri ad orientem, aliquando2 ad occidentem, aliquando velocius, aliquando tardius; et etiam quandoque3 quiescere a motu alio quam a motu universali primo. Nec4 est tunc contrarietas apparentie ad rationem, cum non sit uniformis5 motus respectu6 ejusdem circuli respectu cujus apparet eorum in­uni­ formitas7.

CAPITULUM XCII. De motu solis. II 8 [117]

[118]

In Sole igitur, quia diversitas in suo motu apparens una est9, videlicet quod aliquando apparet velocior, aliquando tardior, sufficit10 secundum Ptolomeum ponere motum ejus in ecentrico tantum, vel in epiciclo tantum, cujus centrum11 moveatur in circulo concentrico. Sed tamen, ut dicit, horum duorum modorum convenientior est primus, propter majorem ejus12 simplicitatem et facilitatem. Diversitatem autem predictam apparentem13 in motu Solis sic deprehendebat: Experimentis enim instrumentalibus considerando, adinvenit quod Sol movetur per quartam que est ab equinoctio vernali usque ad punctum solstitii estivalis in 94 diebus et medietate diei; et per quartam proxime14 sequentem, videlicet a dicto solstitio usque ad punctum equinoctii autumnalis, in 92 diebus et medietate diei; et per duas quartas residuas in residuis diebus anni, scilicet 178 diebus et quarta diei fere; per has tamen quartas, adhuc inequaliter; quoniam per quartam que est ab equalitate autum­nali 1  et ]  seu, S.   2  aliquando ]  et eciam aliquando, S.   8  Kapitel 3 in S. 3  quandoque ]  aliquando, S.   9  in Sole … est ]  In Sole igitur est 4  nec ]  Non, S.   diversitas in suo motu apparens. 5  uniformis ]  uniformitas, S.   Una est, S.  (dann weiter wie in P). 6  respectu ]  respectu respectu P. 10  sufficit ]  et sufficit, S. 7  inuniformitas ]  uniformitas, P, S.  – 11  cujus centrum ]  centrum cujus, S. Hier ist Duhems Lesart nicht richtig. Ich 12  ejus ]  om. S. habe daher statt »inuniformitas« (wie 13  apparentem ]  apparencie, S. Duhem) »uniformitas« übersetzt. 14  proxime ]  proximo, P, S. 8  Kapitel 3 in S.   9  in Sole … est ]  In Sole igitur est diversitas in suo motu apparens. Una est, S.  (dann weiter wie in P). 10  sufficit ]  et sufficit, S.   11  cujus centrum ]  centrum cujus, S.   12  ejus ]  om. S.   13  apparentem ]  apparencie, S.  

KAPITEL 92

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sie sich [eigentlich] auf ihren Exzentern und Epizykeln gleichförmig bewegen. Daher ist es möglich, dass die Planeten sich manchmal nach Osten, manchmal nach Westen und manchmal schneller, manchmal langsamer zu bewegen scheinen. Und manchmal scheinen sie sogar von einer anderen Bewegung als der ersten Universalbewegung zu ruhen. Doch gibt es hier keinen Widerspruch zwischen der Erscheinung und der Vernunft: denn obwohl diese Bewegung nicht in Bezug auf den eigenen Kreis gleichförmig ist, erscheint die Gleichförmigkeit doch in Bezug auf einen anderen [Kreis].

KAPITEL 92 Über die Bewegung der Sonne. II [117]

[118]

Im Fall der Bewegung der Sonne ist die scheinbare Abweichung ihrer Bewegung nur eine einzige, nämlich dass sie sich manchmal schneller und manchmal langsamer zu bewegen scheint. Daher reicht es Ptolemäus, ihre Bewegung entweder vor allem durch Exzenter oder vor allem durch Epizykel zu erklären, deren Mittelpunkt in einem konzentrischen Kreis bewegt wird. Doch Ptolemäus853 sagt, dass die erste dieser beiden Bewegungsarten wegen ihrer größeren Einfachheit und Simplizität vorzuziehen sei. Die genannte Abweichung bei der Bewegung der Sonne hat er folgendermaßen erklärt854: Wenn man mit Hilfe von Instrumenten Beobachtungen anstellt und über diese nachdenkt, gelangt man zu dem Schluss, dass die Sonne von dem Viertel [des Himmels], das sich vom Punkt der Frühlingsnachtgleiche bis zum Punkt der Sommersonnenwende erstreckt, in 94 ½ Tagen bewegt wird; das weitere angrenzende Viertel des Himmels, das vom Punkt der Sommersonnenwende bis zum Punkt der Herbstnachtgleiche reicht, durchläuft die Sonne in 92 ½ Tagen. Die zwei noch verbleibenden Viertel durchquert sie in den verbleibenden Tagen des Jahres, das heißt also in ungefähr 178 und ¼ Tagen. Allerdings braucht die Sonne für ihre Bewegung in diesen Vierteln unterschiedlich lange. Denn für das Viertel, das von der Herbstnachtgleiche bis

768

Teil II

Fig. 114

usque ad solstitium hiemale, in 88 diebus et 7, 7 minutis et 30 2is 1; et per aliam, in 90 diebus, 7 minutis et 30 2is 2 fere. Cum igitur hec quarte3 sint equales4, et tempora quibus Sol per ipsas movetur in­ equalia, patet inuniformitas5 motus Solis quantum ad zodia­cum. Propter hoc igitur ponebat6, ut dictum est, Solem7 moveri regulariter8 in circulo cujus centrum est extra centrum zodiaci, et in medietate cinguli zodiaci, et in illius medietatis quarta cujus t­ empus est prolixius; et est prima quartarum predictarum. Necesse est enim9 quod isti medietati zodiaci major arcus medietate10 ecentrici subtendatur; et ejusdem predicte11 quarte major arcus12 quam alicujus aliarum trium quartarum. Quare patet quod in­uniformiter13 1  30 2is ]  30a secundis, S.     9  est enim ]  enim est, S. 2  30 2is ]  3bus secundis, S.   10  major arcus medietate ]  3  hec quarte ]  omnes hee quarte, S.   major medietas, S. 4  equales ]  inequales, P; inter se equales, S.   11  predicte ]  om. S. 5  inuniformitas ]  uniformitas, S.   12  arcus ]  est arcus, S. 6  ponebat ]  ponebant, P, S.   13  Inuniformiter ]  cum uni­ 7  solem ]  celum, P. formiter, P. 8  regulariter ]  irregulariter, S.   14  Fig. 1 ]  om. S. 9  est enim ]  enim est, S.   10  major arcus medietate ]  major medietas, S.   11  predicte ]  om. S.   12  arcus ]  est arcus, S.   13  Inuniformiter ]  cum uniformiter, P.

KAPITEL 92

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Figur 1

zur Wintersonnenwende reicht, benötigt sie 88 Tage, 7 Minuten und 30 Sekunden. Das andere Viertel durchquert sie hingegen in ungefähr 90 Tagen, 7 Minuten und 30 Sekunden. Da diese Viertel [in ihrer Ausdehnung] gleich sind, die Zeiten, die die Sonne benötigt, um durch sie hindurchzugelangen, jedoch ungleich, ergibt sich die Ungleichförmigkeit der Sonnenbewegung entlang des Tierkreises. Aus diesem Grund hat Ptolemäus855, wie bereits angesprochen worden ist, festgelegt, dass die Sonne sich gleichmäßig in einem Kreis bewegt, dessen Mittelpunkt sich außerhalb des Mittelpunkts des Tierkreises in den Teilen des Tierkreisgürtels befindet, der in dem Viertel [des Himmels] gelegen ist, in dem [die Sonne] am längsten braucht, also dem ersten der genannten Viertel. Es ist also notwendig, dass dem großen Bogen des Tierkreises noch Exzenter hinzugefügt werden, und dass der Bogenverlauf in dem vorher genannten Viertel [des Himmels] größer als in den anderen dreien ist. Aus diesem Grund wird auch ersichtlich, warum

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Teil II

moveatur per respectum1 ad zodiacum, cum arcubus equalibus zodiaci arcus inequales ecentrici subtendantur. Sic igitur per solum ecentricum irregularitatis2 causam in motu Solis apparentis assignavit.

CAPITULUM XCIII. De motibus Lune. III 2 [ 119]

In Luna autem, et in4 aliis quinque planetis, propter multiplicem diversitatem in motibus eorum apparentem, ut causam apparentie cum simplici uniformitate assignaret5, ymaginatus est in orbibus eorum tam eccentricum, quam epiciclum; ita quod corpus planete movetur in epiciclo, et centrum epicicli in ecentrico. In Luna igitur ecentricus declinat semper a cingulo zodiaci ad septemtrionem et meridiem6, secans ipsum per duo media; et est epiciclus semper in superficie ecentrici, nunquam ab ea declinans; et movetur ecentricus totus circa centrum mundi uniformiter ab oriente ad7 occidentem, ita quod omnia puncta in circumferentia ejus, et etiam ejus centrum, describunt8 circulos ad invicem parallelos, quorum omnium centrum est centrum mundi. Movetur etiam centrum epicicli in eodem ecentrico existente in superficie zodiaci, et hoc parvo motu, ab oriente ad occidentem.9 1  Quare … respectum ] Quare patet, cum uniformiter moveatur in suo ecentrico, quod necesse est ipsum inuniformiter moveri propter respectum, S.   2  irregularitatis ]  regularitatis, P; regulantis, S.   2 In S Kapitel 4. 4  in ]  om. S.   5  cum … assignaret ]  secundum qualitatum uniformitatem assignaret, S.   6  et meridiem ]  om. S.   7  ad ]  in, S.   8  describunt ]  describit, S.   9  Movetur … occidentem. ] Movetur eciam centrum epicicli in eodem ecentrico ad occidente ad orientem uniformiter, respectu centri mundi ecentrici inuniformiter, adhuc due secciones [e]centrici et zodiaci in quodam circulo ecentrico existente in superficie zodiaci, et hoc parvo motu, ab oriente in occidentem., S.  

KAPITEL 93

771

die Sonne in Hinsicht auf den Tierkreis ungleichmäßig bewegt wird, weil den gleichmäßigen Kreisen des Tierkreises noch ungleiche Exzenter hinzugefügt werden. Auf diese Weise hat [Ptolemäus] die erscheinenden Abweichungen der Sonnenbewegung nur durch die Ungleichmäßigkeit der Exzenter erklärt.

KAPITEL 93 Über die Bewegungen des Mondes. III [ 119]

Um die vielfach abweichenden Bewegungen des Mondes und der anderen fünf Planeten mit einem einfachen und für alle gleichen Grund erklären zu können, hat Ptolemäus sich die Kreise der Planeten sowohl als Exzenter und gleichzeitig auch als Epizykel vorgestellt, sodass der Körper eines Planeten auf einem Epizykel bewegt wird, dessen Mittelpunkt sich auf einem Exzenter befindet. Beim Mond weicht der Exzenter von der Bahn des Tierkreises nach Norden und nach Süden ab und teilt ihn in zwei Hälften. Sein Epizykel verläuft immer entlang der Fläche seines Exzenters, ohne jemals von ihm abzuweichen. Auf diesem Exzenter wird der Mond immer gleichmäßig um den Weltmittelpunkt von Osten nach Westen bewegt, sodass alle Punkte auf seiner Ebene und sein Mittelpunkt Parallelkreise beschreiben, deren Mittelpunkt der Weltmittelpunkt ist. Der Mittelpunkt seines Epizykels wird also auf demselben Exzenter bewegt, der sich auch auf der Ebene des Tierkreises befindet, und er wird langsam von Osten nach Westen bewegt.

772 [ 120]

Teil II

Et proportionantur ita isti tres motus cum motu etiam Solis, quod Sol, secundum medium ejus motum, semper est in medio inter medium locum Lune et punctum ecentrici qui maxime elongatur a centro mundi, quod1 appellatur longitudo longior, vel aux ecentrici2 Lune. Preter dictos autem motus, adhuc imaginatus est Lunam moveri in epiciclo; in parte superiore ab oriente ad3 occidentem; in inferiori econverso4. Hii sunt igitur tres circuli, vel melius duo tantum, et motus quatuor appropriati Lune, secundum Ptolomeum, ad salvandum apparentiam5.

CAPITULUM XCIV. De motu Saturni, Jovis et Martis. IIII 6 [121]

[ 122]

[ 123]

In Saturno, Jove et Marte, imaginatus est duos eccentricos cum epiciclo; qui duo ecentrici sunt in una superficie, declinante semper a cingulo zodiaci, secantes ipsum in duo media. Et in uno illorum7 movetur centrum epicicli ab oriente ad occidentem, et vocatur deferens. Sed respectu centri ejus, movetur epiciclus inuniformiter. Alius autem circulus vocatur equans, quia respectu centri ejus movetur centrum epicicli equaliter. Situantur autem eorum centra, cum centro zodiaci, in una linea recta, centro deferentis existente in medio. Movetur etiam planeta in epiciclo in parte superiori ab occidente in8 orientem, et in inferiore econverso9. Non est autem10 epiciclus in his situatus in superficie ecentrici semper, sicut in Luna; ymo, aliquando est in ipsa, et aliquando ab ea declinat, secando ipsam; nunquam tamen secat ipsam11 per1  quod ]  et, S.   2  ecentrici ]  centri, S.   3  ad ]  in, S. 4  econverso ]  econtrario, S.   5  apparentiam ]  apparenciam in ipsa, S.   6  Kein eigenes Kapitel in S.   7  uno illorum ]  uno quoque istorum, S.   8  in ]  ad, S.   9  et … econverso ]  om. S.   10  est autem ]  autem est, S.   11  secat ipsam ]  ipsam secat, S.  

  9  et … econverso ]  om. S. 10  est autem ]  autem est, S. 11  secat ipsam ]  ipsam secat, S.

KAPITEL 94 [ 120]

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Diese drei Bewegungen werden so mit der Bewegung der Sonne in ein Verhältnis gesetzt, dass die Sonne sich entsprechend ihrer mittleren Bewegung immer zwischen dem Ort des Mondes und dem Punkt seines Exzenters befindet, der am weitesten von der Erde entfernt ist. Dieser Punkt wird auch als die größte Entfernung oder als ›Aux‹ des Exzenters des Mondes bezeichnet. Um die genannten Bewegungen zu erklären, hat sich Ptolemäus demnach vorgestellt, dass der Mond sich auf einem Epizykel bewegen muss, der im oberen Teil von Osten nach Westen und im unteren Teil in die umgekehrte Richtung verläuft. Das sind also die drei oder vielmehr zwei Kreise und vier Bewegungen, die für den Mond nach Ptolemäus erforderlich sind, um seine Erscheinung zu bewahren.

KAPITEL 94 Über die Bewegung von Saturn, Jupiter und Mars. IV [ 121]

[ 122]

[ 123]

Für den Saturn, den Jupiter und den Mars hat er sich jeweils zwei Exzenter mit einem Epizykel vorgestellt. Die zwei Exzenter befinden sich hierbei auf einer Ebene, die immer vom Tierkreis abweicht und ihn in zwei Hälften teilt. Auf einem dieser beiden [Exzenter], die der ›Deferent‹ genannt wird, wird der Mittelpunkt des Epizykels von Osten nach Westen bewegt. Doch in Hinblick auf sein Zentrum [des Deferenten] bewegt sich der Epizykel ungleichmäßig. Der andere Kreis wird als ›Äquant‹ bezeichnet, weil sein Mittelpunkt sich gegenüber den Mittelpunkten der Epizykel in stets gleichem Abstand bewegt. Alle Mittelpunkte dieser Kreise liegen mit dem Mittelpunkt des Tierkreises auf einer geraden Linie, wobei der Mittelpunkt des Deferenten sich in der Mitte befindet. Ein Planet wird also auf einem Epizykel im oberen Teil von Osten nach Westen, im unteren Teil umgekehrt bewegt. Im Fall der Planeten befindet sich der Epizykel jedoch nicht immer auf der Ebene der Exzenter, wie es beim Mond der Fall ist; vielmehr befindet er sich manchmal darauf, manchmal weicht er jedoch auch davon ab und schneidet [den Exzenter], doch er schnei-

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Teil II

pendiculariter. Signatis igitur duobus punctis in epiciclo, quorum unus maxime distat a centro mundi, qui vocatur aux epicicli, et alius ei oppositus, atque aliis duobus utrinque1 ab aliis per quartam distantibus, qui dicuntur longitudines medie epicicli, debemus secundum Ptolomeum imaginari quod totus epiciclus moveatur super diametrum immobilem transeuntem per2 duas longitudines medias, a septentrione ad meridiem, et econverso3, non complendo circulationem4. Sed cum aliquantulum declinaverit medietas epicicli, in qua5 est aux ejus, versus septentrionem, a superficie ecentrici, et alia medietas versus meridiem6, incipit moveri totus epiciclus, videlicet medietas in qua est aux7 versus meridiem, et alia versus septentrionem, quousque epiciclus fuerit in superficie ecentrici, et ulterius quousque aux fuerit in tanta declinatione ab ecentrico in8 meridiem in quanta fuit9 prius ad septentrionem, et ejus oppositio10 e converso11. Deinde revertitur epiciclus ad situm priorem. Itaque cum12 quilibet punctus epicicli, preter duas longitudines medias, motu epicicli descripsit portionem circuli sectam per duo media a superficie ecentrici, per eandem portionem revertendo movetur; et semper cum ad utrumlibet13 ejus terminum pervenerit, iterum quasi reflexive movetur ad alterum. His igitur tribus appropriantur tres circuli et tres motus, ad imaginandum causas apparentium in ipsis.

1  utrinque ]  utrisque, S.   2  per ]  super, S.   3  econverso ]  econtrario, S.   4  circulationem ]  circulum, S.   5  qua ]  quo, S.   6  meridiem ]  meridiem in qua est aux, S.   7  aux ]  axis, S.   8  in ]  ad, S.   9  fuit ]  fuerit, S.   10  oppositio ]  opposito, P. 11  converso ]  contrario, S.   12  priorem. Itaque cum ]  priorem, ita quod, S.   13  utrumlibet ]  utrumque, S.  

KAPITEL 94

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det ihn niemals senkrecht. Es können also auf einem Epizykel zwei Punkte angegeben werden. Einer der Punkte ist am weitesten vom Erdmittelpunkt entfernt und wird ›Aux des Epizkels‹ genannt. Der andere Punkt liegt diesem Punkt gegenüber und wird ›Oppositus‹ genannt. Zudem gibt es noch zwei weitere Punkte, die je ein Viertel von den anderen entfernt sind, und die ›mittlere Längen‹ des Epizykels genannt werden. Wir müssen uns nach Ptolemäus also vorstellen, dass jeder Epizykel um einen unbeweglichen Durchmesser herum, der von zwei Mittellinien geschnitten wird, von Norden nach Süden und anders herum bewegt wird, ohne dass diese Bewegung jemals zu einem Abschluss kommt. Doch wenn jene Hälfte des Epizkels, in der sich seine Aux befindet, auch nur ein bisschen nach Norden abweicht und die andere Hälfte nach Süden, beginnt sich der ganze Epizykel zurückzubewegen, sodass sich die Hälfte, in der sich seine Aux befindet, nun nach Süden bewegt und die andere Hälfte nach Norden. Das geht so weit, bis der Epizykel wieder auf der Ebene des Exzenters sein wird und seine Aux sich in so großer Abweichung vom Exzenter in Richtung Süden befinden wird, wie er es vorher im Norden war, wobei es sich für seinen Oppositus umgekehrt verhält. Danach kehrt der Epizykel wieder in seine vorherige Lage zurück. Daher beschreibt die Bewegung des Epizykels für jeden Punkt auf dem Epizykel eine Kreisbewegung, die durch zwei Mittelpunkte auf der Oberfläche des Exzenters geteilt und dann zum gleichen Teil wieder zurückbewegt wird. Und immer, wenn er an irgendeinen dieser beiden Endpunkte gelangt, ändert der Epizykel seine Richtung und läuft zu dem anderen Punkt zurück. Für diese drei Planeten sind also drei Kreise und drei Bewegungen erforderlich, um die Gründe für ihre Erscheinungen angeben zu können.

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Teil II

CAPITULUM XCV. De motibus Veneris et Mercurii. V 1 [ 124]

[ 125]

In Venere et Mercurio similiter ymaginandi sunt duo ecentrici in eadem superficie, et epiciclus. In Venere eodem modo semper sunt dispositi ecentrici quantum ad centrum eorum, sicut in tribus superioribus. Sed in Mercurio est dissimilitudo, quoniam deferens ejus totus2, sicut deferens Lune, movetur continue ab oriente ad3 occidentem, circa quoddam punctum quod tantum distat a centro equantis quantum centrum equantis a centro mundi. Unde aliquando idem4 est centrum ejus cum centro equantis, aliquando distat ab ipso5 per duplum distantie centri equantis a centro mundi, scilicet cum ipsa tria puncta6 fuerint in una linea recta7. Movetur etiam centrum epicicli a8 planeta in epiciclo, et etiam epiciclus super longitudines medias in his sicut in9 aliis tribus. Et propter hoc appropriantur istis10 duobus duo motus, qui non sunt in aliis: Quorum unus est ecentrici deferentis, secundum11 latitudinem super diametrum zodiaci, que est eorum sectio communis12, per quem13 aux ejus aliquando declinat a zodiaco ad septentrionem, aliquando ad meridiem; et assimilantur14 motui predicto epicicli super longitudines medias, cum non sit secundum circulum completum, sed quasi reflexivus. Alius motus est epicicli. Nam preter motum quem habet epiciclus super longitudines medias, movetur consimili motu super diametrum qui transit per augem15 epicicli et oppositum augis; ita quod quantum ad hunc motum, quilibet punctus16 epicicli, preter augem 1  Auch Kapitel 5 in S.   2  totus ]  totum, S.   11  secundum ]  per, S. 3  ad ]  in, S.   12  diametrum … communis ]  dya4  idem ]  om. S.   metrum, secundum quod est eorum 5  ab ipso ]  a centro ipso, S.   seccio communis, S. 6  puncta ]  om. S. 13  quem ]  quam, S. 7  recta ]  recta puncta, S.   14  assimilantur ]  assimilatur, S. 8  a ]  et, S.   15  qui transit per augem ]  que transit 9  in ]  et in, S.   per aux, S. 10  istis ]  om, S.   16  punctus ]  motus, S. 11  secundum ]  per, S.   12  diametrum … communis ]  dyametrum, secundum quod est eorum seccio communis, S.   13  quem ]  quam, S.   14  assimilantur ]  assimilatur, S.   15  qui transit per augem ]  que transit per aux, S.   16  punctus ]  motus, S.  

KAPITEL 95

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KAPITEL 95 Über die Bewegungen von Venus und Merkur. V [ 124]

[ 125]

Für die Venus und den Merkur hat man sich in ähnlicher Weise zwei Exzenter auf derselben Ebene und einen Epizykel vorgestellt. Bei der Venus sind die Exzenter, ebenso wie bei den drei oben genannten Planeten, immer auf dieselbe Weise um ihren Mittelpunkt herum angeordnet. Doch beim Merkur gibt es einen Unter­ schied, weil sein Deferent, ebenso wie der Deferent des Mondes, kontinuierlich von Osten nach Westen um einen Punkt herum bewegt wird, der ebenso weit vom Mittelpunkt des Äquanten entfernt ist, wie der Mittelpunkt des Äquanten vom Mittelpunkt der Welt. Manchmal ist sein Mittelpunkt mit dem Mittelpunkt des Äquanten also identisch, manchmal ist er jedoch doppelt so weit von diesem entfernt wie der Mittelpunkt des Äquanten von dem Mittelpunkt der Welt, nämlich dann, wenn diese drei Punkte in einer geraden Linie stehen. Es wird also der Mittelpunkt des Epi­ zykel von dem Planeten auf einem Epizykel bewegt, und ebenso wird der Epizykel – ebenso wie bei den anderen drei Planeten – entlang der mittleren Punkte bewegt. Aus diesem Grund treten bei den beiden Planeten [Venus und Merkur] zwei Bewegungen auf, die bei den anderen Planeten nicht vorkommen: Die eine Bewegung ist die Bewegung des Exzenters des Deferenten entlang der Breite über dem Durchmesser des Tierkreises, die ihren gemeinsamen Abschnitt bildet, und durch die seine Aux manchmal vom Tierkreis nach Norden abweicht, manchmal nach Süden. Die vorher genannte Bewegung des Epizykels über den mittleren Breiten wird hier nur angeglichen, weil sie sich nicht in einem vollständigen Kreis bewegt, sondern quasi reflexiv. Die andere Bewegung ist die des Epizykels. Denn neben der Bewegung, die der Epizykel entlang den mittleren Breiten vollzieht, führt er noch eine ähnliche Bewegung entlang des Durchmessers aus, die durch die Aux des Epizykels und den Oppositus der Aux verläuft, sodass diese Bewegung betreffend jeder Punkt des Epizykels – außerhalb der Aux und deren Opposition – noch einen

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[ 126]

Teil II

et ejus oppositionem1, describit portionem circuli quasi reflexive; quas omnes portiones secat superficies ecentrici per duo media. Unde accidit quod eadem longitudo media aliquando sit in superficie ecentrici, aliquando declinans ad septentrionem, quandoque ad meridiem. Veneri igitur2 appropriantur tres circuli et quinque motus. In Mercurio tres circuli et sex motus, ad salvandum ea que in ipsis3 apparent. Sed que sunt apparentia propter que tot circulos, et motus ymaginatus est Ptolomeus in Luna et in quinque aliis predictis4, nimis prolixum esset hic declarare; sed ipsa scire poterit qui Almagesti inspicere voluerit5.

CAPITULUM XCVI. De sententiis aliorum qui imitati sunt Ptolomeum6 [ 127]

Sunt autem Ptolomeum imitati in qualitatibus7 dictorum motuum Albategni, Thebit8 et Azarchel, cum aliis pluribus; nisi quod Thebit alium motum quam posuerit Ptolomeus9 in orbe stellarum fixarum adinvenit. Nam, sicut explanatur in Almagesti10, Ptolomeus11, per considerationes12 Abrachis et aliorum qui ipsum precesserunt relatas, putabat motum orbis stellarum fixarum13 esse continuum et uniformem ab occidente ad orientem super polos zodiaci, in 100 annis per unum gradum fere.

  9  quam posuerit Ptolomeus ]  quam 1  oppositionem ]  oppositum, S.   Ptholomeus posuit, S. 2  igitur ]  autem, S.   10  sicut explanatur in Almagesti ] si3  ipsis ]  eis, S.   cut explanat Ptholomeus, S. 4  in quinque aliis predictis ]  et 11  Ptolomeus ]  om. S. quinque aliis, S.   12  per considerationes ]  per considera­ 5  sed … voluerit ]  sed potest ciones suas ad consideraciones. ipse scire qui Almagesti diligenter 13  motum orbis stellarum fixarum  ]  inspicere voluerit, S.   morum ejus, S. 6  Kapitel 6 in S.   7  qualitatibus ]  quolibet, S.   8  Thebit ]  Thebith, S.  (so immer in S). 9  quam posuerit Ptolomeus ]  quam Ptholomeus posuit, S.   10  sicut explanatur in Almagesti ]  sicut explanat Ptholomeus, S.   11  Ptolomeus ]  om. S.   12  per considerationes ]  per consideraciones suas ad consideraciones 13  motum orbis stellarum fixarum ]  morum ejus, S.  

KAPITEL 96

[ 126]

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reflexiven Teil des Epizykels beschreibt. Die Ebene des Exzenters schneidet also alle Teile in zwei Hälften. Daher kommt es vor, dass sich dieselbe mittlere Breite manchmal auf der Oberfläche des Exzenters befindet, manchmal nach Norden abweicht, manchmal auch nach Süden. Die Venus hat drei Kreise und fünf Bewegungen. Für den Merkur werden drei Kreise und sechs Bewegungen angenommen, damit seine Erscheinungen gewahrt bleiben. Doch wie die Erscheinungen durch alle Kreise und Bewegungen, die sich Ptolemäus für den Mond und die anderen genannten Planeten überlegt hat, beschrieben werden können, ist zu langwierig, um es hier zu erklären; das wird nur jemand in Erfahrung bringen können, der Lust darauf hat, den Almagest 856 sorgfältig zu lesen.

KAPITEL 96 Über die Ansichten anderer, die Ptolemäus nachgeahmt haben [ 127]

Die Eigenschaften der genannten Bewegungen von Ptolemäus haben viele aufgenommen, unter anderem Albategni857, Thebit 858 und Azarchel859, nur dass Thebit bezüglich des Fixsternhimmels noch eine andere Bewegung als Ptolemäus gefunden hat. Denn im Almagest 860 wird erklärt, dass Ptolemäus wegen der Überlegungen von Abrachis861 und anderen Vorgängern angenommen hatte, dass die Bewegung des Fixsternhimmels kontinuierlich und gleichmäßig von Osten nach Westen entlang der Pole des Tierkreises verlaufe und sich in 100 Jahren um etwa einen Grad verändere.

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Teil II

Sed Albategni post Ptholomeum inuniformitatem sui1 motus tam secundum longitudinem quam secundum latitudinem deprehendebat, et quod non equali velocitate secundum successionem signorum procedebat; qualitatem tamen sui motus non invenit. Sed Thebit post ipsum, causam diversitatis conjectans, motum2 ejus ante et retro super duos circulos parvos super capita Arietis et Libre fixa descriptos3, quorum diameter est octo graduum et 37 minutorum, 26 2orum 4, deprehendit. Illos autem circulos describunt caput Arietis et caput Libre5, que imaginantur in orbe stellato6. Et patet, quia cum totus orbis7 per dictum motum moveatur, quod necesse est stellas aliquando moveri secundum successionem signorum, dum scilicet describitur una medietas duorum8 circulorum, aliquando contra successionem, dum scilicet describitur alia eorum medietas; primus motus vocatur accessus, secundus recessus. Et necesse est9 eandem stellam, vel idem punctum orbis, aliquando declinare ad septentrionem a zodiaco fixo, aliquando ad meridiem, et quandoque sibi conjungi. Et hoc motu secundum Thebit moventur omnes orbes inferiores10; unde, secundum ipsum, auges ­omnium11 planetarum mutant sua loca; quod tamen est contra Ptholomeum quantum ad orbem Solis. Hunc autem motum post Thebit approbavit Azarchel; et ad ipsum tabulas Toleti composuit.

1  sui ]  secundi, S.   2  motum ]  motus, S.   3  descriptos ]  descripciones, S.   4  2orum ]  secundorum, S.   5  caput Libre ]  Libre caput, S.   6  Stellato ]  stellarum, S.   7  Et patet, quia cum totus orbis ]  Et patet, quod cum motus orbis, S.   8  duorum ]  dictorum, D. 9  est ]  est eciam, S.   10  inferiores ]  inferiorum, S.   11  omnium ]  om. S.  

KAPITEL 96 [ 128]

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Doch nach Ptolemäus hat Albategni862 neben einer Ungleichmäßigkeit in der Längen- und Breitenbewegung [des Fixsternhimmels] zugleich entdeckt, dass er sich nicht mit der gleichen Geschwindigkeit wie die Tierkreiszeichen bewegt hat. Die Art der ­Bewegung [des Fixsternhimmels] konnte er jedoch nicht finden. Doch Thebit863 hat nach ihm, als er über den Grund dieser Ungleichmäßigkeit nachdachte, die Bewegung [des Fixsternhimmels] vor und hinter zwei kleinen Kreisen über den Köpfen des Widder und der feststehenden Waage beschrieben, deren Durchmesser acht Grad, 37 Minuten und 26 Sekunden beträgt. Diese Kreise also beschreiben der Widderkopf und der Kopf der Waage, die als am Fixsternhimmel stehend gedacht werden. Hierbei ist es klar – da die gesamte Sphäre durch diese Bewegung bewegt wird –, dass die Sterne sich notwendig manchmal entsprechend der Abfolge der Sternzeichen bewegen, so lange bis eine Hälfte von zwei Kreisen beschrieben wird, manchmal jedoch auch zur Abfolge der Sterne entgegengesetzt, bis sie die andere Hälfte durchquert haben. Die erste dieser Bewegungen heißt ›Annäherung‹ [accessus], die zweite Bewegung heißt ›Zurückgehen‹ [reces­ sus].864 Es ist aber für jeden Stern und jeden Punkt dieser Sphäre notwendig, manchmal vom Tierkreis nach Norden abzuweichen, manchmal nach Süden, und manchmal mit dem Tierkreis verbunden zu sein. Durch diese Bewegung werden nach Thebit alle niederen Sphären bewegt. Nach Thebit verändert auch die Aux eines jeden Planeten ihren Ort, was freilich – zumindest was die Sphäre der Sonne betrifft – gegen die Ansicht des Ptolemäus ist. Diese Bewegung hat nach Thebit allerdings auch Azarchel anerkannt, durch den die Toledanischen Tafeln 865 angefertigt worden sind.

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Teil II

CAPITULUM XCVII. Notanda est scientia Alpetragii, qui nititur reprobare sententias predictorum, et opiniones naturalium stabilire1 [132]

[ 133]

Post Ptolomeum et dictos ejus sequaces, Alpetragius, consideratis omnibus2 in celo secundum Ptolomeum vel3 Thebit apparentibus, alias radices et qualitates motuum magis nature et rationi concordes, quibus apparentia salvaret, adinvenit4, non ponendo ecentricum, nec epiciclum, nec motus5 in contrarias partes, sed omnes ab oriente ad6 occidentem, et stellam fixam in orbe solum moveri per motum sui orbis. Ponit igitur in celo tantum unum motum primum et principalem quem posuit Ptolomeus, et est ab oriente ad4 occidentem continuus, uniformis et velocissimus super duos polos, qui dicuntur poli mundi. Et cum celum per plures orbes distinguatur8, hic motus orbi primo appropriatur, et virtute hujus celi, quam recipit a suo motore, moventur omnes orbes inferiores, et elementa omnia preter terram. Sed quoniam omnis virtus finita a motore, ­d irivata fortior est propinqua quam remota, et etiam secundum remotionem majorem proportionaliter remittitur9, et10 a fortiori virtute major velocitas causatur, necesse est orbes propinquiores orbi primo velocius secundum hunc motum11 moveri, et remotiores tardius. Et hec est una ejus radix, ex qua quorundam apparentium in celo causas extrahit.

1  Kapitel 7 in S.   2  omnibus ]  omnibus motibus, S.   3  vel ]  et, S.   4  salvaret, adinvenit ]  salvari adinvenit, S.   5  motus ]  motum, S.   6  ad ]  in, S.   4  ad ]  in, S.   8  distinguatur ]  distinguitur, S.   9  remittitur ]  remititur, P.; revertitur, S.   10  et ]  om. S.   11  motum ]  om. S.  

KAPITEL 97

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KAPITEL 97 Bemerkenswert ist auch die Ansicht des Alpetragius, der sich bemüht, die vorher genannten Ansichten zurückzuweisen und die Ansichten der Naturphilosophen zu stärken [132]

[ 133]

Nach Ptolemäus und dessen genannten Anhängern hat Alpetragius866, nachdem er alle Erscheinungen des Himmels entsprechend Ptolemäus’ und Thebits [Erklärungen] bedacht hatte, andere Wurzeln und Eigenschaften der Bewegungen gefunden, die mehr mit der Natur und der Vernunft übereinstimmen, und die die Erscheinungen besser bewahren können. Er hat nämlich keine Exzenter und keine Epizykel angenommen und ist auch nicht von einer Bewegung in verschiedene Richtungen ausgegangen, sondern er hat die Ansicht vertreten, dass sich alles von Osten nach Westen bewegt, und dass der Fixsternhimmel nur durch die Bewegung seiner eigenen Sphäre bewegt wird.867 Er nimmt also am Himmel nur jene erste und grundsätzliche von Osten nach Westen verlaufende Bewegung an, die auch schon Ptolemäus angenommen hatte. Diese Bewegung verläuft kontinuierlich, gleichmäßig und äußerst schnell entlang zweier Pole, die er als ›Weltpole‹ bezeichnet hat868. Da der Himmel in mehrere Sphären unterteilt ist, hat er diese Bewegung der ersten Sphäre zugesprochen. Durch die Kraft dieser Sphäre, die aus dieser Bewegung gewonnen wird, werden alle unteren Sphären ebenso bewegt wie alle Elemente außer der Erde. Aber da jede endliche Kraft, die von dem ersten Antrieb der Bewegung abgeleitet wird, in der Nähe stärker als in der Entfernung wirkt und dementsprechend proportional zur Entfernung vermindert wird, und da von einer größeren Kraft eine größere Geschwindigkeit verursacht wird, müssen die der ersten Sphäre näher liegenden Sphären durch diese Bewegung auch schneller bewegt werden, die weiter entfernt liegenden jedoch langsamer. Das ist eine der grundsätzlichen Annahmen, mit denen er die Erscheinungen am Himmel erklärt.

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[ 135]

[ 136]

Teil II

Et confirmat hanc radicem per hoc, quod in elementis1 patet hujus­ modi motus dirivatio. Quoniam in elemento ignis, ut dicit, videmus in crepusculo vespertino corpora incensa similia stellis mota cum motu stellarum, et sequentes2 ipsas, quousque abscondantur. Per quod ostendit elementum ignis circulari motu virtute predicta deferri. Elementum etiam aeris affirmat ita moveri, quamvis in ejus motu sit latitatio; et hoc potest esse quia vehementer mobilis est in suis partibus, qui huc illuc inordinate3 a vento propelluntur; et etiam quia propter sui perspicuitatem est solum medium in visu, et ideo suus4 motus est visus5 imperceptibilis, cum non sit corpus aliquod visibile luminosum fixum in ipso, per cujus motus poterimus ratione motum ipsius perpendere6. In aqua autem, dicit7 motum predictum8 apparere, scilicet in fluxu maris9, licet motus ejus sit incomplete circulationis; hoc autem est propter ejus ponderositatem. Motus igitur ejus ad occidentem, qui appellatur fluxus, est a virtute predicta que, pro10 sua11 debilitate, cum sit ibi multum remota a sua origine, et etiam12 propter aque ponderositatem, que inclinat aquam ad motum oppositum, non sufficit ipsam completa circulatione moveri13. Et ideo, ante complementum, virtute sue ponderositatis regreditur14. Et hic motus dicitur reflexio15. Motus autem aque quem habet a virtute celi tardior est motu aeris, et motus aeris motu ignis. Terra autem, propter sui nimiam ponderositatem16 et predicte virtutis debilitatem, simpliciter immobilis perseverat. 1  elementis ]  celo, S.     9  scilicet in maris ]  in fluxu sci2  sequentes ]  sequentia, S.   licet maris, S. 3  inordinate ]  ordinate, S.   10  pro ]  pre, P., S. 4  suus ]  sensus, S.   11  sua ]  sui, S. 5  visus ]  visui, S.   12  etiam ]  om. S. 6  per … perpendere ]  per cujus mo13  moveri ]  movere, S. tum possemus racionem motus ipsius 14  regreditur ]  regiratur, S. perpendere, S.   15  reflexio ]  refluxus, S. 7  dicit ]  dixit, S.   16  nimiam ponderositatem ]  pon8  predictum ]  predictum predic­ deracionem; om. nimiam, S. tum, P. 9  scilicet in maris ]  in fluxu scilicet maris, S.   10  pro ]  pre, P., S.   11  sua ]  sui, S.   12  etiam ]  om. S.   13  moveri ]  movere, S.   14  regreditur ]  regiratur, S.   15  reflexio ]  refluxus, S.  

KAPITEL 97 [ 134]

[ 135]

[ 136]

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Er bestätigt diese These damit, dass diese abgeleitete Bewegung auch bei den Elementen existiert.869 Er sagt zum Beispiel, dass wir bei dem Element Feuer sehen können, wie in der Abenddämmerung feurige Körper, die den Sternen sehr ähnlich sind, so wie die Sterne bewegt werden und ihnen folgen, bis sie nicht mehr gesehen werden können. Wodurch sich zeigt, dass das Element Feuer durch die genannte Kraft in einer kreisförmigen Bewegung bewegt wird.870 Von dem Element Luft nimmt er dieselbe Bewegung an, auch wenn sie bei der Luft verborgen ist.871 Das resultiert daraus, dass die Luft in allen ihren Teilen immer in Bewegung ist und durch den Wind immer wieder vermischt wird. Außerdem ist sie aufgrund ihrer Durchsichtigkeit ein Medium für das Sehen, weshalb ihre Bewegung für das Auge nicht wahrnehmbar ist, wenn es keinen leuchtenden Körper gibt, der in der Luft selbst irgendwie festgemacht ist, und durch den wir die Bewegungen der Luft beurteilen können. Alpetragius meint, dass es auch im Wasser diese genannte Bewegung gibt, nämlich bei der Flut des Meeres.872 Diese Bewegung sei jedoch unvollständig kreisförmig, was am Gewicht des Wassers liege. Die Bewegung des Wassers nach Westen, die als Flut bezeichnet wird, geht auf jene bereits genannte Kraft zurück, die aber wegen ihrer Schwäche – da sie ja weit von ihrem Ursprungsort entfernt ist – und wegen des Gewichts des Wassers, wodurch das Wasser in die entgegengesetzte Richtung gezogen wird, nicht ausreicht, um den Umlauf des Wassers ganz zu vollbringen. Daher wird das Wasser, bevor es einen Umlauf vollenden konnte, durch die Kraft seines Gewichts wieder zurückgedrängt. Und diese Bewegung nennt man ›zurückfließen‹ [reflexio]. Die Bewegung, die das Wasser von der Kraft des Himmels hat, ist jedoch langsamer als die Bewegung der Luft, und die Bewegung der Luft ist langsamer als die Bewegung des Feuers. Die Erde bleibt wegen ihres sehr großen Gewichts und wegen der schon genannten Schwäche [der Kraft des ersten Himmels] ganz einfach unbeweglich stehen.873

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Teil II

CAPITULUM XCVIII. De alio motu a primo mobili1 [ 137]

[ 138]

Preter hunc autem motum2 primum, qui communis est omnibus corporibus celestibus, appropriatur cuilibet orbi3 a primo alius motus ad eandem partem, videlicet ad occidentem, super alios polos a polis mundi, et etiam ad invicem diversos, quo quidem motu appetunt complere illud quod diminuunt a motu primo; nullus tamen complet totaliter, nisi forte orbis stellatus. Patet igitur ex his causa cujusdam apparentie in celo, quare scilicet planete videntur separari a stellis fixis, et ab ipsis elongari ad orientem. Et similiter planete inferiores a superioribus. Causa enim est4 quia5 orbes propinquiores orbi supremo velocius moventur motu communi quam remotiores6. Unde posteriorantur, et incurtant7 inferiores a superioribus. Arcus igitur separationis non est per motum inferiorum ad orientem, sed per majorem superiorum velocitatem. Quod autem, cum ista incurtatione, fuerit latitudo, seu declinatio ejusdem stelle vel planete ab equinoctiali circulo, postquam sub ipso extiterit, causa est propter motum ejus proprium super polos alios a polis equinoctialis. Nec ex hac apparitione debemus arguere motum proprium8 planetarum esse ad orientem super circulum declivem, sicut ponit Ptolomeus, solum sensum, non positionem considerans9.

1  Kapitel 8 in S.   2  autem motum ]  motum autem, S.   3  orbi ]  alteri orbi, S.   4  enim est ]  est enim, S.   5  quia ]  quod, S.   6  quam remotiores ]  om. quam; remocioribus, S.   7  incurtant ]  incurtantur, S.   8  proprium ]  om. S.   9  solum … considerans ]  solum subjectum, non racionem considerans, S.  

KAPITEL 98

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KAPITEL 98 Über eine andere Bewegung, die vom ersten Himmel ausgeht [ 137]

[ 138]

Zusätzlich zu dieser ersten Bewegung, die allen Himmelskörpern gemeinsam ist, hat er es für angebracht gehalten, für jede Sphäre abgesehen von der ersten [Bewegung] noch eine weitere Bewegung über anderen Polen als den Weltpolen in dieselbe westliche Richtung anzunehmen.874 Diese Bewegung ist von der anderen unterschieden, und [die Sphären] versuchen durch sie zu erfüllen, worin sie von der ersten Bewegung behindert werden. Keine Sphäre bis auf die starke Sternensphäre schafft diese Bewegung jedoch vollständig. Daraus wird auch der Grund für eine gewisse Erscheinung am Himmel offensichtlich, nämlich warum die Planeten sich von den Fixsternen zu trennen und sich nach Osten zu entfernen scheinen. Und ähnlich auch die Planeten in den unteren Sphären von den oberen Planeten. Der Grund für dieses Phänomen liegt ­darin, dass die Planeten, die sich näher an der höchsten Sphäre befinden, durch die allen gemeinsame Bewegung schneller bewegt werden als die weiter entfernten Planeten. Der [Grund für] den die Planeten von­einander trennenden Bogen liegt demnach nicht d ­ arin, dass sich die unteren Planeten nach Osten bewegen würden, sondern dass die oberen Planeten sich einfach schneller bewegen. Der Grund für die Krümmung und für die Abweichung der Planeten und Sterne vom Äquator – nachdem sie sich bereits auf seiner Bahn befunden hatten – liegt demnach in einer Eigenbewegung der Planeten entlang anderer Pole als der Äquatorpole. Aus dieser Erscheinung dürfen wir jedoch nicht schließen, dass die Eigenbewegung der Planeten nach Osten auf einer schrägen Kreisbahn verläuft, wie Ptolemäus behauptet, der hier nur die Anschauung, nicht jedoch die [wirkliche] Position [der Planeten] in Betracht zieht.

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Teil II

CAPITULUM XCIX. De motu proprio orbis stellati1 [ 139]

[ 140]

[141]

Orbis igitur stellatus habet motum proprium ad occidentem super polos qui dicuntur zodiaci, qui quidem motus complet penitus aut fere secundum longitudinem illud quo incurtatur a motu primi mobilis. Quod si omnino compleat, tunc quelibet stella in ipso salvat semper suam longitudinem, et incurtantur solum duo ejus poli, quoniam manent2 immobiles quantum ad motum ejus3 proprium, et est incurtatio eorum super duos circulos parvos equidistantes equinoctiali, quos quidem circulos describunt per motum primi mobilis. Distantia autem4 inter polos semper una est. Sed quoniam omnis stella in ipso equaliter distat semper a polis propriis, necesse est, cum super ipsos secundum longitudinem moveatur5, quod latitudo ejus ab equinoctiali varietur. Ita quod stella que est in ejus medio, describendo cingulum zodiaci6, aliquando sit a septentrionis parte7 ab equinoctiali, aliquando a parte meridiei, secando equinoctialem; et que sunt remote ab ejus medio, aliquando distent plus ab equinoctiali, aliquando minus. Qualiter autem motus accessus et recessus apparet in ipso, quem ponit Thebit, hoc modo secundum ipsum declaratur. Cum enim hic orbis moveatur super8 alios polos a polis mundi, sive equatoris, necesse est quod omnes circuli a stellis descripti super suos polos sint equatori non equidistantes. Cum igitur movetur stella aliqua, ut verbi gratia stella in medio inter polos sui orbis, et compleat portionem sue incurtationis super circulum inclinatum, non erit illud quod ascendit de equatore cum arcu quem9 pertransit de circulo inclinato, equale semper illi arcui. Sed erit aliquando plus, 6  cingulum zodiaci ]  circulum vel 1  Kapitel 9 in S.   cingulum zodiaci, S. 2  manent ]  monent, P. 7  septentrionis parte ]  parte septen3  motum ejus ]  ejus motum, S.   trionis, S. 4  autem ]  enim, S.   8  super ]  sub, S. 5  moveatur ]  moveantur, P., S.   9  quem ]  quam, P. 6  cingulum zodiaci ]  circulum vel cingulum zodiaci, S.   7  septentrionis parte ]  parte septentrionis, S. 8  super ]  sub, S.   9  quem ]  quam, P.

KAPITEL 99

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KAPITEL 99 Über die Eigenbewegung der Sternensphäre [ 139]

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Die Sternensphäre hat eine Eigenbewegung nach Westen über den Polen, die als ›Tierkreiszeichenpole‹ bezeichnet werden. Diese Bewegung ergänzt sicherlich ganz und gar – oder doch zumindest weitestgehend – in der Länge jene Bahn, die durch die Bewegung des ersten Himmels gekrümmt worden ist. Wenn diese Bewegung ganz und gar erfüllt wird, behält jeder Stern immer seine Lage entsprechend der Länge bei, und es werden nur seine beiden Pole gekrümmt, da sie ja in Bezug auf seine Eigenbewegung unbeweglich bleiben. Daher verläuft ihre Krümmung entlang zweier kleiner Kreise, die sich gleich weit vom Äquator entfernt befinden und von der Bewegung des ersten Himmels bestimmt werden. Die Entfernung zwischen den Polen ist immer gleich. Doch weil jeder Stern sich immer in der gleichen Entfernung von den eigenen Polen befindet, ist es notwendig, dass sich seine Stellung in Bezug auf die Breite vom Äquator aus ändert, da er ja immer über den P ­ olen in der Länge bewegt wird. Daher kommt es, dass sich ein Stern, der sich in seiner Mitte und auf dem Tierkreis befindet, manchmal vom Äquator aus gesehen im nördlichen Teil befindet, manchmal im südlichen, wobei er den Äquator schneidet. Die Sterne, die sich weiter entfernt von der Mitte befinden, sind manchmal weiter vom Äquator entfernt, manchmal weniger weit. Auf welche Weise in der Sternensphäre eine Annäherungs- und Rückwärtsbewegung stattfindet, die Thebit 875 schließlich annimmt, lässt sich ihm entsprechend wie folgt verdeutlichen: Da die Sternensphäre entlang anderer Pole als der Weltpole oder der Äquatorpole bewegt wird, kann keiner der Kreise, die von den Sternen entlang der Pole beschrieben werden, äquidistant zum Äquator verlaufen. Nehmen wir also an, dass irgendein Stern bewegt wird: zum Beispiel ein Stern, der sich irgendwo zwischen den ­Polen seiner Sphäre befindet. Wenn dieser Stern den Teil der Krümmung über dem schrägen Kreis vollständig durchlaufen hat, wird er nicht direkt über dem Äquator aufgehen. Denn manchmal wird

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Teil II

aliquando minus, secundum diversitatem inclinationis illius arcus; et hoc explanatum est in Almagesti. Si enim accipimus1 duas quartas circuli2 inclinati, in quarum medio sint3 duo puncta sectionum ejus et equatoris, habebunt utreque quarte minores ascensiones4 de equatore quam ipse fuerint5, id est erunt minores quarta. Due autem quarte residue habebunt majores. Dicit igitur Alpetragius quod quia non consideramus motum stelle respectu circuli inclinati, quia motum ejus super ipsum non sentimus, sed ipsum consideramus respectu equatoris, tunc cum movebitur stellam6 per primas duas quartas, apparebit ejus incessus ad orientem, ad contrarium scilicet primi motus, quia minus eis ascendit de equatore7, et vocatur hec incurtatio accessus. Et dum movebitur ad duas alias8 quartas, quia plus ipsis9 ascendit de equinoctiali, apparet quod stella multiplicet suum motum ad occidentem, et addat super motum generalem, et vocatur hec precessio recessus. Quamvis igitur per totum circulum inclinatum uniformiter moveatur, quatuor10 apparent in una revolutione proprii motus, duo accessus, et duo recessus.11 Quod autem Ptolomeus ponebat motum hujus12 orbis continue ad orientem, causa potuit esse, quia considerationes proprie, et etiam Abrachis et Timocharidis13, ad quas suas14 referebat, erant tempore accessus. Utrum autem motus proprius huic celo, per quem movetur ad complendum15 incurtationem ejus a motu primo, fuerit sue incurtationi equalis, dubium fuit apud Alpetragium; quoniam apparere 11  Quamvis … recessus ]  Quamvis igi1  accipimus ]  accipiamus, S.   tur per totum circulum et inclinatum 2  circuli ]  om. S.   uniformiter moveatur, apparet tamen 3  sint ]  sunt, S.   in ejus motu inuniformitas, et appa4  ascensiones ]  affecciones, S.   rent in una revolucione proprii motus 5  ipsi fuerint ]  ipse fuerit, S.   duo accessus, et duo recessus., S. 6  tunc cum movebitur stellam ]  12  hujus ]  hujusmodi, S. cum movebitur stella, P. 13  Timocharidis ]  Thimotaridis, S. 7  quia … equatore ]  om. S.   8  ad duas alias ]  per alias duas, S.   14  suas ]  om. S. 15  complendum ]  comprehenden­ 9  plus ipsis ]  polus ipsius, S.   dum, S. 10  quatuor ]  et, P. 11  Quamvis … recessus ]  Quamvis igitur per totum circulum et inclinatum uniformiter moveatur, apparet tamen in ejus motu inuniformitas, et apparent in una revolucione proprii motus duo accessus, et duo recessus., S.   12  hujus ]  hujusmodi, S.   13  Timocharidis ]  Thimotaridis, S.   14  suas ]  om. S.   15  complendum ]  comprehendendum, S.  

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er sich darüber befinden, manchmal auch darunter, je nach dem Neigungswinkel jenes Kreises. Und dies ist im Almagest erklärt worden. Wenn wir nämlich zwei Viertel eines schrägen Kreises annehmen, in deren Mitte sich zwei Punkte befinden, werden jene beiden Viertel vom Äquator weniger aufsteigen, als sie es vorher getan haben, und werden daher kleiner als ein Viertel sein. Die anderen beiden noch verbleibenden Viertel werden jedoch größer sein. Alpetragius sagt nun, dass wir die Bewegung der Sterne nicht entlang schräger Kreise in Betracht ziehen, weil wir diese Bewegung nicht wahrnehmen können.876 Sondern wir betrachten jene Bewegung immer nur in Bezug auf den Äquator, weshalb es uns so scheint, als ob ein Stern, der sich durch die ersten beiden Viertel bewegt, sich nach Osten bewegen würde. Das heißt, dass er als zur ersten Bewegung gegenläufig erscheinen würde, da er sich ja weniger über den Äquator erhebt: und dies wird als ›Krümmung des Zugangs‹ [incurtatio accessus] bezeichnet. Wenn der Stern danach durch die zwei anderen Viertel bewegt wird – wodurch er mehr vom Äquator abweicht –, scheint es so, als ob der Stern seine Bewegung in Richtung Westen vervielfachen und noch über die grundsätzliche Bewegung hinausgehen würde: und das wird als ›Präzession des Zurückgehens‹ bezeichnet. Da der ganze schräge Kreis gleichmäßig bewegt wird, scheinen die vier Viertel während eines Umlaufes jeweils ihre eigene Bewegung zu haben: Zwei Viertel haben eine Accessusbewegung, zwei eine Recessusbewegung. Dass Ptolemäus die Bewegung jener Sphäre [der Sternensphäre] immer nach Osten angenommen hat, könnte daran liegen, dass seine Überlegungen ebenso wie die Überlegungen von Abrachis und Timocharis877 [auf die sich Ptolemäus bezieht], während der Zeit einer Accessusbewegung angestellt worden sind. Ob die Eigenbewegung des Fixsternhimmels, durch die er dazu bewegt wird, seine Krümmung unabhängig von der Bewegung des ersten Himmels zu vollenden, wirklich mit seiner Krümmung gleich ist, wurde von Alpetragius in Zweifel gezogen. Denn er sagt,

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Teil II

poterit, ut dicit, quod aliquantulum a complemento deficiat. lta quod appareat ei in magno tempore motus secundum longitudinem quem1 posuit Ptolomeus, quamvis2 non tante quantitatis; poterit, inquam, apparere per effectus apparentes in hiis inferioribus3, quia in ipsis videmus mutationes magnas absque reversione, ut est mutatio in pluribus partibus terre de populatione ad non populationem, et in aliis econverso4; ut5 mutatio aquarum maris, tegentium6 partes terre, postquam erat earum detectio7, et econverso8 de aliis partibus; et similiter de aere sanativo ad aerem corruptivum9 in quibusdam locis, et econverso10 in aliis. Et11 cum hec mutationes fuerint sine reversione, non possunt causari, ut videtur, nisi a predicta mutatione celi stellati. Quoniam si a virtute alicujus planete, reverterentur12 cum reversione motus ejus13 consimilis, et ita redirent14 infra 84 annos solares. Et si a mutatione celi stellati super polos proprios, si fuerit equalis motui quem ponit Thebit super15 circulos parvos, rediret16 in 4181 annis lunaribus, et medietate fere.17 Hoc igitur modo imaginatus est Alpetragius causas apparentium in celo stellato. In orbibus vero18 planetarum, preter motum communem ponit duos motus alios; unum quo moventur super polos proprios, alios a polis mundi, ad occidentem, quo appetunt complere illud quo incurtantur a motu primi orbis19, que quidem incurtatio dicitur 1  quem ]  quam, S.   2  Ptolomeus, quamvis ]  om. S.   3  poterit … inferioribus ]  poterit utrique apparere per effectus contingentes in hiis inferioribus, S.   4  econverso ]  e contrario, S.   5  ut ]  et, S.   6  tegentium ]  tangentium, S.   14  redirent ]  rediret, S. 7  detectio ]  descensio, S.   15  super ]  per, S. 8  econverso ]  e contrario, S. 16  rediret ]  redirent, S. 9  corruptivum ]  corruptum, S.   17  Hier beginnt Kapitel 10 in S, mit 10  econverso ]  e contrario, S. dem Titel: de causis apparencium in 11  Et ]  Ut, P. celo secundum Alpetragium. 12  reverterentur ]  revertentur, S.   18  vero ]  om. S. 13  ejus ]  ei, S.   19  orbis ]  motus, S. 14  redirent ]  rediret, S.   15  super ]  per, S.   16  rediret ]  redirent, S.   17  Hier beginnt Kapitel 10 in S, mit dem Titel: de causis apparencium in celo secundum Alpetragium. 18  vero ]  om. S.   19  orbis ]  motus, S.  

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dass es ja auch vorkommen könne, dass er ein wenig vor der Vollendung abfalle, sodass in ihm in einer langen Zeit auch die Bewegung gemäß den Länge erscheinen könnte, die Ptolemäus angenommen hat, wenn auch nicht in so großer Ausdehnung. Ich sage, dass man diese Frage anhand der Wirkungen hier auf der Erde wird klären können. Denn hier auf der Erde sehen wir große Veränderungen ohne Rückkehr [in den Zustand vor der Veränderung] vonstatten gehen, wie zum Beispiel die Veränderung in vielen Teilen der Welt von bevölkerten Gegenden zu nicht bevölkerten Gegenden und ebenso auch umgekehrt. Oder nehmen wir das Wasser des Meeres, das Teile der Erde überflutet, die vorher nicht von Wasser bedeckt waren – und in anderen Teilen [der Erde] passiert jener Prozess umgekehrt. Als weiteres Beispiel kann auch die Veränderung von sauberer Luft in schmutzige Luft an einigen Orten herangezogen werden, wobei auch hier an anderen Orten genau das Gegenteil passiert. Da alle diese Veränderungen ohne Umkehrung [sine reversione] geschehen sind, können sie anscheinend nur von der vorher genannten Veränderung des Sternenhimmels herrühren. Denn wenn sie von der Kraft eines Planeten abhängig wären, müssten sie auch entsprechend der rückläufigen Bewegung des Planeten innerhalb von 84 Sonnenjahren wieder in den vorherigen Zustand zurückkehren. Wenn diese Veränderung [auf der Erde] von der Veränderung des Sternenhimmels entlang seiner eigenen Pole abhängig wäre, dessen Bewegung man mit den der kleinen Kreise gleichsetzt, müsste sie in 4181 und einem halben Mondjahr wieder rückgängig gemacht werden. Auf diese Weise hat sich Alpetragius also die Gründe für die Erscheinungsform des Sternenhimmels überlegt. Für die Planetensphären hat er über die allen gemeinsame Bewegung hinaus noch zwei weitere Bewegungen angenommen. Durch eine Bewegung werden die Planeten um ihre eigenen Pole herum, die von den Weltpolen verschieden sind, nach Westen bewegt. Durch diese Bewegung streben sie danach, die Krümmung, die durch die Bewegung des ersten Himmels verursacht wird, zu voll-

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Teil II

incurtatio prima; nullus tamen illorum complet; ymo, a complemento sensibiliter deficit. Et iste defectus1 dicitur incurtatio post­ rema, et vocatur secundum Ptolomeum motus planete secundum longitudinem. Est autem et cujuslibet eorum alius motus, qui est per mutationem suorum polorum super circulum parvum, cujus polus in aliis planetis a Sole semper est2 in circulo per quem transit, motu primi mobilis, polus celi stellati3. In Sole autem est ipsum contingens. Ponit et4 omnes planetas, preter Venerem et Mercurium, situatos5 esse in medio sui orbis inter proprios polos. Venus autem, secundum ipsum, situatur semper ad septentrionem a suo medio, unde apparet semper septentrionalis. Mercurius vero magis ad meridiem, et ideo semper apparet6 meridionalis. Ex his igitur, tanquam ex radicibus, extrahit causas omnium apparentium in ipsis7, videlicet retrogradationis, stationis, directionis, majoris et minoris8 velocitatis ejusdem planete, et diversitas9 apparentis in eorum latitudinibus, et secundum latitudinem motibus. Quod hic10 declarare esset librum suum recitare. Qui igitur horum11 scientiam habere desiderat, librum suum diligenter inspiciat.

1 iste defectus ]  ideo ejus defectus, S.   2  et ]  om. S.   3  sellati ]  stellarum fixarum, S.   4  et ]  eciam, S.   5  stuatos ]  situantes, P. 6  et ideo semper apparet ]  unde apparet semper, S.   7  in ipsis ]  ut ipsas, S.   8  retrogradationis … minoris ]  in S.  a lles im Plural. 9  diversitas ]  diversitatis, S.   10  hic ]  hoc, S.   11  horum ]  harum, S.  

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enden. Diese Krümmung wird mit Sicherheit ›erste Krümmung‹ [incurtatio prima] genannt. Diese Vollendung gelingt jedoch keinem der Planeten, vielmehr hören sie wahrnehmbar vor der Vollendung auf. Und dieser Defekt wird ›äußerste Krümmung‹ [incur­ tatio postrema] genannt. Ptolemäus nennt ihn hingegen die ›Bewegung der Planeten entsprechend ihrer Länge‹. Für jeden Planeten gibt es noch eine weitere Bewegung, die aus der Veränderung ihrer Pole über einem kleinen Kreis resultiert, deren Pol sich bei allen Planeten – außer der Sonne – durch die Bewegung des ersten Himmels und des Poles des Sternenhimmels immer in dem Kreis befindet, den sie durchqueren. Bei der Sonne ist [dieser Kreis] jedoch zufällig. Er [Alpetragius] nimmt also für alle Planeten bis auf Venus878 und Merkur879 an, dass sie sich im Mittelpunkt ihrer Sphäre zwischen ihren eigenen Polen befinden. Seiner Meinung nach befindet sich die Venus jedoch immer im Norden des Mittelpunktes, weshalb sie auch immer im Norden erscheint. Der Merkur befindet sich hingegen mehr im Süden, weshalb er auch immer südlich erscheint. Aus allen diesen Ausführungen gewinnt Alpetragius – gleichsam als deren Fundament – die Gründe für alle Himmelserscheinungen, also für die Retrogradation [der Planeten], für ihre Stellung und Bewegungsrichtung, für die höhere und geringere Geschwindigkeit desselben Planeten, und für die Verschiedenheit des Auftretens der Planeten in ihren verschiedenen Längen und Längenbewegungen. Doch das alles zu erklären hieße, sein ganzes Buch vorzutragen. Wer aber von den Himmelserscheinungen eine Wissenschaft haben möchte, sollte sich sein Buch sehr genau anschauen.

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Teil II

CAPITULUM C. Notande sunt optime contradictiones istarum opinionum, et primo de opinione Ptolomei quantum ad motus duos principales1 [ 149]

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Visis opinionibus, tam Ptolomei quam Alpetragii, predictis de qualitatibus motuum corporum celestium, restat videre quedam dubia utrinque2 circumstantia. Primo igitur dubitatur de opinione Ptolomei. Et3 primo: Utrum sint duo motus in ipsis principales4, ut ipse ponit; quorum unus fuerit ab oriente ad occidentem, et alius econverso5. Et videtur primo quod non sint duo primi; quia in omni genere est unum primum6 simplicissimum, ad quod cetera illius generis causaliter ordinantur; quare et7 in genere motus8. Et hoc ostendit Aristotiles in 8o phisicorum. Si dicat9 quod non est intentio Ptolomei quod sint eque primi; ymo, sicut patet ex verbis suis, motus ab oriente ad10 occidentem est simpliciter11 primus, et alius est eo posterior. Contra hoc est quod motus ad orientem ad motum ad occidentem, cum sint ad12 diversas partes, ordinem non videtur13 habere. Item, si sint tales duo motus primi14, sicut motus ad occidentem uni corpori appropiatur, et per ejus virtutem aliis communicatur, similiter necesse est ponere de motu ad orientem, si sit primus. Non enim dicitur ejus primitas propter universalitatem ejus logicam, cum de tali non consideret nec curet mathematicus. Si autem 1  Kapitel 11 in S.   2  dubia utrinque ]  dubia circa utramque, S.   3  Et ]  om. S.   4  in ipsis principales ]  principales in ipsis, S.   5  econverso ]  e contrario, S.   6  unum primum ]  primum unum, S.   7  et ]  om. S.   8  motus ]  motuum, S.   9  dicat ]  dicatur, S.   13  videtur ]  videntur, P, S. 10  ad ]  etiam ad, S.   11  est simpliciter ]  simpliciter est, S.   14  si sint tales duo motus primi ]  si ejus tales motus primi duo sint, S. 12  ad ]  in, S.   13  videtur ]  videntur, P, S.   14  si sint tales duo motus primi ]  si ejus tales motus primi duo sint, S.  

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KAPITEL 100 Hier müssen die Widersprüche zwischen ihren Meinungen bestmöglich dargestellt werden, und zwar zuerst die Ansicht des Ptolemäus über die beiden ersten Bewegungen [ 149]

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Nachdem wir die Ansichten über die Eigenschaften der Bewegungen der Himmelskörper von Ptolemäus und Alpetragius kennengelernt haben, bleibt nun, auf gewisse Zweifel einzugehen, die bei beiden Ansichten bestehen. Zuerst nennen wir einige Zweifel bezüglich der Ansicht des Ptolemäus. Hier ist als Erstes zu nennen: Ob es bei den Himmelskörpern wirklich zwei grundlegende Bewegungen gibt, wie er behauptet, von denen die eine von Osten nach Westen verläuft und die andere umgekehrt. Auf den ersten Blick scheint es so zu sein, dass es nicht zwei erste Bewegungen geben kann. Denn in jeder Gattung gibt es ein einfachstes Zugrundeliegendes, auf das die anderen Dinge dieser Gattung hingeordnet sind, was auch für die Gattung der Bewegung gelten müsste. Das hat Aristoteles im achten Buch seiner Physik 880 gezeigt. Zu diesem Einwand lässt sich sagen, dass es nicht die Absicht von Ptolemäus gewesen ist, zu behaupten, dass die beiden Bewegungen gleichwertige erste Bewegungen sind. Denn aus seinen Worten geht hervor, dass die Bewegung von Osten nach Westen die schlechthin erste Bewegung ist, der die andere Bewegung nachgeordnet ist. Dagegen spricht jedoch, dass die Bewegung nach Osten und die Bewegung nach Westen keine Reihenfolge zu haben scheinen, da sie sich in verschiedene Richtungen bewegen. Weiterhin: Nehmen wir an, es gibt zwei derartig beschaffene erste Bewegungen. Wenn die Bewegung nach Westen einem Körper zu eigen ist und durch dessen Kraft auch an die anderen weitergegeben wird, dann muss man das Gleiche auch von der Bewegung nach Osten annehmen, wenn diese die erste sein sollte. Denn die Vorgeordnetheit einer solchen Bewegung wird nicht wegen der Allgemeingültigkeit ihrer logischen Eigenschaften angenommen, weil der Mathematiker solche logischen Eigenschaften weder be-

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sit1 corpus2 cui motus ad orientem appropriatur, et orbes alii inferiores per ejus3 virtutem ad illam partem incedant, necesse est omnes orbes inferiores super eosdem polos illo motu moveri. Sed omnes sunt super diversos, et non sunt super polos zodiaci, nisi motus Solis, et octave spere secundum Ptolomeum. Item, si esset alicui orbi appropriatus, videtur quod orbi stellarum fixarum, vel alii superiori. Sed non potest appropriari orbi stellarum fixarum, quia omnis motus velocior est in illo corpore, cui primitus inest, quam alio4. Sed motus stellarum fixarum ad orientem est tardior5. Et iterum: Corpora propinquiora illi cui primo inest debent velocius moveri, et remotiora tardius, sicut docet6 Alpetragius, et ratio cujusque approbat. Sed econverso7 est de orbibus planetarum. Et hac8 eadem ratione videtur, quod non appropriatur alicui orbi supra stellato9. Item10, contra hoc quod ponit motus dictos ad diversas partes, arguit Alpetragius per unitatem motoris celi, a quo non possunt causari motus contrarii, sed tantum unus motus ad unam partem. Item arguit sic: Celum est corpus simplex, et partium non contrarium11 in natura, sed similium inter se et ad naturam totius. Sed totum celum, ut patet, movetur ab oriente ad occidentem, quasi12 a dextro ad13 sinistrum. Quare omnes sue partes similiter movebuntur. 1  sit ]  si, P. 2  corpus ]  corpus celeste, S.   3  ejus ]  illius, S.   4  videtur quod … quam alio ]  videtur quod orbi stellarum fixarum, vel alii superiori. Set non potest appropriari orbi stellarum fixarum, quia omnis est motus velocior in illo corpore, aut primitus inest, quam alio., S.   5  est tardior ]  tardior est, S.   6  docet ]  dicit, S.   7  econverso ]  e contrario, S 8  hac ]  hoc, S.   9  stellato ]  orbem stellarum, S.   10  Item ]  om. S.   11  contrarium ]  contrariarum, S.   12  quasi ]  id est, S.   13  ad ]  in, S.  

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denkt noch sich um sie kümmert. Wenn es aber einen Körper gibt, der sich nach Osten bewegt, und wenn auch die Sphären der unter ihm gelegenen Himmelskörper durch dessen Kraft zu demselben Teil hinstreben, müssen auch alle unteren Himmelssphären durch jene Bewegung um dieselben Pole herum bewegt werden. Doch alle [diese Sphären] bewegen sich um verschiedene Pole und nicht um die Pole des Tierkreises. Die einzigen Sphären, die sich um die Pole des Tierkreises bewegen, sind nach Ptolemäus nämlich die Sonnensphäre und die achte Sphäre. Weiterhin: Wenn solch eine Bewegung irgendeiner Sphäre zu e­ igen wäre, müsste sie eine Bewegung des Fixsternhimmels oder einer anderen oberen Sphäre sein. Doch diese Bewegung kann dem Fixsternhimmel nicht eigentümlich sein, weil jede Bewegung in jenem Körper schneller ist, in dem sie sich zuerst befindet, als in einem anderen. Doch die Ostbewegung des Fixsternhimmels ist langsamer. Weiterhin: Die Körper, die jenem Körper, in dem die Bewegung zuerst stattfindet, näher liegen, müssen sich schneller bewegen. Die weiter entfernt liegenden Körper jedoch langsamer, wie Alpetragius lehrt und wie die Vernunft bestätigen wird. Doch bei den Planetensphären ist es genau umgekehrt. Und aus demselben Grund scheint sich auch zu ergeben, dass eine solche Bewegung keiner Sphäre oberhalb der Sternensphäre zu eigen sein wird. Weiterhin: Gegen die Annahme der genannten entgegengesetzten Bewegungen argumentiert auch Alpetragius881 mit der Einheitlichkeit des Himmelsantriebs, von dem keine entgegengesetzten Bewegungen ausgehen können, sondern nur eine Bewegung in eine Richtung. Weiterhin argumentiert er so: Der Himmel ist ein einfacher Körper, dessen Teile in der Natur nicht entgegengesetzt sind, sondern die untereinander und gegenüber dem Ganzen der Natur gleichartig sind. Doch offensichtlich wird der ganze Himmel von Osten nach Westen bewegt, also quasi von rechts nach links. Weshalb alle seine Teile gleichzeitig bewegt werden.

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Quod autem maxime facit credere motus non esse ad diversas partes est, ut videtur, hoc: Quod omnia apparentia in celo possunt salvari si1 ponamus ipsos esse ad eandem partem, sicut ad diversos2; et melius est ponere in omnibus naturalibus simplicitatem et unitatem, quam compositionem et3 pluralitatem, ubi nec sensus, nec ratio ejus simplicitati contrariatur. Adhuc arguunt quidam quod non sit4 motus in celo ad5 contrarias partes ratione sophistica, sed apud eos difficili, sic: Si moveatur orbis aliquis inferior primo ad orientem, et per motum primum ad occidentem, erunt isti motus adversis virtutibus6. Iste igitur virtutes aut sunt equales, aut inequales. Si equales, tunc motus ad7 utramque partem erunt equales, et ita aut quiescet, aut erit simul in duobus locis. Si inequales, tunc movebitur secundum motum fortioris virtutis, quamvis minus velociter, et ita ad unam partem tantum. Vel potest sic argui: Si simul moveatur ad contrarias partes, tunc simul erit8 in terminis diversorum9 spaciorum super que fit motus, et ita simul in diversis locis. Ad oppositum arguit Ptolomeus per apparentem separationem planetarum a stellis fixis ad orientem, cum diversitate declinationis eorumdem10 ab equatore. Item, vult Aristotiles, libro Celi et Mundi, quod celum movetur a dextro in sinistrum, et quod dextrum primi orbis est oriens, et ejus sinistrum est occidens. Et in orbibus inferioribus est econverso11. ltem, si motus planetarum proprius esset ad occidentem, tunc cum Sol vel alius planeta fuerit sub principio Arietis, movebitur versus 1  si ]  sed, P. 2  diversos ]  diversas, S.   3  et ]  vel, S.   4  sit ]  sint, S.   5  ad ]  in, S.   6  Si moveatur … virtutibus ]  Si moveatur orbis aliquis inferior primo orbe ad orientem per motum primum ad occidentem, erunt illi motus a diversis virtutibus., S.   7  motus ad ]  motus et ad, S.   8  erit ]  erunt, P. 9  terminis diversorum ]  diversis terminis diversorum, S.   10  declinationis eorumdem ]  inclinacionis earundem, S.   11  econverso ]  e contrario, S

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Doch das beste Argument gegen eine entgegengesetzte Bewegung zu verschiedenen Teilen ist, wie es scheint, das folgende: Alle Himmelserscheinungen können prinzipiell gerettet werden, wenn wir sie alle in demselben Teil stattfinden lassen, und ebenso, wenn wir sie in verschiedenen Teilen stattfinden lassen. Jedoch ist es bei allen Naturdingen besser, Einfachheit und Einheit anstatt Zusammengesetztheit und Vielheit anzunehmen, wenn weder die Sinne noch die Vernunft dieser Einheit widersprechen. Außerdem argumentieren einige mit sehr sophistischen und für sie nur schwer zu lösenden Überlegungen dafür, dass es keine Bewegung am Himmel in verschiedene Richtungen gibt. Sie sagen nämlich Folgendes: Wenn irgendeine der unteren Sphären zuerst nach Osten bewegt wird, durch die erste Bewegung jedoch nach Westen, dann sind dies zwei Bewegungen mit entgegengesetzten Kräften. Diese Kräfte sind entweder gleich oder ungleich. Wenn sie gleich sind, werden auch die Bewegungen in beide Richtungen gleich sein, und daher wird die Bewegung entweder stillstehen oder an beiden Orten gleich sein. Wenn sie ungleich sind, wird [die Sphäre] entsprechend der stärkeren Kraft bewegt. Sie wird dann zwar langsamer, aber dennoch nur in eine Richtung bewegt. Man kann auch so argumentieren: Wenn [eine Sphäre] in verschiedene Richtungen bewegt wird, wird sie sich gleichzeitig an den Grenzen der Räume befinden, in denen sie bewegt wird, und wird sich dementsprechend zugleich an verschiedenen Orten befinden. Für das Gegenteil davon argumentiert jedoch Ptolemäus mit der sichtbaren Separation der Planeten von den Fixsternen nach Osten, indem er die Vielfalt ihrer Abweichungen vom Äquator anführt. Weiterhin: Aristoteles ist in seinem Buch Vom Himmel und der Welt 882 der Ansicht, dass der Himmel von rechts nach links bewegt wird; und dass rechts beim ersten Himmel der Osten ist, seine linke Bewegungsrichtung aber der Westen. Und bei den unteren Sphären ist es umgekehrt. Weiterhin: Wenn die Eigenbewegung der Planeten nach Westen verlaufen würde, würde die Sonne oder ein anderer Planet in dem Fall, dass sie sich unter dem Beginn des Sternzeichens Widder be-

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signum Piscium, et1 incipiet declinare versus meridiem ab equinoctiali. Et cum fuerit in principio Libre, incipiet declinare versus septentrionem, movendo per signum Virginis. Et horum contrarium apparet manifeste2. Et iterum3: Nec erit Sol, ut videtur, semper in superficie cinguli Zodiaci. Quoniam si ponamus Solem existere sub principio Arietis, quod vocatur A, et in linea meridionali, tunc4, post completam revolutionem ipsius A motu diurno ad idem punctum circuli meridionalis5, incurtabitur Sol a puncto A ad orientem. Et quia omnia signa orientalia a meridie sunt in hoc situ septentrionalia ab equinoctiali, et Sol fuerit, ut ostensum est, meridionalis orientalis, necesse est, ut videtur6, Solem declinare a Zodiaco. Probabilius7 est opinari quod unus sit motus primus, et quod omnes8 sint in eandem partem, quoniam huic magis concordat ratio, sensu non contradicente. Et patet ex predictis qualiter Ptolomeus, ponens contrarium, solum sensum imitando, decipiebatur. Et quod dicit Aristotiles de diversitate partium ad quas est motus primi mobilis et planetarum, aut est falsum, aut intelligendum est secundum apparentiam, vel secundum opinionem communem astronomorum sui temporis, qui, similiter ut Ptolomeus, sensualem apparentiam solum considerabant9. Quod autem Ptolomeus10 arguitur, quamvis insolubile quibusdam videatur, tamen bene ymaginanti facilis est dissolutio. Nam ratio incurtationis solvit11 eam, et motus compositio. Oportet enim ­ponere incurtationem utriusque motus, tam recti quam declivis, 1  et ]  et ita, S.   2  apparet manifeste ]  patet manifestim, S.   3  Et iterum ]  om. S.   4  tunc ]  om. S.   5  circuli meridionalis ]  meridionalis circuli, S.   6  ut videtur ]  om. S.   7  Beginn Kapitel 12 in S, Titel: de opinione probabili. 8  omnes ]  omnes motus, S.   9  similiter ut Ptolomeus … considerabant ]  similiter Ptholomeo substancialem apparenciam solam considerabant., S.   10  autem Ptolomeus ]  ante Ptolomeum, S.   11  solvit ]  dissolvit, S.  

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findet, zum Sternzeichen der Fische hinbewegt werden und vom Äquator nach Süden abzuweichen beginnen. Und wenn sie sich im Sternzeichen der Waage befinden würde, würde sie sich durch das Sternzeichen der Venus nach Norden bewegen. Doch genau das Gegenteil ist offensichtlich der Fall. Weiterhin: In diesem Fall wäre die Sonne nicht – wie es uns doch erscheint – immer auf der Ebene des Tierkreises. Nehmen wir an, dass die Sonne sich unter dem Beginn des Sternzeichens des Widders befindet, und nennen wir diesen Punkt A. Nachdem die Sonne von diesem Punkt ausgehend auf dem Meridian durch ihre tägliche Bewegung zu demselben Punkt auf dem Meridian zurückgekehrt ist, wird sie von diesem Punkt aus nach Osten hin abbiegen. Da in dieser Lage alle östlichen Sternzeichen vom Meridian aus nördlich des Äquators gelegen sind, und da die Sonne, wie gezeigt worden ist, im östlichen Teil des Meridians sein wird, ist es anscheinend notwendig, dass die Sonne vom Tierkreis abweicht. Die Vorstellung ist daher wahrscheinlicher, dass es eine erste Bewegung gibt, und dass sich alle Himmelskörper in dieselbe Richtung bewegen, weil dies mehr mit der Vernunft übereinstimmt und den Sinnen nicht widerspricht. Aus dem Gesagten wird daher ersichtlich, auf welche Weise Ptolemäus, der das Gegenteil behauptet, da er sich nach den Sinnen gerichtet hat, getäuscht worden ist. Und was Aristoteles über die Vielzahl der Teile sagt, in denen sich die erste Sphäre und die Planeten bewegen sollen, ist entweder falsch oder nur entsprechend der Erscheinung oder der verbreiteten Meinung der Astronomen seiner Zeit zu verstehen, die – ähnlich wie Ptolemäus – nur die wahrnehmbaren Erscheinungen bedacht haben. Was von Ptolemäus diskutiert worden ist, lässt sich für jeden mit einem guten Vorstellungsvermögen jedoch leicht lösen, auch wenn es manchem als unlösbares Problem erscheinen mag: denn eine Überlegung über die Krümmung und die Zusammensetzung [compositio] der Bewegung vermag dieses Problem zu lösen. Man muss nämlich für beide Bewegungen eine Krümmung annehmen – sowohl für die geradlinige als auch für die abweichende Bewegung.

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Teil II

et erit motus compositus, et1 non simplex, ut nec arcus zodiaci nec equinoctialis describatur incurtatione; sed ratio procedit ac si essent motus simplices et divisi. Quia si hoc, tunc in principio revolutionis, Sole existente in primo gradu Arietis, declinaret ad ultimum2 gradum Piscium, et non ad secundum Arietis. Sed nunc non est hic motus simplex, sed est unus motus3 compositus, qui habet unam incurtationem compositam, ut in fine motus non redeat ad locum in quo fuit in principio motus, sed retro remaneat4. Et quamvis hec pars questionis sit probabilior, tamen non omnes rationes ad ipsam prius inducte de ipsa fidem faciunt, sicut patet de rationibus Alpetragii. Non enim sunt omnes motus in corpore celesti ab uno motore numero, sed a pluribus voluntarie moventibus. Ostendit enim Aristotiles XI° metaphisice numerum motorum per numerum motuum. Et etiam sicut unus motor5 non movet motibus pluribus6 ad partes diversas, similiter nec ad eandem partem super7 diversos polos, ut videtur. Ab uno enim motore, sicut dicit, causatur unus motus. Motus autem distinguitur secundum diversitatem polorum. Et iterum supponit quod motus circulares sunt contrarii, cujus contrarium ostendit Aristotiles; et patet maxime quod non sint contrarii si fuerint super diversos polos. Ratio sequens probabilis est. Ultima non concludit, quoniam eadem ratio possit esse equevalens, quod non sunt8 motus simul ejusdem corporis in eandem partem9. Ita enim accidet, ut videtur,

1  et ]  om. S.   2  ultimum ]  primum, S.   3  unus motus ]  motus unus, S.   4  remaneat ]  remanet, S.   5  motor ]  motus, S.   6  motibus pluribus ]  pluribus motibus, S.   7  super ]  per, S.   8  possit … sunt ]  posset esse quod equales non sunt, S.   9  partem ]  partem super diversos polos., S.  

KAPITEL 100

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Es wird sich dabei also um eine zusammengesetzte und nicht um eine einfache Bewegung handeln, sodass weder für den Tierkreis noch für den Äquator eine Krümmung beschrieben wird. Doch die Vernunft geht so vor, als ob es einfache und voneinander getrennte Bewegungen gäbe. Wenn dies der Fall wäre, würde sich die Sonne, wenn sie sich zu Beginn ihres Umlaufes um die Erde im ersten Grad des Widders befinden würde, zum letzten Grad der Fische hin abweichen und sich nicht zum zweiten Grad des Widders bewegen. Doch nun gibt es hier keine einfache Bewegung, sondern eine zusammengesetzte Bewegung, die auch eine zusammengesetzte Krümmung aufweist, sodass die Sonne am Ende ihrer Bewegung nicht zu genau der Stelle zurückkehrt, an der sie zu Beginn ihrer Bewegung war, sondern weiter dahinter verbleibt. Auch wenn sich dieser Teil der Frage mit Wahrscheinlichkeits­ erwä­gungen beantworten lässt, wecken doch nicht alle vorher angeführten Argumente über diesen Teil der Erörterung unbedingtes Vertrauen, wie aus den Überlegungen von Alpetragius deutlich wird. Denn es stammen nicht alle Bewegungen der Himmelskörper nur von einem ersten Bewegungsantrieb her, sondern von mehreren willentlichen Bewegern. Aristoteles hat nämlich im elften Buch seiner Metaphysik 883 die Anzahl der bewegenden Prinzipien durch die Anzahl der Bewegungen angegeben. Und ebenso, wie ein Beweger nicht mehrere Bewegungen in verschiedenen Teilen antreibt, treibt er anscheinend auch keine Bewegung in demselben Teil über mehreren Polen an. Denn er sagt, dass durch einen Beweger auch nur eine Bewegung verursacht wird. Die Bewegung wird jedoch nach der Vielzahl der Pole unterschieden. Weiterhin nimmt er an, dass die Kreisbewegungen entgegengesetzt sind. Aristoteles hat jedoch das Gegenteil dieser Annahme gezeigt. Wenn sie sich über verschiedenen Polen befinden, wird am klarsten, dass sie keine gegenläufigen Bewegungen sind. Die folgende Überlegung ist wahrscheinlich: Das Letzte kann man nicht schließen, da es ebenso gut sein könnte, dass gleiche Bewegungen desselben Körpers nicht zur gleichen Zeit in demselben Teil über verschiedenen Polen sein könnten. Es kann nämlich vor-

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Teil II

­ipsum mobile aut quiescere, aut moveri tantum uno motu, aut simul esse in diversis locis. Sciendum igitur quod cum dicimus corpora celestia vel aliquid1 mobile hic inferius moveri simul pluribus motibus, aut falsum dicimus, aut intelligendus est sermo referendo ad plures ejusdem motores, scilicet, si discrete et separatim2 moverent3. Cum enim una virtus composita ex virtutibus plurium motorum recipitur in mobili4, neque5 movetur mobile motu6 causato ab uno motore, nec ab alio, sed motu quodam ab eis diverso, et quasi composito. Unde non est corpus celeste, preter primum orbem, quod moveatur circulariter, nisi dicto modo intelligatur, cum omnia a pluribus motoribus super polos diversos moveantur; ymo omnes planete et stelle fixe describunt spiras7, non circulum, cujusmodi descriptam figuram vocant Arabes leuleb8. Si igitur recipiantur9 in mobili aliquo diverse virtutes motive super unam lineam rectam, vel super eundem circulum, in contrarias partes, et fuerint equales, non movebitur, sed quiescet. Si inequales, movebitur ad partem illam ad quam motiva est virtus10 fortior, tardius tamen quam si sola moveret. Si autem sint motive super diversas lineas rectas, vel diversos circulos, sive virtutes moventes11 sint equales, sive inequales, sive ad eandem partem motive, sive ad diversas, non quiescit12 mobile, sed movebitur uno motu composito13, ut dictum est; et ille motus diversificabitur secundum pluralitatem 1  aliquid ]  aliquod, S.   2  separatim ]  separati, P. 3  moverent ]  moverentur, S.   4  in mobili ]  immobiliter, S.   5  neque ]  nec, S.   6  motu ]  motu vel, S.   7  spiras ]  speras, S. 8  leuleb ]  lealeth, S.   9  recipiantur ]  recipiuntur, S.   10  est virtus ]  virtus est, S.   11  moventes ]  moventes sive, S.   12  quiescit ]  quiescet, S.   13  composito ]  om. S.  

KAPITEL 100

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kommen (wie es doch auch zu sein scheint), dass ein sich Bewegendes entweder zur Ruhe kommt oder sich mit nur einer Bewegung bewegt oder an mehreren Orten zugleich ist. Man muss nämlich wissen, dass wir in dem Fall, wenn wir sagen, dass ein Himmelskörper oder etwas anderes Bewegliches hier auf der Erde gleichzeitig durch mehrere Bewegungen bewegt wird, entweder etwas Falsches sagen, oder dass diese Bemerkung so zu verstehen ist, dass sie sich auf mehrere Beweger für dieselbe Sache bezieht, die eine Sache unabhängig voneinander bewegen. Wenn eine sich bewegende Sache eine zusammengesetzte Kraft aus der Kraft von mehreren Bewegern empfängt, wird die Bewegung der sich bewegenden Sache weder durch den einen noch durch den anderen Beweger verursacht, sondern durch eine gleichsam zusammengesetzte Bewegung, die von diesen verschieden ist. Daher gibt es bis auf die erste Sphäre keinen Himmelskörper, der kreisförmig bewegt wird – außer, wenn dies auf die bereits genannte Weise verstanden wird –, weil alle Himmelskörper von mehreren bewegenden Prinzipien über verschiedenen Polen bewegt werden. Denn die Planeten und Fixsterne beschreiben keine kreisförmigen, sondern spiralförmige Bahnen, die die Araber als ›leuleb‹ bezeichnen. Wenn eine sich bewegende Sache also durch voneinander verschiedene, aber gleich starke Kräfte auf einer geraden Linie oder auch auf einem Kreis angetrieben wird, wird sie sich nicht bewegen, sondern in einem Ruhezustand verharren. Wenn die Kräfte ungleich sind, wird sie sich in die Richtung bewegen, in der die Bewegungskraft stärker ist – wenn auch freilich langsamer, als wenn sie nur durch eine Bewegungskraft bewegt wird. Wenn die Bewegungskräfte auf verschiedenen geraden Linien oder verschiedenen Kreisen wirken, dann sind die Bewegungskräfte entweder gleich oder ungleich und bewegen [eine Sache] entweder in dieselbe Richtung oder in verschiedene Richtungen. In diesem Fall kommt die in Bewegung gesetzte Sache nicht zur Ruhe, sondern wird durch eine zusammengesetzte Bewegung bewegt, wie wir es schon beschrieben haben. Und diese [zusammengesetzte] Bewegung wird sich entsprechend der Vielzahl der bewegenden Prin-

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Teil II

motorum, et eorum diversitatem in debilitate et fortitudine1, et secundum diversitatem parcium ad quas sunt motive. Patet igitur solutio illius rationis.

CAPITULUM CI. De ecentricis et epiciclis ac motibus planetarum2 [ 169]

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Consequenter queritur de circulis et motibus quos ponit Ptolomeus in orbibus planetarum3, videlicet de ecentricis et4 epiciclis, atque ipsorum et5 in ipsis planetarum motibus. Primo igitur supponamus6 planetam non moveri per se, sed solum per motum sui orbis. Aliter enim accideret corpus celi esse divisibile, vel duo corpora esse in eodem loco, vel vacuum esse. Aliis etiam rationibus ostendit hoc Aristotiles in libro Celi et Mundi. Si igitur planete describant7 ecentricos, vel epiciclos, necesse est ponere istos circulos8 in aliquo corpore, per cujus motum planeta moveatur. Non enim describuntur circuli tales, nisi a centro planete; et centrum non movetur, nisi per motum corporis cujus est9; et corpus10 planete non movetur, ut prius ostensum est, nisi per motum sui orbis. Si igitur ponamus circulum11 ecentricum ab aliquo planetarum descriptum, necesse est ponere orbem ecentricum12, per cujus motus describatur ecentricus a centro13. Et similiter necesse est ponere epiciclum circulum alicujus corporis rotundi, in quo figatur14 planeta, per cujus motum circa centrum proprium moveatur15 planeta, describendo circulum qui dicitur epiciclus. Sed hujusmodi corpora ponere16 est impossibile; quare impossibilis est positio ecentricorum vel epiciclorum. 1  diversitatem in debilitate et 9  cujus est ]  scilicet, cujus est cen­ fortitudine ]  diversitatem et debitrum, S. litatem et fortitudinem, S.   10  et corpus ]  om. S. 2  Kapitel 13 in S.   11  circulum ]  om. S. 3  planetarum ]  om. S.   12  ecentricum ]  concentricum, S. 4  et ]  om. S.   13  describatur ecentricus a centro ]  de5  et ]  om. S. scribitur ecentricus a centro planete, S. 6  supponamus ]  supponimus, S.   14  figatur ]  situatur, S. 7  describant ]  describunt, S.   15  moveatur ]  movetur, S. 8  circulos ]  om. S.   16  corpora ponere ]  ponere corpora, S. 9  cujus est ]  scilicet, cujus est centrum, S.   10  et corpus ]  om. S.   11  circulum ]  om. S.   12  ecentricum ]  concentricum, S.   13  describatur ecentricus a centro ]  describitur ecentricus a centro planete, S.   14  figatur ]  situatur, S.  

KAPITEL 101

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zipien, entsprechend ihrer Schwäche oder Stärke, und ihrer verschiedenen Richtungen unterscheiden. Daraus wird die Lösung dieser Frage also ersichtlich.

KAPITEL 101 Über die Exzenter, die Epizykel und die Bewegungen der Planeten [ 169]

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Infolgedessen werden die Kreise und Bewegungen untersucht, die Ptolemäus für die Planetensphären annimmt, also die Exzenter, die Epizykel und die Bewegungen der Planeten auf ihnen. Zuerst setzen wir voraus, dass ein Planet sich nicht durch sich selbst bewegt, sondern nur durch die Bewegung seiner Sphäre. Andernfalls wäre der Himmelskörper nämlich entweder teilbar oder zwei Körper wären an demselben Ort oder es gäbe ein Vakuum. Weitere Gründe hat Aristoteles in seinem Buch Über den Himmel und die Welt 884 genannt. Wenn die Planeten Exzenter oder Epizykel beschreiben, müssen ihre Kreise in einen Körper gesetzt werden, durch dessen Bewegung ein Planet bewegt wird. Denn solche Kreise werden nur von dem Mittelpunkt eines Planeten beschrieben; doch der Mittelpunkt wird nur durch die Bewegung desjenigen Körpers bewegt, dessen Mittelpunkt er ist. Wie bereits gezeigt worden ist, wird der Körper eines Planeten jedoch nur durch die Bewegung seiner Sphäre bewegt. Wenn wir also einen von irgendeinem der Planeten beschriebenen Exzenter annehmen, müssen wir auch eine exzentrische Sphäre885 annehmen, durch deren Bewegung der Exzenter ausgehend vom Mittelpunkt beschrieben wird. Ähnlich ist es auch notwendig, einen Epizykel um einen runden Körper herum anzunehmen, an dem der Planet befestigt ist und durch dessen Eigenbewegung um den Mittelpunkt herum der Planet bewegt wird – eben jenen Kreis beschreibend, der schließlich als Epizykel bezeichnet wird. Doch es ist unmöglich, derartige Körper anzunehmen. Aus diesem Grund ist auch die Annahme von Exzentern und Epizykeln unmöglich.

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Teil II

Quod autem impossibile sit ponere orbem ecentricum alicujus planete, videtur per hoc, quod tunc necesse est1 corpus celi esse divisibile, vel duo corpora esse in eodem loco, vel vacuum esse. Consequentia apparet2 per hoc quod orbis ecentricus habet ejus aliquam partem3 maxime elongatam a Terra, et ei oppositam maxime approximatam. Et similiter necesse est in orbe ipsum continente, quoniam necesse est superficiem convexam corporis contenti et concavam continentis simul esse, nisi inter orbes fuerit vacuum, aut corpus alterius nature. Cum igitur movetur orbis ecentricus totus, aut necesse est quod orbis continens equali velocitate moveatur, quod nullus ponit, visu testante contrarium4; aut oportet quod longitudo ejus longior, cuicunque parti orbis continentis supponatur, impellat partem orbis continentis sibi suprapositam5 a suo loco, dividendo celum; aut quod simul recipiatur cum ipsa; et in parte opposita, necesse est relinqui vacuum, vel celum rarefieri, adimplendo spacium inter longitudinem propiorem orbis contenti6 et corpus continens. Sed hec ratio, ut videtur, de facili solvitur, si ymaginemur orbem ecentricum moveri circa centrum proprium, et non circa centrum mundi. Non enim accidunt dicta inconvenientia nisi ponamus totum orbem7 et etiam imaginabiliter8 centrum ejus moveri circa centrum mundi9, ita quod longitudo ejus longior sit semper in eadem distantia ab ipso, et similiter longitudo propior10, et quicunque punctus in ipso signatus; et ita, cum non omnes partes continentis sic equaliter distent, necesse est11 sequi unum dictorum impossibi1  necesse est ]  esset necesse, S.   2  apparet ]  patet, S.   3  ejus aliquam partem ]  partem aliquam ejus, S.   4  contrarium ]  contrarium sibi suprapositum, S.   5  suprapositam ]  suprapositam que est propinquior terre, S.   6  contenti ]  contentis, S.   7  totum orbem ]  orbem ipsum totum, S.   8  imaginabiliter ]  ymaginabimur, S.   9  circa centrum mundi ]  om. S.   10  similiter longitudo proprior ]  eciam propior longitudo, S.   11  est ]  esse, P.

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Dass es auch unmöglich zu sein scheint, für einen Planeten eine exzentrische Sphäre anzunehmen, ergibt sich daraus, dass der gesamte Himmelskörper dann teilbar sein müsste, oder dass zwei Körper zur gleichen Zeit an demselben Ort sein müssten, oder dass es ein Vakuum geben müsste. Diese Schlussfolgerung folgt auch, da die exzentrische Sphäre einen Teil haben muss, der am weitesten von der Erde entfernt ist, sowie einen Teil, der am nächsten an der Erde gelegen ist. Das Gleiche gilt auch für die Sphäre, in der sich der Exzenter befindet. Denn es ist notwendig, dass die konvexe Ebene des eingeschlossenen Körpers und die konkave einschließende Ebene zugleich existieren, es sei denn, zwischen den Sphären wäre ein Vakuum oder ein Körper von einer anderen Natur. Denn wenn die ganze Sphäre des Exzenters bewegt werden würde, ist es entweder notwendig, dass die einschließende Sphäre mit derselben Geschwindigkeit bewegt wird – was aber niemand annimmt, da es dem Augen­schein widerspricht –; oder es ist notwendig, dass ihr Apogäum, welcher Teil der einschließenden Sphäre auch immer angenommen wird, den gegenüberliegenden Teil der einschließenden Sphäre anstößt und dabei den Himmel teilt; oder sie müsste zugleich mit ihr zurückgestoßen werden. Und im gegenüberliegenden Teil [des Himmelskörpers] müsste notwendigerweise ein Vakuum entstehen; oder der Himmel müsste sehr verdünnt werden, da der Raum zwischen der einschließenden Sphäre und dem eingeschlossenen Körper aufgefüllt werden müsste. Doch diese Überlegung lässt sich anscheinend leicht auflösen, wenn wir uns eine exzentrische Sphäre vorstellen, die sich um ihren eigenen Mittelpunkt – und nicht um den Mittelpunkt der Welt – bewegt. Denn die genannten Unannehmlichkeiten treten nur dann auf, wenn wir uns die Sphäre und deren Mittelpunkt als um den Mittelpunkt der Welt kreisend denken, sodass das Apo­ gäum der Sphäre gleich weit [vom Mittelpunkt] entfernt wäre wie deren Perigäum. Das Gleiche gilt auch für jeden Punkt, den man auf ihr angibt. Da aber nicht alle einschließenden Teile auf diese Weise den gleichen Abstand haben, folgt notwendig eine der ge-

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lium. Si autem moveatur circa centrum proprium, cum idem fuerit centrum corporis1 continentis, patet quod in suo motu nullum accidet dictorum inconvenientium, quia tam longitudo longior, quam proprior2, et omnes alie partes3 orbis contenti4 sunt in eadem distantia a centro proprio, et similiter est de5 omnibus partibus continentis. Et istum motum6 ecentrici ponunt mathematici, quoniam sic accidit apparens inuniformitas in motu planete talis orbis, cum tamen in ipso simpliciter uniformitas fuerit7. Quod autem hec responsio non sufficienter doceat inconvenientia predicta vitare8, specialius ac difficilius arguendo sic declaratur: Cum omnis orbis celestis duplici superficie sperica terminetur, concava et convexa, si fuerit ecentricus, aut hoc erit quantum ad superficiem concavam tantum, aut conversam9 tantum, aut propter utriusque ecentricitatem. Et cum totius corporis celestis fuerint superficies concava et convexa concentrice, quarum centrum est centrum mundi, necesse est quod si fuerit orbis habens utramque10 superficiem ecentricam, neque sit supremus, ut orbis supra-stellatus11, neque infimus, ut orbis Lune, sed intermedius tantum. Si autem fuerit ecentricus quantum ad concavitatem tantum, non poterit esse infimus, sed quicunque alius12. Si quantum ad convexitatem tantum, non poterit esse supremus, sed vel infimus, vel intermedius. Quod igitur non sit orbis cujus convexitas13 sit ecentrica, sic14 videtur: Quia si esset tale, ut verbi gratia orbis Lune, non posset15 moveri, quin aliquod16 dictorum inconvenientium, vel aliud, sequere1  corporis ]  orbis, S.   2  proprior ]  propinquior, S.   3  partes ]  partes intermediate, S 4  contenti ]  contentis, S.   5  de ]  in, S.   12  sed quicunque alius ]  sed 6  motum ]  motum orbis quoniam causam alius, S. 7  fuerit ]  fuerit, ut explanatum est prius., S.   13  convexitas ]  convexitas 8  vitare ]  vitari, S.   tantum, S. 9  conversam ]  convexam, S.   14  sic ]  nec, P. 10  utramque ]  utriusque, S.   15  posset ]  possit, S. 11  supra-stellatus ]  supra-stellatum, S.   16  aliquod ]  aliquid, S. 12  sed quicunque alius ]  sed quoniam causam alius, S.   13  convexitas ]  convexitas tantum, S.   14  sic ]  nec, P. 15  posset ]  possit, S.   16  aliquod ]  aliquid, S.  

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nannten Unmöglichkeiten. Wenn die Sphäre aber um ihren eigenen Mittelpunkt herum bewegt werden würde, der ebenso auch der Mittelpunkt der einschließenden Sphäre wäre, ist es offensichtlich, dass bei ihrer Bewegung keine der genannten Unannehmlichkeiten auftreten würden, weil dann sowohl ihr Apogäum als auch ihr Perigäum, ebenso wie alle anderen Teile der Sphäre, sich im gleichen Abstand vom eigenen Mittelpunkt befinden würden, was für alle anderen einschließenden Teile ebenso gilt. Diese exzentrische Bewegung nehmen die Mathematiker an, weil derartig die scheinbare Ungleichmäßigkeit bei der Bewegung der Planeten in solch einer Sphäre auftritt, obwohl in der Sphäre eine einfache Gleichförmigkeit vorhanden ist. Falls durch diese Antwort nicht hinreichend klar wird, wie man die genannten Unannehmlichkeiten vermeiden kann, kann man sich auch einer spezielleren und schwierigeren Argumentation bedienen: Da jede Himmelssphäre – wenn sie exzentrisch ist – durch eine zweifache kugelförmige Oberfläche begrenzt wird: nämlich durch eine konkave und durch eine konvexe Oberfläche, wird sie entweder wegen der konkaven Oberfläche begrenzt werden oder wegen der konvexen Oberfläche oder wegen der Exzentrizität beider. Da alle Himmelskörper konzentrische Oberflächen sind, die zugleich konkav und konvex gewölbt sind, und deren Mittelpunkt zugleich der Mittelpunkt der Welt ist, müsste eine Sphäre, die beide Arten von exzentrischen Oberflächen hat, weder ganz oben gelegen sein (wie die Sphäre über den Sternen) noch ganz unten (wie die Mondsphäre), sondern zwischen diesen Sphären. Wenn die Sphäre vor allem auf die Konkavität bezogen exzentrisch wäre, könnte sie nicht ganz unten gelegen sein, sondern irgendwo anders. Wenn die Sphäre vor allem auf die Konvexität bezogen exzentrisch wäre, könnte sie nicht ganz oben sein, sondern müsste sich entweder ganz unten oder in der Mitte befinden. Dass es keine Sphäre geben kann, deren Konvexität exzentrisch ist, wird folgendermaßen klar: Wenn irgendeine Sphäre – sagen wir zum Beispiel die Mondsphäre – so beschaffen wäre, könnte sie nicht bewegt werden, weil dann entweder eine der genannten Un-

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tur; quoniam aut moveretur circa centrum convexitatis, aut circa centrum mundi. [Si circa centrum mundi]1, procedit ratio prius posita; et hoc concessum fuit in responsione. Si circa centrum convexitatis, cum ab eo2 quedam ejus partes quantum ad earum continuitatem3 magis elongentur4, et quedam minus, necesse est partes minus elongatas expellere partes corporis infra ipsum contenti a suis locis, vel duo corpora esse in eodem loco; et inter partes magis elongatas et partes corporis contenti [derelinqui vacuum vel]5 partes corporis contenti moveri ad implendum6 spacium inter eas inclusum. Et7 ita accidet aliquando8 corpus elementare, scilicet ignem contentum ab orbe Lune, moveri superius ad replendum9 locum in quo fuit corpus celeste, et erit corpus celeste loco corporis elementaris post expulsionem ejus a loco suo. Accidet etiam ex motu ejus circa centrum convexitatis10 superficiem concavam totius celi non esse semper concentricam; quoniam centrum mundi unicum est et immobile; sed, in dicto motu, oportet centrum concavitatis super circulum parvum11 mutari, cujus centrum est centrum superficiei ecentrice, et cujus semidiameter est12 distantia inter centrum ecentrice et centrum mundi; et accidet13 in una14 circulatione superficiem15 concavam semel16 esse concentricam, quia semel accidet17 ejus centrum cum centro mundi conjungi. 1  Si circa centrum mundi ]  om. P, nur in S.   2  eo ]  ea, S.   3  continuitatem ]  concavitatem, S.   4  elongentur ]  elongaretur, S.   5  derelinqui vacuum vel ]  om. P, nur in S.   6  ad implendum ]  adimplent, S.   7  Et ]  om. S.   8  accidet aliquando ]  aliquando accidet, S.   9  replendum ]  implendum, S.   10  centrum convexitatis ]  om. centrum, convexitatem, S.   11  parvum ]  primum, S.   12  et cujus semidiameter est distantia ]  et semidiametri distancia, S.   13  accidet ]  accidit, S.   14  una ]  om. S.   15  superficiem ]  una superficiem, S.   16  semel ]  Solis, S. 17  accidet ]  accidit, S.  

13  accidet ]  accidit, S. 14  una ]  om. S. 15  superficiem ]  una superficiem, S. 16  semel ]  Solis, S. 17  accidet ]  accidit, S.

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annehmlichkeiten oder etwas anderes folgen würde, da sie entweder um den Mittelpunkt der Konvexität oder um den Mittelpunkt der Welt herum bewegt werden müsste. Wenn sie um den Mittelpunkt der Welt herum bewegt werden würde, würden sich wieder die Einwände ergeben, die schon genannt worden sind und die wir in der Antwort bereits eingeräumt haben. Wenn die Sphäre um den Mittelpunkt ihrer Konvexität herum bewegt werden würde, wäre es notwendig der Fall – da einige Teile der Sphäre wegen ihrer Kontinuität vom Mittelpunkt weiter entfernt wären, andere Teile aber weniger weit –, dass die weniger weit entfernten Teile die Teile des weiter unten gelegenen eingeschlossenen Körpers entweder von ihrem Ort verdrängen würden oder dass zwei Körper zugleich an demselben Ort wären. Und zwischen den weiter entfernten Teilen und den Teilen des eingeschlossenen Körpers müsste entweder ein Vakuum zurückbleiben oder die Teile des eingeschlossenen Körpers müssten sich bewegen, um den dadurch entstandenen Zwischenraum aufzufüllen. Auf diese Weise wird es dann manchmal geschehen, dass ein Elementarkörper – wie zum Beispiel das Feuer, das durch die Mondsphäre eingeschlossen wird – weiter nach oben bewegt wird, um den Ort auszufüllen, an dem sich vorher der Himmelskörper befunden hatte. Und der Himmelskörper wird sich dann an dem Ort des Elementarkörpers befinden, nachdem dieser von seinem Ort verdrängt worden ist. Aus einer Bewegung einer Sphäre um den Mittelpunkt der Konvexität wird daher folgen, dass die konkave Oberfläche des gesamten Himmels nicht immer konzentrisch sein wird, weil der Mittelpunkt der Welt einzigartig und unbeweglich ist; doch bei der genannten Bewegung muss der Mittelpunkt der Konkavität über dem kleinen Kreis geändert werden, dessen Mittelpunkt der Mittelpunkt der exzentrischen Fläche ist, und dessen Radius die Entfernung zwischen der exzentrischen Sphäre und dem Mittelpunkt der Welt beträgt; und es wird in einer Umrundung geschehen, dass die konkave Fläche zugleich konzentrisch ist, weil es zugleich der Fall ist, dass ihr Mittelpunkt mit dem Mittelpunkt der Welt verbunden ist.

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Quod autem ostensum est jam de orbe infimo, scilicet de orbe Lune, per prehabita potest ostendi de orbibus1 intermediis. Si enim comparemus ipsos ad orbes superiores, patet propter dicta inconvenientia quod non possunt moveri circa centrum mundi. Et propter eadem2 etiam patet quod non possunt moveri circa centrum convexitatis, si referamus eos ad orbes inferiores. Nec3 possunt circa aliud centrum moveri, quoniam quocunque dato, utralibet4 comparatione facta, accident impossibilia predicta. Nec possunt hec impossibilia vitari5, nisi ponamus quod hujusmodi orbes moveantur circa centrum mundi, et quod partes orbis contenti et continentis [sint]6 equali distantia a centro mundi, quantum scilicet [ad convexitatem continentis et concavitatem contenti; quantum vero]7 ad convexitatem contenti et concavitatem continentis8, sint secundum superficies simul entes in tota ratione contenti. Sed tunc9 accidet illos orbes equali velocitate moveri, etiam10 eisdem motibus, cujus contrarium comprobat fides oculator11. Et etiam tunc frustra ponerentur ecentrici. Non enim ponit eos Ptolomeus, et alii astronomi, nisi propter motum planete vel epicicli circa eorum centrum12, qui non potest esse, nisi per motum orbis, ut prius patuit. Ex his igitur videtur quod non est ponere orbem ecentricum quantum ad convexitatem tantum. Quod etiam non sit orbis ecentricus quantum ad concavitatem tantum, manifestum13 erit per14 dicta consideranti. Si enim fuerit hujusmodi orbis supremus, et move1  orbibus ]  corporibus, S.   2  eadem ]  eandem, S. 3  Nec ]  Non, S.   4  utralibet ]  utraque, S.   5  Nec possunt hec impossibilia vitari ]  Et non possunt inpossibilia hec vitari, S.   10  etiam ]  et, S. 6  sint ]  om. P., om. S.   11  comprobat fides oculator ]  7  ad … vero ]  om. P., om. S.   probat fides oculata, S. 8  ad convexitatem contenti et conca­ 12  eorum centrum ]  centrum vitatem continentis ]  ad convexitatem eorum, S. continentis, S.   13  manifestum ]  tantum, S. 9  tunc ]  nunc, S.   14  per ]  om. S. 10  etiam ]  et, S.   11  comprobat fides oculator ]  probat fides oculata, S.   12  eorum centrum ]  centrum eorum, S.   13  manifestum ]  tantum, S. 14  per ]  om. S.  

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Was bisher für die unterste Sphäre (also die Mondsphäre) gezeigt worden ist, kann durch das bis hierher Dargestellte auch für die mittleren Sphären gezeigt werden. Denn wenn wir diese Sphären mit den höher gelegenen Sphären vergleichen, wird aufgrund der genannten Unannehmlichkeiten deutlich, dass sie nicht um den Mittelpunkt der Welt herum bewegt werden können. Aus denselben Unannehmlichkeiten wird auch ersichtlich, dass sie nicht um den Mittelpunkt der Konvexität herum bewegt werden können, wenn wir diese auf die weiter unten gelegenen Sphären beziehen. Ebenso wenig können sie um einen anderen Mittelpunkt bewegt werden, da bei allem, was auch immer wir annehmen, die genannten Unmöglichkeiten auftreten, nachdem ein Vergleich zwischen den beiden angestellt worden ist. Diese Unmöglichkeiten können nicht vermieden werden, außer wenn wir annehmen, dass diese Sphären um den Mittelpunkt der Welt herum bewegt werden, und dass die Teile der eingeschlossenen und die Teile der einschließenden Sphäre sich in der gleichen Entfernung vom Mittelpunkt der Welt befinden, soweit man sich auf die Konvexität der einschließenden und die Konkavität der eingeschlossenen Sphäre bezieht. Auf die Konvexität der eingeschlossenen und die Konkavität der einschließenden Sphäre bezogen, existieren sie – soweit es die Oberfläche betrifft – vollkommen übereinstimmend. Doch dann müssten die Sphären mit derselben Geschwindigkeit und durch dieselben Bewegungen bewegt werden, was dem Zeugnis des Beobachters jedoch widerspricht. Genauso vergeblich werden auch Exzenter angenommen. Denn Ptolemäus und die anderen Astronomen haben die Exzenter nur aufgrund der Bewegung der Planeten oder der Epizykel um ihren Mittelpunkt herum angenommen, die es jedoch nur durch die Bewegung der Sphäre geben kann, wie bereits klargeworden ist. Daran wird ersichtlich, dass man für die Konvexität keine exzentrische Sphäre anzunehmen braucht. Dass es auch wegen der Konkavität keine exzentrische Sphäre braucht, wird durch die bis hierhin angestellten Betrachtungen deutlich. Denn wenn es eine oberste Sphäre von solch einer Beschaffenheit gäbe, die um den

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Teil II

atur1 circa centrum concavitatis, oportet esse vacum locum extra celum, quo pars maxime secundum suum convexum distans a centro concavitatis recipiatur. Si autem fuerit ejus motus circa centrum mundi, sive convexitatis2, patet ex predictis, comparando ipsum ad orbem inferiorem ab ipso contentum, quia3 accidet orbem inferiorem a superiore dividi, vel simul loco quantum ad eorum4 aliquas partes5 recipi, et etiam aut vacuum esse, aut corpus celo esse rarefactibile6. Deinde quod non sit orbis intermedius habens utramque sui7 superficiem ecentricam, sic ostenditur: Quoniam autem erit utrique unum centrum aut diversum. Si diversum8, patet ex dictis quod ipsum erit immobile, aut ex motu ejus acciderint9 dicta inconvenientia. Si idem, poterit tunc [circa]10 illud11 centrum moveri; et quamvis ex tali motu inconveniens non accidat, tamen ecentricitatem ejus sequuntur12 impossibilia. Cum enim ejus centrum fuerit etiam centrum convexitatis13 orbis ab ipso contenti et concavitatis continentis (hoc enim de necessario oportet, ut patet)14, queratur de concavitate contenti et convexitate continentis, utrum ipsarum fuerit illud15 centrum. Si sic, adhuc simile16 queratur de proximo orbe inferiori et proximo superiori. Et necesse est stare ad aliquem orbem superiorem, quia ad minus ad supremum, cujus convexitas fuerit [concentrica, nam oportet quod convexitas totius celi sit concentrica; et etiam ad or1  moveatur ]  moveretur, S.   2  convexitatis ]  convexitas, S.   3  quia ]  quoniam, S.   4  eorum ]  om. S.   5  partes ]  partes eorum, S.   6  celo esse rarefactibile ]  celi rarefieri vel rarefactibile esse., S.   7  sui ]  secundum, S.   8  quoniam … diversum ]  quoniam utri­ 13  convexitatis ]  convexitatis, que est idem centrum aut diversum, S. eciam, S. 9  accident ]  acciderit, P. 14  contintentis … patet ]  om. S. 10  circa ]  om. P., om. S.   15  illud ]  idem, S. 11  illud ]  idem, S.   16  simile ]  similiter, S. 12  sequuntur ]  consecuntur, S.   13  convexitatis ]  convexitatis, eciam, S.   14  contintentis … patet ]  om. S.   15  illud ]  idem, S.   16  simile ]  similiter, S.  

KAPITEL 101

[182]

[183]

819

Mittelpunkt der Konkavität herum bewegt werden würde, müsste es einen leeren Ort außerhalb des Himmels geben, in dem der Teil, der in seiner Konvexität am weitesten vom Mittelpunkt der Konkavität entfernt liegt, aufgenommen werden würde. Wenn sich diese Sphäre aber um den Mittelpunkt der Welt oder um den Mittelpunkt ihrer Konvexität herum bewegen würde, wird aus dem Gesagten deutlich – indem sie selbst mit einer darunter liegenden Sphäre verglichen wird, die in ihr enthalten ist –, dass die untere Sphäre entweder von der oberen Sphäre getrennt ist oder denselben Ort wie einige Teile von ihr einnimmt. Daher wird es entweder ein Vakuum geben oder der Himmelskörper muss verdünnbar sein. Dass es weiterhin keine dazwischenliegende Sphäre geben kann, die auf beiden Seiten von sich eine exzentrische Oberfläche hat, kann so gezeigt werden: Entweder hätten beide einen Mittelpunkt oder sie hätten verschiedene Mittelpunkte. Wenn sie verschiedene Mittelpunkte hätten, resultiert aus dem bereits Gesagten, dass die Sphäre selbst unbeweglich sein wird oder sich aus ihrer Bewegung die bereits genannten Unannehmlichkeiten ergeben müssten. Wenn sie denselben Mittelpunkt haben, wird sie sich um diesen Mittelpunkt herum bewegen; und auch wenn aus solch einer Bewegung keine Schwierigkeit resultiert, folgen doch aus der Exzentrizität unmögliche Annahmen. Da ihr Mittelpunkt nämlich zugleich der Mittelpunkt der Konvexität der Sphäre sein wird, die von ihr eingeschlossen wird, und da er auch der Mittelpunkt der Konkavität der einschließenden Sphäre sein wird (was notwendig ist, wie es scheint), muss bezüglich der Konkavität der eingeschlossenen Sphäre und der Konvexität der einschließenden Sphäre untersucht werden, welche von diesen beiden der Mittelpunkt sein wird. Wenn das geschehen ist, wird ähnlich nach der nächstliegenden unteren Spähre und der nächstliegenden oberen Sphäre gefragt. Und es ist notwendig, bei einer oberen Sphäre stehen zu bleiben, die kleiner ist als die oberste Sphäre und deren Konvexität konzentrisch sein wird, weil die Konvexität des ganzen Himmels kon-

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[184]

Teil II

bem inferiorem, quia ad minus ad infimum, cujus concavitas sit concentrica et convexitas ecentrica, nam oportet quod convexitas totius celi sit concentrica, et similiter concavitas, ut prius dictum est. Et ideo superficies convexa ultimi celi erit concentrica, ad minus; sed ejus concavitas erit, secundum hanc positionem, ecentrica; et similiter, secundum veritatem, erit concava superficies celi infimi [concentrica], sed ejus convexitas, secundum hanc positionem, ecentrica. Hec de facili patent si ponamus tantum tres, quorum medius, secundum hanc opinionem, sit ecentricus in concavo et convexo; nam tunc superficies concava supremi celi erit ecentrica, et convexum infimi celi similiter, quia centrum medii celi habebunt. Sed nunc predicta pertractanti patebunt inconvenientia memorata].1 Est etiam contra Ptolomeum et alios positores ecentricorum quod2 plures orbes ecentrici idem centrum habeant, cum3 qui­libet, secundum ipsum, habet centrum appropriatum.

CAPITULUM CII. De quadam ymaginatione modernorum.4 [185]

Hec igitur considerantibus videbitur5 quod non sit ponere orbem ecentricum. Et antequam arguatur contra positionem corporum epiciclorum, videndum6 de quadam ymaginatione modernorum, qua nituntur7 dicta inconvenientia vitare et8 apparentia salvare per ecentricos et epiciclos. 1  concentrica, nam oportet quod convexitas … inconvenientia memorata ] Die gesamte hier in Klammern gesetzte Passage findet sich nur in P. Hier weicht S, beginnend bei concentrica, stark ab: concentrica et concavitas ecentrica, et eciam ad orbem inferiorem, quia ad minus ad infimum, cujus concavitas sit concentrica et convexitas ecentrica, et tunc predicta pertractanti patebunt inconveniencia memorata. 2  quod ]  cum, S.   5  videbitur ]  videtur, S. 3  cum ]  ymmo, S.   6  videndum ]  videndum est, S. 4  Der Titel des Kapitels findet sich 7  nituntur ]  utuntur, S. nicht in P. Kapitel 14 in S.   8  et ]  et per, P. 5  videbitur ]  videtur, S.   6  videndum ]  videndum est, S.   7  nituntur ]  utuntur, S.   8  et ]  et per, P.

KAPITEL 102

[184]

821

zentrisch sein muss; und ebenso bei irgendeiner unteren Sphäre, die kleiner als die unterste ist, deren Konkavität konzentrisch und deren Konvexität exzentrisch ist, weil die Konvexität und – wie bereits gesagt worden ist – auch die Konkavität des ganzen Himmels konzentrisch sein muss. Daher wird die konvexe Oberfläche des letzten Himmels konzentrisch zur kleineren Sphäre sein, doch ihre Konvexität wird nach dieser Position exzentrisch sein; und ähnlich wird die Oberfläche des untersten Himmels entsprechend der Wahrheit konkav und exzentrisch sein, doch ihre Konvexität wird nach dieser Position exzentrisch sein. Das wird sehr leicht deutlich, wenn wir drei Sphären annehmen, deren mittlere dieser Meinung entsprechend exzentrisch in der konkaven und der konvexen Sphäre sein wird; denn dann wird die konkave Oberfläche des obersten Himmels exzentrisch sein und die konvexe Oberfläche des untersten Himmels ebenso, weil beide ihren Mittelpunkt in der Mitte des Himmels haben werden. Doch dann werden wieder die bereits dargestellten und durchdachten Unannehmlichkeiten auftreten. Es spricht auch gegen Ptolemäus und andere, die Exzenter angenommen haben, dass mehrere exzentrische Sphären den gleichen Mittelpunkt haben sollten, da ­ihm zufolge ja jede Sphäre ihren eigenen Mittelpunkt hat.

KAPITEL 102 Über einige moderne Vorstellungen [185]

Wenn man diese Dinge bedenkt, wird es so scheinen, dass man keine exzentrische Sphäre annehmen sollte. Und bevor gegen die Position von epizyklischen Körpern argumentiert werden kann, muss zuerst eine Annahme der Zeitgenossen [ymaginatione mo­ dernorum] betrachtet werden, die durch Exzenter und Epizykel die genannten Unannehmlichkeiten zu vermeiden und die Erscheinungen zu retten suchen.

822 [186]

Teil II

Ymaginantur autem unumquemque1 orbem planetarum dividi in tres orbes partiales; et est totius orbis tam superficies convexa quam concava concentrica; inter quas superficies imaginantur unam ejus partem superficiebus spericis equidistantibus et ecentricis2; et cum necesse fuerit utramque partium extremarum superficiebus non equidistantibus terminari, et ita in suis partibus secundum spissitudinem non equaliter dimensionari, oportet semper maximam spissitudinem3 [infime minime]4 supreme directe supponi et, e converso5, minimam infime maxime6 supreme, ut non7 accidat inter illas partes vacuum, nec corpus alterius nature, nec accidet ex motu alicujus sue partis, hoc situ non mutato, duorum corporum simultas localis8, nec corporis celestis divisibilitas9. Ponunt10 igitur partem mediam, sive11 orbem ecentricum, moveri12 circa centrum proprium, ex cujus motu non mutabitur situs predictus. Et hic ecentricus sufficit ad salvandum13 apparentiam in Sole, si ponimus14 Solem figi in ipso, ita quod non excedat extremitas15 ejus, et ad motum ejus moveri, ut patet in figura subscripta.16 1  unumquemque ]  unum quemlibet, S.   2 et ecentricis ]  et concentricis terminatam et hec ejus pars vocatur orbis planete ecentricus, S.   3  secundum spissitudinem … maximam spissitudinem ]  secundum spissitudinis partis infime minime spissitudinem, S.   4  infime minime ]  om. P. 5  e converso ]  e contrario, S.   6  minimam infime maxime ]  minimam maxime infime, S.   7  non ]  nec, S.   8  localis ]  locans, S.   9  divisibilitas ]  diversitas, S.   10  Ponunt ]  Ponit, S.   11  sive ]  secundum, S.   12  sive orbem ecentricum, moveri ]  scilicet orbem ecentricum in continuo moveri, S.   13  salvandum ]  salvandam, S.   14  ponimus ]  ponamus, S.   15  extremitas ]  extremitates, S.   16  ut patet in figura subscripta ]  om. S., ebenso wie die Figur 2 und der gesamte Rest des Kapitels.

KAPITEL 102 [186]

823

Sie stellen sich nämlich vor, dass jede Planetensphäre in drei Teilsphären eingeteilt ist, und dass die gesamte Sphäre sowohl aus konvexen als auch aus konkaven exzentrischen Oberflächen besteht. Zwischen diesen Oberflächen denken sie sich einen Teil der Oberflächen, die kugelförmig, äquidistant und exzentrisch sind; und da es notwendig sein wird, dass beide Teile der äußersten Oberflächen nicht äquidistant abschließen und daher in ihren Teilen wegen der Dichte nicht gleich ausgedehnt sind, ist es notwendig, dass immer die größte Dichte direkt der äußersten Sphäre entgegengesetzt ist. Und umgekehrt: die geringste Dichte der untersten Sphäre der größten Dichte der äußersten Sphäre, damit zwischen den Teilen kein Vakuum und kein Körper einer anderen Natur ist, noch dass es durch die Bewegung irgendeiner ihrer Teile geschieht – wenn diese Lage nicht verändert wird –, dass zwei Körper an demselben Ort sind oder dass der Himmelskörper teilbar sein sollte. Sie nehmen also einen mittleren Teil oder auch eine exzentrische Sphäre an, der um seinen eigenen Mittelpunkt bewegt wird, und aufgrund dessen Bewegung die genannte Bewegung nicht verändert wird. Und dieser Exzenter reicht aus, um die Erscheinung der Sonne zu bewahren, wenn wir uns vorstellen, dass die Sonne an ihm befestigt ist, sodass sie dessen Grenze nicht überschreitet und durch dessen Bewegung bewegt wird, wie an der unten angeführten Figur ersichtlich wird.

824

Teil II

Fig. 2 [187]

Nam ponatur pes circini in centro mundi quod sit T et describatur totus orbis Solis, cujus convexitas primo describatur, et sit A C B D. Deinde super idem centrum describatur concavitas orbis Solis, in qua continetur spera Veneris, et sit O Q K P. Totus igitur orbis seu spera Solis continetur infra A C B D convexitatem ipsius orbis et supra1 O Q K P ejus concavitatem, ita quod totum plenum est a convexitate usque ad concavitatem, in cujus concavitate spera Veneris continetur. Et utraque, scilicet tam concavitas quam convexitas, describitur super idem centrum, scilicet T, quod est centrum

1  supra ]  inter, P.

KAPITEL 102

825

Figur 2 [187]

Es werde ein Zirkelfuß in den Mittelpunkt der Welt gesetzt, der mit T bezeichnet wird. Und es werde die gesamte Sonnensphäre aufgezeichnet, deren Konvexität zuerst gezeichnet wird: diese sei AC B D. Danach werde über demselben Mittelpunkt die Konkavität der Sonnensphäre gezeichnet, in der die Sphäre der Venus enthalten ist, und diese Sphäre sei O QK P. Der gesamte Kreis bzw. die gesamte Sphäre der Sonne ist also zwischen der Konvexität der Sphäre AC BD und über ihrer Konkavität O QK P enthalten, sodass zwischen der Konvexität und der Konkavität, in der die Sphäre der Venus enthalten ist, ein angefüllter Raum vorhanden ist. Und beide, sowohl die Konkavität als auch die Konvexität, werden um den gleichen Mittelpunkt – nämlich T – herum gezeichnet, der der Mittelpunkt der Welt ist. Daher ist die gesamte (aus

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Teil II

mundi. Unde hic orbis totalis in concavo et convexo est mundo concentricus1. Sed hec spera totalis distinguitur in tres orbes partiales. Unus continetur inter lineam A C B D et inter lineam A E F G, cujus pars inferior est spissior et latior2 versus B, et [superior est]3 strictior versus A, ut patet ad visum. Et hoc corpus est pars superior totius orbis, et exterior. Alius orbis partialis, scilicet infimus, continetur inter lineam H N K M et inter lineam O Q K P, cujus pars superior est latior et spissior versus H, et inferior est strictior versus K. Et iste due partes sunt irregularis figure. Tertia pars, que est media inter dictas, que includitur per A G F E et per H N K M, est regulariter descripta super centrum V, et est ecentrica mundo et toti orbi Solis; et hec pars vocatur orbis ecentricus Solis, scilicet corpus quoddam ecentricum circulare, quod describitur ponendo pedem circini in centro V, alio a centro mundi; et extenditur alius pes usque ad convexitatem orbis totius, scilicet usque ad A punctum, et completur circumferentia A G F E. Deinde, super idem centrum coartatur circinus usque [ad]4 concavitatem totius orbis, scilicet usque ad punctum K, et completur circumferentia H M K N; et orbis inclusus inter istas duas circumferentias est ecentricus orbis Solis; cujus aux, id est pars superior, est A, et oppositum augis, id est pars inferior, est F. Et hoc corpus circulare volvitur in circuitu sui centri in concavitate partis supreme totius orbis, et super convexitatem partis infime ejus­ dem orbis. Et ponitur concavitas quedam in parte illa in qua debet collocari corpus Solis. Unde Sol est quoddam corpus spericum

1  concentricus ]  concentritus, P. 2  inferior est spissior et latior ]  spissior et latior est inferior, P 3  superior est ]  om. P. 4  ad ]  om. P.

KAPITEL 102

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einer konkaven und konvexen Oberfläche bestehende) Sphäre konzentrisch gegenüber der Welt. Doch diese gesamte Sphäre wird nun in drei Teilsphären unterteilt. Eine erstreckt sich zwischen der Linie AC BD und der Linie A E F G , deren unterer Teil gegenüber B dichter und ausgedehnter ist, und deren oberer Teil gegenüber A enger ist, wie aus dem Augen­schein hervorgeht. Und dieser Körper ist der obere und der äußere Teil der gesamten Sphäre. Die andere unterste Teilsphäre ist zwischen der Linie H N K M und der Linie O QK P enthalten. Ihr oberer Teil ist gegenüber H ausgedehnter und dichter, ihr unterer Teil ist gegenüber K enger, wobei beide Teile eine ungleichmäßige Gestalt haben. Der dritte Teil, der sich zwischen den anderen genannten Teilen erstreckt, und der durch die Punkte AG F E und H N K M eingeschlossen wird, verläuft gleichmäßig um den Mittelpunkt V ­herum. Er ist gegenüber der Welt und der gesamten Sonnensphäre exzentrisch und wird als die exzentrische Sphäre der Sonne bezeichnet, also als ein gewisser kreisförmiger und konzentrischer Körper. Dieser Teil wird gezeichnet, indem man den Zirkelfuß in den Mittelpunkt V setzt, der von dem Mittelpunkt der Welt verschieden ist. Der andere Fuß wird nun bis zur Konvexität der gesamten Sphäre gespannt, also bis zum Punkt A. Dann wird der gesamte Kreisumfang AG F E gezogen. Daraufhin wird der Zirkel auf demselben Mittelpunkt angesetzt und bis zur Konkavität der gesamten Sphäre gespannt, das heißt: bis zum Punkt K. Und auch hier wird der Kreis­u mfang H M K N gezogen; die sich zwischen diesen beiden Umfängen erstreckende Sphäre ist nun die exzentrische Sphäre der Sonne, deren Aux, die der obere Teil ist, durch den Punkt A bezeichnet wird. Und der Oppositus der Aux, der der untere Teil ist, ist F. Dieser kreisförmige Körper wird in einem Kreis um seinen Mittelpunkt in der Konkavität des oberen Teils der gesamten Sphäre bewegt und ebenso in der Konvexität des untersten Teils derselben Sphäre. Weiterhin wird eine Konkavität in jenem Teil [der gesamten Sphäre] gesetzt, in dem sich der Sonnenkörper befinden muss. Daher ist die Sonne ein gewisser kugelförmiger

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Teil II

collocatum in hoc ecentrico, diversum1 in natura a partibus orbis ecentrici, et undique contingens orbem illum; et ejus dyameter secat totam spissitudinem orbis ecentrici, ut patet in figura. Et movetur secundum motum orbis ecentrici. Et sic est ymaginatio de his que ad Solem pertinent, qui epiciclum non requirit, sed solum ecentricum exposcit.2

CAPITULUM CIII. De corpusculo epiciclo3 [ 192]

Sed4 in aliis planetis in quibus ponuntur ecentrici et epicicli, imaginandum est in hujusmodi orbe ecentrico quoddam corpusculum infigi5, habens solam convexitatem, non concavitatem, ut cum situetur6 secundum ejus medium, seu centrum, in medio spissitudinis orbis, ipsum non excedat. In hoc autem corpusculo ponunt7 planetam situari8 et9 moveri secundum motum istius epicicli. Nam ponunt epiciclum totum ferri circa suum centrum continue, deferens secum planetam. Movetur etiam epiciclus per motum ecentrici deferentis, sicut Sol moveretur per delationem sui ecentrici. 1  diversum ]  divisum, P. 2  Hier schließt sich in P die Figur 2 an. 3  Der Titel ist nicht in P, aber das Wort Sed beginnt mit einem großen, in rot geschriebenen S.   4  Hier setzt S in direktem Anschluss unter Auslassung der Figur und deren Beschreibung wieder ein, mit den Worten: In aliis autem planetis in quibus ponendum est ecentricos et epiciclos, ymaginandum est … 5  quoddam corpusculum infigi ] quoddam corpus corpusculum elementum spericum infigi, S.   6  ut cum situetur ]  cujus dyametrum fuerit secundum spissitudinem orbis ecentrici ut infimum ejus, S.   7  ponunt ]  ponam, S.   8  Ab dieser Stelle weicht der Text in S ab: […] planetam situari, ita quod eorum convexitates se invicem tangant. Hoc igitur corpusculum movetur circa cen­ trum proprium continue deferendo planetam; per cujus motum describit descri­ bit planeta circulum quem vocamus epiciclum; movetur eciam per motum orbis ecentrici, quo motu describit ejus centrum circulum qui dicitur ecentricus deferens. 9  Hier beginnt ein Abschnitt, der sich nur in P, nicht in S findet.

KAPITEL 103

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Körper in dieser exzentrischen Sphäre, die von ihrer Natur her von den anderen Teilen der exzentrischen Sphäre verschieden ist und überall an diese Sphäre angrenzt. Ihr Durchmesser schneidet die gesamte Dichte der exzentrischen Sphäre, wie anhand der Abbildung ersichtlich wird. Und sie wird entsprechend der Bewegung der exzentrischen Sphäre bewegt. Dies ist also die Vorstellung von der Sonnensphäre, die keine Epizykel annimmt, sondern die nur einen Exzenter erfordert.

KAPITEL 103 Über das Korpuskel des Epizykels [ 192]

Doch für die anderen Planeten, bei denen Exzenter und Epizykel angenommen werden, muss man sich eine exzentrische Sphäre vorstellen, auf der sich ein Korpuskel befindet, der nur konvex und nicht konkav ist. Seine Mitte, bzw. sein Mittelpunkt, befindet sich in der Mitte der Dichte der Sphäre und geht über diese nicht hinaus. Auf diesen Korpuskel setzen sie einen Planeten, der entsprechend seinem Epizykel situiert und bewegt wird. Denn sie nehmen einen Epizykel an, der kontinuierlich um seinen Mittelpunkt bewegt wird und den Planeten mit sich trägt. Der Epizykel wird also durch die Bewegung des Exzenters bewegt, ebenso wie die Sonne durch ihren Exzenter bewegt wird.

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Teil II

Fig. 31 [ 193]

Sit igitur exemplum de Luna pro orbibus qui habent epiciclos vel ecentricos. Et sit totus orbis Lune, cujus centrum est centrum mundi, quod est T. Unde figatur pes circini immobilis in hoc centro, et describatur primo convexitas orbis, scilicet A B C D. Deinde, super idem centrum, coartetur circinus, et describatur concavitas totius orbis Lune, in qua continetur spera ignis, et sit O Q K P; et sic orbis totalis continetur inter A B C D et inter O Q K P, plenus natura celi que facit orbem seu speram totalem Lune. Hic autem orbis totalis habet tres partes, sicut dictum est de orbe Solis. Nam

1  Die Figur erstreckt sich über die gesamte Seite fol. 204 v.; om. S.

KAPITEL 103

831

Figur 3 [ 193]

Nehmen wir nun den Mond als Beispiel für die Sphären mit Epizykeln oder Exzentern. Gegeben sei die gesamte Mondsphäre, deren Mittelpunkt auch der Mittelpunkt der Welt ist, und er werde mit T bezeichnet [vgl. Fig. 3]. Danach werde der Zirkelfuß an diesem unbeweglichen Mittelpunkt angesetzt, und es werde zuerst die Konvexität der Sphäre gezeichnet, die durch die Punkte A B C D beschrieben sei. Danach werde der Zirkel über demselben Mittelpunkt angesetzt und es werde die Konkavität der Mondsphäre gezeichnet, in der sich die Feuersphäre befindet, und diese Sphäre sei O QK P. Auf diese Weise erstreckt sich die ganze Sphäre entsprechend der Natur des Himmels, die die ganze Sphäre des Mondes ausmacht, zwischen A B C D und O QK P. Diese ganze Sphäre hat nun drei Teile, ebenso wie es bezüglich der Sonnensphäre ge-

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Teil II

ponetur pes circini in alio puncto a centro mundi, sit ergo V, versus augem orbis; et extendatur pes alius usque ad convexitatem totius orbis, scilicet usque ad A punctum, et fiat circumferentia A G F E; deinde, super idem centrum V posito uno pede circini, alius extendatur usque ad concavitatem totius orbis, scilicet usque ad K punctum, et fiat1 circumferentia H N K M; inter quas circumferentias continebitur orbis Lune ecentricus, et inter duas partes residuas orbis totius, quarum suprema est contenta inter lineam A B C D et inter lineam A G F E, et infima continetur inter lineam H N K M et inter lineam O Q K P, sicut dictum est de orbe Solis. Et orbis ecentricus Lune ponitur continue moveri in circuitu sui [centri]2 ecentrici, quod est V. In cujus una parte intelligenda est concavitas, ut quoddam corpus rotundum inseratur; quod potest duobus modis intellexi: vel quod sit undique spericum convexum, sicut pila; vel quod sit spericum extra, et concavum intra, ita quod pars ecentrici parva sit in medio epicicli. Si primo modo, tunc epiciclus est K L F l, ita quod corpusculum R Y S fit de ecentrico. Non enim vis est, sive sic, sive sic intelligatur. In corpore etiam epicicli intelligendum est corpus planete situari, ita quod sit concavitas in epiciclo ut corpus spericum et undique convexum collocetur, ut est A Θ vel K Θ. His itaque se habentibus, ponunt quod moveatur ecentricus in suo loco circa centrum suum, et secum deferat totum epiciclum. Et preter hoc, ponunt quod epiciclus continue moveatur circa centrum proprium, deferens secum corpus planete. Et etiam aliqui

1  fiat ]  fiet, P. 2  centri ]  om. P.

KAPITEL 103

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sagt worden ist. Nun wird der Zirkelfuß an einem anderen Punkt als dem Mittelpunkt der Welt angesetzt, der als V gekennzeichnet wird, und der sich in der Richtung der Aux der Sphäre befindet. Der andere Zirkelfuß wird nun bis zur Konvexität der ganzen Sphäre erweitert, also bis zum Punkt A, und es wird der Umfang AGF E eingezeichnet. Nun wird ein Zirkelfuß auf demselben Mittelpunkt V angesetzt; und der andere Zirkelfuß werde bis zur Konkavität der Sphäre gespannt, also bis zum Punkt K. Dann konstruiere man den Umfang H N K M . Zwischen diesen beiden Umfängen wird sich nun die exzentrische Sphäre des Mondes befinden, ebenso wie zwischen den verbleibenden zwei Teilen der gesamten Sphäre, von denen der obere Teil sich zwischen den Linien A B C D und AGF E befindet und der untere zwischen den Linien H N K M und O QK P, wie es auch von der Sphäre der Sonne gesagt worden ist. Von der Mondsphäre wird nun angenommen, dass sie sich kontinuierlich um den Mittelpunkt ihres Exzenters herumbewegt, der durch V gekennzeichnet worden ist. Der eine Teil [der Sphäre] ist konkav, damit ein gewisser runder Körper eingesetzt werden kann. Das kann auf zwei Arten verstanden werden: entweder kann er überall kreisförmig und konvex sein – wie ein Ball. Oder er kann außen kugelförmig, innen jedoch konkav sein, sodass der kleine Teil des Exzenters sich in der Mitte des Epizykels befindet. Wenn es auf die erste Art verstanden wird, dann ist der Epizykel zwischen K L F I aufgespannt, sodass das Korpuskel RYS sich auf dem Exzenter befindet. Doch man kann das – wie gesagt – auf beide Arten verstehen. Auf dem Körper des Epizykels befindet sich nun der Körper des Planeten, sodass es beim Epizykel eine Konkavität gibt, damit der kugelförmige und überall konvexe Körper darauf gelegen sein kann, wie es durch AΘ und KΘ veranschaulicht wird. Nachdem diese Dinge derartig festgesetzt worden sind, behaupten sie nun, dass der Exzenter an seinem Ort um seinen Mittelpunkt herum bewegt wird, wobei er den ganzen Epizykel mit sich führt. Außerdem nehmen sie an, dass der Epizykel kontinuierlich um seinen eigenen Mittelpunkt bewegt wird, wobei er den Körper des Planeten mit sich führt. Andere hingegen vermuten, dass der

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Teil II

ponunt quod planeta moveatur circa suum centrum motu proprio, quia1 aliter diversa facies planete nobis apparet2, quando est in auge epicicli et in opposito augis; sed hoc non est possibile, quia semper eadem facies Lune, in qua est ejus macula, nobis semper apparet; ex quo concludit Aristotiles secundo Celi et Mundi quod in omnibus planetis appareret.3 Ex4 hac igitur ymaginatione non videtur sequi aliquod dictorum inconvenientium, et tamen contingit per ipsam5 apparentiam salvare, sicut docet Ptolomeus, scilicet6 stationem, retrogradationem, directionem, et in eandem partem velocitatem majorem et minorem respectu centri mundi. Et accidit aliquando planetam esse in longitudine epicicli longiore, aliquando in longitudine propinquiore. Et similiter centrum epicicli variatur in ecentrico.7 Et quia partes extreme totius orbis appropriantur eidem planete cui orbis medius ecentricus appropriatur8, et non moventur, nisi forte motu diurno per motum totius orbis, non9 contingunt huic ymaginationi inconvenientia10 que prius conclusa sunt ex hoc quod orbis continens orbem ecentricum, et ab eo11 contentus, appropriabantur12 diversis planetis motis propriis motibus et diversis.13 Sed qui hac ymaginatione gaudent, credentes ex ea possibilitatem circulorum et motuum quos ponit Ptolomeus declarasse, propriam ignorantiam eorundem motuum ostendunt. Ponit enim Ptolomeus in Luna et Mercurio quod ecentricus totus deferens epiciclum movetur circa14 aliud centrum a centro proprio. Ecentricus enim Lune totus movetur secundum ipsum circa centrum mundi, ut prius declaratum est, ad occidentem, ita quod longitudo ejus longior, et 1  quia ]  qui, P. 2  apparet ]  appareret, P. 3  Die ganze nächste Seite nimmt Figur 3 ein. 4  Hier setzt S wieder ein. 5  ipsam ]  ipsum, S.   6  scilicet ]  videlicet, S.   7  Et accidit aliquando … ecentrico ]  Et accidit planetas aliquando in longitudine longiori epicicli variari in ecentrico., S.   8  appropriatur ]  om. S.   9  non ]  om. S.   10  inconvenientia ]  convenientia, P. 11  eo ]  eo esset, S.   12  appropriabantur ]  approprientur, S.   13  In S folgt hier das fünfzehnte Kapitel. 14  circa ]  super, S.  

  8  appropriatur ]  om. S.   9  non ]  om. S. 10  inconvenientia ]  convenientia, P. 11  eo ]  eo esset, S. 12  appropriabantur ]  approprientur, S. 13  In S folgt hier das 15. Kapitel. 14  circa ]  super, S.

KAPITEL 103

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Planet durch eine Eigenbewegung um seinen Mittelpunkt bewegt wird, weil der Planet uns sonst in einer anderen Gestalt erscheinen würde, wenn er sich in der Aux des Epizykels und in der Opposition der Aux befindet. Doch dies ist unmöglich, da uns immer die Gestalt des Mondes erscheint, an der sich sein Fleck befindet, woraus Aristoteles im zweiten Buch von Über den Himmel und die Welt 886 geschlossen hat, dass er bei allen Planeten erscheinen müsste. Aus dieser Vorstellung scheint keine der genannten Unannehmlichkeiten zu folgen, und dennoch kann man durch diese Theorie die Erscheinungen bewahren, wie Ptolemäus sie lehrt, das heißt ihre Stellung, ihre Retrogradation, ihre Richtung sowie ihre größere bzw. kleinere Bewegungsgeschwindigkeit in demselben Teil gegenüber dem Mittelpunkt der Welt. Manchmal geschieht es, dass ein Planet sich im Apogäum des Epizykels befindet, manchmal auch in dessen Perigäum. Ähnlich wechselt auch der Mittelpunkt des Epizykels auf dem Exzenter. Und weil die äußersten Teile einer Sphäre demselben Planeten zugeschrieben werden, dem ein Exzenter in der Mitte der Sphäre zugeschrieben wird, und da sie nicht bewegt werden, außer durch die starke tägliche Bewegung, in der die ganze Sphäre bewegt wird, ergeben sich aus dieser Vorstellung nicht die Unannehmlichkeiten, die sich vorher ­daraus ergeben haben, dass der die exzentrische Sphäre einschließenden Sphäre und der von ihr eingeschlossenen Sphäre zugleich verschiedene Eigenbewegungen der verschiedenen Planeten zugeschrieben worden sind. Doch die Menschen, die sich an dieser Vorstellung erfreuen, weil sie glauben, damit die Möglichkeit der Kreise und der Bewegungen erklären zu können, die Ptolemäus sich vorgestellt hat, zeigen damit nur die eigene Unkenntnis dieser Bewegungen. Ptolemäus887 nimmt bei Mond und Merkur nämlich an, dass der Exzenter, der den Epizykel mit sich führt, um einen anderen Mittelpunkt als den eigenen herum bewegt wird. Der Exzenter des Mondes wird, wie weiter vorne schon erklärt worden ist, um den Mittelpunkt der Welt herum nach Westen bewegt, sodass sein Apogäum, sein Peri-

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proprior1, et ejus centrum tres circulos parallelos describunt, quorum centrum est centrum mundi. Sed hec positio ecentrici Lune2 est centri, et non ecentrici3 Mercurii, cum mutatione sui centri circa aliud punctum a centro suo4. Et in his etiam circulis ponit epiciclos moveri ad contrarium, scilicet ad orientem; quos etiam5 motus si dicto6 ymaginantes posuerit7 in orbe medio ecentrico, patebit aliquod dictorum impossibilium necessario contingere, tam ex motu ecentrici quam ex motu epicicli. Item ponit Ptolomeus quod fere in una revolutione Lune secundum longitudinem bis pertransit8 epiciclus ecentricum, et quod bis fuerit in ejus auge, et bis in ejus oppositione, quod non contingit9 secundum dictam ymaginationem. Nam secundum hoc ecentricus moveretur in partes contrarias simul et semel, ut patet ex motibus Ptholomei et ex hac ymaginatione.10 Ponit etiam Ptolomeus quod auges planetarum moventur ad motum octave spere. Qui quidem motus non est circa centrum proprium ecentrici, quoniam in motu circa centrum proprium11 non manet idem12 punctus aux planete; ymo, semper diversificatur. Motus autem qui est ab octava spera est totius orbis; itaque13 idem ­punctus manet aux et idem oppositum augis. Item sequitur ex dicta imaginatione quod eadem pars corporis planete non semper respicit14 Terram, sive aspectus nostros; cujus contrarium ostendit Aristotiles per Lunam, cujus macula nobis sub eadem figura semper apparet. Quod autem hoc inconveniens ex sua positione sequatur, apparet15, cum, secundum ipsos, corpus in quo ymaginatur epiciclus, movendo circa centrum proprium, 1 proprior ] propinquior, S.   2  Lune ]  veri, P. 3  ecentrici ]  ecentricus, P. 4  Sed hec … centro suo ]  Et similiter movetur ecentricus Mercurii, cum mutacione sui ecentrici circa aliud punctum a centro mundi., S.   5  etiam ]  om. S.   6  dicto ]  dicto modo, S.   7  posuerit ]  posuerunt, S.   8  pertransit ]  pertransierit, S.   9  contingit ]  continget, S.   10  Nam … ymaginatione ]  om. S.   11  proprium ]  om. S.   12  idem ]  minus, P., unus, S.   13  itaque ]  ita quod, S.   14  respicit ]  respiciat, S.  

  8  pertransit ]  pertransierit, S.   9  contingit ]  continget, S. 10  Nam … ymaginatione ]  om. S. 11  proprium ]  om. S. 12  idem ]  minus, P., unus, S. 13  itaque ]  ita quod, S. 14  respicit ]  respiciat, S. 15  apparet ]  patet, S.

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gäum und sein Mittelpunkt drei Parallelkreise beschreiben, deren Mittelpunkt der Mittelpunkt der Welt ist. Doch diese Position des Exzenters des Mondes ist gegenüber dem Merkur zentrisch und nicht exzentrisch, da er sich um einen anderen Mittelpunkt als seinen eigenen Mittelpunkt herum bewegt. Für diese Kreise nimmt er noch Epizykel an, die sich in die entgegengesetzte Richtung, also nach Osten, bewegen. Wenn nun diese Bewegungen für einen Exzenter gesetzt werden, wird mit Sicherheit eine der genannten Unmöglichkeiten auftreten, sowohl aufgrund der Bewegung des Exzenters, als auch aufgrund der Bewegung des Epizykels. Außerdem legt Ptolemäus fest, dass der Epizykel während einer Umdrehung des Mondes in der Länge zweimal den Exzenter überschreitet und zweimal in dessen Aux sowie zweimal in dessen Opposition sein wird, was sich nach der genannten Vorstellung nicht ereignet. Denn dieser Vorstellung entsprechend wird der Exzenter gleichzeitig und zugleich zu verschiedenen Teilen hinbewegt, was an den Bewegungen, die Ptolemäus beschrieben hat, sowie an den Bewegungen, die bei dieser Überlegung beschrieben werden, deutlich wird. Weiterhin nimmt Ptolemäus an, dass die Aux der Planeten durch die Bewegung der achten Sphäre bewegt werden. Diese Bewegung verläuft sicher nicht um den eigenen Mittelpunkt des Exzenters herum, weil die Aux eines Planeten bei der Bewegung um den eige­ nen Mittelpunkt sicherlich nicht die gleiche bleibt, sondern sich immer verändert. Die Bewegung der achten Sphäre betrifft jedoch die ganze Sphäre, weshalb der gleiche Punkt bezüglich der Aux und des Oppositus der Aux bestehen bleibt. Weiterhin folgt aus der genannten Vorstellung, dass sich nicht immer der gleiche Teil eines Planeten gegenüber der Erde oder unserem Blick befindet. Hierfür hat Aristoteles888 für den Mond jedoch das Gegenteil gezeigt, dessen Angesicht uns immer unter der gleichen Gestalt erscheint. Dass diese Unannehmlichkeit aus seiner Position folgt, wird daran deutlich, dass nach dieser Theorie der Körper, in dem man sich den Epizykel vorstellt, der sich um den

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­ eferat circulariter planetam, et ita eadem pars planete in tota cird culatione centrum epicicli respiciat. Quare cum aspectus noster infra epiciclum non fuerit inclusus, necesse est quod diversa pars ejus nobis continue appareat, et quod in auge epicicli et oppositione augis partes planete oppositas videamus1. Hoc autem inconveniens non potest vitari, nisi ponamus planetam habere proprium motum circa centrum suum, quod est2 contra Aristotilem libro Celi et Mundi. Item in epiciclis, secundum Ptholomeum, distinguuntur aux vera et aux media; et est aux media semper idem punctus in epiciclo, a determinato puncto in diametro mundi maxime elongatus; sed hec3 non contingerent4 si epiciclus haberet motum circularem completum circa centrum proprium. Item inconveniens videtur accidere dicte positioni propter difformitatem figuralem5 quam6 ponit in orbibus partialibus extremis; quamvis enim superficies ipsos terminantes fuerint uniformis figure, quia sperice7, tamen difformis est figura corporalis, cum in aliqua8 parte fuerint9 magis spissi10, et in alia minus. Hanc autem difformitatem negant naturales in corporibus celestibus propter eorum simplicitatem et unigeneritatem11. Item inconveniens est, ut videtur, ponere corpus celeste sine motu sibi12 appropriato. Sed hoc ponit dicta positio13, cum partiales orbes extremi aut necessario quiescant, aut motu communi, per motum totius orbis solum, moveantur; quoniam aliter ex eorum motu accideret14 aliquod dictorum impossibilium. 1  videamus ]  videmus, S.   2  est ]  videtur, S.   3  hec ]  hoc, S.   4  contingerent ]  contingeret, S.   5  figuralem ]  similiem, S.   11  unigeneritatem ]  unigenertatem, P.; 6  quam ]  quoniam, P. unigenitatem, S. 7  quia sperice ]  om. S.   12  sibi ]  proprio, S. 8  aliqua ]  alia, S.   13  dicta positio ]  positio dicta, S. 9  fuerint ]  fuerit, S.   14  accideret ]  accidet, S. 10  spissi ]  spissa, S.   11  unigeneritatem ]  unigenertatem, P.; unigenitatem, S.   12  sibi ]  proprio, S.   13  dicta positio ]  positio dicta, S.   14  accideret ]  accidet, S.  

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eigenen Mittelpunkt bewegt, den Planeten mit sich führen würde. Daher müsste man während der gesamten Umdrehung des Epizykels um seinen Mittelpunkt herum immer denselben Teil des Planeten sehen. Damit unser Blick in dem Epizykel nicht eingeschlossen sein wird, ist es notwendig, dass uns immer ein anderer Teil von ihm erscheint, und dass wir in der Aux des Epizykels und in der Opposition der Aux gegenüberliegende Teile eines Planeten sehen. Diese Unannehmlichkeit kann man nicht vermeiden, außer indem wir annehmen, dass jeder Planet eine Eigenbewegung um seinen Mittelpunkt herum hat, was gegen die Ansicht des Aristoteles in seinem Buch Über den Himmel und die Welt ist889. Weiterhin werden nach Ptolemäus in einem Epizykel die wahre Aux und die mittlere Aux unterschieden; und die mittlere Aux ist immer derselbe Punkt eines Epizykels, der durch den Punkt des Durchmessers bestimmt wird, der von der Welt am weitesten entfernt ist. Doch dies wäre nicht der Fall, wenn der Epizykel eine vollständige kreisförmige Bewegung um seinen eigenen Mittelpunkt vollführen würde. Eine weitere Unannehmlichkeit scheint sich aus dieser genannten Position aufgrund der Ungleichförmigkeit zu ergeben, die Ptolemäus für die äußersten Teile der Sphären annimmt. Da die sie begrenzenden Flächen nämlich von ungleichförmiger Gestalt sind, ist die gesamte Gestalt des Körpers, obwohl er rund ist, ungleichförmig, weil die Sphäre in einigen Teilen dichter und in anderen Teilen weniger dicht sein wird. Diese Ungleichförmigkeit wird von den Naturphilosophen bei den Himmelskörpern allerdings wegen ihrer Einfachheit und Einmaligkeit verneint. Weiterhin ergibt sich anscheinend eine Unannehmlichkeit daraus, dass man einen Himmelskörper ohne eine angemessene eigene Bewegung annimmt. Das behauptet die genannte Position jedoch, da die äußersten Teile einer Sphäre entweder zur Ruhe kommen oder durch eine allgemeine Bewegung, die nur aus der Bewegung der ganzen Sphäre resultiert, bewegt werden, weil andernfalls aus ihrer Bewegung eine der genannten Unmöglichkeiten folgen würde.

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Ex his autem que contra dictam opinionem sunt preposita ostenditur etiam quod non contingit ponere epiciclos, quoniam aliter non possint, ut prius ostensum est, poni, nisi ponendo aliquod corpus rotundum motum circa centrum proprium, cujus motu centrum planete circulum describeret, qui dicitur epiciclus, et hoc jam improbatum est.1 Ex predictis igitur apparet impossibilitas ecentricorum, et epiciclorum, et eorundem quorundam motuum quos ­ponunt Ptolomeus et ejus sequaces. De aliis etiam eorum2 quibusdam motibus quos ponit3, pot­est4 sibi rationabiliter contradici5, videlicet de motu reflexionis et involutionis epiciclorum Veneris et Mercurii, et de motu etiam reflexivo6 suorum ecentricorum et etiam epiciclorum trium planetarum superiorum. Quoniam omnis motus corporum celestium est continuus et perpetuus, ut ostenditur 8o phisicorum. Sed nullus motus reflexivus est continuus, ut7 ibidem docetur; ymo accidet quies intermedia. Quare predicti motus, cum sint omnes reflexivi, non sunt possibiles.8 Licet autem hec objecta videantur Astronomiam Ptolomei destruere, tamen sunt difficillime rationes experimentales ipsam, quantum ad positionem ecentricorum vel epiciclorum, confirmantes; quarum una sumitur ex inuniformitate9 motus10 planetarum, et hac ratione usus est Ptholomeus ad ostendendum ecentricos vel epiciclos, cuius11 pertractatio patet ex prehabitis. Difficilius autem potest argui ad idem ex hoc quod idem12 planeta aliquando magis approximatur Terre, aliquando minus. Et cum motus corporum celestium sit circularis, et per motum talem non poterit sic diversimode planeta terre approximari, nisi describendo circulum cujus centrum non sit centrum mundi, et hujus­ 1  Ex his … improbatum est ]  Der gesamte Satz fehlt in S.   2  etiam eorum ]  eorum etiam, S.     8  Hier beginnt Kapitel 16 in S. 3  ponit ]  ponit Ptholomeus, S.     9  inuniformitate ]  uniformitate, S. 4  potest ]  om. S.   10  motus ]  om. S. 5  contradici ]  contradicitur, S.   6  etiam reflexivo ]  reflexivo eciam, S.   11  cuius ]  ejus, S. 12  ex hoc quod idem ]  om. S. 7  ut ]  et, S.   8  Hier beginnt Kapitel 16 in S.   9  inuniformitate ]  uniformitate, S.   10  motus ]  om. S. 11  cuius ]  ejus, S.   12  ex hoc quod idem ]  om. S.  

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Aus alldem, was gegen diese genannte Ansicht gesagt worden ist, folgt also, dass man keine Epizykel annehmen kann, weil man sie nur – wie weiter vorne gezeigt worden ist – postulieren kann, wenn man sich einen Körper vorstellt, der sich mit einer runden Bewegung um den eigenen Mittelpunkt herum bewegt, und dessen Bewegung einen Kreis um den Mittelpunkt eines Planeten beschreiben müsste, der als Epizyklus bezeichnet wird, was bereits verworfen worden ist. Aus dem Gesagten wird daher die Unmöglichkeit von Exzentern, Epizykeln und einigen ihrer Bewegungen deutlich, die Ptolemäus und seine Nachfolger angenommen ­haben. Man kann auch einigen der anderen von Ptolemäus angenommenen Bewegungen vernünftig widersprechen, zum Beispiel der Reflexions- und Involutionsbewegung der Epizykel von Venus890 und Merkur891, ebenso wie der reflexiven Bewegung ihrer Exzenter und der drei Epizykel der höher gelegenen Planeten. Denn wie im achten Buch der Physik 892 gezeigt worden ist, ist jede Bewegung der Himmelskörper kontinuierlich und ewig, doch wie ebendort gelehrt wird893, verläuft keine reflexive Bewegung kontinuierlich, sondern es wird zwischendurch immer eine Ruhephase auftreten. Aus diesem Grund können die genannten Bewegungen, da sie alle reflexive Bewegungen sind, unmöglich auftreten. Doch auch wenn diese Einwände die Astronomie des Ptolemäus zu zerstören scheinen, gibt es doch sehr schwierige Erfahrungsgründe, die die Annahme von Exzentern und Epizykeln bestätigen. Einer dieser Gründe ergibt sich zum Beispiel aus der Ungleichmäßigkeit der Planetenbewegungen, was Ptolemäus auch als Grund für seine Demonstration der Exzenter und Epizykel angeführt hat, die wir bereits diskutiert haben. Noch differenzierter kann man für die Annahme von Exzentern und Epizykeln argumentieren, indem man die Tatsache anführt, dass sich derselbe Planet manchmal mehr und manchmal weniger der Erde nähert. Da die Bewegung der Himmelskörper aber kreisförmig ist, wodurch ein Planet sich nicht so verschiedenartig der Erde nähern könnte, außer indem er einen Kreis beschreibt, des-

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modi circulus vel includet centrum mundi, et vocatur ecentricus, vel excludet, non excedens orbem planete, et vocatur epiciclus; cum, inquam, ita fuerit, necessaria est positio ecentricorum vel epiciclorum. Quod autem planeta diversimode, ut dictum est, Terre approximatur1, pluribus rationibus experimentalibus ostenditur. Et primo per diversitatem aspectus Lune que in eodem loco2 ejusdem circuli meridionalis, quandoque habet majorem diversitatem aspectus in latitudine, et quandoque minorem, situ aspicientis non mutato. Hoc autem non posset esse, nisi in uno tempore magis vicinaretur Terre, cum diversitas aspectus fuerit major; et in alio tempore minus, cum ipsa fuerit minor. Item videtur per eclipses lunares3, quoniam Luna in eadem distantia a nodo, et ita in eadem distantia4 ab axe umbre Terre pyramidalis, vel etiam existens in nodo, et ita transiens per axem umbre, aliquando plus moratur infra umbram5, aliquando minus; quod, ut videtur, non poterit causari, nisi6 plus de umbra pertransierit7 in uno tempore quam in alio. Et cum umbra fuerit pyramidalis figure, cujus basis est Terra, cum pertransierit plus de umbra, erit Terre propinquior, et cum minus, remotior. Sed quia hec ratio solvi poterit per inuniformitatem8 motus Lune, quam salvat9 Alpetragius, preter ecentricum vel epiciclum, ideo ex diversa quantitate eclipsis10 difficilior ratio sumi potest. In eadem enim11 distantia a nodo, et per consequens, in eadem propinquitate Lune ad axem ipsius umbre, aliquando plus corporis Lune eclipsatur12, aliquando minus; hoc autem impossibile videtur13 accidere, nisi ex majori ejus vicinitate14 ad Terram et minori. 1  approximatur ]  approximetur, S.   2  loco ]  puncto, S.   3  eclipses lunares ]  eclipsim lunarem, S.   4  a nodo, et ita in eadem distantia ]  om. S.   5  infra umbram ]  in umbra, S.   6  nisi ]  nisi quia, S.   7  pertransierit ]  pertransit, P., S.   8  inuniformitatem ]  uniformitatem, S.   9  salvat ]  solvit, S.   10  eclipsis ]  eclipsis particularis, S.   11  enim ]  ejus, S.   12  eclipsatur ]  exlipsatur, et, S.   13  videtur ]  non videtur, S.   14  ejus vicinitate ]  vicinitate ejus, S.  

  9  salvat ]  solvit, S. 10  eclipsis ]  eclipsis particularis, S. 11  enim ]  ejus, S. 12  eclipsatur ]  exlipsatur, et, S. 13  videtur ]  non videtur, S. 14  ejus vicinitate ]  vicinitate ejus, S.

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sen Mittelpunkt nicht der Mittelpunkt der Welt sein kann, und da ein solcher Kreis den Mittelpunkt der Welt entweder einschließt (dann wird er Exzenter genannt) oder ausschließt, ohne die Planetensphäre zu verlassen (dann wird er Epizykel genannt): da sich dies, wie ich sagen würde, doch so verhalten wird, muss man Exzenter und Epizykel notwendigerweise annehmen. Dass sich ein Planet aber, wie gesagt, auf verschiedene Weisen der Erde nähert, wird aufgrund vieler Erfahrungstatsachen ersichtlich. Erstens wird das durch den Anblick des Mondes deutlich, der an demselben Ort auf demselben Meridian manchmal eine größere Vielfalt in der Breite des Anblicks aufweist, manchmal jedoch auch eine kleinere, wobei sich die Lage des Betrachters nicht ändert. Das könnte aber nicht möglich sein, wenn er sich nicht manchmal mehr der Erde nähern würde, sodass die Vielfalt seines Aspekts [aspectus] größer sein wird; und manchmal geringer, sodass er kleiner sein wird. Dasselbe ergibt sich auch aus den Mondfinsternissen, weil der Mond sich in derselben Entfernung von dem Knoten und ebenso in derselben Entfernung von der Kegelachse des Erdschattens, wenn er sich zuerst im Mondknoten befindet und dann durch die Schattenachse weiterschreitet, manchmal länger und manchmal kürzer im Schatten aufhält; was, wie es scheint, nicht verursacht werden würde, wenn er nicht mehr vom Schatten zu einer Zeit als zu einer anderen durchqueren würde. Da der Schatten aber kegelförmig sein wird und die Erde als Basis hat, wird er der Erde manchmal näher sein und manchmal weiter von ihr entfernt sein. Doch wie man den Grund dafür durch die Ungleichförmigkeit der Bewegung des Mondes wird auflösen können, die Alpetragius jenseits von den Exzentern und Epizykeln rettet, kann man aufgrund der verschiedenartigen Größe der Eklipsen nur sehr schwer erklären. Denn in derselben Entfernung vom Knoten – und daraus folgend in derselben Nähe des Mondes zur Achse seines Schattens – ist der Mondkörper manchmal mehr verfinstert, manchmal weniger. Dies scheint aber nur geschehen zu können, weil er sich in größerer und in geringerer Entfernung zur Erde befindet.

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Quod si his rationibus aliqui adversari voluerint1, supposita forte interimendo, vel ipsorum aliam causam quam predictam assignando, sequenti ratione fidem adhibere proposito cogi videntur. Omne enim visibile aliquando apparens sub majori angulo, aliquando sub minori, ipso visibili in se non mutato, nec medio, nec visu, aliquando est visui propinquius, aliquando remotius. Sed planete sunt hujusmodi. Quare, etc. Minorem potest quilibet non2 solum in philosophia expertus3, ymo rudis et inexpertus, fide oculata improbare. Cum enim aliquis trium planetarum superiorem fuerit in oppositione ad Solem, apparebit sensibiliter majoris quantitatis quam cum fuerit in alio aspectu ad ipsum4. Ita quod quanto Soli magis approximaverit, tanto minoris quantitatis apparebit. Et hec apparentia positioni Ptolomei maxime concordat quantum ad epiciclos et quantum ad motus in epiciclis5, quos imaginatur in dictis planetis. Quoniam, secundum ipsum, cum fuerint6 in oppositione ad Solem, semper sunt in parte inferiori epicicli; et cum fuerint Soli conjuncti, sunt in parte superiori. Et a tempore conjunctionis7 usque ad oppositionem describit unam medietatem epicicli semper Terre approximando; et ab oppositione ad iteratam conjunctionem8, aliam medietatem, successive distantiam ejus a Terra augmentando. Hec autem diversitas quantitatis9 trium planetarum maxime apparet in Marte propter vicinitatem ejus ad Terram et epicicli magnitudinem; et minus in Jove, propter causas oppositas, apparet, et10 minime in Saturno. Nec potest dici quod in approximatione ad Solem apparent minoris quantitatis non11 propter causam predic­tam, sed quia, cum a Sole lumen recipiant12, sicut Luna, propter propinqui  8  conjunctionem ]  conjunctio1  voluerint ]  noluerint, S.   nem conjunctionem. 2  non ]  in, P.   9  quantitatis ]  om. S. 3  expertus ]  om. S.   10  et ]  eciam, S. 4  ipsum ]  ipsam, S.   11  non ]  nec, S. 5  et quantum ad motus in epicic12  sed quia, cum a Sole lumen lis ]  et in epiciclis motus, S.   recipiant ]  sed cum aliqua a 6 fuerint ] fuerit, S.   Sole lumen recipiant, S. 7  conjunctionis ]  conjunccionis, S.   8  conjunctionem ]  conjunctionem conjunctionem 9  quantitatis ]  om. S.   10  et ]  eciam, S.   11  non ]  nec, S.   12  sed quia, cum a Sole lumen recipiant ]  sed cum aliqua a Sole lumen recipiant, S.  

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Falls einige diesen Überlegungen widersprechen wollen sollten, ­indem sie das hier Vorgeschlagene stark behindern wollen oder indem sie dafür einen anderen Grund als den genannten angeben wollen, scheinen sie durch die folgende Argumentation zum Glauben des Vorgeschlagenen gezwungen werden zu können: Alles Sichtbare erscheint manchmal unter einem größeren und manchmal unter einem kleineren Winkel und wird manchmal näher und manchmal weiter entfernt gesehen, obwohl weder das Sichtbare in sich selbst noch das Medium noch das Sehen sich verändert haben. Von dieser Art sind auch die Planeten. Deshalb, usw. Den Untersatz kann jeder durch den Augenschein ablehnen, wofür er nicht in der Philosophie bewandert sein muss, da das auch jedem unerfahrenen und ungebildeten Menschen klar ist. Denn wenn einer der drei oberen Planeten sich in Opposition zur Sonne befinden wird, wird er deutlich größer erscheinen, als wenn er sich in einem anderen Aspekt befindet. Je mehr er sich aber der Sonne nähert, desto kleiner wird er erscheinen. Und diese Erscheinung stimmt mit der Position des Ptolemäus bezüglich der Epizykel und der Bewegungen in den Epizykeln überein, die man sich für die genannten Planeten vorstellt. Denn der Ansicht des Ptolemäus nach werden die Planeten sich immer im unteren Teil eines Epizykels befinden, wenn sie in Opposition zur Sonne stehen. Und wenn sie mit der Sonne in Konjunktion stehen, werden sie sich im oberen Teil befinden. Von der Zeit einer Konjunktion bis zur Zeit einer Opposition wird ein Planet sich entlang der einen Hälfte eines Epizykels bewegen und sich immer der Erde annähern; und von einer Opposition bis zu einer erneuten Konjunktion wird er sich entlang der anderen Hälfte bewegen und sich auf diese Weise allmählich von der Erde entfernen. Die Vielfalt der Größen der drei Planeten wird beim Mars wegen seiner Nähe zur Erde und der Größe seines Epizykels am deutlichsten. Aus denselben Gründen ist das beim Jupiter weniger und beim Saturn am wenigsten ersichtlich. Man kann hierfür nicht als Erklärung anführen, dass ein Planet während seiner Annäherung an die Sonne nicht wegen des genannten Grundes kleiner erscheint, sondern weil er, ebenso wie der Mond,

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Teil II

tatem eorum ad Solem1, similiter Lune, minus ab ipso2 illuminantur3, et solum nobis illuminatum apparet. Contra hec4 enim est quod, sicut ex ista causa sensibilis apparet diversitas in quantitate Lune5, similiter apparet in figura; quod non videmus in aliis6. Item, non est simile in his et in Luna, quoniam Luna situatur sub Sole, et ideo cum est Soli propinqua, non eadem7 tota ejus pars respicit8 visus nostros, et Solem. In dictis autem planetis, quia supra Solem situantur, in nulla distantia9 ipsorum a Sole videtur eorum aliqua10 pars quin11 eadem fere tota a Sole respiciatur12. Nec potest dici quod, propter approximationem ad Solem, cadunt in radiis Solis, et ideo minores apparent quam in majori distantia, quoniam diversitas in quantitate ipsorum apparente13 existit in majori distantia quam fuerit distantia in qua planete cadunt in radiis14 Solis; sicut per visum et15 ea que probantur in fine Almagesti probari poterit.

1  Solem ]  in S.  beginnt nach Solem ein neuer Satz. 2  ipso ]  ipsis, P.; de ipsa, S.   3  illuminantur ]  illuminatur, S.   4  hec ]  hoc, S.   5  Lune ]  om. S.   6  in aliis ]  om. S.   7  eadem ]  eadem et, S.   8  respicit ]  recipit, S.   9  distantia ]  circumstantia, S.   10  aliqua ]  alia, S.   11  quin ]  quia, S.   12 respiciatur ]  respicitur, S.   13  ipsorum apparente ]  apparente eorum, S.   14  radiis ]  radios, S.   15  et ]  et per, S.  

KAPITEL 103

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durch die Sonne Licht erhält. Man kann also nicht sagen, dass er, ebenso wie der Mond, weniger durch die Sonne beleuchtet wird, wenn er sich in größerer Nähe zur Sonne befindet, sondern dass er uns nur als beleuchtet erscheint. Dagegen spricht, dass uns der Mond nicht nur der Größe, sondern auch der Form nach immer verschieden erscheint, was wir bei den anderen Planeten jedoch nicht beobachten können. Weiterhin verhält es sich zwischen diesen Planeten und dem Mond nicht ähnlich, weil in dem Fall, dass sich der Mond unterhalb der Sonne befindet und nahe an der Sonne ist, von uns nicht derselbe ganze Teil des Mondes gesehen werden kann, den man von der Sonne aus sehen würde. Die genannten Planeten befinden sich jedoch oberhalb der Sonne, weshalb jeder ihrer Teile, egal in welcher Entfernung sie sich von der Sonne befinden, mehr oder weniger von der Sonne erblickt wird. Man kann auch nicht sagen, dass sie wegen der Annäherung an die Sonne in die Sonnenstrahlen fallen und daher kleiner erscheinen als in einer größeren Entfernung, da die Vielfalt ihrer erscheinenden Größe in einer weiteren Entfernung existiert, als es die Entfernung wäre, in der die Planeten in die Sonnenstrahlen fallen. Das wird man durch das Sehen und durch die Dinge, die am Ende des Almagest 894 gezeigt worden sind, beweisen können.

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Teil II

CAPITULUM CIV. De scientia experimentorum: que dicitur dignior omnibus partibus philosophie naturalis de perspectivis: et ideo notanda est maxime.1 [ 215]

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Sequitur2 pars sexta3, que est dignior omnibus aliis et potentior longe. Nam etsi quelibet scientia juvet aliam et mutuis4 se foveant auxiliis, tamen hec5 habet majus posse in omnes quam aliqua respectu alterius. Et hec nihilominus habet suas6 considerationes absolutas, et preterea utitur omnibus aliis sicut suis ancillis. Et vocatur scientia experimentalis, quia7 per antonomasiam8 utitur experientia. Novit enim quod argumentum persuadet de veritate, sed non certificat; et ideo necligit argumentum9; et non solum causas rimatur conclusionum per experientias, sed ipsas conclusiones experitur. Hec10 igitur 3es habet dignitates; sed prima11 est duplicata in radicibus, secundum quod exposui superius versus principium12 istius13 Operis, ubi me excusavi quare non potui principalia et completa scripta per me solum a tempore Vestri mandati persolvere14. Dixi igitur15 ibi quod hec scientia habet unam dignitatem: quod16 certificat omnes scientias per vivas experientias et completas. Nam alie scientie aut utuntur argumento quod non potest certificare, quia 1  Hier setzt W in der Edition von Little wieder ein. Der Einschub von S endet hier. P geht identisch mit W weiter. 2  In P beginnt dasselbe Kapitel, doch es heißt im ersten Satz: Hic termina­ tur pars quinta Operis majoris, et sequitur pars sexta, que est dignior omnibus aliis et longe potentior. 3  Sequitur pars sexta ]  Sequitur de scientia experimentali, Ta. 4  mutuis ]  mutuo, Ta. 11  Prima ]  una, sec. Eugenio 5  hec ]  om. W. Massa in: ›Ruggero Bacone‹ 6  suas ]  2as, W. 12  principium ]  initium, P. 7  quia ]  qui, P. 13  istius ]  hujus, Ta. 8  Ta in Marginalie: i. e. excellenciam. 14  persolvere ]  absolvere, P. 9  ideo necligit argumentum ]  ideo15  igitur ]  ergo, Ta. que negligit argumenta, Ta. 16  quod ]  quod ipsa, P. 10  Hec ]  Has, Ta. 11  Prima ]  una, sec. Eugenio Massa in: ›Ruggero Bacone‹ 12  principium ]  initium, P. 13  istius ]  hujus, Ta. 14  persolvere ]  absolvere, P. 15  igitur ]  ergo, Ta. 16  quod ]  quod ipsa, P.

KAPITEL 104

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KAPITEL 104 Über die Erfahrungswissenschaft: die als würdiger als alle anderen Teile der Naturphilosophie der Perspektivik bezeichnet wird. Und die daher äußerst betrachtenswert ist [ 215]

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Es folgt der sechste Teil [des Opus maius], der würdiger und viel mächtiger ist als alle anderen Teile.895 Denn auch wenn jede Wissenschaft eine andere unterstützt, und obgleich sich alle Wissenschaften gegenseitig Hilfe leisten, hat diese Wissenschaft doch größere Macht in allen anderen Wissenschaften als irgendeine der anderen Wissenschaften gegenüber einer anderen. Diese Wissenschaft hat auch ihre eigenen Methoden und benutzt außerdem alle anderen Wissenschaften als ihre Mägde. Sie wird ›Erfahrungswissenschaft‹ genannt, weil sie – um mit einer Antonomasie zu sprechen – die Erfahrung benutzt. Sie weiß nämlich, dass ein Argument zwar von der Wahrheit überzeugen, sie aber nicht beweisen kann. Daher vernachlässigt sie das Argument; und sie prüft nicht nur die Gründe für eine Konklusion durch die Erfahrung, sondern auch die Konklusion selbst. Diese Wissenschaft hat drei Vorzüge. Der erste Vorzug ist in seinen Wurzeln zweifach, was ich weiter oben zu Beginn dieses Werkes bereits erklärt habe896, wo ich mich entschuldigt habe, weshalb ich allein keine grundlegenden und vollständigen Schriften während der Zeit Eures Ersuchens anfertigen konnte. Ich habe dort nämlich gesagt, dass diese Wissenschaft einen Vorzug hat: dass sie alle anderen Wissenschaften durch anschauliche und vollständige Erfahrungen bestätigt. Denn die anderen Wissenschaften benutzen entweder ein Argument, das nicht beweiskräftig ist, weil nur

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Teil II

sola experientia certificat, aut experientiis incompletis1; et posui exempla magna de yride et circulis coloratis qui apparent circa stellas. Nam hujusmodi sunt veritates naturales, et perspective, et astronomice2. Nam et naturalis, et perspectivus, et astronomus habent aliqua de his assignare, sed isti omnes3 imperfecti sunt. Naturalis enim philosophus narrat et arguit, sed non experitur. Perspectivus vero4 et astronomus multa experiuntur, sed non omnia, neque sufficienter. Reservatur igitur huic scientie experientia completa. Et propter hoc rimatus sum omnes experientias in istis et, quantum potui, in scriptis explanare proposui5, precipue secundum tempus quod habui, et6 secundum quod requisivit persuasio quam feci. Oporteret vero omnia7 que scripsi verificari per instrumenta et per opera; quod fieri potest, quando8 Vestre placebit9 voluntati. Quod si essent ad plenum explicata, tunc mirarentur Latini quod10 nunc consistunt in ignorantia densissima in hac parte, sicut et in aliis11. Quamvis12 autem figure corporales requiruntur ad hoc ut nobis omnino certificentur Iris et halo, tamen sicut propter aliqualem cognitionem Iridis posui figuras superficiales, in Opere primo, quatinus cognitio que possibilis est in libro describi poterat, sic nunc, in hoc Opere tertio, volo figuras protrahere que in superficie sunt possibiles, quatinus circulus circa stellas clarius relucescat. Oportet autem supponere hic, sicut in Iride, quod halo generatur in vapore composito ex stillicidiis infinitis, ut colores valeant ap1  Nam … incompletis ]  om. P; aut habent experiencias incompletas, T. 2  astronomice ]  astronomie, Ta. 3  omnes ]  homines, W. 4  vero ]  om. Ta. 5  proposui ]  posui, P., Ta. 6  et ]  om. Ta. 7  Oporteret vero omnia ]  Oporteret etiam, Ta. 8  quando ]  cum, P., Ta. 12  Hier beginnt ein Abschnitt über 9  placebit ]  placuerit, Ta. den Halo, der sich nur in P findet. 10  Latini quod ]  qui, Ta. In Duhems Edition S.  138–148 11  in aliis ]  in multis aliis, P. 12  Hier beginnt ein Abschnitt über den Halo, der sich nur in P findet. In Duhems Edition S.  138–148.

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die Erfahrung beweist, oder sie benutzen nur unvollständige Erfahrungen. Und ich habe dort wichtige Beispiele über den Regenbogen897 und die farbigen Sternkreise898 angeführt. Denn von dieser Art sind die Wahrheiten in den Naturwissenschaften, der Perspektivik und der Astronomie. Alle diese Phänomene werden nämlich von dem Naturphilosophen, dem Per­spek­ tiviker und dem Astronomen behandelt, doch stets nur auf unvollkommene Art und Weise. Der Naturphilosoph zum Beispiel argumentiert und erzählt, doch er [prüft seine Überlegungen] nicht durch die Erfahrung. Der Perspektiviker und der Astronom stützen sich zwar oft auf die Erfahrung, doch nicht immer und auch nicht in ausreichendem Maße. Daher bleibt dieser Wissenschaft [der Erfahrungswissenschaft] die vollständige Erfahrung vorbehalten. Deshalb bin ich alle Erfahrungen in diesen Wissenschaften durchgegangen und habe sie  – so gut ich es vermochte – erklärt, soweit es die Zeit, die mir zur Verfügung stand, erlaubte und soweit es für die Überzeugungsschrift, die ich angefertigt hatte, erforderlich war. Was ich darüber geschrieben habe, müsste jedoch alles durch Instrumente und Versuche überprüft werden, was geschehen könnte, wenn es Eurem Willen gefallen würde. Wenn alle diese Dinge vollständig erklärt werden würden, würden sich die Lateiner wundern, dass sie bis dahin in diesem Teil [der Wissenschaften] ebenso wie in den anderen Teilen in der tiefsten Unwissenheit gefangen waren.899 Obwohl zwar körperliche Figuren erforderlich sind, um uns Regenbogen und Halo [Lichthof] überzeugend zu beweisen, so will ich doch, so wie ich im ersten Werk, um einigermaßen die Kenntnis des Regenbogens zu vermitteln, zweidimensionale Zeichnungen eingeführt habe, damit die mögliche Erkenntnis im Buch dargestellt werden konnte, nun auch im dritten Werk Zeichnungen bringen, deren zweidimensionale Darstellung möglich ist, damit der Kreis um die Sterne besser deutlich wird. Hierbei bleibt zuerst einmal ebenso wie bei dem Phänomen des Regenbogens festzuhalten, dass ein Halo durch Dunst hervorgerufen wird, der aus unzähligen herab­fallenden Tropfen besteht, durch die auch die

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Teil II

parere, sicut et accidit in omnibus experimentis que attuli ad Iridis cognitionem. Ceterum necesse est quod halo sit in1 loco vel alto et quiete, quia est diuturne permanentie, et ideo est supra tumultum et impetum nubium grossarum; et propter hujusmodi diutinam permantentiam, oportet quod vapor ejus componatur ex stillicidiis minutissimis, quas propter multam subtilitatem aer ipse valet sustinere, percipue cum ibi congelentur ex loci frigiditate et per virtutem loci frigidi suspendantur. Si igitur volumus certificare ceteras ejus conditiones, tunc oportet primo quod ejus altitudo super orizonta cognoscatur, et, ut possibile est, describatur propinquius veritati et sensibilius; hoc dico quia nulla figuratio superficialis sufficit in hac parte.2 Diameter igitur orizontis sit A E linea, et sit A oriens et E occidens. Circulus vero ipsius halo sit B R T C, cujus diameter est C P B, et P est centrum ejus, et centrum Solis secundum judicium visus. Nam Sol videtur esse in centro ipsius halo, et Luna, et quelibet stella circa quam apparet, sicut circulus respectu centri sui. Per astrolabium igitur, vel aliud instrumentum, accipiatur altitudo halo; et circulus sue altitudinis sit Z C B H, transiens per fines3 dyametri. Et per idem instrumentum accipiatur altitudo Solis, cujus circulus altitudinis secundum judicium visus sit D T R G, transiens per centrum Solis, propter hoc quod Sol apparet in centro halo, ­distans per spatium immensum. Et ideo ad hoc designandum, describatur

1  sit in ]  sit in sit in, P. 2  Der Rest von fol. 207, v., wird durch Figur 4 eingenommen. 3  fines ]  finem, P.

KAPITEL 104

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verschiedenen Farben erscheinen. Hier verhält es sich ebenso wie bei den Experimenten, die ich für die Erklärung des Regenbogens angeführt habe. Weiterhin erscheint ein Halo nur an einem hoch gelegenen und ruhigen Ort, der sich über den Verwerfungen und der Bewegung der großen Wolken befindet, da dort stabile Wetterbedingungen herrschen. Aufgrund dieser hoch gelegenen Wetterbedingungen muss der Dunst des Halo aus ganz feinen Tropfen bestehen, die durch die Dünnheit der Luft bestehen bleiben, insbesondere, da sie aufgrund der Kälte dieses hochgelegenen Ortes gefrieren und durch die Kraft des kalten Ortes in der Luft schweben. Wenn wir uns über weitere Bedingungen des Halo Gewissheit verschaffen wollen, muss zuerst dessen Höhe über dem Horizont festgestellt werden, die – soweit es möglich ist – so nahe wie möglich an der Wahrheit und der Wahrnehmung beschrieben werden sollte. Ich sage das, weil keine zweidimensionale Darstellung für die Erklärung ausreicht. [Um die Höhe des Halo über dem Horizont nun zu erklären, möchte ich Folgendes ausführen:] Es sei der Durchmesser des Horizontes durch die Linie A E bezeichnet, wobei A der Osten und E der Westen ist. Der Kreis des Halo sei BRTC . Sein Durchmesser sei C PB , wobei P der Mittelpunkt des Halo und zugleich der Mittelpunkt der Sonne gemäß dem Urteil des Sehsinns sein soll. Denn die Sonne scheint im Mittelpunkt des Halo zu sein, ebenso wie der Mond und jeder beliebige Stern, um den herum der Halo erscheint. Dieses Phänomen verhält sich daher [geometrisch] ebenso wie ein Kreis gegenüber seinem Mittelpunkt. Durch ein Astrolabium oder durch ein anderes Instrument werde nun die Höhe bestimmt, in der der Halo auftritt. Sein Höhenkreis sei durch die Punkte Z C BH bezeichnet, der durch den Durchmesser [des Halo] hindurchgeht. Durch dasselbe Instrument wird nun die Höhe der Sonne bestimmt, deren für uns sichtbarer Höhenkreis durch die Punkte DT RG veranschaulicht wird. Dieser Höhenkreis geht durch den Mittelpunkt der Sonne hindurch, da die Sonne, die sehr weit von uns entfernt ist, im Mittelpunkt des Halo zu sein scheint. Um diese Entfernung anzuzeigen,

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Teil II

Fig. 42 [fol. 207, v.]

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Sol supra halo, et ducatur ejus circulus altitudinis, qui sit M V L K, quatinus veritas intelligatur juxta illud quod videtur sensui. Quorum circulorum altitudinum halo et Solis idem est centrum, scilicet oculus aspicientis, scilicet O, quia semper oculus aspicientis est loco centri circuli altitudinis, et linea Q O N transit per centrum Solis, et centrum oculi, et usque ad Nadir Solis, quasi secundum sensum, et dividit dyametrum halo1 in duas medietates. Per experientiam igitur invenitur quod, secundum judicium visus, 1  halo ]  holo, P. 2  Die Figur ist in P falsch dargestellt. Korrigiert von Duhem nach den Angaben im Text.

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Figur 4

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wird die Sonne über dem Halo beschrieben und ihr Höhenkreis gezogen. Dieser Kreis sei durch die Punkte M V L K gekennzeichnet, damit die Wahrheit mit der sinnlichen Wahrnehmung in Übereinstimmung gebracht werden kann. Die Höhenkreise des Halo und der Sonne haben denselben Mittelpunkt, nämlich das Auge des Betrachters, der durch den Buchstaben O gekennzeichnet sei. Denn das Auge des Betrachters ist der Mittelpunkt des Höhenkreises; und die Linie Q ON durchläuft den Sonnenmittelpunkt, den Mittelpunkt des Auges, führt in unserer Wahrnehmung gleichsam bis zum Nadir der Sonne und teilt den Durchmesser des Halo in zwei Hälften. Durch die Erfahrung wissen wir nämlich, dass dem Urteil des Sehsinns entsprechend

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Teil II

Sole apparente in centro halo, erit distantia centri ejus ab exteriore circumferentia ipsius halo 21 gradus de circulo altitudinis; ita quod tota diameter halo comprehendit 42 gradus de circulo altitudinis, id est respondet1 tanto arcui. Et hoc est verum, sive loquamur de circulo altitudinis halo, sive Solis. Nam arcus illi similes sunt et proportionales respectu suorum circulorum. Quota enim pars sui circuli est arcus C B, tota est sui circuli arcus T R2, et similiter arcus V L. Et super istud cadit experientia certa per experimenta, sive sit halo circa Solem, sive Lunam, sive stellam aliam. Sed melior modus experiendi hic est: Ut sumatur palus, quasi ad quantitatem aspicientis, cujus summitas ex obliquo et oblongo scindatur, et figura ejus non sit circulus verus, sed ad ovalem declinet figuram, ut astrolabium aptius ad visionem collocetur; et hic palus figatur in terra, in loco libero, habens de sua substantia clavum parvum in summitate, qui transibit per centrum astrolabii; nam equus, sive clavus, qui transit per centrum astrolabii debet amoveri, et astrolabium habet poni super extremitatem pali, ita quod dorsum astrolabii sit superius versus celum. Et deinde aspiciens considerabit Solem per foramina baculi qui est in dorso astrolabii. Et similiter aspiciet exteriorem circumferentiam halo. Et sic per gradus in dorso astrolabii videbit certitudinaliter quod de circulo altitudinis 21 gradus respondebunt semidiametro et 42 toti diametro. Oportet autem quod recurramus in ista distantia Solis et halo ad aliquod nobis notum3 per quod noscamus hanc distantiam; et hoc est arcus circuli altitudinis qui per experientiam

1  respondet ]  respondeat, P. 2  TR ]  CR, P. 3  notum ]  natum, P.

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der Mittelpunkt der Sonne, die im Mittelpunkt des Halo sichtbar ist, jeweils 21 Grad vom äußeren Umfang des Höhenkreises des Halo entfernt ist. Daher beträgt der Gesamtdurchmesser des Halo 42 Grad auf dem Höhenkreis. Das ist sowohl für den Höhenkreis des Halo als auch für den Höhenkreis der Sonne wahr. Denn ihre Kreisbögen sind proportional zu ihren Kreisbahnen gleich. Der Kreisbogen C B ist nämlich ein Teil des Kreises, die Kreisbögen T R und V L sind das Ganze seines Kreises. Über dies alles können wir uns durch Experimente eine sichere Erfahrung verschaffen, ob es sich nun um einen Halo um die Sonne, den Mond oder um irgendeinen anderen Stern handelt. Doch eine noch bessere Methode, um das in Erfahrung zu bringen, besteht in Folgendem: Man nimmt einen Stock, der ungefähr die Größe des Betrachters hat. Die Spitze des Stocks muss seitlich und der Länge nach gespalten werden, er darf nicht kreisförmig sein, sondern muss angeschrägt sein, damit ein Astrolabium so daran befestigt werden kann, wie es für das Sehen passend ist. Der Stock muss dann an einem freien Ort in die Erde gesteckt werden. An der Spitze des Stocks muss sich eine Nadel aus feinem Stoff befinden, die auch durch den Mittelpunkt des Astro­labiums verläuft. Denn das ›Pferd‹, also die Nadel, die durch den Mittelpunkt des Astrolabiums verläuft, muss bewegt werden können, und das Astro­labium muss oberhalb der Spitze des Stocks befestigt werden, sodass die Rückseite des Astrolabiums sich oben gegenüber dem Himmel befindet. Danach muss der Betrachter die Sonne durch das Loch des Stockes sehen können, das sich auf der Rückseite des Astrolabiums befindet. Auf ähnliche Weise wird er auch den äußeren Umfang des Halo anschauen. So wird er durch die Gradzahlen auf der Rückseite des Astrolabiums mit Sicherheit sehen, dass dem Höhenkreis bei 21 Grad die Hälfte des Durchmessers entspricht. Und er wird bei 42 Grad den gesamten Durchmesser betrachten können. Hierbei ist es jedoch auch notwendig, dass wir uns bei dieser Entfernung der Sonne und des Halo auf ­einen uns bekannten Gegenstand beziehen, durch den wir diese Entfernung feststellen können. Daraus wird also der Kreisbogen des Höhen­k reises er-

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instrumenti nobis innotescit. Potest vero experientia hec fieri suspenso astrolabio ut fit communiter, sed modus predictus melior est. Et juxta istud diligenter notandum est quod aliquando halo non apparet integer, sed aliqua portio sui circuli, vel aliquis arcus a latere Solis. Et hujus causa est, quia materia vaporis ibi invenitur, et non alibi in circuitu Solis. Quod igitur sic apparet aliquando a latere Solis, erit pars ipsius halo; sed quia est in magna distantia ab oculo, et est modicus arcus, ideo apparet in linea recta. Nam linea curva a longe apparet recta, et sperica superficies apparet plana, ut patet in Sole et Luna, sicut in Perspectiva dictum est superius. Quapropter hujusmodi virgule colorate, apparentes aliquando in latere Solis, vel Lune, vel aliarum stellarum, non sunt aliud quam partes halo, et ideo non faciunt novam impressionem et principalem, diversam ab halo, secundum quod vulgus naturalium estimat; et textus Aristotelis in latino, et liber Senece de Iride inclinantur ad hoc, tanquam sint tres impressiones colorate, scilicet Iris, halo, [et]1 perpendicularis, ut Aristotiles nominat, vel virga, ut Seneca. Sed secundum veritatem, illud quod vocant perpendicularem vel virgam, est pars halo, ut dictum est; quia semper est in eadem distantia a Sole, qua partes halo, et in eodem situ. Sed quia parvus arcus est, ideo in tanta distantia videtur esse linea recta, ut dictum est. Et ex dictis apparet quantitas pyramidis sub qua videtur halo. Nam hec figura pyramidalis est C O B. Et ex his cum eis que de Iride

1  et ]  om. P.

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sichtlich, den wir durch die Erfahrung mit unseren Instrumenten beobachten können. Man kann diesen Versuch auch ohne Astrolabium durchführen, damit er leichter zu bewerkstelligen ist, doch die hier genannte Methode ist weitaus besser. Im Zusammenhang damit muss auch sorgfältig bemerkt werden, dass ein Halo manchmal nicht vollständig erscheint, sondern nur ein gewisser Teil seines Kreises oder auch ein Bogen am Rand der Sonne. Der Grund hierfür liegt darin, dass der Dunst nur dort und nicht an anderen Stellen des Sonnenkreises gefunden wird. Da das manchmal am Rand der Sonne auftritt, wird dort auch der Teil des Halo erscheinen; doch weil er sich in weiter Entfernung vom Auge befindet und der Bogen daher kaum zu sehen ist, erscheint er uns als eine gerade Linie. Denn eine gekrümmte Linie erscheint aus weiter Entfernung wie eine gerade Linie, und die Oberfläche einer Kugel erscheint uns als Kreis. Dies wird anhand der Sonne und des Mondes deutlich, und ich habe es auch in dem Teil über die Per­ spektivik bereits beschrieben. Deshalb sind die farbigen Streifen, die manchmal an der Seite der Sonne, des Mondes oder anderer Sterne auftreten, nichts anderes als Teile eines Halo, weshalb sie auch kein eigenständiges und von dem Halo verschiedenes Himmelsphänomen sind, auch wenn die Mehrzahl der Naturphilosophen das glaubt. Auch die Texte des Aristoteles900 und das Buch Senecas Über den Regenbogen901 gehen in die Richtung, dass es sich bei dem Regenbogen, dem Halo und der Senkrechten (wie Aristoteles sie nennt) oder auch der ›Rute‹ (im Wortgebrauch Senecas) um drei voneinander unabhängige farbige Himmelserscheinungen handeln würde. Doch in Wahrheit ist das, was sie als Senkrechte oder Rute bezeichnen – wie gesagt – ein Teil eines Halo, da diese Erscheinungen immer in der gleichen Entfernung und an dem gleichen Ort wie die Sonne auftreten. Da der Bogen jedoch sehr klein ist, scheint er aufgrund der Entfernung, wie ebenfalls bereits gesagt wurde, eine gerade Linie zu sein. Daraus ergibt sich auch die Größe des Kegels, unter dem ein Halo gesehen werden kann. Denn diese kegelförmige Figur wird durch

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scripsi in primo Opere, sequitur quod linea Q O N est axis utrius­ que pyramidis sub quibus halo et Iris videntur. Nam ex his que nunc tacta sunt, oportet quod linea Q O sit axis pyramidis halo, ut ad sensum patet in figura, que transit per centrum Solis, et halo, et per centrum oculi; que si in continuum et directum protrahatur, cadet in Nadir Solis secundum sensum, sed linea que per centrum Solis et oculi, cadit in Nadir Solis, est axis pyramidis Iridis transiens per centrum Iridis, ut in primo Opere declaravi. Ergo tunc manifestum est quod linea eadem, scilicet Q O N, est axis utriusque pyramidis. Quapropter pyramis sub qua videretur Iris erit in oppositum Solis I O X, posito quod totus semicirculus Iridis videri possit cum halo. Sed hoc non est possibile. Loquamur tamen de pyramide Iridis intelligibiliter, et hoc sufficit. Sit1 ergo semicirculus Iridis I N X et ejus dyameter I X, cujus semicirculi parva pars, scilicet E X, sit super orizonta. Et ex his sequitur quod coni pyramidum istarum continuentur et commisceantur super centrum oculi; ita quod si oculus posset videre ante et retro per medium capitis, simul et semel videret Iridem et halo, si materia rorida et cetere conditiones que requiruntur ad apparitiones istarum impressionum adessent. Propter quod si fiat in eadem hora Iris et halo, sicut bene accidit, tunc aspiciens, vertens se ad Solem, videbit halo2; et si statim et subito vertat caput

1  Sit ]  Sic, P. 2  halo ]  holo, P.

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die Punkte C OB angegeben. Aus dem, was ich hier geschrieben habe sowie aus meinen Ausführungen über den Regenbogen in meinem ersten Werk folgt, dass die Linie Q ON die Achse beider Kegel ist, unter denen der Halo und der Regenbogen gesehen werden. Denn aus dem bereits Behandelten wird ersichtlich, dass die Linie Q O die Kegelachse des Halo ist (wie es durch das Diagramm augenscheinlich ist), die durch den Mittelpunkt der Sonne, des Halo und des Auges verläuft. Wenn diese Achse kontinuierlich und direkt weitergeführt werden würde, würde sie für uns wahrnehmbar bis zum Nadir der Sonne reichen. Doch wie ich bereits im Opus maius902 erläutert habe, ist die Linie, die durch den Mittelpunkt der Sonne und des Auges im Nadir der Sonne einfällt, die Kegelachse des Regenbogens, die durch den Mittelpunkt des Regenbogens verläuft. Daraus geht klar hervor, dass dieselbe Linie Q ON die Achse beider Kegel ist. Deshalb müsste der Kegel, unter dem der Regenbogen gesehen wird, derartig der Sonne IOX gegenüberstehen, dass der ganze Halbkreis des Regenbogens mit dem Halo gemeinsam gesehen werden kann. Doch das ist unmöglich. Wir sprechen aber dennoch von einem Regenbogenkegel, doch tun wir das nur auf eine der Vernunft erkennbare Weise – und das ist ausreichend. Es seien daher der Halbkreis des Regenbogens durch I N X und sein Durchmesser durch I X bezeichnet, wobei der kleine Teil des Regenbogens, der sich über dem Horizont befindet, durch E X gekenn­zeichnet sei. Weiterhin folgt hieraus, dass sich die Kegel von Regenbogen und Halo über dem Mittelpunkt des Auges fortsetzen und vermischen würden, sodass das Auge – wenn es vor und hinter sich, gleichsam durch den Mittelpunkt des Kopfes hindurch, schauen könnte – gleichzeitig den Regenbogen und den Halo sehen würde, wenn ein taubenetzter Stoff und die anderen Bedingungen für derartige Erscheinungen gegeben wären. Deshalb kann ein Betrachter in dem Fall, dass ein Regenbogen und ein Halo zu derselben Zeit auftreten (was durchaus geschehen kann), den Halo sehen, wenn er sich der Sonne zuwendet; wenn er dann plötzlich den Kopf zum Ort des

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ad locum Iridis, videbit Iridem. Nam hoc per experientiam manifestum est. Et ex istis, et ex illis que sunt in primo Opere declarata circa Iridem, sequitur quod angulus pyramidis sub quo videtur dyameter circuli halo est sicut angulus sub quo comprehenditur semidiameter1 circuli Iridis. Est ergo subduplus ad angulum totius Iridis, posito quod tota videretur. Et ideo angulus I O X sub quo videretur dyameter tota Iridis, si possibile esset, quando halo generatur, est duplus ad angulum C O B, sub quo tota dyameter halo videtur. Et similiter angulus N O X, qui est angulus sub quo semidiameter Iridis videtur, est equalis angulo C O B, et similiter angulus N O I, ut patet in figura. Quod autem hii anguli sic se habeant, patet ex his que demonstrata sunt de Iride in majori Opere. Nam maxima altitudo Iridis est 42 graduum de circulo altitudinis; et tunc si materia sit disposita, Iris tota apparet, scilicet semicirculus cujus cornua tangunt fines oppositos orizontis, scilicet septentrionem et meridiem, quia Sol tunc est in orizonte, scilicet in ortu vel occasu. Ex quo sequitur quod dyameter Iridis qui a contactu Iridis et sui circuli altitudinis descendit ad terram respondebit 42 gradibus de circulo altitudinis Iridis. Et hec semidyameter est sicut N X linea, que erit proportionalis toti dyametro ipsius halo. Circuli enim altitudinum sunt proportionales. Omnes enim circuli altitudinum sunt super idem centrum, quod est oculus, et ad eandem superficiem reductibiles sunt; propter quod erunt proportionales, et arcus eorum habentes equalem numerum graduum erunt similes et proportionales, et ideo equalem

1  semidiameter ]  semidiameter, P.

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Regenbogens dreht, wird er den Regenbogen sehen. Das wird aufgrund der Erfahrung deutlich. Überdies wird aus dem hier Vorgebrachten und aus dem von mir in meinem ersten Werk über den Regenbogen Dargestellten ersichtlich, dass der Kegelwinkel, unter dem der Durchmesser des Halokreises gesehen wird, gleich dem Winkel ist, unter dem der Halbkreis des Regenbogens gesehen wird. Er ist also in dem Winkel des gesamten Regenbogens zweimal enthalten, wenn der ganze Regenbogen gesehen werden könnte. Daher ist der Winkel IOX , unter dem der ganze Regenbogen gesehen werden könnte, wenn das denn möglich wäre, während der Halo entstünde, doppelt so groß wie der Winkel C OB , unter dem der gesamte Durchmesser des Halo gesehen wird. Ebenso ist der Winkel N OX , unter dem der Radius des Regenbogens erscheint, gleich den Winkeln C OB und NOI , wie aus der Zeichnung hervorgeht. Dass diese Winkel in dieser Weise auftreten, wird aus dem deutlich, was ich im Opus maius903 gezeigt habe. Denn der höchste Punkt [unter dem ein Regenbogen gesehen werden kann], beträgt 42 Grad des Höhenkreises. Wenn die richtigen Bedingungen gegeben sind, erscheint der ganze Regenbogen, also ein Halbkreis, dessen äußerste Flügel die entgegengesetzten Enden des Horizontes im Norden und im Süden berühren, weil die Sonne sich während ihres Auf- bzw. Untergangs am Horizont befindet. Daraus folgt weiterhin, dass der Durchmesser des Regenbogens, der während des Zusammentreffens des Regenbogens und seines Höhenkreises zur Erde hinabreicht, gleich den 42 Grad des Höhenkreises des Regenbogens sein wird. Und dieser Radius verhält sich wie die Linie N X , die proportional zum Gesamtdurchmesser des Halo sein wird, weil die Höhenkreise zueinander proportional verlaufen. Denn alle Höhenkreise erstrecken sich über demselben Mittelpunkt, dem Auge des Betrachters, auf das sie auch alle zurückführbar sind. Deshalb werden sie proportional zueinander verlaufen, und ihre Bögen, die dieselben Gradzahlen haben, werden gleich und proportional sein. Daher werden sie auch unter den gleichen

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angulum respiciunt, et similes cordas, licet non equales semper, quia circuli altitudinem possunt esse inequales; anguli tamen arcuum similium erunt equales. Cum igitur semidiameter Iridis respiciat arcum circuli altitudinis Iridis, habentem 42 gradus, et tota dyameter halo arcum tot graduum in suo circulo altitudinis respiciat, planum est quod angulus sub quo videtur tota dyameter halo erunt equales. Ergo angulus sub quo tota dyameter Iridis videtur erit duplus ad angulum sub quo videtur tota dyameter halo. Et hoc est quod volui demonstrare. Et iterum ex his patet quod quanto Sol elevatur, tanto halo similiter ascendit. Nam nunquam est distantia circumferentie ejus a centro Solis, nisi per 21 gradus de circulo altitudinis; ergo oportet quando1 Sol ascendit super orizonta, quod halo ascendat proportionaliter. Et sic est de Luna, et stellis ceteris, circa quas halo generatur. Ex quo, et ex his que dicta sunt de Iride, oportet quod, quando halo ascendit super orizonta, quod Iris descendat, et econverso; quia quanto2 Sol ascendit, Iris descendit, ut declaratum est in primo Opere; et si hoc, tunc quanto halo est altior, tanto Iridis minor portio est super orizonta et prope ipsum. Et cum linea que est axis utriusque pyramidis transeat per centrum oculi, tunc secundum quod oculus movetur, hec linea renovabitur, sicut umbra renovatur ad motum corporis. Et sic cum linea hec moveatur, sive renovetur, in partem motus oculi, tunc movebuntur ambe rotunditates halo et Iridis. Quare continue generatur nova halo, sicut Iris, oculo existente in

1  quando ]  quod, P. 2  quanto ]  quando, P.

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Winkeln und Sehnen auftreten, wenn sie auch vielleicht nicht immer gleich sein mögen, da die Höhenkreise ja ungleich zueinander sein können. Doch die Winkel der gleichen Bögen werden gleich sein. Da der Radius des Regenbogens dem Bogen des Höhenkreises des Regenbogens entspricht, der bei 42 Grad liegt, und da der gesamte Durchmesser des Halo in den Gradzahlen dem Bogen in seinem Höhenkreis entspricht, ist es klar, dass der Winkel, unter dem der Radius des Regenbogens gesehen wird, gleich dem Winkel ist, unter dem der Durchmesser des Halo gesehen wird. Daher wird der Winkel, unter dem der gesamte Durchmesser des Regenbogens gesehen wird, doppelt so groß sein wie der Winkel, unter dem der Durchmesser des Halo gesehen wird. Und das ist es, was ich zeigen wollte. Zudem folgt daraus, dass der Halo ebenso weit emporsteigt, wie die Sonne sich erhebt. Denn die Entfernung des Umgangs des Halo vom Mittelpunkt der Sonne kann nur 21 Grad des Höhenkreises betragen. Demzufolge muss der Halo proportional zum Aufgang der Sonne über dem Horizont aufgehen. Ebenso verhält es sich auch bei [einem Halo] um den Mond und die anderen Sterne, um die herum ein Halo entstehen kann. Daraus und aus dem, was bisher über den Regenbogen gesagt worden ist, folgt außerdem, dass der Regenbogen untergehen muss, wenn der Halo sich über den Horizont bewegt, und ebenso umgekehrt. Denn wie ich bereits im ersten Werk erklärt habe, steigt der Regenbogen so weit ab, wie die Sonne aufsteigt. Deswegen muss ein proportional zur Höhe des Halo kleinerer Teil über dem Horizont und in der Nähe des Horizonts auftreten. Da die Linie, die die Achse beider Kegel ist, durch den Augenmittelpunkt hindurchgeht, wird sich die Linie entsprechend der Bewegung des Auges erneuern, ebenso wie sich ein Schatten entsprechend der Bewegung des Körpers erneuert. Und wenn diese Linie durch die Bewegung des Auges bewegt oder erneuert wird, werden auch die Rundungen des Halo und des Regenbogens bewegt werden. Aus diesem Grund entsteht beständig ein neuer Halo, ebenso wie beständig ein neuer Regenbogen entsteht, wenn sich das Auge be-

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motu. De Iride enim hoc ostensum est; ergo similiter erit de halo. Et sic uni et eidem1 oculo infinite halo sicut Irides apparent, cum movetur videns. Credit tamen unam halo videre, et unam Iridem, sicut unus rusticus motus unam umbram credit habere quamvis infinities renovatur2 secundum motum3 suum. Et quia sic est, ideo halo habet omnes differentias motus secundum motum videntis, sicut Iris, scilicet: Quando4 homo persequitur halo, tunc fugit ante eum; si fugit, halo sequitur; si ad orientem vel occidentem moveatur, halo equidistanter renovabitur; sicut de Iride dictum est; dummodo materia vaporis sit preparata in loco generationis; quamvis isti motus halo non sunt ita sensibiles sicut de Iride, propter hoc quod magis distat5 a nobis quam Iris, et quia guttule sunt minores et magis subtiles. Et dictum est in Opere primo quod Iris generatur per reflexionem et halo per fractionem. Nam non potest per lineas rectas neque halo, neque Iris generari, tanquam nubes esset colorata de se, ut videretur Iris vel halo, sicut objectum visus in nube, per speciem suam multiplicatam ab ea, veluti ab alia re visa, secundum solas lineas rectas; sicut nos videmus a longe vaporem in aere nebuloso, et cum appropinquamus ad vaporem prius visum, non videmus ipsum, sed aliam, propter causas dictas in Perspectiva. Dico igitur

1  eidem ]  iidem, P. 2  renovatur ]  movetur, P. 3  motum ]  motuum, P. 4  Quando ]  Quod, P. 5  distat ]  distant, P.

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wegt. Vom Regenbogen ist das schon gezeigt worden, und beim Halo wird sich das ganz ähnlich verhalten. So werden in ein- und demselben Auge unzählige Halos und Regenbögen erscheinen, wenn sich der Betrachtende bewegt. Dennoch denkt man, nur einen Halo und einen Regenbogen zu sehen, so wie auch ein Bauer nur einen Schatten zu haben glaubt, während er sich bewegt, obwohl er doch entsprechend der Bewegung unzählige Male erneuert wird. Deshalb weist der Halo ebenso wie der Regenbogen alle Unterschiede in der Bewegung entsprechend den Bewegungen des Betrachters auf, was bedeuten soll: wenn ein Mensch einem Halo folgt, geht der Halo ihm voraus; wenn der Betrachter sich wegbewegt, folgt der Halo; wenn der Betrachter sich nach Osten oder nach Westen bewegt, wird der Halo in der gleichen Entfernung erneuert, wie es auch vom Regenbogen beschrieben worden ist – vorausgesetzt, dass der Dunst an dem Entstehungsort des Halo die richtige Zusammensetzung hat. Dennoch sind diese Bewegungen nicht so leicht wahrnehmbar wie beim Regenbogen, weil der Halo weiter von uns entfernt ist als der Regenbogen, und weil seine Tröpfchen kleiner und feiner sind. Weiterhin ist im ersten Werk gesagt worden904, dass der Regenbogen durch Reflexion entsteht, der Halo hingegen durch Brechung. Denn weder ein Halo noch ein Regenbogen können durch geradlinige Strahlen entstehen. [Wenn man dies annehmen würde, müsste man gleichsam] von einer Wolke ausgehen, die von sich aus mehrere Farben aufweisen würde. Der Regenbogen und der Halo würden dann als ein Objekt bestimmt werden, das innerhalb der Wolke gesehen würde und das durch von der Wolke ausgehende species – gleichsam als würden der Halo und der Regenbogen nur durch eine andere Sache gesehen werden – entlang gerader Strahlen hervorgerufen werden würde. Dieser Vorgang ließe sich dann mit Dunst vergleichen, den wir aus weiter Entfernung in nebliger Luft sehen. Wenn wir uns diesem Dunst nähern, den wir zuerst gesehen hatten, sehen wir nicht mehr den Dunst, sondern – aus den Gründen, die ich in meiner Perspektivik genannt hatte – et-

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quod sic esse non potest in halo, nec in Iride, quamvis aliqui sic estimabant. Nam tunc oporteret quod nubes tota esset colorata, quia Iris et halo renovantur secundum motum videntis. Et si hoc, tunc secundum figuram nubis esset figura halo vel Iridis; ut si nubes esset aliquando vel quadrata, vel triangularis, vel cujuscunque figure regularis vel irregularis, oporteret quod Iris et halo viderentur secundum illam figuram; nam non haberent figuram nisi a nube. Item, tunc non esset Iris semper in oppositum Solis, nec halo juxta Solem, nec oporteret quod una linea transiret per centrum Solis, et halo, et Iridis, et oculi, nec quod ad ascensum Solis esset elevatio halo, nec depressio Iridis, nec econverso; quia Sol nichil secundum hanc imaginationem faceret, nisi illuminaret nubem coloratam, sicut illuminat vaporem visum a longe, et sicut aliam rem quamlibet1, et oculum illustrat. Sed patet quod Iris est in oppositum Solis, et halo in partem Solis, et cetera similiter contingunt. Quapropter non est nubes colorata, nec est aliquid in ea quod visum immutat, sed nec contingit dare aliud quam stellam, cujus radii veniunt ad oculum, qui talis coloris appareat in stillicidiis, secundum quod ostensum est in Iride; quod non est aliquid, sed imago Solis visa, sive Sol apparens visui, coloratus sic propter errorem visus et defectum. Et ideo sicut colores Iridis non sunt veri, sed apparentes

1  quamlibet ]  qualibet, P.

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was anderes. Ich sage aber, dass das weder beim Halo noch beim Regenbogen zutreffen kann, auch wenn einige das gedacht haben. Denn dann müsste die ganze Wolke farbig sein, weil der Regenbogen und der Halo stets entsprechend den Bewegungen des Betrachters erneuert werden. Wenn das aber der Fall wäre, müssten die Gestalten des Regenbogens und des Halo sich der Gestalt der Wolke anpassen. Wenn die Wolke also viereckig oder dreieckig oder sonst irgendwie gleichmäßig oder ungleichmäßig eckig wäre, müssten der Regenbogen und der Halo ebenso wie die Gestalt der Wolke gesehen werden, da sie ihre Gestalt ja nur aufgrund der Wolke hätten. Weiterhin würde der Regenbogen dann nicht immer der Sonne entgegengesetzt erscheinen, der Halo wäre nicht mit der Sonne verbunden, und es wäre auch nicht der Fall, dass eine Linie durch den Mittelpunkt der Sonne, des Halo, des Regenbogens und des Auges hindurchginge. Zudem würde sich der Halo nicht erheben, wenn die Sonne aufginge, noch würde sich der Regenbogen absenken, noch wäre es umgekehrt. Denn die Sonne würde nach dieser Vorstellung schließlich nichts anderes tun, als die von sich aus farbige Wolke zu beleuchten, so wie sie auch den Dunst, den wir aus weiter Entfernung sehen, oder jeden anderen beliebigen Gegenstand beleuchtet und uns vor Augen führt. Es ist jedoch offensichtlich, dass der Regenbogen sich gegenüber der Sonne und der Halo in einem Teil der Sonne befindet. Und so verhält es sich auch bei den anderen Tatsachen, die wir bereits fest­ gestellt haben. Darum ist die Wolke weder farbig, noch gibt es in ihr etwas, das den Blick behindert, sondern man kann als Grund nur einen Stern anführen, dessen Strahlen zum Auge gelangen, dem diese Farben in den herabfallenden Tropfen erscheinen, so wie ich es für den Regenbogen gezeigt habe. Denn der Regenbogen ist ja nichts anderes als ein erscheinendes Abbild der Sonne oder, besser gesagt, als die dem Auge erscheinende Sonne, der nur aufgrund eines Fehlers und eines Mangels des Sehsinns als farbig erscheint. Und ebenso, wie die Farben des Regenbogens nicht wirklich sind, sondern nur aufgrund eines Mangels des Auges als Farben erscheinen, verhält

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tantum ex defectu visus, sic erit de halo; et sicut Iris est ymago Solis, sic halo. Unde in stillicidiis infinitis apparet Sol, quorum quodlibet est sicut spera, et transeunt radii per quodlibet usque ad oculum, a tota scilicet superficie Solis visa. Sed quia sine intervallo sunt ordinata, ideo apparet una ymago continua, et non lucida, sed colorata, propter easdem rationes que dicte sunt de coloribus Iridis; quantum ad numerum colorem dico, licet non quantum ad ordinem; nam in halo ordo colorum contrarius est ordini et situi colorum Iridis. Quod igitur videtur est stella utrobique, tam per halo quam per Iridem, sed sub specie aliena. Et quoniam Iris non videtur nisi in oppositum Solis, et halo in partem Solis prope ipsum, oportet quod halo fiat per fractionem, sicut Iris per reflexionem. Nam postquam oculus est inter Iridem et Solem, tum cum Sol videatur, licet sub aliena specie, non potest hoc esse per lineam rectam, ut patet; nec per fractam, quia semper linea fracta vadit in continuum et directum a loco fractionis, et ita si in nube frangeretur, tunc non veniret ad oculum. Ergo tertio modo fiet iris, et hoc est per reflexionem. Et tunc econtrario cum halo appareat juxta Solem in certa distantia, et in oppositum visus sicut Sol, oportet quod vel fiat halo per radios Solis rectos, vel fractos. Sed radii ejus recti non faciunt hoc, quia quando non sunt vapores, nec nubes, sed aer purus in quo solum multiplicantur radii recti ad nos, ita quod in aere nullo modo fiat fractio, tunc halo non apparet. Ergo de necessitate apparebit

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es sich auch beim Halo. Der Halo ist daher ebenso wie der Regenbogen ein Abbild der Sonne. Deswegen erscheint die Sonne in unzählig vielen herabfallenden Tropfen, von denen jeder wie eine Kugel ist. Durch jeden dieser Tropfen gelangen die Strahlen bis zum Auge. Da sie jedoch ohne Zwischenräume angeordnet sind, erscheint ein kontinuierliches Abbild, das aus denselben Gründen, die ich bereits über die Farben des Regenbogens angeführt habe, nicht hell, sondern farbig ist. Das gilt aber nur für die Anzahl der Farben, nicht jedoch für ihre Anordnung, weil die Anordnung der Farben im Halo der Anordnung und Lage der Farben im Regenbogen entgegengesetzt ist. Was man in beiden Fällen – sowohl beim Regenbogen als auch beim Halo – sieht, ist also ein Stern, der jedoch unter einer anderen species gesehen wird. Da der Regenbogen ausschließlich gegenüber der Sonne gesehen wird, der Halo jedoch nahe der Sonne, muss der Halo durch Brechung zustande kommen, so wie der Regenbogen durch Reflexion entsteht. Da der Regenbogen gemeinsam mit der Sonne aber unter einer anderen species gesehen wird, nachdem sich das Auge zwischen dem Regenbogen und der Sonne befindet, kann das offensichtlich nicht durch einen gerade einfallenden Strahl geschehen. Jedoch auch nicht durch einen gebrochenen Strahl, weil ein gebrochener Strahl sich vom Ort der Brechung kontinuierlich und direkt fortbewegt. Wenn er daher in einer Wolke gebrochen werden würde, könnte er nicht zum Auge gelangen. Also muss der Regenbogen auf eine dritte Art entstehen: durch Reflexion. Da der Halo im Gegensatz [zum Regenbogen] in der Nähe zur Sonne erscheint und wie die Sonne gegenüberliegend zum Auge gesehen wird, muss ein Halo entweder durch geradlinige oder durch gebrochene Sonnenstrahlen entstehen. Doch gerade einfallende Strahlen der Sonne rufen dieses Phänomen nicht hervor: Denn wenn es keinen Dunst und keine Wolken, sondern nur die Luft gibt, in der sich nur geradlinige Strahlen bis zu uns hin vervielfältigen können, sodass in der Luft keine Brechung stattfindet, erscheint auch kein Halo. Also kann der Halo notwendig und ganz

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mediante vapore, et hoc certum est. Sed secundum leges fractionis, radii franguntur in ingressu corporis secundi, quod est alterius dyafaneitatis; ergo relinquitur quod radii venientes ad vapores franguntur omnes, preter perpendicularem, que est axis ipsius halo; et ideo in stillicidiis ipsius vaporis franguntur radii primo in vapore, deinde extra vaporem in aere, ut concurrant ad oculum. Ex his igitur cum aliis que in Opere majore dicta sunt, patent iste impressiones difficiles quantum presenti debetur persuasioni; et in tantum elevata est certificatio istarum rerum mirabilium, quod non sunt tres inter Latinos qui ad hoc pervenirent. Nam hec non sciuntur per sola argumenta, sed per experientias occultas et difficiles, per instrumenta et per opera sapientie diversa. Et ideo in istis duobus precipue potest Vestra Beatitudo omnium ignorantiam experiri. Et scribatis omnibus famosis clericis de mundo, et non inveniens aliquem qui hanc scientiam sciret investigare, nec ab alio investigatam intelligere, nisi fuerit prius bene edoctus, et formam discipuli optineret.1 Habet2 autem hec scientia aliam prerogativam3, quod in terminis aliarum scientiarum explicat veritates, quas tamen nulla earum potest intelligere, nec investigare, ut est prolongatio vite, que est in terminis Medicine. Sed ars Medicine nichil de hoc4 loquitur. Experimentator5 autem6 videt quod animalia bruta, ut cervus7, et aquila, et alia se sanant per herbas et lapides, et renovant juventutem, et prolongant vitam suam; et ideo excogitat quod sapientia hec non est brutis concessa, nisi propter hominem. Et ideo excogitat

1  Hier endet der Abschnitt, der sich nur in P findet. 2  W und die Edition Littles setzt wieder ein. 3  prerogativam ]  dignitatem seu prerogativam, Ta. 4  hoc ]  hac, P. 5  Experimentator ]  Experimentaliter, W. 6  autem ]  enim, Ta. 7  cervus ]  corvus, P.

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sicher nur mit Hilfe von Dunst erscheinen. Doch gemäß den Brechungsgesetzen werden Strahlen beim Eintritt in ein zweites Medium gebrochen, das eine andere und geringere Dichte hat. Bleibt also nur, dass alle Strahlen, die zum Dunst hinkommen, entlang einer Senkrechten gebrochen werden, die zugleich die Achse des Halo ist. Aus diesem Grund werden die Strahlen zuerst in den Tropfen gebrochen, aus denen der Dunst besteht, und danach ein weiteres Mal in der Luft, damit sie zu den Augen gelangen können. Aus dem hier Gesagten und den weiteren Beschreibungen des Opus maius werden diese schwierigen Himmelserscheinungen deutlich, soweit es für eine Überzeugungsschrift momentan notwendig ist. Zudem ist die Erklärung dieser wunderbaren Phänomene so weit erhoben, dass keine weiteren drei Menschen unter den Lateinern zu ihr gelangen würden. Denn diese Erscheinungen werden nicht nur durch Argumente erkannt, sondern durch verborgene und schwierige Erfahrungen, durch Instrumente und durch zahlreiche Werke der Weisheit. Daher kann Eure Seligkeit die grenzenlose Unkenntnis aller anderen anhand dieser zwei Phänomene selbst erfahren. Und Ihr mögt allen bekannten Kirchenleuten der Welt schreiben: Ihr werdet keinen finden, der sich in dieser Wissenschaft auskennt oder der jemanden anderen wüsste, der ihm in dieser Wissenschaft helfen könnte, es sei denn, er wäre vorher gut unterwiesen worden und selbst vorher ein Schüler gewesen. Diese Wissenschaft hat noch den weiteren Vorzug, Wahrheiten an den Grenzen der anderen Wissenschaften zu erläutern, die diese selbst nicht verstehen und untersuchen können. Das gilt zum Beispiel für die Verlängerung des Lebens905, die sich an den Grenzen der Medizin bewegt. Doch die Medizin spricht darüber nicht. Der Experimentator sieht aber, dass die Tiere – wie der Hirsch, der Adler und andere Tiere – sich durch Pflanzen und Steine gesund erhalten, ihre Jugend wiederherstellen und ihr Leben verlängern. Er überlegt daher, dass diese Weisheit sicher nicht nur den Tieren vorbehalten ist, sondern auch dem Menschen nützlich sein sollte. Aus diesem Grund denkt er weiter darüber nach, wie sich

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quomodo hec1 possunt fieri in corpore humano. Et ideo considerat2 unde habet abbreviato vite ortum, ita quod homines longe citius moriantur quam veniant3 termini vite quos Deus4 constituit in humana specie; et loquor post peccatum quod obligavit ad mortem. Per Historiam enim sacram invenimus, cum expositione Josephi, quod homines vixerunt mille annis; sed nunc vix in potentatibus per octoginta annos5 aliquis vivit, et amplius accidit labor et dolor, sicut ait David propheta. Cum ergo a mille annis decucurrit6 vite abbreviatio usque ad7 circiter octoginta, manifestum est quod termini naturales constituti in mille annis multum preveniuntur his diebus. Et ideo accidentalis est abbreviatio et contra naturam. Et omne tale habet remedium ei possibile, et ideo elongari potest vita longe ultra id quod vivimus.8 Et hujus causa accidentalis potest9 patere per defectum regiminis sanitatis. Nam patres non servant hoc regimen, et ideo dant corruptam naturam filiis; nec filii servant, quia impossibile est quod servetur. Nam nec dives, nec medicus potest illa conservare que medicina proponit ad regimen sanitatis; que sunt cibus et potus, somnus et vigilia, motus et quies, constrictio et evacuatio, sanitas aeris, passiones animi. Nullus10 mortalis potest medium semper in his tenere, quod tamen ad conservationem sanitatis oporteret11 fieri a nativitate usque ad finem vite. Sed natura non deficit in necessariis, nec ars perfecta. Et ideo excogitate sunt vie, per potestatem hujus artis que experimentalis vocatur, que omnem corruptionem quam filius contrahit ex errore pro1  hec ]  om. P. 2  considerat ]  non considerat, P. 3  veniant ]  deveniant, P. 4  Deus ]  Deus ipse, P. 5  annos ]  om. T. 6  decucurrit ]  decurrit, Ta., W. 7  ad ]  aut, W. 8  Et omne … vivimus ]  om. Ta. 9  Et hujus causa accidentalis potest ]  Et hujusmodi causa potest, Ta. 10  Nullus ]  Nullus enim, P. 11  oporteret ]  oportet, P.

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das auch auf den menschlichen Körper anwenden lässt und woher die Verkürzung des Lebens kommt, aufgrund derer die Menschen viel früher sterben, als Gott es für das Menschengeschlecht eigentlich bestimmt hatte. Und ich rede hier von der Zeit, die nach der Sünde kam, durch die der Mensch zum Tod verdammt worden ist. In der Heiligen Geschichte erfahren wir nämlich mit Hilfe von [Flavius] Josephus, dass die Menschen einst 1000 Jahre gelebt haben.906 Doch nun lebt man mit Glück 80 Jahre – und groß ist die Mühe und der Schmerz, wie der Prophet David907 sagt. Da die Dauer des Lebens von 1000 Jahren bis auf 80 Jahre heruntergegangen ist, ist doch deutlich, dass die natürliche Lebensbegrenzung von 1000 Jahren unsere Tage weit übertroffen hat, weshalb diese Verkürzung des Lebens nur akzidentiell und unnatürlich ist. Für diese Verkürzung des Lebens gibt es jedoch ein mögliches Heilmittel, durch das das Leben weit über das heutige Maß verlängert werden kann. Denn der Grund für diese Verkürzung ist in der mangelhaften gesundheitlichen Lebensführung [regimins sanitatis] zu sehen. Die Väter leben nicht entsprechend einer gesunden Lebensführung und geben ihren Söhnen daher eine verdorbene Natur mit auf deren Lebensweg. Auch die Söhne richten sich nicht danach, weil es unmöglich ist, sich immer den gesundheitlichen Regeln entsprechend zu verhalten. Denn weder die Reichen noch die Mediziner selbst können sich immer daran halten, was die Medizin für eine gesunde Lebensführung vorschreibt. Denn dies sind: [die richtigen] Nahrungsmittel und Getränke, Schlafen und Wachen, Bewegung und Ruhe, Anspannung und Entspannung, Sauberkeit der Luft und die Gemütszustände der Seele. Kein Sterblicher kann bei all diesen Dingen immer die richtige Mitte einhalten, wie er es doch von Anfang bis Ende seines Lebens tun müsste, um seine Gesundheit zu erhalten. Doch die Natur ist in den notwendigen Dingen ebenso wenig mangelhaft wie die vollendete Kunst. Daher hat man sich durch die Macht der Wissenschaft, die Erfahrungswissenschaft genannt wird, Wege überlegt, die jede Verschlechterung, die dem Sohn aus

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prio valent delere; sed non omnem que a patribus descendit, quia illa crevit saltem a tempore diluvii. Sed licet totam corruptionern paternam non posset in filio hec scientia evacuare, tamen bene potest magnam partem tollere. Et hoc probavit sapientia multorum. Ultra communem vitam per centum annos et plures1 annorum centenarios vitam produxerunt. De quibus scribo in Opere Majori in parte 6a, et pono medicinas eorum aliquas, licet sub enigmate, propter secretorum magnitudinem.2 Et hec scientia3 non solum in terminis Medicine, sed aliarum scientiarum, potest multa producere, ad que ille scientie non valent attingere4. Nam in terminis Mathematice, potest astrolabium spericum producere, quod moveatur motu celi per naturam; cujus utilitatem nunquam mathematicus cogitaret, nec qualiter fieret, nec de qua materia, nisi per hanc scientiam excitaretur. Et est utilitatis infinite. Nam tunc cessarent omnia instrumenta Astronomie, et horologia et omnia. Similiter in terminis Alkimie. Nam auri gradus naturales in ventre terre sunt viginti 4or; et ulterius5 per artificium possunt in infinitum multiplicari. Sed omnes libri Alkimie non docent hos gradus, nec qualiter 17em modi auri componuntur ex eis. Nec tota scientia illa potest vix facere aurum viginti 4or graduum, sicut nec natura in visceribus terre; et tamen hec sunt in terminis6 Alkimie.

1  Et plures ]  et per plures, P., Ta. 2  Marginalie in T, mit zeitgleicher Handschrift wie der Text: Hujus scien­ cie experimentalis bonus excogitat viam nobilem ad hoc et precipit alkimie practice preparare ei corpus equalis complexionis ut hic experimentator uta­ tur eo. Nam hec scientia experimentalis se habet ad alias sciencias sicud na­ vigator se habet ad carpentatorem, cui precipit navigator ut faciat ei navem quandam, et sicud ars militaris precipit fabrili ut faciat ei arma quibus novit uti miles et non faber; sic in aliis. 3  scientia ]  om. W. 4  attingere ]  pertingere, P., Ta. 5  sunt viginti 4or; et ulterius ]  sunt 24 tantum: sed ulterius, Ta. 6  terminis ]  visceribus, P.

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seinen eigenen Fehlern heraus widerfahren ist, rückgängig machen können. Dies gilt jedoch nicht für die Verschlechterung, die von den Vätern herkommt, weil diese seit der Zeit der Sintflut stets angewachsen ist. Doch auch wenn diese Wissenschaft nicht jede väterliche Verschlechterung wegnehmen kann, so kann sie doch zumindest einen großen Teil davon beseitigen. Das hat die Weisheit von vielen gezeigt, die ihr Leben über das gewöhnliche Maß um 100 Jahre und mehr verlängert haben. Über diese Menschen schreibe ich im sechsten Teil meines Opus maius 908 und nenne dort auch einige Heilmittel von ihnen, die ich aufgrund der Herrlichkeit der Geheimnisse jedoch verschlüsselt habe. Doch die Erfahrungswissenschaft kann nicht nur an den Grenzen der Medizin, sondern auch an den Grenzen der anderen Wissenschaften vieles hervorbringen, was diesen Wissenschaften selbst nicht möglich ist. An den Grenzen der Mathematik kann sie ein kugelförmiges As­ tro­labium herstellen, das ebenso bewegt wird, wie der Himmel von Natur aus [sich bewegt].909 Die Nützlichkeit eines solchen Instruments könnte sich ein Mathematiker niemals vor Augen führen, noch könnte er wissen, wie und aus welchem Material so etwas hergestellt werden könnte, wenn es nicht durch [die Erfahrungswissenschaft] ausgeführt werden würde. Dieses Instrument ist aber unendlich nützlich. Denn dann könnten wir auf alle astro­ nomischen Instrumente, auf alle Uhren und alles Übrige verzichten. Ähnlich verhält es sich auch an den Grenzen der Alchemie.910 Denn in der Erde findet man Gold mit höchstens 24 Karat, die aber durch die Kunst ins Unendliche vervielfacht werden können. Doch die Bücher über die Alchemie lehren nichts über diese Reinheitsgrade des Goldes, noch geben sie die 17 Wege an, auf denen Gold hergestellt werden kann. Die ganze Alchemie schafft es kaum, Gold mit 24 Karat herzustellen; und auch in der Natur findet man solch einen Goldgehalt nur äußerst selten; dennoch gibt es an den Grenzen der Alchemie entsprechende Möglichkeiten.

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Sed venit experimentator, et rimatus est hos viginti 4or gradus auri1, et 17em species auri revolvit; et potest aurum facere ultra viginti 4or gradus quantum vult; quod nec ars Alkimie, nec natura in ventre terre possunt operari. Et medicina quam parat ad hec experimentator est secretum maximum, de quo Aristoteles dicit2 in libro3 Secretorum: O Alexander, volo tibi ostendere secretorum maximum, et divina potentia juvet te ad celandum archanum, et ad perficiendum propositum. Nam illud est quod tollit omnes corruptiones metalli vilioris, ut ipsum in aurum convertat. Et illud4 est quod corruptiones humane complexionis aufert5, ut vitam quantum satis est prolonget. Et ideo hoc est secretum secretorum, de quo soli sapientissimi sciverunt cogitare; et pauci ad hujus rei perfectionem devenerunt. Si tamen Arthephius, qui gloriatur se vixisse mille viginti quinque annis, verum dicat, ipse pervenit ad ultimum istius rei, quod est illud de quo6 Aristoteles dicit in nono Metaphisice7: Non potest de8 mortuo fieri vivum nisi fiat resolutio ad materiam primam. Et in fine Metheororum9 dicit10 quod sciant artifices Alkimie, species rerum transmutari non posse, nisi reducantur ad materiam primam. Et hoc est corpus equale de quo scripsi in 2° Opere et primo, ex quo componentur corpora post resurrectionem.

1  auri ]  om. P., Ta. 2  dicit ]  om. Ta. 3  libro ]  libris, W. 4  illud ]  idem, P., Ta. 5  aufert ]  om. W. 6  quo ]  om. W. 7  Metaphisice ]  mece, W. 8  de ]  ex, Ta. 9  Metheororum ]  metharorum, W. 10  dicit ]  dicitur, P., Ta.

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Doch dann kommt der Experimentator und untersucht diese 24 Karat des Goldes und die 17 Goldarten. Daher kann er beliebig viel Gold herstellen, das 24 Karat übersteigt, was weder die Alchemie noch die Natur selbst vermögen. Die Medizin, die er daraus herstellen kann, ist das größte aller Geheimnisse, von dem Aristoteles im Buch der Geheimnisse spricht: »O Alexander, ich will dir das größte aller Geheimnisse zeigen und die göttliche Macht möge dir helfen, das Geheime zu verbergen und das Beschlossene zu erreichen.«911 Denn diese Mixtur nimmt alle Verdorbenheiten von den wertlosen Metallen und macht sie zu Gold. Diese Medizin bereinigt die menschliche Mischung von allen Verdorbenheiten, damit das Leben verlängert wird. Das ist daher das Geheimnis aller Geheimnisse, das nur die Weisesten jemals kannten. Und nur wenige sind bis zur Vervollkommnung dieser Sache gelangt. Wenn Artephius912, der sich gerühmt hatte, 1025 Jahre gelebt zu haben, die Wahrheit gesprochen hat, ist er an die äußerste Grenze dieser Sache gelangt, von der Aristoteles im neunten Buch seiner Meta­physik 913 Folgendes sagt: Aus Totem kann nicht Lebendes werden, wenn nicht eine Auflösung bis zur ersten Materie geschieht. Und gegen Ende seiner Meteorologie sagt er, die Alchemisten wüssten, dass sie die species der Dinge nicht verändern können, wenn sie nicht auf die erste Materie zurückgeführt werden könnten. Das ist der ausgeglichene Körper [corpus equale], von dem ich in meinem zweiten914 und ersten Werk 915 einiges geschrieben habe, aus dem die Körper nach der Wiederauferstehung bestehen ­werden.

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Teil II

CAPITULUM CV. De scientia quinte essentie [ 251]

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Deinde1 hec scientia nobilissima2 evacuat omnes artes magicas, et considerat quid fieri potest per naturam, quid per artis industriam, et3 quid per fraudes hominum, quid per operationes spirituum, quid valent4 carmina, et caracteres, et incantationes5, et conjurationes; ut omnis falsitas tollatur et sola veritas artis et nature stabiliatur. Unde hec6 scientia considerat omnes scientias7 magicas, sicut logicus8 considerat sophisticum argumentum, ut vitetur scilicet et possit refelli. Et sic hec scientia descendit ad omnia magica, quia non vitatur malum, nisi cognitum. Et hec scientia damnat omnem demonum invocationem, quia non solum theologia, sed philosophia docet hos vitare9. Nam omnis homo sane mentis novit quod demones, qui sunt angeli mali, non possunt bene facere, nec aliquid potest agi cum illis ad utilitatem humani generis10. Et ideo nunquam veri philosophantes curaverunt de demonum invocatione, sed magici insani et maledicti. Et postquam opera demonum excludantur, tunc similiter oportet fraudes hominum11 excludi, quas magi12 faciunt infinitis modis, per velocitatem manualem, per instrumenta subtilia, per consensum, per tenebras, per figmenta varia, in carminibus, et caracteribus, et constellationibus quas fingunt, et quibus colorant sua dicta et facta. Et isti nichil faciunt secundum veritatem artis et nature, sed13 seducunt homines; et multotiens operantur demones propter pec1  Neuer Paragraph in Ta, aber kein neues Kapitel. 2  nobilissima ]  om. Ta. 3  et ]  om. P. 4  valent ]  velint, P., Ta., W. 10  nec aliquid … generis ]  om. P. 5  incantationes ]  invocationes, P. 11  oportet fraudes hominum ] omnes 6  Unde hec ]  Unde et hec, Ta. fraudes hominum oportet, Ta. 7  scientias ]  rationes, Ta. 12  magi ]  magici, Ta. 8  logicus ]  Logica, P., Ta. 13  sed ]  et, W. 9  vitare ]  evitare, P.; evitari, Ta. 10  nec aliquid … generis ]  om. P. 11  oportet fraudes hominum ]  omnes fraudes hominum oportet, Ta. 12  magi ]  magici, Ta. 13  sed ]  et, W.

KAPITEL 105

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KAPITEL 105 Über die Wissenschaft der fünften Essenz [ 251]

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Weiterhin beseitigt diese würdigste aller Wissenschaften alle magischen Künste und untersucht, was durch die Natur erreicht werden kann, was durch die Betätigung der Kunst, was nur auf Täuschungen der Menschen zurückgeht, was auf die Werke von Geistern und Zaubersprüchen zurückzuführen ist, und was Beschwörungen, Anrufungen und geheime Verabredungen sind, damit jede Falschheit entfernt wird und nur die Wahrheit der Kunst und der Natur bestehen bleibt. Daher betrachtet diese Wissenschaft alle magischen Wissenschaften, so wie der Logiker das Scheinargument betrachtet, damit er es vermeiden und widerlegen kann. Auf diese Weise schaut sie sich auch alle magischen Künste an, weil das Böse nicht vermieden werden kann, wenn es nicht bekannt ist. Diese Wissenschaft verdammt jede Form der Anrufung von Dämonen, weil nicht nur die Theologie, sondern auch die Philosophie lehrt, diese zu vermeiden. Denn jeder Mensch mit klarem Verstand weiß, dass die Dämonen, die böse Engel sind, nichts Gutes tun können, und dass nichts mit ihrer Hilfe zum Wohl der Menschheit erreicht werden kann. Deswegen haben sich die wahren Philosophen niemals um die Anrufung von Dämonen bemüht, sondern nur verrückte und verdammte Magier. Nachdem die Werke der Dämonen ausgeschlossen worden sind, muss auch der Betrug bestimmter Menschen aufgedeckt werden, den die Magier auf vielfältige Weise inszenieren. [Sie betrügen] beispielsweise durch manuelle Geschicklichkeit, durch verfeinerte Instrumente, durch geheime Verabredungen, durch Verdunkelungen und durch verschiedenste Täuschungen mit Zaubersprüchen, Zauberformeln und Sternenkonstellationen, die sie sich ausdenken und mit denen sie ihre Aussprüche und Praktiken schmücken. Doch das tun sie alles nicht entsprechend der Wahrheit der Natur, sondern indem sie die Menschen täuschen. Oft sind hier aufgrund der Sünden der Magier und anderer Menschen, die an sie glauben,

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Teil II

cata istorum magicorum, et aliorum qui credunt eis, licet isti magici, et illi qui eis adherent, nesciant quod demones operantur1. Et hic omnes libri magici debent considerari et diffamari; ut Iiber De Morte Anime, et2 Iiber Fantasmatum, et Iiber De Officiis et Potestatibus Spirituum, et libri De Sigillis Salamonis, et libri3 De Arte Notoria, et omnes hujusmodi qui4 demones invocant, vel per fraudes et vanitates procedunt, non per vias nature et artis. Et quoniam hec scientia potest hec omnia evacuare, et stabilire opus nature et artis, et veritatem defendere, ideo est summe dignitatis. Et ejus dignitas extra terminos aliarum scientiarum consistit in duobus: in cognitione rerum futurarum, et presentium occultarum, et preteritarum. Nam Ptolomeus docet in libro De Dispositione Spere quod astronomus non potest certificare de futuris; et in libro Centilogii illud idem docet, et in Quadripartito. Et propter hoc docet5 quod est alia scientia homini necessaria, que currit secundum6 vias experientie, super quas7 Aristoteles nobilis fuit fundatus, et multa turba fidelium8 philosophorum, et domini9 judiciorum astrorum sustentati sunt. Et hec habet 4 scientias magnas quibus astronomie defectus supplentur10. Et unam scientiarum istarum tangunt Ambrosius et Basilius in suis11 libris de operibus sex dierum; et hec12 est per considerationem in elementis, et in animalibus, et in his que renovantur in aere, quam scientiam Arates philosophus exposuit. Alie vero sunt occultiores et solis sapientissimis note. 1  operantur ]  operentur, P., Ta. 2  et ]  om. P. 3  libri ]  liber, Ta. 4  qui ]  qui et, P. 5  docet ]  dicit, P. 6  secundum ]  per, Ta. 7  quas ]  quam, P. 8  fidelium ]  om. P. 9  domini ]  dictum, P. 10  supplentur ]  suppletur, Ta., W. 11  suis ]  illis, P. 12  hec ]  hoc, P.

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auch Dämonen am Werk. Diejenigen aber, die den Magiern zuhören, wissen nicht, dass eigentlich böse Geister tätig sind. Ebenso müssen auch alle Bücher über die Magie916 betrachtet werden. Zu diesen Büchern zählen etwa das Buch Über den Tod der Seele, das Buch der Geister, das Buch über die Pflichten und Kräfte der Geis­ ter, die Bücher über die Siegel Salomons, das Buch über die ma­ gische Kunst und alle anderen Bücher, die für die Anrufung von Dämonen gebraucht werden. [Von allen diesen Büchern muss gezeigt werden], dass sie mit Betrug und Eitelkeiten vorgehen, nicht entlang der Wege der Natur und der Kunst. Da diese Wissenschaft alle diese Betrügereien ausräumen und nur das Werk der Natur und der wahren Kunst bestehen lassen will und die Wahrheit verteidigen kann, ist sie die würdigste [aller Wissenschaften]. Ihre Würdigkeit außerhalb der Grenzen der anderen Wissenschaften besteht in zwei besonderen Aspekten: nämlich in der Erkenntnis der zukünftigen Dinge, der verborgenen gegenwärtigen Dinge und in der Erkenntnis der vergangenen Dinge. Denn Ptolemäus lehrt in seinem Buch De dispositione spherae 917, dass der Astronom über zukünftige Dinge keine sicheren Prognosen anstellen kann. Dasselbe lehrt er auch in seinem Centiloquium918 und in seinem Quadripartitum919. Deswegen sagt er weiterhin, dass die Menschen dafür eine andere Wissenschaft brauchen, die die Wege der Erfahrung abschreitet, auf denen auch der edle Aristoteles fest begründet ist, und die durch viele glaubwürdige Philosophen und die Herren der astronomischen Vorhersagen gestützt werden. Diese Wissenschaft hat vier bedeutende Wissenschaften920 unter sich, die den Mangel der Astronomie ausgleichen können. Mit einer von diesen Wissenschaften befassen sich Ambrosius921 und Basilius922 in ihren Büchern Über das Sechstagewerk. Diese Wissenschaft betrachtet die Vorgänge in den Elementen, den Tieren und den Dingen, die in der Luft immer wieder erneuert werden. Der Philosoph Arates923 hat diese Wissenschaft erklärt. Die anderen Wissenschaften sind jedoch verborgener und nur den weisesten Menschen bekannt.

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Reliquum in quo consistit ejus dignitas mirabilis1 est in operibus sapientie. Et aliqua istorum habent pulcritudinem sapientie immensam; ut si non esset notum mundo quod magnes traheret ferrum2, videretur esse magnum miraculum. Sed experientia sapientum invenit hoc, et3 ulterius rimati sunt multa opera in his que vulgus ignorat. Et quod non solum ferrum attrahatur4 a lapide, sed aurum, et argentum, et omne metallum; et de lapide qui currit ad acetum, et de plantis, et aliis rebus ad invicem currentibus. Nam partes rerum animatarum divisarum concurrunt ad invicem, si rite et debito modo adaptentur. Et quando vidi hoc5, nichil potest michi6 esse difficile ad credendum, si debitum auctorem habeat, licet rationem non videam; quia sapientes longi temporis habent causas et rationes unde possunt probare que proponunt. Mira sunt hec. Et in his potest deprehendi magici consideratio et philosophi. Nam magici in his faciunt carmina et caracteres, et rerum concursum naturalem attribuunt carminum et caracterum potestati. Sed philosophus negligit7 carmina et caracteres, et adheret operi nature et artis. Unde magici accipiunt virgas coruli et salicum, et dividunt eas secundum longitudinem, et faciunt eas distare secundum8 quantitatem palme, et addunt carmina sua, et conjunguntur partes divise; sed non propter carmina, sed ex naturali proprietate. Sicut si alicui, ignoranti quod magnes trahit ferrum, diceret9 carmina ac caracteres describeret, tamquam per virtutem carminum et caracterum

1  mirabilis ]  mirabile, Ta. 2  traheret ferrum ]  traheret ferret, W.; trahit ferrum, P. 3  et ]  ut, P. 4  attrahatur ]  attrahitur, P., Ta. 5  hoc ]  hec, P., Ta. 6  michi ]  om. Ta. 7  philosophus negligit ]  philosophans negliget, P. 8  secundum ]  ad, Ta. 9  diceret ]  aliquis diceret, Ta.

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Der Rest der herrlichen Vorzüge dieser Wissenschaft besteht in den Werken der Weisheit, von denen einige eine unglaubliche Schönheit der Weisheit an sich haben. Denn wenn es der Welt beispielsweise nicht bekannt wäre, dass ein Magnet Eisen anzieht, würde das wie ein großes Wunder erscheinen. Doch die Erfahrung der Weisen hat das herausgefunden, und sie haben darüber hinaus noch unzählige weitere Werke entdeckt, die der Menge unbekannt sind. Zum Beispiel, dass nicht nur Eisen durch einen Stein angezogen wird, sondern auch Gold und Silber, ebenso wie jedes andere Metall. Sie haben auch einen Stein gefunden, der sich zu Essig hinbewegt, und vieles über Pflanzen und andere Dinge beobachtet, die sich gegenseitig anziehen. Denn die Teile von getrennten belebten Dingen ziehen sich gegenseitig an, wenn sie in der richtigen Art und Weise vorbereitet werden. Seitdem ich solches gesehen habe, fällt mir nichts mehr zu glauben schwer, wenn es ein würdiger Autor geschrieben hat, auch wenn ich die Gründe manchmal nicht einsehen kann. Doch die Weisen haben seit langer Zeit Gründe und Überlegungen gefunden, mit denen sie beweisen können, was sie schreiben: das sind wahre Wunder. Bei diesen Dingen können die Überlegungen der Magier und der Philosophen als falsch erwiesen werden. Denn die Magier sprechen bei solchen Vorgängen Zaubersprüche und Zauberformeln, denen sie den eigentlich davon vollkommen unabhängigen Verlauf der Natur zuweisen. Doch der Philosoph verachtet solche Zaubersprüche und konzentriert sich stattdessen auf die Werke der Natur und der Kunst. Daher nehmen die Magier zum Beispiel die Zweige eines Haselnussbaums und einer Weide, trennen sie der Länge nach auf, halten sie dann eine Handbreit voneinander entfernt, sagen ihre Zaubersprüche auf und die getrennten Teile vereinigen sich. Doch das geschieht nicht aufgrund von Zaubersprüchen, sondern wegen ihrer natürlichen Eigenschaften. Ebenso ist es, wenn jemand gegenüber Leuten, die nicht wissen, dass ein Magnet Eisen anzieht, solches mit Hilfe von Zaubern und Formeln vollbringen würde, als ob der so besprochene Magnet durch die Macht der Zauberfor-

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magnes carminatus traheret: certum quidem est quod carmen nichil faceret, sed virtus naturalis in magnete. Sic est hic. Nam hoc probavi certitudinaliter. Alia sunt opera que majorem pulcritudinem et utilitatem habent, ut est1 compositio balneorum calidorum que fiunt ex lapidibus exagonis, qui semel percussi radiis solaribus nunquam extinguuntur, sicut Ethicus philosophus et leronimus docent. Et Asbeston2 lapis, semel ignitus, nunquam extinguitur, sicut Ysidorus, et Plinius, et omnes auctores scribunt. Possunt etiam loca sulphurea eligi, quorum natura calida est; et calx viva similiter in magna copia projici. Sed majora sunt luminaria perpetuo ardentia, quorum quedam per modicum fomentum et invisibile magno artificio possunt perpetuari, ita quod cereus ipse in nullo inveniatur. Alia vero sic3 fieri possunt ut sine aliquo fomento luceant, sicut Avicenna docet in libro majori De Anima; et in libro lgnium, Aristoteles docet hujus­ modi componere. Nam multa inveniuntur que non comburuntur in igne, licet ardeant, ut pellis salamandre, et tale, et quoddam genus ligni, sicut dicit leronimus 4to 4 libro super Ezechielem, et aliqua5 de quibus posset6 preparari aliquid quod semper luceret et arderet sine combustione materie. Sed majora his sunt que personas alterent vel7 multitudinem per multa genera rerum, secundum quod Aristoteles dicit8 in libro Secretorum, dicens Alexandro9: Tere grana plante10, et da cui vis ­comedere, et tibi obediet11 in eternum. Et accipe illam12 lapidem super te, et fugiet a te omnis excercitus13. Et per ignium coruscationem et combustionem, ac per sonorum14 horrorem, possunt miri 1  est ]  est scilicet, P. 2  Asbeston ]  albeston, W. 3  sic ]  similiter, Ta. 4  4to ]  decimo quarto, P. 5  aliqua ]  alia, P., Ta. 6  posset ]  possit, P. 7  alterent vel ]  alterarent et, P., Ta. 8  dicit ]  docet, P., Ta. 9  Alexandro ]  Alexander, P. 10  plante ]  illius plante, P., Ta. 11  obediet ]  obedient, P. 12  illam ]  illum, Ta. 13  exercitus ]  execratus, P. 14  sonorum ]  personarum, W.

  9  Alexandro ]  Alexander, P. 10  plante ]  illius plante, P., Ta. 11  obediet ]  obedient, P. 12  illam ]  illum, Ta. 13  exercitus ]  execratus, P. 14  sonorum ]  personarum, W.

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meln das Eisen anziehen würde. Dabei ist es doch sicher, dass die Zaubersprüche nichts ausrichten, sondern nur die natürliche Kraft des Magneten. So ist es hier nämlich eigentlich, wie ich mit aller Sicherheit gezeigt habe.924 Es gibt noch weitere Werke von noch größerer Schönheit und Nützlichkeit, wie zum Beispiel jene warmen Bäder, die aus sechseckigen Steinen gebaut werden. Nachdem sie einmal mit den Strahlen der Sonne in Berührung gekommen sind, gehen sie niemals aus, wie der Philosoph Ethicus925 und Hieronymus926 lehren. Oder der Asbeststein, der – einmal in Brand gesetzt – niemals verlöscht, wie Isidor927, Plinius928 und alle Autoren schreiben. Diese Steine können an schwefelhaltigen Orten gefunden werden, die von Natur aus warm sind und die auch in großer Menge ungelöschten Kalk hervorbringen. Noch wunderbarer sind ewig brennende Lampen, die durch einen kleinen und nahezu unsichtbaren Zündstoff durch die Kunst immer weiter brennen, wie es selbst bei den besten Wachskerzen nicht gefunden werden kann. Es können auch noch andere Lichter hergestellt werden, die ohne jeden Zündstoff leuchten, wie Avicenna in seinem großen Buch Über die Seele 929 schreibt; Im Buch der Feuer 930 lehrt Aristoteles auch, wie solche Lampen hergestellt werden können. Denn es können viele Dinge gefunden werden, die durch Feuer nicht verbrannt werden, aber trotzdem brennen: zum Beispiel die Haut des Salamanders und ähnliche Dinge, die auf gewisse Art von feuriger Natur sind, wie Hieronymus im vierten Buch seines Hesekielkommentars 931 sagt. Ebenso gibt es noch andere Dinge, aus denen man etwas herstellen kann, das immer leuchtet und brennt, ohne dass dabei der Stoff verbrannt wird. Doch noch größere Dinge sind solche, mit denen sich einzelne Menschen und ganze Menschenmengen beeinflussen lassen. So sagt Aristoteles im Buch der Geheimnisse zu Alexander: »Zerreibe die Samen jener Pflanze, gib sie jemandem zu Essen, dann wird er dir in Ewigkeit gehorchen. Und halte jenen Stein über Dich, und jedes Heer wird vor dir fliehen.«932 Auch durch blitzende und brennende Feuer oder fürchterliche Klänge können wunderbare Dinge

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fieri, et in distantia qua volumus, ut homo mortalis sibi cavere non possit, nec sustinere. Exemplum est puerile de sono et igne qui fiunt in mundi partibus diversis per pulverem salis petre et sulphuris et carbonum salicis. Cum enim instrumentum de pergameno in quo involvitur hic pulvis, factum ad quantitatem unius digiti, tantum sonum facit quod gravat multum aures hominis, et maxime illius qui hoc fieri non perciperet, et coruscatio similiter terribilis turbat valde; si ergo fieret instrumentum magne quantitatis, nullus posset sustinere nec terrorem soni, nec coruscationis. Quod si fieret1 instrumentum de solidis corporibus, tunc longe major fieret violentia. Et si ignis fieret alterius generis, ut est ignis grecus et alii ignes violenti, tunc nihil posset sustinere nec durare2. Et in omni distantia fieret qua volumus, ne illi qui facerent lederentur, et ut alii subito confunderentur3. Consimile fecit Gedeon in castris Madianitarum, qui ex sonitu lagenarum et ydriarum, in quibus conclusit lampades coruscantes4, territi sunt Madianite et confusi, precipue quia de nocte et subito, illis non percipientibus, irruit super eos. Preterea, in quantum hec scientia utitur aliis, potest facere mira. Nam omnes scientie sunt ei subjecte, sicut arti militari est ars fabrilis subjecta, et carpentaria navigatorie. Unde hec scientia imperat aliis, ut faciant ei opera et instrumenta quibus hec utatur sicut5 dominatrix. Et ideo precipit geometre6, ut figuret ei speculum ovalis figure, vel anularis, vel prope hoc, quatenus omnes anguli incidentie linearum venientium a corpore sperico in superficiem

1  fieret ]  fieri, W. 2  nec durare ]  om. W. 3  et ut alii subito confunderentur ]  om. W. 4  conclusit lampades coruscantes ]  conclusi lapides vel lampades ardentes vel coruscantes, Ta. 5  sicut ]  ut, P. 6  geometre ]  Geometrie, P.; geomete, Ta.

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aus jeder beliebigen Entfernung erreicht werden, vor denen kein Sterblicher sich verstecken und die kein Mensch aushalten kann. Es gibt ein Beispiel für Feuer und einen lauten Knall, das die Menschen sich in verschiedenen Teilen der Welt zum Zeitvertreib ausgedacht haben. Man nimmt dazu das Pulver von Salpeter, Schwefel und Weidenkohle. Wenn ein Gefäß aus Pergament von der Größe eines Daumens mit diesem Pulver gefüllt wird, entsteht daraus ein so lauter Knall, dass er die Ohren der Menschen sehr beschwert, vor allem jene, die das vorher nicht mitbekommen haben. Es produziert auch einen Blitz, der ähnlich verwirrend ist. Wenn ein größeres Gefäß mit diesem Pulver gefüllt werden würde, könnte niemand der Angst vor dem Knall und dem Blitz widerstehen. Wenn das Gefäß dann auch noch aus einem festen Material angefertigt werden würde, wäre seine Vernichtungskraft noch größer. Wenn das Feuer dann noch von einer anderen Art wäre, wie zum Beispiel das griechische Feuer oder andere gewaltsame Feuer, dann könnte ihm nichts widerstehen, und nichts könnte dieses Feuer überdauern. Wir könnten solch ein Feuer über jede beliebige Entfernung zum Einsatz bringen, ohne dass diejenigen, die dieses Feuer benutzen, verletzt werden würden. Diejenigen, gegen die es gerichtet wäre, würden jedoch sofort aus der Fassung gebracht werden. Ähnlich hat es auch Gideon gegen die Lager der Midianiter gemacht 933, der durch den Knall von diesen Feuern, die sich in Tonund Wasserkrügen befanden, die Midianiter sehr erschreckt und verstört hat; vor allem, weil das bei Nacht und ohne, dass sie es mitbekommen haben, über sie hereingebrochen ist. Zudem kann diese Wissenschaft Wunder vollbringen, wenn sie sich die anderen Wissenschaften zunutze macht. Denn alle Wissenschaften sind ihr unterworfen, so wie die Schmiedekunst den militärischen Künsten und die Schiffsbaukunst der Navigation unterworfen ist. Daher befiehlt diese Wissenschaft über die anderen, damit sie ihr Werke und Instrumente anfertigen, die sie wie ihre Herrin benutzt. Sie befiehlt dem Geometer, einen ovalen oder ringförmigen Spiegel anzufertigen, sodass alle Winkel der von einem runden Körper ausgehenden Strahlen in gleichem Ab-

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concavam speculi sint equales. Sed geometer nescit ad quid valeat hujusmodi speculum, nec scit uti eo. Sed experimentator scit per hoc omne combustibile comburere, et omne metallum liquare, et omnem lapidem calcinare; et ideo omnem excercitum, et castrum, et quicquid velit1 destruere, et non solum prope, sed in quacumque distantia voluerit2. Similiter ei precipit facere alia mirabiliora isto, de quorum aliquibus prius tactum est3 in Mathematicis. Eodem modo precipit astronomo ut eligat constellationes certas, quas4 experimentator vult, et5 in eis facit opera, et cibos, et potus6 et medicinas, quibus potest personam omnem et multitudinem7 alterare, et excitare ad quecumque velit, sine8 coactione liberi arbitrii. Sed sicut cibus, et potus, et medicine alterant homines in complexione, et in sanitate et infirmitate9, et in tantum complexionem alterant quod10 animus sequitur corporis inclinationem, licet non cogatur, sed quod gratis velit ad quod complexio alterata inclinat. Ut sic homo totus alteretur in sciencialibus, in11 moralibus, in consuetudinalibus et in omnibus, et12 fiat prudens, et gaudens, et diligat bonos mores, et13 pacem, et justitiam; vel ad contraria horum excitetur. Sic est hic. Et longe potentius possunt fieri quando virtus celi concurrit specialiter cum14 his. Et non solum opera, sed verba componit et profert in talibus temporibus, que recipiunt virtutem celestem et virtutem anime, et quatenus fortius alterent15, quam opera, dum durant. Quia precipuum opus anime rationalis est loqui. Et16 quia verba pa1  velit ]  voluerit, Ta. 2  voluerit ]  quam voluerit, P., Ta. 3  prius tactum est ]  pretactum est prius, P.; tactum est, om. prius, Ta. 4  quas ]  quas ipse, P. 5  et ]  et tunc, P., Ta. 6  et potus ]  om. P. 7  et multitudinem ]  om. P. 13  et ]  om. Ta. 8  sine ]  sine tamen, P. 14  cum ]  in, P. 9  et infirmitate ]  et in infirmitate, Ta. 15  et quatenus fortius alterent ]  10  quod ]  quam, P. que fortius alterant, Ta. 11  in ]  et, P.; et in, Ta. 16  Et ]  Sed, Ta. 12  et ]  ut, P. 13  et ]  om. Ta. 14  cum ]  in, P. 15  et quatenus fortius alterent ]  que fortius alterant, Ta. 16  Et ]  Sed, Ta.

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stand auf die konkave Oberfläche des Spiegels einfallen. Aber der Geometer weiß nicht, wofür solch ein Spiegel gut sein soll, und er weiß ebenso wenig, wie er ihn benutzen kann. Doch der Experimentator kann mit solch einem Spiegel alles Brennbare verbrennen, jedes Metall schmelzen und jeden Stein kalzinieren. Daher kann er jedes Heer, jedes Lager und alles andere vernichten. Dafür müssen sich diese Dinge nicht einmal in der Nähe befinden, sondern in jeder beliebigen Entfernung. Auf ähnliche Weise kann sie ihm befehlen, zahlreiche weitere wunderbare Dinge herzustellen, von denen einige schon im Teil über die Mathematik beschrieben worden sind. Auf dieselbe Weise befiehlt sie auch dem Astronomen, dass er die richtigen Konstellationen auswählt, die der Experimentator braucht. Während dieser Konstellationen vollbringt er seine Werke: Er stellt Nahrungsmittel, Getränke und Heilmittel her, mit denen einzelne Menschen und ganze Menschengruppen verändert werden können; und er kann damit jeden ermuntern, ohne den freien Willen zu zwingen. Denn da Nahrung, Getränke und Arzneimittel die Mischungen der Menschen hin zu Gesundheit und Krankheit so sehr verändern, dass der Geist den Neigungen des Körpers folgt, wird er nicht gezwungen, sondern tut freiwillig das, wohin ihn die veränderte Mischung führt. Solcherart kann der Mensch in den Wissenschaften, in der Moral, in seinen Gewohnheiten und allem geändert werden, sodass er klug und fröhlich wird und gute Sitten, Frieden und Gerechtigkeit begrüßt. Genauso kann er aber auch zum Gegenteil alles dessen geführt werden. Auf diese Weise verhält es sich hiermit also. Die Wirkungen können noch viel mächtiger werden, wenn die Macht der Himmelskörper mit diesen Werken einhergeht. Doch abgesehen von solchen Werken haben auch Worte, die in solchen Zeiten gesprochen werden, dass sie die Kraft des Himmels und der Seele erhalten, eine noch stärkere verändernde Wirkung als die Werke, solange sie andauern. Denn das wichtigste Werk einer vernünftigen Seele ist das Sprechen. Da Worte jedoch nicht so lange andauern wie die Werke, wenn sie nicht aufgeschrieben werden,

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rum durant, nisi scribantur, ideo opera diutius1. Sed tamen verba scribi possunt, et durabunt sicut opera. Et ideo hec scientia principaliter et2 tanquam dominatrix facit omnia ista, et Astronomia ei deservit in hoc casu, sicut deservit Medicine in electione temporum pro minutionibus et medicinis laxativis, et in multis. Et hic3 est origo omnium4 philosophicarum ymaginum, et carminum, et caracterum. Et ideo hec scientia distinguit inter hujus­ modi, reperiens aliqua secundum philosophie veritatem facta, et alia secundum abusum et errorem artis magice. Et revolvit species artis magices5, et separat eas a veritate philosophie. Sed de his tactum est prius, precipue in hoc Opere, ubi de linguis agebatur; et in 2° Opere, ubi de celestibus agitur6; in quibus locis diffusius locutus sum de his, et magis ea explanavi7. Similiter imperat omnibus aliis scientiis operativis, ut ei obediant, et preparent que vult, quibus utitur in admirandis effectibus nature et artis sublimis; quatenus hec scientia per vias quasi infinitas possit omne adversum repellere, et omne prosperum promovere. Et hac scientia usus est Aristoteles quando tradidit mundum Alexandro. Nam non potuit Alexander armorum potentia subjugare mundum sibi, quoniam non habuit in exercitu suo nisi 32 milia peditum et 4 milia equitum et8 quingentos. Non magis mirandum est quod vicerit mundum, quam quod ausus fuerit9 ipsum invadere cum tam parva manu. Sed dictus10 Aristoteles fuit cum eo, qui tempus elegit aptum aggrediendi mundum, et paravit ea11 ingenia, et opera, et instrumenta, et verba, et omnia que necessaria fuerunt victorie, per vias sapientie; propter quod primo congressu 1  diutius ]  diutius agunt, P., Ta. 2  et ]  om. Ta. 3  hic ]  hec, Ta. 4  omnium ]  omnium philosophantium, P. 5  magices ]  magice, Ta.   9  fuerit ]  fuit, P. 6  agitur ]  om. P., Ta. 10  dictus ]  dominus, P., Ta. 7  explanavi ]  explicavi, Ta. 11  ea ]  ei, P. 8  et ]  om. W. 9  fuerit ]  fuit, P. 10  dictus ]  dominus, P., Ta. 11  ea ]  ei, P.

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dauern die Werke länger an. Nichtsdestotrotz können Worte auch geschrieben werden und so lange andauern, wie die Werke es tun. Daher tut diese Wissenschaft alles das grundlegend und gleichsam als Herrin, und die Astronomie dient ihr in diesem Fall, wie sie auch der Medizin in der Auswahl für die richtigen Zeiten der Entleerung, der Herstellung von Abführmitteln und in vielen weiteren Dingen zu Diensten ist. Das ist sowohl der Ursprung aller philosophischen Ansichten als auch der Ursprung aller Zaubersprüche und Zauberformeln. Diese Wissenschaft unterscheidet zwischen ihnen, indem sie bei einigen die philosophische Wahrheit nachweist, bei anderen jedoch den Missbrauch und die Fehler der magischen Kunst [aufdeckt]. Sie deckt auch die verschiedenen Arten der Magie auf und trennt sie von der Wahrheit der Philosophie. Doch darüber ist schon früher gesprochen worden934, vor allem in dem Werk, das von den Sprachen handelt. Ebenso im zweiten Werk 935, wo es um die Himmelskörper ging. An diesen Stellen habe ich verschiedentlich darüber gesprochen und sie ausführlicher erklärt. Ebenso herrscht sie auch über alle anderen ausführenden Wissenschaften, damit sie ihr dienen mögen und für sie vorbereiten, was sie möchte, um sie in den bewunderungswürdigen Wirkungen der Natur und der erhabenen Kunst zu benutzen. Dadurch kann diese Wissenschaft auf nahezu unendlich vielen Wegen jedes Hindernis zurückstoßen und alles Förderliche vorantreiben. Diese Wissenschaft hat Aristoteles benutzt, als er Alexander [dem Großen] die Welt übergeben hatte. Denn Alexander konnte sich die Welt nicht mit Waffengewalt unterwerfen, da er in seinem Heer nur 32 000 Fußsoldaten und 4500 Berittene Einheiten hatte.936 Es ist nicht weniger erstaunlich, dass er sich die Welt untertan machen konnte, als dass er es mit so wenigen Soldaten überhaupt gewagt hatte. Doch die Worte des Aristoteles halfen ihm, der die richtige Zeit zum Angriff auf die Welt ausgewählt hatte und ihn mit Erfindungen, Werken, Instrumenten, Worten und mit allem Weiteren, was für einen Sieg notwendig war, auf den Wegen der Weisheit versorgt hatte. So war es [Alexander] möglich, bei der ersten

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prostravit de adversariis1 sexcenta millia hominum, et non amisit nisi centum viginti equites et novem pedites. Et docuit eum opera quibus alteraret regiones, et civitates infortunaret, et infatuaret eas, ut se juvare non possent. Et tunc regiones male complexionis alteravit in bonam, ut homines malarum complexionum reduceret ad bonas; quatenus per consequens reduceret eos ad bonos mores et ad2 honestas consuetudines, et sic permisit homines vivere, et tamen3 subjectos. Unde Aristoteles sic dixit ei: Altera aerem hominum malarum complexionum et permitte eos vivere. Nam aere alterato, alteratur complexio, et ad alterationem complexionum sequitur alteratio morum. Et hec fuit sapientia ineffabilis. Et hac scientia mirabili utetur Antichristus, et longe potentius quam Aristoteles, quia sciet plura longe quam Aristoteles4; et ideo dividet mundum gratuito, ut dicit Scriptura. Nam omnem regionem et civitatem infortunabit, et reddet imbellem, et capiet omnes sicut aves inviscatas. Et sic finitur sexta pars Maioris Operis.5

CAPITULUM CVI. De morali alias civili scientia [ 270]

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Post hoc extendi manum ad scientiam moralem, quam6 Aristoteles vocat civilem, quia docet regere cives in moribus et legibus, et pace, et justitia, ut vivant7 sine peccato, quatenus vitam futuri seculi feliciter consequantur. Et hec scientia practica vocatur, et omnes alie dicuntur speculative respectu illius, quamvis multe earum multa operentur. Praxis quidem operatio est; sed operationes humane in vita sunt precipue 1  adversariis ]  adversis, P. 2  et ad ]  om. P. 3  tamen ]  virtute, Ta.; in Marginalie: arte. 4  quia … Aristotiles ]  om. P. 5  Et sic … operis ]  om. P., Ta.; Ta.: explicit. 6  quam ]  quas, W. 7  vivant ]  durant, P.

KAPITEL 106

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Schlacht 600 000 seiner Feinde niederzuwerfen und selber nur einen Verlust von 120 Berittenen und neun Fußsoldaten zu erleiden. Er lehrte [Alexander] auch Werke, durch die er die Regionen verändern und Städte ins Unglück stürzen und betören konnte, sodass sie sich nicht helfen konnten. Regionen mit schlechten Mischungen verwandelte er zum Guten hin, wie er auch die Menschen mit schlechten Mischungen zum Guten hinführte. Indem er sie zu guten Sitten und ehrenhaften Gewohnheiten zurückführte, erlaubte er ihnen, als Unterworfene zu leben. Daher sagte Aristoteles folgendes zu ihm: »Verändere die Luft, in der Menschen mit schlechten Mischungen leben und erlaube ihnen zu leben.«937 Denn indem die Luft verändert wird, wird auch die Mischung geändert, und auf eine Änderung der Mischung folgt eine Änderung der Sitten: und das war eine unaussprechliche Weisheit. Diese wunderbare Wissenschaft wird auch der Antichrist benutzen. Und er wird sie noch viel mächtiger benutzen als Aristoteles, weil er viel mehr weiß als Aristoteles. So wird er die Welt als Lohn aufteilen, wie die Heilige Schrift 938 sagt. Denn er wird jede Stadt und jede Region verderben und die Menschen dort zu Feiglingen machen, und er wird sie fangen wie verführte Vögel. So endet der sechste Teil des Opus maius.

KAPITEL 106 Über die moralische oder politische Wissenschaft [ 270]

[ 271]

Daraufhin habe ich meine Hand zur Moralwissenschaft geführt 939, die Aristoteles auch als politische Wissenschaft bezeichnet, weil sie lehrt, wie die Menschen durch Sitten und Gesetze zu regieren sind, damit Frieden und Gerechtigkeit herrschen und damit sie ohne Sünde leben, sodass auch das zukünftige Leben glücklich folgen möge. Diese Wissenschaft wird praktisch genannt, und ihr gegenüber heißen alle anderen spekulativ, auch wenn sich viele der anderen Wissenschaften freilich auf zahlreiche Bereiche erstrecken. Gewiss besteht jede Praxis in einer Tätigkeit; aber vor allem sind die

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Teil II

practice, quia omnes alie operationes sunt propter eas, quia ad1 bonum anime omnia que ad corpus et ad bona fortune pertinent reducuntur. Et ideo scientia de bono anime, diviso in virtutem et felicitatem, omnibus scientiis dominatur, et requirit usum et servicium earum; quia inutiles sunt homini, nisi quando ei deserviunt2 ad bonum anime consequendum. Et ideo hec scientia ordinat de omnibus aliis scientiis, et a quibus et quando debent doceri3, et quomodo promoveri, et qui sunt4 qui in qualibet scientia sunt imbuendi; quia non omnibus omnia5 valent, nec est quilibet idoneus ad quodlibet. Hec igitur scientia habet partes sex principales: Prima tangit ea que tenenda sunt de Deo, et de angelis, et de demonibus, et de resurrectione corporum, et de gloria bonorum in futura beatitudine, et reprobatione malorum in pena futuri seculi; et de summo sacerdote, qui est legis lator; et quod eam recipiet6 a Deo, et quod debet successorem statuere, et de electione ejus in perpetuum, ut mundus semper sit uni capiti subjectus, ne discordia accidat inter civitates et regiones. Et in his que de Deo tangit, multa considerat, quorum aliqua sunt prius demonstrata in Methaphisica et in7 aliis scientiis, et alia sunt solum hic verificanda. Omnis enim alia scientia ei servit, et preparat veritates, et opera sapientie, et instrumenta. Nam conclusiones aliarum scientiarum8 sunt hic principia, quia hec est finis omnium scientiarum. Et ideo quicquid in aliis docetur est propter istam. Unde non accipit aliena, sed que sua sunt, sicut dominus accipit a

1  ad ]  om. P. 2  deserviunt ]  deserviant, P. 3  doceri ]  edocere, P. 4  sunt ]  sint, P. 5  omnia ]  om. W. 6  recipiet ]  recipiat, P. 7  in ]  om. P. 8  scientiarum ]  om. W.

KAPITEL 106

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Tätigkeiten des Menschen im Leben praktisch zu nennen. Denn alle anderen Tätigkeiten sind ihretwegen da, weil alle Dinge, die für das Wohl des Körpers und der Lebensumstände sorgen, letztendlich auf das Gut für die Seele zurückgeführt werden können. Daher dominiert die Wissenschaft über das Gut der Seele, die in Tugend und Glück eingeteilt ist, alle anderen Wissenschaften und bedient sich ihrer. Denn die anderen Wissenschaften sind für den Menschen unnütz, wenn sie nicht dem folgenden Gut für die Seele dienlich sind. So ordnet diese Wissenschaft die anderen und erklärt, wem und wann sie etwas lehren dürfen, wie die anderen Wissenschaften voranschreiten sollen und wer in welche Wissenschaft eingeweiht werden darf. Denn es stehen nicht allen alle Wissenschaften frei, und nicht jeder ist für jede Wissenschaft geeignet. Diese Wissenschaft hat insgesamt sechs grundsätzliche Teile: Der erste Teil940 behandelt die Dinge, die von Gott, den Engeln, den Dämonen, der Wiederauferstehung, dem Ruhm der Guten in der zukünftigen Glückseligkeit und der Bestrafung der Bösen im zukünftigen Leben zu glauben sind. Weiterhin beschäftigt er sich mit dem höchsten Priester, der auch der Gesetzgeber ist. Er legt auch dar, was dieser von Gott erhalten wird, was dessen Nachfolger bestimmen darf, und beschreibt dessen ewige Wahl, damit die Welt immer unter einem Haupt regiert werde und zwischen den Städten und Regionen keine Zwietracht auftritt. Bezüglich dessen, was Gott betrifft, behandelt [dieser Teil der Moralphilosophie] vieles, was zwar vorher in der Metaphysik und in anderen Wissenschaften behandelt worden ist, doch andere Bereiche können nur durch sie bewiesen werden. Denn jede andere Wissenschaft dient ihr und bereitet für sie die Wahrheiten, die Werke der Weisheit und die Mittel vor. Schließlich sind die Konklusionen der anderen Wissenschaften ihre Prinzipien, weil sie das Ziel aller anderen Wissenschaften ist: Alles, was in den anderen Wissenschaften gelehrt wird, wird daher nur für deren Ziel gelehrt. Deswegen nimmt sie die anderen Wissenschaften auch nicht als Fremde auf, sondern wie ein Herr, der von seinem Sklaven auf-

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Teil II

servo quodcumque ei placet. Quia sicut servus, et omnia que servus habet, sunt domini, ita omnes scientie; et quecunque utilia in eis versantur, sunt istius scientie; ut imperet cuilibet quod det ei quicquid fuerit necesse. Docet igitur quod Deus sit, et quod Deus sit unus in essentia, et trinus in personis, scilicet1 Pater, et Filius, et Spiritus sanctus. Et quod non possunt2 esse plures dii. Et quod ille est infinite potentie, et infinite sapientie, et infinite bonitatis. Et quod non exivit in esse, nec desinet3 esse, sed quod semper fuit et semper erit; et quod produxit mundum in esse de nichilo, et creavit spirituales substantias angelicas et animas rationales; et quod multi angeli ceciderunt in peccatum, et deputati sunt pene infernali; et quod boni remanserunt in ordinibus suis novem distincti4; et quod multi istorum custodiunt regiones, et singulas personas, et multa operantur circa eos, in consiliis occultis5, et instructionibus, et revelationibus, et in defensionibus a malis6, et hujusmodi quamplura. Et de resurrectione, et vita duplici malorum et beatorum7 satis loquitur, et de purgatorio, et inferno. Et quod super omnia mirandum est et notandum, multa tangit de Domino Jesu Christo, et de gloriosissima8 Virgine Maria, sicut expressas auctoritates congregavi a diversis auctoribus; et quod mundum redimeret et salvaret, et judicaret tam demones quam malos homines, et puniret sine fine, et glorificaret justos, et multa hujusmodi que non possunt hic narrari. Sed non est mirum si hec et similia9 locuti sunt10, quia apostolus dicit quod Deus illis revelavit: atque viderunt libros Veteris Testamenti, et alios libros sanctorum11 prophetarum Hebreorum; ut li1  scilicet ]  om. P. 2  possunt ]  possint, P. 3  nec desinet ]  nec quod desinit, P. 4  distincti ]  distinctis, W. 5  occultis ]  et occultis, P. 6  et in defensionibus a malis ]  et defensionibus et malis, P. 7  malorum et beatorum ]  bonorum et malorum, P. 8  gloriosissima ]  gloriosa, P. 9  similia ]  consimilia, P. 10  sunt ]  om. P. 11  sanctorum ]  sanctorum et, P.

KAPITEL 106

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nimmt, was immer ihm gefällt. Denn wie der Sklave und der gesamte Besitz des Sklaven das Eigentum des Herrn sind, sind es hier alle Wissenschaften. Und was immer Nützliches in den anderen Wissenschaften bearbeitet wird, gehört dieser Wissenschaft, sodass sie über alles bestimmen kann, was auch immer ihr von den anderen Wissenschaften zu erhalten als notwendig erscheint. Sie lehrt nämlich, dass es einen Gott gibt, dass dieser Gott seinem Wesen nach einer ist, aber drei in den Personen; das heißt im Vater, im Sohn und im Heiligen Geist. Dass es nicht mehrere Götter geben kann. Dass jener Gott unendliche Macht, unendliche Weisheit und unendliche Güte hat. Dass er nicht aus dem Sein heraustreten oder es verlassen wird, sondern dass er immer war und immer sein wird. Dass er die Welt aus dem Nichts geschaffen hat; und dass er geistige engelhafte Substanzen und vernünftige Seelen geschaffen hat. Dass viele Engel in die Sünde gestürzt sind und in die Hölle hinabgeschickt wurden; und dass die guten Engel in neun Rang­ stufen im Himmel geblieben sind; dass viele von ihnen bestimmte Regionen und einzelne Personen beschützen; und dass sie in den verschiedenen Regionen vieles durch verborgene Ratschlüsse, durch Anweisungen, durch Offenbarungen, durch Schutz vor dem Bösen und durch viele weitere Dinge bewirken. Sie sagt auch viel über die Wiederauferstehung, über das Leben der Verdammten und der Glückseligen, über das Fegefeuer und über die Hölle. Was jedoch noch wunderbarer und bemerkenswerter als alles andere ist, betrifft den Herrn Jesus Christus und die ehrwürdigste Jungfrau Maria, wie ich anhand vieler Aussprüche von verschiedensten Autoritäten deutlich gemacht habe. Denn er wird die Welt erlösen und beschützen, er wird über die Dämonen und die schlechten Menschen richten und sie ohne Ende bestrafen. Die Gerechten wird er jedoch zum ewigen Ruhm führen. Das und vieles Weitere, was hier nicht erzählt werden kann, wird er vollbringen. Es ist aber nicht verwunderlich, dass uns diese und andere Dinge berichtet worden sind, weil bereits der Apostel [Paulus]941 sagt, dass Gott selbst diese Dinge geoffenbart hat: und sie haben die Bücher des Alten Testaments und andere Bücher der heiligen Propheten der

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Teil II

brum qui vocatur Testamentum Patriarcharum1, et libros Esdre 3m et 4m, et alios multos, in quibus sunt expresse prophecie de Christo. Et similiter legerunt2 libros philosophie, quos Adam et filii ejus, et Noe et filii ejus, et Abraham et successores ejus, et Salamon composuerunt. Nam totam philosophiam compleverunt dicti sancti, sicut historie narrant et sancti confirmant et philosophi testantur3; sicut probavi in 2a parte Operis Primi. Et sancti semper converterunt4 omnia scripta sua ad sapientiam Dei; et ideo elevaverunt philosophie potestatem ad divina; et tetegerunt propter utilitatem mundi multa de Deo, que sunt communia theologie et philosophie. Et ideo philosophi, qui fuerunt viri studiosi in omni sapientia, multum perceperunt de divinis per hujusmodi libros sanctorum a principio mundi. Et Sibillis mulierculis Deus multa de se revelavit: et ideo verisimilius5 est quod philosophis6, qui fuerunt contemptores mundi hujus et omnium deliciarum corporis, et qui non aspirabant nisi ad divina, quantum potuerunt, quam7 illis Deus quamplura de suis sacris veritatibus8 revelavit. Et hoc dicunt sancti, ut declaravi in Opere Primo, scilicet parte 2a, et 7a, scilicet in hac scientia ­morali.

CAPITULUM CVII. De secunda Parte scientie moralis [ 276]

Pars vero secunda hujus scientie moralis statuit omnes leges publicas. Et primo eas que ad cultum divinum pertinent. 2° eas que ad9 conjugium, et10 justiciam et pacem civium et regnorum optinendam. Et constituit omnia officia a maximo usque ad minimum, 1  Patriarcharum ]  prophetarum patriarcharum, P. 2  legerunt ]  legunt, P. 3  testantur ]  attestantur, P. 4  converterunt ]  convertunt, W. 5  verisimilius ]  verisimilis, P. 6  philosophis ]  philosophi, W. 7  quam ]  quod, P.   9  ad ]  om. P. 8 veritatibus ] virtutibus, W. 10  et ]  et ad, P. 9  ad ]  om. P. 10  et ]  et ad, P.

KAPITEL 107

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Hebräer gesehen, ebenso wie das Buch, das das Testament der Pa­ triarchen942 genannt wird, das dritte und vierte Buch Esra und viele andere Bücher, in denen Prophezeiungen über Jesus Christus stehen. Sie haben auch die philosophischen Bücher gelesen, die Adam und sein Sohn, Noah, und dessen Sohn und Abraham und seine Nachfolger geschrieben hatten. Denn die Aussprüche der Heiligen haben bereits die ganze Philosophie enthalten, wie die Geschichten erzählen, die Heiligen bestätigen und die Philosophen bezeugen. Das habe ich auch im zweiten Teil meines Opus maius943 gezeigt. Die Heiligen haben ihre Schriften nämlich immer auf die Weisheit Gottes zurückbezogen, die Macht der Philosophie zu Gott emporgehoben und für den Nutzen der Welt vieles von Gott ergriffen, was der Theologie und der Philosophie gemeinsam ist. Daher haben auch die Philosophen, die äußerst betriebsam an der Weisheit gearbeitet haben, durch die Bücher, die seit Beginn der Welt überliefert worden sind, viele der göttlichen Dinge wahrgenommen. Gott hat auch den Sybillen viel von sich geoffenbart. Daher ist es doch noch wahrscheinlicher, dass Gott den Philosophen, die große Verächter der Welt und aller körperlichen Freuden waren und die sich – so sehr sie nur konnten – auf die göttlichen Dinge konzentriert haben, viele seiner heiligen Wahrheiten geoffenbart hat. Das sagen jedenfalls die Heiligen, wie ich im zweiten und siebenten Teil meines ersten Werks, der sich mit der Moralwissenschaft befasst, erklärt habe.

KAPITEL 107 Über den zweiten Teil der Moralwissenschaft [ 276]

Der zweite Teil der Moralwissenschaft 944 bestimmt alle öffentlichen Gesetze. Erstens [legt er] die Gesetze fest, die sich auf die Verehrung Gottes beziehen. Zweitens [legt er] die Gesetze fest, die die Eheschließungen, die Gerechtigkeit und den Frieden der Städte und Königreiche regeln. Er regelt auch alle Pflichten für den Geringsten bis zum Höchstgestellten, damit niemand müßig sei,

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Teil II

ut nullus sit ociosus in civitate, qui1 non faciat aliquid utile rei publice. Et ideo docet hec pars quod civitas dividatur principaliter in 4 partes: scilicet in eos qui divino cultui vacare debent; et secundo in sapientes qui de omnibus temporalibus2 ordinare habent3 et judicare; et 3° sunt milites, qui exsequantur edicta publica per potesta­tem, et observent4 pacem et justitiam, refrenando malos et discolos qui perturbant bonum commune; et 4° est populus, qui distribuatur secundum officia et artes diversas rei publice utiles; et in quolibet officio sit prelatus constitutus, ut omnia ordinentur. Et docet hec pars quod expellantur omnes artes que impediunt bonum commune; ut sunt ars furandi, et ludendi ad talos, et hujus­ modi, et sodomite, et fornicatores, quia hii impediunt bonum prolis hereditarie5 et corrumpunt civitatem. Et multa ordinat hec pars hujus scientie. Nam magna est hec pars secunda. Et sub hac continetur jus civile quod est in usu laicorum6. Et de hac parte philosophie fuit extractum, sicut7 auctores docent. Et patet quod8 in hac parte philosophie docetur per causas et rationes legum; jus civile accipit leges9 absolute, sine causarum et rationum sufficienti assignatione. Nam populus laicorum non indiget ratione10 ad quod­ libet statutum juris; sed sufficit ei scire quod ita statutum11, et quod rationes et cause omnium sufficientes habundant apud sapientes qui sciunt juris originem. Sicut enim carpentator12 utitur figuris, et angulis, et lineationibus, et causas ac rationes horum non assignat, sed geometer; sic est de jure civili laicorum13, quod fundatur super sapientiam traditam in libris philosophorum de hoc eodem jure. Nam philosophia habet causas omnium et rationes sufficienter14 dare. Et quamvis carpentator causas et rationes 1  qui ]  quin, P. 2  temporalibus], om. P.   9  leges ]  om. P., W. 3  habent ]  debent, P. 10  ratione ]  om. W. 4  observent ]  conservent, P. 11  statutum ]  sancitum est, P. 5  hereditarie ]  hereditare, W. 12  carpentator ]  carpentaria, P.; car6  laicorum ]  Latinorum, P. pentatoria, W. 7  sicut ]  ut, P. 13  laicorum ]  Latinorum, P. 8  quod ]  om. P. 14  sufficienter ]  sufficit, W. 9  leges ]  om. P., W. 10  ratione ]  om. W. 11  statutum ]  sancitum est, P. 12  carpentator ]  carpentaria, P.; carpentatoria, W. 13  laicorum ]  Latinorum, P. 14  sufficienter ]  sufficit, W.

KAPITEL 107

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i­ndem er nichts für das Allgemeinwohl tut. Sie unterrichtet uns daher, dass die Gesellschaft grundsätzlich in vier Stände eingeteilt wird: Es gibt nämlich diejenigen, die für den göttlichen Kultus zuständig sind; zweitens gibt es die Weisen, die alle zeitlichen Dinge regeln und entscheiden müssen; drittens die Soldaten, die durch ihre Macht die öffentlichen Verlautbarungen durchsetzen und für Frieden und Gerechtigkeit sorgen, indem sie die Schlechten und die Unruhestifter zurückhalten, die das Allgemeinwohl stören; viertens gibt es das Volk, das entsprechend den Pflichten und Tätigkeiten eingeteilt wird, die für die Gemeinschaft nützlich sind. Und jede Pflicht soll von vornherein festgelegt sein, damit ­a lles geordnet ist. Weiterhin lehrt dieser Teil, dass alle dem Allgemeinwohl hinderlichen Künste ausgeschlossen werden. Dazu gehört zum Beispiel der Diebstahl, die Spielkunst und weitere derartige Künste, ebenso wie die Sodomie und Hurerei, weil sie das erbliche Gut der Nachkommen schädigen und das Gemeinwesen verderben. Dieser Teil der Moralwissenschaft regelt daher vieles, weil er einen sehr breiten Bereich abdeckt. Unter diesen Teil fällt auch das Zivilrecht der Laien: Denn es ist aus diesem Teil der Philosophie gewonnen worden, wie die Autoren lehren, weil die Gründe und die Überlegungen für die Gesetze in diesem Teil der Philosophie dargelegt werden. Das Zivilrecht nimmt diese Gesetze auf, ohne die Gründe und Über­legungen dafür in ausreichendem Maße angeben zu können. Das Laienvolk benötigt nämlich keinen Grund für die Bestimmungen des Rechts, sondern es reicht ihm, zu wissen, dass die Gesetze so beschaffen sind, und dass die Gründe und Überlegungen für alle Gesetze bei den Weisen liegen, die den Ursprung des Rechts kennen. Denn so wie der Zimmermann bestimmte Gebilde, Winkel und Linien benutzt, deren Gründe er nicht angeben kann, sondern der Geometer, verhält es sich auch mit dem Zivilrecht der Laien, weil dieses Recht auf der überlieferten Weisheit der philosophischen Bücher über dieses Recht beruht. Die Philosophie kann nämlich für alles ausreichende Gründe und Überlegungen angeben. Und obwohl der Zimmermann die Gründe und Überlegun-

Teil II

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operum quibus utitur ignoret, tamen bene scit quod recte facit, et quod opus suum potest demonstrari per causas et rationes geometrie. Similiter et1 hic populus utens jure civili2 scit quod recte operatur secundum ipsum, et quod omnia habent rationes3 et causas penes sapientes qui condiderunt et adinvenerunt primo jura4. Et ideo jus civile populi laicalis non differt a jure civili philosophico, nisi quod jus civile laicorum est mecanicum, et jus5 philosophie est sapientiale, quia causas et rationes habet secum, quas6 jus populare non requirit.

CAPITULUM CVIII. De tercia parte moralis philosophie [ 279]

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Tertia pars moralis philosophie consistit in honestate vite cujus­ libet preter observantias legis publice. Nam oportet quod homo vivat in virtute, et nitatur vicia declinare. Et hic docetur que sunt virtutes, et quot, et que sunt proprietates earum laudabiles, et effectus, et utilitates magne, tam in hac vita quam propter futuram, ut homines alliciantur de facili ad amorem et usum virtutum; et hec docentur per rationes vivas, et per auctoritates electas, et per exempla pulcra, et per elegantem modum scripture; ut delectatio magna oriatur in cordibus eorum qui legunt hanc partem hujus scientie. Et per oppositum exponuntur7 que et quot sunt peccata, et que sunt male proprietates eorum, et perversi effectus, et fines mali, tam in hac vita quam in8 futura. Et afferunt9 rationes, et auctoritates, et exempla efficaciter ad ista. Et hec pars nobilis docet contem1  et ]  om. P. 2  civili ]  om. P. 3  rationes ]  rationem, P. 4  jura ]  ipsa jura, P. 5  jus ]  jus civile, P. 6  quas ]  quod, P. 7  exponuntur ]  exponitur, P. 8  in ]  om. P. 9  afferunt ]  afferuntur, P.

  8  in ]  om. P.   9  afferunt ]  afferuntur, P.

KAPITEL 108

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gen für seine Werke nicht kennt, weiß er doch, wie man sie richtig ausführt und dass sein Werk durch die Gründe und Überlegungen der Geometrie gestützt werden kann. Ebenso weiß das Volk, das das Zivilrecht nutzt, dass es ihm entsprechend richtig handelt und dass die Weisen alle Gründe und Überlegungen kennen, die das Recht zuerst begründet und erfunden haben. Daher unterscheidet sich das Zivilrecht der Laien nur insofern vom philosophischen Zivilrecht, als das Zivilrecht der Laien eine mechanische Kunst ist, das Recht der Philosophie aber ein Teil der Weisheit, weil es auf Gründen und Überlegungen beruht, die das Recht der Laien nicht braucht.

KAPITEL 108 Über den dritten Teil der Moralphilosophie [ 279]

[ 280]

Der dritte Teil945 der Moralphilosophie besteht in der Sittsamkeit der Lebensführung jedes Einzelnen, indem er das öffentliche Gesetz beachtet. Denn es gehört sich, dass der Mensch der Tugend gemäß lebe und den Abfall in die Sünde vermeidet. Hier wird gelehrt, was die Tugenden sind und wie viele es gibt; es wird gelehrt, welche lobenswerten Eigenschaften sie haben und worin ihre Wirkungen und ihr vielfacher Nutzen für dieses und das zukünftige Leben bestehen, damit die Menschen leicht für die Liebe und den Gebrauch der Tugenden gewonnen werden. Das alles wird durch lebendige Überlegungen, durch ausgesuchte Autoritäten, durch schöne Beispiele und einen eleganten Schreibstil gelehrt, damit ein großes Vergnügen in den Herzen derer erwacht, die diesen Teil der Moralphilosophie lesen. [In diesem Teil der Moralphilosophie] wird auch das Gegenteil erklärt: was die Sünden sind und wie viele es gibt, worin ihre schlechten Eigenschaften und negativen Wirkungen bestehen, und wohin die Übel führen, sei es in diesem Leben, sei es im zukünftigen. Es werden auch zahlreiche Argumente, Autoritäten und wirksame Beispiele gegen die Sünden genannt. Dieser ehrwürdige Teil lehrt

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Teil II

nere superfluitates divitiarum et deliciarum1 et honorum; et docet quod homo debet2 uti prosperis in humilitate et modestia, et quod sit fortis et patiens in adversis; et docet quod homo debet esse clemens ad subditos, ut in omni mansuetudine et humanitate regat eos, et pietate paterna corrigat errantes, non tirannidis crudelitate. Unde docet quomodo prelatus ad inferiores se habeat, et quomodo princeps ad subiectos3; quomodo paterfamilias ad suos, quomodo magister ad discipulos se debet habere, in providentia, et regimine utili et pio, et correctione mansueta et clementi. Et quia hic est4 philosophorum persuasio mirabilis, et utilis, et magnifica, et ignota, ideo copiosius scripsi de hac parte. Et multum debent Christiani confundi, quando virtutum elegantiam necligunt, quam philosophi infideles toto posse sunt experti. Et ideo utilissimum est nobis ut videamus sapientiam mirabilem quam Deus eis dedit; secundum quod dicit Apostolus Senece in epistola: Perpendenti5 tibi revelata sunt que paucis divinitas concessit. Magna nobis et facilis persuasio honestati6 vite induitur7, cum homines sine gratia nos, in gratia8 nati et nutriti, videmus assecutos fuisse de vite sanctitate ineffabilem dignitatem. Scripsi igitur de virtutibus et viciis primo in universali. 2° descendi ad quedam in particulari, propter gloriosos libros quos inveni. Tractavi igitur ea que pertinent ad mansuetudinem, et clementiam, et magnanimitatem, et de ceteris virtutibus que his conveniunt, qui sunt in potestate constituti, qui sunt prelati et principes. Cujus causa duplex

1  et deliciarum ]  om. P. 2  debet ]  debeat, P. 3  subiectos ]  subditos, P. 4  est ]  om. P. 5  Perpendenti ]  Preprudenti, P. 6  honestati ]  honestate, P. 7  induitur ]  inducitur, P. 8  nos, in gratia ]  om. W.

KAPITEL 108

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den Überfluss an Reichtümern, Genüssen und Ehren zu verachten; er lehrt, dass der Mensch glückliche Umstände in Demut und Mäßigung genießen soll, im Unglück aber stark und geduldig sein soll; und er lehrt, dass der Mensch mit seinen Untergebenen nachsichtig sein soll, damit er sie mit Milde und Menschlichkeit regiert und die Irrenden mit väterlicher Nachsicht und nicht mit tyrannischer Grausamkeit berichtigt. Daher lehrt er, auf welche Weise der Vorgesetzte sich gegenüber den Untergebenen und der Fürst sich gegenüber seinen Untertanen verhalten soll; auf welche Weise sich der Vater in der Familie gegenüber den Seinen verhalten soll; und auf welche Weise sich der Lehrer gegenüber seinen Schülern zu verhalten hat: nämlich mit Voraussicht, mit nützlicher und liebevoller Herrschaft und mit angemessener und mildtätiger Zurechtweisung. Weil das eine ganz herrliche, nützliche, wunderbare und unbekannte Überzeugungsarbeit der Philosophen ist, habe ich über diesen Teil [der Moralphilosophie] sehr ausführlich geschrieben. Die Christen müssen wirklich sehr verwirrt worden sein, wenn sie die Schönheit der Tugenden vernachlässigen, in der die ungläubigen Philosophen so erfahren waren. Daher ist es für uns unendlich nützlich, dass wir die wunderbare Weisheit sehen, die Gott ihnen gegeben hatte, wie der Apostel in seinem Brief an Seneca schreibt: »Bei Deinen Erwägungen sind Dir Dinge offenbart worden, die die Gottheit nur wenigen gewährt hat.«946 Wir werden leicht und wirksam von der Ehrwürdigkeit einer richtigen Lebensführung überzeugt, wenn wir sehen, dass Menschen, die nicht unsere Gnade hatten, die wir in Gnade geboren und durch sie genährt worden sind, in ihrem Leben eine Heiligkeit von unaussprechlicher Würde erreicht hatten. Daher habe ich zuerst von den Tugenden und Lastern im Allgemeinen gesprochen. Danach habe ich über einige spezielle Tugenden geschrieben, weil ich darüber so wundervolle Bücher gefunden habe. Ich habe daher über die Milde, die Sanftmut, die Großgesinntheit und über die anderen damit einhergehenden Tugenden geschrieben, die von den Prälaten und Fürsten ausgeübt werden können. Ich habe das aus zwei Gründen

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Teil II

fuit: Una quod nobiliores libros reperi de hac materia. Alia est quod scribo illi qui omnibus prelatis et principibus suprafertur, et omnes habet regere, et omnibus consulere, et cunctos reducere ad regimen populi pacificum et salubre. Et quia vicium maxime repugnans illis qui presunt est ira, quia tollit omnem virtutem que est necessaria regimini; et ubi ira cum potestate est, omnia pereunt, ut vult Seneca1; et videmus propter iram cum potestate totum mundum turbari, et omnem rem publicam quassari, et omne regnum2 desolari, ideo scripsi habundancius de hac materia. Et non solum propter hoc, sed quia fere omnem hominem deducit hoc vicium ad perniciem, et cogit rumpere pacem cum omnibus3, etiam4 cum amicissimis. Nam iratus non parcit5 patri, nec matri, nec domino, nec amico; sed omnes dehonestat contumeliis, omnes impetit injuriis, et seipsum periculis quibuslibet exponere non omittit, et6 Deum blasphemare non veretur. Hoc igitur est vicium per quod homo amittit seipsum, et proximum, et Deum. Et ideo philosophi scripserunt plus de hoc vicio quam de aliis. Inter quos elegantissimus philosophus7 Seneca conscripsit tres libros nobiles, quorum sententiam collegi diligenter, addens alia de libris suis et aliorum. Et certus sum quod non est homo mortalis tam iracundus quin abhorreret irasci, si in promptu haberet sensum eorum que scripsi. Quia tanta potestate rationum pulcrarum, auctoritatum solemnium, exemplorum sublimium vallata sunt, per Senecam maxime, quod omnem hominem cogerent ad mansuetudinem, et clemen-

1  Seneca ]  Seneca sicut scribo, P. 2  regnum ]  regimen, W. 3  omnibus ]  hominibus, P. 4  etiam ]  et, W. 5  parcit ]  om. W. 6  et ]  etiam, P. 7  philosophus ]  om. P.

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getan: Der erste Grund liegt darin, dass vielleicht noch würdigere Bücher gefunden werden können. Zum Zweiten schreibe ich jenem, der allen Prälaten und Fürsten vorsteht, der alles regiert, alle berät und der alle zu einer friedlichen und gesunden Herrschaft über das Volk führen muss. [ 283] Ich habe sehr ausführlich über den Zorn geschrieben.947 Denn der Zorn ist jene Sünde, die am meisten von denjenigen, die die Ersten im Gemeinwesen sind, zurückgewiesen werden muss, weil er jede Tugend entfernt, die für das Regieren notwendig ist. Denn wo der Zorn mit der Macht zusammenkommt, geht alles verloren, wie Seneca schreibt. Wir sehen auch, dass durch den mit Macht verbundenen Zorn die ganze Welt in Verwirrung gerät, dass jedes Gemeinwesen erschüttert und jedes Land verwüstet wird. Doch ich habe nicht nur deshalb darüber so viel geschrieben, sondern auch, weil dieses Laster fast jeden Menschen ins Unglück stürzt, weil er dann nur noch überlegt, wie er den Frieden mit allen anderen Menschen – selbst mit denen, die ihm am nächsten stehen – zerstören kann. Denn der Zornige schont weder seinen Vater noch seine Mutter, er schont nicht seinen Herrn und nicht seinen Freund; sondern er entwürdigt alle durch Beleidigungen, allen möchte er ein Unrecht zufügen – und er zögert dabei nicht, sich selbst in jede nur erdenkliche Gefahr zu bringen und sogar Gott zu lästern. Das ist daher das Laster, durch das der Mensch sich selbst, seinen Nächsten und Gott verliert, weshalb die Philosophen ausführlicher über dieses als über die anderen Laster geschrieben haben. Am schönsten von allen hat Seneca in drei ehrwürdigen Büchern über den Zorn948 geschrieben, aus denen ich mit aller Sorgfalt die verschiedensten Aussprüche gesammelt und noch weitere Aussprüche aus seinen und den Büchern anderer hinzugefügt habe. [284] Ich bin mir nämlich sicher, dass es keinen sterblichen Menschen geben wird, der so zornmütig ist, dass er nicht von seinem Zorn zurückschrecken würde, wenn er das zur Kenntnis nimmt, was ich geschrieben habe. Denn es gibt dort so viele wunderschöne Vernunftgründe, so viele ehrwürdige Autoritäten und so viele erhabene Beispiele, dass sie alle Menschen zu Milde, Sanftheit und

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Teil II

tiam, et ad omnem humanitatem. Et hec1 correxi diligenter, et ­ osui signa exterius, ut facilius electiores sententie notarentur. p Deinde, intuli multa alia preclara de magnanimitate, et constantia animi, et patientia in rebus adversis, et de contemptu earum, et de vite perfectione, quam Seneca vocat beatitudinem, et de tranquillitate animi obtinenda, et de multis aliis, in quibus posui sententias multorum librorum Senece, qui optimi sunt, et rarissime inveniuntur. Sed hec alias non potui corrigere propter superfluitatem occupationum. Et ideo nunc2 mitto exemplar correctum, ut Johannes cum suis sociis corrigat ea que remanserant incorrecta.

CAPITULUM CIX. De 4a parte moralis philosophie [ 286]

Quarta pars moralis philosophie est domina aliarum et melior quam omnes ille; immo, melior3 quam totum residuum philosophie; et ideo ei quodam speciali modo subjiciuntur omnes partes philosophie et serviunt utiliter4. Et hec est que sectas revolvit, ut tandem unam inveniat que salutem humani generis sola contineat. Philosophi vero super omnia fuerunt de hac inquisitione solliciti et totam sapientiam suam ad hanc ordinaverunt, scientes quod una debet esse que deducit hominem ad beatitudinem alterius vite; que beatitudo est status omnium bonorum aggregatione perfectus, omnem miseriam et adversitatem excludens. Et ad hanc sectam inveniendam Aristoteles in libro suo de Politica descendit, revolvens5 leges singularum civitatum et regionum, et fines

1  hec ]  om. W. 2  nunc ]  non, W. 3  melior ]  melius, P., W. 4  serviunt utiliter ]  serviuntur universaliter, P. 5  revolvens ]  revolutiones, W.

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Menschlichkeit zwingen. Ich habe diesen Teil sorgfältig korrigiert und Zeichen an den Rand des Textes gesetzt, damit die ausgesuchtesten Aussprüche leichter erkannt werden können. Zudem habe ich noch unzählige weitere herrliche Aussagen über die Milde, die Standhaftigkeit der Seele, die Geduld gegenüber Unglücken sowie deren Verachtung und über die Vollkommenheit des Lebens – die Seneca als Glückseligkeit bezeichnet – hinzugefügt. Ich habe auch darüber geschrieben, wie die Seelenruhe erlangt werden kann, und über vieles weitere, wofür ich viele Sentenzen aus den Büchern Senecas benutzt habe, die hierfür zwar die besten sind, die jedoch nur sehr selten gefunden werden können. Doch diese weiteren Teile konnte ich wegen meiner zahlreichen Verpflichtungen nicht korrigieren, weshalb ich Euch nun ein korrigiertes Exemplar zusende, damit Johannes mit seinen Helfern noch das verbessern kann, was bis jetzt noch unkorrigiert geblieben sein sollte.

KAPITEL 109 Über den vierten Teil der Moralphilosophie [ 286]

Der vierte Teil949 der Moralphilosophie ist die Herrin aller anderen und besser als jeder andere [Teil]. Er ist sogar besser als jeder andere Teil der gesamten Philosophie. Deshalb sind ihm alle anderen Teile der Philosophie auf eine gewisse Art untergeordnet und dienen ihm nutzbringend. Dieser Teil der Moralphilosophie betrachtet die Religionen, damit eine Religion gefunden werden kann, die allein das Wohl für das Menschengeschlecht enthält. Die Philosophen waren stets am meisten um die Klärung dieser Frage bemüht und haben die ganze Weisheit darauf hingeordnet, weil sie wussten, dass es nur eine Religion geben kann, die den Menschen zur Glückseligkeit im nächsten Leben führt. Diese Glückseligkeit ist ein vollkommener Zustand der Gesamtheit aller Güter, in der alles Elend und jedes Unglück ausgeschlossen sein wird. Um diese Religion zu finden, hat Aristoteles sein Buch über die Politik  950 geschrieben, in dem er alle Gesetze und deren Ziele von jeder Stadt

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illarum legum, ut per honestatem et utilitatem legum et sublimitatem finis eligat legem que excellat omnes. Nam propter finem omnis lex statuitur; et est illud quod a civibus et incolis regnorum principaliter desideratur; et hoc summum bonum quilibet sibi1 constituit, secundum cujus proprietates lex ipsa consistit. Et nos Christiani credimus quod nostra lex sit illa sola que hominis continet finalem salutem. Alie vero nationes necligunt legem nostram et contenti sunt aliis modis vivendi. Et certum est nobis quod errant, et tamen nos sumus pauci respectu illarum2 nationum. Et pauci etiam sunt Christiani qui legem Christi observant, quamvis multi habeant3 nomen christianum. Nam quidam sunt heretici, quidam scismatici, quidam peccatores in peccatis communibus viventes, ut in luxuria, gula, avaricia et aliis, qui habent fidem extinctam et mortuam, secundum beatum Jacobum. Quidam vero sunt boni, sed imperfecte sapiunt fidei veritatem. Quidam, licet rarissimi, sapientiam legis adepti sunt, secundum quod4 dicit Apostolus se loqui inter perfectos. Boni igitur sunt5 in statu salutis, et isti sunt6 paucissimi respectu malorum Christianorum, et nulli sunt respectu eorum qui sunt extra statum salutis, quoniam hii sunt mali Christiani et omnes alie nationes infideles. Totus igitur mundus fere est in statu damnationis, indigens reduci ad legem veram. Et boni temptationibus diaboli continue7 debellati, atque humana fragilitate sepe deducti8, indigent confirmari et roborari in sua lege, ut9 videant ne cadant in errorem. Atque cum imperfecti in statu salutis consistentes sunt 1  sibi ]  om. W. 2  illarum ]  aliarum, P. 3  habeant ]  habent, P. 4  secundum quod ]  quam, P. 5  sunt ]  qui sunt, P. 6  et isti sunt ]  om. P. 7  continue ]  om. P. 8  deducti ]  devicti, P. 9  lege, ut ]  om. W.

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und jeder Region untersucht hat, damit er durch die Ehrwürdigkeit und Nützlichkeit der Gesetze und der Erhabenheit ihrer Ziele jenes Gesetz herausfinden könnte, das alle anderen übertrifft. Denn wegen des Ziels wird ein jedes Gesetz aufgestellt, und das ist es auch, was von allen Bürgern und Bewohnern aller Königreiche ersehnt wird. Denn jedes Königreich strebt nach dem höchsten Gut und richtet seine Gesetze danach aus. Wir Christen glauben, dass unser Gesetz das einzige sei, in dem das letztendliche Wohl des Menschen enthalten ist. Andere Völker beachten unser Gesetz jedoch nicht, sondern sind mit anderen Lebensweisen zufrieden. Wir sind zwar sicher, dass sie sich irren; aber wir sind ihnen gegenüber in der Unterzahl. Zudem gibt es nur wenige Christen, die das Gesetz Christi befolgen, auch wenn viele den Namen ›Christen‹ tragen mögen. Denn einige von ihnen sind Häretiker, einige sind Schismatiker und einige sind einfach nur Sünder, weil sie den verschiedenen Sünden entsprechend leben: wie zum Beispiel der Wollust, der Völlerei, dem Geiz und anderen [Sünden]. Solche Leute haben nur einen ausgelöschten und toten Glauben, wie der selige Jakob [Ep. Jac. 2, 17] gesagt hat. Es gibt auch einige gute Menschen, doch sie kennen die Wahrheit des Glaubens nur unvollständig. Einige – und das sind die allerwenigsten – sind Anhänger des Gesetzes der Weisheit, gemäß dem Ausspruch des Apostels [Paulus]951, dass er zu den Vollkommenen redet. Die Guten befinden sich also im Zustand des Heils, doch sie sind nur sehr wenige im Vergleich mit den schlechten Christen; und sie existieren quasi gar nicht verglichen mit denen, die sich ganz außerhalb des Heils befinden, nämlich die schlechten Christen und die Ungläubigen der anderen Völker. Fast die gesamte Welt befindet sich in einem verdammten Zustand und ist einer Hinführung zum wahren Gesetz bedürftig. Und die Guten werden werden immer wieder durch die Versuchungen des Teufels angefochten und zur menschlichen Schwäche zurückgeworfen, weshalb sie in diesem Gesetz immer wieder gestärkt und bestätigt werden müssen, damit sie nicht in den Irrtum abfallen. Da die Unvollkommenen, die vor dem Zustand des Heils zurückschrecken, gegenüber den

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plurimi respectu perfectorum, utile est et dignum ut excitentur imperfecti ad vias sapientiales perfectas1, ut eorum meritum crescat, et premium finaliter augeatur. Sed istis tribus utilitatibus nichil potest comparari, scilicet: ut totus mundus ad veritates2 legis, in qua sola est salus humani generis, reducatur; et quod contra omnem temptationem homines confirmentur; et quod imperfecti ad noticiam veritatis perfectam attingant. Nam hic salus totius humani generis invenitur, et damnatio eterna excluditur. Hec autem tria docet hec pars moralis philosophie. Nam non solum legem veritatis probat sine contradictione, sed sic eam docet roborare et tam perfectis sententiis concludi, ut nullus mortalis, potestatem hujus scientie considerans, valeat repugnare veritati; quin etiam robur magnum capiat, ut omni temptationi resistat et efficaciter ad omnem perfectionem sapientie fidei excitetur. 4° etiam valet hec sapientia, ut homo fidelis habeat unde rationem reddat de fide sua, ne derideatur ab infidelibus. Beatus enim Petrus, in Epistola prima, vult quemlibet debere rationem scire proponere pro fide sua: et quoniam auctoritas Petri non potest refelli, ideo quod dicit beatus Gregorius: »Fides non habet meritum, ubi humana ratio prebet experimentum,« est3 intelligendum: Ubi homo innititur rationi solum, vel principaliter; et4 ubi homo innititur ratio­nibus5 non6 fundatis super radices7 fidei. Sed sic non procedit hec persuasio quam hec scientia docet, quia nititur probare quod revelationi credendum est, quam revelationem vult potenter juvare per rationes consurgentes ex revelationis

1  perfectas ]  imperfectas, W. 2  veritates ]  veritatem, P. 3  est ]  om. P. 4  et ]  ut, P. 5  rationibus ]  super rationibus, W. 6  non ]  om. P. 7  radices ]  rationes, P.

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Vollkommenen so sehr in der Überzahl sind, ist es nützlich und würdig, dass die Unvollkommenen zu den vollkommenen Wegen der Weisheit emporgehoben werden, damit ihr Verdienst anwachsen und die Belohnung zum Schluss erlangt werden möge. Denn mit diesen drei Nützlichkeiten lässt sich nichts vergleichen: dass die ganze Welt zu den Wahrheiten des Gesetzes, durch die allein das Heil des Menschengeschlechts gefunden wird, zurückgeführt wird; dass die Menschen gegenüber allen Versuchungen gestärkt werden; und dass die Unvollkommenen einen Begriff der vollkommenen Wahrheit erlangen. Denn durch dieses Gesetz wird das Heil der Menschheit gefunden und die ewige Verdammnis ausgeschlossen. Diese drei Dinge lehrt dieser Teil der Moralphilosophie: Er beweist nämlich nicht nur ohne jeden Widerspruch die Wahrheit des Gesetzes, sondern lehrt auch, es zu stärken und mit so vollkommenen Aussprüchen auf das Gesetz zu schließen, dass kein Sterblicher der Wahrheit widerstehen kann, wenn er die Macht dieser Wissenschaft kennengelernt hat. Durch diese Wissenschaft ergreift ihn solch große Kraft, dass er jeder Versuchung widerstehen kann und zur Vollkommenheit des Weisheit des Glaubens angeregt wird. Diese Weisheit hat noch einen vierten Vorteil: dass der Mensch Gründe für seinen Glauben angeben kann und nicht von den Ungläubigen verspottet wird. Der selige Petrus952 schreibt in seinem ersten Brief, dass jeder Rechtfertigungen für seinen Glauben vorbringen können muss. Da die Autorität des Apostels Petrus nicht bestritten werden kann, auch wenn der selige Gregor sagt: »Der Glaube hat keinen Verdienst, wenn die menschliche Vernunft den Beweis führt«953, muss man das so verstehen: wo der Mensch sich ausschließlich auf Vernunftgründe stützt, und zwar auf Vernunftgründe, die nicht auf den Wurzeln des Glaubens beruhen. Doch in diesem Fall geht diese Überzeugungsschrift nicht so vor, wie es diese Wissenschaft lehrt, da sie sich bemüht zu zeigen, dass man Offenbarungen glauben muss, da sie einer Offenbarung kräftig helfen will, indem sie diese durch aus den Eigenschaften einer Offenbarung gewonnene Argumente stützt, wie an dem dafür

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proprietate, sicut videbitur1 suo loco. Et ideo hec scientia, que hec 4or dat, est nobilior, et pulcrior, et melior aliis. Et oportet quod omnium scientiarum virtutem in suum usum requirat, unde2 ei serviant in omni sapientie potestate, tam in operibus sapientie quam in ipsis veritatibus3 speculativis: et ideo comprehendit in se omnem4 dignitatem. Ad hanc vero persuasionem secte fidelis due vie sunt: Una est5 per miracula, de quibus nullus potest presumere, quia supra nos est hoc genus persuadendi, et non est in hominis potestate. Et ideo cum Deus vult omnes homines salvos fieri, et6 neminem perire vult, et sua bonitas est infinita, semper relinquit aliquam viam possibilem homini, per quam excitetur ad inquisitionem sue salutis; quatinus qui hanc viam velit considerare, habeat posse ad hoc, et7 ut per eam excitatus, videat manifeste quod debeat querere ea que ultra hanc viam requiruntur, quatenus sciat per hanc quod revelatio est ei necessaria, sicut cuilibet et toti mundo. Unde usque ad hunc gradum veritatis de se pervenire potest omnis homo, sed non ultra. Et ideo bonitas divina ordinavit revelationem fieri mundo, ut humanum genus salvetur. Ceterum hec8 via que precedit revelationem est homini data, ut etiam justo judicio damnetur finaliter qui illam non vult considerare, neque querere veritatem pleniorem. Unde Apostolus ad Romanos dicit quod homines9 inexcusabiles sunt, si negligant veritatem Dei, quia omnibus in universali eam revelavit, et per hanc revelationem universalem possunt convincere10, quod ei servientibus juxta revelationem universalem non denegabit specialem revelationem, que sufficiat ad salutem. 1  videbitur ]  videtur, W. 2  unde ]  ut, P. 3  veritatibus ]  virtutibus, P. 4  omnem ]  omnium, P. 5  est ]  om. P. 6  et ]  om. P. 7  hoc, et ]  hec, W. 8  hec ]  om. P. 9  homines ]  omnes, P. 10  convincere ]  conjicere, P.

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geeigneten Ort ersichtlich werden wird. Daher ist diese Wissenschaft, die auch diesen vierten Grund bereitstellt, würdiger, edler und besser als die anderen. Deshalb benutzt sie die Kraft aller anderen Wissenschaften, damit sie ihr in allen Bereichen der Weisheit dienen, sowohl bei den Werken der Weisheit als auch bei ihren spekulativen Wahrheiten: daher schließt sie alle Würdigkeit in sich ein. Für die Überzeugung von der christlichen Religion gibt es zwei Wege: Einer geschieht durch Wunder, die keiner vorhersehen kann, weil diese Art der Überzeugung über uns steht und jenseits der menschlichen Macht liegt. Da Gott nämlich will, dass alle Menschen gerettet werden und kein Mensch zugrunde gehen muss, und da seine Gutheit unendlich ist, lässt er dem Menschen immer einen möglichen Weg, durch den er zum Nachdenken über sein Seelenheil angeregt wird. Damit derjenige, der diesen Weg betrachten möchte, dafür die Möglichkeit bekommt und für diesen Weg begeistert wird, muss er sehen, dass er auch nach dem suchen muss, was diesen Weg übersteigt. Insofern weiß er dann, dass eine Offenbarung für ihn notwendig ist. Das gilt für jeden Einzelnen ebenso wie für die gesamte Welt. Bis zu dieser Stufe der Wahrheit kann jeder Mensch für sich allein gelangen, doch darüber hinaus kommt er nicht. Daher hat die göttliche Güte es so eingerichtet, dass es in der Welt Offenbarungen gibt, damit das Menschengeschlecht gerettet werden kann. Der Weg, der der Offenbarung vorausgeht, ist dem Menschen also gegeben, damit am Ende diejenigen, die ihn nicht bedenken und nicht nach der vollständigen Wahrheit suchen wollen, durch ein gerechtes Urteil verdammt werden. Daher sagt der Apostel [Paulus] im Brief an die Römer 954, dass es für die Menschen, die die Wahrheit Gottes verneinen, keine Entschuldigung gibt, weil er sie doch allen im Allgemeinen geoffenbart hat und sich alle durch diese allgemeine Offenbarung davon überzeugen können, dass er seinen Dienern neben dieser allgemeinen Offenbarung auch eine besondere Offenbarung nicht verweigern wird, die für ihr Seelenheil genügen wird.

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Hec igitur via, que revelationem precedit specialem, est sapientia philosophie, quia hec sapientia sola est in potestate hominis, supposita tamen quadam divina illustratione, que omnibus communis est in hac parte: quia Deus est intellectus agens in animas nostras in omni cognitione, ut prius ostensum est. Et hoc philosophi morales docent. Nam considerationem de probatione secte deducunt usque ad revelationem specialem, et ostendunt quod revelatio necessaria est, et a quo debet revelari, et cui1. Nec mirum si sapientia philosophie est hujusmodi, quia hec sapientia non est nisi quedam generalis revelatio facta mundo, quia omnis sapientia a Deo est, ut prius dictum est et ostensum, precipue in parte 2a Majoris Operis, et tactum est in hoc Opere. Sed tamen nos sumimus revelationem specialem, cum dicimus preter philosophiam haberi revelationem. Modum autem philosophie in hac inquisitione secte fidelis descripsi sub compendio in Opere Majori. Et ibi dixi quod2 hec persuasio debet primo fieri sapientibus qui presunt3 in consiliis principum et vulgi; quibus sapientibus cum persuasum sit, jam in eis persuasum est principibus et populo, quia talium sapientum consiliis principes et populus4 diriguntur. Et ideo hec persuasio est5 sapientialis non vulgaris, sed plena omni sapientie potestate, cum magna tamen facilitate persuasionis, apud illos qui in sapientie magnalibus sunt fundati. Posui igitur in universali hanc persuasionem, et in summa; quia hoc6 sufficit ad intentionem quam hee7 scripture preambule requirunt. Et tamen multiplex probatio inducitur; sed plenior potest afferri, cum fuerit opportunum. Et primum quod ad hoc requiritur est quod videatur8 que sunt secte, et quot principales, in hoc mundo, ad quas tam multitudo 1  et cui ]  etc., W. 2  quod ]  om. W. 3  presunt ]  sunt, P. 4  populus ]  populi, P. 5  est ]  om. P. 6  hoc ]  hic, P. 7  hee ]  hec, P. 8  videatur ]  videantur, P.

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Der Weg, der einer besonderen Offenbarung vorausgeht, ist die Weisheit der Philosophie. Nur diese Weisheit steht in der Macht des Menschen, die – freilich durch eine gewisse göttliche Illustration – allen Menschen gemeinsam ist. Denn Gott ist bei jeder Überlegung der tätige Intellekt in unseren Seelen, wie bereits gezeigt worden ist. Das ist es, was die Moralphilosophen lehren. Denn sie führen ihre Betrachtungen über den Beweis der Religionen bis auf eine besondere Offenbarung zurück und zeigen, dass eine Offenbarung notwendig ist; und [sie zeigen,] von wem und für wen etwas geoffenbart wird. Es ist hierbei nicht verwunderlich, dass die Weisheit der Philosophie von dieser Art ist, weil diese Weisheit nichts anderes ist als eine allgemeine Offenbarung für die Welt. Denn alle Weisheit kommt von Gott, wie vor allem im zweiten Teil des Opus maius gezeigt und gesagt 955 sowie auch hier in diesem Werk 956 nochmals aufgegriffen worden ist. Doch wir nehmen dennoch zusätzlich eine besondere Offenbarung an, wenn wir sagen, dass man auch jenseits der Philosophie eine Offenbarung haben kann. Wie die Philosophie bei der Betrachtung der christlichen Religion vorgehen sollte, habe ich einführend im Opus maius erläutert. Ich habe dort gesagt, dass zuerst jene Weisen überzeugt werden müssen, die die Fürsten und das Volk beraten. Wenn diese Weisen überzeugt worden sind, liegt es an ihnen, ihrerseits auch die Fürsten und das Volk zu überzeugen, weil durch die Ratschläge der Weisen die Fürsten und das Volk gelenkt werden. Diese Überzeugungsarbeit ist daher die Aufgabe der Weisen (und nicht der breiten Masse), sie ist voller Macht der Weisheit und doch in der Überzeugung für diejenigen von größter Einfachheit, die in den mächtigen Werken der Weisheit geschult sind. Ich habe diese Methode der Überzeugung daher allgemein und zugleich kurz dargestellt, weil das für die Absicht meiner vorläufigen Schriften ausreicht. Dennoch habe ich sehr komplexe und vielfältige Beweise angeführt, denen man noch vieles hinzufügen kann, wenn sich die richtige Gelegenheit dafür ergeben wird. Das Erste, was hierfür benötigt wird, besteht darin, zu schauen, welche Religionen es gibt und welche von ihnen in dieser Welt die

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quam persona quelibet inclinetur. Hoc enim necessarium est ut certitudinaliter una1 que prevalet eligatur. Sunt autem sex secte, et non possunt esse plures, usque ad sectam Antichristi. Et divisio sectarum accipitur tripliciter2: Uno modo, a parte finium suorum; nam qualis est finis, talis est secta. Fines vero simplices sunt sex, scilicet: voluptas, divitie, honor, potentia, fama nominis, et felicitas vera alterius vite3. Et his finibus simplicibus respondent leges sex simplices. Sed fines compositi sunt plures. Nam unus componitur ex omnibus aliis4, alius ex paucioribus secundum combinationes varias; et Aristoteles, in Politica sua, i. e.5 in scientia civili6, revolvit has leges simplices et compositas, ut destruat eas que male sunt, et unam, que perfecta est, certificet. Et Alpharabius, in libro de Scientiis, et Avicenna, in Radicibus Moralis Philosophie, et tota familia Aristotelis eum exponit et confirmat7 in hujus legis certificatione. Alia divisio legis penes nationes invenitur. Nam nationes que notabiliter differunt in ritu sunt 6: Ut pagani, idolatre, Tartari, Saraceni, Judei, Christiani. 3a divisio est penes virtutes planetarum, que mundum hunc alterant in omnibus naturalibus proprietatibus, et complexiones hominum singulorum causant, et per consequens excitant quemlibet ad consuetudinem et8 sectam aliquam, licet non cogant, sicut prius satis dictum est et verificatum in Opere Majori, ut in omnibus

1  una ]  ea, P. 2  tripliciter ]  multipliciter, W. 3  vite ]  seculi, P. 4  ex omnibus aliis ]  ex hominibus his, P. 5  i. e. ]  et, P. 6  civili ]  legum, P. 7  confirmat ]  conformat, P. 8  et ]  et ad, P.

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grundsätzlichsten sind, denen die Menge der Menschen und jeder einzelne Mensch folgt. Diese Betrachtung ist notwendig, damit eine Religion mit Sicherheit ausgewählt werden kann, die würdiger als die übrigen ist. Es kann ingesamt nicht mehr als sechs Religionen geben, bis die Sekte des Antichrist in Erscheinung treten wird. Die Einteilung der Religionen wird nach drei Eigenschaften vorgenommen: die erste Eigenschaft ist ihr Ziel, denn je nach dem Ziel unterscheidet sich auch die Religion. Es gibt sechs grundlegende Ziele: die Lust, den Reichtum, die Ehre, die Macht, den Ruhm des Namens und die wahre Glückseligkeit im anderen Leben. Diesen sechs einfachen Zielen entsprechen die sechs einfachen Formen der religiösen Gesetze. Doch die Ziele selbst sind aus verschiedenen Teilen zusammengesetzt. Eines mag aus allen anderen zusammengesetzt sein, ein anderes nur aus wenigen, wenn man alle möglichen Kombinationen betrachtet. Und Aristoteles untersucht in seiner Politik – das heißt in seiner zivilen Wissenschaft [scientia civili ] – alle diese einfachen und zusammengesetzten Gesetze und zerstört die schlechten, damit nur ein vollkommenes Gesetz übrig bleiben möge. Alfarabi erklärt diesen Beweis des besten Gesetzes in seinem Buch Über die Wissenschaf­ ten957, ebenso wie Avicenna in seinen Ursprüngen der Moralphilo­ sophie 958, ebenso wie die ganze Gemeinschaft des Aristoteles. Eine andere Einteilung des Gesetzes wird aus der Untersuchung der verschiedenen Völker ermittelt. Denn es gibt auch hier sechs Völker, die in ihrem Ritus signifikant voneinander abweichen: die Heiden, die Götzenanbeter, die Tartaren, die Sarazenen, die Juden und die Christen. Eine dritte Einteilung ergibt sich aus den Kräften der Planeten, die diese Welt in allen natürlichen Eigenschaften verändern und die Mischungen der einzelnen Menschen verursachen. Als Ergebnis führen sie die Menschen zu bestimmten Gewohnheiten und Religionen, wenn sie auch nicht gezwungen werden, wie vorher schon ausführlich genug gesagt worden ist 959, und wie ich es im Opus maius 960 gezeigt habe. Denn bei allen Menschen bleibt der freie

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salvetur libertas arbitrii, licet fortiter inclinetur et excitetur mens humana per complexiones alteratas ex virtutibus stellarum, quatenus velit sequi complexionem et illas virtutes, sed tamen gratis, salva per omnia arbitrii libertate. Hoc quia sufficienter est expositum in aliis, nunc supponatur. Secundum hec igitur, philosophi investigaverunt sectas 6 ex conjunctione Jovis cum ceteris planetis, et appropriaverunt eas predictis gentibus, secundum pulcras rationes, ut exposui in parte 4ta, ubi comparavi mathematicam ad Ecclesiam, propter confirmationem1 fidei christiane, quam astronomi vocant mercurialem, ex conjunctione Jovis cum Mercurio; non quod a planetis causetur, sed sunt signa; nec quod homines fiant Christiani per virtutem planetarum, sed per Dei gratiam. Sicut enim facta Hebreorum fuerunt signa hujus legis christiane, sic et celestia, ut tota creatura attestetur huic legi imperiali2; sicut stella in ortu Domini apparuit, non ut causa, sed ut signum. Similiter gratia Dei facit Christianos, sed tamen nichilominus complexiones hominum3 excitant eos ad diversos mores et leges. Et quidam4 ex complexione sua facilius recipiunt aliquam legem, et firmius adherent; unde complexio cooperatur gratie Dei5; sicut videmus quod aliqui ex bonitate complexionis sunt benigni et pacifici, et illi6 ex bonitate complexionis servant facilius pacem suam et aliorum, quam gratia Dei facit principaliter. Sed rationes harum trium divisionum date sunt in Opere Primo, et maxime illius que fit per astronomiam, tum7 quia pulcrior est

1  propter confirmationem ]  propter gloriosam confirmationem, P. 2  imperiali ]  in W steht mercuriali über imperiali geschrieben. 3  hominum ]  hominis, P. 4  quidam ]  quidem, P. 5  unde complexio cooperatur gratie Dei ]  unde comparatur gratie Dei, W. 6  illi ]  illius, W. 7  tum ]  tamen, P.; tamen korrigiert zu tum, W.

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Wille erhalten, auch wenn der menschliche Geist stark durch die veränderten Mischungen – resultierend aus den Wirkungen der Kräfte der Sterne – gelenkt und beeinflusst wird, sodass er freiwillig der Mischung und den Kräften der Sterne folgt. Das wird hier nun vorausgesetzt, da es bereits an anderen Orten ausführlich genug erklärt worden ist. Dementsprechend haben die Philosophen die sechs Religionen anhand der Konjunktionen von Jupiter mit den anderen Planeten festgestellt und sie mit schönen Vernunftgründen den genannten Völkern zugeordnet, wie ich im vierten Teil meines Opus maius961 erläutert habe, in dem ich die Mathematik für die Bestätigung des christlichen Glaubens auf die Kirche bezogen habe. Die Astronomen ordnen dem christlichen Glauben den Planeten Merkur zu, wenn er sich in Konjunktion mit Jupiter befindet. Er [der Glaube] wird aber nicht von den Planeten verursacht, sondern sie sind Zeichen [für den Glauben], sodass die Menschen nicht aufgrund der Kraft der Planeten Christen werden, sondern aufgrund der Gnade Gottes. Denn so, wie die Ereignisse der Hebräer Zeichen für das christliche Gesetz waren, sind auch die Himmelskörper Zeichen, damit jedem Geschöpf dieses herrschaftliche Gesetz gezeigt werde. So ist bei der Geburt des Herrn auch ein Stern erschienen – jedoch nicht als Grund, sondern als Zeichen. In ähnlicher Weise macht die Gnade Gottes die Menschen zu Christen, doch trotzdem sorgen die Mischungen der Menschen dafür, dass sie bestimmte Sitten und Gesetze annehmen. Daher nehmen einige wegen ihrer Mischungen leichter ein bestimmtes Gesetz an und hängen ihm fester an: so geht die Mischung mit der Gnade Gottes einher. Aus diesem Grund sehen wir auch, dass einige aufgrund der Gutheit ihrer Mischung freundlich und friedlich sind, und solche Menschen dienen wegen der Gutheit ihrer Mischungen ihrem und dem Frieden anderer leichter, als es grundsätzlich durch die Gnade Gottes allein möglich ist. Doch die Gründe für diese drei Einteilungen sind im ersten Werk angegeben worden, wo ich mich vor allem auf die Einteilung durch die Astronomie konzentriert habe, weil sie schöner und für uns

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et magis extranea. Item assignata est ibi comparatio harum sectarum, quomodo sibi invicem1 correspondent juxta proprietates suas; ut numerus sectarum et ratio cujuslibet plenius videatur. Revolutis his sectis, consequenter descendi ad electionem illius que tenenda est. Et2 omnis secta Deum ponit et cultum ejus, et quantum de Deo sentit, tantum habet de veritate; ideo prima consideratio est in hac parte ut stabiliatur veritas universalis circa esse Dei, quatenus in summa sciantur proprietates divine. In quibus omnis homo recepta persuasione certa habet de facili concordare. Nam veritates speciales circa esse divinum, ut quod sit trinus in personis, scilicet Pater, et Filius et Spiritus sanctus, et quod Filius sit incarnatus, et hujusmodi, non debent hic tractari, nec requiruntur hic, sed inferius habent explicari suo loco. Probavi igitur quod nullus sapiens potest negare quin Deus sit causa prima, ante quam non est alia, quia3 semper fuit, et4 semper erit; habens infinitam potentiam5, et infinitam bonitatem, et sapientiam infinitam; qui creavit omnia, et gubernat, et cuilibet rei tribuit sue bonitatis influentiam secundum quod capax est; qui est unus solus, extra quem non est alius; qui est benedictus in secula seculorum. Persuasiones6 igitur faciles ad has proprietates divinas7 induxi, quibus tamen alie multe possunt multipliciter addi cum fuerit opportunum. Deinde, ex hac radice processi ad hoc quod oportet quod8 homo faciat voluntatem Dei. Et primo propter infinitatem majestatis, que intelligitur ex infinitate potentie et essentie. Unde propter infinitatem majestatis, debetur ei reverentia infinita. Et 2° similiter, propter infinitatem 1  invicem ]  adinvicem, P. 2  Et ]  Et quia, P. 3  quia ]  que, P. 4  et ]  om. W. 5  potentiam ]  potentiam et essentiam, P. 6  Persuasiones ]  Proprietates, W. 7  divinas ]  om. W. 8  quod ]  ut, P.

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fremder ist. Ich habe auch einen Vergleich dieser Religionen angestellt 962 und dargelegt, welche Gemeinsamkeiten sie aufgrund ihrer Eigenschaften haben, damit die Zahl der Religionen und der Vernunftgrund jeder Religion deutlicher gesehen werden kann. Nach der Darstellung der verschiedenen Religionen bin ich dazu übergegangen, festzustellen, welche Religion man wählen muss.963 Jede Religion nimmt einen Gott an und legt einen Kult für ihn fest; und soweit sie von Gott spricht, hat sie an der Wahrheit Anteil. Daher muss die erste Betrachtung darin bestehen, dass die allgemeingültige Wahrheit über das Sein Gottes bestärkt wird, indem ganz prinzipiell die göttlichen Eigenschaften gekannt werden, mit denen sich jeder, nachdem er überzeugt worden ist, leicht einverstanden erklären kann. Denn die besonderen Wahrheiten über das göttliche Sein – wie zum Beispiel, dass er Einer in den verschiedenen Personen ist, nämlich Vater, Sohn und Heiliger Geist, dass er durch seinen Sohn Fleisch geworden ist, und weitere derartige Wahrheiten – müssen in diesem Teil nicht behandelt werden und sind an dieser Stelle nicht notwendig, da ihre Erklärung an einer Stelle weiter unten in meinem Text folgt. Ich habe also gezeigt, dass kein Weiser verneinen kann, dass Gott die erste Ursache ist, vor der es keine andere Ursache gibt, weil Gott immer war und immer sein wird. Er hat unendliche Macht, unendliche Gutheit und unendliche Weisheit. Er hat alles erschaffen, lenkt alles und gibt seine Gutheit an jede Sache weiter, soweit sie dafür empfänglich ist. [Ich habe weiter gezeigt], dass er der einzige Gott ist, außer dem es keinen weiteren gibt. Und er ist geheiligt in alle Ewigkeit. Ich habe einfache und überzeugende Argumente für seine göttlichen Eigenschaften angeführt, zu denen man noch viele weitere hinzufügen könnte, wenn man es wollte. Danach bin ich aus dieser Wurzel heraus dazu übergegangen zu schildern, was der Mensch nach dem Willen Gottes tun muss: Erstens steht es fest, dass er eine unendliche Würde hat, die sich aus der Unendlichkeit seiner Macht und seines Wesens heraus verstehen lässt. Aufgrund seiner unendlichen Würde muss ihm auch unendliche Ehrfurcht erwiesen werden.

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Teil II

bonitatis, debetur ei devotio infinita. Et 3o, propter infinitam sapientiam, debetur ei contemplatio infinita. Et hec tria, scilicet reverentia, devotio et contemplatio, sunt tres radices cultus divini. 4a vero ratio, quare ei sinceritas cultus debetur1, est propter beneficium creationis. 5a propter beneficium conservationis in esse nature. Et 6a est propter beneficium future felicitatis, quam promisit eius obedientibus2. Et 7a 3 est quod non obedientibus4 minatus est penam eternam5. Et induxi auctoritates philosophorum ad hoc, et rationes per immortalitatem hominis futuram, tam in corpore quam in anima. Et cum oporteat hominem facere voluntatem Dei, tunc6 necesse est quod eam agnoscat7. Sed ostendi quod homo de se non potest scire voluntatem Dei, nec deberet8 velle per se certificari. Et ideo oportet quod Deus9 revelet homini voluntatem suam, et hic est pulcra consideratio, et salubris, et facilis10 et efficax. Nam diversitates11 sectarum in humano genere ostendunt quod homo de se non potest venire ad veritatem, et quod12 errat13 in noticia creaturarum sensibilium, et non potest minimam creaturam cognoscere ut oportet. Et hoc dicunt14 Aristoteles, et Avicenna, et Alpharabius, et omnes philosophi. Quoniam intellectus humanus se habet ad divina sicut oculus vespertilionis ad lucem solis, secundum Aristotelem; et secundum15 Avicennam, sicut surdus a nativitate ad delectationem armonie; et secundum Alpharabium, sapientissimus homo in sapientia sua16 se habet ad sapientiam Dei, sicut puer indoctus ad sapientissimum hominem. 1  debetur ]  debeatur, P. 2  obedientibus ]  promitti obedientibus ei, P. 3  Et 7a ]  om. Et., Septima, P. 4  obedientibus ]  obedientibus ei, P. 5  eternam ]  om. eternam, P. 6  tunc ]  om. P. 7  quod eam agnoscat ]  quam eam cog­ noscat, P. 8  deberet ]  debet, P. 9  Deus ]  om. W. 10  et facilis ]  om. P. 11  diversitates ]  diversitas, P. 12  quod ]  quia, P., W. 13  errat ]  errant, W. 14  dicunt ]  om. W. 15  secundum ]  om. W. 16  sua ]  humana, P.

11  diversitates ]  diversitas, P. 12  quod ]  quia, P., W. 13  errat ]  errant, W. 14  dicunt ]  om. W. 15  secundum ]  om. W. 16  sua ]  humana, P.

KAPITEL 109

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Zweitens schuldet man ihm aufgrund seiner unendlichen Gutheit auch eine unendliche Hingabe. Drittens schuldet man ihm aufgrund seiner unendlichen Weisheit auch eine unendliche Kontemplation. Und diese drei Dinge, das heißt: die Ehrfurcht, die Hingabe und die Kontemplation, sind die drei Ursprünge des Gottesdienstes. Der vierte Grund, aus dem man ihn im Gottesdienst verherr­ lichen muss, liegt in der Gnade der Erschaffung der Welt. Fünftens [schuldet man ihm Dankbarkeit], weil er das Sein der Natur weiterhin aufrechterhält. Sechstens muss man ihn wegen der Gnade der zukünftigen Glückseligkeit, die er seinen Anhängern versprochen hat, anbeten. Siebentens hat er denen, die ihm nicht gehorchen wollen, die ewige Strafe angedroht. Ich habe hierfür viele Aussprüche der Philosophen und viele Argumente für die zukünftige körperliche und geistige Unsterblichkeit des Menschen angeführt. Weil es sich für den Menschen gebühren sollte, nach dem Willen Gottes zu handeln, muss er ihn erkennen. Doch ich habe gezeigt, dass der Mensch den Willen Gottes von sich aus nicht erkennen kann und auch nicht von sich allein aus erkennen wollen sollte. Daher offenbart Gott dem Menschen seinen Willen. Das ist eine schöne, heilsame, einfache und wirksame Überlegung, weil die Vielfalt der Religionen bei den Menschen doch zeigt, dass der Mensch von sich aus nicht zur Wahrheit gelangen kann, dass er sich bei der Erkenntnis der geschaffenen Dinge irrt und auch den kleinsten Teil der Schöpfung nicht so erkennen kann, wie er eigentlich sollte. Das sagen Aristoteles, Avicenna, Alfarabi und alle anderen Philosophen. Denn Aristoteles964 meint, dass der menschliche Verstand sich dem Göttlichen gegenüber ebenso verhält wie die Augen einer Fledermaus gegenüber dem Sonnenlicht; Avicenna965 vergleicht unseren Verstand mit einem von Natur aus Tauben und dessen Verhältnis zur Harmonie; und nach Alfarabi966 steht der weiseste Mensch in all seiner Weisheit gegenüber der Weisheit Gottes in demselben Verhältnis, wie ein ungelehrtes Kind gegenüber dem weisesten aller Menschen.

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Teil II

Et multa inferunt propter que oportet quod fiat revelatio secte. Et si homo posset hoc scire per se, adhuc non deberet hoc velle; imo, deberet erubescere velle de his propria auctoritate inquirere et certificare, propter hoc quod Deus auctor istarum veritatum1, quia2 in infinitum excedit dignitatem hominis. Et quia hec que ad sectam pertinent sunt infinite dignitatis, ut ea que de Deo credenda sunt, et de vita futura, et hujusmodi, ideo3 homo debet se omnino reputare indignissimum ad certificandum de his. Et propter hoc 3o concluditur quod Deus revelabit4 hec, quia sua majestas infinita requirit ut ei serviatur per notitiam sue voluntatis factam homini. Et ideo si5 per hominem fieri non potest, oportet quod fiat6 per ipsum Deum. Et similiter sapientia divina, que est infinita, hoc requirit. Nam infinitas sapientie non posset pati deordinationem creature respectu Creatoris, scilicet quod non serviret ei: et ideo oportet quod Deus revelet, cum aliter sciri7 non posset. Et bonitas infinita hoc idem concludit, quia si creatura non serviat8 Creatori, cum teneatur ad hoc multipliciter, oportet quod puniatur infinita pena, et careat bono vite eterne infinito, ut prius habitum est. Cum ergo homo non potest de se scire qualiter Deo serviat, non sustinebit divine bonitatis pietas infinita quod homo sic invitus et ignorans confundatur. Et post hoc consideravi, quod cum revelatio secte fidelis deberet9 a Deo fieri, tunc fiet solum uni legis latori perfecto, qui presit mundo sub Deo, et qui de successore suo perpetuando ordinet necessario. Nam aliter hereses et divisiones fierent, et quilibet legis lator suam legem zelaret, et populus ei subjectus. Item unus est Deus, et hu1  veritatum ]  virtutum, W. 2  quia ]  qui, P. 3  ideo ]  et ideo, P. 4  revelabit ]  revelavit, P. 5  si ]  om. W. 6  fiat ]  sit, P. 7  sciri ]  fieri, P. 8  serviat ]  servit, P. 9  deberet ]  debet, P.

KAPITEL 109 [ 308]

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Sie führen noch viele weitere Gründe für die Notwendigkeit einer Offenbarung in der Religion an. Und selbst wenn der Mensch das alles ohne Offenbarung wissen könnte, sollte er es doch nicht wollen. Er sollte vielmehr über einen so vermessenen Wunsch erröten, alles mit seiner eigenen Erudition zu hinterfragen und zu klären, weil der Urheber jener Wahrheiten Gott ist, der die Würde des Menschen unendlich weit übersteigt. Da die Dinge, die eine Religion betreffen, von unendlicher Würde sind – was man von Gott glauben muss, was das unendliche Leben betrifft und weiteres derartiges –, muss der Mensch sich als vollkommen unwürdig dafür einschätzen, alles dies selbst bestätigen zu wollen. Deswegen wird drittens geschlossen, dass Gott alles offenbaren wird, da seine unendliche Herrlichkeit es erfordert, dass ihm durch die Erkenntnis seines Willens gedient werde, den er den Menschen zeigt. Da dies also durch den Menschen selbst nicht geschehen kann, muss es durch Gott geschehen. Das erfordert ähnlich auch die unendliche göttliche Weisheit, weil diese Weisheit keine Unordnung eines Geschöpfes gegenüber seinem Schöpfer dulden könnte – das heißt, dass es ihm nicht dienen würde. Daher muss Gott sie offenbaren, weil sie anders nicht erkannt werden könnte. Dasselbe folgt aus seiner unendlichen Gutheit, denn wenn das Geschöpf dem Herren nicht dienen würde, indem es von dieser Gutheit vielfach ergriffen wird, müsste es durch eine unendliche Strafe gequält werden und das unendliche Gut des ewigen Lebens verlieren, wie weiter oben gezeigt worden ist. Da der Mensch aber von sich aus nicht wissen kann, wie er Gott dienen soll, wird die unendliche Gnade der göttlichen Güte es nicht ertragen können, dass der Mensch, der so unfreiwillig und unwissend ist, verwirrt wird. Danach habe ich beschrieben, was in der christlichen Religion mit einer Offenbarung von Gott geschehen soll. Es darf nämlich nur einen vollkommenen Gesetzgeber geben, der der Welt unter Gott vorsteht und als dessen Verwalter auf der Erde alles Notwendige ordnet. Denn andernfalls käme es zu Häresien und Abspaltungen, weil jeder Gesetzgeber und die ihm untergebene Bevölkerung mit allem Eifer nur sein eigenes Gesetz durchsetzen würden. Zudem

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Teil II

manum genus est unum. Ergo sapientia Dei revelanda1 homini erit una, et per unum communicanda mundo. Item, in omni genere est unum ad quod omnia reducuntur, ut Aristoteles dicit, et omnis multitudo ab unitate procedit. Item cum secta a Deo alicui revelata sit perfecta, ergo illa sufficit, et unus legis lator sufficit, cui omnes subjiciantur. Ergo non debent esse plures. Consequentia hec patet 8o 2 Phisicorum; et hoc est quod Avicenna et Alpharabius pulcre docent. Et quod3 illi credendum est sine dubitatione, quando fuerit probatum quod ipse receperit legem a Deo. Et cum ita sit4, tunc investigavi modos quibus certificetur legis lator verus et perfectus. Et processi sic: Primo convincens sectam paganorum et ydolatrarum, propter multitudinem deorum, et quia creaturas colunt, et hec prius reprobata sunt; et similiter per communem consensum aliarum sectarum, sicut5 Imperator Tartarorum fecit ante se constitui Christianos, Saracenos et ydolatras, et confusi sunt6 ydolatre. Nam secta Tartarorum, et omnis alia a duabus, ponit unum Deum verum in celis, qui creavit omnia, et cui serviendum est. Et etiam licet Tartari unum Deum colant, tamen declinant ad ydolatriam in duobus articulis, quia ignem colunt, et limen domus, ut exposui; et non habent sacerdotes, nisi philosophos, et credunt quod philosophia sit vera secta. Sed probavi quod non. Et ipsi inclinantur7 ad sectam Christianorum recipiendam, sicut explicavi. Et patet satis quod8 hee 3es secte nulle sunt. Sed alie 3es sunt magis rationabiles, scilicet lex Christi, lex Moysy, et lex Machometi.

1  revelanda ]  revelata, P. 2  8o ]  ex octavo, P. 3  Et quod ]  Et qui, P. 4  ita sit ]  ista sit, P. 5  sicut ]  quia sicut, P. 6  confusi sunt ]  confuse, om. sunt, W. 7  inclinantur ]  inclinant, P. 8  quod ]  que, P.

KAPITEL 109

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gibt es einen Gott und nur ein Menschengeschlecht: Daher wird auch die dem Menschen zu offenbarende Weisheit nur eine einzige sein, die durch einen der Welt mitgeteilt werden muss. Außerdem gibt es in jeder Gattung eine Sache, auf die alles zurückgeführt wird, wie Aristoteles sagt; und alle Vielfalt geht von einer Einheit aus. [311] Da eine von Gott geoffenbarte Religion darüber hinaus vollkommen sein muss, reicht sie auch aus, ebenso wie ein Gesetzgeber genug ist, dem alle untergeordnet sind. Daher muss es nicht mehr als einen geben. Das ergibt sich aus dem achten Buch der Physik 967, und das lehren auch Avicenna und Alfarabi auf sehr schöne Weise. Diesem Gesetzgeber muss zugleich ohne Zweifel geglaubt werden, wenn bewiesen worden ist, dass er das Gesetz von Gott erhalten hat. [ 312] Danach habe ich untersucht, auf welchen Wegen der wahre und vollkommene Gesetzgeber bestimmt werden kann. Ich bin dabei folgendermaßen vorgegangen: Zuerst muss die Religion der Heiden und der Götzenanbeter widerlegt werden, weil sie mehrere Götter haben und nur Geschöpfe verehren, was als Erstes zurückgewiesen werden muss. Das entspricht auch der übereinstimmenden Ansicht der anderen Religionen, wie der Kaiser der Tartaren gezeigt hat, der vor sich Christen, Sarazenen und Götzenanbeter [zu einer Diskussion] versammelt hatte, wobei die Götzenanbeter verloren haben.968 Denn sowohl die Religion der Tartaren als auch der anderen beiden [der Christen und der Sarazenen] nehmen einen wahren Gott im Himmel an, der alles geschaffen hat, und dem man dienen muss. Doch auch, wenn die Tartaren einen Gott anbeten, fallen sie in zwei Aspekten in die Götzenanbeterei zurück, weil sie das Feuer und die Schwelle des Hauses verehren, wie ich erklärt habe. Sie haben keine Priester und keine Philosophen, aber sie glauben, dass die Philosophie die wahre Religion sei, was ich widerlegt habe. Weiterhin habe ich gezeigt, dass sie sich im Allgemeinen dafür eignen, den christlichen Glauben anzunehmen. Es ist jedenfalls deutlich genug geworden, dass diese drei Religionen [der Heiden, der Götzenanbeter, der Tartaren] ohne jede Bedeutung sind. Doch die anderen drei Religionen, also das Gesetz Christi, das Gesetz Mose und das Gesetz Mohammeds, sind vernünftiger.

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Teil II

Sed primo patet quod philosophia dat testimonia preclara de1 lege Christi, et magis laudat2 eam, ut patet ex his que exposui in parte Mathematice comparata ad ecclesiam Dei3. Nam ibi reperitur per astronomie potestatem quod nobilior est lex christiana, et ideo preferenda. Sed una tantum debet esse secta salutis, ut hic exposui: ergo illa erit christiana. Item philosophia revolvit omnes articulos principales4 secte nostre, sicut declaravi in prima parte Moralis Philosophie, et ponit Christum5 esse Deum et hominem, etc6. Sed philosophia non dat articulos aliarum sectarum. Cum ergo philosophia sit previa secte, et ad eam terminatur, et disponit per veritates consimiles, et investigat, oportet quod secta Christi sit illa quam philosophia nititur stabilire. Et hoc patet evidenter, cum ponat Christum esse Deum et hominem. Sed si Deus est, lex ejus sola tenenda est. Ceterum philosophia non solum dat testimonium legi christiane, et veritates illius legis tangit, sed reprobat alias duas, sicut patet per Senecam in libro quem fecit contra Judeorum ritum; et per Avicennam qui redarguit Machometum, quod non posuit gloriam anime, sed corporum; et Albumasar qui precise determinat destructionem istius legis et ponit annum. Item per Sibillas patet quod lex Christi sola est. Nam illa tangit articulos fidei nostre, et ponit Christum esse Deum, et omnes nationes dant reverentiam dictis Sibillarum7, quia patet quod per8 revelationem divinam habuerunt, et non per sensum humanum. Ergo cum Christus sit Deus secundum eas, ejus sola lex habenda est. Postea descendi ad leges magis in particulari. Nam secta Judeorum non habuit finem in Moise, sed exspectant Messiam; sed hic est 1  de ]  pro, P. 2  laudat ]  laudant, W. 3  ad ecclesiam Dei ]  ad Ethicam, P. 4  principales ]  om. P. 5  Christum ]  ipsum, W. 6  etc. ]  om. P. 7  dictis ]  om. W. 8  per ]  om. P.

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Aber zuerst ist es sicher, dass die Philosophie für das Gesetz Christi das beste Zeugnis ablegt und es am meisten lobt, wie ich in meiner Anwendung der Mathematik auf die Kirche Gottes erklärt habe. Denn dort ist durch die Kraft der Astronomie herausgefunden worden, dass das christliche Gesetz am edelsten und daher allen anderen vorzuziehen ist. Ich habe dort auch erklärt, dass nur eine Religion die Religion des Heils sein kann, und diese ist das Christentum. Außerdem bestätigt die Philosophie alle grundlegenden Glaubensartikel unserer Religion, wie ich im ersten Teil der Moral­ philosophie 969 erläutert habe; und sie bestätigt, dass Christus ein Gott und ein Mensch ist usw. Die Philosophie gibt jedoch nicht die Glaubensartikel der anderen Religionen an. Da die Philosophie der Religion jedoch vorausging und in diese einmündete, durch ähnliche Wahrheiten vorgeht und betrachtet, muss sie das christliche Gesetz bestätigen wollen. Das wird daran deutlich, dass sie feststellt, dass Christus zugleich Gott und Mensch ist. Doch wenn es Gott gibt, darf auch nur sein Gesetz ergriffen werden. Weiterhin legt die Philosophie nicht nur für das christliche Gesetz und dessen Wahrheiten Zeugnis ab, sondern widerlegt auch die anderen beiden Religionen, wie aus dem Buch Senecas970 ersichtlich wird, das er gegen die jüdischen Riten geschrieben hat. Außerdem hat Avicenna971 auch Mohammed widersprochen, weil dieser nicht den Ruhm der Seele, sondern der Körper gelehrt hat. Und Albumasar972 hat auf das Jahr genau die Zerstörung dieser Religion vorausgesagt. Auch durch die Sybillen wird deutlich, dass das Gesetz Christi das einzig richtige Gesetz ist. Denn sie haben unsere Glaubensartikel bereits angekündigt und festgestellt, dass Christus Gott ist. Und alle Völker verehren die Aussprüche der Sybillen, weil sie diese Prophezeiungen durch eine göttliche Offenbarung, nicht durch menschliche Bemühungen, erhalten haben. Da ihrer Meinung nach Christus Gott ist, darf auch nur sein Gesetz anerkannt werden. Anschließend gehe ich mehr auf die Details der verschiedenen Gesetze ein. Denn die jüdische Religion hatte ihre Vollendung nicht

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Teil II

Christus; quod declaravi per prophesiam Danielis et per Esdram1, et per Testamenta Patriarcharum – et respondi ad objectionem de libris apocriphis, – et per Josephum manifeste, et per hoc quod in tempore Christi cessavit sacerdocium eorum, et regnum, sicut fuit promissum2 eis. Et si bene consideremus scripturam, inveniemus quod secta Judeorum, prout fuit in usu3 eorum ad litteram, fuit secundum se irrationabilis, et abhominabilis, et importabilis, et Deo4 displicens, sicut5 ex multis locis scripture6 patens est, ut7 tetigi in Opere Majori. Et etiam non promittit ad litteram et secundum sensum vulgi, nisi terrena principaliter, et temporalia, et corporalia; sed lex vera transmittit nos ad spiritualia, et ad celestia, et eterna, ut patet ex predictis. Manifestum est igitur quod hec lex Judeorum litteralis non est comparanda legi christiane, sed ei cedit. Ergo christiana lex tenenda est, quantum est ex hac parte. Similiter vero convenit8 in particulari descendere9 ad legem Machometi. Nam Machometus dicit10 Christum natum de Virgine, afflatu Spiritus sancti; et prefert eum super omnes prophetas. Cum ergo una lex sit tenenda, et unus legis lator, ut probatum est prius, tunc melior est tenendus, et hic est Christus. Ceterum philosophia non dat testimonia huic secte; immo, reprobat eam, sicut patet per Avicennam in Radicibus Moralis Philosophie, et per alios. Item dicunt et11 contestantur quod deficiet, et ponunt tempus determinatum ad hoc, ut superius annotavi et in Operibus expressi. ltem hic legis lator fuit adulter vilissimus et fornicator, sicut patet in 1  per prophesiam Danielis et per Esdram ]  per prophetam Danielem, Esdram, P. 2  sicut fuit promissum ]  sicut promissum est, P. 3  in usu ]  in visu, P. 4  Deo ]  ideo, P. 5  sicut ]  sed, W. 6  scripture ]  om. P. 7  ut ]  et, P. 8  convenit ]  contingit, P. 9  descendere ]  descendente, P. 10  dicit ]  docet, P. 11  et ]  quod, P.

KAPITEL 109

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in Moses, sondern wartet auf den Messias. Doch dieser ist Christus, wie ich durch die Prophezeiungen Daniels973 und Esras974, durch die Testamente der Patriarchen975 – wobei ich auch auf die Einwände geantwortet habe, dass es sich dabei um apokryphe Bücher handelt –, durch [Flavius] Josephus976 und dadurch, dass in der Zeit Christi (wie es ihnen prophezeit worden war) ihre Priesterwürde und ihr Königreich beendet war, klar gezeigt habe.977 Wenn wir uns die Heilige Schrift gut vergegenwärtigen, sehen wir, dass die Religion der Juden – auch wenn das [Alte Testament] im Literalsinn bei ihnen gebräuchlich war – doch für sich genommen unvernünftig, verfluchenswert, unerträglich und Gott mißfällig war, wie aus vielen Stellen der Heiligen Schrift ersichtlich ist, die ich im Opus maius 978 angeführt habe. Daher verspricht [das jüdische Gesetz] auch nur buchstäblich – und damit für den Sinn der breiten Menge angemessen – weltliche, zeitliche und körperliche Freuden. Doch das wahre Gesetz führt uns zu den geistigen, himmlischen und ewigen Dingen, wie aus dem bereits Gesagten hervorgeht. Es ist daher klar, dass dieses nur buchstäbliche Gesetz sich nicht mit dem christlichen Gesetz vergleichen lässt, sondern diesem weicht. Daher muss hier das christliche Gesetz gewählt werden. In ähnlicher Weise kann man auch das Gesetz Mohammeds beurteilen. Denn Mohammed sagt, dass Christus von einer Jungfrau geboren worden sei, die ihn durch den Heiligen Geist empfangen habe. Christus wird [in dem Gesetz Mohammeds] aus diesem Grund allen anderen Propheten vorgezogen. Wenn also ein Gesetz und ein Gesetzgeber ausgewählt werden soll, wie ich schon gezeigt habe, muss der bessere Gesetzgeber ausgewählt werden: und dieser ist Christus. Zudem gibt uns die Philosophie kein Zeugnis dieser Sekte [Mohammeds], sondern sie weist sie zurück, wie aus Avicennas Buch Über die Wurzeln der Moralphilosophie 979 hervorgeht. Überdies sagen und bezeugen sie, dass sie zugrunde gehen wird, und setzen auch ein Datum dafür fest, wie ich weiter oben vermerkt und in meinen anderen Werken erklärt habe. Darüber hin­ aus geht aus dem Koran hervor, dass der Gesetzgeber [des Islam]

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Teil II

Alcorano. Sed adulterium et fornicatio sunt contra jura nature, et contra omnem legem Saracenorum, et contra philosophiam, sicut Avicenna docet in tractatu memorato. Sed si descendamus interius ad has sectas, inveniemus majorem evidentiam. Et oportet tunc in primis statuere ut concedantur concedenda, et negentur neganda, communiter1 ex omni parte. Omnes autem nationes et gentes et leges fundantur super historias famosas apud quamlibet gentem. Si ergo volumus uti historiis nostris pro lege nostra, oportet nos in disputatione supponere historias aliorum. Et hoc facto, considerabimus que sunt in historiis legalibus vulgata apud Christianos, et Judeos, et Saracenos; et inveniemus quod oportet Christum preferri, et legem suam solam teneri. Nam si nos2 concedamus historias eorum, concedent n ­ ostras. Sed tunc poterimus per dignitatem legis latoris, et per dignitatem legis3, et per testimonia, et miracula, et multis modis probare quod lex christiana sola tenenda est. Concedamus igitur quicquid ipsi habent ex historiis suis, ut ipsi concedant nostras. Et dicamus quod nostra evangelica historia dicit, quod nullus surrexerit4 major Joanne Baptista, ergo nec Moyses: et cum eadem historia dicat quod Joannes non fuerit5 dignus solvere corrigiam calciamenti Christi, tunc nec6 Moyses, nec Machometus potu­erunt Christo comparari. Item Alpharabius in Moralibus docet modos multos probandi sectas, et unus est quod legis lator perfectus debet habere testimonium precedentium prophetarum et subsequentium. Sed omnes prophete priores perhibent testimonium Christo, et non Moysi,

1 communiter ] om. P. 2  nos ]  om. W. 3  latoris, et per dignitatem legis ]  om. W. 4  surrexerit ]  surrexit, P. 5  fuerit ]  fuit, P. 6  nec ]  om. W.

KAPITEL 109

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ein schlimmer Ehebrecher und Hurenbock war. Doch Ehebrecherei und Hurerei sind gegen das Naturgesetz, gegen das eigentliche Gesetz der Sarazenen und gegen die Philosophie, wie Avicenna in seiner erwähnten Abhandlung980 sagt. Wenn wir uns diese verschiedenen Religionen näher anschauen, finden wir noch bessere Beweise [für den Vorzug des christlichen Gesetzes]. Es gehört sich an dieser Stelle zuerst, dass die Dinge, die bei allen Religionen gemeinsam betrachtet werden müssen, betrachtet werden und dass die Dinge, die verneint werden müssen, verneint werden. Alle Länder, Völker und Gesetze beruhen auf berühmten Erzählungen, die sich bei jedem Volk finden. Wenn wir für unser Gesetz unsere Erzählungen anführen wollen, müssen wir in der Auseinandersetzung [mit den anderen Völkern] auch deren Erzählungen zugrunde legen. Nachdem das geschehen ist, werden wir überlegen, welche Dinge in den Erzählungen bei den Christen, den Juden und den Sarazenen durch das Gesetz vorgeschrieben sind. Wir werden dann finden, dass Christus vorzuziehen ist, und dass sein Gesetz als das einzige ergriffen werden muss. Denn wenn wir ihre Erzählungen betrachten, werden sie auch unsere Erzählungen betrachten. Doch dann können wir durch die Würde [unseres] Gesetzgebers, durch die Ehrwürdigkeit unseres Gesetzes, durch Zeugnisse, Wunder und durch viele andere Dinge zeigen, dass das christliche Gesetz das einzige Gesetz ist, das befolgt werden muss. Überlegen wir also, was in deren Erzählungen geschrieben steht, so wie sie ja auch über unsere Erzählungen nachdenken. Wir sagen, dass unser Evangelium lehrt, dass keiner Johannes den Täufer übertreffen könnte, was auch für Moses gilt. Da dasselbe Evangelium lehrt, dass Johannes nicht würdig war, die Riemen der Schuhe Christi aufzulösen981, konnten sich auch Moses und Mohammed nicht mit Christus vergleichen lassen. Weiterhin stellt Alfarabi in seiner Schrift über die Moral  982 viele Arten von Beweisen für die Religionen vor, und eine davon besteht darin, dass der vollkommene Gesetzgeber das Zeugnis vieler vorhergehender und nachfolgender Propheten haben muss. Doch wie ich erklärt habe, legen alle vorhergehenden Propheten nur Zeugnis

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Teil II

nec Machometo, ut exposui. Similiter posteriores ei. Nam ipse Machometus, qui fecit se1 vocari prophetam, perhibet testimonium de eo, quod et Ysaias, scilicet quod Virgo concipiet Filium. Sed et omnes sancti qui post Christum fuerunt, qui spiritum prophetie habuerunt: quibus sanctis credendum est propter sex rationes magnas, ut explicavi, quibus rationibus nullo modo potest fieri contradictio. Deinde hoc idem probatur per 2m modum Alpharabii, qui est per opera miraculorum. Nam ex Joannis ultimo patet quod mundus non potuit capere miracula Christi. Et historia evangelica narrat quod dimisit peccata; sed hoc est majus2 quam sanare corpora. Et huic annexum est quod est Deus, quia solus Deus potest3 dimittere peccata, et nullus ignorat. Et tota historia evangelica, et omnes sancti prophete priores et posteriores confitentur ipsum esse Deum, sicut exposui. Sed historie Moysi et Machometi non habent hujusmodi pro illis. Deinde per articulos legum potest idem probari. Multa peccata conceduntur apud legem Machometi et Moysi propter duritiem4 populi; et nulla vite perfectio. Nam nec virginitas, nec paupertas, nec obedientia perfecta, que sunt 3es articuli perfectionis, reperiuntur apud Moysen et Machometum. Et iterum, certificacio5 de Deo, et de divinis, et vita futura, habetur solum ex articulis legis christiane, sicut patet ex simbolo6, et ex aliis. Sed sic non est in legibus aliorum.

1  se ]  om. W. 2  majus ]  magis, W. 3  potest ]  potuit, P. 4  duritiem ]  duriciam, P. 5  certificacio ]  quod certificatur, P. 6  simbolo ]  combalo, P.

KAPITEL 109

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für Christus ab, nicht jedoch für Moses und Mohammed. Ebenso verhält es sich auch mit den Propheten, die nach ihm gekommen sind. Schließlich bezeugt sogar Mohammed, der sich selbst einen Propheten genannt hat, die Existenz von Christus, und auch Jesaja983 schreibt von einer Jungfrau, die einen Sohn gebären wird. Vor allem bezeugen das jedoch alle Heiligen, die nach Christus gekommen sind, und die den Geist der Prophezeiungen hatten. Wie ich erklärt habe, muss man diesen Heiligen wegen sechs wichtiger Vernunftgründe glauben, denen man in keiner Weise widersprechen kann. Weiterhin wird das durch die zweite Beweisführung von Alfarabi984 belegt, nämlich durch wunderbare Werke. Aus [dem genannten Ausspruch des] Johannes [Joh.  1,1–5] geht aber eindeutig hervor, dass die Welt die Wunderwerke Christi nicht begreifen konnte. Und die Evangelien erzählen, dass er die Sünden hinweggenommen hat, was doch noch viel mehr ist, als nur die Körper zu heilen. Damit verbunden steht fest, dass Christus Gott ist, weil nur Gott die Sünden fortnehmen kann, ohne jemanden auszulassen. Wie ich dargelegt habe, bekennen alle Evangelien und alle heiligen Propheten, die vor ihm und nach ihm gekommen sind, dass er Gott ist. Doch die Erzählungen von Moses und Mohammed haben keine solchen Bekenntnisse, die für sie sprechen würden. Zudem kann dasselbe auch durch die verschiedenen Glaubensartikel der Gesetze belegt werden. Denn wegen der Gefühllosigkeit des Volkes werden in dem Gesetz Mohammeds und dem Gesetz des Moses viele Sünden zugestanden, doch von einer Vervollkommnung des Lebens findet sich dort nichts. Weder die Jungfräulichkeit noch die Armut, noch die vollkommene Demut können bei Moses und Mohammed gefunden werden, obwohl sie doch die drei Glieder der Vollkommenheit sind. Außerdem kann man eine Vergewisserung über Gott, die göttlichen Dinge und das zukünftige Leben nur aus den Glaubensartikeln des christlichen Gesetzes erhalten, wie man anhand des Glaubensbekenntnisses und anderer [Glaubensartikel] sehen kann. Doch solches findet sich in den anderen Gesetzen nicht.

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Teil II

Et postquam hec tractavi, tunc inveniebam quomodo omnes articuli, quantumcumque graves et difficiles, possunt probari. Et descendi specialiter ad unum articulum, qui est difficilior omnibus, et cui magis contradicitur ab hereticis et infidelibus, et quem minus perfecte sentiunt illi qui sunt in statu salutis, et in quo humana fragilitas magis temptatur. Et est de sacramento altaris. In quo Dominus Jesus1 est in vera humanitate, sicut in deitate2 sua, vere3 Deus et homo. Sed hoc primo probatur, quia est pars legis Christiane, que jam probata est. 2o habet speciales modos, sicut et tota lex. Nam per scripturam sacram; et per omnes sanctos; et per consensum omnium doctorum catholicorum Parisius, et alibi; et per miracula infinita hoc probatur. Et addidi duo magna miracula, que temporibus meis contigerunt. Deinde descendi4 ad rationes varias. Nam sicut creator se habet ad creaturam5, sic recreator6 ad recreata. Sed ex majestate creatoris est ut sit7 presens omni creature. Ergo ex majestate redemptoris est ut cuilibet redempto, qui suam gratiam habet, sit presens. Sed non alibi hoc est quam in isto sacramento. Et iterum, ex bonitate ejus infinita debet humano generi hoc beneficium communicari. Deinde ex necessitate nostra. Nam sicut creatura in esse nature8 stare non potest, sed caderet in nichil, nisi adesset presentia creatoris, sic oportet quod recreatum deficiat, quantum ad esse ­gratie,

1  Jesus ]  verus, W. 2  deitate ]  divinitate, P. 3 vere ] verus, W. 4  descendi ]  ascendi, W. 5  creaturam ]  creata, P. 6  recreator ]  creator, W. 7  sit ]  sis, W. 8  in esse nature ]  om. P.

KAPITEL 109 [323]

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Nachdem ich das behandelt habe, habe ich zu zeigen versucht, auf welche Weise alle Artikel, wie schwerwiegend und schwierig sie auch sein mögen, bewiesen werden können. Ich habe mich insbesondere auf einen Artikel konzentriert 985, der schwieriger ist als alle anderen, der auch von den Häretikern und Ungläubigen am meisten angezweifelt wird, über den sogar diejenigen, die sich bereits im Zustand des Heils befinden, nicht ganz vollkommen sprechen können und durch den die menschliche Schwäche ganz besonders versucht wird. Dies ist [der Glaubensartikel] über das Sakrament des Altars, in dem der Herr Jesus Christus in seiner Menschlichkeit und in seiner Göttlichkeit anwesend ist, als wahrer Gott und wahrer Mensch. Doch das wird zuerst geprüft, weil es ein Teil des christlichen Gesetzes ist, das schon bewiesen worden ist. Zweitens gibt es auch besondere Methoden [für den Beweis des Sakrament des Altars], ebenso wie für das gesamte Gesetz. Denn es wird durch die Heilige Schrift ebenso belegt wie durch alle Heiligen und durch die übereinstimmende Meinung aller katholischen Lehrer in Paris und überall sonst. Zudem ist es durch unzählige Wunder bewiesen worden, zu denen ich zwei große Wunder hinzugefügt habe986, die sich in meiner Zeit ereignet haben. Daraufhin bin ich zu verschiedenen anderen Beweisen übergegangen.987 Denn ebenso, wie der Schöpfer sich gegenüber seiner Schöpfung verhält, so verhält sich auch der Wiederhersteller zur wiederhergestellten Schöpfung. Doch aus der Herrlichkeit des Schöpfers ergibt sich, dass er für jedes Geschöpf anwesend ist. Also ergibt sich aus der Herrlichkeit des Erlösers, dass er für jeden Erlösten anwesend ist, der seiner Gnade teilhaftig wurde. Das geschieht aber nur in diesem Sakrament. Weiterhin muss er diese Gnade aufgrund seiner unendlichen Gutheit dem Menschengeschlecht mitteilen. Zudem ist [dieses Sakrament] für uns notwendig. Denn so, wie das Geschöpf in seinem natürlichen Sein nicht bestehen kann, sondern ins Nichts hinabfallen würde, wenn die Gegenwart des Schöpfers nicht anwesend wäre, müsste auch das Wiederhergestellte im Zustand der Gnade vergehen, wenn es nicht durch die Anwesenheit

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Teil II

nisi manu teneatur presentia redemptoris. Et sicut pro peccato originali oblatus est in cruce, sic oportet quotidie quod pro1 peccatis actualibus per2 eamdem hostiam satisfiat Deo Patri. Et sicut dedit se discipulis suis in hoc sacramento, sic3 oportet quod nobis detur; nam omni4 indigemus et sub eadem lege constituti sumus. Et multa explicavi, que non solum faciunt ad veritatem fidei, sed ad summam felicitatem. Nam ostendi quod hoc sacramentum est in fine glorie, in5 fine salutis, et in fine pulcritudinis. Et hoc non solum quantum ad rem contentam, sed quantum ad modum adveniendi et exeundi6, et quantum ad usum et modum utendi. Et explicavi insaniam7 mentis humane, que negligit hanc sacratissimam veritatem, que est decus universi, salus mundi et pulcritudo totius creature. Et explicavi causas quare homines magis vacillant hic quam alibi, et que sunt8 remedia in hac parte.

CAPITULUM CX. De quinta parte philosophie moralis [327]

Terminata9 4a parte moralis philosophie, addidi de 5a; et est quomodo debet fieri persuasio debita et efficax, post legem creditam10, quatenus opere compleatur. Nam fides11 sine operibus mortua est. Et ibi explicavi argumenta quibus moralis sapientia utitur, et theo­ logia, in hujusmodi persuasione. Et exposui quod 4or sunt genera arguendi veridica, de quibus tetigi12 in parte prima Mathematice. Nam duo sunt ad intellectum, ut dyalecticum et demonstrativum, 1  quod pro ]  om. quod, P.; om. pro, W. 2  per ]  ut per, P. 3  sic ]  sicut, P. 4  omni ]  tantum, P. 5  in ]  et in, P. 9  Terminata ]  Determinata, C. (C be6  exeundi ]  existendi, P. ginnt ohne Überschrift). 7  explicavi insaniam ]  exprobavi 10  creditam ]  debitam, P.; traditam, C. infamiam, P. 11  fides ]  om. W. 8  que sunt ]  sint, om. que, P. 12  detigi ]  detexui, C. 9  Terminata ]  Determinata, C. (C beginnt ohne Überschrift). 10  creditam ]  debitam, P.; traditam, C. 11  fides ]  om. W. 12  detigi ]  detexui, C.

KAPITEL 110

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des Erlösers an der Hand gehalten werden würde. Und so, wie der Erlöser für die Erbsünde am Kreuz dargebracht worden ist, muss Gottvater auch täglich durch dieselbe Hostie für die aktuellen Sünden Buße getan werden. Und so, wie er sich seinen Aposteln in diesem Sakrament gegeben hat, muss er auch uns gegeben werden. Denn wir alle brauchen ihn und werden durch dasselbe Gesetz bestimmt. Ich habe auch vieles Weitere erklärt, was nicht nur zur Wahrheit des Glaubens, sondern auch zur höchsten Glückseligkeit beiträgt. Denn ich habe gezeigt, dass dieses Sakrament die höchste Gnade, das größte Heil und die wunderbarste Schönheit darstellt. Das gilt nicht nur für die enthaltene Sache, sondern auch für die Art des Kommens und des Vergehens, des Gebrauchs und der Art und Weise des Gebrauchs [dieses Sakraments]. Ich habe daher den Irrsinn des menschlichen Geistes erklärt, der diese heiligste Wahrheit verneint, die doch die Zierde von allem, das Wohl der Welt und die Schönheit eines jeden Geschöpfes ist. Ich habe auch die Gründe dafür genannt, aus denen die Menschen hier mehr als andernorts schwanken, und welche Heilmittel es dagegen gibt.

KAPITEL 110 Über den fünften Teil der Moralphilosophie [327]

Nachdem der vierte Teil der Moralphilosophie beendet war, habe ich den fünften Teil988 hinzugefügt. Dieser Teil behandelt die Frage, auf welche Weise eine richtige, wirksame und überzeugende Rede nach entsprechender Gesetzmäßigkeit aufzubauen ist, damit sie dann im Werk ihre Vollendung findet. Denn der Glaube ohne Werke ist tot. Ich habe dort daher die Argumentationsweisen erklärt, die die Moralphilosophie und die Theologie für solch eine Überzeugungsarbeit benutzen. Für diesen Zweck habe ich dargelegt, dass es vier wahre Arten von Argumenten989 gibt, über die ich schon im ersten Teil zur Mathematik einiges geschrieben hatte. Denn zwei Argumente sprechen den Verstand an: nämlich das dialektische und das beweisende Argument; zwei jedoch die

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Teil II

et duo pro affectu1, scilicet rethoricum et poeticum. Et duo prima solum excitant2 ad noticiam veritatum, et hoc3 in speculativis scientiis: sed4 alia duo ad amorem veritatis vite5, et ad noticiam similiter, que longe meliora sunt primis, sicut virtus et felicitas meliores sunt scientia, et intellectus operativus melior est speculativo6. Sed quia7 libri Aristotelis non sunt in usu artistarum Latinorum, ideo non sunt hec argumenta nota neque theologis, neque philosophis, cum tamen moralis philosophia, et sacra scriptura, et omnes libri sanctorum pleni sunt istis argumentis [et ideo magnum damnum est de ignorantia istorum argumentorum]8. Et quia hic exigitur tota rethorice potestas, ideo consideravi genera stilorum, secundum quod dicitur humilis, mediocris et grandis; et quibus modis fiunt; et qualiter sunt in usu9 moralis philosophie. Et quia omnia que tracto sunt10 propter theologiam, quia utilitas philosophie non est nota, nisi prout deservit sapientie Dei, ut predixi11, ideo elevavi hec argumenta et12 stilos in quibus fiunt ad divina. Et ostendi per Augustinum 4° de Doctrina Christiana, quod longe excellentius sunt hec omnia in sacra scriptura, et in usu prophetarum, et apostolorum, et Domini Salvatoris, quam in usu philosophorum. Et tetigi qui modi persuasionis adduntur in divinis super modos philosophicos. Et tandem in fine veniebam13 ad partem philosophie moralis ultimam, que est14 de causarum et controversiarum excussione, coram judice, inter partes. Et excusavi me ab expositione istius partis. Et sic terminatur tota intentio Operis principalis. 1  pro affectu ]  secundum affectum, P. 2  excitant ]  extant, P.; expectant, C. 3  hoc ]  hoc est, P. 10  Et quia omnia que tracto sunt ]  4  sed ]  om. P., C. et quia sunt que traxi, C. 5  veritatis vite ]  veritatis et vite, C. 11  ut predixi ]  ut sepe dixi, P. 6  speculativo ]  speculativa, C. 12  et ]  ad, C. 7  quia ]  om. W. 13  veniebam ]  innuebam, P., C. 8  et ideo … argumentorum ]  om. W. 14  est ]  om. W. 9  usu ]  visu, P. 10  Et quia omnia que tracto sunt ]  et quia sunt que traxi, C. 11  ut predixi ]  ut sepe dixi, P. 12  et ]  ad, C. 13  veniebam ]  innuebam, P., C. 14  est ]  om. W.

KAPITEL 110

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Affekte: nämlich das rhetorische und das poetische Argument. Die ersten beiden [Formen des Arguments] regen zur Erkenntnis der Wahrheiten an und werden in den spekulativen Wissenschaften gebraucht. Doch die anderen beiden ermuntern gleichermaßen zur Liebe und zur Erkenntnis der Wahrheit im Leben. Deshalb sind sie viel besser als die ersten beiden, da auch die Tugend und das Glück besser sind als die Wissenschaft, und da der ausführende Intellekt besser ist als der spekulative. Doch weil die Bücher des Aristoteles bei den lateinischen Mitgliedern der Artistenfakultät nicht in Gebrauch sind, sind diese Argumente weder den Theologen noch den Philosophen bekannt, obwohl doch die Moralphilosophie, die Heilige Schrift und alle Bücher der Heiligen voll von solchen Argumenten sind, weshalb die Unkenntnis dieser Argumente eine große Einschränkung bedeutet. Weil an dieser Stelle die ganze Macht der Rhetorik gefordert wird, habe ich die verschiedenen Stile der Rhetorik betrachtet, die in den niedrigen, den mittleren und den gehobenen Stil eingeteilt wird. Zudem habe ich beschrieben, welche rhetorischen Modi es gibt und wie sie von der Moralphilosophie benutzt werden. Da ich bereits gesagt habe, dass alles, was dort behandelt wird, der Theologie dient, weil der Nutzen der Philosophie nur im Dienst der Weisheit Gottes besteht, habe ich diese Argumente und die Stile, in denen sie benutzt werden, zu den göttlichen Dingen emporgehoben. Und mit Hilfe des vierten Buches von Augustinus’ christ­ licher Bildung habe ich gezeigt 990, dass alle diese Argumente in der Heiligen Schrift, bei den Propheten, den Aposteln und dem Erlöser viel vollkommener benutzt werden als bei den Philosophen. Darüber hinaus habe ich dort auch hinzugefügt, welche rhetorischen Modi bei der Rede über göttliche Dinge zu denen der Philosophen noch hinzukommen. Schließlich bin ich am Ende zum letzten Teil der Moralphiloso­ phie 991 gelangt, der die Durchführung der Rechtsfälle und Streitigkeiten zwischen zwei Parteien vor dem Richter betrifft, habe mich aber einer ausführlichen Ausführung jenes Teils entzogen. Und so findet die gesamte Zielsetzung des Werkes ihren Schlusspunkt.

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Teil II

CAPITULUM CXI. De opere minori 1 [ 330]

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Deinde cogitavi Opus aliquod premittere2 Vestre Sanctitati, in quo redderem rationem totius scripti nunc discussi, ut propter3 Vestras sollicitudines brevius intentionem totius Vestra Beatitudo4 videret; et si forsan propter viarum pericula amitteretur Opus Majus, hic videritis5 pondus illius6 negotii, et laborem meum, et quid a me, vel ab alio, Vestra Dominatio debeat postulare; et etiam7 ut aliqua adderem, de quibus aut8 in alio non cogitavi, aut propter ejus magnitudinem et propter alias causas gratis omisi. Addidi igitur aliqua in principio, que in hoc Opere exposui. Deinde, enumerando partes Operis Majoris9, inserui in parte Mathematice multa de noticia celestium, secundum se, et secundum comparationem ad hec inferiora que generantur per eorum virtutes, secundum diversas regiones et, in eadem regione, in diversis temporibus; et hoc est unum de majoribus que scripsi. Deinde, completa partium Operis Majoris enumeratione, quia 6a scientia est Alkimia, que utilis est valde, et est de majoribus scientiis, ideo posui eam sub forma philosophorum in enigmatibus, promittens quod exponerentur10 ea in sequentibus suo loco. Post hec descendi ad peccata studii, et ejus remedia; et in 6o peccato manifestando, descendi ad generationem rerum ex elementis, et texui illam totam, usque ad specialem11 generationem anima1  Diese Überschrift erscheint in keinem der MSS. 2  aliquod premittere ]  aliquod pretermittere (korr. zu premittere); aliud premittere, P., C.; aliud mittere vel premittere, Ta. 3  propter ]  per, P. 4  sollicitudines brevius intentionem totius Vestra Beatitudo ]  totius scripti ut brevius intentionem totius vestra altitudo, C. 5  videritis ]  videretur, P.; videntes, Ta. 6  illius ]  om. Ta. 7  et etiam ]  Etenim, Ta., W.; Ceterum, P. 8  aut ]  om. T.; tantum, C. 9  Operis Majoris ]  istius Operis majoris, P. 10  exponerentur ]  exponentur, W. 11  specialem ]  om. P.

KAPITEL 111

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KAPITEL 111 Über das Opus minus [ 330]

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Daraufhin habe ich überlegt, Eurer Heiligkeit ein anderes Werk zu schicken, in dem ich alles bisher Geschriebene noch einmal zusammenfassend darstellen wollte, damit Eure Seligkeit wegen Eurer zahlreichen Verpflichtungen die Absicht [meiner Schriften] noch einmal kurz vor Augen haben könnte. Und wenn das Opus maius aufgrund der Gefahr auf den Wegen vielleicht verloren gegangen wäre, hättet Ihr so den grundlegenden Inhalt meiner Bemühungen und meiner Arbeit sehen können, und was Eure Herrschaft von meiner Seite aus (oder auch von jemand anderem) verbreiten sollte. Zudem wollte ich dort noch einiges hinzufügen, was ich in dem anderen Werk vergessen oder wegen des Umfanges und aus anderen Gründen bewusst ausgelassen hatte. Daher habe ich einiges grundlegend hinzugefügt, was ich in diesem Werk erläutert habe. Danach habe ich – während ich die Teile des Opus maius aufgezählt habe – vieles im Teil über die Mathematik hinzugefügt 992, was mit der Erkenntnis der Himmelskörper und mit den Auswirkungen ihrer Kräfte auf die Erde zu tun hat. Ich bin dabei auf die verschiedenen Regionen und auf dieselbe Region zu verschiedenen Zeiten eingegangen, was zu dem Größten gehört, das ich geschrieben habe. Daraufhin habe ich mich, nachdem ich die Aufzählung der verschiedenen Teile des Opus maius beendet hatte, der sechsten Wissenschaft, nämlich der Alchemie, zugewandt 993, die sehr nützlich ist und die zu den größten Wissenschaften zählt. Aus diesem Grund habe ich sie dort nach Art der Philosophen in Rätseln dargestellt und versprochen, diese Rätsel in folgenden Schriften zu erklären. Danach habe ich mich den Sünden des Studiums und ihren Heilmitteln994 zugewandt. Und während ich die sechste Sünde995 thematisiert habe, bin ich auf die Entstehung der Dinge aus den Elementen gekommen, die ich umfassend bis zur besonderen Ent-

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Teil II

lium et plantarum: et diligentius hanc partem tractavi1 quia hic aperiuntur magnarum scientiarum radices, scilicet naturalis philosophie, medicine et alkimie. Et res maxime hic continentur; nam per eas certificatur non solum status generationis rerum corruptibilium sed status2 innocentie, quantum ad complexiones et causas immortalitatis, que potuit fuisse in primis parentibus, et in omnibus, si non fuisset peccatum. Item status3 corporum immortalium post resurrectionem. Et ex his extrahuntur cause prolongationis vite humane, et remedia contra infirmitates omnes. Et hic habetur multum de expositione enigmatum alkimisticorum4, que prius tacta sunt. Et texui generationem humorum5 ex elementis, et omnes differentias eorum, et ostendi qui sunt inequales6, et quo modo fiunt; et qualiter equalitas potest esse in humoribus, et hoc est secretum secretorum; et qualiter7 inanimata generantur ex humoribus, et omnia. Et specialiter descendi ad generationem metallorum, quia hec requiritur specialiter in sexto peccato studii; et tetigi naturas essentiales omnium, et proprietates eorum, et effectus; et maxime de auro, quia hoc fuit magis conveniens exemplum ad propositum. Et tunc comparavi hoc expositioni sacre scripture cum sua expositione. Et hec que tetigi de istarum8 rerum generatione sunt9 de majoribus et melioribus que sciri possunt, tam pro speculativis10 quam pro practicis, et habent maxima11 secreta, si bene intelligantur.

1  hanc partem tractavi ]  attractavi hanc, W.; hanc tractavi, Ta. C. 2  generationis rerum corruptibilium sed status ]  om. P.; om. generationis, C. 3  Item status ]  Item statum, W.; Iterum status, P. 4  alkimisticorum ]  alkemistarum, C. 5  humorum ]  humanorum, W.; humanorum alias humorum, C. 6  qui sunt inequales ]  que sunt equales, C. 7  qualiter ]  om. W. 8  istarum ]  ipsarum, P. 9  sunt ]  est, Ta. 10  speulativis ]  speculativo, P. 11  maxima ]  magna, P.

KAPITEL 111

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stehung der Tiere und der Pflanzen besprochen habe. Diesen Ab­schnitt 996 habe ich ganz besonders sorgfältig geschildert, weil hier die Ursprünge der großen Wissenschaften: also der Naturphilosophie, der Medizin und der Alchemie offengelegt werden. Hier sind wirklich die herrlichsten Dinge enthalten; denn durch sie wird nicht nur der Zustand der Entstehung der vergänglichen Dinge erklärt, sondern auch der Zustand der Unschuld, soweit er sich aus den Mischungen und den Gründen der Unsterblichkeit erklären lässt, die sich in den ersten Eltern und in allem Übrigen hätte befinden können, wenn es die Erbsünde nicht gegeben hätte. Ebenso wird auch der Zustand der unsterblichen Körper nach der Wiederauferstehung behandelt. Aus diesen Erläuterungen werden nämlich die Gründe für die Verlängerung des menschlichen Lebens und die Heilmittel gegen alle Krankheiten gewonnen. In diesem Teil findet man viele der Rätsel der Alchemisten, die bereits vorher schon behandelt worden sind. Ich bin auch auf die Entstehung der verschiedenen Körpersäfte aus den Elementen eingegangen und habe alle ihre Unterschiede beschrieben: welche [der Säfte] ungleich sind, wie sie zustande kommen und wie zwischen den Körpersäften ein Gleichgewicht hergestellt werden kann, was das geheimste aller Geheimnisse ist. Und auf welche Weise aus den Säften unbelebte Dinge entstehen und alles weitere. Insbesondere bin ich auf die Entstehung der Metalle eingegangen, weil das bei der Behandlung der sechsten Sünde des Studiums besonders gebraucht wird. Ich habe von allen [Metallen] ihre wesentlichen natürlichen Erscheinungen, Eigenschaften und Wirkungen angegeben, vor allem für Gold, weil es für meine Schilderung das beste Beispiel geboten hat. Danach habe ich diese Erläuterung mit der Heiligen Schrift und ihren Erläuterungen verglichen.997 Was ich dort über die Entstehung der Dinge geschrieben habe, gehört zu den größten und schönsten Dingen, die man wissen kann, sowohl für die spekulativen als auch für die praktischen [Wissenschaften], und hier werden die größten Geheimnisse gelöst, wenn sie nur richtig verstanden werden.

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Teil II

Deinde, revolutis peccatis studii, descendi ad remedia, ostendens per quos1, et quibus auxiliis et expensis, et quibus modis debet fieri utilitas infinita, non solum pro Vestra Beatitudine, sed si vultis, poterit tota multitudo studentium rectificari, ut per consequens ecclesia Dei et respublica fidelium dirigantur in omni bono2, per exclusionem cujuslibet mali, et quatenus procuretur3 conversio infidelium4, et obstinati magnifice reprimantur5. Et sic terminatur ­intentio Operis utriusque.6

CAPITULUM CXII. De enigmatibus alkimie [ 337]

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Quoniam vero non expressi7 sufficienter enigmata alkimie, ut promisi, ideo hic, ut scripto dignum est, et decet, intendo addere aliqua ad ea que in aliis Operibus sunt transcripta. Ceterum, cum de rebus principalibus scripsi, scilicet de celestibus, de locis mundi, de generatione inanimatorum, volo hic inserere de ceteris que omissa sunt. Secreta vero alkimie sunt maxima. Nam non solum valent ad omnem habundantiam rerum procurandam, quantum mundo sufficit, sed illud idem, quod potentius et efficacius peragent8 opera alkimie, potest in prolongatione vite humane, quantum sufficit homini. Hoc9 alkimista preparat; sed experimentator imperat hoc10 alkimiste, et novit uti eo, sicut navigator imperat carpentatori11 de navis fabricatione, et ea scit uti. 1  per quos ]  per quas vias, C. 2  dirigantur in omni bono ]  dirigatur in omne bonum, P.; et respublica dirigerentur in omne bonum, C. 3  proceretur ]  proniretur, P.; procreetur, Ta.; et quibus argumentis procu­ ra­retur, C. 4  infidelium ]  fidelium, P. 5  reprimantur ]  deprimantur, Ta.; depremantur, C.   8  peragent ]  perageret, P. 6  In Ta. wird hinzugefügt: et sic   9  Hoc ]  Hoc autem, P.; Hec autem, C. explicit. 10  hoc ]  hic, P. 7  expressi ]  scripsi, C. 11  carpentatori ]  carpentori, P. 8  peragent ]  perageret, P. 9  Hoc ]  Hoc autem, P.; Hec autem, C. 10  hoc ]  hic, P. 11  carpentatori ]  carpentori, P.

KAPITEL 112 [ 336]

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Nachdem ich so die Sünden des Studiums aufgezeigt habe, bin ich zu den Heilmitteln gekommen998 und habe gezeigt, auf welchen Wegen, durch wessen Hilfe und Ausgaben und auf welche Arten ein unendlicher Nutzen entstehen kann. Und dies gilt nicht nur für Eure Seligkeit, sondern es könnte – sofern Ihr dies wollt – auch die Gesamtheit der Studenten auf den richtigen Weg gebracht werden, die Kirche Gottes und das Gemeinwesen könnten durch den Ausschluss des Schlechten zu jedem Gut geführt werden, die Bekehrung der Ungläubigen könnte wirksam vorangetrieben und die Unwilligen könnten unterdrückt werden. Und so findet die Zielsetzung beider Werke ihren Schlusspunkt.

KAPITEL 112 Über die Rätsel der Alchemie [ 337]

[ 338]

Da ich aber die Rätsel der Alchemie nicht genügend erklärt habe, wie ich es doch versprochen hatte, so möchte ich jetzt, wie es der Anspruch dieser Schrift verlangt, einiges zu dem hinzufügen, was in den anderen Werken geschrieben worden ist. Auch will ich da, wo ich über ganz wichtige Dinge geschrieben habe, wie über die Himmelskörper, die Weltgegenden und die Entstehung des Unbelebten, noch anderes hinzufügen, was früher nicht behandelt worden ist. Denn die Geheimnisse der Alchemie sind die größten überhaupt. Sie sind nämlich nicht nur für die umfassende Verwaltung der Dinge, soweit es diese Welt betrifft, nützlich, sondern durch diese Geheimnisse können auch alle Werke der Alchemie kraftvoller und wirksamer ausgeführt werden, sodass das menschliche Leben beispielsweise in dem Maß verlängert werden kann, wie es für den Menschen möglich ist. Das bereitet nämlich der Alchemist vor, der Experimentator aber befiehlt es dem Alchemisten und weiß dessen Werke zu benutzen, so wie auch der Schiffsführer den Zimmermann in der Herstellung eines Schiffes anweist und dessen Ergebnis dann zu nutzen versteht.

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Teil II

Quoniam igitur opera hujus scientie continent maxima secreta, ita etiam ut secretum secretorum attingant, scilicet illud quod est causa prolongationis vite, ideo non debent scribi1 in aperto, ut scilicet intelligantur, nisi ab his2 qui digni sunt. Cum enim Alexander Macedo3 requisivit Aristotelem super his, et reprehenderit eum, quod hoc occultaverit ab eo, respondit princeps philosophie in libro Secretorum, quod esset fractor sigilli celestis, si hec revelaret indignis. Et ibi tacens de hujusmodi, ut occultaret legentibus, scripsit alibi ea que voluit, sed obscurissime, ita ut nullus, nisi ab ore ejus edoctus, aut alio, possit eum intelligere. Dicit enim suo loco: O Alexander, volo tibi ostendere secretorum maximum, et divina potentia4 juvet te ad celandum archanum5, et ad perficiendum propositum. Accipe igitur lapidem, qui non est lapis; et est in quolibet homine, et in quolibet loco, et in quolibet tempore; et vocatur ovum philosophorum, et terminus ovi. Divide igitur ipsum in 4, scilicet in6 terram, aquam, aerem et7 ignem. Et cum hec8 dis­ posueris, rubificabis9 et albificabis, Domino concedente. Quadriga una non portaret10 libros alkimie, quorum tamen omnium virtus in his paucis verbis continetur; et ideo est obscuritas infinita. Unde Avicenna dicit in Scientia Majoris11 Alkimie quod Aristoteles nimis occultavit hanc scientiam. Et non est mirum. Quia primo rerum majestatem minuit, qui mistica vulgat; nec manent secreta quorum turba fit conscia. Deinde stultum est asino prebere lactucas, cum ei sufficiant cardui12. 3° vulgus et capita ejus nesciunt uti rebus dignis, sed omnia convertunt in malum; nam unus malus homo, si sciret hec secreta, posset totum mundum conturbare. 1  scribi ]  scribent, W. 2  his ]  eis, P. 3  Alexander Macedo ]  Elixir Macedonicus, C. 4  potentia ]  misericordia, P. 5  archanum ]  secretum, C.   9  rubificabis ]  vivificabis, P. 6  in ]  om. P. 10  portaret ]  portarent, P. 7  et ]  om. P. 11  Majoris ]  majori, C., P. 8  hec ]  hoc, P. 12  cardui ]  cardones, C. 9  rubificabis ]  vivificabis, P. 10  portaret ]  portarent, P. 11  Majoris ]  majori, C., P. 12  cardui ]  cardones, C.

KAPITEL 112 [ 339]

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Da diese Wissenschaft die größten Geheimnisse enthält, die sich sogar bis auf die Verlängerung des Lebens erstrecken, dürfen sie nicht öffentlich gemacht werden, sodass sie jeder kennen kann, sondern sie müssen auf diejenigen beschränkt bleiben, die ihrer würdig sind. Alexander von Makedonien selbst hatte einst Aristoteles hierüber befragt und ihn getadelt, dass dieses Geheimnis vor ihm verborgen werde, woraufhin der Fürst der Philosophie in seinem Buch der Geheimnisse 999 geantwortet hatte, dass es die himmlischen Siegel brechen hieße, diese Dinge Unwürdigen zu offenbaren. Daher hat er dort von derartigen Dingen geschwiegen, damit es den Lesenden verborgen bleiben möge; er hat diese Geheimnisse aber an anderen Orten ganz verschlüsselt geschrieben, damit niemand ihn verstehen könne, wenn er nicht durch ihn selbst oder durch einen anderen mündlich belehrt werden würde. Er sagt nämlich: »O Alexander, ich will dir das größte aller Geheimnisse zeigen, und die göttliche Macht möge dir dabei helfen, das Geheime zu verbergen und das Vorgeschlagene zu erreichen. Nimm also den Stein, der kein Stein ist; er befindet sich in jedem Menschen, an jedem Ort und zu jeder Zeit; und er wird das ›Ei der Philosophen‹ genannt und der ›Endpunkt des Eies‹. Teile dieses in vier, nämlich in Erde, Wasser, Luft und Feuer. Wenn du dies vorbereitet hast, mache ihn rot und mache ihn weiß, der Herr wird dir helfen.«1000 Ein Viergespann könnte die alchemischen Bücher nicht tragen, deren ganze Macht doch in diesen wenigen Worten enthalten ist, weshalb sie von unendlicher Dunkelheit sein müssen. Daher sagt Avicenna in seiner Großen Wissenschaft der Alchemie 1001 auch, dass Aristoteles diese Wissenschaft zu sehr verdunkelt habe, was aber gar nicht verwunderlich ist. Denn erstens vermindert man die Herrlichkeit der Dinge, wenn man deren Geheimnisse öffentlich macht.1002 Außerdem ist es töricht, dem Esel Kopfsalat zu geben, wenn ihm auch Disteln reichen. Drittens können die Menge und deren Häupter die würdigen Dinge nicht benutzen, sondern sie verkehren alles ins Schlechte. Und schon ein einziger schlechter Mensch, der diese Geheimnisse wüsste, könnte die ganze Welt in Verwirrung stürzen.

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Teil II

Et ideo archana sapientie semper sunt apud sapientes occultata, et sic scripta, quod vix sapientissimi cum magno studio possunt horum noticiam investigare. Hec1 enim Deus ordinavit et inspiravit omnibus quibus dedit hec secreta; et quilibet eorum percipit2 manifeste quod non sunt communicanda propter causas dictas. Et ideo non debeo3 contra voluntatem Dei et documenta4 sapientum hec sic scribere, ut intelligantur a quo cunque. Scripsi enim5 in tribus locis Vestre Glorie de hujusmodi secretis. Nam in Secundo Opere, scripsi primo de Alkimia practica sub enigmatibus, more philosophorum, innuens6 enigmata eorum, et inserens aliqua alia secundum quod posteriores ea libertate utuntur qua priores. Deinde, multa scriptura revoluta, texui omnes7 radices Alkimie speculative, in 6to peccato studii theologie; et ibi continentur multa que valent ad intellectum precedentium, sed non sufficiunt. 3m autem scriptum misi de manu mea per Joannem, ut Vestre Glorie transcriberetur; et ibi, licet sit occultatio multiplex, tamen non est per verba enigmatica, nam illa expono multum, sed est per modum magis philosophicum et sapientialem8. Nam quia communicant9 in radicibus naturalis philosophia, medicina et alkimia, ideo simulavi me tradere radices has tanquam essent solum naturalia et medicinalia, cum tamen sunt10 alkimistica, et pro talibus ea introduxi. Et ille tractatus est valde utilis pro naturalibus et medicinalibus questionibus magnis, circa digestiones et humores, et circa multa. Sed in principio pono enigmata, et p ­ ostea expono ea per viam dictam, ita quod nullus, nisi sapientissimus, 1  Hec ]  Hoc, P. 2  et quilibet eorum percipit ]  ut quilibet eorum percipiat, C. 3  debeo ]  debes, C. 4  documenta ]  om. C. 5  enim ]  tamen, P., C. 6  innuens ]  inferens, P.; inserens, C. 7  omnes ]  om. P. 8  sapientialem ]  sapientiale, W. 9  communicant ]  communicat, P. 10  sunt ]  sint, P.

KAPITEL 112 [ 341]

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Aus diesen Gründen sind die Geheimnisse der Weisheit und deren Schriften bei den Weisen immer verborgen geblieben, sodass selbst die Weisesten unter den größten Bemühungen kaum in sie eindringen konnten. Das hat Gott selbst denjenigen befohlen, denen er diese Geheimnisse durch Inspiration gegeben hat; und jeder von ihnen wußte ganz genau, dass sie aus den genannten Gründen nicht weitergegeben werden dürfen. Daher darf auch ich diese Geheimnisse hier nicht gegen den Willen Gottes und die Anweisungen der Weisen verschriftlichen, wie jedem einsichtig sein wird. Ich habe Eurer Herrlichkeit jedoch an drei Stellen von diesen Geheimnissen geschrieben. Denn im zweiten Werk habe ich zuerst von der praktischen Alchemie geschrieben1003, in geheimer Schrift nach Art der Philosophen, indem ich ihre Zeichen benutzte und einige andere einfügte, so wie die späteren und die früheren [der Philosophen] von dieser Freiheit Gebrauch gemacht haben. Nachdem ich vieles in dieser Schrift nochmals überdacht hatte, habe ich die Grundzüge der spekulativen Alchemie bei der sechsten Sünde des Theologiestudiums1004 behandelt; und dort ist vieles enthalten, was zum Verständnis des Vorangehenden zwar beiträgt, aber nicht dazu genügt. Die dritte Schrift von meiner Hand aber schicke ich Euch durch Johannes, damit sie für Eure Herrlichkeit übertragen wird. Und dort geschieht dies trotz vielfacher Verschleierung nicht durch rätselhafte Wörter, denn ich gebe bei den Wörtern viele Erklärungen, jedoch mehr in philosophischer und weisheitstypischer Weise. Denn da die Naturphilosophie, die Medizin und die Alchemie in ihren Grundlagen miteinander in Verbindung stehen, habe ich vorgetäuscht, jene Grundlagen zu behandeln, als ob es nur um naturwissenschaftliche und medizinische Dinge ginge, obwohl es doch um Alchemie geht – und für diese habe ich die Ausdrücke hier gebraucht. Und jene Abhandlung ist für medizinische und naturwissenschaftliche Fragen äußerst nützlich, etwa zu Fragen der Verdauung und der Säfte, und für vieles andere. Aber zu Beginn setze ich rätselhafte Wörter, die ich später auf die besagte Weise erkläre, damit sie niemand, wenn er nicht sehr weise ist, verstehen

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Teil II

hec1 valeat percipere. Nunc vero intendo aliqua explicare que prius non sunt plana. Et gratis tot scripturas variavi propter duas causas. Principalis est ut Sanctitati Vestre possem aperire hec magnalia, sicut possibile est et decet ad hoc tempus. 2a est, ut ab aliis celentur. Nam vix cadent hec 4 scripta in manu alicujus; et non curo si unum, vel 2o, vel 3a videat quicunque; quia, nisi omnia 4 diligenter attendat2, nichil poterit de maximis secretis intelligere. Et quia possibile est per aliquod infortunium quod omnia 4or deveniant in manu3 alterius, ideo oportet, justo Dei judicio, et omnium sapientum consilio et exemplo, quod adhuc sic scribam quod vive voci aliqua reserventur; quia nunquam habita est completa scriptura de his, nec unquam fiet, cum non possit fieri, nisi per homines scientes hec, qui, cogente conscientia, semper occultabunt4 aliqua que necessaria sunt in hac parte. Et5 precipue necessarium est ad hoc6 tempus, propter viarum discrimina, que multipliciter sunt timenda. Etiam abhorreo scriptori, quantumcumque michi familiari et securo, tradere planum et perfectum de istis tractatum; quamvis qui hec7 scripsit sit secundum cor meum.

1  hec ]  hoc, P. 2  nisi omnia 4 diligenter attendat ]  nisi omnia 4or viderit et ea diligenter attandat, C. 3  manu ]  manus, P. 4  occultabunt ]  occultabant, C. 5  Et ]  Et hoc, P. 6  hoc ]  om. P. 7  hec ]  hoc, P.

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kann. Nun möchte ich einiges erklären, was früher nicht klar geworden ist. Ich habe bewusst so viele Schriften aus zwei Gründen gewählt: ­Jener, der mich hauptsächlich dazu bestimmte, lag darin, dass ich so Eurer Heiligkeit einen Blick auf diese ganz großen wissenschaftlichen Erkenntnisse eröffnen konnte, so gut es im Augenblick möglich und angezeigt ist. Der zweite Grund liegt darin, dass sie vor den anderen geheim bleiben. Denn diese vier Schriften werden kaum in irgendjemandes Hand fallen. Und es bereitet mir keine Sorge, wenn jemand eine oder auch zwei oder selbst drei [der Schriften] zu Gesicht bekommt. Denn wenn er nicht alle vier eingehend studiert, wird er von den höchsten Geheimnissen nichts erfassen können. Aber da es immerhin möglich ist, dass durch irgendein Missgeschick alle vier in unberufene Hände gelangen, so muss ich dem gerechten Urteil Gottes und dem Beispiel und Ratschluss aller Weisen folgend auch weiterhin so schreiben, dass noch etwas der mündlichen Erklärung vorbehalten bleibt. Denn es hat bisher niemals eine vollständige Schrift über solches gegeben; und es wird sie auch niemals geben, denn sie könnte nur durch Menschen verfasst werden, die sich darauf verstehen – und diese werden stets in Verantwortung vor ihrem Gewissen etwas verschweigen, was auf diesem Gebiet unabdingbar ist. Das ist besonders zur Zeit notwendig wegen der Gefahren unterwegs, die in vieler Hinsicht zu fürchten sind. Ferner trage ich auch Bedenken, einem Schreiber, mag er mir noch so vertraut sein und vertrauenswürdig erscheinen, den vollständigen Text über diese Dinge im Klartext zu übergeben, wenngleich derjenige, der dies geschrieben hat, meinem Herzen nahestehen mag.

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Teil II

CAPITULUM CXIII. De expositione enigmatum alkimie [ 346]

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Expositio igitur enigmatum universalis est hic primo necessaria. Dicunt igitur philosophi quod sunt corpora, spiritus1, et planete, et lapides, et multa2. Corpora vero sunt ea que ab igne non fugiunt, nec evaporant in fumum3, ut sunt metalla, et lapides proprie sum­ pti4, et alia solida. Spiritus vero dicuntur que evolant ab igne, ut argentum vivum, sulphur, sal ammoniacum5, et auripigmentum, quod est arsenicum. Planete sunt metalla, secundum quod Avicenna primo libro de Anima, id est in Scientia Alkimie Majori, dicit. Nam plumbum dicitur Saturnus; stannum, Jubiter6; ferrum, Mars; aurum, Sol; cuprum, Venus; vivum argentum, Mercurius; argentum, Luna. Quocumque modo aliter7 inveniatur scriptum in libris, est vicium scriptoris, vel translatoris, vel occultatio. Nam aliquando invenitur quod es comparatur Marti; sed falsum est. Nam es non est nisi cuprum coloratum per pulverem calamine: et similiter auricalcum et electrum fiunt de cupro per eundem pulverem, vel per pulverem8 tucie, sicut declaravi in Opere Secundo. Et argentum vivum vocatur aurum vivum, sicut sepius abutitur Avicenna isto verbo. Aurum etiam aliquando designatur per lapidem, vel corpus9 Hiberi fluminis, vel Pactoli, vel Tagi, vel alterius; quia in istis reperiuntur10 grana auri. Et quia Hybernici dicuntur ab Hybero fluvio in regno Castelle, quia ibi sederunt per 300 annos, postquam exi­verunt de Egipto, mortuo Pharaone in Mari rubro, antequam 1  spiritus ]  et spiritus, P. 2  multa ]  multa alia, C. 3  fumum ]  funum, W.; summum, P. 4  sumpti ]  sunpti, W. 5  ammoniacum ]  armoniacum, W. 6  stannum, Jubiter ]  stagnum, W., P.; Jupiter, P. 7  modo aliter ]  alio modo, P. 8  vel per pulverem ]  om. W. 9  vel corpus ]  vel per corpus, P. 10  reperiuntur ]  reperiuntur aliquando, C.

KAPITEL 113

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KAPITEL 113 Über die Erläuterung der verschlüsselten Wörter in der Alchemie [ 346]

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Zuerst ist nun eine Erläuterung der allgemeinsten verschlüsselten Wörter notwendig. Die Philosophen sagen, dass es ›Körper‹, ›Geister‹, ›Planeten‹, ›Steine‹ und viele andere Dinge gibt. ›Körper‹ sind Stoffe, die nicht vor Feuer fliehen oder verdunsten, wozu zum Beispiel Metalle, Steine und andere feste Stoffe zählen. ›Geister‹ werden Stoffe genannt, die vor dem Feuer davonfliegen [also verdampfen]. Dazu zählen zum Beispiel Quecksilber, Schwefel, Salmiak und Auripigment, was nichts anderes ist als Arsen. ›Planeten‹ sind Metalle, wie Avicenna im ersten Buch seines Werkes Über die Seele 1005 sagt, das auch unter dem Namen Große Wis­ senschaft der Alchemie bekannt ist. Für Blei sagt man ›Saturn‹; für Zinn sagt man ›Jupiter‹; für Eisen sagt man ›Mars‹; für Gold sagt man ›Sonne‹; für Kupfer sagt man ›Venus‹; für Quecksilber sagt man ›Merkur‹; und für Silber sagt man ›Mond‹. Wenn man diese Begriffe in manchen Büchern anders finden mag, handelt es sich um Fehler der Schreiber oder der Übersetzer oder einfach um eine Verdunkelung. Manchmal wird Bronze auch mit ›Mars‹ verschlüsselt, das ist aber falsch. Denn Bronze ist nichts anderes als mit Zinkweißpulver eingefärbtes Kupfer. Genauso werden auch Messing und Silbergold aus Kupfer in Verbindung mit demselben Pulver oder auch mit pulveriesiertem Tutia [Zinkoxid] gewonnen, wie ich im zweiten Werk erklärt habe. Und Quecksilber wird auch ›aurum vivum‹ [lebendiges Gold] genannt, so wie es oft von Avicenna1006 benutzt wird. Bezeichnungen, die manchmal für Gold benutzt werden, sind ›Stein‹, ›Körper des Ebro‹, ›Körper des Pactolus‹, ›Körper des Tajo‹ oder auch anderer Flüsse, in denen Goldklumpen gefunden werden. Und weil die Iren [Hybernici] von dem Fluss Ebro [Hybero fluvio] ihren Namen haben, da sie für 300 Jahre im Burgenland [Kastilien] gesiedelt hatten, nachdem sie Ägypten verlassen hatten und der Pharao im Roten Meer gestorben war, bevor der König von

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Teil II

rex Anglie dederat eis insulam Hybernie, ut historie certe narrant, ideo aurum vocatur corpus Hybernicum, vel lapis Hybernicus, vel aliquod tale. Et argentum vocatur margarita, propter coloris candorem; et unio dicitur, quia margarita et unio idem sunt, ut docet Solinus libro de Mirabilibus Mundi. Nam margarita dicitur unio, quia numquam nisi una simul et semel generatur in concha marina. Conche enim se naturaliter aperiunt ad rorem celi capiendum1; et una gutta roris recepta2, claudit se, et sua virtute coagulat guttam in unionem seu margaritam. Vocatur etiam argentum Anglia, quia ibi habundat argentum. Similiter et aurum minus rufum vocatur Anglia, quia ibi oritur. Et aurum bonum dicitur Hispania, vel Apulia, vel Polonia, vel alia regio ubi bonum aurum habundat. Rubificare vero3 est facere aurum, et albificare est facere argentum. Et convertere Saturnum in Solem, vel in Hispaniam, vel in Apuliam, vel Poloniam, est facere aurum de plumbo. Et convertere Venerem in Lunam, vel in4 Angliam, est facere argentum de cupro, quia aurum habet fieri de plumbo et argentum de cupro. Medicina, vel medicina laxativa, vocatur que, projecta in plumbum liquatum, convertit illud in aurum; et cuprum convertit in argentum. Et hoc vocatur elixir in omnibus libris. Majus opus dicitur quando fit aurum, minus quando fit argentum. Item minus opus vocatur5 quando una libra medicine convertit decem, vel 206 vel usque ad 100 libras metalli vilioris in nobilius; et majus opus est, quando tam potens est medicina quod una libra ducentas libras, vel mille, vel mille millia metalli vilioris convertit in nobilius. Et quod talis medicina sit possibilis, Avicenna et omnes attestantur. Vel majus opus dicitur quando fit operatio super partes animalis ut queratur medicina; minus7 vero, quando super arsenicum, vel 1  capiendum ]  accipiendum, P. 2 recepta ] accepta, P. 3  vero ]  om. P. 4  in ]  om. P. 5  vocatur ]  diciter, C. 6  vel 20 ]  vel 20 vel trigenta, P.; vel 30, C. 7  minus ]  Minor, C., W.

KAPITEL 113

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England ihnen die Insel Irland gegeben hatte, wie alle Geschichten ganz eindeutig erzählen, wird Gold auch manchmal ›irischer Körper‹ oder ›irischer Stein‹ genannt. Silber wird aufgrund seiner glänzenden Farbe ›Perle‹ genannt. Man sagt zu Silber auch ›Eins‹, da ›Eins‹ und ›Perle‹ dasselbe sind, wie Solinus in seinem Buch Über die Wunder der Welt 1007 lehrt. Eine Perle wird auch deshalb als ›Eins‹ bezeichnet, weil immer nur eine Perle in einer Muschel entsteht. Die Muscheln öffnen sich nämlich von Natur aus, um Tau einzufangen. Und nachdem eine Muschel einen Tautropfen erhalten hat, schließt sie sich und wandelt den Tautropfen durch ihre Kraft in eine ›Eins‹ oder auch eine ›Perle‹ um. Silber wird auch ›England‹ genannt, weil dort viel Silber vorkommt. Ebenso wird auch Weißgold oft ›England‹ genannt, weil es dort entsteht. Und richtig gutes Gold wird mit ›Spanien‹, ›Apulien‹, ›Polen‹ oder einer anderen Region benannt, wo man echtes Gold finden kann. ›Rubificare‹ [etwas rot machen] heißt in Wahrheit, Gold herzustellen und ›albificare‹ [etwas weiß machen] heißt in Wahrheit, Silber herzustellen. ›Saturn‹ in die ›Sonne‹ oder in ›Spanien‹ oder in ›Apulien‹ oder in ›Polen‹ umzuwandeln heißt, aus Blei Gold herzustellen. Und ›Venus‹ in den ›Mond‹ oder in ›England‹ umzuwandeln heißt, aus Kupfer Silber herzustellen, weil Gold aus Blei und Silber aus Kupfer gewonnen werden muss. ›Medizin‹ oder auch ›abführende Medizin‹ wird der Stoff genannt, der flüssiges Blei in Gold und flüssiges Kupfer in Silber umwandelt. Dieser Stoff wird in allen Büchern als ›Elixier‹ bezeichnet. Man sagt ›großes Werk‹, wenn Gold entsteht und ›kleines Werk‹, wenn Silber entsteht. Ebenso wird es als ›kleines Werk‹ bezeichnet, wenn ein Pfund ›Medizin‹ zehn, 20 oder auch bis zu 100 Pfund schlechte Metalle in wertvollere umwandelt; und ein ›großes Werk‹ wird ein Vorgang genannt, bei dem die ›Medizin‹ so stark ist, dass ein Pfund 200 oder 1000 oder auch mehrere 1000 Pfund minderwertiger Metalle in wertvollere umwandelt. Dass es solch eine ›Medizin‹ geben kann, bezeugen Avicenna1008 genauso wie alle anderen Autoren. Als ›großes Werk‹ bezeichnet man jedoch auch einen Vorgang, bei dem an lebenden Objekten eine ›Medizin‹ benötigt wird. Ein ›klei-

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Teil II

sulphur, vel aliud corpus1 inanimatum, vel super plura eorum, quia nunquam tam nobilis medicina potest haberi per hec inanimata sicut per2 partes animalium. Dicuntur autem lapides illa super que operatio fit in principio; sed sunt lapides non preparati, ut sunt spiritus, si super eos fiat operatio, vel partes animalium, sicut sunt sanguis, capilli et ova. Lapis vero preparatus est medicina inde3 facta, quod est ipsum elixir, potens transmutare metalla viliora in nobiliora. Et lapides herbales sunt capilli. Lapides naturales sunt ova. Lapides animales sunt sanguis, sicut Avicenna dicit primo libro de Anima. Quatuor vero elementa aliquando sumuntur proprie, sicut naturales et medici accipiunt, ut terra, aqua, aer, ignis. Et vocantur methaphorice4 4or spiritus supradicti; et 4or 5 humores; vel 46 loca mundi principalia, scilicet Oriens, Occidens, Aquilo et Auster; vel 4 tempora anni; vel 4or partes animalis7 principales, scilicet cerebrum, cor, epar, vasa generationis vel ossa: quia singula de istis rebus singulis sibi invicem respondent in complexione. Nam unus spirituum est ignee nature, et unus humor, et unus locus similiter, et unum tempus, et una de partibus animalis; et alia respondent aliis elementis per ordinem. Aliquando8 vero nomina elementorum9 transumuntur metaphorice ad humores, qui vocantur elementa per omnes libros, quia in quolibet humore unum dominatur elementum, cujus sequitur complexionem, ut manifeste apparet10. Et iterum hii11 humores habent nomina illa12 que dicta sunt13, spiritus, loca, terra14 et cetera. Sed, preter hec, habent nomina magis propria huic scientie, que posui et explicavi in 6to peccato studii15 Theologie, scilicet in gene  9  elementorum ]  horum elementorum, P. 1  corpus ]  om. P. 10  manifeste apparet ]  manifeste scitur, P.; 2  per ]  om. W. ut manifestetur, C. 3  inde ]  jam, P. 11  hii ]  om. P. 4  metaphorice ]  methace, W. 12  illa ]  alia, C. 5  et 4or ]  vel quatuor, P. 13  dicta sunt ]  dicta sunt scilicet, P. 6  4 ]  om. P. 14  terra ]  om. P. 7  animalis ]  hominis, C. 15  studii ]  om. P. 8  Aliquando ]  Aliter, P., C. 9  elementorum ]  horum elementorum, P. 10  manifeste apparet ]  manifeste scitur, P.; ut manifestetur, C. 11  hii ]  om. P. 12  illa ]  alia, C. 13  dicta sunt ]  dicta sunt scilicet, P. 14  terra ]  om. P. 15  studii ]  om. P.

KAPITEL 113

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nes Werk‹ ist es dann, wenn eine ›Medizin‹ für Arsen, Schwefel oder irgendeine andere unbelebte Substanz oder mehrere solcher Substanzen benutzt wird, weil man für solche unbelebten Dinge niemals eine so wertvolle ›Medizin‹ benutzen kann wie für Teile von belebten Dingen. ›Steine‹ werden die Stoffe genannt, aus denen das Elixier gewonnen wird; doch dies sind keine vorbereiteten Steine, ebenso wie es auch bei den ›Geistern‹ ist, wenn aus ihnen etwas gewonnen wird, oder auch bei den Teilen der Tiere, also Blut, Haare und Eier. Ein ›vorbereiteter Stein‹ ist eine hergestellte ›Medizin‹, also jenes Elixier, das minderwertige in wertvollere Metalle verwandeln kann. ›Pflanzensteine‹ sind Haare. ›Natursteine‹ sind Eier. ›Tiersteine‹ sind Blut, wie Avicenna im ersten Buch von Über die Seele 1009 lehrt. Die vier Elemente werden manchmal für sich selbst genannt, entsprechend der Benennung der Naturphilosophen und Mediziner, also: Erde, Wasser, Luft und Feuer. Im übertragenen Sinn benennen sie aber auch die vier ›Geister‹, die ich weiter oben bereits aufgezählt hatte. Sie können aber auch für die vier Körpersäfte oder für die vier Teile der Erde (nämlich Osten, Westen, Norden und Süden) oder für die vier Jahreszeiten oder für die vier grund­legenden Teile der Tiere (nämlich Gehirn, Herz, Leber und Geschlechtsteile oder auch Knochen) stehen, weil alle diese Dinge ein­ander in ihren Mischungen entsprechen. Denn einer der ›Geister‹ entspricht der Natur des Feuers, einem Körpersaft, einem Erdteil, einer Jahreszeit und einem der Teile der Tiere. Und die anderen entsprechen in geordneter Weise anderen Elementen. Manchmal werden die Namen der Elemente in übertragener Weise auf die Säfte bezogen, die in allen Büchern als ›Elemente‹ bezeichnet werden, weil in jedem Körpersaft ein Element vorherrscht, dem es in seiner Mischung vor allem folgt, wie ganz klar ist. Weiterhin haben die Körpersäfte die Namen der schon genannten Dinge, also der ›Geister‹, Erdteile usw. Doch außerdem haben sie in der Alchemie noch ganz bestimmte eigene Namen, die ich in der Erläuterung der sechsten Sünde der Theologie1010 erläutert habe; genauer gesagt an der Stelle, die sich mit dem Entstehen der Dinge aus den

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Teil II

ratione rerum ex elementis, ubi radices Alkimie speculative exposui.

CAPITULUM CXIV. De clavibus alkimie [353]

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Claves vero artis hujus vocantur operationes que fiunt1 secundum precepta hujus scientie, ut habeatur medicina que vocatur elixir2. Et hee3 claves sunt: Purificatio4, distillatio, ablutio, contritio, assatio, calcinatio, mortificatio, sublimatio, proportio5, incineratio6, resolutio, congelatio, fixio, mundificatio, liquatio, projectio. Hec enim opera sunt nota omnibus peritis in hac scientia, et libri pleni sunt his. Et quamplures alkimiste7 faciunt hec opera, sed nesciunt finem ex his elicere principalem. Et hic ordo operationum est secundum executionem, sed non secundum intentionem artificii. Ad cujus8 occultationem adduxi auctoritates Aristotelis in primo de Anima et 16° de Animalibus; et Auicenne in primo Phisicorum, et 6° Metaphisice, et alibi; quorum omnium expositio est quod ordo9 fiat secundum executionem, non secundum intentionem; quia quod est primum in intentione, est ultimum in executione, et econverso, ut patet cuilibet sapienti. Spiritus vero occultus10 in partibus animalium, vel in oleo extracto de partibus animalium, vel11 in arsenico, vel sulphure, est unus de humoribus, scilicet illud quod est sanguis in animalibus; sed non habet nomen sanguinis in aliis; et ideo cum reducitur ad materiam12 communem animatis et inanimatis, amittit nomen sanguinis, et vocatur humor calide et humide complexionis, qui fit13 1  fiunt ]  sunt, P. 2  ut … elixir ]  om. P. 3  hee ]  hec, P. 4  Purificatio ]  Putreficatio, P. 5  proportio ]  proporcionatio, C. 6  incineratio ]  incarceratio, W.; inceratio, P., C. 7  quamplures alkimiste ]  quamvis alkimiste plures, W. 8  cujus ]  om. W. 9  ordo ]  om. W. 10  occultus ]  occultatus, P. 11  vel ]  om. C., W. 12  materiam ]  naturam, P., C. 13  fit ]  sit, P.

  8  cujus ]  om. W.   9  ordo ]  om. W. 10  occultus ]  occultatus, P. 11  vel ]  om. C., W. 12  materiam ]  naturam, P., C. 13  fit ]  sit, P.

KAPITEL 114

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Elementen befasst, wo ich die Wurzeln der spekulativen Alchemie erklärt habe.

KAPITEL 114 Über die Schlüssel der Alchemie [353]

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Als ›Schlüssel‹ werden in der Alchemie solche Verrichtungen bezeichnet, die man entsprechend den Vorschriften dieser Wissenschaft ausführt, um jene ›Medizin‹ zu gewinnen, die auch ›Elixier‹ genannt wird. Diese Schlüssel sind: Reinigung, Destillation, Ablution, Kontrition, Assation, Kalzination, Mortifikation, Sublimation, Proportion, Incineration, Resolution, Kongelation, Fixation, Mundifikation, Liquidation und Projektion. Diese Verrichtungen sind allen bekannt, die sich in dieser Wissenschaft auskennen, und auch die Bücher sind voll davon. Auch wenn viele Alchemisten diese Werke ausführen, kennen sie doch das grundlegende Ziel nicht, zu dem sie damit gelangen können. Diese Ordnung der Verrichtungen ist hier entsprechend den Ausführungen, nicht aber entsprechend der Absicht dieser Kunst aufgezählt worden. Zu deren Verbergung hat mich nämlich die Autorität von Aristoteles im ersten Buch von Über die Seele 1011 und im 16. Buch von Über die Tiere 1012 ebenso geführt wie Avicenna im ersten Buch der Physik 1013, im sechsten Buch der Metaphysik 1014 und andernorts. Alle gehen in ihren Ausführungen nämlich so vor, dass die Ordnung entsprechend der Ausführung, nicht aber entsprechend der Absicht, aufgestellt wird; denn was der Absicht nach zuerst ist, kommt ganz am Ende in der Ausführung und umgekehrt, wie ­jedem Weisen klar ist. Der ›geheime Geist‹ ist bei den Teilen der Tiere oder in dem Öl, das aus ihnen gewonnen wird, oder in Arsen und Schwefel einer der Säfte, nämlich das, was in den Tieren das Blut ist. Doch bei den anderen Substanzen hat es nicht den Namen ›Blut‹. Wenn man es daher für die Materie benutzt, die den belebten und den unbelebten Dingen gemeinsam ist, benutzt man nicht die Bezeichnung ›Blut‹, sondern nennt sie den ›Saft der warmen und feuchten Mischung‹.

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Teil II

in animalibus sanguis, et in quem corrumpitur sanguis, quando transmutatur a calore1 suo et reducitur ad naturam originalem istius humoris, que invenitur in omnibus rebus. Medicinam vinculis detineri est2 eam figi, ne ab igne evolet, et hoc est principale in hoc3 artificio. Nam si evolet in vaporem, non potest convertere vilius metallum in nobilius. Unde quando investigare se dicunt vincula quibus medicina teneatur, volunt querere modos4 quibus figatur, id est quod non fugiat ab igne per vaporem. Principalia igitur enigmata hec sunt que5 exposui, per que possunt omnia alia intelligi; et volo de cetero uti eis, ut hic est necesse. Pluribus autem modis fiunt Sol et Luna per artificia6; uno7 modo ex Mercurio et sulphure, sicut fiunt per naturam in ventre terre, quia omnia metalla fiunt ex eis8, secundum quod exposui in Opere 2° evidenter. Sol igitur9 fit ex Mercurio vivo purissimo et ex sulphure optimo; sed oportet hec mundari10 usque ad illum gradum ad quem natura pertingit in visceribus terre: et sic de aliis11. Alii vero laborant in solo Mercurio, ut convertatur in Lunam et Solem. Nam bene vident quod convertitur in Saturnum; quia mortificant Mercurium in Saturno; et ipsum mortificatum ponunt cum thure et sarcacolla, et fit plumbum. Et ideo laborant ut sic12, per aliquas res admixtas, faciant Lunam et Solem, quia qua ratione13 potest14 fieri Saturnus per artificium ex Mercurio, et alia metalla similiter, cum Mercurius sit materia omnium metallorum. 1  calore ]  colore, P. 2  est ]  et, P. 3  hoc ]  isto, P. 4  modos ]  nodos, C. 5  que ]  que jam, P., C. 6  artificia ]  artificium, P. 7  uno ]  Nam uno, P. 8  eis ]  illis, P., C. 9  igitur ]  ergo, P., C. 10  mundari ]  emendare, C. 11  aliis ]  argento, P., C. 12  laborant ut sic ]  et sic laborant, W. 13  quia qua ratione ]  Et qua ratione, P., C. 14  potest ]  possunt, C.

KAPITEL 114

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In den Tieren ist dies das Blut, das in ihnen auch verderben kann, wenn es seiner Wärme beraubt und auf die originäre Natur dieses Saftes zurückgeführt wird, der in allen Dingen gefunden wird. ›Eine Medizin in Ketten zu halten‹ bedeutet, sie so beständig zu machen, dass sie durch Feuer nicht verdampfen kann, was in dieser Kunst äußerst wichtig ist. Denn wenn sie sich in Dampf auflösen würde, könnte sie minderwertige Metalle nicht in wertvollere umwandeln. Wenn [die Alchemisten] bei ihren Versuchen also über Ketten sprechen, durch die eine Medizin gehalten wird, versuchen sie herauszufinden, mit welchen Methoden man sie in einem beständigen Zustand erhalten kann, damit sie sich nicht durch Feuer in Rauch auflöst. Was ich hier erläutert habe, sind die grundlegenden Schlüsselbegriffe, durch die alle anderen Vorgänge verstanden werden können und die ich weiterhin benutzen möchte, wo es notwendig sein wird. ›Sonne‹ und ›Mond‹ können durch die Werke [der Alchemie] auf viele Arten gewonnen werden. Eine Weise, Sonne und Mond herzustellen, besteht darin, sie aus Merkur und Schwefel zu gewinnen, da sie – ebenso wie alle anderen Metalle auch – so durch die Natur im Schoß der Erde entstehen, wie ich im zweiten Werk 1015 klar dargelegt habe. Sonne entsteht aber nur aus reinstem lebendigen Merkur und dem besten Schwefel, die man solange reinigen muss, bis sie einen Reinheitsgrad erreicht haben, der ungefähr dem gleichkommt, in dem diese Metalle in den Adern der Erde gefunden werden. Dies gilt übrigens auch für alle anderen Metalle. Andere arbeiten daran, nur Merkur in Mond und Sonne umzuwandeln, da sie sehen, dass Merkur in Saturn transformiert werden kann, indem man Merkur in Saturn mortifiziert. Dieser mortifizierten Substanz fügen sie dann Weihrauch und persisches Gummi hinzu, um Blei zu gewinnen. Auf diesem Weg gehen sie weiter, um so durch das Hinzufügen und Mischen mit anderen Stoffen Mond und Sonne herzustellen, denn es ist aus guten Gründen gewiß, dass Saturn ebenso wie andere Metalle aus Merkur gewonnen werden kann, da Merkur ein Stoff ist, der sich in allen ­Metallen befindet.

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Teil II

Sunt vero aliqui falsarii qui reddunt bene Mercurium malleabilem et bene coloratum, sicut veram Lunam1, et habens2 pondus Lune, et funditur sicut Luna; sed cum ponitur in igne, non rubescit sicut ipsa. Sunt etiam alii sophiste, qui habent aquas albificantes et rubificantes3, de quibus docetur in libro de Aquis, qui est notus, et mundificant et sublimant spiritus, scilicet arsenicum, et salem armoniacum, et alios, et purificant Venerem4 et Saturnum per aquas dictas, et liquant Saturnum et Venerem, et projiciunt spiritus mundificativos5 in ea, et sic albificant illa, et rubificant; ita quod illi qui sunt subtiles in hoc artificio faciunt metalla ita similia Soli et Lune, quod ad oculum discerni non possunt, nec ad tactum cotis, per quem probatur Sol, nec per pondus, nec per fusionem unam, nec duas, nec tres; sed tantum potest6 fundi et purgari per modos quos scripsi in Opere Secundo, de purificatione auri et argenti, ita7 quod colorem amittant8 et redeant ad naturam propriam Veneris et Saturni. Alii accipiunt 4or elementa, que vocantur aqua vite, et humor aereus, et virtus ignea, et calx, de quibus scripsi in loco suo, et calcem Saturni, et calcem Solis, et Mercurium sublimatum; et ponunt duo pondera de calce, et tria9 de aqua vite, et tot de humore aereo, et unum pondus et dimidium de virtute ignea, et medium10 pondus Mercurii, et complent Solem11, quem desiderant. Similiter pro Luna accipiunt tria de calce, duo de aqua vite, et tot de humore aereo, et medium pondus Mercurii. Quidam vero accipiunt sola 4or elementa, et in pondere equali, et illi non solum credunt facere de Sole quantum12 volunt, sed repu1  veram Lunam ]  vera luna, W. 2  habens ]  om. C. 3  rubificantes ]  om. P. 4  Venerem ]  venerent, W. 5  mundificativos ]  mundificatos, P. 6  potest ]  possunt, C. 7  ita ]  om. P., W., C. 8  amittant ]  amittunt, P. 9  tria ]  tercia, C. 10  medium ]  unum, C. 11  complent Solem ]  complent solent, W.; complet solem, P. 12  quantum ]  quod, C.

KAPITEL 114 [ 359]

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Es gibt auch einige Betrüger, die Merkur äußerst trickreich so formen und farblich gestalten, dass es wie Mond aussieht. Dieser Stoff hat auch das Gewicht und die Festigkeit von Mond, doch wenn man ihn ins Feuer wirft, nimmt er nicht die Röte von Mond an. Es gibt auch noch eine andere Art von Schwindlern, die weißende und rötende Wasser benutzen, deren Herstellung im bekannten Buch von den Wassern1016 erläutert wird. Dafür reinigen und sublimieren sie die Geister: nämlich Arsen, Salmiak und andere. Dann reinigen und verflüssigen sie Venus und Saturn durch die genannten Wasser und geben reinigende Geister hinzu, wodurch sie geweißt und gerötet werden. Dadurch erschaffen in dieser Kunst versierte Menschen Metalle, die Sonne und Mond so ähnlich sind, dass man sie durch den bloßen Augenschein nicht von diesen unter­scheiden kann; und auch der Wetzstein, durch den die Echtheit von Sonne normalerweise geprüft wird, führt hier ebenso wenig weiter wie die Überprüfung des Gewichts oder mehrmaliges Schmelzen. Aber dennoch kann man diese Metalle mit den Methoden, die ich in meinem zweiten Werk 1017 über die Reinigung von Gold und Silber beschrieben habe, so weit reinigen, dass sie ihre Farbe verlieren und zur Natur von Venus und Saturn zurückkehren. Wieder andere Fälscher nehmen die vier Elemente, die als ›Lebenswasser‹ bezeichnet werden, sowie die Feuchtigkeit der Luft, die Kraft des Feuers und Kalk, also alles Stoffe, über die ich bereits am dafür rechten Ort bereits geschrieben hatte. Sie fügen dann Kalke von Saturn und Sonne und sublimierten Merkur hinzu. Sie verwenden im richtigen Verhältnis zueinander zwei Pfund Kalk, drei Pfund Lebenswasser und ebenso viele Pfund der Feuchtigkeit der Luft, eineinhalb Pfund der Kraft des Feuers und ein halbes Pfund Merkur, um die Sonne zu erschaffen, die sie sich wünschen. Um Mond herzustellen, benutzen sie drei Pfund Kalk, zwei Pfund Lebenswasser, ebenso viele Pfund der Feuchtigkeit der Luft und ein halbes Pfund Merkur. Einige nehmen auch nur die vier Elemente, die sie in gleichem Verhältnis miteinander mischen. Daraus glauben sie nicht nur, so viel Sonne herstellen zu können, wie sie wollen, sondern sie sind auch

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Teil II

tant se pervenire ad materiam primam, de qua Aristoteles dicit 9o Metaphisice, quod ex aceto non fit vinum, nec ex mortuo vivum, nisi fiat resolutio1 ad materiam primam. Hec igitur nunc sufficiant. Nam habetur hic tota philosophorum intentio. Et per hec, cum aliis que scripsi, potest Vestra Sapientia cum sapiente2 conferre, et omnem convincere fraudulentum. finitur 2m opus fratris Rogeri Bacon.3

1  resolutio ]  reductio alias resolutio, C. 2  cum sapiente ]  cum omni sapiente, P. 3  finitur 2m opus fratris Rogeri Bacon. ]  P. lässt den Kolophon weg und setzt den Text fort mit: Hic incipit magnus tractatus et nobilis: De rerum natura­ lium generatione, etc.; in C ebenfalls kein Kolophon.

KAPITEL 114

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der Ansicht, auf diesem Weg zur ersten Materie gelangen zu können, von der Aristoteles im neunten Buch der Metaphysik 1018 sagt, dass aus Essig niemals Wein noch aus etwas Totem etwas Lebendes werden kann, wenn man sie nicht bis zur ersten Materie auflöst. Doch mag das hier nun genügen. Denn hierin ist die gesamte Ansicht der Philosophen nun erklärt. Mit diesem Werk und den anderen von mir verfassten Schriften kann Eure Weisheit mit jedem Weisen diskutieren und gegen jeden Betrüger ankommen. Damit endet das zweite Werk des Bruders Roger Bacon.

A NM ER K U NGEN

1  So die Beschreibung im Inhaltsverzeichnis des MS Tiberius C v der Cotton Collection (British Library). 2  In Brewers Edition mit abgedruckt und dem Opus tertium voran­ gestellt. Der Brief des Papstes an Roger Bacon findet sich ursprünglich in: Thesaurus Novus Anecdotorum, hg. v. Edmond Martène O. S. B. u Ursin Durand O. S. B., Bd.  2, Paris 1717, Epistola CCCXVII, S.  358 (auch online verfügbar). 3  Zur Entstehungsgeschichte des Opus tertium siehe: Eugenio Massa, »Roger Bacons Werke für Papst Clemens IV. Textkritische Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte von Opus maius, Opus minus und Opus ter­ tium«, in: Roger Bacon in der Diskussion, hg. v. Florian Uhl, 2 Bde., Frankfurt  /  Main 2001/2002, Bd.  2, S.  13–100. 4  Diese bekannte Antithese Weisheit – Beredsamkeit findet sich schon bei Augustinus: Die christliche Bildung, übers., komment. u. mit einem Nachwort vers. v. Karla Pollmann, Stuttgart 2002, IV, 5, 18, S.  153 f. 5  Vgl. Cicero, Orator, lat.-dt., hg. v. Bernhard Kytzler, München / Zürich 1988, 21, 69, S.  57; Augustinus, Die christliche Bildung, a. a. O., IV, 12, 27, S.  172. 6  Vgl. Augustinus, Die christliche Bildung, a. a. O., IV, 17, 34, S.  83. 7  Gemeint ist das Opus maius. – Siehe: Roger Bacon, Opus maius, 3 Bde., hg. v. John H. Bridges, Oxford 1897–1900; eine englische (aber mit Vorsicht zu lesende) Gesamtübersetzung liegt vor: The Opus majus of Roger Bacon, 2. Bde., hg. u. übers. v. Robert B. Burke, Philadelphia 1928; deutsche Teilübersetzung: Opus maius. Die Neubegründung der Wissenschaft: Opus maius Teile I, II, und VI, Brief an Papst Clemens IV; Brief über die geheimen Werke der Natur und der Kunst, über. v. Nikolaus Egel u. Katharina Molnar, hg. v. Nikolaus Egel, Hamburg 2017; Teilübersetzung des siebenten Teils des Opus maius auf Deutsch: Opus majus. Eine moralphilosophische Auswahl, lat.-dt., hg. u. übers. v. Pia A. Antolic-Piper, Freiburg / Basel / Wien 2008. 8  Gemeint ist das Opus minus. – Vgl. Roger Bacon, Opus minus, in: Fr. Rogeri Bacon, Opera quaedam hactenus inedita, hg. v. John S.  Brewer, London, S.  313–389. 9  Hiermit ist stets das Opus minus gemeint. 10  Seneca, De Beneficiis. Über die Wohltaten, in: Philosophische Schriften, lat.-dt., 5. Bde., hg. v. Manfred Rosenbach, Bd.  5, Darmstadt 1989, VII, I, 5, S.  527.

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Anmerkungen

11  Vgl. Aristoteles, Metaphysik, übers. u. hrsg. v. Franz F. Schwarz, Stuttgart 1970, 993 b 10, S.  52. 12 Das Opus minus. 13  Das hier vorliegende Opus tertium. 14  Vgl. Marcus Tullius Cicero, Danksagung an den Senat, in: ders., Die politischen Reden, lat.-dt., 3 Bde., übers. u. erl. v. Manfred Fuhrmann, München 1993, Bd.  2, S.  38–81. 15  Der nun folgende Brief ist insgesamt dem »Brief an Papst Clemens IV.« sehr ähnlich, der wahrscheinlich dem Opus maius vorangestellt war. Die folgenden Abschnitte (bis § 15) sind mit dem Beginn des Einleitungsbriefes in das Opus maius nahezu wörtlich identisch. – Vgl. Roger ­Bacon, Brief an Papst Clemens IV., in: ders., Brief an Papst Clemens IV. Opus maius: Teile I, II und VI. Brief über die geheimen Werke der Natur und der Kunst, hg. u. übers. v. Nikolaus Egel, Hamburg 2017, S.  5–54. 16  Vgl. Augustinus, Die christliche Bildung, a. a. O., II, 40, 60, 144, S.  97 f. 17  Vgl. Cicero, Tusculanae disputationes. Gespräche in Tusculum, lat.dt., übers. u. hg. v. Ernst Alfred Kirfel, Stuttgart 1997, I, 12, 26, S.  60 f. 18  Die Stelle findet sich bei: Solinus, Collectanea rerum memorabilium. Wunder der Welt, lat.-dt., hg. u. übers. v. Kai Brodersen, Darmstadt 2014, Praefatio, 4, S.  16. 19  Vgl. Alanus ab Insulis, De planctu naturae. Die Klage der Natur, lat.dt., übers., hg. u. komm. v. Johannes B. Köhler, Münster 2013, Prosa 5, S.  136. 20  Publilius Syrus, Sententiae. Sprüche, lat.-dt., hg. v. Hermann Beckby, München 1969, I, 10, S.  32: »Iucundum nil est, nisi quod reficit varietas.« (»Der Freuden schönste Quelle ist der Wechsel« In: ebd., S.  33). – Wurde für eine Sentenz von Seneca gehalten, stammt aber tatsächlich aus der Überlieferung des Publilius Syrus. 21  Vgl. Aristoteles, Physikvorlesung, übers. v. Hans Wagner, in: Aristoteles. Werke in deutscher Übersetzung, begr. v. Ernst Grumach, hrsg. v. Hellmut Flashar, Bd.  11, Berlin 51995, 247 b 25–31, S.  203 f. (zweite Fassung)). 22  Vgl. Aristoteles, Über Schlafen und Wachen, in: ders., Kleine naturwissenschaftliche Schriften (Parva naturalia), übers. u. hg. v. Eugen Dönt, Stuttgart 1997, S.  101–115. 23  Aristoteles, Vom Himmel. Von der Seele. Von der Dichtkunst, übers. u. hg. v. Olof Gigon, München 1983, 433 a 9 ff., S.  340 f. 24  Gregor der Große, Homiliarum xl. in evangelia, in: Sancti Gregorii Papaei cognomento Magni, Opera omnia (= PL 76), Turnhout o. J., II, 30, 1, 1220: »Probatio ergo dilectionis, exhibitio est operis«. 25  Boethius, De hypotheticis syllogismis, lat.-ital., hg. u. übers. v. Luca Obertello, Brescia 1969, I, 1, S.  204.

Anmerkungen

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26  Seneca, Epistulae morales ad Lucilium. Briefe an Lucilius, lat.-dt., hg. u. übers. v. Gerhard Fink, Düsseldorf 2007, VI, 4, S.  27. 27  Anonymus, Collatio, in: Alexander der Große und die »nackten Weisen« Indiens. Der fiktive Briefwechsel zwischen Alexander und dem Brahmanenkönig Dindimus, hg. v. Marc Steinmann, Berlin 2012, I, 2, S.  129. 28  Vgl. Platearius, De febribus, in: Ioannis Serapionis, Opus totius medicine practice, hg. v. Octavianus Scotus, Venedig 1530, f. 169 r. 29  Sallust, Bellum Iugurthinum. Über den Krieg gegen Jugurtha, in: ders., Werke, lat.-dt., hg. u. übers. v. Werner Eisenhut u. Josef Lindauer, Zürich 21994, 64. 6. 30  Siehe: Publilius Syrus, Sententiae. Sprüche, a. a. O., E, 3, S.  26 f. 31  Seneca, De beneficiis. Über die Wohltaten, a. a. O., I, 7, 2. 32  Die Sentenz, auf die Bacon hier anspielt, ist wahrscheinlich dem mittelalterlichen Gedicht »vetula« entnommen, von dem man im Mittel­a lter meinte, es sei von Ovid verfasst worden. Heute wird es aber Richard de Fournival (um 1246–160) zugeschrieben. Er scheint dieses Zitat jedoch von Statius’ Thebais übernommen zu haben. – Siehe dazu: Roger Bacon, Compendium Studii Theologiae. Compendium of the Study of Theology, hg. u. übers. v. Thomas S.  Maloney, Leiden u. a. 1988, S.  121, Anm. 7; die Passage bei Statius lautet (in: Statius, Thebais, hg. v. Alfred Klotz, Leipzig 1908, I, 322–323): »spes anxia mentem / extrahit et longo consumit gaudia voto.« (»Angst und Hoffnung benebeln den Sinn, er nimmt schon in endlosem Wünschen alle Freuden vorweg.« In: Publius Papinius Statius, Der Kampf um Theben, eingel., Übers. u. Anm. v. Otto Schönberger, Würzburg 1998, S.  28). 33  Die Sentenz bezieht sich nach Bacon auf: Sprüche 13, 12. 34  Die Konstitution, auf die sich Roger Bacon hier bezieht, ist jene des Generalkapitels zu Narbonne von 1260, das Bonaventura einberufen hatte. Der Text besagt: »Item inhibemus ne de cetero aliquid scriptum novum extra ordinem publicetur, nisi prius examinatum fuerit diligenter per generalem ministrum vel provincialem et definitores in capitulo provinciali; et quicumque contra fecerit, tribus diebus tantum in pane et aqua ieiunet et careat illo scripto.« (»Auch verbieten wir, daß in Hinkunft irgendeine neue Schrift außerhalb des Ordens publiziert wird, wenn sie nicht zuvor sorgfältig vom Generalminister oder vom Provinzial und den definitores im Provinzialkapitel geprüft wurde. Und wer immer dagegen verstößt, soll drei Tage bei Wasser und Brot fasten und der Schrift verlustig gehen.« In: Eugenio Massa, Roger Bacons Werke für Papst Clemens IV. Textkritische Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte von Opus maius, Opus mi­ nus und Opus tertium«, a. a. O., S.  16. Dort auch weiterführende Angaben.)

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Anmerkungen

35  Vgl. Eugenio Massa, »Roger Bacons Werke für Papst Clemens IV. Textkritische Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte von Opus maius, Opus minus und Opus tertium«, a. a. O., S.  13. 36  Albertus Magnus. 37  Wilhelm von Sherwood (zw. 1200 u. 1210  – zw. 1266 u. 1272). – Siehe: J. P. Beckmann, Artikel ›Wilhelm v. Sherwood‹, in: Lexikon des Mittel­ alters, a. a. O., Bd.  9, Sp.  189. 38  Teil fünf des Opus maius. – Siehe die moderne Edition: Roger Bacon and the Origins of Perspectiva in the Middle Ages. A critical Edition and Translation of Bacon’s Perspectiva with Introduction and Notes, hg. v. David C. Lindberg, Oxford 1996. 39  Cicero, Tusculanae disputationes. Gespräche in Tusculum, a. a. O., II, 1, 1, S.  153. 40  Vgl. Aristoteles, Physikvorlesung, a. a. O., 184 a 22–a 27. 41  Vgl. Aristoteles, Nikomachische Ethik, übers. v. Franz Dirlmeier, mit Anm. vers. v. Ernst A. Schmidt, Stuttgart 2003, 1105 a 7–1105 a 13, S.  39. 42  Bacon meint hier, dass die meisten beim fünften Postulat Euklids [Parallelenaxiom], das besonders schwierig ist, die Flucht ergreifen. 43  Der Teil des Opus maius, der von der Mathematik handelt. – Siehe: Roger Bacon, Opus maius, hg. v. John H. Bridges, 3 Bde., London u. a. 1897– 1900. Bd.  1, Teil IV, S.  97–404 [116–418]. – Die Seitenzahlen, die im Folgenden nicht mit Klammern angegeben werden, beziehen sich immer auf die lateinische Edition des Opus maius von John H. Bridges. Die Teile I, II und VI des Opus maius werden in meiner deutschen Übersetzung angegeben. Die Seitenzahlen der übrigen Teile des Opus maius werden in eckige Klammern gesetzt und beziehen sich auf die englische Übersetzung von Robert B. Burke. 44  Leichte lateinische Verballhornung von Avicennas lateinischem Namen: Abū Alī al-Husain ibn Abdullāh ibn Sīnā. 45  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  3, S.  36–79; Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  103–156. 46  Vgl. ebd., S.  53–67; Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  125–141. 47  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  3, Teil I, S.  1–35; Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  57–101. 48  Auf die »vier Gründe des Irrtums« geht Bacon im Opus minus nicht ein. Er meint hier wahrscheinlich die »sieben Sünden der Theologie«, welche er im Opus minus ausführlich diskutiert. Diese sind: 1. Die Vorrangstellung der Philosophie gegenüber der Theologie, 2. Unkenntnis der Wissenschaften, die in der Theologie die beste Hilfe leisten können (die alten Sprachen Hebräisch und Griechisch, Mathematik, Optik, Ethik, scientia

Anmerkungen

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experimentalis, Alchemie), 3. Die Theologen kennen nicht einmal in zureichender Weise die vier Wissenschaften, die sie benutzen (ausführliche Kritik an Alexander von Hales u. Albertus Magnus), 4. Der Text der Sen­ tenzen des Petrus Lombardus wird im Theologiestudium der Bibel vorgezogen, 5. Der in Paris gebräuchliche Bibeltext ist entstellt, 6. Aus Unkenntnis der alten Sprachen (Hebräisch, Griechisch) gibt es in der Bibel unzählige falsche Wörter, die den Literalsinn der Bibel entstellen, 7. Unkenntnis des Literal- und Spiritualsinns der Bibel aus Unkenntnis der Eigen­schaften der Dinge (und hierfür brauche man, meint Bacon, ganz besonders die anderen »neuen« Wissenschaften). – Vgl. Roger Bacon, Opus minus, a. a. O., S.  322–359. 49  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  3, S.  80–125 [75–115]. 50  Vgl. Isidor von Sevilla, Die Enzyklopädie, übers. u. mit Anm. vers. v. Lenelotte Möller, Wiesbaden 2008, III, 27, 1, S.  141. 51  Vgl. ebd., III, 71, 39, S.  154. 52  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  239 ff. [261 ff.] 53  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  3, S.  13–14, S.  26–31; Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  74 f., S.  90–96. 54  Vgl. Numeri 12, 1–2. 55  Hier bezieht sich Bacon vor allem auf zwei Briefe Augustinus’ an Hieronymus, Brief 28 und Brief 71, in denen Augustinus die Übersetzung des Buches Hiob von Hieronymus aus dem hebräischen Originaltext kritisiert, weil die Übersetzung von der griechischen Septuaginta-Übersetzung (der große Autorität zukam) abweicht. – Vgl. Augustinus, Brief 28, in: Augus­ tinus – Hieronymus, Briefwechsel. Epistulae mutuae, lat.-dt., übers. u. eingel. v. Alfons Fürst, 2 Bde., Turnhout 2002, Bd.  1, 28, 2, S.  102; Brief 71, in: ebd., 71, 3, S.  162 f. 56  Hieronymus hat durch seine Übersetzung die lateinische Fassung der Bibel geschaffen, die sich ab der Karolingerzeit in der lateinischen Kirche durchsetzte und 1546 vom Konzil von Trient als offizieller Bibeltext der katholischen Kirche approbiert wurde. Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts trägt diese Übersetzung die Bezeichnung Vulgata. – Vgl. C. B. Tkacz, Labor tam utilis. The creation of the vulgate, in: Vigiliae Christianae 50, 1996, S.  42–72. 57  Bekannte Legende im Mittelalter. – Vgl. Wolfgang Speyer, Die Legende von der Verbrennung der Werke Papst Gregors I., in: Ders, Frühes Christentum im antiken Strahlungsfeld. Ausgewählte Aufsätze I, Tübingen 1989, S.  86–90. 58  Bacon bezieht sich hier auf die wiederholten Lehrverbote der aristotelischen Schriften an der Pariser artes-Fakultät von 1210 und 1215, die

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Anmerkungen

durch Papst Gregor den X. im Jahr 1231 zwar gelockert, aber nicht aufgehoben worden waren. Diese Verbote gipfelten in den Verurteilungen des Jahres 1277 an der Pariser Universität durch den damaligen Pariser Bischof Étienne Tempier. – Siehe hierzu: Fernand van Steenberghen, Aristotle in the West. The Origins of Latin Aristotelianism, Louvain 1955; Kurt Flasch, Aufklärung im Mittelalter? Die Verurteilung von 1277, Mainz 1989; Kurt Flasch u. Udo Reinhold Jeck, Das Licht der Vernunft. Die Anfänge der Aufklärung im Mittelalter, München 1993; zu Bacons Rolle: Robert Steele, ­Roger Bacon and the State of Science in the Thirteenth Century, in: Studies in the History and Method of Science, Bd.  2, hg. v. Charles Singer, Oxford 1921, S.  121–150. 59  Siehe Anm. 53. 60  Gemeint ist Albertus Magnus. Zum Verhältnis zwischen Roger Bacon und Albertus Magnus siehe: Jeremiah Hackett, The Attitude of Roger Bacon to the scientia of Albertus Magnus, in: Albertus Magnus and the Sciences, hg. v. James A. Weisheipl, Toronto 1980, S.  52–73; Franco Alessio, Introduzzione a Ruggero Bacone, Bari 1985, S.  18–22. 61  Vgl. Roger Bacon, Opus minus, a. a. O., S.  322–359; OT, S.  X LVII  ff. 62  Vgl. ebd., S.  325 ff. 63  Alexander von Hales. – Vgl. Roger Bacon, Opus minus, a. a. O., S.  326. 64  Siehe Anm. 46. 65  Robert Grosseteste (1170–1253). – Vgl. J. McEvoy, Art. ›Robert Grosseteste‹, in: Lexikon des Mittelalters, 10 Bde., Stuttgart 1977–1999, Bd.  7, Sp.  905–907. 66  Vgl. J. Gruber u. a., Art. ›Boethius, Anicius Manlius Torquatus Severinus‹, in: Lexikon des Mittelalters, a. a. O., Bd.  2, Sp.  308 ff. 67  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  3, S.  80–125 [75–115]. 68  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  3, S.  80–125 [75–115]. 69  Vgl. Roger Bacon, Opus minus, a. a. O., S.  325 ff. 70  Vgl. ebd., S.  330. 71  Vgl. ebd., S.  349. 72  Albertus Magnus. 73  Vgl. Colette Jeudy, Art. ›Priscianus‹, in: Lexikon des Mittelalters, a. a. O., Bd.  7, Sp.  218–219. 74  Vermutlich handelt es sich hierbei um Johannes Tinmulhensis (John of Tynemouth, gest, 1221), Mathematiker und Geometer. Sicherheit gibt es für diese Zuschreibung jedoch nicht. – Vgl. Wilbur R. Knorr, »John of Tynemouth alias John of London: Emerging Portrait of a Singular Medieval Mathematician«, in: British Journal for the History of Science 23, 1990, S.  293–330. – George Molland diskutiert diese Identifizierung jedoch kri-

Anmerkungen

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tisch, in: George Molland, »Roger Bacon’s Knowledge of Mathematics«, in: Roger Bacon and the Sciences, a. a. O., S.  151–174, S.  158 f. 75  Petrus Peregrinus de Maricourt, vollendete am 8. August 1269 seine Abhandlung De magnete. – Siehe: A. Radl, Art. ›Petrus Peregrinus‹, in: Lexikon des Mittelalters, a. a. O., Bd.  6, Sp.  1980; Erhard Schlund O. F. M., Petrus Peregrinus von Maricourt: sein Leben und seine Schriften (ein Beitrag zur Roger Baco-Forschung), in: Archivum Franciscanum historicum 4, 1911, S.  436–455; Petrus Peregrinus de Maricourt, Opera, hg. v. Loris Sturlese u. Ron B. Thomson, Pisa 1995. – Vgl. auch: George Molland, »­Roger Bacon’s Knowledge of Mathematics«, in: Roger Bacon and the Sciences, a. a. O., S.  159. 76  Campanus von Novara (um 1210–1296). – Siehe: E. Neuenschwander, Art. ›Campanus v. Novara‹, in: Lexikon des Mittelalters, a. a. O., Bd.  2, Sp.  1421–1422; Campanus of Novara and medieval planetary theory: Theorica planetarum, hg. u. übers. v. Francis S.  Benjamin, Madison 1971. – Vgl. auch: George Molland, Roger Bacon’s Knowledge of Mathematics, in: Roger Bacon and the Sciences, a. a. O., S.  160 f. 77  Vielleicht handelt es sich hierbei um Nicholaus Grecus, ein Mitglied des Zirkels um Robert Grosseteste. – Vgl. auch hier: George Molland, ­Roger Bacon’s Knowledge of Mathematics, in: Roger Bacon and the Sciences, a. a. O., S.  162. 78  Gemeint ist wahrscheinlich Amaury de Montfort, der Sohn von Simon de Montfort. – Vgl. ebd., S.  162. 79  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  97 ff. [S. 116 ff.]. 80  Vgl. Roger Bacon, Opus minus, a. a. O., S.  318–320; S.  357–359. 81  Wahrscheinlich ist hier Petrus von Maricourt gemeint. 82  Vgl. hierzu: Eustace F. Bosanquet, English Printed Almanacks and Prognostications. A Bibliographical History to the Year 1600, London 1917. 83  Vgl. Aristoteles, Metaphysik, a. a. O., 980 a 21 ff., S.  17. 84  Gemeint ist Albertus Magnus. Siehe S.  61. 85  Siehe David C. Lindberg, Roger Bacon and the Origins of Perspectiva in the Middle Ages: A Critical Edition and English Translation of Roger Bacon’s Perspectiva, Oxford 1996. 86  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  109–127 [128–147]. 87  Siehe David C. Lindberg, Roger Bacon’s Philosophy of Nature: A Critical Edition, with English Translation, Introduction, and Notes, of De mul­ tiplicatione specierum and De speculis comburentibus, Oxford 1983. 88  Eine Übersetzung der Einleitungskapitel des zweiten Buches des Ka­ non der Medizin liegt vor: Konrad Goehl, Avicenna und seine Darstellung der Arzneiwirkungen, Baden-Baden 2014.

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Anmerkungen

89  Vgl. Pseudo-Galen, De dinamidiis liber, in: Quartus tomus operum Galeni. In quo insunt in Hippocratis De victus Ratione in morbis acutis libros, necnon in eiusdem Chirurgica & Aphorismos Commentarii, hg. v. Konrad Gesner, Lyon 1550, S.  875 (unter dem Titel: De chalco ecau­meno). 90  Vgl. Avicenna, Liber canonis, Venedig 1507 [Nachdruck Hildesheim 1964], Lib. I, Fen I, Doct. 4, Cap. 5. – Es gibt eine frei im Internet zugängliche englische Übersetzung des ersten Buches des Liber canonis: Avicenna, A treatise on the Canon of medicine of Avicenna, hg. u. übers. v. Oskar C. Gruner, London 1930. Die Stelle über Galen: siehe dort, S.  87. 91  Vgl. Roger Bacon, Opus minus, a. a. O., S.  359 ff. 92  Vgl. Pseudo-Avicenna, De anima in arte alchemiae, in: Artis Chemicae Principes, Avicenna atque Geber, hg. v. Mino Celsi, Basel 1572, S.  1–471. – Vgl. zum Verhältnis Bacons zu dieser alchemistischen Schrift auch: Sébastian Moureau, Elixir atque Fermentum: New investigations about the link between Pseudo-Avicenna’s alchemical De anima and Roger Bacon: Alchemical and medical doctrines, in: Traditio 68, 2013, S.  277–323. 93  Vgl. Le De anima alchimique du pseudo-Avicenne, hg. u. übers. v. Sébastian Moureau, 2 Bde., Florenz 2016. 94  Vgl. hier: Kap.  112 f., S.  951 ff. 95  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  2, S.  167–222; Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  157–228. 96  Vgl. ebd., Bd.  2, S.  172–201; Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  163– 201. 97  Vgl. ebd., Bd.  2, S.  175–178; Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  168– 171. 98  Vgl. Aristoteles, Meteorologie. Über die Welt, übers. v. Hans Strohm, Berlin 1970. 99  Vgl. Anm. 75. 100  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  2, S.  204–213; Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  204–217. 101  Der Text De dispositione sphaerae ist kein Werk von Ptolemäus. Es handelt sich hierbei um die Almagesti minoris libri VI (bisher noch nicht ediert), auch Almagestum parvum genannt, eine Einführung in den Almagest, die auf Geminus von Rhodos’ Buch Einführung in die Phänomene zurückgeht, das im 12. Jahrhundert von Gerhard von Cremona übersetzt worden war. – Vgl. David Woodward u. Herbert M. Howe, Roger Bacon on Geography and Cartography, in: Roger Bacon and the sciences, a. a. O., S.  199–222, S.  207, Anm. 25; Eine englische Übersetzung des Textes von Geminus liegt vor: Geminos’s Introduction to the Phenomena: A Transla-

Anmerkungen

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tion and Study of a Hellenistic Survey of Astronomy, hg. u. übers. v. James Evans u. J. Lennart Berggren, Princeton 2006. 102  Hiermit ist die »astrologia judiciaria« gemeint, also die praktische Astrologie. 103  Vgl. Gratian, Decretum sive Concordia discordantium canonum, hg. v. Emil Friedberg, Leipzig 1879–1881 [Nachdruck Graz 1959], P. II, C. XXVI, Quae. II, Ca. 6 f., S.  1021 ff. – Vgl. zu Gratian: H. Zapp, Art. ›Gratianus‹, in: Lexikon des Mittelalters, a. a. O., Bd.  4, Sp.  1658. 104  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  3, S.  28–32; Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  92–98. 105  Siehe den Traktat »De speculis comburentibus« von Roger Bacon, in: Ders., Roger Bacon’s Philosophy of Nature, a. a. O., S.  271–341. 106  Vgl. Plinius, Naturalis historia, lat.-dt., hg. u. übers. v. Gerhard Winkler u. Roderich König, 32 Bde., Düsseldorf / Zürich 1973–2004, Bd.  8, 17, 44, S.  44 f. 107  Magister Petrus von Maricourt. 108  Vgl. Avicenna, Liber canonis, a. a. O. Lib. 1, Fen. 1, Doct. 1, S.  4; ders., A treatise on the Canon of medicine of Avicenna, a. a. O., S.  25. 109  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teil VII: Moralis philosophia, hg. v. Eugenio Massa, Padua 1953; vgl. auch mit deutscher Übersetzung (in Auswahl): Roger Bacon, Opus maius. Eine moralphilosophische Auswahl, lat.-dt., eingel., übers. u. hg. v. Pia A. Antolic-Piper, Freiburg i. Br. 2008, S.  81–108. 110  Der ganze zweite Teil des Opus maius ist eine »Genealogie« zum Verhältnis zwischen Theologie und Philosophie. – Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Teil II, S.  36–79; Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  103– 156. 111  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teil VII: Moralis philosophia, a. a. O., I, Kap.  3, S.  14–17 [Antolic-Piper, S.  99–101]. 112  Vgl. Abu Maschar (Albumasar), Liber introductorii maioris ad scientiam judiciorum astrorum, 9 Bde., hg. v. Richard Lemay, Neapel 1995, Bd.  8, S.  256–264. 113  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teil VII: Moralis philosophia, a. a. O., II, S.  39–42 [Antolic-Piper, S.  109–115]. 114  Vgl. Cicero, De Finibus Bonorum et Malorum. Das höchste Gut und das schlimmste Übel, lat.-dt., hg. v. Alexander Kabza, München 1960, V, 4, S.  345 f. 115  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teil VII: Moralis philosophia, a. a. O., III, S.  45–184 [Antolic-Piper, S.  117–127]. 116  Vgl. Aristoteles, Nikomachische Ethik, a. a. O.

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Anmerkungen

117  Vgl. Seneca, De Ira. Über den Zorn, in: Lucius Annaeus Seneca, Philosophische Schriften, lat.-dt., 5 Bde., übers. u. hg. v. Manfred Rosenbach, Darmstadt 22011, Bd.  1, S.  95–311. 118  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teil VII: Moralis philosophia, a. a. O., IV, S.  187–243 [Antolic-Piper, S.  129–165]. 119  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  253 ff. [276 ff.]. 120  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teil VII: Moralis philosophia, a. a. O., V, S.  247–263 [Antolic-Piper S.  167–189]. 121  Vgl. Augustinus, Die christliche Bildung, a. a. O., IV, 6, 9, 25, S.  155. 122  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teil VII: Moralis philosophia, a. a. O., VI, S.  267 [Antolic-Piper, S.  191]. 123  Vgl. Aristoteles, Physikvorlesung, a. a. O., 200 a 7–10. 124  Vgl. Pseudo-Boethius, De Disciplina Scholarium, hg. v. Olga Weijers, Leiden 1976, I, 8, S.  95 f. 125  Vgl. Weisheit 1, 4. 126  Vgl. Algazel, Logica et philosophia, Kap.  2, hg. v. Walter A. Koch, Hildesheim u. a. 2001, a 2. 127  Das Werk Ciceros De re publica ist erst im Jahr 1820 auf einem Palimpsest in der Vatikanischen Bibliothek gefunden worden. – Vgl. Cicero, De re publica. Vom Gemeinwesen, lat.-dt., übers. u. hg. v. Karl Büchner, Stuttgart 1979, S.  3. 128  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teil VII: Moralis philosophia, a. a. O., III, Dist. 3 f., S.  72–184. – Siehe zu Roger Bacons Verhältnis zu Seneca: Daniele Crivelli, Libertà e Interiorità: Seneca una fonte per la Filosofia Morale di Ruggero Bacone, in: Les philosophies morales et politiques au Moyen Age, hg. v. B. Carlos Bazán u. a., New York u. a. 1995, S.  837–843; Jeremiah Ha­ ckett, Roger Bacon on Magnanimity and Virtue, in: Les philosophies morales et politiques au Moyen Age, hg. v. B. Carlos Bazán u. a., New York u. a. 1995, S.  367–377; Thomas Ricklin, Seneca der Minderbruder. Die Réécriture einer moralischen Herausforderung durch Roger Bacon und Johannes von Wales und ihr frühhumanistischer Epilog, in: Ethik – Wissenschaft oder Lebenskunst? Modelle der Normenbegründung von der Antike bis zur Frühen Neuzeit, hrsg. von Sabrina Ebbersmeyer und Eckhard Keßler, Münster 2007, S.  51–74. 129  Siehe Kapitel 3, S.  31  f. 130  Dass es sich bei dem Boten Johannes um Petrus Johannis Olivi gehandelt haben könnte, zeigte jüngst:: Jeremiah Hackett, Bacon and his First Interpreter, the Anonymus Iuvenis Iohannes, in: Vedere nell’ombre: studi su natura, spiritualità e scienze operative offerti a Michela Pereira, hg. v. Cecilila Panti u. Nicola Polloni, Florenz 2018, S.  179–192.

Anmerkungen

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131  Vgl. 1. Korinther 4, 4. 132  Vgl. Aristoteles, Nikomachische Ethik, a. a. O., 42 a 12–16, S.  165. 133  Vgl. Aristoteles, Von der Seele, a. a. O., 427 a 17, S.  325 f. 134  Die wichtigsten Stellen zum Streitgespräch zwischen Petrus und Simon dem Magier sind: Apostelgeschichte 8, 9–24; Petrusakten, in: Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, hg. v. Edgar Hennecke, Bd.  2, Evangelische Verlagsanstalt Berlin 1966, S.  177–220; Pseudoklementinische Homilien, hg. u. übers. v. Jürgen Wehnert, Göttingen 2010. 135  Vgl. Alberto Ferreiro, Simon Magus in Patristic, Medieval and Early Modern Traditions, Leiden 2005. 136  Vgl. Cicero, Cato maior. De senectute, lat.-dt., hg. v. Max Faltner, München 1963, VI, 17–20, S.  27–29. 137  Vgl. Hiob 12, 12. 138  Vor dem Eintritt in den Franziskanerorden. 139  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, IV, S.  175 ff. [195 ff.]. 140  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  57 ff. 141  Vgl. Aristoteles, Metaphysik, a. a. O., VII, 3, 1029 b 3, S.  168. 142  Vgl. James McEvoy, Art. ›Robert Grosseteste‹, in: Lexikon des Mittelalters, 10 Bde., Stuttgart 1977–1999, Bd.  7, Sp.  905–907. 143  Vgl. L. Ott, Art. ›Adam v. Marsh‹, in: Lexikon des Mittelalters, a. a. O., Bd.  1, Sp.  109. 144  Vgl. Seneca, Briefe an Lucilius, in: ders., Philosophische Schriften, a. a. O., Bd.  4, 94, 54, S.  446 f. 145  Vgl. Aristoteles, Nikomachische Ethik, a. a. O., IV, 2, 1120 b, S.  72. 146  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  57 ff. 147  Seneca, Briefe an Lucilius, a. a. O., Bd.  4, 123, 6, S.  836 f. 148  Anonymus, Der apokryphe Briefwechsel zwischen Seneca und Paulus, lat.-dt., eingel. u. übers. v. Alfons Fürst u a., Tübingen 2006, Ep. XIV, S.  35. 149  Vgl. Hieronymus, Commentariorum in Esaiam libri XVIII (= CCSL 73 u. 73 A), 2 Bde., hg. v. Marcus Adriaen, Turnhout 1963, Bd.  1, III, 7, S.  50. 150  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  103–156. 151  Vgl. ebd., S.  105 ff. 152  Von der Beziehung zwischen paganer Bildung und Christentum handelt das ganze zweite Buch der christlichen Bildung des Augustinus. – Siehe insbesondere: Augustinus, Die christliche Bildung, a. a. O., II, 40, 60, 144, S.  97 f. 153  Vgl. zu diesem Thema den gesamten Brief des Hieronymus: Epistula LXX, Ad Magnum, oratorem urbis Romae, in: Sancti Eusebii Hieronymi Epistulae. Pars I, Epistulae I–LXX (= CSEL 54), hg. v. Isidor Hilberg, Leip-

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Anmerkungen

zig 1910, S.  700–708; Deutsche Übersetzung: Hieronymus, Brief 70, An den Redner Magnus. Über den Gebrauch der heidnischen Literatur, in: Ausgewählte Schriften des heiligen Hieronymus, Bd.  1, hg. u. übers. v. Peter Leipelt, Kempten 1872, S.  406–414. 154 Im Opus maius (II, 4, S.  44 [113]  ) nennt Bacon die betreffenden Passagen: Beda Venerabilis, De templo, in: ders., De tabernaculo. De templo. In Ezram et Neemiam, in: Opera exegetica 2 A (= CCSL 119 A), hg. v. D. Hurst, Turnhout 1969, I, 2, 1–3, S.  148 ff. (Englische Übersetzung: Bede, On the temple, übers. u. m. Anm. vers. v. Seán Connolly, Liverpool 1995, S.  6 ff.); ders., In regum librum XXX Quaestiones, in: Bedae Venerabilis Opera, Pars II, 2: In primam partem Samuhelis libri III, In regum librum XXX Quaestiones, (= CCSL 119), hg. v. D. Hurst, Turnhout 1962, S.  289–322, 30, S.  320 ff. (Englische Übersetzung: Bede, Thirty questions on the Book of Kings, in: ders., A Biblical Miscellany, übers. u. hg. v. W. Trent Foley u. Arthur G. Holder, Liverpool 1999, S.  81–144, S.  136 ff.). 155  Vgl. Aristoteles, Von der Seele, a. a. O., III, 4–5, 429 a 10 ff. 156  Vgl. G. Jüssen, Art. ›Wilhelm v. Auvergne‹, in: Lexikon des Mittel­ alters, a. a. O., Bd.  9, Sp.  162–163. 157  Aristoteles, Von der Seele, a. a. O., 430 a 10, S.  333. 158  Ebd., 430 a 10. 159  Die falsch übersetzte Stelle ist wahrscheinlich Aristoteles, Über den Himmel, a. a. O., III, 8, 306 a 22. 160  Vgl. Aristoteles, Meteorologie, a. a. O., III, 2, 372 a 21, S.  77. 161  Vgl. die Übersetzung des Abschnittes über den Regenbogen aus Avicennas Sufficientiae: Avicennas Lehre vom Regenbogen nach seinem Werk al Shifa, hg. u. übers. v. Max Horten und Eilhard Wiedemann, in: Meteorologische Zeitschrift 30, 1913, S.  533–544. 162  Vgl. Averroes, Aristotelis Meteorologicum Expositione, in: Aristotelis Opera cum Averrois Commentariis, Venedig 1562 [Nachdruck Frankfurt  /  Main 1962], Bd.  V: Aristotelis De Coelo, De Generatione & Corruptione, Meteorologicorum, De Plantis, III, 3, S.  457 K. 163  Vgl. Avicenna, Liber sufficientiae. Prologus, in: Alexandre Birkenmajer, Avicennas Vorrede zum »Liber sufficientiae« und Roger Bacon, in: Revue néo-scolastique de philosophie 41, 1936, S.  308–320, S.  318. 164  Vgl. Aristoteles, Von der Seele, a. a. O., 430 a 10. 165  Vgl. Aristoteles, Physikvorlesung, a. a. O., II, 1, 193 a 28–193 b 12, S.  34. 166  Vgl. ebd., IV, 3, 210 a 14–a 24, S.  79. 167  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  36–79; Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  103–156.

Anmerkungen

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168  Vgl. den Beginn des zweiten Teils des Secretum secretorum, der Ratschläge für eine gesunde Lebensführung enthält. Dort wird davon gesprochen, dass Gott die medizinischen Methoden für eine gesunde Lebensweise zuerst den Propheten und Heiligen überliefert hätte, die sie dann die Philosophen gelehrt hätten. (In: Roger Bacon, Secretum secretorum cum glossis et notulis, in: Opera hactenus inedita Rogeri Baconi, hg. v. Robert Steele, Bd.  5, Oxford 1920, S.  64; eine ähnliche Stelle auch ebd., S.  98). – Ein in diesem Zusammenhang sehr aufschlussreicher Kommentar von Bacon im Secretum sei zitiert: »Sciendum ergo quod infideles philosophi non invenerunt hanc scientiam nec alias partes Mathematice, ut Geometriam et Arithmeticam, nec alias sciencias, set Deus dedit eas suis sanctis et justis Hebreis, a quibus omnes philosophi infideles habuerunt omnium scienciarum principia, ut dicit capitulo primo secunde partis hujus libri.« (»Man muss daher wissen, dass die ungläubigen Philosophen diese Wissenschaft [die Astronomie] nicht entwickelt haben, ebenso wenig wie andere Teile der Mathematik, wie die Geometrie und die Arithmetik oder die anderen Wissenschaften. Denn es ist vielmehr so, dass Gott sie seinen heiligen und gerechten Hebräern gegeben hat, von denen alle ungläubigen Philosophen die Anfangsgründe der Wissenschaften erhalten haben, wie es im ersten Kapitel des zweiten Teils dieses Buches heißt.« [Übers. N. E.] In: ebd., S.  62 Anm. v. Roger Bacon). 169  Unter dem Namen oracula Sibyllina ist eine Sammlung in Hexameter abgefasster Pseudoorakel überliefert, mit den Büchern 1–8 und 11– 14 in etwa 4230 Versen. – Vgl. Jörg-Dieter Gauger, Sibyllinische Weissagungen, griech.-dt., Düsseldorf / Zürich 1998; Liliana Rosso Ubigli, Art. Sibyllinen, in: Theologische Realenzyklopädie 31, Berlin 2000, S.  240–245; Alois Rzach, Art. Sibyllen, Sibyllinische Orakel, in: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Band II A,2, Stuttgart 1923, Sp.  2073–2183. 170  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teil II, 8, S.  123 f. 171  Robert Grosseteste. 172  Adam Marsh. 173 Das Corpus Iuris Canonici ist eine Sammlung von römisch-katholischem Kirchenrecht, die im Mittelalter nach und nach geschaffen wurde. 174  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  2, S.  172–202; Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  163–203. 175  Vgl. Genesis 9, 11–17, als Zeichen des Bundes. 176  Vgl. zu dieser Prophezeiung: Friedrich Baethgen, Der Engelspapst: Idee und Erscheinung, Leipzig 1943.

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Anmerkungen

177  Cicero, Pro M. Marcello oratio, in: Marcus Tullius Cicero, Die Prozessreden, Bd.  2, lat.-dt., hg., übers. u. erl. v. Manfred Fuhrmann, Darmstadt 1997, § 25, S.  669. 178  Vgl. Seneca, De tranquilitate animi. Über die Ausgeglichenheit der Seele, in: Seneca, Philosophische Schriften, a. a. O., Bd.  2, XVII, 4–5, S.  168 f. 179  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teil VII: Moralis philosophia, a. a. O., III, 8, 7, S.  182. 180  Es ist nicht klar, auf welches Werk sich Bacon hier bezieht. Vielleicht sein stets angedachtes »scriptum principale«, für das selbst das Opus maius nur eine Vorbereitung sein sollte. Dieses Werk ist von Bacon nie ausgeführt worden. 181  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, Teil III, S.  80–125 [75–115]. 182  Laut Raphael Loewe und Heinrich Denifle könnte es sich hierbei um Wilhelm de la Mare handeln. – Vgl. Raphael Loewe, The Medieval History of the Latin Vulgate, in: The Cambridge History of the Bible, hg. v. Geoffrey W. H. Lampe, Cambridge 1969, S.  102–154, S.  150; Heinrich Denifle, Die Handschriften der Bibel-Correctorien des 13. Jahrhunderts, in: Archiv für Literatur und Kirchengeschichte des Mittelalters 4, Berlin 1888, S.  263–311, S.  471–601, S.  298. 183  Vgl. Hieronymus, Prologus hieronymi in Danihele propheta, in: Biblia Sacra iuxta Vulgatam versionem, hg. v. Robert Weber OSB, Stuttgart 5 2007, S.  1341. 184  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  3, S.  91 [85 f.]. 185  Vgl. ebd., S.  90 [83]  . 186  Vgl. Hieronymus, Brief 57, in: Des heiligen Kirchenvaters Eusebius Hieronymus ausgewählte Briefe, übers. v. Ludwig Schade, 2. Briefband, München 1937, 5, S.  272; Hieronymus, Vorwort zu Eusebius, in: Eusebius Werke, Die Chronik des Hieronymus, hg. v. Rudolf Helm, Berlin 1956, S.  4, Z. 4–14. 187  Gerhard von Cremona (ca. 1114–87). – Siehe: E. Meyer, Artikel ›Gerhard v. Cremona‹, in: Lexikon des Mittelalters, a. a. O., Bd.  4, Sp.  1317–1318. 188  Michael Scotus (geb. vor 1200, gest. um 1235). – Siehe: S.  Ackermann, Artikel ›Michael Scotus‹, in: Lexikon des Mittelalters, a. a. O., Bd.  6, Sp.  606–607. 189  Alfredus Anglicus (Lebensdaten ungewiss, zwischen 1170 u. 1250). – Siehe: M. Bauer, Artikel ›Alfredus Anglicus‹, in: Lexikon des Mittel­a lters, a. a. O., Bd.  1, Sp.  410. 190  Hermannus Alemannus (gest. 10. Nov. 1272). – Siehe: C. H. Lohr, Artikel ›Hermannus Alemannus‹, in: Lexikon des Mittelalters, a. a. O., Bd.  4, Sp.  2170–2171.

Anmerkungen

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191  Wilhelm von Moerbeke (ca. 1215–1286). – Siehe: M.-A. Aris, Artikel ›Wilhelm v. Moerbeke‹, in: Lexikon des Mittelalters, a. a. O., Bd.  9, Sp.  175– 176. 192  Bacon bezieht sich hier auf die Schlacht bei Benevent vom 26. Februar 1266 zwischen Manfred von Sizilien und Karl I. von Anjou, in der Manfred gefallen ist. 193  Pseudo-Aristoteles, De Plantis, in: Nicolai Damasceni De Plantis libri duo, Aristoteli vulgo adscripti, hg. v. Ernst H. F. Meyer, Leipzig 1841, S.  23 f. 194  Vgl. S.  157. 195  Vgl. Weisheit 4, 3. 196  Vgl. Augustinus, Die christliche Bildung, II, a. a. O., II, XII, 18, 42, S.  60. 197  Vgl. Hieronymus, Commentariorum in Esaiam Libri, a. a. O., 5, 19, 14. 15. 198  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  3, S.  83 f. [77 f.]. 199  Vgl. Roger Bacon, Opus minus, a. a. O., S.  344–347. 200  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  221 ff. [243 ff.]. 201  Vgl. Roger Bacon, Opus minus, a. a. O., S.  330. 202  Vgl. Anm. 180. 203  Vgl. Priscian, Institutionum grammaticarum, hg. v. Martin Hertzius, Hildesheim / New York 1981 [Nachruck Leipzig 1855]. 204  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, Teil IV, 16, S.  210 ff. [232 ff.]. 205  Vgl. Roger Bacon, Opus minus, a. a. O., S.  349. 206  Das Werk »De seminibus scripturarum« wurde Joachim von Fiore zugeschrieben, wurde aber um 1205 in Bamberg verfasst. Roger Bacon ist der Erste, von dem wir wissen, dass er diesen Text zitiert. – Vgl. den Eintrag im Repertorium »Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters« der Bayerischen Akademie der Wissenschaften: De semine scripturarum, http:// www.geschichtsquellen.de/repOpus_01973.html. – Der Text ist noch nicht ediert, Auszüge in: Franz Pelster, Ein Elogium Joachims von Fiore auf Kaiser Heinrich II. und seine Gemahlin, Liber Floridus. Festschrift P. Lehmann, St. Ottilien 1950, S.  343–353. – Vgl. zu Bacon und diesem Text: Emmett R. Daniel, Roger Bacon and the »De seminibus scripturarum«, in: Mediaeval Studies 34, 1972, S.  462–467. 207  Vgl. Avicenna, De natura animalium [De animalibus], in: ders., Opera, 2 Bde., Venedig 1508 [Nachdruck Frankfurt  /  Main 1961], Bd.  1, Buch 8, Kap.  7, S.  40 v. 208  Vgl. Avicenna, Liber de anima sive sextus de naturalibus (= Avicenna Latinus), hg. v. S.  van Riet, 2 Bde., Leiden 1968–1972, Bd.  2, IV, 4, S.  65 f.

988

Anmerkungen

209  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, Teil IV, S.  374. 210  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  394 f. [410 f.]. 211  Vgl. David C. Lindberg, Roger Bacon’s Philosophy of Nature: A Critical Edition, with English Translation, Introduction, and Notes, of De mul­ tiplicatione specierum and De speculis comburentibus, Oxford 1983. 212  Vgl. vertiefend: Karen M. Fredborg, Roger Bacon on »Impositio vocis ad significandum«, in: English Logic and Semantics: From the End of the Twelfth Century to the Time of Ockham and Burleigh, hg. v. H. A. G. Braakhuis u. a., Nijmegen 1981, S.  167–191. 213  Siehe zur Semiotik von Roger Bacon: Roger Bacon, Summulae dialectices, in: Les Summulae dialectices de Roger Bacon, I-II De termino, De Enuntiatione; III De argumentatione, hg. v. Alain de Libera, in: Archives d’histoire doctrinale et littéraire du Moyen Age 53, 1986, S.  139–289; Archives d’histoire doctrinale et littéraire du Moyen Age 54, S.  171–278; Roger Bacon, De signis, hg. v. Jan Pinborg u. a., in: Traditio 34, 1978, S.  75–136. Der Text ist übersetzt mit sehr guter Einleitung: Roger Bacon, On Signs (Opus maius, Part 3, Chapter 2), hg. u. übers. v. Thomas Maloney, Toronto 2013; Roger Bacon, Compendium of the study of Theology, hg. u. übers. v. Thomas Maloney, Leiden u. a. 1988. – Vgl. einführend auch die folgende Sekundärliteratur: Kenneth Howell, Two aspects of Roger Bacon’s semiotic theory in De Signis, in: Semiotica 63, 1987, S.  73–81; Irène Rosier-Catach, Roger Bacon und die Grammatik, in: Roger Bacon in der Diskussion, a. a. O., Bd.  2, S.  101–142; Alain de Libera, Roger Bacon und die Logik, in: ebd., S.  143–174. 214  Vgl. Augustinus, Die christliche Bildung, a. a. O., II, I, 1–4. 215  Siehe zu dem im Mittelalter bekannten Zeichenbeispiel des Weinkreises bei Bacon: Roger Bacon, Compendium of the Study of Theology, a. a. O., S.  106, § 127; siehe auch: Stephan Meier-Oeser, Die Spur des Zeichens. Das Zeichen und seine Funktion in der Philosophie des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Berlin / New York 1997, S.  61 f. 216  Vgl. Augustinus, Die christliche Bildung, a. a. O., S.  46–148. 217  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, Teil IV, S.  97–403 [116– 418]. 218  Vgl. Alhazen, Opticae thesaurus Alhazeni arabis libri septem nunc primum editi, hg. v. Friedrich Riesner, Basel 1572, Lib. 2, Prop.13, S.  33. 219  Vgl. Boethius, Commentaria in Topica Ciceronis, in: Manlii Severini Boetii Opera Omnia (= PL 64), Paris 1891, Sp.  1043 B. 220  Vgl. Cicero, Topica. Die Kunst, richtig zu argumentieren, lat.-dt., hg., übers. u. erl. v. Karl Bayer, München 1993. 221  Vgl. Boethius, Commentaria in Topica Ciceronis, in: Manlii Severini Boetii Opera Omnia, a. a. O., Sp.  1048 B.

Anmerkungen

989

222  Vgl. Alhazen, Opticae thesaurus Alhazeni arabis libri septem nunc primum editi, a. a. O., Lib. 2, Prop.13, S.  33. 223  Vgl. Aristoteles, Nikomachische Ethik, a. a. O., V, 10, 34 b 25 ff. 224  Vgl. hierzu: Boethius von Dacien, Modi significandi sive quaestiones super Priscianum Maiorem, hg. v. Jan Pinborg u. a. (=Corpus Philosophorum Danicorum Medii Aevi, Bd.  4), Kopenhagen 1969; vgl. auch: Angela Beuerle, Sprachdenken im Mittelalter. Ein Vergleich mit der Moderne, Berlin / New York 2010, S.  308 f. 225  Vgl. Aristoteles, Nikomachische Ethik, a. a. O., 1142 a 12–18, S.  165. 226  Vgl. Flavius Josephus, Jüdische Altertümer, übers. u. eingel. v. Heinrich Clementz, Wiesbaden 32011, I, 3, 9, S.  24. 227  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  97–108 [116–127]. 228  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  109 f. [128 f.]. 229  Vgl. auch Roger Bacon, De multiplicatione specierum, in: Roger Bacon’s Philosophy of Nature, a. a. O., Teil I, Kap.  1, S.  2–4. 230  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  111 ff. [131 ff.]. 231  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  114 ff. [133 ff.]. 232  Petrus von Maricourt. – Vgl. Kap.  13, S.  97. 233  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  117 [135 f.]. 234  Vgl. ebd., S.  117 [136]. 235  Vgl. ebd., S.  117 ff. [136 ff.]. 236  Vgl. Aristoteles, Von der Seele, a. a. O., II, 7, 418 b 20. 4 237  Vgl. Augustinus, Der freie Wille, Paderborn 1972, III, 16, S.  131. 238  Vgl. Aristoteles, Topik, in: Ders., Philosophische Schriften, 5 Bde., hg. u. übers. v. Eugen Rolfes, Bd.  2, Hamburg 1995, 134 b, S.  110. 239  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  119 ff. [139 ff.]. 240  Vgl. S.  97. 241  Vgl. S.  893. 242  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  123 ff. [143 ff.]. 243  Vgl. Roger Bacon, De multiplicatione specierum, in: Roger Bacon’s Philosophy of Nature, a. a. O. 244  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  127 ff. [148 ff.]. 245  Vgl. Augustinus, Über den Wortlaut der Genesis, 2 Bde., übers. u. hg. v. Carl Johann Perl, Paderborn 1961, Bd.  1, II, 3, 6, S.  43. 246  Vgl. Petrus Comestor, Scolastica Historia (= CCCM 191), hg. v. Agneta Sylwan, Turnhout 2005, Liber Genesis 4, 1058 A, S.  11. 247  Vgl. Pseudo-Aristoteles, De causis proprietatum et elementorum, hg. v. Stanley Vodraska, University of London 1969, Sec. 10, S.  159 [online unter: https://www.academia.edu/4795885/Pseudo-Aristoteles_De_causis_ proprietatum_et_elementorum].

990

Anmerkungen

248  Vgl. Averroes, Aristotelis de Coelo libri Quatuor, in: Aristotelis Opera cum Averrois Commentariis, a. a. O., Bd.  5, II, 3, 2, Comm. 49 E-H, S.  131 r-v. – Vgl. hierzu auch mit weiterführender Literatur: Edward Grant, Planets, Stars and Orbs: The Medieval Cosmos, 1200–1687, Cambridge 1994, S.  395 f. 249  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  132 ff. [153 ff.]. 250  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  133 [154]  ; PseudoAristoteles: De Plantis, in: Nicolai Damasceni De Plantis libri duo, Aristoteli vulgo adscripti, hg. v. Ernst H. F. Meyer, Leipzig 1841, II, 7, S.  36. – Vgl. auch: Alfred of Sareshel’s Commentary on the Pseudo-Aristotelian De plantis: A Critical Edition, hg. v. R. James Long, in: Medieval Studies 47, 1985, S.  125–167, S.  157 f. 251  Vgl. den Bericht von Plinius über die Hyperboreer, auf den Bacon sich hier bezieht: Plinius, Naturalis historia, a. a. O., IV, 26, 89, S.  176. 252  Vgl. Avicenna, De natura animalium [De animalibus], a. a. O., Liber 10, S.  44 v.; dort nicht zu finden. – Avicenna wird zu demselben Thema ebenso erwähnt in: Albertus Magnus, De natura loci, hg. v. Paul Hossfeld, Aschendorff 1980 (= Alberti Magni Opera omnia, Bd.  5, 2), I, 6, S.  11; auch bei Roger Bacon in: Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  136. Dort wird das erste Buch von Avicennas De animalibus genannt, auch dort ist die Stelle aber nicht zu finden. 253  Vgl. Avicenna, Liber canonis, a. a. O., L. 1, Fen. 2, Doct. ii, Kap.  8 254  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  136 [157]. 255  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  139 ff. [160 ff.]. 256  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  143 ff. [164 ff.]. 257  Vgl. zu dieser ganzen nun folgenden Thematik über den Hylemorphismus: Theodore Crowley, Roger Bacon. The Problem of the Soul in his Philosophical Commentaries, Louvain 1950, S.  81–118. 258  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  145 f. [166 f.]. 259  Vgl. Aristoteles, Physikvorlesung, a. a. O., I, 7, 190 b 18–b 29, S.  25. 260  Vgl. die Diskussion in: Aristoteles, Metaphysik, a. a. O., VII (Z), 8, 1033 a 24 ff. 261  Vgl. Avicenna, Die Metaphysik Avicennas, übers. u. erl. v. Max Horten, Halle / New York 1907, I, 5, S.  44 ff. 262  Vgl. Aristoteles, Metaphysik, a. a. O., VII (Z), 3, 1028 b 32 ff. 263  Vgl. ebd., VII, 13, 1039 a 4–9, S.  197. 264  Vgl. Aristoteles, Von der Seele, a. a. O., II, 1, 413 a 8–9, S.  287. 265  Vgl. Aristoteles, Metaphysik, a. a. O., VII, 13, 1039 a 4–9, S.  197. 266  Vgl. ebd., VII, 8, 1033 b 29 ff. 267  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  145 f. [166 f.].

Anmerkungen

991

268  Vgl. Aristoteles, Metaphysik, a. a. O., VII, 13, 1039 a 4–9, S.  197. 269  Vgl. die Prinzipiendiskussion von Aristoteles in: Physikvorlesung, a. a. O., I, 7, 189 b 30 ff. 270  Vgl. Aristoteles, Metaphysik, a. a. O., V, 28, 1024 b 9 ff., S.  151. 271  Vgl. Aristoteles, Physikvorlesung, a. a. O., IV, 9, 217 a 21 ff., S.  107. 272  Vgl. Averroes, Aristotelis Metaphysicorum Libri XIIII Cum Averrois in eosdem Commentariis, in: Aristotelis Opera cum Averrois Commentariis, Venedig 1562 [Nachdruck Frankfurt  /  Main 1962], 9 Bde., Bd.  8, S.  300 L. 273  Siehe zur Materie bei Bacon mit weiterführender Literatur: Anna Rodolfi, Dicitur materia propriissime et strictissime. Roger Bacon and the Ontological Status of Matter, in: Roger Bacon’s Communia Naturalium. A 13th Century Philosopher’s Workshop, hg. v. Paola Bernardini u. Anna Rodolfi, Florenz 2014, S.  83–102; Michela Pereira, Remarks on materia naturlis, in: Roger Bacon’s Communia Naturalium, a. a. O., S.  103–138. 274  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  148 ff. [169 ff.]. 275  Vgl. ebd., S.  151 f. [172 f.]. 276  Vgl. Aristoteles, Über Werden und Vergehen, hg. u. übers. v. Thomas Buchheim, Hamburg 2011, I, 1–2, 314 a 1–317 a 32. 277  Vgl. Aristoteles, Vom Himmel, a. a. O., III, 2, 300 b 9–301 a 23. 278  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  151 f. [172 f.]. 279  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  152 ff. [173 ff.]. 280  Vgl. ebd., S.  157 f. [179 f.]. 281  Vgl. zu den hier behandelten gleichen Polyedern: Euklid, Die Elemente, übers. u. hg. v. Clemens Thaer, Darmstadt 1980, Buch XIII, Sätze 13–18, S.  398–413. 282  Vgl. ebd., S.  159 ff. [180 ff.]. 283  Vgl. Aristoteles, Vom Himmel, a. a. O., III, 8, § 1, 306 b 3, S.  160. 284  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, Teil IV, Kap.  12, S.  162 f. [183 f.]. 285  Vgl. Aristoteles, Vom Himmel, a. a. O., III, 8, § 1, 306 b 3, S.  160. 286  Vgl. ebd., 305 b 20, S.  158 f. 287  Vgl. Aristoteles, Physikvorlesung, a. a. O., IV, 5, 212 b 15, S.  94. 288  Das Dreieck, das Viereck und das Sechseck. – Vgl. Aristoteles, Vom Himmel, a. a. O., III, 8, § 1, 306 b 3, S.  160. 289  Die Pyramide und der Würfel. – Vgl. ebd. 290  Vgl. Euklid, Die Elemente, a. a. O., XIII, Lemma 18. 291  Vgl. Paulus, Epheser 2, 20–22. 292  Vgl. Offenbarung des Johannes, 4, 4. 293  Vgl. Averroes, Aristotelis de Coelo libri IV, in: Aristotelis Opera cum Averrois commentariis, a. a. O., Bd.  5, f. 225  v, comm. 66, K.

992

D.

Anmerkungen

294  Vgl. ebd. 295  Vgl. Aristoteles, Vom Himmel, a. a. O., III, 8, § 1, 306 b 3, S.  160. 296  Vgl. Averroes, Aristotelis de Coelo libri IV, a. a. O., f. 225  r, comm. 66,

297  Vgl. Euklid, Die Elemente, a. a. O., Buch 13. 298  Ich behalte in dieser Übersetzung immer den Begriff »Aevum« bei, weil eine Übersetzung mit »Ewigkeit« (Latein: aeternitas) irreführend wäre. Der Begriff »Aevum« bezeichnet in der mittelalterlichen Diskussion eine ewige Zeitspanne, die sozusagen zwischen der Ewigkeit (aeternitas) Gottes und der Vergänglichkeit der irdischen Dinge liegt. – Vgl. W. Wieland, Art. ›Aevum‹, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hg. v. Joachim Ritter u. a., Basel 1971–2004, Bd.  1, Sp.  89 f. Siehe weiterführend: Florian Kolbinger, Zeit und Ewigkeit. Philosophisch-theologische Beiträge Bonaventuras zum Diskurs des 13. Jahrhunderts um tempus und aevum, Berlin 2014; Jeremiah Hackett, Motion, Time and Aevum in Roger Bacon’s Communia Naturalium: Context and Content, in: Roger Bacon’s Communia naturalium. A 13th century philosopher’s workshop, a. a. O., S.  191–216. 299  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  164 f. [185 f.]. 300  Vgl. Averroes, Aristotelis de Coelo libri IV, a. a. O., I, 7, fol. 23 ff. 301  Vgl. Aristoteles, Vom Himmel, a. a. O., 276 a 12–279 a 30. 302  Vgl. ebd., 276 a 30, S.  79. 303  Vgl. ebd., 271 b 1–276 a 15. 304  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  143 ff. [164 ff.]. 305  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  165 ff. [186 ff.]. 306  Vgl. Aristoteles, Physikvorlesung, a. a. O., 218 a 30–218 b 20, S.  110 f. 307  Vgl. Kapitel 38 in dieser Übersetzung. – Vgl. auch: Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  143 ff. [164 ff.]. 308  Vgl. Augustinus, Vom Gottesstaat, hg. u. übers. v. Wilhelm Thimme, München 2007, XI, 6; Augustinus, Confessiones. Bekenntnisse, lat.-dt., hg. u. übers. v. Kurt Flasch u. Burkhard Mojsisch, Stuttgart 2009, XI, 11, 13. – Zu Augustinus’ Zeitbegriff siehe auch: Kurt Flasch, Was ist Zeit? Augustinus von Hippo. Das XI. Buch der Confessiones. Text, Übersetzung, Kommentar, Frankfurt  /  Main 2004. 309  Vgl. Aristoteles, Physikvorlesung, a. a. O., 219 b 13–b 21, S.  113. 310  Vgl. ebd., 263 b 9–b 26, S.  256 f. 311  Vgl. Aristoteles, Physikvorlesung, a. a. O., 263 b 9–b 26, S.  256 f. 312  Vgl. Marshall Clagett, The Science of Mechanics in the Middle Ages, Madison 1959; Ernest A. Moody u. Marshall Clagett, The Medieval Science of Weights, Madison 1952. 313  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  169 ff. [190 ff.].

Anmerkungen

993

314  Siehe zu dieser Diskussion im Mittelalter: Edward Grant, Much Ado about Nothing: Theories of Space and Vacuum from the Middle Ages to the Scientific Revolution, Cambridge 1981. 315  Vgl. Aristoteles, Physikvorlesung, a. a. O., IV, 8, 216 a 4–a 12, S.  163. 316  Vgl. ebd., IV, 11, 219 a 11–a 15, S.  112. 317  Bacon wendet hier die Regel der Vertauschung von Verhältnissen aus dem fünften Buch von Euklids Elementen an: »Stehen vier Größen in Proportion, so müssen sie auch vertauscht in Proportion stehen. Vier Größen a, b, c, d mögen in Proportion stehen, a : b = c : d. Ich behaupte, daß sie es auch bei Vertauschung (V, Def. 12) tun müssen, a : c = b : d« (in: Euklid, Die Elemente, a. a. O., V, § 16, S.  103). 318  Vgl. Aristoteles, Physikvorlesung, a. a. O., VI, 3, 234 a 24–31; VI, 7, 237 b 23–25. 319  Vgl. ebd., IV, 8, 216 a 27–216 b 7, S.  104 f. 320  Vgl. Aristoteles, Physikvorlesung, a. a. O., IV, 7, 214 a 20–a 31, S.  98 f. 321  Vgl. Aristoteles, Vom Himmel, a. a. O., I, 9, 279 a, S.  86. 322  Hier läßt sich keine genaue Stelle angeben. Bacon bezieht sich jedoch auf die Diskussion der Unendlichkeit in: Aristoteles, Physikvorlesung, a. a. O., III, 4–8, 202 b 30–208 a 25. 323  Vgl. Aristoteles, Vom Himmel, a. a. O., I, 9, 279 a, S.  86. 324  Vgl. Aristoteles, Physikvorlesung, a. a. O., IV, 6, 213 b 18–20, S.  97. 325  Vgl. hierzu: Edward Grant, Medieval explanations and interpretations of the dictum that »nature abhors a vacuum«, in: Traditio 29, 1973, S.  237–355. 326  Dass Körper ein natürliches Bestreben haben, den ihnen der Möglichkeit nach gemäßen Ort einzunehmen, ist eine der Grundannahmen der aristotelischen Naturphilosophie. Siehe hierzu vor allem die Bemerkungen zu naturgemäßen und naturwidrigen Prozessen (Bewegungen) in: Aristoteles, Physikvorlesung, VIII, 4, 254 b 8–256 a 3. 327  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  148 [169]. 328  Vgl. Anm. 319. 329  Vgl. Aristoteles, Über Werden und Vergehen, a. a. O., 321 a 1–322 a 30. 330 Siehe die Definition des Quantum bei Aristoteles: Metaphysik, a. a. O., V, 13, 1020 a 7–a 14, S.  136. 331  Vgl. Aristoteles, Über Werden und Vergehen, a. a. O., 322 a 15–28. 332  Vgl. Avicenna, De animalibus, a. a. O., 3, 2, 8. 333  Vgl. Roger Bacon, De multiplicatione specierum, in: Roger Bacon’s Philosophy of Nature, a. a. O. 334  Vgl. Roger Bacon, De multiplicatione specierum, in: Roger Bacon’s Philosophy of Nature, a. a. O.

994

Anmerkungen

335  Vgl. Aristoteles, Über die Seele, a. a. O., I, 1, 403 a 10 ff. 336  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  150 f. [172]. 337  Vgl. ebd., S.  151. [172 f.]. 338  Vgl. Aristoteles, Physikvorlesung, a. a. O., VI, 3, 234 a 24–31; VI, 7, 237 b 23–25. 339  Vgl. ebd, VI, 1, 232 a 12–a 22, S.  151. 340  Vgl. ebd, VI, 1, 232 a 12–a 22, S.  151. 341  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  152. 342  Dies ist eine der Grundannahmen des Liber de causis. – Vgl. Ano­ nymus, Liber de causis. Das Buch von den Ursachen, lat.-dt., eingel. v. Rolf Schönberger, übers. u. Anm. v. Andreas Schönfeld, Hamburg 2003. 343  Aristoteles, Physikvorlesung, a. a. O., IV, 6, 213 b 4–12, S.  96. 344  Vgl. Aristoteles, De memoria et reminiscentia (= Parva Naturalia II), übers. u. erl. von Richard A. H. King, Berlin 2004, 450 a 7–9, S.  14. 345  Vgl. Galater 4, 4. 346  Vgl. Aristoteles, Metaphysik, a. a. O., XII, 8, 1073 b 1 ff. 347  Vgl. Anonymus, Liber de causis. Das Buch von den Ursachen, a. a. O., VI (VII), 71, S.  19. 348  Buch Tobit; Der Erzengel Raphael führt Tobias von Ninive nach ­Medien und wieder zurück: Tob. 5,5–12,21. 349  Vgl. Jacobus de Voragine. Legenda aurea. Goldene Legende, eingel. übers. u. komm. v. Bruno W. Häuptli, 2 Bde., Freiburg u. a. 2014, Bd.  2, S.  2161. 350  Vgl. 2. Korinther 12, 2–5. 351  Vgl. Apostelgeschichte 7, 56. 352  Vgl. Roger Bacon, Moralis philosophia, a. a. O., S.  223 ff. 353  Ich behalte in dieser Übersetzung den Begriff »Aevum« bei, weil eine Übersetzung mit »Ewigkeit« (Latein: aeternitas) irreführend wäre. Der Begriff »Aevum« bezeichnet in der mittelalterlichen Diskussion eine ewige Zeitspanne, die sozusagen zwischen der Ewigkeit (aeternitas) Gottes und der Vergänglichkeit der irdischen Dinge liegt. – Vgl. W. Wieland, Art. ›­Aevum‹, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hg. v. Joachim Ritter u. a., Basel 1971–2004, Bd.  1, Sp.  89 f. 354  Vgl. Kap.  41, S.  291–307. 355  Vgl. Anm. 308. 356  Vgl. Pseudo-Dionysius Areopagita, Die Namen Gottes, eingel., übers. u. m. Anm. v. Beate Regina Suchla, Stuttgart 1988, X, S.  91 ff. 357  Vgl. Anm. 344. 358  Vgl. Aristoteles, Physikvorlesung, a. a. O., III, 4, 204 a 2–a 8, S.  68.

Anmerkungen

995

359  Boethius, Consolatio Philosophiae. Der Trost der Philosophie, lat.dt., hg. u. übers. v. Ernst Gegenschatz u. Olof Gigon, Düsseldorf / Zürich, 6 2002, Buch V, 6. Prosa, S.  262 f. 360  Vgl. Aristoteles’ Diskussion über den Begriff der Ursache, in: Meta­ physik, II, 2; V, 2. 361  Vgl. Aristoteles, Kategorien. Hermeneutik oder vom sprachlichen Ausdruck (De interpretatione). Beigegeben sind Porphyrios: Einführung in die Kategorien des Aristoteles (Isagoge). Pseudo-Aristoteles: Einteilungen (Divisiones). Pseudo-Platon: Begriffsbestimmungen (Definitiones), griech.dt., hg. u. übers. v. Hans Günter Zekl, Hamburg 1998. 362  Vgl. die Aufzählung der zehn Kategorien in: Aristoteles, Categoriae, a. a. O., 4–9 u. Topica I, 9. – Die zehn Kategorien sind: 1. Substanz (substan­ tia), 2, Quantität (quantitas), 3. Qualität (qualitas), 4. Relativum (relatio), 5. Wo (ubi), 6. Wann (quando), 7. Lage (situs), 8. Haben (habitus), 9. Wirken (actio), 10. Erleiden (passio). 363  Vgl. Aristoteles, Metaphysik, a. a. O., V, 8. 364  Vgl. Anonymus, Vita Aristotelis, in: Aristotelis qui ferebantur librorum fragmenta, hg. v. Valentin Rose, Leipzig 1884, S.  442–450, S.  450. 365  Vgl. Aristoteles, Metaphysik, a. a. O., 1020 a 7–10, S.  136. 366  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  175 ff. [195 ff.]. 367  Vgl. Cassiodor, Institutiones divinarum et saecularium litterarum. Einführung in die geistlichen und weltlichen Wissenschaften, lat.-dt., übers. u. eingel. v. Wolfgang Bürgsens, 2 Bde., Freiburg u. a. 2003, II, 3, 22, S.  391. 368  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., S.  180–238 [200–260]. 369  Das erläutert Bacon in: Opus maius, Bd.  1, S.  195 [216]. 370  Vgl. Jesaja 38, 8. 371  Vgl. Kohelet 1, 5–6. 372  Vgl. richtig: Jesus Sirach 43, 1. 373  Vgl. Hieronymus, Commentariorum in Esaiam Libri, a. a. O., VI, 13, 10. 374  Vgl. Claudius Ptolemäus, Handbuch der Astronomie, 2 Bde., hg. u. übers. v. Karl Manitius, Leipzig 1913, Bd.  2, VIII, 1, S.  49–64. 375  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  225 ff. [248 ff.]. 376  Vgl. Hieronymus, Commentarius in Ecclesiasten, hg. v. Marcus Adriaen, Turnhout 1959 (= CCSL 72), I, 6. 377  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  183 ff. [203 ff.]. 378  Vgl. Origines, In librum Jesu Nave Homilia XXIII, in: ders., Opera, Bd.  4, hg. v. D. A. B. Caillau, Paris 1844, S.  82. 379  Vgl. Isidor von Sevilla, Die Enzyklopädie, a. a. O., XIV, S.  515 ff.

996

Anmerkungen

380  Vgl. Paulus Orosius, Die antike Weltgeschichte in christlicher Sicht, übers. u. erl. v. Adolf Lippold, eingel. v. Carl Andresen, 2 Bde., Zürich / München 1985. 381  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  185 ff. [205 ff.]. 382  Vgl. ebd., S.  187 [207]. 383  Vgl. ebd., S.  187–210 [208–232]. – Roger Bacon hat auch eine eigenständige Abhandlung über die Zeitberechnung geschrieben: Roger Bacon, Compotus, in: Opera hactenus inedita Rogeri Baconi, Bd.  6, hg. v. Robert Steele, Oxford 1926. – Vgl. einführend zu diesem Thema: Philipp E. Nothaft, Dating the Passion. The Life of Jesus and the Emergence of Scientific Chronology (200–1600), Leiden 2012, insbes. S.  155–202. 384  Vgl. Hieronymus, Eusebii Caesariensis Chronicon, hg. v. Rudolf Helm, Berlin 21956, S.  14 f. 385  Augustinus, Vom Gottesstaat, a. a. O., XVI, 10, 51–55, S.  299. 386  Vgl. Paulus Orosius, Die antike Weltgeschichte in christlicher Sicht, a. a. O., Bd.  1, I, 1, 5–6, S.  62. 387  Beda Venerabilis, De temporibus liber, in: Opera Omnia (= PL 90), Turnhout o. J., XXII, S.  290. – Vgl. auch Beda Venerabilis, De temporum ratione liber, in: Bedae Venerabilis Opera, Pars VI, 2 (= CCSL 123 B), hg. v. Charles W. Jones, Turnhout 1977, Kap.  66, S.  195; – Eine englische Übersetzung liegt vor: Bede, The Reckoning of Time, übers. u. hg. v. Faith Wallis, Liverpool 1999. 388  Vgl. Genesis 11, 12–13. 389  Vgl. Lukas 3, 35. 390  Vgl. Genesis 12, 4. 391  Vgl. Genesis 11, 32. 392  Vgl. Genesis 11, 26. 393  Vgl. Augustinus, Vom Gottesstaat, a. a. O., XVI, 15, S.  307 f. 394  Vgl. Hieronymus, Hebraice quaestiones in libro Geneseos, in: S.  Hieronymi presbyteri opera, Pars I, 1 (= CCSL 72), hg. v. Paul de Lagarde, Turnhout 1959, S.  1–56, 12, 4, S.  15. 395  Vgl. Flavius Josephus, Jüdische Altertümer, a. a. O., VIII, 7, 8, S.  386. 396  Vgl. 1 Könige 15, 33. 397  Vgl. 1 Könige 16, 8. 398  Vgl. 2 Chronik 16, 1. 399  Vgl. 2 Chronik 21, 5. 400  Vgl. 2 Chronik 22, 2. 401  Vgl. Hieronymi Chronicon, a. a. O., 100 a–102 a. 402  Vgl. Beda Venerabilis, De temporum ratione liber, a. a. O. LXVI, 140– 150, S.  481–484, S.  483.

Anmerkungen

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403  Vgl. Jeremias 25, 9–11; 29, 10. 404  Vgl. Ptolemäus, Handbuch der Astronomie, a. a. O., Buch III, Kap.  7 u. Buch IV, Kap.  6–8. – Siehe zur Zeitzählung im Almagest: Olaf Pedersen, A Survey of the Almagest, Odense 1974, S.  124–128. 405  Vgl. Abu Ma’shar, On historical Astrology, 2 Bde., hg. v. Keiji Yamamoto u. Charles Burnett, Leiden 2000, I, 1, 26, (Bd. 2, S.  105). 406  Vgl. Exodus 12, 2. 407  Vgl. Flavius Josephus, Jüdische Altertümer, a. a. O., I, 3, 3. 408  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  190 f. [210 f.]. 409  Vgl. Exodus 23, 16. 410  Vgl. Exodus 34, 22. 411  Vgl. Nehemia 1, 1. 412  Vgl. Hieronymus, Epistula 149, in: Sancti Eusebii Hieronymi Epistulae, Bd.  3 (= CSEL 56), hg. v. Isidor Hilberg, Wien / Leipzig 1918, § 5, S.  361. 413  Vgl. Hesekiel, 1, 1. 414  Vgl. Flavius Josephus, Jüdische Altertümer, a. a. O., I, 3, 3. 415  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  190 f. [210 f.]. 416  Vgl. Flavius Josephus, Jüdische Altertümer, a. a. O., I, 3, 4, S.  21. 417  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  193 f. [214 f.]. 418  Vgl. Flavius Josephus, Jüdische Altertümer, a. a. O., I, 3, 3. 419  Vgl. Petrus Comestor, Historia Scolastica, Historia Libri Genesis, Kap.  33, in: Patrologia Latina 198, Paris 1855, 1084 B. 420  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  194 [215]. 421  Glossa Ordinaria, in: Walafridi Strabi Opera omnia (= PL 113), Turnhout o. J., Sp.  110, Vers 14. 422  Vgl. Hieronymus, Commentarius in Ionam prophetam. Kommentar zu dem Propheten Jona, lat.-dt., übers. u. eingel. v. Siegfried Risse, Turnhout 2003, II, 1 b, S.  143. 423  Vgl. Hieronymus, Commentariorum In Matheum libri IV, in: S.  Hieronymi presbyteri opera, Pars I, 7 (= CCSL 77), hg. v. D. Hurst u. M. Adriaen, Turnhout 1969, II, 12, 39, S.  97. 424 Vgl. Alfraganus, Muhamedis Alfragani Arabis Chronologica et Astronomica Elementa, e Palatinae bibliothecae veteribus libris versa, expleta, & scholiis expolita, hg. v. Jacob Christmann, Frankfurt  /  Main 1590, Kap.  I, S.  8. 425  Vgl. Kapitel 67–71, S.  579–625. 426  Vgl. Kapitel 71, S.  615 f. 427  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  195 ff. [216 ff.]. 428  Vgl. Ecclesiastes, 43, 7–8.

998

Anmerkungen

429  Bezeichnet in der Astronomie eine scheinbare Berührung zweier Planeten. 430  Vgl. § 383, S.  457 f. 431  Findet sich nicht im Opus maius. Siehe dazu John H. Bridges in: Opus maius, Bd.  1, S.  208, Anm. 1. 432  Vgl. Petrus Comestor, Scolastica historia: Liber Genesis, a. a. O., Kap.  35, Sp.1085. 433  Vgl. Beda Venerabilis, Libri quatuor in principium Genesis usque ad natiuitatem Isaac et eiectionem Ismahelis adnotationum (= CCSL 118 A), hg. v. Charles W. Jones, Turnhout 1967, II, 8, 15–18, S.  126. 434  Vgl. Petrus Comestor, Scolastica historia: Liber Genesis, a. a. O., Kap.  35, Sp.  1085 f. 435  Vgl. Beda Venerabilis, De temporum ratione liber, a. a. O., Kap.  5, S.  288 f. 436  Vgl. Glossa Ordinaria, in: Walafridi Strabi Opera omnia, a. a. O., Sp.  110. 437 Vgl. Petrus Comestor, Scolastica historia: Liber Exodus, a. a. O., Kap.  38, Sp.  1163. 438  Vgl. § 378, S.  449. 439  Beda Venerabilis, De temporum ratione liber, a. a. O., Kap.  11, S.  314. 440  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  200 ff. [222 ff.]. 441  Vgl. Levitikus 23. 442  Vgl. Numeri 28, 18. 443  Vgl. richtig: 1. Samuel, 20, 18. 444  Vgl. richtig: 1. Samuel 20, 27. 445  Das ist das erste Sichtbarwerden des Neumondes. 446  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  195 ff. [216 ff.]. 447  Vgl. Beda Venerabilis, De temporum ratione liber, a. a. O., Kap.  47, S.  432. 448  Vgl. Petrus Comestor, Historia scholastica, In Evangelia, Kap.  CLXIX: De coena Domini, in: Adam Scoti Opera Omnia et Magistri Petri Comestoris Historia Scholastica, Paris 1855 (= PL 198), Sp 1616. 449  Augustinus, Quaestionum in heptateuchum libri septem, in: Aurelii Augustini Opera, Pars V (= CCSL 33), hg. v. J. Fraipont, Turnhout 1958, II (Exodus), qu. 90, S.  115 f. – Ders., De octo quaestionibus ex veteri testamento, in: Aurelii Augustini Opera, Pars V (= CCSL 33), hg. v. J. Fraipont, Turnhout 1958, VIII, S.  472. 450 Vgl. (Pseudo-) Augustinus, Quaestiones Veteris et Novi Testamenti, in: Sancti Aurelii Augustini Opera omnia (= PL 35), Bd.  3, Paris 1864, Sp.  2279.

Anmerkungen

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451  Matthäus 26, 5; vgl. a.: Roger Bacon, Opus maius, I, 207. 452  Johannes 18, 28. 453  Johannes 19, 14. 454  Johannes 19, 42. 455  Lukas 23, 56. 456  2. Mose 12, 16. 457  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  208 ff. [230 ff.]. 458  Vgl. Beda Venerabilis, De temporum rationum liber, a. a. O., Kap.  66. 459  Vgl. Gerlandus Compotista, Der Computus Gerlandi, lat.-dt., hg. u. übers. v. Alfred Lohr, Stuttgart 2013, I, 24, S.  291 f. 460  Vgl. Augustinus, Vom Gottesstaat, a. a. O., 18, 54, S.  514. So Augustinus nach: Laktanz, De mortibus persecutorum, lat.-dt. Übers. von Alfons Städele, Turnhout 2003, 2, 1, S.  93. 461  Vgl. Beda Venerabilis, De temporum ratione liber, a. a. O., Kap.  47, S.  433. 462  Bezeichnet das Jahr, in dem der historische Frühlingsanfang mit dem Anfang einer Mondperiode zusammenfällt. 463  Vgl. Lukas 3, 21–23. 464  Zu Dionysius Exiguus (um 470–540) vgl. Michael Richter, Art. »Dionysius Exiguus«, in: TRE, Bd.  9, Berlin / New York 1982, S.  1–4. – Dionysius Exiguus, Liber de paschate, in: Dionysii Exigui, Viventioli, Trojani, Pontiani, S.  Casarii Fulgentii Ferrandi et Rustici Opera Omnia (= PL 67), Paris 1865, S.  483–508. 465  Vgl. Petrus Comestor, Historia scolastica, a. a. O., libri evangeliorum, De coena domini, Kap.  149, Sp.  1616. 466  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  208 [230]. 467  Vgl. ebd., S.  210 ff. [232 ff.]. 468  Vgl. ebd., S.  211 [233]  . 469  Vgl. Weisheit 18, 24. 470  Vgl. Cassiodor, Institutiones divinarum et saecularium litterarum, a. a. O., II, 5, 11, S.  431. 471  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  212 [234]  . 472  Vgl. ebd., S.  214 [236]  . 473  Vgl. Roger Bacon, De multiplicatione specierum, in: Roger Bacon’s Philosophy of Nature, a. a. O. 474  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  216 f. [238 f.]. 475  Vgl. ebd., S.  219 ff. [242 ff.]. 476  Vgl. Augustinus, Die Ordnung, hg. u. übers. v. Carl Johann Perl, Pader­born 41966, II, 47, S.  79 f. 477  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  236 ff. [259 ff.].

1000

Anmerkungen

478  Vgl. ebd., S.  178 f. [198 f.]. 479  Vgl. Augustinus, Retractationum libri II. Die Retractationen in zwei Büchern, lat.-dt., hg. u. übers. v. Carl Johann Perl, Paderborn 1976, I, 11, S.  55. 480  Vgl. Augustinus, Epistola 101, in: Sancti Aurelii Augustini Epistulae CI–CXXXIX, hg. v. Klaus D. Daur, in: ders., Opera, Pars III, 3 (= CCSL 31 B), Turnhout 2009, 3, S.  5. 481  Augustinus, Die christliche Bildung, a. a. O., II, 16, 66, S.  69 f. 482  Vgl. Augustinus, De Musica libri sex, in: Augustini Opera omnia, Bd.  1 (= PL 32), Paris 1865, Sp.  1081–1194. – Eine deutsche Übersetzung der Bücher I und VI liegt vor: Aurelius Augustinus, De musica. Bücher I und VI. Vom ästhetischen Urteil zur metaphysischen Erkenntnis, lat.-dt., eingel. u. m. Anm. vers. v. Frank Hentschel, Hamburg 2002; ebenso eine ältere deutsche Gesamtübersetzung: Augustinus, Musik. De musica libri sex, übers. v. Carl Johann Perl, Paderborn 1962. 483  Vgl. Cassiodor, Institutiones divinarum et saecularium litterarum, a. a. O., II, 5, 9, S.  429. 484  Vgl. Aristoteles, Vom Himmel, a. a. O., 290 b 12 ff., S.  119. 485  Vgl. Roger Bacon, De multiplicatione specierum, in: Roger Bacon’s Philosophy of Nature, a. a. O. 486  Vgl. Boethius, Fundamentals of music, hg. v. Calvin M. Bower, hg. v. Claude V. Palisca, New Haven / London 1989, I, 2, S.  9. 487  Vgl. Cassiodor, Institutiones divinarum et saecularium litterarum, a. a. O., II, 5, 6, S.  418 f. 488  Vgl. ebd., II, 5, 5, S.  417. 489  Vgl. ebd., II, 5, 10, S.  431. 490  Vgl. ebd., II, 5, 10, S.  431. – Das Werk De accentibus des Censorinus ist verschollen. 491  Vgl. ebd., II, 5, 1, S.  413. 492  Vgl. ebd., II, 5, 10, S.  429. 493  Vgl. Martianus Capella, De nuptiis Philologiae et Mercurii, hg. v. James Willis, Leipzig 1983, Buch IX, 888–1000. – Deutsche Übersetzung: Martianus Capella, Die Hochzeit der Philologia mit Merkur, übers., mit Anm. vers. u. hg. v. Hans Günter Zekl, Würzburg 2005, S.  297–330. 494  Vgl. Al-Farabi, De scientiis. Über die Wissenschaften, lat.-dt., nach der lateinischen Übers. Gerhard von Cremonas, hg., eingel. u. übers. v. Franz Schupp, Hamburg 2005, III, S.  80–84. 495  Vgl. ebd., III, S.  83. 496  Vgl. Augustinus, De musica, a. a. O., I, 2 u. 4.

Anmerkungen

1001

497  Vgl. Alfarabi, Über den Ursprung der Wissenschaften. De ortu scientiarum. Eine mittelalterliche Einleitungsschrift in die philosophischen Wissenschaften, hg. v. Clemens Baeumker, Münster 1916, S.  19. 498  Vgl. Augustinus, De musica, a. a. O., I, 2 u. 3. 499 Cassiodor, Institutiones divinarum et saecularium litterarum, a. a. O., II, 5, 3, S.  417. 500  Vgl. Paulus, Brief an die Epheser 5, 19. 501  Hier ist Vorsicht angebracht, da die mittelalterliche Zeichensetzung von der heutigen abweicht. Ein ›Colon‹ zeigte für den Lesenden eine längere Pause und ein Absenken der Stimme an, lässt sich also am ehesten mit dem heutigen Punkt vergleichen. 502  Das ›Coma‹ wurde nach einem unvollständigen Teilsatz gesetzt, um anzuzeigen, wo beim Vortrag Luft geholt werden kann. 503  Die ›Periode‹ wurde gesetzt, um anzuzeigen, dass ein Sinnabschnitt beendet ist, und bezeichnete quasi die größte Sinneinheit eines Satzgefüges. – Vgl. ausführlich zu den unterschiedlichen Definitionen von Colon, Komma und Periode die entsprechenden Artikel in: Gert Ueding (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Rhetorik, 11 Bde., Tübingen 1992–2014. 504  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  3, S.  94 ff. [87 ff.]. 505  Vgl. 1 Korinther 12, 21 f. 506  Ecclesiastes 19, 1. 507  Vgl. Hieronymus, Epistola 26, Ad Marcellam, in: Sancti Eusebii Hieronymi Epistulae (= CSEL 54), hg. v. Isidor Hillberg, Wien / Leipzig 1910, Bd.1, Ep. 26, 3, S.  221. 508  Vgl. Ecclesiastes [Jesus Sirach] 46, 19. 509  Vgl. Hezekiel 21, 28. 510  Vgl. 1. Könige 1, 3. 511  Bacon meint hier den accentus acutus. Ich gebe das in der Übersetzung immer mit einem »scharfen Akzent« wieder. Gemeint ist die stimmliche Hebung einer Silbe. 512 Der Gravis (tiefer, dunkler Akzent) ist die Senkung einer Silbe. 513  Vgl. 1 Könige 6, 32. 514  Vgl. Weisheit 19, 12. 515  Lukan, Pharsalia. Bürgerkrieg, lat.-dt., eingel., übers. u. komm. v. Detlev Hoffmann, Christoph Schliebitz u. Hermann Stocker, Darmstadt 2011, I, 89–93: »Dum terra fretum terramque levabit / Aer et longi volvent Titana labores / Noxque diem caelo totidem per signa sequetur, Nulla fides regni sociis, omnisque potestas / Inpatiens consortis erit.« (»Solange die Erde das Meer, die Luft die Erde trägt, solange der Sonnengott sich auf seiner weiten Bahn müht und am Himmel die Nacht dem Tag durch die

1002

Anmerkungen

gleiche Zahl von Tierkreiszeichen folgt, so lange ist zwischen denen, die sich die Herrschaft teilen müssen, keine Treue möglich, erträgt Macht keinen Partner.« In: ebd., S.  13). 516  Vgl. Statius, Thebais, a. a. O., IV, 157. 517  Vgl. Lukas 15, 25. 518  Horaz, De arte poetica. Das Buch von der Dichtkunst, in: ders., Sämtliche Werke, Sermones et Epistulae, lat.-dt., hg. v. Hans Färber, München 1967, S.  252, Z. 374 f.: »ut gratas inter mensas symphonia discors / et crassum unguentum et Sardo cum melle papaver / offendunt, poterat duci quia cena sine istis.« (»Wird bei schmackhaftem Mahle ein mißtönender Ohrenschmaus geboten oder dickes Salböl oder zur Mohnspeise sardischer Honig, so ist das Mißvergnügen da; – Man hätte ja ohne diese Genüsse tafeln können.« In: ebd., S.  253). 519  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  3, S.  91 [104]  . 520  Vgl. richtig: 2. Samuel 17, 19. 521  Vgl. Sprüche 27, 22. 522  Horaz, Sermones (Saturae), a. a. O., II, 3, 155: »Tu cessas? agedum sume hoc tisanarium orizae.« (Übers. in: ebd., S.  91.) 523  Macer Floridus, De herbarum virtutibus, Basel 1559, Kap.  13 »De porro«, 40: »Cum ptisana succum porri sorbere iuvabit.« [»Und tropft der böse Körpersaft vom Haupt herab und schadet Lungen, Brust und Singstimme, und entsteht so ein Husten, der die Herzgegend schädigt, dann hilft es, wenn man Lauchsaft mit Ptisané (das ist Gerstengrütztrank) schlürft; / doch auch für sich allein bringt er in allen diesen Fällen Nutzen.« In: Kräuterbuch der Klostermedizin. Der Macer Floridus, hg. v. Johannes Gottfried Mayer u. Konrad Goehl, Leipzig 2013, S.  138, Z. 521–526]. 524  Vgl. Johannes 1, 21. 525  Vgl. 1. Mose 6, 13. 526  Vgl. Priscian, De duodecim versibus Aeneidos principalibus liber, in: Prisciani Caesariensis Grammatici Opera, hg. v. August Krehl, 2 Bde., Leipzig 1820, Bd.  1, S.  288. 527  Publilius Syrus, Sententiae, a. a. O., I, 10, S.  32: »Iucundum nil est, nisi quod reficit varietas.« (»Der Freuden schönste Quelle ist der Wechsel« In: ebd., S.  33). – Man hat diesen Text im Mittelalter Seneca zugeschrieben. 528  Vgl. Aristoteles, Metaphysik, a. a. O., IX, 8, 1049 b ff. 529  Johannes 1, 19–20: »et hoc est testimonium Iohannis quando miserunt Iudaei ab Hierosolymis sacerdotes et Levitas ad eum ut interrogarent eum tu quis es / et confessus est et non negavit et confessus est quia non sum ego Christus« (»Und dies ist das Zeugnis des Johannes, da die Juden sandten von Jerusalem Priester und Leviten, daß sie ihn fragten: Wer

Anmerkungen

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bist du? / Und er bekannte und leugnete nicht; und er bekannte: Ich bin nicht Christus.«) 530  Vgl. Priscian, Priscians Darstellung der lateinischen Pronomina. Lateinischer Text und kommentierte deutsche Übersetzung des 12. und 13. Buches der Institutiones Grammaticae, hg. u. übers. v. Axel Schönberger, Frankfurt  /  Main 2009, XIII, 2, 6, 3, 4, S.  77. 531  Vgl. 1. Mose 1, 3. 532  Vgl. Priscian, Priscians Darstellung der lateinischen Pronomina, a. a. O., XIII, 2, 6, 2, 2, S.  69. 533 Vgl. Priscian, Partitiones XII uersuum Aeneidos principalium, a. a. O., IV, 1. 534  Der Zirkumflex (circumflexus = »herumgebogener« Akzent) ist der zuerst fallende, dann steigende Ton einer Silbe. 535  Vgl. Josua 7, 11. 536  In der griechischen Grammatik ein diakritisches Zeichen über Vokalen im Wortanlaut zur Bezeichnung des behauchten (= spiritus asper) und des unbehauchten (= spiritus lenis) Vokaleinsatzes. 537  Akut, Gravis und Zirkumflex. 538  Vgl. Petrus Lombardus, Maior Glossa, Paris 1855 (= PL 192), Sp. 295. 539  1. Thess. 2, 17: »nos autem fratres desolati a vobis ad tempus horae aspectu non corde abundantius festinavimus faciem vestram videre cum multo desiderio« (»Wir aber, liebe Brüder, nachdem wir euer eine Weile beraubt gewesen sind nach dem Angesicht, nicht nach dem Herzen, haben wir desto mehr geeilt, euer Angesicht zu sehen mit großem Verlangen.«) 540  1. Sam. 1, 17: »et cassis aerea super caput eius et lorica hamata induebatur porro pondus loricae eius quinque milia siclorum aeris« (»und er hatte einen ehernen Helm auf seinem Haupt und einen schuppen­ dichten Panzer an, und das Gewicht seines Panzers war fünftausend Lot Erz«) 541  Richter 11, 35: »qua visa scidit vestimenta sua et ait heu filia mi decepisti me et ipsa decepta es aperui enim os meum ad Dominum et aliud facere non potero« (»Und da er sie sah, zerriß er seine Kleider und sprach: Ach, meine Tochter, wie beugst du mich und betrübst mich! Denn ich habe meinen Mund aufgetan gegen den HERRN und kann’s nicht widerrufen.«) 542  Vgl. Priscian, Priscians Darstellung der lateinischen Pronomina, a. a. O., XIII, 2, 6, 2, 3, S.  71. 543  Vgl. Priscian, Institutionum grammaticarum, a. a. O., I, 24. 544  Vgl. Isidor von Sevilla, Die Enzyklopädie, a. a. O., I, 27, 10, S.  49. 545  Vgl. Priscian, Institutionum grammaticarum, a. a. O., X, 27, S.  518. 546  Vgl. ebd., S.  518. – Vgl. Vergil, Georgica, in: ders., Landleben. Cata-

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Anmerkungen

lepton. Bucolica. Georgica, lat.-dt., hg. v. Johannes u. Maria Götte, Zürich 6 1995, I, S.  98, Z. 262. 547  Vgl. Vergil, Georgica, a. a. O., I, S.  106, Z. 393 ff. – Vgl. auch Servius: Servii Grammatici in Vergilii Georgicon Librum primum commentarius, in: Servii Grammatici qui feruntur in Vergilii Bucolica et Georgica commentarii, hg. v. Georg Thilo, Leipzig 1887, S.  128–360, S.  208. 548  Nicht der Punkt in unserem heutigen Sinne. Das Colon zeigt eine längere Pause an als das Coma, schließt den Satz jedoch nicht so ab, wie unser heutiger Punkt (bei Bacon der Periodus). 549  Hier ist es wichtig zu beachten, dass die mittelalterliche Zeichensetzung sich von der unsrigen unterscheidet. Zum besseren Verständnis sei an dieser Stelle Isidor von Sevilla angeführt, weil Bacon sich im Folgenden auf ihn bezieht: »Die Satzzeichen sind Gebilde zur Trennung der Sinneinheiten durch cola (Punkte), commata und periodi (Strichpunkt), welche, solange sie nach der rechten Ordnung gesetzt werden, uns den Sinn des Geschriebenen eröffnen. Sie werden aber positura genannt, weil sie durch gesetzte (positi) Punkte geschrieben werden oder weil hier die Stimme durch eine Pause der [gedanklichen] Trennung gesenkt wird (deponere). […] Das erste Satzzeichen wird subdistinctio oder Komma genannt. Das mittlere heißt sequens oder Punkt (colon); das letzte Trennzeichen, das den ganzen Satz abschließt, heißt Strichpunkt (periodus); dessen Teile sind, wie wir gesagt haben, Punkt und Komma; deren Unterschiedlichkeit wird dadurch angezeigt, dass die Zeichen an verschiedenen Stellen gesetzt werden. Wo nämlich am Anfang des Vortrages noch nicht der ganze Sinn der Aussage enthalten ist, und dennoch bereits Luft geholt werden muss, wird ein Komma gesetzt, das ist der Sinnteiler; und das Zeichen wird unten (subtus) an den Buchstaben gesetzt, und es [wird] subdistinctio genannt, weil das Zeichen seinen Ansatz unten am Buchstaben nimmt. Wo aber im Verlauf bereits der Sinn des Satzes dasteht, aber noch etwas zur Vollständigkeit des Satzes zu sagen bleibt, wird ein Punkt gesetzt, und zwar an die Mitte des Buchstabens […]. Wo wir aber beim Vortrag der einzelnen Schritte eine vollständige Sinneinheit abschließen, wird ein Strichpunkt gemacht, und man setzt das Zeichen an die Spitze des Buchstabens. […] So jedenfalls bei den Rednern. Bei den Dichtern, wo im Vers nach zwei Versfüßen eine Silbe übrig bleibt, steht ein Komma, weil dort nach einer Steigung (scansio) eine Senkung (praecisio) folgt. Wo jedoch nach zwei Versfüßen keine Silbe mehr bleibt, steht ein Punkt. Der ganze Vers aber ist [in der Regel] ein Satz.« (In: Isidor von Sevilla, Die Enzyklopädie, a. a. O., I, 20, S.  42 f.). 550  Genesis 1, 2: »Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser.«

Anmerkungen

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551  Vgl. ebd. 552  Vgl. ebd. 553  Deut. 13, 1–3: »Wenn ein Prophet oder Träumer unter euch wird aufstehen und gibt dir ein Zeichen oder Wunder, / und das Zeichen oder Wunder kommt, davon er dir gesagt hat, und er spricht: Laß uns andern Göttern folgen, die ihr nicht kennt, und ihnen dienen; […].« 554  Vgl. ebd.: »so sollst du nicht gehorchen den Worten des Propheten oder Träumers«. 555  Sprüche 27, 22: »Wenn du den Narren im Mörser zerstießest mit dem Stempel wie Grütze, so ließe doch seine Narrheit nicht von ihm.« 556  Johannes 15, 22: »Wenn ich nicht gekommen wäre und hätte es ihnen gesagt, so hätten sie keine Sünde; nun aber können sie nichts vorwenden, ihre Sünde zu entschuldigen.« 557 Der Punctus elevatus ist in der mittelalterlichen Zeichensetzung eng mit einem Colon [Punkt] vergleichbar und wurde vor allem zwischen dem 13. und dem 15. Jahrhundert verwendet. Er sieht wie ein umgedrehtes Semikolon aus und wurde benutzt, um eine längere Pause zwischen zwei Satzteilen anzuzeigen. 558  Genesis 40, 21–22: »Und setzte den obersten Schenken wieder in sein Schenkamt, daß er den Becher reicht in Pharaos Hand; / aber den obersten Bäcker ließ er henken, wie ihnen Joseph gedeutet hatte.« 559  Lukas 2, 7: »Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.« 560  Exodus 12, 4: »Wo ihrer aber in einem Hause zu einem Lamm zu wenig sind, so nehme er’s und sein nächster Nachbar an seinem Hause, bis ihrer so viel wird, daß sie das Lamm aufessen können.« 561  Exodus 7, 13–14: »Also ward das Herz Pharaos verstockt, und er hörte sie nicht, wie denn der HERR geredet hatte. / Und der HERR sprach zu Mose: Das Herz Pharaos ist hart; er weigert sich, das Volk zu lassen.« 562  Johannes 6, 35 u. 38: »dixit autem eis Iesus ego sum panis vitae qui veniet ad me non esuriet et qui credit in me non sitiet umquam. […] quia descendi de caelo non ut faciam voluntatem meam sed voluntatem eius qui misit me.« (»Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten. […] Denn ich bin vom Himmel gekommen, nicht daß ich meinen Willen tue, sondern den Willen des, der mich gesandt hat.«) 563  Johannes 6, 54: »Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Werdet ihr nicht essen das Fleisch des Menschensohnes und trinken sein Blut, so habt ihr kein Leben in euch.«

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Anmerkungen

564  Matthäus 5, 2–3: »et aperiens os suum docebat eos dicens / beati pauperes spiritu quoniam ipsorum est regnum caelorum.« (»Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach: / Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.«) 565  Jesaja 7, 18–19: »et erit in die illa sibilabit Dominus muscae quae est in extremo fluminum Aegypti et api quae est in terra Assur / et venient et requiescent omnes in torrentibus vallium et cavernis petrarum et in omnibus frutectis et in universis foraminibus« (»Denn zu der Zeit wird der HERR herbeipfeifen der Fliege am Ende der Wasser in Ägypten und der Biene im Lande Assur, / daß sie kommen und alle sich legen an die trockenen Bäche und in die Steinklüfte und in alle Hecken und in alle Büsche.« 566  Jesaja 7, 21–22: »et erit in die illa nutriet homo vaccam boum et duas oves / et prae ubertate lactis comedet butyrum butyrum enim et mel manducabit omnis qui relictus fuerit in medio terrae.« (»Zu derselben Zeit wird ein Mann eine junge Kuh und zwei Schafe ziehen / und wird so viel zu melken haben, daß er Butter essen wird; denn Butter und Honig wird essen, wer übrig im Lande bleiben wird.«) 567  Jesaja 7, 23: »et erit in die illa omnis locus ubi fuerint mille vites mille argenteis et in spinas et in vepres erunt« (»Denn es wird jetzt zu der Zeit geschehen, daß wo jetzt tausend Weinstöcke stehen, tausend Silberlinge wert, da werden Dornen und Hecken sein, […])« 568  Psalmen 80, 16: »qui oderunt Dominum negabunt eum et erit tempus eorum in saeculo« (»und denen, die den Herrn hassen, müßte es wider sie fehlen; ihre Zeit aber würde ewiglich währen.«) 569  Matthäus 8, 3: »et extendens manum tetigit eum Iesus dicens volo mundare et confestim mundata est lepra eius« (»Und Jesus streckte seine Hand aus, rührte ihn an und sprach: Ich will’s tun; sei gereinigt! Und alsbald ward er vom Aussatz rein.«) 570  Lukas 13, 8–9: »at ille respondens dixit illi domine dimitte illam et hoc anno usque dum fodiam circa illam et mittam stercora / et si quidem fecerit fructum sin autem in futurum succides eam.« (»Er aber antwortete und sprach zu ihm: Herr, laß ihn noch dies Jahr, bis daß ich um ihn grabe und bedünge ihn, / ob er wolle Frucht bringen, wo nicht, so haue ihn darnach ab.«) 571  Vgl. ebd. 572  Johannes 1, 41–42: »invenit hic primum fratrem suum Simonem et dicit ei invenimus Messiam quod est interpretatum Christus / et adduxit eum ad Iesum intuitus autem eum Iesus dixit tu es Simon filius Iohanna tu vocaberis Cephas quod interpretatur Petrus.« (»er findet am ersten seinen Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden (wel-

Anmerkungen

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ches ist verdolmetscht: der Gesalbte), / und führte ihn zu Jesu. Da ihn Jesus sah, sprach er: Du bist Simon, Jona’s Sohn; du sollst Kephas (Fels) heißen.«) 573  Vgl. ebd. 574  Johannes 4, 25: »dicit ei mulier scio quia Messias venit qui dicitur Christus cum ergo venerit ille nobis adnuntiabit omnia.« (»Spricht das Weib zu ihm: Ich weiß, daß der Messias kommt, der da Christus heißt. Wenn derselbe kommen wird, so wird er’s uns alles verkündigen.«) 575  Johannes 1, 38: »conversus autem Iesus et videns eos sequentes dicit eis quid quaeritis qui dixerunt ei rabbi quod dicitur interpretatum magister ubi habitas?« (»Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu ihnen: Was suchet ihr? Sie aber sprachen zu ihm: Meister (das heißt Lehrer), wo bist du zur Herberge?). 576  Jesaja 63, 1: »quis est iste qui venit de Edom tinctis vestibus de Bosra iste formonsus in stola sua gradiens in multitudine fortitudinis suae ego qui loquor iustitiam et propugnator sum ad salvandum.« (»Wer ist der, so von Edom kommt, mit rötlichen Kleidern von Bozra? der so geschmückt ist in seinen Kleidern und einhertritt in seiner großen Kraft? Ich bin es, der Gerechtigkeit lehrt und ein Meister ist zu helfen.«) 577  Vgl. ebd. 578  Römer 7, 7: »quid ergo dicemus lex peccatum est absit sed peccatum non cognovi nisi per legem nam concupiscentiam nesciebam nisi lex diceret non concupisces.« (»Was wollen wir denn nun sagen? Ist das Gesetz Sünde? Das sei ferne! Aber die Sünde erkannte ich nicht, außer durchs Gesetz. Denn ich wußte nichts von der Lust, wo das Gesetz nicht hätte gesagt: ›Laß dich nicht gelüsten!‹«) 579  Jesaja 36, 19: »ubi est deus Emath et Arfad ubi est deus Seffarvaim numquid liberaverunt Samariam de manu mea« (»Wo ist der Gott zu Hamath und Arpad? Wo ist der Gott Sepharvaims? Haben sie auch Samaria errettet von meiner Hand?«) 580  Römer 7, 7. 581  Hiob 7, 21: »cur non tolles peccatum meum et quare non auferes iniquitatem meam ecce nunc in pulvere dormiam et si mane me quaesieris non subsistam.« (»Und warum vergibst du mir meine Missetat nicht und nimmst weg meine Sünde? Denn nun werde ich mich in die Erde legen, und wenn du mich morgen suchst, werde ich nicht da sein.«) 582  Markus 4, 13: »et ait illis nescitis parabolam hanc et quomodo omnes parabolas cognoscetis« (»Und er sprach zu ihnen: Verstehet ihr dies Gleichnis nicht, wie wollt ihr denn die andern alle verstehen?«) 583  Matthäus 27, 17: »congregatis ergo illis dixit Pilatus quem vultis dimittam vobis Barabban an Iesum qui dicitur Christus.« (»Und da sie ver-

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Anmerkungen

sammelt waren, sprach Pilatus zu ihnen: Welchen wollt ihr, daß ich euch losgebe? Barabbas oder Jesus, von dem gesagt wird, er sei Christus?«) 584  Apostelgeschichte 8, 34: »respondens autem eunuchus Philippo dixit obsecro te de quo propheta dicit hoc de se an de alio aliquo.« (»Da antwortete der Kämmerer dem Philippus und sprach: Ich bitte dich, von wem redet der Prophet solches? von sich selber oder von jemand anders?«) 585  Vgl. Augustinus, De Musica libri sex, in: Augustini Opera omnia, Bd.  1 (= PL 32), Paris 1865, Sp.  1081–1194. – Eine deutsche Übersetzung der Bücher I und VI liegt vor: Aurelius Augustinus, De musica. Bücher I und VI. Vom ästhetischen Urteil zur metaphysischen Erkenntnis, lat.-dt., eingel. u. m. Anm. vers. v. Frank Hentschel, Hamburg 2002; ebenso eine ältere deutsche Gesamtübersetzung: Augustinus, Musik. De musica libri sex, übers. v. Carl Johann Perl, Paderborn 1962. 586  Vgl. Augustinus, Musik, a. a. O., II, 1, S.  52 f. 587  Vgl. Augustinus, ebd., II, 2, S.  54. 588  Vergil, Aeneis, lat.-dt., hg. u. übers. v. Johannes Götte, München / Zürich 1983, I, Z. 1–7: »Arma virumque cano, Troiae qui primus ab oris / Italiam fato profugus Laviniaque venit / litora, multum ille et terris iactatus et alro / vi superum saevae memorem Iunonis ob iram, / multa quoque et bello passus, dum conderet urbem / inferretque deos Latio, genus unde Latinum / Albanique patres atque altae moenia Romae.« (»Waffentat künde ich und den Mann, der als erster von Troja, / schicksalgesandt, auf der Flucht nach Italien kam und Laviniums / Küsten, viel über Lande geworfen ud wogendes Meer durch / Göttergewalt, verolgt vom Groll der grimmigen Juno, / viel auch duldend durch Krieg, bis er gründe die Stadt und die Götter / bringe nach Latium, dem das Geschlecht entstammt der Latiner, / Albas Väter und einst die Mauern der ragenden Roma.« In: ebd., S.  7). 589  Vgl. Priscian, Institutiones Grammaticarum, a. a. O., VII, 4, S.  257. 590  Vgl. Lukas 15, 25. 591  Vgl. Daniel 3, 4–6. 592  Horaz, De arte poetica. Das Buch von der Dichtkunst, in: ders., Sämtliche Werke, Sermones et Epistulae, a. a. O., S.  252, Z. 374 f.: »ut gratas inter mensas symphonia discors / et crassum unguentum et Sardo cum melle papaver / offendunt, poterat duci quia cena sine istis.« (»Wird bei schmackhaftem Mahle ein mißtönender Ohrenschmaus geboten oder dickes Salböl oder zur Mohnspeise sardischer Honig, so ist das Mißvergnügen da; – Man hätte ja ohne diese Genüsse tafeln können.« In: ebd., S.  253). 593  Juvenal, Satiren, lat.-dt., hg., übers. u. Anm. v. Joachim Adamietz, München 1993, VI, Z. 78–81: »Longa per angustos figamus pulpita vicos, / ornentur postes et grandi ianua lauro, / ut testudineo tibi, Lentule, co-

Anmerkungen

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nopeo / nobilis Euryalum murmillonem exprimat infans.« (»Lange Tribünen wollen wir in den engen Gassen errichten, / Pfosten und Tür sollen mit mächtigem Lorbeer geschmückt werden, / damit dir dann, Lentulus, das adlige Kind im schildplattverzierten / Himmelbett die Züge des Gladiators Euryalus wiedergebe.« In: ebd., S.  95). 594  Lukan, De bello civili. Der Bürgerkrieg, lat.-dt., übers. u. hg. v. Georg Luck, Stuttgart 2009, VIII, Z. 694–699: »Cum tibi sacrato Macedon servetur in antro / Et regum cineres extructo monte quiescant, / Cum Ptolemaeorum manes seriemque pudendam / Pyramides claudant indignaque Mausolea, / Litora Pompeium feriunt, truncusque vadosis / Huc illuc iactatur aquis.« (»Während du in einer heiligen Gruft den Makedonen bewahrst und unter hochgetürmten Steinhaufen die Reste der Pharaonen liegen, während Pyramiden und Mausoleen die Manen der Ptolemäer und die ganze schnöde Dynastie, die solche Ehren nicht verdient hat, umschließen, schlägt Pompeius’ Leichnam an die Küste, und sein Rumpf wird von den Wellen bald hierhin, bald dorthin geworfen.« In: ebd., S.  463). 595  Sedulius, Carmen Paschale, in: Sedulii opera omnia (= CSEL 10), hg. v. Johannes Huemer, Wien 2007, V, Z. 147: »Tunc coluere Baal, nunc elegere Barabbam.« (»Damals wählte man Baal, nun wählt man Barabbas« [Übers. N. E.]). 596  Juvenal, Satiren, a. a. O., XIII, Z. 135–139: »Sed si cuncta vides simili fora plena querella, / si deciens lectis diversa parte tabellis / vana supervacui dicunt chirographa ligni, / arguit ipsorum quos littera gemmaque princeps / sardonychum, loculis quae custoditur eburnis, […].« (»Doch wenn du alle Märkte erfüllt siehst von ähnlicher Klage, / wenn man zehnmal die Urkunde verlas und die von der Gegenseite / dann für nichtig erklären den Text auf dem wertlosen Holz, / wo sie doch die eigene Handschrift überführt und der Siegelstein / aus bestem Sardonyx, der im Elfenbeinkästchen verwahrt wird, […]«. In: ebd., S.  267). 597  Vgl. Statius, Thebais, a. a. O., IX, 252–255. 598  Vgl. Levitikus 11, 16. 599  Vgl. Deuteronomium 14, 12–18. 600  Macer Floridus, De viribus herbarum, hg. v. Julius Sillig, Leipzig 1832, Kap.  73, Z. 2147–2150, S.  118: »Cinnama tres species dicuntur habere, sed harum / Est pretiosa magis, quae plus subtilis habetur / Et quae plus mordet mixta dulcedine linguam.« (»Man unterscheidet drei Arten von Zimt; doch man hält die Art von Zimt für am wertvollsten, die am leichtesten ist und die zugleich beißend und süß ist.« [Übers. N. E.]). 601  Lukan, De bello civili. Der Bürgerkrieg, a. a. O., V, Z. 374–380: »Brundisium decimis iubet hanc attingere castris / et cunctas revocare rates, quas

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Anmerkungen

avius Hydrus / Antiquusque Taras secretaque litora Leucae, / Quas recipit Salapina palus et subdita Sipus, / Montibus, Ausoniam qua torquens frugifer oram / Delmatico Boreae Calabroque obnoxius Austro / Apulus Hadriacas exit Garganus in undas.« (»Es erhält Befehl, in zehn Tagesmärschen Brundisium zu erreichen und dort alle Schiffe zu sammeln, die im entlegenen Hydrus, im alten Tarent, an der verborgenen Küste von Leuka, im Sumpf von Salapia und am Fuß des Gebirges bei Sipus vor Anker liegen, wo der fruchttragende Garganus, Apuliens Gebirgszug, der in Windungen der Küste Italiens folgt und sich dem von Dalmatien wehenden Boreas und dem von Kalabrien kommenden Auster entgegenstellt, in die Adria abfällt.« In: ebd., S.  255). 602  Ebd., I, 89–93: »Dum terra fretum terramque levabit / Aer et longi volvent Titana labores / Noxque diem caelo totidem per signa sequetur, / Nulla fides regni sociis, omnisque potestas / Inpatiens consortis erit.« (»Solange die Erde das Meer, die Luft die Erde trägt, solange der Sonnengott sich auf seiner weiten Bahn müht und am Himmel die Nacht dem Tag durch die gleiche Zahl von Tierkreiszeichen folgt, so lange ist zwischen denen, die sich die Herrschaft teilen müssen, keine Treue möglich, erträgt Macht keinen Partner.« In: ebd. S.  13). 603  Ebd., IV, Z. 759–761: »Iamque gradum neque verberibus stimulisque coacti / Nec quamvis crebris iussi calcaribus addunt; Volneribus coguntur equi; […].« (»Schließlich weigern sich die Pferde, schneller zu laufen, obwohl sie mit Peitschen und Stacheln angetrieben und immer wieder von Spornstreichen gezwungen werden.« In: ebd., S.  222 f.). 604  Vgl. 1 Makkabäer 12, 5–6. 605  Vgl. Genesis 6, 16. 606  Vgl. Hieronymus, Prologus in libro Iob, in: Biblia Sacra iuxta vulgatam versionem, a. a. O., S.  731; Prologus in libro Iosue, in: ebd., S.  285. 607  Der hl. Nikolaus, Bischof von Myra, der Überlieferung zufolge zwischen 270 und 286 n. Chr. in Patara (ein Ort in der heutigen Türkei) geboren. – Vgl. A. Dörrer, Art. Nikolaus von Myra, in: Lexikon für Theologie und Kirche, hg. v. Josef Höfer u. Karl Rahner, Bd.  7, Freiburg 21962, Sp.  994 f. 608  Vgl. Philipper 1, 9–11. 609  Vgl. zu ›Areta‹ richtig: 2 Korinther 11, 32–33. 610  Vgl. Hesekiel 8, 14. 611  Vgl. richti: 2. Könige 4, 39. 612  Vgl. Jesaia 3, 18–20. 613  Vgl. Lukas 13, 8–9. 614  Vgl. § 410, S.  493. 615  Priscian, Institutionum grammaticarum, a. a. O., II, 59, S.  79.

Anmerkungen

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616  Vgl. Priscian, Institutionum grammaticarum, a. a. O., II, 59, S.  80. 617  Vgl. Apostelgeschichte 13, 5. 618  Vgl. Vergil, Aeneis, a. a. O., Buch 8, Z. 157–159. 619  Horaz, Oden, in: Sämtliche Werke, lat.-dt., hg. v. Karl Bayer u. a., München / Zürich 91982, 1, 7, Z. 29–32, S.  21. 620  Vgl. Ovid, Metamorphosen, lat.-dt., Übers. u. hg. v. Michael von Albrecht, Stuttgart 22010, XIV, Z. 759–761, S.  799. 621  Vgl. Priscian, De accentibus, lat.-ital., hg. u. übers. v. Claudio Giammona, Hildesheim 2012, IV, 13, S.  33. 622  Bernardus Silvestris, Cosmographia, hg. v. Peter Dronke, Leiden 1978, I, 3, Z. 363, S.  113. 623 Bernardus Silvestris, Über die allumfassende Einheit der Welt, übers. v. Wilhelm Rath, Stuttgart 31989, S.  16. 624  Psalmen 51, 9. 625  Vgl. Apostelgeschichte 6, 5. 626  Vgl. 2 Makkabäer 4, 10. 627  Vgl. Solinus, Die Wunder der Welt, a. a. O., 10, 12–13, S.  119. 628  Vgl. Hieronymus, Prologus in libro Iob, in: Biblia Sacra iuxta vulgatam versionem, a. a. O. S, 731. 629 Ebd. 630  Vgl. Augustinus, De musica, a. a. O. 631  Vgl. Augustinus, ebd., Buch II u. III, Sp.  1099–1128. 632  Vgl. Hieronymus, Prologus in libro Iob, in: Biblia Sacra iuxta vulgatam versionem, a. a. O. S, 731 f. 633  Vgl. Augustinus, Retractationum libri II, a. a. O., I, 11, S.  55. 634  Vgl. Augustinus, Epistola 101, in: Sancti Aurelii Augustini Epistulae CI–CXXXIX, a. a. O., siehe Anm. 480. 635  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  3, S.  85 ff. [80 ff.]; Bd.  1, S.  99 f., Moralis philosophia, a. a. O., V, S.  247–263 [Antolic-Piper, S.  173 ff.]. 636  Vgl. Al-Farabi, De scientiis, a. a. O., II, S.  51 f. 637  Vgl. Augustinus’ Buch De musica, a. a. O. 638  Vgl. Beda Venerabilis, De arte metrica et de schematibus et tropis, in: Bedae Venerabilis Opera, Pars VI, 1: Opera didascalia (= CCSL 123 A), hg. v. Charles W. Jones u. a., Turnhout 1975, S.  59–171. 639  Vgl. Cassiodor, Institutiones, a. a. O., II, 5. 640  Vgl. Ambrosius von Mailand, Hymnes, lat.-fr., hg., übers. u. komm. v. Jacques Fontaine, Paris 1992. 641  Vgl. Aurelius Augustinus, De musica. Bücher I und VI. Vom ästhetischen Urteil zur metaphysischen Erkenntnis, a. a. O., S.  66–176. 642  Vgl. Augustinus, De musica, a. a. O., I, 2, Sp.  1083 f.

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Anmerkungen

643  Vgl. Psalmen 150, 4. 644  Vgl. richtig: 2. Samuel, 6, 16. 645  Lukas 1, 46. 646  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  238 f. [260 f.]. 647  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teil I, II u. VI, a. a. O., S.  125 ff. 648  Brief an die Römer 1, 19. 649  Theophilus von Caesarea. 650  Eusebius von Caesarea. – Vgl. David S.  Wallace-Hadrill, Art. ›Eusebius von Caesarea‹, in: TRE 10, S.  537–543. 651  Marius Victorinus. – Vgl. Mary T. Clark, Art. ›Marius Victorinus‹, in: TRE 22, S.  165–169. 652  Kyrill von Alexandria. – Vgl. Edward R. Hardy, Art. ›Cyrillus von Alexandrien‹, in: TRE 8, S.  254–260. 653  Beda Venerabilis. – Vgl. Henry Royston Loyn, Art. ›Beda Venerabilis‹, in: TRE 5, S.  397–402. 654  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  92 ff. 655  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Bd.  1, a. a. O., S.  269–285 [290–306]. 656  Der nun folgende Teil bis einschließlich Kapitel 71 ist weitestgehend identisch mit einer Stelle im Opus maius, Bd.  1, S.  269–285 [290–306]. 657  Lukan, De bello civili. Vom Bürgerkrieg, a. a. O., X, Z. 185–187, S.  571. 658  Johannes 3, 30. 659  Vgl. Isidor von Sevilla, Die Enzyklopädie, a. a. O., V, 34, 2, S.  196. 660  Vgl. Beda Venerabilis, De temporum ratione liber, a. a. O., Kap.  30, S.  371. 661  Vgl. ebd., Kap.  30, S.  374 f. 662  Vgl. Beda Venerabilis, De temporum ratione liber, a. a. O., Kap.  43, S.  415 ff. 663  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  96 ff. 664  Vgl. Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  12 ff., S.  24 ff.; Opus maius. Die Neubegründung der Wissenschaft, a. a. O., S.  71 ff.; S.  90 ff. 665  Vgl. Beda Venerabilis, De temporum ratione liber, a. a. O., Kap.  43, S.  415. 666  Vgl. ebd., Kap.  28 u. 43, S.  365 u. 416. 667  Hilarius, Papst von 461–468 n. Chr. – Vgl. Friedrich Wilhelm Bautz, Art. ›Hilarius, Papst, Heiliger‹, in: BBK (Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon) 2, Sp.  840 f.; G. Schwaiger, Art. ›Hilarius, Papst‹, in: LTK 5, Sp.  339. 668  Hilarius hatte Victorius von Aquitanien wahrscheinlich im Jahr 457 n. Chr. gebeten, einen neuen Osterzyklus zu berechnen, was dieser in seinem canon paschalis auch getan hat. – Vgl. Johannes Hofmann, Art. ›Vic-

Anmerkungen

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torius von Aquitanien‹, in: BBK 12, Sp.  1358 f.; Victorius von Aquitanien, Cursus paschalis, in: Studien zur christlich-mittelalterlichen Chronologie. Die Entstehung unserer heutigen Zeitrechnung. I. Victorius, hg. v. Bruno Kusch, Berlin 1938, S.  16–52. 669  Ich übersetze »harmonia« im Folgenden immer mit »Tonart«, da das hier eindeutig gemeint ist. 670  Vgl. Boethius, De institutione musica libri V, hg. v. Gottfried Friedlein, Leipzig 1867, I, 21, S.  212; englische Übersetzung: Boethius, Fundamentals of Music, übers. u. komm. v. Calvin M. Bower, hg. v. Claude V. Palisca, New Haven / London 1989. 671  Vgl. Boethius, ebd., S.  212 f. 672  Vgl. ebd. 673  Vgl. Boethius, ebd., I, Proömium, S.  179. 674  Vgl. ebd., S.  180. – Vgl. Platon, Der Staat, in: ders. Sämtliche Dialoge, hg. u. übers. v. Otto Apelt, Leipzig 1923 [unver. Nachdruck 2004], Bd.  5, 424. 675  Vgl. Boethius, ebd., S.  181. – Vgl. Platon, Der Staat, a. a. O., 399 C . 676  Vgl. Boethius, ebd., S.  181. 677  Vgl. Boethius, ebd., S.  182. 678  Vgl. 2 Könige 3, 15. 679  Vgl. Thomas von Celano, Zweite Lebensbeschreibung oder Memoriale, II, 89, S.  370, in: Franziskus-Quellen. Die Schriften des heiligen Franziskus, Lebensbeschreibungen, Chroniken und Zeugnisse über ihn und seinen Orden, hg. v. Dieter Berg u. Leonhard Lehmann, Kevelaer 2009; vgl. ausführlich zu dieser Legende: Amanda Power, Roger Bacon and the Defence of Christendom, a. a. O., S.  171. 680  Vgl. Boethius, De institutione musica, a. a. O, I, 1, S.  179. 681  Vgl. Boethius, De institutione musica libri V, a. a. O., I, 1, S.  185. 682  Vgl. ebd. 683  Vgl. ebd. 684  Vgl. Martianus Capella, De nuptiis philologiae et mercurii, hg. v. James Willis, Leipzig 1983, IX, 926, S.  355. 685  Vgl. 1 Samuel 16, 23. 686  Vgl. Boethius, De institutione musica libri V, a. a. O., S.  186. 687  Vgl. ebd., I, 1, S.  185 f. 688  Vgl. ebd., I, 1, S.  186. 689  Vgl. Cassiodor, Institutiones, a. a. O., II, 5, 8, S.  427. 690  Vgl. Wolfgang Hirschmann: Guido von Arezzo, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite, neubearbeitete Ausgabe, Bd 8., Kassel 2002, Spalte 224. 691  Vgl. Augustinus, Musik, a. a. O., II, 8, S.  67 f.

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Anmerkungen

692  Teil IV und V der Moralphilosophie. – Vgl. Roger Bacon, Moralis philosophia, a. a. O., S.  187–266; Roger Bacon, Opus maius. Eine moralphilosophische Auswahl, a. a. O., S.  129–190. – Bacon fasst das Programm seiner Moralphilosophie selbst kurz zusammen (Moralis philosophia, a. a. O., V, I, 4–6, S.  248): »Et non solum haec pars Moralis philosophiae huiusmodi est, sed quarta et quinta ac sexta similiter. Tres enim sunt speculativae partes Moralis philosophiae, quae docent speculari quae et quot sunt scienda de Deo et cultu eius, et de vita aeterna et legibus civilibus et moribus; et sunt partes tres primae in opere, quae sunt de compositione sectae fidelis; tres autem sunt practicae, scilicet quae docent quomodo et qualiter debet homo flecti ad credendum ea, quae credenda sunt in secta, qualiter etiam debet flecti ad amorem et exsecutionem legis iam creditae et receptae, et tertio [qualiter] flectitur homo, tam iudex quam pars adversa, ad consensum iustitiae in causis, ex perplexitate casuum legalium nascentibus inter cives.« (»Und so verhält es sich nicht nur mit diesem Teil der Moralphilosophie, vielmehr sind der vierte, fünfte und auch der sechste einander darin ähnlich: Zur Moralphilosophie gehören nämlich drei theoretische Teile, die zu betrachten lehren, was und wieviel von Gott und seiner Verehrung, vom ewigen Leben und den bürgerlichen und sittlichen Gesetzen zu wissen ist. Sie machen die ersten drei Teile im [vorliegenden] Werk aus, die von der Gestaltung der wahren Glaubensgemeinschaft handeln. Drei Teile dagegen sind praktisch, das heißt, sie lehren, auf welche Weise und in welcher Hinsicht der Mensch zu überzeugen ist, diejenigen [Glaubenswahrheiten] zu glauben, welche in der Glaubensgemeinschaft geglaubt werden müssen. Auch [lehren sie] noch, auf was für eine Art er zur Liebe und zur Ausführung des Gesetzes gebeugt werden muss, nachdem es einmal geglaubt und angenommen ist und, drittens, wie der Mensch, sowohl als Richter als auch als Gegenseite, angesichts der Verschlungenheit der gesetzlichen Fälle, die unter den Bürgern entstehen, in Rechtsfällen überzeugt wird, mit der Gerechtigkeit übereinzustimmen.« In: Roger Bacon, Opus maius. Eine moral­ philosophische Auswahl, a. a. O., S.  169). 693  Vgl. Roger Bacon, Opus minus, a. a. O., S.  322–359. 694  Bacon meint hier die Poetik und die Rhetorik des Aristoteles. – Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  71 [80]  ; Roger Bacon, Moralis philosophia, a. a. O., V, 2, S.  250 ff. u. VI, S.  267. 695 Die Logica vetus (»alte Logik«) beinhaltete zwei Werke des Aristoteles, die bereits Boethius übersetzt hatte, nämlich die Categoriae und De interpretatione. – Vgl. Aristoteles, Organon I (Kategorien) und II (Lehre vom Satz), in: Ders., Philosophische Schriften, a. a. O., Bd.  1.

Anmerkungen

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696  Vgl. Al-Farabi, De scientiis. Über die Wissenschaften, lat.-dt., nach der lateinischen Übers. Gerhard von Cremonas, hg., eingel. u. übers. v. Franz Schupp, Hamburg 2005, II, S.  51 f. 697  Vgl. Augustinus, Die christliche Bildung, a. a. O., IV, 24, 53, S.  201 f. 698  Vgl. Roger Bacon, Moralis philosophia, a. a. O., S.  187–243 [AntolicPiper, S.  128–165]. 699  Roger Bacon, Moralis philosophia, a. a. O., S.  247–263 [Antolic-Piper 166–189]. 700  Vgl. Roger Bacon, Moralis philosophia, a. a. O., S.  45–184 [AntolicPiper, S.  116–127]. 701  Die dritte distinctio des dritten Teils der Bacon’schen Moralis phi­ losophia (Teil VII des Opus maius) ist quasi eine Zusammenfassung des Werkes De ira von Seneca. – Vgl. Roger Bacon, Moralis philosophia, a. a. O., III, 3, S.  72–103; Seneca, De ira. Über den Zorn, a. a. O. 702  Vgl. Seneca, De Ira. Über den Zorn, a. a. O., III, 36, 3, S.  299. 703  Vgl. Aristoteles, Rhetorik, übersetzt u. erl. v. Christof Rapp (= Aristoteles. Werke 4/1), Berlin 2002, 1413 b 1 ff. 704  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, IV, 2, S.  99  ff. [118 ff.]. 705 Vgl. ebd. und Roger Bacon, Moralis Philosophia, a. a . O., V–VI, S.  247–267 [Antolic-Piper, 173 ff.]. – Vgl. allgemein zum Verhältnis von Logik, Rhetorik und Moralphilosophie bei Roger Bacon: Jeremiah Hackett, Moral Philosophy and Rhetoric in Roger Bacon, in: Philosophy & Rhetoric 20, 1987, S.  18–40; Irène Rosier-Catach, Roger Bacon, Al-Farabi et Augustin. Rhétorique, Logique et Philosophie morale, in: La Rhétorique d’Aristote. Traditions et commentaires de l’Antiquité au XVIIe siècle, hg. v. Gilbert Dahan u. Irène Rosier-Catach, Paris 1998, S.  87–110. 706  Vgl. Roger Bacon, Moralis philosophia, a. a. O., V, 3, 20, S.  258. 707  Vgl. Augustinus, Die christliche Bildung, a. a. O., III–IV, S.  102–211. 708  Vgl. Anm. 80. 709  Berthold von Regensburg, 1210–1272, einer der bekanntesten Prediger des Mittelalters. – Vgl. Amanda Power, Roger Bacon and the Defence of Christendom, a. a. O., S.  192; vgl. zu Berthold von Regensburg, Volker Mertens, Art. »Berthold von Regensburg«, in: Lexikon des Mittelalters, a. a. O., Bd.  1, Sp.  2035 ff. 710  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  376 ff. [S. 391 ff.]. 711  Vgl. Aristoteles, Über Werden und Vergehen, übers. u. erl. v. Thomas Buchheim (= Aristoteles Werke in deutscher Übersetzung 12), Berlin 2010, II, 9, 335 b 29–336 a 11. 712  Vgl. ebd. II, 10, 336 a 31–336 b 25.

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Anmerkungen

713  Nicht in siebenten Buch von Averroes’ Comm. in Arist. Met., Bd.  8, aber in seiner: Epitome, ebd., fol. 173 b heißt es: »In animalibus vero et plantis sponte genitis ultimum movens est ipsa corpora celestia.« 714  Vgl. Nicolaus Damascenus, De plantis libri duo, hg. v. E. H. F. Meyer, Leipzig 1841, I, 6, S.  11. 715  Vgl. Aristoteles, Physikvorlesung, a. a. O., 194 b 12 f. 716  Vgl. Avicenna, De animalibus, Übersetzung von Michael Scotus, hg. v. Johannes und Gregorius de Gregorio, Venedig 1500, Kap.  18 (die Stelle findet sich gegen Ende des Kapitels), fol. 53 v. 717  Vgl. Abū Ma’šar, On historical astrology. The Book of Religions and Dynasties (On the Great Conjunctions), hg. u. übers. v. Keiji Yamamoto u. Charles Burnett, 2 Bde., Leiden u. a. 2000. 718  Vgl. ebd., Bd.1, II, 8, 34, S.  151 f. 719  Vg. ebd., Bd.  1, II, 8, 34, S.  153. 720  Vgl. ebd. 721  Vgl. ebd. 722  Vgl. ebd., Bd.  1, I, 1, 15, S.  11. 723  Vgl. ebd., Bd.  1, I, 1, 8, S.  7. 724  Vgl. ebd., Bd.  1, I, 1, 13, S.  11. 725  Vgl. ebd., Bd.  1, I, 1, 12, S.  11. 726  Vgl. Avicenna, De animalibus, a. a. O., Kap.  18, fol. 53 r. 727  Vgl. 1 Könige 11, 1–8. 728  Frei nach Horaz, Epistulae I, 2, Z. 69–70, in: ders., Sämtliche Werke, lat.-dt., hg. v. Karl Bayer u. a., München 91982: »nunc adbibe puro / pectore verba, puer, nunc te melioribus offer. / quo semel est inbuta recens servabit odorem / testa diu.« (»Jetzt, weil du jung bist, schlürfe mit reinem Herzen das Wort der Lehre, jetzt öffne dich vorbildlicher Weisheit. Dem frischen Tonkrug gibt für lange die erste Füllung ihren Duft.« In: ebd., S.  145). 729  Vgl. Pseudo-Ptolemäus, Centiloquium, § 20. 730  Vgl. Haly Heben Rodan, Liber centum verborum ptholemei cum commento Haly, in: Liber quadripartiti Ptholemei cum commento Haly Heben Rodan, Venedig 1493, fol. 107 r–116 v, fol. 108 v. 731  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  258 ff. [280 ff.]. 732  Vgl. Pseudo-Ptolemäus, Centiloquium, a. a. O., § 19. 733  Vgl. Haly Heben Rodan, Liber centum verborum ptholemei cum commento Haly, a. a. O., fol. 108 v. 734  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  253 ff. [276 ff.]. 735  Vgl. Albumasar, Introductorium in astronomiam Albumasaris abalachi octo continens libros partiales, Venedig 1506, Buch I, Kap.  6. 736  Vgl. dazu: Plinius, Naturalis historia, a. a. O., Bd.  8, 17, 44, S.  44 f.

Anmerkungen

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737  Vgl. Origines, In librum Jesu Nave Homilia XXIII, in: ders., Opera, Bd.  4, hg. v. D. A. B. Caillau, Paris 1844, S.  82. 738  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  184 [205]. 739  Bacon bezieht sich hier auf die Cosmographia des Aethicus Ister, von der man meinte, dass sie durch Hieronymus übersetzt worden sei. Aethicus widmet eine lange Passage den Völkern Gog und Magog, in: The Cosmography of Aethicus Ister. Edition, Translation and Commentary, hg. v. Michael W. Herren, Turnhout 2011, §§ 39–41 b, S.  48–53. Gegen Ende heißt es dort: »Tamen Dei prouidentiam huic magno principe credimus fuisse ostensam. Et non inmerito magnus dici potest qui tam utilia argumenta agrestium hominum uesaniam retrudendam adinuenit, quorum solutionem temporibus Antechristi in persecutionem gentium uel ultionem peccatorum credimus adfuturam.« (»Doch wir sind der Ansicht, dass die Voraussicht Gottes diesem großen Fürsten gezeigt worden ist. Und Alexander kann mit gutem Grund ›der Große‹ genannt werden, weil er so nützliche Strategien gefunden hat, um die Wildheit dieser Völker in Schranken zu halten, von denen wir glauben, dass deren Freilassung in der Zeit des Antichristen erfolgen wird, um die Nationen zu verfolgen und die Sünder zu bestrafen.« In: ebd., S.  52 [Übers. N. E.]). – Hieronymus bezieht sich auf diese Legende in: Hieronymus, Epistula 70, 8, S.  45, in: Sancti Eusebii Hieronymi Epistulae, Pars II: Epistulae LXXI–CXX (= CSEL 55), hg. v. Isidor Hilberg, Leipzig 1912. 740  Vgl. Pseudo-Aristoteles, Secretum secretorum cum glossis et notulis. Tractatus brevis et utilis ad declarandum quedam obscure dicta Fratris Rogeri, in: Opera hactenus inedita Rogeri Baconi, Fasciculus V, hg. v. Robert Steele, Oxford 1920, S.  122. 741  Vgl. Pseudo-Aristoteles, De Plantis, in: Nicolai Damasceni De Plantis libri duo, Aristoteli vulgo adscripti, hg. v. Ernst H. F. Meyer, Leipzig 1841, S.  23 f. 742  Vgl. Ps.-Aristoteles, Secretum secretorum, a. a. O. 743  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  286–376 [308–391]. 744  Vgl. Kohelet 3, 1. 745  Vgl. Pseudo-Aristoteles, Secretum secretorum, a. a. O., S.  38. 746  Wahrscheinlich sind hier nicht Etymologiae III, 27 gemeint, sondern eine eigenständige Abhandlung, die Isidor zugeschrieben worden ist. – Vgl. Sancti Isidori Opera Omnia (= PL 81), hg. v. Faustino Arevalo, Paris 1862, Sp.  817, 294 D. 747  Vgl. Plinius, Naturalis historia, a. a. O., Buch XXIX–XXX, Kap.  I– VII, S.  116–129. 748  Damiette war das erste Ziel des vom französischen König Ludwig IX. geführten Sechsten Kreuzzugs. Seine Flotte traf dort 1249 ein und eroberte

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Anmerkungen

zwar die Festung, allerdings wurden die Kreuzfahrer 1250 auf dem Weg nach Kairo geschlagen. Ludwig wurde gefangen genommen und die Kreuzfahrer gaben unter anderem Damiette zurück, um ihren König freizubekommen. 749  Vgl. Roger Bacon, Perspectiva, a. a. O. – In dieser ausgezeichneten Edition mit Übersetzung von David C. Lindberg findet man weiterführende Literatur. 750 Vgl. Alhazen, Opticae thesaurus Alhazeni Arabis libri septem, hg. v. Friedrich Risner, Basel 1572, Nachdruck New York 1972; Alhacen’s Theory of Visual Perception: A Critical Edition, with English Translation and Commentary, of the first three Books of Alhacen’s »De aspectibus«, the Medieval Latin Version of Ibn al-Haytham’s »Kitab al-Manazir«, hg. v. A. Mark Smith, 2 Bde., Philadelphia 2001. 751  Vgl. Ptolemäus, L’optique de Claude Ptolémée dans la version latin d’après l’arabe de l’emir Eugène de Sicile, lat.-franz., hg. u. übers. v. Albert Lejeune, Leiden u. a. 1989 [im Weiteren zitiert als Optica]. 752  Alkindi, De aspectibus, hg. v. Axel A. Björnbo u. Sebastian Vogl, in: Alkindi, Tideus und Pseudo-Euklid: Drei optische Werke, in: Abhandlungen zur Geschichte der mathematischen Wissenschaften, 26.3, Berlin 1912, S.  3–41. 753  Vgl. Tideus, De speculis, hg. v. Axel A. Björnbo u. Sebastian Vogl, in: ebd., S.  73–82. 754  Vgl. Euklid, De speculis, in: The Medieval Latin Traditions of Euclid’s Catoptrica: A Critical Edition of De Speculis, with an Introduction, English Translation and Commentary, Tokyo 1990. 755  Vgl. Roger Bacon, Perspectiva, a. a. O., S.  3 ff. 756  Vgl. ebd., S.  21 ff. 757  Vgl. ebd., S.  33 ff. 758  Vgl. ebd., S.  43. 759  Vgl. ebd., S.  61 ff. 760  Vgl. ebd., S.  85. 761  Bacon bezieht sich hier auf Aristoteles’ De generatione animalium V, 1, 781 a 1–2 u. 781 b 2–13. Auch wenn Aristoteles die Extramissionstheorie nur als eine der Möglichkeiten darstellt, scheint die Übersetzung von Michael Scotus diese Theorie jedoch als gesichert anzugeben. In der Übersetzung von Michael Scotus heißt es: »Et non est diversitas inter sermonem dicentis quod oculus videt et inter sermonem dicentis quod visus exit ad visum.« (»Es gibt jedoch keine Abweichung zwischen der Ansicht, dass das Auge sieht, und der Ansicht, dass der Sehstrahl [vom Auge] zum Gesehenen ausgeht.« [Übers. N. E.]) Vgl. Aristotle, De animalibus: Michael Scot’s Arabic Latin Translation, part three, Books XV–XIX: Generation of

Anmerkungen

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Animals, hg. v. Aafke M. I. van Oppenraaij, Leiden 1992, S.  220; Deutsche Übersetzung: Aristoteles, Über die Zeugung der Geschöpfe, übers. v. Paul Gohlke, Paderborn 1959. – Vgl. zu dieser Stelle auch: Roger Bacon, Perspectiva, a. a. O., S.  359, Anm. 223. 762  Augustinus, De musica, a. a. O., VI, 8, 21, Sp.  1174: »Ut igitur nos ad capienda spatia locorum diffusio radiorum iuvat, qui e brevibus pupulis in aperta emicant, et adeo sunt nostri corporis, ut quamquam in procul positis rebus quas videmus, a nostra anima vegetentur; ut ergo eorum effusione adjuvamur ad capienda spatia locorum […].« (»So wie uns erst die Ausgebreitetheit der Lichtstrahlen die Möglichkeit gibt, mit unseren schmalen Pupillen in die Weite zu blicken, Dinge aus großer und ausgebreiteter Entfernung körperlich zu erfassen und seelisch aufzunehmen, weil eben die Verströmtheit des Lichtes uns hilft, die örtlichen Grenzen zu überwinden […].« In: Augustinus, Musik, a. a. O., S.  234). – Die Übersetzung ist an dieser Stelle irreführend. »radiorum iuvat, qui … e pupulis in aperta emicant« bedeutet, dass die Sehstrahlen (radiorum) von den Augen (e pupulis) ins Offene ausstrahlen (emicare), also von den Augen ausgehen. 763  Vgl. Ptolemäus, L’optique de Claude Ptolémée dans la version latin d’après l’arabe de l’emir Eugène de Sicile, a. a. O. – Die Extramissionstheorie ist eine der Grundannahmen von Ptolemäus’ Traktat über die Optik. 764  Vgl. Tideus, De speculis, a. a. O., S.  75. 765  Vgl. Alkindi, De aspectibus, a. a. O., S.  9 ff. 766  Vgl. Roger Bacon, Perspectiva, a. a. O., S.  360, Anm. 230. 767  Vgl. Averroes, Epitome of the Parva Naturalia, übers. v. Harry Blumberg, Cambridge  /  Mass. 1961, S.  14–20. 768  Vgl. Avicenna, De anima, in: Avicenna Latinus. Liber de anima, I-IIIII, hg. v. S.  Van Riet, Leiden 1972, III, 1–8, S.  169–283. 769  Vgl. Alhazen, De aspectibus, a. a. O., I, 1, 1 u. I, 5, 14–26, S.  7–16. 770  Vgl. Aristoteles, De generatione animalium, a. a. O., V, 1, 781 a 1–2 u. 781 b 2–13. 771  Vgl. Roger Bacon, Perspectiva, a. a. O., S.  103. 772  Vgl. ebd., S.  109 ff. 773  Vgl. ebd., S.  101 ff. 774  Vgl. ebd., S.  109. 775  Vgl. ebd., S.  109 f. 776  Vgl. ebd., S.  111 ff. 777  Vgl. ebd., S.  115 ff. 778  Vgl. ebd., S.  125 ff. 779  Vgl. Ptolemäus, Optica, a. a. O., II, 9; II, 19; II, 139; S.  14–15, 19–20, 82–83.

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Anmerkungen

780  Vgl. Roger Bacon, Perspectiva, a. a. O., S.  125 f. 781  Siehe zu den Himmelssphären: Edward Grant, Cosmology, in: Science in the Middle Ages, hg. v. David C. Lindberg, Chicago 1978, S.  265– 302; ders., Planets, Stars, and Orbs: The Medieval Cosmos, 1200–1687, Cambridge 1994. 782  Vgl. Roger Bacon, Perspectiva, a. a. O., S.  131 f. 783  Hier liegt eine Fehlinterpretation von Roger Bacon vor, die im Mittelalter jedoch verbreitet war. Einer der Philosophen, auf den Bacon sich hier bezieht, ist Boethius, der im Trost der Philosophie Folgendes schreibt: »Quodsi, ut Aristoteles ait, Lyncei oculis homines uterentur, ut eorum visus obstantia penetraret, nonne introspectis visceribus illud Alcibiadis superficie pulcherrimum corpus turpissimum videretur?« (»Wenn die Menschen, wie Aristoteles sagt, sich der Augen des Lynkeus bedienen könnten, so daß ihr Blick durch alle Widerstände dränge, würde dann nicht, wen man die Eingeweide schaute, auch jener auf der Oberfläche herrliche Körper des Alkibiades abstoßend widerwärtig erscheinen?« In: Boethius, Consolatio philosophiae. Trost der Philosophie, lat.-dt., hg. u. übers. v. Ernst Gegenschatz u. Olof Gigon, Düsseldorf / Zürich 62002, III, Pr. 8, S.  119). – Gemeint ist hier nicht der Luchs (lynx), sondern Lynkeus, einer der Argonauten, dessen Augen jegliche festen Gegenstände durchdrangen. Die Quelle, auf welche die Bemerkung über Aristoteles bei Boethius zurückgeht, ist wahrscheinlich der nur in Fragmenten überlieferte Protreptikos (vgl. Aristoteles, Protreptikos. Hinführung zur Philosophie, rek., übers. u. komm. v. Gerhart Schneeweiß, Darmstadt 2005, S.  118; vgl. auch: Boethius, Consolatio Philosophiae. Trost der Philosophie, a. a. O., S.  291, Anm. zu Prosa 8). 784  Vgl. Roger Bacon, Opus tertium, Kapitel 42. 785  Vgl. Roger Bacon, Perspectiva, a. a. O., S.  133 ff. 786  Vgl. ausführlicher: ebd., S.  135 ff. 787  Vgl. Aristoteles, Über die Wahrnehmung und das Wahrnehmbare, a. a. O., 446 b 27–447 a 12. 788  Vgl. Aristoteles, Von der Seele, a. a. O., II, 7, 418 b 20. 789  Vgl. Alhazen, De aspectibus, a. a. O., II, 2, 21, S.  37 f. 790  Vgl. Alkindi, De aspectibus, a. a. O., 15, S.  25 ff. 791  Vgl. Roger Bacon, Perspectiva, a. a. O., S.  135 ff. 792  Vgl. ebd., S.  141 ff. 793  Vgl. ebd., S.  160 ff. 794  Vgl. ebd., S.  177 ff. 795  Vgl. ebd., S.  9 ff. 796  Ptolemäus, Optica, a. a. O., II, 13, S.  17.

Anmerkungen

1021

797  Vgl. Aristoteles, Von der Seele, a. a. O., II, 6, 418 a 17–20. 798  Vgl. Roger Bacon, Perspectiva, a. a. O., S.  145 ff. 799  Vgl. ebd., S.  161 ff. 800  Vgl. Aristoteles, Topik, a. a. O., I, 14, 105 b 33. 801  Vgl. Roger Bacon, Perspectiva, a. a. O., S.  161 ff. 802  Vgl. Ptolemäus, Optica, a. a. O., II, 87, S.  57. 803  Vgl. Roger Bacon, Perspectiva, a. a. O., S.  173. 804  Vgl. ebd., S.  177 ff. 805  Vgl. ebd., S.  189. 806  Vgl. richtig: Augustinus, De trinitate, lat.-dt., übers. u. eingel. v. Johann Kreuzer, Hamburg 2001, XI, 2, 4, S.  139. 807  Vgl. Kapitel 81, S.  713 ff. in dieser Übersetzung und: Roger Bacon, Per­spectiva, a. a. O., S.  109 ff. 808  Vgl. Roger Bacon, Perspectiva, a. a. O., S.  195 ff. 809  Vgl. ebd., S.  197 f. 810  Vgl. ebd., S.  201. 811  Vgl. Ptolemäus, Optica, a. a. O., II, 95–96, S.  59–61. 812  Vgl. Roger Bacon, Perspectiva, a. a. O., S.  203 ff. 813  Vgl. ebd., S.  207 ff. 814  Vgl. ebd., S.  213 ff. 815  Vgl. Euklid, Optica, a. a. O., De visu, S.  62. 816  Vgl. Roger Bacon, Perspectiva, a. a. O., S.  225. 817  Vgl. ebd., S.  227 ff. 818  Vgl. ebd., S.  228. 819  Vgl. ebd., S.  229 ff. 820  Vgl. ebd., S.  233 ff. 821  Vgl. Aristoteles, Zweite Analytik, hg. u. übers. v. Wolfgang Detel, Hamburg 2011, I, 13, 78 a 30–79 b 3. 822  Vgl. Aristoteles, Vom Himmel, a. a. O., 290 a 20–22. 823  Vgl. Roger Bacon, Perspectiva, a. a. O., S.  247 ff. 824  Vgl. ebd., S.  5 ff. 825  Vgl. ebd., S.  253 ff. 826  Vgl. Roger Bacon, De multiplicatione specierum, a. a. O. 827  Vgl. Roger Bacon, Perspectiva, a. a. O., S.  253 ff. 828  Vgl. ebd., S.  259 ff. 829  Das ist die Senkrechte, die vom Objekt zum Spiegel gezogen wird. 830  Vgl. ebd., S.  263 ff. 831  Vgl. Euklid, De speculis, a. a. O., Proposition 12, S.  310. 832  Roger Bacon, Perspectiva, a. a. O., S.  276. 833  Vgl. Aristoteles, Meteorologie, a. a. O., III, 4, 373 b 3–5.

1022

Anmerkungen

834  Vgl. Seneca, Quaestiones naturales. Naturwissenschaftliche Untersuchungen, lat.-dt., hg. u. übers. v. M. F. A. Brok, Darmstadt 1995, I, 3, 7, S.  47. 835  Vgl. Roger Bacon, Perspectiva, a. a. O., S, 279 f. 836  Vgl. ebd., S.  283. 837  Vgl. ebd., S.  285 f. 838  Vgl. ebd., S.  287 ff. 839  Vgl. ebd., S.  289, Fig. 44. 840  Vgl. ebd., S.  291, Fig. 45. 841  Vgl. ebd., S.  297 ff. 842  Vgl. ebd., S.  309 ff. 843  Vgl. ebd., S.  313. 844  Vgl. ebd., S.  322 ff. 845  1 Korinther 13, 12. 846  Vgl. Jakobus 1, 23. 847  Vgl. Roger Bacon, Perspectiva, a. a. O., S.  331 ff. 848  Vgl. Plinius, Naturalis historia, a. a. O., II, 31–32, 99, S.  82 f. 849  Jesaja 7, 9. – In der Septuaginta und der Vetus Latina wird der Satz folgend übersetzt: »Si non credideritis, non intellegitis.« (»Wenn ihr nicht glaubt, so erkennt ihr nicht.« Die Vulgata hält sich in ihrer Übersetzung jedoch näher an den Urtext: »Si non credideritis, non permanebitis.« (»Wenn ihr nicht glaubt, so bleibt ihr nicht.«) 850  Vgl. Ptolemäus, Optica, a. a. O., V, 24 ff., S.  238 ff. 851  Mit diesem Satz beginnt ein Textabschnitt, der sich auch in den Communia naturalium Roger Bacons findet. – Vgl. Roger Bacon, Communia naturalium, Liber secundus. De celestibus, in: Opera hactenus inedita Rogeri Baconi, Fasciculus IV, hg. v. Robert Steele, Oxford 1913, V, 2, S.  418 ff. 852  Vgl. Ptolemäus, Handbuch der Astronomie, a. a. O., Bd.  1, I, 8, S.  20 ff. 853 Vgl. Ptolemäus, Handbuch der Astronomie, a. a. O., Bd.  1, III, 3, S.  152 ff. 854  Vgl. ebd., III, 4, S.  166 ff. 855  Vgl. ebd. 856  Vgl. Claudius Ptolemäus, Handbuch der Astronomie, a. a. O. 857  Gemeint ist der arabische Astronom und Mathematiker al-Battani, siehe: Art. ›Albatenius‹, in: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, hg. v. Jürgen Mittelstraß, Bd.  1, Stuttgart 2005, S.  68 f. 858  Gemeint ist Thābit ibn Qurra, siehe: Joann Palmeri, Art. ›Thābit ibn Qurra‹, in: The Biographical Encyclopedia of Astronomers, hg. v. Thomas Hockey u. a., New York 2007, S.  1129 f.

Anmerkungen

1023

859  Gemeint ist al-Zarquālī, siehe: Roser Puig, Art. ›Zarquālī‹, in: The Biographical Encyclopedia of Astronomers, a. a. O., S.  1258 ff. 860  Vgl. Ptolemäus, Handbuch der Astronomie, a. a. O., Bd.  2 , VII, 1, S.  3 ff. 861  Gemeint ist der Astronom Hipparchus von Nizäa, siehe: Alistair Kwan, Art. ›Hipparchus of Nicaea‹, in: The Biographical Encyclopedia of Astronomers, a. a. O., S.  511 ff. 862  Vgl. Mohammed Ibn Dschabir Al-Battani, Opus astronomicum, hg. v. Carolo Alphonso Nallino, Rom 1903 [Nachdruck Hildesheim / New York 1977], 51, S.  124 ff. 863  Vgl. Thābit ibn Qurra, De motu octavae spherae, in: The Astronomical Works of Thabit b. Qurra, hg. v. Francis J. Carmody, Berkeley / Los Angeles 1960, S.  102–107; englische Übersetzung: Thebit ben Qurra, »On the Solar Year« and »The Motion of the Eigth Sphere«, übers. v. Otto Neugebauer, in: Proceeding of the American Philosophical Society 106, 1962, S.  264–299; generell hierzu: Léon Gauthier, Une reforme du système astronomique de Ptolémée tentée par les philosophes arabes du XIIe siècle, in: Journal asiatique 14, 1909, S.  486–510. 864  Vgl. zu diesem Phänomen: Bernard R. Goldstein, On the Theory of Trepidation according to Thâbit Ibn Qurra and al-Zarqâllûh and its Implications for Homocentric Planetary Theory, in: Centaurus 10, 1964, S.  232– 247. 865  Vgl. Fritz S.  Petersen, The Toledan Tables. A review of the manuscripts and the textual versions with an edition, Kopenhagen 2002; Gerald J. Toomer, A Survey of the Toledan Tables, in: Osiris 15, 1968, S.  5–174. 866  Gemeint ist al-Bitrūjī, siehe: Julio Samsó, Art. ›Bitrūjī‹, in: The Biographical Encyclopedia of Astronomers, a. a. O., S.  133 f. 867  Vgl. al-Bitrūjī, De motibus celorum, hg. v. Francis J. Carmody, Berkeley / Los Angeles 1952, I, S.  71 f.; IX, S.  94 ff. 868  Vgl. ebd., IX, 5–8, S.  95 f. 869  Vgl. ebd., IV, 2–8, S.  81 f. 870  Vgl. ebd., IX, 2, S.  81. 871  Vgl. ebd., IX, 3–4, S.  81. 872  Vgl. ebd., IX, 5–7, S.  81. 873  Vgl. ebd., IX, 8, S.  81 f. 874  Vgl. ebd., VI, 10, S.  86 f. 875  Vgl. Thābit ibn Qurra, De motu octavae spherae, in: The Astronomical Works of Thabit b. Qurra, a. a. O., S.  102–107. 876  Vgl. al-Bitrūjī, De motibus celorum, a. a. O. X, S.  99 ff.

1024

Anmerkungen

877  Timocharis von Alexandria, neben Hipparchus einer der wesentlichen Astronomen, auf die sich Ptolemäus regelmäßig bezieht. Siehe: A. Clive Davenhall, Art. ›Timocharis‹, in: The Biographical Encyclopedia of Astronomers, a. a. O., S.  1141. 878  Vgl. al-Bitrūjī, De motibus celorum, a. a. O., XVII, S.  129 ff. 879  Vgl. ebd., XIX, S.  140 ff. 880  Vgl. Aristoteles, Physikvorlesung, a. a. O., VIII, 6, 258 b 10 ff. 881  Vgl. al-Bitrūjī, De motibus celorum, a. a. O., II, 1–6, S.  74 f. 882  Vgl. Aristoteles, Vom Himmel, a. a. O., 285 a 29 ff. 883  Aristoteles, Metaphysik, a. a. O., XI, 8, 1073 a 23 ff. u. XII, 43 u. 49. 884  Vgl. Aristoteles, Vom Himmel, a. a. O., 289 b 1 ff. 885  Hier ist keine geometrische Figur, sondern eine materielle Sphäre gemeint. 886  Vgl. Aristoteles, Vom Himmel, a. a. O., 290 a 25 ff. 887 Vgl. Ptolemäus, Handbuch der Astronomie, a. a . O., Bd.  1, 5, 2, S.  259 ff.; Bd.  2, 9, 7, S.  130 ff. 888  Vgl. Aristoteles, Vom Himmel, a. a. O., 290 a 25 ff. 889  Vgl. ebd., 289 b 7 ff. 890  Vgl. Ptolemäus, Handbuch der Astronomie, a. a. O., Bd.  2, X, 1–5, S.  156 ff. 891  Vgl. ebd., IX, 7–11, S.  130 ff. 892  Vgl. Aristoteles, Physikvorlesung, a. a. O., VIII, 6, 258 b 10 ff. 893  Vgl. ebd., VIII, 8, 262 a 12 ff. 894  Vgl. Ptolemäus, Handbuch der Astronomie, a. a. O., Bd.  2, XIII, 10– 11, S.  393 ff. 895  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  2, S.  167–222; Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  157–228. 896  Vgl. Kapitel 13 in dieser Übersetzung. 897  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  2, S.  172–201; Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  163–202. 898  Vgl. ebd., Bd.  2 , S.  175–178; Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  168–171. 899  Im Folgenden beginnt ein Einschub über den Halo, der sich nur in dem Fragment von Duhem befindet. Dort auf Seite 138–148. 900  Vgl. Aristoteles, Meteorologie, a. a. O., III, 2, 372 a 17 ff. 901  Vgl. Seneca, Naturales quaestiones. Naturwissenschaftliche Untersuchungen, a. a. O., I, 9, 10, S.  67. 902  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  2, S.  178 ff.; Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  171 ff. 903  Vgl. ebd.

Anmerkungen

1025

904  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  2, S.  188 f., S.  198 f.; Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  184 f., S.  198 f. 905  Die Verlängerung des Lebens behandelt Bacon ausführlich als Beispiel 2 in seinem Abschnitt über die Scientia Experimentalis (Opus maius, Bd.  2, S.  204 ff.; Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  204 ff.). 906  Vgl. Flavius Josephus, Jüdische Altertümer, a. a. O., I, 3, 4, S.  21. 907  Vgl. Psalmen 90. 908  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  2, S.  204 ff, Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  204 ff. 909  Beispiel 1 in Bacons Scientia Experimentalis. – Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  2, S.  202 f.; Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  203 f. 910  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  217 f. 911  Vgl. Pseudo-Aristoteles, Secretum secretorum, a. a. O., S.  114. 912  Bacon bezieht sich hier auf den Traktat De vita propaganda eines gewissen Artephius. Dort steht im Vorwort, dass er diesen Traktat mit über 1025 Jahren geschrieben haben soll. – Vgl. zu Artephius und Roger Bacon: Sébastien Moreau, Appendix: A Note on Artephius, in: ders., Elixir atque Fermentum: New Investigations about the Link in Acivenna’s Alchemical De Anima and Roger Bacon: Alchemical and Medical Doctrines, in: Traditio 68, 2013, S.  277–325, S.  324 f. 913  Vgl. Aristoteles, Metaphysik, a. a. O., VIII, 5, 1044 b 35 ff. 914  Vgl. Roger Bacon, Opus minus, a. a. O., S.  367 ff. 915  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  214 f. 916  Siehe hierzu einführend: David Pingree, The Diffusion of Arabic Magical Texts in Western Europe, in: La Diffusione delle Scienze Islamiche nel Medio Evo Europeo, Rom 1987, S.  57–102. 917  Bacon bezieht sich hier auf eine anonyme Zusammenfassung des Almagest, den Almagestum parvum bzw. Almagesti minoris libri VI. Der Text ist bisher nicht ediert. – Siehe weiterführend: Jeremiah Hackett, Roger Bacon on Scientia experimentalis, a. a. O., S.  285, Anm. 26; Richard Loch, Some Remarks on the Almagestum parvum, in: Amphora. Festschrift für Hans Wussing zu seinem 65. Geburtstag, hg. v. Sergei S.  Demidov u. a., ­Basel 1992, S.  407–437. 918  Ptolemäus, Centiloquium, a. a. O., § 1. 919  Vgl. Ptolemäus, Tetrabiblos, hg. u. übers. v. Thomas Schäfer, Mössingen 22000, I, 1, S.  11 f. 920  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teile I, II u. VI., S.  219 ff. 921  Vgl. Ambrosius von Mailand, Exameron, übers. u. hg. v. J. E. Niederhuber, Kempten 1914; Hexameron (= CSEL 32/2), hg. v. C. Schenkl, Wien 1987.

1026

Anmerkungen

922  Vgl. Basilius von Caesarea, Homilien zum Hexaemeron, hg. v. Manuel Amand de Mendieta und Stig Y. Rudberg, Berlin 1997; Deutsche Übersetzung: Homilien über das Hexaemeron. Des heiligen Kirchenlehrers Basilius des Grossen ausgewählte Schriften, hg. v. Anton Stegmann, in: Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Bd.  47, Kempten / München 1925. 923  Vgl. Aratos, Phainomena. Sternbilder und Wetterzeichen, griech.dt., hg. v. Manfred Erren, München 1971. 924  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teile I, II, u. VI., S.  224 f. 925  Vgl. Aethicus Ister, Cosmographia, a. a. O., § 83, S.  180. 926  Der anonyme Autor der Cosmographia gibt sich in seinem Vorwort als Hieronymus aus, der die Reisebeschreibung des berühmten Philosophen Aethicus übersetzt habe. Daher hier diese Zuschreibung. 927  Vgl. Isidor von Sevilla, Die Enzyklopädie, a. a. O., 14, 4, 15, S.  526. 928  Vgl. Plinius, Naturalis historia, a. a. O., Bd.  36, 31, 139, S.  97. 929  Vgl. Le De anima alchimique du pseudo-Avicenne, a. a. O., VI, 2, S.  461. 930  Vgl. Das Feuerbuch des Marcus Graecus, in: Geschichte der Explosivstoffe, Bd.  1: Geschichte der Sprengstoffchemie, der Sprengtechnik und des Torpedowesens bis zum Beginn der neuesten Zeit, Berlin 1895, S.  114– 132, S.  118. 931 Vgl. Hieronymus, Commentariorum in Hezechielem Libri XIV (= CCSL 75), hg. v. Francisci Glorie, Turnhout 1964, IV, 15, S.  158. 932  Vgl. OT, S.  685. 933  Vgl. Richter 7, 15–23. 934  Vgl. Kap.  26, S.  197. 935  Findet sich m. W. nicht im erhaltenen Fragment des Opus minus. 936  Vgl. Paulus Orosius, Die antike Weltgeschichte in christlicher Sicht, a. a. O., Bd.  1, III, XVI, S.  175. 937  Vgl. Pseudo-Aristoteles, Secretum secretorum, a. a. O., S.  114. 938  Vgl. Daniel 11, 39. 939  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  2, S.  223 ff. [635 ff.]. – Vgl. auch: Roger Bacon, Moralis philosophia, a. a. O. (auf diese Ausgabe werde ich mich im Folgenden beziehen). 940  Vgl. Roger Bacon, Moralis philosophia, a. a. O., S.  3–35 [Antolic-­Piper, S.  80–107]. 941  Vgl. Philipper 3, 15. 942 Vgl. Jürgen Becker, Die Testamente der zwölf Patriarchen, Gütersloh 21980; H. J. de Jonge, Die Patriarchentestamente von Roger Bacon bis Richard Simon, in: Studies on the Testaments of the Twelve Patriarchs, hg. v. A. M. Denis u. Marinus de Jonge, Leiden 1975, S.  3–44.

Anmerkungen

1027

943  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  107 ff. 944  Vgl. Roger Bacon, Moralis philosophia, a. a. O., S.  39–42 [Antolic-­ Piper, S.  108–115]. 945  Vgl. Roger Bacon, Moralis philosophia, a. a. O., S.  45–184 [AntolicPiper, S.  116–127]. 946 Vgl. Anonymus, Der apokryphe Briefwechsel zwischen Seneca und Paulus, lat.-dt., eingel. u. übers. v. Alfons Fürst u a., Tübingen 2006, Ep.  XIV, S.  35. 947  Vgl. Roger Bacon, Moralis philosophia, a. a. O., III, Dist. 3, S.  72 ff. 948  Vgl. Seneca, De ira. Über den Zorn, a. a. O. 949  Vgl. Roger Bacon, Moralis philosophia, a. a. O., S.  187–243 [AntolicPiper, S.  128–165]. 950  Vgl. Aristoteles, Politik, hg. u. übers. v. Eckart Schütrumpf, Hamburg 2012. 951  Vgl. 1 Korinther 2,6. 952  Vgl. 1 Petrus 3, 15. 953  Vgl. Gregor der Große, Homiliae XI in Evangelia (= PL 76), II, 26, Sp.  1197: »[…] nec fides habet meritum, cui humana ratio praebet experimentum.« 954  Vgl. Römer 1, 20. 955  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, Teile I, II u. VI, a. a. O., S.  103 ff. 956  Vgl. Kap.  24, S.  163 ff. 957  Vgl. Alfarabi, De scientiis. Über die Wissenschaften, a. a. O., Kap.  V, S.  119 ff. 958  Vgl. Avicenna, Metaphysik, a. a. O., X, 5, S.  677 ff. 959  Vgl. Kap.  76, S.  665 ff.; Kap. 79, S.  691  ff. 960  Vgl. Roger Bacon, Opus maius, a. a. O., Bd.  1, S.  379 ff. [S. 394 ff.]. 961  Vgl. ebd., Bd.  1, S.  254–269 [276–290]. 962  Vgl. Roger Bacon, Moralis Philosophia, a. a. O., S.  188 ff. 963  Vgl. ebd., S.  212. 964  Aristoteles, Metaphysik, II, 1, a. a. O., 993 b 10. 965  Vgl. Avicenna, Liber de philosophia prima sicut de scientia divina, IX, 7, hg. v. Simone van Riet, 3 Bde., Bd.  2, Leiden 1980, S.  509, Z. 46. 966  Vgl. Alfarabi, De scientiis. Über die Wissenschaften, a. a. O., V, S.  127. 967  Vgl. Aristoteles, Physikvorlesung, a. a. O., VIII, 6, 258 b 10 ff. 968  Vgl. Roger Bacon, Moralis philosophia, a. a. O., S.  213. – Vgl. die Passage in: Wilhelm von Rubruck, Reisen zum Großkhan der Mongolen. Von Konstantinopel nach Karakorum 1253–1255, hg. v. Hans D. Leicht, Darmstadt 1984, S.  191 f.; siehe auch: Michèle Guéret-Laferté, Le voyageur et le géographie: l’insertion de la relation voyage de Guillaume de Rubrouck

1028

Anmerkungen

dans l’Opus maius de Roger Bacon, in: La géographie au Moyen Age. Espaces pensés, espaces vécus, espaces revés, Perspectives médiévales, Suppl.  24, 1998, S.  81–96. 969  Vgl. Roger Bacon, Moralis philosophia, a. a. O., S.  5 ff. [Antolic-Piper S.  85 ff.]. 970  Bacon bezieht sich hier wahrscheinlich auf ein verlorenes Buch von Seneca mit dem Titel Contra superstitiones (Gegen Aberglauben), das Augustinus in seinem Gottesstaat erwähnt. – Vgl. Augustinus, Vom Gottesstaat, a. a. O. VI, 10–11, S.  309 ff. 971  Vgl. Avicenna, Liber de philosophia prima sive scientia divina V–X, a. a. O., IX, 7, S.  507; Avicenna, Metaphysik, a. a. O., S.  633. 972  Abū Ma’šar, On historical astrology, a. a. O., Bd.  1, II, 8, 5, S.  127. 973  Vgl. Daniel 9, 24–27. 974  Vgl. Viertes Buch Esra 7, 28–30, in: Hermann Gunkel, Das vierte Buch Esra, in: Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments, übers. u. hrsg. von Emil Kautzsch, 2 Bände, Tübingen 1900, Bd.  2, S.  331–401. 975 Vgl. Jürgen Becker, Die Testamente der zwölf Patriarchen, Gütersloh 21980; H. J. de Jonge, Die Patriarchentestamente von Roger Bacon bis Richard Simon, in: Studies on the Testaments of the Twelve Patriarchs, hg. v. A. M. Denis u. Marinus de Jonge, Leiden 1975, S.  3–44. 976  Vgl. Flavius Josephus, Jüdische Altertümer, a. a. O., XVIII, 3, 3, u. 16. 977  Vgl. Roger Bacon, Moralis philosophia, a. a. O., IV, 7, S.  216. 978  Vgl. ebd., S.  217 f. 979  Vgl. Avicenna, Metaphysik, a. a. O., X, 2, S.  661 ff. 980  Vgl. ebd., X, 4, S.  673 ff. 981  Vgl. Lukas 3, 16. 982 Vgl. Alfarabi, De scientiis. Über die Wissenschaften, a. a. O., V, S.  125 ff. 983  Vgl. Jesaja 7, 14. 984  Vgl. Alfarabi, De scientiis. Über die Wissenschaften, a. a. O., V, S.  129. 985  Vgl. Roger Bacon, Moralis philosophia, a. a. O., S.  224 ff. 986  Vgl. ebd., S.  225. 987  Vgl. ebd., S.  227. 988  Vgl. Roger Bacon, Moralis philosophia, a. a. O., S.  247–263 [AntolicPiper 166–189]. 989  Vgl. ebd., S.  250 ff. 990  Vgl. ebd., S.  258 f. 991  Vgl. ebd., S, 267. 992  Im Fragment des Opus minus nicht erhalten.

Anmerkungen

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993  Vgl. Roger Bacon, Opus minus, a. a. O., S.  313–315. 994  Vgl. ebd., S.  322 ff. 995  Vgl. ebd., S.  349 ff. 996  Vgl. ebd., S.  359 ff. 997  Vgl. ebd., S.  367 ff. 998  Nicht mehr im Fragment des Opus minus erhalten. 999  Vgl. Pseudo-Aristoteles, Secretum Secretorum, a. a. O., S.  41. 1000  Vgl. ebd., S.  114 f. 1001  Vgl. Le De anima alchimique du pseudo-Avicenne, hg. u. übers. v. Sébastian Moureau, 2 Bde., Florenz 2016, Bd.  2., I, 2, S.  127. 1002  Vgl. Marbod von Rennes, Liber de gemmis, in: Marbodi redonensis episcopi, ipsius Hildeberti supparis opuscula (= PL 171), hg. v. Jean J. Bourassé, Paris 1854, 1738 A. 1003  Vgl. Roger Bacon, Opus minus, a. a. O., S.  313–315 (in dem Fragment ist nur noch ein kleiner Teil dieser Abhandlung erhalten). 1004  Vgl. ebd., S.  359 ff. 1005  Vgl. Le De anima alchimique du pseudo-Avicenne, a. a. O., Bd.  2, I, 2, S.  129 u. I, 5, S.  149. 1006  Vgl. ebd., Bd.  1, S.  263 f. 1007  Vgl. Solinus, Die Wunder der Welt, a. a. O., 53, 27, S.  315. 1008  Vgl. Le De anima alchimique du pseudo-Avicenne, a. a. O., Bd.  1, Stichwort ›alexir‹, S.  409. 1009  Vgl. ebd., Bd.  2, I, 9, S.  207 ff. 1010  Vgl. Roger Bacon, Opus minus, a. a. O., S.  359 ff. 1011  Vgl. Aristoteles, Von der Seele, a. a. O., 402 a 1–411 b 23. 1012  Vgl. Aristoteles, Über die Zeugung der Geschöpfe, a. a. O., 34 a ff., S.  79 ff. 1013  Vgl. Avicenna, Liber primus naturalium. Tractatus primus: De causis et principiis naturalium, hg. v. S.  Van Riet, Leiden 1992, S.  12, II, 21–25. 1014  Vgl. Avicenna, Metaphysik, a. a. O., VI, 5, S.  415 ff., bes. S.  433. 1015  Vgl. Roger Bacon, Opus minus, a. a. O. 1016  Zuschreibung unklar, vgl.: Lynn Thorndike, History of Magic and Experimental Science, 8 Bde., New York London 61964, Bd.  2, Stichwort ›Books of waters‹, S.  797 f. 1017  Vgl. Roger Bacon, Opus minus, a. a. O. 1018  Vgl. Aristoteles, Metaphysik, a. a. O., VIII, 5, 1044 b 35 ff.

S IG L E N V E R Z E IC H N I S

CCCM

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CCSL

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CSEL

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PG

Patrologiae cursus completus. Series Graeca, hg. v. Jaques Paul Migne, Paris 1857 ff.

PL

Patrologiae cursus completus. Series Latina, hg. v. Jaques Paul Migne, Paris 1844 ff.

OT

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TRE

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BBK

Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Hamm  /  Herzberg  /  Nordhausen 1975 ff.

LTK

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B I B L IO G R A PH I E

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NA M EN R EGISTER

Die römischen Zahlen beziehen sich auf die Einleitung, die steil gedruckten Zahlen auf den Text des Opus tertium, die kursiv gedruckten Zahlen auf die Anmerkungen. Aaron (Hohepriester; Bruder von Moses)  57, 473 Abhohali  s.: Avicenna Abimalech 549 Abrachis (Hipparchos von Nicäa) 779, 791, 1023 Abraham (Stammvater Israels)  49, 419, 431, 667, 901 Achilles (Zenonsches Paradox) 261, 349 Achorius (Astronom)  583 Ackermann, Silke  986 Adam (Stammvater der Menschen)  49, 165, 209, 419, 431, 433, 437, 901 Adam Marsh  s.: Marsh, Adam Adamietz, Joachim  1008 Adonis 559 Adriaen, Marcus  983, 997 Aeneas 541 Aethicus Ister  s.: Ister, Aethicus Agabus 543 Aha (bei Jesaja)  421 Ahasja (König von Juda)  435 Alanus ab Insulis  19, 974 Albategni (Abū ʿAbd Allāh Mu­ ḥammad ibn Jābir ibn Sinān al-Raqqī al-Ḥarrānī aṣ-Ṣābiʾ al-Battānī)  779, 781, 1023 Albertus Magnus (Albert von Lauingen)  XXVII , LXIV, LXXVII ,

XCII , XCIII , 29, 125, 976, 977, 978, 979, 990 Albinus 483 al-Bitrūjī (Alpetragius)  XXXVIII , XXXIX , CXXIII , CXXIV, 783, 785, 791, 793, 795, 799, 805, 843, 1023, 1024 Albrecht, Michael von  1011 Albumasar (Dscha‘far ibn Muhammad Abu Ma‘ar al-Balchi) 99, 437, 663, 665, 677, 933, 981, 997, 1016, 1028 Alemannus, Hermannus  s.: Hermann der Deutsche Alessio, Franco  LX , CXVII , 978 Alexander IV. (Papst)  XVI Alexander von Hales  XLVII , 977, 978 Alexander III . von Makedonien (der Große)  XV, 25, 49, 93, 241, 435, 437, 663, 679, 683, 685, 693, 879, 887, 893, 895, 953, 975 Alfarabi (Abū Nasr Muhammad al-Fārābī)  157, 159, 483, 485, 565, 645, 921, 927, 931, 937, 939, 1000, 1001, 1015, 1027, 1028 Alfraganus (Abu l-Abbas Ahmad ibn Muhammad ibn Kathir al‑Farghani) 443, 997 Alfredus Anglicus  986

1062

NAMenregister

Alfred von Sareshel  187, 990 Algazel (al-Ghazali)  113, 982 Alhazen (Abu Ali al-Hasan ibn al-Haitham)  XCVI , 211, 703, 711, 717, 721, 988, 989, 1018, 1019, 1020 Alkindi, Jakob (Abū Yūsuf Yaʿqūb ibn Isḥāq al-Kindī)  XC , XCIV, XCV, 703, 711, 717, 1018, 1019, 1020 Alpetragius  s.: al-Bitrūjī Amaury, Arnaud  XVII Amaury de Montfort  71, 979 Ambrosius von Mailand  389, 391, 569, 641, 883, 1011, 1025 Anastasia 541 Anatolius (Heiliger)  587 Andreas (Bruder des Petrus)  533, 541 Andresen, Carl  996 Andronicus 553 Anthene 551 Antolic-Piper, Pia A.  XLIV, CXII , XCIII , 973, 981, 1011, 1015, 1027, 1028 Apel, Karl-Otto  XIII Apelt, Otto 1013 Arates (Aratos von Soloi)  883, 1026 Arethusa 563 Arevalo, Faustino  1017 Aris, Marc-Aeilko 987 Aristoteles  LVII , LXIII , LXV, LXVI , LXVII , LXVIII , LXXI , LXXIII , LXXXIII , XCV, CV, 11, 21, 25, 39, 49, 55, 57, 61, 63, 67, 75, 79, 89, 91, 93, 101, 103, 109, 113, 125, 141, 145, 147, 151, 155, 157, 159, 161, 165, 187, 189, 211, 215, 235, 237, 241, 245,

251, 257, 259, 261, 263, 265, 267, 269, 273, 281, 283, 285, 289, 291, 295, 299, 301, 305, 309, 311, 313, 315, 317, 319, 321, 327, 329, 331, 337, 345, 351, 353, 357, 359, 375, 377, 387, 401, 405, 411, 413, 415, 479, 481, 501, 565, 573, 643, 649, 661, 679, 685, 689, 693, 695, 711, 717, 721, 737, 745, 797, 801, 803, 805, 809, 835, 837, 839, 859, 879, 883. 887, 893, 895, 911, 921, 927, 931, 945, 953, 965, 971, 974, 976, 979, 980, 981, 982, 983, 984, 989, 990, 991, 992, 993, 994, 995, 1000, 1002, 1014, 1015, 1016, 1018, 1019, 1020, 1021, 1024, 1025, 1029 Aristoteles (Ps.)  987, 989, 995, 1017, 1025, 1027, 1029 Arphachsad (Enkel Noahs)  433 Artaba 543 Artemas 551 Artephius 879, 1025 Asa (dritter König von Juda)  433 Asklepiades 633 Asmodeus 541 Athalia 541 Augustinus, Aurelius  XLIII , LXI , LXXXIV, XCVI , 17, 57, 107, 151, 189, 205, 209, 235, 243, 299, 397, 427, 431, 433, 463, 467, 477, 479, 483, 485, 539, 541, 563, 565, 567, 569, 573, 577, 637, 641, 645, 655, 711, 727, 729, 945, 973, 974, 977, 982, 983, 987, 988, 989, 992, 996, 998, 999, 1000, 1001, 1008, 1011, 1013, 1015, 1019, 1021, 1028

Namenregister Augustinus (Ps.)  998 Augustus (Gaius Octavius)  435 Averroes (Ibn Ruschd)  LXIII , LXIV, 61, 63, 157, 159, 245, 271, 285, 287, 289, 291, 295, 315, 329, 661, 711, 984, 990, 991, 992, 1016, 1019 Avicebron (Solomon ibn Gabirol) XCIV Avicenna (Ibn Sina)  LXIII , XCIV, XCV, 49, 55, 61, 63, 67, 81, 83, 85, 87, 97, 113, 145, 157, 159, 197, 201, 207, 213, 247, 257, 337, 565, 633, 643, 663, 711, 887, 921, 927, 931, 933, 935, 937, 953, 959, 961, 963, 965, 976, 979, 980, 981, 984, 987, 990, 993, 1016, 1019, 1027, 1028, 1029 Avicenna (Ps.)  980, 1026, 1029 Azarchel (Abu Ishaq Ibrahim ibn Yahya Al-Zarqali)  601, 603, 779, 781, 1023 Baal 543 Bagliani, Agostino Paravicini  XL , XCVII Bacchus (Gott des Weines)  9 Bacon, Roger  XIII , XIV, XVI , XVII , XVIII , XIX , XX , XXI , XXII , XXIII , XXIV, XXVI , XXVII , XXVIII , XXIX , XXX , XXXI , XXXII , XXXIII , XXXIV, XXXV, XXXVI , XXXVIII , XXXIX , XL , 3, 5, 7, 119, 125, 973, 974, 975, 976, 977, 978, 979, 980, 981, 982, 983, 984, 985, 986, 987, 988, 989, 990, 991, 992, 993, 994, 995, 996, 997, 998, 999, 1000,

1063

1001, 1002, 1004, 1011, 1012, 1013, 1014, 1015, 1017, 1018, 1019, 1020, 1021, 1022, 1024, 1027, 1028, 1029 Baethgen, Friedrich  LII , 985 Baeumker, Clemens  LXXXV, XCI , 1001 Barabbas  537, 543, 1008, 1009 Barnabas 543 Bascha (König Israels)  433 Basilius von Caesarea  883, 1026 Bauer, Martin  986 Bayer, Karl  988, 1011, 1016 Bazán, Carlos  CXIII , 982 Beaujouan, Guy  XL Beckby, Hermann  974 Beckmann, J. P.  976 Beda (Venerabilis)  113, 151, 427, 431, 435, 451, 453, 455, 463, 467, 469, 567, 581, 587, 615, 619, 621, 641, 984, 996, 998, 1011, 1012 Becker, Jürgen  1026, 1028 Benjamin, Francis S.  979 Berg, Dieter  XXIV, 1013 Berggren, J. Lennart  981 Bernardini, Paola  XXXIX , 991 Bernardus Silvestris  s.: Silvester, Bernhard Berthold von Regensburg (Berthold der Deutsche)  657, 1015 Bérubé, Camille  XXXVI , XLVII , LI , LVIII , CXVII Bethsura 561 Beuerle, Angela  989 Bigalli, Davide  XIV, XXX Birkenmajer, Alexandre  984 Björnbo, Axel A.  XCIV, 1018 Boethius (Anicius Manlius Severinus)  LXVI , 23, 67, 111, 187,

1064

NAMenregister

211, 411, 481, 484, 501, 625, 627, 631, 633, 974, 988, 995, 1000, 1013, 1014, 1020 Boethius (Ps.)  982 Boethius von Dacien  CXIX , 989 Bonaventura da Bagnoregio XXIV, XXXVI , XXXIX , CXVI , CXVII , 975 Bonecor, William  XXII , 5 Bosanquet, Eustace F.  979 Bourassé, Jean J.  1029 Bower, Calvin M.  1000, 1013 Braakhuis, H. A. G.  988 Brewer, John S.  XX , 973 Bridges, John Henry  XV, XX , XXII , XLV, LXXXVI , 976, 998 Brodersen, Kai  XCVI , 974 Brok, M. F.  A.  LVIII , 1022 Buchheim, Thomas  1015 Büchner, Karl  982 Burke, Robert B.  XX , 973, 976 Burnett, Charles  LXIV, 997, 1016 Bürgsens, Wolfgang  995 Burleigh, Walter  988 Caecilia 541 Caesar (Gaius Julius)  177, 581, 583, 585 Caesarius von Heisterbach  XVII Caillau, D. A. B.  995, 1017 Campanus von Novara  71, 979 Capella, Martianus  LXVI , 483, 1000 Carmody, Francis J.  1023 Cassiodor (Flavius Magnus Aure­ lius Cassiodorus)  LXVI , 419, 475, 479, 483, 487, 569, 995, 999, 1000, 1001, 1011, 1013 Catto, J. I.  XVIII

Celano, Thomas von,  s.: Thomas von Celano Celsi, Mino  980 Censorinus 483, 1000 Charpentier, Jarl  XVI Chatelain, Emile  XVIII Christmann, Jacob  997 Ceres (röm. Göttin der Landwirtschaft) 9 Cicero, Marcus Tullius  LXIII , CXIII , 13, 19, 37, 55, 101, 103, 113, 115, 131, 177, 211, 573, 974, 976, 981, 982, 983, 986, 988 Clagett, Marshall  992 Clark, Mary T.  1012 Clemens IV. (Papst)  XVI , XX , XXI , XXIII , XXIV, XXV, XXVI , XXVII , 3, 5, 7, 973, 974, 975, 976 Clementz, Heinrich  989 Connolly, Séan  984 Corea 541 Cornelius 543 Crisciani, Chiara  XL Crivelli, Daniele  CXIII , 982 Crowley, Theodore  XXIII , XXXVI , XXXVIII , LIX , 990 Dahan, Gilbert  LXXIII , 1015 Dalila 555 Daniel (Prophet)  489, 541, 935, 1008, 1026, 1028 Daniel, Emmett R.  987 Daur, Klaus D.  1000 Davenhall, A. Clive  1024 David (Prophet)  203, 875 David (König von Israel)  501, 569, 633 David (Thomas Wallensis)  181 Debora (Prophetin)  489

Namenregister Demidov, Sergei S.  1025 Demokrit von Abdera  277, 633 Demosthenes 551 Denifle, Heinrich  XVIII , XXIV, 986 Denis, A. M.  1026, 1028 Detel, Wolfgang  CV, 1021 Deusen, Nancy van  XL Dindimus 25, 975 Dionysius (Areopagita)  299, 397 Dionysius Areopagita (Ps.)  994 Dionysius Exiguus  469, 999 Dirlmeier, Franz  976 Dönt, Eugen  XCV, 974 Dörrer, Anton  1010 Dronke, Peter  1011 Duhem, Pierre  XXXIX , XL , LXXXVI , CXXIII , CXXIV, CXXV, 1024 Durand, Ursin O. S. B.  973 Easton, Stewart C.  XXIII , XXXV, XXXVI , LI , LIX Ebbersmeyer, Sabrina  CXIII , CXIV, 982 Egel, Nikolaus  XVI , XIX , XX , 973, 974 Eisenhut, Werner  975 Ela (Sohn des Königs Bascha)  433 Elias 541 Elisa (Prophet)  489, 631 Empedokles  LXXXIII , 631 Erren, Manfred  1026 Esra (Priester)  473, 935 Ethicus (Aethicus Ister)  887, 1017, 1026 Eudoxos von Knidos  583 Euklid von Alexandria  XCIV, 45, 281, 483, 703, 991, 993, 1018, 1021

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Euklid (Ps.)  1018 Eupolemus 551 Eusebius von Caesarea  427, 431, 435, 581, 617, 986, 992, 996, 1012 Evans, James  981 Exiguus, Dionysius  s.: Dionysius Exiguus Faltner, Max  983 Färber, Hans  1002 Feld, Helmut  XVIII Felder, Hilarin O. C AP.  XVIII , XLVII Ferreiro, Alberto  983 Fink, Gerhard  975 Flasch, Kurt  XIX , XLV, LXIV, ­L XVII , 978, 992 Flashar, Hellmut  XCV, 974 Flavius Josephus  s.: Josephus, ­Flavius Foley, W. Trent  984 Fontaine, Jacques  1011 Foulques, Guy de (später Papst Clemens IV.)  XXII , XXIII , XXIV, LX Fraipont, Johannes  998 Franziskus von Assisi  XVII , XVIII , 631, 1013 Fredborg, Karen M.  988 Friedberg, Emil  981 Friedlein, Gottfried  1013 Friedrich II . (röm.-dt. Kaiser) XVI , XVII , XXIX Fuhrmann, Manfred  974, 986 Fürst, Alfons  977, 983, 1027 Gaetulus 561 Galen 83 Galen (Ps.)  980

1066

NAMenregister

Garcia, Jorge J. E.  XXXIX Gaudentius 483 Gauger, Jörg-Dieter  985 Gauthier, Léon  1023 Gegenschatz, Ernst  995, 1020 Gerhard von Borgo San Donnino XXIV Geminus von Rhodos  980 Georgias Leontinus  627 Gerhard von Cremona  187, 980, 986, 1000, 1015 Gesner, Konrad  980 Gerlandus Compotista  467, 999 Giammona, Claudio  1011 Gideon (Richter in Israel)  889 Gigon, Olof  XCV, 974, 995, 1020 Glorie, Francisci  1026 Goehl, Konrad  979, 1002 Goehlke, Paul  1019 Goldstein, Bernard R.  1023 Goliath 513 Gottlob, Adolf  XXVI Götte, Johannes  1004, 1008 Götte, Maria  1004 Grandauer, Georg  XIV Grant, Edward  XCIII , 990, 993, 1020 Graecus, Marcus  s.: Marcus Graecus Gratian (Flavius Gratianus)  53, 55, 57, 91, 981 Gregor I. (Papst, »der Große«)  23, 57, 915, 974, 977, 1027 Gregor IX . (Papst)  XVI , XLIV Gregor X. (Papst)  978 Gregorio, Gregor de  1016 Gregorio, Johannes de  1016 Grosseteste, Robert  XXVII , LX , LXXII , LXIII , LXXXI , LXXXIV, LXXXVII , XC , XCIII ,

CIII , CIX , 67, 145, 153, 167, 181, 187, 393, 978, 979, 983, 985 Gruber, J.  978 Grumach, Ernst  XCV, 974 Gruner, Oskar C.  980 Grundmann, Herbert  XVII , LIII Guéret-Laferté, Michèle  XVI , 1027 Guido von Arezzo  1013 Gunkel, Hermann  1028

Hackett, Jeremiah  XXXIX , LX , LXXX , LXXXIV, CIII , CVII , CXIII , 978, 982, 992, 1015, 1025 Hadrian (Publius Aelius Hadrianus) 437 Haly Abbas (Ali ibn al-ʿAbbās al-Madschūsi Ahvāzi)  487 Haly Heben Rodan  671, 675, 1016 Hardy, Edward R.  1012 Häuptli, Bruno W.  994 Heinrich II . (röm.-dt. Kaiser)  987 Helena 551 Heliodorus 561 Helm, Rudolf  986 Hennecke, Edgar  983 Hentschel, Frank  1000, 1008 Herkules (»Keule des –«)  273, 279 Hermann der Deutsche (Hermannus Alemannus)  LXXI , 187, 986 Hermann von Carinthia  101 Hermogenes 551 Herodias 541 Herren, Michael W.  1017 Herzius, Martin  987 Hesekiel (Prophet)  473, 997, 1001, 1010 Hieronymus, Sophronius Eusebius XV, 57, 149, 151, 183, 189, 421, 423, 427, 431, 433, 439, 443, 463, 467, 493, 521, 525, 559, 567, 573,

Namenregister 685, 887, 977, 983, 984, 986, 987, 995, 996, 997, 1001, 1010, 1011, 1017, 1026 Hieronymus von Ascoli  LVIII Hilarius (Papst)  621, 1012 Hilberg, Isidor  983, 997, 1001, 1017 Hiob  1007, 1010, 1011 Hipparchus von Nizäa  1023, 1024 Hippokrates von Kos  587, 593, 633, 980 Hirschmann, Wolfgang  1013 Hocker, Thomas  1022 Hoffmann, Detlev  1001 Höfer, Josef  1010 Holder, Arthur G.  984 Homer 185 Horaz (Quintus Horatius Flaccus) 495, 497, 541, 551, 557, 1002, 1008, 1011, 1016 Horten, Max  XCIV, 984 Howe, Herbert M.  980 Howell, Kenneth  988 Huemer, Johannes  1009 Hurst, David  984, 997

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Innozenz III . (Papst)  XVII Innozenz IV. (Papst)  XVI , XXVI Isaia (Prophet)  543 Isidor von Sevilla  LXVI , XCVI , 55, 427, 521, 587, 695, 887, 977, 995, 1003, 1004, 1012, 1017, 1026 Ister, Aethicus  s.: Ethicus

Jeremias (Prophet)  435, 997 Jesaja (Prophet)  757, 1006, 1007, 1010, 1028 Jesus Christus  LXI , 19, 61, 99, 111, 137, 165, 287, 305, 307, 393, 395, 429, 431, 433, 435, 437, 465, 469, 471, 529, 537, 593, 663, 899, 902, 933, 935, 937, 939, 941, 1005, 1006, 1007, 1008 Jeudy, Colette  978 Joachim von Fiore  XIII , XXV, LIII , CXVI , 987 Johannes (Bote Roger Bacons)  LX , 125, 183, 229, 281, 461, 471, 481, 575, 911, 955, 982 Johannes (Evangelist)  999, 1002, 1005, 1006, 1007, 1012 Johannes (der Täufer)  57, 469, 587, 637, 937, 939, 991 Johannes Tinmulhensis (John of Tynemouth) 71, 978 Johannes von Wales  CXIII , 982 Jona (Prophet)  997, 1007 Jones, Charles W.  996, 998, 1011 Jonge, H. J. de  1026, 1028 Jonge, Marinus de  1026, 1028 Joram (König von Juda)  435 Josephus, Flavius  217, 433, 437, 439, 441, 443, 875, 935, 989, 997, 1025, 1028 Josua 543, 1003, 1010 Juvenal (Decimus Iunius Iuvenalis) 543, 545, 1008, 1009 Jüssen, Gabriel  984

Jacobus de Voragine  994 Jakob (Sohn Isaaks)  501 Jakobus (Prophet)  755, 913, 1022 Jechaa 543 Jeck, Udo Reinhold  978

Kabza, Alexander  981 Karl I. (von Anjou)  187, 987 Kautsch, Emil  1028 Kautsky, Karl  XVIII Kenan (Sohn Arphachsads)  433

1068

NAMenregister

Keßler, Eckhard  CXIII , 982 King, Richard A. H.  994 Kirfel, Ernst Alfred  974 Klopprogge, Axel  XIV Klotz, Alfred  975 Knorr, Wolbur R.  978 Koch, Walter A.  982 Köhler, Johannes B.  974 Kolbinger, Florian  XLII , 992 König, Roderich  XCVI , 981 Konstantin (Kaiser)  621 Kopernikus, Nikolaus  XL Krehl, August  1002 Kreuzer, Johann  1021 Kusch, Bruno  1013 Kyrill von Alexandria  581, 1012 Kyros (II .) 435 Kwan, Alistair  1023 Lacedemon 551 Lagarde, Paul de  996 Laktanz (Lucius Caecilius Fir­ mianus)  999 Lampe, Geoffrey W. H.  986 Le Goff, Jacques  XIV, XVI , XVIII , XLVIII , CXIX Lehmann, Leonhard  1013 Leicht, Hans D.  XV, 1027 Leipelt, Peter  983 Lejeune, Albert  XCIV, 1018 Lemay, Richard  LXXII , 981 Leo der Große (Papst Leo I.)  615, 617, 621 Leontinus, Georgias  s.: Georgias Leontinus Leukipp 273 Libera, Alain de  988 Lindauer, Josef  975 Lindberg, David C.  XXI , XLVI , LI , LXXIX , LXXXIII ,

LXXXIV, LXXXV, LXXXVII , XC , XCIII , XCV, XCVI , XCVII , XCVIII , C, CIII , CIX , 976, 979, 988, 1018, 1020 Lippold, Adolf  996 Loch, Richard  1025 Loewe, Raphael  986 Loewen, Peter W.  XL Lohr, Alfred  999 Lohr, Charles H.  986 Long, James  990 Loyn, Henry Royston  1012 Luard, Henry Richards  XIV Lucia 541 Luck, Georg  1009 Ludwig IX . (»der Heilige«, franz. König)  XIV, XV, XVI , XXII , XLVIII , 701, 1017, 1018 Lukan (Marcus Annaeus Lucanus) 495, 543, 547, 1001, 1009, 1012 Lukas (Evangelist)  433, 465, 469, 527, 541, 999, 1002, 1005, 1006, 1008, 1010, 1012, 1028 Lynkeus (Argonaut)  1020 Lysias 541

Macer Floridus (= Odo Magdunensis)  497, 545, 557, 1002, 1009 Magdalena 551 Maloney, Thomas S.  XIX , LXXV, 975, 988 Mandonnet, Pierre  XXI Manfred von Sizilien  987 Manitius, Karl  995 Marbod von Rennes  1029 Marcus Graecus  1026 Maria (Mutter Jesu)  57, 541, 663, 899 Maria Magdalena  57 Marcian (oström. Kaiser)  617, 621

Namenregister Markus (Evangelist)  1007 Marsh, Adam  XIV, XXVII , XXX , LX , LXXXI , 145, 153, 167, 181, 389, 391, 393, 985 Martène, Edmond O. S. B.  973 Martianus Capella  s.: Capella, Martianus Martin von Tours (Heiliger)  389, 391 Massa, Eugenio  XX , XXI , XXII , XXIV, XXV, 973, 975, 976, 981 Matthäus (Evangelist)  463, 529, 999, 1006, 1007 Matthäus Parisiensis  XIV Mayer, Gottfried  1002 McEvoy, James  LXXIII , XC , 978, 983 Medea 541 Medusa 563 Meier-Oeser, Stephan  988 Melissus von Elea  273, 323 Mendieta, Manuel Amand de 1026 Menelaus 541 Mertens, Volker  1015 Messala (Māschā‘allāh ibn Atharī) 715 Meyer, Egbert  986 Meyer, Ernst H. F.  LXXI , 987, 990, 1016, 1017 Michael Scotus  187, 986, 1016, 1018 Mirjam (Prophetin; ältere Schwes­ ter des Mose)  57, 489, 569 Mithridates 549 Mittelstraß, Jürgen  1022 Mitylene 551 Mohammed (Religionsstifter des Islam)  101, 429, 437, 579, 931, 933, 935, 937, 939

1069

Mojsisch, Burkhard  992 Molland, George  LXXVII , LXXIX , LXXX , LXXXVI , XLI , 978, 979 Molnár, Katharina  XX , 973 Möller, Lenelotte  976 Montfort, Amaury de  s.: Amaury de Montfort Moody, Ernest A.  992 Moses  57, 439, 441, 453, 489, 931, 937, 939, 1002, 1005 Moureau, Sébastian  980, 1025, 1029 Nallino, Carolo Alphonso  1023 Nebukadnezar II. (neubabyl. König) 435, 437 Nechao 543 Neuenschwander, E.  979 Neugebauer, Otto  1023 Newman, William R.  XL Nicholaus Grecus  979 Nicolaus Damascenus  1016 Niederhuber, J. E.  1025 Nikolaus (Nicholaus Graecus, ­Mathematiker)  71 Nikolaus von Myra (Hlg.; Bischof) 207, 551, 1010 Noah  49, 419, 451, 453, 473, 499, 901 Nothaft, Philipp E.  XXXIX , 996 Obertello, Luca  974 Olivi, Petrus Johannis OFM XXXIX , LX , 982 Oppenraaij, Aafke M. I. van  1019 Origines  427, 551, 681, 995, 1017 Orosius, Paulus  427, 431, 996, 1026 Ovid (Publius Ovidius Naso)  25, 113, 557, 975, 1011

1070

NAMenregister

Palemon 551 Palisca, Claude v.  1000, 1013 Palmeri, Joann  1022 Panti, Cecilia  LX , XC , 982 Parisiensis, Matthäus  s.: Mat­ thäus Parisiensis Parmenas 551 Parmenides von Elea  273, 323 Paulus von Tarsus (Apostel)  149, 391, 577, 755, 899, 913, 915, 917, 991, 1001, 1027 Peirce, Charles S.  XIII Pelster, Franz  987 Pereira, Michela  LX , 982, 991 Perl, Carl Johann  XCVI , 989, 999, 1000, 1008 Petersen, Fritz S.  1023 Petrus (Apostel)  131, 533, 915, 983, 1006, 1027 Petrus Comestor (»Magister der Historien«)  243, 441, 443, 451, 453, 455, 463, 471, 997, 998, 999 Petrus Lombardus  XLVIII , L, 513, 977, 1003 Petrus Peregrinus de Marincourt XXVII , XXVIII , XXIX , XXX , 71, 89, 979, 981, 989 Philemon  551, 559 Philippus  1008 Pinborg, Jan  988, 989 Pingree, David  1025 Platearius, Matthaeus  25, 975 Platon  XL , LXXVII , LXXXIII , LXXXIV, XCIII , XCIX , CXXI , 55, 165, 257, 271, 277, 573, 627, 695, 1013 Platon (Ps.)  995 Plinius der Ältere (Gaius Plinius Secundus)  XCVI , 19, 55, 95,

247, 573, 695, 755, 887, 981, 990, 1016, 1017, 1022, 1026 Polloni, Nicola  LX , 98 Pollux 561 Polydorus 561 Power, Amanda  XXIII , XLI , LVI , LIX , 1013, 1015 Prévot, Brigitte  XXIX Priscian (Priscianus Caesariensis)  69, 193, 497, 499, 503, 505, 507, 513, 515, 517, 541, 543, 555, 559, 978, 987, 1002, 1003, 1008, 1010, 1011 Procorus (Apg. 6,5)  561 Ptolemäus, Claudius  XXI , XXXVIII , XXXIX , XCIV, CXXIII , CXXIV, 55, 91, 245, 435, 437, 483, 593, 601, 603, 671, 675, 703, 711, 715, 719, 723, 725, 731, 759, 763, 765, 767, 769, 771, 773, 775, 779, 781, 787, 791, 793, 795, 797, 799, 801, 803, 817, 821, 835, 837, 839, 841, 845, 980, 995, 997, 1018, 1019, 1020, 1021, 1022, 1023, 1024, 1025 Ptolemäus (Ps.)  1016 Puig, Roser  1023 Pythagoras von Samos  LXXXIV, 163, 165, 479, 631 Radl, Albert  XXVIII , 979 Ragao 543 Rahner, Karl  1010 Raimund von Laon  XXII , XXIV, LX , 5, 27 Rapp, Christof  1015 Rath, Wilhelm  1011 Richard de Fournival  975 Richter, Michael  999 Ricklin, Thomas  CXIII , 982

Namenregister Risner, Friedrich  XCVI , 988, 1018 Risse, Siegfried  997 Ritter, Joachim  992, 994 Rodolfi, Anna  XXXIX , 991 Rolfes, Eugen  989 Rose, Valentin  995 Rosenbach, Manfred  973, 982 Rosier-Catach, Irène  LXXIII , LXXIV, LXXV, 988, 1015 Rudberg, Stig Y.  1026 Rüegg, Walter  XVIII Rufus, Jordanus  XXIX Rzach, Alois  985 Salah (Sohn Arphachsads)  433 Sallust (Gaius Sallustius Crispus) 25, 975 Salomon (König von Israel)  25, 49, 111, 145, 165, 433, 473, 523, 667 Samuel (Prophet)  998, 1002, 1012, 1013 Samsó, Julio  1023 Saruia 541 Saul (König von Israel)  633 Schade, Ludwig  986 Schäfer, Thomas  1025 Schenkl, C.  1025 Schliebitz, Christoph  1001 Schmidt, Ernst A.  976 Schlund, Erhard O F M.  XXVIII , 979 Schneeweiß, Gerhart  1020 Schönberger, Axel  1003 Schönberger, Otto  975 Schönberger, Rolf  XCIV, 994 Schönfeld, Andreas  XCIV, 994 Schupp, Franz  1000, 1015 Schütrumpf, Eckart  1027 Schwaiger, Georg  1012 Schwarz, Franz F.  974

1071

Scotus, Octavianus  975 Sedulius, Caelius  543, 1009 Sem (Sohn Noahs)  667 Semiramis 545 Seneca (Lucius Annaeus, der Jüngere)  LVIII , LXIII , CXIII , 11, 19, 23, 25, 103, 113, 115, 145, 147, 149, 179, 501, 647, 745, 859, 909, 911, 933, 973, 974, 975, 982, 983, 986, 1002, 1015, 1022, 1024, 1027 Serapionis, Ioannis  975 Servius (Maurus Servius Honoratus) 517, 1004 Silvester, Bernhard  559, 1011 Simon Magus  131, 983 Simon, Richard  1026 Simonides 553 Singer, Charles  978 Smith, A. Mark  1018 Sokrates  165, 257, 271, 277, 549 Solinus, Gaius Julius  XCVI , 561, 961, 974, 1011, 1029 Solon von Athen  101 Sorbon, Robert de  XVI Sosthenes 551 Speyer, Wolfgang  977 Städele, Alfons  999 Statius, Publius Papinius  545, 557, 1002, 1009 Steele, Robert  LXV, CXXV, 978, 996, 1017, 1022 Steenbergen, Fernand van  978 Stegmann, Anton  1026 Steinmann, Marc  975 Stephan (Heiliger u. Märtyrer) 391 Stocker, Hermann  1001 Sturlese, Loris  XXVIII , LXV, 979 Suchla, Beate Regina  994

1072

NAMenregister

Sybillen (Prophetinnen)  163, 165, 901, 933 Syrus, Publilius  975, 1002 Tempier, Stephan  XIX Thaer, Clemens  991 Thaletes 627 Thebit (Thābit ibn Qurra)  779, 781, 783, 789, 1022, 1023 Theodorus 561 Theophilus (Patriarch von Alexandria)  467, 581 Theophilus von Caesarea  1012 Theophrast (Theophrastos von Eresos)  101, 103 Thilo, Georg  1004 Thimme, Wilhelm  992 Thimocharis von Alexandria  1024 Thomas von Celano  1013 Thomas Morus  CXXI Thomas Wallensis  181 Thomson, Ron B.  XXVIII , 979 Thorndike, Lynn  XCV, 1029 Tideus  703, 711, 1018, 1019 Timocharis von Alexandria  791 Timothäus 627 Tithicus 553 Tkacz, C. B.  977 Tobias 383 Toomer, Gerald J.  1023 Triptolemus 551 Ubigli, Liliana Rosso  985 Ueding, Gert  1001 Uhl, Florian  XX , XL , XLIV, LXII , LXVIII , LXXVII , LXXX , 973 Urban IV. (Papst)  XXII Vanderwalle, Charles B.  XXII Van Riet, Simone  1019, 1027

Varro, Marcus Terentius  633 Vergil (Publius Vergilius Maro) 1003, 1004, 1008, 1011 Victorinus, Marius  581, 1012 Victorius von Aquitanien  621, 1012, 1013 Vives, Juan Luis  CXXI Vogl, Sebstian  XCIV, 1018 Wagner, Hans  974 Walahfrid Strabo  442, 453, 997, 998 Wallace-Hadrill, David S.  1012 Wallis, Faith  996 Walther von der Vogelweide  XIII Wattenbach, Wilhelm  XIV Weber, Robert O S B.  986 Wehnert, Jürgen  983 Weisheipl, James A.  978 Wiedemann, Eilhard  984 Wieland, Wolfgang  992, 994 Wilhelm von Auvergne  153, 984 Wilhelm von Moerbeke  987 Wilhelm von Ockham  988 Wilhelm von Rubruck  XV, XVI , 1027 Wilhelm von Sherwood (Shyreswood)  XXVII , 29, 976 Willemsen, Arnold  XXIX Willis, James  1013 Winkler, Gerhard  XCVI , 981 Woodward, David  980 Yamamoto, Keiji  997, 1016 Zaccheus 541 Zapp, H.  981 Zekl, Hans Günter  LXVI , 995, 1000

S AC H- U N D O RT S R E G I S T E R

Abbild  223, 379, 741, 745, 747, 751, 755, 869, 871 Ablativ  513, 517, 523 Abstand  325, 353, 447, 613, 743, 773, 811, 813 Achteck  285, 287, 289 Adverb  507, 517 Aevum   293, 297, 299, 395, 397, 399, 401, 403, 405, 407, 409, 411, 413, 415, 417 Agens  75, 77, 155, 159, 161, 169, 223, 229, 233, 235, 237, 241, 267, 337, 339 Ägypten  453, 623, 959, Ägypter  101, 419, 439, 577, 667 Akkusativ  513, 529, 557 Akt (actus)  259, 261, 275 Aktualisierung 275 Akut (Akzent)  497, 505, 507, 509, 551 Akzent  491, 493, 499, 501, 503, 505, 507, 509, 511, 521, 543, 625 Akzidenz  237, 251, 295, 297, 321 Alchemie  47, 79, 81, 83, 85, 89, 99, 121, 199, 689, 691, 877, 879, 947, 949, 951, 955, 959, 963, 965, 967 Annäherung (accessus)  781, 845, 847 Andersheit (alietas)  253, 263 Antichrist  17, 137, 195, 437, 579, 683, 685, 697, 699, 701, 895, 921 Apogäum   811, 813, 835 April  437, 439, 449, 457, 463, 467, 469, 471, 585, 587, 589, 591, 593, 595, 611, 613, 617

Apulien  67, 185, 547, 961 Äquant  773, 777 Äquator  247, 763, 765, 787, 789, 791, 801, 803, 805 Äquidistanz  423, 425 Araber  603, 609, 611 Arabisch  49, 67, 69, 121, 181 Arche (Noahs)  451, 453, 473, 517 Argument  89, 211, 213, 215, 227, 259, 261, 263, 319, 323, 327, 329, 333, 345, 349, 373, 379, 439, 451, 467, 471, 567, 621, 651, 653, 801, 849, 943, 945 Arithmetik  75, 135, 419, 477, 699 Arsen  959, 963, 965, 969 Art  159, 161, 211, 215, 253, 255, 257, 261, 263, 267, 271, 363, 411, 413, 415, 537 – -unterschied  263, 265, 267, 269 Asbeststein 887 Aspekt   107, 221, 257, 359, 403, 443, 445, 659, 677, 723, 883, 931 – in der Astrologie  673, 675, 845 Astrolabium  853, 857, 859, 877 Astronom  583, 589, 851, 883 Astronomie  55, 75, 91, 93, 101, 105, 243, 419, 423, 429, 435, 439, 441, 443, 445, 461, 467, 469, 575, 577, 579, 581, 583, 611, 617, 623, 679, 685, 687, 689, 691, 701, 761, 841, 851, 883, 893, 923, 933 astronomische Tafeln  73, 75, 117, 121, 219, 443, 467, 469, 471, 473, 585, 597, 603, 611, 615, 689 – Toledanische   781

1074

Sach- und Ortsregister

Äther 283 Atom  273, 275, 277, 355, 411 Aufzählung  139, 257, 297, 947 Auge  11, 37, 229, 429, 705, 707, 713, 715, 717, 719, 721, 723, 725, 727, 729, 731, 735, 737, 743, 747, 749, 751, 753, 785, 855, 859, 861, 863, 865, 867, 869, 871 Augenblick  301, 303, 305, 307, 309, 313, 315, 317, 333, 377, 397, 405, 411, 415, 727, 957 Auripigment 959 Ausdehnung  21, 219, 295, 299, 311, 317, 333, 335, 343, 353, 357, 375, 405, 407, 409, 477, 735, 769, 793 Ausfüllung  189, 283 Ausgaben  /  Kosten  17, 31, 33, 35, 43, 47, 69, 73, 77, 85, 95, 115, 119, 123, 133, 175, 239, 463, 473, 477, 951 Aussprache  489, 491, 493, 505, 507, 509, 511, 513, 519, 521, 535 Autorität  9, 17, 19, 23, 27, 49, 51, 53, 61, 63, 77, 79, 81, 93, 143, 145, 147, 153, 167, 217, 231, 261, 287, 419, 443, 445, 465, 467, 505, 507, 515, 531, 539, 611, 617, 623, 647, 673, 675, 679, 697, 899, 905, 909, 915, 965 Aux (ptol. Astr.)  773, 775, 777, 781, 827, 833, 835, 837, 839 Basis  241, 733, 843 Beginn der Welt  49, 73, 137, 143, 147, 163, 197, 303, 401, 419, 429, 437, 441, 443, 451, 669, 901 Behauchung  489, 511, 515, 517, 519, 521, 573 Bekehrung  7, 41, 105, 119, 165, 181, 195, 575, 683, 701, 757, 951

Berechnung  445, 447, 449, 457, 459, 463, 471, 579, 597, 611, 615, 623 Beredsamkeit  9, 15, 17, 45, 577, 641, 643, 647, 649, 653 Betonung  493, 497, 501, 505, 507, 509, 511, 521, 523, 535, 555 Bewegung  481, 875 – in der Astrologie  201, 663, 675 – in der Astronomie  447, 759, 763, 765, 767, 773, 775, 777, 779, 781, 783, 785, 787, 789, 791, 793, 795, 797, 799, 801, 803, 805, 807, 809, 813, 817, 819, 823, 829, 835, 837, 839, 841, 843 – der Engel (geistiger Substanzen)  299, 351, 353, 355, 357, 359, 369, 389, 391, 399 – in der Musik  645, 653 – in der Perspektivik  225, 227, 239, 721, 735, 865, 867 – in der Physik  161, 273, 291, 293, 295, 297, 301, 303, 319, 327 – während der Transsubstantiation   305, 307 – im Vakuum  309, 311, 313, 315, 317, 319, 717 Beweis  23, 45, 161, 165, 183, 191, 209, 213, 217, 229, 231, 249, 265, 271, 273, 281, 293, 311, 317, 321, 353, 359, 399, 449, 483, 507, 585, 591, 601, 609, 687, 741, 743, 751, 915, 919, 921, 937, 941 Bezeichnung  83, 151, 163, 207, 259, 519, 541, 573, 223, 413, 671, 959, 965 Bibel / Heilige Schrift  51, 55, 61, 67, 111, 137, 167, 369, 419, 427, 429, 437, 443, 451, 477, 479,

Sach- und Ortsregister 487, 489, 493, 517, 541, 563, 567, 569, 691, 895, 935, 941, 945 Blei  959, 961, 967 Bräuche  s.: Sitten  /  Bräuche Brechung  227, 231, 239, 709, 711, 735, 739, 741, 747, 749, 751, 867, 871 Breite (Geometrie)  285, 297, 315, 319, 777, 779, 789, 843 Brennspiegel  97, 699 Bronze 959 Buchstabe  191, 193, 195, 435, 493, 497, 511, 515, 517, 519, 521, 525, 543, 545, 549, 611, 613, 753, 757, 855 Bücher  57, 61, 63, 67, 69, 71, 77, 79, 83, 85, 97, 103, 111, 113, 115, 121, 157, 165, 171, 187, 479, 515, 539, 563, 643, 645, 647, 649, 877, 883, 899, 901, 903, 907, 909, 935, 945, 953, 965 Chaldäer  101, 419, 577, 667, 677 Christen  17, 23, 59, 103, 163, 165, 171, 241, 429, 579, 587, 597, 613, 617, 623, 629, 679, 683, 701, 907, 913, 921, 923, 931, 937 Dämonen  205, 381, 391, 881, 883, 897, 899 Dativ  513, 515, 517, 539 Dauer  395, 401, 403, 405, 407, 409, 411, 875 Deferent (Astronomie)  773, 777 Definition  225, 337, 413 Deklination  545, 547 Dichte  219, 227, 243, 311, 315, 347, 477, 717, 721, 823, 829, 873 Dichter  67, 113, 163, 181, 185, 193, 653

1075

Dimension  285, 287, 297, 315, 319, 355, 401 Dreieck  45, 285, 289, 869 Dunst  633, 727, 851, 853, 859, 867, 869, 871, 873 Durchmesser  235, 273, 735, 775, 777, 781, 829, 839, 853, 855, 857, 861, 863, 865 Ebbe  249, 335 Ecken  285, 287, 289 »Ei der Philosophen« (ovum philo­ sophorum) 953 Eigennamen  541, 551, 553 Eigenschaften  249, 303, 339, 341, 363, 377, 427, 475, 487, 501, 681, 685, 689, 707, 905, 915, 921, 925, 949 – in der Astronomie  667, 669, 677, 687, 689, 779, 783, 797, 921 – der Engel  379, 391 – der Elemente  225 – der Materie  263 – der Musik  627, 633 – der Natur  95, 167, 315, 885 – der Rhetorik  567, 571 – des Sprechens  183 – des Vakuums  311, 315 – von Scheinschlüssen   91 Einheit  249, 253, 273, 291, 293, 295, 297, 299, 307, 341, 343, 363, 395, 397, 411, 415, 801, 931 Einzelding  223, 225, 237, 271, 277, 669 Eisen  411, 671, 885, 887, 959 Eklipse  435, 469, 843, 219 Element  79, 81, 85, 225, 227, 245, 249, 269, 281, 283, 321, 327, 331, 333, 347, 365, 367, 661, 783, 785, 883, 947, 949, 963, 965, 969

1076

Sach- und Ortsregister

Elixier  689, 961, 965 Elufega (»Flucht der Elenden«, ­Postulat Euklids)  43 Endlichkeit  291, 293, 355, 359 Engel  99, 151, 157, 197, 205, 223, 251, 255, 299, 351, 353, 355, 357, 359, 369, 371, 373, 375, 377, 379, 381, 383, 385, 387, 389, 391, 399, 897, 899 England  29, 77, 187, 961 – als Synonym für Silber  961 Entstehen  169, 199, 223, 251, 267, 327, 333, 963 Epizykel  675, 765, 767, 771, 773, 775, 777, 783, 809, 817, 821, 829, 831, 833, 835, 837, 839, 841, 843, 845 Erde  71, 73, 77, 95, 161, 175, 199, 203, 219, 221, 245, 247, 251, 269, 273, 283, 291, 293, 309, 311, 339, 351, 377, 381, 383, 385, 387, 423, 425, 427, 429, 475, 561, 659, 661, 665, 669, 673, 675, 677, 679, 681, 683, 713, 729, 731, 773, 783, 785, 793, 805, 807, 811, 837, 841, 843, 845, 857, 863, 877, 929, 947, 953, 963, 967 Erfahrung  43, 75, 87, 89, 91, 93, 95, 215, 221, 239, 349, 369, 635, 667, 673, 675, 677, 713, 727, 729, 763, 779, 849, 851, 855, 857, 859, 863, 883, 885 Erfahrungswissenschaft  87, 91, 105, 141, 849, 851, 875, 877 Erfindung  209, 215, 217, 629, 893 Erkenntnis  9, 45, 49, 75, 91, 103, 116, 151, 153, 209, 217, 219, 221, 229, 247, 309, 575, 649, 659, 679, 689, 719, 721, 723, 761,

763, 851, 883, 927, 929, 945, 947, 957 Erscheinung  101, 219, 425, 697, 699, 745, 747, 751, 753, 765, 767, 773, 775, 779, 783, 787, 803, 821, 823, 835, 845, 859, 861, 873, 921, 949 Eucharistie (Sakrament des Altars) 393, 395 Esel  85, 159, 251, 255, 261, 575, 953 Experiment  /  Experimente  29, 97, 117 Experimentator  89, 93, 95, 873, 879, 891, 951 Exzenter  675, 765, 767, 769, 771, 773, 775, 777, 783, 809, 811, 817, 821, 823, 829, 833, 835, 837, 841, 843 Ewigkeit  293, 297, 307, 369, 395, 399, 407, 585, 887, 925 Existenz  327, 361, 379, 939 Extramission 711 Farbe  79, 81, 83, 155, 157, 205, 223, 225, 341, 707, 719, 721, 723, 731, 733, 745, 753, 867, 869, 871, 961, 969 Fegefeuer  17, 371, 381, 391, 899 Fehler   61, 63, 69, 71, 85, 113, 141, 153, 155, 157, 159, 189, 249, 257, 267, 269, 271, 293, 299, 445, 447, 491, 493, 497, 505, 507, 511, 513, 517, 519, 547, 581, 583, 585, 593, 597, 599, 607, 609, 611, 615, 617, 619, 621, 623, 695, 705, 707, 709, 711, 719, 725, 727, 733, 735, 743, 761, 893, 959 Fest  439, 453, 457, 465, 585, 587 – -tag  73, 441, 455, 465

Sach- und Ortsregister Feuchtigkeit  223, 235, 341, 677, 719, 969 Feuer  95, 225, 227, 231, 243, 251, 269, 283, 715, 731, 785, 815, 887, 889, 931, 953, 959, 963, 967, 969 – -himmel  243, 729 – -sphäre 831 Fixstern  423, 667, 669, 681, 733, 737, 763, 765, 787, 801, 807 – -himmel  763, 765, 779, 781, 783, 791, 799 Fleisch  323, 327, 329, 331, 335, 337, 339, 341, 343, 345, 361, 613, 925 Fluginstrument 699 Flut  249, 335, 665, 675, 785 Form  13, 37, 107, 139, 223, 251, 253, 255, 259, 261, 263, 265, 267, 269, 299, 301, 321, 323, 329, 337, 339, 343, 345, 389, 415, 485, 513, 573, 651, 679, 847 Frage  99, 163, 215, 235, 237, 261, 281, 291, 293, 309, 349, 351, 361, 369, 377, 395, 437, 475, 477, 529, 535, 537, 587, 591, 615, 619, 713, 373, 793, 805, 809, 911, 943, 955 – -satz   535 – -wörter  535, 537 Frankreich 33 Freitag  437, 459, 461, 463, 467, 471 Frühling  437, 693 Frühlingstagundnachtgleiche 587, 589, 591, 593, 767 Fundament  85, 247, 431, 585, 795 Fünfeck 285 Fürsten  19, 23, 51, 65, 71, 73, 93, 117, 149, 171, 175, 179, 579, 663, 685, 907, 909, 919

1077

Gattung  215, 257, 267, 269, 271, 371, 409, 411, 415, 481, 559, 797, 931 – allgemeinste  253, 255 Gefäß  15, 281, 323, 751, 889 Geheimnis  31, 129, 163, 195, 203, 227, 281, 565, 635, 691, 699, 757, 759, 877, 879, 949, 951, 953, 955, 957 Geist  13, 19, 21, 31, 103, 107, 141, 153, 205, 217, 351, 389, 391, 401, 403, 405, 419, 565, 567, 569, 625, 627, 629, 631, 633, 645, 649, 691, 891, 923, 939 »Geister« (Alchemie)  959, 963, 965, 969 Gemeinwesen (respublica)  7, 41, 685, 691, 693, 697, 903, 909, 951 Genitiv  495, 513, 545, 547, 553 Geometrie  41, 43, 75, 77, 93, 135, 221, 227, 229, 231, 281, 417, 419, 473, 475, 485, 691, 699, 701, 707, 709, 739, 905 Geographie  243, 427, 679, 681, 683, 699 Gerechtigkeit  107, 173, 175, 177, 535, 891, 895, 901, 903 Geruch  223, 225 Gesang  481, 483, 485, 511, 625, 631, 635 Geschmack  223, 225 Geschwindigkeit  781, 783, 795, 811, 817 Gesetz  59, 65, 105, 111, 151, 165, 167, 171, 195, 197, 437, 443, 445, 453, 457, 461, 465, 467, 509, 559, 571, 577, 587, 593, 665, 667, 679, 697, 905, 913, 915, 921, 923, 929, 931, 933, 935, 937, 939, 941, 943

1078

Sach- und Ortsregister

– -geber  105, 897, 929, 931, 935, 937 Gestik  485, 569, 649 Gestirne  113, 763 Gewissheit  169, 171, 285, 289, 539, 759, 853 Gewohnheit  51, 53, 59, 131, 143, 145, 147, 209, 251, 541, 581, 623, 655 Glaube  23, 57, 59, 105, 107, 109, 111, 113, 149, 369, 379, 577, 579, 593, 627, 643, 645, 647, 655, 667, 683, 701, 757, 759, 845, 913, 915, 923, 931, 943 Glaubensartikel  645, 933, 939, 941 Glaubensgemeinschaft  101, 103, 105, 107 Glaubensrichtung  163, 577, 579 Glückseligkeit   97, 897, 911, 921, 927, 943 Gnade  103, 129, 231, 395, 419, 475, 477, 531, 647, 907, 923, 927, 941, 943 Gog und Magog  683 Gold  17, 79, 85, 95, 689, 877, 879, 885, 949, 959, 961, 969 Gott  65, 81, 87, 99, 103, 105, 127, 129, 143, 149, 151, 153, 157, 161, 163, 165, 167, 169, 177, 191, 205, 211, 217, 249, 265, 291, 377, 379, 383, 385, 391, 395, 399, 407, 467, 489, 493, 535, 577, 615, 655, 685, 695, 699, 757, 875, 897, 899, 901, 907, 909, 917, 919, 925, 927, 929, 931, 933, 935, 941, 955 Götzenanbeter  679, 701, 921, 931 Götzenbilder  59, 667 Grammatik  47, 53, 69, 71, 121, 181, 187, 193, 205, 209, 213, 215, 485, 489, 491, 515, 639, 651

Gravis (Akzent)  507, 509 Griechen  51, 69, 177, 187, 191, 433, 439, 459, 493, 495, 497, 499, 503, 505, 507, 509, 511, 521, 561, 581, 611, 623, 667 Griechisch  49, 67, 69, 101, 121, 135, 181, 193, 565 Halo  851, 853, 855, 857, 859, 861, 863, 865, 867, 869, 871, 873 Häretiker  23, 581, 683, 913 Harmonien   627, 629, 631, 633, 635, 699 Haus  39, 43, 233, 631, 661, 691, 757, 931 – in der Astrologie  671, 677 Hebräer  51, 69, 101, 433, 445, 449, 451, 459, 461, 611, 901, 923 Hebräisch  49, 67, 69, 121, 135, 181, 193, 449, 565, 567 Heiden  665, 679, 921, 931 Heil  21, 31, 165, 179, 569, 915, 943 Heilige Schrift  s.: Bibel / Heilige Schrift Heilmittel  5, 11, 17, 21, 147, 191, 457, 491, 565, 579, 581, 609, 615, 619, 623, 695, 875, 877, 891, 943, 949 Herbst 693 Herbsttagundnachtgleiche 587, 589, 767 Herrin (aller Wissenschaften)  93, 99, 109, 173, 889, 893, 911 Herrlichkeit   51, 139, 295, 395, 429, 575, 877, 929, 941, 953 Hexameter 637 Himmel  17, 19, 73, 75, 95, 163, 219, 225, 227, 243, 245, 251, 269, 273, 281, 283, 289, 295, 309, 311, 333, 347, 351, 365, 367, 369,

Sach- und Ortsregister 377, 379, 381, 383, 385, 387, 391, 393, 447, 479, 573, 599, 609, 663, 667, 679, 715, 729, 735, 755, 763, 765, 783, 787, 799, 801, 811, 857, 877, 899, 931 Himmelsbewegung  73, 377, 303, 389, 763 Himmelskonstellation  199, 201 Himmelskörper  199, 441, 479, 661, 663, 665, 677, 679, 681, 689, 691, 693, 699, 701, 729, 759, 761, 763, 797, 799, 803, 805, 807, 809, 811, 813, 815, 819, 823, 839, 841, 891, 893, 923, 747, 951 Himmelssphären  71, 77, 219, 237, 283, 379, 421, 435, 715, 799 Hindernisse   7, 11, 21, 31, 49, 117, 121, 123, 125, 699 Hinzufügung  329, 343, 403 Hitze  39, 237, 245, 315, 323, 329, 337, 481, 671 Höhenkreis  853, 855, 857, 859, 863, 865 Hölle  17, 19, 371, 391, 399, 899 Horizont  425, 729, 731, 853, 861, 863, 865 Hostie  393, 943 Identität, numerische  159, 253, 255, 257, 269, 271, 295, 297 Idiom 185 Imperativ 531 Intellekt  11, 21, 151, 153, 157, 161, 375, 401, 403, 655, 757, 919, 945 Instrument  73, 75, 77, 117, 121, 205, 217, 245, 481, 483, 487, 489, 541, 585, 615, 631, 635, 727, 761, 851, 853, 873, 877, 881, 889

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Infinitiv 531 – -pronomen 523 Irland 961 Irrtum  51, 55, 61, 113, 119, 141, 145, 147, 149, 153, 155, 157, 161, 183, 249, 251, 293, 295, 309, 385, 451, 453, 471, 491, 507, 583, 585, 619, 713, 743, 745, 913 Italien  67, 229 Jahr  29, 57, 79, 97, 115, 121, 125, 127, 129, 133, 137, 157, 175, 177, 193, 231, 239, 289, 299, 423, 425, 431, 433, 433, 435, 437, 439, 441, 443, 447, 449, 457, 459, 461, 465, 467, 469, 581, 585, 589, 591, 593, 595, 597, 599, 601, 605, 607, 609, 611, 613, 615, 617, 619, 621, 639, 661, 663, 665, 687, 689, 767, 779, 875, 877, 879, 959 Jericho 427 Jerusalem  187, 427, 435, 569, 611, 687 Jordan  427, 547 Juden  57, 111, 429, 443, 451, 455, 459, 461, 465, 543, 577, 679, 683, 921, 935, 937 Jupiter (Planet)  663, 665, 673, 675, 773, 845, 923 – als Synonym für Zinn  959 Kaiser  49, 101, 103, 617, 621, 931 Kalabrien 67 Kalenden  5, 463, 467, 469, 471, 585, 587, 589, 591, 593, 595, 611, 613, 615, 617 Kalender  73, 101, 443, 449, 463, 469, 581, 583, 585, 591, 593, 595, 597, 599, 609, 611, 613, 621, 623

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Sach- und Ortsregister

Kälte  39, 223, 245, 315, 341, 677, 683, 719, 853 Kategorie  371, 413 Kathete  741, 743, 749 Kegel  235, 241, 861 – -achse  843, 862 – -form  235, 241, 247 Kerze  245, 721, 745, 747 Kirche  7, 15, 19, 21, 23, 29, 31, 41, 53, 59, 105, 111, 119, 125, 145, 165, 167, 169, 171, 173, 175, 177, 179, 181, 189, 195, 369, 379, 393, 431, 469, 477, 525, 575, 619, 623, 625, 629, 637, 639, 641, 643, 655, 683, 685, 697, 699, 701, 923, 933, 951 Kirchenrecht  51, 151, 167, 173, 175, 177, 179 Kirchenväter  19, 67, 419, 617 Klang  217, 223, 225, 479, 481, 485, 487, 507, 509, 519, 521, 569, 627 Klima  245, 247 – -zone  219, 681 Knochen  323, 327, 329, 331, 337, 341, 963 Komma  489, 509, 521, 523, 525 Kompendium (hier: einführende Abhandlung)  11, 37, 39, 43, 45, 47, 49, 65 Komputist  459, 467, 579, 583, 585, 589, 597, 599, 615 Konjunktion  447, 449, 601, 609, 611, 665, 673, 731, 845, 923 Konkavität  749, 751, 753, 813, 815, 817, 819, 821, 825, 827, 831, 833 Konsonant  513, 515, 519, 543 Konstellation  73, 199, 201, 219, 441, 579, 685, 687, 691, 693, 695, 701, 881, 891

Konstitution der Franziskaner  5, 27 Kontemplation  419, 927 Kontinuität  273, 345, 399, 401, 721, 815 Kontinuum  273, 275, 303, 319, 375, 401 Konvexität  749, 813, 815, 817, 819, 821, 825, 827, 831, 833 Koran 935 Korpuskel  829, 833 Körper  255, 267, 269, 711, 939, 949 – geometrischer (»Weltkörper«) 189, 281, 283, 285, 289 – himmlische   479 – in der Alchemie  959, 961 – in der Astronomie  245, 707, 771, 785, 797, 799, 809, 811, 815, 823, 827, 829, 833, 827, 841 – in der Perspektivik  225, 227, 229, 723, 731, 741, 749, 889 – in der Physik  273, 275, 277, 279, 295, 309, 311, 313, 315, 317, 319, 321, 323, 325, 349, 351, 359, 361, 363, 367, 373, 377, 379, 381, 383, 393, 411 – menschlicher  37, 83, 113, 179, 197, 199, 203, 299, 309, 331, 333, 335, 337, 341, 343, 371, 387, 389, 391, 409, 633, 875 – mit ausgeglichenen Elementqualitäten (corpus aequalis complexionis)   89, 879 Kreis  733, 735, 763, 767, 769, 773, 777, 789, 791, 795, 807, 809, 815, 825, 827, 841, 843, 851, 853, 855, 857, 859 – bahn  247, 661, 765, 787 Kreuzigung  463, 465, 467, 469, 471

Sach- und Ortsregister Krümmung (Planetenbahn)  765, 787, 789, 791, 793, 795, 803, 805 Kugel  235, 733, 859, 871 – -achse 231 – -förmig  707, 743, 749, 823, 833 Kupfer  959, 961 Kürze (Betonung)  521, 539 Laien  23, 69, 95, 171, 175, 213, 217, 641, 903, 905 Länge – räumlich  285, 293, 295, 315, 319, 405, 725, 789, 793, 795, 811, 837, 857, 885 – zeitlich  421, 585, 591, 595, 597, 605, 619 – Betonung  521, 531, 539 Laster  189, 647, 655, 909 Latein   43, 53, 67, 69, 115, 121, 135, 181, 185, 187, 195, 497, 513, 543, 547, 557, 755 Lateiner  29, 49, 53, 61, 63, 65, 67, 69, 73, 79, 97, 101, 111, 135, 181, 183, 189, 193, 209, 221, 231, 239, 273, 329, 413, 459, 463, 467, 499, 503, 505, 513, 515, 557, 637, 645, 683, 703, 735, 761, 851 Laubhüttenfest  459, 465, 541 Licht  95, 155, 157, 161, 223, 225, 233, 235, 237, 245, 337, 339, 443, 503, 599, 609, 663, 675, 713, 717, 719, 721, 723, 729, 731, 733, 745, 747, 753, 847 Lied  483, 489, 565 Linie  227, 239, 275, 293, 303, 305, 313, 325, 347, 349, 353, 357, 361, 363, 399, 411, 425, 733, 737, 749, 773, 777, 807, 827, 853, 855, 859, 861, 863, 865, 869 Linse  227, 229, 753

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Literalsinn (der Bibel)  167, 181, 209, 427, 435, 473, 487, 569, 571, 681, 935 Logik  47, 53, 91, 121, 185, 211, 213, 215, 643, 645, 651, 653 Luft  199, 201, 225, 227, 233, 283, 285, 289, 319, 323, 325, 337, 339, 341, 345, 347, 349, 481, 531, 561, 633, 665, 669, 677, 685, 693, 709, 723, 729, 731, 785, 793, 853, 867, 873, 875, 883, 895, 953, 963, 969 – -sphäre 219 Luzifer  299, 687 Magie  59, 95, 697, 893 Magier  95, 131, 197, 695, 697, 881, 885 magisch  195, 197, 203, 699, 55, 59, 91, 197, 201, 203, 573, 695 Magnet  885, 887 Mars (Planet)  577, 663, 675, 773, 845 – als Synonym für Eisen  959 Materialursache 249 Materie   25, 39, 75, 155, 157, 159, 161, 201, 221, 223, 245, 249, 251, 253, 255, 257, 259, 261, 263, 265, 267, 269, 271, 293, 295, 299, 309, 329, 333, 339, 343, 345, 481, 879, 965, 971 Mathematik   47, 55, 71, 73, 75, 77, 101, 105, 131, 137, 187, 203, 209, 211, 217, 219, 221, 271, 417, 419, 427, 429, 473, 551, 571, 573, 575, 577, 579, 619, 625, 651, 659, 687, 701, 703, 877, 891, 923, 933, 943, 947 Mathematiker  55, 71, 73, 137, 247, 311, 483, 797, 813, 877

1082

Sach- und Ortsregister

Medium  225, 235, 237, 311, 317, 349, 351, 481, 709, 715, 717, 749, 751, 753, 785, 845, 873 Medizin  81, 83, 85, 89, 199, 327, 673, 691, 707, 873, 875, 877, 879, 893, 949, 955 – als Heilmittel in der Alchemie 961, 963, 965, 967 Meer  69, 241, 249, 335, 675, 683, 785, 793, 959 Meeresgrund 757 Melodie  487, 541, 631, 633 Meridian  803, 843 Merkur (Planet)  577, 777, 779, 795, 835, 837, 923 – als Synonym für Quecksilber 959, 967, 969 Messing 959 Metall  79, 81, 83, 85, 95, 231, 689, 879, 949, 959, 961, 963, 967, 969 Metaphysik  47, 53, 57, 117, 121, 217, 897 Methode  9, 125, 129, 169, 647, 687, 691, 695, 703, 849, 857, 859, 919, 941, 967, 969 Metrik  483, 485, 521, 539, 541, 563, 565, 567, 635, 637, 639, 641, 645, 649, 651 Metrum  483, 485, 539, 541, 567, 625, 639 Mischung  79, 245, 247, 249, 427, 659, 661, 667, 669, 671, 677, 679, 681, 685, 693, 879, 891, 895, 921, 923, 949, 963, 965 Mittelpunkt  235, 713, 751, 753, 763, 765, 767, 769, 771, 773, 775, 777, 795, 809, 811, 813, 815, 817, 819, 821, 823, 825, 827, 829, 831, 833, 835, 837, 839, 841, 843, 853, 855, 857, 861, 863, 865, 869

Monat  131, 299, 437, 439, 441, 443, 445, 447, 449, 451, 455, 457, 459, 601, 603, 609, 611, 615, 663, 673, 675 Mond  89, 157, 245, 443, 445, 447, 451, 453, 455, 453, 459, 463, 465, 467, 469, 471, 587, 589, 595, 599, 601, 607, 609, 611, 613, 615, 621, 663, 671, 673, 675, 677, 731, 733, 735, 737, 747, 753, 757, 771, 773, 779, 831, 835, 837, 843, 845, 847, 853, 857 – -finsternis  435, 677, 865, 843 – -jahr  449, 453, 457, 461, 601, 603, 609, 793 – -monate  451, 603, 605, 607, 609 – -sphäre  813, 815, 817, 831, 833 – -wechsel  437, 439, 443, 449, 455, 457, 463, 599, 601, 603, 609, 611, 615 – als Synonym für Silber  959, 961, 967, 969 Moralphilosophie  97, 101, 103, 105, 107, 109, 113, 141, 151, 565, 567, 577, 641, 643, 651, 653, 897, 905, 907, 911, 915, 943, 945 Moralwissenschaft  895, 901, 903 Musik  75, 363, 419, 479, 481, 483, 485, 487, 489, 491, 501, 537, 539, 541, 563, 567, 569, 571, 625, 627, 629, 631, 633, 635, 637, 639, 641, 649, 651, 653, 655, 699 Nachher (zeitl.: posterius) 299, 313, 403 Nadir der Sonne  855, 861 Nahrung  323, 327, 329, 331, 333, 335, 337, 339, 341, 343, 345, 891 Nahrungsaufnahme  323, 327, 329, 331, 333, 337, 339

Sach- und Ortsregister Nahrungsmittel  323, 461, 875, 891 Naturphilosophie  47, 53, 81, 83, 85, 89, 117, 121, 269, 707, 717, 761, 849, 949, 955 Negation  385, 407 Nerven  233, 235, 327, 633, 705, 709, 711 – -bahnen 233 Neumond  451, 455, 457, 599, 601, 607, 609, 615, 617, 619, 621 Nominativ  495, 531, 543, 553 Norden  423, 425, 679, 765, 771, 775, 777, 779, 781, 795, 803, 863, 963 November  439, 441, 443 Nutzen / Nützlichkeit  7, 11, 35, 37, 39, 41, 43, 45, 61, 63, 69, 75, 83, 87, 91, 99, 109, 111, 123, 127, 149, 151, 169, 181, 195, 201, 233, 237, 417, 419, 427, 429, 451, 473, 479, 487, 569, 571, 575, 579, 625, 637, 641, 643, 645, 649, 655, 657, 659, 679, 681, 683, 697, 701, 703, 739, 877, 887, 901, 905, 913, 945, 951 Oberfläche  227, 229, 231, 235, 239, 241, 283, 285, 287, 289, 295, 297, 323, 325, 349, 361, 705, 733, 743, 747, 775, 779, 813, 815, 817, 819, 821, 823, 827, 859, 891 Offenbarung  63, 65, 391, 915, 917, 919, 929, 933 Oktober  437, 439, 441, 459, 587, 589 Opposition  467, 673, 775, 777, 827, 835, 837, 839, 845 Opus maius  11, 13, 45, 49, 51, 53, 55, 57, 59, 63, 65, 67, 69, 71, 77, 87, 89, 93, 99, 105, 107, 115, 137,

1083

139, 141, 147, 151, 153, 163, 165, 181, 189, 191, 195, 203, 209, 217, 265, 283, 309, 323, 349, 367, 395, 417, 419, 423, 427, 437, 441, 443, 445, 449, 455, 461, 463, 473, 475, 477, 479, 481, 489, 497, 565, 577, 581, 619, 645, 651, 653, 655, 665, 671, 681, 699, 705, 715, 721, 723, 727, 759, 849, 861, 863, 873, 877, 895, 901, 919, 921, 923, 935, 947 Opus minus  11, 13, 51, 63, 69, 71, 73, 87, 107, 137, 139, 189, 191, 195, 197, 203, 417, 441, 643, 699, 893, 947, 955, 959, 967, 969 Opus tertium  13, 29, 51, 65, 87, 137, 281, 283, 643, 655, 851 Ort  35, 37, 73, 99, 129, 157, 169, 195, 203, 227, 233, 239, 241, 245, 247, 275, 281, 283, 285, 287, 289, 291, 297, 309, 313, 315, 317, 323, 343, 345, 347, 355, 357, 359, 361, 363, 365, 369, 371, 373, 375, 377, 379, 381, 383, 389, 391, 405, 421, 423, 447, 475, 509, 599, 671, 681, 687, 705, 711, 713, 729, 731, 741, 743, 749, 759, 773, 781, 809, 811, 815, 819, 823, 833, 843, 853, 857, 861, 871, 917, 953, 969 Osten  425, 679, 735, 737, 763, 765, 767, 771, 773, 777, 779, 783, 787, 791, 797, 799, 801, 803, 837, 853, 867, 963 Ostern  389, 587, 589, 593, 595, 597, 611, 613, 617 Oxford 77 Papst  49, 57, 73, 171, 177, 445, 581, 615, 617, 621, 697, 699

1084

Sach- und Ortsregister

Paradies 247 Parallelkreise  763, 771, 837 Paris  27, 57, 61, 63, 77, 97, 127, 153, 187, 229, 281, 287, 381, 497, 503, 941 Partizip  5515, 23, 551, 557 Passion (s. a. »Kreuzigung«)  445, 467, 469, 471 Passionen – als Akzent  511 – der Zeiten  443 Patriarchen  99, 163, 439, 441, 445, 461, 567, 577, 631 Pentameter 637 Perigäum  811, 813, 835 Perle 961 Perser  101, 439, 663 Person  179, 207, 389, 513, 533, 535, 633 Perspectiva (Werk Bacons)  77, 721, 737, 739, 867 Perspektivik (Wissenschaft)  29, 41, 53, 71, 75, 77, 79, 89, 107, 121, 125, 187, 205, 243, 425, 491, 703, 707, 713, 717, 735, 739, 743, 745, 755, 759, 849, 851, 859 Pessachfest  457, 459, 465, 587, 593 Pfingsten  389, 597, 613 Pflicht  11, 901, 903 Pfund – Geldeinheit  31, 73, 121, 239 – Gewichtmaß  961, 969 Phänomen  71, 95, 225, 243, 347, 421, 537, 665, 727, 731, 733, 737, 745, 749, 751, 753, 787, 851, 853, 871, 873 Philosophen  9, 11, 17, 19, 53, 55, 59, 65, 67, 87, 91, 99, 103, 105, 107, 109, 111, 141, 145, 147, 151,

159, 163, 165, 169, 181, 183, 185, 187, 201, 221, 243, 245, 273, 281, 289, 299, 309, 315, 319, 321, 327, 385, 395, 573, 575, 623, 635, 641, 647, 665, 667, 669, 695, 731, 765, 881, 883, 885, 901, 907, 909, 911, 923, 927, 931, 945, 947, 953, 955, 959, 971 Philosophie  7, 27, 29, 37, 41, 43, 49, 51, 55, 59, 61, 63, 65, 67, 69, 71, 77, 79, 85, 97, 99, 103, 105, 107, 109, 111, 113, 117, 119, 121, 135, 137, 145, 151, 153, 159, 161, 163, 165, 167, 169, 171, 175, 181, 187, 189, 203, 205, 209, 221, 223, 241, 249, 251, 293, 299, 327, 351, 381, 397, 403, 413, 417, 571, 573, 579, 581, 633, 641, 643, 655, 659, 667, 695, 697, 699, 707, 753, 845, 881, 893, 901, 903, 905, 911, 915, 919, 921, 931, 933, 935, 943, 945, 949, 953 Planeten  75, 233, 441, 663, 667, 669, 671, 673, 675, 677, 681, 733, 737, 763, 765, 767, 771, 773, 775, 777, 779, 781, 787, 793, 795, 801, 803, 807, 809, 811, 817, 823, 829, 833, 835, 837, 839, 841, 845, 847, 921, 959 – -bewegungen  765, 841 – -konstellation  73, 579 – -sphären  793, 799, 809, 823, 843 Poetik  651, 653 Pol  425, 763, 779, 783, 787, 789, 793, 795, 799, 805 Potenz (potentia)  223, 245, 255, 259, 261, 265, 267, 269, 271, 275, 291, 321, 339, 371, 407 Prädikabile  257, 259 Prädikament  257, 259, 363, 411

Sach- und Ortsregister Prälaten  51, 65, 71, 117, 149, 175, 445, 623, 641, 655, 685, 907, 909 Präposition  499, 501, 511, 517 Predigt  107, 645, 655, 657 Privation  297, 377, 387, 401, 405, 407 Pronomen  499, 503, 505, 507, 515, 523 Prophet  99, 163, 177, 201, 203, 439, 445, 489, 499, 537, 567, 577, 631, 875, 899, 935, 937, 939, 945 Prosa  111, 483, 489, 539, 551, 559, 567, 637, 645, 651 Prosodie 511 Prozess (natürl.)  337, 341, 343, 661, 739, 793 punctus elevatus  525, 527 Pulver  889, 959 Punkt – Geometrie  227, 231, 235, 275, 277, 279, 283, 285, 287, 293, 297, 299, 303, 313, 325, 349, 353, 355, 357, 359, 361, 369, 371, 373, 411, 415, 423, 669, 709, 727, 863 – Satzzeichen  509, 521, 523, 525, 529, 535 – Astronomie  763, 767, 773, 775, 777, 781, 803, 811, 827, 833, 837, 839 Pyramide (geom. Figur)  283, 285, 287, 289 Quadrat  283, 285, 663, 675 Quadratur  663, 675 Qualität  259, 263, 413 Quantität  259, 263, 313, 331, 333, 341, 343, 361, 373, 375, 411, 413, 415

1085

Quantum  277, 333, 343, 345, 361, 371 Quecksilber 959 Raum  235, 285, 309, 313, 315, 317, 319, 321, 323, 325, 349, 351, 353, 355, 357, 359, 363, 371, 373, 387, 389, 405, 811, 825 Rede  9, 37, 435, 483, 489, 513, 521, 529, 531, 533, 555, 567, 571, 645, 649, 651, 653, 655, 875, 943, 945 – -weise  191, 377, 643, 649 Reflexion  229, 231, 239, 475, 713, 739, 741, 743, 755, 867, 871 Regel  499, 501, 505, 541, 543, 551, 553, 557, 561, 711, 753 Regenbogen  157, 189, 219, 475, 851, 859, 861, 863, 865, 867, 869, 871 Region  183, 249, 475, 541, 659, 667, 669, 679, 681, 683, 687, 693, 895, 897, 899, 947 Religion  429, 577, 663, 665, 675, 679, 681, 689, 701, 911, 917, 919, 921, 923, 925, 927, 929, 931, 933, 935, 937 Rhetorik   9, 567, 641, 649, 651, 653, 945 Rhythmik  483, 485, 539, 541, 563, 565, 567, 625, 637, 639, 641, 645, 649, 651 Rhythmus  539, 541, 563, 567, 635, 639 Richter  107, 197, 575, 945 Sabbat  461, 465, 589 Sakrament  393, 395, 941, 943 Salmiak  959, 969 Salpeter 889

1086

Sach- und Ortsregister

Samen  187, 261, 267, 337, 661, 687, 887 Sarazenen  95, 177, 241, 429, 577, 679, 683, 701, 921, 931, 937 Saturn (Planet)  577, 663, 665, 675, 773, 845 – als Synonym für Blei  959, 961, 967, 969 Satz  149, 213, 423, 521, 523, 525, 527, 529, 531, 533, 535, 845 – -teil  525, 527, 529 – -zeichen 521 Schaltjahr  443, 459, 585, 601, 605, 607 Schiff  91, 429, 561, 699, 737 Schlüssel (in der Alchemie)  965 Schreiber (Kopisten)  27, 117, 119, 957, 959 Schwefel  79, 889, 959, 963, 965, 967 scientia experimentalis  s.: Erfahrungswissenschaft scriptum principale   7, 47, 123, 563 Sechseck 285 Seele  21, 25, 109, 113, 131, 151, 153, 155, 157, 159, 161, 179, 197, 199, 201, 203, 205, 207, 249, 251, 259, 299, 337, 341, 343, 351, 353, 371, 387, 389, 391, 401, 403, 409, 489, 635, 705, 711, 721, 737, 875, 891, 897, 911, 933 Seelenheil  111, 165, 917 Seelenruhe  179, 911 Sehen  75, 155, 235, 243, 485, 539, 703, 705, 707, 709, 711, 713, 715, 727, 729, 731, 735, 739, 741, 743, 745, 747, 749, 753, 755, 759, 785, 845, 857 Sehkraft  705, 711, 725, 729, 747

Sehsinn  75, 77, 155, 205, 229, 243, 275, 717, 719, 721, 725, 729, 759, 761, 763, 855, 869 Sehvorgang  707, 709 Sekte  577, 579, 683, 921, 935 Senkrechte  227, 239, 245, 859, 873 Sichelwagen 699 Silbe  493, 495, 497, 499, 501, 503, 505, 507, 509, 511, 513, 515, 517, 539, 543, 547, 549, 551, 555, 557, 573 Silber  17, 95, 689, 885, 959, 961, 969 Sinne  77, 193, 227, 233, 235, 243, 275, 343, 411, 419, 423, 425, 485, 489, 533, 601, 633, 667, 705, 719, 721, 733, 755, 801, 803 Sinnesgegenstände  719, 721, 723, 733, 741 Sintflut  169, 211, 431, 437, 441, 443, 447, 877 Sitten  /  Bräuche  51, 103, 113, 627, 631, 643, 645, 653, 655, 659, 665, 679, 681, 689, 693, 891, 895, 923 Sizilien 67 Sommer 693 – -sonnenwende  423, 585, 587, 589, 675, 767 Sonne  15, 89, 101, 151, 155, 157, 161, 223, 225, 231, 233, 245, 247, 339, 421, 423, 425, 447, 467, 475, 577, 591, 601, 609, 611, 613, 661, 663, 671, 673, 675, 681, 721, 729, 731, 735, 737, 745, 747, 753, 757, 763, 767, 769, 771, 773, 781, 795, 801, 803, 805, 823, 825, 827, 829, 833, 845, 847, 853, 855, 857, 859, 861, 863, 865, 869, 871, 887

Sach- und Ortsregister – als Synonym für Gold  959, 961, 967, 969 Sonnenfinsternis 677 Sonnenjahr  449, 457, 585, 599, 601 Sonnenuntergang  443, 451, 453, 455, 457, 463 Sonnenwende  585, 589, 591, 593, 597, 619 Sonntag  453, 459, 461, 463, 469, 471, 587, 589, 593, 595, 611, 613, 615 Spanien 623 – als Synonym für Gold  961 species   75, 77, 153, 197, 199, 203, 205, 207, 221, 223, 225, 227, 229, 233, 235, 237, 239, 273, 335, 337, 339, 341, 475, 545, 667, 705, 707, 709, 711, 713, 715, 717, 727, 731, 739, 741, 747, 755, 867, 871, 879 Sphäre  227, 243, 245, 691, 715, 729, 733, 781, 783, 787, 789, 791, 795, 799, 901, 803, 809, 811, 813, 815, 817, 819, 821, 823, 825, 827, 829, 831, 833, 835, 837, 839 Sphärenmusik  479, 481 Spiegel  93, 95, 97, 113, 229, 231, 239, 241, 245, 703, 741, 743, 745, 755, 889, 891 Spiritualsinn (der Bibel)  167, 193, 207, 209, 427, 473, 487, 489, 571, 681 Spiritus (Akzent)  511 Sprache  17, 41, 43, 49, 53, 61, 67, 69, 105, 115, 121, 125, 131, 133, 135, 181, 183, 185, 187, 189, 193, 195, 205, 211, 215, 249, 493, 565, 659, 679, 681, 893 Stein  251, 261, 287, 309, 313, 317, 319, 329, 347, 363, 621, 685,

1087

687, 723, 751, 873, 885, 887, 891, 953, 959, 961, 963, 969 Stern  89, 91, 151, 161, 219, 233, 243, 261, 373, 381, 383, 421, 423, 425, 441, 475, 477, 667, 669, 671, 681, 693, 715, 729, 731, 735, 737, 745, 747, 757, 763, 781, 785, 787, 789, 791, 813, 851, 853, 857, 859, 865, 869, 871, 923 – -bild  219, 421, 671 – -tafel  443, 449, 461, 469 – -zeichen  421, 577, 663, 669, 671, 673, 781, 803 Sternenhimmel  715, 793, 795 Sternensphäre  787, 789, 791, 799 Stimme  199, 207, 217, 481, 491, 523, 535, 537, 629 Stoff  243, 345, 415, 857, 861, 887, 959, 961, 963, 967, 969 Strahl  225, 227, 229, 231, 233, 239, 245, 247, 249, 475, 479, 481, 589, 669, 687, 711, 729, 735, 739, 741, 745, 747, 749, 755, 847, 867, 869, 871, 873, 887, 889 Strahlenkegel 747 Strecke  313, 325 Strichpunkt  521, 523, 529 Studium   17, 19, 21, 23, 51, 63, 109, 125, 127, 133, 147, 149, 171, 175, 179, 181, 191, 195, 213, 239, 351, 477, 625, 641, 655, 691, 699 Subjekt 257 Substanz  237, 253, 255, 259, 263, 265, 269, 321, 331, 333, 339, 341, 343, 345, 349, 351, 355, 361, 363, 365, 367, 369, 371, 373, 375, 379, 381, 383, 389, 391, 403, 411, 413, 415, 963, 967

1088

Sach- und Ortsregister

Süden  423, 425, 475, 679, 737, 765, 771, 775, 777, 779, 781, 795, 803, 863, 963 Sünde  21, 97, 103, 113, 127, 129, 143, 149, 191, 195, 201, 391, 435, 475, 507, 535, 537, 629, 643, 693, 875, 895, 899, 905, 909, 913, 939, 943, 949 – des Theologiestudiums  191, 565, 643, 947, 949, 951, 955, 963 Syllogismus  211, 721, 723 Tagundnachtgleiche  585, 587, 589, 591, 593, 595, 597, 613, 615, 621 Tartaren  177, 679, 683, 685, 687, 701, 921, 931 Teilung   211, 275, 277, 279, 297, 415 Teufel (diabolus)  17, 137, 197, 201, 571, 597, 913 Theologen  53, 55, 57, 151, 179, 183, 207, 243, 245, 247, 291, 295, 299, 361, 381, 421, 429, 443, 451, 463, 475, 477, 497, 567, 575, 655, 715, 945 Theologie  41, 63, 69, 77, 85, 107, 111, 135, 137, 153, 161, 163, 165, 167, 171, 173, 175, 179, 181, 183, 191, 195, 205, 209, 251, 287, 293, 351, 417, 419, 427, 473, 477, 479, 513, 563, 565, 571, 575, 625, 655, 755, 881, 901, 943, 945, 955, 963 Tiefe  11, 19, 285, 287, 295, 297, 315, 319, 349, 703 Tierkreis  423, 663, 669, 677, 763, 769, 771, 773, 777, 779, 781, 789, 799, 803, 805 Ton  481, 485, 487, 511, 519, 569, 717

– art  625, 627, 629 Transsubstantiation  303, 305, 307 Trockenheit  201, 223, 315, 341, 677, 719 Tropfen  851, 853, 869, 871, 873, 961 Tugend  9, 19, 21, 23, 97, 103, 113, 163, 553, 627, 629, 635, 645, 647, 655, 897, 905, 907, 909, 945 Übersetzung  49, 53, 67, 99, 155, 157, 187, 189, 259, 273, 285, 331, 431, 525, 567, 735, 757 Überzeugungsschrift  85, 141, 249, 451, 563, 579, 609, 703, 851, 873, 915 Umrundung  663, 665, 815 Unendlichkeit  293, 405, 407, 925 Ungläubige  7, 23, 41, 59, 105, 119, 149, 165, 169, 181, 195, 231, 575, 641, 643, 683, 685, 701, 757, 759, 913, 915, 941, 951 Universalie  223, 237, 257, 259 Universität  13, 63, 115, 751, 761 Unwissenheit  15, 19, 21, 51, 53, 59, 79, 143, 145, 147, 149, 419, 491, 583, 851 Ursache  31, 73, 139, 141, 143, 147, 149, 155, 205, 211, 219, 221, 227, 229, 255, 387, 663, 665, 669, 925 Vakuum  283, 289, 309, 311, 313, 315, 317, 319, 321, 323, 325, 327, 329, 345, 347, 349, 351, 375, 417, 565, 717, 809, 811, 815, 819, 823 Venus (Planet)  577, 687, 745, 777, 779, 795, 803, 825 – als Synonym für Kupfer  959, 961, 969

Sach- und Ortsregister Veränderung  199, 201, 203, 237, 281, 299, 301, 303, 305, 307, 309, 313, 327, 339, 351, 353, 355, 357, 359, 361, 369, 399, 581, 661, 663, 665, 667, 675, 677, 681, 687, 689, 693, 699, 793, 795 – Ortsveränderung  369, 381 Verbrennung  227, 229, 231, 247, 475 Verdauung  337, 343, 955 Verdorbenheit   23 Verdünnung  341, 481 Vergehen  21, 221, 251, 267, 333, 367, 467, 661, 739 Verlängerung des Lebens  89, 91, 873, 949, 953 Vermehrung  327, 341, 663 Verneinung  213, 323, 347, 499, 525, 527 Vernunft  19, 57, 119, 147, 197, 331, 393, 509, 531, 539, 639, 641, 649, 687, 695, 767, 783, 799, 801, 803, 805, 861, 915 Versmaß  485, 539, 563, 565, 567, 637 Verstand  11, 39, 45, 107, 125, 131, 135, 141, 243, 261, 377, 401, 427, 509, 681, 881, 927, 943 Vervielfältigung  75, 77, 205, 221, 225, 227, 229, 233, 235, 237, 245, 247, 249, 273, 399, 475, 607, 717, 739 Verwirklichung  259, 261, 341 Verzögerung  25, 27, 31, 35 Vokal  513, 515, 541, 543, 545 Vollmond  157, 451 Vorher (zeitl.: prius)  299, 313, 403 Vorhersage  55, 219, 659, 667, 671, 677, 691, 699, 883

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Wahrheit  9, 13, 19, 21, 23, 29, 51, 55, 59, 61, 85, 89, 91, 103, 109, 111, 113, 117, 143, 145, 147, 149, 159, 161, 169, 189, 237, 241, 247, 251, 263, 265, 267, 281, 283, 293, 295, 299, 305, 327, 349, 357, 369, 377, 403, 415, 423, 425, 431, 439, 441, 445, 447, 465, 467, 471, 473, 489, 491, 493, 495, 499, 511, 529, 535, 539, 541, 563, 571, 573, 575, 577, 593, 595, 599, 609, 611, 615, 617, 619, 631, 639, 695, 697, 699, 711, 715, 727, 821, 849, 853, 855, 859, 879, 881, 883, 893, 913, 915, 917 Wahrnehmung  237, 667, 731, 735, 853, 855 Wahrnehmungsorgan 713 Wandelstern 763 Wärme  223, 245, 339, 341, 677, 683, 719, 967 Wasser  27, 185, 225, 283, 289, 323, 333, 335, 345, 347, 567, 617, 715, 745, 751, 785, 793, 953, 963, 969 – -himmel 715 – -mann (Sternzeichen)  673 – -sphäre  317, 715 Weidenkohle 889 Weihrauch  59, 967 Welt  7, 11, 15, 17, 21, 23, 25, 31, 33, 35, 49, 51, 59, 61, 65, 71, 75, 83, 87, 95, 97, 101, 103, 105, 107, 115, 129, 137, 143, 147, 153, 159, 163, 179, 183, 197, 201, 203, 217, 219, 221, 233, 237, 241, 243, 245, 247, 251, 273, 281, 291, 293, 303, 309, 321, 323, 347, 367, 369, 377, 379, 385, 387, 401, 403, 417, 419, 427, 429, 437, 439, 441, 443, 445, 451, 461, 473, 571, 575, 597, 613,

1090

Sach- und Ortsregister

623, 647, 667, 669, 675, 677, 679, 681, 683, 685, 687, 689, 693, 697, 699, 701, 711, 715, 739, 763, 777, 793, 811, 813, 815, 817, 819, 825, 927, 831, 835, 837, 839, 843, 873, 885, 889, 893, 897, 899, 901, 909, 915, 917, 921, 929, 943, 953 – -ganzes  161, 345, 347, 365, 367, 385 – -körper  281, 289 Wesen  157, 161, 185, 197, 199, 251, 255, 257, 259, 261, 263, 265, 267, 269, 271, 301, 393, 397, 407, 899 – geistiges  363, 369, 371, 385, 387, 389, 405 Westen  425, 679, 735, 737, 763, 767, 771, 773, 777, 779, 783, 785, 789, 791, 793, 797, 799, 801, 835, 853, 867, 963 Winkel  45, 225, 227, 285, 287, 289, 651, 735, 757, 845, 863, 865, 889, 903 Winter  457, 693 – -sonnenwende  423, 585, 587, 589, 591, 769 Wirkung  7, 39, 73, 133, 155, 199, 219, 223, 227, 237, 239, 241, 337, 339, 377, 411, 475, 579, 635, 663, 667, 669, 671, 673, 677, 687, 689, 695, 739, 751, 793, 891, 893, 905, 923, 949 Wissenschaften   17, 35, 37, 39, 41, 43, 45, 47, 49, 53, 55, 57, 61, 67, 69, 71, 73, 75, 87, 89, 91, 93, 97, 99, 105, 107, 109, 111, 115, 121, 123, 125, 133, 137, 141, 163, 181, 185, 187, 205, 213, 215, 217, 219, 221, 249, 413, 417, 419, 473,

491, 567, 569, 575, 611, 619, 631, 649, 659, 671, 681, 691, 697, 699, 701, 703, 849, 851, 873, 877, 881, 883, 889, 891, 893, 895, 897, 899, 917, 921, 945, 947, 949 »Wo« (ubi; Kategorie)  297, 397, 413 Wolke  157, 727, 733, 735, 853, 867, 869, 871 Wunder  59, 63, 105, 179, 193, 197, 239, 477, 617, 621, 637, 675, 681, 689, 707, 757, 885, 889, 917, 937, 941, 961 Würfel  283, 285, 289 Zahl  49, 81, 119, 121, 131, 135, 137, 143, 191, 271, 287, 299, 363, 419, 431, 447, 455, 477, 591, 721, 925 – Goldene Zahl  469, 471, 595, 611, 613, 615 – Gradzahl  857, 863, 865 Zauberformeln  203, 695, 881, 885, 893 Zaubersprüche  95, 203, 695, 885, 887, 893 Zeichen  139, 179, 383, 665, 911, 923, 955 – astrologische  101, 665, 671, 673, 681, 689, 923 – sprachliche  205, 207, 209, 489, 511, 521, 523 Zeichnung  119, 121, 131, 135, 727, 749, 751, 851 Zeit  29, 35, 49, 53, 59, 67, 101, 125, 129, 137, 143, 153, 163, 171, 177, 201, 231, 273, 277, 293, 295, 297, 299, 301, 303, 305, 307, 309, 311, 313, 351, 355, 383, 389, 397, 399, 401, 403, 405, 409, 411, 413, 415, 429, 431,

Sach- und Ortsregister 433, 435, 437, 441, 443, 447, 449, 451, 453, 457, 459, 461, 467, 471, 539, 579, 581, 583, 589, 591, 593, 601, 603, 607, 613, 617, 621, 623, 669, 717, 793, 811, 843, 845, 861 – -alter  149, 163, 195, 419, 429, 431, 433 – -berechnung  427, 433, 437, 441, 443, 445, 451, 463, 587, 619, 623 – -genossen  55, 61, 79, 153, 159, 497, 503, 519, 527, 821 – -punkt  301, 303, 305, 307, 457, 591, 595, 597, 621, 763 – -spanne  301, 309, 311, 313, 317, 351, 609, 613 Zeugnis  35, 391, 577, 817, 933, 935, 937 Ziel  93, 105, 109, 111, 141, 151, 169, 203, 237, 255, 257, 501, 509, 897, 921, 965 Zimmermann  93, 485, 651, 661, 903, 951

1091

Zirkel (Instrument)  827, 831 – -fuß  825, 827, 831, 833 Zirkumflex (Akzent)  495, 497, 499, 507, 509, 547 Zivilrecht  101, 151, 173, 175, 179, 903, 905 Zorn  17, 103, 631, 647, 725, 909 Zugrundeliegendes (subjectum) 269, 295, 295, 539, 797 Zurückgehen (recessus) 781 Zusammengesetztes  253, 259, 261, 263, 265, 269, 415 Zyklus  449, 459, 469, 471, 593, 595, 599, 601, 605, 609, 615, 617, 619, 621, 623 Zweck  39, 47, 115, 473, 643, 695, 943 Zweifel  43, 51, 59, 117, 125, 133, 151, 189, 207, 287, 327, 353, 357, 359, 425, 431, 433, 435, 439, 467, 487, 533, 555, 585, 621, 629, 645, 685, 713, 719, 737, 747, 753, 791, 797, 931