Obligationenrecht Allgemeiner und Besonderer Teil [3 ed.] 9783725576784

Das Buch «OR AT/BT» hat sich in den letzten Jahren als wichtiges Standardwerk für Praktiker und Studierende bewährt. Anl

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German Pages 1542 [1551] Year 2019

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Bibliografie
Copyright Schulthess Juristische Medien AG
Vorwort zur dritten Auflage
Vorwort zur zweiten Auflage
Vorwort zur ersten Auflage
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Glossar der lateinischen Ausdrücke
Allgemeines Literaturverzeichnis
Gesetzesverzeichnis
Obligationenrecht Allgemeiner Teil
1. Kapitel Allgemeine Vertragslehre
§ 1 Grundlagen
I. Überblick über das schweizerische Obligationenrecht
1. Merkmale des Obligationenrechts
2. Entstehungsgeschichte des schweizerischen Obligationenrechts
3. Verhältnis zu anderen Gesetzen und Rechtsgebieten
II. Grundbegriffe
1. Obligation und verwandte Begriffe
1.1 Obligation
1.2 Forderung und Schuld
1.3 Anspruch
1.4 Einrede und Einwendung
1.5 Klagbare und unklagbare Forderungen
2. Schuldverhältnis
3. Rechtsgeschäft
3.1 Begriff
3.2 Arten
a. Ein-, zwei- und mehrseitige Rechtsgeschäfte
b. Einmal- und Dauerschuldverhältnisse
c. Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte
d. Rechtsgeschäfte unter Lebenden und von Todes wegen
e. Gestaltungsgeschäfte
3.3 Abgrenzung zur Gefälligkeit
4. Rechte
4.1 Subjektive und objektive Rechte
4.2 Absolute und relative subjektive Rechte
5. Pflichten
5.1 Überblick
5.2 Allgemeine und besondere Pflichten
5.3 Pflichten unterschiedlichen Grades
a. Unterteilung
b. Hauptpflichten
c. Nebenpflichten
d. Primäre und sekundäre Leistungspflichten
e. Obliegenheiten
6. Haftung
7. Schaden
7.1 Begriff und Differenzhypothese
7.2 Relativierung der Differenzhypothese
a. Genugtuung
b. Kommerzialisierungsschaden
c. Frustrationsschaden
d. Reflexschaden
7.3 Schadenersatzbemessung
8. Kausalzusammenhang
9. Widerrechtlichkeit/Pflichtwidrigkeit
10. Verschulden
III. Entstehungsgründe von Obligationen
1. Dreiteilung der Entstehungsgründe
2. Vertragliche und ausservertragliche Entstehung
3. Quasivertragliche Entstehung
§ 2 Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR)
I. Voraussetzungen (Art. 1 OR) – Überblick
II. Vertragsparteien
1. Rechtsfähigkeit
2. Handlungs-, Geschäfts- und Vertragsfähigkeit
3. Einschränkungen der Abschluss- und Partnerwahlfreiheit
3.1 Rechtsgeschäftliche Einschränkungen
3.2 Gesetzliche Einschränkungen: Kontrahierungszwang
III. Willenserklärungen
1. Begriff
2. Arten von Willenserklärungen
2.1 Ausdrückliche und konkludente Willenserklärungen (Art. 1 Abs. 2 OR)
2.2 Unmittelbare und mittelbare Willenserklärungen
2.3 Empfangsbedürftige und nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen
3. Kundgabe und Zugang empfangsbedürftiger Willenserklärungen
3.1 Stadien des Erklärungsvorgangs
3.2 Zugangsprinzip
4. Auslegung von Willenserklärungen
4.1 Massgeblichkeit des wirklichen Willens bei übereinstimmendem gegenseitigem Verständnis
4.2 Auslegung nach Vertrauensprinzip bei divergierendem gegenseitigem Verständnis
4.3 Mentalreservation und Scherzerklärung
4.4 Simulation und Dissimulation
IV. Austausch der Willenserklärungen (Gegenseitigkeit)
1. Erscheinungsweisen des Austauschprozesses
2. Antrag
2.1 Begriff
2.2 Voraussetzungen
2.3 Abgrenzung von der Einladung zur Offertstellung
2.4 Abgrenzung zu Auslobung und Preisausschreiben (Art. 8 OR)
2.5 Kein Antrag: Zusenden unbestellter Sachen (Art. 6a OR)
3. Annahme
3.1 Begriff
3.2 Voraussetzungen
3.3 Schweigen als Annahme?
3.4 Schutz des Empfängers eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens
3.5 Übernahme und Globalübernahme bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen
4. Wirkungen von Antrag und Annahme
4.1 Bindungswirkung
4.2 Gestaltungswirkung (Art. 10 OR)
V. Übereinstimmen der Willenserklärungen bezüglich des wesentlichen Vertragsinhalts
1. Konsens und Dissens
1.1 Tatsächlicher (= natürlicher) Konsens
1.2 Normativer (= rechtlicher) Konsens
1.3 Dissens
2. Wesentlicher Vertragsinhalt
2.1 Objektiv wesentliche Vertragspunkte
2.2 Nebenpunkte und subjektiv wesentliche Vertragspunkte
VI. Widerruf von Willenserklärungen
1. Grundsatz der Unwiderruflichkeit
2. Vertragliches Widerrufsrecht
3. Gesetzliches Widerrufsrecht
3.1 Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften und ähnlichen Verträgen (Art. 40b–40f OR)
3.2 Widerrufsrecht bei Konsumkrediten (Art. 16 KKG)
3.3 Widerrufsrecht bei Ehe- und Partnerschaftsvermittlung (Art. 406d und Art. 406e OR)
§ 3 Auslegung, Ergänzung und Anpassung des Vertrages (Art. 18 OR)
I. Auslegung des Vertrages
1. Auslegungsstreit versus Konsensstreit
2. Subjektive und objektivierte Auslegung des Parteiwillens
2.1 Subjektive (empirische) Auslegung (Rekonstruktion des Parteiwillens)
2.2 Objektivierte (normative) Auslegung (Konstruktion des Parteiwillens)
3. Auslegungsmittel und Auslegungsregeln
3.1 Begriffe
3.2 Auslegungsmittel (Erkenntnisquellen)
3.3 Auslegungsregeln (Interpretationsgrundsätze)
4. Auslegung formbedürftiger Rechtsgeschäfte
II. Ergänzung des Vertrages
1. Voraussetzungen und Abgrenzung zur Auslegung
2. Ergänzung des Vertrages und wesentliche Punkte
3. Mittel der Vertragsergänzung
4. Rangordnung?
5. Ergänzung formbedürftiger Rechtsgeschäfte
6. Beziehung zwischen Auslegung und Ergänzung
III. Anpassung des Vertrages an veränderte Umstände (clausula rebus sic stantibus)
1. Begriff
2. Abgrenzung vom Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR) und von der Kündigung aus wichtigem Grund
3. Voraussetzungen
3.1 Nachträgliche Veränderung der Verhältnisse
3.2 Gravierende Äquivalenzstörung
3.3 Fehlende Voraussehbarkeit
3.4 Verhalten der Parteien
4. Wirkungen
§ 4 Form und Inhalt des Vertrages (Art. 11–16, Art. 19 und Art. 20 OR)
I. Überblick
II. Form des Vertrages (Art. 11–16 OR)
1. Grundsatz der Formfreiheit (Art. 11 Abs. 1 OR)
2. Gesetzliche Formvorschriften (Art. 11–15 OR)
2.1 Allgemeines zur Form
2.2 Formzweck
2.3 Anwendungsbereich
2.4 Arten
a. Textform
b. Einfache Schriftlichkeit (Art. 13–15 OR)
c. Qualifizierte Schriftlichkeit
d. Öffentliche Beurkundung
2.5 Umfang des Formzwangs
3. Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung gesetzlicher Formvorschriften (Art. 11 Abs. 2 OR)
3.1 Formungültigkeit
3.2 Teilweise Formungültigkeit
3.3 Konversion
3.4 Rückabwicklung
3.5 Haftung für Formungültigkeit
4. Vertraglich vorbehaltene Form (Art. 16 OR)
4.1 Allgemeines
4.2 Vermutung der Gültigkeitsform (Art. 16 Abs. 1 OR)
4.3 Vermutung der einfachen Schriftlichkeit (Art. 16 Abs. 2 OR)
4.4 Änderung und Aufhebung der vertraglich vorbehaltenen Form
4.5 Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung der vertraglich vorbehaltenen Form
III. Inhaltsfreiheit und ihre rechtlichen Schranken (Art. 19 und Art. 20 OR)
1. Grundsatz der Inhaltsfreiheit
2. Widerrechtlichkeit (Art. 19 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 1 OR)
2.1 Massgebender Beurteilungszeitpunkt: Vertragsschluss
2.2 Vertragsinhalt
2.3 Umfang: gesamte schweizerische Rechtsordnung
a. Allgemeines
b. Privatrecht
c. Öffentliches Recht
3. Verstoss gegen die öffentliche Ordnung (Art. 19 Abs. 2 OR)
4. Sittenwidrigkeit (Art. 19 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 1 OR)
4.1 Begriff
4.2 Normcharakter
4.3 Kontrollgegenstand
4.4 Fallgruppen
a. Sexueller Bereich?
b. Kommerzialisierung eines bestimmten Verhaltens im sozial- und berufsethischen Bereich
c. Verstoss gegen vertragliche Rechte Dritter
d. Zuwendungen zugunsten Vertrauenspersonen
e. Leistungsinäquivalenz?
5. Persönlichkeitsrechtswidrigkeit (Art. 19 Abs. 2 OR und Art. 27 Abs. 2 ZGB)
6. Unmöglichkeit (Art. 20 Abs. 1 OR)
7. Rechtsfolgen bei Inhaltsverstössen
7.1 Nichtigkeit (Art. 20 Abs. 1 OR)
a. Traditionelle Auffassung: starre Nichtigkeit
b. Moderne Sicht: flexible Ungültigkeit
7.2 Teilnichtigkeit (Art. 20 Abs. 2 OR)
a. Allgemeines
b. Hypothetischer Parteiwille
c. Lückenhaftigkeit
d. Nichtigkeitsabrede und salvatorische Klausel
e. Zusammenfassung
7.3 Konversion
7.4 Rückabwicklung
§ 5 Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)
I. Vorbemerkungen
II. Übervorteilung (Art. 21 OR)
1. Begriff
2. Voraussetzungen
2.1 Offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung
2.2 Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit beim Übervorteilten
2.3 «Ausbeutung» durch die Übervorteilende
III. Willensmängel (Art. 23–31 OR)
1. Irrtum – Wesentlicher Irrtum (Art. 23–27 OR)
1.1 Begriff und Arten
1.2 Gemeinsame Voraussetzungen
a. Irrtum
b. Wesentlichkeit des Irrtums
c. Keine Verwirkung
1.3 Erklärungsirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1–3 OR; Art. 27 OR)
a. Begriff
b. Error in negotio (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1 OR)
c. Error in corpore vel in persona (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 2 OR)
d. Error in quantitate (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 3 OR)
e. Übermittlungsirrtum (Art. 27 OR)
1.4 Qualifizierter Motiv- bzw. Grundlagenirrtum
a. Begriff
b. Subjektive und objektive Wesentlichkeit
c. Erkennbarkeit des Irrtums für die Irrtumsgegnerin?
d. Irrtum über zukünftige Sachverhalte
e. Gleichbehandlung des Rechtsirrtums
f. Besondere Behandlung blosser Rechnungsfehler (Art. 24 Abs. 3 OR)
2. Absichtliche Täuschung (Art. 28 OR)
2.1 Begriff
2.2 Voraussetzungen
a. Täuschendes Verhalten
b. Täuschungsabsicht
c. Kein Rechtfertigungsgrund
d. Motivirrtum
e. Kausalität
2.3 Absichtliche Täuschung durch einen Dritten (Art. 28 Abs. 2 OR)
3. Furchterregung (Art. 29–30 OR)
3.1 Begriff
3.2 Voraussetzungen
a. Drohung
b. Widerrechtlichkeit
c. «Gegründete» (begründete) Furcht
d. Kausalität
IV. Ungültigkeit und andere Wirkungen von erfolgreich geltend gemachten Willensmängeln
1. Ungültigkeitstheorien
1.1 Ungültigkeitstheorie
1.2 Anfechtungstheorie
1.3 Theorie der geteilten Ungültigkeit
1.4 Konsequenzen
2. Ungültigerklärung
3. Ungültigkeit
3.1 Ungültigkeit des Vertrages ex tunc oder ex nunc?
3.2 Teilungültigkeit
4. Schadenersatz
4.1 Schadenersatzpflicht des Erklärenden
4.2 Schadenersatzpflicht der Erklärungsgegnerin
V. Konkurrenzen
§ 6 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)
I. Begriff
II. Problematik
III. Rechtslage
1. Gesetzgebung
2. Rechtsprechung
IV. Übersicht über die Kontrolle von AGB
V. Geltungskontrolle
1. Vorrang von Individualabreden
2. Einbeziehung
3. Ungewöhnlichkeitsregel
4. Battle of the Forms
VI. Auslegungskontrolle
1. Grundsatz
2. Unklarheitenregel
3. Restriktionsprinzip
VII. Inhaltskontrolle
1. Verdeckte Inhaltskontrolle
2. Offene Inhaltskontrolle
2.1 Art. 8 UWG
a. Verwendung
b. Vorliegen eines Missverhältnisses zwischen vertraglichen Rechten und Pflichten
c. Erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis
d. Zum Nachteil des Konsumenten
e. Rechtsfolgen
2.2 Öffentliche Ordnung (Art. 19 Abs. 2 OR)
VIII. Zusammenfassung
§ 7 Beendigung von Schuldverhältnissen im engeren und im weiteren Sinn (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)
I. Vorbemerkungen
II. Erfüllung (Art. 68–90 und Art. 114 OR)
1. Begriff und Voraussetzungen
2. Leistungserbringer (Art. 68 OR)
2.1 Grundsatz
a. Keine persönliche Leistungspflicht des Schuldners
b. Erfüllung durch einen Dritten
2.2 Ausnahme: Persönliche Leistungspflicht
3. Leistungsempfängerin
3.1 Grundsatz: Nur Leistung an die Gläubigerin befreit
3.2 Ausnahmen
a. Pflicht des Schuldners zur Leistung an einen Dritten
b. Recht des Schuldners zur Leistung an einen Dritten
c. Rechtsschein
4. Erfüllungsgegenstand (Art. 69–73 OR)
4.1 Grundsatz: Erfüllung mittels Erbringung der geschuldeten Leistung
4.2 Ausnahme: Erfüllung durch Erfüllungssurrogate
a. Leistung erfüllungshalber
b. Leistung an Erfüllungs statt
4.3 Bestimmung des Leistungsgegenstands
a. Teilzahlung (Art. 69 OR)
b. Gattungsschuld (Art. 71 OR)
c. Wahlobligation (Art. 72 OR) und Alternativermächtigung
d. Bestimmung des Leistungsgegenstands bei Geldforderungen (Art. 84–90 OR)
e. Beweis der Erfüllung (Art. 88–90 OR)
5. Erfüllungsort (Art. 74 OR)
5.1 Aus Vertrag (Art. 74 Abs. 1 OR)
5.2 Aus Gesetz (Art. 74 Abs. 2 OR)
6. Erfüllungszeitpunkt und Erfüllungszeitraum (Art. 75–83 OR)
6.1 Vorbemerkungen
6.2 Nach Vertrag
6.3 Nach der Natur des Rechtsverhältnisses
6.4 Nach besonderer Vorschrift
6.5 Fehlende Übereinkunft (Art. 75 OR)
6.6 Exkurs: Erfüllungszeitpunkt bei Bareinzahlung und Überweisung
7. Wirkungen
III. Erlass (Art. 115 OR)
1. Vorbemerkung
2. Begriff
3. Abgrenzungen
3.1 Zur negativen Schuldanerkennung
3.2 Zum pactum de non petendo
3.3 Zum Verzicht auf künftige Forderungen
4. Voraussetzungen
4.1 Verfügungsvertrag
4.2 Keine gesetzliche Formvorschrift
5. Wirkungen
IV. Neuerung (Art. 116–117 OR)
1. Begriff
2. Voraussetzungen
3. Vermutungslage (Art. 116 OR)
4. Sonderregelung beim Kontokorrentverhältnis (Art. 117 OR)
5. Wirkungen
V. Vereinigung (Art. 118 OR)
1. Begriff
2. Voraussetzungen
3. Wirkungen
VI. Verrechnung (Art. 120–126 OR)
1. Begriff
2. Abgrenzung zum Verrechnungsvertrag
3. Voraussetzungen
3.1 Erfüllbarkeit der Hauptforderung
3.2 Klagbarkeit und Fälligkeit der Verrechnungsforderung
3.3 Gegenseitigkeit der Forderungen
a. Grundsatz: Gegenseitigkeit
b. Sonderbestimmungen
c. Ausnahme: Keine Gegenseitigkeit
3.4 Gleichartigkeit der Forderungen
3.5 Kein Ausschluss der Verrechnung
a. Durch Gesetz (Art. 125 OR)
b. Durch Vertrag (Art. 126 OR)
3.6 Verrechnungserklärung (Art. 124 Abs. 1 OR)
4. Wirkungen (Art. 124 Abs. 2 OR)
VII. Beendigung von Schuldverhältnissen i.w.S.
1. Übereinkunft
2. Rücktritt
3. Kündigung
3.1 Begriff
3.2 Ordentliche Kündigung
3.3 Ausserordentliche Kündigung
4. Clausula rebus sic stantibus
§ 8 Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)
I. Überblick
II. Erfüllungsanspruch (specific performance)
III. Leistungsunmöglichkeit (Art. 97 Abs. 1 und Art. 119 OR)
1. Begriff und Arten
1.1 Tatsächliche und rechtliche Unmöglichkeit
1.2 Objektive und subjektive Unmöglichkeit
1.3 Anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit
2. Abgrenzungen
2.1 Zum Schuldnerverzug (Art. 102 ff. OR)
2.2 Zur clausula rebus sic stantibus
3. Rechtsfolgen
3.1 Anfängliche objektive Unmöglichkeit
3.2 Anfängliche subjektive Unmöglichkeit
3.3 Nachträgliche objektive und nachträgliche subjektive Unmöglichkeit
a. Von der Schuldnerin zu vertretende Unmöglichkeit (Art. 97 Abs. 1 OR)
b. Von der Schuldnerin nicht zu vertretende Unmöglichkeit (Art. 119 OR)
4. Subjektive Unmöglichkeit als Fall des Verzugs?
5. Übersichten
6. Teilunmöglichkeit
IV. Positive Vertragsverletzung (Art. 97 Abs. 1 OR)
1. Begriff
2. Arten
2.1 Schlechterfüllung
2.2 Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht
3. Rechtsfolgen
V. Schadenersatzanspruch gemäss Art. 97 Abs. 1 OR
1. Voraussetzungen
1.1 Verletzung einer vertraglichen Pflicht
a. Nichterfüllung wegen Leistungsunmöglichkeit
b. Verletzung einer Unterlassungspflicht
c. Positive Vertragsverletzung
1.2 Schaden
a. Begriff und Differenzhypothese
b. Relativierung der Differenzhypothese
c. Schadenersatzbemessung
1.3 Kausalzusammenhang
1.4 Verschulden
2. Rechtsfolgen
VI. Rücktritt vom Vertrag gemäss Art. 97 Abs. 1 OR
VII. Übersicht über die Rechtsfolgen der Nicht- bzw. Schlechterfüllung gemäss Art. 97 Abs. 1 OR
VIII. Konkurrenzen
IX. Schuldnerverzug (Art. 102–109 OR)
1. Begriff
2. Voraussetzungen
2.1 Nichtleistung trotz Leistungsmöglichkeit
2.2 Fälligkeit der Forderung
2.3 Mahnung oder bestimmter Verfalltag (Art. 102 OR)
a. Verzug durch Mahnung (Art. 102 Abs. 1 OR)
b. Verzug ohne Mahnung (Art. 102 Abs. 2 OR)
2.4 Kein Leistungsverweigerungsrecht
a. Einrede des nicht erfüllten Vertrages (Art. 82 OR)
b. Einrede der Zahlungsunfähigkeit (Art. 83 OR)
3. Rechtsfolgen
3.1 Leistung von Verzugszinsen (Art. 104–105 OR)
3.2 Ersatz des Verspätungsschadens (Art. 103 OR)
3.3 Zufallshaftung (Art. 103 OR)
3.4 Wegfall von Haftungsmilderungen
4. Gläubigerrechte bei vollkommen zweiseitigen Verträgen (Art. 107–109 OR)
4.1 Zusätzliche Voraussetzung: Nachfristansetzung (Art. 107–108 OR)
4.2 Erstes Wahlrecht: Festhalten an der Leistung oder Verzicht auf die Leistung
4.3 Zweites Wahlrecht: Schadenersatz wegen Nichterfüllung oder Rücktritt vom Vertrag
4.4 Drittes Wahlrecht: Austausch- oder Differenztheorie
5. Übersicht über die Verzugsfolgen
X. Gläubigerverzug (Art. 91–95 OR)
1. Begriff
2. Arten von Mitwirkungshandlungen des Gläubigers
3. Voraussetzungen
3.1 Gehöriges Leistungsangebot
3.2 Verhinderung der Erfüllung
4. Rechtsfolgen
4.1 Im Allgemeinen
4.2 Bei Sachleistungen (Art. 92–94 OR)
4.3 Bei anderen Leistungen (Art. 95 OR)
4.4 Bei Pflichtverletzungen
XI. Haftung für Hilfspersonen (Art. 101 OR)
1. Inhalt und Zweck der Regelung
2. Voraussetzungen
2.1 Qualifizierung als Hilfsperson
2.2 Beizug in Erfüllung einer Schuldpflicht oder zur Ausübung eines Rechts
2.3 Schadenszufügung im Zusammenhang mit der vertraglichen Verrichtung
2.4 Hypothetische Vorwerfbarkeit
3. Rechtsfolgen
4. Abgrenzung von Art. 101 OR gegenüber Art. 55 OR
5. Prüfschema
XII. Wegbedingung der Haftung
1. Wegbedingung der vertraglichen Haftung (Art. 100 OR)
2. Wegbedingung der Hilfspersonenhaftung (Art. 101 OR)
§ 9 Direkte Stellvertretung (Art. 32–40 OR)
I. Begriff
II. Abgrenzungen
1. Zur indirekten Stellvertretung (Art. 32 Abs. 3 OR)
2. Zur Botenschaft
3. Zur Abschlussvermittlung (Art. 412 ff. und Art. 418a ff. OR)
4. Zum echten Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 f. OR)
5. Zur Anweisung (Art. 466 ff. OR)
III. Arten
1. Aktive und passive Stellvertretung
2. Gewillkürte und gesetzliche Stellvertretung
3. Bürgerliche und handelsrechtliche Vertretung
IV. Voraussetzungen für das Eintreten der Vertretungswirkung
1. Vertretungsmacht
2. Handeln in fremdem Namen
2.1 Ausdrückliche oder konkludente Erklärung
2.2 «Handeln für denjenigen, den es angeht»
2.3 Vertretungswirkung trotz Handelns in eigenem Namen
3. Weitere Voraussetzungen
V. Insbesondere zu Bevollmächtigung und Vollmacht
1. Bevollmächtigung (Akt)
1.1 Begriff
1.2 Grundsatz der Formfreiheit
2. Vollmacht (Ergebnis)
2.1 Begriff und Wesen der Vollmacht
2.2 Umfang und Arten der Vollmacht
2.3 Selbstkontrahieren und Doppelvertretung (Insichgeschäfte)
3. Widerruf der Vollmacht durch den Vollmachtgeber
4. Verzicht der Bevollmächtigten auf die Vollmacht
5. Erlöschen der Vollmacht
5.1 Erlöschensgründe gemäss Art. 35 OR
5.2 Weitere Erlöschensgründe
VI. Insbesondere zur Vertretungsmacht kraft Gutglaubensschutzes
1. Gutglaubensschutz Dritter und «externe Vollmacht»
2. Gutglaubensschutz der Vertreterin
VII. Vertretungswirkung durch nachträgliche Genehmigung
VIII. Rechtslage bei fehlender Vertretungswirkung
1. Rechtslage zwischen Vertretenem und Drittem
1.1 Haftung des Vertretenen
1.2 Rückerstattungspflicht des Vertretenen
2. Rechtslage zwischen Vertreterin und Drittem
2.1 Haftung der Vertreterin (Art. 39 Abs. 1 und Abs. 2 OR)
2.2 Rückerstattungspflicht der Vertreterin
2.3 Konkurrenz
3. Rechtslage zwischen Vertreterin und Vertretenem
§ 10 Verträge zugunsten eines Dritten (Art. 112–113 OR)
I. Begriff und Arten
II. Abgrenzungen
1. Zur Anweisung (Art. 466 ff. OR)
2. Zur Stellvertretung (Art. 32 ff. OR)
3. Zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und zur Drittschadensliquidation
III. Unechter Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 Abs. 1 OR)
IV. Echter Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 Abs. 2 OR)
1. Wirkungen
1.1. Rechtsstellung des Dritten
1.2. Rechtsstellung des Versprechensempfängers
1.3. Rechtsstellung der Versprechenden
2. Mängel im Valuta- und/oder Deckungsverhältnis
2.1 Mangel im Valutaverhältnis
2.2 Mangel im Deckungsverhältnis
2.3 Doppelmangel
V. Verfügungen zugunsten eines Dritten
1. Dingliche Verfügungen
2. Schuldrechtliche Verfügungen
§ 11 Garantievertrag oder Vertrag zulasten eines Dritten (Art. 111 OR)
I. Begriff
II. Arten
III. Abgrenzungen
1. Zur Bürgschaft (Art. 492 ff. OR)
2. Zur Zusicherung
3. Zur kumulativen Schuldübernahme
IV. Wirkungen
§ 12 Anweisung (Art. 466–471 OR) und Dokumentenakkreditiv
I. Anweisung
II. Arten
1. Kreditanweisung
2. Zahlungsanweisung
3. Anweisung auf Schuld
4. Titulierte Anweisung
III. Abgrenzungen
1. Zum Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 f. OR)
2. Zum einfachen Auftrag (Art. 394 ff. OR)
3. Zur Inkassovollmacht
4. Zur Zahlstelle
5. Zur Besitzanweisung (Art. 924 ZGB)
IV. Wirtschaftliche Bedeutung
V. Valuta-, Deckungs- und Leistungsverhältnis
1. Valutaverhältnis (Art. 467/469 OR)
2. Deckungsverhältnis (Art. 468 Abs. 2 und Abs. 3 OR)
3. Leistungsverhältnis (Art. 468 Abs. 1 OR)
VI. Widerruf der Anweisung (Art. 470 OR)
1. Gegenüber der Anweisungsempfängerin (Art. 470 Abs. 1 OR)
2. Gegenüber dem Angewiesenen (Art. 470 Abs. 2 OR) und im bargeldlosen Zahlungsverkehr (Art. 470 Abs. 2bis OR)
VII. Rückabwicklungs- und bereicherungsrechtliche Fragen
1. Mängel im Zusammenhang mit der Anweisung selbst
1.1 Leistung ohne Grund
1.2 Leistung aus weggefallenem Grund
2. Mängel im Valuta- oder Deckungsverhältnis
VIII. Dokumentenakkreditiv
1. Begriff
2. Ablauf
3. Arten
3.1 Widerrufliches und unwiderrufliches Dokumentenakkreditiv
3.2 Bestätigtes und unbestätigtes Dokumentenakkreditiv
4. Abstraktheit und Dokumentenstrenge
4.1 Grundsatz der Abstraktheit
4.2 Grundsatz der Dokumentenstrenge
4.3 Ausnahme von Abstraktheit und Dokumentenstrenge
§ 13 Haft- und Reugeld, Konventionalstrafe und Wandelpön (Art. 158–163 OR)
I. Haft- und Reugeld (Art. 158 OR)
1. Begriffe und Arten
2. Gemeinsamkeiten und Abgrenzungen
3. Wirkungen
II. Konventionalstrafe und Wandelpön (Art. 160–163 OR)
1. Begriff
2. Arten
3. Abgrenzungen
4. Voraussetzungen
4.1 Eintritt der Bedingung
4.2 Verschulden
5. Wirkungen (Art. 160 Abs. 1 OR)
5.1 Nicht- oder Schlechterfüllung
a. Geltendmachung der Erfüllung
b. Geltendmachung der Konventionalstrafe
c. Vereinbarung einer kumulativen Konventionalstrafe
5.2 Nichteinhaltung der Erfüllungszeit oder des Erfüllungsorts
6. Exklusive Konventionalstrafe (Art. 160 Abs. 3 OR)
7. Ungültigkeit und Herabsetzung der Konventionalstrafe
§ 14 Bedingungen (Art. 151–157 OR)
I. Begriff
II. Voraussetzungen
III. Abgrenzungen
1. Zu den «Rechtsbedingungen»
2. Zu den «Vertragsbedingungen»
3. Zur Befristung
4. Zu den vorausgesetzten Sachverhalten
5. Zu den Auflagen
IV. Arten
1. Aufschiebende und auflösende Bedingungen
2. Potestative, kasuelle und gemischte Bedingungen
3. Positive und negative Bedingungen
V. Bedingungsfeindliche Rechtsgeschäfte und unzulässige Bedingungen (Art. 157 OR)
1. Bedingungsfeindliche Rechtsgeschäfte
2. Unzulässige Bedingungen (Art. 157 OR)
VI. Wirkungen
1. Während des Schwebezustands
1.1 Aufschiebende Bedingungen
a. Allgemeines
b. Grundregel: Verhalten nach Treu und Glauben (Art. 152 Abs. 1 OR)
c. Sicherungsmassnahmen (Art. 152 Abs. 2 OR)
d. Unwirksamkeit von Zwischenverfügungen (Art. 152 Abs. 3 OR)
1.2 Auflösende Bedingungen
a. Allgemeines
b. Analoge Anwendung von Art. 152 Abs. 3 OR
2. Bei Eintritt der Bedingung
2.1 Aufschiebende Bedingungen
2.2 Auflösende Bedingungen
3. Bei Ausfall der Bedingung
3.1 Aufschiebende Bedingungen
3.2 Auflösende Bedingungen
VII. Handeln wider Treu und Glauben (Art. 156 OR)
§ 15 Abtretung einer Forderung (Art. 164–174 OR)
I. Begriff
II. Abgrenzungen
1. Zur Stellvertretung (Art. 32 ff. OR)
2. Zum echten Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 Abs. 2 OR)
3. Zur externen Schuldübernahme (Art. 176 ff. OR)
4. Zur Anweisung (Art. 466 ff. OR)
III. Abtretung als Verfügungsvertrag
1. Allgemeines
2. Abstrakter oder kausaler Charakter des Verfügungsvertrages?
IV. Voraussetzungen
1. Verfügungsmacht der Zedentin
2. Einhaltung der Formvorschrift (Art. 165 OR)
2.1 Verfügungsvertrag
2.2 Verpflichtungsgeschäft
2.3 Rückzession
3. Abtretbarkeit der Forderung
3.1 Forderungen
3.2 Gestaltungsrechte
3.3 Gesetzliche Abtretungsverbote
3.4 Vertragliche Vereinbarung (sog. pactum de non cedendo)
3.5 Entgegenstehende Natur des Rechtsverhältnisses
4. Bestimmbarkeit der Forderung
V. Abtretung künftiger Forderungen
1. Bestimmbarkeit künftiger Forderungen
2. Durchgangs- und Unmittelbarkeitstheorie
VI. Globalzession
VII. Fiduziarische Abtretung
VIII. Legalzession und Übergang durch Richterspruch (Art. 166 OR)
IX. Wirkungen
1. Forderungsübergang
2. Übergang von Vorzugs- und Nebenrechten (Art. 170 Abs. 1 O
X. Stellung des Schuldners (Art. 167–169 OR)
1. Notifikation (Art. 167 OR)
2. Prätendentenstreit (Art. 168 OR)
3. Einreden und Einwendungen (Art. 169 OR)
3.1 Allgemeines
3.2 Insbesondere Verrechnung
XI. Gewährleistung für die abgetretene Forderung (Art. 171–173 OR)
1. Anwendungsbereich
2. Entgeltliche Abtretung (Art. 171 Abs. 1 und Abs. 2 OR)
3. Unentgeltliche Abtretung (Art. 171 Abs. 3 OR)
4. Abtretung zahlungshalber (Art. 172 OR) und Abtretung an Zahlungs statt
5. «Umfang der Haftung» (Art. 173 OR)
§ 16 Schuld- und Vertragsübernahme sowie Vertragsbeitritt (Art. 175–183 OR)
I. Begriff
II. Interne Schuldübernahme (Art. 175 OR)
1. Begriff
2. Voraussetzungen
2.1 Übertragbare Schuld
2.2 Gültiger interner Schuldübernahmevertrag
3. Wirkungen des internen Schuldübernahmevertrages
3.1 Inter partes
3.2 Fälligkeit
3.3 Sicherheiten
3.4 Ausbleibende Befreiung der Schuldnerin
III. Kumulative Schuldübernahme (Schuldbeitritt, Schuldmitübernahme)
1. Begriff
2. Abgrenzungen
2.1 Zur externen Schuldübernahme (Art. 176 ff. OR)
2.2 Zur Bürgschaft (Art. 492 ff. OR)
2.3 Zum Garantievertrag (Art. 111 OR)
IV. Externe (privative) Schuldübernahme (Art. 176–180 OR)
1. Begriff
2. Voraussetzungen
2.1 Übertragbare Schuld
2.2 Gültiger externer Schuldübernahmevertrag
3. Wirkungen (Art. 178 OR)
4. Dahinfallen des externen Schuldübernahmevertrages (Art. 180 OR)
5. Einreden und Einwendungen (Art. 179 OR)
6. Abgrenzungen
6.1 Zur Abtretung (Art. 164 ff. OR)
6.2 Zur Universalsukzession
6.3 Zum Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 f. OR)
6.4 Zur Anweisung (Art. 466 ff. OR)
V. Besondere Fälle (Art. 181 und Art. 183 OR)
1. Übernahme eines Vermögens oder eines Geschäfts (Art. 181 OR)
2. Erbteilung und Veräusserung verpfändeter Grundstücke (Art. 183 OR)
2.1 Erbteilung (Art. 639 ZGB)
2.2 Veräusserung verpfändeter Grundstücke
VI. Vertragsübernahme
1. Gesetzliche Vertragsübernahme
2. Rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme
VII. Vertragsbeitritt
2. Kapitel Quasivertragliche Ansprüche
§ 17 Übersicht über die quasivertraglichen Ansprüche
I. Begriff
II. Anwendungsfälle
III. Abgrenzungen
1. Berechtigte und unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag
2. Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR) und Gefälligkeit
2.1 Echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag und Gefälligkeit
2.2 Echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag und Gefälligkeit
3. Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR) und unentgeltlicher Auftrag (Art. 394 Abs. 3 OR)
4. Übersicht über die Rechtsfolgen bei Haftung aus Auftrag, Gefälligkeit und Geschäftsführung ohne Auftrag
5. Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR) und Stellvertretung (Art. 32 ff. OR)
6. Gefälligkeit und Vertrag
7. Gefälligkeit und Selbstverständlichkeit
8. Gefälligkeit und Vertrauenshaftung
IV. «Einheitliches gesetzliches Schutzverhältnis»?
§ 18 Culpa in contrahendo
I. Begriff
II. Rechtsnatur
III. Voraussetzungen
1. Vertragsverhandlungen
2. Schutzwürdiges Vertrauen
3. Pflichtverletzung
3.1 Pflicht zu ernsthaftem Verhandeln; Nichterfüllen von Formvorschriften
3.2 Aufklärungspflicht
3.3 Pflicht zur Rücksichtnahme
3.4 Pflicht zum Schutz vertragsfremder Güter
4. Schaden
5. Natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang
6. Verschulden?
IV. Wirkungen
V. Konkurrenzen
§ 19 Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
I. Begriff
II. Anerkennung
III. Voraussetzungen und Wirkungen
1. Nahestehen bzw. Leistungsnähe von Gläubiger und Drittem
2. Schutzwürdiges Interesse des Gläubigers am Einbezug des Dritten
3. Erkennbarkeit für die Schuldnerin
4. Erfüllen der spezifischen Haftungsvoraussetzungen
IV. Abgrenzungen
1. Zum Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 f. OR)
2. Zur Drittschadensliquidation
§ 20 Echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419–422 und Art. 424 OR)
I. Begriff
II. Voraussetzungen
1. Auftragslosigkeit
2. Fremdes Geschäft
3. Fremdgeschäftsführungswille
4. Gebotenheit (Art. 422 Abs. 1 OR)
III. Ansprüche der Geschäftsführerin (Art. 422 OR)
1. Verwendungsersatz inklusive Zinsen bzw. Wegnahme (Art. 422 Abs. 1 und Abs. 3 OR)
2. Befreiung von Verbindlichkeiten (Art. 422 Abs. 1 OR)
3. Schadenersatz (Art. 422 Abs. 1 OR)
4. Vergütung
IV. Pflichten der Geschäftsführerin
1. Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsführung im Interesse des Geschäftsherrn (Art. 419 und Art. 422 Abs. 2 OR) und Treuepflicht im Allgemeinen
2. Ablieferungs-, Auskunfts- und Rechenschaftspflicht
3. Schadenersatz (Art. 420 OR)
V. Verjährung
§ 21 Haftung bei Gefälligkeit
I. Begriff
II. Vertrag oder Gefälligkeit
III. Quasikontraktuelle Haftung bei Gefälligkeiten?
IV. Haftung des Gefälligkeitsempfängers
V. Haftung der Gefälligkeitserbringerin
VI. Gefälligkeit und Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR)
§ 22 Vertrauenshaftung
I. Begriff
II. Rechtsnatur
III. Voraussetzungen
1. «Rechtliche Sonderverbindung» bzw. Näheverhältnis?
2. Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit eines Vertragsschlusses?
3. Begründung schutzwürdigen Vertrauens
4. Treuwidrige Enttäuschung des Vertrauens
5. Weitere Voraussetzungen
IV. Wirkungen
V. Konkurrenzen
3. Kapitel Ausservertragliche Ansprüche
§ 23 Ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62–67 OR)
I. Begriff
II. Abgrenzungen
1. Zum vertraglichen bzw. ausservertraglichen Schadenersatz­anspruch (Art. 97 Abs. 1 bzw. Art. 41 ff. OR)
2. Zu den Ansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR)
III. Voraussetzungen
1. Bereicherung
2. Entreicherung?
3. Fehlende Rechtfertigung
IV. Arten
1. Leistungskondiktion
1.1 Leistung ohne gültigen Grund (condictio sine causa)
1.2 Leistung aus nicht verwirklichtem Grund (condictio ob causam futuram oder condictio causa data causa non secuta)
1.3 Leistung aus nachträglich weggefallenem Grund (condictio ob causam finitam)
2. Eingriffskondiktion
V. Wirkungen
1. Gegenstand des Bereicherungsanspruchs
2. Umfang des Bereicherungsanspruchs (Art. 64–65 OR)
3. Kein Anspruch auf Rückerstattung der Bereicherung (Art. 63 und Art. 66 OR)
3.1 Freiwillige und irrtumsfreie Bezahlung einer Nichtschuld (Art. 63 Abs. 1 OR)
3.2 Erfüllung einer verjährten Schuld oder einer sittlichen Pflicht (Art. 63 Abs. 2 OR)
3.3 Herbeiführung eines rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolgs (Art. 66 OR)
4. Verjährung (Art. 67 OR)
VI. Rückabwicklung von synallagmatischen Verträgen
VII. Ungerechtfertigte Bereicherung im Dreipersonenverhältnis
VIII. Konkurrenzen
§ 24 Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)
I. Charakteristik der ausservertraglichen Haftpflicht
1. Begriff
2. Arten
3. Abgrenzungen
3.1 Zur vertraglichen Haftung
3.2 Zu den quasivertraglichen Haftungen
3.3 Zur ungerechtfertigten Bereicherung (Art. 62 ff. OR)
II. Allgemeiner Haftungstatbestand (Art. 41 OR)
1. Schaden
1.1 Begriff
1.2 Schadensberechnung
1.3 Schadensarten
a. Personen-, Sach- und übriger Schaden
b. Versorgerschaden (Art. 45 Abs. 3 OR)
c. Reflex- oder Drittschaden
d. Normativer Schaden
e. Kommerzialisierungs- und Frustrationsschaden
1.4 Schadenersatzbemessung
a. Reduktionsgründe
b. Neutralisation von Reduktionsgründen bei der Kausalhaftung
1.5 Abgrenzung zur Genugtuung
a. Begriff der Genugtuung
b. Genugtuung bei Tötung oder Körperverletzung (Art. 47 OR)
c. Genugtuung bei Persönlichkeitsverletzung (Art. 49 OR)
d. Bemessung der Genugtuung
1.6 Abgrenzung zum Affektionswertersatz bei Haustieren
2. Kausalzusammenhang
2.1 Begriff
2.2 Natürlicher Kausalzusammenhang
2.3 Adäquater Kausalzusammenhang
2.4 Kausalzusammenhang bei Unterlassungen
2.5 Unterbrechung des Kausalzusammenhangs
2.6 Ursachenkonkurrenz
a. Kumulative Kausalität
b. Alternative Kausalität
c. Überholende und hypothetische Kausalität
2.7 Rechtmässiges Alternativverhalten
3. Widerrechtlichkeit
3.1 Begriff
3.2 Verletzung eines absoluten Rechts (Erfolgsunrecht)
3.3 Verletzung einer Schutznorm (Verhaltensunrecht)
3.4 Subsidiär: Sittenwidrigkeit (Art. 41 Abs. 2 OR)
3.5 Rechtfertigungsgründe
a. Notwehr und Notstand (Art. 52 Abs. 1 und Abs. 2 OR)
b. Selbsthilfe (Art. 52 Abs. 3 OR)
c. Einwilligung der Geschädigten
4. Verschulden
4.1 Begriff
4.2 Objektive Komponente
a. Vorsatz
b. Fahrlässigkeit
4.3 Subjektive Komponente
a. Urteilsfähigkeit
b. Ausnahme: (Billigkeits-)Haftung bei fehlender Urteilsfähigkeit
III. Mehrheit von Schädigern
1. Allgemeines
2. Echte Solidarität (Art. 50 OR)
3. Mehrtypische unechte Solidarität (Art. 51 OR)
4. Eintypische unechte Solidarität
5. Persönliche Herabsetzungsgründe
IV. Geschäftsherrenhaftung (Art. 55 OR)
1. Begriff
2. Abgrenzung zur Hilfspersonenhaftung (Art. 101 OR)
3. Voraussetzungen
3.1 Subordinationsverhältnis
3.2 Geschäftliche Verrichtung
4. Entlastungsbeweis
4.1 Sorgfaltsbeweis
4.2 Beweis des fehlenden Kausalzusammenhangs
5. Verhältnis zu anderen Kausalhaftungen
V. Tierhalterhaftung (Art. 56 OR)
1. Begriff
2. Voraussetzungen
2.1 Passivlegitimation: Tierhalter
2.2 Tier
3. Entlastungsbeweis
3.1 Sorgfaltsbeweis
3.2 Beweis des fehlenden Kausalzusammenhangs
VI. Werkeigentümerhaftung (Art. 58 OR)
1. Begriff
2. Voraussetzungen
2.1 Passivlegitimation: Werkeigentümer
2.2 Werk
a. Von Menschenhand geschaffen
b. Mit dem Erdboden verbunden
2.3 Mangelhaftigkeit des Werks
3. Entlastungsbeweis?
VII. Haftung des Familienhaupts (Art. 333 ZGB)
1. Begriff
2. Voraussetzungen
2.1 Passivlegitimation: Familienhaupt
2.2 Hausgenosse
3. Entlastungsbeweis
3.1 Sorgfaltsbeweis
3.2 Beweis des fehlenden Kausalzusammenhangs
VIII. Grundeigentümerhaftung (Art. 679–679a ZGB)
1. Begriff
2. Voraussetzungen
2.1 Aktivlegitimation: «Nachbarin»
2.2 Passivlegitimation: Grundeigentümer
2.3 Überschreitung des Eigentumsrechts
2.4 Zur Widerrechtlichkeit im Besonderen
3. Verhältnis zur Werkeigentümerhaftung (Art. 58 Abs. 1 OR)
IX. Produktehaftung (PrHG)
1. Begriff
2. Voraussetzungen
2.1 Passivlegitimation: Hersteller (Art. 2 PrHG)
a. Tatsächlicher Hersteller
b. Quasi-Hersteller
c. Importeur
d. Lieferant
2.2 Ersatzfähiger Schaden (Art. 1 PrHG)
a. Personenschaden
b. Sachschaden
c. Nicht ersatzfähig: Schaden am Produkt
2.3 Fehlerhaftes Produkt (Art. 3 f. PrHG)
a. Produkt
b. Fehlerhaftigkeit
3. Entlastungsgründe (Art. 5 PrHG)
3.1 Fehlende Inverkehrbringung
3.2 Keine Fehlerhaftigkeit bei Inverkehrbringung
3.3 Fehlende gewerbliche Herstellung
3.4 Verbindliche, hoheitliche Vorschriften
3.5 Nach dem Stand der Wissenschaft und Technik nicht erkennbare Fehler
3.6 Spezifische Entlastungsgründe des Herstellers eines Teilprodukts oder Grundstoffs
4. Wegbedingung der Haftung (Art. 8 PrHG)
5. Verjährung und Verwirkung (Art. 9–10 PrHG)
6. Abgrenzung zur Sachgewährleistung (Art. 197 ff. bzw. Art. 368 ff. OR)
X. Haftung des Motorfahrzeughalters (Art. 58 Abs. 1 SVG)
1. Begriff
2. Voraussetzungen
2.1 Aktivlegitimation: Kreis der geschädigten Personen
2.2 Passivlegitimation: Motorfahrzeughalter
2.3 Personen- oder Sachschaden
2.4 Motorfahrzeug
2.5 Betrieb
3. Entlastungsbeweis
4. Versicherungspflicht
5. Verjährung
§ 25 Echte unberechtigte und unechte Geschäftsführung ohne Auftrag
I. Echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag
1. Begriff
2. Rechtsfolgen
3. Ansprüche der Geschäftsführerin
4. Ansprüche des Geschäftsherrn
II. Unechte Geschäftsführung ohne Auftrag
1. Begriff
2. Unechte bösgläubige Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 423 OR)
2.1 Voraussetzungen (Art. 423 Abs. 1 OR)
a. Eingriff in eine fremde Rechtssphäre ohne Fremdgeschäftsführungswillen
b. Widerrechtlichkeit
c. Keine Rechtfertigung
d. Bösgläubigkeit
e. Erzielung eines (kausalen) Gewinns
2.2 Rechtsfolgen
a. Anspruch des Geschäftsherrn auf Gewinnherausgabe
b. Nebenanspruch des Geschäftsherrn auf Auskunft und Rechenschaft
c. Schadenersatzanspruch des Geschäftsherrn gegenüber der Geschäftsführerin
d. Ansprüche der Geschäftsführerin (Art. 423 Abs. 2 OR)
2.3 Verjährung des Gewinnherausgabeanspruchs
3. Unechte gutgläubige Geschäftsführung ohne Auftrag
III. Genehmigung (Art. 424 OR)
IV. Konkurrenzen hinsichtlich der Ansprüche des Geschäftsherrn
1. Art. 423 OR und Art. 97 ff. OR
2. Art. 423 OR und Art. 62 ff. OR
3. Art. 423 OR und Art. 41 ff. OR
4. Art. 41 ff. OR und Art. 62 ff. OR
5. Geschäftsführung ohne Auftrag und sachenrechtliche Besitz- und Ausgleichsansprüche
4. Kapitel Verjährung und Solidarität
§ 26 Verjährung (Art. 60, Art. 67 und Art. 127–142 OR)
I. Begriff
II. Abgrenzung zur Verwirkung
III. Voraussetzungen
1. Gegenstand der Verjährung
1.1 Grundsatz: Forderungen verjähren
1.2 Ausnahme: Unverjährbare Forderungen
2. Verjährungsfristen bei Verträgen (Art. 127 ff. OR)
2.1 Allgemeines
2.2 Ordentliche Verjährungsfrist: Zehn Jahre (Art. 127 OR)
2.3 Ausserordentliche Verjährungsfrist: Fünf Jahre (Art. 128 OR)
2.4 Ausserordentliche Verjährungsfrist für Forderungen aus Personenschäden (Art. 128a revOR)
3. Verjährungsfristen bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung (Art. 60 OR)
3.1 Allgemeines
3.2 Relative Frist: Ein Jahr
3.3 Absolute Frist: Zehn Jahre
3.4 Ausserordentliche Frist: Anspruch aus strafbarer Handlung
4. Verjährung von Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung
5. Beginn der Verjährung (Art. 130 und Art. 131 OR)
5.1 Grundsatz: Beginn mit Fälligkeit (Art. 130 Abs. 1 OR)
5.2 Ausnahmen
a. Kündbarkeit und Kündigung (Art. 130 Abs. 2 OR)
b. Leibrenten und ähnliche periodische Leistungen (Art. 131 OR)
6. «Unabänderlichkeit der Fristen» (Art. 129 OR)
7. Verjährungsverzicht (Art. 141 OR)
8. Hinderung und Stillstand der Verjährung (Art. 134 OR)
9. Unterbrechung der Verjährung (Art. 135–138 OR)
9.1 Unterbrechungshandlungen des Schuldners (Art. 135 Ziff. 1 OR)
9.2 Unterbrechungshandlungen der Gläubigerin (Art. 135 Ziff. 2 OR)
9.3 Wirkungen (Art. 136 ff. OR)
IV. Wirkungen
§ 27 Mehrheit von Schuldnern und Gläubigerinnen (Art. 70 und Art. 143–150 OR)
I. Vorbemerkungen
II. Mehrheit von Schuldnern
1. Teilschuld
2. Einzelschuld
3. Gemeinschaftliche Schuld
4. Mehrere Schuldner bei einer unteilbaren Leistung (Art. 70 Abs. 2 OR)
III. Solidarschuld im Besonderen (Art. 70 Abs. 3 und Art. 148 f. OR)
1. Begriff
2. Begründung (Art. 143 OR)
3. Aussenverhältnis (Art. 144–147 OR)
3.1 Forderungsrecht der Gläubigerin
3.2 Einreden und Einwendungen des Schuldners
4. Innenverhältnis (Art. 70 Abs. 3 und Art. 148–149 OR)
5. Echte und unechte Solidarität
IV. Mehrheit von Gläubigerinnen
1. Teilgläubigerschaft
2. Einzelgläubigerschaft
2.1 Solidargläubigerschaft (Art. 150 OR)
2.2 Übrige Fälle
3. Gemeinschaftliche Gläubigerschaft
4. Gläubigerschaft bei unteilbaren Leistungen (Art. 70 Abs. 1 OR)
Obligationenrecht Besonderer Teil
5. Kapitel Nominatverträge
§ 28 Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)
I. Kauf
II. Charakteristik
1. Trennung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft
2. Wirkungen eines ungültigen Verpflichtungsgeschäfts
3. Synallagma
III. Arten
1. Fahrniskauf (Art. 187–215 OR) und Grundstückkauf (Art. 216–221 OR)
2. Kauf nach Muster (Art. 222 OR)
3. Kauf auf Probe (Art. 223–225 OR)
4. Vorauszahlungsvertrag
5. Steigerungskauf (Art. 229–236 OR)
5.1 Allgemeines
5.2 Online-Auktionen im Besonderen
6. Sukzessivlieferungskauf
7. Kauf auf Abruf
8. Spezifikationskauf
9. Platzkauf, Fernkauf und Versendungskauf
10. Barkauf, Kreditkauf (Postnumerandokauf) und Pränumerandokauf
11. Haustürgeschäfte und ähnliche Verträge (Art. 40a–40f OR)
12. Kulturgüterkauf
13. Stückkauf und Gattungskauf
14. Bürgerlicher Kauf und Handelskauf
15. Vorkaufs-, Kaufs- und Rückkaufsrechte
15.1 Vorkaufsrechte
15.2 Kaufs- und Rückkaufsrechte
IV. Abgrenzungen
1. Zum Tauschvertrag (Art. 237 f. OR) und zur Schenkung (Art. 239 ff. OR)
2. Zu den Gebrauchsüberlassungs- und Arbeitsleistungsverträgen
3. Zum Werkvertrag (Art. 363 ff. OR)
V. Zustandekommen des Kaufvertrages
VI. Gültigkeit des Kaufvertrages
1. Grundsatz der gesetzlichen Formfreiheit
2. Ausnahmen
2.1 Öffentliche Beurkundung
2.2 Umfang des Formzwangs
2.3 Formmangel
3. Inhalt
VII. Pflichten der Parteien
1. Hauptpflichten der Verkäuferin (Art. 184 OR)
1.1 Überblick
1.2 Kaufgegenstand (Art. 184 OR)
a. Bestimmtheit und Bestimmbarkeit
b. Sachen
c. Sachgesamtheiten
d. Rechte
e. Sonstige wirtschaftliche und faktische Vorteile
f. Rechtsgesamtheiten
1.3 «Übergabe» des Kaufgegenstands (Art. 184 Abs. 1 OR)
1.4 «Eigentumsverschaffung» (Art. 184 Abs. 1 OR)
a. Eigentumsverschaffung an Fahrnissachen
b. Eigentumsverschaffung an Grundstücken
c. Verschaffung von unbeschwertem Eigentum
d. Verschaffung der Inhaberschaft an Rechten, Immaterialgütern etc.
2. Hauptpflichten des Käufers (Art. 184, Art. 211–215 OR)
2.1 Überblick
2.2 Zahlung des Kaufpreises
a. Begriff (Art. 184 und Art. 211 OR)
b. Bestimmtheit und Bestimmbarkeit (Art. 184 Abs. 3 OR)
c. Fälligkeit
d. Erfüllung
e. Erfüllungssurrogate
2.3 Annahme der Kaufsache?
3. Nebenpflichten der Verkäuferin
4. Nebenpflichten und Obliegenheiten des Käufers
4.1 Nebenpflichten des Käufers
4.2 Obliegenheiten des Käufers
a. Begriff
b. Untersuchung der Kaufsache und Anzeige von Mängeln (Art. 201 OR)
c. Abrufs- und Bestimmungsrecht
d. Annahme des Kaufgegenstands?
VIII. Leistungsstörungen beim Kaufvertrag
1. Übersicht
2. Erfüllungsanspruch
3. Nachträgliche zu vertretende Unmöglichkeit
3.1 Durch die Verkäuferin (Art. 97 Abs. 1 OR)
3.2 Durch den Käufer
4. Nachträgliche nicht zu vertretende Unmöglichkeit (Gefahrtragung gemäss Art. 119 und Art. 185 OR)
4.1 Begriff
a. Preisgefahr und systematischer Zusammenhang
b. Voraussetzungen
c. Restriktive Interpretation
4.2 Gefahrtragung beim Stückkauf (Art. 185 Abs. 1 OR)
a. Grundsatz
b. Ausnahmen
4.3 Gefahrtragung beim Gattungskauf (Art. 185 Abs. 2 OR)
a. Überblick
b. Holschuld (Platzkauf)
c. Bringschuld (Fernkauf)
d. Schickschuld (Versendungs- oder Distanzkauf)
4.4 Zusammenfassung: Übergang der Gefahr bei Stück- und Gattungskauf
4.5 Gefahrtragung beim bedingten Kaufvertrag (Art. 185 Abs. 3 OR)
4.6 Gefahrtragung bei Wandlung des Kaufvertrages
4.7 Gefahrtragung beim Grundstückkauf (Art. 220 OR)
5. Anfängliche Leistungsunmöglichkeit der Verkäuferin
5.1 Begriff und Arten
5.2 Anfängliche objektive Leistungsunmöglichkeit
5.3 Anfängliche subjektive Leistungsunmöglichkeit
6. Schuldnerverzug
6.1 Verzug der Verkäuferin (Art. 190–191 OR)
a. Im kaufmännischen Verkehr (Art. 190–191 OR)
b. Anwendungsbereich von Art. 190–191 OR
c. Wirkungen von Art. 190–191 OR
d. Schadenersatzpflicht (Art. 191 Abs. 1 OR)
e. Schadensberechnung (Art. 191 Abs. 2 und Abs. 3 OR)
f. Im nicht kaufmännischen Verkehr (Art. 102 ff. OR)
6.2 Verzug des Käufers (Art. 214–215 OR)
a. Überblick
b. Verzugszinsen
c. Rücktrittsrecht der Verkäuferin beim Pränumerando- und beim Barkauf (Art. 214 Abs. 1 und Abs. 2 OR)
d. Rücktrittsrecht der Verkäuferin beim Kreditkauf (Art. 214 Abs. 3 OR)
e. Schadenersatzpflicht wegen Nichterfüllung und Schadensberechnung (Art. 215 OR)
7. Positive Vertragsverletzung
7.1 Gewährleistung und Schlechterfüllung
7.2 Verletzung vertraglicher Nebenpflichten
IX. Rechtsgewährleistung (Art. 192–196a OR)
1. Begriff
2. Abgrenzung zur Sachgewährleistung (Art. 197–210 OR)
3. Anwendungsbereich
3.1 Beim Fahrniskauf
a. Anvertraute Sachen
b. Abhandengekommene Sachen
3.2 Beim Rechtskauf
3.3 Beim Grundstückkauf
4. Voraussetzungen
4.1 Übersicht
4.2 Vorliegen eines Rechtsmangels im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (Art. 192 Abs. 1 OR)
4.3 Keine Mangelkenntnis des Käufers bei Vertragsschluss
4.4 Übergabe des Kaufgegenstands
4.5 Entwehrung des Kaufgegenstands
4.6 Keine vertragliche Haftungsbeschränkung (Art. 192 Abs. 3 OR)
4.7 Kein Ablauf der Verjährungsfrist (Art. 127 und Art. 196a OR)
5. Verfahren (Art. 193–194 OR und Art. 78 ff. ZPO)
6. Ansprüche aus Rechtsgewährleistung (Art. 195–196 OR)
6.1 Bei vollständiger Entwehrung (Art. 195 OR)
6.2 Bei teilweiser Entwehrung (Art. 196 OR)
7. Konkurrenzen
X. Sachgewährleistung (Art. 197–210 OR)
1. Begriff
2. Anwendungsbereich
2.1 Beim Fahrniskauf
a. Beim Stückkauf
b. Beim Gattungskauf
2.2 Beim Grundstückkauf
2.3 Beim Forderungskauf
3. Voraussetzungen
3.1 Übersicht
3.2 Vorliegen eines Sachmangels
a. Übersicht
b. Fehlen zugesicherter Eigenschaften
c. Wert der Kaufsache oder Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch ist aufgehoben oder erheblich vermindert
3.3 Vorliegen des Sachmangels vor dem Zeitpunkt des Gefahrenübergangs
3.4 Keine Mangelkenntnis des Käufers bei Vertragsschluss (Art. 200 OR)
3.5 Rechtzeitiges Erheben der Mängelrüge (Art. 201 OR)
a. Überblick
b. Untersuchungsobliegenheit («Prüfung»)
c. Rügeobliegenheit («Anzeige»)
d. Genehmigung offener und versteckter Mängel (Art. 201 Abs. 2 und Abs. 3 OR)
3.6 Wahrung der Fristen (Art. 210 und Art. 219 Abs. 3 OR)
a. Überblick
b. Bewegliche Sachen (Art. 210 Abs. 1 OR)
c. Spezialfall: Integration in unbewegliches Werk (Art. 210 Abs. 2 OR)
d. Kulturgüter (Art. 210 Abs. 3 OR)
e. Grundstückkauf (Art. 219 Abs. 3 OR)
f. Rechtsnatur
g. Anwendungsbereich
h. Verkürzung der Frist durch Parteivereinbarung (Art. 210 Abs. 4 OR)
i. Einzelfragen
3.7 Keine vertragliche Haftungsbeschränkung (Art. 199 OR)
a. Schranken der vertraglichen Haftungsbeschränkung
b. Verhältnis zu Art. 100 OR
c. Verhältnis zu Art. 41 Abs. 1 OR und zur Irrtumsanfechtung
d. Auslegung
4. Ansprüche aus Sachgewährleistung
5. Wandlung (Art. 205 und Art. 207–209 OR)
5.1 Begriff
5.2 Voraussetzungen
a. Grundsatz
b. Ausnahmen
5.3 Wirkungen
a. Vertragliches Rückabwicklungsverhältnis (Art. 208 OR)
b. Zufälliger Untergang (Art. 207 OR)
c. Aufbewahrung bzw. Notverkauf (Art. 204 OR)
d. Rücktransport
5.4 Schadenersatz (Art. 208 Abs. 2 und Abs. 3 OR)
6. Minderung (Art. 205 OR)
6.1 Begriff
6.2 Voraussetzungen
a. Grundsatz: Freie Wahl (Art. 205 Abs. 1 OR)
b. Ausnahmen (Art. 205 Abs. 2 und Abs. 3 OR)
6.3 Berechnung (relative Methode)
6.4 Schadenersatz?
7. Nachbesserung und Ersatzlieferung?
7.1 Nachbesserung?
7.2 Ersatzlieferung von Gattungsware (Art. 206 OR)
7.3 Unterbrechung der Verjährung
8. Konkurrenzen
8.1 Schlechterfüllung (Art. 97 ff. OR)
8.2 Unerlaubte oder sittenwidrige Handlung (Art. 41 ff. OR)
8.3 Irrtum (Art. 23 ff. OR)
XI. Tausch (Art. 237–238 OR)
1. Begriff
2. Abgrenzung
3. Gewährleistung
3.1 Rechtsgewährleistung
3.2 Sachgewährleistung
§ 29 UN-Kaufrecht (CISG)
I. Begriff
II. Anwendungsbereich
1. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich (Art. 1 CISG)
2. Sachlicher Anwendungsbereich
2.1 Kaufverträge (Art. 1 Abs. 1 CISG)
2.2 Werklieferungsverträge (Art. 3 Abs. 1 CISG)
2.3 Ausnahmen (Art. 2 CISG)
a. Konsumverträge (Art. 2 lit. a CISG)
b. Versteigerungen und Zwangsvollstreckungen (Art. 2 lit. b und lit. c CISG)
c. Kauf von Wertpapieren, Zahlungsmitteln, Schiffen, Flugzeugen
3. Zeitlicher Anwendungsbereich (Art. 100 CISG)
4. Kein vertraglicher Ausschluss (Art. 6 CISG)
III. Nicht erfasste Regelungsbereiche (Art. 4–5 CISG)
1. Gültigkeit des Vertrages (Art. 4 lit. a CISG)
2. Eigentum (Art. 4 lit. b CISG)
3. Personenschäden (Art. 5 CISG)
4. Weitere vom CISG nicht geregelte Bereiche
IV. Abschluss des Vertrages (Art. 14–24 und Art. 8 CISG)
1. Angebot (Art. 14–17 CISG)
1.1 Begriff
1.2 Zugangsprinzip
1.3 Bestimmung oder Bestimmbarkeit von Ware, Menge und Preis
1.4 Widerruf des Angebots (Art. 16 CISG)
2. Annahme (Art. 18–22 CISG)
2.1 Begriff
2.2 Wirkung
2.3 Gegenangebot (Art. 19 CISG)
2.4 Rücknahme der Annahme (Art. 22 CISG)
3. Auslegung (Art. 8 CISG)
V. Form (Art. 11–13 CISG)
VI. Pflichten der Verkäuferin (Art. 30–52 CISG)
1. Lieferung der Ware und Übergabe der Dokumente (Art. 30–34 CISG)
1.1 Liefermodalitäten (Art. 31–32 CISG)
1.2 Lieferzeitpunkt bzw. -zeitraum (Art. 33 CISG)
2. Vertragsmässigkeit der Ware (Art. 35 ff. CISG)
2.1 Subjektiver Fehlerbegriff (Art. 35 Abs. 1 CISG)
2.2 Subsidiäre Bestimmung der Vertragsmässigkeit (Art. 35 Abs. 2 CISG)
a. Gewöhnlicher Gebrauchszweck (Art. 35 Abs. 2 lit. a CISG)
b. Besonderer Gebrauchszweck (Art. 35 Abs. 2 lit. b CISG)
c. Probe oder Muster (Art. 35 Abs. 2 lit. c CISG)
d. Verpackung bzw. Behältnis (Art. 35 Abs. 1 und Abs. 2 lit. d CISG)
3. Verschaffen von unbelastetem Eigentum (Art. 41 ff. CISG)
VII. Pflichten des Käufers (Art. 53–60 CISG)
1. Bezahlung des Kaufpreises
1.1 Modalitäten
1.2 Fälligkeit (Art. 58 CISG)
1.3 Zahlungsort (Art. 57 CISG)
2. Annahme der Ware (Art. 60 CISG)
VIII. Gefahrtragung (Art. 66–70 CISG)
IX. Leistungsstörungen
1. Wesentliche Vertragsverletzung (Art. 25 CISG)
1.1 Allgemeine Definition
a. Wesentlicher Nachteil
b. Voraussehbarkeit
1.2 Fallgruppen
a. Vertragsverletzungen seitens der Verkäuferin
b. Vertragsverletzungen seitens des Käufers
2. Rechtsbehelfe bei Vertragsverletzungen
2.1 Rechtsbehelfe des Käufers (Art. 45–52 CISG)
a. Erfüllung, Ersatzlieferung und Nachbesserung (Art. 46 CISG)
b. Nachfrist (Art. 47 CISG)
c. Vertragsaufhebung (Art. 49 CISG)
d. Herabsetzung (Art. 50 CISG)
e. Schadenersatz (Art. 45 Abs. 1 lit. b CISG)
f. Besonderheiten bei Sachmängeln
2.2 Rechtsbehelfe der Verkäuferin (Art. 61–65 CISG)
a. Erfüllung (Art. 62 CISG)
b. Nachfrist (Art. 63 CISG)
c. Vertragsaufhebung (Art. 64 CISG)
d. Schadenersatz (Art. 61 Abs. 1 lit. b CISG)
e. Nacherfüllungsrecht (Art. 48 CISG)
2.3 Schadenersatz (Art. 74–77 CISG)
a. Schaden
b. Voraussehbarkeit
c. Natürlicher Kausalzusammenhang
d. Befreiungen (Art. 79–80 CISG)
2.4 Zinsen (Art. 78 CISG)
§ 30 Schenkung (Art. 239–252 OR)
I. Begriff
II. Arten
1. Schenkungsversprechen und Handschenkung
2. Bedingte Schenkung und Schenkung unter Auflage (Art. 245–247 OR)
3. Zweckschenkung
4. Schenkung mit Rückfallsrecht (Art. 247 OR)
5. Gemischte Schenkung
III. Abgrenzungen
1. Zur Erfüllung einer unklagbaren Forderung
2. Zur Schenkung auf den Todesfall (Verfügung von Todes wegen; Art. 245 Abs. 2 OR)
3. Zur Gefälligkeit, Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA; Art. 419 ff. OR)
4. Zur unentgeltlichen Dienstleistung
5. Zum Verzicht auf ein noch nicht erworbenes Recht, Nichtgeltendmachen eines Anspruchs
IV. Charakteristik
1. Vertrag
2. Voraussetzungen beim Schenker und bei der Beschenkten
3. Keine Gegenleistung der Beschenkten
4. Zuwendung aus dem Vermögen des Schenkers
5. Form
V. Wirkungen
1. Rechte der Beschenkten
2. Widerrufsrecht des Schenkers
2.1 Bei bereits vollzogener Schenkung (Art. 249 OR)
2.2 Vor Erfüllung des Schenkungsversprechens (Art. 250 OR)
2.3 Weitere Widerrufsmöglichkeiten
2.4 Form und Frist (Art. 251 Abs. 1 OR)
VI. Anfechtung und Widerruf durch Dritte
1. Widerrufsrecht der Erben
2. Herabsetzung
3. Schenkungspauliana
§ 31 Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)
I. Begriff
1. Miete
2. Mögliche Mietobjekte
2.1 Bewegliche Sachen
2.2 Unbewegliche Sachen
a. Wohnräume
b. Geschäftsräume
c. Einstellplätze und ähnliche Einrichtungen
II. Abgrenzungen
1. Zur Pacht (Art. 275 ff. OR)
2. Zur Gebrauchsleihe (Art. 305 ff. OR)
3. Zum Darlehen (Art. 312 ff. OR)
4. Zur Hinterlegung (Art. 472 ff. OR)
5. Zum Kauf (Art. 184 ff. OR)
6. Zum Konsumkreditvertrag
7. Zu Innominatverträgen mit mietrechtlichem Einschlag
III. Abschluss des Mietvertrages
1. Vertragsparteien
1.1 Vermieterin
1.2 Mieter
2. Vertragsinhalt
2.1 Mietzins (Art. 257 OR)
2.2 Mietobjekt
2.3 Grenzen der Vertragsgestaltung
a. Koppelungsgeschäft (Art. 254 OR)
b. Verbot abweichender Vereinbarungen zum Nachteil des Mieters (Art. 256 Abs. 2 OR)
3. Vertragsform
IV. Pflichten der Vermieterin
1. Hauptpflichten (Art. 256 OR)
1.1 Übergabe der Sache
1.2 Gebrauchstauglichkeit der Mietsache
2. Nebenpflichten und Obliegenheiten
2.1 Auskunftspflichten (Art. 256a und Art. 257b Abs. 2 OR)
2.2. Tragung von Lasten und Abgaben (Art. 256b OR)
2.3. Ordnungsgemässe Behandlung der vom Mieter geleisteten Sicherheiten (Art. 257e OR)
a. Allgemeines
b. Anforderungen an die Mietkaution
c. Durchsetzung und Verfahren
2.4. Prüfungs- und Rügeobliegenheit bei Rückgabe der Sache (Art. 267a OR)
2.5. Weitere Nebenpflichten und Obliegenheiten
V. Pflichten des Mieters
1. Hauptpflichten
1.1. Zahlung des Mietzinses (Art. 257 OR)
1.2. Rückgabe der Sache (Art. 267 OR)
2. Nebenpflichten und Obliegenheiten
2.1 Zahlung von Nebenkosten (Art. 257a f. OR; Art. 4 ff. VMWG)
2.2 Leistung von Sicherheiten (Art. 257e OR)
2.3 Sorgfalt und Rücksichtnahme (Art. 257f OR)
2.4 Meldepflicht (Art. 257g OR)
2.5 Duldungspflicht (Art. 257h OR)
a. Notwendige Arbeiten
b. Besichtigungen
c. Durchsetzung und Vorgehen der Vermieterin
2.6 Kleiner Unterhalt (Art. 259 OR)
VI. Leistungsstörungen aufseiten der Vermieterin
1. Rechte des Mieters bei Leistungsunmöglichkeit der Vermieterin
1.1. Leistungsunmöglichkeit vor Beginn der Miete bzw. Übergabe der Mietsache
1.2. Leistungsunmöglichkeit nach erfolgter Übergabe der Mietsache bzw. während der Mietdauer
2. Rechte des Mieters beim Verzug der Vermieterin mit der Übergabe des Mietobjekts (Art. 258 Abs. 1 OR)
3. Rechte des Mieters bei Schlechterfüllung der Vermieterin (Art. 258–259i OR)
3.1. Mangel
a. Begriff
b. Arten und Kategorien von Mängeln
3.2. Bei der Übergabe der Mietsache bestehende Mängel (Art. 258 OR)
3.3. Während der Mietdauer entstandene Mängel (Art. 259–259a OR) sowie weitere davon erfasste Fälle
a. Beseitigung des Mangels (Art. 259b–259c OR)
b. Herabsetzung des Mietzinses (Art. 259d OR)
c. Schadenersatzanspruch (Art. 259e OR)
d. Übernahme des Rechtsstreits (Art. 259f OR)
e. Hinterlegung des Mietzinses (Art. 259g–259i OR)
f. Konkurrenz
g. Übersicht
VII. Leistungsstörungen aufseiten des Mieters
1. Rechte der Vermieterin bei Verzug des Mieters mit der Mietzinszahlung (Art. 257d OR)
1.1 Voraussetzungen
a. Übernahme der Sache
b. Zahlungsrückstand des Mieters
c. Ansetzung einer Zahlungsfrist mit Kündigungsandrohung
1.2 Rechtsfolgen
2. Rechte der Vermieterin bei Ausbleiben der Sicherheits­leistung nach Art. 257e OR
3. Rechte der Vermieterin bei mangelnder Sorgfalt und Rücksichtnahme des Mieters (Art. 257f OR)
3.1 Voraussetzungen
a. Verletzung der Pflicht zur Sorgfalt und Rücksichtnahme
b. Schriftliche Mahnung
3.2 Rechtsfolge
a. Recht der Vermieterin zur Leistungsverweigerung
b. Ausserordentliche Kündigung
c. Schadenersatz und Unterlassungsanspruch
4. Rechte der Vermieterin bei Unterlassung der Meldepflicht durch den Mieter (Art. 257g OR)
5. Rechte der Vermieterin bei verspäteter Rückgabe der Mietsache durch den Mieter
VIII. Erneuerungen und Änderungen an der Mietsache (Art. 260–260a OR)
1. Durch die Vermieterin (Art. 260 OR)
1.1 Begriff der Änderung oder Erneuerung der Mietsache
1.2 Zulässigkeit der Änderung oder Erneuerung (Art. 260 Abs. 1 OR)
1.3 Rücksichtnahme auf die Interessen des Mieters (Art. 260 Abs. 2 OR)
1.4 Rechte und Pflichten des Mieters während der Änderung oder Erneuerung
2. Durch den Mieter (Art. 260a OR)
2.1 Begriff der Änderung oder Erneuerung
2.2 Zulässigkeit der Änderung oder Erneuerung (Art. 260a Abs. 1 OR)
2.3 Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands (Art. 260a Abs. 2 OR)
2.4 Entschädigungspflicht der Vermieterin (Art. 260a Abs. 3 OR)
IX. Einbezug Dritter
1. Wechsel der Eigentümerin (Art. 261–261b OR)
1.1 Voraussetzung: Wechsel der Eigentümerin des Mietobjekts
1.2 Rechtsfolge: Übergang des Mietverhältnisses
1.3 Rechte der Vermieterin
a. Ordentliches Kündigungsrecht
b. Ausserordentliches Kündigungsrecht
1.4 Rechte des Mieters
2. Übertragung der Miete von Geschäftsräumen durch den Mieter auf einen Dritten (Art. 263 OR)
2.1 Voraussetzungen
a. Geschäftsraum
b. Begehren des Mieters
c. Schriftliche Zustimmung der Vermieterin
2.2 Rechtsfolgen
a. Verhältnis zwischen Mieter und Übernehmer
b. Verhältnis zwischen Vermieterin und Übernehmer
c. Verhältnis zwischen Vermieterin und Mieter
3. Untermiete (Art. 262 OR)
3.1 Voraussetzung: Zustimmung der Vermieterin
3.2 Untermiete mit Zustimmung der Vermieterin
a. Verhältnis zwischen Mieter und Untermieter
b. Verhältnis zwischen Hauptvermieterin und Untermieter
c. Verhältnis zwischen Hauptvermieterin und Mieter
3.3 Unzulässige Untermiete
a. Untermiete trotz begründeter Verweigerung der Zustimmung
b. Untermiete ohne Zustimmung der Vermieterin
c. Nachträgliche Entstehung eines Verweigerungsgrundes
3.4 Exkurs: Buchungsplattformen im Internet und die Regeln der Untermiete
X. Beendigung des Mietverhältnisses
1. Überblick
2. Aufhebungsvertrag (Art. 115 OR)
3. Ordentliche Beendigung bzw. ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses
3.1 Ablauf der vereinbarten Dauer beim befristeten Mietverhältnis (Art. 266 OR)
3.2. Ordentliche Kündigung (Art. 266a–266f OR)
a. Begriff der ordentlichen Kündigung
b. Kündigungsfristen und -termine
3.3 Folgen der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist
3.4 Übersicht
4. Ausserordentliche Kündigung (Art. 266g–266k OR)
4.1. Begriff der ausserordentlichen Kündigung
4.2. Gründe für eine ausserordentliche Kündigung
a. Wichtiger Grund nach Art. 266g OR
b. Konkurs des Mieters (Art. 266h OR)
c. Tod des Mieters (Art. 266i OR)
d. Zahlungsrückstand des Mieters (Art. 257d OR)
e. Verletzung der Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflicht (Art. 275f Abs. 3 und Abs. 4 OR)
f. Verletzung der Pflicht zur Mangelbeseitigung (Art. 259b lit. a OR)
g. Dringender Eigenbedarf beim Verkauf des Mietobjekts (Art. 261 OR)
4.3. Folgen einer ausserordentlichen Kündigung bei Fehlen von Voraussetzungen
4.4 Übersicht
5. Form der Kündigung (Art. 266l–266o OR)
5.1 Im Allgemeinen (Art. 266l OR; Art. 9 VMWG)
5.2 Bei Familienwohnungen (Art. 266m–266nOR)
5.3 Folgen bei Nichteinhalten der Form (Art. 266o OR)
6. Zustellung der Kündigung
6.1 Im Allgemeinen
6.2 Bei Familienwohnungen
6.3 Bei Wohngemeinschaften
7. Rückgabe der Mietsache (Art. 267–267a OR)
7.1 Begriff der Rückgabe
7.2 Ort und Zeitpunkt der Rückgabe
7.3 Zustand der Mietsache bei der Rückgabe
7.4 Prüfung der Sache bei der Rückgabe
8. Vorzeitige Rückgabe der Sache (Art. 264 OR)
8.1 Voraussetzungen
a. Zumutbarkeit und Zahlungsfähigkeit des Ersatzmieters
b. Übernahme des Mietvertrages zu den gleichen Bedingungen
c. Rückgabe der Mietsache
8.2 Folgen bei Annahme des Nachmieters
8.3 Folgen bei Ablehnung des Nachmieters und bei Fehlen eines Ersatzmieters
9. Haftung des Mieters für am Ende des Mietverhältnisses bestehende Schäden
10. Retentionsrecht der Vermieterin (Art. 268–268b OR)
10.1 Begriff
10.2 Umfang des Retentionsrechts (Art. 268 OR)
10.3 Durch das Retentionsrecht gedeckte Forderungen
XI. Missbrauchsschutz bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen (Art. 269–270e OR)
1. Anwendungsbereich (Art. 253b OR; Art. 2 VMWG)
2. Missbräuchlicher Mietzins (Art. 269–269a OR)
2.1 Begriff des missbräuchlichen Mietzinses (Art. 269–269a OR; Art. 10 ff. VMWG)
2.2 Berechnung des missbräuchlichen Mietzinses
a. Absolute Berechnungsmethode
b. Relative Berechnungsmethode
2.3 Rechtsfolgen
3. Mietzinserhöhung bei unbefristeten Verträgen (Art. 269d OR)
3.1 Voraussetzungen der Mietzinserhöhung (Art. 269d Abs. 1 OR)
a. Begründung der Mietzinserhöhung (Art. 269d Abs. 1 OR; Art. 20 VMWG)
b. Verwendung eines amtlichen Formulars (Art. 269d Abs. 1 OR; Art. 19 VMWG)
c. Einhaltung der Frist
3.2 Nichtigkeit der Mietzinserhöhung (Art. 269d Abs. 2 OR)
3.3 Analoge Anwendung auf einseitige Vertragsänderungen (Art. 269d Abs. 3 OR)
4. Mietzinserhöhung bei befristeten Verträgen
5. Anfechtung des Mietzinses (Art. 270–270d OR)
5.1Anfechtung des Anfangsmietzinses (Art. 270 OR)
a. Voraussetzungen
b. Rechtsfolge
5.2 Herabsetzung des Mietzinses während der Dauer des Mietverhältnisses (Art. 270a OR)
a. Voraussetzungen
b. Rechtsfolge
5.3 Anfechtung einer Mietzinserhöhung oder einseitigen Vertragsänderung (Art. 270b OR)
a. Voraussetzungen
b. Rechtsfolge
5.4 Anfechtung indexierter oder gestaffelter Mietzinse (Art. 270c–270d OR)
XII. Kündigungsschutz bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen (Art. 271–273c OR)
1. Allgemeines
2. Anfechtbarkeit der Kündigung (Art. 271–271a OR)
2.1 Voraussetzungen
2.2 Verfahren
2.3 Rechtsfolge
3. Erstreckung des Mietverhältnisses (Art. 272–272d OR)
3.1 Voraussetzungen
3.2 Verfahren
3.3 Rechtsfolge
XIII. Verfahren und besondere verfahrensrechtliche Aspekte
1. Behördenorganisation und Verfahren im Allgemeinen
2. Ausweisung im Besonderen
XIV. Pacht (Art. 275–304 OR)
§ 32 Leihe (Art. 305–311 OR) und Darlehen (Art. 312–318 OR)
I. Allgemeines
II. Leihe (Art. 305–311 OR)
1. Begriff
2. Abgrenzungen
2.1 Zum Darlehen (Art. 312 ff. OR)
2.2 Zur Gefälligkeit
2.3 Zur Schenkung (Art. 239 ff. OR)
2.4 Zur Miete (Art. 253 ff. OR)
2.5 Zur Hinterlegung (Art. 472 ff. OR)
2.6 Zur Nutzniessung (Art. 745 ff. ZGB)
3. Rechte und Pflichten des Entlehners
3.1 Beschränktes Gebrauchsrecht (Art. 306 Abs. 1 und Abs. 2 OR)
3.2 Haftung des Entlehners (Art. 306 Abs. 3 und Art. 97 ff. OR)
3.3 Unterhaltspflicht (Art. 307 OR)
3.4 Rückgabepflicht nach Gebrauch (Art. 305 OR)
4. Überlassungspflicht und Haftung der Verleiherin (Art. 305 OR)
5. Beendigung (Art. 309–311 OR)
III. Darlehen (Art. 312–318 OR)
1. Begriff
2. Arten
2.1 Befristetes und unbefristetes Darlehen
2.2 Verzinsliches und unverzinsliches Darlehen (Art. 313 OR)
2.3 Sach- bzw. Naturaldarlehen (Art. 312 OR)
2.4 Partiarisches Darlehen
2.5 Wertpapierdarlehen (securities lending)
3. Abgrenzungen
3.1 Zur Leihe (Art. 305 ff. OR) und zur Miete (Art. 253 ff. OR)
3.2 Zur Gefälligkeit
3.3 Zur einfachen Gesellschaft (Art. 530 ff. OR)
3.4 Zum Kauf (Art. 184 ff. OR) und zur Schenkung (Art. 239 ff. OR)
4. Rechte und Pflichten der Darleiherin
4.1 Pflicht zur Übergabe und Überlassung der Darlehensvaluta (Art. 312 OR)
4.2 Zinsanspruch (Art. 313 und Art. 314 OR)
4.3 Anspruch auf Rückzahlung bzw. Rückerstattung (Art. 312 OR)
4.4 Rücktrittsrecht (Art. 316 OR)
5. Rechte und Pflichten des Borgers
5.1 Annahmeobliegenheit
5.2 Zahlung von Zinsen und Schutz vor missbräuchlichen Zinssätzen
5.3 Rückerstattungspflicht (Art. 312 OR)
6. Verzug der Darleiherin
7. Verzug des Borgers
7.1 Annahmeverzug
7.2 Verzug mit der Rückerstattung
7.3 Verzug mit der Zinszahlungspflicht
8. Beendigung
8.1 Ordentliche Beendigung
8.2 Ausserordentliche Beendigung
9. Verjährung
10. Geltung des KKG beim Konsumentendarlehen
§ 33 Konsumkreditvertrag (KKG)
I. Begriff (Art. 1 KKG)
II. Geltungsbereich des KKG (Art. 1–8 KKG)
III. Entstehung und Gültigkeit des Vertrages (Art. 9–16 KKG)
1. Form- und Inhaltsvorschriften (Art. 9–14 KKG)
2. Rechtsfolge der Verletzung der Inhalts- oder Formvorschrift (Art. 15 KKG)
3. Widerrufsrecht (Art. 16 KKG)
IV. Überschuldungsprävention (Art. 22–32 KKG)
V. Rechte und Pflichten der Parteien (Art. 17–21 KKG)
1. Vorzeitige Rückzahlung (Art. 17 KKG)
2. Verzug des Kreditnehmers (Art. 18 KKG)
3. Einreden des Kreditnehmers bei Abtretung (Art. 19 KKG)
4. Einrede- bzw. Einwendungsdurchgriff beim Konsumkreditvertrag zum Erwerb von Waren oder Dienstleistungen (Art. 21 KKG)
VI. Werbung für Konsumkredite
§ 34 Werkvertrag (Art. 363–379 OR)
I. Begriff
II. SIA-Norm 118
III. Abgrenzungen
1. Zum Kaufvertrag (Art. 184 ff. OR)
2. Zum Auftrag (Art. 394 ff. OR)
3. Zum Arbeitsvertrag (Art. 319 ff. OR)
IV. Pflichten und Rechtsstellung des Unternehmers
1. Hauptpflicht: Herstellung und Ablieferung des Werks (Art. 363 OR)
2. Nebenpflichten
2.1 Pflicht zu persönlicher Ausführung (Art. 364 Abs. 2 OR)
2.2 Sorgfaltspflicht (Art. 364 Abs. 1 OR)
2.3 Pflichten im Umgang mit dem von der Bestellerin gelieferten Stoff (Art. 365 Abs. 2 und Abs. 3 OR)
2.4 Treuepflicht?
3. Verzug des Unternehmers
3.1 Ablieferungsverzug
3.2 Herstellungsverzug (Art. 366 Abs. 1 OR)
3.3 Rechtsfolgen
4. Ersatzvornahme nach Art. 366 Abs. 2 OR
5. Gewährleistung für Werk
5.1 Übersicht
5.2 Voraussetzungen für die Sachgewährleistung
5.3 Wandlung (Art. 368 Abs. 1 OR)
5.4 Minderung (Art. 368 Abs. 2 OR)
5.5 Nachbesserung (Art. 368 Abs. 2 OR)
5.6 Erstellung eines neuen Werks (Art. 206 Abs. 1 OR analog)?
5.7 Schadenersatz (Art. 368 Abs. 1 und Abs. 2 OR)
5.8 Wahrung der Fristen (Art. 371 OR)
a. Überblick
b. Grundregel (Art. 371 Abs. 1 Satz 1 OR)
c. Spezialfall: Integration in unbewegliches Werk (Art. 371 Abs. 1 Satz 2 OR)
d. Unbewegliche Werke (Art. 371 Abs. 2 OR)
e. Einzelfragen
5.9 Abtretung von Gewährleistungsrechten
5.10 Konkurrenzen
6. Gewährleistung für Stoffmängel (Art. 365 Abs. 1 OR)
V. Pflichten und Rechtsstellung der Bestellerin (Art. 372–374 OR)
1. Hauptpflicht: Leistung einer Vergütung (Art. 372 OR)
2. Höhe der Vergütung
2.1 Bei fester vertraglicher Vereinbarung (Art. 373 OR)
2.2 Bei fehlender Preisvereinbarung (Art. 374 OR)
3. Überschreiten des Kostenansatzes (Art. 375 OR)
4. Sicherung der Werklohnforderung
VI. Gefahrtragung (Art. 376 OR)
1. Grundsatz
2. Ausnahmen
3. Abweichende Vereinbarungen und Abgrenzung
VII. Beendigung
1. Überblick
1.1 Rechtsbehelfe zugunsten des Unternehmers
1.2 Rechtsbehelfe zugunsten der Bestellerin
2. «Rücktrittsrecht» (Art. 377 OR)
3. Vertragsbeendigung infolge Unmöglichkeit (Art. 378 und Art. 379 OR)
§ 35 Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR)
I. Allgemeines
II. Begriff
III. Art. 394 Abs. 2 OR als Auffangtatbestand?
IV. Entstehung
V. Gültigkeit
VI. Abgrenzungen
1. Zur Gefälligkeit
2. Zum Werkvertrag (Art. 363 ff. OR)
3. Zum Arbeitsvertrag (Art. 319 ff. OR)
4. Zur einfachen Gesellschaft (Art. 530 ff. OR)
VII. Auftrag und Bevollmächtigung (Art. 396 Abs. 2 und Abs. 3 OR)
1. Zusammenspiel
2. Abgrenzung
VIII. Pflichten des Beauftragten
1. Pflicht, tätig zu werden
2. Persönliche Leistungspflicht (Art. 398 Abs. 3 OR)
2.1 Grundsatz
2.2 Abgrenzung von Hilfspersonen und Substituten
2.3 Beizug von Hilfspersonen
2.4 Beizug von Substituten
3. Sorgfaltspflicht (Art. 398 Abs. 1 und Abs. 2 OR)
4. Treuepflicht
5. Weisungsgebundenheit (Art. 397 Abs. 1 OR)
6. Meldepflicht (Art. 397a OR)
7. Rechenschafts- und Herausgabepflicht (Art. 400 OR)
IX. Pflichten der Auftraggeberin
1. Vergütung (Art. 394 Abs. 3 OR)
2. Auslagen- und Verwendungsersatz (Art. 402 Abs. 1 OR)
3. Befreiung von Verbindlichkeiten (Art. 402 Abs. 1 OR)
4. Schadenersatzpflicht
4.1 Entgeltlicher Auftrag (Art. 402 Abs. 2 OR)
4.2 Unentgeltlicher Auftrag (Art. 422 Abs. 1 OR)
X. Legalzession und Aussonderungsrecht (Art. 401 OR)
1. Legalzession (Art. 401 Abs. 1 und Abs. 2 OR)
2. Aussonderungsrecht im Konkurs (Art. 401 Abs. 3 OR)
XI. Beendigung des Auftrags (Art. 404–406 OR)
1. Vorbemerkung
2. Jederzeitige Widerruf- bzw. Kündbarkeit (Art. 404 Abs. 1 OR)
3. Art. 404 Abs. 1 OR als zwingende oder dispositive Norm?
4. Negatives oder positives Interesse (Art. 404 Abs. 2 OR)?
5. «Erlöschen» des Auftrags (Art. 405–406 OR)
§ 36 Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungs­vertrag (Art. 406a–406h OR)
I. Vorbemerkung
II. Begriff
III. Anwendungsbereich
IV. Qualifikation als Konsumvertrag
V. Geltung und Gültigkeit (Art. 406d–406e OR)
VI. Pflichten der Beauftragten
VII. Pflichten des Auftraggebers
VIII. Beendigung
§ 37 Mäklervertrag (Art. 412–418 OR)
I. Begriff
II. Arten
1. Nachweismäkler
2. Vermittlungsmäkler
3. Zuführungsmäkler
III. Überblick und Abgrenzungen
1. Überblick über die verschiedenen Vertriebsverträge
2. Zum Agenturvertrag (Art. 418a ff. OR)
3. Zum Kommissionsvertrag (Art. 425 ff. OR)
4. Zum einfachen Auftrag (Art. 394 ff. OR)
IV. Anwendbares Recht
V. Entstehung des Vertrages
VI. Rechte und Pflichten des Mäklers
1. Mäklerlohn (Art. 413–417 OR)
1.1 Vergütungsanspruch (Art. 413 Abs. 1 und Abs. 2 OR)
1.2 Höhe der Vergütung (Art. 414 und Art. 417 OR)
1.3 Folgegeschäfte
1.4 Spesenersatz (Art. 413 Abs. 3 OR)
1.5 Mängel des Hauptvertrages: Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch des Mäklers
2. Handlungspflicht
3. Sorgfalts- und Treuepflicht (Art. 415 OR)
3.1 Allgemeines
3.2 Doppelmäkelei; Doppelkontrahieren
3.3 Selbsteintritt des Mäklers; Selbstkontrahieren
3.4 Pflicht zur persönlichen Ausführung; Untermäkelei
3.5 Rechtsfolgen der Pflichtverletzung
VII. Rechte und Pflichten der Auftraggeberin
1. Bezahlung des Mäklerlohns und des Aufwendungsersatzes (Art. 413 OR)
2. Anzeige- und Auskunftspflicht
3. Weisungsrecht
VIII. Beendigung
§ 38 Agenturvertrag (Art. 418a–418v OR)
I. Begriff
1. Vermittlungsagent
2. Abschlussagent
3. Agent im Nebenberuf
4. Versicherungsagent
II. Abgrenzungen
1. Zu Auftrag, Mäklervertrag und Kommission (Art. 394 ff., Art. 412 ff. und Art. 425 ff. OR)
2. Zum Handelsreisendenvertrag (Art. 347 ff. OR)
3. Zum Alleinvertriebsvertrag
III. Entstehung und Beendigung des Vertrages
1. Entstehung
2. Beendigung (Art. 418p ff. OR)
2.1 Zeitablauf (Art. 418p OR)
2.2 Ordentliche Kündigung (Art. 418q OR)
2.3 Ausserordentliche Kündigung (Art. 418r OR)
2.4 Tod, Handlungsunfähigkeit und Konkurs (Art. 418s OR)
IV. Pflichten des Agenten (Art. 418c–418d OR)
1. Pflicht zum sorgfältigen Tätigwerden
2. Treuepflicht
3. Weisungsbefolgungspflicht
4. Delkredere-Risiko (Art. 418c Abs. 3 OR)
V. Rechte des Agenten und Vermutungen
1. Vermutung der blossen Vermittlungsagentur (Art. 418e OR)
2. Recht auf Unterstützung durch die Auftraggeberin (Art. 418f Abs. 1 und Abs. 2 OR)
3. Vermutung der Exklusivität (Art. 418f Abs. 3 OR)
4. Retentionsrecht (Art. 418o OR)
5. Provisionsanspruch (Art. 418g–418l OR)
6. Entschädigungsansprüche und zusätzliche Provision
6.1 Im Allgemeinen (Art. 418m und Art. 418n OR)
6.2 Inkasso- und Delkredere-Provision (Art. 418c und Art. 418l OR)
6.3 Kundschaftsentschädigung (Art. 418u OR)
6.4 Karenzentschädigung (Art. 418d Abs. 2 OR)
6.5 Konkurrenz zwischen Kundschafts- und Karenzentschädigung
§ 39 Einkaufs- und Verkaufskommission (Art. 425–438 OR)
I. Vorbemerkung
II. Begriffe
III. Abgrenzungen
IV. Pflichten des Kommissionärs (Art. 426–430 OR)
1. Persönliche Ausführungspflicht
2. Informationspflichten (Art. 426 Abs. 1 OR)
3. Versicherungspflicht (Art. 426 Abs. 2 OR)
4. Übernahme des Delkredere-Risikos (Art. 429–430 OR)
5. Treue- und Sorgfaltspflichten
6. Spezialgesetzliche Pflichten des Effektenhändlers
V. Rechte des Kommissionärs (Art. 431–438 OR)
1. Provision (Art. 432–433 OR)
2. Aufwendungsersatz (Art. 431 OR) und Schadenersatz
3. Delkredere-Provision (Art. 430 Abs. 2 OR)
4. Retentionsrecht (Art. 434 OR)
VI. Verkaufskommission im Besonderen
VII. Beendigung des Kommissionsvertrages (Art. 404 OR)
VIII. Rechtsübergang nach Art. 425 Abs. 2 i.V.m. Art. 401 OR
1. Legalzession (Art. 425 Abs. 2 i.V.m. Art. 401 Abs. 1 und Abs. 2 OR)
2. Aussonderungsrecht der Kommittentin im Konkurs des Kommissionärs (Art. 425 Abs. 2 i.V.m. Art. 401 Abs. 3 OR)
IX. Selbsteintritt des Kommissionärs (Art. 436–438 OR)
§ 40 Speditions- und Frachtvertrag (Art. 439–457 OR)
I. Der Speditionsvertrag (Art. 439 OR)
1. Begriff und anwendbare Normen
2. Abgrenzungen
3. Pflichten des Spediteurs
4. Rechte des Spediteurs
5. Haftung des Spediteurs
5.1 Ausserhalb des Transports
5.2 In Ausführung des Transports
6. Zwischenspediteur
6.1 Ausserhalb des Transports
6.2 In Ausführung des Transports
II. Der Frachtvertrag (Art. 440–457 OR)
1. Begriff
2. Abgrenzungen
3. Entstehung
4. Pflichten der Absenderin (Art. 441–442 OR)
5. Pflichten des Frachtführers (Art. 444–446 und Art. 450 OR)
6. Rolle der Empfängerin
7. Haftung des Frachtführers
7.1 Haftung nach Art. 447 ff. OR
7.2 Haftung für Zwischenfrachtführer (Art. 449 OR)
7.3 Auftragsrechtliche Haftung (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 398 Abs. 2 und Art. 440 Abs. 2 OR)
8. Beendigung
§ 41 Hinterlegungsvertrag (Art. 472–491 OR)
I. Begriff
II. Arten
1. Depositum regulare (Art. 472 OR)
2. Depositum irregulare (Art. 481 OR)
3. Lagergeschäft (Art. 482–486 OR)
4. Sammelverwahrung/Vermengungsdepot (Art. 484 OR)
5. Sequestration (Art. 480 OR)
III. Abgrenzungen
1. Zur Leihe (Art. 305 ff. OR)
2. Zum Darlehen/Sparkassenvertrag (Art. 312 ff. OR)
3. Zum Auftrag (Art. 394 ff. OR)
4. Zum Speditionsvertrag (Art. 439 OR)
IV. Pflichten der Hinterlegerin (Art. 473 OR)
V. Pflichten des Aufbewahrers (Art. 472 Abs. 1 und Art. 474–479 OR)
1. Aufbewahrungspflicht
2. Rückgabe- bzw. Restitutionspflicht (Art. 475–477 OR)
3. Folgen der Pflichtverletzung
VI. Besonderheiten des Lagergeschäfts (Art. 482–486 OR)
§ 42 Bürgschaftsvertrag (Art. 492–512 OR)
I. Begriff
II. Arten
1. Einfache Bürgschaft (Art. 495 OR)
2. Schadlos- oder Ausfallbürgschaft (Art. 495 Abs. 3 OR)
3. Solidarbürgschaft (Art. 496 OR)
4. Gemeinsame Mitbürgschaft (Art. 497 Abs. 1–3 OR)
4.1 Einfache Mitbürgschaft (Art. 497 Abs. 1 OR)
4.2 Solidarische Mitbürgschaft (Art. 497 Abs. 2 und Abs. 3 OR)
5. Nebenbürgschaft (Art. 497 Abs. 4 OR)
6. Nachbürgschaft (Art. 498 Abs. 1 OR)
7. Rückbürgschaft (Art. 498 Abs. 2 OR)
III. Abgrenzungen
1. Zur kumulativen Schuldübernahme (Schuldbeitritt)
2. Zur bürgschaftsähnlichen Garantie (Art. 111 OR)
3. Zum Kreditauftrag (Art. 408 ff. OR)
4. Zur Wechselbürgschaft (Art. 1020 ff. OR)
5. Zur Patronatserklärung
IV. Voraussetzungen
1. Formvorschriften (Art. 493 OR)
1.1 Schriftlichkeit und zahlenmässig bestimmter Höchstbetrag (Art. 493 Abs. 1 OR)
1.2 Öffentliche Beurkundung (Art. 493 Abs. 2 Satz 1 OR)
1.3 Nachträgliche Abänderungen (Art. 493 Abs. 5 OR)
2. Prinzip der Akzessorietät
3. Bestimmbarkeit der Hauptschuld
V. Umfang der Haftung (Art. 499 OR)
VI. Einreden des Bürgen (Art. 501 ff. OR)
1. Selbständige Einreden des Bürgen
2. Einreden des Hauptschuldners
VII. Obliegenheiten der Gläubigerin gegenüber dem Bürgen
1. Sorgfaltsobliegenheit (Art. 503 OR)
2. Obliegenheit der Zahlungsannahme (Art. 504 OR)
3. Herausgabeobliegenheiten (Art. 503 Abs. 3 OR)
VIII. Verhältnis des Bürgen zum Hauptschuldner
1. Recht auf Sicherstellung und Befreiung (Art. 506 OR)
2. Rückgriffsrecht (Art. 507 OR)
IX. Beendigungsgründe (Art. 509–510 OR)
§ 43 Spiel, Wette und Differenzgeschäfte (Art. 513–515a OR)
I. Begriffe
1. Spielvertrag (Art. 513 OR)
2. Wette (Art. 513 OR)
3. Differenzgeschäft (Art. 513 OR)
II. Darlehen für Spielzwecke und akzessorische Nebenrechte von Spielforderungen (Art. 513 Abs. 2 OR)
III. Abgrenzungen
IV. Wirkungen
§ 44 Pauschalreisevertrag (PauRG)
I. Begriff
II. Rechtsnatur und Abgrenzungen
III. Abschluss und Gültigkeit
IV. Vertragsparteien (Art. 2 PauRG)
V. Pflichten der Vertragsparteien
1. Veranstalterin
2. Konsument
VI. Nichterfüllung und nicht gehörige Erfüllung (Art. 12–16 PauRG)
1. «Ersatzmassnahmen» (Art. 12–13 PauRG)
2. Schadenersatzansprüche (Art. 14–16 PauRG)
3. Verjährung
VII. Abtretung der Pauschalreise (Art. 17 PauRG)
VIII. Preiserhöhung und Vertragsänderung (Art. 7–10 PauRG)
6. Kapitel Innominatverträge
§ 45 Allgemeiner Teil
I. Begriff
II. Abgrenzungen
1. Gesetzlich geregelte Mischverträge
2. Typische Verträge mit Beimischung (atypische Verträge)
3. Zusammengesetzte Verträge (sog. Vertragsverbindungen, Netz- oder Verbundverträge)
III. Arten
1. Gemischte Verträge (mixti generis, mixti iuris)
1.1 Kombinationsverträge («Zwillingsverträge»)
1.2 Doppeltypische Verträge («Zwitterverträge»)
1.3 Verträge mit Typenverschmelzung bzw. -vermengung
2. Verträge eigener Art (sui generis, sui iuris)
IV. Abschluss
V. Auslegung
VI. Rechtsanwendung
1. Allgemeines
1.1 Absorptionstheorie
1.2 Kombinationstheorie
1.3 Theorie der Übernahme gesetzlicher Einzelanordnungen
1.4 Theorie der analogen Rechtsanwendung des OR BT
1.5 Kreationstheorie
1.6 Diskurstheorie
2. Mittel der Vertragsergänzung
3. Zwingendes Recht
4. Rechtsanwendung bei den verschiedenen Arten von Innominatverträgen und -figuren im Besonderen
4.1 Zusammengesetzte Verträge
4.2 Gemischte Verträge
4.3 Verträge eigener Art
VII. Einzelne Innominatkontrakte
§ 46 Leasingvertrag
I. Vorbemerkungen
II. Begriff
III. Funktion
IV. Rechtsnatur
V. Erscheinungsformen
1. Direktes und indirektes Leasing
2. Mobilien- und Immobilienleasing
3. Investitionsgüter- und Konsumgüterleasing
4. Finanzierungs- und Operatingleasing
5. Sale and lease back
VI. Abgrenzungen
1. Zum Kauf (Art. 184 ff. OR)
2. Zur Miete (Art. 253 ff. OR)
VII. Geltung des KKG beim Konsumgüterleasing
VIII. Gültigkeit
IX. Pflichten der Parteien
1. Leasinggeberin
1.1 Allgemeine Pflichten
1.2 Pflicht zur Kreditfähigkeitsprüfung
2. Leasingnehmer
X. Leistungsstörungen beim indirekten Leasing
1. Zu vertretende Unmöglichkeit und Schuldnerverzug
2. Nicht zu vertretende Unmöglichkeit: Gefahrtragung
3. Übertragung von Prüfungs- und Rügeobliegenheiten
4. Sachgewährleistung
4.1 Sachmängelansprüche des Leasingnehmers gegenüber dem Lieferanten?
a. Abtretung von Sachmängelrechten
b. Vollmacht zur Geltendmachung von Sachmängelrechten (Ermächtigungskonstruktion)
c. Echter Vertrag zugunsten eines Dritten (zugunsten des Leasingnehmers)
4.2 Sachmängelansprüche im Einzelnen
a. Wandlung
b. Minderung
c. Nachbesserung und Ersatzlieferung
4.3 Wegbedingung der Haftung
4.4 Schadenersatzanspruch des Leasingnehmers?
a. Echter Vertrag zugunsten eines Dritten
b. Drittschadensliquidation
c. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
XI. Beendigung
1. Ordentliche Beendigung
2. Ausserordentliche Beendigung
XII. Internationales
§ 47 Lizenzvertrag
I. Begriff
II. Gegenstand
1. Absolut geschützte Immaterialgüter
2. Nicht absolut geschützte Immaterialgüter
III. Rechtsnatur
1. Miet- oder pachtrechtliche Elemente
2. Kaufvertragsrechtliche Elemente
3. Gesellschaftsrechtliche Elemente
IV. Abgrenzungen
V. Erscheinungsformen
1. Unterscheidung nach dem Vertragsobjekt
2. Unterscheidung nach der Art
VI. Gültigkeit
VII. Pflichten der Parteien
1. Lizenzgeber
2. Lizenznehmerin
VIII. Anfängliche objektive Unmöglichkeit
IX. Sach- und Rechtsmängel
1. Sachmängelhaftung
2. Rechtsmängelhaftung
X. Beendigung
1. Ordentliche Beendigung
2. Ausserordentliche Beendigung
XI. Nachvertragliche Geheimhaltungspflicht
XII. Kartellrecht
§ 48 Alleinvertriebsvertrag
I. Begriff
II. Wirtschaftliche Funktion und Erscheinungsformen
III. Rechtsnatur
IV. Abgrenzungen
1. Zum Vorvertrag (Art. 22 OR)
2. Zum Kaufvertrag (Art. 184 ff. OR)
3. Zum Arbeitsvertrag (Art. 319 ff. OR)
4. Zum Auftrag/Agenturvertrag (Art. 394 ff. und Art. 418a ff. OR)
5. Zum Franchising
V. Gültigkeit
VI. Pflichten der Parteien
1. Lieferantin
1.1 Gewährung eines ausschliesslichen Bezugsrechts
1.2 Gebietsschutz
1.3 Preis- und Lieferkonditionen
1.4 Unterstützungspflicht
1.5 Gewährung einer Markenlizenz
2. Händler
2.1 Absatzförderung
2.2 Bezugspflicht
2.3 Vertriebsbindungen
2.4 Treuepflicht
VII. Leistungsstörungen
1. Anwendbarkeit des OR AT
2. Gewährleistung
3. Anwendbarkeit von Art. 82 OR?
VIII. Beendigung
1. Ordentliche Beendigung
2. Ausserordentliche Beendigung
IX. Einzelfragen
1. Kundschaftsentschädigung
2. Kartellrecht
§ 49 Franchisevertrag
I. Begriff
II. Wirtschaftliche Funktion und Erscheinungsformen
III. Rechtsnatur
IV. Abgrenzungen
V. Gültigkeit
VI. Pflichten der Parteien
1. Franchisegeber
2. Franchisenehmerin
VII. Beendigung
1. Ordentliche Kündigung
2. Ausserordentliche Kündigung
VIII. Kundschafts- und Karenzentschädigung
1. Kundschaftsentschädigung
2. Karenzentschädigung
3. Konkurrenz
IX. Einzelfragen
1. Rückgaberecht für Vertragswaren
2. Investitionsersatzanspruch
3. Kartellrecht
§ 50 Factoringvertrag
I. Begriff
II. Funktionen
1. Wirtschaftliche Funktion
2. Finanzierungsfunktion
3. Dienstleistungsfunktion
4. Delkredere-Funktion
III. Rechtsnatur
IV. Abgrenzungen
V. Erscheinungsformen
1. Echtes und unechtes Factoring
2. Offenes und verdecktes Factoring
3. Nationales Factoring – internationales Factoring
VI. Gültigkeit
VII. Pflichten der Parteien
1. Faktor
1.1 Echter und unechter Factoringvertrag
1.2 Echter Factoringvertrag
1.3 Unechter Factoringvertrag
2. Klientin
VIII. Einzelfragen
1. Zession
2. Konkurs von Klientin oder Faktor
3. Beendigung
IX. Internationales Factoring
§ 51 Sponsoringvertrag
I. Begriff
1. Funktion
2. Erscheinungsformen
3. Rechtsnatur
II. Abgrenzungen
III. Gültigkeit
IV. Pflichten der Parteien
1. Sponsornehmer
1.1 Beim Personen-Sponsoring
1.2 Beim institutionellen Sponsoring
1.3 Beim Projekt-Sponsoring
2. Sponsorin
V. Leistungsstörungen
1. Allgemeines
2. Schlechterfüllung durch die Sponsorin
3. Schlechterfüllung durch den Sponsornehmer
VI. Beendigung
§ 52 Gastaufnahmevertrag
I. Begriff
II. Rechtsnatur und Abgrenzungen
1. Gastaufnahmevertrag
2. Bewirtungsvertrag
3. Beherbergungsvertrag
III. Pflichten der Parteien
1. Bewirtungsvertrag
2. Beherbergungsvertrag
IV. Leistungsstörungen
V. Beendigung
§ 53 Trödelvertrag
I. Begriff
II. Wirtschaftliche Funktion
III. Erscheinungsformen
IV. Rechtsnatur
V. Abgrenzungen
1. Zum Kauf (Art. 184 ff. OR)
2. Zum Auftrag (Art. 394 ff. OR)
3. Zur Kommission (Art. 425 ff. OR)
4. Zum Mäklervertrag (Art. 412 ff. OR)
VI. Entstehung und Inhalt
VII. Eigentumsverhältnisse
1. Verkauf an Dritte
2. Selbsteintritt
VIII. Pflichten der Parteien
1. Trödlerin
2. Vertrödler
IX. Leistungsstörungen
1. Vorbemerkung
2. Verzug der Trödlerin
3. Verzug des Vertrödlers
4. Gefahrtragung
5. Rechtsgewährleistung
6. Sachgewährleistung
§ 54 Vergleichsvertrag
§ 55 Weitere Innominatverträge
§ 56 Technik zur Lösung vielschichtiger Fälle (Anspruchsmethode)
I. Einführung in die Anspruchsmethode
1. Begriff
2. Anwendungsbereich
3. Vorgehen
II. Die möglichen Anspruchsgrundlagen
1. Übersicht
2. Vertragliche Ansprüche
3. Quasivertragliche Ansprüche
4. Ausservertragliche Ansprüche
4.1 Ansprüche aus der Konkretisierung von absoluten Rechten
4.2 Ansprüche aus unerlaubter Handlung
4.3 Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (Art. 62 ff. OR)
III. Bestand der Forderung bzw. des Rechts
IV. Durchsetzbarkeit der Forderung bzw. des Rechts
V. Konkurrenzen
1. Gesetzeskonkurrenz
2. Anspruchskonkurrenz
3. Kumulation von Ansprüchen
Gesetzesregister
Sachregister OR AT & BT
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Obligationenrecht Allgemeiner und Besonderer Teil [3 ed.]
 9783725576784

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Claire Huguenin

Aktualisiert und teilweise neu bearbeitet von:

Eva Maissen | Barbara Meise | Tina Huber-Purtschert Unter Mitarbeit von: Christian Arnold Simon Bachmann Michel Brunner Oliver Dreyer Michael Feit Andrea Futter Davide Giampaolo Carole Gehrer Gion Giger Danijela Glavonjic Beatrice Grob Michael Hochstrasser Gianin Hoessly

Basil Hotz Fridolin Hunold Michael Isler Nicole Jaggi Larissa Jauch Reto Jenny Marc Joost Claudia Kaczynski-Coninx Miriam Keller Désirée Klingler Annina Lippuner Bruno Mahler

Janis Matthys Keivan Mohasseb Leticia Morais Isabelle Oehri Dora Peric Nadine Pfiffner Christophe Reitze Simon Roth Gil Scheitlin Bertrand Stoffel Alain Thiébaud Raphael Weiss

Obligationenrecht

Allgemeiner und Besonderer Teil 3. 2. Auflage

Claire Huguenin † Obligationenrecht

Claire Huguenin †

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Marc Joost Claudia Kaczynski-Coninx Miriam Keller Désirée Klingler Annina Lippuner Bruno Mahler Janis Matthys Keivan Mohasseb Leticia Morais Isabelle Oehri Dora Peric Nadine Pfiffner Christophe Reitze Simon Roth Gil Scheitlin Bertrand Stoffel Alain Thiébaud Raphael Weiss

Obligationenrecht Allgemeiner und Besonderer Teil 3. Auflage

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, vorbehalten. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme. © Schulthess Juristische Medien AG, Zürich · Basel · Genf 2019 ISBN 978-3-7255-7678-4 www.schulthess.com

Vorwort zur dritten Auflage Das Buch «OR AT/BT» hat sich während der letzten Jahre als wichtiges Standardwerk für Praktiker und Studierende bewährt. Seit der Publikation der zweiten Auflage sind mittlerweile bald fünf Jahre vergangen, was die vorliegende dritte Auflage erforderlich machte. Vor rund drei Jahren startete Claire Huguenin gemeinsam mit uns das Projekt der dritten Auflage, um das vorliegende Werk vor ihrer Emeritierung nochmals grundlegend zu überarbeiten und neu aufzulegen. Leider ist Claire Huguenin im Sommer 2018 unerwartet verstorben. Alle Beteiligten haben sich dafür eingesetzt, das Werk in ihrem Gedenken trotzdem erneut herauszubringen. In erster Linie wurden die Kapitel zum Besonderen Teil des Buches umfassend überarbeitet, aktualisiert und harmonisiert. Das Kapitel zum Mietrecht (§ 31) verfassten und strukturierten wir von Grund auf neu. Weiter wurden im gesamten Werk einschlägige Gesetzesänderungen, neue Rechtsprechung sowie in der Zwischenzeit erschienene Literatur nachgeführt. Zudem sind auch Hinweise zu beschlossenen und anstehenden Revisionen enthalten. Überdies berücksichtigten wir Rückmeldungen der Leserschaft, welche wir z.B. im Rahmen von Lehrveranstaltungen erhalten hatten. Damit die dritte Auflage immer noch in einem Band publiziert werden kann, mussten die Kapitel zum Vergleichsvertrag (§ 54) sowie zu den weiteren Innominatverträgen (§ 55) weggelassen werden. Für ihre wertvolle Unterstützung möchten wir uns insbesondere bei Bruno Mahler, Gianin Hoessly und Isabelle Oehri bedanken. Ihre Recherchearbeiten, Vorarbeiten und Beiträge haben es ermöglicht, dass wir das vorliegende Werk pünktlich fertigstellen konnten. Ferner unterstützt haben uns Oliver Dreyer, Andrea Futter, Nicole Jaggi, Janis Matthys, Keivan Mohasseb sowie Dora Peric. Bedanken möchten wir uns auch beim Schulthess Verlag für das Vertrauen und die Unterstützung, welche er uns in der ungeplanten Situation entgegenbrachte. Wir wünschen allen Lesern eine inspirierende Lektüre und sind überzeugt, dass sich auch Claire über die so ersehnte Neuauflage gefreut hätte. Zürich, im Januar 2019

Eva Maissen, Barbara Meise und Tina Huber-Purtschert

V

Vorwort zur zweiten Auflage Die erste Auflage von «OR Allgemeiner Teil und Besonderer Teil» ist vor zwei Jahren erschienen. Das Interesse daran war so rege, dass wir daher schon nach sehr kurzer Zeit die Möglichkeit erhielten, eine zweite, überarbeitete und aufdatierte Auflage vorzulegen. Einbauen konnten wir auch die feed backs unserer Leserschaft. Neu mitgeholfen haben bei der zweiten Auflage Danijela Glavonjic, Larissa Jauch, Annina Lippuner und Christophe Reitze. Ein besonderer Dank gebührt Barbara Meise, welche für die zweite Auflage – wie Davide Giampaolo für die erste Auflage – zusätzlich zu allen anderen Arbeiten am Buch die Koordinationsaufgabe übernahm. Wir bedanken uns auch beim Schulthess Verlag, insbesondere bei Karen Schobloch, Nina Vates und Ulrich Gaebler. Diesem Dank schliesst sich jener an die wunderbare Gestalterin des Buches, Simone Arnold, an. Wir wünschen unseren Lesern eine angenehme und gleichzeitig herausfordernde Lektüre. Wer den Wunsch verspürt, das OR noch aktiver zu betreiben, dem seien die beiden, auf dieses Buch abgestimmten Fallbücher empfohlen, welche gleichzeitig in erster Auflage erscheinen. Wir freuen uns auf alle Anregungen und Ergänzungen. Zürich, September 2014

Claire Huguenin

VII

Vorwort zur ersten Auflage Das vorliegende Buch verschmilzt zwei Bücher miteinander: «OR Allgemeiner Teil» und «OR Besonderer Teil». Diese sind je in drei Auflagen erschienen. Nach dem dritten Durchgang, so meinen wir, haben wir die beiden Bücher genügend oft durchgearbeitet, um sie in einem neuen Wurf zu verschlanken, zu veredeln und zu vereinen. Einige Passagen des neuen Werks sind umgeschrieben und verwoben oder gar neu verfasst worden, andere lehnen sich eng an die «alten» Fassungen an. Durch den Schleier der Fusion schimmern noch immer die beiden Vorgängerwerke durch. Um die Kontinuität herauszustellen, aber auch als Referenz an das intergenerationelle Moment, welches einen Lehrstuhl wesentlich kennzeichnet und ausmacht, sind darum sowohl die ehemaligen wie auch die gegenwärtigen Assistierenden, die an der Arbeit an diesem Buch und seinen Vorläufern beteiligt waren, als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgeführt. Das neue, nun in erster Auflage erscheinende Buch enthält in seinem Allgemeinen Teil einen aktuellen Überblick über das schweizerische Vertragsrecht, das Recht der unerlaubten Handlung und das Recht der ungerechtfertigten Bereicherung. Zur Trias der klassischen Anspruchsgrundlagen gesellt sich eine Zusammenstellung der quasivertraglichen Instrumente, die sich immer gebieterischer zwischen die kontraktuellen und die extrakontraktuellen Ansprüche schieben. Der Besondere Teil besteht aus den Nominat- und den wichtigsten Innominatverträgen. Darüber hinaus enthält er eine Theorie zu den Innominatverträgen, welche bei der Rechtsanwendung und der Lückenfüllung das «Zusammendenken» mit dem herkömmlichen Vertragsrecht erleichtern soll. Verschlankt haben wir unser Werk, indem wir die «Materialien» (Fälle, Entscheide und Vertragsmuster) weggelassen haben. Im Anhang enthalten ist nur noch die «Technik zur Lösung vielschichtiger Fälle» (sog. Anspruchsmethode). Es handelt sich dabei um ein standardisiertes Vorgehen, um obligationenrechtliche Fälle zu lösen. Das bedeutet aber nicht, dass nicht auch andere, auf die jeweilige Fragestellung zugeschnittene Vorgehensweisen zum Ziel führen. Veredelt wurde das vorliegende Buch durch eine noch intensivere Auseinandersetzung insbesondere mit der Rechtsprechung, aber auch mit der Literatur. Um den Lesefluss nicht zu stören, haben wir alle Fundstellen in den Fussteil verbannt. Beibehalten und aufdatiert wurden Argumentarien und Diskurse zu besonders kontroversen Fragen. Anhand der verschiedenen Auffassungen zu einer Problemstellung lassen sich unserer Meinung nach der Reichtum und die Vielschichtigkeit des Vertragsrechts nicht nur besonders gut charakterisieren, sondern man gewinnt aus deren übersichtlicher Zusammenstellung auch einiges für die Redaktion oder

IX

Vorwort zur ersten Auflage

Begutachtung eines Vertrages, einer Rechtsschrift oder eines Urteils, werde es nun von einem staatlichen oder einem Schiedsgericht erlassen. Wie bis anhin findet sich am Anfang eines jeden Kapitels eine Zusammenstellung der wichtigsten und neuesten Literaturhinweise. Abgerundet wird das vorliegende Buch durch ein ausführliches Stichwort- und Gesetzesregister, welches einen schnellen Zugriff auf die gesuchten Informationen ermöglicht. Vereint wurden die Bücher nicht nur durch den Leim, einen gemeinsamen Buchdeckel und eine neue Gestaltung. Auch von der Gesamtstruktur her und inhaltlich wurden sie über ein kohärentes Inhaltsverzeichnis und zahlreiche interne Hinweise miteinander verflochten. Wir bedanken uns auch beim Schulthess Verlag, insbesondere bei Andreas Hohnheiser, Nina Vates und Ulrich Gaebler. Diesem Dank schliesst sich jener an die wunderbare Gestalterin des Buches, Simone Arnold, an. Mit ihrer tatkräftigen Unterstützung haben wir versucht, den bestmöglichen Kompromiss zwischen juristischer Tradition und moderner Ästhetik zu finden. Wir wünschen uns, dass das vorliegende Buch seine Leserinnen und Leser auf angenehme und gleichzeitig herausfordernde Weise in einen Dialog mit den Besonderheiten des schweizerischen Vertragsrechts treten lässt, und freuen uns auf alle Ergänzungen. Zürich, September 2012

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Claire Huguenin

Inhaltsübersicht Vorwort zur dritten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort zur zweiten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Vorwort zur ersten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

X7

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

-XV

Glossar der lateinischen Ausdrücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

-XXI

Allgemeines Literaturverzeichnis ............... . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . . . .-XXV Gesetzesverzeichnis ............... .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . .-XXIX

1. Teil Obligationenrecht – Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

1. Kapitel Allgemeine Vertragslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

§1

Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

§2

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

§3

Auslegung, Ergänzung und Anpassung des Vertrages (Art. 18 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

§4

Form und Inhalt des Vertrages (Art. 11–16, Art. 19 und Art. 20 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

106

§5

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

141

§6

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

187

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen im engeren und im weiteren Sinn (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR) . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

210

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

258

§9

Direkte Stellvertretung (Art. 32–40 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

318

§ 10

Verträge zugunsten eines Dritten (Art. 112–113 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

345

§ 11

Garantievertrag oder Vertrag zulasten eines Dritten (Art. 111 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

356

§ 12

Anweisung (Art. 466–471 OR) und Dokumentenakkreditiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

362

§ 13

Haft- und Reugeld, Konventionalstrafe und Wandelpön (Art. 158–163 OR) . . . . . . . . . . . . . . .

381

§ 14

Bedingungen (Art. 151–157 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

393

§ 15

Abtretung einer Forderung (Art. 164–174 OR) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

407

§ 16

Schuld- und Vertragsübernahme sowie Vertragsbeitritt (Art. 175–183 OR) . . . . . . . . . . . . . . . .

433

XI

Inhaltsübersicht

2. Kapitel Quasivertragliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

455

§ 17

Übersicht über die quasivertraglichen Ansprüche . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

455

§ 18

Culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

474

§ 19

Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

486

§ 20

Echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419–422 und Art. 424 OR) . . . . . .

495

§ 21

Haftung bei Gefälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

509

§ 22

Vertrauenshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

523

3. Kapitel Ausservertragliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

539

§ 23

Ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62–67 OR) . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

539

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

560

§ 25

Echte unberechtigte und unechte Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

648

4. Kapitel Verjährung und Solidarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

669

§ 26

Verjährung (Art. 60, Art. 67 und Art. 127–142 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

669

§ 27

Mehrheit von Schuldnern und Gläubigerinnen (Art. 70 und Art. 143–150 OR) . . . . . . . . . . .

696

5. Kapitel Nominatverträge .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

719

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

719

§ 29

UN-Kaufrecht (CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

823

§ 30

Schenkung (Art. 239–252 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

863

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

878

§ 32

Leihe (Art. 305–311 OR) und Darlehen (Art. 312–318 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

995

§ 33

Konsumkreditvertrag (KKG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1017

§ 34

Werkvertrag (Art. 363–379 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1033

§ 35

Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1069

§ 36

Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag (Art. 406a–406h OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1110

§ 37

Mäklervertrag (Art. 412–418 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1120

§ 38

Agenturvertrag (Art. 418a–418v OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1140

§ 39

Einkaufs- und Verkaufskommission (Art. 425–438 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1160

§ 40

Speditions- und Frachtvertrag (Art. 439–457 OR) . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1178

XII

Inhaltsübersicht

§ 41

Hinterlegungsvertrag (Art. 472–491 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1191

§ 42

Bürgschaftsvertrag (Art. 492–512 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1200

§ 43

Spiel, Wette und Differenzgeschäfte (Art. 513–515a OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1218

§ 44

Pauschalreisevertrag (PauRG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1224

6. Kapitel Innominatverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1239

§ 45

Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1239

§ 46

Leasingvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1255

§ 47

Lizenzvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1276

§ 48

Alleinvertriebsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1292

§ 49

Franchisevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1307

§ 50

Factoringvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1319

§ 51

Sponsoringvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1332

§ 52

Gastaufnahmevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1343

§ 53

Trödelvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1353

§ 54

Vergleichsvertrag [entfällt] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1362

§ 55

Weitere Innominatverträge [entfällt] . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1363

§ 56

Technik zur Lösung vielschichtiger Fälle (Anspruchsmethode) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1364

Gesetzesregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1379

Sachregister OR AT & BT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1409

XIII

Inhaltsverzeichnis Vorwort zur dritten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

Vorwort zur zweiten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Vorwort zur ersten Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

-XV

Glossar der lateinischen Ausdrücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

-XXI

Allgemeines Literaturverzeichnis ............... . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . . . .-XXV Gesetzesverzeichnis ............... .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . .-XXIX

1. Teil Obligationenrecht – Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

1. Kapitel Allgemeine Vertragslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

§1

Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

I.

Überblick über das schweizerische Obligationenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Merkmale des Obligationenrechts . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte des schweizerischen Obligationenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zu anderen Gesetzen und Rechtsgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4 4 6 9

II.

Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Obligation und verwandte Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Obligation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Forderung und Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Einrede und Einwendung . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Klagbare und unklagbare Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Ein-, zwei- und mehrseitige Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Einmal- und Dauerschuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Rechtsgeschäfte unter Lebenden und von Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Gestaltungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Abgrenzung zur Gefälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Subjektive und objektive Rechte . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Absolute und relative subjektive Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10 10 10 11 11 12 13 14 15 15 16 16 18 19 22 23 23 24 24 25

XV

Inhaltsverzeichnis

5. Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Allgemeine und besondere Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Pflichten unterschiedlichen Grades . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Unterteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Hauptpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Nebenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Primäre und sekundäre Leistungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Obliegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Haftung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Schaden .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Begriff und Differenzhypothese . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Relativierung der Differenzhypothese . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Genugtuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Kommerzialisierungsschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Frustrationsschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Reflexschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Schadenersatzbemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Kausalzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Widerrechtlichkeit/Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 27 27 28 28 28 28 30 30 31 31 31 32 32 32 33 33 33 33 34 35

III.

Entstehungsgründe von Obligationen . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dreiteilung der Entstehungsgründe . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragliche und ausservertragliche Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Quasivertragliche Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35 35 36 38

§2

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

I.

Voraussetzungen (Art. 1 OR) – Überblick . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

II.

Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Handlungs-, Geschäfts- und Vertragsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einschränkungen der Abschluss- und Partnerwahlfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Rechtsgeschäftliche Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Gesetzliche Einschränkungen: Kontrahierungszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40 40 41 43 43 45

III.

Willenserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arten von Willenserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Ausdrückliche und konkludente Willenserklärungen (Art. 1 Abs. 2 OR) . . . . . . . 2.2 Unmittelbare und mittelbare Willenserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Empfangsbedürftige und nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen . . . . . . . 3. Kundgabe und Zugang empfangsbedürftiger Willenserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Stadien des Erklärungsvorgangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Zugangsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Auslegung von Willenserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Massgeblichkeit des wirklichen Willens bei übereinstimmendem gegenseitigem Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Auslegung nach Vertrauensprinzip bei divergierendem gegenseitigem Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48 48 49 49 51 51 52 52 53 56

XVI

56 56

Inhaltsverzeichnis

4.3 4.4

Mentalreservation und Scherzerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Simulation und Dissimulation . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59 59

IV.

Austausch der Willenserklärungen (Gegenseitigkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erscheinungsweisen des Austauschprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Abgrenzung von der Einladung zur Offertstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Abgrenzung zu Auslobung und Preisausschreiben (Art. 8 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Kein Antrag: Zusenden unbestellter Sachen (Art. 6a OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Annahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Schweigen als Annahme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Schutz des Empfängers eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens . . . . . . . . . 3.5 Übernahme und Globalübernahme bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen . . 4. Wirkungen von Antrag und Annahme . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Gestaltungswirkung (Art. 10 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60 60 61 61 61 63 63 65 66 66 66 67 68 69 70 70 72

V.

Übereinstimmen der Willenserklärungen bezüglich des wesentlichen Vertragsinhalts . . . 1. Konsens und Dissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Tatsächlicher (= natürlicher) Konsens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Normativer (= rechtlicher) Konsens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Dissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wesentlicher Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Objektiv wesentliche Vertragspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Nebenpunkte und subjektiv wesentliche Vertragspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72 72 72 73 74 75 76 77

VI.

Widerruf von Willenserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz der Unwiderruflichkeit . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragliches Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesetzliches Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften und ähnlichen Verträgen (Art. 40b–40f OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Widerrufsrecht bei Konsumkrediten (Art. 16 KKG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Widerrufsrecht bei Ehe- und Partnerschaftsvermittlung (Art. 406d und Art. 406e OR) . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77 77 78 78

§3

Auslegung, Ergänzung und Anpassung des Vertrages (Art. 18 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

I.

Auslegung des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auslegungsstreit versus Konsensstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Subjektive und objektivierte Auslegung des Parteiwillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Subjektive (empirische) Auslegung (Rekonstruktion des Parteiwillens) . . . . . . . . . 2.2 Objektivierte (normative) Auslegung (Konstruktion des Parteiwillens) . . . . . . . . . 3. Auslegungsmittel und Auslegungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Auslegungsmittel (Erkenntnisquellen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Auslegungsregeln (Interpretationsgrundsätze) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Auslegung formbedürftiger Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83 83 85 85 86 88 88 89 90 92

78 81 82

XVII

Inhaltsverzeichnis

II.

Ergänzung des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen und Abgrenzung zur Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ergänzung des Vertrages und wesentliche Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mittel der Vertragsergänzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rangordnung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergänzung formbedürftiger Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Beziehung zwischen Auslegung und Ergänzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93 93 94 95 97 99 99

III.

Anpassung des Vertrages an veränderte Umstände (clausula rebus sic stantibus) . . . . . . . . . . . 1. Begriff .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung vom Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR) und von der Kündigung aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Nachträgliche Veränderung der Verhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Gravierende Äquivalenzstörung . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Fehlende Voraussehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Verhalten der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

100 100

§4

Form und Inhalt des Vertrages (Art. 11–16, Art. 19 und Art. 20 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

106

I.

Überblick ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

107

II.

Form des Vertrages (Art. 11–16 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz der Formfreiheit (Art. 11 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzliche Formvorschriften (Art. 11–15 OR) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Allgemeines zur Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Formzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Textform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Einfache Schriftlichkeit (Art. 13–15 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Qualifizierte Schriftlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Öffentliche Beurkundung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Umfang des Formzwangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung gesetzlicher Formvorschriften (Art. 11 Abs. 2 OR) 3.1 Formungültigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Teilweise Formungültigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Konversion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Haftung für Formungültigkeit . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vertraglich vorbehaltene Form (Art. 16 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Vermutung der Gültigkeitsform (Art. 16 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Vermutung der einfachen Schriftlichkeit (Art. 16 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Änderung und Aufhebung der vertraglich vorbehaltenen Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung der vertraglich vorbehaltenen Form . . . . . . . . .

107 107 107 107 108 108 108 109 109 113 113 114 117 117 120 121 121 122 122 122 123 123 123 124

III.

Inhaltsfreiheit und ihre rechtlichen Schranken (Art. 19 und Art. 20 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz der Inhaltsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Widerrechtlichkeit (Art. 19 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

125 125 126

XVIII

101 102 103 103 104 104 105

Inhaltsverzeichnis

2.1 2.2 2.3

3. 4.

5. 6. 7.

Massgebender Beurteilungszeitpunkt: Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umfang: gesamte schweizerische Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Öffentliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verstoss gegen die öffentliche Ordnung (Art. 19 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sittenwidrigkeit (Art. 19 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Normcharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Kontrollgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Sexueller Bereich? . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Kommerzialisierung eines bestimmten Verhaltens im sozialund berufsethischen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Verstoss gegen vertragliche Rechte Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Zuwendungen zugunsten Vertrauenspersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Leistungsinäquivalenz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Persönlichkeitsrechtswidrigkeit (Art. 19 Abs. 2 OR und Art. 27 Abs. 2 ZGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unmöglichkeit (Art. 20 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen bei Inhaltsverstössen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Nichtigkeit (Art. 20 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Traditionelle Auffassung: starre Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Moderne Sicht: flexible Ungültigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Teilnichtigkeit (Art. 20 Abs. 2 OR) . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Hypothetischer Parteiwille . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Lückenhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Nichtigkeitsabrede und salvatorische Klausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Konversion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

126 126 127 127 127 128 128 129 129 129 130 130 130 131 132 132 133 133 134 135 135 135 136 137 137 137 138 138 139 139 140

§5

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

141

I.

Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

142

II.

Übervorteilung (Art. 21 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit beim Übervorteilten . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 «Ausbeutung» durch die Übervorteilende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

144 144 145 145 145 147

III.

Willensmängel (Art. 23–31 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Irrtum – Wesentlicher Irrtum (Art. 23–27 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Begriff und Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Gemeinsame Voraussetzungen . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Wesentlichkeit des Irrtums . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Keine Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

147 149 149 150 150 151 152

XIX

Inhaltsverzeichnis

1.3

Erklärungsirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1–3 OR; Art. 27 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Error in negotio (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Error in corpore vel in persona (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Error in quantitate (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Übermittlungsirrtum (Art. 27 OR) . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Qualifizierter Motiv- bzw. Grundlagenirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Subjektive und objektive Wesentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Erkennbarkeit des Irrtums für die Irrtumsgegnerin? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Irrtum über zukünftige Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Gleichbehandlung des Rechtsirrtums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Besondere Behandlung blosser Rechnungsfehler (Art. 24 Abs. 3 OR) . . . . . . 2. Absichtliche Täuschung (Art. 28 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Täuschendes Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Täuschungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Kein Rechtfertigungsgrund . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Motivirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Absichtliche Täuschung durch einen Dritten (Art. 28 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Furchterregung (Art. 29–30 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Drohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Widerrechtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. «Gegründete» (begründete) Furcht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

153 153 155 157 157 158 159 159 160 161 162 163 165 166 166 166 167 168 168 169 169 170 171 171 171 172 173 173 174

IV.

Ungültigkeit und andere Wirkungen von erfolgreich geltend gemachten Willensmängeln 1. Ungültigkeitstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Ungültigkeitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Anfechtungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Theorie der geteilten Ungültigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ungültigerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ungültigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Ungültigkeit des Vertrages ex tunc oder ex nunc? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Teilungültigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schadenersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Schadenersatzpflicht des Erklärenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Schadenersatzpflicht der Erklärungsgegnerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

174 174 174 175 175 175 177 179 179 181 183 183 184

V.

Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

184

§6

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

187

I.

Begriff ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

188

II.

Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

188

III.

Rechtslage ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

189

XX

Inhaltsverzeichnis

1. Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

189 190

IV.

Übersicht über die Kontrolle von AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

191

V.

Geltungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorrang von Individualabreden . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ungewöhnlichkeitsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Battle of the Forms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

193 193 193 194 198

VI.

Auslegungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unklarheitenregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Restriktionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

199 199 200 200

VII.

Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verdeckte Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Offene Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Art. 8 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Vorliegen eines Missverhältnisses zwischen vertraglichen Rechten und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Zum Nachteil des Konsumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Öffentliche Ordnung (Art. 19 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

201 201 201 201 202 202 204 205 206 207

VIII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

208

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen im engeren und im weiteren Sinn (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR) . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

210

I.

Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

211

II.

Erfüllung (Art. 68–90 und Art. 114 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff und Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Leistungserbringer (Art. 68 OR) . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Keine persönliche Leistungspflicht des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Erfüllung durch einen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Ausnahme: Persönliche Leistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Leistungsempfängerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Grundsatz: Nur Leistung an die Gläubigerin befreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Pflicht des Schuldners zur Leistung an einen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Recht des Schuldners zur Leistung an einen Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Rechtsschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erfüllungsgegenstand (Art. 69–73 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Grundsatz: Erfüllung mittels Erbringung der geschuldeten Leistung . . . . . . . . . . . . 4.2 Ausnahme: Erfüllung durch Erfüllungssurrogate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Leistung erfüllungshalber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Leistung an Erfüllungs statt . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Bestimmung des Leistungsgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

213 213 213 213 213 214 215 215 215 215 216 216 217 219 219 219 219 220 220

XXI

Inhaltsverzeichnis

a. b. c. d.

Teilzahlung (Art. 69 OR) . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gattungsschuld (Art. 71 OR) . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahlobligation (Art. 72 OR) und Alternativermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmung des Leistungsgegenstands bei Geldforderungen (Art. 84–90 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Beweis der Erfüllung (Art. 88–90 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Erfüllungsort (Art. 74 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Aus Vertrag (Art. 74 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Aus Gesetz (Art. 74 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Erfüllungszeitpunkt und Erfüllungszeitraum (Art. 75–83 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Nach Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Nach der Natur des Rechtsverhältnisses . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Nach besonderer Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Fehlende Übereinkunft (Art. 75 OR) . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Exkurs: Erfüllungszeitpunkt bei Bareinzahlung und Überweisung . . . . . . . . . . . . . . . 7. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

220 221 221

III.

Erlass (Art. 115 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriff .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Zur negativen Schuldanerkennung . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Zum pactum de non petendo . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Zum Verzicht auf künftige Forderungen . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Verfügungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Keine gesetzliche Formvorschrift . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

234 234 235 235 235 236 236 236 236 237 238

IV.

Neuerung (Art. 116–117 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vermutungslage (Art. 116 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sonderregelung beim Kontokorrentverhältnis (Art. 117 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

238 238 238 240 240 241

V.

Vereinigung (Art. 118 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

242 242 242 242

VI.

Verrechnung (Art. 120–126 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung zum Verrechnungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Erfüllbarkeit der Hauptforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Klagbarkeit und Fälligkeit der Verrechnungsforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Gegenseitigkeit der Forderungen . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundsatz: Gegenseitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

243 243 243 244 244 244 245 245

XXII

224 226 228 228 229 230 230 231 231 232 232 232 234

Inhaltsverzeichnis

b. Sonderbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Ausnahme: Keine Gegenseitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Gleichartigkeit der Forderungen . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Kein Ausschluss der Verrechnung . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Durch Gesetz (Art. 125 OR) . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Durch Vertrag (Art. 126 OR) . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Verrechnungserklärung (Art. 124 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wirkungen (Art. 124 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

245 246 247 248 248 249 250 250

VII.

Beendigung von Schuldverhältnissen i.w.S. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übereinkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rücktritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Ordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Ausserordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Clausula rebus sic stantibus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

252 252 252 253 253 254 255 257

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

258

I.

Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

259

II.

Erfüllungsanspruch (specific performance) . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

261

III.

Leistungsunmöglichkeit (Art. 97 Abs. 1 und Art. 119 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff und Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Tatsächliche und rechtliche Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Objektive und subjektive Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Zum Schuldnerverzug (Art. 102 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Zur clausula rebus sic stantibus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Anfängliche objektive Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Anfängliche subjektive Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Nachträgliche objektive und nachträgliche subjektive Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . a. Von der Schuldnerin zu vertretende Unmöglichkeit (Art. 97 Abs. 1 OR) . . b. Von der Schuldnerin nicht zu vertretende Unmöglichkeit (Art. 119 OR) . . 4. Subjektive Unmöglichkeit als Fall des Verzugs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Übersichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Teilunmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

262 262 263 263 263 264 264 264 264 265 266 266 267 267 268 269 270

IV.

Positive Vertragsverletzung (Art. 97 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Schlechterfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

271 271 271 271 272 273

V.

Schadenersatzanspruch gemäss Art. 97 Abs. 1 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Verletzung einer vertraglichen Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

273 273 274

XXIII

Inhaltsverzeichnis

a. Nichterfüllung wegen Leistungsunmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Verletzung einer Unterlassungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Positive Vertragsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Begriff und Differenzhypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Relativierung der Differenzhypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Schadenersatzbemessung . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Kausalzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

275 275 275 275 275 278 281 281 282 285

VI.

Rücktritt vom Vertrag gemäss Art. 97 Abs. 1 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

286

VII.

Übersicht über die Rechtsfolgen der Nicht- bzw. Schlechterfüllung gemäss Art. 97 Abs. 1 OR .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

288

VIII. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

288

IX.

Schuldnerverzug (Art. 102–109 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Nichtleistung trotz Leistungsmöglichkeit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Fälligkeit der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Mahnung oder bestimmter Verfalltag (Art. 102 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Verzug durch Mahnung (Art. 102 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Verzug ohne Mahnung (Art. 102 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Kein Leistungsverweigerungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Einrede des nicht erfüllten Vertrages (Art. 82 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Einrede der Zahlungsunfähigkeit (Art. 83 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Leistung von Verzugszinsen (Art. 104–105 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Ersatz des Verspätungsschadens (Art. 103 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Zufallshaftung (Art. 103 OR) . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Wegfall von Haftungsmilderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gläubigerrechte bei vollkommen zweiseitigen Verträgen (Art. 107–109 OR) . . . . . . . . . . 4.1 Zusätzliche Voraussetzung: Nachfristansetzung (Art. 107–108 OR) . . . . . . . . . . . . . 4.2 Erstes Wahlrecht: Festhalten an der Leistung oder Verzicht auf die Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Zweites Wahlrecht: Schadenersatz wegen Nichterfüllung oder Rücktritt vom Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Drittes Wahlrecht: Austausch- oder Differenztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Übersicht über die Verzugsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

289 289 289 290 290 290 291 292 293 293 294 295 295 296 296 297 297 300

Gläubigerverzug (Art. 91–95 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arten von Mitwirkungshandlungen des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Gehöriges Leistungsangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Verhinderung der Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Bei Sachleistungen (Art. 92–94 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Bei anderen Leistungen (Art. 95 OR) . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Bei Pflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

305 305 305 306 306 307 308 308 308 309 310

X.

XXIV

300 301 304 304

Inhaltsverzeichnis

XI.

Haftung für Hilfspersonen (Art. 101 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt und Zweck der Regelung . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Qualifizierung als Hilfsperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Beizug in Erfüllung einer Schuldpflicht oder zur Ausübung eines Rechts . . . . . . . 2.3 Schadenszufügung im Zusammenhang mit der vertraglichen Verrichtung . . . . . 2.4 Hypothetische Vorwerfbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abgrenzung von Art. 101 OR gegenüber Art. 55 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Prüfschema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

310 310 311 311 312 312 313 314 314 315

XII.

Wegbedingung der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wegbedingung der vertraglichen Haftung (Art. 100 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wegbedingung der Hilfspersonenhaftung (Art. 101 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

315 315 317

§9

Direkte Stellvertretung (Art. 32–40 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

318

I.

Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

318

II.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur indirekten Stellvertretung (Art. 32 Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zur Botenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zur Abschlussvermittlung (Art. 412 ff. und Art. 418a ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zum echten Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 f. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zur Anweisung (Art. 466 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

321 321 321 322 322 322

III.

Arten .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aktive und passive Stellvertretung . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewillkürte und gesetzliche Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bürgerliche und handelsrechtliche Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

323 323 323 324

IV.

Voraussetzungen für das Eintreten der Vertretungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

325

1.

Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Handeln in fremdem Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Ausdrückliche oder konkludente Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 «Handeln für denjenigen, den es angeht» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Vertretungswirkung trotz Handelns in eigenem Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

325 327 327 327 328 328

V.

Insbesondere zu Bevollmächtigung und Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bevollmächtigung (Akt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Grundsatz der Formfreiheit . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vollmacht (Ergebnis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Begriff und Wesen der Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Umfang und Arten der Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Selbstkontrahieren und Doppelvertretung (Insichgeschäfte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Widerruf der Vollmacht durch den Vollmachtgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verzicht der Bevollmächtigten auf die Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Erlöschen der Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Erlöschensgründe gemäss Art. 35 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Weitere Erlöschensgründe . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

329 329 329 329 330 330 331 332 333 334 334 334 335

XXV

Inhaltsverzeichnis

VI.

Insbesondere zur Vertretungsmacht kraft Gutglaubensschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gutglaubensschutz Dritter und «externe Vollmacht» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gutglaubensschutz der Vertreterin . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

335 336 340

VII.

Vertretungswirkung durch nachträgliche Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

340

VIII. Rechtslage bei fehlender Vertretungswirkung . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtslage zwischen Vertretenem und Drittem .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Haftung des Vertretenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Rückerstattungspflicht des Vertretenen . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtslage zwischen Vertreterin und Drittem . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Haftung der Vertreterin (Art. 39 Abs. 1 und Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Rückerstattungspflicht der Vertreterin . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtslage zwischen Vertreterin und Vertretenem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

341 341 341 342 343 343 343 344 344

§ 10

Verträge zugunsten eines Dritten (Art. 112–113 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

345

I.

Begriff und Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

345

II.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Anweisung (Art. 466 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zur Stellvertretung (Art. 32 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und zur Drittschadensliquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

347 347 347 348

III.

Unechter Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

348

IV.

Echter Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Rechtsstellung des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Rechtsstellung des Versprechensempfängers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3. Rechtsstellung der Versprechenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mängel im Valuta- und/oder Deckungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Mangel im Valutaverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Mangel im Deckungsverhältnis . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Doppelmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

349 350 350 351 351 352 352 353 353

V.

Verfügungen zugunsten eines Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dingliche Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schuldrechtliche Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

354 354 354

§ 11

Garantievertrag oder Vertrag zulasten eines Dritten (Art. 111 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

356

I.

Begriff ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

356

II.

Arten ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

357

III.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Bürgschaft (Art. 492 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zur Zusicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zur kumulativen Schuldübernahme . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

358 358 359 359

IV.

Wirkungen .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

359

XXVI

Inhaltsverzeichnis

§ 12

Anweisung (Art. 466–471 OR) und Dokumentenakkreditiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

362

I.

Anweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

362

II.

Arten .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kreditanweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zahlungsanweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anweisung auf Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Titulierte Anweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

365 365 365 365 366

III.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zum Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 f. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zum einfachen Auftrag (Art. 394 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zur Inkassovollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zur Zahlstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zur Besitzanweisung (Art. 924 ZGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

366 366 366 367 367 367

IV.

Wirtschaftliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

367

V.

Valuta-, Deckungs- und Leistungsverhältnis . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Valutaverhältnis (Art. 467/469 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deckungsverhältnis (Art. 468 Abs. 2 und Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Leistungsverhältnis (Art. 468 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

368 368 369 370

VI.

Widerruf der Anweisung (Art. 470 OR) . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenüber der Anweisungsempfängerin (Art. 470 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenüber dem Angewiesenen (Art. 470 Abs. 2 OR) und im bargeldlosen Zahlungsverkehr (Art. 470 Abs. 2bis OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

371

372

Rückabwicklungs- und bereicherungsrechtliche Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mängel im Zusammenhang mit der Anweisung selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Leistung ohne Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Leistung aus weggefallenem Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mängel im Valuta- oder Deckungsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

372 372 372 373 374

VIII. Dokumentenakkreditiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Widerrufliches und unwiderrufliches Dokumentenakkreditiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Bestätigtes und unbestätigtes Dokumentenakkreditiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abstraktheit und Dokumentenstrenge . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Grundsatz der Abstraktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Grundsatz der Dokumentenstrenge . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Ausnahme von Abstraktheit und Dokumentenstrenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

375 375 376 377 377 378 378 379 379 380

VII.

371

§ 13

Haft- und Reugeld, Konventionalstrafe und Wandelpön (Art. 158–163 OR) . . . . . . . . . . . . .

381

I.

Haft- und Reugeld (Art. 158 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffe und Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemeinsamkeiten und Abgrenzungen . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

382 382 383 383

XXVII

Inhaltsverzeichnis

II.

Konventionalstrafe und Wandelpön (Art. 160–163 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arten .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Eintritt der Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wirkungen (Art. 160 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Nicht- oder Schlechterfüllung . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Geltendmachung der Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Geltendmachung der Konventionalstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Vereinbarung einer kumulativen Konventionalstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Nichteinhaltung der Erfüllungszeit oder des Erfüllungsorts (Art. 160 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Exklusive Konventionalstrafe (Art. 160 Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Ungültigkeit und Herabsetzung der Konventionalstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

384 384 386 386 387 388 388 388 388 389 389 390

§ 14

Bedingungen (Art. 151–157 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

393

I.

Begriff ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

393

II.

Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

394

III.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zu den «Rechtsbedingungen» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zu den «Vertragsbedingungen» . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zur Befristung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zu den vorausgesetzten Sachverhalten . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zu den Auflagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

395 395 395 395 395 396

IV.

Arten .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufschiebende und auflösende Bedingungen . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Potestative, kasuelle und gemischte Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Positive und negative Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

397 397 398 398

V.

Bedingungsfeindliche Rechtsgeschäfte und unzulässige Bedingungen (Art. 157 OR) . . . . . 1. Bedingungsfeindliche Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unzulässige Bedingungen (Art. 157 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

399 399 400

VI.

Wirkungen .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Während des Schwebezustands . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Aufschiebende Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Grundregel: Verhalten nach Treu und Glauben (Art. 152 Abs. 1 OR) . . . . . . c. Sicherungsmassnahmen (Art. 152 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Unwirksamkeit von Zwischenverfügungen (Art. 152 Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . 1.2 Auflösende Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Analoge Anwendung von Art. 152 Abs. 3 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bei Eintritt der Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Aufschiebende Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Auflösende Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

400 400 400 400 401 401 401 402 402 403 403 403 403

XXVIII

390 391 391

Inhaltsverzeichnis

3. Bei Ausfall der Bedingung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Aufschiebende Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Auflösende Bedingungen . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

404 404 405

VII.

Handeln wider Treu und Glauben (Art. 156 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

405

§ 15

Abtretung einer Forderung (Art. 164–174 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

407

I.

Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

407

II.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Stellvertretung (Art. 32 ff. OR) . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zum echten Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zur externen Schuldübernahme (Art. 176 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zur Anweisung (Art. 466 ff. OR) . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

408 408 408 408 409

III.

Abtretung als Verfügungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abstrakter oder kausaler Charakter des Verfügungsvertrages? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

409 409 410

IV.

Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfügungsmacht der Zedentin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einhaltung der Formvorschrift (Art. 165 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Verfügungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Verpflichtungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Rückzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abtretbarkeit der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Gestaltungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Gesetzliche Abtretungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Vertragliche Vereinbarung (sog. pactum de non cedendo) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Entgegenstehende Natur des Rechtsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bestimmbarkeit der Forderung . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

412 412 413 413 414 415 415 415 416 417 418 419 420

V.

Abtretung künftiger Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestimmbarkeit künftiger Forderungen . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchgangs- und Unmittelbarkeitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

420 420 421

VI.

Globalzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

422

VII.

Fiduziarische Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

423

VIII. Legalzession und Übergang durch Richterspruch (Art. 166 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

423

IX.

Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Forderungsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übergang von Vorzugs- und Nebenrechten (Art. 170 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

424 424 424

X.

Stellung des Schuldners (Art. 167–169 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notifikation (Art. 167 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prätendentenstreit (Art. 168 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einreden und Einwendungen (Art. 169 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Insbesondere Verrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

425 425 427 428 428 429

XI.

Gewährleistung für die abgetretene Forderung (Art. 171–173 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

430 430

XXIX

Inhaltsverzeichnis

2. 3. 4. 5.

Entgeltliche Abtretung (Art. 171 Abs. 1 und Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unentgeltliche Abtretung (Art. 171 Abs. 3 OR) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abtretung zahlungshalber (Art. 172 OR) und Abtretung an Zahlungs statt . . . . . . . . . . . . «Umfang der Haftung» (Art. 173 OR) . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

430 431 431 432

§ 16

Schuld- und Vertragsübernahme sowie Vertragsbeitritt (Art. 175–183 OR) . . . . . . . . . . . . .

433

I.

Begriff ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

434

II.

Interne Schuldübernahme (Art. 175 OR) . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Übertragbare Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Gültiger interner Schuldübernahmevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wirkungen des internen Schuldübernahmevertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Inter partes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Ausbleibende Befreiung der Schuldnerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

434 434 435 435 436 437 437 437 438 438

III.

Kumulative Schuldübernahme (Schuldbeitritt, Schuldmitübernahme) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Zur externen Schuldübernahme (Art. 176 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Zur Bürgschaft (Art. 492 ff. OR) . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Zum Garantievertrag (Art. 111 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

439 439 440 440 440 441

IV.

Externe (privative) Schuldübernahme (Art. 176–180 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Übertragbare Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Gültiger externer Schuldübernahmevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wirkungen (Art. 178 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dahinfallen des externen Schuldübernahmevertrages (Art. 180 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einreden und Einwendungen (Art. 179 OR) . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Zur Abtretung (Art. 164 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Zur Universalsukzession . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Zum Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 f. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Zur Anweisung (Art. 466 ff. OR) . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

442 442 443 443 443 444 445 446 447 447 448 448 448

V.

Besondere Fälle (Art. 181 und Art. 183 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übernahme eines Vermögens oder eines Geschäfts (Art. 181 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erbteilung und Veräusserung verpfändeter Grundstücke (Art. 183 OR) . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Erbteilung (Art. 639 ZGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Veräusserung verpfändeter Grundstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

449 449 450 450 450

VI.

Vertragsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Vertragsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

450 451 452

VII.

Vertragsbeitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

452

XXX

Inhaltsverzeichnis

2. Kapitel Quasivertragliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

455

§ 17

Übersicht über die quasivertraglichen Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

455

I.

Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

455

II.

Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

457

III.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Berechtigte und unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR) und Gefälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag und Gefälligkeit . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag und Gefälligkeit . . . . . . . . . . 3. Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR) und unentgeltlicher Auftrag (Art. 394 Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Übersicht über die Rechtsfolgen bei Haftung aus Auftrag, Gefälligkeit und Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR) und Stellvertretung (Art. 32 ff. OR) 6. Gefälligkeit und Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Gefälligkeit und Selbstverständlichkeit . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Gefälligkeit und Vertrauenshaftung . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

460 460 462 464 465

468 468 469 470 471

IV.

«Einheitliches gesetzliches Schutzverhältnis»? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

473

§ 18

Culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

474

I.

Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

475

II.

Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

476

III.

Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutzwürdiges Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Pflicht zu ernsthaftem Verhandeln; Nichterfüllen von Formvorschriften . . . . . . . 3.2 Aufklärungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Pflicht zur Rücksichtnahme . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Pflicht zum Schutz vertragsfremder Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verschulden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

477 478 478 479 479 480 481 481 482 483 483

466

IV.

Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

484

V.

Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

485

§ 19

Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

486

I.

Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

486

II.

Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

487

III.

Voraussetzungen und Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nahestehen bzw. Leistungsnähe von Gläubiger und Drittem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutzwürdiges Interesse des Gläubigers am Einbezug des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

489 490 491

XXXI

Inhaltsverzeichnis

3. Erkennbarkeit für die Schuldnerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erfüllen der spezifischen Haftungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

492 493

IV.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zum Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 f. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zur Drittschadensliquidation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

493 493 493

§ 20

Echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419–422 und Art. 424 OR) . . . .

495

I.

Begriff ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

495

II.

Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auftragslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fremdes Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fremdgeschäftsführungswille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gebotenheit (Art. 422 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

497 497 499 500 501

III.

Ansprüche der Geschäftsführerin (Art. 422 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verwendungsersatz inklusive Zinsen bzw. Wegnahme (Art. 422 Abs. 1 und Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Befreiung von Verbindlichkeiten (Art. 422 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schadenersatz (Art. 422 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

502

IV.

503 503 504 504

Pflichten der Geschäftsführerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsführung im Interesse des Geschäftsherrn (Art. 419 und Art. 422 Abs. 2 OR) und Treuepflicht im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ablieferungs-, Auskunfts- und Rechenschaftspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schadenersatz (Art. 420 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

505 506 506 507

V.

Verjährung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

508

§ 21

Haftung bei Gefälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

509

I.

Begriff ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

509

II.

Vertrag oder Gefälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

510

III.

Quasikontraktuelle Haftung bei Gefälligkeiten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

511

IV.

Haftung des Gefälligkeitsempfängers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

513

V.

Haftung der Gefälligkeitserbringerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

516

VI.

Gefälligkeit und Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

519

§ 22

Vertrauenshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

523

I.

Begriff ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

523

II.

Rechtsnatur .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

527

III.

Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. «Rechtliche Sonderverbindung» bzw. Näheverhältnis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit eines Vertragsschlusses? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Begründung schutzwürdigen Vertrauens . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Treuwidrige Enttäuschung des Vertrauens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Weitere Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

529 530 533 534 535 536

XXXII

Inhaltsverzeichnis

IV.

Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

536

V.

Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

536

3. Kapitel Ausservertragliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

539

§ 23

Ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62–67 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

539

I.

Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

540

II.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zum vertraglichen bzw. ausservertraglichen Schadenersatzanspruch (Art. 97 Abs. 1 bzw. Art. 41 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zu den Ansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR) . . . . . . . . . . . .

540

III.

Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entreicherung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fehlende Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

541 542 543 544

IV.

Arten .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Leistungskondiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Leistung ohne gültigen Grund (condictio sine causa) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Leistung aus nicht verwirklichtem Grund (condictio ob causam futuram oder condictio causa data causa non secuta) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Leistung aus nachträglich weggefallenem Grund (condictio ob causam finitam) 2. Eingriffskondiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

544 545 545

Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstand des Bereicherungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umfang des Bereicherungsanspruchs (Art. 64–65 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kein Anspruch auf Rückerstattung der Bereicherung (Art. 63 und Art. 66 OR) . . . . . . 3.1 Freiwillige und irrtumsfreie Bezahlung einer Nichtschuld (Art. 63 Abs. 1 OR) 3.2 Erfüllung einer verjährten Schuld oder einer sittlichen Pflicht (Art. 63 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Herbeiführung eines rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolgs (Art. 66 OR) . . . 4. Verjährung (Art. 67 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

549 549 550 552 552

VI.

Rückabwicklung von synallagmatischen Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

555

VII.

Ungerechtfertigte Bereicherung im Dreipersonenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

557

VIII. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

558

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

560

I.

Charakteristik der ausservertraglichen Haftpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Zur vertraglichen Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Zu den quasivertraglichen Haftungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Zur ungerechtfertigten Bereicherung (Art. 62 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

561 561 561 563 563 564 564

V.

540 541

546 547 547

553 553 554

XXXIII

Inhaltsverzeichnis

II.

III.

Allgemeiner Haftungstatbestand (Art. 41 OR) . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Schadensberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Schadensarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Personen-, Sach- und übriger Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Versorgerschaden (Art. 45 Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Reflex- oder Drittschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Normativer Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Kommerzialisierungs- und Frustrationsschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Schadenersatzbemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Reduktionsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Neutralisation von Reduktionsgründen bei der Kausalhaftung . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Abgrenzung zur Genugtuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Begriff der Genugtuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Genugtuung bei Tötung oder Körperverletzung (Art. 47 OR) . . . . . . . . . . . . . . . c. Genugtuung bei Persönlichkeitsverletzung (Art. 49 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Bemessung der Genugtuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6 Abgrenzung zum Affektionswertersatz bei Haustieren (Art. 43 Abs. 1bis OR) . . 2. Kausalzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Natürlicher Kausalzusammenhang . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Adäquater Kausalzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Kausalzusammenhang bei Unterlassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Unterbrechung des Kausalzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Ursachenkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Kumulative Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Alternative Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Überholende und hypothetische Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Rechtmässiges Alternativverhalten . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Widerrechtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Verletzung eines absoluten Rechts (Erfolgsunrecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Verletzung einer Schutznorm (Verhaltensunrecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Subsidiär: Sittenwidrigkeit (Art. 41 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Notwehr und Notstand (Art. 52 Abs. 1 und Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Selbsthilfe (Art. 52 Abs. 3 OR) . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Einwilligung der Geschädigten . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Objektive Komponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Subjektive Komponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Urteilsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Ausnahme: (Billigkeits-)Haftung bei fehlender Urteilsfähigkeit (Art. 54 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

565 565 565 566 567 567 570 571 572 574 575 575 579 579 579 581 582 582 583 583 584 584 585 585 586 587 587 588 588 589 590 590 591 593 595 596 596 597 597 599 599 600 600 600 603 603

Mehrheit von Schädigern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

606 606

XXXIV

605

Inhaltsverzeichnis

2. 3. 4. 5.

Echte Solidarität (Art. 50 OR) . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mehrtypische unechte Solidarität (Art. 51 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eintypische unechte Solidarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Persönliche Herabsetzungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

607 608 610 610

IV.

Geschäftsherrenhaftung (Art. 55 OR) . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung zur Hilfspersonenhaftung (Art. 101 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Subordinationsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Geschäftliche Verrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Entlastungsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Sorgfaltsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Beweis des fehlenden Kausalzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verhältnis zu anderen Kausalhaftungen . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

612 612 612 612 612 613 614 614 616 616

V.

Tierhalterhaftung (Art. 56 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Passivlegitimation: Tierhalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Tier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entlastungsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Sorgfaltsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Beweis des fehlenden Kausalzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

617 617 617 617 619 619 619 620

VI.

Werkeigentümerhaftung (Art. 58 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Passivlegitimation: Werkeigentümer .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Von Menschenhand geschaffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Mit dem Erdboden verbunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Mangelhaftigkeit des Werks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entlastungsbeweis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

620 620 620 621 622 623 624 624 626

VII.

Haftung des Familienhaupts (Art. 333 ZGB) . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Passivlegitimation: Familienhaupt . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Hausgenosse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entlastungsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Sorgfaltsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Beweis des fehlenden Kausalzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

626 626 626 626 627 628 628 628

VIII. Grundeigentümerhaftung (Art. 679–679a ZGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Aktivlegitimation: «Nachbarin» . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Passivlegitimation: Grundeigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Überschreitung des Eigentumsrechts .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Zur Widerrechtlichkeit im Besonderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zur Werkeigentümerhaftung (Art. 58 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

629 629 629 629 629 630 632 632

XXXV

Inhaltsverzeichnis

IX.

Produktehaftung (PrHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Passivlegitimation: Hersteller (Art. 2 PrHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Tatsächlicher Hersteller . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Quasi-Hersteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Importeur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Lieferant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Ersatzfähiger Schaden (Art. 1 PrHG) . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Personenschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Sachschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Nicht ersatzfähig: Schaden am Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Fehlerhaftes Produkt (Art. 3 f. PrHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Produkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Fehlerhaftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entlastungsgründe (Art. 5 PrHG) . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Fehlende Inverkehrbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Keine Fehlerhaftigkeit bei Inverkehrbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Fehlende gewerbliche Herstellung . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Verbindliche, hoheitliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Nach dem Stand der Wissenschaft und Technik nicht erkennbare Fehler . . . . . . . 3.6 Spezifische Entlastungsgründe des Herstellers eines Teilprodukts oder Grundstoffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wegbedingung der Haftung (Art. 8 PrHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verjährung und Verwirkung (Art. 9–10 PrHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Abgrenzung zur Sachgewährleistung (Art. 197 ff. bzw. Art. 368 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . .

632 632 633 633 633 634 634 634 635 635 635 636 636 636 637 639 639 639 640 640 640

X.

Haftung des Motorfahrzeughalters (Art. 58 Abs. 1 SVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Aktivlegitimation: Kreis der geschädigten Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Passivlegitimation: Motorfahrzeughalter .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Personen- oder Sachschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Motorfahrzeug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entlastungsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Versicherungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

642 642 642 643 643 644 644 645 646 646 647

§ 25

Echte unberechtigte und unechte Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

648

I.

Echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ansprüche der Geschäftsführerin . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ansprüche des Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

649 649 649 650 650

II.

Unechte Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unechte bösgläubige Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 423 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Voraussetzungen (Art. 423 Abs. 1 OR) . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

651 651 653 654

XXXVI

641 641 641 642

Inhaltsverzeichnis

a. Eingriff in eine fremde Rechtssphäre ohne Fremdgeschäftsführungswillen b. Widerrechtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Keine Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Bösgläubigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Erzielung eines (kausalen) Gewinns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Anspruch des Geschäftsherrn auf Gewinnherausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Nebenanspruch des Geschäftsherrn auf Auskunft und Rechenschaft . . . . . . . c. Schadenersatzanspruch des Geschäftsherrn gegenüber der Geschäftsführerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Ansprüche der Geschäftsführerin (Art. 423 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Verjährung des Gewinnherausgabeanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unechte gutgläubige Geschäftsführung ohne Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

654 656 657 657 657 658 658 658 659 659 659 660

III.

Genehmigung (Art. 424 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

661

IV.

Konkurrenzen hinsichtlich der Ansprüche des Geschäftsherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 423 OR und Art. 97 ff. OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art. 423 OR und Art. 62 ff. OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Art. 423 OR und Art. 41 ff. OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Art. 41 ff. OR und Art. 62 ff. OR . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Geschäftsführung ohne Auftrag und sachenrechtliche Besitz- und Ausgleichsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

662 663 664 665 666 666

4. Kapitel Verjährung und Solidarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

669

§ 26

Verjährung (Art. 60, Art. 67 und Art. 127–142 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

669

I.

Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

670

II.

Abgrenzung zur Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

670

III.

Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstand der Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Grundsatz: Forderungen verjähren . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Ausnahme: Unverjährbare Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verjährungsfristen bei Verträgen (Art. 127 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Ordentliche Verjährungsfrist: Zehn Jahre (Art. 127 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Ausserordentliche Verjährungsfrist: Fünf Jahre (Art. 128 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Ausserordentliche Verjährungsfrist für Forderungen aus Personenschäden (Art. 128a revOR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verjährungsfristen bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung (Art. 60 OR) . . . . . . . . . . 3.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Relative Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Absolute Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Ausserordentliche Frist: Anspruch aus strafbarer Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verjährung von Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beginn der Verjährung (Art. 130 und Art. 131 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Grundsatz: Beginn mit Fälligkeit (Art. 130 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

671 671 671 672 672 672 673 673 677 678 678 679 680 681 683 683 683 684

XXXVII

Inhaltsverzeichnis

a. Kündbarkeit und Kündigung (Art. 130 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Leibrenten und ähnliche periodische Leistungen (Art. 131 OR) . . . . . . . . . . . . . «Unabänderlichkeit der Fristen» (Art. 129 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verjährungsverzicht (Art. 141 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinderung und Stillstand der Verjährung (Art. 134 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterbrechung der Verjährung (Art. 135–138 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Unterbrechungshandlungen des Schuldners (Art. 135 Ziff. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Unterbrechungshandlungen der Gläubigerin (Art. 135 Ziff. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Wirkungen (Art. 136 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

684 686 687 687 691 692 692 692 693

IV.

Wirkungen .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

695

§ 27

Mehrheit von Schuldnern und Gläubigerinnen (Art. 70 und Art. 143–150 OR) . . . . . . . . .

696

I.

Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

696

II.

Mehrheit von Schuldnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Teilschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gemeinschaftliche Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mehrere Schuldner bei einer unteilbaren Leistung (Art. 70 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . .

697 697 698 698 699

III.

Solidarschuld im Besonderen (Art. 70 Abs. 3 und Art. 148 f. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begründung (Art. 143 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aussenverhältnis (Art. 144–147 OR) . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Forderungsrecht der Gläubigerin . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Einreden und Einwendungen des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Innenverhältnis (Art. 70 Abs. 3 und Art. 148–149 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Echte und unechte Solidarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

702 702 702 704 704 704 708 710

IV.

Mehrheit von Gläubigerinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Teilgläubigerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzelgläubigerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Solidargläubigerschaft (Art. 150 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Übrige Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gemeinschaftliche Gläubigerschaft . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gläubigerschaft bei unteilbaren Leistungen (Art. 70 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

712 712 713 713 713 714 715

5. Kapitel Nominatverträge ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

719

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

719

I.

Kauf ........... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

721

II.

Charakteristik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Trennung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirkungen eines ungültigen Verpflichtungsgeschäfts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Synallagma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

722 722 722 723

III.

Arten ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fahrniskauf (Art. 187–215 OR) und Grundstückkauf (Art. 216–221 OR) . . . . . . . . . . . . .

724 724

6. 7. 8. 9.

XXXVIII

Inhaltsverzeichnis

2. 3. 4. 5.

Kauf nach Muster (Art. 222 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kauf auf Probe (Art. 223–225 OR) . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorauszahlungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steigerungskauf (Art. 229–236 OR) . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Online-Auktionen im Besonderen . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sukzessivlieferungskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kauf auf Abruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezifikationskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Platzkauf, Fernkauf und Versendungskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Barkauf, Kreditkauf (Postnumerandokauf) und Pränumerandokauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haustürgeschäfte und ähnliche Verträge (Art. 40a–40f OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kulturgüterkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stückkauf und Gattungskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bürgerlicher Kauf und Handelskauf . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorkaufs-, Kaufs- und Rückkaufsrechte . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1 Vorkaufsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2 Kaufs- und Rückkaufsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

725 725 726 726 726 728 729 729 729 730 731 731 732 732 733 734 734 736

IV.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zum Tauschvertrag (Art. 237 f. OR) und zur Schenkung (Art. 239 ff. OR) . . . . . . . . . . . . 2. Zu den Gebrauchsüberlassungs- und Arbeitsleistungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zum Werkvertrag (Art. 363 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

737 737 738 738

V.

Zustandekommen des Kaufvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

739

VI.

Gültigkeit des Kaufvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz der gesetzlichen Formfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Öffentliche Beurkundung . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Umfang des Formzwangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Formmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

739 739 740 740 740 741 742

VII.

Pflichten der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hauptpflichten der Verkäuferin (Art. 184 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Kaufgegenstand (Art. 184 OR) . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Bestimmtheit und Bestimmbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Sachgesamtheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Sonstige wirtschaftliche und faktische Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Rechtsgesamtheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 «Übergabe» des Kaufgegenstands (Art. 184 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 «Eigentumsverschaffung» (Art. 184 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Eigentumsverschaffung an Fahrnissachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Eigentumsverschaffung an Grundstücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Verschaffung von unbeschwertem Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Verschaffung der Inhaberschaft an Rechten, Immaterialgütern etc. . . . . . . . . .

742 742 742 743 743 743 744 744 745 745 746 747 747 747 748 748

6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15.

XXXIX

Inhaltsverzeichnis

2. Hauptpflichten des Käufers (Art. 184, Art. 211–215 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Zahlung des Kaufpreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Begriff (Art. 184 und Art. 211 OR) . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Bestimmtheit und Bestimmbarkeit (Art. 184 Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Erfüllungssurrogate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Annahme der Kaufsache? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nebenpflichten der Verkäuferin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nebenpflichten und Obliegenheiten des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Nebenpflichten des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Obliegenheiten des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Untersuchung der Kaufsache und Anzeige von Mängeln (Art. 201 OR) . . . c. Abrufs- und Bestimmungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Annahme des Kaufgegenstands? . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

749 749 749 749 750 750 751 751 751 752 753 753 753 753 753 753 754

VIII. Leistungsstörungen beim Kaufvertrag . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erfüllungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nachträgliche zu vertretende Unmöglichkeit . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Durch die Verkäuferin (Art. 97 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Durch den Käufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nachträgliche nicht zu vertretende Unmöglichkeit (Gefahrtragung gemäss Art. 119 und Art. 185 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Preisgefahr und systematischer Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Restriktive Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Gefahrtragung beim Stückkauf (Art. 185 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Gefahrtragung beim Gattungskauf (Art. 185 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Holschuld (Platzkauf) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Bringschuld (Fernkauf) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Schickschuld (Versendungs- oder Distanzkauf) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Zusammenfassung: Übergang der Gefahr bei Stück- und Gattungskauf . . . . . . . . 4.5 Gefahrtragung beim bedingten Kaufvertrag (Art. 185 Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Gefahrtragung bei Wandlung des Kaufvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7 Gefahrtragung beim Grundstückkauf (Art. 220 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Anfängliche Leistungsunmöglichkeit der Verkäuferin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Begriff und Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Anfängliche objektive Leistungsunmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Anfängliche subjektive Leistungsunmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Schuldnerverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Verzug der Verkäuferin (Art. 190–191 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Im kaufmännischen Verkehr (Art. 190–191 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Anwendungsbereich von Art. 190–191 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Wirkungen von Art. 190–191 OR . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

754 754 755 755 755 756

XL

756 756 756 757 758 758 758 759 761 761 762 763 763 764 764 765 765 765 765 765 766 767 767 767 768 769

Inhaltsverzeichnis

IX.

X.

d. Schadenersatzpflicht (Art. 191 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Schadensberechnung (Art. 191 Abs. 2 und Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Im nicht kaufmännischen Verkehr (Art. 102 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Verzug des Käufers (Art. 214–215 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Verzugszinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Rücktrittsrecht der Verkäuferin beim Pränumerando- und beim Barkauf (Art. 214 Abs. 1 und Abs. 2 OR) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Rücktrittsrecht der Verkäuferin beim Kreditkauf (Art. 214 Abs. 3 OR) . . . . . e. Schadenersatzpflicht wegen Nichterfüllung und Schadensberechnung (Art. 215 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Positive Vertragsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Gewährleistung und Schlechterfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Verletzung vertraglicher Nebenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

770 771 772 772 772 773

Rechtsgewährleistung (Art. 192–196a OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung zur Sachgewährleistung (Art. 197–210 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Beim Fahrniskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Anvertraute Sachen . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Abhandengekommene Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Beim Rechtskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Beim Grundstückkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Vorliegen eines Rechtsmangels im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (Art. 192 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Keine Mangelkenntnis des Käufers bei Vertragsschluss (Art. 192 Abs. 2 OR) . . 4.4 Übergabe des Kaufgegenstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Entwehrung des Kaufgegenstands . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Keine vertragliche Haftungsbeschränkung (Art. 192 Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7 Kein Ablauf der Verjährungsfrist (Art. 127 und Art. 196a OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verfahren (Art. 193–194 OR und Art. 78 ff. ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ansprüche aus Rechtsgewährleistung (Art. 195–196 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Bei vollständiger Entwehrung (Art. 195 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Bei teilweiser Entwehrung (Art. 196 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

777 777 777 777 777 777 778 778 779 779 779 780 780 781 781 782 782 782 783 783 784 785

Sachgewährleistung (Art. 197–210 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Beim Fahrniskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Beim Stückkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Beim Gattungskauf . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Beim Grundstückkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Beim Forderungskauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Vorliegen eines Sachmangels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

785 785 785 785 785 786 787 787 787 787 788 788

773 774 775 776 776 776

XLI

Inhaltsverzeichnis

4. 5.

6.

7.

XLII

b. Fehlen zugesicherter Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Wert der Kaufsache oder Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch ist aufgehoben oder erheblich vermindert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Vorliegen des Sachmangels vor dem Zeitpunkt des Gefahrenübergangs . . . . . . . . 3.4 Keine Mangelkenntnis des Käufers bei Vertragsschluss (Art. 200 OR) . . . . . . . . . . . 3.5 Rechtzeitiges Erheben der Mängelrüge (Art. 201 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Untersuchungsobliegenheit («Prüfung») . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Rügeobliegenheit («Anzeige») . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Genehmigung offener und versteckter Mängel (Art. 201 Abs. 2 und Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Wahrung der Fristen (Art. 210 und Art. 219 Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Bewegliche Sachen (Art. 210 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Spezialfall: Integration in ein unbewegliches Werk (Art. 210 Abs. 2 OR) . . d. Kulturgüter (Art. 210 Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Grundstückkauf (Art. 219 Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h. Verkürzung der Frist durch Parteivereinbarung (Art. 210 Abs. 4 OR) . . . . . . i. Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Keine vertragliche Haftungsbeschränkung (Art. 199 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Schranken der vertraglichen Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Verhältnis zu Art. 100 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Verhältnis zu Art. 41 Abs. 1 OR und zur Irrtumsanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansprüche aus Sachgewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wandlung (Art. 205 und Art. 207–209 OR) . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Vertragliches Rückabwicklungsverhältnis (Art. 208 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Zufälliger Untergang (Art. 207 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Aufbewahrung bzw. Notverkauf (Art. 204 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Rücktransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Schadenersatz (Art. 208 Abs. 2 und Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Minderung (Art. 205 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Grundsatz: Freie Wahl (Art. 205 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Ausnahmen (Art. 205 Abs. 2 und Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Berechnung (relative Methode) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Schadenersatz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachbesserung und Ersatzlieferung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Nachbesserung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Ersatzlieferung von Gattungsware (Art. 206 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Unterbrechung der Verjährung . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

788 791 793 793 794 794 795 796 797 797 797 797 797 799 799 800 800 801 802 802 802 804 805 806 807 807 807 808 808 808 809 809 810 811 811 811 815 815 815 815 816 816 817 817 817 818 818

Inhaltsverzeichnis

8. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Schlechterfüllung (Art. 97 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Unerlaubte oder sittenwidrige Handlung (Art. 41 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Irrtum (Art. 23 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

819 819 820 820

XI.

Tausch (Art. 237–238 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Rechtsgewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Sachgewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

821 821 821 822 822 822

§ 29

UN-Kaufrecht (CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

823

I.

Begriff .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

824

II.

Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich (Art. 1 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Kaufverträge (Art. 1 Abs. 1 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Werklieferungsverträge (Art. 3 Abs. 1 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Ausnahmen (Art. 2 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Konsumverträge (Art. 2 lit. a CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Versteigerungen und Zwangsvollstreckungen (Art. 2 lit. b und lit. c CISG) c. Kauf von Wertpapieren, Zahlungsmitteln, Schiffen, Flugzeugen und Elektrizität (Art. 2 lit. d–f CISG) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zeitlicher Anwendungsbereich (Art. 100 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kein vertraglicher Ausschluss (Art. 6 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

824 825 826 826 827 828 828 828 829 830 830

III.

Nicht erfasste Regelungsbereiche (Art. 4–5 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gültigkeit des Vertrages (Art. 4 lit. a CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigentum (Art. 4 lit. b CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Personenschäden (Art. 5 CISG) . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Weitere vom CISG nicht geregelte Bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

831 832 833 834 834

IV.

Abschluss des Vertrages (Art. 14–24 und Art. 8 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Angebot (Art. 14–17 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Zugangsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Bestimmung oder Bestimmbarkeit von Ware, Menge und Preis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Widerruf des Angebots (Art. 16 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Annahme (Art. 18–22 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Gegenangebot (Art. 19 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Rücknahme der Annahme (Art. 22 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auslegung (Art. 8 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

835 835 835 835 835 837 837 837 837 838 838 838

V.

Form (Art. 11–13 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

839

VI.

Pflichten der Verkäuferin (Art. 30–52 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Lieferung der Ware und Übergabe der Dokumente (Art. 30–34 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Liefermodalitäten (Art. 31–32 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Lieferzeitpunkt bzw. -zeitraum (Art. 33 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

840 840 840 841

XLIII

Inhaltsverzeichnis

VII.

2. Vertragsmässigkeit der Ware (Art. 35 ff. CISG) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Subjektiver Fehlerbegriff (Art. 35 Abs. 1 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Subsidiäre Bestimmung der Vertragsmässigkeit (Art. 35 Abs. 2 CISG) . . . . . . . . . . a. Gewöhnlicher Gebrauchszweck (Art. 35 Abs. 2 lit. a CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Besonderer Gebrauchszweck (Art. 35 Abs. 2 lit. b CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Probe oder Muster (Art. 35 Abs. 2 lit. c CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Verpackung bzw. Behältnis (Art. 35 Abs. 1 und Abs. 2 lit. d CISG) . . . . . . . . . 3. Verschaffen von unbelastetem Eigentum (Art. 41 ff. CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

841 842 843 843 844 844 844 844

Pflichten des Käufers (Art. 53–60 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bezahlung des Kaufpreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Modalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Fälligkeit (Art. 58 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Zahlungsort (Art. 57 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Annahme der Ware (Art. 60 CISG) . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

845 845 845 845 846 847

VIII. Gefahrtragung (Art. 66–70 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

847

IX.

Leistungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wesentliche Vertragsverletzung (Art. 25 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Allgemeine Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Wesentlicher Nachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Voraussehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Vertragsverletzungen seitens der Verkäuferin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Vertragsverletzungen seitens des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsbehelfe bei Vertragsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Rechtsbehelfe des Käufers (Art. 45–52 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Erfüllung, Ersatzlieferung und Nachbesserung (Art. 46 CISG) . . . . . . . . . . . . . . b. Nachfrist (Art. 47 CISG) . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Vertragsaufhebung (Art. 49 CISG) . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Herabsetzung (Art. 50 CISG) . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Schadenersatz (Art. 45 Abs. 1 lit. b CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Besonderheiten bei Sachmängeln . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Rechtsbehelfe der Verkäuferin (Art. 61–65 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Erfüllung (Art. 62 CISG) . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Nachfrist (Art. 63 CISG) . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Vertragsaufhebung (Art. 64 CISG) . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Schadenersatz (Art. 61 Abs. 1 lit. b CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Nacherfüllungsrecht (Art. 48 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Schadenersatz (Art. 74–77 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Voraussehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Natürlicher Kausalzusammenhang . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Befreiungen (Art. 79–80 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Zinsen (Art. 78 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

848 848 849 849 850 850 850 851 852 852 852 853 854 855 855 856 857 857 858 858 858 858 859 859 860 861 861 862

§ 30

Schenkung (Art. 239–252 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

863

I.

Begriff ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

863

II.

Arten ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schenkungsversprechen und Handschenkung . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedingte Schenkung und Schenkung unter Auflage (Art. 245–247 OR) . . . . . . . . . . . . . . . .

863 863 864

XLIV

Inhaltsverzeichnis

3. Zweckschenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schenkung mit Rückfallsrecht (Art. 247 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gemischte Schenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

865 865 866

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Erfüllung einer unklagbaren Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zur Schenkung auf den Todesfall (Verfügung von Todes wegen; Art. 245 Abs. 2 OR) 3. Zur Gefälligkeit, Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA; Art. 419 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . 4. Zur unentgeltlichen Dienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zum Verzicht auf ein noch nicht erworbenes Recht, Nichtgeltendmachen eines Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

867 867 868 868 869

IV.

Charakteristik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen beim Schenker und bei der Beschenkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Gegenleistung der Beschenkten . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zuwendung aus dem Vermögen des Schenkers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

870 870 870 871 871 872

V.

Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechte der Beschenkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Widerrufsrecht des Schenkers . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Bei bereits vollzogener Schenkung (Art. 249 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Vor Erfüllung des Schenkungsversprechens (Art. 250 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Weitere Widerrufsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Form und Frist (Art. 251 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

872 872 874 874 875 875 875

VI.

Anfechtung und Widerruf durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Widerrufsrecht der Erben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schenkungspauliana . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

876 876 876 877

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

878

I.

Begriff .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Miete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mögliche Mietobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Bewegliche Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Unbewegliche Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Wohnräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Geschäftsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Einstellplätze und ähnliche Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

880 880 880 881 882 882 884 884

II.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Pacht (Art. 275 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zur Gebrauchsleihe (Art. 305 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zum Darlehen (Art. 312 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zur Hinterlegung (Art. 472 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zum Kauf (Art. 184 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zum Konsumkreditvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zu Innominatverträgen mit mietrechtlichem Einschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

884 884 885 885 885 885 886 886

III.

869

XLV

Inhaltsverzeichnis

III.

Abschluss des Mietvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Vermieterin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Mietzins (Art. 257 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Mietobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Grenzen der Vertragsgestaltung . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Koppelungsgeschäft (Art. 254 OR) . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Verbot abweichender Vereinbarungen zum Nachteil des Mieters (Art. 256 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vertragsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

888 888 888 889 890 890 890 891 891

Pflichten der Vermieterin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hauptpflichten (Art. 256 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Übergabe der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Gebrauchstauglichkeit der Mietsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nebenpflichten und Obliegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Auskunftspflichten (Art. 256a und Art. 257b Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Tragung von Lasten und Abgaben (Art. 256b OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Ordnungsgemässe Behandlung der vom Mieter geleisteten Sicherheiten (Art. 257e OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Anforderungen an die Mietkaution . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Durchsetzung und Verfahren . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4. Prüfungs- und Rügeobliegenheit bei Rückgabe der Sache (Art. 267a OR) . . . . . . 2.5. Weitere Nebenpflichten und Obliegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

893 893 893 894 895 895 895

V.

Pflichten des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hauptpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Zahlung des Mietzinses (Art. 257 OR) . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2. Rückgabe der Sache (Art. 267 OR) . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nebenpflichten und Obliegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Zahlung von Nebenkosten (Art. 257a f. OR; Art. 4 ff. VMWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Leistung von Sicherheiten (Art. 257e OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Sorgfalt und Rücksichtnahme (Art. 257f OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Meldepflicht (Art. 257g OR) . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Duldungspflicht (Art. 257h OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Notwendige Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Besichtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Durchsetzung und Vorgehen der Vermieterin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Kleiner Unterhalt (Art. 259 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

898 898 898 899 899 900 901 902 904 905 905 905 906 907

VI.

Leistungsstörungen aufseiten der Vermieterin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechte des Mieters bei Leistungsunmöglichkeit der Vermieterin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1. Leistungsunmöglichkeit vor Beginn der Miete bzw. Übergabe der Mietsache . . 1.2. Leistungsunmöglichkeit nach erfolgter Übergabe der Mietsache bzw. während der Mietdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechte des Mieters bei Verzug der Vermieterin mit der Übergabe des Mietobjekts (Art. 258 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechte des Mieters bei Schlechterfüllung der Vermieterin (Art. 258–259i OR) . . . . . . . 3.1. Mangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

908 908 908

IV.

XLVI

892 892

896 896 897 897 897 898

910 911 912 912

Inhaltsverzeichnis

a. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Arten und Kategorien von Mängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Bei der Übergabe der Mietsache bestehende Mängel (Art. 258 OR) . . . . . . . . . . . . . 3.3. Während der Mietdauer entstandene Mängel (Art. 259–259a OR) sowie weitere davon erfasste Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Beseitigung des Mangels (Art. 259b–259c OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Herabsetzung des Mietzinses (Art. 259d OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Schadenersatzanspruch (Art. 259e OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Übernahme des Rechtsstreits (Art. 259f OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Hinterlegung des Mietzinses (Art. 259g–259i OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII.

Leistungsstörungen aufseiten des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechte der Vermieterin bei Verzug des Mieters mit der Mietzinszahlung (Art. 257d OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Übernahme der Sache . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Zahlungsrückstand des Mieters . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Ansetzung einer Zahlungsfrist mit Kündigungsandrohung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechte der Vermieterin bei Ausbleiben der Sicherheitsleistung nach Art. 257e OR . . . 3. Rechte der Vermieterin bei mangelnder Sorgfalt und Rücksichtnahme des Mieters (Art. 257f OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Verletzung der Pflicht zur Sorgfalt und Rücksichtnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Schriftliche Mahnung . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Recht der Vermieterin zur Leistungsverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Ausserordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Schadenersatz und Unterlassungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechte der Vermieterin bei Unterlassung der Meldepflicht durch den Mieter (Art. 257g OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechte der Vermieterin bei verspäteter Rückgabe der Mietsache durch den Mieter . .

912 913 914 915 916 918 920 922 922 925 927 927 927 928 928 928 929 930 931 932 932 932 933 934 934 934 935 936 937

VIII. Erneuerungen und Änderungen an der Mietsache (Art. 260–260a OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Durch die Vermieterin (Art. 260 OR) . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Begriff der Änderung oder Erneuerung der Mietsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Zulässigkeit der Änderung oder Erneuerung (Art. 260 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Rücksichtnahme auf die Interessen des Mieters (Art. 260 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . 1.4 Rechte und Pflichten des Mieters während der Änderung oder Erneuerung . . . 2. Durch den Mieter (Art. 260a OR) . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Begriff der Änderung oder Erneuerung der Mietsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Zulässigkeit der Änderung oder Erneuerung (Art. 260a Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . 2.3 Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands (Art. 260a Abs. 2 OR) . . . . . . . . . 2.4 Entschädigungspflicht der Vermieterin (Art. 260a Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

937 937 937 938 939 939 940 940 940 941 941

IX.

942 942 942 943 944

Einbezug Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wechsel der Eigentümerin (Art. 261–261b OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Voraussetzung: Wechsel der Eigentümerin des Mietobjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Rechtsfolge: Übergang des Mietverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Rechte der Vermieterin . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XLVII

Inhaltsverzeichnis

a. Ordentliches Kündigungsrecht . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Ausserordentliches Kündigungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Rechte des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übertragung der Miete von Geschäftsräumen durch den Mieter auf einen Dritten (Art. 263 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Geschäftsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Begehren des Mieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Schriftliche Zustimmung der Vermieterin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Verhältnis zwischen Mieter und Übernehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Verhältnis zwischen Vermieterin und Übernehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Verhältnis zwischen Vermieterin und Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Untermiete (Art. 262 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Voraussetzung: Zustimmung der Vermieterin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Untermiete mit Zustimmung der Vermieterin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Verhältnis zwischen Mieter und Untermieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Verhältnis zwischen Hauptvermieterin und Untermieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Verhältnis zwischen Hauptvermieterin und Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Unzulässige Untermiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Untermiete trotz begründeter Verweigerung der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . b. Untermiete ohne Zustimmung der Vermieterin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Nachträgliche Entstehung eines Verweigerungsgrundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Exkurs: Buchungsplattformen im Internet und die Regeln der Untermiete . . . . . X.

Beendigung des Mietverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufhebungsvertrag (Art. 115 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ordentliche Beendigung bzw. ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses . . . . . . . . . . 3.1 Ablauf der vereinbarten Dauer beim befristeten Mietverhältnis (Art. 266 OR) 3.2. Ordentliche Kündigung (Art. 266a–266f OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Begriff der ordentlichen Kündigung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Kündigungsfristen und -termine . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Folgen der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausserordentliche Kündigung (Art. 266g–266k OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1. Begriff der ausserordentlichen Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2. Gründe für eine ausserordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Wichtiger Grund nach Art. 266g OR .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Konkurs des Mieters (Art. 266h OR) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Tod des Mieters (Art. 266i OR) . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Zahlungsrückstand des Mieters (Art. 257d OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Verletzung der Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflicht (Art. 257f Abs. 3 und Abs. 4 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f. Verletzung der Pflicht zur Mangelbeseitigung (Art. 259b lit. a OR) . . . . . . . . . g. Dringender Eigenbedarf beim Verkauf des Mietobjekts (Art. 261 OR) . . . . . 4.3. Folgen einer ausserordentlichen Kündigung bei Fehlen von Voraussetzungen . 4.4 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Form der Kündigung (Art. 266l–266o OR) . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Im Allgemeinen (Art. 266l OR; Art. 9 VMWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XLVIII

944 944 945 946 947 947 947 947 948 948 948 949 949 950 951 951 951 952 952 952 953 953 954 955 955 956 956 957 957 957 957 958 958 958 958 959 959 960 960 961 961 961 961 961 962 962 962

Inhaltsverzeichnis

5.2 Bei Familienwohnungen (Art. 266m–266nOR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Folgen bei Nichteinhalten der Form (Art. 266o OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustellung der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Bei Familienwohnungen . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Bei Wohngemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückgabe der Mietsache (Art. 267–267a OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Begriff der Rückgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Ort und Zeitpunkt der Rückgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Zustand der Mietsache bei der Rückgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Prüfung der Sache bei der Rückgabe .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorzeitige Rückgabe der Sache (Art. 264 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Zumutbarkeit und Zahlungsfähigkeit des Ersatzmieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Übernahme des Mietvertrages zu den gleichen Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . c. Rückgabe der Mietsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Folgen bei Annahme des Nachmieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Folgen bei Ablehnung des Nachmieters und bei Fehlen eines Ersatzmieters . . . . Haftung des Mieters für am Ende des Mietverhältnisses bestehende Schäden . . . . . . . . . Retentionsrecht der Vermieterin (Art. 268–268b OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Umfang des Retentionsrechts (Art. 268 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3 Durch das Retentionsrecht gedeckte Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

963 963 963 963 964 965 965 965 966 966 966 967 967 967 968 968 968 969 970 971 971 971 971

XI.

Missbrauchsschutz bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen (Art. 269–270e OR) 1. Anwendungsbereich (Art. 253b OR; Art. 2 VMWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

972 972

2.

Missbräuchlicher Mietzins (Art. 269–269a OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Begriff des missbräuchlichen Mietzinses (Art. 269–269a OR; Art. 10 ff. VMWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Berechnung des missbräuchlichen Mietzinses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Absolute Berechnungsmethode . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Relative Berechnungsmethode . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mietzinserhöhung bei unbefristeten Verträgen (Art. 269d OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Voraussetzungen der Mietzinserhöhung (Art. 269d Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Begründung der Mietzinserhöhung (Art. 269d Abs. 1 OR; Art. 20 VMWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Verwendung eines amtlichen Formulars (Art. 269d Abs. 1 OR; Art. 19 VMWG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Einhaltung der Frist . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Nichtigkeit der Mietzinserhöhung (Art. 269d Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Analoge Anwendung auf einseitige Vertragsänderungen (Art. 269d Abs. 3 OR) 4. Mietzinserhöhung bei befristeten Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Anfechtung des Mietzinses (Art. 270–270d OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Anfechtung des Anfangsmietzinses (Art. 270 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Herabsetzung des Mietzinses während der Dauer des Mietverhältnisses (Art. 270a OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

973

6.

7.

8.

9. 10.

973 973 974 974 975 975 975 975 976 976 977 977 977 978 978 978 980 980 980 982

XLIX

Inhaltsverzeichnis

5.3

Anfechtung einer Mietzinserhöhung oder einseitigen Vertragsänderung (Art. 270b OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anfechtung indexierter oder gestaffelter Mietzinse (Art. 270c–270d OR) . . . . . . .

982 982 983 983

Kündigungsschutz bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen (Art. 271–273c OR) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anfechtbarkeit der Kündigung (Art. 271–271a OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erstreckung des Mietverhältnisses (Art. 272–272d OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

984 984 984 984 986 986 987 987 988 989

XIII. Verfahren und besondere verfahrensrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Behördenorganisation und Verfahren im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausweisung im Besonderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

989 989 991

XIV. Pacht (Art. 275–304 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

993

§ 32

Leihe (Art. 305–311 OR) und Darlehen (Art. 312–318 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

995

I.

Allgemeines .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

995

II.

Leihe (Art. 305–311 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Zum Darlehen (Art. 312 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Zur Gefälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Zur Schenkung (Art. 239 ff. OR) . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Zur Miete (Art. 253 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Zur Hinterlegung (Art. 472 ff. OR) . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Zur Nutzniessung (Art. 745 ff. ZGB) . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechte und Pflichten des Entlehners . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Beschränktes Gebrauchsrecht (Art. 306 Abs. 1 und Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Haftung des Entlehners (Art. 306 Abs. 3 und Art. 97 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Unterhaltspflicht (Art. 307 OR) . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Rückgabepflicht nach Gebrauch (Art. 305 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Überlassungspflicht und Haftung der Verleiherin (Art. 305 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beendigung (Art. 309–311 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

996 996 996 996 997 998 998 998 998 999 999 999 1000 1000 1000 1001

III.

Darlehen (Art. 312–318 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Arten ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Befristetes und unbefristetes Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Verzinsliches und unverzinsliches Darlehen (Art. 313 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Sach- bzw. Naturaldarlehen (Art. 312 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Partiarisches Darlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Wertpapierdarlehen (securities lending) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Zur Leihe (Art. 305 ff. OR) und zur Miete (Art. 253 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1003 1003 1003 1003 1003 1004 1004 1005 1005 1005

5.4 XII.

L

Inhaltsverzeichnis

4.

5.

6. 7.

8.

9. 10.

3.2 Zur Gefälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Zur einfachen Gesellschaft (Art. 530 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Zum Kauf (Art. 184 ff. OR) und zur Schenkung (Art. 239 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . Rechte und Pflichten der Darleiherin . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Pflicht zur Übergabe und Überlassung der Darlehensvaluta (Art. 312 OR) . . . . . 4.2 Zinsanspruch (Art. 313 und Art. 314 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Anspruch auf Rückzahlung bzw. Rückerstattung (Art. 312 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Rücktrittsrecht (Art. 316 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechte und Pflichten des Borgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Annahmeobliegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Zahlung von Zinsen und Schutz vor missbräuchlichen Zinssätzen . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Rückerstattungspflicht (Art. 312 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzug der Darleiherin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzug des Borgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Annahmeverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Verzug mit der Rückerstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Verzug mit der Zinszahlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Ordentliche Beendigung . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Ausserordentliche Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geltung des KKG beim Konsumentendarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1005 1006 1006 1007 1007 1007 1007 1007 1008 1008 1009 1010 1010 1011 1011 1012 1012 1012 1013 1013 1015 1015

§ 33

Konsumkreditvertrag (KKG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1017

I.

Begriff (Art. 1 KKG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1018

II.

Geltungsbereich des KKG (Art. 1–8 KKG) . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1018

III.

Entstehung und Gültigkeit des Vertrages (Art. 9–16 KKG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Form- und Inhaltsvorschriften (Art. 9–14 KKG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolge der Verletzung der Inhalts- oder Formvorschrift (Art. 15 KKG) . . . . . . . . . . 3. Widerrufsrecht (Art. 16 KKG) . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1021 1021 1022 1023

IV.

Überschuldungsprävention (Art. 22–32 KKG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1024

V.

Rechte und Pflichten der Parteien (Art. 17–21 KKG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorzeitige Rückzahlung (Art. 17 KKG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verzug des Kreditnehmers (Art. 18 KKG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einreden des Kreditnehmers bei Abtretung (Art. 19 KKG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einrede- bzw. Einwendungsdurchgriff beim Konsumkreditvertrag zum Erwerb von Waren oder Dienstleistungen (Art. 21 KKG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1027 1027 1027 1028

VI.

Werbung für Konsumkredite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1031

§ 34

Werkvertrag (Art. 363–379 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1033

I.

Begriff .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1034

II.

SIA-Norm 118 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1036

III.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zum Kaufvertrag (Art. 184 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zum Auftrag (Art. 394 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zum Arbeitsvertrag (Art. 319 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1037 1037 1038 1039

1029

LI

Inhaltsverzeichnis

IV.

Pflichten und Rechtsstellung des Unternehmers . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hauptpflicht: Herstellung und Ablieferung des Werks (Art. 363 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nebenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Pflicht zu persönlicher Ausführung (Art. 364 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Sorgfaltspflicht (Art. 364 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Pflichten im Umgang mit dem von der Bestellerin gelieferten Stoff (Art. 365 Abs. 2 und Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Treuepflicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verzug des Unternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Ablieferungsverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Herstellungsverzug (Art. 366 Abs. 1 OR) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ersatzvornahme nach Art. 366 Abs. 2 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gewährleistung für Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Voraussetzungen für die Sachgewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Wandlung (Art. 368 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Minderung (Art. 368 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Nachbesserung (Art. 368 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Erstellung eines neuen Werks (Art. 206 Abs. 1 OR analog)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Schadenersatz (Art. 368 Abs. 1 und Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8 Wahrung der Fristen (Art. 371 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Grundregel (Art. 371 Abs. 1 Satz 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Spezialfall: Integration in ein unbewegliches Werk (Art. 371 Abs. 1 Satz 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d. Unbewegliche Werke (Art. 371 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e. Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9 Abtretung von Gewährleistungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.10 Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gewährleistung für Stoffmängel (Art. 365 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1040 1040 1040 1040 1041

V.

Pflichten und Rechtsstellung der Bestellerin (Art. 372–374 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hauptpflicht: Leistung einer Vergütung (Art. 372 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Höhe der Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Bei fester vertraglicher Vereinbarung (Art. 373 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Bei fehlender Preisvereinbarung (Art. 374 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Überschreiten des Kostenansatzes (Art. 375 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sicherung der Werklohnforderung . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1059 1059 1061 1061 1061 1062 1063

VI.

Gefahrtragung (Art. 376 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abweichende Vereinbarungen und Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1063 1063 1064 1065

VII.

Beendigung ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Rechtsbehelfe zugunsten des Unternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Rechtsbehelfe zugunsten der Bestellerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. «Rücktrittsrecht» (Art. 377 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vertragsbeendigung infolge Unmöglichkeit (Art. 378 und Art. 379 OR) . . . . . . . . . . . . . . .

1066 1066 1066 1066 1067 1068

LII

1042 1043 1044 1044 1044 1045 1045 1046 1046 1047 1050 1051 1052 1053 1054 1054 1054 1055 1055 1055 1057 1058 1059 1059

Inhaltsverzeichnis

§ 35

Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1069

I.

Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1070

II.

Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1071

III.

Art. 394 Abs. 2 OR als Auffangtatbestand? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1072

IV.

Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1073

V.

Gültigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1074

VI.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Gefälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zum Werkvertrag (Art. 363 ff. OR) . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zum Arbeitsvertrag (Art. 319 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zur einfachen Gesellschaft (Art. 530 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1074 1075 1076 1076 1077

VII.

Auftrag und Bevollmächtigung (Art. 396 Abs. 2 und Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zusammenspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1077 1077 1078

VIII. Pflichten des Beauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflicht, tätig zu werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Persönliche Leistungspflicht (Art. 398 Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Abgrenzung von Hilfspersonen und Substituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Beizug von Hilfspersonen . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Beizug von Substituten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sorgfaltspflicht (Art. 398 Abs. 1 und Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Weisungsgebundenheit (Art. 397 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Meldepflicht (Art. 397a OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rechenschafts- und Herausgabepflicht (Art. 400 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1079 1079 1079 1079 1080 1082 1082 1084 1087 1089 1090 1091

IX.

Pflichten der Auftraggeberin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vergütung (Art. 394 Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auslagen- und Verwendungsersatz (Art. 402 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Befreiung von Verbindlichkeiten (Art. 402 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schadenersatzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Entgeltlicher Auftrag (Art. 402 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Unentgeltlicher Auftrag (Art. 422 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1095 1095 1096 1097 1098 1098 1100

X.

Legalzession und Aussonderungsrecht (Art. 401 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Legalzession (Art. 401 Abs. 1 und Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aussonderungsrecht im Konkurs (Art. 401 Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1100 1101 1101

XI.

Beendigung des Auftrags (Art. 404–406 OR) . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Jederzeitige Widerruf- bzw. Kündbarkeit (Art. 404 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Art. 404 Abs. 1 OR als zwingende oder dispositive Norm? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Negatives oder positives Interesse (Art. 404 Abs. 2 OR)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. «Erlöschen» des Auftrags (Art. 405–406 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1102 1102 1103 1104 1107 1108

LIII

Inhaltsverzeichnis

§ 36

Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag (Art. 406a–406h OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1110

I.

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1110

II.

Begriff ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1111

III.

Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1112

IV.

Qualifikation als Konsumvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1113

V.

Geltung und Gültigkeit (Art. 406d–406e OR) . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1115

VI.

Pflichten der Beauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1117

VII.

Pflichten des Auftraggebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1117

VIII. Beendigung ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1118

§ 37

Mäklervertrag (Art. 412–418 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1120

I.

Begriff ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1120

II.

Arten .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nachweismäkler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vermittlungsmäkler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zuführungsmäkler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1121 1121 1121 1122

III.

Überblick und Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick über die verschiedenen Vertriebsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zum Agenturvertrag (Art. 418a ff. OR) . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zum Kommissionsvertrag (Art. 425 ff. OR) . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zum einfachen Auftrag (Art. 394 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1122 1122 1123 1124 1124

IV.

Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1125

V.

Entstehung des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1126

VI.

Rechte und Pflichten des Mäklers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mäklerlohn (Art. 413–417 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Vergütungsanspruch (Art. 413 Abs. 1 und Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Höhe der Vergütung (Art. 414 und Art. 417 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Folgegeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Spesenersatz (Art. 413 Abs. 3 OR) . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Mängel des Hauptvertrages: Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch des Mäklers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Handlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sorgfalts- und Treuepflicht (Art. 415 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Doppelmäkelei; Doppelkontrahieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Selbsteintritt des Mäklers; Selbstkontrahieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Pflicht zur persönlichen Ausführung; Untermäkelei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Rechtsfolgen der Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1127 1127 1127 1129 1130 1130

Rechte und Pflichten der Auftraggeberin . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bezahlung des Mäklerlohns und des Aufwendungsersatzes (Art. 413 OR) . . . . . . . . . . . . . 2. Anzeige- und Auskunftspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weisungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1137 1137 1138 1139

VIII. Beendigung ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1139

VII.

LIV

1131 1131 1132 1132 1133 1134 1135 1136

Inhaltsverzeichnis

§ 38

Agenturvertrag (Art. 418a–418v OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1140

I.

Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vermittlungsagent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschlussagent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Agent im Nebenberuf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Versicherungsagent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1140 1141 1141 1141 1142

II.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zu Auftrag, Mäklervertrag und Kommission (Art. 394 ff., Art. 412 ff. und Art. 425 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zum Handelsreisendenvertrag (Art. 347 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zum Alleinvertriebsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1143 1143 1143 1144

III.

Entstehung und Beendigung des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beendigung (Art. 418p ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Zeitablauf (Art. 418p OR) . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Ordentliche Kündigung (Art. 418q OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Ausserordentliche Kündigung (Art. 418r OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Tod, Handlungsunfähigkeit und Konkurs (Art. 418s OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1144 1144 1144 1144 1145 1145 1146

IV.

Pflichten des Agenten (Art. 418c–418d OR) . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflicht zum sorgfältigen Tätigwerden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weisungsbefolgungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Delkredere-Risiko (Art. 418c Abs. 3 OR) . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1146 1146 1147 1148 1148

V.

Rechte des Agenten und Vermutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vermutung der blossen Vermittlungsagentur (Art. 418e OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Recht auf Unterstützung durch die Auftraggeberin (Art. 418f Abs. 1 und Abs. 2 OR) 3. Vermutung der Exklusivität (Art. 418f Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Retentionsrecht (Art. 418o OR) . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Provisionsanspruch (Art. 418g–418l OR) . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Entschädigungsansprüche und zusätzliche Provision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Im Allgemeinen (Art. 418m und Art. 418n OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Inkasso- und Delkredere-Provision (Art. 418c und Art. 418l OR) . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Kundschaftsentschädigung (Art. 418u OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Karenzentschädigung (Art. 418d Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Konkurrenz zwischen Kundschafts- und Karenzentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1149 1149 1149 1150 1151 1151 1153 1153 1153 1153 1155 1158

§ 39

Einkaufs- und Verkaufskommission (Art. 425–438 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1160

I.

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1160

II.

Begriffe .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1160

III.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1162

IV.

Pflichten des Kommissionärs (Art. 426–430 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Persönliche Ausführungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Informationspflichten (Art. 426 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Versicherungspflicht (Art. 426 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Übernahme des Delkredere-Risikos (Art. 429–430 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1163 1163 1163 1164 1164

LV

Inhaltsverzeichnis

5. Treue- und Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Spezialgesetzliche Pflichten des Effektenhändlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1165 1165

V.

Rechte des Kommissionärs (Art. 431–438 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Provision (Art. 432–433 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufwendungsersatz (Art. 431 OR) und Schadenersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Delkredere-Provision (Art. 430 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Retentionsrecht (Art. 434 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1167 1167 1169 1170 1171

VI.

Verkaufskommission im Besonderen . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1172

VII.

Beendigung des Kommissionsvertrages (Art. 404 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1172

VIII. Rechtsübergang nach Art. 425 Abs. 2 i.V.m. Art. 401 OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Legalzession (Art. 425 Abs. 2 i.V.m. Art. 401 Abs. 1 und Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aussonderungsrecht der Kommittentin im Konkurs des Kommissionärs (Art. 425 Abs. 2 i.V.m. Art. 401 Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1173 1173 1174

IX.

Selbsteintritt des Kommissionärs (Art. 436–438 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1175

§ 40

Speditions- und Frachtvertrag (Art. 439–457 OR) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1178

I.

Der Speditionsvertrag (Art. 439 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff und anwendbare Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflichten des Spediteurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechte des Spediteurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Haftung des Spediteurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Ausserhalb des Transports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 In Ausführung des Transports . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zwischenspediteur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Ausserhalb des Transports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 In Ausführung des Transports . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1178 1178 1179 1180 1180 1180 1181 1181 1181 1181 1182

II.

Der Frachtvertrag (Art. 440–457 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Pflichten der Absenderin (Art. 441–442 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Pflichten des Frachtführers (Art. 444–446 und Art. 450 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rolle der Empfängerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Haftung des Frachtführers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Haftung nach Art. 447 ff. OR . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Haftung für Zwischenfrachtführer (Art. 449 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Auftragsrechtliche Haftung (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 398 Abs. 2 und Art. 440 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1182 1182 1183 1184 1184 1185 1186 1186 1186 1189 1189 1190

§ 41

Hinterlegungsvertrag (Art. 472–491 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1191

I.

Begriff ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1191

II.

Arten .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Depositum regulare (Art. 472 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Depositum irregulare (Art. 481 OR) . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1191 1191 1192

LVI

Inhaltsverzeichnis

3. Lagergeschäft (Art. 482–486 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sammelverwahrung/Vermengungsdepot (Art. 484 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sequestration (Art. 480 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1192 1193 1194

III.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur Leihe (Art. 305 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zum Darlehen/Sparkassenvertrag (Art. 312 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zum Auftrag (Art. 394 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zum Speditionsvertrag (Art. 439 OR) . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1194 1194 1194 1195 1195

IV.

Pflichten der Hinterlegerin (Art. 473 OR) . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1195

V.

Pflichten des Aufbewahrers (Art. 472 Abs. 1 und Art. 474–479 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufbewahrungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rückgabe- bzw. Restitutionspflicht (Art. 475–477 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgen der Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1196 1196 1197 1198

VI.

Besonderheiten des Lagergeschäfts (Art. 482–486 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1199

§ 42

Bürgschaftsvertrag (Art. 492–512 OR) . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1200

I.

Begriff .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1200

II.

Arten .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einfache Bürgschaft (Art. 495 OR) . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schadlos- oder Ausfallbürgschaft (Art. 495 Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Solidarbürgschaft (Art. 496 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gemeinsame Mitbürgschaft (Art. 497 Abs. 1–3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Einfache Mitbürgschaft (Art. 497 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Solidarische Mitbürgschaft (Art. 497 Abs. 2 und Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Nebenbürgschaft (Art. 497 Abs. 4 OR) . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Nachbürgschaft (Art. 498 Abs. 1 OR) . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rückbürgschaft (Art. 498 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1201 1201 1202 1202 1202 1203 1203 1204 1204 1204

III.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zur kumulativen Schuldübernahme (Schuldbeitritt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zur bürgschaftsähnlichen Garantie (Art. 111 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zum Kreditauftrag (Art. 408 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zur Wechselbürgschaft (Art. 1020 ff. OR) . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zur Patronatserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1205 1206 1207 1209 1209 1209

IV.

Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Formvorschriften (Art. 493 OR) . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Schriftlichkeit und zahlenmässig bestimmter Höchstbetrag (Art. 493 Abs. 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Öffentliche Beurkundung (Art. 493 Abs. 2 Satz 1 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Nachträgliche Abänderungen (Art. 493 Abs. 5 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prinzip der Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestimmbarkeit der Hauptschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1210 1210

V.

Umfang der Haftung (Art. 499 OR) . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1213

VI.

Einreden des Bürgen (Art. 501 ff. OR) . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Selbständige Einreden des Bürgen . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einreden des Hauptschuldners . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1213 1213 1214

1210 1210 1211 1212 1212

LVII

Inhaltsverzeichnis

VII.

Obliegenheiten der Gläubigerin gegenüber dem Bürgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sorgfaltsobliegenheit (Art. 503 OR) . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Obliegenheit der Zahlungsannahme (Art. 504 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Herausgabeobliegenheiten (Art. 503 Abs. 3 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1214 1214 1215 1215

VIII. Verhältnis des Bürgen zum Hauptschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Recht auf Sicherstellung und Befreiung (Art. 506 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rückgriffsrecht (Art. 507 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1215 1215 1216

IX.

Beendigungsgründe (Art. 509–510 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1216

§ 43

Spiel, Wette und Differenzgeschäfte (Art. 513–515a OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1218

I.

Begriffe ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Spielvertrag (Art. 513 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wette (Art. 513 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Differenzgeschäft (Art. 513 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1218 1218 1218 1219

II.

Darlehen für Spielzwecke und akzessorische Nebenrechte von Spielforderungen (Art. 513 Abs. 2 OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1220

III.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1221

IV.

Wirkungen ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1221

§ 44

Pauschalreisevertrag (PauRG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1224

I.

Begriff ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1225

II.

Rechtsnatur und Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1226

III.

Abschluss und Gültigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1229

IV.

Vertragsparteien (Art. 2 PauRG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1230

V.

Pflichten der Vertragsparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Veranstalterin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konsument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1232 1232 1233

VI.

Nichterfüllung und nicht gehörige Erfüllung (Art. 12–16 PauRG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. «Ersatzmassnahmen» (Art. 12–13 PauRG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schadenersatzansprüche (Art. 14–16 PauRG) . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1233 1233 1234 1236

VII.

Abtretung der Pauschalreise (Art. 17 PauRG) . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1236

VIII. Preiserhöhung und Vertragsänderung (Art. 7–10 PauRG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1237

6. Kapitel Innominatverträge .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1239

§ 45

Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1239

I.

Begriff ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1240

II.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzlich geregelte Mischverträge . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Typische Verträge mit Beimischung (atypische Verträge) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammengesetzte Verträge (sog. Vertragsverbindungen, Netz- oder Verbundverträge) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1243 1243 1243

LVIII

1243

Inhaltsverzeichnis

III.

Arten .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gemischte Verträge (mixti generis, mixti iuris) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Kombinationsverträge («Zwillingsverträge») . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Doppeltypische Verträge («Zwitterverträge») . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Verträge mit Typenverschmelzung bzw. -vermengung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verträge eigener Art (sui generis, sui iuris) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1245 1245 1246 1246 1247 1247

IV.

Abschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1247

V.

Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1248

VI.

Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Absorptionstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Kombinationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Theorie der Übernahme gesetzlicher Einzelanordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Theorie der analogen Rechtsanwendung des OR BT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Kreationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.6 Diskurstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mittel der Vertragsergänzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwingendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsanwendung bei den verschiedenen Arten von Innominatverträgen und -figuren im Besonderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Zusammengesetzte Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Gemischte Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Verträge eigener Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1248 1248 1249 1249 1249 1250 1250 1251 1251 1251

VII.

Einzelne Innominatkontrakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1254

§ 46

Leasingvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1255

I.

Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1256

II.

Begriff .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1257

III.

Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1257

1253 1253 1253 1254

IV.

Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1257

V.

Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Direktes und indirektes Leasing . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mobilien- und Immobilienleasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Investitionsgüter- und Konsumgüterleasing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Finanzierungs- und Operatingleasing . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sale and lease back . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1258 1258 1260 1260 1261 1262

VI.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zum Kauf (Art. 184 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zur Miete (Art. 253 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1262 1262 1262

VII.

Geltung des KKG beim Konsumgüterleasing . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1263

VIII. Gültigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1264

IX.

1264 1264 1264 1265 1266

Pflichten der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Leasinggeberin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Allgemeine Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Pflicht zur Kreditfähigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Leasingnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

LIX

Inhaltsverzeichnis

X.

Leistungsstörungen beim indirekten Leasing . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zu vertretende Unmöglichkeit und Schuldnerverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nicht zu vertretende Unmöglichkeit: Gefahrtragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übertragung von Prüfungs- und Rügeobliegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sachgewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Sachmängelansprüche des Leasingnehmers gegenüber dem Lieferanten? . . . . . . . a. Abtretung von Sachmängelrechten . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Vollmacht zur Geltendmachung von Sachmängelrechten (Ermächtigungskonstruktion) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Echter Vertrag zugunsten eines Dritten (zugunsten des Leasingnehmers) . 4.2 Sachmängelansprüche im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Wandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Nachbesserung und Ersatzlieferung . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Wegbedingung der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Schadenersatzanspruch des Leasingnehmers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a. Echter Vertrag zugunsten eines Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b. Drittschadensliquidation . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1266 1266 1266 1267 1268 1268 1268 1269 1269 1269 1270 1270 1271 1272 1273 1273 1273 1274

XI.

Beendigung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ordentliche Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausserordentliche Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1274 1274 1274

XII.

Internationales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1275

§ 47

Lizenzvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1276

I.

Begriff ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1277

II.

Gegenstand .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Absolut geschützte Immaterialgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nicht absolut geschützte Immaterialgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1278 1278 1279

III.

Rechtsnatur ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Miet- oder pachtrechtliche Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kaufvertragsrechtliche Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesellschaftsrechtliche Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1279 1281 1281 1281

IV.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1282

V.

Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterscheidung nach dem Vertragsobjekt . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterscheidung nach der Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1283 1283 1283

VI.

Gültigkeit .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1284

VII.

Pflichten der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Lizenzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lizenznehmerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1284 1284 1286

VIII. Anfängliche objektive Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1287

IX.

1288 1288 1289

LX

Sach- und Rechtsmängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sachmängelhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsmängelhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Inhaltsverzeichnis

X.

Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ordentliche Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausserordentliche Beendigung . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1289 1289 1290

XI.

Nachvertragliche Geheimhaltungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1290

XII.

Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1291

§ 48

Alleinvertriebsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1292

I.

Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1293

II.

Wirtschaftliche Funktion und Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1294

III.

Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1295

IV.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zum Vorvertrag (Art. 22 OR) . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zum Kaufvertrag (Art. 184 ff. OR) . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zum Arbeitsvertrag (Art. 319 ff. OR) . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zum Auftrag/Agenturvertrag (Art. 394 ff. und Art. 418a ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zum Franchising . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gültigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1296 1296 1296 1296 1297 1297 1297

VI.

Pflichten der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Lieferantin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Gewährung eines ausschliesslichen Bezugsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Gebietsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Preis- und Lieferkonditionen . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Unterstützungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Gewährung einer Markenlizenz . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Händler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Absatzförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Bezugspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Vertriebsbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1298 1298 1298 1298 1299 1299 1299 1300 1300 1300 1300 1301

VII.

Leistungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendbarkeit des OR AT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendbarkeit von Art. 82 OR? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1301 1301 1302 1302

VIII. Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ordentliche Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausserordentliche Beendigung . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1303 1303 1303

IX.

Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kundschaftsentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1304 1304 1305

§ 49

Franchisevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1307

I.

Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1308

II.

Wirtschaftliche Funktion und Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1308

III.

Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1310

IV.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1310

LXI

Inhaltsverzeichnis

V.

Gültigkeit ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1311

VI.

Pflichten der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Franchisegeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Franchisenehmerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1312 1312 1312

VII.

Beendigung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausserordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1313 1313 1314

VIII. Kundschafts- und Karenzentschädigung . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kundschaftsentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Karenzentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1315 1315 1316 1316

IX.

Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rückgaberecht für Vertragswaren . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Investitionsersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1317 1317 1317 1318

§ 50

Factoringvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1319

I.

Begriff ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1319

II.

Funktionen ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirtschaftliche Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Finanzierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dienstleistungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Delkredere-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1320 1320 1320 1321 1321

III.

Rechtsnatur ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1323

IV.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1323

V.

Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Echtes und unechtes Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Offenes und verdecktes Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nationales Factoring – internationales Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1324 1324 1325 1325

VI.

Gültigkeit .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1326

VII.

Pflichten der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Faktor ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Echter und unechter Factoringvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Echter Factoringvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Unechter Factoringvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klientin .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1326 1326 1326 1326 1327 1327

VIII. Einzelfragen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zession .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkurs von Klientin oder Faktor . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1328 1328 1329 1330

IX.

1331

LXII

Internationales Factoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Inhaltsverzeichnis

§ 51

Sponsoringvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1332

I.

Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1333 1333 1333 1334

II.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1335

III.

Gültigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1336

IV.

Pflichten der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sponsornehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Beim Personen-Sponsoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Beim institutionellen Sponsoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Beim Projekt-Sponsoring . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sponsorin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1336 1336 1336 1338 1338 1338

V.

Leistungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schlechterfüllung durch die Sponsorin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schlechterfüllung durch den Sponsornehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1339 1339 1339 1341

VI.

Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1341

§ 52

Gastaufnahmevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1343

I.

Begriff ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1343

II.

Rechtsnatur und Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gastaufnahmevertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewirtungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beherbergungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1344 1344 1344 1345

III.

Pflichten der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bewirtungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beherbergungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1346 1346 1347

IV.

Leistungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1348

V.

Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1351

§ 53

Trödelvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1353

I.

Begriff .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1353

II.

Wirtschaftliche Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1354

III.

Erscheinungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1354

IV.

Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1354

V.

Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zum Kauf (Art. 184 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zum Auftrag (Art. 394 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zur Kommission (Art. 425 ff. OR) . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zum Mäklervertrag (Art. 412 ff. OR) . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1355 1355 1355 1356 1356

VI.

Entstehung und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1356

VII.

Eigentumsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1357

LXIII

Inhaltsverzeichnis

1. Verkauf an Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Selbsteintritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1357 1357

VIII. Pflichten der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Trödlerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertrödler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1357 1357 1358

IX.

Leistungsstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verzug der Trödlerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verzug des Vertrödlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gefahrtragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsgewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Sachgewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1358 1358 1358 1359 1359 1360 1361

§ 54

Vergleichsvertrag [entfällt] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1362

§ 55

Weitere Innominatverträge [entfällt] . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1363

§ 56

Technik zur Lösung vielschichtiger Fälle (Anspruchsmethode) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1364

I.

Einführung in die Anspruchsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriff .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1364 1364 1365 1366

II.

Die möglichen Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Quasivertragliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausservertragliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Ansprüche aus der Konkretisierung von absoluten Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Ansprüche aus unerlaubter Handlung . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (Art. 62 ff. OR) . . . . . . . . . . . . . . . . .

1367 1367 1368 1370 1371 1371 1372 1372

III.

Bestand der Forderung bzw. des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1373

IV.

Durchsetzbarkeit der Forderung bzw. des Rechts . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1374

V.

Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzeskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anspruchskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kumulation von Ansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1375 1375 1376 1377

Gesetzesregister ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1379

Sachregister OR AT & BT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1409

LXIV

Abkürzungsverzeichnis a a.a.O. a.M. ABl. EU ABl. EU … Nr. L Abs. aBV AG AGB AGer AHV AJP al. Allg. AmtlBull Anh. aOR AppGer Art./art. AS AT ATF Aufl. aUWG AVB aVVG aZGB b2b b2c BBl Bd. BE BezGer BGB BGE BGer BGH BGHZ BGS BJM BK

alte Fassung des betreffenden Gesetzes/Kommentars am angeführten Ort anderer Meinung/am Main Amtsblatt der Europäischen Union; bis 2003: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (Brüssel) Amtsblatt der Europäischen Union, Reihe L (Rechtsvorschriften) Absatz alt BV; Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874 Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Amtsgericht Alters- und Hinterlassenenversicherung Aktuelle Juristische Praxis (Lachen) alinéa = Absatz Allgemeine/r Amtliches Bulletin der Bundesversammlung (Bern) Anhang alt OR; frühere Fassung des Obligationenrechts Appellationsgericht Artikel/article(s) Amtliche Sammlung des Bundesrechts; bis 1987: Sammlung der eidgenössischen Gesetze Allgemeiner Teil arrêts principaux du tribunal fédéral suisse = BGE Auflage alt UWG; frühere Fassung des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb Allgemeine Vertragsbedingungen alt VVG; frühere Fassung des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag alt ZGB; frühere Fassung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches business to business business to consumer Bundesblatt der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Bern) Band Kanton Bern Bezirksgericht Bürgerliches Gesetzbuch für das Deutsche Reich vom 18. August 1896 Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts (amtliche Sammlung und unveröffentlichte Entscheidungen) Bundesgericht (deutscher) Bundesgerichtshof Entscheidungen des deutschen Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bernische Systematische Gesetzessammlung (Bern) Basler Juristische Mitteilungen (Basel) Berner Kommentar (Bern)

LXV

Abkürzungsverzeichnis

BR BSK BT BUL BVGE bzw. c2c ca. CaS CC CC fr. CCR CD CESL

CHF CHK cic CIF CIP CISG-online CO Co. KG CONF. Cornell J. Int’l L. CPra Bail CPT CR D. DAP DAT DCFR DDP Def. Diss. dRSK DVD E. E-Commerce E-Mail E-OR EDV EG EGVSZ

LXVI

Zeitschrift für Baurecht (Freiburg) Basler Kommentar (Basel) Besonderer Teil Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft Entscheide des Schweizerischen Bundesverwaltungsgerichts beziehungsweise consumer to consumer circa Causa Sport (Zürich/Stuttgart/Wien) Code civil suisse = ZGB Code civil français vom 21. März 1804 Contrat-cadre romand de baux à loyer et à la dérogation aux dispositions impératives du droit du bail vom 20. Juni 2014 Compact Disc Common European Sales Law = Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, KOM(2011) 635 endgültig Schweizer Franken Handkommentar zum Schweizer Privatrecht (Zürich/Basel/Genf) culpa in contrahendo Cost, Insurance and Freight (= Kosten, Versicherung und Fracht bis zum Bestimmungshafen) Carriage Insurance Paid (= Fracht und Versicherung bezahlt) CISG-online case, abrufbar unter Code des obligations = OR Compagnie Kommanditgesellschaft Conference Cornell Journal of International Law (Ithaca) Commentaire Pratique, Droit du bail à loyer et à ferme (Basel) Carriage Paid to (= Fracht bezahlt bis) Commentaire romand (Basel)/Computer und Recht (Köln) Digesten des Corpus Iuris Civilis Delivered at Place (= geliefert benannter Ort) Delivered at Terminal (= geliefert Terminal) Draft Common Frame of Reference Delivered Duty Paid (= geliefert Zoll bezahlt) Definition Dissertation digitaler Rechtsprechungs-Kommentar (Bern), abrufbar unter Digital Video Disc (Digital Versatile Disc) Erwägung(en) Electronic Commerce Electronic Mail Entwurf zum Obligationenrecht Elektronische Datenverarbeitung Einführungsgesetz/Europäische Gemeinschaft(en) Entscheide der Gerichts- und Verwaltungsbehörden des Kantons Schwyz (Schwyz)

Abkürzungsverzeichnis

Einl. EJPD ERA Erl. etc. EU EuGH EuLF EWG EWR EXW f./ff. FAS FCA FN FOB FS GE GesKR GestG gl.M. GmbH GoA h.L. Habil. HAVE HGer Hrsg. hrsg. i.e.S. I.Rh. i.S. i.V.m. i.w.S. ICC Incoterms Intro./intro. IP IPR ISO IT ius.focus ius.full

Einleitung Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (hrsg. von der Internationalen Handelskammer, ICC; in Kraft seit 1. Juli 2007) Erläuterungen et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof The European Legal Forum (München) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäischer Wirtschaftsraum Ex Works (= ab Werk) und folgende Free Alongside Ship (= frei längsseits Schiff) Free Carrier (= frei Frachtführer) Fussnote(n) Free on Board (= frei an Bord) Festschrift/Festgabe Kanton Genf Schweizerische Zeitschrift für Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht sowie Umstrukturierungen (Zürich) Bundesgesetz vom 24. März 2000 über den Gerichtsstand in Zivilsachen (aufgehoben durch die ZPO) gleicher Meinung Gesellschaft mit beschränkter Haftung Geschäftsführung ohne Auftrag herrschende Lehre Habilitationsschrift Haftpflicht und Versicherung (Zürich) Handelsgericht Herausgeber herausgegeben im engeren Sinn Innerrhoden in Sachen in Verbindung mit im weiteren Sinn International Chamber of Commerce (Internationale Handelskammer), Paris International Commercial Terms (hrsg. von der Internationalen Handelskammer, ICC) Introduction/introduction Intellectual Property Internationales Privatrecht International Organization for Standardization (Internationale Organisation für Normung) Informationstechnologie ius.focus (Basel) ius.full, Forum für juristische Bildung (Zürich)

LXVII

Abkürzungsverzeichnis

IV JA JdT JKR Jusletter Kap. KassGer KGer km KMU KOM Komm. KuKo l LCC LG LGVE lit. LS LVF m.w.H. m.w.N. M&A MMS mp MRA N Nachf.Bd. NJW Nr. NZZ OFK OGer OGH OLG OR 2020 Pace Int’l L. Rev. PDF PECL PG PGB plädoyer Pra PRG PS recht

LXVIII

Invalidenversicherung Juristische Arbeitsblätter (München) Journal des Tribunaux (Lausanne) Jahrbuch des Schweizerischen Konsumentenrechts (Bern) Jusletter (Bern), abrufbar unter Kapitel Kassationsgericht Kantonsgericht Kilometer Kleine und mittlere Unternehmen Legislativvorschläge der Europäischen Kommission Kommentar Kurzkommentar (Basel) Liter Loi fédérale sur le crédit à la consommation = KKG (deutsches) Landgericht Luzerner Gerichts- und Verwaltungsentscheide (Luzern) litera(e) Zürcher Gesetzessammlung, Zürcher Loseblattsammlung (Zürich) Loi fédérale sur les voyages à forfait = PauRG mit weiteren Hinweisen mit weiteren Nachweisen Mergers & Acquisitions Multimedia Messaging Service mietrechtspraxis, Zeitschrift für Schweizerisches Mietrecht (Basel) MietRecht Aktuell, Zeitschrift (Basel) Note(n) Nachführungsband Neue Juristische Wochenschrift (München) Nummer Neue Zürcher Zeitung (Zürich) Orell Füssli-Kommentar (Zürich) Obergericht Oberster Gerichtshof (Österreich) (deutsches) Oberlandesgericht Entwurf für einen neuen Allgemeinen Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, abrufbar unter Pace International Law Review (New York) Portable Document Format von Adobe Systems Principles of European Contract Law partie générale Privatrechtliches Gesetzbuch Zürich (von 1856) Plädoyer: Magazin für Recht und Politik (Zürich) Die Praxis des Bundesgerichts (Basel) Pauschalreisegesetz = PauRG partie spéciale Zeitschrift für juristische Weiterbildung und Praxis (Bern)

Abkürzungsverzeichnis

revKKG revOR revSVG RGZ RIW RJN RS Rs. RVJ s. SA SAG SchlT SemJud SG SHK SIA SIC sic! SJK SJZ Slg. SMS SNB sog. SPR SR successio SVIT SZIER SZW t TG Trib. cant. U.S. U. Well. L. Rev. ÜBest UN UNCITRAL USA v. vgl. VoIP Vorb. VSKF

Gesetzesvorlage zur Revision des Konsumkreditgesetzes Gesetzesvorlage zur Revision des Obligationenrechts Gesetzesvorlage zur Revision des Strassenverkehrsgesetzes Entscheidungen des Deutschen Reichsgerichts in Zivilsachen (Leipzig) Recht der internationalen Wirtschaft (Frankfurt a.M.) Recueil de jurisprudence neuchâtelois (Neuenburg) Recueil systématique genevois (Genf) Rechtssache Revue valaisanne de Jurisprudence (Zeitschrift für Walliser Rechtsprechung) siehe société anonyme Schweizerische Aktiengesellschaft; seit 1990: SZW (Zürich) Schlusstitel La semaine judiciaire (Genf) Sammelstelle Gerichtsentscheide, abrufbar unter Stämpflis Handkommentar (Bern) Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein Swiss Interbank Clearing Zeitschrift für Immaterialgüter-, Informations- und Wettbewerbsrecht (Zürich) Schweizerische Juristische Kartothek (Genf) Schweizerische Juristen-Zeitung (Zürich) Sammlung Short Message Service Schweizerische Nationalbank sogenannt Schweizerisches Privatrecht (Basel/Stuttgart) Systematische Sammlung des Bundesrechts/Ständerat successio, Zeitschrift für Erbrecht (Zürich) Schweizerischer Verband der Immobilien-Treuhänder Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht (Zürich) Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht; bis 2005: Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht; bis 1989: SAG (Zürich) tempus (= Zeit) Bundesgesetz vom 4. Oktober 1985 über den Transport im öffentlichen Verkehr (aufgehoben unter anderem durch das PBG) Tribunal cantonal United States Victoria University of Wellington Law Review (Wellington) Übergangsbestimmung(en) United Nations United Nations Commission on International Trade Law United States of America von; vom vergleiche Voice over Internet Protocol Vorbemerkung(en) Verband Schweizerischer Kreditbanken und Finanzierungsinstitute

LXIX

Abkürzungsverzeichnis

VSM WBF Yale J. Int’l L. z.B. ZBGR ZBJV ZBI ZEuP ZH Ziff. zit. ZK ZR ZSR ZvglRWiss

LXX

Verein Schweizerischer Maschinen-Industrieller Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung; bis 2012: Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement Yale Journal of International Law (New Haven) zum Beispiel Schweizerische Zeitschrift für Beurkundungs- und Grundbuchrecht (Wädenswil) Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins (Bern) Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Verwaltungsrecht (Zürich) Zeitschrift für Europäisches Privatrecht (München) Kanton Zürich Ziffer(n) zitiert Zürcher Kommentar (Zürich) Blätter für Zürcherische Rechtsprechung (Zürich) Zeitschrift für Schweizerisches Recht (Basel) Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft (Heidelberg)

Glossar der lateinischen Ausdrücke a fortiori a minori ad maius a priori ab initio accidentalia negotii actio pro socio ad hoc affectio/animus societatis aliud animus negotia aliena gerendi animus novandi brevi manu traditio caput (non) controversum casum sentit dominus casus omissus causa/causae causa credendi causa donandi clausula rebus sic stantibus condictio condictio causa data causa non secuta/ condictio ob causam futuram condictio ob causam finitam condictio sine causa conditio sine qua non/conditio cum qua non conditiones sine quibus non contractus specialis contrarius actus

culpa in contrahendo cura in eligendo/instruendo/ custodiendo damnum cessans damnum emergens datio in solutum

umso mehr, erst recht Schluss vom Kleineren auf das Grössere von vornherein von Anfang an (objektiv) unwesentliche Vertragspunkte Klage im Namen der Gesellschaft gegen einen Gesellschafter hierfür Wille zur gemeinsamen Zweckverfolgung Ware, welche (nach dem relativen Gattungsbegriff) ausserhalb der geschuldeten Gattung liegt Fremdgeschäftsführungswille Neuerungswille (Voraussetzung für Novation) Übergabe «kurzer Hand» (Traditionssurrogat) (nicht) umstrittener Punkt der Eigentümer trägt die Gefahr des zufälligen Untergangs der Sache Vertragslücke Rechtsgrund/Rechtsgründe Leistung, um eine fremde Schuld (des Empfängers) zu begründen zum Zweck der Schenkung Vorbehalt, dass sich die Umstände, unter welchen ein Vertrag geschlossen wurde, nachträglich nicht wesentlich verändern Kondiktion, Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (Art. 62 ff. OR) Kondiktion wegen Nichtverwirklichung des Leistungsgrunds («aus nicht verwirklichtem Grund») Kondiktion wegen nachträglichen Wegfalls des Leistungsgrunds («aus nachträglich weggefallenem Grund») Kondiktion wegen Leistung ohne (gültigen) Grund notwendige Bedingung, unerlässliche Voraussetzung notwendige Bedingungen, unerlässliche Voraussetzungen spezieller Vertrag entgegengesetzte Handlung, welche die Wirkung eines vorhergehenden Rechtsgeschäfts rückgängig macht (z.B. Aufhebungsvertrag) schuldhaftes Verhalten im Rahmen von Vertragsverhandlungen Sorgfalt in der Auswahl/Instruktion/Überwachung Vermögensvorteil infolge Nichtverminderung des Vermögens positiver Schaden im Sinn der Differenzhypothese (Abnahme der Aktiven oder Zunahme der Passiven) Leistung (Hingabe) an Erfüllungs statt

LXXI

Glossar der lateinischen Ausdrücke

datio solvendi causa de facto de iure de lege ferenda de lege lata debitor cessus depositum irregulare depositum regulare diligentia quam in suis do ut des dolus (eventualis) e contrario emptio rei speratae emptio spei eo ipso erga omnes error in corpore vel in persona error in negotio error in quantitate error iuris essentiale negotii essentialia negotii eventualiter ex contractu ex lege ex nihilo nihil fit ex nunc

ex officio ex post ex tunc falsa demonstratio non nocet favor negotii genus genus perire non potest grosso modo ignorantia ignorantia facti ignorantia iuris in casu in dubio contra stipulatorem in dubio mitius in fine

LXXII

Leistung (Hingabe) erfüllungshalber tatsächlich rechtlich vom Standpunkt des künftigen Rechts aus vom Standpunkt des geltenden Rechts aus Schuldner der zedierten Forderung irreguläre Hinterlegung reguläre Hinterlegung Sorgfalt, wie sie in eigenen Dingen/Angelegenheiten angewendet werden soll ich gebe, damit du gibst (Eventual-)Absicht, (Eventual-)Vorsatz im Umkehrschluss Kauf einer erhofften Sache Kauf einer Hoffnung von selbst, von sich aus, ohne Weiteres allen gegenüber Irrtum über die Identität der Sache oder Person Irrtum über die Natur des Rechtsgeschäfts Irrtum über den Umfang von Leistung oder Gegenleistung Irrtum über das Recht (objektiv) wesentlicher Vertragspunkt (objektiv) wesentliche Vertragspunkte eventuell aus Vertrag kraft Gesetzes aus nichts entsteht nichts Wirkungszeitpunkt: «von jetzt an» (in der Regel bezogen auf einen Zeitpunkt nach Vertragsschluss, z.B. bei Geltendmachung eines Mangels) von Amtes wegen aus nachträglicher Sicht (Rück-)Wirkungszeitpunkt: «von damals an» (in der Regel bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses) die unrichtige Bezeichnung schadet nicht (Auslegungs-)Prinzip zugunsten (der Aufrechterhaltung) eines Rechtsgeschäfts Gattung die Gattung kann nicht untergehen im Grossen und Ganzen Unkenntnis Unkenntnis über den Sachverhalt Unkenntnis über das Recht im vorliegenden Fall im Zweifel gegen den Verfasser (Unklarheitenregel) im Zweifel das Mildere am Ende

Glossar der lateinischen Ausdrücke

in natura in praxi in toto inter partes invitatio ad offerendum ipso iure ius variandi iustum pretium laesio enormissima lege artis leges speciales lex causae lex generalis lex rei sitae lex specialis lex specialis derogat legi generale lucrum cessans lucrum emergens melior est causa possidentis mixti generis/mixti iuris modo legislatoris mors certa hora incerta est mutatis mutandis nascitura, nasciturus nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet numerus clausus obiter obiter dictum/obiter dicta obligationes faciendi pacta sunt servanda pactum de (non) cedendo pactum de (non) compensando pactum de (non) licitando pactum de (non) petendo pars pro toto peius

per analogiam per definitionem per se periculum est emptoris

in der physischen Gestalt in der Praxis im Grossen und Ganzen zwischen den Parteien Einladung zur Offertstellung von Rechts wegen Wahlrecht gerechter Preis erhebliche Schädigung nach den Regeln der Kunst spezielle Normen Recht der Sache allgemeine Norm Recht der gelegenen Sache spezielle Norm die spezielle Norm geht der allgemeinen vor entgangener Gewinn (im Sinn der Differenzhypothese) Vermögensvergrösserung (Zunahme der Aktiven oder Abnahme der Passiven) die Rechtslage der besitzenden Partei ist die bessere (Verträge) gemischter Art nach der Art des Gesetzgebers (s. Art. 1 Abs. 2 ZGB) der Tod ist gewiss, der Zeitpunkt ist ungewiss mit den nötigen Abänderungen ungeborenes Kind niemand kann mehr Rechte übertragen, als er selbst hat geschlossene (An-)Zahl nebenbei nebenbei Gesagtes Verpflichtungen, etwas zu tun Verträge sind einzuhalten Vereinbarung, eine Forderung (nicht) abzutreten Vereinbarung, (nicht) zu verrechnen Vereinbarung, bei einer (Zwangs-)Versteigerung (nicht) mitzubieten Vereinbarung, eine Forderung (nicht) geltend zu machen ein Teil für das Ganze Ware, welche (nach dem relativen Gattungsbegriff) der geschuldeten Gattung angehört, jedoch nicht dem vereinbarten bzw. gesetzlich vorgesehenen (Art.  71 Abs.  2 OR) Qualitätsstandard entspricht Analogieschluss, sinngemäss aufgrund der Definition/des Begriffs von selbst, an sich der Käufer trägt die Gefahr des zufälligen Untergangs der Kaufsache (bezogen auf Zeitspanne zwischen Vertragsschluss und Übergabe der Kaufsache)

LXXIII

Glossar der lateinischen Ausdrücke

pro rata (temporis) qua ratio legis restitutio in integrum sine causa species status ex ante status quo sui generis/sui iuris terminus traditio ultima ratio venire contra factum proprium vice versa vis absoluta vis compulsiva volenti non fit iniuria

LXXIV

anteilmässig (auf einen bestimmten Zeitablauf bezogen) durch, mittels Sinn und Zweck des Gesetzes Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands ohne Rechtsgrund Art einer Gattung/eine bestimmte, nicht auswechselbare Sache, die Gegenstand eines Schuldverhältnisses ist vorheriger Zustand gegenwärtiger Zustand (von) eigener Art Begriff Übergabe das letzte Mittel widersprüchliches Verhalten und umgekehrt (genauso) willensbrechende Gewalt willensbeugende Gewalt (psychische Einwirkung) dem Einwilligenden geschieht kein Unrecht

Allgemeines Literaturverzeichnis Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht Bucher, OR AT Bucher, OR BT Engel, CO PG Engel, CO PS Fellmann, Haftpflichtrecht II Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I Furrer/Müller-Chen Gauch/Schluep/ Schmid Gauch/Schluep/ Emmenegger Guhl/Bearbeiter Honsell, OR BT Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht Keller/Gabi/Gabi Koller, OR AT Koller, OR BT Kramer/Probst, OR AT

Berger Bernhard, Allgemeines Schuldrecht, 3. Aufl., Bern 2018 Bucher Eugen, Obligationenrecht Allgemeiner Teil ohne Deliktsrecht, 2. Aufl., Zürich 1988 Bucher Eugen, Obligationenrecht Besonderer Teil, 3. Aufl., Zürich 1988 Engel Pierre, Traité des obligations en droit suisse, 2. Aufl., Bern 1997 Engel Pierre, Contrats de droit suisse, 2. Aufl., Bern 2000 Fellmann Walter, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd. II, Bern 2013 Fellmann Walter/Kottmann Andrea, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd. I, Bern 2012 Furrer Andreas/Müller-Chen Markus, Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2018 Gauch Peter/Schluep Walter R./Schmid Jörg, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil ohne ausservertragliches Haftpflichtrecht, Bd. I, 10. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2014 Gauch Peter/Schluep Walter R./Emmenegger Susan, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil ohne ausservertragliches Haftpflichtrecht, Bd. II, 10. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2014 Guhl Theo/Koller Alfred/Schnyder Anton K./Druey Jean Nicolas, Das Schweizerische Obligationenrecht, 9. Aufl., Zürich 2000 Honsell Heinrich, Schweizerisches Obligationenrecht Besonderer Teil, 10. Aufl., Bern 2017 Honsell Heinrich/Isenring Bernhard/Kessler Martin A., Schweizerisches Haftpflichtrecht, 5. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2013 Keller Max/Gabi Sonja/Gabi Karin, Haftpflichtrecht, 3. Aufl., Basel 2012 Koller Alfred, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 4. Aufl., Bern 2017 Koller Alfred, Schweizerisches Obligationenrecht Besonderer Teil, Bd. I, Bern 2012 Kramer Ernst A./Probst Thomas, Grundkurs Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 3. Aufl., Basel 2018 Müller Christoph, Contrats de droit suisse, Bern 2012 Müller Christoph, La responsabilité civile extracontractuelle, Basel 2013 Müller-Chen Markus/Girsberger Daniel/Droese Lorenz, Obligationenrecht Besonderer Teil, Zürich/Basel/Genf 2017 Rey Heinz/Wildhaber Isabelle, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 5. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2018 Roberto Vito, Haftpflichtrecht, 2. Aufl., Bern 2018

Müller, contrats Müller, responsabilité Müller-Chen/Girsberger/ Droese Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht Roberto, Haftpflichtrecht Schnyder/Portmann/ Schnyder Anton K./Portmann Wolfgang/Müller-Chen Markus, AusMüller-Chen servertragliches Haftpflichtrecht, 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2013 Schwenzer, OR AT Schwenzer Ingeborg, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 7. Aufl., Bern 2016

LXXV

Allgemeines Literaturverzeichnis

Schmid/Stöckli/Krauskopf Schmid Jörg/Stöckli Hubert/Krauskopf Frédéric, Schweizerisches Obligationenrecht Besonderer Teil, 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2016 Tercier/Pichonnaz, Tercier Pierre/Pichonnaz Pascal, Le droit des obligations, 5. Aufl., Genf/ CO PG Zürich/Basel 2012 Tercier/Bieri/ Tercier Pierre/Laurent Bieri/Carron Blaise, Les contrats spéciaux, Carron, CO PS 5. Aufl., Genf/Zürich/Basel 2016 von Tuhr/Peter von Tuhr Andreas/Peter Hans, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. I, 3. Aufl., Zürich 1979 von Tuhr/Escher von Tuhr Andreas/Escher Arnold, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. II, 3. Aufl., Zürich 1974 Werro, responsabilité Werro Franz, La responsabilité civile, 3. Aufl., Bern 2017

Kommentare aCR CO-BearbeiterIn

BK OR/ZGB etc.BearbeiterIn BSK BEHGBearbeiterIn BSK OR-BearbeiterIn

BSK OR-BearbeiterIn

BSK SchKGBearbeiterIn BSK SchKGBearbeiterIn BSK UWG-BearbeiterIn BSK VVG-BearbeiterIn BSK VVG Nachf.Bd.BearbeiterIn BSK ZGB-BearbeiterIn

LXXVI

Commentaire romand, Code des obligations I (art. 1–529 CO, Loi sur le crédit à la consommation, Loi sur les voyages à forfait), hrsg. von Thévenoz Luc/ Werro Franz, Basel 2003 Berner Kommentar, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Bern ab 1910, verschiedene Auflagen und Jahrgänge Basler Kommentar, Börsengesetz, Finanzmarktaufsichtsgesetz, Art. 161, 161bis, 305bis und 305ter StGB, hrsg. von Vogt Nedim Peter/Watter Rolf, 2. Aufl., Basel 2011 Basler Kommentar, Obligationenrecht I (Art. 1–529 OR) mit PrHG und PauRG, hrsg. von Honsell Heinrich/Vogt Nedim Peter/Wiegand Wolfgang, 6. Aufl., Basel 2015 Basler Kommentar, Obligationenrecht II (Art. 530–964 OR, Art. 1–6 SchlT AG, Art. 1–11 ÜBest GmbH) mit Art. 1–2 ÜBest (Rechnungslegung 2011) und Art. 1–3 ÜBest (GAFI 2014), hrsg. von Honsell Heinrich/Vogt Nedim Peter/Watter Rolf, 5. Aufl., Basel 2016 Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schulbetreibung und Konkurs I (Art. 1–158 SchKG), hrsg. von Staehelin Adrian/Bauer Thomas/Staehelin Daniel, 2. Aufl., Basel 2010 Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schulbetreibung und Konkurs I, Ergänzungsband zur 2. Aufl., hrsg. von Bauer Thomas/Staehelin Daniel, Basel 2017 Basler Kommentar, Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, hrsg. von Hilty Reto M./Arpagaus Reto, Basel 2013 Basler Kommentar, Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag, hrsg. von Honsell Heinrich/Vogt Nedim Peter/Schnyder Anton K., Basel 2001 Basler Kommentar, Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag – Nachführungsband, hrsg. von Honsell Heinrich/Vogt Nedim Peter/Schnyder Anton K./Grolimund Pascal, Basel 2012 Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch I (Art. 1–456 ZGB), hrsg. von Fountoulakis Christiana/Geiser Thomas, 6. Aufl., Basel 2018

Allgemeines Literaturverzeichnis

BSK ZGB-BearbeiterIn

BSK ZPO-BearbeiterIn CHK OR/ZGB etc.BearbeiterIn

CR CO-BearbeiterIn CR CO-BearbeiterIn

CR CO-BearbeiterIn

KuKo OR-BearbeiterIn KuKo ZPO-BearbeiterIn OFK OR-BearbeiterIn

ZK OR/ZGB etc.BearbeiterIn

Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch II (Art. 457–977 ZGB, Art. 1–61 SchlT ZGB), hrsg. von Honsell Heinrich/Vogt Nedim Peter/Geiser Thomas, 5. Aufl., Basel 2015 Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, hrsg. von Spühler Karl/Tenchio Luca/Infanger Dominik, 3. Aufl., Basel 2017 Handkommentar zum Schweizer Privatrecht (ZGB und OR mit BEG, KKG, FusG, UWG, PauRG und IPRG), hrsg. von Amstutz Marc/Breitschmid Peter/Furrer Andreas/Girsberger Daniel/Huguenin Claire/Jungo Alexandra/Müller-Chen Markus/Roberto Vito//Schnyder Anton K./ Trüeb Hans Rudolf, 3. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2016 Commentaire romand, Code des obligations I (Art. 1–529 CO), hrsg. von Thévenoz Luc/Werro Franz, 2. Aufl., Basel 2012 Commentaire romand, Droit de la consommation (Loi sur les voyages à forfait, Code des obligations, articles 40a–40f CO, Loi sur le crédit à la consommation), hrsg. von Thévenoz Luc/Werro Franz, Basel 2004 Commentaire romand, Code des obligations II (Art. 530–1186 CO, Art. 120–141 LIMF ORAb, avec des introductions à la LFus, et à la LTI), hrsg. von Tercier Pierre/Amstutz Marc/Trigo Trindade Rita, 2. Aufl., Basel 2017 Kurzkommentar OR, Obligationenrecht, hrsg. von Honsell Heinrich, Basel 2014 Kurzkommentar ZPO, Schweizerische Zivilprozessordnung, hrsg. von Oberhammer Paul/Domej Tanja/Haas Ulrich, 2. Aufl., Basel 2014 OR Handkommentar, Schweizerisches Obligationenrecht, hrsg. von Kren Kostkiewicz Jolanta/Wolf Stephan/Amstutz Marc/Fankhauser Roland, 3. Aufl., Zürich 2016 Zürcher Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Zürich ab 1909, verschiedene Auflagen und Jahrgänge

LXXVII

Gesetzesverzeichnis Abkürzung

SR Nummer/ Ordnungsnummer

Titel

AlkG

680

Bundesgesetz vom 21. Juni 1932 über die gebrannten Wasser (Alkoholgesetz)

ArG

822.11

Bundesgesetz vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz)

ATSG

830.1

Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts

AVG

823.11

Bundesgesetz vom 6. Oktober 1989 über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih (Arbeitsvermittlungsgesetz)

BBG

412.10

Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Berufsbildung (Berufsbildungsgesetz)

BEG

957.1

Bundesgesetz vom 3. Oktober 2008 über Bucheffekten (Bucheffektengesetz)

BEHG

954.1

Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Börsen und den Effektenhandel (Börsengesetz)

BewG

211.412.41

Bundesgesetz vom 16. Dezember 1983 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland

BGG

173.110

Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz)

BGS

935.51

Bundesgesetz vom 29. September 2017 über Geldspiele (Geldspielgesetz)

BV

101

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999

ChemV

813.11

Verordnung vom 5. Juni 2015 über den Schutz vor gefährlichen Stoffen und Zubereitungen (Chemikalienverordnung)

CISG

0.221.211.1

Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11. April 1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf

CMR

0.741.611

Übereinkommen vom 19. Mai 1956 über den Beförderungsvertrag im internationalen Strassengüterverkehr

DesG

232.12

Bundesgesetz vom 5. Oktober 2001 über den Schutz von Design (Designgesetz)

DSG

235.1

Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz

EBG

742.101

Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957

EG ZGB ZH

230

Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 2. April 1911

EMRK

0.101

Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten

FIDLEG

–*

Bundesgesetz vom 15. Juni 2018 über die Finanzdienstleistungen (Finanzdienstleistungsgesetz; BBl 2018 3615 ff.)

FINIG

–*

Bundesgesetz vom 15. Juni 2018 über die Finanzinstitute (Finanzinstitutsgesetz; BBl 2018 3557 ff.)

FMG

784.10

Fernmeldegesetz vom 30. April 1997

* Noch nicht bekannt bei Publikation der vorliegenden Auflage.

LXXIX

Gesetzesverzeichnis

FusG

221.301

Bundesgesetz vom 3. Oktober 2003 über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz)

GBV

211.432.1

Grundbuchverordnung vom 23. September 2011

GlG

151.1

Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz)

GOG ZH

211.1

Gesetz vom 10. Mai 2010 über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess

GüTG

742.41

Bundesgesetz vom 25. September 2015 über den Gütertransport durch Bahnund Schifffahrtsunternehmen (Gütertransportgesetz)

HRegV

221.411

Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007

IPRG

291

Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht

JSG

922.0

Bundesgesetz vom 20. Juni 1986 über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (Jagdgesetz)

KG

251

Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz)

KGTG

444.1

Bundesgesetz vom 20. Juni 2003 über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz)

KHG

732.44

Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 18. März 1983

KKG

221.214.1

Bundesgesetz vom 23. März 2001 über den Konsumkredit

LBG

748.217.1

Bundesgesetz vom 7. Oktober 1959 über das Luftfahrzeugbuch

LFG

748.0

Bundesgesetz vom 21. Dezember 1948 über die Luftfahrt (Luftfahrtgesetz)

LPG

221.213.2

Bundesgesetz vom 4. Oktober 1985 über die landwirtschaftliche Pacht

MSchG

232.11

Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz)

OR

220

Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht)

PartG

211.231

Bundesgesetz vom 18. Juni 2004 über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare (Partnerschaftsgesetz)

PatG

232.14

Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz)

PauRG

944.3

Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über Pauschalreisen

PBG

745.1

Bundesgesetz vom 20. März 2009 über die Personenbeförderung (Personenbeförderungsgesetz)

PBV

942.211

Verordnung vom 11. Dezember 1978 über die Bekanntgabe von Preisen (Preisbekanntgabeverordnung)

PG

783.0

Postgesetz vom 17. Dezember 2010

PrHG

221.112.944

Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über die Produktehaftpflicht (Produktehaftpflichtgesetz)

PrSG

930.11

Bundesgesetz vom 12. Juni 2009 über die Produktesicherheit (Produktesicherheitsgesetz)

SchKG

281.1

Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs

SoSchG

232.16

Bundesgesetz vom 20. März 1975 über den Schutz von Pflanzenzüchtungen (Sortenschutzgesetz)

StGB

311.0

Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937

SVG

741.01

Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958

LXXX

Gesetzesverzeichnis

UNESCOKonvention

0.444.1

Übereinkommen vom 14. November 1970 über die Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut

URG

231.1

Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz)

USG

814.01

Bundesgesetz vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz)

UWG

241

Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb

VAG

961.01

Bundesgesetz vom 17. Dezember 2004 betreffend die Aufsicht über Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz)

VKKG

221.214.11

Verordnung vom 6. November 2002 zum Konsumkreditgesetz

VMWG

221.213.11

Verordnung vom 9. Mai 1990 über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen

VPB

745.11

Verordnung vom 4. November 2009 über die Personenbeförderung

VVG

221.229.1

Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz)

VVV

741.31

Verkehrsversicherungsverordnung vom 20. November 1959

VZV

741.51

Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung)

WZG

941.10

Bundesgesetz vom 22. Dezember 1999 über die Währung und die Zahlungsmittel

ZertES

943.03

Bundesgesetz vom 18. März 2016 über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur und anderer Anwendungen digitaler Zertifikate (Bundesgesetz über die elektronische Signatur)

ZGB

210

Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907

ZPO

272

Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung)



747.11

Bundesgesetz vom 28. September 1923 über das Schiffsregister



822.111.52

Verordnung des WBF vom 20. März 2001 über gefährliche und beschwerliche Arbeiten bei Schwangerschaft und Mutterschaft (Mutterschutzverordnung)



221.218.2

Verordnung vom 10. November 1999 über die berufsmässige Vermittlung von Personen aus dem Ausland oder ins Ausland zu Ehe oder fester Partnerschaft

LXXXI

Gesetzesverzeichnis

LXXXII

1.

Kapitel Allgemeine Vertragslehre

§ 1 Grundlagen Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N 198 ff., N 1530 ff., N 1544 ff. und N 1555 ff.; Bucher, OR AT, 1 ff. und 341 ff.; Engel, CO PG, 1 ff.; Furrer/Müller-Chen, Kap. 1 N 1 ff.; Gauch/Schluep/ Emmenegger, N 2845 ff., N 2945 ff. und N 2960 ff.; Gauch/Schluep/Schmid, N 1 ff.; Guhl/ Koller, §§ 1–4 und 10; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, §§ 2, 3 und 6; Koller, OR AT, N 2.01 ff., N 3.01 ff. und N 4.01 ff.; Kramer/Probst, OR AT, N 57 ff., N 334 ff., N 352 ff. und N 370 ff.; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 158 ff., N 619 ff. und N 961 ff.; Roberto, Haftpflichtrecht, N  04.01  ff., N  06.01  ff., N  07.01  ff. und N  22.01 ff.; Schnyder/ Portmann/Müller-Chen, N 18 ff., N 77 ff. und N 197 ff.; Schwenzer, OR AT, N 1.01 ff., N 14.01 ff., N 16.01 ff., N 18.01 ff., N 19.01 ff. und N 22.01 ff.; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N  98  ff.; von Tuhr/Peter, 1  ff. und 83  ff.; Werro, responsabilité, N  43  ff., N  218  ff. und N 283 ff.

Weiterführende Literatur Chapuis Olivier, Die Haftung wegen Ausbleibens der Erfüllung im Sinne von Art.  97 Abs.  1  OR: ein Begriff im Wandel?, AJP 2005,  653–667; Fasel Urs, Handels- und obligationenrechtliche Materialien, Bern/Stuttgart/Wien 2000; Forstmoser Peter/Vogt HansUeli, Einführung in das Recht, 5. Aufl., Bern 2012; Gauch Peter, System der Beendigung von Dauerverträgen, Diss. Freiburg 1968; Honsell Heinrich, 100 Jahre Schweizerisches Obligationenrecht, ZSR 2011 II, 5–115; Huguenin Claire/Hilty Reto M. (Hrsg.), Schweizer Obligationenrecht 2020, Entwurf für einen neuen allgemeinen Teil, Zürich 2013 (zit.: OR 2020-BearbeiterIn); Huguenin Claire/Maissen Eva, Bedingungsänderungsklauseln, in: Weber Stephan/Fuhrer Stephan (Hrsg.), Allgemeine Versicherungsbedingungen, Fundgrube konsumentenfeindlicher Klauseln oder Quelle kundenorientierten Mehrwerts? Beiträge zur Tagung vom 28. Oktober 2010, Zürich 2011, 97–122; Hürlimann-Kaup Bettina, Die privatrechtliche Gefälligkeit und ihre Rechtsfolgen, Diss. Freiburg 1999; Keller Max/ Schmied-Syz Carole, Haftpflichtrecht, 5. Aufl., Zürich 2001; Krauskopf Frédéric, Der Begriff, die Erscheinungsformen und die Bedeutung der Schuldanerkennung im Obligationenrecht, recht 2005, 169–184 (zit.: Krauskopf, recht 2005); Krauskopf Frédéric, Die Schuldanerkennung im Schweizerischen Obligationenrecht, Diss. Freiburg 2003 (zit.: Krauskopf, Schuldanerkennung); Meier-Hayoz Arthur/Forstmoser Peter/Sethe Rolf, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 12. Aufl., Bern 2018; Merz Hans, Obligationenrecht, SPR Bd. VI/1, Basel/Frankfurt a.M. 1984 (zit.: Merz, SPR); Merz Hans, Das schweizerische Obligationenrecht von 1881, Übernommenes und Eigenständiges, in: Peter Hans/Stark Emil W./

3

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Tercier Pierre (Hrsg.), Hundert Jahre Schweizerisches Obligationenrecht, Jubiläumsschrift, Freiburg 1982, 3–29 (zit.: Merz, 1881); Portmann Wolfgang, Wesen und System der subjektiven Privatrechte, Habil. Zürich 1996; Rehbinder Manfred, Einführung in die Rechtswissenschaft, 8. Aufl., Berlin/New York 1995; Rey Heinz, Die Grundlagen des Sachenrechts und das Eigentum, 3. Aufl., Bern 2007 (zit.: Rey, Sachenrecht); Rusch Arnold F., Rechtsscheinlehre in der Schweiz, Habil. Zürich 2010; Schaller Jean-Marc, Einwendungen und Einreden im schweizerischen Schuldrecht, Habil. Zürich 2010; Schmid Jörg/HürlimannKaup Bettina, Sachenrecht, 5. Aufl., Zürich 2017; Seiler Hansjörg, Einführung in das Recht, 3. Aufl., Zürich 2009; Tuor Peter/Schnyder Bernhard/Schmid Jörg/Rumo Alexandra, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 14. Aufl., Zürich 2015 (zit.: Tuor/BearbeiterIn); Wiegand Wolfgang, Von der Obligation zum Schuldverhältnis, recht 1997, 85–94.

I.

Überblick über das schweizerische Obligationenrecht

1.

Merkmale des Obligationenrechts

1

Obligationenrecht ist im Wesentlichen Schuldrecht: Es regelt in der Hauptsache die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen Rechtssubjekten des Privatrechts. Diese Beziehungen entstehen oft mit dem Willen der Beteiligten, zum Teil aber auch unabhängig davon. Regelmässig darf gestützt auf eine solche obligationenrechtliche Beziehung die eine Partei von der anderen ein bestimmtes Tun (Sach- oder Dienstleistung), Unterlassen oder Dulden verlangen.1

2

Auf die gewollten Beziehungen kommt Vertragsrecht (Art.  1  ff.  OR) oder Gesellschaftsrecht (Art. 530 ff. OR) zur Anwendung, sofern die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen.

3

Das Gesellschaftsrecht beruht auf den Grundsätzen der Vereinigungsfreiheit und des numerus clausus (geschlossene Zahl) von Typen: Die Beteiligten sind zwar frei, ob sie sich zusammentun, sie müssen für ihren Zusammenschluss aber einen der vom Gesetz zur Verfügung gestellten Gesellschaftstypen auswählen und sich bei dessen inhaltlicher Ausgestaltung an die vielfach zwingenden Vorschriften halten.

4

Das Vertragsrecht offeriert ebenfalls eine Vielzahl von Vertragstypen (sog. Nominatverträge; s.  N  8). Diesen können die Parteien aber ohne Weiteres Verträge hinzufügen, die sich in der Folge unter Umständen zu Vertragstypen verdichten (s. N 3660 ff.); das Prinzip des numerus clausus gilt hier nicht (Typenfreiheit). Die Privatautonomie als Fundament der Privatrechtsordnung konkretisiert sich im Konzept der Vertragsfreiheit: Unter diesem Oberbegriff verfügen die Parteien über zahlreiche Einzelfreiheiten wie die Inhalts- oder Gestaltungsfreiheit, die Abschluss-

1

4

Bucher, OR AT, 3.

§1

Grundlagen

freiheit, die Partnerwahlfreiheit, die Aufhebungs- oder Änderungsfreiheit und die Formfreiheit.2 5 Vertragsfreiheit

Inhaltsfreiheit

Abschlussfreiheit

Partnerwahlfreiheit

Aufhebungsoder Änderungsfreiheit

Formfreiheit

(s. N 392 ff.)

(s. N 151 ff.)

(s. N 151 ff.)

(s. N 639)

(s. N 337)

Abbildung: Die einzelnen Aspekte der Vertragsfreiheit

Die Restriktionen im Gesellschaftsrecht dienen dem Interessenschutz Dritter 6 (Gläubigerschutz) sowie der Allgemeinheit (Verkehrsschutz). Zudem gewährleisten sie einen minimalen Interessenausgleich unter den Gesellschaftsmitgliedern (Minderheitenschutz).3 Demgegenüber steht das Vertragsrecht sehr viel weiter gehend unter dem Grundsatz des privatautonomen Handelns. Allerdings wird auch dieser Grundsatz vom Gesetz partiell durchbrochen. Die Motive hierfür sind unterschiedlicher Natur: z.B. Verkehrsschutz (Formvorschriften; s. N 338 ff.), Persönlichkeitsschutz (s. N 423 ff.) und Konsumentenschutz (s. N 264 ff., N 634 ff.). Das Vertragsrecht ist in einen Allgemeinen (Art.  1  ff.  OR) und einen Beson- 7 deren Teil (Art.  184  ff.  OR) gegliedert. Der Allgemeine Teil enthält jene Regeln, die auf mehr als einen Vertragstypus anwendbar sind. Obwohl es sich um allgemeine Regeln handelt, sind nicht alle Artikel des Allgemeinen Teils des  OR (OR AT) schlechterdings auf jedes Rechtsgeschäft anwendbar. Der OR AT setzt nämlich nicht schon auf der Rechtsgeschäfts-, sondern erst auf der Vertragsebene ein (zur Unterscheidung s. N 45 ff.). Ausserdem hat es der Gesetzgeber z.B. versäumt, im OR AT Dauerschuldverhältnisse (s. N 59) zu behandeln, die vor allem bezüglich ihrer Beendigung besonderer Regeln bedürfen (s. N 60, N 792 ff.). Und schliesslich sind einzelne Regeln des OR AT ausschliesslich auf synallagmatische Verträge (s. N 53) zugeschnitten. Im Besonderen Teil des OR sowie in einzelnen Spezialgesetzen (z.B. dem Pauschal- 8 reisegesetz4) sind einzelne Vertragstypen, die sog. Nominatverträge, geregelt. Als Nominatverträge werden jene Verträge bezeichnet, die im Gesetz eine ausdrückliche Normierung erfahren haben. Innominatverträge dagegen sind Vereinbarungen, 2 S. BGE 129 III 35 E. 6.1; BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 4 m.w.H. 3 Meier-Hayoz/Forstmoser/Sethe, § 11 N 7 f. 4 Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über Pauschalreisen (SR 944.3).

5

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

welche die Parteien zum Teil oder ganz von den gesetzlich normierten Typen losgelöst eingehen (s. N 3660 ff.). 9

Die Schranken, welche die Rahmenbedingungen des vertraglichen Handelns definieren, werden als zwingendes Recht bezeichnet. Dieses hat die Funktion, jene Rechtsgüter zu schützen, die der Vertragsfreiheit über- oder gleichgeordnet sind.5 Das dispositive Vertragsrecht dagegen stellt den Parteien Regeln zur Verfügung, welche auf ihre Verträge nur Anwendung finden, soweit sie nichts Abweichendes vereinbart haben. Das dispositive Recht gilt jedoch nicht, wenn aus dem übrigen Vertrag und seinem Kontext geschlossen werden muss, dass die Kontrahierenden – hätten sie an die fragliche Situation gedacht – eine andere als die dispositiv vorgesehene Lösung gewählt hätten. In diesem Fall hat der Richter (anstelle, aber im Sinne der Parteien) den Vertrag zu ergänzen (s. N 299 ff.).

2.

Entstehungsgeschichte des schweizerischen Obligationenrechts

10

Das  OR von 1881 war das erste gesamtschweizerische Gesetzgebungswerk und stellte eine beachtliche kodifikatorische Leistung dar.6 Seine legislatorischen Vorbilder waren im Wesentlichen der französische Code civil von 1804, das zürcherische Privatrechtliche Gesetzbuch (PGB) von 1854/56 und der sog. Dresdener Entwurf von 1866 (Entwurf eines allgemeinen deutschen Gesetzes über Schuldverhältnisse).7 Obwohl der schuldrechtliche Teil bezüglich seiner wissenschaftlichen Durchdringung auf eine ältere Tradition zurückblickt als der handelsrechtliche, entstand er erst später. Walter Munzinger legte den Entwurf für das geplante Handelsgesetzbuch fünf Jahre vor dem Entwurf für den OR AT bzw. sieben Jahre vor dem Entwurf für das ganze OR vor.8

11

1911 wurde das OR basierend auf dem Entwurf von Eugen Huber revidiert. Es wurde dem 1907 neu geschaffenen ZGB als fünfter Teil nach dem Personen-, Familien-, Erb- und Sachenrecht beigefügt (als «Bundesgesetz betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches»). Die Bezeichnung als OR blieb dabei unverändert, ebenso die Artikelzählung und -benennung.

12

1936 erfolgte eine grössere Revision des  OR im Bereich des Gesellschafts- und Wertpapierrechts, die 1911 aus Zeitgründen noch unterblieben war. In der Folge erfuhr das Gesellschaftsrecht weitere Änderungen. 2008 wurde das GmbH-Recht 5 BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 3. 6 BSK OR-Zellweger-Gutknecht, Einl. vor Art. 1 ff. N 3 m.w.N. 7 S. Botschaft des Bundesrates an die hohe Bundesversammlung zu einem Gesetzentwurfe, enthaltend Schweizerisches Obligationen- und Handelsrecht vom 27. November 1879, BBl 1880 I 149 ff., 166; s. auch BSK ORZellweger-Gutknecht, Einl. vor Art. 1 ff. N 13 f. 8 Merz, 1881, 5 f.

6

§1

Grundlagen

revidiert sowie das Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht angepasst. Das Rechnungslegungsrecht wurde 2013 revidiert. Der AT des Vertragsrechts erfuhr bis heute einige – eher nebensächliche – Änderungen: Art. 48 OR über den unlauteren Wettbewerb wurde 1943 durch den Vorgänger des heutigen UWG9 ersetzt, 1990 wurden Art. 6a und 40a ff. OR über die Zusendung unbestellter Sachen bzw. das Haustürgeschäft eingefügt, und 2000 wurden mit dem Gerichtsstandgesetz die entsprechenden OR-Bestimmungen aufgehoben.10 Mit dem Fusionsgesetz vom 3. Oktober 200311 wurde Art. 181 OR modifiziert sowie Art. 182 OR aufgehoben. Sodann wurde 2003 mit dem Bundesgesetz über die elektronische Signatur12 mittels des neu geschaffenen Art.  14 Abs.  2bis  OR die elektronische Signatur der eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt (s.  N  357); mit der Totalrevision dieses Gesetzes im Jahr 2016 wurde auch Art. 14 Abs. 2bis OR überarbeitet13. Schliesslich dehnte der Gesetzgeber 2016 das in den Art. 40a ff. OR geregelte Widerrufsrecht auf Telefonverkäufe aus (Art. 40b lit. d OR) und erhöhte zudem die Widerrufsfrist bei einzelnen Vertragstypen von 7 auf 14 Tage (Art. 40e Abs. 2, Art. 406d Ziff. 5 und Art. 406e OR; Art. 16 KKG14). Durch die Einführung des Kulturgütertransfergesetzes vom 20.  Juni 200315 wur- 13 den die Art. 196a und Art. 210 Abs. 3 OR ins Kaufrecht aufgenommen. Diese sehen eine längere Verjährungsfrist für im Zusammenhang mit Kulturgütern stehende Gewährleistungsrechte vor. 2012 wurden die kauf- und werkvertragsrechtlichen Verjährungsfristen für Gewährleistungsansprüche revidiert. Die allgemeine Verjährungsfrist beträgt statt eines Jahres neu zwei Jahre (Art. 210 Abs. 1 und Art. 371 Abs.  1  OR). Wird eine mangelhafte Sache oder ein mangelhaftes Werk bestimmungsgemäss in ein unbewegliches Werk integriert und führt dieser Mangel in der Folge zur Mangelhaftigkeit des gesamten unbeweglichen Werkes, gilt weiter eine fünfjährige Frist (Art. 210 Abs. 2 bzw. Art. 371 Abs. 1 OR; s. zum Ganzen N 2631a ff. und N  3179  ff.). Bei Verträgen zwischen Konsumenten und Gewerbetreibenden darf schliesslich die Verjährungsfrist nicht auf weniger als zwei Jahre verkürzt werden (Art. 210 Abs. 4 OR; s. N 2635 f.). 9 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (SR 241). 10 S. für die Zeit bis 2011 die ausführliche Übersicht bei Honsell, ZSR 2011 II, 5 ff.; s. für die Zeit nach 2011 die Übersicht bei BSK OR-Zellweger-Gutknecht, Einl. vor Art. 1 ff. N 20a ff. 11 Bundesgesetz vom 3.  Oktober 2003 über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz; SR 221.301). 12 Das Bundesgesetz über die elektronische Signatur wurde 2016 erneut revidiert. Das Bundesgesetz vom 18. März 2016 über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur und anderer Anwendungen digitaler Zertifikate (Bundesgesetz über die elektronische Signatur; SR 943.03) ist in seiner neuen Fassung seit dem 1. Januar 2017 in Kraft. 13 S. im Einzelnen Botschaft zur Totalrevision des Bundesgesetzes über die elektronische Signatur (ZertES) vom 15. Januar 2014, BBl 2014 1001 ff., 1032. 14 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über den Konsumkredit (SR 221.214.1). 15 Bundesgesetz vom 20. Juni 2003 über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz; SR 444.1).

7

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

14

Sodann hat das Partnerschaftsgesetz vom 18.  Juni 200416 zur Aufnahme des Art. 134 Abs. 1 Ziff. 3bis OR sowie zu weiteren Anpassungen im Miet- und Arbeitsrecht geführt.

15

Ausserdem hat das Inkrafttreten der neuen eidgenössischen Zivilprozessordnung (ZPO)17 am 1. Januar 2011 verschiedene Änderungen im OR bewirkt: So wurden im OR AT die Art. 97 Abs. 2, Art. 135 Ziff. 2 und Art. 138 Abs. 1 OR nach den Bestimmungen der ZPO ausgerichtet. Im OR BT wurde z.B. die Regelung der Streitverkündung im Kaufrecht aufgehoben und stattdessen auf die neue ZPO verwiesen (Art. 193 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 78 ff. ZPO; s. N 2572 ff.). Ebenfalls wird das Verfahren vor der Schlichtungsbehörde in Mietstreitigkeiten nunmehr ausschliesslich in der ZPO geregelt (Art. 197 ff. ZPO; s. N 3025). Diese prozessualen Bestimmungen befanden sich vorher im OR, weil in diesen Bereichen eine einheitliche eidgenössische Regelung sichergestellt werden sollte. Die Schaffung einer eidgenössischen Zivilprozessordnung hat die Notwendigkeit von vereinheitlichenden Prozessregeln im materiellen Recht beseitigt; prozessuale Bestimmungen sind grundsätzlich nur noch in der ZPO, materielle Bestimmungen dagegen im OR zu finden.

16

Schliesslich hat das neue Erwachsenenschutzrecht18 mit seinem Inkrafttreten am 1.  Januar 2013 ebenfalls einige wenige Anpassungen sowohl im  OR AT als auch im OR BT mit sich gebracht. Hauptsächlich wurden im OR AT die Bestimmungen an die Terminologie und die Regelungen des neuen Erwachsenenschutzrechts angepasst (s. Art. 35 Abs. 1 und Art. 134 Abs. 1 Ziff. 2 OR). Der OR BT enthält neben konzeptionellen Anpassungen auch neue Regelungen. So sieht das Auftragsrecht beispielsweise eine weitere Pflicht der Beauftragten vor. Wird der Auftraggeber voraussichtlich dauernd urteilsunfähig, so ist die Beauftragte von Gesetzes wegen verpflichtet, zu überprüfen, ob eine Meldung an die Erwachsenenschutzbehörde nötig ist (Art. 397a OR; s. N 3274a).

16a

Eine weitere (verhältnismässig grössere) Revision erfolgt demnächst im Bereich des Verjährungsrechts.19 Das Verjährungsrecht des OR AT wird in bestimmten Punkten angepasst bzw. geändert werden. Unter anderem werden die relativen Verjährungsfristen des Delikts- und des Bereicherungsrechts von einem auf drei Jahre verlängert (Art. Art. 60 Abs. 1 und Art. 67 Abs. 1 revOR). Für Forderungen aus Personenschäden ist ausserdem eine zwanzigjährige absolute Verjährungsfrist vorgesehen (Art. 60 Abs. 1bis und Art. 128a revOR); in diesen Fällen gelangt also nicht 16

Bundesgesetz vom 18. Juni 2004 über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare (Partnerschaftsgesetz; SR 211.231). 17 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung; SR 272). 18 Mit dem Bundesgesetz vom 19. Dezember 2008 über die Änderung des ZGB (AS 2011 725), das auf den 1.  Januar 2013 in Kraft getreten ist, wurde das Vormundschafts-, Personen- und Kindesrecht revidiert; s.  Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Erwachsenenschutz, Personen- und Kindesrecht) vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7001 ff. 19 S. Obligationenrecht (Revision des Verjährungsrechts) vom 15. Juni 2018, BBl 2018 3537 ff.

8

§1

Grundlagen

die allgemeine zehnjährige Verjährungsfrist von Art. 60 Abs. 1 bzw. Art. 127 OR zur Anwendung. Des Weiteren wird der Katalog der Hinderungs- und Stillstandsgründe punktuell angepasst und erweitert (s.  Art.  134 Ziff.  6–8 revOR). Mit der geplanten Gesetzesrevision soll schliesslich auch genau festgelegt werden, unter welchen Voraussetzungen der Schuldner auf die Verjährungseinrede verzichten kann (s. Art. 141 revOR). Die Verjährungsbestimmungen, welche in Spezialgesetzen enthalten sind (z.B. Art. 6 und Art. 292 SchKG20)21, werden soweit wie möglich an die Bestimmungen des OR AT angeglichen. Das revidierte Verjährungsrecht wird am 1. Januar 2020 in Kraft treten.22 Eine Zusammenstellung der laufenden Rechtsetzungsprojekte findet sich auf der 17 Homepage des Bundesamts für Justiz.23

3.

Verhältnis zu anderen Gesetzen und Rechtsgebieten

Das OR regelt neben dem Schuldrecht auch weite Teile des Handelsrechts (so enthält 18 es Normen über die Handelsgesellschaften, die Genossenschaft, das Handelsregister, Geschäftsfirmen, die kaufmännische Buchführung und Wertpapiere). Umgekehrt ist aber nicht das ganze Schuldrecht im OR kodifiziert. In zahlreichen Spezialgesetzen finden sich weitere schuldrechtliche Bestimmungen, so etwa im Bundesgesetz über Pauschalreisen (PauRG), im Konsumkreditgesetz (KKG), im Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), im Kartellgesetz (KG)24, im Versicherungsvertragsgesetz (VVG)25, im Produktehaftpflichtgesetz (PrHG)26, im Strassenverkehrsgesetz (SVG)27 oder im Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG)28. Bei OR und ZGB handelt es sich um einen sog. code unique. Gemäss Art. 7 ZGB sind 19 die obligationenrechtlichen Bestimmungen explizit auch im ZGB anwendbar. Das Gleiche gilt implizit bezüglich der Anwendung von ZGB-Vorschriften im OR (für das OR wichtig sind vor allem die Einleitungsartikel, die personenrechtlichen Vor-

20 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SR 281.1). 21 Dazu ausführlich BBl 2018 3542 ff. 22 S. Medienmitteilung des Bundesrates vom 7. November 2018, abrufbar unter , besucht am 3. Januar 2019. 23 Abrufbar unter , besucht am 3. Januar 2019. 24 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz; SR 251). 25 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz; SR 221.229.1). 26 Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über die Produktehaftpflicht (Produktehaftpflichtgesetz; SR 221.112.944). 27 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SR 741.01). 28 Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11.  April 1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf (SR 0.221.211.1).

9

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

schriften über die Handlungsfähigkeit der natürlichen und der juristischen Personen sowie die sachenrechtlichen Bestimmungen über Besitz und Eigentum).29 20

Im öffentlichen Recht kommen privatrechtliche Normen durch ausdrücklichen Verweis oder analoge Anwendung zum Einsatz.30 Öffentliches Recht ist umgekehrt in vielen privatrechtlichen Normen enthalten. Privates Recht ist überdies verfassungskonform auszulegen. Privates und öffentliches Recht bilden eine Einheit und verfolgen oft die gleichen Ziele (s. etwa den Schutz der persönlichen Freiheit nach Art. 10 BV und den Persönlichkeitsschutz von Art. 27 ff. ZGB oder das Verbot der Ausbeutung bzw. Täuschung des Vertragspartners in Art. 21 OR und Art. 157 StGB31 bzw. Art. 28 OR und Art. 146 StGB).32

II.

Grundbegriffe

1.

Obligation und verwandte Begriffe

1.1

Obligation

21

Die Obligation ist eine Rechtsbeziehung zwischen Gläubigerin und Schuldner, gestützt auf welche die Gläubigerin vom Schuldner eine Leistung fordern kann.33

22

Die Leistung ist auf ein Tun (Sach- oder Dienstleistung), Unterlassen oder Dulden bzw. auf eine Kombination dieser Inhalte gerichtet. Ist der Schuldner zu einem Tun verpflichtet, kann weiter unterschieden werden, ob ein Erfolg oder lediglich ein sorgfältiges Tätigwerden geschuldet ist.34

23

Was der Gesetzgeber jeweils konkret mit «Obligation» meint, ist aus dem Kontext der Norm zu ermitteln: Bisweilen ist von einer Obligation im hier beschriebenen Sinn die Rede, bisweilen aber auch von einem Wertpapier, das eine Forderung verkörpert (Art. 1156 ff. OR). Aus dem Zusammenhang ergibt sich ohne Weiteres, dass Letzteres zum Wertpapierrecht und nicht zum OR AT gehört. Das Gesetz verwendet im Übrigen weitere Begriffe, um die Beziehung zwischen Gläubigerin und Schuldner zu benennen: So ist auch von Anspruch, Verbindlichkeit, Schuldpflicht, Verpflichtung oder Haftung die Rede (zu den Abgrenzungen s. N 26 ff., N 108 ff.).35 29 30 31 32 33 34 35

10

CHK ZGB-Breitschmid, Art. 7 N 6; BSK ZGB-Lardelli/Vetter, Art. 7 N 2 f. BK OR-Müller, Einl. in das OR N 77 f.; BSK OR-Zellweger-Gutknecht, Einl. vor Art. 1 ff. N 30. Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (SR 311.0). S. auch Forstmoser/Vogt, § 4 N 69 f. S. Gauch/Schluep/Schmid, N 25; Schwenzer, OR AT, N 4.01. S. Koller, OR AT, N 2.14 ff. Gauch/Schluep/Schmid, N 27; Koller, OR AT, N 2.04 f.

§1

Grundlagen

Auch hier ergibt sich aus dem Zusammenhang, ob diese Begriffe synonym zur Obligation verwendet werden. Wie auch immer die Relation zwischen Gläubigerin und Schuldner umschrieben 24 wird, immer handelt es sich um eine bilaterale Beziehung zwischen zwei Rechtssubjekten bzw. zwischen zwei Gruppen von Rechtssubjekten. Ein Rechtssubjekt ist ein möglicher Träger von Rechten und Pflichten. Darunter fallen natürliche und juristische Personen sowie weitere, vom Gesetz als Rechts- und Pflichtenträger vorgesehene Gemeinschaften (z.B. die Kollektivgesellschaft bzw. die Erbengemeinschaft). Die Zweiseitigkeit der Obligation (zur Relativität des Forderungsrechts s.  N  88) 25 schliesst nicht aus, dass auf Gläubigerinnen- oder auf Schuldnerseite – gleichzeitig oder nacheinander – eine Mehrheit von Personen beteiligt ist. So kennt das OR beispielsweise Solidargläubigerinnen und Teilschuldner (Art. 150 bzw. Art. 143 OR), den Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 f. OR) oder den Gläubigerinnen- bzw. Schuldnerwechsel (Zession gemäss Art. 164 ff. OR [s. N 1322 ff.] bzw. Schuldübernahme nach Art. 175 ff. OR [s. N 1409 ff.]). 1.2

Forderung und Schuld

Die Forderung ist das Recht der Gläubigerin, die Leistung vom Schuldner zu verlangen.

26

Die Schuld ist die entsprechende Pflicht des Schuldners zur Leistung.

27

Während die Obligation die Rechtsbeziehung zwischen Gläubigerin und Schuldner 28 von einem neutralen Standpunkt aus beschreibt, beleuchten Forderung und Schuld dieselbe Beziehung aus der Perspektive der Gläubigerin bzw. des Schuldners.36 1.3

Anspruch

Jedes klagbare relative Recht auf ein fremdes Verhalten stellt einen Anspruch dar.

28a

Dem Begriff Anspruch werden in der Lehre ganz unterschiedliche Bedeutungen 29 zugemessen. Namentlich ist umstritten, ob der Begriff synonym zu Forderung verwendet oder ob nur die fällige bzw. nur die klagbare Forderung erfasst werden soll.37 36 37

ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Vorb. vor Art. 1 N 10. Guhl/Koller, § 2 N 15; Rehbinder, 105; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Vorb. vor Art. 1 N 85 ff. Eine synonyme Anwendung der Begriffe befürwortend: Furrer/Müller-Chen, Kap. 1 N 92 ff.; BK OR-Müller, Einl. in das OR N 181; von Tuhr/Peter, 15.

11

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Immerhin liegt dem Anspruch aber gleich wie der Forderung die Perspektive der Gläubigerin zugrunde. 30

Wir verstehen unter Anspruch nur die durchsetzbare, das heisst die klagbare Forderung (s. N 34 f.). Damit grenzt sich der Anspruch von der Forderung ab und die beiden Begriffe können präzise nebeneinander verwendet werden. Im Übrigen entspricht diese Terminologie auch derjenigen der Anspruchsmethode, die im Allgemeinen zur Lösung komplexer privatrechtlicher Fälle verwendet wird (s. N 4079 ff.): Der Schluss, dass die Gläubigerin einen Anspruch gegen den Schuldner aus Art. 184 Abs. 1 OR auf Übergabe des Kaufgegenstands hat, impliziert z.B., dass diese Forderung in diesem Zeitpunkt auch durchgesetzt werden kann.

31

Der Begriff Anspruch umfasst darüber hinaus nach gängigem Sprachgebrauch auch weitere Rechte ausserhalb des Obligationenrechts (z.B. Vindikationsanspruch nach Art. 641 Abs. 2 ZGB). Allgemein ist deshalb mit Anspruch jedes klagbare relative Recht auf ein fremdes Verhalten gemeint.38 1.4

Einrede und Einwendung

32

Unter einer Einrede wird das Recht des Schuldners verstanden, die Erfüllung seiner Pflicht an die Gläubigerin zu verweigern, und zwar entweder vorübergehend (sog. dilatorische Einrede; z.B. Stundungseinrede, Einrede des nicht erfüllten Vertrages gemäss Art. 82 OR) oder aber dauernd (sog. peremptorische Einrede; z.B. Verjährungseinrede).39

32a

Die Einrede besteht mit anderen Worten in einem Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners.40 Der Schuldner, der sich auf eine Einrede berufen will, hat diese vor Gericht geltend zu machen. Sie wird vom Richter nicht von Amtes wegen beachtet (so explizit der Wortlaut von Art. 142 OR die Verjährungseinrede betreffend; s. dazu auch N 2219 ff.).

33

Mit einer Einwendung hingegen macht der Schuldner gegenüber den anspruchsbegründenden Behauptungen der Gläubigerin mittels Tatsachenbehauptungen geltend, der Anspruch sei materiell gar nie entstanden oder mittlerweile erloschen.41

33a

Der Schuldner bringt also bestimmte Tatsachen vor, die dem Recht der Gläubigerin entgegenstehen. Er bestreitet mithin den Bestand der Forderung als solche, z.B. 38 39 40 41

12

Portmann, N 183; s. auch ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Vorb. vor Art. 1 N 92 ff. Koller, OR AT, N 2.65 f. Schaller, N 112; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Vorb. vor Art. 1 N 100. S. von Tuhr/Peter, 27.

§1

Grundlagen

indem er seine Urteilsunfähigkeit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltend macht oder die Verrechnung (s. N 755 ff.) mit einer eigenen Forderung gegen die Gläubigerin erklärt.42 Grundsätzlich ist das Vorliegen von Einwendungen vom Gericht von Amtes wegen zu beachten.43 1.5

Klagbare und unklagbare Forderungen

In der Regel kann die Gläubigerin ihre Forderung auf dem Klageweg durchsetzen; 34 Unklagbarkeit liegt nur ausnahmsweise vor. Im Fall einer unklagbaren Forderung spricht man von einer sog. unvollkommenen Obligation.44 Als Paradebeispiel einer nicht klagbaren Forderung kann die Schuld aus Spiel und Wette angeführt werden (Art. 513 OR; s. dazu N 3609 ff.). Ein Teil der Lehre zählt das Klagerecht der Gläubigerin zu den Wesensmerkmalen 35 der Forderung.45 Diese Auffassung lässt sich zwar auf den Inhalt von Art. 513 OR stützen. Die Marginalie von Art. 513 OR («Unklagbarkeit der Forderung») spricht hingegen wieder für die hier vertretene Meinung, wonach auch eine unklagbare Forderung eine Forderung ist.46 Als Anspruch bezeichnet man dagegen nur klagbare Forderungen (s. N 29 ff.). Die Erfüllung einer unklagbaren Forderung ist grundsätzlich keine Schenkung, da ihr keine Schenkungsabsicht zugrunde liegt (s. auch N 2860).

36

Die Unvollkommenheit von Obligationen kann auf verschiedenen Gründen beru- 37 hen: • Bei den sog. Naturalobligationen darf die Gläubigerin zwar die Leistung verlangen, allerdings wird ihr der (gerichtliche) Rechtsschutz verweigert. Dem Ausschluss der Klagbarkeit der Naturalobligationen liegt häufig eine Wertung zugrunde; eine bestimmte Art von Forderungen gilt als verpönt und soll nicht vom Staat gefördert werden (z.B. Forderung aus Spiel und Wette; Art. 513 OR). • Häufiger kommen verjährte (s. N 2219 ff.) und andere einredebelastete Forderungen vor (z.B. Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach Art. 82 OR; s. dazu N 929 ff.). Ein Teil der Lehre zählt sie zu den Naturalobligationen. Mit Bucher rechtfertigt sich aber die Annahme einer eigenen Kategorie, da diese Forderungen bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Einrede klagbar sind.47 • Nach Art. 66 OR kann nicht zurückgefordert werden, was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, geleistet worden ist 42 43 44 45 46 47

Furrer/Müller-Chen, Kap. 1 N 97; Schaller, N 100 und N 122 ff. Schaller, N 160 ff. S. für weitere Begriffe auch BK OR-Müller, Einl. in das OR N 238 m.w.H. So etwa Berger, Schuldrecht, N 208; Gauch/Schluep/Schmid, N 25, N 29 f. und N 81 ff. So auch Koller, OR AT, N 2.42. Bucher, OR AT, 70.

13

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

(s. N 1811 ff.). Nach herrschender Lehre schliesst Art. 66 OR also die Klagbarkeit der Bereicherungsforderung aus, nicht jedoch die Forderung als solche.48 Anders als bei der Verjährung (s.  Art.  142  OR) muss das Gericht von Amtes wegen berücksichtigen, dass die Forderung nicht klagbar ist (s. N 1813).49 • Schliesslich ist bei sittlichen Pflichten die Leistung zwar mitunter moralisch, nicht aber rechtlich geschuldet. Es besteht keine klagbare Forderung (z.B. Verwandtenunterstützung über die Pflicht von Art. 328 ZGB hinaus). Wer eine Leistung aufgrund einer sittlichen Pflicht erbringt, kann sie nicht zurückfordern (Art. 63 Abs. 2 OR; s. N 1809 f.).

2.

Schuldverhältnis

38

Die Obligation wird auch als Schuldverhältnis i.e.S. bezeichnet. Sie umfasst lediglich eine einzelne Forderung bzw. Schuld;50 man kann sie daher auch als Mikroebene der Beziehung zwischen Gläubigerin und Schuldner bezeichnen.

39

Ein Schuldverhältnis i.w.S. dagegen beinhaltet oft eine ganze Palette von Rechten und Pflichten und ist daher nicht notwendigerweise auf eine einzige Obligation beschränkt.51 Es stellt also die Makroebene der Beziehung zwischen Gläubigerin und Schuldner dar.

40

Der Unterschied zwischen dem Schuldverhältnis i.w.S. und i.e.S. lässt sich anhand des Kaufvertrages (Art. 184 ff. OR) illustrieren: Der Kaufvertrag ist ein Schuldverhältnis i.w.S. Er besteht im Wesentlichen aus drei Obligationen, nämlich der Verpflichtung der Verkäuferin zur Übergabe der Kaufsache und zur Verschaffung des Eigentums daran sowie der Verpflichtung des Käufers zur Bezahlung des Kaufpreises (s. dazu auch N 2413 ff., N 2441 ff.).

41

Kaufvertrag

Verkäuferin

Käufer

Anspruch auf Übergabe der Kaufsache Anspruch auf Verschaffung des Eigentums Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises

Abbildung: Schuldverhältnis i.e.S. und i.w.S. 48 BGE 75 II 293 E. 3a; BK OR-Müller, Einl. in das OR N 241; BK OR-Rüedi, Art. 66 N 15. 49 BSK OR-Schulin, Art. 66 N 8. 50 S. ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Vorb. vor Art. 1 N 10 f. 51 S. zur Unterscheidung auch BK OR-Kramer, Allg. Einl. N 33 ff.

14

§1

Grundlagen

Man kann die Gesamtheit der vorgesehenen Rechte und Pflichten auch als Pro- 42 gramm bezeichnen, das die Parteien zu realisieren bzw. zu erfüllen haben. Dieses Programm ist nicht starr, sondern kann sich über die Zeit verändern. Sein Inhalt hängt in einer späteren Phase unter anderem davon ab, ob die Beteiligten es «richtig» erfüllen und/oder ob sie es infrage stellen (tritt z.B. eine Partei vom Vertrag zurück, so müssen die erbrachten Leistungen rückabgewickelt werden). Denkbar sind auch «Angriffe» von aussen, beispielsweise wenn ein rechtswidriger Vertrag von Amtes wegen für nichtig erklärt wird. Nur in einem Teil der Fälle wird das Schuldverhältnis also gemäss seinem ursprünglichen Programm in die Tat umgesetzt. Grundsätzlich gilt, dass eine Obligation bis zum Untergang ihrem ursprünglichen 43 Programm folgt; davon gibt es indessen zahlreiche Ausnahmen. Es gilt auch hier, einen angemessenen Ausgleich zwischen Nachhaltigkeit (pacta sunt servanda) und norm- bzw. situationsgerechter Flexibilität zu finden. Der Unterschied zwischen der Mikro- und der Makroebene ist nicht nur klassifi- 44 katorischer Art: Wird eine einzelne Forderung erfüllt (Mikroebene), bedeutet das nicht zwingend, dass damit auch das Schuldverhältnis i.w.S. (Makroebene) untergeht. Dieses endet in der Regel erst, wenn zwischen den Parteien keine Rechte und Pflichten mehr bestehen. Gleiches gilt etwa mit Bezug auf eine Zession (s. N 1322 ff.): Tritt die Gläubigerin eine Forderung ab, so heisst das nicht, dass auch das Schuldverhältnis i.w.S. übergeht. Vielmehr wird eines der engeren Schuldverhältnisse aus dem weiteren herausgelöst und auf eine andere Person übertragen.

3.

Rechtsgeschäft

3.1

Begriff

Ein Rechtsgeschäft besteht aus einer oder mehreren Willenserklärungen (s.  N  168  ff.), die darauf gerichtet sind, bestimmte Rechtsfolgen (Begründung, Änderung oder Aufhebung eines Rechts oder Schuldverhältnisses i.w.S.) herbeizuführen.52 Die Rechtsordnung anerkennt das Rechtsgeschäft grundsätzlich als Möglichkeit privatautonomer Rechtsgestaltung und knüpft daran den Eintritt von Rechtsfolgen.

45

Das OR erwähnt den Begriff des Rechtsgeschäfts zwar in einigen Bestimmungen 46 (z.B. Art. 34 Abs. 1 OR), enthält jedoch weder eine Definition desselben noch allgemeine Vorschriften darüber. Ausführlich regelt das OR hingegen den Vertrag als wichtigsten Anwendungsfall eines Rechtsgeschäfts (Art. 1 ff. OR).53 Die Vertrags52 Koller, OR AT, N 3.06; BK OR-Müller, Einl. in das OR N 85. 53 S. Bucher, OR AT, 41.

15

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

bestimmungen kommen auf das Rechtsgeschäft insoweit zur Anwendung, als sie verallgemeinerbar sind. 47

Ein Vertrag beruht auf Konsens und entsteht durch den Austausch übereinstimmender gegenseitiger Willenserklärungen (Art. 1 Abs. 1 OR; s. N 140 ff.).

48

Begrifflich wird der Vertrag in diesem Zusammenhang als Prozess verstanden (s. N 201 ff.). Mit Vertrag können aber auch das Resultat oder die Wirkungen des Vertragsabschlusses (Rechtsfolgen) gemeint sein (s. N 245 ff.). Diese bestehen in Rechten und Pflichten, die zusammengenommen als Schuldverhältnis i.w.S. bezeichnet werden (s. N 38 ff.).

49

Abzugrenzen ist das Rechtsgeschäft von der Gefälligkeit: Bei Letzterer fehlt es im Gegensatz zum Rechtsgeschäft am Rechtsbindungswillen der Parteien (s. N 78 ff., N 1662 ff.). 3.2

Arten

a.

Ein-, zwei- und mehrseitige Rechtsgeschäfte

50

Einseitige Rechtsgeschäfte bestehen in einer einzigen Willenserklärung; diese für sich allein ist notwendig, aber auch genügend, um die gewollten Rechtsfolgen zu erzeugen.54 Dazu zählen unter anderem die Auslobung (Art. 8 OR; s. N 214 ff.), die Bevollmächtigung (s. Art. 32 ff. OR; s. N 1066 ff.), die Ausübung von Gestaltungsrechten (z.B. Kündigung; s.  N  75  ff.), das Errichten einer Stiftung (Art.  80 ZGB) oder die letztwillige Verfügung (Art.  498 ZGB). An einem einseitigen Rechtsgeschäft können auch mehrere Personen beteiligt sein. Das ist z.B. der Fall, wenn zwei Miteigentümer ein Mietverhältnis kündigen (s. N 25).55

51

Zwei- und mehrseitige Rechtsgeschäfte bestehen aus zwei oder mehr Willenserklärungen. Hierbei sind der Vertrag und der Beschluss voneinander zu unterscheiden:

52

Ein Vertrag entsteht durch den Austausch übereinstimmender gegenseitiger Willenserklärungen und ist idealtypischerweise in Angebot und Annahme zerlegbar (Art.  1  ff.  OR; s.  N  201  ff.). In der Willenserklärung ist auch der sog. Rechtsbindungswille enthalten: Übereinstimmend wollen die Parteien ihrer Beziehung rechtliche Relevanz zukommen lassen und damit bestimmte Rechtsfolgen auslösen (synonym zu Rechtsbindungswille werden auch die Begriffe Geschäfts-, Verpflichtungs- und Rechtsfolgewille verwendet; zur Willenserklärung s.  N  168  ff.).56 Der Vertrag ist in der Regel ein zweiseitiges Rechtsgeschäft. Indessen können an einem 54 55 56

16

S. Koller, OR AT, N 3.37 ff. Koller, OR AT, N 3.39. S. BK OR-Kramer, Allg. Einl. N 62 und Art. 1 N 33 ff.

§1

Grundlagen

Vertrag auch mehr als zwei Personen beteiligt sein (sog. Mehrparteiengeschäft): An der Gründung einer einfachen Gesellschaft (Art. 530 ff. OR) z.B. sind in der Regel mehrere Personen beteiligt. Wie beim einseitigen Rechtsgeschäft darf die Anzahl der beteiligten Personen nicht mit der Anzahl der Willenserklärungen gleichgesetzt werden (s. N 50). Verträge ihrerseits können nach den die Parteien treffenden Leistungspflichten ein- 53 geteilt werden:57 Bei einem einseitigen Vertrag schuldet nur die eine Partei eine Leistung (z.B. Schenkung; Art. 239 ff. OR); bei einem zweiseitigen Vertrag trifft hingegen beide Parteien eine Leistungspflicht.58 Bei Letzterem wird weiter unterschieden, ob die Leistungspflichten in einem Austauschverhältnis (sog. Synallagma) stehen oder nicht. Beim vollkommen zweiseitigen Vertrag (sog. synallagmatischer Vertrag) ist die eine Leistung Gegenleistung der anderen (z.B. Kaufvertrag; Art. 184 ff. OR); beim unvollkommen zweiseitigen Vertrag stehen die Leistungen dagegen nicht in einem Austauschverhältnis (z.B. Pflicht zur Zahlung von Aufwendungsersatz beim unentgeltlichen Auftrag; Art. 402 Abs. 1 OR).59 53a

Rechtsgeschäfte (nach Anzahl Willenserklärungen)

einseitige

zwei- und mehrseitige

Verträge (nach Anzahl Leistungspflichten)

einseitige

Beschlüsse

zweiseitige

unvollkommen zweiseitige

synallagmatische

Abbildung: Übersicht über die Terminologie von ein-, zwei- und mehrseitigen Rechtsgeschäften

Diese Terminologie hat sich in der schweizerischen Lehre durchgesetzt. Etwas ver- 54 wirrend ist dabei, dass die Begriffe ein- und zweiseitig sowohl auf der Ebene des Rechtsgeschäfts wie auch auf der Vertragsebene verwendet werden, also doppelt

57 S. zum Ganzen Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 243 ff. 58 BK OR-Müller, Einl. in das OR N 128 f. 59 Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 335 und N 345.

17

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

belegt sind. Die beiden Ebenen müssen aber klar unterschieden werden: Alle Verträge – auch die einseitigen – sind zwei- bzw. mehrseitige Rechtsgeschäfte. 55

Ein Beschluss ist die Entscheidung einer gemeinsamen Angelegenheit innerhalb einer Personenmehrheit.60 Beispiele sind etwa der Gesellschaftsbeschluss (Art. 534 OR), der Generalversammlungsbeschluss in einer Aktiengesellschaft (Art.  703  f.  OR) und der Vereinsbeschluss (Art. 66 ff. ZGB). Die Frage, ob ein Beschluss zustande gekommen ist, richtet sich nicht automatisch nach dem Konsensprinzip, sondern nach jenem Zustimmungsmodus, der im Gesellschaftsvertrag bzw. Gesetz für den entsprechenden Entscheid vorgesehen ist. In der Regel genügt ein Stimmenmehr; bisweilen ist ein qualifiziertes Mehr und selten Einstimmigkeit für das Zustandekommen des Beschlusses erforderlich. Dazu gesellen sich Normen, welche die Zählweise von Stimmenthaltungen definieren, sowie unter Umständen Präsenzquoren, welche sich zur Mindestanwesenheitszahl der Beteiligten äussern.

56

Privatautonome Rechtsgestaltung geschieht in der Regel durch Vertrag (zwei- oder mehrseitiges Rechtsgeschäft). Aufgrund einer einzigen Willenserklärung kann eine Änderung der Rechtslage demgegenüber nur ausnahmsweise, das heisst in Fällen einer vertraglichen oder gesetzlichen Grundlage, erfolgen (s. N 75 ff.).61 Zum einen können sich die Parteien selbst vertragliche Gestaltungsrechte einräumen, wie namentlich Änderungs-, Kündigungs- und Wahlrechte.62 Zum anderen enthält das Gesetz eine Reihe von Gestaltungsrechten, wie z.B. testamentarische Verfügungsbefugnisse, Kündigungsrechte und Vorkaufsrechte. Ferner kann Richterrecht, das in Ausfüllung einer Gesetzeslücke geschaffen wird, von aussen eine Änderung der Rechtslage herbeiführen.63 b.

Einmal- und Dauerschuldverhältnisse

57

Rechtsgeschäfte können auch danach unterschieden werden, ob der Umfang der Leistung von der zeitlichen Dauer des Rechtsgeschäfts abhängt oder nicht.64

58

Beim Einmalschuldverhältnis bestimmt sich der Umfang der Leistung nicht nach Massgabe der Zeitdauer. Regelmässig erschöpft sich der Vertrag in einem einmaligen Austausch der Leistungen. Dies ist in der Regel beim Kaufvertrag (Art. 184 ff. OR) der Fall.65

59

Ein Dauerschuldverhältnis liegt hingegen vor, wenn der Umfang der Gesamtleistung von der Erfüllungsdauer des Rechtsgeschäfts abhängt. Als Beispiel lässt sich 60 Von Tuhr/Peter, 144 f. 61 Koller, OR AT, N 3.49 ff.; BSK OR-Zellweger-Gutknecht/Bucher, Vor Art. 1–40f N 20. 62 S. besonders für in AGB enthaltene einseitige Änderungsrechte Huguenin/Maissen, 97 ff. 63 Koller, OR AT, N 3.54. 64 BGE 128 III 428 E. 3b. 65 BK OR-Müller, Einl. in das OR N 135; Tercier/Bieri/Carron, N 361.

18

§1

Grundlagen

der Mietvertrag (Art. 253 ff. OR) anführen: Der Vermieter hat seine Leistung während der ganzen Vertragsdauer zu erbringen. Auch der befristete Mietvertrag ist ein Dauerschuldvertrag, da auch hier der Umfang der zu erbringenden Hauptleistungen von der Zeitdauer des Vertragsverhältnisses abhängt.66 Dasselbe gilt für die Verzinsungspflicht beim Darlehen (Art. 312 ff. OR). Für die Beendigung und die Rückabwicklung von Dauerschuldverhältnissen gel- 60 ten besondere Regeln: Die Beendigung eines unbefristeten Dauerschuldverhältnisses erfolgt grundsätzlich durch ordentliche Kündigung (s. N 792 ff.); diese wirkt für die Zukunft (ex nunc). Aus wichtigem Grund kann ein Dauerschuldverhältnis zwingend auch ausserordentlich aufgelöst werden (s. N 797 ff.).67 Eine Rückabwicklung von erfolgreich angefochtenen Dauerschuldverhältnissen nach vindikations- und bereicherungsrechtlichen Regeln kann sich indessen als schwierig erweisen. Das Bundesgericht interpretiert daher die Anfechtung von Dauerverträgen wegen Willensmängeln zu Recht als Kündigung mit Wirkung ex nunc und geht für die Dauer des bereits erfüllten Teils des Vertrages von dessen Gültigkeit aus (s. N 585).68 Der Sukzessivlieferungsvertrag steht ausserhalb des Begriffspaars Einmal- und 61 Dauerschuldverhältnis: Bei diesem Vertrag wird die Leistung in zeitlich getrennten Teilleistungen erbracht. Steht der Leistungsumfang zum Voraus fest, so ist der Sukzessivlieferungsvertrag als Einmalschuldverhältnis zu qualifizieren (Beispiel: Der Schreiner kauft 10 Ster Holz, die er innerhalb eines Jahres abrufen kann). Hingegen ist von einem Dauerschuldverhältnis auszugehen, wenn die Anzahl der zu erbringenden Teilleistungen von der Dauer des Schuldverhältnisses abhängt (Beispiel: Die Brauerei liefert dem Wirt bis auf Weiteres monatlich 2000 Liter Bier).69 c.

Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte

Durch das Verpflichtungsgeschäft verpflichtet sich eine Person einer anderen gegen- 62 über, eine bestimmte (zukünftige) Leistung zu erbringen; mittels Verfügungsgeschäft wird ein Recht oder Rechtsverhältnis unmittelbar geändert. Das Verpflichtungsgeschäft begründet eine oder mehrere Obligationen (s. N 21 ff.).70 63 In den meisten Fällen handelt es sich um einen Vertrag, ausnahmsweise aber auch um ein einseitiges Rechtsgeschäft (z.B. Auslobung [Art. 8 OR]; s. N 50). Buchhalte66 S. Koller, OR AT, N 2.122; BK OR-Kramer, Allg. Einl. N 159. 67 BGE 128 III 428 E. 3; ausführlich zum wichtigen Grund Gauch, 173 ff. 68 BGE 129 III 320 E. 7.1, besonders anschaulich zur Rückabwicklung eines Vertrages über zu Kompost verarbeiteten Klärschlamm; anschaulich zur Rückabwicklung von Dauerschuldverhältnissen auch die vorgeschlagene Lösung des OR 2020-Entwurfs; s. dazu OR 2020-Huguenin/Hilty/Purtschert, Art. 80 N 10, und OR 2020-Hilty/Purtschert, Art. 147 N 1 ff. 69 S. auch Koller, OR AT, N 2.123; BK OR-Müller, Einl. in das OR N 137; a.M. Honsell, OR BT, 32; Schwenzer, OR AT, N 3.26. 70 Gauch/Schluep/Schmid, N 136.

19

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

risch gesprochen vermindert das Verpflichtungsgeschäft die Aktiven nicht unmittelbar, sondern führt grundsätzlich zu einer Vermehrung der Passiven.71 64

Dagegen ist das Verfügungsgeschäft auf die Übertragung, Aufhebung, Änderung oder Belastung eines Rechts gerichtet.72 Dabei kann es sich um einen Vertrag (z.B. entgeltliche Abtretung einer Forderung gemäss Art. 164 Abs. 1 OR; s. N 1328 ff.), ausnahmsweise auch um ein einseitiges Verfügungsgeschäft (z.B. Aufgabe des Eigentums nach Art. 729 ZGB) handeln. Das Eigentum an Fahrnis wird durch Besitzesübergabe bzw. Übergabesurrogate verschafft (Art. 714 Abs. 1 i.V.m. Art. 922 ZGB; s.  dazu N  2433  f.). Beim Grundstückkauf besteht das Verfügungsgeschäft in der Anmeldung der Verkäuferin beim Grundbuchamt zwecks Vornahme der Änderung (Buchung) im Grundbuch (Art. 656 Abs. 1 i.V.m. Art. 958 Ziff. 1 und Art. 972 ZGB; s. Art. 963 Abs. 1 ZGB; s. dazu auch N 2436 ff.).73 Im Gegensatz zum Verpflichtungsgeschäft ändert das Verfügungsgeschäft unmittelbar den Bestand oder Inhalt eines Rechts der verfügenden Person zugunsten einer anderen Person.74 Ein Verfügungsgeschäft vermindert also in der Regel die Aktiven des Verfügenden.75

65

Das Verfügungsgeschäft setzt Verfügungsmacht voraus, das heisst, die verfügende Person muss im Zeitpunkt der Verfügung berechtigt sein, über das entsprechende Recht zu verfügen. Hier gilt der Grundsatz nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet76. Die Verfügungsmacht kommt grundsätzlich dem Inhaber eines Rechts oder dessen direktem Stellvertreter77 zu (der indirekte Stellvertreter ist selbst Inhaber des Rechts; zur Abgrenzung von direkter und indirekter Stellvertretung s. N 1032 f.). Verfügt er mehrmals, so ist nur die erste Verfügung wirksam (sog. Prioritätsgrundsatz). Verfügt ein Nichtberechtigter, so ist das Rechtsgeschäft unwirksam, sofern nicht ausnahmsweise die Grundsätze über den Schutz des guten Glaubens greifen (Art. 933 ZGB). Ausnahmsweise (z.B. im Konkurs; Art. 204 Abs. 1 SchKG) steht dem Inhaber die Verfügungsmacht über bestimmte das Vermögen betreffende Rechte nicht zu.78

66

Dagegen ist für das Verpflichtungsgeschäft keine Verfügungsmacht erforderlich. Aus diesem Grund ist auch die mehrfache Verpflichtung zur Übertragung derselben Sache wirksam. Gleich verhält es sich mit der Verpflichtung zur Übertragung einer Sache, die dem Schuldner nicht gehört. Kann der Schuldner mangels Verfügungsmacht nicht (alle) Forderungen erfüllen, wird er den Berechtigten gegenüber schadenersatzpflichtig. Pointiert lässt sich demnach sagen: Verpflichtungsgeschäfte 71 72 73 74 75 76 77 78

20

Schwenzer, OR AT, N 3.31. Koller, OR AT, N 3.59. Rey, Sachenrecht, N 1487 m.w.H. Berger, Schuldrecht, N 253. Schwenzer, OR AT, N 3.33. D. 50, 17, 54. S. BK OR-Zäch/Künzler, Art. 32 N 148. S. BSK SchKG-Wohlfahrt/Meyer, Art. 204 N 1.

§1

Grundlagen

betreffen das rechtliche Dürfen, Verfügungsgeschäfte dagegen das rechtliche Können.79 In der Regel beruht das Verfügungs- auf einem Verpflichtungsgeschäft. So über- 67 trägt z.B. der Schuldner die Sache, weil der Kaufvertrag ihn dazu verpflichtet. Dagegen fehlt es etwa beim sog. Handgeschäft an einem vorangehenden Verpflichtungsgeschäft. Das Verfügungsgeschäft erfolgt hier mit gleichzeitiger Einigung über den Grund, also darüber, ob die Verfügung schenkungsweise, kaufsweise etc. erfolgen soll.80 Von der zeitlichen Abfolge – allenfalls Koinzidenz – von Verpflichtungs- und Verfü- 68 gungsgeschäft zu unterscheiden ist die Frage, ob die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts von der Gültigkeit des Verpflichtungsgeschäfts abhängt (Kausalitätsprinzip) oder nicht (Abstraktionsprinzip). Wo das Kausalitätsprinzip gilt, muss dem Rechtserwerb ein gültiger Rechtsgrund (causa) vorausgehen;81 beim Abstraktionsprinzip ist das nicht der Fall. Die Übereignung von Sachen folgt dem Kausalitätsprinzip. Für die Übertragung 69 des Eigentums an Grundstücken ordnet Art. 974 Abs. 2 ZGB das Kausalitätsprinzip ausdrücklich an; für Fahrnis gilt es in Analogie zu dieser Bestimmung.82 Ist z.B. die Eintragung ins Grundbuch bereits erfolgt, das Grundgeschäft aber wegen Formmangels ungültig, kann der Verkäufer im Rahmen der Rückabwicklung (Liquidation) des Vertrages auf Berichtigung des Grundbuchs (Art. 975 Abs. 1 ZGB) und der Käufer auf Rückerstattung des Kaufpreises klagen (s. N 381 f.). Kausal ist auch die sog. abstrakte Schuldanerkennung (das «Schuldbekenntnis»; 70 Art. 17 OR). Ein Schuldbekenntnis ist die Erklärung des Schuldners (Anerkennender) gegenüber der Gläubigerin (Anerkennungsempfängerin), dass eine bestimmte Schuld gegenüber der Gläubigerin bestehe und dass er diese erfüllen wolle.83 Die Unterscheidung zwischen abstrakter und kausaler Schuldanerkennung beruht lediglich darauf, ob der Verpflichtungsgrund im Schuldbekenntnis genannt wird oder nicht. Nennt das Schuldbekenntnis den Schuldgrund, ist es kausal (Beispiel: A übergibt B ein Schreiben mit dem Wortlaut «Ich werde dir die Darlehenssumme von CHF 100 000 zurückbezahlen»). Wird der Schuldgrund im Schuldbekenntnis nicht erwähnt, handelt es sich um eine abstrakte Schuldanerkennung (Beispiel: A übergibt B ein Schreiben mit dem Wortlaut «Ich schulde dir CHF 100 000»). Kraus-

79 Schwenzer, OR AT, N 3.38. 80 Koller, OR AT, N 3.61; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 1 N 110. 81 S. Rey, Sachenrecht, N 347. 82 S. erstmals BGE 55 II 302 E. 2; statt vieler auch BGE 121 III 345 E. 2a. 83 Krauskopf, recht 2005, 169; BK  OR-Müller, Art.  17 N  15 m.w.H.; mit Präzisierungen Krauskopf, Schuldanerkennung, N  6  ff. Zur Abgrenzung zwischen Schuldanerkennung und Beweismitteln s. BGE 4A_426/2013 E. 3.4 und E. 3.5.

21

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

kopf bezeichnet diese Terminologie zu Recht als irreführend84: Mit dem Begriffspaar abstraktes/kausales Schuldbekenntnis in der vorliegenden Verwendung soll nichts über das Abstraktions- bzw. Kausalitätsprinzip in materieller Hinsicht ausgesagt werden. Sowohl die «abstrakte» wie auch die «kausale» Schuldanerkennung sind nämlich materiell-rechtlich kausal. Ist das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft mangelhaft, so entfaltet die Schuldanerkennung wegen der Verknüpfung mit diesem nicht die gewünschten Rechtswirkungen.85 Immerhin gewährt Art. 18 Abs. 2 OR dem gutgläubigen Dritten, der eine simulierte Forderung im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis erworben hat, einen besonderen Rechtsschutz. Der Schuldner kann dem gutgläubigen Zessionar in diesem Fall die Einwendung der Simulation nicht entgegenhalten. Art. 18 Abs. 2 OR ist ein Paradebeispiel der Rechtsscheinlehre (s. N 200).86 70a

Ein abstraktes Schuldbekenntnis bewirkt gemäss Rechtsprechung und herrschender Lehre eine Umkehr der Beweislast. Das heisst, der Schuldner muss beweisen, dass z.B. der Rechtsgrund der Forderung ungültig (Art. 19/20 OR), simuliert (Art. 18 Abs.  1  OR) oder er aus dem zugrunde liegenden Rechtsgeschäft nicht mehr verpflichtet (z.B. Kaufpreis bereits bezahlt) ist.87

71

Umstritten ist, ob die Abtretung von Forderungen kausal oder abstrakt ist. Ein Teil der Lehre spricht sich für das Abstraktionsprinzip aus. Danach ist die Abtretung einer Forderung auch dann wirksam, wenn das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft ungültig ist (s. dazu ausführlich N 1332 ff.). d.

72

Rechtsgeschäfte unter Lebenden und von Todes wegen

Rechtsgeschäfte unter Lebenden betreffen das Vermögen des Verpflichteten, Verfügungen von Todes wegen seinen Nachlass.88 Oder anders ausgedrückt: Rechtsgeschäfte unter Lebenden entfalten ihre Wirkungen zu Lebzeiten der Parteien; Rechtsgeschäfte von Todes wegen dagegen gestalten die Rechtsverhältnisse nach dem Ableben.89 Zur zweiten Kategorie zählen etwa die Schenkung von Todes wegen (Art. 245 Abs. 2 OR), das Testament (Art. 498 ff. ZGB) oder der Erbvertrag (Art. 512 ff. ZGB). 84 85 86 87

88 89

22

Krauskopf, recht 2005, 170 f., der sich des Begriffspaars diskrete (kausale)/indiskrete (abstrakte) Schuldanerkennung bedient; Krauskopf, Schuldanerkennung, N 29. So auch Schwenzer, OR AT, N 3.48; s. ferner BK OR-Müller, Art. 17 N 58 m.w.H. S. zum Ganzen Rusch, 322 ff. BGE 4A_152/2013 E. 2.3; 131 III 268 E. 3.2 = Pra 2006 Nr. 19; BK OR-Müller, Art. 17 N 91 f. m.w.H.; BSK  OR-Schwenzer, Art.  17 N  8; a.M. Krauskopf, Schuldanerkennung, N  84  ff. Im Gegensatz zu Art. 17 OR vermutet der OR 2020-Gesetzesentwurf in Art. 12 OR 2020 ausdrücklich das Bestehen der anerkannten Schuld und stellt so anschaulich die in der Praxis weitgehend anerkannte Beweislastverteilung im vorgeschlagenen Gesetzestext dar. BGE 113 II 270 E. 2b. S. Koller, OR AT, N 3.55.

§1

Grundlagen

Die Unterscheidung ist insofern von Bedeutung, als für die Verfügungen von Todes 73 wegen strengere Formvorschriften gelten (s. z.B. Art. 498 und 512 ZGB) und der Verfügungsfreiheit engere Schranken gesetzt sind (s. z.B. die Bestimmungen über den Pflichtteil; Art. 471 ZGB). Für die Abgrenzung sind alle Vertragsumstände zu würdigen. Vorrangiges Krite- 74 rium für die Unterscheidung ist der Zeitpunkt, auf welchen ein Rechtsgeschäft nach dem Willen der Parteien seine Wirkung entfalten soll.90 e.

Gestaltungsgeschäfte

Gestaltungsgeschäfte sind einseitige Rechtsgeschäfte, welche der Ausübung eines 75 Gestaltungsrechts dienen. Sie bestehen aus einer Willenserklärung, durch welche die Ausübende die Rechtsstellung eines anderen ohne dessen Mitwirkung zu verändern vermag.91 Zu den Gestaltungsgeschäften zählen etwa Rücktritt, Kündigung, Minderung und Wandlung. Die einzelnen Gestaltungsrechte haben untereinander nur wenige Gemeinsamkei- 76 ten. In Lehre und Rechtsprechung haben sich einige Regeln herausgebildet, deren Anwendbarkeit auf das konkrete Gestaltungsgeschäft im Einzelfall zu prüfen ist: Gestaltungsrechte sind nach Treu und Glauben auszuüben, sie sind grundsätzlich bedingungsfeindlich, unwiderruflich und unverjährbar.92 Von den Gestaltungsrechten sind die Gestaltungsklagerechte zu unterscheiden. 77 Diese sind nicht durch Willenserklärung, sondern auf dem Klageweg auszuüben und zielen auf den Erlass eines Urteils (Beispiel: Auflösung einer einfachen Gesellschaft aus wichtigem Grund; Art. 545 Abs. 1 Ziff. 7 OR). 3.3

Abgrenzung zur Gefälligkeit

Bei der Gefälligkeit (s. N 1662) liegt keine rechtsgeschäftliche Verpflichtung zur Aus- 78 führung der Gefälligkeitshandlung vor.93 Im Gegensatz zum Rechtsgeschäft fehlt es hier am Rechtsbindungswillen der Parteien (synonym: Fehlen eines Geschäfts- bzw. Rechtsfolgewillens; s. N 52, N 170). Liegen als Ergebnis der natürlichen und auch der normativen Auslegung (s. N 189 ff., N 278 ff.) keine rechtsverbindlichen Willenserklärungen vor, so entstehen grundsätzlich weder (rechtsgeschäftlich begründete) Erfüllungsansprüche noch Ansprüche aus Nicht- oder Schlechterfüllung (zu allfälligen quasivertraglichen Ansprüchen s. N 1662 ff.).

90 91 92 93

Gauch/Schluep/Schmid, N 148 m.w.H. S. Merz, SPR, 72. S. zum Ganzen Gauch/Schluep/Schmid, N 151 ff. m.w.H. BK OR-Kramer, Allg. Einl. N 63.

23

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

79

In der Praxis am schwierigsten zu treffen ist die Unterscheidung zwischen (unentgeltlichem) Auftrag und Gefälligkeit. Oft geht es dabei um das Erteilen von Rat und Auskunft.94

80

Die Abgrenzung ist nach Massgabe des Vertrauensprinzips (s. N 190 ff.) vorzunehmen. Dabei ist etwa zu fragen, ob jemand, der eine Leistung unentgeltlich (und aus seiner Sicht nur gefälligkeitshalber) erbringt, damit rechnen muss, aus Vertrag ersatzpflichtig zu werden, wenn sein Rat bzw. seine Auskunft falsch ist. In der Regel wird die vertragliche Ersatzpflicht bejaht, wenn für den Leistungserbringer die Bedeutung des Geschäfts für die Gegenseite (und damit das Vorliegen ihres Rechtsbindungswillens) ersichtlich ist. Umgekehrt kann die Gegenseite nicht nach Vertragsrecht vorgehen, wenn für sie erkennbar ist, dass beim Leistungserbringer der Rechtsbindungswille fehlt. Wird er allerdings in einem beruflichen Kontext tätig, so darf daraus auf den Rechtsbindungswillen geschlossen werden.95

81

An dieser Stelle ist auf die jüngere bundesgerichtliche Rechtsprechung hinzuweisen, nach welcher unter Umständen trotz fehlender vertraglicher Beziehung eine Haftung für Rat und Auskunft aus erwecktem und enttäuschtem Vertrauen anzunehmen ist. Voraussetzung der «Vertrauenshaftung» ist gemäss Bundesgericht insbesondere, dass zwischen den Beteiligten eine «rechtliche Sonderverbindung» (Näheverhältnis) besteht (s. N 1739 ff.).96

82

4.

Rechte

4.1

Subjektive und objektive Rechte

Das objektive Recht bildet die Rechtsordnung als Ganzes, das heisst die Summe aller rechtlichen Regeln. Ein subjektives Recht ist eine Berechtigung, die dem Rechtssubjekt vom objektiven Recht verliehen wird (z.B. Forderungs-, Eigentums- oder Pfandrecht).

83

Der Ausdruck «subjektive Rechte» dient dazu, verschiedene Arten von Berechtigungen unter einem Oberbegriff zusammenzufassen. Es ist einfach, Beispiele für subjektive Rechte zu nennen, aber infolge der Abstraktionshöhe schwierig, den Begriff allgemein zu umschreiben. Dogmatisch ist dieser denn auch umstritten.97 Überdies hat sich die Bedeutung desselben im Laufe der Zeit gewandelt.98 Im anglo94 95 96 97 98

24

S. BGE 116 II 695 E. 2. S. BGE 129 III 181 E. 3; 116 II 695 E. 2; Hürlimann-Kaup, N 201 ff.; BK OR-Kramer, Allg. Einl. N 66 ff. BGE 130 III 345 E. 2.2. S. Portmann, N 1 ff. S. Bucher, OR AT, 27 f.

§1

Grundlagen

amerikanischen Recht spricht man beim subjektiven Recht verständlicher von right oder claim; demgegenüber entspricht law dem objektiven Recht. Wird ein subjektives Recht verletzt, so löst dies gewöhnlich – und sofern die weite- 84 ren Voraussetzungen erfüllt sind – bestimmte Rechtsfolgen aus, etwa die Schadenersatzpflicht des Verletzers. Daraus lässt sich ein Merkmal für das Vorliegen eines subjektiven Rechts gewinnen: Die Ausübung eines subjektiven Rechts (Anspruchserhebung) begründet bei einem anderen Rechtssubjekt eine Pflicht.99 Obligatorische Rechte sind subjektive Rechte, aber nicht jedes subjektive Recht ist 85 obligatorischer Natur. Die subjektiven Rechte sind deshalb weiter zu unterscheiden: 4.2

Absolute und relative subjektive Rechte

Absolute Rechte wirken gegenüber jedermann, nicht nur gegenüber bestimmten Personen.100 Die Verletzung absoluter Rechte durch Dritte ist per se widerrechtlich im Sinne von Art. 41 Abs. 1 OR (s. N 1944 ff.).101

86

Die absoluten Rechte werden in dingliche Rechte, Persönlichkeitsrechte, Immate- 87 rialgüterrechte und andere absolute Rechte unterteilt: Dingliche Rechte richten sich auf die unmittelbare Beherrschung einer körperlichen Sache;102 sie werden ihrerseits in Eigentumsrechte und beschränkte dingliche Rechte gegliedert. Persönlichkeitsrechte sind untrennbar mit der Person verknüpft;103 sie bezwecken den Schutz der Persönlichkeitssphäre, so etwa der persönlichen Freiheit, der körperlichen und geistigen Unversehrtheit, der Ehre und der Geheimsphäre (Art. 27 f. ZGB).104 Immaterialgüterrechte sind Ausschliesslichkeitsrechte an nicht körperlichen – oder eben immateriellen – Gütern (sog. geistiges Eigentum, z.B. Verwertung eines geschützten Werks, Gebrauch einer Marke).105 Auch Namens- und Firmenrechte sind von jedermann zu respektieren; ein Teil der Lehre zählt die Namensrechte zur Gruppe der Persönlichkeitsrechte.106 Dagegen wirken relative Rechte107 nur gegenüber bestimmten Personen. Ein typi- 88 sches Beispiel für diese Kategorie sind die Forderungen: Sie beruhen auf einer Sonderbeziehung (z.B. einem Vertrag oder einer unerlaubten Handlung) zwischen der

99 100 101 102 103 104 105 106 107

S. Bucher, OR AT, 28 f. BGE 114 II 91 E. 4a aa; Schmid/Hürlimann-Kaup, N 17. BGE 123 III 306 E. 4a = Pra 1997 Nr. 170; Koller, OR AT, N 2.25. Rey, Sachenrecht, N 208 ff.; Schmid/Hürlimann-Kaup, N 18 ff. BGE 84 II 570 E.a. S. Tuor/Schnyder/Schmid, § 11 N 1 ff. Bucher, OR AT, 33. So etwa Gauch/Schluep/Schmid, N 63. Zur Relativität der Schuldverhältnisse s. BK OR-Kramer, Allg. Einl. N 44 ff.

25

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Gläubigerin und dem Schuldner.108 Die Gläubigerin kann die Leistung nur vom Schuldner, nicht aber von einem unbeteiligten Dritten verlangen. 89

Die wichtigste Fallgruppe der relativen Rechte sind die erwähnten obligatorischen Rechte (s. N 21 ff., N 85). Ebenfalls in diese Kategorie gehören die Realobligationen. Hierbei handelt es sich um Obligationen, deren Schuldner und oft auch deren Gläubigerin sich über die dingliche Berechtigung an einer Sache (oft die Eigentümerstellung) bestimmt (Beispiel: Der Anspruch aus Art. 694 ZGB auf Errichtung eines Notwegs richtet sich gegen den jeweiligen Eigentümer des Nachbargrundstücks).109 Schliesslich können auch Gesellschafterrechte von Mitgliedern einer juristischen Person (z.B. das Stimmrecht in der Generalversammlung110) zu den relativen Rechten gezählt werden.

90 subjektive Rechte relative Rechte

obligatorische Rechte

realobligatorische Rechte

absolute Rechte

andere relative Rechte

dingliche Rechte

Eigentum

Immaterialgüterrechte

Persönlichkeitsrechte

andere absolute Rechte

beschränkte dingliche Rechte

Abbildung: Überblick über die subjektiven Rechte des Privatrechts 91

Relative und absolute Rechte unterscheiden sich nach dem Kreis der Verpflichteten. Dies illustriert das folgende Beispiel: Der Käufer kann die Sache nur von der Verkäuferin verlangen (Art. 184 Abs. 1 OR) und muss sich mit Schadenersatz begnügen, wenn diese die Sache vor der Übergabe einem gutgläubigen Dritten verkauft und übereignet (Relativitätsgrundsatz). Demgegenüber kann der Eigentümer seine Sache von jedem herausverlangen, der ihm diese vorenthält (Art. 641 Abs. 2 ZGB). Dabei verhält sich nur der Vorenthalter widerrechtlich im Sinne von Art. 41 Abs. 1 OR (s. N 1939 ff.) – nicht dagegen jener gutgläubige Dritte, der die bereits verkaufte (aber noch nicht übereignete) Sache kauft und sich übereignen lässt. Ver108 109 110

26

BGE 114 II 91 E. 4a aa. Rey, Sachenrecht, N 251. S. z.B. Seiler, 173.

§1

Grundlagen

leitete allerdings der Dritte den Schuldner zu einem vertragswidrigen Verhalten, so liegt darin möglicherweise eine sittenwidrige Schädigung im Sinne von Art. 41 Abs. 2 OR (s. N 1956 ff.).111

5.

Pflichten

5.1

Überblick

Wie bei den Rechten lassen sich auch verschiedene Arten von Pflichten unterschei- 92 den. Neben dem Entstehungsgrund (s. N 128 ff.) und dem Inhalt lassen sich Pflichten unter anderem auch nach dem Kreis der Verpflichteten (s. N 93 ff.), bezüglich ihrer Klagbarkeit (s. N 34 ff.) und hinsichtlich der Folgen eines allfälligen Verstosses einteilen. Schliesslich kann auch nach Haupt- und Nebenpflichten sowie Obliegenheiten unterschieden werden (s. N 97 ff.). 5.2

Allgemeine und besondere Pflichten

Allgemeine Pflichten gelten gegenüber jedermann. Sie bilden das Pendant zu den 93 absoluten Rechten (der Begriff absolute Pflicht ist ungebräuchlich). So gilt z.B. die Pflicht, das Persönlichkeitsrecht oder das Eigentum zu respektieren, für alle anderen Personen. Darüber hinaus schützen die allgemeinen Pflichten ausnahmsweise und in einem beschränkten Umfang auch nicht absolut geschützte Güter wie das Vermögen (Beispiele finden sich namentlich im Strafrecht: So beschützt etwa Art. 146 StGB das Vermögen des Betrogenen).112 Die allgemeinen Pflichten werden durch die Eigenschaften des geschützten Guts 94 und die Umstände des Einzelfalls «konkretisiert». Daraus resultieren klar umschriebene Verhaltenspflichten für jeden Einzelnen, die indessen keine Obligationen darstellen.113 Dagegen gelten besondere Pflichten nur für bestimmte Personen, und zwar ledig- 95 lich gegenüber bestimmten Personen. So ist z.B. die Verkäuferin nur dem Käufer gegenüber verpflichtet, die verkauften Kiwis kühl zu lagern; einem beliebigen Dritten gegenüber trifft sie diese Pflicht nicht. Obwohl es sich hierbei um das Gegenstück zu den relativen Rechten handelt, hat sich der Begriff «relative Pflicht» nicht durchsetzen können. Eine besondere Pflicht entsteht häufig aus einem Vertragsverhältnis. Sie kann aber 96 auch aus der Verletzung einer allgemeinen Pflicht (wer z.B. fremdes Eigentum 111 BGE 114 II 91 E. 4a aa. 112 Koller, OR AT, N 2.30. 113 Ausführlich Koller, OR AT, N 2.28 f.

27

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

schuldhaft und pflichtwidrig verletzt, wird gemäss Art. 41 Abs. 1 OR schadenersatzpflichtig) oder  – ohne Pflichtverletzung  – aus der Ungerechtfertigtheit einer Vermögensverschiebung resultieren. Denkbar ist überdies, dass eine allgemeine Pflicht zum Inhalt eines Vertrages gemacht wird.114 Der Entstehungsgrund einer besonderen Pflicht ist mitentscheidend für die Bestimmung der Verletzungsfolgen: Je nachdem kommen die Rechtsfolgen von Art. 41 Abs. 1, Art. 62 oder Art. 97 Abs. 1 OR etc. zur Anwendung. Aus diesem Grund kann es sich auch lohnen, eine ausservertragliche Pflicht in einem Vertrag zu spezifizieren.

97

5.3

Pflichten unterschiedlichen Grades

a.

Unterteilung

Das Schuldverhältnis i.w.S.  (Makroebene) kann verschiedene Pflichten umfassen: Die sog. vertraglichen Pflichten lassen sich in Haupt- und Nebenpflichten (s. N 98 ff.) unterteilen. Überdies kann man primäre und sekundäre Leistungspflichten (s. N 106) unterscheiden. Zu den Pflichten gesellen sich die sog. Obliegenheiten (s. N 107). b.

98

Hauptpflichten (auch Hauptleistungspflichten genannt) sind diejenigen Pflichten, die für ein bestimmtes Vertragsverhältnis charakteristisch sind. Der Kaufvertrag (Art. 184 ff. OR) beispielsweise wird durch die Übergabe- und Eigentumsverschaffungspflicht der Verkäuferin und die Zahlungspflicht des Käufers charakterisiert (s. N 2413 ff., N 2441 ff.). Die Hauptpflichten der Nominatverträge sind in der Regel im OR aufgeführt (s. N 847 ff.).115 c.

99

Hauptpflichten

Nebenpflichten

Nebenpflichten lassen sich negativ als Pflichten der Parteien umschreiben, die keine Hauptpflichten darstellen, da sie für das konkrete Vertragsverhältnis nicht essenziell sind. Die Nebenpflichten können sich aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung oder aus dem Gesetz (z.B. die Pflicht des Mieters, den «kleinen Unterhalt» zu tragen; Art. 259 OR) ergeben. Oftmals fehlt es jedoch an einer gesetzlichen Regelung, und die Parteien einigen sich in aller Regel lediglich über die objektiv wesentlichen Punkte, weshalb sich Nebenpflichten meist aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 2 Abs. 1 ZGB) ergeben.116

114 115 116

28

S. Koller, OR AT, N 2.35. BGE 114 II 57 E. 6d aa. BGE 114 II 57 E. 6d aa; s. auch BGE 4A_494/2010 E. 4.1.

§1

Grundlagen

Benannt werden die Nebenpflichten nach ihrem Inhalt: Schutzpflichten z.B. schüt- 100 zen absolute Güter oder blosse Vermögensinteressen der berechtigten Person. Verschaffungspflichten verhelfen der berechtigten Person zu der ihr versprochenen Sache. Mitteilungs-, Auskunfts- und Aufklärungspflichten schliesslich dienen ihrer Information. Es bleibt anzufügen, dass das Vertragsrecht keine allgemeine Aufklärungspflicht kennt (s. dazu auch N 538 f., N 1543 ff.). Einteilung, Terminologie, rechtliche Qualifikation und Begründung der Neben- 101 pflichten werden sowohl in der Lehre als auch in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung117 uneinheitlich gehandhabt. Die Lehre nimmt eine Zweiteilung vor: Die Nebenpflichten werden unterteilt in pri- 102 märe und sekundäre Nebenpflichten118, selbständige und unselbständige Nebenpflichten119 oder erzwingbare Verpflichtungen (bzw. Nebenleistungspflichten) und Nebenpflichten i.e.S. (bzw. Verhaltenspflichten)120. Im Folgenden unterscheiden wir zwischen primären und sekundären Nebenpflichten. Massgebendes Abgrenzungskriterium bildet die klageweise Durchsetzbarkeit:121 103 Die Erfüllung von sekundären Nebenpflichten (z.B. Schutzpflichten) kann nicht erzwungen werden.122 Deren Verletzung bewirkt lediglich einen Schadenersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung gemäss Art. 97 Abs. 1 OR (s. N 852 f., N 857 ff.).123 Dagegen hat die Gläubigerin bei der Verletzung primärer Nebenpflichten (z.B. Rechnungslegungspflicht des Beauftragten gemäss Art. 400 OR) einen klageweise durchsetzbaren Anspruch auf Erfüllung nebst Schadenersatz (s. N 853). Die vorvertraglichen Pflichten (s. N 1539 ff.) gehören zu den sekundären Neben- 104 pflichten, sofern kein Vorvertrag, aber ein Vertrag abgeschlossen wurde.

117 S. Nachweise bei Chapuis, AJP 2005, 661 ff. 118 Guhl/Koller, § 2 N 30. 119 S. BK OR-Kramer, Allg. Einl. N 96. 120 BSK OR-Wiegand, Art. 97 N 32. 121 Guhl/Koller, § 2 N 30. 122 BSK OR-Wiegand, Art. 97 N 32. 123 BK OR-Kramer, Allg. Einl. N 91.

29

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

105 vertragliche Pflichten (h.L.)

Hauptpflichten

vertragliche Pflichten (Minderheitsmeinung)

Leistungspflichten

Nebenpflichten

nicht selbständig einklagbar

selbständig einklagbar

Hauptleistungspflichten

Nebenpflichten

Nebenleistungspflichten

Abbildung: Kategorien vertraglicher Pflichten (unter Berücksichtigung verschiedener Lehrmeinungen)

d. 106

Als primäre Leistungspflichten werden die grundlegenden Vertragspflichten der Parteien bezeichnet. Sie ergeben sich auch aus Ziel und Zweck des Vertrages. Werden sie verletzt, entstehen sekundäre Leistungspflichten. Diese können sowohl an die Stelle von Primärleistungspflichten treten als auch neben diese.124 Die primären Leistungspflichten der Verkäuferin bestehen darin, dem Käufer den Kaufgegenstand zu übergeben und ihm daran Eigentum zu verschaffen. Befindet sie sich im Verzug, so kann der Käufer an seinem Primäranspruch (auf Erfüllung) festhalten und als Sekundäranspruch Ersatz des Verspätungsschadens nach Art. 103 OR fordern. Der Käufer kann aber auch nach Art. 107 ff. OR vom Vertrag zurücktreten und nur die Sekundärleistung (Schadenersatz wegen Nichterfüllung) geltend machen. e.

107

Primäre und sekundäre Leistungspflichten

Obliegenheiten

Obliegenheiten sind ebenfalls Verhaltensregeln. Anders als bei den Haupt- und den primären Nebenpflichten kann die Kontrahentin ihre Einhaltung aber nicht einfordern bzw. einklagen. Ausserdem steht ihr bei deren Nichtbefolgung kein Schadenersatzanspruch zu. Dagegen führt das Missachten von Obliegenheiten dazu, dass dem belasteten Vertragspartner ein Rechtsnachteil entsteht (Beispiel: Erhebt der Käufer die Mängelrüge nach Art. 201 OR nicht oder nicht rechtzeitig, verwirkt er seine Gewährleistungsansprüche).125

124 125

30

BK OR-Kramer, Allg. Einl. N 89. BK OR-Kramer, Allg. Einl. N 113; von Tuhr/Peter, 12 f.

§1

6.

Grundlagen

Haftung

Von Haftung spricht man, wenn der Schuldner mit seinem Vermögen für die Nicht- 108 erfüllung einer Verpflichtung einstehen muss. Die Verpflichtung wird dann in das Vermögen des Schuldners (zwangs-)vollstreckt.126 Die Haftung geht gewöhnlich mit der Schuld einher: Während sich die Schuld auf die Leistungspflicht bezieht, beschreibt die Haftung ihre Durchsetzung, notfalls im Rahmen der Zwangsvollstreckung.127 In gewissen Fällen kann auch eine Schuld ohne Haftung vorliegen, z.B. bei Natural- 109 obligationen (s. N 37). Daneben wird der Begriff Haftung aber auch verwendet, wenn es um die Schaden- 110 ersatzpflicht geht (so wird z.B. von der vertraglichen bzw. ausservertraglichen Haftung gesprochen) oder wenn das Einstehenmüssen für Mängel das Thema bildet.

7.

Schaden

7.1

Begriff und Differenzhypothese

Der Schaden ist einer der zentralen Begriffe des Obligationenrechts. Will eine Per- 111 son Schadenersatz beanspruchen, muss begriffsnotwendig immer ein Schaden vorliegen. Anspruchsgrundlagen für Schadenersatz finden sich im Deliktsrecht (z.B. Art. 41 Abs. 1 OR; s. N 1843 ff.), im Vertragsrecht (z.B. Art. 97 Abs. 1 OR; s. N 857 ff.) sowie bei quasivertraglichen Ansprüchen (z.B. aus culpa in contrahendo; s. N 1524 ff.). Schaden ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts jede ungewollte bzw. 112 unfreiwillige Vermögensverminderung, die in einer Vermehrung der Passiven, einer Verminderung der Aktiven oder in entgangenem Gewinn bestehen kann.128 Er entspricht nach allgemeiner Auffassung «der Differenz zwischen dem gegenwärtigen – nach dem schädigenden Ereignis festgestellten – Vermögensstand und dem Stand, den das Vermögen ohne das schädigende Ereignis hätte» (Differenzhypothese).129

126 Von Tuhr/Peter, 18. 127 S. BK OR-Kramer, Allg. Einl. N 102 m.w.H. 128 BGE 132 III 359 E. 4; 129 III 331 E. 2.1; 128 III 22 E. 2e aa = Pra 2002 Nr. 74; 116 II 441 E. 3a aa; 104 II 198 E. a; BK OR-Brehm, Art. 41 N 70; Furrer/Müller-Chen, Kap. 10 N 32 ff.; CHK OR-Müller, Art. 41 N 20; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 160; BSK OR-Wiegand, Art. 97 N 38. 129 BGE 4A_351/2007 E. 3.2.1; 132 III 359 E. 4; 127 III 73 E. 4a; 116 II 441 E. 3a aa; 104 II 198 E. a; BK ORBrehm, Art.  41 N  70b; Furrer/Müller-Chen, Kap. 10 N  34  f.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N  2527 und N  2848; Guhl/Koller, §  10 N  18; CHK  OR-Müller, Art.  42 N  21; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 164; Schwenzer, OR AT, N 14.03; CR CO-Werro, Art. 41 N 7; BSK OR-Wiegand, Art. 97 N 38.

31

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

7.2

Relativierung der Differenzhypothese

a.

Genugtuung

113

Die Genugtuung stellt keinen Ersatz für Schaden im Sinne der Differenzhypothese dar. Sie bezweckt vielmehr einen Ausgleich für immaterielle Unbill, «indem das Wohlbefinden anderweitig gesteigert oder die Beeinträchtigung erträglicher gemacht wird»130. Mit immaterieller Unbill sind seelische Verletzungen, Schmerz, die Beeinträchtigung des Lebensgenusses sowie physisches und psychisches Leid gemeint.131 Praktisch im Vordergrund stehen die Genugtuungsnormen der Art. 47 OR bei Körperverletzung und Tötung sowie Art. 49 OR bei Persönlichkeitsverletzungen. Kraft Art. 99 Abs. 3 OR gelten Art. 47 und Art. 49 OR ebenfalls für Vertragsverletzungen.132 Auch im ZGB sind Genugtuungsansprüche zu finden, namentlich Art. 28a Abs. 3 und Art. 29 Abs. 2 ZGB. Des Weiteren gewähren andere Sondergesetze eigene Genugtuungsansprüche oder verweisen auf die Art. 47 und Art. 49 OR (ausführlich zur Genugtuung s. N 1899 ff.).

114

Folgendes Beispiel soll die Abgrenzung zwischen Schaden und Genugtuung illustrieren: Der Fussgänger A wird auf dem Fussgängerstreifen von einem Auto angefahren und erleidet dabei eine Querschnittslähmung. Die damit einhergehenden Kosten (Operation, Pflege, Therapie, Umbau des Hauses etc.) stellen Schäden im Sinne der Differenzhypothese dar. Das Leid, das A aber dadurch erleidet, dass er für den Rest seines Lebens an den Rollstuhl gebunden ist, wird damit nicht «abgegolten». Diese Lücke soll durch eine Genugtuung in Form einer Geldzahlung geschlossen werden. b.

115

Kommerzialisierungsschaden

Kommerzialisierungsschaden ist der Ausfall von entgeltlich erworbenen Nutzungsmöglichkeiten. Vom Bundesgericht wird der Kommerzialisierungsschaden nicht anerkannt, da er keine Vermögensverminderung im Sinne der Differenzhypothese darstellt.133 Unseres Erachtens sollte jedoch nicht von vornherein die Möglichkeit der Ersatzfähigkeit des Kommerzialisierungsschadens verneint werden, da in der heutigen Gesellschaft immaterielle Güter wie Genuss, Freizeit etc. bereits stark «ökonomisiert» sind. Mit der Anerkennung des Haushalts- und Pflegeschadens (s. N 1877 ff., N 1880 ff.) wurden zudem bereits Ausnahmen vom klassischen Schadensbegriff gemacht (s. N 882 f.; zum Kommerzialisierungsschaden s. N 880, N 1883).

130 131 132 133

32

BGE 6B_544/2010 E. 3.1. Furrer/Müller-Chen, Kap. 14 N 50. BGE 4C.32/2003 E. 2.2 = Pra 2003 Nr. 196; 123 III 204 E. 2b; 102 II 221 E. 9; 87 II 290 E. 4c; 87 II 143 E. 5b. BGE 132 III 379 E. 3.3.2; 126 III 388 E. 11a.

§1

c.

Grundlagen

Frustrationsschaden

Der Frustrationsschaden besteht in Auslagen, mittels welcher ein Genuss erkauft 116 wurde, der alsdann aufgrund eines schädigenden Ereignisses ausbleibt. Auch diesen Schaden erachtet das Bundesgericht nicht für ersatzfähig.134 Aus den bereits oben genannten Gründen zum Kommerzialisierungsschaden sollte unseres Erachtens die Ersatzfähigkeit des Frustrationsschadens nicht a priori verneint werden (zum Frustrationsschaden s. N 881, N 1884). d.

Reflexschaden

Der Reflexschaden (auch Drittschaden genannt) stellt eine Vermögensverminde- 117 rung dar, die nicht im Vermögen des direkt Geschädigten, sondern bei einem indirekt betroffenen Dritten eintritt. Reflexschäden sind grundsätzlich nicht ersatzpflichtig. Eine Ausnahme (im Bereich des ausservertraglichen Haftpflichtrechts135) sieht das Gesetz hinsichtlich des Versorgerschadens vor (Art.  45 Abs.  3  OR; s. N 1868 ff.). Weitere Ausnahmen bilden der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (s. N 1567 ff.) sowie die Drittschadensliquidation (s. N 1600 ff.; ausführlich zum Reflexschaden s. N 1873 ff.). 7.3

Schadenersatzbemessung

Nachdem der Schaden anhand der Differenzhypothese (s. N 867 ff.) bestimmt wurde, 118 ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob sog. Reduktionsgründe vorliegen, welche eine umfangmässige Herabsetzung des Schadenersatzes rechtfertigen. Massgebend dazu sind Art. 43 f. OR, welche auch bei der vertraglichen Haftung Anwendung finden (Art. 99 Abs. 3 OR; ausführlich zur Schadenersatzbemessung s. N 1886 ff.).136

8.

Kausalzusammenhang

Zwischen der Nicht- bzw. nicht gehörigen Erfüllung (oder der schädigenden Hand- 119 lung) und dem Schaden muss ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang bestehen (s. N 887 ff., N 1914 ff.).137 Bei fehlender natürlicher Kausalität ist keine Prüfung der Adäquanz erforderlich.138

134 BGE 4A_119/2010 E. 2.2; 115 II 474 E. 3. 135 Kritisch BSK OR-Wiegand, Art. 99 N 20 m.w.H., wonach Hinterbliebene den Versorgerschaden auch auf eine Vertragsverletzung des Schädigers gegenüber der Getöteten stützen können sollen. 136 S. BSK OR-Wiegand, Art. 99 N 18 f. 137 CR CO-Werro, Art. 41 N 36; BSK OR-Wiegand, Art. 97 N 41. 138 BGE 4C.108/2005 E. 3.2; BK OR-Brehm, Art. 41 N 120 m.w.H. auf die Rechtsprechung.

33

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

120

Ein natürlicher Kausalzusammenhang liegt vor, «wenn das schädigende Verhalten […] eine notwendige Bedingung bildet (conditio sine qua non), das heisst nicht weggedacht werden könnte, ohne dass auch der eingetretene Erfolg entfiele» (conditio sine qua non-Formel).139

121

Der Kausalzusammenhang ist adäquat, wenn das betreffende Ereignis «nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet ist, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen, der Eintritt des Erfolgs also durch das Ereignis als allgemein begünstigt erscheint» (Adäquanzformel).140

122

Bei Unterlassungen wird geprüft, ob der Schaden nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung nicht eingetreten wäre, hätte die Schädigerin die rechtlich gebotene Handlung vorgenommen (conditio cum qua nonFormel141).142

9.

Widerrechtlichkeit/Pflichtwidrigkeit

123

Die Widerrechtlichkeit bildet eine der Haftungsvoraussetzungen im Bereich der ausservertraglichen Haftung. Bei der vertraglichen Haftung tritt an deren Stelle die Pflichtwidrigkeit. Ein pflichtwidriges Handeln kann gleichzeitig auch rechtswidrig sein: Neben einem Anspruch aus Vertrag kann ein Anspruch aus Delikt (Art. 41 OR) vorliegen. Ähnlich wie bei der vertraglichen Haftung verhält es sich auch bei der quasivertraglichen Haftung; es muss ein treuwidriges Verhalten vorliegen (z.B. treuwidrige Enttäuschung schutzwürdigen Vertrauens bei der Vertrauenshaftung, Verletzung vorvertraglicher Pflichten bei der culpa in contrahendo; s. N 1756 f., N 1539 ff.).

124

Die Widerrechtlichkeit kann auf zwei Arten begründet werden: Zunächst liegt sie vor, wenn ein absolutes Recht (zum Begriff s. N 86 f., N 1944 ff.) des Geschädigten verletzt wird (Erfolgsunrecht). Sodann kann sie sich (bei reinen Vermögensschäden) aus dem Verstoss gegen eine Norm ergeben, die nach ihrem Zweck vor derartigen Schäden schützen soll (Verhaltensunrecht).143 Die Widerrechtlichkeit entfällt,

139 140 141 142 143

34

BGE 4A_458/2008 E. 2.1; 132 III 715 E. 2.2; 128 III 180 E. 2d = Pra 2002 Nr. 173; BK OR-Brehm, Art. 41 N  106; Guhl/Koller, §  10 N  21; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, §  3 N  1; CHK  ORMüller, Art. 41 N 36; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 621; CR CO-Werro, Art. 41 N 37. BGE 4A_169/2010 E. 3.2; 4C.222/2004 E. 3; 129 V 177 E. 3.2; 125 V 456 E. 5a; 123 III 110 E. 3a; BK ORBrehm, Art. 41 N 121; Guhl/Koller, § 10 N 24; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 3 N 6; CHK OR-Müller, Art. 41 N 37; CR CO-Werro, Art. 41 N 43. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 706. S. BGE 4A_520/2007 E. 4; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 702; CR CO-Werro, Art. 41 N 41. BGE 141 III 527 E. 3.2; 133 III 323 E. 5.1 = Pra 2008 Nr. 7; 132 III 122 E. 4.1 = Pra 2006 Nr. 107; 129 IV 322 E. 2.2.2; Furrer/Müller-Chen, Kap. 11 N 50; BSK OR-Kessler, Art. 41 N 31; CR CO-Werro, Art. 41 N 72.

§1

Grundlagen

wenn ein Rechtfertigungsgrund (z.B. die Einwilligung des Geschädigten) vorliegt (ausführlich zur Widerrechtlichkeit s. N 1939 ff.). Eine Pflichtwidrigkeit bzw. die Verletzung einer vertraglichen Pflicht (Vertrags- 125 widrigkeit) liegt vor, wenn die Verbindlichkeit entweder überhaupt nicht oder aber nicht gehörig erfüllt wird. Denkbar sind dabei folgende Konstellationen: • Die Leistung kann nicht erbracht werden, weil sie objektiv oder subjektiv unmöglich (geworden) ist (s. N 814 ff.); • der Schuldner verletzt eine vertragliche Unterlassungspflicht (s. N 864 f.); • die vertraglich geschuldete Leistung wird nicht gehörig erbracht oder eine nicht selbständig einklagbare (sekundäre) Nebenpflicht wird verletzt (positive Vertragsverletzung; s. N 846 ff.).

10.

Verschulden

Insbesondere im Rahmen von Schadenersatzforderungen spielt das Verschulden 126 eine Rolle. Dieses muss je nach Anspruchsgrundlage bewiesen werden (wie z.B. bei Art. 41 Abs. 1 OR), oder aber es wird vermutet (wie z.B. bei Art. 97 Abs. 1 OR). Eine gesetzliche Vermutung kann von der Gegenpartei durch den sog. Beweis des Gegenteils umgestossen werden. Das Verschulden wird in eine objektive (Vorsatz/Fahrlässigkeit) und eine subjektive 127 (Urteilsfähigkeit) Komponente unterteilt (s. N 892 ff., N 1969 ff.).

III.

Entstehungsgründe von Obligationen

1.

Dreiteilung der Entstehungsgründe

Obligationen verpflichten den Schuldner und beschränken damit seine Handlungs- 128 freiheit. Sie benötigen daher einen Entstehungsgrund, der diese Bindung rechtfertigt.144 Versucht man die Entstehungsgründe für Obligationen zu systematisieren, gelangt man zu folgender Dreiteilung:

144 Koller, OR AT, N 2.105.

35

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

129 Entstehungsgründe für Obligationen

vertragliche

quasivertragliche

(s. N 140 ff.)

(s. N 1470 ff.)

ausservertragliche

unerlaubte Handlung

ungerechtfertigte Bereicherung

Konkretisierung absoluter Rechte

(s. N 1829 ff.)

(s. N 1767 ff.)

(s. N 135 f.)

Abbildung: Entstehungsgründe von Obligationen 130

Diese Form der Dreiteilung der Entstehungsgründe bewährt sich insbesondere auch bei der Lösung von komplexen privatrechtlichen Fällen (zur Anspruchsmethode s. N 4079 ff.).

2.

Vertragliche und ausservertragliche Entstehung

131

Grundlegend ist zunächst die Unterteilung in Obligationen, welche durch Vertrag bzw. Rechtsgeschäft begründet werden, und solche, die auf dem Gesetz beruhen, also ausservertraglich entstehen. Streng genommen stützt sich allerdings auch die rechtsgeschäftlich begründete Obligation auf das Gesetz:145 Würde das Gesetz Willenserklärungen nicht als Grundlage für rechtliche Bindungen anerkennen, bliebe das Rechtsgeschäft wirkungslos. Für die vorgenommene Einteilung ist aber nur massgebend, dass die rechtsgeschäftlichen Obligationen auf dem Willen der beteiligten Parteien beruhen, während die ausservertraglichen direkt auf dem Gesetz basieren und gegebenenfalls auch gegen den Willen der Beteiligten entstehen können.

132

Diese ausservertraglichen Ansprüche lassen sich in Ansprüche aus unerlaubter Handlung (Deliktsrecht), Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung und Ansprüche aus der Konkretisierung absoluter Rechte unterteilen.

133

Das Deliktsrecht bezweckt den Schutz der absoluten Güter von jedermann. Deliktsrecht greift darum auch ausserhalb von Vertrag (bzw. Rechtsgeschäft) und Quasivertrag, etwa aufgrund eines zufälligen und «ungewollten» Zusammenstossens 145

36

BK OR-Kramer, Allg. Einl. N 119.

§1

Grundlagen

zweier Individuen, bei welchem ein Individuum das andere in seinen absoluten Rechtsgütern schädigt. Relativ geschützte Güter werden vom Deliktsrecht dagegen nur insoweit abgedeckt, als diesbezüglich eine besondere Schutznorm besteht. Als Anspruchsgrundlagen kommen hierfür in erster Linie die Regeln des OR über die unerlaubte Handlung (Art. 41 ff. OR) in Betracht. Weitere Ansprüche können sich aber auch aus dem ZGB (z.B. Art. 679 ZGB) oder Spezialgesetzen (z.B. Art. 1 Abs. 1 PrHG, Art. 58 Abs. 1 SVG und Art. 59a Abs. 1 USG146) ergeben. Durch das Bereicherungsrecht (Art. 62 ff. OR) sollen ungerechtfertigte Vermögens- 134 vorteile ausgeglichen werden (s. N 1767 ff.). Während sich das Schadenersatzrecht auf den beim Geschädigten («Opfer») entstandenen Schaden konzentriert, fokussiert das Bereicherungsrecht auf die beim Bereicherten («Täter») angefallene Bereicherung. Aus der Konkretisierung (meist Verletzung) von absoluten Rechten entstehen zahl- 135 reiche Ansprüche. Wichtigste Untergruppe sind die sachenrechtlichen Ansprüche. Sachenrechtliche Ansprüche entstehen aus der Verletzung von Eigentums- oder Besitzesrechten.147 So kann der in seinem Eigentum Verletzte z.B. die Vindikationsklage (Art. 641 Abs. 2 ZGB, 1. Variante) oder die Eigentumsfreiheitsklage (Art. 641 Abs. 2 ZGB, 2. Variante) erheben. Weiter kann ein Besitzer die Besitzesrechtsklage erheben (Art.  934 und Art.  936 ZGB) oder Ansprüche aus der Verantwortlichkeit des nicht berechtigten Besitzers stellen (Art.  938  ff. ZGB). Sachenrechtliche Ansprüche entstehen grundsätzlich erst im Zeitpunkt der Störung des Eigentums bzw. Besitzes. Davor besteht zwar eine allgemeine Pflicht zum Schutz des Eigentums anderer; der Eigentümer hat jedoch keinen aktuellen Anspruch gegen eine bestimmte Person (s. N 93 ff.).148 Anders als die obligatorischen Ansprüche verjähren absolute Rechte grundsätzlich nicht.149 Ansprüche aus der Konkretisierung von absoluten Rechten entstehen überdies im 136 Bereich der Persönlichkeitsrechte (z.B. Anspruch auf Beseitigung einer Persönlichkeitsverletzung aus Art. 28 ff. ZGB, Anspruch auf Gegendarstellung aus Art. 28g ff. ZGB), der Immaterialgüterrechte (z.B. Anspruch auf Unterlassung einer drohenden Patentverletzung aus Art. 72 Abs. 1 PatG150; Anspruch auf Beseitigung einer Urheberrechtsverletzung aus Art. 62 Abs. 1 lit. b URG151) oder der Namens- und Firmenrechte (z.B. Anspruch auf Unterlassung der Namensanmassung aus Art. 29 Abs. 2 ZGB).

146 147 148 149 150 151

Bundesgesetz vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz; SR 814.01). S. zur umstrittenen Rechtsnatur des Besitzes statt vieler Tuor/Schnyder/Schmid, § 90 N 13. S. Rey, Sachenrecht, N 212. S. BGE 111 II 24 E. 2b. Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz; SR 232.14). Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz; SR 231.1).

37

1. Kapitel

3.

Allgemeine Vertragslehre

Quasivertragliche Entstehung

137

Zwischen die vertraglichen und ausservertraglichen Entstehungsgründe hat sich in den letzten Jahren eine weitere, nicht unumstrittene Kategorie geschoben. Es handelt sich hierbei um Sachverhalte, bei denen rechtlich kein Vertrag besteht, bei denen aber faktisch das Vertrauen und die Loyalität der Beteiligten eine grosse Rolle spielen und die daher qualitativ über den gewöhnlichen Alltagskontakt hinausgehen. Entsteht einem Beteiligten im Rahmen einer solchen Fallkonstellation ein Nachteil, ist die (mindestens teilweise) Anwendung vertragsrechtlicher Grundsätze oft sachgerechter als die Behandlung des Falles nach ausservertraglichen Regeln. Die Gleichbehandlung mit den vertraglichen Obligationen verlangt die Ausbildung einer neuen Kategorie von Ansprüchen: Quasivertragliche Ansprüche sollen im Grenzbereich zwischen Vertrag und Delikt zu einem gerechteren Ausgleich der beteiligten Interessen führen.152

138

Der historische  OR-Gesetzgeber hat sich auf die Regelung vertraglicher und ausservertraglicher Ansprüche konzentriert. Das  OR selber nennt in seinen ersten drei Abschnitten drei Entstehungsgründe für Obligationen: Vertrag (erster Abschnitt, Art. 1 ff. OR), unerlaubte Handlung (zweiter Abschnitt, Art. 41 ff. OR) und ungerechtfertigte Bereicherung (dritter Abschnitt, Art.  62  ff.  OR). Quasivertragliche Ansprüche dagegen sind nur punktuell (s. z.B. Art.  26, Art.  320 Abs.  3, Art. 419 ff. OR) und nicht in einem eigenen Abschnitt geregelt.

139

Lehre und Rechtsprechung haben indessen den quasivertraglichen Ansprüchen zu grösserer Bedeutung verholfen. Diese werden heute unter anderem anerkannt bei der Haftung aus Verschulden bei den Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo), bei der Vertrauenshaftung, bei der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR) und der vertragslosen Inanspruchnahme einer entgeltlichen Leistung (zu den einzelnen quasivertraglichen Ansprüchen s. N 1470 ff.). Auch das Institut des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (s. N 1567 ff.) sollte unseres Erachtens aus quasivertraglicher Perspektive betrachtet werden.

152

38

S. BGE 129 III 320 E. 7.2.

§ 2 Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR) Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N 633 ff.; Bucher, OR AT, 110 ff.; Engel, CO PG, 184 ff.; Furrer/ Müller-Chen, Kap. 3 N 1 ff. und Kap. 4 N 1 ff.; Gauch/Schluep/Schmid, N 284 ff.; Guhl/ Koller, § 13; Koller, OR AT, N 3.01 ff., N 6.01 ff., N 7.01 ff., N 22.01 ff., N 25.01 ff. und N 26.01 ff.; Kramer/Probst, OR AT, N 147 ff. und N 183 ff.; Schwenzer, OR AT, N 25.01 ff.; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 169 ff. und N 561 ff.; von Tuhr/Peter, 181 ff.

Weiterführende Literatur Arnet Ruth, Freiheit und Zwang beim Vertragsabschluss, Habil. Basel 2007; Beyeler Martin, Angebot oder Nichtangebot?, recht 2009, 34–42; Bucher Andreas, Nicht «Kontrahierungspflicht» – schon eher Schutz vor Boykott, recht 2003, 101–115 (zit.: Bucher, recht 2003); Bucher Andreas, Drittwirkung der Grundrechte?  – Überlegungen zu «Streikrecht» und «Drittwirkung» von BGE 111 II 245–259, SJZ 1987, 37–47 (zit.: Bucher, SJZ 1987); Dornier Roger, Das Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften und ähnlichen Verträgen (Art. 40a–g OR), Diss. Freiburg 1994; Frei Oliver, Der Abschluss von Konsumentenverträgen im Internet, Diss. Zürich 2001; Gauch Peter, Von der konstitutiven Wirkung des kaufmännischen Bestätigungsschreibens, SZW 1991, 177–188; Giampaolo Davide/Huguenin Claire, Entwicklungen im schweizerischen Konsumrecht – Plädoyer für ein integrales Konsumschutzgesetz, Jusletter 8.  Juli 2013; Göksu Tarkan, Gedanken zur Kontrahierungspflicht anlässlich von BGE 129 III 35, ZBJV 2004,  35–57 (zit.: Göksu, ZBJV 2004); Göksu Tarkan, Rassendiskriminierung beim Vertragsabschluss als Persönlichkeitsverletzung, Diss. Freiburg 2003 (zit.: Göksu, Rassendiskriminierung); Haidmayer Barbara, Das neue Widerrufsrecht im Telefonhandel, SJZ 2016, 1–9; Hartmann Stephan, Die Rückabwicklung von Schuldverträgen, Habil. Luzern 2005; Hess Markus/Simmen Robert, Das neue Konsumkreditgesetz, Zürich 2002; Honsell Heinrich, Willenstheorie oder Erklärungstheorie?, in: FS Walter, Bern 2005, 335–350 (zit.: Honsell, Willlenstheorie); Honsell Heinrich/Pietruszak Thomas, Der Vernehmlassungsentwurf zu einem Bundesgesetz über den elektronischen Geschäftsverkehr, AJP 2001,  771–790; Huguenin Claire, Direktvertrieb und Widerrufsrecht, AJP 1994,  691–698; Huguenin Claire/Hilty Reto M. (Hrsg.), Schweizer Obligationenrecht 2020, Entwurf für einen neuen allgemeinen Teil, Zürich 2013 (zit.: OR 2020-BearbeiterIn); Kramer Ernst A., Schweigen auf kaufmännische Bestätigungsschreiben und rechtsgeschäftlicher Vertrauensgrundsatz, recht 1990, 99–105; Marbach Eugen/Ducrey Patrick/Wild Gregor, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, 4. Aufl., Bern 2017; Mathys Hans Beat, Bestätigungsschreiben und Erklärungsfiktionen, Diss. Zürich 1997; Meier-Hayoz Arthur, Das Vertrauensprinzip beim Vertragsabschluss, Diss. Zürich 1948; Meier-Hayoz Arthur/ Forstmoser Peter/Sethe Rolf, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 12. Aufl., Bern 2018; Monferrini Isabelle/von der Crone Hans Caspar, Die Rückabwicklung mangelhafter Verträge, SZW 2011, 485–496; Pedrazzini Mario/Oberholzer Niklaus, Grundriss des Personenrechts, 4. Aufl., Bern 1993; Riemer Hans Michael, Personenrecht des ZGB, 2. Aufl., Bern 2002; Rusch Arnold F., Rechtsscheinlehre in der Schweiz, Habil. Zürich 2010; Rusch

39

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Arnold F./Maissen Eva, Gutscheine mit Einlösefrist, Jusletter 12. Dezember 2011; Stöckli Hubert, Ansprüche aus Wettbewerbsbehinderung, Diss. Freiburg 1999; Tuor Peter/Schnyder Bernhard/Schmid Jörg/Jungo Alexandra, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 14. Aufl., Zürich 2015 (zit.: Tuor/BearbeiterIn); Weber Rolf H., E-Commerce und Recht – Rechtliche Rahmenbedingungen elektronischer Geschäftsformen, 2. Aufl., Zürich 2010.

I. 140

Voraussetzungen (Art. 1 OR) – Überblick

Art. 1 Abs. 1 OR verlangt für den Vertragsabschluss «die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien». Die Willenserklärungen der Parteien haben sich mit anderen Worten in einem Konsens zu treffen. Für das Zustandekommen eines Vertrages müssen vier Voraussetzungen erfüllt sein: • Die Vertragsparteien müssen rechts- und handlungsfähig (geschäfts- bzw. vertragsfähig) sein (s. N 141 ff.); • bei den Vertragsparteien muss ein Rechtsbindungswille vorliegen, welchen sie kundtun wollen (s. N 167 ff.); • ihre Willenserklärungen müssen (gegenseitig) ausgetauscht werden (s. N 201 ff.); • ihre Willenserklärungen müssen (tatsächlich oder normativ) übereinstimmen (s. N 245 ff.).

II.

Vertragsparteien

1.

Rechtsfähigkeit

141

Rechtsfähigkeit bedeutet, dass jemand selbständiger Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Art.  11 und Art.  53 ZGB statuieren den Grundsatz der allgemeinen Rechtsfähigkeit von natürlichen und juristischen Personen. Zu Recht werden Art. 11 bzw. Art. 53 ZGB auch als die Umsetzung des Grundsatzes der Gleichheit von Rechten und Pflichten bezeichnet.1

142

Verträge können nur von rechtsfähigen Personen geschlossen werden (s.  Art.  11 ZGB für natürliche bzw. Art.  53 ZGB für juristische Personen). Bei fehlender Rechtsfähigkeit einer Partei entfaltet das Geschäft grundsätzlich keine vertragli-

1

40

S. Riemer, N 32.

§2

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR)

chen Wirkungen. Kollektiv- und Kommanditgesellschaften dürfen nach Art.  562 bzw. Art. 602 OR trotz fehlender Rechtsfähigkeit Verträge eingehen.2 Obwohl dem ungeborenen Kind (nascitura bzw. nasciturus) die Rechtsfähigkeit 143 noch fehlt, kann es aus einem Vertrag unter der Bedingung berechtigt und verpflichtet werden, dass es lebend geboren wird. Die Rechtsfähigkeit wird in diesem Fall rückwirkend anerkannt (Art. 31 Abs. 2 ZGB).3 Eintragungsbedürftige juristische Personen in der Gründungsphase können eben- 144 falls aus Vertrag berechtigt und verpflichtet werden, wenngleich sie die Rechtsfähigkeit wegen des fehlenden Handelsregistereintrags noch nicht erlangt haben. Voraussetzung dafür ist erstens, dass die Gründer ausdrücklich im Namen der zu gründenden Gesellschaft handeln, und zweitens, dass die Gesellschaft innerhalb von drei Monaten nach dem Eintrag ins Handelsregister den Vertrag übernimmt (Art. 645, Art. 779a, Art. 838 OR).

2.

Handlungs-, Geschäfts- und Vertragsfähigkeit

Damit ein Vertrag zustande kommt, müssen die Vertragsparteien handlungsfähig 145 sein. Handlungsfähigkeit bedeutet, dass jemand durch seine Handlungen Rechte und Pflichten zu begründen vermag (Art. 12 für natürliche und Art. 54 ZGB für juristische Personen). Bei natürlichen Personen muss dazu erstens in objektiver Hinsicht Volljährigkeit gegeben sein, also die Vollendung des 18. Altersjahrs (Art.  14 ZGB). Zweitens ist in subjektiver Hinsicht Urteilsfähigkeit vorausgesetzt (Art. 16 ZGB). Diese lässt sich in die vier Hauptelemente Erkenntnisfähigkeit, Wertungsfähigkeit, Fähigkeit zur Willensbildung und Fähigkeit, nach dem eigenen Willen zu handeln, aufgliedern.4 Juristische Personen sind handlungsfähig, sobald die gesetzlich und statutarisch erforderlichen Organe bestellt sind (Art. 54 ZGB). Der Begriff Geschäfts- oder – spezifischer – Vertragsfähigkeit betont den im Zusam- 146 menhang mit dem Vertragsschluss relevanten Aspekt der Handlungsfähigkeit. Er drückt aus, unter welchen Voraussetzungen ein Rechtssubjekt rechtsgeschäftlich zu handeln bzw. einen Vertrag einzugehen vermag.5 Geschäftsfähigkeit ist sowohl für den Abschluss des Verpflichtungs- als auch des Verfügungsgeschäfts erforderlich.6 Im Unterschied zur Rechtsfähigkeit ist die Geschäftsfähigkeit graduierbar:

2

Zur «Quasi-Rechtspersönlichkeit» von Kollektiv- und Kommanditgesellschaften s. Meier-Hayoz/Forstmoser/Sethe, § 2 N 82 ff., § 13 N 25 ff. und § 14 N 19 ff. Zu einzelnen Aspekten der Rechtsfähigkeit juristischer Personen s. BSK ZGB-Huguenin/Reitze, Art. 53 N 6 ff. 3 CHK ZGB-Breitschmid, Art. 31 N 7. 4 Pedrazzini/Oberholzer, 70 ff. 5 Riemer, N 68; Tuor/Schnyder/Schmid, § 9 N 17. 6 BSK ZGB-Fankhauser, Art. 12 N 12.

41

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

147

Urteilsunfähige natürliche Personen sind unter dem Vorbehalt gesetzlicher Ausnahmen völlig handlungsunfähig (Art. 18 ZGB). Da sie nicht rechtswirksam Willenserklärungen abzugeben oder entgegenzunehmen vermögen, können sie auch keine Verträge schliessen.7

148

Beschränkte Handlungsunfähigkeit bzw. beschränkte Geschäftsunfähigkeit liegt vor, wenn jemand zwar urteilsfähig, aber minderjährig ist bzw. unter umfassender Beistandschaft steht (Art. 19 Abs. 1 i.V.m. Art. 17 bzw. Art. 398 ZGB). Verträge urteilsfähiger Minderjähriger sowie Volljähriger unter umfassender Beistandschaft bedürfen grundsätzlich der (ausdrücklichen oder konkludenten, vorausgehenden oder nachträglichen) Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin (Art. 19 Abs. 1, Art. 19a Abs. 1 ZGB). Solange diese ihre Zustimmung oder Ablehnung noch nicht erklärt hat, befindet sich das Verpflichtungsgeschäft in einem Schwebezustand.8 Mit der Genehmigung der gesetzlichen Vertreterin erlangt der Vertrag volle Geltung.9 Erfolgt die Genehmigung nicht, fällt das entsprechende Rechtsgeschäft ex tunc dahin, und jede Partei kann die bereits erbrachten Leistungen zurückfordern (Art. 19b Abs. 1 ZGB). Im Sinne einer Spezialvorschrift gegenüber den Bestimmungen über die ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62 ff. OR; s. N 1767 ff.) hat die handlungsunfähige Person die empfangene Leistung jedoch nur insoweit zu erstatten, als die Leistung in ihrem Nutzen verwendet worden ist oder als sie im Zeitpunkt der Rückforderung noch bereichert ist bzw. sich böswillig der Bereicherung entäussert hat (Art. 19b Abs. 1 ZGB).10

149

Bringt das Geschäft nur – im Wesentlichen unentgeltliche – Vorteile mit sich oder handelt es sich um «geringfügige Angelegenheiten des täglichen Lebens», ist keine Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin erforderlich (Art.  19 Abs.  2 ZGB). Bei Schenkungen bleibt allerdings ein familienrechtlich motiviertes «Vetorecht» der gesetzlichen Vertreterin vorbehalten (Art. 241 Abs. 2 OR; s. N 2873).11

150

Im höchstpersönlichen Bereich können urteilsfähige handlungsunfähige Personen selbständig rechtsgeschäftlich handeln (Art. 19c ZGB). Diese selbständige Rechtsausübung kann insofern eingeschränkt sein, als die Geltung des höchstpersönlichen Rechtsgeschäfts ex lege an die Zustimmung der gesetzlichen Vertreterin geknüpft ist (s. z.B. Art. 90 Abs. 2, Art. 260 Abs. 2 und Art. 468 Abs. 2 ZGB).12

7 S. BSK ZGB-Fankhauser, Art. 18 N 3. 8 Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Erwachsenenschutz, Personen- und Kindesrecht) vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7001 ff., 7095; Tuor/Schnyder/Schmid, § 9 N 41. 9 Tuor/Schnyder/Schmid, § 9 N 41. 10 Diese Bestimmung entspricht Art. 411 aZGB. Durch die systematische Einordnung in das Personenrecht gilt diese Regelung nun für alle beschränkt handlungsunfähigen Personen (s. BBl 2006 7095). 11 BSK OR-Vogt/Vogt, Art. 241 N 4. 12 BBl 2006 7095; BSK ZGB-Fankhauser, Art. 19c N 3.

42

§2

3.

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR)

Einschränkungen der Abschluss- und Partnerwahlfreiheit

Die Privatautonomie konkretisiert sich im Obligationenrecht hauptsächlich in ihrer 151 Ausgestaltung als Vertragsfreiheit.13 Ein zentraler Aspekt der Vertragsfreiheit ist die Abschlussfreiheit: Es steht im Belieben eines jeden Rechtssubjekts, einen Vertrag bestimmten Inhalts abzuschliessen (positive Abschlussfreiheit) oder nicht abzuschliessen (negative Abschlussfreiheit). Eng mit der Abschlussfreiheit verbunden ist die Freiheit, einen bestimmten Vertragspartner zu wählen oder nicht zu wählen (Partnerwahlfreiheit).14 Abschluss- und Partnerwahlfreiheit sind bestimmten Schranken unterworfen. Auf 152 der einen Seite können gesetzliche Vorschriften eine Pflicht zu einem bestimmten Vertragsabschluss begründen (sog. Kontrahierungspflicht; s.  N  159  ff.). Auf der anderen Seite können Abschluss- und Partnerwahlfreiheit privatautonom, das heisst durch Eingehen rechtsgeschäftlicher Bindungen, eingeschränkt werden (s. N 153 ff.).15 Mittels eines Vorvertrages kann sich eine Partei z.B. zum Abschluss eines Vertrages mit einer bestimmten Partnerin verpflichten.16 Personelle Einschränkungen der Kontrahierungsfreiheiten enthält z.B. auch ein Alleinvertriebsvertrag (s.  N  3835  ff.). Auch Optionsrechte können aktuellen oder zukünftigen Partnern Exklusivität gewähren. Im unternehmerischen Kontext sind aber etwa die Schranken des Kartellrechts zu wahren: Exklusivität darf nicht grundlos den Wettbewerb beschränken. 3.1

Rechtsgeschäftliche Einschränkungen

Hauptanwendungsfall einer rechtsgeschäftlich begründeten Vertragsabschluss- 153 pflicht ist der Vorvertrag im Sinne von Art. 22 OR.17 Dabei handelt es sich um einen Vertrag, mittels dessen sich zumindest eine Partei zum Abschluss eines künftigen (weiteren) Vertrages, des sog. Hauptvertrages, verpflichtet (Art.  22 Abs.  1  OR).18 Das Versprechen, in der Zukunft einen Vertrag abzuschliessen, muss ein zukünftiges Verpflichtungsgeschäft zum Inhalt haben (andernfalls wäre beim Kauf das Verpflichtungsgeschäft als Vorvertrag des nachfolgenden Verfügungsgeschäfts zu betrachten; zum Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft s. N 62 ff.).19

13 14 15 16 17 18 19

BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 2 ff. BGE 129 III 35 E. 6.1; 80 II 26 E. 5a. S. Arnet, N 86 ff. und N 94; BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 100 ff. S. dazu BGE 4A_220/2012 E. 5.1 und E. 5.3; 84 II 13 E. 3. Arnet, N 95; BK OR-Kramer, Art. 22 N 79 ff. BK OR-Kramer, Art. 22 N 73 ff. S. von Tuhr/Peter, 274.

43

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

154

Vor- und Hauptvertrag können zwischen den gleichen oder anderen Parteien geschlossen werden.20 Unterliegt der künftige Hauptvertrag einer gesetzlichen Formvorschrift, so ist diese gemäss Art. 22 Abs. 2 OR bereits beim Vorvertrag zu beachten. Darüber hinaus müssen alle wesentlichen Punkte des Hauptvertrages bereits im Vorvertrag bestimmt oder zumindest bestimmbar sein.21 Bei identischen Vertragsparteien stellt sich deshalb die Frage, inwiefern einem Vorvertrag überhaupt eine praktische Funktion zukommt: Steht der endgültigen Bindung ein Hindernis im Wege, wäre es rationeller und eleganter, einen bedingten Vertrag abzuschliessen (z.B. einen unter der Bedingung eines erfolgreichen Baubewilligungsgesuchs abgeschlossenen Grundstückkaufvertrag).22 Trotz alledem anerkennt aber ein grosser Teil der Lehre, dass in bestimmten Konstellationen der Abschluss eines Vorvertrages sinnvoll sein kann, namentlich wenn nur eine Partei verpflichtet wird oder wenn die Parteien  – anstatt den Hauptvertrag mit einer Bedingung zu verknüpfen und dessen Inhalt im Einzelnen auszuformulieren  – einen bedingten Vorvertrag abschliessen und die Detailregelung des Hauptvertrages vom Bedingungseintritt abhängig machen.23

155

Umstritten ist, ob aus einem Vorvertrag direkt auf Erfüllung des Hauptvertrages geklagt werden kann. Logischerweise wäre nämlich zuerst der Vorvertrag durchzusetzen, das heisst, die Klage müsste auf Abschluss des Hauptvertrages lauten. Erst in einem zweiten Schritt könnte dann auf Erfüllung des Hauptvertrages geklagt werden (sog. Zweistufentheorie).24 Das Bundesgericht lässt seit BGE 118 II 32 aber rationellerweise eine direkt auf Erfüllung des Hauptvertrages gerichtete Klage zu, sofern es sich um die gleichen Parteien wie beim Vorvertrag handelt und sofern der Inhalt des Hauptvertrages den Vorgaben des Vorvertrages entspricht (sog. Einstufentheorie). Dies ist unter dem Aspekt der Prozessökonomie auch sinnvoll.25

156

In der Praxis sind vorvertragliche Regelungen beispielsweise in der Form einer Architekten- oder Unternehmerklausel anzutreffen, mittels deren sich der Käufer im Rahmen eines Grundstückkaufs verpflichtet, die Ausführung von Architektur- bzw. Bauarbeiten einer bestimmten (natürlichen oder juristischen) Person zu übertragen.26 Diese Vorverträge sind aufgrund des auftrags- bzw. werkvertragsrechtlichen jederzeitigen Beendigungsrechts (Art. 404 bzw. Art. 377 OR) nicht real durchsetzbar, können aber unter Umständen eine Schadenersatzpflicht begründen 20 21 22 23

Koller, OR AT, N 22.16 f.; CR CO-Morin, Art. 22 N 2. BGE 118 II 32 E. 3a; 98 II 305 E. 1; Engel, CO PG, 181; Gauch/Schluep/Schmid, N 1084. Ausführlich BK OR-Kramer, Art. 22 N 79 ff. Koller,  OR AT, N  22.40  f.; s.  auch Furrer/Müller-Chen, Kap. 3 N  38; Gauch/Schluep/Schmid, N 1081; CHK OR-Kut, Art. 22 N 11; CR CO-Morin, Art. 22 N 12. 24 BGE 97 II 48 E. 4a = Pra 1971 Nr. 123; s. dazu BK OR-Kramer, Art. 22 N 119 ff. 25 So auch Schwenzer, OR AT, N 26.09; BSK OR-Zellweger-Gutknecht, Art. 22 N 19 ff. und N 62 f.; a.M. Gauch/Schluep/Schmid, N 1087 ff., welche diese Konstruktion mit der Begründung «ein erst versprochener Vertrag ist kein abgeschlossener Vertrag» ablehnen und darum eine Klageverbindung befürworten. 26 Gauch/Schluep/Schmid, N 1089 mit weiteren Beispielen.

44

§2

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR)

(Art. 404 Abs. 2 bzw. Art. 377 OR).27 Des Weiteren verkörpern Gutscheine eine Forderung aus Vorvertrag auf Abschluss eines Hauptvertrages über einen bestimmten bzw. vom Inhaber des Gutscheins zu spezifizierenden Leistungsgegenstand.28 Nebst dem Abschluss eines Vorvertrages bildet auch die vertragliche Einräumung 157 gewisser Optionsrechte eine gewillkürte Einschränkung der Abschluss- und/oder Partnerwahlfreiheit. Ein Optionsrecht gibt dem Berechtigten die Möglichkeit, durch einseitige Willenserklärung ein bestimmtes Vertragsverhältnis herbeizuführen (Gestaltungsrecht; s. N 75 ff.).29 Die Erscheinungsformen sind vielfältig: Während z.B. ein vertragliches Vorkaufsrecht (s. N 2386 ff.) die Partnerwahlfreiheit der (mit dem Vorkaufsrecht) belasteten Partei einschränkt, führt die Vereinbarung eines Kaufs- bzw. Rückkaufsrechts (s. N 2391 f.) zusätzlich zur Einschränkung der Abschlussfreiheit der belasteten Partei.30 Schliesslich können Abschluss- und Partnerwahlfreiheit auch «negativ» begrenzt 158 werden. Beispiel: Bei einem Alleinvertriebsvertrag (s. N 3835 ff.) verpflichtet sich die Lieferantin gegenüber dem Händler, innerhalb eines bestimmten Vertragsgebiets ausschliesslich an ihn zu liefern und damit ein entsprechendes Kontrahieren mit anderen Händlern zu unterlassen. 3.2

Gesetzliche Einschränkungen: Kontrahierungszwang

Gesetzliche Kontrahierungspflichten finden sich zum Teil in privatrechtlichen, zum 159 Teil aber auch in öffentlich-rechtlichen Vorschriften.31 Zumeist sind es öffentlichrechtliche Normen, welche die Grundlage für einen Kontrahierungszwang bilden. In der Regel wird der ohne Abschlusswillen eingegangene «Vertrag» materiellrechtlich gleich behandelt wie ein in freier Willensbildung zustande gekommener Vertrag.32 Davon unabhängig ist die Frage zu beantworten, ob der unter öffentlichrechtlichem Kontrahierungszwang geschlossene Vertrag mittels Zivilklage oder nach Massgabe öffentlich-rechtlicher Verfahrensvorschriften durchzusetzen ist.33 Öffentlich-rechtliche Kontrahierungspflichten bestehen z.B. für die Post im Bereich 160 der Grundversorgung mit Postdiensten und mit Dienstleistungen des Zahlungsverkehrs (sog. service public; Art.  13  ff. und Art.  32  f. PG34). Des Weiteren auferlegt etwa das Fernmeldegesetz marktbeherrschenden Anbieterinnen im Fern-

27 28 29 30 31 32 33 34

Koller, OR AT, N 22.34; CR CO-Morin, Art. 22 N 19. Ausführlich Rusch/Maissen, Jusletter 12. Dezember 2011, N 9 ff. BGE 122 III 10 E. 4b; 113 II 31 E. 2a; von Tuhr/Peter, 277. Arnet, N 96. S. BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 100 ff. S. BGE 123 V 324 E. 3b. Zum Ganzen ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 1 N 537 ff. Postgesetz vom 17. Dezember 2010 (SR 783.0).

45

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

meldeverkehr die Pflicht zur Interkonnektion (Art.  11 FMG35). Der Halter eines Motorfahrzeugs ist nach Art. 63 SVG36 verpflichtet, einen Haftpflichtversicherungsvertrag abzuschliessen. Auch bestimmt Art. 7 KG37, dass die sachlich ungerechtfertigte Vertragsverweigerung eines marktbeherrschenden Unternehmens unzulässig ist.38 Zwar entsteht dabei kein genereller Kontrahierungszwang, das Gericht ist aber ermächtigt, Anordnungen zu treffen, wonach der Verursacher einer Wettbewerbsbehinderung mit dem Behinderten marktgerechte und/oder branchenübliche Verträge abzuschliessen hat (Art. 13 lit. b KG).39 161

Beispiele für privatrechtliche Normen, welche einen Kontrahierungszwang vorsehen, sind das Notwegrecht (Art. 694 ZGB), der Anspruch eines Miterben auf Teilung der Erbschaft (Art. 604 ZGB) sowie das (gesetzliche) Vorkaufsrecht der Miteigentümer gegenüber Nichtmiteigentümern (Art. 682 Abs. 1 ZGB).

162

Eine Kontrahierungspflicht kann sich sodann aus den allgemeinen Prinzipien des Privatrechts ergeben, insbesondere aus dem Schutz der Persönlichkeit (Art. 28 ZGB) sowie den guten Sitten (Art. 20 Abs. 1 OR).40 Allgemeine Kontrahierungspflichten sind gemäss Bundesgericht indessen wegen des hohen Stellenwerts der Vertragsfreiheit nur mit grosser Zurückhaltung anzunehmen.41

163

Eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung (Art. 28 ZGB) liegt z.B. vor, wenn jemand Waren oder Dienstleistungen öffentlich anbietet und dabei die Abschlussfreiheit dazu missbraucht, um gewisse Personen ohne sachliche Rechtfertigung aufgrund bestimmter Eigenschaften wie Rasse, Religion oder Geschlecht beim Vertragsabschluss zu diskriminieren (s. auch Art. 3 GlG42 sowie Art. 261bis Abs. 5 StGB43). Dauert die widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung an und besteht die Möglichkeit, diese durch einen Vertragsabschluss zu beseitigen (Art. 28a Abs. 1 Ziff. 2 ZGB), kann dies unter Umständen für die diskriminierende Partei einen Kontrahierungszwang begründen44 (s. aber Art. 5 Abs. 2 GlG, wonach bei Verstoss gegen das Diskriminierungsverbot lediglich ein Anspruch auf Entschädigung besteht und die Anstellung nicht erzwungen werden kann).

35 Fernmeldegesetz vom 30. April 1997 (SR 784.10). 36 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SR 741.01). 37 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz; SR 251). 38 Marbach/Ducrey/Wild, N 1520. 39 S. Stöckli, N 848 ff. 40 Arnet, N 321 ff. und N 351 ff.; BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 111 ff.; CHK OR-Kut, Art. 1 N 43; ablehnend Bucher, SJZ 1987, 42. 41 BGE 129 III 35 E. 6.3. 42 Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz; SR 151.1). 43 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (SR 311.0). 44 Göksu, Rassendiskriminierung, N 660 ff.; BSK ZGB-Meili, Art. 28a N 5; Schwenzer, OR AT, N 26.13.

46

§2

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR)

Alsdann verbieten die guten Sitten nicht nur den Abschluss sittenwidriger Ver- 164 träge (Art. 20 Abs. 1 OR; s. N 410 ff.), sondern sie können auch einen Vertragsabschluss gebieten.45 Das Bundesgericht hat in BGE 129 III 35 vier Voraussetzungen dafür formuliert: Zunächst müssen die entsprechenden Waren oder Dienstleistungen öffentlich angeboten werden und zum Normalbedarf gehören. Darunter sind Güter und Dienstleistungen zu verstehen, «welche heute praktisch jedermann zur Verfügung stehen und im Alltag in Anspruch genommen werden»46. Diese müssen nicht lebenswichtig, das heisst für das «nackte Überleben» unabdingbar notwendig sein, wie dies noch 1954 im Fall «Seelig»47 verlangt wurde. Das Bundesgericht schützte damals den Entscheid der Vorinstanz, wonach einem unerwünschten Berichterstatter zu Recht der Zutritt ins Kino verweigert und somit eine Kontrahierungspflicht des Kinoinhabers verneint worden war. Weiter muss die Anbieterin eine so starke Marktstellung einnehmen, dass dem Nachfragenden keine zumutbaren Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Schliesslich dürfen keine sachlichen Gründe für die Verweigerung des Vertragsabschlusses vorliegen.48 Das Bundesgericht kommt im erwähnten Entscheid aus dem Jahre 2003 zum Ergebnis, für die Beklagte habe eine Pflicht zum Vertragsabschluss bestanden, die sich aus dem privatrechtlichen Grundsatz des Verbots unsittlichen Handelns ergebe.49 Weil das Klagebegehren «nur» auf Feststellung einer Verletzung der Kontrahierungs- 165 pflicht lautete, blieb dogmatisch allerdings ungeklärt, welche konkreten Ansprüche aus dem ausnahmsweise gewährten Recht auf einen individuellen Vertragsschluss erwachsen. Neben einer Beseitigung der widerrechtlichen Persönlichkeitsverletzung durch Vertrag (Art.  28  ff. ZGB) kommt alternativ oder kumulativ auch ein Schadenersatzanspruch (Art. 41 Abs. 1 oder Abs. 2 OR) in Betracht. Schliesslich können gesetzliche Bewilligungspflichten sowie weitere öffentlich- 166 rechtliche Beschränkungen die Abschluss- und Partnerwahlfreiheit (faktisch) begrenzen. Beispielsweise bedarf der Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland einer behördlichen Bewilligung (Art. 2 Abs. 1 BewG50). Ferner muss der Lehrmeister die vom Gesetz vorgegebenen Voraussetzungen erfüllen, um Lehrlinge ausbilden zu dürfen (s. Art. 45 BBG51). Oder es verbieten Sonderschutzvorschriften des Arbeitsgesetzes, Jugendliche vor dem vollendeten 15. Altersjahr zu beschäftigen bzw. schwangere Arbeitnehmerinnen für bestimmte gefährliche und/

45 46 47 48 49 50

Gauch/Schluep/Schmid, N 1114. BGE 129 III 35 E. 6.3. BGE 80 II 26 E. 4c. BGE 129 III 35 E. 6.3; ausführlich Göksu, ZBJV 2004, 47 ff. BGE 129 III 35 E. 6.5. Bundesgesetz vom 16. Dezember 1983 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (SR 211.412.41). 51 Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Berufsbildung (Berufsbildungsgesetz; SR 412.10).

47

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

oder beschwerliche Tätigkeiten beizuziehen (s. Art. 30 und Art. 35 ArG52 sowie die Mutterschutzverordnung53).

III. 167

Willenserklärungen

Willenserklärungen stehen grundsätzlich im Zentrum des Vertragsschlusses. Darüber hinaus bilden sie das Fundament eines jeden Rechtsgeschäfts (s. N 45 ff.). Die nachfolgenden Ausführungen haben deshalb Geltung für sämtliche Rechtsgeschäfte.54

1.

Begriff

168

Eine Willenserklärung besteht in der Kundgabe des Willens zur Begründung, Änderung oder Beendigung eines Rechts oder Rechtsverhältnisses.55

169

Der Begriff «Willenserklärung» wird in Lehre und Rechtsprechung synonym mit dem vom Gesetzgeber verwendeten, aber wenig gebräuchlichen Terminus «Willensäusserung» gebraucht (Art. 1 Abs. 1 OR). Eine Willenserklärung lässt sich begrifflich in Wille (Resultat eines psychischen Prozesses) und Erklärung (Kundgabe, Mitteilung, Äusserung, Manifestation, Vollzug) aufgliedern.

170

Der rechtsgeschäftliche Wille, den man mit Kramer auch mit «rechtsgeschäftlichem Gestaltungswillen» umschreiben könnte,56 lässt sich seinerseits in Handlungs-, Rechtsbindungs- und Erklärungswille unterteilen.57 Unabdingbare Voraussetzung für ein Handeln ist der Handlungswille, also der bewusste Wille zur Handlung: Steht jemand unter Hypnose oder überwältigendem Zwang (vis absoluta), geht ihm der Handlungswille ab.58 Der Rechtsbindungswille zielt auf eine bestimmte Rechtsfolge ab (s. N 52). Das Bundesgericht verwendet die Begriffe «Geschäftswille», «Rechts-

52

Bundesgesetz vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz; SR 822.11). 53 Verordnung des WBF vom 20. März 2001 über gefährliche und beschwerliche Arbeiten bei Schwangerschaft und Mutterschaft (Mutterschutzverordnung; SR 822.111.52). 54 Von den Rechtsgeschäften stellt der Vertrag lediglich eine – wenn auch die wichtigste – Subkategorie dar. 55 Gauch/Schluep/Schmid, N 168; BK OR-Kramer, Art. 1 N 4. 56 BK OR-Kramer, Art. 1 N 31. 57 S. zum Ganzen BK OR-Kramer, Art. 1 N 32 ff. 58 BGE 72 II 154 E. 2; Schwenzer, OR AT, N 27.02.

48

§2

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR)

folgewille» sowie «vertraglicher Bindungswille» synonym.59 Schliesslich muss die Erklärung vom Willen zur Kundgabe gedeckt sein (Erklärungswille).60 Von den Willenserklärungen sind die Realakte (Tathandlungen) zu unterschei- 171 den: Realakte sind Handlungen, bei welchen sich der Wille auf eine Veränderung in der Aussenwelt richtet, beispielsweise durch Umzug bei Begründung eines neuen Wohnsitzes im Sinne von Art.  23 ZGB oder durch Verarbeitung einer Sache mit den Folgen von Art. 726 ZGB.61 Die Rechtsfolgen von Realakten knüpfen mit anderen Worten nicht an den (kundgegebenen) Willen einer Person an, sondern an den aus einem bestimmten Handeln resultierenden Erfolg. Die handelnde Person muss auch nicht handlungsfähig sein, um den gesetzlich vorgesehenen Erfolg auszulösen.62 Zu unterscheiden ist die Willenserklärung auch von den rechtsgeschäftsähnlichen 171a Handlungen. Rechtsgeschäftsähnliche Handlungen sind Erklärungen, bei denen das Gesetz eine bestimmte Rechtsfolge vorsieht63 und bei denen die Rechtsfolge nicht durch den (kundgegebenen) Willen einer Person bestimmt wird. Rechtsgeschäftsähnliche Handlungen sind beispielsweise die Mahnung (Art. 102 Abs. 1 OR) oder die Mängelrüge gemäss Art. 201 OR.

2.

Arten von Willenserklärungen

2.1

Ausdrückliche und konkludente Willenserklärungen (Art. 1 Abs. 2 OR)

Dem Grundsatz nach sind ausdrückliche und konkludente (schlüssige) Willenser- 172 klärungen gleichwertig. Ausnahmsweise setzt das Gesetz qualifizierend eine ausdrückliche Willenserklärung voraus, um eine Rechtsfolge eintreten zu lassen (z.B. Art. 214 Abs. 3, Art. 369 und Art. 459 Abs. 2 OR). Liegen besondere Formvorschriften (insbesondere ein Erfordernis für Schriftform) vor, bedarf es immer einer ausdrücklichen Willenserklärung.64 Der Sinngehalt einer ausdrücklichen Willenserklärung geht aus dieser selbst hervor, 173 ohne dass notwendigerweise zur Deutung weitere Umstände herangezogen werden müssen.65 In aller Regel bedient sich die Erklärende hierfür der mündlichen oder schriftlichen Sprache. Allerdings kann auch anderen Ausdrucksmitteln ein bestimmter Inhalt eindeutig zugewiesen werden, sei es infolge Übung oder Über59 60 61 62 63 64 65

S. BGE 116 II 695 E. 2a. Koller, OR AT, N 3.110; von Tuhr/Peter, 158. Von Tuhr/Peter, 175. Schwenzer, OR AT, N 27.05. Gauch/Schluep/Schmid, N 166. S. BK OR-Kramer, Art. 1 N 18; s. ferner auch BGE 93 II 302 E. 4. BK OR-Kramer, Art. 1 N 7; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 1 N 142; von Tuhr/Peter, 162 f.

49

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

einkunft (z.B. Kopfschütteln und Nicken, Handaufheben während einer Versteigerung, aber auch Schweigen, falls dies so vereinbart worden ist).66 174

Wenn der Wille nur unter Berücksichtigung der Umstände aus der Erklärung oder dem Verhalten der Kundgebenden abgeleitet werden kann, liegt eine konkludente Willenserklärung vor. Dabei müssen genügend tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, welche jeden plausiblen Grund, am Vorhandensein des Rechtsbindungswillens zu zweifeln, auszuräumen vermögen (z.B. Vorzeigen der Ware an der Kasse).67 Auch eine in Worte gefasste Erklärung, deren Sinngehalt durch den Wortlaut lediglich mittelbar ausgedrückt wird, ist eine konkludente Willenserklärung (z.B. schliesst die Abrede des Eigentumsvorbehalts einen Rücktrittsvorbehalt im Sinne von Art. 214 Abs. 3 OR mit ein).68 Oft wird gleichzeitig mit der Leistungserbringung oder der Inanspruchnahme einer Gegenleistung konkludent der Rechtsfolgewille bekundet und damit der Vertrag «in Vollzug gesetzt» (sog. Realakzept bzw. Realofferte; s. N 204 ff., N 224).69

175

Das Gesetz verwendet das Begriffspaar «ausdrückliche» und «stillschweigende» Willenserklärung (Art. 1 Abs. 2 OR). In logischer und terminologischer Hinsicht wäre der ausdrücklichen besser die konkludente (schlüssige) Willenserklärung gegenübergestellt worden, da nach heutigem Begriffsverständnis die stillschweigende Willenserklärung meist lediglich einen Unterfall der konkludenten oder ausnahmsweise auch der ausdrücklichen Willenserklärung bildet.70 In aller Regel stellt Schweigen wie überhaupt «passives» Verhalten gar keine Willenserklärung dar.71 In gewissen Fällen kann jedoch auch dem Schweigen einer Person ihr Rechtsbindungswille entnommen werden (s. Art. 6 OR). Dieser muss aber aus ihrem Verhalten bzw. den besonderen Umständen oder der Natur des Geschäfts klar und eindeutig hervorgehen (s. N 226 f.).72

176

Die abgegebenen Willenserklärungen müssen unter Umständen ausgelegt werden (s. N 189 ff.). Zur Deutung konkludenter Willenserklärungen wird unter anderem das «sozialtypische Verhalten» herangezogen:73 Verhält sich eine Person in einer Alltagssituation (z.B. beim Einkauf in einem Ladengeschäft, beim Schalterverkehr eines Dienstleistungsunternehmens, bei einer öffentlichen Veranstaltung etc.) so, wie sich die Menschen im Schnitt in der konkreten Situation zu verhalten pflegen, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die Beteiligten dem Verhalten 66 S. Gauch/Schluep/Schmid, N 180; CHK OR-Kut, Art. 1 N 11. 67 BGE 52 II 284 E. 4; BK OR-Kramer, Art. 1 N 11. 68 S. ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 1 N 147. 69 BSK OR-Zellweger-Gutknecht/Bucher, Art. 1 N 18. 70 S.  BK  OR-Kramer, Art.  1 N  9; von Tuhr/Peter, 163. In diesem Sinne auch der Vorschlag des OR 2020-Entwurfs, welcher in Art. 1 Abs. 2 OR 2020 der «ausdrücklichen» die «schlüssige» (das heisst konkludente) Willenserklärung gegenüberstellt. 71 Engel, CO PG, 131; Schwenzer, OR AT, N 27.11. 72 BGE 4C.282/2002 E. 2.3; 123 III 53 E. 5a = Pra 1997 Nr. 87. 73 S. dazu BK OR-Kramer, Art. 1 N 21 ff. m.w.H.

50

§2

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR)

dieselbe Bedeutung beigelegt haben, wie sie einem entsprechenden Verhalten allgemein beigelegt wird.74 Auch im Handelsverkehr gibt es eine Vielzahl von «typisierten und standardisierten» Verhaltensweisen (Verkehrssitten), welche zur Klärung der Frage Hilfe bieten, ob ein entsprechendes Verhalten eine Willenserklärung darstellt oder nicht bzw. welchen Inhalt diese Willenserklärung allenfalls aufweist (s. N 190 ff.).75 2.2

Unmittelbare und mittelbare Willenserklärungen

Bei einer unmittelbaren Willenserklärung stehen die Beteiligten in direkter Kom- 177 munikation, sodass «sich der gesamte Erklärungsvorgang als einheitlicher Akt und innert kurzer Zeit abspielt»76. Als Beispiele können hier die mündliche Erklärung unter Anwesenden oder am Telefon angeführt werden (Art. 4 OR). Auch Willenserklärungen, die mittels elektronischer Kommunikationsmittel in Echtzeit erfolgen (live), sind in letztere Kategorie einzuordnen. Beispiele sind die Internet-Telefonie (sog. Voice over Internet Protocol [VoIP], das heisst, Sprachinformationen werden nicht über ein herkömmliches Telefonnetz übertragen, sondern mittels Internetprotokoll in Datenpakete unterteilt) oder sog. Chatportale (Dienste, welche mittels einer Software ermöglichen, in Echtzeit schriftlich zu kommunizieren).77 Wenn sich zwischen Kundgabe und Kenntnisnahme einer Willenserklärung ein 178 Übermittlungsvorgang schiebt, spricht man von mittelbarer Willenserklärung.78 Gesetzlich geregeltes Anwendungsbeispiel für eine mittelbare Willenserklärung ist die schriftliche Kundgabe unter Abwesenden (Art.  5  OR). Auch die per Telefax, SMS oder E-Mail übermittelten Willenserklärungen gelten – trotz der hohen Übermittlungsgeschwindigkeit – gemeinhin als mittelbare Willenserklärungen.79 2.3

Empfangsbedürftige und nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen

Eine empfangsbedürftige Willenserklärung bedarf zu ihrer Wirksamkeit des Zugangs 179 bei einem (oder mehreren) bestimmten Adressaten (s. N 184 ff.). Sie stellt im Obligationenrecht den Regelfall dar. Der Grund dafür liegt zur Hauptsache darin, dass der Empfänger einer Willenserklärung durch diese in seiner Rechtssphäre berührt wird und daher die Möglichkeit haben soll, über den jeweiligen Erklärungsinhalt

74 75 76 77 78 79

ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 1 N 261. BK OR-Kramer, Art. 1 N 60. ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 1 N 136. Furrer/Müller-Chen, Kap. 2 N 56; CHK OR-Kut, Art. 1 N 15; Schwenzer, OR AT, N 27.12. ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 1 N 136. S. Gauch/Schluep/Schmid, N 187; Schwenzer, OR AT, N 27.12.

51

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Kenntnis zu erlangen(z.B. Antrag und Annahme, Kündigung, Widerruf, Rücktritt oder Verzicht).80 180

181

Zwar richtet sich jede Erklärung begriffsnotwendig an mindestens ein anderes Rechtssubjekt.81 Die nicht empfangsbedürftige Willenserklärung wird aber bereits im Zeitpunkt wirksam, in welchem sie (formgültig) in die Aussenwelt gelangt, ohne dass sie an eine bestimmte Person gerichtet sein muss.82 Sie kann z.B. an einen noch unbestimmten Adressatenkreis (z.B. Testament) oder an jedermann gerichtet sein (z.B. Auslobung gemäss Art. 8 OR; s. N 214 ff.). Eine Kundgabe derselben wie bei der empfangsbedürftigen Willenserklärung (s. N 181 ff.) ist nicht notwendig.83

3.

Kundgabe und Zugang empfangsbedürftiger Willenserklärungen

3.1

Stadien des Erklärungsvorgangs

Der Erklärungsvorgang bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen lässt sich modellhaft in verschiedene Phasen unterteilen, wobei diese je nach Art der Erklärung zeitlich zusammenfallen können. Eine mittelbare empfangsbedürftige Willenserklärung durchläuft regelmässig folgende Stadien:

182 Machtbereich der Erklärenden

Ausfertigung A

Abgabe B

Machtbereich des Empfängers

Zugang C

Kenntnisnahme D

Abbildung: Stadien der mittelbaren empfangsbedürftigen Willenserklärung

A Nach Abschluss des Willensbildungsprozesses formuliert die Erklärende in der Regel ihren Willen in Wort oder Schrift. Beispiele sind der ausgefertigte Brief oder die E-Mail, welche noch nicht versandt worden sind. B Der Lauf des Erklärungsvorgangs wird ausgelöst, wenn die Kundgebende die Willenserklärung abgibt. Dabei muss diese alles unternehmen, damit der Emp80 81 82 83

52

S. Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 184; von Tuhr/Peter, 166 f. S. Kritik an der «unschönen» und irreführenden Terminologie bei von Tuhr/Peter, 167. Koller, OR AT, N 3.30; von Tuhr/Peter, 167. BK OR-Kramer, Art. 1 N 75.

§2

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR)

fänger nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge von der Erklärung Kenntnis nehmen kann. Im Zeitpunkt der Abgabe muss die Erklärende handlungsfähig sein. Verliert sie die Handlungsfähigkeit erst später, bleibt die Willenserklärung gültig (s. N 145 ff.).84 C Die Willenserklärung wird wirksam, wenn sie in der «Machtsphäre» des Empfängers eintrifft. Nach dem sog. Zugangsprinzip (s. N 184 ff.) ist sie in diesem Moment vollendet und kann nun die entsprechenden Rechtswirkungen entfalten. D Alsdann nimmt der Empfänger von der Willenserklärung Kenntnis. Damit ist der Erklärungsvorgang beendet. Weil die Willenserklärung aber bereits im Zeitpunkt des Zugangs wirksam wurde, ändert sich durch die Kenntnisnahme nichts mehr an dieser Rechtslage. In diesem Sinn ist es für die Rechtsfolgen einer empfangsbedürftigen Willenserklärung unerheblich, ob der Empfänger von dieser tatsächlich Kenntnis nimmt oder nicht.85 Bei unmittelbaren empfangsbedürftigen Willenserklärungen erfolgt der Erklä- 183 rungsvorgang in Echtzeit (s.  N  177). Weil Zugang und Kenntnisnahme dabei in aller Regel zusammenfallen, muss bezüglich der Frage nach der Wirksamkeit in zeitlicher Hinsicht nicht unterschieden werden: Insbesondere Erklärungen unter Anwesenden werden gleichzeitig mit deren Kenntnisnahme wirksam (Art. 4 OR). Insofern weist das Zugangsprinzip in erster Linie bei mittelbaren Willenserklärungen praktische Relevanz auf. 3.2

Zugangsprinzip

Nach dem Zugangsprinzip (= Empfangstheorie) wird eine empfangsbedürftige Willenserklärung wirksam, sobald sie in den «Machtbereich» des Empfängers gelangt.

184

Obgleich das Gesetz das Zugangsprinzip nicht explizit erwähnt, anerkennen Lehre 185 und Rechtsprechung es einhellig.86 Implizit geht es im Übrigen aus Art. 3 Abs. 2, Art. 5 Abs. 3 und Art. 9 Abs. 1 OR hervor. Der Zugangszeitpunkt mittelbarer Willenserklärungen bestimmt sich nach Mass- 186 gabe der Übermittlungsart und des konkreten Erklärungsträgers:87

84 Von Tuhr/Peter, 168. 85 BK OR-Kramer, Art. 1 N 76; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 184. 86 BGE 140 III 244 E. 5.1 = Pra 2014 Nr. 95; 137 III 208 E. 3.1.2 = Pra 2011 Nr. 106; 119 II 147 E. 2; 118 II 42 E. 3; 84 II 187 E. 4; Bucher, OR AT, 140; Gauch/Schluep/Schmid, N 196 ff.; Koller, OR AT, N 3.134; BK OR-Kramer, Art. 1 N 83; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 1 N 404. 87 S. zum Ganzen BK OR-Kramer, Art. 1 N 87 ff.

53

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

• Die schriftliche Willenserklärung in Briefform geht dem Empfänger im Moment zu, in welchem das Schreiben in seinen Machtbereich gelangt.88 Der privat oder nicht eingeschrieben zugestellte Brief wird mit dem Einwurf in den Briefkasten oder das Postfach des Empfängers wirksam, sofern mit dessen Leerung gerechnet werden darf.89 Ob der Empfänger tatsächlich Kenntnis vom Inhalt nimmt, ist dabei nicht entscheidend. Insoweit trägt der Empfänger das Risiko dafür, keine Kenntnis der Sendung zu erhalten, wenn er von seinem Wohnort oder Geschäftssitz abwesend ist (z.B. wegen Ferien).90 Im eigenen Interesse ist er darum gehalten, dafür besorgt zu sein, dass z.B. Zustellungen, mit welchen infolge bestehender Rechtsbeziehungen gerechnet werden muss, an ihn weitergeleitet werden oder er von einer vertrauenswürdigen, an seiner statt anwesenden Person informiert wird.91 Ein zugegangener Brief entfaltet selbst dann Wirkung, wenn er dem Empfänger von jener Person vorenthalten wird, welche er mit der Leerung des Briefkastens betraut hat.92 Im Gegenzug trägt der Absender das Übermittlungsrisiko bis zu jenem Zeitpunkt, in dem die Sendung in den Machtbereich des Adressaten gelangt, womit den ambivalenten Interessen beider Parteien in angemessener Weise Rechnung getragen wird.93 • Kann ein eingeschriebener Brief nicht zugestellt werden, wird der Empfänger mittels Avis aufgefordert, die Sendung auf dem Postamt abzuholen. Sobald der Brief dort zum Abholen bereitliegt, gilt er als zugegangen. Als Zugangstag gilt regelmässig jener Tag, welcher auf den Tag des vergeblichen Zustellungsversuchs folgt. Besteht jedoch die Möglichkeit, den Brief noch am gleichen Tag abzuholen, und darf damit auch gerechnet werden, gilt die Erklärung bereits dann als zugegangen.94 Im Zusammenhang mit bestimmten Mietrechtsgeschäften (Kündigungsandrohung im Sinne von Art. 257d OR und Mitteilung einer Mietzinserhöhung gemäss Art. 269d OR; s. N 2968g, N 3009a) weicht die bundesgerichtliche Judikatur ausnahmsweise von der Empfangstheorie ab: In diesen Fällen gilt die nicht direkt ausgehändigte eingeschriebene Postsendung nicht bereits am (Folge-)Tag des erfolglosen Zustellungsversuchs, sondern erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Empfangnahme am Postschalter als zugegangen. Unterlässt es der 88 BGE 118 II 42 E. 3b. 89 BGE 137 III 208 E. 3.1.2 = Pra 2011 Nr. 106; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 1 N 408. 90 In BGE 143 III 15 E. 4 = Pra 2017 Nr. 45 hielt das Bundesgericht unter anderem fest, dass eine eingeschriebene Kündigung der Vermieterin auch dann als empfangen gelte, wenn ein Mieter die Abholfrist wegen Ferienabwesenheit, Krankheit oder anderen Gründen verpasst habe und dieser nicht mit einer Kündigung rechnen musste. 91 Berger, Schuldrecht, N 242; BK OR-Kramer, Art. 1 N 92; BSK OR-Zellweger-Gutknecht/Bucher, Art. 5 N 25. 92 BGE 118 II 42 E. 3b. 93 BGE 143 III 15 E. 4.1 = Pra 2017 Nr. 45; 140 III 244 E. 5.1 = Pra 2014 Nr. 95; 137 III 208 E. 3.1.3 = Pra 2011 Nr. 106. 94 BGE 143 III 15 E. 4.1 = Pra 2017 Nr. 45; 140 III 244 E. 5.1 = Pra 2014 Nr. 95; 137 III 208 E. 3.1.2 = Pra 2011 Nr. 106; 107 II 189 E. 2 = Pra 1981 Nr. 177; Koller, OR AT, N 3.146; BSK OR-Zellweger-Gutknecht/ Bucher, Art. 5 N 26.

54

§2

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR)

Empfänger, innerhalb der postalischen Aufbewahrungsfrist von sieben Tagen die Sendung abzuholen, wird die Zustellung aus Gründen der Rechtssicherheit auf den letzten Tag dieser Frist fingiert (s. auch Art. 138 Abs. 3 lit. a ZPO95).96 • Eine Willenserklärung kann auch mittels elektronischer Hilfsmittel abgegeben werden. Dabei kann z.B. nur die Übermittlung elektronisch erfolgen, der Erklärungsträger jedoch konventioneller Natur sein (Telefax). Es kann aber auch der gesamte Übermittlungs- und Ausgabevorgang auf elektronischem Weg ablaufen (E-Mail und SMS). Um den Zugangszeitpunkt zu bestimmen, ist – vorbehältlich einer Sonderregelung – darauf abzustellen, wann die Erklärung in die Machtsphäre des Empfängers gelangt. Ein Telefax gilt als zugegangen, wenn das Empfangsgerät die Fernkopie ausgedruckt hat.97 Eine E-Mail tritt in die Machtsphäre des Empfängers ein, wenn sie von diesem abgerufen werden kann, was regelmässig mit der Speicherung auf dem Computer bzw. dem Eingang in das elektronische Postfach des Empfängers der Fall sein dürfte.98 Die Obliegenheit zur regelmässigen Leerung des elektronischen Briefkastens, also zum Abruf der E-Mail, trifft denjenigen, welcher seine E-Mail-Adresse einem grösseren Personenkreis kundgetan hat (z.B. Angabe im Briefkopf, Veröffentlichung auf einer Homepage).99 • Die an einen Empfangsboten (Hilfsperson) abgegebene Willenserklärung geht dem Empfänger (Geschäftsherr) im Zeitpunkt der Entgegennahme durch den Boten zu, sofern dieser nach dem Willen des Empfängers dazu ermächtigt oder nach der Verkehrsauffassung zum Empfang der Erklärung als geeignet und befugt zu betrachten ist (z.B. Ehegatten oder Angestellte).100 Darüber hinaus zeitigt der Zugang einer (mittelbaren oder unmittelbaren) Erklärung beim direkten Stellvertreter dieselben Rechtsfolgen, wie wenn die Erklärung der Vertretenen selbst zugegangen wäre (zur Abgrenzung von Botenschaft und Stellvertretung s. N 1034 ff.). Hinsichtlich der Wirkungen des Zugangs einer Willenserklärung ist zwischen der 187 Bindungs- und der Gestaltungswirkung zu unterscheiden. Das Eintreten der Bin95 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung; SR 272). 96 BGE 140 III 244 E. 5.1 = Pra 2014 Nr. 95; 137 III 208 E. 3.1.3 = Pra 2011 Nr. 106; 119 II 147 E. 2; 107 II 189 E. 2 = Pra 1981 Nr. 177; s. auch CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 257d N 7 und Art. 269d N 2; Koller, OR AT, N 3.147 mit Kritik an der kantonalen Gerichtspraxis, diese Ausnahme tendenziell zu verallgemeinern. 97 BK OR-Kramer, Art. 1 N 88. 98 Weber, 343; differenzierend Schwenzer, OR AT, N 27.23, wonach bei einem gewerblichen Empfänger grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Speicherung im jeweiligen Server, bei einem privaten Empfänger auf die Öffnung des E-Mails abgestellt werden sollte. 99 Gauch/Schluep/Schmid, N 202. 100 BGE 118 II 42 E. 3b; Gauch/Schluep/Schmid, N 203; BK OR-Kramer, Art. 1 N 89; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 1 N 412; von Tuhr/Peter, 350 f. A.M. Bucher, OR AT, 599, wonach für den Zugang der Zeitpunkt massgeblich ist, in welchem die Übermittlung an den Geschäftsherrn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge erwartet werden darf; Schwenzer, OR AT, N 27.24; BK OR-Zäch/Künzler, Vorb. zu Art. 32–40 N 21.

55

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

dungswirkung bedeutet, dass die Kundgebende sich ab nun auf die Erklärung behaften lassen muss, das heisst diese nicht mehr ohne Weiteres widerrufen kann (s.  N  234  ff., N  261  ff.). Davon losgelöst ist die Frage zu beantworten, wann die Gestaltungswirkung eintritt  – also die mit der Erklärung beabsichtigte Gestaltung der Rechtslage. Dies kann zeitgleich, rückwirkend oder nachwirkend zum Zugang der Erklärung sein.101 So treten die Wirkungen eines Vertrages, welcher unter Abwesenden geschlossen wurde, rückwirkend auf den Abgabezeitpunkt der Annahmeerklärung ein (Art. 10 Abs. 1 OR; s. N 243 f.). Die fristlose Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis mit Zugang der Willenserklärung (Art. 337 ff. OR). Die (zugegangene) ordentliche Kündigung schliesslich kann nicht widerrufen werden, entfaltet aber ihre Gestaltungswirkung erst nach Ablauf der Kündigungsfrist (Art. 335 ff. OR). 188

189

Vorbehältlich zwingender Sondervorschriften steht den Vertragspartnern im Rahmen des dispositiven Gesetzesrechts die Möglichkeit offen, sowohl die Bindungsals auch die Gestaltungswirkung auf einen anderen als den dispositiv vorgesehenen Zeitpunkt zu verlegen.

4.

Auslegung von Willenserklärungen

4.1

Massgeblichkeit des wirklichen Willens bei übereinstimmendem gegenseitigem Verständnis

Wenn der Empfänger eine Willenserklärung so versteht, wie sie von der Kundgebenden tatsächlich gemeint war, bedarf es keiner besonderen Auslegung: Es ist auf den – vom Empfänger erkannten – wirklichen Willen der Erklärenden abzustellen (sog. Willenstheorie).102 Selbst bei objektiv falschen oder ungenauen Bezeichnungen, jedoch übereinstimmendem Rechtsbindungswillen besteht kein Anlass, den Beteiligten etwas anderes als das Gewollte zuzuschreiben (falsa demonstratio non nocet; Art. 18 Abs. 1 OR). 4.2

190

Auslegung nach Vertrauensprinzip bei divergierendem gegenseitigem Verständnis

Weicht der tatsächliche Wille der Erklärenden davon ab, was der Empfänger verstanden hat, muss durch Auslegung der Willenserklärung deren objektivierter Sinn ermittelt werden. Eine Willenserklärung kann in dreierlei Hinsicht auslegungsbe-

101 102

56

S. zum Ganzen auch Koller, OR AT, N 7.59 ff. BGE 144 III 43 E. 3.3; 142 III 239 E. 5.2.1 = Pra 2018 Nr. 7; 132 III 626 E. 3.1; 128 III 70 E. 1a.

§2

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR)

dürftig sein: Es kann sich fragen, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt, an wen sie allenfalls gerichtet ist und welchen Inhalt sie aufweist (s. N 196).103 191 Willenserklärung?

Inhalt?

Adressat?

Abbildung: Auslegung der Willenserklärungen

Das Vertrauensprinzip regelt, wie solche Willenserklärungen zu verstehen sind und 192 ob sie der Erklärenden (normativ) zugerechnet werden dürfen. Obgleich im OR nicht ausdrücklich geregelt, ist das Vertrauensprinzip als Weiter- 193 entwicklung der Erklärungstheorie von Lehre und Rechtsprechung durchwegs anerkannt.104 Danach sind Willenserklärungen «so auszulegen, wie sie vom Empfänger in guten Treuen verstanden werden durften und mussten»105. Somit wird weder auf das von der Erklärenden innerlich Gewollte noch auf den erklärten Wortlaut, wie ihn ein unbeteiligter Dritter verstehen würde, sondern auf den «Verständnishorizont des Empfängers» (= Empfängerhorizont) abgestellt.106 Vertrauenstheoretisch findet eine Objektivierung statt, jedoch werden auch subjektive Elemente, beispielsweise spezielle Fachkenntnisse des Erklärungsempfängers, in die Auslegung miteinbezogen.107 Massgebend ist demnach derjenige Sinn, welchen der Empfänger der Erklärung unter Würdigung der Umstände als vernünftig und redlich urteilende 103 ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 1 N 192. 104 Statt vieler BGE 144 III 93 E. 5.2.1 und E. 5.2.3; 144 V 84 E. 6.2.1 m.w.H.; 143 III 157 E. 1.2.2 m.w.H.; 133 III 675 E. 3.3 m.w.H. = Pra 2008 Nr. 65; 130 III 686 E. 4.3.1; 128 III 265 E. 3a; 127 III 248 E. 3f = Pra 2002 Nr. 72; 123 III 16 E. 4b; 116 II 431 E. 3a m.w.H.; Bucher, OR AT, 122; Engel, CO PG, 238; Gauch/Schluep/Schmid, N 207; Koller, OR AT, N 3.151; BK OR-Kramer, Art. 1 N 102; Tercier/ Pichonnaz, CO PG, N 196; von Tuhr/Peter, 287; CR CO-Winiger, Art. 18 N 134. Der OR 2020-Entwurf schlägt in Art. 20 Abs. 2 OR 2020 eine ausdrückliche Regelung des Vertrauensprinzips im Allgemeinen Teil des OR vor: Kann ein übereinstimmender wirklicher Wille nicht mehr festgestellt werden, ist eine Willenserklärung nach Treu und Glauben auszulegen. Gemeint ist damit eine Auslegung gemäss Vertrauensprinzip; s. dazu OR 2020-Vogt, Art. 20 N 5 f. 105 BGE 129 III 118 E. 2.5 = Pra 2003 Nr. 123; 113 II 49 E. 1a; s. ferner etwa auch BGE 143 III 157 E. 1.2.2 m.w.H. 106 BK OR-Kramer, Art. 1 N 102; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 14. 107 Koller, OR AT, N 3.174.

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1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Person nach Treu und Glauben (Art. 2 Abs. 1 ZGB) beilegen konnte und musste.108 Durch den Einbezug von Treu und Glauben trifft auch den Empfänger die Obliegenheit, das ihm in der entsprechenden Situation Vertretbare zu unternehmen, um den wirklichen Rechtsbindungswillen der Erklärenden zu erkennen.109 194

Es werden folgende Konstellationen unterschieden: • Wenn der Empfänger die Erklärung so verstehen durfte, wie er dies tatsächlich getan hat, wird er in seinem Verständnis geschützt, auch wenn die Erklärende etwas anderes meinte.110 • Wenn der Empfänger nach dem Vertrauensprinzip den Sinn, welcher die Erklärende ihrer Willensäusserung beigelegt hat, hätte erkennen müssen, gilt diese im Sinne der Erklärenden. • Ergibt die Auslegung nach dem Vertrauensprinzip einen Sinn, der weder von der Erklärenden so gemeint noch vom Empfänger so verstanden wurde, ist die Willenserklärung unwirksam: Den Parteien soll nicht ein (durch den Vertrauensgrundsatz ermittelten) Sinn aufgenötigt werden, welchen sie beide der Erklärung nicht beigelegt haben. Vorbehalten bleibt das Rechtsmissbrauchsverbot bzw. die analoge Anwendung von Art. 25 Abs. 2 OR.111

195

Aus dem Vertrauensprinzip sind im Übrigen weitere Auslegungsgrundsätze abgeleitet worden, welche je nach konkreten Umständen zum Tragen kommen. Bei der Auslegung zu berücksichtigen ist etwa die orts-, berufs- und fachspezifische Verwendung von Ausdrücken, sofern dies für den Empfänger ersichtlich war oder sein musste. Dabei soll jedoch die Deutung aus dem Kontext erfolgen und eine isolierte, rein wörtliche Auslegung unterbleiben.112 Für die Auslegung von Willenserklärungen bedeutsam ist auch das Verhalten der Parteien während der Vertragsverhandlungen.

196

Mittels des Vertrauensprinzips wird alsdann nicht nur der Kundgabeinhalt ermittelt, sondern es wird auch die (allfällige) Frage beantwortet, ob überhaupt eine Willenserklärung vorliegt und wer die Adressatin derselben ist. Nach vertrauenstheoretischen Gesichtspunkten kann also ein bestimmtes Verhalten trotz fehlendem Rechtsbindungswillen und ohne Erklärungsbewusstsein eine Willenserklärung darstellen.

108

BGE 116 II 431 E. 3a; Gauch/Schluep/Schmid, N 216; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 1 N 196; BSK OR-Zellweger-Gutknecht, Einl. vor Art. 1 ff. N 77. 109 S. ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 1 N 201. 110 S. auch BGE 144 III 93 E. 5.2.3; 136 III 186 E. 3.2.1 = Pra 2010 Nr. 113; 130 III 417 E. 3.2 = Pra 2005 Nr. 30. 111 Koller, OR AT, N 3.158; s. ferner auch BGE 4D_71/2017 E. 5.1 m.w.H.; 4A_538/2011 E. 2.2; Gauch/ Schluep/Schmid, N 220. 112 BGE 132 III 24 E. 4; 131 III 606 E. 4.2 = Pra 2006 Nr. 80.

58

§2

4.3

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR)

Mentalreservation und Scherzerklärung

Anwendungsfälle des Vertrauensprinzips sind auch die Mentalreservation und die 197 Scherzerklärung. Mit der Mentalreservation ist der Fall gemeint, bei welchem sich jemand insgeheim vorbehält, das Erklärte nicht gelten lassen zu wollen. Die Erklärende tut bewusst einen gar nicht vorhandenen Rechtsbindungswillen kund oder gibt mit Absicht eine Erklärung ab, die von ihrem tatsächlichen Willen abweicht.113 Bei der Scherzerklärung gibt jemand eine Erklärung ab, ohne diese ernst zu meinen, wobei die Erklärende aber davon ausgeht, dass der Empfänger die fehlende Ernsthaftigkeit erkennen werde.114 In beiden Fällen ist nach Massgabe des Vertrauensprinzips zu prüfen, ob der Empfänger in seinem Verständnis der «gegnerischen» Willenserklärung zu schützen ist.115 4.4

Simulation und Dissimulation

Bedienen sich die Parteien bei Vertragsabschluss bewusst und einverständlich einer 198 unrichtigen Bezeichnung oder Ausdrucksweise, die vom tatsächlichen Parteiwillen abweicht, «um die wahre Beschaffenheit des Vertrages zu verbergen», liegt ein sog. Scheingeschäft vor (= simuliertes Geschäft; Art. 18 Abs. 1 OR).116 Die Simulationsabrede erfolgt im Bewusstsein und Einverständnis der Parteien darum, die Willenserklärungen nur zum Schein abzugeben, ohne dass diesen ein entsprechender Rechtsbindungswille zugrunde liegt.117 In aller Regel wird mittels Simulation ein Dritter, z.B. eine Steuerbehörde, getäuscht. Die reine Simulation beschränkt sich auf das Vortäuschen eines Rechtsgeschäfts. Beabsichtigen die Parteien, mit der Simulation das wirklich gewollte Rechtsgeschäft zu verdecken, so bezeichnet man dieses als dissimuliertes Geschäft.118 Werden nur einzelne Vertragsbestimmungen der wirklich gewollten Vereinbarung vorgetäuscht, spricht man von Teilsimulation.119 Der simulierte Vertrag (Scheingeschäft) hat keine rechtliche Bedeutung, während 199 ein allfällig gewolltes, aber durch den simulierten Vertrag verdecktes Rechtsgeschäft (= dissimuliertes Geschäft) grundsätzlich wirksam ist (Art.  18 Abs.  1  OR; s. N 246 f.).120 Das dissimulierte Geschäft leidet jedoch möglicherweise an einem Mangel, der zu seiner Ungültigkeit führen kann. Klassisches Beispiel dafür ist das Scheingeschäft über einen Grundstückkauf, wonach zum Zweck der Steuerhinterziehung ein geringerer Kaufpreis beurkundet wird als der vereinbarte. Der beurkun113 Koller, OR AT, N 3.201; Kramer/Probst, OR AT, N 252. 114 Bucher, OR AT, 146. 115 Koller, OR AT, N 3.202 f.; BK OR-Kramer, Art. 1 N 54 f.; Schwenzer, OR AT, N 30.02 f. 116 S. BGE 123 IV 61 E. 5c cc; 112 II 337 E. 4a. 117 CR CO-Winiger, Art. 18 N 73. 118 ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 129. 119 BGE 117 II 382 E. 2a; BK OR-Kramer, Art. 18 N 111. 120 S. 4A_551/2015 E. 3.1 m.w.H.; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 51.

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1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

dete Kaufvertrag ist unwirksam, weil es sich um ein Scheingeschäft handelt. Der dissimulierte Vertrag dagegen ist ungültig, weil die Formvorschriften nicht eingehalten wurden, da der tatsächlich gewollte Kaufpreis nicht beurkundet wurde (Art. 11 und Art.  216 Abs.  1  OR). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Berufung auf einen Formmangel jedoch rechtsmissbräuchlich (Art. 2 Abs. 2 ZGB), wenn der Vertrag von den Parteien (in der Hauptsache) freiwillig und irrtumsfrei erfüllt oder der Formmangel arglistig herbeigeführt wurde (s. N 371 ff.).121 200

Grundsätzlich ist das Scheingeschäft auch gegenüber Dritten unwirksam. Eine Ausnahme stipuliert das Gesetz allerdings in Art. 18 Abs. 2 OR: Hat ein Dritter im Vertrauen auf ein schriftliches Schuldbekenntnis (s. N 70) eine Forderung erworben, kann der Schuldner ihm die Einwendung der Simulation nicht entgegenhalten.122 Es handelt sich um eine den Schutz der Rechtsverkehrssicherheit anvisierende Regelung, die den gutgläubigen Dritten – hier den Zessionar (zur Zession s. N 1322 ff.) – in seinem durch das schriftliche123 Schuldbekenntnis erweckten Vertrauen schützt. Abgestellt wird mit anderen Worten auf den von der Zedentin erweckten Rechtsschein und nicht auf das simulierte Rechtsgeschäft.124

IV.

Austausch der Willenserklärungen (Gegenseitigkeit)

1.

Erscheinungsweisen des Austauschprozesses

201

Art. 1 Abs. 1 OR verlangt für den Abschluss des Vertrages die Gegenseitigkeit der Willenserklärungen. Das OR geht davon aus, dass diese mittels Antrag und Annahme ausgetauscht werden (s. Art. 3 ff. OR). Dabei folgt dem Antrag die Annahme in der Regel zeitlich nach. Stimmen Antrag und Annahme überein, besteht zwischen den Parteien ein Konsens (s. N 245 ff.).

202

Beigefügt sei sogleich relativierend, dass die Schematisierung des Austauschprozesses in Antrag und Annahme idealtypisch ist. Die vielfältigen Realitäten beim Vertragsabschluss erlauben es oftmals nicht, die im Konsens vereinigten Erklärungen retrospektiv zu isolieren und eindeutig in Antrag und Annahme aufzugliedern. So lassen sich Verträge, bei welchen sich der Einigungsprozess über eine lange, auf121 122 123

124

60

BGE 123 III 70 E. 3c; 115 II 331 E. 5a; 112 II 330 E. 2; 104 II 99 E. 2a. Zum analogen Anwendungsbereich s. BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 134 ff. Im Gegensatz zum geltenden Recht schlägt der OR 2020-Entwurf in Art. 15 OR 2020 vor, auf das Schriftformerfordernis zu verzichten. Denn auch eine mündliche Erklärung kann ein berechtigtes Vertrauen beim Dritten schaffen. Es wäre daher zweckgerechter, den Gutglaubensschutz des Dritten immer dann greifen zu lassen, wenn der Schuldner einen falschen Rechtsschein schafft und den Dritten dadurch täuscht – und zwar unabhängig von der Form der Erklärung; s. dazu OR 2020-Heiss/Ernst A., Art. 15 N 4. Gl.M. ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 251 ff.; BK OR-Kramer, Art. 18 N 178. BGE 4C.54/2002 E. 2.4; Rusch, 74 f. und 322 ff.

§2

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR)

wendige Verhandlungsphase erstreckt, nicht ohne Weiteres in das Schema von Antrag und Annahme einordnen. Auch können die Vertragsparteien gemeinsam eine Drittperson mit der Formulierung des Vertragsinhalts beauftragen und deren Vorschlag gleichzeitig annehmen. Hinzu kommt, dass sich die Phase der Vertragsentstehung von der Phase der Vertragserfüllung in praxi nicht strikt trennen lässt: Insofern können Erfüllungshandlungen auf das ursprüngliche Vertragsprogramm zurückwirken – dieses erneuern, konkretisieren oder modifizieren (s. N 293). Nur wenn ein Konsensstreit vorliegt und es zeitlich abzuklären gilt, welche Willenserklärungen aufeinander folgten bzw. welche rechtlich relevanten Wirkungen diese auslösten, ist die «Modellvorstellung» von Antrag und Annahme im Nachhinein noch von Bedeutung.125 Antrag und Annahme bilden die Grundlage für den Vertragsabschluss; den Wil- 203 lenserklärungen Antrag bzw. Annahme selbst jedoch kommt im Allgemeinen nicht die Natur bzw. Qualität eines selbständigen Rechtsgeschäfts zu (s. N 45 ff.).126

2.

Antrag

2.1

Begriff

Der Antrag ist die zeitlich erste Erklärung, mit welcher der Wille auf Abschluss eines Vertrages ausgedrückt wird.127

204

Synonym werden auch die Begriffe Offerte oder Angebot verwendet. Die Erklärung der Offerentin (= Anbietende, Antragende oder Antragstellerin) richtet sich an den Oblaten (= Angebots- oder Antragsempfänger).

205

2.2

Voraussetzungen

Der Antrag muss so ausgestaltet sein, dass der Vertragsabschluss nur noch von der 206 Annahme durch den Antragsempfänger abhängt:128 Grundsätzlich muss der Antrag mit einem schlichten «Ja» angenommen werden können.129 Als zeitlich erste Willenserklärung hat die Offerte sämtliche objektiv und subjektiv 207 wesentlichen Vertragspunkte (s. N 256 ff.) zu enthalten. Diese brauchen nicht vollständig beschrieben zu sein. Vielmehr genügt es, wenn deren Inhalt bestimmbar ist, das heisst ohne zusätzliche Einigung der Parteien ermittelt werden kann. Die 125 S. Bucher, OR AT, 126. 126 So auch Koller, OR AT, N 7.07; a.M. Bucher, OR AT, 126 FN 52. 127 BGE 122 III 118 E. 2b; BSK OR-Zellweger-Gutknecht/Bucher, Art. 3 N 1. 128 Gauch/Schluep/Schmid, N 363; von Tuhr/Peter, 182 f. 129 S. Engel, CO PG, 196.

61

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Bestimmbarkeit kann sich aus objektiven Kriterien ergeben, was beispielsweise bei Vorliegen von Marktpreisen oder Börsenkursen der Fall ist. Alsdann steht es der Offertstellerin frei, innerhalb der Schranken von Art. 19/20 OR und Art. 27 ZGB dem Angebotsempfänger  – oder auch einem Dritten  – eine gewisse Wahl- oder Gestaltungsfreiheit einzuräumen. Diesfalls bedarf es der Spezifikation, welche nicht mehr nur mittels «ja» oder «einverstanden» bewerkstelligt werden kann, beispielsweise wenn jemand verschiedene Sachen oder dieselbe Sache in unterschiedlicher Stückzahl zum Kauf anbietet. 208

Nebst den zwingend erforderlichen wesentlichen Vertragspunkten (s.  N  256  ff.) kann das Angebot inhaltlich beliebig ausgestaltet, beispielsweise mit Bedingungen (Art. 151 ff. OR; s. N 1277 ff.) verknüpft werden.

208a

Vom Antrag zu unterscheiden ist die Realofferte. Die Antragstellerin nimmt dabei gleichzeitig mit dem Antrag Leistungshandlungen vor, zu denen sie erst bei (gültig) zustande gekommenem Vertrag verpflichtet gewesen wäre.130 Mit der Erbringung der Leistung bzw. auch eines Teils davon erklärt sie mit anderen Worten konkludent ihren Rechtsfolgewillen (s. auch N 174). Nach Schmidlin muss in der Leistungserbringung der Wille der Antragstellerin zum Vertragsabschluss zum Ausdruck kommen.131 Folgerichtig bedeutet dies, dass die Leistungserbringung (natürlich bzw. normativ) darauf hin auszulegen ist, ob sie Offertcharakter hat.

209

Der Antrag ist grundsätzlich an keine Form gebunden (Art. 11 Abs. 1 OR). Die Parteien können aber einen Formvorbehalt vereinbaren (Art. 16 Abs. 1 OR). Bestehen von Gesetzes wegen Formvorschriften, erstrecken sich diese grundsätzlich auf alle für den Konsens erforderlichen Willenserklärungen (s. N 364 ff.).132 Wo nur eine einseitige gesetzliche Formvorschrift besteht, muss diese lediglich für die Verpflichtung eingehalten werden (z.B. das Schenkungsversprechen nach Art. 243 OR).133 Bei Verträgen, für welche die schriftliche Form vorgesehen ist, hält Art. 13 Abs. 1 OR fest, dass diese nur von denjenigen Personen unterschrieben werden müssen, welche durch sie verpflichtet werden.

210

Der wirksame Vertrag setzt die Bestimmbarkeit der Vertragsparteien voraus. Eine Offerte dagegen kann sich an einen noch unbestimmten Personenkreis richten. Wird jedoch lediglich ein einzelner Vertragsabschluss anvisiert, so muss dies aus der Offerte ersichtlich sein. Andernfalls riskiert die Offertstellerin, dass mehrere Parteien der Offerte zustimmen und sie aufgrund des Vertrauensprinzips mehrmals behaftet wird.134 130 131 132 133 134

62

Gauch/Schluep/Schmid, N 384; BK OR-Schmidlin, Art. 6 N 66. BK OR-Schmidlin, Art. 6 N 66. Engel, CO PG, 196; BK OR-Schmidlin, Art. 3 N 17; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 3 N 27 und N 50. Von Tuhr/Peter, 238. BSK OR-Zellweger-Gutknecht/Bucher, Art. 3 N 13 f.

§2

2.3

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR)

Abgrenzung von der Einladung zur Offertstellung

Eine Vertragspartei kann ohne Vorliegen eines definitiven Rechtsbindungswillens Vertragsverhandlungen herbeizuführen versuchen, indem sie ihre grundsätzliche Bereitschaft zum Vertragsabschluss kundgibt. Dabei handelt es sich nicht um einen Antrag, sondern um eine Einladung zur Offertstellung (invitatio ad offerendum).

211

Dem Antrag muss nämlich bereits der endgültige Rechtsbindungswille zugrunde 212 liegen (s.  N  170).135 Fehlt dieser, liegt kein Antrag vor. Art.  7 Abs.  1  OR wiederholt den Grundsatz: Wird die Verbindlichkeit ausdrücklich (z.B. durch Formeln wie «ohne Verbindlichkeit», «freibleibend») oder konkludent ausgeschlossen, handelt es sich nicht um eine Offerte, sondern um eine Einladung zur Offertstellung.136 Dies kann sich im Übrigen auch aus der Natur des Geschäfts oder den Umständen ergeben (Art. 7 Abs. 1 OR). Wurde der verbindliche Charakter der Erklärung nicht eindeutig ausgeschlossen 213 (s.  Art.  7 Abs.  1  OR), bedarf diese der Auslegung nach vertrauenstheoretischen Gesichtspunkten. Indessen besteht für eine Auslegung nach Vertrauensprinzip kein Raum, wenn der Antragsempfänger die Antragstellerin tatsächlich richtig verstanden hat (s. N 189). Das Gesetz hält in Art. 7 Abs. 2 und Abs. 3 OR Auslegungsregeln bereit, wonach das Versenden von Tarifen, Preislisten und dergleichen in aller Regel keinen Antrag darstellt, die Auslage von Waren mit Preisangabe hingegen schon (s. zur Regelung in Art. 14 Abs. 2 CISG137 N 2747). Die gesetzlichen Vermutungen von Art. 7 Abs. 2 und Abs. 3 OR sind widerlegbar, etwa wenn Zusatzerklärungen oder anderslautende Angaben vorliegen, welche den (fehlenden) Abschlusswillen zum Ausdruck bringen.138 Bei der Präsentation von Waren und Dienstleistungen mit Preisangabe im Internet handelt es sich in aller Regel um die öffentliche Bekanntgabe von Abschlussbedingungen, das heisst, im Allgemeinen ist von einer Einladung zur Offertstellung auszugehen.139 2.4

Abgrenzung zu Auslobung und Preisausschreiben (Art. 8 OR)

Bei der Auslobung verspricht jemand eine Belohnung für den Fall, dass eine 214 bestimmte Leistung erbracht wird (Art. 8 Abs. 1 OR). Die Auslobung ist ein unter 135 Koller, OR AT, N 7.04. 136 A.M. aCR CO-Dessemontet, Art. 7 N 4, der die Einladung zur Offertstellung nicht unter Art. 7 Abs. 1 OR subsumieren will. Die Antragstellerin ist im Fall von Art. 7 Abs. 1 OR verpflichtet, dem Akzeptierenden zur Kenntnis zu bringen, dass sie keinen Vertrag abschliessen möchte. 137 Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11.  April 1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf (SR 0.221.211.1). 138 Koller, OR AT, N 7.21 und N 7.23. 139 Frei, N 167 ff.; Gauch/Schluep/Schmid, N 374 und N 377; Schwenzer, OR AT, N 28.10. Differenzierend Weber, 341 f. (mit Beispielen), wonach auf die konkreten Umstände der elektronischen Präsentation von Waren und Dienstleistungen abzustellen ist.

63

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

eine Bedingung gestelltes Leistungsversprechen, welches in einer öffentlichen Aufforderung besteht. Die Voraussetzung der Öffentlichkeit ist dem französischen und italienischen Gesetzeswortlaut zu entnehmen (promet publiquement, offre pubblicamente). Das Versprechen ist an jedermann oder an einen bestimmten bzw. bestimmbaren Kreis von Personen (z.B. an die Studierenden der Universität Zürich), nicht aber an einzelne individualisierte Personen gerichtet.140 Es handelt sich um eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung (s.  N  180). Nach der herrschenden Lehre ist die Auslobung keine Offerte, sondern ein einseitiges Rechtsgeschäft, welches einen Sondertatbestand des einseitigen Schuldversprechens darstellt und damit beim Vertragsabschluss – systematisch gesehen – fehlplatziert ist (s. N 50).141 215

Die Belohnung kann in irgendeiner Leistung bestehen und ist selbst dann geschuldet, wenn der Leistungserbringer nichts von der Auslobung wusste.142 Mit Erbringen der Leistung tritt die Bedingung ein und es entsteht ein klagbarer Anspruch auf die Belohnung. Bevor die Leistung erbracht wird, ist die Auslobung frei widerrufbar. Allerdings löst der Widerruf eine Ersatzpflicht für diejenigen Aufwendungen aus, welche die Adressaten bis dahin in guten Treuen getätigt haben. Der auszurichtende Betrag ist durch die Höhe der versprochenen Belohnung begrenzt (Art. 8 Abs. 2 OR). Ausserdem kann sich der Auskünder von seiner Pflicht, die Aufwendungen zu erstatten, durch den Nachweis befreien, dass die geforderte Leistung ohnehin nicht erbracht worden wäre (Art. 8 Abs. 2 OR).

216

Das Preisausschreiben ist eine Unterart der Auslobung, bei welcher der Belohnungsanspruch nicht bereits mit der Leistungserbringung entsteht. Dieser wird erst im Rahmen eines Preiswettbewerbs begründet.143 Preiswettbewerbe finden etwa in Form von Ideen- oder Projektwettbewerben statt. Die Qualifikationen bestimmen sich nach den Kriterien, welche im Preisausschreiben festgesetzt wurden. Diese können absolut (z.B. «die längste Crèmeschnitte gewinnt») oder relativ (z.B. wählt die Jury in einem Architekturwettbewerb die Siegerin aus) ausgestaltet sein. Grosse praktische Bedeutung haben die Regeln für Architektur- und Ingenieurwettbewerbe erlangt (SIA-Ordnung 142/2009). Setzt die Teilnahme eine Anmeldung voraus, stellt diese das Akzept dar, und es entsteht ein Vertragsverhältnis.144

217

Richtet sich das Preisausschreiben nur an einzelne individualisierte Personen, liegt keine Auslobung, sondern ein sog. unechtes (geschlossenes) Preisausschreiben vor.

140 141

KGer Zug, SJZ 1992, 255; BK OR-Schmidlin, Art. 8 N 9 und N 59 f. S. Koller, OR AT, N 26.15; BK OR-Schmidlin, Art. 8 N 12 ff.; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 154; BSK OR-Zellweger-Gutknecht, Art. 8 N 6 ff. 142 BGE 39 II 591 E. 7, in dem auch das Bundesgericht dies anerkannt hat, ohne die Frage nach der Rechtsnatur der Auslobung abschliessend zu beantworten. 143 Koller, OR AT, N 26.27; BK OR-Schmidlin, Art. 8 N 36. 144 CHK OR-Kut, Art. 8 N 12 f.; BK OR-Schmidlin, Art. 8 N 44.

64

§2

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR)

Art. 8 Abs. 2 OR ist in diesem Fall nach herrschender Lehre nicht anwendbar.145 Bei einem Preisausschreiben zuhanden bestimmter Personen kann es sich entweder um einen (bedingten) Antrag146 oder aber um eine Einladung zur Offertstellung handeln147. 2.5

Kein Antrag: Zusenden unbestellter Sachen (Art. 6a OR)

Wird eine unbestellte Sache zugestellt, gilt dies zwingend (aus gesetzespolitischen 218 Gründen) nicht als Antrag (Art. 6a Abs. 1 OR): Die Absenderin hat weder einen Anspruch auf Rücksendung noch auf Entgelt für Gebrauch bzw. Konsum oder auch nur auf Aufbewahrung oder Herausgabe der Sache (Art. 6a Abs. 2 OR). Einzig bei offensichtlich irrtümlich zugestellten Sachen hat der Empfänger die Absenderin zu benachrichtigen (Art. 6a Abs. 3 OR). Unerheblich ist dabei, wer den Irrtum zu verantworten hat. Aus der Entstehungsgeschichte von Art. 6a OR geht klar hervor, dass er nur auf Kon- 219 sumgüter und ausschliesslich im konsumrechtlich relevanten Verhältnis business to consumer (b2c) Anwendung finden soll.148 Demgemäss gelten im kaufmännischen Verkehr, also im Verhältnis business to business (b2b), die allgemeinen Regeln, wonach die Zusendung unbestellter Sachen eine Realofferte darstellt und vom Empfänger angenommen werden kann (s. N 174).149 Gegen die historische Auslegung kann man aus grammatikalischer und systematischer Sicht einwenden, dass ein Hinweis auf den Konsumenten fehlt. Teleologisch kann gegen die Zweiteilung vorgebracht werden, dass die Bestimmung in erster Linie der Rechtssicherheit dient, insbesondere der Beseitigung von Unklarheiten hinsichtlich der Aufbewahrungspflicht, also nicht primär den Schutz eines spezifisch konsumrechtlichen Interesses anvisiert.150 Unterschiedliche Ansichten werden bezüglich der Frage vertreten, ob in sachen- 220 rechtlicher Hinsicht eine Dereliktion durch die Absenderin vorliegt151 oder ob Art. 6a OR den Rechtsgrund für den Eigentumsübergang bildet152. Gemäss der ersten Auffassung stellt Art.  6a  OR die Vermutung auf, dass die Absenderin auf ihr

145 Gauch/Schluep/Schmid, N  1056; BK  OR-Schmidlin, Art.  8 N  45  f.; BSK  OR-Zellweger-Gutknecht, Art. 8 N 29. 146 S. ZK OR-Jäggi, Art. 8 N 23. 147 S. aCR CO-Dessemontet, Art. 8 N 6. 148 S. BSK OR-Zellweger-Gutknecht/Bucher, Art. 6a N 4. 149 CR CO-Morin, Art. 6a N 3. 150 S. Botschaft zu einem Bundesgesetz über die Förderung der Konsumenteninformation und zu einem Bundesgesetz über die Änderung des Obligationenrechts (Die Entstehung von Obligationen) vom 17.  Mai 1986, BBl 1986 II 354 ff., 385. 151 S. BBl 1986 II 385; Koller, OR AT, N 7.86. 152 Gauch/Schluep/Schmid, N 430a; Honsell/Pietruszak, AJP 2001, 772 f.

65

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Eigentum verzichtet.153 Die zweite Auffassung geht davon aus, dass Art. 6a OR die gesetzliche causa des Behaltendürfens bildet.154 Die erste Ansicht ist dogmatisch, die zweite praktisch überzeugender.

3.

Annahme

3.1

Begriff

221

Mit der Annahme (= Akzept) teilt der Erklärende der Anbietenden mit, ihre Offerte anzunehmen. In zeitlicher Hinsicht folgt sie dem Antrag nach.

222

Das Akzept stellt die mit dem Antrag korrespondierende Willenserklärung dar. In der Regel ist der Inhalt der Annahme bereits durch die Offerte bestimmt. Nach den allgemeinen Auslegungsregeln ist in erster Linie der innere Wille der Parteien massgeblich. Ist dieser nicht eindeutig rekonstruierbar, erfolgt die Auslegung nach dem Vertrauensprinzip (s. N 189 ff.). 3.2

Voraussetzungen

223

Die Annahme kann grundsätzlich formlos erklärt werden. Sie kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen (s. N 172 ff.). Die Anbietende darf für die Annahmeerklärung aber eine bestimmte Form verlangen, wenn sie das möchte.155 Wo das Gesetz Formvorschriften aufstellt, ist in der Regel nur die Erklärung der sich verpflichtenden Partei formbedürftig (Art. 13 Abs. 1 OR; s. N 209), unabhängig davon, ob sie als Offerte oder als Akzept ausgestaltet wird.156

224

Wenn der Offertempfänger den Vertrag durch Leistungserbringung oder Inanspruchnahme der Gegenleistung «in Vollzug setzt», liegt ein sog. Realakzept vor (s. N 174).157 Das Realakzept als Erscheinungsform einer konkludenten Willenserklärung ist nicht mit einem Realakt (s. N 171) zu verwechseln.

225

Modifiziert die Annahmeerklärung den Antrag, liegt unter Umständen eine Gegenofferte vor.158 Wird diese nicht angenommen, kommt der Vertrag nicht zustande

153 BBl 1986 II 385; Koller, OR AT, N 7.82. 154 Gauch/Schluep/Schmid, N 430a; Honsell/Pietruszak, AJP 2001, 772 f. 155 Engel, CO PG, 201. 156 BK OR-Schmidlin, Art. 3 N 56. 157 Kramer/Probst, OR AT, N 151; s. auch von Tuhr/Peter, 188. 158 Für ein Beispiel, wie eine solche Gesetzesbestimmung lauten könnte, s. Art.  10 Abs.  1  OR 2020: Eine Annahme, die wesentlich vom Antrag abweicht, gilt als neuer Antrag; dasselbe gilt, wenn ein Antrag nach Ablauf der Annahmefrist angenommen wird.

66

§2

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR)

(Dissens).159 Von der Modifikation zu unterscheiden ist die Spezifikation, wenn die Antragstellerin dem Offertempfänger eine gewisse Wahl- oder Gestaltungsmöglichkeit einräumt (s. N 207). Die blosse Bekundung der Bereitschaft, einen Vertrag abzuschliessen, ist kein Akzept (s. N 211 ff.).160 3.3

Schweigen als Annahme?

Blosses Schweigen auf einen Antrag hin stellt grundsätzlich keine Annahme dar.161 226 Schweigen unter Anwesenden ist prinzipiell als Ablehnung eines Vertrages zu verstehen, ausser es sei zuvor einvernehmlich als Zeichen der Zustimmung definiert worden. Dem Schweigen unter Abwesenden wird ebenfalls nur in Ausnahmefällen die Bedeutung einer konkludenten Annahmeerklärung beigemessen.162 Voraussetzung dafür ist, dass die Offerentin im ausschliesslich passiven Verhalten des Antragsempfängers nach vertrauenstheoretischen Gesichtspunkten eine Annahme sehen darf (s. N 190 ff., N 196).163 Eine wichtige, gesetzlich normierte Ausnahmeregelung sieht Art. 6 OR vor. Danach 227 ist Schweigen als Annahmeerklärung zu deuten, sofern die besondere Natur des Geschäfts oder die Umstände dies rechtfertigen. Solche Umstände liegen z.B. vor, wenn durch vorbestehende Geschäftsverbindungen oder Vertragsverhandlungen ein Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien geschaffen wird.164 So hat der Empfänger die Obliegenheit, eine Gegenofferte (= modifizierte Annahmeerklärung) ausdrücklich abzulehnen, wenn er nicht Gefahr laufen will, dass sein passives Verhalten nach dem Vertrauensprinzip als Zusage gewertet wird.165 Die Parteien können auch mittels eines sog. Rahmenvertrages vereinbaren, dass für ihre künftigen Geschäfte dem Schweigen auf ein Angebot hin die Bedeutung einer Annahme zukommt (z.B. Kontokorrentvertrag)166. Darüber hinaus ist in denjenigen Fällen von einer stillschweigenden Annahme auszugehen, in welchen aufgrund der besonderen Natur des Geschäfts mit keiner ausdrücklichen Erklärung zu rechnen ist (Art. 6 OR). Dies ist der Fall, «wenn Redlichkeit oder praktische Vernunft einen Widerspruch gefor159 S. unter anderem BGE 4A_574/2013 E. 3, wonach nach Ablehnung eines Antrags durch den Offertempfänger keine Teilannahme der Offerte gestützt auf einen normativen Konsens angenommen werden darf. 160 Gauch/Schluep/Schmid, N 435; Koller, OR AT, N 7.51 f. 161 BGE 123 III 53 E. 5a = Pra 1997 Nr. 87; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 625a; von Tuhr/Peter, 164. 162 S. z.B. BGE 124 III 67 E. 3a (Mietzinsherabsetzung). 163 S. BGE 4C.437/2006 E. 2.3.1; s. ferner auch BGE 4A_555/2014 E. 3 = Pra 2016 Nr. 25. 164 BK  OR-Schmidlin, Art.  6 N  50; BSK  OR-Zellweger-Gutknecht/Bucher, Art.  6 N  13  ff. S. ferner auch BGE 4A_555/2014 E. 3 = Pra 2016 Nr. 25, in welchem das Bundesgericht aufgrund von früher gebuchten Luxusreisen, der vorausgegangenen Vertragsverhandlungen und der zeitlichen Verhältnisse (geplante Abreise stand bald bevor) das Zustandekommen eines (Pauschalreise-)Vertrages nach Art. 6 OR bejahte. 165 BSK OR-Zellweger-Gutknecht/Bucher, Art. 6 N 15 m.w.H. 166 S. BGE 4C.175/2006 E. 2.1; 130 III 694 E. 2.2.2 = Pra 2005 Nr. 64; CHK OR-Kut, Art. 6 N 9; BK ORSchmidlin, Art. 6 N 44 f.

67

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

dert hätten, falls das scheinbare Einverständnis in Wirklichkeit nicht bestand»167. Gemeint sind vorwiegend Rechtsgeschäfte, welche für den Empfänger ausschliesslich Vorteile mit sich bringen, wie z.B. die Schenkung168, der Schulderlass169 oder die Mietzinsherabsetzung170. 228

Ob die «angemessene Frist» für die Ablehnung eingehalten worden ist, beurteilt sich analog zu den für die Annahme geltenden Regeln (s. N 234 ff.).171 Zu beachten ist aber etwa Art. 395 OR, wonach eine Offerte für einen Auftrag unter gewissen Voraussetzungen sofort abgelehnt werden muss.172 3.4

Schutz des Empfängers eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens

229

Im Geschäftsverkehr unter Kaufleuten (s. N 2381 ff.) werden mündliche Vereinbarungen häufig schriftlich bestätigt. Ein sog. Bestätigungsschreiben ist zwar grundsätzlich nur deklaratorischer Natur. Es kommt ihm aber mindestens beweisrechtliche Bedeutung zu: Bleibt es unwidersprochen, bildet es ein «Indiz für den Abschluss und den Inhalt des bestätigten Vertrages».173 Wer die Unrichtigkeit eines Bestätigungsschreibens geltend macht, hat den entsprechenden Aussagen darin unverzüglich zu widersprechen.174 Vollen Beweis erbringt aber auch das unwidersprochen gebliebene Bestätigungsschreiben nicht. Vielmehr unterliegt auch dieses der freien Beweiswürdigung durch das Gericht.175

230

Weiter stellt sich die Frage, ob einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben ausnahmsweise konstitutive (rechtsbegründende) Wirkung zukommt, wenn feststeht, dass das Schreiben die mündlichen Abmachungen modifiziert. Wie bereits ausgeführt, ist die Obliegenheit zum Widerspruch im Vertrauensverhältnis begründet (s. N 226 f.). Als Folge von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr muss der Kontrahent das Bestätigungsschreiben auf seine Übereinstimmung mit dem mündlich Vereinbarten hin prüfen und ihm im Falle seines Abweichens innert nützlicher Frist widersprechen (Art.  2 ZGB). Bleibt das Bestätigungsschreiben dagegen unwidersprochen, läuft der Schweiger Gefahr, dass die darin enthaltenen Modifikationen an die Stelle der mündlich getroffenen Abmachungen treten.176 Das blosse Schweigen 167 168 169 170 171 172 173 174 175

BGE 4C.437/2006 E. 2.3.1. BGE 136 III 142 E. 3.3 = Pra 2010 Nr. 100; 110 II 156 E. 2d = Pra 1984 Nr. 243. BGE 128 III 212 E. 3b cc = Pra 2002 Nr. 153 (Freistellung eines Arbeitnehmers). BGE 124 III 67 E. 3a. BK OR-Schmidlin, Art. 6 N 58. BSK OR-Weber, Art. 395 N 3. ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 6 N 84. Insbesondere, wenn es unwidersprochen blieb, BGE 4C.303/2001 E. 2b. A.M. Gauch/Schluep/Schmid, N 1161, Koller, OR AT, N 25.11 ff., BK OR-Schmidlin, Art. 6 N 85, Schwenzer, OR AT, N 28.45, welche von einer Umkehr der Beweislast ausgehen. 176 BGE 123 III 35 E. 2c aa; 114 II 250 E. 2a; Bucher, OR AT, 141 f.; BK OR-Schmidlin, Art. 6 N 90 ff. S. zur unterschiedlichen dogmatischen Herleitung Gauch/Schluep/Schmid, N 1163 ff., und Mathys, 66 ff.

68

§2

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR)

auf ein angebliches «Bestätigungsschreiben» kann selbst im kaufmännischen Verkehr nur unter sehr restriktiven Voraussetzungen rechtsbegründend wirken.177 Insbesondere darf die Absenderin nicht von einer Bindung des Empfängers ausgehen, wenn ihr Schreiben vom bereits erzielten Verhandlungsergebnis derart abweicht, dass sie nach Treu und Glauben nicht mehr mit dem Einverständnis des Empfängers rechnen kann.178 Überdies darf die bestätigende Partei den von den feststehenden Tatsachen abweichenden Inhalt nicht bösgläubig, das heisst wider besseres Wissen, so festgehalten haben.179 Keine stillschweigende Annahme stellt das Schweigen als Reaktion auf eine Rechnung dar, weil eine Rechnung von ihrer Funktion her nicht als Bestätigungsschreiben angesehen werden kann.180 Die Rechtsprechung verwendet hier den Begriff der «Annahme»181, was zu gewissen Missverständnissen führen kann. Richtigerweise handelt es sich in einem solchen Fall um eine Willenserklärung, namentlich um eine (Nicht-)Bestätigung eines (bereits abgeschlossenen bzw. nicht geschlossenen) Vertrages. Bei einem schriftlichen Vertragsabschluss ist ein Bestätigungsschreiben im Übrigen 231 nur ausnahmsweise sinnvoll. So kann «ein komplizierter Schriftenwechsel […] eine Zusammenfassung des Vertragsergebnisses notwendig machen, vor allem wenn die Parteien missverständliche Ausdrücke und Klauseln verwendet haben»182. Unter Umständen ergibt sich auch aus dem Vertrag, ob er als Abschlusspunkt der Konsensbildung gelten darf oder nicht. 3.5

Übernahme und Globalübernahme bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Werden Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert, spricht man von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).183

232

Damit AGB zu einem verbindlichen Teil der Vereinbarung werden, müssen sie von 233 den Parteien in den Vertrag übernommen werden. Die Übernahme kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen und geschieht häufig durch Verweis. Hat die zustimmende Partei zu den AGB der Gegenseite ihr Einverständnis abgegeben, den Inhalt der AGB aber nicht im Einzelnen zur Kenntnis genommen, verstanden oder beachtet, spricht man von einer Globalübernahme. Damit verkommt das Akzept zur Äusserlichkeit; die Bindung wird inhaltlich nicht mehr reflektiert. Dies weiss die AGBStellerin. Bei der Vertragsredaktion beachtet sie darum oft auch die Interessen der 177 178 179 180 181 182 183

BGE 4C.206/2002 E. 2.6; 100 II 18 E. 3a; s. dazu Gauch, SZW 1991, 180 ff. BGE 114 II 250 E. 2a; BK OR-Schmidlin, Art. 6 N 93 ff. m.w.H. S. zum Ganzen Gauch/Schluep/Schmid, N 1162 ff., insbesondere N 1170. BGE 112 II 500 E. 3 = Pra 1987 Nr. 259. Vgl. unter anderem BGE 4A_144/2012 E. 4.2; 4A_231/2010 E. 2.4.1; 112 II 500 E. 3 = Pra 1987 Nr. 259. BK OR-Schmidlin, Art. 6 N 83. BGE 4C.282/2003 E. 3.1; 4P.135/2002 E. 3.1.

69

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

anderen Seite zu wenig. Dadurch verschiebt sich das Kräfteverhältnis bei Vertragsschluss zugunsten der Partei, welche die AGB aufgestellt hat. Gesetzgeber, Lehre und Rechtsprechung haben daher verschiedene Kontrollmechanismen für diese spezielle Situation entwickelt (zum Ganzen s. N 605 ff.).

234

4.

Wirkungen von Antrag und Annahme

4.1

Bindungswirkung

Setzt die Antragstellerin dem Empfänger ausdrücklich oder konkludent eine Frist zur Annahme, ist sie bis zu deren Ablauf gebunden (Art. 3 Abs. 1 OR). Der Antragsempfänger kann innerhalb dieser Frist den Vertrag – auch gegen den Willen der Antragstellerin  – durch einseitige Erklärung (Akzept) zur Perfektion bringen.184 Aufgrund der Privatautonomie kann die Frist innerhalb der Grenzen des zwingenden Rechts beliebig lang oder kurz sein.

235 Antrag

mit Annahmefrist (Art. 3 OR)

ohne Annahmefrist

unter Anwesenden (Art. 4 OR)

unter Abwesenden (Art. 5 OR)

Abbildung: Annahmefrist unter Anwesenden und Abwesenden (Überblick) 236

Für den Antrag ohne privatautonom gesetzte Annahmefrist unterscheidet das Gesetz, ob dieser unter Anwesenden oder unter Abwesenden gestellt worden ist (Art. 4 und Art. 5 OR; s. N 177 f.).

237

Unter Anwesenden, also «live» bzw. bei Kommunikation in Echtzeit, muss der Antrag sofort angenommen werden, andernfalls ist die Antragstellerin nicht weiter gebunden (Art. 4 OR).

238

Unter Abwesenden dauert die Annahmefrist so lange, bis das Akzept nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge eingegangen sein muss (Art. 5 OR). Dieser Zeitrahmen setzt sich aus der üblichen Übermittlungsdauer von Offerte und Annahmeerklärung sowie einer angemessenen Überlegungszeit zusammen. Letztere bemisst sich 184

70

BSK OR-Zellweger-Gutknecht/Bucher, Art. 3 N 17.

§2

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR)

«nach Inhalt und Tragweite der Offerte sowie nach den persönlichen, dem Offerenten bekannten Umständen des Adressaten mit Rücksicht auf die Verkehrssitte»185. Durch Berücksichtigung der Verkehrssitte erfolgt eine gewisse Objektivierung.186 Die Übermittlungsdauer, welche nach den betreffenden Umständen erwartet werden darf, richtet sich nach dem eingesetzten Kommunikationsmittel. So wird die Annahmefrist beispielsweise durch die hohe Geschwindigkeit der elektronischen Datenübermittlung (E-Mail, Telefax und SMS etc.) verkürzt. 239

gewöhnlicher Lauf der Dinge Übermittlung Antrag

angemessene Überlegungszeit

Übermittlung Annahme

tatsächlicher Lauf der Dinge Übermittlung Antrag

angemessene Überlegungszeit

Übermittlung Annahme

Diese drei Elemente dürfen die Summe der Elemente des gewöhnlichen Laufs der Dinge nicht überschreiten (Art. 5 Abs. 1 OR).

Abbildung: Annahmefrist unter Abwesenden

Die Annahme ist rechtzeitig erfolgt, wenn sie vor Ablauf der entsprechenden 240 Annahmefrist bei der Antragstellerin eintrifft. Ausgenommen sind diejenigen Fälle, in welchen das Akzept rechtzeitig abgeschickt wurde, aber verspätet eintrifft und die Antragstellerin um diese Konstellation weiss (Art. 5 Abs. 3 OR). Macht die Antragstellerin dem Annehmenden von der Verspätung keine Anzeige, ist die Annahme wirksam. Art. 5 Abs. 3 OR konkretisiert das Vertrauensprinzip. Eine verspätet abgeschickte Annahmeerklärung vermag keinen Vertragsschluss 241 mehr herbeizuführen. Dem Empfänger einer verspäteten Annahmeerklärung ist es jedoch unbenommen, darin eine neue Offerte zu sehen, welche er innert angemessener Frist annehmen kann.187 In einigen Fällen, in welchen aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses vom Empfänger der verspäteten Annahmeerklärung eine ausdrückliche Ablehnung erwartet werden darf, ist dessen Schweigen ausnahmsweise als konkludente Annahmeerklärung zu werten (Art.  6  OR; s. N 226 ff.).188 185 BGE 98 II 109 E. 2b; s. ferner BGE 134 II 297 E. 4.3.1; Engel, CO PG, 198; BK OR-Schmidlin, Art. 5 N 13 ff.; von Tuhr/Peter, 185. 186 BSK OR-Zellweger-Gutknecht/Bucher, Art. 5 N 14 f. 187 Koller, OR AT, N 7.40; BK OR-Schmidlin, Art. 5 N 24. 188 Bucher, OR AT, 133 f.; s. auch CHK OR-Kut, Art. 6 N 9.

71

1. Kapitel

242

Allgemeine Vertragslehre

Die Bindungswirkung des Antrags endet damit, dass der Empfänger die Annahmefrist ungenutzt verstreichen lässt. Darüber hinaus wird die Antragstellerin frei, wenn der Empfänger den Antrag ablehnt. 4.2

Gestaltungswirkung (Art. 10 OR)

243

Stimmt die Annahmeerklärung mit der Offerte überein, kommt der Vertrag zustande und entfaltet alsdann Gestaltungswirkung (s. N 187). Sofern die Parteien keine abweichende vertragliche Vereinbarung getroffen haben, gilt unter Anwesenden der Zeitpunkt des Akzepts als massgeblicher Zeitpunkt für das Eintreten der Gestaltungswirkung. Art.  10  OR «punktualisiert» sodann den Vertragsabschluss, wenn die Konsensbildung sich über einen gewissen Zeitraum erstreckt hat:189 Unter Abwesenden tritt die Gestaltungswirkung rückwirkend auf den Absendezeitpunkt des Akzepts ein (Art. 10 Abs. 1 OR).190 Ist hingegen eine ausdrückliche Annahme nach Art. 6 OR nicht erforderlich, «beginnen die Wirkungen des Vertrages mit dem Empfang des Antrages» (Art. 10 Abs. 2 OR).

244

Im Zeitpunkt des Eintretens der Gestaltungswirkung werden z.B. die vertraglich begründeten Forderungen fällig, sofern weder durch Vertrag noch durch die Natur des Rechtsgeschäfts ein späterer Erfüllungszeitpunkt bestimmt ist (Art. 75 OR).

245

V.

Übereinstimmen der Willenserklärungen bezüglich des wesentlichen Vertragsinhalts

1.

Konsens und Dissens

1.1

Tatsächlicher (= natürlicher) Konsens

Wenn sich die Parteien übereinstimmend geäussert, verstanden und in diesem Verständnis geeinigt haben, liegt ein tatsächlicher (= natürlicher) Konsens vor.191 In diesem Sinn bezieht sich der Konsens auf das Resultat des Austauschs übereinstimmender Willenserklärungen, also auf einen Zustand und nicht auf den inneren Willen.192 Als tatsächlicher Konsens wird dieser bezeichnet, weil sich die Parteien tatsächlich oder de facto geeinigt haben. 189 190 191 192

72

BSK OR-Zellweger-Gutknecht/Bucher, Art. 10 N 1. BK OR-Schmidlin, Art. 10 N 8 ff.; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 10 N 4; a.M. BSK OR-Zellweger-Gutknecht/Bucher, Art. 10 N 2. BGE 144 III 93 E. 5.2.1; 5C.17/2002 E. 1.1; 123 III 35 E. 2b; Koller, OR AT, N 6.04; CHK OR-Kut, Art. 1 N 24. Von Tuhr/Peter, 189 f.

§2

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR)

Nach gefestigter Lehre und Rechtsprechung herrscht im Schweizer Recht der 246 «Grundsatz des Primats des subjektiv übereinstimmend Gewollten vor dem objektiv Erklärten»193. Aus Art. 18 OR wird mit anderen Worten abgeleitet, dass in erster Linie auf den übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen abzustellen ist (sog. Willenstheorie).194 Deckt sich der innere Wille der Kontrahierenden, liegt selbst dann ein tatsächlicher Konsens vor, wenn durch objektive Interpretation der Sinngehalt der Erklärungen nicht eindeutig ermittelbar ist, etwa weil die Bezeichnung mehrdeutig oder unverständlich ist.195 Selbst eine objektiv falsche Bezeichnung vermag daran nichts zu ändern (falsa 247 demonstratio non nocet; Art. 18 Abs. 1 OR). Ein oft zitiertes Beispiel dazu ist der «Haakjöringsköd-Fall»: Sowohl der Käufer wie auch der Verkäufer wollten einen Kaufvertrag schliessen, welcher Walfischfleisch zum Vertragsgegenstand hatte. Fälschlicherweise bedienten sich beide Parteien übereinstimmend des norwegischen Worts «Haakjöringsköd», dessen korrekte Übersetzung Haifischfleisch lautet. Das deutsche Reichsgericht kam zum Ergebnis, das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis sei so zu beurteilen, wie wenn sich die Parteien der ihrem Verständnis nach zutreffenden Bezeichnung für Walfischfleisch bedient hätten. Demgemäss wurde dem Verkäufer die Ungültigerklärung wegen Irrtums verwehrt und es war Walfischfleisch zu liefern.196 Wo ein tatsächlicher Konsens vorliegt, muss nicht nach dem allfälligen Vorliegen 248 bzw. dem Inhalt eines normativen Konsenses gesucht werden (s.  N  189).197 Der innere Wille stellt einen psychischen Vorgang dar, der im Übrigen nicht direkt bewiesen, sondern nur anhand von Indizien belegt werden kann (s. zur Auslegung N 280). 1.2

Normativer (= rechtlicher) Konsens

Stellt sich nach dem Austausch der Erklärungen heraus, dass der Wille der Par- 249 teien nicht übereinstimmt, müssen die Erklärungen nach dem Vertrauensprinzip ausgelegt werden. Es ist also zu prüfen, wie der jeweilige Empfänger die erhaltene Erklärung nach guten Treuen verstehen durfte und musste (s. N 190 ff.).198 Stimmt der vertrauenstheoretisch ermittelte Sinngehalt der Erklärung mit dem Willen des Empfängers überein, liegt ein normativer (= rechtlicher) Konsens vor. Das Vertrauensprinzip schützt jene Partei, welche die Erklärung des Vertragspartners nach Treu 193 BGE 123 III 35 E. 2b; s. ferner auch BGE 144 III 93 E. 5.2.1. 194 ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 24 ff.; BK OR-Kramer, Art. 18 N 16 ff.; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 1; CR CO-Winiger, Art. 18 N 21; s. auch Honsell, Willenstheorie, 335 ff. 195 BK OR-Kramer, Art. 1 N 124. 196 RGZ 99, 147 ff. 197 BGE 126 III 375 E. 2e aa. 198 S. BGE 144 III 93 E. 5.2.1.

73

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

und Glauben als mit dem eigenen Willen übereinstimmend verstehen durfte:199 Einer Vertragspartei wird normativ ein kommunizierter Wille zugerechnet, der von ihrem inneren tatsächlichen Willen abweicht. 249a tatsächlicher (natürlicher) Konsens

Die Parteien haben sich übereinstimmend geäussert, verstanden und in diesem Verständnis geeinigt (Art. 18 Abs. 1 OR).

Fehlt ein tatsächlicher Konsens, ist zu prüfen, ob normativer Konsens vorliegt.

normativer (rechtlicher) Konsens

Der nach Vertrauensprinzip ermittelte Sinngehalt der Erklärung stimmt mit dem Willen der Empfängerin überein.

Abbildung: Willensprinzip und Vertrauensprinzip 250

Das Vertrauensprinzip dient in dieser Funktion der Aufrechterhaltung des geschlossenen Vertrages (favor negotii). Die Partei, deren wirklicher vom kundgegebenen Willen abweicht, kann bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einen Erklärungsirrtum geltend machen, welcher bei erfolgreicher Geltendmachung zur Ungültigkeit des Vertrages führt (s. zu den Willensmängeln N 464 ff.; s. zum Erklärungsirrtum im Besonderen N 487 ff.). 1.3

Dissens

251

Dissens ist das Gegenteil von Konsens: Die ausgetauschten Willenserklärungen stimmen weder tatsächlich noch normativ (nach vertrauenstheoretischer Auslegung) überein.200

252

Sind sich die Parteien bewusst, dass die ausgetauschten Willenserklärungen tatsächlich nicht übereinstimmen, besteht ein offener Dissens, und der Vertrag kommt nicht zustande.201 Haben sich die Kontrahenten zwar «übereinstimmend geäussert, aber abweichend verstanden», spricht man von einem versteckten (latenten)

199 BK OR-Kramer, Art. 1 N 126. 200 Gauch/Schluep/Schmid, N 325; s. auch BGE 4C.156/2006 E. 3.4. 201 BGE 144 III 93 E. 5.2.1; 123 III 35 E. 2b; Kramer/Probst, OR AT, N 191.

74

§2

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR)

Dissens202: In diesem Fall sind die Parteien der Auffassung, sich geeinigt zu haben, obwohl dies mangels Willensübereinstimmung nicht zutrifft.203 Dissens besteht aber nur, wenn kein normativer Konsens bejaht werden kann, das heisst, wenn keine der Parteien nach dem Vertrauensprinzip in ihrem Verständnis der «gegnerischen» Erklärung zu schützen ist.204 Betrifft der (offene oder versteckte) Dissens den Vertrag insgesamt, liegt ein Total- 253 dissens vor: Der Vertrag ist nicht zustande gekommen. Dasselbe gilt für den Partialdissens, welcher sich auf objektiv und/oder subjektiv wesentliche Vertragspunkte bezieht: Der Vertrag ist nicht zustande gekommen, weil es an übereinstimmenden Willenserklärungen in Bezug auf einen wesentlichen Vertragspunkt fehlt (s. N 256 ff.).205 Betrifft die Uneinigkeit bloss einen unwesentlichen Vertragspunkt, so verhindert 254 dies das Zustandekommen des Vertrages nicht.206 Beim offenen Partialdissens über später zu verhandelnde Nebenpunkte vermutet das Gesetz das Vorliegen eines Abschlusswillens (Vermutung gemäss Art. 2 Abs. 1 OR). Die Frage, wie bei allen übrigen offenen und verdeckten Konstellationen des Partialdissenses über unwesentliche Vertragspunkte zu verfahren ist, regelt das Gesetz zwar nicht ausdrücklich, doch lässt sich Art. 2 Abs. 1 OR analog auf diese Fälle übertragen.207 Schliesslich ist folgende terminologische Unterscheidung zu beachten: In Literatur 255 und Rechtsprechung wird der Begriff «Dissens» gelegentlich in dem Sinn verwendet, dass der wirkliche Wille der Parteien nicht übereinstimme (sog. Willensdissens).208 Massgebendes Kriterium ist dabei (nur) der innere Wille der Vertragspartner.209 Der Willensdissens bildet somit den Anknüpfungspunkt für die Prüfung, ob nach dem Vertrauensprinzip ein normativer Konsens vorliegt, schliesst diesen – und damit die Geltung des Vertrages – mithin nicht aus. Wir schliessen uns dieser Sicht nicht an.

2.

Wesentlicher Vertragsinhalt

Das Gesetz regelt den Umfang des (notwendigen) Mindestinhalts des Vertrages 256 nicht explizit. Hingegen setzt Art. 2 Abs. 1 OR voraus, dass sich die Parteien über alle wesentlichen Punkte (sog. essentialia negotii) zu einigen haben, damit ein Ver202 BGE 144 III 93 E. 5.2.1; 123 III 35 E. 2b. 203 Von Tuhr/Peter, 189 f. 204 S. BGE 123 III 35 E. 2b; CHK OR-Kut, Art. 1 N 27; s. auch Beispiel in Kramer/Probst, OR AT, N 192. 205 BK OR-Kramer, Art. 1 N 153; BSK OR-Zellweger-Gutknecht/Bucher, Art. 1 N 28a; differenzierend Koller, OR AT, N 6.12 und N 6.57 ff. 206 Gauch/Schluep/Schmid, N 326; CHK OR-Kut, Art. 1 N 27 207 BGE 103 II 190 E. 2 = Pra 1977 Nr. 215; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 2 N 60; Schwenzer, OR AT, N 29.10; von Tuhr/Peter, 190. 208 S. BGE 123 III 35 E. 2c bb; Gauch/Schluep/Schmid, N 328. 209 Koller, OR AT, N 6.11.

75

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

trag zustande kommt. Die wesentlichen Vertragspunkte müssen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmt oder zumindest bestimmbar sein (s. N 207).210 Die für das Zustandekommen eines Vertrages notwendige Einigung der Parteien ist erfolgt, wenn diesbezüglich ein tatsächlicher oder ein normativer Konsens vorliegt (s. N 245 ff.). 257

Die wesentlichen Vertragspunkte lassen sich in objektiv und subjektiv wesentliche Punkte unterteilen. Mit den «wesentlichen Punkten» im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OR meint das Gesetz nach herrschender Lehre lediglich die objektiv wesentlichen Punkte.211 2.1

Objektiv wesentliche Vertragspunkte

258

Nach der älteren Lehre sind jene Punkte als objektiv wesentlich zu betrachten, welche den unentbehrlichen «Geschäftskern» darstellen, mithin die Einigung und die damit verbundene Rechtsgestaltung zu einem sinnvollen Ganzen machen.212 Es sind mit anderen Worten die objektiv begriffsnotwendigen und -wesentlichen Punkte, welche einen Vertragstypus bestimmen und ihm sein Wesen und seinen Charakter verleihen.213 Dieser Ansicht wird zu Recht entgegengehalten, dass sie nicht auf ein System der Vertragstypenfreiheit und insbesondere nicht auf die ebenso wichtigen Innominatverträge zugeschnitten ist (s. N 3660 ff.).214 Bisweilen werden nämlich Punkte, welche nach normalem Sprachgebrauch zum Geschäftskern gehören, vom Gesetz in Form zwingender oder dispositiver Normen geregelt.215 Damit wird die vertragliche Einigung über die entsprechenden Punkte entbehrlich: Zwingendes Gesetzesrecht schliesst eine abweichende vertragliche Abmachung aus und dispositive Normen greifen, sofern passend, bei fehlender Parteiübereinkunft (s. Art. 374 und Art. 394 Abs. 3 OR).

259

In diesem Sinn definiert ein anderer Teil der Lehre die objektiv wesentlichen Vertragspunkte als solche Punkte, welche mangels vertraglicher Vereinbarung eine Lücke hinterlassen, die nicht von aussen geschlossen werden dürfe. Objektiv unwesentlich sei mit anderen Worten, was bei fehlender Abrede mittels dispositiven Gesetzes- bzw. Gewohnheits- oder Richterrechts ergänzbar ist (Art. 1 Abs. 2 ZGB).216 Entsprechend sind immer nur diejenigen Punkte als objektiv wesentlich zu qualifi210 211

BGE 4A_591/2012 E. 2.5.1. Gauch/Schluep/Schmid, N 995; Koller,  OR AT, N 6.24; BK OR-Kramer, Art. 2 N 10 f.; ZK ORSchönenberger/Jäggi, Art. 2 N 39. 212 ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 1 N 84. 213 Engel, CO PG, 218 f.; BK OR-Kramer, Art. 2 N 7; Schwenzer, OR AT, N 29.03; von Tuhr/Peter, 155. 214 Bucher, OR AT, 118; Gauch/Schluep/Schmid, N 340. 215 Koller, OR AT, N 6.29. 216 Gauch/Schluep/Schmid, N 335; Koller, OR AT, N 6.29; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 571 und N 574.

76

§2

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR)

zieren, die eine Vereinbarung der Parteien insoweit erfordern, als bei deren Fehlen der Vertrag nicht via Vertragsergänzung zustande kommen kann. 2.2

Nebenpunkte und subjektiv wesentliche Vertragspunkte

Nebenpunkte im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OR bilden die objektiv unwesentlichen 260 Vertragspunkte (sog. accidentalia negotii). Auch objektiv unwesentliche Punkte können von einer oder mehreren Parteien zur conditio sine qua non des Vertragsschlusses erklärt werden.217 Dabei können aufgrund der Privatautonomie beliebige Punkte als subjektiv wesentlich bezeichnet werden, doch muss deutlich zu erkennen gegeben werden, dass die diesbezügliche Einigung eine Voraussetzung für die Bindung darstellt. Andernfalls greift die Vermutung der subjektiven Unwesentlichkeit gemäss Art. 2 Abs. 1 OR, wonach die Nichteinigung über Nebenpunkte die rechtsgeschäftliche Bindung nicht hindert (s.  N  254).218 Der Beweis für die subjektive Wesentlichkeit ist darum auch grundsätzlich von derjenigen Partei zu führen, welche diese geltend macht (Art. 8 ZGB). Es ist aber zu beachten, dass diese Terminologie dem Verständnis des Vertrags- 260a schlussmechanismus abträglich ist. Auf die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenpunkten sollte verzichtet werden. Richtigerweise ist vielmehr darauf abzustellen, ob die Parteien irgendeinen Punkt «einer späteren Einigung vorbehalten» haben oder nicht. Diesen Überlegungen folgt auch der OR 2020-Gesetzesvorschlag. Art. 2 Abs. 2 OR 2020 stellt zur Vermeidung konfliktträchtiger Situationen die Vermutung auf, dass ein dergestalt vorbehaltener Punkt subjektiv unwesentlich ist. Kann die Vermutung widerlegt werden, ist der Vertrag nicht zustande gekommen. Gelingt dagegen der Beweis nicht, ist der Punkt subjektiv unwesentlich. Dies bedeutet aber noch nicht, dass der Vertrag zustande gekommen ist. Der vorbehaltene Punkt kann sich unter Umständen als objektiv wesentlich erweisen.219

VI.

Widerruf von Willenserklärungen

1.

Grundsatz der Unwiderruflichkeit

Grundsätzlich können Offerte und Akzept nicht (einseitig) widerrufen werden: 261 Eine Widerrufserklärung, welche nach dem Angebot oder Annahme beim Empfänger eintrifft, entfaltet keine Wirkung. 217 218 219

Gauch/Schluep/Schmid, N 341. BGE 118 II 32 E. 3d; 103 II 190 E. 3 = Pra 1977 Nr. 215. S. zum vorgeschlagenen Art. 2 OR 2020 und den diesbezüglichen Überlegungen OR 2020-Stöckli/Stoffel, Art. 2 N 1 ff.

77

1. Kapitel

262

Trifft eine Widerrufserklärung hingegen vor Angebot oder Annahme beim Empfänger ein, ist das (angenommene) Angebot «als nicht geschehen zu betrachten» (Art. 9 OR). Dasselbe gilt, wenn der Widerruf zwar später eintrifft, aber zuerst zur Kenntnis genommen wird. Art. 9 OR regelt im Übrigen nichts Neues, sondern wiederholt nur das Zugangsprinzip (s. N 184 ff.).220

2. 263

264

Allgemeine Vertragslehre

Vertragliches Widerrufsrecht

Die Regel der Unwiderruflichkeit von Offerte und Akzept ist dispositiv. Behält sich eine Partei ein Widerrufsrecht vor, handelt es sich um eine bedingt verbindliche Offerte bzw. Annahme.221

3.

Gesetzliches Widerrufsrecht

3.1

Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften und ähnlichen Verträgen (Art. 40b–40f OR)

Um des Konsumentenschutzes willen ist der Gesetzgeber bei den sog. Haustürgeschäften und ähnlichen Verträgen von der grundsätzlichen Unwiderruflichkeit der Antrags- oder Annahmeerklärung abgewichen (Art. 40a ff. OR). Gegenstand von Haustürgeschäften und ähnlichen Verträgen im Sinne von Art.  40a  OR sind Verträge über bewegliche Sachen oder Dienstleistungen für den persönlichen oder familiären Gebrauch (sog. Konsumverträge). Diese fallen aber nur dann in den Anwendungsbereich der Spezialregelung, wenn die Anbieterin im Rahmen einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gehandelt hat und die vom Konsumenten zu erbringende Leistung den Betrag von CHF 100 übersteigt222 (Art. 40a Abs. 1 OR). Versicherungsverträge wurden vom Anwendungsbereich ausgeschlossen (Art. 40a Abs. 2 OR), ohne dass sich dies sachlich rechtfertigen würde.223 Vielmehr besteht gerade hier ein besonderes Schutzbedürfnis des Konsumenten.224 Seit dem 1. Januar 2016 gilt das in den Art. 40a ff. OR geregelte Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften auch für Telefonverkäufe (Art.  40b lit.  d  OR). Kein gesetzliches Widerrufs220 221 222 223

BSK OR-Zellweger-Gutknecht/Bucher, Art. 9 N 3. Koller, OR AT, N 7.28; BK OR-Schmidlin, Art. 7 N 13. Kritisch dazu Haidmayer, SJZ 2016, 7. Mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Finanzdienstleistungen (FIDLEG) wird der sachliche Anwendungsbereich dieser Ausnahmeregelung auf Bank- und Finanzdienstleistungsverträge sowie auf Verträge über den Erwerb und die Veräusserung von Finanzinstrumenten ausgedehnt werden (Art. 40a Abs. 2 revOR); s. Entwurf zum Bundesgesetz über die Finanzdienstleistungen (Finanzdienstleistungsgesetz, FIDLEG) vom 15. Juni 2018, BBl 3615 ff., 3649. Das FIDLEG und die damit zusammenhängenden Änderungen in anderen Erlassen sollen per 1. Januar 2020 in Kraft treten; s. , besucht am 3. Januar 2019. 224 Zu Recht kritisch Gauch/Schluep/Schmid, N 477.

78

§2

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR)

recht besteht dagegen für sämtliche anderen Arten von Fernabsatzgeschäften, insbesondere für Verträge, welche im Internet abgeschlossen werden. War dieses im ursprünglichen Revisionsvorhaben noch vorgesehen, sprach sich der Gesetzgeber im Rahmen der parlamentarischen Beratungen letztlich gegen diese Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs von Art. 40a ff. OR aus.225 Das Gesetz knüpft die Qualifikation als Haustürgeschäft und ähnliche Verträge an 265 die Art der Vertragsanbahnung an: Art. 40b OR enthält eine Liste von Anbahnungssituationen, bei welchen typischerweise die Gefahr einer Überraschung bzw. Überrumplung des Konsumenten besteht.226 Dem Konsumenten wird alsdann mittels Widerrufsrecht eine zusätzliche Bedenkzeit zur Prüfung der angebotenen Leistung oder ihrer Risiken eingeräumt (sog. cooling off).227 Massgebend ist, wo bzw. unter welchen Umständen der Antrag an den Konsumenten herangetragen wird (z.B. wenn das Angebot in den Wohnräumen des Konsumenten, auf öffentlichem Grund, an einer Werbeveranstaltung, die mit einer Ausflugsfahrt verbunden ist, oder übers Telefon bzw. über vergleichbare Mittel der gleichzeitigen mündlichen Telekommunikation erfolgt; Art. 40b OR). Der Konsument kann nur widerrufen, wenn er die Verhandlungen nicht ausdrücklich gewünscht bzw. den Vertrag nicht an einem Markt- bzw. Messestand geschlossen hat (Art. 40c OR). Da in solchen Fällen die Initiative zum Vertragsabschluss bzw. zur Aufnahme des geschäftlichen Kontakts vom Konsumenten ausgeht, gilt er als nicht schutzbedürftig.228 Der Widerruf des Antrags bzw. der Annahme ist formlos gültig, wobei der Nach- 266 weis der Einhaltung der Frist dem Konsumenten obliegt (Art. 40e Abs. 1 OR). Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage (Art.  40e Abs.  2  OR) und ist als Verwirkungsfrist (s.  N  2222  f.) ausgestaltet. Die ist Frist gewahrt, wenn der Widerruf am 14. Tag der Anbieterin mitgeteilt oder die Widerrufserklärung der Post übergeben wird (Art. 40e Abs. 4 i.V.m. Art. 77 Abs. 1 Ziff. 1 OR). Das Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften und ähnlichen Verträgen stellt somit auf das sog. Absendeprinzip ab.229 Ein fristgemässer Zugang ist also nicht vorausgesetzt. Die Widerrufserklärung ist aber nur wirksam, wenn diese zugegangen ist. Trifft diese nicht in der Machtsphäre der Anbieterin ein, ist der Widerruf unwirksam.230 Es obliegt der Anbieterin, den Konsumenten schriftlich oder zumindest in Text- 266a form (s. N 347) über das Widerrufsrecht sowie Form und Frist der Widerrufserklärung zu informieren (Art. 40d Abs. 1 OR). Die Anbieterin trifft auch insofern eine Informationsobliegenheit, als der Beginn des Fristenlaufs mit dem (von der Anbie225 226 227 228 229 230

S. AmtlBull SR 2014 1134 ff. und AmtlBull SR 2015 68 ff.; AmtlBull NR 2015 752 ff. BSK OR-Koller-Tumler, Vor Art. 40a–40f N 3. Huguenin, AJP 1994, 693. Zu Recht kritisch BSK OR-Koller-Tumler, Art. 40c N 4. BSK OR-Koller-Tumler, Art. 40e N 3. Schwenzer, OR AT. N 27.30. A.M. Koller, OR AT, N 7.74, wonach auch eine überhaupt nicht zugegangene Widerrufserklärung als wirksam erachtet werden sollte.

79

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

terin zu beweisenden) Zeitpunkt verknüpft ist, in welchem der Konsument vom Widerrufsrecht und dessen Ausübungsmodalitäten Kenntnis erhalten hat (Art. 40e Abs. 2 und Abs. 3 OR). Bei unterlassener, unrichtiger oder unvollständiger Information beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen. Der Konsument kann den Vertrag alsdann jederzeit widerrufen, solange die Anbieterin die (gesetzeskonforme) Information nicht nachholt und dadurch den Fristenlauf nachträglich auslöst.231 266b

Der Widerruf ist ein Gestaltungsrecht. Gemäss Art.  40b OR setzt dieses beim Antrag bzw. bei der Annahme des Vertrages an. Mit Ausübung des Widerrufsrechts werden Antrag oder die Annahmeerklärung des Konsumenten zurückgenommen, «mithin vernichtet»232. Unseres Erachtens wäre es systemkonformer, das Widerrufsrecht beim Vertrag statt bei Annahme bzw. Antrag anzusetzen, wie dies beispielsweise auch Art. 9 der europäischen Verbraucherrechterichtlinie233 vorsieht. Danach wären nicht Antrag oder Annahme, sondern der (geschlossene) Vertrag zu widerrufen. Grundsätzlich wird die Gegenpartei ihre Zustimmung zum Vertragsabschluss im Moment des Widerrufs nämlich bereits gegeben haben. Somit liegt ein Konsens im Sinne von Art. 1 OR vor. Besteht erst einmal Konsens, sollte nicht mehr auf Antrag oder Annahme zurückgegriffen werden können. Der Widerruf sollte mit anderen Worten die Ungültigkeit des Vertrages zur Folge haben und sich nur dann, wenn es noch gar nicht zum Vertragsabschluss gekommen ist, gegen einen Antrag bzw. eine Annahmeerklärung richten.234 Indem der schweizerische Gesetzgeber das Widerrufsrecht auf der Stufe von Antrag und Annahme ansetzt, gliedert er den Widerruf bei Haustürgeschäften und ähnlichen Verträgen aus dem logischen Verbund der Entstehungsmängel aus. Dogmatisch besteht für eine solche Sonderlösung indessen wie gezeigt keinerlei Bedarf – ganz im Gegenteil. Gegen den Wortlaut schlagen wir darum vor, sinngemäss von einem Widerruf des Vertrages auszugehen.

267

Wird der Vertrag widerrufen, haben die Parteien bereits empfangene Leistungen zurückzuerstatten (Art.  40f Abs.  1  OR). Der Konsument hat eine angemessene Benutzungsentschädigung («Mietzins») zu bezahlen, wenn er die Sache bereits gebraucht hat (Art. 40f Abs. 2 OR). Falls die Anbieterin eine Dienstleistung erbracht hat, kann sie nach Massgabe des Auftragsrechts (Art. 402 OR) Auslagen- und Verwendungsersatz verlangen (Art.  40f Abs.  3  OR). Weitere Ansprüche darf sie ausdrücklich nicht geltend machen (Art. 40f Abs. 4 OR).

231 232 233

234

80

S. CHK OR-Kut, Art. 40a–g N 50. BGE 137 III 243 E. 4.5. Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU vom 22. November 2011, Nr. L 304, 260 ff. S. Giampaolo/Huguenin, Jusletter 8. Juli 2013, N 9 f.

§2

Abschluss des Vertrages (Art. 1 ff. OR)

Umstritten ist, ob auf die Rückabwicklung widerrufener Verträge bereicherungs- 268 rechtliche oder vertragsrechtliche Regeln Anwendung finden (zur Umwandlungstheorie im Allgemeinen s.  N  960  ff., N  583, N  1821).235 Die Kontroverse ist vor allem für die Frage relevant, ob die Rückerstattungsansprüche der einjährigen (bereicherungsrechtlichen)236 oder der zehnjährigen (vertragsrechtlichen) Verjährungsfrist unterliegen (s. Art. 67 bzw. Art. 127 OR). In BGE 137 III 243 hat sich das Bundesgericht für die bereicherungsrechtliche Natur der Rückerstattungsansprüche und dementsprechend für die Anwendung der Verjährungsfrist nach Art. 67 OR ausgesprochen.237 Das Bundesgericht begründet seine Haltung im Wesentlichen damit, dass der Widerruf als Ausfall einer Suspensivbedingung konzipiert sei (Nichtausübung des Widerrufsrechts als aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit des Vertrages; s. N 1288, N 1316 f.). Die Folge davon bestehe darin, dass bei Ausübung des Widerrufsrechts ein (gültiger) Vertrag nie bestanden habe. Das Widerrufsrecht betreffe demnach die Vertragsentstehung, weshalb  – im Einklang mit der Praxis zur Rückabwicklung von mit Entstehungsmängeln behafteten Verträgen238 – folgerichtig die Regeln des Bereicherungsrechts anwendbar seien (s. dagegen zur Rechtsprechung im Zusammenhang mit Erfüllungsmängeln N  960  ff.). Nach der hier vertretenen Auffassung sollten widerrufene oder aufgehobene Verträge losgelöst von der Frage, ob einem solchen Recht (dogmatisch) ein Entstehungs- oder Erfüllungsmangel zugrunde liegt, nach vertraglichen Regeln liquidiert werden: Mit der Widerrufserklärung wird der Vertrag eo ipso in ein vertragliches Rückabwicklungsoder Liquidationsverhältnis überführt, weshalb die (längere) Verjährungsfrist nach Art. 127 OR zur Anwendung gelangt (s. N 1317, N 583). 3.2

Widerrufsrecht bei Konsumkrediten (Art. 16 KKG)

Auch das Konsumkreditgesetz sieht ein Widerrufsrecht zugunsten des Konsumen- 269 ten vor (Art. 16 KKG239; zum Konsumkreditvertrag s. N 3095 ff.). Ob die Kreditgeberin mit einem Konsumenten einen Kreditvertrag abgeschlossen hat, ist nach 235

236

237 238 239

Für die Anwendung von Bereicherungsrecht: Engel, CO PG, 313; Hartmann, N 823; Koller, OR AT, N 7.80; Schwenzer, OR AT, N 28.73; s. ferner auch Entwurf zur Revision der Art. 40a ff. OR, Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Ständerats zur Parlamentarischen Initiative «Mehr Konsumentenschutz und weniger Missbräuche beim Telefonverkauf» vom 14. November 2013, BBl 2014 921 ff., 942. Für die Annahme eines vertraglichen Rückabwicklungsverhältnisses: Dornier, N  499; Gauch/Schluep/ Schmid, N 477a; CR CO-Stauder/Stauder, Art. 40f N 3. Mit dem Inkrafttreten des revidierten Verjährungsrechts gilt für Forderungen aus Bereicherungsrecht neu eine dreijährige (relative) Verjährungsfrist (Art.  67 revOR); s. Obligationenrecht (Revision des Verjährungsrechts) vom 15. Juni 2018, BBl 2018 3537 ff., 3538. Das neue Verjährungsrecht gilt ab dem 1. Januar 2020. Auch mit dieser geplanten Änderung des Verjährungsrechts wird jedoch die Problematik der unterschiedlich langen Verjährungsfristen bei der Rückabwicklung nicht gelöst. BGE 137 III 243 E. 4.4 und E. 4.5; ausführlich zu diesem Entscheid Monferrini/von der Crone, SZW 2011, 485 ff., insbesondere 493 ff. Eingehend wiedergegeben in BGE 137 III 243 E. 4.4. Bundesgesetz vom 23. März 2001 über den Konsumkredit (SR 221.214.1).

81

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Massgabe des Verwendungszwecks des geborgten Gelds zu beurteilen. Nach Art. 3 KKG fallen nur diejenigen Kreditverträge in den Anwendungsbereich des Gesetzes, welche nicht dem Zwecke einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zuzuordnen sind (s. N 3098 f.).240 270

Das Widerrufsrecht nach KKG ist in der inhaltlichen Ausgestaltung stark an jenes der Haustürgeschäfte und ähnlicher Verträge angelehnt. Der Konsument hat die Möglichkeit, innerhalb von 14 Tagen schriftlich seine Antrags- oder Annahmeerklärung zum Abschluss eines Konsumkreditvertrages zu widerrufen (Art. 16 Abs. 1 KKG, s. ausführlich N 3108). Die Frist beginnt zu laufen, sobald dem Konsumenten eine Vertragskopie zugegangen ist (Art. 16 Abs. 2 KKG). Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn die Widerrufserklärung am 14. Tag der Kreditgeberin oder der Post übergeben wird (Art. 16 Abs. 2 KKG; s. auch N 266).

271

Der Widerruf des Konsumkreditvertrages begründet nach der hier vertretenen Auffassung ein vertragliches Liquidationsverhältnis (s. N 3108; zum Liquidationsverhältnis s. N 583, N 960 ff.) Wurde das Darlehen bereits vor dem Widerruf ausbezahlt, muss der Konsument die Kreditsumme zurückzahlen, ohne jedoch dafür Zinsen zu schulden (Art. 16 Abs. 3 i.V.m. Art. 15 Abs. 2 KKG).241 Bei Teilzahlungsverträgen sind die bereits empfangenen Leistungen rückzuerstatten. Darüber hinaus ist für den missbräuchlichen Gebrauch der Sache während der Widerrufsfrist eine angemessene Benutzungsentschädigung zu bezahlen (Art. 16 Abs. 3 KKG). 3.3

272

Widerrufsrecht bei Ehe- und Partnerschaftsvermittlung (Art. 406d und Art. 406e OR)

Auch nach den Bestimmungen über die Ehe- und Partnerschaftsvermittlung (s. N 3315 ff.) kommt ein Vertrag nur unter der Suspensivbedingung zustande, dass der Auftraggeber den Vertrag nicht innert der 14-tägigen Frist seit Erhalt des Vertragsdoppels widerruft (Art. 406e Abs. 1 OR; s. N 3330 ff.).

240 241

82

S. zum Ganzen Hess/Simmen, 10 ff. CR CO-Favre-Bulle, Art. 16 LCC N 5; s. auch Hess/Simmen, 59 f.

§ 3 Auslegung, Ergänzung und Anpassung des Vertrages (Art. 18 OR) Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N 1123 ff.; Bucher, OR AT, 180 ff.; Engel, CO PG, 235 ff.; Furrer/ Müller-Chen, Kap. 4 N 1 ff.; Gauch/Schluep/Schmid, N 1195 ff.; Guhl/Koller, § 12 N 31 f. und § 38 N 27 f.; Koller, OR AT, N 9.01 ff. und N 10.01 ff.; Kramer/Probst, OR AT, N 195 ff. und N 293 ff.; Schwenzer, OR AT, N 33.01 ff., N 34.01 ff. und N 35.01 ff.; Tercier/ Pichonnaz, CO PG, N 915 ff.; von Tuhr/Peter, 285 ff.

Weiterführende Literatur Bischoff Jacques, Vertragsrisiko und clausula rebus sic stantibus, Diss. Zürich 1983; Enz Benjamin, Clausula rebus sic stantibus – Insbesondere im Spiegel der Rechtsprechung, Zürich/ Basel/Genf 2018; Gauch Peter, Auslegung, Ergänzung und Anpassung schuldrechtlicher Verträge, in: Gauch Peter/Schmid Jörg (Hrsg.), Die Rechtsentwicklung an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, Zürich 2001, 209–244 (zit.: Gauch, Auslegung); Gauch Peter/Schluep Walter R., Zum «Reinen Auslegungsstreit» – Eine Klarstellung, SJZ 1982, 230–232; Huguenin Claire, Zum Verhältnis zwischen linguistischen Kommunikationsmodellen und Verträgen, in: FS Weber, Bern 2011, 109–121; Kramer Ernst A., Neues zur clausula rebus sic stantibus, SJZ 2014, 273–287; Kramer Ernst A./Probst Thomas/Perrig Roman, Schweizerisches Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Bern 2016; Leu Daniel, Vertragstreue in Zeiten des Wandels – Die clausula rebus sic stantibus und das Kriterium der Vorhersehbarkeit, in: FS von der Crone, Zürich/Basel/Genf 2007, 107–125; Rusch Arnold F., Rechtsscheinlehre in der Schweiz, Habil. Zürich 2010.

I.

Auslegung des Vertrages

1.

Auslegungsstreit versus Konsensstreit

Ist der Vertrag zustande gekommen und gültig, wird er für die Parteien zur ver- 273 bindlichen Regelung. Die Vertragsauslegung dient dazu, den Inhalt des Vertrages zu ermitteln, wenn es darüber zum Streit kommt. Zur Auslegung des Vertrages ist nach Art. 18 OR auf den Willen der Parteien abzu- 274 stellen und nicht auf die irrtümlich (= falsa demonstratio) oder absichtlich (= Simulation; s. N 198 f.) falsche Bezeichnung oder Ausdrucksweise. Diese Auslegungsregel kommt nicht bloss bei der Auslegung von Verträgen zur Anwendung, sondern

83

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

auch bei einseitigen Rechtsgeschäften (z.B. bei der letztwilligen Verfügung) und Willenserklärungen (z.B. Rücktrittsrecht).1 275

Der Vertragsinhalt wird primär anhand des übereinstimmenden wirklichen Parteiwillens bestimmt (subjektive oder rekonstruktive Auslegung).2 Ist dieser nicht mehr feststellbar, ist mittels objektivierter Auslegung der mutmassliche Parteiwille in Bezug auf den streitigen Vertragspunkt zu eruieren.3 Lässt sich durch die Vertragsauslegung keine Lösung für den Rechtsstreit finden, weil der Vertrag lückenhaft ist (z.B. weil die Parteien die Regelung des streitigen Vertragspunktes bei Vertragsschluss vergessen haben),4 muss der Vertrag ergänzt werden (s. N 299 ff.).5

276

Abzugrenzen ist die Vertragsauslegung vom Streit der Parteien über das Zustandekommen des Vertrages: Beim Konsensstreit bestreitet eine Partei das Zustandekommen des Vertrages (s. N 245 ff.).6 Besteht hingegen zwischen den Parteien grundsätzlich Einigkeit darüber, dass ein Vertrag zustande gekommen ist, ist jedoch dessen Inhalt kontrovers, liegt ein sog. (reiner) Auslegungsstreit vor.7 Das Gericht hat darum auch beim Auslegungsstreit nicht zu prüfen, ob in allen wesentlichen Vertragspunkten eine Einigung besteht, sondern «nur» durch Auslegung den vereinbarten Vertragsinhalt zu ermitteln.8 Es darf mit anderen Worten aufgrund des Streites der Parteien über einen Vertragspunkt nicht von sich aus den Bestand des Vertrages und den Konsens der Parteien thematisieren.9 Der reine Auslegungsstreit gefährdet also den Bestand des Vertrages nicht.10

1 BGE 4A_575/2009 E. 2.1 und E. 2.2; BK OR-Kramer, Art. 18 N 6 und N 50 ff.; CHK OR-Kut, Art. 18 N 2; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 53. 2 Statt vieler BGE 144 III 93 E. 5.2.1 und E. 5.2.2 m.w.H.; 144 III 43 E. 3.3; 141 V 657 E. 3.5.2; 141 V 127 E. 3.1; 142 III 239 E. 5.2.1 = Pra 2018 Nr. 7; 140 III 391 E. 2.3; 138 III 659 E. 4.2.1; s. ferner Gauch/Schluep/ Schmid, N 1200 m.w.H.; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 11 m.w.H. 3 Statt vieler BGE 144 III 93 E. 5.2.1 und E. 5.2.3 m.w.H.; 144 III 43 E. 3.3; 141 V 657 E. 3.5.2; 141 V 127 E. 3.1; 131 III 606 E. 4.1 = Pra 2006 Nr. 80; 115 II 323 E. 2b; s. ferner BK OR-Kramer, Art. 18 N 67 ff.; CHK ORKut, Art. 18 N 2 ff. Anders BK OR-Müller, Art. 18 N 70 ff., welcher die Unterscheidung zwischen subjektiver und objektivierter Auslegung sowie den Vorrang der subjektiven gegenüber der objektivierten Auslegung ablehnt. 4 ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 542 ff.; BK OR-Kramer, Art. 18 N 206 ff. 5 S.  für eine Veranschaulichung der Systematik von Auslegung und Ergänzung den Vorschlag im OR 2020-Entwurf, Art. 20 OR 2020. 6 Gauch/Schluep/Schmid, N 309; s. ferner auch BGE 142 III 239 E. 5 = Pra 2008 Nr. 7, in welchem sich die Parteien über das Zustandekommen einer Schiedsvereinbarung stritten. 7 BGE 4C.163/2001 E. 2b; Furrer/Müller-Chen, Kap. 4 N 8 ff.; Gauch/Schluep, SJZ 1982, 230; Gauch/ Schluep/Schmid, N 1197; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 9. 8 S. Gauch/Schluep, SJZ 1982, 230. 9 Bucher, OR AT, 180 FN 6; Gauch/Schluep, SJZ 1982, 230. 10 S. BGE 4C.240/2003 E. 3.1; 4C.163/2001 E. 2b.

84

§3

Auslegung, Ergänzung und Anpassung des Vertrages (Art. 18 OR)

Auslegungs- und Konsensstreit können in der Praxis nahe beieinander liegen und 277 bisweilen ineinander übergehen, so z.B. bei einem entsprechenden Eventualantrag11 oder bei einem Auslösen eines Konsensstreits durch einen Auslegungsstreit.12

2.

Subjektive und objektivierte Auslegung des Parteiwillens

2.1

Subjektive (empirische) Auslegung (Rekonstruktion des Parteiwillens)

Zunächst hat der Richter den tatsächlich übereinstimmenden Willen der Parteien 278 zu ermitteln. Soweit dieser feststellbar ist, bildet er den Vertragsinhalt (Art.  18 Abs.  1  OR).13 Bei diesem Vorgang wird der Parteiwille rekonstruiert. Die Ermittlung desselben beinhaltet auch die Berücksichtigung und (Um-)Deutung von (irrtümlich oder absichtlich) falschen oder ungenauen Bezeichnungen oder Äusserungen der Parteien (Art. 18 Abs. 1 OR).14 Die Vertragsauslegung besteht theoretisch gesehen darin, die einzelnen Willens- 279 erklärungen gesondert zu untersuchen, ihren Sinn zu entnehmen und sie sodann auf ihre Übereinstimmung hin zu überprüfen (zur Auslegung von Willenserklärungen s. N 189 ff.). Die Wirklichkeit folgt aber nicht immer dem Schema des Gesetzes: Auf der einen Seite gibt es Massenverträge, die zur Hauptsache aus Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) bestehen und deren Inhalt praktisch vollständig von einer Seite gestellt wird. Auf der anderen Seite sind Verträge anzutreffen, welche durch aufwendige, über einen langen Zeitraum hinweg geführte Verhandlungen entstanden sind.15 Im Auslegungszeitpunkt können solche Verträge häufig nicht mehr in die einzelnen Erklärungen zerlegt, sondern nur noch retrospektiv als Ganzes betrachtet werden. Dazu kommt die auslegungstechnische Herausforderung, dass der Gesetzgeber für Verträge in der Regel nicht verlangt, dass der Inhalt dauerhaft festgehalten wird. Das Konsensprinzip statuiert, dass Mündlichkeit im Allgemeinen genügt (s. zum Grundsatz der Formfreiheit N 337).16 Das Gesetz unterscheidet nicht danach, wie der Vertrag verfertigt wird. Sein Rezept 280 ist in Teilen in Art.  18  OR niedergelegt und besagt lediglich, dass zunächst der «wirkliche Wille» und nicht die «unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise» zu beachten seien. Das Rekonstruieren des «wirklichen Willens» wird als subjektive

11 S. BGE 123 III 35 E. 2. 12 Gauch/Schluep, SJZ 1982, 230; ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 335. 13 BGE 144 III 93 E. 5.2.2 m.w.H.; 142 III 239 E. 5.1 = Pra 2008 Nr. 7; 140 III 391 E. 2.3; 138 III 659 E. 4.2.1; Gauch/Schluep/Schmid, N 1200 m.w.H.; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 11. 14 S. BGE 4A_409/2011 E. 3.2.1; 131 III 606 E. 4.1 = Pra 2006 Nr. 80; s. Bucher, OR AT, 180 f.; von Tuhr/ Peter, 285 f. 15 Huguenin, 116 f. 16 ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 11 N 4; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 666.

85

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

(empirische) Auslegung17 bezeichnet. Weil es sich dabei um eine innere Tatsache handelt, die kaum direkt bewiesen werden kann, ist der Wille mittels Indizien zu ergründen.18 Zu diesem Zweck werden sämtliche Umstände des Vertragsschlusses herangezogen, welche es ermöglichen, den tatsächlichen Parteiwillen zu ermitteln (s. N 287 ff.).19 Insbesondere der Wortlaut des Vertrages bildet einen wichtigen Anhaltspunkt für die Ermittlung des tatsächlichen Willens (z.B. Auslegung des Wortlauts nach allgemeinem oder unter Umständen verkehrstypischem Sprachgebrauch, aber auch als Hinweis durch die sprachliche Fassung der Gliederung und des Aufbaus des Texts; s. N 287 f.).20 Als weitere Indizien kommen z.B. die Begleitumstände, die Beweggründe, die Erklärungen der Parteien vor Vertragsabschluss, allfällige Vertragsentwürfe und allfällige Korrespondenz sowie das Verhalten der Parteien vor und nach Vertragsschluss infrage (s. N 290).21 281

Die Feststellung des tatsächlichen Willens ist als Tatfrage zu betrachten und damit grundsätzlich der Überprüfung durch das Bundesgericht entzogen (vgl. Art.  97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG22).23 2.2

282

Objektivierte (normative) Auslegung (Konstruktion des Parteiwillens)

Häufig kann im Auslegungszeitpunkt der wirkliche übereinstimmende Wille der Parteien nicht mehr festgestellt, die Tatfrage also nicht mehr beantwortet werden. Allenfalls besteht gar kein innerer übereinstimmender Wille (s. N 252). In diesen Fällen ist mittels der objektivierten (normativen) Auslegung der mutmassliche Parteiwille zu bestimmen.24 Das Gericht hat in objektivierter Betrachtungsweise darauf abzustellen, was vernünftig und redlich handelnde Parteien nach Treu und Glauben (Art. 2 Abs. 1 ZGB) unter den gegebenen Umständen gewollt und ausgedrückt hätten respektive wie eine Partei eine Willensäusserung oder Verhaltensweise unter 17 18 19 20 21 22 23 24

86

BGE 144 III 93 E. 5.2.2 m.w.H.; 132 III 626 E. 3.1; 4C.151/2005 E. 4.1.1; 4C.158/2004 E. 4.3; BK OR-Kramer, Art. 18 N 17 und N 67. BGE 144 III 93 E. 5.2.2 m.w.H.; 142 III 239 E. 5.1 = Pra 2008 Nr. 7; 127 III 444 E. 1b = Pra 2002 Nr. 22; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 12. BGE 144 III 93 E. 5.2.2 m.w.H.; 142 III 239 E. 5.1 = Pra 2008 Nr. 7; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 942 ff.; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 18. BGE 5C.179/2006 E. 2.4.2 und E. 2.4.3; 122 III 426 E. 5; BK OR-Kramer, Art. 18 N 22 ff. und N 26 m.w.H.; s. CHK OR-Kut, Art. 18 N 11 f. m.w.H. BGE 144 III 93 E. 5.2.2; 142 III 239 E. 5.1 = Pra 2008 Nr. 7; s. ferner auch BGE 143 III 157 E. 1.2.2 m.w.H.; CHK OR-Kut, Art. 18 N 13; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 945; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 26 ff. Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz; SR 173.110). Statt vieler BGE 144 III 93 E. 5.2.2; 144 III 43 E. 3.3; 142 III 239 E. 5.1 m.w.H. = Pra 2008 Nr. 7; 132 III 268 E. 2.3.2 m.w.H.; s. ferner CHK OR-Kut, Art. 18 N 3 mit Hinweisen zur diesbezüglich in der Lehre geäusserten Kritik; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 15 m.w.H. Statt vieler BGE 144 III 93 E. 5.2.3; 144 III 43 E. 3.3 m.w.H.; 143 III 157 E. 1.2.2 m.w.H.; 138 III 659 E. 4.2.1 m.w.H.; 131 III 217 E. 3 m.w.H. = Pra 2006 Nr. 6; 125 III 305 E. 2b = Pra 1999 Nr. 172. S. ferner BK ORMüller, Art. 18 N. 100 ff., der dafür plädiert, dass die subjektive Auslegung zugunsten der objektivierten Auslegung aufgegeben wird.

§3

Auslegung, Ergänzung und Anpassung des Vertrages (Art. 18 OR)

Beachtung sämtlicher Umstände nach Treu und Glauben verstehen konnte und musste.25 «Weil im Rahmen der objektivierten Auslegung nicht anzunehmen ist, dass die Parteien eine unangemessene Lösung gewollt haben»26, ist der sog. mutmassliche Parteiwille gemäss Bundesgericht per definitionem auf ein sachgerechtes, angemessenes Ergebnis gerichtet.27 Die Konstruktion des Parteiwillens erfolgt demnach nach Massgabe des Vertrauensprinzips. Das lässt sich anhand einer Vielzahl von Bundesgerichtsentscheiden zeigen.28 Indem sich die Auslegung zwar am Empfängerhorizont orientiert, aber auf vertrauenstheoretische Gesichtspunkte abstützt, wird die subjektive Deutung des Erklärungsempfängers objektiv «kontrolliert».29 282a subjektive Auslegung (Rekonstruktion des Parteiwillens)

Kann der wirkliche Parteiwille nicht (empirisch) eruiert werden, ist der mutmassliche Parteiwille zu ermitteln.

objektivierte Auslegung (Konstruktion des Parteiwillens)

Abbildung: Willensprinzip und Vertrauensprinzip

Die Konstruktion des Parteiwillens nach Massgabe des Vertrauensprinzips eignet 283 sich auch für die sog. Massenverträge: Nur eine Minderzahl von Verträgen kommen heute als Ergebnis vorangehender Verhandlungen – idealtypischerweise unter ebenbürtigen Verhandlungspartnern – zustande. Meist erfolgt ein Vertragsschluss, indem eine Partei der vorformulierten Vertragsklausel oder allgemeinen Geschäftsbedingung des Vertragsgegners zustimmt (zur Auslegung von AGB s.  N  627  ff.). Vorformulierte Vertragsklauseln und allgemeine Geschäftsbedingungen sind grundsätzlich nach denselben Regeln auszulegen wie individuell verfasste Abreden, 25 Statt vieler BGE 144 III 93 E. 5.2.3; 143 III 157 E. 1.2.2 m.w.H.; 142 III 239 E. 5.2.1 m.w.H. = Pra 2018 Nr. 7; 138 III 659 E. 4.2.1 m.w.H.; 131 III 606 E. 4.1 = Pra 2006 Nr. 80; 127 III 444 E. 1b = Pra 2002 Nr. 22; s. ferner BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 13 m.w.H.; anschaulich in diesem Zusammenhang auch der OR 2020-Gesetzesvorschlag in Art. 20 Abs. 2 OR 2020. 26 BGE 126 III 119 E. 2c. 27 BGE 117 II 609 E. 6c; s. auch BGE 5C.36/2001 E. 2.4; 127 III 444 E. 1b = Pra 2002Nr. 22. 28 Statt vieler BGE 144 III 93 E. 5; 138 III 659 E. 4.2; 131 III 217 E. 3 = Pra 2006Nr. 6; 130 III 417 E. 3.2 = Pra 2005 Nr. 30; 129 III 118 E. 2.5 = Pra 2003 Nr. 123; 128 III 265 E. 3a; 121 III 118 E. 4b aa; s. ferner Bucher, OR AT, 182; Koller, OR AT, N 9.06 ff.; Schwenzer, OR AT, N 33.02; von Tuhr/Peter, 287. 29 S. BK OR-Kramer, Art. 18 N 67.

87

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

insbesondere unter Beachtung des Vertrauensprinzips.30 Besondere Bedeutung erlangt dabei die Unklarheitenregel. Danach muss sich der Verfasser einer unklaren Vertragsbestimmung im Zweifelsfall die für ihn ungünstigere Auslegungsvariante entgegenhalten lassen (s. N 629 f.).31 Dieser Grundsatz stammt zwar aus dem Arsenal der allgemeinen Vertragsauslegung; der zugrunde gelegte Kontrollmassstab richtet sich aber überproportional an den vom AGB-Steller häufig vernachlässigten Interessen des AGB-Gegners aus.32 284

Bei der Konstruktion des mutmasslichen Parteiwillens mittels Vertrauensprinzips handelt es sich um eine Rechtsfrage, die der freien Überprüfung durch das Bundesgericht unterliegt.33 Bei seiner Entscheidung ist das Bundesgericht allerdings an die Feststellungen der kantonalen Vorinstanzen über das Wissen und Wollen der Parteien sowie die vorhandenen äusseren Umstände gebunden.34

285

Führt weder die subjektive noch die objektivierte Auslegung zu einem Ergebnis, liegt allenfalls eine ergänzungsbedürftige Lücke vor (s. N 299 ff.).35

286

3.

Auslegungsmittel und Auslegungsregeln

3.1

Begriffe

In der Lehre hat sich eingebürgert, zwischen Auslegungsmitteln und Auslegungsregeln zu unterscheiden.36 Die Auslegungsmittel definieren die Erkenntnisquellen für die Auslegung eines Vertrages. Die Grundsätze, nach deren Massgabe die Vertragsinterpretation zu erfolgen hat, werden dagegen als Auslegungsregeln bezeichnet. Die Grenzlinie zwischen Auslegungsmitteln und Auslegungsregeln verläuft bisweilen unscharf; oft gehen die beiden Elemente auch ineinander über.37

30 BGE 142 III 671 E. 3.3; 135 III 1 E. 2 m.w.H.; 126 III 388 E. 9d; 122 III 118 E. 2a; ZK OR-Jäggi/Gauch/ Hartmann, Art. 18 N 513; CR CO-Winiger, Art. 18 N 145. 31 BGE 133 III 607 E. 2.2; 133 III 61 E. 2.2.2.3; 124 III 155 E. 1b; BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 27; BK OR-Müller, Art. 18 N 197 f. m.w.H.; CR CO-Winiger, Art. 18 N 148. 32 Huguenin, 121: Der AGB-Gegner steht vor einer take it or leave it-Situation. Es stellt sich für ihn nur die Frage, ob er den Vertrag akzeptiert oder ihn ablehnt. Seine Interessen kommen deshalb beim Vertragsschluss häufig nicht angemessen zum Zug. 33 Statt vieler BGE 144 III 93 E. 5.2.3; 142 III 671 E. 3.3; 138 III 659 E. 4.2.1; 130 III 417 E. 3.2 = Pra 2005 Nr. 30; 129 III 118 E. 2.5 = Pra 2003 Nr. 123; s. ferner BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 15. 34 Statt vieler BGE 142 III 239 E. 5.2.1 m.w.H. = Pra 2018 Nr. 7; 138 III 659 E. 4.2.1; 130 III 417 E. 3.2 = Pra 2005 Nr. 30. 35 Illustrativ BGE 115 II 484 E. 4. 36 S. ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 370 ff. und N 443 ff. 37 BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 17.

88

§3

3.2

Auslegung, Ergänzung und Anpassung des Vertrages (Art. 18 OR)

Auslegungsmittel (Erkenntnisquellen)

Der Wortlaut gilt als das «primäre Willensindiz» einer ausdrücklichen Vertragser- 287 klärung, insbesondere bei der Ermittlung des natürlichen Konsenses.38 Worte sind allerdings vieldeutig. Es braucht also bereits hier Regeln, wie mit ihnen 288 zu verfahren ist. Zunächst ist auf den allgemeinen Sprachgebrauch zur Zeit und am Ort des Vertragsschlusses abzustellen.39 Der besondere Sinn des Wortlauts kann sich indessen auch aus dem individuellen Sprachgebrauch, der Verwendung einer Fachsprache in einem bestimmten Berufs- oder Lebenskreis sowie der Stellung der Worte im Gesamtkontext ergeben.40 Obgleich der Wortlaut die Grundlage der Vertragsauslegung bildet, ist damit selbst bei klarem Ergebnis nicht deren Grenze erreicht.41 Die reine Buchstabenauslegung – welche auch als grammatikalische oder formalistische Auslegung bezeichnet wird – ist nicht statthaft, vielmehr hat die Vertragsauslegung unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs zu erfolgen.42 Mithin muss eruiert werden, ob der ermittelte Wortsinn nicht durch andere Indizien infrage gestellt oder sogar ausgeschlossen werden kann.43 Ergibt sich daraus, dass eine an sich klare Bezeichnung oder Ausdrucksweise von den Parteien nicht ernst gemeint war, sondern beispielsweise als leere Floskel verwendet wurde, bildet der wirkliche Parteiwille – und nicht der Wortlaut – den Vertragsinhalt.44 Nur wenn die übrigen Auslegungsmittel keinen anderen Schluss zulassen, hat der Wortlaut den Vorrang.45 Dass die verwendeten Worte zur Rekonstruktion der Bedeutung des Vertragsin- 289 halts häufig nicht ausreichen, ergibt sich nicht nur daraus, dass sie unterschiedlich verwendet (und verstanden) werden, sondern ist auch eine Folge davon, dass der Gesetzgeber für das Zustandekommen eines Vertrages auch konkludentes (schlüssiges) Verhalten (s. N 172 ff.) oder unter Umständen gar Stillschweigen genügen lässt (s. Art. 1 Abs. 2 und Art. 6 OR):46 Nonverbales Agieren bzw. Nichtagieren wird damit der Ausdruckskraft von gesprochenen und geschriebenen Wörtern gleichge38 39 40 41 42 43 44 45 46

BGE 4C.94/2000 E. 2c; 117 II 609 E. 6c bb; Engel, CO PG, 236; BK OR-Kramer, Art. 18 N 22; den Wortlaut nur bei der subjektiven Auslegung berücksichtigend CHK OR-Kut, Art. 18 N 10; BK OR-Müller, Art. 18 N 103; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 19; zu den Gründen BK OR-Müller, Art. 18 N 103 ff. m.w.H. BGE 5C.179/2006 E. 2.4.2; BK OR-Kramer, Art. 18 N 23 f.; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 19; mit weiteren Beispielen aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 375 ff.; CHK OR-Kut, Art. 18 N 11. S. BK OR-Kramer, Art. 18 N 23 ff.; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 20 ff. BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 25. Statt vieler BGE 144 III 93 E. 5.2.2; 143 III 157 E. 1.2.2; 142 III 671 E. 3.3 m.w.H.; 142 III 239 E. 5.2.1 = Pra 2018 Nr. 7; 133 III 406 E. 2.2; 130 III 417 E. 3.2 = Pra 2005 Nr. 30; 129 III 118 E. 2.5 = Pra 2003 Nr. 123; 128 III 265 E. 3a; 127 III 444 E. 1b = Pra 2002 Nr. 22; Schwenzer, OR AT, N 33.04 f. m.w.H. BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 25. BGE 129 III 276 E. 2.3. BGE 130 III 417 E. 3.2 = Pra 2005 Nr. 30; ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 399 f. S. dazu Huguenin, 114 f.

89

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

stellt.47 Ein Vertragsschluss muss sich weder in Sprachform vollziehen noch darin niederschlagen. Die Parteien können auch sprachlos verbindlich kommunizieren.48 290

Als ergänzende Auslegungsmittel sind darum auch die Entstehungsgeschichte sowie die Begleitumstände des Vertragsschlusses zu berücksichtigen. Dazu gehören etwa Ort, Zeit, «der allgemeine Sinngehalt eines sozialtypischen Verhaltens», die vorangegangenen Vertragsverhandlungen, das Verhalten vor und bei Vertragsschluss, die Interessenlage der Parteien, der Vertragszweck, Verkehrssitten und Usanzen (Gesamtkontext des Vertrages).49 Das Verhalten nach Vertragsschluss darf nur bei der Ermittlung des übereinstimmenden wirklichen Willens einfliessen, sofern sich daraus Schlüsse auf die Willenslage der Parteien bei Vertragsschluss ermitteln lassen.50 Dagegen darf ein solches Verhalten gemäss Bundesgericht nicht bei der objektivierten Auslegung berücksichtigt werden.51 3.3

Auslegungsregeln (Interpretationsgrundsätze)

291

Die Parteien können selber Auslegungsregeln vereinbaren. Diese unterliegen allerdings ihrerseits der Auslegung. Haben die Parteien keine Auslegungsregeln vereinbart, hat der Richter die gesetzlichen Auslegungsregeln anzuwenden. Diese geben vor, nach welchen Kriterien und Gesichtspunkten Wortsinn, vertragliche Bestimmungen oder ein bestimmtes Verhalten zu deuten sind (z.B. Art. 16 Abs. 1, Art. 76, Art. 77, Art. 176 Abs. 3, Art. 220 und Art. 481 Abs. 2 OR).52 Die darin enthaltenen Vermutungen sind widerlegbar, das heisst, sie kommen nicht zur Anwendung, wenn sich ein anderslautender, übereinstimmender Parteiwille ermitteln lässt.53

292

Lehre und Rechtsprechung haben darüber hinaus weitere Grundsätze für die Vertragsauslegung entwickelt.54 Aus Art.  2 Abs.  1 ZGB wird abgeleitet, dass die Vertragsinterpretation nach dem Prinzip von Treu und Glauben zu erfolgen hat.55 Daraus ergibt sich insbesondere der Grundsatz, dass der Vertragsinhalt objektiviert und

47 48 49 50 51 52 53 54 55

90

Huguenin, 113. Huguenin, 114 f. Gauch, Auslegung, 212; Gauch/Schluep/Schmid, N  1212  ff.; ZK  OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 385 ff.; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 26 ff.; s. ferner auch BGE 144 III 43 E. 3.4.1; 142 III 239 E. 5.2.1 = Pra 2018 Nr. 7. Statt vieler BGE 4A_390/2015 E. 3.2 m.w.H.; 4A_564/2014 E. 3.1; 132 III 626 E. 3.1. Statt vieler BGE 144 III 43 E. 3.4.1; 142 III 239 E. 5.2.1 = Pra 2018 Nr. 7; 132 III 626 E. 3.1. S. ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 449; Koller, OR AT, N 9.13 f.; von Tuhr/Peter, 164. Koller, OR AT, N 9.15; CHK OR-Kut, Art. 18 N 16; a.M. BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 33. S. Gauch/Schluep/Schmid, N 1222 ff.; ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 444 ff.; BSK ORWiegand, Art. 18 N 34 ff. BGE 129 III 118 E. 2.5 = Pra 2003 Nr. 123; 128 III 265 E. 3b; Bucher, OR AT, 186; ZK OR-Jäggi/Gauch/ Hartmann, Art. 18 N 456 ff.; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 35.

§3

Auslegung, Ergänzung und Anpassung des Vertrages (Art. 18 OR)

aus der Empfängerperspektive gelesen und verstanden werden soll (s.  N  282  ff.), wenn der «wirkliche» Parteiwille nicht (mehr) feststellbar ist.56 Weiter hat die Auslegung grundsätzlich ex tunc, also bezogen auf den Zeitpunkt 293 oder Zeitraum des Vertragsschlusses, zu erfolgen.57 Der Richter soll sich in die Parteien zurückversetzen und dabei die damaligen, den Vertragspartnern bekannten oder erkennbaren Umstände berücksichtigen.58 Die ex tunc-Perspektive gilt aber nicht absolut: Auch das Verhalten der Parteien nach Vertragsschluss, insbesondere Erfüllungshandlungen, erlaubt Rückschlüsse auf die Willenslage bei Vertragsabschluss (s. explizit Art. 8 Abs. 3 CISG59).60 Das Verhalten nach Vertragsschluss darf gemäss Praxis des Bundesgerichts allerdings nur bei der Ermittlung des tatsächlichen Willens der Parteien miteinfliessen (s. dazu N 290).61 Bisweilen kann auch – insbesondere bei Dauerverträgen  – beobachtet werden, dass die Parteien mittels Erfüllungshandlungen den Vertragsinhalt nachträglich einverständlich modifizieren.62 Generell kann gesagt werden, dass der gelebte Vertrag auch ein sich wandelnder Vertrag ist. Die Parteien können das changierende Element ruhig oder mindestens ruhiger stellen, indem sie für den Vertragsschluss sowie für alle nachfolgenden Änderungen Schriftlichkeit vereinbaren (s. zur vertraglich vorbehaltenen Form N 384 ff.). Bei der Interpretation ist das Augenmerk immer auch auf die Systematik des gan- 294 zen Vertrages zu richten, das heisst, vertragliche Regeln sind nicht isoliert und von ihrem Kontext losgelöst zu betrachten, sondern «aus ihrem konkreten Sinngefüge heraus zu beurteilen»63. Dies gilt auch für ein Vertragsnetzwerk. Zusammenhängende Verträge sind mit anderen Worten zusammenhängend auszulegen. Weichen AGB vom dispositiven Gesetzesrecht ab, so sind sie gemäss dem Bundes- 295 gericht im Zweifelsfalle restriktiv auszulegen (s. N 630a).64 Diejenige Vertragspartei, welche dispositives Gesetzesrecht verdrängen will, müsse dies nämlich mit «hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringen».65 Nicht ganz klar ist, wie eine solche 56 Statt vieler BGE 144 III 93 E. 5.2.1 und E. 5.2.3; 143 III 15 E. 1.2.2; 138 III 659 E. 4.2.1; s. ferner CR COWiniger, Art. 18 N 134; Huguenin, 119 f. 57 Bucher, OR AT, 184. 58 Gauch/Schluep/Schmid, N 1223. 59 Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11.  April 1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf (SR 0.221.211.1). 60 BGE 5A_878/2012 E. 5.1.1; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 29 m.w.H. Kritisch zum nachträglichen Verhalten als Indiz für den ursprünglichen Vertragswillen Gauch, Auslegung, 212 f. 61 Statt vieler BGE 144 III 43 E. 3.4.1; 142 III 239 E. 5.2.1 = Pra 2018 Nr. 7; 132 III 626 E. 3.1; s. ferner BSK ORWiegand, Art. 18 N 29 m.w.H. auf die Rechtsprechung. 62 Allenfalls kann darin auch ein Rechtsscheintatbestand erblickt werden, für welchen die rechtsscheinbegründende Partei einzustehen hat; s. zur Rechtsscheinlehre Rusch, 39 ff. 63 Statt vieler BGE 142 III 671 E. 3.3 m.w.H.; 141 V 657 E. 3.5.2; 140 III 391 E. 2.3 m.w.H. 64 BGE 115 II 474 E. 2d m.w.H.; s. ferner Kramer/Probst/Perrig, N 267; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 39 m.w.H. 65 BGE 126 III 388 E. 9d; 122 III 118 E. 2a.

91

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

restriktivere Auslegung gerechtfertigt werden kann respektive was unter «hinreichender Deutlichkeit» zu verstehen ist. Das Bundesgericht begründet die entsprechende Regel damit, dass «[…] das dispositive Recht in der Regel die Interessen der Parteien ausgewogen wahrt  […]»66. Es führt also eine verdeckte Inhaltskontrolle durch (s. N 631 ff.).67 296

Da die vom Bundesgericht behandelten Fälle vorformulierte Vertragsbestimmungen betreffen,68 hat es auch die Unklarheitenregel (in dubio contra stipulatorem; s.  N  629  f.)69 zur Anwendung gebracht. Der Grundsatz der restriktiven Auslegung kann alsdann als Aspekt der Unklarheitenregel angesehen werden. Das Konstrukt der «hinreichenden Deutlichkeit» weist direkt den Weg zur Unklarheitenregel. Unserer Meinung nach wäre es vorzuziehen, die allgemeinen Auslegungsregeln (s. N 291 ff.) nicht für die Triagierung von erlaubten und nicht erlaubten AGB zu benutzen.

297

Etwas anderes gilt, wenn das Bundesgericht einer dispositiven Regel in bestimmten AGB-Konstellationen zwingenden Charakter verleiht. Diese Technik darf auch als Anwendungsfall der Prüfung einer Vertragsklausel am Kriterium der öffentlichen Ordnung oder einem anderen Kriterium, welches eine Inhaltskontrolle erlaubt, verstanden werden (Art. 19 OR; Art. 8 UWG70; s. N 634 ff.).

4. 298

Auslegung formbedürftiger Rechtsgeschäfte

Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung erfolgt die Auslegung formbedürftiger Rechtsgeschäfte nach den gleichen Grundsätzen wie diejenige formfreier Vereinbarungen.71 Ein Teil der Lehre vertritt im Gegensatz dazu die sog. Andeutungstheorie. Diese setzt der Auslegung dort Grenzen, wo der Wille in der Erklärung nicht mindestens angedeutet ist.72 Diese Theorie ist abzulehnen, denn sie vermengt die Auslegungs- mit der Formfrage. Demgemäss ist in einem ersten Schritt der Inhalt des Rechtsgeschäfts mittels Auslegung zu ermitteln und dann erst der erforderliche Umfang des Formzwangs zu prüfen (s. N 364 ff.). Es ist aber einzuräumen, dass in Fällen des Formzwangs das Wort eine ungleich grössere Bedeutung hat als das (schlüssige) Verhalten. Dies kann sich auch auf die Auslegung eines Vertrages 66 67 68 69

BGE 115 II 264 E. 5a. S. Gauch/Schluep/Schmid, N 1230a. S. BGE 126 III 388; 122 III 118; 115 II 264; 113 II 49. S. ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 513; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 951 f.; BSK ORWiegand, Art. 18 N 40. 70 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (SR 241). 71 BGE 127 III 529 E. 3c; 122 III 361 E. 4; 121 III 118 E. 4b bb; Bucher, OR AT, 183 f.; Gauch/Schluep/ Schmid, N 1243 ff.; ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 535; BK OR-Kramer, Art. 18 N 59; Schwenzer, OR AT, N 33.09; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 54. 72 Von Tuhr/Peter, 289.

92

§3

Auslegung, Ergänzung und Anpassung des Vertrages (Art. 18 OR)

auswirken. Insbesondere gilt dies auch, wenn die Parteien für Vertragsänderungen die Einhaltung einer gewillkürten Form vorschreiben (s. N 384 ff.).

II.

Ergänzung des Vertrages

1.

Voraussetzungen und Abgrenzung zur Auslegung

Die Ergänzung eines Vertrages setzt zunächst voraus, dass der Vertrag überhaupt 299 gültig zustande gekommen ist.73 Führt die Vertragsauslegung zum Ergebnis, dass die Parteien sich über bestimmte Punkte, welche regelungsbedürftig gewesen wären, nicht oder nicht vollumfänglich geeinigt haben, obwohl das Gesetz die Regelung der betreffenden Frage den Parteien überlässt, liegt eine Vertragslücke vor (sog. casus omissus).74 Um die Lücke zu schliessen, bedarf der Vertrag der Ergänzung. Unerheblich ist dabei, ob sich die Parteien der Lücke bewusst waren oder nicht.75 Sind die Parteien hinsichtlich eines ungeregelten Vertragspunkts durch zwingendes 300 Gesetzesrecht in ihrer Dispositionsbefugnis eingeschränkt, spricht man nicht von einer Vertragslücke.76 Wenn und soweit der Vertrag gültig ist, gilt im nichtdispositiven Bereich jener Inhalt, welchen eine Norm zwingend vorschreibt. Die Grenze zwischen Vertragsauslegung und Vertragsergänzung ist fliessend, da 301 es oft fraglich ist, ob die Parteien nur eine unklare oder gar keine Regelung getroffen haben.77 Die Auslegung betrifft die Frage, wie eine von den Parteien getroffene Regel zu lesen ist und ob der Vertrag allenfalls der Ergänzung bedarf. Haben die Parteien einen regelungsbedürftigen Punkt ungeregelt gelassen, liegt eine Vertragslücke vor. Der Vertrag ist nun zu ergänzen.78 Vor allem bei der objektivierten Auslegung des Vertrages ist die Vorgehensweise 302 ähnlich jener bei der Vertragsergänzung: Beide Methoden dienen der Konstruktion – und nicht der Rekonstruktion.

73 S. Gauch/Schluep, SJZ 1982, 231; Huguenin, 113 f.; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 955. 74 BGE 4A_453/2009 E. 3.4; 131 III 345 E. 2.2.2; 129 III 535 E. 4.2; 115 II 484 E. 4a; Bucher, OR AT, 186; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 954 ff. 75 BK OR-Kramer, Art. 18 N 214. 76 S. Koller, OR AT, N 10.06; BK OR-Kramer, Art. 18 N 216; BK OR-Müller, Art. 18 N 427. 77 S. BGE 4C.287/2000 E. 2a; Bucher, OR AT, 188; BK OR-Kramer, Art. 18 N 220 ff.; von Tuhr/Peter, 291; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 59. 78 S. dazu BGE 4C.287/2000 E. 2a.

93

1. Kapitel

2.

Allgemeine Vertragslehre

Ergänzung des Vertrages und wesentliche Punkte

303

Haben sich die Parteien bezüglich eines objektiv wesentlichen Vertragspunkts nicht geeinigt, ist das Zustandekommen des Vertrages zu verneinen, und eine Vertragsergänzung fällt nach herrschender Lehre und Rechtsprechung ausser Betracht79 (s. N 258 f.), weil der Richter die essentialia negotii eines Vertrages nicht ergänzen darf.80 Zellweger-Gutknecht/Bucher gehen das Problem pragmatischer an. Sie schliessen – unseres Erachtens zu Recht – eine Vertragsergänzung nur aus, wenn kein grundsätzlicher Rechtsbindungswille vorliegt und noch vor Erfüllung ein Streit über den Bestand des Vertrages ausbricht (favor negotii).81 So dürfe in einer solchen Situation etwa eine Klage auf Kaufpreiszahlung nicht unter der Annahme fehlenden Vertragskonsenses gänzlich abgewiesen werden, sondern müsse im Umfang des geleisteten Nachweises gutgeheissen werden, sofern das Zustandekommen des Vertrages nicht bestritten sei.82 Ein anderes Beispiel bildet BGE 107 II 216: Das Bundesgericht musste in diesem Fall einen Dauervertrag ergänzen, weil die Parteien keine Beendigungsregel vorgesehen hatten. Nach der Sicht des Bundesgerichts enthielt die anhand des hypothetischen Parteiwillens gebildete Beendigungsregel eine Mindestvertragsdauer von acht Jahren.83

304

Fehlt es an einer Einigung über einen subjektiv wesentlichen Punkt, so ist zunächst zu prüfen, ob ein Vertrag überhaupt zustande gekommen ist (s. N 260). Dies ist der Fall, wenn das Zustandekommen unbestritten ist (reiner Auslegungsstreit; s. N 276) oder die Bestreitung seines Zustandekommens als rechtsmissbräuchlich (Art.  2 Abs. 2 ZGB) erscheint.84 Darf vom Bestand des Vertrages ausgegangen werden, so ist die Ergänzung bei subjektiv wesentlichen Punkten zulässig.85 Das Gericht darf diesfalls nicht von Amtes wegen erklären, «ein bindender Vertrag sei überhaupt nicht zustande gekommen».86

79

80 81 82 83 84 85 86

94

BGE 119 II 347 E.  5a; s. Gauch/Schluep, SJZ 1982, 231; ZK  OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 N 620; BK OR-Kramer, Art. 18 N 248; BK OR-Müller, Art. 18 N 516; Schwenzer, OR AT, N 34.02; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N  957. Gauch/Schluep/Schmid, N  332  ff. (insbesondere N  335) verstehen die Bedeutung der objektiv wesentlichen Vertragspunkte anders als die traditionelle Lehre. Per Umkehrschluss subsumieren sie darunter jene Vertragselemente, die zwingend von den Parteien geregelt werden müssen, weil ansonsten eine Lücke bestünde, die nicht «von aussen» geschlossen werden dürfte. Kontrovers BGE 108 II 112 E. 4; Gauch/Schluep, SJZ 1982, 231; Koller, OR AT, N 6.31; s. auch Huguenin, 117 f. BSK OR-Zellweger-Gutknecht/Bucher, Art. 1 N 25 ff. BSK OR-Zellweger/Gutknecht/Bucher, Art. 1 N 25. BGE 107 II 216 E. 3. S. BGE 29 II 114 E. 5; Gauch/Schluep/Schmid, N 1271. ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 618; Koller, OR AT, N 6.27. BGE 29 II 114 E. 5.

§3

3.

Auslegung, Ergänzung und Anpassung des Vertrages (Art. 18 OR)

Mittel der Vertragsergänzung

In erster Linie ist es Sache der Parteien, einen lückenhaften Vertrag nachträglich 305 einverständlich zu ergänzen (s.  Art.  2 Abs.  2  OR). Bisweilen wird das Recht zur Ergänzung, mindestens betreffend bestimmte Vertragspunkte, an eine Vertragspartei oder an einen Dritten «delegiert». Ein einseitiges Ergänzungsrecht ist innerhalb der Schranken der Rechtsordnung zulässig. Der ergänzte Vertrag kann alsdann ausgelegt werden. Wenn die Vertragspartner sich nicht – auch nicht auf eine Beendigung – zu einigen 306 vermögen, muss die Lücke von aussen geschlossen werden (s. zum Lehrstreit über die Rangfolge der Kriterien N 312 ff.). Mangels anderer von den Parteien für diesen Fall vorgesehener materieller und prozeduraler Regeln hat sich das Gericht am Kriterium «hypothetischer Parteiwille» (s. N 435) zu orientieren.87 Um den Inhalt des hypothetischen Parteiwillens zu konkretisieren, hat es danach zu fragen, was die Parteien nach Treu und Glauben vereinbart hätten, wenn sie sich der Regelungslücke bewusst gewesen wären.88 Die Figur des hypothetischen Parteiwillen eignet sich mit anderen Worten nicht nur 307 zur Klärung der Frage, ob die Parteien auch bei Kenntnis der Teilungültigkeit einen Vertrag abgeschlossen hätten (Art. 20 Abs. 2 OR), sondern sie dient auch als Leitlinie bei der (nachträglichen) Bildung eines hypothetischen Konsenses zur Vervollständigung eines teilungültigen oder – wie hier – lückenhaften Vertrages (s. N 437 f.). Bei der Lückenfüllung, also der Konstruktion des Parteiwillens, hat sich das Gericht 308 «am Denken und Handeln vernünftiger und redlicher Vertragspartner sowie an Wesen und Zweck des Vertrages zu orientieren».89 Es hat den Sinn und Geist des Vertrages fortzuschreiben, das heisst, nicht auf einen abstrakten Dritten abzustellen, sondern den neuen Vertragsteil «auf die Eigenheit und Individualität der Parteien»90 zuzuschneiden. Insbesondere die Interessen der Parteien, der Gesamtzusammenhang des Vertragsschlusses, der Vertragszweck und die bereits im Vertrag vom dispositiven Recht abweichenden Regelungen91 müssen bei der Konstruktion des hypothetischen Parteiwillens Beachtung finden. Einzufliessen hat auch, ob ein typischer oder atypischer Vertrag vorliegt92 (Nominatbereich) bzw. wie weit die Verdichtung zum Typus vorangeschritten ist und von den Parteien rezipiert 87 BGE 115 II 484 E.  4b; ZK  OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 N  559  ff.; BK  OR-Kramer, Art.  18 N 238 ff.; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 76. 88 BGE 108 II 112 E. 4; 107 II 411 E. 7; CHK OR-Kut, Art. 2 N 7; BK OR-Müller, Art. 18 N 480; a.M. ZK ORJäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 609 ff. 89 BGE 4C.11/2002 E. 5; 115 II 484 E. 4b. 90 S. BGE 4C.376/2005 E. 3.2; s. Bucher, OR AT, 187; BSK ZGB-Honsell, Art. 2 N 15. 91 S. CHK OR-Huguenin/Purtschert, Vorb. Art. 184 ff./Innominatkontrakte AT N 47; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 71. 92 BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 71; ähnlich Koller, OR AT, N 10.25.

95

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

wird (Innominatbereich; s. N 3660 ff.). Dieser Gedanke liegt auch Art. 2 Abs. 2 OR zugrunde, wonach ein Vertrag bezüglich der vorbehaltenen Nebenpunkte «nach der Natur des Geschäftes» zu ergänzen ist.93 Unter Umständen enthält der Vertrag bereits Anknüpfungspunkte, die es erlauben, die bestehende Regelung durch «sinngemässes Fortdenken» in die Lücke hinein auszuweiten.94 309

Da der hypothetische Parteiwille eine Denkfigur ist und sich nicht – wie der tatsächliche Parteiwille – empirisch ermitteln oder eben rekonstruieren lässt, wird nach der Meinung bestimmter Autoren zwangsläufig ein «objektivierender Massstab» angesetzt.95 Das Gericht gehe in diesem Sinn von einem vernünftigen, auf ein objektiv sachgerechtes Ergebnis abzielenden Vertragspartner aus.96 Diese Aussage ist im Ergebnis schwer zu überprüfen. Zwar ist richtig, dass die Schliessung der Lücke von aussen erfolgt, jedoch liefern der bereits bestehende Vertragsteil und seine Entstehungsgeschichte in der Regel wohl genügend Anhaltspunkte für eine Konstruktion im Sinne der Parteien. Das Füllmaterial entsteht mit anderen Worten aus dem Baustoff der bereits gelebten Geschichte der Parteien und ihrer Begegnung. Der gleiche Gedanke liegt z.B. auch der Minderung (s.  N  2681  ff.) zugrunde. Auch dort wird anlässlich der Festsetzung des Minderwerts nicht auf den Marktpreis abgestellt, sondern auf den dem Kaufgegenstand von den Parteien subjektiv beigemessenen Wert. Dieser kann innerhalb der Schranken des Rechts entweder sehr viel höher oder sehr viel tiefer sein als der objektive Preis. Der Grundsatz, wonach es kein iustum pretium gibt, gilt entsprechend auch für die Lückenfüllung.

310

Die Bildung des hypothetischen Parteiwillens ist eine normative Tätigkeit und als Rechtsfrage frei überprüfbar. Das Bundesgericht hält sich mit Interventionen aber aufgrund der Einsicht zurück, dass den Vorinstanzen bei der Bildung des hypothetischen Parteiwillens ein Ermessensspielraum eingeräumt werden muss.97

311

Als Leitlinie für die Vertragsergänzung dient sodann auch das dispositive Recht (gesetzliche, gewohnheits- und richterrechtliche Sachnormen, aber auch Verkehrsübung, Handelsbräuche und richterliches Ermessen kraft gesetzlicher Verweisung).98 Voraussetzung ist aber, dass das dispositive Recht den hypothetischen Parteiwillen angemessen wiedergibt. Nur wenn in einem konkreten Fall hypothetisch davon ausgegangen werden darf, dass die Parteien eine bestimmte dispositive Regel vereinbart hätten, mithin als zwischen ihnen geltendes Recht akzeptiert hätten, kann es den (ergänzten) Vertragsinhalt bilden. Dies dürfte mindestens für die Verträge, welche im typischen Bereich liegen, umso eher der Fall sein, als der Gesetzgeber die 93 94 95

ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 560. Bucher, OR AT, 187 f. ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 559 ff.; BK OR-Kramer, Art. 18 N 238 ff.; BK OR-Müller, Art. 18 N 481 ff.; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 79. 96 Bucher, OR AT, 188. 97 BGE 4C.11/2002 E. 5; 115 II 484 E. 4b. 98 OFK OR-Huguenin/Huber-Purtschert, Innominatkontrakte AT N 30.

96

§3

Auslegung, Ergänzung und Anpassung des Vertrages (Art. 18 OR)

dispositiven Regeln ja als generell-abstrakte Musterlösungen für den Parteiwillen geschaffen hat.

4.

Rangordnung?

Umstritten ist in der Lehre, ob zur Vertragsergänzung dem hypothetischen Par- 312 teiwillen oder dem dispositiven Gesetzesrecht der Vorrang zu geben ist. Mit Verweis auf die Vertragsfreiheit befürwortet ein Teil der Lehre den Vorrang der sich am hypothetischen Parteiwillen ausrichtenden Ergänzung, während sich andere in Anlehnung an Art. 1 Abs. 1 ZGB für die primäre Orientierung am Gesetzeswortlaut aussprechen.99 Das Bundesgericht neigt dazu, erst auf den hypothetischen Parteiwillen abzustellen, 313 wenn die Anwendung von dispositivem Gesetzesrecht ausser Betracht fällt, ohne sich indessen explizit festzulegen.100 Die Fragestellung, ob eine Vertragsergänzung primär entweder anhand des hypo- 314 thetischen Parteiwillens oder aber anhand des dispositiven Rechts zu erfolgen hat, ist nicht nur zu apodiktisch, sondern auch irreführend.101 Logisch betrachtet geht es hier nämlich gar nicht um ein «Entweder-oder» bzw. um eine zeitliche Priorisierung:102 Den Ausgangspunkt für die Ergänzung des Vertrages bildet immer der hypothetische Parteiwille.103 Dies ergibt sich aus der Vertragsfreiheit und der Funktion des dispositiven Rechts. Dispositives Recht gilt nur qua (hypothetischen) Parteiwillens, aber nicht – wie zwingendes Recht – auch entgegen dem, also unabhängig vom (hypothetischen) Parteiwillen. Dies kommt unter anderem auch in Art. 2 Abs. 2 OR zum Ausdruck, welcher vom 315 Richter verlangt, dass Nebenpunkte, über die die Parteien sich nicht einigen konnten, der «Natur des Geschäftes» nach zu entscheiden sind. Die «Natur des Geschäftes» ergibt sich – gleich wie der Zweck desselben – aus dem (hypothetischen) Parteiwillen. Dieser bildet somit das Fundament der Vertragsergänzung und beantwortet darum unter anderem auch die Frage, ob das dispositive Gesetzesrecht den Parteiwillen so adäquat wiedergibt, dass es sich zur Ergänzung des Vertrages eignet. Deshalb ist unseres Erachtens der hypothetische Parteiwille auch bei bestehender 99 Zur Kontroverse detailliert s. ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 568 ff. m.w.H.; BK OR-Kramer, Art. 18 N 230 ff.; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 70 m.w.H. 100 BGE 4C.41/2007 E. 4.2; 4C.373/2006 E. 4.4; 4C.189/2004 E. 2.5; 4C.11/2002 E. 5; 115 II 484 E. 4b; 111 II 260 E. 2a. 101 S.  CHK  OR-Huguenin/Purtschert, Vorb. Art.  184  ff./Innominatkontrakte AT N  44; BSK  OR-Wiegand, Art. 18 N 72. 102 OFK OR-Huguenin/Huber-Purtschert, Innominatkontrakte AT N 30. 103 BSK ZGB-Honsell, Art. 2 N 15; CHK OR-Huguenin/Purtschert, Vorb. Art. 184 ff./Innominatkontrakte AT N 44; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 71 f.

97

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

dispositiver Regelung zu beachten.104 Im Effekt kann zur Ergänzung des Vertrages durchaus dispositives Gesetzesrecht herangezogen werden, allerdings eben nur, wenn es dem hypothetischen Willen der Parteien entspricht.105 Dass das dispositive Recht nur in einem Teil der Fälle passt, ist im Übrigen kein Qualitätsmangel desselben, sondern Ausdruck der Vertragsfreiheit und ihrer vielseitigen und kreativen Nutzung. 316

Der Richter ist mit anderen Worten nicht an das dispositive Recht gebunden, wenn dieses dem hypothetischen Willen der Parteien nicht entspricht respektive wenn dieses nicht mit dem Parteiwillen «harmoniert»:106 Ein Vertrag ist kein starres vorgegebenes Gebilde. Die strikte Anwendung von generellen Regeln ist nicht möglich (als Beispiel die Innominatverträge, welche bisweilen sehr stark individuell geprägt sind; s.  N  3660  ff.). Vielmehr stellt sich die Frage, welche Normen zur Anwendung gelangen sollen. Es entspricht dem Primat der Vertragsfreiheit, individuelle Verträge und Regelungen treffen zu dürfen. Eine starre Anwendung von dispositivem Recht, ohne Beachtung des Parteiwillens, würde dieser individuellen Ordnung widersprechen und im Falle einer (Regelungs-)Lücke unter Umständen zu Ergebnissen führen, welche nicht im Interesse der Parteien sind.107 Die Vertragsergänzung sollte deshalb stets ein «adäquates Ergebnis für den Einzelfall» bilden.108 Anderer Auffassung sind Gauch/Schluep/Schmid, welche primär das dispositive Recht zur Vertragsergänzung heranziehen wollen. Begründet wird dies mit der «Bindung des Gerichts an das Gesetz».109 In einem zweiten Schritt wählen Gauch/ Schluep/Schmid insofern einen unserem Vorschlag ähnlichen Ansatz, als auch sie auf dieser Stufe den hypothetischen Parteiwillen einbinden: Es erfolgt eine Prüfung, ob die Anwendung von dispositivem Gesetzesrecht nicht mit dem Vertragsinhalt im Gesamtergebnis im Widerspruch steht und in diesem Sinn «disharmoniert».110

104 105 106

107 108 109 110

98

A.M. Gauch/Schluep/Schmid, N 1254. CHK OR-Huguenin/Purtschert, Vorb. Art. 184 ff./Innominatkontrakte AT N 44; BK OR-Kramer, Art. 18 N 232; s. ferner Schwenzer, OR AT, N 34.05. CHK OR-Huguenin/Purtschert, Vorb. Art. 184 ff./Innominatkontrakte AT N 44 und N 47; differenzierend BK OR-Kramer, Art. 18 N 230 ff.; a.M. Gauch/Schluep/Schmid, N 1255, und ZK OR-Jäggi/ Gauch/Hartmann, Art. 18 N 568 ff., welche beide von der «Bindung des Richters an das Gesetz» ausgehen. S. CHK OR-Huguenin/Purtschert, Vorb. Art. 184 ff./Innominatkontrakte AT N 44; Schwenzer, OR AT, N 34.05. CHK OR-Huguenin/Purtschert, Vorb. Art. 184 ff./Innominatkontrakte AT N 47. Gauch/Schluep/Schmid, N 1255. Gauch/Schluep/Schmid, N 1255; CHK OR-Kut, Art. 18 N 35; s. CHK OR-Huguenin/Purtschert, Vorb. Art. 184 ff./Innominatkontrakte AT N 47.

§3

5.

Auslegung, Ergänzung und Anpassung des Vertrages (Art. 18 OR)

Ergänzung formbedürftiger Rechtsgeschäfte

Ein Teil der Lehre vertritt bezüglich der Ergänzung formbedürftiger Rechtsgeschäfte die Auffassung, eine richterliche Vertragsergänzung sei nur statthaft, wenn diese an «formgerechte vertragliche Abreden» anknüpfe (Andeutungstheorie).111 Dagegen sind nach dem Bundesgericht lückenhafte Verträge, welche einer bestimmten Form bedürfen, ohne Einschränkung nach allgemeinen Grundsätzen zu ergänzen.112

317

Mit dem Bundesgericht liegt der Grund für unsere Ablehnung der zitierten Lehr- 318 meinung darin, dass bei der richterlichen Vertragsergänzung der Schutzbedarf der Kontrahierenden vor Übereilung entfällt. Sofern ein Urteil ergeht, ist überdies die Transparenz der Vertragsbestimmungen für die Öffentlichkeit gewährleistet.

6.

Beziehung zwischen Auslegung und Ergänzung

Auslegung und Ergänzung von Verträgen sind oft nur theoretisch unterscheidbar. 319 Die Auslegung behandelt die Frage, welche selbst getroffene Regelung die Parteien im Vertrag vereinbart haben und ob der Vertrag allenfalls der Ergänzung bedarf. Haben die Parteien keine Regelung getroffen, liegt eine Vertragslücke vor. Der Vertrag ist nun zu ergänzen.113 Die Grenze zwischen Vertragsauslegung und -ergänzung verläuft oft unscharf. Die beiden Vorgehensweisen führen bisweilen ineinander über.114 Vor allem bei der objektivierten Auslegung des Willens ist die Vorgehensweise ähnlich der Vertragsergänzung: Es wird der dialogistische Prozess der Vertragsentstehung als Ganzes betrachtet und versucht, den (bei der Vertragsauslegung tatsächlichen oder mutmasslichen, bei der Vertragsergänzung hypothetischen) Willen der Parteien zu eruieren.115 Die Auslegung und Ergänzung des Vertrages führt nun im Endeffekt zum selben Resultat und verfolgt dasselbe Ziel, nämlich dem Vertrag zwischen den Parteien zum Durchbruch zu verhelfen. Eine klare Grenzziehung zwischen diesen beiden Instituten ist deshalb nicht erforderlich, zumal unseres Erachtens auch bei der Vertragsergänzung der (hypothetische) Parteiwille immer den Ausgangspunkt der Lückenfüllung darstellt (s. N 314 ff.).

111 BK  OR-Kramer, Art.  18 N  260; BSK  OR-Wiegand, Art.  18 N  88; a.M. Gauch/Schluep/Schmid, N 1278 f. m.w.H. 112 BGE 127 III 529 E. 3c m.w.H. 113 S. BGE 4C.287/2000 E. 2a. 114 S. BGE 4C.287/2000 E. 2a; Bucher, OR AT, 188; BK OR-Kramer, Art. 18 N 220 ff.; von Tuhr/Peter, 291; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 59. 115 Huguenin, 114 ff.

99

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

III.

Anpassung des Vertrages an veränderte Umstände (clausula rebus sic stantibus)

1.

Begriff

320

Wenn sich die Umstände, das heisst die faktischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, unter welchen der Vertrag geschossen wurde, im Nachhinein drastisch verändern, ohne dass die Parteien dies antizipieren konnten, können Äquivalenzstörungen auftreten. Es kann mit anderen Worten zur Leistungserschwerung für den Schuldner oder zur Leistungsentwertung für die Gläubigerin kommen.116 Nach dem Prinzip der Vertragstreue (pacta sunt servanda) sind grundsätzlich auch Verträge mit nachträglichen «Gleichgewichtsstörungen» zu halten.117

321

Die Parteien können indessen bereits bei Vertragsschluss eine Anpassungsregel vorsehen (z.B. eine Indexklausel). Sodann kann ein Vertrag auch im Nachhinein jederzeit einvernehmlich angepasst werden. Überdies sehen verschiedene Gesetzesbestimmungen die Anpassung an veränderte Verhältnisse vor (z.B. Art.  373 Abs. 2 OR).118

322

Bei veränderten Verhältnissen oder Umständen kann die Leistungserbringung ausnahmsweise für eine oder beide Parteien nicht mehr zumutbar sein. Sofern weder die Parteien eine Regelung zur Anpassung an veränderte Verhältnisse vorgesehen haben noch das Gesetz eine solche statuiert119, kann sich die Frage nach der richterlichen Vertragsanpassung stellen (sog. clausula rebus sic stantibus). Nach herrschender Lehre wird diese als Teil der Vertragsergänzung qualifiziert: Der Vertrag ist in diesen Fällen in Bezug auf die Anpassung an veränderte Verhältnisse lückenhaft.120 Das Bundesgericht stützt sich hingegen bei der Vertragsanpassung auf Art. 2 Abs. 2 ZGB. Demnach soll das Festhalten an einem unveränderten Vertrag trotz der eingetretenen gravierenden Äquivalenzstörung als offenbarer Rechtsmissbrauch gelten und keinen Rechtsschutz finden.121 Diese Ansicht lässt jedoch ausser Acht, dass mittels der Abstützung auf Art. 2 Abs. 2 ZGB bloss die Frage der Unzulässigkeit BK  OR-Kramer, Art.  18 N  273. Allgemein zum Begriff der clausula rebus sic stantibus und dem Verständnis in Lehre und Rechtsprechung Enz, N 5 m.w.H. Anschaulich in diesem Zusammenhang auch der OR 2020-Entwurf, welcher in Art. 19 OR 2020 einen Vorschlag zur ausdrücklichen Regelung der clausula rebus sic stantibus im Allgemeinen Teil des OR enthält. 117 Schwenzer, OR AT, N 35.02 m.w.H. 118 Zu den positiven und negativen gesetzlichen und vertraglichen Anpassungsregeln s. Enz, N  88, und ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 656 ff. 119 S. BGE 127 III 300 E. 6a; ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 655. 120 ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 713 ff.; BK OR-Kramer, Art. 18 N 275; Kramer, SJZ 2014, 276 f.; Schwenzer, OR AT, N 35.05; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 58; ablehnend gegenüber der clausula rebus sic stantibus dagegen Bischoff, 177. 121 BGE 138 V 366 E. 5.1 m.w.H.; 4C.49/2004 E. 2.2; 122 III 97 E. 3a; 107 II 343 E. 2; 101 II 17 E. 2; 100 II 345 E. 2b; die dogmatischen Grundlage (bewusst) offengelassen in BGE 4A_375/2010 E. 3.1; 127 III 300 E. 5b. Zur Einordnung der clausula rebus sic stantibus eingehend Kramer, SJZ 2014, 274 ff. 116

100

§3

Auslegung, Ergänzung und Anpassung des Vertrages (Art. 18 OR)

der Rechtsausübung beantwortet, jedoch bezüglich der Anpassung an die neuen Verhältnisse keine Lösung bereitgestellt wird. Das Rechtsmissbrauchsverbot kann gestalterisch nur negativ wirken, das heisst die Ausübung eines Rechts verbieten, jedoch nicht positiv lenkend in den Vertrag eingreifen und dessen Ergänzung legitimieren.122 Unseres Erachtens handelt es sich deshalb bei der Anpassung an veränderte Verhältnisse um eine Ergänzung des Vertrages: Die eingetretene Äquivalenzstörung erscheint als planwidrige Unvollständigkeit des Vertrages und stellt in diesem Sinn eine Lücke dar.

2.

Abgrenzung vom Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR) und von der Kündigung aus wichtigem Grund

Die Abgrenzung der clausula rebus sic stantibus vom Grundlagenirrtum (Art.  24 323 Abs. 1 Ziff. 4 OR; s. N 507 ff.) hängt im Wesentlichen davon ab, ob man die Möglichkeit eines Irrtums über einen zukünftigen Sachverhalt bejaht oder nicht, was kontrovers diskutiert wird. Unserer Auffassung zufolge kann sich der Grundlagenirrtum nicht auf einen 324 zukünftigen Sachverhalt beziehen (s. N 520 ff.). Der Anwendungsbereich der clausula rebus sic stantibus beschränkt sich demgegenüber auf Fälle, in welchen nach Vertragsschluss eine Änderung der Umstände eintritt.123 Die Abgrenzung ergibt sich folgerichtig aus den verschiedenen Zeiträumen, auf welche die beiden Institute anwendbar sind. Das Bundesgericht dagegen bejaht die Möglichkeit eines Irrtums über einen künf- 325 tigen Sachverhalt in Fällen, in denen der Irrende das zukünftige Ereignis als mit Sicherheit eintretend angesehen hat und die Gegenpartei nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr hätte erkennen müssen, dass die Sicherheit der Verwirklichung desselben für die andere Partei Vertragsvoraussetzung war. Jedoch liege kein Irrtum über den künftigen Sachverhalt bei blossen Hoffnungen, übertriebenen Erwartungen und Spekulationen vor.124 Bejaht man die Möglichkeit eines Irrtums über einen zukünftigen Sachverhalt, so 326 ist eine Abgrenzung zwischen dem Anwendungsbereich des Grundlagenirrtums und jenem der Vertragsanpassung vorzunehmen.125 Nach Schwenzer beziehen sich die Regeln der Vertragsanpassung auf Fälle, bei denen «[…] die zukünftige[n] 122 S. auch BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 117 m.w.H. 123 Zu dieser Abgrenzung Kramer/Probst, OR AT, N 296. 124 BGE 4C.34/2000 E. 3c; 118 II 297 E. 2b; 117 II 218 E. 4 = Pra 1993 Nr. 8; 109 II 105 E. 4b = Pra 1983 Nr. 201; Engel, CO PG, 328 f.; Schwenzer, OR AT, N 37.31 ff. 125 Zu dieser Problematik eingehend s. Kramer, SJZ 2014, 279 ff.

101

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Veränderung[en] beim Vertragsschluss nicht voraussehbar war[en] und an die die Parteien auch gar nicht gedacht haben»126. Diese Abgrenzung ist jedoch nicht weiterführend. Danach käme nämlich die clausula rebus sic stantibus immer zur Anwendung, war doch gerade die Veränderung des wesentlichen Sachverhalts nicht voraussehbar. Es sollte deshalb vielmehr darauf abgestellt werden, ob die beiden Parteien bei Vertragsschluss den Eintritt einer wesentlichen zukünftigen Tatsache als notwendige Geschäftsgrundlage angesehen haben oder nicht: Will man die Möglichkeit eines Irrtums über einen zukünftigen Sachverhalt zulassen, so sollten unserer Meinung nach die Regeln des Grundlagenirrtums im Sinne der zitierten bundesgerichtlichen Rechtsprechung (s. N 325) dann zur Anwendung gelangen, wenn eine Partei fälschlicherweise annahm, dass die Verwirklichung eines künftigen Ereignisses hundertprozentig sicher sei und die andere Partei nach Treu und Glauben hätte erkennen müssen, dass die Verwirklichung desselben für ihr Gegenüber Vertragsvoraussetzung war (s. auch N 520). In all den anderen Fällen ist nach den Regeln der Vertragsanpassung zu verfahren (also z.B. wenn nur eine Partei vom Eintritt eines zukünftigen Sachverhalts ausgegangen ist, für die andere Partei diese künftige Vorstellung nach Treu und Glauben aber nicht erkennbar war). 326a

Im Gegensatz zur clausula rebus sic stantibus setzt die Kündigung aus wichtigem Grund keine gravierende Äquivalenzstörung voraus. Bei einer Kündigung aus wichtigem Grund kommen neben wirtschaftlichen Gründen auch persönliche Gründe, also Veränderungen in den persönlichen Verhältnissen der betroffenen Vertragspartei, infrage.127 Dagegen liegen die Gründe für die Vertragsauflösung bei der clausula rebus sic stantibus ausserhalb der Vertragsparteien bzw. des Vertrages. Die clausula rebus sic stantibus setzt demnach «Veränderungen der äusseren Umstände voraus, von denen alle Vertragsparteien gleichermassen betroffen sind»128. Zudem ist die Kündigung aus wichtigem Grund nur bei Dauerschuldverhältnissen anwendbar (s. N 797), wohingegen die clausula rebus sic stantibus auf alle Vertragstypen angewendet werden kann (s. zum Ganzen auch N 800).

3. 327

Voraussetzungen

Lehre und Rechtsprechung wenden die clausula rebus sic stantibus zurückhaltend an.129 Folgende Voraussetzungen müssen kumulativ gegeben sein: • nachträgliche Veränderung der Verhältnisse (s. N 328); • gravierende Äquivalenzstörung (s. N 329);

126 127 128 129

102

Schwenzer, OR AT, N 37.40. BGE 128 III 428 E. 3c. BGE 128 III 428 E. 3c. S. zum Ganzen BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 99 ff.

§3

Auslegung, Ergänzung und Anpassung des Vertrages (Art. 18 OR)

• fehlende Voraussehbarkeit (s. N 330 f.); • kein widersprüchliches Parteiverhalten (s. N 332). 3.1

Nachträgliche Veränderung der Verhältnisse

Grundvoraussetzung ist die Änderung der Verhältnisse nach Vertragsschluss.130 Die 328 Veränderung muss vertragserhebliche Verhältnisse betreffen, das heisst Einfluss auf den Wert der Leistungen haben (z.B. Erhöhung der Kosten für eine Partei, Wertverminderung der Leistung).131 Namentlich bei Dauerschuldverhältnissen und Sukzessivlieferungsverträgen können sich die Rahmenbedingungen durch Zeitablauf massgeblich verändern.132 Wenn jedoch die Veränderung der Verhältnisse bereits im Moment des Vertragsschlusses eingetreten ist, also nicht nachträglich erfolgt, ist das Vorhandensein eines Grundlagenirrtums zu prüfen (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR; s. N 507 ff.).133 3.2

Gravierende Äquivalenzstörung

Die veränderten Verhältnisse müssen zu einer gravierenden Äquivalenzstörung 329 führen. Mit anderen Worten muss ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegen. Eine geringfügige Äquivalenzstörung schliesst die Anwendung der clausula rebus sic stantibus aus.134 Indessen ist weder der wirtschaftliche Ruin der betroffenen Partei135 noch eine wucherische Ausbeutung durch die am Vertrag festhaltende Partei notwendig, um eine genügend erhebliche Störung zu bejahen.136 Bei personenbezogenen Verträgen kann eine gravierende Äquivalenzstörung auch darin bestehen, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien erschüttert oder zerstört ist.137

130 131 132 133 134 135 136

BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 99 f. Berger, Schuldrecht, N 1179. Bucher, OR AT, 395; CHK ZGB-Middendorf/Grob, Art. 2 N 10. Berger, Schuldrecht, N 1180. S. BGE 128 III 428 E. 3c; 127 III 300 E. 5b. BK OR-Kramer, Art. 18 N 348; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 104. BK OR-Kramer, Art. 18 N 300 und N 348; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 104; anders BGE 138 V 366 E. 5.1; 4C.246/2002 E. 3.5; BGE 122 III 97 E. 3a; Guhl/Koller, § 38 N 27. 137 S. BGE 129 III 380 E. 2.2; BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 95. Für einen Überblick zu den verschiedenen Lehrmeinungen in Bezug auf die erhebliche Äquivalenzstörung s. Enz, N 29 ff.

103

1. Kapitel

3.3

Allgemeine Vertragslehre

Fehlende Voraussehbarkeit

330

Im Weiteren darf die Veränderung der Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht voraussehbar gewesen sein.138 Gerade bei langfristigen Verträgen müssen die Parteien mit Änderungen der Umstände, beispielsweise einer Revision der Gesetzgebung, rechnen. Zur Beurteilung der Voraussehbarkeit kommt es auf die objektive Voraussehbarkeit für die sich auf die massgebliche Veränderung berufende Partei an. Es stellt sich somit die Frage, ob eine vernünftige Durchschnittspartei, welche sich in der gleichen Lage befunden hätte wie die am Vertragsschluss beteiligte Partei, den Eintritt der Verhältnisse nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung voraussehen konnte und musste.139 Ein Abstellen auf die subjektive Voraussehbarkeit würde dem Prinzip pacta sunt servanda zuwiderlaufen: Ansonsten würde jede subjektive Enttäuschung zu einer Vertragsanpassung führen. Dem subjektiven Element wird insofern Rechnung getragen, als die Verhältnisse des Einzelfalls berücksichtigt werden.140

331

War die Veränderung der Verhältnisse voraussehbar und unterliessen es die Parteien, eine Anpassungsregel zu vereinbaren, ist der Vertrag grundsätzlich zu erfüllen, wie er abgeschlossen wurde.141 So sind z.B. normale Inflationsraten, nicht jedoch ein Wertzerfall als Folge höherer Gewalt vorhersehbar.142 Lag es im Sinne der Parteien, bestimmte Risiken auf den einen oder andern Vertragspartner zu legen, so kann sich dieser nicht im Nachhinein auf eine Anpassung des Vertrages berufen, denn oft dient ein Vertragsschluss gerade zur Allokation gewisser Risiken.143 3.4

332

Verhalten der Parteien

Schliesslich fällt eine richterliche Vertragsänderung je nach Verhalten der Parteien ausser Betracht. Dies gilt namentlich, wenn diese den Vertrag vorbehaltlos erfüllt haben, obwohl sich die Umstände verändert haben.144 Eine Vertragsergänzung kommt ebenfalls nicht in Betracht, falls die betroffene Partei die Veränderung der Verhältnisse selbst verursacht hat.145 Wirken sich die veränderten Verhältnisse auf die betroffene Partei bloss deshalb aus, weil sie sich in Schuldner- oder Gläubigerverzug befindet, scheidet eine Vertragsanpassung gleichfalls aus.146 138 139 140 141 142 143 144 145 146

104

BGE 4A_375/2010 E. 3.1; 135 III 1 E. 2.4; 4C.49/2004 E. 2.2; 127 III 300 E. 5b; differenzierend Gauch/ Schluep/Schmid, N  1298; ZK  OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art.  18 N  760  ff.; zum Ganzen Leu, 107 ff. A.M. Berger, Schuldrecht, N 1181, der von einer subjektiven Voraussehbarkeit ausgeht. S. ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 734 f.; BK OR-Müller, Art. 18 N 673. BGE 127 III 300 E. 5b aa; 107 II 343 E. 2. S. für weitere Beispiele Enz, N 42 ff. Leu, 111; BK OR-Müller, Art. 18 N 560. BGE 127 III 300 E. 5b; 45 II 356; ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 772. ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 770. ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 771.

§3

4.

Auslegung, Ergänzung und Anpassung des Vertrages (Art. 18 OR)

Wirkungen

Sind die Voraussetzungen zur richterlichen Vertragsanpassung gegeben, ist der Ver- 333 trag den veränderten Umständen entsprechend umzugestalten. In Ermangelung einer vertraglichen oder gesetzlichen Anpassungsregel hat sich das Gericht unter Berücksichtigung von Treu und Glauben auch hier am hypothetischen Parteiwillen zu orientieren (s. N 306 ff., N 435 f.).147 Das Gericht richtet seinen Entscheid auf eine sachgerechte Lösung aus. Es kann 334 daher den Vertrag inhaltlich anpassen, indem es z.B. die Vertragsdauer kürzt oder verlängert, oder es kann den Vertrag, wenn die Äquivalenzstörung nicht behoben werden kann, auch vorzeitig auflösen.148

147 BGE 127 III 300 E. 6a; ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 748; Schwenzer, OR AT, N 35.10. 148 S. BGE 127 III 300 E. 6b; Berger, Schuldrecht, N 1185 f.; ZK OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 737 ff.; BK OR-Kramer, Art. 18 N 353 ff.

105

§ 4 Form und Inhalt des Vertrages (Art. 11–16, Art. 19 und Art. 20 OR) Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N 743 ff. und N 1080 ff.; Bucher, OR AT, 160 ff. und 238 ff.; Engel, CO PG, 246 ff.; Furrer/Müller-Chen, Kap. 5 N 1 ff.; Gauch/Schluep/Schmid, N 488 ff.; Guhl/Koller, §  7 N  16  ff. und §  14; Koller,  OR AT, N  12.01  ff. und N  13.01  ff.; Kramer/Probst,  OR AT, N  174  ff. und N  202  ff.; Schwenzer,  OR AT, N  31.01  ff.; Tercier/ Pichonnaz, CO PG, N 662 ff. und N 707 ff.; von Tuhr/Peter, 233 ff.

Weiterführende Literatur Acocella Domenico, Nichtigkeitsbegriff und Konzept einer einheitlichen vertragsrechtlichen Rückabwicklung gescheiterter Verträge, SJZ 2003,  494–496; Broggini Gerardo, Ordine pubblico e norme imperative quali limiti alla libertà contrattuale in diritto svizzero, FS Schönenberger, Freiburg 1968,  93–120; Furrer Frank, Heilung des Formmangels im Vertrag, Diss. Zürich 1992; Gericke Dieter/Ivanovic Tanja, Genügen PDF-Dateien dem Schriftformerfordernis?, SJZ 2017, 335–341; Giampaolo Davide/Huguenin Claire, Der Entscheidungsspielraum des Gerichts bei der Bestimmung der Ungültigkeitsfolgen, in: Jung Peter (Hrsg.), Europäisches Privatrecht in Vielfalt geeint, München 2013, 133–140; Hofer Sibylle, Art. 27 ZGB – die späte Entdeckung einer vermeintlichen Lücke, recht 2008, 58–63; Hotz Sandra, Selbstbestimmung im Vertragsrecht, Unter besonderen Berücksichtigung von Verträgen zu «Liebe», Sex und Fortpflanzung, Bern  2017; Huguenin Claire, Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Schweiz im Lichte der neuen EU-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, recht 1995,  85–95 (zit.: Huguenin, recht 1995); Huguenin Claire, Nichtigkeit und Unverbindlichkeit als Folgen anfänglicher Vertragsmängel, Diss. Bern 1984 (zit.: Huguenin, Nichtigkeit); Huguenin Claire/Hilty Reto M. (Hrsg.), Schweizer Obligationenrecht 2020, Entwurf für einen neuen allgemeinen Teil, Zürich 2013 (zit.: OR 2020-BearbeiterIn); Huguenin Claire/Hoessly Gianin, Sind Ersatzvereinbarungen mit dem Formzweck von Art. 216 OR vereinbar?, in: Bernasconi Giorgio A./ Filippini Rocco (Hrsg.), Giurisprudenza recente del Tribunale federale, Sentenze di principio, cambiamenti di prassi e questioni lasciate aperte, Basel 2017,  41–53; Hürlimann Brigitte, Freiwillige Prostitution nicht sittenwidrig, plädoyer 2004,  33–35 (zit.: Hürlimann, plädoyer 2004); Hürlimann Brigitte, Prostitution  – ihre Regelung im schweizerischen Recht und die Frage der Sittenwidrigkeit, Diss. Freiburg 2004 (zit.: Hürlimann, Prostitution); Hürlimann Roland, Teilnichtigkeit von Schuldverträgen nach Art. 20 Abs. 2 OR, Diss. Freiburg 1984 (zit.: Hürlimann, Teilnichtigkeit); Koller Alfred, Vom Formmangel und seinen Folgen, Der formungültige Grundstückkauf, in: Koller Alfred (Hrsg.), Der Grundstückkauf, 3. Aufl., Bern 2017, 81–129 (zit.: Koller, Formmangel); Stadler Lisa, Liebesdienerinnen mit Arbeitsvertrag, Legalisierung der Prostitution in Deutschland, NZZ vom 22. Mai 2002, Nr. 115, 81; Stoffel Bertrand, La forme comme objet du contrat, Diss. Zürich 2017; Wol-

106

§4

Form und Inhalt des Vertrages (Art. 11–16, Art. 19 und Art. 20 OR)

fer Marc, Abschluss des Grundstückkaufvertrages, in: Koller Alfred (Hrsg.), Der Grundstückkauf, 3. Aufl., Bern 2017, 27–80.

I.

Überblick

Ein Vertrag ist zustande gekommen, wenn die Parteien im Minimum in allen 335 wesentlichen Vertragspunkten zu einem Konsens gelangt sind (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 OR; s. N 245 ff.). Entsteht zwischen den Kontrahierenden Streit über den Inhalt ihrer Vereinbarung, hat der Richter diesen auf Antrag auszulegen (s. N 273 ff.). Ob der zustande gekommene Vertrag auch gültig ist, hängt davon ab, ob die zwingen- 336 den Vorschriften eingehalten worden sind: Zunächst muss der Vertrag den Formvorschriften entsprechen, falls er überhaupt formbedürftig ist, was die Ausnahme darstellt (s. N 337 ff.). Sodann darf er nicht gegen die Schranken der Inhaltsfreiheit von Art. 19/20 OR bzw. spezifischerer zwingender Regeln verstossen (s. N 392 ff.).

II.

Form des Vertrages (Art. 11–16 OR)

1.

Grundsatz der Formfreiheit (Art. 11 Abs. 1 OR)

Der Grundsatz der Formfreiheit ist in Art. 11 Abs. 1 OR verankert und neben der 337 Abschluss-, Partnerwahl-, Aufhebungs- und Inhaltsfreiheit ein weiterer tragender Pfeiler der Vertragsfreiheit:1 Das Konsensprinzip stipuliert, dass es für das Eintreten von Vertragswirkungen grundsätzlich unerheblich ist, in welcher Form die übereinstimmenden Willenserklärungen ausgetauscht wurden.2 Verträge bedürfen somit lediglich einer besonderen Form, wenn diese gesetzlich vorgeschrieben (Art. 11 Abs. 1 OR; s. N 338 ff.) oder von den Parteien gewollt ist (Art. 16 Abs. 1 OR; s. N 384 ff.).

2.

Gesetzliche Formvorschriften (Art. 11–15 OR)

2.1

Allgemeines zur Form

Nach Art.  11 Abs.  1  OR müssen sich gesetzliche Formvorschriften auf eine for- 338 melle Norm des Bundesrechts – also auf ein Bundesgesetz – stützen. Eine Begrün1 S. BGE 129 III 35 E. 6.1. 2 ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 11 N 4; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 666.

107

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

dung durch Gewohnheits- oder Richterrecht ist nicht möglich.3 Die entsprechende Gesetzesvorschrift ist im Zweifelsfall restriktiv auszulegen, um dem Grundsatz des favor negotii Rechnung zu tragen.4 In erster Linie geht es aber – wie bei anderen Bestimmungen auch – darum, den Schutzzweck der Norm auszuloten. 2.2

Formzweck

339

Den gesetzlichen Formvorschriften liegen  – einzeln oder in Kombination  – verschiedene Formzwecke zugrunde.

340

Bei Rechtsgeschäften mit potenziell grosser Tragweite bzw. weitgehenden Verpflichtungen kommt den Formvorschriften in erster Linie eine Warnfunktion zu: Die Parteien sollen vor übereiltem Handeln geschützt werden.5 Sodann wird durch die Form bisweilen sichergestellt, dass insbesondere die schutzbedürftige Vertragspartei über die ihr zustehenden Rechte informiert wird (s. z.B. Art. 9 ff. KKG6).

341

Formvorschriften dienen im Übrigen auch der Rechtssicherheit unter den Parteien und gegenüber Dritten: Die Parteien verfügen alsdann über ein Beweismittel bezüglich Abschluss und Inhalt des Vertrages. Das erleichtert ihnen z.B. die Prozessführung.7 Bestimmte Formvorschriften gewähren sodann gegenüber der Öffentlichkeit die Transparenz von Vertragsbedingungen.8

342

Schliesslich zwingt die Fixierung des Vertragsinhalts die Parteien zur Klarstellung und Präzisierung der Verhältnisse und der Rechtslage. Dies gilt insbesondere dort, wo der Vertrag die Grundlage für einen Registereintrag darstellt.9 2.3

343

Über den zu eng gefassten Gesetzeswortlaut hinaus ist Art. 11 Abs. 1 OR nicht nur auf Verträge (bezüglich Antrag und Annahme s. N 209, N 223), sondern auf alle Rechtsgeschäfte – einschliesslich der einseitigen – anwendbar.10 2.4

344

Anwendungsbereich

Arten

Es werden vier Arten von gesetzlichen Formvorschriften unterschieden: 3 4 5 6 7 8 9 10

108

BK OR-Schmidlin, Art. 11 N 172 ff. BGE 135 III 206 E. 3.7 = Pra 2009 Nr. 77; 118 II 273 E. 3b; 116 II 117 E. 7b. S. BGE 4A_281/2014 E. 4.1; 140 III 200 E. 4.2 = Pra 2014 Nr. 102; BK OR-Müller, Art. 11 N 52. Bundesgesetz vom 23. März 2001 über den Konsumkredit (SR 221.214.1). BK OR-Müller, Art. 11 N 55; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 11 N 46. S. BGE 127 III 529 E. 3c. BGE 140 III 200 E. 4.2 = Pra 2014 Nr. 102; 4A_281/2014 E. 4.1; BK OR-Schmidlin, Art. 11 N 14. Von Tuhr/Peter, 233 f.

§4

Form und Inhalt des Vertrages (Art. 11–16, Art. 19 und Art. 20 OR)

345

gesetzliche Formvorschriften

Textform

einfache Schriftlichkeit

(s. N 347)

(s. N 348 ff.)

jede schriftliche Ausdrucksweise, die den dauerhaften Nachweis der Erklärung ermöglicht

Textform

Unterzeichnung durch alle verpflichteten Parteien Art. 13 Abs. 1 OR

qualifizierte Schriftlichkeit (s. N 359)

öffentliche Beurkundung (s. N 360 ff.)

einfache Schriftlichkeit

formbedürftiges Rechtsgeschäft wird von einer vom Staat mit dieser Aufgabe zusätzliche betrauten Person Anforderungen (ZH: Notar) in einem inhaltlicher oder dafür vorgesehenen formeller Natur Verfahren (ZH: Art. 236 ff. EG ZGB) in einem Schriftstück festgehalten

Abbildung: Die vier Arten gesetzlicher Formvorschriften

Die Textform ist die schwächste gesetzliche Formvorschrift, die öffentliche Beur- 346 kundung die aufwendigste. Dazwischen liegen die einfache und die qualifizierte Schriftlichkeit. a.

Textform

Einige Gesetzesbestimmungen schreiben die sog. Textform vor. Im Allgemeinen 347 Teil des  OR fehlt eine allgemeine Definition der Textform. Bei der Bestimmung dieses Begriffes muss man sich daher an den Umschreibungen in den verschiedenen Gesetzen bzw. Gesetzesstellen orientieren (s. z.B. Art. 40d OR; Art. 17 Abs. 2 ZPO11; Art. 5 Abs. 1 und Art. 178 Abs. 1 IPRG12). Dem Textformerfordernis genügt in der Regel jeder schriftliche Ausdruck, der den dauerhaften Nachweis der Erklärung ermöglicht (z.B. gewöhnliche E-Mail).13 b.

Einfache Schriftlichkeit (Art. 13–15 OR)

Damit die einfache Schriftlichkeit (einfache Schriftform) erfüllt ist, sind zwei Vor- 348 aussetzungen zu beachten: • Erklärung in Schriftform (s. N 349); • Unterzeichnung durch alle verpflichteten Parteien (s. N 350 ff.). 11 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung; SR 272). 12 Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (SR 291). 13 S. BK OR-Müller, Art. 11 N 103 ff.; s. ferner auch der OR 2020-Entwurf, welcher in Art. 25 OR 2020 eine Regelung der Textform für den Allgemeinen Teil des OR vorschlägt.

109

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

349

Der Inhalt der Erklärung ist zu verkörpern, das heisst, in Schriftzeichen dauerhaft auf einem Erklärungsträger festzuhalten.14 Gleichgültig ist die Schreibtechnik, also die Schriftart und das dazu verwendete Gerät.15 Nach herrschender Lehre ist die Aufzeichnung auf einem Ton- oder Datenträger unzureichend, weil sie nur mit technischen Hilfsmitteln gelesen werden kann und nicht veränderungsresistent ist.16 Aus Praktikabilitäts- und Wirtschaftlichkeitsgründen sollen nach einer neueren Lehre zu Recht auch elektronische Aufzeichnungen dem Erfordernis der Schriftform genügen, zumal neue Technologien deren Unabänderlichkeit in zunehmendem Masse zu gewährleisten vermögen (s. N 357).17 Die Frage, ob PDFs und Bilder, welche veränderungsresistent ausgestaltet wurden, das Schriftformerfordernis zu erfüllen vermögen, ist vor dem Hintergrund von Art. 14 Abs. 2bis OR zu beantworten: Das Institut der elektronischen Signatur (s. N 357) würde wenig Sinn machen, wenn die elektronische Erklärung dem Schriftlichkeitserfordernis nicht genügen würde.18 Ungelöst ist in diesem Zusammenhang allerdings die Problematik kurzfristiger Innovationszyklen von Lesegeräten und -programmen, welche die dauerhafte Lesbarkeit elektronischer Aufzeichnungen infrage stellen.

350

Alsdann ist für die Erfüllung der einfachen Schriftlichkeit erforderlich, dass alle Personen, die durch den Vertrag verpflichtet werden, ihn unterzeichnen (Art. 13 Abs. 1 OR).19 Damit anerkennen sie den förmlich festgehaltenen Vertragsinhalt und dokumentieren so ihren Abschlusswillen.20

351

Durch die Unterschrift müssen die erklärenden Personen aber auch identifiziert werden können.21 Dafür genügt in jedem Fall der ausgeschriebene Familien- und Vorname. Ergibt sich die Identität der erklärenden Person aus den Angaben in der Vertragsurkunde, so reicht nach herrschender Lehre das Unterzeichnen mit dem Familien- oder Vornamen, einem Pseudonym oder der Verwandtschaftsbeziehung aus, sofern dies verkehrsüblich ist.22 Hingegen werden blosse Initialen – insoweit als sie nicht nur zur Bekräftigung von Änderungen oder Zusätzen zu einer bereits mit 14 CHK OR-Kut, Art. 13 N 5; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 13 N 6. 15 ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 13 N 11. 16 Bucher, OR AT, 164; BK OR-Schmidlin, Allg. Erl. zu Art. 12–15 N 4. 17 BSK OR-Schwenzer, Art. 13 N 14c; CR CO-Xoudis, Art. 13 N 4. 18 CHK OR-Kut, Art. 13 N 6. S. ferner BSK OR-Schwenzer, Art. 13 N 14c, welche darauf hinweist, dass das Einfügen einer zuvor elektronisch gespeicherten Unterschrift in den Text eines Word-Dokuments den Anforderungen der einfachen Schriftlichkeit im Sinne von Art. 13 f. OR nicht genügt. Ausführlich zur Frage, ob PDF-Dateien auch ohne elektronische Signatur dem Schriftformerfordernis genügen können, Gericke/ Ivanovic, SJZ 2017, 335 ff. 19 Dementsprechend gilt, dass eine ausschliesslich berechtigte Vertragspartei (z.B. der Beschenkte) den Vertrag nicht unterzeichnen muss. Dasselbe gilt auch für reine Verfügungsgeschäfte, bei welchen die Schriftform vorausgesetzt wird (z.B. Art. 165 Abs. 1 OR). Bei diesen muss nur der Verfügende unterzeichnen; s. dazu BSK OR-Schwenzer, Art. 13 N 9. 20 BGE 4C.308/2004 E. 3.2; 119 III 4 E. 3. 21 BGE 4C.308/2004 E. 3.2; 119 III 4 E. 3; CR CO-Xoudis, Art. 13 N 5. 22 Bucher,  OR AT, 165; Furrer/Müller-Chen, Kap. 5 N  19; ZK  OR-Schönenberger/Jäggi, Art.  13 N 25 ff.; teils a.M. Koller, OR AT, N 12.56.

110

§4

Form und Inhalt des Vertrages (Art. 11–16, Art. 19 und Art. 20 OR)

genügender Namensangabe unterzeichneten Erklärung angebracht werden  – als ungenügend erachtet.23 Die Unterschrift braucht nicht leserlich, hat aber so individualisiert zu sein, dass sich die Identität des Erklärenden zweifelsfrei feststellen lässt. Die Unterschrift muss in der Weise angebracht werden, dass sie den Vertragstext 352 deckt: Sie steht grundsätzlich am Ende des Texts.24 In zeitlicher Hinsicht braucht sie aber der Aufzeichnung des Erklärungsinhalts nicht zu folgen. Blankette sind also grundsätzlich zulässig.25 Allerdings bestehen hier unterschiedlich restriktive Auffassungen: Schönenberger/Jäggi setzen beispielsweise eine der Unterschrift vorangehende Verurkundung des Erklärungsinhalts voraus und stellen im Falle einer nachträglichen (abredegemässen) Vervollständigung des Blanketts durch den Empfänger auf den Schutzzweck der verletzten Formvorschrift ab: Bezweckt die Formvorschrift (unter anderem) den Schutz der erklärenden Person (z.B. vor Übereilung), vermag ein nachträglich vervollständigtes Blankett die Schriftform nicht zu erfüllen.26 Dem Gesetz liegt die Vorstellung der Urkundeneinheit zugrunde (s.  Art.  13 353 Abs.  1  OR). Dies bedeutet, dass alle erforderlichen Unterschriften auf derselben Vertragsurkunde anzubringen sind.27 Der vormalige Art. 13 Abs. 2 aOR hielt noch fest, dass auch Briefe und Telegramme der schriftlichen Form genügen, sofern sie die Unterschriften aller sich verpflichtenden Personen tragen. Mit dem Bundesgesetz über die elektronische Signatur (ZertES)28 wurde Art. 13 Abs. 2 aOR mit der Begründung aufgehoben, es gebe erstens keine Inlandtelegramme mehr und der Briefwechsel sei zweitens bereits von Art.  13 Abs.  1  OR erfasst.29 Damit ist klargestellt, dass auch ein Briefwechsel den Formvorschriften genügen kann. Art.  11 Abs. 1 OR wird somit auch Genüge getan, wenn die sich verpflichtenden Parteien nicht auf ein und derselben Urkunde unterschreiben.30 Die Unterschrift hat eigenhändig zu erfolgen (Art. 14 Abs. 1 OR). Auch die Stellver- 354 treterin muss mit ihrem eigenen Namen unterschreiben, obwohl sie nicht sich selber verpflichtet (s. N 1022 ff.). Voraussetzung ist jedoch, dass tatsächlich ein Vertretungsverhältnis vorliegt und dieses in der Urkunde zum Ausdruck gebracht wird (z.B. durch die Hinzufügung «in Vertretung …»).31 Die Nachbildung auf mechani-

23 24 25 26 27 28

CHK OR-Kut, Art. 13 N 12; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 13 N 28. BGE 106 II 146 E. 2a; 85 II 565 E. 1. Von Tuhr/Peter, 242. ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 13 N 40 ff. ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 13 N 59. Bundesgesetz vom 18. März 2016 über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur und anderer Anwendungen digitaler Zertifikate (Bundesgesetz über die elektronische Signatur; SR 943.03). 29 Botschaft zum Bundesgesetz über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur vom 3. Juli 2001, BBl 2001 5679 ff., 5707. 30 Gauch/Schluep/Schmid, N 507. 31 BK OR-Schmidlin, Allg. Erl. zu Art. 12–15 N 14 ff. m.w.H.

111

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

schem Wege genügt nur, wenn dies verkehrsüblich ist, namentlich bei Wertpapieren und Versicherungspolicen (Art. 14 Abs. 2 OR; faksimilierte Unterschrift).32 355

Lehre und Rechtsprechung hielten dafür, dass Telefaxübermittlungen der Schriftform des inzwischen, wie bereits erwähnt, aufgehobenen Art. 13 Abs. 2 aOR genügten.33 Anders stellte man sich zum Zusenden von Fotokopien: Aus technischen Gründen besteht hier keinerlei Bedarf, von der Grundregel, wonach eine Originalunterschrift erforderlich ist, abzuweichen.34 Wenngleich Art. 13 Abs. 2 aOR in der Zwischenzeit nicht mehr in Kraft ist, entspricht die Differenzierung zwischen Telefax und Fotokopie noch immer der herrschenden Lehre.35

356

Die Unterschrift von Blinden ist nur verbindlich, wenn sie beglaubigt wurde oder wenn nachgewiesen werden kann, dass der Vertragsinhalt der blinden Person im Zeitpunkt der Unterzeichnung bekannt war (Art. 14 Abs. 3 OR). Wenn der Aussteller durch körperliche Unfähigkeit oder Unkenntnis der Schrift nicht in der Lage ist zu unterschreiben, kann an die Stelle der Unterschrift das beglaubigte Handzeichen oder die öffentliche Beurkundung treten (Art. 15 OR).

357

Art. 14 Abs. 2bis OR stellt die mit einem qualifizierten Zeitstempel verbundene qualifizierte elektronische Signatur (s. Art. 2 lit. e und lit. j ZertES) der eigenhändigen Unterschrift gleich. Abweichende gesetzliche oder vertragliche Regelungen bleiben vorbehalten. Fehlt eine solche Signatur, können E-Mails und andere elektronische messaging services (z.B. SMS, MMS) die Schriftform nicht erfüllen.36 Mit der elektronischen Signatur kann die Identität des Absenders einer Nachricht (in der Regel einer E-Mail) oder eines anderen elektronischen Dokuments nachgewiesen werden (sog. Authentizität). Ausserdem ist sichergestellt, dass die Meldung bzw. das elektronische Dokument veränderungsresistent ist (sog. Integrität).37 Durch den qualifizierten Zeitstempel soll ausserdem jederzeit rekonstruierbar sein, dass die elektronische Signatur zu einem bestimmten Zeitpunkt erstellt wurde.38 Betreffend Anerkennungsvoraussetzungen, Anbieter, Ablauf, Inhalt und Ausstellung gelten die Art. 3 ff. ZertES.

358

Anwendungsbeispiele für die einfache Schriftlichkeit finden sich etwa in Art. 165 Abs.  1  OR (Abtretungsvertrag), Art.  216 Abs.  3  OR (Vorkaufsvertrag), Art.  243 Abs. 1 OR (Schenkungsversprechen), Art. 408 Abs. 2 OR (Kreditauftrag), Art. 517 OR (Leibrentenvertrag), Art. 513 Abs. 1 ZGB (Aufhebung des Erbvertrages), Art. 634 32 33 34 35

S. Koller, OR AT, N 12.50; von Tuhr/Peter, 240. BK OR-Schmidlin, Art. 13 N 32. BGE 121 II 252 E. 3 = Pra 1996 Nr. 147; 112 Ia 173 E. 1. S. Gauch/Schluep/Schmid, N 518; BSK OR-Schwenzer, Art. 13 N 14 ff.; KuKo OR-Wiegand/Hurni, Art. 13 N 10. 36 S. Furrer/Müller-Chen, Kap. 5 N 29. 37 BBl 2001 5684. 38 Botschaft zur Totalrevision des Bundesgesetzes über die elektronische Signatur (ZertES) vom 15. Januar 2014, BBl 2014 1001 ff., 1011.

112

§4

Form und Inhalt des Vertrages (Art. 11–16, Art. 19 und Art. 20 OR)

Abs. 2 ZGB (Erbteilungsvertrag) oder Art. 635 Abs. 1 ZGB (Vertrag unter Miterben über Abtretung der Erbanteile). c.

Qualifizierte Schriftlichkeit

Bei der qualifizierten Schriftlichkeit treten zu den Anforderungen der einfachen 359 Schriftlichkeit zusätzliche Voraussetzungen inhaltlicher oder formeller Natur hinzu. Neben der Unterschrift muss z.B. auch die Erklärung oder ein Teil davon eigenhändig geschrieben sein (s. Art. 493 Abs. 2 OR: Bürgschaftsvertrag bis CHF 2000; Art. 505 ZGB: letztwillige Verfügung). Oder es hat die Erklärung auch bestimmte Angaben zu umfassen (s.  Art.  269d  OR: Mietzinserhöhung; Art.  347a  OR: Handelsreisendenvertrag; Art.  9  ff. KKG: Konsumkreditvertrag). Schliesslich kann der Gesetzgeber die Formgültigkeit auch von der Verwendung eines bestimmten Formulars abhängig machen (s. Art. 266l Abs. 2 OR: Kündigung von Wohn- und Geschäftsräumen; Art. 269d Abs. 1 und Abs. 2 lit. a OR: Mietzinserhöhung). d.

Öffentliche Beurkundung

Die öffentliche Beurkundung stellt die anspruchsvollste gesetzliche Formvorschrift dar. Sie besteht darin, dass eine rechtlich erhebliche Tatsache oder Erklärung «durch eine vom Staat mit dieser Aufgabe betraute Person, in der vom Staate geforderten Form und in dem dafür vorgesehen Verfahren» festgehalten wird.39

360

Der Begriff der öffentlichen Beurkundung gehört zum Bundesrecht; die Kantone 361 dürfen aber bestimmen, wie die öffentliche Beurkundung erfolgen soll (Art.  55 Abs. 1 SchlT ZGB).40 Nach Massgabe des Grundsatzes der Freizügigkeit muss eine – an einem beliebigen Ort der Schweiz nach den Vorschriften des Beurkundungsortes – formgemäss errichtete Urkunde in der ganzen Schweiz anerkannt werden.41 Den Kantonen sind in ihren Gesetzgebungskompetenzen im Übrigen dort Grenzen gesetzt, wo das Bundesprivatrecht gewollt auf Gültigkeitsvorschriften verzichtet hat.42 In der Lehre umstritten und von der Rechtsprechung bislang nicht entschieden ist 362 die Frage, ob das Formerfordernis der einfachen Schriftlichkeit (einfache Schriftform) bei Vorliegen einer öffentlichen Beurkundung eo ipso erfüllt ist.43 Zu denken ist etwa an den Fall, in welchem ein öffentlich beurkundetes Schriftstück nicht von 39 BGE 99 II 159 E. 2a. 40 BGE 133 I 259 E. 2.1; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 11 N 57. 41 Anders bei Grundstückkaufverträgen BGE 113 II 501 E. 3, wonach die Kantone die Beurkundung an das Recht der gelegenen Sache (lex rei sitae) binden dürfen; zum Ganzen Gauch/Schluep/Schmid, N 528 f.; BK ZGB-Wolf, Art. 9 N 37. 42 BK OR-Schmidlin, Art. 11 N 80. 43 Befürwortend: Bucher, OR AT, 166; Engel, CO PG, 256; CHK OR-Kut, Art. 13 N 18; BK OR-Schmidlin, Allg. Erl. zu Art. 12–15 N 33 und Art. 11 N 89; BSK OR-Schwenzer, Art. 13 N 15; von Tuhr/Peter,

113

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

allen Personen unterzeichnet wurde, die sich dadurch verpflichten. Unseres Erachtens ist auf den Rechtsbindungswillen abzustellen: Ist dieser ohne Weiteres ersichtlich, so soll die öffentliche Beurkundung die einfache Schriftlichkeit umfassen. 363

Folgende Rechtsgeschäfte bedürfen z.B. zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung: Art.  216 Abs.  1  OR i.V.m. Art.  657 Abs.  1 ZGB (Grundstückkaufvertrag), Art. 243 Abs. 2 OR (Schenkungsversprechen, die Grundstücke oder dingliche Rechte zum Inhalt haben), Art. 493 Abs. 2 OR (Bürgschaftsvertrag mit einer Haftungssumme von mehr als CHF 2000), Art. 522 Abs. 1 OR (Verpfründungsvertrag) oder Art. 680 Abs. 2 ZGB (Aufhebung und Abänderung privatrechtlicher Grundeigentumsbeschränkungen). 2.5

Umfang des Formzwangs

364

Das Gesetz schreibt bisweilen vor, welche Vertragsbestandteile vom Formzwang miterfasst werden. So ordnen beispielsweise Art. 493 OR oder Art. 9 ff. KKG an, welche inhaltlichen Angaben zur Einhaltung der gesetzlichen Formvorschriften notwendig sind. Oder es kann sich in persönlicher Hinsicht der Formzwang auf die Vertragserklärung einer Partei beschränken, namentlich bei der Abtretung (Art. 165 Abs. 1 OR), der Schenkung (Art. 243 Abs. 1 OR) und der Bürgschaft (Art. 493 OR).

365

Fehlt eine gesetzliche Regelung, unterliegen nach herrschender Lehre und Rechtsprechung zunächst die objektiv wesentlichen Vertragspunkte dem Formerfordernis.44 Die darüber hinausgehenden Vertragsbestandteile (sog. accidentalia negotii; s.  N  260) sind insoweit formbedürftig, als sie die Hauptleistungspflichten bekräftigen bzw. deren Verhältnis zueinander präzisieren, beispielsweise Zahlungsbedingungen oder Konventionalstrafen.45 Dem Grundsatze nach sind sodann auch die subjektiv wesentlichen Vertragspunkte formbedürftig.46 Um die Formfreiheit nicht 235; differenzierend BK OR-Müller, Art. 11 N 154; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 11 N 64 ff.; a.M. Koller, OR AT, N 12.146. 44 BGE 4A_281/2014 E. 3.2; 135 III 295 E. 3.2 = Pra 2009 Nr. 121; 4C.396/2002 E. 2.4; 125 III 131 E. 4b = Pra 1999 Nr. 132; 123 III 97 E. 2; 113 II 402 E. 2a; Gauch/Schluep/Schmid, N 537; BK OR-Schmidlin, Art. 11 N 92; BSK OR-Schwenzer, Art. 11 N 14. 45 S. BGE 4C.271/2003 E. 2.1; 39 II 224; BK OR-Schmidlin, Art. 11 N 96; Schwenzer, OR AT, N 31.22. Ersatzvereinbarungen wie z.B. Konventionalstrafen fallen jedoch nicht in jedem Fall unter den Formzwang. Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine Ersatzvereinbarung die Bekräftigung einer Hauptleistungspflicht bezweckt. Dies ist beispielsweise nicht der Fall, wenn im Rahmen eines Vorvertrages zu einem Grundstückkauf eine Ersatzvereinbarung abgeschlossen wird, die einzig den Zweck verfolgt, das negative Interesse für das Nichtzustandekommen des Vertrages abzugelten (z.B. einen im Vertrauen auf den künftigen Vertragsabschluss getätigten Planungsaufwand). Eine solche Vereinbarung kann formfrei getroffen werden. Dazu BGE 140 III 200 E. 5.3 = Pra 2014 Nr. 102; 4A_281/2014 E. 3.2; Huguenin/Hoessly, 48 ff.; Koller, Formmangel, § 3 N 100 ff. 46 BGE 4C.314/2005 E. 2.2; 4C.396/2002 E. 2.4; 125 III 131 E. 4b = Pra 1999 Nr. 132; 123 III 97 E. 2; 113 II 402 E. 2a; CHK OR-Kut, Art. 11 N 13; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 11 N 28; CR CO-Xoudis, Art. 11 N 26 f.; a.M. Bucher, OR AT, 163 f.

114

§4

Form und Inhalt des Vertrages (Art. 11–16, Art. 19 und Art. 20 OR)

zweckwidrig einzuschränken47, werden gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung die subjektiv wesentlichen Punkte indessen nur insoweit dem Formzwang unterworfen, als sich diese ihrer Natur nach in den Grenzen des konkreten formbedürftigen Vertragstypus bewegen48, das heisst vom cadre naturel des betreffenden Geschäfts umfasst werden.49 Formbedürftig sind subjektiv wesentliche Vertragspunkte vor allem dann, wenn sie sich auf Leistungen beziehen, die das Synallagma betreffen, mithin das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung beeinflussen (z.B.: Der Käufer eines Grundstücks verpflichtet sich zur Überbauung eines anderen Grundstücks der Verkäuferin unter Anrechnung an den Kaufpreis).50 Beim Grundstückkauf durch eine Stellvertreterin muss deren Bevollmächtigung nach herrschender Lehre und Rechtsprechung nicht öffentlich beurkundet werden. Das Vertretungsverhältnis ist in der Urkunde aber richtig wiederzugeben (s. N 1068 ff.).51 365a Nebenpunkte subjektiv wesentliche Punkte

objektiv wesentliche Punkte Formzwang

Abbildung: Umfang des Formzwangs

Ist ein Vertrag nur unter Beachtung einer gesetzlichen Formvorschrift gültig, so 366 unterliegen nachträgliche Änderungen ebenfalls dem Formzwang (Art.  12  OR). Davon ausgenommen sind ergänzende Nebenbestimmungen, und zwar – entgegen dem Wortlaut von Art. 12 OR – auch solche, die im Widerspruch zur Urkunde stehen, sofern sie den Inhalt objektiv und subjektiv unwesentlicher Punkte ändern.52 Der Wortlaut von Art. 12 OR ist gleichzeitig zu eng und zu weit gefasst: Die Geset-

47 48 49 50 51 52

S. Wolfer, § 2 N 63 ff. BGE 4A_530/2016 E. 8.2; 5A_140/2014 E. 3.1; 5A_251/2010 E. 6; 135 III 295 E. 3.2 = Pra 2009 Nr. 121; 117 II 259 E. 2b; 113 II 402 E. 2a. BGE 90 II 34 E. 2; s. auch BGE 119 II 135 E. 2a = Pra 1993 Nr. 209; 113 II 402 E. 2a. S. BGE 5A_140/2014 E. 3.1; 4A_29/2013 E. 3.1; 5A_251/2010 E. 6; 135 III 295 E. 3.2 = Pra 2009 Nr. 121; 113 II 402 E. 2a. BGE 4C.356/2001 E. 2a aa; 112 II 330 E. 1a; 99 II 159 E. 2b; Wolfer, § 2 N 73 ff. BGE 123 III 97 E. 2; BK OR-Schmidlin, Art. 12 N 17; BSK OR-Schwenzer, Art. 12 N 5.

115

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

zesbestimmung ist auch auf die öffentliche Beurkundung anwendbar,53 aber nicht auf die vertraglich vorbehaltene Form (Art. 16 OR; s. N 389). 367

Zu prüfen ist weiter, in welchem Verhältnis Art. 12 OR zu Art. 115 OR steht. Während sich nach Art. 12 OR der Formzwang auch auf die Modifikation eines formgebundenen Vertrages bezieht, statuiert Art. 115 OR die formfreie Aufhebbarkeit einer formbedürftigen Forderung. Stehen zwei Forderungen im Austauschverhältnis (Synallagma), kann jedoch nicht die eine Forderung aufgehoben werden, ohne dass dadurch nicht die Erfüllung der anderen erschwert würde. Eine derartige Erschwernis liefe dem Schutzzweck von Art.  12  OR zuwider.54 Ein Teil der Lehre schlägt deshalb zu Recht folgende Lösung vor: Betrifft die Aufhebung oder Beschränkung eine synallagmatische Forderung und bleibt das Vertragsverhältnis weiterhin bestehen, geht Art. 12 OR vor (Formbindung betrifft auch Modifikation). Einseitige und unvollkommen zweiseitige Verträge sowie Schuldverhältnisse i.w.S.  können dagegen formfrei aufgehoben werden (Art. 115 OR; s. N 735).55 Demgegenüber geht ein anderer Teil der Doktrin davon aus, dass auch bei (Teil-)Erlass einzelner Forderungen innerhalb eines Vertragsverhältnisses Art. 115 OR anzuwenden ist, die Formbindung also entfällt (s. N 734).56

367a

Der OR 2020-Entwurf nennt in seinem Gesetzesvorschlag im Unterschied zum geltenden Art. 12 OR neben der «Änderung» explizit auch die «teilweise Aufhebung» des Vertragsverhältnisses (s. Art. 26 OR 2020). Damit gemeint ist die Aufhebung einzelner Pflichten (z.B. Forderungen) oder Vertragsbestimmungen. Der Bestimmung ist e contrario zu entnehmen, dass die vollständige Aufhebung eines Vertragsverhältnisses formfrei möglich ist – auch wenn für dessen Abschluss eine Form vorgesehen war. Für diese Lösung spricht, dass die Parteien durch die vollständige Aufhebung eines Vertrages so gestellt werden, als ob sie diesen nie abgeschlossen hätten. Für den Nichtabschluss eines formbedürftigen Vertragsverhältnisses ist regelmässig keine Form vorgesehen. Es wäre daher sinnwidrig, für dessen Aufhebung eine Form zu verlangen. Nach Emmenegger/Kurzbein käme es denn auch einem «exzessiven, der Rechtsrealität kaum entsprechenden Formalismus gleich, von den Parteien einen formgültigen Aufhebungsvertrag zu verlangen, obwohl sie sich einig sind, dass der Vertrag nicht mehr gelten soll»57. Sinn und Zweck der Formvorschriften bestehen gerade darin, Parteien vor den mit Abschluss eines Vertragsverhältnisses entstehenden Bindungen zu schützen. Die vollständige Aufhebung eines Vertragsverhältnisses sollte unseres Erachtens daher, wie im OR 2020-Entwurf vorgeschlagen, formlos erfolgen können.

53 BGE 123 III 97 E. 2; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 12 N 3. 54 BK OR-Schmidlin, Art. 12 N 11. 55 Gauch/Schluep/Schmid, N 580; BK OR-Schmidlin, Art. 12 N 11 ff.; BSK OR-Schwenzer, Art. 12 N 6. 56 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3127; CHK OR-Kut, Art. 12 N 8; s. auch von Tuhr/Peter, 242 f. 57 OR 2020-Emmenegger/Kurzbein, Art. 26 N 6.

116

§4

Form und Inhalt des Vertrages (Art. 11–16, Art. 19 und Art. 20 OR)

3.

Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung gesetzlicher Formvorschriften (Art. 11 Abs. 2 OR)

3.1

Formungültigkeit

Art.  11 Abs.  2  OR hält fest, dass der formwidrige Vertrag unter Vorbehalt einer 368 anderen gesetzlichen Regelung ungültig ist. Formvorschriften sind also grundsätzlich Gültigkeitsvorschriften. Nur wo das Gesetz dies explizit vorsieht, sind sie blosse Ordnungsvorschriften und somit ohne Konsequenz für die Gültigkeit des Vertrages. Beispielsweise berührt die fehlende Schriftlichkeit des Arbeitsvertrages eines Handelsreisenden die Vertragsgültigkeit nicht, da Art. 347a OR in erster Linie Ordnungscharakter hat.58 Dagegen ist für dessen Inhalt die Einhaltung der Formvorschrift Gültigkeitserfordernis, da bei Nichtbeachtung der Schriftform das dispositive Gesetzesrecht zur Anwendung gelangen würde (Art. 347a Abs. 2 OR).59 Nach der klassischen Nichtigkeitslehre sind Verträge mit einem Formmangel abso- 369 lut nichtig, das heisst unheilbar unwirksam.60 Gerichte müssen einen Formmangel von Amtes wegen berücksichtigen, und auch Dritte können sich auf diesen berufen, sofern sie davon betroffen sind (s. N 431).61 Inzwischen ist die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Recht dazu übergegan- 370 gen, der absoluten Nichtigkeit formungültiger Rechtsgeschäfte Grenzen zu setzen.62 Da die Nichtigkeit in gewissen Fallkonstellationen zu unbilligen Ergebnissen führt, schwächt das Bundesgericht die Nichtigkeitsfolgen durch ein Heranziehen des Rechtsmissbrauchsverbots (Art.  2 Abs.  2 ZGB) ab: Wenn die Berufung auf einen Formmangel gegen Treu und Glauben verstösst und damit einen offenbaren Rechtsmissbrauch im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZGB darstellt, bleibt der Formmangel unbeachtlich, und es wird der nichtige Vertrag wie ein gültiger behandelt.63 Ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt, beurteilt sich dabei unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und nicht in Anwendung von starren Regeln.64 Nach der Praxis des Bundesgerichts ist die Berufung auf einen Formmangel rechts- 371 missbräuchlich, wenn beide Parteien den Vertrag freiwillig und irrtumsfrei sowie in Kenntnis des Formmangels und seiner Folgen vollständig oder mindestens zur

58 59 60 61 62

BGE 116 II 700 E. 3a. S. Koller, OR AT, N 12.23. BGE 106 II 146 E. 3; Von Tuhr/Peter, 225. BGE 106 II 146 E. 3. S. BGE 4A_281/2014 E. 4.1; 4A_98/2014 E. 4.2.2; 138 III 401 E. 2.3.1; 4C.175/2003 E. 3.2; 112 II 330 E. 2b; s. ferner BSK OR-Schwenzer, Art. 11 N 18 m.w.H. auf die Rechtsprechung. 63 BGE 4C.175/2003 E. 3.2; 98 II 313 E. 2. 64 BGE 4A_573/2016 E. 2.3 m.w.H.; 4A_256/2015 E. 3.3.2; 4A_281/2014 E. 4.1; 138 III 123 E. 2.4.2; 115 II 331 E. 5a.

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1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Hauptsache erfüllt haben.65 Hat eine Partei den Vertrag in Unkenntnis des Formmangels erfüllt, ist ihre Berufung darauf grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich.66 Wichtiger Anwendungsfall einer missbräuchlichen Berufung auf einen Formmangel ist der Grundstückkauf mit Schwarzzahlung, wonach zur Steuer- oder Gebührenhinterziehung ein niedrigerer Kaufpreis verurkundet wird, als tatsächlich vereinbart wurde:67 Das simulierte Rechtsgeschäft ist nach Art. 18 OR unwirksam (s. N 199 ff.). Das dissimulierte Rechtsgeschäft dagegen ist wegen Formmangels nichtig (Art. 216 Abs. 1 OR).68 Ist der Vertrag von den Parteien indessen freiwillig und irrtumsfrei erfüllt worden, stellt die Berufung auf den Formmangel ein widersprüchliches Verhalten dar (venire contra factum proprium), welches nach Art.  2 Abs.  2 ZGB keinen Rechtsschutz verdient.69 Dies gilt unter Umständen sogar dann, wenn der Vertrag noch nicht vollständig, aber zur Hauptsache, erfüllt wurde, namentlich die Schwarzzahlung noch aussteht.70 372

Als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist auch die Berufung jener Partei auf den Formmangel, welche ihn arglistig herbeigeführt, bewusst in Kauf genommen oder gewollt hat.71 Dasselbe gilt bei zweckwidriger Geltendmachung des Formmangels, beispielsweise wenn eine Partei beabsichtigt, sich mit der Berufung auf den Formmangel und der daraus resultierenden Vertragsungültigkeit die zwischenzeitliche Wertsteigerung eines Grundstücks zunutze zu machen oder vertragliche Gewährleistungsansprüche zu umgehen.72 Nur wer ein vom Schutzzweck der Formvorschrift geschütztes Interesse hat, soll sich auf einen Formmangel berufen dürfen.73 65 66 67 68 69 70

71 72 73

118

Statt vieler BGE 4A_256/2015 E. 3.3.2; 4A_637/2014 E. 6; 140 III 200 E. 4.2 m.w.H. = Pra 2014 Nr. 102; 138 III 401 E. 2.3.1; 123 III 70 E. 3c; 115 II 331 E. 5a; 53 II 166 E. 2. BGE 138 III 401 E. 2.3.1 m.w.H.; 112 II 330 E. 2b; s. Koller, OR AT, N 12.140; BSK OR-Schwenzer, Art. 11 N 19. Für eine mögliche Ausnahme s. BGE 138 III 401 E. 2.3.2. Berger, Schuldrecht, N 774; Furrer/Müller-Chen, Kap. 5 N 46; Gauch/Schluep/Schmid, N 563 ff.; Koller, Formmangel, § 3 N 86 ff. S. BGE 5A.33/2006 E. 5; 104 II 99 E. 2a; 98 II 313 E. 2. BGE 115 II 331 E. 5a; 104 II 99 E. 3. BGE 104 II 99 E. 3d. In diesem Entscheid verweigerte das Bundesgericht dem Verkäufer die Berufung auf den Formmangel und die Rückabwicklung des ungültigen Vertrages wegen Rechtsmissbrauchs, obschon sich die Käuferin zuvor weigerte, den nicht beurkundeten Teil des Kaufpreises zu zahlen. Gleichzeitig führte das Bundesgericht aber aus, dass es auch rechtsmissbräuchlich sei, wenn der Verkäufer die noch ausstehende Schwarzgeldzahlung verlange (E. 4c und E. 4d). Dem ist nicht zuzustimmen. Ist die Berufung auf den Formmangel rechtsmissbräuchlich, so ist der Vertrag, das heisst auch die tatsächlich gewollte Schwarzgeldzahlung, so zu erfüllen, als ob er nicht mit einem Formmangel behaftet wäre. Die Erfüllung einer solchen Schwarzgeldzahlung mag steuer- und strafrechtliche Konsequenzen haben, sollte jedoch grundsätzlich keine Auswirkung auf die zivilrechtliche Rechtslage haben. S. auch die Kritik von Gauch/Schluep/ Schmid, N 566 f., und Koller, Formmangel, § 3 N 86 ff. BGE 112 II 330 E. 2a; 90 II 21 E. 2c; 88 II 18 E. 5; Berger, Schuldrecht, N 772; Gauch/Schluep/Schmid, N 555. BGE 4A_281/2014 E. 4.1; 112 II 330 E. 3a; 92 II 323 E. 4 (bezüglich Ausnützung der Wertsteigerung); 86 II 398 E. 2b (bezüglich Gewährleistungsansprüche). BGE 4A_281/2014 E. 4.1; 4A_168/2014 E. 3.2.1 und E. 3.2.4; 140 III 200 E. 4.2 = Pra 2014 Nr. 102; 138 III 123 E. 2.4.1; 112 II 330 E. 3b. Es ist zu begrüssen, dass das Bundesgericht den Zweck einer Formvorschrift berücksichtigt. Allerdings wäre es wünschenswert, wenn dies nicht unter dem Kriterium des Rechtsmiss-

§4

Form und Inhalt des Vertrages (Art. 11–16, Art. 19 und Art. 20 OR)

Allerdings kann gemäss höchstrichterlicher Judikatur aus dem Rechtsmissbrauchs- 373 verbot grundsätzlich kein Erfüllungsanspruch abgeleitet werden.74 Solange der Vertrag noch gar nicht erfüllt wurde, bleibt die Berufung auf einen Formmangel grundsätzlich möglich. Ein Rechtsmissbrauch ist in diesen Fällen in der Regel ausgeschlossen, da ansonsten über den Umweg der Missbrauchseinrede eine Vertragserfüllung bewirkt würde.75 Das Bundesgericht wendet den Grundsatz, wonach aus dem Rechtsmissbrauchsver- 374 bot kein Erfüllungsanspruch abgeleitet werden kann, indessen nicht strikte an. Eine Ausnahme macht es in konstanter Rechtsprechung bei freiwillig, irrtumsfrei und mindestens in der Hauptsache erfüllten Verträgen. In diesen Fällen sei die Berufung auf einen Formmangel in der Regel rechtsmissbräuchlich und führe zu einem klagbaren Anspruch auf die noch ausstehende Restleistung.76 In einem jüngst ergangenen Entscheid hat das Bundesgericht den soeben erwähnten Grundsatz noch weiter aufgeweicht. Es hält fest, dass unter besonderen Umständen auch beim gänzlich unerfüllten Vertrag eine rechtsmissbräuchliche Berufung auf einen Formmangel vorliegen könne und als Folge der Vertrag erfüllt werden müsse.77 Im erwähnten Entscheid erblickte das Bundesgericht die besonderen Umstände darin, dass die Verkäuferin bei diversen Vorbereitungshandlungen zur Erfüllung eines Grundstückkaufvertrages mitgewirkt und sich erst im Nachhinein und zweckwidrig auf den Formmangel des Vertrages berufen hatte.78 Erstmals hat das Bundesgericht damit ein rechtsmissbräuchliches Berufen auf einen Formmangel bei einem gänzlich unerfüllten Grundstückskaufvertrag bejaht. Die Rechtsfolgen der Formungültigkeit werden in der Lehre kontrovers diskutiert. 375 Ein Teil der Doktrin lehnt die Rechtsprechung des Bundesgerichts ab und spricht sich bei Formungültigkeit für eine sog. «relative Nichtigkeit» aus. Danach soll der Formmangel durch Vertragserfüllung geheilt werden können, und es sollen nur die Parteien (und nicht Dritte) befugt sein, sich auf die Formungültigkeit zu berufen.79 Von Amtes wegen sind Formmängel nur zu berücksichtigen, wenn das formungültige Rechtsgeschäft Grundlage für einen Registereintrag bildet.80

74 75 76 77 78 79 80

brauchs geschehen würde. Bereits bei der Auslegung einer Formvorschrift bestimmt der Zweck der einzelnen Norm, wie weit in die Privatautonomie der Parteien eingegriffen werden soll. Was vom Zweck nicht erfasst ist, fällt erst gar nicht unter die betreffende Formvorschrift. BGE 116 II 700 E. 3b; 115 II 331 E. 5a; 68 II 236 E. 2. S. BGE 4C.21/2007 E. 5.3; 112 II 107 E. 3b; 112 II 330 E. 2a = Pra 1987 Nr. 21; 104 II 99 E. 3d. BGE 138 III 401 E. 2.3.1; 4A_256/2015 E. 3.3.2; 4C.175/2003 E. 3.2 = Pra 2004 Nr. 118; 116 II 700 E. 3b; 53 II 166 E. 2; anders BGE 104 II 99 E. 4c, der einen Anspruch auf Resterfüllung verneinte, aber stark kritisiert wurde (s. N 371). BGE 4A_573/2016 E. 5.2.3; ähnlich bereits BGE 5A_739/2012 E 5.3.1 und E. 5.3.2. BGE 4A_573/2016 E. 5.4.1 und E. 5.4.2. Bucher, OR AT, 169 f.; Gauch/Schluep/Schmid, N 558 ff.; BK OR-Müller, Art. 11 N 210. Eine Heilung grundsätzlich bejahend Koller, OR AT, N 12.136; s. auch Furrer, 109 ff. und 125; a.M. Schwenzer, OR AT, N 31.36 f. mit Differenzierungen. Gauch/Schluep/Schmid, N 562; Koller, OR AT, N 12.118 f.

119

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

376

Die herrschende Lehre vertritt im Weiteren die Auffassung, die Berufung auf einen Formmangel sei unter Umständen selbst dann rechtsmissbräuchlich, wenn der Vertrag noch nicht oder erst von einer Partei erfüllt worden sei. Dies gelte namentlich dort, wo jemand den Formmangel arglistig herbeigeführt habe.81

377

Unseres Erachtens ist das Heranziehen des Rechtsmissbrauchskriteriums im vorliegenden Kontext nicht nötig. Eintritt und Ausgestaltung der Ungültigkeitsfolge sind stattdessen nach Massgabe des Normzwecks der verletzten Formvorschrift zu bestimmen, wobei auch der Grad der Erfüllung zu beachten ist (zur «flexiblen Ungültigkeit» s. N 433). Insbesondere ergibt sich aus dem Schutzzweck des gesetzlich normierten Formerfordernisses auch, wer sich auf den Formmangel berufen darf bzw. ob dieser ex officio zu beachten ist. Soweit die verletzte Formvorschrift ausschliesslich Parteiinteressen schützt, deren Nichteinhaltung darüber hinaus aber kein übergeordnetes öffentliches Interesse verletzt, sollte die Ungültigkeit als parteidisponible – bzw. als zur Disposition der geschützten Partei gestellte – Rechtsfolge ausgestaltet werden (s. z.B. Art. 9 ff. KKG). Dagegen ist der Formmangel von Amtes wegen zu berücksichtigen, wenn die Einhaltung des Formerfordernisses (auch) im öffentlichen (z.B. registerrechtlichen) Interesse liegt.82 Geht man vom rigiden Nichtigkeitskonzept zu einem flexiblen, am Normzweck und am Erfüllungsgrad orientierten Ungültigkeitsregime über, wird das Zurückgreifen auf das Rechtsmissbrauchsverbot demnach entbehrlich.83 3.2

378

Teilweise Formungültigkeit

Betrifft der Formmangel nur einzelne Teile des zu verurkundenden Inhalts, sind nur diese ungültig, wenn – in analoger Anwendung von Art. 20 Abs. 2 OR (s. N 434 ff.) – nach dem hypothetischen Parteiwillen anzunehmen ist, die Parteien hätten den 81

Koller, OR AT, N 12.125; Gauch/Schluep/Schmid, N 557, BK OR-Müller, Art. 11 N 201 und N 205; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 11 N 79. In diesen Fällen soll dementsprechend ein Erfüllungsanspruch bestehen, obwohl der Vertrag noch gar nicht (das heisst auch nicht zur Hauptsache) erfüllt worden ist. Ausführlich dazu Koller, Formmangel, § 3 N 29 und N 35. Neu anerkennt auch das Bundesgericht, dass unter besonderen Umständen auch beim gänzlich unerfüllten Vertrag ein rechtsmissbräuchliches Berufen auf einen Formmangel vorliegen kann; s. BGE 4A_573/2016 E. 5.2.3; 5A_739/2012 E. 5.3.1 und E. 5.3.2. 82 Der OR 2020-Entwurf schlägt in Art. 27 OR 2020 ebenfalls eine solche Flexibilisierung der Ungültigkeitsfolgen von Formmängeln vor. Gemäss ausdrücklicher Regelung soll der Zweck der verletzten Formvorschrift darüber entscheiden, wer sich auf den Formmangel berufen können darf und ob die Ungültigkeitsfolge überhaupt eintreten soll (Art. 27 Abs. 1 OR 2020). Das Gericht hat den Formmangel nur dann ex officio zu berücksichtigen, wenn die Einhaltung der Formvorschrift dem öffentlichen Interesse dient (Art.  27 Abs. 2 OR 2020). Die in Art. 29 OR 2020 vorgeschlagene Regelung des Instituts der Heilung folgt ebenfalls diesem flexiblen Ungültigkeitsregime: Eine Heilung soll nur erfolgen, wenn mindestens eine Partei den Vertrag im Wesentlichen erfüllt hat. Das verletzte Formerfordernis darf der Heilung jedoch nicht entgegenstehen. Soweit eine bestimmte Formvorschrift ein gewichtiges öffentliches Interesse schützt, ist eine Verletzung derselben auch nicht heilbar. 83 S. dazu auch Huguenin/Hoessly, 44 ff.

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§4

Form und Inhalt des Vertrages (Art. 11–16, Art. 19 und Art. 20 OR)

Vertrag auch ohne die formfehlerhaften Teile abgeschlossen.84 Demgegenüber geht ein anderer Teil der Lehre davon aus, dass der Vertrag in einem solchen Fall als ganzer formungültig sei.85 3.3

Konversion

Leidet ein bestimmtes Rechtsgeschäft an einem Formmangel, ist zunächst danach 379 zu fragen, ob es nicht in ein anderes Rechtsgeschäft, das einer weniger strengen Formvorschrift unterliegt, umgedeutet werden kann. Die Konversion ist zwar nicht gesetzlich geregelt, aber in Lehre und Rechtsprechung anerkannt.86 Folgende Voraussetzungen müssen dazu kumulativ erfüllt sein: • Das formungültige Geschäft muss das Ersatzgeschäft inhaltlich umfassen; • das Ersatzgeschäft darf nicht weiter reichen als das beabsichtigte Geschäft und damit keiner der Parteien strengere Verpflichtungen auferlegen; • das Ersatzgeschäft muss einen ähnlichen Zweck und Erfolg anstreben; • die Konversion darf nicht auf eine Umgehung der Formvorschrift hinauslaufen oder Sinn und Zweck derselben widersprechen; • die Parteien hätten sich bei Kenntnis des Formmangels auf das Ersatzgeschäft geeinigt (hypothetischer Parteiwille). Beispielsweise lässt sich eine formungültige Zession (Art. 164 ff. OR) in eine Inkas- 380 sovollmacht (Art. 32 ff. OR) umdeuten, wenn im Einzelfall alle Voraussetzungen erfüllt sind.87 3.4

Rückabwicklung

Sind im Rahmen eines formungültigen Vertrages bereits Erfüllungshandlun- 381 gen erfolgt und steht der Rückabwicklung keine Rechtsmissbräuchlichkeit entgegen, können die Parteien nach herrschender Auffassung die erbrachten Leistungen gestützt auf dingliche Ansprüche (Vindikation im Sinne von Art. 641 Abs. 2 ZGB und Berichtigung des Grundbuchs im Sinne von Art.  975 ZGB) und Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (Art. 62 ff. OR; s. N 1785 ff.) zurückfordern.88

84 BGE 4A_282/2016 E. 3.1; 5A_307/2008 E. 4; 117 II 382 E. 2b; Bucher, OR AT, 170; Giampaolo/Huguenin, 139; BK  OR-Schmidlin, Art.  11 N  169; ZK  OR-Schönenberger/Jäggi, Art.  11 N  77; s.  auch BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 66 m.w.H. 85 Gauch/Schluep/Schmid, N 581 f. mit Differenzierungen. 86 BGE 135 III 441 E. 3.3 = Pra 2010 Nr. 30; 126 III 182 E. 3b; 124 III 112 E. 2b bb; BK OR-Schmidlin, Art. 11 N 161 ff.; CR CO-Xoudis, Art. 11 N 44 ff. 87 S. auch BGE 93 II 223 E. 3 (Konversion eines nichtigen Erbvertrages in eine letztwillige Verfügung). 88 BGE 137 III 243 E. 4.4.6; 115 II 28 E. 1; 90 II 34 E. 5 = Pra 1964 Nr. 71; Gauch/Schluep/Schmid, N 549; Koller, OR AT, N 12.129; BSK OR-Schwenzer, Art. 11 N 27.

121

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Bestehen gesetzliche Sondervorschriften hinsichtlich der Ungültigkeitsfolgen von Formmängeln, gelangen diese zur Anwendung (z.B. Art. 15 KKG). 382

Unseres Erachtens ist an einen Formmangel, der die Ungültigkeit des Vertrages auslöst, die Entstehung eines vertraglichen Rückabwicklungs- oder Liquidationsverhältnisses anzuknüpfen. Die Rückabwicklung bzw. Liquidation erfolgt alsdann nach vertragsrechtlichen Regeln (s. N 442 f.). 3.5

383

Haftung für Formungültigkeit

Liegt ein formungültiges Geschäft vor, stellt sich die Frage nach allfälligen Schadenersatzansprüchen aus culpa in contrahendo (s.  N  1524  ff.). So besteht insbesondere eine Schadenersatzpflicht, wenn vorvertragliche Mitteilungs- und Aufklärungspflichten verletzt oder Vertragspartner arglistig getäuscht wurden.89 Führte die Nachlässigkeit beider Parteien zu einem Formmangel oder setzten sich beide Parteien bewusst über das Formerfordernis hinweg, fällt eine Haftung regelmässig ausser Betracht, und jede Partei hat ihren Schaden selbst zu tragen.90

4.

Vertraglich vorbehaltene Form (Art. 16 OR)

4.1

Allgemeines

384

Den Parteien steht es frei, vertraglich eine bestimmte Form vorzubehalten (Art. 1 ff. OR).91 Wo gesetzliche Formvorschriften bestehen, dürfen die jeweiligen Erfordernisse dafür zwar nicht abgeschwächt, wohl aber ergänzt und verstärkt werden (z.B. öffentliche Beurkundung anstelle einfacher Schriftlichkeit).

385

Da der Formvorbehalt Vertragsbestandteil ist, müssen sich die Parteien über diesen Punkt spätestens bei Abschluss des Vertrages  – ausdrücklich oder konkludent92 – einigen. Nach einem Teil der Lehre ist bei Nichteinhaltung der vertraglich vereinbarten Form mangels Vorliegens eines Rechtsbindungswillens gar kein Vertrag zustande gekommen; ein anderer Teil der Lehre geht dagegen davon aus, dass dies die Gültigkeit des Vertrages betrifft (s. dazu N 391).93 Eine spätere Formabrede tangiert den (bereits zustande gekommenen) Vertrag nicht mehr und hat nur noch

89 90 91 92 93

122

BGE 140 III 200 E. 5.2 = Pra 2014 Nr. 102; 106 II 36 E. 5 = Pra 1980 Nr. 226; 68 II 229 E. 2; BK OR-Schmidlin, Art. 11 N 188. BGE 106 II 36 E. 5 = Pra 1980 Nr. 226; BK OR-Müller, Art. 11 N 226; BSK OR-Schwenzer, Art. 11 N 28. BGE 4A_663/2012 E. 5.2.1. S. BGE 139 III 160 E. 2.6 = Pra 2013 Nr. 106 (Zusendung von Vertragsdoppeln zur Unterschrift als Vorbehalt der Schriftform); 105 II 75 E. 1. Gauch/Schluep/Schmid, N 597 f.; CHK OR-Kut, Art. 16 N 11; ausführlich zu diesem Lehrstreit Stoffel, N 245 ff.

§4

Form und Inhalt des Vertrages (Art. 11–16, Art. 19 und Art. 20 OR)

Beweisfunktion.94 Es steht den Parteien aber frei, sich im Nachhinein bezüglich allfälliger Modifikationen des Vertrages auf einen Formvorbehalt mit Ungültigkeitssanktion zu einigen. Die Vereinbarung eines Formvorbehalts ist ihrerseits an keine Form gebunden. Obwohl Art. 16 OR seinem Wortlaut nach auf den Vertragstatbestand beschränkt 386 ist, findet er seinem Sinn nach auch Anwendung auf einseitige Rechtsgeschäfte, insbesondere auf die Ausübung vertraglich eingeräumter Gestaltungsrechte (z.B. Kündigung).95 4.2

Vermutung der Gültigkeitsform (Art. 16 Abs. 1 OR)

Die Parteien können einen vertraglichen Formvorbehalt mit konstitutiver oder 387 deklaratorischer Wirkung versehen (sog. Gültigkeits- bzw. Beweisform). Nach Art. 16 Abs. 1 OR ist hinsichtlich der Bedeutung der vorbehaltenen Form davon auszugehen, «dass die Parteien vor Erfüllung der Form nicht verpflichtet sein wollen». Damit stellt das Gesetz die Vermutung auf, der Vertragsabschluss sei von der Wahrung der gewillkürten Form abhängig (zu den Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung der Form s. N 391). Widerlegt werden kann diese Vermutung durch den Nachweis, dass die Kontrahierenden lediglich Beweisform verabredet96 oder sich durch Bekunden des definitiven Abschlusswillens über den Formvorbehalt hinweggesetzt haben97. 4.3

Vermutung der einfachen Schriftlichkeit (Art. 16 Abs. 2 OR)

Vereinbaren die Parteien die schriftliche Form, ohne diese näher zu bezeichnen, 388 «so gelten für deren Erfüllung die Erfordernisse der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftlichkeit» (Art. 16 Abs. 2 OR). Das Gesetz stellt also die Vermutung auf, die Parteien hätten eine Form vereinbart, welche der einfachen Schriftlichkeit im Sinne von Art. 13–15 OR (einfache Schriftform) entspricht. 4.4

Änderung und Aufhebung der vertraglich vorbehaltenen Form

Änderungen und auch die Aufhebung der Formabrede sowie des ihr unterstellten 389 Vertrages sind nicht formbedürftig. Art. 12 OR findet auf die vertraglich vorbehaltene Form keine Anwendung:98 Nur wenn die Parteien für den Änderungs- oder

94 BGE 4C.85/2000 E. 3b bb. 95 BGE 128 III 212 E. 2b aa = Pra 2002 Nr. 153; 95 II 43 E. 2b; Bucher, OR AT, 175; von Tuhr/Peter, 245 f.; differenzierend CHK OR-Kut, Art. 16 N 3, sowie BK OR-Schmidlin, Art. 16 N 52 ff. 96 S. BGE 112 II 326 E. 3. 97 Gauch/Schluep/Schmid, N 592 ff.; Koller, OR AT, N 12.166. 98 BGE 4C.189/1999 E. 2b; von Tuhr/Peter, 245.

123

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Aufhebungsvertrag eine bestimmte Form verabredet haben, muss diese eingehalten werden.99 390

Sowohl eine Änderung wie auch die Aufhebung einer vertraglich vorbehaltenen Form können im Übrigen auch konkludent (durch schlüssiges Verhalten) erfolgen.100 Durch vorbehaltlose Vertragserfüllung verzichten die Parteien z.B. auf den vertraglichen Formvorbehalt.101 4.5

391

Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung der vertraglich vorbehaltenen Form

Es ist umstritten, welche Rechtsfolgen aus der Nichteinhaltung einer vertraglich vorbehaltenen Form resultieren sollen. Nach einem Teil der Lehre sollen dieselben Rechtsfolgen eintreten wie beim Verstoss gegen eine gesetzliche Formvorschrift (s. N 368 ff.), wobei in jedem Fall zu prüfen ist, ob die Parteien eine blosse Beweisform verabredet (s. N 385 und N 387) bzw. sich durch Änderung oder Aufhebung der Formvorschrift auf eine andere Rechtsfolge geeinigt haben (s. N 389 f.).102 Andere Autoren optieren für eine differenziertere Betrachtung: Während bei Verletzung einer gesetzlichen Formvorschrift ein (abgeschlossener, jedoch) mangelbehafteter Vertrag vorliegt (Zweistufentheorie), ist bei Nichteinhaltung einer vorbehaltenen Form mangels eines Rechtsbindungswillens gar kein Vertrag zustande gekommen.103 Mit anderen Worten betrifft die Nichterfüllung der vertraglich vorbehaltenen Form das Entstehen und nicht – wie beim gesetzlich normierten Formerfordernis – die Gültigkeit des Vertrages.

391a

Nichteinhaltung gesetzlicher Formvorschriften

Nichteinhaltung der vertraglich vorbehaltenen Form Doktrin 1

Doktrin 2

Nichtzustandekommen des Vertrages Ungültigkeit

Ungültigkeit

Entstehung des Vertrages Gültigkeit des Vertrages

Abbildung: Gegenüberstellung der Nichteinhaltung einer vertraglich vorbehaltenen Form und der Nichteinhaltung einer gesetzlichen Formvorschrift

99 100 101 102 103

124

BSK OR-Schwenzer, Art. 16 N 11. BGE 125 III 263 E. 4c; 105 II 75 E. 1. BGE 4A_663/2012 E. 5.2.3. BK OR-Schmidlin, Art. 16 N 35 ff.; BSK OR-Schwenzer, Art. 16 N 9. Gauch/Schluep/Schmid, N 597 f.; CHK OR-Kut, Art. 16 N 11; BK OR-Müller, Art. 16 N 64; Stoffel, N 249.

§4

Form und Inhalt des Vertrages (Art. 11–16, Art. 19 und Art. 20 OR)

III.

Inhaltsfreiheit und ihre rechtlichen Schranken (Art. 19 und Art. 20 OR)

1.

Grundsatz der Inhaltsfreiheit

Die Inhaltsfreiheit ist der bedeutendste Aspekt der Vertragsfreiheit. Sie ist in Art. 19 392 Abs. 1 OR verankert. Danach dürfen die Parteien den Inhalt eines Vertrages innerhalb der Schranken des Gesetzes beliebig regeln. Aus der Inhaltsfreiheit ergibt sich auch das Prinzip der Typenfreiheit (kein numerus clausus von Vertragstypen), welches das Vertragsrecht ebenfalls entscheidend mitprägt (s. N 4 ff.). Die rechtlichen Schranken der Inhaltsfreiheit dienen nicht nur dem Schutz jener 393 Rechtsgüter, die der Vertragsfreiheit über- oder gleichgeordnet sind, sondern auch dem Schutz der Prämissen oder Ordnungsprinzipien des Vertragsrechts und mithin der Institution Vertragsfreiheit selbst.104 Die Schranken der Inhaltsfreiheit werden durch die – sich teilweise überschneiden- 394 den – Kontrollkriterien von Art. 19 Abs. 2 OR, Art. 20 Abs. 1 OR und Art. 27 Abs. 2 ZGB konkretisiert.105 Sie können in fünf Hauptgruppen eingeteilt werden: 395

Schranken der Inhaltsfreiheit

Widerrechtlichkeit

Verstoss gegen die öffentliche Ordnung

Sittenwidrigkeit

Persönlichkeitsrechtswidrigkeit

Unmöglichkeit

(s. N 396 ff.)

(s. N 407 ff.)

(s. N 410 ff.)

(s. N 423 ff.)

(s. N 426 ff.)

Abbildung: Schranken der Inhaltsfreiheit

104 BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 3. 105 BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 123.

125

1. Kapitel

2. 396

Allgemeine Vertragslehre

Widerrechtlichkeit (Art. 19 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 1 OR)

Widerrechtlichkeit im Sinne von Art. 19 Abs. 2 bzw. Art. 20 Abs. 1 OR liegt vor, wenn der Vertragsinhalt gegen eine zwingende objektive, privat- oder öffentlichrechtliche Norm des geschriebenen oder ungeschriebenen schweizerischen (eidgenössischen oder kantonalen) Rechts verstösst. Dieser Begriff der Widerrechtlichkeit unterscheidet sich von demjenigen in Art. 41 Abs. 1 OR (s. N 1940 ff.). 2.1

Massgebender Beurteilungszeitpunkt: Vertragsschluss

397

Für die Beurteilung der Widerrechtlichkeit ist auf die Rechtslage im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen. Selbst wenn der Vertrag im Zeitpunkt der Beurteilung nicht mehr widerrechtlich ist, weil ein Verbot aufgehoben wurde, soll nach herrschender Lehre Nichtigkeit greifen.106 Dieser Ansicht ist entgegenzuhalten, dass ein Vertrag nur mit der Ungültigkeitsfolge belegt werden sollte, wenn die Beseitigung des Mangels dies erfordert.107

398

Im umgekehrten Fall, wenn der Vertrag also nachträglich widerrechtlich wird, bleibt das Geschäft wegen des Rückwirkungsverbots gültig.108 Verstösst der Vertrag allerdings gegen Vorschriften, die «um der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit willen» aufgestellt wurden, gilt das Rückwirkungsverbot ausnahmsweise nicht (Art. 2 Abs. 1 SchlT ZGB).109 Zu beachten ist, dass «öffentliche Ordnung» und «Sittlichkeit» im Schlusstitel zum ZGB mit anderen Inhalten belegt sind als die korrespondierenden Begriffe in Art. 19/20 OR. 2.2

399

Vertragsinhalt

Der Begriff des «Inhalts des Vertrages» ist in einem weiten Sinn zu verstehen. Widerrechtlich sein können:110 • der Vertragsgegenstand (s. N 400); • der Vertragsabschluss mit dem vereinbarten Inhalt (s. N 401); • der gemeinsame (mittelbare) Vertragszweck (s. N 402).

400

Der Vertragsgegenstand (in einem weiten Sinn) besteht in der verabredeten Leistung und umfasst auch die Modalität der Vertragsabwicklung bzw. -durchfüh106 107 108 109 110

126

S. BGE 102 II 401 E. 1; ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 20 N 58; von Tuhr/Peter, 229 f. Huguenin, Nichtigkeit, 48; ebenso BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 144 f.; CHK OR-Kut, Art. 19–20 N 16. BGE 100 II 105 E. 1b. BGE 100 II 105 E. 1c; BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 16. BGE 4A_502/2012 E. 2.1; 134 III 438 E. 2.2; 134 III 52 E. 1.1; 119 II 222 E. 2; 117 II 286 E. 4a; Gauch/ Schluep/Schmid, N 638 ff.; CR CO-Guillod/Steffen, Art. 19 et 20 N 61; Hürlimann, Teilnichtigkeit, 27 ff.

§4

Form und Inhalt des Vertrages (Art. 11–16, Art. 19 und Art. 20 OR)

rung.111 Widerrechtlicher Gegenstand eines Vertrages ist beispielsweise der Verkauf von Betäubungsmitteln.112 Die Widerrechtlichkeit kann sodann in einem Vertragsabschluss mit dem verein- 401 barten Inhalt liegen. So verbietet z.B. Art. 34 Abs. 2 OR, auf die Widerrufbarkeit der Vollmacht zu verzichten (s. N 1080). Schliesslich ist ein Vertrag widerrechtlich, wenn diesem mittelbar ein verpönter 402 Zweck zugrunde liegt, welchen die Parteien gemeinsam anstreben (z.B. die Aufnahme und Gewährung eines Darlehens zum Zwecke der Abwicklung eines Rauschgiftgeschäfts113). Nicht mit dem mittelbaren Zweck gleichzusetzen ist das individuelle Motiv, welches alleine keine Widerrechtlichkeit herbeizuführen vermag (z.B. der Kauf eines Brecheisens mit der Absicht, damit einen Einbruch zu begehen).114 2.3

Umfang: gesamte schweizerische Rechtsordnung

a.

Allgemeines

Widerrechtlichkeit liegt bei Verstoss gegen objektives Recht vor. Dieses umfasst 403 sowohl privat- als auch öffentlich-rechtliche Normen. Massgebend ist die gesamte schweizerische Rechtsordnung, insoweit sie zwingend ausgestaltet ist.115 Der Verstoss gegen ausländisches Recht begründet keine Widerrechtlichkeit, sondern allenfalls Sittenwidrigkeit.116 Sofern ein Vertrag einen internationalprivatrechtlich relevanten Bezug zu einer weiteren Rechtsordnung aufweist, beurteilt sich die Widerrechtlichkeit nach dem Vertragsstatut, also nach dem auf den Vertrag anwendbaren Recht (Art. 116 ff. IPRG). b.

Privatrecht

Ob eine privatrechtliche Vorschrift im Sinne von Art. 19 Abs. 2 OR unabänderlich 404 ist, also zwingenden Charakter hat, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln.117 Der zwingende Gehalt einer Norm ergibt sich aus ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (z.B. Art. 34 Abs. 2, Art. 100 Abs. 1 und Art. 129 OR) oder aus deren Sinn und Zweck.118 111 112 113 114 115

BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 17. BGE 6B_994/2010 E. 5.3.3.2; 117 IV 139 E. 3d bb. S. BGE 112 IV 47 E. 4. BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 17. BGE 134 III 52 E. 1.1; 119 II 222 E. 4; 114 II 279 E. 2a = Pra 1989 Nr. 49; Bucher, OR AT, 250 ff.; Gauch/ Schluep/Schmid, N 645 116 BGE 4A_753/2011 E. 6.5; 4C.172/2000 E. 5d; 80 II 49 E. 3; BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 19 und N 42. 117 Guhl/Koller, § 7 N 21; a.M. hinsichtlich zwingender Normen Bucher, OR AT, 251. 118 BGE 134 III 52 E. 1.1; 129 III 209 E. 2.2; 117 II 286 E. 4a; s. auch BGE 115 II 464 E. 2a dd betreffend die Wegbedingung von Art. 404 OR.

127

1. Kapitel

405

Von einseitig zwingenden Normen darf in einem Vertrag nur zugunsten der geschützten Partei abgewichen werden (Art. 362 OR; Art. 98 VVG119; s. auch Art. 19 IPRG). c.

406

Allgemeine Vertragslehre

Öffentliches Recht

Schranken der Inhaltsfreiheit bilden neben den privatrechtlichen auch öffentlichrechtliche Normen, mithin Verfassungs-, Straf-, Verwaltungs- und Prozessrecht, sowohl im Rahmen des Bundesrechts als auch des kantonalen Rechts.120 Auch öffentlich-rechtliche Normen bedürfen zur Bestimmung des zwingenden Charakters der Auslegung.121

3.

Verstoss gegen die öffentliche Ordnung (Art. 19 Abs. 2 OR)

407

Als öffentliche Ordnung (Art. 19 Abs. 2 OR) werden vorliegend mit Broggini122 «die der Gesamtrechtsordnung immanenten Wertungs- und Ordnungsprinzipien» verstanden.

408

Das Problem der Inhaltskontrolle von AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen) lässt sich anhand dieser Definition auch ohne spezifische Vorschriften befriedigend lösen (s. N 637). Als Ansatzpunkt für die offene Inhaltskontrolle von solchen vorformulierten und hernach nicht verhandelten Vertragsklauseln können «die der Gesamtrechtsordnung immanenten Wertungs- und Ordnungsprinzipien» dienen, wonach die Verwendung von AGB zum Nachteil des Vertragspartners in mehrfacher Hinsicht ein Verstoss gegen die öffentliche Ordnung im Sinne von Art. 19 Abs. 2 OR sein kann.123 Zwar sind vorformulierte Vertragsklauseln nach dem revidierten Art.  8 UWG124 nunmehr einer offenen Inhaltskontrolle zugänglich (s.  N  609  f., N 634 ff.). Da sich aber der Anwendungsbereich von Art. 8 UWG auf Konsumverträge (business to consumer- bzw. b2c-Verträge) beschränkt (s. N 635k ff.), bietet sich bei Nichtkonsumverträgen (also im business to business- bzw. b2b-Verhältnis) auch in Zukunft das Kontrollkriterium der öffentlichen Ordnung als Grundlage für eine offene Inhaltskontrolle von AGB an.125 119

Bundesgesetz vom 2.  April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz; SR 221.229.1). 120 BGE 143 III 600 E. 2.8.1 in Bezug auf ein pactum de palmario, welches gegen Art. 12 des Anwaltsgesetzes (Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte; SR 935.61) verstiess; 119 II 222 E. 2; 117 II 47 E. 2a = Pra 1991 Nr. 205. 121 S. BGE 86 II 71 E. 4. 122 Broggini, 93 ff.; s. ferner auch BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 156 ff. 123 Bucher,  OR AT, 158; Huguenin, recht 1995, 87  f.; BSK  OR-Huguenin/Meise, Art.  19/20 N  26  ff.; BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 158 ff. 124 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (SR 241). 125 BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 26 ff. m.w.H.

128

§4

Form und Inhalt des Vertrages (Art. 11–16, Art. 19 und Art. 20 OR)

Die Gegenmeinung und die bisherige Rechtsprechung wollen den Begriff der öffent- 409 lichen Ordnung als «öffentliches Recht» ausgelegt wissen.126

4.

Sittenwidrigkeit (Art. 19 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 1 OR)

4.1

Begriff

Ein Vertrag ist sittenwidrig (Art. 19 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 1 OR), wenn er gegen soziale (moralisch-ethische) Werte verstösst, die nach allgemeiner gesellschaftlicher Auffassung der Vertragsfreiheit und der Vertragstreue überzuordnen sind.

410

Nach hier vertretener Auffassung beschränkt sich die Reichweite der Sittenwid- 411 rigkeit auf die «konsensfähige Konventionalethik».127 Dieser liegt das «allgemeine Anstandsgefühl»128 zugrunde oder mit anderen Worten die Anschauung eines billig und gerecht denkenden Durchschnittsmenschen im entsprechenden Rechtskreis.129 Das Bundesgericht und ein Teil der Lehre prüfen die der Rechtsordnung immanenten Prinzipien und Wertmassstäbe unter dem Kriterium der Sittenwidrigkeit statt an der Schranke der öffentlichen Ordnung nach Art. 19 Abs. 2 OR.130 Diese Zuordnung wird von uns wie oben beschrieben anders vorgenommen (s. N 407 ff.). 4.2

Normcharakter

Im Vergleich zur öffentlichen Ordnung, welche das Verhältnis zwischen Rechtsge- 412 schäft und Rechtsordnung anvisiert, befasst sich die Sittenwidrigkeit mit dem Verhältnis zwischen Rechtsgeschäft und gesellschaftlichem Ordnungsgefüge.131 Während mit anderen Worten das Kriterium der öffentlichen Ordnung für die Konsistenz innerhalb der Rechtsordnung sorgt (in einem weiteren Sinne können Rechtsgeschäfte als Akte privatautonomer Rechtssetzung angesehen werden), geht es bei der Sittenwidrigkeit um die Konsistenz eines Rechtsgeschäftes mit jenem (ausserrechtlichen) Normengefüge, welches innerhalb einer Gesellschaft gilt, ohne je erlassen worden zu sein. Als Verweisungsnorm verfügt sie über keinen selbständigen – aus dem Gesetzestext ableitbaren – Ordnungsgehalt. Die Generalklausel wird durch die

126 BGE 114 II 279 E. 2a = Pra 1978 Nr. 37; Gauch/Schluep/Schmid, N 648 ff. m.w.H.; ZK-Oser/Schönenberger, Art. 19 N 11. 127 CR CO-Guillod/Steffen, Art. 19 et 20 N 69; BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 174. 128 BGE 123 III 101 E. 2. 129 Von Tuhr/Peter, 256; s. auch Bucher, OR AT, 256. 130 S. BGE 136 III 474 E. 3; 133 III 167 E. 4.3 = Pra 2007 Nr. 103; 129 III 604 E. 5.3 = Pra 2004 Nr. 100; 115 II 232 E. 4a; Bucher, OR AT, 256; Gauch/Schluep/Schmid, N 668; Schwenzer, OR AT, N 32.18. 131 BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 33.

129

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

ausserrechtliche Ordnung der Sitte mit Inhalt gefüllt.132 Dementsprechend untersteht das Kriterium der Sittenwidrigkeit den sich wandelnden Wertvorstellungen einer Gesellschaft.133 4.3 413

414

Kontrollgegenstand

In Übereinstimmung mit der Widerrechtlichkeitskontrolle (s. N 399 ff.) hat die Prüfung des Vertrages auf Sittenwidrigkeit aufgrund des Vertragsinhalts in einem weit verstandenen Sinn zu erfolgen: Nebst der vereinbarten Leistung fallen der Abschluss des Vertrages mit dem vereinbarten Inhalt sowie der gemeinsame – mittelbare und unmittelbare – Vertragszweck darunter.134 Der massgebende Beurteilungszeitpunkt bestimmt sich wie bei der Widerrechtlichkeit prinzipiell nach dem Vertragsschluss (s. N 397 f.). 4.4

Fallgruppen

a.

Sexueller Bereich?

Immer noch wird die sexuelle Hingabe gegen Entgelt (sog. Sexarbeitervertrag) in der Schweiz zum Teil als sittenwidrig erachtet.135 Wegen der Ungültigkeitsfolge ist die Vertragserfüllung rechtlich nicht durchsetzbar und Rückforderungsansprüche sind aufgrund von Art. 66 OR (s. N 1811 ff.) ausgeschlossen.136 Dieser Meinung können wir uns nicht ohne Weiteres anschliessen: Die Prostitution von Erwachsenen (ohne kriminelle Begleiterscheinungen) per se als sittenwidrig zu qualifizieren, erscheint mit Blick auf die heute allgemein anerkannten sozialethischen Wertvorstellungen als anachronistisch. In diesem Sinn hat Deutschland im Jahre 2002 die Berufsausübung der Sexarbeitenden durch das Prostitutionsgesetz legalisiert. Damit können Löhne eingeklagt werden, wenn Freier oder Arbeitgeber nicht zahlen.137 Auch in der Schweiz sollten – unabhängig von einer Gesetzesänderung138 – Sexarbeiterverträge als gültig angesehen werden. Nach erfolgter sexueller Handlung sollte der Lohn eingeklagt werden können, wenn ein Freier oder Arbeitgeber die132 133 134 135

Bucher, OR AT, 256. BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/29 N 34; Schwenzer, OR AT, N 32.17. BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 36 m.w.H. BGE 6B_188/2011 E. 2.3; 111 II 295 E. 2e; 91 IV 69; Gauch/Schluep/Schmid, N 672; Schwenzer, OR AT, N 32.28. Für eine Zusammenstellung der Rechtsprechung s. auch Hotz, 278. 136 S. BGE 111 II 295 E. 2b und E. 2e; s. die berechtigte Kritik von Hürlimann, plädoyer 2004, 33 f. 137 S. Stadler, NZZ 22. Mai 2002, 81. 138 S. Hürlimann, plädoyer 2004, 34; a.M. Gauch/Schluep/Schmid, N 672. Auf politischer Ebene gab es in den letzten Jahren verschiedene Vorstösse, welche die Aufhebung der Sittenwidrigkeit von Sexarbeiterverträgen verlangten, s. dazu Hotz, 273; s. ferner Standesinitiative Bern 12.317, «Prostitution ist nicht sittenwidrig»; Interpellation 12.3187, eingereicht von Andrea Caroni, «Privatrechtliche Anerkennung des Prostituiertenlohns». Beide Vorstösse wurden vom Gesetzgeber nicht weiterverfolgt. Zu den politischen Entwicklungen in der Schweiz s. auch Hotz, 255 ff.

130

§4

Form und Inhalt des Vertrages (Art. 11–16, Art. 19 und Art. 20 OR)

sen nicht bezahlen will.139 Diesem Votum hat sich jüngst auch das Bezirksgericht Horgen angeschlossen. In seinem Urteil vom 9. Juli 2013 hielt das Gericht fest, dass Sexarbeiterverträge aufgrund der veränderten Moralvorstellungen der Gesellschaft nicht mehr als sittenwidrig zu qualifizieren seien. Die Ansprüche aus dem Sexarbeitervertrag seien demnach gültig (Art. 19/20 OR) und somit rechtlich durchsetzbar.140 Allerdings ist bedauerlicherweise auch festzustellen, dass das Pendel hier und dort wieder in die andere Richtung zu schwingen scheint.141 Das Bundesgericht ist der Auffassung, Telefonsex-Angebote seien nicht sittenwidrig, 415 weil dabei niemand seinen Körper gegen Bezahlung anbiete.142 Das ist im Ergebnis richtig, in der Argumentation aber fragwürdig. b.

Kommerzialisierung eines bestimmten Verhaltens im sozialund berufsethischen Bereich143

Eine vorgängige Vereinbarung, bei einer Versteigerung (nicht) mitzubieten (pactum de licitando bzw. pactum de non licitando), ist sittenwidrig (s. N 2354).144

416

Sittenwidrig sind auch Verträge über Schmiergeldzahlungen. Wurden für den 417 Abschluss eines Vertrages Schmiergelder bezahlt, so ist dieser Vertrag gemäss Bundesgericht – im Gegensatz zum Schmiergeldversprechen – nicht ungültig.145 Schweigegeldverträge verstossen beim entgeltlichen Verzicht, eine strafbare Hand- 418 lung anzuzeigen, gegen die guten Sitten. Eine Ausnahme gilt, sofern das Entgelt als Schadenersatz dient. Sittenwidrig ist ferner, wenn Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe missbräuchlich, böswillig oder wider Treu und Glauben in Anspruch genommen werden.146 Wer beispielsweise eine aussichtslose Einsprache erhebt, um den Baubeginn zu verzögern und dadurch beim Bauherrn einen Verzögerungsschaden zu verursachen, und sich anschliessend den Rückzug der Einsprache vergüten lässt, schliesst einen sittenwidrigen Vertrag ab.147

139 So auch Furrer/Müller-Chen, Kap. 5 N 99 f.; Hürlimann, Prostitution, 159 ff. und 222 ff.; s. zum Ganzen auch Hotz, 283 ff., insbesondere 286 f.; BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 38 m.w.H. 140 BezGer Horgen, ZR 2013, 296 ff. 141 Beispielsweise ist in Schweden die Prostitution untersagt (s. 6 kap. 11 § Brottsbalken [1962:700]; abrufbar unter ; besucht am 3. Januar 2019). Kunden, welche sexuelle Handlungen in Anspruch nehmen, werden nach schwedischem Recht bestraft; s. dazu auch Hotz, 252. 142 BGE 129 III 604 E. 5.3 = Pra 2004 Nr. 100. 143 BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 193 ff. 144 BGE 112 II 337 E. 4d; 109 II 123 E. 2b. 145 BGE 129 III 320 E. 5.2; 119 II 380 E. 4b und E. 4c = Pra 1994 Nr. 230. 146 BGE 123 III 101 E. 2. 147 BGE 6P.5/2006 E. 7.2.

131

1. Kapitel

c.

Allgemeine Vertragslehre

Verstoss gegen vertragliche Rechte Dritter

419

Ein Vertrag, der gegen fremde Forderungsrechte verstösst, ist grundsätzlich nicht sittenwidrig. Andernfalls könnte beispielsweise der Eingriff in die dinglichen Rechte des Eigentümers beim gutgläubigen Erwerb vom Nichtverfügungsberechtigten (Art. 933 ZGB) nicht gerechtfertigt werden.148 Nur wenn besonders qualifizierte Voraussetzungen gegeben sind, kann von Sittenwidrigkeit ausgegangen werden. So müssen zur Verletzung vertraglicher Rechte Dritter «weitere Umstände hinzukommen, welche die Pflichtverletzung als besonders anstössig erscheinen lassen»149. Solche Umstände können etwa bejaht werden, wenn ein Dritter eine Partei aktiv zum Vertragsbruch verleitet, um selber mit ihr einen Vertrag über den gleichen Inhalt abschliessen zu können, oder wenn ein Dritter eine Vertragspartei durch ein Schmiergeldversprechen zur Verletzung einer vertraglichen Pflicht verleitet (s. auch Art. 4 UWG).150

420

Die sittenwidrige Verletzung fremder Forderungsrechte begründet eine Haftung des Dritten aus Art. 41 Abs. 2 OR (s. N 1956 ff.).151 Denkbar ist auch ein Anspruch gegen den Dritten auf Realerfüllung (Art. 98 Abs. 3 OR): Z.B. kann beim Doppelverkauf (N  91) der Erstkäuferin gegen den Zweitkäufer ein Anspruch auf Eigentumsverschaffung eingeräumt werden, wenn dieser sittenwidrig gehandelt hat.152 d.

420a

Zuwendungen zugunsten Vertrauenspersonen

Nicht per se sittenwidrig sind Schenkungen an Personen, welche gegenüber dem Schenker eine ausgeprägte Vertrauensstellung innehaben, da sie aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit tiefe Einblicke in die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Schenkers erhalten (z.B. Zuwendungen an Ärzte, Anwälte, Treuhänder, Geistliche, Haushaltshilfen, Heimleiter etc.).153 Sittenwidrigkeit liegt vielmehr erst dann vor, wenn der Beschenkte das Vertrauensverhältnis in unlauterer, sozialethisch verpönter Weise ausnützt, indem er gegen elementare Standesregeln verstösst, welche gerade die Vermeidung solcher Interessenkonflikte und den Schutz vor solchen Beeinflussungen bezwecken.154

148 149 150 151 152 153 154

132

Berger, Schuldrecht, N 1088. BGE 102 II 339 E. 2. S. BGE 137 III 293 E. 2.1; 4C.273/2002 E. 3.2; BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 200. BGE 137 III 293 E. 2.1; 4C.273/2002 E. 3.2. BGE 137 III 293 E. 2.1; 114 II 329 E. 2a. BGE 132 III 455 E. 4.1; bestätigt in BGE 4A_3/2014 E. 3.1. BGE 132 III 455 E. 4.1 und E. 4.2; bestätigt in BGE 4A_3/2014 E. 3.1 und E. 3.3; BSK OR-Huguenin/ Meise, Art. 19/20 N 39.

§4

e.

Form und Inhalt des Vertrages (Art. 11–16, Art. 19 und Art. 20 OR)

Leistungsinäquivalenz?

Das offenbare Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung wird grundsätzlich 421 in Art. 21 OR (s. N 451 ff.) geregelt.155 Ausnahmsweise wurde vom Bundesgericht bei überhöhten Darlehenszinsen eine sittenwidrige Vereinbarung angenommen.156 Nach einem Teil der Lehre lässt sich die Subsumtion unter das Kontrollkriterium Sittenwidrigkeit systematisch nur schwer rechtfertigen.157 Hingegen vertritt ein anderer Teil der Doktrin zu Recht die Auffassung, dass das Kriterium der Sittenwidrigkeit bei besonders krasser Inäquivalenz von Leistung und Gegenleistung ebenfalls greifen soll (s. N 578, N 598).158

5.

422

Persönlichkeitsrechtswidrigkeit (Art. 19 Abs. 2 OR und Art. 27 Abs. 2 ZGB)

Persönlichkeitsrechtswidrige Vereinbarungen liegen vor, wenn sich eine Partei in einem höchstpersönlichen Bereich (sog. Kernbereich der Persönlichkeit) bindet, welcher keine rechtlichen Verpflichtungen zulässt, oder wenn ausserhalb dieses Bereichs die vertragliche Bindung übermässig ist (Art.  19 Abs.  2  OR; Art.  27 Abs. 2 ZGB).

423

Der ersten Fallkonstellation sind Verträge zuzuordnen, welche die physische Frei- 424 heit, die körperliche Integrität, die Intimsphäre oder gesellschaftliche – meist durch die Verfassung gewährleistete – Freiräume der Persönlichkeit durch die Bindung als solche beschränken.159 Z.B. ist die Abrede, empfängnisverhütende Mittel einzunehmen, oder die Verpflichtung, einer Religionsgemeinschaft beizutreten, persönlichkeitsrechtswidrig. Zulässig ist hingegen ein Vertrag über die definitive Beendigung der Zeugungsfähigkeit (sog. Sterilisation).160 Die Persönlichkeitsrechtsverletzung kann sodann im Übermass der Bindung liegen. 425 Zu dessen Beurteilung werden ihre Intensität und/oder ihre Dauer, die Angemessenheit der Gegenleistung sowie der Grad der Fremdbestimmtheit herangezogen.161 Folgende Abmachungen können aufgrund einer einzelfallbezogenen Beurteilung der vertraglichen Vereinbarung z.B. persönlichkeitsrechtswidrig sein: Konkurrenz155 156 157 158 159

BGE 4A_542/2012 E. 2.5; 4A_21/2009 E. 5.2; 4A_504/2008 E. 2.1; 115 II 232 E. 4c; Bucher, OR AT, 258 f. BGE 4A_69/2014 E. 6.3.3; 93 II 189 E.b. Gauch/Schluep/Schmid, N 676; Koller, OR AT, N 13.192 f. BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 205; Schwenzer, OR AT, N 32.32; von Tuhr/Peter, 260. Bucher, OR AT, 267 ff.; zum Ganzen detailliert sowie zur Frage der Einordnung persönlichkeitsrechtswidriger Verträge BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 208 ff. 160 BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 44. 161 BGE 114 II 159 E. 2a; BSK ZGB-Huguenin/Reitze, Art. 27 N 10 m.w.H.

133

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

klauseln, Sperrklauseln bei Profisportlern, Bezugsverpflichtungen, «ewige» Verträge.162

6.

Unmöglichkeit (Art. 20 Abs. 1 OR)

426

Ein Vertrag hat traditioneller Auffassung zufolge einen unmöglichen Inhalt im Sinne von Art. 20 Abs. 1 OR, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine versprochene Haupt- oder Nebenleistung objektiv nicht erbringbar ist. Nach hier vertretener Ansicht ist ein Vertrag unmöglich im Sinne von Art. 20 Abs. 1 OR, wenn er gegen Werte verstösst, die der Vertragsfreiheit gleich- oder übergeordnet sind und die daher wertungsmässig der Rechts- bzw. Sittenwidrigkeit entsprechen (z.B. Verstoss gegen eine «kodifikatorische Eigengesetzlichkeit»).

427

Die objektive Unmöglichkeit basiert entweder auf rechtlichen oder auf faktischen Gründen.163 Weder der Schuldner noch ein beliebiger Dritter kann die Leistung erbringen. Nicht unter Art. 20 Abs. 1 OR fällt die subjektive Unmöglichkeit, das heisst das subjektive Unvermögen einer Vertragspartei zu leisten (s. N 817, N 831 ff.). Die Rechtsfolgen der subjektiven Unmöglichkeit bestimmen sich nach Art.  97 Abs. 1 oder Art. 119 Abs. 1 OR (s. dazu ausführlich N 831 ff.). Ist die Leistung vom Schuldner höchstpersönlich zu erbringen, ist gleichzeitig subjektive und objektive Unmöglichkeit gegeben.164

428

Die Unmöglichkeit im Sinne von Art. 20 Abs. 1 OR ist ursprünglich, das heisst, sie bezieht sich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses (zur nachträglichen Unmöglichkeit s.  N  819, N  833  ff.), und dauernd. Wenn die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses unmögliche Leistung zur Erfüllungszeit erbracht werden kann, ist der Vertrag gleichwohl gültig.

429

Nach herrschender Lehre fällt de lege lata jede anfängliche objektive Unmöglichkeit unter Art. 20 Abs. 1 OR.165 An dieser Konzeption leuchtet allerdings nicht ein, wieso gegenüber der nachträglichen objektiven Unmöglichkeit mit Schadenersatzanspruch bei Verschulden (Art. 97 Abs. 1 OR; s. N 833 ff.) eine andere Rechtsfolge,

162 163 164 165

134

S. BGE 4A_45/2017 E. 5.4; 142 III 746 E. 2.3 = Pra 2018 Nr. 15; 127 II 69 E. 5b; 102 II 211 E. 6 = Pra 1976 Nr. 263. Engel, CO PG, 268. BSK  OR-Huguenin/Meise, Art.  19/20 N  46; Hürlimann, Teilnichtigkeit, 22; a.M. Koller,  OR AT, N 13.63. S. Gauch/Schluep/Schmid, N 687a f.; BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 236 ff.; Schwenzer, OR AT, N 64.02 f.; von Tuhr/Peter, 263 f.

§4

Form und Inhalt des Vertrages (Art. 11–16, Art. 19 und Art. 20 OR)

nämlich ersatzlose Nichtigkeit (ausser es besteht ein Ersatzanspruch aus culpa in contrahendo), eintreten soll (Art. 20 Abs. 1 OR).166 Unserer Auffassung zufolge ist der Anwendungsbereich der rechtlichen Unmög- 430 lichkeit als Schranke der Vertragsfreiheit auf diejenigen Fälle zu beschränken, in welchen die infrage stehenden Güter der Vertragsfreiheit gleich- oder übergeordnet sind und damit wertungsmässig der Rechts- und Sittenwidrigkeit im Sinne von Art. 20 Abs. 1 OR entsprechen (s. N 827 ff.).167 Insbesondere bei Verstoss gegen eine kodifikatorische Eigengesetzlichkeit (z.B. sachenrechtliche Typengebundenheit) ist ein Vertrag mit Ungültigkeit wegen Unmöglichkeit zu belegen. Das allgemeine und öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der gesetzlichen Systematik im Sachenrecht führt zwingend und unabhängig von Parteiinteressen zur Vertragsungültigkeit.168 In diesem Sinn bezieht sich die Unmöglichkeit nicht auf den Vertragsinhalt, sondern auf die «Normsetzungsbefugnis» der Parteien (s. auch N 829 f.).169

7.

Rechtsfolgen bei Inhaltsverstössen

7.1

Nichtigkeit (Art. 20 Abs. 1 OR)

a.

Traditionelle Auffassung: starre Nichtigkeit

Art. 20 Abs. 1 OR statuiert bei widerrechtlichem oder unmöglichem Inhalt bzw. bei einem Verstoss gegen die guten Sitten Nichtigkeit. Nach traditioneller Auffassung bedeutet dies Folgendes:170 • • • •

431

Der nichtige Vertrag erzeugt keinerlei rechtsgeschäftliche Wirkungen; die Nichtigkeit besteht von allem Anfang an (ex tunc), ist absolut und unheilbar; die Nichtigkeit ist von Amtes wegen zu beachten; jedermann kann sich jederzeit auf die Nichtigkeit berufen.

Nach der herrschenden Lehre und Rechtsprechung zieht ein Vertrag, welcher gegen 432 eine Inhaltsschranke von Art. 19/20 OR verstösst, immerhin nicht automatisch die

166 S. BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 236 ff. Einen Vorschlag, wie dies in einem Gesetz umgesetzt werden könnte, enthält der OR 2020-Entwurf: Das Kriterium der Unmöglichkeit fällt in diesem Gesetzgebungsvorschlag unter den einheitlichen Nichterfüllungstatbestand von Art. 118 OR 2020. Dieser erfasst jede Art von Störung des vorgesehenen Leistungsablaufes (Unmöglichkeit, positive Vertragsverletzung, Verzug). Auch bei anfänglicher objektiver Unmöglichkeit soll ein Vertrag nicht mehr einfach ex tunc dahinfallen, sondern kann unter Umständen aufgehoben werden (Art. 131 ff. OR 2020). 167 BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 48; ablehnend BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 239. 168 Huguenin, Nichtigkeit, 15. 169 Detaillierte Fallgruppen bei BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 48 ff. 170 S. BGE 129 III 209 E. 2.2; 97 II 108 E. 4; Bucher, OR AT, 241 f.; Gauch/Schluep/Schmid, N 681; von Tuhr/Peter, 225 f.

135

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Nichtigkeit nach sich, sondern nur, «wenn diese Rechtsfolge ausdrücklich gesetzlich vorgesehen ist oder sich aus dem Sinn und Zweck der verletzten Norm ergibt»171. b. 433

Moderne Sicht: flexible Ungültigkeit

Nach der hier vertretenen Ansicht liegt Art. 20 OR ein flexibler Ungültigkeitsbegriff zugrunde.172 Das Ziel von Art. 20 OR ist in erster Linie die Beseitigung der einem Vertrag anhaftenden Mängel und nicht das Dahinfallen der vertraglichen Bindung. Aus diesem Grunde ist es weder sinnvoll noch erforderlich, generell festzulegen, wie Nichtigkeit wirkt und wer sich darauf berufen darf. Vielmehr sind die einzelnen Begriffsmerkmale der Nichtigkeit erst im Kontext der verletzten Norm zu bestimmen.173 Eine flexible Ungültigkeit weist je nach Fallkonstellation unterschiedliche Charakteristika auf:174 • Beschränkung des Klägerkreises nach Massgabe des Schutzzwecks der verletzten Norm: Namentlich soll bei einer persönlichkeitsrechtswidrigen Bindung nach Art. 27 Abs. 2 ZGB alleine die Trägerin des geschützten Rechts über die Geltendmachung der Ungültigkeit entscheiden dürfen. Der Gegenpartei wird die Berufung auf den Mangel versagt und der Richter soll von Amtes wegen nur zugunsten der geschützten Partei einschreiten dürfen.175 • Variabler Eintrittszeitpunkt der Ungültigkeitsfolgen: Die Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ist nur zu bejahen, wenn der Zweck der verletzten Norm die Wiederherstellung der vorvertraglichen Lage erfordert und die Liquidationsordnung bzw. die Vindikations- und Kondiktionsregeln dies ermöglichen (s. Art. 320 Abs. 3 OR: keine ex tunc-Wirkung bei Nichtigkeit des Arbeitsvertrages, in dessen Rahmen bereits Arbeit geleistet wurde, ansonsten dem Arbeitnehmer kein Anspruch auf Lohnzahlung zustünde). • Relativierung des Grundsatzes, wonach ein nichtiger Vertrag keinerlei Rechtswirkungen entfaltet, durch schadenersatz-, steuer- und betreibungs- sowie andere rechtliche Konsequenzen (z.B. Entstehen von Forderungen aus nichtigem Vertrag oder Ersatzansprüchen aus culpa in contrahendo).176 171 172

173 174 175 176

136

BGE 143 III 600 E. 2.8.1; 129 III 209 E. 2.2; 119 II 222 E. 2; Gauch/Schluep/Schmid, N 684; BK ORKramer, Art. 19–20 N 321 ff.; von Tuhr/Peter, 253. Giampaolo/Huguenin, 135  f.; Huguenin/Hoessly, 44  ff.; BSK  OR-Huguenin/Meise, Art.  19/20 N 55; s. auch Acocella, SJZ 2003, 494 f.; CR CO-Guillod/Steffen, Art. 19 et 20 N 97 ff.; a.M. Gauch/ Schluep/Schmid, N 681 ff.; BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 308 ff. Dem OR 2020-Entwurf liegt explizit ein solch flexibler Ungültigkeitsbegriff zugrunde. So schlägt Art. 30 Abs. 2 OR 2020 vor, dass ein Vertrag nur dann ungültig ist, «wenn und soweit der Zweck der verletzten Bestimmung dies erfordert». Der Zweck entscheidet auch darüber, wer sich auf den Inhaltsmangel berufen können darf (Art. 31 Abs. 1 OR 2020). Der Inhaltsmangel ist nur dann ex officio zu beachten, wenn die Einhaltung der Bestimmung im öffentlichen Interesse liegt (Art. 31 Abs. 2 OR 2020); s. dazu OR 2020-Huguenin, Art. 30 N 30 ff. und Art. 31 N 1 ff. BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 55. Zum Ganzen Huguenin, Nichtigkeit, 89 ff.; BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 56 ff. BGE 106 II 369 E. 4 = Pra 1981 Nr. 89; Bucher, OR AT, 267; s. auch Hofer, recht 2008, 58 ff. S. BGE 111 II 295 E. 2d; 105 II 75 E. 3.

§4

Form und Inhalt des Vertrages (Art. 11–16, Art. 19 und Art. 20 OR)

• Heilung des Mangels: Dabei kann sowohl Nichtbeachtung des Mangels infolge Behebung als auch Unbeachtlichkeit des Mangels trotz Nichtbehebung gemeint sein.177 7.2

Teilnichtigkeit (Art. 20 Abs. 2 OR)

a.

Allgemeines

Die Teilnichtigkeitsregel konkretisiert den Grundsatz, dass die Nichtigkeitsfolgen 434 nur so weit reichen sollen, als es der Schutzzweck der verletzten Norm verlangt.178 Sanktionsziel ist in erster Linie die Mangelbeseitigung und nicht die Vertragsbeseitigung. Allerdings kann es sein, dass eine Mangelbeseitigung nur gelingt, wenn der Vertrag dahinfällt. Dieser Gedanke ist an sich bereits in Art. 20 Abs. 1 OR angelegt. Art. 20 Abs. 2 OR darf darum als Entscheidungs- bzw. Ergänzungsregel in denjenigen Fällen betrachtet werden, in welchen bei einem Teilmangel des Vertrages der Schutzzweck der verletzten Norm weder Ganz- noch Teilnichtigkeit vorschreibt. Art. 20 Abs. 2 OR ist nicht anwendbar, wenn der Schutzzweck der verletzten Norm Ganznichtigkeit179 oder Aufrechterhaltung des mängelbereinigten Vertrages (s. z.B. Art. 163 Abs. 3, Art. 340a Abs. 2, Art. 417 OR) erheischt, ohne dass auf den hypothetischen Parteiwillen abgestellt werden soll.180 b.

Hypothetischer Parteiwille

Ist Art. 20 Abs. 2 OR anwendbar, bleibt die Bindung zwischen den Vertragspartnern 435 bestehen, wenn angenommen werden kann, dass der mängelfreie – gegebenenfalls ergänzte – Teil des Vertrages durch den hypothetischen Parteiwillen gestützt wird, sofern diesbezüglich ein tatsächlicher Wille fehlt. Der hypothetische Parteiwille wird nach Massgabe des fiktiven Willens der individuellen Vertragsparteien und der konkreten Umstände bestimmt.181 Nur wenn sich der hypothetische Parteiwille nicht anhand überzeugender Indizien individuell-konkret konstruieren lässt, ist subsidiär auf eine normativ objektivierte Betrachtungsweise zurückzugreifen: Es ist dann zu prüfen, ob die Parteien als vernünftig und korrekt (nach Treu und Glauben) handelnde Vertragspartner auch bei Kenntnis des Mangels im Zeitpunkt des

177 178 179 180 181

BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 60. BGE 134 III 438 E. 2.3; 123 III 292 E. 2e aa; s. auch Hürlimann, Teilnichtigkeit, 2 ff. S. BGE 112 II 433 E. 4 betreffend eine gegen Art. 27 Abs. 2 ZGB verstossende Globalzession. BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 61 f.; CHK OR-Kut, Art. 19–20 N 47. BGE 124 III 57 E. 3c; 120 II 35 E. 4a; 114 II 159 E. 2c; BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 63; BK ORKramer, Art. 19–20 N 363.

137

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Vertragsschlusses den mängelfreien, eventuell ergänzten Vertragsteil hätten gelten lassen.182 436

Hätten die Parteien nach dem hypothetischen Parteiwillen bei Kenntnis der Teilnichtigkeit keinen Vertrag geschlossen, so ist Ganznichtigkeit die Folge (Art.  20 Abs. 2 OR e contrario). Gibt es mit Blick auf den hypothetischen Parteiwillen Zweifel, ist nach dem Wortlaut von Art. 20 Abs. 2 OR Teilnichtigkeit vorzuziehen.183 In diesem Fall ist der normative Wille der redlich handelnden Vertragsparteien massgeblich.184 c.

Lückenhaftigkeit

437

Falls durch den Teilmangel eine Lücke entsteht, ist nach Massgabe des hypothetischen Parteiwillens eine Ergänzung des Vertrages in Betracht zu ziehen (s. N 299 ff.).185 Lässt sich aus dem hypothetischen Parteiwillen keine lückenfüllende Regel eruieren, kann auf eine allgemeine Regel zurückgegriffen werden, sofern dies der hypothetische Wille zum Ausdruck bringt. Stehen mehrere – gesetzliche oder richterrechtliche – Ersatzregeln zur Verfügung, ist jene ausschlaggebend, welche dem ungültigen Vertragsteil am nächsten kommt.186 Art. 20 Abs. 2 OR dient insofern nicht nur als Entscheidungs-, sondern auch als Ergänzungsregel, mittels welcher die Konsensfähigkeit des richterlich moderierten Vertrages sichergestellt wird.187

438

Auch die Reduktion einer ungültigen Vertragsabrede auf das gesetzlich zulässige Mass ist davon abhängig zu machen, ob sie vom hypothetischen Parteiwillen getragen wird.188 Bei diesem speziellen Fall der Lückenhaftigkeit wird keine Ersatzregel kreiert, sondern die mangelhafte Abrede insoweit aufrechterhalten, als dies rechtlich noch zulässig ist. d.

439

Nichtigkeitsabrede und salvatorische Klausel

Art. 20 Abs. 2 OR ist dispositiver Natur: Parteivereinbarungen über die Wirkung eines Teilmangels auf den Restvertrag sind zulässig. Bei der sog. Nichtigkeitsabrede vereinbaren die Parteien, dass bei Nichtigkeit einzelner Bestimmungen der Vertrag als Ganzes dahinfallen soll. Vereinbaren die Parteien umgekehrt, dass der mängel182 183 184 185 186 187 188

138

S. BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 366; a.M. Gauch/Schluep/Schmid, N 700, wonach von vornherein auf eine objektivierte Betrachtungsweise abzustellen sei; ausführlich zum Ganzen Hürlimann, Teilnichtigkeit, 61 ff. S. BGE 138 III 29 E. 2.3.2; 4C.156/2006 E. 3.2. BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 64. BGE 114 II 159 E. 2c; 107 II 144 E. 3 = Pra 1981 Nr. 176; BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 65; sog. «modifizierte Teilnichtigkeit» nach Gauch/Schluep/Schmid, N 703 ff. m.w.H. BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 355 ff. BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 65 m.w.H. BGE 114 II 159 E.  2c; CR CO-Guillod/Steffen, Art.  19 et 20 N  105; BK  OR-Kramer, Art.  19–20 N 357 ff.; kritisch dazu Schwenzer, OR AT, N 32.45.

§4

Form und Inhalt des Vertrages (Art. 11–16, Art. 19 und Art. 20 OR)

freie Restvertrag trotz Nichtigkeit einzelner Abreden (allenfalls modifiziert) weiterbestehen soll, spricht man von einer sog. salvatorischen Klausel. e.

Zusammenfassung

Wenn der Schutzzweck der verletzten Norm unabhängig vom hypothetischen Par- 440 teiwillen entweder Ganznichtigkeit oder Aufrechterhaltung des mängelbereinigten Vertrages verlangt (z.B. Art. 163 Abs. 3 OR), sind weder die Regeln über die Teilnichtigkeit (Art. 20 Abs. 2 OR) anwendbar noch ist eine allfällige Nichtigkeitsabrede oder salvatorische Klausel zu beachten. Entsteht durch den Teilmangel keine Lücke, so gilt der Vertrag ohne den ungültigen 441 Teil weiter (Art. 20 Abs. 2 OR). Verursacht der Teilmangel eine Vertragslücke, ist diese nach Massgabe des hypothetischen Parteiwillens zu ergänzen. Es ist zu fragen, welche Vereinbarung die Parteien getroffen hätten, wenn sie bei Vertragsschluss den Mangel gekannt hätten. 7.3

Konversion

In der Praxis kommt die Konversion in der Regel bei Formmängeln (s. N 379 f.) zur 441a Anwendung. Jedoch kann eine Konversion auch bei einem Verstoss gegen die rechtsgeschäftliche Inhaltsfreiheit von Art. 19/20 OR möglich sein.189 Ist ein bestimmtes Rechtsgeschäft ungültig wegen seines Inhalts, ist danach zu fragen, ob dieses nicht auch in ein anderes Rechtsgeschäft umgedeutet werden kann, dessen Inhalt zulässig ist und zu einem fast gleichen Ergebnis führt. Dazu müssen gemäss BGE 126 III 182 E. 3b richtigerweise die folgenden vier Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein: • Das inhaltsungültige Geschäft muss das Ersatzgeschäft inhaltlich mitumfassen und dessen Erfordernisse ebenfalls erfüllen; • das Ersatzgeschäft darf in seinen Wirkungen nicht über das ungültige Geschäft hinausgehen und damit keiner der Parteien strengere Verpflichtungen auferlegen; • die die Ungültigkeit begründende Bestimmung darf die Konversion nicht ausschliessen, das heisst, diese darf nicht Sinn und Zweck der verletzten Bestimmung widersprechen oder diesen vereiteln; • die Parteien hätten bei Kenntnis des Inhaltsmangels des von ihnen vereinbarten Geschäfts das Ersatzgeschäft gewollt (hypothetischer Parteiwille).

189 BGE 133 III 311 E. 3.4.2 = Pra 2007 Nr. 125; 126 III 182 E. 3b; BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 384 ff.; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 11 N 82.

139

1. Kapitel

441b

Allgemeine Vertragslehre

Beispielsweise ist es zulässig, eine gegen das Verbot von Art. 335 ZGB verstossende und damit ungültige Familienstiftung in eine gewöhnliche Stiftung mit zulässigem Zweck umzudeuten, sofern im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt sind.190 7.4

Rückabwicklung

442

Sind im Rahmen eines ungültigen Vertrages bereits Leistungen erbracht worden, können diese nach herrschender Lehre und Rechtsprechung mittels Vindikation (Art. 641 Abs. 2 ZGB) oder Kondiktion (Art. 62 ff. OR) zurückgefordert werden. Gegebenenfalls kann die Grundbuchberichtigungsklage (Art.  975 ZGB) erhoben werden. Bei widerrechtlichen und sittenwidrigen Verträgen ist die Kondiktionssperre von Art. 66 OR zu beachten (s. N 1811 ff.).

443

Nach unserer Auffassung sollte auch ein mit einem Form- oder Inhaltsmangel behafteter Vertrag in ein vertragliches Rückabwicklungs- oder Liquidationsverhältnis (s. N 583, N 960 ff.) überführt werden, sofern gestützt auf den ungültigen Vertrag (mindestens teilweise) Leistungen ausgetauscht worden sind.191 Der in der Doktrin bisweilen vorgebrachten Kritik, die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Umwandlungstheorie auf Entstehungsmängel würde der traditionellen Konzeption der Ungültigkeit aus dogmatischer Sicht zuwiderlaufen (ex nihilo nihil fit), ist entgegenzuhalten, dass durch die Annahme eines Liquidationsverhältnisses nicht nachträglich ein gültiger Vertrag «konstruiert» wird. Vielmehr erlaubt die Umwandlungstheorie die Ausgestaltung der Abwicklungsregeln nach vertragsrechtlichen Grundsätzen unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der verletzten (liquidationsbegründenden) Norm. Überdies kann dadurch die aus der unterschiedlichen Rechtsnatur der Rückerstattungsansprüche resultierende Ungleichbehandlung der kondizierenden Partei gegenüber der (privilegierten) vindizierenden Partei beseitigt werden (s. N 1821).

190 191

140

BGE 93 II 439 E. 5; s. auch BGE 133 III 311 E. 3.4 = Pra 2007 Nr. 125 (Umwandlung einer anfänglich unmöglichen und damit ungültigen Baurechtsklausel in eine gültige). S. auch Acocella, SJZ 2003, 495 f.

§ 5 Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR) Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N 969 ff. und N 1067 ff.; Bucher, OR AT, 192 ff.; Engel, CO PG, 298 ff.; Furrer/Müller-Chen, Kap. 5 N  118  ff., Kap. 6 und Kap. 7; Gauch/Schluep/Schmid, N 730 ff.; Guhl/Koller, § 7 N 48 ff. und §§ 15 ff.; Koller, OR AT, N 14.01 ff.; Kramer/ Probst, OR AT, N 216 f. und N 249 ff.; Schwenzer, OR AT, N 32.48 ff. und N 36.01 ff.; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 768 ff.; von Tuhr/Peter, 297 ff. und 342 ff.

Weiterführende Literatur Cathomas Linus/von der Crone Hans Caspar, Der Irrtum über den Wert des Vertragsgegenstands, insbesondere beim Unternehmensverkauf, SZW 2017, 112–122; Chappuis Christine, Enrichissement illégitime: entre contrat et gestion d’affaires, in: Blanc Matthieu (Hrsg.), L’évolution récente du droit des obligations, Lausanne 2004, 27–50; Gauch Peter, Der Werkvertrag, 5. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2011 (zit.: Gauch, Werkvertrag); Gauch Peter, Der Fussballclub und sein Mietvertrag: Ein markanter Entscheid zur Übervorteilung, recht 1998, 55–66 (zit.: Gauch, recht 1998); Gauch Peter, Die Übervorteilung – Bemerkungen zu Art. 21 OR, recht 1989, 91–100 (zit.: Gauch, recht 1989); Gottini Melanie/von der Crone Hans Caspar, Aufklärungspflicht im Rahmen von Art. 28 OR, SZW 2017, 509–520; Hartmann Stephan, Die Rückabwicklung von Schuldverträgen, Habil. Luzern 2005; Huguenin Claire, Die absichtliche Täuschung durch Dritte  – Art.  28 Abs.  2  OR, SJZ 1999,  261–269 (zit.: Huguenin, SJZ 1999); Huguenin Claire, Nichtigkeit und Unverbindlichkeit als Folgen anfänglicher Vertragsmängel, Diss. Bern 1984 (zit.: Huguenin, Nichtigkeit); Huguenin Claire/Hilty Reto M. (Hrsg.), Schweizer Obligationenrecht 2020, Entwurf für einen neuen allgemeinen Teil, Zürich 2013 (zit.:  OR 2020-BearbeiterIn); Hürlimann Roland, Teilnichtigkeit von Schuldverträgen nach Art. 20 Abs. 2 OR, Diss. Freiburg 1984; Keller Max/ Schmied-Syz Carole, Analyse der Willensmängel, Basel/Frankfurt a.M. 1995; Keller Max/ Siehr Kurt, Kaufrecht, 3. Aufl., Zürich 1995; Klausberger Kurt, Die Willensmängel im schweizerischen Vertragsrecht, Diss. Zürich 1989; Knoepfel-Kunz Ulrich, Willensbildung, Beeinflussung und Vertragsschluss, Bern/Stuttgart 1989; Koller Alfred, Die Verjährung bei der Rückabwicklung von Verträgen, BR 2006, 4–7 (zit.: Koller, BR 2006); Kolly Gilbert, Der Grundlagenirrtum nach Art. 24 OR: Rechtsprechung des Bundesgerichts, Diss. Freiburg 1978; Kramer Ernst, Bundesgericht, I. Zivilabteilung, 26.6.1997, Berufung 4C.421/1996, AJP 1997,  1556–1562; Mauchle Yves, Normenkonkurrenzen im Obligationenrecht  – zugleich ein Beitrag zum Verhältnis von Irrtumsanfechtung und Sachmängelhaftung, AJP 2012, 933– 952; Meier-Hayoz Arthur, Das Vertrauensprinzip beim Vertragsschluss, Diss. Zürich 1948; Oftinger Karl, Betrachtungen über die laesio im schweizerischen Recht, in: FS Zepos, Bd. II, Athen/Freiburg i.Br./Köln 1973, 535–553; Rusch Arnold F., Grundlagenirrtum bei mangelhaften Gattungssachen und Werken, SJZ 2010, 553–560; Schönle Herbert, L’imprévision de faits futurs lors de la conclusion d’un contrat générateur d’obligations, in: Peter Hans/

141

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Stark Emil W./Tercier Pierre (Hrsg.), Hundert Jahre Schweizerisches Obligationenrecht, Freiburg 1982,  413–441; Vischer Markus, Due diligence bei Unternehmenskäufen, SJZ 2000, 229–236; von Büren Bruno, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, Zürich 1964; von der Crone Hans Caspar/Hoffmann-Nowotny Urs Henryk, Wertungsparallelität und Interessenausgleich im Irrtumsrecht, SJZ 2008, 53–61; Wiegand Wolfgang, Zur Rückabwicklung gescheiterter Verträge, in: FS Gauch, Zürich 2004, 709–722 (zit.: Wiegand, Rückabwicklung); Wiegand Wolfgang, Bemerkungen zum Picasso-Entscheid, recht 1989, 101–111 (zit.: Wiegand, recht 1989); Wyss Eveline/von der Crone Hans Caspar, Bestechung bei Vertragsschluss, Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 17. September 2002 i.S. ABZ Recycling AG (Klägerin und Appellantin) gegen Stadt Zürich (Beklagte und Appellantin), SZW 2003, 35–44; Zehnder Andreas, Begriffsmerkmale der Wesentlichkeit im Schweizer Irrtumsrecht, Diss. Zürich 1993; Zeiter Alexandra/Furrer Andreas, Überblick über den Grundlagenirrtum am Beispiel eines Vergleichsvertrages, ius.full 2004, 74–83.

I.

Vorbemerkungen

444

Übereinstimmende Willensäusserungen der Parteien führen in der Regel zum Abschluss eines Vertrages (Art. 1 OR; zum Konsens s. N 245 ff.). Unter der Marginalie «Mängel des Vertragsabschlusses» (Art. 23–31 OR) regelt das Gesetz Tatbestände, welche sich mit der Frage befassen, ob die Parteien auch wollten, was sie vereinbarten. Ist die Abweichung des Gewollten vom Vereinbarten gravierend oder waren die Voraussetzungen für eine freie Willensbildung nicht erfüllt, kann die Partei, welche ihren Willen im Inhalt der Vereinbarung nicht wiederfindet, den Vertrag wegen eines (je nach Tatbestand beachtlichen) Willensmangels für ungültig erklären.

445

Die Frage, ob eine Vertragsseite sich auf einen Willensmangel berufen darf, wird erst aufgeworfen, wenn der Konsens und somit das Zustandekommen eines Vertrages zwischen den Parteien bejaht wurde. Die Prüfung von Willensmängeln erfolgt also erst auf einer zweiten Stufe, nämlich anlässlich der Abklärung einer allfälligen Ungültigkeit des zustande gekommenen Vertrages (Zweistufentheorie). Dissens und Willensmängel schliessen sich deshalb gegenseitig aus.1

446

Eine allfällige Ungültigkeit kann auf Willens-, aber auch auf anderen Entstehungsmängeln wie z.B. Rechts- oder Sittenwidrigkeit (Art. 19/20 OR) beruhen. Den Entstehungsmängeln, welche die Gültigkeit des Vertrages betreffen, kann man die Erfüllungsmängel gegenüberstellen. Diese betreffen die Frage, ob die Parteien das gültige Programm «Vertrag» auch korrekt ausführen. Statt von Erfüllungsmängeln ist darum auch von Leistungsstörungen die Rede (Art. 97 ff. OR; s. N 801 ff.).

447

Hat eine Vertragspartei ihren Willen mangelhaft gebildet, liegt ein Motivirrtum vor. Dem Interesse der Erklärungsgegnerin wird dadurch Rechnung getragen, dass nicht 1

BGE 129 III 320 E. 6.2; 105 II 23 E. 2b; Bucher, OR AT, 123 FN 46; Klausberger, 117 FN 537.

142

§5

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)

jeder, sondern nur ein qualifizierter (wesentlicher) Motivirrtum die Ungültigerklärung erlaubt (Grundlagenirrtum gemäss Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR; s. N 507 ff.). Die Ungültigkeit kann sodann erklären, wer getäuscht (Art. 28 OR; s. N 532 ff.), bedroht (Art. 29 f. OR; s. N 550 ff.) oder übervorteilt (Art. 21 OR; s. N 451 ff.) wurde. Erfolgt die Willensbildung zwar sachgerecht (kein Motivirrtum) und frei (keine Täuschung, Furchterregung oder Übervorteilung), aber misslingt die adäquate Äusserung des sachgerecht und frei gebildeten Willens, kann der Vertrag wegen eines Erklärungsirrtums (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1–3 OR, Art. 27 OR; s. N 487 ff.) für ungültig erklärt werden, sofern der Irrtum wesentlich ist. Beim Motivirrtum, der Täuschung, der Furchterregung und der Übervorteilung 448 wurde zwar der Wille richtig kundgetan, aber nicht mängelfrei gebildet. Der Irrende gibt beim Motivirrtum eine Erklärung ab, welche aber auf einer falsch oder unvollständig rezipierten Sach- oder Rechtslage basiert (z.B. nimmt der Käufer irrtümlich an, das zum Verkauf stehende Auto sei ein Occasionswagen mit bloss ein paar tausend Kilometern; in Wahrheit beträgt der Kilometerstand des Autos aber bereits 150 000 Kilometer). Bei der absichtlichen Täuschung wird ein solcher Motivirrtum durch die andere Vertragspartei gefördert, indem der Täuschende dem Irrenden beispielsweise eine falsche Sachlage vorgaukelt (z.B. Manipulation des Kilometerzählers durch Zurückdrehen auf ein paar tausend Kilometer). Bei der Furchterregung erfolgt die Willensbildung unter Zwang; der Irrende äussert den (eigentlich fehlenden) Willen zum Vertragsschluss nur, weil der Vertragspartner mittels Drohung auf den Abschluss des Vertrages drängt (z.B. droht der Autohändler der Käuferin, er werde bei ihrem jetzigen Auto die Bremskabel durchschneiden, falls sie ihm den Occasionswagen nicht abkauft). Bei der Übervorteilung nützt der Wucherer bewusst eine Schwächesituation (Notlage, Leichtsinn oder Unerfahrenheit) seines Gegenübers aus; aus der seelischen Schieflage heraus «will» der Übervorteilte den Vertrag im Moment des Vertragsschlusses trotz des offenbaren Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, was er später bereut (z.B. wenn der Autohändler der unerfahrenen Käuferin einen 15-jährigen Occasionswagen für das Zehnfache des Marktpreises verkauft). Beim Erklärungsirrtum spricht der Irrende beispielsweise von der Miete eines Autos, meint aber eigentlich Kauf. Er bildet den Willen richtig, äussert ihn aber verkehrt. Beim Übermittlungsirrtum leitet ein Bote oder eine andere vom Erklärenden eingesetzte Person eine Erklärung unrichtig weiter (z.B. übermittelt der Bote dem Verkäufer, dass der Erklärende das Auto mieten wolle; dieser wollte das Auto in Wirklichkeit aber nicht mieten, sondern kaufen). Willensmängel können nur innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht wer- 449 den: «Wenn der durch Irrtum, Täuschung oder Furcht beeinflusste Teil binnen Jahresfrist weder dem anderen eröffnet, dass er den Vertrag nicht halte, noch eine schon erfolgte Leistung zurückfordert, so gilt der Vertrag als genehmigt» (Art. 31 Abs.  1  OR). Bei Irrtum und Täuschung beginnt die Jahresfrist mit der Entdeckung des Willensmangels, bei der Furchterregung mit deren Beseitigung (Art. 31

143

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Abs. 2 OR). Bei Übervorteilung kann der Verletzte «innerhalb Jahresfrist erklären, dass er den Vertrag nicht halte, und das schon Geleistete zurückverlangen» (Art. 21 Abs. 1 OR). Die Jahresfrist beginnt mit Abschluss des Vertrages (Art. 21 Abs. 2 OR). 450

Trifft den Irrenden am Willensmangel eine Schuld, so muss er dem gutgläubigen Irrtumgsgegner2 den Schaden ersetzen, welchen jener infolge der Ungültigerklärung des Vertrages erleidet (Art. 26 OR). Umgekehrt haftet der Erklärungsgegner aus culpa in contrahendo oder aus Art. 41 OR bei Übervorteilung, Täuschung und Furchterregung, sofern dadurch dem übervorteilten, getäuschten oder bedrohten Vertragspartner ein Schaden entsteht. Das gilt auch bei einer allfälligen Genehmigung des Vertrages (Art. 31 Abs. 3 OR).

II.

Übervorteilung (Art. 21 OR)

1.

Begriff

451

Eine Übervorteilung liegt vor, wenn zwischen den versprochenen Leistungen ein «offenbares Missverhältnis» besteht, die Entscheidungsfreiheit des Übervorteilten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses beeinträchtigt ist und die Übervorteilende diese Entscheidungsschwäche des Übervorteilten bewusst ausnutzt.

452

Beim Tatbestand der Übervorteilung gemäss Art.  21  OR liegt eine Kombination zwischen einem Inhalts- (Art. 19/20 OR) und einem Willensmangel (Art. 23 ff. OR) vor. Das Gesetz rechnet die Übervorteilung noch zu den Inhaltsmängeln («offenbares Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung»), platziert sie aber an der Übergangsstelle zu den Willensmängeln («Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns»). Die Nähe zu den Willensmängeln zeigt sich z.B. darin, dass die Geltendmachung der Übervorteilung und deren Rechtsfolgen weitgehend der Regelung bei den Willensmängeln entsprechen.

453

Der Anwendungsbereich der Übervorteilungsnorm beschränkt sich nicht auf synallagmatische Verträge, sondern ist analog auf unvollkommen zweiseitige Verträge sowie ein- oder mehrseitige Rechtsgeschäfte (s. N 50 ff.) anwendbar.3

2 BGE 4A_533/2013 E. 4.4. 3 BGE 4A_479/2010 E. 3; BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 21 N 3 m.w.H.; CHK OR-Kut, Art. 21 N 2.

144

§5

2.

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)

Voraussetzungen

Zur Erfüllung des Tatbestands von Art. 21 OR müssen drei Voraussetzungen kumu- 454 lativ gegeben sein: • Offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (s. N 456); • Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit beim Übervorteilten (s. N 457 ff.); • «Ausbeutung» dieser Situation durch die Übervorteilende (s. N 462 f.). Ist in einem konkreten Fall eines dieser Charakteristika besonders stark ausgeprägt, 455 so vermag es die schwache Ausprägung eines der anderen beiden Merkmale zu kompensieren. Auf keine der drei Voraussetzungen kann aber vollständig verzichtet werden.4 2.1

Offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung

Die erste Voraussetzung bezieht sich auf den Vertragsinhalt und ist erfüllt, wenn 456 ein offenbares Missverhältnis zwischen den vereinbarten Leistungen besteht. Zur Feststellung des Missverhältnisses sind alle Leistungen nach dem objektiven Wert sowie die Rechte und Pflichten der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gegeneinander abzuwägen.5 Zur Bestimmung des objektiven Werts kann beispielsweise ein Marktpreis für die betreffende Sache oder ein übliches Entgelt für die entsprechende Dienstleistung als Bemessungskriterium herangezogen werden.6 Offenbar ist das Missverhältnis, wenn es «in die Augen» fällt7, das heisst, das Missverhältnis muss «deutlich» sein.8 2.2

Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit beim Übervorteilten

Der Übervorteilte muss sich in einer subjektiven Ausnahmesituation befinden, wel- 457 che ihm das freie Aushandeln des Vertrages verunmöglicht.9 Unerheblich ist, ob er die Ausnahmesituation selbst zu verantworten hat. Ist die betroffene Partei dagegen bezüglich eines Geschäfts urteilsunfähig (Art. 16 ZGB), so entfaltet dieses keine vertragliche Wirkung (Art. 18 ZGB; s. N 145 ff.); die Anwendbarkeit von Art. 21 OR ist somit mangels Vertrages gar nicht gegeben.

4 BK OR-Kramer, Art. 21 N 26; Gauch/Schluep/Schmid, N 743 f. 5 CHK OR-Kut, Art. 21 N 9; differenzierend in Bezug auf die Bewertung Gauch, recht 1998, 63 FN 34; s. ferner Kramer, AJP 1997, 1560; Oftinger, 539. 6 Gauch, recht 1989, 94  f.; s. die Zusammenstellung der Rechtsprechung bei BSK  OR-Huguenin/Meise, Art. 21 N 8 f. 7 BGE 4C.254/2004 E. 3.3.1; 53 II 483 E. 2; Oftinger, 539; s. auch CR CO-Schmidlin, Art. 21 N 5. 8 Koller, OR AT, N 14.162. 9 Bucher, OR AT, 232 f.; Schwenzer, OR AT, N 32.51.

145

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

458

Nach Gesetz liegt ein – die Entscheidungsfreiheit beeinträchtigender – Schwächezustand im Falle der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns aufseiten des Übervorteilten vor (Art.  21 Abs.  1  OR). Diese Aufzählung ist nur exemplarisch.10 Als weitere Beispiele können Alkohol-, Medikamenten- oder Drogeneinfluss und weitere ähnlich gelagerte Fälle genannt werden.11 Die Ausnahmesituation muss den Übervorteilten in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigen. Es genügt somit nicht, dass ein Vertragspartner erst infolge des Vertragsschlusses in eine Ausnahmesituation gerät.12

459

Eine Notlage im Sinne von Art. 21 Abs. 1 OR liegt vor, wenn sich der Übervorteilte bei Vertragsschluss in einer Zwangslage oder in starker Bedrängnis befindet. Ausschlaggebend ist, dass er den Abschluss des unvorteilhaften Vertrages im Vergleich zu den ihm aus der Notlage drohenden Nachteilen als das kleinere Übel empfindet. Das Bundesgericht fordert zusätzlich, dass diese Abwägung auch bei objektiver Betrachtung als vertretbar erscheint.13 Nach Gauch braucht die Notlage nicht wirklich zu bestehen, vielmehr soll es genügen, wenn der Übervorteilte glaubt, sich in einer Notlage zu befinden (imaginäre Notlage).14 Nach unserer Auffassung besteht kein Grund, um vom Vertrauensprinzip abzuweichen. Dies bedeutet, dass die subjektive Wahrnehmung des Übervorteilten auch objektiv einleuchten muss.

460

Unerfahrenheit ist gegeben, wenn dem Übervorteilten die Sachkenntnis fehlt, um die Tragweite und Bedeutung des infrage stehenden Rechtsgeschäfts richtig einzuschätzen.15 Das Bundesgericht rechtfertigt seine weite Auslegung mit dem Argument, dass der Einzelne infolge der fortschreitenden Spezialisierung seiner potenziellen Vertragspartner in zunehmendem Mass auf Angebote angewiesen ist, deren wahren Wert er nicht beurteilen kann.16 Diese Auslegung mag im Einzelfall als plausibel erscheinen, schafft indessen eine beträchtliche Rechtsunsicherheit und nicht zu unterschätzende Gleichbehandlungsprobleme.

461

Leichtsinnig handelt, wer ohne die gebotene Vorsicht und Überlegtheit handelt.17 Nicht erforderlich ist, dass die betreffende Person generell einen leichtsinnigen Charakter hat: Es genügt, wenn sie in der konkreten Situation, also bei Vertragsschluss, unbedacht gehandelt hat.18

10 BK OR-Kramer, Art. 21 N 35 m.w.H.; CHK OR-Kut, Art. 21 N 14; Schwenzer, OR AT, N 32.51. 11 Gauch, recht 1989, 97. 12 BGE 4C.226/2001 E. 4; 123 III 292 E. 5. 13 BGE 123 III 292 E. 5. 14 Gauch, recht 1998, 62 f. 15 BGE 92 II 168 E. 5a; CHK OR-Kut, Art. 21 N 16; s. auch Knoepfel-Kunz, 293 ff. 16 BGE 92 II 168 E. 5a. 17 Gauch, recht 1989, 97. 18 S. BGE 4C.238/2004 E. 2.5; CHK OR-Kut, Art. 21 N 17.

146

§5

2.3

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)

«Ausbeutung» durch die Übervorteilende

Das Gesetz bezeichnet das Verhalten der Übervorteilenden als «Ausbeutung». Die- 462 ses Wort ist vom Gesetzgeber indessen zu hart gewählt und überdies kulturhistorisch vorbelastet. Lehre und Rechtsprechung verstehen darunter denn auch lediglich das bewusste Ausnützen der Ausnahmesituation des Vertragspartners mit dem Zweck, den Vertragsabschluss mit dem für die Übervorteilende vorteilhaften Leistungsversprechen herbeizuführen.19 Ein Teil der Lehre schliesst dabei die Fälle aus, in denen der Übervorteilte selbst 463 die Initiative zum Vertragsschluss ergreift und die Übervorteilende nur widerstrebend einwilligt.20 Der Gegenmeinung zufolge ist dies unbeachtlich; es genügt das Wahrnehmen einer günstigen Gelegenheit.21 Unseres Erachtens ist es für die Beurteilung der Übervorteilung nicht entscheidend, wer die Initiative zum Vertragsschluss ergreift, solange die Übervorteilende die Situation bewusst ausnützt, um sich dadurch einen ökonomischen Vorteil zu verschaffen. Diese Auffassung lässt sich mittels systematischer Auslegung stützen: Danach ist die Übervorteilung ein Inhalts- bzw. Willensmangel des Vertrages. Der Vertragsschluss wird also unabhängig davon erfasst, wer die Initiative dazu ergreift. Der Übervorteilungstatbestand sanktioniert mithin das inhaltliche Leistungsmissverhältnis und die bestehende Ausnahmesituation ohne Rücksicht auf eine allfällige Aktivität des Übervorteilten. Auch teleologisch gesehen sprechen keine guten Gründe für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Norm auf Situationen, in welchen die Übervorteilende die Initiative ergreift oder sonst besonders aktiv wurde.

III.

Willensmängel (Art. 23–31 OR)

Ein Willensmangel liegt vor, wenn der Wille einer Partei mangelhaft gebildet (Motivirrtum) oder mangelhaft erklärt (Erklärungsirrtum) wurde, sei dies aufgrund Irrtums ohne Zutun der anderen Partei, sei dies durch absichtliche Täuschung oder durch Furchterregung.

464

Der Begriff «Willensmangel» kommt im Gesetz nicht vor. Lehre und Rechtspre- 465 chung benutzen ihn als Sammelbezeichnung für die in Art.  23–31  OR behandelten Tatbestände, bisweilen schliessen sie auch Art. 21 OR ein. Im Gesetz werden die Willensmängel gemäss der Marginalie zu Art. 23–31 OR als «Mängel des Vertragsabschlusses» bezeichnet. 19 BGE 4A_491/2015 E. 4.3.2 und E. 4.4; 92 II 168 E. 5b; BK OR-Kramer, Art. 21 N 33 m.w.H. 20 Bucher, OR AT, 233 f. 21 BGE 123 III 292 E. 7; Gauch, recht 1989, 98; Kramer, AJP 1997, 1561; BK OR-Kramer, Art. 21 N 33.

147

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

466

Die Bestimmungen von Art. 21/23 ff. OR befassen sich mit der mangelhaften Bildung oder Äusserung des Willens durch eine Vertragspartei: Sie erlauben der irrenden, getäuschten, bedrohten bzw. übervorteilten Partei, sich auf die Ungültigkeit des Vertrages zu berufen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.

467

Die entsprechenden Regeln sind nicht nur für Verträge massgebend, sondern finden im Rahmen des Privatrechts grundsätzlich auf alle zivilrechtlichen Verhältnisse Anwendung (Art. 7 ZGB).22

468

Bezüglich der Willensmängel unterscheidet das Gesetz zwischen Irrtum (Art.  23–27  OR), absichtlicher Täuschung (Art.  28  OR) und Furchterregung (Art. 29 f. OR). Während bei der Übervorteilung (Art. 21 OR), der absichtlichen Täuschung, der Furchterregung, dem Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR) und dem Rechnungsfehler (Art. 24 Abs. 3 OR) die Erklärung auf einem mangelhaft gebildeten Willen beruht,23 stimmt beim Erklärungs- und beim Übermittlungsirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1–3 OR, Art. 27 OR) die Erklärung nicht mit dem mängelfrei gebildeten Willen überein.24

469

Es kann somit zeitlich und sachlich nach Mängeln anlässlich der Willensbildung und Mängeln anlässlich der Willenskundgabe (Erklärung) unterschieden werden.25 Bei Mängeln in der Willensbildung führt die Auslegung der Willensäusserungen zu einem natürlichen oder einem normativen Konsens, weil der Wille des Irrenden zwar falsch gebildet wurde, aber aufgrund der Auslegung mit dem Willen des Vertragspartners übereinstimmt. Beim Erklärungsirrtum dagegen liegt immer ein normativer, also ein durch vertrauenstheoretische Auslegung ermittelter Konsens vor: Der innere Wille, den jede Partei je für sich mängelfrei gebildet hat, kann in diesem Fall dagegen per definitionem nicht mit jenem der anderen Partei übereinstimmen; die Einigung wird erst über die Bejahung eines normativen Konsenses herbeigeführt.

22

Eingehend zum Geltungsbereich im Privatrecht sowie im öffentlichen Recht unter besonderer Berücksichtigung des Prozessrechts BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 281 ff. und N 297 ff. 23 Von Tuhr/Peter, 300. 24 Von der Crone/Hoffmann-Nowotny, SJZ 2008, 53; Zeiter/Furrer, ius.full 2004, 76. 25 Klausberger, 2; Schwenzer, OR AT, N 36.02.

148

§5

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)

1.

Irrtum – Wesentlicher Irrtum (Art. 23–27 OR)

1.1

Begriff und Arten

Ein Irrtum ist gegeben, wenn die ausgelegte Erklärung einer Vertragspartei nicht ihrem wirklichen inneren Willen entspricht (Erklärungsirrtum) oder aber ihr Vertragswille auf einer falschen oder fehlenden (sog. ignorantia) Vorstellung über die tatsächliche Sachlage beruht (Motivirrtum, allenfalls Grundlagenirrtum).

470

Da das Recht, sich auf den Irrtum zu berufen, die Ungültigkeit des mit dem Willens- 471 mangel behafteten Vertrages auslöst und damit in der Regel die berechtigten Erwartungen der Gegenseite enttäuscht (s. N 564 ff.), soll für die Erklärung der Ungültigkeit nicht jeder beliebige Irrtum ausreichen: Aus Gründen des Interessenausgleichs und der Verkehrssicherheit lässt nur ein wesentlicher Irrtum das Recht auf Ungültigerklärung entstehen (Art. 23 OR). Das Vorliegen eines Irrtums wird a priori verneint bei spekulativen und risikorei- 472 chen Unterfangen (z.B. Fehlspekulationen über Kurse von Aktien26): Bestimmte Sachverhalte sind ihrer Natur nach so unbestimmt, dass man sich darüber gar nicht irren kann.27 Art.  24 Abs.  1  OR nennt die wichtigsten Erscheinungsformen wesentlicher Irrtü- 473 mer. Die in Ziff.  1–3 aufgezählten Fälle betreffen den Erklärungsirrtum. Ein solcher bezieht sich entweder auf den Erklärungsakt oder den Inhalt der Erklärung (s. N 487 ff.). Ziff. 4 regelt den Grundlagenirrtum, welcher die qualifizierte Form des (grundsätzlich unbeachtlichen) Motivirrtums nach Art. 24 Abs. 2 OR darstellt (s. N 507 ff.). Art. 24 Abs. 3 OR verlangt die Berichtigung blosser Rechnungsfehler (s. N 531) und Art. 27 OR stellt die unrichtig übermittelte Erklärung einer Partei einem (Erklärungs-)Irrtum gleich (s. N 504 ff.).

26 Nachweise bei BSK OR-Schwenzer, Art. 24 N 27. 27 BGE 109 II 105 E. 4a; s. auch BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 95 ff.

149

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

474 Irrtum

Erklärungsirrtum (mangelhafte Kundgabe des Willens)

unwesentlich

wesentlich (Die in Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1–3 OR aufgezählten Beispiele sind vermutungsweise wesentlich.)

Irrtum im Erklärungsakt

Motivirrtum (mangelhafte Willensbildung)

unwesentlich (Art. 24 Abs. 2 OR)

wesentlich = Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR)

Irrtum im Erklärungsinhalt

Abbildung: Übersicht über die verschiedenen Irrtumsarten

1.2 475

Gemeinsame Voraussetzungen

Ein Vertrag kann wegen eines Willensmangels für ungültig erklärt werden, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: • Irrtum (s. N 477); • Wesentlichkeit des Irrtums (s. N 478 ff.); • keine Verwirkung des Rechts auf Ungültigerklärung (s. N 484 ff.).

476

Das Recht, sich auf einen Irrtum zu berufen, ist verschuldensunabhängig. Hat der Irrende den Irrtum seiner eigenen Fahrlässigkeit zuzuschreiben, haftet er aber nach Art. 26 OR für den aus dem Dahinfallen des Vertrages entstandenen und allenfalls auch für weiteren Schaden (s. N 593 ff.). a.

477

Irrtum

Wer einen Vertrag gestützt auf Art. 24 Abs. 1 OR für ungültig erklärt (Art. 31 OR), muss sich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in einem Irrtum befunden haben (s. N 470). Per definitionem darf er sich dabei der Fehlerhaftigkeit seiner Vorstellung oder Erklärung nicht bewusst gewesen sein. Kein Irrtum liegt darum vor, wenn eine

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§5

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)

Vertragspartei im Vertragsschlusszeitpunkt Zweifel an der Richtigkeit ihrer Vorstellung oder Erklärung hegte oder um ihre Unkenntnis wusste.28 b.

Wesentlichkeit des Irrtums

Ein Irrtum ist nur beachtlich, wenn er wesentlich ist (Art. 23 OR). Unwesentliche 478 Irrtümer vermögen einen Vertrag nicht zu Fall zu bringen und gehen (mit Ausnahme der Art. 28 ff. OR; s. N 543) zulasten des Irrenden. Der Vertrag bleibt bestehen, die Irrtumsgegnerin wird geschützt. Das Kriterium der Wesentlichkeit dient mithin dem Ausgleich zwischen dem Interesse der Irrtumsgegnerin an der Aufrechterhaltung des Vertrages und dem Interesse des Irrenden an dessen Ungültigkeit. Wesentlichkeit im Sinne von Art. 23 f. OR hat eine subjektive und eine objektive 479 Komponente. Sie liegt vor, wenn sowohl aus der Sicht des Irrenden als auch nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr eine Bindung an den (nicht gewollten) Vertrag als unzumutbar erscheint.29 Wesentlichkeit ist somit zu bejahen, wenn die Fehlvorstellung in subjektiver Hinsicht kausal für den Vertragsabschluss war und die Inhaltsdifferenz zwischen dem abgeschlossenen und dem wirklich gewollten Vertrag auch von einem objektiven Standpunkt aus als bedeutsam erscheint. Art. 24 Abs. 1 OR listet einige wesentliche Irrtümer auf. Nach einem Teil der Lehre 480 wird die (objektive und subjektive) Wesentlichkeit bei den im Gesetz aufgeführten Erklärungsirrtümern (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1–3 OR) vermutet. Demnach genügt nach dieser Ansicht der Nachweis der irrtümlichen Erklärung.30 Dem Irrtumsgegner steht alsdann der Beweis der (subjektiven oder objektiven) Unwesentlichkeit des Erklärungsirrtums offen.31 Beim Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR) muss die Wesentlichkeit dagegen begründet werden. Die Begründung dient dem Richter alsdann zur Abgrenzung des wesentlichen Grundlagenirrtums vom unwesentlichen (und darum unbeachtlichen) Motivirrtum (Art. 24 Abs. 2 OR).32 Nach der hier vertretenen Auffassung besteht kein hinreichender sachlicher Grund, 481 um die Beweislage beim Erklärungsirrtum anders zu gestalten als beim Grundlagenirrtum. Sowohl der Irrtum bei der Willenserklärung wie auch jener bei der Willensbildung müssen wesentlich sein, damit sie den Vertrag zu Fall zu bringen vermögen. Dies ergibt sich aus Art. 23 OR, der aus Gründen des Interessenausgleichs zwischen den Parteien die Wesentlichkeit eines Irrtums verlangt. Daraus resultiert, dass der 28 S. BGE 5C.91/2000 E. 4; Koller, OR AT, N 14.37; BSK OR-Schwenzer, Art. 23 N 3; Zeiter/Furrer, ius.full 2004, 76. 29 Bucher, OR AT, 197; BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 202 ff.; BSK OR-Schwenzer, Art. 23 N 4. 30 BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 211. 31 BK  OR-Schmidlin, Art.  23/24 N  211; BSK  OR-Schwenzer, Art.  24 N  9; a.M. Klausberger, 154; Meier-Hayoz, 187 f. 32 BSK OR-Schwenzer, Art. 24 N 9.

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1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Irrende sowohl den Erklärungs- wie auch den Grundlagenirrtum in subjektiver wie auch in objektiver Hinsicht darzulegen und zu beweisen hat. Die beweistechnische Gleichbehandlung beider Irrtumsarten ist auch darum gerechtfertigt, weil die Einordnung als Erklärungs- oder Motivirrtum in einer ganzen Reihe von Fällen unklar ist (s. N 491, N 501, N 503).33 482

Auch die Tatsache, dass der schweizerische Gesetzgeber den Erklärungsirrtum bottom up (Enumeration von drei spezifischen Tatbeständen in Art.  24 Abs.  1 Ziff.  1–3  OR) und den Grundlagenirrtum top down (ein Generaltatbestand in Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR) geregelt hat, vermag nach unserem Dafürhalten die zum Teil vertretene Beweiserleichterung zur Darlegung eines Erklärungsirrtums nicht zu rechtfertigen (s. N 498, N 502).

483

Ein weiterer Hinweis darauf, dass kein Grund dazu besteht, die erfolgreiche Berufung auf den Erklärungsirrtum zu erleichtern, kann darin gesehen werden, dass etwa der DCFR gar nicht zwischen verschiedenen Irrtumsstadien unterscheidet und zusätzlich die Interessen der Irrtumgsgegnerin aufwertet, indem er verlangt, dass dieser entweder demselben Irrtum aufgesessen ist oder aber den Irrtum seines Gegenübers verursacht hat (Art. II.-7:201 DCFR; s. auch 4:103 PECL; Art. 48 CESL). c.

Keine Verwirkung

484

Macht der Irrende den Irrtum nicht innerhalb eines Jahres seit Entdeckung geltend oder genehmigt er den Vertrag innerhalb dieser Zeitspanne ausdrücklich oder konkludent, verwirkt er sein Recht, sich auf die Ungültigkeit des Vertrages zu berufen (Art. 31 OR; s. N 577 ff.).

485

Das Anfechtungsrecht wird sodann verwirkt, wenn die Berufung auf einen Irrtum «unstatthaft» ist, also «Treu und Glauben widerspricht» (Art. 25 Abs. 1 OR).34 Art. 25 Abs. 1 OR konkretisiert Art. 2 Abs. 2 ZGB und ist gemäss Wortlaut und Systematik nur für die Irrtumstatbestände konzipiert. Bei Übervorteilung, Täuschung und Furchterregung bietet das allgemeine Rechtsmissbrauchsverbot von Art.  2 Abs. 2 ZGB Schutz vor treuwidriger Ungültigerklärung. Die Erklärungsgegnerin ist hier regelmässig weniger schutzwürdig als bei den Irrtumsfällen, und darum wird die Berufung auf Art. 2 Abs. 2 ZGB auch nur in Ausnahmefällen erfolgreich sein.35 Ob dies der Fall ist, muss durch eine Abwägung zwischen dem Interesse des Irrenden an der Ungültigerklärung und dem Interesse des Vertragspartners an der Aufrechterhaltung des Vertrages ermittelt werden. Massgebend sind dabei die Interessen der Parteien zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Willensmangels.36 Eine 33 S. die Zusammenstellung der entsprechenden BGE in BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 208 ff.; sehr illustrativ etwa BGE 109 II 333. 34 BGE 132 III 737 E. 1.3; 128 III 70 E. 2; 123 III 200 E. 2b. 35 S. BGE 108 II 102 E. 2a.; s. Koller, OR AT, N 14.168 und N 14.210. 36 BGE 132 III 737 E. 3.1.

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§5

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)

treuwidrige Geltendmachung liegt vor, wenn die Rechtsausübung unnütz ist oder ein krasses Missverhältnis der Interessen vorliegt.37 Ein Beispiel hierfür wäre eine Ungültigerklärung, welche dem Irrenden keinerlei Vorteile, der Irrtumsgegnerin aber erhebliche Nachteile bringt.38 Rechtsmissbräuchlich ist auch eine Berufung auf Art. 23 f. OR, welche nicht wegen des Irrtums erfolgt, sondern weil sich der Erklärende später von einem Vertrag befreien möchte, an den er aus anderen Gründen nicht mehr gebunden sein möchte.39 Gegebenenfalls ist auch eine spekulativ verzögerte Geltendmachung des Irrtums treuwidrig.40 Eine Ungültigerklärung ist dagegen nicht unzulässig, weil der Irrende den Irrtum seiner eigenen Fahrlässigkeit zuzuschreiben hat. Allerdings führt das schuldhafte Verursachen eines Irrtums zur Pflicht, dem Gegenüber einen allfälligen Schaden zu ersetzen (Art. 26 OR; s. N 593 ff.).41 1.3

486

Erklärungsirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1–3 OR; Art. 27 OR) 487 Wille des Irrenden

Erklärung des Irrenden normativer Konsens Erklärung der Irrtumsgegnerin

Wille der Irrtumsgegnerin

Abbildung: Darstellung des Erklärungsirrtums

a.

Begriff

Ein Erklärungsirrtum liegt vor, wenn die Erklärung einer Vertragspartei nicht ihrem wirklichen inneren Willen entspricht. Das gilt auch, wenn die Erklärung durch einen Boten oder auf andere Weise unrichtig übermittelt wird.

488

Versteht die Erklärungsempfängerin den Irrendenden anders, als es seinem wirkli- 489 chen Willen entspricht, ist nach dem Vertrauensprinzip zu ermitteln, wie die Erklärungsempfängerin (als Irrtumsgegnerin) die Erklärung in guten Treuen verstehen durfte und musste (s. N 190 ff.).42 Durfte und musste sie die Erklärung so verstehen, 37 BGE 132 III 737 E. 1.3; 123 III 200 E. 2b; CHK OR-Kut, Art. 25 N 1. 38 Engel, CO PG, 341. 39 Bucher, OR AT, 215. 40 S. BGE 108 II 102 E. 2a. 41 BGE 105 II 23 E. 2b m.w.H.; BSK OR-Schwenzer, Art. 25 N 3. 42 S. BGE vom 5. Juni 1996 E. 2b = Pra 1996 Nr. 239; Gauch/Schluep/Schmid, N 809.

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1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

wie sie es tat, liegt normativer Konsens vor. Der Vertrag ist zustande gekommen (s. N 249 f.; Abgrenzung zum versteckten Dissens s. N 252). Der Irrende kann den Vertrag aber für ungültig erklären, wenn er einen wesentlichen Erklärungsirrtum dartun kann. Ein Erklärungsirrtum liegt vor, wenn die «ausgelegte Erklärung» des Irrenden nicht mit seinem wirklichen inneren Willen übereinstimmt (s. N 469).43 490

Beim Erklärungsirrtum unterscheidet man zwischen dem Irrtum im Erklärungsakt und dem Irrtum über den Inhalt der Erklärung:44 Von einem Irrtum im Akt der Erklärung spricht man, wenn dem Irrenden die Umsetzung seines Willens «technisch» misslingt.45 Dies betrifft die Fälle, in welchen sich der Irrende verspricht, verschreibt oder vergreift. Ein Irrtum über den Erklärungsinhalt liegt vor, wenn der Irrende seinen Willen zwar technisch korrekt umsetzt, sich aber über die Bedeutung seiner Erklärung täuscht.46 Ein solcher Fall ist beispielsweise gegeben, wenn der Irrende von «Leihe» spricht, aber «Miete» meint, da er im Gegenzug zu seiner Leistung ein Entgelt erwartet. Abgesehen von der unwissentlichen, unkundigen Verwendung wissenschaftlicher Begriffe entstehen Irrtümer über den Erklärungsinhalt häufig auch aus dem unbeabsichtigt fehlerhaften Gebrauch von Abkürzungen und Fremdsprachen.47

491

Die weite Definition des Erklärungsirrtums, welche auch den Irrtum im Erklärungsinhalt einschliesst, macht die saubere Abgrenzung zum Motivirrtum schwierig. Bisweilen akzentuiert sich diese Schwierigkeit dadurch, dass sich der Wille während des Erklärens bildet, die beiden Vorgänge also nicht hintereinander geschaltet sind, sondern sich verflechten. Oft wird die angemessene Rezeption einer Sachlage auch durch das Formulieren verbessert.

492

Zwei Fälle des Irrtums im Erklärungsakt sind in der Praxis besonders wichtig, der Irrtum über die ungelesen unterzeichnete Urkunde und der Irrtum bei Missbrauch von Blankourkunden:

493

Liest der Erklärende eine von ihm unterzeichnete Urkunde nicht oder bloss ungenau, so kann er später einen Irrtum geltend machen, wenn der Wortlaut der Urkunde vom vorgestellten Inhalt abweicht. Unterzeichnet er die Urkunde hingegen, ohne dabei eine Vorstellung vom Inhalt gehabt zu haben, liegt bewusste Unkenntnis und somit kein Irrtumsfall vor.48 Zum selben Schluss gelangt das Bundesgericht, wenn es die Ungültigerklärung wegen Irrtums für nicht zulässig erklärt, sobald ersichtlich ist, dass sich der Erklärende im Bewusstsein seiner Unkenntnis dem Willen der Ver-

43 Furrer/Müller-Chen, Kap. 6 N 39; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 787. 44 CHK OR-Kut, Art. 23–24 N 18 ff. 45 S. Koller, OR AT, N 14.86. 46 CHK OR-Kut, Art. 23–24 N 20. 47 Von Tuhr/Peter, 302. 48 BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 51 f.

154

§5

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)

tragsgegenseite unterwirft.49 Enthält die Urkunde indessen völlig unerwartete Passagen, so soll ausnahmsweise auch der «vorstellungsfreie» Erklärende den Vertrag für ungültig erklären können.50 Die Begründung kann darin gesehen werden, dass sich die vorbehaltslose Zustimmung zum Vertrag auf diejenigen Punkte beschränkt, mit deren Regelung jemand im konkreten Geschäft rechnen konnte und musste (zu den Besonderheiten bei den AGB s. N 614 ff.). Dagegen kann allerdings eingewendet werden, dass die Überprüfung von AGB, welche inhaltlich überzogen sind, aus Gründen einer sauberen dogmatischen Konstruktion nicht auf dem Weg der Geltungs-, sondern der Inhaltskontrolle vorgenommen werden sollte (s. N 631 ff.). Eine «verkappte» Inhaltskontrolle via Geltungskontrolle ist nach der hier vertretenen Ansicht nicht wünschenswert. Der Aussteller einer Blankourkunde kann sich nicht auf Erklärungsirrtum beru- 494 fen, wenn die Urkunde abredewidrig ausgefüllt wird.51 Wer nämlich eine Blankourkunde freiwillig aus der Hand gibt, muss mit einem Missbrauch rechnen. Dieses Risiko hat somit er – und nicht der dem Rechtsschein vertrauende gutgläubige Dritte – zu tragen.52 Der Aussteller hat es im Übrigen in der Hand, das Risiko mittels einer anderen Ausgestaltung des entsprechenden Rechtsakts zu minimieren. Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1–3 OR regeln den Irrtum über die Natur des Rechtsgeschäfts 495 (error in negotio), den Irrtum über die Identität der Sache oder Person (error in corpore vel in persona) und den Irrtum über den Umfang von Leistung oder Gegenleistung (error in quantitate). Der Übermittlungsirrtum ist in Art. 27 OR normiert. Angesichts der schwierigen Grenzziehung zwischen bestimmten Fällen des Erklä- 496 rungsirrtums und dem Motiv- bzw. Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR; s. N 491, N 501, N 503) wird an dieser Stelle de lege ferenda für eine Zusammenführung der beiden Formen plädiert. De lege lata ist nach unserem Dafürhalten das Vorliegen beider Irrtümer mit gleicher Strenge zu prüfen: Die Bildung und die Äusserung des Willens sind bisweilen derart miteinander verflochtene Prozesse, dass zwischen ihnen im Nachhinein oft nicht verlässlich unterschieden werden kann. b.

Error in negotio (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1 OR)

Die erste Ziffer von Art. 24 Abs. 1 OR behandelt den Irrtum über die Natur des 497 Rechtsgeschäfts (error in negotio). Ein solcher Irrtum ist gegeben, wenn jemand einem anderen als dem gewollten Vertrag zustimmt. Dabei müssen die Rechte und Pflichten, welche aus dem gewollten Vertrag resultieren würden, wesentlich von jenen abweichen, welche sich aus dem nun geschlossenen Vertrag ergeben.53 49 50 51 52 53

BGE 49 II 167 E. 5. Bucher, OR AT, 198; BSK OR-Schwenzer, Art. 24 N 4. BGE 88 II 422 E. 2d. BK OR-Kramer, Art. 1 N 59. S. BSK OR-Schwenzer, Art. 24 N 10.

155

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Das Bundesgericht bejaht z.B. einen wesentlichen Erklärungsirrtum, wenn der Irrende – statt vom Abschluss eines Kaufvertrages (Absatzrisiko beim Käufer) auszugehen – meinte, seine Zustimmung zu einer Vereinbarung über die Lagerhaltung und damit zusammenhängende Serviceleistungen zu erklären (Absatzrisiko bei der Gegenpartei).54 498

Unseres Erachtens wird von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1 OR auch der Fall erfasst, in welchem der Irrende überhaupt keine rechtsgeschäftliche Bindung erklären wollte, es aufgrund des Vertrauensprinzips aber dennoch zum Vertragsschluss kommt (s. N 196).55 Als Beispiel für diesen Vorgang dient auch die Scherzerklärung, welche von der Irrtumsgegnerin – entgegen der Intention des Scherzenden – als ernst gemeinte Erklärung aufgefasst wird und nach dem Vertrauensprinzip auch so aufgefasst werden darf (s. N 197).56 Es entsteht alsdann ein Vertrag, den der Scherzende für ungültig erklären muss, wenn er nicht an die Erklärung gebunden bleiben will. Man kann ohne Weiteres auch argumentieren, dass der Irrtum bezüglich des Erklärens einer Bindung nicht unter Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1 OR zu subsumieren sei, sondern in eine Kategorie falle, die der Gesetzgeber nicht in der (diesfalls nur enumerativen) Liste von Art. 24 Abs. 1 OR genannt habe. Bei der von uns vertretenen Ansicht, dass es beim Schwierigkeitsgrad der Beweisführung keinen Unterschied machen darf, ob ein Erklärungs- oder ein Grundlagenirrtum vorliegt (s. N 481 ff.), kann es auch keine Rolle spielen, ob ein bestimmter Irrtum in Art. 24 Abs. 1 OR spezifiziert wird oder nicht. Die Frage, ob der Irrtum bezüglich des Bindungscharakters einer Erklärung unter eine gesetzlich spezifizierte Kategorie fällt oder nicht, muss aus Gleichbehandlungsgründen ebenfalls folgenlos bleiben.

499

Sofern die Irrtumsgegnerin also aufgrund des Vertrauensprinzips von einem Rechtsbindungswillen des Irrenden ausgehen durfte, kommt es zum Vertragsschluss (normativer Konsens; s. N 249 f.). Das Prinzip des normativen Konsenses und damit auch die diesbezügliche Anerkennung des Rechtsscheins führen dazu, dass ein Vertrag so gilt, wie die Irrtumsgegnerin ihn verstehen durfte, auch wenn ihre Lesart nicht der inneren Überzeugung des Irrenden entspricht. Eine fehlerbehaftete Erklärung kann also gleichwohl zu einem Vertrag führen. Darin besteht die Relativierung des Willensprinzips, welche das Vertrauensprinzip mit sich bringt. Das aus der Sicht des Erklärenden inhaltlich verkehrte, aber durch den Kommunikationsprozess beim Erklärungsempfänger erzeugte Verständnis obsiegt.

500

Bezieht sich der Irrtum auf die rechtliche Subsumtion oder die Rechtsfolgen (z.B. Sachgewährleistung) eines an sich gewollten Vertrages (Rechtsfolgeirrtum),

54 55 56

156

BGE vom 5. Juni 1996 E. 2f = Pra 1996 Nr. 239. So auch CHK OR-Kut, Art. 23–24 N 22; BSK OR-Schwenzer, Art. 24 N 11. S. Bucher, OR AT, 199 f.; BK OR-Kramer, Art. 18 N 109; CR CO-Schmidlin, Art. 23–24 N 25.

§5

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)

liegt kein Erklärungsirrtum, sondern ein Motivirrtum vor (zum Rechtsirrtum s. N 524 ff.).57 c.

Error in corpore vel in persona (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 2 OR)

Art. 24 Abs. 1 Ziff. 2 OR regelt den Irrtum über die Identität der Sache oder Person 501 (error in corpore vel in persona). Ein Identitätsirrtum liegt vor, «wenn die Sache zu dem vertraglich vereinbarten Zweck nach objektiven Massstäben keinen vernünftigen Bezug hat»58. Der Erklärungsirrtum nach Art. 24 Abs. 1 Ziff. 2 OR beruht also auf einer eigentlichen Verwechslung einer Sache oder Person (z.B. Angabe einer falschen Bestellnummer beim Bestellen einer Ware). Nicht unter die Bestimmung des Art. 24 Abs. 1 Ziff. 2 OR zu subsumieren sind Irrtümer über die Eigenschaften einer Sache oder Person.59 Unseres Erachtens besteht jedoch kein Anlass, sämtliche Irrtümer über die Eigenschaft einer Sache pauschal dem Grundlagenirrtum zuzuschlagen. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob ein solcher Irrtum anlässlich der Willenskundgabe oder anlässlich der Willensbildung entstanden ist. Je nach Ergebnis liegt bei Bejahung der Wesentlichkeit entweder ein nicht gesetzlich geregelter Fall eines Erklärungsirrtums oder ein Grundlagenirrtum vor.60 Der Irrtum über die Identität einer Person ist gemäss Bundesgericht nur dann 502 wesentlich, wenn der Irrende den Vertrag gerade im Hinblick auf eine bestimmte Person abschliesst, was beispielsweise bei persönlicher Leistungspflicht (in Abweichung vom Grundsatz von Art.  68  OR) oder bei Dauerschuldverhältnissen gegeben sein kann.61 Es handelt sich dabei meistens um Beziehungen, die stark vom Vertrauen der Parteien zueinander geprägt sind. Die genannte Rechtsprechung des Bundesgerichts belegt im Übrigen, dass der Irrende auch die Wesentlichkeit des Erklärungsirrtums zu erstellen hat: Nicht jeder Personenirrtum ist also nur schon deswegen wesentlich, weil der error in persona in Art. 24 Abs. 1 Ziff. 2 OR aufgeführt ist (s. N 481 ff.). d.

Error in quantitate (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 3 OR)

Die dritte Ziffer von Art. 24 Abs. 1 OR behandelt den Irrtum über den Umfang von 503 Leistung oder Gegenleistung (error in quantitate). Die Abweichung der versprochenen von der tatsächlich gewollten Leistung bzw. Gegenleistung muss erheblich

57 BGE 118 II 58 E. 3b = Pra 1993 Nr. 142; 95 II 407 E. 1; Guhl/Koller, § 16 N 6; BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 230 ff. 58 BSK OR-Schwenzer, Art. 24 N 13. 59 BGE 126 III 59 E. 3 = Pra 2000 Nr. 117. 60 A.M. etwa BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 74, wonach der Irrtum über die Eigenschaft einer Sache oder Person dem Grundlagenirrtum zuzuordnen ist. 61 BGE 4C.389/2002 E. 5.1 m.w.H.; BSK OR-Schwenzer, Art. 24 N 14.

157

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

sein,62 ansonsten ist der Erklärungsirrtum unwesentlich. Auch hier ist die Wesentlichkeit eigens zu belegen. Bezieht sich der Irrtum auf den Wert (und nicht auf den Umfang) der Leistung, liegt ein Motivirrtum vor.63 Bei Letzterem entsteht der Fehler in der Willensbildung (er betrifft also die Wertbestimmung), während der error in quantitate voraussetzt, dass der Wert bereits bestimmt worden ist, wenn es zum Irrtum kommt.64 Ein Irrtum über den Wert kann ein Grundlagenirrtum sein, sofern der imaginierte Wert des Vertragsgegenstandes erheblich von seinem «wirklichen» Wert abweicht.65 e.

Übermittlungsirrtum (Art. 27 OR)

504

Ein Übermittlungsirrtum ist schliesslich gegeben, wenn ein Bote oder eine andere vom Erklärenden eingesetzte Person eine Erklärung unrichtig übermittelt, sodass diese «ohne Wissen des Erklärenden (des Irrenden) nicht mehr das von ihm tatsächlich Gewollte ausdrückt».66 Nicht unter den Übermittlungsirrtum fällt das Handeln eines Stellvertreters. Im Gegensatz zum Boten, der eine fremde Erklärung übermittelt, gibt der Stellvertreter eine eigene Erklärung ab (s. N 1034 ff.).67 Entspricht diese nicht dem Willen des Vertretennen, liegt ein (diesem zuzurechnender) Erklärungsirrtum vor.

505

Auf den Übermittlungsirrtum finden die Vorschriften über den (Erklärungs-)Irrtum Anwendung (Art. 27 OR): Der Erklärende kann sich bei Wesentlichkeit des Irrtums auf die Ungültigkeit des Vertrages berufen.68 Schmidlin moniert zu Recht, dass nicht nur Personen, sondern auch der Einsatz von EDV zu Falsch- und Fehlübermittlungen führen kann, woraus er betreffend Übermittlungsirrtum eine Gleichstellung von Personen und IT ableitet.69 Da sich der Erklärende die Tätigkeit des von ihm engagierten Übermittlers bzw. der von ihm eingesetzten IT anrechnen lassen muss, trägt er auch das Risiko dafür, dass die Auslegung der falsch übermittelten Erklärung nach dem Vertrauensprinzip möglicherweise zur Geltung eines von ihm ungewollten, aber eben so erklärten Vertrages führt.

506

Kontrovers wird diskutiert, ob nur unbewusst falsch oder fehlerhaft übermittelte Erklärungen unter Art. 27 OR zu subsumieren sind70 oder ob der Artikel auch bei 62 63 64 65 66 67 68 69 70

158

CR CO-Schmidlin, Art. 23–24 N 28. S. BGE 110 II 293 E. 5a; CHK OR-Kut, Art. 23–24 N 24; BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 84. CR CO-Schmidlin, Art. 23–24 N 29. S. BGE 4A_97/2016 E. 2.4 und E. 2.5; 4C.316/2000 E. 2; CR CO-Schmidlin, Art. 23–24 N 30. Ausführlich zum Wertirrtum s. Cathomas/von der Crone, SZW 2017, 113 ff. Berger, Schuldrecht, N 987. BSK OR-Schwenzer, Art. 27 N 2. Betreffend das Verhältnis zwischen moderner Kommunikationstechnologie und Art.  27  OR s. BK  ORSchmidlin, Art. 27 N 20 ff. BK OR-Schmidlin, Art. 27 N 20 ff. BGE 34 II 523 E. 3; BK OR-Schmidlin, Art. 27 N 12 ff.

§5

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)

Absicht des Boten gilt71. Nach der hier vertretenen Auffassung ist Art. 27 OR weit auszulegen. Aus dem Vertrauensprinzip ergibt sich, dass das Risiko beim Erklärenden und nicht beim Erklärungsempfänger anzusiedeln ist. Verträte man die gegenteilige Ansicht, wäre der bewusst falsch übermittelte Vertrag gar nicht zustande gekommen. Die negativen Folgen der absichtlichen Falsch- oder Fehlübermittlung würden so der Erklärungsempfängerin statt dem Erklärenden zugemutet. 1.4

Qualifizierter Motiv- bzw. Grundlagenirrtum

a.

Begriff

Ein qualifizierter Motiv- bzw. Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR) liegt 507 vor, wenn eine Partei ihren Vertragswillen aufgrund einer falschen oder fehlenden (ignorantia) Vorstellung über einen Sachverhalt bildet, welchen sie als notwendige Grundlage des Vertrages betrachtet (subjektive Wesentlichkeit) und nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr auch als solche betrachten darf (objektive Wesentlichkeit). Beim Motivirrtum liegt kein unbewusst missverständliches Erklärungsverhalten 508 (Erklärungsirrtum), sondern eine mangelhafte Willensbildung vor. Zeitlich bildet sich der Motivirrtum also nach der Vorstellung des Gesetzgebers unabhängig vom bzw. vor dem Erklärungsirrtum: Bereits die innere Rezeption der Sach- oder allenfalls auch der Rechtslage führt zu einer fehlerhaften Willensbildung. Wäre es der Vertragspartei nämlich gelungen, ihren Entscheid aufgrund einer zutreffenden Vorstellung der Situation adäquat zu bilden, hätte der Willensbildungsprozess zum «richtigen» Resultat geführt. Der Vertrag würde alsdann wiedergeben, was die Partei «wirklich» wollte, hätte sie ihren Willen auf einer innerlich einwandfrei erstellten Sach- bzw. Rechtslage aufgebaut und die zutreffend erfassten Daten, Fakten und Regeln in ihrem Innern entsprechend ihren Präferenzen prozessiert. Der falsch oder lückenhaft imaginierte Sachverhalt kann Umstände betreffen, die 509 innerhalb oder ausserhalb des Vertrages liegen.72 Ein Irrtum bezüglich des Vertragsinhalts liegt beispielsweise vor, wenn die Echtheit eines Gemäldes73 oder eine besondere Qualität des Baugrunds74 ausschlaggebend für den Vertragsschluss war, aber entgegen der Annahme des Irrenden nicht vorlag. Die mit dem Vertrag verbundenen Risiken und beabsichtigten Ziele respektive Chancen stellen demgegenüber ausserhalb des Vertrages liegende Umstände dar.75 Auch sie können bei einem 71 Bucher, OR AT, 202; BSK OR-Schwenzer, Art. 27 N 5. 72 BGE 56 II 424 E.  2; Bucher,  OR AT, 204; BSK  OR-Schwenzer, Art.  24 N  17; Schwenzer,  OR AT, N 37.29. 73 S. BGE 114 II 131 E. 2a. 74 S. BGE 87 II 137 E. 3. 75 Schwenzer, OR AT, N 37.29 und N 37.36.

159

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

falschen oder fehlenden assessment der Sach- oder Rechtslage Anlass für einen Grundlagenirrtum bilden. Ein Irrtum kann etwa beim Erwerb einer Gesellschaft mittels Kauf aller Aktien über die finanzielle Lage des Unternehmens76 oder über den Umfang an wiederverkaufbarer Ware in einem Warenlager77 vorliegen. 510

Der Motivirrtum ist grundsätzlich unwesentlich (Art.  24 Abs.  2  OR) und damit unbeachtlich. Weist er jedoch die qualifizierenden Merkmale von Art.  24 Abs.  1 Ziff.  4  OR auf, liegt ein wesentlicher oder qualifizierter Motivirrtum, ein sog. Grundlagenirrtum, vor: Dieser betrifft eine «notwendige Grundlage des Vertrages» und nicht nur irgendeinen «Beweggrund» (Art. 24 Abs. 2 OR).78 Der Wortlaut von Art. 24 Abs. 2 OR ist etwas missverständlich formuliert: Nicht jeder Irrtum im Beweggrund ist schlechthin unwesentlich. Ist ein irrtümlich falsch wahrgenommener Beweggrund subjektiv wie auch objektiv ausschlaggebend für das Eingehen eines Vertrages, wird er als Grundlagenirrtum qualifiziert und kann alsdann den Irrenden berechtigen, den Vertrag nach Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR für ungültig zu erklären. b.

Subjektive und objektive Wesentlichkeit

511

Nach dem Bundesgericht liegt ein Grundlagenirrtum vor, wenn sich der Erklärende über einen für das Eingehen des Vertrages subjektiv und objektiv wesentlichen Sachverhalt irrt.79 Subjektive Wesentlichkeit ist zu bejahen, wenn der irrtümlich vorgestellte Sachverhalt für den Erklärenden eine «notwendige Grundlage des Vertrages» bildet (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR).80 Der betreffende Sachverhalt ist für den konkreten Vertragsschluss conditio sine qua non, also eine unerlässliche Voraussetzung für den Vertrag.81 Wäre dem Irrenden sein Irrtum nämlich nicht verborgen geblieben, hätte er den Vertrag nicht oder aber mit einem anderen Inhalt abgeschlossen. Bis zum Beweis des Gegenteils ist dabei regelmässig von der subjektiven Wesentlichkeit auszugehen, wenn das Tatbestandsmerkmal der objektiven Wesentlichkeit erfüllt ist.82

512

Objektive Wesentlichkeit liegt vor, wenn der Irrende den vorgestellten Sach- oder Rechtsverhalt auch objektiv gesehen, also nach «Treu und Glauben im Geschäftsverkehr» (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR), als eine notwendige Vertragsgrundlage betrach76 77 78 79 80 81

BGE 97 II 43 E. 2. S. BGE 107 II 419 E. 3c; s. für weitere Beispiele BSK OR-Schwenzer, Art. 24 N 26. S. CR CO-Schmidlin, Art. 23–24 N 94 e contrario; BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 429. BGE 4C.219/2004 E. 3.3.1; 130 III 49 E. 1.1; 118 II 58 E. 3b = Pra 1993 Nr. 142; 114 II 131 E. 2. BGE 4C.13/2005 E. 2.1; 91 II 275 E. 2. S. z.B. BGE 95 II 407 E. 1a; s. auch BGE 4A_492/2012 E. 3 und BGE 91 II 275 E. 2b, wonach der Käufer das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften nicht als notwendige Vertragsgrundlage betrachten kann, wenn die Verkäuferin deren Gewährleistung nach Art. 199 OR wegbedungen oder deren Zusicherung abgelehnt hat. 82 Kolly, N 149; Schwenzer, OR AT, N 37.25.

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§5

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)

ten durfte.83 Ausschlaggebend ist, ob eine durchschnittliche Drittperson in der Position des Irrenden den Vertrag in Kenntnis der wahren Sachlage ebenfalls nicht oder nur mit einem anderen Inhalt abgeschlossen hätte.84 c.

Erkennbarkeit des Irrtums für die Irrtumsgegnerin?

Kontrovers wird diskutiert, ob die Bedeutung, die der Irrende dem irrtümlich 513 vorgestellten Sachverhalt beimisst, auch für die Irrtumsgegnerin erkennbar sein muss. Nach unserem Dafürhalten gehört die Erkennbarkeit nicht zu den Voraussetzungen für die Bejahung eines relevanten Irrtums.85 Dem Schutz der Irrtumsgegnerin wird bereits durch die Voraussetzung, dass der 514 Irrtum nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv wesentlich sein muss, Rechnung getragen. Objektiv wesentlich sind nur Sachverhalte, die nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr eine notwendige Vertragsgrundlage bilden.86 Verlangte man überdies, dass die Bedeutung des irrtümlich vorgestellten Sachver- 515 halts für die Vertragspartnerin erkennbar sein muss, schränkte man den Anwendungsbereich des Grundlagenirrtums zulasten des Irrenden zu sehr ein. Überdies geriete man unversehens in die Problematik der Aufklärungspflichten, welche zu Recht im Kontext der Frage, ob ein irrtümlich eingegangener Vertrag gelten soll oder nicht, unbeachtlich ist. Abgesehen von den Fällen, in denen die Irrtumsgegnerin selbst irrt oder die Bedeutung des notwendigen Elements fahrlässig nicht erkennt, wäre der Grundlagenirrtum dann mindestens partiell deckungsgleich mit der Täuschung durch Verschweigen (s. N 538). Davon abgesehen bildet die Möglichkeit der Ungültigerklärung wegen Irrtums den 516 Ausgleich für den sehr weitgehenden favor negotii infolge der Erweiterung des Willens- (tatsächlicher Konsens) durch das Vertrauensprinzip (normativer Konsens). Dieser Ausgleich fällt dahin, wenn zusätzlich zur Wesentlichkeit auch noch Erkennbarkeit durch die Gegenseite vorausgesetzt wird. Daraus folgt: Ist die Bedeutung des sine qua non-Elements für die Irrtumsgegne- 517 rin nicht erkennbar, kann dies zwar dadurch begründet sein, dass der Irrende seine Motivation für den Vertragsschluss nicht transparent macht. Das ändert jedoch nichts an seinem Recht auf Ungültigerklärung. Bei Vorliegen von Verschulden und einem daraus resultierenden Schaden bei der Irrtumsgegnerin kann das allenfalls

83 BGE 4A_125/2014 E. 3.1 und E. 3.4; 4A_313/2013 E. 3; 127 V 301 E. 3c; 91 II 275 E. 2. 84 Koller, OR AT, N 14.60; s. Schwenzer, OR AT, N 37.26. 85 So auch Gauch/Schluep/Schmid, N  781 und N  786; Koller,  OR AT, N  14.61; s. von der Crone/ Hoffmann-Nowotny, SJZ 2008, 55. Anders dagegen BGE 127 V 301 E. 3c; 118 II 297 E. 2b; 110 II 293 E. 5b; BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 180; BSK OR-Schwenzer, Art. 24 N 23; differenzierend Zehnder, 116. 86 S. von der Crone/Hoffmann-Nowotny, SJZ 2008, 54 f. m.w.H.

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1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

intransparente Verhalten des Irrenden sanktioniert werden, indem die Irrtumsgegnerin Schadenersatz erhält (Art. 26 OR). 518

Klärt umgekehrt die Irrtumsgegnerin den Irrenden nicht über den von ihr erkannten Irrtum auf, wäre sie dazu aber verpflichtet gewesen, hat dies gleichfalls in erster Linie schadenersatzrechtliche Konsequenzen. Folgen auf der Ebene der Vertragsgeltung hat eine Verletzung der Aufklärungspflicht allenfalls, wenn Täuschung vorliegt. Dafür setzt der Gesetzgeber aber Absicht voraus. Der Irrtum des Getäuschten muss alsdann nicht einmal wesentlich sein, um den Vertrag für ungültig zu erklären (s. N 543).

519

Ein Grundlagenirrtum setzt im Übrigen nicht voraus, dass die Irrtumsgegnerin demselben (oder einem anderen) Irrtum unterliegt.87 Es kann jedoch durchaus vorkommen, dass beide Parteien dem gleichen Irrtum unterliegen und somit den Vertrag je für ungültig erklären können.88 d.

Irrtum über zukünftige Sachverhalte

520

Umstritten ist auch, ob sich der Irrtum auf einen zukünftigen Sachverhalt beziehen darf.89 Das Bundesgericht lässt dies zu, wenn der Irrende das zukünftige Ereignis fälschlicherweise als sicher annahm, «aber auch die Gegenpartei nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr hätte erkennen müssen, dass die Sicherheit für die andere Partei Vertragsvoraussetzung war»90. Eine lediglich auf Hoffnung gründende Erwartung genügt diesen Anforderungen nicht.91

521

Eine Ausdehnung des Grundlagenirrtums auf zukünftige Sachverhalte ist nach der hier vertretenen Auffassung abzulehnen. Bewusste Unkenntnis schliesst Irrtum aus, und da die Zukunft naturgemäss ungewiss ist, können über künftige Ereignisse bloss Mutmassungen angestellt werden. Die Gefahr eines von der Erwartung abweichenden Verlaufs der Geschehnisse ist zwar je nach Ausgangslage unterschiedlich wahrscheinlich, doch die Möglichkeit besteht stets.

522

Die Parteien stehen zukünftigen Entwicklungen nicht schutzlos gegenüber, sondern haben es anlässlich des Vertragsschlusses, aber auch später in der Hand, einvernehmlich zu regeln, wie sich allenfalls sich verändernde oder veränderte Verhält87 88

Koller, OR AT, N 14.65. In Anlehnung an Koller, OR AT, N 14.66, folgendes Beispiel: A kauft ein Bild, das nach seiner Einschätzung sowie nach jener des Verkäufers B und der gesamten Fachwelt ein Werk des Malers Chagall ist. Handelt es sich dabei jedoch um eine Fälschung, unterliegen sowohl A als auch B demselben Irrtum. 89 Bejahend: Berger, Schuldrecht, N  999; Bucher,  OR AT, 204; Knoepfel-Kunz, 268  ff., insbesondere 271; Kramer/Probst,  OR AT, N  279 und N  296; BK  OR-Schmidlin, Art.  23/24 N  238  ff., insbesondere N 244; Schwenzer, OR AT, N 37.33; Zehnder, 68; verneinend: Gauch/Schluep/Schmid, N 801; Kolly, N 317; Schönle, 439; wohl auch Koller, OR AT, N 14.69. 90 BGE 118 II 297 E. 2b m.w.H. 91 BGE 118 II 297 E. 2b; im Folgenden auch BGE 4C.226/2001 E. 5; s. ferner CR CO-Schmidlin, Art. 23–24 N 35; Schwenzer, OR AT, N 37.31; Zehnder, 69.

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Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)

nisse auf das vertragliche Leistungsgefüge oder den Vertrag überhaupt auswirken sollen. Zu denken ist auch an die Möglichkeit, dass der nach dem Vertrauensprinzip ausgelegte Vertrag implizit eine aufschiebende oder auflösende Bedingung enthält (s. N 1288 ff.).92 Versäumt es eine Partei indessen, ihr vertraglich zugewiesene Risiken durch eine entsprechende Regelung abzufedern, hat sie grundsätzlich die mit den veränderten Verhältnissen verbundenen Nachteile zu tragen. Sie soll sich darum in der Folge auch nicht – und dies allenfalls sogar viele Jahre später – auf einen Grundlagenirrtum berufen können, um sich auf diese Weise im Nachhinein gegen ungünstige Entwicklungen zu wehren oder gar die andere Partei um den (allenfalls langjährigen) Vertrag zu bringen. Eine Vertragsanpassung ohne vertragliche Übereinkunft ist im Übrigen nicht 523 schlechthin ausgeschlossen. Sie kann immer dann vorgenommen werden, wenn eine gesetzliche Bestimmung dies vorsieht (z.B. Art. 373 Abs. 2 OR) oder die Voraussetzungen der clausula rebus sic stantibus erfüllt sind (s. N 320 ff.). e.

Gleichbehandlung des Rechtsirrtums

Nicht nur Sachverhalts-, sondern auch Rechtsirrtümer können zur Ungültiger- 524 klärung berechtigen, wenn sie zu einer Fehlbildung der Motivationsgrundlage für den Vertrag führen. Auch sie können ausser- oder innerhalb des Vertrages liegende Umstände betreffen. Es ist zwischen echten und unechten Rechtsirrtümern zu differenzieren. Beim echten Rechtsirrtum irrt sich jemand über eine Rechtsnorm oder deren Impli- 525 kationen. Der Irrtum beruht entweder auf Rechtsunkenntnis (Rechtsregelirrtum) oder auf einem Subsumtionsfehler (Rechtsregelfolgenirrtum).93 525a Rechtsirrtum

echter Rechtsirrtum

Rechtsregelirrtum (aus Rechtsunkenntnis)

Rechtsfolgenirrtum (aus Subsumtionsfehler)

unechter Rechtsirrtum (Irrtum über das Vorliegen einer bestimmten rechtlichen Situation)

Abbildung: Übersicht über die Rechtsirrtümer

Der Rechtsregelirrtum resultiert aus der Unkenntnis des Irrenden über das Recht 526 (ignorantia iuris). Nach Rechtsprechung und herrschender Lehre wird die Kenntnis des Rechts vermutet und die Befugnis zur Ungültigerklärung eines aus Rechtsun92 Schönle, 438 f. 93 S. BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 215 ff.

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1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

kenntnis irrtümlich geschlossenen Vertrages deshalb grundsätzlich verneint: «Rechtsirrtum hilft nicht.»94 Die «berechtigte» Erwartung in die Rechtskenntnis der einer Rechtsordnung unterstellten Personen hat indessen ihre Grenzen: Von einer Durchschnittsperson darf kein spezifisches Fachwissen über das Gesetz verlangt werden. Deshalb wird beim Rechtsregelirrtum danach unterschieden, ob die unbekannte Regel eine allgemeine oder eine Sondernorm ist. Die Unkenntnis einer allgemeinen Norm rechtfertigt die Berufung auf Irrtum nicht.95 Das Vorliegen einer Sondernorm ist zu bejahen, wenn die Rechtslage komplex ist und dafür Fachkenntnisse in der betreffenden Branche vorausgesetzt werden, wie z.B. im Bau- oder Versicherungswesen. Der Irrende hatte weiter keinen Zugang zur irrtumsauslösenden Norm, bzw. es war ihm nicht zumutbar, sich die entsprechenden Rechtskenntnisse, etwa mithilfe eines Spezialisten, zu verschaffen. Der zugrunde liegende Rechtsirrtum muss schliesslich eine subjektiv notwendige Grundlage des Vertrages betreffen.96 Geraten die Parteien z.B. in die Übergangsphase von einem Gesetz zum anderen, ohne die Implikationen von Art. 1 SchlT ZGB zu kennen, können sie sich auf Grundlagenirrtum berufen.97 527

Nach der hier vertretenen Auffassung sollte weder der Grundsatz vom unbehelflichen Rechtsirrtum noch der Ansatz einer allmählichen Lockerung nach Massgabe der «berechtigten» Erwartung in die Rechtskenntnis der Gesellschaft weiter verfolgt werden. Es besteht kein überzeugender Grund dafür, die ignorantia iuris mit Bezug auf den Irrtum anders zu behandeln als die Unkenntnis über den Sachverhalt (ignorantia facti). Die Stringenz und Überzeugungskraft der Irrtumsregelung besteht gerade darin, dass die Ungültigerklärung wegen eines wesentlichen Irrtums verschuldens- bzw. sorgfaltsunabhängig gewährt wird. Das ist auch ein Ausgleich für den favor negotii, welchen der normative Konsens (aus der Sicht der irrenden Partei zu) grossflächig absichert.

528

Beim Rechtsfolgenirrtum kennt der Irrende die Regel, aber er wendet sie falsch an und stellt sich darum die daraus resultierenden Folgen falsch vor (error iuris).98 Nach herrschender Lehre ist der Rechtsfolgenirrtum ein unwesentlicher Motivirrtum: Die Rechtsfolgen eines Vertrages richten sich nicht nach der Auffassung des Irrenden, sondern bleiben dem Parteiwillen entzogen.99 Nach dem Bundesgericht gilt die Unbeachtlichkeit des Motivirrtums sowohl für Rechtsfolgenirrtümer bezüglich zwingenden wie auch für solche bezüglich dispositiven Rechts.100

94 BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 212 und N 221. 95 BGE 118 II 58 E. 3b = Pra 1993 Nr. 142. 96 BGE 4C.37/2004 E. 3; BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 223 ff. 97 BGE 80 II 152 E. 1. 98 BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 230 ff. 99 S. Kolly, 59 f. 100 BGE 79 II 272 E. 5b.

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§5

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)

Gemäss Schmidlin hat sich dieser Ansatz indessen grundsätzlich auf zwingen- 529 des Recht zu beschränken. Befänden sich die Parteien bei einem Verzicht auf eine parteiautonome Regelung in einem Irrtum über das diesfalls greifende dispositive Recht, so könne «ein Rechtsirrtum zu einem wesentlichen Grundlagenirrtum werden», wenn der Rechtsfolgeirrtum den Irrenden im konkreten Fall daran hinderte, die dispositiven Rechtsfolgen einer Bestimmung durch eine vertragliche Abmachung abzuändern.101 Von einem unechten Rechtsirrtum (Rechtslageirrtum) spricht man schliesslich, 530 wenn sich jemand über das Vorliegen einer bestimmten rechtlichen Situation irrt. Der Irrende liegt bezüglich des Bestehens oder Nichtbestehens einer konkreten Rechtslage falsch. Der Irrtum über eine bestimmte rechtliche Lage wird zu Recht dem Irrtum über eine bestimmte tatsächliche Lage gleichgestellt.102 Beispielsweise liegt ein unechter Rechtsirrtum vor, wenn jemand beim Occasionsautohändler ein gestohlenes Auto kauft und dabei irrtümlicherweise davon ausgeht, der Händler sei Eigentümer.103 Oder es schliesst jemand einen Erbteilungsvertrag ab, weil er eine falsche Vorstellung über die Gültigkeit eines Testaments hat.104 Der Irrtum kann auch im Verkennen einer Rechtslage bestehen.105 Ein unwesentlicher Irrtum über die Rechtslage liegt vor, wenn dieser bloss die rechtlichen Nebenfolgen des Vertrages betrifft.106 Nur wenn eine irrig vorgestellte Rechtslage nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr die notwendige Grundlage für das Eingehen eines Vertrages bildet, wird die Wesentlichkeit bejaht.107 Der Irrende ist alsdann berechtigt, den Vertrag für ungültig zu erklären. f.

Besondere Behandlung blosser Rechnungsfehler (Art. 24 Abs. 3 OR)

Ein gesetzlich besonders geregelter Fall des Motivirrtums ist der «blosse Rech- 531 nungsfehler» (Art.  24 Abs.  3  OR).108 Der Rechnungsfehler berührt die Gültigkeit des Vertrages nicht, ist aber zu berichtigen. In den Anwendungsbereich von Art.  24 Abs.  3  OR fallen nur Sachverhalte, bei welchen die Berechnungsgrundlage Vertragsinhalt bildet und der Rechnungsfehler anlässlich der Berechnung aufgrund der vereinbarten Grundlage auf ein gemeinsames Versehen der Vertragsparteien zurückzuführen ist («beidseitiger, offener Kalkulationsirrtum»).109 Wurde die Berechnungsgrundlage dagegen nicht Vertragsinhalt, hat man es in der Regel mit 101 102 103 104 105 106 107 108 109

BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 237. BGE 4A_461/2016 E. 4.3.2; BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 214. BGE 109 II 319 E. 4a. S. BGE 73 II 15 E. 3. Für weitere Beispiele s. BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 214. BGE 127 V 301 E. 3c; 96 II 101 E. 1c; 80 II 152 E. 1. BGE 4A_228/2007 E. 2. BGE 5C.296/2005 E. 2.2.1; 96 II 101 E. 1c. Koller, OR AT, N 14.243. BGE 116 II 685 E. 2b bb; ähnlich Kramer/Probst, OR AT, N 280.

165

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

einem unbeachtlichen Motivirrtum des Irrenden («nach aussen nicht erkennbarer Kalkulationsirrtum»)110 oder – bei gegebenen Voraussetzungen (s. N 509 f.) – mit einem Grundlagenirrtum zu tun.111

2.

Absichtliche Täuschung (Art. 28 OR)

2.1

Begriff

532

Bei der absichtlichen Täuschung befindet sich der Getäuschte in einem Motivirrtum, der absichtlich und damit widerrechtlich durch die Vertragspartnerin oder einen Dritten ausgelöst oder aufrechterhalten wurde und den Getäuschten zum Vertragsschluss oder zur Vereinbarung eines bestimmten Vertragsinhalts bewegt.

533

Die absichtliche Täuschung ist ein besonderer Anwendungsfall des Motivirrtums. Wie beim Motivirrtum hat der Getäuschte eine falsche oder fehlende Vorstellung über einen Sachverhalt. Die Besonderheit besteht darin, dass die falsche oder fehlende Vorstellung über den Sachverhalt absichtlich durch die Vertragspartnerin (Art. 28 Abs. 1 OR) oder einen Dritten (Art. 28 Abs. 2 OR) ausgelöst oder aufrechterhalten wurde. Für dieses Verhalten gibt es auch keine Rechtfertigung. 2.2

Voraussetzungen

534

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Täuschung durch die Vertragspartnerin (Art. 28 Abs. 1 OR; für die Besonderheiten der Täuschung durch einen Dritten nach Art. 28 Abs. 2 OR s. N 546 ff.).

535

Die absichtliche Täuschung nach Art. 28 Abs. 1 OR ist zu bejahen, wenn folgende fünf Voraussetzungen (kumulativ) erfüllt sind: • • • • •

536

täuschendes Verhalten (s. N 537 ff.); Täuschungsabsicht (s. N 540); kein Rechtfertigungsgrund (s. N 541 f.); Motivirrtum (s. N 543); Kausalzusammenhang (s. N 544 f.).

Nicht erforderlich ist, dass der Irrtum des Getäuschten wesentlich ist (s.  Art.  28 Abs. 1 in fine OR). Im Weiteren zu den einzelnen Erfordernissen:

110 111

166

BGE 116 II 685 E. 2b bb; Koller, OR AT, N 14.256. Berger, Schuldrecht, N 976.

§5

a.

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)

Täuschendes Verhalten

Das täuschende Verhalten muss sich auf Sach- bzw. Rechtsverhalte (zum Rechtsirr- 537 tum s. N 524 ff.) beziehen. Als Tatsachen gelten sowohl äussere Eigenschaften wie etwa die Qualität oder «Rechtmässigkeit» einer Ware als auch innere Umstände wie etwa die fehlende Bereitschaft zur Erfüllung einer Pflicht. Nicht davon erfasst sind subjektive Werturteile.112 Kurzum: Was Gegenstand eines Irrtums sein kann, eignet sich auch für eine Täuschung: Diese stellt einen von der Gegenseite absichtlich induzierten Irrtum dar, welcher nicht wesentlich sein muss. Die Täuschung kann zunächst aktiv in der Vorspiegelung falscher Tatsachen (z.B. 538 Behauptung der Echtheit eines Bildes) bzw. in der aktiven Unterdrückung richtiger Tatsachen (z.B. Verdeckung von Unfallspuren oder Rost an einem Auto) bestehen.113 Sodann ist ein täuschendes Verhalten auch passiv, bei Verschweigen vorhandener Tatsachen, gegeben, sofern die Vertragspartnerin eine Aufklärungspflicht trifft.114 Eine solche Pflicht kann sich aus Vertrag, einer besonderen gesetzlichen Bestimmung, dem Grundsatz von Treu und Glauben oder der herrschenden Anschauung ergeben (s. N 100, N 1543 ff.).115 Eine (erhöhte) Pflicht, den Vertragspartner aufzuklären, kann auch in der besonderen Rechtsnatur eines Vertrages begründet sein. Eine solche besondere Qualität einer Vereinbarung bezüglich der Loyalität zwischen den Parteien besteht namentlich bei bestimmten Dauerschuldverhältnissen und bei Vorliegen eines besonderen Vertrauensverhältnisses.116 Dagegen sind die Anforderungen bei einmaligen Austauschverhältnissen in der Regel weniger hoch.117 Deshalb trifft beispielsweise die Verkäuferin grundsätzlich keine Pflicht, den Käufer bei einem einfachen Kauf von sich aus über alle preisrelevanten Umstände zu informieren.118 Der Käufer kann aber erwarten, dass er über Risiken, «welche den erkennbaren Vertragszweck vereiteln oder erheblich beeinträchtigen können»,119 aufgeklärt wird.120 Des Weiteren besteht nach Treu und Glauben eine erhöhte Aufklärungspflicht bei starker Informationsasymmetrie zwischen den Parteien.121 Zu beachten sind auch die Kosten der Informationsbeschaffung sowie die Wichtigkeit einer Information für die jeweilige Gegenpartei. Aufgrund einer gesetzlichen Aufklärungspflicht müssen Ehepartner beispielsweise bei der Aushandlung

112 113 114 115 116 117 118 119 120 121

Bucher, OR AT, 219. BGE 4A_533/2013 E. 3.1; s. Bucher, OR AT, 219; BSK OR-Schwenzer, Art. 28 N 6 f. BGE 4A_23/2016 E. 4 m.w.H.; s. BK OR-Schmidlin, Art. 28 N 28 ff. BGE 4A_23/2016 E. 4 m.w.H.; 116 II 431 E. 3a mit Verweis auf Bucher, OR AT, 220; s. Engel, CO PG, 352 ff.; Meier-Hayoz, 162. BGE 4A_23/2016 E. 8.1 m.w.H.; s. BK OR-Schmidlin, Art. 28 N 34; BSK OR-Schwenzer, Art. 28 N 9. BGE 4C.26/2000 E. 2a bb; CHK OR-Kut, Art. 28 N 6. BGE 4C.26/2000 E. 2a bb m.w.H.; s. auch BGE 4C.16/2005 E. 1.5. BGE 4C.26/2000 E. 2a bb. Vischer, SJZ 2000, 231. S. BGE 4C.26/2000 E. 2a bb; CHK OR-Kut, Art. 28 N 6; BSK OR-Schwenzer, Art. 28 N 9.

167

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

einer Scheidungskonvention unaufgefordert ihr Einkommen und Vermögen offenbaren, soweit dies für die Geltendmachung von Ansprüchen nötig ist.122 539

Ob und in welchem Umfang eine Aufklärungspflicht anzunehmen ist, bestimmt sich somit fallgruppen- bzw. einzelfallweise.123 Eine Aufklärungspflicht ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn die eine Seite erkennt oder erkennen muss, dass sich ihr Gegenüber in einem wesentlichen Irrtum befindet.124 Das gilt auch dann, wenn es möglich gewesen wäre, mittels Fragen oder eigener Nachforschungen Kenntnis über die verschwiegene Tatsache zu erlangen.125 Darf die Vertragspartnerin hingegen nach Treu und Glauben annehmen, dass der richtige Sachverhalt für ihren Kontrahenten ohne Weiteres erkennbar ist, trifft sie keine Aufklärungspflicht.126 b.

540

Die Täuschende muss ausserdem darum wissen oder mindestens in Kauf nehmen (sog. dolus eventualis127), beim Vertragsgegner durch ihr aktives Verhalten einen Irrtum hervorzurufen bzw. einen solchen durch ihr Schweigen – trotz Bestehens einer Aufklärungspflicht – aufrechtzuerhalten.128 Die Absicht muss sich auch auf die Kausalität beziehen. Die Täuschende muss zumindest in Kauf nehmen, dass der Getäuschte bei fehlerfreier Willensbildung gar keine oder eine andere Willenserklärung abgegeben hätte.129 Verursacht die Erklärungsgegnerin den Irrtum fahrlässig, beispielsweise durch Falschangaben, kommt lediglich eine Ungültigerklärung wegen Grundlagenirrtums infrage (s.  N  507  ff.).130 Sowohl die absichtliche Täuschung als auch der fahrlässig herbeigeführte Irrtum können eine Haftung der Erklärungsgegnerin aus culpa in contrahendo (s. N 1524 ff.) auslösen. c.

541

Täuschungsabsicht

Kein Rechtfertigungsgrund

Im Gegensatz zur Furchterregung (s. Art. 29 Abs. 1 OR) verlangt der Gesetzgeber nicht ausdrücklich, dass die absichtliche Täuschung widerrechtlich sein muss. Die herrschende Lehre schliesst daraus, dass der historische Gesetzgeber die absichtliche Täuschung per se für widerrechtlich anschaute.131 Geht Widerrechtlichkeit mit dem Bejahen der absichtlichen Täuschung einher, so kann Widerrechtlichkeit 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131

168

So BGE 117 II 218 E. 6a, in welchem unseres Erachtens zu Unrecht zusätzlich gefordert wird, dass «die Auskunft nicht auf andere Weise erhalten werden kann»; s. auch Art. 170 Abs. 1 ZGB. BGE 4A_316/2008 E. 2.1; 4C.348/2006 E. 7.1; s. Gottini/von der Crone, SZW 2017, 509. BGE 92 II 328 E. 3a; Koller, OR AT, N 14.108; BK OR-Schmidlin, Art. 28 N 31. BGE 4C.26/2000 E. 2a bb m.w.H. BGE 116 II 431 E. 3a und E. 3b; so im Folgenden auch BGE 117 II 218 E. 6c und BGE 4C.26/2000 E. 2a bb. BGE 4A_533/2013 E. 3.1; 53 II 143 E. 1a. S. BGE 4A_23/2016 E. 8.2; 123 III 165 E. 3. Furrer/Müller-Chen, Kap. 7 N 19. Huguenin, SJZ 1999, 262 f.; BK OR-Schmidlin, Art. 28 N 73. Koller, OR AT, N 14.120; BSK OR-Schwenzer, Art. 28 N 12.

§5

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)

keine zusätzliche Voraussetzung für die Bejahung des Rechts auf Ungültigerklärung wegen Täuschung sein. Eine Voraussetzung für die Bejahung einer absichtlichen Täuschung ist dagegen das 542 Fehlen von Rechtfertigungsgründen: Wird etwa im Vorfeld des Abschlusses eines Arbeitsvertrages eine persönlichkeitsverletzende Frage gestellt, so ist deren Falschbeantwortung als gerechtfertigt zu betrachten.132 Die Wahrung des eigenen Persönlichkeitsrechts ist mithin ein Rechtfertigungsgrund für die absichtliche Täuschung. Alsdann entfällt die Widerrechtlichkeit und damit das Recht des Getäuschten, sich auf die Ungültigkeit der Vereinbarung zu berufen. d.

Motivirrtum

Die absichtliche Täuschung muss sodann beim Getäuschten einen Motivirrtum ver- 543 ursachen oder aufrechterhalten. Dieser Irrtum braucht weder wesentlich noch entschuldbar zu sein (zur Konkurrenz zwischen Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 und Art. 28 OR s. N 600; zum Verhältnis zwischen Art. 26 und Art. 28 OR s. N 593 f.). e.

Kausalität

Zwischen dem durch die Täuschung bewirkten Motivirrtum und dem Vertrags- 544 abschluss muss schliesslich ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang (s. N 119 ff.) bestehen.133 Ein solcher liegt vor, wenn der Getäuschte den Vertrag en connaissance de la cause nicht oder aber mit anderem Inhalt abgeschlossen hätte.134 Der Getäuschte muss nachweisen, dass der durch die Täuschung bewirkte Irrtum kausal für den Vertragsabschluss war (Art. 8 ZGB). Das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem durch die Täuschung bewirkten Motivirrtum und dem Vertragsabschluss wird allerdings vermutet, wenn der Getäuschte ein täuschendes Verhalten (s. N 537 ff.) nachweisen kann. Der Täuschenden steht diesfalls der Gegenbeweis offen, dass der Getäuschte den Vertrag auch ohne die Täuschung abgeschlossen hätte.135 Der notwendige Kausalzusammenhang fehlt, wenn der Getäuschte die gleiche Wil- 545 lenserklärung auch bei Kenntnis der wahren Sachlage abgegeben hätte.136 So verneinte das Zürcher Obergericht in der sog. «Zürcher Klärschlammaffäre» eine kausale Wirkung der Bestechung eines Beamten auf den Vertragsschluss zwischen der Bestecherin und der Stadt Zürich mit der Begründung, dass eine massgebliche Einwirkungsmöglichkeit des bestochenen Beamten auf den Abschluss oder Inhalt des 132 BSK OR-Schwenzer, Art. 28 N 12; s. auch BSK OR-Portmann/Rudolph, Art. 320 N 9 und N 36. 133 BGE 4C.253/2003 E. 2.1; s. Meier-Hayoz, 164. 134 S. BGE 132 II 161 E. 4.1; CHK OR-Kut, Art. 28 N 10; BSK OR-Schwenzer, Art. 28 N 14; Tercier/ Pichonnaz, CO PG, N 825. 135 BGE 4A_533/2013 E. 3.1; BK OR-Schmidlin, Art. 28 N 162. 136 BGE 4A_533/2013 E. 3.1; 129 III 320 E. 6.3.

169

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Vertrages nicht hätte bewiesen werden können.137 Nach Wyss/von der Crone hätte richtigerweise der Zusammenhang zwischen der Fehlvorstellung der Stadt Zürich in Bezug auf die Loyalität ihrer Vertragspartnerin und dem Vertragsschluss geprüft und die erforderliche Kausalität in der Folge bejaht werden müssen.138 2.3

Absichtliche Täuschung durch einen Dritten (Art. 28 Abs. 2 OR)

546

Dritte im Sinne von Art. 28 Abs. 2 OR sind Personen, die nicht an den Vertragsverhandlungen oder am Zustandekommen bzw. am Abschluss des Vertrages aufseiten der täuschenden Partei beteiligt waren.139 Keine Dritten sind dagegen Vertreter (s. N 1022 ff.) oder Abschlussgehilfen (s. N 993 ff., N 2027 ff.) der Vertragspartnerin. Für Täuschungshandlungen, die diese Personen vornehmen, muss die Vertragspartnerin in der Regel wie für ihr eigenes Verhalten einstehen.140 Eine Zurechnung kann aufgrund von Art. 55 ZGB, Art. 32 und Art. 101 OR oder erwecktem Vertrauen erfolgen.141 Die Konsequenz der Zurechnung ist, dass der entsprechende Sachverhalt unter Art. 28 Abs. 1 OR zu subsumieren ist.

547

Bei Täuschungen, die von einem «echten» Dritten ausgehen, kann sich der Getäuschte nur auf die Ungültigkeit des Vertrages berufen, wenn seine Vertragspartnerin «zur Zeit des Vertragsabschlusses die Täuschung gekannt hat oder hätte kennen sollen» (Art. 28 Abs. 2 OR). Erforderlich ist somit, dass ein Dritter unter denselben Voraussetzungen wie in Abs. 1 einen Irrtum absichtlich auslöst oder aufrechterhält (s. N 535 ff.). Zudem muss die Vertragspartnerin Kenntnis von der Täuschung haben.

548

Hat die Vertragspartnerin Kenntnis von der Täuschung, so täuscht neben dem Dritten auch sie selber, und zwar durch passives Verhalten. Wie bei der selber verursachten Täuschung nach Art. 28 Abs. 1 OR wird vorausgesetzt, dass die Vertragspartnerin einer Aufklärungspflicht unterliegt. Sie muss den drittverursachten Irrtum mindestens eventualvorsätzlich verschweigen wollen. Befindet sie sich hingegen in Unkenntnis der Täuschung, kann der Getäuschte sich nur auf Grundlagenirrtum berufen, was aber voraussetzt, dass sein Motivirrtum wesentlich ist.142

549

Laut Gesetzeswortlaut kann der Getäuschte sich auch auf die Täuschung durch den Dritten berufen, wenn die Vertragspartnerin die Täuschung «hätte kennen sollen» (Art. 28 Abs. 2 OR). Demnach könnte die Vertragspartnerin ihre Aufklärungspflicht bei einer Täuschung durch einen Dritten auch fahrlässig verletzen. Unserer 137 138 139 140 141 142

170

OGer Zürich LB020 058 vom 17. September 2002, 16 ff. Wyss/von der Crone, SZW 2003, 40; s. auch BGE 129 III 320 E. 6.3. BGE 63 II 77 E. 2; BSK OR-Schwenzer, Art. 28 N 16. Huguenin, SJZ 1999, 266 ff. S. auch BGE 108 II 419 E. 5; ausführlich Huguenin, SJZ 1999, 266 ff., insbesondere 267–269. Huguenin, SJZ 1999, 263.

§5

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)

Ansicht nach genügt eine bloss fahrlässige Unkenntnis entgegen dem Gesetzeswortlaut nicht. Der Gesetzestext geht zu weit und ist darum teleologisch auf die (allenfalls auch nur eventualvorsätzliche) Kenntnis der Vertragspartnerin zu reduzieren. Ansonsten würden für die Ungültigerklärung der drittverursachten Täuschung weniger strenge Anforderungen gelten als für die verpönenswertere von der Vertragspartnerin selber ausgelöste Täuschung.143

3.

Furchterregung (Art. 29–30 OR)

3.1

Begriff

Eine Furchterregung144 liegt vor, wenn eine widerrechtliche Drohung der Vertragspartnerin oder eines Dritten beim Bedrohten zu einer begründeten Furcht führt und dieser infolgedessen dem Vertrag oder einem bestimmten Vertragsinhalt «zustimmt».

550

Sowohl die Furchterregung als auch die absichtliche Täuschung regeln Sachverhalte, 551 bei denen die Willensbildung nicht frei erfolgen kann. In beiden Fällen findet eine rechtswidrige Beeinflussung des Willens statt. Unterschiedlich ist aber die Vorgehensweise: Während die Drohende psychischen Druck ausübt, um ihr Gegenüber zum Vertragsabschluss zu drängen, handelt die Täuschende subtiler. So schliesst der Bedrohte den Vertrag aus Furcht ab. Der Getäuschte dagegen nimmt sein eigenes Handeln als von seinem Willen gesteuert wahr. Da das Gesetz die Furchterregung als den schwerwiegenderen Eingriff in die Willensbildung betrachtet, kann der durch einen Dritten Bedrohte den Vertrag selbst dann für ungültig erklären, wenn seine Vertragspartnerin die Drohung nicht einmal kennen konnte (s. Art. 29 Abs.  2  OR).145 Allerdings hat der Bedrohte dem gutgläubigen Vertragspartner nach Billigkeit Ersatz zu leisten, wenn er den Vertrag für ungültig erklärt (Art. 29 Abs. 2 OR). 3.2

Voraussetzungen

Für die Furchterregung müssen vier Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein:

552

• Drohung (s. N 553 ff.); 143 Ausführlich zur teleologischen Reduktion von Art. 28 OR Huguenin, SJZ 1999, 263 ff. 144 Bisweilen bezeichnet das geltende Recht die «Furchterregung» auch als «Drohung», ohne dass dahinter ein klares Konzept zu erkennen wäre. In der Marginalie zu Art. 29 OR verwendet das Gesetz den Begriff «Furchterregung» und bringt damit treffend zum Ausdruck, dass es primär auf den Empfängerhorizont des Bedrohten ankommt. Der Begriff der Drohung meint dagegen eher das Verhalten, durch welches die Furcht erregt wird. In diesem Sinne auch OR 2020-Ernst W., Art. 40 N 2. 145 Von Büren, 222 f.

171

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

• Widerrechtlichkeit (s. N 558); • «gegründete» (begründete) Furcht (s. N 559 f.); • Kausalzusammenhang (s. N 561). a.

Drohung

553

Mit der Drohung wird ernsthaft ein Übel in Aussicht gestellt. Ernsthaft meint hier, dass der Bedrohte nach den konkreten Umständen mit einer Verwirklichung des Übels rechnen muss.146 Die Drohung zeichnet sich durch ihre psychologische Einwirkung auf die Willensbildung aus (vis compulsiva).

554

Erfolgt eine Handlung, indem physische Gewalt angewendet wird (vis absoluta; Schulbeispiel: gewaltsames Führen der unterzeichnenden Hand), liegt mangels Handlungswillens keine rechtsverbindliche Willenserklärung vor (s. N 170).147

555

Die Drohung kann sowohl von der Vertragspartnerin als auch von einem Dritten ausgehen, wobei das Recht auf Ungültigerklärung nach Art. 29 Abs. 2 OR im letzteren Fall selbst dann besteht, wenn die Vertragspartnerin keine Kenntnis von der Drohung haben konnte (beachte aber die allfälligen Schadenersatzansprüche nach Art. 29 Abs. 2 OR). Für die Qualifizierung als «Dritter» gelten die gleichen Kriterien wie bei der Täuschung (s. N 546 ff.). Die Bedrohte kann – wegen der Möglichkeit einer Druckausübung auf deren Organ(e) – auch eine juristische Person sein.148

556

Gemäss Bundesgericht und einem Teil der Lehre ist zusätzlich zu prüfen, ob die Drohende mit Drohungsabsicht handelte.149 Eine Drohungsabsicht ist gegeben, wenn die Drohende ihr Gegenüber durch In-Aussicht-Stellen eines Übels zum Vertragsabschluss bestimmen will.150 Nicht erforderlich ist, dass sie die Drohung auch wahr zu machen gedenkt.151 Fürchtet sich eine Vertragspartei irrtümlicherweise trotz fehlender Drohungsabsicht, so kann sie sich nicht auf die Furchterregung (Drohung) berufen.152 Hingegen kann sie den Vertrag bei gegebenen Voraussetzungen wegen Grundlagenirrtums (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR) für ungültig erklären.

557

Nach der hier vertretenen Ansicht sollte nicht auf das Bestehen der Drohungsabsicht (Willensprinzip), sondern auf das (objektivierte) Rezipieren durch den Empfänger abgestellt werden (Vertrauensprinzip). Diese Sichtweise ist erstens systemkonformer als das blosse Abstellen auf den «Senderhorizont» und gewährt zweitens dem Bedrohten den teleologisch erforderlichen Schutz. Es muss also nach unse146 147 148 149 150 151 152

172

Bucher, OR AT, 225. Klausberger, 39. Bucher, OR AT, 225. S. BGE 2P.256/2005 E. 4.1; 4C.81/2001 E. 3a; 111 II 349 E. 2 = Pra 1986 Nr. 114; Bucher, OR AT, 227; CHK OR-Kut, Art. 29–30 N 9. BGE 2P.256/2005 E. 4.1; 4C.81/2001 E. 3a; 111 II 349 E. 2 = Pra 1986 Nr. 114. Bucher, OR AT, 227. S. Klausberger, 41; unklar von Tuhr/Peter, 325 FN 36.

§5

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)

rem Dafürhalten keine Drohungsabsicht bei der Drohenden vorliegen. Vielmehr genügt es, wenn der Empfänger die Furcht als begründet erlebt und erleben darf (s. sogleich N 559 f.). b.

Widerrechtlichkeit

Die in Art. 29 Abs. 1 OR geforderte Widerrechtlichkeit der Drohung ist zunächst 558 dann gegeben, wenn das angedrohte Übel selbst widerrechtlich ist (s.  Art.  30 Abs. 1 OR). Besteht die Drohung in einem an sich erlaubten Verhalten wie beispielsweise einer Klageanhebung oder einem Wechsel zur Konkurrenz, so ist sie in jenen Fällen widerrechtlich, in welchen die Drohende eine Notlage des Bedrohten ausnützt, um übermässige Vorteile zu erlangen (Art. 30 Abs. 2 OR). So ist die Androhung einer Strafanzeige gemäss Bundesgericht widerrechtlich, wenn ein «innerer Zusammenhang zum angestrebten Zweck fehlt» (Beispiel: Drohung, eine Steuerhinterziehung anzuzeigen, wenn kein Kaufvertrag abgeschlossen wird). Ist ein solcher Zusammenhang gegeben, ist die Drohung widerrechtlich, wenn die Drohende mehr fordert, als ihr an Schadenersatz zusteht.153 Neben einem Zusammenhang ist also auch Proportionalität erforderlich, damit die Androhung eines erlaubten Verhaltens im Zusammenhang mit einem Vertragsschluss rechtmässig ist. c.

«Gegründete» (begründete) Furcht

Die Drohung muss eine «gegründete» (begründete) Furcht verursachen (Art.  29 559 Abs. 1 OR). Eine solche liegt vor, wenn der Bedrohte aus den Umständen auf eine nahe und erhebliche Gefahr für seine Rechtsgüter oder diejenigen von ihm nahe stehenden Personen schliessen muss und darf (s. die nicht abschliessende Aufzählung von Rechtsgütern in Art.  30 Abs.  1  OR). Der Bedrohte muss die Verwirklichung der Drohung also für möglich halten und halten dürfen. Nicht massgebend ist, ob die Drohende hierzu überhaupt in der Lage ist. Ob der Bedrohte die Verwirklichung für möglich halten darf und das angedrohte 560 Übel die vom Gesetz geforderte Intensität erfüllt, beurteilt sich nach der Lehre nicht objektiv, sondern aus der Perspektive des Bedrohten.154 Nach der hier vertretenen Ansicht kommt dagegen wiederum das Vertrauensprinzip zur Anwendung: Massgeblich für die Frage, ob die Furcht «gegründet» sei, ist das objektivierte Rezipieren durch den Drohungsempfänger.

153 BGE 125 III 353 E. 2 m.w.H. 154 Bucher, OR AT, 226 f.; Klausberger, 41; CHK OR-Kut, Art. 29–30 N 4.

173

1. Kapitel

d. 561

Allgemeine Vertragslehre

Kausalität

Kausal ist eine Drohung, wenn der Bedrohte aus Furcht vor deren Verwirklichung einen Vertrag (oder einen Vertrag dieses Inhalts) abschliesst.

IV.

Ungültigkeit und andere Wirkungen von erfolgreich geltend gemachten Willensmängeln

562

Macht der Übervorteilte, der Irrende, der Getäuschte oder der Bedrohte den Willensmangel erfolgreich geltend, ist der Vertrag in der Regel ganz oder zum Teil ungültig. Allenfalls ist der teilungültige Vertrag auch zu ergänzen. Die Ungültigkeit erfasst den Vertrag grundsätzlich mit Wirkung ex tunc, bei Dauerschuldverhältnissen führt die ex nunc-Wirkung meistens zu überzeugenderen Ergebnissen. Allenfalls schulden die Parteien einander Schadenersatz. Der Irrende ist zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er den Irrtum fahrlässig verursachte (Art. 26 OR), der Irrtumsgegner, wenn er die Entstehung des Willensmangels verschuldete.

563

Von Amtes wegen ist ein Willensmangel nicht zu berücksichtigen. Die Befugnis, sich auf die Ungültigkeit zu berufen, steht nur der geschützten Vertragspartei zu.155 Wenn die andere Seite ihren Willen mängelfrei bildete, kann sie sich nicht auf die Ungültigkeit berufen, ausser es liege zusätzlich ein anderer Entstehungsmangel vor.

1. 564

Solange die geschützte Partei den Vertrag weder genehmigt noch für ungültig erklärt bzw. auch die Frist zu einer Abgabe der Ungültigerklärung noch nicht abgelaufen ist, befindet der Vertrag sich in einem Schwebezustand. Über die Rechtslage während des Schwebezustands sind sich Lehre und Rechtsprechung uneinig.156 Es werden im Wesentlichen drei Theorien vertreten: die Ungültigkeitstheorie (s. N 565), die Anfechtungstheorie (s. N 563) und die Theorie der geteilten Ungültigkeit (s. N 567). Nach unserem Dafürhalten ist der Anfechtungstheorie zu folgen. 1.1

565

Ungültigkeitstheorien

Ungültigkeitstheorie

Nach dieser Theorie liegt die Ungültigkeit des mit einem Willensmangel behafteten Vertrages bereits von Anfang an vor. Weil der Vertrag von Beginn an ungültig ist, entfaltet er auch keinerlei Rechtswirkungen. Sofern indessen die geschützte Partei 155 156

174

Huguenin, Nichtigkeit, 23. Koller, OR AT, N 14.19.

§5

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)

den Vertrag genehmigt oder die Ungültigkeit nicht innert Frist geltend macht, wird der Vertrag ex tunc gültig. Die Vertreter der Ungültigkeitstheorie gehen von einem aufschiebend bedingten Vertrag aus (s. N 1288, N 1303 ff.).157 Das Bundesgericht hat sich für die Ungültigkeitstheorie ausgesprochen, wobei es offenlässt, ob es sich hierbei um eine ein- oder zweiseitige Ungültigkeit handelt (zur einseitigen Ungültigkeit s. N 563).158 1.2

Anfechtungstheorie

Die Mehrheit der Lehre befürwortet die Anfechtungstheorie. Diese geht davon aus, 566 dass der mangelbehaftete Vertrag unter der auflösenden Bedingung einer erfolgreichen Ungültigerklärung steht (s. N 1289, N 1311 ff.).159 1.3

Theorie der geteilten Ungültigkeit

Nach einer dritten Theorie ist der Vertrag für die betroffene, das heisst die irrende 567 oder verletzte Partei von Anfang an ungültig, für die andere ist er dagegen bis zur Erklärung der Ungültigkeit wirksam.160 1.4

Konsequenzen

Die Theorien führen bezüglich verschiedener Fragen zu unterschiedlichen Ergeb- 568 nissen; zwei Beispiele, welche das Sachen-, das Bereicherungs- und das Verjährungsrecht betreffen, sollen dies illustrieren: Erwirbt eine Person eine Sache gestützt auf einen Vertrag, der den Tatbestand der 569 Übervorteilung erfüllt oder mit einem Willensmangel behaftet ist, wird sie nach der Ungültigkeitstheorie erst Eigentümerin, wenn die aufschiebende Bedingung eintritt. Beim Grundlagenirrtum und der absichtlichen Täuschung ist es denkbar, dass die erklärungsberechtigte Erwerberin der Sache keine Kenntnis vom Willensmangel erlangt und die Frist von Art. 31 Abs. 1 OR somit nie zu laufen beginnt. Der Veräusserer bleibt demnach bis zum Zeitpunkt einer allfälligen Ersitzung Eigentümer.161

157 S. Kritik dazu BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 376 ff. 158 BGE 114 II 131 E. 3b. 159 Berger, Schuldrecht, N 1008; Bucher, OR AT, 209 ff.; Koller, OR AT, N 14.22; BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 379; BSK OR-Schwenzer, Art. 23 N 8 ff. 160 Von Tuhr/Peter, 329 und 338. 161 BSK OR-Schwenzer, Art. 23 N 10; Wiegand, recht 1989, 110.

175

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

570

Eine Situation, in der Rechtsschein und Rechtswirklichkeit so eklatant auseinanderfallen, entsteht mit der Anfechtungstheorie erst gar nicht: Die Erwerberin wird dort mit Übergabe der Sache auflösend bedingte Eigentümerin.

571

Das Ergebnis, welches man mittels der Theorie der geteilten Ungültigkeit erlangt, ist mit der Logik nicht vereinbar: Die Gestaltungswirkung kann nur für beide Parteien gemeinsam eintreten.162 Würde man der Theorie der geteilten Ungültigkeit folgen, so wäre je nach Perspektive der einen oder anderen Vertragspartei das Verpflichtungs- und damit das Verfügungsgeschäft gültig oder nicht. Dadurch würde allenfalls auch das Synallagma ausgehebelt, da eine Partei eine Forderung hätte, die andere dagegen nicht über die korrespondierende Gegenforderung verfügte.

572

Eine weitere Auswirkung der Theoriewahl zeigt sich im Bereicherungs- und Verjährungsrecht, wo sich weitere Kontroversen auftun.163 Ein gutes Beispiel bildet der Beginn der absoluten Verjährungsfrist (Art. 67 Abs. 1 OR). Diese Frage wird oft im Zusammenhang mit dem «Picasso-Entscheid»164 diskutiert, stellt sich jedoch nicht, wenn man, unseres Erachtens zutreffenderweise, von vertraglichen Rückabwicklungsansprüchen der Parteien ausgeht (s. N 583 f.).

573

Die Befürworter der Ungültigkeitstheorie sehen in der Leistung die Erfüllung einer Nichtschuld (s.  N  1785  ff.), weshalb die absolute Frist von zehn Jahren (Art.  67 Abs. 1 OR) mit der Leistungserbringung zu laufen beginnt.165

574

Die Verfechter der Anfechtungstheorie gehen von einer ungerechtfertigten Bereicherung wegen nachträglich weggefallenem Grund aus (s.  N  1794  f.). Sie sind sich allerdings uneinig, ob für den Fristbeginn der Zeitpunkt der Leistung oder der Ungültigerklärung massgebend ist.166 Unserer Meinung nach ist der Zeitpunkt der Ungültigerklärung massgebend für den Beginn des Fristenlaufs: Der Vertrag fällt zwar ex tunc dahin, die Bereicherung tritt aber erst mit Ungültigerklärung des Vertrages ein.167 Vorher war die Leistung nicht rechtsgrundlos: Bei der Anfechtungstheorie geht man ja davon aus, dass der Vertrag resolutiv bedingt und bis zur Ungültigerklärung gültig ist. Folglich muss eine Bereicherung aus nachträglich weggefallenem Grund vorliegen.168 Die Verjährungsfrist von Art. 67 Abs. 1 OR beginnt deshalb nicht bereits mit der Leistung zu laufen, sondern erst ab dem Zeitpunkt der Ungültigerklärung, welcher mit dem Zeitpunkt der Bereicherung zusammenfällt.169 162 163 164 165 166

Gl.M. Koller, OR AT, N 14.23. A.M. BGE 114 II 131 E. 3b; s. BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 401. BGE 114 II 131. BGE 114 II 131 E. 3b; Gauch/Schluep/Schmid, N 914; BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 401. Für Ersteres: Koller, OR AT, N 14.196; s. auch BGE 114 II 131 E. 3b; für Zweiteres: Bucher, OR AT, 699 FN 181; BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 400 f.; Wiegand, recht 1989, 111. 167 BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 400; BSK OR-Schwenzer, Art. 23 N 9. 168 Bucher, OR AT, 699 FN 181; BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 400 f. 169 BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 401; BSK OR-Schwenzer, Art. 23 N 9; Wiegand, recht 1989, 111; a.M. BGE 114 II 131 E. 3b; Gauch/Schluep/Schmid, N 914; Honsell, OR BT, 136.

176

§5

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)

Würde man der anderen Ansicht folgen, welche den Beginn der Verjährungsfrist auf den Zeitpunkt der Leistung setzt, käme es unter Umständen zur schwer vertretbaren Situation, dass zwar eine Ungültigerklärung des Vertrages noch möglich, die Bereicherungsforderung aber bereits verjährt ist. Beispielsweise wäre die Ungültigerklärung eines am 12.  Dezember 1999 abgeschlossenen und erfüllten Vertrages aufgrund eines Irrtums, welcher am 14. Mai 2010 entdeckt wird, bis ein Jahr nach Entdeckung (Art.  31  OR) möglich. Die Durchsetzung des Anspruchs wäre dann aber bereits verjährt (s. Art. 67 Abs. 1 OR). Die Vertreter dieser Lehrmeinung stellen auf einen Zeitpunkt – die Leistung – ab, welcher in diesem Beispiel mehr als zehn Jahre zurückliegt. Mit anderen Worten würde die Bereicherungsforderung bereits vor ihrer Entstehung verjähren.170 Gemäss der Theorie der geteilten Ungültigkeit beginnt die Verjährung für die 575 geschützte Partei mit der Leistung, für die Gegenseite – je nach Auffassung – mit der Leistung oder mit der Ungültigerklärung. Wie sich aus den vorgenannten Beispielen ergibt, führt die Theorie der geteilten Ungültigkeit zu widersprüchlichen Ergebnissen: Ein Vertrag kann nicht bloss einseitig Gestaltungswirkung entfalten; eine Forderung (Standpunkt der Gläubigerin) korreliert immer mit einer Schuld (Standpunkt des Schuldners). Folgt man der Ungültigkeitstheorie, das heisst, ist der Vertrag von Beginn an ungültig, so fallen bei kausalen Geschäften Rechtsschein und Rechtslage auseinander. Deshalb erscheint es als sachgerechter und entspricht es auch eher der (hypothetischen) Vorstellung der Vertragsparteien, den Vertrag solange als gültig zu betrachten, als die betroffene Partei ihn nicht anficht.171 Das gilt jedenfalls insoweit, als die Erklärungsgegnerin bezüglich des Willensmangels gutgläubig ist. Diese Überlegungen sprechen wie gesagt für die Überlegenheit der Anfechtungs- 576 theorie. Danach ist der Vertrag gültig, wenn er nicht für ungültig erklärt wird.

2.

Ungültigerklärung

Die Ungültigerklärung ist eine Gestaltungserklärung, die nur die übervorteilte 577 bzw. die von einem Willensmangel betroffene Partei (fristgerecht) abgeben kann. Die Erklärung kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen und ist auch bei formbedürftigen Rechtsgeschäften formlos möglich. Es ist nicht erforderlich, dass die Erklärung den Willensmangel nennt.172 Dies ist unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensprinzips mindestens dann fragwürdig, wenn die Erklärungsgegnerin vom Mangel weder Kenntnis hat noch haben muss. Die Ungültigerklärung ist grund170 BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 398 ff.; Wiegand, recht 1989, 110; a.M. Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 812. 171 S. auch Koller, OR AT, N 14.24; BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 382 f. 172 Schwenzer, OR AT, N 39.14 m.w.H.

177

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

sätzlich bedingungsfeindlich und unwiderruflich. Ein Rückkommen ist unter anderem aber möglich, wenn die Erklärungsgegnerin den Ungültigkeitsgrund bestreitet oder die Ausübung des Gestaltungsrechts selbst auf einem Willensmangel beruht.173 578

Die Ungültigerklärung hat nach Art.  21 Abs.  1  OR sowie Art.  31 Abs.  1  OR binnen Jahresfrist zu erfolgen. Bei beiden Fristen handelt es sich um Verwirkungsfristen (s. N 2222), das heisst, bei unbenütztem Ablauf wird der Vertrag ohne Wenn und Aber verbindlich.174 Unterschiedlich geregelt ist der Beginn des Fristenlaufs: Bei der Übervorteilung ist der massgebliche Zeitpunkt der Vertragsschluss (Art. 21 Abs. 2 OR), beim Irrtum und der absichtlichen Täuschung die Entdeckung des Willensmangels (Art. 31 Abs. 2 OR, wobei sichere Kenntnis desselben verlangt wird)175 und bei der Furchterregung die Beseitigung der Furcht (Art. 31 Abs. 2 OR). Auffällig und im Widerspruch zum Schutzzweck der Norm ist der Anknüpfungspunkt von Art. 21 Abs. 2 OR, welcher das Wegfallen der Notlage bzw. die Kenntnisnahme des wahren Wertverhältnisses unberücksichtigt lässt.176 Diese unbegründete Schlechterstellung des Übervorteilten verleiht der Streitfrage, ob Art.  21  OR die Fälle der Leistungsinäquivalenz abschliessend regelt oder ob bei besonders krassem Leistungsmissverhältnis Art.  19/20  OR Anwendung finden (laesio enormissima), zusätzliches Gewicht (s. N 421 f.).177 Das Bundesgericht lässt die Frage, ob ein Vertrag ausnahmsweise ungültig ist, wenn der Übervorteilte verhindert war, ihn innert Jahresfrist anzufechten, bislang noch offen (für die neuere Rechtsprechung s. aber N 598).178

579

Unseres Erachtens sprechen keine schutzwürdigen Interessen dagegen, die Verwirkungsfrist von Art. 31 Abs. 1 OR im Rahmen der allgemeinen Schranken vertraglich zu verlängern oder zu verkürzen.179 Teilt die vom Willensmangel betroffene Partei der anderen nach Wegfall des Willensmangels mit, dass sie den Vertrag nicht für ungültig erklären wolle, so macht sie nichts anderes, als diesen zu genehmigen. Wird dieser Wille bereits vor Abschluss des Vertrages kundgetan, so ist er im Rahmen von Art. 100 OR (s. N 1014 ff.) verbindlich.180

580

Art.  31  OR sieht keine absolute Verwirkungsfrist vor: Der Berechtigte kann sich, solange er die relative einjährige Frist wahrt, grundsätzlich selbst Jahrzehnte nach Vertragsabschluss noch auf einen Willensmangel berufen.181 Eine zeitliche Schranke ergibt sich für die Irrtumsfälle allenfalls aus Art.  25 Abs.  1  OR und für die Täu173 174 175 176 177 178 179 180 181

178

BGE 128 III 70 E. 2 mit weiteren Ausnahmen. BGE 4A_542/2012 E. 2.5; 114 II 131 E. 2b; BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 21 N 2; Kramer/Probst, OR AT, N 285 f.; Zeiter/Furrer, ius.full 2004, 75. BGE 108 II 102 E. 2a; 98 II 15 E. 3; Zeiter/Furrer, ius.full 2004, 75. S. Gauch, recht 1989, 99 FN 92; BK OR-Kramer, Art. 21 N 57. S. von Büren, 229 f. BGE 95 II 109 E. 2b. So auch ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 31 N 23. ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 31 N 23. BGE 114 II 131 E. 2b; s. Berger, Schuldrecht, N 1018.

§5

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)

schungs- sowie Furchterregungsfälle aus Art. 2 Abs. 2 ZGB.182 Ein Teil der Lehre plädiert insbesondere bei bereits vollzogenen Verträgen für die Annahme einer fünf-183 bzw. zehnjährigen184 absoluten Verwirkungsfrist seit Abschluss des Vertrages. Nach unserem Dafürhalten ist es aus Gründen der Rechtssicherheit gerechtfertigt, in Analogie zu Art. 127 OR zur Füllung der vom Gesetzgeber kaum gewollten Lücke von einer zehnjährigen absoluten Verwirkungsfrist auszugehen. Einzuräumen ist aber, dass die Annahme ungeschriebener Fristen ihrerseits Unsicherheit stiftet – und zwar unabhängig davon, wie lang diese sind. Hat der Berechtigte den Vertrag ausdrücklich oder konkludent genehmigt, so kann 581 er ihn nicht mehr für ungültig erklären. Namentlich bei Täuschung und Furchterregung soll aber eine Genehmigung des Vertrages nicht leichthin angenommen werden.185 Nach dem Bundesgericht beinhaltet die Nachfristansetzung gemäss Art. 107 Abs. 1 OR sowie die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen eine (konkludente) Genehmigung des Vertrages. Es wird argumentiert, dass sowohl das Verzugsrecht wie auch die Gewährleistungsbestimmungen einen gültigen Vertrag voraussetzen.186 Die gleiche Wirkung wie die Genehmigung entfaltet der Ablauf der einjährigen Verwirkungsfrist.

3.

Ungültigkeit

3.1

Ungültigkeit des Vertrages ex tunc oder ex nunc?

Nach erfolgreicher Ungültigerklärung besteht kein Vertrag mehr. Während die 582 begründete Berufung auf Übervorteilung oder Willensmangel nach der Anfechtungstheorie in der Regel ein Dahinfallen des Vertrages mit Wirkung ex tunc bewirkt,187 ist der Vertrag nach der Ungültigkeitstheorie dem Grundsatz nach schon von Beginn an ungültig (für Dauerschuldverhältnisse s. N 585).188 Nach Geltendmachung des Mangels sind die versprochenen Leistungen somit nicht mehr zu erbringen. Bereits erbrachte Leistungen sind nach herrschender Auffassung wie folgt zurückzuerstatten: Für Sachleistungen ist die Vindikation nach Art. 641 Abs.  2 ZGB (beachte auch Art.  938  ff. ZGB) sowie die Grundbuchberichtigungsklage gemäss Art.  975 Abs.  1 ZGB unter Berücksichtigung einer allfälligen Ersit-

182 Bucher, OR AT, 213; s. BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 407. 183 Wiegand, recht 1989, 108. 184 Honsell, OR BT, 136 ff.; Schwenzer, OR AT, N 39.16. 185 So für die absichtliche Täuschung BGE 108 II 102 E. 2a. 186 BGE 127 III 83 E. 1b; 4C.296/2000 E. 3b. 187 BK OR-Schmidlin, Art. 23/24 N 379. 188 S. Gauch/Schluep/Schmid, N 890; unklar BGE 129 III 320 E. 7.1.1, wo auch bei der Ungültigkeitstheorie von einem Dahinfallen des Vertrages die Rede ist; s. auch BGE 4C.444/1994 E. 4a.

179

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

zung (Art. 661 bzw. Art. 728 ZGB) angezeigt, für nicht restituierbare Sachleistungen sowie für andere Leistungen gilt Bereicherungsrecht gemäss Art. 62 ff. OR.189 583

Eine neuere Lehrmeinung nimmt – wie beim Rücktritt vom Vertrag – ein vertragliches Rückabwicklungsverhältnis an:190 Mit der Ungültigerklärung zerfällt der Vertrag bildlich gesprochen nicht in seine Einzelteile, sondern er wandelt sich in ein nach vertragsrechtlichen Grundsätzen gesteuertes Liquidationsverhältnis um.191 Auch wir halten es für sachgerechter, die Rückleistungen über die in sich zusammenhängenden und aufeinander abgestimmten vertraglichen Grundsätze abzuwickeln, statt den früheren Zustand mittels unterschiedlich konstruierter bzw. ungleich wirkender Vindikations-, Kondiktions- und Schadenersatzansprüche wiederherstellen zu wollen. Es erscheint uns überzeugender, dem Rechte- und Pflichten-Geflecht – insbesondere einem allfälligen Synallagma, also der Interdependenz von Leistung und Gegenleistung – auch bei der Rückführung in den status ex ante bzw. der Aufrechterhaltung des status quo Beachtung zu zollen. Wie beim Rücktritt nach Art. 109 OR können so Rückerstattung und Schadenersatz nach denselben Grundsätzen verneint oder bejaht bzw. bemessen werden (s. N 960 ff.).192 Es geht nämlich nicht in erster Linie um die Beseitigung des Vertrages, sondern um die Behebung des Willensmangels, und zwar unter Vermeidung einer zufälligen Allokation der Ressourcen, die der Vertrag neu zuweisen wollte. Die zufällige Allokation der Leistungen entsteht dabei dadurch, dass nicht antizipiert werden kann, wer im Anfechtungszeitpunkt bereits in welchem Umfang erfüllt hat. Der Zweck des Umwandlungsvertrages besteht daher darin, die endgültige Güterzuordnung in Referenz an den Mangel nach der Mechanik des ursprünglichen Vertrages, aber eben «mit umgekehrten Vorzeichen», herbeizuführen (s. N 1821).

584

Die Verjährung der Ansprüche aus dem Umwandlungsvertrag richtet sich folgerichtigerweise nach Art. 127 OR, soweit der tatsächliche oder hypothetische Wille der Parteien auf eine Rückabwicklung im Falle einer Ungültigkeit gerichtet war.193 Dies darf in der Regel bejaht werden.

189 190

S. Huguenin, Nichtigkeit, 65 f.; BK OR-Schmidlin, Art. 31 N 88 ff. Koller, BR 2006, 4; BK OR-Schmidlin, Art. 31 N 15 ff., N 54 ff. und N 97 ff.; s. auch Wiegand, Rückabwicklung, 717 ff.; Wiegand, recht 1989, 110 f. In BGE 129 III 320 E. 7.1.1 bezeichnet das Bundesgericht die Annahme eines vertraglichen Rückabwicklungsverhältnisses als «mit guten Gründen» vertretbar. A.M. Chappuis, 31, wonach die Auflösung eines gültig abgeschlossenen Vertrages nicht mit einem Vertrag gleichgesetzt werden könne, dessen Gültigkeit nie gegeben gewesen sei (Art. 20 OR) bzw. durch eine Partei angefochten werden könne (Art. 21 oder Art. 31 OR); Hartmann, N 809, der die Rückerstattungsansprüche Art. 62 Abs. 2 OR unterstellt; BGE 137 III 243 E. 4.4.3, nach dem der für ungültig erklärte Vertrag «richtig betrachtet nicht zustande gekommen» ist und deshalb nach den Regeln der Vindikation respektive Art. 62 ff. OR vorzugehen ist (bestätigt in BGE 4A_533/2013 E. 6.1). 191 Hartmann, N 802; Wiegand, Rückabwicklung, 717 ff. 192 BK OR-Schmidlin, Art. 31 N 54. 193 BGE 137 III 243 E. 4.4.3 ff.; Koller, BR 2006, 4; a.M. Hartmann, N 823, der obligatorische Rückabwicklungsansprüche bei Entstehungsmängeln der Verjährungsfrist von Art. 67 OR unterstellt.

180

§5

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)

Bei ganz oder teilweise erfüllten Dauerschuldverhältnissen erweist sich eine Rück- 585 abwicklung als kaum praktikabel und wenig sinnvoll, gleichgültig, ob man sie über die Vindikations- bzw. Bereicherungsregelungen oder über vertragliche Ansprüche vornimmt. Die Ungültigerklärung von Dauerschuldverhältnissen führt nach teleologischer Auslegung der Anfechtungsnormen in der Regel zu einer Art ausserordentlicher Kündigung des Vertrages mit Wirkung ex nunc (s. N 792 ff., N 797 ff.).194 3.2

Teilungültigkeit

Beschlägt ein Irrtum nur eine Klausel eines Vertrages und ist dieser in objektiver 586 und subjektiver Hinsicht teilbar, kann gemäss analoger Anwendung von Art.  20 Abs. 2 OR blosse Teilungültigkeit bejaht werden.195 Unter Umständen muss diesfalls der ungültige Teil in ein Umwandlungsverhältnis überführt werden, während der gültige Teil tel quel oder ergänzt weiter gilt. Wichtig ist hier, dass der Umwandlungsteil und der überlebende Teil zusammen genommen den Anforderungen des Gesetzes an eine willensmängelfreie Vereinbarung und dem Synallagma, wie es ohne den Mangel geknüpft worden wäre, in der Gesamtschau genügen. Subjektiv teilbar ist ein Vertrag, wenn ausser dem irrigen Sachverhalt gemäss Par- 587 teiwillen noch weitere conditiones sine quibus non zum Vertragsabschluss bestanden. Wenn diese nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als für sich bestehend betrachtet werden können, ist der Vertragsinhalt auch objektiv teilbar.196 Schliesslich muss der mängelfreie Vertragsteil vom hypothetischen Willen beider Parteien, also ihrem hypothetischen Konsens, gedeckt sein (zur Konsensfähigkeit s. N 435). Entsteht durch den Teilmangel eine Lücke, ist der Vertrag nach Massgabe des hypothetischen Parteiwillens zu ergänzen.197 Für die analoge Anwendung von Art. 20 Abs. 2 OR ist unerheblich, ob ein Grundlagen- oder Erklärungsirrtum vorliegt. Nach anderer Auffassung schliesst Art. 25 Abs. 2 OR die sinngemässe Anwendung 588 von Art.  20 Abs.  2  OR auf den Erklärungsirrtum aus.198 Unseres Erachtens sind diese beiden Normen nebeneinander anwendbar, da sie unterschiedliche Sachverhalte regeln. Während Art. 20 Abs. 2 OR den hypothetischen Parteiwillen bei Vertragsschluss thematisiert, orientiert sich Art.  25 Abs.  2  OR am Willen der Erklärungsgegnerin im Zeitpunkt der Eröffnung des Irrtums. Relevant wird die Frage nach dem Verhältnis der beiden Normen dann, wenn die Irrtumsgegnerin den Vertrag bei dessen Abschluss auch mit jenem Inhalt eingegangen wäre, welche der

194 BGE 129 III 320 E. 7.1.3 mit Relativierung; a.M. Wyss/von der Crone, SZW 2003, 42 f., welche einen Ausgleich über die Bestimmungen der Geschäftsführung ohne Auftrag befürworten. 195 BGE 130 III 49 E. 3.2; s. auch Zeiter/Furrer, ius.full 2004, 81. 196 BGE 130 III 49 E. 3.2. 197 BGE 116 II 685 E. 2b aa m.w.H.; BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 65; s. auch Hürlimann, N 317. 198 Gauch/Schluep/Schmid, N 853; Hürlimann, N 320.

181

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Irrende eigentlich vereinbaren wollte, sie ihre Meinung darüber aber nachträglich ändert. 589

Die Bestimmungen über Übervorteilung, absichtliche Täuschung und Furchterregung bezwecken den Schutz des Erklärungsberechtigten. Ob dieser Schutz auf dem Weg der Ganz- oder Teilungültigkeit gewährt werden kann, ist unseres Erachtens analog zu der allgemeinen Regel von Art. 20 Abs. 1 OR zu entscheiden (s. N 433): Kann der Normzweck im konkreten Fall nur durch Aufrechterhaltung des korrigierten Vertrages erreicht werden, so sollte die Entscheidung zwischen Ganz- oder Teilungültigkeit nicht vom hypothetischen Willen beider Parteien, sondern allenfalls nur von jenem der geschützten Seite abhängen. Das Konzept der flexiblen Ungültigkeit verlangt hier eine entsprechende teleologische Reduktion von Art. 20 Abs.  2  OR, der den hypothetischen Konsens anvisiert.199 So hat das Bundesgericht einem Freizeit-Fussballclub – entgegen den Interessen der Vermieterin – eine Reduktion der Platzmiete gestützt auf Art. 20 Abs. 2 OR zugestanden, weil die Voraussetzungen von Art. 21 OR (Übervorteilung) erfüllt waren.200

590

Art. 25 Abs. 2 OR konkretisiert Art. 25 Abs. 1 OR für den Fall, dass die Irrtumsgegnerin bereit ist, den Vertrag mit dem Inhalt gelten zu lassen, den der Irrende ohne Irrtum gewollt hätte. Durch eine Art «Konversion» wird die Ungültigkeit des Vertrages beseitigt. Art. 25 Abs. 2 OR bezieht sich nach seinem Wortlaut nur auf den Erklärungsirrtum, die Bestimmung kann aber nach zutreffender Meinung sinngemäss auch auf den Grundlagenirrtum angewendet werden: Kommt die Irrtumsgegnerin dem Irrenden entgegen und lässt den Vertrag so gelten, wie ihn der Irrende bei richtiger Sachverhaltsvorstellung gewollt hätte, besteht keine Veranlassung zur Vertragsauflösung mehr.201 Beispielsweise stellt sich nach dem Kauf einer Tonerkartusche heraus, dass diese nicht mit dem Druckermodell des diesbezüglich irrenden Käufers kompatibel ist. Erklärt sich die Verkäuferin nach erfolgter Ungültigerklärung dazu bereit, die Tonereinheit gegen ein passendes Exemplar umzutauschen, so kann sich der irrende Käufer nicht vom Vertrag lösen. Das Beispiel soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Art. 25 Abs. 2 OR nur selten und de facto wohl nur bei genus-Ware analog auf den Grundlagenirrtum zur Anwendung kommt. Bei species-Ware wird die Irrtumsgegnerin dagegen in der Regel nicht in der Lage sein, den Vertrag so zu erfüllen, wie der Irrende ihn sich vorgestellt hat. Man denke etwa an die Fälle der fehlenden Bebaubarkeit eines verkauften Grundstücks oder an den Erwerb eines unechten Gemäldes.

199

Für die Teilungültigkeit bei der Übervorteilung s. BGE 123 III 292 E. 2d und BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 21 N 16 f. m.w.H.; für die Teilungültigkeit bei der absichtlichen Täuschung s. BGE 4A_62/2017 E. 4.1. 200 BGE 123 III 292 E. 2f; Kramer, AJP 1997, 1556 ff. 201 Koller, OR AT, N 14.208; von Tuhr/Peter, 315; a.M. Gauch/Schluep/Schmid, N 849; differenzierend: Berger, Schuldrecht, N 1020; BK OR-Schmidlin, Art. 25 N 22 ff.; BSK OR-Schwenzer, Art. 25 N 8; offengelassen in BGE 96 II 101 E. 3a.

182

§5

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)

Erklärt sich die Irrtumsgegnerin nicht zur Abgabe einer Erklärung nach Art.  25 591 Abs. 2 OR bereit, kann der Richter in analoger Anwendung von Art. 20 Abs. 2 OR immer noch zum Schluss kommen, der Vertrag sei so zu ergänzen, wie der Irrende ihn abschliessen wollte (Erklärungsirrtum) oder bei irrtumsfreier Willensbildung abgeschlossen hätte (Grundlagenirrtum). Umstritten ist, ob sich auch die Übervorteilende, Täuschende und Drohende auf 592 die Teilungültigkeit berufen darf, wenn der Erklärende Ganzungültigkeit fordert.202 Unseres Erachtens ist die Frage in analoger Anwendung von Art. 25 Abs. 2 OR zu bejahen, wenn der Erklärungsberechtigte den Vertrag mit dem neuen Inhalt ohne Vorliegen eines beeinträchtigten Willens, sondern in Kenntnis der Bereitschaft der Gegenseite, zu täuschen, zu drohen oder zu übervorteilen, abgeschlossen hätte. Bei Vorliegen von Vertrauensverhältnissen kann mit anderen Worten nicht nur auf den hypothetischen Parteiwillen bei Vertragsschluss abgestellt werden, sondern es sind für die Beantwortung der Frage, ob und in welcher Form der Vertrag den Mangel «überlebt», weitere Faktoren zu berücksichtigen.

4.

Schadenersatz

4.1

Schadenersatzpflicht des Erklärenden

Art. 26 OR stipuliert eine Schadenersatzpflicht des fahrlässig Irrenden, sofern die 593 Erklärungsgegnerin den Irrtum nicht gekannt hat und auch nicht hätte kennen müssen. Die Norm ist ein gesetzlich konkretisierter Anwendungsfall der Haftung aus culpa in contrahendo (s. N 1524 ff.).203 Nach Abs. 1 ist das negative Interesse (s. N 872) geschuldet.204 Sofern es der Billigkeit entspricht, kann die Richterin auch auf Schadenersatz im Umfang des positiven Interesses (das heisst des Erfüllungsinteresses) erkennen (Art. 26 Abs. 2 OR).205 Hier spielt namentlich die Schwere des Verschuldens eine Rolle:206 Grobe Fahrlässigkeit genügt nach der Lehre regelmässig für eine Haftung nach Art. 26 Abs. 2 OR.207

202

Für die Übervorteilung offengelassen in BGE 123 III 292 E. 2f; für die Täuschung bejaht, wenn die Täuschung einen Nebenpunkt betrifft, in BGE 99 II 308 E. 4c; für die Furchterregung verneint in BGE 125 III 353 E. 3. 203 Berger, Schuldrecht, N 1026; Kramer/Probst, OR AT, N 274; BK OR-Schmidlin, Art. 26 N 5. 204 Berger, Schuldrecht, N 1029; Koller, OR AT, N 14.221; Kramer/Probst, OR AT, N 274; Tercier/ Pichonnaz, CO PG, N 820; von der Crone/Hoffmann-Nowotny, SJZ 2008, 59. 205 Berger, Schuldrecht, N 1029; Koller, OR AT, N 14.224; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 821; von der Crone/Hoffmann-Nowotny, SJZ 2008, 59. 206 Koller, OR AT, N 14.223; Kramer/Probst, OR AT, N 274; von der Crone/Hoffmann-Nowotny, SJZ 2008, 59. 207 Von der Crone/Hoffmann-Nowotny, SJZ 2008, 59 f.

183

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

594

Art. 26 OR ist im Übrigen nur auf Irrtumsfälle, nicht aber auf die Übervorteilung und die übrigen Willensmängel anwendbar.208

595

Für die Furchterregung ist Art. 29 Abs. 2 OR zu beachten, wonach der Bedrohte nach Billigkeit Schadenersatz bis zum Umfang des negativen, ausnahmsweise sogar des positiven Interesses zu leisten hat, wenn die Drohung von einem Dritten ausgegangen ist und die Erklärungsgegnerin diesen Umstand nicht kannte und auch nicht hätte kennen müssen.209 Diese Schadenersatzpflicht beruht nicht auf Art.  41  OR, sondern auf der Überlegung, dass auf die Interessen des Vertragspartners, der auf die Gültigkeit des Vertrages vertrauen durfte, Rücksicht genommen werden muss, wenn aus der Ungültigkeit für ihn ein Schaden resultiert.210 4.2

Schadenersatzpflicht der Erklärungsgegnerin

596

Bei Irrtum, Übervorteilung, absichtlicher Täuschung und Furchterregung wird die Erklärungsgegnerin aus culpa in contrahendo sowie aus Art. 41 ff. OR (s. Art. 146, Art.  157 und Art.  181 StGB211) schadenersatzpflichtig, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.

597

Nach Art. 31 Abs. 3 OR wird eine potenzielle Schadenersatzpflicht der Erklärungsgegnerin bei Täuschung und Drohung selbst im Genehmigungsfall (durch den Erklärenden) bejaht. Bei der Übervorteilung ist dies umstritten.212 Art. 31 Abs. 3 OR ist indessen keine selbständige Haftungsnorm. Schadenersatzansprüche müssen sich aus culpa in contrahendo oder aus Art. 41 ff. OR ergeben.213

V. 598

Konkurrenzen

Verstösst ein Vertrag nebst dem Übervorteilungstatbestand zusätzlich gegen Art. 19/20 OR, besteht Anspruchskonkurrenz. Strittig ist, ob Art. 21 OR die Fälle der Leistungsdisparität abschliessend regelt oder ob krasse Leistungsinäquivalenz einen Inhaltsmangel nach Art.  19/20  OR darstellt.214 Nach einem Teil der Lehre (und unseres Erachtens zu Recht) erscheint eine laesio enormissima derart unerträglich, dass sie, auch ohne dass die weiteren Voraussetzungen von Art.  21  OR 208 209 210 211 212 213 214

184

Zum Ganzen Schwenzer, OR AT, N 39.30 ff.; für die Täuschung verneinend in BGE 4A_533/2013 E. 4.4. Koller, OR AT, § 14 N 234 ff. Keller/Schmied-Syz, 54; kritisch Meier-Hayoz, 213 ff. Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (SR 311.0). S. BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 21 N 18. Bucher, OR AT, 222. Für eine abschliessende Regelung das Bundesgericht in BGE 4A_542/2012 E. 2.5 m.w.H.; für eine Übersicht über die Lehrmeinungen s. BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 21 N 21.

§5

Übervorteilung und Willensmängel (Art. 21 und Art. 23–31 OR)

erfüllt sein müssen, sittenwidrig im Sinne von Art. 20 Abs. 1 OR ist.215 Daher ist in besonderen krassen Fällen von Art. 21 OR auch ein Inhaltsmangel im Sinne von Art. 19/20 OR zu bejahen. Die Frage ist insbesondere in jenen Fällen bedeutsam, in denen die Jahresfrist gemäss Art. 21 Abs. 2 OR abgelaufen ist.216 Ein Vertrag kann sowohl den Übervorteilungstatbestand erfüllen als auch mit 599 einem Willensmangel behaftet sein (s. nur schon Art. 30 Abs. 2 OR). Ein solcher Fall läge beispielsweise vor, wenn eine Verkäuferin die Unerfahrenheit des Käufers erkennt, diesen alsdann über die Eigenschaften der Kaufsache täuscht und die Ware zu einem vollständig übersetzten Preis verkauft. Es ist dem Käufer im Sinne der alternativen Konkurrenz überlassen, für welche Anspruchsgrundlage er sich entscheidet. Bei der Wahl ist insbesondere der unterschiedliche Fristenbeginn von Art. 21 und Art. 31 OR zu beachten.217 Die absichtliche Täuschung setzt einen (wesentlichen oder unwesentlichen) Motiv- 600 irrtum des Getäuschten voraus (s. N 543). Versetzt die Täuschende den Erklärenden mit ihrer Täuschungshandlung in einen wesentlichen Motivirrtum, besteht Anspruchskonkurrenz zwischen Grundlagenirrtum und absichtlicher Täuschung. Beruft sich der Erklärende im Verfahren auf beide Tatbestände, wird er wohl in erster Linie die Ungültigkeit wegen absichtlicher Täuschung geltend machen, da ihm Art. 28 OR eine bessere Rechtsstellung einräumt.218 Im Gegensatz zur Berufung auf den Grundlagenirrtum muss kein wesentlicher Irrtum vorliegen, und der Erklärende läuft zudem nicht Gefahr, bei Erfüllung des Täuschungstatbestandes gestützt auf Art. 26 OR schadenersatzpflichtig zu werden.219 Umstritten ist das Verhältnis zwischen Grundlagenirrtum und Sachgewährleistung 601 (Art.  197  ff.  OR; s.  N  2585  ff., N  2701  ff.), wenn sich der Irrtum auf eine Eigenschaft der Kaufsache bezieht. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung stehen die beiden Rechtsbehelfe beim Kauf einer species in alternativer Konkurrenz zueinander.220 Ein gewichtiger Teil der Lehre spricht sich jedoch gegen Alternativität bzw. für die Abwicklung nach den Bestimmungen über die Sachmängelgewähr aus.221 Der exklusive Charakter von Art. 197 ff. OR wird damit begründet, dass die Fristen von Art. 201 und Art. 210 OR die rasche Behebung von Sachmängeln bezweckten. Diese Regelungen könne der Käufer jedoch umgehen, wenn man ihm die Ungültigerklärung wegen Grundlagenirrtums gestatte.222 Die Befürworter der Anspruchs215

Oftinger, 549; zustimmend: BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 204 f.; s. von Büren, 229 f.; verneinend: BGE 4A_542/2012 E. 2.5; 115 II 232 E. 4c; Gauch/Schluep/Schmid, N 756. 216 CR CO-Schmidlin, Art. 21 N 27. 217 BK OR-Kramer, Art. 21 N 66. 218 BGE 40 II 534 E. 4; BSK OR-Schwenzer, Art. 28 N 22. 219 BGE 40 II 534 E. 4; CHK OR-Kut, Art. 28 N 15; s. auch BGE 4A_533/2013 E. 4.4, wonach die Täuschende keine Gutgläubigkeit für sich beanspruchen kann. 220 S. BGE 127 III 83 E. 1b; eingehend begründet in BGE 114 II 131 E. 1a; Rusch, SJZ 2010, 553. 221 Ausführlich Honsell, OR BT, 135 ff.; Schwenzer, OR AT, N 39.41. 222 Mauchle, AJP 2012, 946; Schwenzer, OR AT, N 39.41.

185

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

konkurrenz halten dem zu Recht entgegen, die Regeln über den Irrtum beträfen eine Frage der Vertragsgültigkeit, diejenigen der Sachgewährleistung hingegen eine der Vertragserfüllung.223 Zu beachten ist aber, dass eine Alternativität auch nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nur vor der Wahlausübung besteht.224 Insbesondere wenn Sachgewährleistungsansprüche geltend gemacht werden, soll eine Ungültigerklärung wegen Irrtums nicht mehr möglich sein, da der Käufer mit der Wahl der Gewährleistung den Vertrag nach Art.  31  OR (konkludent) genehmigt (s. N 581).225 Zum Verhältnis des Grundlagenirrtums und der vertraglichen Haftungsbeschränkung nach Art. 199 OR s. N 2645 ff. 602

Beim Gattungskauf (s. N 2379 f.) verneinen Bundesgericht und herrschende Lehre die Alternativität, weil eine Berufung auf Grundlagenirrtum nur möglich sei, «wenn die gesamte Gattung mangelhaft sei, sich also der Irrtum auf die Eigenschaft der ganzen Gattung beziehe»226. Der Käufer könne sich bei Vertragsschluss nämlich nicht irren, weil ihm noch nicht klar sei, mit welcher Sache der Vertrag erfüllt wird.227 Der Käufer hat deshalb grundsätzlich nach Sachgewährleistungsrecht (Art. 197 ff. OR) vorzugehen.228

603

Schliesslich lässt das Bundesgericht beim Kauf einer gestohlenen Sache eine Ungültigerklärung wegen Grundlagenirrtums oder Täuschung neben der Rechtsmängelhaftung nach Art. 192 ff. OR alternativ konkurrierend zu (s. N 2551 ff., N 2584).229

604

Weitgehend einig ist sich die Lehre in Bezug auf das Verhältnis zwischen Grundlagenirrtum und werkvertraglicher Mängelhaftung (Art. 368 OR). Eine Berufung auf Grundlagenirrtum ist bei Anwendbarkeit von Art. 368 OR ausgeschlossen.230 Begründet wird dies damit, dass im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch kein Werk besteht, über dessen Eigenschaften sich der Besteller irren kann.231

223 224 225 226 227 228 229 230 231

186

Berger, Schuldrecht, N 1004; s. Bucher, OR BT, 109; Guhl/Koller, § 42 N 63; Keller/Siehr, 107 f. BGE 108 II 102 E. 2a. BGE 127 III 83 E. 1b. BGE 4C.300/2006 E. 5.1. S. BGE 4C.300/2006 E. 5.1. Ausführlich zur Problematik BSK OR-Honsell, Vor Art. 197–210 N 9; Rusch, SJZ 2010, 553 f.; CR CO-Venturi, Intro. art. 197–210 N 10; a.M. BGE 4C.321/2006 E. 4.3.1. BGE 4C.321/2006 E. 4.3.1; differenzierend Rusch, SJZ 2010, 556 ff. BGE 109 II 319 E. 2; ablehnend für den Grundlagenirrtum Schwenzer, OR AT, N 39.42. Gauch, Werkvertrag, N 2317; Schwenzer, OR AT, N 39.44; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 368 N 80. Gauch, Werkvertrag, N 2317.

§ 6 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N 947 ff.; Bucher, OR AT, 151 ff.; Engel, CO PG, 167 ff.; Furrer/ Müller-Chen, Kap. 4 N 58 ff.; Gauch/Schluep/Schmid, N 1116 ff. und N 1240 ff.; Guhl/ Koller, § 13 N 49 ff.; Koller, OR AT, N 23.01 ff.; Kramer/Probst, OR AT, N 23 ff. und N 234 ff.; Müller, contrats, N 16; Schwenzer, OR AT, N 44.01 ff.; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 857 ff.

Weiterführende Literatur Buol Martina, Beschränkung der Vertragshaftung durch Vereinbarung, Diss. Zürich 1996; Furrer Andreas, Eine AGB-Inhaltskontrolle in der Schweiz?, HAVE 2011,  324–327 (zit.: Furrer, HAVE 2011); Furrer Andreas, Der Einbezug der Allgemeinen Beförderungsbedingungen beim Kauf eines Fahrscheins, in: Ackermann Jürg-Beat/Bommer Felix (Hrsg.), FS Vonplon, Zürich 2009, 139–150 (zit.: Furrer, Beförderungsbedingungen); Gauch Peter, Die Vertragshaftung der Banken und ihre AVB, recht 2006,  77–91; Girsberger Daniel/ Huber-Purtschert Tina/Maissen Eva/Sprecher Jörg, Vertragsgestaltung und Vertragsdurchsetzung, 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf  2017; Heizmann Reto/Loacker Leander D. (Hrsg.), UWG, Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Zürich/St. Gallen 2018 (zit.: UWG Komm.-BearbeiterIn); Hess Markus/Ruckstuhl Lea, AGB-Kontrolle nach dem neuen Art. 8 UWG – eine kritische Auslegeordnung, AJP 2012, 1188–1212; Holliger-Hagmann Eugénie, Artikel 8 – das Kuckucksei im UWG, Jusletter 20. Februar 2012; Huguenin Claire, Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Schweiz im Lichte der neuen EU-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, recht 1995,  85–95; Huguenin Claire/Maissen Eva, Bedingungsänderungsklauseln, in: Weber Stephan/Fuhrer Stephan (Hrsg.), Allgemeine Versicherungsbedingungen, Fundgrube konsumentenfeindlicher Klauseln oder Quelle kundenorientierten Mehrwerts? Beiträge zur Tagung vom 28. Oktober 2010, Zürich 2011,  97–122; Jung Peter/Spitz Philippe (Hrsg.), Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), 2. Aufl., Bern 2016 (zit.: SHK UWG-BearbeiterIn); Koller Thomas, Art. 8 UWG: Eine Auslegeordnung unter besonderer Berücksichtigung von BankenAGB, AJP 2014,  19–39 (zit.: Koller, AJP 2014); Koller Thomas, Einmal mehr: das Bundesgericht und seine verdeckte AGB-Inhaltskontrolle, AJP 2008, 943–953 (zit.: Koller, AJP 2008); Kramer Ernst A.,«Battle of the Forms»: Eine rechtsvergleichende Skizze mit Blick auf das schweizerische Recht, in: FS Gauch 2004, 493–506; Kramer Ernst A./Probst Thomas/ Perrig Roman, Schweizerisches Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Bern 2016; Kut Ahmet/Stauber Demian, Die UWG-Revision vom 17. Juni 2011 im Überblick, Jusletter 20. Februar 2012; Lüscher Christoph, «Gewöhnliches» zur Ungewöhnlichkeitsregel oder «Ungewöhnliches Gewöhnliches»?, Jusletter 18. Oktober 2010; Maissen Eva, Prolongationsklauseln im Visier des Parlaments, AJP 2017, 1333–1340 (zit.: Maissen, AJP 2017); Maissen Eva, Die automatische Vertragsverlängerung unter dem Aspekt der Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), Diss. Zürich 2012 (zit.: Maissen, Automatische Vertragsverlängerung); Meier Isaak, Schweizerisches Zivilprozessrecht – eine kritische Darstellung

187

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

aus der Sicht von Praxis und Lehre, Zürich 2010; Roberto Vito/Walker Marisa, AGBKontrolle nach dem revidierten Art. 8 UWG, recht 2014, 49–66; Rusch Arnold F./Huguenin Claire, Einseitige Änderungsrechte in allgemeinen Geschäftsbedingungen – das trojanische Pferd im Vertrag, SZW 2008,  37–56; Rusch Arnold F./Maissen Eva, Gutscheine mit Einlösefrist, Jusletter 12. Dezember 2011; Schmid Jörg, Die Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen: Überlegungen zum neuen Art. 8 UWG, ZBJV 2012, 1–22; Spühler Karl, Gerichtsstandsvereinbarungen überprüfen!? – Zum neuen Gerichtsstandsgesetz, SZW 2000, 238–241; Sutter-Somm Thomas/Hasenböhler Franz/Leuenberger Christoph (Hrsg.), Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), 3. Aufl., Zürich 2016 (zit.: ZPO Komm.-BearbeiterIn); Vischer Markus, Zur generell-abstrakten AGB-Kontrolle nach UWG, AJP 2014, 964–976.

I.

Begriff

Vertragsbestimmungen, welche die Verwenderin oder eine Dritte hinsichtlich des Abschlusses einer Vielzahl gleichartiger Verträge vorformuliert und welche die Parteien nicht individuell verhandeln, werden als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) bezeichnet.1

605

II.

Problematik

606

AGB oder vorformulierte und nicht verhandelte Vertragsklauseln vermögen im «modernen Massenverkehr» einen wichtigen Beitrag zur Rationalisierung des Wirtschaftslebens zu leisten. So muss eine komplexe Vertragsmaterie nicht in umfangreichen Regelwerken und in zeitraubender Weise jedes Mal neu normiert werden, und auch die Durchführung und Abwicklung von Verträgen wird durch deren einheitliche Ausgestaltung vereinfacht.2

607

Häufig charakterisieren sich AGB indessen nicht nur durch eine (einseitige) Vorformulierung und Präsentation, welchen man anmerkt, dass nicht individuell verhandelt wurde, sondern auch durch das erzielte Resultat: AGB sehen oft eine einseitige und wenig sachgerechte Verteilung von Rechten und Pflichten zugunsten der verwendenden Partei (= Verwenderin) vor. Dadurch kommt es oft auch zu einer asymmetrischen Zuweisung von Chancen und Risiken. 1

S.  BGE 4C.282/2003 E.  3.1; 4P.135/2002 E.  3.1; Berger, Schuldrecht, N  947. Zu den unterschiedlichen Erscheinungsformen und der Terminologie Gauch/Schluep/Schmid, N 1117a ff.; CHK OR-Kut, Art. 1 N 47; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 1 N 436; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 860; s. auch Buol, N 173 f. 2 Huguenin, recht 1995, 85; Schwenzer, OR AT, N 44.02; s. auch Rusch/Huguenin, SZW 2008, 37.

188

§6

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)

Besonders problematisch ist ausserdem, wenn ein ganzer Wirtschaftszweig seinen 608 Verträgen die im Wesentlichen gleichen AGB zugrunde legt und der anderen Partei daher kaum eine Möglichkeit bleibt, einen Vertrag zu anderen Bedingungen abzuschliessen.3 Solche Abreden können darum auch unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen darstellen (s. Art. 5 KG4).5

III.

Rechtslage

1.

Gesetzgebung

Im Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern hat der schweizerische Gesetz- 609 geber bis heute keine umfassende Regelung geschaffen, welche der AGB-Problematik insgesamt Rechnung trägt.6 Die einzige gesetzlich ausformulierte allgemeine Grundlage für die Kontrolle von 610 AGB bildet Art. 8 UWG7, der im Jahre 2012 revidiert und in seiner neuen Fassung auf den 1. Juli 2012 in Kraft gesetzt wurde.8 Gegenüber der Vorgängernorm wurde der (zuvor allgemeine) persönliche Geltungsbereich auf Konsumenten eingeschränkt. Im Gegenzug wurde die sachliche Eingriffsschwelle abgesenkt, indem der Gesetzgeber auf das in der alten Fassung dieser Norm enthaltene Zusatzerfordernis «in irreführender Weise» verzichtete. Dieses hatte eine offene Inhaltskontrolle missbräuchlicher AGB während vieler Jahre in den meisten Fällen verunmöglicht.9 In jüngerer Zeit versucht der Gesetzgeber vermehrt, besonders problematische 610a AGB-Klauseln mittels fragmentarischer Einzelregelungen zu bekämpfen. So ist etwa im revidierten Verjährungsrecht, welches am 1. Januar 2020 in Kraft treten wird, in Art. 141 Abs. 1bis revOR die Sonderregel enthalten, dass in AGB nur die Verwenderin, nicht aber der Adressat gültig auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichten kann. Diese Regelung dürfte aber praktisch kaum bedeutsam sein, da der Schuldner nach dem neuen Art. 141 Abs. 1 revOR erst nach Verjährungsbeginn auf 3 S. Engel, CO PG, 168; CR CO-Guillod/Steffen, Art. 19, 20 N 79; Huguenin, recht 1995, 85; Koller, AJP 2008, 948; BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 30. 4 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz; SR 251). 5 S. auch Gauch, recht 2006, 84 f. 6 S. BSK UWG-Thouvenin, Art. 8 N 48; BSK OR-Zellweger-Gutknecht/Bucher, Art. 1 N 55. 7 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (SR 241). 8 S. Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 2. September 2009, BBl 2009 6151 ff. 9 Immerhin hat das Bundesgericht in BGE 119 II 443 E. 1 (= Pra 1994 Nr. 229) als obiter dictum die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel im Sinne von Art. 8 lit. a aUWG festgestellt. Doch stützte sich das Gericht für seinen Entscheid nicht auf diese Bestimmung, da die fragliche Klausel angesichts der Ungewöhnlichkeitsregel gar nicht erst Rechtswirkungen zu entfalten vermochte. S. auch BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 286 f.

189

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

die Erhebung der Verjährungseinrede verzichten kann. Sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, sind vertraglich begründete Forderungen sofort fällig (Art.  75  OR). In der Praxis dürften die Parteien aber regelmässig einen späteren Fälligkeitszeitpunkt vereinbaren. Eine gültige Verzichtserklärung ist demnach erst in einem Zeitpunkt möglich, in welchem die Vertragsparteien die AGB bereits in ihren Vertrag übernommen haben.10 Art. 141 Abs. 1bis revOR gelangt in diesem Fall erst gar nicht zur Anwendung. Zur Kontrolle der fraglichen Klausel kann im Übrigen immer auf die allgemeine Bestimmung von Art. 8 UWG zurückgegriffen werden, sofern es sich um einen Konsumvertrag handelt.11 610b

Der Gesetzesgeber plant ausserdem, den bestehenden Art. 8 UWG um einen Art. 8a UWG zu stillschweigenden oder automatischen Vertragsverlängerungen (sog. Prolongationsklauseln) zu ergänzen. Der persönliche Anwendungsbereich soll wie bei Art. 8 UWG auf Konsumverträge beschränkt sein. Grundsätzlich sollen solche in AGB festgehaltenen Prolongationsklauseln zulässig sein. Die AGB-Verwenderin muss aber den Konsumenten vor der erstmaligen Verlängerung des Vertrages über die Möglichkeit, den Vertrag zu kündigen, informieren. Macht sie dies nicht, kann der Konsument das Vertragsverhältnis nach Ablauf der vereinbarten Mindestdauer jederzeit fristlos auflösen.12 Bei Veröffentlichung der vorliegenden Auflage stand noch offen, ob dieses Gesetzesvorhaben umgesetzt wird und (falls ja) was Inhalt und Wortlaut dieser Bestimmung sein wird.

2. 611

Rechtsprechung

Unter der Herrschaft von Art. 8 aUWG beschränkte sich die Rechtsprechung auf die sog. verdeckte Inhaltskontrolle, welche sie unter dem Deckmantel der sog. Geltungskontrolle (s. N 613 ff.) und der Auslegungskontrolle (s. N 627 ff.) durchführte.13 Die genannten Kontrollen werden deshalb als verdeckte Inhaltskontrolle bezeichnet, weil es bei der Geltungskontrolle «nur» um die Frage geht, welche Vertragselemente vom Konsens erfasst sind. Die Auslegungskontrolle beantwortet die Frage, welche Bedeutung der Vertragsinhalt hat. Erst die Inhaltskontrolle befasst sich schliesslich mit der Frage der Gültigkeit eines Vertrages bzw. seiner Teile. Wird der Inhalt einer Klausel bereits auf der Stufe ihrer Geltung bzw. ihrer Bedeutung geprüft, so wird in systemwidriger Weise die Gültigkeitskontrolle vorgezogen bzw. unter anderen (früheren) Titeln durchgeführt. 10 11 12 13

190

So auch Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts (Verjährungsrecht) vom 29. November 2013, BBl 2014 235 ff., 262 f. So auch BBl 2014 263. Vgl. zum Ganzen Vorentwurf der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 11./12.  Mai 2017, abrufbar unter , besucht am 3. Januar 2019; kritisch dazu Maissen, AJP 2017, 1333 ff. BGE 135 III 1 E. 2 f.; 135 III 225 E. 1; 119 II 443 E. 1c = Pra 1994 Nr. 229.

§6

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)

Seit Inkrafttreten des nunmehr geltenden Art. 8 UWG sind missbräuchliche AGB 612 in Konsumverträgen (s.  N  616) einer offenen Inhaltskontrolle durch den Richter zugänglich. Sofern die Gerichte AGB, welche Nichtkonsumenten benachteiligen, auch in Zukunft nicht offen der Inhaltskontrolle unterwerfen (was sie z.B. gestützt auf Art. 19/20 OR tun dürften; s. auch N 637), wird bei Nichtkonsumverträgen voraussichtlich weiterhin die verdeckte Inhaltskontrolle zur Anwendung kommen. Ausserdem findet diese Zweiteilung in Konsum- und Nichtkonsumverträge ledig- 612a lich auf der Stufe der Inhaltskontrolle statt. Auf den Stufen der Geltungs- und der Auslegungskontrolle bleibt es sowohl für Konsum- als auch für Nichtkonsumverträge bei den bereits entwickelten Kontrollinstrumenten. Art. 8 UWG ermöglicht zudem nur eine abstrakte Beurteilung der AGB. Mit ande- 612b ren Worten können nur die AGB (bzw. einzelne Klauseln) als solche, nicht aber deren Gültigkeit unter Einschluss der Umstände des Einzelfalles (z.B. Umstände des Vertragsabschlusses) geprüft werden.14

IV.

Übersicht über die Kontrolle von AGB

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) können auf drei verschiedenen Ebe- 612c nen überprüft werden, nämlich auf der Ebene des Konsenses (Geltungskontrolle; s. N 613 ff.), der Ebene der Auslegung (Auslegungskontrolle; s. N 627 ff.) sowie der Ebene der Gültigkeit (Inhaltskontrolle; s. N 631 ff.).

14 BSK UWG-Thouvenin, Art. 8 N 89 ff. m.w.H.

191

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

612d Vorprüfung

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)

Vorrang von Individualabreden

Einbezug der AGB in den Vertrag Regel:

Ausnahme:

Geltungskontrolle

Globalübernahme (Vermutung)

Vollübernahme

Ungewöhnlichkeitsregel

Auslegung nach allgemeinen Prinzipien

Auslegungskontrolle

Besonderheiten bei AGB Unklarheitenregel Restriktionsprinzip

Inhaltskontrolle

b2c-Verträge

b2b- und c2c-Verträge

Verstoss gegen zwingendes Gesetzesrecht

Verstoss gegen zwingendes Gesetzesrecht

Verstoss gegen Art. 8 UWG

Abbildung: Übersicht über die Kontrolle von AGB

192

§6

V.

Geltungskontrolle

1.

Vorrang von Individualabreden

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)

Individuelle Abreden, welche von den AGB abweichen, haben immer Vorrang: Sie verdrängen vorformulierte Klauseln mit abweichendem Inhalt.15

2.

613

Einbeziehung

Wie alle Vertragsklauseln gelten AGB, wenn sie von den Parteien durch entspre- 614 chende Abrede  – ausdrücklich oder konkludent  – in den konkreten Vertrag einbezogen wurden (s. N 233).16 Mit anderen Worten muss Konsens hinsichtlich der Übernahme von AGB vorliegen. Die Übernahme erfolgt häufig durch Verweisung und ohne (genaue) inhaltliche Kenntnisnahme. Man spricht dann auch von Globalübernahme (s. N 617). Der Abdruck der AGB auf der Rückseite eines Vertragsdokuments, auf dessen Vorderseite ein deutlicher Verweis auf die Rückseite angebracht ist, genügt laut Bundesgericht für einen ausreichenden Einbezug.17 Bei b2c-Verträgen (business to consumer-Verträge oder auch Konsumverträge, das 615 heisst Verträge, die keinem beruflichen oder gewerblichen Zweck dienen) muss die Einbeziehungsvereinbarung nach einem Teil der Lehre ausdrücklich sein. Eine konkludente (schlüssige) Annahme der AGB durch den Konsumenten ist nicht ausreichend.18 Aus Gründen des Konsumentenschutzes sieht beispielsweise das Pauschalreisegesetz vor, dass AGB dem Kunden grundsätzlich vor Vertragsabschluss in schriftlicher Form mitgeteilt bzw. schriftlich bestätigt werden müssen (s. Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 PauRG19; s. N 3639). Eine tatsächliche Kenntnisnahme der einzelnen Bestimmungen durch die Gegen- 616 partei ist nicht notwendig, damit die in den Vertrag übernommenen AGB Geltung erlangen. Es genügt, wenn die zustimmende Partei vor oder bei Vertragsabschluss auf die Geltung und den Inhalt der AGB hingewiesen wurde und sie die Möglichkeit hatte, vom Inhalt der AGB in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen.20 In die15 BGE 4A_512/2015 E. 3.1; 125 III 263 E. 4b bb; 123 III 35 E. 2c bb; Berger, Schuldrecht, N 958; Gauch, recht 2006, 83; BSK UWG-Thouvenin, Art. 8 N 3; BSK OR-Zellweger-Gutknecht/Bucher, Art. 1 N 54. 16 BGE 4C.282/2003 E. 3.1; 118 II 295 E. 2; 77 II 154 E. 4; Berger, Schuldrecht, N 954; Guhl/Koller, § 13 N 50; BSK OR- Zellweger-Gutknecht/Bucher, Art. 1 N 52 f. 17 BGE 104 Ia 278 E. 4b; 93 I 323 E. 5b; 84 II 556 E. 1; 77 II 154 E. 4. 18 Schwenzer,  OR AT, N  45.05; ähnlich auch Kramer/Probst,  OR AT, N  235. A.M. Furrer, Beförderungsbedingungen, 146, wonach eine stillschweigende Übernahme auch bei Konsumverträgen möglich ist, wenn auch nur ausnahmsweise; s. ferner auch Koller, OR AT, N 23.27. 19 Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über Pauschalreisen (SR 944.3). 20 Furrer/Müller-Chen, Kap. 4 N  76; Kramer/Probst,  OR AT, N  235  f.; zum Teil a.M. Vischer, AJP 2014, 966.

193

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

sem Sinn müssen AGB direkt und ohne grössere Hindernisse einsehbar sowie verständlich und lesbar sein;21 sie sind dem Vertragspartner grundsätzlich vollständig auszuhändigen. Mutatis mutandis gilt das auch für den elektronischen Vertragsabschluss, namentlich im Internet, bei dem die Verwenderin den Kunden deutlich auf die AGB hinweisen muss. Diese müssen vom Vertragspartner überdies heruntergeladen, gespeichert und ausgedruckt werden können.22 617

Hat eine Partei zu den AGB ihr Einverständnis abgegeben, den Inhalt der AGB aber nicht im Einzelnen zur Kenntnis genommen, verstanden oder bedacht, handelt es sich um eine sog. Globalübernahme.23 Das Gegenstück zur Globalübernahme bildet die Vollübernahme. Bei der Vollübernahme erklärt sich jemand mit den AGB einverstanden, nachdem er sie gelesen und zur Kenntnis genommen hat.24 Es wird vermutet, dass der Kunde die AGB jeweils bloss global übernommen hat.25

618

Von einem Einbezug und somit von Konsens kann nicht gesprochen werden, wenn die AGB beispielsweise auf einer Quittung abgedruckt sind, welche erst nach Vertragsschluss bzw. mit der Erfüllung des Vertrages übergeben wird. In diesem Fall handelt es sich höchstens um eine Offerte zur Vertragsänderung, die von der Gegenpartei in der Regel ausdrücklich akzeptiert werden muss.26 Von einer stillschweigenden Annahme gemäss Art. 6 OR (s. N 226 ff.) kann in einem solchen Fall meist nicht ausgegangen werden. Es sind aber die Umstände im Einzelfall massgeblich (z.B. wenn eine stillschweigende Annahme den Gepflogenheiten der Parteien entspricht).

3. 619

Ungewöhnlichkeitsregel

Werden mittels Globalübernahme AGB in den Vertrag einbezogen, mit deren Inhalt die zustimmende Partei nach den Umständen nicht gerechnet hat und vernünftigerweise nicht rechnen musste (da ungewöhnlich oder geschäftsfremd), erlangen diese Klauseln keine Geltung.27

21 22 23 24 25 26 27

194

S. BK OR-Kramer, Art. 1 N 207; Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N 668. Furrer, Beförderungsbedingungen, 145  f.; Gauch/Schluep/Schmid, N  1135c; s.  auch Girsberger/ Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N 738 ff. BGE 4C.282/2003 E. 3.1 m.w.H.; Buol, N 178; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 1 N 462; Tercier/ Pichonnaz, CO PG, N 874; BSK UWG-Thouvenin, Art. 8 N 52 m.w.H. Koller, OR AT, N 23.20; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 873. Gl.M. Koller, OR AT, N 23.40; BSK UWG-Thouvenin, Art. 8 N 52; s. auch Kramer/Probst/ Perrig, N 88. Kramer/Probst, OR AT, N 235; Schwenzer, OR AT, N 45.02; s. Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 869. BGE 4C.282/2003 E. 3.1; 119 II 443 E. 1a = Pra 1994 Nr. 229; 109 II 452 E. 4 f.; s. ferner auch BGE 135 III 1 E. 2.1; Engel, CO PG, 170; CHK OR-Kut, Art. 1 N 53.

§6

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)

Die Ungewöhnlichkeitsregel findet ihre Begründung im Vertrauensprinzip 620 (s. N 193). Ungewöhnliche Klauseln, auf die der Kunde nicht besonders aufmerksam gemacht wurde und mit denen er vernünftigerweise auch nicht rechnen musste, sind nicht vom Konsens (s. N 245 ff.) erfasst. Ungewöhnliche Regeln werden somit gar nicht erst Vertragsbestandteil. Auf die Ungewöhnlichkeitsregel kann sich nur die schwächere bzw. die geschäftsunerfahrenere Partei berufen.28 Als schwächere Partei gilt dabei unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit diejenige Seite, die gezwungen ist, AGB als Vertragsbestandteil zu akzeptieren, weil sie andernfalls kaum einen Vertragspartner findet bzw. die stärkere Seite nicht auf ihre Änderungswünsche eingeht.29 Ungewöhnlichkeit darf aber nicht leichthin angenommen werden.30 Schliesslich impliziert die Globalübernahme aller Vertragsbestandteile eine gewisse Unsicherheit, welche die zustimmende Partei bewusst in Kauf nimmt. Jedoch soll sie an völlig überraschende Klauseln, die aus dem Rahmen des eingegangenen Vertragstypus fallen, nicht gebunden sein. Das Bundesgericht hat die Ungewöhnlichkeitsregel ursprünglich im Zusammen- 621 hang mit Gerichtsstandsklauseln entwickelt, die einen Verzicht auf den garantierten Gerichtsstand von Art. 30 Abs. 2 BV (Art. 59 Abs. 1 aBV) enthielten.31 Der Verzicht auf den Wohnsitzrichter wurde gemäss der genannten Rechtsprechung nur Vertragsbestandteil, wenn die entsprechende Klausel vom übrigen Vertragstext optisch besonders abgesetzt, also besonders hervorgehoben wurde. Je nach Geschäftsgewandtheit der übernehmenden Partei bedurfte eine Gerichtsstandsklausel überdies zusätzlicher Erläuterungen. Diese «typografische» Rechtsprechung des Bundesgerichts32 zu den Gerichtsstandsklauseln wurde nach der Einführung des (nunmehr aufgehobenen) Gerichtsstandsgesetzes (GestG33) in dessen Botschaft und auch von einigen Autoren34 als überholt bezeichnet. Die Rechtsprechung zu den Gerichtsstandsklauseln dürfte unter dem Regime der nun geltenden ZPO35 nur noch eine geringe Bedeutung haben.36 Gemäss Art.  35 ZPO ist ein Vorausverzicht auf den ordentlichen Gerichtsstand nach Art.  32–34 ZPO unzulässig und eine entsprechende AGB-Klausel wäre ungültig im Sinne von Art. 20 OR.

28 29 30 31 32 33

BGE 109 II 452 E. 5a; a.M. Guhl/Koller, § 13 N 51. BGE 109 II 452 E. 5a. ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 1 N 499. BGE 109 Ia 55 E. 3a; 104 Ia 278 E. 3; Huguenin, recht 1995, 87. BGE 118 Ia 294 E. 2a = Pra 1993 Nr. 230; 109 Ia 55 E. 3a; 104 Ia 278 E. 3. Botschaft zum Bundesgesetz über den Gerichtsstand in Zivilsachen (Gerichtsstandsgesetz, GestG) vom 18. November 1998, BBl 1999 III 2829 ff., 2850. 34 Unter anderem Spühler, SZW 2000, 239 f. 35 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung; SR 272). 36 S.  ZPO Komm.-Hedinger/Hostettler, Art.  17 N  17; BSK ZPO-Infanger, Art.  17 N  31; a.M. Koller, OR AT, N 23.46; Meier, 117 f.

195

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

622

Der Anwendungsbereich der ursprünglich im Zusammenhang mit Gerichtsstandsklauseln entwickelten Ungewöhnlichkeitsregel wurde später generell auf (einschneidende) AGB-Klauseln ausgeweitet.37

623

Ob eine AGB-Klausel ungewöhnlich ist, bestimmt sich gemäss Bundesgericht38 sowohl nach objektiven als auch nach subjektiven Kriterien. Als objektiv ungewöhnlich gilt eine AGB-Klausel, wenn sie einen objektiv geschäftsfremden Inhalt aufweist, das heisst, wenn sie zu einer wesentlichen Änderung des Vertragscharakters führt oder in erheblichem Masse aus dem gesetzlichen Rahmen des Vertragstypus fällt.39 Je mehr dabei der AGB stellende Vertragspartner in die Rechtsposition der Gegenseite eingreift, desto eher ist eine Bestimmung als ungewöhnlich zu qualifizieren.40 Die Ungewöhnlichkeit einer Klausel ist nach Rechtsprechung des Bundesgerichts auch dann zu bejahen, wenn sie eine Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund für die Differenzierung vorsieht.41 Zusätzlich wird subjektiv vorausgesetzt, dass die zustimmende schwächere oder weniger geschäftserfahrene Partei nicht auf eine objektiv ungewöhnliche AGB-Bestimmung aufmerksam gemacht worden ist.42 Die Verwenderin, welche die schwächere Partei nicht auf das Vorhandensein einer ungewöhnlichen AGB-Klausel hinweist, muss mit anderen Worten nach dem Vertrauensprinzip damit rechnen, dass die Gegenseite die ungewöhnliche Klausel in der Folge nicht gegen sich gelten lässt.43 Ein Teil der Lehre sowie das Bundesgericht nehmen Ungewöhnlichkeit bisweilen zu Recht bereits an, wenn die AGB-Kausel gegen das objektive Kriterium verstösst. Die Ungewöhnlichkeit ist individuell zu beurteilen und bestimmt sich aus Sicht des Zustimmenden im Zeitpunkt des Vertragsschlusses.44 Deshalb können für einen Branchenfremden auch branchenübliche Klauseln ungewöhnlich sein.45 Darüber hinaus kann sich eine AGB-Bestimmung auch für branchenerfahrene Vertragspartner aufgrund ihres Inhalts, ihrer Platzierung etc. als überraschend und damit ungewöhnlich erweisen.46 Verallgemeinert kann gesagt werden, dass nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine Privatperson meist einen höheren Schutz als ein Kaufmann erfährt. Besondere Umstände sind in jedem Einzelfall jedoch sorgfältig zu würdigen. Doch kann auf die individuellen Vorstellungen des Zustimmenden nur insofern abgestellt werden, 37 BGE 132 V 278 E. 4.3; 119 II 443 E. 1a = Pra 1994 Nr. 229; s. Bucher, OR AT, 156 f. Allgemein kritisch zur Ungewöhnlichkeitsregel Engel, CO PG, 170. 38 BGE 109 II 452 E. 5b. 39 BGE 4A_475/2013 E. 5.1; 119 II 443 E. 1a = Pra 1994 Nr. 229; 109 II 452 E. 5b; s. auch BGE 138 III 411 E. 3.1; 135 III 1 E. 2.1. 40 BGE 138 III 411 E. 3.1; 135 III 1 E. 2.1; 4A_187/2007 E. 5.1. 41 BGE 138 III 411 E. 3.1. 42 BGE 4A_475/2013 E. 5.1; 138 III 411 E. 3.1; 119 II 443 E. 1a = Pra 1994 Nr. 229; 109 II 452 E. 5. 43 BGE 119 II 443 E. 1a = Pra 1994 Nr. 229. 44 BGE 138 III 411 E. 3.1; 135 III 1 E. 2.1; 4A_187/2007 E. 5.1; 109 II 452 E. 5b. 45 BGE 138 III 411 E. 3.1; 4A_187/2007 E. 5.1. 46 Gauch/Schluep/Schmid, N 1139a f. m.w.H.; Guhl/Koller, § 13 N 51; in diesem Sinne wohl auch Koller, OR AT, N 23.34 und N 23.43.

196

§6

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)

als sie für die Verwenderin erkennbar sind.47 Auch das ergibt sich aus dem Vertrauensprinzip. Als ungewöhnlich erachtete das Bundesgericht beispielsweise eine Bestimmung, 624 wonach ein Automieter – trotz abgeschlossener Kaskoversicherung – bei Verstoss gegen das Strassenverkehrsrecht den von ihm verursachten Schaden zu tragen hatte.48 Ebenfalls musste ein Hühnerzüchter bei der Unterzeichnung eines Bauvertrages für einen neuen Stall nach dem Vertrauensprinzip nicht damit rechnen, dass der Architekt laut SIA-Norm 118 auch dann zur Genehmigung der Schlussabrechnung befugt war, wenn der Kostenvoranschlag massiv überschritten wurde.49 Ebenfalls über die Ungewöhnlichkeitsregel löste das Bundesgericht die schwie- 625 rige Problematik von sog. Bedingungsänderungs- oder Bedingungsanpassungsklauseln.50 Solche Klauseln sind deshalb kritisch, weil sich eine Partei (in der Regel die Verwenderin) bei Vertragsschluss das Recht einräumen lässt, den Vertrag im Nachhinein nach relativ offenen Kriterien einseitig zu modifizieren. Das Bundesgericht erachtete die zu beurteilende Änderungsklausel als ungewöhnlich, da sie der Verwenderin inhaltlich undefinierte Änderungsrechte einräumte, die das künftige Ereignis für die Anknüpfung oder den Umfang der Änderungskompetenz nicht präzise festlegte. Solche einseitigen Rechte widersprechen «der Natur und dem Zweck des Vertrages»51.52 Verneint hat das Bundesgericht jedoch in einem jüngeren Entscheid die Ungewöhn- 625a lichkeit einer Klausel betreffend die automatische Vertragsverlängerung eines Fitnessvertrages.53 Nicht nur Fitnessverträge, sondern verschiedenste Dauerverträge, welche heute einen festen Bestandteil des Alltagslebens bilden, sehen – nach einer festen Laufzeit – eine solche automatische Verlängerung des Vertrages vor (z.B. Zeitschriftenabonnements-, Online-Partnervermittlungsverträge). Dies widerspricht sowohl der Logik wie auch der Intuition, wonach ein befristetes Vertragsverhältnis mit Ablauf der vereinbarten Dauer per se endet, ohne dass es zu diesem Zweck gekündigt werden muss. Wer einen Vertrag auf eine befristete Dauer abschliesst, hat nicht die Erwartungshaltung, dass er zur Beendigung des Vertrages etwas unternehmen muss (s. dazu auch N 4074a).54 Aus diesem Grund sollte eine Klausel, welche einen befristeten Dauervertrag automatisch verlängert, nach der hier vertretenen Ansicht grundsätzlich als überraschend und damit ungewöhnlich betrachtet werden, sofern die Ungewöhnlichkeit nicht aus anderen Gründen verneint werden 47 48 49 50 51 52 53 54

BGE 109 II 452 E. 5b. BGE 119 II 443 E. 1b = Pra 1994 Nr. 229. Sog. «Hühnerstallfall» BGE 109 II 452 E. 5c. BGE 135 III 1 E. 3. BGE 135 III 1 E. 2.5. Zum Ganzen mit ausführlicher Kritik s. Huguenin/Maissen, 97 ff. S. BGE 4A_475/2013 E. 5.3.2. S. hierzu eingehend Maissen, Automatische Vertragsverlängerung, N 171 ff.

197

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

muss. Solch andere Gründe können darin bestehen, dass die Klauseln nicht mehr als geschäftsfremd gelten können, weil sie in der entsprechenden Branche üblich geworden sind und jedermann sie kennt55 oder weil der Vertragspartner gesondert darauf aufmerksam gemacht wurde (s. hierzu N 626). In BGE 4A_475/2013 hat sich das Bundesgericht auf den Standpunkt gestellt, dass automatische Vertragsverlängerungsklauseln in AGB nicht per se als geschäftsfremd und damit ungewöhnlich zu betrachten seien. Die Ungewöhnlichkeit sei jedenfalls dann zu verneinen, wenn die Vertragsdauer so ausgestaltet wurde, um einem für die Gegenseite erkennbaren Interesse des AGB-Verwenders Rechnung zu tragen. Es müssten vorliegend die berechtigten Interessen des Fitnessstudiobetreibers, namentlich das Interesse des Betreibers, im Voraus und mit Gewissheit die Kosten für Infrastruktur und Belegschaft kalkulieren zu können, bei der Beurteilung miteinbezogen werden. Gehe die Regelung (dreimonatige Kündigungsfrist bei einjähriger Vertragsdauer) zudem nicht über das zur Wahrung der Interessen erforderliche Mass hinaus, sei die Klausel nicht als ungewöhnlich zu betrachten.56 626

Eine ungewöhnliche AGB-Klausel erlangt indessen Geltung, wenn der Zustimmende von ihrem Inhalt Kenntnis hatte.57 Der Verwenderin ist daher zu empfehlen, ungewöhnliche Klauseln optisch hervorzuheben und den Zustimmenden gegebenenfalls besonders darauf aufmerksam zu machen. Ungewöhnliche AGB-Klauseln begründen eine Aufklärungsobliegenheit gegenüber der Gegenpartei.58 Da Globalübernahme vermutet wird (s. N 618), muss grundsätzlich die Verwenderin beweisen, dass der zustimmende Kunde die Klausel bei Vertragsschluss kannte.59 Wurde der Kunde jedoch auf die ungewöhnliche Klausel speziell hingewiesen (z.B. durch Fettdruck60), wird umgekehrt fingiert, dass in Bezug auf die konkrete(n) Klausel(n) keine Global-, sondern eine Vollübernahme vorliegt. In diesem Fall greift die Geltungskontrolle nicht.61

4. 626a

Battle of the Forms

Insbesondere im b2b-Bereich kommt es in der Praxis vor, dass beide Vertragsparteien bei Vertragsabschluss jeweils auf ihre eigenen AGB verweisen und diese zum Vertragsbestandteil erklären.62 Falls die aufeinandertreffenden AGB sich inhaltlich 55 56 57 58 59 60 61

S. hierzu auch Huguenin/Maissen, 111 f.; Maissen, Automatische Vertragsverlängerung, N 161 f. BGE 4A_475/2013 E. 5.3.2. Koller, OR AT, N 23.71; BSK UWG-Thouvenin, Art. 8 N 53. Lüscher, Jusletter 18. Oktober 2010, N 27. Koller, OR AT, N 23.40 m.w.H. S. BGE 4A_475/2013 E. 5.3.1; 4C.202/2004 E. 4. Koller,  OR AT, N  23.40; BSK UWG-Thouvenin, Art.  8 N  54; kritisch Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N 675. 62 S. Koller, OR AT, N 23.75; Schwenzer, OR AT, N 45.14.

198

§6

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)

widersprechen, spricht man vom sog. Battle of the Forms.63 Es stellt sich in diesem Fall die Frage, welche AGB gelten sollen. Nach der in der älteren Lehre vertretenen «Theorie des letzten Wortes» erlangen diejenigen AGB Geltung, welche als Letzte der anderen Vertragspartei zugestellt wurden, sofern diese nicht gegen die gegnerischen AGB interveniert hat.64 Die neuere, nunmehr vorherrschende Lehrmeinung geht dagegen zu Recht davon aus, dass diese Frage nach den allgemeinen Regeln zum Zustandekommen des Vertrages (Art.  1  ff.  OR) zu lösen ist:65 Stimmen die AGB nicht überein und betrifft dieser Dissens einen wesentlichen Vertragspunkt, so kommt mangels Konsens erst gar kein Vertrag zustande (s.  Art.  2 Abs.  1  OR; N 253).66 Ist dagegen kein wesentlicher Vertragspunkt betroffen, so ist der Vertrag zustande gekommen.67 Es gelten diejenigen AGB-Klauseln, welche übereinstimmend in beiden AGB enthalten sind.68 Die sich widersprechenden AGB-Klauseln erlangen dagegen keine Geltung (sog. «Knockout-Theorie»).69 Die durch diesen Partialdissens entstandene Vertragslücke ist mithilfe der allgemeinen Regeln zu ergänzen.70

VI.

Auslegungskontrolle

1.

Grundsatz

AGB sind prinzipiell nach denselben Regeln auszulegen wie individuell verfasste Abreden (zur Vertragsauslegung s. N 273 ff.).71

627

Bei der Auslegung zu beachten sind allerdings gewisse Besonderheiten, insbeson- 628 dere die sog. Unklarheitenregel sowie das Restriktionsprinzip (s. N 629 ff.).72

63 64 65 66 67 68 69 70 71 72

Kramer, FS Gauch, 494; Kramer/Probst/Perrig, N 233. Vgl. z.B. aCR CO-Dessmontet, Art. 1 N 48; in der Vorauflage auch ZK OR-Jäggi/Gauch, Art. 18 N 469. S. Gauch/Schluep/Schmid, N 1130a; Koller, OR AT, N 23.75. Gauch/Schluep/Schmid, N  1130a; Koller,  OR AT, N  23.76. Gemäss ZK  OR-Jäggi/Gauch/Hartmann, Art. 18 N 523, ist vermutungsweise davon auszugehen, dass es sich bei den fraglichen AGB um unwesentliche Vertragspunkte handelt. Gauch/Schluep/Schmid, N 1130a; Koller, OR AT, N 23.78. Schwenzer, OR AT, N 45.15; BSK OR-Thouvenin, Art. 8 N 4. Kramer/Probst/Perrig, N  234; CHK  OR-Kut, Art.  1 N  58; s. BSK  OR-Zellweger-Gutknecht/ Bucher, Art. 1 N 68 m.w.H. Kramer/Probst/Perrig, N 234; BSK OR-Thouvenin, Art. 8 N 4. Für weitere Theorien s. Hinweise bei BSK OR-Zellweger-Gutknecht/Bucher, Art. 1 N 69. BGE 122 III 118 E. 2a; 117 II 609 E. 6c; s. ferner BGE 142 III 671 E. 3.3; 135 III 1 E. 2; Berger, Schuldrecht, N 965; CHK OR-Kut, Art. 1 N 60. BSK UWG-Thouvenin, Art. 8 N 55.

199

1. Kapitel

2.

Allgemeine Vertragslehre

Unklarheitenregel

629

Führt die Auslegung einer bestimmten AGB-Klausel nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, greift die sog. Unklarheitenregel (in dubio contra stipulatorem). Danach muss sich die Verfasserin einer unklaren Vertragsbestimmung im Zweifelsfall die für sie ungünstigere Auslegungsvariante entgegenhalten lassen.73 Die Unklarheitenregel darf erst herangezogen werden, wenn feststeht, dass eine Bestimmung nach guten Treuen auf verschiedene Arten aufgefasst werden kann. Oder mit dem Bundesgericht: Nur wenn alle anderen Auslegungsmittel nicht zu einem klaren Ergebnis führen, darf als ultima ratio die Unklarheitenregel angewandt werden.74

630

Die Unklarheitenregel wird in Art. 33 VVG75 für den Versicherungsvertrag insofern konkretisiert, als der Versicherer für alle Ereignisse haftet, welche die Merkmale der versicherten Gefahr an sich tragen, es sei denn, dass der Vertrag einzelne Ereignisse in «bestimmter, unzweideutiger Fassung» von der Versicherung ausschliesst.76 Obwohl eine Normierung der Unklarheitenregel explizit nur im VVG verankert ist, wird ihre Anwendbarkeit von Lehre und Rechtsprechung für sämtliche Rechtsgebiete anerkannt.

3. 630a

Restriktionsprinzip

Nach dem Restriktionsprinzip sind AGB-Klauseln, die vom dispositiven Recht abweichen, im Zweifel restriktiv auszulegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Klauseln die Position des Kunden verschlechtern, wie dies beispielsweise bei Freizeichnungsklauseln der Fall sein kann.77 Das Bundesgericht begründet die entsprechende Regel damit, dass «[…] das dispositive Recht in der Regel die Interessen der Parteien ausgewogen wahrt […]»78. Mithin führt es eine verdeckte Inhaltskontrolle durch (s. N 631 ff.).79

73 74 75 76 77 78 79

200

BGE 5C.271/2004 E. 2; 126 III 388 E. 9d, wonach im Zweifelsfall das dispositive Gesetzesrecht zur Anwendung kommen soll; 124 III 155 E. 1b; Bucher, OR AT, 156; BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 27. BGE 122 III 118 E. 2d; 118 II 342 E. 1a = Pra 1993 Nr. 211; Buol, N 207. Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz; SR 221.229.1). BGE 115 II 264 E. 5a m.w.H. BGE 115 II 474 E. 2d m.w.H.; Kramer/Probst/Perrig, N 267. BGE 115 II 264 E. 5a = Pra 1990 Nr. 18. S. Gauch/Schluep/Schmid, N 1230a.

§6

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)

VII. Inhaltskontrolle 1.

Verdeckte Inhaltskontrolle

Die Geltungs- und die Auslegungskontrolle sind der Inhaltskontrolle (das heisst der 631 Prüfung des Vertragsinhalts mit Blick auf die Schranken der Rechtsordnung) vorgelagert. Je einseitiger und damit ungerechter AGB formuliert und je geschäftsunkundiger 632 der benachteiligte Vertragspartner ist, umso höher wird in der Rechtsprechung die Messlatte an das Zustandekommen und das Formulieren einer Einigung gelegt.80 Damit erfolgt bereits auf der Ebene des Vertragsabschlusses sowie der Auslegung eine verdeckte Inhaltskontrolle.81 Diese verdeckte Inhaltskontrolle ist insofern unbefriedigend, als die Verwenderin 633 von AGB durch Hervorhebungen und Hinweise der Ungewöhnlichkeitsregel und durch unzweideutiges Verfassen kritischer Klauseln der Unklarheitenregel entgehen kann. Aus diesem Grund plädiert die Lehre zu Recht für eine offene Inhaltskontrolle.82 Diese Forderung dürfte sich nunmehr nur noch auf Nichtkonsumverträge beziehen, da die offene Inhaltskontrolle mit Inkrafttreten des revidierten Art.  8 UWG für b2c-Verträge gesetzlich etabliert wurde.

2.

Offene Inhaltskontrolle

2.1

Art. 8 UWG

Art.  8 UWG regelt die «Verwendung missbräuchlicher Geschäftsbedingungen». 634 Unlauter handelte nach der bis Juni 2012 geltenden Fassung, wer AGB, die erheblich von der gesetzlichen Ordnung abwichen oder die Rechte und Pflichten erheblich anders verteilten, als dies der Vertragsnatur entsprach, «in irreführender Weise zum Nachteil einer Vertragspartei» verwendete. Wie bereits ausgeführt (s. N 609 f.), war Art. 8 aUWG in der Praxis nur ein beschränkt brauchbares Kontrollinstrument. Lag keine Irreführung vor, was meistens schon aus beweisrechtlichen Gründen der Fall war,83 griff die erwähnte Gesetzesbestimmung nicht. Nach dem aktuellen Wortlaut von Art.  8 UWG sind AGB in b2c-Verträgen nun- 635 mehr einer offenen Inhaltskontrolle zugänglich. Es gibt allerdings einige Interpre-

80 Huguenin, recht 1995, 86. 81 S. BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 279 f.; Vischer, AJP 2014, 967. 82 Offengelassen in BGE 135 III 1 E. 3.5; s. Koller, AJP 2008, 944 FN 5; BK OR-Kramer, Art. 1 N 208; Schwenzer, OR AT, N 45.13. 83 Berger, Schuldrecht, N 968.

201

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

tationsschwierigkeiten bei der Auslegung dieser Bestimmung, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen. 635a

Für die Anwendbarkeit von Art. 8 UWG müssen die folgenden vier Voraussetzungen erfüllt sein: • Die AGB wurden bei Vertragsabschluss verwendet (s. N 635b f.); • die AGB sehen ein Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und Pflichten der Parteien vor (s. N 635d ff.); • das Missverhältnis ist erheblich und ungerechtfertigt (s. N 635e ff.); und • es benachteiligt den Konsumenten gegenüber der Verwenderin (s. 635k ff.). a.

Verwendung

635b

Die AGB müssen «verwendet» werden. Nach mehrheitlicher Lehre genügt es, wenn die AGB in einem konkreten Fall zum Zweck eines Vertragsabschlusses eingesetzt werden. Keine Rolle spielt dagegen, ob diese anschliessend auch wirklich Vertragsbestandteil geworden sind oder nicht.84 So genügt es etwa, wenn die «missbräuchlichen» AGB im Rahmen von Vertragsverhandlungen «bloss» vorgelegt werden, auch wenn der Konsument diese ablehnt und die AGB somit keine Geltung erlangen.85 Strittig ist, ob auch das blosse Verfassen, Drucken oder Publizieren von AGB ausreichen soll.86

635c

Nicht nötig ist ferner, dass die entsprechenden AGB bereits mehrfach bei Vertragsabschlüssen eingesetzt wurden. Vielmehr ist das entsprechende Tatbestandsmerkmal vom Moment an erfüllt, in welchem die AGB zum ersten Mal bei einem konkreten Vertragsabschluss zum Einsatz gelangen.87 b.

635d

Vorliegen eines Missverhältnisses zwischen vertraglichen Rechten und Pflichten

Nach Art. 8 UWG müssen die AGB ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und Pflichten schaffen. Dieses Missverhältnis muss bereits bei Vertragsschluss gegeben sein und darf nicht erst nachträglich eintreten.

84

Kut/Stauber, Jusletter 20. Februar 2012, N 114; SHK UWG-Probst, Art. 8 N 235 FN 383 f.; Vischer, AJP 2014, 968. A.M. BSK OR-Thouvenin, Art. 8 N 134, wonach die AGB tatsächlich in einen Vertrag einbezogen werden müssen. 85 SHK UWG-Probst, Art. 8 N 235 FN 383 f.; s. auch Hess/Ruckstuhl, AJP 2012, 1194. 86 Bejahend: Gauch/Schluep/Schmid, N  1151; Kut/Stauber, Jusletter 20.  Februar 2012, N  114; ablehnend: Hess/Ruckstuhl, AJP 2012, 1194; SHK UWG-Probst, Art.  8 N  235; BSK UWG-Thouvenin, Art. 8 N 134. 87 BSK UWG-Thouvenin, Art. 8 N 134.

202

§6

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)

Bei der Beurteilung, ob ein solches Missverhältnis vorliegt, ist zunächst zu prü- 635e fen, ob die vertraglichen Rechte und Pflichten der Parteien ungleich verteilt sind. Erst in einem zweiten Schritt muss geprüft werden, ob diese ungleiche Verteilung von Rechten und Pflichten erheblich und ungerechtfertigt ist, um als Missverhältnis qualifiziert werden zu können (s. N 635g ff.).88 Eine ungleiche Verteilung liegt unter anderem dann vor, wenn ein bestimmtes Recht nur einer Partei vorbehalten ist bzw. eine bestimmte Pflicht nur eine Partei trifft (z.B. hat nur die AGB-Verwenderin ein sofortiges Kündigungsrecht aus wichtigem Grund, wogegen der Konsument eine dreimonatige Kündigungsfrist einhalten muss). Das erforderliche Missverhältnis kann aber auch darin bestehen, dass die einzelnen Rechte und Pflichten zwar formell gleich verteilt sind, diese die Parteien aber tatsächlich unterschiedlich belasten oder bevorteilen (z.B.: AGB-Verwenderin und Konsument müssen im Fall der Nichterfüllung ihrer Schuld eine gleich hohe Konventionalstrafe zahlen).89 Umstritten ist, inwieweit solche nachteiligen AGB-Klauseln durch Klauseln kompensiert werden können, welche dem Konsumenten einen Vorteil einräumen.90 Weiter ist umstritten, ob dieser Vorteil sich auch in einem besonders «günstigen» Preis äussern darf.91 Art. 8 UWG lässt offen, wie das Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten 635f und Pflichten zu bestimmen ist. Nach überwiegender Lehre sind zur Beurteilung eines Missverhältnisses die in den AGB enthaltenen Rechte und Pflichten mit dem (zwingenden und dispositiven) Gesetzesrecht oder dem richterrechtlich ergänzten Leitbild zu vergleichen, das unmittelbar oder sinngemäss zur Anwendung gelangen würde, wenn die Parteien keine AGB vereinbart hätten.92 Kann dem Gesetz keine Regel entnommen werden, was insbesondere bei Verträgen eigener Art (s. N 3690) der Fall sein dürfte, muss das Gericht diese Lücke schliessen, wobei es nach einem Teil der Lehre auf den Vertragszweck bzw. die Stellung und die Interessenlage der Parteien abzustellen hat.93 Ein anderer Teil der Lehre vertritt dagegen die Auffassung, dass in einem solchen Fall auf die «für diesen Vertrag charakteristische Ver88 CHK UWG-Ferrari Hofer/Vasella, Art. 8 N 6 und N 8 f.; UWG Komm.-Heiss, Art. 8 N 192. 89 BSK UWG-Thouvenin, Art. 8 N 118 f.; s. auch UWG Komm.-Heiss, Art. 8 N 200; Koller, AJP 2014, 28 f. 90 Grundsätzlich bejahend: Kut/Stauber, Jusletter 20. Februar 2012, N 119; differenzierend: Koller, AJP 2014, 28 f.; SHK UWG-Probst, Art. 8 N 267 ff.; BSK UWG-Thouvenin, Art. 8 N 121 ff. 91 Bejahend: Kut/Stauber, Jusletter 20. Februar 2012, N 119; differenzierend: Gauch/Schluep/Schmid, N 1154b; SHK UWG-Probst, Art. 8 N 272; BSK UWG-Thouvenin, Art. 8 N 121 ff. S. ferner auch Koller, AJP 2014, 29, wonach eine Preiskompensation nur dann zulässig sein soll, wenn der AGB-Übernehmer zwischen den günstigen AGB zu einem höheren Preis und den nachteiligen AGB zu einem tieferen Preis wählen kann und ihn die AGB-Verwenderin vor Vertragsabschluss klar und deutlich über die Vor- und Nachteile der ungünstigeren AGB aufgeklärt hat. 92 UWG Komm.-Heiss, Art. 8 N 193; SHK UWG-Probst, Art. 8 N 250; s. auch Maissen, Automatische Vertragsverlängerung, N 318; Schmid, ZBJV 2012, 11 f. Nach Kut/Stauber, Jusletter 20. Februar 2012, N 120, ist anstelle des gesetzlichen Leitbilds auf den Vertragszweck und die vertragliche Interessenlage der Parteien abzustellen. A.M. auch Hess/Ruckstuhl, AJP 2012, 1197, wonach Art. 8 UWG «aus sich selbst heraus» zu interpretieren ist. 93 UWG Komm.-Heiss, Art. 8 N 193; Rusch/Maissen, Jusletter 12. Dezember 2011, N 21.

203

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

teilung von Rechten und Pflichten» bzw. bei Fehlen eines solchen Leitbilds auf ein «eigens zu diesem Zweck modo legislatoris entwickeltes Referenzsystem»94 oder «Billigkeitserwägungen»95 abzustellen sei. c.

Erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis

635g

Das Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und Pflichten muss sodann erheblich und ungerechtfertigt sein.

635h

Das Bundesgericht hat sich bislang noch nicht zur Frage geäussert, was als «erheblich» zu gelten hat. Das Erfordernis der «Erheblichkeit» deutet zumindest an, dass das Missverhältnis ein gewisses Mass überschritten haben muss, um als missbräuchlich qualifiziert werden zu können. Eine bloss geringfügige Ungleichverteilung von Rechten und Pflichten zwischen den Parteien genügt nicht.96 Die Lehre ist sich allerdings nicht einig, nach welchen Kriterien die Erheblichkeit zu bestimmen ist. Ein Teil der Lehre will ein Missverhältnis als erheblich qualifizieren, wenn dieses «fühlbar» vom Gesetzesrecht abweicht97 bzw. «spürbar»98 ist. Die mehrheitliche Lehre optiert dafür, dass bei der Bestimmung der Erheblichkeit sowohl auf qualitative wie auch auf quantitative Kriterien abzustellen ist. Massgeblich sollen sowohl die Bedeutung der fraglichen Rechte und Pflichten im Kontext des Vertrages (qualitatives Merkmal) als auch der Grad der Abweichung von der massgeblichen Referenzordnung (quantitatives Merkmal; s. dazu N 635e) sein: Je bedeutungsvoller das fragliche Recht bzw. die fragliche Pflicht in einem bestimmten Vertragskontext ist, desto eher genügt eine «bloss» geringfügige Abweichung von der massgeblichen Referenzordnung, um ein Missverhältnis als erheblich zu qualifizieren.99

635i

Zusätzlich muss das Missverhältnis «ungerechtfertigt» sein. Nach überwiegender Lehre kommt diesem Merkmal zu Recht keine eigenständige Bedeutung zu.100 Der Begriff «Missverhältnis» impliziert bereits, dass die Verteilung von Rechten und Pflichten ungerechtfertigt ist.101 In terminologischer und logischer Hinsicht wäre zudem ein Missverhältnis, das zugleich gerechtfertigt ist, ein Widerspruch in sich selbst.102 Ob eine bestimmte Verteilung von Rechten und Pflichten gerechtfertigt ist, 94 BSK UWG-Thouvenin, Art. 8 N 128. 95 Schmid, ZBJV 2012, 12. 96 Kramer/Probst/Perrig, N 470 m.w.H.; Kut/Stauber, Jusletter 20. Februar 2012, N 119. 97 Roberto/Walker, recht 2014, 57; Schmid, ZBJV 2012, 11. 98 Hess/Ruckstuhl, AJP 2012, 1201; Kramer/Probst/Perrig, N  474; s.  auch CHK  UWG-Ferrari Hofer/Vasella, Art. 8 UWG N 8 m.w.H. 99 UWG  Komm.-Heiss, Art.  8 N  207; Koller, AJP 2014, 30; Kramer/Probst/Perrig, N  472  f.; BSK UWG-Thouvenin, Art. 8 N 130 f.; ähnlich auch Roberto/Walker, recht 2014, 57 100 Koller, AJP 2014, 30 f.; Maissen, Automatische Vertragsverlängerung, N 320; ausführlich Kramer/ Probst/Perrig, N 478 ff. S. auch Schmid, ZBJV 2012, 14, wonach bei Bejahung der Erheblichkeit die Unlauterkeit der entsprechenden AGB-Klauseln zu vermuten ist; a.M. Vischer, AJP 2014, 974 und 976. 101 BSK UWG-Thouvenin, Art. 8 N 132. 102 Gl.M. Koller, AJP 2014, 31; Roberto/Walker, recht 2014, 57.

204

§6

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)

muss gemäss den Vertretern dieser Lehrmeinung bei der Interessenabwägung im Rahmen von Treu und Glauben (s. N 635j) berücksichtigt werden. Das erhebliche und ungerechtfertigte Missverhältnis muss schliesslich gegen Treu 635j und Glauben verstossen, wobei die Rechtsprechung noch nicht entschieden hat, inwiefern dieses Kriterium zu berücksichtigen ist. Nach überwiegender Lehre handelt es sich beim «Verstoss gegen Treu und Glauben» nicht um ein zusätzliches, separat zu prüfendes Tatbestandsmerkmal, sondern vielmehr um einen Massstab, an dem die übrigen Kriterien zu messen sind.103 Dabei sind sämtliche schutzwürdigen Interessen der AGB-Verwenderin und des Konsumenten gegeneinander abzuwägen. Die erhebliche Ungleichverteilung von Rechten und Pflichten verstösst gegen Treu und Glauben (Art. 2 Abs. 2 ZGB), wenn diese aus der Sicht eines loyalen Dritten nicht als gerechtfertigt erscheint.104 So verstösst beispielsweise eine AGBKlausel gegen Treu und Glauben, welche der AGB-Verwenderin ein jederzeitiges einseitiges Abänderungsrecht einräumt.105 d.

Zum Nachteil des Konsumenten

Die Inhaltskontrolle von Art. 8 UWG erfasst lediglich b2c-Verträge.106 Was unter 635k dem Begriff des Konsumenten im Sinne von Art.  8 UWG zu verstehen ist, definiert das UWG allerdings nicht. Das Bundesgericht musste diese Frage bislang noch nicht klären. Bei der Auslegung des Begriffes muss man sich deshalb an den verschiedenen Definitionen in anderen, den Konsumentenbegriff thematisierenden Gesetzen orientieren. Infrage kommen beispielsweise Art. 40a OR, Art. 3 KKG107, Art.  32 ZPO, Art.  120 Abs.  1 IPRG108 oder Art.  2 Abs.  2 PBV109.110 Beim Erlass von Art. 8 UWG orientierte sich der Gesetzgeber an Art. 3 Abs. 1 Klauselrichtlinie 93/13/EWG111, weshalb diese Richtlinie bei der Auslegung des Konsumentenbegriffs ebenfalls berücksichtigt werden sollte.112 Die einzelnen Definitionen weisen indessen nicht die gleichen Tatbestandsmerkmale auf. Umstritten ist in der Lehre 103 Roberto/Walker, recht 2014, 58; Rusch/Maissen, Jusletter 12.  Dezember 2011, 21; BSK UWGThouvenin, Art. 8 N 101 f. m.w.H. Gemäss Kramer/Probst/Perrig, N 498 f. und N 509 ff., ist das Kriterium von Treu und Glauben bei der Erheblichkeit zu prüfen. Liege ein treuwidriges erhebliches Missverhältnis vor, gelte die widerlegbare Vermutung, dass dieses zugleich auch ungerechtfertigt sei. 104 Gauch/Schluep/Schmid, N 1154a; Koller, AJP 2014, 31. 105 Vgl. dazu Rusch/Huguenin, SZW 2008, 37 ff. 106 Berger, N 968. 107 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über den Konsumkredit (SR 221.214.1). 108 Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (SR 291). 109 Verordnung vom 11. Dezember 1978 über die Bekanntgabe von Preisen (Preisbekanntgabeverordnung; SR 942.211). 110 BSK UWG-Thouvenin, Art. 8 N 79 f. 111 Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. EU vom 21. April 1993, Nr. L 095, 29 ff. 112 BSK UWG-Thouvenin, Art.  8 N  80; Vischer, AJP  2014, 972. S.  auch Kramer/Probst/Perrig, N 501 ff., welche aufgrund des autonomen Nachvollzugs von Art. 3 Abs. 1 Klauselrichtlinie 93/13/EWG

205

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

insbesondere, ob es sich um einen Vertrag über «Leistungen des üblichen Verbrauchs» handeln muss, wie dies z.B. Art. 32 Abs. 2 ZPO und Art. 120 Abs. 1 IPRG verlangen, oder ob auf dieses Merkmal verzichtet werden darf und muss.113 635l

Nach der hier vertretenen Meinung ist auf einen weiten Konsumentenbegriff abzustellen. Der Gesetzgeber wollte mit der Neufassung von Art.  8 UWG eine griffige offene Inhaltskontrolle von AGB in b2c-Verträgen schaffen.114 Es wäre daher falsch, die Bestimmung auf Verträge über «Leistungen des üblichen Verbrauches» zu beschränken. Denn die Inhaltskontrolle von Art. 8 UWG würde dadurch weitgehend wieder ausgehöhlt. Verträge, die den üblichen Verbrauch betreffen (z.B. Kauf einer Zeitschrift am Kiosk), dürften in der Regel ohne die Verwendung von AGB abgeschlossen werden.115 Schutzbedürftig sind Konsumenten aber gerade in denjenigen Fällen, die (möglicherweise) nicht unter den üblichen Verbrauch fallen  – wirtschaftlich aber gerade deswegen umso bedeutsamer sein können (z.B. Vertrag über das Leasing eines Fahrzeugs).116 Die Inhaltskontrolle von Art. 8 UWG sollte deshalb sämtliche Verträge erfassen, die ausserhalb der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Konsumenten liegen.

635m

Eine offene Inhaltskontrolle nach Art. 8 UWG setzt überdies voraus, dass die AGBVerwenderin nach der hier vertretenen Auffassung im Rahmen ihrer beruflichen oder gewerblichen Aktivitäten gehandelt hat.117 AGB in Nichtkonsumverträgen sind dagegen vom Anwendungsbereich von Art. 8 UWG ausgeklammert.118 Bei b2bwie auch bei c2c-Verträgen bleibt es somit bei den bis anhin entwickelten Kontrollinstrumenten, sofern die Gerichte eine offene Inhaltskontrolle nicht auch für den Geltungsbereich ausserhalb von Art. 8 UWG einführen. e.

636

Rechtsfolgen

Umstritten ist in der Literatur, welche Rechtsfolgen bei einem Verstoss gegen Art. 8 UWG eintreten. Das Bundesgericht hat diese Frage  – freilich unter dem Regime

eine weitgehend europakompatible Auslegung des Konsumentenbegriffs in Art.  8 UWG befürworten; ähnlich auch Gauch/Schluep/Schmid, N 1152b. 113 Bejahend: Hess/Ruckstuhl, AJP 2012, 1195  f.; Furrer, HAVE 2011, 326; Kut/Stauber, Jusletter 20.  Februar 2012, N  115; Schwenzer,  OR AT, N  46.04; verneinend: UWG  Komm.-Heiss, Art.  8 N 141 ff.; Koller, OR AT, N 23.60 f.; Kramer/Probst/Perrig, N 502; Schmid, ZBJV 2012, 9; BSK UWG-Thouvenin, Art. 8 N 83. 114 BBl 2009 6162 und 6165. 115 Gl.M. Koller, AJP 2014, 26 f. 116 So auch Gauch/Schluep/Schmid, N 1152b; BSK UWG-Thouvenin, Art. 8 N 83. 117 Furrer, HAVE 2011, 326; Kramer/Probst/Perrig, N 504; a.M. Roberto/Walker, recht 2014, 57; BSK UWG-Thouvenin, Art. 8 N 85. 118 Hess/Ruckstuhl, AJP 2012, 1195; Vischer, AJP  2014, 972. A.M. Holliger-Hagmann, Jusletter 20. Februar 2012, N 25 und N 30, wonach auch Gewerbetreibende und andere KMU sich auf Art. 8 UWG berufen können sollen; ähnlich auch Maissen, Automatische Vertragsverlängerung, N 308 ff.

206

§6

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)

von Art. 8 aUWG – bislang offengelassen.119 Auch Art. 8 UWG lässt offen, worin die Rechtsfolgen eines Verstosses bestehen sollen.120 Vorgeschlagen werden in der Lehre unter anderem Lösungen wie Nichtigkeit (Art.  19 Abs.  2 und Art.  20 Abs. 1 OR)121, Anfechtbarkeit (Art. 21 Abs. 1 und Art. 28 OR) und andere Erscheinungsformen der Ungültigkeit oder auch eine wettbewerbsrechtliche Beseitigungsklage (Art.  9 Abs.  1 lit.  b UWG).122 Nach der hier vertretenen Ansicht ist Art.  8 UWG in Zusammenhang mit Art. 2 UWG zu lesen: Unlauteres Geschäftsgebaren ist gemäss Art.  2 UWG widerrechtlich, was nach Art.  20  OR einen Inhaltsmangel darstellt und folglich «nichtig» ist. Somit ist bei einem Verstoss gegen Art.  8 UWG von Nichtigkeit bzw. Teilnichtigkeit im Sinne des flexiblen Ungültigkeitsbegriffs (s. N 433) auszugehen. 2.2

Öffentliche Ordnung (Art. 19 Abs. 2 OR)

Ein Teil der Lehre tritt für eine offene vertragsrechtliche Inhaltskontrolle ein, wel- 637 cher sie das Kontrollkriterium der öffentlichen Ordnung nach Art. 19 Abs. 2 OR zugrunde legen will. Die Trennung zulässiger von unzulässigen AGB hat danach unter anderem nach Massgabe der der Gesamtrechtsordnung immanenten Wertungs- und Ordnungsprinzipien zu erfolgen (s. N 408).123 Dieser Ansatz dürfte nunmehr vor allem für die in Nichtkonsumverträgen enthaltenen AGB relevant sein, da seit Inkrafttreten von Art. 8 UWG eine offene Inhaltskontrolle für b2c-Verträge gesetzlich vorgesehen ist.

119 S. BGE 119 II 443 E. 1c = Pra 1994 Nr. 229. In neuerer Zeit scheint das Bundesgericht tendenziell ebenfalls Nichtigkeit anzunehmen; s. BGE 4A_404/2008 E. 5.6.3.2.1. 120 Kramer/Probst/Perrig, N 506. 121 Gauch/Schluep/Schmid, N 1155a f.; UWG-Komm.-Heiss, Art. 8 N 243 f.; Kramer/Probst/Perrig, N 507; Koller, OR AT, N 23.67. 122 Ausführlich Gauch/Schluep/Schmid, N 1156 ff.; UWG-Komm.-Heiss, Art. 8 N 253 ff.; offen Schwenzer, OR AT, N 46.05. 123 S.  Bucher,  OR AT, 158; Huguenin, recht 1995, 87  f.; BSK  OR-Huguenin/Meise, Art.  19/20 N  28; BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 158 ff.

207

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

VIII. Zusammenfassung

Vorprüfung

638 Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) Liegen AGB vor? Def.: AGB sind Vertragsbestimmungen, welche die Verwenderin oder eine Dritte hinsichtlich des Abschlusses einer Vielzahl gleichartiger Verträge vorformuliert und welche die Parteien nicht individuell verhandeln.

Nein

AGB-Kontrolle endet hier.

Ja

Vorrang Individualabreden Gibt es Individualabreden, die den AGB widersprechen? Def.: Individualabreden sind Klauseln, deren Inhalt die Parteien gemeinsam erarbeitet und die sie in den Vertrag einbezogen haben, oder vorformulierte Klauseln, deren Inhalt von den Parteien geändert wurde.

Ja

Die den Individualabreden widersprechenden AGB-Klauseln sind nicht vom Konsens erfasst.

Nein

Einbezug der AGB Wurden die AGB in den konkreten Vertrag einbezogen?

• Vor oder bei Vertragsschluss: deutlicher Hinweis auf AGB und Möglichkeit, in zumutbarer Weise von AGB Kenntnis zu nehmen.

Nein

• Elektronischer Vertragsschluss: Kunde muss ausserdem Möglichkeit haben,

AGB-Klauseln sind nicht vom Konsens erfasst.

AGB herunterzuladen, zu speichern oder auszudrucken. • Merke: bei b2c-Verträgen muss Einbezug der AGB ausdrücklich (und nicht konkludent) sein.

Geltungskontrolle

Ausnahme:

Vollübernahme Def.: Der Übernehmende erklärt sich mit den AGB einverstanden, nachdem er sie gelesen und zur Kenntnis genommen hat.

Regel:

Globalübernahme (wird vermutet) Def.: Der Übernehmende erklärt sich mit den AGB einverstanden, ohne aber den Inhalt der AGB im Einzelnen zur Kenntnis genommen, verstanden oder bedacht zu haben.

Ungewöhnlichkeitsregel Liegt eine ungewöhnliche AGB-Klausel vor? Def.: AGB-Klausel, mit deren Inhalt die zustimmende Partei nach den Umständen nicht gerechnet hat bzw. vernünftigerweise nicht rechnen musste, da sie ungewöhnlich oder geschäftsfremd ist. Die Klausel muss objektiv und subjektiv ungewöhnlich sein, das heisst:





sie hat objektiv einen geschäftsfremden Inhalt; sie führt also zu einer wesentlichen Änderung des Vertragscharakters oder sie sieht eine Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund vor (objektive Ungewöhnlichkeit) und die schwächere oder weniger geschäftserfahrene Partei ist nicht auf eine objektiv ungewöhnliche AGB-Klausel aufmerksam gemacht worden (subjektive Ungewöhnlichkeit).

Ja

Hinweis auf ungewöhnliche Klauseln Wurde die zustimmende Partei bei der Einbeziehung besonders auf die ungewöhnliche Klausel aufmerksam gemacht?



Nein

Merke: Hinweis oder besondere Hervorhebung (z.B. durch Fettdruck) genügt.

BGer fingiert Kenntnisnahme Klausel gültig

Nein

Auslegungskontrolle

Auslegung nach allgemeinen Prinzipien

208

• AGB sind prinzipiell nach denselben Regeln auszulegen wie individuell verfasste Abreden. • Auslegungsmittel: z.B. Wortlaut, Vertragszweck, Entstehungsgeschichte, Verkehrssitten, Begleitumstände

Besonderheiten bei AGB Unklarheitenregel: Führt die Auslegung nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, muss sich die Verfasserin einer unklaren AGB-Bestimmung im Zweifelsfall die für sie ungünstigere Auslegungsvariante entgegenhalten lassen. Restriktionsprinzip: Abreden, die vom dispositiven Recht abweichen, sind im Zweifel eng auszulegen, namentlich dann, wenn sie die Stellung des Kunden verschlechtern.

Ungewöhnliche Klauseln sind nicht vom Konsens erfasst.







sie hat objektiv einen geschäftsfremden Inhalt; sie führt also zu einer wesentlichen Änderung des Vertragscharakters oder sie sieht eine Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund vor (objektive Ungewöhnlichkeit) und

§6

Merke: Hinweis oder besondere Hervorhebung (z.B. durch Fettdruck) genügt.

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)

die schwächere oder weniger geschäftserfahrene Partei ist nicht auf eine objektiv ungewöhnliche AGB-Klausel aufmerksam gemacht worden (subjektive Ungewöhnlichkeit).

BGer fingiert Kenntnisnahme Klausel gültig

Nein

Auslegungskontrolle

Auslegung nach allgemeinen Prinzipien

• AGB sind prinzipiell nach denselben Regeln auszulegen wie individuell verfasste Abreden. • Auslegungsmittel: z.B. Wortlaut, Vertragszweck, Entstehungsgeschichte, Verkehrssitten, Begleitumstände

Besonderheiten bei AGB Unklarheitenregel: Führt die Auslegung nicht zu einem eindeutigen Ergebnis, muss sich die Verfasserin einer unklaren AGB-Bestimmung im Zweifelsfall die für sie ungünstigere Auslegungsvariante entgegenhalten lassen. Restriktionsprinzip: Abreden, die vom dispositiven Recht abweichen, sind im Zweifel eng auszulegen, namentlich dann, wenn sie die Stellung des Kunden verschlechtern.

Bei der Inhaltskontrolle müssen b2c- und b2b- sowie c2c-Verträge auseinandergehalten werden.

b2b- und c2c-Verträge

b2c-Verträge

Verstoss gegen zwingendes Gesetzesrecht?

Ja

Inhaltskontrolle

z.B. Art. 19/20 OR

AGB-Klausel ist ungültig.

Ja

Verstoss gegen zwingendes Gesetzesrecht? z.B. Art. 19/20 OR

Ja

Zudem

Verstoss gegen Art. 8 UWG (lauterkeitsrechtliche Kontrolle)? Voraussetzungen von Art. 8 UWG: 1. Verwendung von AGB 2. Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und Pflichten der Parteien 3. erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis 4. Missverhältnis zum Nachteil des Konsumenten Kriterien von Art. 8 UWG müssen sich am Massstab von Treu und Glauben messen. Nein

AGB-Klausel ist gültig und wirksam.

Abbildung: Ausführliches Prüfungsschema zur AGB-Kontrolle

209

§ 7 Beendigung von Schuldverhältnissen im engeren und im weiteren Sinn (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR) Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N 1194 ff., N 1327 ff. und N 1414 ff.; Bucher, OR AT, 291 ff. und 389 ff.; Engel, CO PG, 603 ff., 669 ff. und 761 ff.; Furrer/Müller-Chen, Kap. 21 N 1 ff.; Gauch/ Schluep/Emmenegger, N 2023 ff. und N 3109 ff.; Guhl/Koller, §§ 11, 29, 30 und 36 ff.; Koller, OR AT, N 34.01 ff. und N 62.01 ff.; Kramer/Probst, OR AT, N 453 ff. und N 513 ff.; Schwenzer, OR AT, N 73.01 ff.; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1020 ff. und N 1421 ff.; von Tuhr/Escher, 1 ff. und 179 ff.

Weiterführende Literatur Addorisio de Feo Raniero, Die Fälligkeit von Vertragsforderungen, Diss. Freiburg 2001; Gauch Peter, Der Werkvertrag, 5. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2011 (zit.: Gauch, Werkvertrag); Gauch Peter, System der Beendigungen von Dauerverträgen, Diss. Freiburg 1968 (zit.: Gauch, Beendigung); Häfelin Ulrich/Müller Georg/Uhlmann Felix, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Aufl., Zürich/St. Gallen 2016; Herren Stephan, Verrechnungsprobleme beim Ausscheiden eines zahlungsunfähigen Konsortienten aus mehreren Arbeitsgemeinschaften, AJP 1999, 265–272; Hess Martin, Rechtliche Aspekte der Banküberweisung unter besonderer Berücksichtigung des Interbankzahlungsverkehrssystems Swiss Interbank Clearing (SIC), SZW 1991, 101–115; Huguenin Claire, Nichtigkeit und Unverbindlichkeit als Folgen anfänglicher Vertragsmängel, Diss. Bern 1984; Huguenin Claire/Hilty Reto M. (Hrsg.), Schweizer Obligationenrecht 2020, Entwurf für einen neuen allgemeinen Teil, Zürich 2013 (zit.:  OR 2020-BearbeiterIn); Koller Alfred, Die Verrechnung nach schweizerischem Recht, recht 2007, 101–113; Loser Peter, Die Vertrauenshaftung im schweizerischen Schuldrecht: Grundlagen, Erscheinungsformen und Ausgestaltung im geltenden Recht vor dem Hintergrund europäischer Rechtsentwicklung, Habil. Bern 2006; Middendorf Patrick, Nachwirkende Vertragspflichten, Diss. Freiburg 2001; Rimle Alois, Der erfüllte Schuldvertrag: Vom Einfluss auf die Entstehung des Vertrages und von weiteren Wirkungen der Vertragserfüllung, Diss. Freiburg 1995; Rüegg Erich, Leistung des Schuldners an einen Nicht-Gläubiger, Diss. Freiburg 1990; Rusch Arnold F., Rechtsscheinlehre in der Schweiz, Habil. Zürich 2010; Schmid Jörg, Der Umfang des Formzwangs, recht 1989, 113–121; Suter Benjamin/ Vonzun Reto, Zur Frage der (Un-)Gültigkeit der ungerechtfertigten ausserordentlichen Kündigung von Dauerschuldverhältnissen, Jusletter 20. August 2012; Thalmann Christian, Die Rechtzeitigkeit von Überweisungen und Einzahlungen auf ein Bank- oder Postcheckkonto des Gläubigers, SZW 1990, 257–265; Vetter Meinrad/Gutzwiller Roman S., Voraussetzungen und Rechtsfolgen der ausserordentlichen Beendigung von Dauerschuldverhältnissen, AJP 2010, 699–714; Weber Rolf H., Probleme bei der bargeldlosen Erfüllung von Geldschulden, SJZ 1982, 137–145; Wiegand Wolfgang, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundes-

210

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

gerichts im Jahre 1998, ZBJV 1999, 561–585; Wiegand Wolfgang/Hodel Annette, Die bargeldlose Zahlung im schweizerischen Recht, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), Rechtliche Probleme des Zahlungsverkehrs, Berner Bankrechtstag, Bd. 7, Bern 2000, 177–211; Wolfer Marc, Die vertragliche Regelung der Vertragsauflösung «aus wichtigem Grund», AJP 2014, 621–626.

I.

Vorbemerkungen

Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit können die Parteien jederzeit gemein- 639 sam einen Vertrag beenden oder modifizieren (sog. Aufhebungs- und Änderungsfreiheit). Die Parteien können auch vertraglich festlegen, unter welchen Voraussetzungen einer Partei ein einseitiges Beendigungs- oder Modifikationsrecht zusteht, sofern solche Rechte nicht bereits von Gesetzes wegen bestehen. Haben die Parteien keine Regelung über eine Vertragsbeendigung getroffen, kann ein (gültiger) Vertrag grundsätzlich nur bei schweren Erfüllungsmängeln vorzeitig beendet werden (zu den Entstehungsmängeln s. N 335 ff., N 444 ff., N 605 ff.). Liegt ein entsprechender Erfüllungsmangel vor, kann die davon betroffene Partei den Rücktritt erklären (s. etwa Art. 107/109 oder Art. 190 OR). Unter Umständen ist eine vorzeitige Vertragsbeendigung alsdann bei einer drastischen Veränderung des vertraglichen Umfelds möglich (clausula rebus sic stantibus; s. N 320 ff.). Dauerverträge nehmen insofern eine Sonderstellung ein, als eine Rückabwicklung in der Regel weder als adäquat noch als praktikabel erscheint und somit anstelle eines Rücktritts die Kündigung erfolgt (s. z.B. Art. 266a ff. und Art. 335 ff. OR).1 Unbefristete Dauerverträge sind ausserdem ordentlich, also auch ohne Vorliegen einer Irregularität, kündbar, sofern sie nicht befristet wurden oder sich – bei Kombinationslösungen – noch in der Mindestdauerphase befinden. Bei einer übermässigen Einschränkung der Handlungsfreiheit kann sich die verletzte Partei im Rahmen von Art. 27 Abs. 2 ZGB im Übrigen jederzeit auf die (Teil-)Ungültigkeit des entsprechenden Vertrages berufen.2 Dazu gesellt sich die Kündigung eines Dauervertrages aus wichtigem Grund. Ein solcher ist zu bejahen, wenn die Fortführung des Vertrages für eine Partei unzumutbar geworden ist. Bei der Beendigung muss zwischen Obligationen (Mikroebene) und Schuldver- 640 hältnissen i.w.S.  (Makroebene) unterschieden werden (s.  N  38  ff.). Während bei der Beendigung einer Obligation (Beendigung i.e.S.) nur eine einzelne Forderung betroffen ist (z.B. Kaufpreisforderung bezüglich eines verkauften Autos), wird bei einem Schuldverhältnis i.w.S.  ein Rechtsverhältnis in seiner Gesamtheit (z.B. Arbeitsvertrag) beendet. 1 S. BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 10. 2 BSK ZGB-Huguenin/Reitze, Art. 27 N 18 ff.

211

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

641

Art. 114 ff. OR enthalten nur Bestimmungen über das Erlöschen von Obligationen. Der wichtigste, sozusagen reguläre Erlöschensgrund einer Obligation, nämlich die Erfüllung, wird in Art. 68 ff. OR geregelt. Soll ein ganzes Schuldverhältnis aufgelöst werden, können die Erfüllungs- bzw. Erlöschensregeln zum Teil analog angewendet werden (s. N 726 und N 786 ff.).3 Oft enthalten auch die Regeln zu den einzelnen Nominatkontrakten spezifische Vorschriften zur Beendigung von Verträgen (s. z.B. Art. 266 ff. OR zur Miete und Art. 334 ff. OR zum Arbeitsvertrag).

642

In diesem Kapitel werden vor allem die Mechanismen, wie Obligationen erlöschen, behandelt.

643 Beendigung von Obligationen (nicht abschliessend)

Erfüllung (Art. 68 ff. OR)

der Erfüllung gleichgestellt

q Erlass (Art. 115 OR) q Neuerung (Art. 116 f. OR) q Vereinigung (Art. 118 OR) q Unmöglichwerden der Leistung (Art. 119 OR)

q Verrechnung (Art. 120 ff. OR) Abbildung: Beendigung von Obligationen 644

Die Verjährung (Art. 127 ff. OR) wird vom Gesetzgeber unter dem Titel «Das Erlöschen der Obligationen» behandelt (s. N 2219 ff.). Während aber durch die Beendigung eine Obligation oder ein Schuldverhältnis ganz aufgelöst wird, bleibt eine verjährte Forderung weiter bestehen. Sie kann alsdann auch nach Eintritt der Verjährung geltend gemacht, aber nicht mehr gegen den Willen des Schuldners durchgesetzt werden: Mit Eintritt der Verjährung einer Forderung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern. Von einem Teil der Lehre wird die Verjährung daher als «Erlöschensgrund minderen Grades»4 bezeichnet.

3 ZK OR-Aepli, Vorb. zu Art. 114–142 N 7. 4 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3101.

212

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

II.

Erfüllung (Art. 68–90 und Art. 114 OR)

1.

Begriff und Voraussetzungen

Wird die geschuldete Leistung richtig erbracht, hat der Schuldner erfüllt.

645

Die Erfüllung ist das typische Verfügungsgeschäft; sie bewirkt, dass die Forderung 646 mitsamt ihren Nebenrechten erlischt (Art. 114 Abs. 1 OR). Beim Erfüllungsgegenstand ist zwischen der einzelnen Schuld (Mikroebene) und dem Vertrag (Makroebene) zu unterscheiden. Die Erfüllung einer Schuld beendet das Schuldverhältnis nicht eo ipso. Möglicherweise bestehen weitere Pflichten, die zu erfüllen sind, bevor das Schuldverhältnis i.w.S. erlischt (z.B. Abwicklungspflichten, vertragliche Restanzpflichten und nachvertragliche Pflichten).5 Eine Dauerschuld hingegen (z.B. periodische Mietzinsleistung) erlischt nicht durch Erfüllung, auch nicht durch abermaliges Erbringen der Leistung, sondern muss durch einen äusseren Faktor wie Zeitablauf oder Kündigung des Vertrages beendet werden.6 Um richtig zu erfüllen, müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein: • • • • •

647

Der richtige Leistungserbringer (s. N 648 ff.) muss an die richtige Leistungsempfängerin (s. N 655 ff.) den richtigen Erfüllungsgegenstand (s. N 666 ff.) am richtigen (Erfüllungs-)Ort (s. N 697 ff.) zum richtigen Zeitpunkt oder im richtigen Zeitraum (s. N 707 ff.) erbringen.7

2.

Leistungserbringer (Art. 68 OR)

2.1

Grundsatz

a.

Keine persönliche Leistungspflicht des Schuldners

Der Schuldner muss nicht selbst erfüllen, sofern es bei der Leistung nicht auf seine 648 Persönlichkeit ankommt. Art. 68 OR stellt nach überwiegender Lehrmeinung die Vermutung auf, dass der Schuldner für die Erfüllung auch einen Dritten beiziehen kann.8 Insbesondere bei Geldschulden kommt es in aller Regel nicht auf die Persönlichkeit des Schuldners an.9 Ist die Gläubigerin der entsprechenden Leistung gegenteiliger Auffassung, muss sie beweisen, dass die richtige Leistung so 5 Zu den Vertragspflichten nach Erlöschen der Hauptleistungspflicht s. Middendorf, N 5 ff. 6 BGE 123 III 246 E. 3; Bucher, OR AT, 390 f.; Rimle, N 370. 7 S. auch BSK OR-Leu, Vor Art. 68–74 N 3; ZK OR-Schraner, Vorb. zu Art. 68–96 N 3; Schwenzer, OR AT, N 73.03. 8 BSK OR-Leu, Art. 68 N 1; BK OR-Weber, Art. 68 N 27 ff. 9 BGE 135 V 13 E. 3.6.3.

213

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

sehr von der Person des Schuldners abhängt, dass ein Dritter diese nicht unverändert erbringen kann. Die persönliche Leistungspflicht erstreckt sich meist nicht auf den gesamten Inhalt des Vertrages, sondern nur auf einen charakteristischen Teil davon.10 Beispielsweise muss der Chirurg selber operieren, eine Infusion darf aber auch die Krankenpflegerin verabreichen.11 Bei Baumeisterarbeiten (Werkvertrag, Art. 363 ff. OR; s. N 3121 ff.) erstreckt sich die persönliche Leistungspflicht dagegen in der Regel auf die ganze Leistung: Ein Bauunternehmen wird nicht bloss aufgrund des Preisangebots als Vertragspartner ausgewählt, sondern auch aufgrund seiner Leistungsfähigkeit, Qualität, Zahlungsfähigkeit und Zuverlässigkeit.12 Es ist deshalb grundsätzlich verpflichtet, die Bauarbeiten entweder selber auszuführen oder zumindest unter seiner persönlichen Leitung ausführen zu lassen (Art.  364 Abs. 2 OR; s. N 3139).13 b.

Erfüllung durch einen Dritten

649

Leistet ein Dritter ohne Willen des Schuldners (sog. Intervention; z.B. Schenkung oder Geschäftsführung ohne Auftrag) oder sogar gegen dessen Willen an die Gläubigerin, hat dies trotzdem Erfüllungswirkung, sofern der Wille des Dritten, eine fremde Schuld zu tilgen, erkennbar ist.14 Die Macht des Dritten zu erfüllen, ist – bei Einverständnis der Gläubigerin – stärker als ein allfälliger Widerspruch des Schuldners zur Drittleistung.15 Das Interesse der Gläubigerin an der Erfüllung wird grundsätzlich höher gewichtet als das allfällige Interesse des Schuldners, persönlich zu erfüllen.16

650

Bezüglich der Annahmeobliegenheit der Gläubigerin sind zwei Varianten zu unterscheiden:

651

Erfüllt der Dritte mit Einwilligung des Schuldners oder ohne dessen Willen, muss die Gläubigerin die Leistung nach dem Grundsatz von Art.  68  OR annehmen, andernfalls gerät sie in Gläubigerverzug (Art. 91 ff. OR; s. N 967 ff.).

652

Leistet der Dritte gegen den Willen des Schuldners an die Gläubigerin, kann Letztere wählen, ob sie die Leistung annehmen will oder nicht. Verweigert die Gläubigerin die Annahme, fällt sie in diesem Fall nicht in Gläubigerverzug.17

10 11 12 13 14 15 16 17

214

Engel, CO PG, 611; CR CO-Hohl, Art. 68 N 5; von Tuhr/Escher, 23 f.; BK OR-Weber, Art. 68 N 32 ff. ZK OR-Schraner, Art. 68 N 31. BGE 103 II 52 E. 5a. S. Gauch, Werkvertrag, N 609 ff. BGE 4C.69/2005 E. 3. BGE 123 III 161 E. 4c = Pra 1997 Nr. 105; BK OR-Weber, Art. 68 N 51. BGE 83 III 99 E. 2; BSK OR-Leu, Art. 68 N 4 f.; ZK OR-Schraner, Art. 68 N 47; BK OR-Weber, Art. 68 N 44 ff. S. zum Ganzen ZK OR-Schraner, Art. 68 N 46 ff.; BK OR-Weber, Art. 68 N 53 f.; CHK OR-Wullschleger, Art. 68 N 11; a.M. Bucher, OR AT, 295.

§7

2.2

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

Ausnahme: Persönliche Leistungspflicht

Art. 68 OR ist dispositives Recht. Die Parteien können vertraglich vereinbaren, dass 653 nur der Schuldner oder nur ein Dritter die Leistung erbringen darf.18 Sie können die Erfüllung verschiedener Leistungskomponenten auch einer Mehrzahl von Personen zuweisen. Verantwortlich bleibt aber der Schuldner, welcher der Gläubigerin gegenüber prinzipiell dafür einzustehen hat, wenn Dritte nicht leisten. Weiter sieht das Gesetz für einzelne Vertragstypen die persönliche Leistungspflicht 654 des Schuldners vor. Entgegen Art. 68 OR wird nun vermutet, dass der Schuldner persönlich zu leisten hat. Die wichtigsten Beispiele dafür sind der Arbeitsvertrag (Art.  321  OR), der Auftrag (Art.  398 Abs.  3  OR) und der Werkvertrag (Art.  364 Abs. 2 OR).

3.

Leistungsempfängerin

3.1

Grundsatz: Nur Leistung an die Gläubigerin befreit

Grundsätzlich muss der Schuldner an die Gläubigerin leisten.19 Ausnahmsweise ist 655 er verpflichtet bzw. berechtigt, an einen Dritten zu leisten (s. N 658 ff.).20 Die Leistung an den gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter der Gläubigerin wird einer direkten Leistung an diese gleichgestellt.21 Leistet der Schuldner in gutem Glauben an eine Nichtberechtigte, befreit er sich grundsätzlich nicht.22 Von diesem Grundsatz gibt es verschiedene Ausnahmen (s. N 663 ff.). 3.2

656

Ausnahmen

In bestimmten Ausnahmefällen wird vom oben genannten Grundsatz abgewichen. 657 Der Schuldner kann in diesen Fällen mit befreiender Wirkung an einen Dritten leisten.23

18 19 20 21 22

CHK OR-Wullschleger, Art. 68 N 6. S. Rüegg, N 184 ff. ZK OR-Schraner, Art. 68 N 68. ZK OR-Schraner, Art. 68 N 69; BK OR-Weber, Art. 68 N 119. BGE 112 II 450 E. 3a = Pra 1987 Nr. 144; 111 II 263 E. 1b; Rüegg, N 185 f.; ZK OR-Schraner, Art. 68 N 115. 23 S. Rüegg, N 278 ff.; ZK OR-Schraner, Art. 68 N 80 ff.

215

1. Kapitel

a. 658

Allgemeine Vertragslehre

Pflicht des Schuldners zur Leistung an einen Dritten

Der Schuldner ist zur Leistung an einen Dritten verpflichtet. Dies kann durch Vereinbarung (Vertrag zugunsten eines Dritten; z.B. Art. 112 OR; N 1119 ff.), Gesetz (z.B. Art.  99 SchKG24; Art.  168 Abs.  3  OR) oder richterliche Anweisung (z.B. Art. 177 ZGB) geschehen.25 Leistet der Schuldner trotz anderslautender Vereinbarung an die Gläubigerin und nimmt diese die Leistung an, liegt darin eine konkludente, übereinstimmende Vertragsänderung.26 Hierbei ist aber die Schranke von Art. 112 Abs. 3 OR zu beachten (s. N 1142). Ausnahmsweise kann der Schuldner auch durch eine nachträgliche einseitige Modifikation der Anweisung (Art. 466 OR; s.  N  1182  ff.) durch die Gläubigerin zur Leistung an einen Dritten verpflichtet werden.27 Dem Schuldner dürfen dabei aber keine Nachteile entstehen (Art.  468 Abs. 2 OR). b.

Recht des Schuldners zur Leistung an einen Dritten

659

Der Schuldner ist berechtigt, aber nicht verpflichtet, an einen Dritten zu leisten.28 Begründet wird dieses Recht mittels einer Vereinbarung (z.B. Berechtigung zur Zahlung an eine Bank) oder einer nachträglichen einseitigen Ermächtigung seitens der Gläubigerin (Anweisung, Art. 466 OR; s. N 1182 ff.). Weiter sieht das Gesetz (z.B. Leistung an eine Hinterlegungsstelle, Art. 92, Art. 96 und Art. 168 Abs. 1 OR) oder die Verkehrsübung (z.B. Zahlung oder Überweisung auf ein Post- oder Bankkonto) eine solche Berechtigung zur Leistung an den Dritten zum Teil vor.29

660

Die bargeldlose Leistung des Schuldners an die Bank oder die Post, bei welcher die Gläubigerin ein Konto unterhält, ist eine Leistung an eine Drittperson. Die Zahlung wird der Gläubigerin auf ihrem Konto gutgeschrieben; der Gläubigerin steht lediglich eine Forderung in der Höhe der entsprechenden Gutschrift (Buchgeld) gegen das Geldinstitut zu.

661

Bei der Frage, ob die Leistung an die Bank oder die Post befreiende Wirkung entfaltet, ist zu differenzieren, ob eine Ermächtigung dazu vorlag oder nicht: Die Gläubigerin kann den Schuldner ausdrücklich zur bargeldlosen Zahlung ermächtigen. Auch konkludent kann sie die Leistung «genehmigen». Konkludent kann eine Ermächtigung erfolgen, indem sie beispielsweise die Zahlung nachträglich akzeptiert. Eine konkludente Zustimmung zur Leistung an einen Dritten kann zudem durch Bekanntgabe der Post- oder Bankkontoinformationen (z.B. durch Angabe

24 25 26 27 28 29

216

Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SR 281.1). Rüegg, N 248 ff.; ZK OR-Schraner, Art. 68 N 81 ff.; BK OR-Weber, Art. 68 N 102 ff. Bucher, OR AT, 296. ZK OR-Schraner, Art. 68 N 104 ff.; s. auch Bucher, OR AT, 296 FN 18. Rüegg, N 262 ff. BGE 4C.28/2003 E. 3.2.1; ZK OR-Schraner, Art. 68 N 93 ff.; BK OR-Weber, Art. 68 N 102 ff.

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

der Kontonummer während der Vertragsverhandlungen, in der Korrespondenz oder auf einer Rechnung) erfolgen.30 An das Vorliegen einer konkludenten Ermächtigung wurden bei Bank- und Post- 662 konti in der Vergangenheit bisweilen unterschiedliche Massstäbe angelegt. Diese Differenzierung ist angesichts der einander angeglichenen Wertvorstellungen bezüglich verschiedener Kontoarten nicht mehr gerechtfertigt: Unseres Erachtens sollte sowohl die Zahlung auf ein Bank- als auch auf ein Postkonto befreiend wirken. Auch wenn im Übrigen die Bekanntgabe dieser Informationen nicht intentional, also beispielsweise nicht im Rahmen der Korrespondenz zwischen den Vertragsparteien erfolgt, sollte der Schuldner in seinem Vertrauen darauf, dass eine Zahlung auf das Post- oder Bankkonto als verkehrsüblich angesehen wird, geschützt werden. Die Zustimmung der Gläubigerin zur bargeldlosen Zahlung kann nach der hier vertretenen Auffassung bereits in der Eröffnung eines entsprechenden Kontos gesehen werden.31 Dies entspricht einem praktischen Bedürfnis im Geschäftsverkehr (insbesondere bei grösseren Geldbeträgen und internationalen Transaktionen).32 An der Verkehrsüblichkeit der entsprechenden Praktiken und Anschauungen ändert sich auch dadurch nichts, dass Art. 84 Abs. 1 OR die Zahlung von Geldschulden in gesetzlichen Zahlungsmitteln (Münzen und Noten) vorschreibt und Art. 3 Abs. 2 WZG33 statuiert, dass Banknoten von jeder Person unbeschränkt angenommen werden müssen. Anders liegt der Fall, wenn z.B. ausdrücklich Barzahlung vereinbart wurde oder andere Umstände der Verkehrsüblichkeit bzw. dem Vertrauen darauf Grenzen setzen.34 c.

Rechtsschein

Eine weitere Ausnahme, bei welcher der Leistung an den Dritten befreiende Wir- 663 kung zukommen kann, ergibt sich aus dem Rechtsschein.35 Der Rechtsschein lässt sich umschreiben als «ein Schein oder Anschein einer Rechtslage»36. Der durch die Gläubigerin erweckte Schein entspricht nicht der tatsächlichen Rechtslage: Der gutgläubige Schuldner vertraut auf diesen und leistet infolgedessen an einen nichtberechtigten Dritten. Obwohl die eigentlichen Voraussetzungen für die richtige Erfül30 31 32

33 34 35 36

BGE 55 II 200 E. 2; CHK OR-Mercier, Art. 84 N 7; BK OR-Weber, Art. 84 N 157 ff.; Wiegand/Hodel, 192 f. Ebenso Guhl/Koller, § 11 N 5 m.w.H.; CHK OR-Mercier, Art. 84 N 7; a.M. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2316c. BGE, SemJud 1997, 254. Wiegand/Hodel, 193, gehen sogar davon aus, dass der Schuldner ein Recht auf bargeldlose Zahlung haben soll, wenn grosse Geldbeträge geschuldet sind; ein Beharren der Gläubigerin auf Erfüllung in bar erscheine diesfalls als rechtsmissbräuchlich; ähnlich BK OR-Weber, Art. 84 N 157 und N 161. Bundesgesetz vom 22. Dezember 1999 über die Währung und die Zahlungsmittel (SR 941.10). Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2316; Wiegand/Hodel, 192 f. S. Rüegg, N 278 ff. Rusch, 39.

217

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

lung hier nicht oder nur scheinbar erfüllt werden, treten die Erfüllungswirkungen in Anwendung des Vertrauensprinzips ein.37 664

Eine Rechtsscheinhaftung der Gläubigerin ist nicht leichthin anzunehmen. Folgende Kriterien sind heranzuziehen: Vorausgesetzt wird erstens die Gutgläubigkeit des Schuldners. Zweitens muss der Schuldner von der Empfangsberechtigung des Dritten aufgrund eines objektiv beachtlichen Rechtsscheins ausgegangen sein, und drittens muss dieses Verhalten der Gläubigerin zurechenbar sein. Es wird weiter vorausgesetzt, dass viertens der Schuldner eine Disposition vornimmt, welche fünftens kausal zum erweckten Vertrauen in den Rechtsschein ist. Sechstens muss dieser Erwerbsvorgang schützenswert sein.38 Sind diese Voraussetzungen erfüllt, trägt die Gläubigerin das Risiko dafür, dass – statt an sie – an den Dritten geleistet wurde.39 «Der Rechtsschein wird [nun] zur Rechtswirklichkeit»40. Dies ist z.B. der Fall, wenn die Abtretung einer Forderung dem Schuldner noch nicht angezeigt wurde und er deshalb gutgläubig an den Zedenten leistet (Art. 167 OR; s. N 1387).41 Ein anderer Anwendungsfall ist der sog. Blankettmissbrauch. Bei einem Blankettmissbrauch ergänzt der Blankettberechtigte abredewidrig eine durch den Aussteller unterzeichnete unvollständige Urkunde (z.B. Schuldanerkennung oder Bevollmächtigung). Alsdann verwendet er diese als Willenserklärung des Blankettausstellers.42 Grundsätzlich haftet der Aussteller der Blanketturkunde für das Missbrauchsrisiko durch den Blankettberechtigten, da durch das Unterzeichnen der unvollständigen Urkunde ein Rechtsschein geschaffen wird.43

665

Wer z.B. bei einer Schuldanerkennung den entsprechenden Betrag nicht festhält, schafft dadurch das Risiko, dass die Blanketturkunde nicht im Sinne des Ausstellers ergänzt wird.44 Das Bundesgericht entschied diesbezüglich, dass das gutgläubige Geldinstitut nicht für missbräuchlich getätigte Zahlungen an einen nicht berechtigten Dritten haftet, wenn es durch den Blankettberechtigten dazu angewiesen wurde.45 Die Gutgläubigkeit beurteilte es dabei gleich wie beim gutgläubigen Eigentumserwerb. Es besteht mithin keine allgemeine Erkundigungspflicht des Geldinstituts nach der Verfügungsmacht des Blankettberechtigten. Liegen hingegen konkrete Verdachtsmomente vor, müssen nähere Abklärungen vorgenommen werden. Insbesondere besteht bei besonders risikobehafteten Geschäften eine Abklärungs- oder Erkundigungspflicht «nicht erst bei konkretem Verdacht des Rechts37 38 39 40 41 42 43 44 45

218

Rüegg, N 280. Rüegg, N 298 ff.; Rusch, 39 ff. BGE 4C.28/2003 E. 3.2.1. Rusch, 71. Ausführlich dazu Rusch, 73 ff. und 258 ff. Für weitere Beispiele und Anwendungsfälle s. Rusch, 263 ff.; s. ferner auch ZK OR-Schraner, Art. 68 N 119 ff. S. BGE 4C.28/2003 E. 3; Rüegg, N 333. Loser, N 417; s. Rusch, 294 ff. Rusch, 339. BGE 4C.28/2003 E. 3.2.1.

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

mangels, sondern bereits, wenn aufgrund der Umstände Anlass zu Misstrauen besteht»46. In besagtem Urteil konnte sich das Geldinstitut, welches die missbräuchliche Zahlung des Blankettberechtigten vornahm, nicht auf Gutgläubigkeit berufen, da es die gebotene Aufmerksamkeit (Art. 3 Abs. 2 ZGB) nicht walten liess. Insbesondere wäre in Anbetracht der Höhe der Überweisung in Anwendung der bankspezifischen Sorgfaltspflicht eine Rückfrage beim Blankettaussteller angebracht gewesen.47 Die Leistung an den nicht berechtigten Dritten befreite das Geldinstitut infolgedessen nicht von seiner Leistungspflicht.

4.

Erfüllungsgegenstand (Art. 69–73 OR)

4.1

Grundsatz: Erfüllung mittels Erbringung der geschuldeten Leistung

Der Schuldner kann sich grundsätzlich nur durch Erbringung der geschuldeten 666 Leistung befreien. Zum Leistungsinhalt gehören auch die sekundären Nebenpflichten (unter anderem Pflichten aus Treu und Glauben, Art. 2 Abs. 1 ZGB; s. N 102 ff.). 4.2

Ausnahme: Erfüllung durch Erfüllungssurrogate

Ausnahmsweise kann sich der Schuldner mit einer anderen als der geschuldeten Leistung von seiner Pflicht befreien: a.

667

Leistung erfüllungshalber

Bei einer Leistung erfüllungshalber (sog. datio solvendi causa) erhält die Gläubige- 668 rin eine andere als die geschuldete Leistung. Sie ist aufgrund einer entsprechenden Abrede mit dem Schuldner verpflichtet, die erfüllungshalber erhaltene Sache zu verwerten und den Erlös daraus an die Schuld anzurechnen («Versilberungsabrede»).48 Deckt der Erlös die Schuld nicht vollständig, kann die Gläubigerin die ursprünglich geschuldete Leistung einfordern, da diese bis zu ihrer vollständigen Deckung nur gestundet ist.49 Einen allfälligen Überschuss hat die Gläubigerin dem Schuldner herauszugeben. Beispielsweise kauft A ein neues Auto. Zur Tilgung der Kaufpreisforderung gibt er der Verkäuferin B sein altes Auto. B verpflichtet sich, das Auto zu verwerten und den Erlös an die Kaufpreisforderung anzurechnen.50

46 47 48

BGE 4C.28/2003 E. 3.2.3. BGE 4C.28/2003 E. 3.2.3. Gauch/Schluep/Emmenegger, N  2282; von Tuhr/Escher, 13. Anschaulich in diesem Zusammenhang auch der OR 2020-Entwurf, welcher in Art. 91 OR 2020 einen Vorschlag zur Regelung der Leistung erfüllungshalber enthält. 49 BGE 118 II 142 E. 1c; Schwenzer, OR AT, N 74.05; BK OR-Weber, Vorb. zu Art. 68–96 N 129. 50 S. BK OR-Weber, Vorb. zu Art. 68–96 N 152.

219

1. Kapitel

b.

Allgemeine Vertragslehre

Leistung an Erfüllungs statt

669

Die Parteien vereinbaren bei Leistung an Erfüllungs statt (sog. datio in solutum), dass der Schuldner mit einer anderen als der geschuldeten Leistung erfüllen darf.51 Dies kann konkludent oder ausdrücklich geschehen.

670

Nimmt die Gläubigerin eine Leistung an Erfüllungs statt an, verliert sie ihren Anspruch auf die ursprüngliche Leistung. Denn bei Leistung an Erfüllungs statt erhält die Gläubigerin nicht eine zweite Forderung, sondern es tritt die Ersatzleistung an die Stelle der geschuldeten Leistung (in Abgrenzung zur «Alternativermächtigung»; s.  N  679).52 Im Gegensatz zur Wahlobligation kann der Schuldner nicht wählen, welche Leistung er erbringt (s. N 678). Vielmehr einigen sich Gläubigerin und Schuldner gemeinsam auf eine neue Leistung.53

671

Beispielsweise bestellt A einen hellblauen Kaschmirschal bei der Verkäuferin B. Da die Verkäuferin die Farbe des Schals nicht garantieren kann, vereinbaren die Parteien, dass die Verkäuferin  – sofern der hellblaue Schal nicht mehr lieferbar ist  – auch mit einem dunkelblauen Schal erfüllen kann.

672

Bestehen Zweifel über den Inhalt der Vereinbarung, ist nicht Leistung an Erfüllungs statt, sondern – die für die Gläubigerin mit weniger Risiken verbundene – Leistung erfüllungshalber anzunehmen.54 4.3

Bestimmung des Leistungsgegenstands

673

Die Parteien sind innerhalb der gesetzlichen Schranken frei, den Leistungsinhalt zu definieren. Sie können auch vereinbaren, dass ein Dritter den Inhalt einseitig präzisieren kann.55

674

Kann der Leistungsinhalt anhand des Vertrages nicht oder nicht eindeutig bestimmt werden, sind die dispositiven Bestimmungen von Art. 69–73 OR zu Hilfe zu nehmen. a.

675

Teilzahlung (Art. 69 OR)

Die Gläubigerin braucht gemäss Art. 69 Abs. 1 OR keine Teilzahlung anzunehmen.56 Eine Ausnahme ist dann zu machen, wenn die Teilzahlung nur eine minimale Dif-

51 52 53 54

Bucher, OR AT, 313 f.; Furrer/Müller-Chen, Kap. 21 N 21. BK OR-Weber, Vorb. zu Art. 68–96 N 143 und N 150 ff. Bucher, OR AT, 297 ff.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2277. BGE 4A_407/2010 E. 2; 119 II 227 E. 2a; Schwenzer, OR AT, N 74.03; BK OR-Weber, Vorb. zu Art. 68–96 N 144. 55 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2244. 56 S. BGE 75 II 137 E. 4a; BK OR-Weber, Art. 69 N 29 ff.

220

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

ferenz zur Gesamtleistung aufweist.57 Die Bestimmung bezieht sich nicht nur auf Geldschulden, sondern auf alle Leistungsinhalte.58 Ist eine Forderung zum Teil anerkannt und zum Teil bestritten, so folgt e contrario aus Art. 69 Abs. 1 OR, dass die Gläubigerin eine vom Schuldner angebotene Teilleistung im Umfang des unbestrittenen Teils der Schuld annehmen muss.59 b.

Gattungsschuld (Art. 71 OR)

Ist eine Sache geschuldet, so können die Parteien diese Schuld entweder als 676 Stück- oder als Gattungsschuld ausgestalten.60 Letztere kann in unbegrenzte und in begrenzte Gattungsschulden eingeteilt werden (zum relativen Gattungsbegriff s. N 2587 ff.). Bei einer Stückschuld (species-Schuld) ist die geschuldete Sache individuell bestimmt (z.B. Miete des Zimmers Nr. 302 im Hotel Adlon, Berlin). Anders bei der Gattungsschuld (genus-Schuld): Bei dieser ist die Sache lediglich der Gattung nach – nach Art und Zahl – definiert (z.B. ein Rasenmäher Marke Husqvarna Modell R 147S). Die begrenzte Gattungsschuld stammt aus einem begrenzten Vorrat (z.B. ein Rasenmäher Marke Husqvarna Modell R3 aus der limitierten Sonderkollektion 2004).61 Art. 71 Abs. 1 OR ordnet an, dass dem Schuldner bei Gattungsschulden die Auswahl zusteht, wobei er gemäss Art. 71 Abs. 2 OR mindestens Sachen von mittlerer Qualität anbieten muss, sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren. Eine andere mögliche Unterscheidung von Sachleistungen ist diejenige in vertret- 677 bare und in unvertretbare Sachen. Diese Unterteilung deckt sich nicht mit derjenigen von Stück- und Gattungsschuld.62 Im Gegensatz zu den Gattungssachen, deren Definition sich aus dem Parteiwillen ergibt, sind vertretbare Sachen objektiv bzw. nach der Verkehrsübung, nach Zahl, Mass oder Gewicht bestimmbar. c.

Wahlobligation (Art. 72 OR) und Alternativermächtigung

Bei einer Wahlobligation (Art. 72 OR) werden mindestens zwei Leistungen alterna- 678 tiv geschuldet. Sofern sich aus dem Rechtsverhältnis nichts anderes ergibt, darf der Schuldner bestimmen («wählen»), welche Leistung er erbringen will.63 Die Wahl ist im Zweifel bedingungsfeindlich und unwiderruflich.64 Beispiele für Wahlobliga-

57 58 59 60 61 62 63 64

BGE 133 III 598 E. 4.1.2 = Pra 2008 Nr. 55; CHK OR-Wullschleger, Art. 69 N 8. BGE 75 II 137 E. 4a; BSK OR-Leu, Art. 69 N 2; CHK OR-Wullschleger, Art. 69 N 1. BGE 133 III 598 E. 4.1.2 = Pra 2008 Nr. 55; ZK OR-Schraner, Art. 69 N 23. Kramer/Probst, OR AT, N 465; CHK OR-Wullschleger, Art. 71 N 3. S. Bucher, OR AT, 103 ff.; Gauch/Schluep/Schmid, N 96 ff.; Schwenzer, OR AT, N 8.05. Bucher, OR AT, 104 FN 45. CR CO-Hohl, Art. 72 N 1; CHK OR-Wullschleger, Art. 72 N 3. Bucher, OR AT, 298; Art. 330a OR beinhaltet keine Wahlobligation im Sinne von Art. 72 OR: BGE 129 III 177 E. 3.2.

221

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

tionen sind Leistungen aus Getränkeautomaten, Billette öffentlicher Verkehrsmittel mit verschiedener Routenwahl,65 Restaurantleistungen à discrétion etc. 679

Von der Wahlobligation ist die Alternativermächtigung (Ersetzungsbefugnis) abzugrenzen. Bei Letzterer wird nur eine Leistung geschuldet.66 Der Schuldner darf an Erfüllungs statt (s. N 669 ff.) die geschuldete Hauptleistung durch eine andere Leistung ersetzen.67 Die Leistungen sind nur alternativ subsidiär – also nicht wahlweise nebeneinander – geschuldet.68 Das Schuldverhältnis hat bei der Alternativermächtigung mit anderen Worten einen bestimmten Inhalt, der modifizierbar ist, wohingegen bei der Wahlobligation lediglich die geschuldete Leistung spezifiziert wird (zur Unmöglichkeit s. N 814 ff.).

680

Ist bei der Wahlobligation eine der zur Auswahl stehenden Leistungen unmöglich, unterscheidet man zwischen anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit: Bei der anfänglichen Unmöglichkeit einer der Leistungen, muss die noch mögliche Leistung erbracht werden, vorausgesetzt, die Parteien hätten den Vertrag auch ohne Wahlmöglichkeit abgeschlossen (s. Art. 20 Abs. 2 OR; zur Teilnichtigkeit s. N 434 ff.).69 Beispielsweise möchte A von B entweder das schwarze Pferd für CHF 25 000 oder das braune für CHF 20 000 kaufen. Bei Vertragsabschluss war aber das schwarze Pferd bereits einem heimtückischen Virus erlegen. Somit konnte B gar nie mit dem schwarzen Pferd erfüllen – die Leistung war anfänglich unmöglich. Da A auch das braune Pferd kaufen möchte, kann B trotzdem erfüllen.

681

Steht dagegen das Wahlrecht derart im Vordergrund, dass die Parteien den Vertrag bei fehlender Wahlmöglichkeit nicht abgeschlossen hätten, so kann nicht durch Erbringung der noch möglichen Leistung erfüllt werden. Es ist diesfalls nach den Regeln der nachträglichen Unmöglichkeit vorzugehen (s.  N  833  ff.). Von zentraler Bedeutung ist das Wahlrecht insbesondere dann, wenn es der einen Partei als «zeitliches Element» eingeräumt wird. Diese kann sich z.B. wegen der Notwendigkeit weiterer Abklärungen bei Vertragsschluss noch nicht für einen Leistungsgegenstand entscheiden. Dies wäre etwa der Fall, wenn A sich das Wahlrecht einräumen liess, um nach eingehender Beobachtung von zwei Pferden zu entscheiden, welches besser als Rennpferd geeignet ist. Stirbt das eine Pferd während der Beobachtungsphase, kann A nicht mehr wählen und B infolgedessen nicht mehr erfüllen.

682

Wird eine der Leistungen nachträglich (das heisst nach Vertragsschluss, aber noch vor der Wahl) unmöglich, beurteilt sich die Frage, welche Leistung geschuldet ist, danach, wer die Unmöglichkeit zu vertreten hat:

65 66 67 68 69

222

BK OR-Weber, Art. 72 N 17. BGE 138 II 311 E. 4.4. BGE 50 II 40 E. 1; BSK OR-Leu, Art. 72 N 1. CR CO-Hohl, Art. 72 N 4; BK OR-Weber, Art. 72 N 28 und N 67 ff. Bucher, OR AT, 298; ZK OR-Schraner, Art. 72 N 56; CHK OR-Wullschleger, Art. 72 N 9.

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

Ist die Leistung unverschuldet unmöglich geworden (z.B. durch Zufall oder Dritt- 683 verschulden), kann die wahlberechtigte Partei zwischen möglicher und unmöglicher Leistung wählen.70 Wählt sie die unmögliche Leistung, wird das Schuldverhältnis nach Art. 119 OR beendet (s. N 836 ff.; zu beachten ist die Sonderregel beim Kauf, Art. 185 OR).71 S. auch das Beispiel in N 680, hier allerdings mit dem Unterschied, dass das schwarze Pferd erst nach Vertragsabschluss dem heimtückischen Virus erliegt. Somit ist die Erfüllung (Kauf des schwarzen Pferdes) nachträglich unverschuldet unmöglich geworden. Hat der wahlberechtigte Schuldner dagegen die nachträgliche Unmöglichkeit zu 684 vertreten, muss er die noch mögliche Leistung erbringen. Ein Teil der Lehre möchte dem Schuldner diesfalls auch die Wahl der unmöglichen Leistung bzw. des entsprechenden Schadenersatzanspruchs für die Nichtleistung (Art. 97 OR) zugestehen.72 Unseres Erachtens sollte dem Schuldner bei Verschulden der Unmöglichkeit dieses Wahlrecht nicht gewährt werden. Zum Schutz der Gläubigerin, die eine der beiden Leistungen erwartet, soll der Schuldner die noch mögliche Leistung erbringen müssen. Steht dagegen der Gläubigerin das Wahlrecht zu, darf sie zwischen der noch möglichen Leistung und Schadenersatz nach Art. 97 OR wählen.73 Hat die Gläubigerin die Unmöglichkeit zu verantworten, kann der wahlberechtigte 685 Schuldner die mögliche Leistung wählen und für die unmögliche Leistung Schadenersatz (Art. 97 OR) fordern. Wählt er die unmögliche Leistung, behält er bei synallagmatischen Verträgen seinen Gegenanspruch gegenüber der Gläubigerin. Besteht nur ein einseitig verpflichtender Vertrag, wird der Schuldner frei (Art. 119 Abs. 1 OR).74 Steht hingegen der Gläubigerin das Wahlrecht zu, muss sie – unabhängig davon, welche Leistung sie wählt – dem Schuldner den entstandenen Schaden ersetzen.75

70 71 72 73 74 75

CHK OR-Wullschleger, Art. 72 N 10. ZK OR-Schraner, Art. 72 N 58. Berger, Schuldrecht, N 1217; Bucher, OR AT, 299. So auch BSK OR-Leu, Art. 72 N 4. ZK OR-Schraner, Art. 72 N 61. BSK OR-Leu, Art. 72 N 4.

223

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

686 Ist eine der beiden Leistungen anfänglich oder nachträglich unmöglich geworden? nachträglich

anfänglich

Die noch mögliche Leistung ist geschuldet (beachte aber Parteiwille).

Ist die nachträgliche Unmöglichkeit verschuldet oder unverschuldet?

verschuldet

Verschulden des Schuldners:

• Schuldner ist wahlberechtigt: noch mögliche •

Leistung oder eventuell Schadenersatz für unmögliche Leistung (Art. 97 Abs. 1 OR) Gläubigerin ist wahlberechtigt: noch mögliche Leistung oder Schadenersatz für unmögliche Leistung (Art. 97 OR)

unverschuldet

Wahlberechtigte Partei kann zwischen möglicher und unmöglicher Leistung wählen. Bei Wahl der unmöglichen Leistung wird das Schuldverhältnis beendet (Art. 119 OR).

Verschulden der Gläubigerin:

• Gläubigerin ist wahlberechtigt: mögliche oder •

unmögliche Leistung und Schadenersatz für unmögliche Leistung (Art. 97 OR) Schuldner ist wahlberechtigt: mögliche Leistung und Schadenersatz für unmögliche Leistung (Art. 97 OR) oder unmögliche Leistung und Gegenanspruch (eventuell bei einseitig verpflichtenden Schuldverhältnissen Befreiung, Art. 119 Abs. 1 OR)

Abbildung: Unmöglichkeit einer Leistung bei der Wahlobligation

d. 687

Bestimmung des Leistungsgegenstands bei Geldforderungen (Art. 84–90 OR)

Der Schuldner ist verpflichtet, Geldschulden in Landeswährung (hier: Schweizer Franken) zu bezahlen (Art. 84 Abs. 1 OR).76 Die Gläubigerin trifft grundsätzlich eine öffentlich-rechtliche Pflicht, die Landeswährung zu akzeptieren. Nach Art. 3 Abs. 2 WZG gilt diese Pflicht für Banknoten unbeschränkt. Bezüglich Umlaufmünzen ist hingegen Art.  3 Abs.  1 WZG zu beachten, wonach die Gläubigerin maximal 100 Münzen annehmen muss. Diese Anordnung ist allerdings wie die meisten

76

224

Zum bargeldlosen Zahlen s. BK OR-Weber, Art. 84 N 157 ff.

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

der hier besprochenen default rules dispositiv und kann somit vertraglich abgeändert werden.77 Buchgeld gehört nicht zu den gesetzlichen Zahlungsmitteln im Sinne von Art. 84 687a Abs.  1  OR. Mit (ausdrücklicher oder konkludenter) Zustimmung der Gläubigerin kann der Schuldner aber gleichwohl mittels Überweisung auf ein Post- oder Bankkonto eine Geldschuld wirksam tilgen (s. N 661). Die Überweisung gilt diesfalls nicht bloss als Leistung an Erfüllungs statt, sondern als unmittelbare Erfüllung.78 Da bargeldlose Zahlungen heute verkehrsüblich sind, wird regelmässig auf eine (zumindest konkludente) Ermächtigung durch die Gläubigerin geschlossen (s. N 662). Selbstverständlich steht es den Parteien offen, die Verkehrsübung durch eine andere Übereinkunft umzustossen. Leistet der Schuldner trotz gegenteiliger Abrede in Buchgeld, erfüllt er den Vertrag nicht. Die Gläubigerin kann diesfalls die Zahlung zurückweisen und hat Anspruch auf richtige Erfüllung, also auf nochmalige Zahlung in bar.79 Die Grenze dieses Anspruchs bildet das Rechtsmissbrauchsverbot.80 Auch wenn die Schuld auf eine ausländische Währung lautet, darf der Schuldner 688 nach Art. 84 Abs. 2 OR in Schweizer Franken bezahlen (sog. Alternativermächtigung bzw. Leistung an Erfüllungs statt; s. N 669 ff.). Er ist aber nicht dazu verpflichtet. Umgekehrt muss die Gläubigerin die Zahlung in Schweizer Franken annehmen, obgleich ihre Forderung möglicherweise ausschliesslich auf Zahlung in Fremdwährung geht.81 Für die Berechnung des Wechselkurses ist die Fälligkeit der Schuld massgebend. Diese Regelung ist problematisch, weil damit Art. 81 Abs. 1 OR ausser Kraft gesetzt wird. Dem Schuldner wird infolgedessen die Möglichkeit genommen, vor dem Fälligkeitszeitpunkt zu erfüllen.82 Es handelt sich aber auch hier lediglich um dispositives Recht. Von der gesetzlich vorgesehenen Alternativermächtigung kann gemäss Art.  84 Abs. 2 OR mittels einer sog. Effektivklausel abgewichen werden. Hier vereinbaren die Gläubigerin und der Schuldner, die auf eine ausländische Währung lautende Schuld sei effektiv in der entsprechenden Währung zu erfüllen.

689

Wenn die Gläubigerin eine Teilzahlung (Art. 69 Abs. 1 OR; s. N 675) annimmt oder 690 kraft Vertrages, Gesetzes oder Vertrauensgrundsatzes annehmen muss, erfolgt die Anrechnung nach der Regel von Art.  85  OR:83 Der Schuldner muss mit der Teilzahlung zuerst Zinsen und Kosten begleichen, bevor er die Zahlung auf das Kapital 77 S. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2295 ff. mit Ausnahmen. 78 Gauch/Schluep/Emmenegger, N  2317; Schwenzer,  OR AT, N  75.04; dazu ausführlich Wiegand/ Hodel, 194 ff. m.w.H. 79 Koller, OR AT, N 41.59. 80 S. Wiegand/Hodel, 193 m.w.H. 81 BGE 134 III 151 E. 2.2. 82 Kritisch Bucher, OR AT, 301. 83 BGE 133 III 598 E. 4.2.1 = Pra 2008 Nr. 55.

225

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

anrechnen darf (Art. 85 Abs. 1 OR). Bestreitet der Schuldner die Zinsen und Kosten der Hauptforderung, so hat die Anrechnung der Teilzahlung gleichwohl auf das vom Schuldner anerkannte Kapital zu erfolgen. Art. 69 Abs. 2 OR geht Art. 85 Abs. 1 OR vor.84 Ist ein Teil der Forderung besser gesichert als ein anderer, so muss zuerst der am wenigsten gesicherte Teil der Schuld getilgt werden (Art. 85 Abs. 2 OR). 691

Hat die Gläubigerin mehrere Geldforderungen gegen den Schuldner, so ist dieser berechtigt zu erklären, welche Schuld er tilgen will (Art. 86 Abs. 1 OR). Dasselbe gilt, wenn ein Dritter anstelle des Schuldners leistet.85 Gibt der Schuldner keine derartige Erklärung ab, kann die Gläubigerin auf der Quittung die getilgte Schuld bezeichnen, und der Schuldner muss sofort Widerspruch erheben, wenn er eine andere Schuld tilgen wollte (Art. 86 Abs. 2 OR). Wenn weder eine Erklärung des Schuldners noch eine Bezeichnung auf der Quittung vorliegt, kommt Art. 87 OR zum Zug. Dieser gibt an, welche Forderung durch die Zahlung getilgt werden soll.

692

Der Schuldner kann entweder durch Vertrag oder (dispositiv) durch Gesetz (Art. 85 Abs. 1, Art. 89 Abs. 2 und Abs. 3, Art. 104 OR etc.) verpflichtet werden, eine Geldschuld zu verzinsen. Die Höhe des Zinsfusses können die Parteien grundsätzlich frei vereinbaren. Vorbehalten bleiben jedoch zwingende Schranken (z.B. Art.  14 KKG86 i.V.m. Art. 1 VKKG87; s. dazu N 3103), der Tatbestand des Wuchers nach Art. 157 Ziff. 1 StGB88, die Übervorteilung nach Art. 21 OR (s. N 451 ff.) sowie Sittenwidrigkeit nach Art. 20 Abs. 1 OR (s. N 410 ff.).89 Ebenfalls zu beachten sind allfällige Bestimmungen des kantonalen öffentlichen Rechts gegen Missbräuche im Zinswesen (s. Art. 73 Abs. 2 OR). So bestimmt etwa § 215 EG ZGB ZH90, dass im Kanton Zürich für Kreditgeschäfte ausserhalb des Anwendungsbereichs des KKG ein Höchstzinssatz von 18% gilt. Fehlt eine Bestimmung oder Abrede (Gesetz, Vertrag oder Übung), so gilt subsidiär der gesetzliche Zinsfuss von 5% pro Jahr (Art. 73 Abs. 1 OR). e.

693

Beweis der Erfüllung (Art. 88–90 OR)

Grundsätzlich hat der Schuldner die Erfüllung der geschuldeten Leistung zu beweisen (s.  Art.  8 ZGB). Dabei hat er nicht nur das Erbringen der Leistung zu belegen, sondern auch darzutun, dass richtig geleistet wurde.91 Eine Beweislastumkehr tritt ein, wenn die Gläubigerin die Leistung des Schuldners vorbehaltlos annimmt 84 85 86 87 88 89 90 91

226

BGE 133 III 598 E. 4.2.2 = Pra 2008 Nr. 55. BGE 4C.395/2002 E. 2.2. Bundesgesetz vom 23. März 2001 über den Konsumkredit (SR 221.214.1). Verordnung vom 6. November 2002 zum Konsumkreditgesetz (SR 221.214.11). Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (SR 311.0). BSK OR-Leu, Art. 73 N 4; s. ferner BGE 4A_69/2014 E. 6.3.2 und E. 6.3.3, in welchem eine Zinsabrede wegen Sittenwidrigkeit als teilnichtig betrachtet wurde, soweit der Zins über 18% hinausging. Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 2. April 1911 (LS 230). Bucher, OR AT, 314.

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

(z.B. durch Gebrauch, Verbrauch oder Veräusserung der Leistung).92 Es wird nun vermutet, dass die Leistung vertragskonform und mängelfrei ist.93 Dies gilt jedoch nicht, wenn die Gläubigerin die Sache bloss zur Untersuchung und Prüfung entgegennimmt.94 Um Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, hat der Schuldner Anspruch auf Ausstel- 694 lung einer Quittung (Art. 88 OR). Die Quittung dient dem Schuldner als Beweis (-urkunde) für die richtige Erfüllung. Die Gläubigerin bestätigt darin, die geschuldete Leistung erhalten zu haben. Die Quittung ist eine Urkunde und deshalb schriftlich abzufassen und zu unterzeichnen (einfache Schriftlichkeit; s. N 348 ff.).95 Inhaltlich muss klar werden, welche Leistung von wem erbracht wurde, ansonsten die Quittung ihrer Beweisfunktion nicht gerecht werden kann.96 Die schriftliche Verrechnungserklärung ersetzt die Quittung bei einer Verrechnung (s. N 755 ff.), sofern sie den erforderlichen Inhalt aufweist.97 Die Ausstellung der Quittung hat Zug um Zug zu erfolgen, kann aber auch im Voraus geschehen (Vorausquittung98). Bis zur Ausstellung der Quittung kann der Schuldner die Leistung verweigern.99 Verweigert die Gläubigerin die Ausstellung einer Quittung, gerät sie in Gläubigerverzug (s. N 967 ff.).100 Anstelle der Ausstellung einer einfachen Quittung kann die Gläubigerin dem 695 Schuldner auch eine Saldoquittung ausstellen (negative Schuldanerkennung101). Die Gläubigerin bestätigt dabei nicht nur den Erhalt der Leistung, sondern darüber hinaus, dass sie keine Ansprüche mehr gegen den Schuldner hat.102 Verzichtet die Gläubigerin mittels Ausstellung der Saldoquittung auf tatsächlich bestehende Forderungen, kommt dieser konstitutive Wirkung zu (Erlassvertrag, Art. 115 OR; s. N 725 ff.).103 Auf die Ausstellung einer Saldoquittung hat der Schuldner jedoch keinen Anspruch.104 Ist ein Schuldschein vorhanden und wurde die Schuld vollständig getilgt, kann der 696 Schuldner die Rückgabe oder Entkräftung desselben fordern (Art. 88 Abs. 1 OR; s.  auch Art.  90  OR). Bei Teilleistung wird dies auf dem Schuldschein vermerkt (Art. 88 Abs. 2 OR). Die Rückgabe des Schuldscheins beinhaltet unter anderem die 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104

ZK OR-Schraner, Art. 88 N 4. Bucher, OR AT, 314 f.; BSK OR-Leu, Art. 88 N 1. ZK OR-Schraner, Art. 88 N 4. Berger, Schuldrecht, N 1279; BSK OR-Leu, Art. 88 N 5. ZK OR-Schraner, Art. 88 N 34 ff. ZK OR-Aepli, Art. 124 N 79. ZK OR-Schraner, Art. 88 N 19 und N 48. Bucher, OR AT, 315; BSK OR-Leu, Art. 88 N 4. Koller, OR AT, N 43.02. S. BGE 127 III 444 E. 1a = Pra 2002 Nr. 22; Bucher, OR AT, 316 und 399. Bucher, OR AT, 316; Guhl/Koller, § 36 N 5 und § 38 N 5; CR CO-Loertscher, Art. 88 N 4. Koller, OR AT, N 43.09. BGE 88 II 115 E. 6; BSK OR-Leu, Art. 88 N 3; ZK OR-Schraner, Art. 88 N 58.

227

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Vermutung, dass die Schuld getilgt sei (Art. 89 Abs. 3 OR).105 Die Gläubigerin kann die Vermutung widerlegen, indem sie beweist, dass die Schuld noch besteht.106 Die Rückgabe oder Entkräftung des Schuldscheins hat Zug um Zug zu erfolgen.107

5.

Erfüllungsort (Art. 74 OR)

5.1

Aus Vertrag (Art. 74 Abs. 1 OR)

697

Der Ort, an dem die geschuldete Leistung erbracht werden muss (Erfüllungsort), bestimmt sich in erster Linie nach Vertrag (Art. 74 Abs. 1 OR). Zu beachten ist, dass der Erfüllungsort und der Ort, wo der Erfolg der Leistung eintritt (Erfolgsort), nicht notwendigerweise immer zusammenfallen (zum Versendungskauf s. N 2369).108

698

Die sog. Incoterms (International Commercial Terms)109, auf die im kaufmännischen Verkehr häufig Bezug genommen wird, regeln nicht nur die Gefahr- und Kostentragung, sondern bestimmen unseres Erachtens auch den Erfüllungsort. Aus der Auslegung ergibt sich, dass die Parteien mittels der Wahl eines bestimmten Incoterm meistens auch den Erfüllungsort bezeichnen.110 Ein Teil der Lehre lehnt dies ab, jedoch ohne Begründung.111 Es wird behauptet, dass die Verwendung von Incoterms den Erfüllungsort nicht beeinflusst (s. z.B. Incoterm «EXW» Art. A4 oder «CIP» Art. A3 und Art. A4 sowie die Anwendungshinweise der ICC). Unter anderem wird darum auch empfohlen, den Erfüllungsort im Vertrag präzise zu bestimmen bzw. zu umschreiben.112

699

Weil die Incoterms den Erfüllungsort in der Regel bereits vorsehen, kommen die dispositiven Regeln von Art. 74 Abs. 2 OR nicht zur Anwendung. Mittels Verwendung z.B. der Klausel «EXW» (Ex Works) vereinbaren die Parteien als Lieferort jenen Ort, an dem die Verkäuferin dem Käufer die Ware zur Verfügung stellt (z.B. ab Werk, Fabrik oder Lager). Bei den Vereinbarungen «FAS» (Free Alongside Ship), «FOB» (Free on Board) und «CPT» (Carriage Paid to) gilt als Lieferort der vereinbarte Verschiffungshafen. Das Gleiche gilt für die Verwendung der Bezeichnung «CIF» (Cost, Insurance and Freight), wobei die Verkäuferin hier die Kosten und die Versicherung bis zum Bestimmungshafen trägt. Weitere Incoterms sind «DAT» (Delivered at Terminal; Lieferort am benannten Terminal im Bestimmungshafen), «DDP» (Delivered 105 106 107 108 109 110 111 112

228

Bucher, OR AT, 316; Guhl/Koller, § 36 N 6. BGE 139 III 160 E. 2.7 = Pra 2013 Nr. 106; Koller, OR AT, N 43.31; BSK OR-Leu, Art. 88 N 7; BK ORWeber, Art. 88 N 59 ff. BSK OR-Leu, Art. 88 N 6. S. ZK OR-Schraner, Art. 74 N 19; BK OR-Weber, Art. 74 N 8 und N 41 ff. Incoterms 2010 by the International Chamber of Commerce (ICC), ICC Rules for the Use of Domestic and International Trade Terms, ICC (Hrsg.), Berlin 2010. Gl.M. Koller, OR AT, N 38.27 f.; Schwenzer, OR AT, N 7.07 f. S. ZK OR-Schraner, Art. 74 N 39; s. ferner auch BGE 122 III 106 E. 4. Incoterms 2010, 141 und 173.

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

Duty Paid; vereinbarter Lieferort im Einfuhrland) sowie die Klauseln «DAP» (Delivered at Place), «CIP» (Carriage Insurance Paid) und «FCA» (Free Carrier), welche jeweils den Lieferort an den benannten Bestimmungsort legen. Wer die explizite Bestimmung des Erfüllungsortes durch die Incoterms ablehnt, 700 muss aufgrund der Umstände des Vertragsschlusses den von den Parteien gewollten Erfüllungsort bestimmen (Art. 74 Abs. 1 OR). Dies führt im Ergebnis wiederum zu einer – diesfalls indirekten – Orientierung an den Incoterms. 5.2

Aus Gesetz (Art. 74 Abs. 2 OR)

Für den Fall, dass es an einer Abrede bzw. an einer entsprechenden Verkehrs- 701 übung fehlt und auch der Besondere Teil des OR keine Bestimmung enthält (z.B. Art. 477 OR), stellt Art. 74 Abs. 2 OR folgende allgemeine Regeln auf: Geldschulden sind Bringschulden (Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR), das heisst, der Schuld- 702 ner muss das Geld an den Wohnsitz der Gläubigerin bringen.113 Im kaufmännischen Verkehr gilt der Geschäftssitz als Wohnsitz. Für die Bestimmung des Wohnsitzes ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses massgeblich. Hat die Gläubigerin ihren Wohnsitz zwischen Vertragsschluss und Erfüllungszeitpunkt verlegt oder ist eine neue Gläubigerin mit anderem Wohnsitz an ihre Stelle getreten, muss Art. 74 Abs. 3 OR beachtet werden. Der Übergabeort einer bestimmten Sache (Stückschuld; s. N 676) ist dort, wo sie 703 sich bei Vertragsschluss befand (Art. 74 Abs. 2 Ziff. 2 OR). Grundsätzlich sind Stückschulden Holschulden, da sie sich in der Regel am Wohn- bzw. Geschäftssitz des Schuldners befinden. Befindet sich die Sache nicht am Wohn- bzw. Geschäftssitz, so gilt Art. 74 Abs. 2 Ziff. 2 OR unseres Erachtens allerdings nur, wenn beide Parteien (das heisst auch die Gläubigerin) bei Vertragsabschluss den Lageort gekannt haben.114 Ansonsten würde von der unwissenden Gläubigerin erwartet werden, einem Umstand zuzustimmen, über den sie nicht informiert wurde. Die Gläubigerin würde beispielsweise Gefahr laufen, eine bestimmte Sache zu kaufen, welche sich ohne ihr Wissen in Patagonien befindet. Erfüllungsort wäre dann der Lageort der Sache in Patagonien. Unseres Erachtens muss deshalb der Anwendungsbereich von Art. 74 Abs. 2 Ziff. 2 OR teleologisch reduziert werden. Anstelle dessen kommt Art. 74 Abs. 2 Ziff. 3 OR analog zur Anwendung: Befindet sich die geschuldete Sache nicht am Wohn- bzw. Geschäftssitz und ist der Lageort nur dem Schuldner bekannt, ist der Wohnsitz des Schuldners Erfüllungsort.

113 CHK OR-Wullschleger, Art. 74 N 7. 114 So auch BSK OR-Leu, Art. 74 N 5; Schwenzer, OR AT, N 7.15.

229

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

704

Alle anderen Schulden (z.B. Gattungsschulden, geschuldete Dienstleistungen etc.) sind Holschulden. Sie müssen am Wohnsitz des Schuldners abgeholt werden (Art. 74 Abs. 2 Ziff. 3 OR).

705

Die Versendungsschuld (modifizierte Holschuld) ist in Art. 74 Abs. 2 OR nicht geregelt. Hier ist der Schuldner verpflichtet, vom Erfüllungsort (Wohnsitz, Geschäftssitz, Lageort) die Sache auf Kosten und Gefahr der Gläubigerin an einen anderen Ort zu versenden (z.B. Distanzkauf, Art. 189 OR; s. N 2369).115

706

Vorbehältlich Art.  74 Abs.  1  OR kommt bei der Rückabwicklung von Verträgen (s. N 960 ff., N 1816 ff.) betreffend Stückschulden Art. 74 Abs. 2 Ziff. 2 OR analog zur Anwendung.116 In der Lehre wird vertreten, dass Erfüllungsort für die Rückabwicklung der Ort sei, an dem sich die Sache zur Zeit der Beendigung des Vertrages (aufgrund Rücktritts, Kündigung, Geltendmachung von Willensmängeln etc.) befindet.117 Dies kann zum Teil zu unbilligen Ergebnissen führen (s. obiges Beispiel N 703 mutatis mutandis). Unseres Erachtens sollte daher auch hier Art. 74 Abs. 2 Ziff. 3 OR analog zur Anwendung kommen: Wenn die Parteien nicht beide gewusst haben, wo sich die Sache im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung befindet, ist der Wohnsitz des Schuldners neuer Erfüllungsort.118 Gleiches gilt für Gattungsschulden. Für Geldschulden gilt Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR.

6.

Erfüllungszeitpunkt und Erfüllungszeitraum (Art. 75–83 OR)

6.1

Vorbemerkungen

707

Die Erfüllungszeit hat eine zweifache Bedeutung: Erstens informiert sie über die Fälligkeit einer Forderung und zweitens über deren Erfüllbarkeit.119 An dieser Stelle wird lediglich die Erfüllbarkeit behandelt. Sie beantwortet die Frage, ob der Schuldner seine Leistung bereits erbringen darf und ob er sie – aus einer ex post-Betrachtung – zum richtigen Zeitpunkt erbracht hat. Die Fälligkeit – also die Frage, ab wann die Gläubigerin die Leistung fordern darf – wird im Rahmen der Leistungsstörungen behandelt (s. N 917 f.).

708

Auf die Fristenberechnung im Einzelnen (Art.  76–80  OR) wird hier nicht näher eingegangen. Eine gute Zusammenstellung dieser sehr detaillierten Regeln findet sich bei Bucher.120 Zu beachten ist, dass die Normen zur Fristberechnung auch 115 ZK OR-Schraner, Art. 74 N 37 f. 116 BGE 109 II 26 E. 4a = Pra 1983 Nr. 113; BSK OR-Leu, Art. 74 N 5. 117 ZK OR-Schraner, Art. 74 N 87; Schwenzer, OR AT, N 7.15. 118 A.M. BSK OR-Leu, Art. 74 N 5: Massgebender Erfüllungsort ist der Wohnsitz der zurücktretenden Partei. 119 Addorisio de Feo, N 1 ff.; ZK OR-Schraner, Art. 75 N 21 ff. 120 Bucher, OR AT, 306 ff.; s. ferner auch BSK OR-Leu, Art. 76–80.

230

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

bei zivilrechtlichen Verhältnissen ausserhalb des OR (wie z.B. Art. 114 ZGB) zur Anwendung gelangen (Art. 7 ZGB; s. N 19), soweit sie nicht durch Spezialbestimmungen verdrängt werden. 6.2

Nach Vertrag

Den Zeitpunkt bzw. Zeitraum der Erfüllung regeln die Parteien meist selber, indem sie einen Termin (z.B. «23.  April 2014») oder eine Frist (z.B. «zahlbar innert 30 Tagen») vereinbaren.121

709

Haben die Parteien ein Fixgeschäft abgeschlossen, darf der Schuldner nur an oder 710 bis zu einem bestimmten Termin leisten. Mit Ablauf des Fixtermins fällt die Erfüllbarkeit weg. Beim relativen Fixgeschäft (s. Art. 108 Ziff. 3 OR; s. auch N 925) kann die Gläubigerin trotzdem weiter auf die Erfüllung der Schuld beharren (z.B. kann eine vereinbarte Musikstunde nachgeholt werden). Beim absoluten Fixgeschäft ist eine spätere Erfüllung nicht mehr möglich (z.B. kann die Fotografin bei einer Hochzeit in einem späteren Zeitpunkt nicht mehr erfüllen). Ob ein Fixgeschäft gewollt war, ergibt sich häufig erst durch Auslegung des Vertrages und seines Kontexts (s. N 278 ff.). Bei einem (einfachen) Verfalltagsgeschäft (Art. 102 Abs. 2 OR; s. N 925) haben die 711 Parteien zwar auch einen Termin vereinbart, dessen Einhaltung ist aber nicht essenziell. Die spätere Erfüllbarkeit fällt nicht weg. Es erübrigt sich nur die Mahnung. Bestehen Unklarheiten betreffend den Erfüllungszeitpunkt, können die Bestim- 712 mungen von Art. 76–80 OR als Auslegungsregeln hinzugezogen werden.122 6.3

Nach der Natur des Rechtsverhältnisses

Fehlt eine entsprechende vertragliche Vereinbarung, ist zu prüfen, ob sich aus der 713 Natur des Rechtsverhältnisses ergibt, dass ein bestimmter Erfüllungszeitraum vorgesehen wurde (Art. 75 OR). Es ist dabei auf den mutmasslichen Parteiwillen abzustellen, das heisst, es ist zu eruieren, was die Parteien vernünftigerweise in Anbetracht aller Umstände gewollt hätten. Beispielsweise tritt die Fälligkeit gemäss einer solchen Ergänzung bei einem Kauf von Eintrittskarten an der Tageskasse für den Zürcher Zoo sofort ein.123

121 Schwenzer, OR AT, N 7.19. 122 S. Schwenzer, OR AT, N 7.20. 123 S. ZK OR-Schraner, Art. 75 N 56 f. mit weiteren Beispielen.

231

1. Kapitel

6.4 714

Nach besonderer Vorschrift

Der Gesetzgeber hat für einzelne Vertragstypen besondere (dispositive) Regeln aufgestellt. So unter anderem für den Kaufpreis (Art. 213 OR), den Miet- und den Pachtzins (Art. 257c und Art. 281 OR) sowie die Mäklerprovision (Art. 413 Abs. 1 OR). 6.5

715

Allgemeine Vertragslehre

Fehlende Übereinkunft (Art. 75 OR)

Fehlt eine vertragliche Vereinbarung und ergibt sich der Erfüllungszeitpunkt auch nicht aus der Natur des Rechtsverhältnisses oder aus einer lex specialis, kommt Art.  75  OR zur Anwendung. Danach kann die Erfüllung sogleich geleistet und gefordert werden – die Fälligkeit tritt sofort ein. Art. 75 OR geht mit anderen Worten davon aus, dass Fälligkeit und Erfüllbarkeit zusammenfallen, was aber nicht zwingend der Fall sein muss. Erfüllbarkeit bedeutet, dass der Schuldner leisten darf. Fälligkeit liegt dagegen vom Zeitpunkt an vor, in welchem die Gläubigerin die Leistung verlangen darf.124 Trotz Fälligkeit kann der Schuldner so lange mit der Leistung zuwarten, bis er von der Gläubigerin zur Erfüllung angehalten wird.125 Sobald dies geschehen ist, muss der Schuldner leisten. 6.6

Exkurs: Erfüllungszeitpunkt bei Bareinzahlung und Überweisung

716

Kompliziertere Regelungen bezüglich des Erfüllungszeitpunkts gelten bei der Bareinzahlung am Postschalter und im bargeldlosen Überweisungsverkehr.126 Da Geldschulden Bringschulden sind (Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR; s. N 702), fragt es sich, wann der Zeitpunkt eintritt, an dem das Geld am Erfüllungsort ist.

717

Grundsätzlich gilt, dass erst im Zeitpunkt des Eintreffens der Gutschrift auf dem Konto der Gläubigerin erfüllt wird.127 Das Bundesgericht hat noch nicht zu allen Fragen diesbezüglich Stellung bezogen. Unterschieden werden kann dabei zwischen folgenden Fallgruppen:

718

Gibt die Gläubigerin die Post oder Bank als Zahlstelle an (z.B. durch Zusendung eines Einzahlungsscheins für ein Postcheckkonto; s. N 1199), gilt der Tag der Bareinzahlung am Schalter als Erfüllungszeitpunkt.128 Die Post oder Bank ist Erfül124 125 126 127

128

232

BSK OR-Leu, Art. 75 N 4. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2160. S. Thalmann, SZW 1990, 257 ff. BGE 124 III 112 E. 2a; so auch ausdrücklich der Vorschlag des OR 2020-Entwurfs in Art. 104 Abs. 2 OR 2020. Eine abweichende Regelung des Erfüllungszeitpunkts bei Bareinzahlung und bargeldloser Überweisung enthalten dagegen Art. 143 Abs. 3 ZPO und Art. 48 Abs. 4 BGG, wonach die Frist für die Zahlung eingehalten ist, wenn der geschuldete Betrag der Schweizerischen Post übergeben bzw. dem Post- oder Bankkonto des Zahlungspflichtigen belastet worden ist (und nicht erst im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto der Gläubigerin); s. dazu auch BGE 139 III 364. BGE 124 III 145 E. 2a.

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

lungsgehilfe der Gläubigerin (Art.  101 Abs.  1  OR). Diese trägt entsprechend das Verzögerungs- und Verlustrisiko der Überweisung.129 Bei Banküberweisungen ist zu unterscheiden, ob es sich um eine «Hausüber- 719 weisung»130 oder um eine «Kettenüberweisung»131 handelt. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Überweisungsvorgängen ist ausschlaggebend für die Frage, wer das Verzögerungs- oder Verlustrisiko trägt: Bei der Hausüberweisung erfolgt die Transaktion «hausintern», weil beide Par- 720 teien über ein Konto beim gleichen Geldinstitut verfügen. Der Schuldner erteilt der Post oder seiner Bank einen Überweisungsauftrag. Als Hilfsperson des Schuldners nach Art. 101 Abs. 1 OR schreibt das Geldinstitut den entsprechenden Betrag sodann dem Konto der Gläubigerin gut. Der Schuldner hat erst in jenem Zeitpunkt erfüllt, in welchem der Betrag dem Konto der Gläubigerin gutgeschrieben wird.132 Bis dahin trägt der Schuldner das Verzögerungs- und Verlustrisiko.133 Bei der Kettenüberweisung verfügen die Parteien nicht über ein Konto beim glei- 721 chen Institut. Deshalb muss die Überweisung des Buchgeldes zuerst in einem Zwischenschritt von der Post oder einer Bank zur anderen Bank oder Post erfolgen:134 Der Schuldner erteilt der Post oder seiner Bank einen Überweisungsauftrag. Mittels Interbankbuchung wird der entsprechende Betrag dem Konto der Schuldnerbank bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) belastet und dem SNB-Konto der anderen Bank gutgeschrieben. Die andere Bank schreibt daraufhin den Betrag dem Konto der Gläubigerin gut. Das Verzögerungs- und Verlustrisiko wird aufgrund einer Risikosphärenaufteilung zugewiesen, das heisst, es wird darauf abgestellt, in welchem Zeitabschnitt der Fehler passiert ist:135 Der Schuldner hat erfüllt, wenn die Interbankbuchung abgeschlossen ist.136 Von diesem Zeitpunkt an trägt die Gläubigerin das Verzögerungs- und Verlustrisiko. Die zur Zahlung eingesetzte Bank oder Post ist Hilfsperson des Schuldners; die empfangsberechtigte Poststelle oder Bank ist Hilfsperson der Gläubigerin.137 Fehler ihrer eigenen Bank oder der eingesetzten Poststelle muss sich die Gläubigerin gemäss Art. 101 Abs. 1 OR selber 129 BSK OR-Leu, Art. 74 N 6; a.M. Wiegand/Hodel, 204 f., da dies dem Konzept der Bringschuld widerspreche. 130 Koller, OR AT, N 41.45. 131 S. BGE 124 III 253 E. 3a und E. 3b; Koller, OR AT, N 41.47. 132 BGE 124 III 112 E. 3b. 133 A.M. Koller, OR AT, N 41.67 und N 41.69, der das Verzögerungsrisiko bereits im Zeitpunkt, in dem der Betrag dem Konto des Schuldners belastet wird, auf die Gläubigerin übergehen lassen möchte. 134 S. Koller, OR AT, N 41.65 f. und N 41.70. 135 S. Wiegand/Hodel, 206 f. 136 KuKo OR-Gross, Art. 74 N 12; Hess, SZW 1991, 112. A.M. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2324, wonach auf den Zeitpunkt der Abbuchung vom Konto der Schuldnerbank abzustellen ist. Wiederum a.M. BK OR-Weber, Art. 74 N 125, wonach auf den Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Gläubigerinnenkonto abzustellen ist; wohl gl.M. auch BSK OR-Leu, Art. 74 N 6. 137 S. ausführlich Wiegand/Hodel, 205 ff.

233

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

anrechnen lassen (z.B. wenn die Bank der Gläubigerin ihr den Betrag erst nach einigen Tagen gutschreibt, obwohl der Eingang der Zahlung durch die Bank des Schuldners pünktlich erfolgte).138 722 SNB-Konto S-Bank

Belastung

Schuldnerbank

Schweizerische Nationalbank

Interbankbuchung

Belastung Schuldnerkonto

Gutschrift

SNB-Konto G-Bank

Gläubigerbank

Gutschrift Erfüllungszeitpunkt

Gläubigerkonto

Abbildung: Kettenüberweisung

7. 723

724

Wirkungen

Erbringt der Schuldner die geschuldete Leistung an die richtige Leistungsempfängerin, am richtigen Ort, zur richtigen Zeit/im richtigen Zeitraum und mit dem richtigen Inhalt, wird er grundsätzlich befreit. Nur ausnahmsweise tritt die Erfüllungswirkung nicht ein. Das ist etwa der Fall, wenn der Schuldner die eigene Leistung von einer Bedingung abhängig macht, welcher die rechtliche Grundlage fehlt (wie z.B. von der Ausstellung einer Saldoquittung, von der Einräumung faktischer Zusatzleistungen etc.).139

III.

Erlass (Art. 115 OR)

1.

Vorbemerkung

Eine Obligation i.e.S. kann nicht nur durch Erfüllung (Art. 68 ff. OR) untergehen. Das Gesetz kennt weitere Erlöschensgründe (Art. 114 ff. OR). Einen solchen Erlöschensgrund stellt der in diesem Abschnitt behandelte Erlass der Forderung dar (sog. Schulderlass- oder Aufhebungsvertrag; Art.  115  OR). Weitere Erlöschens138 139

234

S. Wiegand/Hodel, 206 f. Bucher, OR AT, 293; ZK OR-Schraner, Vorb. zu Art. 68–96 N 80.

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

gründe bilden die Tilgung einer alten Schuld durch Begründung einer neuen Forderung (Novation, Art. 116 OR; N 737 ff.), die Vereinigung (Art. 118 OR; N 749 ff.), die unverschuldete nachträgliche Unmöglichkeit (Art. 119 OR; N 836 ff.) sowie die Verrechnung (Art. 120–126 OR; N 755 ff.).

2.

Begriff

Beim Erlass verfügt die Gläubigerin mit Einverständnis des Schuldners die ganze oder teilweise Aufhebung einer Forderung (Art. 115 OR).

725

Mit einem solchen Schulderlassvertrag kann die Gläubigerin dem Schuldner nur For- 726 derungen und keine anderen rechtserheblichen Tatsachen (z.B. Verfügungen) erlassen.140 Den Parteien ist es unbenommen, ein Schuldverhältnis i.w.S. durch Übereinkunft aufzuheben (sog. Aufhebungsvertrag oder contrarius actus); Art. 115 OR wird diesfalls analog angewendet (s. N 641 und N 788).141

3.

Abgrenzungen

3.1

Zur negativen Schuldanerkennung

Durch die negative Schuldanerkennung wird eine Forderung aufgehoben, von der 727 die Parteien nicht mit Sicherheit wissen, ob sie überhaupt besteht. Dies kann auch bei konkludentem Verhalten angenommen werden (z.B. Unterbleiben einer Rückbelastung innert vertraglicher Frist142). Die negative Schuldanerkennung dient dabei als Beweis des Untergangs der Forderung.143 Beispiel einer negativen Schuldanerkennung ist die Saldoquittung (s. N 695). Besteht eine ungewisse Forderung trotzdem, entfaltet die negative Schuldanerkennung materielle Wirkung wie eine Aufhebung durch Übereinkunft, weshalb die Regeln von Art. 115 OR diesfalls auch zur Anwendung kommen (sog. «Eventualerlass»).144 Sonderfall einer negativen Schuldanerkennung ist die Décharge, mit welcher die 728 Generalversammlung die Mitglieder des Exekutivorgans einer juristischen Person entlastet (s. für die Aktiengesellschaft Art. 698 Ziff. 5 und Art. 758 OR). Die Entlastung erfolgt hier nicht durch Vertrag, sondern durch Beschluss.145 140 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3113. 141 ZK OR-Aepli, Art. 115 N 16; a.M. BSK OR-Gabriel, Art. 115 N 2, die Art. 115 OR auch in diesen Fällen direkt anwendet. 142 BGE 127 III 147 E. 2b. 143 Bucher, OR AT, 399. 144 BSK OR-Gabriel, Art. 115 N 3. 145 Bucher, OR AT, 399.

235

1. Kapitel

3.2 729

Zum pactum de non petendo

Beim pactum de non petendo verspricht die Gläubigerin, eine Forderung nicht geltend zu machen (Klageverzicht). Im Unterschied zur Übereinkunft über einen Schulderlass besteht die Forderung mit den zugehörigen Nebenrechten weiter.146 Nach Bucher resultiert aus dem pactum de non petendo ein Verlust der Klagemöglichkeit mit materiell-rechtlicher Wirkung: Der Schuldner kann den Klageverzicht mittels Einrede geltend machen.147 Unseres Erachtens steht es deshalb der Gläubigerin nicht zu, ihre Ansprüche zu verrechnen.148 Die Verrechnung erfordert nämlich Klagbarkeit der Gegenforderung (s. N 761), welche nun nicht mehr gegeben ist. 3.3

730

Allgemeine Vertragslehre

Zum Verzicht auf künftige Forderungen

Ein Schulderlassvertrag kann nur über bestehende Forderungen geschlossen werden. Bucher will den Schulderlassvertrag über bestehende Forderungen formfrei nach Art. 115 OR schliessen lassen.149 Beim Verzicht auf künftige Forderungen sind die Schranken von Art. 19/20 OR und Art. 27 ZGB zu beachten.150 Wird auf künftige, vertraglich genau bestimmte Ansprüche aus einem synallagmatischen Vertrag – der weiterhin bestehen bleibt – verzichtet, liegt eine Vertragsänderung vor. Hier müssen die Formvorschriften von Art. 12 OR beachtet werden (s. N 367 und N 734 f.).

4.

Voraussetzungen

4.1

Verfügungsvertrag

731

Die Aufhebung einer Forderung erfolgt durch Vertrag.151 Die Gläubigerin kann nicht einseitig auf die Forderung verzichten. Ohne Zustimmung des Schuldners kommt der Vertrag nicht zustande, denn dieser muss sich nichts schenken lassen. Schweigt er, kann die Annahme aufgrund der Umstände indessen meist vermutet werden (Art. 6 OR; s. N 227).152

732

Da die Rechtsstellung der Parteien durch den Schulderlassvertrag dauerhaft und unwiderruflich geändert wird, ist der Vertrag als Verfügungsvertrag zu qualifizieren. In Lehre und Rechtsprechung ist umstritten, ob der Schulderlassvertrag als Verfügungsgeschäft abstrakt oder kausal zum entsprechenden Verpflichtungsgeschäft 146 147 148 149 150 151 152

236

BSK OR-Gabriel, Art. 115 N 3. Bucher, OR AT, 400. A.M. Bucher, OR AT, 400. Bucher, OR AT, 400. S. ZK OR-Aepli, Art. 115 N 26; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3135. S. BGE 2C_828/2013 E. 5.5.3. S. Bucher, OR AT, 401; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3129.

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

ist.153 Nach der hier vertretenen Meinung ist dem Schulderlassvertrag abstrakter Charakter zuzuschreiben (zur Abtretung einer Forderung s. N 1332 ff.). Auch dieser Lehrstreit verliert hingegen weitgehend an Bedeutung, wenn der Anwendungsbereich der Umwandlungstheorie auf Entstehungsmängel ausgedehnt wird: Der fehlerhafte Vertrag fällt nicht ab initio dahin, sondern wird in ein vertragliches Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt. Die causa des Verfügungsgeschäfts bleibt somit bestehen. Dies führt im Resultat dazu, dass die Wirksamkeit des Schulderlassvertrages von der Mangelhaftigkeit des Verpflichtungsgeschäfts unberührt bleibt, weshalb sich der Schulderlassvertrag abstrakt zum Verpflichtungsgeschäft verhält (s. N 1339). 4.2

Keine gesetzliche Formvorschrift

Der Schulderlassvertrag ist formlos gültig. Dies gilt auch, falls das Geschäft, durch welches die Forderung begründet wurde, formbedürftig war (Art. 115 OR).

733

In der Lehre ist die Abgrenzung von Art. 115 OR zu Art. 12 OR, wonach die gesetz- 734 lichen Formvorschriften bei jeder Vertragsänderung einzuhalten sind, umstritten (s. auch N 367 f.). Einerseits wird vertreten, dass Art. 115 OR bei der Aufhebung bloss einer einzelnen Forderung Art. 12 OR vorgehen soll. Ist hingegen ein ganzer Vertrag mit mehreren Forderungen zu modifizieren, soll Art. 12 OR den Vorrang haben.154 Ein anderer Teil der Lehre unterscheidet anhand der Fälligkeit der Forderung zwischen beiden Fällen: Art. 12 OR ist auf noch nicht fällige Forderungen und Art. 115 OR auf fällige Forderungen anzuwenden.155 Unseres Erachtens ist zu differenzieren: Art. 12 OR ist anzuwenden bei Änderungen 735 von mehreren oder einzelnen Forderungen, welche das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, also das Synallagma (s. N 53), betreffen. Dies gilt jedoch nur, wenn dabei das Vertragsverhältnis bestehen bleibt.156 Eine Nichtbeachtung der Formvorschrift von Art. 12 OR hätte nämlich zur Folge, dass ein formbedürftiger Vertrag im Nachhinein bezüglich des Verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung formfrei geändert werden könnte. Dies entspräche jedoch nicht Sinn und Zweck der Formvorschriften.157 Formfrei nach Art. 115 OR können hingegen einzelne Forderungen aus einseitigen oder unvollkommen zweiseitigen Verträgen (s. N 53) aufgehoben werden.158 Das Gleiche gilt für die Aufhebung des Vertragsver153 Für abstrakten Charakter: ZK OR-Aepli, Art. 115 N 44; CHK OR-Killias/Wiget, Art. 115 N 6; Schwenzer, OR AT, N 79.04; für kausalen Charakter: Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3121. 154 S. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3127; Schmid, recht 1989, 113 ff. und 120 f. 155 Bucher, OR AT, 402; CR CO-Piotet, Art. 115 N 21. 156 S. BGE 4A_49/2008 E. 2.1. 157 Gl.M. BK OR-Schmidlin, Art. 12 N 11 ff.; Schwenzer, OR AT, 31.25; a.M. BSK OR-Gabriel, Art. 115 N 9. 158 S. BK OR-Schmidlin, Art. 12 N 13.

237

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

hältnisses als solchen (analog Art. 115 OR), weil dafür der Schutz einer Vertragspartei durch die Formvorschrift nicht notwendig ist (s. auch N 367a).159

5. 736

Wirkungen

Durch den Schulderlassvertrag geht die Forderung samt Nebenrechten (insbesondere Zinsen, Konventionalstrafen, Bürgschaften oder Pfandrechten) unter (Art. 114 Abs. 1 OR). Mit dem Wiederaufleben der Forderung leben grundsätzlich auch die Nebenrechte wieder auf.

IV.

Neuerung (Art. 116–117 OR)

1.

Begriff

737

Bei der Neuerung (Novation) wird eine alte Schuld durch Begründung einer neuen getilgt (Art. 116 Abs. 1 OR).

738

Für den Eintritt der novierenden Wirkung müssen die Parteien einen Novationsvertrag abschliessen. Darin vereinbaren sie, dass die alte Schuld aufgehoben wird und an ihre Stelle eine neue Schuld tritt.160 Da die Gläubigerin über die alte Forderung verfügt bzw. diese aufhebt, handelt es sich um einen Verfügungsvertrag.161

2. 739

Voraussetzungen

Damit der Novationsvertrag wirksam wird, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen: • Aufzuhebende Forderung muss bestehen (s. N 740); • neue Forderung ersetzt die alte Schuld (s. N 741); • Neuerungswille der Parteien (s. N 741).

740

Vorausgesetzt wird zunächst, dass die Forderung, welche aufgehoben werden soll, besteht.162 Sie muss nicht durchsetzbar sein; auch eine verjährte Forderung kann

159 160 161 162

238

BGE 4A_49/2008 E. 2.1; ebenso BK OR-Schmidlin, Art. 12 N 7. ZK OR-Aepli, Art. 116 N 11. Bucher, OR AT, 406. BGE 4C.396/2002 E. 2.5; 121 III 382 E. 3c; ZK OR-Aepli, Art. 116 N 12 ff.; Engel, CO PG, 770; a.M. Schwenzer, OR AT, N 80.03.

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

noviert werden.163 Ist dagegen die Forderung beispielsweise objektiv unmöglich und somit infolge Nichtigkeit gar nicht erst entstanden (Art. 20 Abs. 1 OR), so kann diese nach herrschender Lehre auch nicht noviert werden.164 Nach der hier vertretenen Ansicht stellt eine Neuerung auch im Fall von anfänglicher objektiver Leistungsunmöglichkeit einen Ausweg dar. Dabei kommen sinnvollerweise die Regeln der nachträglichen Unmöglichkeit zur Anwendung (Art. 20 OR sollte nur restriktiv angewendet werden; s. dazu N 430 und N 829). Die Forderung bleibt alsdann bestehen und kann infolgedessen auch noviert werden. Selbst in Fällen der unverschuldeten Unmöglichkeit (zur Wirkung der nachträglichen objektiven Unmöglichkeit s. N 836 ff.), bei welcher der Schuldner gemäss Art. 119 OR von der Leistungspflicht befreit wird (mit anderen Worten die Forderung der Gläubigerin erlischt), kann eine Novation erfolgen: Die Befreiung bezieht sich nur auf die einzelne Obligation, nicht jedoch auf das Schuldverhältnis i.w.S. oder gar auf das vertragliche Rückabwicklungsverhältnis (Art. 119 Abs. 1 OR; zum Liquidationsverhältnis s. N 583 und N  960  ff.). Die Parteien bleiben frei darin zu neuern (unter Umständen entsteht sogar eine Neuerung im Rahmen des vertraglichen Rückabwicklungsverhältnisses). Dies gilt umso mehr, als der Verpflichtungsgrund des neuen Schuldverhältnisses nicht im alten (unmöglichen) Schuldverhältnis liegt, sondern selbständig durch das neue, die Novation bewirkende Rechtsgeschäft entsteht. Mittels Neuerung vereinbaren die Parteien, die vertragliche Rechtsgrundlage des bestehenden Schuldverhältnisses «auszuwechseln».165 Die Neuerung bewirkt, dass durch die neu begründete Schuld die alte ersetzt wird: 741 Die Gläubigerin lässt sich im Novationsvertrag vom Schuldner anstelle der Erfüllung einer alten Schuld eine neue Leistung versprechen.166 Die Parteien müssen sich darüber einig sein, dass die neue Forderung an die Stelle der alten tritt und nicht einfach nur abgeändert oder bekräftigt wird (sog. Neuerungswille bzw. animus novandi). Im Zweifelsfall ist nach den allgemeinen Auslegungsregeln der Wille der Parteien zu ermitteln (Art. 18 OR; s. N 278 ff.).167 Art. 116 Abs. 1 OR, wonach eine Novation nicht vermutet wird, steht dabei der Anwendung der allgemeinen Auslegungsregeln nicht entgegen.168 Obwohl das Bundesgericht für das Vorliegen einer Novation eine unzweideutige Willensäusserung der Vertragsparteien über den Untergang der alten Forderung verlangt169, kann eine Novation auch durch 163 ZK OR-Aepli, Art. 116 N 14. 164 Engel, CO PG, 771; BSK  OR-Gabriel, Art.  116 N  4; s.  auch BGE 109 II 190 E.  3a: «Neuerung  […] setzt nämlich den Rechtsbestand der Forderung voraus, auf der sie beruht». S. ferner Koller, OR AT, N 64.15 ff., wonach die Parteien eine Novation bloss simulieren, wenn sie eine nichtige Schuld in eine gültige umwandeln wollen. 165 S. BGE 4C.60/2002 E. 1.4; 60 II 332 E. 2; Bucher, OR AT, 406. 166 BSK OR-Gabriel, Art. 116 N 5. 167 S. BGE 126 III 375 E. 2e bb. 168 S. ZK OR-Aepli, Art. 116 N 26. 169 S. BGE 107 II 479 E. 3.

239

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

konkludentes oder stillschweigendes Verhalten erfolgen.170 Bei der Auslegung sind grundsätzlich alle Umstände zu würdigen, wobei den Äusserungen und der Interessenlage der Parteien eine massgebende Bedeutung zukommt.171 Ein Indiz gegen einen Novierungswillen liegt beispielsweise vor, wenn die Gläubigerin durch die Novierung Sicherheiten verlieren würde172 oder der Leistungsinhalt lediglich abgeändert wird173. Für eine Novierung spricht hingegen, wenn die alte und die neue Obligation objektiv unvereinbare Eigenschaften aufweisen, z.B. die alte bedingt, die neue unbedingt ist.174 741a

Hinsichtlich des Formerfordernisses für den Novationsvertrag ist unseres Erachtens in Anlehnung an die Abgrenzung von Art. 12 und Art. 115 OR (s. N 735) wie folgt zu differenzieren: Wird eine Forderung noviert, die mit der Gegenforderung synallagmatisch (vollkommen zweiseitig) verknüpft ist, gelten die Formvorschriften, welche den Vertrag beherrschen, mittels dessen die entsprechende Forderung begründet wurde (Art. 12 OR). Bildet die zu novierende Forderung dagegen nicht Teil des Synallagmas, kann sie ungeachtet der Formbedürftigkeit des zugrunde liegenden Vertrages formfrei noviert werden (Art. 11 OR).

3.

Vermutungslage (Art. 116 OR)

742

Gemäss Art. 116 Abs. 1 OR wird eine Novation nicht vermutet. Wer eine solche behauptet, muss beweisen, dass ein Novationsvertrag vorliegt (s. auch Art. 8 ZGB). Insbesondere ist der Neuerungswille der Parteien darzulegen.175

743

In Art. 116 Abs. 2 OR werden drei Beispiele (Eingehen einer Wechselverbindlichkeit mit Rücksicht auf eine bestehende Schuld, Ausstellen eines neuen Schuld- oder Bürgschaftsscheines) zu der in Art. 116 Abs. 1 OR aufgestellten Vermutung aufgezählt.

4. 744

Sonderregelung beim Kontokorrentverhältnis (Art. 117 OR)

Eine spezielle Vermutungslage gilt im Kontokorrentverhältnis: Mit der Kontokorrentabrede vereinbaren die Parteien, «ihre gegenseitigen Forderungen in einer nach Soll und Haben geführten Rechnung so zu behandeln, dass nur der jeweilige Ver-

170 171 172 173 174 175

240

ZK OR-Aepli, Art. 116 N 26. S. mit Beispielen ZK OR-Aepli, Art. 116 N 27 ff., sowie BSK OR-Gabriel, Art. 116 N 6. BGE 107 II 479 E. 3. BGE 131 III 586 E. 4.2.3.3. BGE 28 II 370 E. 4; Engel, CO PG, 771 mit weiteren Beispielen. BGE 135 V 124 E. 4.2.

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

rechnungsüberrest geschuldet ist»176. Art. 117 Abs. 1 OR ordnet an, dass die einzelnen Forderungen (das heisst Posten im Kontokorrent) keine Neuerung bewirken, sondern erst der – meist am Monatsende – gezogene und anerkannte Saldo (Art. 117 Abs. 2 OR). Auch wenn eine Obligation nach Art. 117 Abs. 2 OR noviert wurde, gehen bestellte 745 Sicherheiten für einzelne Posten (oder Sicherheiten für die gesamte Kontokorrentschuld177) nicht unter (anderslautende Vereinbarungen vorbehalten; s.  Art.  117 Abs. 3 OR).

5.

Wirkungen

Der Schuldner muss eine neue Schuld erfüllen. Er verliert sämtliche Einreden und 746 Einwendungen, welche er gegen die alte Forderung erheben konnte.178 Sämtliche Nebenrechte aus der alten Forderung erlöschen (Art. 114 Abs. 1 OR). Die Verjährung (Art. 127 f. OR) beginnt neu zu laufen.179 Sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, gehen im Übrigen Bedingun- 747 gen und Befristungen der alten Schuld auf die neue über.180 Nach Bucher sollen die Parteien unter Umständen die Möglichkeit haben, Sicher- 748 heiten der alten Schuld auch für die neue Schuld gelten zu lassen. Dies insbesondere, wenn die Neuerung der Klarstellung der Verhältnisse dient.181 Da Art.  114 Abs. 1 OR dispositiv ist, bleibt es den Parteien unbenommen, die Folgen der Novation nach ihrem Gutdünken zu regeln. Im Übrigen gilt: falsa demonstratio non nocet (Art. 18 OR).

176 ZK OR-Aepli, Art. 117 N 9; zur Natur des Kontokorrentvertrages: BGE 130 III 694 E. 2.2 = Pra 2005 Nr. 64; 129 III 118 E. 2.3 = Pra 2003 Nr. 123. 177 Gl.M. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3165. 178 BGE 105 II 273 E. 3a. 179 BSK OR-Gabriel, Art. 116 N 7; Schwenzer, OR AT, N 80.04. 180 BSK OR-Gabriel, Art. 116 N 7; a.M. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3148. 181 Bucher, OR AT, 410.

241

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

V.

Vereinigung (Art. 118 OR)

1.

Begriff

749

Eine Forderung erlischt durch Vereinigung, wenn Gläubigerin und Schuldner nachträglich in einer Person «zusammentreffen» und ihre Vermögen in einem aufgehen (Art. 118 OR).

750

Art. 118 OR kommt nur bei obligatorischen Ansprüchen zur Anwendung. Analog ist Art. 118 OR aber auch auf Schuldverhältnisse i.w.S. anwendbar: Sowohl einzelne Forderungen wie auch ganze Rechtsverhältnisse können durch Vereinigung (Konfusion) verschmelzen.182

2.

Voraussetzungen

751

Erstens wird vorausgesetzt, dass Gläubigerin und Schuldner nachträglich in einer Person zusammentreffen (Art.  118 Abs.  1  OR; z.B. durch Erbschaft183, Geschäftsübernahme etc.).184

752

Zweitens müssen Forderung und Schuld in die gleiche Vermögensmasse fliessen. Folglich darf die Forderung bzw. die Schuld nicht in ein Sondervermögen fallen (z.B. Erbengemeinschaft).185

3.

Wirkungen

753

Durch die Vereinigung geht die Forderung mit allen Nebenrechten (Art.  114 Abs. 1 OR) unter. Vorbehalten bleiben die Vorschriften über die Grunddienstbarkeiten und Wertpapiere (Art. 118 Abs. 3 OR; s. dazu Art. 854 Abs. 1 ZGB sowie Art. 1001 und Art. 1108 OR).

754

Deckt sich die Gläubigerinnenposition nicht mehr mit der Schuldnerposition, lebt die Forderung wieder auf (Art.  118 Abs.  2  OR). Erwirbt jemand z.B. eine Forderung gegen sich selbst von der Erblasserin (Art. 560 Abs. 1 ZGB), erlischt diese nach Art. 118 Abs. 1 OR, lebt aber nach Art. 118 Abs. 2 OR wieder auf, wenn der Erbe die Erbschaft ausschlägt (Art. 566 Abs. 1 ZGB).

182 183 184 185

242

BSK OR-Gabriel, Art. 118 N 2. CHK OR-Killias/Wiget, Art. 118 N 3. ZK OR-Aepli, Art. 118 N 15 ff. ZK OR-Aepli, Art. 118 N 20.

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

VI.

Verrechnung (Art. 120–126 OR)

1.

Begriff

Verrechnen ist Tilgen einer fremden Forderung durch Opfern einer eigenen.

755

Der Verrechnende muss der Verrechnungsgegnerin durch eine einseitige Gestal- 756 tungserklärung (Art. 124 Abs. 1 OR) bekannt geben, dass er die Hauptforderung mit einer Verrechnungsforderung kompensiert.186 Dabei tilgen sich die gleichartigen Forderungen wechselseitig in dem Umfang, in welchem sie sich decken.187 757

Verrechnungsforderung Verrechnender

Verrechnungsgegnerin Hauptforderung

Verrechnungserklärung

Abbildung: Verrechnungserklärung

2.

Abgrenzung zum Verrechnungsvertrag

Von der Verrechnung (Kompensation) nach Art. 120 ff. OR ist der Verrechnungs- 758 vertrag zu unterscheiden. Dieser ist im Gesetz nicht geregelt, aber am Rande erwähnt (s. Art. 124 Abs. 3 OR; kaufmännisches Kontokorrentverhältnis).188 Die Parteien können durch einen solchen Vertrag von den meist dispositiven gesetzlichen Regeln abweichen (z.B. können sie vereinbaren, ungleichartige Forderungen miteinander zu verrechnen). Wo der Gesetzgeber indessen auch für die Verrechnung zwingende Regeln aufgestellt hat, sind den Parteien spezifische Schranken gesetzt (z.B. Art. 123 Abs. 2 OR).189

186 187 188 189

S. ZK OR-Aepli, Vorb. zu Art. 120–126 N 22. Schwenzer, OR AT, N 77.01. BGE 126 III 361 E. 6b; 100 III 79 E. 3. Zum Verrechnungsvertrag s. ZK OR-Aepli, Vorb. zu Art. 120–126 N 199 ff.; BK OR-Zellweger-Gutknecht, Art. 120 N 301 ff.

243

1. Kapitel

3. 759

3.1

Erfüllbarkeit der Hauptforderung (s. N 760); Klagbarkeit und Fälligkeit der Verrechnungsforderung (s. N 761); Gegenseitigkeit der Forderungen (s. N 762 ff.); Gleichartigkeit der Forderungen (s. N 770 ff.); kein Ausschluss der Verrechnung durch Vertrag oder Gesetz (s. N 774 ff.); ausdrückliche oder stillschweigende Verrechnungserklärung (s. N 781). Erfüllbarkeit der Hauptforderung

Entgegen dem Wortlaut von Art.  120 Abs.  1  OR muss die Hauptforderung, das heisst die Forderung der Verrechnungsgegnerin, nicht fällig sein. Es reicht, wenn sie erfüllbar ist, da der Verrechnende seine Schuld auch schon vor Fälligkeit erfüllen darf (Art. 81 Abs. 1 OR).190 Aus diesem Grund kann es sich bei der Hauptforderung auch um eine Naturalobligation (s. N 37) handeln.191 Klagbarkeit der Hauptforderung wird im Gegensatz zur Verrechnungsforderung nicht vorausgesetzt. 3.2

761

Voraussetzungen

Von besonderen Vereinbarungen abgesehen, erlischt eine Forderung durch Verrechnung, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: • • • • • •

760

Allgemeine Vertragslehre

Klagbarkeit und Fälligkeit der Verrechnungsforderung

Die Verrechnungsforderung, das heisst die Forderung des Verrechnenden, muss klagbar sein: Die Verrechnung stellt ein Mittel dar, mit welchem eine Forderung gegen den Willen der anderen Partei durchgesetzt werden kann.192 Dem Verrechnenden muss somit eine gültige Forderung zustehen. Anwartschaften (z.B. Einräumung eines Kaufrechts)193 und nicht klagbare Obligationen (s.  N  34  ff.; z.B. Naturalobligationen)194 können nicht verrechnet werden. Die Verrechnungsforderung darf zudem nicht mit Einreden (z.B. Art. 82 OR) oder Einwendungen belastet sein. Ausnahmsweise kann jedoch auch verrechnet werden, wenn die Verrechnungsforderung bereits verjährt ist: Voraussetzung dafür ist, dass die Verrechenbarkeit zum Zeitpunkt, als die Verrechnungsforderung erstmals mit der Hauptforderung hätte verrechnet werden können, bestanden hat (Art. 120 Abs. 3 OR).195 Unerheb190 191 192 193 194 195

244

Bucher, OR AT, 437 f. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3233; Schwenzer, OR AT, N 77.17. Von Tuhr/Escher, 196. BSK OR-Peter, Art. 120 N 2; BK OR-Zellweger-Gutknecht, Art. 120 N 16 f. S. Bucher, OR AT, 433 und 437 FN 38; CR CO-Jeandin, Art. 120 N 9; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1537 f. BGE 9C_566/2007 E. 3.3; 2A.149/2006 E. 2.2; BSK OR-Peter, Art. 120 N 24; BK OR-Zellweger-Gutknecht, Art. 120 N 70 m.w.H.

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

lich ist dagegen, ob die Verrechnungsforderung bestritten ist (Art. 120 Abs. 2 OR).196 Des Weiteren muss die Verrechnungsforderung fällig sein (Art. 120 Abs. 1 OR; zur Fälligkeit s. N 917 f.), damit die Erfüllung durch Verrechnung durchgesetzt werden kann. Im Konkurs der Verrechnungsgegnerin entfällt im Übrigen die Fälligkeitsvoraussetzung (Art. 123 Abs. 1 OR). 3.3

Gegenseitigkeit der Forderungen

a.

Grundsatz: Gegenseitigkeit

Der Verrechnende muss nach Art. 120 Abs. 1 OR Gläubiger der Verrechnungsforde- 762 rung und die Verrechnungsgegnerin muss Gläubigerin der Hauptforderung sein.197 Gleichzeitig ist der Verrechnende Schuldner der Hauptforderung und die Verrechnungsgegnerin Schuldnerin der Verrechnungsforderung. b.

Sonderbestimmungen

Bei der Bürgschaft handhabt der Gesetzgeber den Grundsatz der Gegenseitigkeit 763 verrechnungs- bzw. bürgenfreundlicher: Der Bürge darf zwar Forderungen des Hauptschuldners gegen die Gläubigerin mangels Gegenseitigkeit nicht verrechnen, hat aber gemäss Art. 121 OR ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn dem Hauptschuldner die Verrechnung gegen die Gläubigerin zusteht.198 Bei Verträgen zugunsten eines Dritten (s. N 1119 ff.) kann der Versprechende For- 764 derungen, die er gegen die Versprechensempfängerin hat (Forderung 1), nicht mit der dem Dritten zustehenden Forderung (Forderung 2) verrechnen, da diesem eine effektive Leistung zukommen soll (Art. 122 OR).199 Die Forderung 1 ist somit nicht mit der Forderung 2 verrechenbar (s. nachfolgende Abbildung).

196 Abs. 2 von Art. 120 OR betrifft nur die Verrechnungserklärung. Für den Eintritt der Verrechnungswirkung ist erforderlich, dass eine allfällige Einrede oder Einwendung gerichtlich abgewiesen wurde; s. dazu BGE 4A_601/2013 E. 3.3; 136 III 624 E. 4.2.3 = Pra 2011 Nr. 54. 197 BGE 4A_601/2013 E. 3.2; 132 III 342 E. 4.3; Koller, recht 2007, 102 f. 198 BGE 138 III 453 E. 2.2.1. 199 BGE 122 V 81 E. 2a; Schwenzer, OR AT, N 77.05.

245

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

765 Versprechender

Forderung 1

Versprechensempfängerin

Forderung 2

Forderung 2

Dritter

Abbildung: Situation bei Verträgen zugunsten eines Dritten 766

Da eine Personengesellschaft mit den einzelnen Gesellschaftern nicht identisch ist, lässt der Gesetzgeber eine gegenseitige Verrechnung nur in Ausnahmefällen zu (s. Art. 573 Abs. 3 OR).200 Vorausgesetzt wird, dass der Gläubiger der Gesellschaft Privatschuldner eines Gesellschafters ist, welcher für die Schulden der Gesellschaft nach Art. 568 Abs. 3 OR persönlich haftet.201 c.

Ausnahme: Keine Gegenseitigkeit

767

Bezüglich der Abtretung wird bei der Verrechnung zum Schutz des Schuldners unter gewissen Voraussetzungen vom Prinzip der Gegenseitigkeit abgewichen (Art. 169 OR; s. N 1399 ff.).

768

Auch bei Drittpfandverhältnissen (der Pfandschuldner sichert eine fremde Forderung) ist es nach herrschender Lehre möglich, dass der Pfandschuldner eine Forderung, die ihm gegen die Pfandgläubigerin zusteht, zur Verrechnung bringt, obwohl sich die Hauptforderung nicht gegen ihn richtet (s. Art. 827 ZGB).202

200

BGE 4C.214/2000 E.  4a; Herren, AJP 1999, 268; CHK  OR-Killias/Wiget, Art.  120 N  5; BSK  ORPeter, Art. 120 N 5. 201 Koller, recht 2007, 105 f. 202 S. Schwenzer, OR AT, N 77.07.

246

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

769

Verwertungsanspruch Gläubigerin

Verrechnung möglich

Pfandschuldner

Verrechnungsforderung

Hauptforderung Sicherung Hauptschuldner

Abbildung: Verrechnung bei Drittpfandverhältnissen

3.4

Gleichartigkeit der Forderungen

Gemäss Art.  120 Abs.  1  OR müssen die zu verrechnenden Forderungen entwe- 770 der in Geldsummen bestehen oder zumindest «ihrem Gegenstande nach gleichartig» sein. Unter «gleichartige Leistungen» im Sinne von Art. 120 Abs. 1 OR fallen nur Leistungen über Gattungssachen und vertretbare Sachen (zur Unterscheidung von Gattungs- und Stückschulden, von vertretbaren und unvertretbaren Sachen s. N 676 f.). Bei Stückschulden gibt es per definitionem keine Gleichartigkeit zwischen einzelnen Stücken.203 Inhaltliche Gleichartigkeit kann aber auch nachträglich entstehen (z.B. Umwandlung einer Forderung auf ein bestimmtes Bild in eine Schadenersatzforderung).204 Die geschuldeten Leistungen müssen nicht aus demselben Rechtsverhältnis stam- 771 men und auch nicht gleich viel wert sein (s.  auch Art.  124 Abs.  2  OR).205 Unter Umständen wird die Forderung der Verrechnungsgegnerin nur teilweise getilgt. Im Gegensatz zur Regel von Art. 69 Abs. 1 OR (lex generalis) kann sich die Verrechnungsgegnerin gegen eine solche Teilzahlung nicht wehren, sofern keine gegenteilige Parteiabrede vorliegt.206 Bei Geldschulden gilt es zu beachten, dass auch Forderungen unterschiedlicher 772 Währungen gegeneinander verrechenbar sind, sofern keine Effektivklausel vereinbart wurde und eine Umrechnung möglich ist.207 Der Umrechnungskurs bestimmt sich nach herrschender Lehre nach dem Zeitpunkt des Zugangs der Verrechnungserklärung (zum Zeitpunkt des Erlöschens der zur Verrechnung gestellten Forderun203 204 205 206 207

ZK OR-Aepli, Art. 120 N 73 ff. S. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3218; Koller, recht 1997, 106. BSK OR-Peter, Art. 120 N 15. ZK OR-Aepli, Art. 124 N 112. BGE 130 III 312 E. 6.2; 63 II 383 E. 5b; Bucher, OR AT, 438; CHK OR-Killias/Wiget, Art. 120 N 6.

247

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

gen s. N 783 ff.).208 Will man mit dieser Regelung dem Sinn nach verhindern, dass der Verrechnende durch sein Verhalten die Höhe seiner Schuld steuern kann, ist unseres Erachtens vielmehr analog zu Art. 84 Abs. 2 OR auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Fremdwährungsforderung abzustellen (s. N 688 f.). Für die Bestimmung des Wechselkurses bei Zahlung und bei Verrechnung sollten zudem keine unterschiedlichen Referenzzeitpunkte gelten. 773

Für die verrechenbaren Leistungen müssen die Parteien nicht den gleichen Erfüllungsort vorgesehen haben. Sollte der Verrechnungsgegnerin daraus ein Nachteil entstehen, kann dieser vom Verrechnenden durch Geld ausgeglichen werden.209 Wenn beispielsweise der Marktpreis unterschiedlich ist, muss der Verrechnende die Differenz ausgleichen. Für die Gleichartigkeit ebenfalls unerheblich ist, ob zwischen den Forderungen Konnexität besteht oder ob die beiden Forderungen am gleichen Gerichtsstand einzuklagen sind.210 3.5

Kein Ausschluss der Verrechnung

a.

Durch Gesetz (Art. 125 OR)

774

Die gesetzlichen Ausschlussgründe sind in Art. 125 OR geregelt; die Gläubigerin kann aber einseitig auf den Ausschluss verzichten.

775

Art. 125 Ziff. 1 OR verhindert die Verrechnung bei der Rückforderung hinterlegter, widerrechtlich entzogener bzw. böswillig vorenthaltener Sachen oder daraus resultierender Schadenersatzansprüche. Die Bestimmung ist vor allem deshalb wichtig, weil die Banken Spareinlagen nicht verrechnen dürfen, und zwar unabhängig davon, ob man diese als Darlehen oder als Hinterlegung qualifiziert.211 Bei einer bösgläubig vorenthaltenen Sache muss der Schuldner – neben seinem Wissen um den fehlenden Rechtsgrund  – den Besitz der Sache auf moralisch verwerfliche Art und Weise erlangt haben.212 Gemäss Rechtsprechung und herrschender Lehre sind die in Art. 125 Ziff. 1 OR genannten Ausschlussgründe nicht abschliessend zu verstehen, sondern bilden lediglich zwei gesetzliche Beispiele für den Ausschluss der Verrechnung aufgrund von Treu und Glauben.213 Grundsätzlich soll aus eigenem Fehlverhalten kein Nutzen gezogen werden können. Mit anderen Worten soll niemand eine aus einem solchen Verhalten entstehende Schuld zur Verrechnung bringen können.214 Mit Blick auf den in Art. 125 Ziff. 1 OR verfolgten Zweck ist es unseres 208 209 210 211 212

Bucher, OR AT, 439; BK OR-Weber, Art. 84 N 343; offengelassen in BGE 63 II 383 E. 5. BSK OR-Peter, Art. 120 N 13 m.w.N.; a.M. BK OR-Zellweger-Gutknecht, Art. 120 N 232. Berger, Schuldrecht, N 1378; Furrer/Müller-Chen, Kap. 21 N 59. Honsell, OR BT, 423 f. BGE 111 II 447 E. 3b; BSK  OR-Peter, Art. 125 N 4; Schwenzer, OR AT, N 77.19; kritisch Gauch/ Schluep/Emmenegger, N 3240. 213 BGE 4C.195/2006 E. 3; ZK OR-Aepli, Art. 125 N 41. 214 BGE 136 III 437 E. 3.5; ZK OR-Aepli, Art. 125 N 40.

248

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

Erachtens sachgerecht, unter den Verrechnungsausschluss alle Obligationen zu subsumieren, die auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Schuldners beruhen oder als solche zu werten sind.215 Art. 125 Ziff. 2 OR schliesst die Verrechnung bei Verpflichtungen zu Leistungen aus, 776 welche die Existenz sichern sollen (z.B. Unterhaltszahlungen oder Lohnguthaben).216 Art.  125 Ziff.  3  OR privilegiert ohne ersichtlichen Grund den Staat. Forderun- 777 gen öffentlich-rechtlicher Natur (z.B. Steuerforderungen) darf die Bürgerin ohne Zustimmung des Gemeinwesens nicht verrechnen. Forderungen des Staates, die privatrechtlicher Natur sind (z.B. Kaufpreisforderung aus einem Liegenschaftenverkauf), unterliegen dagegen dem Verrechnungsverbot nicht. Der Staat darf seine Schulden mit ihm zustehenden Forderungen gegen Private jederzeit verrechnen.217 b.

Durch Vertrag (Art. 126 OR)

Den Parteien ist es unbenommen, die Verrechnung jederzeit vertraglich auszu- 778 schliessen. Durch einen sog. Verzichtsvertrag kann der Schuldner ausdrücklich oder stillschweigend auf die Tilgung seiner Schuld durch Verrechnung verzichten (Art. 126 OR).218 Oft enthalten AGB einen Verrechnungsverzicht des Schuldners.219 Gemäss einem Teil der Lehre soll der Schuldner im Voraus auch einseitig auf eine Verrechnung verzichten können, da mit der Verzichtserklärung ein Gestaltungsrecht ausgeübt werde.220 Dieser Lehrstreit hat unseres Erachtens geringe praktische Bedeutung, da oft von einer konkludenten Annahme des Verzichtsvertrages analog zu Art. 6 OR ausgegangen werden kann.221 Ausgeschlossen wird der Verrechnungsverzicht des Schuldners bei Miete (Art. 265 OR), Pacht (Art. 294 OR) und Arbeitsvertrag (Art. 323b Abs. 2 OR).222

779

Im Gesetz nicht geregelt ist der Verrechnungsverzicht der Gläubigerin. Hier ver- 780 zichtet die Gläubigerin darauf, ihre Forderung zur Tilgung einer Schuld zu verwenden. Die Regeln von Art. 126 OR sind in diesem Fall analog anzuwenden.223

215 216 217 218 219 220

221 222 223

Gl.M. BK OR-Zellweger-Gutknecht, Art. 125 N 67. BGE 88 II 299 E. 6b; Furrer/Müller-Chen, Kap. 21 N 71. Häfelin/Müller/Uhlmann, N 791; s. ferner BGE 110 V 183 E. 2. BGE 5A_207/2007 E. 6.2; 130 III 312 E. 5.2; s. auch ZK OR-Aepli, Art. 126 N 24 ff. mit Beispielen zum konkludenten Verzichtsantrag; CR CO-Jeandin, Art. 126 N 3. S. BGE 109 II 213 E. 2b. Von Tuhr/Escher, 198. Anders BGE 2C_889/2008 E. 4.2; 5A_207/2007 E. 6.2, wonach es sich beim Verzichtsvertrag um ein pactum de non compensando, also um einen zweiseitigen Vertrag handelt; a.M. auch Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3235. S. ferner Übersicht in BK OR-Zellweger-Gutknecht, Art. 126 N 7. CR CO-Jeandin, Art. 126 N 3; Koller, OR AT, N 66.50; BSK OR-Peter, Art. 126 N 4. ZK OR-Aepli, Art. 126 N 70 ff.; CR CO-Jeandin, Art. 126 N 1. ZK OR-Aepli, Art. 126 N 12 ff.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3236.

249

1. Kapitel

3.6 781

Allgemeine Vertragslehre

Verrechnungserklärung (Art. 124 Abs. 1 OR)

Nach Art. 124 Abs. 1 OR muss der Schuldner der Gläubigerin zu erkennen geben (ausdrücklich oder stillschweigend224), dass er von seinem Verrechnungsrecht Gebrauch macht. Weil es sich beim Verrechnungsrecht um ein Gestaltungsrecht handelt, ist die Zustimmung der Gläubigerin nicht erforderlich.225 Art. 86 Abs. 1 OR gilt sinngemäss: Der Schuldner hat die Verrechnungsforderung genau zu bezeichnen.226 Andernfalls kommt Art. 87 OR analog zur Anwendung (s. N 691).227 Ebenfalls anwendbar ist Art. 85 Abs. 2 OR. Die Verrechnung bezieht sich demnach im Zweifel auf den weniger gesicherten Teil der Forderung.228

4.

Wirkungen (Art. 124 Abs. 2 OR)

782

Durch die Verrechnung werden Hauptforderung und Gegenforderung bis zur Höhe des niedrigeren Forderungsbetrags getilgt (Art. 124 Abs. 2 OR). Die Nebenrechte erlöschen nur (Art.  114 Abs.  1  OR), sofern der ganze Forderungsbetrag getilgt wurde. Wird nur ein Teil der Forderung getilgt, erlöschen die Nebenrechte «im Verhältnis zum Erlöschen der Forderung»229 analog zu Art. 114 Abs. 1 OR.230 Vorbehalten bleiben besondere Bestimmungen, wie beispielsweise Art. 889 Abs. 2 ZGB. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass der Gläubiger ein Faustpfand erst bei voller Befriedigung seiner Forderung zurückzugeben hat. Eine Herausgabe im Verhältnis zur Tilgung der Forderung findet nicht statt (sog. Prinzip der Unterteilbarkeit der Pfandhaftung).231 Gleiches muss auch für den Eigentumsvorbehalt und das Retentionsrecht an einer Sache gelten (Art. 85 Abs. 2 OR; Art. 895 ZGB), ansonsten wird der noch nicht vollumfänglich befriedigte Gläubiger durch die Verrechnung schlechtergestellt.232

783

Nach Art.  124 Abs.  2  OR (dispositiv)233 wird der Erlöschenszeitpunkt auf jenen Zeitpunkt zurückbezogen, zu welchem die beiden Forderungen erstmals gegeneinander hätten verrechnet werden können.234 Der Zeitpunkt der Verrechnungserklärung dagegen ist nicht relevant. So entfallen beispielsweise bereits eingetretene Ver-

224 225 226 227 228 229 230 231 232 233 234

250

S. dazu Schwenzer, OR AT, N 78.02. Gauch/Schluep/Schmid, N 65. BGE 4A_82/2009 E. 2. BGE 58 III 21, 25; Schwenzer, OR AT, N 78.06; a.M. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3254. Gl.M. Gauch/Schluep/Schmid, N 2375. BSK OR-Gabriel, Art. 114 N 3. ZK OR-Aepli, Art. 114 N 39; Koller, OR AT, N 62.20. BSK ZGB-Bauer, Art. 889 N 1 und N 5; Koller, OR AT, N 62.20. S. BSK OR-Leu, Art. 85 N 2 f. ZK OR-Aepli, Art. 124 N 132. BGE 4A_17/2013 E. 3.1; 4A_285/2011 E. 3.1; CHK OR-Killias/Wiget, Art. 124 N 14.

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

zugsfolgen nachträglich.235 Bereits erhaltene Verzugszinsen sind alsdann gestützt auf einen vertraglichen Rückforderungsanspruch (zum Liquidationsverhältnis s. N 960 ff.) zurückzuerstatten.236 Der Verrechnende wird durch diese Rückwirkung meist besser gestellt, als wenn er seine Schuld durch Leistung getilgt hätte. In der Praxis wird diese Bestimmung offenbar oft – obwohl meist keine abweichende Vereinbarung der Parteien vorliegt – stillschweigend übergangen.237 Auch nach unserer Meinung ist sie schwer zu rechtfertigen. Gleichwohl sind Abweichungen vom Gesetz begründungsbedürftig. 784 Verrechnungsgegnerin

Verrechnender

Erlöschen der Verrechnungsund Hauptforderung Fälligkeit der Erfüllbarkeit der Hauptforderung Verrechnungsforderung

Verrechnungserklärung t

Abbildung: Wirkung der Verrechnungserklärung

Der Rückwirkungseffekt gilt nicht unbeschränkt. Wenn die Gläubigerin wegen 785 Schuldnerverzugs des Verrechnenden vom Vertrag zurückgetreten ist, kann der Rücktritt durch die Verrechnung nicht mehr rückgängig gemacht werden.238 In diesem Fall darf der Schuldner seine Schuld nicht mehr durch Verrechnung tilgen.

235 236 237 238

BGE 4A_17/2013 E. 3.1; 4A_27/2012 E. 5.4.1. BSK OR-Peter, Art. 124 N 6. S. ZK OR-Aepli, Art. 124 N 143. BGE 119 II 241 E. 6b; ZK OR-Aepli, Art. 124 N 127; von Tuhr/Escher, 207 f.

251

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

VII. Beendigung von Schuldverhältnissen i.w.S. 786

Ein Schuldverhältnis i.w.S. kann auf verschiedene Arten und mit unterschiedlichen Wirkungen aufgelöst werden.

787

Wird ein Schuldverhältnis z.B. mit Wirkung ex tunc beendet, werden die Parteien so gestellt, als wäre der Vertrag nie geschlossen worden. Der Vertrag wird mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses aufgehoben. Wird der Vertrag mit Wirkung ex nunc aufgelöst, greift die Auflösung dagegen «ab jetzt», also nur für die Zukunft.

1. 788

Übereinkunft

Mittels eines Aufhebungsvertrages können die Parteien z.B. vereinbaren, dass ein Vertrag einverständlich ex tunc beendet werden soll (sog. contrarius actus).239 Art. 115 OR wird analog angewendet (s. N 641 und N 726).240 Die Übereinkunft kann auch so ausgestaltet werden, dass der Vertrag ex nunc oder auf einen anderen (zulässigen) Zeitpunkt hin beendet wird.

2.

Rücktritt

789

Das Rücktrittsrecht wird einseitig, nämlich durch eine empfangsbedürftige Gestaltungserklärung, betätigt (z.B. Art. 107 Abs. 2 i.V.m. Art. 109 OR). Seine Ausübung führt dazu, dass das Vertragsverhältnis in ein vertragliches Rückabwicklungsverhältnis (s. N 960 ff.) umgewandelt wird. Daraus entstehen den Parteien neue vertragliche Pflichten. Diese haben vorliegend den Zweck, den Zustand der Verhältnisse vor Vertragsschluss wiederherzustellen. Im Ergebnis kommt der Rücktritt einer Vertragsaufhebung ex tunc gleich.241

790

Ein Rücktrittsrecht ist nicht  – wie das Kündigungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen  – per se gegeben, sondern nur dann, wenn es vertraglich oder gesetzlich vorgesehen ist.242 Die wichtigste Rücktrittsbestimmung ist die Regelung von Art.  107/109  OR für den Fall des Verzugs der Gegenseite (s.  N  948  ff.). Weitere Bestimmungen über ein gesetzliches Rücktrittsrecht finden sich unter anderem in Art. 95, Art. 205 und Art. 214 OR.

791

Haustürgeschäfte und ähnliche Verträge (Art. 40a ff. OR) kann die Kundin innerhalb einer Frist von 14 Tagen formfrei widerrufen (Art. 40e OR). Dabei wird der 239 240 241 242

252

CHK OR-Killias/Wiget, Art. 115 N 1. BGE 95 II 419 E. 2d; Bucher, OR AT, 390. Berger, Schuldrecht, N 1422 ff. Bucher, OR AT, 393.

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

Vertrag ebenfalls ex tunc aufgehoben243 und werden bereits empfangene Leistungen nach herrschender Lehre vindiziert bzw. kondiziert, nach unserem Dafürhalten dagegen vertraglich rückabgewickelt (Art. 40f OR).244 Die Annahme eines vertraglichen Rückabwicklungsverhältnisses beim Widerruf nach Art.  40a  ff.  OR (s. N 268) wie auch bei anderen Entstehungsmängeln (s. N 443, N 583) rechtfertigt sich deshalb, weil dadurch die Rückabwicklung nach vertragsrechtlichen Grundsätzen erfolgen kann. Auf die Normen über die ungerechtfertigte Bereicherung (Art.  62  ff.  OR) muss nicht zurückgegriffen werden. Letztere sind nämlich nicht genuin für vertragliche Verhältnisse geeignet (Privilegierung des Bereicherten: s. Rückerstattungsrecht und dessen Umfang in Art. 64 und Art. 66 OR; s. auch die Verjährung nach Art. 67 OR).245 Die vertragliche Rückabwicklung schliesst sodann die Vindikation nach Art. 641 Abs. 2 ZGB aus: Da durch das vertragliche Rückabwicklungsverhältnis der Inhalt des Vertrages lediglich modifiziert wird, besteht die causa weiterhin; der Eigentumsübergang bleibt wirksam. Damit entfällt auch die anachronistische Privilegierung des Sachleistungsgläubigers bei der Verjährung. Durch die Anwendung vertraglicher Normen lässt sich das zwischen den Parteien entstandene Rechte- und Pflichtenverhältnis nach einheitlichen, aufeinander abgestimmten Grundsätzen auflösen. Die vertragliche Rückabwicklung führt auch nicht zur Legitimation des widerrufenen Vertrages, sondern trägt dem Umstand Rechnung, dass zwischen den Parteien trotz des Widerrufs keine nur ausservertraglich motivierten Ansprüche vorliegen (s. auch N 1821).

3.

Kündigung

3.1

Begriff

Die Kündigung ist eine empfangsbedürftige Gestaltungserklärung, die in der Regel 792 zur Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses mit Wirkung ex nunc führt.246 Voraussetzung dafür ist, dass dem Kündigenden ein entsprechendes Gestaltungsrecht (Kündigungsrecht) zusteht. Ausnahmsweise kommt auch bei Dauerverträgen eine Auflösung mit Wirkung ex tunc infrage. Hat z.B. der Schuldner noch nicht mit der Erfüllung der (Haupt-)Dauerleistung begonnen und ist die Gegenleistung der Gläubigerin eine Geldleistung, erscheint eine Beendigung ex tunc adäquater.247 Die Gegenpartei muss der Kündigung nicht zustimmen. Die Kündigung kann ordentlich, unter Wahrung von bestimmten Terminen, oder ausserordentlich erfolgen 243 244

BSK OR-Koller-Tumler, Art. 40f N 2. Gl.M. Gauch/Schluep/Schmid, N  477a. Dagegen eine ausservertragliche Rückabwicklung befürwortend BGE 137 III 243 E. 4.5; Engel, CO PG, 313; BSK OR-Koller-Tumler, Art. 40f N 2. 245 S. BGE 137 III 243 E. 4.5, der zwar diskutiert, wie die Rückerstattung beim Widerruf erfolgen soll, den Aspekt der Privilegierung jedoch ausser Acht lässt. 246 Bucher, OR AT, 390 f. 247 Gauch, Beendigung, 150 ff.; s. auch Bucher, OR AT, 385.

253

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

(s. N 796 ff.). Im zweiten Fall muss ein wichtiger Grund vorliegen. Eine Kündigung kann ausserdem den ganzen oder nur einen Teil des Vertrages betreffen. Das ist vor allem bei Rahmenverträgen wichtig. 793

Zu viele oder im Voraus erbrachte Sach- und Geldleistungen werden, trotz Wirkung der Vertragsauflösung ex nunc, vertraglich rückabgewickelt. Das ex nunc beendete Vertragsverhältnis wird unseres Erachtens in ein vertragliches Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt, gleich wie beim Rücktritt (s. N 960 ff.). Ansonsten müssten die Parteien die angesichts der Kündigung zu Unrecht noch erbrachten Leistungen mittels Bereicherungsrecht zurückfordern, was einer ungerechtfertigten Schlechterstellung des zahlenden Schuldners im Vergleich zur Beendigung mittels Rücktritt gleichkäme (z.B. bezüglich der Verjährungsfolgen, s. N 962 und N 1814 ff.).

794

Beispielsweise kann ein Leasinggeber (s. N 3720 ff.) beim Leasingnehmer die Herausgabe des Fahrzeugs aufgrund des vertraglichen Rückabwicklungsverhältnisses verlangen; der Franchisegeber (s. N 3874 ff.) hat einen vertraglichen Anspruch auf Herausgabe der zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten oder Produktionseinheiten; der Lieferant hat beim Alleinvertriebsvertrag (s. N 3835 ff.) einen vertraglichen Anspruch auf Herausgabe von Produkten, welche die Händlerin nicht mehr vertreiben darf.

795

Im Allgemeinen Teil des  OR gibt es keine Bestimmungen über die Beendigung von Verträgen durch Kündigung. Immerhin wurde die Kündigung im Besonderen Teil für die Nominatdauerverträge geregelt.248 Beim einfachen Auftrag spricht der Gesetzgeber sowohl von Kündigung wie auch von Widerruf, wobei beide Beendigungsmechanismen die Auflösung des Auftragsverhältnisses bezwecken (Art. 404 Abs. 1 OR). Die korrekte Terminologie hängt von der Ausgestaltung des Auftrages ab. Von Kündigung sollte man nur sprechen, wenn der Auftrag als Dauervertrag ausgestaltet wird. Bei einem einfachen bzw. Einmalschuldverhältnis ist es passender, von einem Beendigungsrecht zu sprechen (s. N 3301). Der Widerruf gehört dagegen eher in den Kontext eines Konsumvertrages (z.B. Art. 40a ff. OR). 3.2

796

Ordentliche Kündigung

Das Recht zur ordentlichen Kündigung kann sich aus Vertrag oder Gesetz ergeben. Jede Vertragspartei kann den Vertrag ohne Angabe von Gründen auflösen. Meistens ist eine bestimmte Frist zu beachten und/oder es darf nur zu bestimmten Terminen gekündigt werden. Wichtige gesetzliche Kündigungs- und Beendigungsbestimmungen finden sich unter anderem in Art. 266a ff. OR (Miete), Art. 335 ff. OR (Arbeitsvertrag), Art.  470  OR (Anweisung) und Art.  545 Abs.  1 Ziff.  6  OR (ein248

254

Anders dagegen der OR 2020-Entwurf, der allgemein anwendbare Regeln zur Kündigung von Dauerverträgen im Allgemeinen Teil des OR vorschlägt (Art. 144–147 OR 2020); dazu ausführlich OR 2020-Hilty/ Purtschert, Vor Art. 144–147 N 3.

§7

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

fache Gesellschaft). Z.B. kann ein unbefristeter Arbeitsvertrag von der Arbeitgeberin nach Ablauf der Probezeit im ersten Dienstjahr mit einer Kündigungsfrist von einem Monat auf Ende des Monats ordentlich gekündigt werden (Art.  335c Abs. 1 OR). Bisweilen schreibt das Gesetz auch vor, dass für die Parteien keine unterschiedlichen Kündigungsfristen vereinbart werden dürfen (s. Art. 335a Abs. 1 OR). Bei Innominatverträgen ist eine den konkreten Verhältnissen angemessene Kündigungsfrist zu bestimmen, wenn eine vertragliche Beendigungsregelung fehlt.249 3.3

Ausserordentliche Kündigung

Bei der ausserordentlichen Kündigung wird ein Vertrag aus wichtigem Grund auf- 797 gelöst. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn einer Vertragspartei nicht mehr zugemutet werden kann, den Vertrag weiterzuführen.250 Die ausserordentliche Kündigung ist in der Regel fristlos möglich. Während das Gesetz an verschiedenen Stellen Bestimmungen über die Möglichkeit einer ausserordentlichen Kündigung enthält (z.B. Art. 337 und 545 Abs. 2 OR), ist diese bei Dauerschuldverhältnissen auch ohne entsprechende Gesetzesbestimmung grundsätzlich anerkannt. Das  OR ist diesbezüglich lückenhaft.251 Eine allgemeine Definition des wichtigen Grundes existiert nicht. Das Gericht beur- 798 teilt im Einzelfall nach seinem Ermessen (Art. 4 ZGB), ob ein solcher vorliegt.252 Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass das Vorliegen eines wichtigen Grundes bejaht wird bei «Gefährdung oder Erschwerung der Erreichung des Vertragszwecks»253 durch eine Vertragspartei oder beim «Wegfall wesentlicher Voraussetzungen persönlicher oder sachlicher Art»254, vor deren Hintergrund der Vertrag geschlossen wurde.255 Die neuere Rechtsprechung bejaht das Vorliegen eines wichtigen Grundes, «wenn das Gebundensein an den Vertrag für die Partei wegen veränderter Umstände ganz allgemein unzumutbar geworden ist, also nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch unter anderen die Persönlichkeit berührenden Gesichtspunkten»256. Als wichtiger Grund steht dabei unter anderem der Persönlichkeitsschutz im Sinne von Art. 27 ZGB im Vordergrund.257 Zudem gelten schwerwiegende Verletzungen des

249 250 251 252 253 254 255 256 257

BGE 107 II 411 E. 7. So BGE 138 III 304 E. 7; 128 III 428 E. 3; eingehend hierzu auch Wolfer, AJP 2014, 622 f. Der OR 2020-Entwurf schlägt darum eine allgemeine Bestimmung zur ausserordentlichen Kündigung im Allgemeinen Teil des OR vor (Art. 145 OR 2020); s. dazu OR 2020-Hilty/Purtschert, Art. 145 N 1 ff. BGE 128 III 428 E. 4. BGE 30 II 453 E. 8. BGE 45 I 335 E. 2; 16 I 769 E. 3. S. Bucher, OR AT, 384; Gauch, Beendigung, 174 ff. BGE 4C.67/2006 E. 2.1. BGE 128 III 428 E. 3c.

255

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Vertrages ebenfalls als wichtiger Grund, welcher das Aufrechterhalten des Vertrages als unzumutbar erscheinen lässt (Kündigung analog zu Art. 97 i.V.m. 109 OR258). 798a

Überdies steht es den Parteien im Rahmen der Vertragsfreiheit offen, selber «wichtige Gründe» zu definieren, welche ihres Erachtens eine ausserordentliche Auflösung rechtfertigen sollen.259 Diese privatautonome Gestaltung hat innerhalb der allgemeinen Schranken des Rechts (z.B. Art.  19/20  OR; Art.  27 ZGB) sowie der zwingende Bestimmungen, welche eine Vertragsauflösung aus wichtigem Grund (abschliessend) regeln (z.B. Art. 337 ff. OR im Arbeitsrecht), zu erfolgen. Das Recht zur ausserordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund darf bei bestehender gesetzlicher Regelung weder vollständig wegbedungen noch vertraglich erschwert werden (z.B. Ausschluss bestimmter Auflösungsgründe, Verlängerung der gesetzlich vorgesehenen Kündigungsfrist). Solche Vereinbarungen können immerhin aber ein Indiz dafür sein, dass die Fortführung des Vertragsverhältnisses für die Parteien diesfalls subjektiv nicht mehr zumutbar ist.260

798b

Macht eine Partei bei Vorliegen eines wichtigen Grundes von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch, wird der Vertrag in der Regel ex nunc aufgelöst. Sofern der wichtige Grund auf das Fehlverhalten einer Partei zurückzuführen ist, hat diese der Gegenseite einen allfälligen Schaden zu ersetzen (Art. 97 Abs. 1 OR).261 Wird eine ausserordentliche Kündigung dagegen ungerechtfertigt, das heisst ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes, ausgesprochen, so ist sie grundsätzlich wirkungslos. Der Vertrag bleibt also bestehen. Art. 337c und Art. 337d OR, die für den Arbeitsvertrag etwas anderes bestimmen, sind nach herrschender Ansicht nicht verallgemeinerbar.262 Unter Umständen kann eine ungerechtfertigte ausserordentliche Kündigung ihrerseits für die andere Vertragspartei einen wichtigen Grund darstellen, um sich vom Vertrag zu lösen.

799

Verträge mit einer Mindestdauer können bis zum Ablauf dieser Frist nur ausserordentlich gekündigt werden.263 Danach sind beide Kündigungsarten möglich (s. z.B. beim Mietverhältnis: Art. 266, Art. 266a und Art. 266g OR; beim Arbeitsvertrag: Art. 334 Abs. 2, Art. 335c Abs. 1 und Art. 337 OR).

258 259 260 261 262

S. BSK OR-Wiegand, Art. 97 N 58. BGE 4A_148/2011 E. 4.3.1. Vetter/Gutzwiller, AJP 2010, 706; Wolfer, AJP 2014, 624. Ausführlich zu den Rechtsfolgen Vetter/Gutzwiller, AJP 2010, 706 ff. m.w.H. BGE 133 III 360 E.  8.3 = Pra 2008 Nr.  6; die Frage mit Bezug auf Vertriebsverträge offenlassend BGE 4A_589/2011 E. 10. S. zum Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung Suter/Vonzun, Jusletter 20. August 2012, N 8 ff. Ferner auch Vetter/Gutzwiller, AJP 2010, 708 ff. mit Hinweisen auf Ausnahmefälle, in denen ein Dauerschuldverhältnis trotz Fehlen eines wichtigen Grundes beendigt wird. Nach dem Forschungsentwurf OR 2020 ist dagegen bei Fehlen eines wichtigen Grundes von einer ordentlichen Kündigung auszugehen (Art. 145 Abs. 2 OR 2020); die (ungerechtfertigte) ausserordentliche Kündigung wird also in eine (wirksame) ordentliche umgedeutet. 263 S. z.B. zum befristeten Darlehen BGE 100 II 345.

256

§7

4.

Beendigung von Schuldverhältnissen (Art. 68–90 und Art. 114–126 OR)

Clausula rebus sic stantibus

Ein Vertragsverhältnis kann bei einer massiven Veränderung des vertraglichen 800 Umfelds unter bestimmten Voraussetzungen beendigt werden (s. N 320 ff.). Gauch sieht in der Kündigung aus wichtigem Grund einen Anwendungsfall der clausula rebus sic stantibus.264 Das Bundesgericht betrachtet die Kündigung aus wichtigem Grund indessen gerade nicht als Anwendungsfall der clausula rebus sic stantibus: Es grenzt die Kündigung aus wichtigem Grund von der clausula rebus sic stantibus darum ab, weil bei Ersterer keine allgemeine Äquivalenzstörung vorliegen muss, sondern lediglich darauf abzustellen ist, ob das Festhalten am Vertrag für eine Partei (wirtschaftlich oder persönlich) unzumutbar ist.265 Unseres Erachtens ist in dieser Frage dem Bundesgericht zu folgen. Die Anpassung an veränderte Vertragsverhältnisse basiert auf einer anderen Zwecksetzung. Dabei fallen insbesondere objektive Kriterien (im Gegensatz zur Kündigung aus wichtigem Grund, bei welcher auch persönliche Gründe beachtet werden), welche nicht voraussehbar und vermeidbar waren, ins Gewicht. Ein Beispiel für einen solchen objektiven Grund als Anwendungsfall einer clausula rebus sic stantibus-Sachlage ist die Zuweisung eines Grundstücks von der Bauzone in die Reservezone. Die Umzonung wurde als gravierende Äquivalenzstörung aufgefasst, die letztlich zu einer Auflösung des Baurechtsvertrages führte.266 Als weiteres Abgrenzungsmerkmal gilt, dass Veränderungen der Verhältnisse, welche durch eine Partei selber verursacht wurden, nicht berücksichtigt werden (s. N 332). Auch das ist bei der Kündigung aus wichtigem Grund anders.

264 265 266

Gauch, Beendigung, 65 f. BGE 128 III 428 E. 3c. BGE 4C.150/2005 E. 5.2; 127 III 300 E. 5b; 122 III 97 E. 3a; s. auch BGE 4A_375/2010 E. 3; 135 III 1 E. 2.4.

257

§ 8 Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR) Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N 1283 ff. und N 1504 ff.; Bucher, OR AT, 318 ff., 327 ff. und 416 ff.; Engel, CO PG, 661 ff. und 781 ff.; Furrer/Müller-Chen, Kap. 18 ff.; Gauch/Schluep/ Emmenegger, N  2482  ff.; Guhl/Koller, §§  31  ff.; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht; Koller,  OR AT, N  44.01  ff.; Kramer/Probst,  OR AT, N  468  ff.; Schwenzer, OR AT, N 14.01 ff. und N 60.01 ff.; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1120 ff., N 1274 ff. und N 1480 ff.; von Tuhr/Escher, 69 ff. und 86 ff.; von Tuhr/Peter, 233 ff.

Weiterführende Literatur Angstmann Luca/von der Crone Hans Caspar, Ersatzvornahme nach Art.  98  OR, SZW 2016, 418–430; Bähler Katja, Das Verhältnis von Sachgewährleistungs- und allgemeinem Leistungsrecht, Diss. Basel 2005; Buol Martina, Beschränkung der Vertragshaftung durch Vereinbarung, Diss. Zürich 1996; Chapuis Oliver, Die Haftung wegen Ausbleibens der Erfüllung im Sinne von Art. 97 Abs. 1 OR: ein Begriff im Wandel?, AJP 2005, 653–665; Ehrat Felix, Der Rücktritt vom Vertrag nach Art. 107 Abs. 2 OR in Verbindung mit Art. 109 OR, Diss. Zürich 1990; Fellmann Walter, Die Ersatzvornahme nach Art. 98 Abs. 1 OR – «Vollstreckungstheorie» oder «Erfüllungstheorie», recht 1993,  109–118 (zit.: Fellmann, recht 1993); Fellmann Walter, Der Verschuldensbegriff im Deliktsrecht, ZSR 1987 I,  339–366 (zit.: Fellmann, ZSR 1987 I); Gauch Peter, Wirkungen des Rücktritts und Verjährung des Rückforderungsanspruchs bei Schuldnerverzug, Urteilsanmerkung Zivilrecht (BGE 114 II 152 ff.), recht 1989, 122–128; Gilliéron Philippe, Les dommages-intérêts contractuels, Habil. Freiburg 2011; Glasl Daniel, Die Rückabwicklung im Obligationenrecht, Diss. Zürich 1992; Glättli Elisabeth, Zum Schadenersatz wegen Nichterfüllung nach Art. 97 Abs. 1 und 107 Abs. 2 OR, Diss. Zürich 1998; Haberbeck Philipp, Anspruch auf ein stellvertretendes Commodum bei verschuldeter Leistungsunmöglichkeit?, Jusletter 7.  August 2017; Hartmann Stephan, Die Rückabwicklung von Schuldverträgen, Habil. Luzern 2005; Hofstetter Josef, Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), SPR Bd. VII/6, Basel/Genf/München 2000; Honsell Heinrich, 100 Jahre Schweizerisches Obligationenrecht, ZSR 2011 II, 5–115; Huguenin Claire, Europäisches Vertragsrecht auf dem Weg vom Konsumentenrecht zum Allgemeinen Vertragsrecht, in: Kellerhals Andreas (Hrsg.), Einführung ins europäische Wirtschaftsrecht, Bd. 45, Zürich 2003, 173–194; Huguenin Claire/Hilty Reto M. (Hrsg.), Schweizer Obligationenrecht 2020, Entwurf für einen neuen allgemeinen Teil, Zürich 2013 (zit.: OR 2020-BearbeiterIn); Kälin Oliver, Entlastung und Exkulpation nach Art. 97 Abs. 1 OR, AJP 2007, 1339–1346; Keller Max/Schöbi Christian, Das schweizerische Schuldrecht, Bd. I, Allgemeine Lehren des Vertragsrechts, 3.  Aufl., Basel/Frankfurt a.M. 1988; Keller Max/Siehr Kurt, Kaufrecht, 3. Aufl., Zürich 1995; Keller Stefan, Die Gefahrtragungsregeln im Obligationenrecht, AJP 2003, 1152–1168; Koller Alfred, Vertragsrücktritt mit positivem Vertragsinteresse?, AJP  2017,  1170–1173

258

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

(zit.: Koller, AJP 2017); Koller Alfred, Gläubigerrechte im Falle eines Leistungsverzichts nach Art. 107 Abs. 2 OR, ZSR 1997 I, 495–507 (zit.: Koller, ZSR 1997 I); Koller Alfred, Die Haftung für den Erfüllungsgehilfen nach OR 101, Diss. Freiburg 1980 (zit.: Koller, Erfüllungsgehilfe); Lüchinger Niklaus, Schadenersatz im Vertragsrecht, Diss. Freiburg 1999; Müller-Chen Markus, Folgen der Vertragsverletzung, Habil. Basel 1999; Pichonnaz Pascal, La compensation, Habil. Freiburg 2001 (zit.: Pichonnaz, Compensation); Pichonnaz Pascal, Impossibilité et exorbitance, Diss. Freiburg 1997 (zit.: Pichonnaz, Impossibilité); Rüetschi David, Zahlbar «30 Tage netto», SJZ 2003,  341–349; Rusch Arnold F., Hilfspersonen, Substitut und Direktanspruch, Jusletter 18. Oktober 2010; Schenker Franz, Die Voraussetzungen und die Folgen des Schuldnerverzugs im schweizerischen Obligationenrecht, Diss. Freiburg 1988; Schulin Hermann, Schuldnerrechte bei vertragswidrigem Verhalten des Gläubigers, insbesondere bei Dienstleistungsobligationen, in: Koller Alfred (Hrsg.), Haftung aus Vertrag, St. Gallen 1998, 75–98; Simmen Robert, Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags (OR 82), Diss. Zürich 1981; Spiro Karl, Die Haftung für Erfüllungsgehilfen, Bern 1984; Stauber Demian, Die Rechtsfolgen des Gläubigerverzugs, Diss. Bern 2009; von Büren Bruno, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Zürich 1964; Weber Rolf H., Vertragsaufhebung bei Leistungsstörungen – Rechtsnatur und Rechtsfolgen, ZBJV 1991,  634–647; Wey Rainer, Das obligatorische Retentionsrecht, Diss. Zürich 2007; Wiegand Wolfgang, Die Leistungsstörungen, Fortsetzung des 2. Teils: Verzug und Schlechterfüllung, recht 1984, 13–22 (zit.: Wiegand, recht 1984); Wiegand Wolfgang, Die Leistungsstörungen, 1. Teil: Die Nichterfüllung, recht 1983, 1–9 (zit.: Wiegand, recht 1983); Wiegand Wolfgang, Die Leistungsstörungen, 2. Teil: Verzug und Schlechterfüllung, recht 1983, 118– 131 (zit.: Wiegand, recht 1983).

I.

Überblick

Während in den §§ 4, 5 und 6 Mängel im Zusammenhang mit der Vertragsentste- 801 hung dargestellt wurden (Entstehungsmängel), befasst sich dieses Kapitel mit der mangelhaften Erfüllung eines Vertrages (Erfüllungsmängel). Statt von einem Erfüllungsmangel ist oft auch von einer Leistungsstörung die Rede. 802 Eine solche liegt vor, wenn die Schuldnerin die Leistung nicht, nicht zur richtigen Zeit oder sonst nicht vereinbarungsgemäss erbringt (Art. 97–109 und Art. 119 OR). Man spricht in diesen Fällen auch von Nichterfüllung (Unmöglichkeit, keine Leistung), Verzug (verspätete Leistung) und nicht gehöriger Erfüllung (sog. positive Vertragsverletzung). In einem weiteren Sinn zu den Leistungsstörungen gehört auch die Weige- 803 rung des Gläubigers, eine gehörig angebotene Leistung zu akzeptieren oder eine andere notwendige Mitwirkungshandlung vorzunehmen (sog. Gläubigerverzug; Art. 91–95 OR). Die Leistungsstörungen sind im  OR nicht einheitlich geregelt: Anstelle eines für 804 Erfüllungsmängel harmonisierten Tatbestands, der als «Nichterfüllung vertragli-

259

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

cher Pflichten» definiert werden könnte, gibt es nach der Systematik des Gesetzes verschiedene Arten von Leistungsstörungen, die je unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehen. Dies führt leider viel zu oft zu Zuordnungsschwierigkeiten und Inkonsistenzen. 805

Art. 97–109 OR finden grundsätzlich auf alle Obligationen, die auf rechtsgeschäftlichen Bindungen beruhen (s.  N  21  ff.), Anwendung. Der sachliche Geltungsbereich einzelner Bestimmungen ist allerdings bisweilen eingegrenzt: So gelten Art. 98 Abs. 2 und Abs. 3 OR nur für Unterlassungspflichten, Art. 104–106 OR nur für Geldschulden und Art. 107–109 OR nur für vollkommen zweiseitige Verträge (s. N 53).

806

Störungsart

Charakteristik

anwendbare Norm

Leistungsunmöglichkeit (anfänglich subjektiv sowie nachträglich)

Die Schuldnerin erfüllt nicht, weil die Leistung nicht möglich ist.

Art. 97 Abs. 1, Art. 119 OR

positive Vertragsverletzung

Die Schuldnerin erfüllt zwar, aber sie erfüllt schlecht oder verletzt eine Nebenpflicht.

Art. 97 Abs. 1 OR

Schuldnerverzug

Die Schuldnerin erfüllt nicht, obwohl die Leistung möglich wäre.

Art. 102 ff. OR

Gläubigerverzug

Der Gläubiger akzeptiert die gehörig angebotene Leistung nicht oder nimmt eine von ihm erwartete Mitwirkungshandlung nicht vor.

Art. 91 ff. OR

Abbildung: Übersicht über die einzelnen Arten der Leistungsstörung 807

Im Unterschied zum  OR differenziert das Wiener Kaufrecht (CISG)1 nicht zwischen den einzelnen Leistungsstörungsarten, sondern geht von einem einheitlichen Tatbestand der Vertragsverletzung aus (breach of contract; s. N 2791 ff.). Alsdann folgt eine Zweiteilung in wesentliche und nicht wesentliche Vertragsverletzungen. Der markanteste Unterschied zwischen diesen beiden Kategorien bildet das dem Gläubiger gewährte Recht, den Vertrag aufzuheben, wenn die Schuldnerin diesen wesentlich verletzt hat.

1

Das Wiener Kaufrecht (Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11. April 1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf; SR 0.221.211.1) kommt bei Kaufverträgen mit Auslandbezug anstelle des OR zur Anwendung, sofern der Vertrag in dessen Anwendungsbereich (Art. 1 ff. CISG) fällt und es nicht vertraglich ausgeschlossen wurde (Art. 6 CISG); zum Ganzen s. N 2710 ff.

260

§8

II.

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

Erfüllungsanspruch (specific performance)

Schuldrechtsordnungen unterscheiden sich unter anderem dadurch, ob sie dem 808 Gläubiger für den Fall, dass die Schuldnerin die Leistung nicht erbringt, weiterhin einen Anspruch auf die vereinbarte Leistung (specific performance) einräumen oder aber den Anspruch auf Erfüllung in natura sogleich durch einen Schadenersatzanspruch (Sekundärleistung) substituieren. Der Anspruch des Gläubigers auf specific performance trotz Leistungsstörung wird 809 im OR nicht ausdrücklich genannt. Der Gesetzgeber geht aber implizit davon aus, dass dem Gläubiger, auch wenn die Schuldnerin vorerst nicht erfüllt, primär ein Anspruch auf Erfüllung zusteht, was beispielsweise aus Art. 97 Abs. 2, Art. 98 Abs. 1 und Art. 107 Abs. 2 OR hervorgeht (s. etwa die letztgenannte Bestimmung, wonach der Gläubiger «immer noch» auf Erfüllung klagen kann).2 Der Vertragsgläubiger hat einen Erfüllungsanspruch gegen die Schuldnerin, sobald 810 die Forderung fällig ist (s. N 917 f.). Daran ändert sich mit dem Eintritt einer Leistungsstörung grundsätzlich nichts. Vorausgesetzt, dass die Leistung (noch) möglich ist, kann der Gläubiger weiterhin Erfüllung verlangen (s. z.B. Art. 107 Abs. 2 OR). Für die fortgesetzte Geltendmachung des Erfüllungsanspruchs spielt es auch keine Rolle, ob die Schuldnerin ein Verschulden trifft.3 Umgekehrt kann die Schuldnerin in der Regel nicht auf die Erfüllung von Mitwir- 811 kungshandlungen durch den Gläubiger klagen. Allerdings verschlechtert sich die Rechtsstellung des Gläubigers, wenn er seinen Obliegenheiten nicht nachkommt (s. N 968 und N 982 ff.). Der Gläubiger kann, sofern er sich mit der Schuldnerin nicht auf eine Lösung des 812 Störungsfalls einigt, auf dem Weg des Zivilprozesses oder allenfalls eines Schiedsprozesses ein Leistungsurteil erstreiten, welches er bei seinem Obsiegen auch gegen den Willen der Schuldnerin durch die staatlichen Organe vollstrecken lassen kann. Die Vollstreckung von Geldforderungen richtet sich gemäss (dem allerdings nur deklaratorischen) Art. 97 Abs. 2 OR nach den Regeln des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts4 (Art. 38 Abs. 1 SchKG), diejenige von Nichtgeldleistungen nach der Zivilprozessordnung5 (Art. 335 ff., 347 ff. ZPO).6 Art. 98 Abs. 1 OR erlaubt dem Gläubiger die Durchsetzung seines Erfüllungsanspruchs auf dem Weg der Ersatzvornahme. Das Bundesgericht und die mehrheitliche Lehre gehen davon aus, dass 2

Von Tuhr/Escher, 87 f. Anschaulich ist in diesem Zusammenhang die Regelung des Erfüllungsanspruchs im OR 2020-Entwurf (Art. 118 Abs. 1 lit. b bzw. Art. 124 Abs. 1 OR 2020); dazu ausführlich OR 2020-Müller-Chen, Art. 124 N 1 ff. 3 Engel, CO PG, 697. 4 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SR 281.1). 5 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung; SR 272). 6 Ausführlich zur zwangsweisen Durchsetzung des Erfüllungsanspruchs Koller, OR AT, N 44.02 ff.

261

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

es sich dabei um ein Mittel der Zwangsvollstreckung (Vollstreckungstheorie) und nicht um einen materiell-rechtlichen Anspruch (Erfüllungstheorie) handelt, sodass zur Ersatzvornahme ein vorhergehendes bzw. begleitendes Leistungsurteil zwingend erforderlich ist.7 Im Gegensatz zu Art.  366 Abs.  2  OR (s.  dazu N  3152  ff.) gewährt Art. 98 Abs. 1 OR also keinen unmittelbaren Anspruch auf Ersatzvornahme.8 Bei Verletzung einer Unterlassungspflicht hat der Gläubiger Anspruch auf Beseitigung des rechtswidrigen Zustands (Art. 98 Abs. 3 OR) und Schadenersatz (Art. 98 Abs. 2 OR). 813

814

815

Wird der Erfüllungsanspruch (Primäranspruch) nicht vereinbarungsgemäss befriedigt, kann der Gläubiger bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen kumulativ einen Schadenersatzanspruch geltend machen. Ist die Leistung unmöglich geworden oder kann dem Gläubiger nicht länger zugemutet werden, auf die noch nicht erbrachte Leistung zu warten, tritt grundsätzlich der Schadenersatzanspruch (Sekundäranspruch) an die Stelle des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs.9 Bei nicht rechtzeitiger oder mangelhafter Erfüllung kann der Gläubiger auch nach der Erfüllung noch Schadenersatz verlangen, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.

III.

Leistungsunmöglichkeit (Art. 97 Abs. 1 und Art. 119 OR)

1.

Begriff und Arten

Unmöglichkeit liegt vor, wenn eine geschuldete Leistung dauerhaft nicht oder nicht mehr erbracht werden kann. Statt von Unmöglichkeit wird bisweilen auch von Nichterfüllung gesprochen.

7 BGE 142 III 321 E. 4 f.; Angstmann/von der Crone, SZW 2016, 424 und 430; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2514 f.; von Tuhr/Escher, 90; BK OR-Weber, Art. 98 N 47; a.M. (Erfüllungstheorie) Fellmann, recht 1993, 116 ff.; Koller, OR AT, N 44.26 ff. Ausführlich zur Ersatzvornahme nach Art. 98 OR und möglichen Alternativen Angstmann/von der Crone, SZW 2016, 418 ff. 8 S. BGE 142 III 321 E. 4.4.2. 9 Bucher, OR AT, 328; s. BGE 117 II 273 E. 4c.

262

§8

1.1

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

Tatsächliche und rechtliche Unmöglichkeit

Die Unmöglichkeit kann tatsächlicher (z.B.: die verkaufte Keramikvase zerbricht 815a vor der Übergabe) oder rechtlicher Natur (z.B.: das behördlich verfügte Ausfuhrverbot verhindert die vertragsgemässe Lieferung einer Kondensierungsanlage10) sein. 1.2

Objektive und subjektive Unmöglichkeit

Objektive Unmöglichkeit liegt vor, wenn die Leistung von niemandem mehr 816 erbracht werden kann (z.B.: eine bestimmte geschuldete Sache ist zerstört worden). Bei der subjektiven Unmöglichkeit ist nur die betreffende Schuldnerin nicht mehr 817 in der Lage, die geschuldete Leistung zu erbringen; ein anderer könnte noch leisten (z.B.: dem Chauffeur wird der Führerausweis entzogen; andere Fahrer haben ihn noch). Da die Rechtsfolgen zum Teil unterschiedlich sind, ist die Abgrenzung der objek- 818 tiven von der subjektiven Unmöglichkeit wichtig. Dabei ist die Einordnung gewisser Fallgruppen nicht so einfach und auch kontrovers: Höchstpersönliche Leistungspflichten, die nicht (mehr) erfüllt werden können (z.B.: der zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtete Bildhauer erkrankt an Rheuma), sind als objektiv unmöglich zu qualifizieren.11 Wird die verkaufte Speziessache vor der Übergabe gestohlen, liegt nach herrschender Lehre nur subjektive Unmöglichkeit vor, da der Dieb die Leistungspflicht (theoretisch) erfüllen könnte.12 Bei Gattungsschulden ist objektive Unmöglichkeit ausgeschlossen, da der Vorrat grundsätzlich unerschöpflich ist (genus perire non potest); subjektive Unmöglichkeit ist demgegenüber denkbar. Bei einer sog. begrenzten Gattungsschuld (z.B.: eine Uhr aus einer limitierten Auflage von 1000 Stück) kann hingegen objektive Unmöglichkeit vorliegen, wenn die gesamte Gattung untergeht (zum relativen Gattungsbegriff s. N 676 und N 2379 f.).13 1.3

Anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit

Bei der anfänglichen (oder ursprünglichen) Unmöglichkeit kann die Leistung 819 bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht (mehr) erbracht werden. Hingegen tritt die nachträgliche Unmöglichkeit erst nach Vertragsschluss ein.

10 BGE 111 II 352; s. auch BGE 4C.130/2002 E. 5.2; 4C.43/2000 E. 2e. 11 CR CO-Thévenoz, Art. 97 N 13. 12 So der deutsche Bundesgerichtshof in BGHZ 8, 222 ff. und 231; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2570; CR CO-Thévenoz, Art.  97 N  12 mit abweichender Begründung; a.M. Bucher,  OR AT, 248; BK  ORWeber, Art. 97 N 132. 13 BSK OR-Wiegand, Art. 97 N 20.

263

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

2.

Abgrenzungen

2.1

Zum Schuldnerverzug (Art. 102 ff. OR)

820

Die Unmöglichkeit ist insbesondere vom Schuldnerverzug abzugrenzen. In beiden Fällen leistet die Schuldnerin nicht. Im ersten Fall ist die Leistung dauerhaft nicht (mehr) möglich, im zweiten hingegen schon.

821

Ist die Leistung nur vorübergehend unmöglich (z.B.: der Heizungsinstallateur hat das Bein gebrochen), kommen die Verzugsregeln (Art. 102 ff. OR) zur Anwendung.14

822

Geldmangel stellt nie einen Fall der Unmöglichkeit dar; diese Gattung geht nicht unter. Im Privatrecht gilt der Grundsatz «Geld muss man haben».15 Der Gläubiger einer Geldschuld kann demzufolge ebenfalls nach den Verzugsregeln vorgehen.

823

Nach Ablauf des Erfüllungszeitpunkts liegt beim absoluten Fixgeschäft (s. N 710) objektive Unmöglichkeit vor. Auf das relative Fixgeschäft (s. N 710) finden die Verzugsregeln Anwendung (s. dazu auch N 925).

824

Ein Teil der Lehre will auf die Fälle der subjektiven Unmöglichkeit die Regeln des Schuldnerverzugs anstelle derjenigen der Leistungsunmöglichkeit anwenden (s. dazu N 841 f.). 2.2

825

Ist die Leistung für die Schuldnerin bloss unerschwinglich geworden (z.B. infolge gestiegener Preise), liegt grundsätzlich keine Unmöglichkeit vor. Die Schuldnerin hat das Preisrisiko zu tragen. Unter bestimmten Voraussetzungen darf sie aber ausnahmsweise eine Vertragsanpassung (clausula rebus sic stantibus; s. N 320 ff.) vornehmen lassen. In extremen Fällen kann gleichwohl die Grenze des Zumutbaren überschritten sein (Lehrbuchbeispiel: der geschuldete Ring ist im Meer versunken und könnte nur unter unverhältnismässigen Kosten wieder geborgen werden). Alsdann ist Unmöglichkeit anzunehmen und der Vertrag fällt dahin.16

3. 826

Zur clausula rebus sic stantibus

Rechtsfolgen

Die einzelnen Arten der Unmöglichkeit ziehen unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich. Es gilt daher zu unterscheiden, ob es sich um eine anfängliche oder nach14 15 16

264

BK  OR-Weber, Art.  97 N  131 m.w.H.; zu möglichen Ausnahmen s. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2564. Keller/Schöbi, 247; von Büren, 391 f. Schwenzer, OR AT, N 63.06; von Tuhr/Escher, 95 f.; a.M. CHK OR-Furrer/Wey, Art. 97–98 N 33; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2565.

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

trägliche, objektive oder subjektive bzw. zu vertretende oder nicht zu vertretende Unmöglichkeit handelt: 3.1

Anfängliche objektive Unmöglichkeit

Bei der anfänglichen objektiven Unmöglichkeit ist der Vertrag gemäss Bundesge- 827 richt und herrschender Lehre nichtig (Art. 20 Abs. 1 OR; s. N 426 ff.).17 Allenfalls kann ein Schadenersatzanspruch aus culpa in contrahendo bestehen, wenn beispielsweise die Schuldnerin über die (potenzielle) Nichtigkeit des Vertrages Bescheid weiss oder wissen sollte, dies aber gegenüber dem Gläubiger, der auf die Gültigkeit vertraut, verschweigt.18 Die in Art. 20 OR vorgesehene Rechtsfolge ist insofern unbefriedigend, als es häu- 828 fig vom Zufall abhängt, ob die Unmöglichkeit gerade noch vor oder erst nach dem Vertragsschluss eintritt. Weiter ist nicht ersichtlich, weshalb die anfängliche objektive Unmöglichkeit andere Rechtsfolgen nach sich ziehen soll als die nachträgliche objektive Unmöglichkeit. Die Ungültigkeitsfolge nach Art.  20 Abs.  1  OR ist deshalb nach der hier vertre- 829 tenen Ansicht auf diejenigen Fälle der anfänglichen objektiven Unmöglichkeit zu beschränken, in denen gegen Werte verstossen wird, die der Vertragsfreiheit gleichoder übergeordnet sind, und die daher als rechts- bzw. sittenwidrig im Sinne von Art. 20 Abs. 1 OR zu betrachten sind. Ungültig sind etwa Verträge, die gegen eine sog. kodifikatorische Eigengesetzlichkeit verstossen (z.B.: ein Vertrag räumt ein dingliches Recht ein, welches das Sachenrecht so nicht kennt bzw. zulässt [Verstoss gegen das sachenrechtliche Prinzip der Typengebundenheit]). Die Unmöglichkeit betrifft alsdann nicht den Inhalt des Vertrages, sondern die Befugnis der Parteien, einen Vertrag mit einem bestimmten Inhalt zu vereinbaren (sog. «Normsetzungsbefugnis» der Parteien; s. auch N 430).19 Beschlägt die anfängliche objektive Unmöglichkeit dagegen den Vertragsinhalt 830 (z.B.: der Vogelzüchter verkauft dem Ornithologen einen – ausgestorbenen – Riesenalk), treten nach der hier vertretenen Ansicht dieselben Rechtsfolgen ein wie bei der nachträglichen Unmöglichkeit (s. N 833 ff.). Sofern die Vereinbarung einer – von Anfang an  – nicht erbringbaren Leistung keine der Privatautonomie gleichoder übergeordneten Interessen tangiert, besteht «von aussen» kein schutzwürdiges Interesse daran, dem Vertrag die Gültigkeit zu versagen.

17 S. BGE 129 III 209 E. 2.2; 97 II 108 E. 4; statt vieler Gauch/Schluep/Schmid, N 681; von Tuhr/Peter, 225. 18 BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 59; BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 404 f. 19 Ausführlich BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 48 ff.; zum Ganzen BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 236 ff.

265

1. Kapitel

3.2

Allgemeine Vertragslehre

Anfängliche subjektive Unmöglichkeit

831

Im Fall einer anfänglichen subjektiven Unmöglichkeit ist der Vertrag gültig. Die Rechtsfolgen bestimmen sich grundsätzlich nach Art. 97 Abs. 1 OR oder Art. 119 Abs. 1 OR: Art. 97 Abs. 1 OR kommt zur Anwendung, wenn die Schuldnerin die anfängliche subjektive Unmöglichkeit zu verantworten hat. Trifft dies nicht zu, richten sich die Rechtsfolgen nach Art.  119  OR (zu den Rechtsfolgen s. sogleich N 834 ff.).

832

In den meisten Fällen wird der Schuldnerin bei der anfänglichen subjektiven Unmöglichkeit der Exkulpationsbeweis (s. N 836) nicht gelingen. In der Regel ist für sie bei Vertragsschluss nämlich ohne Weiteres erkennbar, dass sie die Leistung nicht wird erbringen können; alsdann muss sie sich ein Verschulden anrechnen lassen (sog. Übernahmeverschulden).20 So kommt Art. 97 Abs. 1 OR zur Anwendung, wenn die Schuldnerin eine verkaufte Sache, die ihr im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht gehört, nicht beschaffen kann. Art. 119 OR kommt in diesen Fällen nur ausnahmsweise zum Zug: Schwenzer nennt etwa das Beispiel, dass der Verkäuferin der (ordentlich verwahrte) Kaufgegenstand ohne ihr Wissen kurz vor Vertragsschluss gestohlen wurde.21 3.3

833

Nachträgliche objektive und nachträgliche subjektive Unmöglichkeit

Die herrschende Lehre behandelt die nachträgliche objektive und die nachträgliche subjektive Unmöglichkeit hinsichtlich der Rechtsfolgen gleich. In beiden Fällen spielt es eine entscheidende Rolle, ob die Schuldnerin die Unmöglichkeit zu vertreten hat oder nicht: Hat die Schuldnerin für den zur Unmöglichkeit führenden Umstand einzustehen, haftet sie nach Art. 97 Abs. 1 OR. Ist dies nicht der Fall, kommt Art. 119 OR zur Anwendung (dagegen die neuere Lehre s. N 841 f.).22 Erhält die Schuldnerin infolge der Unmöglichkeit eine Ersatzleistung von einem Dritten (z.B. eine Versicherungs- oder Schadenersatzleistung, den Kaufpreis aus einem Doppelverkauf23), kann der Gläubiger diese Ersatzleistung (sog. stellvertretendes commodum) herausverlangen. Keine Rolle spielt dabei, ob die Schuldnerin die Unmöglichkeit zu vertreten hat oder nicht.24

20

S. BGE 117 II 71 E. 4 = Pra 1991 Nr. 164; 111 II 352 E. 2a; s. ferner BGE 4C.53/2000 E. 4a; 124 III 155 E. 3b; Kälin, AJP 2007, 1343. 21 Schwenzer, OR AT, N 64.08. 22 So auch Engel, CO PG, 706; Furrer/Müller-Chen, Kap. 18 N 56 ff.; BK OR-Weber, Art. 97 N 124; BSK OR-Wiegand, Art. 97 N 12 f. Zur nachträglichen subjektiven Leistungsmöglichkeit s. BGE 135 III 212 E. 3; s. ferner BGE 4A_189/2012 E. 5.2. 23 Bucher, OR AT, 426 FN 37. 24 CHK OR-Killias/Wiget, Art. 119 N 27; CR CO-Thévenoz, Art. 97 N 61; differenzierend Haberbeck, Jusletter 7. August 2017, N 37 ff.

266

§8

a.

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

Von der Schuldnerin zu vertretende Unmöglichkeit (Art. 97 Abs. 1 OR)

Hat die Schuldnerin den zur Unmöglichkeit führenden Umstand zu vertreten, 834 bestimmen sich die Rechtsfolgen nach Art.  97 Abs.  1  OR: An die Stelle des Primärleistungsanspruchs tritt der Schadenersatzanspruch. In der Tatsache, dass die Schuldnerin die Unmöglichkeit zu vertreten hat, liegt zugleich das Verschulden im Sinne von Art. 97 Abs. 1 OR (für die übrigen Voraussetzungen von Art. 97 Abs. 1 OR und die daraus resultierenden Rechtsfolgen, insbesondere auch im Hinblick auf eine allfällige Gegenleistung des Gläubigers, s. N 857 ff. und N 901 ff.). Anstelle von Schadenersatz kann der Gläubiger bei nachträglich zu vertretender Unmöglichkeit auch Rücktritt vom Vertrag verlangen (Art.  107 Abs.  2 und Art.  109  OR analog; s. dazu N 903a ff.). Im Ausnahmefall kann die Unmöglichkeit einer Leistung sowohl von der Schuldne- 835 rin als auch vom Gläubiger zu vertreten sein. Die Schuldnerin behält alsdann ihren Anspruch auf die Gegenleistung; dieser wird allerdings mit dem Schadenersatzanspruch des Gläubigers aus Art. 97 Abs. 1 OR verrechnet. Dabei ist Letzterer wegen Selbstverschuldens des Gläubigers nach Art. 44 Abs. 1 OR (s. N 1889) angemessen zu kürzen, sodass im Ergebnis die Parteien den Schaden entsprechend ihrem Verschuldensanteil zu tragen haben.25 b.

Von der Schuldnerin nicht zu vertretende Unmöglichkeit (Art. 119 OR)

Kann die Schuldnerin beweisen, dass sie die Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat, 836 kommt Art. 119 Abs. 1 OR zur Anwendung: Die Schuldnerin wird alsdann frei.26 Dabei geht die Forderung des Gläubigers mitsamt den Nebenrechten unter (Art. 114 Abs. 1 OR). Weil der Gläubiger das Risiko trägt, den Anspruch auf die Leistung zu verlieren, trifft ihn die sog. Leistungsgefahr. Bei synallagmatischen Verträgen verliert die Schuldnerin die noch nicht erfüllte 837 Gegenforderung (Art. 119 Abs. 2 OR). Sie trägt also die sog. Gegenleistungsgefahr (auch Preisgefahr genannt). Die bereits empfangene Gegenleistung hat die Schuldnerin nach Art. 119 Abs. 2 OR zurückzugeben. Entgegen dem Wortlaut der Bestimmung richtet sich der Rückforderungsanspruch nach herrschender Lehre nicht nach Bereicherungsrecht, sondern nach vertragsrechtlichen Regeln. An den Erfüllungsmangel der nachträglichen Unmöglichkeit knüpft sich – wie beim Rücktritt infolge Schuldnerverzugs (Art. 107 Abs. 2 und Art. 109 OR; s. N 960 ff.) – die Entstehung eines vertraglichen Rückabwicklungs- oder Liquidationsverhältnisses an.27

25 BGE 114 II 274 E. 4; s. auch BGE 122 III 66 E. 3b. 26 S. Pichonnaz, Impossibilité, N 931 ff. 27 Befürwortend: Furrer/Müller-Chen, Kap. 18 N  68; Gauch/Schluep/Emmenegger, N  2543  ff.; CHK OR-Killias/Wiget, Art. 119 N 19; Schwenzer, OR AT, N 64.16; CR CO-Thévenoz, Art. 119 N 25 f.; BSK OR-Wiegand, Art. 119 N 18; tendenziell in diesem Sinn wohl auch BGE 137 III 243 E. 4.4.7.

267

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

838

Als Ausnahme von diesem Mechanismus des gegenseitigen Freiwerdens bestimmt Art. 119 Abs. 3 OR, dass die Gegenleistungspflicht nicht entfällt, wenn die Gefahr eines zufälligen Untergangs der Leistung durch Vereinbarung oder Gesetz schon vor der Erfüllung auf die andere Partei übergegangen ist. Namentlich im Kaufrecht sieht das Gesetz eine solche Ausnahme vor: Grundsätzlich trägt der Käufer die Preisgefahr. Gemäss Art. 185 Abs. 1 OR geht diese bereits mit Vertragsschluss auf den Käufer über. Der Käufer muss den Kaufpreis selbst dann bezahlen, wenn die Sache in der Zeit zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft durch Zufall untergegangen ist (periculum est emptoris; s. N 2473 ff.).

839

Der Gläubiger bleibt auch zur Gegenleistung verpflichtet, wenn er von der Schuldnerin für die unverschuldeterweise unmöglich gewordene Leistung ein stellvertretendes commodum (s. dazu N 833) erhält. Die Rechtsfolgen von Art. 119 OR gelangen alsdann nicht zur Anwendung.28

840

Anders ist die Rechtslage, wenn die Unmöglichkeit der schuldnerischen Leistung vom Gläubiger zu vertreten ist, ohne dass die Schuldnerin ein Verschulden trifft. Auf diesen Spezialfall passen weder die Vorschriften von Art. 97 Abs. 1 OR noch diejenigen von Art. 119 OR. Nach Bundesgericht und herrschender Lehre ist die Schuldnerin diesfalls so zu stellen, wie wenn sie bereits erfüllt hätte: Sie wird von ihrer Leistungspflicht befreit, behält aber den Anspruch auf Gegenleistung.29

4.

Subjektive Unmöglichkeit als Fall des Verzugs?

841

Zum Teil versteht die neuere Doktrin die anfängliche bzw. nachträgliche subjektive Unmöglichkeit nicht als Fall der Leistungsunmöglichkeit, sondern des Schuldnerverzugs (Art. 102 ff. OR).30 Begründet wird dies in erster Linie damit, dass die Regeln über den Schuldnerverzug, insbesondere die vorgesehenen Wahlmöglichkeiten, für den Gläubiger vorteilhafter seien. Für diese Sichtweise spricht auch, dass dank ihr auf die oftmals schwierige Abgrenzung zwischen dauerhafter und nur vorübergehender subjektiver Unmöglichkeit verzichtet werden kann.

842

Unserer Ansicht nach ist die subjektive Unmöglichkeit mit der älteren Lehre nach Art.  97 Abs.  1 bzw. Art.  119  OR zu behandeln. Eine Anwendung der VerzugsreAblehnend: Engel, CO PG, 782 f.; Guhl/Koller, § 32 N 34; Hartmann, N 868 ff. und N 916, wonach der Verweis des Art. 119 Abs. 2 OR auf das Bereicherungsrecht grundsätzlich zu beachten ist. 28 BSK OR-Wiegand, Art. 119 N 15. 29 BGE 122 III 66 E.  3b; 114 II 274 E.  4; Gauch/Schluep/Emmenegger, N  2591  f.; unter Hinweis auf Art. 324 OR: Engel, CO PG, 783 f.; Schwenzer, OR AT, N 64.29. A.M. Bucher, OR AT, 299. 30 So Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2575 ff.; ZK OR-Schönle, Art. 184 N 169 und N 176; Tercier/ Pichonnaz, CO PG, N 1492; CR CO-Thévenoz, Art. 97 N 11; von Büren, 365 und 390. Bejahend für die nachträgliche subjektive Unmöglichkeit ZK OR-Aepli, Art. 119 N 49. Das Bundesgericht hat bislang nicht ausdrücklich Stellung zu diesem Lehrstreit bezogen; BGE 82 II 332 E. 5 folgt selbstredend noch der älteren Lehre.

268

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

geln bringt dem Gläubiger im Ergebnis nämlich kaum Vorteile: Ein Festhalten an der Leistung im Rahmen des ersten Wahlrechts (s. N 955 f.) macht keinen Sinn, da die Leistung unmöglich ist. Das zweite Wahlrecht (s. N 958 ff.) kann der Gläubiger gemäss neuerer Rechtsprechung und mehrheitlicher Lehre auch im Rahmen von Art. 97 Abs. 1 OR ausüben, da ihm in diesem Kontext der Vertragsrücktritt gestattet wird (s. dazu N 903a ff.). Hinzu kommt, dass die Verzugsfolgen auf vollkommen zweiseitige Verträge zugeschnitten sind. Eine subjektive Unmöglichkeit bei einem unvollkommen zweiseitigen Vertrag dagegen kann via Art. 102 ff. OR nicht angemessen bewältigt werden. Weber kritisiert überdies, dass der Gläubiger im Falle der subjektiven Unmöglichkeit  – würde sie dem Verzug untergeordnet  – anders vorzugehen hätte als bei einer positiven Vertragsverletzung.31

5.

Übersichten 843 Unmöglichkeit

anfänglich

objektiv

nachträglich

subjektiv

objektiv

von der Schuldnerin verschuldet Art. 20 OR

subjektiv

von der Schuldnerin unverschuldet

Art. 97 OR

Art. 119 OR

(Reduktion nach Art. 44 Abs. 1 OR, wenn Unmöglichkeit vom Gläubiger mitverschuldet)

(Schuldnerin behält Gegenleistungsanspruch, wenn Unmöglichkeit vom Gläubiger verschuldet)

Abbildung: Übersicht über die Rechtsfolgen der Leistungsunmöglichkeit nach älterer Lehre

31

BK OR-Weber, Art. 97 N 124.

269

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

844 Unmöglichkeit

anfänglich

objektiv

nachträglich

subjektiv

objektiv

von der Schuldnerin verschuldet Art. 20 OR

Art. 102 ff. OR

subjektiv

von der Schuldnerin unverschuldet

Art. 97 OR

Art. 119 OR

(Reduktion nach Art. 44 Abs. 1 OR, wenn Unmöglichkeit vom Gläubiger mitverschuldet)

(Schuldnerin behält Gegenleistungsanspruch, wenn Unmöglichkeit vom Gläubiger verschuldet)

Art. 102 ff. OR

Abbildung: Übersicht über die Rechtsfolgen der Leistungsunmöglichkeit nach neuerer Lehre

6. 845

Teilunmöglichkeit

Ist bloss ein Teil der Leistung unmöglich geworden, erstrecken sich die Rechtsfolgen der Unmöglichkeit nicht automatisch auf den ganzen Vertrag.32 Ist die Leistung teilbar und haben die Parteien für diesen Fall keine Vereinbarung getroffen, ist analog zu Art. 20 Abs. 2 OR (s. N 434 ff.) nach dem hypothetischen Parteiwillen zu entscheiden: Hätten die Parteien den Vertrag auch mit dem Restinhalt abgeschlossen, ist die Forderung nur teilweise erloschen bzw. entsteht ein Schadenersatzanspruch nur für den unmöglich gewordenen Teil der Forderung.

32 S. BGE 107 II 144 E. 3.

270

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

IV.

Positive Vertragsverletzung (Art. 97 Abs. 1 OR)

1.

Begriff

Unter positiver Vertragsverletzung versteht die herrschende Lehre die Schlechter- 846 füllung und die Verletzung vertraglicher Nebenpflichten. Beide Fallgruppen werden vom Wortlaut von Art. 97 Abs. 1 OR nicht erfasst. Es besteht jedoch weitgehende Einigkeit darüber, dass diese Bestimmung teleologisch weit auszulegen ist. Art.  97 Abs.  1  OR ist demnach wie folgt zu verstehen: «Kann die Erfüllung  […] nicht bewirkt werden [= Unmöglichkeit] oder ist sie nicht gehörig bewirkt worden [= positive Vertragsverletzung], so hat die Schuldnerin […] Ersatz zu leisten»33.

2.

Arten

2.1

Schlechterfüllung

Schlechterfüllung liegt vor, wenn die Schuldnerin eine Hauptleistung (s. N 98) zwar erbringt, aber nicht in der vertraglich vereinbarten Qualität (beispielsweise liefert die Verkäuferin ein Motorrad, das aufgrund technischer Mängel nicht fährt, oder der Arzt behandelt seinen Patienten nicht mit der notwendigen Sorgfalt).

847

Bei Verträgen über Sach- und Werkleistungen (z.B. Kauf-, Werk- oder Mietvertrag) 848 verpflichtet sich die Schuldnerin regelmässig, einen bestimmten «Erfolg» zu erzielen. Bleibt dieser aus, ist die Leistung mangelhaft. Bei Arbeits- und Dienstleistungsverträgen hingegen ist kein Erfolg geschuldet, sondern «nur» ein sorgfältiges Tätigwerden der Schuldnerin (s. Art. 398 Abs. 2 OR zum Auftrag). Schlechterfüllung liegt bei diesen Verträgen vor, wenn die geschuldete Leistung nicht mit der notwendigen Sorgfalt ausgeführt wird. Für bestimmte Vertragsverhältnisse bestehen Sonderbestimmungen über die man- 849 gelhafte Leistungserbringung (z.B. Gewährleistungshaftung wegen Mängeln beim Kauf-, Miet- und Werkvertrag; Art. 197 ff., Art. 259a ff. bzw. Art. 368 OR). Nach diesen Bestimmungen kann der Gläubiger Minderung oder Wandlung bzw. Ersatzleistung oder Nachbesserung verlangen, sofern er die Ware bzw. das Werk, «sobald es nach dem üblichen Geschäftsgange tunlich ist», prüft und einen allfälligen Mangel sogleich rügt (Art. 201 bzw. Art. 367 OR). Regelmässig stellt sich damit die Frage, in welchem Verhältnis Art. 97 Abs. 1 OR zu den Normen des Besonderen Teils steht. Die Regeln des Besonderen Teils sind leges speciales und gehen als solche in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich dem 33

Von Tuhr/Escher, 107; a.M. Bucher, OR AT, 335 f., welcher Art. 97 Abs. 1 OR auf diese Fälle nur analog anwenden will.

271

850

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Allgemeinen Teil vor. Das Bundesgericht differenziert: Die Sonderbestimmungen des Werkvertragsrechts gehen der allgemeinen Vorschrift von Art.  97 Abs.  1  OR vor.34 Dagegen soll die kaufrechtliche Gewährleistung in alternativer Konkurrenz zu Art. 97 Abs. 1 OR stehen;35 die dadurch entstehenden Ungereimtheiten mildert das Bundesgericht dadurch ab, dass es Rügeobliegenheit, Verjährung und Freizeichnung auch bei Art. 97 Abs. 1 OR ausnahmsweise nach den Regeln des Kaufrechts bestimmt (s. N 2695 ff.).36 Bei diesem Kunstgriff handelt es sich nach unserer Auffassung um Richterrecht. 851

Bei Gattungsschulden (s. N 676) ist es sodann nicht immer ganz einfach zu bestimmen, ob Nichterfüllung oder Schlechterfüllung vorliegt: Nichterfüllung wird bejaht, wenn ein aliud geliefert wird, das heisst mit einer Ware erfüllt wird, die  – nach dem relativen Gattungsbegriff – nicht mehr zur geschuldeten Gattung gehört. Von Schlechterfüllung ist auszugehen, wenn ein peius geleistet wird, das heisst ein Exemplar der geschuldeten Gattung, welches aber nicht den vertraglichen Erwartungen bzw. Art. 71 Abs. 2 OR entspricht (zum Gattungskauf s. N 2587 ff.).37 2.2

Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht

852

Auch wenn die Schuldnerin die Hauptpflicht vertragsgemäss erfüllt, kann sie den Vertrag verletzen, indem sie gegen eine primäre oder eine sekundäre Nebenpflicht verstösst (zu den Haupt- und Nebenpflichten s. N 98 ff.).

853

Die Verletzung einer sekundären Nebenpflicht führt lediglich zu Schadenersatzansprüchen. Wird hingegen eine primäre Nebenpflicht verletzt (z.B. Einhaltung eines Konkurrenzverbots beim Unternehmenskauf), hat der Geschädigte einen klageweise durchsetzbaren Anspruch auf Erfüllung nebst Schadenersatz (s.  N  102  f.). Überdies können die primären Nebenpflichten für sich allein Gegenstand der Unmöglichkeit, des Schuldnerverzugs oder der Schlechterfüllung sein.38 Klärt beispielsweise die Anwältin im Rahmen eines Mandats ihren Klienten nicht über die Kosten- und Entschädigungsfolgen im Fall eines Unterliegens im Prozess auf, so kann die Verletzung der im Auftragsrecht prinzipiell selbständig einklagbaren Aufklärungspflicht (s. N 3269 f.) für sich allein den Anwendungsbereich der Nicht- bzw. Schlechterfüllungsregeln eröffnen. Anzufügen bleibt, dass dem Grundsatz nach im Vertragsrecht aber keine allgemeine Aufklärungspflicht besteht. Insbesondere muss die Gegenpartei von einem Nichtspezialisten nicht über Umstände aufgeklärt

34 35 36 37 38

272

BGE 136 III 273 E. 2.2 = Pra 2010 Nr. 129; 117 II 550 E. 4b cc; 100 II 30 E. 2; kritisch Bucher, OR AT, 340. BGE 133 III 335 E. 2.4.1 m.w.N.; 108 II 102 E. 2a; differenzierend Berger, Schuldrecht, N 1746. BGE 133 III 335 E. 2.4.1 m.w.N.; 114 II 131 E. 1a; a.M. Keller/Siehr, 106 f. BK OR-Weber, Art. 71 N 85 ff.; BSK OR-Leu, Art. 71 N 7. S. auch CHK OR-Furrer/Wey, Art. 97–98 N 61; CR CO-Thévenoz, Art. 97 N 25. Ausser im letztgenannten Fall handelt es sich alsdann nicht um eine positive Vertragsverletzung.

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

werden, welche sie bei gehöriger Aufmerksamkeit selbst hätte erkennen können (s. N 538 f., N 1543 ff.).39

3.

Rechtsfolgen

In bestimmten Fällen kann bei einer positiven Vertragsverletzung die Vertragser- 854 füllung in Form von Nachbesserung verlangt werden (s. z.B. zur Miete Art. 259a Abs. 1 lit. a OR, zum Werkvertrag Art. 368 Abs. 2 OR; zu den primären Nebenpflichten s. N 102 f., N 853). Namentlich beim Gattungskauf hat der Käufer das Recht auf Ersatzlieferung (Art. 206 OR; s. N 2693). Darüber hinaus kann der Gläubiger in bestimmten Fällen der positiven Vertrags- 855 verletzung vom Vertrag zurücktreten bzw. diesen kündigen: Bestehen keine Sondervorschriften (s. z.B. zum Kauf Art. 205 Abs. 1 OR, zur Miete Art. 259b lit. a OR, zum Werkvertrag Art. 368 Abs. 1 OR), gesteht die mehrheitliche Lehre dem Gläubiger in analoger Anwendung von Art. 107 Abs. 2 und Art. 109 OR ein Rücktritts- bzw. Kündigungsrecht zu, sofern die Vertragsverletzung wesentlich ist (s. dazu N 903a ff.). Sodann hat der Gläubiger bei einer positiven Vertragsverletzung Anspruch auf Schadenersatz: Wenn nicht bereits eine der zahlreichen Sonderbestimmungen (s. z.B. zum Kauf Art. 208 Abs. 3 OR, zur Miete Art. 259e OR, zum Werkvertrag Art. 368 OR) dem Gläubiger einen Schadenersatzanspruch gewährt, kann auf die lex generalis von Art. 97 Abs. 1 OR zurückgegriffen werden (s. sogleich N 857 ff.).

V.

Schadenersatzanspruch gemäss Art. 97 Abs. 1 OR

1.

Voraussetzungen

856

Bei Leistungsunmöglichkeit und bei positiver Vertragsverletzung hat der Gläubi- 857 ger Anspruch auf Schadenersatz, wenn die Voraussetzungen von Art. 97 Abs. 1 OR erfüllt sind: • Verletzung einer vertraglichen Pflicht im Sinne von Art. 97 Abs. 1 bzw. Art. 98 Abs. 2 OR durch die Schuldnerin (s. N 861 ff.); • Schaden (s. N 867 ff.); • natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang zwischen Vertragsverletzung und Schaden (s. N 887 ff.); • Verschulden der Schuldnerin (s. N 892 ff.).

39

BGE 102 II 81 E. 2; 92 II 328E. 3b.

273

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

857a

Bei Ausbleiben der Erfüllung (Verzug) in einem einseitig oder unvollkommen zweiseitigen Vertrag kommt gemäss traditioneller Auffassung Art. 103 oder Art. 97 Abs. 1 OR zur Anwendung.40 Nach neuerer Lehre (und unseres Erachtens zu Recht) soll der Gläubiger jedoch auch in diesen Fällen nach Art. 107 ff. OR vorgehen und namentlich vom Vertrag zurücktreten können, wenn er ein schützenswertes Interesse daran hat (s. dazu N 949).41

858

Bevor Art. 97 Abs. 1 OR herangezogen wird, ist zu prüfen, ob nicht eine spezifische Schadenersatznorm (Besonderer Teil des OR, Spezialgesetz etc.) zum Zug kommt. In ihrem Anwendungsbereich geht die speziellere der allgemeineren Regel vor.

859

Ein Anspruch auf Schadenersatz aus Art. 97 Abs. 1 OR setzt grundsätzlich einen gültig zustande gekommenen Vertrag voraus. Art. 20 Abs. 1 OR geht Art. 97 Abs. 1 OR vor, weil er die Gültigkeit der Vereinbarung thematisiert (zum hier vertretenen Verständnis der anfänglichen objektiven Unmöglichkeit gemäss Art.  20 Abs.  1  OR s. N 430 und N 828 ff.).

860

Vertragsverletzung, Schaden und Kausalzusammenhang hat der Gläubiger zu beweisen (Art.  8 ZGB). Das Verschulden hingegen wird nach Art.  97 Abs.  1  OR vermutet. Der Schuldnerin obliegt der Exkulpationsbeweis (s. N 836). Gelingt ihr dieser, ist sie von der Haftung befreit; denn Art. 97 Abs. 1 OR lässt die Schuldnerin nur bei Verschulden für den Schaden einstehen. 1.1

861

Verletzung einer vertraglichen Pflicht

Die Vertragsverletzung entspricht der Widerrechtlichkeit im Bereich der ausservertraglichen Haftung (Art. 41 Abs. 1 OR). Widerrechtlichkeit, wie sie im Deliktsrecht vorausgesetzt wird (Verletzung eines absolut geschützten Rechtsguts oder Verstoss gegen eine einschlägige Schutznorm; s. N 1940 ff.), muss für die Bejahung von Schadenersatz nach Art. 97 Abs. 1 OR nicht vorliegen. Es reicht, dass die Schuldnerin eine vertragliche Pflicht verletzt hat. Eine Vertragsverletzung liegt insbesondere in folgenden Fällen vor:

40 41

274

S. von Tuhr/Escher, 89 FN 34. Bucher, OR AT, 340 mit FN 48; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2733; Koller, OR AT, N 55.71 f.; BK OR-Weber, Art, 107 N 4; BSK OR-Wiegand, Art. 107 N 4. Das Bundesgericht hat bislang nicht ausdrücklich Stellung zu diesem Lehrstreit bezogen; s. aber BGE 5A_878/2012 E. 5.2, in welchem es die Entscheidung der Vorinstanz, die Art. 107 ff. OR mangels Synallagma nicht anzuwenden, nicht infrage stellte. Anders dagegen BGE 4A_101/2015 E. 4.5 = Pra 2016 Nr. 37, in welchem das Bundesgericht unter Hinweis auf die neuere Lehre ein Rücktrittsrecht bei verschuldeter nachträglicher objektiver Leistungsunmöglichkeit bejahte.

§8

a.

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

Nichterfüllung wegen Leistungsunmöglichkeit

Die Schuldnerin kann ihre Leistung nicht erbringen, weil sie unmöglich (gewor- 862 den) ist. Dabei ist es unerheblich, ob ein Fall der anfänglichen subjektiven oder der nach- 863 träglichen (objektiven oder subjektiven) Unmöglichkeit vorliegt (zur anfänglichen objektiven Unmöglichkeit s. N 426 ff., N 827 ff.). b.

Verletzung einer Unterlassungspflicht

Die Schuldnerin verletzt eine vertragliche Unterlassungspflicht: z.B. die Arbeitneh- 864 merin, welche das vereinbarte Konkurrenzverbot bricht (s. Art. 340 ff. OR). Zu beachten ist, dass entgegen dem missverständlichen Wortlaut von Art.  98 865 Abs. 2 OR («schon bei blossem Zuwiderhandeln» bzw. «par le seul fait») ein Schadenersatzanspruch nur bei Verschulden der Schuldnerin besteht, wobei der Schuldnerin wie bei Art. 97 Abs. 1 OR der Exkulpationsbeweis zusteht.42 c.

Positive Vertragsverletzung

Bei der positiven Vertragsverletzung wird die vertraglich geschuldete Leistung nicht 866 gehörig erbracht oder es wird eine sekundäre Nebenpflicht verletzt (s. N 846 ff.). Resultiert aus der Pflichtverletzung ein Schaden, ist dieser auch hier zu ersetzen, wenn die Schuldnerin nicht nachweisen kann, dass sie nicht schuldhaft handelte. 1.2

Schaden

a.

Begriff und Differenzhypothese

Der Schaden ist nach konstanter Rechtsprechung eine unfreiwillige Verminderung des Gläubigervermögens, die in einer Abnahme der Aktiven, einer Zunahme der Passiven oder in entgangenem Gewinn besteht. Er entspricht der Differenz zwischen dem gegenwärtigen Vermögensstand und dem Stand, den das Vermögen ohne das schädigende Ereignis hätte (sog. Differenzhypothese).43

867

In der Lehre wird statt von «Differenzhypothese» auch von «Differenztheorie» oder 868 «Differenzmethode» gesprochen. Der Begriff Differenztheorie wird indessen bereits für die abstrakte Schadensberechnung (Art. 191 und 215 OR) verwendet (s. N 902). Eine Methode beschreibt einen Weg und sollte daher wertungsfrei sein. Wertungsfreiheit ist bei der Schadensberechnung aber gerade nicht gegeben, da es zu ent42 43

CR CO-Thévenoz, Art. 98 N 24. Statt vieler BGE 4A_506/2011 E. 4; 132 III 359 E. 4 m.w.N.

275

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

scheiden gilt, was ein Schaden ist. Aus den genannten Gründen wird im vorliegenden Zusammenhang der Begriff «Differenzhypothese» verwendet. 869

Bei der Differenzhypothese ist sowohl zu berücksichtigen, wenn das Vermögen durch das schädigende Ereignis kleiner wurde, als es vorher war (Abnahme der Aktiven oder Zunahme der Passiven, sog. positiver Schaden oder damnum emergens), als auch, wenn der Geschädigte es ohne das schädigende Ereignis hätte vermehren können (entgangener Gewinn, sog. lucrum cessans). Dazu wird der gegenwärtige (tatsächliche) Vermögensstand des Geschädigten mit demjenigen Vermögensstand verglichen, der ohne das schädigende Ereignis (hypothetischer Vermögensstand) bestehen würde.44 Die Differenz zwischen diesen beiden Vermögensständen bildet den Schaden.

870

Kritisch zur Differenzhypothese äussert sich Honsell: Der zu ersetzende Schaden ist seiner Auffassung zufolge nicht mittels dieser «Rechenformel» zu ermitteln, sondern normativ, also durch wertende Zurechnung und durch Zusammenstellung der einzelnen Schadensposten.45

871 lucrum cessans

damnum emergens

Vermögensstand vor Vertragsverletzung

Vermögensstand nach Vertragsverletzung

hypothetischer Vermögensstand, wenn Vertragsverletzung ausgeblieben wäre

Abbildung: Berechnung des Schadens nach der Differenzhypothese 872

Die Differenz zwischen dem tatsächlichen und dem hypothetischen Vermögensstand lässt sich grundsätzlich auf zwei Arten bestimmen: Beim positiven Vertrags44 45

276

BGE 132 III 359 E. 4 m.w.N.; 127 III 403 E. 4a m.w.N.; 120 II 296 E. 3b = Pra 1996 Nr. 79; 116 II 441 E. 3a aa; CHK  OR-Müller, Art.  42 N  21; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N  164 und N  403  ff.; CR COWerro, Art. 41 N 7 f. Honsell, ZSR 2011 II, 97.

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

interesse (auch Erfüllungsinteresse) ist der Gläubiger so zu stellen, wie wenn der Vertrag korrekt erfüllt worden wäre. Beim negativen Vertragsinteresse (bisweilen auch Vertrauensschaden genannt) dagegen wird er so gestellt, wie wenn der Vertrag nie abgeschlossen worden wäre. Im Gegensatz zum Anspruch auf das positive Interesse, welcher auf dem Fortbestand des Vertragsverhältnisses beruht, knüpft der Anspruch auf das negative Interesse an den dahingefallenen Vertrag an. Der Schadenersatzanspruch aus Art. 97 Abs. 1 OR geht auf Ersatz des positiven Ver- 873 tragsinteresses. Bei Nichterfüllung besteht der Schaden zunächst im Wert der ausgebliebenen Leistung (z.B. dem Wert des gekauften, aber nicht gelieferten Bilds). Bei der positiven Vertragsverletzung steht dagegen der infolge Schlechterfüllung entstandene Schaden im Vordergrund (z.B. Minderwert der erbrachten, aber mangelhaften Sache). Zum positiven Vertragsinteresse gehören ferner Folgeschäden (z.B. notwendige zweite Knieoperation, wenn die erste missglückt ist) und Schadenersatzforderungen Dritter (z.B. zu leistende Konventionalstrafe wegen Nichterfüllung an Dritten46). Neben dem «positiven» Schaden (damnum emergens) umfasst das positive Vertragsinteresse auch einen allfälligen entgangenen Gewinn (lucrum cessans), wenn z.B. die beschädigte Sache nicht gewinnbringend an X weiterverkauft werden kann.47 Bei zweiseitigen Verträgen muss derjenige, der das positive Interesse geltend macht, grundsätzlich seine eigene Leistung erbringen, weil das Vertragsverhältnis nach wie vor besteht. Das negative Interesse ist etwa bei einem Rücktritt vom Vertrag infolge Schuld- 874 nerverzugs (Art. 109 Abs. 2 OR; s. N 963), bei der Ungültigerklärung eines Vertrages wegen Irrtums (Art. 26 Abs. 1 OR; s. N 593) oder bei der Nichtgenehmigung eines vollmachtlos abgeschlossenen Rechtsgeschäfts (Art. 39 Abs. 1 OR; s. N 1112) geschuldet. Zu ersetzen sind in erster Linie Aufwendungen und Kosten, die im Vertrauen auf den Vertrag und dessen richtige Erfüllung entstanden sind (z.B. Anschaffung neuer Bremskabel, wenn der Kauf des Fahrrads dahinfällt; Fahrkosten, um ein Bild abzuholen). Auch entgangener Gewinn kann beim negativen Vertragsinteresse geltend gemacht werden. Zwar umfasst das negative Vertragsinteresse nicht den entgangenen (hypothetischen) Gewinn, der die Folge des fortbestehenden Vertragsverhältnisses gewesen wäre  – und daher nur im Rahmen des positiven Vertragsinteresses gefordert werden kann (z.B. Gewinn, der durch den bereits abgeschlossenen Weiterverkauf des nicht gelieferten Kaufgegenstands entstanden wäre). Der Geschädigte kann jedoch denjenigen Gewinn geltend machen, den er durch einen alternativen Vertrag mit einem Dritten erzielt hätte, sofern er darlegen kann,

46 47

S. BGE 116 II 441 E. 2c. Anschaulich zum entgangenen Gewinn z.B. auch BGE 120 II 296 E. 3 = Pra 1996 Nr. 79. Für weitere Beispiele s. Schwenzer, OR AT, N 14.13.

277

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

dass er wegen des (nun dahingefallenen) Vertrages auf das konkrete Drittgeschäft verzichten musste.48 875

Bei wertbeständigen Sachen (z.B. Schmuck) und solchen, deren Beschaffung auf dem Gebrauchtwarenmarkt nicht möglich oder nicht zumutbar ist (z.B. ist bei Sachen des täglichen Gebrauchs wie etwa Kleidern oder Schuhen die Anschaffung einer gebrauchten Sache unzumutbar49), ist der Neuwert geschuldet. Bei nicht wertbeständigen Sachen (z.B. Occasionsautos) sind vom Neuwert die Abschreibungen abzuziehen.50

876

Anders als im ausservertraglichen Haftpflichtrecht ist die Unterscheidung von Sach-, Personen- und reinem Vermögensschaden im Vertragsrecht bedeutungslos, da die Widerrechtlichkeit keine Voraussetzung für den Anspruch aus Art. 97 Abs. 1 OR bildet. b.

Relativierung der Differenzhypothese

877

Bisweilen stellt sich die Frage, inwiefern weitere – über den traditionellen Schaden im Sinne der Differenzhypothese hinausgehende – Schadensposten ersatzfähig sein sollen:

878

Genugtuungsansprüche für erlittene immaterielle Unbill können im Rahmen von Vertragsverletzungen ebenfalls geltend gemacht werden (Art. 99 Abs. 3 i.V.m. Art. 47 und Art. 49 OR; zur Genugtuung s. N 1899 ff.).51

879

Eine Ausnahme vom klassischen Schadensbegriff und der Differenzhypothese macht das Bundesgericht schon heute beim sog. Haushaltsschaden: Wird der den Haushalt führende Ehegatte verletzt, sind die Aufwendungen, die für eine Haushaltshilfe aufgebracht werden müssten, auch dann zu ersetzen, wenn gar keine solche eingestellt wird und die Verletzung im konkreten Fall gar nicht zu einer Vermögensverminderung führt (s. N 1877 ff.).52

880

Als Kommerzialisierungsschaden wird die durch das schädigende Ereignis verursachte Beeinträchtigung oder der Ausfall von entgeltlich erworbenen Nutzungsmöglichkeiten bezeichnet. Bleibt beispielsweise ein Koffer am Ursprungsflughafen zurück und kann der Eigentümer daher seine darin befindliche Videokamera anlässlich der Hochzeit seiner Schwester nicht benützen, liegt keine Verminderung seiner Aktiven im Sinne der Differenzhypothese vor. Die Videokamera gehört nach wie vor zu seinen Aktiven. Mit dem Kommerzialisierungsschaden soll der 48

BGE, SemJud 1975, 5  f.; s.  auch BGE 4C.268/2000 E.  2b aa; Guhl/Koller, §  10 N  50; Lüchinger, N 294 ff.; BK OR-Weber, Art. 109 N 95. 49 Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, N 2332. 50 Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, N 2327 ff.; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 382. 51 BGE 4C.32/2003 E. 2.2; 123 III 204 E. 2b; 116 II 519 E. 2c. 52 BGE 134 III 489 E. 4.5.1; 132 III 321 E. 3.1; 127 III 403 E. 4b.

278

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

entgangene (immaterielle) Nutzen ersetzt werden. Das Bundesgericht hat sich bislang gegen die Ersatzfähigkeit des Kommerzialisierungsschadens ausgesprochen (s. N 1883).53 Kein Kommerzialisierungsschaden, aber ein vergleichbarer ausservertraglicher Sachverhalt liegt beim Ausfall eines Autos infolge eines Verkehrsunfalls vor: Der Geschädigte kann Ersatz für die tatsächlich angefallenen Mietwagenkosten verlangen, soweit er das nun defekte Auto für berufliche Zwecke verwendete.54 Da die Mietkosten das Vermögen des Geschädigten tatsächlich vermindern, handelt es sich nach Differenzhypothese um einen Schaden. Wie der Kommerzialisierungsschaden will auch der Frustrationsschaden eine ent- 881 gangene Nutzungsmöglichkeit entschädigen. Im Unterschied zum Kommerzialisierungsschaden soll mit dem Frustrationsschaden aber nicht der entgangene Nutzen an sich entschädigt werden, sondern es sollen die Auslagen ersetzt werden, die sich nicht «gelohnt» haben, weil der damit erkaufte Genuss ausgeblieben ist.55 Im Vermögen entsteht kein Schaden, weil die Ausgaben bereits vor dem frustrierenden Ereignis getätigt wurden (z.B.: der Musikbegeisterte isst nach dem Kauf des Konzerttickets ein verdorbenes Sandwich und kann darum das Konzert nicht besuchen). Das Bundesgericht lehnt es ab, entgangenen Genuss als Schaden zu ersetzen.56 Auch der Ferienreisende soll keinen Schadenersatz für verdorbene Ferien verlangen können.57 Dagegen anerkannte der EuGH einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens wegen verdorbener Ferien in einem Fall, in dem einer Urlauberin die Ferien durch eine Salmonellenvergiftung vergällt wurde.58 Vor dem Hintergrund, dass die europäische Richtlinie im Rahmen des sog. autonomen Nachvollzugs praktisch unverändert ins Schweizer Recht übernommen worden ist (Pauschalreisegesetz59), stellt sich die kontrovers diskutierte Frage, inwiefern die entsprechende EuGH-Rechtsprechung die schweizerische Rechtsprechung und Lehre zu beeinflussen vermag.60 Die generelle Ablehnung eines Ersatzes des Kommerzialisierungs- oder Frustra- 882 tionsschadens ist nach der hier vertretenen Auffassung nicht angezeigt. In der heutigen Gesellschaft müssen immaterielle Güter wie Genuss oder Freizeit als kommerzialisiert gelten. Diese Güter werden in der Regel entgeltlich erworben. Eine Rechtsordnung kann sich dieser wirtschaftlichen Realität nicht mit dem dogma53 54 55 56 57 58

BGE 127 III 403 E. 4a; 126 III 388 E. 11; s. auch BGE 132 III 379 E. 3.3.2. Zum Ganzen BK OR-Brehm, Art. 41 N 80 ff. S. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2860; Koller, OR AT N 49.21. BGE 115 II 474 E. 3a; s. auch BGE 127 III 403 E. 4a; 126 III 388 E. 11. BGE 115 II 474 E. 3a; anders KassGer Zürich, ZR 1997, 47 ff.; zum Ganzen Glättli, 188 f. EuGH v. 12.  März 2002, Rs. C-168/00, Simone Leitner ./. TUI Deutschland GmbH & Co. KG, Slg. 2002, I-02631, N 21 ff. zur europäischen Richtlinie 90/314/EWG über Pauschalreisen. Diese Richtlinie wurde in der Zwischenzeit durch die Pauschalreiserichtlinie 2015/2302/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015, ABl. EU vom 25. November 2015, Nr. L 326, 1 ff., ersetzt. 59 Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über Pauschalreisen (SR 944.3). 60 S. Huguenin, 174 ff.

279

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

tischen Hinweis auf den traditionellen Schadensbegriff verschliessen.61 Wird eine entgeltlich erworbene Nutzungsmöglichkeit beeinträchtigt oder haben sich die Auslagen für einen Genuss nicht gelohnt, erscheint es de facto als Ungleichbehandlung gegenüber dem nach der Differenzhypothese Geschädigten, jeglichen Ersatz zu verweigern. Zudem wurden mit der Anerkennung des Haushalts- und Pflegeschadens bereits Relativierungen des klassischen Schadensbegriffs zugelassen (s. N 1877 ff., N 1880 ff.). 883

Umgekehrt darf die Anerkennung des Kommerzialisierungs- und des Frustrationsschadens nicht dazu führen, dass die Haftung ausufert. Massgebliches Kriterium dürfte unseres Erachtens die Antwort auf die Frage sein, ob die Reduktion bzw. der Ausfall der Genussmöglichkeit für die Schädigerin voraussehbar war, das heisst, ob sie nach Treu und Glauben damit rechnen musste, dass ihre Handlung eine entgeltlich erworbene Genussmöglichkeit beeinträchtigt oder vereitelt. Die Voraussehbarkeit beurteilt sich danach, ob die schädigende Handlung adäquat kausal war: Sie ist gegeben, wenn die Handlung nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet ist, den eingetretenen Kommerzialisierungs- oder Frustrationsschaden beim Geschädigten zu bewirken, sodass der Eintritt dieses Schadens durch die fragliche Ursache als allgemein begünstigt erscheint. Nicht allein entscheidend ist dagegen die Unterscheidung, ob die Schädigung dem extrakontraktuellen oder dem kontraktuellen Bereich zuzuordnen ist.62 Die Voraussehbarkeit ist zwar, weil sich die Parteien kennen, im vertraglichen Kontext eher zu bejahen als im ausservertraglichen Bereich, wo die Rechtsbeziehung regelmässig auf einem schädigenden Zufallskontakt beruht (zur Unterscheidung zwischen vertraglicher und ausservertraglicher Haftung s. N 1839 f.). Trotzdem sollte die Unterscheidung zwischen vertraglicher und ausservertraglicher Schädigung lediglich als Indiz für die Voraussehbarkeit gelten. Im vertraglichen Bereich hängt die Voraussehbarkeit von der Art und dem Zweck des Vertrages ab. Für einen Reiseveranstalter ist es beispielsweise voraussehbar, dass die mangelhafte Erfüllung eines Reisevertrages den Feriengenuss schmälern kann und damit zu einem Frustrationsschaden führt.63

884

Grundsätzlich muss die Schuldnerin nur denjenigen Schaden ersetzen, welcher im Vermögen des Gläubigers entstanden ist.64 Als Reflexschaden (auch Drittschaden genannt) gilt eine Vermögensverminderung, die nicht im Vermögen des direkt geschädigten Gläubigers, sondern bei einem indirekt betroffenen Dritten eintritt 61

S. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 200 ff. Für eine Öffnung des klassischen Schadensbegriffs im geltenden Recht setzt sich unter anderem auch der OR 2020-Entwurf ein; s. dazu OR 2020-Fellmann/Müller/Werro, Art. 47 N 2 ff. 62 So Schwenzer, OR AT, N 14.11. 63 S. auch EuGH v. 12. März 2002, Rs. C-168/00, Simone Leitner ./. TUI Deutschland GmbH & Co. KG, Slg. 2002, I-02631. 64 S. BGE 123 III 204 E. 2 f.

280

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

(s.  N  1873  ff.). Reflexschäden sind nach herrschender Auffassung grundsätzlich nicht ersatzpflichtig.65 In gewissen Konstellationen kann jedoch der Gläubiger ausnahmsweise den Schaden des Dritten geltend machen (sog. Drittschadensliquidation; s. N 1600 ff.). Entgegen der herrschenden Meinung sollte schliesslich im Rahmen des vertragli- 885 chen Schadenersatzes auch der Versorgerschaden (s. N 1868 ff.) zu ersetzen sein (Art. 99 Abs. 3 i.V.m. Art. 45 Abs. 3 OR). Denn es gibt keinen sachlichen Grund dafür, weshalb die schädigende Vertragspartnerin diesbezüglich im Vergleich zur ausservertraglichen Schädigerin bessergestellt sein soll (s. N 1872).66 c.

Schadenersatzbemessung

Von der Schadensberechnung (s.  N  867  ff. und N  1848  ff.) ist die Schadenersatz- 886 bemessung zu unterscheiden, bei welcher der Umfang des tatsächlich zu leistenden Schadenersatzes festgelegt wird. Diese richtet sich im Vertragsrecht gemäss der Verweisung von Art. 99 Abs. 3 OR nach den Regeln der ausservertraglichen Haftung. So hat das Gericht bei der Bemessung des Schadenersatzes die Umstände und die Grösse des Verschuldens zu würdigen (Art. 99 Abs. 3 i.V.m. Art. 43 Abs. 1 OR). Weiter sind auch die Reduktionsgründe von Art. 44 OR zu beachten (s. zum Ganzen N 1886 ff.). 1.3

Kausalzusammenhang

Der Schaden ist nur dann zu ersetzen, wenn er mit der Vertragsverletzung in einem Zusammenhang steht:

887

Dabei reicht es nicht aus, dass der entstandene Schaden auf die Vertragsverletzung zurückzuführen ist, die Vertragsverletzung somit conditio sine qua non für den Schaden ist (natürlicher Kausalzusammenhang; zum Begriff s. N 120, N 1915 und N 1918 f.).

888

Vielmehr muss die Vertragsverletzung «nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet» sein, «einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen»67. Der Schadenseintritt erscheint dabei als durch die Vertragsverletzung allgemein begünstigt.68 Man spricht hier von adäquatem Kausalzusammenhang. Die Adäquanz-Formel führt zu einer wertenden

889

65 BGE 126 III 521 E. 2a m.w.H.; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 1 N 51; BK OR-Weber, Art. 97 N 203 und N 296. 66 Gl.M. CHK OR-Furrer/Wey, Art. 99 N 34; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2894 m.w.H.; a.M. BGE 81 II 547 E. 3; bestätigt in BGE 123 III 204 E. 2; Lüchinger, N 395; von Tuhr/Escher, 102. 67 Satt vieler BGE 129 V 177 E. 3.2. 68 BGE 4C.222/2004 E. 3; 129 V 177 E. 3.2; 125 V 456 E. 5a; 123 III 110 E. 3a.

281

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Einschränkung, die zum Ziel hat, unter allen natürlichen Ursachen diejenigen herauszufiltern, die für haftungsrelevant erachtet werden. 889a

Bei Unterlassungen ist zu prüfen, ob der eingetretene Schaden nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung hätte vermieden werden können, wenn die Schuldnerin die rechtlich gebotene Handlung vorgenommen hätte (conditio cum qua non).69

890

Macht der Gläubiger einen adäquaten Kausalzusammenhang geltend, kann die Schuldnerin einwenden, der Schaden wäre ohne ihr Zutun aufgrund eines späteren Ereignisses ebenfalls eingetreten (sog. hypothetische Kausalität; s. N 1936) bzw. der Schaden wäre auch erfolgt, wenn sie sich rechtmässig verhalten hätte (sog. rechtmässiges Alternativverhalten; s. N 1937 f.). Die Schadenersatzpflicht kann alsdann angemessen reduziert werden bzw. ganz wegfallen.

891

Die Möglichkeit einer Unterbrechung des adäquaten Kausalzusammenhangs (durch schweres Selbstverschulden, schweres Drittverschulden oder höhere Gewalt) wird von der neueren Lehre abgelehnt, weil sie in sich widersprüchlich sei.70 Dieser Auffassung ist zu folgen. Konsequenterweise ist in diesen Fällen nämlich bereits die Adäquanz zu verneinen: Führt beispielsweise der ansonsten harmlose Konstruktionsfehler infolge eines aussergewöhnlich starken Erdbebens zum Einsturz der Garage, so ist der Fehler nach der allgemeinen Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge – das heisst ohne das Erdbeben – eben gerade nicht geeignet, zu einem Erfolg der eingetretenen Art zu führen (s. Art. 44 Abs. 1 OR; s. N 1926 ff.). 1.4

Verschulden

892

Verschulden bedeutet, dass die Vertragsverletzung der Schuldnerin vorwerfbar ist.

893

Bei Vertragsverletzungen wird das Verschulden nach Art. 97 Abs. 1 OR – im Gegensatz zu Art. 41 Abs. 1 OR – vermutet. Die Schuldnerin kann sich von der Haftung nur befreien, wenn sie den Exkulpationsbeweis erbringt, das heisst nachweisen kann, dass sie kein Verschulden trifft. Diese unterschiedliche Regelung der Beweislastverteilung bewirkt eine wesentliche Besserstellung des Vertragsgläubigers gegenüber dem extrakontraktuellen Geschädigten.

69 70

282

BGE 4A_420/2013 E. 5.3.2; 124 III 155 E. 3d; 115 II 440 E. 5a; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 3 N 34. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 3 N 37; Schwenzer, OR AT, N 20.03 ff.

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

Ein Verschulden setzt voraus:

894

• Urteilsfähigkeit; • Vorsatz (direkter Vorsatz oder Eventualvorsatz) oder Fahrlässigkeit (sorgfaltswidriges Handeln). Die Urteilsfähigkeit im Sinne von Art. 16 ZGB wird vermutet. Fehlt es dauerhaft 895 an der Urteilsfähigkeit, ist eine Billigkeitshaftung nach Art. 99 Abs. 3 i.V.m. Art. 54 Abs. 1 OR zu prüfen.71 Bei bloss vorübergehender Urteilsunfähigkeit (z.B. infolge übermässigen Alkoholkonsums) haftet die Schuldnerin nach Art. 99 Abs. 3 i.V.m. Art. 54 Abs. 2 OR, sofern sie nicht beweist, dass die Urteilsunfähigkeit ohne ihr Verschulden eingetreten ist (zum Ganzen s. N 1997 ff.). Vorsatz ist gegeben, wenn die Schuldnerin weiss, dass ihr vertragswidriges Verhal- 896 ten den Schaden bewirken wird, und sie den dadurch bewirkten Erfolg auch will. Eventualvorsatz liegt vor, wenn die Schuldnerin die Vertragsverletzung und den dadurch eingetretenen Erfolg in Kauf nimmt (sie denkt sich: «Und wenn schon, dann passiert es halt»). Bei Fahrlässigkeit vertraut die Schuldnerin pflichtwidrig unsorgfältig darauf, dass die Vertragsverletzung und damit der rechtswidrige Erfolg ausbleibt (sie denkt: «Es wird schon nichts passieren»). Die Fahrlässigkeit ihrerseits stuft man nach drei Schweregraden ab72: Lässt die Schuldnerin die elementarsten Vorsichtsgebote ausser Acht (ein Dritter denkt: «Wie konnte sie nur!»), handelt es sich um grobe Fahrlässigkeit. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn sie geringfügig unvorsichtig handelt («Sie hätte schon sollen …» oder «Das kann passieren»). Mittlere Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn das Verschulden zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit liegt («Das hätte sie wirklich nicht tun sollen!»; zum Ganzen s. N 1985 ff.).73 Grundsätzlich reicht jede Art von Verschulden aus, um die Schuldnerin zur Verant- 897 wortung zu ziehen (Art. 99 Abs. 1 OR). Das Mass der Haftung kann aber je nach «der besonderen Natur des Geschäftes», z.B. wenn das Geschäft für die Schuldnerin «keinerlei Vorteil bezweckt», milder beurteilt werden (Art. 99 Abs. 2 OR; s. sogleich N 897a). Der Verschuldensgrad spielt sodann eine Rolle bei der Schadenersatzbemessung (Art. 99 Abs. 3 i.V.m. Art. 44 Abs. 1 OR; s. N 1888) sowie bei der Zulässigkeit eines vertraglichen Haftungsausschlusses (Art. 100 Abs. 1 OR; s. N 1014 ff.). In der Lehre ist umstritten, ob es sich bei Art.  99 Abs.  2  OR um eine Ermächti- 897a gung zur Absenkung des Sorgfaltsstandards (Sorgfaltsmassstab) handelt, welche bereits bei der Schadenersatzberechnung – also auf der ersten Stufe (= Festlegung der maximalen Höhe des Schadenersatzes74) – zu berücksichtigen ist, oder ob damit 71 BGE 4C.195/2004 E. 3.1; 102 II 226 E. 2b. 72 S. BGE 100 II 332 E. 3. 73 Merksätze angelehnt an Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2971 ff., und Schnyder/Portmann/Müller-Chen, N 218 f. 74 Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 424.

283

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Herabsetzungsgründe gemeint sind, welche erst im Rahmen der Schadenersatzbemessung  – also auf zweiter Stufe (= Umfang des vom Haftpflichtigen tatsächlich zu leistenden Schadenersatzes75) – zu einer Reduktion (allenfalls sogar bis hin zur Nullgrenze) des Umfangs des berechneten Schadens führen können.76 Das Bundesgericht behandelt Art. 99 Abs. 2 OR mehrheitlich als Reduktionsgrund.77 Auch nach der hier vertretenen Meinung ist Art. 99 Abs. 2 OR als Reduktionsgrund (Prüfungsstufe 2)  – und nicht als Erlaubnis zur Absenkung des Sorgfaltsmassstabes (Prüfungsstufe 1)  – zu betrachten. Es ginge zu weit, im Rahmen eines Vertrages das Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdinteresse beim Schädiger zum Anlass zu nehmen, um den Grad der im Einzelfall für die Erfüllung der Leistungspflicht erforderlichen Sorgfalt festzulegen (Prüfungsstufe 1). Unseres Erachtens bildete eine solche Intervention einen nur schwer begründbaren Eingriff in das von den Parteien vereinbarte Gefüge von Leistung und Gegenleistung. Art. 99 Abs. 2 OR darf darum nach der hier vertretenen Meinung erst bei der Bemessung des Schadenersatzes herangezogen werden (Prüfungsstufe 2). Er konkretisiert somit – wie Art. 44 OR – die Generalklausel von Art. 43 OR. Im Rahmen des Verweises von Art. 99 Abs. 3 OR auf die Art. 43 ff. OR ist somit stets auch an Art. 99 Abs. 2 OR zu denken. Diese Sichtweise hat den weiteren Vorteil, dass Art. 99 Abs. 2 OR auch für den quasivertraglichen und den ausservertraglichen Anwendungsbereich fruchtbar gemacht werden kann (z.B. bei einer Gefälligkeit). Methodisch betrachtet wird hier damit der teleologischen vor der systematischen Auslegung der Vorzug eingeräumt. Mit anderen Worten muss Art. 99 Abs. 2 OR unserer Meinung nach als im Gesetz fehlplatziert betrachtet werden. 898

Der Fahrlässigkeitsbegriff wird im Zivilrecht  – im Gegensatz zum Strafrecht  – objektiviert (s. N 1979).78 Die Schuldnerin handelt fahrlässig, wenn sie nicht die im Verkehr notwendige Sorgfalt anwendet. Das Mass der erforderlichen Sorgfalt ergibt sich aus dem Verhalten, das ein «vernünftiger Mensch» in der jeweiligen Situation an den Tag legen würde. Ob die Schuldnerin fahrlässig gehandelt hat, wird festgestellt, indem ihr Verhalten mit dem hypothetischen Verhalten eines durchschnittlich sorgfältigen Menschen in der konkreten Situation verglichen wird. Jede Abweichung von diesem «Referenzverhalten», mag sie auch noch so klein sein, ist fahrlässig.79 Persönliche Umstände, mit denen sich die Schuldnerin konfrontiert sieht (z.B. Müdigkeit), sind irrelevant. Ihr Verhalten wird einzig danach beurteilt, 75 76

Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 424. CR CO-Werro, Art. 43 N 12, spricht sich bei Art. 43 OR ebenfalls für die Möglichkeit einer Reduktion des Ersatzes bis auf die Nullgrenze aus; a.M. BK OR-Brehm, Art. 43 N 49. 77 BGE 4C.40/2004 E. 2.3 und E. 4.2; 99 II 176 E. 2a. In BGE 137 III 539 E. 5.2 sah das Bundesgericht in Art. 99 Abs. 2 OR jedoch einen eingeschränkten bzw. verringerten Sorgfaltsmassstab und modifizierte damit den Haftungsmassstab bei der Deliktshaftung für Gefälligkeitshandlungen (s. N 1698). 78 BGE 124 III 155 E. 3b; 116 Ia 162 E. 2c; kritisch hierzu Fellmann, ZSR 1987 I, 351 ff.; s. auch BK ORWeber, Art. 99 N 35 ff. 79 Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 6 N 18; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1003.

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§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

wie sich ein «vernünftiger Mensch» mit entsprechendem standing (Ausbildung etc.) in derselben Situation verhalten hätte. Bei der Prüfung der Sorgfaltspflicht sind auch ein allfälliges Übernahmeverschulden 899 sowie der Gefahrensatz zu beachten. Von einem Übernahmeverschulden spricht man, wenn jemand eine Tätigkeit übernimmt, von der er weiss oder wissen müsste, dass er den damit verbundenen Anforderungen nicht gewachsen ist (z.B. fachlich ungenügende Qualifikation des Beauftragten80).81 Die Schuldnerin kann in einem solchen Fall nicht einwenden, sie verfüge nicht über die nötigen Kompetenzen. Sie muss sich mit anderen Worten den Vorwurf gefallen lassen, zu einer bestimmten Aufgabe nicht «Nein» gesagt zu haben. Nach dem Gefahrensatz handelt sorgfaltswidrig, wer eine kritische Situation schafft, ohne die erforderlichen Schutzmassnahmen zu treffen, um die aus dieser Situation resultierenden Gefahren abzuwehren (s. N 1983).82 Ist nach dem Inhalt des Vertrages ein sorgfältiges Tätigwerden geschuldet (obliga- 900 tion de moyens; s. z.B. Art. 398 Abs. 2 OR), bereitet die Abgrenzung zwischen Vertragsverletzung und Verschulden oft Schwierigkeiten. In beiden Fällen bildet nämlich die erforderliche Sorgfalt den Prüfungsmassstab. Gelingt es dem Gläubiger, eine Vertragsverletzung nachzuweisen, wird der Schuldnerin in der Regel der Exkulpationsbeweis missglücken. Das Problem besteht darin, dass der objektivierte Verschuldensbegriff im Ergebnis weitgehend deckungsgleich mit der Vertragsverletzung ist (s. N 3262 ff.).83

2.

Rechtsfolgen

Sind die Voraussetzungen von Art. 97 Abs. 1 OR erfüllt, hat die Schuldnerin dem 901 Gläubiger für den aus der Leistungsstörung (Leistungsunmöglichkeit, positive Vertragsverletzung etc.) entstandenen Schaden Ersatz zu leisten. Der Gläubiger hat Anspruch auf das positive Vertragsinteresse, das heisst, er ist so 902 zu stellen, wie wenn der Vertrag richtig erfüllt worden wäre. Der Schadenersatz besteht in der Regel in einer – die Vermögensverminderung ausgleichenden – Geldleistung (Geldersatz). Die Richterin kann aber unter Umständen auch Naturalrestitution anordnen (Art. 99 Abs. 3 i.V.m. Art. 43 OR). Hierbei hat die Schuldnerin den Zustand wiederherzustellen, der ohne die Vertragsverletzung bestehen würde (Naturalersatz).84 Bezüglich der Gegenleistungspflicht des Gläubigers gibt es zwei Theorien: Nach der Austauschtheorie hat der Gläubiger gegen die Schuldnerin einen 80 81 82 83 84

S. BGE 124 III 155 E. 3. Bucher, OR AT, 348. Zur Funktion des Gefahrensatzes s. BGE 124 III 297 E. 5b. BK OR-Weber, Art. 99 N 38 f.; Wiegand, recht 1984, 19 f. S. etwa BGE 107 II 134 E. 4.

285

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Anspruch auf Schadenersatz, bleibt aber seinerseits zur Gegenleistung verpflichtet. Nach der Differenztheorie dagegen kann der Gläubiger den Wert seiner Gegenleistung an seinen Ersatzanspruch anrechnen lassen und von der Schuldnerin die Differenz verlangen (s.  auch Art.  215  OR). Die Differenztheorie ist heute allgemein anerkannt. Der Gläubiger darf sich im Einzelfall für eine der beiden Vorgehensweisen entscheiden.85 Er kann sich sogar auch nach Erbringen der Leistung noch für die Differenztheorie entscheiden und zu diesem Zweck seine Leistung zurückverlangen.86 903

Aus der Umwandlung des Erfüllungsanspruchs in einen Sekundäranspruch folgt, dass die Schuldnerin sämtliche Einreden und Einwendungen aus dem Vertragsverhältnis auch gegen die Schadenersatzforderung erheben kann. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (Art. 82 OR) steht ihr aber nur zu, wenn der Gläubiger nach der Austauschtheorie vorgeht.87

VI.

Rücktritt vom Vertrag gemäss Art. 97 Abs. 1 OR

903a

Obwohl in Art.  97 Abs.  1  OR nicht explizit vorgesehen, anerkennt ein mehrheitlicher Teil der Lehre alternativ zum Anspruch auf Schadenersatz ein Rücktrittsrecht des Gläubigers bei nachträglicher, von der Schuldnerin zu vertretender Leistungsunmöglichkeit sowie bei positiver Vertragsverletzung (Art.  107 Abs.  2 und Art. 109 OR analog).88 In einem jüngst ergangenen Entscheid hat das Bundesgericht ein solches Rücktrittsrecht für den Fall der nachträglichen Leistungsunmöglichkeit ebenfalls bejaht, sofern der Gläubiger an der bereits erbrachten Leistung keinerlei Interesse mehr hat.89 Ob der Gläubiger auch bei einer positiven Vertragsverletzung in analoger Anwendung von Art. 107 Abs. 2 und 109 OR vom Vertrag zurücktreten kann, musste das Bundesgericht bislang noch nicht entscheiden.

904

Auch nach der hier vertretenen Auffassung ist dem Gläubiger in Analogie zu Art. 107 Abs. 2 und 109 OR ein verschuldensunabhängiges Rücktrittsrecht zu gewähren, wo dies nicht ausdrücklich im Besonderen Teil vorgesehen ist (s. z.B. zum Kauf Art. 205

85 86

Bucher, OR AT, 380 f.; CR CO-Thévenoz, Art. 107 N 33; s. auch BGE 65 II 171 E. 2. Gl.M. Koller, ZSR 1997 I, 500; BK OR-Weber, Art. 107 N 200; a.M. Bucher, OR AT, 381 f.; CR COThévenoz, Art. 107 N 34. 87 ZK OR-Schraner, Art. 82 N 94. 88 CHK  OR-Furrer/Wey, Art.  97–98 N  138  ff.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N  2587  f.; Schwenzer, OR AT, N 68.09 f.; BK OR-Weber, Art. 97 N 269 ff.; BSK OR-Wiegand, Art. 97 N 58. A.M. von Tuhr/Escher, 105 FN 79, wonach bei Art. 97 Abs. 1 OR ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers vorliege. 89 BGE 4A_101/2015 E. 4.5 = Pra 2016 Nr. 37; s. ferner auch BGE 4A_99/2015 E. 4.5.

286

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

Abs. 1 OR, zur Miete Art. 259b lit. a OR, zum Werkvertrag Art. 368 Abs. 1 OR).90 Bei einer positiven Vertragsverletzung sollte der Rücktritt allerdings nur möglich sein, wenn eine wesentliche Vertragsverletzung vorliegt, sodass die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist.91 Diese Einschränkung ist sachgerecht, da die einseitige Vertragsauflösung durch den Gläubiger stark in die Rechtsstellung der Schuldnerin eingreift und auch ohne ihr Verschulden möglich ist. Auch das Wiener Kaufrecht gestattet den Rücktritt nur im Fall einer wesentlichen Vertragsverletzung (fundamental breach of contract; Art. 49 und Art. 64 i.V.m. Art. 25 CISG; s. N 2792 ff., N 2813 ff.). Mit dem Rücktritt wandelt sich der Vertrag in ein vertragliches Rückabwicklungs- oder Liquidationsverhältnis um (Umwandlungstheorie; s. N 960 ff.)92 und der Gläubiger hat Anspruch auf Ersatz des negativen Vertragsinteresses, sofern die Schuldnerin ein Verschulden trifft (Art. 109 Abs. 2 OR; s. N 963). Je nach Erfüllungsgrad ist bei Dauerschuldverträgen die Rückabwicklung und somit die Wiederherstellung des Zustands vor Vertragsschluss unzweckmässig. Bei ganz oder teilweise erfüllten Dauerschuldverträgen ist dem Gläubiger darum anstelle des Rücktrittsrechts ein ex nunc wirkendes Kündigungsrecht einzuräumen (s. N 964). Entscheidet sich der Gläubiger für die Geltendmachung von Schadenersatz gemäss 905 Art. 97 Abs. 1 OR und ist seine Erklärung in der Folge «ins Leere» gegangen, weil sich die Schuldnerin exkulpieren kann, ist zu unterscheiden: Im Fall der unverschuldeten Leistungsunmöglichkeit sieht Art. 119 OR vor, dass Forderung und Gegenforderung erlöschen. Der Gläubiger wäre also von seiner Gegenleistungspflicht befreit. Bei einer positiven Vertragsverletzung bliebe der Schadensersatzanspruch des Gläubigers diesfalls unerfüllt, die Schuldnerin könnte dagegen ihre Gegenleistung weiterhin fordern. Da dem Gläubiger diese Rechtsfolge nicht zumutbar ist, muss ihm erlaubt werden, nach einer fehlgeschlagenen Schadenersatzklage noch den Vertragsrücktritt zu wählen.93 Da eine einmal abgegebene Gestaltungserklärung (in diesem Fall die Wahl des Gläubigers, Schadenersatz zu verlangen) aber unwiderruflich sei, lehnt das Bundesgericht die vorgeschlagene Lösung ab.94 Koller empfiehlt den Parteien daher, von den dispositiven Regeln von Art.  107–109  OR abzuweichen und sich gegenseitig vertraglich das Recht einzuräumen, im Fall der erfolglosen Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs einen anderen Anspruch wählen zu dürfen.95 Unserer Meinung nach ist diese Lösung gut, allerdings dürfte selten

90 S. auch BGE 4A_101/2015 E. 4.5 = Pra 2016 Nr. 37 für die nachträgliche Leistungsunmöglichkeit; CHK ORFurrer/Wey, Art.  97–98 N  138  ff.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N  2587  f.; Schwenzer,  OR AT, N 68.09 f. 91 Gl.M. BK OR-Weber, Art. 97 N 270; differenzierend CR CO-Thévenoz, Art. 97 N 63. 92 S. BGE 126 III 119 E. 3c; 114 II 152 E. 2d. 93 S. auch Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2783 ff.; Koller, ZSR 1997 I, 503. 94 BGE 123 III 16 E. 4b; ebenso Bucher, OR AT, 373 f.; von Tuhr/Escher, 154. Für mögliche Ausnahmen vom Grundsatz der Unwiderruflichkeit der Anfechtungserklärung s. BGE 128 III 70 E. 2. 95 Koller, ZSR 1997 I, 507.

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1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

daran gedacht werden. Darüber hinaus könnte eine Kritik auch beim Dogma einer Unwiderruflichkeit der Ausübung von Gestaltungsrechten ansetzen.

VII. Übersicht über die Rechtsfolgen der Nicht- bzw. Schlechterfüllung gemäss Art. 97 Abs. 1 OR 906 Nicht- oder Schlechterfüllung

Wahl Schadenersatz

Verschulden

Ersatz des positiven Interesses

Wahl Austauschtheorie

kein Verschulden

Schuldnerin wird frei

Wahl Rücktritt (Art. 107 Abs. 2, Art. 109 OR analog)

kein Verschulden

Verschulden

Rückabwicklung

Rückabwicklung und Ersatz des negativen Interesses (Art. 109 Abs. 2 OR)

Wahl Differenztheorie

Abbildung: Übersicht über die Rechtsfolgen der Nicht- bzw. Schlechterfüllung

VIII. Konkurrenzen 907

Eine Konkurrenz zwischen vertraglichen Ansprüchen aus Art. 97 Abs. 1 OR und quasivertraglichen Ansprüchen kann nicht entstehen, weil ein bestehendes Vertragsverhältnis quasivertragliche Ansprüche ausschliesst (s. dazu auch N 1565; zur Konkurrenz zwischen Art. 97 ff. OR und den Ansprüchen aus GoA s. N 2200 f.).

908

Im Verhältnis zur deliktischen Haftung (Art. 41 OR) gilt Folgendes: Nicht jede Vertragsverletzung ist widerrechtlich. Verletzt aber die Schuldnerin eine vertragliche Pflicht und ist ihre Handlung zugleich widerrechtlich, hat der Gläubiger – sofern die

288

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

übrigen Voraussetzungen erfüllt sind – sowohl aus Art. 97 Abs. 1 OR als auch aus Art. 41 Abs. 1 OR einen Anspruch. Es handelt sich um einen Fall von Anspruchskonkurrenz (s. dazu auch N 1839 f., N 4145).96 Tritt der Gläubiger vom Vertrag zurück, entsteht ein vertragliches Rückabwick- 909 lungsverhältnis, welches Ansprüche aus Bereicherungsrecht (Art.  62  ff.  OR) ausschliesst (s. N 962, N 1769). Den Parteien stehen alsdann nur vertragliche Ansprüche zu.

IX.

Schuldnerverzug (Art. 102–109 OR)

1.

Begriff

Beim Schuldnerverzug ist die geschuldete Leistung (noch) möglich, die Schuldnerin erfüllt aber nicht rechtzeitig.

910

Diese Art von Leistungsstörung führt nicht automatisch zum Untergang des Erfül- 911 lungsanspruchs. Der Gläubiger kann vielmehr – wenigstens bei den vollkommen zweiseitigen Verträgen (s. dazu auch N 948 f.) – aus einer ganzen Reihe von Rechtsbehelfen (Art. 102 ff. OR) den für ihn vorteilhaftesten Anspruch auswählen.

2.

Voraussetzungen

Damit Schuldnerverzug eintritt, müssen folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein: • • • •

912

Nichtleistung trotz Leistungsmöglichkeit (s. N 915 f.); Fälligkeit der Forderung (s. N 917 f.); Mahnung oder bestimmter Verfalltag (s. N 919 ff.); kein Leistungsverweigerungsrecht der Schuldnerin (s. N 928 ff.) oder sonstige verzugshindernde Gründe (z.B. Gläubigerverzug [s. N 967 ff.], Verjährungseinrede, Schulderlass oder Stundung).

Für den Eintritt des Schuldnerverzugs spielt es keine Rolle, ob die Schuldnerin die 913 Spätleistung verschuldet oder nicht. Das Verschulden ist hingegen in der Regel für die einzelnen Rechtsfolgen des Verzugs relevant.

96 BGE 113 II 246 E. 3; Engel, CO PG, 757 ff.

289

1. Kapitel

914

Allgemeine Vertragslehre

Dem Gläubiger stehen bereits vor Eintritt des Schuldnerverzugs die Rechtsbehelfe von Art. 98 Abs. 1 und Abs. 3 OR zu. Eine Mahnung wird hierfür nicht vorausgesetzt; erforderlich ist lediglich, dass die Forderung fällig ist. Auch auf ein Verschulden der Schuldnerin kommt es nicht an. Allerdings erfordert dieses Vorgehen eine gerichtliche Ermächtigung (s. zum Ganzen N 812).97 2.1

Nichtleistung trotz Leistungsmöglichkeit

915

Die Schuldnerin leistet nicht, obwohl sie noch leisten könnte. Dies ist beispielsweise immer der Fall, wenn die Schuldnerin eine Geldforderung nicht bezahlt: Da im Privatrecht der Grundsatz «Geld muss man haben»98 gilt, liegt hier – rechtlich betrachtet – nie Unmöglichkeit vor (s. N 822). Leistet die Schuldnerin nicht, weil es ihr vorübergehend nicht möglich ist, gelangen ebenfalls die Bestimmungen über den Schuldnerverzug zur Anwendung.

916

Überdies reiht eine neuere Lehre auch die Fälle der (ursprünglichen und nachträglichen) subjektiven Leistungsunmöglichkeit in diese Kategorie ein. Dies ist unserer Auffassung nach aber abzulehnen (s. N 841 f.). 2.2

Fälligkeit der Forderung

917

Fälligkeit bedeutet, dass der Gläubiger die Erfüllung der Forderung nun verlangen darf und die Schuldnerin erfüllen muss.99

918

Geben weder der Vertrag noch die Natur des Rechtsverhältnisses Auskunft bzw. Aufschluss über den Fälligkeitszeitpunkt, so sind die einschlägigen dispositiven Bestimmungen anwendbar: In erster Linie sind die zahlreichen Sondervorschriften des Besonderen Teils des OR zu beachten (z.B. Art. 257c OR, wonach der Mietzins grundsätzlich Ende des Monats fällig wird; Art. 318, Art. 323, Art. 475 Abs. 1 OR). Wo keine Spezialregel besteht, stellt Art. 75 OR die Vermutung auf, dass die Schuld sofort fällig ist. Die dispositiven Regeln von Art. 76–80 OR helfen bei der Bestimmung des genauen Fälligkeitszeitpunkts. 2.3

919

Mahnung oder bestimmter Verfalltag (Art. 102 OR)

Der Gläubiger kann in der Regel frei entscheiden, wann er eine fällige Forderung geltend machen will. Die Folgen einer zu späten Erfüllung treffen die Schuldnerin 97 98 99

290

CHK OR-Furrer/Wey, Art. 97–98 N 161 ff. und N 173 ff.; BSK OR-Wiegand, Art. 98 N 1 und N 6. Die berechtigte Kritik zu diesem Grundsatz s. Honsell, ZSR 2011 II, 40. BGE 129 III 535 E. 3.2.1; s. auch BGE 143 II 37 E. 5.2.2 m.w.N.: «Vor der Fälligkeit kann kein Verzug eintreten».

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

erst, wenn der Gläubiger sie durch Mahnung in Verzug setzt (Art. 102 Abs. 1 OR). Ist ein Verfalltag verabredet oder ergibt sich ein solcher aus einer Kündigung, gerät die Schuldnerin auch ohne Mahnung in Verzug (Art. 102 Abs. 2 OR; zur zwecklosen oder überflüssigen Mahnung s. N 927). Damit ist der Weg offen für die einzelnen, die Schuldnerin negativ treffenden Verzugsfolgen. a.

Verzug durch Mahnung (Art. 102 Abs. 1 OR)

Mangels der vertraglichen Regelung eines Verfalltags gerät die Schuldnerin gemäss 920 Art. 102 Abs. 1 OR erst «durch Mahnung des Gläubigers» in Verzug. Die Mahnung ist eine empfangsbedürftige Erklärung: Sie wird mit Zugang bei der Schuldnerin wirksam (Zugangsprinzip; s. N 184 ff.). Sind zur Erfüllung Vorbereitungshandlungen nötig, kommt eine angemessene Reaktionszeit hinzu, bevor der Verzug eintritt.100 Der Gläubiger kann die Schuldnerin auch schon vor dem Fälligkeitszeitpunkt und damit vorsorglich mahnen:101 In diesem Fall wird die Mahnung am Tag der Fälligkeit wirksam. Die Mahnung ist eine unmissverständliche Aufforderung an die Schuldnerin, die 921 versprochene Leistung zu erbringen.102 Sie bedarf keiner besonderen Form. Das Wort «Mahnung» muss darin nicht vorkommen. Die blosse Zusendung einer Rechnung stellt in der Regel noch keine Mahnung dar. Anders verhält es sich dagegen, wenn beispielsweise der Vermerk «zahlbar sofort», «zahlbar innert 30 Tagen» oder «Saldo netto zu bezahlen innert 30 Tagen» beigefügt wird. Darin ist gemäss der Lehre eine unmissverständliche Aufforderung des Gläubigers an die Schuldnerin, die fällige Leistung unverzüglich zu erbringen, zu erblicken.103 Als Mahnung gilt auch die Zustellung eines Zahlungsbefehls im Sinne von Art. 69 ff. SchKG.104 Im Einzelfall ist durch Auslegung nach dem Vertrauensprinzip zu ermitteln, ob eine Mahnung vorliegt oder nicht. Damit die Schuldnerin weiss, für welche Verbindlichkeit der Gläubiger Erfüllung 922 verlangt, muss die zu erfüllende Forderung genau bezeichnet werden. Der Gläubiger darf mit der Mahnung grundsätzlich nicht mehr fordern, als ihm zusteht:105 Wenn der Gläubiger bezüglich Ort und Zeit der Leistung zu viel fordert (z.B. aus einer Holschuld eine Bringschuld «macht» oder Lieferung vor Fälligkeit verlangt), ist die Mahnung unwirksam. Verlangt er in quantitativer Hinsicht zu viel, fällt die Schuldnerin nur in Verzug, wenn sie trotzdem erkennen kann, dass der Gläubiger die geschuldete Leistung verlangt. 100 101 102 103

BSK OR-Wiegand, Art. 102 N 8. BGE 103 II 102 E. 1a; BK OR-Weber, Art. 102 N 102; a.M. von Tuhr/Escher, 136 FN 10. BGE 143 II 37 E. 5.2.2; 129 III 535 E. 3.2.2. CHK OR-Furrer/Wey, Art. 102 N 25a mit weiteren Beispielen; BSK OR-Wiegand, Art. 102 N 9; s. auch BVGE A-3766/2012 E. 8.4.1.1 m.w.H. Ausführlich zum Ganzen Rüetschi, SJZ 2003, 341 ff. 104 S. BGE 2C_1071/2012 E. 9.2; HGer Aargau, SJZ 2000, 224 f. 105 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2706 m.w.H.

291

1. Kapitel

923

Allgemeine Vertragslehre

Der Gläubiger kann die Schuldnerin nur über einen Teil der Forderung in Verzug setzen. Fordert er irrtümlicherweise einen zu kleinen Betrag, so umfasst die Mahnung die gesamte Forderung, wenn das Versehen für die Schuldnerin nach Vertrauensprinzip erkennbar war.106 b.

Verzug ohne Mahnung (Art. 102 Abs. 2 OR)

924

Art. 102 Abs. 2 OR nennt zwei Fälle, in denen die Schuldnerin auch ohne Mahnung in Verzug fällt:

925

Lässt sich anhand des Vertrages genau festlegen, an oder bis zu welchem Tag die geschuldete Leistung zu erbringen ist (sog. Verfalltagsgeschäft), ist eine Mahnung überflüssig (z.B. «Leistung spätestens am 18. November 2018»).107 Dasselbe muss für das relative Fixgeschäft (sog. qualifiziertes Verfalltagsgeschäft) gelten, bei welchem die Schuldnerin nach dem vereinbarten Zeitpunkt gegen den Willen des Gläubigers nicht mehr leisten darf (s. N 710). Beim absoluten Fixgeschäft ist die Erfüllung nach dem vereinbarten Zeitpunkt dagegen gar nicht mehr möglich (z.B.: der Historiker verspricht eine Burgführung am Tag, bevor die Burg abgerissen wird; s. N 710): Anstelle der Regeln über den Schuldnerverzug kommen diesfalls die Bestimmungen über die Leistungsunmöglichkeit (Art. 97 Abs. 1 bzw. Art. 119 OR) zur Anwendung.

926

Ein Kündigungstermin gilt von Gesetzes wegen als Verfalltag: Die Schuldnerin kommt mit Ablauf desjenigen Tags in Verzug, auf den hin der Gläubiger gekündigt hat. Obwohl Art.  102 Abs.  2  OR nur die vertraglich vereinbarte Kündigung anspricht, gilt die Regelung auch bei gesetzlich vorgesehenen Kündigungen.108

927

Neben den beiden in Art. 102 Abs. 2 OR genannten Situationen sind weitere Fälle denkbar, die eine Mahnung ebenfalls entbehrlich machen: Deutet das Verhalten der Schuldnerin unmissverständlich darauf hin, dass sie nicht gewillt ist, die geschuldete Leistung (rechtzeitig) zu erbringen, fällt sie ohne Weiteres in Verzug. Eine Mahnung ist nicht nötig (Art. 108 Ziff. 1 OR analog; s. dazu N 954).109 Falls sogar schon vor dem Fälligkeitszeitpunkt alles auf eine Leistungsverweigerung hindeutet (sog. antizipierter Vertragsbruch), tritt der Verzug bereits mit Fälligkeit der Leistung ein.110 Die Schuldnerin fällt auch in Verzug, wenn sie die Zustellung einer Mahnung vorsätzlich verhindert (Art. 156 OR analog).111 Bei Verpflichtungen zur Leistung von 106 107 108 109 110 111

292

BK OR-Weber, Art. 102 N 74. S. BGE 143 II 37 E. 5.2.3. S. ferner BGE 4A_380/2013 E. 7.5, in welchem das Bundesgericht in einem Darlehen ein Verfalltagsgeschäft sah, weil die Parteien vereinbart hatten, dass mit Verzug der Zahlung einer Rate die gesamte Restschuld fällig werde. S. CR CO-Thévenoz, Art. 102 N 30. BGE 143 II 37 E. 5.2.2 m.w.N.; 110 II 141 E. 1b = Pra 1984 Nr. 210. BGE 4C.58/2004 E. 3.3; 110 II 141 E. 1b = Pra 1984 Nr. 210. BSK OR-Wiegand, Art. 102 N 11.

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

Schadenersatz aus unerlaubter Handlung ist eine Mahnung in der Regel ebenfalls nicht nötig.112 Die Parteien können sich auch auf eine andere Lösung verständigen. 2.4

Kein Leistungsverweigerungsrecht

Bei zweiseitigen Verträgen stehen der Schuldnerin zwei besondere Einreden zur 928 Verfügung, mit denen sie den Erfüllungsanspruch des Gläubigers vorläufig abwehren kann. a.

Einrede des nicht erfüllten Vertrages (Art. 82 OR)

Nach Art. 82 OR kann die Schuldnerin eines zweiseitigen Vertrages, der «Zug um 929 Zug» zu erfüllen ist, ihre bereits fällige Leistung verweigern, wenn der Gläubiger diese von ihr fordert, ohne bereits selber seine Gegenleistung erbracht oder ordnungsgemäss angeboten zu haben. Man spricht diesfalls auch von der Einrede des nicht erfüllten Vertrages. Der Gesetzgeber ging in Art.  82  OR von einem vollkommen zweiseitigen (synal- 930 lagmatischen) Vertrag aus. Das Bundesgericht wendet Art. 82 OR analog auch auf unvollkommen zweiseitige Verträge an;113 man spricht in diesem Zusammenhang von einem obligatorischen Retentionsrecht.114 Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages kann ausserdem bei der Rückabwicklung eines synallagmatischen Vertrages erhoben werden (Rückabwicklungs- oder Liquidationsverhältnis).115 Art.  82  OR kommt nicht (mehr) zur Anwendung, wenn der Vertragspartner die 931 Leistung tatsächlich anbietet (Realoblation). Nur ausnahmsweise genügt auch ein mündliches Angebot (Verbaloblation).116 Die Schuldnerin kann sich sodann auch nicht auf Art. 82 OR berufen, wenn sie vorleistungspflichtig ist und der Gläubiger ihre Leistung fordert. Die Vorleistungspflicht kann sich aus einer entsprechenden Parteiabrede, dem (dispositiven) Gesetzesrecht (z.B. Art. 257c OR), der Verkehrssitte oder der «Natur des Vertrages» (z.B. bei Dauerschuldverträgen) ergeben.117 Eine Ausnahme hiervon muss für die (nach Art. 323 Abs. 1 OR vorleistungspflichtige) Arbeitnehmerin gelten, wenn der Arbeitgeber mit der Lohnzahlung im Rück112 So auch Engel, CO PG, 689; Schwenzer, OR AT, N 65.13; BSK OR-Wiegand, Art. 102 N 11; a.M. CHK OR-Furrer/Wey, Art. 102 N 36; kritisch auch Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2725. 113 BGE 128 V 224 E. 2b = Pra 2003 Nr. 134; 120 II 209 E. 6a; 94 II 263 E. 3a. 114 BGE 120 II 209 E. 6a; von Tuhr/Escher, 67 f. Anschaulich ist in diesem Zusammenhang auch der Vorschlag des OR 2020-Entwurfs zur Regelung des sog. obligatorischen Retentionsrechts im Allgemeinen Teil des OR (s. Art. 101 Abs. 1 OR 2020) 115 S. BGE 114 II 152 E. 2c bb; s. ferner BGE 4A_533/2013 E. 6.2 zur Rückabwicklung eines infolge Willensmangels ungültigen zweiseitigen Vertrages. 116 BGE 111 II 463 E. 5a m.w.H. 117 Zum Ganzen ZK OR-Schraner, Art. 82 N 105 ff. Zum Leistungsverweigerungsrecht im Rahmen eines Sukzessivlieferungsvertrages s. BGE 4A_589/2016 E. 6 f.

293

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

stand ist.118 Das Gleiche gilt, wenn feststeht, dass die nachleistungspflichtige Schuldnerin nicht erfüllen wird. In diesem Fall kann sich die vorleistungspflichtige Partei per analogiam auf Art. 82 OR berufen.119 932

Weiter ist vorauszusetzen, dass die Leistungen in quantitativer und qualitativer Hinsicht ungefähr gleichwertig sind, andernfalls die Berufung der Schuldnerin auf das Leistungsverweigerungsrecht unter Umständen rechtsmissbräuchlich ist.120

933

Das Leistungsverweigerungsrecht ist einredeweise geltend zu machen. Dieses wird also nicht von Amtes wegen berücksichtigt.121 Es handelt sich um eine sog. dilatorische (aufschiebende) Einrede (s. N 32), welche bewirkt, dass die Schuldnerin die eingeklagte Leistung bis zum Erbringen bzw. Anbieten der Gegenleistung zurückbehalten darf.122 Erhebt die Schuldnerin die genannte Einrede mit Erfolg, wird die Klage nicht abgewiesen, sondern zur Leistung «Zug um Zug» verpflichtet.123 b.

Einrede der Zahlungsunfähigkeit (Art. 83 OR)

934

Art. 83 Abs. 1 OR gestattet der Schuldnerin, ihre Leistung zu verweigern, wenn bei einem vollkommen zweiseitigen Vertrag die Gegenpartei nachträglich zahlungsunfähig geworden ist.124

935

Zahlungsunfähigkeit im Sinne von Art. 83 OR setzt weder den Konkurs noch die fruchtlose Pfändung der Gegenpartei voraus, sondern liegt schon dann vor, wenn diese auf unbestimmte Zeit nicht über die notwendigen Mittel verfügt, um ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen.125

936

Durch die Zahlungsunfähigkeit der Gegenpartei wird der Anspruch der Schuldnerin gefährdet. Anders als bei Art. 82 OR kann die Einrede der Zahlungsunfähigkeit daher sogar erhoben werden, wenn die Schuldnerin vorleistungspflichtig ist. Die Einrede wird nach herrschender Lehre und Rechtsprechung hingegen nicht zugelassen, wenn die Zahlungsunfähigkeit bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses

118 119 120 121 122 123 124

BGE 120 II 209 E. 6a. Bucher, OR AT, 310. Furrer/Müller-Chen, Kap. 20 N 19; Simmen, 89 f. BGE 4A_533/2013 E. 6.2; 79 II 277 E. 2. BGE 127 III 199 E. 3a. BGE 127 III 199 E. 3a; 111 II 463 E. 3; zum Ganzen ZK OR-Schraner, Art. 82 N 206 ff. A.M. dagegen der Vorschlag des OR 2020-Entwurfs, welcher die Beschränkung auf vollkommen zweiseitige Verträge aufhebt, weil diese zu eng sei: Die Schuldnerin sollte sich auch dann auf die Einrede der Zahlungsunfähigkeit berufen können, wenn die einschlägigen Leistungen «bloss» in einem (nebensächlichen) Zusammenhang miteinander stehen (Art. 102 Abs. 1 OR 2020). Mit anderen Worten müssen die Leistungen nicht synallagmatisch verknüpft sein, damit ein Leistungsverweigerungsrecht bejaht werden kann; s. dazu auch OR 2020-Stöckli/Stoffel, Art. 102 N 6 f. 125 BGE 105 II 28 E. 1; 68 II 177.

294

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

vorgelegen hat. Diesfalls hat die Schuldnerin aber allenfalls die Möglichkeit, sich auf absichtliche Täuschung oder Grundlagenirrtum zu berufen.126 Die Schuldnerin kann ihre Leistung so lange verweigern, bis der Gläubiger die Gegenforderung sichergestellt hat. Art. 83 Abs. 2 OR gewährt der Schuldnerin ein Rücktrittsrecht, wenn innert angemessener Frist keine Sicherstellung erfolgt. Die Angemessenheit der Frist und die Modalitäten des Vertragsrücktritts richten sich nach den Regeln von Art. 107 Abs. 2 und Art. 109 OR (s. N 960 ff.).

3.

937

Rechtsfolgen

Sind alle Voraussetzungen erfüllt, fällt die Schuldnerin in Verzug. Der Gläubiger 938 kann sodann die in Art.  103–109  OR enthaltenen Rechte geltend machen. Nach der Systematik des Gesetzes bildet Art. 103 OR die Grundnorm der Bestimmungen über die Verzugsfolgen. Art. 104–106 OR gelangen nur bei Geldschulden zur Anwendung und der Anwendungsbereich der Art. 107–109 OR ist auf vollkommen zweiseitige Verträge begrenzt. 3.1

Leistung von Verzugszinsen (Art. 104–105 OR)

Sobald die Schuldnerin mit der Zahlung einer Geldschuld in Verzug gerät, hat sie Verzugszinsen von vermutungsweise mindestens 5% pro Jahr zu bezahlen (Art. 104 Abs. 1 OR). Hierfür ist weder erforderlich, dass die Schuldnerin ein Verschulden am Verzug trifft, noch dass der Gläubiger einen Schaden erleidet.127

939

Ein höherer Zinssatz kann sich aus abweichender Vereinbarung sowie aus einem Geschäft «unter Kaufleuten» (sog. kaufmännischer Verkehr) ergeben (s.  Art.  104 Abs. 2 und Abs. 3 OR).

940

Von Verzugszinsen dürfen keine Verzugszinsen erhoben werden (sog. Anatozismus- 941 verbot; Art. 105 Abs. 3 OR). Diese Vorschrift bezweckt den Schutz der unerfahrenen Schuldnerin vor einer unvorhergesehenen Vergrösserung ihrer Schuld.128 Eine bewusst vom Gesetz abweichende Vereinbarung sollte demnach möglich sein.129 Beispielsweise können die Parteien eine bestehende Verzugszinsforderungen in eine neue, selbständige Kapitalforderung umwandeln (Novation; Art. 116 OR), auf welcher wiederum Verzugszinsen erhoben werden können.130

126 BGE 105 II 28 E. 2b; BSK OR-Leu, Art. 82 N 2; ZK OR-Schraner, Art. 83 N 15; Von Tuhr/Escher, 66; a.M. Bucher, OR AT, 311 FN 68; BK OR-Weber, Art. 83 N 42. 127 BGE 129 III 535 E. 3.1; 123 III 241 E. 4b; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1295. 128 Bucher, OR AT, 362 FN 130. 129 S. auch Schenker, N 389; BK OR-Weber, Art. 105 N 25. 130 S. BGE 131 III 12 E. 9.3; Bucher, OR AT, 362 FN 130; BK OR-Weber, Art. 105 N 8, N 21 und N 27 m.w.N.

295

1. Kapitel

3.2

Allgemeine Vertragslehre

Ersatz des Verspätungsschadens (Art. 103 OR)

942

Nach Art. 103 Abs. 1 OR haftet die Schuldnerin für den Schaden, der dem Gläubiger aus der verspäteten Leistung entsteht (sog. Verzugs- oder Verspätungsschaden). Der Gläubiger ist mit anderen Worten so zu stellen, wie wenn rechtzeitig erfüllt worden wäre (positives Vertragsinteresse). Zu ersetzen sind insbesondere entgangener Gewinn, Schadenersatzleistungen an Dritte sowie Auslagen für die Miete von Ersatzgegenständen etc.131 Im Gegensatz zur Regelung nach Art.  97  OR (Umwandlung des Primäranspruchs in einen Sekundäranspruch; s. N 813, N 902 f.) tritt der Schadenersatzanspruch nach Art. 103 Abs. 1 OR nicht an die Stelle des Erfüllungsanspruchs, sondern kumulativ zu diesem hinzu. Der Gläubiger kann also nach wie vor die Erfüllung der ursprünglichen Leistung verlangen. Art.  106 Abs.  1  OR wiederholt die Pflicht zum Ersatz des Verspätungsschadens bei Geldforderungen.132

943

Das Verschulden wird vermutet. Die Schuldnerin kann sich gemäss Art.  103 Abs. 2 OR aber von der Ersatzpflicht befreien, wenn sie nachweist, dass sie kein Verschulden am Verzug trifft. Die zweite in Art. 103 Abs. 2 OR erwähnte Entlastungsmöglichkeit betrifft die Zufallshaftung (s. sogleich N 944 ff.). 3.3

Zufallshaftung (Art. 103 OR)

944

Sobald die Schuldnerin in Verzug gerät, trifft sie gemäss Art. 103 Abs. 1 OR eine Zufallshaftung. Die Schuldnerin haftet während des Verzugs mithin auch für Ereignisse, die weder von ihr noch vom Gläubiger verschuldet sind. Wird die Leistung nach Verzugseintritt unmöglich, kann sie sich somit nicht mehr gestützt auf Art.  119 Abs.  1  OR von ihrer Leistungspflicht befreien. Vielmehr muss sie nach Art. 97 Abs. 1 OR für die Leistungsunmöglichkeit einstehen – und zwar ohne Exkulpationsmöglichkeit.

945

Von der Zufallshaftung kann sich die Schuldnerin nach Art.  103 Abs.  2  OR nur befreien, indem sie beweist, dass sie kein Verschulden am Verzug trifft oder dass der Zufall, welcher zur Unmöglichkeit führte, auch bei rechtzeitiger Erfüllung eingetreten wäre. Beim zweiten Einwand handelt es sich um eine Frage der Kausalität.

946

Die Zufallshaftung von Art. 103 Abs. 1 OR ist vom Gefahrenübergang nach Art. 185 Abs. 1 OR zu unterscheiden: Bei Art. 103 Abs. 1 OR ist der entstandene Schaden zu ersetzen, wobei ein allfälliger Anspruch auf die Gegenleistung bestehen bleibt. Im Fall von Art. 185 Abs. 1 OR bleibt die Käuferin zur Zahlung des Kaufpreises – aber nicht zum Ersatz weiteren Schadens – verpflichtet, obwohl die Gegenleistung des Verkäufers ausfällt (s. N 2473 ff.). 131 132

296

Zum Ganzen s. BGE 116 II 441 E. 2c. S. BGE 123 III 241 E. 4b; 60 II 337 E. 2.

§8

3.4

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

Wegfall von Haftungsmilderungen

Obwohl in Art. 103 Abs. 1 OR nicht ausdrücklich erwähnt, führt der von der Schuld- 947 nerin verschuldete Verzug nach herrschender Lehre auch dazu, dass allfällige Haftungsmilderungen – namentlich Art. 99 Abs. 2 OR – entfallen.133

4.

Gläubigerrechte bei vollkommen zweiseitigen Verträgen (Art. 107–109 OR)

Die Art. 107–109 OR sorgen bei vollkommen zweiseitigen Verträgen für eine mass- 948 geschneiderte Befriedigung der unterschiedlich gelagerten Gläubigerinteressen, wenn die Schuldnerin in Verzug gerät: Der Gläubiger darf gestützt auf diese Normen nämlich entscheiden, ob er weiter an der Leistung der Schuldnerin festhalten oder darauf verzichten und – im letzteren Fall – Schadenersatz wegen Nichterfüllung fordern oder vom Vertrag zurücktreten will. Diese besonderen Regeln sind nach dem Wortlaut von Art. 107 OR nur auf «zwei- 949 seitige» Verträge anwendbar, womit der Gesetzgeber wie gesagt vollkommen zweiseitige (synallagmatische) Verträge anvisiert. Der Anwendungsbereich der Norm ist jedoch in Übereinstimmung mit der überwiegenden Lehre in teleologischer Auslegung auf alle Fälle auszudehnen, in denen der Gläubiger ein schützenswertes Interesse daran hat, die Rechte von Art. 107–109 OR in Anspruch zu nehmen.134 Ein schützenswertes Interesse ist zu bejahen, wenn die Schuldnerin mit der Erfüllung einer wesentlichen Vertragsverpflichtung im Verzug ist. Bei den nicht wesentlichen Pflichten gelangen dagegen Art. 103 oder Art. 97 Abs. 1 OR zur Anwendung (s. auch N 944).135 Die Wahlrechte stehen dem Gläubiger grundsätzlich auch bei blossem Teilverzug 950 der Schuldnerin zu.136 Bezüglich der einzelnen Teilleistungen kann der Gläubiger alsdann nach Art.  107 und Art.  109  OR vorgehen. Ein Teilrücktritt ist nur möglich, wenn die Leistung des Gläubigers teilbar ist.137 Bei Sukzessivlieferungsverträgen bzw. bei Ratenzahlungen kann der Gläubiger nicht nur in Bezug auf die bereits 133 Engel, CO PG, 691; von Tuhr/Escher, 145; BSK OR-Wiegand, Art. 103 N 8 m.w.H.; a.M. Gauch/ Schluep/Emmenegger, N 2674. 134 Befürwortend: Bucher, OR AT, 340 FN 48; CHK OR-Furrer/Wey, Art. 107 N 10 f.; Gauch/Schluep/ Emmenegger, N 2733; BSK OR-Wiegand, Art. 107 N 4. Eine analoge Anwendung von Art. 107 ff. OR dagegen ablehnend von Tuhr/Escher, 89 FN 34 und 102 FN 62. 135 Wiegand, recht 1984, 15 f.; s. auch Bucher, OR AT, 366. 136 Anschaulich in diesem Zusammenhang auch der Vorschlag des OR 2020-Entwurfs zur Regelung des Teilverzugs im Allgemeinen Teil des OR (s. Art. 130 Abs. 3 OR 2020): Bei Teilverzug kann der Gläubiger den Vertrag in Bezug auf den noch fehlenden Teil aufheben (Teilaufhebung). Ist der bereits geleistete Teil für den Gläubiger allerdings nutzlos, so kann er den gesamten Vertrag aufheben (Totalaufhebung). 137 Ausführlich von Tuhr/Escher, 158 f.

297

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

fällig gewordenen Raten nach 107 ff. OR vorgehen, sondern kann vom ganzen Vertrag zurücktreten, sofern auch die künftige Vertragserfüllung als ausgeschlossen erscheint.138

138

298

BGE 141 III 106 E. 16.2; 119 II 135 E. 3b = Pra 1993 Nr. 209.

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

951 Die Schuldnerin leistet nicht, obwohl die Leistung möglich und die Forderung fällig ist; sie hat überdies kein Leistungsverweigerungsrecht.

Mahnung (Art. 102 Abs. 1 OR )

Ausnahme: Mahnung nicht erforderlich (Art. 102 Abs. 2 OR)

angemessene Reaktionszeit

Eintritt des Schuldnerverzugs

Ausnahme: Nachfrist nicht erforderlich (Art. 108 OR)

Nachfristansetzung (Art. 107 Abs. 1 OR)

1. Wahlrecht des Gläubigers (Art. 107 Abs. 2 OR)

Verzicht auf die Leistung

Festhalten an der Leistung: Klage auf Erfüllung und Ersatz des Verspätungsschadens (Art. 103 ff. OR)

2. Wahlrecht des Gläubigers (Art. 107 Abs. 2 OR)

Schadenersatz wegen Nichterfüllung (Art. 107 Abs. 2 OR)

auf positives Interesse

Rücktritt und Schadenersatz (Art. 107 Abs. 2, Art. 109 OR)

auf negatives Interesse (Art. 109 Abs. 2 OR)

«3. Wahlrecht»

Austauschtheorie

Vertrag besteht weiter

Differenztheorie

Vertrag wird liquidiert

Abbildung: Übersicht über die Rechtsfolgen des Schuldnerverzugs bei vollkommen zweiseitigen Verträgen

299

1. Kapitel

4.1

Allgemeine Vertragslehre

Zusätzliche Voraussetzung: Nachfristansetzung (Art. 107–108 OR)

952

Da die Gläubigerrechte von Art.  107–109  OR für die Schuldnerin mit zum Teil schwerwiegenden Nachteilen verbunden sind, hat ihr der Gläubiger nach dispositivem Recht mittels Ansetzen einer zusätzlichen Frist («Nachfrist») eine letzte Chance zu geben, ihrer Verpflichtung nachzukommen.139 Der Gläubiger kann die Nachfrist selbst ansetzen oder von der Richterin ansetzen lassen (Art. 107 Abs. 1 OR).

953

Die Frist muss angemessen sein. Sie ist im Einzelfall so zu bemessen, dass der Schuldnerin die Erfüllung innerhalb des konkreten Zeitraums möglich ist.140 Ist die Frist zu kurz, muss sich die Schuldnerin unverzüglich beschweren und eine Verlängerung der Frist verlangen. Tut sie dies nicht, muss die Schuldnerin die objektiv zu kurze Frist als angemessen gegen sich gelten lassen.141 Die Nachfrist kann im Übrigen auch schon mit der Mahnung (Art. 102 Abs. 1 OR) verbunden werden.142

954

Wie die Mahnung ist auch die Ansetzung einer Nachfrist nicht immer notwendig. Keine Nachfristansetzung ist erforderlich, wenn sie eine reine Formalität darstellen oder sich als sinnlos erweisen würde. Art. 108 OR zählt – nicht abschliessend – drei Fälle auf: • Aufgrund des Verhaltens der Schuldnerin erscheint eine Nachfristansetzung als nutzlos (Ziff. 1; z.B. die Schuldnerin erklärt, dass sie nicht leisten werde); • die Leistung ist für den Gläubiger infolge des Verzugs nutzlos geworden (Ziff. 2); • oder es liegt ein relatives Fixgeschäft (s. N 710, N 925) vor (Ziff. 3; z.B. die Gemüsehändlerin versäumt es, die Tomaten vereinbarungsgemäss «bis spätestens Freitag 12 Uhr» zu liefern). 4.2

Erstes Wahlrecht: Festhalten an der Leistung oder Verzicht auf die Leistung

955

Leistet die Schuldnerin auch nach erfolgter Nachfristansetzung nicht, so kann der Gläubiger gemäss Art. 107 Abs. 2 OR an seiner Forderung auf die geschuldete Leistung festhalten oder darauf verzichten.

956

Hält der Gläubiger an seiner Forderung fest, so kann er neben der Erfüllung den Ersatz von Verspätungsschaden (Art. 103 Abs. 1 OR) verlangen. Er kann auch jederzeit eine weitere Nachfrist ansetzen und dadurch die Wahlrechtslage wiederherstellen.143 139 140 141 142 143

300

Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1308, sprechen anschaulich von «Gnadenfrist». S. BGE 103 II 102 E. 1b; s. ferner BGE 4A_201/2016 E. 5.2, in welchem ausserordentliche Umstände sowie das Interesse des Gläubigers an einer sofortigen Vertragserfüllung eine Nachfrist von wenigen Stunden rechtfertigten. S. BGE 4A_306/2008 E. 4.2; 116 II 436 E. 2 = Pra 1991 Nr. 41. BGE 4C.216/2000 E. 2a; 103 II 102 E. 1a. BGE 103 II 102 E. 1b; s. auch BGE 86 II 221 E. 11c.

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

Will der Gläubiger auf die nachträgliche Leistung verzichten, hat er seine Wahl der 957 Schuldnerin «unverzüglich» mitzuteilen (Art. 107 Abs. 2 OR). Für die Bestimmung des Zeitraums, innert dessen der Verzicht zu erklären ist, sind die gegenseitigen Interessen der Parteien massgeblich, wobei dem Gläubiger für seinen Entschluss hinsichtlich des weiteren Vorgehens eine angemessene Bedenkzeit zu gewähren ist.144 Die Mitteilung kann auch konkludent erfolgen, beispielsweise indem der Gläubiger sein zweites Wahlrecht ausübt (Schadenersatz wegen Nichterfüllung oder Rücktritt vom Vertrag). Nach herrschender Lehre muss der Gläubiger die Schuldnerin gleichzeitig mit der Verzichtserklärung über sein weiteres Vorgehen informieren, da es für sie nicht zumutbar ist, längere Zeit über das weitere Schicksal des Vertrages und den Inhalt ihrer Pflichten im Ungewissen gelassen zu werden.145 Im Unterschied zur allgemeinen Regel von Art. 107 Abs. 2 OR stellt Art. 190 Abs. 1 OR für den Handelskauf die Vermutung auf, dass der Käufer nach ungenutztem Ablauf des Liefertermins auf die Ware verzichtet und stattdessen Schadenersatz wegen Nichterfüllung beansprucht. Möchte der Käufer an der Erfüllung festhalten, muss er dies der Verkäuferin unverzüglich mitteilen (Art. 190 Abs. 2 OR; s. N 2521 f.). 4.3

Zweites Wahlrecht: Schadenersatz wegen Nichterfüllung oder Rücktritt vom Vertrag

Verzichtet der Gläubiger auf die nachträgliche Leistung (erstes Wahlrecht), kann 958 er gemäss Art.  107 Abs.  2  OR entweder den Vertrag aufrechterhalten und Schadenersatz wegen Nichterfüllung fordern oder vom Vertrag zurücktreten (zweites Wahlrecht). Allerdings kann der Rücktritt in gewissen Fällen ausgeschlossen sein, beispielsweise wenn er rechtsmissbräuchlich wäre oder wenn im Fall eines Kreditkaufs dem Verkäufer nicht ein ausdrückliches Rücktrittsrecht eingeräumt wurde (Art. 214 Abs. 3 OR; s. dazu N 2539 ff.). Entscheidet sich der Gläubiger für die Aufrechterhaltung des Vertrages nebst Scha- 959 denersatz wegen Nichterfüllung, wird  – im Unterschied zum Festhalten an der Erfüllung (erstes Wahlrecht) – die ausgebliebene Leistung im Rahmen des zweiten Wahlrechts in einen Schadenersatzanspruch umgewandelt (Sekundäranspruch). Es sind dieselben Voraussetzungen zu erfüllen wie bei Art. 97 Abs. 1 OR (s. N 857 ff.). Das vertragswidrige Verhalten liegt diesfalls in der nicht rechtzeitigen Erfüllung. Zu ersetzen ist das positive Interesse unter Einbezug des Verspätungsschadens.146 144 CHK OR-Furrer/Wey, Art. 107 N 38; von Tuhr/Escher, 153. 145 ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 107 N 36; Schenker, N 557 ff.; Wiegand, recht 1983, 127; a.M. Koller, ZSR 1997 I, 505 f.; vermittelnd Bucher, OR AT, 374 FN 176; offengelassen in BGE 123 III 16 E. 4b. S. zur Notwendigkeit der unverzüglichen Verzichtserklärung in den Fällen von Art. 108 OR und den möglichen Ausnahmen BGE 143 III 495 E. 4.3.1 f. m.w.H.; s. ferner BGE 4A_603/2009 E. 2.7, in welchem sogar ein Zeitraum von einem Monat noch als unverzüglich galt, da es für den Unternehmer keinen Nachteil bedeutete. 146 S. BGE 123 III 16 E. 4b.

301

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Obwohl in Art. 107 Abs. 2 OR nicht explizit erwähnt, ist die Schuldnerin nur bei Verschulden schadenersatzpflichtig.147 Dieses wird vermutet. Gelingt ihr der Exkulpationsbeweis, stellt sich die Frage, ob der Gläubiger auf das zweite Wahlrecht zurückkommen und vom Vertrag zurücktreten darf. Dies ist unserer Ansicht nach zu bejahen (s. N 905). 960

Der Rücktritt vom Vertrag nach Art. 107 Abs. 2 OR setzt dagegen kein Verschulden voraus. Bezüglich der Wirkungen des Rücktritts hat sich in der jüngeren Judikatur und Doktrin die Umwandlungstheorie etabliert: Mit der Rücktrittserklärung des Gläubigers fällt der Vertrag nicht ab initio dahin, sondern wird in ein vertragliches Rückabwicklungsverhältnis (sog. Liquidationsverhältnis) «umgewandelt».148 Der Rücktritt bewirkt die inhaltliche Modifikation des Vertragsverhältnisses; es entstehen gegenüber den ursprünglichen Ansprüchen solche mit «umgekehrten Vorzeichen». Mit der Entstehung des Liquidationsverhältnisses werden die Parteien mit anderen Worten von ihrer Pflicht befreit, künftige Leistungen zu erbringen oder anzunehmen. Sofern bereits Leistungen erbracht wurden, sind diese zurückzuerstatten (s. Art. 109 Abs. 1 OR). Es wird also – mittels Liquidationsverhältnis – der Zustand vor Vertragsschluss wiederhergestellt.149

961

Die Rückerstattung bereits erbrachter Leistungen erfolgt grundsätzlich in natura. Ist dies nicht möglich (z.B. bei Dienstleistungen oder bei Untergang einer Sachleistung) oder nicht angemessen (z.B. wenn die Rückerstattung in natura für die Schuldnerin einen unverhältnismässig hohen Aufwand bedeuten würde), ist Wertersatz geschuldet.150 Der Wertersatz bemisst sich nach dem Willen der Parteien: Massgeblich ist derjenige (subjektive) Wert, den die Parteien der Leistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses beigemessen haben.151 Der Wertersatz ist proportional zu reduzieren, wenn die erbrachte Leistung mangelhaft ist (s. N 2681 ff.). Nebst Rückerstattung in natura hat die (Liquidations-)Schuldnerin bei Sachleistungen dem (Liquidations-) Gläubiger eine angemessene Entschädigung für den Gebrauch des Vertragsgegen147 148

S. BSK OR-Wiegand, Art. 107 N 16 mit Ausführungen zur Entstehungsgeschichte von Art. 107 Abs. 2 OR. BGE 133 III 356 E. 3.2.1; 5C.59/2006 E. 2.4; 126 III 119 E. 3c; 123 III 16 E. 4b; 114 II 152 E. 2c aa; Furrer/Müller-Chen, Kap. 20 N 42; CHK OR-Furrer/Wey, Art. 109 N 15 ff.; Gauch, recht 1989, 124 ff.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2804 ff.; Glasl, 90 ff.; Hartmann, N 915; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1320; CR CO-Thévenoz, Art. 109 N 6; Weber, ZBJV 1991, 638 ff.; Wiegand, recht 1984, 13; a.M. von Tuhr/Peter, 492 f. 149 Differenzierender dagegen der Vorschlag des OR 2020-Entwurfs in Art. 80 OR 2020, wonach sich der Zeitpunkt, ab dem das Rechtsverhältnis zu liquidieren ist, nach der Natur des Vertrages, dem Grund der Liquidation und/oder dem Grad der Erfüllung, bestimmen solle. Je nach Situation sei im Einzelfall festzulegen, wo auf der Zeitachse zwischen dem gegenwärtigen Zeitpunkt (ex nunc) und dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses (ex tunc) – der Rückabwicklungsvorgang anzusiedeln sei. In seltenen Fällen könne dieser Zeitpunkt auch in der Zukunft bzw. im vorvertraglichen Bereich liegen. Es könne beispielsweise der Gläubiger bereits mit Blick auf den künftigen (schliesslich aber gescheiterten) Vertrag Leistungen erbracht haben; s. dazu ausführlich OR 2020-Huguenin/Hilty/Purtschert, Art. 80 N 1 ff. 150 Anschaulich auch der Regelungsvorschlag des OR 2020-Entwurfs in Art. 81 OR 2020. 151 Anschaulich in diesem Zusammenhang auch der Regelungsvorschlag des  OR  2020-Entwurfs in Art. 81 OR 2020; dazu ausführlich OR 2020-Huguenin/Hilty/Purtschert, Art. 82 N 1 ff.

302

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

stands zu leisten. Ist die Rückerstattung von Geldleistungen geschuldet, sind diese ab Zahlung zu verzinsen.152 Die Ansprüche aus dem Liquidationsverhältnis sind vertraglicher Natur. Auf die 962 Rückabwicklung finden die vertragsrechtlichen Regeln Anwendung (insbesondere Art. 68 ff., Art. 82 und Art. 97 ff. OR).153 Die Rückerstattungsansprüche unterstehen der zehnjährigen Verjährungsfrist von Art. 127 OR. Zieht die (Liquidations-) Schuldnerin im Rahmen der Rückabwicklung eine Hilfsperson bei, haftet sie für deren Verhalten nach Art. 101 OR. Da der Vertrag – dogmatisch betrachtet – mit dem Rücktritt nicht ab initio dahinfällt, sondern «lediglich» inhaltlich modifiziert wird, behält er seine Funktion als Rechtsgrund für die bereits erbrachten Leistungen. Mit Blick auf die dingliche Rechtslage führt die Umwandlungstheorie zum Fortbestand der causa für den Eigentumsübergang: Dem (Liquidations-)Gläubiger stehen somit ausschliesslich vertragliche Rückerstattungsansprüche zu. Bereits empfangene Leistungen sind mittels Rückübereignung zurückzuerstatten und nicht zu vindizieren (Art.  641 Abs.  2 ZGB). Die Anwendung des Bereicherungsrechts (Art. 62 ff. OR) ist ebenfalls ausgeschlossen (s. dazu auch N 1769). Dies hat den Vorteil, dass die rückzugewährenden Leistungen nicht auf unterschiedlich ausgestalteten bzw. ungleich wirkenden Ansprüchen beruhen, sondern bis am Schluss in einem Konnex bleiben (zum Liquidationsverhältnis s. N 583, N 1821). Damit ist insbesondere auch die Gleichbehandlung synallagmatischer Ansprüche gewährleistet. Überdies hat der Gläubiger nach Art. 109 Abs. 2 OR Anspruch auf Ersatz des nega- 963 tiven Vertragsinteresses, sofern der Schuldnerin der Exkulpationsbeweis nicht gelingt.154 Der Gläubiger ist so zu stellen, wie wenn der Vertrag nie abgeschlossen worden wäre. Ersatzpflichtig sind beispielsweise Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss oder Ausgaben im Vertrauen auf die korrekte Vertragsabwicklung.155 Bei ganz oder teilweise erfüllten Dauerschuldverträgen ist die Rückabwicklung  – 964 und somit die Wiederherstellung des vorvertraglichen Zustands  – oft mit (praktischen) Schwierigkeiten verbunden, unzweckmässig oder gar unmöglich. Dem Gläubiger ist daher anstelle des Rücktrittsrechts ein (ex nunc wirkendes) Kündigungsrecht zuzugestehen, welchem die Bedeutung einer ausserordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund zukommt (s. N 792 ff., N 797). Der Vertrag wird im

152 Anschaulich in diesem Zusammenhang auch der Regelungsvorschlag des OR 2020-Entwurfs in Art. 83 Abs. 1 und Abs. 2 OR 2020. 153 Zum Ganzen BSK OR-Wiegand, Art. 109 N 5 ff. 154 A.M. Schwenzer, OR AT, N 66.34, die den Ersatz des negativen Interesses nach Art. 109 Abs. 2 OR verschuldensunabhängig gewähren will. Eine Kombination von Vertragsrücktritt und positivem Interesse befürwortend Koller, AJP 2017, 1170 ff. 155 S. Bucher, OR AT, 342; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1213 und N 1322

303

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Hinblick auf künftige Leistungen aufgehoben; Rückerstattungsansprüche für bereits erbrachte Leistungen sind ausgeschlossen.156 4.4 965

Drittes Wahlrecht: Austausch- oder Differenztheorie

Hat sich der Gläubiger im Rahmen des zweiten Wahlrechts für Schadenersatz wegen Nichterfüllung entschieden und sind die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt, stellt sich die Frage, was mit der Gegenleistung geschehen soll. Obwohl in Art. 107 Abs. 2 OR nicht explizit geregelt, kann der Gläubiger nach herrschender Lehre diesbezüglich wählen, ob er nach der Austauschtheorie vorgehen will und danach weiterhin seine eigene Leistung erbringen muss oder ob er die Differenztheorie wählt und somit nur die summenmässige Differenz zwischen der Schadenersatzforderung und seiner Gegenleistung verlangt (s. auch N 902).157

5. 966

Übersicht über die Verzugsfolgen Verzugsfolgen

Verschulden am Verzug erforderlich

Zahlung von Verzugszinsen (Art. 104 OR)

×

Ersatz des Verspätungsschadens (Art. 103 OR)

×

Zufallshaftung (Art. 103 OR)

×

keine Haftungsmilderungen (nicht Art. 99 Abs. 2 OR)

×

Ersatz des positiven Interesses (Art. 107 Abs. 2 OR)

×

Rücktritt vom Vertrag (Art. 107 Abs. 2, Art. 109 Abs. 1 OR) Ersatz des negativen Interesses (Art. 109 Abs. 2 OR)

nicht erforderlich

× ×

Abbildung: tabellarische Übersicht über die Bedeutung des Verschuldens für die einzelnen Rechtsfolgen des Schuldnerverzugs

156 157

304

BGE 123 III 124 E. 3b; für die Anfechtung bei Willensmängeln s. auch BGE 129 III 320 E. 7.1.2. Koller, ZSR 1997 I, 500; CR CO-Thévenoz, Art. 107 N 33.

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

X.

Gläubigerverzug (Art. 91–95 OR)

1.

Begriff

Gläubigerverzug (auch Annahmeverzug genannt) tritt ein, wenn der Gläubiger die bei der Leistungserfüllung durch die Schuldnerin gebotenen Mitwirkungshandlungen ungerechtfertigterweise unterlässt.157

967

Die Schuldnerin kann ihre Leistung oft nur erbringen, wenn der Gläubiger bei der 968 Erfüllung mitwirkt. Diese Mitwirkungshandlungen sind grundsätzlich nicht als Pflichten, sondern als (nicht einklagbare) Obliegenheiten (s. N 107) zu betrachten. Wirkt der Gläubiger trotz gehörig angebotener Leistung der Schuldnerin nicht mit, gerät er in Gläubigerverzug. Es liegt zwar keine Pflichtverletzung vor, der Gläubiger muss aber damit rechnen, dass sich seine Rechtsstellung verschlechtert.

2.

Arten von Mitwirkungshandlungen des Gläubigers

Das Gesetz zählt die wichtigsten Arten von Mitwirkungshandlungen auf:

969

Als Vorbereitungshandlungen (Art. 91 OR) werden Handlungen bezeichnet, die der 970 Gläubiger im Voraus vornehmen muss, damit die Schuldnerin überhaupt zur Erfüllung imstande ist. Beispielsweise muss der Bauunternehmer vom Gipser die Mauer verputzen lassen, bevor sie die Malerin streichen kann. Anlässlich der Erfüllung hat der Gläubiger sodann die Leistung der Schuldnerin 971 anzunehmen (Art.  91  OR). Beispielsweise muss der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin den Zutritt zum Arbeitsplatz ermöglichen; der Käufer hat die ihm verkaufte Ware abzuholen. Schliesslich dienen die sog. Begleithandlungen dazu, der Schuldnerin den Beweis 972 für die richtige Erfüllung zu erleichtern (s. Art. 88 f. OR).159 Nach Art. 88 Abs. 1 OR kann die Schuldnerin eine Quittung verlangen, wenn sie ihre Leistung erbracht hat. Das kann über den Wortlaut der Bestimmung hinaus auch eine andere Leistung als eine Geldleistung sein (z.B. Dienstleistungen; zur Ausstellung einer Quittung s. N 694 ff.).160 Ausserdem darf die Schuldnerin die Rückgabe oder die Entkräftung des Schuldscheins verlangen (bei blosser Teilleistung gilt Art. 88 Abs. 2 OR; s. dazu N 696). Hat der Gläubiger den Schuldschein verloren, kann die Schuldnerin gemäss Art. 90 Abs. 1 OR – neben der Entkräftung des Schuldscheins – auch ein negatives 158 CHK OR-Mercier, Art. 91 N 1. 159 ZK OR-Schraner, Art. 91 N 18. 160 BK OR-Weber, Art. 88 N 12.

305

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Schuldanerkenntnis (das heisst eine Anerkennung, dass das Schuldverhältnis nicht mehr besteht) verlangen. 973

Verweigert der Gläubiger die Mitwirkung bei der Erfüllung im Rahmen eines vollkommen zweiseitigen Vertrages, wird er meist auch seine Gegenleistung nicht erbringen. Hat die Gegenleistung «Zug um Zug» zu erfolgen, fällt der Gläubiger bei gehörigem Leistungsangebot der Schuldnerin gleichzeitig in Schuldnerverzug.161 Die Schuldnerin kann nun wählen, ob sie nach den Regeln des Schuldnerverzugs oder des Gläubigerverzugs vorgehen will.162 Auf ein Vorgehen gemäss den Bestimmungen über den Gläubigerverzug ist somit in erster Linie nur die vorleistungspflichtige Schuldnerin angewiesen.163

974

Ausnahmsweise stellen die Mitwirkungshandlungen des Gläubigers nicht nur Obliegenheiten, sondern eigentliche Pflichten dar. Dies gilt vor allem dann, wenn die Schuldnerin ein (erkennbares) besonderes Interesse an der Annahme der Leistung hat. Hat beispielsweise der Fischverkäufer mangels Platz im Kühlraum die bestellten Forellen genau auf den vereinbarten Abholzeitpunkt bereit gemacht, hat er ein besonderes Interesse daran, dass der Käufer sie rechtzeitig abholt (zur Annahme des Kaufgegenstands s. auch N 2462 ff.).

3. 975

Voraussetzungen

Damit Gläubigerverzug eintreten kann, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: • Die Schuldnerin bietet die Leistung gehörig an (s. N 977 f.); • und die Erfüllung wird durch Umstände verhindert, welche in die Risikosphäre des Gläubigers fallen (s. N 979 ff.).

976

Eine Inverzugsetzung durch Mahnung ist im Gegensatz zum Schuldnerverzug nicht erforderlich. Diese Regel ist allerdings dispositiv. 3.1

977

Gehöriges Leistungsangebot

Nach Art. 91 OR muss die Leistung dem Gläubiger «gehörig» angeboten werden: Die richtige Person muss dem richtigen Leistungsempfänger zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtige Leistung anbieten (zur Erfüllung s. N 645 ff.). Bei Anbieten der Leistung vor Fälligkeit ist eine vorherige Benachrichtigung des Gläubigers erforderlich, damit dieser die nötigen Dispositionen treffen kann.164 Die Schuld161 162 163 164

306

CR CO-Loertscher, Art. 91 N 4. So auch andeutungsweise BGE 48 II 98 E. 6. Demgegenüber spricht sich BGE 110 II 148 E. 1b = Pra 1984 Nr. 173 zugunsten der ausschliesslichen Anwendung der Regeln über den Schuldnerverzug aus. BSK OR-Bernet, Art. 91 N 3; CHK OR-Mercier, Art. 91 N 2. BSK OR-Bernet, Art. 91 N 3.

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

nerin muss die Leistung tatsächlich anbieten (Realoblation); eine mündliche oder schriftliche Zusicherung (Verbaloblation) genügt in der Regel nicht.165 Der Vertrag kann auch explizit bestimmen, worin das erforderliche Leistungsangebot genau besteht. Ausnahmsweise kann die Schuldnerin analog zu Art.  102 Abs.  2  OR von einem 978 Leistungsangebot absehen: Versäumt es der Gläubiger, die Leistung vereinbarungsgemäss an einem bestimmten Termin abzuholen, fällt er in Gläubigerverzug, ohne dass ein – auch nur mündliches – Leistungsangebot der Schuldnerin erforderlich gewesen wäre. Analog zu Art. 108 Ziff. 1 OR macht auch eine antizipierte Annahmeverweigerung das Leistungsangebot überflüssig.166 3.2

Verhinderung der Erfüllung

Der Gläubiger muss sodann die Erfüllung verhindern, indem er eine Mitwir- 979 kungshandlung (Vorbereitungshandlung, Annahme oder Begleithandlung) unterlässt. Das Gesetz unterscheidet zwischen der Verhinderung[en] durch den Gläubiger (Art. 91 OR) und anderen «Verhinderungen der Erfüllung» (Marginalie von Art. 96 OR). Es knüpft an diese Zweiteilung jedoch keine unterschiedlichen Rechtsfolgen an. Art. 91 OR regelt den Fall, dass der Gläubiger eine ihm obliegende Mitwirkungs- 980 handlung «ungerechtfertigterweise verweigert». Ein Verschulden des Gläubigers ist nicht vorausgesetzt. Somit erscheint praktisch jede Unterlassung einer erforderlichen Mitwirkungshandlung als ungerechtfertigt. Ungerechtfertigt ist eine Annahmeverweigerung beispielsweise auch dann, wenn der Gläubiger krank im Bett liegt. Art.  96  OR erfasst alle anderen «in der Person des Gläubigers liegenden» Tatbe- 981 stände, welche die Erfüllung verunmöglichen. Dies ist etwa der Fall, wenn ein handlungsunfähiger Gläubiger die Leistung mangels Vertreter nicht entgegennehmen kann.167 Ausserdem liegt nach dieser Bestimmung Gläubigerverzug vor, wenn die Schuldnerin – ohne ihre Unkenntnis verantworten zu müssen – nicht weiss, an wen sie zu leisten hat.

165 BGE 111 II 463 E. 5a; Furrer/Müller-Chen, Kap. 20 N 58; ZK OR-Schraner, Art. 91 N 77 ff. und N 100 ff. 166 BGE 111 II 463 E. 5a; 109 II 26 E. 4b; CHK OR-Mercier, Art. 91 N 14; Schwenzer, OR AT, N 69.08; a.M. hinsichtlich der antizipierten Annahmeverweigerung BK OR-Weber, Art. 91 N 129 und N 137. 167 So das AppGer Basel Stadt, BJM 1957, 211 f.; ZK OR-Schraner, Art. 96 N 15 mit weiteren Beispielen.

307

1. Kapitel

4. 982

Allgemeine Vertragslehre

Rechtsfolgen

Je nachdem, ob eine Sache oder eine andere Leistung geschuldet ist, knüpft das Gesetz unterschiedliche Folgen an den Gläubigerverzug. Diese sind dispositiver Natur. Vor allem aber ist die gesetzliche Regelung unvollständig und es sind daher eine ganze Reihe weiterer Rechtsfolgen zu berücksichtigen. 4.1

Im Allgemeinen

983

Der Gläubigerverzug schliesst den Schuldnerverzug aus.168 Ein bereits bestehender Schuldnerverzug erlischt mit Eintritt des Gläubigerverzugs.169

984

Der Gläubiger kann die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (Art. 82 OR) nun nicht mehr erheben.170

985

Die Gefahr eines zufälligen Untergangs der Leistung geht nach einem Teil der Lehre mit Eintritt des Gläubigerverzugs – analog zu Art. 103 Abs. 1 OR beim Schuldnerverzug – auf den Gläubiger über; ein anderer Teil der Lehre stellt dagegen auf den Zeitpunkt der Hinterlegung (Art. 92 OR) ab.171 Das Bundesgericht hat bislang keine Stellung zu diesem Lehrstreit bezogen.

986

Die Schuldnerin muss infolge Gläubigerverzugs den Leistungsgegenstand länger aufbewahren, weshalb ihr Verschulden jetzt nach Art. 99 Abs. 2 OR milder beurteilt wird (zu Art. 99 Abs. 2 OR s. N 897a).172 4.2

987

Bei Sachleistungen (Art. 92–94 OR)

Die Schuldnerin ist berechtigt, geschuldete Sachen, die ihrer Natur nach hinterlegungsfähig sind,173 «auf Gefahr und Kosten des Gläubigers» zu hinterlegen, um sich dadurch von ihrer Leistungspflicht zu befreien (Art. 92 Abs. 1 OR). Der Hinterlegungsort wird von der Richterin bestimmt (Art. 92 Abs. 2 OR, Halbsatz 1). Waren, die Gegenstand des Handelsverkehrs sind, können auch ohne richterliche Ermächtigung in einem Lagerhaus hinterlegt werden (Art. 92 Abs. 2 OR, Halbsatz 2), falls es am Erfüllungsort ein solches gibt. Unter den Voraussetzungen von Art. 94 Abs. 1 OR

168 169 170 171

BGE 4C.277/2005 E. 5. Schulin, 88; CR CO-Thévenoz, Art. 102 N 33. BGE 4C.236/2002 E. 3; offengelassen in BGE 111 II 463 E. 5a; Keller/Schöbi, 297. Auf den Zeitpunkt des Gläubigerverzugs abstellend: Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2438; Schwenzer, OR AT, N 70.04. Auf den Zeitpunkt der Hinterlegung abstellend: BSK OR-Bernet, Vor Art. 91–96 N 7 m.w.N.; von Tuhr/Escher, 74 f.; BK OR-Weber, Art. 92 N 21. 172 BSK  OR-Bernet, Vor Art.  91–96 N  7; Bucher,  OR AT, 325; a.M. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2441. 173 Zur Körperlichkeit von Sachen s. BGE 136 III 178 E. 7.1; für Beispiele s. BK OR-Weber, Art. 92 N 72 ff.

308

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

kann die Schuldnerin die hinterlegte Sache zurücknehmen; dadurch lebt die Forderung des Gläubigers wieder auf (Art. 94 Abs. 2 OR). Sachen, die ihrer Natur nach nicht hinterlegungsfähig sind (z.B. verderbliche oder 988 mit erheblichen Aufbewahrungskosten verbundene Ware)174, können gemäss Art. 93 Abs. 1 OR öffentlich versteigert werden, sofern die Richterin am Erfüllungsort dies bewilligt. Die Schuldnerin ist erst mit der Aushändigung des Verkaufserlöses an den Gläubiger oder, falls dieser die Annahme verweigert, mit der Hinterlegung des Erlöses befreit.175 Die Schuldnerin muss dem Gläubiger diese Massnahme vorgängig androhen. Waren, die einen Börsen- oder Marktwert haben oder von so geringem Wert sind, dass sich eine Versteigerung nicht lohnt, können ohne vorgängige Androhung verkauft werden (Art. 93 Abs. 2 OR). Richterliche Bewilligung und anschliessende Hinterlegung des Erlöses sind allerdings auch hier erforderlich. 4.3

Bei anderen Leistungen (Art. 95 OR)

Für den Fall, dass keine Sachleistung geschuldet ist, bestimmt Art.  95  OR, dass 989 die Schuldnerin nach den Bestimmungen über den Schuldnerverzug vom Vertrag zurücktreten darf. Der Wortlaut dieser Bestimmung ist zu eng; die Schuldnerin erhält nach zutreffender Auslegung darüber hinaus alle Rechte, die dem Gläubiger nach Art. 107 Abs. 2 OR zustehen (zu den Wahlrechten s. N 958 ff.).176 Ausnahmsweise kann Art.  95  OR auch auf Sachleistungen zur Anwendung kom- 990 men. Dies gilt etwa, wenn die Schuldnerin nicht nach Art. 92 f. OR vorgehen kann, weil der Gläubiger sein Wahlrecht nach Art. 72 OR nicht ausgeübt hat.177

174 Zum Meinungsstreit bezüglich der Hinterlegungsfähigkeit von unbeweglichen Sachen s. Koller, OR AT, N 56.127 ff.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2454. 175 BGE 136 III 178 E. 5.1. 176 Bucher, OR AT, 326; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2462. Nur ein Rücktrittsrecht bejahend dagegen ZK OR-Schraner, Art. 95 N 16 und N 19; Stauber, N 538. 177 BGE 110 II 148 E. 1b = Pra 1984 Nr. 173.

309

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

991 Gläubigerverzug

Sachleistung

hinterlegbare Sache

andere Leistungen

nicht hinterlegbare Sache mit Börsen- oder Marktwert

Hinterlegung

Verkauf

ohne Börsenoder Marktwert Verkaufsandrohung

Nachfristansetzung

öffentliche Versteigerung

Wahlrechte von Art. 107 Abs. 2 OR

Abbildung: Übersicht über die Rechtsfolgen des Gläubigerverzugs

4.4 992

Bei Pflichtverletzungen

Handelt es sich bei der vom Gläubiger verweigerten Mitwirkungshandlung um eine Pflicht (s.  N  974), sind die Regeln über den Schuldnerverzug anwendbar (Art. 102 ff. OR).

XI.

Haftung für Hilfspersonen (Art. 101 OR)

1.

Inhalt und Zweck der Regelung

993

Im Regelfall braucht die Schuldnerin die geschuldete Leistung nicht persönlich zu erbringen (Art. 68 OR). Sie kann Hilfspersonen beiziehen und dadurch ihre Effizienz und ihren Gewinn steigern. Die Perspektive des Gläubigers ist eine andere: Er hat den Vertrag mit der Schuldnerin abgeschlossen. Für ihn wäre es unbefriedigend, wenn sich die Schuldnerin im Falle einer Leistungsstörung mit dem Argument exkulpieren könnte, sie habe gar nicht selbst gehandelt. Hier greift Art. 101 Abs.  1  OR ein: Die Schuldnerin muss sich das Verhalten der Hilfsperson anrechnen lassen.

994

Die Vorschrift von Art. 101 Abs. 1 OR ist nur auf den Fall des Beizugs einer Hilfsperson durch die Schuldnerin zugeschnitten. Sie wird jedoch analog angewendet, wenn der Gläubiger seine Mitwirkungshandlungen auf eine Hilfsperson überträgt

310

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

(s.  N  1002). Es darf also auch die Schuldnerin dem Gläubiger an Hilfspersonen übertragene Handlungen zurechnen. Dies bedeutet, dass beiden Seiten nicht nur die positiven, sondern auch die negativen Folgen der Arbeitsteilung zugewiesen werden.

2.

Voraussetzungen

Die Schuldnerin haftet für das Verhalten ihrer Hilfsperson, wenn neben dem Vor- 995 liegen der Tatbestandsmerkmale der einschlägigen materiellen Haftungsnorm (z.B. Art. 97 Abs. 1 OR; s. dazu auch N 1010) kumulativ die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: • Die Schädigerin ist Hilfsperson der Schuldnerin (Geschäftsherrin; s. N 996 ff.); • die Hilfsperson wurde in Erfüllung einer Schuldpflicht oder zur Ausübung eines Rechts beigezogen (s. N 1001 f.); • der Schaden entsteht in Ausübung einer vertraglichen Verrichtung (s. N 1003 ff.); • das Verhalten der Hilfsperson ist der Schuldnerin hypothetisch vorwerfbar (s. N 1008 f.). 2.1

Qualifizierung als Hilfsperson

Als Hilfsperson ist jede natürliche oder juristische Person zu qualifizieren, die mit 996 Wissen und Willen der Schuldnerin an der Erfüllungshandlung beteiligt ist.178 Keine Rolle spielt dabei, in welchem Verhältnis die Person zur Schuldnerin steht. Insbesondere muss diese ihr – anders als die Hilfsperson im Sinne von Art. 55 OR (s. N 2029 ff.) – nicht hierarchisch untergeordnet sein.179 Beispiele: Die Unternehmerin lässt die Heizung durch ihre Arbeitnehmerin ein- 997 bauen. Letztere ist Hilfsperson der Unternehmerin. Die Mieterin haftet nach Art. 101 OR für den Schaden, den die Untermieterin dem Vermieter zufügt.180 Keine Hilfspersonen sind die Organe einer juristischen Person. Die Handlung eines 998 Organs wird der juristischen Person als eigene Handlung zugerechnet (s. Art. 55 Abs. 2 ZGB)181 und begründet eine Haftung derselben nach Art. 97 Abs. 1 OR für eigenes Verschulden. Auch im Falle einer Substitution im Sinne des Auftragsrechts (Art. 398 Abs. 3 und 999 399 Abs. 2 OR) findet Art. 101 OR grundsätzlich keine Anwendung. Die Abgrenzung der Hilfsperson zum Substituten nach Auftragsrecht (s. Art. 399 Abs. 2 OR) 178 179 180 181

S. BGE 4C.394/2006 E. 4.2; 99 II 46 E. 1. S. BGE 70 II 215 E. 4; Engel, CO PG, 740. BGE 123 III 124 E. 3a; 117 II 65 E. 2b = Pra 1992 Nr. 81. BSK ZGB-Huguenin/Reitze, Art. 54/55 N 17.

311

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

bereitet allerdings Schwierigkeiten. Für die Beauftragte ist die Haftung nach Art. 399 Abs. 2 OR vorteilhafter, da sie in diesem Fall nur für die gehörige Sorgfalt bei der Wahl und Instruktion des Substituten haften muss. Ein Teil der jüngeren Lehre und wohl auch das Bundesgericht berücksichtigen das Kriterium der Interessenlage (unseres Erachtens zu Recht) erst bei der Frage nach dem Haftungsprivileg gemäss Art. 399 Abs. 2 OR und nicht bereits bei der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Hilfsperson und Substitut: Wird die Drittperson im Interesse des Auftraggebers beigezogen, greift das Haftungsprivileg nach Art. 399 Abs. 2 OR. Zieht die Beauftragte die Drittperson im eigenen Interesse bei, gelangt dieses nicht zur Anwendung.182 1000

Zieht die Schuldnerin, die (in Abweichung von der dispositiven Anordnung von Art.  68  OR) persönlich zu erfüllen hat, vertragswidrig eine Hilfsperson bei, liegt darin eine Vertragsverletzung im Sinne von Art. 97 Abs. 1 OR. Verletzt wird die Pflicht, persönlich zu erfüllen. Eine Berufung auf Art. 101 OR ist daneben sinnvoll, um die Schuldnerin für Fehler ihrer Hilfsperson zur Verantwortung ziehen zu können, wenn sie selber kein Verschulden aus positiver Vertragsverletzung trifft (z.B. wenn sich die Schuldnerin in einem entschuldbaren Irrtum über die Zulässigkeit des Beizugs einer Hilfsperson befunden hat).183 2.2

Beizug in Erfüllung einer Schuldpflicht oder zur Ausübung eines Rechts

1001

Art. 101 Abs. 1 OR setzt voraus, dass eine Pflicht der Schuldnerin gegenüber dem Gläubiger besteht und der Beizug der Hilfsperson zur Erfüllung dieser (vorbestehenden) Schuldpflicht erfolgt. Die genannte Verpflichtung wird meistens auf einem Vertrag beruhen, kann sich aber auch aus dem Gesetz (z.B. Rechtsverhältnis zwischen Erben und Vermächtnisnehmern) ergeben.184

1002

Art. 101 OR ist auch anwendbar, wenn die Hilfsperson eingesetzt wird, um eine vorvertragliche Pflicht zu erfüllen, einer Obliegenheit nachzukommen oder ein Recht auszuüben. 2.3

1003

Schadenszufügung im Zusammenhang mit der vertraglichen Verrichtung

Zwischen der schädigenden Handlung und der vertraglichen Pflicht muss ein funktioneller Zusammenhang bestehen («in Ausübung ihrer Verrichtungen»). Das Bundesgericht spricht davon, dass die schädigende Handlung der Hilfsperson zugleich 182

BGE 4A_407/2007 E.  2.3 m.w.H.; 112 II 347 E.  2a; CHK  OR-Gehrer Cordey/Giger, Art.  399 N  5; Rusch, Jusletter 18. Oktober 2010 N 14. Die Interessenlage bereits bei der Abgrenzung von Hilfsperson und Substitut berücksichtigend Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3061; Hofstetter, 96 ff. m.w.N. 183 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3017; Spiro, 159 ff. 184 CR CO-Thévenoz, Art. 101 N 19.

312

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

eine Nicht- oder Schlechterfüllung der Schuldpflicht der Geschäftsherrin aus ihrem Vertrag mit dem Geschädigten darstellen müsse.185 In der Lehre ist umstritten, ob es schon genügt, wenn die schädigende Hand- 1004 lung lediglich bei Gelegenheit der Erfüllungshandlung stattfindet, oder ob von Art. 101 OR nur Schäden erfasst werden, die bei der eigentlichen Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung eintreten.186 Nur nach der ersten Auffassung haftet die Schuldnerin z.B. für den anlässlich der Vertragserfüllung begangenen Diebstahl ihrer Hilfsperson nach Art. 101 OR. Die extensivere Auffassung («bei Gelegenheit») birgt die Gefahr einer übermässi- 1005 gen Ausdehnung der Hilfspersonenhaftung in sich. Richtigerweise ist danach zu fragen, ob die Schuldnerin (auch) aus Vertrag haften würde, wenn sie selber anstelle der Hilfsperson die schädigende Handlung begangen hätte.187 Art. 101 Abs. 1 OR ist unserer Ansicht nach nicht anwendbar, wenn die schädigende Handlung durch die Hilfsperson keinen Zusammenhang mit der vertraglichen Verrichtung aufweist. Dabei ist allerdings aufgrund der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, wie weit die (vertraglichen) Schutzpflichten der Schuldnerin gehen und ob diese gegebenenfalls auch ein an sich deliktisches Verhalten der Hilfsperson umfassen.188 Ist der funktionelle Zusammenhang zu bejahen, haftet die Schuldnerin auch für den 1006 Schaden, der dadurch entsteht, dass die Hilfsperson ihre Befugnisse überschreitet oder den Vertrag absichtlich verletzt.189 Im Übrigen bleibt es dem Gläubiger unbenommen, die Schuldnerin aufgrund der 1007 Geschäftsherrenhaftung nach Art. 55 OR zu belangen, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind (s. dazu N 2029 ff.). 2.4

Hypothetische Vorwerfbarkeit

Als weitere Voraussetzung ist zu prüfen, ob die Handlung der Hilfsperson der 1008 Schuldnerin auch vorwerfbar wäre, wenn sie diese selbst vorgenommen hätte (sog. hypothetische Vorwerfbarkeit).190 Es kommt somit weder auf das tatsächliche Verschulden der Schuldnerin noch auf dasjenige ihrer Hilfsperson an. Massgeblich ist vielmehr die Hypothese.

185 BGE 92 II 15 E. 3; s. auch BGE 4C.394/2006 E. 4.2. 186 Für die extensive Lösung: Bucher,  OR AT, 353; Gauch/Schluep/Emmenegger, N  3030; Schwenzer, OR AT, N 23.09; Spiro, 228 ff. Für die restriktive Lösung hingegen: Furrer/Müller-Chen, Kap. 18 N 93; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 13 N 37. 187 S. BGE 92 II 15 E. 3. 188 S. BK OR-Weber, Art. 101 N 125. 189 BGE 92 II 15 E. 4. 190 BGE 130 III 591 E. 5.5.4 m.w.H.; 119 II 337 E. 3c aa = Pra 1994 Nr. 117; 117 II 65 E. 2b = Pra 1992 Nr. 81.

313

1. Kapitel

1009

Der Gläubiger soll durch den Beizug der Hilfsperson weder besser- noch schlechtergestellt werden, als wenn die Schuldnerin persönlich erfüllt hätte. Darf von der Hilfsperson eine grössere Sorgfalt erwartet werden als von der Schuldnerin selbst, ist es im Einzelfall möglich, dass die Hilfsperson zwar ein Verschulden trifft, die Schuldnerin sich aber exkulpieren kann und darum nicht haftet. Umgekehrt kann es sein, dass das Verhalten der Hilfsperson der Schuldnerin hypothetisch vorwerfbar ist, die Hilfsperson selber aber kein Verschulden trifft (z.B. infolge Urteilsunfähigkeit oder wegen geringerer Sachkenntnis der Hilfsperson).191 In diesem Fall haftet die Schuldnerin.

3. 1010

Allgemeine Vertragslehre

Rechtsfolgen

Art. 101 Abs. 1 OR ist nach herrschender Lehre eine Zurechnungsnorm und keine selbständige Anspruchsgrundlage.192 Die Schuldnerin haftet nur für den Schaden, den ihre Hilfsperson verursacht hat, wenn gleichzeitig die Voraussetzungen der einschlägigen materiellen Haftungsnormen erfüllt sind. Als solche kommen unter anderem Art. 97 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1, Art. 107 Abs. 2, Art. 109 Abs. 2 OR sowie die Schadenersatzbestimmungen aus dem Besonderen Teil des OR in Betracht. Der Umfang der Haftung bestimmt sich ebenfalls nach der materiellen Haftungsnorm.

4.

Abgrenzung von Art. 101 OR gegenüber Art. 55 OR

1011

Sowohl Art. 101 OR als auch Art. 55 OR regeln die Haftung für Hilfspersonen. Sind beide Tatbestände erfüllt, besteht Anspruchskonkurrenz.

1012

Zwischen der vertraglichen und der ausservertraglichen Hilfspersonenhaftung bestehen jedoch einige Unterschiede: Auf Art.  101  OR kann sich nur der Vertragspartner berufen, auf Art. 55 OR dagegen jeder Geschädigte. Art. 101 OR setzt eine Vertragsverletzung voraus,193 Art. 55 OR Widerrechtlichkeit. Bei Art. 101 OR kann die Hilfsperson in einem beliebigen Verhältnis zur Schuldnerin stehen, bei Art. 55 OR wird ein Subordinationsverhältnis vorausgesetzt.194 Muss die Schuldnerin nach Art. 101 OR für fremdes Verschulden (hypothetische Vorwerfbarkeit) einstehen, haftet der Geschäftsherr nach Art. 55 OR für eigenes Verschulden. Schliesslich steht der Vertragsschuldnerin kein Entlastungsbeweis zur Verfügung, derweil sich der Geschäftsherr nach Art. 55 OR von der Haftung befreien kann, wenn er 191 192

S. zum Ganzen BK OR-Weber, Art. 101 N 139 ff.; BSK OR-Wiegand, Art. 101 N 13 f. So auch Bucher, OR AT, 350 FN 84; CHK OR-Furrer/Wey, Art. 101 N 3 m.w.H.; CR CO-Thévenoz, Art. 101 N 32; BK OR-Weber, Art. 101 N 4; Wiegand, recht 1983, 5; a.M. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3070 f. 193 Nach BGE 4C.394/2006 E. 4.2 und 108 II 419 E. 5 genügt auch eine Verletzung vorvertraglicher Pflichten. 194 BGE 4A_70/2007 E. 5.1.2.

314

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

nachweist, dass er die Hilfsperson sorgfältig ausgewählt, instruiert und überwacht sowie seinen Betrieb zweckmässig organisiert hat (s. N 2034 ff.).195

5.

Prüfschema

Wir schlagen vor, Ansprüche bei der Haftung für Hilfspersonen in folgender Rei- 1013 henfolge zu prüfen (z.B. Art. 101 Abs. 1 i.V.m. Art. 97 Abs. 1 OR): 1. Vertragsverletzung 1.1 Verletzung vertraglicher Pflicht 1.2 Rolle der Schädigerin (Hilfsperson) 1.3 Beizug derselben in Erfüllung einer Schuldpflicht oder zur Ausübung eines Rechts 1.4 Schädigung in Ausübung der vertraglichen Verrichtung (funktioneller Zusammenhang) 2. Schaden 3. Kausalzusammenhang 4. Hypothetische Vorwerfbarkeit (Verschulden)

XII. Wegbedingung der Haftung 1.

Wegbedingung der vertraglichen Haftung (Art. 100 OR)

Den Parteien ist es grundsätzlich unbenommen, die vertragliche Haftung rechtsge- 1014 schäftlich zu beschränken oder gar auszuschliessen (sog. Freizeichnung). Die Wegbedingung oder Beschränkung der Haftung kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Grundsätzlich kann auch die ausservertragliche Haftung rechtsgeschäftlich wegbedungen werden.196 Ob die ausservertragliche Haftung von der Freizeichnungsklausel erfasst wird, ist im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln. Bei einer vertraglichen Haftungsbeschränkung müssen allerdings die zwingenden 1015 Schranken von Art. 100 OR beachtet werden: Der Haftungsausschluss für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, welchen die Parteien vor dem Schadenseintritt vereinbart haben, ist danach ungültig (Art. 100 Abs. 1 OR). Umstritten ist die Frage, ob sich die Beauftragte von ihrer Haftung für mittlere und 1016 leichte Fahrlässigkeit freizeichnen darf, da beim Auftrag typischerweise ein sorg195 S.  zum Ganzen Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, §  13 N  22  ff.; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1034 ff. 196 BGE 120 II 58 E. 3a; 107 II 161 E. 8a.

315

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

fältiges Tätigwerden geschuldet ist (Art. 398 Abs. 2 OR). Dies widerspricht nach einem Teil der Lehre der Natur dieses Rechtsgeschäfts.197 Die erforderliche Sorgfalt ist nämlich sowohl bei der Beurteilung der Pflichtverletzung als auch des Verschuldens zu berücksichtigen, weshalb mit der Freizeichnung gleichzeitig ein essentialia des Vertrages wegbedungen werde.198 Das Bundesgericht hat diese Frage bislang ausdrücklich offengelassen.199 Nach unserer Meinung ist auch beim Auftrag im Rahmen von Art. 100 OR eine Freizeichnung für mittlere und leichte Fahrlässigkeit zulässig (s. im Einzelnen N 3262 ff.).200 1017

Das Verhältnis von Art. 100 OR zu Art. 199 OR ist ebenfalls umstritten. Ein Teil der Lehre hält Art. 100 OR auch beim Kauf für anwendbar,201 nach anderer Ansicht soll Art. 199 OR beim Kaufvertrag als lex specialis vorgehen202. Das Bundesgericht hat die Frage bisher offengelassen.203 Nach unserer Auffassung ist zu differenzieren: Art. 100 OR kommt im Kaufrecht in jenen Konstellationen zur Anwendung, die von Art. 199 OR nicht geregelt werden (s. im Einzelnen N 2644).

1018

Bei Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses oder eines obrigkeitlich konzessionierten Gewerbes (z.B. Elektrizitätswerk; nach überwiegender Auffassung auch Banken204) ist eine zum Voraus erklärte Freizeichnung für mittlere oder leichte Fahrlässigkeit ungültig (Art. 100 Abs. 2 OR).

1019

Das Problem von Freizeichnungsklauseln besteht darin, dass sie meist zulasten der schwächeren Vertragspartei wirken. Sehr häufig kommen sie in AGB vor. Gegen eine Beschränkung der vertraglichen Haftung ist solange nichts einzuwenden, als sie auf dem übereinstimmenden Willen der Parteien beruht und sachgerecht ist (z.B. wenn die eine Partei das Risiko versichern kann bzw. wenn die Haftungsbeschränkung die Vertragsleistung tatsächlich verbilligt). Hingegen ist eine Freizeichnung problematisch, wenn die Vertragsfreiheit faktisch eingeschränkt ist (z.B. die schwächere Seite den Durchblick nicht hat oder den Vertrag mangels anderer Gelegenheiten nur in einer bestimmten Form schliessen kann). Aus diesem Grund sind Freizeichnungsklauseln in solch problematischen Kontexten in der Regel eng auszulegen (s.  N  629  ff.). Die Ungewöhnlichkeits- und die Unklarheitenregel sowie Art. 8 UWG205 sind bei einer Regelung in AGB ebenfalls zu berücksichtigen. Neuere

197 Bucher, OR AT, 348 FN 77; differenzierend BSK OR-Wiegand, Art. 100 N 6. 198 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3096. 199 BGE 4C.158/2006 E. 2.3; 124 III 155 E. 3c. 200 Gl.M. CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 398 N 31a; Honsell, OR BT, 354; grundsätzlich bejahend auch BK OR-Fellmann, Art. 398 N 515; BK OR-Weber, Art. 100 N 44 f. 201 Buol, N 281 ff.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3086; Keller/Siehr, 113 ff. 202 Bucher, OR BT, 84; Honsell, OR BT, 105 f. 203 BGE 4C.295/2004 E. 5.2; 126 III 59 E. 4a = Pra 2000 Nr. 117. 204 BGE 112 II 450 E. 3a = Pra 1987 Nr. 144; Engel, CO PG, 746; a.M. Buol, N 297. 205 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (SR 241).

316

§8

Leistungsstörungen (Art. 97–109 und Art. 119 OR)

Gesetze versuchen, die schwächere Partei zusätzlich zu schützen (s. z.B. Art.  16 PauRG206, Art. 8 PrHG207).

2.

Wegbedingung der Hilfspersonenhaftung (Art. 101 OR)

Nach Art. 101 Abs. 2 OR kann die Hilfspersonenhaftung vertraglich zum Voraus 1020 ganz oder teilweise beschränkt werden. Eine Freizeichnung ist in diesem Fall auch möglich, wenn der Schuldnerin für das entsprechende Verhalten grobe Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz vorgeworfen werden kann. Im Vergleich zu Art. 100 OR ist im Rahmen der Hilfspersonenhaftung somit eine weiter gehende Haftungsbeschränkung möglich. Sachlich ist die Differenzierung zwischen Hauptschuldnerin und Hilfsperson nicht begründbar.208 Eine Freizeichnung für mittlere und grobe Fahrlässigkeit sowie für Vorsatz ist 1021 ungültig, wenn die Verzichtende im Dienst des andern steht oder wenn die Verantwortlichkeit aus dem Betrieb eines obrigkeitlich konzessionierten Gewerbes folgt (Art. 101 Abs. 3 OR).209

206 207 208 209

Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über Pauschalreisen (SR 944.3). Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über die Produktehaftpflicht (Produktehaftpflichtgesetz; SR 221.112.944). Im Unterschied zum geltenden Recht unterscheidet der OR 2020-Entwurf in Art. 122 OR 2020 nicht zwischen der Freizeichnung für eigenes Handeln und für das Handeln einer Hilfsperson; zu den Gründen s. OR 2020-Müller-Chen, Art. 122 N 2. Zur Kritik an dieser Bestimmung Guhl/Koller, § 32 N 40.

317

§ 9 Direkte Stellvertretung (Art. 32–40 OR) Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N 832 ff.; Bucher, OR AT, 594 ff.; Engel, CO PG, 372 ff.; Furrer/ Müller-Chen, Kap. 8 N 1 ff.; Gauch/Schluep/Schmid, N 1304 ff.; Guhl/Koller, §§ 18 ff.; Koller,  OR AT, N  15.01  ff.; Kramer/Probst,  OR AT, N  298  ff.; Schwenzer,  OR AT, N 40.01 ff.; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 375 ff.; von Tuhr/Peter, 347 ff.

Weiterführende Literatur Böckli Peter, Insichgeschäfte und Interessenkonflikte im Verwaltungsrat: Heutige Rechtslage und Blick auf den kommenden Art. 717a E-OR, GesKR 2012, 354–371; Chou Han-Lin, Wissen und Vergessen bei juristischen Personen, Diss. Basel 2002; Cramer Conradin, Die Form der Vollmacht für öffentlich zu beurkundende Verträge, AJP 2018, 281–292; HrubeschMillauer Stephanie/Jaussi Martina, Instrumente der Vermögensvorsorge – das Verhältnis des Vorsorgeauftrags zum einfachen Auftrag und zur Vollmacht, AJP 2014,  1281–1296; Huguenin Claire, Insichgeschäfte im Aktienrecht, in: FS Böckli, Zürich 2006, 521–534 (zit.: Huguenin, Insichgeschäfte); Huguenin Claire, Das Gleichbehandlungsprinzip im Aktienrecht, Habil. Zürich 1994 (zit.: Huguenin, Gleichbehandlungsprinzip); Huguenin Claire/ Hilty Reto M. (Hrsg.), Schweizer Obligationenrecht 2020, Entwurf für einen neuen allgemeinen Teil, Zürich 2013 (zit.: OR 2020-BearbeiterIn); Meier-Hayoz Arthur/Forstmoser Peter/Sethe Rolf, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 12. Aufl., Bern 2018; Pichonnaz Pascal, Le Centenaire du Code des obligations, ZSR 2011 II, 117–226; Rusch Arnold F., Rechtsscheinlehre in der Schweiz, Habil. Zürich 2010; Schott Ansgar, Insichgeschäft und Interessenkonflikt, Diss. Zürich 2002; Schulin Hermann/Vogt Nedim Peter, Tafeln zum schweizerischen Obligationenrecht I, Allgemeiner Teil ohne Deliktsrecht, 5. Aufl., Zürich 2012 (zit.: Schulin/Vogt,  OR AT); Violand Georges, Die Stellvertretung ohne Ermächtigung (Art. 38 und 39 OR), Diss. St. Gallen 1989; Watter Rolf, Die Verpflichtung der AG aus rechtsgeschäftlichem Handeln ihrer Stellvertreter, Prokuristen und Organe, Diss. Zürich 1985; Weber Rolf H., Juristische Personen, in: Tercier Pierre (Hrsg.), SPR Bd. II/4, Basel/ Genf/München 1998.

I. 1022

Begriff

Die direkte Stellvertretung lässt die Wirkung des rechtserheblichen Handelns einer Person bei einer anderen eintreten. Es handelt die dazu ermächtigte Stellvertreterin. Aus diesem Handeln berechtigt und verpflichtet wird aber nicht sie, sondern direkt der Vertretene.

318

§9

Direkte Stellvertretung (Art. 32–40 OR)

In der Regel entsteht das Recht dazu, jemanden zu vertreten, im Wege der Bevoll- 1023 mächtigung. Die Vollmacht bildet häufig Teil einer umfassenderen Vereinbarung, ist also in ein Grundverhältnis eingebettet. Der Beziehung zwischen der Vertreterin und dem Vertretenen kann beispielsweise 1024 ein Arbeitsvertrag (Art. 319 ff. OR) oder ein Auftrag (Art. 394 ff. OR) zugrunde liegen (vgl. auch Art. 34 Abs. 1 OR). Art. 396 Abs. 2 OR enthält die Vermutung, dass die Beauftragte als direkte Stellvertreterin des Auftraggebers handeln darf. Die Ausnahmen sind in Art. 396 Abs. 3 OR statuiert. Bei der (gelungenen) direkten Stellvertretung treten sämtliche Rechtswirkungen 1025 unmittelbar beim Vertretenen und beim Dritten ein. Die Rechtssphäre der Vertreterin bleibt davon unberührt. Das Gesetz spricht explizit nur vom Vertragsschluss mittels Stellvertretung (s. Art. 32 1026 Abs. 1 OR). Art. 32 ff. OR gelten aber auch für andere Vertretungstatbestände, das heisst also für all jene Situationen, in denen jemand mit Wirkung für einen anderen eine Rechtshandlung vornimmt. In den meisten Fällen besteht das rechtswirksame Handeln des Vertreters in der 1027 Abgabe oder Annahme einer Willenserklärung. Eine Vertretung ist jedoch auch bei anderen rechtserheblichen Handlungen möglich. Dies gilt zunächst für die sog. rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen (s. N 171a)1, beispielsweise für die Mahnung (Art. 102 Abs. 1 OR; s. N 920 ff.) und die Mängelrüge (Art. 201 OR; s. N 2169 ff.).2 Sodann treten die Vertretungswirkungen auch bei Verträgen, die dingliche Rechte zum Inhalt haben, ein (z.B. Eigentumsübertragung).3 Nicht vertreten lassen kann man sich bei «Tathandlungen». Diese stellen keine 1028 Rechtsgeschäfte dar:4 Mangels Willenserklärung des Vertretenen bei Tathandlungen können solche Aktionen auch nicht in seinem Namen vorgenommen werden. Kurzum: Tatsächliches Handeln in «fremde[m] Namen» ist nicht möglich.5 Gleichwohl können Tathandlungen Wirkungen für eine andere Person auslösen. Diese Wirkungen ergeben sich aber nicht aus der Vertretungswirkung,6 sondern aufgrund der gesetzlichen Zurechnung. Bei der Verarbeitung eines fremden Stoffes nach Art. 726 Abs. 1 ZGB beispielsweise wird der Verarbeiter unter der Voraussetzung, dass seine Arbeitsleistung kostbarer ist als der verarbeitete Stoff, selbst ex lege Eigentümer der neuen Sache.7

1 2 3 4 5 6 7

BK OR-Zäch/Künzler, Vorb. zu Art. 32–40 N 111. S. CHK OR-Kut, Art. 32 N 12; BK OR-Zäch/Künzler, Vorb. zu Art. 32–40 N 111 f. Von Tuhr/Peter, 351. Von Tuhr/Peter, 352. BK OR-Zäch/Künzler, Vorb. zu Art. 32–40 N 114. Von Tuhr/Peter, 351 f. BSK ZGB-Schwander, Art. 726 N 6; BK OR-Zäch/Künzler, Vorb. zu Art. 32–40 N 113 f.

319

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

1029

Grundverhältnis (z.B. Auftrag) Vertreterin

Vertretener

Ve

Bevollmächtigung

rtr

ag

sa

bs

ch

ss

sw

ag

tr er

lu

Dritter

g

un

irk

V

Abbildung: Vertretungswirkung bei der Stellvertretung 1030

Die Vertreterin überbringt im Gegensatz zur Botin (s. N 1034) nicht bloss eine Willenserklärung des Vertretenen. Vielmehr gibt sie eine eigene Willenserklärung ab. Bei Konsensstreitigkeiten sowie bei der Anfechtung wegen Willensmängeln ist deshalb auf die Bewusstseinslage der Vertreterin abzustellen.8 Der Vertretene muss sich auch das Wissen bzw. die Kenntnis oder das Kennenmüssen bestimmter Tatsachen der Vertreterin anrechnen lassen (sog. «Wissensvertretung»).9 Das ist insbesondere im Bereich des Gutglaubensschutzes bedeutsam.10

1031

Eine Einschränkung findet der Grundsatz dort, wo der Vertretene den wahren Sachverhalt kennt. In diesem Fall kommt es (auch) auf sein Wissen an. Das gilt selbst dann, wenn sich die Vertreterin bei Vertragsschluss in einem Irrtum befand.11 Es wäre als ein rechtsmissbräuchliches Verhalten zu qualifizieren, wenn der Vertretene, dessen Willen mängelfrei gebildet wurde, sich auf den Irrtum der Vertreterin berufen würde.12 Ebenfalls kann sich der Vertretene beim Erwerb beweglicher Sachen (Art. 933 ff. ZGB) nicht auf den guten Glauben der Vertreterin berufen, wenn er Kenntnis vom wahren Sachverhalt hatte und bösgläubig war.13

8 Watter, N 261. 9 BGE 140 III 86 E. 4.1 = Pra 2014 Nr. 79; 4A_303/2007 E. 3.4.3; s. Chou, N 102 ff.; CHK OR-Kut, Art. 32 N 13; von Tuhr/Peter, 351. 10 S. CHK OR-Kut, Art. 32 N 36. 11 BSK OR-Watter, Art. 32 N 24; Watter, N 262. 12 S. BSK OR-Watter, Art. 32 N 24; BK OR-Zäch/Künzler, Art. 32 N 132. 13 Gl.M. Schwenzer, OR AT, N 41.13; BSK OR-Watter, Art. 32 N 25; BK OR-Zäch/Künzler, Art. 32 N 144; a.M. Bucher, OR AT, 631.

320

§9

Direkte Stellvertretung (Art. 32–40 OR)

II.

Abgrenzungen

1.

Zur indirekten Stellvertretung (Art. 32 Abs. 3 OR)

Bei der indirekten (auch unechten, mittelbaren, verdeckten) Stellvertretung han- 1032 delt die Vertreterin zwar auf fremde Rechnung (das heisst auf Rechnung des Vertretenen), aber in eigenem Namen.14 Die indirekte Vertreterin wird aus dem von ihr abgeschlossenen Vertrag deshalb selbst berechtigt und verpflichtet. Um die Vertragswirkungen auf den Vertretenen zu übertragen, bedarf es gemäss Art.  32 Abs. 3 OR der Forderungsabtretung (Art. 164 ff. OR; s. N 1322 ff.) und/oder der Schuldübernahme (Art. 175 ff. OR; s. N 1409 ff.).15 Ausnahmsweise tritt die Abtretung der Forderung ex lege ein (Art. 401 Abs. 1 OR). Dagegen handelt bei der direkten (auch echten, unmittelbaren, offenen) Stellvertre- 1033 tung die Vertreterin in fremdem Namen und für fremde Rechnung. Die Vertreterin schliesst mit einer Drittperson einen Vertrag ab. Die Rechtswirkungen des Vertrages treten dabei direkt beim Vertretenen ein (Art. 32 ff. OR).

2.

Zur Botenschaft

Während die Stellvertreterin eine eigene Willenserklärung abgibt, übermit- 1034 telt die Botin lediglich eine fremde, abschliessend gestaltete Willenserklärung ihres Geschäftsherrn oder nimmt eine solche für ihn entgegen (Erklärungs- bzw. Empfangsbotin).16 Die Botin handelt im Gegensatz zur Stellvertreterin nur faktisch, nicht rechtlich.17 Entscheidend für die Abgrenzung zur Vertreterin ist im Zweifelsfall nicht das Innen- 1035 verhältnis (das heisst das Verhältnis zwischen Mittelsperson und Geschäftsherrn), sondern die Sicht des Erklärungsempfängers bzw. Dritten: Dieser muss nach dem Vertrauensprinzip erkennen können, dass er einer Botin gegenübersteht.18 Eine von einer Botin entgegengenommene Willenserklärung ist dann zugegan- 1036 gen, wenn die Zustellung an den Geschäftsherrn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge spätestens erwartet werden kann.19 Demgegenüber ist eine Willenserklärung

14 BGE 4A_496/2014 E. 3.2; Berger, Schuldrecht, N 836; CR CO-Chappuis, Art. 32 N 22. 15 CHK OR-Kut, Art. 32 N 39. 16 Furrer/Müller-Chen, Kap. 8 N 11; CHK OR-Kut, Art. 32 N 7; Schulin/Vogt, OR AT, Tafel 31C; Violand, 24 f. 17 Guhl/Koller, § 18 N 13. 18 S. Violand, 25 f. 19 S. Bucher, OR AT, 599 FN 12; BK OR-Zäch/Künzler, Vorb. zu Art. 32–40 N 21. A.M. von Tuhr/Peter, 351, die auf die Abgabe an die Empfangsbotin abstellen.

321

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

bei Einsatz einer (die Erklärung entgegennehmenden, passiven) Vertreterin bereits dann wirksam zugegangen, wenn diese bei ihr eingetroffen ist.20 1037

Sodann muss die Botin (im Gegensatz zur Vertreterin; s. N 1065) nicht urteilsfähig sein, da sie nur Überbringerin von Erklärungen ist (z.B. übermittelt ein fünfjähriges Kind dem Bäcker den Willen des Vaters, ein Croissant kaufen zu wollen).21 Bei Vorliegen von Willensmängeln ist bei der Stellvertretung auf die Vertreterin abzustellen (s. N 1030), bei der Botenschaft auf den Geschäftsherrn.22

3. 1038

Zur Abschlussvermittlung (Art. 412 ff. und Art. 418a ff. OR)

Vermittlungsmäkler (Art.  412  ff.  OR; s.  N  3342) und Vermittlungsagenten (Art.  418a  ff.  OR; s.  N  3385) vermitteln die Gelegenheit zum Abschluss eines Geschäfts. Im Gegensatz zur Vertreterin geben sie keine eigene Willenserklärung ab, sondern bereiten lediglich den Geschäftsabschluss vor, indem sie die Parteien zusammenführen.23 Vermittler führen grundsätzlich nur Tat-, nicht aber Rechtshandlungen aus.24 Die Vertragsfreiheit erlaubt, auch einen Mittler mit Vertretungsmacht auszustatten. So sieht z.B. Art. 418a Abs. 1 OR explizit vor, dass ein Agent auch zu Vertragsabschlüssen ermächtigt werden kann.

4.

Zum echten Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 f. OR)

1039

Bei einem echten Vertrag zugunsten eines Dritten wird der Dritte im Gegensatz zum direkt Vertretenen nicht Vertragspartei.25

1040

Er ist auch nicht wie die Vertreterin am rechtsgeschäftlichen Vorgang beteiligt. Weder wurde er bevollmächtigt, noch bedarf sein Handeln einer nachträglichen Genehmigung. Es steht ihm aber – im Gegensatz zur Vertreterin – ein direktes Forderungsrecht gegen den Schuldner zu (Art. 112 Abs. 2 OR; s. N 1129 f., N 1137).26

5. 1041

Zur Anweisung (Art. 466 ff. OR)

Der Anweisende ermächtigt einerseits die Angewiesene, auf fremde Rechnung dem Anweisungsempfänger eine Leistung zu erbringen. Andererseits kann der Anwei20 21 22 23 24 25 26

322

BSK OR-Watter, Art. 32 N 8. Koller, OR AT, N 21.15. S. BGE 4C.434/2005 E. 4.2. Schwenzer, OR AT, N 40.09; BK OR-Zäch/Künzler, Vorb. zu Art. 32–40 N 23. BK OR-Zäch/Künzler, Vorb. zu Art. 32–40 N 23. CHK OR-Kut, Art. 32 N 9. Bucher, OR AT, 599.

§9

Direkte Stellvertretung (Art. 32–40 OR)

sungsempfänger mit Ermächtigung des Anweisenden die Leistungserbringung von der Angewiesenen zu fordern (Art. 466 ff. OR; s. N 1182 ff.). Anders als der direkt Vertretene handeln sowohl die Angewiesene wie auch der Anweisungsempfänger in eigenem Namen.27

III.

Arten

1.

Aktive und passive Stellvertretung

Von aktiver Stellvertretung spricht man, wenn die Vertreterin eine Willenserklärung 1042 für den Vertretenen abgibt. Nimmt sie jedoch lediglich eine Erklärung entgegen, liegt passive Stellvertretung vor.28 Meistens liegt eine Ermächtigung für beides vor.29

2.

Gewillkürte und gesetzliche Stellvertretung

Bei der gewillkürten Stellvertretung begründet der Vertretene die Vertretungsmacht 1043 der Vertreterin (Vollmacht) durch Rechtsgeschäft, also durch Bevollmächtigung.30 Beruht die Einräumung der Vertretungsmacht nicht auf rechtsgeschäftlichem Han- 1044 deln, sondern ordnet eine Norm diese an, spricht man von gesetzlicher Stellvertretung.31 Der gesetzlichen Vertreterin i.e.S. steht die Vertretungsmacht von Gesetzes wegen zu. So haben beispielsweise die Eltern die Vertretungsmacht für ihre minderjährigen Kinder (Art. 304 Abs. 1 ZGB) und der Vertretungsbeistand jene für die hilfsbedürftige Person (Art. 394 ZGB). In einem weiteren Sinn ist auch die Organvertretung ein Anwendungsfall der gesetz- 1045 lichen Stellvertretung (s. z.B. Art. 718 Abs. 1 OR für den Verwaltungsrat der AG, Art. 69 ZGB für den Vereinsvorstand).32 Die Organvertreterin handelt kraft ihrer Stellung mit direkter Wirkung für die juristische Person (Art. 55 Abs. 2 ZGB).33 Die Vertretungsmacht des Organs reicht dabei so weit, wie es der Zweck der juristischen Person mit sich bringen kann. Dieser im Aktienrecht explizit festgehaltene Grund27 Von Tuhr/Peter, 353. 28 BGE 2C_1071/2012 E. 5.3; Schwenzer, OR AT, N 40.14. 29 S. auch BGE 2C_1071/2012 E. 5.3, wonach die Bevollmächtigung zur aktiven Stellvertretung regelmässig auch die passive Vertretung umfasst, nicht aber (zwingend) umgekehrt. 30 CHK OR-Kut, Art. 32 N 5. 31 Berger, Schuldrecht, N 832. 32 BGE 4C.55/2002 E. 2.3; 127 III 332 E. 2a; BK OR-Zäch/Künzler, Vorb. zu Art. 32–40 N 7 und N 46. A.M. BSK OR-Watter, Art. 32 N 11, wonach eine enge Verwandtschaft zwischen gewillkürter Stellvertretung und Organschaft besteht. 33 S. BGE 121 III 176 E. 4d. S. ferner Bucher, OR AT, 627 f. zur Kontroverse, inwiefern die juristische Person nicht vertretungsweise, sondern selber, nämlich durch ihre Organe, handelt.

323

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

satz (Art.  718a Abs.  1  OR) gilt für alle juristischen Personen (ausdrücklich auch für die Genossenschaft Art. 899 Abs. 1 OR bzw. per Verweis Art. 814 Abs. 4 OR für die GmbH). Die organschaftliche Vertretungsmacht ist im Allgemeinen umfassend und endet erst bei offensichtlich nicht mehr zweckkonformen Geschäften. 1046

Ist das Recht über die gesetzliche Stellvertretung lückenhaft, kann das Stellvertretungsrecht gemäss Art. 32 ff. OR (analog) Anwendung finden.34

1047

Die Organe können zusätzlich mittels Rechtsgeschäft zu einer (gewillkürten) Stellvertretung bevollmächtigt werden. Ähnliches gilt z.B. auch für die Gesellschafter der Kollektiv- und Kommanditgesellschaft.35 Die gewillkürte Stellvertretung richtet sich alsdann nach Art. 32 ff. OR.

1048

Bei der einfachen Gesellschaft liegt aufgrund ihrer Ausgestaltung als Gesamthandschaft eine Besonderheit vor. Der für die einfache Gesellschaft handelnde Gesellschafter verfügt über eine gewillkürte Vollmacht, deren Umfang jedoch vom Gesetz festgelegt wird.36 Im Rahmen der Vertretung der einfachen Gesellschaft vertritt der geschäftsführende Gesellschafter stets eine Personenmehrheit, nämlich die anderen Gesellschafter und sozusagen auch «sich selbst» (als Teil der Gemeinschaft).37 Sich selbst kann man aber streng genommen nicht vertreten.38 Der Gesellschafter handelt deshalb in Bezug auf «sich selber» als direkter Vertragspartner; nur die anderen Gesellschafter kann er vertreten. Art. 32 ff. OR kommen deshalb auch nur analog zur Anwendung.39 Die Sonderstellung des einfachen Gesellschafters führt dazu, dass er bei einem Handeln ohne Vollmacht selber für die Verpflichtung gegenüber dem Dritten einstehen muss (s. N 1108 ff.).40

3.

Bürgerliche und handelsrechtliche Vertretung

1049

Die bürgerliche (zivilrechtliche) Stellvertretung ist in Art. 32 ff. OR geregelt.

1050

Im kaufmännischen Verkehr (sog. handelsrechtliche oder kaufmännische Stellvertretung) finden gesetzlich standardisierte Vollmachten Anwendung, nämlich die Prokura (Art. 458 ff. OR), die Handlungsvollmacht (Art. 462 OR) und die Vollmacht des Handelsreisenden (Art. 348b OR).41 Der Umfang der jeweiligen Vollmacht wird

34 35 36 37 38 39 40

Ausführlich BK OR-Zäch/Künzler, Vorb. zu Art. 32–40 N 10 ff. Zur «organähnlichen» Stellung dieser Gesellschafter s. BK OR-Zäch/Künzler, Vorb. zu Art. 32–40 N 47. BK OR-Zäch/Künzler, Vorb. zu Art. 32–40 N 30. S. Meier-Hayoz/Forstmoser/Sethe, § 12 N 82 ff.; BSK OR-Pestalozzi/Vogt, Art. 543 N 5 f. BK OR-Zäch/Künzler, Vorb. zu Art. 32–40 N 30; undifferenziert BGE 4C.243/2004 E. 2.1. BSK OR-Pestalozzi/Vogt, Art. 543 N 6 und N 12; BK OR-Zäch/Künzler, Vorb. zu Art. 32–40 N 30. BGE 4C.243/2004 E. 2.1; BSK OR-Pestalozzi/Vogt, Art. 543 N 12; BK OR-Zäch/Künzler, Vorb. zu Art. 32–40 N 30. 41 Zur Abgrenzung zwischen bürgerlicher und kaufmännischer Bevollmächtigung s. BGE 141 III 159 E. 3.3.

324

§9

Direkte Stellvertretung (Art. 32–40 OR)

dabei vom Gesetz vorgegeben.42 Durch diese Standardisierung der Vollmacht soll der Geschäftsverkehr vereinfacht und die Rechtssicherheit erhöht werden.43 In erster Linie gelten dabei die besonderen handelsrechtlichen Vorschriften. Nur wenn diese Lücken aufweisen, ist als lex generalis das bürgerliche Stellvertretungsrecht heranzuziehen (Art. 40 OR).44

IV.

Voraussetzungen für das Eintreten der Vertretungswirkung

Damit die Vertretungswirkung eintritt, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt 1050a sein: • Vertretungsmacht der Vertreterin (s. N 1051 ff.); • Handeln in fremdem Namen durch die Vertreterin (s. N 1061 ff.); • Urteilsfähigkeit der Vertreterin und Handlungsfähigkeit des Vertretenen (s. N 1065); • kein vertretungsfeindliches Geschäft (s. N 1065).

1.

Vertretungsmacht

Vertretungsmacht ist das rechtliche Können der Vertreterin, mit Wirkung für den 1051 Vertretenen zu handeln.45 Sie beruht entweder auf einer Ermächtigung der Vertreterin nach Art. 32 Abs. 1 OR (N 1052) oder es liegt ein Fall des Gutglaubensschutzes nach Art. 33 Abs. 3 bzw. Art. 34 Abs. 3 OR (N 1088 ff.) vor. Fehlt die Vertretungsmacht, so tritt die Vertretungswirkung nur ein, wenn der Vertretene das Geschäft nachträglich genehmigt (Art. 38 OR; N 1104 ff.).46 Die Ermächtigung kann sich aus Rechtsgeschäft oder aus Gesetz ergeben 1052 (s.  N  1043  ff.). Die rechtsgeschäftlich begründete Vertretungsmacht heisst

42 43 44

CHK OR-Kut, Art. 32 N 6; Meier-Hayoz/Forstmoser/Sethe, § 9 N 5; BSK OR-Watter, Art. 32 N 10. Meier-Hayoz/Forstmoser/Sethe, § 9 N 4. Furrer/Müller-Chen, Kap. 8 N 29; s. Gauch/Schluep/Schmid, N 1453 ff.; BK OR-Zäch/Künzler, Vorb. zu Art. 32–40 N 29. 45 BK OR-Zäch/Künzler, Art. 32 N 2; Gauch/Schluep/Schmid, N 1319 f. 46 Zu beachten ist, dass die Begriffe «Vertretungsmacht» und «Vertretungsbefugnis» in der Lehre uneinheitlich verstanden und verwendet werden. Vgl. etwa Furrer/Müller-Chen, Kap. 8 N 33 ff.; Gauch/ Schluep/Schmid, N 1319 ff.; Koller, OR AT, N 16.06 ff.; Rusch, 81; BSK OR-Watter, Art. 33 N 4; Weber, 169 ff.

325

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

«Vollmacht».47 Sie entsteht durch die Bevollmächtigung, welche ausdrücklich oder konkludent erfolgen kann.48 1053

Zu den vertretungsfeindlichen Geschäften s. N 1065a.

1054

Die Vertretungsmacht ist von der Vertretungsbefugnis zu unterscheiden: Unter Vertretungsbefugnis versteht man das rechtliche Dürfen der Vertreterin.49 Sie betrifft ausschliesslich das Innenverhältnis zwischen der Vertreterin und dem Vertretenen.50 Sie gibt also Auskunft über die intern tatsächlich eingeräumte Vollmacht. Die Vertretungsmacht geht dagegen weiter und erfasst auch jene Fälle, in denen zwar intern keine Vertretungsbefugnis besteht, aber nach aussen der Anschein des Bestehens einer solchen geschaffen wurde.51

1055

Wo der Umfang der Vertretungsmacht gesetzlich standardisiert ist, z.B. bei der kaufmännischen Stellvertretung (s. N 1050) oder im Bereich der Organvertretung (s. N 1045 ff.), ist die Vertretungsmacht (rechtliches Können) oft umfassender als die tatsächlich eingeräumte Vertretungsbefugnis (rechtliches Dürfen).52

1056

Grundsätzlich deckt sich bei der bürgerlichen Stellvertretung die Vertretungsmacht mit der Vertretungsbefugnis, das heisst, das rechtliche Können entspricht dem rechtlichen Dürfen.

1057

Aber auch bei der bürgerlichen Stellvertretung kann bisweilen eine Diskrepanz zwischen Vertretungsmacht und Vertretungsbefugnis bestehen. Insbesondere bei extern kundgegebenen Vollmachten kann es leicht zu einer solchen Diskrepanz kommen (s. Art. 33 Abs. 3 und Art. 34 Abs. 3 OR): Dem Dritten wird beispielsweise eine Vollmacht oder deren Beschränkung nicht korrekt mitgeteilt. Oder es wird die Vollmacht widerrufen oder im Nachhinein beschränkt, ohne dass der Dritte Kenntnis davon erhält.

1058

Dementsprechend haben Beschränkungen der Vertretungsbefugnis bei bereits kundgegebenen Vollmachten nur «externe» Wirkung, sofern der Dritte von besagter Restriktion auch Kenntnis erhält oder erhalten haben müsste. Ansonsten kann einem gutgläubigen Dritten eine Beschränkung der Vertretungsbefugnis nicht entgegengehalten werden.53

1059

Der Vertrag kommt aufgrund der vorhandenen Vertretungsmacht zwischen dem Vertretenen und dem Dritten zustande (s. Art. 33 Abs. 3 und Art. 34 Abs. 3 OR; aus47 48 49 50 51 52 53

326

CHK OR-Kut, Art. 32 N 20. BGE 101 Ia 39 E. 3; BSK OR-Watter, Art. 33 N 15. A.M. BSK OR-Watter, Art. 33 N 4 und N 17, welcher auf eine Unterscheidung von Vertretungsmacht und Vertretungsbefugnis verzichtet. Furrer/Müller-Chen, Kap. 8 N 33. Vgl. Rusch, 81. Zum Begriffspaar «Vertretungsmacht» und «Vertretungsbefugnis» s. Weber, 169 ff. BK OR-Zäch/Künzler, Art. 33 N 108.

§9

Direkte Stellvertretung (Art. 32–40 OR)

führlich zur Vertretungsmacht kraft Gutglaubensschutzes N 1089 ff.).54 Der Vertretene kann von der Vertreterin aber allenfalls Schadenersatz aus Vertragsverletzung verlangen (s. N 1117 f.). Bei nicht nach aussen bekannt gegebenen Vollmachten («interne Vollmacht»; 1060 s.  N  1072) entsteht eine derartige Diskrepanz zwischen der Vertretungsbefugnis und der Vertretungsmacht von vornherein nicht: Die (interne) Beschränkung der Vertretungsbefugnis bewirkt hier immer auch eine Beschränkung der Vertretungsmacht.55

2.

Handeln in fremdem Namen

2.1

Ausdrückliche oder konkludente Erklärung

Die Vertreterin muss dem Dritten gegenüber spätestens bei Vertragsschluss zu 1061 erkennen geben, dass sie den Vertrag im Namen des Vertretenen abschliesst.56 Diese Erklärung kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen (Art. 32 Abs. 2 OR; s. N 172 ff.). Eine Erklärung ist ausdrücklich, wenn z.B. die Vertreterin dem Dritten mitteilt, dass sie im Namen einer anderen Person (des Vertretenen) handelt. Eine konkludente Erklärung liegt dagegen vor, wenn der Dritte aufgrund der Umstände auf ein Vertretungsverhältnis schliessen musste.57 So ist beispielsweise bei einer Verkäuferin in einem Kaufhaus aufgrund ihrer Tätigkeit konkludent davon auszugehen, dass sie in ihrer Funktion für den Geschäftsherrn und nicht für sich selbst handelt. Ob ein Fremdhandeln vorliegt, ist im Einzelfall nach dem Vertrauensprinzip (s. N 193) aus Sicht des Dritten zu beurteilen; die Vertreterin braucht darum nicht zwingend einen tatsächlichen Vertretungswillen zu haben.58 2.2

«Handeln für denjenigen, den es angeht»

Kann oder will die Vertreterin dem Dritten die Person des Vertretenen nicht bekannt 1062 geben, liegt ein sog. «Handeln für denjenigen, den es angeht» vor.59 Bedarf es einer Offenlegung der Identität des Vertretenen, etwa für dessen Mitwirkung bei der Vertragserfüllung, muss dieser mindestens bestimmbar sein. Weigert sich die Vertreterin, den Vertragspartner zu bezeichnen, oder gelingt es ihr nicht, einen solchen nachträglich zu finden, greift Art. 39 OR analog.60 54 55 56 57 58 59 60

Von Tuhr/Peter, 362. Von Tuhr/Peter, 362 FN 43a; BK OR-Zäch/Künzler, Art. 33 N 109. BGE 4A_496/2014 E. 3.2; 126 III 59 E. 1b = Pra 2000 Nr. 117. CHK OR-Kut, Art. 32 N 21. BGE 4P.109/2004 und BGE 4P.111/2004 E. 5.2.2.1; 120 II 197 E. 2b aa; Koller, OR AT, N 16.04. BGE 84 II 13 E. 3; anders verstanden von Schwenzer, OR AT, N 41.05. Engel, CO PG, 379 f.; BSK OR-Watter, Art. 32 N 19; ausführlich BK OR-Zäch/Künzler, Art. 32 N 55 ff.

327

1. Kapitel

2.3

Allgemeine Vertragslehre

Vertretungswirkung trotz Handelns in eigenem Namen

1063

Wenn es dem Dritten gleichgültig ist, mit wem er den Vertrag schliesst, braucht die Vertreterin ihm ausnahmsweise nicht anzuzeigen, dass sie in fremdem Namen handelt (Art. 32 Abs. 2 in fine OR). Entgegen der Auffassung des Bundesgerichts61 und der wohl herrschenden Lehre62 kann unseres Erachtens der Vertretungswille der Vertreterin allein nicht genügen, um volle Vertretungswirkung zu entfalten.63 Vielmehr muss der Dritte zusätzlich zumindest mit einem Vertretungsverhältnis rechnen.64

1064

Ist dies nicht der Fall, so darf der Dritte direkt gegen die Stellvertreterin vorgehen, weil es ihm grundsätzlich nicht zugemutet werden kann, den Passivlegitimierten (das heisst den Vertretenen) zu eruieren.65 Diese Ansicht entspricht unseres Erachtens dem Zweck von Art. 32 Abs. 2 OR am besten: Der Ausdruck «mit wem» deutet darauf hin, dass sich die Gleichgültigkeit auf die Person des Vertretenen, nicht aber auf das Vertretungsverhältnis an sich bezieht. War für den Dritten demgegenüber erkennbar, dass ein Vertretungsverhältnis vorliegen könnte, ist die Situation anders zu beurteilen: Schliesst der Dritte hier den Vertrag vorbehaltlos ab, ist es gerechtfertigt, in Anwendung von Art. 32 Abs. 2 OR die volle Vertretungswirkung anzunehmen.

3.

Weitere Voraussetzungen

1065

Die Vertreterin muss urteilsfähig sein. Handlungsfähigkeit ist bei der direkten Stellvertretung nicht erforderlich, da die Vertreterin nicht selbst verpflichtet wird und damit keines Schutzes vor der Bindung bedarf.66 Demgegenüber muss der Vertretene bei der gewillkürten Stellvertretung (ausser in den Fällen von Art. 19 Abs. 2 und Art. 19c Abs. 1 ZGB) handlungsfähig sein.67

1065a

Damit Vertretungswirkung eintritt, darf sodann kein vertretungsfeindliches Geschäft vorliegen. Absolut höchstpersönliche Rechte, wie etwa das Eingehen einer Ehe oder das Errichten eines Testaments, können nicht mittels einer Vertreterin ausgeübt werden.68

61 62 63 64 65 66

BGE 117 II 387 E. 2a = Pra 1992 Nr. 184. Gauch/Schluep/Schmid, N 1333; BK OR-Zäch/Künzler, Art. 32 N 105 ff. Gl.M. Bucher, OR AT, 622; ebenso Violand, 18. Bucher, OR AT, 623. Ähnlich Violand, 19. Berger, Schuldrecht, N  844; Bucher,  OR AT, 618 FN  66; Gauch/Schluep/Schmid, N  1340; Koller, OR AT, N 16.14; ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 32 N 29; von Tuhr/Peter, 391. 67 BSK OR-Watter, Art. 32 N 21; a.M. Schwenzer, OR AT, N 41.10. 68 Zur Ausübung absolut und relativ höchstpersönlicher Rechte s. BSK ZGB-Fankhauser, Art. 19c N 4 ff.

328

§9

Direkte Stellvertretung (Art. 32–40 OR)

V.

Insbesondere zu Bevollmächtigung und Vollmacht

1.

Bevollmächtigung (Akt)

1.1

Begriff

Die Bevollmächtigung ist ein einseitiges empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft,69 mit- 1066 tels dessen der Vertretene der Stellvertreterin Vertretungsbefugnis und damit auch Vertretungsmacht einräumt. Die Willenserklärung wird mit Zugang bei der Vertreterin wirksam.70 Eine Annahmeerklärung ist nicht notwendig (s. N 184).71 1.2

Grundsatz der Formfreiheit

Die Erteilung einer Vollmacht ist grundsätzlich formfrei gültig (Art. 11 Abs. 1 OR).72 1067 Das Gesetz sieht jedoch vereinzelt Schriftlichkeit vor, beispielsweise bei der Bürgschaft (Art. 493 Abs. 6 OR). Ist die Vollmacht an keine Form gebunden, so kann deren Erteilung auch konkludent erfolgen.73 Im Zweifel ist nach dem Vertrauensprinzip zu beurteilen, wie die Vertreterin ein Verhalten des Vertretenen verstehen durfte.74 Der Grundsatz der Formfreiheit gilt nach dem Bundesgericht und einem Teil der 1068 Lehre sogar in jenen Fällen, in welchen sich die Bevollmächtigung auf den Abschluss eines formbedürftigen Vertrages bezieht.75 Die genannte Auffassung wird mit dem Argument kritisiert, sie lasse den – einem Teil der Formvorschriften zugrunde liegenden – Gedanken des Schutzes vor übereilten Vertragsabschlüssen ausser Acht.76 Diesem Argument wird der Grundsatz der Formfreiheit (im Zweifelsfall enge Auslegung) entgegengehalten.77 Der Forderung nach einer restriktiven Interpretation von Formvorschriften kann wiederum entgegengehalten werden, dass so der Sinngehalt der Formvorschriften konterkariert werden könnte. Im Vordergrund steht die Schutzzweckfunktion, nämlich das Ziel, die Vertragsparteien (vor allem den Vertretenen) vor übereilten Vertragsschlüssen zu schützen.78

69 BVGE A-6432/2012 E. 2.2.1; ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 32 N 20; von Tuhr/Peter, 354. 70 BGE 4A_270/2007 E. 4.1.2; BSK OR-Zäch/Künzler, Art. 33 N 28. A.M. BSK OR-Watter, Art. 33 N 9, wonach eine wirksame Bevollmächtigung auch dann vorliegt, wenn der Vertretene die Vollmacht einem Dritten mitteilt und die Stellvertreterin nur indirekt davon erfährt. 71 S. von Tuhr/Peter, 354 f. 72 BGE 2C_1071/2012 E. 5.1 m.w.H. 73 BGE 2C_1071/2012 E. 5.1 m.w.H; Koller, OR AT, N 18.05. 74 Vgl. BGE 141 III 289 E. 4.1; BSK OR-Watter, Art. 33 N 17. 75 BGE 112 II 330 E. 1a; 99 II 159 E. 2b; Gauch/Schluep/Schmid, N 1349 f.; ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 32 N 25; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 410. 76 S. Guhl/Koller, § 19 N 3; BSK OR-Watter, Art. 33 N 14. 77 Gauch/Schluep/Schmid, N 496 und N 1350. 78 S. BK OR-Zäch/Künzler, Art. 33 N 57; a.M. Gauch/Schluep/Schmid, N 1350.

329

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

1069

Um dem Schutzgedanken gerecht zu werden, sollte für die Bevollmächtigung einfache Schriftlichkeit (Art. 12 ff. OR; s. N 348 ff.) verlangt werden, wo das Gesetz für das abzuschliessende Geschäft eine bestimmte Form als Gültigkeitserfordernis verlangt. Es ginge jedoch zu weit, für die Bevollmächtigung die gleiche Form vorzuschreiben wie für das abzuschliessende Geschäft.79 Dies würde den Geschäftsverkehr disproportional behindern.

1070

In der Notariatspraxis wird deshalb für die Bevollmächtigung bei Grundstückgeschäften lediglich einfache Schriftlichkeit (anstatt öffentlicher Beurkundung; s. Art. 216 Abs. 1 OR) verlangt.80

1071

Im Übrigen sollte der persönliche Anwendungsbereich einer Formvorschrift nicht auf natürliche Personen reduziert werden. Insbesondere ein Teil der KMU ist oft ebenso schutzwürdig bzw. -bedürftig wie natürliche Personen. Die Bevollmächtigung muss in den entsprechenden Fällen deshalb nicht nur bei Vertretern von natürlichen Personen, sondern grundsätzlich auch bei solchen juristischer Personen dem Schriftlichkeitserfordernis genügen.81

1072

2.

Vollmacht (Ergebnis)

2.1

Begriff und Wesen der Vollmacht

Durch die Bevollmächtigung begründet der (potenziell) Vertretene die Vollmacht der Vertreterin (sog. «interne Vollmacht»; zur «externen Vollmacht» s. N 1089).82 Die Bevollmächtigung ist nur an die Vertreterin gerichtet und das Ergebnis wird deshalb als interne Vollmacht bezeichnet. Die interne Vollmacht ist deckungsgleich mit der Vertretungsbefugnis (s. N 1054). Das Gesetz spricht von einer – rechtsgeschäftlich erteilten – Ermächtigung (Art. 34 Abs. 1 OR). Diese mündet in eine Vollmacht. 79

S. BSK OR-Watter, Art. 33 N 14; BK OR-Zäch/Künzler, Art. 33 N 57. Auch der OR 2020-Entwurf stellt den Übereilungsschutz in den Vordergrund, schlägt aber eine andere als die von diesem Teil der Lehre vorgeschlagene Lösung vor. Nach Art. 189 Abs. 3 OR 2020 soll sich die für das Hauptgeschäft erforderliche Form auch auf die Vollmachterteilung erstrecken, falls die Formvorschrift den Vollmachtgeber vor Übereilung schützen soll. Ist für das Hauptgeschäft daher beispielsweise die öffentliche Beurkundung verlangt, dürfte einfache Schriftlichkeit für die Bevollmächtigung in der Regel nicht genügen; s. dazu auch OR 2020Jung, Art. 189 N 2 ff. Ein etwas abgewandelter Vorschlag ist in Cramer, AJP 2018, 291 f., zu finden. 80 BSK OR-Watter, Art. 33 N 14. Gewisse Kantone schreiben zusätzlich die Beglaubigung der Unterschrift des Vollmachtgebers vor. Beispielsweise verlangt § 15 der Zürcher Notariatsverordnung (LS 242.2), dass der Urkundenperson eine schriftliche Vollmacht mit beglaubigter Unterschrift vorgelegt werden muss, falls ein Rechtsgeschäft beurkundet werden soll. Die Missachtung dieser Ordnungsvorschriften ändert jedoch nichts an der Gültigkeit der Vollmacht; die Urkundenperson muss allenfalls die (disziplinarische) Verantwortung dafür tragen (s. BGE 99 II 159 E. 2 und E. 3). 81 A.M. BK OR-Zäch/Künzler, Art. 33 N 57. 82 Berger, Schuldrecht, N 853.

330

§9

Direkte Stellvertretung (Art. 32–40 OR)

Die Vollmacht ist abstrakt. Üblicherweise liegt ihr ein Vertrag zwischen dem Voll- 1073 machtgeber und der Bevollmächtigten, wie z.B. ein Auftrag oder ein Arbeitsvertrag, zugrunde. Sie entfaltet aber ihre rechtliche Wirkung grundsätzlich losgelöst vom (allenfalls mangelhaften) Grundgeschäft.83 2.2

Umfang und Arten der Vollmacht

Die Bevollmächtigte kann im Rahmen der Vollmacht wirksam für den Vertretenen 1074 handeln. Der Umfang der (internen) Vollmacht ergibt sich dabei aus der Bevollmächtigung (Art. 33 Abs. 2 OR). Hat die Vertreterin den Umfang nicht tatsächlich so verstanden wie der Vollmachtgeber, ist die Bevollmächtigung nach dem Vertrauensprinzip auszulegen.84 In der Regel decken sich bei der bürgerlichen Stellvertretung Vertretungsmacht und 1075 Vertretungsbefugnis (s. N 1056; zu den Fällen des Gutglaubensschutzes s. N 1088 ff.). Dagegen richtet sich die handelsrechtliche (kaufmännische) Vollmacht nach dem gesetzlich definierten Umfang.85 Der (bürgerliche) Vollmachtgeber kann die Vollmacht innerhalb der Schranken 1076 des Gesetzes zeitlich, örtlich, sachlich und/oder persönlich stufenlos beschränken und kombinieren, während der handelsrechtliche Vollmachtgeber aus einem Set standardisierter Beschränkungsmöglichkeiten wählen muss.86 Die Bevollmächtigte ihrerseits darf unter Umständen eine Hilfsperson beiziehen. Bürgerliche Vollmachten können wie folgt moduliert werden: • Die Vollmacht kann sich auf den Abschluss eines speziellen Geschäfts (Spezialvollmacht), auf den Abschluss von Geschäften einer bestimmten Art (Gattungsvollmacht) oder auf den Abschluss von Geschäften in Bezug auf ein bestimmtes Vermögen (Generalvollmacht) erstrecken (sachliche Beschränkung).87 • Die Vollmacht kann aktive und/oder passive Vertretungsmacht enthalten (sachliche Beschränkung). • Der Vollmachtgeber kann jemanden mit Einzelvollmacht oder mehrere Personen mit Kollektivvollmacht ausstatten. Letztere können alsdann nur mit Zustimmung der anderen Vertreterinnen für den Vertretenen handeln (persönliche Beschränkung).88 • Der Vollmachtgeber kann der Bevollmächtigten die Befugnis erteilen, ihrerseits eine Vertreterin beizuziehen, indem sie ihr eine Untervollmacht einräumt (sog. 83 Furrer/Müller-Chen, Kap. 8 N 56; Koller, OR AT, N 18.05; von Tuhr/Peter, 359; Watter, N 29 FN 46; BK OR-Zäch/Künzler, Art. 33 N 121. 84 Koller, OR AT, N 18.09; BSK OR-Watter, Art. 33 N 17. 85 S. Gauch/Schluep/Schmid, N 1457; Koller, OR AT, N 18.10. 86 S. Schwenzer, OR AT, N 42.10; ausführlich BK OR-Zäch/Künzler, Art. 33 N 60 ff. 87 S. CR CO-Chappuis, Art. 33 N 16. 88 S. Kramer/Probst, OR AT, N 316 mit weiteren Gestaltungsmöglichkeiten.

331

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Substitutionsvollmacht89; bei fehlender Substitutionsbefugnis liegt eine persönliche Beschränkung vor). Die Substitutin berechtigt und verpflichtet durch ihr rechtsgeschäftliches Handeln direkt den Vertretenen (zur Substitution im Auftragsverhältnis s. N 3249). • Die Bevollmächtigte darf im Rahmen des Grundverhältnisses mit dem Vollmachtgeber (z.B. Auftrag) auch eine Hilfsperson einsetzen, sofern sie nicht persönlich erfüllen muss (Art. 68 Abs. 1 OR). Diese darf aber nicht rechtlich (im Gegensatz zur Substitutin), sondern bloss tatsächlich handeln (tatsächliches Handeln in «fremdem Namen» ist nicht möglich; s. N 1028).90 Die Zurechnung des tatsächlichen Handelns einer Hilfsperson zum Verantwortungsbereich der Stellvertreterin (z.B. Tätigkeit als Botin; s. N 1034 ff.) erfolgt aufgrund der Vorgaben für die Hilfspersonenhaftung.91 2.3 1077

Selbstkontrahieren und Doppelvertretung (Insichgeschäfte)

Der Umfang der Vollmacht erstreckt sich grundsätzlich nicht auf sog. Insichgeschäfte.92 Bei Insichgeschäften handelt die Vertreterin auf beiden Seiten. Es wird zwischen folgenden zwei Hauptformen von Insichgeschäften unterschieden: • Beim Selbstkontrahieren (Selbsteintritt) schliesst die Vertreterin das Geschäft für den Vertretenen nicht mit einem Dritten, sondern mit sich selbst ab.93 • Von Doppelvertretung wird gesprochen, wenn die Vertreterin gleichzeitig als Stellvertreterin des Dritten handelt, mit welchem sie (für den Vertretenen) ein Geschäft abschliesst.94

1078

Die Möglichkeit einer Interessenkollision95 liegt in beiden Fällen auf der Hand, weshalb nach herrschender Lehre und Rechtsprechung die betreffenden Rechtsgeschäfte prinzipiell ungültig sind.96 89 Guhl/Koller, § 19 N 7. 90 BK OR-Zäch/Künzler, Vorb. zu Art. 32–40 N 15. 91 BK OR-Zäch/Künzler, Vorb. zu Art. 32–40 N 16 und N 114 ff. 92 Der Forschungsentwurf OR 2020 fasst die von der Rechtsprechung und Lehre zu den verschiedenen Formen des Insichgeschäfts entwickelten Grundsätze in einer Bestimmung zusammen und dehnt den Anwendungsbereich zugleich auf ähnliche Fallkonstellationen aus, in welchen vergleichbare Interessenkonflikte bestehen können. Art. 191 OR 2020 erfasst demnach das Selbstkontrahieren, die Doppelvertretung sowie «ähnliche Interessenkonflikte», bei denen die Gefahr einer Interessenkollision besteht; s. zum Ganzen OR 2020-Jung, Art. 191 N 1 ff. 93 S. Berger, Schuldrecht, N 915; Furrer/Müller-Chen, Kap. 8 N 87; Kramer/Probst, OR AT, N 322; Schott, 51; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 422; Weber, 179. 94 S.  Furrer/Müller-Chen, Kap. 8 N  88; Kramer/Probst,  OR AT, N  322; Schott, 51; Tercier/ Pichonnaz, CO PG, N 422; Weber, 179. Zu möglichen weiteren Fallkonstellationen s. OR 2020-Jung, Art. 191 N 3. 95 Ausführlich Schott, 44 f. 96 BGE 4A_360/2012 E. 4; 138 III 755 E. 6.2; 127 III 332 E. 2a; 126 III 361 E. 3a; Weber, 180; BK OR-Zäch/ Künzler, Art. 33 N 80 ff.; kritisch Engel, CO PG, 415 f. Zu den möglichen rechtlichen Lösungsansätzen bei Insichgeschäften s. Böckli, 355.

332

§9

Direkte Stellvertretung (Art. 32–40 OR)

Dieses Verbot gilt indessen nicht absolut. So sind Insichgeschäfte zulässig, wenn die 1079 Vertreterin zu deren Abschluss vom potenziell benachteiligten Vertretenen besonders ermächtigt wurde. Der Vertretene kann das Geschäft auch nachträglich genehmigen.97 Schliesslich sind Selbsteintritt und Doppelvertretung gestattet, wenn die Gefahr einer Interessenkollision nach der Natur des Geschäfts ausgeschlossen werden kann, etwa wenn zu Markt- oder Börsenpreisen kontrahiert werden soll.98

3.

Widerruf der Vollmacht durch den Vollmachtgeber

Der Vollmachtgeber kann die Vollmacht jederzeit widerrufen oder beschränken, 1080 und zwar unbeschadet der Rechte aus dem Grundverhältnis (Art. 34 Abs. 1 OR). Auf das Widerrufsrecht kann nach Art. 34 Abs. 2 OR, entgegen dem irreführenden Gesetzeswortlaut («zum voraus»), zu keinem Zeitpunkt verzichtet werden.99 Dasselbe gilt für den Verzicht auf die Ausübung des Widerrufsrechts.100 Der Widerruf kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Wird das Grundver- 1081 hältnis (z.B. Auftragsverhältnis) durch den Vollmachtgeber aufgehoben, geht damit in der Regel ein konkludenter Widerruf der Vollmacht einher.101 Der Widerruf ist wie die Bevollmächtigung ein einseitiges empfangsbedürfti- 1082 ges Rechtsgeschäft. Die entsprechende Willenserklärung wird mit Zugang bei der Bevollmächtigten wirksam.102 Dem gutgläubigen Dritten, welchem der Vollmachtgeber die Vollmacht kundgetan hat, sollte der Widerruf ebenfalls mitgeteilt werden. Andernfalls läuft der Vollmachtgeber Gefahr, weiterhin vertretungsweise verpflichtet zu werden (Art. 34 Abs. 3 OR; s. N 1089 ff.). Ab Zugang der Widerrufserklärung kann sich der Dritte nicht mehr auf seinen guten Glauben in den Bestand der Vollmacht berufen.103

97 BGE 4A_360/2012 E. 4; 4C.212/2002 E. 3.2; 127 III 332 E. 2a; 126 III 361 E. 3a. Ausführlich zur Genehmigung durch die vertretene juristische Person s. Böckli, 356. 98 BGE 4A_360/2012 E. 4; 127 III 332 E. 2a; s. BGE 111 II 366 E. 1; Huguenin, Gleichbehandlungsprinzip, 57 f.; Huguenin, Insichgeschäfte, 521 ff.; BSK OR-Watter, Art. 33 N 19; für weitere Fallbeispiele zur fehlenden Benachteiligungsgefahr s. OR 2020-Jung, Art. 191 N 8. 99 BGE 127 III 515 E. 2a; von Tuhr/Peter, 367 FN 71. 100 Gauch/Schluep/Schmid, N 1367; a.M. von Tuhr/Peter, 368. 101 Koller, OR AT, N 18.23; BK OR-Zäch/Künzler, Art. 33 N 122. 102 Von Tuhr/Peter, 366 f. 103 A.M. BSK OR-Watter, Art. 34 N 12, und BK OR-Zäch/Künzler, Art. 34 N 41 ff., wonach nicht auf den Zugang der Widerrufserklärung beim Dritten, sondern auf deren Kenntnisnahme bzw. das Kennensollen durch den Dritten abzustellen sei.

333

1. Kapitel

4. 1083

Allgemeine Vertragslehre

Verzicht der Bevollmächtigten auf die Vollmacht

Trotz fehlender gesetzlicher Regelung anerkennt die herrschende Lehre die Möglichkeit einer Niederlegung der Vollmacht: Die Vertreterin kann demnach jederzeit gegenüber dem Vollmachtgeber auf die Vollmacht verzichten. Die Verzichtserklärung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, welches mit Zugang beim Vollmachtgeber wirksam wird.104 Je nach Kontext können aus einer Niederlegung zur Unzeit aber Schadenersatzansprüche der Gegenseite resultieren (s. Art. 404 Abs. 2 OR).

5.

Erlöschen der Vollmacht

5.1

Erlöschensgründe gemäss Art. 35 OR

1084

Mit dem Verlust der entsprechenden Handlungsfähigkeit, dem Konkurs, dem Tod oder der Verschollenerklärung des Vollmachtgebers oder der Bevollmächtigten erlischt die gewillkürte Vollmacht grundsätzlich (Art. 35 Abs. 1 OR). Ebenso verhält es sich bei Auflösung einer juristischen Person oder einer ins Handelsregister eingetragenen Gesellschaft (Art. 35 Abs. 2 OR). Mit «Auflösung» ist der Eintritt der juristischen Person oder Gesellschaft ins Liquidationsstadium (s. Art. 738 OR) und nicht die Löschung im Handelsregister gemeint.105

1085

Allerdings hat die Vollmacht weiterhin Bestand, wenn die Parteien dies vereinbart haben oder wenn «aus der Natur des Geschäfts» das Weiterbestehen der Vollmacht hervorgeht (Art. 35 Abs. 1 OR). So wird des Öfteren in Bankvollmachten, aber etwa auch im offiziellen Vollmachtsformular des Zürcher Anwaltsverbands die postmortale Geltung vorgesehen. Auch bei fehlender Vereinbarung über den Fortbestand der Vollmacht können durch deren Dahinfallen die Interessen des Vollmachtgebers oder seiner Rechtsnachfolger gefährdet werden, z.B. wenn die Unternehmensführung unterbrochen würde. In diesem Fall ist es sachgerecht bzw. entspricht es mit hoher Wahrscheinlichkeit dem mutmasslichen Willen des Vollmachtgebers, vom Weiterbestehen einer Vollmacht auszugehen.

1086

Im Todesfall handelt die Vertreterin zwar für den Verstorbenen, doch wirkt ihr Handeln in wirtschaftlicher Hinsicht bei dessen Rechtsnachfolgern, insbesondere den Erben. Die kundige Vertreterin muss darum auch deren Interessen wahren, wobei alle Erben jederzeit und auch einzeln die Vollmacht widerrufen können.106

1086a

Das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht hat mit dem Vorsorgeauftrag (Art. 360 ff. ZGB) ein Institut geschaffen, welches es dem zu Vertretenden erlaubt, vorgängig Anordnungen zu treffen, die erst mit dem Eintreten seiner Urteilsun104 Engel, CO PG, 398; Gauch/Schluep/Schmid, N 1368; s. Schwenzer, OR AT, N 42.24. 105 S. BK OR-Zäch/Künzler, Art. 35 N 9. 106 S. BSK OR-Watter, Art. 35 N 10 f.; BK OR- Zäch/Künzler, Art. 35 N 73.

334

§9

Direkte Stellvertretung (Art. 32–40 OR)

fähigkeit Wirkung entfalten sollen. Die Bestimmungen über den Vorsorgeauftrag gelten in solchen Fällen als leges speciales gegenüber dem einfachen Auftrag (Art. 394 ff. OR) und der Vollmacht.107 Hingegen sind weiterhin die Vorschriften des OR (Art. 35 Abs. 1, Art. 405 OR) sowie des ZGB zu beachten für Vorsorgeaufträge und Vollmachten, die über den Tod hinaus gültig sein sollen.108 Die besonderen Vorschriften des Vorsorgeauftrages (Art. 360 ff. ZGB) sind ausserdem nicht zu berücksichtigen, wenn die Aufträge oder Vollmachten bereits vor Eintritt der Urteilsunfähigkeit wirksam sein sollen, selbst dann nicht, wenn sie mit Eintritt der Urteilsunfähigkeit des Vertretenen weiterhin gelten sollen.109 5.2

Weitere Erlöschensgründe

Die Vollmacht kann durch den Vollmachtgeber auch von gewillkürten Erlöschens- 1087 gründen abhängig gemacht werden. Erteilt der Vollmachtgeber z.B. eine zeitlich beschränkte Vollmacht, endet diese mit Fristablauf. Wurde die Vollmacht unter einer auflösenden Bedingung (Art. 154 OR; s. N 1289) erteilt, so erlischt sie bei Bedingungseintritt. Wenn sich die Vollmacht nur auf den Abschluss eines oder mehrerer bestimmter Rechtsgeschäfte bezieht (Spezialvollmacht), endet sie mit deren Erfüllung bzw. anderweitigen Beendigung.110

VI.

Insbesondere zur Vertretungsmacht kraft Gutglaubensschutzes

Bei der gewillkürten Stellvertretung geht die Vertretungsmacht in ihrem Umfang 1088 grundsätzlich nie weiter als durch die Bevollmächtigung erteilt (= Vertretungsbefugnis bzw. interne Vollmacht gemäss Art. 33 Abs. 2 OR; s. N 1074 ff.). Es gibt indessen eine Serie von Fallgruppen, in welchen der (gutgläubige) Dritte und/oder die (gutgläubige) Vertreterin von Gesetzes wegen in ihrem Vertrauen auf den Bestand einer Vollmacht geschützt werden, ohne dass eine entsprechende interne Vollmacht vorliegt.

107 108 109 110

Hrubesch-Millauer/Jaussi, AJP 2014, 1291 und 1295. BSK ZGB-Jungo, Art. 360 N 39; CHK ZGB-Widmer Blum, Art. 360 N 25 ff. m.w.H. Hrubesch-Millauer/Jaussi, AJP 2014, 1296; BSK ZGB-Jungo, Art. 360 N 12c. S. von Tuhr/Peter, 365.

335

1. Kapitel

1.

Allgemeine Vertragslehre

Gutglaubensschutz Dritter und «externe Vollmacht»

1089

Der gutgläubige Dritte wird nach Art. 33 Abs. 3 OR im Umfang der ihm vom Vertretenen (ausdrücklich oder konkludent) mitgeteilten Vollmacht geschützt. Eine nach aussen mitgeteilte Vollmacht wird als «externe Vollmacht» bezeichnet.111 Die Kundgabe kann nur vom Vertretenen vorgenommen werden.112 Dazu kann die Vertreterin als Botin eingesetzt werden (z.B. Überbringen einer schriftlichen Vollmachtsurkunde).113 Eine solche Kundgabe der Vollmacht nach aussen ist aber keine Willenserklärung, sondern nur eine Wissensmitteilung, nämlich «die Mitteilung, es sei ein Rechtsgeschäft (Bevollmächtigung) vorgenommen worden»114.

1090

Diese alleine vermag bei der Vertreterin aber keine Vertretungsbefugnis (rechtliches Dürfen; s. N 1055) zu begründen.115 Eine Bevollmächtigung der Vertreterin im internen Verhältnis ist nach wie vor notwendig, um die Vertreterin mit einer Vollmacht auszustatten.116 Diese ist grundsätzlich formfrei, also auch durch konkludentes (schlüssiges) Verhalten möglich (s. N 1067).

1091

Obwohl die Kundgabe der Ermächtigung allein keine Vertretungsbefugnis begründet, resultiert aus ihr indessen aus Gründen des Vertrauensschutzes Vertretungsmacht (rechtliches Können; s. N 1054) der Vertreterin: Die Kundgabe (als Wissensmitteilung) des Vertretenen schafft beim Dritten eine Vertrauensgrundlage, welche die Vertretungswirkung zur Folge hat.117 Die Fälle der kundgegebenen Vollmachten (Art. 33 Abs. 3 und Art. 34 Abs. 3 OR) sind Anwendungsfälle der «Rechtsscheinhaftung»: Indem das Gesetz die Vertretungswirkung – in Gestalt des entsprechenden Rechtsgeschäfts – ex lege dennoch eintreten lässt, schützt es den gutgläubigen Dritten in seinem Vertrauen auf den vom Vertretenen erweckten Rechtsschein (Anwendungsfall des Vertrauensprinzips; s. N 193; Art. 33 Abs. 3 und Art. 34 Abs. 3 OR).118

1092

Gemäss den genannten Bestimmungen ist alsdann der extern kundgegebene (und nicht der tatsächliche) Umfang der Ermächtigung massgeblich. Das durch die Kundgabe entstehende Risiko einer «Fehlbindung» wird dem Vertretenen zugerechnet: Dieser hat für die Richtigkeit von Umfang und Bestand der kundgegebenen, externen Vollmacht (Art. 33 Abs. 3 OR) und für eventuelle spätere Änderungen der Vollmacht durch Widerruf einzustehen (Art. 34 Abs. 3 OR).119

111 112 113 114 115 116 117 118 119

336

Berger, Schuldrecht, N 854; Bucher, OR AT, 602; Engel, CO PG, 384; BSK OR-Watter, Art. 33 N 30. BGE 120 II 197 E. 2b bb; s. Pichonnaz, ZSR 2011 II, 155 f. Guhl/Koller, § 21 N 11; BK OR-Zäch/Künzler, Art. 33 N 131. Koller, OR AT, N 18.19; s. Pichonnaz, ZSR 2011 II, 153. Rusch, 80; BSK OR-Watter, Art. 33 N 30 f.; BK OR-Zäch/Künzler, Art. 33 N 126 und N 128. S. Rusch, 80 f. und 84. Rusch, 81 und 83 f. Rusch, 81 ff.; Pichonnaz, ZSR 2011 II, 153. S. Pichonnaz, ZSR 2011 II, 153.

§9

Direkte Stellvertretung (Art. 32–40 OR)

Der Vertretene trägt in der Folge das Risiko für die im Vertrauen auf das tatsächli- 1093 che Bestehen der Vollmacht getätigten Dispositionen des gutgläubigen Dritten (sog. Rechtsscheinsvollmacht; s. N 1095).120 Folgende Konstellationen sind denkbar:

1094

• Kundgabe einer (externen) Vollmacht in zu grossem Umfang: Der gutgläubige Dritte wird in seinem Vertrauen auf den Umfang der verkündeten Vollmacht geschützt, wenn die nach aussen kundgegebene Vollmacht weiter geht als die tatsächlich vorgenommene Bevollmächtigung (Diskrepanz zwischen Vertretungsmacht und -befugnis). Die Kundgabe hat dabei durch den Vertretenen zu erfolgen. Der Vertretene wird folglich gegenüber dem gutgläubigen Dritten im Umfang der kundgegebenen Vollmacht verpflichtet (Art. 33 Abs. 3 OR; s. auch Art. 34 Abs. 3 OR für den Teilwiderruf). • Falls die kundgegebene Vollmacht einen geringeren Umfang aufweist als die tatsächlich erteilte Vollmacht, tritt die Vertretungswirkung im Umfang der tatsächlich erteilten Vollmacht ein.121 • Keine Kundgabe des Widerrufs: Gab der Vertretene die Vollmacht gegenüber dem Dritten kund, unterliess es aber, diesem den Widerruf mitzuteilen, wird der gutgläubige Dritte in seinem Vertrauen auf den Fortbestand der Vollmacht geschützt. So lässt Art.  34 Abs.  3  OR trotz fehlender Vertretungsbefugnis der Vertreterin eine entsprechende Vertretungswirkung eintreten. Im Gegensatz zu Art. 33 Abs. 3 OR, bei dem die Vollmachtsmitteilung in mangelnder Übereinstimmung mit der Bevollmächtigung erfolgt, ist deren Mitteilung bei Art.  34 Abs. 3 OR korrekt. Die Diskrepanz entsteht erst beim Widerruf.122 • Kundgabe einer nicht bestehenden Vollmacht: Wenn A (vermeintlich Vertretener) dem B (Dritten) mitteilt, dass die C (vermeintliche Vertreterin) von ihm eine Vollmacht habe, so begründet A damit noch keine Vertretungsbefugnis der C, da dieser keine entsprechende Willenserklärung zugegangen ist. Die Kundgabe bewirkt aber, dass B als gutgläubiger Dritter in seinem Vertrauen auf das Bestehen der Vollmacht geschützt wird (Art.  33 Abs.  3  OR; Vertrauensprinzip). Zu ergänzen ist hier, dass Art. 33 Abs. 3 OR auch bei der Kundgabe einer nicht bestehenden Vollmacht zur Anwendung kommt und nicht bloss bei der Kundgabe einer bestehenden Vollmacht in zu grossem Umfang (in teleologischer Erweiterung des Wortlauts dieser Bestimmung).123 Für die Anwendung von Art. 33 Abs. 3 OR genügt es hingegen nicht, wenn nur die C dem B mitteilt, sie habe von A eine Vollmacht, die sie aber tatsächlich nicht besitzt. Der Dritte

120 121 122 123

S. Rusch, 80 ff. Gauch/Schluep/Schmid, N 1398. S. Guhl/Koller, § 21 N 14. Schwenzer, OR AT, N 42.30; BK OR-Zäch/Künzler, Art. 33 N 139.

337

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

kann dabei noch so gutgläubig sein. In einem solchen Fall wird der Dritte lediglich durch Art. 39 OR geschützt (s. N 1108 ff.).124 1095

Erfolgte keine direkte Kundgabe der Vollmacht, kommt dennoch eine Rechtsscheinhaftung nach Art. 33 Abs. 3 OR infrage, und zwar, wenn der Dritte nach Treu und Glauben das Verhalten des Vertretenen als Kundgabe einer Vollmacht verstand und verstehen durfte (sog. normative Kundgabe125 der Vollmacht). Es liegt diesfalls eine (externe) Duldungs- (s. N 1096 ff.) oder Anscheinsvollmacht (s. N 1099 f.) vor.126 Das Verhalten des Vertretenen kann dabei in einem Handeln, Dulden oder gar Unterlassen bestehen.127

1096

Bei der (externen) Duldungsvollmacht hat der Vertretene Kenntnis vom Agieren der (eigentlich vollmachtlosen) Vertreterin, schreitet aber nicht dagegen ein.128 Durch sein Nichteinschreiten wird beim gutgläubigen Dritten der Schein einer solchen Kundgabe erweckt.129

1097

Auf den eigentlichen Kundgabewillen des Vertretenen kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist alleine, wie der Dritte das Verhalten des Vertretenen verstehen durfte und musste.130 Nicht relevant ist ebenfalls, ob die Vertreterin vom fehlenden Willen des Vertretenen zur Bevollmächtigung wusste. Was zählt, ist der extern erweckte Anschein einer Vollmacht beim Dritten. Dieses Verhalten muss sich der Vertretene aufgrund des Vertrauensprinzips anrechnen lassen (Rechtsscheinhaftung).131

1098

Mit der (externen) Duldungsvollmacht nicht zu verwechseln sind die Fälle der konkludenten Bevollmächtigung (s. N 1067). Es handelt sich diesfalls um einen rein internen Vorgang. Die konkludente Bevollmächtigung betrifft bloss das Verhältnis zwischen Vertreterin und Vertretenem und hat dementsprechend nichts mit Art. 33 Abs. 3 OR zu tun. In der Praxis kommt es teilweise zu Verwechslungen, weil das Dulden einer Vertretung, welches von der Vertreterin nach Treu und Glauben als Bevollmächtigung verstanden werden darf, vom Bundesgericht als «interne» Dul-

124 Guhl/Koller, § 21 N 13; Pichonnaz, ZSR 2011 II, 156. 125 Rusch, 98. 126 Zu beachten ist, dass die Begriffe Duldungs- und Anscheinsvollmacht in der Praxis uneinheitlich verwendet werden. Vgl. etwa BGE 141 III 289 E. 4.1; 120 II 197 E. 2a; Gauch/Schluep/Schmid, N 1409 ff.; Koller, OR AT, N 19.07 f.; BK OR-Zäch/Künzler, Art. 33 N 46. 127 S. BGE 120 II 197 E. 2b bb; Rusch, 98 und 100 ff.; BK OR-Zäch/Künzler, Art. 33 N 144 und N 151. 128 BGE 120 II 197 E.  2b bb; 5A_500/2010 E.  6.2; 133 V 408 E.  5.3.4; 4C.293/2006 E.  2.1.2; 5C.244/2002 E. 3.2.2; CR CO-Chappuis, Art. 33 N 12; Kramer/Probst, OR AT, N 317; CHK OR-Kut, Art. 33 N 41; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 449. 129 S. BGE 120 II 197 E. 2b bb; Rusch, 98; BK OR-Zäch/Künzler, Art. 33 N 151. 130 Rusch, 98; s. Pichonnaz, ZSR 2011 II, 154. 131 S. BGE 97 IV 46 E. 4b; Pichonnaz, ZSR 2011 II, 153 f.; Rusch, 98 ff.

338

§9

Direkte Stellvertretung (Art. 32–40 OR)

dungsbevollmächtigung132 und von einem Teil der Lehre schlicht als Duldungsvollmacht133 bezeichnet wird. Weiss der Vertretene nichts vom Verhalten der Vertreterin, müsste er dieses aber bei 1099 pflichtgemässer Aufmerksamkeit kennen und verhindern, und darf der Dritte dieses Verhalten nach Treu und Glauben als Kundgabe einer Vollmacht verstehen, liegt eine (externe) Anscheinsvollmacht vor.134 Der gutgläubige Dritte wird nach Art. 33 Abs. 3 OR geschützt, da er aufgrund des Verhaltens des Vertretenen auf eine ordentliche Bevollmächtigung der Vertreterin schliessen durfte (Rechtsscheinhaftung).135 Der Vertretene wird darum auch auf den von ihm (extern) erweckten Anschein behaftet.136 Zu beachten ist auch hier, dass der Anschein einer Vollmachtserteilung vom Vertretenen «begründet» werden muss.137 Der gutgläubige Dritte kann sich nicht auf Art. 33 Abs. 3 OR berufen, wenn lediglich die Vertreterin den Anschein einer Bevollmächtigung geschaffen hat.138 In einem solchen Fall bliebe dem Dritten nur noch die Möglichkeit, vom Vertreter Schadenersatz nach Art. 39 OR verlangen.139 Auch bei der Anscheinsvollmacht ist die in der Praxis verwendete Terminologie 1100 keine einheitliche. Das Bundesgericht bezeichnet die externe Anscheinsvollmacht auch als «interne» Anscheinsbevollmächtigung140, ein Teil der Lehre spricht schlicht von einer Anscheinsvollmacht (zur konkludenten Bevollmächtigung s. N 1067).141 Es bleibt anzumerken, dass eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht unseres 1101 Erachtens nur sehr zurückhaltend angenommen werden darf: Das beim gutgläubigen Dritten erweckte Vertrauen muss dem Vertretenen klar zurechen- und vorwerfbar sein. Der Dritte ist nicht mehr als gutgläubig zu betrachten, wenn er auch nur die geringsten Zweifel am Bestehen einer Vollmacht hat.142 Der Dritte soll nämlich nicht über den in Art. 33 Abs. 3 und Art. 34 Abs. 3 OR statuierten Zweck der Vertrauenshaftung hinaus geschützt werden. Dies gilt vor allem, wenn ihm eine Abklärung der Stellvertretungsverhältnisse nach Treu und Glauben ohne Weiteres zumutbar ist (z.B. mittels Telefonanruf oder E-Mail-Anfrage beim angeblich Vertretenen). Ansonsten wird die Rechtsscheinhaftung, als Anwendungsfall des Vertrauensprin-

132 BGE 141 III 289 E.  4.1; s.  auch Koller,  OR AT, N  19.08. Zur uneinheitlichen Terminologie s. ferner Gauch/Schluep/Schmid, N 1409 und N 1413. 133 S. Gauch/Schluep/Schmid, N 1411; BK OR-Zäch/Künzler, Art. 33 N 48. 134 BGE 120 II 197 E. 2 b bb; CHK OR-Kut, Art. 33 N 41. 135 S. BGE 4C.293/2006 E. 2.1.2; Bucher, OR AT, 607 und 613; Pichonnaz, ZSR 2011 II, 154. 136 Gauch/Schluep/Schmid, N 1412. 137 Guhl/Koller, § 21 N 13. 138 BGE 120 II 197 E. 2b bb; Bucher, OR AT, 613; Guhl/Koller, § 21 N 13. 139 Guhl/Koller, § 21 N 13. 140 BGE 141 III 289 E. 4.1 und E. 4.4.2. 141 So beispielsweise BK OR-Zäch/Künzler, Art. 33 N 52. 142 S. CR CO-Chappuis, Art. 33 N 27.

339

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

zips und «Ausnahme vom Willensprinzip»143, im Übermass beansprucht und zulasten des «Scheinvertretenen» überstrapaziert.

2.

Gutglaubensschutz der Vertreterin

1102

Solange die Vertreterin von einer erloschenen Vollmacht keine Kenntnis hat und auch nicht haben muss, handelt sie noch immer verbindlich mit Wirkung für den Vertretenen (Art. 37 Abs. 1 OR). Dies gilt aber nicht, wenn der Dritte weiss oder wissen musste, dass die Vollmacht erloschen ist (Art. 37 Abs. 2 OR).

1103

Art. 37 OR kommt vor allem bei den Erlöschungsgründen von Art. 35 Abs. 1 OR zur Anwendung, betrifft aber auch Fälle, in welchen der Widerruf einer Vollmacht (Art. 34 Abs. 1 OR) der Vertreterin zwar zugegangen ist, diese davon aber weder Kenntnis hat noch haben musste.144 Zweck der Norm liegt darin, die Vertreterin in diesem Kontext vor Schadenersatzansprüchen nach Art. 39 OR zu schützen.

VII. Vertretungswirkung durch nachträgliche Genehmigung 1104

Wenn jemand ohne Vertretungsmacht als Vertreterin einen Vertrag abschliesst, so ist der Vertretene nach Art. 38 Abs. 1 OR nur gebunden, wenn er den Vertrag genehmigt. Entgegen dem Gesetzeswortlaut können nicht nur Verträge, sondern Rechtsgeschäfte aller Art genehmigt werden.145

1105

Ob die fehlende Vertretungsmacht auf einer ungültigen, erloschenen oder in ihrem Umfang überschrittenen Vollmacht beruht, ist bedeutungslos. Die Genehmigung ersetzt die fehlende Vollmacht und lässt den Vertragsschluss rückwirkend eintreten. Die Parteien können abweichend von der gesetzlichen Regelung auch eine ex nuncWirkung der Genehmigung vereinbaren.146 An sich unzulässige Insichgeschäfte stehen ebenfalls für eine allfällige Genehmigung offen (s. N 1079). Keiner Genehmigung bedarf es hingegen in den Fällen von Art. 33 Abs. 3 und Art. 34 Abs. 3 OR; die Vertretungswirkung tritt diesfalls bereits ex lege ein (s. N 1092 ff.).

1106

Die Genehmigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung (Gestaltungserklärung; s. N 75 f.), welche sowohl an die Vertreterin wie auch an den Dritten gerichtet sein kann.147 Sie ist an keine Form gebunden und kann darum auch konkludent erfolgen. Im Sinne einer Ausnahme (Art. 6 OR; s. N 226 ff.) liegt Geneh143 144 145 146 147

340

S. Pichonnaz, ZSR 2011 II, 152 f. BSK OR-Watter, Art. 37 N 2. BSK OR-Watter, Art. 38 N 1. BK OR-Zäch/Künzler, Art. 38 N 73 f. Engel, CO PG, 404.

§9

Direkte Stellvertretung (Art. 32–40 OR)

migung durch Stillschweigen nur dann vor, wenn ein Widerspruch möglich und zumutbar war und überdies ein Schweigen vom Geschäftspartner nach Treu und Glauben als Zustimmung gedeutet werden durfte.148 Im Zweifel ist von einer Nichtgenehmigung auszugehen.149 Der Dritte ist an seine Erklärung gebunden, solange der Vertretene ihm nicht mit- 1107 teilt, dass er den Vertrag ablehne. Während dieser Zeit bleibt das Geschäft rechtlich «in der Schwebe».150 Nach Art. 38 Abs. 2 OR kann der Dritte dem Vertretenen eine angemessene Frist setzen, bis zu deren Ablauf sich dieser entscheiden muss, ob er den Vertrag genehmigen will. Verstreicht die Genehmigungsfrist ungenützt, wird der Dritte frei. Die Angemessenheit der Frist bestimmt sich nach den verwendeten Kommunikationsmitteln sowie der Art, der Tragweite und den besonderen Umständen des Geschäfts.151

VIII. Rechtslage bei fehlender Vertretungswirkung Wenn die Vertreterin ohne Vertretungsmacht handelt und die Vertretungswirkung 1108 auch nicht via Genehmigung eintritt, kommt zwischen den Parteien das entsprechende Rechtsgeschäft nicht zustande. Die vollmachtlose Stellvertreterin tritt also nach schweizerischem Recht grundsätzlich nicht in dieses ein.152

1.

Rechtslage zwischen Vertretenem und Drittem

1.1

Haftung des Vertretenen

Die Vertreterin muss nach Art. 36 Abs. 1 OR die Vollmachtsurkunde bei Erlöschen 1109 der Vollmacht zurückgeben oder gerichtlich hinterlegen (summarisches Verfahren; Art. 250 lit. a Ziff. 1 ZPO153). Art. 36 Abs. 2 OR verpflichtet den Vollmachtgeber, sie dazu anzuhalten. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, läuft er Gefahr, dem gutgläubigen Dritten im Umfang des negativen Vertragsinteresses schadenersatzpflichtig

148 149 150 151 152 153

BGE 4C.115/2001 E. 3a; 124 III 355 E. 5a; BK OR-Zäch/Künzler, Art. 38 N 55. BK OR-Zäch/Künzler, Art. 38 N 54. Gauch/Schluep/Schmid, N 1383. S. BK OR-Zäch/Künzler, Art. 38 N 39. Gauch/Schluep/Schmid, N 1419 f. m.w.H. Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung; SR 272); ausführlich BSK ZPO-Mazan, Art. 250 N 6.

341

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

zu werden.154 Art. 36 Abs. 2 OR ist ein gesetzlich geregelter Anwendungsfall der Haftung aus culpa in contrahendo (cic).155 1110

Darüber hinaus wird die Meinung vertreten, den Vertretenen treffe bei Nichtgenehmigung eine Haftung aus cic, sofern ihm das Verhalten der vollmachtlosen Vertreterin als Hilfsperson (Art. 101 Abs. 1 OR) zugerechnet werden kann.156 Gegen die genannte Auffassung spricht indessen folgende Überlegung: Die Hilfsperson handelt für den Geschäftsherrn faktisch, die Stellvertreterin jedoch rechtlich. Würde man auf die genannte Konstellation die strenge Zuweisungsnorm der «Haftung für fremdes Verschulden» (Art.  101 Abs.  1  OR) anwenden, würde dadurch via Normentransfer die stellvertretungsrechtliche Haftungsbeschränkung ausgehebelt (darum keine analoge Anwendung von Art. 101 Abs. 1 OR trotz Vorliegens einer lex specialis).157 1.2

1111

Rückerstattungspflicht des Vertretenen

Erbrachte der Dritte dem Vertretenen bereits Leistungen, steht ihm gegen diesen nach traditioneller Auffassung ein Vindikations- bzw. Kondiktionsanspruch zu.158 Nach unserem Dafürhalten sollte dem Dritten ein vertraglicher Rückabwicklungsanspruch zugestanden werden. Die Annahme eines vertraglichen Liquidationsverhältnisses rechtfertigt sich, weil die Parteien im «Magnetfeld» eines (vermeintlichen) Vertrages stehen: Trotz fehlender Vertretungswirkung hat der Dritte seine Leistung, wenn auch fälschlicherweise, in Erfüllung eines (vermeintlichen) Vertrages erbracht. Die bereits erbrachten Leistungen sind deshalb im Wege der vertraglichen Rückabwicklung herauszugeben bzw. zu erstatten. Ein Rückgriff auf das Vindikations- bzw. Kondiktionsrecht ist somit nicht mehr erforderlich (Art. 641 Abs. 2 ZGB; Art.  39 Abs.  3 i.V.m. Art.  62  ff.  OR; zur Legitimation und zu den Vorteilen der vertraglichen Rückabwicklung gegenüber der Vindikation bzw. Kondiktion s. N 583, N 960 ff. und N 1821).

154 155 156 157 158

342

BK OR-Zäch/Künzler, Art. 36 N 58 f., welcher analog zu Art. 39 Abs. 2 OR bei Billigkeit die Zusprechung des positiven Vertragsinteresses postuliert. Zur Abgrenzung von Art. 36 Abs. 2 OR und Art. 33 Abs. 3 sowie Art. 34 Abs. 3 OR vgl. Koller, OR AT, N 20.15 ff.; BK OR-Zäch/Künzler, Art. 36 N 64 ff. Gauch/Schluep/Schmid, N 1386 f.; von Tuhr/Peter, 373. BSK OR-Watter, Art. 39 N 12. S. BK OR-Zäch/Künzler, Art. 39 N 73. S. etwa von Tuhr/Peter, 404 f.; BSK OR-Watter, Art. 39 N 10 f.; BK OR-Zäch/Künzler, Art. 39 N 14 und N 77.

§9

Direkte Stellvertretung (Art. 32–40 OR)

2.

Rechtslage zwischen Vertreterin und Drittem

2.1

Haftung der Vertreterin (Art. 39 Abs. 1 und Abs. 2 OR)

Der (gutgläubige) Dritte hat gegenüber der vollmachtlosen Vertreterin einen 1112 Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses, selbst wenn diese kein Verschulden trifft (Art. 39 Abs. 1 OR). Dabei nimmt aber Art. 37 OR die schuldlose Vertreterin in nahezu allen Fällen von der Haftung aus.159 Die vollmachtlose Vertreterin trifft nach Art. 39 Abs. 1 OR ausserdem auch keine Schadenersatzpflicht, wenn der Dritte über die fehlende Vollmacht Bescheid wusste oder wissen musste.160 Hat die vollmachtlose Vertreterin ihre Vertretungsmacht schuldhaft überschrit- 1113 ten, kannte sie mithin den Mangel der Vertretungsmacht oder hätte sie diesen bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen müssen, so kann der Richter nach Billigkeit auch den Ersatz des positiven Vertragsinteresses zusprechen (Art.  39 Abs. 2 OR). Nach herrschender Lehre handelt es sich bei der Haftung der vollmachtlosen Ver- 1114 treterin nach Art. 39 Abs. 1 und Abs. 2 OR um einen Fall der cic.161 Es stellt sich daher die Frage, ob die vertragliche Verschuldensvermutung oder der deliktische Verschuldensnachweis zum Tragen kommt.162 Unseres Erachtens gilt Ersteres (s. N 1558). Die vollmachtlose Vertreterin hat demnach zu beweisen, dass sie trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt ihr vollmachtloses Handeln nicht hätte erkennen können. 2.2

Rückerstattungspflicht der Vertreterin

Nach Art. 39 Abs. 3 OR bleibt in allen Fällen die Forderung aus ungerechtfertigter 1114a Bereicherung vorbehalten. Unabhängig davon, ob der Dritte den Mangel der Vollmacht kannte, kann er dementsprechend die von der vollmachtlosen Vertreterin bereits empfangenen Leistungen herausverlangen, welche diese für den angeblichen Vertretenen entgegengenommen und für sich behalten hat.163 Rückerstattungspflichtig ist die vollmachtlose Vertreterin auch, wenn sie die Leistung ihrerseits einem Unbeteiligten (Vierten) weitergegeben hat.164 Nach der hier vertretenen Meinung sollte dem Dritten für die bereits erbrachte Leis- 1115 tung ein vertraglicher Rückabwicklungsanspruch zugestanden werden. Die Leis159 160 161 162

S. Koller, OR AT, N 20.10 f. Differenzierend Schwenzer, OR AT, N 43.09. BGE 104 II 94 E. 3a; BK OR-Zäch/Künzler, Art. 39 N 31; a.M. Violand, 156. S. BSK OR-Watter, Art. 39 N 8, der sich, wie BK OR-Zäch/Künzler, Art. 39 N 49 ff., für die Beweislast des Dritten ausspricht. 163 BGE 90 II 404 E. 5b; BK OR-Zäch/Künzler, Art. 39 N 77. 164 BGE 116 II 689 E. 3b; BK OR-Zäch/Künzler, Art. 39 N 77 f.

343

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

tung des Dritten erfolgte aufgrund der Annahme, ein Vertrag sei zustande gekommen, weshalb es sich auch hier rechtfertigt, die zu Unrecht erbrachten Leistungen nach vertraglichen Grundsätzen rückabzuwickeln (s. N 1111). Nach dem Bundesgericht und der herrschenden Lehre entspringt aus Art. 39 Abs. 3 OR aber kein vertraglicher Rückabwicklungsanspruch, sondern ein Vindikations- (Art. 641 Abs. 2 ZGB) bzw. Kondiktionsanspruch (Art. 62 ff. OR).165 2.3 1116

Konkurrenz

Nach herrschender Lehre stehen die haftungsrechtlichen Ansprüche nach Art. 39 Abs. 1 und Abs. 2 OR und der Bereicherungsanspruch nach Art. 39 Abs. 3 OR in alternativer Konkurrenz zueinander. Decken sich Schadenersatz- und Bereicherungsanspruch (ganz oder teilweise), muss sich der Dritte anrechnen lassen, was er aus einem der beiden Ansprüche erhält (Bereicherungsverbot).166

3.

Rechtslage zwischen Vertreterin und Vertretenem

1117

Die Ansprüche zwischen der vollmachtlosen Vertreterin und dem Vertretenen beurteilen sich in erster Linie nach dem vertraglichen Grundverhältnis. Bei schuldhafter Vertragsverletzung wird die Vertreterin dem Vertretenen für daraus entstandenen Schaden nach Art. 97 ff. OR ersatzpflichtig.

1118

Wenn keine (allenfalls auch fehlerhafte) vertragliche Bindung besteht (extrakontraktueller Kontext), kann sich der Vertretene gegenüber der Vertreterin allenfalls auf die Regeln der unerlaubten Handlung (Art. 41 ff. OR), der GoA (Art. 419 ff. OR) oder der ungerechtfertigten Bereicherung (Art. 62 ff. OR) stützen.167

165 166 167

344

Statt vieler BSK OR-Watter, Art. 39 N 10 f. BK OR-Zäch/Künzler, Art. 39 N 84. Gauch/Schluep/Schmid, N 1422 f.

§ 10 Verträge zugunsten eines Dritten (Art. 112–113 OR) Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N 2273 ff.; Bucher, OR AT, 473 ff.; Engel, CO PG, 417 ff.; Furrer/ Müller-Chen, Kap. 22 N 1 ff.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3876 ff.; Guhl/Koller, § 22; Koller, OR AT, N 73.01 ff.; Kramer/Probst, OR AT, N 77 ff.; Schwenzer, OR AT, N 86.01 ff.; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1021 ff.; von Tuhr/Escher, 236 ff.

Weiterführende Literatur Bayer Walter, Der Vertrag zugunsten Dritter, Tübingen 1995; Cerutti Romeo, Der Untervertrag, Diss. Freiburg 1990; Krauskopf Patrick, Der Vertrag zugunsten Dritter, Diss. Freiburg 2000.

I.

Begriff und Arten

Beim Vertrag zugunsten eines Dritten verpflichtet sich die Versprechende (Promittentin) gegenüber dem Versprechensempfänger (Promissar), die geschuldete Leistung an einen Dritten zu erbringen, der nicht Vertragspartei ist.

1119

1120

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ist

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Versprechensempfänger (Promissar, Stipulant)

Deckungsverhältnis

Versprechende (Promittentin)

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Dritter

Abbildung: Vertrag zugunsten eines Dritten

Beim Vertrag zugunsten eines Dritten handelt es sich nicht um einen eigenen Ver- 1121 tragstypus. Vielmehr können grundsätzlich alle obligationenrechtlichen Verträge Versprechen enthalten, dass nicht an den Vertragspartner, sondern an einen Drit-

345

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

ten zu leisten ist.1 Lässt sich z.B. der Absender von der Frachtführerin versprechen, dass das Transportgut an den Empfänger zu leisten ist, handelt es sich um einen Frachtvertrag zugunsten eines Dritten (s. N 3492 f.). Der Vertrag zugunsten eines Dritten kann entweder auf einem selbstständigen Vertrag beruhen oder Bestandteil eines umfassenderen Vertragsverhältnisses sein, in welchem eine (ausdrückliche oder konkludente) Drittbegünstigungsklausel die Leistungserbringung an einen Dritten vorsieht.2 1122

Der Dritte ist am Vertragsschluss nicht beteiligt. Er muss in diesem Zeitpunkt auch weder handlungs- noch rechtsfähig sein. Rechtsfähigkeit ist allerdings Voraussetzung für die Entgegennahme der Leistung.3

1123

Es genügt, dass der Dritte im Fälligkeitszeitpunkt der Leistung objektiv bestimmbar ist.4

1124

Ob der Vertrag zugunsten eines Dritten einer bestimmten Form bedarf, hängt in erster Linie vom Deckungsverhältnis ab. Beispiel: Verpflichtet sich die Versprechende zu einer Leistung an den Dritten im Falle des Todes des Versprechensempfängers, so ist im konkreten Fall für diese Vereinbarung die Form des Erbvertrages (Art. 512 ZGB) einzuhalten.5

1125

Das Gesetz unterscheidet in Art. 112 OR zwischen dem echten und dem unechten Vertrag zugunsten eines Dritten: Bei ersterem kann der Dritte selbständig die Erfüllung von der Promittentin fordern, bei zweiterem nicht.6

1126

Ob im Einzelfall ein echter oder ein unechter Vertrag zugunsten eines Dritten vorliegt, bestimmt sich in erster Linie nach dem (ausgelegten) Parteiwillen und subsidiär nach der Übung (Art. 112 Abs. 2 OR).7 Kennen die Parteien die betreffende Übung gar nicht und gibt es weitere beachtenswerte Umstände, sind auch Letztere zur Auslegung bzw. Lückenfüllung heranzuziehen.

1127

Bei der Auslegung ist primär auf den Willen des Versprechensempfängers, seine Gläubigerstellung mit dem Dritten zu teilen oder diesem ein selbständiges Forderungsrecht einzuräumen, abzustellen.8 Eine entsprechende Übung liegt beispielsweise vor, wenn andere Vertragsparteien in der gleichen Situation regelmässig ein selbständiges Forderungsrecht vorsehen.9 Besteht weder ein entsprechender Par1 2 3 4 5 6 7

BGE 4A_724/2011 E. 4.2.1; BK OR-Weber, Art. 112 N 15 m.w.H. S. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3881. CR CO-Tevini/du Pasquier, Art. 112 N 7. BSK OR-Zellweger-Gutknecht, Art. 112 N 6; CHK OR-Reetz/Graber, Art. 112 N 19. S. BGE 127 III 390 E. 2 f. BGE 139 III 60 E. 5.2 = Pra 2013 Nr. 54; 4A_627/2011 E. 3.5.1. BGE 4A_627/2011 E.  3.5.1; s. die Kasuistik bei BSK  OR-Zellweger-Gutknecht, Art.  112 N  12, und BK OR-Weber, Art. 112 N 75 ff. und N 85. 8 BK OR-Weber, Art. 112 N 45 f.; s. auch Schwenzer, OR AT, N 86.09. 9 CHK OR-Reetz/Graber, Art. 112 N 28.

346

§ 10

Verträge zugunsten eines Dritten (Art. 112–113 OR)

teiwille noch eine solche Übung, wurde sie abbedungen oder ist sie den Parteien unbekannt, sind die Natur und der Zweck des Vertrages entscheidend.10 Es besteht im Übrigen keine Vermutung zugunsten eines echten Vertrages zugunsten Dritter.11 Der Dritte, der ein eigenes Forderungsrecht und damit das Vorliegen eines echten Vertrages zugunsten eines Dritten behauptet, trägt hierfür die Beweislast.12

II.

Abgrenzungen

1.

Zur Anweisung (Art. 466 ff. OR)

Im Unterschied zur Anweisung (Art. 466 ff. OR; s. N 1182 ff.) ist die Versprechende 1128 zur Leistung an den Dritten verpflichtet; die Angewiesene ist mit Ausnahme von Art. 468 Abs. 2 OR nur dazu ermächtigt (Art. 466 OR).13

2.

Zur Stellvertretung (Art. 32 ff. OR)

Anders als bei der direkten Stellvertretung (s. N 1022 ff.) handelt der Versprechens- 1129 empfänger in eigenem Namen (so ausdrücklich Art. 112 Abs. 1 OR) und nicht in demjenigen des Dritten. Weiter hat der Versprechensempfänger und nicht der Dritte die Gegenleistung aus dem Deckungsverhältnis an die Versprechende zu erbringen (s. auch N 1039 f.).14 Schliesslich muss die Versprechende beim Vertrag zugunsten eines Dritten in aller Regel an den Dritten und nicht an den Versprechensempfänger leisten. Beispiel: Günther kauft für seine Freundin Beatrice ein Jahresabonnement für ein Hallenbad. Will er Beatrice dieses Abonnement schenken, handelt es sich um einen Vertrag zugunsten eines Dritten. Günther (als Versprechensempfänger) übernimmt die Abonnementskosten und das Hallenbad (als Versprechende) ist verpflichtet, an Beatrice zu leisten. Handelt Günther dagegen im Namen und auf Rechnung von Beatrice (also als direkter Stellvertreter), so muss Beatrice (als Vertretene) die Abonnementskosten übernehmen. Der Vertrag ist im ersten Fall zwischen Günther und dem Hallenbad (Vertrag zugunsten eines Dritten), im zweiten Fall zwischen Beatrice und dem Hallenbad zustande gekommen (direkte Stellvertretung).15

10 S. BGE 4A_724/2011 E. 4.2.1; Furrer/Müller-Chen, Kap. 22 N 35 ff.; BK OR-Weber, Art. 112 N 56. 11 S. BGE 139 III 60 E. 5.2 = Pra 2013 Nr. 54; 123 III 129 E. 3d = Pra 1997 Nr. 110; Bucher, OR AT, 477; CHK OR-Reetz/Graber, Art. 112 N 26. 12 S. BGE 4A_627/2011 E. 3.5.1; Bucher, OR AT, 477; CHK OR-Reetz/Graber, Art. 112 N 26. 13 Furrer/Müller-Chen, Kap. 22 N 14; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3900. 14 Furrer/Müller-Chen, Kap. 22 N 9 ff. 15 Ausführlich zur Abgrenzung Schwenzer, OR AT, N 86.11 f.

347

1. Kapitel

1130

Allgemeine Vertragslehre

Wie bei der indirekten Stellvertretung handelt der Versprechensempfänger auch beim Vertrag zugunsten eines Dritten in eigenem Namen. Bei der indirekten Stellvertretung hat die «Versprechende» jedoch nicht an den Dritten (das heisst den Vertretenen), sondern an den «Versprechensempfänger» (das heisst den Vertreter) zu leisten (s. N 1032 f.).

3.

Zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und zur Drittschadensliquidation

1131

Der Vertrag zugunsten eines Dritten wird grundsätzlich von den Parteien vereinbart, der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (s. N 1567 ff.) greift dagegen eo ipso, also von Rechts wegen. Voraussetzung dafür ist der Eintritt eines – mit dem Vertrag zusammenhängenden – Schadens bei einem Dritten. Der geschädigte Dritte hat alsdann gegenüber dem Vertragsschuldner einen (aus der positiven Verletzung eines fremden Vertrages resultierenden) quasikontraktuellen Schadenersatzanspruch. Während bei der Drittschadensliquidation der Anspruch für den Ersatz des beim Dritten angefallenen Schadens der Vertragsgläubigerin zusteht, entsteht er beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter originär beim Dritten. Die Primärleistung ist in beiden Fällen nach wie vor für die Vertragsgläubigerin bestimmt.

1132

Beim Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 OR) lässt sich die Vertragsgläubigerin dagegen versprechen, dass die versprochene Leistung nicht an sie, sondern an den Dritten gehen soll.

III.

Unechter Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 Abs. 1 OR)

1133

Beim unechten Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 Abs. 1 OR; auch als «Vertrag auf Leistung an einen Dritten» bezeichnet) ist einzig der Versprechensempfänger berechtigt, die Erfüllung der Forderung zu verlangen. Die Versprechende hat aber nicht an ihn, sondern an den Dritten zu leisten. Dem Dritten kommt nur die Rechtsstellung eines (passiven) Leistungsempfängers zu. Er hat kein eigenes Forderungsrecht gegenüber der Versprechenden, sondern ist lediglich «zur Entgegennahme der Leistung ermächtigt»16.

1134

Ein Beispiel für einen unechten Vertrag zugunsten eines Dritten bildet die interne Schuldübernahme (Art.  175  OR), bei welcher sich die Versprechende gegenüber dem Versprechensempfänger dazu verpflichtet, eine Schuld, welcher dieser gegen16

348

Bucher, OR AT, 476.

§ 10

Verträge zugunsten eines Dritten (Art. 112–113 OR)

über einem Dritten («Gläubiger») hat, zu begleichen.17 Versprechende und Versprechensempfänger schliessen dabei einen Vertrag zugunsten eines Dritten, wobei der Gläubiger der Leistungsempfänger ist. Erfüllt die Versprechende ihre Pflicht nicht, darf grundsätzlich nur der Verspre- 1135 chensempfänger («Schuldner») einen Rechtsbehelf gegen sie ergreifen, z.B. Schadenersatz fordern. Dabei kann er nicht nur den Ersatz seines eigenen Schadens, sondern auch denjenigen des Dritten («Gläubiger») verlangen (Drittschadensliquidation; s. N 1600 ff.). Der Ersatz für den Drittschaden ist alsdann an den Dritten zu leisten.18 Erfüllt die Versprechende dagegen den Schuldübernahmevertrag schlecht und schädigt sie dabei den Dritten, indem sie eine vertragliche Nebenpflicht verletzt (Schutz- und Sorgfaltspflicht; zur positiven Vertragsverletzung s.  N  846  ff.), oder erleidet der Dritte aufgrund einer Schlechtleistung einen Mangelfolgeschaden, so hat dieser nach herrschender Lehre einen eigenen vertraglichen Schadensersatzanspruch gegen die Versprechende.19 Der Versprechensempfänger kann beim unechten Vertrag zugunsten eines Dritten 1136 die Drittbegünstigungsklausel – vorbehältlich einer anderen Abrede – jederzeit und unabhängig vom Einverständnis der Versprechenden widerrufen. Beim echten Vertrag zugunsten eines Dritten gilt dies dagegen nur, solange der Dritte der Versprechenden noch nicht (ausdrücklich oder konkludent) erklärt hat, dass er von seinem Recht Gebrauch machen wolle (Art.  112 Abs.  3  OR).20 Im Falle eines Widerrufs kann die Versprechende nur noch befreiend an den Versprechensempfänger leisten.

IV.

Echter Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 Abs. 2 OR)

Der echte Vertrag zugunsten eines Dritten berechtigt den Dritten, selbständig von 1137 der Versprechenden die Erfüllung der Leistung zu fordern, welche sich der Erklärungsempfänger von seinem Vertragspartner für ihn (den Dritten) versprechen liess (Art. 112 Abs. 2 OR). Durch das Versprechen wird der Dritte – zusätzlich zum Versprechensempfänger – zum Gläubiger einer Forderung aus einem für ihn fremden Vertrag. Das Bestehen eines selbständigen Forderungsrechts macht den Dritten

17 Schwenzer, OR AT, N 86.09. 18 Koller, OR AT, N 73.48. 19 S.  Krauskopf, N  799  ff. und N  871  ff.; s. ferner BK  OR-Weber, Art.  112 N  144  ff.; kritisch CHK  ORReetz/Graber, Art. 112 N 22. 20 S.  Furrer/Müller-Chen, Kap. 22 N  27; Krauskopf, N  629  ff.; BSK  OR-Zellweger-Gutknecht, Art. 112 N 14. A.M. Schwenzer, OR AT, N 86.20, die eine Vertragsänderung – und damit das Einverständnis der Versprechenden – voraussetzt.

349

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

allerdings nicht zum Vertragspartner in der Vereinbarung zwischen dem Versprechensempfänger und der Versprechenden. 1138

Ein Beispiel für einen echten Vertrag zugunsten eines Dritten ist der Chartervertrag, bei welchem sich die Fluggesellschaft (Versprechende) gegenüber dem Reiseveranstalter (Versprechensempfänger) verpflichtet, dem Reisenden (Dritten) einen eigenen Anspruch auf Beförderung zum Zielflughafen zu gewähren.21 Der Reisende kann die Beförderung einfordern, jedoch keine anderen Rechte aus dem Vertrag zwischen der Fluggesellschaft und dem Reiseveranstalter geltend machen.

1.

Wirkungen

1.1.

Rechtsstellung des Dritten

1139

Der Dritte erhält unmittelbar mit dem Vertragsabschluss zwischen der Versprechenden und dem Versprechensempfänger ein originäres und selbständiges Forderungsrecht gegenüber der Versprechenden. Eine Kenntnis des Dritten vom Vertragsabschluss wird hierfür nicht vorausgesetzt (sog. Akkreszenztheorie).22

1140

Allerdings kann nach einem allgemeinen Grundsatz niemandem rechtsgeschäftlich eine Forderung aufgezwungen werden. Denn auch Schenkungen sind annahmebedürftig (s. N 2870).23 Im Gegensatz zu § 333 BGB, welcher dem Dritten ein Zurückweisungsrecht gewährt, äussert sich Art.  112  OR nicht explizit zu diesem Spannungsfeld. Dem Dritten ist darum in Analogie zum Schenkungsrecht ein ungeschriebenes Recht zu gewähren, wonach er die Forderung mit Wirkung ex tunc ablehnen kann, wenn er von deren Bestand Kenntnis erhält.24

1141

Vertragspartner der Versprechenden ist und bleibt allein der Versprechensempfänger; der forderungsberechtigte Dritte ist «nur» Gläubiger. In welchem Umfang die Ansprüche auf den Dritten übergegangen sind, ist deshalb durch Auslegung des Deckungsverhältnisses unter Beachtung einer allenfalls bestehenden Übung (Art.  112 Abs.  2  OR) zu bestimmen. Im Zweifel ist der Dritte berechtigt, sämtliche Rechte geltend zu machen, die unmittelbar mit der Gläubigerstellung verbunden sind, also etwa Inverzugsetzung (Art. 102 OR), Ausübung der Wahlrechte nach Art.  107 Abs.  2  OR und Geltendmachung von Schadenersatz wegen Nicht- oder Schlechterfüllung (Art. 97 Abs. 1 OR).25 Demgegenüber verbleiben jene Rechte, die eng mit dem Deckungsverhältnis verbunden sind, beim Versprechensempfänger. Hierzu gehören namentlich Rechte, welche Bestand und Inhalt des Vertrages betref21 22 23 24 25

350

BGHZ 93, 1985, Nr. 31, 271 ff. und 273. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3899. Krauskopf, N 1154 ff.; BK OR-Weber, Art. 112 N 116 ff. BK OR-Weber, Art. 112 N 116. S. Bucher, OR AT, 480; Krauskopf, N 1546.

§ 10

Verträge zugunsten eines Dritten (Art. 112–113 OR)

fen, so beispielsweise die Geltendmachung von Willensmängeln und das Ausüben von Gestaltungsrechten wie etwa dem Recht auf Wandlung oder Minderung.26 1.2.

Rechtsstellung des Versprechensempfängers

Im Gegensatz zum unechten Vertrag zugunsten eines Dritten kann der Verspre- 1142 chensempfänger die Begünstigung nicht mehr jederzeit widerrufen und Leistung an sich selbst verlangen. Gemäss Art. 112 Abs. 3 OR ist der einseitige Widerruf ab dem Zeitpunkt ausgeschlossen, in welchem der Dritte gegenüber der Versprechenden erklärt, das ihm gewährte Forderungsrecht ausüben zu wollen.27 Der Versprechenden stehen für die gleiche Forderung zwei Gläubiger gegenüber. 1143 Deren Position ist aber nicht identisch. Der Versprechensempfänger kann vorbehältlich des rechtzeitigen Widerrufs nur Leistung an den Dritten – und nicht (mehr) an sich selbst – verlangen. Dadurch unterscheidet sich der echte Vertrag zugunsten eines Dritten von der Solidargläubigerschaft nach Art. 150 OR. Hat der Versprechensempfänger eine Forderung gegenüber der Versprechenden 1144 und schuldet er gleichzeitig dem Dritten eine Leistung, werden mit der Leistung der Versprechenden an den Dritten beide Obligationen beglichen, sofern das Valutaverhältnis keine persönliche Leistungspflicht vorsieht (Art. 68 OR). Der Vertrag zugunsten eines Dritten kann so zur Bündelung und Rationalisierung verschiedenster Vorgänge verwendet werden (s. N 1150). 1.3.

Rechtsstellung der Versprechenden

Obwohl der Versprechenden zwei Gläubiger gegenüberstehen, kann sich diese nur 1145 durch Leistung an den Dritten befreien. Gemäss § 334 BGB stehen die Einwendungen aus dem Vertrag der Versprechenden 1146 auch gegenüber dem Dritten zu. Das gilt auch nach dem OR: Da das Recht des Dritten im Deckungsverhältnis gründet, kann die Versprechende dem Dritten sämtliche Einreden und Einwendungen aus dieser Vereinbarung entgegenhalten (z.B. Einrede des nicht erfüllten Vertrages, Irrtumsanfechtung, Verjährung, Wandlung).28 Bezüglich der Verrechnung ordnet Art.  122  OR an, dass die Versprechende ihre 1147 Schuld gegenüber dem Dritten nicht mit einer Forderung gegen den Versprechens-

26 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3896; BSK OR-Zellweger-Gutknecht, Art. 112 N 15b; differenzierend Krauskopf, N 1048 ff. 27 Furrer/Müller-Chen, Kap. 22 N 27. 28 BGE 92 II 10 E. 3.

351

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

empfänger verrechnen kann.29 Das Erfordernis der Gegenseitigkeit (s. N 762 ff.) ist allerdings in dieser Konstellation ohnehin nicht gegeben.30 1148

Einreden und Einwendungen, die ihren Grund im Valutaverhältnis haben, darf die Versprechende dem Dritten dagegen nicht entgegenhalten.31

1149

Die Versprechende kann aber Einreden und Einwendungen aus dem persönlichen Verhältnis mit dem Dritten (z.B. Verrechnung, Stundungsabrede) erheben.32

1150

Bezüglich der Verrechnung ist zu differenzieren: Die Versprechende kann ihre Schuld grundsätzlich mit einer ihr zustehenden Forderung gegenüber dem Dritten verrechnen. Dies gilt allerdings nicht, sofern zwischen der Versprechenden und dem Versprechensempfänger ein Verrechnungsverbot vereinbart wurde oder die Verrechnung den Interessen des Versprechensempfängers zuwiderläuft (s. N 1144).33

2.

Mängel im Valuta- und/oder Deckungsverhältnis

2.1

Mangel im Valutaverhältnis

1151

Die Leistung der Versprechenden an den Dritten stellt eine mittelbare Zuwendung des Versprechensempfängers (über die Versprechende) an den Dritten dar. Diese Zuwendung hat ihren Rechtsgrund im Valutaverhältnis.

1152

Hat die Versprechende an den Dritten geleistet und ist das Valutaverhältnis mit einem (anfänglichen oder nachträglichen) Mangel behaftet, hat der Dritte nach gängiger Lehre dem Versprechensempfänger die erhaltene Leistung zurückzuerstatten. Nach traditioneller Auffassung ist der Dritte gegenüber dem Versprechensempfänger ungerechtfertigt bereichert. Der Versprechensempfänger kann die Leistung vom Dritten demnach vindizieren (Art.  641 Abs.  2 ZGB) oder kondizieren (Art. 62 ff. OR).34 Infolge des Mangels verwandelt sich nach der hier vertretenen Auffassung das Valuta- in ein Abwicklungsverhältnis: Der Versprechensempfänger hat demzufolge gegenüber dem Dritten einen vertraglichen (und nicht nur einen ausservertraglichen) Anspruch auf Erstattung der von der Versprechenden erbrachten Leistung (zur Umwandlungstheorie s. N 583 und N 960 ff.).

1153

Die Mangelhaftigkeit des Valutaverhältnisses ändert grundsätzlich nichts an der Gültigkeit des Vertrages zugunsten eines Dritten. Hat der Dritte die Annahme im Sinne von Art. 112 Abs. 3 OR erklärt, steht ihm gegen die Versprechende der 29 30 31 32 33 34

352

BGE 115 II 246 E. 1. BSK OR-Peter, Art. 122 N 1. Furrer/Müller-Chen, Kap. 22 N 43. Berger, Schuldrecht, N 2294. Bucher, OR AT, 483. Von Tuhr/Escher, 252  f.; s. ferner Bucher,  OR AT, 483 FN  62, wonach der bereicherungsrechtliche Rückforderungsanspruch nur unter dem Vorbehalt eines Irrtumsnachweises zu gewähren ist.

§ 10

Verträge zugunsten eines Dritten (Art. 112–113 OR)

Anspruch zu. Der Dritte muss diesen Anspruch jedoch an den Versprechensempfänger abtreten oder das bereits Erhaltene herausgeben (s. N 1152).35 2.2

Mangel im Deckungsverhältnis

Ist nach erfolgter Leistung an den Dritten das Deckungsverhältnis infolge eines 1154 (anfänglichen oder nachträglichen) Mangels zu liquidieren, so hat die Versprechende ihren Anspruch auf Erstattung der Drittleistung gegenüber dem Versprechensempfänger (und nicht gegenüber dem Dritten) geltend zu machen. Der Grund dafür liegt darin, dass die Versprechende ursprünglich – mittels Leistung an den Dritten – eine Schuld des Versprechensempfängers erfüllte. In der Regel wird sie demnach das Geleistete vom Versprechensempfänger kondi- 1155 zieren36 bzw. nach der hier vertretenen Auffassung gestützt auf den vertraglichen Rückabwicklungsanspruch zurückfordern. Direkt gegen den Dritten kann sie nur vorgehen, wenn dies entweder zwischen allen Dreien oder aber mindestens mit dem Dritten vereinbart worden war oder wenn die Drittleistungspflicht bzw. der Rückerstattungsanspruch im (vertraglichen) Leistungsverhältnis gründet. 2.3

Doppelmangel

Sind sowohl das Deckungs- als auch das Valutaverhältnis mangelhaft und wurde 1156 bereits geleistet, stellt sich die Frage, ob die Versprechende das Geleistete direkt vom Dritten zurückfordern kann oder nicht. In Anlehnung an die Rechtslage sowohl bei einer Zession als auch bei der Anwei- 1157 sung (s.  N  1222) ist eine Direktbelangung auch bei echten Verträgen zugunsten eines Dritten grundsätzlich abzulehnen.37 Die Versprechende muss gegen den Versprechensempfänger vorgehen, und dieser hat seinerseits den Dritten zu belangen. Nach traditioneller Auffassung hat die Versprechende einen Bereicherungsanspruch gegen den Versprechensempfänger und dieser wiederum einen solchen gegen den Dritten.38 Unseres Erachtens sollte die Rückabwicklung nach vertraglichen Grundsätzen erfolgen.

35 36 37 38

S. Bucher, OR AT, 482. S. BGE 4C.79/2002 E. 2.2.2 m.w.H. S. BSK OR-Schulin, Art. 62 N 32 f.; Schwenzer, OR AT, N 56.20 S. Schwenzer, OR AT, N 56.20; s. ferner BSK OR-Schulin, Art. 62 N 32.

353

1. Kapitel

V. 1158

Allgemeine Vertragslehre

Verfügungen zugunsten eines Dritten

Der Wortlaut von Art. 112 OR schliesst eine direkte Anwendung auf Verfügungen zugunsten eines Dritten aus. Eine analoge Anwendung dürfte aber je nach vorliegender Vereinbarung möglich und sinnvoll sein.39 Im Einzelnen ist dazu Folgendes zu bemerken:

1.

Dingliche Verfügungen

1159

Dingliche Verfügungen zugunsten eines Dritten sind nach herrschender Lehre grundsätzlich unzulässig.40 So kann die Versprechende ein ihr zustehendes dingliches Recht (z.B. das Eigentum an einer Sache) nicht ohne Mitwirkung des Dritten auf diesen übertragen. Nach Ansicht Buchers41 soll hingegen der Versprechensempfänger das Recht für den Dritten und – durch Empfang der Sache – den Besitz für diesen erwerben können.

1160

Dieser Ansicht ist aus Gründen der Verkehrssicherheit (Publizitätsprinzip im Sachenrecht) nur sehr vorsichtig und ausnahmsweise zu folgen.

2.

Schuldrechtliche Verfügungen

1161

In der Lehre wird die Figur einer schuldrechtlichen Verfügung mehrheitlich anerkannt. Dabei gilt es zu unterscheiden:

1162

Eine sog. uneigentliche Zession zugunsten Dritter wird überwiegend als zulässig betrachtet.42 Der einzige Unterschied dieser Rechtsfigur zum Vertrag zugunsten eines Dritten besteht darin, dass die Versprechende und der Versprechensempfänger keine neue Forderung begründen, sondern das Recht an einer bereits bestehenden Forderung des Versprechensempfängers auf einen Dritten übertragen.

1163

Im Unterschied zur Zession ist der Dritte an der uneigentlichen Zession nicht beteiligt; vielmehr kommt diese durch eine Vereinbarung zwischen dem Versprechensempfänger und der Versprechenden zustande.

1164

Die Zulässigkeit einer solchen Verfügung zugunsten eines Dritten ergibt sich aus der Freiheit der privaten Rechtsgestaltung: Wenn die Parteien privatautonom ein 39 S. BK OR-Weber, Art. 112 N 26. 40 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3905; BK OR-Weber, Art. 112 N 27 ff.; differenzierend Krauskopf, N 1728 ff. 41 Bucher, OR AT, 475 f.; im Ergebnis gleich BK OR-Weber, Art. 112 N 28. 42 Berger, Schuldrecht, N 2278; Bucher, OR AT, 475; BK OR-Weber, Art. 112 N 25; ausführlich Krauskopf, N 1714 ff.; a.M. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3906 f.

354

§ 10

Verträge zugunsten eines Dritten (Art. 112–113 OR)

originäres Forderungsrecht eines Dritten begründen dürfen, so müssen sie auch befugt sein, den Dritten sozusagen derivativ an einer Forderung zu berechtigen.43 Ebenfalls zulässig ist sodann ein Erlassvertrag zugunsten eines Dritten, bei dem die 1165 Versprechende gegenüber dem Versprechensempfänger auf ihre Forderung gegen den Dritten verzichtet.44 Problemlos ist schliesslich auch die (nachträgliche) Vereinbarung eines pactum de 1166 cedendo zugunsten eines Dritten. Der Dritte erhält daraus einen Anspruch gegenüber der Versprechenden auf Abtretung ihrer Forderung gegenüber dem Versprechensempfänger. Doch verfügt die Versprechende in dieser Konstellation nicht über ihr Recht.45

43 44 45

Berger, Schuldrecht, N 2278. Krauskopf, N 1706 ff. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3907.

355

§ 11 Garantievertrag oder Vertrag zulasten eines Dritten (Art. 111 OR) Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N 2361 ff.; Bucher, OR AT, § 30, 525 f.; Engel, CO PG, 429 ff.; Furrer/Müller-Chen, Kap. 22 N  49  ff.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N  3919  ff.; Guhl/ Koller, § 22; Koller, OR AT, N 47.37 ff.; Kramer/Probst, OR AT, N 78; Müller-Chen/ Girsberger/Furrer, Kap. 6 N 35 ff.; Schwenzer, OR AT, N 86.28 ff.; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1037 und N 1362.

Weiterführende Literatur Emmenegger Susan, Garantie, Schuldbeitritt und Bürgschaft  – vom bundesgerichtlichen Umgang mit gesetzgeberischen Inkohärenzen, ZBJV 2007, 561–582.

I.

Begriff

1167

Beim Garantievertrag verspricht die Garantin (Versprechende, Promittentin) dem Versprechensempfänger (Promissar) für die Leistung eines (vertragsfremden) Dritten einzustehen. Die Garantin verpflichtet sich in der Regel zu einer (Schaden-)Ersatzleistung im Umfang des positiven Interesses, falls die Leistung des Dritten ausbleibt (Art. 111 OR). Die Parteien können den Eintritt des Garantiefalles auch anders regeln.

1168

Da ein Vertrag nur Pflichten zwischen Vertragspartnern zu begründen vermag, kann ein Dritter nicht durch einen fremden Vertrag verpflichtet werden (inter partes-Wirkung). Ein Vertrag zulasten eines Dritten, verstanden als die vertragliche Verpflichtung eines Unbeteiligten durch die Abrede zweier Parteien, ist entgegen der Marginalie von Art. 111 OR also nicht möglich.1 Gleichwohl ist es sinvoll, vertraglich für die Leistung eines Dritten Verantwortung zu übernehmen. Für den Fall, dass die Leistung des Dritten ausbleibt, schuldet die Garantin ihrem Vertragspartner in der Regel Schadenersatz.

1169

Als Leistung im Sinne von Art. 111 OR kommt jedes zukünftige Verhalten eines Dritten in Betracht. Die Leistung kann positiver oder negativer, tatsächlicher oder

1

Furrer/Müller-Chen, Kap. 22 N 49.

356

§ 11

Garantievertrag oder Vertrag zulasten eines Dritten (Art. 111 OR)

rechtlicher Natur sein.2 Beispiel: Die Garantin verspricht dem Käufer (Versprechensempfänger), es werde der Verkäufer (Dritter) den Kaufgegenstand ungeachtet aller Einreden liefern.3 Der Garantievertrag ist ein Sicherungsgeschäft und dient einer Verbesserung der 1170 Gläubigerstellung (Versprechensempfänger). Es handelt sich dabei um eine sog. Personalsicherheit, bei der sich die Versprechende gegenüber dem Gläubiger verpflichtet (im Gegensatz etwa zur Pfandbestellung, die eine Realsicherheit darstellt).4 Durch den Garantievertrag entsteht eine originäre, selbständige und insbesondere nicht akzessorische Schuld der Garantin gegenüber dem Versprechensempfänger.5 Der Begriff «Garantievertrag» wird in der (Rechts-)Praxis nicht nur in der Bedeu- 1171 tung des Vertrages zulasten eines Dritten, sondern auch für andere Institute verwendet. So kann mit «Garantievertrag» eine Garantieabrede als Teil eines Vertrages («Garantieabrede» oder «Garantieklausel») oder die vertragliche Übernahme der Mängelhaftung («Garantieversprechen»; z.B. «zweijährige Garantie») gemeint sein.6 Das Bundesgericht versteht unter «selbständiger Garantie» im Kaufrecht das Versprechen eines zukünftigen Erfolgs, der über die vertragsgemässe Beschaffenheit der Kaufsache hinausgeht. Der Erfolg ist dabei wesentlich noch von anderen künftigen Faktoren abhängig.7 Verwenden die Parteien den Begriff «Garantie», ist also wegen der Mehrdeutigkeit dieses terminus besonders sorgfältig zu prüfen, was sie damit gewollt haben (natürlicher Konsens; s. N 245 ff.) bzw. aus der Sicht des jeweiligen Erklärungsempfängers gemeint haben (normativer Konsens; s. N 249 f.).

II.

Arten

Beim Garantievertrag lassen sich zwei Erscheinungsformen unterscheiden:8

1172

• Eine reine Garantie liegt vor, wenn die Garantin für einen bestimmten Erfolg einsteht, der unabhängig von einem konkreten Schuldverhältnis ist.9

2 3 4 5 6 7 8 9

BGE 72 II 19, 22 ff.; Engel, CO PG, 433. S. BSK OR-Pestalozzi, Art. 111 N 5 mit weiteren Beispielen. BK OR-Weber, Art. 111 N 28 ff. Berger, Schuldrecht, N 2383. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3930. BGE 4A_220/2013 E. 4.3.1; 4C.260/2001 E. 3a; 122 III 426 E. 5c. BGE 131 III 511 E. 4.2 = Pra 2006 Nr. 66; 113 II 434 E. 2a. BGE 4A_279/2009 E. 3.1; 4A_530/2008 E. 5.1; 113 II 434 E. 2a. S. auch Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3926, wonach es sich um eine reine Garantie handelt, wenn z.B. ein Unternehmen eine Defizitgarantie für einen Fussballverein leistet.

357

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

• Bei der bürgschaftsähnlichen Garantie bezieht sich das Versprechen dagegen auf ein Schuldverhältnis, aus welchem der Versprechensempfänger einen Anspruch gegenüber dem Dritten hat.10 Sowohl die reine als auch die bürgschaftsähnliche Garantie sind nicht akzessorisch.

III.

Abgrenzungen

1.

Zur Bürgschaft (Art. 492 ff. OR)

1173

Insbesondere die bürgschaftsähnliche Garantie ist von der Bürgschaft nach Art. 492 ff. OR (s. N 3554 ff.) abzugrenzen. Diese Unterscheidung ist von grosser Bedeutung, da der Garantievertrag formlos abgeschlossen werden kann, wohingegen Art. 493 OR für die Bürgschaft besondere Formvorschriften aufstellt.11

1174

Mit der bürgschaftsähnlichen Garantie soll eine Leistung gesichert werden, gleichgültig, ob diese tatsächlich von Drittem geschuldet ist oder nicht. Für die Wirksamkeit des Garantieversprechens spielt es also keine Rolle, ob die garantierte Leistung des Dritten rechtlich durchsetzbar ist. Die bürgschaftsähnliche Garantie ist mit anderen Worten im Gegensatz zur Bürgschaft nicht akzessorisch, das heisst, sie teilt nicht das Schicksal der Hauptschuld, sondern ist von dieser unabhängig (s. N 3587).12 Die bürgschaftsähnliche Garantie bedarf weder zu ihrer Entstehung noch zu ihrem Bestand oder ihrer Durchsetzbarkeit eines gültigen Grundgeschäfts. Das Kriterium der fehlenden Akzessorietät hilft in der Praxis allerdings nur beschränkt weiter, da Vereinbarungen selten eine Beschreibung ihres Verhältnisses zum Grundgeschäft enthalten. Daher ist jede Vereinbarung gesondert auszulegen. Lehre und Rechtsprechung haben verschiedene Indizien und Vermutungen für die entsprechende Abgrenzung entwickelt (s. N 3574 f.). So spricht etwa ein Eigeninteresse der sich verpflichtenden Person häufig für einen Garantievertrag. Erklärungen von Privatpersonen gelten vermutungsweise als Bürgschaften, solche von Banken und ähnlichen Finanzinstituten als Garantien.13 Geschäftsgewandte Personen müssen sich im Übrigen auf den Wortlaut der Vereinbarung behaften lassen (ausführlich zur Abgrenzung auch N 3574 f.).14 Wenig Probleme bereitet indessen die

10 11 12 13 14

358

BGE 4A_279/2009 E. 3.1; 4A_530/2008 E. 5.1. CHK OR-Reetz/Graber, Art. 111 N 29. BGE 4A_279/2009 E. 3.1; 4A_530/2008 E. 5.1; 113 II 434 E. 2a; 113 II 434 E. 2b; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1362. BGE 4A_530/2008 E. 5.1.2; 129 III 702 E. 2; 125 III 305 E. 2 = Pra 1999 Nr. 172; 113 II 434 E. 2b; zum Ganzen Emmenegger, ZBJV 2007, 569; BK OR-Weber, Art. 111 N 46 ff. BGE 4C.154/2002 E. 3.3; Emmenegger, ZBJV 2007, 572.

§ 11

Garantievertrag oder Vertrag zulasten eines Dritten (Art. 111 OR)

Abgrenzung der reinen Garantie von der Bürgschaft, da bei der reinen Garantie das garantierte Ereignis in keiner Beziehung zu einer bestimmten Schuld steht.15

2.

Zur Zusicherung

Im Rechtsverkehr wird der Begriff «Garantie» nicht nur im Zusammenhang mit 1175 dem Garantievertrag nach Art. 111 OR verwendet. Neben der Leistung eines Dritten kann eine Partei der anderen unter anderem auch die gehörige Erfüllung des eigenen Vertrages garantieren; hier sind jedoch nur zwei Parteien beteiligt. Garantiert eine Partei beim Kaufvertrag eine bestimmte Eigenschaft des Vertrags- 1176 gegenstands, handelt es sich meist um eine Zusicherung im Sinne von Art.  197 Abs. 1 OR (Zusicherungen sind auch bei anderen Vertragstypen möglich und sinnvoll). Für die Abgrenzung zum Garantieversprechen wird danach unterschieden, «ob der Verkäufer eine gegenwärtig bestehende Eigenschaft der Kaufsache oder einen zukünftigen Erfolg verspricht, der über die vertragsgemässe Beschaffenheit der Kaufsache hinausgeht»16. Im ersten Fall handelt es sich um eine Zusicherung, im zweiten um einen Garantievertrag (s. N 2602 ff.).

3.

Zur kumulativen Schuldübernahme

Zur Abgrenzung des Garantievertrages von der kumulativen Schuldübernahme 1176a s. N 1434.

IV.

Wirkungen

Obwohl der Garantievertrag ein Sicherungsgeschäft ist, muss die gesicherte Leis- 1177 tung des Dritten nicht geschuldet sein. Der Garantievertrag zeichnet sich gerade dadurch aus, dass er vom Bestand, der Gültigkeit und der Durchsetzbarkeit einer Forderung des Versprechensempfängers grundsätzlich unabhängig und damit zum Hauptvertrag nicht akzessorisch ist (s. N 1172 ff.). Hingegen ist ein Garantievertrag, der eine widerrechtliche oder sittenwidrige Leis- 1178 tung sichern soll, trotz fehlender Akzessorietät ungültig.17 Die Widerrechtlichkeit bzw. Sittenwidrigkeit reicht unserer Meinung nach so weit, wie es der Schutzzweck

15 S. auch BSK OR-Pestalozzi, Art. 111 N 21. 16 BGE 122 III 426 E. 5c; s. auch BGE 4A_220/2013 E. 4.3.1. 17 BGE 76 II 33 E. 4; BSK OR-Pestalozzi, Art. 111 N 15.

359

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

der verletzten Norm verlangt. Dagegen ist eine Garantieabrede über eine anfänglich unmögliche Leistung nach herrschender Lehre gültig.18 1179

Der Garantiefall tritt ein, wenn der Dritte die Leistung, die er dem Versprechensempfänger schuldet, nicht oder nicht gehörig erbringt. In Bezug auf den Eintritt des Garantiefalles gilt gemäss Bundesgericht «eine streng formalisierte Betrachtungsweise»19. Abzustellen ist einzig auf den Wortlaut der Garantieklausel, welche die Eintrittsbedingungen eines Garantiefalls festlegt.20 Die «selbständige Garantie» setzt nicht voraus, dass der Vertrag bereits bestimmt, was und wie viel die Garantin bei Eintritt des Garantiefalls schuldet. Es reicht, wenn ein künftiger Erfolg versprochen wird.21

1179a

Tritt der Garantiefall ein, muss die Garantin in der Regel den Schaden des Versprechensempfängers ersetzen. Gefordert werden kann das positive Vertragsinteresse (s. N 872 f.).22 Dagegen schuldet die Garantin keine Realerfüllung.23 Der Schadenersatzanspruch des Versprechensempfängers wird regelmässig sofort fällig, wenn die garantierte Leistung des Dritten zum vereinbarten Zeitpunkt ausbleibt. Eine Inverzugsetzung des Dritten ist  – vorbehältlich einer entsprechenden Abrede  – nicht erforderlich.24 Wurde kein Zeitpunkt für die Leistung des Dritten bestimmt, wird die Garantin ersatzpflichtig, wenn der Dritte nicht innert angemessener Frist leistet, nachdem die Leistung fällig wurde und der Versprechensempfänger die Leistung verlangt hat. Abweichende Vereinbarungen vorbehalten hat die leistende Garantin weder ein Regressrecht gegen den Dritten noch kann sie vom Versprechensempfänger verlangen, dass dieser ihr eine allfällige Forderung gegen den Dritten abtrete.25

1180

Die Garantin wird von ihrer Pflicht befreit, wenn die (richtige) Leistung des Dritten zum vereinbarten Zeitpunkt erfolgt. Sie wird ebenfalls frei, wenn der Versprechensempfänger die Annahme der gehörig angebotenen Leistung des Dritten ungerechtfertigt verweigert oder den Dritten auf eine andere Art an der Erfüllung seiner Schuld hindert. Andere Absprachen vorbehalten wird die Garantin hingegen nicht befreit, wenn die Leistung nachträglich unmöglich wird. Dies gilt unabhängig davon, ob der Dritte die Unmöglichkeit verschuldet hat oder nicht. Kurzum: Es liegt ein Garantiefall vor.26

18 19 20 21 22 23 24 25 26

360

BGE 76 II 33 E. 4; 72 I 267 E. 3; BSK OR-Pestalozzi, Art. 111 N 15; BK OR-Weber, Art. 111 N 16; a.M. Engel, CO PG, 433 f. BGE 138 III 241 E. 3.4 m.w.H. BGE 138 III 241 E. 3.4; 4C.144/2003 E. 2.2; 122 III 273 E. 3a = Pra 1996 Nr. 225. BGE 4A_220/2013 E. 4.3.2. CR CO-Tevini, Art. 111 N 13. Koller, OR AT, N 47.37; BSK OR-Pestalozzi, Art. 111 N 14. BGE 4A_290/2007 E. 6.1; 131 III 606 E. 4.2.2 = Pra 2006 Nr. 80; Schwenzer, OR AT, N 86.30. BGE 4C.351/2006 E. 4.2; BSK OR-Pestalozzi, Art. 111 N 14. BSK OR-Pestalozzi, Art. 111 N 15; s. ferner BGE 71 I 267 E. 3. Zur Haftung der Garantin für höhere Gewalt und Zufall s. CHK OR-Reetz/Graber, Art. 111 N 23.

§ 11

Garantievertrag oder Vertrag zulasten eines Dritten (Art. 111 OR)

Im Übrigen kann die Garantin dem Versprechensempfänger nur Einreden oder 1181 Einwendungen entgegenhalten, die entweder die Gültigkeit der Garantie als solche betreffen (z.B. Widerrechtlichkeit), sich aus dem Inhalt der Garantie (z.B. vereinbarte Mahnpflicht gegenüber dem Dritten nicht erfüllt) ergeben oder unmittelbar aus dem Verhältnis zwischen der Garantin mit dem Versprechensempfänger folgen (z.B. Verrechnung). Einreden und Einwendungen aus dem Verhältnis zwischen der Garantin und dem Dritten kann Erstere gegenüber dem Versprechensempfänger nicht erheben.27 Ebenfalls bleibt es der Garantin verwehrt, Mängel aus dem Verhältnis zwischen dem Dritten und dem Versprechensempfänger (z.B. Dissens, Willensmängel) geltend zu machen.28

27 Nach Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3936 m.w.H., schlagen in Ausnahmefällen die Einwendungen aus dem Valutaverhältnis auf das Garantieverhältnis durch. So könne etwa die Garantin den Einwand des Rechtsmissbrauchs erheben, wenn der Versprechensempfänger wisse oder wissen müsse, dass das Valutaverhältnis (z.B. wegen Sittenwidrigkeit) nichtig sei und er demnach keinen Anspruch aus diesem habe. 28 Berger, Schuldrecht, N 2389 ff.

361

§ 12 Anweisung (Art. 466–471 OR) und Dokumentenakkreditiv Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N 2229 ff.; Bucher, OR BT, 265 ff.; Engel, CO PS, 575 ff. und 747 ff.; Guhl/Schnyder, § 50 N 4 ff. und § 54; Honsell, OR BT, 411 ff.; Müller, contrats, N 3175 ff.; Müller-Chen/Girsberger/Furrer, Kap. 9 N  78  ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5527 ff.; von Tuhr/Escher, 19 ff.

Weiterführende Literatur Bernhardt Hans Claas, Die Inanspruchnahme des Dokumentenakkreditivs, Diss. Bern 2011; Bühler Theodor, Ein Kind der Praxis: Das Akkreditiv mit aufgeschobener Zahlung, SZW 2006, 42–50 (zit.: Bühler, SZW 2006); Bühler Theodor, Sicherungsmittel im Zahlungsverkehr: Dokumentenakkreditiv, Bankgarantie, Eigentumsvorbehalt, Zürich 1997 (zit.: Bühler, Sicherungsmittel); Buis Eric, Die Banküberweisung und der Bereicherungsausgleich bei fehlgeschlagenen Banküberweisungen, Diss. Zürich 2001; Dohm Jürgen, Dokumenten-Akkreditiv I, SJK 314; Guggenheim Daniel A./Guggenheim Anath, Les contrats de la pratique bancaire suisse, 5. Aufl., Bern 2014; Kissling Christa, Rückabwicklung im Anweisungs-Dreiecksverhältnis – am Beispiel der Banküberweisung, Jusletter 10. Juni 2002; Koller Thomas/Kissling Christa, Anweisung und Dokumentenakkreditiv im Zahlungsverkehr, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), Rechtliche Probleme des Zahlungsverkehrs, Berner Bankrechtstag Bd. 7, Bern 2000,  23–137; Lombardini Carlo, Droit bancaire suisse, 2. Aufl., Zürich 2008 (zit.: Lombardini, droit bancaire); Lombardini Carlo, Droit et pratique du crédit documentaire, 2. Aufl., Basel 2000, (zit.: Lombardini, crédit documentaire); Meier-Hayoz Arthur/von der Crone Hans Caspar, Wertpapierrecht, 3. Aufl., Bern 2018; Schärrer Heiner, Die Rechtsstellung des Begünstigten im Dokumenten-Akkreditiv, Diss. Bern 1980; Schmid Jörg/Hürlimann-Kaup Bettina, Sachenrecht, 5. Aufl., Zürich 2017, N 163–177; Schütze Rolf A./Vorpeil Klaus, Das Dokumentenakkreditiv im internationalen Handelsverkehr, 7. Aufl., Frankfurt a.M. 2016.

I. 1182

Anweisung

Der Anweisende ermächtigt zum einen den Angewiesenen, (auf fremde Rechnung) Geld, Wertpapiere oder andere vertretbare Sachen an die Anweisungsempfängerin zu leisten. Zum anderen wird die Anweisungsempfängerin ermächtigt, in ihrem eigenen Namen die Leistung des Angewiesenen entgegenzunehmen (Art. 466 OR).

362

§ 12

Anweisung (Art. 466–471 OR) und Dokumentenakkreditiv

Die Anweisung ist in Art. 466 ff. OR und damit im Besonderen Teil des OR geregelt. 1183 Trotz ihrer systematischen Stellung ist sie jedoch nicht ein besonderes Vertragsverhältnis, sondern ein Institut des Allgemeinen Teils, das drei Personen in einen Erfüllungsvorgang involviert und mit unterschiedlichen Nominat- und Innominatverträgen verknüpft werden kann. Den Ermächtigungen liegen Rechtsverhältnisse zugrunde, welche ausserhalb der 1184 eigentlichen Anweisung stehen und Deckungs- (z.B. Bankvertrag, Auftrag) bzw. Valutaverhältnis (z.B. Kaufvertrag, Schenkung) genannt werden. Die hauptsächliche dogmatische Bedeutung des Anweisungsrechts liegt darin, dass es im sog. Leistungsoder Einlösungsverhältnis (zwischen dem Angewiesenen und der Anweisungsempfängerin) einen Rechtsgrund (causa) für die Zuwendung des Angewiesenen an die Anweisungsempfängerin schafft, der eine bereicherungsrechtliche Rückforderung ausschliesst.1 1185

Deckungsverhältnis Angewiesener

Anweisender

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Ermächtigung

Anweisungsempfängerin

Abbildung: Parteien und Rechtsverhältnisse bei der Anweisung

Die Anweisung besteht in einer Doppelermächtigung (Ermächtigung des Angewie- 1186 senen, eine Leistung zugunsten der Anweisungsempfängerin vorzunehmen, und Ermächtigung der Anweisungsempfängerin, diese Leistung entgegenzunehmen).2 Damit bildet sie einen besonderen rechtlichen Mechanismus zur Erfüllung von Pflichten.3 Ermächtigungen stellen einseitige rechtsgeschäftliche Willenserklärungen dar. Als solche sind sie nach herrschender Lehre empfangsbedürftig (s. N 179).4 Eine eigentliche Annahme der Ermächtigung ist indessen für deren Wirksamkeit nicht erforderlich. Wird die Annahme gleichwohl erklärt, ergeben sich daraus aber 1 Bucher, OR BT, 269; BSK OR-Koller, Art. 466 N 3 m.w.H. 2 BGE 4A_588/2012 E. 2.1; 132 III 609 E. 5.2 = Pra 2007 Nr. 46; 4C.172/2000 E. 3a; CR CO-Tevini, Art. 466 N 1. 3 S. Bucher, OR BT, 265 und 267; BSK OR-Koller, Vor Art. 466–471 N 1 und Art. 466 N 1. 4 Zum Meinungsstreit bezüglich der Rechtsnatur der Anweisung vgl. BSK OR-Koller, Vor Art. 466–471 N 1.

363

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

besondere Wirkungen. Nimmt nämlich der Angewiesene die Anweisung gegenüber der Anweisungsempfängerin an, verpflichtet ihn dies gemäss Art. 468 Abs. 1 OR zur Zahlung (Konkretisierung des Grundsatzes von Treu und Glauben, wonach man sich in bestimmten Kontexten widerspruchsfrei zu verhalten hat; s. N 1211 ff.). Erklärt die Anweisungsempfängerin die Annahme gegenüber dem Anweisenden, hat sie sich zur Begleichung ihrer Forderung vorerst an den Angewiesenen zu halten; die Forderung aus dem Valutaverhältnis wird gestundet (Art. 467 Abs. 2 OR; s.  N  1203).5 Will die Anweisungsempfängerin ihren Handlungsspielraum demgegenüber nicht einengen (lassen), kann sie grundsätzlich auch «nicht annehmen». Ist sie allerdings Gläubigerin des Anweisenden, so obliegt ihr als Gläubigerin, den Anweisenden (Schuldner) unverzüglich über ihre Nichtannahme zu informieren (Art. 467 Abs. 3 OR). Unterlässt sie diese Information, wird sie gegebenenfalls schadenersatzpflichtig (Art. 467 Abs. 3 OR; s. N 1205). Art. 467 Abs. 3 OR konkretisiert (wie auch Art. 468 Abs. 2 OR) das Loyalitätsgebot zwischen Vertragspartnern. 1187

Eine Pflicht des Angewiesenen, von der Anweisung «Gebrauch zu machen», wird durch die Anweisung nicht begründet. Eine solche kann sich aber aus dem zugrunde liegenden Vertragsverhältnis ergeben.6 Auch daran zeigt sich, dass sich die mit einer Anweisung verbundenen Pflichten und Obliegenheiten nicht aus der isolierten Auslegung derselben ergeben, sondern aus dem Vertragsnetz als Ganzem abzuleiten sind.

1188

Das Bundesgericht spricht ab jenem Zeitpunkt von einem Anweisungsvertrag («contrat d’assignation»), ab welchem der Angewiesene die Anweisung gegenüber dem Anweisenden angenommen hat.7 Für diese durch die Annahme der Anweisung geschaffene «sekundäre Rechtslage» kann ohne Weiteres von einem Vertrag ausgegangen werden, da beide Seiten ihre Zustimmung gegeben haben.8

1189

Die Vorstellung der Anweisung als Kombination von Ermächtigungen mag auf den ersten Blick seltsam anmuten, da es grundsätzlich jedem freisteht, auch ohne Ermächtigung eine Leistung an einen Dritten zu erbringen oder eine solche von einem Dritten anzunehmen. Das Besondere der Anweisung liegt darin, dass der Angewiesene in der Folge auf Rechnung des Anweisenden leistet und die Anweisungsempfängerin die Leistung zwar in eigenem Namen, aber wiederum für Rechnung des Anweisenden entgegennimmt.9

1190

Es ist in der Lehre umstritten, ob über den Wortlaut von Art. 466 OR hinaus neben Geld, Wertpapieren oder anderen vertretbaren Sachen auch species-Sachen und

5 6 7 8 9

364

CHK OR-Beyeler, Art. 467 N 6 ff. BGE 4C.172/2000 E. 3b; Berger, Schuldrecht, N 2258; Bucher, OR BT, 267 f. BGE 127 III 553 E. 2e bb = Pra 2002 Nr. 43. Bucher, OR BT, 268. S. BGE 132 III 609 E. 5.2 = Pra 2007 Nr. 46; Bucher, OR BT, 267.

§ 12

Anweisung (Art. 466–471 OR) und Dokumentenakkreditiv

Dienstleistungen Gegenstand einer Anweisung sein können.10 Mit Blick auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit gibt es unseres Erachtens keinen Grund, speciesSachen und Dienstleistungen vom Anwendungsbereich des Anweisungsrechts auszugrenzen. Ob bzw. inwiefern die Anweisungsempfängerin gegenüber dem Anweisenden zur Annahme der Leistung des Angewiesenen verpflichtet ist, bestimmt sich aber ohnehin nicht nach Anweisungsrecht, sondern richtet sich nach dem Valutaverhältnis (s. Art. 68 OR).11

II.

Arten

1.

Kreditanweisung

Der Anweisende ermächtigt den Angewiesenen, einer Anweisungsempfängerin 1191 eine bestimmte Geldsumme zu überweisen. Zwischen dem Anweisenden und der Anweisungsempfängerin besteht ein Darlehensvertrag oder ein anderer Vertrag, der eine causa credendi begründet. Der Anweisende wird damit Gläubiger der Anweisungsempfängerin.12

2.

Zahlungsanweisung

Der Anweisende erfüllt seine Schuld aus dem Valutaverhältnis mittels Leistung des 1192 Angewiesenen an die Anweisungsempfängerin, anstatt selber direkt zu leisten oder eine Hilfsperson beizuziehen.

3.

Anweisung auf Schuld

Falls der Angewiesene (im Rahmen einer Zahlungsanweisung) Schuldner des 1193 Anweisenden und dieser Schuldner der Anweisungsempfängerin ist, begleicht er gleichzeitig zwei Schulden (eine eigene und eine fremde), wenn er die Leistung erbringt. Bei dieser Konstellation spricht man von einer Anweisung auf Schuld.13 Dieser Vorgang rationalisiert den Erfüllungsprozess durch Abkürzung der Wege.

10 Befürwortend: CHK OR-Beyeler, Art. 466 N 10; Honsell, OR BT, 412; BSK OR-Koller, Art. 466 N 7; kritisch: CR CO-Tevini, Art. 466 N 6; ablehnend: BK OR-Gautschi, Art. 466 N 5a. 11 BSK OR-Koller, Art. 466 N 7. 12 Honsell, OR BT, 414. 13 BGE 117 II 404 E. 3b; Engel, CO PS, 578; BSK OR-Koller, Art. 466 N 1 m.w.N.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5536.

365

1. Kapitel

4.

Allgemeine Vertragslehre

Titulierte Anweisung

1194

In aller Regel ist die Anweisung gegenüber den Grundverhältnissen der am Leistungsabtausch beteiligten Personen abstrakt. Der Angewiesene darf deshalb die Erfüllung gegenüber der Anweisungsempfängerin nicht unter Hinweis auf Mängel des Deckungs- oder Valutaverhältnisses verweigern.14

1195

Macht der Angewiesene seine Leistung in der Annahmeerklärung jedoch ausdrücklich von Bestand und Umfang einer Forderung aus dem Deckungs- oder dem Valutaverhältnis abhängig, liegt eine titulierte Anweisung vor, und der Angewiesene kann die Leistung an die Anweisungsempfängerin gegebenenfalls verweigern.15 Die Annahme ist sodann kausal mit dem Deckungs- oder Valutaverhältnis verknüpft; die Anweisung ist nun bedingt.16

1196

III.

Abgrenzungen

1.

Zum Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 f. OR)

Im Unterschied zur Anweisung ist der Versprechende beim Vertrag zugunsten eines Dritten zur Leistung an die Dritte verpflichtet (s. N 1119 ff.); der Angewiesene ist mit Ausnahme von Art. 468 Abs. 2 OR nur dazu ermächtigt (Art. 466 OR).17

2. 1197

Zum einfachen Auftrag (Art. 394 ff. OR)

Die Anweisung unterscheidet sich von jener Konstellation, bei welcher der Auftraggeber einem Beauftragten den blossen Auftrag (Art. 394 ff. OR; s. 3218 ff.) erteilt, der Dritten beispielsweise Geld zu überweisen. Die Dritte hat im Falle eines Auftrags keinen Anspruch gegenüber dem Beauftragten. Ein solcher steht der Anweisungsempfängerin gemäss Art. 468 Abs. 1 OR dagegen gegenüber dem Angewiesenen, welcher der Anweisung angenommen hat, zu. Auch kann der Auftrag im Gegensatz zur Anweisung jederzeit widerrufen werden (Art. 404 OR für den Auftrag bzw. Art. 470 OR für die Anweisung).18

14 15 16 17 18

366

BGE 124 III 253 E. 3d. S. Berger, Schuldrecht, N 2233; BSK OR-Koller, Art. 468 N 7. BSK OR-Koller, Art. 466 N 7 f. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3900. Honsell, OR BT, 413.

§ 12

3.

Anweisung (Art. 466–471 OR) und Dokumentenakkreditiv

Zur Inkassovollmacht

Im Unterschied zur Inkassobevollmächtigten macht die Anweisungsempfänge- 1198 rin einen eigenen Anspruch in eigenem Namen geltend. Von einer der Anweisung zugrunde liegenden Forderung zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen wird sie häufig gar keine Kenntnis haben. Die Inkassobevollmächtigte handelt dagegen als direkte Vertreterin der Auftraggeberin und zieht deren Forderung ein.19

4.

Zur Zahlstelle

Die Parteien können vereinbaren, dass der Schuldner befugt sein soll, sich durch 1199 Leistung an eine Dritte zu befreien (sog. Zahlstelle).20 Solange der Gläubiger die Bezeichnung der Zahlstelle nicht widerruft, hat der Schuldner das Recht, sich durch Leistung an diese zu befreien. In dieser Hinsicht entspricht die Rechtslage der Anweisung. Anders als bei der angenommenen Anweisung hat die von den Parteien vereinbarte Zahlstelle jedoch kein Recht dazu, die Leistung zu fordern.21

5.

Zur Besitzanweisung (Art. 924 ZGB)

Bei der Anweisung nach Art. 466 ff. OR erwirbt die Anweisungsempfängerin das 1200 Eigentum in Bezug auf den Gegenstand der Anweisung erst, wenn der Angewiesene seine Leistung erbringt.22 Im Leistungsverhältnis erfolgt eine Übertragung (traditio), für die sich der Rechtsgrund aus der Anweisung ergibt. Im Unterschied dazu stellt die Besitzanweisung (Art. 924 ZGB) ein Traditionssurrogat dar, bei welchem die Leistungsempfängerin den (mittelbaren) Besitz an der Sache vom Anweisenden ohne physische Übergabe derselben erwirbt.23

IV.

Wirtschaftliche Bedeutung

Grosse praktische Bedeutung kommt der Anweisung heute im bargeldlosen Zah- 1201 lungsverkehr (Banküberweisung) zu.24 Auch Kreditkartensysteme beruhen auf Anweisungen. Der Mechanismus «Anweisung» dient somit in erster Linie dazu, die 19 20 21 22 23

CHK OR-Beyeler, Art. 466 N 18; von Tuhr/Escher, 19 f. Von Tuhr/Escher, 20. BGE 92 II 335 E. 2; BSK OR-Koller, Art. 466 N 11. CR CO-Tevini, Art. 466 N 17. BK  OR-Gautschi, Vorb. zu Art.  466 N  4d; s. im Übrigen zur Besitzanweisung Schmid/HürlimannKaup, N 163 ff. 24 CHK OR-Beyeler, Art. 466 N 23.

367

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Erfüllung von Geldschulden zu organisieren. Im internationalen Warenhandel stellt das Akkreditiv einen häufigen Anwendungsfall der Anweisung dar (s. N 1224 ff.).25

V.

Valuta-, Deckungs- und Leistungsverhältnis

1.

Valutaverhältnis (Art. 467/469 OR)

1202

Gemäss Art.  467 Abs.  1  OR wird die Schuld des Anweisenden aus dem Valutaverhältnis erst erfüllt, wenn der Angewiesene an die Anweisungsempfängerin leistet und nicht schon bei der Ermächtigung dazu. Die Anweisung stellt lediglich einen Erfüllungsversuch des Anweisenden dar. Diese ist mit anderen Worten nicht Leistung an Erfüllungs statt (s. N 669 ff.), sondern nur Leistung erfüllungshalber (s. N 668).26 Die Forderung aus dem Valutaverhältnis bleibt damit solange bestehen, bis der Angewiesene die Leistung an die Anweisungsempfängerin erbringt.

1203

Für die Anweisungsempfängerin, welche die Anweisung angenommen hat, bedeutet dies, dass sie ihre Forderung aus dem Valutaverhältnis dem Anweisenden gegenüber erst wieder geltend machen darf, wenn sie den Angewiesenen erfolglos zur Erfüllung angehalten hat (Art. 467 Abs. 2 OR). Somit hat die Anweisungsempfängerin durch die Annahme der Anweisung einer Stundung ihrer Forderung aus dem Valutaverhältnis zugestimmt.27

1204

Leistet der Angewiesene nicht, so kann die Anweisungsempfängerin nicht gestützt auf die Anweisung Rückgriff auf den Anweisenden nehmen. In der Anweisung liegt nämlich in der Regel keine Zahlungsgarantie. Die Anweisungsempfängerin kann daher gegenüber dem Anweisenden in diesem Fall lediglich ihre Ansprüche aus dem Grundverhältnis (Valutaverhältnis) geltend machen.28

1205

Will die Anweisungsempfängerin eine Zahlungsanweisung ihres Schuldners nicht annehmen, was sie mangels abweichender Abrede darf, hat sie dies dem Anweisenden sofort mitzuteilen. Andernfalls wird sie für den Schaden, der infolge der unterlassenen bzw. verspäteten Mitteilung entsteht (z.B. nutzlos gewordene Kosten des Zahlungsversuchs), ersatzpflichtig (Art. 467 Abs. 3 OR). Diese Schadenersatzpflicht stellt einen Fall von culpa in contrahendo dar.29 Wird die Mitteilung unterlassen, folgt daraus jedoch keine Annahmefiktion, sondern lediglich die erwähnte Schadenersatzpflicht. Ein allfälliges Schweigen der Gläubigerin ist nach den allgemeinen Prinzipien auszulegen. 25 26 27 28 29

368

Guhl/Schnyder, § 50 N 4 und N 8; BSK OR-Koller, Vor Art. 466–471 N 2. BSK OR-Koller, Art. 467 N 3 m.w.H.; s. auch BGE 105 II 104 E. 2. BSK OR-Koller, Art. 467 N 5; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5591. BGE 105 II 104 E. 2; 95 II 176 E. 5; Bucher, OR BT, 269; BSK OR-Koller, Art. 467 N 4. BK OR-Gautschi, Art. 467 N 5c.

§ 12

Anweisung (Art. 466–471 OR) und Dokumentenakkreditiv

Wenn der Anweisende nicht verpflichtet ist, die Schuld aus dem Valutaverhältnis 1206 persönlich zu erfüllen, was gemäss Art. 68 OR die Regel ist (s. N 648), kann die Anweisungsempfängerin zwar die Nichtannahme gemäss Art. 467 Abs. 3 OR mitteilen (da keine Pflicht zur Annahme der Anweisung besteht), sie gerät aber bei Verweigerung einer vom Angewiesenen gehörig angebotenen Leistung in Gläubigerverzug (Art. 91 ff. OR).30 Ist hingegen persönlich zu erfüllen, tritt mangels gehörig angebotener Leistung kein Gläubigerverzug ein, weil die Anweisungsempfängerin die nicht persönlich angebotene Leistung nicht annehmen muss.31 Ebenfalls sofort mitzuteilen hat die Anweisungsempfängerin dem Anweisenden, 1207 dass der Angewiesene die Zahlung verweigert oder ihr bereits im Voraus erklärt hat, die Anweisung nicht annehmen zu wollen (Art. 469 OR). Diese Mitteilung hebt die Stundungswirkung der Anweisung bezüglich der Schuld des Anweisenden gegenüber der Anweisungsempfängerin im Valutaverhältnis auf und der Anweisende gerät unter Umständen in Schuldnerverzug.32

2.

Deckungsverhältnis (Art. 468 Abs. 2 und Abs. 3 OR)

Die Leistung des Angewiesenen erfolgt auf Rechnung des Anweisenden. Das bedeu- 1208 tet, dass seine Leistung an die Anweisungsempfängerin entweder eine Forderung gegenüber dem Anweisenden begründet oder eine bestehende Forderung unmittelbar aufgrund der Anweisung (ganz oder teilweise) tilgt.33 Eine Pflicht, die Anweisungsermächtigung anzunehmen und einer Drittperson (der 1209 Anweisungsempfängerin) die entsprechende Leistung zu erbringen, besteht für den Angewiesenen nur, falls diese vereinbart wurde oder sich sonst aus dem Deckungsverhältnis ergibt (Art. 468 Abs. 3 OR). Ist der Angewiesene gleichzeitig Schuldner des Anweisenden, muss er ex lege an die Anweisungsempfängerin leisten, falls seine «Lage dadurch […] in keiner Weise verschlimmert wird» (Art. 468 Abs. 2 OR), was bei Geldschulden regelmässig der Fall sein dürfte.34 Kommt der Angewiesene seiner Pflicht gegenüber dem Anweisenden nicht nach, so hat er dem Anweisenden für den aus der Nichterfüllung entstandenen Schaden (z.B. anfallende Verzugszinsen [Art. 104 OR] oder Verspätungsschaden aus dem Valutaverhältnis) Ersatz zu leisten.35

30 31 32 33 34 35

CHK OR-Beyeler, Art. 467 N 12. KuKo OR-Lardelli, Art. 467 N 6. BSK OR-Koller, Art. 469 N 3. Zum Zeitpunkt des Eintritt des Schuldnerverzugs s. auch CHK OR-Beyeler, Art. 470 N 3. Bucher, OR BT, 269. Berger, Schuldrecht, N 2259. BK OR-Gautschi, Art. 468 N 13a ff.; KuKo OR-Lardelli, Art. 468 N 7.

369

1. Kapitel

1210

Allgemeine Vertragslehre

Art. 468 Abs. 2 und Abs. 3 OR regeln nur das Deckungsverhältnis. Sie begründen deshalb kein Forderungsrecht der Anweisungsempfängerin gegenüber dem Angewiesenen.36 Die Erfüllungspflicht des Angewiesenen besteht einzig gegenüber dem Anweisenden. Nimmt der Angewiesene die Anweisung gegenüber dem Anweisenden an, begründet auch dies noch kein selbständiges Forderungsrecht der Anweisungsempfängerin gegenüber dem Angewiesenen. Dieses entsteht erst mit seiner Annahme gegenüber der Anweisungsempfängerin (Art. 468 Abs. 1 OR; s. N 1211 ff.). Leistet der Angewiesene nicht an die Anweisungsempfängerin, kann Letztere nur vom Anweisenden Erfüllung bzw. Schadenersatz fordern (s.  Art.  469  OR). Selbst in dem von Art. 468 Abs. 2 OR geregelten Fall ist der Angewiesene nicht verpflichtet, der Anweisungsempfängerin vor Erbringung der Leistung die Annahme der Anweisung zu erklären. Zwischen Anweisendem und Angewiesenem, also im Rahmen des Deckungsverhältnisses, ist aber eine gegenteilige Abrede möglich (Art. 468 Abs. 3 OR).

3.

Leistungsverhältnis (Art. 468 Abs. 1 OR)

1211

Die Anweisungsempfängerin erhält erst dann ein selbständiges Forderungsrecht gegenüber dem Angewiesenen, wenn ihr dieser vorbehaltlos die Annahme der Anweisung erklärt hat (Art. 468 Abs. 1 OR). Diese Forderung tritt zu ihrem Forderungsrecht aus dem Valutaverhältnis hinzu. Im Leistungsverhältnis entsteht ein neues Schuldverhältnis. Vor der Annahmeerklärung gegenüber der Anweisungsempfängerin ist der Angewiesene zur Leistungserbringung zwar ermächtigt, aber nicht verpflichtet.37

1212

Ist die Erfüllungspflicht des Angewiesenen gegenüber der Anweisungsempfängerin einmal entstanden, kann dieser ihr Einreden und Einwendungen, die sich aus dem Deckungs- oder dem Valutaverhältnis ergeben, grundsätzlich nicht mehr entgegenhalten. Die Leistungspflicht des Angewiesenen stellt eine neue und abstrakte Schuld dar (Art. 468 Abs. 1 OR).38 Die angenommene Anweisung ist damit zirkulationsfähig, ähnlich wie ein Wechsel oder Check.39

1213

Der Angewiesene kann die Leistung immer noch aufgrund von Einreden und Einwendungen verweigern, die sich aus seinem persönlichen Verhältnis zur Anweisungsempfängerin (z.B. aus Verrechnung) oder aus dem Inhalt der Anweisung selbst ergeben. Zu den Einreden und Einwendungen aus dem Inhalt der Anweisung gehören in erster Linie solche, die ausdrücklich vereinbart wurden (z.B. Vor36 BGE 4C.183/2002 E. 3.1; Engel, CO PS, 580. 37 BGE 122 III 237 E. 3b. 38 BGE 135 III 562 E. 3.4 = Pra 2010 Nr. 39; 124 III 253 E. 3b und E. 3d; Bucher, OR BT, 269; Tercier/Bieri/ Carron, CO PS, N 5604. 39 Guhl/Schnyder, § 54 N 13.

370

§ 12

Anweisung (Art. 466–471 OR) und Dokumentenakkreditiv

behalte und Bedingungen).40 Wird die Annahmeerklärung vom Bestand der Forderung aus dem Valutaverhältnis oder dem Deckungsverhältnis abhängig gemacht, durchbricht dies den Grundsatz der Abstraktheit (titulierte Anweisung; s. N 1195).41 Stillschweigend vereinbarte kausale Verknüpfungen sollten nur mit Zurückhaltung angenommen werden.42 Unserer Meinung nach hängt die Frage, ob die verschiedenen Rechtsgeschäfte verknüpft wurden, einzig und allein vom Parteiwillen, allenfalls noch von einer gegebenenfalls bestehenden Übung ab, welcher sich die Parteien unterworfen haben. Das Bundesgericht lässt unter sehr restriktiven Voraussetzungen eine Ausnahme 1213a vom Grundsatz der Abstraktheit der Anweisung (s. N 1212) zu, wenn sich die Berufung der Anweisungsempfängerin auf den Einrede- und Einwendungsausschluss im Sinne von Art. 468 Abs. 1 OR als ein Verhalten gegen Treu und Glauben darstellt.43 Ein solch rechtsmissbräuchliches Verhalten nahm das Bundesgericht beispielsweise in einem Fall an, in welchem die Anweisungsempfängerin um die Sittenwidrigkeit des Valutaverhältnisses (Verstoss gegen UN-Waffenembargo bei einem internationalen Waffengeschäft) wissen musste. Folglich war auch der Zahlungsanspruch der Anweisungsempfängerin gegenüber dem Angewiesenen ungültig (sog. Einwendungsdurchgriff).44

VI.

Widerruf der Anweisung (Art. 470 OR)

1.

Gegenüber der Anweisungsempfängerin (Art. 470 Abs. 1 OR)

Ermächtigungen können gemäss Art. 34 Abs. 1 OR grundsätzlich jederzeit wider- 1214 rufen werden (s. N 1080 ff.). Der Anweisende darf eine Ermächtigung gegenüber der Anweisungsempfängerin jedoch nur widerrufen, wenn er diese nicht zur Tilgung seiner Schuld oder sonst zum Vorteil der Empfängerin erteilt hat (Art. 470 Abs. 1 OR). Allerdings ist der Wortlaut von Art. 470 Abs. 1 OR zu eng gefasst: Der Anweisende muss auch dann zum Widerruf berechtigt sein, wenn er gegenüber der Anweisungsempfängerin seine Leistung aus dem Valutaverhältnis verweigern

40 41 42

CHK OR-Beyeler, Art. 468 N 9. BSK OR-Koller, Art. 468 N 7 f. Sehr zurückhaltend auch BGE 122 III 237 E. 3d; kritisch auch Engel, CO PS, 580 f.; s. dazu Kissling, Jusletter 10. Juni 2002, FN 12. 43 BGE 4C.172/2000 E. 4c; CHK OR-Beyeler, Art. 468 N 13. 44 BGE 4C.172/2000 E. 4b, E. 4c und E. 5g. Für weitere Hinweise zur Rechtsprechung s. BSK OR-Koller, Art. 468 N 8a; s. auch Koller/Kissling, 116 ff.

371

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

könnte (z.B. aufgrund eines Schenkungswiderrufes nach Art.  250 Abs.  1  OR).45 Dazu gesellt sich selbstredend die Möglichkeit eines contrarius actus.

2. 1215

Gegenüber dem Angewiesenen (Art. 470 Abs. 2 OR) und im bargeldlosen Zahlungsverkehr (Art. 470 Abs. 2bis OR)

Der Anweisende kann gegenüber dem Angewiesenen solange widerrufen, als dieser gegenüber der Anweisungsempfängerin die Annahme noch nicht erklärt hat (Art.  470 Abs.  2  OR).46 Dies gilt auch dann, wenn ein Widerruf gegenüber der Anweisungsempfängerin nach Art. 470 Abs. 1 OR nicht mehr möglich ist.47 Art. 470 Abs. 2 OR ist insofern zwingendes Recht, als der Anweisende auf sein Widerrufsrecht nicht gültig verzichten kann.48 Das ergibt sich auch aus Art. 34 Abs. 2 OR. Im bargeldlosen Zahlungsverkehr fixiert Art. 470 Abs. 2bis OR (als lex specialis gegenüber Art. 470 Abs. 2 OR) die Unwiderruflichkeit einer Anweisung auf den Zeitpunkt, in welchem der Überweisungsbetrag durch den Angewiesenen (in der Regel ein Geldinstitut) dem Konto des Anweisenden belastet worden ist. Nach diesem Zeitpunkt kann der Anweisende nicht (mehr) rechtswirksam widerrufen. Vorbehältlich abweichender «Regeln eines Zahlungssystems» ist auch Art. 470 Abs. 2bis OR zwingender Natur.

VII. Rückabwicklungs- und bereicherungsrechtliche Fragen

1216

1.

Mängel im Zusammenhang mit der Anweisung selbst

1.1

Leistung ohne Grund

Der offensichtlichste und gravierendste Mangel im Rahmen eines Zahlungsverhältnisses besteht, wenn es von Anfang an an einer Anweisung fehlt (Leistung ohne Anweisung).49 Zu denken ist etwa an jene Mängel, bei deren Vorliegen die Anweisung dem «Anweisenden» nicht zurechenbar ist (sog. Zurechnungsmängel). Es leistet z.B. der Angewiesene aus Versehen an die falsche Empfängerin oder er leistet zwar an die richtige Person, aber irrtümlich zweimal. Liegt eine Leistung ohne Anweisung vor, so steht dem vermeintlich Angewiesenen gegen die Anweisungs-

45 46 47 48 49

372

BK OR-Gautschi, Art. 470 N 3b; BSK OR-Koller, Art. 470 N 7. CR CO-Tevini, Art. 470 N 4. BGE 135 III 562 E. 3.3 = Pra 2010 Nr. 39; 121 III 109 E. 3a = Pra 1995 Nr. 274; Guhl/Schnyder, § 54 N 16. BGE 127 III 553 E. 2e aa = Pra 2002 Nr. 43. Buis, 167 f.

§ 12

Anweisung (Art. 466–471 OR) und Dokumentenakkreditiv

empfängerin eine Direktkondiktion aus Art. 62 Abs. 1 OR zu.50 In den Fällen einer nicht oder nicht so erteilten Anweisung stellt die Leistung des vermeintlich Angewiesenen nämlich nur scheinbar eine Zuwendung des Anweisenden an die Anweisungsempfängerin dar; tatsächlich liegt aber eine Zuwendung des Angewiesenen ohne Rechtsgrund vor.51 1.2

Leistung aus weggefallenem Grund

Bei dieser Fallgruppe leistet der Angewiesene, obwohl die causa für die Anwei- 1217 sung infolge eines vom Anweisenden gesetzten Anlasses weggefallen ist (als Grund kommt z.B. ein Widerruf oder Geschäftsunfähigkeit infrage). Zahlt etwa eine Bank den vereinbarten Betrag trotz rechtzeitigem Widerruf irrtümlich an die Anweisungsempfängerin aus, würde ihr eine Direktkondiktion gegen die Anweisungsempfängerin zustehen. Im Grunde liegt wie bei den Zurechnungsmängeln keine Anweisung (mehr) vor.52 Das Bundesgericht53 konzediert in Widerrufsfällen dem Angewiesenen die Direktkondiktion jedoch nur dann, wenn der Anweisungsempfängerin der Widerruf bekannt war oder hätte bekannt sein müssen. In diesen Fällen dürfe die Anweisungsempfängerin nämlich nicht davon ausgehen, eine mittelbare Zuwendung des Anweisenden zu erhalten. Ist eine Direktkondiktion dagegen ausgeschlossen, weil die Anweisungsempfänge- 1218 rin den Widerruf nicht kannte und auch nicht hätte kennen müssen, so unterscheidet das Bundesgericht hinsichtlich der Rückabwicklung danach, ob die Anweisungsempfängerin Gläubigerin des Anweisenden war (erster Fall) oder nicht (zweiter Fall): Im ersten Fall ist der Anweisende durch den Wegfall seiner Verbindlichkeit berei- 1219 chert. Die eigentlich fehlende, weil z.B. ungültige Anweisung, wird aber aufgrund des Rechtsscheintatbestands aufrechterhalten. Dies gibt dem Angewiesenen einen Kondiktionsanspruch gegen den Anweisenden an die Hand.54 Im zweiten Fall hat der Angewiesene bloss einen Anspruch aus ungerechtfertig- 1220 ter Bereicherung gegen den Anweisenden, wonach dieser ihm seine Kondiktionsforderung gegen die Anweisungsempfängerin abzutreten hat («Kondiktion der Kondiktion»).55 Die Bereicherung des Anweisenden besteht in seinem Anspruch gegen die Anweisungsempfängerin. Die Unterscheidung danach, ob das Valutaverhältnis eine Schuld des Anweisenden enthält oder nicht, führt dazu, dass sich 50 BGE 4A_135/2007 E. 3.3; 121 III 109 E. 4 = Pra 1995 Nr. 274; 117 II 404 E. 3b; BSK OR-Koller, Art. 467 N 11; BSK OR-Schulin, Art. 62 N 33. 51 Von Tuhr/Peter, 478 FN 27a. 52 Kissling, Jusletter 10. Juni 2002, N 50. 53 BGE 132 III 609 E. 5.3.5 = Pra 2007 Nr. 46. 54 BGE 121 III 109 E. 4a = Pra 1995 Nr. 274. 55 BGE 121 III 109 E. 4a = Pra 1995 Nr. 274; Kissling, Jusletter 10. Juni 2002, N 63 ff.; Koller/Kissling, 72.

373

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

der Angewiesene mit diesem auseinandersetzen muss. Die Abstraktheit erfährt hier somit eine Ausnahme.56 1221

In der Lehre wurde die Auffassung des Bundesgerichts dahingehend weiterentwickelt, dass konsequenterweise bei Gültigkeitsmängeln grundsätzlich eine Direktkondiktion gegeben sein muss. Ausnahmsweise hat aber aus Vertrauensschutz- und Rechtsscheingründen (Vertrauen in die Beständigkeit der Zahlung) eine Rückabwicklung entlang der Kausalverhältnisse (also via Anweisenden) zu erfolgen, sofern die Leistungsempfängerin gutgläubig ist und kumulativ der Anweisende den Anschein einer beabsichtigten Zuwendung an die Empfängerin schafft, beispielsweise indem er dieser die Anweisung anzeigt.57 Vertraut die Empfängerin berechtigterweise auf die Beständigkeit einer erhaltenen Leistung, soll der Angewiesene diese nicht direkt von ihr zurückverlangen können. Aus der Sicht der Anweisungsempfängerin ist es wichtig, ob der Angewiesene mittels Direktkondiktion an sie gelangen kann oder sich an den Anweisenden halten muss: Bei einer Direktkondiktion des Angewiesenen darf die Anweisungsempfängerin nämlich keine Einreden und Einwendungen aus dem Valutaverhältnis erheben. Bei einer Rückabwicklung entlang der Kausalverhältnisse kann sie dagegen dem Rückabwicklungsanspruch der Gegenseite (auch wenn dieser an den Angewiesenen zediert wurde) alle Einreden und Einwendungen aus dem Valutaverhältnis entgegenhalten.58 Unserer Meinung nach sollte die Rückabwicklung vertraglich und entlang der Kausalverhältnisse erfolgen.

2. 1222

Mängel im Valuta- oder Deckungsverhältnis

Vor oder anlässlich der Ausführung einer Anweisung kann sich auch herausstellen, dass das Deckungs- oder das Valutaverhältnis mangelhaft ist (z.B. Nichtigkeit oder Belastung mit einer Einrede oder Einwendung) oder gar ein Doppelmangel (fehlerhaftes Deckungs- und Valutaverhältnis) vorliegt. Leistet der Angewiesene dennoch, entsteht traditioneller Auffassung zufolge ein Bereicherungsanspruch vom Angewiesenen gegenüber dem Anweisenden, weil in diesem Verhältnis eine Zuwendung ohne Rechtsgrund vorliegt (Leistungskondiktion).59 Bei einem Doppelmangel ist der Kondiktionsanspruch des Anweisenden gegenüber der Anweisungsempfängerin Gegenstand der Kondiktion des Angewiesenen gegenüber dem Anweisenden (sog. «Kondiktion der Kondiktion»; N 1220).60 Infolge Umwandlung des mangelbehafteten Deckungsverhältnisses in ein vertragliches Rückabwicklungsverhält56 57 58 59

Kissling, Jusletter 10. Juni 2002, N 62. Kissling, Jusletter 10. Juni 2002, N 52 ff.; Koller/Kissling, 69 ff. Kissling, Jusletter 10. Juni 2002, N 18. BGE 4C.79/2002 E. 2.2.2; 116 II 689 E. 3b aa; BSK OR-Koller, Art. 467 N 9; BSK OR-Schulin, Art. 62 N 30 ff. m.w.H. 60 Honsell, OR BT, 416 f.; BSK OR-Schulin, Art. 62 N 32 m.w.H.

374

§ 12

Anweisung (Art. 466–471 OR) und Dokumentenakkreditiv

nis steht dem Angewiesenen gegen den Anweisenden unseres Erachtens stattdessen ein vertraglicher Anspruch auf Erstattung der an die Anweisungsempfängerin erbrachten Leistung zu (zur Umwandlungstheorie s. N 583, N 960 ff., N 1821). Der Angewiesene hat grundsätzlich keinen direkten (bereicherungs- oder vertragsrechtlichen) Anspruch gegen die Anweisungsempfängerin.61 Dies ergibt sich aus der Abstraktheit der Anweisung. Eine Direktkondiktion gegen die Anweisungsempfängerin steht dem Angewiese- 1223 nen ausnahmsweise zu, sofern eine titulierte Anweisung vorliegt.62 Anders gestaltet sich die Rückforderung ausserdem, wenn eine (rahmen-)vertragliche Beziehung zwischen dem Angewiesenen und der Anweisungsempfängerin besteht (z.B. ein Kontoführungsvertrag). In diesem Fall kann der Angewiesene (z.B. die Bank) den Betrag aufgrund des Vertragsverhältnisses direkt zurückbuchen, ohne dass er zuerst einen Anspruch geltend machen muss.63

VIII. Dokumentenakkreditiv 1.

Begriff

Das Dokumentenakkreditiv ist eine Vereinbarung, wonach eine im Auftrag und nach den Weisungen eines Kunden (Anweisender, Akkreditivsteller) oder im eigenen Interesse handelnde Bank (Angewiesene, Akkreditivbank) gegen bestimmte, vorgängig definierte Dokumente eine Zahlung an eine Dritte (Anweisungsempfängerin, Akkreditivbegünstigte) oder deren Order zu leisten hat (vgl. Art. 2 ERA64).65

1224

Gerade grenzüberschreitende Handelsgeschäfte stellen vielfältige spezifische Pro- 1225 bleme und enthalten häufig nur schwer abschätzbare Risiken. Das Dokumentenakkreditiv vereinfacht den Ablauf und reduziert die Risiken, indem es erlaubt, kostspielige und komplizierte business to business-Geschäfte (b2b) über lange Distanzen (z.B. zwischen Exporteurin und Importeur) Zug um Zug (Geld im Austausch gegen

61 S. dazu BGE 124 III 253 E. 3b; 121 III 109 E. 4 = Pra 1995 Nr. 274; 117 II 404 E. 3a; BSK OR-Koller, Art. 467 N 9; von Tuhr/Peter, 477 f. 62 Kissling, N 28; BSK OR-Koller, Art. 467 N 9 m.w.H. 63 BGE 132 III 609 E. 5.3.6 = Pra 2007 Nr. 46. 64 Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (ERA) der internationalen Handelskammer in Paris, Fassung vom 1. Juli 2007 (ERA 600). 65 CHK OR-Beyeler, Art. 466 N 31.

375

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Dokumente) abzuwickeln. Mithin hat das Dokumentenakkreditiv Sicherungs- und Zahlungs-, zum Teil aber auch Kreditfunktion.66 1226

International anerkannt und verbreitet sind die «Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive» (ERA) der internationalen Handelskammer in Paris (International Chamber of Commerce; ICC). In der Praxis legen die Parteien ihrem Vertrag zur Regelung der Erfüllungsmodalitäten meistens die ERA (600) zugrunde. Die ERA gelten für alle Dokumentenakkreditive, in deren Akkreditivtext die Parteien sie einbeziehen (Art. 1 ERA), und entbinden diese damit von der aufwendigen Aufgabe, alle Details von Fall zu Fall neu regeln zu müssen. Sie stellen kein objektives Recht dar, sondern müssen als soft law wie gewöhnliche AGB durch die Parteien übernommen werden, damit sie Vertragsbestandteil werden (s. N 614 ff.).67 Um ihre Standardisierungsfunktion nicht zu vereiteln, wenden die (Schieds-)Gerichte sie im Ergebnis jedoch nicht wie Vertragsrecht (z.B. Ungewöhnlichkeits-, Unklarheitsregel), sondern eher wie objektives Recht an. Dafür spricht auch, dass sie beidseits ausgewogene Regeln enthalten. Die ERA werden daher gerne auch als Normgefüge eigener Art bezeichnet.68 Man könnte sogar sagen, dass sie in den entsprechenden Unternehmenskreisen eine Übung bilden.

2.

Ablauf

1227

Das dem Valutaverhältnis zugrunde liegende Rechtsgeschäft, meist ein Kauf- oder Werkvertrag, wird um eine Klausel (Akkreditivklausel) ergänzt, welche den Käufer/Besteller (Importeur; Anweisender) dazu verpflichtet, eine Bank (Akkreditivbank, eröffnende Bank; Angewiesene) mit der Akkreditiveröffnung zu beauftragen (Deckungsverhältnis).69 Die Verkäuferin/Unternehmerin (Exporteurin; Anweisungsempfängerin) ihrerseits ist gehalten, die vereinbarten Dokumente70 fristgemäss der Akkreditivbank einzureichen. Die Bank prüft die Dokumente und erbringt die vereinbarte Geldleistung, sofern die Dokumente akkreditivkonform sind.71

1228

Dieses Drei-Parteien-Verhältnis wird in der Praxis meistens um eine vierte Partei, eine weitere Bank, erweitert, die sich in aller Regel im Land der Exporteurin befindet, häufig sogar deren Hausbank ist.72 Ihre Rolle kann beispielsweise darin liegen, die Bonität der Akkreditivbank zu prüfen und einen Teil der Kommunikation mit

66 67 68 69 70 71 72

376

BGE 130 III 462 E. 5.1 = Pra 2005 Nr. 19; 114 II 45 E. 4b; Bühler, Sicherungsmittel, 36; BSK OR-Koller, Anh. Art. 466–471 N 2 f. CHK OR-Beyeler, Art. 466 N 47. BSK OR-Koller, Anh. Art. 466–471 N 13; a.M. Meier-Hayoz/von der Crone, § 31 N 1860. Meier-Hayoz/von der Crone, § 31 N 1821 ff. Für Beispiele s. Art. 18 ff. ERA; Müller, contrats, N 3203. Bernhardt, 144 ff.; Müller, contrats, N 3204 ff.; Schärrer, 47. Guggenheim/Guggenheim, N 1473 ff.

§ 12

Anweisung (Art. 466–471 OR) und Dokumentenakkreditiv

der Akkreditivbank zu übernehmen (Korrespondenzbank, avisierende Bank). Sie kann darüber hinaus als Zahlstellenbank oder als bestätigende Bank auftreten.73 1229

Landesgrenze

Korrespondenzbank, Zahlstellenbank oder bestätigende Bank

Zahlung

Akkreditiveröffnung

Zahlung

Ware

Akkreditivsteller Käufer/Besteller, Importeur

Dokumente

Kaufvertrag (mit Akkreditivklausel)

Zahlung

Dokumente

Akkreditivbegünstigte Verkäuferin/Unternehmerin, Exporteurin

Akkreditivbank

Dokumente

Abbildung: Übersicht zum Dokumentenakkreditiv

3.

Arten

3.1

Widerrufliches und unwiderrufliches Dokumentenakkreditiv

Gemäss den ERA ist ein Dokumentenakkreditiv per definitionem (einseitig) unwi- 1230 derruflich (Art. 2 und Art. 3 ERA).74 Das unwiderrufliche Akkreditiv kann nur mit Zustimmung aller Beteiligten beseitigt oder abgeändert werden (Art. 10 lit. a ERA). Es verschafft damit der Exporteurin eine grössere Sicherheit. Das widerrufliche Akkreditiv wird aufgrund seiner geringen praktischen Bedeu- 1231 tung in den ERA (600) nicht mehr erfasst.75 Die Parteien können Widerruflichkeit vereinbaren oder das Akkreditiv einer früheren Fassung der ERA unterstellen, von welcher das widerrufliche Akkreditiv noch erfasst und geregelt wird.76 Das wider73 74 75 76

Bühler, SZW 2006, 48; Schärrer, 14. S. BGE 108 Ib 270 E. 4a. BSK OR-Koller, Anh. Art. 466–471 N 5. Z.B. der Fassung der ERA 400 von 1983; s. Meier-Hayoz/von der Crone, § 31 N 1846.

377

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

rufliche Akkreditiv kann von der Akkreditivbank im Gegensatz zum unwiderruflichen Akkreditiv jederzeit und ohne vorhergehende Nachricht an die Begünstigte geändert oder annulliert werden. Es steht unter der resolutiven Potestativbedingung des Widerrufs.77 3.2

Bestätigtes und unbestätigtes Dokumentenakkreditiv

1232

Beim bestätigten Akkreditiv übernimmt die Zweitbank (in Erfüllung eines ihr von der eröffnenden Bank erteilten Auftrags) eine eigene Leistungspflicht (Art. 8 lit. c ERA), welche zu jener der eröffnenden Bank hinzutritt.78 Bestätigte Akkreditive setzen deshalb immer die Eröffnung eines unwiderruflichen Akkreditivs durch die eröffnende Bank voraus.79

1233

Im Gegensatz dazu wird beim unbestätigten Akkreditiv die Zweitbank entweder nur beauftragt, die Akkreditiveröffnung zu avisieren und die Dokumente weiterzuleiten (Korrespondenzbank, avisierende Bank), oder sie hat die Dokumente zu prüfen und die Zahlung auf Rechnung der eröffnenden Bank zu erbringen (Zahlstellenbank).80 In beiden Fällen geht sie aber keine eigene Leistungspflicht gegenüber der Anweisungsempfängerin ein (vgl. Art. 9 lit. a ERA).81

4.

Abstraktheit und Dokumentenstrenge

1234

Im Valuta- oder Grundverhältnis tritt zu den übrigen Pflichten die vertragliche Hauptpflicht des Importeurs (Käufer) hinzu, ein der Vereinbarung entsprechendes Akkreditiv zu bestellen. Damit wird er vorleistungspflichtig.82 Die Verkäuferin ihrerseits ist dazu verpflichtet, die entsprechenden Dokumente einzureichen und allfällige weitere Akkreditivbedingungen zu erfüllen.83 Die Bestellung eines Akkreditivs stellt in der Regel keine Erfüllung an Zahlungs statt dar. Vielmehr liegt lediglich eine Erfüllung zahlungshalber vor, also ein blosser Erfüllungsversuch. Diese begründet aber immerhin eine Stundung der Forderung der Verkäuferin gegenüber dem Käufer aus dem Grundverhältnis.84

1235

Das Dokumentenakkreditiv untersteht nach schweizerischem Recht den Vorschriften über die Anweisung (Art.  466  ff.  OR; s.  N  1182  ff.) und den Auftrag 77 78 79 80 81 82 83 84

378

Meier-Hayoz/von der Crone, § 31 N 1845; Schütze/Vorpeil, N 86; s. Art. 8 lit. a ERA 400. BGE 115 II 67 E. 1; Koller/Kissling, 84. S. Bernhardt, 26; BSK OR-Koller, Anh. Art. 466–471 N 6. CHK OR-Beyeler, Art. 466 N 39 ff. Schärrer, 18. Bühler, Sicherungsmittel, 21; Lombardini, droit bancaire, 545. S. auch BGE 93 II 329 E. 7b; Lombardini, droit bancaire, 547. Meier-Hayoz/von der Crone, § 31 N 1839; s. Guhl/Schnyder, § 54 N 6.

§ 12

Anweisung (Art. 466–471 OR) und Dokumentenakkreditiv

(Art.  394  ff.  OR; s.  N  3218  ff.).85 Dem Deckungsverhältnis liegt ein Auftrag zur Annahme bzw. Eröffnung einer bedingten Anweisung zugrunde. Die Anweisung ist bedingt, weil die angewiesene Bank nur gegen Vorlage der festgelegten Dokumente zur Zahlung verpflichtet ist. Das widerrufliche Akkreditiv enthält als zweite Bedingung das Unterlassen eines Widerrufs. Die angewiesene Bank wird somit verpflichtet (und nicht bloss ermächtigt), der Anweisungsempfängerin im Voraus ein bedingtes Leistungsversprechen zu geben (s. auch Art. 468 Abs. 3 OR). Auch beim Akkreditiv erhält die Anweisungsempfängerin erst mit der Annahmeerklärung durch die angewiesene Akkreditivbank (Akkreditiveröffnungs- bzw. -bestätigungsanzeige) ein selbständiges Forderungsrecht.86 Schaltet die akkreditiveröffnende Bank eine Korrespondenzbank ein, so besteht zwi- 1236 schen diesen Banken ein Auftragsverhältnis. Die Korrespondenzbank ist Substitutin der eröffnenden Bank. Damit kann der Akkreditivsteller aus Art. 399 Abs. 3 OR direkt gegen die Korrespondenzbank vorgehen.87 Bestätigt die Korrespondenzbank das Akkreditiv, begründet sie damit eine eigene bedingte Verpflichtung gegenüber der Begünstigten (vgl. Art. 8 lit. b ERA). Damit entsteht ein zweites Akkreditiv.88 Beide Banken haften der Anweisungsempfängerin als Solidarschuldnerinnen für die gehörige Erfüllung ihrer Leistungspflicht.89 4.1

Grundsatz der Abstraktheit

Selbst wenn das Akkreditiv in irgendeiner Weise auf das Valutaverhältnis Bezug 1237 nimmt, kann die Bank der Anweisungsempfängerin keine Einreden daraus oder aus dem Deckungsverhältnis entgegenhalten (Art. 4 lit. a ERA). Die Bank muss aufgrund der Abstraktheit des Akkreditivs, und somit unabhängig von der gehörigen Erfüllung des Valutaverhältnisses, die Leistung erbringen, sobald die Anweisungsempfängerin die dazu notwendigen Dokumente vorlegt.90 4.2

Grundsatz der Dokumentenstrenge

Die Bank ist zur Erbringung der angezeigten Leistung verpflichtet, sobald ihr alle 1238 notwendigen Dokumente vorgelegt werden. Diese Dokumente dürfen von der Bank einzig hinsichtlich Vollständigkeit, formeller Ordnungsmässigkeit und Übereinstimmung mit den Akkreditivbedingungen überprüft werden.91 Sind diese Voraus85 86 87 88 89 90 91

Bernhardt, 39 ff. m.w.H. S. zum Ganzen BSK OR-Koller, Anh. Art. 466–471 N 8 f.; Meier-Hayoz/von der Crone, § 31 N 1876 ff. S. BGE 121 III 310 E. 4a. S. BGE 132 III 620 E. 2.1; Bernhardt, 25 f. Lombardini, crédit documentaire, N 250; Meier-Hayoz/von der Crone, § 31 N 1887. BGE 131 III 222 E. 4.1 = Pra 2005 Nr. 118; 100 II 145 E. 4a; Dohm, SJK 314, D.I. CHK OR-Beyeler, Art. 466 N 37.

379

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

setzungen erfüllt, muss die Bank leisten, ohne die materielle Richtigkeit der Dokumente oder die gehörige Erfüllung des Valutaverhältnisses, beispielsweise durch Begutachtung der Ware, überprüfen zu dürfen (Art. 5 ERA; s. auch Art. 14 lit. b ERA).92 4.3 1239

Ausnahme von Abstraktheit und Dokumentenstrenge

Im Fall eines Rechtsmissbrauchs durch einen Beteiligten ist die Akkreditivbank zur Verweigerung der Zahlung berechtigt und dem Akkreditivsteller gegenüber auch dazu verpflichtet. Wann dies allerdings der Fall sein soll, ist umstritten.93 Das Bundesgericht anerkennt, dass sich das Beharren auf die strikte Einhaltung der Akkreditivbedingungen oder die Nichtberücksichtigung der Charakteristika des Grundgeschäfts in besonderen Fällen als wider Treu und Glauben erweisen können (überspitzter Formalismus).94 Dies ist unseres Erachtens im Grundsatz richtig, sollte im Einzelfall aber nur mit Zurückhaltung angenommen werden.95 Auch das Bundesgericht lässt den Einwand des Rechtsmissbrauchs nur bei ausgesprochen schwerwiegenden Umständen zu: So kann die Akkreditiv- oder Korrespondenzbank die Zahlung verweigern, wenn sie zum Zeitpunkt der Vorlage der Dokumente beweisen kann, dass die Akkreditivbegünstigte weder einen gegenwärtigen noch einen zukünftigen Anspruch gegenüber dem Akkreditivsteller hat, oder sie kann die Leistung zurückfordern, wenn sie diese aufgrund betrügerischer Machenschaften (namentlich gefälschter Dokumente) erbracht hat.96 Die Angewiesene (Korrespondenz- oder Akkreditivbank) kann die Akkreditivsumme vom Anweisenden (Akkreditivbank oder Akkreditivsteller) jedoch nicht einfordern, wenn sie vorzeitig an die Begünstigte leistet und bis zur Fälligkeit betrügerische Machenschaften bekannt werden, sodass ihr Verhalten für den Schaden (mit-)ursächlich ist.97 Umgekehrt ist es rechtsmissbräuchlich, wenn sich die Akkreditivbank auf das Fehlen eines Dokuments beruft, von dem sie weiss, dass dessen Zweck erfüllt ist.98 Auch diesfalls hat sie zu zahlen.

92 BGE 4C.149/2005 E. 2.2; 115 II 67 E. 2a; Dohm, SJK 314, D.II.; BSK OR-Koller, Anh. Art. 466–471 N 17. 93 Ausführlich Bernhardt, 170 ff.; BSK OR-Koller, Anh. Art. 466–471 N 18 m.w.H. 94 BGE 115 II 67 E. 2b. 95 Kritisch Dohm, SJK 314, D.II. 2. 96 BGE 131 III 222 E. 4.2 = Pra 2005 Nr. 118; s. auch BGE 100 II 145 E. 4b; Berger, Schuldrecht, N 2253; Bühler, SZW 2006, 46. 97 BGE 130 III 462 E. 7 = Pra 2005 Nr. 19. 98 BGE 115 II 67 E. 2e.

380

§ 13 Haft- und Reugeld, Konventionalstrafe und Wandelpön (Art. 158–163 OR) Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N 1786 ff.; Bucher, OR AT, 515 ff.; Engel, CO PG, 860 ff.; Furrer/ Müller-Chen, Kap. 20 N 70 ff.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3781 ff.; Guhl/Schnyder, §  56; Koller,  OR AT, N  80.01  ff., N  81.01  ff. und N  82.01  ff.; Schwenzer,  OR AT, N 71.01 ff.; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1365 ff.; von Tuhr/Escher, 277 ff.

Weiterführende Literatur Bentele Roland, Die Konventionalstrafe nach Art.  160–163  OR, Diss. Freiburg 1994; Buz Vedat, Konventionalstrafe wegen nicht richtiger Erfüllung, AJP 2017,  490–504; Bühler Theodor, Haft- und Reugeld sowie Konventionalstrafe im alten und im geltenden Obligationenrecht, in: FS Hundert Jahre Schweizerisches Obligationenrecht, Freiburg 1982, 143– 178; Catelli Cinzia/Lütolf Christian, Verfall der Konventionalstrafe bei Verletzung eines Aktionärbindungsvertrags, ius.focus 2011 Nr.  10, 247; Fargnoli Iole, Rechtsverlust als Inhalt der Konventionalstrafe, Jusletter 14.  September 2009; Fischer Thomas, Vertragliche Pauschalierung von Schadenersatz, Diss. Zürich 1998; Gysi Markus, Break Fee-Vereinbarungen bei Unternehmensübernahmen, Jusletter 29. Oktober 2007; Huguenin Claire/ Hilty Reto M. (Hrsg.), Schweizer Obligationenrecht 2020, Entwurf für einen neuen allgemeinen Teil, Zürich 2013 (zit.: OR 2020-BearbeiterIn); Huguenin Claire/Hoessly Gianin, Sind Ersatzvereinbarungen mit dem Formzweck von Art. 216 OR vereinbar?, in: Bernasconi Giorgio A./Filippini Rocco (Hrsg.), Giurisprudenza recente del Tribunale federale, Sentenze di principio, cambiamenti di prassi e questioni lasciate aperte, Basel 2017,  41–53; Mabillard Ramon, Rechtsnatur, anwendbare Gesetzesbestimmungen und Zulässigkeit der unechten Konventionalstrafe, AJP 2005,  547–559; Neeracher Christoph, Das arbeitsvertragliche Konkurrenzverbot, Diss. Zürich 2001; Riemer Hans Michael, Konventionalstrafen in Gestalt von Verfall- oder Verwirkungsklauseln, in: FS Hundert Jahre Schweizerisches Obligationenrecht, Freiburg 1982,  443–452; Santoro Dimitri, Die Konventionalstrafe im Arbeitsvertrag, Diss. Zürich 2001; Schaub Florian, Keine übermässige Konventionalstrafe nach Verletzung eines Konkurrenzverbots, ius.focus 2011 Nr. 11, 269–270; Soliva Claudio, Rechtshistorische Anmerkungen zu Art. 158 OR, in: FS Keller, Zürich 1989, 299–310.

381

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

I.

Haft- und Reugeld (Art. 158 OR)

1.

Begriffe und Arten

1240

Als Haftgeld bezeichnet man eine bei Vertragsschluss erbrachte Leistung des Schuldners, welche die Gläubigerin im Fall der Nichterfüllung behalten darf.1

1241

Reugeld ist eine bei Vertragsabschluss erbrachte Leistung des Schuldners, die sowohl dem Schuldner wie auch der Gläubigerin die Möglichkeit eröffnet, gegen Überlassung der entsprechenden Summe ohne Angabe eines Grundes vom Vertrag zurückzutreten (Art. 158 Abs. 1 und Abs. 3 OR).2

1242

Zahlt der Schuldner der Gläubigerin anlässlich des Vertragsschlusses eine Geldsumme (sog. Handgeld), die nicht der Vertragserfüllung dient, ist im Wege der Auslegung zu klären, ob die Parteien ein Haft- oder ein Reugeld vereinbaren wollten bzw. welche Funktion die extra geleistete Summe haben soll.

1243

Haft- und Reugeld verfolgen diametral entgegengesetzte Ziele. Das Haftgeld stärkt, das Reugeld dagegen schwächt die vertragliche Bindung, da es den Parteien die Möglichkeit einräumt, ohne Weiteres gegen Zahlung der vereinbarten Summe vom Vertrag zurückzutreten.3 Der Verallgemeinerungsgehalt dieser Faustregel steht und fällt allerdings mit der Höhe der im Einzelfall vereinbarten Summe.

1244

Beim Haftgeld ist überdies zwischen Drauf- und Angeld zu unterscheiden (Art. 158 Abs.  1  OR; für Reugeld s.  N  1247). Ein als Draufgeld ausgestaltetes Haftgeld verbleibt der Gläubigerin ohne Abzug von ihrem Anspruch (Art. 158 Abs. 2 OR). Es wird nicht auf die Leistungspflicht des Schuldners angerechnet (z.B. das Agio bei der Emission von Wertpapieren).4 Bei ordentlicher Erfüllung des Vertrages behält die Gläubigerin somit das Draufgeld zusätzlich zu ihrem vertraglichen Anspruch. Zudem steht der Gläubigerin im Fall einer Leistungsstörung der Schadenersatzanspruch in vollem Umfang zu, und zwar ungeachtet des bereits geleisteten Draufgelds.5 Ersteres ist von der Anreizstruktur, aber auch von der Logik her schwer nachvollziehbar, da ein Haftgeld für den Nichterfüllungsfall geleistet wird, aber in der Form des Draufgelds bei richtiger Erfüllung der Gläubigerin gehört.6 Es wäre 1 2 3 4 5 6

Das Gesetz definiert den Begriff des Haftgelds nichts. Anders dagegen der OR 2020-Entwurf, der eine allgemeine Umschreibung des Haftgelds im Allgemeinen Teil des OR vorschlägt (s. Art. 216 OR 2020). Anschaulich in diesem Zusammenhang auch der Vorschlag des OR 2020-Entwurfs zur Regelung des Reugelds im Allgemeinen Teil des OR (s. Art. 217 Abs. 1 OR 2020). BSK OR-Ehrat/Widmer, Vor Art. 158–163 N 1; CR CO-Mooser, Intro. art. 158–163 N 8; CHK OR-Roth Pellanda, Art. 158 N 3. Berger, Schuldrecht, N 1817; Schwenzer, OR AT, N 72.01. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3855 f. Zum rechtshistorischen Hintergrund s. Soliva, 300 ff.

382

§ 13

Haft- und Reugeld, Konventionalstrafe und Wandelpön (Art. 158–163 OR)

daher wünschenswert, wenn de lege ferenda die Vermutung gelten würde, dass die bei Vertragsschluss geleistete Zahlung auf die Hauptschuld anzurechnen sei. Mit anderen Worten sollte ein Angeld (s. sogleich N  1245) vermutet werden, wie es bereits heute in der Praxis üblich sein dürfte.7 Das Angeld ist auf die vertraglich vereinbarte Hauptleistung des Schuldners anzu- 1245 rechnen. Wird der Vertrag richtig erfüllt, kommt es einer Anzahlung gleich.8 Wird der Vertrag nicht richtig erfüllt, wird das (bereits geleistete) Angeld vom Schadenersatz abgezogen.

2.

Gemeinsamkeiten und Abgrenzungen

Haftgeld und Konventionalstrafe (Art. 160 ff. OR; s. N 1250 ff.) gleichen sich inso- 1246 fern, als beide Instrumente die Leistungserbringung sichern. Im Gegensatz zur Konventionalstrafe wird das Haftgeld jedoch nicht erst anlässlich der Leistungsstörung, sondern bereits bei Vertragsschluss bezahlt. Die blosse Verpflichtung zur Bezahlung einer Geldsumme kann darum nicht als Haftgeld qualifiziert werden.9 Ebenfalls ähnlich sind Reugeld und Wandelpön. Die im Gesetz als «Strafe» bezeich- 1247 nete Wandelpön erlaubt dem Schuldner den Nachweis, dass ihm gemäss Vertrag «gegen Erlegung der Strafe der Rücktritt freistehen sollte» (Art.  160 Abs.  3  OR). Sowohl das Reugeld wie auch die Wandelpön bezwecken die Erleichterung eines allfälligen Vertragsrücktritts. Die Wandelpön ist im Gegensatz zum Reugeld nicht bereits bei Vertragsabschluss zu leisten, sondern erst anlässlich des Rücktritts (z.B. Stornierungsgebühren im Reisegeschäft). Ferner steht nur beim Reugeld beiden Parteien das Rücktrittsrecht zu.10 Die genannten Regeln lassen sich aber nach dem Willen der Parteien modifizieren, da sie mit Ausnahme von Art. 163 Abs. 3 OR nicht zwingend sind.

3.

Wirkungen

Art. 158 Abs. 1 OR stellt die widerlegbare gesetzliche Vermutung auf, dass es sich 1248 bei der anlässlich des Vertragsschlusses vom Schuldner geleisteten Geldsumme um Haftgeld, also nicht um Reugeld, handelt. Dieses wiederum ist gemäss Art. 158 Abs.  2  OR vermutungsweise als Draufgeld zu betrachten (zur Wirkung eines als Draufgeld [bzw. als Angeld] ausgestalteten Haftgelds s. N 1244 f.). Da die Vermu7

In diesem Sinne auch der Vorschlag des OR 2020-Entwurfs in Art. 216 Abs. 2 OR 2020: «Es wird vermutet, dass die Zahlung auf die Hauptschuld anzurechnen sei»; s. dazu auch OR 2020-Pichonnaz, Art. 216 N 2 und N 4. 8 Berger, Schuldrecht, N 1816; Bucher, OR AT, 516 f. 9 Bühler, 160. 10 Bucher, OR AT, 518; CR CO-Mooser, Intro. art. 158–163 N 5.

383

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

tung zugunsten eines Draufgelds der heutigen Verkehrsauffassung nicht mehr entspricht, ist die Hürde für die Widerlegbarkeit tief anzusetzen.11 1249

Die (nicht vermutete) Leistung eines Reugelds ermöglicht beiden Parteien, ohne Angabe eines (wichtigen) Grundes von einem bereits abgeschlossenen Vertrag zurückzutreten.12 Weitergehende Schadenersatzansprüche sind sodann vermutungsweise ausgeschlossen.13 Tritt keiner der Parteien vom Vertrag zurück, so ist der Betrag auf die Forderung anzurechnen.14 Das entrichtete Reugeld ist demnach grundsätzlich als Angeld aufzufassen. Die Analogie zu Art.  158 Abs.  2  OR ist in Übereinstimmung mit einem Teil der Lehre abzulehnen, weil die Vermutung nicht mehr der heutigen Verkehrsauffassung entspricht.15

II.

Konventionalstrafe und Wandelpön (Art. 160–163 OR)

1.

Begriff

1250

Konventionalstrafe im Sinne von Art.  160  ff.  OR ist ein (suspensiv bedingtes) Leistungsversprechen einer Vertragspartei für den Fall, dass sie die Hauptschuld überhaupt nicht, nicht gehörig oder verspätet erfüllen wird (Art. 160 Abs. 1 und Abs. 2 OR).

1251

Die Konventionalstrafe stellt die Erfüllung der Schuld sicher und befreit die Gläubigerin im vereinbarten Zahlungsumfang (s. Art. 161 Abs. 2 OR) vom Nachweis eines entsprechenden Schadens (s. Art. 161 OR).16 Nebst der Sicherungsfunktion weist die Konventionalstrafe auch Strafcharakter auf, sofern und soweit sie den Schaden übersteigt.17 Je nach ihrer Höhe im Vergleich zum «Wert» der dadurch realisierbaren Alternative setzt sie einen Anreiz für den Vertragsbruch oder schreckt umgekehrt davon ab.

11 12 13 14 15 16 17

384

Berger, Schuldrecht, N  1822; BSK  OR-Ehrat/Widmer, Art.  158 N  5 und N  8; CHK  OR-Roth Pellanda, Art. 158 N 12. BGE 4C.301/2006 E. 6; 84 II 151 E. 2. BSK OR-Ehrat/Widmer, Art. 158 N 13; differenzierend Berger, Schuldrecht, N 1831 f. ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 158 N 5; KuKo OR-Pietruszak, Art. 158 N 15; von Tuhr/Escher, 288. Gl.M. ZK  OR-Oser/Schönenberger, Art.  158  OR N  5; KuKo  OR-Pietruszak, Art.  158 N  15; a.M. Bucher, OR AT, 517; BSK OR-Ehrat/Widmer, Art. 158 N 11; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3864; CHK OR-Roth Pellanda, Art. 158 N 18. BGE 122 III 420 E. 2; Bühler, 165; Furrer/Müller-Chen, Kap. 20 N 73. BGE 135 III 433 E. 3.1; 4C.241/2005 E. 3.2; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3814; CHK OR-Roth Pellanda, Art. 160 N 5.

§ 13

Haft- und Reugeld, Konventionalstrafe und Wandelpön (Art. 158–163 OR)

Unerheblich ist, ob die gesicherte Hauptschuld auf einem Vertrag oder auf anderen 1252 Rechtsgründen beruht.18 Die Verknüpfung einer Obligation mit einer Konventionalstrafe eignet sich besonders für jene Fälle, in welchen der pflichtwidrig entstandene Schaden nur mit Mühe beziffert werden kann. So werden in der Praxis häufig Unterlassungspflichten wie etwa Konkurrenzverbote mit einer Konventionalstrafe versehen (s. Art. 340b Abs. 2 und Abs. 3 OR).19 Umstritten ist, ob lediglich Leistungspflichten (z.B. Zahlung einer Geldsumme) 1253 oder auch eine Übernahme von Rechtsnachteilen (etwa die Verwirkung von Rechten) Gegenstand der Konventionalstrafe bilden können. Gemäss der älteren Rechtsprechung des Bundesgerichts und einem Teil der Lehre fällt die Übernahme von Rechtsnachteilen nicht unter die Bestimmungen von Art.  160  ff.  OR, da das Versprechen einer positiven Leistung begriffswesentlich für eine Konventionalstrafe ist.20 Von Bedeutung ist die Frage insbesondere wegen der zwingenden Bestimmung von Art. 163 Abs. 3 OR, welche eine Reduzierbarkeit übermässig hoher Strafen vorsieht (s. N 1275 f.).21 Teleologisch betrachtet spricht gerade diese Regelung für eine Gleichbehandlung beider Situationen: Die Übernahme eines Rechtsnachteils kann gleich wie eine Leistungspflicht übermässig sein. Es ist nicht einzusehen, weshalb ein Schuldner nur im letzten Fall vor Unverhältnismässigkeit geschützt werden soll. Bei Übernahme von Rechtsnachteilen kann mit anderen Worten für die Herabsetzung auf das vernünftige Mass Art.  163 Abs.  3  OR analog angewendet werden. Das Bundesgericht ist nunmehr in BGE 135 III 433 dieser Argumentation gefolgt und hat einen vertraglich vereinbarten Forderungsverlust (Verlust von 50% des Kaufpreises) bei nicht getreuem und vertragsgemässem Parteiverhalten als Konventionalstrafe gewertet.22 Die Konventionalstrafe ist ein akzessorisches Nebenrecht zum Recht auf die Haupt- 1254 leistung. Sie setzt somit den gültigen Bestand der zu sichernden Obligation voraus (s. Art. 163 Abs. 2 OR). Ist die Hauptleistung formbedürftig, so ist im Einzelfall zu prüfen, ob auch die Konventionalstrafe demselben Formerfordernis unterliegt. Gemäss Bundesgericht sind Vereinbarungen über Konventionalstrafen auch bei einem formbedürftigen Hauptgeschäft formlos gültig, wenn sie bloss auf das negative Interesse abzielen, also nicht den Zweck haben, die Erfüllung der Hauptpflicht

18 Z.B. für statutarische Verpflichtungen s. BGE 80 II 123 E. 3b. 19 BGE 4A_107/2011 E. 3.1; Guhl/Schnyder, § 56 N 1 ff.; CR CO-Mooser, Art. 160 N 3 mit weiteren Beispielen. Ausführlich zur Sicherung von arbeitsvertraglichen Konkurrenzverboten durch Konventionalstrafen Neeracher, 105 ff.; Santoro, 55 ff. 20 BGE 80 II 123 E. 3b; Bucher, OR AT, 522 f.; von Tuhr/Escher, 279; a.M. BSK OR-Ehrat/Widmer, Art. 160 N 10; Fischer, 56 FN 177; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3790; CR CO-Mooser, Art. 160 N 4; Riemer, 450 ff. 21 Bucher, OR AT, 523. 22 BGE 135 III 433 E. 3; eingehend Fargnoli, Jusletter 14. September 2009, N 1 ff.

385

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

und damit das positive Interesse (Vertragserfüllung) abzusichern.23 Geht die Hauptschuld nachträglich (beispielsweise infolge Verrechnung) unter, erlischt auch die Konventionalstrafe, falls sie zu diesem Zeitpunkt nicht bereits verfallen ist. Bei Fälligkeit der Konventionalstrafe muss die Hauptschuld daher bestanden haben und gültig gewesen sein. Bei Abtretung der Hauptforderung geht die Konventionalstrafe aufgrund ihrer akzessorischen Natur und fehlenden Personengebundenheit vermutungsweise auf die Zessionarin über.24 Ist die Konventionalstrafe fällig, so kann die entsprechende Forderung grundsätzlich selbständig abgetreten werden.25

2. 1255

Im Hinblick auf das Verhältnis der Konventionalstrafe zum Erfüllungsanspruch ist die alternative (s. N 1263) von der kumulativen (s. N 1269 f.) und der exklusiven Konventionalstrafe (s. N 1273) abzugrenzen. Während die Gläubigerin bei der alternativen Konventionalstrafe nur berechtigt ist, entweder Erfüllung der Hauptleistung oder Leistung der Konventionalstrafe zu fordern, kann sie bei der kumulativen Konventionalstrafe beides geltend machen. Die exklusive Konventionalstrafe (Wandelpön) ermächtigt den Schuldner sodann, gegen Bezahlung der Konventionalstrafe vom Vertrag zurückzutreten.

3. 1256

Arten

Abgrenzungen

Von der Konventionalstrafe ist die Schadenspauschale (z.B. wenn Telekommunikationsunternehmen in ihren AGB bei vorzeitiger Vertragsauflösung Bearbeitungsgebühren in einer bestimmten Höhe verlangen) zu unterscheiden. Während bei der Konventionalstrafe der Anspruch auf das Strafgeld unmittelbar aus einer Verletzung der Hauptpflicht entsteht26, setzt der Anspruch auf die Schadenspauschale einen Schaden voraus.27 Auf diese Weise wird der Gläubigerin der Nachweis eines Schadens und seines Umfangs erleichtert. Ist die pauschalierte Summe im Vergleich zum eingetretenen Schaden unverhältnismässig hoch, kann sie auf Begehren des Schuldners in Analogie zu Art. 163 Abs. 3 OR (s. N 1275) reduziert werden.28 Übersteigt umgekehrt der tatsächliche Schaden die Schadenspauschale, hat die Gläubigerin 23

24 25 26 27 28

386

BGE 140 III 200 E. 5.3 = Pra 2014 Nr. 102; 4A_281/2014 E. 3.2 m.w.H.; s. dazu auch Huguenin/Hoessly, 48  ff. Nach BGE 4A_573/2016 E.  6 bleibt ein allfälliger Formmangel allerdings unbeachtlich, wenn die Berufung auf Formungültigkeit gegen Treu und Glauben verstösst und damit einen offenbaren Rechtsmissbrauch im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ZGB darstellt. Die Konventionalstrafe sei diesfalls dennoch durchsetzbar. Berger, Schuldrecht, N 1794; CHK OR-Roth Pellanda, Art. 160 N 10; von Tuhr/Escher, 278 f. BSK OR-Ehrat/Widmer, Art. 160 N 5. BGE 4A_65/2011 E. 3.3.1; eingehend Catelli/Lütolf, ius.focus 2011 Nr. 10, 247. Berger, Schuldrecht, N 1802; Fischer, 161 f. A.M. Fischer, 163 f.

§ 13

Haft- und Reugeld, Konventionalstrafe und Wandelpön (Art. 158–163 OR)

keinen Anspruch auf den Mehrbetrag, da die vereinbarte Summe regelmässig eine Haftungsbeschränkung darstellt.29 Das Leistungsversprechen einer Vertragspartei für den Fall, dass sie eine bestimmte 1257 Leistung nicht erbringt, zu welcher sie rechtlich gar nicht verpflichtet ist, wird als unechte Konventionalstrafe bezeichnet.30 Ziel einer solchen Strafe ist es, ein bestimmtes, an sich weder ge- noch verbotenes Verhalten sicherzustellen. Sie ist zulässig, sofern ihr kein zwingendes Recht entgegensteht (zur Widerrechtlichkeit s.  N  396  ff.). Beispiel: Die Vereinbarung zwischen der Klientin und dem Anwalt, dass Erstere nur gegen Leistung einer Strafzahlung ihr Widerrufsrecht nach Art. 404 Abs. 1 OR geltend machen kann, ist unzulässig, weil das jederzeitige Widerrufsrecht in typischen Auftragsverhältnissen zwingender Natur ist (s.  N  3307  ff.) und dessen Ausübung daher nicht erschwert werden darf.31 Gleiches würde gelten, wenn im Arbeitsrecht für die Kündigung aus wichtigem Grund (Art. 337 OR) vereinbart würde, dass der Arbeitnehmer eine Strafzahlung erbringen muss, um sein Kündigungsrecht geltend zu machen. Eine zulässige unechte Konventionalstrafe liegt hingegen bei einer sog. break up fee-Vereinbarung bei Unternehmensübernahmen vor. Dabei verpflichtet sich die eine Partei zu einer Leistung für den Fall, dass die geplante Übernahme scheitert.32 Die unechte Konventionalstrafe kann bei Übermässigkeit in analoger Anwendung von Art. 163 Abs. 3 OR (s. N 1275) herabgesetzt werden. Zur Abgrenzung der Konventionalstrafe von Haft- und Reugeld s. N 1246 f.

4.

1258

Voraussetzungen

Die Konventionalstrafe kann geltend gemacht werden, wenn zwei Voraussetzungen 1259 kumulativ erfüllt sind: • Eintritt der Bedingung (s. N 1261); • Verschulden (s. N 1262). Ein Schaden der Gläubigerin wird dagegen gerade nicht vorausgesetzt (Art.  161 1260 Abs. 1 OR).

29 Bucher, OR AT, 525; zu den Abgrenzungsschwierigkeiten s. Fischer, 163 f. 30 Bentele, 13 f.; BSK OR-Ehrat/Widmer, Art. 160 N 3; ausführlich Mabillard, AJP 2005, 547 ff. 31 BGE 110 II 380 E. 3a; 104 II 108 E. 4. Für atypische Aufträge s. BGE 109 II 462 E. 4b; bestätigt in BGE 4A_141/2011 E. 2.4, wonach die Vereinbarung einer Konventionalstrafe beim Widerruf zur Unzeit nach Art. 404 Abs. 2 OR hingegen zulässig ist. 32 Gysi, Jusletter 29. Oktober 2007, N 26 und N 30 f.

387

1. Kapitel

4.1 1261

1263

Eintritt der Bedingung

Je nach Vereinbarung tritt die Bedingung bei Nicht- und/oder Schlechterfüllung der gesicherten Leistung ein. Eine einzige Pflichtverletzung kann dabei schon genügen, wenn die Parteien dies so wollten.33 Bei Sicherung des Erfüllungszeitpunkts ist kontrovers, ob die Konventionalstrafe bereits bei Fälligkeit oder erst bei Verzug geschuldet sein soll. Einleuchtend erscheint der Lösungsvorschlag von Ehrat/Widmer, wonach bei Unterlassungspflichten Fälligkeit genügt, bei Leistungspflichten dagegen Verzug vorliegen muss.34 Die Parteien sind frei darin (und es ist ihnen auch zu empfehlen), den Erfüllungszeitpunkt innerhalb der zwingenden Schranken des Rechts selber festzulegen. 4.2

1262

Allgemeine Vertragslehre

Verschulden

Die Gläubigerin kann gemäss Art. 163 Abs. 2 i.V.m. Art. 160 Abs. 1 OR die Konventionalstrafe bei Unmöglichkeit der Leistungserbringung nur verlangen, wenn den Schuldner daran ein Verschulden trifft. Über den Wortlaut dieser Norm hinaus ist ein Verschulden auch bei Verzug und Schlechterfüllung zu fordern. Denn es ist nicht ersichtlich, weshalb ein Schuldner, dessen Leistungserfüllung durch Zufall unmöglich geworden ist, besser zu stellen ist als ein Schuldner, welcher die Spätleistung bzw. die Schlechterfüllung seiner Pflicht nicht verschuldet hat. Das Erfordernis des Verschuldens drückt den pönalen Charakter der Konventionalstrafe aus.35 In analoger Anwendung von Art. 97 Abs. 1 OR hat der Schuldner zu beweisen, dass ihn an der Leistungsstörung kein Verschulden trifft.36 Selbstverständlich bleibt es den Parteien unbenommen, etwas anderes zu vereinbaren.

5.

Wirkungen (Art. 160 Abs. 1 OR)

5.1

Nicht- oder Schlechterfüllung

Mangels anderer Abrede ist die Gläubigerin bei Nicht- oder Schlechterfüllung der Hauptleistung nur berechtigt, entweder Erfüllung des Vertrages oder Leistung der Konventionalstrafe zu verlangen: Art. 160 Abs. 1 OR vermutet Alternativität.37 Es handelt sich um eine alternative Ermächtigung der Gläubigerin, nicht um eine Wahlobligation (s. N 678 ff.). Erfüllt der Schuldner ordentlich, hat die Gläubigerin 33 BGE 4A_160/2012 E. 4 (nicht publiziert in BGE 138 III 746). 34 BSK OR-Ehrat/Widmer, Art. 160 N 15 mit Übersicht über den Meinungsstand; s. ferner CHK OR-Roth Pellanda, Art. 160 N 23. 35 S. Bucher, OR AT, 526 f.; BSK OR-Ehrat/Widmer, Art. 160 N 14. 36 Berger, Schuldrecht, N 1799; CHK OR-Roth Pellanda, Art. 160 N 27 f. 37 BSK OR-Ehrat/Widmer, Art. 160 N 17; Schwenzer, OR AT, N 71.09; differenzierend Buz, AJP 2017, 497 ff.

388

§ 13

Haft- und Reugeld, Konventionalstrafe und Wandelpön (Art. 158–163 OR)

die Leistung anzunehmen. Zu einer Wahl zwischen Erfüllen und Fordern der Konventionalstrafe kommt es nur und erst, wenn der Schuldner nicht (richtig) geleistet hat.38 Wählt die Gläubigerin die Konventionalstrafe, geht ihr Erfüllungsanspruch unter.39 1264 Entscheidet sich die Gläubigerin hingegen für die Erfüllung, kann sie sich bis zur Erbringung der Hauptschuld immer noch anders besinnen und stattdessen die Konventionalstrafe fordern. Bei der Geltendmachung des Erfüllungsanspruchs handelt es sich nicht um eine Wahlerklärung, sondern lediglich um das Einfordern der Hauptleistung (das heisst um die Geltendmachung eines vertraglichen Anspruchs).40 Die Gläubigerin kann also vom Erfüllungsanspruch auf die Konventionalstrafe wechseln, umgekehrt ist ein solcher Wechsel dagegen nicht möglich.41 a.

Geltendmachung der Erfüllung

Besteht die Gläubigerin auf die Erfüllung des Vertrages, stehen ihr die entsprechen- 1265 den Rechtsbehelfe des Allgemeinen Teils und des Besonderen Teils des OR zur Verfügung. In der Folge kann sie sich auch auf einen Schadenersatzanspruch aus Art. 97 Abs. 1 OR berufen. Dabei ist der Schadenersatz, sofern nichts anderes vereinbart wurde, nicht auf den Betrag des Strafgelds begrenzt.42 Die Rechtslage präsentiert sich grundsätzlich so, wie wenn kein Strafgeld vereinbart worden wäre. b.

Geltendmachung der Konventionalstrafe

Die Gläubigerin kann auch auf die Erfüllung des Vertrages verzichten und stattdes- 1266 sen die Konventionalstrafe fordern. Das Strafgeld ist selbst dann geschuldet, wenn die Gläubigerin keinen Schaden erlitten hat (Art. 161 Abs. 1 OR). Tritt ein Schaden ein, kann die Gläubigerin gemäss Art. 161 Abs. 2 OR zusätzlich zur 1267 Konventionalstrafe den Ersatz eines allfälligen Mehrbetrags fordern: Der Betrag der Konventionalstrafe wird an die Schadenersatzforderung angerechnet. Abweichend von der in Art. 97 Abs. 1 OR statuierten Beweislastverteilung kann die Gläubigerin den Mehrbetrag jedoch nur insoweit einfordern, als sie ein Verschulden des Pflichtigen nachweisen kann (Art. 161 Abs. 2 OR). Die aus dieser Beweislastverteilung resultierende Schwächung der Position der Gläubigerin bei der Geltendmachung des Mehrbetrages wird in der Lehre zum Teil kritisiert.43 Insbesondere in Fällen, in 38 CR CO-Mooser, Art. 160 N 10; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1373. 39 S. BGE 63 II 84, in welchem festgehalten wird, dass der Schuldner mit der Wahl der Gläubigerin zur Zahlung des Strafgelds vom Konkurrenzverbot befreit wird, selbst wenn er die Summe noch nicht geleistet hat. 40 Bucher, OR AT, 528; BSK OR-Ehrat/Widmer, Art. 160 N 18; anders BGE 63 II 84, worin von Wahlerklärung die Rede ist. 41 BSK OR-Ehrat/Widmer, Art. 160 N 18. 42 Bucher, OR AT, 528; CR CO-Mooser, Art. 160 N 12. 43 Bucher, OR AT, 530 mit FN 41; BSK OR-Ehrat/Widmer, Art. 161 N 5.

389

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

welchen der erlittene Schaden den Betrag der Konventionalstrafe erheblich übersteigt, bewirkt diese Regelung mit Bezug auf die Sicherungsfunktion der Konventionalstrafe den gegenteiligen Effekt. Art. 161 Abs. 2 OR ist jedoch dispositiv. Die Parteien können eine Umkehr der Beweislast vereinbaren und/oder die Anrechnung der Konventionalstrafe an die Schadenersatzforderung ausschliessen. Auslegungstechnisch könnte in einer verhältnismässig geringfügigen Konventionalstrafe die konkludente Vereinbarung einer Kumulation von Konventionalstrafe und Schadenersatz erblickt werden (s. sogleich N 1269).44 1268

Bei Schlechterfüllung muss die Gläubigerin entweder die bereits erhaltene Leistung zurückgeben oder sich deren Wert auf die Strafe anrechnen lassen.45 c.

Vereinbarung einer kumulativen Konventionalstrafe

1269

Die Bestimmungen von Art. 160 ff. OR sind mit Ausnahme von Art. 163 Abs. 3 OR grundsätzlich dispositiver Natur. Die Parteien können demnach vereinbaren, dass die Konventionalstrafe in Abweichung der vermuteten Alternativität kumulativ neben den Erfüllungsanspruch treten soll. Da eine solche Abrede auch konkludent geschlossen werden kann, sind bei der Auslegung vor allem die Interessenlage und der Strafzweck zu berücksichtigen.46 So kann beispielsweise aus einem (im Vergleich zum Erfüllungsinteresse) sehr tiefen Strafgeld auf Kumulation geschlossen werden.47 Die Gläubigerin darf in diesem Fall sowohl die Konventionalstrafe als auch die Erfüllung fordern.

1270

Die Parteien können dabei entgegen der Regel von Art. 161 Abs. 2 OR übereinkommen, dass der Schuldner zusätzlich zur Konventionalstrafe Schadenersatz in vollem Umfang zu leisten habe.48 5.2

1271

Nichteinhaltung der Erfüllungszeit oder des Erfüllungsorts (Art. 160 Abs. 2 OR)

Wird die Pflicht zur Erbringung einer Konventionalstrafe durch Erfüllung zur falschen Zeit oder am falschen Ort ausgelöst, kann das Strafgeld zusätzlich zur Erfüllung gefordert werden. Das Gesetz vermutet für diese zwei Fälle, dass die Parteien eine Kumulation von Konventionalstrafe und Erfüllungsanspruch vereinbart haben (Art.  160 Abs.  2  OR; kumulative Konventionalstrafe). Verzichtet die Gläubigerin 44 45

Bucher, OR AT, 530 f. mit FN 42. S. BGE 122 III 420 E. 2c, wonach es zulässig sein soll, statt Ersatz des Mangelfolgeschadens die Konventionalstrafe zu fordern und von diesem Betrag den um den Minderwert der Sache reduzierten Preis abzuziehen. 46 Bucher, OR AT, 529; CHK OR-Roth Pellanda, Art. 160 N 41. 47 BGE 122 III 420 E. 2b. 48 Bentele, 98; Bucher, OR AT, 530 f.

390

§ 13

Haft- und Reugeld, Konventionalstrafe und Wandelpön (Art. 158–163 OR)

dagegen ausdrücklich auf das Strafgeld oder nimmt sie die zeitlich oder örtlich falsche Hauptleistung vorbehaltlos an, geht ihr Anspruch auf die Konventionalstrafe unter (s. Art. 160 Abs. 2 OR).49 Der Gläubigerin verbleiben gleichwohl noch die Schadenersatzansprüche aus Art. 97 Abs. 1 oder Art. 102 ff. OR. Möchte die Gläubigerin nebst der Konventionalstrafe auch Schadenersatz gel- 1272 tend machen, gilt wiederum die Vermutung der Anrechenbarkeit von Art.  161 Abs. 2 OR.50 Erleidet die Gläubigerin einen höheren Schaden, als durch den Betrag der Konventionalstrafe abgedeckt ist, kann sie mangels anderer Abrede nur Ersatz des Mehrbetrags verlangen. Dabei muss sie für den Mehrbetrag ein Verschulden des Pflichtigen nachweisen (s. N 1267).

6.

Exklusive Konventionalstrafe (Art. 160 Abs. 3 OR)

Ist eine exklusive Konventionalstrafe (Wandelpön) vereinbart, kann der Schuld- 1273 ner gegen Bezahlung der vereinbarten Summe vom Vertrag zurücktreten (Art. 160 Abs. 3 OR). Ein Schadenersatzanspruch der Gläubigerin ist vermutungsweise ausgeschlossen.51 Der Wandelpön kommt somit die gleiche Funktion wie dem Reugeld zu (zur Abgrenzung s. N 1247). Sie dient nicht der Stärkung, sondern der Schwächung der vertraglichen Bindung (deshalb ist auch umstritten, ob es sich bei der Wandelpön überhaupt um eine Konventionalstrafe handelt).52 Verabreden die Parteien eine Konventionalstrafe, so muss der Schuldner beweisen, dass es sich hierbei um eine Wandelpön handelt (Art. 160 Abs. 3 OR; s. Art. 340b Abs. 2 OR als Fall einer gesetzlich vermuteten Wandelpön).53

7.

Ungültigkeit und Herabsetzung der Konventionalstrafe

Gemäss Art. 163 Abs. 2 OR sind Konventionalstrafen, die eine widerrechtliche oder 1274 unsittliche Hauptverpflichtung sichern, ungültig. Diese Regel ergibt sich aus der akzessorischen Natur der Konventionalstrafe. Danach setzt die Konventionalstrafe den gültigen Bestand einer Hauptforderung voraus (s. N 1254).54

49 50 51 52

BGE 4C.267/2001 E. 3; 97 II 350 E. 2a. Bentele, 95; Bucher, OR AT, 528. Schwenzer, OR AT, N 71.13. Ablehnend: Gauch/Schluep/Emmenegger, N  3810; CR  CO-Mooser, Intro. art.  158–163 N  7; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1376; a.M. wohl Guhl/Schnyder, § 56 N 4. 53 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3812; CR CO-Mooser, Art. 160 N 15. 54 BSK OR-Ehrat/Widmer, Art. 163 N 4 ff.; CR CO-Mooser, Art. 163 N 4.

391

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

1275

Das Gericht hat gemäss Art. 163 Abs. 3 OR auf Begehren der beschwerten Partei übermässig hohe Strafen nach seinem Ermessen herabzusetzen.55 Da die Parteien die Konventionalstrafe in beliebiger Höhe (Art. 163 Abs. 1 OR) festlegen können (Vertragsfreiheit) und alsdann wegen des Grundsatzes der Vertragstreue grundsätzlich daran gebunden sind, soll die Richterin nur zurückhaltend eingreifen.56 So erachtet das Bundesgericht eine Herabsetzung insbesondere in den Fällen für gerechtfertigt, in welchen zwischen dem vereinbarten Betrag und dem Interesse der Gläubigerin an der vollständigen Leistung ein «krasses Missverhältnis» besteht.57 Dabei sind die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die Art und Dauer des Vertrages, die Schwere des Verschuldens und der Vertragsverletzung, das Interesse der Gläubigerin und die wirtschaftliche Lage der Parteien, vor allem jene des Verpflichteten, zu beachten.58 Insbesondere sollte eine allfällige Reduktion der Konventionalstrafe nicht dazu führen, dass die Gläubigerin weniger erhält, als ihr nach den allgemeinen Rechtsbehelfen des Allgemeinen Teils und des Besonderen Teils des OR zustehen würde.59

1276

Erst im Zeitpunkt der Verletzung der gesicherten Hauptforderung kann im Übrigen beurteilt werden, ob eine Konventionalstrafe übermässig hoch ist. Die vorgängige Überprüfung durch eine Feststellungsklage ist deswegen ausgeschlossen.60 Hat der Schuldner die Konventionalstrafe bereits bezahlt, darf er sich unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass ihm die Umstände, die ihn zur Herabsetzung berechtigen, nicht bekannt waren, auf die Übermässigkeit der Strafe gemäss Art. 163 Abs. 3 OR berufen.61

55

56 57 58 59 60 61

392

In BGE 138 III 746 E. 6.1 hielt das Bundesgericht fest, dass durch die richterliche Herabsetzung einer Konventionalstrafe nicht gestaltend in den Vertrag der Parteien eingegriffen werde. Entgegen der herrschenden Lehre qualifizierte das Bundesgericht die Herabsetzung einer Konventionalstrafe als Feststellungs- und nicht als Gestaltungsurteil. Verzugszinsen von 5% (s. Art. 104 Abs. 1 OR) sind daher bereits ab Fälligkeit der Forderung geschuldet und nicht erst ab dem Zeitpunkt, in dem ein Richter die Strafe herabsetzt. BGE 4A_160/2012 E. 1.2 (nicht publiziert in BGE 138 III 746); 4A_107/2011 E. 3.1; 114 II 264 E. 1a; 103 II 129 E. 4. Eingehend Schaub, ius.focus 2011 Nr. 11, 269 f. BGE 143 III 1 E. 5.3.3 = Pra 2018 Nr. 27; 4A_653/2016 E. 5.1; 4A_5/2015 E. 3.1. S. ferner BGE 4A_174/2011 E.  6.1, in welchem das Bundesgericht in Anbetracht einer nicht schweren Vertragsverletzung und eines nicht mehr grossen Interesses der Gläubigerin die Konventionalstrafe auf zwei Drittel herabsetzte. BGE 4A_5/2015 E. 3.1; 4A_160/2012 E. 1.2 (nicht publiziert in BGE 138 III 746); 133 III 201 E. 5.2 = Pra 2007 Nr. 126; 133 III 43 E. 3.3; 103 II 108 m.w.H.; weitere Beurteilungskriterien bei CHK OR-Roth Pellanda, Art. 163 N 16 ff.; BSK OR-Ehrat/Widmer, Art. 163 N 16 f. CR CO-Mooser, Art. 163 N 9. BGE 133 III 43 E. 3.3.1; 69 II 76 E. 1. BGE 133 III 43 E. 3.6; noch offengelassen in BGE 88 II 511 E. 3a; s. BSK OR-Ehrat/Widmer, Art. 163 N 12.

§ 14 Bedingungen (Art. 151–157 OR) Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N 788 ff.; Bucher, OR AT, 505 ff.; Engel, CO PG, 846 ff.; Furrer/ Müller-Chen, Kap. 2 N 31 ff.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3947 ff.; Guhl/Koller, § 9; Koller, OR AT, N 77.01 ff. N 78.01 ff. und N 79.01 ff.; Kramer/Probst, OR AT, N 530 ff.; Schwenzer, OR AT, N 11.01 ff.; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 895 ff.; von Tuhr/Escher, 254 ff.

Weiterführende Literatur Gutmans Alexander, Die Regel der «Erfüllungs- bzw. Nichterfüllungsfiktion» im Recht der Bedingung (Art. 156 OR), Diss. Basel 1994; Huguenin Claire/Hilty Reto M. (Hrsg.), Schweizer Obligationenrecht 2020, Entwurf für einen neuen allgemeinen Teil, Zürich 2013 (zit.:  OR 2020-BearbeiterIn); Lauko Robert, Art.  152 Abs.  3  OR und die aufschiebend bedingte Abtretung – Zugleich ein Beitrag zu Begriff und Wirkungsweise von Verfügungen, Diss. Zürich 2012; Peter Hansjörg, Das bedingte Geschäft, Seine Pendenz im römischen und im schweizerischen Privatrecht, Habil. Zürich 1994; Reetz Peter, Die Anwendbarkeit von Art. 152 Abs. 3 OR im Rahmen der Sicherungszession, recht 2006, 233–246; Rey Heinz, Die Grundlagen des Sachenrechts und das Eigentum, 3. Aufl., Bern 2007 (zit.: Rey, Sachenrecht); Staehelin Daniel, Bedingte Verfügung, Diss. Zürich 1993; Stiefel Gottfried, Über den Begriff der Bedingung im schweizerischen Zivilrecht, Diss. Zürich 1917; Vionnet Guillaume/von der Crone Hans Caspar, Nature de l’action en répétition, Arrêt de la Ière Cour civile du Tribunal fédéral du 28 mars 2003 dans la cause A. contre époux B. (recours en réforme), Arrêt de la Ière Cour d’appel civil du Tribunal cantonal fribourgeois du 3 octobre 2002, SZW 2003, 328–334; Vogt Nedim Peter, Die Zustimmung des Dritten zum Rechtsgeschäft, Einwilligung, Ermächtigung, Genehmigung und Vollmacht im schweizerischen Privatrecht, Diss. Zürich 1982.

I.

Begriff

Eine Bedingung im Sinne von Art. 151 ff. OR liegt vor, wenn die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts nach dem Willen der Parteien von einem Ereignis abhängen soll, dessen Eintritt in der Zukunft liegt und objektiv ungewiss ist.

1277

Mit Bedingungen können nicht bloss Verträge und einzelne Forderungen, sondern 1278 grundsätzlich sämtliche Rechtsgeschäfte verknüpft werden (s. N 1296).1 1 BSK OR-Ehrat/Widmer, Vor Art. 151–157 N 4.

393

1. Kapitel

II.

Allgemeine Vertragslehre

Voraussetzungen

1279 Voraussetzungen für eine Bedingung im Sinne von Art. 151 ff. OR sind kumulativ:

1. Parteiwille

2. objektive Ungewissheit des Ereignisses

3. Zukünftigkeit des Ereigniseintritts

Abbildung: Voraussetzungen einer Bedingung 1280

Erforderlich ist erstens ein entsprechender Parteiwille. Die Parteien können eine Bedingung ausdrücklich oder konkludent (s. N 172 ff.) verabreden. Auch bei einer konkludent geschlossenen Vereinbarung muss der Parteiwille darauf gerichtet sein, das Rechtsgeschäft mit einer Bedingung zu verknüpfen.2

1281

Zweitens muss der Eintritt des entsprechenden Ereignisses ungewiss sein und drittens in der Zukunft liegen:3 Bei Abschluss des Rechtsgeschäfts darf objektiv noch nicht feststehen, ob die «Tatsache» (Art. 151 Abs. 1 OR) wirklich eintreten wird oder nicht. Vergangene und gegenwärtige Ereignisse stellen somit keine Bedingungen im Rechtssinne dar. Bloss subjektive Unwissenheit der Vertragsparteien rechtfertigt die Annahme einer Bedingung ebenfalls nicht.4 Haben die Parteien eine künftige Entwicklung als sicher angenommen, die sich später wider Erwarten nicht verwirklicht, handelt es sich nicht um eine Bedingung. Beispiel: Der Kanton Glarus beschliesst, eine Erschliessungsstrasse zu bauen. A kauft daraufhin von B – beide in der sicheren Annahme handelnd, diese werde gebaut – ein Grundstück in Braunwald. Wenn die Strasse dann doch nicht gebaut wird, kann A sich nicht darauf berufen, der Kaufvertrag sei unter der Bedingung abgeschlossen worden, dass die Strasse gebaut werde (sog. aufschiebende Bedingung; Variante: dass die Strasse nicht gebaut wird, diesfalls sog. auflösende Bedingung; s. zum Ganzen N 1288 ff.). Das Ereignis war zwar objektiv ungewiss und zukünftig, aber die Parteien waren sich sicher, dass die Strasse gebaut wird, weshalb der Parteiwille nicht darauf gerichtet war, das Rechtsgeschäft mit einer Bedingung zu verknüpfen; die Parteien hatten darum auch keinen «bedingenden Regelungswillen» (s. N 520 ff.).5

2 BSK OR-Ehrat/Widmer, Vor Art. 151–157 N 1; Engel, CO PG, 852. 3 KuKo OR-Honsell, Art. 151 N 1. 4 Gutmans, 9; Koller, OR AT, N 77.06 f.; CHK OR-Roth Pellanda, Art. 151 N 21; Stiefel, 61 ff. 5 Bucher, OR AT, 506.

394

§ 14

III.

Abgrenzungen

1.

Zu den «Rechtsbedingungen»

Bedingungen (Art. 151–157 OR)

Von den rechtsgeschäftlichen Bedingungen im Sinne von Art. 151 ff. OR sind die 1282 Rechtsbedingungen zu unterscheiden. Rechtsbedingungen sind zu den Willenserklärungen der Parteien hinzutretende rechtliche Voraussetzungen für die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts (z.B. Genehmigung durch die Behörde).6 Sind diese Voraussetzungen im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts nicht erfüllt, können sie unter Umständen nachgeholt werden (z.B. die fehlende Verfügungsmacht des Verfügenden oder die Zustimmung des Vertretenen bei der vollmachtlosen Stellvertretung; Art. 38 Abs. 1 OR).7

2.

Zu den «Vertragsbedingungen»

Unter Vertragsbedingungen (Konditionen) versteht man einzelne Abreden, die den 1283 Vertragsinhalt bilden und die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien regeln (z.B. individuelle Klauseln oder AGB).8

3.

Zur Befristung

Bei der Befristung wird der Beginn bzw. das Ende eines Rechtsgeschäfts von einem 1284 künftigen Ereignis (Termin) abhängig gemacht. Im Gegensatz zur Bedingung ist bei der Befristung gewiss, dass das künftige Ereignis (Termin) eintreten wird. Der Termin muss nicht unbedingt kalendermässig bestimmt sein, sondern es kann auch auf den Eintritt eines objektiven äusseren Ereignisses abgestellt werden, das gewiss ist.9 So handelt es sich beispielsweise um eine Befristung, wenn Anna dem Beat verspricht, ihm nach dem Tod seines Vaters ihre Golduhr zu schenken. Der Tod des Vaters ist gewiss, nicht jedoch der Zeitpunkt.10

4.

Zu den vorausgesetzten Sachverhalten

Eine Bedingung im Sinne einer Voraussetzung liegt vor, wenn nach dem Willen der 1285 Parteien ein vergangener oder gegenwärtiger Umstand Voraussetzung für die Wirk6 7 8 9 10

Guhl/Koller, § 9 N 6; Schwenzer, OR AT, N 11.01. Gutmans, 16 f.; Staehelin, 67 ff. Bucher, OR AT, 508; CR CO-Pichonnaz, Art. 151 N 9. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 4034 ff.; Gutmans, 18; s. auch CR CO-Pichonnaz, Art. 151 N 5. Mors certa hora incerta est.

395

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

samkeit eines Rechtsgeschäfts ist. Für mindestens eine Partei ist subjektiv ungewiss, ob diese Voraussetzung auch tatsächlich erfüllt ist. Im Unterschied zu den Bedingungen im Sinne von Art. 151 ff. OR ist das Geschäft aber an objektiv gewisse, vergangene oder gegenwärtige Tatsachen gebunden (z.B. können die Parteien einen Kaufvertrag abschliessen unter der Voraussetzung, dass der Schrank auch wirklich aus dem 18. Jahrhundert stammt).11 Stellt sich heraus, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der tatsächliche dem von den Parteien vorausgesetzten Sachverhalt nicht entsprochen hat, liegt in der Regel ein Fall des Grundlagenirrtums vor (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR; s. N 507 ff.).

5. 1286

Zu den Auflagen

Im Gegensatz zu den Bedingungen im Sinne von Art. 151 ff. OR tangieren die Auflagen die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht. Bei den Auflagen wird der Empfänger einer Zuwendung zu einer Leistung verpflichtet, auf deren Erfüllung unter Umständen geklagt werden kann (z.B. eine Schenkung, die mit einer Auflage verbunden ist; s. N 2849 ff.). Es ist aber auch möglich, bei Nichterbringung der Leistung die Zuwendung wegfallen zu lassen (die Nichterfüllung ist dann eine sog. auflösende Bedingung).12 So kann beispielsweise Tante Lisa ihrem Neffen die Verwaltung ihres Vermögens übertragen, und zwar unter der auflösenden Bedingung, dass sich dieser nicht persönlich darum kümmert. Für die Frage, ob eine Auflage oder eine auflösende Bedingung vorliegt, ist der (hypothetische) Parteiwille entscheidend.13

11 12 13

396

Gauch/Schluep/Emmenegger, N 4029 ff.; Gutmans, 17; CR CO-Pichonnaz, Art. 151 N 6. Bucher, OR AT, 509; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 4032. Engel, CO PG, 848 f. m.w.H.; CR CO-Pichonnaz, Art. 151 N 10 ff.

§ 14

IV.

Bedingungen (Art. 151–157 OR)

Arten 1287 Unterscheidungskriterien

nach der Wirkung des Bedingungseintritts

aufschiebende/auflösende Bedingung

nach der Art des bedingenden Ereignisses

potestative/kasuelle oder gemischte Bedingung

positive/negative Bedingung

Abbildung: Arten von Bedingungen

1.

Aufschiebende und auflösende Bedingungen

Eine aufschiebende oder suspensive Bedingung liegt vor, wenn die Wirksamkeit 1288 eines Rechtsgeschäfts vom Eintritt eines ungewissen künftigen Ereignisses abhängen soll (Art. 151 Abs. 1 OR; s. N 1303 ff., N 1313 und N 1316 f.). Eine auflösende oder resolutive Bedingung liegt vor, wenn das Dahinfallen eines 1289 bereits wirksamen Rechtsgeschäfts vom Eintritt eines ungewissen künftigen Ereignisses abhängen soll (Art. 154 Abs. 1 OR; s. N 1311 f., N 1314 f. und N 1318). Ist unklar, ob die Parteien eine aufschiebende oder auflösende Bedingung verein- 1290 bart haben, muss der Inhalt der Bedingung nach dem Vertrauensprinzip eruiert werden. Entsprechend dem Grundsatz in dubio mitius ist im Zweifelsfalle das weniger weit Gehende, also eher eine aufschiebende Bedingung, anzunehmen.14 Ob der Eigentumsvorbehalt (Art.  715 ZGB) zu einem aufschiebend oder auflö- 1291 send bedingten Eigentumsübergang führt, ist in der Lehre umstritten. Beim aufschiebend bedingten Eigentumsübergang geht das Eigentum erst mit vollständiger Bezahlung des Kaufpreises über, wobei beim auflösend bedingten Eigentumsübergang das Eigentum wieder an den Veräusserer übergeht, wenn der Kaufpreis nicht bezahlt wird. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und dem wohl überwiegenden Teil der Lehre führt der Eigentumsvorbehalt zu Recht zu einem aufschiebend bedingten Eigentumsübergang.15 Zu begründen ist diese Auffassung 14 S. BGE 4C.424/2005 E. 2.3.1; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3964; ZK OR-Oser/Schönenberger, Vorb. zu Art. 151–157 N 13; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 908. 15 BGE 58 II 347; 56 II 203, 209 f.; ebenso Rey, Sachenrecht, N 1739 m.w.H.; Schwenzer, OR AT, N 11.05. Nach Guhl/Koller, § 9 N 12, steht dies mit dem Begriff des «Eigentumsvorbehalts» in Einklang; a.M. BSK OR-Ehrat/Widmer, Vor Art. 151–157 N 7 m.w.H.; Staehelin, 60.

397

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

insbesondere mit dem Schutz der vorleistenden Partei (z.B. die Sicherung des vereinbarten Entgelts).16

2.

Potestative, kasuelle und gemischte Bedingungen

1292

Eine potestative oder willkürliche Bedingung (auch sog. Willensbedingung) liegt vor, wenn die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts vom Willen und einer entsprechenden Handlung einer Vertragspartei abhängt (z.B. der Mäklerlohn vom Vertragsabschluss des Auftraggebers mit einem Dritten [Art.  413  OR]; die Leistung, an welche eine Belohnung geknüpft ist [Art. 8 OR]). Hat der Entscheidungsberechtigte nur eine Willenserklärung abzugeben, spricht man von einer sog. Wollensbedingung (z.B. die Genehmigung des Käufers beim Kauf auf Probe; Art. 223 OR).17 Wenn es nicht auf die Persönlichkeit des Berechtigten ankommt, kann auch ein Dritter die für den Bedingungseintritt erforderliche Handlung vornehmen (Art. 68 OR kann analog angewendet werden).18

1293

Kasuelle Bedingungen oder Zufallsbedingungen verknüpfen die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts mit Ereignissen, die von den Parteien nicht beeinflusst werden können, also von ihrem Willen unabhängig sind. Deren Verwirklichung hängt von Handlungen Dritter oder sonstigen Ereignissen ab (z.B. der Eintritt des befürchteten Ereignisses bei der Schadensversicherung oder das Vorversterben des Beschenkten in Art. 247 OR).19

1294

Weiter kann es gemischte Bedingungen geben, die sowohl vom Willen einer Vertragspartei (willkürliches Element) als auch von einem nicht beeinflussbaren Ereignis (zufälliges Element) abhängen.20 So z.B., wenn Anna Beat ihr Aktienpaket unter der Bedingung verkauft, dass der Wert bis Ende des laufenden Jahres noch um mindestens 10% steigt (zufälliges Element) und er es dann kaufen will (willkürliches Element).

3. 1295

Positive und negative Bedingungen

Bei der positiven Bedingung muss sich das ungewisse Ereignis verwirklichen, damit die Bedingung eintritt (das Rechtsgeschäft im Fall einer aufschiebenden Bedingung also wirksam wird bzw. im Fall einer auflösenden Bedingung seine Wirksamkeit verliert; s. N 1313 ff.).21 Bei der negativen Bedingung hingegen darf sich das fragli16 17 18 19 20 21

398

BK OR-Giger, Art. 184 N 97 ff. Bucher, OR AT, 507. Berger, Schuldrecht, N 802; BSK OR-Ehrat/Widmer, Vor Art. 151–157 N 9. Gutmans, 13; von Tuhr/Escher, 257. BGE 135 III 433 E. 3.1. CR CO-Pichonnaz, Art. 151 N 30.

§ 14

Bedingungen (Art. 151–157 OR)

che Ereignis gerade nicht verwirklichen, damit die Bedingung eintritt (wenn z.B. die Bedingung dann eintritt, wenn es an einem bestimmten Tag nicht regnet, sich das ungewisse Ereignis «Regen» also nicht verwirklichen darf).22

V.

Bedingungsfeindliche Rechtsgeschäfte und unzulässige Bedingungen (Art. 157 OR)

1.

Bedingungsfeindliche Rechtsgeschäfte

Grundsätzlich können an sämtliche Rechtsgeschäfte Bedingungen geknüpft wer- 1296 den. Neben Schuldverträgen können auch andere Verträge, Verfügungen (z.B. die bedingte Abtretung) und einseitige Rechtsgeschäfte bedingt sein.23 Das ZGB gestattet auch die bedingte Eigentumsübertragung an Fahrnissachen. Der Eigentumsvorbehalt muss jedoch in ein spezielles Register eingetragen werden (Art. 715 Abs. 1 ZGB). Bedingungsfeindlich sind dagegen diejenigen Rechtsgeschäfte, bei denen der 1297 Schwebezustand mit der Rechtssicherheit, der Moral oder den guten Sitten unvereinbar ist.24 Haben die Parteien ein solches Geschäft trotzdem unter eine Bedingung gestellt, ist entweder lediglich die Bedingung oder das ganze Geschäft nichtig bzw. ungültig. Entsprechend Art. 20 Abs. 2 OR ist massgebend, ob die Parteien das Geschäft auch ohne die unzulässige Bedingung abgeschlossen hätten.25 Bedingungsfeindlich sind zahlreiche im ZGB geregelte Rechtsgeschäfte. So etwa die 1298 Eheschliessung (Art. 101 f. ZGB), die Adoption (Art. 264 ff. ZGB) und die erbrechtliche Ausschlagung (Art. 570 Abs. 2 ZGB).26 Auch Verfügungen über dingliche Rechte an Grundstücken, die einen Grundbuch- 1299 eintrag verlangen, sind prinzipiell bedingungsfeindlich (s. dazu Art. 47 Abs. 1 GBV27 sowie Art. 217 OR). Art. 217 OR erfasst bloss die Suspensivbedingungen; resolutiv bedingte Grundstückkaufverträge sind nach Lehre und Rechtsprechung ausgeschlossen.28 Die Ausübung eines Gestaltungsrechts (z.B. Kündigung, Rücktrittserklärung, Ver- 1300 rechnungserklärung) ist nach herrschender Lehre ebenfalls bedingungsfeindlich. 22 23 24 25 26 27 28

Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3972. KuKo OR-Honsell, Art. 151 N 1. BSK OR-Ehrat/Widmer, Vor Art. 151–157 N 5a. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3977; CR CO-Pichonnaz, Art. 157 N 8 f. KuKo OR-Honsell, Art. 151 N 7. Grundbuchverordnung vom 23. September 2011 (SR 211.432.1). BGE 129 III 264 E. 3.2.1 = Pra 2003 Nr. 176; Bucher, OR AT, 509 f.; BK OR-Giger, Art. 217 N 7; BSK ORHonsell, Art. 217 N 2.

399

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Sofern den Parteien die Unsicherheit der Rechtslage jedoch zugemutet werden kann, ist ein bedingtes Gestaltungsrecht ausnahmsweise zulässig. So beispielsweise, wenn der Eintritt der Bedingung vom Erklärungsempfänger abhängt (sog. Potestativbedingung; s. N 1292).29

2.

Unzulässige Bedingungen (Art. 157 OR)

1301

In Ergänzung zu Art. 19/20 OR erklärt Art. 157 OR an sich zulässige Ansprüche für ungültig, wenn deren Wirksamkeit an widerrechtliche oder unsittliche Bedingungen geknüpft ist. Im Gegensatz zu Art. 157 OR richtet sich Art. 20 OR nur gegen den Inhalt des Rechtsgeschäfts (s. auch Art. 482 Abs. 2 ZGB).30

1302

Anfänglich unmögliche Bedingungen fallen nicht in den Anwendungsbereich von Art. 157 OR. Analog zu Art. 482 Abs. 3 ZGB gilt eine solche Bedingung als nicht vereinbart. Im Fall einer anfänglich unmöglichen aufschiebenden Bedingung wird das Rechtsgeschäft grundsätzlich nie wirksam, bei einer anfänglich unmöglichen auflösenden Bedingung bleibt es demgegenüber wirksam. Wird eine Bedingung nachträglich unmöglich, liegt ein Ausfall der Bedingung vor (s. N 1316 ff.).31

1303

VI.

Wirkungen

1.

Während des Schwebezustands

1.1

Aufschiebende Bedingungen

a.

Allgemeines

Die Parteien werden zwar durch das Rechtsgeschäft von Anfang an gebunden, doch entfaltet das Geschäft erst mit Eintritt der Bedingung weiter gehende Rechtswirkungen (s. Art. 151 Abs. 2 OR). Erst in diesem Zeitpunkt ist die Forderung durchsetzbar. Bis zum Eintritt bzw. Ausfall der Bedingung befindet sich das Rechtsgeschäft in einem Schwebezustand; die bedingt Verpflichtete bleibt volle Rechtsinhaberin. Auch bedingte Verfügungen (soweit überhaupt zulässig) ändern die Rechtslage vor Eintreten der Bedingung nicht.32

29

BGE 123 III 246 E. 3; Bucher, OR AT, 77 f. und 510; BSK OR-Ehrat/Widmer, Vor Art. 151–157 N 5a; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3985; Schwenzer, OR AT, N 11.11. Für die strikte Bedingungsfeindlichkeit vgl. von Tuhr/Escher, 262. 30 BSK OR-Ehrat/Widmer, Art. 157 N 1; Engel, CO PG, 852 f. 31 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3989; CR CO-Pichonnaz, Art. 157 N 4 ff. 32 Engel, CO PG, 857.

400

§ 14

b.

Bedingungen (Art. 151–157 OR)

Grundregel: Verhalten nach Treu und Glauben (Art. 152 Abs. 1 OR)

Während der Schwebezeit besteht eine Anwartschaft. Dabei handelt es sich um 1304 «besondere Rechtslagen, die dadurch entstehen, dass die Tatbestandselemente eines gewährenden Rechtssatzes noch nicht vollständig erfüllt sind»33. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Parteien zu einem Verhalten nach Treu und Glauben verpflichtet. Das Gesetz untersagt der bedingt Verpflichteten Handlungen, welche die gehörige Erfüllung ihrer Verbindlichkeit hindern könnten (Art. 152 Abs. 1 OR). Verletzt die bedingt Verpflichtete diese Norm, wird sie gegenüber dem bedingt Berechtigten schadenersatzpflichtig (Art. 97 ff. OR); beispielsweise bei Veräusserung einer Sache an eine Drittperson, obwohl sie über diese Sache bereits einen bedingten Kaufvertrag abgeschlossen hat.34 c.

Sicherungsmassnahmen (Art. 152 Abs. 2 OR)

Der bedingt Berechtigte kann bei Gefährdung seines Rechts die gleichen Siche- 1305 rungsmassnahmen verlangen, wie wenn seine Forderung unbedingt wäre (Art. 152 Abs. 2 OR). So kann er bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen unter anderem einen Arrest (Art. 271 ff. SchKG35) erwirken oder seine Anwartschaft im Grundbuch nach Art. 960 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB vormerken lassen.36 d.

Unwirksamkeit von Zwischenverfügungen (Art. 152 Abs. 3 OR)

Im Gegensatz zu Art. 152 Abs. 1 OR (s. N 1304) schränkt Art. 152 Abs. 3 OR direkt 1306 die Verfügungsmacht der bedingt Verpflichteten ein: Verfügungen (sog. Zwischenverfügungen), die dem bedingt Berechtigten verunmöglichen, bei Bedingungseintritt sein Recht zu erwerben, sind ungültig, wenn die Bedingung auch wirklich eintritt. Beispiel: A zediert eine Forderung aufschiebend bedingt an B. Zwei Tage spä- 1307 ter zediert A dieselbe Forderung (unbedingt) an C. Ohne die Regel von Art. 152 Abs.  3  OR wäre C damit Inhaber der Forderung geworden, und B könnte einzig Schadenersatz gegenüber A geltend machen (Art.  152 Abs.  1  OR; s.  N  1304). Gestützt auf Art. 152 Abs. 3 OR wird nun aber B mit Eintritt der Bedingung alleiniger Inhaber der Forderung, da das Verfügungsgeschäft zwischen A und C seine Wirksamkeit insoweit verliert, als es den Rechtserwerb des B verhindert.

33 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3995; s. Peter, 379 ff. 34 Ausführlich BSK OR-Ehrat/Widmer, Art. 152 N 2 ff. 35 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SR 281.1). 36 Bucher, OR AT, 511; CR CO-Pichonnaz, Art. 152 N 20 ff.

401

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

1308

Nach einer Mehrheit der Lehre wird Art. 152 Abs. 3 OR nur auf bedingte Verfügungen, nicht aber auf bedingte Verpflichtungsgeschäfte angewendet.37 Schliessen beispielsweise A und B einen aufschiebend bedingten Kaufvertrag ab und veräussert A den Gegenstand zwei Tage später an C, ist C Eigentümer der Sache geworden. B kann einzig Schadenersatz gestützt auf Art. 152 Abs. 1 i.V.m. Art. 97 OR geltend machen.

1309

Die Einschränkung der Verfügungsmacht nach Art.  152 Abs.  3  OR findet hauptsächlich auf schuldrechtliche Verfügungsgeschäfte Anwendung.38 Sachenrechtliche Verfügungen, auch bedingte (soweit überhaupt zulässig), setzen grundsätzlich immer eine Übertragung des Besitzes (traditio) voraus (Art. 714 Abs. 2 ZGB). Befindet sich eine Sache bereits im Besitz des bedingt Berechtigten, kann der Eigentümer die Sache einem Dritten nicht mehr tradieren.39 In den wenigen denkbaren Fällen, in denen eine bedingte sachenrechtliche Verfügung ohne Übertragung des Besitzes möglich ist (Besitzesanweisung), erlangt der Adressat einer unbedingten Zwischenverfügung das Eigentum an der Sache kraft guten Glaubens (Art. 933 ZGB geht Art. 152 Abs. 3 OR vor).

1310

Keine Zwischenverfügung und damit kein Anwendungsfall von Art. 152 Abs. 3 OR liegt vor, wenn der «aufschiebend bedingte Eigentümer» (Kauf unter Eigentumsvorbehalt) die Sache selbst weiterveräussert. Der gutgläubige Dritterwerber wird dann in seinem Recht geschützt (Art. 933 ZGB).

1311

1.2

Auflösende Bedingungen

a.

Allgemeines

Auflösend bedingte Rechtsgeschäfte sind bis zum Eintritt der Bedingung wirksam (s. Art. 154 Abs. 1 OR). Nicht die Entstehung der Rechtswirkungen, sondern ihr Weiterbestand befindet sich in einem Schwebezustand.40 Unsicher («schwebend») ist also nicht, ob die Rechtswirkungen entstehen (so bei den aufschiebenden Bedingungen), sondern ob die schon entstandenen Rechtswirkungen weiter bestehen bleiben. Bis zum Eintritt oder Ausfall der Bedingung hat der Vertrag die gleichen Wirkungen, wie wenn er unbedingt abgeschlossen worden wäre. Fällige Forderungen können geltend gemacht und gerichtlich durchgesetzt werden. Auch auflösend bedingte Verfügungen über eine Sache oder Forderung bewirken, dass der Adres37 KuKo OR-Honsell, Art. 152 N 11; Lauko, 11; CR CO-Pichonnaz, Art. 152 N 33; von Tuhr/Escher, 267. A.M. Reetz, recht 2006, 239 ff.; unklar BK-Becker, Art. 152 N 3; ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 152 N 8. Vogt, 53, spielt mit dem Gedanken, Art. 152 Abs. 3 OR analog auf unbedingte Verpflichtungsgeschäfte anzuwenden. 38 Lauko, 10, stuft eine Ausweitung auf sachenrechtliche Verfügungen als höchst bedenklich ein, da der Eigentümer die Sache ohne Publizität einer dinglichen Verfügungssperre unterwerfen könnte. 39 Bucher, OR AT, 511 f. 40 BSK OR-Ehrat/Widmer, Art. 154 N 5.

402

§ 14

Bedingungen (Art. 151–157 OR)

sat Eigentümer der Sache oder Inhaber der Forderung wird – allerdings nur bis zum Eintritt der Bedingung.41 b.

Analoge Anwendung von Art. 152 Abs. 3 OR

Ein gewichtiger Teil der Lehre will zu Recht Art.  152 Abs.  3  OR bei auflösend 1312 bedingten Verfügungen analog anwenden, da der bedingt Berechtigte während der Schwebezeit nichts unternehmen darf, was die Erfüllung seiner allfälligen Restitutionspflicht verunmöglichen könnte.42 Der Verfügungsadressat wird zwar Eigentümer und damit verfügungsberechtigt, seine Stellung ist aber auflösend bedingt. Während der Schwebezeit vorgenommene Verfügungen über auflösend bedingtes Eigentum zugunsten eines Dritten werden mit Eintritt der Bedingung unwirksam; der ursprüngliche Eigentümer der Sache oder Inhaber einer Forderung ist mit Eintritt der Bedingung wieder allein berechtigt. Hinsichtlich Verfügungen über Sachen ist aber wiederum Art. 933 ZGB zu beachten.

2.

Bei Eintritt der Bedingung

2.1

Aufschiebende Bedingungen

Mit Eintritt der Bedingung endet die Schwebezeit. Ein aufschiebend bedingtes 1313 Rechtsgeschäft erhält ipso iure, unabhängig vom Wissen und Willen der Parteien, volle Wirksamkeit.43 Bei einer bedingten Verfügung erfolgt der Rechtsübergang auf den Erwerber ohne weiteres Hinzutun der Parteien. Grundsätzlich wirkt der Bedingungseintritt ex nunc.44 Die Parteien haben aber die Möglichkeit, eine Rückwirkung des Bedingungseintritts zu vereinbaren (Art. 151 Abs. 2 OR). Art. 153 OR ordnet eine Rückwirkung an, wenn die bedingt versprochene Sache bereits vor Bedingungseintritt übergeben wurde. Der bedingt Berechtigte darf alsdann den während der Schwebezeit bezogenen Nutzen behalten (Art. 153 Abs. 1 OR). 2.2

Auflösende Bedingungen

Mit Eintritt der Bedingung fallen auflösend bedingte Geschäfte auch ohne Wissen 1314 der Parteien dahin (Art.  154 Abs.  1  OR). Auflösend bedingte Forderungen erlöschen. Auflösend bedingte Verfügungen fallen mit der Wirkung dahin, dass die ver41 42 43 44

S. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 4009 ff. So Bucher,  OR AT, 512; Schwenzer,  OR AT, N  12.06; von Tuhr/Escher, 269; kritisch Gauch/ Schluep/Emmenegger, N 4012. Lauko, 33, bejaht eine analoge Anwendung nur bei einer klaren Umgehungsabsicht. Bucher, OR AT, 513. Ebenso Lauko, 166. So auch explizit der Vorschlag des OR 2020-Entwurfs in Art. 210 Abs. 1 OR 2020, wonach das Rechtsgeschäft seine Wirkung ab Bedingungseintritt entfaltet.

403

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

fügende Person ihr Recht (Forderung oder Eigentum) ipso iure wiedererlangt. Eine Rückzession bzw. Übergabe der Sache ist nicht notwendig.45 1315

Wie beim Eintritt der aufschiebenden Bedingung wirkt der Eintritt der auflösenden Bedingung mangels anderer Abrede bei Dauerschuldverhältnissen ex nunc (Art. 154 Abs. 2 OR). Die vor Bedingungseintritt entstandenen Forderungen bleiben bestehen (z.B. sind die aus einem Mietvertrag entstandenen Mietzinsansprüche bis zum Zeitpunkt des Bedingungseintritts geschuldet), bezogene Vorteile müssen nicht zurückvergütet werden. Die Parteien können auch eine Rückwirkung (ex tunc) vereinbaren. Eine solche wird vor allem bei Einmalschuldverhältnissen, beispielsweise beim Kauf unter auflösender Bedingung, angenommen – die erbrachten Leistungen (Kaufgegenstand und Kaufpreis) sind zurückzuerstatten. Anknüpfend an den gültigen Bestand des Vertrages ist die Rückabwicklung nach wohl herrschender Lehre zu Recht vertraglicher Natur46; mit Eintritt der auflösenden Bedingung wird der auflösend bedingte Vertrag in ein vertragliches Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt (s. N 583, N 960 ff. und N 1821).

3.

Bei Ausfall der Bedingung

3.1

Aufschiebende Bedingungen

1316

Ist die Bedingung nach Abschluss des bedingten Rechtsgeschäfts unmöglich geworden, wird dies als Ausfall der Bedingung bezeichnet. Das Rechtsgeschäft wird nicht wirksam. Zwischen den Parteien bestehen in der Regel keine weiteren Verpflichtungen.

1317

Hat die Rechtsinhaberin die Sache bereits vor Bedingungseintritt dem bedingt Berechtigten übergeben (Art.  153  OR), hat Letzterer bei Bedingungsausfall die Sache nebst bezogenem Nutzen zurückzugeben (Art. 153 Abs. 2 OR). Das Bundesgericht und ein Teil der Lehre nehmen Ansprüche der Rechteinhaberin aus Vindikation (Art. 641 Abs. 2 ZGB) oder ungerechtfertigter Bereicherung (Art. 62 ff. OR) an.47 Unseres Erachtens ist die Rückabwicklung auch beim suspensiv bedingten Rechtsgeschäft vertraglicher Natur. Fällt die aufschiebende Bedingung aus, wird das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien in ein vertragliches Rückabwicklungsoder Liquidationsverhältnis umgewandelt. Durch die Umwandlungstheorie soll aber nicht nachträglich ein Vertrag «konstruiert», sondern die Rückerstattung der

45 46 47

404

Von Tuhr/Escher, 276. S. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 4006; CR CO-Pichonnaz, Art. 154 N 20 ff. S. BGE 137 III 243 E. 4.4.5 und E. 4.4.7; 129 III 264 E. 3.2.2 und E. 4.1 = Pra 2003 Nr. 176; BSK OR-Ehrat/ Widmer, Art. 153 N 6; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 903; von Tuhr/Escher, 274; kritisch zu BGE 129 III 264 Vionnet/von der Crone, SZW 2003, 330 ff.

§ 14

Bedingungen (Art. 151–157 OR)

bereits erbrachten Leistungen zusammen mit dem bezogenen Nutzen nach vertragsrechtlichen Grundsätzen ermöglicht werden.48 3.2

Auflösende Bedingungen

Der Ausfall der Bedingung bewirkt das Ende des Schwebezustands; das auflösend 1318 bedingte Rechtsgeschäft wird definitiv wirksam.

VII. Handeln wider Treu und Glauben (Art. 156 OR) Verhindert eine Partei den Eintritt einer Bedingung wider Treu und Glauben, fin- 1319 giert Art. 156 OR, die Bedingung sei eingetreten.49 Gemäss Bundesgericht setzt die Erfüllungsfiktion gemäss Art. 156 OR zweierlei voraus: Zum einen muss ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des bedingt Verpflichteten und dem Ausbleiben der Bedingung bestehen, und zum anderen muss dieses Verhalten gegen Treu und Glauben verstossen.50 In Analogie zu dieser Norm ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung und 1320 herrschender Lehre eine Bedingung als ausgefallen zu betrachten, wenn ihr Eintritt von einer Partei wider Treu und Glauben herbeigeführt wird.51 Umstritten ist, ob die Regel von Art. 156 OR auch auf Willensbedingungen (sog. 1321 Potestativbedingungen; s. N 1292) anwendbar ist. Nach einem Teil der Lehre ist diese Bestimmung nicht auf die Partei anwendbar, die den Eintritt primär beeinflusst.52 Ein anderer Teil der Lehre und die Rechtsprechung wenden jedoch Art.  156  OR auch auf Willensbedingungen an.53 Wer die Macht hat, eine Bedingung eintreten oder ausfallen zu lassen, darf auch nicht treuwidrig handeln.54 Ob sich eine Partei treuwidrig verhält, ist unter Berücksichtigung aller Umstände zu würdigen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Parteien mit der Bedingung eine Unsicherheit eingeführt haben, die sie auf sich nehmen müssen.55 Wer beachtliche Gründe 48 49 50 51 52 53 54 55

So auch der OR 2020-Entwurf, der für die Folgen des Ausfalls einer aufschiebenden Bedingung (gleich wie bei Eintritt einer auflösenden Bedingung) explizit eine Rückabwicklung nach vertraglichen Grundsätzen vorschlägt (Art. 213 Abs. 2 OR 2020); s. dazu auch OR 2020-Pichonnaz, Art. 213 N 9 ff. S. BGE 4A_293/2007 E. 7.1; 4C.38/2007 E. 3.4; 117 II 273 E. 5c; 113 II 31 E. 2b. BGE 4A_449/2013 E. 5.3 m.w.H. BGE 117 II 273 E. 5c; 109 II 20 E. 2a = Pra 1983 Nr. 203; BSK OR-Ehrat/Wdimer, Art. 156 N 2; CHK ORRoth Pellanda, Art. 156 N 2. Berger, Schuldrecht, N  802; Bucher,  OR AT, 513; Gutmans, 113  ff.; CHK  OR-Roth Pellanda, Art. 156 N 3. S. BGE 135 III 295 E. 5.2 = Pra 2009 Nr. 121; 117 II 273 E. 5c; BSK OR-Ehrat/Widmer, Art. 156 N 3; differenzierend Gauch/Schluep/Emmenegger, N 4017. Peter, 234 mit Beispielen. BGE 135 III 295 E. 5.2 = Pra 2009 Nr. 121; 133 III 527 E. 3.3.3 = Pra 2008 Nr. 28; 117 II 273 E. 5c.

405

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

für sein Verhalten hat, verstösst auch nicht gegen Treu und Glauben im Sinne von Art.  156  OR.56 Gemäss Bundesgericht ist keine Absicht der den Bedingungseintritt verhindernden Partei erforderlich.57 Bei den Ausführungen des Bundesgerichts bleibt unklar, ob damit Absicht im technischen Sinn gemeint ist oder ob Vorsatz erforderlich ist. Unseres Erachtens ist auf den Zweck der Norm abzustellen. Es soll vermieden werden, dass eine Partei den Eintritt der Bedingung treuwidrig verhindert oder herbeiführt, weil sie die Vertragsfolgen, je nach Art der Bedingung, nicht (mehr) oder (weiterhin) möchte. Art. 156 OR soll daher angewendet werden, wenn die betreffende Partei ein Interesse daran hat, den Eintritt der Bedingung zu verhindern oder herbeizuführen. Gemäss dem Wortlaut von Art. 156 OR kommt die Bestimmung bei Verhinderung (oder Herbeiführung) des Eintritts der Bedingung durch Dritte nicht zur Anwendung.

56 57

406

S. KGer Appenzell I.Rh., SJZ 1991, 379 ff.; Peter, 235. BGE 117 II 273 E. 5c; 109 II 20 E. 2b = Pra 1983 Nr. 203 m.w.H.

§ 15 Abtretung einer Forderung (Art. 164–174 OR) Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N 2097 ff.; Bucher, OR AT, 535 ff.; Engel, CO PG, 871 ff.; Furrer/ Müller-Chen, Kap. 23 N 1 ff.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3398 ff.; Guhl/Koller, § 34; Koller, OR AT, N 84.01 ff.; Kramer/Probst, OR AT, N 549 ff.; Schwenzer, OR AT, N 90.01 ff.; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1663 ff.; von Tuhr/Escher, 329 ff.

Weiterführende Literatur Bärtschi Harald, Verabsolutierte Abstraktheit oder relativierte Kausalität? – Zur Rechtsnatur der Forderungsabtretung, in: FS von der Crone, Zürich/Basel/Genf 2017, 807–825; Denzler Beat/Auwärter Dorothee, Die Abtretung von Gewährleistungsansprüchen, Jusletter 13. Juni 2005; Hänseler Peter, Die Globalzession, Diss. Zürich 1991; Huguenin Claire/ Hilty Reto M. (Hrsg.), Schweizer Obligationenrecht 2020, Entwurf für einen neuen allgemeinen Teil, Zürich 2013 (zit.: OR 2020-BearbeiterIn); Jäggi Peter, Zur «Rechtsnatur der Zession», SJZ 1971, 6–8; Käser Andreas, Die Abtretung von Gewährleistungsansprüchen bei Kauf- und Werkvertrag, Diss. Zürich 2000; Lauko Robert, Art. 152 Abs. 3 OR und die aufschiebend bedingte Abtretung – Zugleich ein Beitrag zu Begriff und Wirkungsweise von Verfügungen, Diss. Zürich 2012; Reetz Peter, Die Anwendbarkeit von Art. 152 Abs. 3 OR im Rahmen der Sicherungszession, recht 2006, 233–246; Spirig Eugen, Zur Kausalität der Abtretung, SJZ 2000, 7–9; Staehelin Adrian, Zur Abtretung künftiger Forderungen, in: FS Engel, Lausanne 1989, 381–392; Stoll Daniel, Doppel- und Mehrfachzessionen – Spannungsfeld zwischen Banken, SJZ 1993, 389–397; von der Crone Hans Caspar, Zession: Kausal oder abstrakt?, SJZ 1997, 249–260; Wehrli Thomas, Die vertragliche Abtretung von Forderungen, Diss. Bern 1993; Zobl Dieter, Die Globalzession im Lichte der neueren Lehre und Rechtsprechung – eine Standortbestimmung, SJZ 1989, 349–359.

I.

Begriff

Bei der Abtretung (Zession) überträgt die Gläubigerin (Zedentin) eine bestehende oder künftige Forderung mittels Verfügungsvertrag auf einen Dritten (Zessionar). Der Dritte tritt dabei an die Stelle der Gläubigerin. Bezüglich der abgetretenen Forderung findet ein Gläubigerinnenwechsel statt.

407

1322

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

1323 Gläubigerin Zedentin

Abtretungsvertrag

Schuldverhältnis

Dritter Zessionar

Schuldner debitor cessus

Forderung

Abbildung: Abtretung einer Forderung

1324

II.

Abgrenzungen

1.

Zur Stellvertretung (Art. 32 ff. OR)

Ein Dritter kann (durch Vollmacht) ermächtigt werden, in eigenem oder im Namen der vertretenen Person (Art. 32 OR) eine Forderung einzuziehen. Im Unterschied zur Abtretung ist der Dritte nur Vertreter der Gläubigerin und nicht deren Rechtsnachfolger wie bei der Abtretung (s. N 1022 ff.).1

2. 1325

Die Gläubigerin kann mit dem Schuldner auch vereinbaren, dass ein Dritter direkt forderungsberechtigt sein soll (sog. echter Vertrag zugunsten eines Dritten im Sinne von Art. 112 Abs. 2 OR; s. N 1119 ff. und N 1137 ff.). Sofern die Drittbegünstigung nicht widerrufen wird, kann die Gläubigerin alsdann nur noch Leistung an den Dritten verlangen. Im Unterschied zur Abtretung ist der Dritte nicht Vertragspartei, sondern nur (von den Vertragsparteien) Begünstigter.2

3. 1326

Zum echten Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 Abs. 2 OR)

Zur externen Schuldübernahme (Art. 176 ff. OR)

Bei der externen Schuldübernahme nach Art. 176 ff. OR schliesst ein Dritter mit der Gläubigerin einen externen Schuldübernahmevertrag, durch welchen der Dritte an 1 S. auch Girsberger/Hermann, Art. 164 N 1. 2 CHK OR-Reetz/Burri, Art. 164 N 13. S. ferner zur Abgrenzung der Abtretung von der Novation und der Abtretung gemäss Art. 260 SchKG Girsberger/Hermann, Art. 164 N 2 und N 4.

408

§ 15

Abtretung einer Forderung (Art. 164–174 OR)

die Stelle des Schuldners tritt. Dadurch wird der Dritte als neuer Schuldner verpflichtet und der bisherige Schuldner befreit (s. N 1435 ff.). Die externe Schuldübernahme bildet insofern das Gegenstück zur Abtretung, als hier nicht die Gläubigerin, sondern der Schuldner substituiert wird. Im Unterschied zur Abtretung, bei welcher der Übergang der Forderung auf die neue Gläubigerin unabhängig vom Willen des Schuldners erfolgt, setzt der Schuldnerwechsel – aufgrund der vom Gesetzgeber anders gewichteten Interessenlage (s. N 1455) – die Zustimmung der Gläubigerin voraus.

4.

Zur Anweisung (Art. 466 ff. OR)

Der Anweisende ermächtigt den Angewiesenen, an die Anweisungsempfängerin zu 1327 leisten, und die Anweisungsempfängerin, die Leistung vom Angewiesenen zu fordern (Art. 466 OR; s. N 1182 ff.). Die Anweisung ist eine Doppelermächtigung, welche lediglich die Modalitäten der Leistungsabwicklung definiert (s. N 1186). Zudem wird bei der Anweisung die Gläubigerin nicht eingewechselt: Die ursprünglichen Parteien bleiben bestehen.

III.

Abtretung als Verfügungsvertrag

1.

Allgemeines

Die Übertragung einer Forderung von der Zedentin (Gläubigerin) auf den Zes- 1328 sionar (Dritten) erfolgt durch einen Verfügungsvertrag. Dieser führt zu einer direkten Änderung im Bestand der subjektiven Rechte beider Parteien: Die Verfügungsmacht über die Forderung «wandert» dadurch von der Zedentin zum Zessionar.3 Für das Zustandekommen eines Verfügungsvertrages gelten die allgemeinen Regeln 1329 des OR: Erforderlich sind übereinstimmende Willenserklärungen zwischen Zedentin und Zessionar (s. N 245 ff.). Eine Einwilligung oder Genehmigung des Schuldners (debitor cessus) ist dafür grundsätzlich nicht erforderlich (Art. 164 Abs. 1 OR). Dieser ist am Abtretungsvertrag auch nicht als Dritter beteiligt.4 Die genannte Konstruktion zeigt, dass der Gesetzgeber das Interesse an der Mobilisierung der Forderung grundsätzlich höher wertet als das Interesse des Schuldners, eine bestimmte Gläubigerin nicht ohne seine Zustimmung zu verlieren. Dem Verfügungsvertrag liegt in der Regel ein Verpflichtungsgeschäft (sog. pactum 1330 de cedendo) zugrunde. Beim pactum de cedendo handelt es sich um einen Schuldver3 S. Bucher, OR AT, 547. 4 Girsberger/Hermann, Vor Art. 164–174 N 1.

409

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

trag, worin sich die Zedentin gegenüber dem Zessionar verpflichtet, die vereinbarte Forderung abzutreten (in der Praxis häufig ein Kauf-, Schenkungs- oder Leasingvertrag). Der Zessionar kann daraus einen vertraglichen Anspruch auf Abtretung der Forderung ableiten (Art. 97 f. OR).5 1331

pactum de cedendo 1.

Zedentin

2.

Zedentin

Zessionar

Abtretungsvertrag Zessionar

Abbildung: Verpflichtungsgeschäft/Verfügungsvertrag

2.

Abstrakter oder kausaler Charakter des Verfügungsvertrages?

1332

In Lehre und Rechtsprechung ist umstritten, ob die Wirksamkeit des Abtretungsvertrages (Verfügungsgeschäft) vom Bestand des Verpflichtungsgeschäfts (pactum de cedendo) abhängen soll.6

1333

Spricht man der Abtretung abstrakten Charakter zu, so ist das Verfügungsgeschäft in seinem Bestand vom Verpflichtungsgeschäft unabhängig. Dies bedeutet, dass die Verfügung auch dann bestehen bleibt, wenn das pactum de cedendo mit Wirkung ex tunc dahinfällt (z.B. wegen Dissens, Sittenwidrigkeit oder Willensmängeln). Die Zedentin hat in diesem Fall nach herrschender Lehre gestützt auf Art. 62 ff. OR entweder aus Bereicherungsrecht einen Anspruch auf Rückzession oder – falls der Schuldner bereits an den Zessionar geleistet hat – auf Wertersatz.7 Nach der hier vertretenen Ansicht wird das mangelbehaftete Verpflichtungsgeschäft in ein (vertragliches) Liquidationsverhältnis umgewandelt (s. N 583, N 960 ff. und N 1821), weshalb der Zedentin – statt eines nur extrakontraktuellen – ein vertraglicher Anspruch auf Rückzession bzw. Wertersatz zusteht. Hat der Zessionar die Forderung bereits an einen Dritten abgetreten, geht der Anspruch der Zedentin ebenfalls auf Wertersatz, da eine Rückzession wegen nun fehlender Verfügungsmacht nicht mehr möglich ist (s. N 1341 ff.). Der Dritte bleibt aufgrund der Abstraktheit der Abtretung an der Forderung berechtigt.

1334

Soll die Abtretung dagegen kausalen Charakter haben, hängt die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts vom Bestand des pactum de cedendo ab. Ist das Verpflichtungs5 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3411. 6 Ausführlich zum aktuellen Meinungsstand Bärtschi, 807 ff. 7 Bucher, OR AT, 555; Furrer/Müller-Chen, Kap. 23 N 10.

410

§ 15

Abtretung einer Forderung (Art. 164–174 OR)

geschäft ungültig, fällt auch das Verfügungsgeschäft dahin. Die Zedentin bleibt alsdann Inhaberin der Forderung; diese konnte wegen Verknüpfung der Schicksale von Verpflichtung und Verfügung gar nicht übertragen werden. Eine Rückzession ist nicht erforderlich bzw. gar nicht möglich.8 Tritt der vermeintliche Zessionar die Forderung an einen Dritten ab, ist diese Abtretung unwirksam, da er keine Verfügungsmacht über die Forderung hat. Der Dritte kann auch durch gutgläubigen Erwerb nicht Inhaber der Forderung werden, da bei der Abtretung eine solche Möglichkeit fehlt (keine Analogie zu Art. 933 ZGB).9 Das Bundesgericht hatte sich in seiner früheren Rechtsprechung10 zunächst für 1335 Abstraktheit (keine Interdependenz zwischen Verpflichtung und Verfügung) und damit für Dritt- oder Verkehrsschutz ausgesprochen, die Frage jedoch später offengelassen11. Nach einem Teil der Lehre ist mit der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichts 1336 vom abstrakten Charakter der Abtretung auszugehen.12 Begründet wird diese Position unter anderem damit, dass der fehlende Gutglaubensschutz bei der Abtretung durch die Verkehrsfähigkeit ausgeglichen werden soll (insbesondere bei der Kettenzession).13 Da die Losgelöstheit der Verfügung von der Verpflichtung im Vertragsrecht (wohl im Gegensatz zum Sachenrecht) auf dispositivem Recht beruht, besteht immer noch die Möglichkeit, dass die Parteien vertraglich vereinbaren, die Abtretung solle vom Bestand des Verpflichtungsgeschäfts abhängen. Andere Autoren vertreten die kausale Theorie.14 Als Begründung für ihr Dogma 1337 führen sie an, es sei schwer vorstellbar, dass eine Forderung auf eine andere Partei übergehen solle, ohne dass dies gewollt war. Die Konstruktion einer vom Verpflichtungsgeschäft losgelösten Zession dürfe sich sodann auch nicht (statt auf das Gesetz) auf den Parteiwillen stützen.15 Von der Crone schliesslich optiert für eine vermittelnde Lösung und qualifiziert 1338 die Abtretung als begrenzt kausales Rechtsgeschäft. Seiner Meinung nach fällt die Verfügung grundsätzlich wegen Ungültigkeit des pactum de cedendo dahin. Wenn der Zessionar aber im Vertrauen auf die Gültigkeit des Abtretungsvertrages gegenüber der Zedentin erfüllt oder an einen Dritten weiterzediert, sollen die Wirkungen 8 ZK OR-Spirig, Vorb. zu Art. 164–174 N 65 und N 73. 9 S. Bucher, OR AT, 557 und FN 84. 10 BGE 71 II 167 E. 3; 67 II 123 E. 4. 11 Offengelassen in BGE 5A_454/2015 E. 3.3; 4A_248/2015 E. 5.1; 4A_191/2013 E. 4; 95 II 109 E. 2a; 84 II 355 E. 1. 12 Bucher, OR AT, 557 f.; BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 164 N 25; CR CO-Probst, Art. 164 N 6; Schwenzer, OR AT, N 90.08; von Tuhr/Escher, 333. 13 BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 164 N 25. 14 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3521; Jäggi, SJZ 1971, 7; Koller, OR AT, N 84.83; ZK OR-Spirig, Vorb. zu Art. 164–174 N 106 f.; Wehrli, 28 f. 15 Jäggi, SJZ 1971, 7; ZK OR-Spirig, Vorb. zu Art. 164–174 N 106.

411

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

des Verfügungsvertrages trotzdem eintreten.16 Im Ergebnis tritt er damit für eine analoge Anwendung des Gutglaubensschutzes auf die kausale Verfügung ein und stellt damit den Rechtserwerb diesbezüglich dem Sacherwerb gleich. 1339

Die Streitfrage verliert unseres Erachtens ihre Bedeutung, wenn der Anwendungsbereich der Umwandlungstheorie (s. N 583, N 960 ff. und N 1821) auf Entstehungsmängel ausgedehnt wird: Da der mangelbehaftete Vertrag nicht ab initio dahinfällt, sondern durch die Umwandlung in ein vertragliches Rückabwicklungs- oder Liquidationsverhältnis «lediglich» inhaltlich modifiziert wird, bleibt – so unser Dogma – auch die causa für das Verfügungsgeschäft bestehen. Die Aufrechterhaltung der causa trotz eines nicht zustande gekommenen, irrtumsbehafteten oder widerrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts hat die – unseres Erachtens zu begrüssende – Konsequenz, dass im praktischen Ergebnis die Wirksamkeit der Abtretung vom Bestand des Verpflichtungsgeschäfts losgekoppelt wird, ohne dass der Wertausgleich zwischen den Parteien unterbleibt (zu den aus dem Liquidationsverhältnis resultierenden kontraktuellen Ansprüchen, insbesondere zum vertraglichen Anspruch der Zedentin auf Rückzession bzw. Wertersatz, s. N 1333).

IV. 1340

Voraussetzungen

Damit der Abtretungsvertrag, also das Verfügungsgeschäft, gültig zustande kommt, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: • • • •

1.

Verfügungsmacht der Zedentin über die abzutretende Forderung (s. N 1341 ff.); Einhaltung der Formvorschrift (s. N 1344 ff.); Abtretbarkeit der Forderung (s. N 1351 ff.); Bestimmbarkeit der Forderung (s. N 1366 ff.).

Verfügungsmacht der Zedentin

1341

Damit die Zedentin (Gläubigerin) die Forderung gültig abtreten kann, muss ihr grundsätzlich die Verfügungsmacht über diese zustehen.17 Im Gegensatz zum Verfügungsgeschäft ist das Verpflichtungsgeschäft (das pactum de cedendo) auch ohne Verfügungsmacht wirksam.

1342

Möglich ist auch, dass eine direkte Stellvertreterin im Namen der Gläubigerin über eine Forderung derselben verfügt. Verfügt jemand in eigenem Namen über Rechte Dritter, ist eine solche Verfügung mangels Verfügungsmacht unwirksam, 16 Von der Crone, SJZ 1997, 253 ff., insbesondere 256 f. S. ferner Spirig, SJZ 2000, 9. 17 BGE 4C.7/2000 E. 4c.

412

§ 15

Abtretung einer Forderung (Art. 164–174 OR)

weil sie rechtlich unmöglich ist (Art.  20 Abs.  1  OR). Vorbehalten bleibt spätere Konvaleszenz (das heisst Heilung des Mangels via den nachträglichen Erwerb der Verfügungsmacht).18 Die Verfügungsmacht fehlt der Zedentin beispielsweise beim Verfügen über Vermögensstücke aus der Konkursmasse, nachdem der Konkurs über sie eröffnet wurde. Entsprechende Rechtshandlungen sind daher den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam (Art. 204 Abs. 1 SchKG19). Tritt die Zedentin die gleiche Forderung mehrfach ab (sog. Mehrfachzession), ist 1343 nur die erste Abtretung wirksam. Die Verfügungsmacht geht zusammen mit der Forderung anlässlich des ersten Verfügungsgeschäfts auf den Zessionar über. Für weitere Abtretungen fehlt der Zedentin alsdann die Verfügungsmacht. Während beim Doppelverkauf von Sachen darauf abgestellt wird, wem das Eigentum daran eingeräumt wird, folgt der Forderungserwerb dem Prinzip der zeitlichen Priorität.20

2.

Einhaltung der Formvorschrift (Art. 165 OR)

2.1

Verfügungsvertrag

Gemäss Art. 165 Abs. 1 OR muss die Abtretung, das heisst das Verfügungsgeschäft, 1344 die Regeln der einfachen Schriftlichkeit zu befolgen (Art. 12 ff. OR; s. N 348 ff.). Die Schriftlichkeit ist für alle (objektiv und subjektiv) wesentlichen Punkte des jeweiligen Geschäfts einzuhalten.21 Insbesondere muss die Urkunde die abzutretende Forderung ausreichend bezeichnen oder mindestens bestimmbar machen (zur Bestimmbarkeit s. N 1366 ff.) und den Abtretungswillen der Zedentin kundtun. Der Rechtsgrund der Abtretung dagegen muss in der Urkunde nicht angegeben werden.22 Ebenso wenig ist die Bezeichnung der Urkunde ausschlaggebend für ihren rechtlichen Inhalt.23 Weiter wird verlangt, dass die Zedentin als verpflichtete Partei die Urkunde unterzeichnet. Der Zessionar dagegen muss die Abtretungsurkunde (in [analoger] Anwendung von Art. 13 Abs. 1 OR) nicht unterzeichnen, da er sich durch die Abtretung nicht verpflichtet.24 Die Übergabe der Schuldurkunde ist nach zutreffender Meinung kein Gültigkeits- 1345 erfordernis.25 Die Ausstellung einer Blankozession ist zulässig.26 Bei einer solchen 18 ZK OR-Spirig, Art. 164 N 67. 19 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SR 281.1). 20 Bucher, OR AT, 548 und FN 50; Stoll, SJZ 1989, 390; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1690; s. Zobl, SJZ 1989, 356. 21 Ausführlich Engel, CO PG, 881 ff. 22 ZK OR-Spirig, Art. 165 N 25. 23 BGE 131 III 219 E. 3 = Pra 2006 Nr. 6. 24 BGE 4A_133/2009 E. 3.3; BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 165 N 2. 25 BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 165 N 5; CHK OR-Reetz/Burri, Art. 165 N 4; a.M. Bucher, OR AT, 550 FN 59; ZK OR-Spirig, Art. 165 N 45, wonach immerhin eine per Telefax zugestellte Kopie genügt. 26 BGE 82 II 48 E. 1.

413

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

fehlen die Angaben über die Person des Zessionars und/oder über die abzutretende Forderung. Diese Angaben werden vom Zessionar oder von einer anderen Person in einem späteren Zeitpunkt eingetragen.27 Ob die Bezeichnung der Forderung offengelassen werden darf, ist allerdings umstritten.28 Unseres Erachtens soll dies zur Mobilisierung von Forderungen zulässig sein, vorausgesetzt, dass die Regeln über die Bestimmbarkeit und die anderen zwingenden Regeln zum Schutz der Parteien und des öffentlichen Interesses eingehalten werden (s. N 1366 ff.).29 1346

Der Verfügungsvertrag kommt durch explizite oder konkludente (schlüssige) Annahme (Art. 1 OR; s. N 172 ff.), die unter den Voraussetzungen von Art. 6 OR auch durch Schweigen erfolgen kann (s.  N  226  ff.), zustande. Bei stillschweigender Annahme ist in der Regel der Zeitpunkt des Empfangs der Abtretungsurkunde massgeblich (Art. 10 Abs. 2 OR).30 Der Zeitpunkt der Annahme ist insbesondere bei der Mehrfachzession entscheidend: In diesem Moment verliert die Zedentin die Verfügungsmacht über die Forderung.

1347

Wird das Formerfordernis nicht eingehalten, ist die Abtretung gemäss Art.  11 Abs.  2  OR ungültig. Die Ausstellung der Abtretungsurkunde kann aber nachgeholt werden. Die Abtretung kommt diesfalls erst in jenem Zeitpunkt zustande, in dem die Zessionsurkunde nachträglich ausgestellt wird.31 Eine formungültige Zession kann unter Umständen in eine Inkassobevollmächtigung umgedeutet werden, sofern alle Voraussetzungen für eine Konversion erfüllt sind (s. N 379 f.).32 2.2

Verpflichtungsgeschäft

1348

Das Formerfordernis bezieht sich nur auf die Abtretung als Verfügungsvertrag. Das pactum de cedendo (als Grundgeschäft der Abtretung, in welchem sich die Zedentin zur Übertragung verpflichtet) ist dagegen gemäss Art. 165 Abs. 2 OR an keine besondere Form gebunden. Eine Ausnahme besteht, wenn das Zessionsversprechen Teil eines Verpflichtungsgeschäfts ist, welches aus anderen Gründen formbedürftig ist (z.B. Schenkungsversprechen; Art. 243 OR).33

1349

Leidet die Abtretung an einem Formmangel, so genügt ein formlos abgegebenes Zessionsversprechen, um auf Erfüllung bzw. Vornahme der einfachen Schrift27 28 29 30 31 32 33

414

BGE 82 II 48 E. 1; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3538. Bejahend: Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3538; BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 165 N 4; von Tuhr/Escher, 335 f.; ablehnend: Bucher, OR AT, 552 FN 64. Ebenso Engel, CO PG, 882. Bucher, OR AT, 547 f.; BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 164 N 15. BGE 4C.41/2003 E. 4.4 m.w.H. ZK OR-Spirig, Art. 165 N 18 m.w.N. CHK OR-Reetz/Burri, Art. 165 N 10. S. ferner ZK OR-Spirig, Art. 165 N 56, wonach die Schriftlichkeit in Art. 165 Abs. 1 OR der Rechtssicherheit dient; Art. 243 Abs. 1 OR will dagegen den Schenker vor Übereilung schützen.

§ 15

Abtretung einer Forderung (Art. 164–174 OR)

lichkeit zu klagen.34 Vollstreckt muss nicht werden, weil die gerichtlich zugesprochene Forderung ohne besondere Form oder Mitwirkung der Zedentin (das heisst allein aufgrund des [Gestaltungs-]Urteils) auf den Dritten (Zessionar) übergeht (Art. 166 OR).35 2.3

Rückzession

Ist eine Forderung rechtswirksam abgetreten worden, kann die Verfügung nicht 1350 mehr nach Art. 115 OR aufgehoben werden (zum Verhältnis zwischen Art. 12 und Art. 115 OR s. N 367 f. und N 734 f.). Um die Abtretung (Verfügungsgeschäft) rückgängig zu machen, muss die Forderung rückzediert werden. Die Rückzession stellt eine neue Verfügung dar, welche ebenfalls der Formvorschrift von Art.  165  OR unterliegt.36 Im Rahmen einer Rückabwicklung infolge Fehlerhaftigkeit des Verpflichtungsgeschäfts ist die Rückzession erforderlich, wenn vom abstrakten Charakter des Verfügungsgeschäfts ausgegangen wird. Wird die Zession als kausal betrachtet, erübrigt sich die Notwendigkeit einer Rückzession, da bei Ungültigkeit des Verpflichtungsgeschäfts die Zedentin Inhaberin der Forderung bleibt (s. N 1334). Unabhängig vom Lehrstreit über die abstrakte oder kausale Natur des Verfügungsgeschäfts ist eine Rückzession im Anwendungsbereich der Umwandlungstheorie erforderlich, weil durch die Überführung des mangelbehafteten Verpflichtungsgeschäfts in ein vertragliches Rückabwicklungs- oder Liquidationsverhältnis die causa für das seinerzeitige Verfügungsgeschäft bestehen bleibt (s. N 1339). Hat die Abtretung (Verfügung) aber noch nicht stattgefunden, kann der Anspruch auf Übertragung, der aus dem pactum de cedendo resultiert, gemäss Art. 115 OR aufgehoben werden.

3.

Abtretbarkeit der Forderung

3.1

Forderungen

Gemäss Art.  164  OR sind grundsätzlich alle Forderungen (das heisst klagbare 1351 Rechte auf Leistungen) – unabhängig von ihrem Rechtsgrund – abtretbar, «soweit nicht Gesetz, Vereinbarung oder Natur des Rechtsverhältnisses entgegenstehen». Es können Forderungen kontraktuellen wie auch quasi- oder extrakontraktuellen Ursprungs abgetreten werden.37

34 35 36 37

BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 165 N 12. Von Tuhr/Escher, 337. BGE 105 II 268 E. 2a; ZK OR-Spirig, Art. 165 N 11; a.M. Bucher, OR AT, 552. Für weitere Beispiele s. ZK OR-Spirig, Art. 164 N 14 ff.

415

1. Kapitel

1352

Allgemeine Vertragslehre

Sofern die Forderung teilbar ist (z.B. eine Geldschuld), kann auch nur eine Teilforderung abgetreten werden.38 Eine solche Abtretung darf gegenüber dem Schuldner jedoch nicht rechtsmissbräuchlich sein (Art.  2 Abs.  2 ZGB).39 Ganze Schuldverhältnisse können ohne Zustimmung des Vertragspartners nicht abgetreten werden (Makroebene).40 3.2

Gestaltungsrechte

1353

Ein Gestaltungsrecht, das innerhalb eines Schuldverhältnisses i.w.S.  nur mit der abgetretenen Forderung als solcher verbunden ist, geht gemäss herrschender Lehre und Rechtsprechung als Nebenrecht automatisch auf die neue Gläubigerin über (Art. 170 Abs. 1 OR; z.B. Wahlrecht bei einer Wahlobligation gemäss Art. 72 OR, Recht zur Inverzugsetzung des Schuldners nach Art. 102 ff. OR). Hat die Ausübung eines Gestaltungsrechts aber Auswirkungen auf das ganze Schuldverhältnis, in welches die abgetretene Forderung eingebettet ist (z.B. Wandlungs- und Minderungsrecht bei Abtretung des Anspruchs auf Lieferung der Kaufsache sowie alle auflösenden Gestaltungsrechte wie der Rücktritt nach Art. 107 Abs. 2 OR), ist ein automatischer Übergang auf den Zessionar grundsätzlich ausgeschlossen:41

1354

Die herrschende Lehre42 und ebenso die Rechtsprechung43 verneinen überwiegend eine isolierte Abtretung von Gestaltungsrechten, da es sich hierbei nicht um Forderungen handelt. So können vertragliche Kaufs-, Vorkaufs-, Rückkaufs- und Sachgewährleistungsrechte als solche nicht abgetreten werden.44 Dagegen wird die Abtretung des Nachbesserungs- und Ersatzlieferungsrechts für zulässig erachtet. Betroffen sei hier nur die Forderung, das Schuldverhältnis als Ganzes werde nicht tangiert.45

1355

Honsell spricht sich für die grundsätzliche Abtretbarkeit der Sachgewährleistungsansprüche eines Käufers oder einer Bestellerin «im Bündel» aus. Diese Konstruktion eröffnet die Möglichkeit, den Anspruch auf die Gewährleistung vor der Wahl eines spezifischen Behelfs zu übertragen. Dies entspreche einem praktischen Bedürfnis (z.B. beim Leasingvertrag).46

38 39 40 41 42 43 44 45 46

416

4A_125/2010 E. 2.2 m.w.H. Bucher, OR AT, 572. BK OR-Becker, Vorb. zu Art. 164–174 N 5; ZK OR-Spirig, Art. 164 N 174. S. BGE 94 II 274 E. 4; CHK OR-Reetz/Burri, Art. 170 N 10 ff.; von Tuhr/Escher, 356 f. Bucher, OR AT, 539 f.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3424; zum Teil differenzierend ZK OR-Spirig, Art. 164 N 176 und N 178; a.M. Schwenzer, OR AT, N 90.21. BGE 118 II 142 E. 1b; 114 II 239 E. 5c aa. A.M. Denzler/Auwärter, Jusletter 13. Juni 2005. Ausführlich zur Abtretbarkeit von Gewährleistungsansprüchen Käser, 55 ff. Honsell, OR BT, 322 f. und 467.

§ 15

Abtretung einer Forderung (Art. 164–174 OR)

Nach der hier vertretenen Ansicht sollte die Frage nach der Abtretbarkeit von 1356 Gestaltungsrechten nicht kategorisch beantwortet werden. Vielmehr ist im Einzelfall auf den konkreten Zweck der Zession und die Interessen der Parteien abzustellen.47 In diesem Sinn soll bei Abtretungsgeschäften, bei denen die Zedentin mit der abgetretenen Forderung bzw. dem Gegenstand, auf den sich die Forderung richtet, nichts mehr zu tun haben will, der Übergang der unmittelbar der Anspruchsdurchsetzung dienenden Gestaltungsrechte auf den Zessionar möglich sein (z.B. Mängelrechte bei Leasingverträgen).48 Statt die Wahlrechte abzutreten, ist es auch zulässig (und wird in der Praxis bevor- 1357 zugt), eine Vollmacht zur Ausübung der Gestaltungsrechte zu erteilen.49 Forderungen, die aus der Ausübung von Gestaltungsrechten entstehen, können alsdann abgetreten werden (z.B. eine Wandlungsforderung50). 3.3

Gesetzliche Abtretungsverbote

Sowohl im Zivilrecht (z.B. Art. 325 Abs. 2 OR; Art. 776 Abs. 2 ZGB) als auch im 1358 öffentlichen Recht (z.B. Rentenansprüche aus der AHV51, der IV52, der Unfall-53 und der Militärversicherung54) finden sich gesetzliche Abtretungsverbote. Im Zivilrecht besteht der Grund häufig darin, dass die Lage des Schuldners, der einen dauernden und persönlichen Vertrag eingegangen ist, nicht durch einen Gläubigerwechsel verändert und damit potenziell verschlechtert werden soll. Wird eine Forderung trotz eines gesetzlichen Abtretungsverbots zediert, ist die 1359 Abtretung wegen widerrechtlichen Inhalts insoweit ungültig (Art. 20 Abs. 1 OR), als diese Rechtsfolge ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist oder dies der Schutzzweck der einschlägigen Norm erfordert (zur flexiblen Ungültigkeit s. N 432; zur hier vertretenen flexiblen Ungültigkeitstheorie s. N 433).55

47 48 49 50 51 52 53 54 55

So auch BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 170 N 8; Schwenzer, OR AT, N 90.39. BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 170 N 8. Bucher, OR AT, 540. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3424. Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (SR 831.10). Bundesgesetz vom 19. Juni 1959 über die Invalidenversicherung (SR 831.20). Bundesgesetz vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (SR 832.20). Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über die Militärversicherung (SR 833.1). BSK  OR-Girsberger/Hermann, Art.  164 N  52, welche im Übrigen in diesem Zusammenhang von «unzulässigen» Abtretungen sprechen.

417

1. Kapitel

3.4

Allgemeine Vertragslehre

Vertragliche Vereinbarung (sog. pactum de non cedendo)

1360

Gläubigerin und Schuldner können ausdrücklich oder konkludent vereinbaren, dass eine Forderung nicht abgetreten werden darf (sog. pactum de non cedendo).56 Anstatt eines generellen Abtretungsverbots können auch spezifische Beschränkungen vereinbart werden (z.B. bestimmte Voraussetzungen an die Person des Zessionars). Wurde eine künftige Forderung abgetreten, umfasst ein später vereinbartes Abtretungsverbot auch diese Forderung.57 Bei einem umfassenden Abtretungsverbot ist aber immer auch zu prüfen, ob die Gläubigerin in ihrer Handlungsfreiheit zu stark eingeschränkt wird (Art. 27 Abs. 2 ZGB).58

1361

Tritt die Gläubigerin eine Forderung trotz eines Verbots ab, ist die Abtretung ungültig, sofern die Parteien das Verbot nicht anders sanktioniert haben. Das pactum de cedendo (Verpflichtungsgeschäft) zwischen Zedentin und Zessionar hingegen kommt gültig zustande. Der Zessionar (Dritte) kann alsdann nach Art. 97 ff. OR gegen die Zedentin (Gläubigerin) vorgehen. Ausnahmsweise wird die Abtretung doch noch wirksam, sofern der Schuldner dieser zustimmt oder sie genehmigt.59

1362

Besteht ein schriftliches Schuldbekenntnis (s. N 70), das kein Abtretungsverbot enthält, wird der Zessionar (Dritte) unter Umständen geschützt (Art. 164 Abs. 2 OR). Erwirbt er gutgläubig eine Forderung im Vertrauen auf dieses Schuldbekenntnis, so hat das pactum de non cedendo ihm gegenüber keine Wirkung. Bei einer Kettenzession kann sich der nachfolgende Zessionar, der vom Abtretungsverbot wusste, nach einem Teil der Lehre auf Art. 164 Abs. 2 OR berufen, wenn ein vorhergehender Zessionar gutgläubig war, indem dieser auf das ursprüngliche Schuldbekenntnis (ohne Abtretungsverbot) vertraute.60 Unseres Erachtens darf sich der bösgläubige Zessionar nicht auf den Gutglaubensschutz eines früheren Zessionars berufen.61 Der gute Glaube muss im Zeitpunkt des Erwerbsgeschäfts vorhanden sein und kann nicht nachträglich (etwa via die «Heilungswirkung» von Art.  164 Abs.  2  OR) konstruiert werden.

1363

Besteht kein solches schriftliches Schuldbekenntnis oder hat der Zessionar keine Kenntnis von einer entsprechenden Urkunde (s. unter anderem Art. 170 Abs. 2 OR), 56

57 58 59 60 61

418

Im Gegensatz zum geltenden Recht schlägt der  OR 2020-Entwurf vor, eine Forderungsabtretung auch dann zuzulassen, wenn die Parteien dies vertraglich ausgeschlossen oder von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht haben (Art. 164 Abs. 1 OR 2020; s. auch Art. 163 Abs. 1 OR 2020): Die Abtretung ist auch dann wirksam, wenn die Gläubigerin und der Schuldner diese z.B. vertraglich ausgeschlossen haben. Das pactum de non cedendo hat somit eine lediglich obligatorische Wirkung. Der Schuldner kann aber (Schaden-)Ersatzansprüche gegenüber der Gläubigerin (Zedentin) geltend machen, wenn diese die vertragliche Vereinbarung verletzt (Art. 164 Abs. 2 OR 2020). Dazu ausführlich OR 2020-Girsberger/Hermann, Art. 164 N 1 ff., insbesondere zu den Gründen N 6 ff. BGE 112 II 241 E. 2a; a.M. Staehelin, 390. BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 164 N 32. ZK OR-Spirig, Art. 164 N 185. Bucher, OR AT, 543 FN 26; von Tuhr/Escher, 348 FN 54. So auch Engel, CO PG, 878.

§ 15

Abtretung einer Forderung (Art. 164–174 OR)

so wird der gute Glaube in die Zession nicht geschützt. Das vertragliche Abtretungsverbot ist in diesem Fall dem Zessionar gegenüber wirksam und die Abtretung ist ungültig.62 1364 Liegt ein pactum de non cedendo zwischen der Zedentin und dem Schuldner vor? Ja Besteht ein schriftliches Schuldbekenntnis des Schuldners? Nein Ja Enthält diese Urkunde das pactum de non cedendo?

Ja Abtretung ist ungültig (mit Zustimmung/Genehmigung des Schuldners ausnahmsweise gültig)

Nein

gutgläubiger Zessionar wird geschützt (Art. 164 Abs. 2 OR)

Abbildung: Pactum de non cedendo

3.5

Entgegenstehende Natur des Rechtsverhältnisses

Die fehlende Abtretbarkeit kann sich auch aus der Natur des Rechtsverhältnisses 1365 ergeben. Betroffen sind Forderungen, die mit der Person des Gläubigers so eng verbunden sind, dass diese Verbindung die Forderung wesentlich charakterisiert (z.B. Ansprüche aus Vorverträgen, bei denen ein Gläubigerwechsel den Forderungsinhalt verändern würde63). Nicht abtretbar sind sodann Forderungen, die höchstpersönliche Ansprüche verkörpern (z.B. persönliche Unterhaltsansprüche64).65 War die Abtretung wegen der «Natur des Rechtsverhältnisses» ausgeschlossen, so ist diese (gleich wie bei einem Verstoss gegen ein pactum de non cedendo) ungültig. Der Schuldner kann die Abtretung jedoch genehmigen und diese somit wirksam machen.66 62 63 64 65 66

BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 164 N 57. S. BGE 84 II 13 E. 3. BGE 107 II 465 E. 6b. BGE 135 V 2 E. 6.1; für weitere Beispiele s. BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 164 N 33. BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 164 N 52 m.w.H.; a.M. ZK OR-Spirig, Art. 164 N 184.

419

1. Kapitel

4.

Allgemeine Vertragslehre

Bestimmbarkeit der Forderung

1366

Die Forderung muss im Zeitpunkt der Abtretung hinreichend bestimmt oder bestimmbar sein. Das gilt kumulativ hinsichtlich des Schuldners, der Höhe und der Fälligkeit der Forderung sowie – sofern für die Individualisierbarkeit erforderlich – des Rechtsgrunds.67

1367

Die Frage der Bestimmbarkeit stellt sich vor allem bei der Abtretung künftiger Forderungen (s. sogleich N 1368 ff.). Hier kann die Forderung im Zeitpunkt der Abtretung meist nicht individualisiert werden. Aber auch bei einer Globalzession (s.  N  1375  f.) müssen die einzelnen abzutretenden Forderungen zumindest bestimmbar sein.68

V.

Abtretung künftiger Forderungen

1.

Bestimmbarkeit künftiger Forderungen

1368

Künftige Forderungen sind im Zeitpunkt der Abtretung entweder noch gar nicht entstanden, noch nicht fällig oder vom Eintritt oder Ausfall einer Bedingung abhängig.69 Oft können daher in diesem Moment noch keine Angaben über die Forderung selbst, deren Entstehungsgrund oder den Schuldner gemacht werden. So kann beispielsweise die Gläubigerin, die für einen bestimmten Zeitraum alle künftigen Kundenforderungen ihres Geschäfts abtritt, im Zeitpunkt der Abtretung die künftigen Forderungen noch gar nicht näher bestimmen. Von diesen Forderungen ist wahrscheinlich im Abtretungszeitpunkt der grössere Teil noch gar nicht entstanden.

1369

Das pactum de cedendo kommt bei einer Vereinbarung über Abtretung künftiger Forderungen nach herrschender Lehre, unabhängig von deren Bestimmbarkeit, zustande.70 Umstritten dagegen ist die Gültigkeit des Verfügungsgeschäfts, wenn die künftigen Forderungen noch nicht genau bestimmt werden können (zum Spezialitätsprinzip s. N 1366 f.).

1370

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist die Abtretung künftiger Forderungen gültig, wenn die abzutretende Forderung hinsichtlich der Person des Schuldners, der Höhe und des Rechtsgrunds hinreichend bestimmt wird oder wenigstens bestimmbar ist und die Zedentin in ihrer wirtschaftlichen und persönlichen Frei-

67 CR CO-Probst, Art. 164 N 17. 68 BGE 113 II 163 E. 2. 69 BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 164 N 36. 70 Berger, Schuldrecht, N 2196; Furrer/Müller-Chen, Kap. 23 N 40; Schwenzer, OR AT, N 90.29.

420

§ 15

Abtretung einer Forderung (Art. 164–174 OR)

heit nicht zu stark eingeschränkt wird (Art. 27 Abs. 2 ZGB und Art. 20 OR).71 Indem das Bundesgericht Bestimmbarkeit auch für das Verfügungsgeschäft genügen lässt, relativiert es im Ergebnis die Trennung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft: Enthält nämlich das Verpflichtungsgeschäft alle Elemente, welche die eindeutige Individualisierung und Zuordnung der Forderung im (allenfalls künftigen) Zeitpunkt ihrer Entstehung ermöglichen, liegt  – bei Einhaltung des Schriftlichkeitserfordernisses (Art. 165 Abs. 1 OR) – zugleich auch ein gültiges Verfügungsgeschäft vor; dieses wird allerdings erst mit der Entstehung der Forderung wirksam, wodurch der ipso iure-Übergang der Forderung auf den Zessionar ausgelöst wird. Genügend bestimmt im Zeitpunkt des Abschlusses des pactum de cedendo ist beispielsweise eine Vereinbarung, welche nur Kundenforderungen bzw. einem bestimmten Kundenkreis zurechenbare Forderungen enthält (z.B. alle Kunden mit Anfangsbuchstaben A–K). Entgegen der Rechtsprechung vertritt ein Teil der Lehre die Meinung, dass bei 1371 der Abtretung künftiger Forderungen das (sachenrechtliche) Spezialitätsprinzip berücksichtigt werden muss: Nach diesem Grundsatz sind Verfügungen – aus Gründen der Rechtssicherheit und Publizität – nur gültig, wenn sie einen bestimmten Verfügungsgegenstand zum Inhalt haben. Bei einer Abtretung künftiger Forderungen kommt nach dieser Auffassung nur das pactum de cedendo zustande. Die Verfügungsgeschäfte müssen alsdann später, und zwar dann, wenn die Forderungen bestimmt werden können, einzeln vorgenommen werden.72

2.

Durchgangs- und Unmittelbarkeitstheorie

Durch die Anwendung der Durchgangs- bzw. Unmittelbarkeitstheorie wird ermit- 1372 telt, ob die bereits via Verfügungsgeschäft abgetretene künftige Forderung im Zeitpunkt ihrer Entstehung der Zedentin oder dem Zessionar zugerechnet wird.73 Relevant ist diese Frage vor allem, wenn über die Zedentin der Konkurs eröffnet wird, bevor die abgetretene Forderung entsteht. Gemäss der Durchgangstheorie, der sich auch das Bundesgericht anschliesst74, fällt 1373 die Forderung «für eine logische Sekunde» in das Vermögen der Zedentin und geht sodann ipso iure aufgrund der früher formgültig vereinbarten Abtretung in das Vermögen des Zessionars über. Wenn die Zedentin im Zeitpunkt der Entstehung der Forderung indessen keine Verfügungsmacht (mehr) über diese hat (z.B. wegen Konkurses), ist eine vorher erfolgte Abtretung als ungültig zu betrachten (gemäss 71 BGE 136 V 381 E. 5.1.1; 135 V 2 E. 6.1.2; 113 II 163 E. 2a; 112 II 433 E. 2; 112 II 241 E. 2a; s. ferner Engel, CO PG, 876; Staehelin, 383. 72 S. Bucher, OR AT, 544. 73 Ausführlich Wehrli, 62 ff. 74 BGE 130 III 248 E. 4.1 = Pra 2004 Nr. 83.

421

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

dem zuvor erwähnten Beispiel würde die «abgetretene» Forderung in die Konkursmasse fallen).75 1374

Bei der Unmittelbarkeitstheorie entsteht die Forderung unmittelbar im Vermögen des Zessionars und fällt damit nicht in die Konkursmasse der Zedentin.76 Ein Teil der Lehre verlangt auch bei dieser Konstruktion, dass die Zedentin im Zeitpunkt der Entstehung der (früher bereits abgetretene) Forderung Verfügungsmacht haben muss. Hinsichtlich des Konkurses einer Zedentin ist der Theorienstreit diesfalls bezüglich der daraus resultierenden Folgerungen bedeutungslos.77

VI.

Globalzession

1375

Bei der Globalzession wird eine Vielzahl von gegenwärtigen und künftigen Forderungen durch ein einziges Rechtsgeschäft an einen Zessionar abgetreten. Die Globalzession wird meist zur Sicherung von Krediten, welche der Zessionar der Zedentin gewährt, verwendet (sog. Sicherungszession).78 In der Praxis hat die Globalzession heute gerade auch bei kleineren Unternehmen, die beim Stellen von Sicherheiten keine sehr grosse Auswahl anbieten können, eine sehr grosse Bedeutung.

1376

Gemäss Lehre und Rechtsprechung ist eine Globalzession innerhalb der Grenzen von Art. 27 Abs. 2 ZGB zulässig. Eine zeitlich und gegenständlich unbegrenzte Abtretung aller gegenwärtigen und künftigen Forderungen einer Zedentin ist dagegen sittenwidrig und ungültig (Art. 27 Abs. 2 ZGB; Art. 20 Abs. 1 OR).79 Die Zedentin würde dadurch in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit zu stark limitiert.80 In einem solchen Fall wird von der herrschenden Lehre nicht nur Teil-, sondern Totalnichtigkeit angenommen, da andernfalls die verlangte Bestimmbarkeit der abgetretenen Forderungen im Zeitpunkt der Abtretung nicht mehr garantiert wäre (s. N 1366 f.).81 Anderer Ansicht ist Hänseler, der eine Teilnichtigkeit nach Art. 20 Abs. 2 OR als zulässig erachtet, wenn die Globalzession nach dem hypothetischen Parteiwillen auch ohne den ungültigen Teil abgeschlossen worden wäre und sich «eine Herabsetzung der Globalzession auf ein zulässiges Mass mit der zessionsrechtlichen Spezifikation vereinbaren lässt».82 Unseres Erachtens soll eine persön75 76 77 78 79 80 81 82

422

BGE 111 III 73 E. 3a; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3439; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1721. S.  von Tuhr/Escher, 349. Für eine ausführliche Begründung s. BSK  OR-Girsberger/Hermann, Art. 164 N 48. S. Hänseler, § 13 N 15. Zobl, SJZ 1989, 350; s. Stoll, SJZ 1993, 389. S. BSK ZGB-Huguenin/Reitze, Art. 27 N 10 ff.; ausführlich Hänseler, § 12 N 1 ff. BGE 112 II 433 E. 3. BGE 112 II 433 E. 4; Schwenzer, OR AT, N 90.32. Hänseler, § 12 N 14; s. ferner Staehelin, 385.

§ 15

Abtretung einer Forderung (Art. 164–174 OR)

lichkeitsrechtswidrige Globalzession  – vorbehältlich entgegenstehender öffentlicher Interessen – mit Ungültigkeit in der Form der zur Parteidisposition stehenden Rechtsfolge belegt werden (s. N 433): Entsprechend dem Schutzzweck von Art. 27 Abs. 2 ZGB soll in diesem Fall mit anderen Worten allein die Zedentin als Trägerin des geschützten Rechts über die Geltendmachung der (Teil-)Ungültigkeit entscheiden dürfen.

VII. Fiduziarische Abtretung Bei der fiduziarischen Abtretung vereinbaren die Parteien, dass der Fiduziar (Zes- 1377 sionar) die abgetretene Forderung nur in der (eingeschränkten) Weise verwenden darf, wie der Vertrag es vorsieht. Diese Vereinbarung wirkt inter partes, entfaltet also Dritten gegenüber keine Wirkung: Der Fiduziar hat nach aussen die volle Verfügungsmacht über die Forderung und kann sie in eigenem Namen gegenüber dem Schuldner geltend machen.83 Verstösst er bei der Ausübung seiner Rechte gegen die fiduziarische Vereinbarung, so sind seine Handlungen gültig. Der Fiduziantin (Zedentin) stehen aber wegen Verletzung der fiduziarischen Vereinbarung Ansprüche aus Art. 97 und Art. 397 OR gegen den Zessionar zur Verfügung, nicht aber gegen den Schuldner.84 Die fiduziarische Abtretung kann auch mit einer Globalzession kombiniert werden. 1378 Praktische Beispiele für eine fiduziarische Globalzession sind häufig die Inkassoabtretung (der Fiduziar zieht die abgetretene Forderung ein und leitet den Ertrag unter Abzug seiner Ansprüche aus Art. 402 OR an die Fiduziantin weiter), das Factoring (der Factor erledigt neben dem Inkasso auch die Buchhaltung und eventuell noch weitere Dienstleistungen wie Marktforschung etc.; s. N 3909 ff.) und die Sicherungszession (die abgetretene Forderung sichert eine andere Forderung, wobei der Zessionar diese erst bei Nichterfüllung verwerten darf).85

VIII. Legalzession und Übergang durch Richterspruch (Art. 166 OR) Bei der Legalzession geht eine Forderung von Gesetzes wegen von der einen auf 1379 die andere Gläubigerin über. Im Gegensatz zur Abtretung ist die Legalzession kein 83 BGE 130 III 417 E. 3.4 = Pra 2005 Nr. 30; 123 III 60 E. 4c = Pra 1997 Nr. 107; BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 164 N 44 m.w.H. 84 ZK OR-Spirig, Vorb. zu Art. 164–174 N 119; s. auch BGE 4C.84/2004 E. 2.4. 85 Reetz, recht 2006, 234. Für weitere Beispiele s. ZK OR-Spirig, Vorb. zu Art. 164–174 N 120 ff.

423

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Rechtsgeschäft und  – vorbehältlich einer spezifischen Formvorschrift  – an keine Form gebunden. Wichtigster Anwendungsfall ist die Subrogation, also der ex legeForderungsübergang an den leistenden Dritten. Beispiele finden sich unter anderem in Art. 70 Abs. 3, Art. 110, Art. 149 und Art. 401 OR, Art. 131 Abs. 3 ZGB oder Art. 72 Abs. 1 VVG86. 1380

Eine Forderung kann auch durch Urteil (ohne Willenserklärung der Parteien) auf eine neue Gläubigerin übergehen (z.B. anlässlich eines Prozesses über die eheliche Gütergemeinschaft).

1381

Auf Legalzessionen und den Übergang von Forderungen durch Richterspruch werden die Bestimmungen über die Abtretung (Art. 164 ff. OR) analog angewendet. Ausgenommen von einer analogen Anwendung sind wie erwähnt die Formvorschrift (Art. 165 OR) und die Gewährleistungsnorm (Art. 173 Abs. 2 OR).87 Allfällige gesetzliche Sonderbestimmungen haben Vorrang gegenüber dem Grundmodell der gewillkürten Abtretung.

1382

IX.

Wirkungen

1.

Forderungsübergang

Ist die Abtretung gültig zustande gekommen, geht die Forderung vom Vermögen der Zedentin (Gläubigerin) in dasjenige des Zessionars (Dritten) über.88 Bei Abtretung einer künftigen Forderung tritt diese Wirkung allerdings erst mit Entstehung der Forderung ein (s. N 1368 ff.), wobei die Forderung nach herrschender Ansicht für eine «logische Sekunde» zum Vermögen der Zedentin gehört, bevor sie eo ipso ins Vermögen des Zessionars transferiert wird (s. N 1373). Bei Fälligkeit kann der Zessionar die Forderung alsdann gegenüber dem Schuldner geltend machen.

2. 1383

Übergang von Vorzugs- und Nebenrechten (Art. 170 Abs. 1 OR)

Vermutungsweise gehen gemäss Art.  170 Abs.  1  OR mit der Forderung automatisch auch deren Vorzugs- und Nebenrechte auf den Zessionar über, soweit sie nicht untrennbar mit der Person der Zedentin verknüpft sind. Art. 170 Abs. 1 OR ist dispositives Recht, eine gegenteilige Parteiabrede ist also zulässig.89 Zu den Vorzugs86 87 88 89

424

Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz; SR 221.229.1). BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 166 N 5. CHK OR-Reetz/Burri, Art. 164 N 9. S. z.B. Lauko, 87 ff.; Schwenzer, OR AT, N 90.36; a.M. ZK OR-Spirig, Art. 170 N 12.

§ 15

Abtretung einer Forderung (Art. 164–174 OR)

rechten gehören insbesondere Konkursprivilegien der Gläubigerin (z.B. Art.  146 und Art.  219 SchKG).90 Zu den Nebenrechten sind beispielsweise das Recht auf Zinsen91, die betreibungsrechtlichen Befugnisse92 sowie jene Rechte zu zählen, die der Sicherung der Forderung dienen (Bauhandwerkerpfandrecht, Pfand- und Bürgschaftsrechte93 etc.). Untrennbar mit der Person der Zedentin verknüpft ist demgegenüber etwa das Recht auf Verzugszinsen nach Art. 104 Abs. 3 OR, wenn der Zessionar kein Kaufmann ist.94 Wenn das Nebenrecht einer Forderung ein Gestaltungsrecht ist, anerkennen 1384 Lehre und Rechtsprechung ausnahmsweise einen (automatischen) Übergang nach Art. 170 Abs. 1 OR. Dies gilt aber nur für diejenigen Gestaltungsrechte, die lediglich mit der Forderung (und nicht mit dem ganzen Vertrag, aus dem die Forderung stammt) verbunden sind (z.B. das Wahlrecht bei der Wahlobligation und das Recht der Gläubigerin, durch Kündigung die Fälligkeit der Forderung herbeizuführen; s. N 1353 ff.).95

X.

Stellung des Schuldners (Art. 167–169 OR)

Die Abtretung kommt grundsätzlich ohne Mitwirkung des Schuldners zustande. Da 1385 er durch den Gläubigerinnenwechsel aber direkt betroffen ist, hat der Gesetzgeber zum Schutz seiner Position verschiedene Regeln aufgestellt. Alles in allem darf sich die Schuldnerposition durch eine Abtretung nicht verschlechtern.

1.

Notifikation (Art. 167 OR)

Die Notifikation (auch Denunziation oder Anzeige genannt) dient dazu, den 1386 Schuldner über die Abtretung der Forderung zu informieren. Die Notifikation ist empfangsbedürftig und formlos gültig.96 Für das Zustandekommen der Abtretung bildet sie keine Voraussetzung. Dem Schuldner kann die Abtretung sowohl von der Zedentin, vom Zessionar oder von einem Stellvertreter angezeigt werden.97 Solange dem Schuldner die Abtretung nicht notifiziert worden ist, kann er, auch 1387 wenn der Zessionar der richtige Gläubiger ist, mit befreiender Wirkung an die 90 91 92 93 94 95 96 97

S. BGE 78 II 265 E. 3b; 49 III 201, 202 ff. Ausführlich Lauko, 123 ff. Dazu BGE 140 III 372 E. 3.3.1. S. BGE 105 II 183 E. 4; 78 II 57, 59 ff. ZK OR-Spirig, Art. 170 N 63 ff. m.w.H. S. BGE 94 II 274 E. 4; CHK OR-Reetz/Burri, Art. 170 N 10; von Tuhr/Escher, 356 f. CHK OR-Reetz/Burri, Art. 167 N 5. ZK OR-Spirig, Art. 167 N 14 f.

425

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Zedentin, also «seine» Gläubigerin, oder, bei einer Ketten- oder Mehrfachzession, an den letzten ihm kundgegebenen Zessionar leisten, sofern er gutgläubig ist (Art. 167 OR). Fehlt es ihm an Gutgläubigkeit, ist er also über die Person der neuen Gläubigerin informiert worden, kann er mit befreiender Wirkung nur an den Berechtigten, also den richtigen Gläubiger bzw. aktuellen Zessionar, leisten.98 Art. 167 OR erfasst nicht nur Zahlungen, sondern alle Handlungen, mittels deren der Schuldner seine Schuld gegenüber der Gläubigerin tilgen kann. Darunter fallen beispielsweise auch Novation, Verrechnung und Stundung.99 1388

Die Annahme der Leistung bzw. die Einziehung der Forderung durch die nichtberechtigte Zedentin stellt in der Regel eine schuldhafte Verletzung des pactum de cedendo dar. Dem Zessionar steht alsdann ein Schadenersatzanspruch zu (Art. 97 Abs. 1 OR). Besteht kein vertraglicher Anspruch, kann der Zessionar von der Zedentin die Leistung nach den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung (Art. 62 ff. OR; s. N 1796 ff.)100 oder – bei Bösgläubigkeit der Zedentin – gestützt auf unechte Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 423 Abs. 1 OR; s. N 2154 ff.) herausverlangen.

1389

Nach erfolgter Notifikation kann der Schuldner nicht mehr mit befreiender Wirkung an die ursprüngliche Gläubigerin leisten – sein guter Glaube ist zerstört.101 Das Bundesgericht und ein Teil der Lehre erachten den guten Glauben des Schuldners zu Recht bereits dann als nicht mehr gegeben, wenn dieser die Anzeige erhalten hat, von ihr aber noch keine Kenntnis nehmen konnte (Zugangsprinzip; s. N 184 ff.).102 Der Schuldner kann sich alsdann nicht mehr durch Leistung an den Nichtberechtigten befreien (s.  N  1387). Gemäss einer anderen Meinung soll der gutgläubige Schuldner auch dann geschützt werden, wenn die Anzeige eingetroffen ist, er aber aufgrund der nach den Umständen gebotenen Aufmerksamkeit noch keine Kenntnis davon nehmen konnte und musste.103 Unseres Erachtens ist für einen angemessenen Schuldnerschutz nicht erforderlich, vom Zugangsprinzip (s. dazu N 184 ff.) abzuweichen.

1390

Teilt die Zedentin dem Schuldner die Abtretung mit, so ist der Schuldner verpflichtet, an die neue Gläubigerin zu leisten. Die Notifikation durch die Zedentin beinhaltet auch eine Ermächtigung: Ist die angezeigte Abtretung nicht gültig, wirkt

98 ZK OR-Spirig, Art. 167 N 3. 99 BGE 131 III 586 E. 4.2.2; BK OR-Becker, Art. 167 N 3; CR CO-Probst, Art. 167 N 3. 100 S. von Tuhr/Escher, 337 FN 65. 101 von Tuhr/Escher, 359. 102 BGE 127 V 439 E. 3; Bucher, OR AT, 562 FN 100; Koller, OR AT, N 84.127; CR CO-Probst, Art. 167 N 5. 103 S. BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 167 N 8.

426

§ 15

Abtretung einer Forderung (Art. 164–174 OR)

die Leistung des Schuldners an den angeblichen Zessionar gleichwohl befreiend (Ermächtigung zur Leistung an einen Dritten).104 Die Meldung des Zessionars an den Schuldner gilt demgegenüber nur dann als 1391 Notifikation, wenn sie unmissverständlich eine Abtretungsanzeige beinhaltet. Eine blosse Zahlungsaufforderung (z.B. eines Factoringunternehmens) genügt nicht.105 Die Notifikation durch den Zessionar zerstört zwar den guten Glauben des Schuldners, verpflichtet ihn aber nicht, an den Zessionar zu leisten. Nur wenn der Zessionar die Abtretung auch nachzuweisen vermag, entsteht eine Leistungspflicht des Schuldners an ihn. Dieser Nachweis erfolgt meistens durch Vorlage der Originalabtretungsurkunde oder einer beglaubigten Kopie davon.106 Darf der Schuldner aufgrund des Nachweises von der Gültigkeit der Zession ausgehen (s.  Art.  3 Abs.  2 ZGB), so befreit er sich durch Leistung an den Zessionar. Das gilt auch für den Fall, dass die Abtretung ungültig ist. Bei berechtigten Zweifeln kann sich der Schuldner durch gerichtliche Hinterlegung der Forderungssumme befreien (Art.  168 Abs. 1 OR).

2.

Prätendentenstreit (Art. 168 OR)

Ist streitig, welcher Gläubigerin die Forderung zusteht, kann der Schuldner gemäss 1392 Art. 168 Abs. 1 OR die Leistung – trotz Notifikation durch die Zedentin – verweigern und sich durch gerichtliche Hinterlegung befreien (sog. Prätendentenstreit). Prüft dagegen der Schuldner die Rechts- und Sachlage nicht sorgfältig, vermag er sich nicht durch Hinterlegung zu befreien. Seine Unwissenheit über die Person des Gläubigers bzw. Berechtigten darf also nicht selbst verschuldet sein.107 Zahlt der Schuldner, obwohl er vom Prätendentenstreit Kenntnis hat, tut er dies auf 1393 eigene Gefahr (Art. 168 Abs. 2 OR). Stellt sich nachträglich heraus, dass er an den Nichtberechtigten geleistet hat, tritt die Befreiungswirkung nicht ein. Der Berechtigte kann nach wie vor die Erfüllung verlangen und der Schuldner muss unter Umständen zweimal zahlen (Gefahr der Doppelleistung).108 Ist der Streit um die Forderung bereits vor Gericht anhängig und die Schuld fällig, 1394 kann jede der Parteien vom Schuldner die Hinterlegung der Forderung verlangen (Art. 168 Abs. 3 OR). Aus dem Recht wird diesfalls eine Pflicht zur Hinterlegung.109

104 BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 167 N 13. Gemäss Bucher, OR AT, 564, tritt die Befreiungswirkung selbst dann ein, wenn der Schuldner Kenntnis von der Ungültigkeit der Zession hat. 105 BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 167 N 10. 106 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3488 f. 107 BGE 134 III 348 E. 5.1; 59 II 226 E. 2. 108 CHK OR-Reetz/Burri, Art. 168 N 7. 109 Berger, Schuldrecht, N 2191.

427

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

3.

Einreden und Einwendungen (Art. 169 OR)

3.1

Allgemeines

1395

Nach Art. 169 Abs. 1 OR kann der Schuldner Einreden (und Einwendungen), die er bereits der Zedentin entgegenhalten konnte, auch gegen den Zessionar geltend machen, sofern diese bereits vor seiner Kenntnis der Abtretung vorlagen. Beispiele dafür sind die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (Art. 82 OR), die Verjährungseinrede, ein allfälliges pactum de non cedendo, mangelnde Fälligkeit und die Einwendung der Verrechnung. Zulässig sind sodann Einreden und Einwendungen, welche die Gültigkeit des Verpflichtungsgeschäftes zwischen der Zedentin und dem Zessionar betreffen (z.B. Formmängel und gesetzliche Abtretungsverbote).110 Wird die Abtretung allerdings als abstraktes Rechtsgeschäft konzipiert (s. N 1333), kann der Schuldner die Mängel aus dem pactum de cedendo nicht geltend machen.111

1396

Entstehen Einreden oder Einwendungen erst nach der Kenntnisnahme von der Abtretung, können sie nur geltend gemacht werden, wenn ihr Entstehungsgrund schon vorher bestand.112 Beispielsweise tritt die Verkäuferin (Gläubigerin und Schuldnerin) eine Kaufpreisforderung ab, ohne bei Fälligkeit die von ihr geschuldete Leistung richtig zu erbringen (z.B. liefert sie die geschuldete Sache nicht oder aber mit Mängeln). Der Käufer (Schuldner und Gläubiger) kann alsdann die neu entstandenen Einreden (Nichterfüllung, Schlechterfüllung, Rücktritt etc.) auch gegenüber dem Zessionar geltend machen.113

1397

Gemäss herrschender Lehre können gegen den Leistungsanspruch des Zessionars nicht nur «Einreden», sondern auch «Einwendungen» (z.B. die Ungültigkeit des Schuldvertrages, welcher die abgetretene Forderung generierte; das Erlöschen der Forderung durch Erfüllung) vorgebracht werden.114 Macht der Schuldner solche Einwendungen geltend, ist die Abtretung nicht zustande gekommen, da im Zeitpunkt der Abtretung keine (künftige) Forderung bestand.115 Die Zedentin haftet gegenüber dem Zessionar diesfalls nach Art. 171 OR.

1398

Weiter hat der Schuldner die Möglichkeit, allfällige persönliche Einreden und Einwendungen gegenüber dem Zessionar geltend zu machen.116

110 111 112 113

S. ZK OR-Spirig, Art. 169 N 21 ff. Für die Einrede der Verjährung vgl. BGE 135 V 163 E. 4.4. So z.B. BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 169 N 7. CR CO-Probst, Art. 169 N 8. Schwenzer, OR AT, N 90.49, wonach Einreden im Zeitpunkt der Kenntnis der Abtretung mindestens «im Keim» angelegt sein müssen. 114 Berger, Schuldrecht, N  2180; Gauch/Schluep/Emmenegger, N  3477; CHK  OR-Reetz/Burri, Art. 169 N 3. 115 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3477; BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 169 N 4. 116 ZK OR-Spirig, Art. 169 N 55.

428

§ 15

3.2

Abtretung einer Forderung (Art. 164–174 OR)

Insbesondere Verrechnung

Konnte der Schuldner gegenüber seiner ehemaligen Gläubigerin (Zedentin) die 1399 Verrechnung geltend machen, steht ihm diese  – trotz fehlender Gegenseitigkeit  – auch gegenüber dem Zessionar zu (Art. 169 Abs. 1 OR). Verrechnet der Schuldner die abgetretene Forderung mit einer Forderung, die ihm gegenüber der Zedentin zusteht, erlöschen beide Forderungen. Der Zessionar kann von der Zedentin Schadenersatz nach Art. 171 Abs. 1 OR fordern. Entgegen dem Wortlaut von Art. 171 Abs. 1 OR haftet die Zedentin nämlich nicht nur für den Bestand der Forderung zur Zeit der Abtretung, sondern auch für allfällige «Verschlechterungen» derselben in der Zeit zwischen Abtretung und Notifikation.117 1400 Fälligkeit der Abtretungsforderung

Fälligkeit der Verrechnungsforderung +

vor/mit Fälligkeit der Abtretungsforderung

+

Abtretung der Forderung

Erwerb der Verrechnungsforderung gegen die Zedentin

Kenntnisnahme der Abtretung t

Verrechnung möglich

Abbildung: Zeitpunkt der Verrechnung

Kann der Schuldner sein Verrechnungsrecht  – mangels Fälligkeit seiner Forde- 1401 rung im Zeitpunkt der Notifikation – noch nicht ausüben, ist dies auch später möglich. Seine Verrechnungsforderung darf indessen nicht erst nach der abgetretenen Forderung fällig werden (Art. 169 Abs. 2 OR).118 Erwirbt der Schuldner erst nach erfolgter Abtretung, aber noch vor deren Notifikation eine Verrechnungsforderung 117 BGE 82 II 522 E. 4b; Bucher, OR AT, 574 FN 150. 118 Die Lehre kritisiert die Regelung von Art. 169 Abs. 2 OR zu Recht. Gegenüber dem allgemeinen Verrechnungsrecht benachteiligt diese den Schuldner ohne sachlichen Grund; s. z.B. CR CO-Probst, Art. 169 N 22; von Tuhr/Escher, 368.

429

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

gegen die Zedentin, kann er diese Forderung zur Verrechnung bringen, sofern sie vor der abgetretenen Forderung fällig wird (Art. 167 und Art. 169 Abs. 1 OR).119

1402

XI.

Gewährleistung für die abgetretene Forderung (Art. 171–173 OR)

1.

Anwendungsbereich

Die Gewährleistung richtet sich primär nach dem der Abtretung zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäft (pactum de cedendo). Die zessionsrechtlichen Gewährleistungsvorschriften (Art. 171–173 OR) gehen den kaufvertrags- und schenkungsrechtlichen Gewährleistungsregeln (Art.  192  ff. und Art.  248  OR) vor, sind aber dispositiver Natur. Die Haftung kann durch Parteiabrede verschärft oder wegbedungen werden. Bei der Wegbedingung der Haftung müssen Art. 100 Abs. 1 und Art. 199 OR berücksichtigt werden.120

2.

Entgeltliche Abtretung (Art. 171 Abs. 1 und Abs. 2 OR)

1403

Bei der entgeltlichen Abtretung (z.B. Forderungskauf) haftet die Zedentin gegenüber dem Zessionar für den Bestand der Forderung (Verität) im Zeitpunkt der Abtretung (Art. 171 Abs. 1 OR). Die abgetretene Forderung soll unter anderem mitsamt den mitübertragenen Vorzugs- und Nebenrechten bestehen, durchgesetzt werden können und frei von Einreden und Einwendungen im Sinne von Art. 169 OR sein.121 Die Zedentin haftet zudem aufgrund von Art. 97 Abs. 1 OR, wenn sie nach erfolgter Abtretung, aber vor Notifikation Handlungen vornimmt, die zu einer «Verschlechterung» der Forderung führen.122 Wird eine nicht bestehende Forderung zediert, findet Art. 20 Abs. 1 OR trotz anfänglicher objektiver Unmöglichkeit keine Anwendung. Die speziellen Gewährleistungsregeln des Zessionsrechts (Art. 171–173 OR) gehen vor und die «Zedentin» muss Schadenersatz leisten.123

1404

Für die Zahlungsfähigkeit des Schuldners (Bonität) haftet die Zedentin gemäss Art.  171 Abs.  2  OR nur, wenn sie sich dazu ausdrücklich oder konkludent verpflichtet hat (formfrei).124 Nach Ansicht Buchers haftet sie auch ohne Zusiche119 120 121 122 123 124

430

Ausführlich Guhl/Koller, § 34 N 47. BGE 90 II 490 E. 5 = Pra 1965 Nr. 59; BSK OR-Girsberger/Hermann, Vorb. zu Art. 171–173 N 2. BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 171 N 7. ZK OR-Spirig, Art. 171 N 14. BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 258. BGE 53 II 113 E. 3 (Formfreiheit).

§ 15

Abtretung einer Forderung (Art. 164–174 OR)

rung, wenn sie die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners arglistig verschweigt.125 Dies dürfte unseres Erachtens indessen nur dann der Fall sein, wenn die Parteien die Gewährleistungsvorschriften von Art. 171–173 OR wegbedungen haben (s. Art. 199 OR). Haftet die Zedentin für die Bonität, so muss sie nur dafür einstehen, dass der Schuldner bei Fälligkeit der abgetretenen Forderung erfüllen kann (das heisst zahlungsbereit und zahlungswillig ist126). Ob er auch tatsächlich erfüllt, fällt nicht in ihren Haftungsbereich.127

3.

Unentgeltliche Abtretung (Art. 171 Abs. 3 OR)

Bei der unentgeltlichen Abtretung und bei Legalzessionen muss die Zedentin weder 1405 für Bestand der Forderung noch für Zahlungsfähigkeit des Schuldners einstehen (Art.  171 Abs.  2 und Abs.  3, Art.  173 Abs.  2  OR). Bei absichtlicher Täuschung (Art. 28 OR) haftet hingegen die schenkende Zedentin nach Art. 248 Abs. 1 OR, selbst wenn die Parteien keine Gewährleistung vereinbart haben (Art. 248 Abs. 2 OR).128

4.

Abtretung zahlungshalber (Art. 172 OR) und Abtretung an Zahlungs statt

Bei der Abtretung zahlungshalber tritt die Zedentin dem Zessionar eine Forde- 1406 rung ab, damit dieser sie eintreiben und den tatsächlich erhaltenen Betrag an die Schuld der Zedentin anrechnen lassen kann.129 Erlangt der Zessionar für seine Forderung aus diesem Betrag nicht vollständige Befriedigung, kann er auf die Zedentin zurückgreifen.130 Die Abtretung zahlungshalber ist von der Abtretung an Zahlungs statt zu unter- 1407 scheiden. Bei Letzterer vereinbaren die Parteien, dass die abgetretene Forderung die Schuld der Zedentin vollständig und sofort tilgt.131 Die bisherige Forderung des Zessionars gegenüber der Zedentin erlischt damit. Im Gegensatz zur Abtretung zahlungshalber verbleibt bei der Abtretung an Zahlungs statt ein vom Zessionar erzielter Überschuss bei ihm.132 Die Haftung der Zedentin richtet sich nach Art. 171 Abs. 1 und Art. 173 Abs. 1 OR. 125 126 127 128 129 130 131 132

Bucher, OR AT, 574 FN 151; s. auch Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3509. S. BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 171 N 9; CHK OR-Reetz/Burri, Art. 171 N 8. Bucher, OR AT, 574. ZK OR-Spirig, Art. 171 N 43, welcher zudem eine Haftung im Falle der grobfahrlässigen Schädigung bejaht; eine solche Haftung ablehnend CHK OR-Reetz/Burri, Art. 171 N 16. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2282. S. ZK OR-Spirig, Art. 172 N 9. BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 172 N 1 m.w.H. ZK OR-Spirig, Art. 172 N 15.

431

1. Kapitel

5. 1408

Allgemeine Vertragslehre

«Umfang der Haftung» (Art. 173 OR)

Art. 173 OR beschränkt die Haftung der Zedentin auf den Gegenwert der Leistung des Zessionars sowie für die Kosten der Abtretung und des erfolglosen Vorgehens gegen den Schuldner. Diese Bestimmung bildet gegenüber den allgemeinen Regeln über die Nichterfüllung von Verträgen (Art. 97 ff. OR) eine lex specialis und geht somit vor.133

133

432

BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 173 N 2.

§ 16 Schuld- und Vertragsübernahme sowie Vertragsbeitritt (Art. 175–183 OR) Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N 2311 ff.; Bucher, OR AT, 580 ff.; Engel, CO PG, 894 ff.; Furrer/ Müller-Chen, Kap. 22 N  55  ff.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N  3556  ff.; Guhl/Koller, § 35; Koller, OR AT, N 83.01 ff. und N 85.01 ff.; Kramer/Probst, OR AT, N 559 ff.; Schwenzer, OR AT, N 91.01 ff. und N 92.01 ff.; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1769 ff.; von Tuhr/Escher, 380 ff.

Weiterführende Literatur Baker&McKenzie (Hrsg.), Fusionsgesetz, 2. Aufl., Bern 2015 (zit.: SHK FusG-BearbeiterIn); Barandun Nicolà, Die Übernahme eines Geschäftes mit Aktiven und Passiven, Diss. Bern 1993; Bärtschi Harald, Kumulative Übernahme einer Kaufpreisschuld, ius.focus 2012 Nr.  12, 277; Gersbach Andreas, Die besonderen Transaktionsformen Spaltung und Vermögensübertragung, ZBGR 2004, 197–227; Keller Max/Schöbi Christian, Das Schweizerische Schuldrecht, Bd. IV, Gemeinsame Rechtsinstitute für Schuldverhältnisse aus Vertrag, unerlaubter Handlung und ungerechtfertigter Bereicherung, 2. Aufl., Basel/Frankfurt a.M. 1985; Madaus Stephan, Der Schuldbeitritt als Personalsicherheit, in: Singer Reinhard (Hrsg.), Schriften Institut für Bankrecht und Bankwirtschaft an der Universität Rostock E.V., Bd. 2, Berlin 2001; Marolda Martinez Larissa/von der Crone Hans Caspar, Vermögensübertragung, SZW 2004,  297–304; Meier Norbert, Die Vermögensübernahme nach französischem, englischem, schweizerischem und österreichischem Recht, ZvglRWiss 1985,  54–79; Mergner-Dal Vesco Erica, Die Übertragung des Vertrages unter besonderer Berücksichtigung des Sozialschutzes im Arbeits- und Mietvertragsrecht, Diss. Basel 1989; Reinicke Dietrich/Tiedtke Klaus, Kreditsicherung, 6. Aufl., Neuwied 2014; Tschäni Rudolf/Diem Hans-Jakob/Wolf Matthias, M&A-Transaktionen nach Schweizer Recht, 2.  Aufl., Zürich/Basel/Genf 2013; Vionnet Guillaume/von der Crone Hans Caspar, Sicherungsversprechen und Vertrauensprinzip, SZW 2004, 386–393; Vischer Frank, Fusionsgesetz, BJM 1999, 289–310; Watter Rolf/Kägi Urs, Der Übergang von Verträgen bei Fusionen, Spaltungen und Vermögensübertragungen, SZW 2004, 231–248.

433

1. Kapitel

I.

Folgende Arten sind zu unterscheiden: • • • •

1411

Begriff

Die Schuldübernahme handelt von der Übernahme einer Schuld (Schuldverhältnis i.e.S.) im Rahmen eines bestehenden Schuldverhältnisses i.w.S. Bei der Vertragsübernahme wird dagegen ein ganzer Vertrag (Schuldverhältnis i.w.S.) übernommen.

1409

1410

Allgemeine Vertragslehre

interne Schuldübernahme (Art. 175 OR; s. N 1412 ff.); kumulative Schuldübernahme (nicht explizit im Gesetz geregelt; s. N 1425 ff.); externe Schuldübernahme (Art. 176 ff. OR; s. N 1435 ff.); besondere Fälle der Schuldübernahme; insbesondere Übernahme eines Vermögens oder Geschäfts (Art. 181 OR; s. N 1459 ff.).

Bei der Schuldübernahme geht es stets um die Übertragung einer einzelnen Schuld (Mikroebene). Werden demgegenüber die Parteien eines ganzen Vertragsverhältnisses (Makroebene) ausgetauscht bzw. treten diese zu einer bestehenden Partei hinzu, sind folgende im Gesetz nicht geregelte Arten zu unterscheiden: • Vertragsübernahme (s. N 1463 ff.); • Vertragsbeitritt (s. N 1469).

1412

II.

Interne Schuldübernahme (Art. 175 OR)

1.

Begriff

Bei der internen Schuldübernahme schliesst ein Dritter mit der Schuldnerin einen internen Schuldübernahmevertrag ab, in welchem er der Schuldnerin verspricht, sie von ihrer Schuld zu befreien, indem er diese direkt erfüllt oder indem er sich dem Gläubiger gegenüber verpflichtet, diese zu erfüllen (Art.  175 Abs. 1 OR).

434

§ 16

Schuld- und Vertragsübernahme sowie Vertragsbeitritt (Art. 175–183 OR)

1413 Schuldnerin

Gläubiger

er

Dritter

l

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Abbildung: Interne Schuldübernahme

Durch den internen Schuldübernahmevertrag  – auch Befreiungsversprechen 1414 oder Erfüllungsübernahme genannt1 – verpflichtet sich ein Dritter gegenüber der Schuldnerin, sie von ihrer Verpflichtung zu befreien. Allerdings hat dieses Versprechen keinen Wechsel der Schuldnerin zur Folge und entfaltet somit keine Wirkung gegenüber dem Gläubiger.2 Der interne Schuldübernahmevertrag besteht nur zwischen dem Dritten (Schuldübernehmer) und der Schuldnerin. Der Dritte befreit die Schuldnerin von ihrer Schuld gegenüber dem Gläubiger durch Erbringung der Leistung an den Gläubiger oder durch Abschluss eines externen Schuldübernahmevertrages mit diesem (Art. 175 Abs. 1 OR; s. N 1435 ff.).

2.

Voraussetzungen

Voraussetzungen der internen Schuldübernahme sind

1414a

• die Übertragbarkeit der Schuld (N 1415 ff.) sowie • die (Form-)Gültigkeit des internen Schuldübernahmevertrages (N 1418 f.). 2.1

Übertragbare Schuld

Eine interne Schuldübernahme kann grundsätzlich sowohl bestimmte wie auch 1415 lediglich bestimmbare, also zukünftige3 Schulden beinhalten, sofern diese übertragbar sind.4 Zu den übertragbaren Schulden zählen auch bedingte5, strittige6, ver1 2 3 4 5 6

Guhl/Koller, § 35 N 2; von Tuhr/Escher, 381. BGE 121 III 256 E. 3b = Pra 1996 Nr. 102. BGE 4A_270/2008 E. 2.1. Berger, Schuldrecht, N 2344; ZK OR-Spirig, Art. 175 N 31. BGE 4A_270/2008 E. 2.1. Engel, CO PG, 898.

435

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

jährte und öffentlich-rechtliche Schulden7 sowie z.B. familienrechtliche Unterhaltspflichten8. 1416

Sogar über eine Schuld, bei der es nach Art. 68 OR auf die Persönlichkeit der Schuldnerin ankommt, kann ein interner Schuldübernahmevertrag abgeschlossen werden (bei dessen Erfüllung muss der Gläubiger in diesen Fällen die Leistung durch den Dritten aber nicht akzeptieren; s. N 1414).9 Nicht übertragbar sind jedoch Bussen und/oder Geldstrafen aus einer strafbaren Handlung, weil diese um ihres Strafcharakters willen den Gebüssten selbst treffen müssen.10

1417

Ausgeschlossen ist auch die Übernahme einer nichtigen Schuld, weil diesfalls gemäss Bundesgericht der interne Schuldübernahmevertrag wegen anfänglicher objektiver Unmöglichkeit als nichtig zu betrachten ist.11 Die interne Schuldübernahme ist nach unserer Ansicht gemäss Art. 20 Abs. 1 OR nur nichtig, sofern der Zweck der Norm, welche die Ungültigkeit des Vertrages zwischen Gläubiger und Schuldnerin begründet, auch die Ungültigkeit des Schuldübernahmevertrages erfordert (s. N 433). 2.2

Gültiger interner Schuldübernahmevertrag

1418

Eine interne Schuldübernahme setzt einen Vertrag zwischen der Schuldnerin und dem Dritten voraus. Darin verspricht der Dritte, die Schuldnerin von ihrer Schuld zu befreien (Art. 175 Abs. 1 OR). Der Schuldübernahmevertrag kommt grundsätzlich formfrei zustande, sofern er entgeltlich ist (bei Unentgeltlichkeit s. sogleich N 1419). Dies gilt auch dann, wenn der Vertrag zwischen dem Gläubiger und der Schuldnerin formbedürftig ist.12

1419

Ausgenommen vom Grundsatz der Formfreiheit sind jene Fälle, in denen sich der Dritte verpflichtet, Schulden aus Verträgen zu übernehmen, die gerade wegen der Natur der zu übernehmenden Schuld (und nicht zum Schutz vor Übereilung) einer besonderen Formvorschrift unterliegen.13 Verpflichtet sich z.B. der Dritte dazu, eine Schuld zu übernehmen, wonach Grundeigentum zu übertragen ist, muss die Formvorschrift von Art. 657 Abs. 1 ZGB (öffentliche Beurkundung) in Hinblick auf eine rechtssichere Grundlage für die Registerführung auch für den internen Schuldübernahmevertrag eingehalten werden.14 Verpflichtet sich dagegen der Dritte dazu, die Kaufpreisschuld aus einem Grundstückkauf zu übernehmen, ist der interne Schuld7 8 9 10 11 12 13 14

436

S. BGE 92 III 57 E. 2, wonach Steuerschulden nur intern und nicht extern übernommen werden können. BGE 78 II 318 E. 2; ZK OR-Spirig, Vorb. zu Art. 175–183 N 106 ff. Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1782; BSK OR-Tschäni, Art. 175 N 3. BGE 134 III 59 E. 2.3.2; 86 II 71 E. 4; 79 II 151, 152 f. = Pra 1953, 379. BGE 95 II 37 E. 3, wo die Leistung einer sittenwidrigen Schmiergeldzahlung übernommen wurde. Bucher, OR AT, 581 FN 7. Bucher, OR AT, 581 FN 7; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3571; Schwenzer, OR AT, N 91.04. S. BGE 110 II 340 E. 1b = Pra 1985 Nr. 81; Berger, Schuldrecht, N 2346.

§ 16

Schuld- und Vertragsübernahme sowie Vertragsbeitritt (Art. 175–183 OR)

übernahmevertrag formlos gültig.15 Unabhängig von der Natur der zu übernehmenden Schuld ist der interne Schuldübernahmevertrag ausserdem formbedürftig, wenn eine Schuld unentgeltlich übernommen wird. Diesfalls ist der interne Schuldübernahmevertrag als Schenkungsversprechen zu qualifizieren und muss darum schriftlich abgeschlossen werden (Art. 243 Abs. 1 OR; s. N 2877).16

3.

Wirkungen des internen Schuldübernahmevertrages

3.1

Inter partes

Der interne Schuldübernahmevertrag kommt zwischen der Schuldnerin und dem 1420 Dritten – also ohne Mitwirkung des Gläubigers – zustande.17 Der Dritte verpflichtet sich im internen Schuldübernahmevertrag gegenüber der Schuldnerin, diese von ihrer Schuld zu befreien. Die Befreiung der Schuldnerin kann direkt durch Leistung an den Gläubiger oder aber durch Abschluss eines externen Schuldübernahmevertrages (s. N 1435 ff.) mit diesem erfolgen (Art. 175 Abs. 1 OR). Der Dritte kann den Gläubiger auch gegen dessen Willen befriedigen; dieser darf die Leistung durch den Dritten grundsätzlich nicht zurückweisen.18 Ausgenommen davon sind jene Fälle, in denen es auf die Persönlichkeit der Schuldnerin ankommt (vgl. Art. 68 OR) und der Gläubiger deshalb zustimmen muss, wenn eine andere Person als die Schuldnerin leisten will (s. N 648 ff., N 1416).19 Der interne Schuldübernahmevertrag wirkt bloss inter partes, nämlich zwischen 1421 dem Dritten und der Schuldnerin; der Gläubiger ist nicht Vertragspartei. Dem Gläubiger entstehen daraus keine Verpflichtungen oder Ansprüche gegenüber dem Dritten.20 Anders verhält es sich, wenn z.B. die Schuldnerin (als Versprechensempfängerin) und der Dritte (als Versprechender) den internen Schuldübernahmevertrag als echten Vertrag zugunsten eines Dritten, diesfalls des Gläubigers, ausgestalten (Art. 112 Abs. 2 OR; s. N 1137 ff.).21 3.2

Fälligkeit

Sobald die übernommene Schuld fällig wird (Art. 75 OR), kann die Schuldnerin – 1422 andere Vereinbarungen vorbehalten – vom Dritten verlangen, dass er sie von ihrer Schuld befreie. Falls die Schuldnerin vorleistungspflichtig ist, muss sie allerdings 15 16 17 18 19 20 21

BSK OR-Tschäni, Art. 175 N 5; a.M. ZK OR-Spirig, Vorb. zu Art. 175–183 N 126. BGE 79 II 151, 153 = Pra 1953, 379; Engel, CO PG, 895. Keller/Schöbi, 75. Schwenzer, OR AT, N 91.07. Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1782. CHK OR-Reetz/Burri, Art. 175 N 24. Bucher, OR AT, 582.

437

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

zunächst ihre eigenen Verpflichtungen aus dem internen Schuldübernahmevertrag erfüllen (Art. 175 Abs. 2 und Art. 82 OR).22 3.3 1423

Vor Fälligkeit der übernommenen Schuld kann die Schuldnerin bloss dafür optieren, dass der Dritte sie befreie, indem er mit dem Gläubiger einen externen Schuldübernahmevertrag nach Art. 176 OR schliesst. Kommt dieser mangels Einverständnisses des Gläubigers nicht zustande, hat die Schuldnerin gestützt auf den internen Schuldübernahmevertrag immer noch die Möglichkeit, nach Art. 175 Abs. 3 OR vom Dritten Sicherheiten zu verlangen, z.B. durch Stellen einer Bürgschaft (Art. 492 Abs. 1 OR) oder durch Hinterlegen eines Depots.23 Auf diesem Weg kann sie sich für den Fall absichern, dass sie trotz allem selbst an den Gläubiger leisten muss. Wichtig ist diese Regel insbesondere dann, wenn die Schuldnerin dem Dritten die aus dem internen Schuldübernahmevertrag geschuldete Gegenleistung bereits erbracht hat.24 Da Art. 175 OR allerdings dispositiv ist, können die Parteien die Sicherheitsfrage auch anders lösen. 3.4

1424

Sicherheiten

Ausbleibende Befreiung der Schuldnerin

Befreit der Dritte die Schuldnerin nicht, muss sie ihre Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger selbst erfüllen. Der Dritte kann alsdann seiner vertraglichen Verpflichtung aus dem internen Schuldübernahmevertrag nicht mehr nachkommen, da die Leistung nachträglich objektiv unmöglich geworden ist. Die Schuldnerin darf bei Verschulden des Gläubigers gestützt auf Art. 97 OR gegen den Dritten vorgehen.25

22 23 24 25

438

Furrer/Müller-Chen, Kap. 22 N 65; BSK OR-Tschäni, Art. 175 N 8 f. Schwenzer, OR AT, N 91.08; BSK OR-Tschäni, Art. 175 N 13. BGE 57 II 315, 322. BGE 4C.329/2002 E. 2.3; 79 II 151, 152 f. = Pra 1953, 379. Nach ZK OR-Spirig, Art. 175 N 85 f. m.w.H. sind bei fehlendem Verschulden bereicherungsrechtliche Ansprüche zu prüfen. A.M. BK OR-Becker, Art. 175 N 16, welcher in diesem Fall ein Abstützen auf die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) befürwortet.

§ 16

Schuld- und Vertragsübernahme sowie Vertragsbeitritt (Art. 175–183 OR)

III.

Kumulative Schuldübernahme (Schuldbeitritt, Schuldmitübernahme)

1.

Begriff

Eine kumulative Schuldübernahme liegt vor, wenn ein Dritter dem Gläubiger verspricht, als zusätzlicher Schuldner für die Erfüllung einer Verpflichtung der Schuldnerin solidarisch (Art.  143  ff.  OR) einzustehen. Die Schuldnerin wird dadurch nicht befreit.

1425

1426 Schuldnerin

Gläubiger

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Dritter

Abbildung: Kumulative Schuldübernahme

Beim kumulativen Schuldübernahmevertrag handelt es sich um einen Innominat- 1427 kontrakt, also um einen im Gesetz nicht geregelten Vertrag (s. N 3660 ff.). Ein Dritter verspricht dem Gläubiger, als zusätzlicher Schuldner für die Erfüllung einer bestehenden Verpflichtung der ursprünglichen Schuldnerin solidarisch miteinzustehen (Schuldbeitritt).26 Eine kumulative Schuldübernahme kann auch dadurch zustande kommen, dass der Dritte und die Schuldnerin einen echten Vertrag zugunsten des Gläubigers (Art. 112 Abs. 2 OR) abschliessen, sodass der Gläubiger den Dritten in der Folge direkt belangen kann; der Dritte ist dann Versprechender, die Schuldnerin Versprechensempfängerin und der Gläubiger Leistungsempfänger (s. N 1137 ff.).27 Die Mitwirkung des Gläubigers am Vertragsschluss ist bei dieser Konstellation nicht erforderlich.28 Die Schuldnerin wird bei der kumulativen Schuldübernahme nicht befreit und es 1428 findet kein Schuldnerwechsel statt. Die Stellung des Gläubigers wird gestärkt, da er durch den Schuldbeitritt zwei Personen hat, die solidarisch für die Erfüllung der 26 CR CO-Probst, Intro. art. 175–183 N 9. 27 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3642. 28 Bucher, OR AT, 587; Engel, CO PG, 902.

439

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

gleichen Schuld einstehen (Art. 143 OR; s. N 2297 ff.).29 Irreführend ist allerdings die Aussage, dass die bisherige Schuld inhaltlich sozusagen verdoppelt würde.30 Es geht hier eher um die Wahrscheinlichkeit der Befriedigung als um die inhaltliche Veränderung.

1429

2.

Abgrenzungen

2.1

Zur externen Schuldübernahme (Art. 176 ff. OR)

Im Gegensatz zur kumulativen Schuldübernahme haftet der Dritte bei der externen Schuldübernahme nicht solidarisch mit der bisherigen Schuldnerin (Art. 143 ff. OR), sondern er übernimmt die Schuld und befreit sie dadurch (s. N 1435 ff.).31 2.2

Zur Bürgschaft (Art. 492 ff. OR)

1430

Die kumulative Schuldübernahme muss darum besonders klar von der Bürgschaft (Art. 492 ff. OR) unterschieden werden, weil bei beiden Konstruktionen der Dritte für die Erfüllung einer Schuld einsteht, aber nur bei der Bürgschaft eine bestimmte Form vorgeschrieben ist (Art. 493 OR).32 Durch die Wahl des formfreien «Modells» kann mit anderen Worten das Formerfordernis der Bürgschaft umgangen werden.

1431

Mit der Bürgschaft nach Art.  492 Abs.  1  OR übernimmt der Bürge dem Gläubiger gegenüber die Pflicht, für die Erfüllung der Schuld der Hauptschuldnerin einzustehen. Die Bürgschaft ist akzessorisch zur Hauptforderung.33 Das heisst, sie teilt das Schicksal der Hauptschuld und folgt ihr als Nebenrecht (zur Akzessorietät s. N 3587 f.).34 Dagegen wird bei der kumulativen Schuldübernahme eine selbständige Verpflichtung – mit einem eigenen rechtlichen Schicksal – begründet.35 Die Haftung des Dritten ist also nicht wie die Bürgschaft akzessorisch.

1432

Weiter muss der Bürge grundsätzlich erst im Fall einer Leistungsunfähigkeit der Hauptschuldnerin einspringen. Das heisst auch, dass der Gläubiger zuerst gegen die Schuldnerin vorgehen muss; der Bürge haftet nur subsidiär (s. N 3558 f.). Selbst bei der Solidarbürgschaft nach Art. 496 OR darf der Gläubiger erst dann gegen den Bürgen vorgehen, wenn die Hauptschuldnerin rechtmässig und erfolglos gemahnt wurde oder aber ihre Zahlungsunfähigkeit offensichtlich ist (s. N 3561). Liegt dage29 30 31 32 33 34 35

440

Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1778. Madaus, 7 f. CHK OR-Reetz/Burri, Art. 175 N 9. BGE 4A_310/2015 E. 3.1; 4A_235/2012 E. 2.1; 4A_420/2007 E. 2.2; 129 III 702 E. 2.2. BGE 129 III 702 E. 2.1; BSK OR-Pestalozzi, Art. 492 N 13. BGE 4A_310/2015 E. 3.1; 113 II 434 E. 2b. S.  BGE 4A_235/2012 E.  2.1; 4A_420/2007 E.  2.2.2; 129 III 702 E.  2.1 und E.  2.6; BSK  OR-Pestalozzi, Art. 111 N 32; Reinicke/Tiedtke, N 4.

§ 16

Schuld- und Vertragsübernahme sowie Vertragsbeitritt (Art. 175–183 OR)

gen eine kumulative Schuldübernahme vor, kann der Gläubiger von vornherein wählen, ob er die Schuldnerin oder den Dritten zur Leistung anhalten will. Der Schuldbeitritt ist somit nicht subsidiär. Die zeitliche Staffelung der Ansprüche entfällt hier. Für das Belangen des «Dritten» bestehen keine zusätzlichen Voraussetzungen. Werden bei der Begründung einer Bürgschaft die Formvorschriften (Art. 493 f. OR; 1433 s. N 3579 ff.) nicht gewahrt, darf man die Abrede nicht ohne Weiteres in eine (formfreie) kumulative Schuldübernahme umdeuten.36 Indizien für eine kumulative Schuldübernahme liegen aber vor, wenn der Dritte für die Übernahme entschädigt wird bzw. aus der Erfüllung der Verpflichtung einen persönlichen Vorteil zieht37 oder sonst ein erkennbares eigenes wirtschaftliches oder rechtliches Interesse am Geschäft hat.38 Im Gegensatz dazu handelt es sich eher um eine Bürgschaft, wenn der Übernehmer ein sozusagen altruistisch motiviertes Interesse daran hat, die Kreditwürdigkeit der Schuldnerin durch eine zusätzliche Sicherung zu verbessern.39 Im fehlenden Eigeninteresse des Bürgen am Sicherungsgeschäft liegt nämlich auch der Grund für die vorgeschriebene Formvorschrift.40 Unseres Erachtens ist mit dem Bundesgericht im Zweifelsfall vor allem auch bei ausgewiesener Schutzbedürftigkeit der belasteten Partei für Bürgschaft zu entscheiden.41 2.3

Zum Garantievertrag (Art. 111 OR)

Beim Garantievertrag nach Art. 111 OR verspricht die Garantin dem Versprechens- 1434 empfänger die Leistung eines Dritten bzw. Schadenersatz für den Fall der Nichterfüllung (s. N 1167 ff.). Dagegen muss der Schuldmitübernehmer bei der kumulativen Schuldübernahme selber die Hauptleistung erbringen.42 Er verspricht dem Gläubiger also nicht nur Schadenersatz für den Fall, dass die Schuldnerin nicht leistet, sondern verpflichtet sich dazu, selbst die Primärleistung zu erbringen.

36 37 38

Bucher, OR AT, 588; ZK OR-Spirig, Vorb. zu Art. 175–183 N 304. S. BGE, SemJud 2000 I, 307 E. 1a: «Qu’il en retire personnellement un avantage». BGE 4A_235/2012 E. 2.1; 4A_420/2007 E. 2.2.3; 4A_316/2007 E. 5.4; 129 III 702 E. 2.6; 101 II 323 E. 1; Bärtschi, ius.focus 2012 Nr. 12, 277; Schwenzer, OR AT, N 91.34; zum Teil a.M. Bucher, OR AT, 587 f. 39 In BGE 4A_235/2012 E. 2.1 (bestätigt in BGE 4A_310/2015 E. 3.1) hielt das Bundesgericht fest, dass eine Bürgschaft typischerweise zur Sicherstellung einer Verpflichtung von Familienangehörigen oder engen Freunden eingegangen wird; s. auch Keller/Schöbi, 88; ZK OR-Spirig, Vorb. zu Art. 175–183 N 312. 40 BGE 4A_235/2012 E. 2.1; CHK OR-Mazan, Art. 143 N 12. 41 Im Grundsatz gleich BGE 4A_235/2012 E. 2.2; 4A_420/2007 E. 2.4.1. Teilweise a.M. Vionnet/von der Crone, SZW 2004, 391, die eher auf den Wortlaut der Vereinbarung abstellen wollen. 42 Keller/Schöbi, 87; ZK OR-Spirig, Vorb. zu Art. 175–183 N 277.

441

1. Kapitel

1435

Allgemeine Vertragslehre

IV.

Externe (privative) Schuldübernahme (Art. 176–180 OR)

1.

Begriff

Von einer externen (privaten) Schuldübernahme spricht man, wenn ein Dritter sich in einem Vertrag (externer Schuldübernahmevertrag) mit dem Gläubiger dazu verpflichtet, eine Forderung gegenüber der alten Schuldnerin zu übernehmen. Dadurch wird er als neuer Schuldner verpflichtet und die alte Schuldnerin wird befreit (Art. 176 Abs. 1 OR).

1436 Schuldnerin

Gläubiger

Sc

hu

ld

e üb xte er rn na er hm ev er

tr

ag

Dritter

Abbildung: Externe Schuldübernahme 1437

Bei der externen oder privativen Schuldübernahme nach Art. 176 ff. OR schliesst der Gläubiger mit dem Dritten einen externen Schuldübernahmevertrag, durch den der Dritte an die Stelle der bisherigen Schuldnerin tritt und diese dadurch von ihrer Verpflichtung befreit (s. auch Art. 175 Abs. 1 in fine OR).43 Zum einen bewirkt ein solcher Vertrag einen Schulderlass zugunsten der bisherigen Schuldnerin, zum anderen eine Verpflichtung des Dritten, die Schuld zu erfüllen.44 Es findet ein Wechsel in der Person der Schuldnerin statt. Allerdings lebt die Verpflichtung der Altschuldnerin mit allen Nebenrechten wieder auf, wenn der externe Schuldübernahmevertrag dahin- und der Neuschuldner ausfällt (Art. 180 Abs. 1 OR; s. N 1448).

43 44

442

BSK OR-Tschäni, Art. 176 N 1. BGE 121 III 256 E. 3b = Pra 1996 Nr. 102.

§ 16

2.

Schuld- und Vertragsübernahme sowie Vertragsbeitritt (Art. 175–183 OR)

Voraussetzungen

Voraussetzungen der externen Schuldübernahme sind

1437a

• die Übertragbarkeit der Schuld (N 1438) sowie • die (Form-)Gültigkeit des externen Schuldübernahmevertrages (N 1439 ff.). 2.1

Übertragbare Schuld

Nur eine übertragbare Schuld kann übernommen werden (s. N 1415 ff.). Nach bun- 1438 desgerichtlicher Rechtsprechung dürfen Steuerschulden zwar intern, nicht aber extern übernommen werden (s. N 1415).45 2.2

Gültiger externer Schuldübernahmevertrag

Damit die Schuld übergehen kann, ist ein gültig zustande gekommener externer 1439 Schuldübernahmevertrag zwischen dem Dritten und dem Gläubiger erforderlich. Letzterer muss die Verfügungsmacht über die Forderung innehaben. Er muss mit anderen Worten die Befreiung der bisherigen Schuldnerin durch Übertragung der Verpflichtung auf den Übernehmer herbeiführen können.46 Eine externe Schuldübernahme kann auch gegen den Willen der Schuldnerin vereinbart werden. Diese ist nicht am Vertrag zwischen dem Gläubiger und dem Dritten beteiligt (Art. 176 Abs. 1 OR).47 Für den Abschluss eines solchen Vertrages gelten die allgemeinen Regeln 1440 (Art. 1 ff. OR; s. N 140 ff.). Diese werden aber durch den dispositiven Art. 177 OR zum Teil modifiziert: So kann der Gläubiger beim Antrag ohne Annahmefrist den Antrag des Dritten jederzeit annehmen (Art. 177 Abs. 1 OR). Der Dritte soll jedoch nur solange gebunden sein, als er seinen Antrag noch nicht als stillschweigend abgelehnt ansehen darf.48 Er – oder an seiner Stelle die bisherige Schuldnerin – hat jedoch die Möglichkeit, dem Gläubiger eine Annahmefrist zu setzen, nach deren unbenutztem Ablauf die Offerte nicht mehr gilt. Ebenso verliert der Antrag nach Art. 177 Abs. 2 OR mangels anderer Abrede seine Wirksamkeit, wenn dem Gläubiger vonseiten einer weiteren Drittperson ein neuer Antrag für eine Schuldübernahme gestellt wird. Oftmals – aber nicht notwendigerweise49 – geht einem externen ein interner Schuld- 1441 übernahmevertrag voraus. Darin verspricht der Dritte der Schuldnerin die Über45 46 47 48 49

BGE 92 III 57 E. 2. Keller/Schöbi, 77; BSK OR-Tschäni, Art. 176 N 6. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3580 m.w.H. Von Tuhr/Escher, 386. S. CHK OR-Reetz/Burri, Art. 176 N 8.

443

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

nahme ihrer Schuld (s. N 1412 ff.). Wird das Versprechen dem Gläubiger mitgeteilt, gilt dieses gemäss Art. 176 Abs. 2 OR als Offerte des Dritten zum Abschluss eines externen Schuldübernahmevertrages. Die Mitteilung kann sowohl vom Dritten als auch von der Schuldnerin ausgehen, welche alsdann bei entsprechender Ermächtigung als Stellvertreterin nach Art. 32 ff. OR handelt (s. N 1022 ff.).50 Gemäss Art. 176 Abs. 3 OR darf man unter Umständen auch eine konkludente (schlüssige) Zustimmung des Gläubigers annehmen, z.B. wenn dieser die vom Dritten erbrachte Leistung vorbehaltlos annimmt.51 1442

Grundsätzlich müssen keine besonderen Formvorschriften eingehalten werden. So ist insbesondere der unentgeltliche externe Schuldübernahmevertrag – im Gegensatz zum internen Schuldübernahmevertrag (s. N 1419) – an keine Form gebunden.52 Auch bei einem Schenkungsversprechen nach Art. 243 Abs. 1 OR gilt Formfreiheit: Der Dritte wird durch sein im externen Schuldübernahmevertrag abgegebenes Versprechen nicht selbst zum Schenker.53 Ausnahmsweise ist allerdings bei Schulden aus Verträgen, die aufgrund ihres speziellen Leistungsgegenstands einer besonderen Formvorschrift unterworfen sind (z.B. öffentliche Beurkundung bei Übertragung von Grundeigentum54; Art. 657 ZGB), Formbedürftigkeit auch hier zu bejahen (s. N 1419).

3.

Wirkungen (Art. 178 OR)

1443

Der Abschluss eines externen Schuldübernahmevertrages entfaltet verschiedene Wirkungen:

1444

Zunächst führt er dazu, dass der Dritte dem Gläubiger gegenüber verpflichtet ist, die Schuld anstelle der früheren Schuldnerin zu erfüllen. Der Gläubiger erwirbt mit anderen Worten durch dieses Verpflichtungsgeschäft eine Forderung gegen den Dritten. Sodann verliert der Gläubiger die Forderung gegen die ursprüngliche Schuldnerin bzw. erlässt dieser ihre Schuld. Der Schulderlass stellt das Verfügungsgeschäft zugunsten der ehemaligen Schuldnerin dar. Im Gegensatz zur Novation (Art. 116 Abs. 1 OR; s. N 737 ff.) wird dabei nicht eine alte Schuld getilgt und eine neue begründet, sondern es wird bloss die Schuldnerin ausgewechselt.55

50 51 52

Schwenzer, OR AT, N 91.15. BGE 110 II 360 E. 2b; 54 II 278, 280. Schwenzer OR AT, N 91.14; ZK OR-Spirig, Vorb. zu Art. 175–183 N 121; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1786; zum Teil a.M. Bucher, OR AT, 584 FN 24. 53 CHK OR-Reetz/Burri, Art. 176 N 10; BSK OR-Tschäni, Art. 176 N 7; a.M. Koller, OR AT, N 85.12. 54 S. BGE 110 II 340 E. 1b = Pra 1985 Nr. 81. 55 BGE 121 III 256 E. 3b = Pra 1996 Nr. 102; 107 II 479 E. 3; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3581; CR CO-Probst, Intro. art. 175–183 N 17; ZK OR-Spirig, Vorb. zu Art. 175–183 N 274 ff.; von Tuhr/Escher, 381.

444

§ 16

Schuld- und Vertragsübernahme sowie Vertragsbeitritt (Art. 175–183 OR)

Sodann bleiben dem Gläubiger gemäss Art. 178 Abs. 1 OR – wiederum im Gegen- 1445 satz zur Novation  – sämtliche Nebenrechte (Zinsansprüche, Ansprüche aus Konventionalstrafen, Schadenersatzansprüche sowie von der Schuldnerin gestellte Sicherheiten) erhalten.56 Das heisst, er muss diese Nebenrechte nun gegenüber dem Dritten geltend machen. Schiedsklauseln gehen bei einer Schuldübernahme im Zweifel ebenfalls auf den Dritten über, weshalb der Gläubiger den Dritten vor dem ursprünglich vereinbarten Schiedsgericht belangen muss.57 Das Gesetz sieht allerdings zwei Ausnahmen vor: Zum einen gehen jene Neben- 1446 rechte, die mit der Person der Schuldnerin «untrennbar verknüpft» sind, nicht auf den Dritten über (Art. 178 Abs. 1 OR).58 Zum andern haften Drittpersonen, die für die Verpflichtung der ehemaligen Schuldnerin Pfänder bestellt haben, nur dann weiterhin für die Schuld, wenn sie der Schuldübernahme zugestimmt haben. Dies gilt auch für die Bürgschaft (Art. 178 Abs. 2 OR). Pfandbesteller können grundsätzlich formfrei zustimmen. Bürgen haben sich nach Art. 493 Abs. 5 OR schriftlich einverstanden zu erklären. Eine generelle und zum Voraus abgegebene Erklärung des Bürgen bzw. des Pfandbestellers, jeder künftigen Schuldübernahme von vornherein zuzustimmen, ist ungültig (Art. 27 Abs. 2 ZGB).59 Dagegen bleibt ein gesetzliches Pfandrecht (z.B. Bauhandwerkerpfandrecht nach 1447 Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB) auch ohne die Zustimmung der sichernden Person gültig bestehen.60 Ebenso wenig findet Art. 178 Abs. 2 OR auf Retentionsrechte (z.B. Art. 434, Art. 451 OR; Art. 895 ZGB) Anwendung, weil diese nicht durch Dritte bestellt wurden.61

4.

Dahinfallen des externen Schuldübernahmevertrages (Art. 180 OR)

Fällt der externe Schuldübernahmevertrag nachträglich dahin, leben die Verpflich- 1448 tung der früheren Schuldnerin und alle damit verbundenen Nebenrechte des Gläubigers wieder auf (Art.  180 Abs.  1  OR). Dies ist etwa der Fall, wenn der externe Schuldübernahmevertrag wegen eines Willensmangels für ungültig erklärt wird (Art. 23 ff. OR), wenn eine Resolutivbedingung eintritt (Art. 154 Abs. 1 OR) oder wenn eine Partei vom Vertrag zurücktritt (Art. 107 und Art. 109 OR). Der Gläubiger kann auch verlangen, dass frühere Bürgen wieder eingesetzt und 1449 verfallene Sicherheiten erneut errichtet werden. Hat bereits ein Vierter gutgläu56 57 58 59 60 61

BGE 121 III 256 E. 3c = Pra 1996 Nr. 102; Furrer/Müller-Chen, Kap. 22 N 73. BGE 134 III 565 E. 3.2 = Pra 2009 Nr. 37; CR CO-Probst, Art. 178 N 3. Z.B. Konkursprivilegien nach Art. 219 SchKG; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3601 f. m.w.H. BGE 63 II 409 E. a; Bucher, OR AT, 586. Schwenzer, OR AT, N 91.19; ZK OR-Spirig, Art. 178 N 81. ZK OR-Spirig, Art. 178 N 79.

445

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

big einen einstigen Pfandgegenstand erworben, muss der Dritte («Schuldübernehmer») dem Gläubiger den Schaden ersetzen, sofern er nicht beweisen kann, dass ihn am Dahinfallen des externen Schuldübernahmevertrages kein Verschulden trifft (Art. 180 Abs. 2 OR).62

5.

Einreden und Einwendungen (Art. 179 OR)

1450

Grundsätzlich hat die externe Schuldübernahme lediglich einen Wechsel in der Person der Schuldnerin zur Folge, die Schuld selbst bleibt dieselbe. Auch die Rechtsstellung des Gläubigers soll durch den Personenwechsel auf der Gegenseite nicht beeinträchtigt werden.63 Dem Dritten («neuer Schuldner») stehen darum nach Art. 179 Abs. 1 OR sämtliche Einreden und Einwendungen aus der Forderung zu, welche deren Bestand betreffen (z.B. Stundung, Ungültigkeit, Verrechnung) und welche die bisherige Schuldnerin ebenfalls hätte geltend machen können.64 So kann der Dritte z.B. einwenden, die Forderung sei gestundet, infolge Verrechnung erloschen oder habe aufgrund der Ungültigkeit des Vertrages zwischen der bisherigen Schuldnerin und dem Gläubiger nie bestanden.65 Insbesondere kann er  – vorbehältlich Art. 2 ZGB – auch die Einrede der Verjährung vorbringen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass eine externe Schuldübernahme bei noch nicht abgelaufener Verjährungsfrist durchaus eine Anerkennung im Sinne von Art. 135 Ziff. 1 OR darstellen und somit die Frist unterbrechen kann.66 Es beginnt dann die übertragene Forderung neu zu verjähren.

1451

Dagegen kann der Dritte persönliche – also nicht forderungsbezogene – Einreden und Einwendungen der früheren Schuldnerin nur vorbringen, wenn er dies mit dem Gläubiger so vereinbart hat (Art. 179 Abs. 2 OR).67 Abgesehen von der Einrede aus Art. 250 Abs. 1 Ziff. 1 OR (Widerruf des Schenkungsversprechens) zählen zu den persönlichen Einreden und Einwendungen auch solche, die sich aus dem Vertragsverhältnis (und nicht bloss aus der einzelnen, vom Dritten übernommenen Schuld) zwischen dem Gläubiger und der früheren Schuldnerin ergeben.68 Verzichtet die Schuldnerin auf das Erheben einer Einrede oder Einwendung aus dem Vertrag mit dem Gläubiger, ist deren Geltendmachung auch dem Dritten versagt.69 Somit kann dieser die Einwendung der Verrechnung nur erheben, wenn bereits die Schuldnerin die Verrechnung erklärt hat (die Einwendung somit den Bestand 62 63 64 65 66 67 68 69

446

Berger, Schuldrecht, N 2339; Guhl/Koller, § 35 N 18. Guhl/Koller, § 35 N 16. BSK OR-Tschäni, Art. 179 N 2. BGE 4A_270/2008 E. 2.1; BSK OR-Tschäni, Art. 179 N 4; von Tuhr/Escher, 390. ZK OR-Spirig, Art. 179 N 55. BGE 58 II 18 E. 3b; Bucher, OR AT, 585. Keller/Schöbi, 83. BSK OR-Tschäni, Art. 179 N 5.

§ 16

Schuld- und Vertragsübernahme sowie Vertragsbeitritt (Art. 175–183 OR)

der Forderung betrifft). Ist dies nicht der Fall, kann der Dritte seine Schuld – mangels Gegenseitigkeit der Forderungen – nicht mit einer Forderung der Schuldnerin gegen den Gläubiger verrechnen.70 Da der Dritte nicht Vertragspartei des Schuldverhältnisses zwischen Gläubiger und 1452 Schuldnerin wird, steht ihm gegenüber dem Gläubiger auch die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach Art. 82 OR nicht zu.71 Strittig ist auch, ob der Dritte Willensmängel geltend machen kann, die seinerzeit 1453 bei der Schuldnerin vorlagen. Beispielsweise kann der Fall genannt werden, in dem die Schuldnerin den Vertrag infolge absichtlicher Täuschung durch den Gläubiger abgeschlossen hat.72 Unseres Erachtens kann sich der Dritte insofern auf die Ungültigkeit infolge Willensmängel berufen, als die Schuldnerin den Vertrag nicht genehmigt bzw. die Frist nach Art. 31 OR nicht versäumt hat. Zur Verfügung stehen dem Dritten sodann alle Einwendungen und Einreden, die 1454 sich aus dem externen Schuldübernahmevertrag zwischen ihm und dem Gläubiger ergeben.73 Z.B. kann er die übernommene Schuld mit einer eigenen Forderung gegenüber dem Gläubiger verrechnen (Art. 120 OR).74 Aus seinem Verhältnis zur Schuldnerin, also der internen Schuldübernahme, kann er dem Gläubiger keine Einreden und Einwendungen entgegenhalten (Art. 179 Abs. 3 OR). Zu beachten ist aber, dass die gesamte Regelung von Art. 179 OR dispositives Recht darstellt; abweichende Parteivereinbarungen sind somit zulässig.75

6.

Abgrenzungen

6.1

Zur Abtretung (Art. 164 ff. OR)

Die Abtretung ist das Gegenstück zur externen Schuldübernahme (s. N 1322 ff.). Bei 1455 der externen Schuldübernahme findet innerhalb eines bestehenden Schuldverhältnisses ein Wechsel in der Person der Schuldnerin statt. Dagegen betrifft die Abtretung den Gläubigerwechsel. Die Interessenlage unterscheidet sich wie folgt: Während es der Schuldnerin grundsätzlich gleichgültig sein darf, welchem Gläubiger sie ihre Leistung zukommen lassen muss, spielt für den Gläubiger die Person seiner Schuldnerin oft eine wichtige Rolle. Die Möglichkeit und die Bereitschaft zur Leistung sind bei jeder Schuldnerin anders und haben unter Umständen erheblichen 70 S. CHK OR-Reetz/Burri, Art. 179 N 12. 71 Bucher, OR AT, 585 f.; ZK OR-Spirig, Art. 179 N 41; a.M. Engel, CO PG, 899; von Tuhr/Escher, 390 f. 72 BGE 60 II 108 E. 4; bejahend: Berger, Schuldrecht, N 2336; Bucher, OR AT, 586; von Tuhr/Escher, 390; verneinend: BK OR-Becker, Art. 179 N 9; Keller/Schöbi, 83; ZK OR-Spirig, Art. 179 N 91. 73 BGE 73 II 171 E. 4; 58 II 17 E. 3a. 74 BSK OR-Tschäni, Art. 179 N 6. 75 BGE 58 II 17 E. 3b; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3615; BSK OR-Tschäni, Art. 179 N 9.

447

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Einfluss auf den Wert der Forderung. Aus diesem Grund muss der Gläubiger in den Wechsel der Schuldnerin einwilligen, bei der Abtretung hingegen braucht es keine Einwilligung der Schuldnerin.76 Einzuräumen ist aber auch, dass bei der Abtretung der Gedanke einer einfachen Mobilisierung der Forderung im Vordergrund stand. 6.2 1456

Die Universalsukzession unterscheidet sich insofern von der externen Schuldübernahme, als dabei nicht nur eine bestimmte Schuld von einem Rechtssubjekt auf ein anderes übergeht, sondern vielmehr alle Rechte und Pflichten einer Person auf eine andere übertragen werden (z.B. Erbschaftserwerb nach Art. 560 Abs. 2 ZGB oder Fusion; s. Art. 22 Abs. 1 FusG77). 6.3

1457

Zum Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 f. OR)

Bei einem Vertrag zugunsten eines Dritten wird eine zusätzliche Rechtsbeziehung begründet (Art. 112 Abs. 1 OR; s. N 1119 ff.). Im Gegensatz dazu besteht bei der externen Schuldübernahme bereits ein Rechtsverhältnis zwischen der bisherigen Schuldnerin und dem Gläubiger. Zu diesem tritt der Dritte (Schuldübernehmer) bloss hinzu, indem er durch Abschluss eines externen Schuldübernahmevertrages die bestehende Schuld übernimmt. Des Weiteren ist der Leistungsempfänger bei der externen Schuldübernahme (Gläubiger) an der Ausgestaltung des Vertrages zwischen ihm und der bisherigen Schuldnerin beteiligt, währenddem der Leistungsempfänger beim Vertrag zugunsten eines Dritten gar nicht Vertragspartner ist.78 Beim Vertrag zugunsten eines Dritten wird der Dritte in der Regel von Anfang an in das Vertragswerk miteinbezogen, während die Schuldübernahme später als Originalvertrag vereinbart wird. Aus diesem Grund ist auch das Design der Vereinbarung ein anderes. 6.4

1458

Zur Universalsukzession

Zur Anweisung (Art. 466 ff. OR)

Die ehemalige Schuldnerin wird durch die externe Schuldübernahme befreit. Im Gegensatz dazu bleibt bei der Anweisung (Art. 466 ff. OR) die Schuld des Anweisenden gegenüber der Anweisungsempfängerin (aus dem Valutaverhältnis) so lange bestehen, bis der Angewiesene auch tatsächlich bezahlt.79 Allerdings lebt die Verpflichtung der ehemaligen Schuldnerin wieder auf, wenn der externe Schuldüber76 77

S. Bucher, OR AT, 580; Guhl/Koller, § 35 N 1 f.; Schwenzer, OR AT, N 91.01. Bundesgesetz vom 3.  Oktober 2003 über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz; SR 221.301). 78 ZK OR-Spirig, Vorb. zu Art. 175–183 N 270. 79 ZK OR-Spirig, Vorb. zu Art. 175–183 N 316.

448

§ 16

Schuld- und Vertragsübernahme sowie Vertragsbeitritt (Art. 175–183 OR)

nahmevertrag zwischen dem Dritten und dem Gläubiger «als unwirksam dahinfällt» (Art. 180 Abs. 1 OR; s. N 1448). Auch hier wird es so sein, dass der Dreiermechanismus bei der Anweisung von Anfang an etabliert wird, während die Schuldübernahme später vereinbart wird.

V.

Besondere Fälle (Art. 181 und Art. 183 OR)

1.

Übernahme eines Vermögens oder eines Geschäfts (Art. 181 OR)

Nach Art. 181 Abs. 1 OR können Veräusserin und Erwerber mittels Übernahme- 1459 vertrag vereinbaren, dass ein Vermögen oder ein Geschäft mit Aktiven und Passiven vom einen auf den anderen übergehen soll.80 Mit der Mitteilung an die Gläubiger bzw. mit der Veröffentlichung der Übernahme in öffentlichen Blättern (Art. 181 Abs. 1 OR) gehen die Passiven von Gesetzes wegen auf den Erwerber über.81 Die Aktiven dagegen müssen in der Regel nach dem Prinzip der Singularsukzession übertragen werden, z.B. mittels Besitzübergabe nach Art. 714 ZGB (bewegliche Sachen) oder mittels Eintragung in das Grundbuch nach Art.  656 ZGB (Grundstücke).82 Die Zustimmung der Gläubiger wird dafür nicht vorausgesetzt.83 Gemäss Art. 181 Abs. 2 OR haftet die Schuldnerin aber solidarisch (Art. 143 ff. OR) mit dem Erwerber, und zwar noch während drei Jahren ab Kundgabe an die Gläubiger oder ab Fälligkeitszeitpunkt der betreffenden Forderungen.84 Die Bedeutung von Art. 181 OR wird durch das Fusionsgesetz (FusG) relativiert. 1460 Gemäss Art. 181 Abs. 4 OR richtet sich die Vermögens- und Geschäftsübernahme von eingetragenen Handelsgesellschaften, Genossenschaften, Vereinen, Stiftungen und Einzelfirmen nämlich nach den Art. 69 ff. FusG. Ein zentraler Unterschied zwischen der Vermögens- und Geschäftsübernahme nach Art. 181 OR und der Vermögensübertragung nach Art. 69 ff. FusG besteht darin, dass Art. 73 Abs. 2 FusG nicht mehr nur die Passiven, sondern auch die Aktiven von Gesetzes wegen – und zwar nach dem Prinzip der partiellen Universalsukzession – auf den Erwerber übergehen lässt.85 Die Aktiven müssen somit nicht – wie nach Art. 181 OR – nach dem Prinzip der Singularsukzession übertragen werden.86 Auch das FusG sieht eine dreijährige

80 81 82 83 84 85 86

Barandun, 28 ff. Engel, CO PG, 905; BSK OR-Tschäni, Art. 181 N 13. BGE 136 V 271 E. 2.3.2; 115 II 415 E. 2b; Tschäni/Diem/Wolf, Kap. 3 N 68 ff. BSK OR-Tschäni, Art. 181 N 13. BGE 129 III 167 E. 2.1 = Pra 2003 Nr. 120; 121 III 324 E. 2; 63 II 14 E. 4; Meier, ZvglRWiss 1985, 65. Gersbach, ZBGR 2004, 217; SHK FusG-Passadelis/Leis, Art. 73 N 8. SHK FusG-Frick, Vorb. zu Art. 69–72 N 1.

449

1. Kapitel

Allgemeine Vertragslehre

Solidarhaftung der bisherigen Schuldnerin mit dem Erwerber vor (Art. 75 Abs. 1 FusG; s. auch Art. 181 Abs. 2 OR).87

1461

2.

Erbteilung und Veräusserung verpfändeter Grundstücke (Art. 183 OR)

2.1

Erbteilung (Art. 639 ZGB)

Gemäss Art. 639 Abs. 1 ZGB sind die Miterben solidarisch (Art. 143 ff. OR) für die Schulden des Erblassers haftbar. Sie können diese untereinander, aber mittels interner Schuldübernahme (Art. 175 OR; s. N 1412 ff.) aufteilen.88 Trotz Aufteilung haften sie weiterhin solidarisch während fünf Jahren ab Teilung oder ab dem Zeitpunkt, auf den die Forderung (später) fällig wurde (Art. 639 Abs. 2 ZGB). Die Solidarhaftung entfällt nur, wenn der Gläubiger der neuen Zuteilungsordnung zugestimmt hat (Art. 639 Abs. 1 ZGB).89 Ohne seine Zustimmung entfaltet die interne Schuldübernahme zwischen den Erben erst nach Ablauf der Fünfjahresfrist auch gegen seinen Willen Wirkung. Er kann alsdann nur noch den übernehmenden Erben belangen.90 2.2

1462

Bei der Veräusserung verpfändeter Grundstücke sind die Art. 832 ff. und Art. 845 ZGB zu beachten. Ist z.B. ein Grundstück mit einer Grundpfandverschreibung belastet, wird die frühere Schuldnerin frei, sobald der neue Eigentümer die Schuldpflicht übernimmt.91 Der Gläubiger kann aber innerhalb eines Jahres schriftlich erklären, dass er die frühere Schuldnerin beibehalten will (Art. 832 Abs. 2 ZGB).92

VI. 1463

Veräusserung verpfändeter Grundstücke

Vertragsübernahme

Übernimmt eine bisher nicht am Vertrag beteiligte Person von einer Partei das gesamte Vertragsverhältnis mit sämtlichen Rechten und Pflichten, spricht man von Vertragsübernahme.

87 SHK FusG-Frick, Art. 69 N 15. 88 Schwenzer, OR AT, N 91.31. 89 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3651. 90 BSK OR-Tschäni, Art. 183 N 2. 91 BGE 121 III 256 E. 3b und E. 3c = Pra 1996 Nr. 102. 92 Keller/Schöbi, 95 f.; BSK OR-Tschäni, Art. 183 N 3 f.

450

§ 16

Schuld- und Vertragsübernahme sowie Vertragsbeitritt (Art. 175–183 OR)

Bei der Vertragsübernahme wird für eine Vertragspartei eine andere eingewechselt. 1464 Gegenstand der Übernahme ist also nicht eine einzelne Schuld (Mikroebene), sondern das Vertragsverhältnis als Ganzes (Makroebene).

1.

Gesetzliche Vertragsübernahme

Die Vertragsübernahme hat im  OR keine Regelung erfahren, in bestimmten Fäl- 1465 len wird sie aber explizit von Gesetzes wegen vorgesehen. Z.B. gilt im Mietrecht der Grundsatz «Kauf bricht Miete nicht» (Art. 261 Abs. 1 OR; s. N 2983): Verkauft die Vermieterin die Wohnung einem Dritten, ist dieser grundsätzlich verpflichtet, den bereits bestehenden Mietvertrag zu übernehmen (s.  N  2985a  f.). Einen weiteren Fall findet man im Arbeitsrecht: Gemäss Art. 333 Abs. 1 OR gehen die Arbeitsverhältnisse automatisch auf den Dritten über, der den Betrieb (oder einen Betriebsteil) vom ursprünglichen Arbeitgeber übernimmt (s. auch Art. 76 Abs. 1 FusG).93 Die im Gesetz erwähnten Fälle regeln aber lediglich die Vertragsübernahme, nicht 1466 jedoch das zugrunde liegende Rechtsgeschäft. Regelmässig kommt dieses durch Absprache zwischen dem Dritten (im Fall von Art. 333 Abs. 1 OR dem Käufer des Betriebs oder Betriebsteils) und der ausscheidenden Vertragspartei (im Fall von Art. 333 Abs. 1 OR der ursprünglichen Arbeitgeberin) zustande. Art. 333 OR findet selbst dann Anwendung, wenn keine rechtsgeschäftliche Beziehung zwischen dem ursprünglichen und dem neuen Betriebsinhaber besteht: Die tatsächliche Weiterführung des Betriebs durch den neuen Inhaber ist dafür ausreichend.94 Eine Zustimmung der verbleibenden Vertragspartei (im Fall von Art.  333 Abs.  1  OR des Arbeitnehmers) zur Vertragsübernahme wird nicht vorausgesetzt. Letztere muss aber insofern in ihren Interessen geschützt werden, als ihr durch die gesetzliche Vertragsübernahme ein neuer Vertragspartner «aufgedrängt» wird, den sie unter Umständen selber nicht gewählt hätte. Das Gesetz sieht hier Abhilfen vor: Zu erwähnen sind etwa spezielle Kündigungsrechte (Art. 333 Abs. 1 und Abs. 2 OR) oder die Möglichkeit einer zeitlich beschränkten Solidarhaftung des Dritten (bei Art. 333 Abs. 1 OR des Käufers des Betriebs oder Betriebsteils) zusammen mit der ehemaligen Vertragspartnerin (also der ursprünglichen Arbeitgeberin; Art.  333 Abs. 3 i.V.m. Art. 143 ff. OR; s. auch Art. 76 Abs. 2 FusG).95

93 Schwenzer, OR AT, N 92.02. 94 BGE 123 III 466 E. 3a = Pra 1998 Nr. 55; BSK OR-Portmann/Rudolph, Art. 333 N 7. 95 Keller/Schöbi, 37; Schwenzer, OR AT, N 92.02.

451

1. Kapitel

2.

Allgemeine Vertragslehre

Rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme

1467

Wegen des Grundsatzes der Vertragsfreiheit kann man auch eine Vertragsübernahme vereinbaren.96 Der zu übernehmende Vertrag wird so zum Inhalt des Übernahmevertrages. Die von der älteren Lehre vertretene Zerlegungstheorie, wonach es sich bei diesem Rechtsgeschäft um eine Kombination von Zession und Schuldübernahme handle, ist aber abzulehnen. Vielmehr ist der heute grossmehrheitlich vertretenen Einheitstheorie zu folgen, wonach es bei der Vertragsübernahme durch Rechtsgeschäft um einen «dreiseitigen Vertrag sui generis» zwischen dem Dritten, der ausscheidenden und der verbleibenden Vertragspartei geht.97 Möglich ist auch, dass ein Vertrag zwischen zwei der genannten Parteien mit nachträglicher Zustimmung der dritten Partei vorliegt.98 Alle drei Parteien müssen der Vertragsübernahme zustimmen. Der Grund dafür liegt darin, dass der übernehmende Dritte nicht nur neuer Gläubiger, sondern gleichzeitig auch neuer Schuldner wird.99

1468

Die Unterscheidung zwischen Zerlegungs- und Einheitstheorie spielt darum eine Rolle, weil nach neuerer Lehre auch die mit dem Vertrag verbundenen Gestaltungsrechte auf den übernehmenden Dritten überzugehen vermögen. Bei Fusionen (Art. 3 ff. FusG) werden ganze Vertragsverhältnisse übertragen, ohne dass die verbleibende Vertragspartei dazu ihre Zustimmung erteilen muss (das war im Übrigen schon bei Art. 748 ff. aOR, die mit Inkrafttreten des FusG aufgehoben wurden, der Fall).100 Ob Vermögensübertragungen nach Art. 69 ff. FusG (s. N 1460) und Spaltungen nach Art. 29 ff. FusG ohne Zustimmung der verbleibenden Vertragspartei zum Übergang von ganzen Vertragsverhältnissen führen können, ist in der Lehre kontrovers.101

VII. Vertragsbeitritt 1469

Von der Vertragsübernahme zu unterscheiden ist der Vertragsbeitritt, bei dem sich ein Dritter nachträglich als weitere Vertragspartei auf der einen Seite eines bestehenden Vertragsverhältnisses beteiligt und in der Folge die volle rechtliche Stellung

96 97 98

Berger, Schuldrecht, N 2354; Mergner-Dal Vesco, 65; ZK OR-Spirig, Vorb. zu Art. 175–183 N 228. Bucher, OR AT, 592. Bucher, OR AT, 592 f.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3548; ZK OR-Spirig, Vorb. zu Art. 175– 183 N 229 ff. m.w.N. 99 Schwenzer, OR AT, N 92.04 m.w.N. 100 Watter/Kägi, SZW 2004, 235. Zum FusG allgemein s. Vischer, BJM 1999, 289 ff. 101 S. SHK FusG-Frick, Art. 69 N 18 ff.; Gersbach, ZBGR 2004, 224 ff.; Marolda Martinez/von der Crone, SZW 2004, 302 f.; Watter/Kägi, SZW 2004, 235 m.w.H.

452

§ 16

Schuld- und Vertragsübernahme sowie Vertragsbeitritt (Art. 175–183 OR)

eines weiteren Vertragspartners erhält.102 Dazu benötigt er sowohl das Einverständnis der Partei, zu der er hinzutritt, als auch dasjenige der Gegenpartei.103

102 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3551; ZK OR-Spirig, Vorb. zu Art. 175–183 N 238 ff. 103 Berger, Schuldrecht, N 2359; Bucher, OR AT, 593.

453

2.

Kapitel Quasivertragliche Ansprüche

§ 17 Übersicht über die quasivertraglichen Ansprüche Weiterführende Literatur Berger Bernhard, Verhaltenspflichten und Vertrauenshaftung, Diss. Bern 2000 (zit.: Berger, Vertrauenshaftung); Gonzenbach Rainer, Senkrechtstart oder Bruchlandung? – Unvertraute Vertrauenshaftung aus «Konzernvertrauen», recht 1995, 117–130; Hürlimann-Kaup Bettina, Die privatrechtliche Gefälligkeit und ihre Rechtsfolgen, Diss. Freiburg 1999; Loser Peter, Die Vertrauenshaftung im schweizerischen Schuldrecht: Grundlagen, Erscheinungsformen und Ausgestaltung im geltenden Recht vor dem Hintergrund europäischer Rechtsentwicklung, Habil. Bern 2006; Maissen Eva/Purtschert Tina/Rusch Arnold F., Unentgeltliche Hilfeleistung: GoA, Gefälligkeit oder unentgeltlicher Auftrag?, Jusletter 9. September 2013; Rusch Arnold F., Rechtsscheinlehre in der Schweiz, Habil. Zürich 2010; Schmid Jörg, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, in: Gauch Peter/Schmid Jörg (Hrsg.), Die Rechtsentwicklung an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, Symposium zum Schweizerischen Privatrecht, Zürich 2001, 421–434 (zit.: Schmid, Symposium); Schmid Jörg, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, Habil. Freiburg 1992 (zit.: Schmid, GoA); Walter Hans Peter, Vertrauenshaftung im Umfeld des Vertrages, ZBJV 1996, 273–295; Wiegand Wolfgang, Von der Obligation zum Schuldverhältnis, recht 1997, 85–94; Würsch Daniel/Dallafior Roberto, «Können Fakten Verträge begründen? – Zum sog. faktischen Vertragsverhältnis: Bemerkungen zu einem Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn, SJZ 84 (1988) 251 f.», SJZ 1989, 273–277.

I.

Begriff

Quasivertragliche Ansprüche entstehen, wenn die Parteien in einem vertragsähnlichen Kontext – aber ohne (gültigen) Vertrag – handeln und wenn die (partielle) Anwendung vertragsrechtlicher Normen zu einem angemesseneren Ergebnis führt als ausservertragliches Recht.

1470

Das  OR sieht ausdrücklich nur punktuell quasivertragliche Ansprüche vor (z.B. 1471 Art. 26 OR für den fahrlässigen Irrtum; Art. 39 OR für die vollmachtlose Vertretung; Art.  419  ff.  OR für die echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA); Art. 320 Abs. 3 OR für den ungültigen Arbeitsvertrag). Lehre und Rechtsprechung

455

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

haben die Palette quasivertraglicher Ansprüche auf dem Weg der Fallgruppenbildung erweitert. 1472

Sofern keine gesetzliche Regel vorliegt, ist für jede Fallgruppe gesondert zu entscheiden, welche vertragsrechtlichen Bestimmungen analog angewendet werden können und welche nicht. Hierfür soll induktiv und unter punktueller Anknüpfung an eine Schieflage, für die man vertragliche Ausgleichsregeln braucht, vorgegangen werden. Dies kann unter Umständen dazu führen, dass man sich für ein faires Ergebnis mehrerer – geschriebener oder ungeschriebener – Normen bedienen muss. Ein solcher bottom up-approach (von unten nach oben, induktiv) kann auch dazu führen, dass nur gewisse Regeln eines Vertragstyps oder einer anderen zusammenhängenden Normengruppe auf eine quasivertragliche Beziehung passen, während andere unangewendet bleiben müssen. Dass die Analogie für jede einzelne Bestimmung auslegungstechnisch bzw. argumentatorisch abzusichern ist, erscheint mit Bezug auf die Normen des Allgemeinen Teils viel selbstverständlicher als hinsichtlich des Besonderen Teils. Es gilt aber für alle Regeln gleichermassen.

1473

Im Folgenden sollen die einzelnen quasikontraktuellen Fallgruppen dargestellt werden. Auf den widersprüchlichen und umstrittenen Sammelbegriff des «faktischen Vertragsverhältnisses» wird nachfolgend verzichtet.1 Denn entweder ist aufgrund des normativen Konsenses – trotz des Fehlens eines wirklichen gemeinsamen Willens  – ein Vertrag zustande gekommen (s.  N  249  f.) oder es werden auf die vertragsähnliche Situation einzelne quasikontraktuelle Ansprüche zur Anwendung gebracht. Allenfalls sind mangels vertraglicher und quasivertraglicher Obligationen auch delikts- oder bereicherungsrechtliche Ansprüche zu prüfen.

1474

Demgegenüber scheint oder schien das Bundesgericht mindestens während einer gewissen Zeit davon auszugehen, dass es möglich und sinnvoll sein könnte, das Niemandsland zwischen Vertrag und Delikt mit einem einzigen Institut, der sog. Vertrauenshaftung, abzudecken.2 Zu diesem Zweck verallgemeinert(e) es die cic-Haftung (s. N 1715 ff.) und bezeichnete die entsprechende Figur in Anlehnung an die in Deutschland gebräuchliche Terminologie als «Vertrauenshaftung». Mit anderen Worten ging es mit Bezug auf die quasivertraglichen Ansprüche zu einem top downapproach über.3 Nach unserer Auffassung ist demgegenüber ein bottom up-approach zu bevorzugen. Die jüngere bundesgerichtliche Rechtsprechung lässt darauf schliessen, dass das Bundesgericht ebenfalls zu einem solchen approach zurückkehren dürfte. Zum einen schränkt es die Vertrauenshaftung immer mehr ein.4 Zum ande1

Gl.M. Schmid, GoA, N 1842 ff. mit einer ausführlichen Kritik am Begriff «faktische Vertragsverhältnisse»; s. auch Bucher, OR AT, 270 ff.; BK OR-Kramer, Art. 1 N 238 ff.; Würsch/Dallafior, SJZ 1989, 273 ff. 2 S. BGE 120 II 331; s. auch BSK OR-Kessler, Art. 41 N 44. 3 S. BGE 130 III 345 E. 2.1, in welchem das Bundesgericht die Vertrauenshaftung (noch) als Oberbegriff für die Haftung aus cic sowie die weiteren interessenmässig gleich gelagerten Tatbestandsgruppen verstand. 4 S. BGE 133 III 449 E. 4.1, in welchem das Bundesgericht für das Vorliegen einer Vertrauenshaftung das erste Mal zusätzlich forderte, dass das Eingehen eines Vertrages unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre; bestä-

456

§ 17

Übersicht über die quasivertraglichen Ansprüche

ren zieht es anstelle der Vertrauenshaftung auch andere Institute in Betracht, etwa die Gefälligkeitshaftung5 (der es bisweilen auch die Haftung aus Rat und Auskunft zuschlägt6) oder die Haftung aus echter berechtigter GoA, deren Art. 422 Abs. 1 OR es analog auch auf Nicht-GoA-Konstellationen anwendet7. Dies alles zeigt, dass die Vertrauenshaftung auch nach der Auffassung des Bundesgerichts offenbar doch nicht alle Phänomene zwischen Vertrag und Delikt angemessen zu erfassen vermag.

II.

Anwendungsfälle

Quasivertragliche Ansprüche entstehen in einer Vielzahl von Fällen. Die folgende 1475 Aufzählung ist daher nicht abschliessend. Die wichtigsten Anwendungsfälle werden in den nachfolgenden Kapiteln vertieft behandelt. Bei der Vertrauenshaftung (s.  N  1712  ff.) werden einzelne vertragliche Haftungs- 1476 grundsätze auf eine durch Vertrauen geprägte Beziehung ohne Vertragscharakter analog angewendet. Die Haftung aus culpa in contrahendo (Haftung aus cic; s. N 1524 ff.) ist laut Bun- 1477 desgericht ein Unterfall der Vertrauenshaftung und knüpft an Vertragsverhandlungen an.8 Die vertrauensbegründende Beziehung zwischen den Parteien besteht in einem «Vertragsverhandlungsverhältnis»9. Für die «echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag» (echte berechtigte 1478 GoA; s. N 1604 ff.) sieht das OR explizit die Anwendung quasivertragsrechtlicher und  – ergänzend  – vertragsrechtlicher, nämlich auftragsrechtlicher Regeln vor (Art. 419 ff. OR). Das «Gefälligkeitsverhältnis» wird durch den fehlenden Rechtsbindungswillen zwi- 1479 schen den Parteien charakterisiert: Es lassen sich darum aus diesem grundsätzlich auch keine vertraglichen Ansprüche ableiten (s. N 78 und N 1662 ff.). In Ausnahmefällen wendet das Bundesgericht jedoch auch auf Gefälligkeiten gleichwohl kontraktuelle oder mindestens quasikontraktuelle Regeln an (s. N 1671 ff.). Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn aus einer Gefälligkeitshandlung für den Gefälligkeits-

5 6 7

8 9

tigt in BGE 4A_306/2009 E. 5.4.1; s. auch BGE 134 III 390 E. 4.3.3, wonach «die Vertrauenshaftung keinesfalls zu einer Haftung gegenüber jedermann ausufern» solle. Diese sei daher, so das Bundesgericht, an strenge Voraussetzungen zu knüpfen. S. BGE 137 III 539 zur Haftung der Gefälligkeitserbringerin beim Kinderhüten unter Nachbarinnen. Vgl. z.B. BGE 116 II 695 E. 2b bb und E. 4. Vgl. z.B. BGE 61 II 95 E. 3, in welchem das Bundesgericht den Auftraggeber im Rahmen eines unentgeltlichen Auftragsverhältnisses analog zu Art. 422 OR haften liess. S. auch BGE 129 III 181 E. 4.1, in welchem der Gefälligkeitsempfänger ebenfalls gemäss Art. 422 OR analog für den Schaden, welcher der Gefälligkeitserbringer beim Hinabstürzen von einer Leiter erlitten hatte, haften musste. BGE 130 III 345 E. 2. BGE 120 II 331 E. 5a m.w.N.

457

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

empfänger und/oder die Gefälligkeitserbringerin ein Schaden resultiert. Über die Gefälligkeit als ein besonderes Phänomen nachzudenken, ist unserer Meinung nach nur sinnvoll, wenn der Gefälligkeitsempfänger und die Gefälligkeitserbringerin die Gefälligkeitshandlung in irgendeiner Weise miteinander abgesprochen haben. Führt die Gefälligkeitserbringerin diese dagegen in eigener Regie, also eigenmächtig, aus, sind nach der hier vertretenen Ansicht «ohne Wenn und Aber» die Regeln über die GoA anwendbar (s. N 1702 ff.).10 Die nicht abgesprochene Gefälligkeit ist mit anderen Worten rechtlich nicht anders zu handhaben, als eine beliebige andere ohne Auftrag erfolgte Geschäftsführung. Es geht sodann zunächst darum herauszufinden, ob die Gefälligkeitserbringerin in fremdem oder eigenem Interesse handelte und ob, wenn Ersteres zutrifft, ihr Einsatz geboten (und nicht verboten) war (s. N 1498 ff.). 1480

Beim «Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter» (s.  N  1567  ff.) besteht zwischen der Schädigerin und dem geschädigten Dritten kein Vertragsverhältnis. Da der Dritte aber in einer besonderen Nähe zum Vertragspartner der Schädigerin steht, geht unter bestimmten Voraussetzungen auch seine Beziehung zur Schädigerin über einen zufälligen Alltagskontakt hinaus. Daraus wird abgeleitet, dass die Schädigerin auch den Drittschaden nach vertraglichen Regeln zu ersetzen hat. Die partielle Anwendung von Vertragsrecht wird hier über die Figur der nahestehenden Person begründet.

1481

Bei der «vertragslosen Inanspruchnahme einer entgeltlichen Leistung» bezieht der Empfänger, ohne einen Vertrag eingehen oder etwas hingeben zu wollen, eine Leistung (oft Dienstleistung), von der er weiss oder wissen muss, dass sie die Leistende grundsätzlich nur gegen Entgelt erbringt. Zudem muss die Leistung im Bereich des Privatrechts11 und auf Initiative des Bezügers erfolgen.12 Meist handelt es sich um Dienstleistungen, welche die Leistende «massenweise» anbietet und die ohne Weiteres zugänglich sind. Das Anbieten einer entsprechenden Leistung gegen Entgelt kann daher auch als sozialtypisches Verhalten angesehen werden: Wer eine solche Leistung beansprucht, kennt die «terms» oder muss sie mindestens kennen. Bezieht er die Leistung, hat er sie darum auch zu bezahlen.

1482

Der einschlägige Problemkreis wird anhand des «Hamburger Parkplatzfalls», bei dem ein Automobilist einen Parkplatz benützte, ohne die entsprechende Parkgebühr begleichen zu wollen, treffend illustriert.13 Weitere Beispiele: Der Passagier besteigt den Bus einer Privatlinie, ohne für den Transport zu bezahlen; das Flug10 11 12

13

458

Gl.M. Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, N 6 ff. und N 13. Bucher, OR AT, 271 FN 1. Bejaht in BGE 6S. 277/2006 E. 4.2 im Rahmen eines Strafverfahrens, in dem die Frage, ob sich ein Parkplatzinhaber der Nötigung schuldig gemacht habe, davon abhänge, ob er gegenüber dem fehlbaren Automobilisten einen Anspruch auf eine Umtriebsentschädigung hat; offengelassen in BGE 4C.284/2000 E. 2c aa; OGer Solothurn, SJZ 1988, 251 f.; s. ferner Bucher, OR AT, 273; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 1 N 561. BGHZ 21, 319 ff. = NJW 1956, 1475.

§ 17

Übersicht über die quasivertraglichen Ansprüche

zeug landet auf einem Flugplatz, ohne sich vorgängig anzumelden oder danach für den slot zu bezahlen. Die zum Teil in der Lehre vertretene Meinung, dass in derlei Situationen immer ein 1483 Vertrag anzunehmen sei, der mittels konkludenter Willenserklärung und normativen Konsenses zustande komme,14 ist nach der hier vertretenen Meinung nicht in dieser Allgemeinheit vertretbar. Der nach Vertrauensprinzip ermittelte normative Konsens (s. N 249 f.) lässt bisweilen gerade umgekehrt darauf schliessen, dass sich die beanspruchende Partei nicht vertraglich binden wollte und die leistende Partei dies auch erkannte oder hätte erkennen müssen. Im Hamburger Parkplatzfall hat der Leistungsbezüger sogar explizit zum Ausdruck gebracht, dass er keinen Vertrag wollte bzw. dass er die Gegenleistung nicht zu entrichten wünschte. In solchen Fällen besteht darum kein Raum für die Annahme einer (fiktiven) konkludenten, auf einen Vertragsschluss gerichteten Erklärung.15 Überdies wäre die Annahme eines Vertrages in den obengenannten Konstellationen auch nicht interessengerecht: Aus der Perspektive der Leistenden besteht kein Bedürfnis, die Leistungserbringung von einem Vertragsschluss abhängig zu machen. Würde nämlich ein Vertrag bejaht, müssten konsequenterweise auch die entsprechenden Vertragsnormen in toto Anwendung finden. Dies stellt vor allem dann ein Problem dar, wenn sich der Inanspruchnehmende auf einen Irrtum (Art. 23 ff. OR) beruft oder wenn die Leistung durch Minderjährige bzw. allgemein Geschäftsunfähige beansprucht wird.16 In beiden Fällen hätte die Anbietende keinen Anspruch auf eine Gegenleistung. Ein quasivertraglicher Anspruch auf Schadenersatz erscheint darum adäquater. Auch «Dauerschuldverhältnisse», die «ohne (gültige) Vertragsgrundlage» über eine 1484 gewisse Zeit von beiden Parteien erfüllt werden, können quasivertragliche Ansprüche begründen. Zwar interpretiert das Bundesgericht die Anfechtung eines Dauerschuldverhältnisses wegen Willensmangels in der Regel richtigerweise als Kündigung (ex nunc) und erachtet den bereits erfüllten Teil als irreversibel (s. N 585).17 Ob dieser Grundsatz indessen auch für Dauerschuldverhältnisse gelten kann, die nach Art. 19/20 OR ungültig sind, ist zweifelhaft, da dabei allenfalls auch öffentliche Interessen tangiert sind. Ebenso wenig kann eine Teilerfüllung tel quel akzeptiert werden, wenn sich der Willensmangel auf das Verhältnis der gegenseitigen Leistungspflichten niederschlägt.18 Zu denken ist schliesslich auch an den Fall, bei dem ein zunächst gültiger Vertrag trotz Beendigung weitergeführt wird. Kurzum: In all diesen Fällen stehen sich die Beteiligten während der gegenseitigen 1485 Erfüllung in einer Weise gegenüber, welche in Teilen mit der Situation vergleichbar ist, in der sich Vertragspartner befinden. Die (analoge) Anwendung einzelner ver14 15 16 17 18

So z.B. Schwenzer, OR AT, N 28.61; Würsch/Dallafior, SJZ 1989, 273 ff. A.M. Schwenzer, OR AT, N 28.61. BK OR-Kramer, Art. 1 N 22. BGE 129 III 320 E. 7.1.2 f. BGE 129 III 320 E. 7.1.4.

459

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

tragsrechtlicher Grundsätze erscheint daher als gerechtfertigt, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.

III.

Abgrenzungen

1.

Berechtigte und unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag

1486

Die Folgen einer echten berechtigen GoA werden quasivertraglich ausgeglichen, während die echte unberechtigte GoA (auch unberechtigte Fremdgeschäftsführung genannt) ausschliesslich nach extrakontraktuellen Regeln abgewickelt wird. Das unterschiedliche Regime ergibt sich aus der Maxime, dass man sich in einen fremden Rechtskreis nicht einzumischen hat, es sei denn zum eindeutigen Vorteil des Geschäftsherrn und mit seinem hypothetischen Einverständnis.

1487

Bei der unberechtigten Fremdgeschäftsführung (s. N 2143 ff.) – wie auch bei der Eigengeschäftsführung (auch als unechte GoA bezeichnet; s. N 2154 ff.) – wird vom Grundsatz her operiert, dass die Geschäftsführerin jeden, auch einen nur nützlichen Eingriff in einen fremden Rechtskreis zu unterlassen hat.19 Zwar erfolgte dieser bei der echten, aber unberechtigten GoA selbstlos, im «qualifizierten» Interesse des Geschäftsherrn lag er aber nicht. Aus diesem Grund muss die Geschäftsführerin bei der unberechtigten GoA auch die Haftungsverschärfung von Art. 420 Abs. 3 OR hinnehmen.

1488

Bei der echten berechtigten GoA liegt dagegen aus der objektivierten Sicht der Geschäftsführerin ein genügend qualifizierter sachlicher Grund für die Intervention in die fremde Sphäre vor: Sie erscheint der Geschäftsführerin in guten Treuen als notwendig. Die Geschäftsführerin verdient es darum auch, bezüglich ihrer Ausgleichsansprüche gegenüber dem Geschäftsherrn wie eine Vertragspartnerin (und nicht wie eine unbeteiligte Dritte) behandelt zu werden. Das wirkt sich z.B. auf die Berechnung des Auslagen- und Verwendungsersatzes aus (s. N 1634 f.), gilt aber auch für eine allfällige Haftung (Art. 422 OR).

1489

Zur Unterscheidung der beiden Rechtsgebilde (echte berechtigte und echte unberechtigte GoA) wird auf die Interessenlage des Geschäftsherrn abgestellt. Dieser darf eine Intervention auch untersagen: Liegt ein ausdrückliches oder konkludentes und für die Geschäftsführerin erkennbares Einmischungsverbot vor, handelt es sich ipso iure um eine unberechtigte GoA (Art. 420 Abs. 3 OR). Dies gilt sogar für den Fall, dass die Geschäftsführung grundsätzlich geboten gewesen wäre. Aufgrund der Privatautonomie kann der Geschäftsherr innerhalb der zwingenden Schranken 19

460

ZK OR-Schmid, Art. 419 N 106.

§ 17

Übersicht über die quasivertraglichen Ansprüche

von vornherein jeden Eingriff in seine Rechtssphäre verbieten.20 Sofern das Einmischungsverbot im Sinne von Art. 420 Abs. 3 OR weder rechtswidrig noch unsittlich ist, muss es von der Umwelt auch respektiert werden (s. N 1630 f.).21 Ungültig ist etwa das Einmischungsverbot eines Suizidierenden bezüglich allfälliger Rettungsleistungen.22 Um eine echte unberechtigte GoA handelt es sich auch, wenn zwar kein erkennba- 1490 res und gültiges Einmischungsverbot vorliegt, die Geschäftsführerin aber kein (im Interesse des Geschäftsherrn) gebotenes Geschäft verrichtet, es sich mithin um eine «lediglich» nützliche Handlung handelt.23 Echt ist diese GoA, weil sie altruistisch erfolgt. Und unberechtigt ist sie, weil sie nicht durch das Interesse des Geschäftsherrn geboten (notwendig), sondern nur nützlich war (zur Anforderung an die Gebotenheit s. N 1627 ff.). Hat der Geschäftsherr kein gültiges und erkennbares Einmischungsverbot gemäss 1491 Art.  420 Abs.  3  OR aufgestellt und ist die Geschäftsführung durch das Interesse des Geschäftsherrn geboten, liegt echte berechtigte GoA vor.24 Eine Intervention ist diesfalls notwendig. Unerlässlich muss sie dagegen nicht sein. Aber eben auch nicht nur nützlich (s. N 1490).

20 21 22 23 24

S. Schmid, GoA, N 320. Bucher, OR BT, 264; BK OR-Gautschi, Art. 420 N 8a; CR CO-Héritier Lachat, Art. 420 N 11. ZK OR-Schmid, Art. 420 N 52; s. auch CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 420 N 6. Schmid, GoA, N 616 ff. Ausführlich Schmid, GoA, N 319 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5307 f.

461

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

1492 echte GoA (Fremdgeschäftsführung/altruistisch)

berechtigte (Art. 419 OR)

unberechtigte

geboten gemäss Art. 422 Abs. 1 OR und kein Einmischungsverbot im Sinne von Art. 420 Abs. 3 OR

nicht geboten im Sinne von Art. 422 Abs. 1 OR und/oder Verstoss gegen gültiges Einmischungsverbot im Sinne von Art. 420 Abs. 3 OR Rechtsfolgen

quasivertraglich insbesondere Art. 419, Art. 420 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 421 und Art. 422 OR

ausservertraglich insbesondere Art. 41 ff., Art. 420 Abs. 3 und Art. 62 ff. OR

Genehmigung nach Art. 424 OR möglich

Abbildung: Echte (berechtigte und unberechtigte) GoA

2.

Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR) und Gefälligkeit

1493

Eine Gefälligkeit ist eine Leistung, die unentgeltlich und altruistisch erfolgt (s. N 1662 f.).25 Beispiele für Gefälligkeitshandlungen sind das Mitbringen der Zeitung, wenn man draussen die eigene holt, oder das kurze Beaufsichtigen eines fremden Hundes, während die Besitzerin einen Laden besucht.26 Gefälligkeiten können zwischen dem Gefälligkeitsempfänger und der Gefälligkeitserbringerin «vereinbart» werden oder aus einem eigenen inneren Impuls der Gefälligkeitserbringerin heraus ohne Absprache mit dem Gefälligkeitsempfänger erbracht werden.

1494

So oder so stehen sie grundsätzlich ausserhalb des rechtlich normierten Leistungsgefüges,27 und das mit gutem Grund: Würden Gefälligkeiten von vornherein mit staatlichen Durchsetzungsmechanismen bewehrt, kämen sie seltener

25 26 27

462

Hürlimann-Kaup, N 1, s. auch N 5 ff., N 11 ff. und N 20 ff. Für weitere Beispiele s. Hürlimann-Kaup, N 229; CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 419 N 5; ZK OR-Schmid, Art. 419 N 133. BGE 4A_326/2008 E. 3.2; Schmid, GoA, N 1141 m.w.N.

§ 17

Übersicht über die quasivertraglichen Ansprüche

vor. Das ist sozial nicht wünschenswert. Gefälligkeiten gehören zum Kitt, der eine Gesellschaft zusammenhält. Für Schadenersatzansprüche, die aus Gefälligkeiten entstehen, sind die Gefällig- 1495 keitserbringerin und der Gefälligkeitsempfänger auf die extra-, allenfalls punktuell auch auf die quasikontraktuellen Haftungsgrundlagen verwiesen (s. N 1669 ff.). Kommt es zu ungerechtfertigten Vermögensverschiebungen, sind – ebenfalls extrakontraktuell – die Art. 62 ff. OR (s. N 1767 ff.) anwendbar. Bei der GoA fehlt definitionsgemäss ein Auftrag bzw. eine unverbindliche Abspra- 1496 che – der Geschäftsherr handelt mit anderen Worten eigenmächtig, doch enthalten die Art. 419 ff. OR manche zielführenden Regeln mit beträchtlichem Potenzial für analoge Anwendungen. Dies gilt insbesondere mit Bezug auf das Haftungsrecht. So wendet das Bundesgericht (nach unserer Auffassung zu Recht; s. N 1684 ff.) Art. 422 Abs. 1 OR, welcher der Gefälligkeitserbringerin einen verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch gegenüber dem Gefälligkeitsempfänger gewährt, auf Gefälligkeiten an, die im gegenseitigen Einverständnis erfolgen. Das ändert aber nichts daran, dass zwischen beiden Instituten klar unterschieden 1497 werden muss: Nach Schmid sind für die Unterscheidung die objektiven Umstände des Einzelfalls heranzuziehen, namentlich die auf dem Spiel stehenden Interessen, das für den «Eingreifer» erkennbare Risiko und die Zumutbarkeit einer geschäftsführungsrechtlichen Haftung.28 Nach dem Bundesgericht hängt es von der Art der erbrachten Leistung, dem beabsichtigten Ziel, den Verhältnissen, unter welchen die Leistung vorgenommen wurde, sowie der Interessenlage der Parteien ab, ob Gefälligkeit oder GoA vorliegt.29 Maissen/Purtschert/Rusch stellen unseres Erachtens zu Recht auf das Unterscheidungskriterium «Eigenmacht» ab: Eine vorgängige Absprache, Abrede, Bitte bzw. Erlaubnis des Gegenübers schliesst eine GoA aus. Mit anderen Worten darf die GoA nur Leistungen betreffen, die nicht auf Veranlassung oder mit dem (konkludenten) Einverständnis des «Geschäftsherrn» erfolgt sind.30 Anzufügen bleibt, dass eine abgesprochene (also nicht eigenmächtig erbrachte) Gefälligkeit nur gegeben sein kann, wenn kein Rechtsbindungswille vorliegt. Die Gefälligkeit ist mit anderen Worten eine «niederschwellige» Absprache, Abrede, Bitte, Erlaubnis etc. ohne Vertragscharakter. Für die Bejahung einer solchen muss auch kein Konsens im Sinne eines im Wesentlichen übereinstimmenden Inhalts vorliegen. Entscheidend ist, dass die Intervention nicht eigenmächtig erfolgte, ohne dass aber deswegen schon ein Vertrag zu bejahen wäre.

28 Schmid, GoA, N  1144  ff., insbesondere N  1147; ähnlich auch das Bundesgericht in BGE 4A_326/2008 E. 3.2. 29 BGE 4A_326/2008 E. 3.2 mit Verweis auf BGE 116 II 695 E. 2b bb, wo es allerdings um die Abgrenzung zwischen einem Vertrag und einer Gefälligkeit ging. 30 Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, N 6 ff. m.w.H.

463

2. Kapitel

1497a

Quasivertragliche Ansprüche

Aus Sicht der Gefälligkeitserbringerin eigenmächtig erfolgte Gefälligkeitshandlungen sind grundsätzlich nach den Grundsätzen über die GoA abzuhandeln. Entscheidend für ihre Einordnung ist dabei, ob die altruistische Handlung für die andere Partei notwendig und berechtigt war oder nicht. War die Handlung der Geschäftsführerin geboten, ohne aber vom Geschäftsherrn verboten worden zu sein, handelte sie im quasivertraglichen Bereich; unberechtigte Handlungen sind extrakontraktuell abzuhandeln. Dagegen ist bei der Gefälligkeit «mit Einverständnis» die Frage überflüssig, ob die Intervention notwendig und berechtigt war oder nicht. Mit seiner Bitte oder Erlaubnis bringt der Gefälligkeitsempfänger ja gerade zum Ausdruck, dass er die Leistung möchte; diese ist mithin geboten. 2.1

Echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag und Gefälligkeit

1498

Gefälligkeitsleistungen sind von der echten berechtigten GoA grundsätzlich dadurch zu unterscheiden, dass sie nicht aus eigener Initiative, sondern auf Bitte oder (konkludenter) Erlaubnis einer anderen Person erfolgt sind. Das zentrale Unterscheidungskriterium ist also die Eigenmacht der handelnden Person.31

1499

Eigenmacht ist nicht nur dann ausgeschlossen, wenn die Handlung auf Bitte des Gefälligkeitsempfängers hin erfolgt, sondern auch dann, wenn die Vornahme der Handlung von der Gefälligkeitserbringerin ausging und sich der Gefälligkeitsempfänger ausdrücklich oder konkludent einverstanden erklärt. Haben die Eltern beispielsweise wahrgenommen, dass ihr Kind ungefragt mit der Nachbarin und deren Kindern zum Spielplatz geht, und haben sie nichts dagegen eingewendet oder unternommen, so ist diese Hüteleistung als konsentierte Gefälligkeit (und nicht als GoA) zu qualifizieren. Die Eltern haben der Gefälligkeitshandlung konkludent «zugestimmt» und diese damit erlaubt, auch wenn die Initiative im vorliegenden Fall von der Gefälligkeitserbringerin ausgegangen ist (s. auch N 1704).

1500

Nahm die Nachbarin das unbeaufsichtigte, auf der Strasse spielende Nachbarskind dagegen ohne vorgängige Absprache, Erlaubnis oder Kenntnis der Eltern mit zum Spielplatz, liegt eigenmächtiges Handeln vor, und es kommen die GoAHaftungsnormen zur Anwendung. Das zentrale Unterscheidungskriterium innerhalb der verschiedenen GoA-Formen ist dabei die Gebotenheit der Leistung. Eine echte berechtigte GoA liegt nur vor, wenn die Geschäftsbesorgung im Interesse des Geschäftsherrn nicht nur nützlich, sondern auch notwendig, nämlich angebracht, richtig und angezeigt ist.32 Unerlässlich muss sie dagegen nicht sein. Zudem liegt Gebotenheit nach herrschender Lehre nur dann vor, wenn der Leistungsempfänger das Geschäft nicht selber zu besorgen vermag.33 31 Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, N 6 ff. und N 13. 32 BGE 95 II 93 E. II.2; Schmid, GoA, N 376. 33 BGE 4A_326/2008 E.  3.2; Bucher,  OR BT, 258; Hürlimann-Kaup, N  245; differenzierend Schmid, GoA, N 377.

464

§ 17

Übersicht über die quasivertraglichen Ansprüche

Hat die Erbringerin der Leistung ausschliesslich im Interesse der Nachbarin gehan- 1500a delt, war eine vorgängige Absprache mit dieser auch nicht möglich und bestand gleichzeitig das Bedürfnis nach Beaufsichtigung des Kindes, dürfte die Handlung als geboten betrachtet werden und damit eine echte berechtigte GoA vorliegen (Art. 420 OR; s. N 1654 ff.). Maissen/Purtschert/Rusch weisen zu Recht darauf hin, dass eine Haftung aus echter GoA für die Erbringerin denn auch zumutbar, wenn nicht gar vorteilhafter ist.34 Denn Art. 420 Abs. 2 OR gestattet es dem Richter, die Haftung der Geschäftsführerin nach freiem Ermessen (Art. 4 ZGB) milder zu beurteilen, wenn diese einen drohenden Schaden vom Geschäftsherrn abwenden wollte. Auch für den Nachbarn (Geschäftsherrn) wäre eine Haftung nach den Regeln der 1500b echten GoA zumutbar. Würde sich die Geschäftsführerin beim eigenmächtigen, aber notwendigen und berechtigten Beaufsichtigen der Kinder verletzen, hätte sie zwar einen Schadenersatzanspruch gegenüber dem Geschäftsherrn aus Art. 422 OR. Der Richter könnte aber den Schadenersatz nach seinem freien Ermessen bestimmen. So könnte er unter anderem auch berücksichtigen, wenn es für den Geschäftsherrn unzumutbar wäre, vollen Schadenersatz zu leisten.35 Nach der hier vertretenen Ansicht weist die Gefälligkeit im Einverständnis beider 1500c Beteiligten Eigenschaften einer echten berechtigten GoA auf. Bittet etwa ein Bauer seinen Nachbarn, ihm beim Bergen eines in der Grube liegenden Rundholzes zu helfen, so ist diese Intervention notwendig und vom Bauern kaum allein zu bewerkstelligen. Der Unterschied zur GoA besteht nur noch darin, dass der (im Verlauf der Rettungsaktion verletzte) Nachbar nicht von sich aus (also eigenmächtig) tätig wurde, sondern um Hilfe gebeten wurde. Dies rechtfertigt nach der hier vertretenen Meinung a fortiori die analoge Anwendung der echten berechtigten GoA, also quasivertraglicher Regeln (s. N 1667 ff.). 2.2

Echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag und Gefälligkeit

Handelt die Gefälligkeitserbringerin aus eigener Initiative und ohne Einverständnis 1501 des Gefälligkeitsempfängers, liegt Eigenmacht und damit GoA vor.36 Sodann ist zu ermitteln, ob die Leistung der Geschäftsführerin geboten war oder nicht bzw. der Handlung der Geschäftsführerin ein gültiges und erkennbares Einmischungsverbot des Geschäftsherrn entgegensteht. Voraussetzung ist auch hier, dass die Intervention altruistisch erfolgte. Fehlt der altruistischen Handlung die Berechtigung, liegt echte unberechtigte GoA vor. Bei einem Verstoss gegen ein gültiges und erkennbares Einmischungsverbot handelt es sich ipso iure (s. Wortlaut des Art. 420 Abs. 3 OR) 34 35 36

Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, N 11. Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, N 11. Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, N 9.

465

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

um eine echte unberechtigte GoA. Auch ein Gefälligkeitsempfänger kann verbieten, dass in seine Rechts- oder Interessensphäre eingegriffen wird. Insofern ist jeder Verstoss gegen ein gültiges und erkennbares Einmischungsverbot per se als eigenmächtiges Handeln zu qualifizieren. 1502

Der Geschäftsherr bzw. Gefälligkeitsempfänger darf aber jederzeit auf sein Einmischungsverbot zurückkommen und es verwerfen oder modifizieren.

1503

Liegt dagegen ein gültiges und erkennbares Einmischungsverbot vor und wird dieses nachträglich auch nicht zurückgenommen oder modifiziert, kommt die haftungsverschärfende Vorschrift von Art. 420 Abs. 3 OR zur Anwendung. Die Vorschriften über die echte unberechtigte GoA dienen dem Schutz vor unerwünschten Eingriffen in die geschützte Sphäre des Geschäftsherrn.

1504

Besteht bei einer lediglich nützlichen und nicht dringlichen Leistung kein gültiges Einmischungsverbot, sind die Parteien bei der echten unberechtigten GoA (darin inbegriffen auch die eigenmächtig erfolgte Gefälligkeitshandlung) hinsichtlich der Schadenersatzansprüche gegenüber der anderen Partei für Schäden, welche während der Leistungserbringung anfallen, auf den ausservertraglichen Weg verwiesen. Dem Geschäftsherrn bzw. eigenmächtig «Unterstützten» wie auch der Geschäftsführerin bzw. «Helferin» stehen Ansprüche aus Art.  41  ff. und Art.  62  ff.  OR zu (s. N 2148 ff.).

3.

Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR) und unentgeltlicher Auftrag (Art. 394 Abs. 3 OR)

1505

Im Gegensatz zum unentgeltlichen Auftrag fehlt bei der GoA der vertragliche Bindungswille.37 Der Geschäftsherr und die Geschäftsführerin haben gerade keinen (rechtserheblichen) Konsens erzielt. Die Auftragslosigkeit, mithin das Fehlen eines Rechtsbindungswillens, ist vielmehr gerade Voraussetzung dafür, dass die Regeln der GoA zur Anwendung gelangen (s. N 1613 ff.).

1506

Allerdings kann Art. 422 Abs. 1 OR auch bei einem unentgeltlichen Auftrag analog zur Anwendung kommen.38 Dies deshalb, weil es unter Umständen unbillig wäre, wenn der unentgeltlich Beauftragte einen Schaden, den er bei der Ausführung eines unentgeltlichen Auftrags erlitten hat, alleine tragen müsste. Dies wäre aber der Fall, wenn sich die Auftraggeberin nach Art. 402 Abs. 2 OR von der Haftung exkulpieren könnte. Bittet der Bauer seinen Nachbarn, ihm bei der Birnenlese zu helfen, und verletzt sich der Helfer, so darf es für die Überwälzung des Schadens auf den Leis37 CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 419 N 6; Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, N 13. 38 BGE 61 II 95 E. 3; bestätigt in BGE 129 III 181 E. 3.3; Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, N 13 und N 20.

466

§ 17

Übersicht über die quasivertraglichen Ansprüche

tungsempfänger nicht auf dessen Verschulden ankommen. Aus diesem Grund hat das Bundesgericht einen Schadenersatzanspruch des Beauftragten auch gegen die schuldlose Auftraggeberin analog zu Art. 422 Abs. 1 OR bejaht:39 Nach Art. 422 Abs.  1  OR wird der Schadenersatz nach billigem Ermessen des Gerichts berechnet und setzt weder ein Verschulden des Geschäftsherrn noch einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dessen Verhalten und der Rechtsgutverletzung voraus (s. N 1640).40 Interessant ist, dass das Bundesgericht in zwei gleichgelagerten Fällen das eine Mal 1507 eine Gefälligkeit, das andere Mal einen unentgeltlichen Auftrag angenommen, in beiden Fällen aber die GoA-Regel von Art. 422 Abs. 1 OR analog angewendet hat («Birnbaum-»41 bzw. «Rundholz-in-der-Grube-Fall»42). Um der Gleichbehandlung willen wird hier dafür plädiert, auf erbetene Gefälligkeiten das Recht der echten berechtigten GoA analog anzuwenden. Bezüglich eines allfälligen Schadens handelt es sich hier um eine klassische quasivertragliche Anknüpfungssituation. Gilt Art. 422 Abs. 1 OR für eine nicht erbetene (aber notwendige, im hypothetischen Einverständnis des Geschäftsherrn liegende) Intervention, dann doch erst recht für eine erbetene Gefälligkeit. Erbittet nämlich jemand etwas, darf davon ausgegangen werden, dass die entsprechende Hilfestellung im Regelfall im Interesse des Leistungsempfängers erfolgt und sich die Frage ihrer Berechtigung gar nicht mehr stellt.

39 BGE 129 III 181 E. 3 und E. 4; BSK OR-Weber, Art. 402 N 14 m.w.H. 40 Honsell, OR BT, 369. 41 BGE 61 II 95. 42 BGE 129 III 181.

467

2. Kapitel

4.

Quasivertragliche Ansprüche

Übersicht über die Rechtsfolgen bei Haftung aus Auftrag, Gefälligkeit und Geschäftsführung ohne Auftrag

1508

entgeltlicher Auftrag

unentgeltlicher Auftrag

Gefälligkeit

echte berechtigte GoA

echte unberechtigte GoA

unechte gutgläubige GoA

unechte bösgläubige GoA

Rechtsbindungswille

ja

ja

nein

nein

nein

nein

nein

Eigenmacht

nein

nein

nein

ja

ja

ja

ja

im Interesse des Geschäftsherrn (Fremdgeschäftsführungswille)







ja

ja

nein

nein

Gebotenheit







ja

nein





Ansprüche «Helfer»

Art. 402 OR

Art. 422 Abs. 1 OR analog

Art. 422 Abs. 1 OR analog

Art. 422 OR

Art. 41 OR, Art. 62 (i.V.m. Art. 64) OR

Art. 41 OR (wobei kaum je Verschulden beim Geholfenen vorliegen dürfte), Art. 62 (i.V.m. Art. 64) OR

Art. 41 OR (wobei kaum je Verschulden beim Geholfenen vorliegen dürfte), Art. 423 Abs. 2 OR

Ansprüche «Geholfener»

Art. 398 i.V.m. Art. 97 OR, Art. 400 OR

Art. 398 i.V.m. Art. 97 OR, Art. 400 OR

Art. 41 OR mit diligentia quam in suis des Helfers bzw. Art. 43 oder Art. 99 Abs. 2 OR, Art. 62 OR

Art. 420 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. Art. 97 OR, eventuell Art. 400 OR analog

Art. 41 OR, Art. 62 OR, Art. 420 Abs. 3, Art. 424 OR, eventuell Art. 400 OR analog

Art. 41 OR (wobei kaum je Verschulden beim Helfer vorliegen dürfte), Art. 62 (i.V.m. Art. 64) OR, eventuell Art. 400 OR analog

Art. 423 Abs. 1 OR eventuell Art. 400 OR analog

Abbildung: Übersicht über die Rechtsfolgen bei Haftung aus (entgeltlichem und unentgeltlichem) Auftrag, Gefälligkeit und (echter und unechter) GoA43

5.

Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR) und Stellvertretung (Art. 32 ff. OR)

1509

Sowohl die echte Geschäftsführerin ohne Auftrag als auch die Stellvertreterin werden für einen andern tätig. Gleichwohl handelt es sich um zwei sehr unterschiedliche Rechtsfiguren:

1510

Das Stellvertretungsrecht ordnet das Aussenverhältnis, mithin das Verhältnis zum Dritten. Demgegenüber regeln die Vorschriften über die GoA (Art. 419–424 OR) das Innenverhältnis zwischen der Geschäftsführerin und dem Geschäftsherrn. Sie vermögen grundsätzlich keine Aussenwirkungen zu erzeugen.44 Im Gegensatz zur direkten Stellvertreterin (Art. 32 ff. OR; s. N 1022 ff.) ist es der Geschäftsführerin – 43 44

468

S. auch Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, N 13. BGE 83 III 121 E. 3; Schmid, Symposium, 423.

§ 17

Übersicht über die quasivertraglichen Ansprüche

mangels Willenserklärung und mangels Vollmachtserteilung durch den Vertretenen – nicht erlaubt, einen Vertrag im Namen des Geschäftsherrn abzuschliessen.45 Bei der GoA besteht definitionsgemäss kein Auftrag zur Fremdinteressenwahrung. Die Geschäftsführerin wird vielmehr aus eigenem Impuls für den anderen tätig. Auch die Genehmigung nach Art. 424 OR (s. N 2191 ff.) betrifft im Prinzip lediglich 1511 das Innenverhältnis und räumt dem Dritten kein Klagerecht gegen den Geschäftsherrn ein. Dies gilt auch für Handlungen, welche die Geschäftsführerin trotz fehlender Vertretungsmacht im Namen des Geschäftsherrn vollzog.46 Sofern indessen die Billigung nach Art.  424  OR gleichzeitig auch als stellvertre- 1512 tungsrechtliche Genehmigung im Aussenverhältnis nach Art. 38 Abs. 1 OR zu verstehen ist, kann der Geschäftsherr durch das Handeln der Geschäftsführerin direkt verpflichtet und berechtigt werden (s. N 1088 ff. und N 2198).47 Dazu kommen weitere Ausnahmen (s. N 1092 ff.).

6.

Gefälligkeit und Vertrag

Bei der Gefälligkeit haben die Parteien keinen Rechtsbindungswillen und ein sol- 1513 cher ergibt sich auch nicht aus dem Vertrauensprinzip.48 Es fehlen die gegenseitigen übereinstimmenden (natürlichen oder normativen) Willenserklärungen der Parteien. Entsprechend soll ihre Beziehung kontraktuell nicht erfassbar sein und auch keine kontraktuellen Ansprüche begründen. Im Gegensatz zu einem Vertrag liegt es alleine in der Entscheidungsgewalt des Gefälligkeitserbringers, ob er leistet oder nicht. Gebunden hat er sich nicht. Das Ausbleiben der versprochenen Leistung kann darum auch nicht nach den Regeln der Schlecht- oder Nichterfüllung sanktioniert werden. Ob ein Vertrag oder eine Gefälligkeit vorliegt, hängt nach dem Bundesgericht mass- 1514 geblich von den Umständen des Einzelfalls ab. Dabei sind die Art der Leistung, ihr Grund und Zweck, ihre rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung, die Umstände, unter denen sie erbracht wird, und die bestehende Interessenlage der Parteien zu berücksichtigen. Für einen Bindungswillen und somit für ein Vertragsverhältnis – und gegen eine blosse Gefälligkeit – sprechen ein eigenes – rechtliches oder wirtschaftliches – Interesse des Leistenden an der gewährten Hilfe oder ein erkenn-

45 Bucher, OR BT, 256. 46 CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 424 N 8; ZK OR-Schmid, Art. 424 N 26. 47 BGE 41 II 268 E. 3 und E. 4; s. ZK OR-Schmid, Art. 424 N 27. 48 Furrer/Müller-Chen, Kap. 1 N 197 f.; CHK OR-Kut, Art. 1 N 7; s. BGE 116 II 695, in dem das Bundesgericht auch die Begriffe Geschäftswille, Rechtsfolgewille sowie vertraglicher Bindungswille synonym verwendet.

469

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

bares Interesse des Begünstigten, fachlich qualifiziert beraten oder unterstützt zu werden.49 1515

Im Zusammenhang mit der Haftung für die Erteilung von Rat und Auskunft (s. N 1702 f.) hat das Bundesgericht bisher eine Auskunft, die weder in Ausübung eines Gewerbes noch sonst gegen Entgelt erteilt wurde, nicht als Erfüllung einer vertraglich übernommenen Pflicht, sondern als nicht vertragliches Handeln gewertet.50 Es hat selbst bei Bankauskünften, die ein Kunde unabhängig von einem bestimmten Geschäft erbat und erhielt, entschieden, dass dadurch lediglich extrakontraktuelle Ansprüche entstanden.51 Auch in seiner heutigen Praxis hält das Bundesgericht an der extrakontraktuellen Natur der Erteilung von Rat und Auskunft fest. Immerhin lässt es aber für die Auskunftshaftung eine mit der Haftung aus Delikt konkurrierende Haftung aus erwecktem Vertrauen zu (s. N 1763).52 Dieser Schritt spricht für eine mindestens partielle Überführung in den quasikontraktuellen Bereich. Nach der hier vertretenen Auffassung wäre die Lage im quasikontraktuellen Feld allerdings übersichtlicher, wenn das Bundesgericht die von den Parteien nicht vertraglich abgesicherte Haftung für Rat und Auskunft der Gefälligkeit statt der Vertrauenshaftung zuschlagen und alsdann punktuell die analoge Anwendung von GoA-Haftungsregeln prüfen würde.

7.

Gefälligkeit und Selbstverständlichkeit

1516

Hürlimann-Kaup sieht Abgrenzungsbedarf zwischen der Gefälligkeit und der Selbstverständlichkeit.53 Als Beispiele für Selbstverständlichkeiten nennt die Autorin das Offenhalten einer Lifttüre für einen «Spätankömmling», das Nennen der Uhrzeit, das Erklären des Wegs oder das Helfen mit einem Kinderwagen im öffentlichen Verkehr.54 Eine allgemeine Definition, die sich von derjenigen der Gefälligkeit abheben würde, sowie objektiv taugliche Abgrenzungskriterien fehlen aber.

1517

Nach der hier vertretenen Meinung besteht kein Abgrenzungsbedarf zwischen Gefälligkeit und Selbstverständlichkeit. Vielmehr erscheint das Institut der Selbstverständlichkeit «konstruiert», weshalb es materiell auch nicht gerechtfertigt ist, der Selbstverständlichkeit rechtliche Eigenständigkeit neben der Gefälligkeit zuzusprechen.

49 BGE 116 II 695 E. 2b. 50 BGE 124 III 363 E. II.5a; 112 II 347 E. 1a; 111 II 473 E. 2 m.w.H. 51 BGE 111 II 473 E. 2 m.w.H. 52 BGE 4C.193/2000 E. 4 f.; in diesem Sinn bereits BGE 124 III 363 E. II.5b; s. auch BGE 130 III 345 E. 2.2; 128 III 324 E. 2.2; 4C.280/1999 E. 3a; Berger, Vertrauenshaftung, 77. 53 Hürlimann-Kaup, N 31 ff. 54 Hürlimann-Kaup, N 31.

470

§ 17

Übersicht über die quasivertraglichen Ansprüche

Wollte man die Gefälligkeit und die Selbstverständlichkeit dennoch als zwei neben- 1518 einander bestehende Rechtsinstitute anerkennen, bliebe eine Abgrenzung allerdings weitgehend folgenlos. Die Rechtsfolgen sind nämlich bei beiden Instituten identisch: Sowohl bei der Gefälligkeit als auch bei der Selbstverständlichkeit bestehen keine Ansprüche auf Erbringung der Leistung, die Primärleistung ist mithin nicht erzwingbar. Relevant bzw. klagbar ist in beiden Fällen nur die Sekundärleistung (Schadenersatz). Jedoch wird dieser in beiden Fällen nach denselben, und zwar grundsätzlich nach extrakontraktuellen Anspruchsgrundlagen (Art.  41  ff.  OR) liquidiert. Sollen ausnahmsweise punktuell quasivertragliche Ersatz- oder andere Ausgleichsregeln greifen, sind die Voraussetzungen die gleichen. Auf die Bezeichnung der entsprechenden Hilfestellung als Gefälligkeit oder Selbstverständlichkeit kann es nicht ankommen (Art. 18 OR analog). Wichtig ist dagegen, ob die Hilfestellung mit (Gefälligkeit) oder ohne Einverständnis, also eigenmächtig, erfolgte (GoA) bzw. ob sie im zweiten Fall verboten war (keine echte berechtigte GoA). War sie nicht verboten, ist zu fragen, ob sie geboten war (nur in diesem Fall liegt echte berechtigte GoA vor).

8.

Gefälligkeit und Vertrauenshaftung

Die Vertrauenshaftung ist ein von Lehre und Rechtsprechung entwickeltes quasi- 1519 vertragliches Haftungsregime, das es ermöglicht, vertragliche Haftungsgrundsätze auf einen Sachverhalt anzuwenden, der eigentlich – mangels gültigen bzw. aufgrund nachträglich weggefallenen Vertrages  – ausschliesslich nach extrakontraktuellen Regeln abzuwickeln wäre (s. N 1712 ff.). Nach schweizerischer Lesart ermöglicht die Vertrauenshaftung im quasivertraglichen Bereich einen generell-abstrakten Zugriff auf bestimmte Sachverhalte, während die anderen quasikontraktuellen Institute sich bottom up entwickelt haben. Nach der hier vertretenen Auffassung sollte die Vertrauenshaftung nur zur Anwendung kommen, wenn kein anderes quasivertragliches Institut greift. Die Vertrauenshaftung ist immer noch als in sich zu heterogen und zu ungesichert zu betrachten, als dass sie den Zugang via einzelne Fallgruppen vollständig ersetzen könnte. Ausserdem ist sie insofern schwer in das privatrechtliche Haftungssystem einzupassen, als sie nicht auf dem Konzept der Verletzung spezifischer Pflichten beruht, sondern auf den kaum generell-abstrakt definierbaren sog. rechtlichen Sonderverbindungen (s. N 1739 ff.) aufbaut. Aus einer solchen rechtlichen Sonderverbindung soll nach dem Willen ihrer Vertreter folgen, dass diejenigen, die sich innerhalb dieses Rahmens bewegen, selbst dann aus enttäuschtem Vertrauen Ersatzansprüche ableiten dürfen, wenn der Anspruchsgegner weder eine unmittelbare Beziehung zu ihnen hat noch sie überhaupt nur schon kennt. Es soll offenbar reichen, dass für ihn hätte erkennbar sein müssen, welche Funktionsträger sich auf dem durch die rechtliche Sonderverbindung abgesteckten Feld auf-

471

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

halten, aufhalten könnten oder aufhalten werden.55 Ein solch unkonturierter Haftungszugriff wird nach der hier vertretenen Meinung abgelehnt. 1520

Bei der Gefälligkeit fehlt ein Rechtsbindungswille zwischen den Beteiligten. Sie wird rechtlich (erst) dann relevant, wenn aus ihr ein Schaden resultiert. Ein solcher ist grundsätzlich in Anwendung ausservertraglicher Haftungsregeln zu liquidieren (Art. 41 ff. OR). Je nach Konstellation kann sich aber auch die analoge Anwendung einzelner quasivertraglicher Haftungsregeln rechtfertigen. Infrage kommt hier vor allem Art. 422 OR, der wegen seiner geschmeidigen Haftungsvoraussetzungen einzelfallgerechte Ergebnisse zu liefern vermag, wo das Verschuldensprinzip versagt.

1521

Anstatt nach den Abgrenzungskriterien zwischen Vertrauenshaftung und Gefälligkeit zu fragen, muss nach Rechtsprechung und herrschender Lehre eher die Frage im Zentrum stehen, unter welchen Umständen und Voraussetzungen ein Gefälligkeitsempfänger oder -erbringer für Fehler einstehen muss. Anders gefragt: Wann resultiert aus einer Gefälligkeit ein Schaden, dessen Beseitigung nach quasivertraglichen Ausgleichsnormen ruft? Hierfür müssen nach herrschender Lehre die Kernvoraussetzungen der Vertrauenshaftung erfüllt sein: ein zwischen den Parteien bestehendes Näheverhältnis, innerhalb dessen schutzwürdiges Vertrauen geweckt und hernach treuwidrig enttäuscht wird (zu den Voraussetzungen der Vertrauenshaftung s. auch N 1738 ff.). Dies ist z.B. dann der Fall, wenn sich ein Anleger zu einer Bank begibt, um von ihr Informationen im Hinblick auf ein bevorstehendes Anlagegeschäft mit einem ihrer Kunden zu erhalten, wobei die Bank wissentlich eine falsche Auskunft über die Bonität ihres Kunden abgibt, wo sie doch weiss, dass dieser insolvent ist. Wenn der private Anleger in der Folge im Vertrauen auf die Auskunft der Bank das Anlagegeschäft tätigt und ihm daraus ein Schaden erwächst, haftet die Bank aus erwecktem Vertrauen.56

1522

Nach der hier vertretenen Auffassung steht dagegen aus den bereits dargelegten Gründen (s. N 1519) mangels Verallgemeinerbarkeit der Voraussetzungen häufig eher die Frage im Zentrum, welche Haftungsprinzipien bzw. «Haftungsmoderatoren» zu angemessenen Ergebnissen führen. Das Bundesgericht moderiert die Überwälzung und den Umfang des zu leistenden Ersatzes auf den Gefälligkeitserbringer über den Sorgfaltsstandard: Während der professionell tätige Erbringer von Rat und Auskunft einem hohen Standard zu genügen hat57, senkt es diesen in privaten Verhältnissen auf die diligentia quam in suis ab58 (s. N 1709).

55 56 57 58

472

S. die diesbezüglichen Ausführungen des Bundesgerichts in BGE 130 III 345. BGE 4C.193/2000 E. 4 f. S. BGE 4C.193/2000 zu den Wahrheits- und Sorgfaltspflichten bei der Erteilung von Bankauskünften, unabhängig von einem bestimmten Geschäft; s. auch BGE 116 II 695 E. 4 zur Haftung eines wegen seines Fachwissens in Anspruch genommenen Gefälligkeitserbringers. BGE 137 III 539 E. 5.2.

§ 17

IV.

Übersicht über die quasivertraglichen Ansprüche

«Einheitliches gesetzliches Schutzverhältnis»?

Vor allem in der deutschen Lehre wurde auch schon die Idee eines einheitlichen 1523 gesetzlichen Schutz- oder Schuldverhältnisses diskutiert.59 Danach sollen alle während der Vertragsverhandlungen, der Vertragsdauer und danach (z.B. nachvertragliche Geheimhaltungspflichten) entstehenden Pflichten – unter Einschluss derjenigen aus ungültigen Verträgen – aus ein und demselben einheitlichen gesetzlichen Schutzverhältnis herrühren.60 Während einzelne Autoren61 davon ausgehen, dass das Bundesgericht die Lehre des einheitlichen gesetzlichen Schutzverhältnisses bereits anerkannt hat, äussert sich das Bundesgericht selbst nach unserer Wahrnehmung eher vage.62 Nach Massgabe des aktuellen Stands ist es unserer Ansicht nach vorzuziehen, anstelle der generellen Annahme eines einheitlichen gesetzlichen Schutzverhältnisses aufgrund der Umstände des Einzelfalls und der jeweiligen Fallgruppe zu entscheiden, ob sich eine (partielle) Gleichstellung von ausservertraglichen mit vertraglichen Verhältnissen rechtfertigt und somit punktuell gegebenenfalls quasivertragliche Ansprüche zu bejahen sind.

59 S. Wiegand, recht 1997, 86. 60 S. zum Ganzen BK OR-Kramer, Allg. Einl. N 142 ff.; Walter, ZBJV 1996, 273 ff.; Wiegand, recht 1997, 85 ff. 61 S. z.B. Gonzenbach, recht 1995, 124; Wiegand, recht 1997, 86 f. 62 S. BGE 4C.202/2002 E. 4.1; SemJud 121 I 1999, 117.

473

§ 18 Culpa in contrahendo Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N 1953 ff.; Bucher, OR AT, N 277 ff.; Engel, CO PG, 747 ff.; Furrer/ Müller-Chen, Kap. 18 N 98 ff.; Gauch/Schluep/Schmid, N 962a ff.; Guhl/Koller, § 13 N 2 ff.; Koller, OR AT, N 28.01 ff.; Kramer/Probst, OR AT, N 124 ff.; Schwenzer, OR AT, N 47.01 ff. und N 48.01 ff.; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 645; von Tuhr/Peter, 192 f.

Weiterführende Literatur Brunner Hans-Ulrich, Die Anwendung deliktsrechtlicher Regeln auf die Vertragshaftung, Diss. Freiburg 1991; Délco Fabio, Die Bedeutung des Grundsatzes von Treu und Glauben beim Ersatz reiner Vermögensschäden, Diss. Zürich 2000; Gonzenbach Rainer, Culpa in contrahendo im schweizerischen Vertragsrecht, Diss. Bern 1987; Hehli Christoph, Die alternativen Rechtsbehelfe des Käufers – unter besonderer Berücksichtigung der Haftung aus culpa in contrahendo, Diss. Luzern 2008; Hofstetter Karl, Gutachterhaftung gegenüber Dritten im schweizerischen Recht, AJP 1998, 261–268; Huguenin Claire/Hoessly Gianin, Sind Ersatzvereinbarungen mit dem Formzweck von Art. 216 OR vereinbar?, in: Bernasconi Giorgio A./Filippini Rocco (Hrsg.), Giurisprudenza recente del Tribunale federale, Sentenze di principio, cambiamenti di prassi e questioni lasciate aperte, Basel 2017, 41–53; Loser Peter, Die Vertrauenshaftung im schweizerischen Schuldrecht, Grundlagen, Erscheinungsformen und Ausgestaltung im geltenden Recht vor dem Hintergrund europäischer Rechtsentwicklung, Habil. Bern 2006; Piotet Paul, La culpa in contrahendo aujourd’hui, SJZ 1981, 225– 233; Rey Heinz/Wildhaber Isabelle, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 5. Aufl., Zürich/ Basel/Genf 2018; Rouiller Nicolas, Culpa in contrahendo et liberté de rompre les négociations: existe-t-il des devoirs précontractuels hors de l’obligation d’information?, Jusletter 10. Juli 2006; Sommer Ueli, Vertrauenshaftung, Anstoss zur Neukonzeption des Haftpflichtund Obligationenrechts?, AJP 2006, 1031–1041; von Jhering Rudolf, Culpa in contrahendo oder Schadenersatz bei nichtigen oder nicht zur Perfektion gelangten Verträgen, in: Jahrbücher für die Dogmatik, Bd. 4, Jena 1861,  1–118; Wahrenberger André, Vorvertragliche Aufklärungspflichten im Schuldrecht, Diss. Zürich 1992; Wyss Eveline/von der Crone Hans Caspar, Haftung für Auskunft, Entscheid des Schweizerischen Bundesgerichts 4C.193/2000 vom 26. September 2001 i.S. A. (Kläger und Berufungskläger) gegen Bank X. (Beklagte und Berufungsbeklagte), SZW 2002, 112–119.

474

§ 18

I.

Culpa in contrahendo

Begriff

Bereits während der Vertragsverhandlungen, also schon vor einem möglichen Vertragsabschluss, müssen sich die Parteien einander gegenüber nach Treu und Glauben verhalten. Verstösst eine Seite schuldhaft gegen solche vorvertraglichen Pflichten, hat sie gegenüber der anderen Seite für den daraus resultierenden Schaden einzustehen (culpa in contrahendo [cic]).

1524

Einem Vertragsabschluss gehen oft langwierige Verhandlungen voraus. Und oft fin- 1525 den aufwendige Gespräche statt, ohne dass es je zum ursprünglich intendierten Vertragsschluss kommt. Im Lauf derselben werden bisweilen Informationen offengelegt, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind etc. Speziell bei komplexen Verträgen setzt ein effizienter und loyaler Geschäftsverkehr voraus, dass sich die Parteien bereits während der Vertragsverhandlungen in Einklang mit dem Grundsatz von Treu und Glauben verhalten. Solange noch kein Vertrag zustande gekommen ist, können die Parteien jedoch 1526 grundsätzlich nicht vom Schutzschirm des Vertragsrechts profitieren. Ihre Ansprüche sind in erster Linie ausservertraglicher Natur, was unter anderem zur Folge hat, dass reine Vermögensschäden ohne Verstoss gegen eine besondere Schutznorm nach Art. 41 Abs. 1 OR (s. N 1940 ff.) nicht ersetzbar sind. Unkomfortabel sind darüber hinaus auch die kurzen ausservertraglichen Verjährungsvorschriften1, die Haftung für Hilfspersonen gemäss Art. 55 OR sowie die ausservertragliche Beweislastverteilung. Diese Schutzlücke füllt die Haftung aus culpa in contrahendo (cic): Für die Zeit der 1527 Vertragsverhandlungen können sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art.  2 Abs.  1 ZGB) abgeleitete Pflichten ergeben, deren Verletzung je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls eine Sanktionierung nach vertragsrechtlichen Regeln rechtfertigt. Diese Pflichten sind relativ, das heisst, sie entstehen nur gegenüber den an den Verhandlungen beteiligten Parteien. Ob ein Vertrauensverhältnis mit den entsprechenden, daraus resultierenden Pflich- 1528 ten überhaupt begründet wurde bzw. wie weit solche Pflichten gehen, entscheidet sich nicht allgemein, sondern hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls 1 Mit dem neuen Verjährungsrecht, welches am 1. Januar 2020 in Kraft treten wird, werden die relativen Verjährungsfristen des Delikts- und Bereicherungsrechts von einem auf drei Jahre verlängert (Art. 60 Abs. 1 und Art. 67 Abs. 1 revOR; s. dazu BBl 2018 3537 ff., 3537 f.); die zehnjährige Verjährungsfrist von Art. 127 OR bleibt dagegen unverändert. Diese Revision löst also die Problematik der unterschiedlich langen Verjährungsfristen nicht vollständig. Einzig die Verjährungsfristen für Forderungen aus Körperschäden werden vereinheitlicht. Für solche Forderungen ist sowohl im Delikts- wie auch im Vertragsrecht eine dreijährige relative bzw. eine zwanzigjährige absolute Verjährungsfrist vorgesehen (Art. 60 Abs. 1bis und Art. 128a revOR; s. BBl 2018 3537 f.).

475

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

ab. Die Dauer und die Intensität der Verhandlungen, die von den Parteien gutgläubig getätigte Investitionen oder Dispositionen sowie die angefallenen Opportunitätskosten dürften die wichtigsten Komponenten für eine Beurteilung der Entstehung bzw. Tragweite der vorvertraglichen Pflichten sein. 1529

Die Haftung aus cic gründet auf einer Idee von Rudolf von Jhering.2 Diese wurde in der Folge von der deutschen Doktrin und Jurisprudenz weiterentwickelt und fand schliesslich auch Eingang in die Schweiz.3 Das OR regelt die Haftung aus cic nicht allgemein, enthält aber vereinzelt entsprechende Vorschriften. Das Verschulden am Nichtzustandekommen eines Vertrages wird beispielsweise durch Art. 26 OR sanktioniert: Hat der Irrende den «Irrtum seiner eigenen Fahrlässigkeit zuzuschreiben», kann er den Vertrag zwar anfechten, wird aber gleichzeitig nach vertragsrechtlichen Prinzipien schadenersatzpflichtig (s.  N  593  ff.). Weitere positivierte cic-Bestimmungen finden sich etwa in Art.  39  OR4 (s.  N  1112  ff.), wonach der vollmachtlose Stellvertreter verschuldensunabhängig haftet, oder in Art. 19b Abs. 2 ZGB, der bestimmt, dass eine handlungsunfähige Person dem Vertragspartner ersatzpflichtig wird, wenn sie diesen «zur irrtümlichen Annahme ihrer Handlungsfähigkeit verleitet» hat, woraus diesem in der Folge ein Schaden entsteht.5

II.

Rechtsnatur

1530

In der schweizerischen Lehre und Rechtsprechung bestehen zur Rechtsnatur der cic-Haftung grosse Kontroversen. Gleichwohl ist man sich auf der Ebene des einzelnen Falles oft schon von Anfang an einig darüber, ob der Kontrahierungsschaden überwälzbar sein soll oder nicht.

1531

Einige Autoren schlagen die Haftung aus cic zur Vertragshaftung (Art. 97 ff. OR).6 Andere Autoren wollen sie bei der Deliktshaftung (Art.  41  ff.  OR) ansiedeln.7 Schliesslich sieht ein weiterer Teil der Lehre in der cic eine eigene Haftungskategorie, die dogmatisch auf der Regel von Art. 2 Abs. 1 ZGB fusst.8 Nach Schönenberger/Jäggi ist die Frage nach der Rechtsnatur der cic-Haftung von vornherein falsch gestellt. Richtigerweise sei zu fragen, «welchen Modalitäten  […] eine Schadenersatzforderung aus einem Verhandlungsverhältnis untersteht»9. Diese Frage sei für 2 3 4 5 6

Von Jhering, 1 ff. BGE 77 II 135 E. 2a = Pra 1951 Nr. 122. BGE 104 II 94 E. 3a m.w.N. S. BK OR-Müller, Einl. in das OR N 300, für weitere Beispiele kodifizierter cic-Haftungstatbestände. Engel, CO PG, 749 ff.; Furrer/Müller-Chen, Kap. 18 N 98; BK OR-Kramer, Allg. Einl. N 141; von Tuhr/Peter, 193; differenziert CR CO-Thévenoz, Intro. art. 97–109 N 20. 7 Piotet, SJZ 1981, 226 f.; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1206. 8 Bucher, OR AT, 286; Gauch/Schluep/Schmid, N 981 ff.; Koller, N 28.23 ff. 9 ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 1 N 592.

476

§ 18

Culpa in contrahendo

jede Modalität gesondert zu beantworten, sodass sich in analoger Anwendung entweder der deliktischen oder der vertraglichen Haftungsnormen eine für jeden Einzelfall adäquate Lösung finden lasse. Nachdem das Bundesgericht sich vor allem in den älteren Entscheiden für eine delik- 1532 tische (bzw. ausservertragliche) Haftung ausgesprochen hatte10, anschliessend aber in das andere Lager wechselte und sich für eine vertragliche Haftung aussprach11, liess es schliesslich die Frage nach der Rechtsnatur der cic-Haftung offen12. In jüngster Zeit argumentiert es entlang dem pragmatischen Ansatz von Schönenberger/ Jäggi: Das Institut der cic sei ein Unterfall der Vertrauenshaftung (s. N 1712 ff.) und stelle darum eine eigenständige Haftungsgrundlage «zwischen Vertrag und Delikt» dar.13 Die Haftungsregeln für eine Schadenersatzforderung aus cic werden alsdann vom Bundesgericht sowohl vom Delikts- als auch vom Vertragsrecht für jede Haftungsmodalität einzeln bestimmt. So wendet das Bundesgericht auf die Hilfspersonenhaftung meistens die vertragsrechtlichen Regeln an (Art. 101 OR), erachtet aber für die Anspruchsverjährung die einjährige Frist von Art. 60 OR als angemessen.14 Vorliegend wird die Haftung aus cic bei den quasivertraglichen Ansprüchen einge- 1533 ordnet. Sobald die Parteien in Vertragsverhandlungen treten, geht ihr Bezug über einen Zufallskontakt hinaus. Angesichts des  – wenn auch unter Umständen nur zeitweiligen – Vertrauensverhältnisses führt das Regime der unerlaubten Handlung mangels eines ausreichenden Schutzes im Schadensfall selten zu einer befriedigenden Lösung. Obwohl (noch) kein gültiger Vertrag vorliegt, lässt es die Interessenlage im Rahmen der Vertragsverhandlungen als sachgerecht erscheinen, die entsprechenden vertragsrechtlichen Grundsätze auf die Haftung aus cic anzuwenden.

III.

Voraussetzungen

Eine Haftung aus cic ist zu bejahen, wenn folgende sechs Voraussetzungen erfüllt 1534 sind: • Die Schädigerin und der Geschädigte verhandeln über einen (zukünftigen) Vertrag (s. N 1536 f.); • die Schädigerin begründet durch ihr Verhalten beim Geschädigten ein schutzwürdiges Vertrauen (s. N 1538); • die Schädigerin verletzt dabei eine vorvertragliche Pflicht (s. N 1539 ff.); 10 11 12 13 14

BGE 80 II 26 E. 4c; 45 II 548 E. 5; 40 II 370 E. 5; 36 II 193 E. 4. BGE 90 II 449 E. 6 m.w.N.; 68 II 295 E. 5. BGE 104 II 94 E. 3a; 101 II 266 E. 4a. BGE 134 III 390 E. 4.3.2; 130 III 345 E. 2.1; 121 III 350 E. 6c = Pra 1996 Nr. 168; 120 II 331 E. 5a. Mit dem Inkrafttreten des neuen revidierten Verjährungsrechts am 1. Januar 2020 beträgt diese relative Frist neu drei Jahre statt ein Jahr (Art. 60 Abs. 1 revOR); s. BBl 2018 3538.

477

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

• der Verhandlungspartner erleidet einen Schaden (s. N 1553 ff.); • der Schaden ist die adäquat kausale Folge der Pflichtverletzung (s. N 1556); • die Schädigerin trifft ein Verschulden, sofern die entsprechende Haftungsnorm ein solches verlangt (s. N 1557 ff.). 1535

Die Haftung aus cic greift nicht nur, wenn die Vertragsverhandlungen in einen Vertragsschluss münden, der sich in der Folge – z.B. wegen Form-, Willens- oder Inhaltsmängeln  – als ungültig erweist, sondern auch, wenn die Verhandlungen scheitern und es gar nie zu einem Vertragsschluss kommt (Art. 1 OR).15

1.

Vertragsverhandlungen

1536

Voraussetzung ist zunächst, dass zwischen den Parteien ein Kontakt hinsichtlich des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts stattfindet (Vertragsverhandlungen).16

1537

Die cic-Haftung ist auf die an den Vertragsverhandlungen beteiligten Parteien zu beschränken. Eine Haftung gegenüber Dritten, die nicht mit der vermeintlich schädigenden Partei verhandelt haben, ist per definitionem kein Anwendungsfall der Haftung aus cic. Verletzt etwa ein Bauherr und Vertragspartner eines Unternehmers seine Aufklärungspflicht gegenüber einem Subunternehmer, zu dem er keine eigenen (vor-)vertraglichen Beziehungen unterhält, gelangt die Haftung aus cic nicht zur Anwendung.17 Der Dritte kann aber versuchen, aus Vertrauenshaftung (s. N 1712 ff.) gegen den Bauherrn vorzugehen.

2. 1538

Schutzwürdiges Vertrauen

Der rechtsgeschäftliche Kontakt muss beim Geschädigten zu einem erhöhten Vertrauen führen (etwa darauf, dass ein Vertrag abgeschlossen werde oder dass der abgeschlossene Vertrag gültig sei). Sein Vertrauen ist hingegen nicht schutzwürdig, wenn er weiss oder wissen muss, dass kein bzw. kein gültiger Vertrag zustande kommen wird (z.B. wenn der Geschädigte von einer Drittperson erfährt, dass sein Verhandlungspartner das Objekt bereits veräussert hat).18

15 16 17 18

478

BGE 77 II 135 E. 2a = Pra 1951 Nr. 122. BGE 116 II 695 E. 3. Offengelassen in BGE 108 II 305 E. 2d. S. Koller, OR AT, N 28.34.

§ 18

3.

Culpa in contrahendo

Pflichtverletzung

Bereits im vorvertraglichen Stadium treffen die Verhandlungspartner nach Treu 1539 und Glauben (Art. 2 Abs. 1 ZGB) besondere Pflichten. Die cic-Haftung knüpft an die Verletzung einer oder mehrerer der folgenden Pflichten an: 3.1

Pflicht zu ernsthaftem Verhandeln; Nichterfüllen von Formvorschriften

Vorbehältlich des verpflichtenden Charakters einer Offerte (Art. 3 OR) behält jede 1540 Partei grundsätzlich das Recht, die Vertragsverhandlungen jederzeit abzubrechen, ohne der Gegenpartei dafür eine Begründung zu schulden.19 Folglich hat jede Partei das Risiko für vergeblich aufgewendete Zeit oder sinnlosen Einsatz finanzieller und anderer Ressourcen selber zu tragen.20 Eine Haftung aus cic liegt bei Abbruch der Vertragsverhandlungen deshalb nur ausnahmsweise und unter besonderen Voraussetzungen vor. Die Verhandlungspartner trifft eine Pflicht zu ernsthaftem Verhandeln.21 Diese 1541 schliesst nicht aus, dass eine Partei die Verhandlungen beendet, ohne dass es zu einem Vertragsabschluss kommt.22 Ein Verstoss gegen Treu und Glauben liegt jedoch vor, wenn jemand Verhandlungen aufnimmt oder fortsetzt, obwohl er sich innerlich bereits dazu entschieden hat, mit dem Verhandlungspartner doch keinen Vertrag zu schliessen, den Verhandlungspartner aber im falschen Glauben lässt, dass es zu einem Vertragsschluss kommen werde.23 Teilweise wird auch die Meinung vertreten, dass eine vorvertragliche Pflicht zur richtigen Vorbereitung auf die Verhandlungen bestehe.24 In diesem Kontext ist auch der Fall zu erwähnen, bei welchem die Parteien sich 1542 bereits über den Inhalt eines formbedürftigen Vertrages geeinigt haben und der gültige Vertragsschluss nur noch von der Einhaltung der vorgeschriebenen Form abhängt. Weigert sich alsdann ein Vertragspartner, die Form einzuhalten, kann er nach den Regeln der cic haftbar werden, wenn er sich in treuwidriger Weise (Art. 2 ZGB) gegen den Vollzug der Form stellt, obwohl er den aus dieser Weigerung entstehenden Schaden seines Verhandlungspartners hätte voraussehen können.25 Eine solche Konstellation ist z.B. denkbar, wenn bei einem Grundstückkauf 19 BGE 140 III 200 E. 5.2 = Pra 2014 Nr. 102; 105 II 75 E. 2a; 77 II 135 E. 2a = Pra 1951 Nr. 122. S. ZK ORSchönenberger/Jäggi, Art. 1 N 573 für Ausnahmefälle, in denen eine Kontrahierungs- bzw. Verhandlungspflicht zu bejahen ist. 20 Furrer/Müller-Chen, Kap. 18 N 100. 21 BGE 140 III 200 E. 5.2 = Pra 2014 Nr. 102; 4C.409/2005 E. 3.2; 77 II 135 E. 2a = Pra 1951 Nr. 122. 22 BGE 140 III 200 E. 5.2 = Pra 2014 Nr. 102; 4C.320/2002 E. 3.2. 23 BGE 140 III 200 E. 5.2 = Pra 2014 Nr. 102; 4A_229/2014 E. 4.1; 4C.381/2002 E. 5.1; 4C.320/2002 E. 3.2. 24 S. Rouiller, Jusletter 10. Juli 2006, N 15 m.w.N. 25 BGE 4A_615/2010 E. 4.1.1, welcher ausserdem insbesondere für Verträge, für die ein Formerfordernis zum Schutz der Parteien vorgesehen ist, eine restriktive Anwendung der cic fordert (bestätigt in BGE 140 III 200

479

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

der Vertrag bereits von beiden Parteien unterschrieben wurde und nur noch die öffentliche Beurkundung fehlt. Weigert sich nun der Verkäufer, den Vertrag öffentlich beurkunden zu lassen – z.B. weil er das Grundstück doch lieber einer ihm nahestehenden Person verkaufen will  –, muss er seinen Verhandlungspartner so stellen, als wären beide nie miteinander in einen rechtsgeschäftlichen Kontakt getreten (negatives Interesse).26 3.2

Aufklärungspflicht

1543

Das schweizerische Vertragsrecht kennt keine allgemeine Aufklärungspflicht. Prinzipiell ist jede Partei selber für die Auswahl und Beschaffung der Informationen, die sie benötigt, verantwortlich.27 Aus dem besonderen Vertrauensverhältnis im Rahmen der Vertragsverhandlungen ergibt sich jedoch eine Aufklärungspflicht betreffend die Umstände, die den Entscheid der Gegenpartei über den Vertragsschluss als solchen oder dessen terms beeinflussen können.28 Die Aufklärungspflicht betrifft aber nur erhebliche Tatsachen, über welche sich die Gegenpartei keine Kenntnis verschaffen konnte und musste.29 Niemand ist gehalten, im Interesse der Gegenpartei umsichtiger zu sein, als diese es selbst sein könnte bzw. müsste.30 Vorbehältlich besonderer Umstände (z.B. Zahlungsunfähigkeit) darf im Übrigen nicht verlangt werden, dass die eine die andere Partei aus eigener Initiative über ihre finanziellen Verhältnisse aufklärt.31 Letztlich hängt der Umfang der Aufklärungspflichten jedoch immer vom Einzelfall ab.32

1544

Erkennt eine Seite, dass die andere einem Irrtum unterliegt, so hat sie diese darüber aufzuklären. Eine solche «obligation de détromper»33 besteht umso mehr, wenn es für die eine Partei erkennbar ist, dass sich ihr Gegenüber wegen einer von ihr erteilten (unabsichtlich) falschen Auskunft irrt. Hingegen handelt nicht pflichtwidrig, wer es unterlässt, nach Irrtümern der Gegenpartei zu forschen, welche diese bei gehöriger Aufmerksamkeit selber hätte erkennen können.34 Mit der Aufklärungspflicht geht folglich ein allgemeines Täuschungsverbot einher.35 Wer durch die Erteilung einer falschen Auskunft bei seinem Gegenüber einen Willensmangel

26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

480

E. 5.2 = Pra 2014 Nr. 102; 4A_229/2014 E. 4.1); s. ferner BGE 4C.247/2005 E. 3.1; 4C.152/2001 E. 3a; 117 II 259 E. 2c. S. BGE 140 III 200 E. 5.2 = Pra 2014 Nr. 102 m.w.N. Ausführlich zur cic-Haftung bei formbedürftigen Verträgen Huguenin/Hoessly, 46 f. Hehli, N 367 m.w.H; Gauch/Schluep/Schmid, N 958. BGE 4A_229/2014 E. 4.1; 105 II 75 E. 2a; BK OR-Müller, Einl. in das OR N 320. BGE 125 III 86 E. 3c m.w.N. BGE 102 II 81 E. 2. Von Tuhr/Peter, 322. Hehli, N 358. Rouiller, Jusletter 10. Juli 2006, N 8. BGE 102 II 81 E. 2. Rouiller, Jusletter 10. Juli 2006, N 8.

§ 18

Culpa in contrahendo

hervorruft, ist nach den Regeln der cic haftbar. Erfolgt die Täuschung der anderen Partei mit Absicht und kommt es zum Vertragsschluss, kann die irrende Partei den Vertrag gemäss Art. 28 OR anfechten. Art. 31 Abs. 3 OR – einer der wenigen positivierten cic-Tatbestände – gewährt dem Getäuschten einen Schadenersatzanspruch, auch wenn er den Vertrag bereits eingegangen ist (s. N 596 f.). Schliesslich kann eine Partei nach den Regeln der cic haftbar werden, wenn sie 1545 weiss oder wissen muss, dass der geschlossene Vertrag formungültig (Art. 11 ff. OR; s. N 383) oder sein Inhalt rechts- bzw. sittenwidrig (Art. 20 OR; s. N 433) ist, ihr Verhandlungspartner aber fälschlicherweise auf die Gültigkeit vertraut.36 Der Umfang der Aufklärungspflicht kann etwa anhand folgender Kriterien kon- 1546 kretisiert werden: Natur des Vertrages, Art, wie die Verhandlungen geführt wurden, Absichten bzw. Wissensstand der Parteien etc.37 Je grösser die Asymmetrie zwischen den Parteien (z.B. hinsichtlich gewisser technischer Gegebenheiten des Vertragsobjekts) ist, desto höher sind die berechtigten Erwartungen an die überlegene Partei, ihr Gegenüber aufzuklären. Eine erhöhte Aufklärungspflicht besteht demnach seitens des Experten bzw. der Fachfrau gegenüber dem Laien.38 3.3

Pflicht zur Rücksichtnahme

Die Verhandlungspartner sind einander zu gegenseitiger Rücksichtnahme ver- 1547 pflichtet. Dies zeigt etwa auch der Tatbestand der Übervorteilung (Art.  21  OR; s.  N  451  ff.), welcher sogar ein Rückkommen auf den bereits erfolgten Vertragsschluss ermöglicht, wenn die eine Partei die beeinträchtigte Entscheidungsfreiheit der Gegenpartei ausgenutzt hat.39 3.4

Pflicht zum Schutz vertragsfremder Güter

Schliesslich sind die Verhandlungspartner verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die 1548 Gegenpartei und die ihr nahestehenden Personen während der Vertragsverhandlungen nicht in ihrer körperlichen Integrität bzw. in ihrem Eigentum verletzt werden.40

S. BGE 106 II 36 E. 5 für einen formungültigen Vertrag (Haftung aus cic in casu verneint wegen fehlenden schutzwürdigen Vertrauens in die Formgültigkeit). 37 BGE 4C.320/2002 E. 3.2; 4C.226/2002 E. 4.1; 105 II 75 E. 2a; Wahrenberger, 81 ff. 38 S. Kramer/Probst, OR AT, N 127; Rouiller, Jusletter 10. Juli 2006, FN 12. 39 Gauch/Schluep/Schmid, N 955; s. auch Furrer/Müller-Chen, Kap. 18 N 101, die eine solche Pflicht indessen nur «zurückhaltend» anerkennen. 40 Bucher, OR AT, 285; ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 1 N 578. 36

481

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

1549

Ein Verstoss gegen diese Pflicht liegt z.B. vor, wenn der Kunde des Lackierers während der Verhandlungen in dessen Werkstatt schädlichen Dämpfen ausgesetzt ist oder wenn der Kaufinteressent das Auto auf der Probefahrt beschädigt.

1550

Nach einem Teil der Lehre soll bei einer Verletzung der Pflicht zum Schutz vertragsfremder Güter die cic-Haftung nicht zur Anwendung gelangen.41 Als Begründung wird angeführt, dass die Haftung aus cic lediglich auf reine Vermögensschäden anwendbar sei.42 Ausserdem bedürfe es bei Körper- oder Sachschäden keiner weiteren Haftungsgrundlage als derjenigen der unerlaubten Handlung.43

1551

Unseres Erachtens entstehen auch in diesen Fällen cic-Ansprüche. Zwar liegt das Hauptanwendungsgebiet der Haftung aus cic im Bereich der reinen Vermögensschäden. Jedoch kann ein cic-Anspruch neben dem ausservertraglichen Anspruch auch bei Personen- bzw. Sachschäden eine eigenständige Bedeutung erlangen (z.B. aufgrund der Beweislastumkehr von Art.  97 Abs.  1  OR oder der Hilfspersonenhaftung nach Art. 101 OR). Die Anwendung ausgewählter vertraglicher Haftungsgrundsätze ist in einem solchen Fall wegen der besonderen Stellung, welche die Verhandlungspartner einander mindestens zeitweilig einräumen, gerechtfertigt.

1552

Nicht um ein Problem einer vorvertraglichen Pflichtverletzung, sondern um einen Fall von Art. 58 OR (s. N 2055 ff.) handelt es sich, wenn der Kunde vor dem Betreten eines Ladens auf dem vereisten Boden ausrutscht und sich verletzt. In einem solchen Fall kann noch nicht von einem genügenden Kontakt im Hinblick auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts ausgegangen werden.44

4.

Schaden

1553

Der ersatzberechtigte Verhandlungspartner muss einen Schaden erlitten haben. Zur Berechnung und Bemessung kann auf die allgemeinen Ausführungen zum Schaden verwiesen werden (s. N 867 ff. und N 1845 ff.). Zu beachten ist, dass Art. 43 f. OR gemäss Art. 99 Abs. 3 OR auch bei der vertraglichen Haftung zur Anwendung kommen (s. N 886 und N 1886 ff.). Infolgedessen unterscheiden sich die ausservertragliche und die vertragliche Bemessung des Schadenersatzes nicht.

1554

Bei der Haftung aus cic ist grundsätzlich das Vertrauensinteresse (das heisst im Allgemeinen das negative Vertragsinteresse) zu ersetzen:45 Der Geschädigte ist so zu stellen, wie wenn die Vertragsverhandlungen nie aufgenommen worden wären. Es 41 42 43 44

S. Koller, OR AT, N 28.52; Schwenzer, OR AT, N 47.10. Koller, OR AT, N 28.52. Schwenzer, OR AT, N 47.10. S. BGE 118 II 36, bei dem die cic-Haftung allerdings nicht zur Sprache kam, sondern direkt die Werkeigentümerhaftung nach Art. 58 OR angewendet wurde. 45 BGE 140 III 200 E. 5.2 = Pra 2014 Nr. 102; 4C.320/2002 E. 4.2; Engel, CO PG, 748; Sommer, AJP 2006, 1033 m.w.N.

482

§ 18

Culpa in contrahendo

sind ihm z.B. die (nutzlosen) Aufwendungen zu ersetzen, die er im Hinblick auf einen erfolgreichen Vertragsabschluss tätigte (z.B. Reisekosten, Investitionen, aber auch angefallene Opportunitätskosten). Werden cic-Pflichten erst in einem späteren Verhandlungsstadium verletzt, sind nur die nach der betreffenden Pflichtverletzung vorgenommenen Ausgaben zu ersetzen.46 Ein Verhandlungspartner entscheidet sich z.B. dafür, auf einen Vertragsabschluss zu verzichten, teilt dies der Gegenseite aber erst einige Wochen später mit. Die Gegenseite ist alsdann so zu stellen, wie wenn ihr der Verhandlungspartner den Verzicht auf den Vertragsschluss rechtzeitig mitgeteilt hätte. Aus Billigkeitsgründen kann der Richter ausnahmsweise auch den Ersatz von Scha- 1555 den anordnen, der das Vertrauensinteresse übersteigt (s. z.B. auch Art. 26 Abs. 2 OR für den Irrtum; s. N 593).

5.

Natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang

Zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden muss ein natürli- 1556 cher und adäquater Kausalzusammenhang bestehen (s. N 887 ff. und N 1915 ff.). Besteht die treuwidrige Pflichtverletzung in einem Unterlassen – was z.B. bei Aufklärungspflichten der Fall ist –, muss ein hypothetischer Kausalzusammenhang vorliegen (s. N 1923 ff.).

6.

Verschulden?

Die Haftung aus cic setzt im Grundsatz voraus, dass die Schädigerin ein Verschul- 1557 den trifft (zum Verschulden allgemein s. N 892 ff. und N 1970 ff.). Dabei genügt es, wenn die Schädigerin eine Pflicht fahrlässig verletzt.47 Nach herrschender Lehre soll dabei die Beweislast aufgrund der Vertragsnähe der 1558 Haftung aus cic nicht der geschädigten Partei aufgebürdet werden, sondern entsprechend Art.  97 Abs.  1  OR umgekehrt werden (Exkulpationsbeweis durch die Schädigerin).48 Anders als bei der ausservertraglichen Haftung muss die Schädigerin somit beweisen, dass sie kein Verschulden trifft. Ausnahmsweise bestimmt das Gesetz, dass die Schädigerin auch ohne Verschul- 1559 den haftet (z.B. Art. 39 Abs. 1 OR). Zu Recht konstatiert Loser, dass das Verschuldensprinzip im schweizerischen Haftungssystem ohnehin nicht durchgehend gelte: «Gesteigerte Verkehrsinteressen und die Schaffung besonderer Gefahrenlagen kön46 47 48

S. BGE 105 II 75 E. 3a; Furrer/Müller-Chen, Kap. 18 N 102. BGE 140 III 200 E. 5.2 = Pra 2014 Nr. 102; 105 II 75 E. 2a; Sommer, AJP 2006, 1033 m.w.N. Engel, CO PG, 753; Furrer/Müller-Chen, Kap. 18 N 104; BK OR-Kramer, Allg. Einl. N 141; BK ORMüller, Einl. in das OR N 314; CR CO-Thévenoz, Intro. art. 97–109 N 20 und Art. 97 N 26.

483

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

nen unter Umständen auch eine gesteigerte Sorgfalt im Sinne des Risikoprinzips und damit eine Verantwortlichkeit trotz fehlendem Verschulden rechtfertigen.»49 Der Ausdruck culpa in contrahendo ist insofern nur als pars pro toto-Bezeichnung zu verstehen.

IV.

Wirkungen

1560

Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, muss die Schädigerin für den entstandenen Schaden aufkommen: Der Geschädigte hat einen entsprechenden Schadenersatzanspruch aus cic.

1561

Zu ersetzen ist das negative Vertragsinteresse (s. N 872). Die Schädigerin kann versuchen, sich gegen die (vollständige oder teilweise) Überwälzung des Schadens zu schützen, indem sie sich auf die Herabsetzungsgründe von Art. 44 i.V.m. Art. 99 Abs. 3 OR beruft: Insoweit als der Schaden in die Risikosphäre des Geschädigten fällt, muss dieser ihn auch tragen.

1562

Je nach verletzter Pflicht kann der Geschädigte ein Interesse daran haben, dass der – allenfalls trotz cic geschlossene – Vertrag aufgehoben wird. Oft hätte er nicht oder nicht zu diesen Bedingungen kontrahiert, wenn seine Vertragspartnerin ihre Aufklärungspflicht erfüllt hätte bzw. ihrer Pflicht zur Rücksichtnahme nachgekommen wäre. Ein zur Aufhebung des Vertrages führendes Gestaltungsrecht kann aber unserer Auffassung nach nicht aus der cic hergeleitet werden.50 Der Geschädigte ist auf Art. 21 sowie Art. 23 ff. OR verwiesen. Die gegenteilige Ansicht würde zu einer Aushebelung des austarierten Systems der Willensmängel führen: Ein Vertrag könnte alsdann entgegen Art. 28 Abs. 1 OR auch im Fall einer fahrlässigen Unterlassung der Aufklärungspflicht ungültig sein.

1563

Die Verjährung des cic-Anspruchs richtet sich gemäss Bundesgericht nach der deliktsrechtlichen Vorschrift von Art. 60 Abs. 1 OR.51 Nach der herrschenden Lehre soll dagegen die allgemeine Verjährungsfrist von Art. 127 OR zur Anwendung kommen.52 Die einjährige Frist von Art. 60 Abs. 1 OR ist zu kurz.53 Im Einklang mit der hier vertretenen Auffassung, wonach die Rechtsnatur der Haftung aus cic im Umfeld der Vertragshaftung anzusiedeln ist (s. N 1533), soll denn auch für Ansprüche aus cic die Verjährungsfrist von Art. 127 OR greifen. Auch mit dem neuen Ver49 Loser, N 244. 50 A.M. Schwenzer, OR AT, N 47.14. 51 BGE 141 V 127 E. 2; 134 III 390 E. 4.3.2; 104 II 94 E. 3a; 101 II 266 E. 4c; CHK OR-Furrer/Wey, Art. 97–98 N 13. 52 Brunner, 625 ff.; Bucher, OR AT, 287; Engel, CO PG, 753; Gonzenbach, 193 ff.; BK OR-Müller, Einl. in das OR N 312; Schwenzer, OR AT, N 48.05. 53 Ausführlich Brunner, 625 ff.; Engel, CO PG, 753; Gonzenbach, 193 ff.

484

§ 18

Culpa in contrahendo

jährungsrecht, welches auf den 1. Januar 2020 in Kraft treten wird54, ist im Übrigen die Problematik der zu kurzen Frist von Art. 60 OR nicht gelöst. Im Delikts- und Vertragsrecht werden (mit Ausnahme der Forderungen für Körperschäden) weiterhin unterschiedlich lange Verjährungsfristen gelten. Es wird einzig die einjährige Frist von Art. 60 Abs. 1 OR auf drei Jahre erhöht (s. Art. 60 Abs. 1 revOR55); die zehnjährige Frist von Art. 127 OR bleibt dagegen unverändert. Weitgehende Einigkeit besteht demgegenüber darin, dass die Haftung für Hilfsper- 1564 sonen nach den vertraglichen Grundsätzen von Art. 101 OR (s. N 993 ff.) abzuhandeln ist.56 Es wäre denn auch unangemessen und inkonsequent, die Schädigerin via den (weiter gehenden) Exzeptionsbeweis von Art. 55 Abs. 1 OR aus der Haftung zu entlassen (Geschäftsherrenhaftung; s. N 2027 ff.).

V.

Konkurrenzen

Liegt ein gültiger Vertrag vor, schliessen sich die Ansprüche aus cic und aus Art. 97 1565 Abs. 1 OR nach der hier vertretenen Auffassung grundsätzlich gegenseitig aus. Mit dem Vertragsabschluss wird die seit den Vertragsverhandlungen bestehende Beziehung nicht beendet, sondern ändert sich lediglich ihre Gestalt: Die vorvertragliche wird zur vertraglichen Beziehung. Pflichtverletzungen sind nun direkt nach den vertragsrechtlichen Vorschriften (Art.  97  ff.  OR bzw. Sonderbestimmungen des Besonderen Teils des OR oder anderer Spezialvorschriften) geltend zu machen.57 Zu den ausservertraglichen Ansprüchen steht die Forderung aus cic in alternativer 1566 Konkurrenz (s. N 4143 ff.).58 Stellt die vorvertragliche Pflichtverletzung zugleich eine unerlaubte Handlung dar, bestehen beide Ansprüche nebeneinander. Handelt es sich um einen reinen Vermögensschaden, kann sich der Geschädigte nur dann auf Art. 41 Abs. 1 OR berufen, wenn eine besondere Schutznorm verletzt wurde (s. N 1950 ff.). Die herrschende Lehre und das Bundesgericht stellen sich trotz einzelner anderer Stimmen59 auf den Standpunkt, dass die Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben (Art. 2 Abs. 1 ZGB) – und somit auch der daraus abgeleiteten vorvertraglichen Pflichten – grundsätzlich keine Widerrechtlichkeit im Sinne von Art. 41 Abs. 1 OR begründet.60 54 S. Medienmitteilung des Bundesrates vom 7. November 2018, aufrufbar unter , besucht am 3. Januar 2019. 55 S. BBl 2018 3537. 56 BGE 4A_609/2015 E. 1.2; 108 II 419 E. 5; Gauch/Schluep/Schmid, N 973 f.; BK OR-Kramer, Allg. Einl. N 141; Schwenzer, OR AT, N 48.04. 57 Koller, OR AT, N 28.50. 58 Offengelassen in BGE 108 II 419 E. 5; Engel, CO PG, 752 f. 59 Hofstetter, AJP 1998, 264; s. Übersicht bei Délco, 133 ff. 60 BGE 124 III 297 E. 5c; 121 III 350 E. 6b = Pra 1996 Nr. 168; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 879 ff. m.w.H.; Schwenzer, OR AT, N 50.22; Wyss/von der Crone, SZW 2002, 118.

485

§ 19 Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N  1590; Bucher,  OR AT, 484  f.; Furrer/Müller-Chen, Kap. 22 N  15  ff.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N  3910  ff.; Guhl/Koller, §  31 N  45  f.; Koller, OR AT, N 61.14; Kramer/Probst, OR AT, N 82 ff.; Schwenzer, N 87.01 ff.

Weiterführende Literatur Bärtschi Harald, Verabsolutierte Relativität – Die Rechtsstellung des Dritten im Umfeld von Verträgen, Habil. Zürich 2009; Fountoulakis Christiana, Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, AJP 2018, 95–99; Honsell Heinrich, Die Haftung für Auskunft und Gutachten, insbesondere gegenüber Dritten, in: FS Nobel, Bern 2005 (zit.: Honsell, Haftung für Auskunft); Hübner Leonhard/Sagan Adam, Die Abgrenzung von Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und Drittschadensliquidation, JA 2013, 741–747; Krauskopf Patrick, Der Vertrag zugunsten Dritter, Diss. Freiburg 2000; Leuenberger Christophe, Haftung von Hilfspersonen gegenüber vertragsfremden Dritten, ZBJV 2000, 289–292; Moser Martin, Die Haftung gegenüber vertragsfremden Dritten, Diss. Bern 1998; Perren Ruben, Zur Daseinsberechtigung der Drittschadensliquidation, ZBJV 2004, 58–81; Siegrist Samuel, Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nach schweizerischem Recht, Diss. Zürich 1997; Walter Hans Peter, Vertrauenshaftung im Umfeld des Vertrages, ZBJV 1996, 273–295.

I.

Begriff

1567

Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erlaubt einem dem Vertragsgläubiger nahestehenden Dritten, eigene (quasi-)vertragliche Schadenersatzansprüche gegen die Vertragsschuldnerin geltend zu machen.

1568

Begeht eine Schuldnerin im Rahmen eines Vertragsverhältnisses eine (schuldhafte) Pflichtverletzung und tritt der Schaden nicht beim Vertragspartner, sondern bei einem Dritten ein, so stehen diesem grundsätzlich nur extrakontraktuelle Ansprüche zu (s. N 1829 ff.). Dies kann zu unbilligen Ergebnissen führen.

1569

Die Bestimmungen des Deliktsrechts sind auch für einen dem Gläubiger nahestehenden Geschädigten weniger vorteilhaft als die vertraglichen Normen (keine Umkehr der Beweislast für das Verschulden wie bei Art. 97 Abs. 1 OR; nur eingeschränkte Haftung für reine Vermögensschäden; weitgehende Befreiungsmöglich-

486

§ 19

Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

keit im Rahmen der Geschäftsherrenhaftung gemäss Art. 55 OR im Gegensatz zur Hilfspersonenhaftung nach Art. 101 OR; kürzere Verjährungsfristen gemäss Art. 60 Abs. 1 OR als bei Art. 127 f. OR1). Mittels Einräumung eines (quasi-)vertraglichen Schadenersatzanspruchs zugunsten 1570 des Dritten sollen diese Nachteile ausgeglichen werden, sofern zwischen dem Dritten und dem nicht schädigenden Vertragspartner (Vertragsgläubiger) ein erkennbares Näheverhältnis besteht und Letzterer ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den vertraglichen Schutzradius hat (s. N 1582 ff.): Ein dem Gläubiger nahestehender Dritter, der aufgrund einer (fremden) Vertragsverletzung zu Schaden kommt, soll für die Durchsetzung seines Anspruchs nach dem Konzept des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter von den günstigeren Haftungsmodalitäten des Vertragsrechts profitieren können. Das Rechtsgefüge des Vertrages wird hierfür punktuell auf den Dritten ausgedehnt, 1571 ohne dass dieser dadurch jedoch zum Vertragspartner wird. Dementsprechend hat der Dritte kein eigenständiges Forderungsrecht auf die (dem Gläubiger versprochene) Primärleistung. Doch kann die Schuldnerin einem dem Gläubiger nahestehenden Dritten gegenüber schadenersatzpflichtig werden, wenn sie dessen Schutzbedürfnis nicht angemessen berücksichtigt und diesem vertragspflichtwidrig einen Schaden zufügt (Sekundärleistung). Die Wirkungsweise des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter kann 1572 anhand des folgenden Beispiels illustriert werden: Führt der mangelhafte Unterhalt durch die Hauseigentümerin und Vermieterin dazu, dass sich ein Ziegel vom Dach löst und einem Familienangehörigen des Mieters auf den Kopf fällt, soll diesem ein vertraglicher Schadenersatzanspruch gegen die Vermieterin zustehen, obwohl ein Vertrag nur zwischen der Vermieterin und dem Mieter besteht.2

II.

Anerkennung

In der Schweizer Lehre wird die Frage nach einer Anerkennung des Vertrages mit 1573 Schutzwirkung zugunsten Dritter kontrovers beantwortet. Die zustimmenden Voten

1 Auch mit dem neuen Verjährungsrecht, welches am 1. Januar 2020 in Kraft treten wird, gelten im Delikts- und Vertragsrecht unterschiedlich lange Verjährungsfristen. Die relative einjährige Frist von Art. 60 Abs. 1 OR wird von einem Jahr auf drei Jahre verlängert (Art. 60 Abs. 1 revOR); die zehnjährige Frist von Art. 127 OR bleibt dagegen unverändert. Einzig die Verjährungsfrist für Forderungen aus Personenschäden wird vereinheitlicht. Neu gilt für solche Forderungen – und zwar unabhängig von ihrem Entstehungsgrund, also auch für solche aus Vertrag  – eine relative dreijährige bzw. eine absolute Verjährungsfrist von zwanzig Jahren (Art. 60 Abs. 1bis und Art. 128a revOR); s. zum Ganzen BBl 2018 3537 ff., 3537 f. 2 BGH, NJW 1965, 1757; s. Bärtschi, 273.

487

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

scheinen sich aber in jüngerer Zeit zu mehren.3 Auch nach der hier vertretenen Meinung vermag unter den nachfolgend genannten Voraussetzungen (s. N 1582 ff.) ein Vertrag seinem Sinn nach einem Dritten gegenüber einen vertraglichen Schadenersatzanspruch zu gewähren. 1574

Steht der Dritte in einer besonderen Nähe zum Vertragsgläubiger und wird er ebenfalls von der Vertragssphäre tangiert, geht auch sein Verhältnis zur Schuldnerin über einen zufälligen Alltagskontakt hinaus, sofern dies für sie auch erkennbar ist. In einer solchen Konstellation ist der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ein geeignetes Hilfsmittel, um den legitimen Schutzbedürfnissen eines nahestehenden Dritten Rechnung zu tragen.

1575

Allerdings hat das Bundesgericht dieses Haftungsmodell bis anhin noch nicht explizit anerkannt.4 Zwar hat es den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bereits in einigen Entscheiden erwähnt und dessen Voraussetzungen erörtert.5 Doch hat es dieses Instrument bis anhin noch nie zur Haftungsbegründung herangezogen. Stattdessen hat es sich in den einschlägigen Fällen jeweils anderer Haftungsfiguren bedient, um zum erwünschten Resultat zu gelangen.6 Die entsprechenden obiter dicta dürfen aber als ein Hinweis auf eine mögliche zukünftige Anerkennung dieses quasikontraktuellen Haftungsmodells interpretiert werden.

1576

Denkbar ist allerdings auch, dass das Bundesgericht den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in der allgemeinen Vertrauenshaftung (s. N 1712 ff.) aufgehen lässt.

1577

In einem (nicht in der amtlichen Sammlung publizierten) Entscheid aus dem Jahre 2006 hat das Bundesgericht eine Haftung aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter immerhin implizit zur Begründung herangezogen.7 Im Zentrum dieses Falls stand ein Servicevertrag über eine Heizung, die im Wohnhaus der Familie des Klägers installiert worden war. Der Servicevertrag (mit der späteren Beklagten) war vom Vater des Klägers unterschrieben worden. Nach dem Tod der Mutter des Klägers, der auf einen übermässigen Gasaustritt aus dem Heizkessel zurückzuführen war, machte der Kläger Genugtuungsansprüche gegen die Beklagte geltend.

3

4 5 6 7

Zustimmend: Bucher, OR AT, 485; Fountoulakis, AJP 2018, 97 ff.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3915 ff.; BK OR-Müller, Einl. in das OR N 366; Siegrist, 11 und 129; Walter, ZBJV 1996, 290; BK ORWeber, Art.  112 N  153  ff.; BSK  OR-Zellweger-Gutknecht, Art.  112 N  24a  f. Ablehnend: Honsell, Haftung für Auskunft, 947 ff.; Krauskopf, N 104; Schwenzer, OR AT, N 87.05. S. ferner Übersicht bei Moser, 86. S. BGE 4A_226/2010 E. 3.2.1; 130 III 345 E. 1; 4C.296/1999 E. 3b; 4C.194/1999 E. 4; 121 III 310 E. 4b; 120 II 112 E. 3b cc. BGE 4C.296/1999 E. 3b; s. BGE 130 III 345 E. 1. S. BGE 130 III 345 E. 1, besprochen in Leuenberger, ZBJV 2000, 291 f.; 4C.194/1999 E. 4; 121 III 310 E. 4a; 120 II 112 E. 3b. S. BGE 4C.139/2005.

488

§ 19

Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

Das Bundesgericht bejahte sowohl eine ausservertragliche als auch eine vertragliche 1578 Haftung der Beklagten. Dazu nahm es einen echten Vertrag zugunsten eines Dritten an (s. N 1137 ff.), dies allerdings mit folgender Begründung: «Der Servicevertrag wurde für die Beklagte erkennbar zum Schutze aller Familienmitglieder, welche die Liegenschaft bewohnten, abgeschlossen. Vor diesem Hintergrund konnte die Beklagte nicht in guten Treuen davon ausgehen, dass sie bei einer Verletzung ihrer vertraglichen Pflichten nur dem Vater des Klägers und nicht auch den übrigen Familienmitgliedern aus Vertrag für allfällige Schäden haften würde (Art. 112 Abs. 2 OR).»8 Die Argumentation des Bundesgerichts gründete also eigentlich auf dem Vertrag 1579 mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, ohne dass indessen diese «Etikette» auch verwendet wurde. Der Vertrag zugunsten eines Dritten nach Art. 112 OR fällt hier indessen nur schon 1580 deshalb ausser Betracht, weil die Beklagte nicht verpflichtet worden war, (nur) an die anderen Familienmitglieder zu leisten (zu den Abgrenzungskriterien zwischen dem Vertrag zugunsten eines Dritten und dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter s. N 1596 ff.). Sowohl beim echten als auch beim unechten Vertrag zugunsten eines Dritten ist der Gläubiger in der Regel nur berechtigt, die Leistung an den Dritten – also nicht auch an sich selbst – zu fordern. Vorliegend hatte die Beklagte die Serviceleistung am Heizkessel aber an den Vater des Klägers und Vertragspartner der Beklagten zu erbringen bzw. war der Vater des Klägers berechtigt, die Primärleistung an sich zu verlangen. Die Subsumtion des Sachverhalts unter den Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 OR) erscheint somit als etwas forciert. Für die Begründung des Ergebnisses bediente sich das Bundesgericht denn auch der 1581 Haftungsfigur des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten eines Dritten. Für eine implizite Aufnahme der neuen Haftungsfigur in das Arsenal der quasikontraktuell zu verankernden Institute spricht im Übrigen, dass das Bundesgericht von einer Argumentation via Art. 166 ZGB absah (Vertretung in der Familie). Auch auf diesem Weg hätte nämlich eine Ausweitung der Haftung zugunsten der anderen Familienmitglieder erreicht werden können.

III.

Voraussetzungen und Wirkungen

Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gewährt dem Geschädigten einen 1582 quasikontraktuellen Haftungsanspruch, obwohl ihm eigentlich nur ausservertragliche Ansprüche zustehen.

8 BGE 4C.139/2005 E. 3.3.

489

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

1583

Im Gegenzug gilt es, zugunsten der Schuldnerin den Anwendungsbereich dieses Haftungsinstituts auf diejenigen Fälle zu begrenzen, in denen die Abwälzung des beim (vertragsfremden) Geschädigten eingetretenen Schadens auf die Vertragspartnerin sachlich gerechtfertigt ist. Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter greift darum nur, wenn die nachfolgend genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

1584

In Anlehnung an die deutsche Praxis9 hielt das Bundesgericht in einem Entscheid aus dem Jahre 1999 obiter fest, dass «der vertragliche Schadenersatzanspruch eines vertragsfremden Dritten voraus[setzt], dass er mit der Hauptleistung  – für den Schuldner erkennbar – bestimmungsgemäss in Berührung kommt, der Gläubiger der Hauptleistung dem Dritten gegenüber zu Schutz und Fürsorge verpflichtet ist und deshalb ein Interesse am Einbezug des Dritten in den Schutzbereich hat oder allgemein die Vertragsparteien den Willen besassen, zu Gunsten des vertragsfremden Dritten eine Schutzpflicht des Schuldners zu begründen.»10

1585

Dieser Passus soll im Folgenden analysiert und in die einzelnen Voraussetzungen zerlegt werden. Deren kumulative Erfüllung vermag eine quasikontraktuelle Haftung der Schuldnerin zugunsten eines Dritten zu begründen: • Der geschädigte Dritte steht dem Gläubiger nahe bzw. befindet sich in Leistungsnähe zum Vertrag (s. N 1586); • der Gläubiger der Hauptleistung hat ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den vertraglichen Schutzbereich (s. N 1587 ff.); • für die Schuldnerin ist sowohl erkennbar, dass der Dritte dem Gläubiger nahesteht, wie auch, dass der Gläubiger ein besonderes Interesse am Einbezug des Dritten hat (s. N 1592 ff.); • die übrigen Voraussetzungen von Art. 97 OR bzw. der entsprechenden vertraglichen Haftungsnorm sind erfüllt (positive Vertragsverletzung; Schaden; Kausalzusammenhang, Verschulden; s. N 1595).

1. 1586

Nahestehen bzw. Leistungsnähe von Gläubiger und Drittem

Erstens muss der Dritte dem Gläubiger nahestehen bzw. mit der Hauptleistung in Berührung kommen. Dies setzt nach Bärtschi voraus, dass die schuldnerische Leistung den Schutz des Dritten (mit-)bezweckt oder (auch) dem Dritten zugutekommt.11 Es genügt nicht, wenn der Dritte mehr oder weniger zufällig in den Nutzen- bzw. Gefahrenbereich des Vertrages gerät und dann zu Schaden kommt. Vielmehr muss er mit der Leistung der Schuldnerin bestimmungsgemäss in Berührung 9 S. z.B. BGH, NJW 2001, 516; BGH, NJW 1995, 392 ff.; BGH, NJW 1989, 1541; BGH, NJW 1980, 1947; BGH, NJW 1959, 1676. 10 BGE 4C.296/1999 E. 3b; s. auch BGE 4A_226/2010 E. 3.2.1; 130 III 345 E. 1. 11 S. Bärtschi, 290.

490

§ 19

Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

kommen. Der Dritte muss von der Schlechterfüllung ebenso betroffen sein wie der Gläubiger selber.12 Die erforderliche Leistungsnähe ist auch das wichtigste Abgrenzungskriterium zur Drittschadensliquidation (s.  N  1600  ff.), bei welcher die Tatsache, dass der Schaden bei einem Dritten anfällt, auch auf einem Zufall beruhen kann. Nahestehen bzw. Leistungsnähe ist beispielsweise bei einem Ehemann gegeben, dessen Ehefrau unsorgfältig sterilisiert wurde. Der Vater, der nun gegenüber seinem  – trotz Sterilisation gezeugten und geborenen  – Kind unterhaltspflichtig wird, soll die Folgekosten der missglückten Unterbindung direkt beim behandelnden Arzt geltend machen können, auch wenn nicht er, sondern die Mutter des Kindes Vertragspartnerin des Arztes ist.13

2.

Schutzwürdiges Interesse des Gläubigers am Einbezug des Dritten

Zweitens muss der Gläubiger ein schutzwürdiges Interesse am Einbezug der nahe- 1587 stehenden Person in den vertraglichen Haftungsbereich haben. Diese mildere Formulierung löst das frühere «Wohl und Wehe»-Kriterium ab. Nach früherer Auffassung musste der Gläubiger dem geschädigten Dritten gegenüber zu Schutz und Fürsorge verpflichtet sein (sog. «Wohl und Wehe-Pflichten»)14 und damit ein objektivierbares Interesse am Einbezug des Dritten in den vertraglichen Schutzbereich haben.15 Nach heutiger Ansicht genügt es demgegenüber bereits, wenn die Interessen des 1588 Gläubigers und des Dritten nicht gegensätzlich sind.16 Berät beispielsweise ein Scheidungsanwalt die Ehefrau bei der Ausarbeitung einer Scheidungskonvention falsch, so kann der Ehemann daraus keine Ansprüche ableiten, weil die Interessen von Mann und Frau in dieser Phase tendenziell gegenläufig sind.17 Ebenfalls einen Mangel an Interessenparallelität bestand in BGE 130 III 345 zwi- 1589 schen dem Verkäufer und dem Käufer eines Grundstücks gegenüber dem vom Verkäufer in einem anderen Zusammenhang beauftragten Gutachter.18 Infolgedessen musste dieser dem Käufer gegenüber auch nicht dafür haften, dass dieser offenbar gestützt auf das Gutachten einen zu hohen Preis bezahlt hatte. Das «Wohl und Wehe»-Kriterium zielte ursprünglich darauf ab, den Personenkreis, 1590 auf welchen sich der vertragliche Schutz miterstrecken sollte, einzuschränken. Eine 12 13 14 15 16 17 18

Bärtschi, 289. S. Bärtschi, 327; Siegrist, 100. S. z.B. BGHZ 33, 249. BGE 4C.296/1999 E. 3b; s. BGE 130 III 345 E. 1. Walter, ZBJV 1996, 291. Teilweise a.M. Bärtschi, 299. BGE 130 III 345 E. 1.

491

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

Verpflichtung des Gläubigers zu Schutz und Fürsorge gegenüber nahestehenden Personen ist vor allem im Rahmen familien-, miet- und arbeitsrechtlicher Verhältnisse zu finden.19 Darüber geht der Anwendungsbereich des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter indessen hinaus. Das «Wohl und Wehe»-Kriterium führte daher im Ergebnis zu einer überspezifischen Einschränkung des geschützten Personenkreises. 1591

Überdies lässt es zu Unrecht den Parteiwillen ausser Acht. Es gibt nämlich auch andere Konstellationen, in denen der Gläubiger ein legitimes Interesse daran hat, eine ihm nahestehende Person in den vertraglichen Schutzbereich miteinzubeziehen. Dafür muss er dieser gegenüber nicht gleich aus einem (anderen) Vertrag oder von Gesetzes wegen zu besonderer Fürsorge verpflichtet sein. Aus all diesen Gründen wird vorliegend ebenfalls die Auffassung vertreten, das «Wohl und Wehe»-Kriterium sei aufzugeben.

3.

Erkennbarkeit für die Schuldnerin

1592

Drittens müssen für die Schuldnerin sowohl die Leistungsnähe des Dritten zum Vertrag wie auch das besondere Interesse des Gläubigers am Einbezug des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages erkennbar sein.20 Die Schuldnerin muss also voraussehen können, dass bei einer allfälligen Vertragsverletzung auch ein «qualifizierter» Dritte und nicht nur der Vertragsgläubiger geschädigt werden kann. War auch bei normativer Betrachtungsweise nicht voraussehbar, dass ein «qualifizierter» Dritter geschädigt würde, so entfällt die Haftung nach vertragsrechtlichen Modalitäten.21 Der Geschädigte hat sich alsdann an die extrakontraktuellen Rechtsbehelfe zu halten.

1593

So erging es auch dem bereits erwähnten Käufer in BGE 130 III 345: «Die Haftung eines Liegenschaftenschätzers aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wäre selbst nach Auffassung der Befürworter dieser Rechtsfigur nur denkbar, wenn der Verkäufer der Liegenschaft im Einverständnis mit den Käufern einen Schätzungsauftrag in eigenem Namen erteilt und dem Liegenschaftenschätzer die gemeinsame Interessenlage offen gelegt hätte.»22

1594

Aus Gründen der Rechtssicherheit ist der Kreis der geschützten Drittpersonen insofern einzuschränken, als es für die Schuldnerin erkennbar bleiben muss, welchen nahestehenden Personen gegenüber sie allenfalls haftbar wird. Für sie muss die Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs ihrer nach wie vor relativen 19 Bärtschi, 292. 20 BGE 4C.296/1999 E. 3b; Bärtschi, 299. 21 S. Bärtschi, 299. BK OR-Weber, Art. 112 N 175, plädiert indessen dafür, dass nur der effektive Kenntnisstand der Schädigerin massgeblich sein soll. 22 BGE 130 III 345, Regeste.

492

§ 19

Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

Haftungspflichten kalkulierbar sein, damit sie das entsprechende Risiko von vornherein preis- oder versicherungstechnisch abdecken kann.

4.

Erfüllen der spezifischen Haftungsvoraussetzungen

Viertens müssen die übrigen Voraussetzungen von Art.  97 Abs.  1  OR bzw. der 1595 entsprechend heranzuziehenden Haftungsnorm erfüllt sein. Im Fall von Art.  97 Abs. 1 OR sind dies die folgenden: Die Schuldnerin begeht eine positive Vertragsverletzung (Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht oder Schlechterfüllung; s. N 846 ff.). Der Dritte muss einen Schaden (s. N 867 ff.) erleiden, der adäquat kausal zur positiven Vertragsverletzung ist (s.  N  887  ff.), und die Schuldnerin muss ein Verschulden (s.  N  892  ff.) treffen, welches vermutet wird. Unter den entsprechenden Voraussetzungen sind auch vertragliche Genugtuungsansprüche (s. N 878, N 1899 ff.) bzw. Haftungsansprüche aus anderem Rechtsgrund möglich.

IV.

Abgrenzungen

1.

Zum Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 f. OR)

Beide Figuren sind keine eigenen Vertragstypen, sondern bilden einen Teil der 1596 Gestalt eines Vertrages. Der Dritte ist in beiden Fällen nicht Vertragspartei. Der Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 f. OR; s. N 1119 ff.) wird in der Regel 1597 von den Parteien vereinbart, der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten eines Dritten greift eo ipso, also von Rechts wegen. Beim Vertrag zugunsten eines Dritten lässt sich der Vertragsgläubiger versprechen, 1598 dass die Primärleistung nicht an ihn, sondern an einen Dritten gehen soll. Beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten eines Dritten hat der Dritte bloss einen 1599 quasikontraktuellen (aus einer Verletzung eines fremden Vertrages resultierenden) Schadenersatzanspruch. Die Primärleistung ist für den Vertragsgläubiger bestimmt.

2.

Zur Drittschadensliquidation

Gestützt auf die Drittschadensliquidation darf ein Vertragsgläubiger, welcher selbst 1600 keinen Schaden erlitten hat, den (durch den Vertragspartner pflichtwidrig verursachten) Schaden eines Dritten geltend machen. Zur Anwendung kommt die Drittschadensliquidation insbesondere dann, wenn eine zufällige «Schadensverlagerung» vom Vertragsgläubiger auf einen Dritten stattfindet, das heisst, wenn der entstan-

493

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

dene Drittschaden ebenso gut beim Vertragsgläubiger selbst hätte eintreten können.23 Der Vertragsgläubiger kann «seinen» (vertraglichen) Anspruch gegen den schädigenden Vertragspartner alsdann an den Dritten abtreten, sodass dieser im Ergebnis seinen Schaden selber einklagen kann.24 1601

In der Schweiz ist der sachliche Anwendungsbereich der Drittschadensliquidation umstritten. Gemäss BGE 123 III 204 ist ein Schaden, der bei einem Dritten anfällt, von der Vertragsschuldnerin grundsätzlich nicht zu ersetzen.25 Ausnahmsweise anerkannt wird die Liquidierbarkeit eines bei einem Dritten anfallenden Schadens aber etwa bei der indirekten Stellvertretung.26 Z.B. steht dem Kommissionär gegenüber seinem Vertragspartner ein Anspruch auf den Ersatz jenes Schadens zu, welcher beim Kommittenten eingetreten ist (s.  N  3464). Diesen Anspruch kann der Kommissionär dem Kommittenten sodann zur selbständigen Geltendmachung abtreten.

1602

Demgegenüber hat der Dritte beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten eines Dritten einen eigenen, wenn auch lediglich quasivertraglichen Anspruch. Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten eines Dritten und die Drittschadensliquidation beruhen somit auf dem gleichen Prinzip.27 Der Unterschied besteht in der Hauptsache darin, ob dem Nichtvertragspartner ein (quasi-)vertraglicher Anspruch eingeräumt wird (Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter) oder ob dem Vertragspartner die Geltendmachung eines nicht bei ihm eingetretenen Schadens erlaubt wird (Drittschadensliquidation).28

1603

Konsequent wäre nach der hier vertretenen Ansicht, auch den Anspruch aus Drittschadensliquidation als quasivertraglichen Anspruch zu betrachten. Das gilt umso mehr, als die Voraussetzungen für die Drittschadensliquidation nach herrschender Lehre weniger streng sind als jene für den Schadenersatzanspruch aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten eines Dritten. Allerdings fragt sich diesfalls auch, ob die Voraussetzungen einander nicht angeglichen werden müssten. Unter Gleichbehandlungsaspekten sind die beiden Institute in ihrer aktuellen Ausgestaltung im Übrigen bereits jetzt schwer miteinander zu vereinbaren.

23 24 25 26 27 28

494

Fountoulakis, AJP 2018, 96 f.; Hübner/Sagan, JA 2013, 745. S. BGH, NJW 1985, 2411; CR CO-Thévenoz, Art. 97 N 44 f. BGE 123 III 204 E. 2 f. BGE 4A_422/2010 E. 2.6 (die Frage der Anerkennung der Drittschadensliquidation jedoch offenlassend); Perren, ZBJV 2004, 68 ff. Walter, ZBJV 1996, 290. Ausführlich zur Abgrenzung zwischen dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter und der Drittschadensliquidation Hübner/Sagan, JA 2013, 744 ff.

§ 20 Echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419–422 und Art. 424 OR) Grundlagenliteratur Bucher, OR BT, 255 ff.; Engel, CO PS, 567 ff.; Furrer/Müller-Chen, Kap. 16 N 58 ff.; Guhl/Schnyder, § 49 N 37 ff.; Honsell, OR BT, 366 ff.; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 8 N 132 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5275 ff.

Weiterführende Literatur Chappuis Christine, La restitution des profits illégitimes: le rôle privilégié de la gestion d’affaires sans mandat en droit privé suisse, Diss. Genf 1990; Gauch Peter, Bauernhilfe: Drei Fälle und wie das Bundesgericht dazu kam, die Schadenersatzregel des Art.  422 Abs.  1  OR auf den Auftrag und die Gefälligkeit anzuwenden, in: FS Richli, Zürich 2006, 191–223; Hofstetter Josef, Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), SPR Bd. VII/6, Basel/Genf/München 2000; Hürlimann-Kaup Bettina, Die privatrechtliche Gefälligkeit und ihre Rechtsfolgen, Diss. Freiburg 1999; Lischer Urs, Die Geschäftsführung ohne Auftrag im schweizerischen Recht, Diss. Basel 1990; Maissen Eva/ Purtschert Tina/Rusch Arnold F., Unentgeltliche Hilfeleistung: GoA, Gefälligkeit oder unentgeltlicher Auftrag?, Jusletter 9.  September 2013; Schmid Jörg, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, Habil. Freiburg 1992; Weber Rolf H., Praxis zum Auftragsrecht und zu den besonderen Auftragsarten, Bern 1990.

I.

Begriff

Bei der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (auch berechtigte Fremdgeschäftsführung genannt) besorgt die Geschäftsführerin ein im Interesse des Geschäftsherrn gebotenes Geschäft, ohne dazu vertraglich oder gesetzlich verpflichtet zu sein. Dem Geschäft steht auch kein für sie erkennbares und gültiges Einmischungsverbot des Geschäftsherrn entgegen.

1604

Vom System des Gesetzes her ist die Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) in die 1605 Palette der auftragsrechtlich determinierten Verträge eingebettet (Art. 419 ff. OR). Trotz dieser Einordnung handelt es sich bei der GoA, wie es schon ihr Name zum Ausdruck bringt, gerade nicht um einen Vertrag: Die Intervention der einen Partei in den Rechts- bzw. Interessenkreis der anderen ist nicht durch eine rechtsverbindliche Vereinbarung abgedeckt, sondern beruht einzig und allein auf der Initiative

495

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

der Geschäftsführerin (Eigenmacht).1 Nach der hier vertretenen Auffassung ist das Vorliegen von «Eigenmacht» bei der Vornahme einer Handlung das alleinige und entscheidende Kriterium für das Vorliegen von GoA, etwa gegenüber einer abgesprochenen Gefälligkeit (s. N 1492 ff., N 1613, N 1704 ff.). Während also auf die nicht abgesprochene (also eigenmächtige) Gefälligkeit direkt das Recht der GoA anwendbar ist (s. N 1702 ff.), darf dieses bei vergleichbaren Interessenlagen auf die miteinander abgesprochene Gefälligkeit nur punktuell und analog angewendet werden (s. N 1667 ff.). 1606

Dogmatisch betrachtet gliedert sich die auftragslose Geschäftsführung in zwei verschiedene Formen, die sich je abermals gabeln. Das ergibt vier Unterformen:

1607

Führt die Geschäftsführerin ein fremdes Geschäft altruistisch, handelt es sich um echte GoA. Je nachdem, ob die Geschäftsführung im Interesse des Geschäftsherrn geboten ist (und auch kein wirksames Einmischungsverbot gemäss Art. 420 Abs. 3 OR vorliegt) oder nicht, spricht man von echter berechtigter oder von echter unberechtigter Fremdgeschäftsführung (s. N 2143 ff.).2

1608

Handelt die Geschäftsführerin dagegen ausschliesslich oder überwiegend egoistisch,3 also in eigenem Interesse (Eigengeschäftsführung), liegt unechte GoA vor. Diese wird alsdann in bösgläubige (sog. Geschäftsanmassung) und gutgläubige (sog. Geschäftseinmischung) Eigengeschäftsführung unterteilt (s. N 2154 ff.).

1609

Aus der echten berechtigten GoA entstehen quasikontraktuelle Ansprüche (s. N 1478). Aus der echten unberechtigten und der unechten GoA lassen sich dagegen nur extrakontraktuelle Ansprüche ableiten (s. N 1486 ff., N 2146 ff.).4

1610

Das vorliegende Kapitel handelt von der echten berechtigten GoA (Art. 419–422 und Art. 424 OR).

1

S. auch Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, N 9 und N 13. In der Sache handelt es sich bei der GoA um eine weitere Anspruchsgrundlage, welche zur klassischen Trias des Allgemeinen Teils des Obligationenrechts (Vertrag, unerlaubte Handlung, ungerechtfertigte Bereicherung) hinzutritt. Deshalb wird sie vorliegend im OR AT behandelt. 2 CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 419 N 3. 3 BGE 4C.326/2003 E. 3.5.1; CR CO-Héritier Lachat, Art. 423 N 6 und Art. 419 N 5; ZK OR-Schmid, Art. 423 N 18. 4 Anders BSK OR-Weber, Vor Art. 419–424 N 2 und N 15, wonach beide Fälle der echten GoA als Quasivertrag zu betrachten seien.

496

§ 20

Echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419–422 und Art. 424 OR)

1611 Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)

echte (altruistische Fremdgeschäftsführung)

berechtigte

unberechtigte

unechte (egoistische Eigengeschäftsführung)

gutgläubige (Geschäftseinmischung)

bösgläubige (Geschäftsanmassung; Art. 423 OR)

Abbildung: Überblick über die Erscheinungsformen der GoA

II.

Voraussetzungen

Damit eine echte berechtigte GoA und damit quasivertragliche Ansprüche vorlie- 1612 gen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: • • • •

1.

Auftragslosigkeit (s. N 1613 ff.); fremdes Geschäft (s. N 1616 ff.); Fremdgeschäftsführungswille (s. N 1623 ff.); Gebotenheit (s. N 1627 ff.).

Auftragslosigkeit

Die Art. 419 ff. OR sind nur direkt anwendbar (zur analogen Anwendung auf die abge- 1613 sprochene Gefälligkeit s. N 1693 ff.), wenn die Geschäftsführerin für den Geschäftsherrn ein Geschäft besorgt, «ohne von ihm beauftragt zu sein» (Art.  419  OR). Zwischen den Parteien darf somit weder ein Auftrag (Art.  394  ff.  OR) noch ein anderes Vertragsverhältnis (z.B. eine Schenkung infolge einer bei der Geschäftsführerin vorliegenden Schenkungsabsicht5) oder sonst eine (allenfalls auch gesetzliche) Pflicht zum Tätigwerden (z.B. als Inhaber der elterlichen Sorge) bestehen.6 Für die Frage, ob GoA vorliegt, ist nach der hier vertretenen Auffassung entscheidend, ob die Geschäftsführerin eigenmächtig gehandelt hat. Eigenmacht bedeutet in diesem Kontext das Gegenteil von Einverständnis oder Absprache. Da bezüg5 S. BGE 123 III 161 E. 4c = Pra 1997 Nr. 105; CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 419 N 12. 6 BK OR-Gautschi, Art. 419 N 2a; CR CO-Héritier Lachat, Art. 419 N 11; ZK OR-Schmid, Art. 419 N 63; s. Engel, CO PS, 570; s. ferner auch Lischer, 33 ff. m.w.H.; Weber, 219.

497

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

lich dieses Einverständnisses bzw. dieser Absprache (noch) kein natürlicher oder normativer Rechtsbindungswille auszumachen ist, liegt auch kein Vertrag, sondern etwas Niederschwelligeres vor. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Impuls für die Vornahme der Handlung vom Geschäftsherrn oder der Geschäftsführerin ausging. Sobald irgendeine Art von Zustimmung der einen oder anderen Seite gegeben ist, kann Eigenmacht nicht vorliegen und die Regeln zur GoA kommen mindestens nicht direkt, sondern höchstens per analogiam und punktuell zur Anwendung (s. N 1704). 1614

Mit dem Bundesgericht7 und entgegen der herrschenden Lehre8 liegt nach der hier vertretenen Ansicht nur dann GoA vor, wenn die Geschäftsführerin im Glauben handelte, ohne Auftrag und Absprache, also eigenmächtig, zu handeln. Ging sie davon aus, in Erfüllung einer vertraglichen Schuldpflicht zu leisten, so kommt von vornherein keine direkte Anwendung der GoA-Normen infrage. Vielmehr ist zunächst zu prüfen, ob ein Auftrag, also ein natürlicher oder normativer Konsens, gegeben ist oder nicht. Besteht objektiv betrachtet kein Auftrag, so ist als Nächstes zu prüfen, ob die Geschäftsführerin allenfalls der (subjektiven) Auffassung war, es liege ein Auftrag vor. Ist dies der Fall, kann GoA nicht vorliegen. Ist sodann auch keine (niederschwellige) Absprache auszumachen, handelt es sich auch nicht um eine (abgesprochene) Gefälligkeit. Im Ergebnis wäre es allerdings unter Umständen unangemessen, der Geschäftsführerin die Berufung auf die Vorschriften über die GoA zu verweigern (insbesondere auf Art.  422 Abs.  1  OR), weil sie irrigerweise glaubte, zur Geschäftsbesorgung verpflichtet zu sein. Nach unserer Meinung sind daher einzelne GoA-Bestimmungen – zwar nicht, wie in der Lehre zum Teil vertreten, direkt9 – zumindest aber analog anwendbar. Dabei ist darauf zu achten, dass auch den Interessen des Geschäftsherrn angemessen Rechnung getragen wird. Genau dies erlaubt Art. 422 Abs. 1 OR, wie die Anwendungsausweitung dieses Artikels per analogiam sowohl in den ausservertraglichen wie auch in den vertraglichen Bereich hinein zeigt.

1615

Für das Vorliegen einer echten GoA genügt es somit, wenn die Geschäftsführerin eigenmächtig handelte, ihr Bewusstsein sich auf das Nichtvorliegen einer Absprache bezog und sich zudem ihr Wille darauf richtete, kein eigenes, sondern ein fremdes Geschäft zu führen, um dem Geschäftsherrn die daraus resultierenden Vorteile zu verschaffen (animus negotia aliena gerendi; s. N 1623 ff.).10

7 8 9 10

498

BGE 99 II 131 E. 2; 75 II 225 E. 3. Statt vieler ZK OR-Schmid, Art. 419 N 69 f. m.w.H. S. ZK OR-Schmid, Art. 419 N 70; BSK OR-Weber, Art. 419 N 7 f. Hofstetter, 260; ZK OR-Schmid, Art. 419 N 21 und N 30.

§ 20

2.

Echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419–422 und Art. 424 OR)

Fremdes Geschäft

Die Geschäftsführerin wird – allenfalls mit der Hilfe weiterer Personen – für den 1616 Geschäftsherrn tätig. Sie besorgt mithin ein fremdes Geschäft. Darunter können sowohl Tathandlungen (z.B. Wasser aus dem Keller pumpen) wie auch Rechtshandlungen (z.B. einen Dachdecker beauftragen, das vom Unwetter zerstörte Dach zu reparieren) fallen.11 Mit ihrem Handeln greift die Geschäftsführerin in einen fremden Interessenkreis 1617 ein. Sobald nämlich Interessen des Geschäftsherrn, seien sie nun persönlichkeitsoder sachenrechtlicher, immaterieller oder materieller Natur, betroffen sind, ist das Geschäft aus der Perspektive der Geschäftsführerin ein fremdes.12 Mit dem zweiten Beispiel (Beauftragen eines Dachdeckers) soll allerdings nicht ver- 1618 mittelt werden, dass die Geschäftsführerin den Geschäftsherrn rechtsgültig vertreten kann, etwa in analoger Anwendung von Art. 396 Abs. 2 OR (Vermutung der im Auftrag eingeschlossenen Bevollmächtigung). Die GoA betrifft grundsätzlich nur das Innenverhältnis (s. N 1509 ff.): Der von der Geschäftsführerin gerufene Dachdecker muss, um seinen Lohn zu erhalten, gegen die Geschäftsführerin und nicht gegen den Geschäftsherrn vorgehen, selbst wenn die Geschäftsführerin den Vertrag im Namen des Geschäftsherrn abgeschlossen hat (vollmachtlose Stellvertretung; s. N 1108 ff.). Erteilt dagegen der Geschäftsherr die Genehmigung (Art.  424  OR) und entfaltet 1619 diese gleichzeitig auch Wirkungen nach Art. 38 OR (s. N 1104 ff.), kann der Dritte seinen Anspruch direkt gegen den Geschäftsherrn geltend machen (zum Befreiungsanspruch der Geschäftsführerin s.  N  1636  ff.). Die Genehmigung macht die auftragslose Geschäftsführung zur Geschäftsführung mit Auftrag.13 Die Fremdheit eines Geschäfts wird nicht durch ein allenfalls «mitwirkendes 1620 Eigeninteresse»14 der Geschäftsführerin ausgeschlossen:15 Wenn z.B. die Geschäftsführerin den Dachdecker unter anderem darum beauftragt, weil durch das zerstörte Dach Wasser eintritt, welches auch ihr Haus gefährdet, bleibt die Reparatur am Dach trotz eines möglichen Eigeninteresses ein fremdes Geschäft. Ein Eigeninteresse kann aber bei entsprechender Grösse in einem fehlenden Fremd- 1621 geschäftsführungswillen münden: Handelt die Geschäftsführerin nur oder überwiegend aus Eigeninteresse, ohne dass der Geschäftsherr infolge ihrer Intervention

11 12 13 14 15

Bucher, OR BT, 256; ZK OR-Schmid, Art. 419 N 9; Weber, 214. ZK OR-Schmid, Art. 419 N 14; s. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5313. BGE 4A_496/2007 E. 2.2. ZK OR-Schmid, Art. 419 N 16. BGE 4C.326/2003 E. 3.5.1; CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 419 N 13.

499

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

Vorteile erlangen soll, fehlt ihr der Fremdgeschäftsführungswille.16 Alsdann handelt es sich um eine unechte GoA (s. N 2154 ff.). 1622

Für den Fall, dass die Interessen von Geschäftsführerin und Geschäftsherr identisch sind, ist eine Zuweisung von Nutzen und Kosten bzw. Rechten und Pflichten nach Massgabe der zugrunde liegenden Rechtsbeziehung vorzunehmen (z.B. einfache Gesellschaft).

3.

Fremdgeschäftsführungswille

1623

Die Geschäftsführerin muss das Bewusstsein und den Willen haben, im Interesse eines anderen tätig zu werden (s. Marginalie zu Art. 422 OR). Das bedeutet auch, dass sie diesem die Vorteile aus dem zu tätigenden Geschäft zufliessen lassen will (sog. animus negotia aliena gerendi).17 Die Privilegien, welche die Normen über die echte berechtigte GoA gewähren, sollen nur Personen zukommen, welche altruistisch (fremdnützig), das heisst im Interesse des Geschäftsherrn handeln. Zu diesem Zweck ist es allerdings nicht notwendig, dass die Geschäftsführerin den Geschäftsherrn auch kennt.18

1624

Es wird zudem vorausgesetzt, dass der Geschäftsführerin bewusst ist, dass sie ohne Auftrag oder anderweitige rechtliche Verpflichtungen bzw. nicht gestützt auf eine Absprache handelt.19 Einer analogen Anwendung der GoA-Normen steht aber auch im Fall einer irrigen Vorstellung der Geschäftsführerin über das Vorliegen eines Auftrags nichts im Wege (s. N 1614 f.).

1625

Die Motive der Geschäftsführerin zur Vornahme der Geschäftsbesorgung spielen bei der Entstehung des Geschäftsbesorgungsverhältnisses ebenfalls keine Rolle. Sie sind aber allenfalls bei der Frage einer möglichen Haftung nach Art. 420 Abs. 2 OR zu berücksichtigen.20 Dabei dürfen wie erwähnt (s. N 1620 ff.) durchaus auch (nicht dominante) eigene Interessen verfolgt werden: Im bereits genannten Beispiel des zerstörten Dachs kommt es deshalb nicht darauf an, ob die Geschäftsführerin auch eigene Beweggründe für die Reparatur des Dachs hat oder ob sie die Instandstellung bloss vornimmt, weil sie meint, dazu verpflichtet zu sein.

1626

Solange sie im Interesse des Geschäftsherrn handelt und die Vorteile der Reparatur auch ihm zufallen sollen, handelt die Geschäftsführerin mit Fremdgeschäftsführungswillen (s.  N  1620  ff.). Die Erlangung auch eigener Vorteile durch die 16

BGE 4C.326/2003 E. 3.5.1; CR CO-Héritier Lachat, Art. 419 N 5, Art. 422 N 2 und Art. 423 N 6; ZK ORSchmid, Art. 419 N 16 und Art. 423 N 18. 17 BGE 4A_351/2015 E. 6.2; 86 II 18 E. 4; Bucher, OR BT, 258; ZK OR-Schmid, Art. 419 N 21; Tercier/ Bieri/Carron, CO PS, N 5318. 18 ZK OR-Schmid, Art. 419 N 23. 19 BGE 99 II 131 E. 2; 75 II 225 E. 3; anders Hofstetter, 256 f. und 260; BSK OR-Weber, Art. 419 N 15. 20 ZK OR-Schmid, Art. 419 N 30; Schmid, N 213.

500

§ 20

Echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419–422 und Art. 424 OR)

Geschäftsführung ist keineswegs ausgeschlossen.21 Anders liegt der Fall freilich, wenn der Fremdgeschäftsführungswille ganz in den Hintergrund tritt und nur noch oder ganz überwiegend das Eigeninteresse handlungsleitend ist (zur unechten GoA s. N 2154 ff.).22

4.

Gebotenheit (Art. 422 Abs. 1 OR)

Die Geschäftsführung im Interesse des Geschäftsherrn ist geboten, wenn der 1627 Geschäftsherr nicht selber zur Wahrung seiner Interessen in der Lage ist. Vorausgesetzt ist eine besondere Hilfsbedürftigkeit des Geschäftsherrn bzw. eine gewisse Dringlichkeit der Geschäftsbesorgung.23 Die Geschäftsführung muss nicht unerlässlich, darf aber auch nicht bloss nützlich sein.24 Ist diese Schwelle nicht erreicht, handelt es sich lediglich um eine echte unberechtigte GoA (s. N 1490, N 1498 ff.). Überdies muss es unmöglich oder unzumutbar sein, den Geschäftsherrn vorgän- 1628 gig zu konsultieren, um eine echte berechtigte GoA annehmen zu können. Ist der Geschäftsherr nämlich erreich- bzw. ansprechbar, muss die Geschäftsführerin ihn vor ihrer Intervention um Erlaubnis fragen.25 Wegen fehlenden eigenmächtigen Handelns kann diesfalls aber nicht mehr von GoA gesprochen werden, sondern es liegt ein Auftrag oder eine (abgesprochene) Gefälligkeit vor, je nachdem, ob ein Rechtsbindungswille besteht oder nicht. Einzelne GoA-Regeln können alsdann nur noch analog herangezogen werden (und differenzierend bezüglich der Haftung s. N 1682 ff.).26 Bei der Beurteilung der Gebotenheit ist auf den mutmasslichen Willen des Geschäfts- 1629 herrn sowie darauf abzustellen, was eine redlich und korrekt handelnde Person – aus der Sicht der Geschäftsführerin – unter den konkreten Umständen als geboten ansehen durfte.27 Dem Gericht steht zur Einschätzung der Gebotenheit ein weiter Ermessensspielraum zu.28 Geboten sind beispielsweise begründete Suchaktionen oder die Reparatur eines Dachs, welches durch ein Unwetter zerstört wurde.29 Ein Tätigwerden in Widerspruch zu einem gültigen und erkennbaren Einmi- 1630 schungsverbot kann per definitionem nicht geboten sein (Art. 420 Abs. 3 OR).30 Der 21 BGE 4C.326/2003 E. 3.5.1; s. auch Schmid, N 217 ff. 22 BGE 4C.326/2003 E. 3.5.1; CR CO-Héritier Lachat, Art. 419 N 5, Art. 422 N 2 und Art. 423 N 6; ZK ORSchmid, Art. 419 N 16 und Art. 423 N 18. 23 Hofstetter, 260 f.; BSK OR-Weber, Art. 419 N 13; zurückhaltend ZK OR-Schmid, Art. 422 N 15 f. 24 BGE 95 II 93 E. II.2; ZK OR-Schmid, Art. 422 N 11; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5321. 25 Bucher, OR BT, 258; BSK OR-Weber, Art. 419 N 13. 26 S. auch die Übersicht in Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, N 13. 27 ZK OR-Schmid, Art. 422 N 12 f. 28 S. Hofstetter, 261. 29 S. BSK OR-Weber, Art. 419 N 11 mit weiteren Beispielen. 30 ZK OR-Schmid, Art. 420 N 64.

501

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

(altruistisch motivierte) Verstoss gegen ein Einmischungsverbot lässt die Handlung der Geschäftsführerin ipso iure (Art. 420 Abs. 3 OR) zu einer echten unberechtigten GoA werden (s. N 1489). Ein Einmischungsverbot ist als gültig zu betrachten, wenn es weder rechts- noch sittenwidrig ist.31 Erkennbar ist es, wenn es der Geschäftsführerin ausdrücklich oder konkludent32 kundgetan wurde oder für sie aus den Umständen33 erschliessbar war (s. N 1489). Es genügt also, wenn die Geschäftsführerin das Einmischungsverbot bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen müssen, um den Anwendungsbereich der echten berechtigten GoA zu verlassen.34 1631

War bei gebotener Fremdgeschäftsführung das Einmischungsverbot nicht erkennbar und/oder ungültig, bleiben demgegenüber die Regeln über die echte berechtigte GoA anwendbar.

III.

Ansprüche der Geschäftsführerin (Art. 422 OR)

1632

Damit die Geschäftsführerin Ansprüche gegen den Geschäftsherrn geltend machen kann, muss eine echte berechtigte GoA vorliegen. Umstritten ist, ob sie gemäss Art. 422 Abs. 2 OR mit der gehörigen Sorgfalt handeln muss.35 Nach der hier vertretenen Meinung ist dies zu bejahen. Das Mass der Sorgfalt bemisst sich – wie im Auftragsrecht – nach objektiven Kriterien (s. N 3266).36 Ebenfalls wie im Auftragsrecht ist es nicht erforderlich, dass der beabsichtigte Erfolg auch wirklich eintritt (Art. 422 Abs. 2 OR).37

1633

Aufgrund einer echten berechtigten Geschäftsführung hat die Geschäftsführerin gestützt auf Art. 422 Abs. 1 OR Anspruch auf: • Verwendungsersatz inklusive Zinsen bzw. Wegnahme eines allfälligen Objekts (Art. 422 Abs. 1 und Abs. 3 OR; s. N 1634 f.); • Befreiung von Verbindlichkeiten (Art. 422 Abs. 1 OR; s. N 1636 ff.); • Schadenersatz nach Ermessen des Gerichts (Art. 422 Abs. 1 OR; s. N 1640 f.); • allenfalls Vergütung (umstritten; s. N 1642 ff.).

31 Bucher, OR BT, 264; BK OR-Gautschi, Art. 420 N 8a; CR CO-Héritier Lachat, Art. 420 N 11. 32 BGE 72 III 6 E. 2; CR CO-Héritier Lachat, Art. 420 N 12; Schmid, N 322. 33 BGE 95 II 93 E. II.2; CR CO-Héritier Lachat, Art. 420 N 12. 34 CR CO-Héritier Lachat, Art. 420 N 12; von Tuhr/Peter, 161. 35 Bejahend: Gauch, 206; Honsell, OR BT, 368; ablehnend: BK OR-Gautschi, Art. 422 N 5a; Lischer, 102 f. 36 S. BSK OR-Weber, Art. 422 N 1. 37 Honsell, OR BT, 368; s. BK OR-Gautschi, Art. 422 N 7a.

502

§ 20

1.

Echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419–422 und Art. 424 OR)

Verwendungsersatz inklusive Zinsen bzw. Wegnahme (Art. 422 Abs. 1 und Abs. 3 OR)

Die Geschäftsführerin hat gemäss Art.  422 Abs.  1  OR Anspruch auf den Ersatz 1634 aller notwendigen oder nützlichen (Letztere nur, soweit verhältnismässig) Verwendungen (Barausgaben, Verbrauch und Gebrauchsüberlassung von Sachen). Sie hat überdies einen Anspruch auf Zinsen zu 5% (s. Art. 73 OR). Nicht ersetzt werden im Rahmen von Art. 422 Abs. 1 OR dagegen die luxuriösen 1635 sowie die zwar nützlichen, aber unverhältnismässigen Verwendungen. Dafür steht der Geschäftsführerin gemäss Art.  422 Abs.  3  OR ein Wegnahmerecht (Art.  65 Abs. 2 OR) zu.38

2.

Befreiung von Verbindlichkeiten (Art. 422 Abs. 1 OR)

Wie der Auftraggeber gegenüber der Beauftragten ist auch der Geschäftsherr gegen- 1636 über der Geschäftsführerin verpflichtet, sie von allen einschlägigen Verbindlichkeiten zu befreien (Art. 422 Abs. 1 OR). Der Befreiungsanspruch besteht insoweit, als das Eingehen dieser Verbindlichkeiten für die Geschäftsbesorgung objektiv erforderlich war («zielführendes Tätigwerden»; s. N 3287 f.). Der Anspruch auf Befreiung von übernommenen Verbindlichkeiten entsteht, 1637 wenn die Geschäftsführerin Dritten gegenüber in eigenem Namen, aber für den Geschäftsherrn handelte (indirekte Stellvertretung; s.  N  1032  f.). Der Geschäftsherr hat die Geschäftsführerin alsdann zu befreien, indem er z.B. die entsprechende Schuld übernimmt (Art. 176 OR) oder sie direkt tilgt.39 Handelt die Geschäftsführerin dagegen im Namen des Geschäftsherrn und geneh- 1638 migt dieser das Geschäft nicht (vollmachtlose Stellvertretung; s. N 1112 ff.), wird sie dem Dritten gegenüber zu Schadenersatz verpflichtet (Art. 39 OR). Ihr Anspruch auf Verwendungsersatz gegenüber dem Geschäftsherrn wird dadurch aber nicht ausgeschlossen. Eine Genehmigung im Sinne von Art.  38 Abs.  1  OR wird bisweilen gleichwohl 1639 angenommen, und zwar, wenn das Eingehen der Verbindlichkeit im Namen des Geschäftsherrn für die Geschäftsbesorgung erforderlich war.40 In diesem Zusammenhang kann bisweilen auch eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht angenommen werden (Art. 33 Abs. 3 OR).

38 ZK OR-Schmid, Art. 422 N 77 f. 39 CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 422 N 5; Schmid, N 504. 40 CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 422 N 5; Schmid, N 506 ff.; BSK OR-Weber, Art. 422 N 8.

503

2. Kapitel

3.

Quasivertragliche Ansprüche

Schadenersatz (Art. 422 Abs. 1 OR)

1640

Die Geschäftsführerin hat gegenüber dem Geschäftsherrn Anspruch auf den Ersatz jenes Schadens, der ihr aus ihrer altruistischen und berechtigten Intervention entsteht (Art. 422 Abs. 1 OR). Im Unterschied zum (entgeltlichen) Auftrag (s. N 3289) ist ein Verschulden des Geschäftsherrn nicht Voraussetzung für den Schadenersatzanspruch der Geschäftsführerin (Kausalhaftung).41

1641

Das Gericht hat gemäss Art. 4 ZGB nach Recht und Billigkeit zu entscheiden. Das bedeutet, dass es alle relevanten Umstände des Einzelfalls (z.B. die Grösse der Gefahr, das Verhältnis von eingegangenem Risiko zum angestrebten Erfolg etc.) berücksichtigen darf.42 Die Höhe des Schadenersatzes richtet sich nach seinem Ermessen.

4.

Vergütung

1642

Gemäss grammatikalischer und systematischer Auslegung der Art. 419 ff. OR hat die Geschäftsführerin keinen Anspruch auf eine Vergütung für das zu besorgende Geschäft. Das Fehlen eines Vergütungsanspruchs im Gesetz, das heisst der Umstand, dass Zeit und Arbeitskraft der Geschäftsführerin beim Vermögensausgleich zwischen den Beteiligten nicht berücksichtigt werden, wird in der Lehre zu Recht kritisiert, und zwar insbesondere im Zusammenhang mit professionellen Hilfeleistungen (z.B. Bergrettung oder Feuerwehr).43

1643

So ist es z.B. unter dem Aspekt der Gleichbehandlung kaum nachvollziehbar, warum einer Pflegefachfrau, die in der Not einem Passanten im öffentlichen Raum hilft, kein Entgelt zu leisten ist, während für die gleiche medizinische Hilfeleistung, wenn sich die Parteien rechtsverbindlich auf ihre Erbringung einigen, eine Vergütung anfällt. In beiden Fällen hat die Helferin ihr Fachwissen in gleicher Weise anzuwenden und sorgfältig (s.  N  1650  ff.) zu handeln. Erweist sich die Handlung als blosse Gefälligkeit, so ist sie per definitionem unentgeltlich.44

1644

Will man auch entgegen dem Buchstaben und der Ordnung des Gesetzes mindestens für bestimmte Fälle einen Vergütungsanspruch der Geschäftsführerin bejahen, bieten sich dafür folgende, in erster Linie teleologisch motivierte Begründungswege an: 41 42 43

44

504

BGE 129 III 181 E. 4.1; CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 422 N 6. ZK OR-Schmid, Art. 422 N 55 f. Bucher,  OR BT, 261; CR CO-Héritier Lachat, Art.  422 N  17; Honsell,  OR BT, 369  f. Auch der OR 2020-Entwurf schlägt in Art. 75 Abs. 2 OR 2020 einen Anspruch auf angemessene Vergütung vor. Dieser ist allerdings beschränkt auf die professionell tätige Geschäftsführerin. Handelt die ohne Auftrag tätige Geschäftsführerin nicht im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit, so hat sie keinen Anspruch auf Vergütung. Hürlimann-Kaup, N 11.

§ 20

Echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419–422 und Art. 424 OR)

Eine erste Möglichkeit besteht darin, den Verwendungsersatz (Art. 422 Abs. 1 OR) 1645 gleich wie das negative Vertragsinteresse zu bestimmen. Die Geschäftsführerin ist alsdann so zu stellen, wie wenn sie das Geschäft nie übernommen hätte. Es sind ihr darum z.B. die Verdienstausfälle zu ersetzen, die aufgrund der Geschäftsführung entstanden sind.45 Sodann könnte Art. 394 Abs. 3 OR (s. N 3282 ff.) analog angewendet werden: Wie im 1646 Auftragsrecht ist somit auch bei der gebotenen echten GoA eine Vergütung geschuldet, wenn sie «üblich» ist.46 Üblich ist eine Vergütung nach Auftragsrecht, wenn die Geschäftsbesorgung in den Kreis der beruflichen Tätigkeiten der Geschäftsführerin fällt.47 Honsell schliesslich geht für das besonders umstrittene Gebiet der berufsmässi- 1647 gen Rettungsorganisationen noch einen Schritt weiter und nimmt einen konkludent geschlossenen Auftrag an. Daraus resultiert nicht nur ein analog, sondern ein direkt begründbarer Vergütungsanspruch.48 Je nach Situation haben alle drei Begründungspfade ihre spezifische Berechtigung. 1648 Die Balance zwischen legitimen und weniger legitimen Ansprüchen zu finden, ist nicht ganz leicht. Im Gebiet der echten berechtigten GoA soll nicht ein allfälliger Verdienst den Anreiz für die Intervention bilden.

IV.

Pflichten der Geschäftsführerin

Die Geschäftsführerin treffen folgende Pflichten:49

1649

• Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsführung im Interesse des Geschäftsherrn (Art. 419 und Art. 422 Abs. 2 OR) und Treuepflicht im Allgemeinen (s. N 1650 ff.); • Ablieferungs-, Auskunfts- und Rechenschaftspflicht (Art. 400 OR; s. N 1653); • eventuelle Schadenersatzpflicht (Art. 420 OR; s. N 1654 ff.).

45 46 47 48 49

Bucher, OR BT, 261; Chappuis, 37; BSK OR-Weber, Art. 422 N 9. ZK OR-Schmid, Art. 422 N 69 f. m.w.H. ZK OR-Schmid, Art. 422 N 69. Honsell, OR BT, 370; s. auch Bucher, OR BT, 261. Zum Ganzen s. ZK OR-Schmid, Art. 419 N 109 ff.

505

2. Kapitel

1.

Quasivertragliche Ansprüche

Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsführung im Interesse des Geschäftsherrn (Art. 419 und Art. 422 Abs. 2 OR) und Treuepflicht im Allgemeinen

1650

Die Geschäftsführerin muss die übernommenen Geschäfte nach dem wirklichen oder, falls dieser nicht erkennbar ist, nach dem mutmasslichen Willen des Geschäftsherrn besorgen (Art. 419 und Art. 422 Abs. 2 OR).50 Das Gesetz darf so interpretiert werden, dass es die Treue- oder Loyalitätspflicht in die Sorgfaltspflicht einschliesst. Insofern ist das Pflichtenheft der Geschäftsführerin mit jenem anderer Fremdinteressenwahrungsverhältnisse vergleichbar.

1651

Zur Konkretisierung der Sorgfaltspflicht kommt ebenfalls analog das Auftragsrecht zur Anwendung (s.  Art.  398  OR; zur auftragsrechtlichen Sorgfaltspflicht s. N 3262 ff.).51 Sorgfältig handelt, wer sich so verhält, wie es eine gewissenhafte Geschäftsführerin in der gleichen Lage tun würde, wobei die Umstände des Einzelfalls mitberücksichtigt werden:52 Bei der Leistung von Nothilfe wird z.B. die Sorgfaltspflicht eines professionellen Retters nach strengeren Massstäben beurteilt als diejenige eines Laien.53

1652

Die Geschäftsführerin ist dem Geschäftsherrn sodann zur Loyalität verpflichtet (s. Art. 398 Abs. 2 OR). Diese betrifft z.B. Diskretions- oder Geheimhaltungspflichten (s. N 3269 ff.).54

2. 1653

Ablieferungs-, Auskunfts- und Rechenschaftspflicht

Die Geschäftsführerin muss dem Geschäftsherrn das Erlangte herausgeben. Weil das Gesetz diesbezüglich keine explizite (aber eben notwendige) Regelung enthält, werden Art.  40055 und Art.  401  OR56 analog angewendet.57 Dasselbe gilt für die Pflicht der Geschäftsführerin, über ihre Tätigkeit Rechenschaft abzulegen und Auskunft zu erteilen.58

50 51 52 53 54 55 56 57 58

506

Hofstetter, 263; CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 419 N 18. ZK OR-Schmid, Art. 419 N 112 f.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5344. ZK OR-Schmid, Art. 419 N 113. Hofstetter, 264. CHK OR- Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 419 N 20; OFK OR-Rudolph, Art. 419 N 11. Furrer/Müller-Chen, Kap. 16 N 58; Honsell, OR BT, 370; Weber, 225. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5345 f. Anschaulich für eine explizite Regelung der Informations- und Herausgabepflicht der Geschäftsführerin der OR 2020-Gesetzesvorschlag in Art. 75 Abs. 1 OR 2020. BGE 112 II 450 E. 5 = Pra 1987 Nr. 144; ZK OR-Schmid, Art. 419 N 123; BSK OR-Weber, Art. 419 N 20.

§ 20

3.

Echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419–422 und Art. 424 OR)

Schadenersatz (Art. 420 OR)

Verletzt die Geschäftsführerin schuldhaft eine Pflicht und entsteht dem Geschäfts- 1654 herrn daraus ein Schaden, hat sie ihm dafür Ersatz zu leisten (Art. 420 Abs. 1 OR). Die Geschäftsführerin haftet «für jede Fahrlässigkeit» (Art. 420 Abs. 1 OR), also für jedes Verschulden.59 Die Haftung der Geschäftsführerin ist gemäss Art.  420 Abs.  2  OR nach freiem 1655 richterlichem Ermessen (Art.  4 ZGB) zu mildern, wenn sie in der Absicht handelte, einen drohenden Schaden vom Geschäftsherrn abzuwenden. Eine Milderung kommt z.B. bei besonderer Dringlichkeit der Geschäftsvornahme oder bei einer Verursachung der Gefahrenlage durch den Geschäftsherrn infrage.60 Aus Gründen, welche mit der Person der Geschäftsführerin zusammenhängen, wird 1656 die Haftung im Übrigen auch aufgrund Art. 421 Abs. 1 OR gemildert: Die handlungsunfähige Geschäftsführerin haftet nur, soweit sie bereichert ist oder «auf böswillige Weise sich der Bereicherung entäussert hat» (Art. 421 Abs. 1 OR). Vorbehalten bleibt ausdrücklich die Haftung aus unerlaubter Handlung (Art. 41 ff. i.V.m. Art.  421 Abs.  2  OR). Dies führt zur Billigkeitshaftung urteilsunfähiger Personen nach Art. 54 OR (s. N 1997 ff.). Art. 421 Abs. 1 OR betrifft nur den Haftungsumfang im Zeitpunkt der Rückforderung.61 Die handlungsunfähige Geschäftsführerin ist dem Geschäftsherrn weiterhin zur Ablieferung von Erlangtem, zur Aufklärung und zur Rechenschaft verpflichtet.62 Liegt ein gültiges und erkennbares Einmischungsverbot nach Art. 420 Abs. 3 OR 1657 vor (echte unberechtigte GoA; s. N 1489, N 1630 f.), tritt vis-à-vis der (handlungsfähigen) Geschäftsführerin eine Haftungsverschärfung ein. Diese haftet nun auch für Zufall. In der Lehre ist umstritten, ob es sich dabei um eine Kausalhaftung oder eine Verschuldenshaftung mit Übernahmeverschulden handelt.63 In jedem Fall kann die Geschäftsführerin versuchen, den Beweis der fehlenden Kausalität zu leisten: Wäre der Schaden auch ohne ihre Einmischung durch Zufall eingetreten, muss sie nicht haften (rechtmässiges Alternativverhalten; s. N 890, N 1937 f.).64 Aus der quasivertraglichen Natur der echten berechtigten GoA folgt sodann die 1658 analoge Anwendbarkeit der vertraglichen, insbesondere der auftragsrechtlichen Haftungsgrundsätze.65 Das behutsame Heranziehen auftragsrechtlicher und allge59 60 61 62

CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 420 N 2. ZK OR-Schmid, Art. 420 N 32 m.w.H. CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 421 N 5. CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 421 N 1; Schmid, N 480; BSK OR-Weber, Art. 421 N 5; a.M. BK OR-Gautschi, Art. 421 N 8a. 63 Eine Kausalhaftung bejahend ZK  OR-Oser/Schönenberger, Art.  420 N  4; ablehnend dagegen Bucher, OR BT, 263; BSK OR-Weber, Art. 420 N 10 m.w.H. 64 CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 420 N 6. 65 Bucher, OR BT, 259.

507

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

meiner vertraglicher Regeln ist erforderlich, weil Art.  420  OR zu Recht lediglich Grundelemente der Haftung enthält. 1659

Das Verschulden wird z.B. in Analogie zu Art. 97 Abs. 1 OR vermutet.66 Werden Hilfspersonen beigezogen, so haftet die Geschäftsführerin für deren Verhalten analog der Regel von Art.  101  OR (bzw. von Art.  399 Abs.  2  OR bei Substituten).67 Geschuldet wird nach zutreffender Meinung das positive Interesse: «Der Geschäftsherr ist so zu stellen, wie wenn d[ie] Geschäftsführer[in] die Geschäftsbesorgung mit der gehörigen Sorgfalt ausgeführt hätte»68.

1660

In der Lehre herrscht Uneinigkeit darüber, ob en plus eine Haftungsmilderung nach Art. 99 Abs. 2 OR in Betracht kommt. Nach der hier vertretenen Meinung ist eine kumulative Anwendung in der Tat sinnvoll: Art. 420 Abs. 2 OR deckt lediglich die Fälle der (schadensabwendenden) GoA in Notsituationen ab.69 Art. 99 Abs. 2 OR kann zusätzlich geltend gemacht werden, wenn das Mass der Haftung sich nach der besonderen Natur des Geschäfts richten soll und wenn insbesondere die Geschäftsführerin durch ihr Tätigwerden keinerlei Vorteile erlangen wollte. Um zu einer gerechten Aufteilung des Schadens zu gelangen, hat der Richter die Haftungsmilderungsgründe gesamthaft zu würdigen.

V. 1661

Verjährung

Auf die echte berechtigte GoA kommt aufgrund ihrer quasivertraglichen Natur und nach der Systematik des Gesetzes nach der hier vertretenen Meinung die ordentliche Verjährungsfrist von zehn Jahren zur Anwendung (Art. 127 OR).70

66 67

Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5348. CR CO-Héritier Lachat, Art. 420 N 4; CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 420 N 2; ZK ORSchmid, Art. 420 N 17 f. 68 CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 420 N 2. A.M. BSK OR-Weber, Art. 420 N 12, wonach das negative Interesse geschuldet ist. 69 Bejahend: Bucher, OR BT, 259; BSK OR-Weber, Art. 420 N 6; verneinend: Guhl/Schnyder, § 49 N 40; Honsell,  OR BT, 370; ZK  OR-Schmid, Art.  420 N  22; offengelassen bei CR CO-Héritier Lachat, Art. 420 N 10. 70 So auch BGE 30 II 82 E. 3 ff.; Hofstetter, 253; CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 420 N 2; ZK OR-Schmid, Art. 420 N 20; Tercier/Bieri/Carron, N 5371.

508

§ 21 Haftung bei Gefälligkeit Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N  1947  ff.; Engel, CO PG, 221  f.; Furrer/Müller-Chen, Kap. 1 N 137 ff.; Gauch/Schluep/Schmid, N 353a f. und N 1190a; Kramer/Probst, OR AT, N 102a ff.; Schwenzer, OR AT, N 4.45 ff.

Weiterführende Literatur Berger Bernhard, Verhaltenspflichten und Vertrauenshaftung, Diss. Bern 2000 (zit.: Berger, Vertrauenshaftung); Derendinger Peter, Die Nicht- und die nicht richtige Erfüllung des einfachen Auftrags, Diss. Freiburg 1988; Fellmann Walter, Haftung bei Gefälligkeit, Urteil 4C.56/2002 des Bundesgerichts vom 21.10.2002, HAVE 2003, 139–142; Gauch Peter, Bauernhilfe: Drei Fälle und wie das Bundesgericht dazu kam, die Schadenersatzregel des Art. 422 Abs. 1 OR auf den Auftrag und die Gefälligkeit anzuwenden, in: FS Richli, Zürich 2006,  191–223; Hürlimann-Kaup Bettina, Die privatrechtliche Gefälligkeit und ihre Rechtsfolgen, Diss. Freiburg 1999; Maissen Eva/Purtschert Tina/Rusch Arnold F., Unentgeltliche Hilfeleistung: GoA, Gefälligkeit oder unentgeltlicher Auftrag?, Jusletter 9. September 2013; Schmid Jörg, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, Habil. Freiburg 1992; Schmid Jörg/Rüegg Jonas, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2011, ZBJV 2013, 492–520; Wiegand Wolfgang, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 2003, ZBJV 2004, 828–871; Wyss Evelyn/von der Crone Hans Caspar, Haftung für Auskunft – Entscheid des Schweizerischen Bundesgerichts 4C.193/2000 vom 26. September 2001 i.S. A. (Kläger und Berufungskläger) gegen Bank X. (Beklagte und Berufungsbeklagte), SZW 2002, 112–119.

I.

Begriff

Eine Gefälligkeit ist eine Leistung, die unentgeltlich und uneigennützig erfolgt, ohne dass ein Vertrag vorliegt. Den Parteien fehlt der Rechtsbindungswille und auch die Auslegung nach dem Vertrauensprinzip führt zu keinem Vertrag.

1662

Als Gefälligkeiten werden gemeinhin unentgeltliche Leistungen altruistischen Cha- 1663 rakters, die ohne Rechtsbindungswillen erfolgen, bezeichnet.1 Da auch vertraglich erbrachte Leistungen nicht entgeltlich sein müssen, ist zur Abgrenzung zwischen Vertrag und Gefälligkeit darauf abzustellen, ob die Parteien sich rechtlich 1 BGE 137 III 539 E. 4.1; Hürlimann-Kaup, N 1.

509

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

binden wollten bzw. ob ihre Willenserklärungen nach dem Vertrauensprinzip von der Gegenseite als verbindlich angesehen werden durften oder nicht. Ohne natürlichen bzw. normativen Konsens liegt lediglich eine Gefälligkeit vor. 1664

Gefälligkeiten können im Gegensatz zu Vertragsleistungen mangels eines beidseitigen rechtlichen Bindungswillens nicht rechtlich erzwungen werden: Wer eine Gefälligkeit erbringt, tut dies, ohne einen entsprechenden Anspruch zu erfüllen und somit juristisch betrachtet freiwillig, auch wenn er emotional möglicherweise nicht vollkommen freiwillig handelt, sondern aus einem sozialen Druck heraus.

1665

Gleich wie Vertragshandeln kann aber auch Gefälligkeitshandeln zu Schaden führen. Damit kann also gleich wie beim Vertrag auch bei der Gefälligkeit sowohl die Erbringerin wie auch der Empfänger der Leistung einen Schaden stiften bzw. erleiden. Aufgrund der nichtvertraglichen Natur der Gefälligkeit stellt sich die Frage, ob sich die Gefälligkeitserbringerin und/oder der Gefälligkeitsempfänger lediglich auf ausservertragliche Haftungsgrundlagen stützen können oder ob andere (z.B. quasikontraktuelle Haftungsgrundlagen) herangezogen werden können.

II.

Vertrag oder Gefälligkeit

1666

Verträge kommen gemäss Art.  1 Abs.  1  OR durch die gegenseitigen übereinstimmenden Willenserklärungen der Parteien zustande. Die Abgabe einer Willenserklärung erfolgt im vertraglichen Kontext regelmässig in der Absicht, sich (und sei es auch nur um der Bindung der Gegenseite willen) rechtlich zu binden (s. N 140 ff.). Anders als beim Abschluss eines Vertrages haben die Parteien beim Gefälligkeitsverhältnis keinen solchen Rechtsbindungswillen (s. N 78).2

1667

Bei der Beurteilung darüber, ob die Parteien im Einzelfall eine vertragliche Bindung eingehen wollten, ist zunächst auf den wirklichen Willen und sodann auf den in Anwendung des Vertrauensprinzips ermittelten Willen abzustellen. Zu berücksichtigen sind dabei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts die Art der Leistung, ihr Grund und Zweck, ihre rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung, die Umstände, unter denen sie erbracht wurde, und die bestehende Interessenlage der Parteien.3 Für einen Bindungswillen spricht gemäss Bundesgericht sodann «ein eigenes, rechtliches oder wirtschaftliches Interesse des Leistenden an der gewährten Hilfe oder ein erkennbares Interesse des Begünstigten, fachmännisch beraten oder unterstützt

2 3

510

Furrer/Müller-Chen, Kap. 1 N 137; CHK OR-Kut, Art. 1 N 7. S. BGE 116 II 695, in welchem das Bundesgericht auch die Begriffe Geschäftswille, Rechtsfolgewille sowie vertraglicher Bindungswille synonym verwendet. BGE 141 V 112 E. 5.2.1; 137 III 539 E. 4.1 m.w.H.; 129 III 181 E. 3.2; 116 II 695 E. 2b bb.

§ 21

Haftung bei Gefälligkeit

zu werden»4 (s. dazu auch N 1514 f.). Diese bundesgerichtliche Rechtsprechung entwickelte sich vor allem im Zusammenhang mit der Haftung für Rat und Auskunft. Liegt weder ein natürlicher noch ein normativer Konsens vor (s. N 245 ff.), entste- 1668 hen prinzipiell keine vertraglichen Ansprüche wie z.B. allfällige Forderungen auf Erfüllung oder aus Nicht- bzw. Schlechterfüllung. Da sich die Gefälligkeitserbringerin nicht vertraglich gebunden hat, liegt es alleine in ihrer Entscheidungsgewalt, ob sie die Leistung erbringen will oder nicht.

III.

Quasikontraktuelle Haftung bei Gefälligkeiten?

Mangels einer vorbestehenden rechtlichen Bindung kann sich ein Gefälligkeitsemp- 1669 fänger, der durch das Verhalten der Gefälligkeitserbringerin einen Schaden erleidet, grundsätzlich nur auf eine extrakontraktuelle Haftungsgrundlage (Art. 41 ff. OR) stützen. Dasselbe gilt für die Gefälligkeitserbringerin, der bei Vornahme der Leistung ein Schaden entsteht. In Lehre und Rechtsprechung wird wegen der aus dieser – vor allem auch im Ver- 1670 gleich mit der bundesgerichtlichen Ausprägung der Vertrauenshaftung zu Unrecht – rigiden Sicht resultierenden Schutzlücke seit Längerem diskutiert, ob es richtig sein kann, ausschliesslich extrakontraktuelles Recht anzuwenden oder ob in engen Schranken vertragsrechtliche Regeln heranzuziehen seien.5 Nach der hier vertretenen Auffassung kommen punktuell quasikontraktuelle Schadenersatzansprüche infrage. So haftet der Empfänger einer Gefälligkeit nach unserer Meinung quasikontraktu- 1671 ell für den der Gefälligkeitserbringerin entstandenen Schaden (Art. 422 Abs. 1 in fine OR analog), denn Art. 422 Abs. 1 OR liegt der Gedanke zugrunde, dass der Empfänger einer Leistung das Risiko schadensgeneigter gefährlicher Tätigkeit zu tragen hat, sofern sie in seinem Interesse und aufgrund der Unentgeltlichkeit in nur seinem Nutzen erfolgt.6 Den Empfänger muss kein Verschulden treffen – bei Art. 422 Abs. 1 OR handelt es sich um eine Kausalhaftung nach Ermessen des Gerichts. Zwischen der Gefälligkeitserbringung und dem Schaden muss aber wie bei jeder Schadenshaftung ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang bestehen. Die Gefälligkeitserbringerin haftet hingegen nach bundesgerichtlicher Rechtspre- 1672 chung wie auch nach unserer Auffassung lediglich ausservertraglich und somit nur 4 BGE 137 III 539 E. 4.1; 129 III 181 E. 3.2; 116 II 695 E. 2b bb. 5 Anwendung vertragsrechtlicher Regeln verneinend: BGE 137 III 539 E. 5.1; 129 III 181 E. 4; 116 II 695 E. 4; ebenso Engel, CO PG, 221 f. Bejahend: Gauch/Schluep/Schmid, N 1190a; Hürlimann-Kaup, N 391; offengelassen bei Schmid/Rüegg, ZBJV 2013, 496 mit Beispiel. 6 So auch BGE 129 III 181 E. 4.1.

511

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

bei Verschulden für den dem Empfänger entstandenen Schaden (Art. 41 OR).7 Dies erscheint sachgerecht, weil die Gefälligkeitserbringerin anders als der Gefälligkeitsempfänger keinerlei Vorteil aus der Gefälligkeitshandlung zieht und daher nicht strengeren Kriterien unterworfen werden soll als bei einer Haftung für ausservertragliches Handeln. 1673

Das Mass der Haftung kann im Übrigen bei der Haftung der Gefälligkeitserbringerin milder beurteilt werden, weil die Gefälligkeit unentgeltlich erfolgte (Art. 43 sowie Art. 99 Abs. 2 OR8). Überdies ist an die Herabsetzungsgründe wie z.B. ein Mitverschulden des Gefälligkeitserbringers zu denken (Art. 44 Abs. 1 OR). Das Bundesgericht geht noch einen Schritt weiter und beschränkt die Haftung der Gefälligkeitserbringerin auf den Sorgfaltsmassstab der diligentia quam in suis (s. dazu N 1698).

1674

Eine bloss ausservertragliche Haftung, wie sie bei der Gefälligkeit grundsätzlich vorliegt, führt nach der hier vertretenen Meinung auch bei den vor Bundesgericht oft diskutierten Fällen der Haftung für Rat und Auskunft zu fairen Ergebnissen. Das Bundesgericht hat in mehreren Entscheiden für diese Art von Haftung der Gefälligkeitserbringerin hingegen eine Vertrauenshaftung angenommen.9

1675

Unserer Meinung nach ist wie erwähnt fraglich, ob die Haftung für erbetenen Rat bzw. erbetene Auskunft nicht einfacher und sachlich überzeugender nach den Grundsätzen über die Gefälligkeit  – und damit nach extrakontraktuellen Grundsätzen – statt nach den noch immer nicht konsolidierten Voraussetzungen für eine allgemeine Vertrauenshaftung abgehandelt werden könnte. Das Erbeten von Rat und Auskunft ist nach unserer Meinung eine geradezu idealtypische Gefälligkeitssituation. Der Gefälligkeitsempfänger hat ein leicht erkennbares Interesse daran, von der Gefälligkeitserbringerin «casually» (nicht im Rahmen eines Vertrages, sondern niederschwellig), unentgeltlich und zu seinem Nutzen unterstützt zu werden.10 Von der Gefälligkeitserbringerin erwartet er ein unkompliziertes, unentgeltliches und uneigennütziges Handeln.

1676

Sowohl das Erbeten von Rat und Auskunft wie auch die Gefälligkeit im Allgemeinen entsprechen sozialtypischen Verhaltensweisen, ohne indessen eigenständige rechtliche Kategorien zu bilden. Besteht ein Bedürfnis, an solche Verhaltensweisen bzw. an entsprechendes Fehlverhalten besondere Rechtsfolgen zu knüpfen, so steht es den Parteien frei, dies im Rahmen des Abschlusses eines Vertrages auch zu tun.

7 So BGE 137 III 539 E. 5 m.w.N.; gl.M. auch Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, N 13 und N 17 ff. 8 S. Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, N 21. 9 Eine Haftung nach den Grundsätzen der Vertrauenshaftung bejahend BGE 4C.193/2000 E. 4 f.; in diesem Sinne bereits BGE 124 III 363 E. II.5b. S. ferner auch 130 III 345 E. 2.2; 128 III 324 E. 2.2; 4C.280/1999 E. 3a; Berger, Vertrauenshaftung, 77. 10 Vgl. z.B. die Situation in BGE 124 III 363; 116 II 695; 112 II 347; 111 II 473.

512

§ 21

IV.

Haftung bei Gefälligkeit

Haftung des Gefälligkeitsempfängers

Grundsätzlich handelt die Gefälligkeitserbringerin im Gegensatz zur vertraglich 1677 abgesicherten Geschäftsführerin auf eigenes Risiko und hat darum einen allfälligen, anlässlich des Erbringens der Gefälligkeit erlittenen Schaden selber zu tragen, sofern ihr kein ausservertraglicher Anspruch zur Verfügung steht (Art. 41 ff. OR).11 Die strenge verschuldensabhängige ausservertragliche Haftung kann aber gerade im Bereich unentgeltlicher Hilfeleistungen zu ungerechten Ergebnissen führen. Das Bundesgericht hat diesem Problem in seiner Rechtsprechung denn auch bereits Anfang des letzten Jahrhunderts in zwei Leitentscheiden Rechnung getragen. Im sog. «Holzdiebstahl-Fall»12, welchen das Bundesgericht im Jahre 1922 zu beur- 1678 teilen hatte, begleitete ein Knecht seinen Dienstherrn auf dessen Bitte hin an einem Abend und damit ausserhalb seiner Arbeitszeit bei der Verfolgung von Holzdieben und wurde dabei schwer verletzt. Rund zehn Jahre später im sog. «Birnbaum-Fall»13 ging es um eine ähnliche Situa- 1679 tion: Ein Bauer hatte seinen Nachbarn darum gebeten, ihm beim Schütteln seines Birnbaumes zu helfen. Der hilfsbereite Nachbar erlitt schwere Verletzungen, als ein Ast brach und er vom Baum fiel. In beiden Fällen wagte es das Bundesgericht damals (noch) nicht, von einem ausser- 1680 halb des Vertragsrechts stehenden Gefälligkeitsverhältnis auszugehen, sondern qualifizierte sowohl das Rechtsverhältnis zwischen dem Bauern und seinem Knecht14 als auch jenes zwischen dem Bauern und seinem Nachbarn als unentgeltlichen Auftrag (Art. 394 OR). Damit handelte es sich allerdings eine neue Schwierigkeit ein: Folgerichtig hätte es alsdann nämlich die auftragsrechtlichen Haftungsregeln anwenden müssen. Danach hätte aber der Auftraggeber in beiden Fällen mangels Verschulden nicht für den Unfall des Auftragnehmers gehaftet (Art. 402 Abs. 2 OR). Mangels Verschulden wäre sodann auch eine Haftung nach Art. 41 Abs. 1 OR entfallen. Bei diesem inadäquaten Resultat liess es das Bundesgericht verständlicherweise 1681 nicht bewenden. Es beschränkte darum den sachlichen Anwendungsbereich von 11 CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 419 N 5. 12 BGE 48 II 487: «Am Abend […] bemerkte der [Dienstherr], dass in seinem Walde Holz gestohlen wurde; er weckte den [Knecht], der bei ihm als Melker angestellt war, und veranlasste ihn, ihn in den Wald zu begleiten, um nach den Dieben zu sehen». 13 BGE 61 II 95: «Am […] bat der Beklagte den Kläger, für ihn einen Birnbaum zu schütteln; er selbst könne wegen Schwindels nicht mehr auf Bäume steigen. Der Kläger entsprach diesem Ansuchen. Beim Schütteln brach ein grosser Ast, und der Kläger, der auf diesem stand, stürzte vom Baum». 14 Das Bundesgericht stellte sich auf den Standpunkt, dass der Knecht zwar nicht im Rahmen seines gewöhnlichen Dienstvertrages gehandelt habe, zwischen ihm und dem Bauern jedoch ein separates, unentgeltliches Auftragsverhältnis entstanden sei (Bitte um Hilfe und Annahme durch Zustimmung des Knechts zur Hilfeleistung); BGE 48 II 487 E. 2.

513

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

Art. 402 Abs. 2 OR auf entgeltliche Aufträge (sog. teleologische Reduktion).15 Beim unentgeltlichen Auftrag hingegen müsse der Auftraggeber dem Beauftragten den Schaden nach richterlichem Ermessen, also verschuldensunabhängig, ersetzen, wie dies Art. 422 Abs. 1 OR für die Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) bestimme (Kausalhaftung).16 So landete das Bundesgericht über den Umweg17 des Auftrags schliesslich bei der quasikontraktuellen Haftung von Art. 422 Abs. 1 OR. 1682

Es sei auf ein nach Art. 1 Abs. 2 ZGB durch den Richter zu korrigierendes Versehen des Gesetzgebers zurückzuführen, wenn der Beauftragte beim unentgeltlichen Auftrag schlechter gestellt werde als der Geschäftsführer ohne Auftrag, während doch der innere Grund, aus dem Letzterem ein Schadenersatzanspruch zu gewähren sei, auch beim unentgeltlichen Auftrag zutreffe. Schliesslich handle es sich in beiden Fällen um die Übernahme eines rein altruistischen Geschäfts.18

1683

In der Lehre wird zum Teil die Ansicht vertreten, dass sowohl im «Birnbaum-Fall» als auch im «Holzdiebstahl-Fall» die Annahme eines Gefälligkeitsverhältnisses angemessen gewesen wäre.19 Auch nach der hier vertretenen Ansicht handelte es sich in beiden Fällen mangels eines Rechtsbindungswillens nicht um einen unentgeltlichen Auftrag, sondern vielmehr um ein Gefälligkeitsverhältnis.

1684

In einem ähnlich gelagerten weiteren Fall aus dem Jahre 2003 stellte das Bundesgericht sodann auch nicht mehr auf einen unentgeltlichen Auftrag ab. Im sog. «Baugruben-Fall»20, in dem ein hinzugezogener Helfer beim Versuch, ein Rundholz mit einer Kette an einem Bagger zu befestigen, von einer Leiter in eine Baugrube fiel und sich dabei schwer verletzte, nahm das Bundesgericht nun Gefälligkeit an, stützte sich jedoch abermals auf eine analoge Anwendung von Art. 422 Abs. 1 OR. Hier wählte es also den direkten Weg und ersparte sich damit die Künstlichkeit, in das blosse Gefälligkeitsverhalten der Parteien einen Rechtsbindungswillen hineinzuinterpretieren.

1685

Die analoge Anwendung von Art. 422 Abs. 1 OR auf Gefälligkeiten, anlässlich derer die Gefälligkeitserbringerin zu Schaden kommt, erscheint dem Bundesgericht zu Recht als logische Konsequenz aus dem Gleichbehandlungsprinzip: Es ist kein Grund dafür ersichtlich, den Gefälligkeitsempfänger anders zu stellen als den Auftraggeber bei einem unentgeltlichen Auftrag.21 Muss der Auftraggeber, der einen

15 16 17 18 19 20 21

514

BGE 61 II 95 E. 3; 48 II 487 E. 3. BGE 61 II 95 E. 3; 48 II 487 E. 3. Ein Umweg war es nach hier vertretener Auffassung deswegen, weil in beiden Fällen wohl vielmehr von einem Gefälligkeitsverhältnis auszugehen gewesen wäre als von einem unentgeltlichen Auftrag; dazu sogleich N 1683. BGE 61 II 95 E. 3; 48 II 487 E. 3. S. Fellmann, HAVE 2003, 142; so auch Gauch, 200 f. BGE 129 III 181. BGE 129 III 181 E. 3.3; vgl. Wiegand, ZBJV 2004, 865.

§ 21

Haftung bei Gefälligkeit

unentgeltlichen Dienst entgegennimmt, nach Art. 422 Abs. 1 OR für den Schaden des Helfers einstehen, so soll auch der Gefälligkeitsempfänger entsprechend haften. Die Haftung gemäss Art. 422 Abs. 1 OR ist als quasivertragliche Haftung zu qualifi- 1686 zieren, was die Gefälligkeitserbringerin je nach den konkreten Umständen der Leistungserbringung in eine bessere Position versetzt, als wenn ihr gegenüber nur aus Art. 41 OR gehaftet würde. Art. 422 Abs. 1 OR stellt die Haftung in das Ermessen des Gerichts. Die Verjährung richtet sich aufgrund der quasivertraglichen Natur nach der hier vertretenen Meinung nach Art. 127 OR (s. N 1661). Das Gericht kann alsdann nicht nur über die Höhe des Ersatzes entscheiden, son- 1687 dern auch darüber, ob überhaupt eine Entschädigung geleistet werden soll. Ein solcher Ermessensentscheid muss gefällt werden, wenn den Gefälligkeitsempfänger kein Verschulden trifft. Liegt dagegen ein Verschulden vor, so soll das Gericht nicht entscheiden dürfen, keinen Schadenersatz zuzusprechen (es sei denn, es liege ein Haftungsausschlussgrund vor). Der Gefälligkeitserbringerin bliebe dann lediglich die Berufung auf eine Haftung aus unerlaubter Handlung, welche ihr aber wegen der speziellen Anforderungen an die Widerrechtlichkeit bei reinen Vermögensschäden unter Umständen gar keinen Anspruch gegen den Vorteilsempfänger gewährt. Art. 422 Abs. 1 OR siedelt das Risiko eines allfälligen Schadens der Gefälligkeits- 1688 erbringerin insofern beim Vorteilsempfänger an, als es für die Haftung nicht auf dessen Verschulden ankommt. Die Risikohaftung des Art. 422 Abs. 1 OR, so das Bundesgericht, beruhe auf dem «sowohl vertraglich wie ausservertraglich gültigen Prinzip, dass das Risiko schadensgeneigter, gefährlicher Tätigkeit von jenem zu tragen ist, in dessen Interesse und zu dessen Nutzen sie ausgeführt wird»22. Allerdings will das Bundesgericht den Vorteilsempfänger nur dann haften lassen, 1689 wenn es um einen Schaden geht, der aufgrund einer Verwirklichung des der gefährlichen Tätigkeit immanenten Risikos der vorgenommenen Gefälligkeitstätigkeit eingetreten ist.23 Ausgenommen sind nach Bundesgericht sog. «Zufallsschäden»24, bei denen sich ein «allgemeines Lebensrisiko» und nicht das «besondere Tätigkeitsrisiko» verwirklicht.25 Durch dieses weitere Kriterium versucht das Bundesgericht, die analoge Haftung 1690 gemäss Art. 422 Abs. 2 OR einzuschränken. Gauch äussert sich hierzu zu Recht kritisch. Zum einen stellt nämlich bereits die Haftungsvoraussetzung der adäquaten Kausalität eine Haftungsgrenze dar; zum anderen gewährleistet auch die Tatsache, dass der Schadenersatzentscheid richterlichem Ermessen unterliegt, bereits eine adäquate Rechtsfolge.26 Das zusätzliche Kriterium der Verwirklichung eines 22 23 24 25 26

BGE 129 III 181 E. 4.1. BGE 129 III 181 E. 4.1; kritisch hierzu Gauch, 201 ff. Zu Recht kritisch zur Verwendung dieses im vorliegenden Sinne doppelt belegten Begriffs Gauch, 208. BGE 129 III 181 E. 4.1. Gauch, 197 ff.; so auch Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, FN 24.

515

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

der Tätigkeit immanenten Risikos scheint vor diesem Hintergrund auch nach unserer Meinung entbehrlich.

V.

Haftung der Gefälligkeitserbringerin

1691

Nicht nur der Gefälligkeitserbringerin, sondern auch dem Gefälligkeitsempfänger kann bei der Erbringung der Gefälligkeit ein Schaden entstehen. Dabei stellt sich abermals die Frage, ob lediglich ausservertragliche Haftungsgrundlagen zur Verfügung stehen sollen oder ob  – wie für die Haftung des Gefälligkeitsempfängers (s. N 1682 ff.) – quasivertragliche Grundlagen herangezogen werden dürfen.

1692

Das Bundesgericht prüfte eine mögliche Haftung der Gefälligkeitserbringerin bislang vor allem im Zusammenhang mit der Haftung für die Erteilung von Rat und Auskunft. Hierzu stellte es zunächst auf das Deliktsrecht ab.27

1693

Der Problematik der reinen Vermögensschäden im ausservertraglichen Haftpflichtrecht trug das Bundesgericht dabei zunächst insofern Rechnung, als es eine Garantenstellung der auskunftserteilenden Partei annahm: Haften soll, «wer aufgrund seines Fachwissens in Anspruch genommen wird, wunschgemäss Auskünfte erteilt oder Gefälligkeitsleistungen erbringt und dabei wider besseres Wissen oder leichtfertig unrichtige Angaben macht oder wesentliche Tatsachen verschweigt, die ihm bekannt sind und von denen er sich sagen muss, dass ihre Kenntnis den infrage stehenden Entschluss beeinflussen könnten»28. Mithilfe dieser richterrechtlichen Schutznorm liquidierte das Bundesgericht extrakontraktuell angefallene Vermögensschäden, die aus falschen oder zu Unrecht unterbliebenen Ratschlägen und Auskünften entstanden waren (Art. 41 ff. OR).

1694

In BGE 4C.193/2000 stützte das Bundesgericht die Haftung für falschen Rat und mangelhafte Auskunft – neben der ausservertraglichen – sodann zusätzlich auf eine quasikontraktuelle Grundlage ab, nämlich auf die Vertrauenshaftung (s. N 1712 ff.).29 Dies begründete es damit, dass nach (damals) «neuerer Auffassung» die bereits in früheren Entscheiden deliktrechtlich umschriebenen (s. N 1702) Pflichten «auch als Verhaltenspflichten verstanden werden» können, «die sich aus einem gesetzlichen Schutz- oder Schuldverhältnis ergeben»30.

1695

Auf die Erteilung von Rat und Auskunft im Gefälligkeitsbereich wendet das Bundesgericht aktuell also extra- und quasikontraktuelle Regeln an. Die beiden 27 28 29

BGE 116 II 695 E. 4. BGE 116 II 695 E. 4; vgl. auch BGE 4C.193/2000 E. 4 m.w.H.; 111 II 471 E. 3. BGE 4C.193/2000 E. 4 und E. 5; s. in diesem Sinne bereits BGE 124 III 363 E.II.5b; s. auch BGE 130 III 345 E. 2.2; 128 III 324 E. 2.2; 4C.280/1999 E. 3a; Berger, Vertrauenshaftung, 77. 30 BGE 4C.193/2000 E. 4a.

516

§ 21

Haftung bei Gefälligkeit

Normgruppen konkurrieren nach seiner Sichtweise miteinander (kumulative Anwendbarkeit).31 Nach der hier vertretenen Ansicht handelt es sich dagegen beim Verhältnis zwischen der Delikts- und der Vertrauenshaftung um Anspruchskonkurrenz, genauer um alternative Konkurrenz (s. N 4143 ff.).32 Anders als bei der Haftung für die (nicht vertragliche) Abgabe von Rat und Aus- 1696 kunft hat das Bundesgericht in BGE 137 III 539 für die sonstigen Fälle der Haftung einer Gefälligkeitserbringerin schliesslich und unserer Meinung nach zu Recht festgehalten, dass nur nach ausservertraglichen Massstäben gehaftet werden soll.33 Im entsprechenden Fall hatte sich eine Nachbarin dazu bereit erklärt, ein vierjähriges Kind zu beaufsichtigen, während die Eltern Einkäufe tätigten. Das Kind spielte zusammen mit dem fünfjährigen Sohn der Nachbarin zunächst im Garten. Bei der Fortsetzung des Spiels ausserhalb des Gartens stürzte das vierjährige Kind in den nahen Fluss, wobei es schwere Hirnschäden erlitt, weil es erst nach ca. 10 Minuten aus dem Fluss geborgen werden konnte. Die Eltern des verunfallten Vierjährigen verlangten daraufhin von der Mutter des Fünfjährigen, welcher entgangen war, dass die Kinder den Garten verlassen hatten, Schadenersatz. Das Bundesgericht stellte sich auf den Standpunkt, dass eine extrakontraktuelle 1697 Haftung schon systematisch gerechtfertigt sei, weil bei der Gefälligkeit gerade eben kein Vertrag vorliege und daher auch keine vertraglichen Haftungsgrundlagen zum Zuge kommen sollen. Zudem sei diese Ansicht aber auch sachgerecht: Zwar übernimmt die Gefälligkeitserbringerin bei einer Gefälligkeit auch eine Verpflichtung, den Gefälligkeitsempfänger nicht zu schädigen, doch sei nicht erkennbar, «inwiefern sich die Art dieser Verpflichtung vom allgemeinen Verbot gemäss Art. 41 OR unterscheiden soll, niemandem widerrechtlich oder unsittlich schuldhaft Schaden zuzufügen.»34 Zu Recht weist das Bundesgericht weiter darauf hin, dass die mit der Anerkennung einer Vertragshaftung verbundene Umkehr der Beweislast für das Verschulden der Gefälligkeitserbringerin im vorliegenden Kontext nicht gerechtfertigt wäre.35 Schliesslich beschränkte das Bundesgericht im entsprechenden Fall die extra- 1698 kontraktuelle Haftung der Gefälligkeitserbringerin in Anwendung von Art.  99 Abs. 2 OR, der a fortiori auch auf Gefälligkeitshandlungen anzuwenden sei, auf eine diligentia quam in suis.36 Danach habe die Gefälligkeitserbringerin nur jenen Grad 31 32 33 34 35 36

BGE 4C.193/2000 E. 5; Wyss/von der Crone, SZW 2002, 118. So auch Wyss/von der Crone, SZW 2002, 118. BGE 137 III 539 E. 5.1; gl.M. Engel, CO PG, 221. A.M. Hürlimann-Kaup, N 391; Gauch/Schluep/ Schmid, N 1190a, wonach die Gefälligkeitshandlung lediglich keinen Erfüllungsanspruch begründe. Werde die Gefälligkeitsleistung hingegen erbracht, so rechtfertige dies die Anwendung vertragsrechtlicher Regeln. BGE 137 III 539 E. 5.1. BGE 137 III 539 E. 5.1. A.M. Schmid/Rüegg, ZBJV 2013, 496, die darauf hinweisen, dass auch eine Haftung nach vertraglichen Grundsätzen (Art. 97 Abs. 1 OR) am Ergebnis in BGE 137 III 539 nichts geändert hätte, da der Gefälligkeitserbringerin der Entlastungsbeweis wohl gelungen wäre. BGE 137 III 539 E. 5.2; s. dazu weiter Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, N 21.

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2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

von Sorgfalt walten zu lassen, den sie auch in eigenen Angelegenheiten beachte: «[Wer] im vertragsfreien Raum um eine Gefälligkeit bittet, kann vom Gefälligen nicht verlangen, eine höhere Sorgfalt als die eigenübliche aufzuwenden.»37 Anders als sonst38 berücksichtigt das Bundesgericht Art. 99 Abs. 2 OR hier nicht als möglichen Herabsetzungsgrund bei der Schadenersatzbemessung, sondern sieht darin vielmehr einen milderen Sorgfaltsmassstab. Damit modifiziert es den Haftungsmassstab bei der Deliktshaftung via den systematisch im Vertragsrecht angesiedelten Art. 99 Abs. 2 OR (zur Qualifikation von Art. 99 Abs. 2 OR s. N 897a). Diese Einordnung ist darum relevant, weil die damit wegrationalisierte Verletzung der Sorgfalt von vornherein die Haftung gänzlich ausschliesst, während die Herabsetzungsgründe zu einer blossen Schadenersatzreduktion – wenn auch nach hier vertretener Meinung bis hin zur Nullgrenze39 – führen.40 Bei der Beurteilung der Haftung der Nachbarin wäre nach unserer Ansicht eine Anwendung der allgemeinen ausservertraglichen Herabsetzungstatbestände gemäss Art.  43  f.  OR vorzuziehen gewesen, wobei der Gedanke von Art. 99 Abs. 2 OR (Herabsetzung des Schadenersatzes bei fremdnützigem, altruistischem Handeln ohne Vorteil für den Erbringer; s. dazu N 1888a) trotz seiner systematischen Verankerung im Vertragsrecht als Konkretisierung der in Art. 43 OR genannten «Umstände» zu betrachten ist. Lehre und Rechtsprechung sind im Übrigen ebenfalls für eine Anwendung von Art. 99 Abs. 2 OR auf Gefälligkeitshandlungen.41 1699

Eine analoge Anwendung von Art. 420 Abs. 2 OR aus dem GoA-Recht – sozusagen als Parallele zur analogen Anwendung des Art. 422 Abs. 2 OR bei der Haftung des Gefälligkeitsempfängers (N 1684 ff.) – ist im Gefälligkeitskontext dagegen nicht als sinnvolles Moderierungsinstrument für die Haftung der Gefälligkeitserbringerin zu betrachten. Die Haftungsmilderung, welche nach dem Wortlaut von Art. 420 Abs. 2 OR lediglich greift, wenn die Geschäftsführerin handelte, um einen drohenden Schaden abzuwenden, passt hier nicht.

1700

Anders stellt sich die Situation dar, wenn sich das Gefälligkeitsverhältnis zu einem (vor-)vertraglichen Verhältnis ausweitet. Alsdann sind die quasikontraktuelle bzw. die kontraktuelle Haftung zu prüfen. Infolge der Umkehr der Beweislast für das Verschulden zulasten der Gefälligkeitserbringerin darf aber ein vertragsähnlicher oder gar vertraglicher Kontext nicht ohne guten Grund angenommen werden. Die Tatsache, dass eine Gefälligkeit erbracht wird, bedeutet nicht eo ipso, dass die Gefälligkeitserbringerin quasikontraktuellen Sorgfaltsmassstäben und Beweisregeln zu genügen hat. Die Bereitschaft, eine Gefälligkeit zu erbringen, erzeugt weder ohne 37 BGE 137 III 539 E. 5.2. 38 BGE 4C.40/2004 E. 2.3 und E. 4.2; 99 II 176 E. 2a. 39 CR CO-Werro, Art. 43 N 12, spricht sich bei Art. 43 OR ebenfalls für die Möglichkeit einer Reduktion des Ersatzes bis auf die Nullgrenze aus; a.M. BK OR-Brehm, Art. 43 N 49. 40 S. hierzu auch Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, N 21. 41 BGE 137 III 539 E. 5.2 mit Hinweis auf die entsprechenden Literaturstellen.

518

§ 21

Haftung bei Gefälligkeit

Weiteres bei der Gefälligkeitserbringerin das Gefühl einer besonderen Bindung oder Verantwortung, noch ist es gerechtfertigt, dass der Gefälligkeitsnehmer angesichts der positiven Reaktion der Gefälligkeitserbringerin auf seine Bitte hin eine entsprechende Erwartung hegen dürfen soll. Oder anders: Wer will, dass ihm ein anderer für eine bestimmte Dienstleistung nach vertraglichen Sorgfaltsstandards und Beweisregeln haftet, muss ihm fairerweise einen entsprechend attraktiven Vertrag anbieten. Diese Überlegung könnte auch der Grund dafür gewesen sein, warum das Bun- 1701 desgericht die Schadenssumme, welche es der Gefälligkeitserbringerin (Bank) in einem Rat- und Auskunftsfall quasikontraktuell bzw. deliktisch gegenüber dem Bankkunden auferlegte, in Anwendung von Art. 44 OR wegen Selbstverschuldens des (geschäftskundigen) Gefälligkeitsnehmers um 75% kürzte.42

VI.

Gefälligkeit und Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR)

Das vorliegende Kapitel hat sich bis hierhin auf eine Diskussion der zwischen den 1702 beiden Parteien abgesprochenen Gefälligkeit beschränkt. Sowohl im «Holzdiebstahl-Fall»43 als auch im «Birnbaum-Fall»44 und im «Baugruben-Fall»45 lag eine «Abrede» (hier untechnisch, also ohne eine Aussage über den Rechtsbindungswillen treffen zu wollen, verwendet) der Parteien über die Vornahme der Gefälligkeit vor. Auch beim Fall, in dem das Kind in den Fluss fiel, hatten sich die Eltern mit der Nachbarin über die Beaufsichtigung «geeinigt».46

42 43 44 45

46

BGE 4C.193/2000 E. 6. BGE 48 II 487: «Am Abend […] bemerkte der Erstbeklagte, dass in seinem Walde Holz gestohlen wurde; er weckte den Kläger, der bei ihm als Melker angestellt war, und veranlasste ihn, ihn in den Wald zu begleiten, um nach den Dieben zu sehen». BGE 61 II 95: «Die Parteien bewirtschaften zwei benachbarte Bauerngewerbe. Am […] bat der Beklagte den Kläger, für ihn einen Birnbaum zu schütteln; er selbst könne wegen Schwindels nicht mehr auf Bäume steigen. Der Kläger entsprach diesem Ansuchen». BGE 129 III 181: «Am Nachmittag […] begab sich A. zum Bauernhof von B., um dort ein Kalb zu besichtigen, das er eventuell übernehmen wollte. Im Verlaufe des Besuches wurde A. von B. dazu veranlasst, ihm bei der Umplatzierung eines schweren Rundholzes behilflich zu sein. Dieses Holz stand in einer Baugruppe an die Fassade des Wohnhauses angelehnt. Es sollte mit Hilfe eines von B. gelenkten Baggers ‹Menzi Muck› bewegt werden». BGE 137 III 539: «Gleichzeitig erklärte die Mutter von A., dass sie noch rasch einkaufen wolle, wobei A. ihre Mutter nicht begleiten wollte. Umstritten ist unter den Parteien, wer vorschlug, dass die Beklagte während der Abwesenheit der Eltern auf A. aufpassen sollte». Demnach scheinen sich die Parteien zwar nicht darüber einig gewesen zu sein, von wem die Initiative ausging, doch war klar, dass sie sich auf eine Beaufsichtigung verständigt hatten.

519

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

1703

Anders als in diesen Fällen kann es aber auch sein, dass eine Gefälligkeitshandlung vorgenommen wird, ohne dass die Parteien darüber eine «Absprache» getroffen haben. Man denke z.B. an den Fall, in dem der Nachbar während der Ferien des Hauseigentümers das Kellerfenster schliesst, weil ein Sturm aufkommt und die Gefahr einer Überflutung des Kellers besteht. Solche Handlungen würden bei einer vorgängigen «Einigung» zwischen den beiden Parteien nach der heute herrschenden Lehre und Rechtsprechung als Gefälligkeitshandlung – und nicht als Auftragsverhältnis – eingestuft.

1704

Das entscheidende Abgrenzungskriterium zwischen den genannten Bundesgerichtsentscheiden und diesem Beispiel ist die Eigenmächtigkeit bei der Vornahme der Handlung.47 Eigenmacht bedeutet das Gegenteil von Einverständnis. Vom Begriff des «Einverständnisses» sind sodann nicht nur jene Fälle erfasst, in denen der Gefälligkeitsempfänger der Gefälligkeitserbringerin um die Vornahme einer Handlung bittet und dieser «zustimmt», sondern auch jene, in denen die Veranlassung von der Gefälligkeitserbringerin ausging und der Gefälligkeitsempfänger sich ausdrücklich oder auch konkludent einverstanden erklärt hat.48 Sobald also irgendeine Art von Einverständnis zwischen den Parteien vorliegt, handelt es sich in der Folge nicht mehr um eigenmächtiges Handeln.

1705

Es stellt sich somit die Frage, wie die eigenmächtig erfolgte Gefälligkeit rechtlich zu behandeln ist. Nach der hier vertretenen Auffassung ist diese nach den Grundsätzen über die GoA abzuhandeln.49 Ihre Einordnung bzw. die daraus resultierenden, beidseits möglichen Haftungsfolgen hängen alsdann davon ab, ob der altruistische Einsatz für den andern notwendig und berechtigt war oder nicht. Nur bei einem notwendigen und berechtigten Einsatz operiert die Geschäftsführerin bzw. die Gefälligkeitserbringerin nämlich im quasikontraktuellen Bereich (s. N 1604 ff.). Unberechtigte Interventionen dagegen werden extrakontraktuell abgehandelt (s. N 2143 ff.).

1706

Die echte berechtigte GoA eignet sich sowohl von der vom Gesetzgeber verlangten Interessenabwägung als auch von den von ihm vorgesehenen Rechtsfolgen her ausgezeichnet für die Lösung gefälligkeitsgenerierter Haftungsprobleme. Dies zeigt im Übrigen auch das Anleihen, welches das Bundesgericht selbst für den unentgeltlichen Auftrag schon früh bei der echten berechtigten GoA aufgenommen hat 47 48

So Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, N 6 ff. Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, N 6; so wohl auch Schmid, N 1141 und speziell N 1147 f.; s. auch Derendinger, N 21. 49 Gl.M. Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, N 10 ff. Anders Schmid, N 1143 und N 1144 ff., welcher als Abgrenzungskriterium auf die Interessenlage bzw. auf das Vorliegen eines Wiedererlangungs- oder eines Haftungswillens abstellt; Hürlimann-Kaup, N 241, die auf den Begriff der geschäftsführungsähnlichen Gefälligkeit abstellt, bei welcher es sich um eine nicht gebotene, aber zwischenmenschlich erwünschte Handlung handle; KuKo OR-Schaller, Vor Art. 419–424 N 6, wonach die Eigenmacht für die Unterscheidung zwischen Gefälligkeit und GoA nur eines von mehreren Kriterien darstelle.

520

§ 21

Haftung bei Gefälligkeit

(Art. 422 Abs. 1 OR).50 Beim Auftrag liegt dagegen nicht nur ein Wünschen, sondern ein rechtsverbindlicher Wille vor. Von Eigenmacht der Leistungserbringerin kann hier a fortiori keine Rede sein. Die Gefälligkeit, die auf einem Einverständnis der Parteien beruht, fügt sich wer- 1707 tungsmässig mindestens zum Teil genauso zwanglos wie die Gefälligkeit «ohne Auftrag» in den Schutzbereich bzw. die fein differenzierte Rechtsfolgenanordnung der GoA ein. In beiden Fällen liegt eine Leistungserbringung in fremdem Interesse vor, ohne dass jeweils ein Vertrag abgeschlossen wurde; es fehlte z.B. ein Auftrag («Geschäftsführung ohne Auftrag»). Und sowohl die Gefälligkeit mit Einverständnis wie auch die eigenmächtige Gefälligkeit können in einen Schaden zulasten der Gefälligkeitserbringerin und/oder des Gefälligkeitsempfängers münden. Im Gegensatz zur Gefälligkeit «ohne Auftrag» entfällt aber bei der Gefälligkeit «mit 1708 Einverständnis» die Frage, ob die Intervention geboten war oder nicht. Diese Frage ist insofern gegenstandslos, als ja der Gefälligkeitsempfänger die Leistung möchte und dies gegenüber der Gefälligkeitserbringerin auch zum Ausdruck bringt. Der Vorteilsempfänger, welcher eine Gefälligkeit «vereinbart», muss nach unse- 1709 rer Auffassung der Gefälligkeitserbringerin wertungsmässig mindestens in dem Umfang haften, in welchem jemand einstehen muss, dem eine Leistung ohne Einverständnis über die Vornahme derselben erbracht wird (Art. 422 Abs. 1 OR). Und wer eine Gefälligkeit erbringt, soll bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen von der Haftungserleichterung von Art. 99 Abs. 2 OR per analogiam51 bzw. Art.  43  OR52 profitieren können, wenn dies angemessen ist. Weder die Erbringerin einer Gefälligkeit «mit Einverständnis» noch einer Gefälligkeit «ohne Auftrag» muss handeln (Garantenstellung etc. vorbehalten). Insofern liegt in beiden Fällen ein «autonomer» (eigenmächtiger) Entscheid vor. Art. 422 Abs. 1 OR ist eine geradezu ideale Haftungsnorm für den angesprochenen Bereich. Er zeichnet sich dadurch aus, dass ohne Vorliegen eines Rechtsgeschäfts fremde Interessen geschützt und verfolgt werden. Dank dem Billigkeitsmassstab kann das Gericht allen Besonderheiten, welche die unterschiedlichen Konstellationen mit sich bringen, angemessen Rechnung tragen. Zusammenfassend bedeutet dies Folgendes: Erfolgt die Gefälligkeit eigenmächtig, 1710 liegt GoA vor. Sofern die Voraussetzungen der echten berechtigten GoA auf das Handeln der «Gefälligkeitserbringerin» (= Geschäftsführerin ohne Auftrag) zutreffen, ist Art. 422 Abs. 1 OR direkt anwendbar. Erleidet die Geschäftsführerin also anlässlich der altruistischen sowie gebotenen (und nicht verbotenen) Intervention einen Schaden, so ist dieser nach Art.  422 Abs.  1  OR zu ersetzen. Ist dies nicht der Fall, weil über die Vornahme der Gefälligkeit zwischen den Parteien Einmü50 S. BGE 61 II 95; 48 II 487. 51 So BGE 137 III 539 E. 5.2. 52 S. Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, N 21.

521

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

tigkeit besteht, so haftet der Gefälligkeitsempfänger für einen allfällig erlittenen Schaden der Gefälligkeitserbringerin aus Art. 422 Abs. 1 OR per analogiam.53 Der Analogieschluss ist deshalb erforderlich, weil die GoA nur auf eigeninitiiertes Handeln anwendbar ist (sog. Eigenmacht).54 Ebenfalls nur per analogiam ist Art. 422 Abs. 1 OR anwendbar, wenn beim unentgeltlichen Auftrag die Auftragnehmerin zu Schaden kommt (N 1680 ff.). 1711

Das ausschlaggebende (und verbindende) Kriterium für die (direkte oder analoge) Anwendung von Art. 422 Abs. 1 OR besteht darin, dass alle drei anspruchsberechtigten Rollenträgerinnen (Gefälligkeitserbringerin mit Einverständnis, Gefälligkeitserbringerin ohne Auftrag und Auftragnehmerin ohne Auftrag) ihre Leistung im Fremdinteresse (altruistisch) und unentgeltlich erbringen, obwohl sie je unter eine andere Rechtsfigur fallen.55

53 54 55

522

Gl.M. auch Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, N 13. Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, N 6. Dass die Abgrenzung dieser unterschiedlichen Ansprüche nicht immer einfach ist, kommt in BGE 4A_326/2008 zum Ausdruck; vgl. dazu die kritische Betrachtung bei Maissen/Purtschert/Rusch, Jusletter 9. September 2013, N 14 ff.

§ 22 Vertrauenshaftung Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N 1935 ff.; Engel, CO PG, 747 ff.; Furrer/Müller-Chen, Kap. 18 N 107 ff.; Gauch/Schluep/Schmid, N 982a ff.; Guhl/Koller, § 13 N 7; Koller, OR AT, N 28.57 ff.; Kramer/Probst, OR AT, N 117 ff.; Schwenzer, OR AT, N 52.01 ff.; Tercier/ Pichonnaz, CO PG, N 1204 ff.

Weiterführende Literatur Berger Bernhard, Verhaltenspflichten und Vertrauenshaftung, Diss. Bern 2000 (zit.: Berger, Vertrauenshaftung); Bucher Eugen, Vertrauenshaftung: Was? Woher? Wohin?, in: FS Walter, Bern 2005, 231–261 (zit.: Bucher, Vertrauenshaftung); Burg Benedict/von der Crone Hans Caspar, Vertrauenshaftung im Konzern  – Entscheid des Schweizerischen Bundesgerichts 4A_306/2009 vom 8. Februar 2010 i.S. A-Bank AG, B-Bank, C-Bank, D-Bank, E-Bank GmbH (Beschwerdeführerinnen) gegen F-Bank AG (Beschwerdegegnerin), SZW 2010, 417– 426; Eisenring Marlen, Vertrauenshaftung, ius.focus 2013 Nr. 5, 125; Emmenegger Susan, Haftungsbeschränkung und Haftungsausschluss im Vertrauenskontext, ZBJV 2005, 537–548; Feit Michael, Die Haftung des Anwalts gegenüber Dritten für eine Third Party Legal Opinion, Diss. Zürich 2007; Loser Peter, Die Vertrauenshaftung im schweizerischen Schuldrecht, Habil. Bern 2006; Sommer Ueli, Vertrauenshaftung, Anstoss zur Neukonzeption des Haftpflicht- und Obligationenrechts?, AJP 2006, 1031–1041; Walter Hans Peter, Die Vertrauenshaftung: Unkraut oder Blume im Garten des Rechts?, ZSR 2001 I, 79–100 (zit.: Walter, ZSR 2001 I); Walter Hans Peter, La responsabilité fondée sur la confiance dans la jurisprudence du Tribunal fédéral, in: Chappuis Christine/Winiger Bénédict (Hrsg.), La responsabilité fondée sur la confiance – Vertrauenshaftung, Zürich 2001, 147–161 (zit.: Walter, Vertrauenshaftung); Walter Hans Peter, Vertrauenshaftung im Umfeld des Vertrags, ZBJV 1996, 273–295 (zit.: Walter, ZBJV 1996); Wyss Evelyne/von der Crone Hans Caspar, Haftung für Auskunft – Entscheid des Schweizerischen Bundesgerichts 4C.193/2000 vom 26. September 2001 i.S. A. (Kläger und Berufungskläger) gegen Bank X. (Beklagte und Berufungsbeklagte), SZW 2002, 112–119.

I.

Begriff

Unter dem Oberbegriff der Vertrauenshaftung i.w.S.  werden alle Fälle zusammengefasst, bei denen der Schädiger Ersatz für den Schaden zu leisten hat, welcher der Geschädigten infolge der treu- und glaubenswidrigen Enttäuschung berechtigter Erwartungen entstand.

523

1712

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

1713

Bei der Vertrauenshaftung i.e.S. betätigen sich der Schädiger und die Geschädigte in der Regel in einem vertragsnahen Umfeld, ohne aber rechtsgeschäftlich miteinander verbunden zu sein. Damit wird auch begründet, warum der Schadenersatz nicht aus Delikt, sondern aus Quasivertrag zu leisten ist.

1714

Vertrauen i.w.S.  kann innerhalb eines Vertrages, im vertragsnahen Umfeld, aber auch ausserhalb eines vertraglichen Kontexts enttäuscht werden. Insofern kann man in allen drei Bereichen von Vertrauenshaftung sprechen, sofern aufgrund enttäuschten Vertrauens ein Schaden überwälzbar sein soll. Dabei variieren die Voraussetzungen für die Haftung: Je vertragsferner Vertrauen enttäuscht wird, umso strenger sind die Voraussetzungen. Das sieht man etwa am Beispiel der Haftung für falschen Rat und unvollständige Auskunft. Je nach Konstellation wird das Vertrauen in die Brauchbarkeit der entsprechenden Information oder Expertise innerhalb eines Vertrages (kontraktuell), vertragsnah (quasikontraktuell) oder vertragsfern (extrakontraktuell) verletzt. Klar ist, dass am strengsten haftet, wer sich – unter Umständen auch entgeltlich  – dazu verpflichtet hat, kompetent und wahrheitsgetreu zu informieren. Und ebenso einleuchtend ist, dass nur ganz zurückhaltend (wenn überhaupt) zur Haftung gezogen werden darf, wer die Geschädigte gar nicht persönlich kannte.

1715

Das Bundesgericht begann noch vor der Jahrtausendwende damit, die Rechtsfigur der Vertrauenshaftung aus der culpa in contrahendo (cic) heraus auf weitere Konstellationen auszudehnen, in welchen es von einer nicht vertraglichen, aber gleichwohl besonderen Verbindung («rechtliche Sonderverbindung») zwischen Geschädigter und Schädiger ausging.1 Der Sichtweise des Bundesgerichts liegt die (unausgesprochene) Prämisse zugrunde, dass eine solche Sonderverbindung ein «gesetzliches Schuldverhältnis» kreiert. Das gilt nach neuester Rechtsprechung mindestens für jene Fälle, in welchen z.B. wegen Unzumutbarkeit kein privatautonomes (willentliches) Rechtsgeschäft hätte abgeschlossen werden können (s. N 1747 ff.). Die Konsequenz aus einer Sonderverbindung besteht darin, dass im Schadensfall der Schädiger der Geschädigten gegenüber wie aus einem Vertrag haften soll. Das Bundesgericht behält sich indessen auch in diesen Situationen vor, den vertragsähnlichen Haftungsanspruch deliktisch verjähren zu lassen (Art. 60 OR).2 Die Sonderverbindung wird im Übrigen nicht zum Zweck angenommen, ein Schuldverhältnis i.w.S.  zu schaffen. Diese Konstruktion dient lediglich dazu, eine einzelne Obligation, nämlich einen Schadenersatzanspruch, zu generieren. Insofern geht es nur um ein Schuldverhältnis i.e.S. Dies ist denn auch der Grund dafür, warum vorliegend sowohl der Begriff der rechtlichen Sonderverbindung wie auch jener des gesetz1

BGE 133 III 449 E. 4.1; 131 III 377 E. 3 = Pra 2006 Nr. 31; 130 III 345 E. 2.1; 4C.280/1999 E. 3a; 124 III 297 E. 6a; 121 III 350 E. 6c = Pra 1996 Nr. 168; 120 II 331 E. 5a. 2 BGE 134 III 390 E. 4.3.3.

524

§ 22

Vertrauenshaftung

lichen Schuldverhältnisses als überdimensioniert und wenig aussagekräftig abgelehnt werden. Als bekannteste Entscheide aus der Serie der schweizerischen Vertrauenshaftungs- 1716 fälle dürfen noch immer der «Swissair-Fall»3 und der kurze Zeit später ergangene «Ringer-Fall»4 gelten. Beide Entscheide haben in der Lehre kontrovers geführte Debatten ausgelöst. Im «Swissair-Fall» bejahte das oberste Gericht erstmals die Haftung aus erwecktem 1717 Konzernvertrauen der (damaligen) Muttergesellschaft Swissair gegenüber einem Vertragspartner ihrer damaligen Tochtergesellschaft IGR (beide existieren heute nicht mehr). Im Wesentlichen hatte die unterdotierte IGR in ihren Kommunikationsunterlagen den Anschein einer engen Verbindung zu ihrer Muttergesellschaft erweckt. Als die IGR schliesslich in Konkurs fiel und ihre Geschäftspartner zu Schaden kamen, wurde die Swissair haftbar, weil das Bundesgericht ihr das Dulden der vertrauenserweckenden Erklärungen ihrer Tochter zum (folgenreichen) Vorwurf machte. Mit dem Dulden der irreführenden Angaben auf dem Briefpapier der Tochterge- 1718 sellschaft etc. schuf die Swissair, ohne dies zu wollen, einen Anschein, der zu einer «rechtlichen Sonderverbindung»5 mit einem ihr unbekannten, auf ihre Angaben vertrauenden Kunden ihrer Tochter führte. «Auch Werbeaussagen können berechtigte Erwartungen wecken und damit haftungsrechtliche Bedeutung erlangen»6. Und weiter: «Wenn Erklärungen der Konzern-Muttergesellschaft bei Geschäftspartnern der Tochtergesellschaft in dieser Weise Vertrauen hervorrufen, so entsteht […] eine dem Vertragsverhandlungsverhältnis vergleichbare rechtliche Sonderverbindung»7. Der «Ringer-Fall» sodann handelte von einem Amateurringer, der vom Schweizeri- 1719 schen Amateurringerverband für die Teilnahme an der Weltmeisterschaft selektioniert und hernach noch vor seinem Einsatz wieder zurückgerufen wurde. Der Ringer machte in der Folge eine Schadenersatzforderung gegen den Schweizerischen Amateurringerverband geltend, da er im Vertrauen auf die Selektion zur Weltmeisterschaft unbezahlten Urlaub genommen hatte. Das Bundesgericht schützte seinen Anspruch, weil er aufgrund des erweckten – und dann treuwidrig enttäuschten – Vertrauens Vermögensdispositionen vorgenommen hatte. Auch hier begründete eine ex lege entstandene «relation particulière» die Haftung des Amateurringerverbands gegenüber dem Ringer.8

3 4 5 6 7 8

BGE 120 II 331. BGE 121 III 350 = Pra 1996 Nr. 168. BGE 120 II 331 E. 5a. BGE 120 II 331 E. 2. BGE 120 II 331 E. 5a. BGE 121 III 350 E. 6c = Pra 1996 Nr. 168.

525

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

1720

Seither hat das Bundesgericht die Voraussetzungen der Vertrauenshaftung anhand weiterer Entscheide konkretisiert.9 Ein Teil der Lehre steht dieser Praxis kritisch gegenüber.10 Oft wird aber nicht das Ergebnis als solches, sondern vor allem die Begründung kritisiert.11

1721

Vor 2007 kamen nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung für eine Anwendung der Vertrauenshaftung alle Konstellationen infrage, in welchen jemand verlangte, dass ihm gegenüber aus einer rechtlichen Sonderverbindung heraus gehaftet werden müsse, weil er sich berechtigterweise auf das Verhalten eines andern verlassen habe, darin aber treuwidrig enttäuscht worden sei.

1722

Seit 2007 setzt das Bundesgericht neu voraus, dass es für die Geschädigte aufgrund der Machtverhältnisse oder Abhängigkeiten unmöglich oder unzumutbar gewesen sein muss, die «rechtliche Sonderverbindung» in eine (privatautonom gewollte) Vertragsbeziehung zu überführen, also die ex lege-Beziehung zum Schädiger vertraglich abzusichern (s. N 1747 ff.), und ihr der Verzicht auf dieses Geschäft auch nicht zumutbar war.12 «Die Erwartung, dass ohne vertragliche Verpflichtung eine Leistung erbracht werde, [ist] grundsätzlich nicht schützenswert»13. Ob das genannte Zusatzerfordernis das Potenzial dazu hat, die Zahl der Vertrauenshaftungsfälle sinnvoll zu steuern, wird sich noch weisen müssen. Ausserdem ist auch noch nicht ganz klar, ob das Bundesgericht dieses Zusatzerfordernis auf alle Vertrauenshaftungskonstellationen oder nur auf einzelne Fallgruppen anwenden wird. Falls die Geschädigte in jedem Fall, in welchem sie eine Vertrauenshaftung verlangt, darlegen muss, warum sie keinen entsprechenden Vertrag abgeschlossen hat, würde in der Folge eine Konzeption von Vertrauenshaftung, wie sie etwa das öffentliche Recht kennt, kaum mehr bejaht werden können.

1723

Sachlich gesehen stellte das Bundesgericht in den letzten Jahren also neue Kriterien für die Anwendbarkeit der Vertrauenshaftung auf, die bisweilen ad hoc kumulativ zu den bestehenden hinzutraten14, oder es hob den Standard für die bereits bestehenden Anforderungen an15. Man könnte insofern auch von einer unbestimmten Anzahl beweglicher Grenzen sprechen: Schutz sollte nur finden, «wessen berechtigtes Vertrauen missbraucht wird»16. Zeitlich betrachtet versucht das Bundesgericht die weitreichenden Folgen einer allzu extensiven Vertrauenshaftung auch über die 9 Zur jüngsten Rechtsprechung s. BGE 142 III 84 E. 3.3 und BGE 4A_565/2012 je m.w.N. sowie die Kasuistik bei CHK OR-Furrer/Wey, Art. 97–98 N 14. 10 Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 4 N 22 ff.; Schwenzer, OR AT, N 52.03. 11 S. Schwenzer, OR AT, N 52.03; kritisch dazu Bucher, Vertrauenshaftung, 247. 12 BGE 133 III 449 E. 4.1. 13 BGE 4A_306/2009 E. 5.1. 14 So in BGE 133 III 449 E. 4.1; bestätigt in BGE 4A_306/2009 E. 5.4.1. 15 So in BGE 124 III 297 E. 6a. 16 BGE 4A_306/2009 E. 5.1. In BGE 133 III 449 E. 4.1 (bestätigt in BGE 142 III 84 E. 3.3) betonte das Bundesgericht, «dass die Vertrauenshaftung keinesfalls zu einer Haftung gegenüber jedermann ausufern und die Anerkennung dieser Haftungsgrundlage nicht dazu führen darf, dass das Rechtsinstitut des Vertrags ausge-

526

§ 22

Vertrauenshaftung

kurze Verjährungsfrist des Deliktsrechts zu steuern: Betreffend die Verjährung hält das Bundesgericht wie bei der cic-Haftung an der Anwendung der deliktischen Haftungsmodalitäten fest (Art. 60 OR).17 Gemäss der schweizerischen Lehre umfasst die Vertrauenshaftung z.B. die Haftung 1724 aus erwecktem Konzernvertrauen, die Haftung für Patronatserklärungen, die Auskunftshaftung sowie die Dritthaftung.18 Nach der hier vertretenen Ansicht werden zu viele und zu unterschiedliche Tat- 1725 bestände unter den Schirm der Vertrauenshaftung gepackt. Der Rechtssicherheit und der Kohärenz der Rechtsordnung ist dies nicht förderlich. Es ist, als ob in der aktuellen Wahrnehmung die alten Grenzen von Vertrag und Delikt nicht mehr geschmeidig aneinander anzuschliessen vermögen, sondern sich eine Schutzlücke dazwischenschiebt, die man durch quasikontraktuelle Tatbestände auszufüllen versucht. Statt in dieser Situation weiterhin den bottom up-approach zu pflegen, versucht das Bundesgericht bisweilen mittels der Vertrauenshaftung top down den ganzen Bereich zwischen Delikt und Vertrag in eine einzige Rechtsfigur zu verpacken. Dieses Thema müsste de lege ferenda aufgegriffen werden. Die Grenzen sind neu 1726 passgenau zu legen: Das Niemandsland des Quasikontrakts wäre nach Möglichkeit zu beseitigen oder, falls dies nicht tunlich ist, auf das notwendige Minimum zu reduzieren.

II.

Rechtsnatur

Die Vertrauenshaftung i.e.S. begründet nach der hier vertretenen Meinung punk- 1727 tuell quasivertragliche Ansprüche.19 Sie stützt sich auf Art. 2 Abs. 1 ZGB. Diesem Artikel kann (muss aber nicht) mittels Ausschöpfung des rechtsmethodischen Arsenals entnommen werden, dass einzelfallweise auch ausserhalb eines Vertrages aus Treu und Glauben Pflichten resultieren, deren Verletzung quasikontraktuell zur Leistung von Schadenersatz führen kann.

höhlt wird […]. Das Bundesgericht knüpft die Haftung aus erwecktem und enttäuschtem Vertrauen daher an strenge Voraussetzungen». 17 BGE 141 V 127 E. 2; 134 III 390 E. 4.3.3. Das neue, revidierte Verjährungsrecht, welches am 1. Januar 2020 in Kraft tritt, löst die Problematik der unterschiedlich langen Verjährungsfristen im Delikts- und Vertragsrecht nicht. Im Deliktsrecht gilt neu eine dreijährige relative Frist (Art.  60 Abs.  1 revOR); die zehnjährige Frist von Art. 127 OR bleibt dagegen unverändert. Einzig die Verjährungsfristen für Forderungen aus Körperschäden werden vereinheitlicht. Für solche Forderungen ist sowohl im Delikts- wie auch im Vertragsrecht eine dreijährige relative bzw. eine zwanzigjährige absolute Verjährungsfrist vorgesehen (Art. 60 Abs. 1bis und Art. 128a revOR); s. zum Ganzen BBl 2018 3537 ff., 3537 f. 18 Feit, N 282 m.w.N. 19 Gl.M. Walter, ZSR 2001 I, 99.

527

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

1728

In der Regel handelt es sich dabei um Pflichten, die im Rahmen eines Vertrages als sekundäre oder nicht selbständig einklagbare Nebenpflichten bezeichnet werden, weil sie lediglich zu Schadenersatzansprüchen, nicht aber zu Ansprüchen auf die Primärleistung führen (s. N 102 f.). Ersatzansprüche sollten indessen nach der hier vertretenen Meinung auch im ausservertraglichen Bereich nicht in erster Linie auf enttäuschtes Vertrauen, sondern auf verletzte Pflichten gestützt werden. Insofern ist nicht die Erwartungshaltung der Geschädigten, sondern das Verhalten und der Horizont des Schädigers zentral.

1729

Handelt es sich um eine Haftung aus Gefälligkeit (worum es in der Regel geht, wenn ausserhalb eines Vertrages unentgeltlich ein Rat oder eine Auskunft erteilt wird) oder aus GoA (hier werden allfällige Schadenersatzansprüche aus den Pflichten abgeleitet, welche im Zusammenhang mit einer altruistischen Intervention entstehen), so ist bei der Beurteilung der Frage, ob ein Schadenersatzanspruch gegeben ist, zunächst bei diesen Figuren anzusetzen (s. N 1662 ff., N 1604 ff.). Das Gleiche gilt, wenn jemand im Rahmen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten eines Dritten (s. N 1567 ff.) einen Schadenersatzanspruch stellt. Werden konsequent die spezifischeren quasikontraktuellen Figuren geprüft, bevor ein Anspruch in das Auffanggefäss der Vertrauenshaftung gelegt wird, wird sich deren allzu heteronomer und unübersichtlicher Anwendungsbereich wie von allein verkleinern.

1730

Das Bundesgericht platziert die Haftung «aus erwecktem Vertrauen» zwischen Vertrag und Delikt.20 Wenn es von Vertrauenshaftung spricht, meint es in der Regel die Vertrauenshaftung i.e.S. Auch dieses Kapitel befasst sich nur mit der quasivertraglichen Vertrauenshaftung. Aber selbst wenn man den kontraktuellen und den extrakontraktuellen Anwendungsbereich der Vertrauenshaftung beiseitelässt und nur den Bereich zwischen Vertrag und Delikt ins Visier nimmt, handelt es sich auch bei diesem Residuum noch immer um eine recht unübersichtliche Haftungskategorie.

1731

Im Übrigen bezeichnet das Bundesgericht die Vertrauenshaftung als Oberbegriff für die cic: Mit der Anerkennung der Vertrauenshaftung wird die cic-Haftung auf Konstellationen ausgedehnt, in denen ein Rechtssubjekt dem Verhalten eines anderen Rechtssubjekts in einer Art und Weise Vertrauen schenkt, die durch den Grundsatz von Treu und Glauben abgedeckt ist. Eine vertragliche Bindung ist nicht erforderlich.21

1732

Neu muss die Geschädigte aber zusätzlich zeigen können, warum sie keinen Vertrag abgeschlossen hat, um ihr Vertrauen mindestens teilweise in Kontrolle zu überführen. Die Erwartung, dass ohne vertragliche Verpflichtung eine Leistung erbracht 20 21

528

BGE 142 III 84 E. 3.3; 4A_565/2012 E. 2.3; 4A_306/2009 E. 5.1; 134 III 390 E. 4.3.2; 131 III 377 E. 3 = Pra 2006 Nr. 31, gestützt auf Walter, Vertrauenshaftung, 151 ff. BGE 120 II 331 E. 5a.

§ 22

Vertrauenshaftung

werde, so das Bundesgericht mit Loser (s. N 1747), ist nämlich grundsätzlich nicht schützenswert.22 Mit dieser Aussage nähert sich das Bundesgericht dem hier präferierten Lösungs- 1733 ansatz, wonach ohne Konstruktion einer Pflicht kein Ersatz geschuldet sein kann. Hinzuzufügen ist, dass es ausserhalb eines Vertrages keine allgemeine Pflicht geben kann, das Vertrauen anderer Menschen nicht zu enttäuschen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Vertrauensbildung anderer Menschen nur schwer steuerbar ist. Die Vertrauenshaftung soll nach der hier vertretenen Ansicht jedenfalls nur dann 1734 greifen, wenn eine spezifischere quasikontraktuelle Schutzfigur fehlt (cic, Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, echte berechtigte GoA, Gefälligkeitshaftung etc.). Oft ist die Tatsache der Bildung und Enttäuschung von Vertrauen nämlich gerade 1735 nicht der spezifische Auslöser für die quasikontraktuelle Haftung. Vertrauen wird vor allem im Rahmen eines Vertrages geschützt. Ausserhalb eines Vertrages ist Kontrolle besser. Hinzu kommt, dass ein expansiver Vertrauensschutz auch zu einer Beeinträchti- 1736 gung von Persönlichkeitsrechten und der Privatautonomie führen kann. Der Einzelne soll seiner Persönlichkeit und seinen Präferenzen im Regelfall Ausdruck verleihen dürfen, ohne dass jemand anderer daraus das (ausservertragliche) Recht ableiten können soll, auf Konsistenz, Kompetenz und Nachhaltigkeit des Verhaltens eines in die Schadenersatzpflicht genommenen Menschen zu beharren. Wer dazu bereit ist, sich belasten zu lassen, tut das in der Regel freiwillig dadurch, 1737 dass er einen Vertrag schliesst. Beispielsweise vereinbart der Gutachter mit dem Ratsuchenden, zu welchen Bedingungen und in welchem Rahmen er diesem sein Können zur Verfügung stellt. Die quasikontraktuelle Haftung gilt darum zu Recht auch als subsidiär.23

III.

Voraussetzungen

Die Voraussetzungen für die Vertrauenshaftung sind offener formuliert als jene für 1738 die cic. Die cic gilt nach dem Bundesgericht aber als ein Anwendungsfall der Vertrauenshaftung.24 Man könnte neu auch davon sprechen, dass die Anzahl der Voraussetzungen für die Vertrauenshaftung aufgebrochen wurde und nun nach oben offen ist. Macht z.B. jemand hinsichtlich der Erhöhung eines Hypothekarkredits ein 22 BGE 4A_306/2009 E. 5.1; 133 III 449 E. 4.1 m.w.N.; Loser, N 971. 23 BGE 131 III 377 E. 3; Walter, ZBJV 1996, 294. 24 BGE 4C.193/2000 E. 5.

529

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

Gutachten über ein Haus, muss er nicht damit rechnen, dass ein ihm unbekannter Dritter dieses Gutachten später in einem ganz anderen Zusammenhang verwenden wird. Auch muss er nicht antizipieren, dass jede zufällig mit dem Gutachten in Berührung kommende Person daraus Ansprüche gegen ihn ableitet (Haftung gegenüber jedermann).25 Die Problematik besteht darin, dass insbesondere «Näheverhältnis» und «enttäuschtes Vertrauen» dehnbare Begriffe darstellen. Um den Anwendungsbereich der Vertrauenshaftung nicht ausufern zu lassen, ist darum bei der Prüfung der Voraussetzungen ein strenger Massstab26 anzulegen. Die Geschädigte kann einen Anspruch aus Vertrauenshaftung geltend machen, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: • Nach dem Bundesgericht und der herrschenden Lehre müssen sich Schädiger und Geschädigte in einer «rechtlichen Sonderverbindung» miteinander befinden. In der Regel äussert sich dies darin, dass die genannten Personen im vertragsnahen Umfeld operieren oder sich zueinander oder zu einem Vertragspartner des Schädigers in einem Näheverhältnis befinden (s. N 1739 ff.); • in BGE 133 III 449 formulierte das Bundesgericht zum ersten Mal die zusätzliche Voraussetzung, wonach ein Vertragsschluss aufgrund bestehender Machtverhältnisse oder Abhängigkeiten de facto unmöglich und der «Verzicht» auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts unzumutbar war. Diese Voraussetzung lautet also auf Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit des Eingehens eines Vertrages, welcher das entsprechende Risiko absichert (s. N 1747 ff.); • der Schädiger begründet durch sein Verhalten bei der späteren Geschädigten schutzwürdiges Vertrauen (s. N 1750 ff.); • dieses Vertrauen wird objektiv betrachtet treuwidrig enttäuscht, was dem Schädiger auch subjektiv zum Vorwurf gemacht werden kann (s. N 1756 f.); • die Geschädigte erleidet einen Schaden (s. N 1758), weil sie sich gutgläubig auf das (scheinbar) kompetente und konsistente Verhalten des Schädigers verlassen bzw. gestützt darauf disponiert hat; • der Schaden ist die adäquat kausale Folge des Verstosses gegen Treu und Glauben (s. N 1758).

1. 1739

«Rechtliche Sonderverbindung» bzw. Näheverhältnis?

Voraussetzung für einen quasikontraktuellen Schadenersatzanspruch aus Vertrauenshaftung ist gemäss Bundesgericht, dass die Beteiligten «in besonderer Nähe zueinander stehen, wobei sie einander gegenseitig Vertrauen gewähren und Vertrauen in Anspruch nehmen. Aus dieser rechtlichen Sonderverbindung erge25 26

530

BGE 130 III 345 E. 3.2. S. auch BGE 142 III 84 E. 3.3 m.w.N.: «Das Bundesgericht knüpft die Haftung aus erwecktem und enttäuschtem Vertrauen […] an strenge Voraussetzungen».

§ 22

Vertrauenshaftung

ben sich aus Treu und Glauben hergeleitete Schutz- und Aufklärungspflichten.»27 Von der deliktsrechtlichen Konstellation unterscheidet sich dieses Näheverhältnis dadurch, dass es sich dabei nicht um einen «zufälligen und ungewollten Zusammenprall» beliebiger Personen handelt.28 Anders als im Deliktsrecht dürfen die Parteien also nicht lediglich zufällig und ungewollt aufeinandertreffen.29 Demzufolge können aus einem Näheverhältnis auch keine Pflichten erga omnes entstehen, sondern es bleibt bei der Relativität solcher Pflichten. Nach dem Bundesgericht bildet die «rechtliche Sonderverbindung» die Vorausset- 1740 zung dafür, aus Treu und Glauben (Art. 2 Abs. 1 ZGB) hergeleitete Schutz- und Aufklärungspflichten greifen zu lassen: «Die Haftung aus erwecktem und enttäuschtem Vertrauen setzt voraus, dass die Beteiligten in eine so genannte ‹rechtliche Sonderverbindung› zueinander getreten sind, welche erst rechtfertigt, die aus Treu und Glauben (Art. 2 ZGB) hergeleiteten Schutz- und Aufklärungspflichten greifen zu lassen»30. Diese Formulierung ist insofern etwas irreführend, als der Ausdruck «InVerbindung-Treten» zu Unrecht eher auf eine vertragliche als auf eine gesetzliche Anknüpfung der entsprechenden Pflichten deutet. Weitere Beispiele aus der bundesgerichtlichen Praxis: Rechtliche Sonderverbin- 1741 dungen wurden bejaht zwischen einem Sportler und seinem Verband hinsichtlich der Zusicherung der Qualifikation für die Weltmeisterschaft («Ringer-Fall»)31, zwischen einer Bank und einem mit ihr vertraglich nicht verbundenen Anleger für Auskünfte über die Seriosität einer Geldanlage bei Kunden der Bank32 und zwischen einer (bezogenen) Bank und einer Wechselinhaberin bezüglich der Korrektheit ausgestellter Wechsel33. Weiss oder muss der Fachmann damit rechnen, dass sein Gutachten an eine – ihm unter Umständen gänzlich unbekannte – Drittperson weitergegeben wird, so tritt er in eine mittelbare Beziehung zu ihr; nach Auffassung des Bundesgerichts besteht damit eine rechtliche Sonderverbindung.34 In einem entsprechenden Fall wurde eine Haftung jedoch verneint, weil es für den entsprechenden Experten im konkreten Fall nicht voraussehbar gewesen war, dass sein für die Erhöhung einer Hypothek angefertigtes Gutachten zwei Jahre später im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Liegenschaft wiederverwendet werden würde. Wertungsmässig stellt das Näheverhältnis das Pendant zu den vorvertraglichen Ver- 1742 handlungen der cic-Haftung dar. Während aber bei der cic-Haftung die Parteien in einem unmittelbaren Kontakt miteinander stehen, erachtet das Bundesgericht 27 28 29 30 31 32 33 34

BGE 4C.193/2000 E. 5 unter Berufung auf BGE 120 II 331 E. 5a. Vgl. BGE 4C.193/2000 E. 5. BGE 130 III 345 E. 2.2; 128 III 324 E. 2.2; 4C.280/1999 E. 3a; s. auch Berger, Vertrauenshaftung, 77. BGE 130 III 345 E. 2.2 unter Berufung auf BGE 120 II 331 E. 5a; s. auch BGE 142 III 84 E. 3.3. BGE 121 III 350 E. 6d = Pra 1996 Nr. 168. BGE 4C.193/2000 E. 5. BGE 128 III 324 E. 2.4. BGE 130 III 345 E. 2 und E. 3; zur Rechtslage bei Third Party Legal Opinions Feit, N 384 ff.

531

2. Kapitel

Quasivertragliche Ansprüche

einen solchen bezüglich der Vertrauenshaftung als nicht zwingend notwendig: Im «Swissair-Fall» hat es das erforderliche Näheverhältnis zwischen der Muttergesellschaft und den Geschäftspartnern ihrer Tochtergesellschaft nur schon gestützt darauf bejaht, dass die Muttergesellschaft den Anschein nicht beseitigt hatte, für die Solvenz ihrer Tochtergesellschaft einzustehen.35 1743

Und im bereits erwähnten Fall, in welchem ein Experte gegenüber Dritten für ein Gutachten im Zusammenhang mit einer Liegenschaft hätte haften sollen, hielt das Bundesgericht fest: «Ein unmittelbarer Kontakt zwischen Ansprecher und Schädiger ist […] nicht unabdingbar. Es genügt, dass die in Anspruch genommene Person explizit oder normativ zurechenbar kundgetan hat, für die Richtigkeit bestimmter Äusserungen einzustehen und der Ansprecher im berechtigten Vertrauen darauf Anordnungen getroffen hat, die ihm zum Schaden gereichten.»36

1744

Der Begriff der «rechtlichen Sonderverbindung»37 wie auch jener des Näheverhältnisses sind so intransparent und inhaltsleer, dass nach der hier vertretenen Ansicht weder der entsprechenden Terminologie zu folgen noch die «rechtliche Sonderverbindung» oder das Näheverhältnis als unabdingbare Voraussetzung für das Vorliegen einer Vertrauenshaftung anzusehen sind. Der Begriff der «rechtlichen Sonderverbindung» wird hier im Übrigen auch deshalb abgelehnt, weil es zur Begründung einer einzelnen Obligation (der Schadenersatzpflicht) keines Schuldverhältnisses i.w.S. bzw. eines quasivertraglichen Äquivalents bedarf.

1745

Ob ein Verhalten pflichtbegründend wirkt, kann nach unserer Meinung nicht aus einer «rechtlichen Sonderverbindung» bzw. einem wie auch immer gearteten Näheverhältnis abgeleitet werden. Bei genauerer Lektüre der bundesgerichtlichen Entscheide zeigt sich im Übrigen, dass das Bundesgericht zwar formal auf dem Vorliegen einer «rechtlichen Sonderverbindung» beharrt, diese Voraussetzung aber materiell für durchaus verzichtbar anschaut. Das zeigen sowohl BGE 120 II 331 («Swissair-Fall») wie auch BGE 135 III 345 («Liegenschaftschätzungs-Fall»). In beiden Fällen ging es nur darum, ob seitens des Schädigers eine «belastbare» Kundgabe stattgefunden hatte, ob seitens der Geschädigten ein damit korrespondierendes Vertrauen begründet werden durfte und ob dies für den Schädiger hätte erkennbar sein müssen.38

1746

Die Analyse der zur Vertrauenshaftung ergangenen Entscheide zeigt im Übrigen, dass die rechtliche Sonderverbindung nicht nur eine leere Hülse, sondern überdies

35 BGE 120 II 331 E. 5a. 36 BGE 130 III 345 E. 2.2 unter Berufung auf BGE 120 II 331 E. 5a; s. dazu Sommer, AJP 2006, 1036. Bestätigt in BGE 142 III 84 E. 3.3, in welchem das Bundesgericht aber ein normativ zurechenbares Verhalten der Zertifizierungsstelle, welche für den Verlust des Anlegers hätte einstehen sollen, ablehnte (E. 3.5). 37 BGE 142 III 83 E. 3.3; 4C.193/2000 E. 5; Loser, N 88 und N 174 ff. 38 S. auch BGE 142 III 83.

532

§ 22

Vertrauenshaftung

ein Kriterium ist, dessen Bejahung oder Verneinung durch ein Gericht im Einzelfall nicht prognostizierbar ist.

2.

Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit eines Vertragsschlusses?

In BGE 133 III 449 ist das Bundesgericht erstmals Losers Ansicht gefolgt, wonach 1747 die Erwartung, dass der Partner eine Leistung ohne vertragliche Verpflichtung erbringe, grundsätzlich nicht schützenswert sei, da es dem Vertrauenden in aller Regel zumutbar sei, sich durch einen entsprechenden Vertragsschluss abzusichern.39 Das Vertrauen sei nur ausnahmsweise schutzwürdig, «namentlich wenn der Vertragsschluss auf Grund der bestehenden Machtverhältnisse oder der Abhängigkeit des Vertrauenden faktisch nicht möglich ist und dem Vertrauenden gleichzeitig der Verzicht auf das Geschäft bzw. auf die Geschäftsbeziehung nicht zugemutet werden kann»40. Diese Voraussetzung für die Vertrauenshaftung tritt nun neu kumulativ zu den 1748 anderen hinzu.41 Das Bundesgericht schränkt damit den von ihm früher weit definierten Anwen- 1749 dungsbereich der Vertrauenshaftung erheblich ein. Die Fälle, in denen eine Zwangslage der vertrauenden Partei zu bejahen ist, sind von besonderen Konstellationen abhängig und werden wohl eher selten anzutreffen sein. Insbesondere bei business to business-Verhältnissen wird die Vertrauenshaftung inskünftig wohl eher selten zur Haftungsbegründung herangezogen werden, da ein Machtgefälle unter Geschäftsleuten, das heisst eine Situation, in der die wirtschaftliche Existenz eines Unternehmens von einer einzigen Vertragsbeziehung abhängt, die Ausnahme darstellt.42 Sodann ist diese neue Voraussetzung insofern unzweckmässig, als sie sich logisch im Kreis dreht. Denn jemand, der gutgläubig vertraut, sieht keine Notwendigkeit, sich vertraglich abzusichern, und jemand, der eine vertragliche Absicherung erwägt, vertraut nicht ohne entsprechendes Fundament. Überdies ist die Situation, in der eine Person, die aufgrund eines Machtgefälles in einer Zwangslage ist, kein Anwendungsfall der Vertrauenshaftung.43

39 40 41 42 43

BGE 133 III 449 E. 4.1; bestätigt in BGE 4A_306/2009 E. 5.4.1; Loser, N 971; s. die berechtigte Kritik zu dieser Voraussetzung bei Burg/von der Crone, SZW 2010, 425 f. BGE 133 III 449 E. 4.1. So explizit BGE 4A_306/2009 E. 5.4.1. S. zum Ganzen Burg/von der Crone, SZW 2010, 417 ff., insbesondere 425 f. Gl.M. BK OR-Müller, Einl. in das OR N 341.

533

2. Kapitel

3.

Quasivertragliche Ansprüche

Begründung schutzwürdigen Vertrauens

1750

Innerhalb dieses Näheverhältnisses erweckt der Schädiger durch sein Verhalten (z.B. Zusage oder Auskunft) bei der Geschädigten konkrete und bestimmte Erwartungen.44 Die Geschädigte darf nach Treu und Glauben (Art. 2 Abs. 1 ZGB) darauf vertrauen, dass diese Erwartungen erfüllt werden. Dabei muss sich der Schädiger seines vertrauenserweckenden Verhaltens bewusst sein oder es muss ihm dies nach dem Vertrauensprinzip normativ zugerechnet werden können.45

1751

Häufig wird die Geschädigte aufgrund des Verhaltens des Schädigers Vermögensdispositionen vornehmen.46 Darin ist regelmässig ein Indiz für die Schutzwürdigkeit von Vertrauen zu erblicken.47 Doch sei hier herausgestrichen, dass nur berechtigtes Vertrauen schutzwürdig ist. Die Haftung muss entfallen, wenn die Geschädigte die unsichere Situation erkannte oder bei gebotener Sorgfalt hätte erkennen können. Ausserdem ist auch in Rechnung zu stellen, ob sich die Geschädigte mit vernünftigem Aufwand gegen das Risiko hätte absichern können, ob sie z.B. eine second opinion hätte einholen sollen.

1752

Schutzwürdig ist weiter nur jenes Vertrauen, welches bei der Geschädigten infolge des Verhaltens des Schädigers erweckt wurde. Hingegen verdient keinen Schutz, «wer bloss Opfer seiner eigenen Unvorsichtigkeit und Vertrauensseligkeit oder der Verwirklichung allgemeiner Geschäftsrisiken wird»48.

1753

Nach Emmenegger wirkt im Übrigen eine Erklärung des Geschäftspartners, er wolle nicht haften (sog. Enthaftungserklärung), vertrauenszerstörend, das heisst, der andere Partner ist in seinem Vertrauen alsdann nicht (mehr) zu schützen.49

1754

In diesem Zusammenhang ist auch der «Motor-Columbus-Fall» zu nennen.50 Als Grund für ihre Vertrauensbildung in das Konzernverhalten der Muttergesellschaft machte die Klägerin namentlich geltend, auf dem Briefpapier der Tochtergesellschaft sei der Hinweis «ein Unternehmen der Telecolumbus-Gruppe» aufgedruckt gewesen und in den Werbeunterlagen sei die Tochtergesellschaft als ein «schnellwachsendes Unternehmen der Telecolumbus-Gruppe» vorgestellt worden.51 Aus nur allgemeinen Hinweisen auf die Zugehörigkeit zu einem Konzern darf dagegen in guten Treuen keine Zusicherung für die allfällige Haftung der Muttergesellschaft abgeleitet werden. Die Muttergesellschaft muss mit ihrem Verhalten hinreichend

44 45 46 47 48 49 50 51

534

BGE 142 III 84 E. 3.3 m.w.N.; 130 III 345 E. 2.1. BGE 128 III 324 E. 2.2. BGE 4C.215/2002 E. 2.2; 128 III 324 E. 2.2. Sommer, AJP 2006, 1037. BGE 142 III 84 E. 3.3 m.w.N.; 120 II 331 E. 5a. Emmenegger, ZBJV 2005, 544. BGE 124 III 297, insbesondere E. 6. BGE 124 III 297 E. 6b.

§ 22

Vertrauenshaftung

konkrete und bestimmte Erwartungen auslösen, um zur Haftung gezogen werden zu können.52 Anders als im «Swissair-Fall» hat das Bundesgericht darum im «Motor-Columbus- 1755 Entscheid» die Haftung der Muttergesellschaft aus gewecktem Konzernvertrauen verneint.53 Das Bundesgericht lehnte die Vertrauenshaftung ferner in einem Fall ab, in wel- 1755a chem sich ein Anleger auf eine ISO-Zertifizierung einer Zertifizierungsstelle verlassen hatte. Dieses Zertifikat bescheinigte, dass die betreffende Gesellschaft, welche im internationalen Devisenhandel tätig war und über welche nachträglich der Konkurs eröffnet wurde, ein Qualitätsmanagement in Bezug auf die Durchführung und Vermittlung von Handels- und Finanzgeschäften besass. Gemäss Bundesgericht genügt die Ausstellung eines Zertifikats allein noch nicht, um eine Haftung der Zertifizierungsgesellschaft aus erwecktem und enttäuschtem Vertrauen bejahen zu können. Vielmehr hätte der betreffende Anleger in casu aufzeigen müssen, auf welche konkreten Aspekte der Überprüfung durch die Zertifizierungsgesellschaft er vertraute und inwiefern die fragliche Zertifizierung geeignet gewesen war, hinreichend konkrete und bestimmte Erwartungen zu wecken, dass Anleger ihr bei der fraglichen Gesellschaft investiertes Geld zurückbezahlt erhalten würden.54

4.

Treuwidrige Enttäuschung des Vertrauens

Das Vertrauen der Geschädigten wird durch den Schädiger in einer gegen Treu und 1756 Glauben verstossenden Weise verletzt (Art. 2 ZGB). Erweckt beispielsweise eine Muttergesellschaft den Eindruck, für die Schulden ihrer 1757 Tochtergesellschaft einzustehen, so ist es gemäss Bundesgericht widersprüchlich, wenn sie dies im Schadensfall nicht tut. Ob dem Schädiger die Enttäuschung der Geschädigten auch subjektiv vorgeworfen werden kann, bestimmt sich aufgrund der Umstände des Einzelfalls.55 Nach weitgehend unbestrittener Ansicht wird das Verschulden des Schädigers auch bei der Vertrauenshaftung vermutet (Art. 97 Abs. 1 OR analog).56 In BGE 4A_565/2012 zog das Bundesgericht für die Beantwortung der Frage, ob dem Schädiger eine Verletzung von Verhaltenspflichten vorgeworfen werden konnte, auch dessen berechtigte eigene Interessen heran.57

52 53 54 55 56 57

BGE 124 III 297 E. 6a. BGE 124 III 297 E. 6b. BGE 142 III 84 E. 3.4 und E. 3.5. S. BGE 120 II 331 E. 5a. Berger, Schuldrecht, N 2018; Engel, CO PG, 753; Feit, N 369 m.w.N.; BK OR-Kramer, Allg. Einl. N 141. BGE 4A_565/2012 E. 2.4 (in casu Interesse der Bank an einem Geschäftsabschluss); Eisenring, ius.focus 2013 Nr. 5, 125.

535

2. Kapitel

5. 1758

Quasivertragliche Ansprüche

Weitere Voraussetzungen

Zu den weiteren Voraussetzungen des Schadens sowie des natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs kann auf das bei der cic Ausgeführte verwiesen werden (s. N 1553 ff.).

IV.

Wirkungen

1759

Bei Vorliegen der Voraussetzungen hat der Schädiger der Geschädigten den infolge enttäuschten Vertrauens entstandenen Schaden zu ersetzen. Der Schadenersatzanspruch der Geschädigten geht auf das «Erhaltungsinteresse» (s.  N  872).58 Die Geschädigte ist so zu stellen, wie wenn das Näheverhältnis nie begründet worden wäre; die aufgrund des erweckten Vertrauens getätigten nachteiligen Vermögensdispositionen sind ihr zu ersetzen.59

1760

Das Mass der Haftung richtet sich nach der besonderen Charakteristik des Näheverhältnisses und ist insbesondere milder zu beurteilen, wenn das Quasigeschäft für den Schädiger keinerlei Vorteile bezweckt (Art. 99 Abs. 2 OR; zur Qualifikation dieser Bestimmung s. N 897a). Allenfalls bestehen im Zusammenhang mit dem Verhalten der Geschädigten gemäss Art. 44 i.V.m. Art. 99 Abs. 3 OR zusätzliche Herabsetzungsgründe (s. N 1887 ff.).

1761

Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung richtet sich die Verjährung der Vertrauenshaftung wie jene der cic-Haftung nach Art.  60  OR.60 Die herrschende Lehre spricht sich jedoch in Anbetracht der vertraglichen Nähe der Vertrauenshaftung zu Recht für die Anwendung der zehnjährigen Frist von Art. 127 OR aus.61 Die Haftung für Hilfspersonen sollte sich unseres Erachtens wie bei der cic nach Art. 101 OR richten (s. N 993 ff.).

V. 1762

Konkurrenzen

Besteht zwischen den Parteien ein gültiger Vertrag, so richten sich allfällige Schadenersatzansprüche nach den Regeln der Vertragshaftung; die Vertrauenshaftung 58 S. BGE 124 III 363 E. II 5b. 59 Furrer/Müller-Chen, Kap. 18 N 112. 60 Ausführlich BGE 134 III 390 E. 4.3, insbesondere E. 4.3.3. 61 Loser, N 1124 f.; Bucher, Vertrauenshaftung, 259; Gauch/Schluep/Schmid, N  982k. Die einjährige relative Frist von Art. 60 Abs. 1 OR wird mit dem neuen, revidierten Verjährungsrecht, welches am 1. Januar 2020 in Kraft tritt, von einem Jahr auf drei Jahre verlängert (Art. 60 Abs. 1 revOR); die zehnjährige Frist von Art. 127 OR bleibt dagegen gleich; s. BBl 2018 3537.

536

§ 22

Vertrauenshaftung

gelangt nur zur Anwendung, wenn kein Vertrag besteht. Die Vertrauenshaftung ist in Bezug auf die Vertragshaftung mit anderen Worten subsidiär.62 In BGE 4C.193/2000 kam das Bundesgericht zum Schluss, dass es sich bei der 1763 Delikts- und der Vertrauenshaftung um konkurrierende Ansprüche handle.63 Das Gericht hatte einen Fall von Erteilung falschen Rats und mangelhafter Auskunft zu prüfen. In Einklang mit der bis dahin geltenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung hielt das Gericht zunächst fest, dass es sich bei der Erteilung von unentgeltlicher Auskunft ohne Auftrag um einen ausservertraglichen Tatbestand handle. Geleitet von jüngeren Entscheiden, welche die Haftung aus falschem Rat und mangelhafter Auskunft im ausservertraglichen Bereich (auch) als einen Anwendungsfall der Vertrauenshaftung betrachten,64 prüfte das Bundesgericht neben den Ansprüchen aus Art.  41  OR jedoch auch diejenigen aus erwecktem und treuwidrig enttäuschtem Vertrauen. Das Bundesgericht weitete mit diesem Entscheid seine Praxis zur Haftung für Rat 1764 und Auskunft aus, indem es neben der deliktischen Haftung auch die Grundsätze der Vertrauenshaftung für anwendbar erklärte.65 Unseres Erachtens ergibt es «ordnungspolitisch» wenig Sinn, quasikontraktuelle 1765 und extrakontraktuelle Tatbestände auf die gleiche Ebene zu stellen. Nach der hier vertretenen Ansicht folgt der extrakontraktuelle dem quasikontraktu- 1766 ellen Anspruch, so wie der quasikontraktuelle dem kontraktuellen Anspruch folgt. Nur wenn ein quasikontraktueller Anspruch nicht bejaht werden kann, versucht man, die Haftung auf ein ausservertragliches Fundament zu stellen. Das ändert aber nichts daran, dass im Rahmen der Anspruchsmethode alle (also auch die alternativ konkurrierenden) Ansprüche eventualiter zu formulieren und entsprechend zu prüfen sind (s. N 4079 ff.).

62 63 64 65

BGE 4A_306/2009 E. 5.1; 131 III 377 E. 3 = Pra 2006 Nr. 31; Loser, N 1288; Walter, ZBJV 1996, 294. BGE 4C.193/2000 E. 5; Loser, N 1283. BGE 124 III 363 E.II.5b; 121 III 350 E. 6c = Pra 1996 Nr. 168; 120 II 331 E. 5a m.w.N. BGE 4C.193/2000 E. 5; Wyss/von der Crone, SZW 2002, 118.

537

3.

Kapitel Ausservertragliche Ansprüche

§ 23 Ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62–67 OR) Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N 2030 ff.; Bucher, OR AT, 651 ff.; Engel, CO PG, 581 ff.; Furrer/ Müller-Chen, Kap. 15 N 1 ff.; Gauch/Schluep/Schmid, N 1465 ff.; Guhl/Koller, §§ 27 und 28; Koller, OR AT, N 30.01 ff.; Kramer/Probst, OR AT, N 424 ff.; Schwenzer, OR AT, N 55.01 ff.; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1811 ff.; von Tuhr/Peter, 472 ff.

Weiterführende Literatur Bürgi-Wyss Alexander Christoph, Der unrechtmässig erworbene Vorteil im schweizerischen Privatrecht, Diss. Zürich 2005; Chappuis Christine, Enrichissement illégitime: entre contrat et gestion d’affaires, in: Blanc Matthieu (Hrsg.), L’évolution récente du droit des obligations, Lausanne 2004, 27–50; Ellger Reinhard, Bereicherung durch Eingriff, Habil. Tübingen 2002; Hartmann Stephan, Die Rückabwicklung von Schuldverträgen, Habil. Luzern 2005; Holenstein Patrizia, Wertersatz oder Gewinnherausgabe? – unter den Gesichtspunkten der ungerechtfertigten Bereicherung und der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag, Diss. Zürich 1983; Honsell Heinrich, Tradition und Zession – kausal oder abstrakt?, in: FS Wiegand, Bern 2005, 349–372; Huguenin Claire, Nichtigkeit und Unverbindlichkeit als Folgen anfänglicher Vertragsmängel, Diss. Bern 1984 (zit.: Huguenin, Nichtigkeit); Huguenin Claire/Hilty Reto M. (Hrsg.), Schweizer Obligationenrecht 2020, Entwurf für einen neuen allgemeinen Teil, Zürich 2013 (zit.: OR 2020-BearbeiterIn); Jenny Reto M., Die Eingriffskondiktion bei Immaterialgüterrechtsverletzungen, Diss. Zürich 2005; Kohler Patrick, Vermögensausgleich bei Immaterialgüterrechtsverletzungen, Diss. Zürich 1999; Koller Alfred, Die Kondiktionssperre von Art.  63 Abs.  1  OR, AJP 2006,  468–470; Nietlispach Markus, Zur Gewinnherausgabe im schweizerischen Privatrecht, Zugleich ein Beitrag zur Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, Diss. Zürich 1994; Petitpierre Gilles, Absence de cause et enrichissement illégitime: pour un retour aux sources, in: FS Grossen, Basel/Frankfurt a.M. 1992, 315–324; Purtschert Tina/Huguenin Claire, Art. 66 OR und der Ausschluss bereicherungsrechtlicher Rückforderungen, ius.full 2009,  2–14; Riemer Hans Michael, Bereicherungsansprüche gegenüber Dritten, recht 2005, 35–36; Rusch Arnold F., Das Irrtumserfordernis bei der condictio indebiti, ZSR 2009 I, 131–156; Schaufelberger Peter C., Bereicherung durch unerlaubte Handlung, Diss. Zürich 1981; Schluep Walter R., Über Eingriffskondiktionen, in: FS Piotet, Bern 1990, 173–213; Schmid Jörg, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, Habil. Freiburg 1992; von Büren Bruno, Schweizerisches Obligationenrecht,

539

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

Allgemeiner Teil, Zürich 1964; Weber Rolf H., Gewinnherausgabe – Rechtsfigur zwischen Schadenersatz-, Geschäftsführungs- und Bereicherungsrecht, ZSR 1992 I, 333–366.

I.

Begriff

1767

Eine ungerechtfertigte Bereicherung liegt gemäss Art. 62 Abs. 1 OR vor, wenn jemand «in ungerechtfertigter Weise […] bereichert worden ist». Die Entreicherte kann eine solche Bereicherung grundsätzlich vom Bereicherten einfordern (Art. 62 Abs. 1 OR).

1768

Die Forderung aus ungerechtfertigter Bereicherung wird als Kondiktion bezeichnet. Sie ist in Art. 62–67 OR geregelt und zählt zu den ausservertraglichen Ansprüchen. Die Forderung aus ungerechtfertigter Bereicherung bezweckt den Ausgleich eines nicht gerechtfertigten Vermögensvorteils des Bereicherten.

1769

Der Bereicherungsanspruch ist im Verhältnis zum vertraglichen Anspruch subsidiär:1 Ein Bereicherungsanspruch kann nur geltend gemacht werden, wenn kein vertraglicher Anspruch besteht (s. N 1825).2

1770

Beim Kondiktionsanspruch handelt es sich um einen obligatorischen Anspruch, der ex lege – und nicht ex contractu – entsteht.

1771

II.

Abgrenzungen

1.

Zum vertraglichen bzw. ausservertraglichen Schadenersatzanspruch (Art. 97 Abs. 1 bzw. Art. 41 ff. OR)

Beim Schadenersatzanspruch nach Art.  97 Abs.  1 bzw. Art.  41  ff.  OR steht die Geschädigte im Zentrum. Es geht um die Ermittlung und den Ausgleich ihres Schadens. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Schädiger einen Vorteil aus der Schädigung zieht. Der Schadenersatzanspruch setzt überdies in der Regel Pflichtwidrigkeit bzw. Widerrechtlichkeit und meistens auch ein Verschulden voraus. Dagegen steht bei der ungerechtfertigten Bereicherung der Bereicherte im Fokus. Es geht darum, einen bei ihm zu Unrecht angefallenen bzw. angehäuften Vermögensvorteil abzuschöpfen. Dies geschieht dadurch, dass man der Entreicherten einen Anspruch gibt. Eine Forderung aus Art. 62 Abs. 1 OR kann in gewissen Fällen auch dann bestehen, 1 BGE 133 III 356 E. 3.2.1; 130 III 504 E. 6.1 = Pra 2005 Nr. 6. 2 BGE 130 III 504 E. 6.1 = Pra 2005 Nr. 6.

540

§ 23

Ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62–67 OR)

wenn die Anspruchsberechtigte nicht um einen der Bereicherung entsprechenden Betrag entreichert ist, eine bei der Anspruchsgegnerin entstandene Bereicherung aber gleichwohl der Ansprecherin zuzuweisen ist. Der Grund für diese Zuweisung besteht in der Regel darin, dass der Bereicherte mithilfe der Ressourcen der Ansprecherin einen (ungerechtfertigten) Vorteil erlangt hat.

2.

Zu den Ansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 419 ff. OR)

Sowohl bei den Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung wie auch bei 1772 jenen aus Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) fehlt es an einem Vertragsverhältnis. Ansprüche aus GoA knüpfen an die Führung eines fremden Geschäfts an und bestehen unabhängig vom Vorliegen einer Bereicherung. Für die Rechtsfolgen und eine allfällige Konkurrenz der Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung und GoA kommt es darauf an, ob eine echte berechtigte oder eine andere Art der GoA vorliegt.3 Bereicherungsansprüche greifen immer dann, wenn keine echte berechtigte GoA vorliegt. Die gegenseitigen Ansprüche, die sich aus einer echten berechtigten GoA ergeben, hat der Gesetzgeber dem (unentgeltlichen) Auftrag nachgebildet. Die herrschende Lehre gewährt dem Geschäftsführer in einzelnen Fällen ein Honorar (s. N 1642 ff.).4 Insofern kann man sagen, dass die echte berechtigte GoA bisweilen die Charakteristika eines entgeltlichen Auftrags aufweist, aber eben ohne Vertrag. Bei der GoA handelt es sich denn auch um ein Schuldverhältnis i.w.S., bei der ungerechtfertigten Bereicherung um ein solches i.e.S.

III.

Voraussetzungen

Der Bereicherungsanspruch setzt nach der grammatikalischen Auslegung von 1773 Art. 62 Abs. 1 OR dreierlei voraus: • Der Bereicherungsschuldner (Bereicherter) ist bereichert (s. N 1776 f.); • die Bereicherung muss aus dem Vermögen der Bereicherungsgläubigerin (Entreicherten) stammen (s. N 1778 ff.); • die Bereicherung erfolgte in «ungerechtfertigter Weise» (s. N 1781 f.).

3 Ausführlich zur Unterscheidung von ungerechtfertigter Bereicherung und GoA Schmid, N 1292 ff. 4 Bucher,  OR BT, 261; CR CO-Héritier Lachat, Art.  422 N  17; Honsell,  OR BT, 369  f. Auch der OR  2020-Entwurf schlägt für die Geschäftsführerin, welche im Rahmen ihres Berufs tätig geworden ist, einen Anspruch auf angemessene Vergütung vor (s. Art. 75 Abs. 2 OR 2020); s. dazu auch OR 2020-Huguenin/Chappuis, Art. 75 N 6 f.

541

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

1774

Art.  63  OR normiert eine Unterart des Bereicherungsanspruchs nach Art.  62 Abs.  1  OR: Bei der freiwilligen Zahlung einer Nichtschuld verlangt das Gesetz zusätzlich zu den drei oben genannten Voraussetzungen seitens der Entreicherten das Vorliegen eines (subjektiven) Irrtums über die Schuldpflicht (Art. 63 Abs. 1 OR; s. N 1808a).

1775

Ein Verschulden des Bereicherten wird nicht vorausgesetzt.5 Allerdings wirkt sich seine Gut- bzw. Bösgläubigkeit auf den Umfang der Rückerstattungspflicht aus (Art. 64 OR; s. N 1807).

1.

Bereicherung

1776

Die Bereicherung manifestiert sich beim Bereicherten in einem Vermögensvorteil. Dieser Vorteil berechnet sich nach herrschender Auffassung als Differenz zwischen dem gegenwärtigen (tatsächlichen) und dem hypothetischen Vermögensstand, der ohne das bereichernde Ereignis vorliegen würde (Differenzhypothese; s. N 867 ff.).6 Dementsprechend kann die Bereicherung – «spiegelverkehrt» zur Schadensberechnung7  – in einer Vergrösserung des Vermögens (lucrum emergens), also in einer Zunahme der Aktiven (z.B. Erwerb von Eigentum), oder in einer Abnahme der Passiven bestehen (z.B. Befreiung von einer Schuld). Sodann kann sich die Bereicherung auch aus einer Nichtverminderung des Vermögens (damnum cessans) ergeben, etwa aus der Ersparnis von Ausgaben, die sonst hätten getätigt werden müssen (sog. Ersparnisbereicherung).8

1777

In Abweichung von der traditionellen, am Vermögen des Bereicherten orientierten Konzeption optiert eine neuere Lehrmeinung für eine gegenständliche Betrachtungsweise der Bereicherung.9 Anknüpfungspunkt ist dabei nicht die (abstrakt) ermittelte Vermögensdifferenz, sondern der konkrete Gegenstand der Bereicherung, namentlich die erlangte Sach- oder Dienstleistung sowie der bezogene Nutzen (zu Art und Bemessung des Bereicherungsanspruchs s. N 1802 ff.).10 Unseres Erachtens ist die gegenständliche der vermögensorientierten Betrachtung vorzuziehen. Der gegenstandsbezogene Ansatz ermöglicht es, den auszugleichenden Vermögensvorteil zunächst losgelöst von dessen Auswirkungen auf das Vermögen des Bereicherten zu bestimmen11: Führt z.B. das Errichten eines Werks beim betreffenden Grundstück zu einer Wertzunahme (Wert des Grundstücks erhöht sich 5 Weber, ZSR 1992 I, 348. 6 BGE 133 V 205 E. 4.7; 129 III 646 E. 4.2 und E. 5.3; andeutungsweise auch schon BGE 87 II 137 E. 7d; Bucher, OR AT, 690; Guhl/Koller, § 27 N 2; von Tuhr/Peter, 473 f. 7 Schwenzer, OR AT, N 55.07. 8 BGE 129 III 646 E. 4.2; Engel, CO PG, 584. 9 Hartmann, N 241; Holenstein, 73; Jenny, N 462 ff.; Nietlispach, 340 ff. 10 Jenny, N 450 ff. 11 Holenstein, 71 ff.; Nietlispach, 340.

542

§ 23

Ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62–67 OR)

um CHF 30 000), die kleiner ist als der Wert der erbrachten Leistung (Anbau des Wintergartens kostete CHF 60 000), bildet die Differenz (im Unterschied zur vermögensorientierten Betrachtungsweise) grundsätzlich ebenfalls Teil der Untersuchung. Massgeblich wären bei der gegenständlichen Betrachtungsweise demnach die CHF 60 000 (und nicht die Wertzunahme des Grundstücks in Höhe von CHF 30 000).12 Alsdann ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Kondiktionsanspruch allenfalls (umfangmässig) auf die im Zeitpunkt der Rückforderung noch vorhandene Bereicherung zu limitieren ist (s. Art. 64 OR; s. N 1807).

2.

Entreicherung?

Häufig steht der Bereicherung der einen die Entreicherung der anderen Person 1778 gegenüber. Dies ist etwa der Fall bei der klassischen Bereicherungskonstellation, der sog. Leistungskondiktion: Hier stammt der Vermögensvorteil beim Bereicherten aus dem Vermögen der Entreicherten. Es hat also eine Vermögensverschiebung in dem Sinn stattgefunden, dass bei der Entreicherten fehlt, was beim Bereicherten anfällt. Zwischen Bereicherung und Entreicherung muss nach traditioneller Ansicht ein 1779 Zusammenhang (sog. Konnexität) bestehen.13 Nach dieser Ansicht ist es nicht Aufgabe des Bereicherungsrechts, Vermögensverschiebungen auszugleichen, die lediglich auf eine gemeinsame Ursache zurückgehen, sonst aber keinen direkten Bezug zueinander haben.14 Beispiel: Die Veränderung des Börsenkurses führt zu einer Wertabnahme des Portfolios von Wertschrifteninhaberin A, aber zu einer Wertsteigerung des Portfolios von Wertschrifteninhaber B. A steht diesfalls kein Kondiktionsanspruch gegen B zu. Es fehlt an der erforderlichen Konnexität zwischen Bereicherung einerseits und Entreicherung andererseits. Nach einer neueren Auffassung, der wir uns anschliessen, kann demgegenüber auf 1780 das Erfordernis der Entreicherung verzichtet werden.15 Bei den Leistungskondiktionen stammt die Bereicherung immer «aus dem Vermögen eines andern» (Art. 62 Abs. 1 OR), weshalb das Entreicherungserfordernis nicht als eigenständiges Kriterium geprüft zu werden braucht.16 Bei den Eingriffskondiktionen (s. N 1796 ff.) muss die Bereicherung auch dann herausgegeben werden, wenn ihr keine entsprechende 12 S. Hartmann, N 239. 13 BGE 129 III 646 E. 4.2; Bürgi-Wyss, 144; BSK OR-Schulin, Art. 62 N 8. S. auch Engel, CO PG, 584 ff., und Petitpierre, 319, welche die Entreicherung und den Zusammenhang als zwei selbständige Voraussetzungen prüfen. 14 Bucher, OR AT, 659. 15 Furrer/Müller-Chen, Kap. 15 N 15; Jenny, N 420; Nietlispach, 186 ff.; BSK OR-Schulin, Art. 62 N 8 f.; Schwenzer, OR AT, N 55.09; von Büren, 309. A.M. Bürgi-Wyss, 123, welcher den Verzicht auf das Erfordernis der Entreicherung «entschieden […] bekämpfen» will. 16 Koller, OR AT, N 31.01.

543

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

Entreicherung aufseiten der Anspruchsberechtigten gegenübersteht.17 Schulbeispiele hierzu sind das Benutzen eines fremden Ferienhauses oder das Mähen der Nachbarwiese, wenn der Eigentümer das Haus nicht benutzt bzw. die Wiese nicht gemäht hätte.18 Eine grammatikalische Stütze findet diese Ansicht in den romanischen Gesetzestexten von Art. 62 Abs. 1 OR: Statt des deutschen «aus dem Vermögen eines andern» reicht es, wenn die Bereicherung «aux dépens d’autrui» bzw. «a danno dell’altrui patrimonio» erfolgt. Damit entfällt auch das Erfordernis eines Zusammenhangs, wonach sich im Vermögen des Bereicherten in natura oder als Wert findet, was bei der Entreicherten fehlt. Erforderlich ist diesfalls allerdings ein anderes Kriterium für die Anspruchszuweisung an die «Entreicherte» (s. N 1798).

3.

Fehlende Rechtfertigung

1781

Die Bereicherung ist ungerechtfertigt, wenn kein Rechtsgrund vorliegt, der den Vermögensvorteil des Bereicherten (zulasten der Entreicherten) rechtfertigt.

1782

Ein solcher Rechtsgrund kann sich aus einem (gültigen) Vertrag oder aus dem Gesetz ergeben. Er besteht etwa in folgenden Fällen: Der Käufer darf nach Art. 184 Abs. 1 OR die Kaufsache behalten, der Fundgegenstand gehört nach fünf Jahren der Finderin (Art. 722 Abs. 1 ZGB) oder es erhält der Geschiedene einen Unterhaltsbeitrag (Art. 125 Abs. 1 ZGB). Nach dem Bundesgericht dürfen bei der Frage, ob eine Leistung ungerechtfertigt ist, Billigkeitserwägungen nur insoweit eine Rolle spielen, als die Rechtsordnung keinen anderweitigen Schutz gewährt.19 Dies bedeutet, dass die Wendung «in ungerechtfertigter Weise» (Art. 62 Abs. 1 OR) nicht nur die klassischen causae und andere gesetzliche Gründe umfasst, sondern zusätzlich Raum für richterrechtliche Ergänzungen lässt.

IV. 1783

Arten

Die ungerechtfertigte Bereicherung beruht oft auf einer rechtsgrundlosen Leistung der Entreicherten (Leistungskondiktion). Aber auch das Verhalten des Bereicherten selbst, das Verhalten eines Dritten oder ein Naturereignis (Eingriffskondiktionen) können beim späteren Bereicherungsschuldner eine Bereicherung eintreten lassen.

17 18 19

544

Schwenzer, OR AT, N 55.09. S. auch BGE 119 II 437 E. 3b cc = Pra 1994 Nr. 226. BGE 117 II 404 E. 3d; als Beispiel dazu BGE 115 II 28 E. 1a.

§ 23

1.

Ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62–67 OR)

Leistungskondiktion

Bei der Leistungskondiktion20 ist die Bereicherung auf eine ungerechtfertigte Leis- 1784 tung der Entreicherten an den Bereicherten zurückzuführen. Art.  62 Abs.  2  OR unterscheidet drei Arten von Leistungskondiktionen: 1.1

Leistung ohne gültigen Grund (condictio sine causa)

Als Leistungen ohne gültigen Grund werden Zuwendungen bezeichnet, welche zur 1785 Erfüllung einer nicht bestehenden Schuld (Nichtschuld) erbracht wurden.21 Um die Erfüllung einer Nichtschuld handelt es sich, wenn zwischen dem Berei- 1786 cherten und der Entreicherten kein Vertrag vereinbart wurde oder ein vertraglicher Anspruch zum Zeitpunkt der Leistung nicht mehr besteht.22 Beispiel: zweifache Bezahlung derselben Rechnung; Ausrichtung einer Unfallentschädigung durch eine Versicherung, obwohl das Entschädigungsrecht des Versicherten verwirkt ist23. Die Erfüllung einer Nichtschuld liegt nach herkömmlicher Auffassung sodann vor, 1787 wenn aufgrund eines Vertrages geleistet wird, der mit einem zur Ungültigkeit führenden Entstehungsmangel behaftet ist.24 Hierzu zählen auch Verträge, welche mit einem Willensmangel behaftet sind – mindestens soweit der Ungültigkeitstheorie gefolgt oder bei der Anfechtungstheorie die Ungültigerklärung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (ex tunc) zurückbezogen wird (zur Ungültigkeits- und Anfechtungstheorie s. N 565 ff.).25 Wird im Rahmen der Anfechtungstheorie der Ungültigerklärung hingegen ex nunc-Wirkung beigemessen, ist von einer Zuwendung aus nachträglich weggefallenem Grund (s.  N  1794  f.) auszugehen.26 Diese etwas komplizierte und im Ergebnis auch wenig zielführende Debatte verliert durch einen neueren Ansatz erheblich an Gewicht: Nach der hier vertretenen Sichtweise wird ein infolge eines Entstehungsmangels 1788 (Inhalts-, Form- oder Willensmangel) ungültiger Vertrag in ein Rückabwicklungsoder Liquidationsverhältnis «umgewandelt» (zur Umwandlungstheorie s.  N  443, N 583, N 960 ff.).27 Da der mangelbehaftete Vertrag bis zum Ende der Liquidation 20 Zum Begriff der Leistungskondiktion Jenny, N 308 und N 322. 21 Von Tuhr/Peter, 476. 22 S. BGE 133 III 356 E. 3.2.1 hinsichtlich der im Rahmen eines Vertragsverhältnisses erfolgten Zahlungen, die sich nachträglich als irrtümlich und daher als grundlos erweisen. 23 BGE 42 II 674 E. 1a. 24 BGE 127 III 421 E. 3c bb; 115 II 28 E. 1a. 25 S. BGE 114 II 131 E. 3b; BSK OR-Schwenzer, Art. 23 N 9. 26 S. Gauch/Schluep/Schmid, N 1483. 27 Der OR 2020-Entwurf schlägt für Entstehungs- und Erfüllungsmängel ein einheitliches Rückabwicklungsregime vor (sog. Liquidation; Art. 79 ff. OR 2020). Nach der Regelung von Art. 37 und Art. 45 OR 2020 soll ein mit einem Inhalts-, Form- oder Willensmangel behafteter Vertrag in ein vertragliches Rückabwicklungsverhältnis überführt werden, wenn aufgrund des fehlerbehafteten Rechtsgeschäfts bereits Leistungen

545

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

(ähnlich wie eine aufzulösende Gesellschaft) nur bezüglich seines Zwecks modifiziert, aber (noch) nicht eliminiert wird, bleibt auch der Rechtsgrund für bereits erbrachte Leistungen unabhängig vom Zeitpunkt der Liquidation weiterhin bestehen bzw. fällt nicht rückwirkend dahin. 1789

Den Parteien stehen alsdann ausschliesslich vertragliche, also keine bereicherungsrechtlichen (ausservertraglichen) Ansprüche zu. Der Zweck des Liquidationsverhältnisses bzw. der daraus resultierenden Ansprüche besteht darin, eine gerechte Güterzuweisung zwischen den Parteien vorzunehmen. Dabei geht es in der Regel um ein Schuldverhältnis i.w.S. und nicht lediglich um einen einzelnen Anspruch wie im Bereicherungs- oder Deliktsrecht.

1790

Der Anwendungsbereich der Leistungskondiktionen reduziert sich damit im Wesentlichen auf die Erfüllung einer Nichtschuld ausserhalb eines Vertrages, also auf den ausservertraglichen Bereich. 1.2

Leistung aus nicht verwirklichtem Grund (condictio ob causam futuram oder condictio causa data causa non secuta)

1791

Die Leistung wird hier in Hinblick auf einen erwarteten künftigen Grund erbracht, der dann aber nicht eintritt. Beispiele: Anzahlung mit Hinblick auf einen erst zu schliessenden Grundstückkaufvertrag, welcher in der Folge nicht eingegangen wird;28 vorzeitige Erfüllung eines aufschiebend bedingten Vertrages, bei dem die Bedingung ausfällt.29

1792

Die Leistende weiss im Zeitpunkt der Zuwendung mit anderen Worten, dass noch keine causa für die Zuwendung vorliegt. Solche Zuwendungen sind freiwillig und konnten nach der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichts nur dann zurückgefordert werden, wenn sich die Leistende über die Schuldpflicht im Irrtum befand (Art. 63 Abs. 1 OR). Da aber mit Bezug auf zukünftige Ereignisse kein Irrtum vorliegen kann, ist Art. 63 Abs. 1 OR nach der neueren Rechtsprechung zu Recht nicht auf den Fall einer Leistung aus nicht verwirklichtem Grund anzuwenden,30 sondern nur auf jenen der Erfüllung einer Nichtschuld (s. N 1808a f.).31

1793

Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Rückabwicklung suspensiv bedingter sowie widerrufener Verträge vom Anwendungsbereich des Bereicherungsrechts auszuklammern. Mit dem Ausfall der Bedingung (s. N 1316 f.) bzw. dem Widerruf

28 29 30 31

546

erbracht wurden; s. dazu ausführlich OR 2020-Huguenin/Hilty/Purtschert, Vor Art. 79–84 N 45 ff. Ausserdem behalten die bereicherungsrechtlichen Regeln von Art. 64 ff. OR 2020 ausdrücklich die Bestimmungen über die Liquidation vor (s. Art. 64 Abs. 2 OR 2020). BGE 119 II 20 E. 2a = Pra 1993 Nr. 188. BGE 129 III 264 E. 3.2.2 = Pra 2003 Nr. 176. So noch implizit BGE 119 II 20 E. 2a = Pra 1993 Nr. 188; vgl. auch BGE 4A_425/2013 E. 3.2. Anders BGE 123 III 101 E. 3a, welchem aber aus den in N 1790 genannten Gründen nicht zu folgen ist.

§ 23

Ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62–67 OR)

durch die Konsumentin (s. N 264 ff.) entsteht ein vertragliches Rückabwicklungsoder Liquidationsverhältnis, welches Kondiktionsansprüche ausschliesst (s. N 1769, N 1825). 1.3

Leistung aus nachträglich weggefallenem Grund (condictio ob causam finitam)

Im Zeitpunkt der Leistung besteht in diesen Fällen eine causa, die nachträglich weg- 1794 fällt. Beispiel: Widerruf einer vollzogenen Schenkung (Art. 249 OR), Rücktritt vom Vertrag (Art. 109 Abs. 1 OR), Wandlung (Art. 205, Art. 207–209 OR), Eintritt einer Resolutivbedingung (Art. 154 OR). Scheitert ein zunächst gültiger und (teilweise) erfüllter Vertrag aus nachträglich 1795 eingetretenem Grund, soll die Rückabwicklung nach der Auffassung des Bundesgerichts, welcher wir uns anschliessen, nach vertraglichen Regeln erfolgen.32 Bei Erfüllungsmängeln hat sich die Umwandlungstheorie auch in der neueren Lehre weitgehend durchgesetzt (s.  N  960  ff.). Vertragliche Rückabwicklungsansprüche schliessen einen Bereicherungsanspruch aus (s.  N  1769, N  1825). Der bereicherungsrechtliche Ausgleich ob causam finitam wird im Übrigen nach dieser Ansicht hin weitgehend obsolet.

2.

Eingriffskondiktion

Bei der Eingriffskondiktion entsteht die Bereicherungslage  – anders als bei der 1796 Leistungskondiktion, bei welcher die Entreicherte die Vermögensverschiebung bewirkt  – durch ein Verhalten des Bereicherten, eines Dritten oder durch einen Zufall.33 Mittels Eingriffskondiktion kann der Ge- oder Verbrauch sowie die Nutzung von fremden Gütern bzw. Dienstleistungen ausgeglichen werden. Als Beispiele lassen sich anführen: Diebstahl und anschliessender Verbrauch des Diebesguts; Vermischung von Geld; Nutzung einer fremden patentierten Erfindung. Obwohl das Gesetz die Eingriffskondiktion nicht eigens erwähnt, ist sie als Anspruchsgrundlage in Rechtsprechung und Lehre weitgehend anerkannt.34 Bezüglich der Voraussetzungen des Bereicherungsanspruchs gelten bei der Ein- 1797 griffskondiktion gewisse Besonderheiten. Zunächst ist daran zu erinnern, dass nach neuerer Auffassung unseres Erachtens zu Recht von den Erfordernissen «Entreiche32 33

BGE 137 III 243 E. 4.4.7; so auch Hartmann, N 914 ff. So auch Furrer/Müller-Chen, Kap. 15 N 29; CHK OR-Hahn, Art. 62 N 22 und N 34; Schwenzer, OR AT, N 57.01. A.M. Chappuis, 45 f., Jenny, N 318, und Rusch, ZSR 2009 I, 135, welche nur die vom Bereicherten selbst bewirkte Bereicherung unter die Eingriffskondiktion subsumieren. 34 Bucher, OR AT, 684. Ausführlich und rechtsvergleichend Schluep, 174 ff.; ablehnend gegenüber der Eingriffskondiktion Chappuis, 48 f.

547

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

rung» und «Vermögensverschiebung» abgesehen werden darf (s.  N  1780). Umso wichtiger ist die Frage nach der Rechtfertigung: 1798

Nach der vom Bundesgericht und dem kleineren Teil der Lehre vertretenen Widerrechtlichkeits- oder Eingriffstheorie ist eine Bereicherung ungerechtfertigt, wenn die Aktivität oder Passivität des Anspruchsgegners rechtswidrig war.35 Für die Entstehung des Kondiktionsanspruchs genügt dabei jede Verletzung fremder subjektiver Rechte, für welche kein Rechtfertigungsgrund vorliegt.36 Mehrheitlich stellt die Doktrin demgegenüber auf die (restriktivere) Zuweisungstheorie ab, wonach zu prüfen ist, ob ein Recht seinem Inhaber zur konkreten Ausübung, Nutzung oder Verwertung ausschliesslich zugewiesen ist.37 Keine Abgrenzungsprobleme stellen sich beim Zuweisungsgehalt absoluter Rechte: Der Eigentümer kann – in den Schranken der Rechtsordnung – frei über eine Sache verfügen (Art. 641 Abs. 1 ZGB). Einen umfassenden Zuweisungsgehalt besitzen auch Immaterialgüterrechte (z.B. Patent-, Marken-, Firmen- oder Designrechte), Persönlichkeitsrechte sowie verschiedene lauterkeitsrechtliche Rechtspositionen wie etwa das Verbot der Verwertung fremder Leistungen gemäss Art. 5 UWG38.39 Hingegen weisen relative Rechte in der Regel keinen sehr ausgeprägten Zuweisungsgehalt auf. Die Zuweisungstheorie könnte beispielsweise Anwendung finden, wenn ein Dritter ein Recht verletzt, welches ein Vertragspartner dem anderen exklusiv zugewiesen hat.40 Damit würde in besonderen Fällen die Relativität des Schuldverhältnisses durchbrochen. Angesichts des Konfliktlösungspotenzials der Zuweisungstheorie lohnt es sich also durchaus, über die Implikationen und Grenzen relativer Rechte nachzudenken.

1799

Einen Anwendungsfall der Eingriffskondiktion stellt die Eigengeschäftsführung (unechte GoA; s. N 2154 ff.) dar. Während bei der gutgläubigen Eigengeschäftsführung grundsätzlich die Art. 62 ff. OR Anwendung finden, besteht bei der bösgläubigen Eigengeschäftsführung Anspruchskonkurrenz zwischen dem Kondiktionsanspruch (Art. 62 ff. OR) und dem Gewinnherausgabeanspruch gemäss Art. 423 OR. Weil aber nach der herrschenden Lehre nur Art. 423 OR die Abschöpfung des von der Geschäftsführerin erzielten Gewinns erlaubt, ist diese Bestimmung für den Geschäftsherrn in der Regel vorteilhafter (s. N 1826, N 2202 ff.).

1800

Eine Bereicherung kann alsdann durch das Verhalten eines Dritten entstehen. Beispiel: Ein Unternehmer verbindet fremdes Material mit einem fremden Grundstück,

35 S. BGE 129 III 422 E. 4; 126 III 69 E. 2b = Pra 2001 Nr. 11; Chappuis, 9 ff.; Schaufelberger, 125 ff. 36 Ausführlich Jenny, N 333 ff. 37 CHK OR-Hahn, Art. 62 N 23; Holenstein, 75 ff.; Jenny, N 375 ff.; BSK OR-Schulin, Art. 62 N 19; Weber, ZSR 1992 I, 344 und 349 f. 38 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (SR 241). 39 S. Jenny, N 380 ff., N 391 f. und N 394 ff. 40 S. Schwenzer, OR AT, N 57.08; a.M. Ellger, 862 ff.; Jenny, N 403.

548

§ 23

Ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62–67 OR)

ohne vertraglich dazu verpflichtet zu sein (s.  Art.  671  ff. ZGB);41 der debitor cessus leistet nach erfolgter Notifikation (Art. 167 OR) an die Zedentin statt an den Zessionar (Kondiktionsanspruch des Zessionars gegen die Zedentin). Schliesslich kann eine Bereicherungslage ohne menschliches Zutun, also durch Zufall, eintreten (Zufallskondiktion).42 Klassisches Beispiel ist das «selbständige» Einfallen einer Viehherde in das Nachbargrundstück mit anschliessendem Abweiden desselben. Ein Teil der Lehre behandelt die durch Zufall bzw. Drittverhalten bewirkte Berei- 1801 cherung als eigene Kondiktionskategorie.43 Nach unserem Begriffsverständnis (s.  N  1796) bilden diese Bereicherungsfälle ebenfalls Gegenstand der Eingriffskondiktion. So ist beispielsweise die Verbindung fremden Materials mit fremdem Boden ohne entsprechende vertragliche Abrede oder das Abweiden des Nachbargrundstücks als unzulässiger Eingriff in fremde Eigentumsrechte zu qualifizieren.44 Dementsprechend ist auch hier bei der Prüfung, ob die Bereicherung gerechtfertigt ist, der Zuweisungstheorie zu folgen. Auf das Erfordernis der Entreicherung kann alsdann auch hier verzichtet werden.

V.

Wirkungen

1.

Gegenstand des Bereicherungsanspruchs

Art. 62 Abs. 1 OR bestimmt, dass eine Bereicherung zu erstatten ist. Grundsätzlich 1802 ist sie in natura zu leisten.45 Praktisch wird die Rückerstattung jedoch meist in einer Geldleistung bestehen, da Sachen vindiziert (Art.  641 Abs.  2 ZGB) werden können (die Vindikation verdrängt nach herrschender Auffassung den Bereicherungsanspruch46; s. N 1827).47 Ist eine Herausgabe in natura zufolge der Art des erlangten Gegenstands nicht möglich (z.B. bei rechtsgrundlos erlangten Dienstleistungen, Gebrauchsvorteilen, dem Verbrauch einer Sache), hat der Bereicherte Wertersatz für die Bereicherung zu leisten.48

41

S. BGE 99 II 131 E. 4b; vgl. auch BGE 97 II 71 E. 4b, wo ein ähnlicher Sachverhalt zu beurteilen war, ein Bereicherungsanspruch gegen den Eigentümer aber ebenfalls verneint wurde. 42 Zum Begriff der Zufallskondiktion s. Jenny, N 315. 43 S. Jenny, N 315 ff.; BSK OR-Schulin, Art. 62 N 24 ff. 44 Gl.M. CHK OR-Hahn, Art. 62 N 34. 45 BGE 110 II 228 E. 7d. 46 BGE 4A_581/2012 E. 2.3.1; 135 III 474 E. 3.3.1. 47 S. Engel, CO PG, 597 f. 48 Ähnlich auch Art. 66 Abs. 1 OR 2020: Wertersatz soll nach diesem Vorschlag nicht nur bei Unmöglichkeit, sondern auch bei Unzumutbarkeit einer Herausgabe in natura zu leisten sein. Ist die Bereicherung allerdings ohne Interesse für den Bereicherten, so muss kein Wertersatz geleistet werden; s. dazu auch OR 2020de Werra/Chappuis, Art. 66 N 2 ff.

549

3. Kapitel

2.

Ausservertragliche Ansprüche

Umfang des Bereicherungsanspruchs (Art. 64–65 OR)

1803

Die Bereicherung ist grundsätzlich in vollem Umfang zu erstatten.49 Nach dem vermögensorientierten Verständnis entspricht die Bereicherung der Differenz zwischen dem tatsächlichen und dem hypothetischen Vermögensstand, der bestünde, wenn die Bereicherung nicht eingetreten wäre (Differenzhypothese). Wird stattdessen einer gegenständlichen Betrachtungsweise gefolgt, richtet sich der Kondiktionsanspruch auf Erstattung des konkret erlangten Bereicherungsobjekts bzw. seines Äquivalents (s. N 1777).

1804

Kann die Bereicherung nicht in natura erstattet werden und muss der Bereicherte Wertersatz leisten, so bemisst sich dieser nach dem Verkehrswert (Marktwert), mithin nach objektiven Kriterien. Bei Immaterialgüterrechtsverletzungen entspricht der objektive Wert einer angemessenen Lizenzgebühr (s. N 2208).50 Die Frage, ob für die Bemessung des Wertersatzes auf den Zeitpunkt der Erlangung oder der Erstattung der Bereicherung abzustellen ist, betrifft die Risikoverteilung für Wertveränderungen über die Zeit. War der Bereicherte gutgläubig, soll er nach der hier vertretenen Meinung den Bemessungszeitpunkt wählen können. Demgegenüber steht bei einem bösgläubigen Bereicherten das Wahlrecht der Entreicherten zu. Zweck dieser Differenzierung ist es zu verhindern, dass sich eine allfällige Wertveränderung negativ auf die gutgläubige Partei auswirkt (s. auch Art. 64 OR).

1805

Eine Ausnahme vom Grundsatz der objektiven Bemessung muss für den Fall der sog. aufgedrängten Bereicherung gelten. Schneidet beispielsweise die Gärtnerin kunstvolle Tierfiguren nicht nur in die Büsche des Kunden, sondern auch in diejenigen des Nachbarn, stellt sich die Frage, ob der Nachbar die erfolgte «Bereicherung» gegenüber der Gärtnerin auszugleichen hat. Hier ist die Bereicherung nach herrschender Lehre subjektiv zu bemessen: Der Bereicherte hat eine Bereicherung nur in dem Umfang zurückzuerstatten, in welchem diese für ihn werthaltig ist (dieselbe Idee findet sich in Art. 672 Abs. 3 ZGB).51 Andernfalls müsste sich der Bereicherte «vorschreiben lassen, welche Veränderungen er an seinem Vermögen […] vorzunehmen habe»52. Zum selben Ergebnis gelangt Schwenzer, welche die aufgedrängte Bereicherung allerdings unter Art. 64 OR subsumiert (s. N 1807).53

49 Nietlispach, 183. 50 KGer St. Gallen, sic! 1999, 633; ausführlich Jenny, N 594 ff. 51 S. BGE 4A_376/2016 E. 5.2, in welchem das Bundesgericht das vorinstanzliche Abstellen auf den subjektiven Mehrwert im Falle einer aufgedrängten Bereicherung (Arbeiten, die der Unternehmer «ausserhalb» eines Werkvertrages leistete) schützte. In die gleiche Richtung weist BGE 122 III 61 E. 2c aa, bei welchem es allerdings um die Berechnung eines Schadens nach Art. 97 OR ging; Nietlispach, 359 f. m.w.H. 52 Schmid, N 907. 53 Schwenzer,  OR AT, N 58.14 f. Differenzierend dagegen der OR 2020-Gesetzesvorschlag, wonach eine Bereicherung grundsätzlich nicht zurückerstatten ist, wenn diese für den Bereicherten ohne Interesse ist. Schneidet z.B. die Gärtnerin fälschlicherweise die Bäume beim Grundeigentümer B statt bei ihrer Auftrag-

550

§ 23

Ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62–67 OR)

Der Bereicherungsanspruch umfasst im Übrigen nicht nur den Bereicherungsge- 1806 genstand, sondern auch einen Erlös daraus.54 Zudem erstreckt er sich auf den Nutzen, den der Bereicherte aus dem Gegenstand gezogen hat – beispielsweise auf den Zins.55 Dies gilt anders als bei Art. 938 ZGB auch für den gutgläubigen Nutzer.56 Nicht zum Nutzen gehört ein allenfalls vom Bereicherten erzielter Gewinn, wobei die Abgrenzung mitunter schwierig ist: Als Gewinn gilt, was über eine Gebrauchsentschädigung hinausgeht.57 Ein Gewinn ist nach herrschender Lehre indessen nicht via Bereicherungsrecht, sondern nur über Art. 423 OR abzuschöpfen.58 Der Bereicherte seinerseits hat nach Massgabe von Art.  65  OR Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen, wenn er den Bereicherungsgegenstand in natura zurückgeben muss (s. Art. 422 Abs. 1 OR; Art. 939 f. ZGB). Eine wichtige Ausnahme vom Grundsatz, dass die Bereicherung in vollem Umfang 1807 ausgeglichen werden muss, statuiert Art. 64 OR: Der gutgläubig Bereicherte muss nur die im Zeitpunkt der Rückforderung noch bestehende Bereicherung ausgleichen. So soll verhindert werden, dass er schlechter gestellt wird, als wenn die Bereicherung gar nie eingetreten wäre.59 Der Bereicherte muss alsdann beweisen, dass er nicht wusste oder wissen musste (Art. 3 Abs. 2 ZGB), dass die Vermögensverschiebung ungerechtfertigt war (Einwendung gemäss Art. 64 OR). Er kann mit anderen Worten einen sog. Bereicherungsschaden geltend machen, welcher ihm dadurch entstanden sein kann, dass er im Vertrauen auf die Endgültigkeit der Bereicherung sein Vermögen beeinträchtigte.60 Beispiel: Buchung einer Luxus-Kreuzfahrt, die der Bereicherte ohne Bereicherung nicht unternommen hätte. Bestreitet der Bereicherte hingegen mit dem Geld, um das er bereichert ist, Ausgaben, die auch sonst angefallen wären, liegt eine sog. Ersparnisbereicherung vor. Er kann sich diesfalls nicht auf die Entreicherungseinwendung von Art. 64 OR berufen.61

54 55 56 57 58 59 60 61

geberin A, so soll der Bereicherte (B) keinen Wertersatz leisten müssen, wenn er nachweist, dass er den Baum hätte fällen wollen; s. OR 2020-de Werra/Chappuis, Art. 66 N 5. BSK OR-Schulin, Art. 64 N 4. BGE 116 II 689 E. 3b bb; 84 II 179 E. 4. Guhl/Koller, § 28 N 5 f. Gauch/Schluep/Schmid, N 1517c. Jenny, N 525 ff., insbesondere N 592; Schmid, N 1333 ff. A.M. Kohler, 152 ff. (und wohl auch BSK ORSchulin, Art. 62 N 21), der die ersparte Lizenzgebühr und den Verletzergewinn als Bereicherung bezeichnet. BGE 82 II 430 E. 9b. BGE 82 II 430 E. 9b. BGE 71 II 147 E. 6; ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 64 N 5.

551

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

3.

Kein Anspruch auf Rückerstattung der Bereicherung (Art. 63 und Art. 66 OR)

3.1

Freiwillige und irrtumsfreie Bezahlung einer Nichtschuld (Art. 63 Abs. 1 OR)

1808

Für den Fall einer freiwilligen und irrtumsfreien Bezahlung einer Nichtschuld ist ein Bereicherungsanspruch nicht gegeben (Art. 63 Abs. 1 OR).62

1808a

Bei Zahlung einer Nichtschuld ist zusätzlich zu den drei Voraussetzungen von Art. 62 Abs. 1 OR (s. N 1773) Folgendes zu beachten: Das freiwillig Geleistete kann nur zurückgefordert werden, wenn die Entreicherte nachzuweisen vermag, dass sie sich bei der Leistungserbringung über ihre Schuldpflicht im Irrtum befunden hat (Art. 63 Abs. 1 OR), also fälschlicherweise davon ausging, sie schulde die Leistung. Der Irrtum über die Schuldpflicht braucht nicht wesentlich zu sein; ein einfacher Motivirrtum genügt.63 Weiss die Leistende, dass sie nichts schuldet, oder ist sie darüber im Zweifel, fehlt es an einem Irrtum und der Kondiktionsanspruch entfällt.64 Die Rückforderung des Geleisteten bildet hier einen Anwendungsfall eines verpönten widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium nach Art. 2 Abs.  2 ZGB). Dagegen kann eine unfreiwillige Leistung folgerichtigerweise auch dann zurückgefordert werden, wenn die Leistende sich nicht irrte, sondern wusste, dass sie nichts schuldet.65 Freiwillig erfolgt eine Leistung, wenn keine Zwangslage vorliegt, das heisst, die Zahlung nicht «als einzig möglicher und zumutbarer Ausweg» erscheint.66 Die unfreiwillige Zahlung einer Nichtschuld infolge Unterlassung oder Beseitigung des Rechtsvorschlags kann nach den Regeln des SchKG67 zurückverlangt werden (Art. 63 Abs. 3 OR i.V.m. Art. 86 SchKG).

1808b

In einigen Entscheiden hat das Bundesgericht die Ansicht vertreten, dass Art. 62 Abs. 1 OR bei Leistungskondiktionen generell nicht zur Anwendung komme; Leistungskondiktionen seien nur nach Art. 63 Abs. 1 OR zu beurteilen.68 Neuerdings scheint das Gericht aber wieder von dieser Sicht abzurücken: Ohne zusätzlich zu differenzieren, nennt es jetzt Art. 62 und Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 OR in einem Zug.69 Dies ist zu begrüssen, denn die Erwähnung der Leistungskondiktionen in Art. 62 Abs.  2  OR legt gesetzessystematisch nahe, Art.  62  OR auch bei Leistungskondiktionen miteinzubeziehen:70 Art. 63 Abs. 1 OR stellt lediglich eine Erschwerung der 62 BGE 129 III 646 E. 3.2. 63 BGE 129 III 646 E. 3.2; 64 II 121 E. 5f; BK OR-Becker, Art. 63 N 11. 64 Rusch, ZSR 2009 I, 142; differenzierend zum Zweifel über die Leistungspflicht Bucher, OR AT, 673. 65 BGE 123 III 101 E. 3a; ZR 1970, 248 ff., für den Fall einer gegründeten Furcht im Sinne von Art. 29 OR. 66 BGE 123 III 101 E. 3b. 67 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SR 281.1). 68 BGE 5C.51/2004 E. 7.1; 4C.279/2003 E. 3.2; 123 III 101 E. 3a. 69 BGE 4A_47/2009 E. 2.1; 4C.248/2006 E. 2.2; 4C.250/2006 E. 2.2; 129 III 646 E. 3.1 f. 70 S. Rusch, ZSR 2009 I, 134.

552

§ 23

Ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62–67 OR)

Rückleistung zulasten der Entreicherten für einen Fall der Erfüllung einer Nichtschuld dar. Eine Ausdehnung der Ausnahmebestimmung von Art. 63 Abs. 1 OR auf die übrigen Leistungskondiktionen ist dagegen nicht angezeigt. Nach zutreffender Ansicht unterstehen neben den Eingriffs- auch die Leistungskondiktionen Art. 62 Abs. 1 OR, wobei für den Spezialfall der Erfüllung einer Nichtschuld zusätzlich das Erfordernis von Art. 63 Abs. 1 OR zu beachten ist.71 3.2

Erfüllung einer verjährten Schuld oder einer sittlichen Pflicht (Art. 63 Abs. 2 OR)

Die Erfüllung einer verjährten Schuld oder einer nur sittlichen, nicht aber recht- 1809 lichen Pflicht (s.  N  2861) begründet keinen Bereicherungsanspruch (Art.  63 Abs. 2 OR). Obwohl nicht ausdrücklich erwähnt, werden von Art. 63 Abs. 2 OR weitere unvoll- 1810 kommene Obligationen erfasst, wie die Forderung aus Spiel und Wette (Art. 513 OR) oder Bereicherungsforderungen, deren Rückforderung nach Art.  66  OR ausgeschlossen ist (s.  N  1811  ff.).72 Die Erfüllung einer unvollkommenen Obligation schafft einen hinreichenden Rechtsgrund, damit der Empfänger die Leistung behalten darf.73 Anzufügen bleibt, dass der Bereicherte die Erfüllung einer solchen unvollkommenen Obligation nicht gegen den Willen des Leistenden hätte durchsetzen können. Im Bereich der unvollkommenen Obligationen gilt im analogen Sinn: melior est causa possidentis. 3.3

Herbeiführung eines rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolgs (Art. 66 OR)

Die Rückforderung ist gemäss Art.  66  OR ausgeschlossen, wenn die Vermögens- 1811 verschiebung «in der Absicht [das heisst mit dem Vorsatz74], einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen», vorgenommen wurde.75 Bei rechts- oder sittenwidrigen Verträgen soll diejenige, die mit ihrer Leistung einen verwerflichen Zweck verfolgte, diese nicht zurückfordern dürfen. Auf ein allfälliges rechts- oder sittenwidriges Verhalten des Empfängers kommt es dabei grundsätzlich nicht an; entscheidend ist einzig, dass die Leistende verwerflich gehandelt hat.76

71 Im Ergebnis gleich Furrer/Müller-Chen, Kap. 15 N 27; Guhl/Koller, § 27 N 15; Koller, AJP 2006, 468; Schwenzer, OR AT, N 55.04; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1840, 1842 ff. 72 BSK OR-Schulin, Art. 63 N 5. 73 Engel, CO PG, 591; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1836. 74 Purtschert/Huguenin, ius.full 2009, 7 m.w.H. 75 S. BGE 102 II 401 E. 4c. 76 S. BGE 102 II 401 E. 4b und E. 4c.

553

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

1812

Die herrschende Lehre schränkt den Anwendungsbereich von Art. 66 OR ein und will ihn nur für die Fälle des sog. Gaunerlohns heranziehen, das heisst für Leistungen, welche der Belohnung eines rechts- oder sittenwidrigen Handelns des Bereicherten dienen77 (z.B. für die Beihilfe zur Erbschleicherei).78 Das Bundesgericht hat sich nunmehr zu Recht dieser restriktiven Auslegung von Art. 66 OR angeschlossen,79 nachdem es nach alter Praxis Art. 66 OR noch auf andere Fälle von Leistungen angewendet hatte, die aufgrund eines rechts- oder sittenwidrigen Vertrages erfolgt waren.80

1813

Überdies findet Art. 66 OR – entsprechend seinem Wortlaut81 – nur auf Leistungsund nicht auf Eingriffskondiktionen Anwendung. Die herrschende Lehre geht davon aus, dass Art.  66  OR den Bereicherungsanspruch nicht beseitigt, sondern bloss seine Klagbarkeit ausschliesst.82 Die Bestimmung hat zwingenden Charakter und ist von Amtes wegen zu beachten.83

4. 1814

Verjährung (Art. 67 OR)

Die relative Verjährungsfrist für einen Bereicherungsanspruch beträgt ein Jahr (nach dem revidierten Verjährungsrecht, welches am 1.  Januar 2020 in Kraft treten wird, neu drei Jahre84) und beginnt in jenem Zeitpunkt, in welchem die Entreicherte von ihrem Anspruch Kenntnis erhält (Art. 67 Abs. 1 OR). Die Bereicherungsgläubigerin kennt gemäss Bundesgericht ihren Anspruch, wenn sie über so viele Informationen und Unterlagen über den Sachverhalt verfügt, dass ihr die gerichtliche Geltendmachung vernünftigerweise zugemutet werden kann.85 Kennenmüssen genügt nicht.86 Die absolute Verjährungsfrist beträgt zehn Jahre seit Entstehen des Anspruchs (Art. 67 Abs. 1 OR; ebenso nach dem neuen, revidierten Verjährungsrecht). Bei der Leistung aus nicht verwirklichtem Grund beginnt die Frist zu laufen, sobald feststeht, dass sich der Zuwendungsgrund nicht mehr verwirklichen kann (s. N 1791 ff.).87 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87

554

Gauch/Schluep/Schmid, N 1549 ff.; Guhl/Koller, § 27 N 13; Purtschert/Huguenin, ius.full 2009, 5 f.; BK OR-Rüedi, Art. 66 N 328 ff.; Schwenzer, OR AT, N 56.12; von Büren, 302. S. BGE 66 II 256. BGE 134 III 438 E. 3.2. S. BGE 102 II 401 E. 4. S. Art. 66 OR: «Was […] gegeben worden ist […]». BGE 4C.163/2002 E. 2.2; CHK OR-Hahn, Art. 66 N 2; BK OR-Rüedi, Art. 66 N 469 ff.; BSK OR-Schulin, Art. 66 N 1. S. Purtschert/Huguenin, ius.full 2009, 9 m.w.H. S. BBl 2018 3537 ff., 3538. BGE 135 III 289 E. 7.1 = Pra 2009 Nr. 120; 129 III 503 E. 3.4; 127 III 421 E. 4b; 109 II 433 E. 2 = Pra 1984 Nr. 78. CR CO-Chappuis, Art. 67 N 4; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1854. BGE 119 II 20 E. 2b = Pra 1993 Nr. 188.

§ 23

Ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62–67 OR)

Als Einrede (Verteidigungsmittel gegen einen der Entreicherten gegenüber erhobe- 1815 nen Anspruch; die Entreicherte ist hier in der Position der Schuldnerin) verjährt ein Bereicherungsanspruch nicht: Besteht die Bereicherung in einer Forderung, verfügt die Schuldnerin nach Art. 67 Abs. 2 OR über eine dauernde Einrede. Diese kann auch dann noch erhoben werden, wenn der Bereicherungsanspruch bereits verjährt ist (s. auch die entsprechende Vorschrift von Art. 60 Abs. 3 OR für Ansprüche aus unerlaubten Handlungen, die im «Gewand» der Einrede ebenfalls unbeschränkt geltend gemacht werden können).

VI.

Rückabwicklung von synallagmatischen Verträgen

Der Bereicherungsanspruch auf Rückerstattung einer erbrachten Leistung steht 1816 einer Partei nicht bzw. nur in beschränktem Umfang zu, wenn sie eine Nichtschuld irrtumsfrei erfüllte (Art.  63 Abs.  1  OR; s.  N  1808  ff.), die Gegenpartei sich ihrer Bereicherung gutgläubig entäusserte (Art. 64 OR; s. N 1803 ff.) oder ein rechts- oder sittenwidriger Erfolg herbeigeführt werden sollte (Art. 66 OR; s. N 1811 ff.). Gemäss der früher herrschenden Zweikondiktionentheorie ist bei zwei sich gegenüberstehenden Bereicherungsansprüchen jede Forderung für sich alleine zu betrachten.88 Dadurch konnte die Situation entstehen, dass eine Partei ihre Leistung zurückzuerlangen vermochte, aber von der Rückgabepflicht der von ihr empfangenen Leistung befreit war. Dies führte zu stossenden Ergebnissen, z.B. wenn die Gegenpartei bei der Rückabwicklung eines beidseitig erfüllten synallagmatischen Vertrages ihre Leistung erfolgreich vindizieren konnte, aber aufgrund von Art.  64  OR nur noch jenen Teil der bezogenen Leistung zurückerstatten musste, um den sie bereichert war. Diese wenig ganzheitliche Betrachtungsweise wird durch die (heute von der herr- 1817 schenden Lehre vertretene) Saldotheorie korrigiert. Danach sind die Leistungen im Gesamtzusammenhang zu betrachten: Bereichert ist nur derjenige, der «per Saldo» mehr erhalten hat.89 Das Bundesgericht hat sich bislang für keine der beiden Theorien entschieden. In BGE 110 II 244 lehnte es das Gericht beispielsweise ab, die Saldotheorie entsprechend anzuwenden, wenn die Gegenseite über einen Vindikationsanspruch verfügt.90 Dieses Urteil wurde von der Lehre kritisiert: Das Ergebnis der Rückabwicklung sollte nach dieser und auch nach unserer Auffassung nicht von der Rechtsnatur des Rückgewährsanspruchs abhängen.91

88 89 90 91

Von Tuhr/Peter, 506 ff. S. Bucher, OR AT, 690. BGE 110 II 244 E. 2a = Pra 1985 Nr. 7. S. Schwenzer, OR AT, N 58.21.

555

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

1818

Auch sonst haben Lehre und Rechtsprechung nach Möglichkeiten gesucht, um bei der Rückabwicklung mit gleichzeitiger Anwendung von Bereicherungs- und Vindikationsrecht unstimmige, weil gemessen am Normzweck bzw. am ursprünglichen Leistungs-Gegenleistungs-Verhältnis inäquivalente Ergebnisse zu vermeiden. Zur Erreichung dieses Ziels muss bei Ungültigkeit eines synallagmatischen Vertrages z.B. entgegen Art.  63 Abs.  1  OR auch eine freiwillige und irrtumsfreie Leistung zurückverlangt werden können.92 Der Anwendungsbereich von Art.  66  OR wird darum in diesen Fällen auch eingeschränkt – sei es dadurch, dass Art. 66 OR nur in den Fällen des Gaunerlohns zur Anwendung kommt (s. N 1812), sei es, dass sich nicht auf Art. 66 OR berufen können soll, wessen Verhalten verwerflicher erscheint als dasjenige seines Vertragspartners.93

1819

Kurzum: Das Bereicherungsrecht darf nach der hier vertretenen Meinung nicht als ein in sich geschlossener Normenkomplex betrachtet werden, der nur seinen eigenen Kriterien folgt. Vielmehr ist der Schutzzweck jener Norm in den Mittelpunkt zu stellen, welche die Rückabwicklung verlangt.94 Beispiel: Wurde dem Betäubungsmittelkonsumenten gestrecktes Heroin verkauft, ist das Verhalten der Verkäuferin verwerflich, und der Bereicherungsanspruch des Käufers ist ungeachtet von Art.  66  OR zuzulassen. Hat sich der nach Art.  29  f.  OR Bedrohte der Bereicherung im Sinne von Art.  64  OR entäussert, erscheint bei der Rückabwicklung eines synallagmatischen Vertrages die Anwendung der Zweikondiktionentheorie ausnahmsweise sachgerecht.95 Das Gericht muss in diesen Fällen über einen gewissen Ermessensspielraum verfügen. Es hat sich dabei unter anderem an der Billigkeit zu orientieren.96

1820

Des Weiteren wird in der Lehre auch diskutiert, ob sich die bereicherungsrechtlichen Grundsätze (analog) auf den Vindikationsanspruch übertragen lassen,97 um die – rechtsnaturabhängige – Ungleichbehandlung der kondizierenden Partei gegenüber der (privilegierten) vindizierenden Partei zumindest im parteiinternen Verhältnis zu beseitigen. Wird z.B. zur Herbeiführung eines rechtswidrigen Erfolgs eine Sache geleistet, ist nach der herrschenden Lehre Art. 66 OR analog auf die Vindikation (Art. 641 Abs. 2 ZGB) anzuwenden.98

1821

Nach der hier vertretenen Auffassung lassen sich stossende Ergebnisse vermeiden, wenn die Rückabwicklung gescheiterter Verträge nach vertragsrechtlichen Grundsätzen und «im Zusammenhang» (s. N 583) erfolgt. Die Annahme eines Rückabwicklungs- oder Liquidationsverhältnisses erlaubt es, die Abwicklungsregeln unter 92 93 94 95 96 97 98

556

BGE 115 II 28 E. 1a; Gauch/Schluep/Schmid, N 1577 ff. BGE 117 IV 139 E. 3d dd; 102 II 401 E. 4c. S. Huguenin, Nichtigkeit, 73. S. BGE 117 IV 139 E. 3d dd. BGE 82 II 430 E. 9b; s. zum Ganzen Huguenin, Nichtigkeit, 72 f. Offengelassen in BGE 37 II 65 E. 4; s. Gauch/Schluep/Schmid, N 1553 f. und N 1579. CR CO-Chappuis, Art. 66 N 5; CHK OR-Hahn, Art. 66 N 5; BK OR-Rüedi, Art. 66 N 530 ff.

§ 23

Ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62–67 OR)

Beachtung des Schutzzwecks der liquidationsauslösenden Norm (das heisst jener Norm, welche die Rückabwicklung verlangt), aber auch in Referenz an das von den Parteien angestrebte Leistungs-Gegenleistungs-Verhältnis auszugestalten. Die subjektive (= vereinbarte) Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung kann somit auch in der «Liquidationsphase» berücksichtigt werden, und zwar insoweit, als der Mangel nicht im Leistungs-Gegenleistungs-Verhältnis gründet (z.B. bei Art. 21 OR). Im Ergebnis wird dadurch eine durch eine inkonsistente Abwicklung verursachte, zufällige Güterallokation vermieden (s. N 583). Die in Lehre und Rechtsprechung bisweilen geäusserte Kritik, die vertragliche Natur der Rückabwicklungsansprüche lasse sich bei Entstehungsmängeln infolge Fehlens eines gültigen Vertrages dogmatisch nur schwer begründen,99 vermag nicht zu überzeugen. Denn die Umwandlungstheorie bezweckt nicht die nachträgliche «Konstruktion» eines gültigen Vertrages, sondern die Ausgestaltung der Rückabwicklungsmodalitäten nach den – in sich zusammenhängenden – vertragsrechtlichen Regeln, sofern «im Kontext» eines (mit Entstehungs- oder Erfüllungsmängeln behafteten) Vertrages Leistungen ausgetauscht worden sind. Dadurch kann der Anwendungsbereich kondiktionsspezifischer Normen (insbesondere Art. 63 Abs. 1, Art. 64 und Art. 66 OR), welche prinzipiell nicht auf die Rückabwicklung von Verträgen zugeschnitten sind, auf den extrakontraktuellen Bereich beschränkt werden. Mittels der vertragsrechtlich gesteuerten Rückabwicklung wird der Erstattungsmechanismus als Schuldverhältnis i.w.S. betrachtet. Die Zulassung einzelner vindikations- bzw. kondiktionsrechtlicher Ansprüche schafft dagegen nur Schuldverhältnisse i.e.S.

VII. Ungerechtfertigte Bereicherung im Dreipersonenverhältnis Sind an einem Bereicherungsverhältnis drei oder mehr Personen beteiligt, hat der 1822 Bereicherungsausgleich grundsätzlich und zuerst zwischen den am fehlerhaften Rechtsverhältnis beteiligten Parteien stattzufinden. Auch das Bundesgericht verneint Bereicherungsansprüche zwischen rechtlich unverbundenen Parteien.100 Es ist überdies darauf zu achten, dass einer Partei nicht die ihr grundsätzlich zustehenden Einwendungen und Einreden abgeschnitten werden101 und dass ihr nicht Einwendungen und Einreden aus einem Drittverhältnis entgegengehalten werden können, an welchem sie nicht beteiligt ist.

99 BGE 137 III 243 E. 4.4.3; 129 III 264 E. 4.1 = Pra 2003 Nr. 176; Hartmann, N 938 m.w.H. 100 Kasuistik bei Riemer, recht 2005, 35 f. 101 S. BSK OR-Schulin, Art. 62 N 36.

557

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

1823

Aus den genannten Gründen ist im Dreipersonenverhältnis zunächst zu bestimmen, welche Personen bereichert bzw. welche entreichert sind.102 So soll z.B. bei der direkten Stellvertretung nach dem Willen der Parteien ein Rechtsverhältnis zwischen dem Dritten und dem Vertretenen entstehen. Demgegenüber handelt die Vertreterin bei der indirekten Stellvertretung in eigenem Namen; zwischen dem Vertretenen und dem Dritten besteht demzufolge keine Rechtsbeziehung. Konsequenterweise hat der Bereicherungsausgleich im ersten Fall zwischen dem Dritten und dem Vertretenen und im zweiten Fall zwischen dem Dritten und der Vertreterin einerseits und zwischen dem Vertretenen und der Vertreterin andererseits zu erfolgen (unseres Erachtens sind insbesondere im ersten Fall allfällig bereits erbrachte Leistungen in der Regel nach vertraglichen Regeln zu erstatten [sog. vertragliches Rückabwicklungsverhältnis]; s.  N  1111 und N  1115  f.). Entsprechende Überlegungen sind bei der Anweisung (Art. 466 ff. OR; s. N 1216 ff.) anzustellen.

1824

Liegt ein sog. Doppelmangel vor, sind mithin beide der Vermögensverschiebung zugrunde liegenden Verträge mangelhaft, ist grundsätzlich keine Direktkondiktion möglich.103 Sind etwa bei einer Anweisung sowohl das Deckungs- als auch das Valutaverhältnis fehlerhaft, hat der Angewiesene nach traditioneller Auffassung einen Bereicherungsanspruch gegen den Anweisenden und dieser einen weiteren solchen Anspruch gegen die Anweisungsempfängerin (unseres Erachtens steht dem Angewiesenen ein vertraglicher Anspruch auf Erstattung zu [vertragliches Rückabwicklungsverhältnis]; s. N 1222). Der Angewiesene hat also keinen direkten (bereicherungs- oder vertragsrechtlichen) Anspruch gegen die Anweisungsempfängerin (s. N 1222).

VIII. Konkurrenzen 1825

Eine Konkurrenz zwischen vertraglichen Ansprüchen und Bereicherungsansprüchen ist zu verneinen.104 Soweit vertragliche Ansprüche vorliegen, fehlt es an einer Bereicherung. Nach der Umwandlungstheorie entsteht bei der Rückabwicklung mangelbehafteter Verträge ein vertragliches Rückabwicklungs- oder Liquidationsverhältnis, welches Bereicherungsansprüche ausschliesst (s. N 1769).

1826

Bezüglich der GoA (Art.  419  ff.  OR) gilt es zu unterscheiden: Die echte berechtigte GoA entfaltet quasivertragliche Wirkungen. Für einen Bereicherungsanspruch besteht daneben grundsätzlich kein Raum.105 Auf die echte unberechtigte GoA und die gutgläubige Eigengeschäftsführung sind sodann ohnehin die Art.  62  ff.  OR 102 103 104 105

558

S. BGE 70 II 117 E. 1. BGE 117 II 404 E. 3a; 116 II 689 3b aa. BGE 127 III 421 E. 3. Schmid, N 1310 f.

§ 23

Ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 62–67 OR)

anzuwenden. Bei der bösgläubigen Eigengeschäftsführung konkurrieren schliesslich die Gewinnherausgabeansprüche nach Art. 423 OR und Art. 62 OR alternativ miteinander. Beide unterscheiden sich aber im Umfang der zu erstattenden Summe. Der Anspruch aus Art. 423 OR ist für den Geschäftsherrn in der Regel vorteilhafter, da er die Gewinnabschöpfung ermöglicht (zum Verhältnis von Art. 62 und 423 OR s. N 2202 ff.).106 Nach überwiegender Auffassung geht im extrakontraktuellen Bereich der Vindika- 1827 tionsanspruch (Art. 641 Abs. 2 ZGB) dem Kondiktionsanspruch vor.107 Diese langjährige Rechtsprechung hat das Bundesgericht in einem jüngeren Entscheid erneut bestätigt.108 Nach unserer Auffassung ist es nicht zwingend, zwischen verschiedenen extrakontraktuellen Ansprüchen eine Rangordnung aufzustellen.109 Dasselbe gilt für die zu den dinglichen Herausgabeansprüchen akzessorische Regelung der Nebenansprüche (Art. 938–940 ZGB).110 Zwischen Deliktsansprüchen (Art. 41 ff. OR) und Bereicherungsansprüchen besteht 1828 nach herrschender Lehre Anspruchskonkurrenz.111

106 107 108 109 110 111

S. auch Jenny, N 296. BGE 135 III 474 E. 3.3.1; 110 II 228 E. 7d; BSK OR-Schulin, Art. 62 N 37 m.w.H. BGE 4A_581/2012 E. 2.3.1. Gl.M. Koller, N 33.25. BSK ZGB-Ernst, Vor Art. 938–940 N 7; Honsell, 356. Engel, CO PG, 583 und 596; Gauch/Schluep/Schmid, N 1510; Guhl/Koller, § 28 N 11; Nietlispach, 405; anders noch BGE 74 II 23 E. 1.

559

§ 24 Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze) Grundlagenliteratur Engel, CO PG, 440 ff.; Fellmann, Haftpflichtrecht II; Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I; Furrer/Müller-Chen, Kap. 10 ff.; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht; Keller/Gabi/Gabi; Kramer/Probst, OR AT, N  330  ff.; Müller, responsabilité; Rey/ Wildhaber, Haftpflichtrecht; Roberto, Haftpflichtrecht; Schnyder/Portmann/MüllerChen, Haftpflichtrecht; Schwenzer, OR AT, N 49.01 ff.; Werro, responsabilité.

Weiterführende Literatur Bieri Reto, Sittenwidrige Schädigung nach Art.  41 Abs.  2 OR: Einblick in eine «Mauerblümchen»-Bestimmung des Haftpflichtrechts, AJP 2008, 549–559; Brehm Roland, La responsabilité civile automobile, 2. Aufl., Bern 2010; Délco Fabio, Die Bedeutung des Grundsatzes von Treu und Glauben beim Ersatz reiner Vermögensschäden, Diss. Zürich 2000; Fellmann Walter, Haftungsrisiken im PrSG, in: Fellmann Walter/Furrer Andreas (Hrsg.), Produktesicherheit und Produktehaftung  – die Schonzeit für Hersteller, Importeur und Händler ist vorbei!, Bern 2012, 111–124 (zit.: Fellmann, Produktesicherheit); Fellmann Walter, Der Produktfehler und sein Nachweis, recht 2007, 158–165 (zit.: Fellmann, recht 2007); Foëx Bénédict, À propos de l’action en responsabilité du propriétaire d’immeuble (art. 679 CC), JdT 1999 I, 474–500; Gabriel Bruno, Die Widerrechtlichkeit in Art. 41 Abs. 1 OR unter Berücksichtigung des Ersatzes reiner Vermögensschäden, Diss. Freiburg 1987; Gorgé Rémy, Die absichtliche Schädigung unter Verstoss gegen die guten Sitten gemäss OR Art. 41 Abs.  2, Diss. Bern 1948; Guyaz Alexandre, Le tort moral en cas d’accident: une mise à jour, SemJud 2013, 215–267; Guyaz Alexandre/Vautier Eigenmann Muriel, Le dommage purement économique, in: Werro Franz/Pichonnaz Pascal (Hrsg.), Le dommage dans tous ses états, Bern 2013,  195–218; Haas Raphaël, Einwilligung in eine Persönlichkeitsverletzung ohne Widerrufsmöglichkeit?, Jusletter 15.  November 2010; Honsell Heinrich, 100 Jahre Schweizerisches Obligationenrecht, ZSR 2011 II, 5–115; Huguenin Claire/ Hilty Reto M. (Hrsg.), Schweizer Obligationenrecht 2020, Entwurf für einen neuen allgemeinen Teil, Zürich 2013 (zit.: OR 2020-BearbeiterIn); Hütte Klaus, Genugtuung bei Körperverletzung und nicht gerechtfertigtem Freiheitsentzug, HAVE 2007,  310–314; Keller Max/Schmied-Syz Carole, Haftpflichtrecht: ein Grundriss in Schemen und Tabellen, 5. Aufl., Zürich 2001; Koller Alfred, Schadenersatzpflicht als Fremdwährungsschuld?, Jusletter 6. Mai 2013; Krauskopf Frédéric, Haftung mehrerer Ersatzpflichtiger nach Art. 60 und 61 Abs. 3 SVG, in: Fellmann Walter (Hrsg.) Haftpflicht des Motorfahrzeughalters – neue Antworten auf alte Fragen, Bern 2013, 87–122; Krepper Peter, Affektionswert-Ersatz bei Haustieren, AJP 2008, 704–718; Küttel Pamela, Begriff der Teilnahme nach Art. 50 OR, «Gemeinsame Verschuldung» eines Schadens durch Anstifter, Urheber und Gehilfen und die Rolle des Begünstigers, HAVE 2008,  320–335; Landolt Hardy, Haftung für rechtmässige Schadenverursachung, HAVE 2014,  3–13 (zit.: Landolt, HAVE 2014); Landolt Hardy,

560

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Stand und Entwicklung des Genugtuungsrechts, HAVE 2009, 125–136 (zit.: Landolt, HAVE 2009); Liver Peter, Das Eigentum, in: Meier-Hayoz Arthur (Hrsg.), SPR Bd. V/1, Basel/ Stuttgart 1977; Lörtscher Andreas, Untere und obere Grenze des Genugtuungsbetrages, HAVE 2015, 196–200; Maranta Luca, Die Produkthaftung nach PrHG im Vergleich zu konkurrierenden Anspruchsgrundlagen, ius.full 2006, 242–250; Merz Hans, Obligationenrecht, SPR Bd. VI/1, Basel/Frankfurt a.M. 1984; Pasquier Bruno, Die Schätzung nach gerichtlichem Ermessen  – unmittelbare und sinngemässe Anwendung des Art.  42 Abs.  2 OR, Diss. Freiburg 2014; Peter Christian, Wünsche der Patienten und Pflichten der Ärzte, Jusletter 16. August 2010; Rey Heinz, Die Grundlagen des Sachenrechts und das Eigentum, 3. Aufl., Bern 2007 (zit.: Rey, Sachenrecht); Rey Heinz, Rechtliche Sonderverbindungen und Rechtsfortbildung, in: FS Keller, Zürich 1989, 231–243 (zit.: Rey, Sonderverbindungen); Roberto Vito, Verschuldenshaftung und einfache Kausalhaftungen: eine überholte Unterscheidung?, AJP 2005,  1323–1329; Roberto Vito/Rickenbach Jennifer, Was ist eine Schutznorm?, ZSR 2012 I, 185–200; Schneider Kayasseh Eveline, Haftung bei Verletzung oder Tötung eines Tieres – unter besonderer Berücksichtigung des Schweizerischen und U.S.-Amerikanischen Rechts, Diss. Zürich 2009; Simonius August, Zur Erinnerung an die Entstehung des Zivilgesetzbuches, ZSR 1957 I, 293–319; Tercier Pierre, Le nouveau droit de la personnalité, Zürich 1984; Tuor Peter/Schnyder Bernhard/Schmid Jörg/Jungo Alexandra, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 14. Aufl., Zürich 2015 (zit.: Tuor/BearbeiterIn); Weber Stephan, Kausalität und Solidarität – Schadenszurechnung bei einer Mehrheit von tatsächlichen oder potentiellen Schädigern, HAVE 2010, 115–127 (zit.: Weber, HAVE 2010); Weber Stephan, Umstände, für die der Geschädigte nicht einstehen muss, HAVE 2007, 108–111 (zit.: Weber, HAVE 2007); Werro Franz, Le défaut du produit, ses catégories, sa preuve et les instructions du fabricant, SJZ 2008, 257–265.

I.

Charakteristik der ausservertraglichen Haftpflicht

1.

Begriff

Die ausservertragliche Haftpflicht ist das Einstehenmüssen für Schädigungen, bei denen die Ersatzpflicht nicht auf einem bereits bestehenden Rechtsverhältnis zwischen dem Schädiger und der Geschädigten beruht.1

2.

1829

Arten

Nach allgemeiner Auffassung werden drei Arten der extrakontraktuellen Haftpflicht 1830 unterschieden: Die Verschuldenshaftung, die einfache (oder auch gewöhnliche)

1 Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 3; von Tuhr/Peter, 407.

561

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

Kausalhaftung (i.e.S.) und die Gefährdungshaftung – wobei Letztere ebenfalls eine – allerdings qualifizierte – Kausalhaftung ist.2 1831

Die in Art.  41 OR normierte Verschuldenshaftung ist als generelle Haftung für deliktisches und schadenstiftendes Verhalten ausgestaltet (Universalitätsprinzip). Zurechnungskriterium für die Schadensüberwälzung von der Geschädigten auf den Schädiger ist hier ein persönliches Verschulden des Schädigers.3

1832

Demgegenüber knüpfen die speziellen Kausalhaftungen nicht an ein vorwerfbares Fehlverhalten, sondern an gesetzlich definierte, typisierte Sachverhalte an: Die Realisierung des entsprechenden Kausalhaftungstatbestands löst sodann die Haftpflicht aus. Die Kausalhaftungen (i.w.S.) sind dadurch charakterisiert, dass sie kein Verschulden des Schädigers voraussetzen.4 Sie werden in einfache (oder gewöhnliche) Kausalhaftungen (i.e.S.) und Gefährdungshaftungen (qualifizierte Kausalhaftungen) unterteilt.

1833

Die einfachen Kausalhaftungen zeichnen sich häufig dadurch aus, dass sie bestimmte Sorgfaltspflichten voraussetzen, deren Verletzung alsdann eine Haftung auslöst (z.B. Art.  55 OR; Art.  333 ZGB).5 Die Gefährdungshaftungen knüpfen demgegenüber an eine qualifiziert gefährliche Tätigkeit oder einen Zustand an, von welchem ein besonderes Risiko ausgeht.6 Beispiele für Gefährdungshaftungen sind die Haftung des Motorfahrzeughalters (Art. 58 Abs. 1 SVG7), die Haftung aus Eisenbahngesetz (Art. 40b Abs. 1 EBG8) oder die Haftung aus Jagdgesetz (Art. 15 JSG9).10 In Abgrenzung zu den einfachen Kausalhaftungen werden Gefährdungshaftungen darum auch als qualifizierte Kausalhaftungen bezeichnet.

1834

Innerhalb der  – heterogenen  – Kategorie der einfachen Kausalhaftungen unterscheidet ein Teil der Lehre weiter zwischen milden und scharfen Kausalhaftungen.11 Die Unterteilung erfolgt anhand des Kriteriums, ob dem Schädiger die Möglichkeit zugestanden wird, zu seiner Entlastung den Sorgfaltsbeweis zu erbringen.

2 S. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 1 N 8 ff.; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 71 ff.; Roberto, AJP 2005, 1323; Schwenzer, OR AT, N 49.07 ff. 3 S. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 73 ff. 4 CHK OR-Müller, Art. 41 N 5 und N 16. 5 CHK OR-Müller, Art. 41 N 17; kritisch Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 93. 6 Fellmann, Haftpflichtrecht II, N 111 f.; Landolt, HAVE 2014, 8 f.; Schnyder/Portmann/MüllerChen, Haftpflichtrecht, N 332 f. 7 Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SR 741.01). 8 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 (SR 742.101). 9 Bundesgesetz vom 20. Juni 1986 über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (Jagdgesetz; SR 922.0). 10 BK OR-Brehm, Art. 51 N 75; CHK OR-Mazan, Art. 51 N 16. 11 Aufteilung nach Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 228 und 274; andere Unterteilung bei Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 89 ff.; Roberto, AJP 2005, 1323.

562

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Bei den milden Kausalhaftungen steht ihm der Sorgfaltsbeweis zu seiner Entlastung 1835 zur Verfügung:12 Er kann sich von der Haftung befreien, indem er nachweist, keine Sorgfaltspflicht verletzt zu haben. Nach einem Teil der Lehre, der wir uns anschliessen, handelt es sich bei der einfachen milden Kausalhaftung im Endeffekt um eine Verschuldenshaftung mit Beweislastumkehr.13 Bei der scharfen Kausalhaftung steht dem Schädiger der Sorgfaltsbeweis prinzipi- 1836 ell nicht offen. Bisweilen kann er aber andere, speziell vorgesehene Entlastungsbeweise führen, beispielsweise den Beweis der fehlenden Inverkehrbringung bei der Produktehaftung (Art. 5 Abs. 1 lit. a PrHG14). Zu den milden Kausalhaftungen gehören die Geschäftsherrenhaftung (Art. 55 OR; 1837 s.  N  2027  ff.), die Tierhalterhaftung (Art.  56 OR; s.  N  2044  ff.), die Haftung des Urteilsunfähigen im Sinne von Art. 54 Abs. 2 OR (s. N 1999) sowie die Haftung des Familienhaupts (Art. 333 ZGB; s. N 2073 ff.).15 Die Haftung des Urteilsunfähigen nach Art. 54 Abs. 1 OR (s. N 1997 f.), die Werk- 1838 eigentümerhaftung (Art.  58 OR; s.  N  2055  ff.), die Grundeigentümerhaftung (Art. 679 f. ZGB; s. N 2082 ff.) sowie die Produktehaftpflicht (PrHG; s. N 2096 ff.) zählen dagegen zu den scharfen Kausalhaftungen.16

3.

Abgrenzungen

3.1

Zur vertraglichen Haftung

Von der vertraglichen grenzt sich die ausservertragliche Haftung dadurch ab, dass 1839 sie nicht auf der Verletzung einer «besonderen» rechtsgeschäftlich begründeten, sondern einer allgemeinen, von der Rechtsordnung auferlegten Pflicht beruht.17 Die deliktische Haftung greift demnach bei Schäden, die «vertragsfern» (extrakontraktuell) entstanden sind. Zwischen einem vertraglichen und einem deliktischen Ersatzanspruch besteht nach 1840 herrschender Auffassung Anspruchskonkurrenz, sofern die Voraussetzungen beider Ansprüche erfüllt sind (s. dazu N 908, N 4145).18 Bei gegebener Wahlmöglichkeit wird die Geschädigte in erster Linie versuchen, ihren Schaden nach den Regeln

12 Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 228 und N 274. 13 Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, §  1 N  23; Roberto, AJP 2005, 1329; Schwenzer, OR AT, N 49.09. 14 Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über die Produktehaftpflicht (Produktehaftpflichtgesetz; SR 221.112.944). 15 Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 228. 16 Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 229. 17 CHK OR-Müller, Art. 41 N 3. 18 BGE 130 III 193 E. 2.2; Müller, responsabilité, N 30; Kritik bei Werro, responsabilité N 1675 ff.

563

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

der Vertragshaftung zu liquidieren. Diese erweist sich für die Geschädigte nämlich in verschiedener Hinsicht als vorteilhafter als die deliktische Haftung: • Anders als im Deliktsrecht sind im Vertragsrecht reine Vermögensschäden auch dann ersatzfähig, wenn keine spezifische  – widerrechtlichkeitsbegründende  – Schutznorm verletzt wird (s. N 861, N 1950 ff.). • Das Verschulden des Schädigers wird bei der vertraglichen Haftung vermutet (Art. 97 Abs. 1 OR; s. N 893), wogegen die Geschädigte es im Rahmen von Art. 41 Abs. 1 OR zu beweisen hat (Art. 8 ZGB). • Im Gegensatz zur ausservertraglichen Geschäftsherrenhaftung (Art.  55 OR; s.  N  2027  ff.) sieht die vertragliche Hilfspersonenhaftung (Art.  101 OR; s. N 993 ff.) die Möglichkeit des Entlastungsbeweises nicht vor. • Die Verjährungsfristen für vertragliche Ansprüche sind tendenziell länger als jene für ausservertragliche Ansprüche (s. im Einzelnen N 2228 ff.). Etwas anderes gilt nach dem auf den 1. Januar 2020 in Kraft tretenden neuen Verjährungsrecht für Ansprüche aus Tötung eines Menschen oder Körperverletzung. Hier gelten neu sowohl im vertraglichen wie auch im ausservertraglichen Bereich eine dreijährige relative und eine zwanzigjährige absolute Verjährungsfrist (Art. 60 Abs. 1bis bzw. Art. 128a revOR19; s. auch N 2236a f. und N 2243). 3.2 1841

Von der quasivertraglichen Haftung werden Fälle erfasst, in denen die Parteien zwar nicht direkt in einem kontraktuellen, aber doch in einem vertragsähnlichen Kontext handeln (s. N 1470 ff.). Die ausservertragliche Haftpflicht erfasst dagegen «bloss» den Zufallskontakt. 3.3

1842

Zu den quasivertraglichen Haftungen

Zur ungerechtfertigten Bereicherung (Art. 62 ff. OR)

Die bereicherungsrechtlichen Ansprüche (Art. 62 ff. OR) zählen ebenfalls zu den extrakontraktuellen Ansprüchen. Während das Kondiktionsrecht aber den Ausgleich eines ungerechtfertigten Vermögensvorteils des Bereicherten zugunsten des Entreicherten bezweckt (s. N 1767 ff.), zielt das Haftpflichtrecht auf die Kompensation eines bei der Geschädigten eingetretenen Schadens. Das Haftpflichtrecht richtet den Fokus auf die Geschädigte, das Bereicherungsrecht nimmt den Bereicherten ins Visier.

19

564

S. BBl 2018 3537 ff., 3537 f.

§ 24

II.

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Allgemeiner Haftungstatbestand (Art. 41 OR)

Die Grundnorm des ausservertraglichen Haftpflichtrechts findet sich in Art.  41 1843 Abs. 1 OR in der Form einer Generalklausel: Haftbar gemacht wird derjenige, der «einem andern widerrechtlich Schaden zufügt» und dabei vorsätzlich oder fahrlässig handelt. Die allgemeinen Voraussetzungen der ausservertraglichen Haftpflicht bilden demnach: • ein Schaden (s. N 1844 ff.); • ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Schaden (s. N 1914 ff.); • die Widerrechtlichkeit (subsidiär Sittenwidrigkeit; Art. 41 Abs. 2 OR) des Schädigerverhaltens (s. N 1939 ff.); • ein Verschulden des Schädigers (s. N 1969 ff.).

1.

Schaden

Als erste Voraussetzung für sämtliche Deliktshaftungen muss ein Schaden vorlie- 1844 gen. Die weiteren Voraussetzungen  – Kausalzusammenhang, Widerrechtlichkeit und Verschulden – sind nachfolgend zu prüfen. 1.1

Begriff

Ein Schaden ist eine unfreiwillige Verminderung des Vermögens, die in einer Abnahme der Aktiven, einer Zunahme der Passiven oder in einem entgangenen Gewinn besteht.20

1845

Die Definition des Schadensbegriffs überlässt das Gesetz der Rechtsprechung und 1846 der Lehre. Ein Schaden ist nach allgemeiner Auffassung eine ungewollte bzw. unfreiwillige Einbusse im Vermögen der Geschädigten. Das Vermögen setzt sich aus der Gesamtheit aller einer bestimmten Person zustehenden geldwerten Güter zusammen.21 Im Sinne der traditionellen Schadenskonzeption liegt ein rechtlich relevanter Scha- 1847 den nur vor, wenn sich dieser im Vermögen der Geschädigten niederschlägt. Allerdings hat der klassische Schadensbegriff in jüngerer Zeit gewisse Relativierungen 20 BGE 132 III 359 E. 4; 129 III 331 E. 2.1; 128 III 22 E. 2e aa = Pra 2002 Nr. 74; 116 II 441 E. 3a aa; 104 II 198 E.  a; BK OR-Brehm, Art.  41 N  70; Furrer/Müller-Chen, Kap. 10 N  40; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2527 und N 2848; CHK OR-Müller, Art. 41 N 20; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 162; Werro, responsabilité, N 46; BSK OR-Wiegand, Art. 97 N 38. 21 BGE 127 III 73 E. 4a; CHK OR-Müller, Art. 41 N 20.

565

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

erfahren. Lehre und Rechtsprechung anerkennen die Ersatzfähigkeit bestimmter – «normativer» – Schäden unabhängig davon, ob die Geschädigte eine konkrete Vermögenseinbusse erlitten hat (s. N 1876 ff.). 1.2

Schadensberechnung

1848

Der Schaden entspricht der Differenz zwischen dem gegenwärtigen Vermögensstand und dem Stand, den das Vermögen ohne das schädigende Ereignis hätte (Differenzhypothese).

1849

Der Schaden wird nach der sog. Differenzhypothese (s. N 867 ff.) berechnet. Er entspricht der Differenz zwischen dem gegenwärtigen (tatsächlichen) Vermögensstand und dem hypothetischen Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis.22

1850

Der Beweis des Schadens, seiner Existenz und der ziffernmässigen Höhe23 obliegt gemäss Art.  42 Abs.  1 OR der Geschädigten. Für Fälle, in denen der strikte (ziffernmässige) Schadensnachweis unmöglich oder für die Geschädigte unzumutbar ist,24 sieht Art. 42 Abs. 2 OR eine Beweiserleichterung vor: Dem Gericht wird insoweit ein erweiterter Ermessensspielraum eingeräumt, als es den Schaden «mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge» zu schätzen hat.25 Die ermessensweise Schätzung des Schadens gemäss Art. 42 Abs. 2 OR betrifft die Feststellung des Sachverhalts und damit eine Tatfrage, welche das Bundesgericht grundsätzlich nicht frei überprüfen kann.26

1851

Von der Schadensberechnung (Art. 42 OR) ist die Schadenersatzbemessung (Art. 43 und Art. 44 OR; s. N 1886 ff.) zu unterscheiden: Während die Schadensberechnung ein rein kalkulatives Verfahren zur Eruierung und Feststellung des Schadens darstellt, wird bei der Schadenersatzbemessung normativ verfahren, indem Aspekte

22

23 24 25

26

566

BGE 132 III 359 E. 4; 127 III 73 E. 4a; 116 II 441 E. 3a aa; 104 II 198 E. a; BK OR-Brehm, Art. 41 N 70b; CHK OR-Müller, Art. 42 N 21; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 163 ff.; CR CO-Werro, Art. 41 N 7. Kritisch zur Differenzhypothese Honsell, ZSR 2011 II, 97: Nach dem Wortlaut von Art. 43 Abs. 1 OR soll der Richter den Schadenersatz nach freiem Ermessen unter Beachtung der Umstände und des Verschuldens bestimmen können. Die Berechnung des Schadens sei nämlich kein mathematischer, sondern ein normativer Vorgang. BGE 122 III 219 E. 3a; Keller/Gabi/Gabi, 86 f. BGE 4A_665/2012 E. 3.2.1 ff.; 4A_294/2009 E. 3.2; 128 III 271 E. 2b aa; 105 II 87 E. 1.3; 89 II 214 E. 5b; s. Pasquier, N 172 ff. Vgl. dazu die Formulierung des OR 2020-Gesetzesvorschlags in Art. 48 OR 2020, wonach das Gericht den Schaden mit Rücksicht auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge zu schätzen hat, falls die Höhe des Schadens nicht bewiesen werden kann oder dieser Beweis nicht zumutbar ist; kritische Würdigung dieses Vorschlags bei Pasquier, N 266 ff. S. BGE 143 III 297 E. 8.2.5.2; 122 III 219 E. 3b; Pasquier, N 206 ff.

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

wie das Verschulden des Schädigers und allfällige Reduktionsgründe berücksichtigt werden.27 Die Schadensberechnung dient der Ermittlung des Höchstbetrags der Schadener- 1852 satzforderung.28 Der tatsächliche Umfang dieser Forderung wird alsdann im Rahmen der Schadenersatzbemessung konkretisiert und unter Umständen – bei Vorliegen entsprechender Gründe – zugunsten des Schädigers reduziert (s. dazu auch N 897a).29 1.3

Schadensarten

a.

Personen-, Sach- und übriger Schaden

Im Haftpflichtrecht ist die Unterscheidung zwischen Personenschaden, Sachscha- 1853 den und übrigem Schaden30 von Bedeutung. Der Grund dafür liegt im Wesentlichen in der Definition der Widerrechtlichkeit (s. N 1940 ff.): Bei Personen- und Sachschäden wird die Widerrechtlichkeit in der Regel gegeben 1854 sein, weil diese Schäden aus der Verletzung eines absolut geschützten Rechts der Geschädigten, namentlich ihres Persönlichkeits- oder Eigentumsrechts, resultieren (Erfolgsunrecht; s. N 1944 ff.). Dagegen ist die Zufügung reiner Vermögensschäden, welche eine Subkategorie 1855 der «übrigen Schäden» (s. N 1867) bilden, nur dann widerrechtlich, wenn sie im konkreten Fall gegen eine einschlägige Schutznorm verstösst (Verhaltensunrecht; s. N 1950 ff.). Für das Vertragsrecht ist diese Unterscheidung insofern irrelevant, als die kontrak- 1856 tuelle Haftung an die Verletzung einer vertraglichen Pflicht knüpft und ohne weitere Differenzierung sowohl Personen-, Sach- wie auch Vermögensschäden umfasst (s. N 867 ff., insbesondere N 876). Gleichwohl sind die Grundsätze, die zur Berechnung eines Personen- oder Sachschadens entwickelt wurden, auch im Rahmen von vertraglichen Schadenersatzansprüchen zu beachten (z.B. Berechnung eines Invaliditätsschadens). Ein Personenschaden (Art.  45 und Art.  46 OR) entsteht, wenn ein Mensch getö- 1857 tet oder verletzt wird. Erfasst wird sowohl die Beeinträchtigung der physischen als

27 28 29 30

Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 373. Müller, responsabilité, N 658. Müller, responsabilité, N 659 ff.; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 424. BGE 127 III 73 E. 4a.

567

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

auch der psychischen Integrität.31 Zu ersetzen sind die wirtschaftlichen Nachteile einer Tötung oder Körperverletzung.32 1858

Im Fall einer Tötung haben die Erben gemäss Art. 45 Abs. 1 OR einen Anspruch auf Ersatz der entstandenen Kosten, sofern diese unmittelbar mit der Tötung zusammenhängen (z.B. Kosten für die Bestattung oder den Transport des Leichnams33). Mittelbar entstandene Kosten, beispielsweise die Kosten für den Grabunterhalt, werden dagegen nicht erfasst.34

1859

Bei einer Körperverletzung hat die Geschädigte Anspruch auf Ersatz der entstandenen Kosten und der aus einer allfälligen Arbeitsunfähigkeit fliessenden Nachteile (Art. 46 Abs. 1 OR). Unter «Kosten» sind insbesondere die Auslagen für Heilung, Pflege und Betreuung zu verstehen. Darunter fallen beispielsweise Rettungs-, Arzt-, Spital- oder Therapiekosten.35 Ebenfalls zu ersetzen sind die infolge einer Behinderung angefallenen Auslagen, sofern diese der Befriedigung der elementaren Bedürfnisse der Geschädigten dienen (z.B. Kosten für den Erwerb eines Rollstuhls oder Mehrkosten für bauliche Veränderungen am Wohnhaus).36

1860

Der Ersatz für die nachteiligen Folgen der Arbeitsunfähigkeit umfasst den Verdienstausfall der Geschädigten. Dieser entsteht dadurch, dass die Geschädigte infolge der Körperverletzung ihre Erwerbstätigkeit nicht bzw. nicht mehr in gleichem Umfang wie bislang ausüben kann. Die vollständige oder teilweise Arbeitsunfähigkeit kann dauernd oder vorübergehend sein. Ist die Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt des Urteils behoben, erfolgt die Schadensberechnung anhand eines Vergleichs des bis dahin erzielten tatsächlichen Verdienstes mit dem hypothetischen Verdienst ohne das schädigende Ereignis; die daraus resultierende Einkommensdifferenz bildet den Schaden (Differenzhypothese). Bleibt die Geschädigte dauernd gänzlich oder teilweise arbeitsunfähig (Invalidität), muss zusätzlich der künftige Schaden bestimmt werden.37 Als Berechnungskriterien dienen dazu regelmässig der medizinisch fixierbare Grad der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer.38

1861

Als weiteren Schadensposten erwähnt Art. 46 Abs. 1 OR die «Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens» (Integritätsschaden). Es handelt sich dabei um eine Beeinträchtigung der Position der Geschädigten auf dem Arbeitsmarkt, die über

31 CR CO-Werro, Art. 41 N 18. 32 Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, §  8 N  59  f.; Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 38. 33 BGE 1C_264/2009 E. 6.2; BSK OR-Kessler, Art. 45 N 4. 34 BGE 113 II 323 E. 5. 35 Werro, responsabilité, N 1122. 36 BGE, JdT 1979 I, 454; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 269. 37 Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 47. 38 BSK OR-Kessler, Art. 46 N 9; Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 411 f.

568

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

die Nachteile der Arbeitsunfähigkeit hinausgeht.39 Zu ersetzen sind in erster Linie die wirtschaftlichen Nachteile, welche der Geschädigten wegen des schädigenden Ereignisses auf dem Arbeitsmarkt erwachsen. Das gilt auch, wenn vom medizinischen Standpunkt aus betrachtet keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt (z.B. bei einem infolge der Schädigung entstellten Gesicht).40 Bei Personenschäden ist es möglich, dass im Urteilszeitpunkt die exakte Schadens- 1862 summe noch nicht feststellbar ist, weil diese vom konkreten Verlauf der Genesung abhängt. Für diese Fälle sieht Art. 46 Abs. 2 OR die Möglichkeit vor, dass das Gericht einen sog. Rektifikationsvorbehalt in das Urteil aufnimmt. Ein solcher Vorbehalt erlaubt dem Gericht, das Urteil innerhalb einer zweijährigen Frist an die veränderte Schadenssumme anzupassen.41 Ein Sachschaden entsteht, wenn eine Sache beschädigt, zerstört oder dem Berech- 1863 tigten entzogen wird.42 Für die Berechnung des Schadens ist zwischen einem Totalund einem Teilschaden zu unterscheiden: Ein Totalschaden liegt vor, wenn die Sache so stark beschädigt ist, dass sie nicht 1864 mehr repariert werden kann (sog. technischer Totalschaden), wenn sich eine Reparatur nicht lohnt, weil die Kosten der Wiederinstandstellung jene einer Neuanschaffung übersteigen würden (sog. wirtschaftlicher Totalschaden), oder wenn die Sache abhandengekommen ist.43 Für die Berechnung des Schadens ist entscheidend, ob die Sache wertbeständig ist oder nicht, das heisst, ob sie durch Gebrauch und Alterung an Wert verliert oder nicht. Bei wertbeständigen Sachen besteht der Schaden in den Anschaffungskosten für eine gleichwertige Sache, wobei vom Marktwert auszugehen ist. Bei nicht wertbeständigen Sachen ist bloss der Zeitwert zu ersetzen, welcher dem Anschaffungspreis abzüglich Abschreibungen entspricht.44 Kann die Sache aus technischer Sicht repariert werden und ist eine solche Repara- 1865 tur auch wirtschaftlich sinnvoll, spricht man von einem Teilschaden. Die Geschädigte hat in diesem Fall Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten sowie der unter Umständen verbleibenden Differenz zum aktuellen Minderwert. Selbst wenn die Sache nicht repariert und in beschädigtem Zustand weiterverwendet wird, sind die fiktiven Reparaturkosten zu ersetzen.45 Ebenfalls unter den ersatzpflichtigen Sachschaden fällt der sog. chômage. Darunter 1866 versteht man einen Produktions- bzw. Nutzungsausfall, der entsteht, weil die Sache infolge des schädigenden Ereignisses nicht bestimmungsgemäss verwendet werden 39 40 41 42 43 44 45

S. BK OR-Brehm, Art. 46 N 87b. CHK OR-Müller, Art. 46 N 22; Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 413. Kritisch dazu Werro, responsabilité, N 1186 ff. Schwenzer, OR AT, N 50.16; CR CO-Werro, Art. 41 N 19. BGE 4A_61/2015 E. 3 und E. 4; BSK OR-Kessler, Art. 41 N 12. CHK OR-Müller, Art. 41 N 30. S. BGE 116 II 441 E. 3a aa; Werro, responsabilité, N 1093.

569

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

kann.46 So führt beispielsweise die eingeschränkte Einsetzbarkeit einer beschädigten Maschine dazu, dass sich das Produktionsvolumen vermindert. Ein anderes Beispiel bildet das zerstörte Auto, welches nicht wie vorgesehen vermietet werden kann. Der Geschädigten entsteht dadurch ein Schaden in Form entgangenen Gewinns. 1867

Schäden, die weder unter die Kategorie der Personen- noch der Sachschäden fallen, werden der Residualkategorie «übrige Schäden» zugewiesen.47 Solche Schäden entstehen z.B. bei Verletzung von Immaterialgüterrechten oder als Folge von unlauterem Wettbewerb.48 Ebenfalls zu den übrigen Schäden gehört der reine Vermögensschaden. Dabei handelt es sich um einen Schaden, der ohne Verletzung eines absoluten Rechts herbeigeführt wird (s. N 1950).49 Anders als im Vertragsrecht ist im Haftpflichtrecht der reine Vermögensschaden nur unter der besonderen Voraussetzung ersatzfähig, dass das Schädigerverhalten gegen eine spezifische Schutznorm verstösst (s. N 1950 ff.). b.

Versorgerschaden (Art. 45 Abs. 3 OR)

1868

Einen Versorgerschaden erleidet, wer infolge eines schädigenden Ereignisses die Unterstützung seiner Versorgerin verliert, weil diese getötet wurde. Der Versorgerschaden stellt einen ex lege ausnahmsweise ersatzpflichtigen Reflexschaden (s.  N  1873) dar, welchen eine Person, die ihre Versorgerin verloren hat, geltend machen kann (Art. 45 Abs. 3 OR). Um einen Reflexschaden handelt es sich, weil die Vermögensverminderung hier nicht im Vermögen der direkt Geschädigten (Versorgerin) eintritt, sondern im Vermögen einer indirekt betroffenen Dritten (Versorgte).50 Genau genommen geht es also um den Versorgtenschaden.

1869

Bei einer Versorgerin handelt es sich um eine Person, die für eine oder mehrere andere Personen durch unentgeltliche Leistung in irgendeiner Form (in der Regel Geldleistung) aufkommt, beispielsweise die Mutter oder der Vater für das Kind, die erwachsenen Kinder für ihre Eltern, Partnerinnen und Partner im Konkubinat.51 Dabei ist unerheblich, ob die Versorgerin gesetzlich (s. z.B. Art. 328 ZGB) oder vertraglich dazu verpflichtet ist, die Versorgte zu unterstützen, oder ob sie die Leistung freiwillig erbringt.52 Ebenfalls Versorgerin ist eine Person, die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge eine andere Person in Zukunft mit Unterstützungsleistungen versorgt hätte (sog. hypothetische Versorgerin).53 46 47 48 49 50

Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 373. CR CO-Werro, Art. 41 N 20. BSK OR-Kessler, Art. 41 N 13. CHK OR-Müller, Art. 46 N 25. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 1 N 49; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 417; BK OR-Weber, Art. 97 N 203 und N 296. 51 BGE 82 II 39 E. 4a. 52 Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 67. 53 Guhl/Koller, § 24 N 21.

570

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Der Anspruch auf Ersatz des Versorgerschadens setzt allerdings die Unterstützungs- 1870 bedürftigkeit der Versorgten voraus.54 Eine solche Bedürftigkeit ist regelmässig anzunehmen, wenn die Versorgte ohne die Unterstützungsleistung der Versorgerin zu einer wesentlichen Einschränkung ihrer bisherigen Lebensweise gezwungen würde.55 Der Versorgerschaden wird in der Weise berechnet, dass der tatsächliche Vermö- 1871 gensstand der Versorgten dem hypothetischen Vermögensstand ohne den vorzeitigen Tod der Versorgerin gegenübergestellt wird (Differenzhypothese). Dazu hat das Gericht gestützt auf die konkreten Umstände des Einzelfalls zu schätzen, wie hoch die zukünftigen Unterstützungsleistungen ausgefallen wären und wie lange die Versorgerin diese Leistungen noch erbracht hätte.56 Der Versorgerschaden soll nach herrschender Auffassung von der Verweisung in 1872 Art. 99 Abs. 3 OR (s. N 885) nicht umfasst sein.57 Für diese Beschränkung liegen allerdings keine guten Gründe vor.58 Unseres Erachtens lässt es sich nicht rechtfertigen, bei Tötung der Versorgerin infolge einer Vertragsverletzung die Versorgten auf deliktsrechtliche Ansprüche zu verweisen, welche insbesondere hinsichtlich Verjährung59 und Beweislast für das Verschulden im Vergleich zu den Ansprüchen aus Vertrag ungünstiger sind (s. N 1840). Vielmehr sollte ein im kontraktuellen Kontext erlittener Versorgerschaden (z.B. infolge einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung) von den Versorgten nach den Regeln des Vertragsrechts geltend gemacht werden dürfen. c.

Reflex- oder Drittschaden

Unter einem Reflex- oder Drittschaden versteht man eine Vermögensverminde- 1873 rung, die nicht im Vermögen der direkt Geschädigten, also der durch das schädigende Ereignis in ihren von der Rechtsordnung geschützten Rechten verletzten bzw. in ihrem Vermögen geschädigten Person, sondern im Vermögen einer indirekt betroffenen Dritten eintritt.60 Reflexschäden sind nach herrschender Auffassung grundsätzlich nicht zu ersetzen (Ausnahme: Versorgerschaden gemäss Art. 45 Abs. 3 OR; s. N 1868 ff.).61 54 55 56 57 58

Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 69. BGE 113 II 323 E. 3b. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 346. S. BGE 81 II 547 E. 3; bestätigt in BGE 123 III 204 E. 2b; von Tuhr/Escher, 103. So auch CHK OR-Furrer/Wey, Art. 99 N 34; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2894; BSK OR-Wiegand, Art. 99 N 20. 59 Mit Inkrafttreten des neuen Verjährungsrechts auf den 1. Januar 2020 gelten für Ansprüche aus Tötung eines Menschen oder aus Körperverletzung im Delikts- wie auch im Vertragsrecht einheitliche Verjährungsfristen (relative Frist: drei Jahre; absolute Frist: zwanzig Jahre); s. dazu BBL 2018 3537 f. 60 CHK OR-Müller, Art. 41 N 27; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 409; BK OR-Weber, Art. 97 N 203 und N 296. 61 BK OR-Brehm, Art. 41 N 20.

571

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

1874

Die fehlende Ersatzfähigkeit von Reflexschäden wird in gewissen Konstellationen als unbillig empfunden. Als «Korrektiv-Konstruktionen» werden bisweilen die Drittschadensliquidation (s. N 1600 ff.) und der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (s. N 1567 ff.) vorgeschlagen. In der Schweiz begegnet man diesen Konzepten indessen mit Zurückhaltung.

1875

Vom Reflexschaden abzugrenzen ist der sog. Schockschaden. Bei diesem erleidet eine Dritte einen psychischen Schock, weil eine Person, zu der sie in einer nahen Beziehung steht, geschädigt wird.62 Beispielsweise erleidet ein Elternteil einen Schock, weil seine beiden Kinder bei einem Flugzeugabsturz63 getötet werden oder der Sohn infolge eines Verkehrsunfalls64 stirbt. Die Schockgeschädigte ist vom schädigenden Ereignis direkt – und nicht bloss indirekt – betroffen, weil sie in ihrer eigenen psychischen Integrität (absolut geschütztes Rechtsgut; s.  N  1944  ff.) verletzt wird; sie kann alsdann ihren eigenen Schaden geltend machen.65 d.

Normativer Schaden

1876

Der normative Schaden zeichnet sich negativ dadurch aus, dass keine Vermögenseinbusse im Sinne der Differenzhypothese vorliegt (s.  N  867  ff.). Dennoch wird die Ersatzfähigkeit dieser Schadenspositionen aus wertenden Überlegungen bejaht. Mit anderen Worten wird der enge Schadensbegriff nach der Differenzhypothese in gewissen (Ausnahme-)Fällen normativ korrigiert.66 In der Schweiz sind als normative Schadensarten der Haushaltsschaden und der Pflege- bzw. Betreuungsschaden anerkannt (s. N 1877 ff., N 1880 ff.).

1877

Ein Haushaltsschaden lässt sich dadurch charakterisieren, dass die haushaltsführende Person infolge eines schädigenden Ereignisses getötet oder verletzt wird, sodass sie den Haushalt nicht oder nicht mehr in gewohntem Umfang führen kann.67 Muss wegen dieser Beeinträchtigung eine (externe) Haushaltshilfe angestellt und bezahlt werden, liegt ein Schaden im traditionellen Sinn vor, weil der Lohn der Haushaltshilfe als zusätzliche Auslage der Geschädigten anfällt.

1878

Darüber hinaus anerkennt das Bundesgericht, dass der Haushaltsschaden auch dann zu ersetzen ist, wenn gar keine Haushaltshilfe angestellt wurde und infolgedessen auch keine zusätzlichen Auslagen entstanden. So besteht der Ersatzanspruch insbesondere auch dann, wenn die übrigen Haushaltsmitglieder die Haushaltsführung ganz oder teilweise übernehmen oder wenn die haushaltsführende Person zwar noch in der Lage ist, den Haushalt zu führen, aber die Haushaltsfüh62 63 64 65 66 67

572

BK OR-Brehm, Art. 41 N 24 ff. BGE 112 II 118 E. 5. BGE 138 III 276 E. 2.2 und E. 3.2. Roberto, Haftpflichtrecht, N 05.36 ff.; Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 63. S. Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, N 96 f. m.w.H. S. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 304.

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

rung aktuell mehr Anstrengungen von ihr erfordert.68 Ein solcher Schaden ist kein Schaden im traditionellen Sinn, weil die Ersatzberechtigte eben gerade keine konkrete Vermögenseinbusse erlitten hat (zur Differenzhypothese s.  N  867  ff.). Insofern handelt es sich um einen normativen Schaden.69 Das Bundesgericht rechtfertigt diese Abweichung vom klassischen Schadensbegriff unter anderem damit, dass der Beizug einer externen Haushaltshilfe im privaten Rahmen eines Haushalts – im Unterschied zu einer gewerblichen Umgebung  – «nicht durchwegs als zumutbar erscheint».70 Hinzu kommt das ehe- bzw. partnerschaftsrechtlich hergeleitete «Symmetrie-Argument»: Weil die von jedem Ehegatten geleisteten Beiträge an den Familienunterhalt unabhängig davon, ob es sich um Geldleistungen oder Naturalbeiträge in der Form der Haushaltsführung handelt, als gleichwertig zu betrachten sind (Art. 163 ZGB bzw. Art. 13 PartG71), ist es folgerichtig, nicht nur den Schaden des erwerbstätigen Ehegatten infolge Arbeitsunfähigkeit (Art. 46 Abs. 1 OR) zu ersetzen, sondern auch die Beeinträchtigung des haushaltsführenden Ehegatten zu entschädigen.72 Der zu ersetzende Haushaltsschaden ist am Aufwand zu messen, den eine entgelt- 1879 lich eingesetzte Hilfskraft verursachen würde.73 Die Berechnung erfolgt zweistufig: In einem ersten Schritt ist zu ermitteln, welchen Stundenaufwand die Haushaltsführung in Anspruch nimmt. Anschliessend ist der marktübliche (Stunden-)Lohn einer Haushilfe (Nominallohnindex, nicht Index der Konsumentenpreise) mit diesem Aufwand zu multiplizieren.74 In engem Zusammenhang mit dem Haushaltsschaden steht der Pflege- und Betreu- 1880 ungsschaden. Bedarf die Geschädigte dauernder oder vorübergehender Pflege und wird dafür eine (externe) Pflegehilfe in Anspruch genommen und bezahlt, ist dieser Schaden im Rahmen von Art. 46 Abs. 1 OR zu ersetzen, weil es sich dabei um entstandene Kosten handelt (s. N 1859).75 Pflegeleistungen werden jedoch häufig nicht von einer externen Pflegehilfe, son- 1881 dern unentgeltlich von Angehörigen der Geschädigten erbracht. In einem solchen Fall liegt aus denselben Gründen wie beim Haushaltsschaden kein Schaden im herkömmlichen Sinn vor (s. N 1878); es fehlt an einer konkreten Vermögensverminderung.76 Alsdann stellt sich auch hier die Frage, ob vom traditionellen Schadensbe68 BGE 132 III 321 E. 3.1; 131 III 360 E. 8.1 = Pra 2006 Nr. 18; 127 III 403 E. 4b. 69 So auch CHK OR-Müller, Art. 46 N 21; kritisch zum normativen Schaden Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 8 N 79 f. 70 BGE 127 III 403 E. 4b. 71 Bundesgesetz vom 18. Juni 2004 über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare (Partnerschaftsgesetz; SR 211.231). 72 S. BGE 127 III 403 E. 4b aa. 73 BGE 132 III 321 E. 3.1; s. Roberto, Haftpflichtrecht, N 29.35 ff. 74 BGE 131 III 360 E. 8.1 = Pra 2006 Nr. 18; 4C.276/2001 E. 8. 75 BK OR-Brehm, Art. 46 N 14 ff.; Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 51. 76 S. weiterführend Roberto, Haftpflichtrecht, N 29.39 ff.

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3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

griff insofern abgewichen werden soll, als für die Pflegeleistung unabhängig davon, ob diese entgeltlich erfolgt oder nicht, Ersatz geschuldet ist. 1882

Das Bundesgericht hat sich dafür ausgesprochen, dass der Pflege- und Betreuungsschaden auch dann angemessen zu ersetzen ist, wenn die Pflegeleistung kostenlos erfolgt.77 Dieser Entscheid ist zu begrüssen. Wird der Beizug einer externen Haushaltshilfe im privaten Rahmen als unzumutbar erachtet (s. N 1878), muss dies prinzipiell auch für eine externe Pflegehilfe gelten. e.

Kommerzialisierungs- und Frustrationsschaden

1883

Als Kommerzialisierungsschaden wird die Beeinträchtigung oder der Ausfall von entgeltlich erworbenen Nutzungsmöglichkeiten bezeichnet, die sich nicht im Vermögen niederschlagen (s. N 880 ff.).78 Der Kommerzialisierungsschaden ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht ersatzfähig. Die Anerkennung des Kommerzialisierungsschadens würde – so die Auffassung des Bundesgerichts – zu einer Ausuferung der Haftung führen und erhebliche praktische Schwierigkeiten hinsichtlich der ziffernmässigen Berechnung eines Nutzungsausfalls mit sich bringen. Überdies würde dadurch die Schadenskonzeption insgesamt infrage gestellt, was sich aktuell (noch) nicht rechtfertige.79 Die herrschende Lehre hält den Kommerzialisierungsschaden ebenfalls für nicht ersatzfähig.80

1884

Ein Frustrationsschaden liegt vor, wenn sich Auslagen, welche die Geschädigte vor dem schädigenden Ereignis getätigt hat, nicht gelohnt haben, weil der damit erkaufte Genuss infolge des schädigenden Ereignisses ausgeblieben ist oder vermindert war.81 Klassisches Beispiel für einen Frustrationsschaden ist der entgangene Feriengenuss. In diesem Fall bucht die Geschädigte eine Ferienreise, kann die Ferien aber wegen eines schädigenden Ereignisses (z.B. Autounfall) nicht antreten (s. N 881). Oder es wird die Reise angetreten, aber infolge der Frustration als «ungeniessbar» erlebt. Das Bundesgericht lehnt die Ersatzfähigkeit des Frustrationsschadens ab: «Beeinträchtigungen, welche nicht das Vermögen betreffen, stellen keinen Schaden im Rechtssinne dar»82. Der infolge des frustrierenden Ereignisses entgangene Genuss sei daher nicht durch Schadenersatz, sondern allenfalls durch Genugtuung abzugelten.83 Allerdings sind die Voraussetzungen für einen Genugtuungs77 78 79 80

BGE 4C.276/2001 E. 6b. Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, N 81. BGE 126 III 388 E. 11a. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2858; Koller, OR AT, N 49.20 ff.; differenzierend Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, N 88. 81 S. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2860; Roberto, Haftpflichtrecht, N 24.16 f. 82 BGE 115 II 474 E. 3a; bestätigt in BGE 4A_119/2010 E. 2.2; anders OGer Zürich, SJZ 1981, 81 ff. In der Lehre ist die Ersatzfähigkeit des Frustrationsschadens umstritten: ablehnend etwa BK OR-Brehm, Art. 41 N 84a; befürwortend Koller, OR AT, N 46.11 und N 49.13. 83 BGE 115 II 474 E. 3a.

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anspruch bei entgangenem Feriengenuss und ähnlichen Frustrationsschäden in der Regel nicht erfüllt, da keine qualifizierte Beeinträchtigung im Sinne einer immateriellen Unbill vorliegt (s. N 1899 ff.). Beim Kommerzialisierungs- und beim Frustrationsschaden geht es um dieselbe 1885 Frage, nämlich darum, ob die (unfreiwillige) Beeinträchtigung bzw. der Ausfall einer entgeltlich erworbenen Nutzungsmöglichkeit ersatzfähig sein soll oder nicht.84 Die generelle Ablehnung von deren Ersatzfähigkeit ist unseres Erachtens nicht angezeigt (s. N 882 f.). 1.4

Schadenersatzbemessung

Auf die Schadensberechnung folgt die Schadenersatzbemessung (Art. 43 f. OR). Bei 1886 diesem zweiten Schritt geht es darum, den Umfang des Schadenersatzes festzulegen, den der Schädiger der Geschädigten leisten muss.85 Den Ausgangspunkt – und zugleich die Obergrenze – bildet dabei die im Rahmen der Schadensberechnung mittels Differenzhypothese (s.  N  867  ff.) festgestellte Schadenssumme. Gemäss Art.  43 Abs.  1 OR hat das Gericht bei der Bemessung des Schadenersatzes die «Umstände» und die «Grösse des Verschuldens» zu berücksichtigen: Liegen Herabsetzungsgründe (Reduktionsgründe) vor, kann die Schadenersatzforderung entsprechend reduziert werden (Art. 44 OR). Über die Verweisung in Art. 99 Abs. 3 OR finden die Bestimmungen über die Schadenersatzbemessung auch auf die vertragliche Haftung Anwendung.86 a.

Reduktionsgründe

Die Bestimmungen der Art.  43  f. OR räumen dem Gericht einen weiten Ermes- 1887 sensspielraum hinsichtlich der Frage ein, welche «Umstände» zu einer Reduktion des Schadenersatzes führen und wie gross diese im Einzelfall sein soll.87 Rechtsprechung und Lehre haben diverse Reduktionsgründe entwickelt:88 Das Gericht hat gemäss Art. 43 Abs. 1 OR die «Grösse des Verschuldens zu würdi- 1888 gen». Ein lediglich leichtes Verschulden des Schädigers (zu den Schweregraden des Verschuldens s.  N  1985  ff.) stellt nach überwiegender Ansicht einen Reduktionsgrund dar, sofern es sich bei der betreffenden Haftung um eine Verschuldenshaf84 Müller, responsabilité, N 79. 85 Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 425. 86 BGE 127 III 453 E. 8c = Pra 2001 Nr. 179; 126 III 230 E. 7a bb; Schwenzer, OR AT, N 14.02; CR COWerro, Art. 43 N 2. 87 BSK OR-Kessler, Art. 43 N 18; in Bezug auf Art. 44 OR s. BGE 131 III 12 E. 4.2; 127 III 453 E. 8c = Pra 2001 Nr. 179. Das Gericht entscheidet in materiell-rechtlicher Hinsicht auch über die Art des Schadenersatzes nach seinem Ermessen; s. dazu Koller, Jusletter 6. Mai 2013, N 13. 88 S. auch die Kasuistiken in BK OR-Brehm, Art. 43 N 52 ff. und Art. 44 N 47 ff.

575

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

tung handelt.89 Bei Kausalhaftungen ist dieser Reduktionsgrund definitionsgemäss ausgeschlossen (zur allenfalls «neutralisierenden» Wirkung des Verschuldens eines Kausalhaftpflichtigen bei Vorliegen anderer Herabsetzungsgründe s. N 1898).90 1888a

Unter die in Art. 43 OR zu berücksichtigenden «Umstände» fällt sodann alles, was nicht vom Verschulden des Schädigers abhängt. Infrage kommen z.B. der mitwirkende Zufall (s. N 1892), persönliche Beziehungen zwischen den Parteien, die finanzielle Lage der Beteiligten, eine nur schwache Intensität des Kausalzusammenhangs oder auch die konstitutionelle Prädisposition der Geschädigten (s.  N  1893  f.).91 Zudem wird unter «Umstände» oft auch ein unentgeltliches Handeln oder das Vorliegen einer Gefälligkeit, in deren Rahmen es zu einer Schädigung kam, subsumiert.92 Der entsprechende Gedanke ist in dem – im Vertragsrecht angesiedelten – Art. 99 Abs. 2 OR wiedergegeben, der nach hier vertretener Ansicht sowohl im (quasi-)vertraglichen wie auch im ausservertraglichen Kontext einen Herabsetzungsgrund im Rahmen der Schadenersatzbemessung bildet (s. N 897a und N 1698). Wo es um unentgeltliches und altruistisches Handeln ohne Vorteil für den Erbringer geht, ist die Haftung zu reduzieren – und zwar sogar bis zur Nullgrenze, sofern dies im Einzelfall als angemessen erscheint.

1889

Trifft die Geschädigte ein Selbstverschulden, kann dies zur Reduktion des Schadenersatzes führen (Art. 44 Abs. 1 OR). Ein Selbstverschulden liegt vor, wenn die Geschädigte in fahrlässiger Weise den Schaden mitverursacht oder – im Sinne eines Verstosses gegen die allgemeine Schadensminderungspflicht93 – verschlimmert hat. Das Gericht hat das Verschulden des Schädigers gegen jenes der Geschädigten abzuwägen und den Schaden entsprechend aufzuteilen.94 Schweres Selbstverschulden führt dagegen nach herrschender Auffassung zur Unterbrechung des Kausalzusammenhangs und damit zum Wegfall der Haftung, wenn dieses einen so hohen Wirkungsgrad aufweist, dass die vom Schädiger gesetzte Ursache als rechtlich nicht mehr beachtlich erscheint (s. N 1926 f.).95 Dem Gericht kommt bei der Beurteilung der Intensität der Schadensursachen ein grosser Ermessensspielraum zu.

1890

Im Rahmen des Selbstverschuldens (Art.  44 Abs.  1 OR) kann als Reduktionsumstand auch eine allfällige Gefahrenexponierung der Geschädigten berücksichtigt

89 90 91 92 93 94 95

576

BGE 131 III 12 E. 4.2; Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, N 2420; Schwenzer, OR AT, N 16.02 f.; CR CO-Werro, Art. 43 N 15 ff.; s. Kasuistik bei BK OR-Brehm, Art. 43 N 77 ff.; a.M. Honsell/Isenring/ Kessler, Haftpflichtrecht, § 9 N 4. BK OR-Brehm, Art. 43 N 41; Schwenzer, OR AT, N 16.03; CR CO-Werro, Art. 43 N 18 f. BK OR-Brehm, Art. 43 N 51 ff.; Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, N 2391 ff. BGE 127 III 446 E. 4b bb; BK OR-Brehm, Art. 43 N 55 ff.; Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, N 2403 ff. Keller/Gabi/Gabi, 111; Schwenzer, OR AT, N 16.14; CR CO-Werro, Art. 44 N 27 f. BK OR-Brehm, Art. 44 N 20. BGE 4A_385/2013 E. 5.

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

werden:96 Der Schadenersatz ist angemessen zu kürzen, wenn sich die Geschädigte bewusst oder in fahrlässiger Weise einer «gesteigerte[n], über das Sozialübliche hinausgehende[n] Gefährdung»97 aussetzt, deren Verwirklichung den Schaden mitverursacht (z.B. Gefahrenexponierung beim Sprung mit einem Bungeeseil). Das Mitverschulden eines Dritten ist grundsätzlich kein Reduktionsgrund.98 1891 Erreicht das Drittverschulden indessen eine solche Intensität, dass das Schädigerverhalten als nicht mehr adäquat kausal für den Schaden erscheint (schweres Drittverschulden), so entfällt die Haftung des Schädigers (s. N 1926 f.). Im Unterschied zum gewöhnlichen Selbstverschulden der Geschädigten hat ein mittelschweres oder leichtes Drittverschulden keine Auswirkungen auf die Schadenersatzpflicht des Schädigers; stattdessen hat der Dritte in der Regel solidarisch neben dem Schädiger zu haften (s. N 2000 ff.).99 Zur Schmälerung des Schadenersatzes kann auch ein allenfalls mitwirkender Zufall 1892 führen. Der mitwirkende Zufall wird als ein «Umstand» unter Art. 43 Abs. 1 OR subsumiert. Man versteht darunter ein von jeglichem menschlichen Verhalten unabhängiges Ereignis, das den Schaden mitverursacht oder begünstigt.100 Bei Kausalhaftungen ist eine Ermässigung des Schadenersatzes allerdings nur bei solchen Zufällen gerechtfertigt, die vom haftungsbegründenden Tatbestand nicht erfasst werden. Art. 43 OR kann als lex generalis den Wirkungsbereich einer lex specialis nicht verkleinern: Ist Kausalhaftung angeordnet, dürfen ihre Folgen nicht via den Einsatz des Reduktionsgrunds «Zufall» ausgehebelt werden. Beispielsweise führt das zufällige Platzen eines Autoreifens nicht zu einer Reduktion, weil ein solches Risiko mit dem Betrieb von Motorfahrzeugen verbunden ist und deshalb von der Haftung gemäss Art. 58 Abs. 1 SVG (s. N 2128 ff.) erfasst wird.101 Ein Unterfall des mitwirkenden Zufalls ist die «konstitutionelle Prädisposition».102 1893 Es handelt sich dabei um eine Neigung eines Menschen zu «anormal» schweren Reaktionen auf Schädigungen.103 Darunter fallen auch vorbestehende Krankheiten der Geschädigten, welche den Schaden vergrössern, beispielsweise eine Bluter- oder Zuckerkrankheit, erhöhte Knochenbrüchigkeit oder eine Neigung zu Neurosen.104 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind zwei Fallkonstellationen zu 1894 unterscheiden: Wäre der Schaden ohne das schädigende Ereignis voraussichtlich 96 Weber, HAVE 2007, 109; CR CO-Werro, Art. 44 N 8 ff.; ähnlich Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 9 N 12. 97 Weber, HAVE 2007, 111. 98 BGE 117 II 50 E. 4a bb = Pra 1992 Nr. 140; Schwenzer, OR AT, N 16.23. 99 Werro, responsabilité, N 1367. 100 CHK OR-Müller, Art. 43 N 5. 101 Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 466. 102 BGE 131 III 12 E. 4; 113 II 86 E. 1b. 103 BK OR-Brehm, Art. 44 N 54; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 470. 104 BGE 113 II 86 E. 3b.

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3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

überhaupt nicht eingetreten, so ist der Schädiger dafür grundsätzlich voll haftbar. Der Umstand, dass eine konstitutionelle Prädisposition den Eintritt des Schadens begünstigt oder dessen Ausmass vergrössert hat, kann alsdann im Rahmen von Art.  44 Abs.  1 OR berücksichtigt werden.105 Hätte dagegen eine konstitutionelle Prädisposition auch für sich allein, also ohne das schädigende Ereignis, mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden geführt, ist dies bei der Schadensberechnung (Art. 42 OR) zu beachten: In diesem Fall ist der entsprechende Schadensanteil von der Schadensberechnung auszunehmen.106 1895

Als weiteren Reduktionsgrund nennt Art.  44 Abs.  1 OR die Einwilligung der Geschädigten. Weil eine (echte) Einwilligung – als Rechtfertigungsgrund – jedoch die Widerrechtlichkeit und damit die Haftung ausschliesst (volenti non fit iniuria; s. N 1961 ff., insbesondere N 1966), kann nur die sog. unechte Einwilligung einen Reduktionsgrund darstellen. Eine solche liegt vor, wenn die Einwilligung ungültig ist (Art. 20 Abs. 1 OR), wenn der Schädiger das Mass der Einwilligung überschreitet oder wenn die Geschädigte im Zeitpunkt der Einwilligung nicht handlungs- bzw. urteilsfähig ist.107

1896

Droht der Schädiger durch die Leistung der zunächst festgelegten Summe in eine finanzielle Notlage zu geraten, so kann das Gericht nach Art. 44 Abs. 2 OR den Schadenersatz reduzieren. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Schädiger weder vorsätzlich noch grobfahrlässig gehandelt hat. Dem Schädiger darf mit anderen Worten nur leichte oder mittlere Fahrlässigkeit vorgeworfen werden (s. N 1987 f.). Verfügt der Schädiger über eine Haftpflichtversicherung, wie dies in der Regel der Fall ist, bleibt für die Anwendung von Art. 44 Abs. 2 OR kein Raum.108 Umgekehrt wird in einigen Spezialgesetzen die Möglichkeit genannt, ein ungewöhnlich hohes Einkommen der Geschädigten als Kürzungsgrund zu berücksichtigen (Art.  62 Abs. 2 SVG; Art. 7 Abs. 2 KHG109). Ein ungewöhnlich hohes Einkommen kann nach Rechtsprechung und herrschender Auffassung generell als «Umstand» im Sinne von Art. 43 Abs. 1 OR berücksichtigt werden.110

1897

Das Gericht entscheidet nach seinem Ermessen, was unter einer «Notlage» zu verstehen ist. Sofern Vermögen vorhanden ist, das gepfändet werden kann, liegt noch

105 106 107 108 109 110

578

BGE 4C.402/2006 E. 5.1; 131 III 12 E. 4; 113 II 86 E. 3b; s. auch Weber, HAVE 2007, 109. A.M. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 9 N 8, welche die konstitutionelle Prädisposition Art. 43 OR zurechnen. BGE 4C.402/2006 E. 5.1; 131 III 12 E. 4; 113 II 89 E. 3b; anders BGE 6B_229/2008 E. 3.1. CHK OR-Müller, Art. 44 N 1; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 447 und FN 468. Schwenzer, OR AT, N 16.25; Werro, responsabilité, N 1281. Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 18. März 1983 (SR 732.44). BGE 4A_467/2010 E. 3.4; s. auch BGE 136 III 113 E. 3.1.3; BSK OR-Kessler, Art. 43 N 14; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 489; CR CO-Werro, Art. 43 N 26; a.M. BK OR-Brehm, Art. 43 N 63; Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, N 2409.

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

keine Notlage vor.111 Auch lässt das Bundesgericht vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten genügen.112 b.

Neutralisation von Reduktionsgründen bei der Kausalhaftung

Bei Kausalhaftungen ist das (leichte) Verschulden des Kausalhaftpflichtigen als 1898 Reduktionsgrund im Sinne von Art. 43 Abs. 1 OR ausgeschlossen. Auf ein Verschulden des Kausalhaftpflichtigen kommt es gerade nicht an.113 Die übrigen Reduktionsgründe sind prinzipiell auch auf Kausalhaftungen anwendbar (s. Art. 44 OR). Beispielsweise kommen als Reduktionsgründe ein Selbstverschulden der Geschädigten, deren ungewöhnlich hohes Einkommen (s. Art. 62 Abs. 2 SVG), ihre (unechte) Einwilligung in die schädigende Handlung oder ein mitwirkender Zufall in Betracht (s. N 1887 ff.). Das (mittel-)schwere Verschulden eines Kausalhaftpflichtigen kann jedoch potenzielle Reduktionsgründe neutralisieren: Trifft den Kausalhaftpflichtigen ein Verschulden, bleiben die an sich anwendbaren Reduktionsgründe unberücksichtigt.114 1.5

Abgrenzung zur Genugtuung

a.

Begriff der Genugtuung

Die Genugtuung ist eine Ausgleichsleistung für seelisches Leid, welches aus einer qualifizierten Verletzung des Persönlichkeitsrechts resultiert, ohne dass dabei ein Schaden im Sinne der Differenzhypothese vorliegen muss.114

1899

Mit dem Institut der Genugtuung versucht die Rechtsordnung das aus einer Schä- 1900 digung entstandene seelische Leid (auch «immaterielle Unbill» genannt) abzugelten. Dies geschieht dadurch, dass der Geschädigten ein Anspruch auf eine Geldleistung (Genugtuung, häufig auch «Schmerzensgeld» genannt) gewährt wird, welcher unabhängig vom Vorliegen eines Schadens im wirtschaftlichen Sinn geltend gemacht werden kann (s. N 113). Dabei hat die Genugtuung nach allgemeiner Ansicht weder eine Sühnefunktion für begangenes Unrecht noch eine Ausgleichsfunktion für erlittene Einbussen. Ihr Zweck besteht vielmehr darin, eine erfahrene immaterielle Unbill dadurch auszugleichen, dass «das Wohlbefinden anderweitig gesteigert oder die Beeinträchtigung erträglicher gemacht wird»116.

111 112 113 114 115 116

CHK OR-Müller, Art. 44 N 9. BGE 59 II 461 E. 4d. BK OR-Brehm, Art. 43 N 41. Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 454. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 494; Werro, responsabilité, N 160. BGE 6B_544/2010 E. 3.1; s. auch BGE 4A_113/2015 E. 2; 123 III 10 E. 4c bb; 118 II 404 3b aa; BK ORBrehm, Art. 47 N 38 ff.; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 498.

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3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

1901

Der Genugtuungsanspruch knüpft an eine qualifizierte Verletzung des Persönlichkeitsrechts an. Eine solche entsteht grundsätzlich nur bei Tötung, Körperverletzung (Art.  47 OR) oder einer anderen (schweren) Persönlichkeitsverletzung (Art.  49 OR).117 Kein Anspruch auf Genugtuung besteht bei Verletzung eines Werts, der nicht in den Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts fällt118 (z.B. im Zusammenhang mit Sach- oder Vermögensschäden), selbst wenn die betreffende Schädigung einen seelischen Schmerz bei der Verletzten auslöst.

1901a

In der Lehre ist umstritten, ob neben natürlichen auch juristische Personen zur Klage nach Art. 49 OR aktivlegitimiert sind. Verschiedene Autoren verneinen dies mit der Begründung, dass juristischen Personen die Fähigkeit fehle, seelisches Leid zu empfinden.119 Die Genugtuung sei daher allenfalls ihren Organen, nicht aber der juristischen Person selbst zuzusprechen.120 Andere Autoren vertreten, dass juristische Personen gerade über ihre Organe Leid erfahren können und daher selbst anspruchsberechtigt seien.121 Die Anerkennung ihrer Genugtuungsfähigkeit gewährleiste zudem den wirksamen Schutz ihrer Persönlichkeit.122 Das Bundesgericht hat in BGE 138 III 337 nach einer ausführlichen Auseinandersetzung mit den beiden Lehrmeinungen seine Rechtsprechung bestätigt, wonach juristische Personen aktivlegitimiert seien. In Anlehnung an die Realitätstheorie sei im Analogieschluss anzunehmen, dass ein Organ einer juristischen Person, welches Opfer einer Persönlichkeitsverletzung wurde, für die juristische Person das Leid empfinde, welches diese legitimiere, in ihrem eigenen Namen einen Genugtuungsanspruch geltend zu machen.123 Das Zugeständnis der Genugtuungsfähigkeit sei im Übrigen nur ein weiterer Schritt in einem schon lange andauernden Entwicklungsprozess hin zu einer juristischen Person mit umfassenden Persönlichkeitsrechten.124

1902

Nach herrschender Auffassung bilden die Art. 47 und Art. 49 OR keine selbständigen Haftungsnormen.125 Eine Genugtuung kann demnach nur zugesprochen werden, wenn auch die allgemeinen Voraussetzungen der Haftpflicht erfüllt sind – allerdings mit Ausnahme des Schadens, an dessen Stelle das seelische Leid tritt. Die einzelnen Voraussetzungen des Genugtuungsanspruchs bestimmt die jeweils anwendbare Haftungsnorm126 (i.V.m. Art. 47 bzw. Art. 49 OR): erlittener seelischer 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126

580

S. BGE 4A_307/2013 E. 3.2; Schwenzer, OR AT, N 17.03. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 494. Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, N 2655; Merz, 241; Tercier, N 2041; Werro, responsabilité, N 190. BSK OR-Kessler, Art. 49 N 7. BK OR-Brehm, Art. 49 N 42 f. Keller/Gabi/Gabi, 128; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 549. BGE 138 III 337 E. 6.1 = Pra 2012 Nr. 131; zur Realitätstheorie BSK ZGB-Huguenin/Reitze, Vorb. zu Art. 52–59 N 4 m.w.H. BGE 138 III 337 E. 6.1 = Pra 2012 Nr. 131. BGE 138 III 337 E. 6.3.3 = Pra 2012 Nr. 131; 123 III 204 E. 2e; BK OR-Brehm, Art. 47 N 15; Fellmann/ Kottmann, Haftpflichtrecht I, N 2621; CHK OR-Müller, Art. 47 N 7. S. Furrer/Müller-Chen, Kap. 14 N 54.

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Schmerz, Kausalzusammenhang, Widerrechtlichkeit, Verschulden (Art.  41 OR) bzw. Verwirklichung eines Kausalhaftungstatbestands127 (z.B. Art. 55, Art. 56 und Art. 58 OR; Art. 679 ZGB; Art. 58 Abs. 1 SVG). Die Bestimmungen der Art. 47 und Art. 49 OR enthalten Bemessungsregeln für die 1903 Genugtuung. Der Anwendungsbereich des Art. 49 OR erfasst alle Persönlichkeitsverletzungen, die nicht unter Art. 47 OR fallen, also keine Tötung bzw. Körperverletzung darstellen. Art. 49 OR ist daher lex generalis, Art. 47 OR lex specialis. Eine Genugtuung kann auch im Zusammenhang mit Vertragsverletzungen zuge- 1904 sprochen werden. Art. 47 und Art. 49 OR werden gemäss bundesgerichtlicher Judikatur von der Verweisung gemäss Art. 99 Abs. 3 OR miterfasst (s. N 113, N 878).128 b.

Genugtuung bei Tötung oder Körperverletzung (Art. 47 OR)

Art. 47 OR regelt den Genugtuungsanspruch bei Tötung oder Körperverletzung. Die 1905 Bestimmung räumt dem Gericht einen weiten Ermessensspielraum ein, indem sie sowohl für die Frage, ob eine Genugtuungsleistung zugesprochen werden soll, als auch für deren Bemessung auf die «besonderen Umstände» Bezug nimmt.129 Massgeblich ist in erster Linie die Intensität der Verletzung.130 So ist bei Körperverletzungen eine Genugtuung grundsätzlich nur dann geschuldet, wenn die unerlaubte Handlung zu einer erheblichen Störung des psychischen Gleichgewichts führt.131 Im Fall einer Tötung steht der Anspruch auf Genugtuung den Angehörigen zu 1906 (Art. 47 OR). Wer Angehörige im Sinne von Art. 47 OR ist, bestimmt sich nach der Intensität der Bindung.132 Zur Getöteten muss eine enge familiäre Beziehung bestanden haben,133 wofür aber keine Familienzugehörigkeit im rechtlichen Sinn erforderlich ist.134 Ein Genugtuungsanspruch wurde vom Bundesgericht beispielsweise für die Ehegattin und den Ehegatten, die Kinder und die im selben Haushalt lebenden Geschwister bejaht, für andere Verwandte, z.B. Onkel und Tanten, hingegen verneint.135 Unterschiedlich wird in der Lehre die Frage nach der Anspruchsberechtigung der 1907 Konkubinatspartnerin beantwortet.136 Die bisherige Rechtsprechung des Bundes127 128 129 130 131 132 133

S. BGE 123 III 204 E. 2e; 115 II 156 E. 2. BGE 130 III 699 E. 5.1 = Pra 2005 Nr. 74; 116 II 519 E. 2c. BGE 141 III 97 E. 11.2 = Pra 2016 Nr. 46; 4A_307/2013 E. 3.2; 6B_213/2012 E. 3.1. CHK OR-Müller, Art. 47 N 9. S. BGE 6S. 334/2004 E. 4.2; BK OR-Brehm, Art. 47 N 29; Landolt, HAVE 2009, 128. CR CO-Werro, Art. 47 N 16. BK OR-Brehm, Art. 47 N 134; CR CO-Werro, Art. 47 N 15; s. auch Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 10 N 4. 134 Schwenzer, OR AT, N 17.09; s. zum Ganzen Guyaz, SemJud 2013, 233 ff. 135 BGE 6B_405/2010 E. 2; 6S. 700/2001 E. 4.3; 118 II 404 E. 3b cc; 57 II 469 E. 3. 136 Bejahend: Roberto, Haftpflichtrecht, N  34.13; Werro, responsabilité, N  1370; verneinend: BK ORBrehm, Art. 47 N 160a m.w.H.

581

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

gerichts anerkannte einen Genugtuungsanspruch der Verlobten, liess die Frage für (nicht verlobte) Konkubinatspartner aber zunächst offen.137 In einem jüngeren Entscheid wurde nun ein Genugtuungsanspruch der Konkubinatspartnerin grundsätzlich bejaht, sofern die Partner in einer stabilen Beziehung gelebt bzw. eine «Wohn-, Tisch- und Geschlechtsgemeinschaft» gebildet haben.138 Dieser Entscheid weist in die richtige Richtung: Die Qualifikation als «Angehörige» im Sinne von Art. 47 OR sollte nicht anhand formaler, sondern anhand materialer «Nähe-»Kriterien erfolgen. c.

Genugtuung bei Persönlichkeitsverletzung (Art. 49 OR)

1908

Relevante Persönlichkeitsverletzungen, die unter Art. 49 OR fallen, sind beispielsweise die Ehrverletzung, die Verletzung der Privatsphäre, der persönlichen Freiheit oder des Rechts am eigenen Bild.139 Ebenfalls erfasst wird die (indirekte) Persönlichkeitsverletzung einer nahen Angehörigen, die dadurch entsteht, dass die ihr nahestehende Person eine (schwere) Körperverletzung erleidet (s. N 1905 ff.). Die Betroffenheit der Angehörigen muss aber mindestens so schwer wiegen wie im Fall einer Tötung.140

1909

Auch die Persönlichkeitsverletzung muss gemäss Art.  49 Abs.  1 OR schwer sein und darf nicht anders wiedergutzumachen sein. Ob die Persönlichkeitsverletzung die vorausgesetzte «Schwere» aufweist, hat das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls zu würdigen. Das durch die Verletzung entstandene Leid darf dabei nicht «nur» als Teil des allgemeinen Lebensrisikos erscheinen.141 Dem Gericht kommt bei diesem Entscheid ein erheblicher Ermessenspielraum zu.142 d.

1910

Bemessung der Genugtuung

Für die Bemessung der Genugtuung ist gemäss der Zwei-Phasen-Methode von der objektiven Art und Schwere der Persönlichkeitsverletzung auszugehen, wobei die Umstände des Einzelfalles (vorerst) unberücksichtigt bleiben (sog. Hauptberechnungsphase).143 In einem zweiten Schritt wird die Basisgenugtuung aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls (Verschulden bzw. Selbstverschulden, individuelle Lebenssituation der Geschädigten, Schwere der immateriel-

137 138 139 140 141 142 143

582

BGE 1A.196/2000 E. 3a; 114 II 144 E. 3. BGE 138 III 157 E. 2.3.3 = Pra 2012 Nr. 120. Schwenzer, OR AT, N 17.11; s. auch CHK OR-Müller, Art. 49 N 5. BGE 125 III 412 E. 2a; 112 II 226 E. 3b; s. Landolt, HAVE 2009, 133. Schwenzer, OR AT, N 17.05. BGE 6B_105/2010 E. 3.2; 125 III 412 E. 2a; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 553. Hütte, HAVE 2007, 310.

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

len Unbill, Aussicht auf Linderung des Schmerzes etc.144) erhöht oder herabgesetzt (Bemessungsphase).145 Die Reduktionsgründe von Art. 43 f. OR (s. N 1887 ff.) gelangen analog zur Anwendung.146 In der Praxis werden regelmässig Genugtuungssummen zwischen CHF 10 000 und 1911 CHF 150 000 gesprochen. Die höchsten Genugtuungsleistungen erhalten Schwerstverletzte mit bleibender Invalidität (bis zu CHF 150 000).147 Bei Tötung belaufen sich die Genugtuungsleistungen für Angehörige zwischen CHF 10 000 und CHF 40 000. Ungefähr die gleichen Beträge erhalten Angehörige von Schwerstverletzten.148 1.6

Abgrenzung zum Affektionswertersatz bei Haustieren (Art. 43 Abs. 1bis OR)

Gemäss Art. 43 Abs. 1bis OR kann im Fall der Verletzung oder Tötung eines Tiers, 1912 das im häuslichen Bereich lebt149 und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten wird, dem Affektionswert, den dieses für seine Halterin oder deren Angehörige hatte, angemessen Rechnung getragen werden. Die Bestimmung trägt der (aktuellen) Qualität von Beziehungen zwischen Mensch und Tier Rechnung.150 Beim Affektionswertersatz handelt es sich nach zutreffender Ansicht weder um eine 1913 Schadenersatz- noch um eine Genugtuungsleistung, sondern um einen Rechtsanspruch sui generis.151 Eine Persönlichkeitsverletzung der Halterin oder der Angehörigen ist daher nicht erforderlich.152

2.

Kausalzusammenhang

Als zweite allgemeine Haftungsvoraussetzung muss ein Kausalzusammenhang zwi- 1914 schen dem schädigenden Eingriff bzw. der unterlassenen Intervention und dem Schaden zu bejahen sein.

144 Ausführlich Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N  557  ff. S.  ferner BGE 141 III 97 E.  11.4 = Pra 2016 Nr. 46, wonach das Verhalten des Schädigers bzw. seiner Versicherung im Prozess grundsätzlich bei der Bemessung der Genugtuung nicht berücksichtigt werden darf. 145 BGE 6B_714/2013 E. 4; 132 II 117 E. 2.2.3; Hütte, HAVE 2007, 310. 146 Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 10 N 16; CR CO-Werro, Art. 47 N 24. 147 S. die Übersicht bei Lörtscher, HAVE 2015, 198 f. m.w.H. 148 Furrer/Müller-Chen, Kap. 14 N 65 ff. 149 Zum Begriff ausführlich Schneider Kayasseh, 56 ff. 150 Krepper, AJP 2008, 705. 151 Krepper, AJP 2008, 707; ausführlich zu den verschiedenen Meinungen Schneider Kayasseh, 137 f. 152 Schneider Kayasseh, 147; s. Krepper, AJP 2008, 707.

583

3. Kapitel

2.1

Ausservertragliche Ansprüche

Begriff

1915

Ein natürlicher Kausalzusammenhang ist gegeben, wenn der Schaden ohne die fragliche Schadensursache nicht eingetreten wäre (conditio sine qua non).

1916

Ein adäquater Kausalzusammenhang liegt vor, wenn die betreffende Ursache nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung an sich dazu geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu bewirken, sodass der Eintritt dieses Schadens als durch die fragliche Ursache allgemein begünstigt erscheint.152

1917

Voraussetzung für eine Haftung ist stets, dass das schädigende Verhalten und der eingetretene Schaden im Verhältnis von Ursache und Wirkung stehen (für das Vertragsrecht s. N 887 ff.). Zwischen Schadensursache und Schadenserfolg muss mit anderen Worten ein Kausalzusammenhang bestehen.154 Es wird zwischen dem natürlichen und dem adäquaten Kausalzusammenhang unterschieden. 2.2

Natürlicher Kausalzusammenhang

1918

Der natürliche Kausalzusammenhang ist zu bejahen, wenn der Schaden ohne die fragliche Ursache nicht eingetreten wäre (sog. conditio sine qua non-Formel). Die potenzielle Schadensursache muss eine notwendige Bedingung für den Schadenserfolg darstellen: Dächte man sich diese weg, entfiele alsdann auch der Schaden.155 Nicht erforderlich ist, dass eine Schadensursache allein oder unmittelbar zu einem Schaden führt.156

1919

Der natürliche Kausalzusammenhang wird nach naturgesetzlichen und sachlogischen Kriterien beurteilt.157 Allerdings muss kein absolut stringenter Beweis erbracht werden. Es genügt, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Schaden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die fragliche Schadensursache zurückzuführen ist, sodass andere potenzielle Ursachen vernünftigerweise nicht ins Gewicht fielen.158

153 154 155 156 157 158

584

Statt vieler BGE 142 III 433 E. 4.5; 4A_169/2010 E. 3.2; 4C.222/2004 E. 3; 129 V 177 E. 3.2; 125 V 456 E. 5a; 123 III 110 E. 3a. CHK OR-Müller, Art. 41 N 35. BGE 132 III 715 E. 2.2; 128 III 180 E. 2d = Pra 2002 Nr. 173; BK OR-Brehm, Art. 41 N 106 ff. BGE 4A_307/2013 E. 2.1.2. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 623. BGE 133 III 462 E. 4.4.2 = Pra 2008 Nr. 27; 132 III 715 E. 3.2; 128 III 271 E. 2b aa.

§ 24

2.3

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Adäquater Kausalzusammenhang

Mit der Adäquanztheorie entschärft man das Problem, dass ein Schaden regelmäs- 1920 sig zahlreiche «natürliche» Ursachen hat. Würde man nur auf den natürlichen Kausalzusammenhang abstellen, gäbe es für jeden Schaden eine Vielzahl von potenziellen Schädigern. Beispielsweise ist die Herstellung eines Küchenmessers natürlich kausal für eine Körperverletzung, die mit diesem Messer begangen wird. Es leuchtet aber auch ein, dass der Hersteller des Küchenmessers nicht für die damit begangene Körperverletzung einstehen müssen soll. Die Haftpflicht muss deshalb an eine weitere Voraussetzung geknüpft werden, wel- 1921 che die grosse Menge von natürlichen Ursachen auf eine überschaubare und angemessene Zahl rechtlich relevanter Ursachen reduziert. Ob eine natürliche Schadensursache auch rechtlich relevant sein soll, wird mithilfe der sog. «Adäquanzformel» festgestellt. Danach hat «ein Ereignis dann als adäquate Ursache eines Erfolges zu gelten, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet ist, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen, der Eintritt dieses Erfolges also durch das Ereignis allgemein als begünstigt erscheint»159. Grundsätzlich unerheblich ist dabei, ob der Schädiger diesen Kausalverlauf voraussehen konnte oder nicht.160 Der adäquate Kausalzusammenhang entfällt, wenn eine Ursache nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung ungeeignet ist, den eingetretenen Schaden zu bewirken. Das Gericht verfügt bei der Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhangs über 1922 einen weiten Ermessensspielraum, zumal sich die Adäquanzformel in einer Generalklausel erschöpft. Im Zweifelsfall tendiert die Judikatur dazu, einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen Ursache und Wirkung zu bejahen. So anerkannte das Bundesgericht die Adäquanz z.B. in einem Fall, in welchem ein Spaziergänger bei der Flucht vor einem angreifenden Hund auf einen sich im Bau befindlichen Silo kletterte und dabei stürzte.161 In der Folge haftete der Hundehalter für das Verhalten seines Hundes aufgrund einer Sorgfaltspflichtverletzung. 2.4

Kausalzusammenhang bei Unterlassungen

Bei Unterlassungen stellt sich das Problem, dass es keinen natürlichen Kausalzu- 1923 sammenhang im Sinne der conditio sine qua non-Formel gibt: Eine Unterlassung

159 BGE 129 V 177 E. 3.2; 125 V 461 E. 5a; 123 III 110 E. 3a; s. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 633 m.w.N. 160 BGE 119 Ib 345 E. 5b; 101 II 69 E. 3a. 161 BGE 102 II 232 E. 2; s. Kasuistik bei BK OR-Brehm, Art. 41 N 133 ff.

585

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

kann an sich keine Ursache für ein äusseres Geschehen sein (ex nihilo nihil fit).162 Die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen einer unterlassenen Handlung und dem Schaden muss daher auf andere Weise erfolgen. 1924

Zunächst ist zu prüfen, ob den Schädiger eine Pflicht getroffen hätte, den Schaden abzuwenden.163 Eine Pflicht zum Handeln kann sich aus Vertrag, Gesetz, Garantenstellung oder aus dem Gefahrensatz (s.  N  1983) ergeben. Besteht eine solche Handlungspflicht, muss als Nächstes untersucht werden, ob der Schaden nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung ausgeblieben wäre, wenn der Schädiger die rechtlich gebotene Handlung vorgenommen hätte (conditio cum qua non).164 Der Kausalzusammenhang ist demnach zu bejahen, wenn der Schädiger den Schaden hätte verhindern müssen und können. Wäre der Schaden hingegen trotz pflichtgemässem Eingreifen des Schädigers eingetreten, entfällt der Kausalzusammenhang (rechtmässiges Alternativverhalten; s. N 1937 f.).165 Die Begründung des Kausalzusammenhangs basiert auf einer Hypothese, weshalb auch vom «hypothetischen Kausalzusammenhang»166 gesprochen wird.

1925

Das Bundesgericht unterscheidet auch bei Unterlassungen zwischen natürlichem und adäquatem Kausalzusammenhang, wobei es sein Vorgehen wie folgt rationalisiert: Es prüft den angenommenen hypothetischen Kausalverlauf nicht zusätzlich auf seine Adäquanz hin, da die wertenden Gesichtspunkte bereits im Rahmen des natürlichen Kausalzusammenhangs berücksichtigt werden.167 2.5

1926

Unterbrechung des Kausalzusammenhangs

Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung kann ein adäquater Kausalzusammenhang unterbrochen werden, «wenn zu einer an sich adäquaten Ursache eine andere Ursache hinzutritt, die einen derart hohen Wirkungsgrad aufweist, dass erstere nach wertender Betrachtungsweise als rechtlich nicht mehr beachtlich erscheint»168. Nach dieser Auffassung wird der Kausalzusammenhang durch schweres Selbstverschulden der Geschädigten, durch schweres Drittverschulden oder durch höhere Gewalt unterbrochen.169 162 163 164 165 166 167 168 169

586

Gauch/Schluep/Emmenegger, N  2950; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, §  3 N  33; Koller, OR AT, N 48.60; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 702; CR CO-Werro, Art. 41 N 36. BGE 4A_520/2007 E. 2.1; 4C.119/2000 E. 2b; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 3 N 36. S. BGE 4A_520/2007 E. 4; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 706; CR CO-Werro, Art. 41 N 36. BK OR-Brehm, Art. 41 N 126. Bisweilen wird auch der Begriff der «hypothetischen Kausalität» verwendet (s. z.B. BGE 132 III 715 E. 2.3). Da dieser Begriff aber auch in einem anderen Zusammenhang gebraucht wird (s. N 1936), erscheint es uns sinnvoll, in dieser Hinsicht von einem «hypothetischen Kausalzusammenhang» zu sprechen. S. BGE 4A_416/2013 E. 3.1; 4C.284/2006 E. 4.4; 132 III 715 E. 2.3. BGE 4A_189/2018 E. 4.5.1; 4A_115/2014 E. 6.4.1; 130 III 182 E. 5.4; 116 II 519 E. 4b; Keller/Gabi/Gabi, 38; BSK OR-Kessler, Art. 41 N 20; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 669. CHK OR-Müller, Art. 41 N 38.

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Der Unterbrechungsgrund des schweren Selbst- bzw. Drittverschuldens ist zu beja- 1927 hen, wenn die Geschädigte bzw. ein Dritter ein grobes und sehr intensives Verschulden am Schaden trifft (zu den Schweregraden des Verschuldens s. N 1985 ff.).170 Keinen Unterbrechungs-, sondern einen Reduktionsgrund bildet ein lediglich mittelschweres oder leichtes Selbstverschulden der Geschädigten (Art. 44 Abs. 1 OR; s.  N  1889  f.). Gewöhnliches Drittverschulden stellt weder einen Unterbrechungsnoch einen Reduktionsgrund dar. Unter höherer Gewalt versteht man ein unvorhersehbares und unvermeidliches 1928 Ereignis, das mit unabwendbarer Kraft von aussen hereinbricht.171 Als höhere Gewalt gelten beispielsweise Naturkatastrophen wie Erdbeben, Erdrutsche172 oder aussergewöhnlich starke Gewitter173 sowie kriegerische Aktivitäten174. Eine neuere Lehrmeinung möchte demgegenüber zu Recht auf die Theorie der 1929 Unterbrechungsgründe verzichten, weil diese in sich widersprüchlich ist.175 Die klassischen «Unterbrechungsgründe» des schweren Selbstverschuldens, des schweren Drittverschuldens sowie der höheren Gewalt führen bei richtiger Betrachtung nämlich dazu, dass schon die Adäquanz des Schädigerverhaltens zu verneinen ist: Ist der Schaden im Wesentlichen auf ein schuldhaftes Verhalten der Geschädigten bzw. eines Dritten oder auf ein aussergewöhnliches Ereignis zurückzuführen, stellt die Handlung des Schädigers eben nicht die adäquate Ursache für den Schadenserfolg dar. Kurzum: Die sog. «Unterbrechungsgründe» führen nicht zu einer Unterbrechung, sondern zum Wegfall des adäquaten Kausalzusammenhangs (s.  auch N 891). 2.6

Ursachenkonkurrenz

Ursachenkonkurrenz liegt vor, wenn ein Schaden auf mehrere Ursachen zurückzu- 1930 führen ist und alle Ursachen als adäquat kausal für den Schadenserfolg erscheinen. Je nach Art der Konkurrenz treten verschiedene Rechtsfolgen ein. a.

Kumulative Kausalität

Bei kumulativer Kausalität (auch kumulative Konkurrenz genannt) tragen mehrere 1931 Ursachen zu einem Schaden bei, wobei auch jede Ursache für sich allein den Scha170 S. BGE 116 II 519 E. 4b, wonach das Verhalten der Geschädigten oder eines Dritten den Kausalzusammenhang nur zu unterbrechen vermag, wenn es «derart ausserhalb des normalen Geschehens liegt, derart unsinnig ist, dass damit nicht zu rechnen war». 171 BGE 111 II 429 E. 1b; Furrer/Müller-Chen, Kap. 10 N 81 ff. 172 BSK OR-Kessler, Art. 41 N 21; s. dagegen BGE 102 II 232 E. 2; 91 II 474 E. 8. 173 BGE 49 II 254 E. 3; s. aber BGE 100 II 134 E. 5. 174 BGE 51 II 190 E. 5. 175 Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 3 N 37; Schwenzer, OR AT, N 20.03 ff.

587

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

den hätte bewirken können.176 Bei einer solchen Fallkonstellation haftet jeder Schädiger für den gesamten Schaden.177 Die Obergrenze des Schadenersatzanspruchs bildet allerdings stets die effektiv erlittene Vermögenseinbusse (Bereicherungsverbot; s. N 4144). b.

Alternative Kausalität

1932

Im Fall einer alternativen Kausalität (auch alternative Konkurrenz genannt) sind mehrere Ursachen für den Schaden möglich; von diesen kann aber nur eine einzige Ursache den Schaden bewirkt haben. Dabei lässt sich nicht feststellen bzw. beweisen, welche der potenziellen Ursachen tatsächlich die kausale ist.178 Sofern die Handlungen der potenziellen Schädiger nicht als «einheitliche Veranstaltung» erscheinen, entfällt nach traditioneller Auffassung die Haftung, weil die Geschädigte nicht nachweisen kann, wer den Schaden tatsächlich verursacht hat.179 Die Geschädigte geht also leer aus, obwohl feststeht, dass einer der potenziellen Schädiger die Haftungsvoraussetzungen erfüllt. Um dieses stossende Ergebnis zu vermeiden, werden in der Lehre verschiedene Lösungsansätze diskutiert:

1933

Nach der einen Lehrmeinung sollen alle potenziellen Schädiger solidarisch für den Schaden haften, auch wenn für keinen der Schädiger nachgewiesen werden kann, dass sein Verhalten für den Schaden kausal war.180 Der Gegenvorschlag besteht darin, die Haftung nach Wahrscheinlichkeiten aufzuteilen: Jeder potenzielle Schädiger soll denjenigen Anteil der Haftung übernehmen, welcher der Wahrscheinlichkeit, den Schaden verursacht zu haben, entspricht.181 Im Produktehaftpflichtrecht gilt sodann die sog. market share liability US-amerikanischen Ursprungs, wonach jedes Unternehmen seinem Marktanteil entsprechend den Schaden zu tragen hat.182 Unseres Erachtens ist von Fallgruppe zu Fallgruppe zu entscheiden, ob und zu welchen Anteilen die Geschädigte in einer solchen Situation ihren Schaden auf die potenziellen Schädiger überwälzen können soll. c.

1934

Überholende und hypothetische Kausalität

Die überholende und die hypothetische Kausalität (auch überholende und hypothetische Konkurrenz genannt) sind miteinander verwandt und werden einander zuweilen auch gleichgesetzt.183 176 177 178 179 180 181 182 183

588

Keller/Gabi/Gabi, 25; Weber, HAVE 2010, 119. Werro, responsabilité, N 255. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, §  3 N  65; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N  739; Weber, HAVE 2010, 119. BK OR-Brehm, Art. 41 N 145 ff.; BSK OR-Kessler, Art. 41 N 25; von Tuhr/Peter, 94. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 3 N 67. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 744; Werro, responsabilité, N 251. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 3 N 67; Schwenzer, OR AT, N 21.03. Schwenzer, OR AT, N 21.04; Weber, HAVE 2010, 120.

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Die überholende Kausalität wird dadurch charakterisiert, dass zwar eine adäquate 1935 Ursache für den Schaden gesetzt wird, dann aber eine zweite, ebenfalls adäquate Ursache den Schaden auslöst, und zwar noch bevor die erste Ursache den Schaden bewirken konnte.184 Die zweite überholt sozusagen die erste Ursache («Reserveursache»185). Beispielsweise liegt überholende Kausalität vor, wenn ein Arzt seiner Patientin eine tödliche Medikamentendosis spritzt, die Patientin aber in der nachfolgenden Operation infolge eines Fehlers des Chirurgen stirbt, bevor die Überdosis ihre Wirkung entfalten konnte. Weil die erste, «überholte» Ursache nicht tatsächlich zum Schaden führt, entfällt auch die Haftung desjenigen, der diese Ursache gesetzt hat. Haftbar ist allein der Schädiger, welcher die zweite überholende Ursache gesetzt hat.186 Im obigen Beispiel würde also der Arzt nicht haften, weil sich die Überdosis nicht auswirken konnte. Haftbar ist hingegen der Chirurg, dessen Fehler den Tod der Patientin bewirkte. Von hypothetischer Kausalität spricht man, wenn eine adäquate Ursache den Scha- 1936 den tatsächlich bewirkt, der Schaden aber zusätzlich zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund einer anderen adäquaten Ursache ohnehin eingetreten wäre. Z.B. setzt ein Brandstifter ein Haus in Brand, welches in der darauffolgenden Nacht durch ein starkes Erdbeben zerstört worden wäre. Wie bei der überholenden Kausalität bleibt auch bei dieser Fallkonstellation die Haftung für den tatsächlich verursachten Schaden bestehen.187 Haftbar ist somit derjenige, welcher die erste, den Schaden tatsächlich bewirkende Ursache gesetzt hat. Die zweite, hypothetische Ursache ist darum nicht haftungsrelevant, weil sie gar nicht zu einer Einbusse führt.188 Die hypothetische Kausalität kann aber im Rahmen der Schadenersatzbemessung als Reduktionsgrund im Sinne von Art. 43 Abs. 1 OR berücksichtigt werden (s. N 1886 ff.). Für die Zurechnung des Schädigerverhaltens ist massgeblich, dass der Schaden in seiner konkreten Gestalt durch die erste Ursache bewirkt wird.189 Im genannten Beispiel bedeutet dies, dass der Brandstifter den Schaden zu ersetzen hat, selbst wenn das Erdbeben das Haus ohnehin zerstört hätte. Die Schadenersatzforderung kann alsdann im Rahmen der Schadenersatzbemessung reduziert werden. 2.7

Rechtmässiges Alternativverhalten

Von der überholenden und der hypothetischen Kausalität ist das sog. rechtmässige 1937 Alternativverhalten abzugrenzen. Mit dieser Einwendung kann der Schädiger geltend machen, der Schaden wäre auch dann entstanden, wenn er sich rechtmässig 184 185 186 187 188 189

Keller/Gabi/Gabi, 27; BSK OR-Kessler, Art. 41 N 26. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 3 N 50; Schwenzer, OR AT, N 21.04. BK OR-Brehm, Art. 41 N 147a. BSK OR-Kessler, Art. 41 N 27. S. BK OR-Brehm, Art. 41 N 149 f. S. BGE 135 IV 56 E. 3.1.2.

589

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

verhalten hätte. Damit wird das Bestehen des natürlichen Kausalzusammenhangs und folglich der Haftung bestritten.190 Das schädigende Ereignis ist alsdann nicht mehr conditio sine qua non für den Schaden, da dieser auch ohne die Aktivität bzw. Passivität des Schädigers eingetreten wäre. Der Schädiger kann diese Einwendung als allgemeinen Entlastungsbeweis auch dann vorbringen, wenn ein solcher nicht ausdrücklich (wie z.B. bei Art. 55 Abs. 1 OR) im Gesetz erwähnt ist. Allerdings ist der entsprechende Beweis «strikt» zu erbringen: Sobald auch nur eine geringfügige Möglichkeit besteht, dass der Schaden bei rechtmässigem Alternativverhalten nicht entstanden wäre, muss der Beweis als gescheitert gelten.191 1938

Wird z.B. ein Arzt für eine lege artis durchgeführte, allerdings ohne hinreichende Aufklärung des Patienten vorgenommene Operation haftbar gemacht (s. N 1946), kann er einwenden, der Patient hätte auch bei pflichtgemässer Aufklärung in die Operation eingewilligt (sog. hypothetische Einwilligung).192

3. 1939

Widerrechtlichkeit

Als dritte allgemeine Haftungsvoraussetzung muss die schädigende, kausale Handlung widerrechtlich sein. 3.1

Begriff

1940

Widerrechtlich ist ein Verhalten, wenn es ein absolutes Recht der Geschädigten verletzt (Erfolgsunrecht) oder gegen eine qualifizierte Schutznorm verstösst (Verhaltensunrecht).

1941

Die Widerrechtlichkeit im Recht der unerlaubten Handlung stellt das Pendant zur Pflichtwidrigkeit im Vertragsrecht dar (s.  N  861  ff.). Das Erfordernis der Widerrechtlichkeit ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 41 Abs. 1 OR, der eine Schadenersatzersatzpflicht prinzipiell nur vorsieht, wenn der Schädiger widerrechtlich handelt. Die Widerrechtlichkeit bildet eine allgemeine Voraussetzung für sämtliche extrakontraktuellen Haftungen; ihr Vorliegen ist auch dann zu prüfen, wenn ein allfälliger Anspruch auf eine andere ausservertragliche Anspruchsgrundlage abgestützt wird, bei der die Widerrechtlichkeit nicht als Tatbestandselement figuriert (z.B. Art. 58 OR; s. N 2055 ff.).

190

S. BGE 2C_860/2008 E. 5.2. m.w.H.; so auch Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 111. 191 BGE 131 III 115 E. 3.3; Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 111. 192 BGE 133 III 121 E. 4.1.3 = Pra 2007 Nr. 105 m.w.H.; Roberto, Haftpflichtrecht, N 06.24.

590

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Nach der in der Schweiz vorherrschenden objektiven Widerrechtlichkeitstheo- 1942 rie ist ein schädigendes Verhalten widerrechtlich, wenn dieses gegen geschriebenes oder ungeschriebenes Recht verstösst.193 Die Widerrechtlichkeit kann dabei auf zwei Arten begründet werden: zum einen durch Verletzung eines von der Rechtsordnung absolut geschützten Rechts der Geschädigten, zum andern durch Verstoss gegen eine einschlägige Schutznorm. Im ersten Fall spricht man von Erfolgsunrecht, im zweiten von Verhaltensunrecht.194 Neben der objektiven Widerrechtlichkeitstheorie werden in der Lehre weitere Theo- 1943 rien diskutiert. Zu erwähnen ist die subjektive Widerrechtlichkeitstheorie, welche den Widerrechtlichkeitsbegriff an die subjektive Befugnis knüpft. Nach ihr ist jede Schädigung eines Dritten prinzipiell widerrechtlich, ausser wenn die Schädigung subjektiv gerechtfertigt werden kann.195 Diese Konzeption der Widerrechtlichkeit wird in der Schweiz nicht mehr vertreten. Eine dritte, von einem Teil der jüngeren Lehre vertretene Theorie begreift die Widerrechtlichkeit als Verletzung von Verhaltens- und Sorgfaltspflichten, die sich aus dem Gesetz ergeben.196 Diese These hat sich de lege lata (noch) nicht durchsetzen können. 3.2

Verletzung eines absoluten Rechts (Erfolgsunrecht)

Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung liegt Widerrechtlichkeit vor, wenn 1944 der Schädiger ein absolut geschütztes Recht der Geschädigten verletzt. Absolut sind Rechte, die eine Ausschluss- und Abwehrwirkung gegenüber jedermann (erga omnes) entfalten.197 Sie lassen sich im Wesentlichen in drei grosse Gruppen einteilen: Persönlichkeitsrechte, dingliche Rechte sowie Immaterialgüterrechte. Das Persönlichkeitsrecht, das in Art.  28  ff. ZGB normiert ist, umfasst zunächst 1945 den Schutz der physischen und psychischen Integrität: Prinzipiell widerrechtlich sind nebst der Verletzung von «Leib und Leben» auch rein psychische Schädigungen (wie z.B. die Zufügung eines Schocks oder eines Traumas), sofern die psychische Beeinträchtigung über eine durchschnittliche Schmerz- oder Trauerreaktion hinausgeht.198 Des Weiteren geniessen die Freiheit, die Privatsphäre, die Ehre, das Recht am eigenen Bild sowie weitere Aspekte des Persönlichkeitsrechts absoluten Schutz.199

193 BGE 113 Ib 420 E. 2; 109 II 123 E. 2a; BK OR-Brehm, Art. 41 N 33. 194 BGE 141 III 527 E. 3.2; 4A_104/2012 E. 2.1; 4A_520/2007 E. 2.1 m.w.H. auf die Rechtsprechung; CHK ORMüller, Art. 41 N 44 f. 195 Gabriel, N 280 ff.; Simonius, ZSR 1957 I, 316 f. 196 CR CO-Werro, Art. 41 N 88 ff.; s. zum Ganzen Guyaz/Vautier Eigenmann, 212 ff. 197 CR CO-Werro, Art. 41 N 55. 198 Schwenzer, OR AT, N 50.10. 199 S. CHK ZGB-Aebi-Müller, Art. 28 N 10 ff.

591

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

1946

Nach bundesgerichtlicher Judikatur ist auch der Heileingriff eines Arztes grundsätzlich widerrechtlich, wenn er nicht durch die Einwilligung des Patienten gerechtfertigt wird (s. N 1967 f.).200 Für die Beurteilung der Widerrechtlichkeit ist nicht entscheidend, ob der Eingriff aus medizinischer Sicht sinnvoll erscheint, sondern allein, ob der Patient gültig in den Eingriff eingewilligt hat.201 Denn das Persönlichkeitsrecht schützt neben der körperlichen Integrität auch die Willensfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht.202

1947

Dingliche Rechte unterliegen einem numerus clausus. Umfasst werden das Eigentum (Art. 641 ff. ZGB), die beschränkten dinglichen Rechte (Art. 730 ff. ZGB) und der Besitz (Art. 919 ff. ZGB). Das Eigentum wird zunächst verletzt, wenn eine Sache dauerhaft entzogen wird. Verletzt wird das Eigentum sodann, wenn eine Sache zerstört oder beschädigt wird.203 Umstritten ist jedoch das Vorliegen einer Eigentumsverletzung bei blossen Gebrauchsbeeinträchtigungen. Zu denken ist etwa an eine blockierte Garagenausfahrt, aufgrund welcher die Berechtigte ihr Auto nicht benutzen kann und infolgedessen einen Schaden erleidet. Eine lediglich vorübergehende Gebrauchsbeeinträchtigung204 bzw. die Vereitelung einer konkret beabsichtigten Nutzung205 stellt in der Regel keine Eigentumsverletzung dar. Diesfalls kann die Widerrechtlichkeit nur über die Verletzung einer allfälligen Schutznorm (s. N 1950 ff.) begründet werden. Entfällt hingegen die abstrakte Nutzungsmöglichkeit einer Sache für eine längere Zeitspanne, wird von einem Teil der Lehre eine Eigentumsverletzung bejaht.206

1948

Immaterialgüterrechte sind z.B. Patentrechte, Urheberrechte, Markenrechte und Designrechte. Sie sind alle spezialgesetzlich geregelt (PatG207, URG208, MSchG209, DesG210), verweisen aber für die Haftungsfrage auf das OR (Art. 73 Abs. 1 PatG; Art. 62 Abs. 2 URG; Art. 55 Abs. 2 MSchG; Art. 35 Abs. 2 DesG). 200 201 202 203 204 205 206

207 208 209 210

592

BGE 117 Ib 197 E. 2a. Peter, Jusletter 16. August 2010, N 9. S. BK OR-Brehm Art. 41 N 634 f.; zur Bedeutung von Patientenverfügungen s. Peter, Jusletter 16. August 2010, N 15 ff. BGE 118 II 176 E. 4b. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 4 N 16. Schwenzer, OR AT, N 50.16. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 4 N 16; Schwenzer, OR AT, N 50.16. A.M. BK ORBrehm, Art.  41 N  37b, der zwingend eine Beschädigung der Sache selbst verlangt. Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, N  245  ff., hingegen wollen den Sachschaden nicht an die Beschreibung des schädigenden Vorgangs knüpfen (Funktionsbeeinträchtigung versus Substanzbeeinträchtigung), sondern gehen bei jeder Verletzung des Rechts auf Eigentum (Art. 641 ZGB) von einem zu ersetzenden Sachschaden aus. Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz; SR 232.14). Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz; SR 231.1). Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz; SR 232.11). Bundesgesetz vom 5. Oktober 2001 über den Schutz von Design (Designgesetz; SR 232.12).

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Zu beachten ist, dass bei Unterlassungen die Verletzung eines absoluten Rechts zur 1949 Begründung der Widerrechtlichkeit nicht genügt. Zusätzlich erforderlich ist, dass der Schädiger verpflichtet gewesen wäre, im Interesse der Geschädigten tätig zu werden; denn grundsätzlich besteht keine allgemeine Pflicht dazu, andere vor Schäden zu bewahren.211 Eine solche Handlungspflicht kann sich im Einzelfall aus Vertrag, Gesetz (z.B. Art. 128 Abs. 1 StGB212), Garantenstellung oder – nach einem Teil der Lehre – aus dem Gefahrensatz (s. N 1955 und N 1983) ergeben. Die Frage, ob der Schädiger zum Eingreifen verpflichtet gewesen wäre, stellt sich im Übrigen auch beim hypothetischen Kausalzusammenhang (s. N 1924). 3.3

Verletzung einer Schutznorm (Verhaltensunrecht)

Widerrechtlichkeit im Sinne von Art. 41 Abs. 1 OR kann auch dadurch begründet 1950 werden, dass das schädigende Verhalten gegen eine einschlägige Schutznorm verstösst. Diese «Erscheinungsform» der Widerrechtlichkeit kommt vor allem bei reinen Vermögensschäden (s. N 1867) zum Einsatz: Weil das Vermögen als solches von der Rechtsordnung nicht (absolut) geschützt wird213, kann bei Schädigungen, die ohne Verletzung eines absoluten Rechts entstehen, die Widerrechtlichkeit nicht via Erfolgsunrecht begründet werden; deswegen ist es erforderlich, dass das Schädigerverhalten eine spezifische Verhaltensnorm verletzt.214 Widerrechtlich ist nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung der 1951 Verstoss gegen eine Norm des geschriebenen oder ungeschriebenen Rechts, deren Zweck darin besteht, die Geschädigte vor Schäden von der Art des eingetretenen zu schützen (sog. Schutzzwecklehre).215 Als widerrechtlich zu qualifizieren ist mit anderen Worten nicht jede Missachtung einer Rechtsvorschrift, sondern nur die Verletzung einer auf die betreffende Konstellation «zugeschnittenen» Schutznorm. Ob einer verletzten Vorschrift im konkreten Fall «Schutznormcharakter» zukommt, 1952 ist mittels (teleologischer) Auslegung zu eruieren. Entscheidend ist dabei, ob die fragliche Norm nach Massgabe ihres Normzwecks den Schutz einer Geschädigten vor dem konkreten Eingriff in der entsprechenden Fallkonstellation anvisiert oder nicht. Spezifische Schutznormen finden sich sowohl im Privat- als auch im öffentlichen 1953 Recht. In der Praxis sind unter anderem die Normen des (Vermögens-)Strafrechts von Bedeutung. Strafrechtsnormen gelten generell als Schutznormen, sofern sie 211 Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 157. 212 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (SR 311.0). 213 BK OR-Brehm, Art. 41 N 38d; Müller, responsabilité, N 163. 214 BK OR-Brehm, Art. 41 N 38e. 215 BGE 126 III 521 E. 2a; 125 III 86 E. 3b; 123 III 306 E. 4a = Pra 1997 Nr. 170; 115 II 15 E. 3b; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 848.

593

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

nicht nur den Schutz der Allgemeinheit, sondern auch den Schutz des Vermögens einer Privatperson bezwecken.216 Beispiele: Veruntreuung (Art.  138 StGB), Diebstahl (Art.  139 StGB), Betrug (Art.  146 StGB), betrügerischer Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage (Art.  147 StGB), Geldwäscherei (Art.  305bis StGB).217 Weitere Schutznormen218 ergeben sich beispielsweise aus dem Kartellgesetz (Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 KG219), dem Lauterkeitsrecht (Art. 9 Abs. 1 UWG220), dem Zwangsvollstreckungsrecht (Art.  273 Abs.  1 SchKG221) oder dem Produktesicherheitsgesetz (Art. 3, 5 und 8 PrSG222). 1954

Bisweilen wird in der Lehre vertreten, auch dem Gebot von Treu und Glauben (Art. 2 Abs. 1 ZGB) komme Schutznormcharakter zu.223 Die Verletzung von Treu und Glauben führe zu Widerrechtlichkeit und damit zu allfälligen ausservertraglichen Schadenersatzansprüchen.224 Die herrschende Lehre und das Bundesgericht vertreten hingegen die Auffassung, dass das Gebot von Treu und Glauben keine Schutznorm darstelle, weil dieses Gebot nämlich an vorbestehende Rechte und Pflichten der Parteien anknüpfe.225 Solche vorbestehenden Rechte und Pflichten gebe es aber in der Regel im deliktischen Bereich gerade nicht (Zufallskontakt; s. N 1841). In einem vertragsähnlichen Kontext (s. N 1470 ff.) wird diese Ansicht entsprechend relativiert.

1955

Umstritten ist weiter, ob zur Begründung der Widerrechtlichkeit allenfalls der Gefahrensatz (s.  N  1983) im Sinne einer allgemeinen Schutznorm herangezogen werden kann. Ein Teil der Lehre geht davon aus, dass der Gefahrensatz nur im Zusammenhang mit dem Verschulden, nicht aber mit der Widerrechtlichkeit eine Rolle spielen dürfe.226 Eine andere Lehrmeinung will hingegen die Einhaltung des Gefahrensatzes durch den Schädiger unter dem Gesichtspunkt der Widerrechtlichkeit prüfen und so insbesondere die Widerrechtlichkeit bei Unterlassungen

216 217

218 219 220 221 222 223 224 225 226

594

BGE 101 Ib 252 E.f. BGE 133 III 323 E. 5 = Pra 2008 Nr. 7. Keine Schutznormen bilden hingegen die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 10. Oktober 1997 über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung (Geldwäschereigesetz; SR 955.0), s. BGE 4A_594/2009 E. 3.4. Verneint hat das Bundesgericht auch die Schutznormqualität der Konkurs- und Betreibungsdelikte (Art. 163 ff. StGB); s. BGE 141 III 527 E. 3.4 und E. 3.5 m.w.H. S. Kasuistik bei BK OR-Brehm, Art. 41 N 39 ff. Bundesgesetz vom 6.  Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz; SR 251). Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (SR 241). Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SR 281.1). Bundesgesetz vom 12. Juni 2009 über die Produktesicherheit (Produktesicherheitsgesetz; SR 930.11); ausführlich zur Haftung gemäss PrSG Fellmann, Produktesicherheit, 113 ff. Rey, Sonderverbindungen, 231 ff. S. Übersicht bei Délco, 133 ff.; s. auch Schwenzer, OR AT, N 50.22. BGE 124 III 297 E. 5c. BK OR-Brehm, Art. 41 N 45; Keller/Gabi/Gabi, 51.

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

begründen.227 In neueren Entscheiden hat das Bundesgericht in Präzisierung seiner früheren Rechtsprechung228 festgehalten, dass sich der Gefahrensatz bei Unterlassungen zur Begründung der Widerrechtlichkeit eignet, sofern infolge der Passivität des Schädigers absolute Rechte der Geschädigten verletzt werden und eine spezifische Schutznorm, die eine Handlungspflicht des Schädigers explizit vorsieht, fehlt (s. N 1949).229 3.4

Subsidiär: Sittenwidrigkeit (Art. 41 Abs. 2 OR)

Gemäss Art. 41 Abs. 2 OR wird ersatzpflichtig, «wer einem andern in einer gegen die 1956 guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt». Der Anwendungsbereich dieser Bestimmung wird insofern eingeschränkt, als sie subsidiär zu Art. 41 Abs. 1 OR gilt:230 Art. 41 Abs. 2 OR gelangt nur bei fehlender Widerrechtlichkeit zur Anwendung, weshalb die Bestimmung insbesondere im Zusammenhang mit Vermögensschäden, bei denen die Widerrechtlichkeit weder durch Erfolgs- noch durch Verhaltensunrecht begründet werden kann, haftungsrelevant ist.231 Die Bedeutung dieser Bestimmung ist in praxi allerdings gering. Ein Haftungsgrund im Sinne von Art. 41 Abs. 2 OR ist im Allgemeinen nur «mit grösster Zurückhaltung» anzunehmen.232 Von der Vertrauenshaftung (s. N 1712 ff.) grenzt sich Art. 41 Abs. 2 OR dadurch ab, 1957 dass hier Sachverhalte abgedeckt werden, die durch zufälliges Aufeinandertreffen charakterisiert sind, während die Vertrauenshaftung eine Beziehung zwischen dem Schädiger und der Geschädigten voraussetzt.233 Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 41 Abs. 2 OR unterscheiden sich dadurch 1958 von denjenigen des Art. 41 Abs. 1 OR, dass die Widerrechtlichkeit durch die Sittenwidrigkeit ersetzt wird und nur die absichtliche Schadenszufügung zu einer Ersatzpflicht führt. Erforderlich ist zunächst ein Verstoss gegen die guten Sitten. Der Begriff der guten 1959 Sitten ist identisch mit der Sittenwidrigkeit in Art. 19 Abs. 2 und Art. 20 Abs. 1 OR (s. N 410 ff.).234 Sodann setzt Art. 41 Abs. 2 OR die Absicht des Schädigers voraus. 227 228 229 230 231 232 233 234

Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, N 348; BSK OR-Kessler, Art. 41 N 38; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 902. BGE 124 III 297 E. 5b. BGE 4A_104/2012 E. 2.1; 4A_520/2007 E. 2.1. S. auch BGE 4A_261/2015 E. 4.2 = Pra 2017 Nr. 30, wonach der Gefahrensatz das Fehlen einer Schutznorm dann nicht kompensieren kann, wenn rein wirtschaftliche (das heisst nicht absolut geschützte) Rechte des Geschädigten betroffen sind. BK OR-Brehm, Art. 41 N 236; Gorgé, 38; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 7 N 1. Bieri, AJP 2008, 550; BK OR-Brehm, Art. 41 N 236b; Schwenzer, OR AT, N 51.01. BGE 4C.353/2002 E. 5.1; 124 III 297 E. 5e; CR CO-Werro, Art. 41 N 83; a.M. BK OR-Brehm, Art. 41 N 237. S. Bieri, AJP 2008, 550. Schwenzer, OR AT, N 51.03; CR CO-Werro, Art. 41 N 81.

595

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

Die herrschende Lehre versteht diesen Begriff nicht als Absicht im technischen Sinn (s. N 1976), weshalb Vorsatz in allen Formen, nicht aber Fahrlässigkeit genügt.235 1960

Lehre und Rechtsprechung konzedieren der Geschädigten unter Umständen einen Anspruch aus Art.  41 Abs.  2 OR in den Fällen einer Verleitung zum Vertragsbruch236, einer Anhebung einer ungerechtfertigten Betreibung237, einer Schädigung durch unterlassene Warnung vor einer Gefahr oder einer unaufgeforderten Erteilung eines falschen Rats.238 Weiter kann z.B. auch ein pactum de (non) licitando (s. N 416) zu einem Anspruch des geschädigten Versteigerers führen.239 3.5

1961

Die Widerrechtlichkeit – und damit die Haftung des Schädigers – entfällt, wenn dessen schädigende Aktivität oder Passivität durch einen besonderen Grund gerechtfertigt ist.240 Solche Rechtfertigungsgründe sind teils gesetzlich normiert (Art. 52 OR), teils richterrechtlich entwickelt worden (z.B. Einwilligung). a.

1962

Rechtfertigungsgründe

Notwehr und Notstand (Art. 52 Abs. 1 und Abs. 2 OR)

Der Rechtfertigungsgrund der Notwehr schliesst die Widerrechtlichkeit der schädigenden Handlung aus (Art. 52 Abs. 1 OR). Nach allgemeiner Auffassung handelt der Schädiger in Notwehr, wenn er in die Rechtsgüter der Geschädigten eingreift, um sich gegen einen gegenwärtigen bzw. unmittelbar bevorstehenden und rechtswidrigen Angriff der Geschädigten zu verteidigen.241 Rechtswidrig ist ein Angriff, wenn er nicht seinerseits durch einen Rechtfertigungsgrund begründet ist.242 Darüber hinaus hat der Schädiger den Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten:243 Er muss von mehreren potenziell geeigneten Verteidigungsmitteln dasjenige wählen, welches am wenigsten stark in die Rechtsgüter der Geschädigten eingreift.244 Unter Umständen muss also ein Angegriffener, der eine Schusswaffe trägt, einen Warnschuss abgeben, bevor er auf die Angreiferin schiesst.245 Ist die Notwehr unverhält-

235 236 237 238 239 240 241 242 243 244 245

596

Bieri, AJP 2008, 551 f.; Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, N 400; Gorgé, 45; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, §  7 N  8; Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 167; CR CO-Werro, Art. 41 N 82; a.M. BK OR-Brehm, Art. 41 N 243. BGE 114 II 91 E. 4a aa; BK OR-Brehm, Art. 41 N 256. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 897. BGE 108 II 305 E. 2c. Bieri, AJP 2008, 554; BK OR-Brehm, Art. 41 N 247. S. CR CO-Werro, Art. 52 N 1. Statt vieler Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 931. BSK OR-Kessler, Art. 52 N 4. CR CO-Werro, Art. 52 N 7. S. BGE 136 IV 49 E. 3.2; 107 IV 12 E. 3a. BGE 6S. 138/2003 E. 3.1.

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

nismässig, liegt ein Notwehrexzess vor, welcher das Schädigerverhalten nicht mehr zu rechtfertigen vermag.246 Bei Notstand im Sinne von Art. 52 Abs. 2 OR greift der Schädiger in die Rechts- 1963 güter der Geschädigten ein, um drohenden Schaden von sich oder einer Dritten abzuwenden. Anders als bei der Notwehr richtet sich die Abwehrhandlung beim Notstand nicht gegen den Angreifer, sondern gegen eine Dritte.247 Beispiel: Ein Skitourenläufer bricht in eine Berghütte ein, um sich vor einer heranrollenden Lawine in Sicherheit zu bringen. Obgleich der Notstand zu den Rechtfertigungsgründen zählt, wird der Schädiger – im Unterschied zur Notwehr und zur Selbsthilfe – von der Schadenersatzpflicht nicht (vollumfänglich) entbunden, sondern es wird der Schadenersatz nach richterlichem Ermessen bestimmt (Art. 52 Abs. 2 OR). b.

Selbsthilfe (Art. 52 Abs. 3 OR)

Unter Selbsthilfe versteht man die Sicherung eines Rechts durch Eigenmacht.248 Als 1964 Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz der Unzulässigkeit von Selbsthilfehandlungen statuiert Art. 52 Abs. 3 OR, dass diese gleichwohl gerechtfertigt sein können, wenn amtliche Hilfe nicht rechtzeitig organisierbar ist und der Anspruch ohne die Selbsthilfehandlung vereitelt oder seine Geltendmachung wesentlich erschwert wird. Beispiel: Unter Umständen darf der Gläubiger, dessen Schuldnerin Vermögensgegenstände beiseiteschafft (Art.  271 Abs.  1 Ziff.  2 SchKG), auch Werte der Schuldnerin an sich nehmen.249 c.

Einwilligung der Geschädigten

Das OR erwähnt die Einwilligung lediglich als Reduktions- (Art.  44 Abs.  1 OR; 1965 s.  N  1895) und nicht auch als Rechtfertigungsgrund. Trotzdem ist die Einwilligung auch als Rechtfertigungsgrund allgemein anerkannt (volenti non fit iniuria; s. Art. 28 Abs. 2 ZGB für den Bereich des Persönlichkeitsschutzes).250 Damit die Einwilligung gültig ist, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: 1966 Zunächst muss die Geschädigte über das betroffene Rechtsgut, in dessen Verletzung sie einwilligt, verfügen dürfen. Dies ist dann nicht der Fall, wenn eine solche Einwilligung gegen Art. 20 Abs. 1 OR verstossen würde (s. N 392 ff.). Unzulässig ist z.B. die Einwilligung in die eigene Tötung oder in eine schwere Körperverletzung, sofern Zweitere nicht als Heileingriff erfolgt.251 Sodann muss die Geschädigte 246 BK OR-Brehm, Art. 52 N 26; CR CO-Werro, Art. 52 N 7. 247 Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 5 N 10. 248 CR CO-Werro, Art. 52 N 14. 249 Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 943. 250 Statt vieler Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 911. Zum Widerruf von Einwilligungen in eine Persönlichkeitsverletzung s. Haas, Jusletter 15. November 2010, N 14 ff. 251 Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 5 N 19.

597

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

handlungsfähig sein (Art. 13 ZGB).252 Betrifft die Einwilligung höchstpersönliche Rechtsgüter (z.B. Einwilligung in eine Operation), so genügt gemäss Art. 19c ZGB Urteilsfähigkeit.253 1967

Der Rechtfertigungsgrund der Einwilligung ist besonders aktuell bei Heileingriffen von Ärzten, namentlich bei Operationen. Auch solche Eingriffe sind grundsätzlich widerrechtlich (s. N 1946) und müssen deshalb durch eine entsprechende Einwilligung gerechtfertigt werden.254 Damit eine Patientin gültig einwilligen kann, muss sie durch den Arzt umfassend über den bevorstehenden Eingriff aufgeklärt worden sein.255 Nur so ist gewährleistet, dass die Patientin in Kenntnis der genauen medizinischen Sachlage zu entscheiden vermag. Das Mass der notwendigen Informationen richtet sich in erster Linie nach den Risiken, die mit dem betreffenden Eingriff verbunden sind: Je grösser die Risiken sind, desto mehr Aufklärung ist erforderlich. Hat der Arzt es unterlassen, die Patientin in ausreichender Weise aufzuklären, so ist die Einwilligung ungültig und der ärztliche Eingriff grundsätzlich widerrechtlich. Der Arzt haftet im Fall eines Schadens folglich selbst dann für mangelnde Aufklärung, wenn ihm kein Kunstfehler unterlaufen ist.256 Allerdings kann er den (Entlastungs-)Beweis antreten, dass die Patientin auch dann eingewilligt hätte, wenn sie ausreichend informiert worden wäre (rechtmässiges Alternativverhalten; s. N 1937 f.).257 Nach Peter soll es hingegen zulässig sein, dass die Patientin gänzlich auf die ärztliche Aufklärung verzichtet und sich auch ohne diese mit dem Eingriff einverstanden erklärt.258

1968

Ist eine gültige Einwilligung erfolgt, umfasst diese auch alle nachteiligen Folgen, die trotz sorgfältiger Behandlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst entstehen können. Kunstfehler dagegen lassen sich in der Regel nicht durch eine Einwilligung rechtfertigen.259 Eine Ausnahme besteht dann, wenn die Patientin selbst ein Abweichen vom medizinischen Standard verlangt; Ärzte müssen diesen Wünschen in der Regel entsprechen (Art. 397 OR),260 nachdem sie versucht haben, «beim Patienten Einsicht in das Notwendige zu wecken»261.

252 253 254 255 256 257 258 259 260 261

598

Schwenzer, OR AT, N 50.36. BSK OR-Kessler, Art. 52 N 18. BGE 113 Ib 420 E. 2; Roberto, Haftpflichtrecht, N 4.119; s. CR CO-Werro, Art. 52 N 22. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 5 N 22; Schwenzer, OR AT, N 50.37; CR CO-Werro, Art. 52 N 23. BGE 108 II 59 E. 3 = Pra 1982 Nr. 122. BGE 117 Ib 197 E. 2a; 115 Ib 175 E. 2b; 114 Ia 350 E. 6. Peter, Jusletter 16. August 2010, N 17. BGE 123 II 577 E. 4d ee; 113 Ib 420 E. 4; BSK OR-Kessler, Art. 52 N 20. Peter, Jusletter 16. August 2010, N 34. Peter, Jusletter 16. August 2010, N 7.

§ 24

4.

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Verschulden

Schliesslich verlangt Art. 41 Abs. 1 OR als letzte Haftungsvoraussetzung, dass die 1969 Schädigung mit Verschulden («sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit») herbeigeführt wird. Der Nachweis des Verschuldens entfällt indessen, wenn ein spezifischer Kausalhaftungstatbestand verwirklicht ist (s. N 1832 ff.). 4.1

Begriff

Verschulden bedeutet, dass die unerlaubte Aktivität bzw. Passivität dem Schädiger vorwerfbar ist. Vorwerfbarkeit ist gegeben, wenn der Schädiger in objektiver Hinsicht vorsätzlich oder fahrlässig handelt und in subjektiver Hinsicht zum Zeitpunkt seines schädigenden Verhaltens urteilsfähig im Sinne von Art. 16 ZGB ist.

1970

Das OR basiert dem Grundsatz nach auf dem Verschuldensprinzip. Sowohl die ver- 1971 tragliche (s. Art. 97 Abs. 1 OR) wie auch die deliktische Haftung (s. Art. 41 Abs. 1 OR) setzen in der Regel voraus, dass dem Schädiger die Verursachung des Schadens vorgeworfen werden kann. Der Vorwurf an den Schädiger besteht darin, dass er sich pflichtwidrig verhielt, obschon es ihm unter Beachtung der nötigen Sorgfalt und Aufmerksamkeit möglich gewesen wäre, sich pflichtgemäss zu verhalten.262 Dem Verschulden kommt haftpflichtrechtlich eine doppelte Funktion zu: Zum 1972 einen dient es als Zurechnungskriterium für die allgemeine Verschuldenshaftung (Art. 41 Abs. 1 OR); zum andern bildet das Verschulden ein Bemessungskriterium für den Schadenersatz (s. Art. 43 Abs. 1 OR; zum Reduktionsgrund des «leichten» Verschuldens s. N 1888).263 Vom Verschuldensprinzip macht das Gesetz Ausnahmen: Für bestimmte Konstella- 1973 tionen ordnet es an, dass der Schädiger auch dann haftet, wenn ihm kein Verschulden vorgeworfen werden kann (Kausalhaftungen; s. N 1832 ff.). Solche Haftungen finden sich sowohl im Vertrags- (z.B. Art. 208 Abs. 2 OR; s. N 2669 ff.) wie auch im Deliktsrecht (z.B. Art. 55, Art. 56 und Art. 58 OR sowie Art. 679 f. ZGB; s. N 2027 ff.). Allerdings wird bei einfachen milden Kausalhaftungen das Verschulden  – implizit – insoweit mitgeprüft, als der Schädiger vom Sorgfaltsbeweis Gebrauch machen kann. Wie einleitend dargelegt (s. N 1834 f.) handelt es sich daher bei der einfachen milden Kausalhaftung ebenfalls um eine Verschuldenshaftung, jedoch mit Beweislastumkehr. Darüber hinaus ist im Rahmen der Schadenersatzbemessung das Verschulden generell auch bei Kausalhaftungen zu berücksichtigen: Allfällige Redukti262 263

BK OR-Brehm, Art. 41 N 168; Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, N 528. CHK OR-Müller, Art. 41 N 8.

599

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

onsgründe können durch das Verschulden des Kausalhaftpflichtigen «neutralisiert» werden; der Umfang des Schadenersatzes wird dann nicht reduziert (s. N 1898). 1974

Das Verschulden wird üblicherweise in zwei Komponenten aufgeteilt,264 welche kumulativ vorliegen müssen: In objektiver Hinsicht ist erforderlich, dass das Verhalten des Schädigers vom – in dieser Situation angebrachten – Durchschnittsverhalten abweicht.265 Dies ist immer dann der Fall, wenn der Schädiger vorsätzlich oder fahrlässig handelt (s. N 1975 ff.). In subjektiver Hinsicht wird verlangt, dass der Schädiger zum Zeitpunkt seines schädigenden Verhaltens urteilsfähig im Sinne von Art. 16 ZGB war (s. N 1989 ff.). 4.2

1975

In objektiver Hinsicht ist für ein Verschulden Vorsatz oder Fahrlässigkeit erforderlich. a.

1976

Objektive Komponente

Vorsatz

Vorsatz bedeutet, dass der Schädiger weiss, dass sein Verhalten den Schaden bewirken wird, und er den Schaden auch will.266 Ausreichend ist bereits der sog. Eventualvorsatz, bei dem der Schädiger den Schaden in Kauf nimmt. Er denkt sich: «Und wenn schon, dann passiert es halt». Absicht als schwerste Form des Vorsatzes ist dadurch gekennzeichnet, dass der Schädiger den Schaden «um seiner selbst willen» anstrebt.267 b.

Fahrlässigkeit

1977

Im Gegensatz zum (eventual-)vorsätzlich Handelnden nimmt der fahrlässige Schädiger den Schaden nicht in Kauf, sondern vertraut pflichtwidrig unsorgfältig darauf, dass dieser ausbleibt. Er denkt sich: «Es wird schon nichts passieren.»

1978

Es gilt nach herrschender Lehre und Rechtsprechung ein objektivierter Fahrlässigkeitsbegriff:268 Ob das Verhalten des Schädigers fahrlässig ist, bestimmt sich anhand eines Vergleichs des Schädigerverhaltens mit dem hypothetischen Verhalten eines durchschnittlich sorgfältigen Menschen in der konkreten Situation. Jede negative Abweichung von diesem «Referenzverhalten» gilt als fahrlässig (s. N 898).269 Unwesentlich ist dabei, ob dem Schädiger im konkreten Fall ein per264 265 266 267 268

CHK OR-Furrer/Wey, Art. 99 N 9; s. dazu kritisch Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, N 526 ff. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 992. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 6 N 30; Schwenzer, OR AT, N 22.12. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 995; Schwenzer, OR AT, N 22.13. BGE 124 III 155 E. 3b; Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, N 568; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 6 N 17; Roberto, Haftpflichtrecht, N 07.06. 269 Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 6 N 18; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1003.

600

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

sönlicher Vorwurf gemacht werden kann.270 Insofern kann sich der Schädiger nicht mit subjektiven Entschuldigungsgründen wie z.B. Übermüdung entlasten. Der objektivierte Fahrlässigkeitsbegriff des Zivilrechts steht im Gegensatz zum sub- 1979 jektiven Fahrlässigkeitsbegriff des Strafrechts. Während das Haftpflichtrecht die Funktion hat, Schäden zu kompensieren, steht im Strafrecht die Pönalisierung bzw. Sanktionierung eines bestimmten Verhaltens im Vordergrund. Daher muss die Straftat dem Angeschuldigten auch persönlich vorwerfbar sein. Art. 53 OR hält deshalb fest, dass das Zivilgericht bezüglich der Frage des Verschuldens nicht an ein allfälliges Strafurteil gebunden ist.271 Wegen dieses grundsätzlichen Unterschieds ist auch terminologisch zwischen dem «Verschulden» im Privatrecht und der «Schuld» im Strafrecht zu differenzieren. Lehre und Rechtsprechung des einen Rechtsgebiets dürfen mit anderen Worten nicht unbesehen auf das andere übertragen werden.272 Die Bestimmung der erforderlichen Sorgfalt kann im Einzelfall Schwierigkeiten 1980 bereiten. Lehre und Rechtsprechung haben deshalb verschiedene Hilfsmittel zur Feststellung der notwendigen Sorgfalt und damit der Fahrlässigkeit entwickelt: Den Sorgfaltsmassstab bildet jene Sorgfalt, die im jeweiligen Verkehrskreis (Alter, 1981 Erfahrung etc.) üblich ist.273 Besondere Bedeutung kommt dabei der Berufsgattung bzw. Branche des Schädigers zu: Der Schädiger muss diejenige Sorgfalt walten lassen, die in der entsprechenden Berufsgattung bzw. Branche üblich ist.274 Solche beruflichen Sorgfaltspflichten sind teilweise gesetzlich geregelt, teilweise haben Branchenverbände sie in Richtlinien gefasst (z.B. SIA-Normen).275 Die durchschnittlichen Sorgfaltspflichten statuieren dabei einen Mindeststandard. Wenn der Schädiger über höhere Fachkenntnisse verfügt, wird von ihm auch verlangt, dass er diese Zusatzkompetenzen einsetzt. Tut er das nicht, kann er sich später nicht darauf berufen, mit der üblichen Sorgfalt gehandelt zu haben.276 Wer eine Tätigkeit übernimmt, obwohl er die dazu notwendigen Fähigkeiten nicht 1982 besitzt oder diese aus anderen Gründen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt ausüben kann, handelt fahrlässig (sog. Übernahmeverschulden).277 Der Schädiger kann in einem solchen Fall nicht einwenden, er hätte nicht über die nötigen Kompetenzen verfügt. 270 271 272 273 274 275 276 277

Furrer/Müller-Chen, Kap. 11 N 95. S.  beispielsweise BGE 4A_533/2013 E.  3.3, wonach ein Freispruch vom strafrechtlichen Vorwurf des Betrugs (Art. 146 StGB) nicht ausschliesst, dass eine zivilrechtliche Täuschung im Sinne von Art. 28 OR vorliegt. S. Keller/Schmied-Syz, Tafel 57. Schwenzer, OR AT, N 22.15; Werro, responsabilité, N 293. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1002. BK OR-Brehm, Art. 41 N 173 f. Schwenzer, OR AT, N 22.17. Gauch/Schluep/Emmenegger, N  2995; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, §  6 N  17; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1007.

601

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

1983

Ein weiteres Hilfsmittel zur Bestimmung der erforderlichen Sorgfalt ist der sog. Gefahrensatz. Nach diesem (ungeschriebenen) Rechtsgrundsatz gilt, dass derjenige, der einen Zustand schafft oder aufrechterhält, der einen anderen schädigen könnte, verpflichtet ist, die zur Vermeidung eines Schadens erforderlichen Massnahmen zu treffen.278 Ergreift der Schädiger diese Massnahmen nicht, so handelt er fahrlässig. Dazu gehört auch die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten. Eine Seilbahnunternehmung trifft beispielsweise die Pflicht, ihre Skipisten angemessen zu sichern.279 Umstritten ist die Frage, ob der Gefahrensatz auch bei der Widerrechtlichkeit anzuwenden ist (s. N 1955).

1984

Der Verstoss gegen (öffentlich-rechtliche) Polizeivorschriften, wie z.B. diejenigen des Strassenverkehrsrechts, indiziert Fahrlässigkeit, sofern die betreffenden Bestimmungen der Schadensverhütung dienen. Behördliche Bewilligungen und Genehmigungen für eine Tätigkeit (z.B. Baubewilligung) schliessen ein Verschulden a priori nicht aus. Sie legen bloss einen Mindeststandard fest.280 Allerdings ist dem Vertrauen, das der Bewilligung einer staatlichen Behörde entgegengebracht wird, bei der Beurteilung des involvierten Verschuldens angemessen Rechnung zu tragen.

1985

Die Fahrlässigkeit wird nach drei Schweregraden abgestuft.281 Nötig ist diese Abstufung, weil verschiedene Normen auf den Schweregrad der Fahrlässigkeit verweisen. Zwar haftet der Schädiger prinzipiell für jedes Verschulden (s. Art. 99 Abs. 1 OR für das Vertragsrecht). Dieser Grundsatz wird aber durch Spezialnormen durchbrochen: So bestimmt beispielsweise Art. 248 Abs. 1 OR, dass der Schenker gegenüber der Beschenkten (vertraglich) nur für grobe Fahrlässigkeit haftet. Auch ist der Verschuldensgrad im Zusammenhang mit der Wegbedingung der Haftung von Bedeutung: Gemäss Art. 100 Abs. 1 OR ist der (vor dem Schadenseintritt getroffene) Haftungsausschluss für Absicht und grobe Fahrlässigkeit ungültig (s. N 1014 ff.). Des Weiteren stellt leichtes Verschulden, das heisst leichte Fahrlässigkeit, einen Reduktionsgrund nach Art. 43 Abs. 1 OR dar (s. N 1888). Die Qualifikation eines Verhaltens als grob, leicht oder mittel fahrlässig kann damit je nach der im Einzelfall geltenden Rechtslage über die Frage entscheiden, ob der Schädiger überhaupt haftet und, wenn ja, in welchem Ausmass.

1986

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Schädiger gegen elementare Vorsichtsgebote verstösst («Wie konnte er nur!»282). Die Abweichung des Schädigerverhaltens gegenüber dem Referenzverhalten ist evident. Beispielsweise wurde grobe Fahrlässigkeit bejaht, als ein Sprengoffizier trotz adäquater Ausbildung bei der Sprengung einer Fabrik alle nötigen Sicherheitsmassnahmen unterliess, sodass ein 83 Gramm 278 279 280 281 282

602

BGE 4A_520/2007 E. 2.1; 126 III 113 E. 2a aa = Pra 2000 Nr. 185; 124 III 297 E. 5b. S. z.B. BGE 4A_489/2014 E. 5.1 m.w.H. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1038. S. BGE 100 II 332 E. 3. Merksatz angelehnt an Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 218.

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

schwerer Metallsplitter 40 Meter weit geschleudert wurde, ein Fenster durchbrach und dabei eine Frau physisch und psychisch in schwerer Weise geschädigt wurde.283 Leichte Fahrlässigkeit wird dadurch charakterisiert, dass der Schädiger nur gering- 1987 fügig unvorsichtig handelt («das kann passieren»284). Der Unterschied zwischen dem Verhalten des Schädigers und demjenigen eines «vernünftigen Menschen» ist in diesem Fall klein. Als leicht fahrlässig wurde z.B. das Verhalten eines Autolenkers qualifiziert, der wegen einer kurzen Unaufmerksamkeit in ein vor einem Fussgängerstreifen stehendes Fahrzeug fuhr.285 Mittlere Fahrlässigkeit wird dadurch definiert, dass sie weder grob noch leicht ist. 1988 Das Gesetz sieht diese Art von Fahrlässigkeit nicht vor. 1974 führte das Bundesgericht jedoch diese Zwischenstufe ein, und zwar vor allem, um Art. 44 Abs. 2 OR auch dann anwenden zu können, wenn keine leichte Fahrlässigkeit vorlag, das Verhalten aber auch nicht als grobfahrlässig erschien (s. N 1897). Es ging in besagtem Fall um drei elfjährige Kinder, die mit bengalischen Zündhölzern spielten. Nachdem sie von einem Dorfbewohner aufgefordert worden waren, nach Hause zu gehen, begaben sie sich in eine Scheune, wo eines der Kinder ein brennendes Zündholz in die Luft warf. Das Heu wurde dadurch in Brand gesteckt und die Scheune stark beschädigt. Das Bundesgericht befand, dass es sich in diesem Fall weder um grobe noch um leichte Fahrlässigkeit, sondern um einen Zwischenbereich handelte.286 4.3

Subjektive Komponente

a.

Urteilsfähigkeit

In subjektiver Hinsicht ist erforderlich, dass der Schädiger im Sinne von Art.  16 1989 ZGB urteilsfähig ist. Die Urteilsfähigkeit wird vermutet. Sie gliedert sich in zwei Elemente, die kumulativ vorliegen müssen: Zunächst setzt sie ein gewisses Mass an intellektuellen Fähigkeiten voraus, um in einer konkreten Situation rational entscheiden zu können (intellektuelles Element). Sodann muss der Urteilsfähige auch über die Fähigkeit verfügen, nach dieser rationalen Entscheidung zu handeln (sog. volitives Element).287 Auf das Verschulden übertragen bedeutet dies, dass der Schädiger erstens die nötigen intellektuellen Fähigkeiten haben muss, um zu erkennen, dass sein Verhalten jemanden schädigen könnte, und dass er zweitens in der Lage sein muss, sich innerlich gegen das schädigende Verhalten zu entscheiden und nach diesem Entscheid zu handeln.

283 284 285 286 287

BGE 112 II 131 E. 4c. Merksatz angelehnt an Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 219. BGE 131 III 12 E. 4.2. BGE 100 II 332 E. 3a. CHK ZGB-Breitschmid, Art. 16 N 4; CHK OR-Müller, Art. 41 N 12.

603

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

1990

Der Begriff der Urteilsfähigkeit ist in zeitlicher und sachlicher Hinsicht relativ und deshalb von Fall zu Fall zu beurteilen. Eine Person kann bezüglich eines Sachverhalts urteilsfähig sein und bezüglich eines anderen nicht. Kriterien für die Beurteilung sind das Alter des Schädigers, dessen psychischer Zustand sowie die Gefährlichkeit und Komplexität der Handlung.288

1991

Erwachsene sind in der Regel urteilsfähig.289 Nach Art.  16 ZGB ist jede Person urteilsfähig, der «nicht wegen ihres Kindesalters, infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln.»

1992

Unter «psychischer Störung» werden «die anerkannten Krankheitsbilder der Psychiatrie, das heisst Psychosen und Psychopathien, seien sie körperlich begründbar oder nicht, sowie Demenz, insbesondere Altersdemenz», verstanden.290 Nicht jede medizinisch diagnostizierte Störung bedeutet eo ipso Urteilsunfähigkeit. Vielmehr ist zu prüfen, ob die im konkreten Fall vorliegende psychische Störung mit Bezug auf die infrage stehende Handlung zur Urteilsunfähigkeit führt.

1993

Die «geistige Behinderung» umfasst «angeborene oder erworbene Intelligenzdefekte verschiedener Schweregrade»291. Auch diesbezüglich ist die Urteilsfähigkeit im Einzelfall zu beurteilen.292

1994

Unter «Rausch oder ähnlichen Zuständen» ist die Wirkung von Alkohol und Drogen auf den Menschen zu verstehen: Solche Substanzen können zu vorübergehendem Verlust der Urteilsfähigkeit führen. Allerdings wird der Schädiger trotz zeitweiliger Einbusse der Urteilsfähigkeit gemäss Art.  54 Abs.  2 OR ersatzpflichtig, sofern er nicht belegen kann, dass der Verlust seiner Urteilsfähigkeit ohne sein Verschulden eingetreten ist. Bei der Einnahme von Alkohol und Drogen dürfte den Schädiger regelmässig ein Verschulden treffen, weshalb er trotz fehlender Urteilsfähigkeit haften wird. Die «ähnlichen Zustände» dienen zudem als Auffangbegriff für alle Schwächezustände.293

1995

Nach Art. 16 ZGB kann die Urteilsfähigkeit wegen Kindesalters entfallen. Infolge der Relativität der Urteilsfähigkeit gibt es keine Altersgrenzen, sondern es ist die Urteilsfähigkeit einzelfallweise zu prüfen.294 Ob Kinder ein Unrechtsbewusstsein haben, ist im Hinblick auf die infrage stehende Handlung zu entscheiden. Bezüglich einfacher Sachverhalte (wie z.B. des Werfens eines Steins gegen eine Glasscheibe) 288 289 290 291 292 293 294

604

Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 977. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 6 N 16; Schwenzer, OR AT, N 22.07. S. Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Erwachsenenschutz, Personen- und Kindesrecht) vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7001 ff., 7043. S. BBl 2006 7043. BSK ZGB-Fankhauser, Art. 16 N 26 ff. S. BBl 2006 7043. S. CHK OR-Breitschmid, Art. 16 N 5.

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

ist die Urteilsfähigkeit bereits bei Schuleintritt295 gegeben, während bei komplizierteren Sachverhalten (wie z.B. dem Hantieren mit Chemikalien) ein höheres Alter erforderlich ist.296 In der Lehre wird diskutiert, ob es analog zu den Abstufungen der Fahrlässigkeit 1996 auch Abstufungen der Urteilsfähigkeit geben soll. Die eine Lehrmeinung lehnt eine solche Graduierung ab und nimmt an, dass ein Kind bezüglich eines Sachverhalts entweder urteilsfähig ist oder aber nicht.297 Ein anderer Teil der Lehre und das Bundesgericht befürworten hingegen neben voller Urteilsfähigkeit und fehlender Urteilsfähigkeit eine dritte Kategorie der «verminderten Urteilsfähigkeit».298 Eine «verminderte Urteilsfähigkeit» wird bei Kindern bisweilen im Rahmen der Bemessung des Schadenersatzes (s. N 1886 ff.) berücksichtigt.299 Unseres Erachtens ist die Einführung einer verminderten Urteilsfähigkeit nicht erforderlich. Wird ein Kind als urteilsfähig angesehen, so kann bei der Bemessung des Schadenersatzes die Reife des Kindes berücksichtigt werden, ohne dass es dazu einer neuen Kategorie verminderter Urteilsfähigkeit bedarf. b.

Ausnahme: (Billigkeits-)Haftung bei fehlender Urteilsfähigkeit (Art. 54 OR)

Gemäss Art. 54 Abs. 1 OR kann auch ein dauerhaft Urteilsunfähiger zu Schaden- 1997 ersatz verpflichtet werden. Es handelt sich insofern um eine scharfe Kausalhaftung. Allerdings ist Schadenersatz nur zu leisten, sofern es der Billigkeit entspricht. Dafür hat das Gericht die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und abzuwägen. Insbesondere ist die finanzielle Situation des Urteilsunfähigen zu würdigen:300 Lebt der Schädiger in wohlhabenden Verhältnissen und kann er den Schaden ohne Weiteres begleichen, so entspricht es in der Regel der Billigkeit, dass er trotz Urteilsunfähigkeit haftbar gemacht wird. Gleiches gilt, wenn die Haftpflichtversicherung eines urteilsunfähigen Schädigers den Schaden begleicht. Umgekehrt haftet der urteilsunfähige Schädiger in der Regel nicht, wenn er in bescheidenen Verhältnissen lebt. Art.  54 Abs.  1 OR vermag nur die subjektive Komponente des Verschuldens zu 1998 ersetzen; das Verhalten des Schädigers muss trotzdem als vorsätzlich (s. N 1976) oder fahrlässig (s. N 1977 ff.) qualifiziert werden können. Fälle nur vorübergehender selbstverschuldeter Urteilsunfähigkeit fallen unter 1999 Art. 54 Abs. 2 OR. Im Gegensatz zu Art. 54 Abs. 1 OR haftet der Schädiger hier nicht nur, wenn es der Billigkeit entspricht. Das Verschulden des Schädigers wird dabei 295 Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 6 N 11. 296 Kasuistik bei BK OR-Brehm, Art. 41 N 176 f. 297 Guhl/Koller, § 24 N 44; BSK ZGB-Fankhauser, Art. 16 N 40 f. 298 BGE 102 II 363 E. 4; BK OR-Brehm, Art. 41 N 181a; Werro, responsabilité, N 309. 299 So auch das Bundesgericht in BGE 102 II 363 E. 4. 300 CHK OR-Müller, Art. 54 N 11.

605

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

vermutet. Er kann jedoch den Beweis erbringen, dass die Urteilsfähigkeit ohne eigenes Verschulden eingetreten sei. Es handelt sich deshalb bei Art. 54 Abs. 2 OR um eine milde Kausalhaftung, welche unseres Erachtens als Verschuldenshaftung mit Beweislastumkehr zu verstehen ist (s.  N  1834  ff.). Kann der Schädiger den Entlastungsbeweis erbringen, kommt allenfalls eine Haftung nach Art. 54 Abs. 1 OR infrage. Art. 54 Abs. 1 OR kommt mit anderen Worten subsidiär zu Art. 54 Abs. 2 OR zur Anwendung und ist insofern nicht auf Fälle vorübergehender Urteilsunfähigkeit beschränkt.301

III.

Mehrheit von Schädigern

1.

Allgemeines

2000

Wenn mehrere Schädiger einen Schaden verursachen, gilt das Prinzip der Solidarhaftung (Art. 143 Abs. 2 i.V.m. Art. 50 Abs. 1 und Art. 51 Abs. 1 OR).302 Dieses bedeutet, dass die Geschädigte von jedem Einzelnen Ersatz für den gesamten Schaden verlangen kann, aber den gesamten Schaden nur einmal vergütet erhält;303 es herrscht mit anderen Worten ein Bereicherungsverbot (s. N 4144).

2001

Das Bundesgericht differenziert zwischen echter und unechter Solidarität304, was von der Lehre teilweise kritisiert wird305 (s. N 2316). Echte Solidarität liegt nach dem Bundesgericht nur vor, wenn mehrere Schädiger den Schaden gemeinsam verschuldet haben (Art. 50 OR; s. N 2005 ff.). Da die Solidarhaftung nach Art. 51 OR nicht ausdrücklich gemeinsames Verschulden verlangt und es ausreicht, wenn mehrere Personen für den Schaden haften, sei es, weil sie unabhängig voneinander den Schaden anrichteten (eintypische Solidarität; s. N 2020 ff.) oder aufgrund verschiedener Rechtsgründe (mehrtypische Solidarität; s. N 2013 ff.) zur Verantwortung gezogen wurden, nimmt das Bundesgericht nur unechte Solidarität an.306 Es begründet dies damit, dass die echte Solidarität von Art. 50 OR in den Fällen von Art. 51 OR nicht einschlägig sei, da Art. 51 Abs. 1 OR nur auf die analoge Anwendung von Art. 50 OR verweise (Art. 50 OR wird «entsprechend» angewendet; s. Art. 51 Abs. 1 OR).307

2002

Die Unterscheidung zwischen echter und unechter Solidarität ist z.B. mit Bezug auf die Verjährungs- und Unterbrechungsregel von Art. 136 Abs. 1 OR relevant: Die Unterbrechung der Verjährung durch die Geschädigte gegenüber einem Schädiger 301 302 303 304 305 306 307

606

Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 280 ff.; CR CO-Werro, Art. 54 N 15. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 11 N 1. CHK OR-Mazan, Art. 50 N 1; Müller, responsabilité, N 825. BGE 130 III 591 E. 5.5.1; 4C.27/2003 E. 3.3; 119 II 127 E. 4b; 115 II 42 E. 1b; 112 II 138 E. 4; 104 II 225 E. 4b. Furrer/Müller-Chen, Kap. 2 N 23; Keller/Gabi/Gabi, 142; von Tuhr/Escher, 320. BGE 130 III 591 E. 5.5.1. BGE 119 II 127 E. 4b; 115 II 42 E. 1b; CHK OR-Mazan, Art. 51 N 2.

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

wirkt demnach nur bei der echten Solidarität gegenüber den Mitschädigern (s. dazu auch N 2272).308 An dieser Differenzierung soll sich mit Inkrafttreten des neuen Verjährungsrechts am 1. Januar 2020 nichts ändern.309 Weiter kommen nach dem Bundesgericht die Art. 143 ff. OR nur bei der echten Soli- 2003 darität direkt zur Anwendung.310 Bei der unechten Solidarität erfolgt nach Befriedigung der Geschädigten keine Subrogation des Schädigers in die Stellung des Gläubigers im Sinne von Art. 149 OR.311 Überdies sind persönliche Herabsetzungsgründe nach der hier vertretenen Auffas- 2004 sung nur bei der unechten Solidarität zulässig (s. N 2022 ff.).

2.

Echte Solidarität (Art. 50 OR)

Haben mehrere den Schaden gemeinsam verschuldet, sei es als Anstifter, Urheber 2005 oder Gehilfen, so haften sie der Geschädigten solidarisch (Art. 50 Abs. 1 OR). Im Aussenverhältnis besteht demnach unter folgenden Voraussetzungen eine solidarische Haftung: • gemeinsame Verursachung eines Schadens (s. N 2006); • gemeinsames Verschulden (s. N 2007 f.); • Tätereigenschaft (s. N 2009 f.). Der Schaden wird gemeinsam verursacht, wenn das Verhalten mehrerer Personen als adäquate Teil- oder Gesamtursache des Schadens erscheint.312

2006

Gemeinsam verschuldet ist der Schaden, wenn die Täter bei der Verursachung des 2007 Schadens bewusst zusammenwirken. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist dies der Fall, wenn jeder Schädiger um das pflichtwidrige Verhalten des anderen weiss oder mindestens darum wissen könnte.313 Dadurch, so die Kritik, führe aber bereits fahrlässige Unkenntnis über den Tatbeitrag des Mitschädigers zu echter Solidarität; anstelle von bewusstem Zusammenwirken lasse die Rechtsprechung selbst fahrlässig «unbewusstes» Zusammenwirken genügen.314 Die Abgrenzung zur unechten Solidarität werde dadurch unklar.315

308 BGE 127 III 257 E. 6a; 115 II 42 E. 1b. 309 Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts (Verjährungsrecht) vom 29. November 2013, BBl 2014 235 ff., 261. 310 BGE 127 III 257 E. 6a; 115 II 42 E. 1b; CHK OR-Mazan, Art. 51 N 4. 311 BGE 115 II 42 E. 1b; CHK OR-Mazan, Art. 51 N 4; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1652. 312 Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1668. 313 BGE 115 II 42 E. 1b; bestätigt in BGE 127 III 257 E. 6a. 314 Küttel, HAVE 2008, 326. 315 Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 11 N 13 m.w.H.

607

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

2008

Weiter müssen alle Beteiligten urteilsfähig sein (subjektive Komponente; s. N 1989 ff.) sowie den Schaden absichtlich, eventualvorsätzlich oder mindestens fahrlässig (objektive Komponente; s. N 1975 ff.) herbeigeführt haben.316 Nicht erforderlich ist dagegen, dass jeden Schädiger dasselbe Verschulden trifft.317 Ist einer der Schädiger urteilsunfähig, so haften nur die übrigen Schädiger.

2009

Täter kann gemäss Art. 50 OR ein Urheber, Anstifter, Gehilfe oder ein Begünstigter sein, wobei die Aufzählung als nicht abschliessend angesehen wird.318 Urheber ist dabei der Haupttäter, welcher den Schaden unmittelbar verursacht.319 Der Anstifter veranlasst einen anderen schuldhaft (das heisst zumindest fahrlässig320) zu einer objektiv rechtswidrigen Tat.321 Ein Gehilfe fördert mindestens fahrlässig die Handlung eines anderen, spielt aber nur eine untergeordnete Rolle.322

2010

Nur unter eingeschränkten Voraussetzungen haftet schliesslich der Hehler solidarisch, der in Art. 50 Abs. 3 OR als «Begünstigter»323 bezeichnet wird.324 Im Gegensatz zu Urheber, Anstifter und Gehilfen tritt der Begünstigte erst nach vollendeter Haupttat auf.325

2011

Sind die Voraussetzungen von Art. 50 Abs. 1 OR erfüllt, liegt echte Solidarität im Sinne von Art.  143–150 OR vor (s.  N  2297  ff.). Im internen Verhältnis kommt Art. 50 Abs. 2 OR zur Anwendung.326

2012

Die Solidarität umfasst nicht nur den Schaden, sondern erstreckt sich auch auf die Genugtuung.327

3. 2013

Mehrtypische unechte Solidarität (Art. 51 OR)

Art. 51 OR findet Anwendung, wenn mehrere Personen aus verschiedenen Rechtsgründen haften (mehrtypische unechte Solidarität). Denkbar ist z.B., dass ein Schädiger aus Verschuldens-, der andere aus einer Gefährdungshaftung in Anspruch genommen wird.

316 317 318 319 320 321 322 323 324 325 326 327

608

CR CO-Werro, Art. 50 N 5. CHK OR-Mazan, Art. 50 N 11. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 11 N 5. BGE 42 II 473 E. 3; Küttel, HAVE 2008, 329. BK OR-Brehm, Art. 50 N 24. BGE 129 III 588 E. 4.1. BK OR-Brehm, Art. 50 N 27; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1676. Zum Begriff ausführlich Küttel, HAVE 2008, 332. BK OR-Brehm, Art. 50 N 29. Küttel, HAVE 2008, 332. BK OR-Brehm, Art. 50 N 30 und N 38; CHK OR-Mazan, Art. 50 N 16. BGE 57 II 417 E. 5; BK OR-Brehm, Art. 50 N 39.

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Wie die echte bewirkt auch die unechte Solidarität, dass jeder Schädiger im Aussen- 2014 verhältnis grundsätzlich für den ganzen Schadenersatz haftet.328 Für den Regress verweist Art. 51 Abs. 1 OR zunächst auf das richterliche Ermes- 2015 sen in Art. 50 Abs. 2 OR, welches dann aber durch die Regressordnung in Art. 51 Abs. 2 OR eingeschränkt wird. Gemäss Art. 51 Abs. 2 OR trägt in der Regel in erster Linie derjenige den Schaden, 2016 der ihn durch unerlaubte Handlung verschuldet hat, und zuletzt derjenige, der ohne eigene Schuld und ohne vertragliche Verpflichtung nach Gesetzesvorschrift haftbar ist. Die Verschuldenshaftung von Art. 41 Abs. 1 OR fällt dabei unter «unerlaubte Handlung», während die einfachen Kausal- und die Gefährdungshaftungen nach herrschender Lehre unter «Gesetzesvorschrift» zu subsumieren sind.329 Demgegenüber vertritt Roberto unserer Meinung nach zu Recht die Auffassung, 2017 dass die einfachen Kausalhaftungen der Verschuldenshaftung gleichzustellen seien, weil die haftungsauslösende Sorgfaltspflichtverletzung deckungsgleich sei.330 So hafte beispielsweise der Werkeigentümer nur dann, wenn er die ihm zumutbaren und angemessenen Massnahmen nicht ergriffen habe, obwohl der Schadenseintritt voraussehbar und vermeidbar gewesen wäre (s. N 2069 f.).331 Die einfachen Kausalhaftungen sind deshalb auch unseres Erachtens unter «unerlaubte Handlung» im Sinne von Art. 51 Abs. 2 OR zu subsumieren.332 Ansonsten würde der Schädiger aus einfacher Kausalhaftung ungerechtfertigt privilegiert: Er müsste nie in erster Linie für den Schaden haften. Für diese Ansicht spricht auch die systematische Einordnung der einfachen Kausalhaftungen unter den zweiten Abschnitt «Entstehung durch unerlaubte Handlungen». Abweichend von der Regressordnung nach Art. 51 OR steht den Sozialversicherern 2018 (Art. 72 Abs. 1 ATSG333) sowie den Privatversicherern (Art. 72 Abs. 1 VVG334) spezialgesetzlich ein integrales Regressrecht zu.335 Das heisst, dass diese beim Rückgriff gegen die Ersatzpflichtigen nicht an die Kaskade der Regressordnung von Art. 51 Abs. 2 OR gebunden sind. Art. 51 OR kommt also gar nicht zur Anwendung: Die

328 BK OR-Brehm, Art. 51 N 18. 329 BK OR-Brehm, Art.  51 N  75; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, §  11 N  39; CHK ORMazan, Art. 51 N 16; CR CO-Werro, Art. 51 N 9. 330 Roberto, AJP 2005, 1327. 331 Roberto, AJP 2005, 1326. 332 So auch Roberto, AJP 2005, 1328; offengelassen in BGE 144 III 209 E. 2.6. 333 Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (SR 830.1). 334 Bundesgesetz vom 2.  April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz; SR 221.229.1). 335 Das integrale Regressrecht der Privatversicherer wird vom Bundesgericht erst seit Kurzem anerkannt; s. BGE 144 III 209 E. 2.6. Vor dieser Praxisänderung fielen die Privatversicherer unter die Regressordnung von Art. 51 Abs. 2 OR; vgl. zur früheren Rechtsprechung z.B. BGE 137 III 352 E. 4 m.w.H.

609

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

Versicherer können gegen Ersatzpflichtige nach ihrem Gutdünken aus Kausalhaftung, Verschuldenshaftung oder aus Vertrag Regress nehmen.336 2019

Das Bundesgericht gesteht darüber hinaus auch der Arbeitgeberin, welche ihrem verunfallten Arbeitnehmer den Lohn fortgezahlt hat, analog zu Art. 51 Abs. 2 OR ein Regressrecht gegen den Ersatzpflichtigen zu.337 Die Arbeitgeberin ist zwar bloss Reflexgeschädigte (s.  N  1873) und deshalb eigentlich nicht regressberechtigt. Sie würde aber sonst gegenüber den Privat- und Sozialversicherern, welchen als Drittgeschädigte aufgrund gesetzlicher Subrogationsregeln (s. nur Art.  72 ATSG) ein Regressrecht zusteht, ungleich behandelt. Das Bundesgericht spricht deshalb mit Bezug auf das Arbeitgeber-Regressrecht von einer gesetzlichen Lücke:338 Die Arbeitgeberin wird in Füllung dieser Lücke den Versicherern gleichgestellt (s. N 2018) und ist somit nicht an die Regressordnung von Art. 51 Abs. 2 OR gebunden.339

4.

Eintypische unechte Solidarität

2020

Eintypische unechte Solidarität liegt vor, wenn mehrere Personen unabhängig voneinander aus dem gleichen Rechtsgrund haften.340 Denkbar ist z.B. der Fall, dass zwei Schädiger aus Art.  41 Abs.  1 OR haften, ohne den Schaden im Sinne von Art. 50 Abs. 1 OR gemeinsam verschuldet haben.

2021

Nach zutreffender Meinung kommen die Art. 51 Abs. 1 i.V.m. Art. 50 Abs. 2 OR für den Regress analog zur Anwendung.341

5. 2022

Persönliche Herabsetzungsgründe

Als Herabsetzungsgründe gelten die bereits oben erwähnten Gründe (s. N 1887 ff.). Umstritten ist, ob der einzelne Schädiger einen Reduktionsgrund, der nur ihn selbst betrifft, im Aussenverhältnis (gegenüber der Geschädigten) geltend machen darf. Die Meinungen in der Doktrin sind kontrovers: Diese Möglichkeit wird teilweise bejaht342, teilweise verneint343.

336 337 338 339 340 341 342 343

610

S. BGE 144 III 209 E. 2.6 betreffend die Privatversicherer; 119 II 289 E. 5b betreffend die Sozialversicherer. BGE 126 III 521 E. 2b. BGE 126 III 521 E. 2b. S. zum Ganzen BGE 126 III 521 E. 2b. BK OR-Brehm, Art. 51 N 95; CHK OR-Mazan, Art. 51 N 8. S. BK OR-Brehm, Art. 51 N 95. Guhl/Koller, § 6 N 14; Keller/Gabi/Gabi, 141; Schwenzer, OR AT, N 88.19. BK OR-Brehm, Art. 50 N 46 und Art. 51 N 30, wobei der Autor bei der unechten Solidarität aber Ausnahmen zulässt.

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Die von uns bevorzugte Lehrmeinung geht davon aus, dass persönliche Herabset- 2023 zungsgründe nur bei unechter, nicht aber bei echter Solidarität zulässig sein sollten (s. N 2026).344 Die Solidarhaftung der Schädiger dient im Haftpflichtrecht dazu, die Stellung der 2024 Geschädigten zu stärken. Dem Umstand, dass der einzelne Mitschädiger aufgrund der Solidarhaftung unter Umständen für einen höheren Betrag einstehen muss, als wenn er alleiniger Schädiger gewesen wäre, hat der Gesetzgeber mit der Möglichkeit des internen Regresses Rechnung getragen.345 Vor diesem Hintergrund sollten nach der hier vertretenen Ansicht bei echter Soli- 2025 darität im externen Verhältnis keine individuellen Herabsetzungsgründe zugelassen werden. Ansonsten würde das Recht der Geschädigten, von einem Schädiger den ganzen Schaden verlangen zu können, möglicherweise durch die individuellen Herabsetzungsgründe unterlaufen und damit gegen Sinn und Zweck der Solidarhaftung verstossen.346 Haben die Schädiger den Schaden gemeinsam verschuldet, sollten persönliche Herabsetzungsgründe vielmehr erst im internen Verhältnis – bei der Bemessung der Regressansprüche – zum Tragen kommen. Das Bundesgericht lässt im externen Verhältnis einen Herabsetzungsgrund im Sinne 2026 von Art. 43 Abs. 1 OR denn auch nur bei unechter Solidarität und bloss ausnahmsweise zu. Ein Beispiel für einen solchen Ausnahmefall bildet eine drohende Notlage im Sinne von Art. 44 Abs. 2 OR (z.B. durch eine bevorstehende Insolvenz des Haftpflichtigen; s. N 1897).347 Weiter kann die Zulassung von Herabsetzungsgründen im externen Verhältnis bei unechter solidarischer Haftung geboten sein, wenn ein ausgeprägtes Missverhältnis zwischen Verschulden und Schaden besteht und eine Abweisung des Herabsetzungsgrundes deshalb geradezu als unbillig erscheinen würde.348 Als Beispiel sei der Fall erwähnt, in welchem sich die Geschädigte ohne ersichtlichen Grund an den mittellosen Schädiger hält, dem gleichzeitig nur ein sehr geringes Verschulden angelastet werden kann, anstatt gegen den vermögenderen Mitschädiger vorzugehen.349

344 Engel, CO PG, 563 f. und 566 m.w.H.; gl.M. Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, N 2906 f.; Rey/ Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1717. 345 S. CHK OR-Mazan, Art. 51 N 12. 346 S. BGE 93 II 317 E. 2e; CHK OR-Mazan, Art. 50 N 19. 347 BGE 127 III 257 E. 6b; 112 II 138 E. 4a; s. auch BGE 113 II 323 E. 2b; BK OR-Brehm, Art. 51 N 30a. 348 BGE 112 II 138 E. 4a; gl.M. CHK OR-Mazan, Art. 51 N 11 f. 349 BGE 127 III 257 E. 6b; 112 II 138 E. 4a; gl.M. BK OR-Brehm, Art. 51 N 30a; CHK OR-Mazan, Art. 51 N 11 f.

611

3. Kapitel

2027

IV.

Geschäftsherrenhaftung (Art. 55 OR)

1.

Begriff

Die Geschäftsherrenhaftung gemäss Art. 55 OR ist nach herrschender Lehre eine milde Kausalhaftung350 des Geschäftsherrn für das Verhalten von Hilfspersonen. Sie ermöglicht der Geschädigten, einen Schaden, den eine Hilfsperson verursacht hat, direkt bei diesem zu liquidieren.351

2. 2028

Voraussetzungen

Neben dem Vorliegen eines Schadens, des natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs und der Widerrechtlichkeit ist die Haftung des Geschäftsherrn an zwei weitere Voraussetzungen geknüpft: Erstens muss zwischen dem Geschäftsherrn und der schädigenden Hilfsperson ein Subordinationsverhältnis bestehen, und zweitens muss die Hilfsperson im Rahmen jener Aufgaben gehandelt haben, die ihr der Geschäftsherr übertragen hat. 3.1

2030

Abgrenzung zur Hilfspersonenhaftung (Art. 101 OR)

Die Geschäftsherrenhaftung nach Art.  55 OR ist von der Hilfspersonenhaftung nach Art. 101 OR (s. N 993 ff.) abzugrenzen: Art. 55 OR betrifft die ausservertragliche, Art. 101 OR hingegen die vertragliche Haftung. Auch hinsichtlich der Voraussetzungen unterscheiden sich die Tatbestände: Während z.B. Art. 55 OR ein Subordinationsverhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und der Hilfsperson voraussetzt, ist ein solches bei Art. 101 OR nicht erforderlich (s. N 996).

3. 2029

Ausservertragliche Ansprüche

Subordinationsverhältnis

Die Haftung aus Art. 55 Abs. 1 OR setzt ein Subordinationsverhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und der Hilfsperson voraus. Subordination bedeutet, dass die Hilfsperson dem Geschäftsherrn untergeordnet, das heisst an seine Weisungen gebunden 350 Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, N 733 f.; Roberto, AJP 2005, 1324; CR CO-Werro, Art. 55 N 1; a.M. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 13 N 4. 351 Der OR 2020-Forschungsentwurf schlägt in Art. 59 OR 2020 eine zusätzliche besondere Haftungsnorm für kaufmännische Unternehmen vor, welche die in Art. 58 OR 2020 geregelte Geschäftsherrenhaftung insofern verschärft, als ein kaufmännisches Unternehmen für den Schaden haftet, der im Rahmen seiner Tätigkeit verursacht wird, sofern es nicht beweisen kann, dass die Organisation des Betriebs geeignet war, den entsprechenden Schaden zu verhindern; s. dazu OR 2020-Fellmann/Müller/Werro, Art. 58 N 5 und Art. 59 N 1 ff.

612

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

und seiner Aufsicht unterstellt ist.352 Die Subordination stellt die innere Rechtfertigung für die ausservertragliche Haftung des Geschäftsherrn für seine Hilfspersonen dar. Dieser kann seine ausservertraglichen Haftungsrisiken nur dann angemessen steuern, wenn er dem ihm subordinierten Personenkreis zweckmässige Weisungen erteilen darf. Es genügt, wenn die Subordination tatsächlicher bzw. ökonomisch-organisatori- 2031 scher Natur ist.353 Die Unterordnung muss aber nicht auf einem Vertrag beruhen. Stehen Hilfsperson und Geschäftsherr in einem Arbeitsverhältnis (Art. 319 ff. OR), liegt begriffsnotwendig auch ein Subordinationsverhältnis vor.354 Bei anderen Verträgen bzw. Rechtsverhältnissen muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Weisungsbefugnis des Geschäftsherrn so weit geht, dass eine Subordination bejaht werden kann. Massgebendes Kriterium ist der Grad der Entscheidungsfreiheit, welcher einer 2032 Hilfsperson im Rahmen der Subordination verbleibt: Je grösser die Entscheidungssfreiheit ist, über welche die Hilfsperson verfügt, desto weniger ausgeprägt ist die Subordination.355 Beispielsweise ist das Verhältnis zwischen Unternehmer und Bestellerin in einem Werkvertrag (s. N 3121 ff.) in der Regel nicht durch Subordination gekennzeichnet: Die Bestellerin hat nur eine beschränkte Weisungsbefugnis (s. N 3136); dem Unternehmer verbleibt daher eine grosse Entscheidungsfreiheit. Dasselbe gilt für das Auftragsverhältnis (s. N 3218 ff.) zwischen einem Auftraggeber und einer selbständigen Dienstleistenden (Anwältin, Ärztin, Architektin).356 3.2

Geschäftliche Verrichtung

Des Weiteren setzt Art.  55 Abs.  1 OR voraus, dass die Hilfsperson den Schaden 2033 in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht. Der Geschäftsherr soll nicht für alle Handlungen der Hilfspersonen haften, sondern nur für solche, die einen funktionellen Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des Geschäftsherrn aufweisen.357 Das Erfordernis des funktionellen Zusammenhangs wird in der Praxis eher weit ausgelegt.358 Auch Kompetenzüberschreitungen der Hilfsperson werden darunter subsumiert.359 Dagegen ist ein bloss örtlicher oder zeitlicher Zusammenhang nicht ausreichend.360 So haftet der Geschäftsherr nicht für einen Diebstahl, den seine Hilfsperson während der Geschäftsbesorgung 352 353 354 355 356 357 358 359 360

Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 13 N 11; Schwenzer, OR AT, N 23.15. Keller/Gabi/Gabi, 172; CHK OR-Müller, Art. 55 N 8; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1066. BK OR-Brehm, Art. 55 N 7. BSK OR-Kessler, Art. 55 N 8. BK OR-Brehm, Art. 55 N 10. BGE 4A_544/2008 E. 2.4; 4A_326/2008 E. 5.1; CR CO-Werro, Art. 55 N 14. CHK OR-Müller, Art. 55 N 13; s. Kasuistik bei BK OR-Brehm, Art. 55 N 22. BGE 95 II 93 E. II.4a; BK OR-Brehm, Art. 55 N 25 f. CR CO-Werro, Art. 55 N 14.

613

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

begeht.361 Die Hilfsperson darf mit anderen Worten nicht bloss «bei Gelegenheit» der Geschäftsverrichtung gehandelt haben.362

4. 2034

Entlastungsbeweis

Der Geschäftsherr kann sich von der Haftung befreien, indem er nachweist, dass er die nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um Schäden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt eingetreten wäre (Art. 55 Abs. 1 OR). Damit stehen dem Geschäftsherrn zwei Entlastungsbeweise offen: Der Sorgfaltsbeweis und der Beweis des fehlenden Kausalzusammenhanges zwischen Sorgfaltspflichtverletzung und Schaden (rechtmässiges Alternativverhalten; s. N 1937 f.). 4.1

Sorgfaltsbeweis

2035

Der Sorgfaltsbeweis gelingt, wenn der Geschäftsherr nachweisen kann, dass er alle nach objektiven Kriterien und den konkreten Umständen zur Vermeidung eines Schadens notwendigen Vorkehrungen getroffen hat.363 Nach herkömmlicher Ansicht umfasst der Sorgfaltsbeweis drei Aspekte: Der Geschäftsherr muss beweisen, dass er die Hilfsperson sorgfältig ausgewählt (cura in eligendo), sorgfältig instruiert (cura in instruendo) sowie sorgfältig überwacht (cura in custodiendo) hat.364 Über diese Pflichten hinaus hat er auch für eine zweckmässige Organisation des Betriebs und für die Verwendung des geeigneten Materials zu sorgen.365 Der Geschäftsherr kann sich von der Haftung nur befreien, wenn er im konkreten Fall kumulativ alle Sorgfaltspflichten befolgt hat. Je risikoreicher eine Tätigkeit ist, desto vorsichtiger muss der Geschäftsherr dabei handeln.

2036

Der Geschäftsherr muss die Hilfsperson sorgfältig auswählen (cura in eligendo). Welche Anforderungen an die Hilfsperson zu stellen sind, ergibt sich aus den Fähigkeiten, die für die konkrete Arbeit, für welche die Hilfsperson vorgesehen ist, üblicherweise nötig sind. Je risikoreicher eine Tätigkeit für Dritte ist, desto sorgfältiger muss die Hilfsperson ausgewählt werden und desto mehr Erfahrung und Fachkenntnisse muss sie mitbringen.366 Umgekehrt gilt, dass bei einfacheren und ungefährlicheren Arbeiten die Prüfung der Hilfsperson eher summarisch erfolgen darf. 361 S. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1078; a.M. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 13 N 16. 362 BGE 4A_50/2009 E. 2.4; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1077; a.M. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 13 N 16. 363 BGE 4A_321/2011 E. 2; 90 II 86 E. 3c; CHK OR-Müller, Art. 55 N 18. 364 BGE 110 II 456 E. 2; Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, N 785; Werro, responsabilité, N 524 ff. 365 Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 13 N 20; CR CO-Werro, Art. 55 N 18. 366 Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1092.

614

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Der Geschäftsherr kommt seiner Sorgfaltspflicht typischerweise dadurch nach, dass er Arbeitszeugnisse sowie Referenzen einholt oder die Hilfsperson einer Eignungsprüfung unterzieht.367 Der Geschäftsherr muss der Hilfsperson zweckmässige Instruktionen erteilen, 2037 damit diese ihre Aufgaben möglichst ohne Risiken für Dritte ausüben kann (cura in instruendo). Wie detailliert die Weisungen sein müssen, hängt von der Schwierigkeit der Tätigkeit und von der Erfahrung der Hilfsperson im Betrieb ab.368 Je weniger Erfahrung eine Hilfsperson hat und je schwieriger eine Tätigkeit ist, desto mehr bzw. detailliertere Weisungen müssen erteilt werden. Umgekehrt gilt: Je einfacher eine Tätigkeit ist bzw. je mehr Erfahrung die Hilfsperson hat, desto weniger Instruktionen sind nötig. Ist die Hilfsperson geradezu eine Spezialistin in ihrem Gebiet, so hat der Geschäftsherr unter Umständen sogar auf Weisungen zu verzichten, weil sie sich kontraproduktiv auswirken könnten.369 Die Hilfsperson muss in ihrer Tätigkeit durch den Geschäftsherrn überwacht wer- 2038 den (cura in custodiendo). Das notwendige Mass an Kontrolle bestimmt sich in erster Linie nach der Erfahrung, welche die Hilfsperson in Bezug auf die konkrete Tätigkeit aufweisen kann.370 Bei unerfahrenen Hilfspersonen ist eine stärkere Überwachung nötig als bei erfahrenen, langjährigen Mitarbeitern. Die Arbeit einer unerfahrenen Hilfsperson muss insbesondere am Anfang ihrer Tätigkeit häufiger überprüft werden. Doch auch bei erfahrenen Mitarbeitern wird vom Geschäftsherrn erwartet, dass er deren Arbeiten periodisch überprüft.371 Denn nur so kann er sicherstellen, dass der Mitarbeiter weiterhin sorgfältig arbeitet. Nach einer neueren Ansicht, zu welcher sich auch das Bundesgericht bekennt372, 2039 gibt es neben den drei traditionellen curae weitere Pflichten des Geschäftsherrn: Er muss sein Unternehmen so organisieren, dass Risiken für Dritte möglichst minimiert werden, indem er z.B. für den Erlass von klaren Kompetenzordnungen373, Pflichtenheften, Sicherheitsvorschriften und Notfallplänen sorgt.374 Ausserdem hat er dafür zu sorgen, dass genügend Arbeitskräfte vorhanden sind, um die anfallenden Arbeiten angemessen auszuführen. Es gilt, Übermüdung und Überforderung der Mitarbeiter zu verhindern. Auch ist der Geschäftsführer verpflichtet, geeignetes Material bzw. Werkzeug zur Verfügung zu stellen und die im Interesse Dritter erforderlichen Schutzmassnahmen zu treffen.375 367 368 369 370 371 372 373 374 375

Keller/Gabi/Gabi, 173; s. Kasuistik bei BK OR-Brehm, Art. 55 N 57 ff. Werro, responsabilité, N 530. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1094; s. Kasuistik bei BK OR-Brehm, Art. 55 N 66 ff. S. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 13 N 27. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1096. BGE 110 II 456 E. 3a. S. z.B. zum Postdienst in einer Anwaltskanzlei BGE 4A_36/2008 E. 4.5. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1103. BGE 110 II 456 E. 2.

615

3. Kapitel

2040

Ausservertragliche Ansprüche

In der Lehre ist allerdings umstritten, ob dieser vierten Kategorie von Sorgfaltspflichten eigenständige Bedeutung zukommt oder ob sie nicht bereits in den übrigen drei traditionellen curae enthalten ist.376 Die Diskussion ist in erster Linie akademischer Natur, denn im Ergebnis muss auch der vierte Pflichtenkreis so oder so erfüllt werden: In jedem Fall wird vom Geschäftsherrn erwartet, dass er die Arbeitsprozesse in seinem Unternehmen sorgfältig gestaltet.377 4.2

Beweis des fehlenden Kausalzusammenhangs

2041

Der Geschäftsherr kann sich dadurch entlasten, dass er beweist, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er mit der nötigen Sorgfalt gehandelt hätte (Art. 55 Abs. 1 OR). Bei diesem Entlastungsbeweis handelt es sich um einen Anwendungsfall des rechtmässigen Alternativverhaltens (s. N 1937 f.).378

2042

Es kommen zwei Konstellationen in Betracht: Erstens kann der Fall eintreten, dass zwar eine Sorgfaltspflichtverletzung des Geschäftsherrn vorliegt, die Hilfsperson aber trotzdem korrekt handelt und die Schädigung auf andere Ursachen zurückzuführen ist. Beispielsweise erkennt die Hilfsperson, dass die Instruktionen des Geschäftsherrn unzweckmässig sind, und handelt korrekterweise entgegen diesen Anweisungen. Aus einem anderen Grund kommt es dann aber gleichwohl zur Schädigung einer Dritten. Zweitens ist es möglich, dass die Hilfsperson den Schaden auch verursacht hätte, wenn der Geschäftsführer alle notwendige Sorgfalt hätte walten lassen. Er kann beispielsweise geltend machen, dass der Schaden sich auch bei strenger Überwachung der Hilfspersonen nicht hätte abwenden lassen, weil deren Fehlverhalten nicht voraussehbar war.379

5. 2043

Verhältnis zu anderen Kausalhaftungen

Im Verhältnis zur Werkeigentümerhaftung (Art.  58 OR; s.  N  2055  ff.) ist die Geschäftsherrenhaftung subsidiär: Verursacht die Hilfsperson eines Werkeigentümers einen Schaden, ist bei gegebenen Voraussetzungen daher ausschliesslich Art. 58 OR heranzuziehen.380 Auch die Haftung des Tierhalters (Art. 56 OR; s. N 2044 ff.) und jene des Grundeigentümers (Art. 679 f. ZGB; s. N 2082 ff.) sind leges speciales; diese gehen gegebenenfalls Art. 55 OR vor.381 Dasselbe gilt auch für

376 377 378 379 380 381

616

Von Tuhr/Peter, 447. Werro, responsabilité, N 534 m.w.H. BGE 4A_416/2013 E. 5.2. S. BGE 6B_969/2008 E. 5; CHK OR-Müller, Art. 55 N 24. BGE 4C.119/2000 E. 2a. CR CO-Werro, Art. 55 N 31.

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

die Haftung des Familienhaupts (Art. 333 ZGB; s. N 2073 ff.), wenn die Person des Familienhaupts mit jener des Geschäftsherrn zusammenfällt.382

V.

Tierhalterhaftung (Art. 56 OR)

1.

Begriff

Art. 56 OR statuiert eine einfache milde Kausalhaftung383 des Tierhalters für Schä- 2044 den, die das Tier anrichtet. Gerechtfertigt wird diese Kausalhaftung durch den Umstand, dass Tiere teilweise unberechenbar sind und sie zum Teil, auch infolge ihrer Nähe zu den Menschen, ein beachtliches Schädigungspotenzial haben.384 Dieses Risiko soll dem Tierhalter überbunden werden.385

2.

Voraussetzungen

Der Haftungstatbestand des Art. 56 OR setzt – nebst den allgemeinen Haftungser- 2045 fordernissen (Schaden, Kausalzusammenhang, Widerrechtlichkeit) – voraus, dass ein Tier, welches dem Risikobereich des Tierhalters zuzuordnen ist, aus eigenem Antrieb einen Schaden verursacht hat. Der Anspruch auf Schadenersatz richtet sich gegen den Tierhalter. 2.1

Passivlegitimation: Tierhalter

Subjekt der Haftung ist gemäss Art. 56 Abs. 1 OR, wer das Tier hält. Darunter ist 2046 diejenige Person zu verstehen, welche die tatsächliche Gewalt über das Tier ausübt und deshalb in der Lage ist, schädigendes Verhalten des Tiers zu verhindern.386 Der Tierhalter zeichnet sich mit anderen Worten dadurch aus, dass er über das Tier verfügen kann:387 Er kann bestimmen, wo, wie, von wem und wozu das Tier gehalten werden soll. Über das tatsächliche Gewaltverhältnis hinaus ist nach einem Teil der Doktrin als weiteres Kriterium zu berücksichtigen, wer ein wirtschaftliches oder affektives Interesse an der Haltung des Tiers hat.388 Haftpflichtsubjekt sollte nach

382 383 384 385 386 387 388

CR CO-Werro, Art. 55 N 32. BGE 115 II 237 E. 2c; Roberto, AJP 2005, 1324. BK OR-Brehm, Art. 56 N 4. S. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1147. S. CR CO-Werro, Art. 56 N 6. BGE 4C.237/2001 E. 2b; 110 II 136 E. 1a = Pra 1984 Nr. 172; 104 II 23 E. 2a; Krepper, AJP 2008, 711. BK OR-Brehm, Art. 56 N 15 f.; Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 251.

617

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

dieser Auffassung also nur derjenige sein, der aus der Tierhaltung einen Nutzen zieht. 2047

In den meisten Fällen dürfte der Tierhalter gleichzeitig Besitzer des Tiers sein. Dies ist allerdings nicht erforderlich; die Tierhaltereigenschaft entfällt grundsätzlich nicht, wenn das Tier dem Gewahrsam eines Dritten überlassen wird.389 Ebenso wenig muss der Tierhalter Eigentümer des Tiers sein.390 Das Gewaltverhältnis zum Tier kann nämlich auch bloss auf einem Vertrag beruhen, welcher dem Tierhalter nur Besitz und kein Eigentum am Tier verschafft (z.B. Miete, Pacht, Leihe, Hinterlegung etc.). Damit aber die Tierhaltereigenschaft auf die den Gewahrsam erhaltende Partei übergeht, muss das betreffende Vertragsverhältnis von gewisser Dauer sein.391 Bei kurzfristigen Vertragsverhältnissen verbleibt die tatsächliche Gewalt über das Tier in der Regel bei der den Gewahrsam übertragenden Partei, weshalb diese als Halterin gilt.392 Das Bundesgericht hielt in zwei Entscheiden ein Vertragsverhältnis von 14 Tagen393 bzw. fünf Wochen394 für ausreichend, um die Tierhaltereigenschaft auf die Mieterin bzw. Entlehnerin übergehen zu lassen.

2048

Umstritten ist, in welchem Zeitpunkt die Haltereigenschaft beim Verkauf eines Tiers übergeht. Gemäss Art. 185 Abs. 1 OR (s. N 2480 ff.) geht der Nutzen der Kaufsache mit Abschluss des Kaufvertrages auf den Käufer über. Stellt man also auf den Nutzenübergang ab, so würde der Käufer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses Tierhalter werden, selbst wenn er faktisch noch keine Kontrolle über das Tier erlangt hat.395 Weil aber der Käufer die tatsächliche Gewalt erst ausüben kann, nachdem ihm das Tier übergeben wurde, wird in der Lehre zu Recht vertreten, dass die Haltereigenschaft bis zur Übergabe beim Verkäufer verbleibt.396

2049

Das Tier muss im Zeitpunkt der Schädigung nicht zwingend im Gewahrsam des Tierhalters gewesen sein. Möglich ist auch, dass das Tier von einer Hilfsperson (z.B. vom Kind, Ehegatten oder Arbeitnehmer des Tierhalters) beaufsichtigt wird. Der Tierhalter hat in solchen Fällen für das Verhalten seiner Hilfsperson einzustehen, falls diese nicht die nach Art. 56 OR gebotene Sorgfalt aufgewendet hat (Hilfspersonenhaftung s. N 993 ff. bzw. Geschäftsherrenhaftung s. N 2027 ff.).397

389 390 391 392 393 394 395 396 397

618

BGE 104 II 23 E. 2a; BK OR-Brehm, Art. 56 N 17. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 17 N 4; Schwenzer, OR AT, N 53.06. CHK OR-Müller, Art. 56 N 13. BK OR-Brehm, Art. 56 N 18. BGE 104 II 23 E. 2b. BGE 4C.237/2001 E. 2c. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1164. BSK OR-Kessler, Art. 56 N 12; CR CO-Werro, Art. 56 N 10. BGE 110 II 136 E. 1b = Pra 1984 Nr. 172.

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Trifft die Haltereigenschaft auf mehrere Personen (z.B. Ehegatten) zu, so haften diese solidarisch.398 2.2

2050

Tier

Unter den Begriff des Tiers im Sinne von Art.  56 OR fallen nur Lebewesen, die 2051 dem Willen eines Menschen unterworfen werden können.399 Eine Kausalhaftung des Tierhalters rechtfertigt sich nur, wenn er objektiv in der Lage gewesen wäre, das Tier zu kontrollieren. Nicht erforderlich ist jedoch, dass das Tier den Befehlen des Tierhalters folgt.400 Tiere im Sinne von Art. 56 Abs. 1 OR sind z.B. Hunde, Katzen, Kühe, Pferde, aber auch domestizierte Fische und Vögel. Nicht erfasst werden hingegen wild lebende Tiere (wie z.B. Rehe und Hirsche) sowie alle Mikroorganismen (Bakterien, Viren, Parasiten etc.).401 Für eine Haftung aus Art. 56 Abs. 1 OR ist ausserdem erforderlich, dass das Tier 2052 aus eigenem, tierischem Antrieb den Schaden verursacht hat. In den Anwendungsbereich der Tierhalterhaftpflicht fallen mit anderen Worten nur Schädigungen, die durch instinktives Verhalten des Tiers entstanden sind. Ist das Tier indessen nur den Anweisungen des Tierhalters gefolgt, das heisst, ist es bloss als «Werkzeug» des Tierhalters verwendet worden, kommt nur eine Haftung aus Art.  41 Abs. 1 OR (s. N 1843 ff.) bzw. gestützt auf einen anderen Kausalhaftungstatbestand in Betracht.402 Ebenfalls nicht erfasst ist die Übertragung von Infektionskrankheiten auf andere Tiere oder Menschen, weil das Tier die Krankheit nicht aus eigenem Antrieb überträgt.403

3.

Entlastungsbeweis

3.1

Sorgfaltsbeweis

Der Tierhalter kann sich von der Haftung befreien, indem er beweist, dass er alle 2053 nach den Umständen gebotene Sorgfalt in der Verwahrung und Beaufsichtigung des Tiers angewendet hat (Art. 56 Abs. 1 OR). Darunter versteht man Vorkehrungen, die der Tierhalter treffen muss, um zu verhindern, dass das Tier Dritte schädigt. Dies kann durch Einzäunen, Anleinen, Anbringen von Warnungen etc. geschehen. Das adäquate Mass an Verwahrung und Beaufsichtigung richtet sich in erster Linie 398 Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 17 N 6; Schwenzer, OR AT, N 53.07; CR CO-Werro, Art. 56 N 8. 399 CR CO-Werro, Art. 56 N 13. 400 Werro, responsabilité, N 1010. 401 BK OR-Brehm, Art. 56 N 5. 402 S. BK OR-Brehm, Art. 56 N 6 f.; CR CO-Werro, Art. 56 N 13. 403 Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1191.

619

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

nach der Gefährlichkeit der konkreten Tiergattung und Tierrasse:404 Je gefährlicher ein Tier ist, desto mehr (Schutz-)Massnahmen werden vom Tierhalter erwartet.405 Das Gericht kann für die Konkretisierung der Sorgfaltspflichten Reglemente und Empfehlungen von Unfallverhütungsstellen und Branchenverbänden beiziehen. Beispielsweise erlässt die Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft umfangreiche Richtlinien bezüglich der Sicherheit im Umgang mit Tieren in der Landwirtschaft.406 3.2 2054

2055

Neben dem Sorgfaltsbeweis steht dem Tierhalter der Beweis des fehlenden Kausalzusammenhangs offen. Er kann geltend machen, dass der Schaden auch bei Beachtung der nötigen Sorgfalt eingetreten wäre (Art. 56 Abs. 1 OR; zum rechtmässigen Alternativverhalten s. N 1937 f.).407

VI.

Werkeigentümerhaftung (Art. 58 OR)

1.

Begriff

Art. 58 OR sieht eine einfache scharfe Kausalhaftung408 für Schäden vor, die durch mangelhafte Werke entstehen. Damit wird die Kontrolle über das Schadensrisiko, das sich regelmässig aus baulichen Werken ergibt, dem Werkeigentümer zugewiesen.

2. 2056

Beweis des fehlenden Kausalzusammenhangs

Voraussetzungen

Neben den allgemeinen Voraussetzungen der Haftpflicht (Schaden, Kausalzusammenhang, Widerrechtlichkeit) setzt die Haftung aus Art. 58 Abs. 1 OR ein Werk und dessen Mangelhaftigkeit voraus. Der Anspruch auf Schadenersatz richtet sich gegen den Werkeigentümer.

404 405 406 407 408

620

Schwenzer, OR AT, N 53.12. S. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 17 N 13. Broschüre Nr. 10 der BUL; s. BGE 6B_1084/2009 E. 4.3; 131 III 115 E. 2.3. S. BGE 4A_170/2009 E. 2.2; 131 III 115 E. 3.1. BGE 4C.119/2000 E. 2a; CHK OR-Müller, Art. 58 N 1; Roberto, AJP 2005, 1324.

§ 24

2.1

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Passivlegitimation: Werkeigentümer

Haftpflichtsubjekt und damit passivlegitimiert ist gemäss dem Wortlaut von Art. 58 2057 Abs. 1 OR der «Eigentümer eines Gebäudes oder eines andern Werkes». Grundsätzlich ist vom sachenrechtlichen Eigentumsbegriff (Art. 641 ff. und Art. 655 ff. ZGB) auszugehen. Massgeblich sind dabei die (Eigentums-)Verhältnisse zum Zeitpunkt des Schadenseintritts.409 In den meisten Fällen ist der Werkeigentümer im Grundbuch (Art. 656 und Art. 942 ff. ZGB) eingetragen. Von diesem Grundsatz gibt es aber zwei Ausnahmen: Erstens teilen Fahrnisbauten 2058 im Sinne von Art. 677 ZGB nicht das rechtliche Schicksal des Grundstücks, auf welchem sie stehen, sondern haben einen eigenen Werkeigentümer.410 Zweitens fallen bei einem Baurecht (Art. 675 und Art. 779 ff. ZGB) das Grundeigentum und das Eigentum am Werk auseinander: Bei Mängeln an der Baute gilt als Werkeigentümer daher der Baurechtsberechtigte und nicht der Grundeigentümer.411 Umstritten ist, ob unter gewissen Umständen auch ein Dienstbarkeitsberechtigter 2059 als Werkeigentümer im Sinne von Art. 58 Abs. 1 OR zu betrachten ist. Das Bundesgericht hat in einem Entscheid die Passivlegitimation des Gemeinwesens angenommen, obwohl diesem nur ein Wegrecht an einem öffentlichen Fussweg – und kein Eigentum – zustand.412 Begründet wurde dies damit, dass de facto nicht der Eigentümer, sondern das Gemeinwesen den Fussweg zu unterhalten hatte. In einem späteren Entscheid hat das Bundesgericht die Passivlegitimation des Gemeinwesens bejaht, ohne dass überhaupt eine Dienstbarkeit vorlag:413 Es ging um einen mangelhaften Wasserhahn, der vom Gemeinwesen in ein privates Gebäude eingebaut worden war. Unbestrittenermassen war das Gemeinwesen weder Eigentümer des Wasserhahns noch an diesem in irgendeiner Weise dienstbarkeitsberechtigt. Das Bundesgericht bejahte die Passivlegitimation trotzdem, weil das Gemeinwesen im konkreten Fall eine mit dem Eigentum vergleichbare Sachherrschaft über den Wasserhahn ausüben konnte. Höchstrichterlich bisher nicht entschieden wurde jedoch die Frage, ob auch eine Privatperson aufgrund einer Dienstbarkeit passivlegitimiert sein kann (z.B. ein privater Wegberechtigter, welcher den Weg mangelhaft unterhält). Ein Teil der Lehre steht der Ausdehnung der Passivlegitimation auf Nichteigentü- 2060 mer kritisch gegenüber. Insbesondere wird angeführt, dass eine solche Erweiterung der Haftung nicht mit dem Wortlaut von Art. 58 Abs. 1 OR vereinbar sei und zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führe.414 Eine andere Lehrmeinung, der wir 409 410 411 412 413 414

Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 18 N 19. BK OR-Brehm, Art. 58 N 8. BSK ZGB-Isler/Gross, Art. 779 N 11. BGE 91 II 281 E. 5a. BGE 121 III 448 E. 3a; s. auch BGE 4A_244/2010 E. 1.4. Guhl/Koller, § 25 N 35; im Grundsatz gl.M. CR CO-Werro, Art. 58 N 13.

621

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

uns anschliessen, stimmt einer ausnahmsweise Ausdehnung der Passivlegitimation hingegen mit dem Argument zu, dass es eben Fälle gebe, bei denen der Werkeigentümer keinen Einfluss auf die Beseitigung eines allfälligen Mangels nehmen könne. Insofern solle auch nicht am formalen Kriterium des Eigentums festgehalten werden, sondern die Passivlegitimation sei auf denjenigen auszudehnen, der die tatsächliche Sachherrschaft innehabe.415 2061

Steht das Werk im Eigentum mehrerer Personen, so ist für die Frage der Passivlegitimation zwischen Gesamt-, Mit- bzw. Stockwerkeigentum zu unterscheiden. Bei Gesamteigentum (Art.  652  ff. ZGB) haften alle Gesamteigentümer solidarisch.416 Im Fall des Miteigentums (Art.  646  ff. ZGB) sind die Haftungsfolgen umstritten: Ein Teil der Lehre und auch das Bundesgericht nehmen ebenfalls eine solidarische Haftung an.417 Dagegen wird eingewendet, dass Solidarität gemäss Art.  143 Abs. 2 OR nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen eintrete (s. N 2298 ff., insbesondere N 2302). Eine solche sei aber für die Werkeigentümerhaftung nicht vorgesehen, weshalb sich eine anteilsmässige Haftung jedes Miteigentümers rechtfertige.418

2062

Auch bei Stockwerkeigentum (Art. 712a ff. ZGB) gehen die Meinungen auseinander, ob die Stockwerkeigentümer solidarisch oder anteilsmässig haften, wenn gemeinschaftliche Werkteile mangelhaft sind.419 Nach der hier vertretenen Ansicht ist eine solidarische Haftung angemessen, weil der Geschädigten kein Nachteil aus dem Umstand erwachsen darf, dass das Werk im Eigentum mehrerer steht. Die interne Aufteilung des Schadens zwischen den Eigentümern hat auf dem Weg des Regresses zu erfolgen. Ist hingegen bei Stockwerkeigentum ein zur Sondernutzung ausgeschiedener Werkteil (z.B. die Küche der Eigentumswohnung) mangelhaft, so haftet klarerweise nur der einzelne Stockwerkeigentümer und nicht die ganze Gemeinschaft.420 2.2

2063

Werk

Unter einem Werk im Sinne von Art. 58 Abs. 1 OR versteht man einen Gegenstand, der von Menschenhand (das heisst künstlich) geschaffen wurde und eine feste (direkte oder indirekte) Verbindung zum Erdboden aufweist, welche jedoch nicht dauerhaft sein muss.421 Dieser Werkbegriff ist enger gefasst als jener, der dem Werk415 416 417 418 419

BK OR-Brehm, Art. 58 N 10 und N 15; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1289. Werro, responsabilité, N 770. BGE 117 II 50 E. 5b = Pra 1992 Nr. 140; ohne Begründung Schwenzer, OR AT, N 53.27. BK OR-Brehm, Art. 58 N 17b m.w.H. Für Solidarität wohl CHK OR-Müller, Art. 58 N 37; für anteilsmässige Haftung BK OR-Brehm, Art. 58 N 19. 420 BK OR-Brehm, Art. 58 N 20; CHK OR-Müller, Art. 58 N 37. 421 BGE 130 III 736 E. 1.1; 121 III 448 E. 2a; 106 II 201 E. 2a; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 18 N 3; Schwenzer, OR AT, N 53.18.

622

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

vertragsrecht zugrunde liegt (Art. 363 ff. OR; s. N 3122 ff.): Während im Werkvertragsrecht auch bewegliche Sachen und sogar immaterielle Arbeitsleistungen unter den Werksbegriff subsumiert werden, fallen solche nicht in den Anwendungsbereich der Werkeigentümerhaftpflicht gemäss Art. 58 Abs. 1 OR. a.

Von Menschenhand geschaffen

Ein Werk charakterisiert sich erstens dadurch, dass es künstlich geschaffen wurde. 2064 Werke sind beispielsweise Gebäude, Spielplätze, Brücken, aber auch Seilbahnen und Skilifte. Natürliche Gegenstände wie Seen, Bäche, Gletscher und Bäume etc. sind dagegen nicht von Menschenhand erschaffen und daher dem Anwendungsbereich des Art. 58 Abs. 1 OR entzogen. Der Eigentümer soll nicht für Gegenstände haften, die er gar nicht geschaffen hat und auf deren Makellosigkeit er deshalb in der Regel keinen Einfluss hat. Sobald aber Naturerzeugnisse künstlich abgeändert werden, erfüllen sie den Werkbegriff. Daher sind beispielsweise Stauseen, künstliche Bachbette und Teiche vom Anwendungsbereich der Norm erfasst422, Bäume hingegen nur, wenn sie künstlich an- oder umgepflanzt werden423. Ist das Werk noch unvollendet bzw. unvollständig, greift die Haftung aus Art. 58 2065 Abs.  1 OR nicht, sofern das unvollendete Werk angemessen vor dem Zutritt des Publikums gesichert wurde. Wird jemand durch einen Mangel eines Werks geschädigt, das sich noch in Bau befindet, kann er daher einen Schadenersatzanspruch grundsätzlich nur auf Art. 41 Abs. 1 OR abstützen, wenn die Baustelle ausreichend vor Fremdzutritt geschützt war.424 In der Lehre umstritten ist, ob Skipisten den Werkbegriff erfüllen. Klar dürfte sein, 2066 dass ein natürlicher, mit Schnee bedeckter Hang als Naturerzeugnis kein Werk darstellt. Schwieriger ist der Fall zu beurteilen, bei welchem der Skifahrerin durch Stangen eine Fahrtrichtung vorgeschlagen wird, ohne dass die Piste präpariert wurde. Grundsätzlich genügt das blosse Markieren mit Stangen nicht, um die Werkeigenschaft einer Piste zu bejahen.425 Sobald die Piste jedoch maschinell durch Pistenfahrzeuge präpariert wird, ist eine Haftung aus Art. 58 Abs. 1 OR zu bejahen, da darin ein künstlicher Eingriff in die natürlichen Gegebenheiten des Hanges zu sehen ist.426 Das Bundesgericht musste zu dieser Frage noch nicht Stellung nehmen, weil es die Pistensicherungspflicht als vertragliche Nebenpflicht des Skiliftbetreibers qualifizierte.427 Ob eine Skipiste die Werkeigenschaft erfüllt oder nicht, ist daher nur in den (wohl seltenen) Fällen relevant, in denen die Geschädigte sich 422 423 424 425 426 427

BK OR-Brehm, Art. 58 N 28. CHK OR-Müller, Art. 58 N 12. BK OR-Brehm, Art. 58 N 49 f. S. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1246 m.w.H. Schwenzer, OR AT, N 53.21; a.M. BK OR-Brehm, Art. 58 N 33 m.w.H. BGE 130 III 193 E. 2.2; 126 III 113 E. 2a bb = Pra 2000 Nr. 185.

623

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

nicht des Skilifts bedient hat und daher kein Vertrag zwischen ihr und dem Seilbahnbetreiber vorliegt. b. 2067

Zweite Voraussetzung ist, dass der künstlich erschaffene Gegenstand direkt oder indirekt mit dem Erdboden verbunden ist. Bei einer direkten Verbindung ist das Werk selbst im Erdboden verankert (wie beispielsweise ein Gebäude). Eine indirekte Verbindung liegt vor, wenn der Gegenstand Bestandteil einer Baute bildet, die ihrerseits mit dem Erdboden verbunden ist (z.B. die Rolltreppe oder der Lift eines Warenhauses428). Nicht erforderlich ist dagegen, dass der Gegenstand dauernd mit dem Erdboden verbunden ist. Es genügt sog. relative Stabilität, weshalb auch Fahrnisbauten (z.B. Gerüste429) als Werke zu qualifizieren sind, sofern sie eine zumindest zeitweilige Verbindung mit dem Boden aufweisen.430 Keine Werke sind indessen mobile Gegenstände, auch wenn sie für eine bestimmte Zeit an einem Ort verbleiben (z.B. Motorfahrzeuge).431 2.3

2068

Mit dem Erdboden verbunden

Mangelhaftigkeit des Werks

Die Haftung des Werkeigentümers greift nur, wenn das Werk mangelhaft ist. Der Begriff der Mangelhaftigkeit ist ähnlich wie im Recht der Produktehaftung (s.  N  2112  ff.) definiert: Ein Werk ist als mangelhaft zu betrachten, wenn es bei bestimmungsgemässem Gebrauch nicht die erforderliche Sicherheit bietet, die nach Treu und Glauben erwartet werden darf.432 Der Mangel kann in der Herstellung bzw. der Konstruktion oder im Unterhalt des Werks liegen (s. Art. 58 Abs. 1 OR).433 Ob ein Werk mangelhaft ist oder nicht, hängt in erster Linie von dessen Zweckbestimmung und Beschaffenheit ab, wobei von objektiven Gesichtspunkten auszugehen ist.434 Ein Gebäude muss beispielsweise den anerkannten Regeln der Baukunst genügen. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang verschiedenen Richtlinien von Berufsverbänden zu, welche die Sicherheitspflichten konkretisieren (z.B. die SIA-Normen).435 Behördliche Bewilligungen und Genehmigungen schliessen einen Werkmangel nicht a priori aus.436

428 429 430 431 432 433 434 435 436

624

S. BGE 4C.386/2004 E. 1 und BGE 91 II 201 E. 2, in welchen der Werkcharakter von Liften unbestritten ist. BGE 96 II 355 E. II.1. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1223 f. BK OR-Brehm, Art. 58 N 35 ff. BGE 4A_244/2010 E. 1.2; 4A_20/2009 E. 2.1; 4C.45/2007 E. 2.1; 130 III 736 E. 1.3. S. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1252 ff. CHK OR-Müller, Art. 58 N 21. S.  BGE 4A_359/2013 E.  3.4 betreffend für die Sicherheit von Schwimmbädern geltende Regelwerke; s. auch BGE 4C.191/2005 E. 2.2 in Bezug auf die SIA-Norm 358. CHK OR-Müller, Art. 58 N 23.

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Der Werkeigentümer darf prinzipiell den bestimmungsgemässen Gebrauch des 2069 Werks voraussetzen. Er muss nicht mit jedem unwahrscheinlichen Verhalten rechnen, sondern darf für die Sicherheit des Werks von einer vernünftigen, selbstverantwortlichen Benutzung ausgehen.437 Eine Ausnahme von diesem Prinzip besteht allerdings dann, wenn der Werkeigentümer den bestimmungswidrigen Gebrauch voraussehen konnte,438 was insbesondere bei Werken, mit denen Kinder in Berührung kommen (z.B. Spielplätze), der Fall sein kann. In diesen Fällen muss das Werk auch für Benutzer sicher sein, die es bestimmungswidrig verwenden.439 Springt beispielsweise in einem Hallenbad ein Kind aus einer Höhe von 1,3 Metern kopfüber in ein erkennbar seichtes Schwimmbecken, so verwendet es das Werk bestimmungswidrig. Trotzdem wurde vom Bundesgericht ein Werkmangel angenommen, weil ein bestimmungswidriger Gebrauch durch Kinder für den Hallenbadbetreiber voraussehbar war und er deshalb bauliche Vorkehrungen hätte treffen müssen.440 Allgemein sind gemäss Bundesgericht an die Sicherheit von Anlagen mit Publikumsverkehr höhere Anforderungen zu stellen als an Werke, die von einem beschränkten und privaten Personenkreis genutzt werden.441 Allerdings müssen die zu treffenden Sicherheitsmassnahmen für den Werkeigentü- 2070 mer aus wirtschaftlicher Sicht zumutbar sein. Es ist zwischen dem Verhältnis von Kosten und Nutzen einer konkreten Massnahme abzuwägen.442 Von einem Werkeigentümer wird daher nicht erwartet, dass er kostspielige Sicherheitsmassnahmen gegen Risiken trifft, deren Verwirklichung äusserst unwahrscheinlich ist. Allerdings ist auch hier ein objektiver Massstab anzuwenden. Fehlende finanzielle Möglichkeiten befreien den Werkeigentümer deshalb nicht von der Haftung, wenn aus objektiver Sicht eine Behebung des Werkmangels als geboten scheint.443 Fehlen ihm die nötigen finanziellen Mittel, um den Mangel zu beheben, so hat er das Werk aus dem Verkehr zu ziehen.444 Ein Werkmangel wurde vom Bundesgericht beispielsweise in folgenden Fällen 2071 bejaht:445 drei Meter hoher Sprungturm, obwohl die Wassertiefe nur zwei Meter

437 Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1271; ähnlich BGE 4A_359/2013 E. 3.3; 4A_265/2012 E. 4.1.1 und E. 4.1.2; 130 III 736 E. 1.3; Schwenzer, OR AT, N 53.25. 438 Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 18 N 15. 439 BK OR-Brehm, Art. 58 N 65. 440 BGE 116 II 422 E.  1. Verneint wurde die Voraussehbarkeit dagegen in BGE 4A_377/2016 E.  2.3.4 mit Bezug auf den Sturz eines unbeaufsichtigten 19 Monate alten Kindes in einen nicht ohne Weiteres zugänglichen Gartenteich. 441 BGE 4A_521/2013 E. 3.1; 118 II 36 E. 4a; 117 II 399 E. 2. 442 BGE 4A_114/2014 E. 2.1; 130 III 736 E. 1.3; Werro, responsabilité, N 809. 443 BK OR-Brehm, Art. 58 N 60a. 444 BGE 4C.45/2005 E. 2.2; BK OR-Brehm, Art. 58 N 61a. 445 S. auch die Kasuistik bei BK OR-Brehm, Art. 58 N 71 ff.

625

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

betrug;446 hölzerner Strommast, der morsch war und deshalb die Last eines Elektromonteurs nicht halten konnte;447 Lift, dessen Überfahrschutz nicht funktionierte448.

3. 2072

Entlastungsbeweis?

Die Werkeigentümerhaftpflicht zählt zu den einfachen scharfen Kausalhaftungen. Der Werkeigentümer kann sich nicht durch Erbringung des Sorgfaltsbeweises von der Haftung befreien.449 Ihm steht allerdings der Einwand des rechtmässigen Alternativverhaltens offen (s. N 1937 f.).450

VII. Haftung des Familienhaupts (Art. 333 ZGB) 1. 2073

Art. 333 Abs. 1 ZGB statuiert eine einfache milde Kausalhaftung451 des Familienhaupts für Schädigungen durch seine minderjährigen oder geistig behinderten, unter umfassender Beistandschaft stehenden oder an einer psychischen Störung leidenden Hausgenossen.

2. 2074

Voraussetzungen

Ein Anspruch aus Art.  333 Abs.  1 ZGB entsteht, wenn durch das (adäquat kausale, widerrechtliche) Verhalten eines Hausgenossen des Familienhaupts ein Schaden verursacht wird. 2.1

2075

Begriff

Passivlegitimation: Familienhaupt

Der Schadenersatzanspruch richtet sich gemäss Art. 333 Abs. 1 ZGB gegen das Familienhaupt. Die Stellung als Familienhaupt kann sich aus Gesetz, Vereinbarung oder Herkommen ergeben (Art.  331 Abs.  1 ZGB). Gesetzlich vorgesehen ist beispielsweise die Hausgewalt der Eltern über ihre Kinder (Art. 296 Abs. 1 ZGB). Verein446 447 448 449 450

BGE 123 III 311 E. 3b bb = Pra 1997 Nr. 170. BGE 94 II 151 E. 5. BGE 4C.386/2004 E. 2.2. CHK OR-Müller, Art. 58 N 1. BGE 122 III 229 E. 5b; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 18 N 2; Schnyder/Portmann/ Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 303. 451 BGE 133 III 556 E.  4; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, §  15 N  1; CHK ZGB-Keller, Art. 333 N 1.

626

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

barungen, die eine Hausgewalt begründen können, sind z.B. Krippenverträge, bei denen die Krippenleitung die Verantwortung für die Kinder übernimmt.452 Unter Herkommen wird schliesslich die Hausgewalt verstanden, die auf Sitte, Anschauung oder Gewohnheit beruht.453 Der Begriff der «Familie» ist also weit auszulegen und schliesst nicht nur Hausgemeinschaften i.e.S., sondern auch Heime, Anstalten oder Internate ein. Auch eine juristische Person kann Familienhaupt sein.454 Zwischen dem Familienhaupt und dem Hausgenossen muss ein Subordinationsver- 2076 hältnis bestehen. Die Haftpflicht rechtfertigt sich nur, wenn das Familienhaupt über eine Weisungskompetenz verfügt, die von Dauer ist. Diese entfällt, wenn alle Mitglieder der «Familie» gleichberechtigt sind und kein Mitglied einem anderen Weisungen erteilen kann (z.B. bei Wohngemeinschaften unter Erwachsenen).455 Hauptanwendungsfall des Art. 333 Abs. 1 ZGB ist die Haftung der Eltern für Handlungen ihrer minderjährigen Kinder.456 Verfügen beide Elternteile über das elterliche Sorgerecht, so gelten beide als Familienhaupt; sie haften diesfalls solidarisch.457 2.2

Hausgenosse

Das Familienhaupt haftet nicht für alle Hausgenossen, sondern nur für jene, die 2077 eines der in Art. 333 Abs. 1 ZGB abschliessend genannten Merkmale erfüllen: Sie müssen entweder minderjährig oder geistig behindert sein, unter umfassender Beistandschaft stehen oder an einer psychischen Störung leiden. Die Minderjährigkeit richtet sich nach Art. 14 ZGB, die umfassende Beistandschaft nach Art. 398 i.V.m. Art. 390 ff. ZGB. Unter «geistiger Behinderung», ehemals als «Geistesschwäche» bezeichnet, versteht man angeborene oder erworbene Intelligenzdefekte verschiedener Schweregrade.458 Als «psychische Störung» (ehemals «Geisteskrankheit» genannt) werden Krankheitsbilder der Psychiatrie bezeichnet (s. N 1992 f.).459 Das schädigende Verhalten des Hausgenossen muss die objektive Komponente des 2078 Verschuldens erfüllen (s. N 1975 ff.). Der Hausgenosse muss also vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben. Ansonsten würde das Familienhaupt für Schädigungen haften, die bei einer volljährigen bzw. gesunden Person gar keine Haftung auslösen würden.460 Nicht entscheidend ist hingegen, ob der Hausgenosse urteilsfähig im Sinne von Art. 16 ZGB ist (s. N 1989 ff.) und damit die subjektive Komponente des Verschuldens erfüllt ist. 452 453 454 455 456 457 458 459 460

S. CHK ZGB-Keller, Art. 333 N 2. Tuor/Schnyder/Jungo, § 47 N 5. Tuor/Schnyder/Jungo, § 47 N 6. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1376. CHK ZGB-Keller, Art. 333 N 2. Roberto, Haftpflichtrecht, N 14.06; BSK ZGB-Wildhaber, Art. 333 N 6. BBl 2006 7043; BSK ZGB-Biderbost/Henkel, Art. 390 N 10. BBl 2006 7043; BSK ZGB- Biderbost/Henkel, Art. 390 N 11. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1387.

627

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

3.

Entlastungsbeweis

3.1

Sorgfaltsbeweis

2079

Das Familienhaupt kann sich mit dem Nachweis von der Haftung befreien, das übliche und durch die Umstände gebotene Mass an Sorgfalt bei der Beaufsichtigung des Hausgenossen beachtet zu haben (Art. 333 Abs. 1 ZGB). Massgebliche Kriterien betreffend das Mass der Sorgfalt sind das Alter, der Charakter, die geistige Reife sowie die Gewohnheiten bzw. Veranlagungen des Hausgenossen.461

2080

Bei der Bestimmung der notwendigen Sorgfalt muss zwischen den potenziellen Gefahren, die von einem Hausgenossen ausgehen können, und der Möglichkeit einer zumutbaren Beaufsichtigung desselben abgewogen werden. Nach der bundesgerichtlichen Judikatur trifft das Familienhaupt insbesondere dann eine intensivere Pflicht zur Überwachung, wenn eine Schädigung voraussehbar ist.462 Ist die Voraussehbarkeit dagegen zu verneinen, genügt eine Beaufsichtigung, die sich im Rahmen des Üblichen hält.463 Der Sorgfaltsbeweis misslang beispielsweise in den zwei folgenden Fällen: Ein Vater übergab seinem 15-jährigen Sohn eine Luftpistole, ohne ihn angemessen über den Umgang damit zu instruieren;464 die Eltern liessen es zu, dass ihre psychisch schwer kranke Tochter ausserhalb der Wohnung übernachtete und dann Brandstiftung beging.465 3.2

2081

Beweis des fehlenden Kausalzusammenhangs

Obwohl der Wortlaut von Art. 333 Abs. 1 ZGB den Beweis des rechtmässigen Alternativverhaltens (s. N 1937 f.) – im Gegensatz zu Art. 55 und Art. 56 OR (s. N 2041 f., N 2054) – nicht erwähnt, geht die herrschende Lehre davon aus, dass dieser zulässig ist. Das Familienhaupt kann sich demnach von der Haftung befreien, indem es beweist, dass der Hausgenosse den Schaden auch bei sorgfältiger Beaufsichtigung verursacht hätte.466

461 462 463 464 465 466

628

Werro, responsabilité, N 479; s. Schwenzer, OR AT, N 53.47. BGE 100 II 298 E. 3a. S. zum Begriff des «Üblichen» BGE 133 III 556 E. 4. BGE 100 II 298 E. 3b. BGE 74 II 193 E. 2. S. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1404 m.w.H.

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

VIII. Grundeigentümerhaftung (Art. 679–679a ZGB) 1.

Begriff

Die Art. 679 f. ZGB statuieren eine einfache scharfe Kausalhaftung für den Grund- 2082 eigentümer, der seine Eigentumsbefugnis überschreitet.467 Die Kausalhaftung wird mit der Privilegierung des Grundeigentümers durch sein Eigentum begründet.468 Die durch Art.  679 Abs.  1 ZGB gewährten Rechtsbehelfe, wovon vorliegend nur die Haftpflicht thematisiert wird (s. N 2083 ff.), kommen bei einer Verletzung von Art. 684 oder Art. 685 Abs. 1 ZGB zur Anwendung.469 Anspruchsgrundlage ist deshalb grundsätzlich Art. 679 Abs. 1 i.V.m. Art. 684 bzw. Art. 685 Abs. 1 ZGB.470

2.

Voraussetzungen

Erforderlich sind ein Schaden, eine Überschreitung des Eigentumsrechts, ein natür- 2083 licher und adäquater Kausalzusammenhang sowie Widerrechtlichkeit. 2.1

Aktivlegitimation: «Nachbarin»

Nach dem Gesetzeswortlaut kann irgendjemand geschädigt und deshalb aktivlegi- 2084 timiert sein. Nach allgemeiner Auffassung ist indessen nur die Nachbarin aktivlegitimiert, das heisst die von einer übermässigen Immission betroffene Eigentümerin oder Besitzerin (z.B. die Mieterin oder Pächterin) eines Grundstücks.471 In räumlicher Hinsicht muss das nachbarliche Grundstück nicht unmittelbar an jenes des Schädigers angrenzen.472 Es kann sich bei Art. 684 ZGB sogar mehrere Kilometer vom Ursprung der Emissionen entfernt befinden.473 2.2

2085

Passivlegitimation: Grundeigentümer

Nach dem Gesetzeswortlaut ist der Grundeigentümer passivlegitimiert. Dabei kann es sich um eine Privatperson oder – falls die Nutzung von Grund und Boden nicht

467 BGE 5C.154/2006 E. 2.1; 119 Ib 311 E. 3c; Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, N 1078; Honsell/ Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 19 N 2. 468 Keller/Gabi/Gabi, 190; kritisch Foëx, JdT 1999 I, 498. 469 Foëx, JdT 1999 I, 484 s.; BSK ZGB-Rey/Strebel, Art. 679 N 1. 470 S. BGE 4C.280/1999 E. 1b. 471 Müller, responsabilité, N 415; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1343; s. Liver, 234 f.; Roberto, Haftpflichtrecht, N 12.06. 472 Schwenzer, OR AT, N 53.52. 473 BGE 121 II 317 E. 4b = Pra 1996 Nr. 165.

629

2086

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

im öffentlichen Interesse liegt474 – allenfalls auch um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handeln.475 2087

Der Grundeigentümer haftet auch für Hilfspersonen und für «das Verhalten jener, die mit seiner Einwilligung das Grundstück oder dessen Einrichtungen benützen und daher nicht unbefugte Dritte sind»476. Deshalb haftet der Eigentümer eines Grundstücks, worauf ein Club betrieben wird, für den Lärm, den die Gäste – auch ausserhalb des Grundstücks – beim Verlassen verursachen.477

2088

Nach herrschender Lehre und Praxis ist der nutzungsberechtigte Inhaber eines beschränkten dinglichen Rechts (z.B. der Bauberechtigte und der Stockwerkeigentümer) dem Grundeigentümer gleichzustellen.478 Auch der Inhaber eines persönlichen Benutzungsrechts (z.B. Mieter oder Pächter) ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung passivlegitimiert.479 Entscheidend ist stets die tatsächliche Herrschaft über das Grundstück, welche der Passivlegitimierte wie ein Eigentümer ausübt.480 2.3

Überschreitung des Eigentumsrechts

2089

Das Eigentumsrecht wird überschritten, wenn durch menschliches Verhalten, «das mit der Ausübung der tatsächlichen Herrschaft über das Grundstück, das heisst mit dessen Bewirtschaftung oder sonstigen Benützung zusammenhängt»481, in ein anderes Grundstück eingegriffen wird.482 Dabei muss eine Missachtung nachbaroder öffentlich-rechtlicher Vorschriften vorliegen.

2090

Die Überschreitung des Eigentumsrechts kann zunächst darin bestehen, dass von der Grundstücksnutzung übermässige Einwirkungen (Immissionen) ausgehen (Art. 684 ZGB). Als Einwirkungen gelten die mittelbaren Folgen, welche die Ausübung des Eigentums auf einem Grundstück auf die Nachbargrundstücke haben kann.483 Was als übermässig im Sinne von Art. 684 Abs. 1 ZGB anzusehen ist, ist aufgrund der Umstände (Lage und Beschaffenheit der Grundstücke, Intensität der Einwirkung etc.) nach einem objektiven Massstab (Empfinden einer Durchschnittsperson in der gleichen Situation) zu bestimmen.484 Art. 684 Abs. 2 ZGB konkreti474 475 476 477 478

S. dazu BGE 123 II 481 E. 7a. Foëx, JdT 1999 I, 481. BGE 120 II 15 E. 2a. BGE 120 II 15 E. 2b; Foëx, JdT 1999 I, 481. BGE 132 III 689 E. 2.2.1 = Pra 2007 Nr. 69; Foëx, JdT 1999 I, 482; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 19 N 6; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1347. 479 BGE 132 III 689 E. 2.2.1 = Pra 2007 Nr. 69; Foëx, JdT 1999 I, 482; CHK ZGB-Göksu, Art. 679 N 3; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 19 N 8; a.M. Liver, 234. 480 BGE 4A_126/2014 E. 1.2.1; 132 III 689 E. 2.2.2 = Pra 2007 Nr. 69. 481 BGE 93 II 230 E. 3b. 482 Foëx, JdT 1999 I, 484; Müller, responsabilité, N 419 ff. 483 BGE 121 II 317 E. 4b = Pra 1996 Nr. 165. 484 BGE 132 III 49 E. 2.1; CHK ZGB-Göksu, Art. 684 N 9; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1331.

630

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

siert Art. 684 Abs. 1 ZGB, indem er in nicht abschliessender Weise schädliche Einwirkungen aufzählt, die stets übermässig sind, sofern kein Rechtfertigungsgrund vorliegt. Sodann kann die Überschreitung darin bestehen, dass der Eigentümer durch Gra- 2091 bungen oder Bauten die nachbarlichen Grundstücke schädigt, indem er ihr Erdreich in Bewegung setzt bzw. gefährdet oder vorhandene Vorrichtungen (z.B. Stützmauern, Leitungen, maschinelle Einrichtungen485) beeinträchtigt (Art. 685 Abs. 1 ZGB). Mit Grabungen im Sinne von Art.  685 Abs.  1 ZGB sind alle künstlichen Veränderungen «am Erdkörper des Grundstücks» gemeint (z.B. durch Aufschüttung).486 Art. 685 ZGB regelt nur einen besonderen Fall von Art. 684 ZGB (nämlich Grabungen und Bauten); deshalb muss die Einwirkung unseres Erachtens wie bei Art. 684 ZGB übermässig sein.487 Die Befugnisse können auch durch Unterlassung überschritten werden, sofern die vorangegangene Benutzung einen gefährlichen Zustand geschaffen hat.

2092

Allgemein wird unterschieden zwischen materiellen und ideellen sowie zwischen positiven und negativen Immissionen:

2093

• Positive materielle Immissionen «zeigen sich entweder in der Zuführung von festen Objekten, flüssigen oder gasförmigen Stoffen oder in anderen Formen der Energieübertragung vom Ausgangsgrundstück auf das betroffene Grundstück»488. Das Gesetz nennt in Art. 684 Abs. 2 ZGB exemplarisch Luftverunreinigung, üblen Geruch, Lärm, Schall, Erschütterung und Strahlung. • Positive ideelle Immissionen verursachen beispielsweise «bei den Nachbarn unangenehme psychische Eindrücke»489. Beispiele sind ein Erotik-Etablissement in einer Wohngegend490 oder die Verwendung einer Wohnung durch eine Sterbehilfeorganisation491. • Negative materielle Immissionen entstehen, «wenn dem Nachbargrundstück die Zuführung von Stoffen, Personen […] und von Energien» verunmöglicht wird.492 Art. 684 Abs. 2 ZGB erwähnt hierbei ausdrücklich den Entzug von Besonnung und Tageslicht. • Negative ideelle Immissionen liegen vor, wenn der Nachbarin ideelle Eindrücke, wie etwa die Aussicht, «entzogen» werden.493

485 486 487 488 489 490 491 492 493

Liver, 241; BSK ZGB-Rey/Strebel, Art. 685/686 N 8. Liver, 241; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1338. Ähnlich BSK ZGB-Rey/Strebel, Art. 685/686 N 10 f.; a.M. CHK ZGB-Göksu, Art. 685 N 6; Liver, 241 f. BSK ZGB-Rey/Strebel, Art. 684 N 22. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1336. BGE 5C.81/1999 E. 3a = Pra 1999 Nr. 189. S. BGE 136 I 395 E. 4.3.4. S. BGE 126 III 452 E. 2c; BSK ZGB-Rey/Strebel, Art. 684 N 32. BSK ZGB-Rey/Strebel, Art. 684 N 32.

631

3. Kapitel

2.4 2094

2096

Zur Widerrechtlichkeit im Besonderen

Unter bestimmten Umständen verzichtet Art. 679a ZGB auf die Widerrechtlichkeit als Voraussetzung für die Grundeigentümerhaftung. Die entsprechende Bestimmung trägt der Tatsache Rechnung, dass bestimmte Immissionen, z.B. infolge Bautätigkeit, zwar übermässig, aber trotz Ergreifen aller zumutbaren Massnahmen unvermeidlich sind. Unvermeidliche Immissionen erfolgen demnach in rechtmässiger Eigentumsrechtsausübung.494 Diese soll die Nachbarin nicht unterbinden können.495 Sie begründen bei Übermässigkeit allerdings eine Schadenersatzpflicht des Grundeigentümers. 496 Mit dem Erlass von Art. 679a ZGB hat der Gesetzgeber Richterrecht kodifiziert; vor Inkrafttreten bejahte das Bundesgericht in Schliessung einer Gesetzeslücke eine entsprechende Schadenersatzpflicht.497

3. 2095

Ausservertragliche Ansprüche

Verhältnis zur Werkeigentümerhaftung (Art. 58 Abs. 1 OR)

Sind gleichzeitig die Voraussetzungen der Grundeigentümer- und jene der Werkeigentümerhaftung erfüllt, kommen die beiden Haftungen alternativ konkurrierend zur Anwendung.498 Es ist jedoch für die Geschädigte vorteilhafter, sich auf die Grundeigentümerhaftung nach Art. 679 f. ZGB zu berufen, da hier kein Werkmangel, sondern bloss die Eigentumsüberschreitung des Schädigers nachgewiesen werden muss.499

IX.

Produktehaftung (PrHG)

1.

Begriff

Das Produktehaftungsgesetz (PrHG) statuiert eine einfache scharfe Kausalhaftung500 des Herstellers eines fehlerhaften Produkts, das zu einem Personen- oder Sachschaden bei einer Konsumentin führt. Das Gesetz wurde im Rahmen des sog.

494 495 496 497 498 499 500

632

BGE 114 II 230 E. 2; Rey, Sachenrecht, N 2084. BGE 114 II 230 E. 2; Foëx, JdT 1999 I, 488. BGE 114 II 230 E. 2; Rey, Sachenrecht, N 2084. BGE 5C.117/2005 E. 2.1; 114 II 230 E. 5a; 91 II 100 E. 2. BGE 111 II 429 E. 2c; Schwenzer, OR AT, N 53.52; CR CO-Werro, Art. 58 N 23. BK OR-Brehm, Art. 58 N 149. Maranta, ius.full 2006, 243; Schwenzer, OR AT, N  53.01; differenziert Roberto, AJP 2005, 1324. A.M. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 1 N 21, welche die Produktehaftpflicht unter die Gefährdungshaftungen subsumieren.

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

autonomen Nachvollzugs erlassen und lehnt sich daher an die europäische Produktehaftungsrichtlinie501 an.

2.

Voraussetzungen

Folgende Voraussetzungen müssen kumulativ gegeben sein:502

2097

• Hersteller im Sinne von Art. 2 PrHG als Passivlegitimierter (s. N 2098 ff.); • ersatzfähiger Schaden, das heisst Personen- oder Sachschaden bei einer Konsumentin (Art. 1 PrHG; s. N 2103 ff.); • fehlerhaftes Produkt (Art. 3 f. PrHG; s. N 2108 ff.); • natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang (s.  N  1914  ff.) zwischen der Fehlerhaftigkeit des Produkts und dem Schaden. 2.1

Passivlegitimation: Hersteller (Art. 2 PrHG)

Subjekt der Haftpflicht ist gemäss Art. 1 Abs. 1 PrHG der Hersteller des Produkts. 2098 Der Begriff des Herstellers wird in Art. 2 Abs. 1 PrHG definiert. Zu beachten ist, dass nach dieser Bestimmung mehrere (natürliche oder juristische) Personen gleichzeitig Hersteller des Produkts sein können. In diesem Fall haften sie gemäss Art.  7 PrHG solidarisch.503 a.

Tatsächlicher Hersteller

Gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. a PrHG gilt zunächst diejenige Person als Hersteller, die 2099 das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat. Somit kann nicht nur der Hersteller des eigentlichen Endprodukts haftbar gemacht werden, sondern auch diejenige Person, welche die Rohstoffe für die Herstellung des Produkts geliefert hat, und diejenige Person, deren Teilprodukt in das Endprodukt eingebaut wurde. Die Haftung ist allerdings beschränkt: Letztere haften grundsätzlich nur für Fehler am Grundstoff bzw. am Teilprodukt und nicht für Fehler, die durch die spätere Verarbeitung durch den Hersteller des Endprodukts entstanden sind (Art. 5 Abs. 2 PrHG; s. N 2123).504

501 Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte, ABl. EU vom 7. August 1985, Nr. L 210, 29 ff.; diese Richtlinie wurde abgeändert durch die Richtlinie 99/34/EG vom 10. Mai 1999 zur Änderung der Richtlinie 85/374/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte, ABl. EU vom 4. Juni 1999, Nr. L 141, 20 ff. 502 Maranta, ius.full 2006, 242; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1412. 503 Roberto, Haftpflichtrecht, N 09.23 ff. 504 Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1475.

633

3. Kapitel

b. 2100

Importeur

Schliesslich kann gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. c PrHG auch diejenige Person haftbar gemacht werden, die das Produkt zum Zweck des Verkaufs, der Vermietung, des Mietkaufs oder sonst wie zum Zweck des Vertriebs im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeit eingeführt hat. Darunter fällt der Importeur, der das Produkt importiert, um es in der Schweiz kommerziell (das heisst mit wirtschaftlichem Zweck) zu vertreiben.507 Mit der Ausweitung der Haftpflicht auf den Importeur soll die Geschädigte davor geschützt werden, den Schaden im Ausland geltend machen zu müssen, weil das Produkt dort hergestellt wurde.508 d.

2102

Quasi-Hersteller

Sodann gilt gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. b PrHG jede Person als Hersteller, die sich als solcher ausgibt, indem sie ihren Namen, ihr Warenzeichen oder ein anderes Erkennungszeichen auf dem Produkt anbringt. Man spricht auch von Quasi-Hersteller.505 Unerheblich ist die Frage, ob die Konsumentin wusste, wer tatsächlicher Hersteller war.506 Quasi-Hersteller finden sich beispielsweise in der Elektronikbranche, wenn auf einem Fernseher das Warenzeichen eines Unternehmens angebracht wird, das den Fernseher gar nicht hergestellt hat. c.

2101

Ausservertragliche Ansprüche

Lieferant

Subsidiär gilt gemäss Art. 2 Abs. 2 PrHG auch der Lieferant des Produkts als Hersteller.509 Darunter ist jede Person zu verstehen, die das Produkt vertreibt, ohne selber Hersteller zu sein.510 Voraussetzung ist allerdings, dass die Identität des potenziellen Herstellers im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. a–c PrHG nicht festgestellt werden kann und dass der Lieferant den Namen des Herstellers nach entsprechender Aufforderung der Geschädigten nicht bekannt gibt (Art. 2 Abs. 2 PrHG). Damit kann die Geschädigte auch solche Schäden liquidieren, die ihr durch anonyme, sog. no name-Produkte entstanden sind.511

505 Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 21 N 46; Maranta, ius.full 2006, 243; Schwenzer, OR AT, N 53.41. 506 BSK OR-Fellmann, Art. 2 PrHG N 11. 507 BSK OR-Fellmann, Art. 2 PrHG N 13 und N 15. 508 Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 21 N 47. 509 Maranta, ius.full 2006, 243. 510 BSK OR-Fellmann, Art. 2 PrHG N 16; Maranta, ius.full 2006, 243. 511 BSK OR-Fellmann, Art. 2 PrHG N 17.

634

§ 24

2.2

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Ersatzfähiger Schaden (Art. 1 PrHG)

Der Anwendungsbereich des PrHG ist gemäss Art. 1 Abs. 1 PrHG auf Personen- 2103 und Sachschäden beschränkt, weshalb reine Vermögensschäden nicht miterfasst werden. Vom PrHG gedeckt werden nur Mangelfolgeschäden, welche durch das fehlerhafte Produkt ausgelöst wurden (Art. 1 Abs. 2 PrHG e contrario).512 a.

Personenschaden

Das PrHG findet gemäss Art. 1 Abs. 1 lit. a PrHG Anwendung, wenn die Geschä- 2104 digte getötet oder verletzt wird. In Bezug auf die konkrete Schadensberechnung enthält das PrHG keine eigenen Bestimmungen. Massgebend sind daher die allgemeinen Regeln des OR (s. Art. 11 Abs. 1 PrHG), namentlich Art. 45 und Art. 46 OR (s. N 1857 ff.). Im Rahmen von Art. 47 und Art. 49 OR (s. N 1905 ff.) kann der Geschädigten bzw. ihren Angehörigen auch eine Genugtuung zugesprochen werden.513 b.

Sachschaden

Nach Art. 1 Abs. 1 lit. b PrHG haftet der Hersteller, wenn durch das mangelhafte 2105 Produkt eine Sache beschädigt oder zerstört wird. Damit sich der Anwendungsbereich des PrHG öffnet, muss die beschädigte bzw. zerstörte Sache zwei Kriterien erfüllen: In objektiver Hinsicht muss die Sache nach der Verkehrsauffassung gewöhnlich zum privaten Gebrauch bzw. Verbrauch bestimmt sein. Die Anwendung des PrHG ist also ausgeschlossen, wenn die Sache ausschliesslich gewerblich genutzt wird. Diese Einschränkung erklärt sich aus der Natur des PrHG: Es bezweckt nur den Schutz der Konsumenten vor den Folgen fehlerhafter Produkte.514 Subjektiv muss die Sache im konkreten Fall von der Geschädigten auch privat verwendet worden sein. Vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sind demnach Schäden an Sachen, deren gewöhnliche Zweckbestimmung zwar im Privaten liegt, die aber von der Geschädigten ausnahmsweise gewerblich genutzt worden sind. Die Berechnung des Sachschadens erfolgt nach allgemeinen Grundsätzen (s.  N  1848  ff.). Das PrHG weist aber die Besonderheit auf, dass die Geschädigte gemäss Art. 6 Abs. 1 PrHG Sachschäden bis zur Höhe von CHF 900 selber zu tragen hat. Von der ermittelten Schadenssumme müssen also CHF 900 in Abzug gebracht werden (Selbstbehalt). Erreicht diese den Betrag von CHF 900 nicht, besteht keine Haftung des Herstellers.

512 Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 21 N 1; Maranta, ius.full 2006, 244 f.; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1422 m.w.H. 513 S. Werro, responsabilité, N 599 f. 514 BSK OR-Fellmann, Art. 1 PrHG N 3.

635

2106

3. Kapitel

c. 2107

Nicht ersatzfähig: Schaden am Produkt

Allfällige Schäden am Produkt selbst sind vom Anwendungsbereich des PrHG ausgeschlossen (Art.  1 Abs.  2 PrHG). Wird das Produkt selbst durch einen eigenen Fehler beschädigt und sein Wert dadurch vermindert, so hat die Geschädigte grundsätzlich keine Ansprüche aus dem PrHG. Sie muss diesen Schaden über die Gewährleistungsansprüche des Kaufrechts (s.  N  2585  ff.) oder des Werkvertragsrechts (s. N 3155 ff.) liquidieren, sofern die entsprechenden Voraussetzungen für die Sachgewährleistung erfüllt sind. So hat eine Autofahrerin z.B. keinen Schadenersatzanspruch aus dem PrHG, wenn der fehlerhafte Motor zu einem Brand und zur vollständigen Zerstörung des Autos führt; sie hat hingegen einen PrHG-Schadenersatzanspruch, wenn sie durch das Feuer verletzt wird (Personenschaden) oder das Feuer auf ihre Garage übergreift und diese beschädigt (privater Sachschaden). 2.3

2108

Ausservertragliche Ansprüche

Fehlerhaftes Produkt (Art. 3 f. PrHG)

Das Gesetz definiert den Begriff des Produkts in Art. 3 PrHG (s. N 2109 ff.) und denjenigen der Fehlerhaftigkeit in Art. 4 PrHG (s. N 2112 ff.). a.

Produkt

2109

Jede bewegliche Sache ist grundsätzlich ein Produkt (Art. 3 Abs. 1 lit. a PrHG). Der Produktebegriff geht aber weiter als die sachenrechtliche Definition der beweglichen Sache: Art. 3 Abs. 1 lit. a PrHG hält nämlich ausdrücklich fest, dass eine bewegliche Sache auch dann ihre Produkteigenschaft behält, wenn sie Teil einer anderen beweglichen oder unbeweglichen Sache wird. Dies steht im Gegensatz zum sachenrechtlichem Akzessionsprinzip, wonach ein Bestandteil einer Sache keine eigenständige bewegliche Sache (Art. 642 ZGB) bildet.515 Darüber hinaus erfüllt gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. b PrHG auch Elektrizität die Produkteeigenschaft, obwohl dieser gar keine Sachqualität zukommt.

2110

Keine Produkte im Sinne des PrHG sind hingegen geistige Leistungen wie z.B. das Schreiben eines Buches oder eines Computerprogramms; diese stellen keine beweglichen Sachen dar. Abgrenzungsprobleme ergeben sich aber dann, wenn geistige Leistungen auf beweglichen Sachen festgehalten bzw. gespeichert werden wie z.B. in Druckerzeugnissen und auf CDs, Festplatten etc. Ob solche Erzeugnisse unter die Produktehaftung fallen und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen, ist in der Lehre umstritten.516 Unseres Erachtens ist wie folgt zu differenzieren: Weist die geistige Leistung an sich einen Fehler auf, so ist keine Haftung nach PrHG gegeben. Ist hingegen die Trägersubstanz einer geistigen Leistung als bewegliche Sache mit 515 S. Roberto, Haftpflichtrecht, N 09.08. 516 S. BSK OR-Fellmann, Art. 3 PrHG N 9 m.w.H.

636

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

einem Fehler behaftet, so fällt diese grundsätzlich unter das PrHG.517 Beispielsweise haftet der Hersteller einer Computer-Software nicht, wenn die Software einen Programmierungsfehler aufweist. Hingegen haftet er, wenn die Installations-CD der Software einen gesundheitsschädigenden Wirkstoff enthält und dadurch eine Person geschädigt wird. Um als Produkt zu gelten, muss die bewegliche Sache hergestellt worden sein.518 2111 Dies ergibt sich nicht direkt aus Art. 3 PrHG, sondern implizit aus Art. 1 Abs. 1 PrHG, wonach die herstellende Person haftet. Eine Sache gilt als hergestellt, wenn sie das Ergebnis irgendeiner menschlichen Tätigkeit ist. Unerheblich ist die Art der Herstellung: Sowohl industriell hergestellte wie auch handwerklich gefertigte Sachen sind Produkte. Keine Produkte sind hingegen bewegliche Gegenstände, die von Menschenhand weder geschaffen noch umgeformt worden sind (beispielsweise herumliegende Naturgegenstände wie Steine und Äste). Werden Naturgegenstände aber als Rohstoffe gewonnen, das heisst gezielt gesammelt bzw. an- und/oder abgebaut, so gelten sie als hergestellte Produkte im Sinne des PrHG.519 b.

Fehlerhaftigkeit

Ein Produkt ist gemäss Art. 4 Abs. 1 PrHG fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit 2112 bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände erwarten darf. Der Begriff der Fehlerhaftigkeit kann nicht generell umschrieben werden, sondern es muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls geprüft werden, ob das Produkt genügend sicher ist.520 Dabei ist von den Sicherheitserwartungen der Allgemeinheit und nicht von denjenigen der Geschädigten auszugehen.521 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts muss die Geschädigte nicht den strikten Beweis der Fehlerhaftigkeit erbringen. Es genügt, wenn sie durch Schilderung des Unfallhergangs mit überwiegender Wahrscheinlichkeit aufzeigen kann, dass das Produkt die berechtigten Sicherheitserwartungen nicht erfüllte.522 Das Gesetz enthält in Art. 4 Abs. 1 lit. a–c PrHG eine nicht abschliessende Liste 2113 einiger Umstände, die als Hilfsmittel für die Beurteilung der angemessenen Sicherheit dienen können. Nach Art. 4 Abs. 1 lit. a PrHG ist zu berücksichtigen, in welcher Art und Weise das Produkt dem Publikum präsentiert wird. Daraus kann sich im Einzelfall eine Pflicht des Herstellers ergeben, die Verwenderinnen eines Produkts zu instruieren und auf mögliche Gefahren aufmerksam zu machen, insbesondere durch eine Gebrauchsanleitung, mindestens sofern diese Gefahren dem am 517 Ähnlich Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 21 N 31; a.M. Werro, responsabilité, N 626. 518 BSK OR-Fellmann, Art. 3 PrHG N 3. 519 Ausführlich BSK OR-Fellmann, Art. 3 PrHG N 3. 520 BGE 4A_255/2010 E. 3; s. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 21 N 32. 521 BSK OR-Fellmann, Art. 4 PrHG N 3. 522 BGE 133 III 81 E. 4.2.2 = Pra 2007 Nr. 93; Fellmann, recht 2007, 161.

637

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

Produkt interessierten Personenkreis nicht allgemein bekannt sind.523 Der Hersteller muss deshalb auch antizipieren, welchem Personenkreis das Produkt zugänglich gemacht wird: Einer Fachperson müssen weniger Instruktionen gegeben werden als einem Laien.524 Im Übrigen sind auch gesetzliche Kennzeichnungs- und Deklarationspflichten zu beachten, die sich häufig in der Lebensmittel-, Arzneimittel- und Chemikaliengesetzgebung finden. Beispielsweise müssen gesundheitsschädliche Chemikalien mit einem entsprechenden Gefahrenhinweis gekennzeichnet werden (Art. 39 ff. ChemV525). 2114

Gemäss Art. 4 Abs. 1 lit. b PrHG bestimmt sich die notwendige Sicherheit auch nach jenem Gebrauch des Produkts, mit dem der Hersteller vernünftigerweise zu rechnen hat. Er muss die Sicherheit in erster Linie an die Gefahren ausrichten, die bei normalem Gebrauch des Produkts drohen. Der Hersteller muss und kann auch nicht jede noch so entfernte Gefahr berücksichtigen, die bei zweckwidrigem Gebrauch der Sache entstehen könnte. Anders verhält es sich allerdings, wenn der zweckwidrige Gebrauch des Produkts für den Hersteller vorhersehbar ist. In diesem Fall muss das Produkt auch bei zweckwidrigem Gebrauch die nötige Sicherheit bieten.526

2115

Schliesslich sieht Art. 4 Abs. 1 lit. c PrHG vor, dass es bei der Beurteilung der Fehlerhaftigkeit auf den Zeitpunkt der Inverkehrbringung ankommt: Das Produkt hat den Sicherheitsanforderungen im Zeitpunkt der Inverkehrbringung zu genügen. Genügte ein älteres Produkt vormals den Sicherheitsanforderungen, so wird es nicht deshalb fehlerhaft, weil die Sicherheitserwartungen inzwischen gestiegen sind (s. Art. 4 Abs. 2 PrHG). Den Hersteller trifft daher nicht die Pflicht, alte Produktemodelle, die den heutigen Sicherheitsstandards nicht mehr genügen, aus dem Verkehr zu ziehen. Stellt er hingegen ein altes Produktemodell neu her, so muss er dieses auf die aktuellen Sicherheitserwartungen ausrichten und gegebenenfalls überarbeiten.527

2116

Bei der Elektrizität (Art. 3 Abs. 1 lit. b PrHG) sind Fehler vor allem in Form von Schwankungen der Stromstärke oder -spannung denkbar.528 Umstritten ist, ob Schäden, die aus einem Stromunterbruch resultieren, ebenfalls dem PrHG unterstehen oder nicht. Ein Teil der Doktrin verneint dies mit dem Argument, dass nichts geliefert worden sei.529 Dagegen geht die wohl herrschende schweizerische 523 S. Roberto, Haftpflichtrecht, N 09.11. 524 S. Roberto, Haftpflichtrecht, N 09.14. S. auch BGE 4A_365/2014 E. 9.2, wonach es bei rezeptpflichtigen Medikamenten nicht allein auf die Sicherheitserwartungen des Patienten ankommt, sondern auch das Wissen des Arztes einzubeziehen ist, der dem Patienten das Medikament verschreibt. 525 Verordnung vom 18. Mai 2005 über den Schutz vor gefährlichen Stoffen und Zubereitungen (Chemikalienverordnung; SR 813.11). 526 BSK OR-Fellmann, Art. 4 PrHG N 17; Maranta, ius.full 2006, 244; Schwenzer, OR AT, N 53.37. 527 BSK OR-Fellmann, Art. 4 PrHG N 22. 528 BSK OR-Fellmann, Art. 4 PrHG N 29; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1428; s. ferner Schwenzer, OR AT, N 53.35. 529 S. Nachweise bei Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, N 1172.

638

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Lehre von einem Fehler aus, wobei zutreffend argumentiert wird, dass es nicht darauf ankommt, ob der Schaden durch eine Stromschwankung oder einen Stromunterbruch entstanden ist.530 Ausserdem ist es eine alte haftpflichtrechtliche Einsicht, dass man andere sowohl durch Aktivität wie auch durch Passivität (wenn Handeln erwartet werden darf) schädigen kann.

3.

Entlastungsgründe (Art. 5 PrHG)

Art.  5 PrHG sieht sechs Entlastungsgründe vor, mittels deren sich der Hersteller 2117 von der Haftung befreien kann (s. N 2118 ff.). Er hat das Vorliegen dieser Gründe zu beweisen. 3.1

Fehlende Inverkehrbringung

Gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. a PrHG haftet der Hersteller nicht, wenn er das Produkt 2118 nicht in Verkehr gebracht hat. Nach dem Werktorprinzip gilt das Produkt als in Verkehr gebracht, wenn es das Werk des Herstellers tatsächlich verlassen hat, das heisst, wenn der Hersteller das Produkt zum Zweck des geschäftlichen Vertriebs aus seinem Kontrollbereich entlassen hat.531 Der Hersteller kann sich dann entlasten, wenn das fragliche Produkt ohne seinen Willen in den Verkehr gelangt ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ihm das Produkt abhandengekommen ist (z.B. durch Diebstahl).532 3.2

Keine Fehlerhaftigkeit bei Inverkehrbringung

Der Hersteller kann sich sodann nach Art.  5 Abs.  1 lit.  b PrHG entlasten, wenn 2119 das Produkt bei Inverkehrbringung nicht fehlerhaft war. Damit wird die Haftung für Fehler ausgeschlossen, die durch unsachgemässe Änderung des Produkts nach Inverkehrbringung entstehen. Dies ist deshalb gerechtfertigt, weil das Produkt in diesem Zeitpunkt den Machtbereich des Herstellers verlässt und er daher in der Regel keinen Einfluss mehr auf allfällige Änderungen nehmen kann. Das Beweismass dieses Entlastungsgrundes ist im Vergleich zu den anderen herabgesetzt: Der Hersteller muss nur nachweisen, dass «nach den Umständen» anzunehmen ist, das Produkt sei ursprünglich fehlerfrei gewesen. Nicht erforderlich ist also ein strikter Beweis, den der Hersteller in der Regel auch gar nicht erbringen kann.533 530 BSK OR-Fellmann, Art. 4 PrHG N 29; im Ergebnis gleich Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 21 N 27. 531 Maranta, ius.full 2006, 245. 532 BSK OR-Fellmann, Art. 5 PrHG N 3. 533 Werro, responsabilité, N 698.

639

3. Kapitel

3.3 2120

Verbindliche, hoheitliche Vorschriften

Der Hersteller hat sodann nach Art.  5 Abs.  1 lit.  d PrHG nicht für Fehler einzustehen, die auf zwingenden hoheitlichen Vorschriften beruhen. Damit sind zwingende Vorschriften des öffentlichen Rechts gemeint, welche den Hersteller zu einem bestimmten Herstellungsprozess verpflichten.534 Vom Hersteller kann in diesen Fällen nicht verlangt werden, sein Produkt entgegen solchen Vorschriften herzustellen. Hingegen scheitert der Entlastungsbeweis, wenn die konkreten Vorschriften nicht zwingender oder nicht hoheitlicher Natur sind (z.B. blosse Empfehlungen einer Behörde oder Vorschriften eines Branchenverbandes).535 3.5

2122

Fehlende gewerbliche Herstellung

Gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. c PrHG haftet der Hersteller nicht, wenn er das Produkt weder für eine Form des Vertriebs mit wirtschaftlichem Zweck hergestellt noch im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit hergestellt oder vertrieben hat. Damit wird die Haftung von Privatpersonen ausgeschlossen. 3.4

2121

Ausservertragliche Ansprüche

Nach dem Stand der Wissenschaft und Technik nicht erkennbare Fehler

Gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. e PrHG haftet der Hersteller nicht für solche Fehler, die im Zeitpunkt der Inverkehrbringung nach dem damaligen Stand von Wissenschaft und Technik nicht erkannt werden konnten. Massgebend sind nicht die subjektiven Kenntnisse und technischen Möglichkeiten des Herstellers, sondern der allgemeine Stand der Wissenschaft und Technik.536 Nur wenn der Fehler objektiv nicht erkennbar war, ist eine Entlastung möglich. Dabei ist auf das von der wissenschaftlichen Gemeinschaft allgemein anerkannte Wissen abzustellen; Aussenseitermeinungen sind nur ausnahmsweise zu berücksichtigen.537 Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Entwicklungsrisiken.538 Solche kommen beispielsweise bei der Herstellung von Medikamenten vor, wenn sich nach Marktzulassung des Medikaments herausstellt, dass der Wirkstoff unerwartete Folgen (z.B. Nebenwirkungen) auslöst, die man bei der Entwicklung des Medikaments nicht hatte erkennen können.

534 535 536 537 538

640

BSK OR-Fellmann, Art. 5 PrHG N 12. Schnyder/Portmann/Müller-Chen, Haftpflichtrecht, N 325. Werro, responsabilité, N 708. BGE 137 III 226 E. 4.1 = Pra 2011 Nr. 116. BSK OR-Fellmann, Art. 5 PrHG N 15.

§ 24

3.6

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Spezifische Entlastungsgründe des Herstellers eines Teilprodukts oder Grundstoffs

Der Hersteller, der bloss ein Teilprodukt hergestellt oder einen Grundstoff gelie- 2123 fert hat, kann sich schliesslich nach Art. 5 Abs. 2 PrHG mittels zweier Entlastungsgründe von der Haftung befreien. Er haftet erstens nicht für Fehler, die ausschliesslich aufgrund einer fehlerhaften Herstellung des Endprodukts entstanden sind. Seine Haftung bleibt damit auf Fehler des Teilprodukts bzw. des Grundstoffs beschränkt. Zweitens ist seine Haftung ausgeschlossen, wenn er zwar ein fehlerhaftes Teilprodukt bzw. einen fehlerhaften Grundstoff hergestellt hat, aber dieser Fehler durch Anweisungen des Herstellers des Endprodukts verursacht wurde. Zusätzlich wird dann allerdings vorausgesetzt, dass der Hersteller des Teilprodukts bzw. des Grundstoffs die Fehlerhaftigkeit der Anweisung nicht erkannte und auch nicht erkennen konnte.539 Beispielsweise haftet der Hersteller einer Autobremse nicht, wenn der Fehler dieser Bremse auf ausdrücklichen Konstruktionsvorgaben des Autoherstellers beruhte und der Hersteller der Bremse nicht erkennen konnte, dass diese Vorgaben fehlerhaft waren.

4.

Wegbedingung der Haftung (Art. 8 PrHG)

Gemäss Art.  8 PrHG sind Vereinbarungen, welche die Haftpflicht gegenüber der 2124 Geschädigten beschränken oder wegbedingen, nichtig. Diese Bestimmung bezieht sich nur auf das PrHG, weshalb die Parteien eine (vertragliche oder ausservertragliche) Haftung nach OR im Rahmen der dort gesetzten Schranken wegbedingen können (s. N 1014 ff.).540 Aus Art.  8 PrHG folgt, dass sich der Hersteller bei Produkten des gewöhnlichen Gebrauchs, von denen eine bestimmte minimale Sicherheit erwartet wird, nicht durch einen Sicherheitshinweis von seiner Haftung befreien kann.541

5.

2125

Verjährung und Verwirkung (Art. 9–10 PrHG)

Art. 9 PrHG sieht eine Verjährungsfrist von drei Jahren vor. Diese beginnt mit dem Zeitpunkt der Kenntnis des Schadens, des Fehlers sowie der Person des Herstellers zu laufen. Art. 10 PrHG statuiert im Übrigen eine Verwirkungsfrist von 10 Jahren

539 Müller, responsabilité, N 470; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1479. 540 BSK OR-Fellmann, Art. 8 PrHG N 3; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 21 N 52a. 541 BGE 133 III 81 E. 3.1 = Pra 2007 Nr. 93; Fellmann, recht 2007, 161 f.; Werro, SJZ 2008, 263.

641

2126

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

ab dem Zeitpunkt der Inverkehrbringung des Produkts. Im Gegensatz zur Verjährung ist die Verwirkungsfrist ex officio zu berücksichtigen (s. N 2222).542

6. 2127

2128

Gemäss Art. 11 Abs. 2 PrHG kann die Geschädigte neben den Ansprüchen aus dem PrHG auch Ansprüche aus dem OR geltend machen. Sowohl die kaufrechtliche wie auch die werkvertragliche Sachmängelhaftung nach Art. 197 ff. bzw. Art. 368 ff. OR stehen im Verhältnis zu den Ansprüchen aus dem PrHG in alternativer Konkurrenz (s. N 4143 ff.). Der Geschädigten bleibt es also unbenommen, neben dem Anspruch aus dem PrHG auch vertragliche Schadenersatzansprüche geltend zu machen, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.

X.

Haftung des Motorfahrzeughalters (Art. 58 Abs. 1 SVG)

1.

Begriff

Art.  58 Abs.  1 SVG statuiert eine Gefährdungshaftung für Schäden durch den Betrieb von Motorfahrzeugen. Gerechtfertigt wird diese strenge Haftung durch den Umstand, dass Unfälle mit Motorfahrzeugen sehr schnell zu hohen Schäden, insbesondere bei Personenschäden zu bleibender Invalidität, führen können. Um zu verhindern, dass solche Schäden wegen Mittellosigkeit des Schädigers nicht liquidiert werden können, sieht Art. 63 Abs. 1 SVG ein Versicherungsobligatorium vor, das jeden Motorfahrzeughalter zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung verpflichtet. Aufgrund der hohen Unfallquote im Strassenverkehr nimmt die Haftung aus Art. 58 Abs. 1 SVG in der Praxis einen hohen Stellenwert ein. Sie wird auch als wichtigste ausservertragliche Kausalhaftung überhaupt bezeichnet.543

2. 2129

Abgrenzung zur Sachgewährleistung (Art. 197 ff. bzw. Art. 368 ff. OR)

Voraussetzungen

Neben dem Vorliegen eines Schadens, eines natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs und der Widerrechtlichkeit setzt die Haftung aus Art. 58 Abs. 1 SVG voraus, dass der Betrieb eines Motorfahrzeugs zu einem Personen- oder Sachschaden führt. Der Anspruch richtet sich in der Regel gegen den Motorfahrzeughalter. 542 Im Rahmen der Revision des Verjährungsrechts, welche auf den 1. Januar 2020 in Kraft tritt, ändert sich nichts an der Verjährungsfrist in Art. 9 PrHG bzw. der Verwirkungsfrist in Art. 10 PrHG; s. BBl 2014 265. 543 Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1539.

642

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Da ein Personen- oder Sachschaden erforderlich ist, liegt die Widerrechtlichkeit aufgrund des Erfolgsunrechts eo ipso vor (s. N 1854, N 1944 ff.). 2.1

Aktivlegitimation: Kreis der geschädigten Personen

Aktivlegitimiert sind in erster Linie am Unfall unbeteiligte, geschädigte Dritte (z.B. 2129a Radfahrerinnen, Fussgängerinnen oder Insassinnen anderer Autos, sofern sie nicht selber Halterinnen sind).544 Anspruchsberechtigt sind ferner auch die Insassinnen des Fahrzeuges des haftbaren Halters, gleichgültig ob sie Familienangehörige, Freundinnen des Halters oder z.B. auch Autostopperinnen sind. Sogar die Lenkerin selber kann Art. 58 Abs. 1 SVG in Anspruch nehmen, sofern sie nicht Motorfahrzeughalterin ist (zur Passivlegitimation s. N 2130 ff.).545 Schliesslich kann der Halter auch für Personen haftbar gemacht werden, die lediglich als mittelbare Folge des Betriebs eines Motorfahrzeugs geschädigt werden, am Unfallereignis selber aber nicht direkt beteiligt sind. So hat das Bundesgericht in BGE 138 III 276 festgehalten, dass eine Mutter, welche infolge der Nachricht über den Unfalltod ihres Sohnes einen Schock erlitten hat, aufgrund ihrer eigenen gesundheitlichen Beeinträchtigung Schadenersatz und Genugtuung vom Unfallverursacher verlangen kann (sog. Schockschaden; s. N 1875).546 2.2

Passivlegitimation: Motorfahrzeughalter

Subjekt der Haftung ist der Motorfahrzeughalter (Art. 58 Abs. 1 SVG). Darunter 2130 ist derjenige zu verstehen, auf dessen Rechnung und Gefahr das Fahrzeug betrieben wird. Der Halter hat die unmittelbare Verfügungsbefugnis über das Motorfahrzeug und kann es «jederzeit nach eigenen Bedürfnissen und zu eigenem Nutzen betreiben».547 Er kann auch bestimmen, wer das Fahrzeug benutzen darf und zu welchem Zweck es eingesetzt wird.548 Nicht erforderlich ist, dass der Motorfahrzeughalter das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt fuhr. Auch der polizeiliche Halterbegriff gemäss Art. 78 VZV549 stellt im Wesentlichen 2131 auf die tatsächliche Verfügungsbefugnis ab. Die Übernahme der finanziellen Lasten für das Fahrzeug ist ein Indiz für die Haltereigenschaft.550 Indessen ist für die

544 545 546 547

Fellmann, Haftpflichtrecht II, N 202. Fellmann, Haftpflichtrecht II, N 201 ff.; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1581. BGE 138 III 276 E. 3. BGE 129 III 102 E. 2.2; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 20 N 16; Schwenzer, OR AT, N 54.05. 548 Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1587. 549 Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (Verkehrszulassungsverordnung; SR 741.51). 550 BGE 129 III 102 E. 2.2.

643

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

Haltereigenschaft nicht relevant, wer Eigentümer des Fahrzeugs oder im Fahrzeugausweis eingetragen ist.551 2132

Weil der Motorfahrzeughalter nicht zwingend Eigentümer des Fahrzeugs sein muss, kann die Haltereigenschaft auch mittels eines Miet-, Leasing-, Leih- oder Arbeitsvertrages (Geschäftsauto) begründet werden. Vorausgesetzt ist aber, dass das Vertragsverhältnis von einer gewissen Dauer ist: Beim Fahrzeugleasing und beim Geschäftsauto geht die Haltereigenschaft in der Regel auf den Leasing- bzw. Arbeitnehmer über (zum Leasingvertrag s. N 3720 ff.). Bei der Miete (s. N 2890 ff.) und der Leihe (s. N 3032 ff.) kommt es hingegen auf die Dauer im Einzelfall an.552

2133

Wird ein Motorfahrzeug hingegen einem Garagisten zum Zweck der Aufbewahrung (Hinterlegungsvertrag; s.  N  3520  ff.) oder Reparatur (Werkvertrag; s.  N  3121  ff.) anvertraut, so haftet dieser gemäss Art. 71 Abs. 1 SVG, und zwar unabhängig davon, wie lange das Vertragsverhältnis gedauert hat. Der eigentliche Motorfahrzeughalter und seine Versicherung haften nicht. Das Gleiche gilt, wenn das Motorfahrzeug entwendet wurde. Der sog. Strolch haftet gemäss Art. 75 Abs. 1 SVG auch, wenn die Fahrt mit dem gestohlenen Fahrzeug nur kurz gedauert hat. Anders als bei der Haftung des Garagisten bleibt aber die solidarische Haftung des Motorfahrzeughalters neben jener des Strolchs bestehen, sofern die Geschädigte nicht wusste und auch nicht wissen konnte, dass das Fahrzeug gestohlen worden war.

2134

Haben mehrere Motorfahrzeughalter den Schaden verursacht, so haften sie der Geschädigten solidarisch (Art. 60 Abs. 1 SVG).553 2.3

2135

Der Anwendungsbereich von Art.  58 Abs.  1 SVG ist  – ähnlich wie nach PrHG (s. N 2103 ff.) – auf Personen- und Sachschäden begrenzt. Nicht ersatzfähig sind reine Vermögensschäden. Für solche Schäden bleibt der Geschädigten allenfalls der Weg über Art. 55 und Art. 41 OR offen. Auch sieht das SVG bei bestimmten Sachschäden einen Ausschluss vom Anwendungsbereich der Gefährdungshaftung des Art. 58 Abs. 1 SVG vor.554 2.4

2136

Personen- oder Sachschaden

Motorfahrzeug

Motorfahrzeuge sind alle Fahrzeuge, die über einen eigenen Antrieb verfügen, sich auf dem Erdboden zu bewegen vermögen und von Schienen unabhängig sind (Art. 7 551 Brehm, N 60 ff. 552 S.  Roberto, Haftpflichtrecht, N  16.30  f.; s.  auch Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, §  20 N 16. 553 Ausführlich Krauskopf, 88 ff. 554 S. dazu ausführlich Fellmann, Haftpflichtrecht II, N 336 ff.

644

§ 24

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Abs. 1 SVG). Nach dieser Definition werden beispielsweise Autos, Motorräder, Lastwagen, Busse, aber auch Dampfwalzen und Gabelstapler erfasst. Nicht unter die Haftung des SVG fallen hingegen Flugzeuge (selbst wenn sie sich im Unfallzeitpunkt auf dem Erdboden befinden), Schiffe und Boote sowie Eisen- und Strassenbahnen. Für diese gelten zum Teil eigene Gefährdungshaftungen (z.B. Art.  64  ff. LFG555; Art. 40b ff. EBG). Ebenfalls nicht nach SVG, sondern nach Art. 41 ff. OR haftet der Halter eines Fahrrads (Art. 70 SVG). Daneben sind noch einige weitere Motorfahrzeuge, darunter Leicht-Motorfahrräder, von der Versicherungspflicht (und der Gefährdungshaftung) ausgenommen (Art. 89 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 38 VVV556). 2.5

Betrieb

Das Fahrzeug muss im Zeitpunkt der Schädigung in Betrieb gewesen sein. Abge- 2137 stellt wird dabei auf den sog. maschinentechnischen Betriebsbegriff.557 Der Betrieb wird bejaht, wenn die maschinellen Einrichtungen des Motorfahrzeugs (vor allem der Motor) im Zusammenhang mit einer Fortbewegung in Gebrauch sind.558 Damit werden insbesondere parkierte Fahrzeuge von der Gefährdungshaftung ausgenommen.559 Hingegen werden Motorfahrzeuge, deren Motor während der Fortbewegung abgeschaltet wird (also z.B. beim Abschleppen des Motorfahrzeugs oder auch beim Hinunterrollen auf einer Bergstrasse mit abgeschaltetem Motor), von der Gefährdungshaftung erfasst, sofern das Fahrzeug nicht von Personen geschoben wird.560 Ausserdem muss der Schaden als adäquate Folge der Betriebsgefahr eines unfall- 2138 stiftenden Fahrzeugs erscheinen. Dies ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung dann zu bejahen, wenn sich eine aus dem Betrieb der maschinellen Einrichtungen ergebende Gefahr des Fahrzeugs verwirklicht und in der Folge zu Schaden führt.561 Hingegen liegt kein ausreichender Bezug zum Betrieb des Motorfahrzeugs vor, wenn der Schaden bloss anlässlich des Betriebs entsteht.562 Beispielsweise liegt kein ausreichender Zusammenhang vor und ist keine Haftung nach Art. 58 Abs. 1 SVG gegeben, wenn sich die Geschädigte den Finger in der Fahrzeugtür einklemmt, selbst wenn der Motor läuft, weil das Einklemmen des Fingers keine typische Gefahr eines Motorfahrzeugs darstellt.563 555 556 557 558 559 560 561 562 563

Bundesgesetz vom 21. Dezember 1948 über die Luftfahrt (Luftfahrtgesetz; SR 748.0). Verkehrsversicherungsverordnung vom 20. November 1959 (SR 741.31). Fellmann, Haftpflichtrecht II, N 361 f. BGE 114 II 376 E. 1b; 97 II 161 E. 3a. BGE 4A_44/2008 E. 3.2.2. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1569; kritisch Brehm, N 182 ff. BGE 133 III 675 E. 3.4 = Pra 2008 Nr. 65. BGE 107 II 269 E. 1a. BGE 63 II 267, 269.

645

3. Kapitel

2139

War das Fahrzeug nicht in Betrieb, kommt nicht die Gefährdungshaftung von Art.  58 Abs.  1 SVG, sondern die Verschuldens- bzw. Kausalhaftung von Art.  58 Abs. 2 SVG zur Anwendung. Die Geschädigte muss beweisen, dass entweder den Halter oder eine seiner Hilfspersonen ein Verschulden trifft oder dass der Schaden durch die fehlerhafte Beschaffenheit des Fahrzeugs verursacht worden ist. Bezüglich der ersten Variante (Verschulden des Halters) handelt es sich um eine Verschuldenshaftung; bezüglich der anderen beiden Varianten (Verschulden einer Hilfsperson sowie fehlerhafte Beschaffenheit) um eine Kausalhaftung.564

3. 2140

Entlastungsbeweis

Der Halter kann sich gemäss Art. 59 Abs. 1 SVG von der Haftung befreien, wenn er beweist, dass der Unfall durch höhere Gewalt oder grobes Dritt- bzw. Selbstverschulden verursacht wurde und – kumulativ – dass ihn weder ein Verschulden trifft noch die fehlerhafte Beschaffenheit des Fahrzeugs zum Unfall beigetragen hat.565

4. 2141

Ausservertragliche Ansprüche

Versicherungspflicht

Ein Motorfahrzeug darf gemäss Art.  63 Abs.  1 SVG nur in den öffentlichen Verkehr gebracht werden, wenn eine Haftpflichtversicherung für das Fahrzeug abgeschlossen wurde. Damit soll die Geschädigte davor geschützt werden, ihren Schaden wegen Zahlungsunfähigkeit des Motorfahrzeughalters nicht liquidieren zu können.566 Die Geschädigte hat ausserdem nach Art. 65 Abs. 1 SVG ein direktes Forderungsrecht gegenüber der Versicherung. Sie kann also ihren Schaden bei der Versicherung direkt geltend machen, obwohl die Versicherung eigentlich eine aussenstehende Dritte ist. Einreden aus dem Versicherungsvertrag, insbesondere Leistungskürzungen wegen grobfahrlässigen Verhaltens (Art. 14 Abs. 2 VVG), können der Geschädigten nicht entgegengehalten werden (Art. 65 Abs. 2 SVG). Alsdann steht dem Haftpflichtversicherer ein Regressrecht gegen den Schädiger zu (Art. 65 Abs. 3 SVG i.V.m. VVG; s. N 2015 ff.). Für den Fall, dass ein Fahrzeug gesetzeswidrig nicht versichert worden sein sollte oder dass über die entsprechende Versicherung der Konkurs eröffnet worden ist, sehen Art. 76 Abs. 2 lit. a und lit. b SVG vor, dass der Schaden von einem nationalen Garantiefonds ersetzt wird.

564 Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1576. 565 S. BGE 4A_499/2009 E. 2; ausführlich Fellmann, Haftpflichtrecht II, N 631 ff. 566 Werro, responsabilité, N 985.

646

§ 24

5.

Unerlaubte Handlung (Art. 41–60 OR; Spezialgesetze)

Verjährung

In Abweichung von Art. 60 Abs. 1 OR (s. N 2239 ff.) verdoppelt Art. 83 Abs. 1 SVG 2142 die relative Verjährungsfrist: Ansprüche aus Strassenverkehrsunfällen verjähren zwei Jahre ab Kenntnis des Schadens und der Identität des Halters. Die absolute Verjährungsfrist von Art. 60 OR wird dagegen von Art. 83 Abs. 1 SVG nicht tangiert und beträgt ebenfalls zehn Jahre vom Zeitpunkt der Begehung der schädigenden Handlung an gerechnet (s. N 2243). Wird der Anspruch aus einer strafbaren Handlung hergeleitet, für die das Strafrecht eine längere Verjährung vorsieht, so gilt jene Frist (Art. 83 Abs. 1 SVG).567 Im Rahmen der Revision des Verjährungsrechts im Obligationenrecht, die auf den 2142a 1.  Januar 2020 in Kraft tritt, wird auch die Verjährungsfrist gemäss Art.  83 SVG angepasst bzw. an die Verjährungsfristen der unerlaubten Handlung angeglichen. Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche aus Unfällen mit Motorfahrzeugen, Fahrrädern und fahrzeugähnlichen Geräten werden neu nach den Bestimmungen des Obligationenrechts über die unerlaubten Handlungen (Art. 60 OR) verjähren (Art. 83 Abs. 1 revSVG; s. dazu N 2237 ff.).568

567 S. dazu BGE 137 III 481 E. 2.3 und E. 2.4 = Pra 2012 Nr. 29. 568 BBl 2018 3547.

647

§ 25 Echte unberechtigte und unechte Geschäftsführung ohne Auftrag Grundlagenliteratur Bucher, OR BT, 261 ff.; Engel, CO PS, 573 f.; Guhl/Schnyder, § 49 N 37 ff.; Honsell, OR BT, 370 ff.; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 8 N 147 ff.; Tercier/Bieri/carron, CO PS, N 5372 ff.

Weiterführende Literatur Bürgi-Wyss Alexander Christoph, Der unrechtmässig erworbene Vorteil im schweizerischen Privatrecht – Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik der ungerechtfertigten Bereicherung und der Geschäftsführung ohne Auftrag, Diss. Zürich 2004; Chappuis Christine, La restitution des profits illégitimes: le rôle privilégié de la gestion d’affaires sans mandat en droit privé suisse, Diss. Genf 1990; Hofstetter Josef, Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), SPR Bd. VII/6, Basel/Genf/München 2000; Holenstein Patrizia, Wertersatz oder Gewinnherausgabe? Unter den Gesichtspunkten der ungerechtfertigten Bereicherung und der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag, Diss. Zürich 1983; Jenny Reto M., Die Eingriffskondiktion bei Immaterialgüterrechtsverletzungen, Diss. Zürich 2005; Lischer Urs, Die Geschäftsführung ohne Auftrag im schweizerischen Recht, Diss. Basel 1990; Nietlispach Markus, Zur Gewinnherausgabe im schweizerischen Privatrecht, Zugleich ein Beitrag zur Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung, Diss. Zürich 1994; Roberto Vito, Schadenersatz, Gewinnabschöpfung und Bereicherungsanspruch bei Immaterialgüterrechtsverletzungen, sic! 2008 Sonderheft, 29; Schmid Jörg, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, in: Gauch Peter/Schmid Jörg (Hrsg.), Die Rechtsentwicklung an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, Symposium zum Schweizerischen Privatrecht, Zürich 2001, 421–434 (zit.: Schmid, Symposium); Schmid Jörg, Gewinnherausgabe bei unerlaubter Untermiete, BGE 126 III 69 ff., recht 2000, 205–209 (zit.: Schmid, recht 2000); Schmid Jörg, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, Habil. Freiburg 1992 (zit.: Schmid, GoA); Weber Rolf H., Gewinnherausgabe – Rechtsfigur zwischen Schadenersatz-, Geschäftsführungs- und Bereicherungsrecht, ZSR 1992 I, 331–366 (zit.: Weber, ZSR 1992 I); Weber Rolf H., Praxis zum Auftragsrecht und zu den besonderen Auftragsarten, Bern 1990 (zit.: Weber, Praxis Auftragsrecht).

648

§ 25

Echte unberechtigte und unechte Geschäftsführung ohne Auftrag

I.

Echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag

1.

Begriff

Bei der echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (auch unberechtigte Fremdgeschäftsführung genannt) besorgt die Geschäftsführerin ein im Interesse des Geschäftsherrn nicht gebotenes Geschäft. Eine echte unberechtigte Geschäftsführung liegt auch vor, wenn dem (möglicherweise sogar notwendigen) Geschäft ein erkennbares und gültiges Einmischungsverbot des Geschäftsherrn entgegensteht.

2143

Bei der echten berechtigten wie auch bei der echten unberechtigten GoA wird die 2144 Geschäftsführerin – im Gegensatz zur «unechten» Geschäftsführerin (s. N 2154 ff.) – altruistisch tätig. Bei der echten unberechtigten GoA fehlt aber die Berechtigung: Entweder hat der Geschäftsherr die fremde Geschäftsführung erkennbar und gültig verboten1 (s. N 1489), oder sie liegt nicht in seinem wirklichen oder mutmasslichen Interesse, ist also nicht notwendig.

2.

Rechtsfolgen

Unter dem Titel «Geschäftsführung ohne Auftrag» ist die echte unberechtigte GoA 2145 nur in Ansätzen geregelt: Art. 420 Abs. 3 OR (Haftungsverschärfung; s. N 2147) und Art. 424 OR (Genehmigung; s. N 2191 ff.) befassen sich (auch) mit der echten unberechtigten GoA. Demgegenüber finden die Art. 419, Art. 420 Abs. 1, Art. 422 Abs. 3 (neben Abs. 1 und Abs. 2) und Art. 423 OR mindestens keine direkte Anwendung auf die echte unberechtigte GoA.2 Wird das Geschäft nicht nach Art. 424 OR genehmigt, richten sich die Ansprüche 2146 bei der unberechtigten GoA nach den Regeln von Art. 62 ff. OR, Art. 41 ff. OR und den sachenrechtlichen Vorschriften (z.B. Vindikation nach Art. 641 Abs. 2 ZGB) etc.3 Ausservertragliche Ansprüche gelangen zur Anwendung, weil die Geschäftsführerin nicht zum Eingriff in den fremden Rechtskreis berechtigt war. Im Gegensatz zur echten berechtigten Geschäftsführung entstehen also keine direkten quasivertraglichen Forderungen (s. N 1609). Ergänzend zu den nicht im Rahmen der GoA geregelten ausservertraglichen Aus- 2147 gleichsvorschriften tritt wie gesagt die Haftungsverschärfung von Art. 420 Abs. 3 OR hinzu, wenn die Geschäftsführerin ein erkennbares und gültiges Einmischungsver1 Engel, CO PS, 573; Schmid, GoA, N 616 ff. 2 CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 422 N 2 und Art. 423 N 1; Schmid, GoA, N 620 ff. 3 Schmid, GoA, N 637 ff.

649

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

bot missachtet:4 Die Geschäftsführerin haftet verschuldensunabhängig für Schäden, die aufgrund eines Zufalls entstehen (Kausalhaftung; s.  N  1657). Allfällige Haftungsmilderungen ergeben sich aus der punktuellen analogen Anwendung von Art. 420 Abs. 2 OR bzw. Art. 421 OR.5 Zu reduzieren ist die Haftungssumme demgegenüber nach Massgabe des Deliktsrechts (Art. 43 f. OR).

3.

Ansprüche der Geschäftsführerin

2148

Die echte unberechtigte Geschäftsführerin kann ihre Rückerstattungsansprüche  – unter Vorbehalt von Art. 424 OR – im Rahmen von Art. 62 ff. OR geltend machen. Voraussetzung dafür ist, dass der Geschäftsherr durch ihre Intervention ungerechtfertigt bereichert wurde.6

2149

Erleidet die Geschäftsführerin einen Schaden, wird dieser prinzipiell nach Art. 41 ff. OR abgewickelt. Allerdings ist kaum eine Konstellation denkbar, bei der sämtliche Haftungsvoraussetzungen von Art. 41 Abs. 1 OR erfüllt sind. Man denke allein schon an das Verschulden des Geschäftsherrn. Bei unberechtigten Eingriffen in eine fremde Rechtssphäre geht es denn auch nicht eigentlich um die Schadloshaltung der Eingreiferin, sondern um den Schutz des Geschäftsherrn vor dem unerwünschten oder «unpassenden» Eingriff.

4.

Ansprüche des Geschäftsherrn

2150

Möchte sich der Geschäftsherr die Vorteile aneignen, welche aus einer nicht gebotenen GoA resultieren, kann er diese genehmigen. Alsdann werden die Vorschriften über den Auftrag herangezogen (Art. 424 OR; s. N 2191 ff.).

2151

Ohne Genehmigung der Intervention kann der Geschäftsherr seine Ansprüche nur auf Bereicherungsrecht stützen (Art. 62 ff. OR).7 Gerade bei Art. 400 OR (Rechenschaftsablegung; s.  N  3275  ff.) sollte aber eine analoge Anwendung (Behandlung wie bei der echten berechtigen GoA) erwogen werden. Es würde nicht einleuchten, warum gerade der Geschäftsherr im Falle der echten unberechtigten und auch der unechten GoA ohne sachlichen Grund schlechter gestellt sein soll als bei der echten berechtigten GoA. Nach Schmid ist die Geschäftsführerin sodann gestützt auf Art. 2 Abs. 1 ZGB verpflichtet, Auskunft zu erteilen und Rechenschaft über die Geschäftsführung abzulegen.8 4 5 6 7 8

650

ZK OR-Schmid, Art. 420 N 61. ZK OR-Schmid, Art. 421 N 5 und N 10 sowie Art. 423 N 156 f. Schmid, GoA, N 641 und N 646. Hofstetter, 266 f. ZK OR-Schmid, Art. 423 N 168.

§ 25

Echte unberechtigte und unechte Geschäftsführung ohne Auftrag

In der Lehre umstritten ist die Frage, ob sich die Haftung der Geschäftsführerin der 2152 echten unberechtigten GoA nach den deliktischen Regeln (Art. 41 ff. OR)9 oder den vertraglichen Regeln (Art. 97 ff. OR)10 beurteilt. Unseres Erachtens richtet sich die Haftung nach den deliktischen Regeln (Art. 41 ff. OR; s. N 2146.). Diese Verschuldenshaftung wird gemäss Art. 420 Abs. 3 OR zu einer Zufallshaftung der Geschäftsführerin zugespitzt, wenn sich die Geschäftsführerin über ein erkennbares und gültiges Einmischungsverbot hinwegsetzt (Kausalhaftung; s. N 1657).11 Immerhin steht ihr der Exkulpationsbeweis offen, dass zwischen ihrem Verhalten und dem eingetretenen Schaden der Kausalzusammenhang fehlt (Art. 420 Abs. 3 OR; N 1657).12 Zieht die Geschäftsführerin für die Geschäftsbesorgung Hilfspersonen bei, müsste 2153 sie konsequenterweise nach Art. 55 OR haften. Dadurch würde sie besser gestellt als die «berechtigterweise» handelnde Geschäftsführerin, welche nach Art. 101 OR analog für ihre Hilfspersonen einzustehen hat. Sofern nicht ohnehin die Haftungsverschärfung gemäss Art. 420 Abs. 3 OR zum Zug kommt, postuliert die Lehre also eine analoge Anwendung von Art. 101 OR auf die echte unberechtigte GoA.13

II.

Unechte Geschäftsführung ohne Auftrag

1.

Begriff

Bei der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag (auch Eigengeschäftsführung genannt) besorgt die Geschäftsführerin ein fremdes Geschäft in ihrem eigenen Interesse. Die Geschäftsführerin ist bösgläubig, wenn sie um die Widerrechtlichkeit ihrer Intervention weiss oder wissen muss (Geschäftsanmassung). Sie ist gutgläubig, wenn sie um die Widerrechtlichkeit des von ihr getätigten Geschäfts weder weiss noch wissen muss (Geschäftseinmischung).

2154

Im Gegensatz zur echten berechtigten und unberechtigten GoA fehlt der Geschäfts- 2155 führerin bei der unechten GoA der Fremdgeschäftsführungswille.14 Sie greift in einen fremden Interessenkreis ein, ohne das Geschäft für den anderen führen zu wollen (s. N 1608). Damit handelt sie nicht altruistisch (fremdnützig), sondern egoistisch (eigennützig), mithin mit Eigengeschäftsführungswillen.15 9 10 11 12 13 14 15

Bucher, OR BT, 263; Schmid, GoA, N 642 ff. Guhl/Schnyder, § 49 N 40; Honsell, OR BT, 370 f. ZK OR-Schmid, Art. 423 N 155; s. Bucher, OR BT, 263. Guhl/Schnyder, § 49 N 40. Schmid, GoA, N 675 ff. CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 419 N 2. BGE 4C.326/2003 E. 3.5.1; 4C.389/2002 E. 3.2; 4C.234/1999 E. 6aa = Pra 2002 Nr. 73; 86 II 18 E. 4.

651

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

2156

In der Lehre werden zur unechten GoA verschiedene Fallgruppen genannt (z.B. Eingriff in dingliche Rechte, in Persönlichkeitsrechte, in Immaterialgüterrechte, aber auch in obligatorische Rechte).16

2157

Bei der Abgrenzung zwischen der echten und der unechten GoA ist unter anderem auch zu fragen, ob allenfalls bei der echten GoA ein «mitwirkendes» Eigeninteresse17 mitschwingen darf oder nicht. Ein solches Eigeninteresse wird nicht per se als Geschäftsanmassung angesehen: Solange die Geschäftsführerin in der Hauptsache im Interesse des Geschäftsherrn handelt, ihm also die Vorteile aus der auftragslosen Geschäftsführung zukommen lassen will, und die Eigeninteressen nicht im Vordergrund stehen, liegt eine echte GoA vor (s. auch N 1621 f.).18

2158

Bei der unechten GoA wird dogmatisch danach unterschieden, ob der Eingriff in eine fremde Rechtssphäre bösgläubig (Geschäftsanmassung) oder gutgläubig (Geschäftseinmischung) erfolgte (zur Unterscheidung s. N 2162 ff., N 2187 ff.). Als Kriterium dient hier das bei der Geschäftsführerin vorhandene Wissen bzw. Wissenmüssen um die Widerrechtlichkeit (Rechtswidrigkeit) des von ihr getätigten Geschäfts.19

2159

Die Unterscheidung zwischen bös- und gutgläubiger Eigengeschäftsführung ist darum wichtig, weil die Gewinnherausgabepflicht nach zutreffender Meinung entgegen dem (weiten) Wortlaut von Art. 423 Abs. 1 OR nur die bösgläubige Geschäftsführerin trifft.20

2160

Wie bei der echten GoA darf auch bei der unechten GoA kein Vertrag (z.B. Auftrag) oder ein anderer Rechtsgrund bestehen, der die Intervention der Geschäftsführerin rechtfertigt. Umstritten ist, ob der Geschäftsherr eine Eigengeschäftsführung gemäss Art. 424 OR genehmigen kann. Die herrschende Lehre lehnt dies aus dogmatischen Gründen ab (s. N 2192 ff.). Uns erscheint dies nicht zwingend.

16 17 18

S. zum Ganzen ZK OR-Schmid, Art. 423 N 38 ff. ZK OR-Schmid, Art. 419 N 16. BGE 4C.326/2003 E. 3.5.1; CR CO-Héritier Lachat, Art. 419 N 5, Art. 422 N 2 und Art. 423 N 6; ZK ORSchmid, Art. 423 N 18. 19 S. Schmid, GoA, N 731. 20 Bestätigt in BGE 4A_474/2012 E. 8.1; 4C.101/2003 E. 6.2; 129 III 422 E. 4; 126 III 69 E. 2a = Pra 2001 Nr. 11; CR CO-Héritier Lachat, Art. 423 N 8. S. auch Nietlispach, 123; ZK OR-Schmid, Art. 423 N 21; BSK OR-Weber, Art. 423 N 8 m.w.H.; a.M. Engel, CO PS, 574; Guhl/Schnyder, § 49 N 46.

652

§ 25

Echte unberechtigte und unechte Geschäftsführung ohne Auftrag

2161 unechte GoA

bösgläubige Eigengeschäftsführung

gutgläubige Eigengeschäftsführung

Rechtsfolgen bezüglich Gewinnherausgabe

Art. 423 OR

Art. 62 ff. OR

allenfalls Genehmigung nach Art. 424 OR möglich (umstritten; s. N 2192 ff.)

Abbildung: Unechte GoA

2.

Unechte bösgläubige Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 423 OR)

Bösgläubig ist die Geschäftsführerin, wenn sie weiss oder wissen muss (Art.  3 2162 Abs. 2 ZGB), dass sie ohne Rechtfertigungsgrund in eine fremde Rechtssphäre eingreift, um sich selber oder einem Dritten die daraus resultierenden Vorteile zu verschaffen (Geschäftsanmassung).21 Vermietet z.B. jemand fremdes Mobiliar im Wissen, dazu nicht berechtigt zu sein, liegt bösgläubige Eigengeschäftsführung vor.22 Art.  423 OR betrifft nur die bösgläubige Eigengeschäftsführung. In seiner frühe- 2163 ren Rechtsprechung23 hatte das Bundesgericht noch die Meinung vertreten, dass Art. 423 OR sowohl auf die bösgläubige als auch auf die gutgläubige Geschäftsführerin Anwendung finde. Seit geraumer Zeit ist es aber der Auffassung, dass Art. 423 OR nur auf die Geschäftsanmassung anwendbar ist:24 Mittels restriktiver Auslegung soll

21 BGE 4A_594/2012 E. 2.1.1; 4A_474/2012 E. 8.1; 4C.101/2003 E. 6.2; 126 III 69 E. 2a = Pra 2001 Nr. 11; CR CO-Héritier Lachat, Art. 423 N 9; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5392. 22 BGE 129 III 422 E. 4. 23 BGE 97 II 169 E. 3a. 24 BGE 129 III 422 E. 4; 126 III 69 E. 2a = Pra 2001 Nr. 11.

653

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

die gutgläubige Geschäftsführerin vor der Gewinnabschöpfung gemäss Art. 423 OR bewahrt werden.25 Auch die echte GoA wird davon nicht erfasst.26 2.1 2164

Voraussetzungen (Art. 423 Abs. 1 OR)

Um einen Gewinnabschöpfungsanspruch nach Art. 423 Abs. 1 OR zu begründen, müssen folgende Voraussetzungen kumulativ vorliegen:27 • Eingriff der Geschäftsführerin in eine fremde Rechtssphäre ohne Fremdgeschäftsführungswillen (s. N 2165 ff.); • Widerrechtlichkeit des Eingriffs (s. N 2174); • keine Rechtfertigung (s. N 2175); • Bösgläubigkeit der Geschäftsführerin (s. N 2176 f.); • Erzielen eines (kausalen) Verletzergewinns (s. N 2178). a.

Eingriff in eine fremde Rechtssphäre ohne Fremdgeschäftsführungswillen

2165

Art. 423 Abs. 1 OR setzt zunächst voraus, dass die Geschäftsführerin ohne Fremdgeschäftsführungswillen in eine fremde Rechtssphäre eingreift.28 Unter welchen Voraussetzungen dogmatisch besehen ein Eingriff in eine fremde Rechtsphäre (z.B. Eingriff in ein fremdes Vermögen) vorliegt, ist strittig:

2166

Das Bundesgericht und ein Teil der Lehre folgen der Eingriffstheorie (auch Widerrechtlichkeitstheorie genannt).29 Diese verlangt lediglich eine widerrechtliche Verletzung subjektiver Rechte. Bei einer Geschäftsanmassung ist danach jeder Eingriff in den fremden Rechtskreis widerrechtlich, der ohne Rechtfertigungsgrund erfolgt.30

2167

Ein anderer Teil der Lehre, welchem wir uns anschliessen, plädiert für die Zuweisungstheorie. Diese wird auch bei der Eingriffskondiktion angewendet (s. N 1798).31 Nach der Lehre vom Zuweisungsgehalt von subjektiven Rechten liegt unechte GoA lediglich beim Eingriff in solche vor, welche dem Berechtigten (nach dem Schutz-

25 26 27 28 29 30 31

654

S. ZK OR-Schmid, Art. 423 N 21. BGE 4C.326/2003 E. 3.5.1; 4C.389/2002 E. 3.2; 4C.234/1999 E. 6aa = Pra 2002 Nr. 73; Hofstetter, 266; CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 423 N 1; ZK OR-Schmid, Art. 423 N 9 m.w.H.; a.M. ZK OROser/Schönenberger, Art. 422 N 1 und Art. 423 N 1. Vgl. CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 423 N 4 ff. BGE 129 III 422 E. 4; 126 III 69 E. 2a = Pra 2001 Nr. 11. BGE 129 III 422 E. 4; 126 III 69 E. 2b = Pra 2001 Nr. 11; anders noch BGE 39 II 702 E. 4; Bucher, OR BT, 262; Schmid, GoA, N 745 ff. Schmid, GoA, N 746. Hofstetter, 269; Jenny, N  237 und N  351  ff.; CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art.  423 N  5; BSK OR-Weber, Art. 423 N 5 f. und N 10.

§ 25

Echte unberechtigte und unechte Geschäftsführung ohne Auftrag

zweck der massgeblichen Norm bzw. nach dem Willen der Rechtsordnung) zur ausschliesslichen wirtschaftlichen Nutzung zugeordnet sind.32 Im Gegensatz zur Widerrechtlichkeitstheorie wird bei der Zuweisungstheorie also 2168 nicht jede Beeinträchtigung eines subjektiven Rechts als «GoA-verdächtiger» Eingriff in einen fremden Rechtskreis angesehen. Vielmehr muss es sich um einen Eingriff in ein subjektives Recht handeln, das dem Geschäftsherrn eine Monopolstellung hinsichtlich der wirtschaftlichen Ausübung, Nutzung und Verwertung einräumt.33 So kann z.B. die Verletzung von Rechten mit ausschliesslich negativem Gehalt (z.B. negative Servitute) keine unechte GoA begründen.34 Da solche Rechte keinen Zuweisungsgehalt zugunsten des Verletzten aufweisen, ist eine Gewinnabschöpfung nach Art. 423 OR ausgeschlossen. Der Anspruchsgegner kann stattdessen gegen die Eingreiferin auf Unterlassung oder Schadenersatz klagen.35

2169

Der Eingriff in absolute Rechte (z.B. Eigentum, beschränkte dingliche Rechte, 2170 Immaterialgüter-36, Persönlichkeits-, Firmenrechte etc.) kann unabhängig von der vertretenen Auffassung als ein Fall von GoA betrachtet werden.37 Der Theorienstreit erlangt vor allem praktische Bedeutung, wenn das relative 2171 Recht eines Vertragspartners verletzt wurde, ohne dass gleichzeitig in dessen absolute Rechte eingegriffen wurde. Grundsätzlich löst eine Vertragsverletzung schadenersatzrechtliche Folgen nach Art.  97 OR aus. Die Gläubigerin kann das positive Vertragsinteresse fordern, wozu auch der entgangene Gewinn gehört. Eine Abschöpfung des Gewinns, welcher dem Schuldner durch die Vertragsverletzung angewachsen ist, lässt Art. 97 OR aber nicht zu.38 Angesichts des Grundsatzes, dass sich Unrecht nicht lohnen darf,39 wird in der herrschenden Lehre dafür gehalten, dass ein Gewinnabschöpfungsanspruch nach Art. 423 Abs. 1 OR auch im Fall einer reinen Vertragsverletzung, das heisst, ohne dass gleichzeitig ein absolutes Recht verletzt sein muss, gerechtfertigt ist.40

32 33 34 35 36 37 38 39 40

CHK OR-Hahn, Art. 62 N 23; Hofstetter, 268 ff.; Jenny, N 237; CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 423 N 5. CHK OR-Hahn, Art. 62 N 23; Jenny N 237 m.w.H.; Schmid, GoA, N 748. Hofstetter, 269; Schmid, GoA, N 749. Schmid, GoA, N 749 m.w.H. S. dazu ausführlich Jenny, N 228 ff. S. auch dazu CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 423 N 7. Schmid, GoA, N 1235. BGE 126 III 382 E. 4b ee m.w.H.; ZK OR-Schmid, Art. 423 N 93 und N 99. Hofstetter, 269 f.; Lischer, 30 und 143 ff.; Schmid, GoA, N 1244; a.M. Bucher, OR BT, 262; Jenny, N 400 ff.

655

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

2172

Die Anwendbarkeit von Art. 423 Abs. 1 OR wird namentlich befürwortet: bei vertragswidriger Untervermietung oder -verpachtung41; bei Verletzung eines Alleinvertriebsvertrages42; bei Verletzung eines Konkurrenzverbotes ausserhalb des Arbeitsrechts43, insbesondere durch einen Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigten (Art. 464 Abs. 2 OR)44; bei der Bezahlung von Schmiergeldern45; bei der unbefugten Nutzung, Übertragung und Verwertung von vertraglich anvertrauten Vermögenswerten, so auch bei einem unerlaubtem Selbsteintritt des Kommissionärs46; bei eigennütziger Verwertung anvertrauter Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse47; bei der Entgegennahme einer Zahlung, welche einer anderen Person zusteht (sog. Eingriff in die Forderungszuständigkeit)48; bei der unerlaubten Zession einer fremden Forderung. Beim Doppelverkauf ist eine herrschende Lehre nicht auszumachen.49 Bei Verletzung des arbeitsvertragsrechtlichen Konkurrenzverbots wird die Anwendbarkeit von Art. 423 OR abgelehnt.50

2173

Nicht vorausgesetzt wird im Übrigen, dass der Geschäftsherr das von der Geschäftsführerin betriebene Geschäft auch selber geführt hätte oder hätte führen können. Das Bundesgericht nimmt z.B. bei Persönlichkeitsverletzungen im Medienbereich auch dann einen Fall von Art. 423 OR an, wenn keine Geschäftsusurpation vorliegt. Der Geschädigte hätte wohl kaum eine Pressekampagne gegen sich selber geführt und deshalb logischerweise damit auch keinen Gewinn erzielt.51 Auch dies folgt aus dem Grundsatz, dass sich eine unerlaubte Handlung für die Schädigerin nicht auszahlen dürfen soll. b.

2174

Widerrechtlichkeit

Das Erfordernis der Widerrechtlichkeit ergibt sich bei Art. 423 OR aus seiner systematischen Stellung.52 Ein Eingriff in eine fremde Rechtssphäre ist bei der unechten

41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52

656

BGE 126 III 69 E. 2b = Pra 2001 Nr. 11; bestätigt in BGE 4A_456/2010 E. 4; anders noch BGE 39 II 702 E. 4 und E. 5; Bürgi-Wyss, 269; Chappuis, 11 f. und 133 ff.; Hofstetter, 269 FN 5 und FN 7; Lischer, 147 f.; Schmid, GoA, N 1247; Weber, ZSR 1992 I, 337 f. und 362. Hofstetter, 269 FN 7; Holenstein, 107 f. und 184 ff.; Schmid, GoA, N 1248; Weber, ZSR 1992 I, 337 f. und 362; a.M. Bucher, OR BT, 262. Bürgi-Wyss, 271; ZK OR-Schmid, Art. 423 N 81. Schmid, GoA, N 1256. ZK OR-Schmid, Art. 423 N 84; Schmid, GoA, N 1250. BGE 26 II 32 E. 5. Hofstetter, 269 FN 7; ZK OR-Schmid, Art. 423 N 89; Schmid, GoA, N 1255. BGE 68 II 29 E. 4; CR CO-Héritier Lachat, Art. 423 N 16; Schmid, GoA, N 817; Schwenzer, OR AT, N 57.08. Die Anwendbarkeit von Art. 423 OR bejahend: Bürgi-Wyss, 268; ZK OR-Schmid, Art. 423 N 83; verneinend: Hofstetter, 270; Schwenzer, OR AT, N 57.08. Hofstetter, 269 FN 5; ZK OR-Schmid, Art. 423 N 82; a.M. Bürgi-Wyss, 272. BGE 133 III 153 E. 2.4. CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 423 N 10.

§ 25

Echte unberechtigte und unechte Geschäftsführung ohne Auftrag

GoA per se als widerrechtlich im Sinne von Art. 41 ff. OR zu qualifizieren, da die Geschäftsführerin schwergewichtig eigennützig (egoistisch) tätig wird.53 c.

Keine Rechtfertigung

Liegen gesetzliche oder vertragliche Rechtfertigungsgründe vor, ist der Anspruch aus Art. 423 OR abzuweisen (z.B. Notwehr Art. 52 Abs. 1 OR; s. N 1961 ff.).54 d.

2175

Bösgläubigkeit

Art.  423 Abs.  1 OR erfasst nur die bösgläubige Eigengeschäftsführung: Die 2176 Geschäftsführerin weiss oder hätte wissen müssen, dass sie ohne Rechtfertigungsgrund in eine fremde Rechtssphäre eingreift, um sich oder einem Dritten dadurch einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen. Dieser Auffassung folgen seit längerer Zeit auch das Bundesgericht55 sowie die herrschende Lehre56. Das Vorliegen von Bösgläubigkeit ist für die Gewinnabschöpfung deshalb zu fordern, weil diese im Vergleich zu Art. 41 OR die härtere Sanktion darstellt. Ist dort für die Entstehung eines Schadenersatzanspruchs ein Verschulden vorausgesetzt, muss dieses a minori ad maius auch für Art. 423 OR erforderlich sein.57 Teilweise wird in der Lehre der Standpunkt vertreten, Bösgläubigkeit sei nicht allgemein mit Verschulden gleichzusetzen, sondern nur mit Vorsatz oder Eventualvorsatz.58 Die Bösgläubigkeit bzw. das Verschulden der Geschäftsführerin ist vom Geschäfts- 2177 herrn zu beweisen. e.

Erzielung eines (kausalen) Gewinns

Im Weiteren kann der Geschäftsherr die Herausgabe des Gewinns nur fordern, 2178 wenn die Geschäftsführerin überhaupt einen Gewinn (sog. Verletzergewinn) erzielte. Dieser Gewinn muss kausal zum Eingriff in die fremde Rechtssphäre sein.59

53 54 55 56

ZK OR-Schmid, Art. 423 N 19. CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 423 N 10. BGE 4C.290/2005 E. 3.1; 129 III 422 E. 4; anders noch BGE 97 II 169 E. 3a; 47 II 195 E. 1. Hofstetter, 271  f.; CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art.  423 N  11 m.w.H.; ZK OR-Schmid, Art. 423 N 36; a.M. Bucher, OR BT, 261. 57 Hofstetter, 272; CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 423 N 11; Schmid, GoA, N 789 ff. 58 Jenny, 146 f.; Roberto, sic! 2008 Sonderheft, 29. 59 BGE 133 III 153 E. 3.3; s. CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 423 N 4.

657

3. Kapitel

2179

2.2

Rechtsfolgen

a.

Anspruch des Geschäftsherrn auf Gewinnherausgabe

Art. 423 Abs. 1 OR sanktioniert das bösgläubige Verhalten der Geschäftsführerin, indem es dieser im Wesentlichen alles, was für sie an Vorteilen aus ihrer Intervention resultiert, abspricht. Die Geschäftsführerin hat mit anderen Worten den ganzen dem Geschäft entspringenden Nutzen herauszugeben (sog. Gewinnherausgabe bzw. Gewinnabschöpfung).60 Gegenstand des Anspruchs ist der Nettogewinn, das heisst der Bruttogewinn der Geschäftsanmasserin zuzüglich Zinsen und abzüglich Aufwendungen (s. N 2182, N 1806).61 b.

2180

Ausservertragliche Ansprüche

Nebenanspruch des Geschäftsherrn auf Auskunft und Rechenschaft

Des Weiteren trifft die Geschäftsführerin eine Auskunfts- und Rechenschaftspflicht hinsichtlich der Geschäftsführung bzw. der damit in einem Zusammenhang stehenden Dokumente etc. Dies ergibt sich gemäss Schmid und Nietlispach aus Art. 2 Abs. 1 ZGB, also nicht aus der analogen Anwendung von Art. 400 OR.62 Nach der hier vertretenen Ansicht steht einer analogen Anwendung von Art. 400 OR (gleich wie bei der echten berechtigten GoA; s.  N  1653) hingegen nichts im Wege. Der Geschäftsherr soll bei einer unechten GoA nicht schlechter gestellt werden als bei einer echten berechtigten GoA (s. dazu N 2151). In einem jüngst ergangenen Entscheid hat das Bundesgericht einen Anspruch auf Auskunft bzw. Rechenschaftsablegung ebenfalls bejaht.63 Tendenziell scheint das Bundesgericht in diesem Entscheid den Nebenanspruch des Geschäftsherrn auf Auskunft und Rechenschaft auf Art. 423 OR abzustützen, es hat aber die Frage der Rechtsgrundlage letztlich offengelassen.64

60 61

S. auch BGE 4A_594/2012 E. 5.1; 126 III 69 E. 2b = Pra 2001 Nr. 11; Schmid, Symposium, 427. Für ein Anwendungsbeispiel bei einer Patentverletzung s. BGE 134 III 306; ausführlich CHK OR-Jenny/ Maissen/Huguenin, Art. 423 N 13 ff.; ZK OR-Schmid, Art. 423 N 95 und N 102 ff.; Tercier/Bieri/ Carron, CO PS, N 5422; s. dazu auch Nietlispach, 123 ff. 62 Nietlispach, 126; ZK OR-Schmid, Art. 423 N 123. 63 BGE 143 III 297 E. 8. 64 S. BGE 144 III 43 E. 4.2 (obiter dictum), wonach sich der Nebenanspruch Rechenschaftsablegung für den Geschäftsherrn aus Art. 423 Abs. 1 OR ergebe (mit Verweis auf BGE 143 III 297 E. 8.2.5.2). In BGE 143 III 297 E. 8.2.5.2 stellte das Bundesgericht fest, dass sich die herrschende Lehre für diesen Nebenanspruch auf Art. 2 Abs. 1 ZGB stütze. In der Folge erklärte es in E. 8.2.5.5, dass die vorinstanzlichen Ausführungen zu Art. 400 OR nicht auf den konkreten Fall passen würden. Gleichzeitig liess es aber die Frage der Rechtsgrundlage des Nebenanspruchs explizit offen («[l]osgelöst von der Frage, ob der Hilfsanspruch auf Auskunft und Rechenschaft im Streit um eine Gewinnherausgabe auf Art. 400 OR fusst»).

658

§ 25

c.

Echte unberechtigte und unechte Geschäftsführung ohne Auftrag

Schadenersatzanspruch des Geschäftsherrn gegenüber der Geschäftsführerin

Die Geschäftsführerin trifft im Wissen bzw. Wissenmüssen um die Führung fremder 2181 Geschäfte im eigenen Interesse ein Übernahmeverschulden.65 Sie haftet daher entsprechend Art. 420 Abs. 3 OR für jeden Schaden, also etwa auch für einen Zufallsschaden, der beim Geschäftsherrn als adäquat kausale Folge ihrer Intervention entsteht. Kann sie indessen nachweisen, dass der entsprechende Schaden auch ohne die Geschäftsanmassung entstanden wäre, haftet sie nicht. d.

Ansprüche der Geschäftsführerin (Art. 423 Abs. 2 OR)

Gemäss Art.  423 Abs.  2 OR darf die Geschäftsführerin insoweit «Ersatzleistung» 2182 und «Entlastung» verlangen, als der Geschäftsherr bereichert ist. Dieser unklar formulierte Absatz muss sinnvollerweise so gelesen werden, dass die Geschäftsführerin ihre Aufwendungen vom Bruttogewinn abziehen kann bzw. nur den Nettogewinn herauszugeben hat (s. N 2179).66 Im Gegensatz zu Art. 422 Abs. 1 in fine OR hat die Eigengeschäftsführerin gegen- 2183 über dem Geschäftsherrn keinen Anspruch auf Schadenersatz.67 2.3

Verjährung des Gewinnherausgabeanspruchs

In der Lehre ist die Verjährung des Gewinnherausgabeanspruchs nach Art. 423 OR 2184 umstritten. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, dass eine zehnjährige Verjährungsfrist (Art. 127 OR) gilt:68 Begründet wird dies damit, dass die Geschäftsführerin bei der bösgläubigen Eigengeschäftsführung nicht besser gestellt werden soll als bei der Fremdgeschäftsführung.69 Das Bundesgericht70 und mit ihm die Gegenmeinung71, welcher wir uns anschlies- 2185 sen, berufen sich auf die deliktische Natur der bösgläubigen Eigengeschäftsführung und postulieren die Anwendung von Art. 60 OR (einjährige Frist; mit dem Inkraft-

65 CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 423 N 20; ZK OR-Schmid, Art. 423 N 144 m.w.H.; BSK ORWeber, Art. 423 N 12. 66 CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 423 N 21; ZK OR-Schmid, Art. 423 N 137. 67 So auch ZK OR-Schmid, Art. 423 N 145. 68 Bucher, OR AT, 663; Engel, CO PS, 574; Honsell, OR BT, 372 f. 69 Engel, CO PS, 574; Honsell, OR BT, 372 f. 70 BGE 4A_109/2011 E. 9.3.1; 126 III 382 E. 4b m.w.H.; s. Jenny, N 298 ff. m.w.H. 71 Jenny, N 299 f.; CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 423 N 22; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5429; BSK OR-Weber, Art. 423 N 17. Differenzierend Schmid, recht 2000, 208, wonach Art. 127 OR nur dann anwendbar sein solle, wenn gleichzeitig eine Vertragsverletzung vorliege.

659

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

treten des neuen Verjährungsrechts am 1. Januar 2020 wird diese Frist auf drei Jahre verlängert72).73 2186

Das Bundesgericht weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass eine Besserstellung des Schädigers (bzw. des Bereicherten) aus unerlaubter Handlung (bzw. ungerechtfertigter Bereicherung) gegenüber dem im Rahmen eines Vertrages pflichtwidrig Handelnden dem schweizerischen Recht nicht fremd ist.74 Hier wird zwar grundsätzlich für eine Angleichung der Fristen aus verschiedenen Ansprüchen plädiert. Eine solche ist aber nur de lege ferenda zu erreichen. Unter dem geltenden, heterogenen Fristenregime ist de lege lata aber mindestens für die Gleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte zu sorgen.

3.

Unechte gutgläubige Geschäftsführung ohne Auftrag

2187

Von unechter GoA spricht man auch, wenn die Geschäftsführerin ohne Auftrag ein objektiv fremdes Geschäft ausführt, aber subjektiv der Überzeugung ist, sie handle in eigener Sache.75 Die Geschäftsführerin handelt zwar in der Absicht, sich selber oder einem Dritten Vorteile anzueignen. Im Gegensatz zum oben genannten Fall fehlt es ihr aber an Bösgläubigkeit bezüglich der Fremdheit des Geschäfts (sog. gutgläubige Eigengeschäftsführung oder Geschäftseinmischung).

2188

Weil sie sich in einem Irrtum befindet, erkennt sie nicht, dass das Geschäft ein fremdes – und nicht ein eigenes – ist bzw. dass sie ohne Rechtfertigungsgrund in ein fremdes Interessengebiet eingreift. Ihr Irrtum darf für sie auch bei genügender Aufmerksamkeit nicht erkennbar gewesen sein; dieser muss also entschuldbar gewesen sein. Ist dies nicht der Fall, gilt sie als bösgläubig (s. Art. 3 Abs. 2 ZGB).76

2189

Auf die gutgläubige Eigengeschäftsführung ist Art.  423 OR trotz dessen weiten Wortlauts nach herrschender Auffassung nicht anwendbar.77 Vielmehr gelangen auf allfällige Erstattungsansprüche des Geschäftsherrn die Art. 62 ff. OR zur Anwendung.78 Ansprüche aus Art. 41 ff. OR kann der Geschäftsherr in der Regel mangels Verschuldens der Geschäftsführerin (s. N 2176) nicht geltend machen.

2190

Auch bei der gutgläubigen Eigengeschäftsführung soll die Geschäftsführerin gemäss Schmid gestützt auf Art. 2 Abs. 1 ZGB verpflichtet sein, Auskunft zu erteilen und

72 73 74 75 76 77 78

660

S. BBl 2018 3535 ff., 3537. S. zum Meinungsstreit BGE 126 III 382 E. 4b und ZK OR-Schmid, Art. 423 N 131 ff. m.w.H. zu beiden Positionen. BGE 126 III 382 E. 4b ee. BSK OR-Weber, Vor Art. 419–424 N 10. ZK OR-Schmid, Art. 423 N 163; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5437; s. ferner Nietlispach, 96. S. BGE 126 III 69 E. 2a = Pra 2001 Nr. 11. Schmid, GoA, N 1128.

§ 25

Echte unberechtigte und unechte Geschäftsführung ohne Auftrag

Rechenschaft über die Geschäftsführung abzulegen (s. N 2151).79 Nach der hier vertretenen Ansicht steht – wie bereits im Rahmen der bösgläubigen Eigengeschäftsführung ausgeführt (s. N 2180) – einer analogen Anwendung von Art. 400 OR (gleich wie bei der echten berechtigten GoA; s. N 1653) nichts im Wege. Der Geschäftsherr soll bei einer unechten GoA nicht ohne sachlichen Grund schlechter gestellt werden als bei einer echten berechtigten GoA (s. dazu N 2151).

III.

Genehmigung (Art. 424 OR)

Gemäss Art. 424 OR kann der Geschäftsherr die Geschäftsbesorgung nachträglich 2191 genehmigen. Alsdann gelangen die Bestimmungen über den Auftrag zur Anwendung. Nach vorherrschender Auffassung kann der Geschäftsherr eine echte (berechtigte oder unberechtigte) GoA genehmigen. Uneinigkeit herrscht dagegen darüber, ob Art. 424 OR auch auf die Eigengeschäftsführung (s. N 2162 ff.) Anwendung findet:

2192

Die herrschende Lehre lehnt die Anwendbarkeit von Art. 424 OR auf die unechte 2193 GoA aus dogmatischen Gründen ab:80 Eine Genehmigung zieht die Anwendung der auftragsrechtlichen Pflichten nach sich (Art. 424 OR).81 Diese setzen aber voraus, dass jemand ein fremdes Geschäft führen will. Ein solcher Wille liegt bei der unechten GoA gerade nicht vor, sondern wird durch den Eigengeschäftsführungswillen ersetzt.82 Eine Eigengeschäftsführerin hätte den Eingriff in einen fremden Interessenkreis von vornherein unterlassen sollen. Greift sie trotzdem ein, ist es nicht gerechtfertigt, nachträglich zu überprüfen, ob sie die Geschäfte auch sorgfältig ausgeführt hat.83 Demgegenüber vertritt eine Minderheit, der wir uns anschliessen, aus Gründen der 2194 Privatautonomie den Standpunkt, dass der Geschäftsherr auch die Geschäftsbesorgung einer gut- oder bösgläubigen Eigengeschäftsführerin genehmigen kann.84 Die Genehmigung ist ein einseitiges, empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft und 2195 kann als solches formlos (ausdrücklich oder konkludent) erfolgen.85 Eine konklu79 ZK OR-Schmid, Art. 423 N 168. 80 BGE 4A_496/2007 E.  2.2 implizit; Hofstetter, 251; Lischer, 110  f.; ZK OR-Schmid, Art.  424 N  7 m.w.H.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5409; BSK OR-Weber, Art. 424 N 3 m.w.H. A.M. Chappuis, 33; BK OR-Gautschi, Art. 424 N 2a; ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 424 N 1. 81 CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 424 N 1; BSK OR-Weber, Art. 424 N 1. 82 ZK OR-Schmid, Art. 424 N 7; BSK OR-Weber, Art. 424 N 3 m.w.H.; s. ferner Lischer, 110 f. 83 ZK OR-Schmid, Art. 424 N 7. 84 BK OR-Gautschi, Art. 424 N 2a. 85 Hofstetter, 253; CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 424 N 2 f.; ZK OR-Schmid, 424 N 8 und N 10.

661

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

dente Genehmigung wird angenommen, wenn der Geschäftsherr die Vorteile aus der Geschäftsführung herausverlangt oder Ansprüche gegen Dritte aufgrund von Art. 401 OR geltend macht.86 2196

Die Rechtsfolge der Genehmigung nach Art. 424 OR ist die partielle Anwendung des Auftragsrechts auf das Verhältnis zwischen Geschäftsführerin und Geschäftsherr. Das Geschäftsführungsverhältnis wird dabei nicht in einen Auftrag umgewandelt; vielmehr wird nur gerade die Ausübung der (strittigen) Rechte und Pflichte ex tunc an den einschlägigen auftragsrechtlichen Normen gemessen (Fiktion).87 Das Auftragsrecht kommt also nur insoweit zur Anwendung, als es als sachgerecht erscheint. Durch die Genehmigung soll die Geschäftsführerin nicht schlechter gestellt werden als ohne.88

2197

So wird z.B. die Haftungsbeschränkung zugunsten einer vertragsunfähigen Geschäftsführerin (Art. 421 Abs. 1 OR) durch die Genehmigung nicht berührt.89 Ebenso wenig kann sich der Geschäftsherr auf die für ihn günstigere Bestimmung von Art. 402 Abs. 2 OR berufen, wenn die Geschäftsführerin einen Schadenersatzanspruch nach Art. 422 Abs. 1 OR hat.90 Des Weiteren ist eine Solidarhaftung mehrerer Geschäftsführerinnen nach Art. 403 Abs. 2 OR nicht anzunehmen.91

2198

Im entsprechenden Einzelfall ist überdies zu prüfen, ob eine Genehmigung nach Art.  424 OR gleichzeitig als Genehmigung im Sinne von Art.  38 Abs.  1 OR verstanden werden kann.92 Die Genehmigung nach Art. 424 OR ist an die Geschäftsführerin gerichtet und betrifft das Innenverhältnis. Die Genehmigung gemäss Art. 38 Abs. 1 OR dagegen geht an den Dritten und betrifft das Aussenverhältnis (s. N 1088 ff.).93

IV. 2199

Konkurrenzen hinsichtlich der Ansprüche des Geschäftsherrn

Konkurrenzen ergeben sich bei der GoA insbesondere bezüglich der Ansprüche des Geschäftsherrn (s. N 2200). 86 87

Hofstetter, 253; CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 424 N 3 m.w.H. BGE 4A_496/2007 E.  2.2; Hofstetter, 249  f.; CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art.  424 N  5; BSK OR-Weber, Art. 424 N 1 und N 7. 88 CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 424 N 5; ZK OR-Schmid, Art. 424 N 17. 89 Hofstetter, 250; ZK OR-Schmid, Art. 424 N 17. 90 Chappuis, 34; ZK OR-Schmid, Art. 424 N 17; s. auch CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 424 N 5. 91 CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 424 N 5; ZK OR-Schmid, Art. 424 N 17. 92 CR CO-Héritier Lachat, Art. 424 N 9; CHK OR-Jenny/Maissen/Huguenin, Art. 424 N 8; ZK ORSchmid, Art. 424 N 26 f. 93 BSK OR-Weber, Art. 424 N 10.

662

unechte GoA

echte GoA

§ 25

Echte unberechtigte und unechte Geschäftsführung ohne Auftrag

Normen des 14. Titels (GoA)

Art. 97 ff. OR

Art. 41 ff. OR

Art. 62 ff. OR

Art. 938– 940 ZGB

berechtigte Fremdgeschäftsführung

Art. 400 OR analog Art. 420 Abs. 1 und Abs. 2 OR









unberechtigte Fremdgeschäftsführung

Art. 400 OR analog unter Umständen Art. 420 Abs. 3 OR



bösgläubige Eigengeschäftsführung

Art. 400 OR analog Art. 423 OR

gutgläubige Eigengeschäftsführung

Art. 400 OR analog

2200



Art. 940 ZGB –



Art. 938/ 939 ZGB

Abbildung: Ansprüche des Geschäftsherrn auf Vorteilsaneignung und Schadenersatz

1.

Art. 423 OR und Art. 97 ff. OR

Bei reinen Vertragsverletzungen (das heisst ohne die gleichzeitige Beeinträchtigung 2201 eines absoluten Rechts) kann nach herrschender Lehre neben den Ansprüchen aus Art. 97 ff. OR kumulativ auch der Gewinn nach Art. 423 OR abgeschöpft werden; ein anderer Teil der Lehre will dagegen die Gewinnabschöpfung nur bei der Verletzung von absoluten Rechten zulassen (s. N 2171 f.).94 Das vertragsbrüchige Verhalten muss in diesem Fall auch als bösgläubige Eigengeschäftsführung qualifiziert werden können.95 Die vertragsbrüchige Partei muss hierfür nach der Zuweisungstheorie den Gewinn durch den Eingriff in ein Recht erlangen, dessen wirtschaftliche Ausbeutung exklusiv dem Geschäftsherrn zugewiesen ist.96 Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Fabrikant Maschinen nach den Plänen des Bestellers baut, diese dann aber trotz anderslautender vertraglicher Verpflichtung auch an Dritte verkauft.97

94 Bejahend in gewissen Konstellationen: ZK OR-Schmid, Art. 423 N 69 ff.; BSK OR-Weber, Art. 423 N 6; ablehnend: Bucher, OR BT, 262; Jenny, N 400 ff. 95 ZK OR-Schmid, Art. 423 N 77. 96 Hofstetter, 247; ZK OR-Schmid, Art. 423 N 77. 97 BGE 45 II 202, 207 ff.; Hofstetter, 247.

663

3. Kapitel

2.

Ausservertragliche Ansprüche

Art. 423 OR und Art. 62 ff. OR

2202

Bei der bösgläubigen Eigengeschäftsführung besteht Anspruchskonkurrenz zwischen der Herausgabe des Gewinns gemäss Art. 423 OR und der Herausgabe der Bereicherung gemäss Art.  62  ff. OR. Dem Geschäftsherrn stehen diese beiden Ansprüche also wahlweise zu (alternative Konkurrenz).98

2203

Die beiden Ansprüche unterscheiden sich im Umfang: Art.  423 OR räumt dem Geschäftsherrn einen Anspruch auf den gesamten Nettogewinn ein (s.  N  2179), während die Eingriffskondiktion gemäss Art. 62 OR nur den Wertersatz im Rahmen der objektiven Bereicherung (ohne Gewinn) gewährt.99 Die Herausgabe des von der Bereicherten erwirtschafteten Gewinns wird von Art. 62 ff. OR grundsätzlich nicht erfasst. Die Bereicherung bemisst sich nur nach dem Wert des unrechtmässig Erlangten (s. N 1806).

2204

Ansprüche gemäss Art. 62 ff. OR sind sodann grundsätzlich verschuldensunabhängig, bei Gutgläubigkeit dem Umfang nach jedoch auf die noch vorhandene Bereicherung beschränkt (Art. 66 OR).

2205

Eine Bereicherung kann indessen nicht nur durch eine Vermögensverschiebung zulasten des Entreicherten, sondern auch durch die Erwirtschaftung von Gewinn entstehen. Im zweiten Fall erbringt die Bereicherte eine eigene Leistung, wobei sie oft auch ein Risiko trägt.

2206

Gegenstand des Bereicherungsanspruchs sind nur die Ersparnisse, welche die Bereicherte durch den Eingriff in die Vermögenswerte des Entreicherten erzielt, nicht jedoch die darüber hinausgehenden Vorteile, welche aus ihrer Eigenleistung entstehen. Sähe man dies anders, würde das Erfordernis der Bösgläubigkeit von Art. 423 OR für die Gewinnherausgabe oder des Verschuldens gemäss Art. 41 OR für einen umfassenderen Ersatz des entstandenen Schadens gegenstandslos.100

2207

Macht der Geschädigte Bereicherungsansprüche geltend, ergeben sich auch insofern Schwierigkeiten, als diese auf die im Zusammenhang mit einer vorausgegangenen Vermögensverschiebung stehende Rückerstattung von Sachleistungen (wenn möglich in natura) hin konzipiert sind (s. N 1803 ff.). Die Gewinnherausgabe dagegen zielt nicht auf Restitution, sondern auf Abschöpfung des Gewinns; sie hat gerade keine restitutio in integrum zum Inhalt.101

2208

Anschaulich ist in diesem Zusammenhang das Beispiel einer Immaterialgüterrechtsverletzung: Gestützt auf Art. 62 OR hat der Geschäftsherr, dessen Immaterialgüterrecht unrechtmässig genutzt wurde, nur Anspruch auf eine angemessene Lizenzge98 Schmid, GoA, N 1337 m.w.H.; Schwenzer, OR AT, N 59.18. 99 Holenstein, 163; Schmid, GoA, N 1333 ff. 100 OGer Zürich, sic! 2010, 889 ff. «Love», E. IV 3.5.1. 101 BGE 133 III 153 E. 2.4.

664

§ 25

Echte unberechtigte und unechte Geschäftsführung ohne Auftrag

bühr (Nutzungsgebühr). Anspruch auf den Gewinn, welchen die Geschäftsführerin aus der Verletzung des Immaterialgüterrechts gezogen hat, stehen dem Geschäftsherrn nur gemäss Art. 423 OR zu. Aus alledem ergibt sich, dass der Geschäftsherr sich vorzugsweise auf Art.  423 2209 Abs. 1 OR beruft. Diese Bestimmung hält für ihn einen umfangmässig vorteilhafteren Anspruch bereit als Art. 62 ff. OR.102

3.

Art. 423 OR und Art. 41 ff. OR

Der bösgläubige Eingriff in fremde absolute Rechte stellt nicht nur eine unechte (bösgläubige) GoA, sondern zugleich eine unerlaubte Handlung dar. Das Verhältnis zwischen der Gewinnabschöpfung nach Art. 423 Abs. 1 OR und dem Schadenersatz nach Art. 41 ff. OR wird in der Lehre unterschiedlich konzeptualisiert.103

2210

Nach der jüngeren Praxis des Bundesgerichts und einem Teil der Lehre schliessen 2211 sich die Ansprüche aus Art. 41 ff. OR und Art. 423 Abs. 1 OR nicht zwingend gegenseitig aus: Schadenersatz und Gewinnherausgabeanspruch können demnach kumuliert werden (s. N 4148 ff.), wenn und insoweit die Schadens- und die Gewinnberechnung jeweils verschiedene Posten betreffen, mithin die Gewinnabschöpfung nicht «die Funktion eines Schadensausgleiches»104 hat (z.B. widerrechtliche Publikation führt zu Verlust der Arbeitsstelle und der Wohnung105).106 Geht dagegen der entgangene Gewinn im Gewinnherausgabeanspruch auf, kann 2212 der Geschädigte wahlweise entweder Schadenersatz oder Gewinnherausgabe, nicht aber beides zugleich verlangen. Nach der Rechtsprechung und einem Teil der Lehre besteht in einem solchen Fall zu Recht Anspruchskonkurrenz (alternative Konkurrenz; s. N 4143 ff.).107 Die (an sich mögliche) Kumulation der beiden Ansprüche darf nicht zu einer 2213 Bereicherung des Geschäftsherrn führen (Bereicherungsverbot). Dies wäre dann der Fall, wenn sich der Schaden des Geschäftsherrn lediglich auf das lucrum cessans beschränkt, also kein damnum emergens entstanden ist. In diesem Fall betreffen der Schadensausgleich und die Gewinnabschöpfung denselben Posten und sie 102 103 104 105

Schmid, recht 2000, 208. Ausführlich ZK OR-Schmid, Art. 423 N 173 ff.; Schmid, GoA, N 1273 ff. ZK OR-Schmid, Art. 423 N 175. In BGE 133 III 153 E. 2.5 hielt das Bundesgericht fest, dass ein solcher positiver Schaden nicht im Anspruch auf Gewinnherausgabe aufgeht. Dieser Schaden müsse daher kumulativ zum Gewinnherausgabeanspruch geltend gemacht werden können. 106 BGE 133 III 153 E. 2.5; Lischer, 189 f.; ZK OR-Schmid, Art. 423 N 175 f. m.w.H., in N 174 auch hinsichtlich der Gegenmeinungen; s. ferner auch Lischer, 189 f. 107 BGE 133 III 153 E. 2.5; alternative Konkurrenz bejaht in: BGE 97 II 169 E. 3a; 98 II 325 E. 5a; gl.M. auch ZK OR-Schmid, Art. 423 N 175; s. ferner auch Lischer, 189 f.

665

3. Kapitel

Ausservertragliche Ansprüche

sind auch umfangsmässig gleich. Erzielt die Geschäftsführerin beispielsweise einen Gewinn durch den Eingriff in ein Recht, das dem Geschäftsherrn die Möglichkeit einräumt, selber gewinnbringende Tätigkeiten durchzuführen, kann er entweder lucrum cessans oder Gewinnabschöpfung verlangen.108 Ist aber durch das widerrechtliche Verhalten der Schädigerin dem Geschäftsherrn ein Schaden im Sinne eines damnum emergens entstanden und hat die Schädigerin zugleich einen Gewinn aus der schädigenden Handlung gezogen, müssen die Ansprüche auf Gewinnabschöpfung und Schadenersatz kumulierbar sein.109 2214

Ein solcher Fall wäre bei einer Persönlichkeitsverletzung durch Printmedien gegeben: Aufgrund fehlender Usurpation kann auch kein lucrum cessans entstehen, sondern «nur» ein damnum emergens. Es ist nicht anzunehmen, dass jemand eine persönlichkeitsverletzende Pressekampagne gegen sich selbst führt. Nach dem Grundsatz, dass sich Unrecht nicht lohnen darf, müssen darum in einem solchen Fall beide Ansprüche kumuliert werden können. Ansonsten könnte es sich für ein Printmedium lohnen, ein Persönlichkeitsrecht zu verletzen. Es müsste diesfalls dem in seiner Persönlichkeit Geschädigten nur das damnum emergens ersetzen, dürfte aber den durch das Verbreiten der persönlichkeitsschädigenden Berichterstattung erzielten Gewinn behalten.

4. 2215

Gemäss der herrschenden Lehre besteht zwischen Ansprüchen aus Art. 41 ff. OR und solchen aus Art. 62 ff. OR Anspruchskonkurrenz.110 Auch hier gilt das Bereicherungsverbot: Niemand soll sich mittels der Kumulation von Ansprüchen besser stellen können, als er vor dem extrakontraktuellen Ereignis stand.

5. 2216

Art. 41 ff. OR und Art. 62 ff. OR

Geschäftsführung ohne Auftrag und sachenrechtliche Besitz- und Ausgleichsansprüche

Die sachenrechtlichen Besitz- (Art.  938  ff. ZGB) und Ausgleichsansprüche (z.B. Art. 672, Art. 678, Art. 726 ZGB etc.) gehen nach herrschender Lehre der echten unberechtigten GoA und der unechten GoA (Eigengeschäftsführung) vor, aber der echten berechtigten GoA nach. Der Grund für die Subsidiarität im letztgenannten Fall liegt in der quasivertraglichen Natur der echten berechtigten GoA.111

108 109 110 111

666

Lischer, 188 f.; ZK OR-Schmid, Art. 423 N 175; Schmid, GoA, N 1279. In diesem Sinn auch BGE 133 III 153 E. 2.5. Gauch/Schluep/Schmid, N 1510 m.w.H.; Schwenzer, OR AT, N 59.13. S. Schmid, GoA, N 1468 ff., und BSK OR-Weber, Vor Art. 419–424 N 15, welche aber nicht zwischen der echten berechtigten und unberechtigten GoA unterscheiden, sondern beide gegenüber den sachen-

§ 25

Echte unberechtigte und unechte Geschäftsführung ohne Auftrag

Bei der gutgläubigen Eigengeschäftsführung gelangen Art. 938 ff. ZGB zur Anwen- 2217 dung, sofern die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind. Art. 938 ff. ZGB haben als leges speciales Vorrang vor dem Bereicherungsrecht.112 Auch bei der bösgläubigen Eigengeschäftsführung gebührt Art.  940 ZGB als lex specialis der Vorrang.113 Soweit es sich allerdings um die Herausgabe von Gewinn handelt, der mit Art. 940 ZGB nicht geltend gemacht werden kann, ist Art. 423 OR heranzuziehen.114 Kritisch anzumerken bleibt, dass es nicht leicht begründbar ist, wann und warum 2218 die sachenrechtlichen Regeln «spezieller» sein sollen als die bereicherungsrechtlichen Normen. Nach der hier vertretenen Ansicht konkurrieren die beiden Normenkomplexe miteinander. Als sinnvoll kann sich auch die teleologisch zu begründende, restriktive Auslegung von Art. 938 ff. ZGB erweisen.

rechtlichen Regeln bevorzugt behandeln, obwohl nur bei der echten berechtigten GoA ein quasivertragliches Verhältnis entsteht. 112 Honsell, OR BT, 373; Schmid, GoA, N 1472. 113 Lischer, 194; Schmid, GoA, N 1481 m.w.H. 114 Lischer, 194; ZK OR-Schmid, Art. 423 N 193 m.w.H.; BSK OR-Weber, Vor Art. 419–424 N 15.

667

4.

Kapitel Verjährung und Solidarität

§ 26 Verjährung (Art. 60, Art. 67 und Art. 127–142 OR) Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N 1429 ff.; Bucher, OR AT, 444 ff.; Engel, CO PG, 796 ff.; Furrer/ Müller-Chen, Kap. 14 N  21  ff. und Kap. 21 N  77  ff.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3268 ff.; Guhl/Koller, § 39; Koller, OR AT, N 67.01–71.01 ff.; Kramer/Probst, OR AT, N 514 ff.; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, §§ 12–14; Schwenzer, OR AT, N 83.01 ff.; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1423 ff.

Weiterführende Literatur Acocella Domenico, Die Verjährung in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts, SJZ 1990,  333–337; Addorisio de Feo Raniero, Die Fälligkeit von Vertragsforderungen, Diss. Freiburg 2001; Bucher Eugen, Verjährung: gute Schritte in guter Richtung, recht 2006, 186–197; Fellmann Walter, Verkürzung der Verjährungsfrist aus Vertragsverletzung bei Körperverletzung oder Tötung, HAVE 2014, 73–75; Gauch Peter, Periodisch geschuldete Leistungen: Gedanken zur Verjährungsbestimmung des Art. 128 Ziff. 1 OR, AJP 2014, 285– 293 (zit.: Gauch, AJP 2014); Gauch Peter, Der Werkvertrag, 5. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2011 (zit.: Gauch, Werkvertrag); Gauch Peter, Verjährungsverzicht: Ein Entscheid des Bundesgerichts (BGE 132 III 226) und was davon zu halten ist, SJZ 2006, 533–540 (zit.: Gauch, SJZ 2006); Huguenin Claire/Hilty Reto M. (Hrsg.), Schweizer Obligationenrecht 2020, Entwurf für einen neuen allgemeinen Teil, Zürich 2013 (zit.: OR 2020-BearbeiterIn); Kessler Franz Joseph, Der Verjährungsverzicht im Schweizerischen Privatrecht, Diss. Zürich 2000; Koller Alfred, Dispositives und zwingendes Verjährungsrecht: Zur Tragweite von Art. 129 und 141 Abs. 1 OR, SJZ 2007, 193–197 (zit.: Koller, SJZ 2007); Koller Alfred, Die Verjährung bei der Rückabwicklung von Verträgen, BR Beiblatt 1/2006, 4–7 (zit.: Koller, BR 2006); Koller Alfred, Verjährt oder nicht verjährt? Drei höchstrichterliche Antworten, AJP 2000, 243–248 (zit.: Koller, AJP 2000); Koller Alfred, Die Tragweite eines zeitlich begrenzten Verjährungsverzichts, SJZ 1996, 369–371 (zit.: Koller, SJZ 1996); Krauskopf Frédéric, EMRK-widriges Verjährungsrecht! – Die Schweiz muss die Verjährung im Schadensrecht überdenken, Jusletter 24. März 2014; Krauskopf Frédéric/Märki Raphael, Wir haben ein neues Verjährungsrecht!, Jusletter 2. Juli 2018; Maurenbrecher Benedikt, Das Darlehen als Dauerschuldverhältnis – zugleich eine Besprechung von BGE 128 III 428 ff. («Fiat Lux»), recht 2003,  180–192 (zit.: Maurenbrecher, recht 2003); Maurenbrecher Benedikt, Das verzinsliche Darlehen im schweizerischen Recht, Diss. Bern 1995 (zit.: Mauren-

669

4. Kapitel

Verjährung und Solidarität

brecher, Darlehen 1995); Seiler Philippe, Die Verjährung von Schadenersatzforderungen aus positiver Vertragsverletzung, Diss. St. Gallen 2011; Spiro Karl, Der Verzicht auf die laufende Verjährung, in: FS Karl H. Neumayer, Baden-Baden 1985, 543–555 (zit.: Spiro, FS Neumayer); Spiro Karl, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, Bd. I, Die Verjährung der Forderungen, Bern 1975 (zit.: Spiro, Begrenzung).

I.

Begriff

2219

Forderungen haben eine beschränkte «Lebensdauer»: Tritt nach einer bestimmten Anzahl von Jahren die Verjährung ein, ist der Schuldner ab dann berechtigt, die Leistung zu verweigern, auch wenn die Gläubigerin diese einklagt.

2220

Eine verjährte Forderung erlischt nicht, sondern bleibt über die Verjährung hinaus bestehen. Lediglich ihre Durchsetzbarkeit wird eingeschränkt: Die Forderung kann nun nicht mehr gegen den Willen des Schuldners durchgesetzt werden (s. N 644). Die Verjährung ist darum auch als Einrede ausgestaltet (s.  N  32). So kann der Schuldner diese dem Anspruch der Gläubigerin entgegenhalten. Die Ausgestaltung als Einrede führt dazu, dass ein Gericht den Umstand, dass die geltend gemachte Forderung bereits «abgelaufen» oder eben verjährt ist, nicht von Amtes wegen zu berücksichtigen hat. Es liegt also in der Verantwortung des Schuldners, die Verjährungseinrede zu erheben (Dispositionsmaxime). Tut er dies nicht, kann die Gläubigerin auch eine verjährte Forderung durchsetzen (Art. 142 OR).1

2221

Weiter anzumerken ist, dass nicht der Vertrag, sondern lediglich die Forderungen, die er umfasst, verjähren – und zwar einzeln und unabhängig voneinander.2 Bei der Verjährung handelt es sich um einen Vorgang, der sich auf der Mikroebene der einzelnen Forderung (Schuldverhältnis i.e.S.; s. N 38 ff.) und nicht auf der Makroebene des Schuldverhältnisses i.w.S. abspielt.

II. 2222

Abgrenzung zur Verwirkung

Im Gegensatz zur Verjährung (Einrede) ist die Verwirkung als Einwendung (s. N 33) ausgestaltet. Einwendungen hat das Gericht von Amtes wegen zu berücksichtigen. Während die Verjährung dazu führt, dass ein Anspruch gerichtlich nicht mehr gegen den Willen des Schuldners durchgesetzt werden kann, bewirkt die Verwirkung den gänzlichen Untergang (Erlöschen) eines subjektiven Rechts. Weiter kann 1 Zum Verhältnis der strafrechtlichen zur zivilrechtlichen Verjährung s. BGE 131 III 430 E. 1.2. 2 BGE 100 II 42 E. 2a.

670

§ 26

Verjährung (Art. 60, Art. 67 und Art. 127–142 OR)

die Verwirkungsfrist im Gegensatz zur Verjährungsfrist weder ruhen noch unterbrochen werden.3 Zur Abgrenzung zwischen Verjährung und Verwirkung kann freilich nicht auf die 2223 Terminologie des Gesetzes abgestellt werden. Vereinzelt spricht dieses von Verjährung, wenn es sich eigentlich um eine Verwirkungsfrist (Präklusivfrist) handelt (so z.B. Art. 521 Abs. 1 und Art. 533 Abs. 1 ZGB; Art. 251 OR). Die Verjährung beschlägt lediglich Forderungen, während der Verwirkung auch andere subjektive Rechte unterliegen können.4 Prominente Beispiele von Rechten, die verwirken, sind die Irrtumsanfechtung nach Art. 31 Abs. 1 OR und die Mängelrüge gemäss Art. 201 Abs. 1 und Art. 367 Abs. 1 OR. Grundsätzlich hat man es immer dann mit einer Verwirkungsfrist zu tun, wenn sich eine Frist auf die Ausübung eines Gestaltungsrechts bezieht.5

III.

Voraussetzungen

Damit der Schuldner gegen den Anspruch der Gläubigerin erfolgreich die Verjäh- 2224 rungseinrede erheben kann, müssen kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sein:6 • Die Forderung ist verjährbar (s. N 2225 ff.); • die Verjährungsfrist ist abgelaufen (s. N 2228 ff.) und • der Schuldner hat nicht gültig auf ein Erheben der Verjährungseinrede verzichtet (s. N 2257 ff.).

1.

Gegenstand der Verjährung

1.1

Grundsatz: Forderungen verjähren

Grundsätzlich verjähren alle Forderungen, auch solche aus Familien- und Erbrecht.7 2225 Die Verjährungsregeln des OR gelten aber nur für privatrechtliche Forderungen (Art.  127  ff. OR), das heisst für solche aus Bundeszivilrecht. Auf öffentlich-recht3 BGE 119 II 429 E. 3b = Pra 1994 Nr. 273; 115 V 22 E. 3a; 104 II 357 E. 4a; 74 II 97 E. 4; Kramer/Probst, OR AT, N 528. Das geltende Recht regelt die Verwirkung nicht explizit, obschon zahlreiche Normen innerund ausserhalb des OR diese voraussetzen. Der OR 2020-Entwurf schlägt darum eine allgemeine gesetzliche Grundlage für die Verwirkung und deren Wirkungen im Allgemeinen vor (Art. 162 OR 2020); s. auch OR 2020-Thouvenin/Purtschert, Vor Art. 148–162 N 15 und Art. 162 N 1 ff. 4 Kramer/Probst, OR AT, N 529. 5 Koller, OR AT, N 67.03. 6 Kramer/Probst, OR AT, N 517. 7 Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1553.

671

4. Kapitel

Verjährung und Solidarität

liche Forderungen kommen die Art. 127 ff. OR allenfalls subsidiär und analog zur Anwendung.8 2226

Absolute Rechte (z.B. dingliche Rechte, Immaterialgüter- und Persönlichkeitsrechte) verjähren nicht.9 Wichtigstes Beispiel dafür ist die Vindikation (Art.  641 Abs. 2 ZGB). Aus der Verletzung eines solchen Rechts kann jedoch eine verjährbare Beseitigungs- oder Schadenersatzforderung entstehen.10 Ausserdem schafft das Institut der Ersitzung in einem beschränkten Bereich einen Ausgleich zur Rechtsunsicherheit, die sich aus der Unverjährbarkeit von absoluten Rechten ergibt: Wer den Gegenstand eines dinglichen Rechts in seinem (gutgläubigen) Besitz hält, wird nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne originärer Eigentümer (Art. 714 Abs. 2 i.V.m. Art. 933 f. ZGB). 1.2

2227

2228

Ausnahme: Unverjährbare Forderungen

Bestimmte Forderungen sind aufgrund expliziter gesetzlicher Bestimmung ausnahmsweise unverjährbar. So unterliegen beispielsweise Lidlohnforderungen (Art. 334 ZGB) nicht der Verjährung. Gemäss Art. 334bis Abs. 3 ZGB müssen sie aber spätestens bei der Erbteilung eines Schuldners geltend gemacht werden. Auch Erbteilungsansprüche sind unverjährbar (Art. 604 Abs. 1 ZGB). Dasselbe gilt für grundpfandgesicherte Forderungen während des Bestehens der Pfandsicherheit (Art. 807 ZGB). Dagegen verjähren Forderungen, die durch ein Fahrnispfand gesichert sind. Das Fahrnispfand kann aber unabhängig von einer allfällig bereits eingetretenen Verjährung der Forderung verwertet werden (Art. 140 OR).11 Ebenfalls unverjährbar sind Forderungen, die durch Schiffs- oder Luftfahrzeugverschreibung gesichert sind (Art. 45 des Bundesgesetzes über das Schiffsregister12; Art. 36 LGB13).

2.

Verjährungsfristen bei Verträgen (Art. 127 ff. OR)

2.1

Allgemeines

Die Verjährungseinrede kann (unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs; s. N 2264) erhoben werden, sobald die Forderung tatsächlich verjährt bzw. die Verjährungsfrist abgelaufen ist. Bei der Berechnung der Frist ist Art. 132 Abs. 1 OR zu beachten. Der Tag, an dem die Verjährungsfrist zu laufen beginnt, ist somit nicht 8 9 10 11 12 13

672

BGE 112 Ia 260 E. 5; ZK OR-Berti, Art. 127 N 5; Bucher, OR AT, 453; BSK OR-Däppen, Art. 127 N 7. Statt vieler Bucher, OR AT, 452 m.w.H. BGE 126 III 161 E. 3 = Pra 2001 Nr. 80; BSK OR-Däppen, Art. 127 N 6. Nach OR 2020-Thouvenin/Purtschert, Art. 148 N 6, gehört diese Bestimmung von ihrem Regelungsgehalt her in das ZGB (Art. 884 ff. ZGB). Bundesgesetz vom 28. September 1923 über das Schiffsregister (SR 747.11). Bundesgesetz vom 7. Oktober 1959 über das Luftfahrzeugbuch (SR 748.217.1).

§ 26

Verjährung (Art. 60, Art. 67 und Art. 127–142 OR)

zu berücksichtigen. Im Weiteren verweist Art. 132 Abs. 2 OR für die Fristberechnung auf die Art. 77 ff. OR. Gemäss Art. 133 OR verjähren mit dem Hauptanspruch gleichzeitig auch die daraus 2229 entspringenden Zinsforderungen sowie andere Nebenansprüche. Unter «Nebenansprüchen» sind beispielsweise die im Sinne von Art. 114 OR akzessorischen Sicherheiten zu verstehen. Darunter fallen unter anderem Forderungen aus Bürgschaft, Konventionalstrafe und auf Erfüllung einer Auflage.14 2.2

Ordentliche Verjährungsfrist: Zehn Jahre (Art. 127 OR)

Soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, gilt für eine (verjährbare) Forderung 2230 grundsätzlich die ordentliche Verjährungsfrist von zehn Jahren (Art.  127 OR).15 Abweichende Verjährungsfristen können im OR, in anderen Bundesgesetzen oder in Staatsverträgen (z.B. Art.  32 des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Strassengüterverkehr16) vorgesehen sein. 2.3

Ausserordentliche Verjährungsfrist: Fünf Jahre (Art. 128 OR)

Art. 128 OR sieht für eine abschliessende Reihe von explizit genannten Forderun- 2231 gen eine Verjährungsfrist von nur fünf Jahren vor. Die ratio legis von Art. 128 OR bestand ursprünglich darin, Forderungen, die auf «zweiseitigen Verträgen  […] beruhen, bei welchen die Verkehrssitte eine rasche Abwicklung mit sich bringt und weder die Ausstellung von Vertragsurkunden noch die längere Aufbewahrung von Quittungen üblich ist»17, einer kürzeren und auch beweistechnisch angemesseneren Verjährungsfrist zu unterstellen.18 Die aktuelle Rechtsprechung erachtet diese ratio angesichts des heutigen wirtschaftlichen und technischen Fortschritts für überholt, weshalb Art. 128 OR restriktiv auszulegen ist.19 Hierfür spricht neben dem materiellen auch das formale Argument, wonach Art. 128 OR systematisch betrachtet eine Ausnahme zur Grundregel von Art. 127 OR bildet.20 In Art. 128 Ziff. 1 OR werden zunächst periodische Leistungen der fünfjährigen Ver- 2232 jährungsfrist unterstellt. Unter periodischen Leistungen sind separat fällige, regel14 BSK OR-Däppen, Art. 133 N 2a. 15 Für eine vollständige Kasuistik s. BSK OR-Däppen, Art. 127 N 9. 16 Übereinkommen vom 19.  Mai 1956 über den Beförderungsvertrag im internationalen Strassengüterverkehr (SR 0.741.611). 17 S. BBl 1880 I 149, 194. 18 S. BGE 132 III 61 E. 6.1; 123 III 120 E. 2b = Pra 1997 Nr. 106; 109 II 112 E. 2a = Pra 1983 Nr. 202; 98 II 184 E. 3b; BSK OR-Däppen, Art. 128 N 1. 19 So BGE 132 III 61 E. 6.1; 123 III 120 E. 2b = Pra 1997 Nr. 106; 116 II 428 E. 1b = Pra 1991 Nr. 117; 109 II 112 E. 2a = Pra 1983 Nr. 202. 20 S. BGE 123 III 120 E. 1a = Pra 1997 Nr. 106; 116 II 428 E. 1b = Pra 1991 Nr. 117; 109 II 112 E. 2c = Pra 1983 Nr. 202; s. auch Gauch, AJP 2014, 289.

673

4. Kapitel

Verjährung und Solidarität

mässig wiederkehrende Einzelleistungen aus einem Dauerschuldverhältnis, die auf einem einheitlichen Rechtsgrund beruhen, zu verstehen.21 Forderungen aus Sukzessivlieferungsverträgen sind darum nur dann unter die Ausnahmebestimmung zu subsumieren, wenn diese als Dauerschuldverhältnis ausgestaltet sind.22 Nach fünf Jahren verjähren demnach beispielsweise Miet- und Pachtzinse, Unterhaltsansprüche des getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten sowie generell des Kindes, Lizenzgebühren, Abonnementsbeiträge und Internet- und Telefonrechnungen (auch Kombiangebote).23 Nicht in den Anwendungsbereich von Art. 128 Ziff. 1 OR, sondern unter Art. 127 OR fallen dagegen Forderungen aus sog. Retrozessionen.24 2233

Nach Art. 128 Ziff. 2 OR gilt sodann für Forderungen aus der Lieferung von Lebensmitteln für den Privatgebrauch25, für die Verköstigungs- und die anderen Wirtshausschulden ebenfalls die kürzere Verjährungsfrist. Unter Art. 128 Ziff. 2 OR fallen demnach nach heutigem Verständnis nur Verträge mit Konsumenten (also business to consumer-Verträge). Im Übrigen werden zu den Lebensmitteln im Sinne von Art. 128 Ziff. 2 OR nur Nahrungs- und Genussmittel (z.B. Tabak) für den Menschen gezählt, Tierfutter wird davon nicht erfasst.26

2234

Art. 128 Ziff. 3 OR enthält schliesslich eine abschliessende27 Aufzählung von Forderungen aus bestimmten Rechtsgeschäften, die innerhalb von fünf Jahren verjähren: • Forderungen aus Handwerksarbeit: Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung zeichnet sich die Handwerksarbeit dadurch aus, dass die manuelle Tätigkeit die übrigen Leistungen, insbesondere die maschinellen, organisatorischen oder administrativen Aktivitäten, dominiert, mindestens aber mit diesen gleichwertig ist.28 Diese Begriffsdefinition deckt sich mit dem allgemeinen Sprachgebrauch, wonach handwerkliche Arbeit eine gewerbliche Tätigkeit ist, die manuell, also höchstens unter Benutzung einfacher Werkzeuge und Geräte, ausgeübt wird. Der Verwendung von Maschinen sind dabei enge Grenzen gesetzt: Die handwerkliche Einzelanfertigung steht im Gegensatz zur Lieferung industrieller Produkte im Vordergrund.29

21 22 23 24 25 26 27 28 29

674

BGE 143 III 348 E. 5.2.1; 45 II 676 E. 1; Bucher, OR AT, 456; BSK OR-Däppen, Art. 128 N 2; Gauch, AJP 2014, 284 ff. und 290. So auch Spiro, Begrenzung, 631 f.; a.M. Bucher, OR AT, 456. Bucher, OR AT, 456; BSK OR-Däppen, Art. 128 N 3; CR CO-Pichonnaz, Art. 128 N 9. BGE 143 III 348 E. 5.2.1. S. Bucher, OR AT, 457 FN 63. BSK OR-Däppen, Art. 128 N 6. BGE 98 II 184 E. 3a. BGE 123 III 120 E. 2b = Pra 1997 Nr. 106. S. zum Ganzen BGE 123 III 120 E. 2a = Pra 1997 Nr. 106 m.w.H.; 116 II 428 E. 1a = Pra 1991 Nr. 117; 109 II 112 E. 2c = Pra 1983 Nr. 202. Für eine reichhaltige Kasuistik s. auch BSK OR-Däppen, Art. 128 N 9 f., und Gauch, Werkvertrag, N 1291 f.

§ 26

Verjährung (Art. 60, Art. 67 und Art. 127–142 OR)

• Forderungen aus dem Kleinverkauf von Waren: Diese Fallgruppe umfasst Geschäfte geringer Bedeutung, die jeweils Zug um Zug abgewickelt werden.30 Darunter fällt beispielsweise der gewerbsmässige Verkauf des Detaillisten an den Endverbraucher oder an den Kleingewerbetreibenden zum Eigenverbrauch (das heisst nicht zum Weiterverkauf).31 Es sind also nur Verkäufe an den Konsumenten erfasst, wobei gelegentliche kleine Verkäufe von Privaten ebenfalls unter diese Bestimmung fallen (also sowohl business to consumer- als auch consumer to consumer-Geschäfte).32 • Forderungen aus ärztlicher Besorgung: Der Begriff der ärztlichen Besorgung ist weit zu verstehen und erfasst beispielsweise auch die Leistungen von Zahnärzten, Hebammen, Physiotherapeuten etc.33 Im Weiteren ist «die ärztliche Besorgung» nicht auf die Schulmedizin beschränkt, sondern erfasst auch alternative Heilmethoden.34 • Forderungen der Angehörigen von Rechtsberufen: Damit gemeint sind Honorarforderungen von Rechtsanwälten, Rechtsagenten, Prokuratoren und Notaren aus ihrer berufsspezifischer Arbeit.35 Rechtsanwälte und Notare sind überdies Inhaber eines entsprechenden kantonalen Patents. Doch kommt es darauf bezüglich der Anwendung von Art. 128 OR nicht zwingend an.36 Prokurator bedeutet Geschäftsbeauftragter.37 Ähnlich wie bei der Handwerkerdebatte haben sich die Gerichte auch bezüglich der Rechtsberufe die Frage gestellt, ob das massgebliche Kriterium für die Anwendbarkeit der verkürzten Verjährungsfrist die Person der Gläubigerin und/oder die Art der Dienstleistung sei. In einem Entscheid aus dem Jahre 1981 hat das Obergericht des Kantons Zürich zunächst festgehalten, dass es nicht entscheidend sei, um welche Arbeiten es sich handle. Vielmehr seien alle Honorarforderungen aus Arbeiten der erwähnten Berufsgruppen von der fünfjährigen Verjährungsfrist erfasst. «Entscheidend ist somit nicht die Art des konkreten Auftrages, als vielmehr die gesamte Tätigkeit einer Berufs- oder Geschäftsgruppe, die unter Art. 128 Ziff. 3 OR fällt.»38 Das Obergericht des Kantons Zürich kam in besagtem Entscheid zum Schluss, es rechtfertige sich, die fünfjährige Verjährungsfrist von Art. 128 Ziff. 3 OR auch auf Arbeiten von Treuhandgesellschaften auszudehnen, sofern es sich nicht nur um 30 31

32 33 34 35 36 37 38

Bucher, OR AT, 458. BK OR-Becker, Art.  128 N  11; BSK OR-Däppen, Art.  128 N  10. Nach KuKo  OR-Däppen, Art.  128 N 10, ist nicht zwingend vorausgesetzt, dass im Laden des Detaillisten eingekauft wird. Die Norm sei auch anwendbar, wenn der Detaillist die Ware an den Endverbraucher liefere. Dementsprechend würden auch Onlineshops darunter fallen. So auch Bucher, OR AT, 458; a.M. BK OR-Becker, Art. 128 N 12. Für weitere Beispiele s. BK OR-Becker, Art. 128 N 13; ZK OR-Berti, Art. 128 N 44; CHK OR-Killias/ Wiget, Art. 128 N 10. ZK OR-Berti, Art. 128 N 44. BGE 4A.267/2007 E. 11; CHK OR-Killias/Wiget, Art. 128 N 11. BK OR-Becker, Art. 128 N 14; ZK OR-Berti, Art. 128 N 45 ff.; BSK OR-Däppen, Art. 128 N 12. ZR 1982, 139. ZR 1982, 138.

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4. Kapitel

Verjährung und Solidarität

Buchhaltungsfirmen handle.39 Als Begründung führte es damals aus, dass viele Anwälte kaum mehr forensisch tätig seien, sodass sich ihre Arbeitstätigkeit zum Teil mit derjenigen der Treuhänder decke. Rund 20 Jahre später befand das Handelsgericht des Kantons Zürich im Gegensatz zur (nunmehr überholten) kantonalen Rechtsprechung, dass das massgebliche Kriterium für die Anwendbarkeit der fünfjährigen Verjährungsfrist einzig und allein der Charakter der Arbeit sei. Dies hatte im Übrigen das Bundesgericht in Bezug auf Handwerksarbeiten schon festgestellt.40 Somit fallen weder die Tätigkeit von Treuhändern und Treuhandbüros noch solche von Wirtschaftsprüfern oder diejenige von Sachwaltern im Nachlassverfahren in den Anwendungsbereich von Art. 128 Ziff. 3 OR. Kumulativ ist nach dem Bundesgericht erforderlich, dass diese Arbeit von einer in Art.  128 Ziff.  3 OR genannten Person ausgeführt wird.41 In Übereinstimmung mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wird auch hier die Meinung vertreten, dass es sowohl auf die Person wie auch die Art der Dienstleistung ankommt und dass es sich dabei um eine Tätigkeit handeln muss, die möglichst direkt der Rechtsdurchsetzung dient (z.B. Vertretung vor Gericht, juristische Beratung). • Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis:42 Nach wohl herrschender Lehre43 erfasst Art. 128 Ziff. 3 OR lediglich den Lohnanspruch des Arbeitnehmers und nicht etwa beispielsweise auch den Zeugnisanspruch. So verjähren alle anderen arbeitsrechtlichen Ansprüche nach zehn Jahren (Art. 127 OR). 2235

Schadenersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung (Art.  97 Abs.  1 OR) unterliegen der Verjährungsfrist von Art. 127 OR. Dabei spielt es keine Rolle, ob Art.  128 OR für das infrage stehende Schuldverhältnis i.e.S.  eine kürzere Verjährungsfrist anordnet oder nicht.44 Dasselbe gilt für Rückabwicklungsansprüche aus Art.  109 Abs.  1 OR45 und Art.  119 Abs.  2 OR46 sowie für den Rücktrittsschaden gemäss Art. 109 Abs. 2 OR47.

39 ZR 1982, 139. 40 ZR 2001, 90; s. auch schon BJM 1983, 73 f. betreffend die Verjährung einer Forderung eines Sachwalters im Nachlassverfahren; bestätigt in BGE 132 III 61 E. 6.4.3. 41 BGE 132 III 61 E. 6.4.3. 42 CHK OR-Killias/Wiget, Art. 128 N 12. Für den Beginn der Verjährungsfrist s. BGE 128 III 212 E. 3d = Pra 2002 Nr. 153. 43 S. Nachweise bei BSK OR-Däppen, Art. 128 N 13. 44 A.M. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3294. 45 BGE 137 III 243 E. 4.1; 132 III 226 E. 3.1 = Pra 2006 Nr. 146; 114 II 152 E. 2c und E. 2d = Pra 79 Nr. 117. So auch schon BGE 60 II 27 E. 6, der indessen die bereits vollzogene Leistung nach dem Rücktritt als condictio sine causa gemäss Art. 62 Abs. 2 OR qualifizierte. 46 BGE 137 III 243 E. 4.4.6; 114 II 152 E. 2d = Pra 79 Nr. 117; anders noch BGE 63 II 252 E. 3. S. auch Koller, BR 2006, N 7, der von einem «besonderen Bereicherungsanspruch» ausgeht, welcher hinsichtlich der Verjährung Art. 127 und Art. 130 OR untersteht. 47 CR CO-Thévenoz, Art. 109 N 5.

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§ 26

Verjährung (Art. 60, Art. 67 und Art. 127–142 OR)

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung unterliegen dagegen die Verzugs- 2236 zinse aus Art. 104 f. OR der gleichen Verjährungsfrist wie der Hauptanspruch. Dies begründet das Bundesgericht mit dem Hinweis auf Art. 133 OR:48 Der Neben- bzw. Zinsanspruch ist vom Hauptanspruch abhängig. Die spezielle Verjährungsfrist von Art.  128 OR gilt demzufolge bei gegebenen Voraussetzungen auch für Schadenersatzansprüche, welche die ursprüngliche Forderung ersetzen (sog. Sekundäranspruch). Es handelt sich dabei um Ansprüche wegen Nichterfüllung (Art. 97 Abs. 1 OR) oder wegen Schuldnerverzug, bei denen die Gläubigerin nach Art. 107 Abs.  2 OR auf die Vertragsleistung verzichtet und stattdessen Schadenersatz verlangt.49 Gleiches gilt für den Verspätungsschaden (Art. 103 Abs. 1 OR): Da sich dieser auf das positive Interesse richtet (die Gläubigerin wird so gestellt, wie wenn der Schuldner rechtzeitig erfüllt hätte), ist in diesem Schadenersatzanspruch ebenfalls ein Ersatz der ursprünglich geschuldeten Leistung zu sehen, weshalb er gleichzeitig mit dem Hauptanspruch verjährt.50 2.4

Ausserordentliche Verjährungsfrist für Forderungen aus Personenschäden (Art. 128a revOR)

Nach geltendem Recht verjähren Schadensersatz- oder Genugtuungsansprüche aus 2236a vertragswidriger Körperverletzung oder Tötung eines Menschen nach zehn Jahren (Art. 127 OR). Die Art. 127 und Art. 128 OR bleiben auch nach der Revision des Verjährungsrechts unverändert bestehen. Neu wird aber mit Inkrafttreten des neuen Verjährungsrechts am 1. Januar 2020 eine besondere Verjährungsfrist für Forderungen aus Personenschäden im Vertragsrecht eingeführt. Nach Art. 128a revOR sollen Forderungen auf Schadenersatz oder Genugtuung aus vertragswidriger Köperverletzung oder Tötung eines Menschen mit Ablauf von drei Jahren verjähren, vom Tag an gerechnet, an welchem die Geschädigte Kenntnis vom Schaden erlangt. In jedem Fall aber verjähren diese Forderungen mit Ablauf von zwanzig Jahren, vom Tag an gerechnet, an welchem das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte (Art. 128a in fine revOR). Für vertragsrechtliche Forderungen aus Personenschäden ist also Art. 128a revOR lex specialis gegenüber Art. 127 OR. Art. 128a revOR bildet das vertragsrechtliche Gegenstück zur ausservertraglichen Verjährungsbestimmung in Art. 60 Abs. 1bis revOR, welche ebenfalls eine besondere Verjährungsfrist für Personenschäden vorsieht (s. dazu N 2243).51 Mit Inkrafttreten von Art. 128a revOR gilt neu auch im Vertragsrecht ausnahmsweise ein Konzept 48 49

BGE 129 V 345 E. 4.2.1; 4C.206/2001 E. 7b; 52 II 215 E. 2; offengelassen in BGE 2C_188/2010 E. 7.2.2. Bucher, OR AT, 454 f. unter Hinweis auf Art. 133 OR; CR CO-Pichonnaz, Art. 128 N 8. S. auch Killias/ Wiget, Art. 128 N 1, wonach der Schadensersatzanspruch den vertraglichen Erfüllungsanspruch fortsetzt, weshalb in diesen Fällen die fünfjährige Verjährungsfrist zur Anwendung gelange. 50 Bucher, OR AT, 454 f. 51 S.  Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts (Verjährungsrecht) vom 29.  November 2013, BBl 2014 235 ff., 258 f.; kritisch dazu Fellmann, HAVE 2014, 73 f.

677

2236b

4. Kapitel

Verjährung und Solidarität

mit doppelten Fristen, welches bislang typischerweise nur im ausservertraglichen Haftungsrecht anzutreffen war:52 Die dreijährige relative Frist beginnt mit Kenntnis vom Schaden zu laufen, die zwanzigjährige absolute Frist nach erfolgter Schädigung. Dieses vorgesehene Konzept der doppelten Fristen kann im Vertragsrecht zur paradoxen Situation führen, dass die geschädigte Gläubigerin Sachschäden noch geltend machen kann, allfällige Forderungen aus vertragswidriger Körperverletzung dagegen bereits verjährt sind.53 Für die Verjährung von vertraglichen Forderungen aus Sachschäden gilt weiterhin die zehnjährige Frist von Art. 127 OR. Dagegen verjähren vertragliche Forderungen aus Personenschäden künftig bereits nach drei Jahren, sobald die Gläubigerin Kenntnis vom Schaden erlangt hat.54 Die Verjährung nach Art. 128 revOR ist nur in denjenigen Fällen vorteilhafter, in welchen ein Personenschaden erst zehn Jahre nach der Vertragsverletzung zutage tritt.55

2237

3.

Verjährungsfristen bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung (Art. 60 OR)

3.1

Allgemeines

Art. 60 OR sieht drei verschiedene Verjährungsfristen vor: eine relative, eine absolute und eine nur bei strafbaren Handlungen anwendbare, ausserordentliche Frist. Mit Inkrafttreten des neuen Verjährungsrechts am 1. Januar 2020 kommt eine spezifische absolute Verjährungsfrist für Personenschäden hinzu (Art. 60 Abs. 1bis OR; N 2243).56 Diese Fristen finden auf alle haftpflichtrechtlichen Ansprüche des Zivilrechts Anwendung, für die nicht spezialgesetzlich eine andere Frist vorgesehen ist (z.B. Art. 9 PrHG; s. N 2126). Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung richtet sich auch die Verjährung von Ansprüchen aus culpa in contrahendo und aus der Vertrauenshaftung nach Art. 60 OR und nicht nach Art. 127 OR (s. N 1532).57 Unseres Erachtens wäre es allerdings schlüssiger, auf die quasivertraglichen Ansprüche die vertraglichen Verjährungsregeln anzuwenden.

52 53

BBl 2014 259; Krauskopf/Märki, Jusletter 2. Juli 2018, N 13. S. auch Fellmann, HAVE 2014, 73 f., und Krauskopf/Märki, Jusletter 2. Juli 2018, N 14, welche gar im Vergleich zur heutigen Rechtslage von einer Verschlechterung der Stellung der Geschädigten sprechen. 54 Ausführlich Fellmann, HAVE 2014, 74. Der Gesetzgeber nahm diese Ungleichbehandlung bewusst in Kauf; s. BBl 2014 259. 55 Krauskopf/Märki, Jusletter 2.  Juli 2018, N  14; kritisch zu dieser Regelung, der damit geschaffenen Ungleichbehandlung sowie zur fehlenden Abstimmung mit Art. 210 und Art. 371 OR Fellmann, HAVE 2014, 74. 56 S. BBl 2018 3537. 57 BGE 134 III 392 E. 4; 4C.354/2004 E. 2.

678

§ 26

Verjährung (Art. 60, Art. 67 und Art. 127–142 OR)

Art. 60 OR regelt nur die Länge der Fristen. Für alle anderen Fragen der Verjährung, 2238 wie beispielsweise für Unterbrechung und Verzicht, kommen die systematisch bei Art. 127 ff. OR platzierten Regeln zur Anwendung.58 3.2

Relative Frist

Art.  60 Abs.  1 OR sieht eine relative Frist von einem Jahr vor. Mit der Revision des Verjährungsrechts wird diese relative Verjährungsfrist auf drei Jahre verlängert (Art.  60 Abs.  1 revOR).59 Diese Frist beginnt, sobald die Geschädigte (oder ihre gesetzliche Vertreterin bzw. ihr Organ) Kenntnis sowohl vom Schaden als auch von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat:60

2239

Vorausgesetzt wird erstens, dass die Geschädigte die wesentlichen Elemente bezüg- 2240 lich Entstehung und Höhe des Schadens kennt. Die Verjährungsfrist fängt erst zu laufen an, wenn die Geschädigte die massgeblichen Schadensposten überblicken kann, und nicht etwa schon im Zeitpunkt, in welchem sie von der schädigenden Handlung als solcher Kenntnis erhält.61 Die Verjährungsfrist beginnt mit anderen Worten erst zu laufen, wenn die Geschädigte von allen tatsächlichen Umständen weiss, die geeignet sind, eine Klage zu veranlassen bzw. zu begründen.62 Bei Sachschäden dürfte dieser Zeitpunkt spätestens bei Vorliegen einer endgültigen 2241 Rechnung über die Reparaturkosten eintreten.63 Im Falle von Personenschäden ist zu differenzieren: Die Höhe von zeitlich abgeschlossenen Schäden (z.B. Heilungskosten und Verluste aus vorübergehender Arbeitsunfähigkeit) sind der Geschädigten in jenem Zeitpunkt bekannt, in welchem die letzte Rechnung für die Heilungskosten bzw. eine Prognose über die Dauer einer allfälligen vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit vorliegt.64 Bei zukünftigen Schäden, insbesondere bei dauernder Arbeitsunfähigkeit, beginnt die Verjährungsfrist hingegen erst dann zu laufen, wenn sich der Gesundheitszustand gemäss einem medizinischen Gutachten stabilisiert hat und wenn das Gutachten den Invaliditätsgrad verlässlich und definitiv eingeschätzt hat.65 Nicht erforderlich ist hingegen, dass sich dieser zukünftige Schaden ziffernmässig genau bestimmen lässt. Für diesen Fall sieht Art. 42 Abs. 2 OR 58 BK OR-Brehm, Art. 60 N 6. 59 BBl 2018 3537. 60 Gleich auch Art. 60 Abs. 1 revOR: «Der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung verjährt mit Ablauf von drei Jahren von dem Tage an gerechnet, an welchem der Geschädigte Kenntnis vom Schanden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat». 61 BSK OR-Däppen, Art. 60 N 6 f. 62 BGE 4A_109/2011 E. 9.3.1; 131 III 61 E. 3.1.1 1 = Pra 2005 Nr. 121; 114 II 253 E. 2a = Pra 1989 Nr. 73; 111 II 55 E. 3a m.w.H. = Pra 1985 Nr. 129. 63 Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1838. 64 Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1841 f. 65 BGE 131 III 61 E. 3 = Pra 2005 Nr. 121; 111 II 55 E. 3a = Pra 1985 Nr. 129; 108 Ib 97 E. 1c; BK OR-Brehm, Art. 60 N 39 ff.; CHK OR-Müller, Art. 60 N 17.

679

4. Kapitel

Verjährung und Solidarität

vor, dass das Gericht die Schadenssumme abschätzen soll.66 Führte das Delikt zu einem Schaden, der sich noch weiterentwickelt, so beginnt die Verjährung nicht vor Abschluss dieser Entwicklung zu laufen.67 Solange das schädigende Ereignis anhält, kennt die Geschädigte den Gesamtschaden nämlich noch nicht.68 Die Verjährung beginnt daher erst nach Abschluss des schädigenden Ereignisses zu laufen.69 2242

Zweitens muss die Geschädigte wissen, gegen welche Person sie vorzugehen hat, um den Schaden von sich abzuwälzen. Vorausgesetzt ist, dass sie sichere Kenntnis von den Tatsachen hat, welche die Haftpflicht einer bestimmten Person auslösen; ausserdem darf sie keine ernsthaften Zweifel über die Identität dieser Person hegen. Für den Beginn der Verjährungsfrist ist nicht ausreichend, dass die Geschädigte vermutet oder wissen müsste, gegen wen sie vorgehen kann.70 Hingegen beginnt die Verjährung auch dann zu laufen, wenn der Geschädigten die nötigen Beweismittel noch fehlen.71 3.3

2243

Absolute Frist

Gemäss Art.  60 Abs.  1 OR gilt neben der relativen Frist subsidiär eine absolute Frist von zehn Jahren. Für Forderungen bei Körperverletzung oder Tötung eines Menschen gilt ab Inkrafttreten des neuen Verjährungsrechts eine besondere absolute Frist von zwanzig Jahren (Art. 60 Abs. 1bis revOR).72 Die absolute Frist beginnt nach dem Bundesgericht und der herrschenden Lehre im Zeitpunkt der Begehung des Delikts bzw. der Verwirklichung des haftungsbegründenden Tatbestandes.73 Mit Ablauf der absoluten Frist ist die Forderung verjährt, und zwar unabhängig davon, ob die Geschädigte in diesen zehn Jahren je Kenntnis vom Schaden oder von der Person des Ersatzpflichtigen erlangte.74 Daran ändert auch das neue Verjährungsrecht, welches am 1. Januar 2020 in Kraft treten wird, nichts.75 Der Wortlaut von Art. 60 Abs. 1 bzw. Art. 60 Abs. 1bis revOR wird gegenüber dem geltendem Recht lediglich im Sinne der bisher herrschenden Lehre und Rechtsprechung präzisiert.76 Die absolute Verjährungsfrist beginnt erst an dem Tag, «an welchem 66 BGE 4A_454/2010 E. 3.1; BK OR-Brehm, Art. 60 N 35. 67 BGE 4A_109/2011 E. 9.3.1; 112 II 118 E. 4; 111 II 55 E. 3a = Pra 1985 Nr. 129; 108 Ib 97 E. 1c; 92 II 1 E. 3 = Pra 1955 Nr. 132. 68 BGE 4A_109/2011 E. 9.3.1; 126 III 161 E. 3c = Pra 2001 Nr. 80; s. auch BK OR-Brehm, Art. 60 N 27 ff. 69 BGE 126 III 161 E. 3c = Pra 2001 Nr. 80. 70 BGE 131 III 61 E. 3.1.2 m.w.H.; BSK OR-Däppen, Art. 60 N 8; CHK OR-Müller, Art. 60 N 18. 71 BK OR-Brehm, Art. 60 N 61. 72 BBl 2018 3537; s. ferner auch BBl 2014 252, wobei der ursprüngliche Gesetzesvorschlag noch eine dreissigjährige Frist vorsah. 73 BGE 137 III 16 E. 2. 74 BGE 127 III 257 E. 2b aa; Rey, Haftpflichtrecht, N 1634 f. 75 So ausdrücklich BBl 2014 252, wonach Lehre und Rechtsprechung zu Art. 60 Abs. 1 OR weiterhin anwendbar sein sollen. 76 BBl 2014 252.

680

§ 26

Verjährung (Art. 60, Art. 67 und Art. 127–142 OR)

das schädigende Verhalten erfolgte oder aufhörte». Ausserdem ist im Gesetzestext nun von «Verhalten» und nicht mehr von «Handlung» die Rede. Damit wird klargestellt, dass nicht nur ein Tun, sondern auch eine Unterlassung anspruchsbegründend und damit fristauslösend sein kann, wie es bereits für das geltende Recht allgemein anerkannt ist.77 Der Gesetzgeber stellt also auch im neuen Verjährungsrecht für den Beginn der absoluten Verjährungsfrist weiterhin auf das schädigende Verhalten und nicht auf den Eintritt des Schadens ab. Dies kann bei Krankheiten mit sehr langer Inkubationszeit (Zeitspanne zwischen schädigendem Verhalten und Krankheitsausbruch) stossend sein. Beispielsweise kann das Mesotheliom, eine durch Asbestexposition verursachte Krebserkrankung, eine Inkubationszeit von bis zu 40 Jahren aufweisen. Bis zur Manifestation der Schädigung kann also eine sehr lange Zeit verstreichen. Trotzdem verjähren die Forderungen solcher Asbestopfer schon zehn Jahre (bzw. zwanzig Jahre nach dem neuen Verjährungsrecht; Art. 60 Abs.  1bis revOR) nach dem Kontakt mit schädigenden Asbestpartikeln. In einem Urteil aus dem Jahre 2014 bezeichnete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die geltende 10-jährige Frist bei Personenschäden als unangemessen kurz. Dadurch werde das Recht auf das in Art. 6 Ziff. 1 EMRK78 verankerte Recht auf (freien) Zugang zu einem Gericht verletzt. Der Gerichtshof gewährte den Angehörigen eines Asbestopfers darum trotz Ablaufes der Verjährungsfrist einen Anspruch auf Genugtuung.79 Fraglich ist, ob mit der Einführung der zwanzigjährigen absoluten Frist, welche wie im geltenden Recht ab dem schädigenden Verhalten zu laufen beginnt, den Anforderungen von Art.  6 Ziff.  1 EMRK nun Genüge getan ist oder nicht. Offenbart sich ein Körperschaden erst nach zwanzig Jahren, so schafft auch die vorliegende Gesetzesrevision keine Abhilfe.80 Die Schadenersatzklage der Geschädigten würde an der Verjährung scheitern; der Rechtsweg wäre also weiterhin abgeschnitten. In der Lehre wird als alternative Lösung postuliert, die Verjährungsfrist erst dann beginnen zu lassen, wenn die Geschädigte objektiv betrachtet zum ersten Mal vom Schaden Kenntnis erlangen könnte.81 Die Frist begänne z.B. erst dann zu laufen, wenn ein Mesotheliom medizinisch diagnostizierbar wäre. 3.4

Ausserordentliche Frist: Anspruch aus strafbarer Handlung

Art. 60 Abs. 2 OR sieht für den Fall, dass die schädigende Handlung gleichzeitig einen Straftatbestand erfüllt, eine ausserordentliche Frist vor. Die privatrechtliche 77 BBl 2014 252. Für das geltende Recht Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, N 3056; Rey/Wildhaber, N 1859 m.w.H. 78 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (SR 0.101). 79 Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 11. März 2014, Howald Moor Renate Anita und Mitb. gegen Schweiz, Nr.  52 067/10 und 41 072/11. für eine ausführliche Besprechung dieses Urteils s. Krauskopf, Jusletter 24. März 2014, N 1 ff. 80 So auch Krauskopf/Märki, Jusletter 2. Juli 2018, N 7 f. und N 13. 81 CR CO-Werro, Aart. 60 N 25.

681

2244

4. Kapitel

Verjährung und Solidarität

Verjährungsfrist wird in dieser Konstellation mit der strafrechtlichen Frist gleichgeschaltet. Die Geschädigte soll ihre privatrechtlichen Ansprüche solange geltend machen können, als die strafrechtliche Verjährung noch nicht eingetreten ist.82 Die massgeblichen Fristen richten sich diesfalls nach Art. 97 und Art. 109 StGB83: Verbrechen verjähren in der Regel nach 15 (ausser bei Androhung von lebenslänglicher Strafe nach 30), Vergehen nach sieben und Übertretungen nach drei Jahren. Gemäss Art. 101 StGB verjähren gewisse Verbrechen überhaupt nicht. Auch sexuelle und pornografische Straftaten an Kindern unter 12 Jahren sind gemäss Art. 101 Abs. 1 lit. e StGB und Art. 123b BV unverjährbar. Aus solchen Handlungen resultierende Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen können somit auch nicht verjähren.84 2244a

Art. 60 Abs. 2 OR wird im Zuge der Revision des Verjährungsrechts ebenfalls geändert. Nach Art. 60 Abs. 2 Satz 1 revOR verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung «frühestens mit Eintritt der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung». Dies gilt sowohl für die einjährige relative wie auch für die zehn- bzw. zwanzigjährige absolute Frist von Art. 60 Abs. 1 und Abs. 1bis revOR.85 Mit dem präzisierenden Zusatz «frühestens» soll ausserdem klargestellt werden, dass Art. 60 Abs. 2 OR nur dann zur Anwendung kommt, wenn ein Schadenersatz- oder Genugtuungsanspruch gemäss Art. 60 Abs. 1 oder Abs. 1bis revOR bereits verjährt wäre.86 Sodann sieht Art. 60 Abs. 2 Satz 2 revOR vor, dass mit der «Eröffnung» eines erstinstanzlichen Strafurteils eine neue dreijährige Verjährungsfrist zu laufen beginnt.87 Unklar ist, ob Schadenersatz- oder Genugtuungsansprüche aus einer strafbaren Handlung immer der dreijährigen Verjährungsfrist von Art. 60 Abs. 2 OR unterliegen, wenn ein erstinstanzliches Strafurteil eröffnet wurde. Oder ob diese Dreijahresfrist nur dann anwendbar ist, wenn die ursprüngliche längere strafrechtliche Verjährungsfrist nach Eröffnung des erstinstanzlichen Strafurteils innerhalb dieser drei Jahre enden würde. Beide Auslegungen sind möglich.88 Die Praxis wird diese Frage zu klären haben.

2245

In diesem Zusammenhang stellt sich bisweilen auch die Frage, inwieweit ein Zivilgericht an Erkenntnisse und Urteile von Strafjustizbehörden bzw. Strafgerichten gebunden ist. Für die Beantwortung dieser Frage ist danach zu differenzieren, ob bereits ein Strafurteil gefällt wurde oder nicht:

82 83 84 85 86 87 88

682

BBl 2014 255 mit Verweis auf BGE 137 III 481 E. 2.3 = Pra 2012 Nr. 29. Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (SR 311.0). S. BSK OR-Däppen, Art. 60 N 14. BBl 2014 255. So ausdrücklich BBl 2014 255. BBl 2014 256. Dazu ausführlich Krauskopf/Märki, Jusletter, 2. Juli 2018, N 9.

§ 26

Verjährung (Art. 60, Art. 67 und Art. 127–142 OR)

Das Fehlen eines Strafurteils hindert die Anwendung von Art. 60 Abs. 2 OR nicht.89 2246 Das Zivilgericht muss in diesen Fällen also selber entscheiden, ob das Verhalten des Schädigers unter einen Straftatbestand zu subsumieren ist oder nicht. Dasselbe gilt, wenn ein Strafurteil nur deshalb nicht gefällt werden konnte, weil es an einem dafür erforderlichen Strafantrag fehlte90 oder weil der Schädiger schuldunfähig91 war. Liegt hingegen ein Strafurteil vor, so ist das Zivilgericht an einen Schuldspruch 2247 gebunden. Bei einem Freispruch ist die Anwendung von Art. 60 Abs. 2 OR ebenfalls ausgeschlossen, sofern die Strafbehörde eine strafbare Handlung verneint hat.92 Bei einer Einstellungsverfügung gilt es zu differenzieren: Beispielsweise hindert eine wegen eingetretener strafrechtlicher Verjährung begründete Einstellung das Zivilgericht nicht daran, selber zu prüfen, ob eine Straftat vorliegt.93 Wurde das Verfahren dagegen eingestellt, weil der entsprechende Straftatbestand nicht erfüllt war, so ist das Zivilgericht daran gebunden.94

4.

Verjährung von Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung

Für Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung gilt gemäss Art. 67 OR eben- 2248 falls eine relative Frist von einem Jahr und eine absolute Frist von zehn Jahren.95 Mit Inkrafttreten des neuen Verjährungsrechts am 1.  Januar 2020 wird auch die relative Verjährungsfrist von Art. 67 Abs. 1 OR auf drei Jahre verlängert (Art. 67 Abs. 1 revOR)96; die zehnjährige absolute Frist bleibt dagegen unverändert.

5.

Beginn der Verjährung (Art. 130 und Art. 131 OR)

5.1

Grundsatz: Beginn mit Fälligkeit (Art. 130 Abs. 1 OR)

Grundsätzlich beginnt mit Fälligkeit der Forderung, das heisst ab dem Zeitpunkt, ab 2249 welchem die Gläubigerin die geschuldete Leistung verlangen darf, die Verjährungsfrist zu laufen (Art. 130 Abs. 1 OR). Soweit weder der Vertrag noch die «Natur des Rechtsverhältnisses» einen Erfüllungszeitpunkt bestimmen, wird eine Forderung im Zeitpunkt ihres Entstehens auch sogleich fällig (Art. 75 OR). Die Verjährungs89 S. BGE 136 III 502 E. 6.3.1 = Pra 2011 Nr. 39; 125 III 339 E. 3b; s. ferner auch BBl 2014 256 f. m.w.H. 90 S. BGE 136 III 502 E. 6.3.1 und E. 6.3.2 = Pra 2011 Nr. 39. 91 Ausführlich zur umstrittenen Frage der Anwendung von Art. 60 Abs. 2 OR bei Schuldunfähigkeit Fellmann/Kottmann, Haftpflichtrecht I, 3065. 92 CHK OR-Müller, Art. 60 N 31 f. m.w.N. 93 BSK OR-Däppen, Art. 60 N 13; CHK OR-Müller, Art. 60 N 31 f. m.w.N. 94 BSK OR-Däppen, Art. 60 N 13. 95 Für weitere Spezialfälle s. BSK OR-Däppen, Art. 127 N 14 ff. 96 BBl 2018 3538.

683

4. Kapitel

Verjährung und Solidarität

frist beginnt auch zu laufen, wenn die Gläubigerin keine Kenntnis von der Forderung oder von deren Fälligkeit hat.97 Ist eine Forderung fällig, spricht man statt von Forderung auch von Anspruch (s. N 29 f.). 2250

Umstritten ist, ob die Parteien eine Abrede treffen dürfen, wonach die Gläubigerin eine Forderung auch noch nach zehn Jahren und später geltend machen darf. In BGE 122 III 1098 wurde diese Frage offengelassen. Däppen lehnt die Zulässigkeit von solchen Vereinbarungen ab. Seiner Meinung nach verstossen diese gegen die Verbotsnorm von Art. 129 OR (s. N 2256).99

2251

Bei Schadenersatzansprüchen aus Nicht- oder Spätleistung (Art. 97 Abs. 1, Art. 101, Art. 103 und Art. 107 Abs. 2 OR), die an die Stelle der primär geschuldeten Leistung treten, beginnt die Verjährungsfrist mit Fälligkeit der Hauptforderung zu laufen.100 Bei Schlechterfüllung (positiver Vertragsverletzung) und cic ist dagegen für den Fristenbeginn der Zeitpunkt der Pflichtverletzung massgebend.101

2252

5.2

Ausnahmen

a.

Kündbarkeit und Kündigung (Art. 130 Abs. 2 OR)

Bei Forderungen, die mit einer Kündigung fällig werden, beginnt die Verjährungsfrist nach Art. 130 Abs. 2 OR an dem Tag zu laufen, an welchem die Kündigung erstmals zulässig ist. Andernfalls könnte die Gläubigerin durch Unterlassen der Kündigung den Verjährungsbeginn nach ihrem Willen hinausschieben.102 Die Norm bezieht sich sowohl auf Erklärungen zwecks Herbeiführung der Fälligkeit einer Forderung als auch auf Erklärungen zwecks Beendigung eines Schuldverhältnisses.103 Sie soll alle Fälle erfassen, in denen die Gläubigerin durch einseitige Willenserklärung die Fälligkeit einer Forderung bewirken kann.104 Entsprechend findet Art. 130 Abs. 2 OR auch Anwendung bei Wahlobligationen, bei welchen die Wahl der Gläubigerin zusteht105, und bei suspensiv potestativ bedingten Forderungen, bei denen die Gläubigerin (einseitig) erklären darf, ob und wann die Forderung entsteht (Wollensbedingung)106.

97

BGE 136 V 73 E. 4.1; 119 II 216 E. 4a aa = Pra 1995 Nr. 11; Addorisio de Feo, N 115 ff.; BSK OR-Däppen, Art. 130 N 9. 98 BGE 122 III 10 E. 5b. 99 S. ausführlich BSK OR-Däppen, Art. 130 N 7a ff.; a.M. ZK OR-Berti, Art. 130 N 40. 100 CR CO-Pichonnaz, Art. 130 N 5h f. m.w.H; a.M. Seiler, 24 ff. 101 BGE 119 II 216 E. 4a aa = Pra 1995 Nr. 11; 106 II 134 E. 2d. A.M. ZK OR-Berti, Art. 130 N 129, der auf den Zeitpunkt des Eintritts des Schadens abstellt. 102 BGE 122 III 10 E. 5; ZK OR-Berti, Art. 130 N 54 ff. 103 BGE 4C.397/2005 E. 2.2.2; BSK OR-Däppen, Art. 130 N 14. 104 BGE 122 III 10 E. 5; 91 II 442 E. 5b. 105 CR CO-Pichonnaz, Art. 130 N 7. 106 BGE 122 III 10 E. 6; ZK OR-Berti, Art. 130 N 54.

684

§ 26

Verjährung (Art. 60, Art. 67 und Art. 127–142 OR)

Die ältere Lehre sowie die ältere Rechtsprechung wollten Art. 130 Abs. 2 OR immer 2253 dann angewendet wissen, wenn die Gläubigerin über ein Kündigungsrecht verfügt.107 Die Verjährung begänne diesfalls an jenem Tag zu laufen, an welchem der Schuldner tatsächlich kündigt oder aber die Gläubigerin kündigen könnte. «Dass der Gläubiger tatsächlich kündigt, ist nicht nötig, dass der Schuldner kündigen kann, nicht genügend.»108 Die neuere Lehre109 und die neuere Rechtsprechung110 wollen die Norm dagegen angesichts der Interessenlage nur anwenden, wenn der Entscheid, wann eine Forderung fällig wird, ausschliesslich im Machtbereich der Gläubigerin liegt. Dieser Grundsatz gälte zumindest solange, als die verjährungsrechtlichen Interessen des Schuldners nicht beeinträchtigt wären. Die Interessen des Schuldners sind in der Regel solange gewahrt, als er selber kündigen kann.111 Eine einseitige Manipulation des Verjährungsbeginns durch die Gläubigerin ist in diesen Fällen ausgeschlossen; die Verjährungsfrist beginnt darum nicht bereits im Zeitpunkt der erstmals zulässigen Kündigung zu laufen, sondern erst mit der tatsächlichen Vertragsbeendigung bzw. der tatsächlichen Fälligstellung der Forderung. Die Regelung von Art. 130 Abs. 2 OR ist insofern problematisch, als nach dieser 2254 Bestimmung eine Forderung verjähren kann, bevor sie überhaupt fällig wird. In Bezug auf den Rückgabeanspruch aus einem Hinterlegungsvertrag (s. N 3520 ff.) verneint das Bundesgericht daher auch eine Verjährung des Rückgabeanspruchs vom Tag der Hinterlegung an. Erst die Vertragsbeendigung habe die Fälligkeit der Forderung zur Folge und lasse den Rückgabeanspruch entstehen. Die Verjährung begänne demnach nicht bereits am Tag der Hinterlegung112, sondern erst mit Vertragsbeendigung113. Die Lehre befürwortet diese Lösung mehrheitlich.114 In Bezug auf den Rückgabeanspruch aus dem unbefristeten Darlehensvertrag stellt sich das Problem allerdings weiterhin (s. N 3091): Das unbefristete Darlehen wird mangels anderweitiger Vereinbarung sechs Wochen nach Auszahlung zur Rückzahlung fällig (Art. 318 OR). Das Bundesgericht115 und ein Teil der Lehre116 nehmen daher in Anwendung von Art. 130 Abs. 2 OR an, dass die Verjährungsfrist bereits in diesem Zeitpunkt zu laufen beginnt. Sind keine Zinsen geschuldet (mit jeder Zinszahlung würde die Verjährung nach Art. 135 Ziff. 1 OR unterbrochen), verjährt der Rückforderungsanspruch nach diesem Teil der Lehre zehn Jahre und sechs Wochen nach Auszahlung des Darlehens (Art. 318 i.V.m. Art. 130 Abs. 2 und Art. 127 OR). Unter 107 108 109 110 111 112 113 114

BGE 78 II 243 E. 5d; Spiro, Begrenzung, 53. Spiro, Begrenzung, 53. ZK OR-Berti, Art. 130 N 56; zustimmend BSK OR-Däppen, Art. 130 N 14. BGE 122 III 10 E. 6; 91 II 442 E. 5b. ZK OR-Berti, Art. 130 N 56. BGE 78 II 243 E. 5d. BGE 91 II 442 E. 5b; bestätigt in BGE 122 III 10 E. 5b und BGE 133 III 37 E. 3.2 = Pra 2007 Nr. 91. ZK OR-Berti, Art. 130 N 57; Engel, CO PS, 604; Honsell, OR BT, 422; CR CO-Pichonnaz, Art. 130 N 10; a.M. Koller, OR AT, N 68.23 f. 115 BGE 4A_181/2012 E. 2; 4A_699/2011 E. 3; 91 II 442 E. 5b. 116 CR CO-Bovet/Richa, Art. 318 N 7; ZK OR-Higi, Art. 315 N 22; Koller, OR AT, N 68.25 ff.

685

4. Kapitel

Verjährung und Solidarität

Umständen tritt die Verjährung also ein, ehe das Darlehen überhaupt zurückgefordert bzw. der Darlehensvertrag gekündigt wurde.117 Ein anderer Teil der Lehre hält es darum für sachgerechter, die Verjährung – analog der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Hinterlegungsvertrag  – erst mit der effektiven Beendigung des Darlehens einsetzen zu lassen.118 Nach diesem Teil der Lehre entsteht  – entgegen der Auffassung des Bundesgerichts119 – der Rückerstattungsanspruch auch beim Darlehensvertrag erst im Zeitpunkt der Beendigung des Vertrages.120 b. 2255

Leibrenten und ähnliche periodische Leistungen (Art. 131 OR)

Bei einer Leibrente oder einer ähnlichen periodisch geschuldeten Leistung handelt es sich um eine Gesamtforderung, die meist durch regelmässig fällige Teilleistungen zu erfüllen ist (z.B. Renten nach Art. 43 Abs. 2 OR).121 Sowohl für den Verjährungsanfang als auch für die Verjährungsfrist ist zwischen dem Stammrecht («Forderungsrecht im Ganzen»), das heisst dem Recht, die Leistungen zu erhalten, und dem jeweiligen Recht auf die einzelne periodische Rentenleistung zu unterscheiden. Das Stammrecht ist keine eigentliche Forderung, sondern ein Schuldverhältnis, aus dem in regelmässig wiederkehrenden Zeitabständen Forderungen entstehen.122 Die einzelnen Rentenleistungen stellen periodische Leistungen im Sinne von Art.  128 Ziff.  1 OR dar, weshalb für sie die fünfjährige Verjährungsfrist gilt. Deren Lauf beginnt in Einklang mit Art. 130 Abs. 1 OR jeweils mit der Fälligkeit einer einzelnen Leistung sukzessive für jede Leistung gesondert.123 Die Gesamtforderung hingegen ist nicht periodisch, sondern unterliegt der ordentlichen Verjährungsfrist von Art. 127 OR.124 Gemäss Art. 131 Abs. 1 OR fängt die Verjährungsfrist für die Gesamtforderung mit Fälligkeit der ersten rückständigen Teilleistung zu laufen an.125 Wird also die Verjährungsfrist für die Gesamtforderung ausgelöst, tangiert dies auch die einzelnen Rentenleistungen. Mit Ablauf der zehnjährigen Verjährungsfrist für die Gesamtforderung sind gemäss Art.  131 Abs.  2 OR auch die einzelnen Rentenforderungen verjährt.126 Das gilt selbst dann, wenn für sie die 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126

686

Honsell, OR BT, 293. ZK OR-Berti, Art. 130 N 58; Honsell, OR BT, 294; Maurenbrecher, recht 2003, 189; Maurenbrecher, Darlehen 1995, 260 ff.;KuKo OR-Schwaibold, Art. 318 N 11. BGE 91 II 442 E. 5b. ZK OR-Berti, Art. 130 N 58; Maurenbrecher, recht 2003, 189; Maurenbrecher, Darlehen 1995, 261 ff. BSK OR-Däppen, Art. 131 N 2. BGE 5C.168/2004 E. 3.1 m.w.H.; s. auch Gauch, AJP 2014, 288, der darauf hinweist, dass unter «Schuldverhältnis» ein Schuldverhältnis i.e.S. zu verstehen ist. BGE 139 III 263 E. 1.1 und E. 2.5 = Pra 2013 Nr. 77; 124 III 449 E. 3b = Pra 1999 Nr. 53; s. auch Guhl/ Koller, § 39 N 26. BGE 139 III 263 E. 1.1 = Pra 2013 Nr. 77; 124 III 449 E. 3b = Pra 1999 Nr. 53; 111 II 501 E. 2 m.w.H. Anders dagegen der OR 2020-Entwurf, der die inhaltlich kaum zu rechtfertigende Regelung von Art. 131 OR nicht übernimmt; zu den Gründen s. Thouvenin/Purtschert, Art. 149 N 23 f. BGE 139 III 263 E. 1.1 = Pra 2013 Nr. 77.

§ 26

Verjährung (Art. 60, Art. 67 und Art. 127–142 OR)

fünfjährige Frist von Art. 128 Ziff. 1 OR noch gar nicht verstrichen ist. Mit Fälligkeit einer einzelnen Teilforderung wird die Verjährung für die Gesamtforderung immer wieder initiiert und nach Art. 135 Ziff. 1 OR immer wieder unterbrochen, wenn die einzelne Teilforderung beglichen wird.127

6.

«Unabänderlichkeit der Fristen» (Art. 129 OR)

Die in Art.  127  ff. OR festgesetzten Verjährungsfristen sind absolut zwingend 2256 (Art. 129 OR).128 Nach herrschender Meinung gilt das Verbot jedoch für die ausserhalb des dritten Titels des OR geregelten Verjährungsfristen nicht: Die Parteien dürfen diese Fristen ändern, also verkürzen oder verlängern.129 Eine Verlängerung über zehn Jahre (Art. 127 OR) hinaus ist allerdings unzulässig.130

7.

Verjährungsverzicht (Art. 141 OR)

Gerade bei kurzen Verjährungsfristen besteht oft das Bedürfnis, die Verjährungs- 2257 frist zu verlängern, zu verkürzen oder gar ganz wegzubedingen, damit die Parteien ausreichend Zeit haben, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Doch wird die Privatautonomie im Verjährungsrecht einerseits durch Art. 129 OR und andererseits durch Art. 141 OR eingeschränkt. Art. 141 OR statuiert das Verbot, «zum voraus» auf die Verjährung zu verzichten. 2258 Diese Verbotsnorm soll dem Schutz des Schuldners dienen, da bei einem Machtgefälle zwischen Gläubigerin und Schuldner die Möglichkeit, auf die Verjährung zu verzichten, sonst regelmässig zu einem eigentlichen Druckmittel der Gläubigerin gegen den Schuldner würde. In BGE 99 II 185131 entschied das Bundesgericht, dass der Wortlaut von Art. 141 Abs. 1 OR einschränkend auszulegen sei, und zwar insofern, als er sich – analog zu Art. 129 OR – nur auf die Verjährungsfristen des dritten Titels beziehe. Ausserhalb des dritten Titels (z.B. Art. 60 und Art. 67 OR) konnte der Schuldner darum auch im Voraus auf die Verjährung verzichten, soweit nicht

127 BSK OR-Däppen, Art. 131 N 4. 128 BGE 132 III 285 E. 2. 129 ZK OR-Berti, Art. 129 N 17; betreffend Art. 60 OR s. BGE 112 II 231 E. 3e bb = Pra 1987 Nr. 65. So auch der OR 2020-Entwurf, der in Art. 159 OR 2020 ausdrücklich vorsieht, dass die Parteien die (relative und absolute) Verjährungsfrist innerhalb eines gewissen Rahmens verlängern oder verkürzen können. Zwingend ist einzig die 30-jährige Höchstfrist von Art. 151 OR 2020 (s. Art. 159 Abs. 3 OR 2020); dazu ausführlich OR 2020-Thouvenin/Purtschert, Vor Art. 148–162 N 14 und Art. 159 N 1 ff. 130 BGE 132 III 226 E. 3.3.8 = Pra 2006 Nr. 146; 99 II 185 E. 2a; ZK OR-Berti, Art. 129 N 23. 131 BGE 99 II 185 E. 2b; bestätigt in BGE 5C.42/2005 E. 2.2; 4C.9/1998 E. 4 (s. zu diesem unveröffentlichten Urteil Koller, AJP 2000, 246 ff.); 112 II 231 E. 3e bb = Pra 1987 Nr. 65. Diese Rechtsprechung erfuhr in der Lehre heftige Kritik: s. statt vieler Kessler, 42 f. m.w.H.; Spiro, FS Neumayer, 547 f.

687

4. Kapitel

Verjährung und Solidarität

andere Schranken bestanden. Seit der in BGE 132 III 226132 eingeleiteten Änderung der Rechtsprechung wurde der Geltungsbereich von Art. 141 Abs. 1 OR ausgeweitet. Das in Art. 141 Abs. 1 OR enthaltene Verbot, im Voraus auf die Verjährung zu verzichten, gilt nunmehr für alle Verjährungsfristen (z.B. Art. 60 und Art. 67 OR) und ist nicht auf jene des dritten Titels beschränkt.133 2259

Die zentrale Frage ist, wie die Gesetzespassage «zum voraus» verstanden werden muss oder mit anderen Worten: In welchem Zeitpunkt kann rechtsgültig auf die Verjährung verzichtet werden?134 Die Möglichkeit, nach eingetretener Verjährung auf die Verjährung zu verzichten, wird von Lehre und Rechtsprechung allgemein anerkannt.135

2260

Vermehrt wird von der Lehre der Verzicht auf die Geltendmachung der Verjährung für die bereits verstrichene Zeit akzeptiert. Spiro ist der Meinung, dass die Regelung von Art. 141 Abs. 1 OR den Verzicht auf die Anrechnung der bereits aufgelaufenen Verjährungsfrist gar nicht verbieten wolle.136 Bereits in BGE 99 II 185 entschied auch das Bundesgericht, dass der Schuldner auf das Geltendmachen der bereits eingetretenen Verjährung verzichten dürfe. Allerdings unterliege die Freiheit, während laufender Verjährungsfrist auf die Einrede der abgelaufenen Verjährung zu verzichten, der Beschränkung von Art. 129 OR. Ein Verzicht auf die laufende Verjährung für eine Forderung, die sich auf den dritten Titel des OR bezieht, sei demnach nichtig (Art. 20 OR).137 In BGE 132 III 226 kam das Bundesgericht dagegen zum Schluss, der Gesetzgeber habe im Rahmen des dritten Titels nur den Verjährungsverzicht im Zeitpunkt des Vertragsschlusses verbieten wollen. Nach Abschluss des Vertrages bzw. während laufender Verjährungsfrist könne der Schuldner dagegen auch bezüglich einer Forderung, die gemäss dem dritten Titel verjähre, auf die Einrede der Verjährung verzichten.138

2260a

Das neue Verjährungsrecht hält nun explizit fest, dass ein Verjährungsverzicht «erst ab Beginn der Verjährung zulässig» ist (Art. 141 Abs. 1 revOR). Die zuvor erwähnte Rechtsprechung, wonach ein Verjährungsverzicht nach Abschluss des Vertrages zulässig ist, wird ab Inkrafttreten des neuen Verjährungsrechts keine Geltung mehr

132 133 134 135 136 137 138

688

BGE 132 III 226 E. 3.3.7 = Pra 2006 Nr. 146. Diese Rechtsprechung gilt auch für die neue Verzichtsregelung in Art. 141 revOR, welche am 1. Januar 2020 in Kraft treten wird. So ausdrücklich BBl 2014 262, wonach diese Norm auf alle Verjährungsfristen anwendbar ist. Die Einschränkung von analog Art. 129 OR gelte hier nicht. S. zu diesem Zweck den Wortlaut des Art. 159 aOR: «Auf die Verjährung kann nach ihrer Vollendung Verzicht geleistet werden.» BGE 99 II 185 E. 2b; bestätigt in BGE 132 III 226 E. 3.3.7 = Pra 2006 Nr. 146; Kessler, 43 f.; Koller, SJZ 2007, 197. Spiro, FS Neumayer, 555; gl.M. Kessler, 45 f.; ZK OR-Berti, Art. 129/141 N 48 f., mit einer anderen Begründung; a.M. Bucher, OR AT, 448. BGE 99 II 185 E. 2b; bestätigt in BGE 112 II 231 E. 3e bb = Pra 1987 Nr. 65. BGE 132 III 226 E. 3.3.7 = Pra 2006 Nr. 146.

§ 26

Verjährung (Art. 60, Art. 67 und Art. 127–142 OR)

in Anspruch nehmen können.139 Ab dem 1. Januar 2020 kommt es nur noch auf den Eintritt der Verjährung an. Der Wortlaut von Art. 141 Abs. 1 revOR schliesst einen Verzicht in einem früheren Zeitpunkt aus. Fallen Vertragsschluss und Fälligkeit der Forderung zusammen (s. Art. 75 OR), so beginnt bereits in diesem Zeitpunkt die Verjährung (Art. 130 Abs. 1 OR). Eine Verzichtserklärung wäre in diesem Fall also direkt nach Vertragsschluss zulässig. Haben die Parteien jedoch einen späteren Fälligkeitszeitpunkt verabredet oder sieht das Gesetz selber einen späteren Fälligkeitszeitpunkt vor (z.B. Art. 213 OR), so kann der Schuldner nicht bereits nach Abschluss des Vertrages, sondern erst im Zeitpunkt der Fälligkeit der Leistung (Art. 130 Abs. 1 OR) auf die Verjährung verzichten. In allen anderen Punkten bleibt die erwähnte Rechtsprechung zu Art. 141 OR dagegen weiterhin anwendbar: Ein Verjährungsverzicht ist nicht nur zu Beginn der Verjährung, sondern auch während laufender Verjährungsfrist zulässig. Ausserdem gilt Art. 141 revOR weiterhin für sämtliche Verjährungsfristen und nicht bloss für die Verjährungsfristen des dritten Titels des OR.140 In BGE 132 III 226 hielt das Bundesgericht in Bezug auf die Dauer des Verjährungs- 2261 verzichtes – ebenfalls in Abänderung seiner früheren Rechtsprechung gemäss BGE 112 II 231141  – ausserdem fest, es sei in dieser Frage die Parteiautonomie höher zu gewichten als bislang. Diese finde ihre Grenze erst im Zehn-Jahres-Verbot von Art.  127 OR. Unabhängig von der im konkreten Fall geltenden Verjährungsfrist dürfe ein Verzicht nicht für mehr als zehn Jahre erklärt werden.142 Ansonsten folge in Anwendung von Art. 20 Abs. 2 OR eine Reduktion auf zehn Jahre (s. N 438).143 Das neue Verjährungsrecht normiert nun diese bundesgerichtliche Praxis.  Nach Art. 141 revOR kann der Schuldner «jeweils für höchstens zehn Jahre auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichte[n]»144. Diese zulässige Maximaldauer schliesst die Erneuerung des Verjährungsverzichts für weitere Perioden von maximal zehn Jahren nicht aus (s. auch den Begriff «jeweils» in Art. 141 revOR). Der Verjährungsverzicht kann also beliebig oft wiederholt werden.145 Hinsichtlich des Beginns der zulässigen Maximaldauer hat sich das Bundesgericht 2262 bislang noch nicht geäussert. Auch das Gesetz regelt diese Frage nicht. Und bei der Revision des Verjährungsrechts wurde bewusst auf eine Regelung dieser Frage verzichtet.146 Als möglicher Startpunkt kommen beispielsweise der Verjährungseintritt oder die Abgabe der Verzichtserklärung infrage. Es erscheint uns vernünftig, primär 139 140 141 142 143 144 145 146

Krauskopf/Märki, Jusletter 2. Juli 2018, N 28, mit kritischen Anmerkungen zu dieser Regelung. So ausdrücklich BBl 2014 262. BGE 112 II 231 E. 3e bb = Pra 1987 Nr. 65. BGE 132 III 226 E. 3.3.8 = Pra 2006 Nr. 146; gl.M. Furrer/Müller-Chen, Kap. 21 N 110; Gauch, SJZ 2006, 536. Gauch, SJZ 2006, 536 f.; s. auch BBl 2014 262. BBl 2018 3539. BBl 2014 262. BBl 2014 262.

689

4. Kapitel

Verjährung und Solidarität

auf die Vereinbarung abzustellen. Mit anderen Worten soll es so weitgehend wie mit den Schranken der Rechtsordnung vereinbar in der Autonomie der Parteien liegen, festzulegen, ab wann eine Forderung durchsetzbar sein soll.147 Sodann ist unseres Erachtens auf den Zeitpunkt des Verjährungsverzichts abzustellen.148 Eine andere Auffassung ist angesichts von Art. 142 OR auch gar nicht praktikabel: Entschliesst sich der Schuldner beispielsweise dazu, auf die Verjährungseinrede zu verzichten, weil ihm das Begleichen der Forderung steuerliche oder andere Vorteile bringt, soll ein Gericht nicht einfach die Verjährung der Forderung feststellen dürfen (Art. 142 OR). Der Verjährungsverzicht muss aber vor der Inhaltsschranke von Art. 19/20 OR und vor anderen allenfalls anwendbaren zwingenden Regeln standhalten. 2263

Ein Verzicht wirkt im Übrigen wie eine Unterbrechungshandlung (s. N 2266 ff.):149 Vom Zeitpunkt der Verzichtserklärung an beginnt eine Frist von der Länge der unterbrochenen neu zu laufen. Die Wirkungen eines befristeten Verjährungsverzichts sind umstritten. Ein Teil der Lehre möchte diesen einer Unterbrechungshandlung (s. N 2266) gleichstellen.150 Dagegen möchte ein anderer Teil der Lehre die Wirkung desselben mittels Auslegung des Parteiwillens bestimmen.151 Ein zeitlich beschränkter Verjährungsverzicht (z.B. bis Dezember 2013) soll mit anderen Worten nicht eo ipso in eine verjährungsunterbrechende Handlung «umfunktioniert» werden.152 Unseres Erachtens ist beim befristeten Verjährungsverzicht in erster Linie auf den Parteiwillen abzustellen; ein solchermassen befristeter Verzicht kann nämlich auch bloss eine Verlängerung der Verjährungsfrist bezwecken. Im Zweifel liegt eine Unterbrechungshandlung vor. Beim unbefristeten Verjährungsverzicht ist nach der hier vertretenen Meinung hingegen von vornherein von einer Verjährungsunterbrechung auszugehen. Das bedeutet, dass die gesetzliche Verjährungsfrist regelmässig ab dem Verjährungsverzicht (s. N 2269) von Neuem und in voller Länge zu laufen beginnt.153

2264

Schliesslich kann eine Verjährungseinrede des Schuldners nach Ablauf der Verjährungsfrist rechtsmissbräuchlich sein (Art. 2 Abs. 2 ZGB; venire contra factum proprium). Dies ist etwa der Fall, wenn der Schuldner die Gläubigerin während laufender Verjährungsfrist veranlasst, mit einer verjährungsunterbrechenden Handlung (z.B. Klageeinreichung) zuzuwarten, und ihre Säumnis auch bei objektiver Betrachtungsweise plausibel erscheint. Kurzum: Verstösst der Schuldner gegen erwecktes 147 148 149 150 151 152 153

690

In diesem Sinne auch BBl 2014 262, wonach die Frage des Beginns des Verjährungsverzichts primär nach dem wirklichen Willen der Parteien zu entscheiden ist. Kann dieser nicht festgestellt werden, so ist die Erklärung nach dem Vertrauensprinzip auszulegen. Gl.M. Bucher, recht 2006, 195; a.M. Gauch, SJZ 2006, 536, der auf den Zeitpunkt des Verjährungseintritts abstellt. S. Bucher, OR AT, 448. Unter anderen Acocella, SJZ 1990, 337. Koller, SJZ 1996, 369 ff. Koller, SJZ 1996, 370. Bucher, recht 1996, 195.

§ 26

Verjährung (Art. 60, Art. 67 und Art. 127–142 OR)

Vertrauen, schützt das Bundesgericht seine Verjährungseinrede nicht (Art. 2 Abs. 2 ZGB).154 Der Verzicht auf die Einrede der Verjährung kann im Übrigen nach geltendem 2265 Recht formlos erfolgen. Es müssen auch dann keine Formvorschriften beachtet werden, wenn der Grundvertrag formbedürftig ist.155 Das neue Verjährungsrecht verlangt künftig eine schriftliche Verzichtserklärung (Art. 141 Abs. 1bis Satz 1 OR).156 Die verzichtende Partei muss also die Verzichtserklärung unterschreiben (Art. 14 OR), damit ein Verjährungsverzicht gültig zustande kommt.157 Ausserdem können Konsumenten nicht in AGB auf die Verjährungseinrede verzichten (Art. 141 Abs. 1bis Satz 2 OR; s. dazu N 610a).

8.

Hinderung und Stillstand der Verjährung (Art. 134 OR)

Unter bestimmten Voraussetzungen beginnt die Verjährungsfrist nicht zu lau- 2266 fen (sog. «Hinderung») oder sie steht während ihres Laufs still (sog. «Stillstand»; Art. 134 Abs. 1 OR). Die Verjährungsfrist ruht bis zu jenem Zeitpunkt, in welchem der Grund der Hinderung bzw. des Stillstands wegfällt. Fallen die Voraussetzungen für den Nichtbeginn bzw. den Nichtlauf weg, nimmt sie alsdann ihren Anfang bzw. Fortgang (Art. 134 Abs. 2 OR).158 Die Gründe, welche eine Verjährungsfrist nicht beginnen oder ruhen lassen, sind 2267 im Bundesrecht, unter anderem in Art. 134 Abs. 1 Ziff. 1–6 OR, abschliessend aufgezählt.159 Mit dem Inkrafttreten des neuen Verjährungsrechts kommen zwei weitere Gründe hinzu (Art. 134 Abs. 1 Ziff. 7 und Ziff. 8 revOR), wobei 134 Abs. 1 Ziff. 7 OR den bis anhin im ZGB geregelten Art. 586 Abs. 2 ZGB160 ins OR überführt.161 Weitere Gründe für eine Hinderung oder einen Stillstand der Verjährung befinden sich auch im SchKG162 (z.B. Art. 207 Abs. 3 SchKG) und im Personenbeförderungsgesetz (Art. 48 Abs. 2 PBG163).

154 155 156 157 158 159 160

BGE 143 III 348 E. 5.5; 113 II 264 E. 2e m.w.H. Ausführlich zur Kasuistik BSK OR-Däppen, Art. 142 N 9 f. Kessler, 97. BBl 2014 262. S. Krauskopf/Märki, Jusletter 2. Juli 2018, N 30. Furrer/Müller-Chen, Kap. 21 N 101. S. BGE 134 III 294 E. 2 betreffend Art. 134 Abs. 1 Ziff. 6 OR; BSK OR-Däppen, Art. 134 N 1 ff. Im Zusammenhang mit der Revision des Verjährungsrechts wird die Regelung von Art. 586 Abs. 2 ZGB aufgehoben (s. BBl 2014 260). 161 BBl 2014 260. 162 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SR 281.1). 163 Bundesgesetz vom 20. März 2009 über die Personenbeförderung (Personenbeförderungsgesetz; SR 745.1).

691

4. Kapitel

9. 2268

Unterbrechungshandlungen des Schuldners (Art. 135 Ziff. 1 OR)

Der Schuldner unterbricht eo ipso die Verjährung, wenn er seine Schuld ausdrücklich oder konkludent anerkennt. Nach dem Vertrauensprinzip reicht irgendeine schuldnerische Handlung, die nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine Bestätigung der rechtlichen Verpflichtung verstanden werden darf.164 Bei einer förmlichen Schuldanerkennung beträgt die neue Verjährungsfrist in jedem Fall zehn Jahre (Art.  137 Abs.  2 OR); erforderlich ist dafür, dass die Forderung ihrer Höhe nach, also zahlenmässig, anerkannt wird.165 9.2

2270

Unterbrechung der Verjährung (Art. 135–138 OR)

Wird die Verjährung unterbrochen, beginnt die Frist an einem bestimmten Punkt von Neuem zu laufen, und zwar in voller Länge (Art. 137 Abs. 1 OR). Damit eine Verjährungsfrist unterbrochen und damit von Neuem ausgelöst werden kann, muss der Schuldner oder die Gläubigerin eine Unterbrechungshandlung vornehmen. 9.1

2269

Verjährung und Solidarität

Unterbrechungshandlungen der Gläubigerin (Art. 135 Ziff. 2 OR)

Die Gläubigerin unterbricht die Verjährung, wenn sie ihren Anspruch mittels Schuldbetreibung, Schlichtungsgesuch166, Eingabe im Konkurs oder Klageeinreichung bzw. Einrede vor einer staatlichen oder schiedsgerichtlichen167 Instanz geltend macht (Art.  135 Ziff.  2 OR).168 Die Aufzählung von Art.  135 Ziff.  2 OR ist abschliessend.169 Die Verjährung wird grundsätzlich nur bis zum angegebenen Betrag unterbrochen.170 Bezüglich der einzelnen Unterbrechungshandlungen enthalten die Art. 136 ff. OR Präzisierungen.

164 165 166 167 168

169 170

692

BGE 4A_404/2013 E. 4.1; 134 III 591 E. 5.2.1. BGE 4A_153/2011 E. 3.1; 113 II 264 E. 2d. BGE 4A_592/2013 E. 3.2. CHK OR-Killias/Wiget, Art. 135 N 31. S. BGE 142 III 782 E. 3.1.3.2 und E. 3.1.4 = Pra 2018 Nr. 46, wonach diejenige Person, welche die Klage einreicht, aktiv- oder passivlegitimiert sein muss. Andernfalls unterbricht die Klageerhebung die Verjährung nicht im Sinne von Art. 135 Ziff. 2 OR. Im Übrigen dürfe die unrichtige Parteibezeichnung nicht mit einer fehlenden Aktiv- oder Passivlegitimation verwechselt werden (E. 3.2.1 und E. 3.2.2). BGE 132 V 404 E. 4.1 = Pra 2007 Nr. 145. BGE 133 III 675 E. 2.3.2 = Pra 2008 Nr. 65.

§ 26

9.3

Verjährung (Art. 60, Art. 67 und Art. 127–142 OR)

Wirkungen (Art. 136 ff. OR)

Wird eine noch laufende Verjährungsfrist unterbrochen, beginnt die Verjährung von Neuem zu laufen (Art. 137 Abs. 1 OR). Die neue Frist dauert gleich lang wie die ursprüngliche Frist.171

2271

Stellt ein Gericht den Bestand einer Forderung durch Urteil fest oder gibt der 2272 Schuldner eine unterschriftliche und (bei Geldschulden) bezifferte Schuldanerkennung ab, beträgt die neu anlaufende Verjährungsfrist zehn Jahre (Art. 137 Abs. 2 OR), selbst wenn die ursprüngliche Frist kürzer war.172 Art. 138 OR regelt den Beginn der neuen Verjährungsfrist bei Unterbrechungshand- 2273 lungen durch die Gläubigerin (vgl. Art. 135 Ziff. 2 OR; s. N 2267). Mit Inkrafttreten der schweizerischen ZPO173 am 1. Januar 2011 wurde Abs. 1 von Art. 138 OR angepasst und erheblich vereinfacht. Demnach wird der Neubeginn der Verjährungsfrist im Fall der Unterbrechung mittels Schlichtungsgesuch, Klage oder Einrede auf den Abschluss des Rechtsstreits vor der befassten Instanz festgelegt. Erfolgt die Unterbrechung der Verjährungsfrist durch Schuldbetreibung, beginnt sie gemäss Art. 138 Abs. 2 OR mit jedem Betreibungsakt von Neuem. Geschieht die Unterbrechung mittels Eingabe im Konkurs, fängt gemäss Art. 138 Abs. 3 OR die neue Verjährungsfrist in demjenigen Zeitpunkt an, in welchem die Forderung nach dem Konkursrecht wieder geltend gemacht werden kann. Die Wirkungen der Verjährung bei der Solidarschuldnerschaft sind auf die Art. 136 2274 Abs. 1 und 141 Abs. 2 OR verteilt.174 Unterbricht die Gläubigerin die Verjährung gegen einen Solidarschuldner, wirkt die Unterbrechung auch gegen die anderen Solidarschuldner (Art. 136 Abs. 1 OR). Hingegen kann die Gläubigerin den Verzicht eines Solidarschuldners nicht auch den anderen entgegenhalten (Art.  141 Abs.  2 OR). Das Bundesgericht beschränkt die Anwendung von Art. 136 Abs. 1 OR auf die echte Solidarität (Art.  50 Abs.  1 OR; s.  N  2315  ff.).175 Bei der unechten Solidarität wirkt eine Unterbrechungshandlung dagegen nicht auch gegen die Mitverpflichteten. Umstritten ist, ob auch eine Unterbrechungshandlung des Schuldners im Sinne von Art. 135 Ziff. 1 OR die Verjährung für die anderen Solidarschuldner unterbricht.176 Mit Inkrafttreten des neuen Verjährungsrechts am 1. Januar 2020 vermag nach dem 2274a klaren Wortlaut von Art. 136 Abs. 1 revOR nur noch ein Tätigwerden der Gläubige171 CHK OR-Killias/Wiget, Art. 137 N 2. 172 Furrer/Müller-Chen, Kap. 21 N 102; CHK OR-Killias/Wiget, Art. 137 N 4 f. und N 7. 173 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung; SR 272). 174 ZK OR-Berti, Art. 136/141 Abs. 2 und 3 N 1. 175 BGE 115 II 42 E. 1b; 104 II 225 E. 4; 55 II 310 E. 1; 43 II 205 E. 3. 176 BGE 55 II 310 E. 1; Bucher, OR AT, 495; BSK OR-Graber, Art. 146 N 9; CHK OR-Mazan, Art. 146 N 7; a.M. ZK OR-Berti, Art. 136/141 Abs. 2 und 3 N 7; BSK OR-Däppen, Art. 136 N 3; ZK OR-Krauskopf, Art. 146 N 131 ff.; kritisch von Tuhr/Escher, 308 mit FN 76 und 320.

693

4. Kapitel

Verjährung und Solidarität

rin die Verjährung für alle Solidarschuldner zu unterbrechen.177 Das in einem Teil der Lehre vertretene «übergreifende» Verständnis von Art. 136 OR wird demnach unter Art. 136 Abs. 1 revOR keine Geltung mehr beanspruchen können. Wird die Verjährung unterbrochen, indem ein Solidarschuldner die Forderung im Sinne von Art. 135 Ziff. 1 OR anerkennt, so wirkt dies nicht gegenüber den anderen Mitverpflichteten. Art. 136 Abs. 1 revOR ist in diesem Fall nicht anwendbar.178 Dagegen will das neue Verjährungsrecht nichts an der bisherigen Rechtsprechung ändern, wonach Art. 136 Abs. 1 revOR nur auf Fälle der echten Solidarität zur Anwendung gelangt (s. zum Ganzen auch N 2306a).179 2275

Die Unterbrechung der Verjährung gegen den Schuldner einer unteilbaren Leistung (Art. 70 Abs. 2 OR; s. N 2289 ff.) wirkt nach bisheriger Auffassung auch gegen die Mitschuldner (Art.  136 Abs.  1 OR). Dagegen kann der Verzicht des Schuldners einer unteilbaren Leistung den anderen Mitschuldnern nicht entgegengehalten werden (Art. 141 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 OR). Gleich wie bei der Unterbrechung der Verjährung bei der Solidarschuldnerschaft kann mit dem neuen Verjährungsrecht nur noch ein Tätigwerden der Gläubigerin gegenüber allen Mitschuldnern wirken. Dagegen wird die Verjährung gegenüber den anderen Mitschuldnern nicht unterbrochen, wenn ein Mitschuldner die Forderung im Sinne von Art. 135 Ziff. 1 OR anerkennt (s. auch N 2293).

2276

Unterbricht die Gläubigerin die Verjährung gegenüber dem Hauptschuldner, wird die Verjährung auch gegenüber den Bürgen unterbrochen (Art. 136 Abs. 2 OR).180 Umgekehrt wirkt eine gegen den Bürgen erfolgte Unterbrechung nicht auch gegen den Hauptschuldner (Art. 136 Abs. 3 OR). Überdies kann ein Verjährungsverzicht vonseiten des Hauptschuldners nicht auch dem Bürgen entgegengehalten werden (Art. 141 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 OR).

177 178 179 180

694

S. BBl 2018 3538; s. ferner auch BBl 2014 261. So ausdrücklich BBl 2014 261. So ausdrücklich BBl 2014 261. So auch ausdrücklich der neue Wortlaut von Art. 136 Abs. 2 revOR: «Ist die Verjährung gegen den Hauptschuldner unterbrochen, so ist sie es auch gegen den Bürgen, sofern die Unterbrechung auf einer Handlung des Gläubigers beruht» (s. BBl 2018 3538).

§ 26

Verjährung (Art. 60, Art. 67 und Art. 127–142 OR)

2277

Ruhen

Beginn des Fristenlaufs

Hinderung Stillstand

Unterbrechung

Abbildung: Beginn, Ruhen und Unterbrechung der Verjährung

IV.

Wirkungen

Mit Ablauf der Verjährungsfrist verjährt eine Forderung. Die Forderung bleibt zwar 2278 bestehen, doch kann die Gläubigerin sie nicht mehr gegen den Willen des Schuldners (gerichtlich) durchsetzen.181 Unterlässt der Schuldner die Verjährungseinrede, ist die verjährte Forderung gleichwohl durchsetzbar; das Gericht darf die Verjährung nicht von Amtes wegen berücksichtigen (Art. 142 OR). Der Schuldner muss also selber darauf achten, ob die geltend gemachte Forderung verjährt ist oder nicht, und alsdann die Verjährungseinrede erheben.

181 Der OR 2020-Entwurf schlägt eine ausdrückliche Regelung des Leistungsverweigerungsrechts des Schuldners in Art. 148 Abs. 1 OR 2020 vor.

695

§ 27 Mehrheit von Schuldnern und Gläubigerinnen (Art. 70 und Art. 143–150 OR) Grundlagenliteratur Berger, Schuldrecht, N 2400 ff.; Bucher, OR AT, 486 ff.; Engel, CO PG, 827 ff.; Furrer/ Müller-Chen, Kap. 9 N 1 ff.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3654 ff.; Guhl/Koller, §§ 5 und 6; Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 11; Koller, OR AT, N 75.01 ff. und N  76.01  ff.; Kramer/Probst, OR AT, N  542  ff.; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1624 ff.; Roberto, Haftpflichtrecht, N 18.01 ff.; Schwenzer, OR AT, N 88.01 ff.; Tercier/ Pichonnaz, CO PG, N 1598 ff.; von Tuhr/Escher, 290 ff.

Weiterführende Literatur Bärtschi Harald, Teilgläubigerschaft von Miteigentümern, ius.focus 2014 Nr.  4, 87; Brehm Roland, Solidarité «absolue» ou solidarité «relative» en responsabilité civile?, HAVE 2002,  85–91; Giampaolo Davide/Vischer Markus, Grundstückkaufvertrag  – Besteht unter Miteigentümern Teil- oder gemeinschaftliche Gläubigerschaft?, in: dRSK, publiziert am 10. Juni 2014; Huguenin Claire/Hilty Reto M. (Hrsg.), Schweizer Obligationenrecht 2020, Entwurf für einen neuen allgemeinen Teil, Zürich 2013 (zit.: OR 2020-BearbeiterIn); Keller Max/Schöbi Christian, Das Schweizerische Schuldrecht, Bd. IV, Gemeinsame Rechtsinstitute für Schuldverhältnisse aus Vertrag, unerlaubter Handlung und ungerechtfertigter Bereicherung, 2. Aufl., Basel/Frankfurt a.M. 1985; Oftinger Karl/Stark Emil W., Haftpflichtrecht, Erster Bd.: Allgemeiner Teil, 5. Aufl., Zürich 1995; Riedler Andreas, Gesamtund Teilgläubigerschaft im österreichischen Recht, Habil. Linz 1998; Riering Wolfgang, Gemeinschaftliche Schulden, Diss. Konstanz 1990.

I. 2279

Vorbemerkungen

Grundsätzlich sind an einem Schuldverhältnis nur ein Schuldner und eine Gläubigerin beteiligt. Dieses Kapitel befasst sich mit Obligationen, an denen gleich mehrere Schuldner (s.  N  2280  ff.) oder Gläubigerinnen (s.  N  2318  ff.) beteiligt sind. Liegen mehrere, allenfalls sogar gegenseitige Rechte und Pflichten vor (Schuldverhältnis i.w.S.; s.  N  39), ist für jede Obligation gesondert (Schuldverhältnis i.e.S.; s. N 38) zu prüfen, ob und welche Art von Schuldner- bzw. Gläubigerinnenmehrheit gegeben ist.

696

§ 27

II.

Mehrheit von Schuldnern und Gläubigerinnen (Art. 70 und Art. 143–150 OR)

Mehrheit von Schuldnern 2280 Arten von Schuldnermehrheiten

Teilschuld

Einzelschuld

Solidarschuld (Art. 143 ff. OR)

gemeinschaftliche Schuld

mehrere Schuldner bei unteilbarer Leistung (Art. 70 Abs. 2 OR)

übrige Fälle

Abbildung: Arten von Schuldnermehrheiten

1.

Teilschuld

Bei der Teilschuldnerschaft müssen mehrere Schuldner je einen Anteil einer teil- 2281 baren Leistung erbringen (z.B. sind zwei Schuldner verpflichtet, der Gläubigerin je CHF 100 zu bezahlen).1 Hierbei beruhen alle Leistungsverpflichtungen auf demselben Entstehungsgrund, also entweder auf Vertrag, Quasivertrag oder Gesetz (z.B. Art.  148 Abs.  1 OR). Erfüllt ein Schuldner seinen Teil (Perspektive der Gläubigerin), der aus seiner Sicht das Ganze darstellt, ist er befreit. Dagegen werden dadurch die anderen nicht von der Leistung ihres Teils befreit. Denn im Unterschied zur Solidarschuldnerschaft bestehen die Teilverpflichtungen eines jeden Teilschuldners unabhängig voneinander.2 Jeder Schuldner haftet also nur für seinen Kopfanteil. Bezahlt z.B. A der Gläubigerin CHF 100, ist B auch und gleichwohl verpflichtet, ihr ebenfalls CHF 100 zu bezahlen. Der Rückgriff unter mehreren Solidarschuldnern ist im Übrigen ebenfalls eine Teilschuld (s. Art. 148 Abs. 2 OR). Uneinigkeit herrscht in der Lehre darüber, ob bei einer teilbaren Schuld, die auf 2282 mehreren Schuldnern lastet, im Zweifel Teilschuldnerschaft oder Solidarschuldnerschaft anzunehmen ist. Das Bundesgericht und die herrschende Lehre sprechen sich diesfalls zu Recht für Teilschuldnerschaft aus.3 Als Begründung dafür wird ange1 CHK OR-Mazan, Art. 143 N 6. 2 Bucher, OR AT, 487. 3 Für Teilschuldnerschaft: BGE 4A_599/2010 E.  3.2; 4C.228/2002 E.  2.2 (in casu Solidarschuldnerschaft bejaht); 116 II 707 E. 3; 49 III 205 E. 4; Furrer/Müller-Chen, Kap. 9 N 8; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3688; Guhl/Koller, § 6 N 2; BK OR-Kratz, Art. 143 N 91; CHK OR-Mazan, Art. 143 N 6; von

697

4. Kapitel

Verjährung und Solidarität

führt, dass Solidarität gemäss Art. 143 OR nur dann besteht, wenn dies unter den Schuldnern vereinbart wurde (ausdrücklich oder konkludent) oder gesetzlich angeordnet ist (z.B. Art.  181 Abs.  2 OR). In allen anderen Fällen muss also von Teilschuldnerschaft ausgegangen werden. Unseres Erachtens ist dieser Argumentation zu folgen.

2.

Einzelschuld

2283

Bei der Einzelschuldnerschaft ist jeder Schuldner verpflichtet, die ganze Leistung zu erbringen, und die Gläubigerin kann diese auch von jedem Schuldner fordern. Sobald ein Schuldner die gesamte Schuld erfüllt hat, ist die Forderung im Aussenverhältnis mit Wirkung für alle anderen Mitverpflichteten getilgt.

2284

Der wichtigste Fall der Einzelschuldnerschaft bei einer Mehrheit von Schuldnern ist die Solidarschuld (Art. 143 ff. OR; s. N 2297 ff.). Dabei ist jeder Schuldner in gleicher Weise über den gleichen Betrag verpflichtet, das heisst, es gelten für sämtliche Schuldner dieselben Modalitäten. In den übrigen Fällen von Einzelschuldnerschaft mehrerer Schuldner können diese unterschiedlich sein.

2285

Z.B. haftet der einfache Bürge nur subsidiär für die Hauptschuld (Art.  495 OR), wohingegen die Leistungspflicht eines Hauptschuldners an keine besonderen Voraussetzungen geknüpft ist. Überdies ist die Schuld des Bürgen akzessorisch zur Hauptschuld (s. N 3587), das heisst, dass sie vom Bestand der Hauptschuld abhängt, während die Verpflichtung des Solidarschuldners selbständig neben jener der anderen Solidarschuldner steht.4

3.

Gemeinschaftliche Schuld

2286

Können mehrere Schuldner eine ungeteilte Leistung lediglich zusammen erbringen und kann die Gläubigerin die Leistung nur von allen gemeinsam verlangen, liegt eine gemeinschaftliche Schuld vor.5

2287

Die Notwendigkeit eines Zusammenwirkens der einzelnen Schuldner kann sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ergeben: So kann beispielsweise ein einzelner Musiker nicht anstelle des ganzen Orchesters spielen.6 Oder es müssen die Gesamteigentümer zur Ausübung des Eigentums bei Gesamthandverhältnissen nach Art.  652  ff. ZGB (dispositiv) einen einstimmigen Beschluss fassen Tuhr/Escher, 291. Für Solidarschuldnerschaft: Bucher, OR AT, 493. Eine allgemeine Vermutung zugunsten Teil- oder Solidarschuldnerschaft ablehnend ZK OR-Krauskopf, Art. 143 N 55 ff. 4 Bucher, OR AT, 492; von Tuhr/Escher, 299. 5 ZK OR-Krauskopf, Art. 143 N 65 m.w.H. 6 Riering, 18 f. mit weiteren Beispielen.

698

§ 27

Mehrheit von Schuldnern und Gläubigerinnen (Art. 70 und Art. 143–150 OR)

(Art. 653 Abs. 2 ZGB). Ein solches Gesamthandverhältnis besteht etwa bei der einfachen Gesellschaft nach Art. 544 Abs. 1 OR, der Gütergemeinschaft nach Art. 228 Abs. 1 ZGB und der Erbengemeinschaft nach Art. 602 Abs. 2 ZGB. Ebenfalls eine gemeinschaftliche Schuld liegt vor, wenn die Schuldner Miteigentümer (Art. 646 ff. ZGB) jener Sache sind, auf die sich die Forderung bezieht. Allerdings bestimmen Art.  603 Abs.  1 ZGB (zwingend) und Art.  544 Abs.  3 OR 2288 (dispositiv) auch, dass die Gesamthänder für ihre Schulden (grundsätzlich) solidarisch haften. Aus diesem Grund wird das Vorliegen von gemeinschaftlichen Schulden für Gesamthandschulden zum Teil verneint.7 Hier ist es angezeigt, zwischen Schuld (Primärleistung) und Haftung bei Nichterfüllung (Sekundärleistung) zu unterscheiden. Klagt die Gläubigerin eine Primärleistungspflicht ein, die in einem gemeinsamen Tätigwerden oder Unterlassen der Gesamthänder besteht, muss sie gegen alle Schuldner gemeinsam vorgehen, da eine gemeinschaftliche Schuld vorliegt. Wird die Primärleistung nicht erbracht, haften die Schuldner dafür solidarisch: Die gemeinschaftliche Schuld wird also bei Fehlen der specific performance (Primärerfüllung) in eine Solidarschuld umgewandelt. Jeder Schuldner hat im Rahmen der Ersatzleistung alsdann für den vollen Betrag einzustehen.8

4.

Mehrere Schuldner bei einer unteilbaren Leistung (Art. 70 Abs. 2 OR)

Bei einer unteilbaren Leistung, die von mehreren Schuldnern geschuldet wird, ist 2289 jeder Schuldner nach Art. 70 Abs. 2 OR zur ganzen Leistung verpflichtet, ohne dass nach Verabredung oder Gesetz Solidarität vorliegt (s.  N  2298  ff.).9 Ob eine Leistung unteilbar ist, hängt primär von der Abmachung der Parteien ab.10 Haben die Parteien keine Vereinbarung getroffen bzw. ist deren Inhalt strittig, gilt eine Leistung dann als unteilbar, wenn sie nicht ohne Wesensänderung oder Wertminderung durch mehrere inhaltsgleiche Teilleistungen erbracht werden kann.11 Dabei handelt es sich um einen Spezialfall von geringer Bedeutung.12 Anders als im deutschen Recht13 wird im OR die unteilbare Leistung nicht als ein 2290 Fall von Solidarität betrachtet, dieser aber in wesentlichen Teilen gleichgestellt (sog. formale Solidarität; s. Art.  70 Abs.  3 i.V.m. Art.  148  f. OR; Art.  136 Abs.  1 OR; Art. 141 Abs. 3 OR).14 Nach Bucher handelt es sich bei der unteilbaren Leistung 7 8 9 10 11 12 13 14

Guhl/Koller, § 6 N 27. Gl.M. Bucher, OR AT, 504. ZK OR-Schraner, Art. 70 N 44; von Tuhr/Escher, 327. ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 70 N 3. BK OR-Becker, Art. 70 N 2; BSK OR-Leu, Art. 70 N 1; von Tuhr/Escher, 325. ZK OR-Schraner, Art. 70 N 9 ff. § 431 BGB . Von Tuhr/Escher, 328.

699

4. Kapitel

Verjährung und Solidarität

um eine «Abart der Solidarität, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie gewissermassen infolge sachlogischer Notwendigkeit eintritt […].»15 Mit anderen Worten besteht die Verpflichtung mehrerer Schuldner zur vollen Leistung nur aufgrund der Beschaffenheit (Unteilbarkeit) der Leistung.16 2291

Als Beispiele einer unteilbaren Leistung können die Rückgabe der Mietwohnung gemäss Art. 267 Abs. 1 OR durch zwei (durch den Mietvertrag verpflichtete) Mitbewohner17 oder die dem Käufer nach Art. 184 OR geschuldete Übergabe eines Bildes durch mehrere Eigentümer angeführt werden. Im Übrigen ist auch eine Unterlassung eine unteilbare Leistung, da die Gläubigerin das Interesse hat, dass die von ihr gewünschte Handlung ganz unterbleibt.18 Daran haben sich alle Schuldner zu halten.

2292

Der Schuldner, der die Gläubigerin befriedigt hat, besitzt anschliessend im internen Verhältnis zwischen den Schuldnern gemäss Art. 70 Abs. 3 OR einen Ersatzanspruch gegen die übrigen Schuldner. Die Art. 148 f. OR kommen analog zur Anwendung.19

2293

Umstritten ist in der Lehre, ob eine Unterbrechung der Verjährung für einen Mitschuldner der unteilbaren Leistung gemäss Art. 136 Abs. 1 OR auch gegen die übrigen Mitschuldner wirkt (s.  N 2317). Dieser Lehrstreit wird mit der am 1. Januar 2020 in Kraft tretenden Revision des Verjährungsrechts geklärt. Nach Art.  136 Abs. 1 revOR wirkt eine Unterbrechung der Verjährung nur, wenn diese «auf einer Handlung de[r] Gläubiger[in] beruht».20 Damit stellt der Gesetzgeber klar, dass eine Unterbrechung der Verjährung nur dann gegenüber allen Mitschuldnern wirkt, wenn die Gläubigerin die Verjährung unterbrochen hat. Dagegen wird die Verjährung gegenüber den anderen Mitschuldnern nicht unterbrochen, wenn ein Mitschuldner die Forderung im Sinne von Art. 135 Ziff. 1 OR anerkennt (s. dazu auch N 2306a).21

2294

Uneinigkeit herrscht in der Lehre über die Folgen der Umwandlung einer unteilbaren in eine teilbare Leistung. Zu denken ist insbesondere an die Umwandlung einer unteilbaren Primärleistung (specific performance) in eine (teilbare) Schadenersatzleistung. Das Bundesgericht22 und ein Teil der Lehre23 geben für diesen Fall der Solidarschuld den Vorzug, während ein anderer Teil24 eine anteilsmässige Haftung der 15 16 17 18 19 20 21

Bucher, OR AT, 489. Guhl/Koller, § 6 N 4; von Tuhr/Escher, 327 f. S. BGE 4C.103/2006 E. 3 f.; 4C.17/2004 E. 4.3. Beispiel nach von Tuhr/Escher, 326; weitere Beispiele bei ZK OR-Schraner, Art. 70 N 13 ff. Bucher, OR AT, 490; BK OR-Weber, Art. 70 N 53. S. BBl 2018 3537 ff., 3538. So ausdrücklich Botschaft zur Änderung des Obligationenrechts (Verjährungsrecht) vom 29. November 2013, BBl 2014 235 ff., 261. 22 BGE 4C.103/2006 E. 3 f.; BGE, SG 1983, Nr. 225 E. 2d. 23 Bucher, OR AT, 490; ZK OR-Schraner, Art. 70 N 53; Schwenzer, OR AT, N 88.10; von Tuhr/Escher, 328; BK OR-Weber, Art. 70 N 48. 24 BK OR-Becker, Art. 70 N 9; Engel, CO PG, 831; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3698.

700

§ 27

Mehrheit von Schuldnern und Gläubigerinnen (Art. 70 und Art. 143–150 OR)

Schuldner und somit Teilschuldnerschaft annimmt. Wiederum andere Autoren25 sind der Meinung, dass für jeden Fall gesondert nach Massgabe des Entstehungsgrunds der Leistungspflicht entschieden werden muss, ob jeder Schuldner solidarisch (so z.B. im Fall von Art. 50, Art. 308 und Art. 478 OR) oder anteilsmässig hafte. Die Unterscheidung nach dem Entstehungsgrund der Leistungspflicht führt nach 2295 vorliegender Meinung zu einer nicht gerechtfertigten Rechtsfolgenzersplitterung. Beispielsweise ist nicht ersichtlich, warum ein Mieter oder ein Verkäufer nur anteilsmässig für den Schaden haften soll, den sein Mitmieter oder Mitverkäufer verursacht hat, zwei Entlehner (Art. 308 OR) oder Verwahrer (Art. 478 OR) einer Sache in einer gleich gelagerten Situation dagegen solidarisch für den ganzen Schaden einstehen sollen.26 Die Rechtslage wird bei einer solchen «Differenzierung» der Rechtsfolgen je nach Entstehungsgrund der Leistungspflicht umso komplizierter, als das Bundesgericht die fehlende explizite Erwähnung der Solidarhaftung im Mietrecht als eine Gesetzeslücke qualifiziert, die es durch die analoge Anwendung von Art. 308 und Art. 478 OR schliesst.27 Nach der hier vertretenen Meinung ist die Lage nach Umwandlung einer unteilba- 2296 ren Primärleistung in eine (teilbare) Sekundärleistung nach den Regeln der Solidarität zu beurteilen. Das Interesse der Gläubigerin, den Schaden vollständig und schnell zu liquidieren, überwiegt gegenüber dem Schutzbedürfnis des einzelnen (wenn auch nicht am Schadensereignis beteiligten) Mitschuldners. Diesem steht zu seinem Schutz die interne Regressordnung zur Verfügung. Solidarschuldnerschaft begründet dagegen nicht einfach die Haftung eines Solidarschuldners für den von einem anderen Solidarschuldner verursachten Schaden. Gemäss Art. 146 OR kann ein Solidarschuldner durch seine persönliche Handlung die Lage der anderen nicht ohne gegenteilige Abrede erschweren (s. N 2305). Allerdings ist ein Solidarschuldner trotz Art.  146 OR auch nach den Grundsätzen der Hilfspersonenhaftung (Art. 101 OR) für das Verschulden seines Mitschuldners haftbar. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn er den anderen Solidarschuldner zu seiner Hilfsperson macht, indem er ihm die Erfüllung einer gemeinsamen Verpflichtung (z.B. Rückgabe des Wohnobjektes) überlässt.28 Er muss sich alsdann das Verhalten seines Mitverpflichteten wie sein eigenes anrechnen lassen. So besehen ist die Frage nach der Haftungsart (Solidar- oder Teilschuldnerschaft) in der Praxis nicht von grosser Bedeutung.

25 26 27 28

Guhl/Koller, § 6 N 4; ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 70 N 7. So auch von Tuhr/Escher, 328, insbesondere FN 16. BGE, SG 1983, Nr. 225 E. 2d. BGE 117 II 65 E. 2b = Pra 1992 Nr. 81; s. auch BGE 4C.103/2006 E. 4.2 betreffend Solidarhaftung eines vertraglich verpflichteten Mitmieters, der die Mieträume nicht benutzt hat, für die Schadenersatzforderung des Vermieters gegen den anderen Mitmieter, der das Mietobjekt verspätet zurückgegeben hat; BGE 82 II 525 E. 5 betreffend Solidarhaftung des früheren und des neuen Vermieters; von Tuhr/Escher, 307 f.

701

4. Kapitel

2297

Verjährung und Solidarität

III.

Solidarschuld im Besonderen (Art. 70 Abs. 3 und Art. 148 f. OR)

1.

Begriff

Von Solidarschuld (in Deutschland: Gesamtschuld) spricht man, wenn mehrere Schuldner in gleicher Weise für eine Schuld einzustehen haben (Art. 143 ff. OR).29 Dagegen ist dafür nicht notwendig, dass alle Solidarschuldner aus dem gleichen Grund für diese Schuld haften (z.B. Art. 51 OR). Sobald ein Schuldner die ganze Leistung erbracht hat, ist die Schuld getilgt und sämtliche Mitverpflichteten sind gegenüber der Gläubigerin befreit (Art. 144 Abs. 2 und Art. 147 OR). Dabei darf diese nach ihrem eigenen Gutdünken bestimmen, welcher Solidarschuldner die geschuldete Leistung erbringen soll (Art. 144 Abs. 1 OR).30 Rationalerweise wird sie sich den solventesten Schuldner aussuchen und überlässt alsdann den internen Zuweisungskampf den Schuldnern.

2.

Begründung (Art. 143 OR)

2298

Die Solidarschuldnerschaft entsteht entweder durch eine entsprechende ausdrückliche oder konkludente Willenserklärung der Parteien (Art. 143 Abs. 1 OR) oder von Gesetzes wegen (Art. 143 Abs. 2 OR).31 Wie bereits erwähnt, besteht im Zweifelsfall eine Vermutung zugunsten von Teilschuldnerschaft (s. N 2282). Oft wird indessen eine Auslegung des Vertrages und seines Entstehungskontextes die nötige Klarheit bringen.

2299

Vertraglich kann eine Solidarschuld begründet werden, indem jeder beteiligte Schuldner der Gläubigerin die Erfüllung der ganzen Schuld verspricht (Art.  143 Abs. 1 OR).32 Für die Entstehung der Solidarität durch vertragliche Verpflichtung gelten die allgemeinen Grundsätze zum Zustandekommen eines Vertrages. Eine solche Willensäusserung kann ausdrücklich getroffen werden oder sich konkludent aus den Umständen bzw. dem Vertragskontext ergeben (Art. 1 Abs. 2 OR). Ist strittig, ob sich die Schuldner solidarisch zur Leistung verpflichten wollten, bedarf ein solcher Vertrag der Auslegung (s. N 273 ff.). Somit kann selbst ohne explizite Verpflichtung (z.B. durch das Wort «solidarisch») aus den Umständen und dem sonstigen Inhalt des Vertrages anhand des Vertrauensprinzips oft auf Solidarschuldnerschaft

29 Furrer/Müller-Chen, Kap. 9 N 7. 30 Bucher, OR AT, 491; Engel, CO PG, 562; CHK OR-Mazan, Art. 143 N 3. 31 BGE 104 II 225 E. 4b; Berger, Schuldrecht, N 2408; BSK OR-Graber, Art. 143 N 4 f. 32 BSK OR-Graber, Art. 143 N 5.

702

§ 27

Mehrheit von Schuldnern und Gläubigerinnen (Art. 70 und Art. 143–150 OR)

geschlossen werden.33 Dies alles folgt aus dem Konsensualprinzip: Solidarverpflichtungen bedürfen im Regelfall keiner besonderen Form. Bloss weil ein gemeinsamer Vertragsabschluss vorliegt, darf man jedoch noch nicht grundsätzlich eine Solidarschuldnerschaft annehmen.34 Wenn allerdings der Anschein erweckt wird, die zusätzliche Partei hafte mit, ergibt sich diese vielfach aus dem Vertrauensprinzip (normativer Konsens; s. N 249).35 Illustrativ sind die folgenden Fälle, in welchen die Gerichte Solidarschuldnerschaft 2300 angenommen haben: Erwerb eines Grundstücks durch zwei Hypothekarsolidarbürgen anlässlich einer Zwangsversteigerung, wobei nach der Meinung des Bundesgerichts das gemeinsame Angebot der Bieter ihre Erklärung miteinschloss, für die Gesamtzahlung haften zu wollen36; Aktienpaketverkauf durch mehrere Aktionäre ohne Aufteilung der verkauften Aktien bzw. des Kaufpreises auf die einzelnen Aktionäre, woraus das Bundesgericht aus dem Kaufvertrag auf eine solidarische Verpflichtung der Verkäuferaktionäre nach Art. 143 Abs. 1 OR schloss37; Erwecken des Anscheins einer einfachen Gesellschaft, woraus der Vertragspartner schliessen durfte, dass bei einer Mehrzahl von Personen auf der Gegenseite eine solidarische Haftung nach Art.  544 Abs.  3 OR gewollt gewesen war38; Ehegatten unterzeichnen gemeinsam einen Werkvertrag zum Bau einer Familienwohnung39; gemeinsame Geldaufnahme durch Ehegatten für «kollektive» Bedürfnisse sowie für Verpflichtungen aus einem Gemeinschaftskonto40; mehrere Personen unterzeichnen gemeinsam einen Mietvertrag und sind somit dem Vermieter gegenüber solidarisch haftbar41. Die Solidarschuld kann gleichzeitig mit dem zentralen Vertrag begründet werden 2301 (z.B. bei der gemeinsamen Unterschrift eines Mietvertrages) oder auch erst später entstehen, indem beispielsweise ein Dritter nachträglich einer Schuld beitritt (zur kumulativen Schuldübernahme s. N 1425 ff.).42 Das Gesetz ordnet in zahlreichen Fällen Solidarschuldnerschaft an. Hauptsäch- 2302 lich kommt eine solche Ausgestaltung im Gesellschaftsrecht (z.B. Art. 544 Abs. 3,

33 34 35 36 37 38 39 40 41 42

BGE 4A_599/2010 E. 3.2; 116 II 707 E. 3; Guhl/Koller, § 6 N 7; Koller, OR AT, N 75.19; BK OR-Kratz, Art. 143 N 163 ff. BGE 49 III 205 E. 4. BezGer Arbon, SJZ 1998, 166. BGE 47 III 213 E. 2. BGE 116 II 707 E. 3. BGE 116 II 707 E. 1b (obiter dictum). CR CO-Romy, Art. 143 N 7; Trib. cant. de Neuchâtel, SJZ 2008, 471. S. Hinweise in BGE 116 II 707 E. 3. Unter anderen OGer Luzern, LGVE 1992 I, 26 f.; BezGer Arbon, SJZ 1998, 166. S. ferner auch Bucher, OR AT, 490, insbesondere FN 20, der sich indessen nur auf das gemeinsame Unterschreiben eines Mietvertrages durch die Ehegatten bezieht. Guhl/Koller, § 6 N 10.

703

4. Kapitel

Verjährung und Solidarität

Art.  568 und Art.  759 OR)43, bei Übernahmen von Vermögen oder Verträgen (Art. 181 Abs. 2, Art. 263 Abs. 444 und Art. 333 Abs. 3 OR) und bei Schulden des Erblassers (Art. 603 Abs. 1 ZGB) zur Anwendung. Ebenfalls entsteht Solidarschuldnerschaft in Fällen der ausservertraglichen Haftpflicht nach Art. 50 Abs. 1 OR, wenn mehrere Personen einen Schaden gemeinsam verschuldet haben45, und in jenen von Art. 51 Abs. 1 OR, wonach mehrere Personen aus verschiedenen Rechtsgründen für einen Schaden haften46. Daneben nennt das Gesetz zahlreiche weitere Fälle von Solidarhaft (s. Art. 1044 OR; Art. 7 PrHG47; Art. 342 Abs. 2 ZGB).

2303

3.

Aussenverhältnis (Art. 144–147 OR)

3.1

Forderungsrecht der Gläubigerin

Das sog. Aussenverhältnis – die Beziehung zwischen der Gläubigerin und den Solidarschuldnern – wird in den Art. 144–147 OR geregelt. Ist die Leistung fällig, so kann die Gläubigerin sie nach ihrer Wahl von einem, von mehreren oder von allen Schuldnern, ganz oder nur zu einem Teil, simultan oder nacheinander einfordern (Art. 144 Abs. 1 OR).48 Wie alsdann der Regress unter den einzelnen solidarisch Haftenden vonstattengeht, hat die Gläubigerin nicht zu kümmern. Umgekehrt ist aber jeder Schuldner berechtigt, der Wahl der Gläubigerin zuvorzukommen und die Leistung zu erbringen, sobald die Forderung erfüllbar ist.49 Die Solidarschuldner bleiben der Gläubigerin gegenüber nur so lange verpflichtet, bis die ganze Forderung getilgt ist (Art. 144 Abs. 2 OR). Somit besteht Anspruchskonkurrenz gegenüber den einzelnen Solidarschuldnern; Anspruchskumulation dagegen ist nicht möglich.50 Die Gläubigerin erhält nicht mehr, als ihr insgesamt geschuldet ist. 3.2

2304

Einreden und Einwendungen des Schuldners

Gemäss Art. 145 Abs. 1 OR stehen jedem einzelnen Schuldner gegenüber der Gläubigerin bestimmte Einreden und Einwendungen zu (zwar spricht das Gesetz nur von «Einreden», doch sind auch «Einwendungen» davon erfasst51). Zum einen handelt es sich dabei um Rechte, die allen Solidarschuldnern aus der solidarischen Verbindlichkeit gemeinsam gegenüber der Gläubigerin zustehen (z.B. Sittenwidrig43 44 45 46 47 48 49 50 51

704

S. BGE 116 II 707 E. 1b. Vgl. BGE 140 III 344 E. 5. BGE 127 III 257 E. 4b bb; 115 II 42 E. 1b. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 11 N 33 ff.; Oftinger/Stark, § 10 N 14. Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über die Produktehaftpflicht (Produktehaftpflichtgesetz; SR 221.112.944). BGE 125 III 257 E. 2b; 114 II 342 E. 2b = Pra 1990 Nr. 168; 112 II 138 E. 4a. Engel, CO PG, 839; ZK OR-Krauskopf, Art. 144 N 16. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1637. BSK OR-Graber, Art. 145 N 1,

§ 27

Mehrheit von Schuldnern und Gläubigerinnen (Art. 70 und Art. 143–150 OR)

keit oder Formmangel des Vertrages, auf welchem die Solidarschuld beruht), zum andern sind es solche aus dem persönlichen Verhältnis des betreffenden Schuldners zur Gläubigerin (z.B. wenn ein Schuldner handlungsunfähig ist oder Verrechnung mit einem eigenen Gegenanspruch erklärt).52 Dagegen kann ein Solidarschuldner gegenüber der Gläubigerin keine Einreden erheben, welche das Verhältnis der Gläubigerin zu einem anderen Solidarschuldner oder ausschliesslich sein Verhältnis zu einem anderen Mitschuldner betreffen.53 So kann er beispielsweise der Forderung der Gläubigerin nicht entgegenhalten, dass er von den Mitschuldnern aus der Solidarhaftung entlassen wurde oder dass er Verrechnung mit einer Forderung erkläre, die einem anderen Mitschuldner gegenüber der Gläubigerin zustehe.54 Jeder Solidarschuldner wird im Übrigen nach Art. 145 Abs. 2 OR den andern gegenüber «verantwortlich», wenn er es unterlässt, Einreden geltend zu machen, die allen gemeinsam zustehen und die ihm bekannt sind oder sein müssten.55 Mit «verantwortlich» meint das Gesetz, dass der entsprechende Schuldner in entsprechendem Umfang sein Regressrecht gegenüber den übrigen Solidarschuldnern verliert.56 Gemäss Art. 146 OR kann ein Solidarschuldner, soweit nichts anderes vereinbart 2305 wurde, die Lage der andern Solidarschuldner durch seine persönlichen Handlungen nicht erschweren. Geht ein Solidarschuldner nachträglich individuelle Vereinbarungen mit der Gläubigerin ein, die ihn zusätzlich verpflichten, berühren diese die anderen Solidarschuldner nur, wenn sie den einzelnen Solidarschuldner hierzu ermächtigt haben.57 Verspricht z.B. ein Solidarschuldner der Gläubigerin eine Konventionalstrafe, wirkt diese Abrede nicht eo ipso gegenüber den anderen Solidarschuldnern. Dasselbe gilt, wenn ein einzelner Solidarschuldner in Verzug gerät. Ein Verzug ist für jeden Solidarschuldner gesondert zu betrachten. Die Gläubigerin kann nur dann nach Art. 107 Abs. 2 OR vom Vertrag zurücktreten, wenn sämtliche Solidarschuldner im Verzug sind.58 Gleich verhält es sich, wenn die Leistung nach Vertragsschluss unmöglich geworden ist. In diesem Fall wird nur derjenige Solidarschuldner aus Art. 97 OR ersatzpflichtig, dem dabei ein Verschulden zur Last fällt. Die anderen Solidarschuldner werden auf der Grundlage von Art. 119 OR frei (s. N 833 ff.).59 Immerhin gilt auch dies nur, «soweit es nicht anders bestimmt ist» (Art. 146 OR). Es steht den Solidarschuldnern frei, zu vereinbaren, dass jeder für das Verschulden des anderen haftet. Überdies kann sich im vertraglichen Kontext 52 BK OR-Becker, Art. 145 N 2 f.; Berger, Schuldrecht, N 2419 f.; Bucher, OR AT, 494; Furrer/MüllerChen, Kap. 9 N 12; s. CR CO-Romy, Art. 145 N 1 ff. 53 BGE 4C.50/2004 E. 4.1; 124 III 305 E. 2a = Pra 1998 Nr. 154; Bucher, OR AT, 494; BSK OR-Graber, Art. 145 N 4. 54 CHK OR-Mazan, Art. 145 N 4; von Tuhr/Escher, 306. 55 Zur Kenntnis oder verschuldeten Unkenntnis s. ZK OR-Krauskopf, Art. 145 N 124. 56 S. Bucher, OR AT, 494 und FN 41. 57 Bucher, OR AT, 494; BSK OR-Graber, Art. 146 N 1. 58 BSK OR-Graber, Art. 146 N 2; von Tuhr/Escher, 307. 59 Von Tuhr/Escher, 307.

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4. Kapitel

Verjährung und Solidarität

das Einstehenmüssen des einen Solidarschuldners für das Verschulden des anderen auch ohne eine entsprechende Vereinbarung ergeben, wenn ein Solidarschuldner als Erfüllungsgehilfe eines anderen Solidarschuldners handelt (Art. 101 OR).60 Ist eine Solidarschuld mit der Möglichkeit einer Kündigung verbunden, wirkt sich die Kündigung eines Solidarschuldners nicht auf die Rechtsstellung der Mitverpflichteten aus, sodass lediglich dessen Verpflichtung und nicht auch die diejenige der anderen Solidarschuldner fällig wird (s. Art. 130 Abs. 2 OR).61 2306

In Abweichung des in Art. 146 OR verankerten Prinzips ergibt sich nach Rechtsprechung und mehrheitlicher Lehre aus Art. 136 Abs. 1 OR, dass ein Solidarschuldner die Lage der Mitverpflichteten dadurch erschweren kann, dass er durch Schuldanerkennung (Art. 135 Ziff. 1 OR) die Verjährung auch gegenüber den übrigen Mitverpflichteten unterbricht.62 Dagegen kann der Verjährungsverzicht eines Solidarschuldners nicht den anderen Mitverpflichteten entgegengehalten werden (Art. 141 Abs. 2 OR). Immerhin beschränkt sich der Anwendungsbereich von Art. 136 Abs. 1 OR auf die echte Solidarität (s. N 2316).

2306a

Dass eine Schuldanerkennung durch einen Solidarschuldner (Art. 135 Ziff. 1 OR) auch die Verjährung für die übrigen Mitverpflichtetem unterbricht, ist in der Lehre allerdings stark umstritten.63 Mit der Revision des Verjährungsrechts klärt nun der Gesetzgeber diesen Lehrstreit. Der Wortlaut von Art. 136 Abs. 1 OR wird dahingehend präzisiert, dass nur ein Tätigwerden der Gläubigerin die Verjährung für alle Solidarschuldner zu unterbrechen vermag (s. Art.  136 Abs.  1 revOR).64 Art.  136 Abs. 1 revOR ist dagegen nicht anwendbar, wenn ein Solidarschuldner die Unterbrechung der Verjährung nach Art. 135 Ziff. 1 OR bewirkt.65 Die Unterbrechung der Verjährung mittels Schuldanerkennung wirkt mit anderen Worten nur gegenüber demjenigen Solidarschuldner, welcher die verjährungsunterbrechende Handlung vorgenommen hat, nicht aber gegenüber den übrigen Mitverpflichteten. Im Übrigen will das neue Verjährungsrecht nichts daran ändern, dass Art. 136 revOR nur auf die Fälle der echten Solidarität zur Anwendung gelangt.66

2307

Es ist in der Lehre umstritten, ob sich ein Solidarschuldner bei Schadenersatzforderungen auf einen persönlichen Herabsetzungsgrund gemäss Art. 43 Abs. 1 OR, insbesondere wegen geringen eigenen Verschuldens, berufen kann, wenn er von der Gläubigerin auf den ganzen Schaden belangt wird (s. N 1886 ff.).67 Da ein Solidar60 BGE 116 II 512 E. 2; 82 II 533 E. 5; Bucher, OR AT, 495 FN 43; von Tuhr/Escher, 307 f. 61 Von Tuhr/Escher, 308. 62 BGE 55 II 310 E. 1; Bucher, OR AT, 495; BSK OR-Graber, Art. 146 N 9; CHK OR-Mazan, Art. 146 N 7. 63 Ablehnend etwa ZK OR-Berti, Art. 136/141 Abs. 2 und 3 N 7; BSK OR-Däppen, Art. 136 N 3; ZK ORKrauskopf, Art. 146 N 131 ff. 64 S. BBl 2018 3538; s. ferner BBl auch 2014 261. 65 So ausdrücklich BBl 2014 261. 66 So ausdrücklich BBl 2014 261. 67 Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 11 N 20; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1707 ff.

706

§ 27

Mehrheit von Schuldnern und Gläubigerinnen (Art. 70 und Art. 143–150 OR)

schuldner nicht schlechter gestellt sein soll, als wenn er alleine haften würde, ist ein solcher persönlicher Herabsetzungsgrund grundsätzlich zu bejahen.68 Im Aktienrecht findet sich dieser Grundsatz ausdrücklich in Art. 759 Abs. 1 OR.69 Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu dieser Frage ist reich und differenziert. Zwar hat es in den beurteilten Fällen die Berufung auf persönliche Herabsetzungsgründe für eine Haftungsbeschränkung des belangten Schuldners als theoretisch möglich bezeichnet, doch hat es eine solche Haftungsbeschränkung im Kontext von Art. 43 Abs. 1 OR nur in seltenen Fällen und nur bei Vorliegen ganz besonderer Umstände eintreten lassen.70 Das Mitverschulden eines Dritten bzw. eines solidarisch Mitverpflichteten könne den Belangten gemäss Art. 43 Abs. 1 OR nur dann entlasten, wenn dessen eigenes Verschulden durch dieses Drittverschulden als gemindert erscheine, oder wenn das Drittverschulden den Kausalzusammenhang zwischen dem Verschulden des Belangten und dem Schadensereignis unterbreche.71 Eine individuelle Bemessung nach Art. 43 Abs. 1 OR sei nur mit grosser Zurückhaltung anzunehmen, da sonst der Schutz der Geschädigten, den die Solidarhaftung mehrerer Schuldner ja anstrebe, weitgehend illusorisch würde.72 Das Bundesgericht vertritt weiter die Meinung, dass im internen Verhältnis den schutzwürdigen Interessen des belangten Schuldners mittels des Rückgriffsrechts genügend Rechnung getragen werde. Im Übrigen bestehe auch kein Reduktionsgrund wegen ergebnislosen Rückgriffs aufgrund von Insolvenz von solidarisch Mithaftenden bzw. Verjährung derer Verpflichtungen.73 Ungerecht wäre dagegen, statt einen von mehreren Schadensstiftern die Geschädigte den Verlust tragen zu lassen.74 Folglich rechtfertige es sich, die Anwendung von Art. 43 Abs. 1 OR bei solidarischer Haftung auf diejenigen Fälle zu beschränken, in denen das Verschulden des in Anspruch genommenen Haftpflichtigen als so leicht erscheine und in einem derartigen Missverhältnis zum Verschulden des Dritten stehe, dass es stossend wäre, wenn jener den Schaden tragen müsste.75 Zu berücksichtigen sei dabei auch das Interesse der Gläubigerin auf vollständige Befriedigung. In der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichts lassen sich denn auch gar keine Anwendungsbeispiele eines persönlichen Herabsetzungsgrundes von Art. 43 Abs. 1 OR bei Solidarschuldnerschaft mehr finden.76

68 Gauch/Schluep/Emmenegger, N  3728  ff.; ausführlich Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N  1707  ff. m.w.H.; a.M. Brehm, HAVE 2002, 90; CHK OR-Mazan, Art.  145 N  2; s.  auch Roberto, Haftpflichtrecht, N 18.11 f. 69 Guhl/Koller, § 6 N 14. 70 Bejaht in: BGE 59 II 364 E. 1; 59 II 37 E. 3; ferner BGE 64 II 302 E. 4; abgelehnt in: BGE 127 II 257 E. 6b; 113 II 323 E. 2b; 112 II 138 E. 4a; 98 II 102 E. 4; 97 II 403 E. 7d; 93 II 317 E. 2e bb. 71 BGE 64 II 302 E. 4; 60 II 150 E. 2. 72 BGE 112 II 138 E. 4a; 93 II 317 E. 2e bb. 73 S. als Anwendungsbeispiel BGE 127 II 257 E. 6b. 74 BGE 93 II 317 E. 2e bb m.w.H. 75 BGE 112 II 138 E. 4a. 76 Letztmals in BGE 59 II 364 E. 1.

707

4. Kapitel

2308

Verjährung und Solidarität

Soweit ein Solidarschuldner die Gläubigerin vollständig befriedigt hat, sind auch die übrigen Solidarschuldner befreit (Art. 147 Abs. 1 OR). Das Gesetz zählt ausdrücklich die Tilgung der Forderung mittels Bezahlung oder Verrechnung auf. Infrage kommen können auch andere Erfüllungshandlungen (z.B. Leistung an Erfüllungs statt, Hinterlegung nach Art. 92 OR).77 Dabei spielt es im Aussenverhältnis keine Rolle, welcher Schuldner geleistet hat.78 Wird ein Solidarschuldner befreit, ohne dass die Gläubigerin dabei vollständig befriedigt wird, umfasst die Befreiung die übrigen Schuldner nur insoweit, als «die Umstände oder die Natur der Verbindlichkeit es rechtfertigen» (Art. 147 Abs. 2 OR). Dass solche besonderen Umstände gegeben sind, muss von jenem Solidarschuldner bewiesen werden, der sich auf die – in der Person des entsprechenden Mitschuldners eingetretene – befreiende Tatsache beruft.79 Die Wirkung einer allfälligen Befreiung durch Erlass (Art. 115 OR), Vergleich80, Novation (Art.  116 OR), Stundung oder Verjährung81 muss alsdann für jeden Solidarschuldner gesondert geprüft werden.82

4.

Innenverhältnis (Art. 70 Abs. 3 und Art. 148–149 OR)

2309

Die Art. 148 f. OR regeln das Innenverhältnis zwischen den Solidarschuldnern. In der Regel haften die verschiedenen Solidarschuldner zu gleichen Teilen (Art. 148 Abs. 1 OR). Es gilt also eine Haftung nach Köpfen. Von diesem Grundsatz bestehen infolge Vereinbarung oder Gesetz (Art. 50 f. OR) zahlreiche Ausnahmen. Beispielsweise richtet sich bei der einfachen Gesellschaft die interne Belastung vermutungsweise nach der Verlustbeteiligung der einzelnen Gesellschafter (s. Art. 544 Abs. 3 i.V.m. Art. 533 OR). Bei gemeinsamem Begehen einer unerlaubten Handlung bestimmt der Richter den Anteil des Einzelnen (s. Art. 50 Abs. 2 OR, welcher kraft Art. 99 Abs. 3 OR auch für das Vertragsrecht gilt).

2310

Leistet ein Schuldner der Gläubigerin mehr als seinen internen Anteil, wozu er im Regelfall aufgrund der Solidarität verpflichtet ist, so kann er im Umfang des Mehrbetrags Regress auf seine Mitschuldner nehmen (Art. 148 Abs. 2 OR). Dafür muss er aber vollständig erfüllt haben.83

2311

Im Innenverhältnis besteht keine Solidarität: Jeder Schuldner haftet nur für seinen Teil,84 ausser wenn ein Schuldner gemäss Art. 148 Abs. 3 OR «ausfällt».85 Letzteres 77 78 79 80 81 82 83 84 85

708

CHK OR-Mazan, Art. 147 N 1 m.w.H. BGE 127 III 453 E. 8b = Pra 2001 Nr. 179; ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 147 N 2. BK OR-Kratz, Art. 147 N 106; von Tuhr/Escher, 310. BGE 133 III 116 E. 4.2; 107 II 226 E. 3. Dazu ausführlich Koller, OR AT, N 75.207 ff. Bucher, OR AT, 495 f.; BSK OR-Graber, Art. 147 N 4 ff.; von Tuhr/Escher, 310 f. ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 148 N 3; s. ferner BGE 133 III 6 E. 5.2.1 = Pra 2007 Nr. 104. BK OR-Becker, Art. 148 N 3; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1645. BGE 103 II 137 E. 4c; Keller/Schöbi, 18.

§ 27

Mehrheit von Schuldnern und Gläubigerinnen (Art. 70 und Art. 143–150 OR)

ist der Fall, wenn der betreffende Schuldner notorisch insolvent ist, die Prozesskosten in keinem Verhältnis zum Prozessgewinn stehen oder der Wohnsitz unbekannt ist.86 Was von einem Mitschuldner nicht erhältlich ist, haben die übrigen gleichmässig zu tragen – mithin auch jener Schuldner, welcher die Gläubigerin befriedigt hat. Die solventen Solidarschuldner haften wie einfache Bürgen nach Art. 495 Abs. 1 OR für den Ausfall.87 Der Regressanspruch entfällt in Analogie zu Art. 508 Abs. 2 OR, wenn ein Schuld- 2312 ner die anderen nicht über die Erfüllung informiert und diese in der Folge noch einmal leisten. Dasselbe gilt, wenn ein Schuldner eine allen zustehende Einrede schuldhaft nicht erhebt (Art. 145 Abs. 2 OR).88 Nach Art.  149 Abs.  1 OR gehen die Rechte der Gläubigerin in dem Masse auf 2313 den rückgriffsberechtigten Schuldner über, in dem dieser die Gläubigerin befriedigt (Subrogation).89 Diese gesetzliche Subrogation bezweckt die Erleichterung und Sicherung des Regresses. Die ursprüngliche Forderung bleibt dabei mit ihren Nebenrechten (z.B. Pfandrechte und Bürgschaften) bestehen. Lässt die Gläubigerin solche Nebenrechte untergehen, etwa indem sie Pfandgegenstände zurückgibt oder Bürgen entlässt, wird sie dem regressberechtigten Solidarschuldner dafür nach Art. 149 Abs. 2 OR verantwortlich.90 Der Anspruch aus Subrogation konkurriert mit dem Anspruch aus Regress nach Art. 148 Abs. 2 OR.91 Die gesetzliche Subrogation findet aber nur in den Fällen von echter Solidarität Anwendung. Bei unechter Solidarität (s. N 2315) subrogiert der rückgriffsberechtigte Mitschuldner nicht in die Gläubigerinnenrechte, sondern hat lediglich einen Ausgleichsanspruch gegen seine Mitschuldner.92 Die Subrogation ändert nichts an der Verjährung der ursprünglichen Forderung. Die Subrogationsforderung kann somit zu einem anderen Zeitpunkt als der Regressanspruch verjähren.93 Die Verjährung der Regressforderung beginnt in jenem Moment, in welchem die Geschädigte den Schadenersatz erhält, sofern der (leistende) Schuldner Kenntnis

86 CHK OR-Mazan, Art. 148 N 10; CR CO-Romy, Art. 148 N 20. 87 BK OR-Becker, Art. 148 N 5; ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 148 N 7; von Tuhr/Escher, 316. 88 BSK OR-Graber, Art. 145 N 5; von Tuhr/Escher, 316. 89 Berger, Schuldrecht, N 2439; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1648; ausführlich zur Subrogation ZK ORKrauskopf, Art. 148/149 N 167 ff. 90 Guhl/Koller, § 6 N 25. 91 BGE 103 II 137 E. 4d; BK OR-Becker, Art. 149 N 5; von Tuhr/Escher, 317. 92 BGE 130 III 362 E.  5.2 = Pra 2005 Nr.  7; 127 III 257 E.  6c. Anders als nach geltenden Recht wird im OR 2020-Gesetzesvorschlag nicht mehr zwischen echter und unechter Solidarität unterschieden (zu den Gründen s. unter anderem OR 2020-Purtschert/Thouvenin, Art. 158 N 1 ff.). Als Folge davon ist die im geltenden Art. 149 Abs. 1 OR geregelte Subrogationsordnung im OR 2020-Entwurf nicht mehr auf die Fälle echter Solidarität beschränkt. Art. 205 Abs. 3 OR 2020 ist vielmehr auf sämtliche Arten von Solidarität anwendbar; s. dazu auch OR 2020-Furrer/Körner, Art. 205 N 3. 93 BK OR-Kratz, Art. 149 N 16 ff.; ZK OR-Krauskopf, Art. 148/149 N 181 ff.

709

2314

4. Kapitel

Verjährung und Solidarität

von den anderen Haftpflichtigen hat bzw. haben muss.94 Doch kann es im Falle von unechter Solidarschuldnerschaft sein, dass die Forderung der Geschädigten gegenüber den nicht belangten Mitverpflichteten im Zeitpunkt der Entstehung der Regressansprüche bereits verjährt ist, weil die Geschädigte es z.B. unterlassen hat, die Verjährung gegen jeden einzelnen Mitverpflichteten zu unterbrechen. In BGE 133 III 6 ging das Bundesgericht der Frage nach einem allfälligen Einfluss der Verjährung der Hauptforderung (im externen Verhältnis) auf eine interne Regressforderung nach. Es kam nach Abwägung der verschiedenen Lehrmeinungen und der bis anhin ergangenen Rechtsprechung zum Schluss, dass die Verjährung der Forderung der Geschädigten gegen einen der Verantwortlichen denjenigen, der die Geschädigte befriedigt hat, nicht daran hindern darf, seinen Regressanspruch gegenüber dem nicht belangten Mitverantwortlichen geltend zu machen; er muss diesem aber sobald als möglich anzeigen, dass er ihn für mithaftend hält.95 2314a

Der Gesetzgeber will mit dem am 1. Januar 2020 in Kraft tretenden neuen Verjährungsrecht Klarheit in dieser Frage schaffen, wobei er sich bei der Regelung nach eigener Aussage auf das absolute Minimum beschränkt hat. Neu steht eine allgemein gesetzliche Bestimmung zur Verjährung von solchen Regressansprüchen zur Verfügung, welche sowohl im Fall echter wie auch unechter Solidarität anwendbar sein soll.96 Nach Art. 139 revOR verjähren Regressforderungen mit Ablauf von drei Jahren von dem Tag an gerechnet, an welchem der Regressberechtigte die Gläubigerin befriedigt hat und den Mitschuldner kennt.97 Diese beiden Kriterien (Befriedigung der Gläubigerin und Kenntnis des Mitschuldners) müssen kumulativ erfüllt sein.98

5. 2315

Echte und unechte Solidarität

Das Bundesgericht hält nach wie vor an der Unterscheidung zwischen echter und unechter Solidarität fest.99 Haben mehrere Personen den Schaden gemeinsam verschuldet und verursacht, wird echte Solidarität nach Art. 50 Abs. 1 OR begründet.100 Für die echte Solidarität setzt das Bundesgericht voraus, dass die Schädiger schuld94

95 96 97 98 99 100

710

BGE 133 III 6 E. 5, insbesondere E. 5.3.5 f. = Pra 2007 Nr. 104; anders noch BGE 55 II 118 E. 3, in dem der Beginn der Verjährung der Regressforderung auf den Zeitpunkt gelegt wurde, zu welchem die Hauptforderung zu verjähren beginnt. Diese Lösung ist problematisch, weil danach ein Anspruch verjähren kann, bevor er überhaupt entstanden ist. BGE 133 III 6 E. 5.4 = Pra 2007 Nr. 104; Frage offengelassen in BGE 127 II 257 E. 6c. S. AmtlBull NR 2014 1788. S. BBl 2018 3539. So ausdrücklich AmtlBull NR 2014 1788. BGE 130 III 591 E. 5.5.1; 4C.27/2003 E. 3.3; 119 II 127 E. 4b; 115 II 42 E. 1b; 112 II 138 E. 4; 104 II 225 E. 4b; s. Honsell/Isenring/Kessler, Haftpflichtrecht, § 11 N 11 f.; ausführlich Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1646 ff. BGE 130 III 591 E. 5.5.1; 104 II 225 E. 4b.

§ 27

Mehrheit von Schuldnern und Gläubigerinnen (Art. 70 und Art. 143–150 OR)

haft zusammenwirken. Jeder Schädiger weiss oder könnte also um das pflichtwidrige Verhalten wissen.101 Dieser Rechtsprechung folgend müsste im Vertragsrecht echte Solidarität nur dann angenommen werden, wenn eine Schuld von mehreren Schuldnern gemeinsam begründet wird. Doch ist anerkannt, dass auch der (nachträgliche) Schuldbeitritt aufgrund der Vertragsfreiheit zu echter Solidarität führen kann.102 Im Gegensatz dazu besteht unechte Solidarität nach Art.  51 Abs.  1 OR, wenn es an einem gemeinsamen Verschulden fehlt, weil mehrere Personen unabhängig voneinander handelten oder aus verschiedenen Rechtsgründen (jedenfalls bei der sog. mehrtypischen Solidarität; s. N 2001, N 2013 ff.) für den gleichen Schaden haften.103 So besehen handelt es sich bei der unechten Solidarität nur um eine Anspruchs- bzw. Klagenkonkurrenz, doch werden die Regeln der Solidarität «entsprechend» (s. Wortlaut von Art.  51 Abs.  1 OR), also analog, angewandt.104 Die Bestimmungen von Art. 50 und Art. 51 OR gelten via Art. 99 Abs. 3 OR auch für das Vertragsrecht. Die Lehre kritisiert die Unterscheidung zwischen echter und unechter Solidarität 2316 aus dem Grund, dass die verwendeten Abgrenzungskriterien «zweifelhaft und willkürlich» seien.105 Wo diese Differenzierung wichtig sei, lägen im Übrigen gesetzliche Regeln vor (z.B. Art. 497 Abs. 4 OR).106 Teilweise wird aber auch die Auffassung vertreten, die Unterscheidung sei berechtigt, da der Gesetzgeber so die Anwendbarkeit von Art. 136 Abs. 1 OR zu Recht auf echte Solidarität beschränke.107 In der Praxis ist die Unterscheidung zwischen echter und unechter Solidarität in zwei- 2317 erlei Hinsicht von Bedeutung: Erstens wirkt die Unterbrechung der Verjährung nach Art. 136 Abs. 1 OR gegen einen Solidarschuldner nur gegen die Übrigen, wenn echte Solidarität vorliegt (s. N 2272).108 Daran wird im Übrigen auch Art. 136 Abs. 1 revOR nichts ändern, welcher am 1.  Januar 2020 in Kraft treten wird (s.  N  2306a). Die Bestimmung gilt weiterhin nur für Verpflichtungen aus echter Solidarität, nicht aber für die Fälle unechter Solidarität.109 Zweitens ist nach dieser Meinung auch Art. 149 Abs. 1 OR lediglich im Fall von echter Solidarität anwendbar (s. N 2313).110 101 BGE 115 II 42 E. 1b. 102 BK OR-Becker, Art.  143 N  7  ff.; Bucher, OR AT, 498; ZK OR-Oser/Schönenberger, Vorb. zu Art. 175–183 N 2. 103 BGE 115 II 42 E. 1b. 104 BGE 119 II 127 E. 4b; 4C.27/2003 E. 3.4; 112 II 138 E. 4a; s. von Tuhr/Escher, 319. 105 Von Tuhr/Escher, 320; s. auch Furrer/Müller-Chen, Kap. 9 N 16; differenzierend Koller, OR AT, N 75.41. 106 S. dazu Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3755; gl.M. Guhl/Koller, § 6 N 5. 107 Bucher, OR AT, 499, der sich sodann trotzdem für die Anwendung von Art.  136 Abs.  1 OR auf die unechte Solidarität ausspricht. 108 BGE 127 III 257 E. 6a; Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1651; Roberto, Haftpflichtrecht, N 18.10. 109 So ausdrücklich BBl 2014 261. Art. 136 Abs. 1 revOR lautet wie folgt: «Die Unterbrechung der Verjährung gegen einen Solidarschuldner oder den Mitschuldner einer unteilbaren Leistung wirkt auch gegen die übrigen Mitschuldner, sofern sie auf einer Handlung des Gläubigers beruht.» 110 CHK OR-Mazan, Art. 51 N 4.

711

4. Kapitel

IV.

Verjährung und Solidarität

Mehrheit von Gläubigerinnen

2318 Arten von Gläubigerinnenmehrheiten

Teilgläubigerschaft

Einzelgläubigerschaft

Solidargläubigerschaft (Art. 150 OR)

gemeinschaftliche Gläubigerschaft

mehrere Gläubigerinnen bei unteilbarer Leistung

übrige Fälle

Abbildung: Arten von Gläubigerinnenmehrheiten

1. 2319

Teilgläubigerschaft

Bei der Teilgläubigerschaft sind mehrere Gläubigerinnen pro rata, und zwar unabhängig voneinander, an einer teilbaren Forderung berechtigt, wobei die Leistung in ihrer Gesamtheit nur einmal zu erbringen ist.111 Jede Gläubigerin kann selbständig den ihr zustehenden Teil der Leistung verlangen; der Schuldner darf den entsprechenden Teil alsdann an jede Gläubigerin separat leisten.112 Zwar haben diese Teilobligationen denselben Rechtsgrund, doch sind sie in Bestand und Ausübung voneinander unabhängig.113 Mangels anderer Abrede ist die Grösse der einzelnen Anteile nach Köpfen zu bemessen.114 Die Teilgläubigerschaft wird im Gesetz nicht allgemein behandelt, findet sich jedoch bei der Anleihensobligation (Art. 1156 ff. OR).115 Bei einer teilbaren Leistung ist im Zweifelsfall von Teilgläubigerschaft auszugehen (s. N 2282).116

111 112 113 114 115 116

712

BGE 140 III 150 E. 2.2.3; S. Bucher, OR AT, 487; Koller, OR AT, N 76.07; Kramer/Probst, OR AT, N 543; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1653. BGE 140 III 150 E. 2.2.3; von Tuhr/Escher, 290. Bucher, OR AT, 487; von Tuhr/Escher, 290. Engel, CO PG, 829. BGE 113 II 283 E. 5; s. Guhl/Koller, § 5 N 5; Riedler, 31 f. und 233 ff. BGE 140 III 150 E. 2.2.3; Guhl/Koller, § 5 N 2; wohl auch von Tuhr/Escher, 290 f., die sich hierfür auf das römische Recht berufen; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3658; a.M. ZK OR-Krauskopf, Art. 150 N 20 f.

§ 27

2.

Mehrheit von Schuldnern und Gläubigerinnen (Art. 70 und Art. 143–150 OR)

Einzelgläubigerschaft

Im Fall von Einzelgläubigerschaft ist jede Gläubigerin berechtigt, selbständig und 2320 unabhängig von den anderen die ganze Leistung zu fordern. Sie kann auch allein über die ganze Forderung verfügen (z.B. die Forderung abtreten oder erlassen). Der Schuldner muss bloss einmal leisten, damit er befreit ist (Art. 150 Abs. 2 OR).117 Die Solidargläubigerschaft (s. N 2321 f.) bildet den wichtigsten Typus von Einzelgläubigerschaft. In den übrigen Fällen (s. N 2323) liegt unter den Gläubigerinnen keine Gleichberechtigung vor. 2.1

Solidargläubigerschaft (Art. 150 OR)

Sind die Einzelgläubigerinnen gleichberechtigt, liegt Solidargläubigerschaft nach 2321 Art.  150 Abs.  1 OR vor.118 Wie bei der Solidarschuld wird die Solidargläubigerschaft entweder durch Vertrag (z.B. durch ein Gemeinschaftskonto, bei dem jeder der Kontoinhaber selbständig über das Konto verfügen kann)119 oder durch Gesetz (Art. 262 Abs. 3 und Art. 399 Abs. 3 OR) begründet (s. N 2298 ff.).120 Solange der Schuldner von keiner Solidargläubigerin rechtlich belangt (das heisst 2322 betrieben oder eingeklagt) wird, kann er sich nach Art. 150 Abs. 2 und Abs. 3 OR durch Leistung an eine Gläubigerin seiner Wahl mit Wirkung gegenüber allen anderen Gläubigerinnen befreien.121 2.2

Übrige Fälle

Fehlt bei der Einzelgläubigerschaft die Gleichberechtigung unter den Gläubige- 2323 rinnen, liegt keine Solidargläubigerschaft vor. Entweder können alle die Leistung zugunsten einer bestimmten Gläubigerin fordern (z.B. echter Vertrag zugunsten eines Dritten nach Art. 112 Abs. 2 OR; s. N 1137 f.), oder es besteht unter ihnen eine Rangordnung (z.B. Nacherbeneinsetzung gemäss Art. 488 Abs. 1 ZGB, wobei primär die Vorerben und subsidiär die Nacherben berechtigt werden).122

117 118 119 120 121 122

Von Tuhr/Escher, 321. BGE 118 II 168 E. 2b = Pra 1993 Nr. 112. BGE 112 III 90 E. 5; s. auch Engel, CO PG, 834 ff. BSK OR-Graber, Art. 150 N 3 ff.; Guhl/Koller, § 5 N 11. BGE 94 II 167 E. 3; Guhl/Koller, § 5 N 13; Kramer/Probst, OR AT, N 543. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3668 ff.

713

4. Kapitel

3.

Verjährung und Solidarität

Gemeinschaftliche Gläubigerschaft

2324

Bei der gemeinschaftlichen Gläubigerschaft steht die Forderung den Gläubigerinnen ungeteilt zu; dabei kommt es nicht darauf an, ob die Forderung teilbar ist oder nicht.123 Diese Art von Gläubigerschaft entsteht, wenn die anspruchsberechtigten Personen durch ein Gesamthandverhältnis (z.B. durch einfache Gesellschaft [Art. 544 Abs. 1 OR], Erbengemeinschaft [Art. 602 ZGB] bzw. Gütergemeinschaft [Art. 221 ZGB]) verbunden sind und sich die Forderung auf die ganze Sache bezieht.124 Der Schuldner einer Gesamthandforderung kann sich von seiner Leistungspflicht nur befreien, indem er an alle Gläubigerinnen gemeinsam (oder aber an eine gemeinsame Vertreterin) leistet.125

2324a

Umstritten ist, ob auf Miteigentümerinnen (Art. 646 ff. ZGB) die Regeln über die Teilgläubigerschaft oder jene über die gemeinschaftliche Gläubigerschaft anwendbar sind.126 Zu denken ist etwa an den Fall, in welchem Ehegatten Miteigentümer eines Grundstücks sind und dieses als Ganzes veräussern. In BGE 140 III 150 sprach sich das Bundesgericht in einer solchen Konstellation für das Vorliegen von Teilgläubigerschaft aus: Das Bundesgericht stellte sich auf den Standpunkt, dass eine gemeinschaftliche Gläubigerschaft ausschliesslich im Rahmen von Gesamthandverhältnissen zur Anwendung gelangt. Miteigentümerinnen hingegen begründeten «im Regelfall lediglich eine gemeinsame Vertragspartnerstellung»127. Beim genannten Entscheid blieb indessen unberücksichtigt, ob bei der Veräusserung der Miteigentumssache (Art. 648 Abs. 2 ZGB verlangt für einen entsprechenden Miteigentümerbeschluss dispositiv Einstimmigkeit) auch darum ein Gesamthandverhältnis hätte vorliegen können, weil die Miteigentümerinnen zum Zweck des Verkaufs als einfache Gesellschaft gehandelt hatten. Ausserdem ist jeweils danach zu fragen, ob die Miteigentümerinnen über die Sache als Ganzes oder lediglich über einzelne Miteigentumsanteile verfügen können: Kann eine Miteigentümerin nur mit Zustimmung der anderen Miteigentümerinnen über die ganze Sache verfügen (Art. 648 Abs. 2 ZGB), ist sie konsequenterweise gemeinschaftlich an der Kaufpreisforderung berechtigt (gemeinschaftliche Gläubigerschaft). Dagegen liegt Teilgläubigerschaft vor, wenn eine Miteigentümerin dazu befugt ist, ihre Miteigentumsanteile selbständig zu veräussern (Art. 646 Abs. 3 ZGB). In diesem Fall ist sie auch berechtigt, die Kaufpreisforderung unabhängig von den anderen Miteigentümerinnen geltend zu machen.128 123 124 125 126 127 128

714

BGE 140 III 150 E. 2.2.2; Schwenzer, OR AT, N 89.06. BK OR-Becker, Vorb. zu Art. 143–150 N 6; von Tuhr/Escher, 292. BGE 140 III 150 E. 2.2.2; 41 II 202 E. 5; s. auch Bucher, OR AT, 502. Eine gemeinschaftliche Gläubigerschaft bejahend: Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3676 f.; Schwenzer, OR AT, N 89.06, jedoch ohne Begründung. Eine Teilgläubigerschaft bejahend: Guhl/Koller, § 5 N 4. BGE 140 III 150 E. 2.3; vgl. auch Bärtschi, ius.focus 2014 Nr. 4, 87. Ausführlich und gl.M. Giampaolo/Vischer, dRSK 10. Juni 2014, N 11.

§ 27

Mehrheit von Schuldnern und Gläubigerinnen (Art. 70 und Art. 143–150 OR)

In der Regel können die Gläubigerinnen eine Leistungsklage nur gemeinsam (oder 2325 durch eine gemeinsame Vertreterin) erheben (z.B. nach Art. 602 ZGB die Erbengemeinschaft bei ungeteilter Erbschaft).129 Eine Verrechnung der Gesamthandforderung ist nur mit dem Gesamthandvermögen möglich, nicht mit den Schulden der einzelnen Gläubigerinnen.130 Je nach Art des Gemeinschaftsverhältnisses kann jedoch für gewisse Schulden auch bloss eine einzelne Gläubigerin die Leistung an alle fordern (s. für die einfache Gesellschaft Art. 535 OR; für die Gütergemeinschaft Art. 227 Abs. 2 und Art. 228 ZGB).

4.

Gläubigerschaft bei unteilbaren Leistungen (Art. 70 Abs. 1 OR)

Art. 70 Abs. 1 OR regelt den Sonderfall, dass eine unteilbare Leistung an alle Gläu- 2326 bigerinnen zu erbringen ist. Die Forderung geht auf das Ganze und hat auf einmal zu erfolgen, und zwar, weil dies in der Natur einer unteilbaren Leistung liegt, und nicht, weil zwischen den Gläubigerinnen ein Fall von gemeinschaftlicher Gläubigerschaft (s. N 2324 f.) oder von Solidargläubigerschaft (s. N 2321 f.) vorliegt.131 Da mehrere Gläubigerinnen meistens solidarisch oder von Gesetzes wegen gemeinschaftlich berechtigt sind, ist die Gläubigerschaft bei unteilbaren Leistungen nach Art. 70 Abs. 1 OR in der Praxis nicht von grosser Bedeutung.132 Im Gegensatz zur gemeinschaftlichen Gläubigerschaft kann jede Gläubigerin selb- 2327 ständig Leistung an alle verlangen; der Schuldner muss alsdann an alle gemeinsam leisten (Art. 70 Abs. 1 OR).133 Z.B. ist an einen Kaufvertrag zu denken, nach welchem eine Sache mehreren Gläubigerinnen geschuldet wird, wobei die Gläubigerinnen weder durch ein Gesamthandverhältnis noch solidarisch verbunden sind.134 Im Gegensatz zum Fall von Art. 70 Abs. 2 OR (mehrere Schuldner sind zu einer 2328 unteilbaren Leistung verpflichtet) stellt sich bei der Gläubigerschaft auf eine unteilbare Leistung das Problem eines Ersatzanspruchs unter den Gläubigerinnen nicht (Art. 70 Abs. 3 OR analog; s. N 2292), weil zum einen die Gläubigerinnen nur Leistung an alle verlangen können und zum anderen der Schuldner durch Leistung an alle befreit wird.135

129 130 131 132 133 134 135

BGE 51 II 267 E. 1; Engel, CO PG, 828; Kramer/Probst, OR AT, N 543; von Tuhr/Escher, 293. Von Tuhr/Escher, 293. BK OR-Becker, Art. 70 N 4; ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 70 N 3. S. ZK OR-Schraner, Art. 70 N 9 ff. und N 29 ff. Guhl/Koller, § 5 N 10. BSK OR-Leu, Art. 70 N 2. Keller/Schöbi, 36.

715

5.

Kapitel Nominatverträge

§ 28 Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR) Grundlagenliteratur Bucher, OR BT, 53 ff.; Engel, CO PS, 5 ff.; Guhl/Koller, §§ 41 und 42; Honsell, OR BT, 32  ff.; Koller,  OR BT, §§  2  ff.; Müller, contrats, N  107  ff.; Müller-Chen/Girsberger/ Droese, Kap. 1 N 1 ff.; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 191 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 446 ff.

Weiterführende Literatur Akikol Diana, Die Voraussetzungen der Sachmängelhaftung beim Warenkauf, Diss. Luzern 2008; Atamer Yesim M./Eggen Mirjam, Reformbedürftigkeit des schweizerischen Kaufrechts  – eine Übersicht, ZBJV 2017, 731-787; Blättler Martin, Versteigerungen über das Internet, Rechtsprobleme aus der Sicht der Schweiz, Diss. Zürich 2004; Böckli Peter, Gewährleistungen und Garantien in Unternehmenskaufverträgen, in: Tschäni Rudolf (Hrsg.), Mergers & Acquisitions, Zürich 1998,  59–111; Bucher Eugen, Der benachteiligte Käufer, SJZ 1971, 1–6 (zit.: Bucher, SJZ 1971); Bucher Eugen, Notizen zu Art. 185 (Gefahrtragung durch den Käufer), ZSR 1970 I, 281–294 (zit.: Bucher, ZSR 1970 I); Buol Martina, Beschränkung der Vertragshaftung durch Vereinbarung, Diss. Zürich 1996; Cortesi Oreste, Die Kaufpreisgefahr – eine dogmatische Analyse des schweizerischen Rechts aus rechtshistorischer und rechtsvergleichender Sicht unter besonderer Berücksichtigung des Doppelverkaufs, Diss. Zürich 1996; Ernst Wolfgang, Neues Sachenrecht für Kulturgüter, recht 2008, 2–14; Fastricht Lorenz, Zur Frage der Konkurrenz von kaufrechtlicher Sachmängelhaftung und Schadenersatz aus Delikt, AJP 1995,  1115–1124; Frei Oliver, Der Abschluss von Konsumentenverträgen im Internet, Diss. Zürich 2001; Gauch Peter, Die revidierten Art.  210 und 371  OR, recht 2012,  124–136 (zit.: Gauch, recht 2012); Gauch Peter, Der Werkvertrag, 5. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2011 (zit.: Gauch, Werkvertrag); Gerny Michael Georg, Untersuchungs- und Rügepflichten beim Kauf nach schweizerischem, französischem und USamerikanischem Recht sowie nach  CISG, Diss. Basel 1999; Girsberger Daniel/HuberPurtschert Tina/Maissen Eva/Sprecher Jörg, Vertragsgestaltung und Vertragsdurchsetzung, 2.  Aufl., Zürich/Basel/Genf 2017; Honsell Heinrich, 100 Jahre Schweizerisches Obligationenrecht, ZSR 2011 II,  5–115 (zit.: Honsell, ZSR 2011 II); Honsell Heinrich, Der Mangelfolgeschaden beim Kauf – der Papageienfall des Bundesgerichts, recht 2007, 154– 158 (zit.: Honsell, recht 2007); Honsell Heinrich, Die Konkurrenz von Sachmängelhaftung und Irrtumsanfechtung – Irrungen und Wirrungen, SJZ 2007, 137–141 (zit.: Honsell, SJZ 2007); Honsell Heinrich, Die Online-Auktion, in: FS Huber, Tübingen 2006, 355–363

719

5. Kapitel

Nominatverträge

(zit.: Honsell, Online-Auktion); Keller Max/Siehr Kurt, Kaufrecht, 3. Aufl., Zürich 1995; Knoepfel Andreas, Die Sonderordnung des kaufmännischen Verkehrs im Kaufrecht (Handelskauf), Diss. Zürich 1988; Koller Alfred (Hrsg.), Der Grundstückkauf, 3. Aufl., Bern 2017 (zit.: Koller/BearbeiterIn); Koller Alfred, Schweizerisches Werkvertragsrecht, Zürich/St. Gallen 2015 (zit.: Koller, Werkvertragsrecht); Kramer Ernst A., Korrespondenz zum neuen Art. 210 Abs. 4 OR, recht 2013, 52; Krauskopf Frédéric, Verjährung bei Kaufund Werkverträgen  – neue Regeln mit Mängeln, in: Institut für Schweizerisches und Internationales Baurecht, Universität Freiburg (Hrsg.), Schweizer Baurechtstagung 2013, Freiburg 2013,  85–102; Lips Michael, Die kaufrechtliche Garantie, Diss. Zürich 2002; Luginbühl Jürg, Leistungsstörungen beim Unternehmens- und Beteiligungskauf, Diss. Zürich 1993; Mauchle Yves, Normenkonkurrenzen im Obligationenrecht – zugleich ein Beitrag zum Verhältnis von Irrtumsanfechtung und Sachmängelhaftung, AJP 2012, 933–952; Meier-Hayoz Arthur/Forstmoser Peter/Sethe Rolf, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 12.  Aufl., Bern 2018; Pfäffli Roland/Wermelinger Amédéo, Grundstückkauf, Kaufvorvertrag  – Vorkaufsrecht, Kaufsrecht und Rückkaufsrecht, SJZ 2017, 513-521; Pichonnaz Pascal, Les nouveaux délais de prescription de l’action en garantie (CO 371 et CO 210), SJZ 2013, 69–77; Rey Heinz, Die Grundlagen des Sachenrechts und das Eigentum, 3. Aufl., Bern 2007 (zit.: Rey, Sachenrecht); Rey Heinz, Perspektiven des Fernwärmelieferungsvertrages, in: FS Schluep, Zürich 1988,  131–143 (zit.: Rey, Fernwärme); Roth Simon, Integration einer Sache/eines Werks in ein unbewegliches Werk, AJP 2014, 773–780; Rüetschi David, Substanziierung der Mängelrüge, recht 2003,  115–121; Ruoss Reto Thomas, Scheingebote an Kunstauktionen, Diss. Zürich 1984; Rusch Arnold F., Verdacht als Mangel, AJP 2012, 44–48 (zit.: Rusch, AJP 2012); Rusch Arnold F., Grundlagenirrtum bei mangelhaften Gattungssachen und Werken, SJZ 2010, 553–560 (zit.: Rusch, SJZ 2010); Schenker Urs, Unternehmenskauf, Bern 2016; Schlechtriem Peter/Schmidt-Kessel Martin, Schuldrecht, Besonderer Teil, 7.  Aufl., Tübingen 2014 (zit.: Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht BT); Schlechtriem Peter/Schmidt-Kessel Martin, Schuldrecht, Allgemeiner Teil, 6.  Aufl., Tübingen 2005 (zit.: Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT); Schlechtriem Peter/Schwenzer Ingeborg (Hrsg.), Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 6.  Aufl., München/ Basel 2013 (zit.: Schlechtriem/Schwenzer/BearbeiterIn); Schmid Jörg/HürlimannKaup Bettina, Sachenrecht, 5.  Aufl., Zürich/Basel/Genf 2017; Schöbi Felix, Schweizerischer Grundstückkauf und europäisches Recht, Bern 1999; Schulin Hermann/Vogt Nedim Peter, Tafeln zum schweizerischen Obligationenrecht I, Allgemeiner Teil ohne Deliktsrecht, 5. Aufl., Zürich 2012 (zit.: Schulin/Vogt, OR AT); Schulin Hermann/Vogt Nedim Peter, Tafeln zum schweizerischen Obligationenrecht II, Besonderer Teil ohne Arbeitsrecht, Zürich 1983 (zit.: Schulin/Vogt, OR BT); Tschäni Rudolf/Diem Hans-Jakob/Wolf Matthias, M&A-Transaktionen nach Schweizer Recht, 2. Aufl., Zürich 2013; Vetter Peter Herbert, Probleme der Sachverschaffung, der Sachqualität und des Sachuntergangs beim Warenkauf nach schweizerischem Obligationenrecht und Wiener Kaufrecht, Diss. Bern 1998; Vischer Markus, Der Mangelbegriff im Kauf-, Miet- und Werkvertragsrecht, recht 2015,  1–9 (zit.: Vischer, recht 2015); Vischer Markus, Die fünfjährige Gewährleistungsfrist für bewegliche Sachen im Kaufrecht, Jusletter 11. März 2013 (zit.: Vischer, Jusletter 11. März 2013); Vischer Markus, Freizeichnungsklauseln in Grundstückkaufverträgen – Gegenstand einer AGB-Kontrolle oder der Selbstverantwortung?, SJZ 2012, 177–188 (zit.: Vischer, SJZ 2012); Vischer Markus, Das Nachbesserungsrecht des Käufers beim Unternehmenskauf, AJP 2011,  1168– 1176 (zit.: Vischer, AJP 2011); Vischer Markus, Übergang von Nutzen und Gefahr beim Unternehmenskaufvertrag, Jusletter 26.  Juli 2004 (zit.: Vischer, Jusletter 26.  Juli 2004);

720

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

Vischer Markus, Qualifikation des Geschäftsübertragungsvertrages und anwendbare Sachgewährleistungsbestimmungen, Entscheid des Schweizerischen Bundesgerichts BGE 129 III 18 ff., SZW 2003, 335–340 (zit.: Vischer, SZW 2003); Weber Marc, Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer, ZSR 2004 I, 495–527 (zit.: Weber, ZSR 2004 I); Weber Rolf H., E-Commerce und Recht, 2. Aufl., Zürich 2010 (zit.: Weber, E-Commerce); Zellweger-Gutknecht Corinne, Kauf und Tausch, in: Gauch Peter/Aepli Viktor/Stöckli Hubert (Hrsg.), Präjudizienbuch OR, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts (1875–2015), 9. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2016, 577–674 (zit.: Zellweger-Gutknecht, Art. … N …).

I.

Kauf

Der Kaufvertrag enthält die Verpflichtung zur Übertragung eines Kaufgegenstands (Art. 184 Abs. 1 OR) gegen Zahlung eines Entgelts.

2329

Der Kaufvertrag ist der am häufigsten geschlossene Vertrag im Wirtschaftsverkehr.1 2330 Eine eigentliche Definition des Kaufvertrages fehlt jedoch im Gesetz. Charakterisiert wird der Kauf durch die Hauptpflichten der Vertragsparteien. Diese sind in Art. 184 Abs. 1 OR festgehalten: • Pflicht der Verkäuferin zur Übergabe des Kaufgegenstands sowie Eigentumsverschaffung daran; • Pflicht des Käufers, den Kaufpreis zu bezahlen. Allerdings ist der Wortlaut des Gesetzes zu wenig weit gefasst und insofern unscharf, 2331 als Eigentum nur an körperlich greifbaren Gegenständen verschafft wird.2 Darüber hinaus kann der Kaufvertrag jedoch auch unkörperliche Sachen  – insbesondere Rechte – zum Inhalt haben (zum Kaufgegenstand s. N 2415 ff.).3 In der Regel ist der Kaufvertrag kein Dauerschuldverhältnis, weil der Umfang der 2332 Leistung nicht über die Zeitdauer definiert wird. Mit dem Austausch von Ware und Geld ist der Vertrag grundsätzlich erfüllt und die entsprechenden Forderungen erlöschen. Eine Ausnahme hiervon ist im Rahmen eines Sukzessivlieferungskaufs möglich und statthaft (z.B. sind pro Monat fünf Fahrräder zu liefern; s. N 2362). Ein numerus clausus an erlaubten Vertragstypen ist im Vertragsrecht nicht zulässig. Ein herkömmlicher Nominattyp darf darum auch atypisch ausgestaltet werden.

1 Keller/Siehr, 3. 2 Zum engen Sachbegriff im schweizerischen Sachenrecht s. Rey, Sachenrecht, N 66 m.w.N. 3 Keller/Siehr, 3.

721

5. Kapitel

Nominatverträge

II.

Charakteristik

1.

Trennung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft

2333

Der Kaufvertrag ist ein Verpflichtungsvertrag, das heisst, er setzt sich aus den Leistungsversprechen der Parteien zusammen.4 Als Verpflichtungsgeschäft ist der Kaufvertrag streng von dessen Erfüllung zu unterscheiden.

2334

Erfüllt wird der Kaufvertrag durch das Verfügungsgeschäft. Die entsprechenden gesetzlichen Regeln befinden sich ausserhalb des Kaufrechts gemäss Art. 184 ff. OR: • Bewegliche Sachen werden durch Besitzesübertragung (bzw. deren Surrogate) übereignet (Art. 714 und Art. 922 ff. ZGB; s. N 2433 ff.); • Grundeigentum wird durch Eintrag ins Grundbuch erworben (Art. 656 ff. ZGB); das Verfügungsgeschäft besteht dabei in der Anmeldung der Verkäuferin beim Grundbuchamt, zwecks Vornahme der Änderung (Buchung) im Grundbuch (s. Art. 963 Abs. 1 ZGB; s. N 2436 ff.);5 • Forderungen werden zediert (Art. 164 ff. OR; s. N 2440); • bei Immaterialgüterrechten liegt das Verfügungsgeschäft in einer formlosen Willenseinigung sowie allenfalls in der Eintragung in das entsprechende Register (s. N 2440); • bei Wertpapieren richtet sich das Verfügungsgeschäft nach dem Typ des jeweiligen Wertpapiers (s. N 2440).

2335

Fallen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft zeitlich zusammen, handelt es sich um einen sog. Handkauf (s. N 2371).6 An der grundsätzlichen Unterscheidbarkeit von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft ändert dies aber nichts.7 Beispielsweise nimmt der Käufer einer Zeitschrift am Kiosk die Ware gegen Bezahlung des Kaufpreises entgegen.

2. 2336

Wirkungen eines ungültigen Verpflichtungsgeschäfts

Die Sachübereignung ist nach schweizerischem Recht kausaler Natur. Für unbewegliche Sachen bestimmt dies Art. 974 Abs. 2 ZGB, für Fahrnissachen ergibt sich das Gleiche aus Gewohnheits- bzw. Richterrecht.8 Die Gültigkeit des Verfügungsgeschäfts hängt mit anderen Worten grundsätzlich vom Bestand des Grundgeschäfts ab:9 Ist das Grundgeschäft nicht zustande gekommen oder wegen eines Entste4 5 6 7 8 9

722

CHK OR-Hrubesch-Millauer, Art. 184 N 3. Rey, Sachenrecht, N 1486 f. m.w.H. CHK OR-Hrubesch-Millauer, Art. 184 N 4. Bucher, OR BT, 54; Guhl/Koller, § 41 N 6; Honsell, OR BT, 33 f.; a.M. BSK OR-Koller, Art. 184 N 5. BGE 93 II 373 E. 1b; 55 II 302 E. 2; ZK OR-Schönle, Art. 184 N 28 f. S. Schmid/Hürlimann-Kaup, N 75 m.w.H.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

hungsmangels ungültig (z.B. Art. 19/20, Art. 23 ff. OR), kommt es nicht zur gültigen Eigentumsverschiebung. Es fehlt die causa für das Verfügungsgeschäft. Mangels eines wirksamen Verpflichtungsgeschäfts kann die Verkäuferin die Kauf- 2337 sache vindizieren (Art.  641 Abs.  2 ZGB) bzw. bei Immobilien die Grundbuchberichtigungsklage anstrengen (Art. 975 Abs. 1 ZGB). Der Käufer hat gestützt auf die Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung Anspruch auf Herausgabe des Kaufpreises (Art.  62 Abs.  2  OR).10 Unseres Erachtens bewirkt die Ungültigkeit dagegen ein vertragliches Rückabwicklungs- oder Liquidationsverhältnis (s. N 583), das heisst, der Käufer hat einen vertraglichen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises, die Verkäuferin einen vertraglichen Anspruch auf Rückgabe der Kaufsache. Es entsteht ein Schuldverhältnis i.w.S. Bezüglich der Abtretung einer Forderung hat sich das Bundesgericht in seiner frü- 2338 heren Rechtsprechung für deren Abstraktheit ausgesprochen, in neueren Entscheiden die Frage indessen offengelassen.11 In der Lehre herrscht Uneinigkeit, ob der Abtretung abstrakter oder kausaler Charakter zukommt (s. N 1332 ff.). Die wohl herrschende Lehre befürwortet Abstraktheit: Die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts soll also bei der Abtretung nicht von jener des Verpflichtungsgeschäfts abhängen. Entpuppt sich das pactum de cedendo als unwirksam, ist die Inhaberschaft an der Forderung dennoch auf den Zessionar übergegangen. Der Zedentin steht diesfalls aber ein kondiktionsrechtlicher bzw. vertraglicher Anspruch auf Rückzession zu (s. N 1350).12

3.

Synallagma

Der Kaufvertrag ist ein vollkommen zweiseitiger (synallagmatischer) Vertrag. Er 2339 beruht auf dem Austauschprinzip (do ut des): Der Käufer zahlt den Kaufpreis im Hinblick darauf, dass er die Ware zu Eigentum übertragen erhält, und die Verkäuferin verkauft sie, damit sie den Kaufpreis bekommt. Die synallagmatische Natur des Kaufvertrages hat zur Folge, dass die Hauptpflichten 2340 der Parteien bezüglich ihrer Entstehung und ihres Bestands voneinander abhängen. So ist nicht bloss das sittenwidrige Leistungsversprechen der Verkäuferin ungültig, sondern im Gegenzug auch dasjenige des Käufers, den Kaufpreis zu zahlen.13 Die Ungültigkeit beschlägt also den Kaufvertrag als Ganzes.

10 11 12 13

ZK OR-Schönle, Art. 184 N 14. BGE 95 II 109 E. 3; 84 II 355 E. 1. Z.B. Schwenzer, OR AT, N 90.07. ZK OR-Schönle, Art. 184 N 37.

723

5. Kapitel

2341

Nominatverträge

Mangels abweichender Vereinbarung oder Übung, die den Kauf zu einem Prä- oder Postnumerandokauf (s.  N  2370  ff.) zu machen vermögen, sind die gegenseitigen Hauptpflichten Zug um Zug, also simultan, zu erfüllen (Art. 184 Abs. 2 OR).

III.

Arten

1.

Fahrniskauf (Art. 187–215 OR) und Grundstückkauf (Art. 216–221 OR)

2342

Im Hinblick auf die Natur des Kaufgegenstands unterscheidet das Gesetz zwischen Fahrniskauf und Grundstückkauf.

2343

Nach Art.  187 Abs.  1  OR ist jeder Kauf, der nicht eine Liegenschaft oder ein in das Grundbuch als Grundstück aufgenommenes Recht (Art. 655 Abs. 2 und Abs. 3 ZGB) zum Gegenstand hat, als Fahrniskauf anzusehen. Dogmatisch unterschiedliche Ansichten bestehen darüber, ob nun – wie es der Wortlaut des Gesetzes vermuten lässt – jeder Kaufvertrag entweder in die eine oder die andere Kategorie fällt.14 Ungeachtet dessen, welcher Auffassung man sich anschliesst, ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sich der Gesetzgeber allzu sehr von der Vorstellung des Sachkaufs leiten liess. Auf den Kauf unkörperlicher Sachen können die Bestimmungen des Kaufrechts auf jeden Fall nur mit Zurückhaltung, also nur insoweit sie auch sachgerecht sind, angewendet werden.15

2344

Ein Kaufvertrag, der sich auf ein Grundstück bezieht, ist ein Grundstückkauf (s. Art. 216 OR). Grundstücke sind die in Art. 655 Abs. 2 Ziff. 1–4 ZGB genannten Objekte. Die Bestimmungen über den Fahrniskauf (Art. 187–215 OR) finden gemäss Art. 221 OR auf den Grundstückkauf entsprechende Anwendung, sofern die Art.  216  ff.  OR keine Sonderregeln enthalten. Besondere Bestimmungen gelten für den Grundstückkauf insbesondere bezüglich der gesetzlich einzuhaltenden Form (öffentliche Beurkundung, Art. 216 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 657 Abs. 1 ZGB; s.  N  2403  ff.), der vorgeschriebenen Eigentumsverschaffung (Grundbucheintrag; Art. 656 Abs. 1 i.V.m. Art. 958 Ziff. 1 und Art. 972 ZGB; s. N 2436 ff.), der Gefahrtragung (Art. 220 OR; s. N 2505), der Rechtsgewährleistung (nur enger Anwendungsbereich im Hinblick auf das Prinzip des öffentlichen Glaubens von Art. 973 Abs. 1 ZGB; s.  N  2557) und der Sachgewährleistung (Modifikation von Art.  197  ff.  OR durch Art. 221 i.V.m. Art. 219 OR; s. N 2592 ff.). Beim Erwerb von Grundstücken

14 15

724

Bejahend BSK OR-Koller, Art. 187 N 1; verneinend ZK OR-Schönle, Art. 187 N 2 und N 8 ff.; s. BGE 129 III 18 E. 2.2 = Pra 2003 Nr. 30; 107 II 419 E. 1. BSK OR-Koller, Art. 184 N 13.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

durch Personen im Ausland sind ausserdem die Bestimmungen des BewG16 zu beachten. Beim Grundstückkauf hat die Verkäuferin einen Anspruch auf Errichtung eines 2345 gesetzlichen Grundpfands für die Kaufpreisforderung (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB).

2.

Kauf nach Muster (Art. 222 OR)

Beim Kauf nach Muster sichert die Verkäuferin dem Käufer zu, dass die Kaufsache 2346 die Eigenschaften des Musters aufweise. Dabei handelt es sich um eine Zusicherung im Sinne von Art. 197 Abs. 1 OR.17 Erforderlich ist also die (allenfalls auch implizite) Abrede, dass die Kaufsache dem Muster zu entsprechen habe. Wird ohne eine solche Abrede ein Muster beigelegt, liegt bloss ein sog. Typenmus- 2347 ter vor, das lediglich einen Eindruck von der Beschaffenheit der Kaufsache vermitteln will.18 Art.  222  OR verteilt die Beweislast so, dass nicht der Käufer die Identität des im 2348 Gewährleistungsprozess vorgewiesenen mit dem empfangenen Muster zu beweisen braucht. Es genügt seine (mündliche oder schriftliche) «persönliche Versicherung» der Identität vor Gericht.19 Der Verkäuferin steht aber der Beweis der Unechtheit offen (Art. 222 Abs. 2 OR).20

3.

Kauf auf Probe (Art. 223–225 OR)

Beim Kauf auf Probe steht es im Belieben des Käufers, ob er die Kaufsache geneh- 2349 migen will oder nicht (Art. 223 Abs. 1 OR). Es handelt sich damit beim Kauf auf Probe um einen aufschiebend bedingten Kaufvertrag (s. N 1288). Da die Erfüllung der Bedingung einzig vom Willen des Käufers abhängt, geht es um eine Potestativbedingung (s. N 1292).21 Solange die Ware nicht genehmigt wird, bleibt das Eigentum bei der Verkäuferin (Art. 223 Abs. 2 OR). Art. 224 und Art. 225 OR regeln die Genehmigung bzw. die Frage, wie lange die Verkäuferin gebunden ist.

16 Bundesgesetz vom 16. Dezember 1983 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (SR 211.412.41). 17 Bucher, OR BT, 128; BK OR-Giger, Art. 222 N 6 m.w.H. 18 Keller/Siehr, 138; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 1253. 19 CHK OR-Müller-Chen, Art. 222 N 5. 20 S. BGE 75 II 217 E. 2a. 21 BSK OR-Giger, Art. 223–225 N 3; Keller/Siehr, 140.

725

5. Kapitel

4.

Nominatverträge

Vorauszahlungsvertrag

2350

Der Vorauszahlungsvertrag charakterisiert sich durch die Vorleistungspflicht des Käufers. Dieser muss zum Voraus den Kaufpreis in Teilleistungen (Raten) bezahlen (zum Postnumerandokauf s. N 2373).22

2351

Dem Vorauszahlungsvertrag als sog. Sparkaufgeschäft kommt heute keine wirtschaftlich beachtenswerte Bedeutung mehr zu. Mangels praktischer Bedeutung wurden daher die Regelungen zum Vorauszahlungsvertrag im Besonderen Teil des OR (s. Art. 227a–228 aOR) ersatzlos gestrichen. Zugleich wurden die mit den Art. 227a ff. aOR korrespondierenden Bestimmungen im UWG23 angepasst (Art. 3 Abs. 1 lit. m und Art. 4 lit. d UWG).24 Mit der Aufhebung von Art. 227a–228 aOR finden auf den Vorauszahlungsvertrag grundsätzlich die allgemeinen Bestimmungen des OR, insbesondere aber als leges speciales die Art. 184 ff. OR insofern Anwendung, als sie passen.

5.

Steigerungskauf (Art. 229–236 OR)

5.1

Allgemeines

2352

Bei der öffentlich angekündigten freiwilligen Versteigerung im Sinne von Art. 229 Abs. 2 OR (Steigerungskauf, Auktion) handelt es sich um einen Kauf, der dadurch zustande kommt, dass die Versteigerin demjenigen unter mehreren Bietenden den Zuschlag erteilt, der das höchste Angebot macht.25 Im Zuschlag ist die Annahme des Angebots zu sehen.26 Der Einlieferer steht zur Versteigerin in der Regel in einem Kommissionsverhältnis (Art. 425 ff. OR; s. N 3427 ff.). Dementsprechend handelt die Versteigerin in eigenem Namen, aber für Rechnung des Einlieferers (Art. 425 Abs. 1 OR; s. Art. 229 Abs. 3 OR).

2353

Bei Fahrnis erfolgt der Eigentumsübergang mit dem Zuschlag, bei Grundstücken erst mit der Eintragung ins Grundbuch (Art. 235 Abs. 1 OR), wobei an die Stelle der öffentlichen Beurkundung das Steigerungsprotokoll tritt (Art. 235 Abs. 2 OR). Sehen die Versteigerungsbedingungen nichts anderes vor, so muss der Bietende Barzahlung leisten (Art. 233 Abs. 1 OR). Leistet der Bietende nicht, kann die Versteigerin vom Vertrag zurücktreten (Art. 233 Abs. 2 OR).

22 23 24 25 26

726

S. BK OR-Giger, Art. 227a ff. Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (SR 241). S. BBl 2013 9681 f. S. BSK OR-Ruoss/Gola, Art. 229 N 5. BSK OR-Ruoss/Gola, Art. 229 N 3.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

Der Versteigerungswettbewerb darf nicht in einer gegen Treu und Glauben ver- 2354 stossenden Weise beeinflusst und damit verfälscht werden.27 Deshalb können Versteigerungen, bei welchen in rechts- oder sittenwidriger Weise auf das Ergebnis eingewirkt wurde, innerhalb einer Frist von zehn Tagen von jedermann, der ein Interesse daran hat, angefochten werden (Art.  230  OR). Sittenwidrig ist etwa die vorgängige Vereinbarung, bei einer Versteigerung (nicht) mitzubieten (sog. pactum de licitando bzw. pactum de non licitando).28 Gleiches gilt für die Abrede, Gebote ab einer bestimmten Höhe des Kaufpreises zu unterlassen. Sodann kann nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung auch das Mitbieten des Einlieferers gegen die guten Sitten verstossen.29 Die gerichtliche Gutheissung einer Anfechtung durch Gestaltungsurteil führt zur Ungültigkeit des Steigerungskaufs ex tunc.30 Neben der Anfechtung gemäss Art. 230 OR ist auch die Ungültigerklärung wegen Willensmängeln (Art. 23 ff. OR; s. N 464 ff.) möglich, insbesondere wenn der Bietende einem Grundlagenirrtum unterliegt (zum Liquidationsverhältnis s. N 583).31 Die Sachgewährleistung richtet sich nach den allgemeinen Regeln (Art. 197 ff. OR; 2355 s. N 2585 ff.) Bei der öffentlich angekündigten, freiwilligen Versteigerung kann allerdings die Haftung für Sachmängel in den Steigerungsbedingungen ausgeschlossen werden, sofern keine absichtliche Täuschung vorliegt (Art. 234 Abs. 3 OR; zur Zwangsversteigerung s. N 2356). Die Bedingungen müssen dafür bloss öffentlich kundgetan, das heisst aufgelegt32 werden. Ob der Bietende von der Freizeichnung tatsächlich Kenntnis hat, ist dabei unerheblich, weil diese unwiderlegbar vermutet wird (Fiktion).33 Allfällige Freizeichnungsklauseln werden nach den allgemeinen Regeln ausgelegt (Vertrauensprinzip; s. N 190 ff.).34 Auf die in Art.  229 Abs.  1  OR erwähnte Zwangsversteigerung kommen vor 2356 allem öffentlich-rechtliche Vorschriften zur Anwendung (Art. 125 ff., Art. 133 ff., Art. 257 ff. und Art. 322 ff. SchKG35). Die Bestimmungen von Art. 229 ff. OR sind in erster Linie auf die öffentlich angekündigte freiwillige Versteigerung zugeschnitten. Eine Ausnahme hiervon bildet Art.  234 Abs.  1  OR, der die Gewährleistung bei Zwangsversteigerungen, abgesehen von Fällen der absichtlichen Täuschung und spezieller Zusicherungen, ausschliesst. Art.  236  OR ermächtigt die Kantone ausdrücklich, innerhalb der Schranken der 2357 Bundesgesetzgebung (z.B. Binnenmarktgesetz [BGBM]36) weitere Vorschriften 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

Keller/Siehr, 145. BGE 112 II 337 E. 4d; 109 II 123 E. 2b. BGE 109 II 123 E. 3. BSK OR-Ruoss/Gola, Art. 230 N 13. BGE 5A_219/2007 E. 2.1; 79 III 114 E. 1. BSK OR-Ruoss/Gola, Art. 234 N 2. Ruoss, 56 f. BGE 123 III 165 E. 3. Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SR 281.1). Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über den Binnenmarkt (Binnenmarktgesetz; SR 943.02).

727

5. Kapitel

Nominatverträge

über die öffentliche Versteigerung aufzustellen. Der Kanton Zürich hat in § 223 EG ZGB37 davon Gebrauch gemacht. So bedürfen hier freiwillige öffentliche Versteigerungen grundsätzlich der Mitwirkung des Gemeindeammanns. 5.2

Online-Auktionen im Besonderen

2358

Wichtig wurde der Steigerungskauf im Zusammenhang mit sog. Online-Auktionen wie z.B.eBay.38 Solche Versteigerungen sind grundsätzlich als freiwillig und öffentlich im Sinne von Art. 229 Abs. 2 OR anzusehen, weil die Versteigerin möglichst viele potenzielle Bieter zu erreichen versucht.39 Die Präsentation des Kaufgegenstands auf der Internetplattform ist mangels anderer Vereinbarung eine blosse invitatio ad offerendum (s. N 211 ff.).40 Die Bieter geben Angebote (das heisst Anträge) ab, deren Annahme durch Zuschlag erfolgt (zum Antrag s.  N  204  ff. und zur Annahme s. N 221 ff.).41

2359

Die Anwendung der Art. 229 ff. OR führt teilweise zu unbefriedigenden Ergebnissen. Dem wird in der Praxis dadurch Rechnung getragen, dass abweichende Vereinbarungen getroffen werden, beispielsweise hinsichtlich der Zahlung (Art.  233 Abs.  1  OR)42 oder des Eigentumsübergangs (Art.  235 Abs.  1  OR)43. Kantonale Bestimmungen (Art. 236 OR), deren Beachtung Online-Auktionen praktisch verunmöglichen würden, sind nach zutreffender Ansicht in diesem Bereich nur mit Zurückhaltung anzuwenden.44

2360

Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung handelt es sich beim Auktionsvertrag, also dem Vertrag zwischen Verkäuferin und Auktionshaus, um ein «auftragsähnliches Vertragsverhältnis».45 Insbesondere folgende Möglichkeiten kommen in Betracht: • mäklervertragsähnlicher Auftrag, der unseres Erachtens unter Art. 412 ff. OR zu subsumieren ist: Das Auktionshaus handelt als direkte Stellvertreterin der Verkäuferin (das heisst in fremdem Namen und auf fremde Rechnung);46

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46

728

Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 2. April 1911 (LS 230). S. Honsell, Online-Auktion, 356 ff. m.w.H. Blättler, 153; Frei, N 500; CHK OR-Schönenberger, Art. 229 N 5; Weber, E-Commerce, 416 f. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 1248 f.; Weber, E-Commerce, 424. Davon wird in der Praxis regelmässig abgewichen, indem die AGB der Online-Auktionshäuser bereits die Freischaltung des Angebots auf der Plattform zur verbindlichen Offerte erklären; s. Honsell, Online-Auktion, 358 f. m.w.H. Blättler, 178; Frei, N 495. Frei, N 501. Blättler, 198; Weber, E-Commerce, 426. S. Weber, E-Commerce, 418; s. ferner auch Blättler, 73 f. BGE 112 II 337 E. 2; 96 II 89 E. 7c. Blättler, 93; Weber, E-Commerce, 423.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

• Kommission (Art. 425 ff. OR): Das Auktionshaus handelt als indirekte Stellvertreterin (das heisst in eigenem Namen und auf fremde Rechnung).47 Zwischen dem Auktionshaus und dem Käufer besteht ein Mäklervertrag 2361 (Art. 412 ff. OR), wenn der Käufer dem Auktionshaus eine Entschädigung schuldet. Ist dies nicht der Fall, handelt es sich in der Regel um einen Auftrag (Art. 394 ff. OR).48

6.

Sukzessivlieferungskauf

Beim Sukzessivlieferungskauf handelt es sich um einen einheitlichen Vertrag, bei 2362 dem die Verkäuferin eine der Gattung nach bestimmte Ware in Teilleistungen zu liefern hat, wobei die einzelnen Teilleistungen nicht gleichzeitig, sondern zeitlich getrennt zu erbringen sind.49 Der Sukzessivlieferungsvertrag steht ausserhalb des Begriffspaars «Einmal- und Dauerschuldverhältnis». Steht der Leistungsumfang zum Voraus fest, so ist der Sukzessivlieferungskauf als Einmalschuldverhältnis zu qualifizieren (Beispiel: Der Schreiner kauft zehn Ster Holz, die er innerhalb eines Jahres abrufen kann). Um ein Dauerschuldverhältnis handelt es sich dann, wenn die Anzahl der zu erbringenden Teilleistungen von der Dauer des Schuldverhältnisses abhängt (Beispiel: Die Brauerei liefert dem Wirt bis auf Weiteres monatlich 2000 Liter Bier; s. N 61).

7.

Kauf auf Abruf

Beim Kauf auf Abruf kann der Käufer festlegen, wann die Verkäuferin liefern soll. 2363 Der Käufer bestimmt somit, wann die Forderung auf Leistung fällig wird.50 Weil sich das Gestaltungsrecht des Käufers oft auf Teillieferungen bezieht, stellt der Kauf auf Abruf häufig gleichzeitig einen Sukzessivlieferungskauf dar.51

8.

Spezifikationskauf

Der Spezifikationskauf gewährt dem Käufer das Recht, die Beschaffenheit des Kauf- 2364 gegenstands nachträglich zu bestimmen (s.  Art.  72  OR).52 Spezifiziert der Käu-

47 48 49 50 51 52

Blättler, 93; Weber, E-Commerce, 423. Weber, E-Commerce, 423 f.; ähnlich Blättler, 94. Guhl/Koller, § 41 N 49. ZK OR-Schönle, Art. 184 N 112. BSK OR-Koller, Art. 184 N 31. Keller/Siehr, 150.

729

5. Kapitel

Nominatverträge

fer den Kaufgegenstand nicht, gerät er nach Art.  91  ff.  OR in Gläubigerverzug (s. N 967 ff.).53

9. 2365

Platzkauf, Fernkauf und Versendungskauf

Nach dem Ort, wo die Verkäuferin zu leisten hat, wird unterschieden zwischen: • Platzkauf (s. N 2367); • Fernkauf (s. N 2368); • Versendungskauf (Distanzkauf; s. N 2369).

2366

Der Ort, an welchem die Verkäuferin ihre Leistung zu erbringen hat, richtet sich in erster Linie nach vertraglicher Abrede, allenfalls nach einer lex specialis und schliesslich nach Art.  74  OR (Erfüllungsort). Die folgende Abgrenzung ist insbesondere für die Zuordnung der Gefahrtragung wichtig (s. N 2473 ff.).

2367

Hat der Käufer den Kaufgegenstand am Wohnsitz bzw. Sitz der Verkäuferin oder dort, wo sich die Sache befindet (species-Kauf; Art. 74 Abs. 2 Ziff. 2 OR), abzuholen, so spricht man von einem Platzkauf. Es handelt sich um eine Holschuld des Käufers.54

2368

Von einem Fernkauf wird gesprochen, wenn eine Bringschuld der Verkäuferin vorliegt, das heisst, die Verkäuferin den Kaufgegenstand an den Wohnsitz bzw. Sitz des Käufers oder einen andern Ort zu liefern hat.55

2369

Um einen Versendungs- oder Distanzkauf handelt es sich schliesslich, wenn die Verkäuferin eine Schickschuld trifft. Dann schuldet sie nämlich die Versendung des Kaufgegenstands an einen bestimmten Ort (sog. Bestimmungsort). Erst am Bestimmungsort kann der Käufer Eigentum erlangen und wird der Kaufvertrag erfüllt. Die Verkäuferin ist jedoch bloss zur Versendung verpflichtet.56 Diese Vereinbarung ist eine Modifizierung der Holschuld: Die Verkäuferin hat die Sache nicht am gesetzlichen Erfüllungsort zu übergeben (s. Art. 74 OR), sondern an einen anderen Ort zu verschicken. Durch eine solche Vereinbarung wird der Erfüllungsort nicht verändert.57 Nach einem Teil der Lehre bedeutet dies, dass der Transporteur im Rahmen eines Versendungskaufs – anders als beim Fernkauf (Bringschuld) – nicht Hilfsperson der Verkäuferin im Sinne von Art. 101 OR sein kann.58 Nach unserer Ansicht hat die Verkäuferin aber im Rahmen der hypothetischen Vorwerfbarkeit auch für die Handlungen und Unterlassungen des Transporteurs einzustehen. 53 54 55 56 57 58

730

Ausführlich ZK OR-Schönle, Art. 184 N 110. BSK OR-Koller, Art. 185 N 29. BSK OR-Koller, Art. 185 N 25; s. BGE 4A_131/2009 E. 4.4.2. Von Tuhr/Escher, 43 f. Keller/Siehr, 18. Schwenzer, OR AT, N 23.08; a.M. Guhl/Koller, § 41 N 130.

§ 28

10.

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

Barkauf, Kreditkauf (Postnumerandokauf) und Pränumerandokauf

Je nachdem, wann der Kaufpreis im Vergleich zur Übergabe des Kaufgegenstands zu bezahlen ist, wird unterschieden zwischen:59

2370

• Barkauf (s. N 2371); • Kreditkauf (Postnumerandokauf; s. N 2372); • Pränumerandokauf (s. N 2373). Beim Barkauf ist der Kaufpreis gleichzeitig (Zug um Zug) mit der Übergabe des 2371 Kaufgegenstands zu leisten (s. Art. 184 Abs. 2 OR). Enger ist der Begriff des Handkaufs: Hier werden die Hauptleistungen ebenfalls Zug um Zug erbracht. Darüber hinaus fällt aber der Abschluss des Kaufvertrages mit dem Verfügungsgeschäft zeitlich zusammen.60 Charakteristikum des Kreditkaufs (Postnumerandokauf) ist die Vorleistungspflicht 2372 der Verkäuferin. Der Käufer braucht mithin erst nach der Übergabe des Kaufgegenstands zu bezahlen. Beim Pränumerandokauf hat der Käufer den Kaufpreis hingegen schon vor der 2373 Übergabe des Kaufgegenstands zu begleichen.

11.

Haustürgeschäfte und ähnliche Verträge (Art. 40a–40f OR)

Ein Kaufvertrag erfährt oft weitere Qualifikationen. Er kann z.B. zusätzlich zu den 2374 Merkmalen des Kaufvertrages die Voraussetzungen eines Haustürgeschäfts im Sinne von Art. 40a ff. OR erfüllen (s. N 264 ff.). Sachlicher Anknüpfungspunkt ist hierbei die Art der Vertragsanbahnung (z.B. Abschluss des Vertrages am Telefon; Art. 40b lit. d OR). Für die Anwendung des Widerrufsrechts innerhalb von 14 Tagen (Art.  40e 2375 Abs.  2  OR) ist erforderlich, dass der Kaufgegenstand für den «persönlichen oder familiären Gebrauch» des Käufers bestimmt ist (Art. 40a Abs. 1 OR; zum uneinheitlichen Konsumentenbegriff in der schweizerischen Rechtsordnung s. N 635k und N 3642). Neben der Art der Vertragsanbahnung entscheidet also der Leistungsinhalt (und damit vornehmlich die Frage, ob ein Konsumvertrag vorliegt) über die Qualifikation eines Kaufvertrages als Haustürgeschäft.61

59 S. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 493 ff. 60 Keller/Siehr, 21. 61 S. BSK OR-Koller-Tumler, Vorb. zu Art. 40a–40f N 3 und Art. 40a N 3.

731

5. Kapitel

12.

Nominatverträge

Kulturgüterkauf

2376

Beim Kaufvertrag, welcher ein Kulturgut zum Vertragsgegenstand hat, gelangen neben den kaufrechtlichen Normen die besonderen Vorschriften des Kulturgütertransfergesetzes (KGTG)62 zur Anwendung. Der Begriff des Kulturguts wird in Art.  2 Abs.  1 KGTG definiert und setzt zweierlei voraus: Erstens ist erforderlich, dass das Gut einer Kategorie gemäss Art. 1 der UNESCO-Konvention 197063 zugeordnet werden kann. Erfasst werden gemäss Konvention beispielsweise «typische» Kulturgüter wie Funde bei archäologischen Ausgrabungen (lit.  c) oder Gemälde (lit. g), aber auch alltäglichere64 Gegenstände wie Möbel, die über 100 Jahre alt sind (lit.  k), oder Briefmarken (lit.  i). Zweitens muss das betreffende Gut aus religiösen oder weltlichen Gründen für Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaft bedeutungsvoll sein. Ob eine solche Bedeutung vorliegt, hängt nicht vom subjektiven Empfinden einzelner Personen ab.65 Vielmehr ist eine objektive Betrachtungsweise angezeigt. Ein Kulturgut ist nach Ernst dann bedeutungsvoll, wenn das betroffene Kulturfeld «in seiner Dokumentation oder Entwicklung einen objektiv spürbaren Nachteil erleiden müsste, wenn die betreffende Sache nicht mehr zur Verfügung stünde»66.

2377

Kulturgüter werden in ein Register eingetragen, sofern sie im Eigentum des Bundes stehen und von wesentlicher Bedeutung für das kulturelle Erbe sind (Art. 3 Abs. 1 KGTG). Die Registrierung bewirkt, dass das betreffende Kulturgut weder ersessen (Art. 728 ZGB) noch gutgläubig erworben (Art. 714 Abs. 2, Art. 933 ff. ZGB) werden kann, dass der Herausgabeanspruch nicht verjährt und dass die definitive Ausfuhr des Kulturguts aus der Schweiz verboten ist (Art. 3 Abs. 2 lit. a–c KGTG).

13.

Stückkauf und Gattungskauf

2378

Kennzeichnendes Merkmal des Stückkaufs ist die individuelle Bestimmung des Kaufgegenstands durch die Parteien. Regelmässig sind nicht vertretbare Sachen (s. N 677; z.B. Grundstücke) Gegenstand eines Stückkaufs.

2379

Ein Gattungskauf liegt vor, wenn die Parteien den Kaufgegenstand seiner Gattung nach bezeichnen, das heisst nach den Merkmalen seiner Beschaffenheit und nach

62 63 64 65 66

732

Bundesgesetz vom 20. Juni 2003 über den internationalen Kulturgütertransfer (Kulturgütertransfergesetz; SR 444.1). Übereinkommen vom 14.  November 1970 über die Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (SR 0.444.1). S. Ernst, recht 2008, 4. Ernst, recht 2008, 4. Ernst, recht 2008, 4.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

Mass, Zahl oder Gewicht (Quantität).67 Gegenstand eines Gattungskaufs sind in aller Regel vertretbare Sachen (z.B. Wertpapiere oder neu hergestellte Serienwaren). Allerdings können vertretbare Sachen ebenso Gegenstand eines Stückkaufs bilden, nämlich dann, wenn die Parteien eine vertretbare Sache in ihrer Vereinbarung individualisieren. Der Begriff der Gattung ist relativ; dieser kann von den Parteien unterschied- 2380 lich eng oder weit gefasst werden (s.  N  2587  ff.).68 Je enger die Parteien die Gattung umschreiben, umso mehr nähert sich der Gattungskauf dem Stückkauf an; im Grenzbereich zwischen den beiden Kategorien species und genus ist dann häufig die Rede von einem begrenzten Gattungskauf (zur begrenzten Gattungsschuld s. N 2496).69 Unter Umständen ergibt sich die von den Parteien gewählte Kategorie auch erst durch Auslegung von Vertrag und Kontext.

14.

Bürgerlicher Kauf und Handelskauf

Kaufmännischer Verkehr (Handelskauf) im Sinne des Kaufrechts liegt vor, wenn ein gewerbsmässiger Käufer einen Kauf zum Zweck des Weiterverkaufs tätigt.70

2381

Unbestritten ist, dass kaufmännisch erworbene Gegenstände in der Regel weiterver- 2382 kauft werden. Nach zutreffender Auffassung sind die Art. 190 f. OR auch anwendbar, wenn die Kaufsache zunächst weiterverarbeitet oder umgestaltet und erst dann weiterverkauft werden soll.71 Ein Teil der Lehre unterstellt ausserdem den Kauf von Gegenständen, die im Käuferunternehmen verwendet werden sollen, den kaufmännischen Sondernormen.72 Hier ist unserer Ansicht nach zu differenzieren: Kauft ein Unternehmen, welches Verpackungsmaschinen herstellt, eine Kaffeemaschine für sein Personal, liegt kein Handelskauf vor. Kauft es dagegen Bestandteile, die es zwar nicht tel quel weiterverkauft, aber in die Verpackungsmaschinen einbaut, so handelt es sich um einen Handelskauf. Ein Handelskauf ist auch zu bejahen, wenn ein Restaurant eine Kaffeemaschine für den entgeltlichen Ausschank an die Gäste kauft. Nach der hier vertretenen Auffassung hat der Kauf zum Zweck des Weiterverkaufs 2383 mit Gewinn überdies gewerbsmässig zu erfolgen. Damit ist der Kauf einer Privat67 BGE 121 III 453 E. 3a; Honsell, OR BT, 47 f.; BSK OR-Leu, Art. 71 N 3; Schulin/Vogt, OR AT, Tafel 8 FN 4; s. Schwenzer, OR AT, N 8.01, wonach im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein Stück mehr vorhanden sein soll, als zur Erfüllung erforderlich ist. 68 BGE 121 III 453 E. 4a; Schwenzer, OR AT, N 8.04. 69 S. Bucher, OR BT, 115. 70 S. BGE 120 II 296 E. 3b = Pra 1996 Nr. 79; 65 II 171 E. 2e. 71 ZK OR-Schönle, Art. 190 N 19; in diesem Sinne auch BGE 43 II 214 E. 3; 43 II 170 E. 2 und E. 3; 41 II 672 E. 6 und E. 7; a.M. BSK OR-Koller, Art. 190 N 10. 72 Honsell, OR BT, 69; Knoepfel, 7 ff.; ZK OR-Schönle, Art. 190 N 19 f.; a.M. BSK OR-Koller, Art. 190 N 8.

733

5. Kapitel

Nominatverträge

person zum Zweck des Weiterverkaufs vom Anwendungsbereich der kaufmännischen Spezialregeln ausgeschlossen.73 Zum objektiven Merkmal des kaufmännischen Verkehrs gesellt sich somit unseres Erachtens das subjektive Merkmal der unternehmerischen Tätigkeit (s. dazu Art.  2 lit.  b HRegV74, wonach es sich bei einem kaufmännischen Gewerbe um eine «selbständige, auf dauernden Erwerb gerichtete wirtschaftliche Tätigkeit» handelt).75 Dies lässt sich damit begründen, dass die Unterteilung in die «Sonderformen» Handels- bzw. Konsumverträge einerseits und «gewöhnliche» («neutrale», «bürgerliche») Verträge andererseits nach einheitlichen, mindestens aber kohärenten Kriterien zu erfolgen hat. 2384

Neben der traditionellen Unterscheidung zwischen nicht kaufmännischen (bürgerlichen) und kaufmännischen Geschäften findet man, wie bereits bemerkt, seit ein paar Jahren auch die Unterteilung in gewöhnliche (b2b bzw. c2c) und Konsumgeschäfte (b2c).76 Sowohl die traditionelle wie auch die jüngere Kategorisierung sind zu beachten: Solange die Differenzierungskriterien nicht von allen übereinstimmend verwendet werden (was auch der Gesetzgeber mit immer wieder neuen, voneinander abweichenden Ansätzen und Umschreibungen erschwert; zu den Auslegungs- und Anwendungsschwierigkeiten etwa bei Art. 8 UWG s. N 635k ff.), muss in jedem Fall sorgfältig abgeklärt werden, welches im Einzelfall die entscheidenden Kriterien sind.

15. 2385

Vorkaufs-, Kaufs- und Rückkaufsrechte

Das gemeinsame Merkmal von Vorkaufs-, Kaufs- und Rückkaufsrechten liegt darin, dass diese der berechtigten Partei gegenüber der belasteten Partei ermöglichen, durch einseitige Willenserklärung einen Kaufvertrag herbeizuführen (Optionsrechte).77 Die Ausübung der Option erfolgt mithin in einem späteren Zeitpunkt als deren Einräumung.78 Es handelt sich also um (in der Regel von der belasteten Partei eingeräumte) Gestaltungsrechte. 15.1

2386

Vorkaufsrechte

Die Vorkaufsberechtigte kann ihr Recht bei Eintreten des Vorkaufsfalls geltend machen. Der «klassische»79 Vorkaufsfall ist der Abschluss eines Kaufvertrages zwischen dem Belasteten und einem Dritten (Art. 216c Abs. 1 OR). Aber auch andere 73 74 75 76 77 78 79

734

A.M. BSK OR-Koller, Art. 190 N 8. Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 (SR 221.411). A.M. Keller/Siehr, 32. S. Gauch/Schluep/Schmid, N 244a f.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 389 f. Bucher, OR BT, 123; BSK OR-Koller, Art. 184 N 34. BGE 138 III 659 E. 3.4. BSK OR-Fasel, Art. 216c N 1.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

Rechtsgeschäfte, die wirtschaftlich einem Verkauf gleichkommen, gelten als Vorkaufsfälle (Art.  216c Abs.  1  OR). Gemäss Bundesgericht80 setzt der Vorkaufsfall ein Rechtsgeschäft voraus, das auf dem freiem Willen des Veräusserers beruht und auf die Veräusserung einer Sache gegen Geld gerichtet ist. Sodann ist erforderlich, dass die Festsetzung der Geldleistung nicht wesentlich von der Person des Leistungsgegners abhängt, das heisst, dass die Gegenleistung grundsätzlich von jedermann erbracht werden könnte.81 Keine Vorkaufsfälle sind daher Eigentumsübertragungen im Rahmen einer Schenkung (inklusive gemischte Schenkung)82, eines Tauschvertrages83, des Erbfalls und der Erbteilung (Art.  216c Abs.  2  OR)84, des ehelichen Güterrechts85, der Zwangsversteigerung oder eines Erwerbs zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben (Art. 216c Abs. 2 OR), eines Verpfründungsvertrages (s.  Art.  521 Abs.  1  OR)86, der Liquidation einer Gesellschaft87 und der Einbringung in eine Gesellschaft88. Sachverhalte, welche die Ausübung des Vorkaufsrechts ermöglichen, sind dagegen – neben dem klassischen Tatbestand des geplanten Verkaufs – die Hingabe an Zahlungs statt, die freiwillige Versteigerung sowie die Ausübung eines Kaufsrechts durch einen Dritten.89 Der Vorkaufsfall bleibt ausserdem gemäss Art. 216d Abs. 2 OR auch dann bestehen, wenn die Parteien das Grundgeschäft nachträglich aufheben oder eine Bewilligung zur Eigentumsübertragung (z.B. aufgrund des BewG) verweigert wird. Hingegen entfällt der Vorkaufsfall, wenn das Grundgeschäft aus anderen Gründen ungültig ist.90 Vorkaufsrechte entstehen durch Vereinbarung (Vorkaufsvertrag; zur Form s. Art. 216 Abs. 2 und Abs. 3 OR) oder durch Gesetz. Ein wichtiges gesetzliches Vorkaufsrecht ist z.B. in Art. 682 Abs. 1 ZGB geregelt: Dieses räumt jedem Miteigentümer eines Grundstücks ein Vorkaufsrecht gegenüber Nichtmiteigentümern ein. Gesetzliche Vorkaufsrechte können im Übrigen anders als vertragliche Vorkaufsrechte auch in der Zwangsversteigerung geltend gemacht werden (Art. 681 Abs. 1 ZGB).

2387

Die Vorkaufsrechte an Grundstücken dürfen gemäss Art. 216a OR für höchstens 2388 25 Jahre vereinbart und im Grundbuch vorgemerkt werden. Durch die Vormerkung erhält das Vorkaufsrecht realobligatorische Wirkung, das heisst, die Berechtigte kann es auch späteren Erwerbern des Grundstücks entgegenhalten.91 Ausser 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91

BGE 115 II 175 E. 4a. S. BSK ZGB-Rey/Strebel, Art. 681 N 6. BGE 102 II 250 E. 4. BGE 94 II 242 E. 2. BGE 115 II 175 E. 4a. BGE 126 III 187 E. 2b = Pra 2000 Nr. 122. BGE 118 II 401 E. 3. BGE 126 III 187 E. 2b = Pra 2000 Nr. 122. Koller/Brückner, § 11 N 85. BGE 134 I 263 E. 3.3 = Pra 2009 Nr. 29. BSK OR-Fasel, Art. 216d N 9. BGE 126 III 421 E. 3a aa = Pra 2001 Nr. 117; Pfäffli/Wermelinger, SJZ 2017, 517.

735

5. Kapitel

Nominatverträge

bei abweichenden (gültigen) Vereinbarungen sind Vorkaufsrechte an Grundstücken vererblich, aber nicht abtretbar (Art. 216b Abs. 1 OR). 2389

Tritt der Vorkaufsfall ein, so muss die Verkäuferin die Berechtigte darüber in Kenntnis setzen (Art. 216d Abs. 1 OR). Wird die Berechtigte nicht informiert, der Dritterwerber aber gleichwohl ins Grundbuch eingetragen, kann die Berechtigte, sofern es sich um ein vorgemerktes Vorkaufsrecht handelt, direkt gegen den Dritterwerber vorgehen bzw. das Grundbuch berichtigen lassen (s. Art. 681a Abs. 3 ZGB).92 Ist das Vorkaufsrecht dagegen nicht im Grundbuch vorgemerkt, kann die Berechtigte Schadenersatz gegenüber dem Belasteten nach Art. 97 Abs. 1 OR geltend machen.93 Gemäss Art. 216e OR hat die Berechtigte ihr Vorkaufsrecht innert drei Monaten seit Kenntnis vom Vertrag mit dem Dritten auszuüben. Übt die Berechtigte das Vorkaufsrecht aus, tritt sie jedoch nicht in die Rechtsstellung des Dritten ein. Vielmehr gilt Folgendes: Mit Ausübung des Vorkaufsrechts tritt die Potestativbedingung (s.  N  1292) ein. Dadurch wird der Schwebezustand beendet. Die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Dritten und dem Versprechenden bleiben hiervon unberührt.94

2390

Die Bedingungen, zu welchen die Vorkaufsberechtigte das Grundstück erwerben kann, entsprechen gemäss Art. 216d Abs. 3 OR vermutungsweise denjenigen des Kaufvertrages zwischen der Verkäuferin und dem Dritterwerber (unlimitiertes Vorkaufsrecht). Die Verkäuferin und die Vorkaufsberechtigte können den Kaufpreis im Vorkaufsvertrag aber auch bereits bestimmen bzw. festhalten, wie er zu berechnen sei (limitiertes Vorkaufsrecht).95 15.2

2391

Kaufs- und Rückkaufsrechte

Das Kaufsrecht unterscheidet sich vom Vorkaufsrecht dadurch, dass kein Vorkaufsfall eintreten muss, damit die Berechtigte von ihrem Recht Gebrauch machen darf. Vielmehr ist es in ihr Belieben gestellt, ob und wann sie durch eine einseitige Willenserklärung den Kaufvertrag zustande kommen lassen will.96 Beim Kaufsrecht handelt es sich nicht um ein Dauerschuldverhältnis (s. N 59). Mit der Begründung entsteht vielmehr eine auf eine gewisse Dauer angelegte Rechtsbeziehung zwischen den Parteien, welche sich als Austauschvertrag charakterisieren lässt, dessen Erfüllung allerdings aufgeschoben ist.97 Die Dauer dieser Rechtsbeziehung bzw. die Laufzeit des Kaufsrechts hängt dabei vom Willen der Parteien ab.98 Eine besondere Art 92 93 94 95 96 97 98

736

BGE 1P.639/2004 E. 3.3. BGE 4C.194/2003 E. 3; Pfäffli/Wermelinger, SJZ 2017, 518. BGE 134 III 597 E. 3.4.1 = Pra 2009 Nr. 43; BK OR-Giger, Art. 216 N 157. BGE 5A_207/2007 E. 3.3. BGE 138 III 659 E. 4.1; s. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 1011. BGE 138 III 659 E. 3.4. BGE 138 III 659 E. 4.1.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

des Kaufsrechts ist das Rückkaufsrecht: Der Verkäuferin wird diesfalls das Recht eingeräumt, durch eine einseitige Willenserklärung den verkauften Gegenstand zurückzuerwerben.99 Kaufs- und Rückkaufsrechte entstehen durch ihre Stipulierung in einem Kaufs- 2392 rechts- bzw. Kaufvertrag oder werden durch das Gesetz eingeräumt. Das Kaufsrecht an Grundstücken kann gemäss Art. 216a OR nur für zehn Jahre vereinbart und im Grundbuch vorgemerkt werden.

IV.

Abgrenzungen

1.

Zum Tauschvertrag (Art. 237 f. OR) und zur Schenkung (Art. 239 ff. OR)

Der Kaufvertrag unterscheidet sich vom Tausch und von der Schenkung dadurch, 2393 dass für den zu übereignenden Gegenstand ein Entgelt geschuldet wird. Beim Tausch (Art. 237 f. OR) ist die Gegenleistung nicht in Geld (Gattungsschuld), 2394 sondern in Sachen oder anderen Vermögenswerten zu erbringen. Es ist Ware gegen Ware zu liefern.100 Ein Tauschgeschäft liegt z.B. auch dann vor, wenn die Parteien die als Gegenleistung geschuldeten Geldstücke individuell bestimmt haben (z.B. bestimmte Sammlermünzen).101 Um einen Kauf handelt es sich hingegen, wenn eine Währung (als Summe) gegen eine andere gewechselt wird.102 Die Schenkung (Art. 239 ff. OR) lässt sich vom Kaufvertrag durch das Merkmal der 2395 Unentgeltlichkeit abgrenzen (s. Art. 239 OR: «ohne entsprechende Gegenleistung»). Eine sog. gemischte Schenkung liegt vor, wenn mit Schenkungsabsicht ein (im Verhältnis zum objektiv angemessenen) zu tiefer Preis vereinbart wird.103 Dabei setzt aber auch die gemischte Schenkung einen Begünstigungs- oder Zuwendungswillen des Schenkers voraus. Ein wertmässiges Missverhältnis der Leistungen genügt für sich allein nicht.104 Bei fehlender Schenkungsabsicht liegt Kauf zu einem Freundschaftspreis vor (zur gemischten Schenkung ausführlich s. N 2856 ff.).

99 100 101 102 103 104

S. Pfäffli/Wermelinger, SJZ 2017, 521. Keller/Siehr, 12. CR CO-Venturi/Zen-Ruffinen, Art. 184 N 31. Keller/Siehr, 10; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 853. BGE 126 III 171 E. 3a; 116 II 225 E. 3e aa; 84 II 247 E. 7; Keller/Siehr, 12. BGE 5C.212/2000 E. 4b.

737

5. Kapitel

2. 2396

Nominatverträge

Zu den Gebrauchsüberlassungs- und Arbeitsleistungsverträgen

Die Pflicht der Verkäuferin, Eigentum zu verschaffen, dient als Abgrenzungskriterium gegenüber den Gebrauchsüberlassungs- (Miete, Pacht und Leihe) und den Arbeitsleistungsverträgen (Arbeitsvertrag, Werkvertrag und Auftrag).

3.

Zum Werkvertrag (Art. 363 ff. OR)

2397

Existiert eine zu liefernde Sache im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht, sondern muss sie erst noch hergestellt werden, stellt sich die Frage nach der Abgrenzung von Werkvertrag und Kauf. Beim Werkvertrag steht die zur Herstellung eines Werks erforderliche Arbeitsleistung – gegenüber der Eigentumsverschaffung beim Kauf – im Vordergrund.105

2398

Wenn sich die Leistungspflicht des Unternehmers in einer Arbeitsleistung erschöpft, liegt ein schlichter Werkvertrag vor, und die Abgrenzung zum Kaufvertrag ist unproblematisch.106 Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich dagegen zum Werklieferungsvertrag, bei welchem der Unternehmer das Werk aus selbst beschafftem Stoff herzustellen hat.107 Wird eine Sache mit Hinblick auf die individuellen Bedürfnisse der Bestellerin angefertigt, liegt ein Werkvertrag vor.108 Demgegenüber ist das in Serie hergestellte Standardprodukt als Kauf einer künftigen Sache zu qualifizieren (s. N 2420).109 Hätte mit anderen Worten der Hersteller die Sache ohnehin für eine beliebige Abnehmerin produziert, so spricht dies für Kauf. Ein Kauf ist sodann auch anzunehmen, wenn sich die Weisungen der Abnehmerin eher auf die Sacheigenschaften als auf den Herstellungsvorgang beziehen. Mit zunehmender Weisungsgebundenheit des Herstellers bzw. mit wachsender Wichtigkeit des Produktionsvorgangs als solchen ist eher von einem Werkvertrag als von einem Kauf auszugehen (s. N 3130 ff.).110

2399

Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen ist die Abgrenzung des Kaufvertrages vom Werkvertrag von grosser Bedeutung, namentlich in Bezug auf die Gefahrtragung (Art. 185 bzw. Art. 376 OR), die Gewährleistungspflicht wegen Sach- und Werkmängeln (Art.  197  ff. bzw. Art.  368  ff.  OR), das Rücktrittsrecht (Art.  366

105 106 107 108 109 110

738

Gauch, Werkvertrag, N 14. S. Gauch, Werkvertrag, N 121. BGE 117 II 273 E. 3a. S. BGE 4C.301/2002 E. 2.1; Keller/Siehr, 13. Honsell, OR BT, 34. S. ZK OR-Schönle, Art. 184 N 133 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 3534 ff., insbesondere N 3539 mit zahlreichen Beispielen.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

und Art. 377 OR) und das Bauhandwerkerpfandrecht (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 und Art. 839 ff. ZGB).

V.

Zustandekommen des Kaufvertrages

Der Kaufvertrag kommt durch die «übereinstimmende gegenseitige Willensäusse- 2400 rung der Parteien» im Sinne von Art. 1 Abs. 1 OR zustande (s. N 140). Der Konsens muss sich auf alle wesentlichen Vertragspunkte (sog. essentialia nego- 2401 tii) erstrecken. Gemeint sind damit die Pflicht der Verkäuferin zur Übergabe des Kaufgegenstands sowie zur Eigentumsverschaffung an demselben einerseits und die Pflicht des Käufers zur Entrichtung des Kaufpreises andererseits.111

VI.

Gültigkeit des Kaufvertrages

1.

Grundsatz der gesetzlichen Formfreiheit

Der Fahrniskauf unterliegt keiner Formvorschrift (Art.  11  OR), der Grundstück- 2402 kaufvertrag muss öffentlich beurkundet werden (Art. 216 Abs. 1 OR und Art. 657 Abs. 1 ZGB; s. N 2403 ff.). Beim Forderungskauf ist das pactum de cedendo (= Verpflichtungsgeschäft für die Abtretung) gemäss Art. 165 Abs. 2 OR an keine besondere Form gebunden. Dies im Gegensatz zum Verfügungsgeschäft, welches der einfachen Schriftlichkeit bedarf (Art. 165 Abs. 1 OR). Kaufverträge über Patente, Designs und Marken sind nur schriftlich gültig (Art. 33 Abs. 2bis PatG112, Art. 14 Abs. 2 DesG113 und Art. 17 Abs. 2 MSchG114). Demgegenüber besteht das Verfügungsgeschäft in einer formlosen Willenseinigung sowie allenfalls in einem Eintrag in das entsprechende Register (s. N 2440).

111 112 113 114

Keller/Siehr 7 f.; ZK OR-Schönle, Art. 184 N 20. Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz; SR 232.14). Bundesgesetz vom 5. Oktober 2001 über den Schutz von Design (Designgesetz; SR 232.12). Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz; SR 232.11).

739

5. Kapitel

Nominatverträge

2.

Ausnahmen

2.1

Öffentliche Beurkundung

2403

Der Grundstückkauf bedarf zu seiner Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung (Art. 216 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 657 Abs. 1 ZGB).

2404

Die öffentliche Beurkundung besteht darin, dass eine rechtlich erhebliche Tatsache oder Erklärung «durch eine vom Staat mit dieser Aufgabe betraute Person, in der vom Staate geforderten Form und in dem dafür vorgesehenen Verfahren» festgehalten wird.115 Der Begriff der öffentlichen Beurkundung gehört zum Bundesrecht, auch wenn die Kantone bestimmen dürfen, wie sie die öffentliche Beurkundung ausgestalten (Art. 55 Abs. 1 SchlT ZGB).116 Nach Art. 9 ZGB erbringt die öffentliche Urkunde für die durch sie bezeugten Tatsachen oder Erklärungen vollen Beweis, solange der Inhalt nicht nachweislich unrichtig ist.

2405

Wer sich beim Kauf eines Grundstücks gutgläubig auf einen Grundbucheintrag verlässt, wird in seinem Erwerb geschützt (Art. 973 Abs. 1 ZGB; sog. öffentlicher Glaube des Grundbuchs).

2406

Die folgenden Verträge über Grundstücke sind beurkundungspflichtig: • Kaufverträge (Art. 216 Abs. 1 OR); • Vorverträge zu einem künftigen Grundstückkaufvertrag (Art. 22 Abs. 2 i.V.m. Art. 216 Abs. 2 OR; s. N 153 f.); • Verträge, die ein Kaufs- oder Rückkaufsrecht an einem Grundstück einräumen (Art. 216 Abs. 2 OR; s. N 2391 f.); • Verträge, die ein Vorkaufsrecht an einem Grundstück begründen (Vorkaufsverträge), sofern sie den Kaufpreis bereits zum Voraus bestimmen (Art. 216 Abs. 2 und Abs. 3 OR; s. N 2386 ff.). 2.2

2407

Umfang des Formzwangs

Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung müssen zunächst alle objektiv wesentlichen Vertragspunkte öffentlich beurkundet werden (s. N 365).117 Namentlich sind Kaufgegenstand und Kaufpreis anzugeben. Hinsichtlich des Kaufgegenstands genügt nach dem Bundesgericht Bestimmbarkeit.118 Der Kaufpreis muss ohne Weiteres direkt aus der Urkunde ersichtlich sein. Es genügt nicht, wenn im beurkundeten Vertrag ein Kaufpreis zwar angegeben, dieser aber nicht der effektiv 115 116 117 118

740

BGE 99 II 159 E. 2a. ZK OR-Schönenberger/Jäggi, Art. 11 N 57. BGE 135 III 295 E. 3.1 = Pra 2009 Nr. 121; 117 II 259 E. 2b. BGE 106 II 146 E. 1; Koller/Wolfer, § 2 N 77.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

zu erbringenden Gegenleistung entspricht, da in weiteren Vertragsbestimmungen zusätzliche Leistungen (z.B. Ablösung einer Grundpfandschuld) vorgesehen sind. Es reicht ebenfalls nicht, wenn der Kaufpreis lediglich mithilfe weiterer Unterlagen bestimmt werden kann.119 Überdies muss die öffentliche Beurkundung die Parteien sowie allfällige Stellvertreter bezeichnen; sie erstreckt sich jedoch nicht auf die Vollmacht oder den Auftrag zum Abschluss eines Grundstückkaufvertrages.120 Die subjektiv wesentlichen Vertragspunkte sind insoweit öffentlich zu beurkunden, 2408 als sie materiell zum Kaufvertrag gehören und wegen ihrer Natur ein wesentliches Element des Kaufvertrages bilden (s. N 365).121 So sind z.B. Abmachungen nicht beurkundungspflichtig, die zwar für das ganze Geschäft und sein Zustandekommen wesentlich sind (conditiones sine quibus non), aber ihrer Natur nach nicht den Inhalt des Kaufvertrages betreffen.122 Damit sind all jene Vereinbarungen beurkundungsbedürftig, die das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung des Kaufvertrages bestimmen, also zum Synallagma gehören, sei es, dass sie die rechtliche Situation der Kaufsache oder den Preis für die Eigentumsübertragung betreffen.123 Beispiel: Eine von der geltenden Rechtslage abweichende Vereinbarung über die Tragung der Handänderungs- und der Grundstückgewinnsteuer bedarf der öffentlichen Beurkundung, da sie sich auf den Kaufpreis auswirkt. Die öffentliche Urkunde dient als Grundlage für die Eintragung in das Grund- 2409 buch. Die Eintragung bewirkt, dass das Eigentum am Grundstück übertragen wird (Art. 656 Abs. 1 ZGB; Art. 64 Abs. 1 lit. a GBV124). 2.3

Formmangel

Traditioneller Auffassung zufolge führt ein Formmangel zu absoluter Nichtigkeit 2410 im Sinne der klassischen Nichtigkeitslehre (s. N 369).125 Diese rigide Nichtigkeitskonzeption erfährt allerdings insofern eine wesentliche Relativierung, als das Bundesgericht zur Vermeidung von unbilligen Ergebnissen das Rechtsmissbrauchsverbot (Art. 2 Abs. 2 ZGB) heranzieht. So ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Berufung auf einen Formmangel rechtsmissbräuchlich, wenn die Parteien den Vertrag freiwillig und in Kenntnis des Formmangels und seiner Folgen vollständig oder mindestens zur Hauptsache erfüllt haben.126 Hauptanwendungsfall der rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung eines Formmangels ist der Grundstück119 BGE 5A.33/2006 E. 4 und E. 5; Koller/Wolfer, § 2 N 83. 120 S. Koller/Wolfer, § 2 N 72 ff. 121 BGE 135 III 295 E. 3.1 = Pra 2009 Nr. 121; 117 II 259 E. 2b; Koller/Wolfer, § 2 N 51 ff. m.w.H. 122 BGE 4A_530/2016 E. 8.2; 119 II 135 E. 2a = Pra 1993 Nr. 209; Pfäffli/Wermelinger, SJZ 2017, 514. 123 BGE 113 II 402 E. 2a; zum Ganzen BSK OR-Fasel, Art. 216 N 11 ff. 124 Grundbuchverordnung vom 23. September 2011 (SR 211.432.1). 125 Von Tuhr/Peter, 225. 126 BGE 123 III 70 E. 3c.

741

5. Kapitel

Nominatverträge

kauf mit Schwarzzahlung (ausführlich hierzu s. N 371 ff.). Dabei wird zur Steueroder Gebührenhinterziehung ein niedrigerer Kaufpreis verurkundet, als tatsächlich vereinbart wurde. Nach dem Bundesgericht ist in diesem Fall das simulierte Rechtsgeschäft unwirksam (Art. 18 OR) und das dissimulierte wegen Formmangels nichtig (Art. 216 Abs. 1 OR). In der Doktrin werden die Rechtsfolgen der Formungültigkeit kontrovers diskutiert. Unseres Erachtens ist auf den Zweck des gesetzlich normierten Formerfordernisses sowie den Grad der Erfüllung abzustellen (zur «flexiblen Ungültigkeit» s. N 433).

3.

Inhalt

2411

Der Kaufvertrag darf nicht gegen die Schranken der Inhaltsfreiheit von Art. 19/20 OR verstossen (s. N 392 ff.). Die Frage, ob die Sache im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Eigentum der Verkäuferin steht, berührt die Gültigkeit des Vertrages nicht, weil diesfalls keine objektive Unmöglichkeit und somit kein Entstehungsmangel vorliegt (s. N 426 ff.). Kann die Verkäuferin die Sache nicht beschaffen und somit nicht liefern, ist aber von einem Erfüllungsmangel auszugehen (s. N 814 ff.).127

2412

Nicht unter Art. 20 OR, sondern unter Art. 171 ff. OR fällt sodann der Verkauf einer nicht existierenden Forderung (anfängliche Unmöglichkeit; s. N 2510).

VII. Pflichten der Parteien 1.

Hauptpflichten der Verkäuferin (Art. 184 OR)

1.1

Überblick

2413

Gemäss Art.  184 Abs.  1  OR treffen die Verkäuferin zwei Hauptpflichten. Sie hat dem Käufer den Kaufgegenstand zu übergeben (s. N 2429 ff.) und ihm das Eigentum daran zu verschaffen (s. N 2433 ff.).

2414

Wie bereits einleitend dargelegt, ist der Gesetzeswortlaut hinsichtlich der Pflicht zur Eigentumsverschaffung zu eng gehalten (s. N 2330 f.). Kaufgegenstand im Sinne von Art. 184 OR kann nämlich grundsätzlich alles sein, «was der rechtlichen Herrschaft unterworfen werden kann»128: • Sachen (s. N 2417 ff.); • Sachgesamtheiten (s. N 2421); 127 128

742

BGE 96 II 18 E. 2a. BSK OR-Koller, Art. 184 N 11 f.; s. ferner Engel, CO PS, 13 ff.; Honsell, OR BT, 40 ff.; Tercier/Bieri/ Carron, CO PS, N 471 ff.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

• Rechte (s. N 2422 ff.); • sonstige wirtschaftliche und faktische Vorteile (s. N 2425); • Rechtsgesamtheiten (s. N 2426 ff.). 1.2

Kaufgegenstand (Art. 184 OR)

a.

Bestimmtheit und Bestimmbarkeit

Der Kaufgegenstand ist meistens bestimmt. Es genügt aber auch, wenn er zumindest 2415 den Umständen nach bestimmbar ist (s. Art. 184 Abs. 3 OR für den Kaufpreis).129 Dabei ist die Verwechslungsgefahr mit anderen Produkten als Richtschnur dafür anzusehen, wie detailliert die Umschreibung im Kaufvertrag sein muss.130 Bestimmbar muss der Kaufgegenstand spätestens im Erfüllungszeitpunkt sein. Bei Vertragsabschluss ist dies also noch nicht erforderlich. Vorausgesetzt wird aber, dass der Vertrag eine Vorschrift oder Anleitung enthält, wie der Kaufgegenstand zu bestimmen ist. Infrage kommen objektive Kriterien oder aber ein Wahlrecht des Käufers, der Verkäuferin oder gar eines Dritten.131 Kann der Kaufgegenstand überhaupt nicht bestimmt werden, ist mangels Einigung 2416 über einen objektiv wesentlichen Vertragspunkt gar kein Vertrag zustande gekommen (s. N 256).132 b.

Sachen

Gegenstand des Kaufvertrages können sowohl bewegliche (Art. 713 ZGB) als auch unbewegliche (Art. 655 ZGB) Sachen sein (Art. 187 ff. OR; Art. 216 ff. OR).

2417

Neben den körperlichen Sachen können auch Naturkräfte Inhalt eines Kaufvertra- 2418 ges bilden (s. Art. 713 ZGB; z.B. Elektrizität, Wasser, Gas etc.). Desgleichen fällt die Lieferung von Fernwärme unter das Kaufrecht im Sinne des OR.133 Im Gegensatz dazu sind Waren gemäss dem UN-Kaufrecht (CISG)134 nur bewegli- 2419 che körperliche Sachen; darunter fallen also weder Immobilien noch unkörperliche Sachen wie beispielsweise Rechte oder Know-how.135 Die Verkäuferin kann auch Sachen verkaufen, die ihr nicht gehören (s.  N  2405 2420 und N 2509 ff.) oder die noch gar nicht existieren (künftige Sache; s. N 2397 und 129 130 131 132 133 134

BSK OR-Koller, Art. 184 N 43. Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N 145. BSK OR-Koller, Art. 184 N 50; ZK OR-Schönle, Art. 184 N 48 f. mit weiteren Differenzierungen. BGE 127 III 254 E. 3d = Pra 2002 Nr. 72; BSK OR-Koller, Art. 184 N 44 m.w.H. Rey, Fernwärme, 131 ff. Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11.  April 1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf (SR 0.221.211.1). 135 Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 1 N 34–39.

743

5. Kapitel

Nominatverträge

N 3130 ff.). Beim Kauf von künftigen Sachen unterscheidet man zwischen dem Kauf einer erhofften Sache und dem Kauf einer «Hoffnung». Der Kauf einer erhofften Sache (emptio rei speratae) steht unter einer Suspensivbedingung (s. N 1288), welche bei Entstehung der Sache eintritt. Der Kauf einer Hoffnung (emptio spei) ist der unbedingte Kauf einer Gewinnaussicht.136 Der Kauf eines Lotterieloses z.B. ist unabhängig davon wirksam, ob der Gewinn eintritt oder nicht. Dagegen muss der Käufer eines ungeborenen Fohlens nur bezahlen, wenn dieses lebend geboren wird. c. 2421

Sachgesamtheiten

Von einer Sachgesamtheit ist die Rede, wenn mehrere selbständige Sachen «aufgrund ihrer gemeinsamen Zweckbestimmung eine wirtschaftliche Einheit bilden und unter sich im Verhältnis der Koordination stehen» (z.B. eine Kunstsammlung, eine Kücheneinrichtung oder ein kompletter Werkzeugkasten).137 Sachgesamtheiten können auch ge- oder verkauft werden,138 wofür obligationenrechtlich nur ein Kaufvertrag notwendig ist. Aufgrund des sachenrechtlichen Spezialitätsprinzips139 können aber dingliche Rechte nur an einzelnen (individualisierten) Sachen und nicht an Sachgesamtheiten bestehen. Die entsprechenden Verfügungsgeschäfte folgen deshalb einzeln (Prinzip der Singularsukzession).140 Es muss mit anderen Worten beispielsweise jedes Objekt einer Kunstsammlung einzeln übertragen werden.141 d.

Rechte

2422

Gekauft und verkauft werden können nicht nur Sachen und Sachgesamtheiten, sondern auch absolute und relative Rechte (s. N 86 ff.).142

2423

Absolute Rechte wirken gegenüber jedermann (erga omnes), relative nur zwischen Gläubiger und Schuldner (inter partes). Zu den absoluten Rechten zählen dingliche Rechte, Persönlichkeitsrechte, Immaterialgüterrechte (Patente, Urheberrechte, Markenrechte, Designrechte) und Namens- bzw. Firmenrechte; typisches Beispiel für die relativen Rechte sind die Forderungen. Ist ein relatives Recht Kaufgegenstand, so spricht man von einem Forderungskauf. Übertragen wird eine Forderung durch schriftliche Abtretung (Verfügungsgeschäft).

136 137 138 139 140 141 142

744

Bucher, OR BT, 62 f.; Engel, CO PS, 14; BSK OR-Koller, Art. 184 N 14; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 475. Honsell, OR BT, 42; Rey, Sachenrecht, N 121. Honsell, OR BT, 42; Keller/Siehr, 9; Rey, Sachenrecht, N 125; ZK OR-Schönle, Art. 184 N 53. S. Rey, Sachenrecht, N 333 ff.; Schmid/Hürlimann-Kaup, N 70. Engel, CO PS, 14 f.; ZK OR-Schönle, Art. 184 N 53. Ernst, recht 2008, 5 f. BGE 102 II 341 E. 3; Bucher, OR BT, 61; Engel, CO PS, 15; ZK OR-Schönle, Art. 184 N 60 ff. und N 164 ff. sowie Art. 187 N 9.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

Auch Wertpapiere können Kaufobjekte sein. Bei Wertpapieren wird die Urkunde 2424 mit dem darin verbrieften Recht so verknüpft, dass das Recht nicht ohne das Papier ausgeübt werden kann (Art. 965 OR; zum Verfügungsgeschäft s. N 2334, N 2440). e.

Sonstige wirtschaftliche und faktische Vorteile

Auch sonstige wirtschaftliche und faktische Vorteile, welche keinen immaterial- 2425 güterrechtlichen Schutz geniessen, können Gegenstand eines Kaufvertrages bilden, sofern sie sich übertragen lassen.143 Darunter fallen unter anderem das sog. Know-how, der Goodwill, die «Kundschaft» etc.144 Beispielsweise verpflichtet sich die Verkäuferin beim Verkauf von Goodwill, ihre vormalige Kundschaft nicht mehr aufzusuchen und keine weiteren Bestellungen in ihrem eigenen Namen mehr entgegenzunehmen.145 Diese Unterlassung lässt sie sich vom Käufer entgelten. f.

Rechtsgesamtheiten

Schliesslich können auch Rechtsgesamtheiten Gegenstand eines Kaufvertrages sein. 2426 Unter einer Rechtsgesamtheit versteht man die wirtschaftliche Einheit von Sachen, Rechten und weiteren Gütern des Rechtsverkehrs.146 Hierzu zählen unter anderem Vermögen, Erbschaften und Unternehmen.147 Der Kauf eines Unternehmens kann auf zwei unterschiedliche Arten erfolgen. Beim 2427 direkten Kauf bildet das Unternehmen als Rechtsgesamtheit selbst den Kaufgegenstand (sog. asset deal). Gemäss Spezialitätsprinzip müssen beim direkten Kauf eines Unternehmens sämtliche Verfügungsgeschäfte je für sich vorgenommen werden (z.B. Übergaben, Grundbucheintragungen, Zessionen etc.).148 Der Unternehmenskaufvertrag wird vom Bundesgericht als Vertrag sui generis (Innominatkontrakt; s. N 3690) qualifiziert, kann also den Bestimmungen des Fahrniskaufs nur partiell und analog unterworfen werden.149 Beim indirekten Kauf eines Unternehmens werden die Anteile an der Gesellschaft 2428 verkauft (sog. share deal; s. N 2440). Auch diese Transaktion führt zum Kontrollübergang.150 Für den Kontrollübergang müssen im Übrigen in der Regel nicht alle 143 144 145 146 147

Bucher, OR BT, 62; Honsell, OR BT, 41; ZK OR-Schönle, Art. 187 N 10 und Art. 184 N 63 ff. BSK OR-Koller, Art. 184 N 12. ZK OR-Schönle, Art. 184 N 67. Schulin/Vogt, OR BT, Tafel B2 FN 23. Engel, CO PS, 15; Keller/Siehr, 9; BSK OR-Koller, Art. 184 N 11; Müller-Chen/Girsberger/ Droese, Kap. 1 N 12; Schulin/Vogt, OR BT, Tafel B2. Bucher, OR BT, 61, bezeichnet den Kauf eines Vermögens oder einer Erbschaft dagegen als Kauf einer Sachgesamtheit. 148 Honsell, OR BT, 42; zu den einzelnen Verfügungsgeschäften im Rahmen eines asset deal Schenker, 283 ff. 149 BGE 4A_601/2009 E. 3.2.1; 129 III 18 E. 2.1 = Pra 2003 Nr. 30; a.M. Schenker, 219; Vischer, SZW 2003, 336 f. 150 Honsell, OR BT, 45 f.

745

5. Kapitel

Nominatverträge

Aktien einer Gesellschaft verkauft werden. Je nach Konstellation reicht für eine (faktische) Kontrolle auch weniger als die Hälfte aller Beteiligungspapiere einer Gesellschaft.151 1.3 2429

«Übergabe» des Kaufgegenstands (Art. 184 Abs. 1 OR)

Mit der Übertragung des Besitzes im Sinne von Art. 922 ZGB erfüllt die Verkäuferin die Pflicht, dem Käufer den Kaufgegenstand zu übergeben. Haben die Parteien es so vereinbart, können auch Übergabesurrogate an die Stelle der Besitzesübergabe treten.152 Dazu zählen:153 • das Besitzeskonstitut, bei welchem der Kaufgegenstand im Besitz der Verkäuferin verbleibt (Art. 924 Abs. 1 ZGB); • die Besitzanweisung, bei welcher der Kaufgegenstand im Besitz eines Dritten verbleibt (Art. 924 Abs. 1 ZGB); • die (gesetzlich nicht erwähnte) brevi manu traditio, bei welcher der Erwerber, in dessen (unmittelbarem) Besitz sich die Sache bereits befindet, nun auch noch Eigentümer derselben wird; • die longa manu traditio, bei welcher die Besitzlage «offen» ist (Art.  922 Abs. 2 ZGB).

2430

Bei Grundstücken wird die Übergabe im Sinne des Art. 184 Abs. 1 OR bewerkstelligt, indem die Verkäuferin dem Käufer die Mittel beschafft, die er braucht, um die tatsächliche Gewalt über die Sache auszuüben (z.B. Schlüsselübergabe).154 Die Verschaffung des Besitzes hat bei Grundstücken aber nicht die gleiche Bedeutung wie für Fahrnis (s. N 2436 ff.).

2431

Der Erfüllungsort, das heisst der richtige Ort der Besitzesübergabe, richtet sich in erster Linie nach dem Vertrag (Art. 74 Abs. 1 OR; s. N 2365 ff.). Mangels vertraglicher Vereinbarung ist eine bestimmte Sache (Stückkauf) dort zu übergeben, wo sie sich zur Zeit des Vertragsschlusses befand (Art. 74 Abs. 2 Ziff. 2 OR). Beim Gattungskauf ist dagegen der Wohnsitz der Verkäuferin zur Zeit des Vertragsschlusses der richtige Erfüllungsort (s. Art. 74 Abs. 2 Ziff. 3 OR).

2432

Die Übergabe des Kaufgegenstands im Sinne von Art. 184 OR ist nur bei körperlichen Sachen, nicht aber bei Forderungen und anderen Rechten möglich.155 Bei unkörperlichen Gegenständen bzw. Rechten und anderen Vorteilen treten gleichwertig definierte Vorgänge an die Stelle der Sachübergabe. 151 152

Differenzierend Schenker, 23 mit FN 81. Honsell,  OR BT, 51  f.; ZK  OR-Schönle, Art.  184 N  69; mit Einschränkungen BSK  OR-Koller, Art. 184 N 55. 153 Ausführlich zu den einzelnen Übergabesurrogaten Schmid/Hürlimann-Kaup, N 150 ff.; Vetter, 80 ff. 154 Engel, CO PS, 18; Keller/Siehr, 15. 155 Ausführlich BSK OR-Koller, Art. 184 N 59; s. ferner Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 530.

746

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

1.4

«Eigentumsverschaffung» (Art. 184 Abs. 1 OR)

a.

Eigentumsverschaffung an Fahrnissachen

Das Eigentum an Fahrnis wird durch Besitzesübergabe bzw. Übergabesurrogate ver- 2433 schafft (Art. 714 Abs. 1 i.V.m. Art. 922 ZGB; s. N 2429).156 Insofern kann man auch sagen, dass die Verkäuferin beim Fahrniskauf genau besehen gar nicht zwei Pflichten treffen, sondern nur eine zweigliedrige Pflicht vorliegt (Übergabe des Kaufgegenstands/Eigentumsverschaffung): Die Eigentumsverschaffung setzt nach Art. 714 Abs. 1 ZGB nämlich die Besitzesübergabe voraus bzw. baut auf dieser auf.157 Streitig ist, ob zusätzlich eine Einigung der Parteien darüber erforderlich ist, dass 2434 die Sache zu Eigentum zu übertragen sei (sog. dinglicher Vertrag).158 Nach der hier vertretenen Meinung ist die zusätzliche Konstruktion eines dinglichen Vertrages nicht notwendig; die Einigung über den Eigentumsübergang wird bereits vom Verpflichtungsgeschäft erfasst.159 Ist der Kauf unter einem Eigentumsvorbehalt (Art. 715 ZGB) abgeschlossen worden, 2435 ohne dass dieser in das entsprechende Register eingetragen wurde, geht das Eigentum gleichwohl auf den Käufer über. Wird der Eigentumsvorbehalt nachträglich ins Register eingetragen, fällt das Eigentum wieder an die Verkäuferin zurück, und zwar bis der Käufer den Kaufpreis vollständig bezahlt hat.160 b.

Eigentumsverschaffung an Grundstücken

Zum Erwerb des Grundeigentums bedarf es der Eintragung in das Grundbuch 2436 (Art. 656 Abs. 1 i.V.m. Art. 958 Ziff. 1 und Art. 972 ZGB). Keine Voraussetzung für die Gültigkeit der Eigentumsverschiebung ist hier dagegen die Übergabe des Besitzes, das heisst das Verschaffen jener Mittel, welche die tatsächliche Gewalt über die Sache gewährleisten (s. N 2430).161 Die Eintragung erfolgt aufgrund eines entsprechenden (schriftlichen) Antrags 2437 der Verkäuferin, welcher das Verfügungsgeschäft darstellt (Art.  963 Abs.  1 ZGB; s.  N  2334).162 Art.  965 Abs.  1 ZGB verlangt dafür einen Ausweis über das Verfügungsrecht und den Rechtsgrund. Eine Eintragung ohne Rechtsgrund ist ungerechtfertigt (Kausalität des Verfügungsgeschäfts gemäss Art. 974 Abs. 2 ZGB). 156 Keller/Siehr, 15 f. 157 ZK OR-Schönle, Art. 184 N 71. 158 Implizit bestätigt in BGE 84 III 141 E. 3; befürwortend: Bucher, OR BT, 73; BSK OR-Koller, Art. 184 N 63; ZK OR-Schönle, Art. 184 N 27 und N 70; BSK ZGB-Schwander, Art. 714 N 5 f.; ablehnend: Rey, Sachenrecht, N 1705 ff. 159 S. Rey, Sachenrecht, N 1707. 160 BGE 93 III 96 E. 5; BSK ZGB-Schwander, Art. 715 N 5 f.; s. ferner BSK OR-Koller, Art. 184 N 64. 161 BGE 86 II 221 E. 4; ZK OR-Schönle, Art. 184 N 71; a.M. BK OR-Giger, Art. 184 N 140. 162 BGE 4C.356/2001 E. 3a.

747

5. Kapitel

2438

Falls die Verkäuferin zur Grundbucheintragung nicht Hand bietet, kann der Käufer die Eintragung gestützt auf ein gerichtliches Urteil von sich aus erwirken (Art. 665 ZGB). Das Urteil macht die schriftliche Erklärung des Grundeigentümers entbehrlich (Art. 963 Abs. 2 ZGB). Der Käufer erlangt dabei bereits im Zeitpunkt des (zusprechenden) Urteils das Eigentum am Grundstück.163 c.

2439

Verschaffung von unbeschwertem Eigentum

Das gemäss Art. 184 Abs. 1 OR zu verschaffende Eigentum an der Kaufsache muss unbeschwert, das heisst nicht mit beschränkten dinglichen Rechten belastet sein.164 Falls die Verkäuferin  – ohne entsprechende Vereinbarung  – gleichwohl belastetes Eigentum überträgt, greift die Rechtsmängelgewährleistung im Sinne von Art. 192 ff. OR (s. N 2551 ff.).165 Von dieser Regel dürfen die Parteien aber per Freizeichnung abweichen. Ist dies der Fall, kann der Käufer z.B. später nicht rügen, sein Grundstück sei mit einem Grundpfand (Art. 793 ff. ZGB) belastet (s. Art. 832 ZGB). d.

2440

Nominatverträge

Verschaffung der Inhaberschaft an Rechten, Immaterialgütern etc.

Infolge des engen Sachbegriffs des schweizerischen Rechts kann an unkörperlichen Sachen, namentlich an Forderungen, an Immaterialgüterrechten und an sonstigen wirtschaftlichen und faktischen Vorteilen kein Eigentum bestehen oder verschafft werden (s. N 2331). Sind solche Rechte und andere Vorteile Gegenstand eines Kaufvertrages, besteht das Verfügungsgeschäft in der Verschaffung der Inhaberschaft (s. N 2334):166 • Beim Forderungskauf geschieht dies durch Zession (Art. 164 ff. OR); diese bedarf der einfachen Schriftform (Art. 165 Abs. 1 OR; s. N 1344 ff.). Das (formfrei gültige) Verpflichtungsgeschäft nennt man pactum de cedendo (Art. 165 Abs. 2 OR; s. N 1348 f.); • beim Kauf von übertragbaren Immaterialgüterrechten braucht es eine formlose Willenseinigung167 sowie – je nachdem – eine Eintragung in das entsprechende Register (s. etwa Art. 27 MSchG; keine Eintragung erforderlich bei Patentrechten und Designs: Art. 33 Abs. 3 PatG, Art. 14 DesG); • je nach Art des Wertpapiers sind die wertpapierrechtlichen Vorschriften einschlägig:168 Namenpapiere (Art. 974 ff. OR) erfordern die Übertragung des Papierbesitzes und eine Zession (Art. 967 Abs. 1 und Abs. 2 OR). An Inhaber-

163 164 165 166 167 168

748

S. Bucher, OR AT, 329; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 564. Honsell, OR BT, 52. Bucher, OR BT, 70. Honsell, OR BT, 52. Schulin/Vogt, OR BT, Tafel B2. BSK OR-Koller, Art. 184 N 66.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

papieren (Art. 978 ff. OR), z.B. bei auf den Inhaber laufende Kassenobligationen, bedarf es wie bei allen Fahrnissachen der Besitzesübertragung (Art.  714 und Art. 922 ff. ZGB).169 Bei Ordrepapieren (Art. 1145 ff. OR), und damit in der Regel bei Namenaktien (Art. 622 Abs. 1 OR), muss der Papierbesitz übergeben und das Papier indossiert werden (Art. 684 Abs. 2, Art. 967 f. und Art. 1002 f. OR);170 • beim Kauf von wirtschaftlichen Vorteilen (sonstigen Rechtsgütern) muss die Verkäuferin dem Käufer die versprochenen tatsächlichen Vorteile verschaffen, ihn z.B. beim Know-how-Kauf entsprechend unterweisen.171

2.

Hauptpflichten des Käufers (Art. 184, Art. 211–215 OR)

2.1

Überblick

Die Hauptpflicht des Käufers besteht darin, den Kaufpreis zu bezahlen (Art.  184 Abs. 1 OR).

2441

Anders als es der Wortlaut von Art. 211 Abs. 1 OR auszudrücken scheint, handelt es 2442 sich bei der Pflicht des Käufers zur Annahme des Kaufgegenstands nur ausnahmsweise um eine Pflicht, meist dagegen lediglich um eine Obliegenheit (s. N 2462 ff.). 2.2

Zahlung des Kaufpreises

a.

Begriff (Art. 184 und Art. 211 OR)

Als Kaufpreisforderung kommt nur eine Geldschuld nach Art.  84  ff.  OR infrage (Bar- oder Buchgeld).172 Haben die Parteien hinsichtlich des Kaufpreises nichts anderes vereinbart, muss der Käufer grundsätzlich in bar leisten. Da heute bereits der Unterhalt eines Bank- oder Postcheckkontos als Ermächtigung der Verkäuferin gegenüber dem Käufer, in Buchgeld zu leisten, interpretiert wird (s. N 662), kommt dem Grundsatz indessen kaum mehr eine Bedeutung zu.173

2443

Die Vereinbarung der Parteien kann auf die schweizerische oder eine ausländische 2444 Währung lauten.174 Wurde eine ausländische Währung vereinbart, kann der Käufer auch in Schweizer Franken (CHF) bezahlen, sofern der Erfüllungsort in der Schweiz liegt. Art. 84 Abs. 2 OR enthält eine (dispositive) Alternativermächtigung.

169 170 171 172 173 174

Meier-Hayoz/Forstmoser/Sethe, § 16 N 403. Meier-Hayoz/Forstmoser/Sethe, § 16 N 406; s. ZK OR-Schönle, Art. 187 N 6. ZK OR-Schönle, Art. 184 N 74; s. ferner BSK OR-Koller, Art. 184 N 60. ZK OR-Schönle, Art. 184 N 84. S. BSK OR-Koller, Art. 184 N 77 m.w.H. Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1101.

749

5. Kapitel

Nominatverträge

Anders liegt der Fall, wenn die Parteien eine sog. Effektivklausel vereinbart haben; der Käufer kann alsdann nur in der entsprechenden Fremdwährung erfüllen.175 b.

Bestimmtheit und Bestimmbarkeit (Art. 184 Abs. 3 OR)

2445

Die Höhe des Kaufpreises muss nicht schon bei Vertragsschluss festgelegt sein. Nach Art.  184 Abs.  3  OR gilt ein Preis als genügend bestimmt, wenn er (spätestens im Zeitpunkt der Erfüllung) «nach den Umständen bestimmbar» ist. Erforderlich ist aber, dass die Parteien (ausdrücklich oder konkludent) Kriterien vereinbart haben, die eine spätere Bestimmung des Kaufpreises erlauben. Bestimmbarkeit setzt mit anderen Worten voraus, dass der Preis ohne erneute Einigung der Parteien festgestellt werden kann.176 Dazu dienen z.B. Wertsicherungsklauseln oder Tagespreise.177 Möglich ist aber auch, dass eine der Parteien oder gar ein Dritter zur (späteren) Bestimmung des Kaufpreises ermächtigt wird.178 In diesem Fall hat die Bestimmung nach billigem Ermessen zu erfolgen.179

2446

Wurde dagegen bezüglich des Kaufpreises nichts vereinbart und führt auch die Vertragsergänzung nicht zu einem anderen Ergebnis, gilt der Vertrag als nicht zustande gekommen. Besteht allerdings ein Marktpreis, so genügt für das Zustandekommen des Vertrages, dass sich die Parteien auf den entgeltlichen Austausch von Ware gegen Geld geeinigt haben (Art. 212 OR). An die Stelle der fehlenden tatsächlichen Parteivereinbarung tritt der Marktpreis als Ausdruck des mutmasslichen Parteiwillens (zur Vertragsergänzung s. N 299 ff.).180

2447

Die Verkäuferin kann den Kaufpreis innerhalb der Schranken von Art.  21  OR (Übervorteilung) bzw. Art.  19/20  OR beliebig hoch festsetzen, sofern der Käufer ihr zustimmt. c.

2448

Fälligkeit

Ist nichts anderes abgemacht und besteht keine abweichende Übung, ist der Kaufpreis nach Art. 184 Abs. 2 OR gleichzeitig mit der Übergabe des Kaufgegenstands zu bezahlen (Zug um Zug). Der Kaufpreis wird also mit der Übergabe des Kaufgegenstands fällig (s. auch Art. 213 Abs. 1 OR).

175 176 177 178 179 180

750

BGE 134 III 151 E. 2.2; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2305. ZK OR-Schönle, Art. 184 N 86. BSK OR-Koller, Art. 184 N 47; ZK OR-Schönle, Art. 184 N 86 f. Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N 147. BSK OR-Koller, Art. 184 N 47; ZK OR-Schönle, Art. 184 N 90; a.M. Bucher, OR BT, 55. Engel, CO PS, 17.

§ 28

d.

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

Erfüllung

Wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben, muss der Käufer den Kaufpreis dort zahlen, wo die Verkäuferin zur Zeit der Erfüllung ihren Wohnsitz hat (Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR). Bei der bargeldlosen Kaufpreiszahlung, welche die Regel darstellt (s. N 2443), gilt die Forderung grundsätzlich als erfüllt, wenn das (Buch-)Geld dem Konto der Verkäuferin gutgeschrieben wird (dazu ausführlich N 716 ff.). e.

2449

Erfüllungssurrogate

Vereinbaren die Parteien nachträglich, dass der Käufer anstelle des Kaufpreises z.B. 2450 eine andere Sache oder gar eine Dienstleistung leisten bzw. erbringen dürfen soll (Leistung an Erfüllungs statt; s.  N  669  ff.), so stellt dies eine vertragliche Modifikation dar181, welche unter Umständen zur Subsumtion des Vertrages unter einen anderen Vertragstypus führt.182 Im Zweifelsfall ist in einer solchen Konstellation indessen nur von einer Leistung erfüllungshalber auszugehen (s. N 668).183 Danach erhält die Gläubigerin zwar eine andere als die geschuldete Leistung, ist jedoch verpflichtet, diese erfüllungshalber zu verwerten. Der Erlös daraus ist an die ursprünglich geschuldete Leistung anzurechnen. Die Leistung erfüllungshalber lässt die Qualifikation des Rechtsgeschäfts als Kaufvertrag unberührt. Eine Leistung erfüllungshalber liegt sodann vor, wenn der Käufer mittels Check 2451 oder Wechsel bezahlt.184 Erbringt der Käufer den Kaufpreis hingegen berechtigterweise in Buchgeld (s. N 2443), handelt es sich dabei nach heutiger Auffassung um eine eigentliche Erfüllung und nicht um ein blosses Erfüllungssurrogat.185 2.3

Annahme der Kaufsache?

Von einer eigentlichen Pflicht des Käufers zur Annahme des Kaufgegenstands ist 2452 nur ausnahmsweise auszugehen. Voraussetzung dafür ist, dass die Verkäuferin ein (erkennbares) besonderes Interesse daran hat, dass die Sache entsprechend den vereinbarten Rahmenbedingungen angenommen wird. Meist handelt es sich bei der Annahme des Kaufgegenstands aber «nur» um eine Obliegenheit (s. N 2462 ff.).

181 Schwenzer, OR AT, N 74.02. 182 S. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 855; illustrativ Honsell, OR BT, 28, zum «Kauf eines Neuwagens mit Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens». 183 BGE 119 II 227 E. 2a; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2285. 184 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2283; Guhl/Koller, § 29 N 13. 185 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2283; Guhl/Koller, § 29 N 13.

751

5. Kapitel

3.

Nominatverträge

Nebenpflichten der Verkäuferin

2453

Nebenpflichten der Verkäuferin ergeben sich aus vertraglicher Übereinkunft, gesetzlicher Regelung oder aus dem Gebot des Handelns nach Treu und Glauben.186 Sie sind in der Regel nicht selbständig einklagbar, ihre Verletzung begründet jedoch im Schadensfall bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen einen Anspruch auf Schadenersatz (s. N 99 ff., N 2550).

2454

Das Kaufrecht auferlegt der Verkäuferin folgende (dispositive) Nebenpflichten: Diese muss zunächst die Kosten für das Ausscheiden des Kaufgegenstands übernehmen, insbesondere für das Messen und Wägen (Art. 188 OR). Das Gesetz spricht allgemein von den Kosten der Übergabe (Art.  188  OR). Darunter fällt auch die Pflicht, die Ware zu verpacken.187 Weiter hat die Verkäuferin bei Bringschulden die Transportkosten zu tragen. Diese hat sie vermutungsweise auch zu begleichen, wenn Frankolieferung verabredet wurde (Art. 189 Abs. 2 OR).

2455

Nach Art. 189 Abs. 3 OR gelten die Ausgangs-, Durchgangs- und Eingangszölle, die während des Transports anfallen, nicht aber die Verbrauchssteuern, die bei Empfang der Sache erhoben werden, als von der Verkäuferin mitübernommen, falls Franko- und zollfreie Lieferung verabredet wurde.188 Bei Holschulden muss dagegen der Käufer für die Transportkosten aufkommen: Der Erfüllungsort ist dort, wo sich die Sache befindet bzw. wo die Verkäuferin ihren (Wohn-)Sitz hat, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben (Art. 74 Abs. 2 Ziff. 2 und Ziff. 3 OR).

2456

Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben lassen sich Pflichten grundsätzlich nicht generieren, doch konkretisiert sich durch Anlegen dieses Massstabes das Handeln hinsichtlich der Leistungspflicht.189 So ist die Verkäuferin verpflichtet, das für die vertragsgemässe Erfüllung Erforderliche zu tun. Sie hat etwa die Sache bis zur Übergabe sorgfältig aufzubewahren.190 Im Einzelfall kann sie auch die Pflicht treffen, eine Gebrauchsanweisung beizulegen oder den Käufer sonst über bestimmte Tatsachen aufzuklären.191

186 187 188 189 190 191

752

BGE 114 II 57 E. 6d aa. Honsell, OR BT, 58; zur Tragung der Verpackungskosten s. BSK OR-Koller, Art. 188/189 N 9. Zum Ganzen Keller/Siehr, 19. BGE 114 II 57 E. 6d bb; Schwenzer, OR AT, N 4.22; s. ZK OR-Schönle, Art. 184 N 79 ff. Bucher, OR BT, 71; BSK OR-Koller, Art. 184 N 70; s. Schwenzer, OR AT, N 67.09. Zum Ganzen Keller/Siehr, 20; ZK OR-Schönle, Art. 184 N 79 ff.; zur Informationspflicht Tercier/ Bieri/Carron, CO PS, N 558.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

4.

Nebenpflichten und Obliegenheiten des Käufers

4.1

Nebenpflichten des Käufers

Der Käufer muss nach Art. 188 OR die Beurkundungs- und Abnahmekosten tragen. 2457 Beim Versendungskauf (Distanzkauf) hat er die Transportkosten zu übernehmen, sofern Vertrag oder Übung nichts anderes vorsehen (Art. 189 Abs. 1 OR). Der Käufer ist nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 2 Abs. 1 ZGB) ver- 2458 pflichtet, alles zu unterlassen, was eine zielführende Pflichterfüllung stören könnte.192 Beispielsweise hat er der Verkäuferin eine finanzielle Notlage offenzulegen, wenn er den Kaufpreis noch nicht bezahlt hat und wenn die Mitteilung seiner wirtschaftlichen Notlage für die Bereitschaft der Verkäuferin, ihre Pflichten zu erfüllen, von entscheidender Bedeutung ist.193 Den Käufer trifft überdies z.B. eine Pflicht zur sorgfältigen Aufbewahrung des Kaufgegenstands, falls er Wandlung (Art. 205 und Art. 207–209 OR; s. N 2653 ff.) erklärt.194 4.2

Obliegenheiten des Käufers

a.

Begriff

Obliegenheiten können nicht eingefordert und auch nicht eingeklagt werden. Auch 2459 steht der Verkäuferin bei deren Nichtbefolgung kein Schadenersatzanspruch zu. Hingegen führt das Nichteinhalten von Obliegenheiten bisweilen dazu, dass dem damit belasteten Vertragspartner selber ein Rechtsnachteil entsteht (s. N 107). b.

Untersuchung der Kaufsache und Anzeige von Mängeln (Art. 201 OR)

Die Untersuchung der Kaufsache und die Anzeige von Mängeln gemäss Art. 201 OR 2460 stellen Obliegenheiten (und keine Pflichten) des Käufers dar. Ihre Verletzung führt zu einer Verschlechterung der Rechtsposition des Käufers, nämlich zum Verlust der Sachgewährleistungsrechte (s. Art. 201 Abs. 2 OR; s. N 2619 ff.). c.

Abrufs- und Bestimmungsrecht

Das Abrufsrecht beim Kauf auf Abruf (s.  N  2363) sowie das Bestimmungsrecht 2461 beim Spezifikationskauf (s. N 2364) stellen ebenfalls keine Pflichten, sondern blosse Obliegenheiten dar. Ihre Missachtung begründet beim Käufer lediglich Gläubigerverzug (Art. 91 ff. OR; s. N 967 ff.).195 192 193 194 195

ZK OR-Schönle, Art. 184 N 98. S. auch Art. 83 OR; ZK OR-Schönle, Art. 184 N 98. Bucher, OR BT, 68; Guhl/Koller, § 41 N 131. Zur deutschen Rechtslage s. Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht BT, N 137.

753

5. Kapitel

d.

Nominatverträge

Annahme des Kaufgegenstands?

2462

Das Gesetz verpflichtet den Käufer, die gekaufte Sache anzunehmen, sofern sie ihm vertragsgemäss angeboten wird (Art. 211 OR). Strittig ist, ob es sich dabei um eine Pflicht oder um eine Obliegenheit handelt (s. N 2452).

2463

Die Rechtsprechung und ein kleiner Teil der Lehre sprechen sich dafür aus, dass der Käufer in Schuldnerverzug gerät, wenn er die Annahme der Kaufsache verweigert.196 Der überwiegende Teil der Lehre dagegen betrachtet die «Annahmepflicht» grundsätzlich als blosse Obliegenheit.197 Wird sie missachtet, kommen lediglich die Regeln über den Gläubigerverzug nach Art. 91 ff. OR zur Anwendung. Nur wenn die Verkäuferin ausnahmsweise ein besonderes und für den Käufer erkennbares Interesse an der Wegschaffung der Ware hat, besteht eine echte Annahmepflicht, deren Verletzung Schuldnerverzug (Art. 102 ff. OR) auslöst.198 Als Beispiel hierfür kann der Kauf eines Warenlagers wegen Räumung angeführt werden.199

2464

In aller Regel geht die Annahmeverweigerung mit der Weigerung zur Zahlung des Kaufpreises einher. Damit gerät der Käufer ohnehin in Schuldnerverzug gemäss Art. 214 f. bzw. Art. 102 ff. OR. Vor diesem Hintergrund kann in der Regel die Weigerung des Käufers, die Kaufsache anzunehmen, als konkludente Zahlungsverweigerung qualifiziert werden.200 Damit sind auch die Interessen der Verkäuferin angemessen berücksichtigt.

VIII. Leistungsstörungen beim Kaufvertrag 1. 2465

Übersicht

Beim Kaufvertrag können – wie bei anderen Verträgen – verschiedene Arten von Leistungsstörungen auftreten. Soweit das Kaufrecht besondere Normen wie etwa das Gewährleistungsrecht enthält (Art.  192  ff. und Art.  197  ff.  OR), sind in erster Linie diese anwendbar. Kommen ausserdem die Bestimmungen des Allgemeinen Teil des OR in Betracht, ist zu prüfen, in welchem Verhältnis die Ansprüche zueinander stehen (s.  N  2583  f., N  2695  ff.). Dies ist entscheidend für die Frage, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Reihenfolge sie im Problemfall anwendbar sind. Selbstverständlich können die Parteien im Rahmen des zwingenden Rechts auch eine eigene «Störungsordnung» vorsehen. 196 197

BGE 111 II 156 E. 2; Keller/Siehr, 22 f. Bucher, OR BT, 67 f.; Engel, CO PS, 53; Guhl/Koller, § 41 N 124; Honsell, OR BT, 59; CHK ORHrubesch-Millauer, Art. 211 N 3. 198 Ausführlich BSK OR-Koller, Art. 211 N 4 ff. 199 Statt vieler Honsell, OR BT, 59. 200 BSK OR-Koller, Art. 211 N 13.

754

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

Folgende gesetzlich vorgesehenen Leistungsstörungen sind zu unterscheiden:

2466

• • • • • •

nachträgliche zu vertretende Unmöglichkeit (s. N 2469 ff.); nachträgliche nicht zu vertretende Unmöglichkeit (Gefahrtragung; s. N 2473 ff.); anfängliche Leistungsunmöglichkeit der Verkäuferin (s. N 2506 ff.); Schuldnerverzug (s. N 2514 ff.); positive Vertragsverletzung (s. N 2548 ff.); Verkaufsgegenstand weist einen Rechtsmangel auf (Rechtsgewährleistung; s. N 2551 ff.); • Verkaufsgegenstand weist einen Sachmangel auf (Sachgewährleistung; s. N 2585 ff.).

2.

Erfüllungsanspruch

Bei Fälligkeit der Forderung steht dem Gläubiger ein Erfüllungsanspruch (Primär- 2467 anspruch) zu. Der Käufer als Gläubiger kann gestützt auf Art. 184 Abs. 1 OR die Übergabe des Kaufgegenstands sowie die Verschaffung des Eigentums daran verlangen.201 Die Verkäuferin als Gläubigerin hat einen Anspruch auf Erfüllung der Kaufpreisforderung. Der Erfüllungsanspruch kann auch dann geltend gemacht werden, wenn die Ver- 2468 käuferin als Schuldnerin die Leistung verweigert. Der Käufer kann alsdann die Übertragung des Eigentums einklagen und damit erzwingen (specific performance). Dies ist vor allem dann bedeutungsvoll, wenn allein die Verkäuferin dazu fähig ist, die versprochene Leistung zu erbringen, z.B. bei Immobilien oder Kunstobjekten (s. Art. 665 ZGB bei Grundstücken202).

3.

Nachträgliche zu vertretende Unmöglichkeit

3.1

Durch die Verkäuferin (Art. 97 Abs. 1 OR)

Hat die Verkäuferin die nachträgliche Unmöglichkeit der Leistung zu vertreten, 2469 das heisst, trifft sie daran ein eigenes Verschulden oder muss sie nach Art. 101 OR für das Handeln ihrer Hilfsperson einstehen, richten sich die Rechtsfolgen nach der allgemeinen Regelung von Art. 97 Abs. 1 OR (für eine Darstellung der davon abweichenden Lehrmeinung für Fälle der nachträglichen subjektiven Unmöglichkeit s.  N  841  f.).203 Dem Käufer als Gläubiger der Sachleistung steht alsdann ein Anspruch auf Schadenersatz im Umfang des positiven Interesses zu (s. N 902). 201 202 203

S. ZK OR-Schönle, Art. 184 N 6. Bucher, OR AT, 329; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 564. Schwenzer, OR AT, N 64.19 ff.

755

5. Kapitel

2470

Nominatverträge

Im Fall eines Doppelverkaufs stellt sich ausserdem die Frage nach dem Anspruch des (leer ausgehenden) Erstkäufers auf Herausgabe des stellvertretenden commodum (s. N 833).204 Die Verkäuferin wird wohl häufig den Kaufgegenstand deshalb ein zweites Mal veräussern (und danach auch sogleich dem Zweitkäufer liefern), weil sie damit einen höheren Verkaufspreis erzielen kann als beim ersten Geschäft. Die herrschende Lehre befürwortet einen Anspruch des Erstkäufers auf Herausgabe des stellvertretenden commodum. Dies gilt auch dann, wenn dessen Wert höher liegt, als der Wert der unmöglich gewordenen Leistung.205 3.2

Durch den Käufer

2471

Falls der Käufer die Unmöglichkeit der (von der Verkäuferin geschuldeten) Leistung zu vertreten hat, wird diese von ihrer Leistungspflicht befreit. Die Verkäuferin behält aber ihren Anspruch auf Gegenleistung, also auf Leistung des Kaufpreises.206 Von der Preisforderung sind jedoch jene Vorteile bzw. Ersparnisse abzuziehen, die der Verkäuferin dadurch anfallen, dass sie die Leistung nicht erbringen muss (Art. 324 Abs. 2 OR analog).207

2472

Aus dem Grundsatz genus perire non potest («die Gattung kann nicht untergehen») wird hergeleitet, dass Geld als solches nicht ausgeht und die Vertragserfüllung für den Käufer daher theoretisch immer möglich bleibt.208 Dies führt dazu, dass bei Nichtbezahlung des Kaufpreises stets ein Fall des Schuldnerverzugs vorliegt (Art. 102 ff. und Art. 214 f. OR). Damit beschränken sich die Ausführungen hinsichtlich der anfänglichen Leistungsunmöglichkeit auf die Verkäuferin (s. N 2506 ff.).

2473

4.

Nachträgliche nicht zu vertretende Unmöglichkeit (Gefahrtragung gemäss Art. 119 und Art. 185 OR)

4.1

Begriff

a.

Preisgefahr und systematischer Zusammenhang

Die Vorschriften über die Gefahrtragung dienen dazu, das Risiko der nicht zu vertretenden nachträglichen Leistungsunmöglichkeit einer Partei zuzuweisen. Art. 185 OR ist also im Zusammenhang mit Art. 119 OR zu lesen.

204 205 206 207 208

756

Zum stellvertretenden commodum Bucher, OR AT, 424 ff.; Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, N 489 ff.; BSK OR-Wiegand, Art. 119 N 15. BSK OR-Wiegand, Art. 97 N 55 und Art. 119 N 16; differenzierend Bucher, OR AT, 426 f. ZK OR-Schönle, Art. 184 N 173; Schwenzer, OR AT, N 64.29. Schwenzer, OR AT, N 64.29; BSK OR-Wiegand, Art. 97 N 23. S. Honsell, ZSR 2011 II, 40.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

Die sog. Preisgefahr entspricht beim Kauf der Gegenleistungsgefahr im Sinne von 2474 Art. 119 Abs. 2 OR. Sie bezeichnet bei zweiseitigen Verträgen die Gefahr des (nach Art. 119 Abs. 1 OR von der Leistungspflicht befreiten) Schuldners, den Anspruch auf die Gegenforderung zu verlieren.209 Grundsätzlich trägt gemäss Art.  119 Abs. 2 OR der befreite Sachleistungsschuldner die Preisgefahr (Synallagma). Davon ausgenommen sind jene Fälle, in welchen die Gefahr «nach Gesetzesvorschrift oder nach dem Inhalt des Vertrages» vor der Erfüllung übergeht (Art. 119 Abs. 3 OR). Art. 185 OR ist eine solche Gesetzesvorschrift: Beim Kauf trägt grundsätzlich der Käufer die Preisgefahr; auch wenn er die Leistung nicht erhält, bleibt er zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet, sofern die Verkäuferin die Nichtleistung nicht zu verantworten hat. b.

Voraussetzungen

Unmöglichkeit liegt bei einem Kauf vor, wenn die Verkäuferin die Leistung in tat- 2475 sächlicher Hinsicht entweder überhaupt nicht oder jedenfalls nicht wie vereinbart erbringen kann. Dies ist etwa der Fall, wenn der Kaufgegenstand ganz oder teilweise untergeht oder wenn die Kaufsache zwar noch besteht, sich aber qualitativ massiv verschlechtert und damit wesentlich an Wert einbüsst.210 Die Gefahrtragung betrifft sodann nur die nachträgliche Unmöglichkeit, das heisst den Zeitraum zwischen Vertragsabschluss und Erfüllung (zum Gattungskauf s. N 2492 ff.).211 Die Gefahrtragungsregeln erfassen nach herrschender Ansicht sowohl die objektive wie auch die subjektive nachträgliche Unmöglichkeit. Ein Teil der Lehre betrachtet die subjektive Unmöglichkeit dagegen als einen Fall des Verzugs (s. N 841 f.) und wendet daher nicht Art. 185 OR, sondern Art. 102 ff. bzw. Art. 190 f. OR an.212 Die Regelung von Art.  185  OR ist zudem lediglich anwendbar, wenn der Unter- 2476 gang oder die Verschlechterung der Kaufsache durch ein zufälliges Ereignis bewirkt wurde, also nicht zu vertreten ist. Trifft die Verkäuferin ein Verschulden an der Unmöglichkeit oder muss sie gemäss Art.  101  OR für das Handeln ihrer Hilfsperson einstehen, wird sie nach Art. 97 ff. OR schadenersatzpflichtig.213 Haftet sie schliesslich für Zufall, weil sie sich verschuldeterweise im Verzug befindet (Art. 103 Abs.  1  OR), bleibt ebenfalls kein Raum für die Gefahrtragungsregeln, ausser der Zufall hätte die Sache auch bei rechtzeitiger Erfüllung betroffen (Art. 103 Abs. 2 OR; zum Ganzen s. N 944 ff.).214 Kein Anwendungsfall der Gefahrtragung liegt also z.B. vor, wenn die Kaufsache untergeht, weil die Verkäuferin sie nicht sorgfältig aufbewahrt hat. 209 210 211 212 213 214

BSK OR-Wiegand, Art. 119 N 2. BSK OR-Koller, Art. 185 N 4 ff. CHK OR-Hrubesch-Millauer, Art. 185 N 1. ZK OR-Schönle, Art. 185 N 22. Keller/Siehr, 23 ff.; BSK OR-Koller, Art. 185 N 8. Keller/Siehr, 24.

757

5. Kapitel

2477

Nominatverträge

Demgegenüber beantworten die Gefahrtragungsregeln die Frage, ob der Käufer einen Gebrauchtwagen, der nach Vertragsschluss, aber vor Übergabe, durch ein Erdbeben zerstört oder beschädigt wurde, bezahlen muss bzw. ob er einen Anspruch aus Sachgewährleistung hat. c.

Restriktive Interpretation

2478

Die eigentümliche Regelung der Gefahrtragung gemäss Art. 185 OR ist rechtshistorisch bedingt: Sie stammt ursprünglich aus dem römischen Recht (periculum est emptoris). Ihren Weg ins OR fand sie über den Code civil.215 Die Bestimmung des Art. 185 OR wird heute als nicht mehr sachgerecht kritisiert: Sie lässt den Käufer die Gefahr für den Kaufgegenstand tragen, obwohl dieser sich nicht in seinem Herrschaftsbereich befindet und das Risiko daher für ihn nicht kontrollierbar ist. Ein weiteres Problem besteht darin, dass sich der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oft nicht genau rekonstruieren lässt. Die Regel ist überdies nicht nur kontraintuitiv, sondern auch weitgehend unbekannt.216

2479

Um den Anwendungsbereich von Art.  185  OR teleologisch zu reduzieren, werden grosszügig Ausnahmen im Sinne von «besonderen Verhältnissen» (Art.  185 Abs. 1 OR) angenommen,217 wie die folgenden Ausführungen zeigen: 4.2

Gefahrtragung beim Stückkauf (Art. 185 Abs. 1 OR)

a.

Grundsatz

2480

Gemäss Art. 185 Abs. 1 OR gehen Nutzen und Gefahr beim Stückkauf mit Abschluss des Kaufvertrages auf den Erwerber über, «sofern nicht besondere Verhältnisse oder Verabredungen eine Ausnahme begründen». Der Käufer trägt die Gefahr demnach grundsätzlich ab Vertragsschluss.218 Dies gilt auch bei Sukzessivlieferungskäufen (s. N 2362), bei denen die Übergaben der wiederkehrenden Leistungen im Interesse des Käufers aufgeschoben bzw. gestaffelt werden.219

2481

Ausnahmen (s. N 2483 ff.) begründen: • Vorliegen besonderer Verhältnisse (s. N 2483 ff.); • Abreden (s. N 2487 ff.).

215

BGE 128 III 370 E. 4b aa = Pra 2002 Nr. 190; Bucher, ZSR 1970 I, 289; Cortesi, 11 ff.; Honsell, OR BT, 62 f. 216 Bucher, OR BT, 79; Honsell, OR BT, 62; kritisch auch Atamer/Eggen, ZBJV 2017, 744 ff. 217 BGE 128 III 370 E. 4a = Pra 2002 Nr. 190; 84 II 158 E. 1b; BSK OR-Koller, Art. 185 N 35; Tercier/Bieri/ Carron, CO PS, N 919 ff. 218 Keller/Siehr, 26 f. 219 BGE 128 III 370 E. 4d = Pra 2002 Nr. 190.

758

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

2482 Übergang der Preisgefahr auf den Käufer beim Stückkauf (Art. 185 Abs. 1 OR)

Ausnahmen

Grundsatz: mit Abschluss des Vertrages (s. N 2480)

Vorliegen besonderer Verhältnisse (s. N 2483 ff.)

Abreden

explizite vertragliche Modifikation (s. N 2488)

implizite vertragliche Modifikation insbesondere

Bringschuld (Fernkauf)

Schickschuld (Versendungskauf)

(s. N 2489)

(s. N 2490)

Abbildung: Gefahrtragung beim Stückkauf

b.

Ausnahmen

Zu den besonderen Verhältnissen im Sinne von Art. 185 Abs. 1 OR gehören gemäss Rechtsprechung und Lehre unter anderem:

2483

• der Verkauf einer Sache, welche sich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht im Besitz der Verkäuferin befindet (z.B. muss die Sache erst hergestellt werden oder ist noch von einem Dritten zu beschaffen);220 • die Vereinbarung einer Wahlschuld mit Wahlrecht der Verkäuferin (Art. 72 OR; s. N 2484); • der Doppelverkauf (s. N 2485); • gemischte Verträge, z.B. der Autokauf mit Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens (s. N 2486).221 Geht bei der Wahlschuld eine Sache unter, erfolgt grundsätzlich eine Konzentration auf die noch mögliche Leistung.222 Die Verkäuferin kann sich also nicht durch die Wahl der unmöglich gewordenen Leistung befreien und gleichzeitig den Kaufpreis

220 221 222

Bucher, OR BT, 79 f. BGE 128 III 370 E. 4c = Pra 2002 Nr. 190. Schwenzer, OR AT, N 9.04.

759

2484

5. Kapitel

Nominatverträge

fordern.223 Die Gefahr verbleibt deshalb bei der Verkäuferin. Hat jedoch der Schuldner die Unmöglichkeit zu verantworten, so kann die Verkäuferin entweder die mögliche Leistung wählen und Schadenersatz für die unmögliche Leistung fordern oder aber die unmögliche Leistung wählen und den Kaufpreis verlangen (s. N 684). 2485

Beim Doppelverkauf hat die Verkäuferin gegenüber keinem der beiden Käufer Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises, falls die Kaufsache zufällig untergegangen ist.224

2486

Geht beim Kauf eines Neuwagens unter Inzahlungnahme des Gebrauchtwagens des Käufers Letzterer zufällig vor Erfüllung unter, so hat die Neuwagenverkäuferin die Preisgefahr (bezüglich des Gebrauchtwagens) nicht zu tragen.225 Der Kaufpreis wird somit im Regelfall nicht um den Anrechnungswert des Gebrauchtwagens reduziert.226

2487

Eine weitere Ausnahme vom Grundsatz von Art. 185 Abs. 1 OR hinsichtlich des Gefahrenübergangs liegt vor, wenn die Parteien eine anderslautende Abrede getroffen haben. Hierzu zählen insbesondere folgende Fälle: • die explizite Vereinbarung einer abweichenden Gefahrtragung (s. N 2488)227; • die Vereinbarung eines Erfüllungsorts (s. N 2489); • die Vereinbarung eines Versendungs- oder Distanzkaufs (Art.  185 Abs.  2  OR analog; s. N 2490); • die Vereinbarung bestimmter Incoterms (International Commercial Terms der Internationalen Handelskammer; s. N 2491)228.

2488

Die Parteien können den Moment des Gefahrenübergangs in Abweichung von der dispositiven Regelung auf einen anderen Zeitpunkt als den Vertragsabschluss legen.

2489

Lehre und Rechtsprechung deuten die vertragliche Modifikation des Erfüllungsorts als «Verabredung» im Sinne von Art. 185 Abs. 1 OR: Die Preisgefahr geht in diesem Fall erst auf den Käufer über, wenn der Kaufgegenstand sich am Erfüllungsort befindet.229 Bei einer Bringschuld (sog. Fernkauf; s. N 2368) koinzidieren damit Gefahrenübergang und Sachübergabe. Ähnlich wie im UN-Kaufrecht (s. N 2787 ff.) ist alsdann auf jenen Zeitpunkt abzustellen, in welchem dem Käufer der Kaufgegen223 224 225 226

Honsell, OR BT, 64; a.M. ZK OR-Schönle, Art. 185 N 131. Bucher, ZSR 1970 I, 283. S. BGE 128 III 370 E. 4c = Pra 2002 Nr. 190. Cortesi, 9; a.M. BSK OR-Koller, Art. 184 N 21. Differenzierend Schulin/Vogt, OR BT, Tafel B 3B FN 2: Falls der Kauf unter Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens als Kauf mit Leistung an Erfüllungs statt oder erfüllungshalber qualifiziert wird, so reduziert sich der Kaufpreis nicht, anders hingegen bei Annahme eines Tauschs. 227 Z.B. in einem Unternehmenskaufvertrag: Vischer, Jusletter 26. Juli 2004, N 22 ff. 228 Incoterms 2010 by the International Chamber of Commerce (ICC), ICC Rules for the Use of Domestic and International Trade Terms, ICC (Hrsg.), Berlin 2010. 229 BGE 84 II 158 E.  1b = Pra 1958 Nr.  107; Bucher,  OR BT, 80; BK  OR-Giger, Art.  185 N  83; Honsell, OR BT, 66; kritisch Keller/Siehr, 27.

760

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

stand an seinem (Wohn-)Sitz oder an einem anderen vertraglich vereinbarten Ort zur Verfügung steht und er davon Kenntnis hat (s. Art. 69 Abs. 2 CISG).230 Haben die Parteien einen Versendungs- oder Distanzkauf (Schickschuld) verabre- 2490 det, so darf in der Regel daraus gefolgert werden, dass damit auch eine analoge Anwendung von Art. 185 Abs. 2 OR auf den Stückkauf gewollt ist (Gefahrenübergang im Zeitpunkt der Übergabe zur Versendung; s. N 2498 f.).231 Eine «Verabredung» im Sinne von Art. 185 Abs. 1 OR stellt schliesslich auch die Vereinbarung bestimmter Incoterms dar. Die Klausel FOB (Free on Board) bedeutet beispielsweise, dass der Käufer die Gefahr ab dem Zeitpunkt trägt, in welchem die Ware über die Reling des Schiffs im Verschiffungshafen geht.232 4.3

Gefahrtragung beim Gattungskauf (Art. 185 Abs. 2 OR)

a.

Überblick

2491

Die Zuordnung der Leistungsgefahr entscheidet wie gesagt darüber, welche der Par- 2492 teien im Falle eines zufälligen Untergangs der Kaufsache ihre im Kaufvertrag versprochene Leistung gleichwohl zu erbringen hat. Dabei ist nach dem Wortlaut von Art. 185 Abs. 2 OR danach zu unterscheiden, ob die Verkäuferin die Sache zu versenden hat oder nicht. Hat sie die Sache nicht zu versenden, richtet sich der Übergang der Gefahr danach, ob eine Hol- oder eine Bringschuld vorliegt.

230 231 232

Ähnlich BSK OR-Koller, Art. 185 N 26. Honsell, OR BT, 67; BSK OR-Koller, Art. 185 N 15; Schulin/Vogt, OR BT, Tafel B 3B FN 10; a.M. ZK OR-Schönle, Art. 185 N 46. Keller/Siehr, 26; BSK OR-Koller, Art. 185 N 42; Schwenzer, OR AT, N 7.08.

761

5. Kapitel

Nominatverträge

2493 Übergang der Gefahr auf den Käufer beim Gattungskauf (Art. 185 Abs. 2 OR)

Schickschuld (Versendungskauf)

mit Übergabe der Kaufsache zur Versendung

keine Schickschuld

Holschuld (Platzkauf)

Bringschuld (Fernkauf)

mit Ausscheiden der Kaufsache

Zur-VerfügungStellen der Ware am Erfüllungsort und Kenntnis des Käufers davon (vgl. Art. 69 Abs. 2 CISG)

(s. N 2498 f.)

(s. N 2494 ff.)

(s. N 2497)

Abbildung: Gefahrtragung beim Gattungskauf

b.

Holschuld (Platzkauf)

2494

Beim Gattungskauf geht die Preisgefahr gestützt auf Art. 185 Abs. 2 OR mit dem Ausscheiden der Sache(n) auf den Käufer über, sofern die Verkäuferin die Sache nicht zu versenden hat und es sich um eine Holschuld handelt (sog. Platzkauf; s. N 2367). Unter «Ausscheiden» wird eine Aussonderung durch von aussen erkennbare Handlungen wie z.B. Messen, Zählen und Wägen verstanden.233 Kenntnisnahme dieser Handlung durch den Käufer wird nicht vorausgesetzt.234

2495

Ein Teil der Lehre verlangt für den Gefahrübergang auf den Käufer zusätzlich, dass die Verkäuferin den Vertragsgegenstand am Erfüllungsort bereitstellt, dass sie dies dem Käufer anzeigt und dass die angebotenen Gattungsstücke zumindest eine mittlere Qualität aufweisen.235

2496

Vor der Aussonderung kann sich die Verkäuferin nicht darauf berufen, dass die Stücke, mit welchen sie erfüllen wollte, untergegangen seien (genus perire non potest) und sie nun nicht mehr erfüllen könne. Davon ausgenommen ist die sog. begrenzte Gattungsschuld (sofern die ganze Gattung untergeht);236 die Leistung hat hier aus einem bestimmten Vorrat bzw. einer bestimmten Produktionsquelle zu erfolgen 233 234 235 236

762

Keller/Siehr, 26. BGE 84 II 158 E. 1a = Pra 1958 Nr. 107. BSK OR-Koller, Art. 185 N 31 f.; ähnlich ZK OR-Schönle, Art. 185 N 33 ff. Honsell, OR BT, 68.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

(Beispiel: Der Weinhändler verkauft zwei Flaschen eines bestimmten Jahrgangsweins aus seinem Keller237). c.

Bringschuld (Fernkauf)

Beim Fernkauf von Gattungssachen, bei welchem die Parteien eine Bringschuld ver- 2497 einbaren, geht die Gefahr erst in dem Zeitpunkt über, in welchem die Ware dem Käufer am Erfüllungsort zur Verfügung gestellt wird und er auch davon Kenntnis hat («Verabredung» im Sinne von Art. 185 Abs. 1 OR, s. N 2489; s. auch Art. 69 Abs. 2 CISG; zum Fernkauf s. N 2368). Vorausgesetzt wird überdies, dass die Ware zuvor ausgeschieden wurde (Art. 185 Abs. 2 OR). d.

Schickschuld (Versendungs- oder Distanzkauf)

Liegt ein Versendungs- oder Distanzkauf von Gattungssachen vor, geht die Gefahr 2498 erst nach dem Ausscheiden mit deren Übergabe zur Versendung über (Art.  185 Abs.  2  OR; s. auch Art.  67 Abs.  1  CISG; zum Versendungs- oder Distanzkauf s. N 2369). Geht die Ware auf dem Transport zufällig unter, so trägt nach dem (dispositiven) 2499 Gesetz also bereits der Käufer die Gefahr. Geht die Ware auf dem Transport dagegen aufgrund des Verhaltens der Transportperson unter, welches unter dem Gesichtspunkt der hypothetischen Vorwerfbarkeit der Verkäuferin anzulasten ist, so haftet die Verkäuferin für den Untergang der Sache im Rahmen von Art. 101 OR i.V.m. der entsprechenden Haftungsnorm.

237

Schlechtriem/Schmidt-Kessel, Schuldrecht AT, N 223.

763

5. Kapitel

4.4

Nominatverträge

Zusammenfassung: Übergang der Gefahr bei Stück- und Gattungskauf

2500 Holschuld (Platzkauf)

Stückkauf

Gattungskauf

Grundsatz: Vertragsabschluss

Ausscheidung (Art. 185 Abs. 2 OR)

(Art. 185 Abs. 1 OR) Ausnahme: besondere Verhältnisse und Verabredungen (Art. 185 Abs. 1 OR)

Bringschuld (Fernkauf)

Schickschuld (Versendungsoder Distanzkauf)

Zur-Verfügung-Stellen der Ware am Erfüllungsort und Kenntnis des Käufers davon («Verabredung» im Sinne von Art. 185 Abs. 1 OR; s. Art. 69 Abs. 2 CISG)

Zur-Verfügung-Stellen der Ware am Erfüllungsort und Kenntnis des Käufers davon («Verabredung» im Sinne von Art. 185 Abs. 1 OR; s. Art. 69 Abs. 2 CISG)

Übergabe zur Versendung (Art. 185 Abs. 2 OR analog)

Übergabe zur Versendung (Art. 185 Abs. 2 OR)

Abbildung: Übersicht über den Zeitpunkt des Gefahrübergangs auf den Käufer

4.5

Gefahrtragung beim bedingten Kaufvertrag (Art. 185 Abs. 3 OR)

2501

Beim aufschiebend bedingten Kauf geht die Preisgefahr – unabhängig davon, ob es sich um einen Stück- oder Gattungskauf handelt – frühestens bei Eintritt der Bedingung auf den Käufer über (Art. 185 Abs. 3 OR). Dies gilt auch, wenn die Sache dem Käufer bereits vor Eintritt der Bedingung ausgehändigt wurde.238

2502

Diese Bestimmung kann nicht analog auf den Kauf unter auflösender Bedingung angewandt werden.239 Geht die Sache beim auflösend bedingten Kauf vor Eintritt der Bedingung unter, trägt der Käufer beim Stückkauf nach dem Grundsatz von Art. 185 Abs. 1 OR die Gefahr ab Zeitpunkt des Vertragsschlusses.240 Mit dem Eintritt der auflösenden Bedingung fällt der Kaufvertrag – und damit die kaufrechtliche Grundvoraussetzung für den Gefahrenübergang – dahin. Geht der Kaufgegenstand nach Eintritt der auflösenden Bedingung unter, ist der Käufer nicht mehr zur Kaufpreiszahlung verpflichtet.

238 239 240

764

BK OR-Giger, Art. 185 N 46; CR CO-Venturi/Zen-Ruffinen, Art. 185 N 22. Bucher, OR BT, 78; Honsell, OR BT, 68. Bucher,  OR BT, 78; BSK  OR-Koller, Art.  185 N  34; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N  945; a.M. ZK OR-Schönle, Art. 185 N 60.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

Mit Bezug auf die Gefahrtragung ist der Kauf unter Eigentumsvorbehalt dem auf- 2503 lösend bedingten Kaufvertrag gleichzustellen. Der Käufer trägt die Gefahr also ab dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.241 4.6

Gefahrtragung bei Wandlung des Kaufvertrages

Im Ergebnis trägt hier die Verkäuferin die Kaufpreisgefahr: Da nach Art.  207 2504 Abs. 1 OR der Käufer trotz des zufälligen Untergangs des (mangelhaften) Kaufobjekts noch wandeln darf, hat er grundsätzlich Anspruch auf Rückgewährung des Kaufpreises, wird aber aufgrund des zufälligen Untergangs des Kaufgegenstands von der Pflicht zur Rückübertragung befreit (zum vertraglichen Rückabwicklungsverhältnis s. N 2661 ff.). 4.7

Gefahrtragung beim Grundstückkauf (Art. 220 OR)

Ist im Vertrag ein bestimmter Zeitpunkt für die Übernahme des Grundstücks fest- 2505 gelegt, so stellt Art. 220 OR für den Übergang von Nutzen und Gefahr auf diesen ab.242

5.

Anfängliche Leistungsunmöglichkeit der Verkäuferin

5.1

Begriff und Arten

Anfängliche Unmöglichkeit liegt vor, wenn die geschuldete Leistung bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses – aus faktischen oder rechtlichen Gründen – nicht mehr erbracht werden kann (s. N 827 ff.).243

2506

Dabei ist zu unterscheiden, ob die Leistung von niemandem mehr erbracht wer- 2507 den kann (objektive Unmöglichkeit) oder ob nur gerade die betreffende Verkäuferin dazu nicht in der Lage ist (subjektive Unmöglichkeit). 5.2

Anfängliche objektive Leistungsunmöglichkeit

Nach der hier vertretenen Auffassung ist Art. 20 Abs. 1 OR teleologisch auf jene 2508 Fälle zu reduzieren, bei welchen gegen eine kodifikatorische Eigengesetzlichkeit verstossen wird, wie z.B. beim Verkauf einer Sache an den Eigentümer (ausführlich s. N 429 f.).244 Beschlägt die anfängliche objektive Unmöglichkeit dagegen den 241 242 243 244

BSK OR-Koller, Art. 185 N 34; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 945. S. BGE 4A_383/2016 E. 3.3 m.w.H. BGE 96 II 18 E. 2a. S. BGE 109 II 123 E. 2a; BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 48.

765

5. Kapitel

Nominatverträge

Vertragsinhalt (z.B. verkauft der Vogelzüchter dem Ornithologen einen  – ausgestorbenen – Riesenalk), so sollen aus Gleichbehandlungsgründen dieselben Rechtsfolgen eintreten wie bei der nachträglichen Unmöglichkeit (Art.  97 Abs.  1 bzw. Art. 119 OR; s. N 2469 ff.). Wir nehmen also im Zweifel eher einen Erfüllungs- als einen Entstehungsmangel an. 2509

Sodann liegt kein Kaufvertrag mit anfänglich objektiv unmöglichem Inhalt vor, wenn die Verkäuferin einen Gegenstand verkauft, der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht in ihrem Eigentum steht. Falls die Verkäuferin ihrer Pflicht zur Eigentumsverschaffung nicht nachkommt, weil sie beispielsweise die Sache nicht beschaffen kann, betrifft das nicht die Gültigkeit, sondern die Erfüllung des Vertrages (s. N 2413 f.).

2510

Liegt bei einem Rechtskauf anfängliche objektive (und dauernde) Unmöglichkeit vor, bestand also das verkaufte Recht im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gar nicht, so beurteilen sich die Rechtsfolgen ebenfalls nicht nach Art. 20 Abs. 1 OR. Stattdessen trifft die Verkäuferin eines Rechts eine «unbedingte Einstandspflicht» für dessen Bestand (Garantiehaftung) nach Art. 171 ff. OR.245 Ist die anfängliche Unmöglichkeit nur vorübergehend, ist der Kaufvertrag gültig. Einen Anwendungsfall bildet die Abtretung künftiger Forderungen, die sog. Vorausabtretung. Hierzu genügt die Bestimmbarkeit im Zeitpunkt der Entstehung der Forderung (s. N 1366 ff.).246 Beim Kauf eines nichtigen Patents finden jedoch Art. 192 ff. OR Anwendung.247 5.3

Anfängliche subjektive Leistungsunmöglichkeit

2511

Die anfängliche subjektive Leistungsunmöglichkeit beurteilt sich – gleich wie die nachträgliche – nach Art. 97 ff. bzw. Art. 119 OR (s. N 831).248

2512

In den meisten Fällen anfänglicher Leistungsunmöglichkeit wird es der Verkäuferin nicht gelingen, sich zu exkulpieren (Art. 97 Abs. 1 OR). In der Regel ist für sie bei Vertragsschluss nämlich ohne Weiteres erkennbar, dass sie die Leistung nicht wird erbringen können; dafür muss sie sich in der Regel ein Verschulden anrechnen lassen (sog. Übernahmeverschulden).249

2513

Ausnahmsweise kann ein Verschulden der Verkäuferin aber auch fehlen. Beispiel: Die Parteien sitzen nach der Probefahrt des Gebrauchtwagens zur Unterzeichnung 245 246 247 248 249

766

Guhl/Koller, § 7 N 20; BSK OR-Koller, Art. 184 N 39; unentschieden ZK OR-Schönle, Art. 184 N 60 f.; a.M. BK OR-Giger, Art. 187 N 29 ff., der Art. 197 ff. OR anwendet. BGE 113 II 163 E. 2a; BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 164 N 41; ZK OR-Schönle, Art. 184 N 26; Schwenzer, OR AT, N 90.28; kritisch Bucher, OR AT, 544, insbesondere FN 34. BGE 110 II 239 E. 1d = Pra 1984 Nr. 241; BSK OR-Koller, Art. 184 N 39. Guhl/Koller, § 31 N 3 und N 11 sowie § 38 N 32; Schwenzer, OR AT, N 64.08; BSK OR-Wiegand, Art. 97 N 12. A.M. ZK OR-Schönle, Art. 184 N 167, der Art. 102 ff. OR anwendet. S. BGE 111 II 352 E. 2a; BK OR-Weber, Art. 97 N 110.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

des Kaufvertrages im Büro der Autohändlerin. Knapp vor der Vertragsunterzeichnung gelingt es einer professionellen Bande trotz Vorsichtsmassnahmen der Verkäuferin, den Wagen aufzubrechen und zu stehlen.250 In diesem Fall beurteilen sich die Rechtsfolgen nach Art. 119 OR; dies allerdings mit der Einschränkung, dass der Käufer die Preisgefahr (Art. 119 Abs. 3 i.V.m. Art. 185 Abs. 1 OR) nicht trägt. Nach dem Gesetzeswortlaut geht die Preisgefahr nämlich erst «mit dem Abschlusse des Vertrages» auf den Käufer über (Art. 185 Abs. 1 OR; s. N 2473 ff.). In genanntem Beispiel wird damit die Verkäuferin von ihrer Pflicht zur Übergabe und Eigentumsverschaffung am Gebrauchtwagen (Art. 119 Abs. 1 OR) und der Käufer von seiner Pflicht zur Zahlung des Kaufpreises befreit (Art. 119 Abs. 2 OR).

6.

Schuldnerverzug

6.1

Verzug der Verkäuferin (Art. 190–191 OR)

a.

Im kaufmännischen Verkehr (Art. 190–191 OR)

Der Gesetzgeber hat für den kaufmännischen Verkehr (Handelskauf) zum Teil spe- 2514 zielle (von Art. 102 ff. OR abweichende) Verzugsfolgen angeordnet.251 Diese beruhen auf der gesetzgeberischen Vorstellung, dass ungewisse, «schwebende» Rechtsverhältnisse252 im Handelsverkehr besonders unerwünscht und darum durch eine schnelle und klare Lösung zu bereinigen sind. Aus diesem Grund stellt Art.  190 Abs. 1 OR die Vermutung auf, dass der Käufer nach (ungenutztem) Ablauf des Liefertermins vermutungsweise auf die Ware verzichtet (Primärleistung) und stattdessen Schadenersatz für Nichterfüllung will (Sekundärleistung).253 Die Regel will zwar Effizienz und Rechtssicherheit, schafft damit aber gerade neue 2515 Überraschungen: Unter Umständen ist dem Käufer im Fall eines Handelskaufs gar nicht bewusst, dass der Gesetzgeber sozusagen an seiner statt das Wahlrecht von Art. 107 OR ausübt. Für den Fall, dass der Käufer eine andere Wahl treffen möchte, kann er dies zwar der Verkäuferin unverzüglich mitteilen (Art. 190 Abs. 2 OR). Dies setzt aber voraus, dass er Art. 190 OR kennt und sich darüber Rechenschaft ablegt, dass er bezüglich eines bestimmten Geschäfts unter diese Regel fällt. Für die Verkäuferin besteht ebenfalls eine beträchtliche Unsicherheit, denn vielleicht kennt auch sie Art. 190 OR nicht und bemüht sich noch um Lieferung, wenn das Gesetz bereits vermutet, der Käufer verzichte darauf. Dazu kommt, dass die Zweiteilung in bürgerliche und kaufmännische Geschäfte sehr punktuell ist: Der Gesetzgeber hat längst nicht alle «Schwebezustände» beseitigt, geschweige denn ein in sich geschlos250 251 252 253

S. Schwenzer, OR AT, N 64.08. Ausführlich Knoepfel, 60 ff. Keller/Siehr, 33. CR CO-Venturi/Zen-Ruffinen, Art. 190 N 9.

767

5. Kapitel

Nominatverträge

senes Kaufmannsrecht geschaffen. Überdies herrscht in der Lehre Uneinigkeit, wie im Einzelnen die Aufteilung vorzunehmen ist (s. N 2381 ff.). b.

Anwendungsbereich von Art. 190–191 OR

2516

Wird im kaufmännischen Verkehr ein bestimmter Lieferungstermin verabredet und leistet die Verkäuferin bis dahin nicht, vermutet Art. 190 Abs. 1 OR, dass der Käufer auf die Lieferung verzichtet und Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangt (sog. positives Interesse = Erfüllungsinteresse).

2517

Seinem Wortlaut nach unterscheidet Art. 190 Abs. 1 OR also nicht zwischen dem einfachen und dem qualifizierten Verfalltagsgeschäft. Beim einfachen Verfalltagsgeschäft vereinbaren die Parteien einen bestimmten Liefertermin (Art. 102 Abs. 2 OR), legen also fest, an oder bis zu welchem Tag die geschuldete Leistung zu erbringen ist (s. N 709 ff.). Ergibt sich aus dem Vertrag – explizit oder konkludent –, dass die Verkäuferin nach dem vereinbarten Zeitpunkt gegen den Willen des Käufers nicht mehr leisten darf, liegt ein qualifiziertes Verfalltagsgeschäft (relatives Fixgeschäft) gemäss Art. 108 Ziff. 3 OR vor.

2518

In Lehre und Rechtsprechung ist der sachliche Anwendungsbereich von Art. 190 OR umstritten. Gemäss Bundesgericht genügt bereits die Vereinbarung eines bestimmten Liefertermins, um die gesetzliche Vermutung nach Art.  190 Abs.  1  OR zu begründen.254 Ein Teil der Lehre legt die Bestimmung restriktiver aus: Nur wenn das genaue Einhalten des Liefertermins nach dem Willen der Parteien wesentlich ist, soll Art. 190 OR anwendbar sein.255 Entgegen dem Wortlaut der Vorschrift kann der Käufer nach dieser Ansicht bei einfachen Verfalltagsgeschäften nicht nach Art. 190 OR vorgehen; vielmehr hat er gemäss der allgemeinen Regel von Art. 107 Abs. 1 OR eine Nachfrist anzusetzen.256 Bei absoluten Fixgeschäften, bei denen nach Verstreichen des Leistungstermins Unmöglichkeit angenommen wird, ist demgegenüber nicht Art. 190 OR, sondern sind Art. 97 und Art. 119 OR anzuwenden.257

2519

Ist für die Leistung der Verkäuferin kein bestimmter Lieferungstermin vereinbart worden, finden auch im kaufmännischen Verkehr die allgemeinen Bestimmungen von Art. 107 ff. OR Anwendung.258

254 255 256 257 258

768

BGE 116 II 436 E. 1a = Pra 1991 Nr. 41; 43 II 172 E. 2; ebenso CHK OR-Hrubesch-Millauer, Art. 190 N 3. Bucher, OR BT, 71; Honsell, OR BT, 71. Bucher, OR BT, 71. Honsell, OR BT, 71. Keller/Siehr, 33.

§ 28

c.

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

Wirkungen von Art. 190–191 OR

Die beiden Wahlrechte von Art.  190  OR (Verzicht auf Lieferung kombiniert mit Schadenersatz wegen Nichterfüllung oder Lieferung) unterscheiden sich inhaltlich nicht von Art. 107 Abs. 2 i.V.m. Art. 109 OR.

2520

Ein Unterschied besteht aber in der Ausübung: Will der Käufer nach der allgemei- 2521 nen Regel von Art. 107 Abs. 2 OR auf die Leistung verzichten, so muss er dies der Verkäuferin «unverzüglich» mitteilen und dann entscheiden, ob er Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder aber vom Vertrag zurücktreten will. Demgegenüber vermutet Art.  190 Abs.  1  OR für den kaufmännischen Verkehr von vornherein, dass der Käufer auf die Lieferung verzichtet und Schadenersatz wegen Nichterfüllung (positives Interesse) verlangt. Diese Verzichtsvermutung ist zwar für die relativen Fixgeschäfte von der Idee her bereits in Art. 108 Ziff. 3 OR angelegt, doch auch in diesem Fall steht der Gläubigerin nach den Regeln des Allgemeinen Teils das Recht zu, zwischen positivem und negativem Interesse zu wählen (zweites Wahlrecht gemäss Art. 107 Abs. 2 OR; s. N 958 ff.).259 Beharrt der Käufer im kaufmännischen Verkehr weiterhin auf Erfüllung (bei Vor- 2522 liegen der entsprechenden Voraussetzungen kann er zusätzlich zur Primärleistung Verspätungsschaden fordern), so muss er dies der Verkäuferin gemäss Art.  190 Abs.  2  OR unverzüglich anzeigen.260 Unterlässt der Käufer dies, verliert er den Erfüllungsanspruch.261 Die in Art. 190 Abs. 2 OR genannte Anzeige ist im Übrigen eine empfangsbedürftige Willenserklärung (s. N 184 ff.).262 Als weitere Variante kann der Käufer im kaufmännischen Verkehr  – ohne eine 2523 Nachfrist anzusetzen – gemäss Art. 107 Abs. 2 i.V.m. Art. 108 Ziff. 3 OR vom Vertrag zurücktreten.263 Die Rücktrittserklärung muss nicht unverzüglich erfolgen. Gewährt der Käufer der Verkäuferin im Übrigen unmittelbar nach Ablauf des Lie- 2524 fertermins eine Nachfrist, befindet er sich dagegen – trotz Vorliegens kaufmännischen Verkehrs – im Anwendungsbereich von Art. 107 OR. Damit stehen ihm wieder sämtliche Wahlrechte von Art. 107 Abs. 2 OR offen.264

259 260 261 262 263 264

BK OR-Weber, Art. 108 N 54. Zum Ganzen Keller/Siehr, 35 f. BSK OR-Koller, Art. 190 N 16; ZK OR-Schönle, Art. 190 N 9 f. ZK OR-Schönle, Art. 190 N 8 f. und N 47. BSK OR-Koller, Art. 190 N 17; ZK OR-Schönle, Art. 190 N 14 f.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 582. Keller/Siehr, 35 f.

769

5. Kapitel

Nominatverträge

2525 Verzug beim relativen Fixgeschäft (Art. 108 Ziff. 3 OR) im kaufmännischen Verkehr

gesetzliche Vermutung (Art. 190 Abs. 1 OR): Verzicht auf die Leistung

gesetzliche Vermutung (Art. 190 Abs. 1 OR): Schadenersatz wegen Nichterfüllung (Art. 107 Abs. 2 OR) auf positives Interesse

Rücktrittserklärung Rücktritt (und Schadenersatz, Art. 107 Abs. 2, Art. 109 OR)

Festhalten an der Leistung durch unverzügliche Anzeige an die Verkäuferin (Art. 190 Abs. 2 OR)

Ansetzen einer Nachfrist im Sinne von Art. 107 Abs. 1 OR

Klage auf Erfüllung und Ersatz des Verspätungsschadens (Art. 103 ff. OR)

nach Ablauf der Nachfrist stehen wieder sämtliche Wahlrechte von Art. 107 Abs. 2 OR zur Verfügung

auf negatives Interesse (Art. 109 Abs. 2 OR)

Abbildung: Verzug der Verkäuferin im kaufmännischen Verkehr unter Hervorhebung der gesetzlichen Vermutung von Art. 190 Abs. 1 OR

d. 2526

Schadenersatzpflicht (Art. 191 Abs. 1 OR)

Art. 191 Abs. 1 OR verpflichtet die Verkäuferin im Fall der Nichterfüllung gemäss Art. 190 Abs. 1 OR zur Leistung von Schadenersatz.265 Inhaltlich deckt sich Art. 191 Abs.  1  OR mit den Schadenersatzansprüchen nach Art.  97 Abs.  1 und Art.  107 Abs. 2 OR.266

265 266

770

ZK OR-Schönle, Art. 191 N 3. Honsell, OR BT, 71; ZK OR-Schönle, Art. 191 N 9.

§ 28

e.

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

Schadensberechnung (Art. 191 Abs. 2 und Abs. 3 OR) 2527 Arten der Schadensberechnung nach Art. 191 OR

Art. 191 Abs. 1 OR positives Interesse nach den allgemeinen Grundsätzen

Art. 191 Abs. 2 OR konkrete Schadensberechnung

Art. 191 Abs. 3 OR abstrakte Schadensberechnung

Abbildung: Arten der Schadensberechnung nach Art. 191 OR

Gemäss Art. 191 Abs. 1 OR kann der Käufer – wie nach Art. 107 Abs. 2 OR – das Erfüllungsinteresse (positives Interesse) nach allgemeinen Grundsätzen (wie in Art. 107 Abs. 2 OR) verlangen: Der Käufer ist danach so zu stellen, wie wenn die Verkäuferin gehörig erfüllt, also im vereinbarten Zeitpunkt geliefert hätte.267 Als Schadensposten kommen neben dem Wert der Sache auch der allfällig entgangene Gewinn oder die Schadenersatzforderung eines Dritten in Betracht (s. N 959).

2528

Art.  191 Abs.  2  OR ermöglicht dem Käufer stattdessen aber auch, einen sog. 2529 Deckungskauf vorzunehmen und den Schaden als Differenz zwischen dem (höheren) Deckungskaufpreis und dem mit der Verkäuferin vereinbarten Kaufpreis zu berechnen (sog. konkrete Schadensberechnung). Im Allgemeinen ist der Käufer nicht verpflichtet, einen Deckungskauf zu tätigen; eine solche Verpflichtung kann aber ausnahmsweise aus der allgemeinen Schadenminderungspflicht bzw. -obliegenheit resultieren.268 Entschliesst sich der Käufer für einen Deckungskauf, so muss er nach Treu und Glauben (s. Art. 191 Abs. 2 OR: «in guten Treuen») vorgehen. Der Käufer hat den Deckungskauf innert angemessener Frist ab dem Zeitpunkt vorzunehmen, in welchem er auf die nachträgliche Leistung verzichtet hat (Art. 107 Abs. 2 OR) bzw. ein solcher Verzicht von Gesetzes wegen vermutet wird (Art. 190 Abs. 1 OR). In örtlicher Hinsicht hat der Deckungskauf dort zu erfolgen, wo der Kaufvertrag zu erfüllen gewesen wäre.269 Dabei hat der Käufer nur Anspruch auf Schadenersatz für den Kauf gleichartiger bzw. gleichwertiger Ware. Kauft er bessere Ware, erfolgt eine anteilsmässige Reduktion.270

267 268 269 270

Keller/Siehr, 39; s. ZK OR-Schönle, Art. 191 N 12 ff. ZK OR-Schönle, Art. 191 N 13. CHK OR-Hrubesch-Millauer, Art. 191 N 4. Zu den Modalitäten des Deckungskaufs s. BSK OR-Koller, Art. 191 N 9 ff.; ZK OR-Schönle, Art. 191 N 17 ff.

771

5. Kapitel

2530

Nominatverträge

Bei Waren mit einem Markt- oder Börsenpreis braucht der Käufer den Deckungskauf nicht tatsächlich vorzunehmen, sondern kann den Schaden direkt als Differenz zwischen dem vereinbarten Preis und dem Markt- oder Börsenpreis einfordern (sog. abstrakte Schadensberechnung gemäss Art. 191 Abs. 3 OR).271 Der in Art. 191 Abs. 3 OR erwähnte Markt- oder Börsenpreis bezieht sich auf den Zeitpunkt der Erfüllung;272 es handelt sich dabei nicht um den Verkaufs-, sondern den Kaufpreis (sog. «Käuflichkeitspreis» und nicht «Verkäuflichkeitspreis»).273 Der Marktpreis ist «der Preis, der infolge regelmässiger Geschäftsabschlüsse für eine bestimmte Ware bestimmter Gattung und Art an einem bestimmten Handelsplatz zu bestimmter Zeit erzielt wird»274. Unter Kaufleuten wird das Vorliegen eines Marktpreises vermutet.275 Fehlt es an einem Markt bzw. einem Marktpreis, so muss der Käufer den Schaden nach Art. 191 Abs. 2 OR konkret berechnen (s. N 2529).276 f.

Im nicht kaufmännischen Verkehr (Art. 102 ff. OR)

2531

Im nicht kaufmännischen Verkehr kommen auf den Verzug der Verkäuferin die allgemeinen Regeln von Art. 102 ff. OR zur Anwendung (zum Verzug s. N 910 ff.).277

2532

Wählt der Käufer das positive Interesse, so kann er den Schaden auf dieselbe Art berechnen wie im kaufmännischen Verkehr (s. N 2527 ff.).278

2533

6.2

Verzug des Käufers (Art. 214–215 OR)

a.

Überblick

Für den Verzug des Käufers gelten als leges speciales die Art. 213 ff. OR, welche die allgemeinen Bestimmungen über den Schuldnerverzug (Art. 102 ff. OR, insbesondere Art. 107 ff. OR) infolge ihres beschränkten Regulierungsbereichs jedoch nur zum Teil verdrängen. Im Unterschied zum Verzug der Verkäuferin sind die Rechtsfolgen dabei für den kaufmännischen und für den nicht kaufmännischen Verkehr dieselben. Art. 215 OR, der nach seinem Wortlaut an den kaufmännischen Verkehr

271 272 273 274 275 276 277 278

772

S. Honsell, OR BT, 72 f.; Keller/Siehr, 38 f.; BSK OR-Koller, Art. 191 N 16; Koller, OR BT, § 4 N 32; ZK OR-Schönle, Art. 191 N 22 ff. ZK OR-Schönle, Art. 191 N 27 ff. BSK OR-Koller, Art. 191 N 17 f. m.w.H.; a.M. ZK OR-Schönle, Art. 191 N 23. Keller/Siehr, 39, und BSK OR-Koller, Art. 191 N 19, je mit Hinweis auf BGE 49 II 80 E. 3. BGE 81 II 54 E. 4. BSK OR-Koller, Art. 191 N 16. Guhl/Koller, § 41 N 138; s. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 571. BK OR-Giger, Art. 191 N 31; Honsell, OR BT, 74; bezüglich konkreter Schadensberechnung BSK ORKoller, Art. 191 N 15 und unentschieden bezüglich abstrakter Schadensberechnung N 25. Für die analoge Anwendung von Art. 191 Abs. 2 und Abs. 3 OR auf den bürgerlichen Kauf s. BGE 4C.371/1999 E. 2a aa; 120 II 296 E. 3 = Pra 1996 Nr. 79; Guhl/Koller, § 41 N 138; ZK OR-Schönle, Art. 191 N 15 und N 39; a.M. Keller/Siehr, 37 ff.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

anknüpft, ist gemäss herrschender Lehre auch auf den nicht kaufmännischen Verkehr anwendbar (s. N 2546).279 Für die Voraussetzungen des Käuferverzugs gelten die allgemeinen Bestimmungen, 2534 insbesondere Art. 102 OR. Demnach muss die Leistung fällig (s. Art. 75 OR) und der Käufer grundsätzlich gemahnt worden sein (Art. 102 Abs. 1 OR; s. N 920 ff.) bzw. ein Verfalltagsgeschäft vorliegen (Art. 102 Abs. 2 OR; s. N 925 f.). b.

Verzugszinsen

Befindet sich der Käufer im Verzug, so hat er einen Verzugszins von 5% zu leis- 2535 ten (Art. 213 Abs. 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 OR). Die Pflicht zur Zinszahlung nach Art.  104 Abs.  1  OR besteht unabhängig von einem Verschulden des Käufers am Verzug; der Käufer kann sich also nicht durch Exkulpation von seiner Verzugszinspflicht befreien.280 Bei abweichender Vereinbarung sowie unter Kaufleuten kann der Zinsfuss auch höher liegen (Art. 104 Abs. 2 und Abs. 3 OR). c.

2536

Rücktrittsrecht der Verkäuferin beim Pränumerando- und beim Barkauf (Art. 214 Abs. 1 und Abs. 2 OR)

Art. 214 Abs. 1 OR räumt der Verkäuferin das Recht ein, «ohne weiteres» vom Kauf- 2537 vertrag zurückzutreten, wenn der Käufer im Verzug ist. Dieses besondere Recht steht der Verkäuferin indessen nach dem Wortlaut des (dispositiven) Gesetzes nur zu, wenn die Sache gegen Vorauszahlung des Preises (sog. Pränumerandokauf; s. N 2373) oder Zug um Zug (sog. Barkauf; s. N 2371) zu übergeben ist.281 Im Unterschied zur allgemeinen Rücktrittsregel von Art. 107 OR braucht die Ver- 2538 käuferin hier also keine Nachfrist anzusetzen.282 Will sie von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch machen, muss sie dies dem Käufer allerdings sofort anzeigen (Art. 214 Abs.  2  OR). Tut sie das nicht, verliert sie aber nur das spezifische kaufrechtliche Rücktrittsrecht (ohne Nachfristansetzung). Es bleibt ihr also unbenommen, nach Art. 107 OR vorzugehen und dem Käufer – ausser in den Fällen von Art. 108 OR – eine Nachfrist anzusetzen und dann zurückzutreten.283

279 280 281 282 283

Statt vieler BK OR-Giger, Art. 214 N 6; BSK OR-Koller, Art. 214 N 8. Keller/Siehr, 40. Statt vieler Guhl/Koller, § 41 N 139. BSK OR-Koller, Art. 214 N 2. Keller/Siehr, 42.

773

5. Kapitel

d.

Nominatverträge

Rücktrittsrecht der Verkäuferin beim Kreditkauf (Art. 214 Abs. 3 OR)

2539

Ist der Kaufgegenstand schon vor der Bezahlung in den Besitz des Käufers übergegangen, kann die Verkäuferin nur dann wegen eines allfälligen Verzugs des Käufers zurücktreten, wenn sie «sich dieses Recht ausdrücklich vorbehalten hat» (Art. 214 Abs. 3 OR).

2540

Ein ausdrücklicher Rücktrittsvorbehalt kann nach herrschender Lehre auch nach dem Vertragsabschluss oder nach dem Eigentumsübergang vereinbart werden.284 Ebenso gilt die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts als ausdrücklicher Rücktrittsvorbehalt.285

2541

Gemäss dem Wortlaut von Art. 214 Abs. 3 OR muss «der Kaufgegenstand vor der Zahlung in den Besitz des Käufers übergegangen» sein. Art. 214 Abs. 1 OR dagegen stellt darauf ab, ob ein Pränumerando- oder ein Barkauf vereinbart wurde. Damit besteht zwischen Art. 214 Abs. 3 und Art. 214 Abs. 1 OR ein Widerspruch:286 Es wird auf unterschiedliche Kriterien abgestellt, obwohl die beiden Normen ihrem Sinn nach ineinandergreifen sollten. Stellt man lediglich auf die tatsächliche Übergabe ab, könnte der Käufer, indem er trotz Lieferung nicht zahlt, selbst bei Vereinbarung eines Pränumerando- oder Barkaufs die für ihn günstigeren Rechtsfolgen von Art. 214 Abs. 3 OR herbeiführen. Richtigerweise gelangt Art. 214 Abs. 3 OR deshalb nur zur Anwendung, wenn ein Kreditkauf (sog. Postnumerandokauf; s.  N  2372) vereinbart wurde (Kaufpreiszahlung wird erst nach Übergabe des Kaufgegenstands fällig).287

2542

Art. 214 Abs. 3 OR erhöht die Hürde für den Rücktritt nicht nur gegenüber Art. 214 Abs. 1 OR, sondern auch gegenüber der allgemeinen Rücktrittsregel von Art. 107 Abs. 2 OR.288 Die übrigen Rechtsbehelfe von Art. 107 Abs. 2 OR stehen der Verkäuferin jedoch nach wie vor offen.289 Macht die Verkäuferin Schadenersatz wegen Nichterfüllung geltend, so hat sie nach Massgabe der Austauschtheorie zu verfahren:290 Sie kann die Sache nicht zurückverlangen, sondern nur Geldersatz für ihren Erfüllungsanspruch geltend machen (s.  N  902).291 Die Wirkung ist im Wesentlichen dieselbe, wie wenn die Verkäuferin «auf Erfüllung beharrt und den Käufer nach Art. 103/106 [OR] auf Ersatz des Verspätungsschadens belangt»292. 284 285 286 287 288 289 290 291 292

774

BSK OR-Koller, Art. 214 N 23. Guhl/Koller, § 41 N 141; Keller/Siehr, 44; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 900. Keller/Siehr, 42. Guhl/Koller, § 41 N 140; Keller/Siehr, 42 f.; BSK OR-Koller, Art. 214 N 6; a.M. Bucher, OR BT, 66. Ausführlich Honsell, OR BT, 75 f. Keller/Siehr, 43; teilweise abweichend Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 901, welche der Verkäuferin ohne ausdrücklichen Rücktrittsvorbehalt lediglich den Erfüllungsanspruch zugestehen. BSK OR-Koller, Art. 214 N 4 und Art. 215 N 5. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2778. BSK OR-Koller, Art. 214 N 4.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

Im Fall eines Konkurses des Käufers nützt das (vereinbarte) Rücktrittsrecht der Ver- 2543 käuferin indessen gar nichts: Art. 212 SchKG bestimmt nämlich, dass die Verkäuferin, die dem Schuldner die verkaufte Sache vor der Konkurseröffnung übertragen hat, nicht mehr vom Vertrag zurücktreten und die übergebene Sache auch nicht mehr zurückfordern kann. Dies gilt sogar dann, wenn sie sich dies ausdrücklich vorbehalten hat. e.

Schadenersatzpflicht wegen Nichterfüllung und Schadensberechnung (Art. 215 OR)

Wenn sich der Käufer im Verzug befindet, braucht die Verkäuferin ihre Leistung 2544 nicht zu erbringen, sondern kann nach Art. 215 Abs. 1 OR vorgehen und Schadenersatz wegen Nichterfüllung fordern.293 Die Höhe des Schadenersatzes lässt sich aus der Differenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem Preis, um den sie die Ware weiterverkaufte, ermitteln (konkrete Schadensberechnung gemäss Art.  215 Abs. 1 OR). Auch der Deckungsverkauf muss in guten Treuen vorgenommen werden (s. N 2529). Sofern die Ware einen Markt- oder Börsenpreis hat, erlaubt Art. 215 Abs. 2 OR der 2545 Verkäuferin auch die abstrakte Schadensberechnung. Der Schadenersatz berechnet sich diesfalls aus der Differenz zwischen Markt- oder Börsenpreis im Erfüllungszeitpunkt und dem vereinbarten Kaufpreis; ein realer Deckungsverkauf ist nicht mehr erforderlich (Art. 215 Abs. 2 OR). Der Begriff des Marktpreises im Sinne von Art.  215  OR entspricht im Übrigen demjenigen von Art.  191  OR, ausser dass es sich um den «Verkäuflichkeitspreis» und nicht den «Käuflichkeitspreis» handelt (s. N 2530). Entgegen dem Gesetzeswortlaut von Art. 215 OR findet die Differenztheorie nach 2546 herrschender Lehre nicht nur im kaufmännischen, sondern auch im nicht kaufmännischen Verkehr Anwendung.294 Dem Gläubiger wird nämlich auch im Rahmen von Art. 107 Abs. 2 OR zugebilligt, sich je nach Interessenlage für ein Vorgehen nach der Austausch- oder der Differenztheorie zu entscheiden (bisweilen auch «drittes Wahlrecht» genannt; zum Ganzen s. N 902).295 Die Schadensberechnung nach Art. 215 OR steht der Verkäuferin nur offen, wenn sie Schadenersatz wegen Nichterfüllung beansprucht, nicht dagegen, wenn sie vom Vertrag zurücktritt.296 Im Falle eines Rücktritts hat die Verkäuferin gestützt auf Art.  107 Abs.  2 i.V.m. Art.  109  OR einen Anspruch auf Ersatz des negativen

293 294 295 296

Zum Selbsthilfe- oder Deckungsverkauf gemäss Art. 215 Abs. 1 OR s. BSK OR-Koller, Art. 215 N 8 ff. Honsell, OR BT, 77 ff.; BSK OR-Koller, Art. 215 N 13; a.M. Keller/Siehr, 44 f. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2781; Schwenzer, OR AT, N 64.24 ff.; BSK OR-Wiegand, Art. 107 N 18. S. CR CO-Venturi/Zen-Ruffinen, Art. 215 N 1.

775

2547

5. Kapitel

Nominatverträge

Interesses.297 Diese Überlegung sollte sie auch bei der Wahl des für sie passenden Anspruchs anleiten.

7.

Positive Vertragsverletzung

7.1

Gewährleistung und Schlechterfüllung

2548

Umstritten ist in Lehre und Rechtsprechung, in welchem Verhältnis die Gewährleistungspflicht der Verkäuferin nach Art. 192–210 OR zur Schlechterfüllung nach Art. 97 Abs. 1 OR steht (zu den Konkurrenzen s. N 2583 f., N 2695 ff.):298

2549

Nach der einen Meinung erfüllt die Verkäuferin den Kaufvertrag beim Stückkauf nicht gehörig, wenn sie eine mangelhafte Sache liefert (Erfüllungstheorie).299 Nach der anderen Auffassung ist die Qualität der Kaufsache gar nicht Vertragsinhalt. Die Lieferung einer mängelfreien Sache wird mit anderen Worten nicht als Teil der Leistungspflicht verstanden; die Verkäuferin muss stattdessen nach dieser zweiten Theorie für die Mängelfreiheit extra Gewähr leisten (Gewährleistungstheorie).300 7.2

2550

Verletzung vertraglicher Nebenpflichten

Verletzt die Verkäuferin vertragliche Nebenpflichten und verursacht sie dabei einen Schaden (z.B. Verletzung einer Obhuts- oder Aufklärungspflicht; s. N 2453 ff.), so hat der Käufer einen Schadenersatzanspruch gemäss Art. 97 Abs. 1 OR.301 Die gewährleistungsrechtlichen Spezialvorschriften (z.B. Rügeobliegenheit nach Art. 201 OR und Verjährung nach Art. 210 OR) finden nur insoweit Anwendung, als eine Verletzung von Nebenpflichten einen Sachmangel bewirkt oder mit einem solchen in einem Zusammenhang steht.302 Bei der Verletzung vorvertraglicher Pflichten kann auch eine Haftung aus culpa in contrahendo (s. N 1524 ff.) in Betracht kommen.303

297 298 299 300 301 302 303

776

Keller/Siehr, 44. S. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2629 ff. S. BGE 107 II 161 E. 7a; BK OR-Giger, Vorb. zu Art. 197–210 N 16 ff.; Keller/Siehr, 48 und 71 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 631 f.; Vischer, recht 2015, 9. Bucher, OR BT, 59, 68 f. und 83; s. zum Ganzen Honsell, OR BT, 81. ZK OR-Schönle, Art. 184 N 184 und N 192. ZK OR-Schönle, Art. 184 N 185. BGE 140 III 200 E. 5.2 = Pra 2014 Nr. 102; ZK OR-Schönle, Art. 184 N 188.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

IX.

Rechtsgewährleistung (Art. 192–196a OR)

1.

Begriff

Rechtsgewährleistung im Sinne von Art. 192 Abs. 1 OR ist die verschuldensunabhängige Haftung der Verkäuferin gegenüber dem Käufer, wenn diesem ein besser berechtigter Dritter den Kaufgegenstand – ganz oder teilweise – entzieht (sog. Entwehrung oder Eviktion). Die Haftung aus Rechtsgewährleistung wird auch Eviktionshaftung genannt.

2.

2551

Abgrenzung zur Sachgewährleistung (Art. 197–210 OR)

Ist der Kaufgegenstand durch einen Rechtsmangel beeinträchtigt, kann sich der 2552 Käufer auf die Ansprüche aus Rechtsgewährleistung stützen (Art. 192 ff. OR). Bei einem Sachmangel dagegen erfüllen die Rechte aus der Sachgewährleistung diese Rolle (Art. 197 ff. OR). Ein Kaufgegenstand weist Rechtsmängel auf, wenn ein Dritter an ihm subjektive, absolute oder realobligatorische Rechte hat, welche jenen des Käufers vorgehen. Beispiel: Das Gerät gehört einem Dritten oder wurde ihm verpfändet. Dagegen weist ein Gegenstand einen Sachmangel auf, wenn er körperliche (z.B. Gerät funktioniert nicht) bzw. rechtliche Fehler (z.B. Gerät genügt gesetzlichen, technischen Normen nicht) hat oder nicht über die vereinbarten Eigenschaften verfügt (z.B. Gerät soll gemäss Vertrag auch EU-Standards erfüllen).304

3.

Anwendungsbereich

3.1

Beim Fahrniskauf

a.

Anvertraute Sachen

Erhält ein gutgläubiger Käufer eine der Verkäuferin von einem Dritten anvertraute 2553 Sache zu Eigentum übertragen, kennt er mit anderen Worten die Rechte des Dritten nicht und braucht sie auch unter Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht zu kennen (Art. 3 Abs. 2 ZGB), so erwirbt er unbeschwertes Eigentum (Art. 714 Abs. 2 i.V.m. Art. 933 ZGB). Der Käufer ist somit sachenrechtlich geschützt und es liegt kein Rechtsmangel vor. Die Regeln über die Rechtsgewährleistung gelangen alsdann nicht zur Anwendung.305 304 S. Schulin/Vogt, OR BT, Tafel B 7A. 305 Guhl/Koller, § 41 N 2; Keller/Siehr, 50; Schulin/Vogt, OR BT, Tafel B 6A; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 598 ff.

777

5. Kapitel

2554

Ist der Käufer dagegen bösgläubig, geniesst er keinen Besitzesrechtsschutz und der besser berechtigte Dritte kann ihm die Sache entziehen (Art. 936 ZGB). Dies öffnet zwar grundsätzlich den Weg für die Anwendbarkeit der Rechtsgewährleistungsnormen. Gemäss Art. 192 Abs. 2 OR muss die Verkäuferin aber keine Rechtsgewähr leisten, wenn der Käufer die Gefahr der Entwehrung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses kannte. Eine Haftung der Verkäuferin nach Art.  192  ff.  OR ist dagegen gemäss herrschender Lehre gegeben, wenn der Käufer das subjektive Recht des Dritten zwar nicht kannte, aber bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte kennen sollen. Kennen und Kennenmüssen sind also nicht gleichgestellt (s. N 2561 f.).306 b.

2555

Abhandengekommene Sachen

Bei beweglichen Sachen, die ihrem Besitzer gestohlen wurden, verloren gingen oder sonst ohne oder wider seinen Willen abhandenkamen, besteht gemäss Art.  934 Abs. 1 ZGB kein Schutz zugunsten des gutgläubigen Erwerbers. Vielmehr kann der vormalige Besitzer die Sache während fünf Jahren jedem Erwerber, also auch dem Käufer, abfordern. Innerhalb der fünfjährigen Frist sind deshalb grundsätzlich die Vorschriften über die Rechtsgewährleistung anwendbar, wenn die fragliche Sache dem vormaligen Besitzer entzogen wurde.307 Für Kulturgüter im Sinne von Art. 2 Abs.  1 KGTG beträgt die Ersitzungsfrist insgesamt 30 statt fünf Jahre (Art.  728 Abs. 1ter ZGB). Entsprechend statuiert Art. 196a OR eine 30-jährige absolute Verjährungsfrist (s. N 2570 f.). Hat ein gutgläubiger Käufer die abhandengekommene Sache an einer öffentlichen Versteigerung, auf dem Markt oder von einem Kaufmann, der mit Waren der gleichen Art handelt, erworben, so kann sie der Eigentümer nach Art. 934 Abs. 2 ZGB nur gegen Vergütung des Kaufpreises herausverlangen (sog. Lösungsrecht). Erhält der Käufer vom Eigentümer den Kaufpreis vergütet (Art. 934 Abs. 2 ZGB), reduziert sich der Umfang seines Anspruchs aus Rechtsgewährleistung gegenüber der Verkäuferin (Art. 195 OR) um den vom Eigentümer erstatteten Kaufpreis (s. N 2576 ff.).308 3.2

2556

Nominatverträge

Beim Rechtskauf

Rechtsgewährleistungsregeln gelten auch für den Kauf von Forderungen oder anderen Rechten (wie z.B. Patentrechte). So führt beim Patentkauf die Patentnichtigkeit direkt zur Gewährleistung der Verkäuferin nach Art. 192 OR.309 Beim Forderungskauf hingegen ist die Haftung der Verkäuferin für den Bestand einer Forderung in den speziellen Vorschriften zur Abtretung (Art. 171 Abs. 1 OR) enthalten. Hat die Zedentin (Verkäuferin) diese Gewährleistung wegbedungen, dem Zessionar aber 306 307 308 309

778

BSK OR-Honsell, Art. 192 N 5; Keller/Siehr, 51. Keller/Siehr, 50. BSK ZGB-Ernst, Art. 934 N 26; Honsell, OR BT, 85; Schulin/Vogt, OR BT, Tafel B 6A FN 16. BSK OR-Honsell, Art. 192 N 10.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

einen Rechtsmangel arglistig verschwiegen, kommt Art. 192 Abs. 3 OR analog zur Anwendung. Die Zedentin haftet demnach gleichwohl für den Bestand der Forderung.310 Nach der hier vertretenen Meinung ist der Haftungsausschluss auszulegen: Art. 192 Abs. 2 OR kann nur greifen, sofern er (inhaltlich) nicht ebenfalls wegbedungen wurde. 3.3

Beim Grundstückkauf

Infolge der Verweisregel von Art.  221  OR gelten die Bestimmungen über die 2557 Rechtsgewährleistung dem Buchstaben nach auch für den Grundstückkauf. Aufgrund des Prinzips des öffentlichen Glaubens wird jedoch der gutgläubige Erwerber in seinem Vertrauen auf den Grundbucheintrag sehr weitgehend geschützt (Art. 973 Abs. 1 ZGB). Damit sind der Anwendbarkeit der Rechtsgewährleistung beim Grundstückkauf enge Grenzen gesetzt.311 Wurde beispielsweise das Wegrecht eines Nachbarn nicht eingetragen, so erwirbt der Käufer das Grundeigentum lastenfrei. Die Rechtsmängelgewährleistung ist beim Grundstückkauf somit auf jene Fälle beschränkt, in welchen sich die Verkäuferin ausdrücklich zur Gewährleistung verpflichtet hat (Art. 192 Abs. 2 OR).

4.

Voraussetzungen

4.1

Übersicht

Aus Art. 192 Abs. 1 und Abs. 2 OR ergeben sich folgende Voraussetzungen für die Rechtsgewährleistungspflicht der Verkäuferin: • der Rechtsmangel bestand bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (s. N 2559 f.); • der Käufer hatte bei Vertragsschluss keine Kenntnis von der Entwehrungsgefahr (s. N 2561 f.); • der Kaufgegenstand wurde dem Käufer übergeben (s. N 2563 f.); • der Kaufgegenstand wurde entwehrt (s. N 2565 ff.); • die Haftung wurde vertraglich nicht beschränkt (s. N 2569); • die Verjährungsfrist ist noch nicht abgelaufen (s. N 2570 f.).

310 S. BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 171 N 5. 311 S. BGE 98 II 191 E. 3; Keller/Siehr, 50 f.

779

2558

5. Kapitel

4.2

Nominatverträge

Vorliegen eines Rechtsmangels im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (Art. 192 Abs. 1 OR)

2559

Ein Rechtsmangel im Sinne von Art.  192 Abs.  1  OR liegt vor, wenn einem Dritten ein subjektives Recht am Kaufgegenstand zusteht, das dem Recht des Käufers vorgeht. Solche Rechte eines Dritten können Eigentumsrechte, beschränkte dingliche Rechte oder Immaterialgüterrechte sowie Persönlichkeits-, Namens- und Firmenrechte sein. Bei Grundstücken kommen auch realobligatorische Rechte infrage, das heisst Rechte aus Schuldverhältnissen, welche mindestens eine positive Leistung zum Inhalt haben und bei welchen der Schuldner (teilweise auch die Gläubigerin) durch die dingliche Berechtigung (bzw. durch den Besitz) individualisierbar ist.312 Beispielsweise können gemäss Art. 959 ZGB persönliche Rechte im Grundbuch vorgemerkt werden, wenn deren Vormerkung ausdrücklich durch das Gesetz vorgesehen ist (Vor- und Rückkauf, Kaufsrecht, Pacht und Miete).313

2560

Nach Art. 192 Abs. 1 OR hat die Verkäuferin nur Rechtsgewähr zu leisten, wenn der Rechtsmangel zur Zeit des Vertragsschlusses bereits bestand. Belastet sie den Kaufgegenstand erst nach Vertragsabschluss mit einem dinglichen Recht zugunsten eines Dritten, haftet sie nach den allgemeinen Grundsätzen der Nicht- bzw. Schlechterfüllung im Sinne von Art. 97 Abs. 1 OR; die kaufrechtlichen Sondernormen betreffend Rechtsgewährleistung sind diesfalls nicht anwendbar.314 4.3

Keine Mangelkenntnis des Käufers bei Vertragsschluss (Art. 192 Abs. 2 OR)

2561

Gemäss Art.  192 Abs.  2  OR ist die Rechtsgewährleistungspflicht der Verkäuferin ausgeschlossen, wenn der Käufer um die Gefahr der Entwehrung wusste. Kannte der Käufer die Entwehrungsgefahr nicht, hätte er sie aber bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen müssen (fahrlässige Unkenntnis im Sinne von Art. 3 Abs. 2 ZGB), hindert dies nach herrschender Lehre die Anwendung der Rechtsgewährleistungsregeln nicht.315 Falls sich der Käufer allerdings in einer Treu und Glauben widersprechenden Weise der Kenntnisnahme entzieht, wird die Kenntnis fingiert (Art. 2 ZGB bzw. Art. 156 OR per analogiam).316

2562

Eingetragene Kulturgüter (s.  N  2376  f.) können nicht gutgläubig erworben werden (Art. 3 Abs. 2 lit. a KGTG), sodass unseres Erachtens ein Anspruch aus Rechtsgewährleistung ausgeschlossen ist.317 Art.  196a  OR ist teleologisch entsprechend 312 313 314 315 316 317

780

Rey, Sachenrecht, N 240. Keller/Siehr, 48; s. ferner Bucher, OR BT, 88; Guhl/Koller, § 42 N 3. Keller/Siehr, 52. Keller/Siehr, 51. S. BK OR-Giger, Art. 192 N 54; Keller/Siehr, 52 f. A.M. Weber, ZSR 2004 I, 515 f.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

zu reduzieren. Eine Ausnahme besteht allerdings: Wenn sich die Verkäuferin ausdrücklich dazu verpflichtet hat (Art. 192 Abs. 2 OR), kann der Erwerber auch hier Rechtsgewährleistung geltend machen. 4.4

Übergabe des Kaufgegenstands

Implizite Voraussetzung für die Rechtsgewährleistungspflicht ist, dass der Kaufge- 2563 genstand dem Käufer übergeben wurde: Der Dritte kann dem Käufer nur entziehen, was sich in dessen Herrschaftsbereich befindet.318 Kommt die Verkäuferin ihrer vertraglichen Leistungspflicht zur Übertragung des Kaufgegenstands nicht nach, gelangen die Bestimmungen über den Verzug bzw. die Nichterfüllung zur Anwendung (Art. 102 ff. bzw. Art. 97 Abs. 1 OR; s. N 2514 ff.).319 4.5

2564

Entwehrung des Kaufgegenstands

Die Verkäuferin haftet nicht nur bei vollständiger, sondern auch bei teilweiser Ent- 2565 wehrung der Sache (s. Art. 192 Abs. 1 OR). Eine Teilentwehrung liegt namentlich vor, wenn ein Dritter beschränkte dingliche Rechte oder Eigentum an einem Teil des Kaufgegenstands geltend macht.320 Erforderlich ist, dass der Kaufgegenstand dem Käufer (zum Teil) entzogen wurde. 2566 Die herrschende Lehre lässt dafür die Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung durch den Dritten genügen. Nicht erforderlich ist, dass dieser sein Recht klageoder einredeweise vor Gericht geltend macht.321 Trotz Vorliegens eines Rechtsmangels im Sinne von Art. 192 Abs. 1 OR hat der Käu- 2567 fer gegenüber der Verkäuferin also so lange keinen Anspruch auf die Eviktionshaftung, als der Dritte seinen Herausgabeanspruch nicht geltend macht. Der Käufer kann jedoch die gehörige Erfüllung, das heisst die Verschaffung von unbeschwertem Eigentum, verlangen (Art. 184 Abs. 1 OR). Kommt die Verkäuferin ihrer vertraglichen Pflicht nicht nach, kann der Käufer nach den Regeln der Nicht- bzw. Schlechterfüllung (Art. 97 Abs. 1 OR) gegen die Verkäuferin vorgehen und gegebenenfalls auch vom Vertrag zurücktreten (analoge Anwendung von Art. 107 Abs. 2 und Art. 109 OR; s. N 904). Bildet das Nichtvorhandensein «stärkerer» Rechte Dritter objektiv und subjektiv 2568 eine notwendige Vertragsgrundlage, kann sich der Käufer bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auch auf Grundlagenirrtum nach Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR beru318 319 320 321

CHK OR-Hrubesch-Millauer, Art. 192 N 4. Keller/Siehr, 52; Schulin/Vogt, OR BT, Tafel B 6B FN 5. BSK OR-Honsell, Art. 192 N 6; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 609. BK OR-Giger, Art. 192 N 62; Keller/Siehr, 53.

781

5. Kapitel

Nominatverträge

fen.322 Dies gilt namentlich, wenn es sich beim Kaufgegenstand um eine gestohlene Sache handelt.323 4.6 2569

Keine vertragliche Haftungsbeschränkung (Art. 192 Abs. 3 OR)

Schliesslich darf die Rechtsgewährleistung nicht ausgeschlossen oder beschränkt worden sein. Dabei ist allerdings auch zu beachten, dass die Verkäuferinnenhaftung nicht unzulässig restringiert werden darf (Art. 192 Abs. 3 OR). Dazu gesellt sich nach unserer Meinung das Verbot von Art. 100 OR (s. N 1014 ff.). Eine Freizeichnung ist ungültig, wenn die Verkäuferin den Rechtsmangel absichtlich verschwiegen oder im Vorfeld absichtlich oder grobfahrlässig gehandelt hat.324 4.7

Kein Ablauf der Verjährungsfrist (Art. 127 und Art. 196a OR)

2570

Die Bestimmungen über die Rechtsgewährleistung beim Kauf enthalten keine generellen Vorschriften über die Verjährung (Art.  210  OR gilt nur für Sachmängel), sodass für die Geltendmachung von Rechtsgewährleistungsansprüchen die ordentliche zehnjährige Verjährungsfrist von Art. 127 OR massgeblich ist. Für den Beginn der Verjährung ist unseres Erachtens analog zu Art. 196a OR auf den Zeitpunkt der Entdeckung des Mangels abzustellen.325

2571

Bei Kulturgütern (s. N 2376 f.) beträgt die relative Verjährungsfrist ein Jahr ab Kenntnis des Mangels (Art. 196a OR). Die absolute Verjährungsfrist beträgt 30 Jahre ab Vertragsschluss (Art. 196a OR). Art. 196a OR ist allerdings auf eingetragene Kulturgüter nicht anwendbar, da diese nicht gutgläubig erworben werden können (Art. 3 Abs. 2 lit. a KGTG; s. N 2562).

5. 2572

Verfahren (Art. 193–194 OR und Art. 78 ff. ZPO)

Macht ein Dritter gegenüber dem Käufer auf gerichtlichem Weg ein besseres Recht am Kaufgegenstand geltend (Entwehrungsprozess), hat der Käufer der Verkäuferin nach Massgabe des Zivilprozessrechts den Streit zu verkünden (Art. 78 ff. ZPO326 i.V.m. Art. 193 Abs. 1 OR). Die Verkäuferin kann alsdann dem Käufer im Prozess beistehen und ihn auch vertreten. 322 323 324 325

Keller/Siehr, 53. BGE 109 II 319 E. 2 und E. 4b; Honsell, OR BT, 87; Keller/Siehr, 53; a.M. Bucher, OR BT, 90. A.M. BSK OR-Honsell, Art. 192 N 8. S. auch BK  OR-Giger, Art.  192 N  83, nach welchem der Fristenlauf «im Moment der Entwehrung» beginnt. A.M. BSK OR-Honsell, Art. 192 N 11, wonach eher auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. der Übergabe abzustellen ist. 326 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung; SR 272).

782

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

Kommt sie dieser Obliegenheit nicht nach, führt dies für sie zu Rechtsnachteilen. 2573 Verkündet der Käufer gemäss Art. 78 Abs. 1 ZPO den Streit rechtzeitig, so bindet ein allfällig ungünstiges Urteil nämlich auch die Verkäuferin. Dies gilt allerdings nur, wenn die Verkäuferin nicht zu beweisen vermag, dass dieses Urteil durch böse Absicht oder grobe Fahrlässigkeit seitens des Käufers verschuldet wurde (Art.  77 i.V.m. Art. 80 ZPO). Falls die Streitverkündung – ohne Veranlassung der Verkäuferin – unterblieb oder 2574 nicht rechtzeitig erfolgte, wird die Verkäuferin von der Rechtsgewährleistung nur befreit, wenn sie beweisen kann, «dass bei rechtzeitig erfolgter Streitverkündung ein günstigeres Ergebnis des Prozesses» zu erreichen gewesen wäre (Art. 193 Abs. 2 OR). Gemäss Art. 194 Abs. 1 OR besteht die Pflicht zur Gewährleistung auch dann, wenn 2575 der Käufer – ohne es zu einer gerichtlichen Entscheidung kommen zu lassen – «das Recht des Dritten in guten Treuen anerkannt oder sich einem Schiedsgericht unterworfen hat». Voraussetzung ist allerdings, dass der Käufer dies der Verkäuferin «angedroht» und ihr «die Führung des Prozesses erfolglos angeboten» hat (Art. 194 Abs. 1 OR). Vermag der Käufer indessen zu beweisen, dass er zur Herausgabe der Sache verpflichtet war, haftet die Verkäuferin auch im Unterlassungsfall aus Rechtsgewährleistung (Art. 194 Abs. 2 OR).327

6.

Ansprüche aus Rechtsgewährleistung (Art. 195–196 OR)

6.1

Bei vollständiger Entwehrung (Art. 195 OR)

Bei vollständiger Entwehrung ist der Kaufvertrag von Gesetzes wegen und ex tunc 2576 als aufgehoben zu betrachten (Art. 195 Abs. 1 OR).328 An die Eviktion knüpft sich (unseres Erachtens zu Recht) die Entstehung eines vertraglichen Liquidationsverhältnisses an (s. N 2661 ff., N 960 ff.):329 Der Käufer kann von der Verkäuferin die Rückerstattung des Kaufpreises samt Zin- 2577 sen verlangen (Art. 195 Abs. 1 Ziff. 1 OR; die Höhe der Zinsen bestimmt sich nach Art. 73 OR). Davon hat der Käufer allerdings einen Abzug zu gewärtigen: Dieser richtet sich danach, in welchem Umfang er die entwehrte Kaufsache genutzt hat oder hätte nutzen können.330 Die kaufrechtliche Sonderregelung von Art. 195 Abs. 1 Ziff. 1 OR geht der besitzesrechtlichen Bestimmung von Art. 938 ZGB vor.331 Der Käufer hat sodann seinerseits einen Anspruch auf Ersatz der gemachten Ver- 2578 wendungen (Art. 195 Abs. 1 Ziff. 2 OR). Was dem Käufer gegenüber dem (evinzie327 328 329 330 331

Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 617 ff. BK OR-Giger, Art. 195 N 5. BSK OR-Honsell, Art. 195 N 3; CHK OR-Hrubesch-Millauer, Art. 195–196a N 2. S. Engel, CO PS, 31. Keller/Siehr, 59.

783

5. Kapitel

Nominatverträge

renden) Dritten – namentlich gestützt auf Art. 939 f. ZGB – zusteht, muss er sich im Übrigen auf seinen Anspruch gegenüber der Verkäuferin aus Art.  195 Abs.  1 Ziff. 2 OR anrechnen lassen.332 2579

Gestützt auf Art. 195 Abs. 1 Ziff. 3 OR kann der Käufer weiter «Ersatz aller durch den Prozess veranlassten gerichtlichen und aussergerichtlichen Kosten» verlangen. Zu diesen zählen bloss die Kosten des Eviktions-, nicht aber die Kosten des Gewährleistungsprozesses.333 Wer Letztere zu tragen hat, bestimmt sich nach dem Prozessrecht.334 Die Verkäuferin kann sich von der Ersatzpflicht ganz oder teilweise befreien, indem sie beweist, dass die Kosten nicht oder nur teilweise entstanden wären, wenn der Käufer den Streit rechtzeitig verkündet hätte (Art. 195 Abs. 1 Ziff. 3 OR).335

2580

Die Verkäuferin haftet ausserdem kausal für den sonstigen durch die Entwehrung verursachten unmittelbaren Schaden (Art. 195 Abs. 1 Ziff. 4 OR). In Betracht kommen z.B. Kosten für den Vertragsschluss, Beurkundungskosten etc.336

2581

Schliesslich muss die Verkäuferin für weiteren Schaden einstehen, sofern sie nicht beweist, dass ihr keinerlei Verschulden zur Last fällt (Art.  195 Abs.  2  OR). Im Gegensatz zur Kausalhaftung von Art. 195 Abs. 1 Ziff. 1–4 OR handelt es sich dabei um eine Verschuldenshaftung mit Verschuldensvermutung.337 Unter den weiteren Schaden fällt nach herrschender Lehre und Rechtsprechung namentlich der entgangene Gewinn (s. N 2669 ff.).338 6.2

2582

Bei teilweiser Entwehrung (Art. 196 OR)

Im Fall einer bloss teilweisen Eviktion (Beispiel: Kaufvertrag über eine Bibliothek, wobei nur ein Teil der Bücher entzogen wird) kann der Käufer grundsätzlich nur Ersatz für den entstandenen Schaden, nicht aber die Aufhebung des Vertrages verlangen (Art.  196 Abs.  1  OR). Ist allerdings nach den Umständen anzunehmen (Art.  4 ZGB), dass der Käufer den Vertrag in Voraussicht der teilweisen Entwehrung nicht geschlossen hätte, so kann er ausnahmsweise auch in dieser Konstellation die Aufhebung des Vertrages verlangen (Art. 196 Abs. 2 OR; zum Liquidationsverhältnis s. N 2661 ff., N 960 ff.). 332 BSK OR-Honsell, Art. 195 N 4; Keller/Siehr, 61 f. 333 BGE 79 II 376 E. 5; s. BSK OR-Honsell, Art. 195 N 5; Keller/Siehr, 62; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 622. 334 BGE 79 II 376 E. 5; ZK OR-Schönle/Higi, Art. 195 N 62. 335 ZK OR-Schönle/Higi, Art. 195 N 63. 336 Engel, CO PS, 31. 337 Engel, CO PS, 31; s. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 623. 338 BGE 79 II 376 E.  3. Ausführlich zur Abgrenzung des unmittelbaren Schadens nach Art.  195 Abs.  1 Ziff. 4 OR vom weiteren Schaden im Sinne von Art. 195 Abs. 2 OR BSK OR-Honsell, Art. 195 N 7, und Keller/Siehr, 62 ff.

784

§ 28

7.

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

Konkurrenzen

Zwischen der Rechtsmängelhaftung nach Art. 192 ff. OR und der Haftung aus Nicht- 2583 oder Schlechterfüllung nach Art.  97 Abs.  1  OR besteht nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung und herrschender Lehre alternative Konkurrenz (s. N 2695 ff.).339 Dies bedeutet, dass der Käufer sich wahlweise auf die eine oder andere Anspruchsgrundlage stützen kann. Mit Erfüllung des einen Anspruchs geht aufgrund des Bereicherungsverbots der andere bzw. gehen die anderen ebenfalls unter (s. N 4143 ff.), weil dieselbe Leistung nicht zweimal geschuldet sein darf. Es ist Sache des Käufers zu evaluieren, welcher Anspruch für ihn einträglicher ist. Auch die Bestimmungen über Irrtum sowie Täuschung (Art. 23 ff. OR: Käufer war 2584 über Rechtsmangel im Irrtum oder wurde darüber getäuscht) konkurrieren alternativ mit der Rechtsgewährleistung; Art. 192 ff. OR gelten gegenüber Art. 23 ff. OR mit anderen Worten nicht als Spezialregeln (s. N 2701 ff.).340

X.

Sachgewährleistung (Art. 197–210 OR)

1.

Begriff

Sachgewährleistung ist das grundsätzlich verschuldensunabhängige Einstehen der Verkäuferin für Mängel an der Kaufsache. Ein Mangel liegt vor, wenn die Kaufsache erheblich davon abweicht, was qualitativ von ihr erwartet werden durfte, oder ihr Eigenschaften fehlen, welche die Verkäuferin zugesichert hatte (Art. 197 Abs. 1 OR).

2.

Anwendungsbereich

2.1

Beim Fahrniskauf

a.

Beim Stückkauf

2585

Beim Stückkauf liefert die Verkäuferin das vertraglich individualisierte Stück – oder 2586 sie liefert es nicht (s. N 2378 ff.).341 Wird das versprochene Bild von Edward Hop339 BGE 110 II 239 E. 1d = Pra 1984 Nr. 49; s. BK OR-Giger, Art. 192 N 9 f.; Guhl/Koller, § 42 N 1; Keller/Siehr, 70; a.M. Bucher, OR BT, 90; Honsell, OR BT, 86 f. 340 BGE 109 II 319 E. 2; Guhl/Koller, § 42 N 9; Keller/Siehr, 70; a.M. Bucher, OR BT, 90 und 110 f.; Schwenzer, OR AT, N 39.42. 341 Bucher, OR BT, 68 f.; Keller/Siehr, 71 ff.

785

5. Kapitel

Nominatverträge

per geleistet, liegt aber ein Sachmangel vor (s. N 2597), sind primär die Regeln über die Sachgewährleistung anwendbar. Dies ist auch dann der Fall, wenn sich hernach herausstellt, dass die Sache eigentlich einer anderen Produktegruppe angehört als von den Parteien zunächst angenommen (z.B. Käufer und Verkäuferin schliessen einen Kaufvertrag über «diesen Squashschläger», welcher in Tat und Wahrheit ein Tennisschläger ist). Bei qualitativen Mängeln von species-Ware bestimmen sich die Ansprüche des Käufers in erster Linie nach Art. 197 ff. OR. Allenfalls kann der Käufer Grundlagenirrtum gemäss Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR (s. N 507 ff.) geltend machen. b.

Beim Gattungskauf

2587

Beim Gattungskauf ist es bisweilen schwierig, zwischen Verzug und Gewährleistung zu unterscheiden, wenn unklar ist, ob der unerwünschte Gegenstand der vereinbarten Gattung angehört oder nicht:

2588

Verzug liegt vor, wenn die Verkäuferin anstelle der geschuldeten Ware ein sog. aliud liefert (und der Käufer gemäss Art. 102 Abs. 1 OR gemahnt hat bzw. ein Verfalltag verabredet wurde und dieser verstrichen ist). Um ein aliud handelt es sich, wenn das gelieferte Gut nicht der vereinbarten Gattung angehört, sondern ausserhalb derselben liegt. Wird also bei Gattungsschulden ein aliud geliefert, ist das Gewährleistungsrecht nicht anwendbar, weil es noch gar nicht zur Erfüllung gekommen ist.

2589

Anders liegt der Fall, wenn nicht ein aliud, sondern ein sog. peius geliefert wird. Ein peius ist ein Gut, welches zwar der entsprechenden Gattung angehört, aber dem vereinbarten bzw. gesetzlich vorgesehenen Qualitätsstandard nicht entspricht (bei fehlender Parteivereinbarung verlangt Art. 71 Abs. 2 OR mindestens mittlere Qualität). Aus diesem Grund liegt hier nicht ein Fall von Verzug, sondern von Sachgewährleistung vor (zur Beziehung zwischen Gewährleistung und Schlechterfüllung s. N 2695 ff.).342

2590

Scheint diese Abgrenzung zwischen aliud und peius theoretisch auch ohne Weiteres einzuleuchten, ergeben sich in der Praxis doch mancherlei Schwierigkeiten: Wird z.B. ein Hubstapler eines bestimmten Typs mit einem Automatikgetriebe versprochen, aber ohne ein solches geliefert, liegt zumindest nicht ohne Weiteres auf der Hand, ob das nun ein aliud oder ein peius sein soll.343 Das Bundesgericht nahm ein aliud an und begründete dies damit, dass die Vereinbarung eines Automatikgetriebes im konkreten Fall nicht bloss eine Qualitätsangabe darstellt, sondern ein gattungsbestimmendes Merkmal war.344

2591

Um den genannten Schwierigkeiten beizukommen, sollte wie folgt vorgegangen werden: Primär ist auf den parteidefinierten Gattungsbegriff abzustellen, sofern eine 342 S. BSK OR-Wiegand, Art. 97 N 26. 343 S. BGE 121 III 453. 344 BGE 121 III 453 E. 4b.

786

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

konkrete Beschreibung des Kaufgegenstands vorliegt (relativer Gattungsbegriff).345 Ist das nicht der Fall, so ist die Gattung nach Massgabe von Verkehrsauffassung und Verwendungszweck zu definieren.346 Kramer geht noch einen Schritt weiter und subsumiert sowohl das aliud wie auch das peius unter Art. 197 ff. OR.347 2.2

Beim Grundstückkauf

Kraft der Verweisung von Art. 221 OR gelten die Regeln über die Sachgewährleis- 2592 tung (Art. 197 ff. OR) mit der Modifikation von Art. 219 OR auch für den Grundstückkauf: Art. 219 Abs. 1 und Abs. 2 OR enthalten eine besondere Vorschrift hinsichtlich der 2593 Haftung der Verkäuferin für ein bestimmtes Flächenmass. Art. 219 Abs. 3 OR statuiert sodann für den Grundstückkauf eine fünfjährige Verjährungsfrist. Eine Sachmängelhaftung kommt in der Praxis vor allem infrage, wenn das Grund- 2594 stück wegen öffentlich-rechtlicher Vorschriften nicht wie gewünscht bebaubar ist oder wenn die Liegenschaft (Boden, Gebäude etc.) Mängel aufweist.348 2.3

Beim Forderungskauf

Im Bereich des Forderungskaufs verdrängen die zessionsrechtlichen Gewährleis- 2595 tungsregeln (Art.  171  ff.  OR; s.  N  1402  ff.) die entsprechenden kaufrechtlichen Bestimmungen (Art. 197 ff. OR).349

3.

Voraussetzungen

3.1

Übersicht

Damit der Käufer gegen die Verkäuferin Ansprüche aus Sachgewährleistung geltend machen kann, müssen kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sein: • die Kaufsache weist nicht die zugesicherten Eigenschaften auf (s. N 2599 ff.); • oder der Wert der Kaufsache oder ihre Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch ist aufgehoben oder erheblich vermindert (s. N 2608 ff.); • der Sachmangel bestand bereits vor dem Zeitpunkt des Gefahrenübergangs (s. N 2614 f.); 345 BGE 121 III 453 E. 4a; Keller/Siehr, 30; CR CO-Venturi/Zen-Ruffinen, Art. 197 N 24. 346 Honsell, OR BT, 145. 347 Kramer, recht 1997, 81 f.; gl.M. Guhl/Koller, § 42 N 13; CHK OR-Müller-Chen, Art. 206 N 3; s. auch Atamer/Eggen, ZBJV 2017, 760 ff. mit rechtsvergleichender Kritik. 348 S. BGE 4A_619/2013 E. 4; 107 II 161 E. 7; Honsell, OR BT, 200 mit weiteren Beispielen. 349 BGE 90 II 490 E. 5; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3502; Guhl/Koller, § 42 N 14.

787

2596

5. Kapitel

Nominatverträge

• der Käufer hatte bei Vertragsschluss keine Kenntnis vom Mangel (Art. 200 OR; s. N 2616 ff.); • der Käufer hat die Sache unverzüglich geprüft und rechtzeitig Mängelrüge erhoben (Art. 201 OR; s. N 2619 ff.): • der Käufer hat alle Fristen gewahrt (Art. 210 OR; s. N 2631a ff.); • und die Sachgewährleistung wurde vertraglich nicht beschränkt (Art. 199 OR; s. N 2638 ff.). 3.2

Vorliegen eines Sachmangels

a.

Übersicht

2597

Ein Sachmangel liegt entweder vor, wenn die gelieferte Sache die zugesicherten Eigenschaften nicht aufweist oder wenn – bei Fehlen einer Zusicherung – die Sache nicht die Eigenschaften (insbesondere die Qualität) hat, die der Käufer nach Treu und Glauben voraussetzen darf.350 In der Lehre ist plastisch von einer «ungünstige[n] Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit» die Rede.351 Während bei Vorliegen einer Zusicherung jede Abweichung gerügt werden darf, muss die Abweichung bei den Mängeln, über deren Nichtvorhandensein keine Abrede getroffen wurde, erheblich352 sein (Art. 197 OR).

2598

Die Beweislast für das Vorliegen eines Sachmangels trägt nach Art. 8 ZGB der Käufer.353 Dies gilt auch für das Fehlen zugesicherter Eigenschaften.354 b.

2599

Fehlen zugesicherter Eigenschaften

Eine Zusicherung im Sinne von Art.  197 Abs.  1  OR liegt vor, wenn die Verkäuferin anlässlich des Vertragsschlusses und als Teil des Vertrages eine verbindliche Erklärung über das Vorliegen bestimmter Eigenschaften bzw. das Fehlen bestimmter Mängel abgibt.355 Die Meinungen über die Rechtsnatur der Zusicherung gehen auseinander. Das Bundesgericht und die herrschende Lehre erblicken in ihr eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung (s. N 171a).356 Unserer Meinung nach handelt es sich um eine rechtsgeschäftliche Erklärung.357 350 BGE 4A_173/2014 E. 5.2; s. ferner Guhl/Koller, § 42 N 15 und N 19; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 659. Zum Verdacht als Mangel s. Rusch, AJP 2012, 47 ff. 351 Keller/Siehr, 76; s. Honsell, OR BT, 90; Koller, OR BT, § 4 N 139. 352 Ein blosses Abweichen von Herstellerangaben sowie die Erkennbarkeit eines Mangels begründen für sich allein noch keine Erheblichkeit; s. BGE 4A_401/2011 E. 3.1 und E. 3.2. 353 Keller/Siehr, 79. 354 ZK OR-Schönle/Higi, Art. 197 N 95. 355 S. Guhl/Koller, § 42 N 15. 356 BGE 73 II 218 E. 1b; 71 II 239 E. 4; Engel, CO PS, 34; ausführlich Keller/Siehr, 74. 357 Gl.M. BK OR-Giger, Art. 197 N 12. S. dagegen Vischer, recht 2015, 1 f., der die Zusicherung als «Vereinbarung» zwischen Käufer und Verkäuferin qualifiziert.

788

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

Nach überwiegender Lehre und auch nach der Rechtsprechung ist eine Zusicherung 2600 erst gewährleistungsrechtlich relevant, wenn sie für den Kaufentschluss des Käufers ursächlich war.358 Bei Zusicherungen, die allgemein geeignet sind, den Kaufentscheid zu beeinflussen, wird eine solche Kausalität vermutet.359 Nach zutreffender Ansicht ist nicht entscheidend, ob die Zusicherung für den Kaufentschluss des Käufers tatsächlich kausal war, sondern es zählt, ob der Käufer die Erklärung der Verkäuferin nach Treu und Glauben als Zusicherung im Sinne von Art. 197 OR verstehen durfte.360 Die Kausalität (conditio sine qua non) für den Kaufentschluss entscheidet dagegen allenfalls über die Frage, ob Grundlagenirrtum (Art.  24 Abs.  1 Ziff. 4 OR; s. N 507 ff.) vorliegt, wenn die Sache nicht den Erwartungen des Käufers entspricht. Sie bildet sodann Teil des Vertrages. Eine Zusicherung kann im Übrigen sowohl ausdrücklich wie auch konkludent 2601 erfolgen (s. N 172 ff.).361 Es genügt jede Erklärung der Verkäuferin gegenüber dem Käufer, welche dieser nach Treu und Glauben als Zusicherung einer bestimmten, objektiv feststellbaren Eigenschaft verstehen darf.362 Beispielsweise kann ein hoher Verkaufspreis als konkludente Zusicherung der Echtheit eines Kunstgegenstands interpretiert werden.363 Eine nur werbeträchtige Anpreisung stellt dagegen keine Zusicherung dar.364 Eine Ausnahme vom Grundsatz der Formfreiheit statuiert Art. 198 OR übrigens für den Viehkauf: Soll die Zusicherung hier gültig sein, muss sie schriftlich erfolgen. Nicht nur die Frage, welchen Inhalt eine Zusicherung hat, sondern auch die Frage, 2602 ob überhaupt eine Zusicherung vorliegt, ist mittels der Vertragsauslegung zu prüfen: Ob eine nur reklamehafte (und darum grundsätzlich unverbindliche) Anpreisung, eine Zusicherung (Sachgewährleistung) oder gar eine selbständige Garantie (z.B. Art. 111 OR) vorliegt, ist nach Massgabe des Vertrauensprinzips zu entscheiden, wenn kein klarer Wille auszumachen ist.365 Abzustellen ist dabei auf den Inhalt und den Kontext der betreffenden Klausel und nicht auf ihre Bezeichnung (s. Art. 18 OR). Hilfen zur Qualifikation bieten folgende Indizien:366

358 BGE 87 II 244 E. a; Bucher, OR BT, 91; Guhl/Koller, § 42 N 16; CHK OR-Müller-Chen, Art. 197 N 17; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 688. 359 BGE 4A_417/2007 E. 5.1; 71 II 239 E. 4. 360 BK OR-Giger, Art. 197 N 33; Keller/Siehr, 75. 361 BGE 102 II 97 E. 2a; s. Engel, CO PS, 34; Guhl/Koller, § 42 N 18. 362 BGE 4C.119/2005 E. 2.3; 109 II 24 E. 4; 88 II 410 E. 3c. 363 BGE 102 II 97 E. 2a. Die blosse Angabe der Verkäuferin, der Kaufgegenstand habe einen bestimmten Wert, ist hingegen noch keine Zusicherung einer bestimmten Eigenschaft; s. BGE 91 II 353. 364 BGE 88 II 410 E. 3c; s. Keller/Siehr, 74. 365 BGE 4C.119/2005 E. 2.3; 4C.267/2004 E. 2.1; 4C.364/2000 E. 3c bb. 366 S. BGE 4C.267/2004 E. 2; BK OR-Giger, Art. 197 N 6 ff.

789

5. Kapitel

2603

Nominatverträge

Indizien für Zusicherung (sog. unselbständige Garantie [Art. 197 Abs. 1 OR]): • Zusicherung einer bestimmten, bei Prüfung der Sache feststellbaren Eigenschaft. Beispiele: Angabe des Kilometerstandes bei einem Gebrauchtwagen367, Mietzinseinnahmen einer Immobilie368, vollständige Erschliessung einer Parzelle369; • Aussagen während der Vertragsverhandlungen; • fehlende Selbständigkeit der entsprechenden Klausel (bildet Teil des Kaufvertrages).

2604

Indizien für Anpreisung: • Die Aussage will nur Kauflust wecken, ist aber offenkundig nicht wörtlich zu nehmen (sog. sales talk); • die Aussage befindet sich in einem Prospekt oder Inserat und ist allgemein gehalten (z.B. «Alles in hervorragender Bauqualität gebaut»370). Detaillierte Angaben in Prospekten oder Inseraten können jedoch als Zusicherungen aufgefasst werden (Beispiel: Verkaufsprospekt spricht von «Eigentumswohnungen mit Hallenbad», wobei das Hallenbad detailliert beschrieben wird371). Allenfalls liegt sogar ein Fall von Prospekthaftung vor oder es sind die Regeln über bestimmte konsumrechtliche Informationspflichten anwendbar. Ebenfalls als Zusicherung wertete das Bundesgericht die Aussage «Sie kaufen eine ausgezeichnete Immobilie mit einem sehr guten Baustandard». Das Gericht führte dazu aus, der Käufer dürfe aus einer solchen Wortwahl schliessen, dass die Schallisolation der Immobilie den erhöhten Anforderungen der SIA-Norm 181 entspreche;372 • es liegt ein reines Werturteil vor (z.B. «wunderschönes Auto»)373; • eine Erklärung ist so formuliert, dass ein Käufer ihr kaum Beachtung schenkt («Dieses Waschmittel wäscht weisser»)374; • floskelartige Garantien.

2605

Indizien für Garantievertrag (sog. selbständige Garantie, z.B. Art. 111 OR):375 • inhaltlich selbständige Abrede; • Einstehen für Erfolg (ohne Rücksicht auf Verschulden); • Zusicherung des Fortbestehens (oder gar des Entstehens) von Eigenschaften der Kaufsache, wenn dies weitgehend von ungewissen Ereignissen abhängt, also ausserhalb des Einflussbereichs der Verkäuferin steht; 367 368 369 370 371 372 373 374 375

790

BGE 71 II 239 E. 4. BGE 4A_480/2007 E. 3. BGE 104 II 265 E. 1. S. BGE 4C.267/2004 E. 2.2. KGer Schwyz, EGVSZ 1984, 116 ff. BGE 4C.267/2004 E. 2.2. Akikol, 100. Akikol, 100. S. BGE 122 III 426 E. 4 und E. 5.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

• «[d]ie Abgrenzung zwischen Zusicherung im Sinne von Art. 197 Abs. 1 OR und selbständiger Garantie ist nach schweizerischer Lehre danach vorzunehmen, ob der Verkäufer eine gegenwärtig bestehende Eigenschaft der Kaufsache oder einen zukünftigen Erfolg verspricht, der über die vertragsgemässe Beschaffenheit der Kaufsache hinausgeht»376. Zugesicherte Eigenschaften müssen also grundsätzlich bereits im Zeitpunkt des 2606 Übergangs von Nutzen und Gefahr oder früher vorhanden sein. Eine Eigenschaft auf einen späteren Zeitpunkt zusichern kann die Verkäuferin im Rahmen der zwingenden Normen über den Grad der Selbstverpflichtbarkeit (Art.  19/20  OR und Art. 27 ZGB), wenn sie sich vertraglich dazu verpflichtet und objektiv in der Lage ist, den geforderten Zustand der Kaufsache herbeizuführen (z.B. im Rahmen einer Montagepflicht).377 Für Sachmängel, welche die zugesicherten Eigenschaften betreffen, haftet die Ver- 2607 käuferin unabhängig davon, ob solche Mängel den Wert der Sache oder ihre Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder erheblich mindern (Art. 197 Abs. 1 OR). Im Bereich der Zusicherung besteht also kein Erheblichkeitserfordernis378; der Mangel muss somit de facto gar keine negativen Auswirkungen haben. c.

Wert der Kaufsache oder Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch ist aufgehoben oder erheblich vermindert

Liegt keine Zusicherung vor, ist ein Mangel nur gegeben, wenn die Sache so beschaf- 2608 fen ist, dass ihr «Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauche» (Art. 197 Abs. 1 OR) aufgehoben oder erheblich vermindert ist. Die Ist-Beschaffenheit weicht also erheblich von der Soll-Beschaffenheit ab.379 Massgrösse ist die vereinbarte Qualität des Kaufgegenstands. Der vorausgesetzte Gebrauch im Sinne von Art.  197  OR bestimmt sich in erster 2609 Linie nach dem, was die Parteien übereinstimmend gewollt haben. Fehlt es an einer solchen Abrede, ist der hypothetische Parteiwille zu eruieren (s.  N  305  ff.). Als Hilfsmittel kann dabei die Verkehrsauffassung herangezogen werden; gemeint ist jene Verwendung, für welche der Kaufgegenstand tauglich sein soll und welche sich aus den Umständen und der Natur des Geschäfts ergibt.380 Der Mangel kann sowohl körperlicher (Gerät funktioniert nicht), rechtlicher (Gerät genügt gesetzlichen, technischen Normen nicht) wie auch wirtschaftlicher Natur (aus Gerät lässt

376 377 378 379 380

BGE 4A_220/2013 E. 4.3.1 und E. 4.4.3; 122 III 426 E. 4. BGE 122 III 426 E. 5c. S. CR CO-Venturi/Zen-Ruffinen, Art. 197 N 11. Keller/Siehr, 76; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 660. Engel, CO PS, 34 ff.; Keller/Siehr, 76; Zellweger-Gutknecht, Art. 197 N 14.

791

5. Kapitel

Nominatverträge

sich vom kaufmännischen Käufer nicht der üblicherweise erzielbare Ertrag ziehen) sein.381 2610

Falls die Sache bloss einen geringeren Wert hat als vom Käufer angenommen, liegt kein Mangel im Sinne von Art. 197 ff. OR vor. Nur wenn der Kaufsache eine Eigenschaft fehlt und daraus ein geringerer Wert resultiert (Art. 197 Abs. 1 OR), handelt es sich um einen Sachmangel.382

2611

Liefert die Verkäuferin eine geringere Menge als versprochen, liegt mit anderen Worten eine quantitative Abweichung vor, so ist danach zu differenzieren, ob ein Gattungs- oder ein Stückkauf vorliegt: Handelt es sich um einen Gattungskauf, so kann der Käufer die Teillieferung annehmen (Art. 69 OR) und bezüglich der ausstehenden Menge nach den Regeln des Schuldnerverzugs (Art. 102 ff. OR) vorgehen. Ansprüche aus Sachgewährleistung sind alsdann ausgeschlossen: Ein Zuwenig ist kein Qualitätsmerkmal der gattungsmässig definierten Ware, sondern stellt eine teilweise Nichterfüllung dar. Beim Stückkauf ist dagegen in der versprochenen Quantität oft eine Zusicherung zu sehen (z.B. die Länge des versprochenen Kühltischs oder das Gewicht der «in Bausch und Bogen» angebotenen Wagenladung);383 Art. 197 ff. OR sind entsprechend anwendbar.384

2612

Die Verkäuferin ist grundsätzlich nur dann zur Sachgewährleistung verpflichtet, wenn der Mangel den (objektiven) Wert der Sache oder ihre Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch aufhebt oder erheblich mindert (Art. 197 Abs. 1 OR).385 Zur Beurteilung der Erheblichkeit sind die Umstände des Einzelfalls – wie etwa der Vertragszweck und das Parteiverhalten  – zu berücksichtigen. Erheblichkeit ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Käufer den Vertrag nicht oder nicht zu diesen Bedingungen abgeschlossen hätte, falls ihm der Mangel bekannt gewesen wäre.386 Der conditio sine qua non-Test ist aber lediglich als «Leihgabe» aus dem Instrumentarium des Grundlagenirrtums zu betrachten; er bildet nicht die Anwendbarkeitsgrenze von Art. 197 Abs. 1 OR, sondern nur ein a fortiori-Argument (s. N 2600).

2613

Beim Unternehmenskauf via Erwerb von Aktien (sog. share deal; s. N 2428) lässt das Bundesgericht eine Berufung auf Art. 197 ff. OR hinsichtlich von Mängeln des Unternehmens nicht zu, da nicht das Unternehmen, sondern die Aktien den Kaufgegenstand bildeten.387 Wollen die Parteien eine Mängelhaftung der Verkäuferin für 381 BGE 87 II 244 E. a; Engel, CO PS, 35; Guhl/Koller, § 42 N 11; Keller/Siehr, 76 ff.; Tercier/Bieri/ Carron, CO PS, N 673 ff. Zum Mangelbegriff ausführlich BSK OR-Honsell, Art. 197 N 2 ff. 382 BGE 91 II 353, 355. 383 BGE 87 II 244 E.b. 384 BGE 87 II 244 E. b; Bucher, OR BT, 90 f.; Keller/Siehr, 47 f. und 77; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 668, die allgemein die Anwendbarkeit von Art. 197 ff. OR befürworten, wenn die quantitative gleichzeitig eine qualitative Abweichung darstellt. 385 S. Keller/Siehr, 76 f. 386 BGE 4A_619/2013 E. 4.1; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 691. 387 BGE 107 II 419 E. 1; 79 II 155 E. 3; s. Bucher, OR BT, 62; Honsell, OR BT, 46.

792

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

das Unternehmen vorsehen, müssen sie Zusicherungen der Verkäuferin über die Qualität des Unternehmens (z.B. bezüglich Umsatz) in den Vertrag einbauen.388 Die neuere Lehre spricht sich dafür aus, dass hinsichtlich der Mängel des Unternehmens Art. 197 ff. OR auch beim Aktienkaufvertrag (mindestens wenn es darin um eine Mehrheitsbeteiligung geht) anwendbar sein sollen. Wirtschaftlich besehen sei das Kaufobjekt ja ohnehin das Unternehmen und nicht die Aktie.389 Zur Beantwortung der Frage, ob die Verkäuferin(nen) bei einem share deal auch für eine bestimmte Qualität des Unternehmens einstehen muss/müssen, ist nach unserer Meinung der konkrete Vertrag auszulegen. 3.3

Vorliegen des Sachmangels vor dem Zeitpunkt des Gefahrenübergangs

Der Sachmangel muss im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mindestens «im Keim» 2614 vorhanden sein (zur Zusicherung von Eigenschaften auf einen späteren Zeitpunkt s. N 2606).390 Bei späterem Auftreten des Mangels hat der Käufer – versteckte Mängel vorbehal- 2615 ten (Art.  201 Abs.  3  OR)  – keine Sachgewährleistungsansprüche, sondern  – vorausgesetzt die Verkäuferin habe die Qualitätsminderung des Kaufgegenstands zu vertreten – einen Anspruch aus positiver Vertragsverletzung nach Art. 97 ff. OR.391 Aus dem Anwendungsbereich des Sachgewährleistungsrechts fällt auch die Garantie heraus. 3.4

Keine Mangelkenntnis des Käufers bei Vertragsschluss (Art. 200 OR)

Gemäss Art. 200 Abs. 1 OR haftet die Verkäuferin nicht für Sachmängel, die der 2616 Käufer zur Zeit des Vertragsabschlusses392 bereits gekannt hat. Dazu genügt nicht, dass der Käufer gewisse Symptome des Mangels (sog. Sekundärmängel) erkennt; vorausgesetzt ist vielmehr, dass er um die volle Bedeutung und Tragweite des (primären) Mangels weiss.393 Nimmt der Käufer erst nach Vertragsschluss vom Mangel Kenntnis, gereicht ihm das nicht zum Nachteil. Ebenso ist die Verkäuferin von der Sachgewährleistungspflicht befreit, wenn der Käu- 2617 fer den Mangel bei gewöhnlicher Aufmerksamkeit «hätte kennen sollen» (Art. 200 Abs. 2 OR). Die gewöhnliche Aufmerksamkeit richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, unter Einbezug der Kenntnisse des Käufers und der ihm zur Verfügung

388 389 390 391 392 393

Tschäni/Diem/Wolf, Kap. 4 N 29 ff. und N 70 ff. Böckli, 62; Schenker, 427 f. Zur gesamten Problematik ausführlich Luginbühl, 47 ff. und 124 ff. BGE 4A_383/2016 E. 3.3; 4A_601/2009 E. 3.2.2; s. Engel, CO PS, 36; Rusch, SJZ 2010, 559 ff. Bucher, OR BT, 92. BGE 131 III 145 E. 6.1 = Pra 2005 Nr. 50. BGE 4A_445/2013 E. 2.2; 66 II 132 E. 5; CHK OR-Müller-Chen, Art. 200 N 5.

793

5. Kapitel

Nominatverträge

stehenden Untersuchungsmittel.394 Dem sachkundigen Käufer ist die Unkenntnis eher anzulasten als einem Käufer ohne Expertise. Hat die Originalverpackung der Ware die Erkennbarkeit des Mangels verhindert, so muss diesem Umstand zugunsten des Käufers Rechnung getragen werden.395 2618

Die Verkäuferin haftet allerdings ungeachtet der supponierten Mangelkenntnis des Käufers, wenn sie das Nichtvorhandensein des Mangels zusicherte (Art.  200 Abs. 2 OR) oder aber den Mangel arglistig verschwieg.396 Dies gilt aber nur bei fahrlässiger Unkenntnis des Mangels seitens des Käufers.397 3.5

Rechtzeitiges Erheben der Mängelrüge (Art. 201 OR)

a.

Überblick

2619

Nach Art.  201 Abs.  1  OR obliegt es dem Käufer, «sobald es nach dem üblichen Geschäftsgang tunlich ist», die Beschaffenheit der Sache zu prüfen und der Verkäuferin sodann unverzüglich allfällige Mängel anzuzeigen.

2620

Die Verletzung dieser Obliegenheit führt zu einer Schlechterstellung des Käufers: Erhebt er die Mängelrüge nämlich nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig, so verliert er die Sachgewährleistungsansprüche (Art. 201 Abs. 2 OR; s. N 2460).398 Etwas anderes gilt nur, wenn die Verkäuferin ihn absichtlich getäuscht hat (Art. 203 OR). Absicht wird vom Bundesgericht angenommen, wenn die Verkäuferin es bewusst unterlassen hat, dem Käufer das Vorhandensein eines Mangels mitzuteilen, den dieser nicht kannte und angesichts seiner versteckten Natur auch nicht hätte entdecken können, obwohl die Verkäuferin wusste, dass es sich für den Käufer um einen wesentlichen Umstand handelte.399

2621

Die Mängelrüge bezweckt eine möglichst rasche Klarstellung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Interesse der Verkehrssicherheit. Insbesondere dienen die Vorschriften dem Schutz der Verkäuferin, damit diese weder der Spekulation des Käufers noch über einen längeren Zeitraum Gewährleistungsansprüchen ausgesetzt ist, von welchen sie keine oder keine sichere Kenntnis hat. Damit kann sie ihrerseits zügig «das Erforderliche zur Wahrung [ihrer] Rechte, etwa gegenüber Lieferanten» vornehmen.400 394 395 396 397 398

BGE 4A_619/2013 E. 4.1 und E. 5.3.2; 66 II 132 E. 5; CR CO-Venturi/Zen-Ruffinen, Art. 200 N 6. Keller/Siehr, 81. BGE 4A_619/2013 E. 4.1; 66 II 132 E. 5; BK OR-Giger, Art. 200 N 24 ff. BSK OR-Honsell, Art. 200 N 4. BGE 4C.395/2001 E. 2.1.1; 113 II 174 E. 1c; s. Guhl/Koller, § 42 N 25; Keller/Siehr, 82; Tercier/ Bieri/Carron, CO PS, N 704. 399 BGE 131 III 145 E. 8.1 = Pra 2005 Nr. 50. 400 BGE 4C.395/2001 E. 2.1.1; s. Guhl/Koller, § 42 N 23; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 705; ausführliche Kritik bei Bucher, SJZ 1971, 2 ff. S. ferner auch Atamer/Eggen, ZBJV 2017, 764 f., die sich de lege ferenda für eine Abschaffung der Prüf- und Rügefrist bei Konsumkaufverträgen aussprechen.

794

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

Die Mängelrüge nach Art.  201  OR stellt auch nach unserer Ansicht eine rechts- 2622 geschäftsähnliche Erklärung dar, die in Analogie zu einer empfangsbedürftigen Willenserklärung mit ihrem Zugang im Herrschaftsbereich der Empfängerin wirksam wird.401 Sie ist an keine Form gebunden; aus Beweisgründen empfiehlt es sich allerdings, die Mängelrüge schriftlich zu erheben.402 Die Parteien können die allgemeinen Anforderungen an die erforderliche Anzeige 2623 vertraglich erleichtern, gänzlich wegbedingen oder erschweren (Art.  201  OR ist dispositiv).403 Bei einer Erschwerung (z.B. Verkürzung der Untersuchungsfrist) ist aber Art.  199  OR zu beachten, da die höheren Anforderungen an Untersuchung und Anzeige im Ergebnis zu einer «Beschränkung der Gewährspflicht» führen können (s. N 2638 ff.).404 Unseres Erachtens ist die Vereinbarung einer Garantiefrist (oft in den AGB) in der 2624 Regel so auszulegen, dass der Käufer allfällige Mängel des Kaufgegenstands während der gesamten Garantiefrist (ungeachtet der Einhaltung von Untersuchungsund Anzeigeobliegenheit) geltend machen kann.405 Meistens geht die Garantiefrist im Übrigen mit der Einschränkung der gesetzlichen Sachgewährleistungsrechte einher. Beispielsweise werden Minderung und Wandlung ausgeschlossen und dem Käufer stattdessen ein Nachbesserungsrecht und/oder ein Recht auf Ersatzleistung eingeräumt.406 b.

Untersuchungsobliegenheit («Prüfung»)

Zunächst trifft den Käufer die Obliegenheit, die Kaufsache zu untersuchen (Prü- 2625 fungsobliegenheit gemäss Art. 201 Abs. 1 OR). Haben die Parteien in Hinblick auf Umfang, Art und Zeitpunkt der Prüfung keine besondere vertragliche Übereinkunft erzielt, so hat diese «übungsgemäss» zu erfolgen (Art. 201 Abs. 2 OR). Die Übung ergibt sich aus Verkehrssitte, Handelsbrauch, Branchenübung, Ortsgebrauch etc.407 An den geschäftsunerfahrenen Käufer sind geringere Anforderungen zu stellen als an einen sachverständigen Käufer.408 Die Frist, innerhalb welcher der Kaufgegenstand auf Mängel zu untersuchen 2626 ist (gemäss Art.  201 Abs.  1  OR «sobald nach üblichem Geschäftsgang tunlich»), beginnt mit dessen Übergabe und richtet sich vor allem nach der Natur des Kaufgegenstands, der Art des Mangels und den Gepflogenheiten der Branche in den 401 402 403 404 405 406 407 408

S. Rüetschi, recht 2003, 118; Schwenzer, OR AT, N 27.06 und N 27.22 ff. S. BGE 4D_4/2011 E. 3. Bucher, OR BT, 93; Honsell, OR BT, 102; Keller/Siehr, 84; s. Guhl/Koller, § 42 N 28. Keller/Siehr, 84. Honsell, OR BT, 102; Keller/Siehr, 84. S. BSK OR-Honsell, Art. 199 N 4. S. BGE 76 II 221 E. 2. Ausführlich Keller/Siehr, 82 ff.

795

5. Kapitel

Nominatverträge

jeweiligen Breitengraden.409 So ist Getreide innerhalb weniger Tage zu untersuchen. Hingegen können z.B. im Frühling gekaufte Mäh- und Dreschmaschinen erst in der heissen, Motorschneepflüge erst in der kalten Jahreszeit geprüft werden.410 Eine Prüfung ohne Anwendung würde hier keinen Sinn ergeben. c.

Rügeobliegenheit («Anzeige»)

2627

Stellt der Käufer fest, dass die Kaufsache mangelhaft ist, hat er dies der Verkäuferin umgehend anzuzeigen (Art. 201 Abs. 1 in fine OR). Um der sog. Rügeobliegenheit zu genügen,411 muss der Käufer den Mangel konkret bezeichnen und anzeigen, dass er die mangelhafte Kaufsache nicht als gehörige Erfüllung betrachtet. Eine bloss generelle Anzeige, die Sache sei mangelhaft, entspricht den Anforderungen von Art. 201 Abs. 1 OR nicht.412 Die Mängelrüge ist mit anderen Worten so zu substanziieren, dass die Verkäuferin die Art, den Umfang und die Gründe der Beanstandung erkennen kann. Welche Angaben zu diesem Zweck erforderlich sind, hängt von den Umständen ab. Die Angaben sollen der Verkäuferin eine schnelle Entscheidung darüber ermöglichen, wie sie sich im Hinblick auf die drohende Haftung verhalten will. Hingegen ist nicht erforderlich, dass die Angaben eine Überprüfung der materiellen Begründetheit einer Rüge erlauben; die Anzeige hat lediglich die Wahrnehmung des Käufers zu vermitteln. Wenn die Verkäuferin ihm nicht glaubt, hat sie Beweismassnahmen vorzukehren.413

2628

Die Anzeigefrist ist kurz bemessen: Der Käufer muss der Verkäuferin «sofort» Anzeige machen, nachdem er den Mangel festgestellt hat (Art. 201 Abs. 1 in fine OR). Das Bundesgericht hält eine Rüge, welche sieben Tage nach Feststellung des Mangels erfolgte, für gerade noch angemessen.414 20 Tage waren hingegen zu viel; die Anzeigefrist war damit überschritten.415 Die (kurze) Frist ist per Auslegung des Vertrages zu präzisieren. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Eigenschaften und berechtigten Interessen der Parteien sowie die Komplexität des Kaufgegenstands.

2629

Mängel, welche bei der übungsgemässen Untersuchung nicht erkennbar waren, werden als sog. versteckte oder geheime Mängel bezeichnet.416 Versteckte Mängel einer Sache gelten in dem Zeitpunkt als entdeckt, in welchem der Käufer die Gewissheit ihres Vorhandenseins erlangt. Mängel, die erst nach und nach zum Vorschein kommen, weil sie sich in Sichtbarkeit, Ausdehnung und Intensität verändern, gelten 409 410 411 412 413 414 415 416

796

BGE 131 III 145 E. 7.1 = Pra 2005 Nr. 50; CHK OR-Müller-Chen, Art. 201 N 9. BGE 81 II 56 E. 3b. Ausführlich Gerny, 33 ff. BGE 4C.395/2001 E. 2.1.1; Keller/Siehr, 84 f.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 719. BGE 4C.395/2001 E. 2.1.1 und E. 2.3. BGE 4C.82/2004 E. 2.3. In der Regel erfolgt eine innert zwei bis drei Tagen erhobene Rüge gemäss Bundesgericht rechtzeitig; s. BGE 4A_367/2009 E. 1.2; 98 II 191 E. 4. BGE 4C.205/2003 E. 3.3.1. Engel, CO PS, 38 f.; Guhl/Koller, § 42 N 28 f.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 724.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

daher nicht schon als entdeckt, wenn erste Anzeichen auftreten, sondern erst dann, wenn der Käufer in der Lage ist, ihre Bedeutung und Tragweite zu erkennen.417 d.

Genehmigung offener und versteckter Mängel (Art. 201 Abs. 2 und Abs. 3 OR)

Versäumt der Käufer die rechtzeitige Prüfung und/oder Rüge, greift bei offenen Mängeln die (unwiderlegbare) gesetzliche Fiktion, wonach die Sache als genehmigt gilt (Art. 201 Abs. 2 OR).418

2630

Versteckte Mängel müssen sofort nach ihrer Entdeckung gerügt werden. Andern- 2631 falls gelten sie ebenfalls als genehmigt (Art.  201 Abs.  3  OR). Es spielt mit anderen Worten auch hier die gesetzliche Fiktion der Genehmigung: Die Folge dieser Fiktion besteht darin, dass sämtliche Ansprüche aus Sachgewährleistung dahinfallen.419 Wenn die Verkäuferin den Käufer allerdings absichtlich getäuscht hat, gilt Art. 201 Abs. 2 OR nicht (Art. 203 OR; s. N 2620). 3.6

Wahrung der Fristen (Art. 210 und Art. 219 Abs. 3 OR)

a.

Überblick

Sachgewährleistungsansprüche verjähren bei beweglichen Sachen grundsätzlich 2631a nach zwei Jahren (Art.  210 Abs.  1  OR). Für Mängel im Zusammenhang mit der Integration einer Kaufsache in ein unbewegliches Werk ist eine fünfjährige Verjährungsfrist zu beachten (Art. 210 Abs. 2 OR). Für Kulturgüter gilt eine relative Jahresfrist und eine absolute Frist von 30 Jahren (Art. 210 Abs. 3 OR). Beim Grundstückkauf ist eine Fünfjahresfrist zu wahren (Art. 219 Abs. 3 OR). Von diesen gesetzlichen Regeln kann nur unter den Voraussetzungen von Art. 210 Abs. 4 OR abgewichen werden. b.

Bewegliche Sachen (Art. 210 Abs. 1 OR)

Die allgemeine Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche des Käufers wegen Mängeln der gekauften beweglichen Sache beträgt zwei Jahre seit Ablieferung (Art. 210 Abs. 1 OR). c.

2631b

Spezialfall: Integration in ein unbewegliches Werk (Art. 210 Abs. 2 OR)

In Art. 210 Abs. 2 OR ist eine besondere fünfjährige Verjährungsfrist für Mängel 2631c im Zusammenhang mit der Integration einer beweglichen Kaufsache in ein unbe417 BGE 4C.205/2003 E. 3.2. 418 BGE 4C.152/2003 E. 3.1; Müller, contrats, N 265; CHK OR-Müller-Chen, Art. 201 N 24. 419 CHK OR-Müller-Chen, Art. 201 N 24.

797

5. Kapitel

Nominatverträge

wegliches Werk vorgesehen. Wird hingegen ein aus einem Werkvertrag resultierendes bewegliches Werk in ein unbewegliches Werk integriert, ist Art. 371 Abs. 1 Satz 2  OR massgebend. So ist beispielsweise bei einem seriell produzierten Standardfenster, welches in ein Haus eingebaut wird, das Kaufrecht und damit die Frist von Art. 210 Abs. 2 OR einschlägig. Hingegen handelt es sich bei einem individuell angefertigten Spezialfenster um ein Werk, womit Art. 371 Abs. 1 Satz 2 OR Anwendung findet.420 Bezüglich des eingebauten Gegenstands ist somit eine Abgrenzung zwischen Kauf- und Werkvertrag erforderlich (s. N 2397 ff.). Art. 210 Abs. 2 OR regelt den Fall, dass der Unternehmer eine Sache kauft und diese zur Erfüllung eines mit einer Bestellerin geschlossenen Werkvertrages in ein unbewegliches Werk einbaut. Gegenüber der Verkäuferin kann er sich als Käufer auf die Fünfjahresfrist gemäss Art. 210 Abs. 2 OR berufen. Damit wird eine Koordination mit der ebenfalls fünfjährigen Verjährungsfrist von Art. 371 Abs. 2 OR für Mängelrechte bezüglich unbeweglicher Werke angestrebt.421 Die Angleichung der Fristen soll es dem Unternehmer ermöglichen, so lange gegen die Verkäuferin der integrierten Sache vorgehen zu können, wie die Bestellerin des unbeweglichen Werkes werkvertragliche Gewährleistungsansprüche gegen ihn geltend machen kann.422 2631d

Die fünfjährige Frist von Art. 210 Abs. 2 OR gilt nur für bewegliche Sachen, die «bestimmungsgemäss in ein unbewegliches Werk integriert» wurden und in der Folge zur Mangelhaftigkeit desselben führen. Folgende vier Voraussetzungen müssen erfüllt sein: Erstens hat die gekaufte bewegliche Sache einen Sachmangel im Sinne von Art.  197 Abs.  1  OR aufzuweisen (s.  N  2597  ff.).423 Zweitens muss die gekaufte Sache «in ein unbewegliches Werk integriert» worden sein. Dies setzt zweierlei voraus: Zunächst muss ein unbewegliches Werk vorliegen (s.  N  3180b). Die bewegliche Sache muss sodann tatsächlich in das unbewegliche Werk integriert worden sein (s. auch Wortlaut von Art. 210 Abs. 2 OR).424 Dies ist der Fall, wenn die Kaufsache als Werkstoff (z.B. Zement, Backsteine, Fenster, vorgefertigte Bauelemente, Heizungskörper etc.425) verwendet wurde und physisch im unbeweglichen Werk verbleibt.426 Keine beweglichen Sachen im Sinne von Art. 210 Abs. 2 OR sind dagegen Arbeitsmittel, welche zur Erstellung des unbeweglichen Werkes benötigt und eingesetzt worden sind (z.B. Werkzeuge, Baumaschinen, Baugerüste etc.).427 420 421 422 423 424

S. Koller, Werkvertragsrecht, 285 f. Gauch, recht 2012, 126; BSK OR-Honsell, Art. 210 N 2. BSK OR-Honsell, Art. 210 N 2. Gl.M. Roth, AJP 2014, 775; Vischer, Jusletter 11. März 2013, N 10. Gl.M. Roth, AJP 2014, 776. Wohl gl.M. auch Gauch, recht 2012, 127, welcher eine Anwendung von Art. 210 Abs. 2 OR beim Kauf mit Montagepflicht ablehnt. A.M. Vischer, Jusletter 11. März 2013, N 21 f., der es genügen lässt, dass die Sache zur Integration in ein unbewegliches Werk bestimmt ist. 425 Gauch, recht 2012, 127. 426 Gauch, recht 2012, 127; Roth, AJP 2014, 776. Ähnlich Vischer, Jusletter 11. März 2013, N 15, der allerdings verlangt, dass die gekaufte Sache Bestandteil des unbeweglichen Werks im Sinne von Art. 642 ZGB wird. 427 Gauch, recht 2012, 127; Krauskopf, 92; Roth, AJP 2014, 776; Vischer, Jusletter 11. März 2013, N 14.

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§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

Die Integration muss drittens «bestimmungsgemäss» erfolgt sein. Massgeblich ist dabei in erster Linie, was die Parteien (ausdrücklich oder konkludent) als bestimmungsgemässen Verwendungszweck vereinbart haben. Fehlt eine entsprechende Vereinbarung, ist auf den üblichen, nach objektiven Massstäben definierten Verwendungszweck abzustellen.428 Ist die Kaufsache nicht bestimmungsgemäss integriert worden (z.B. gekaufter Leim wurde für Plastik statt für Holz verwendet429), ist Art. 210 Abs. 1 OR anwendbar; es gilt diesfalls eine Frist von lediglich zwei (statt von fünf) Jahren.430 Schliesslich wird viertens vorausgesetzt, dass der Mangel der integrierten Sache kausal – zumindest aber teilursächlich – für die Mangelhaftigkeit des unbeweglichen Werkes ist.431 Dabei kann entweder die integrierte Sache selbst mangelhaft sein (z.B. Undichtheit eines eingebauten Fensters), oder ein Mangel der integrierten Sache verursacht beim unbeweglichen Werk einen anderen Mangel (z.B. entsteht infolge Undichtheit des eingebauten Fensters ein Riss in der Mauer).432 Wie bei Art. 210 Abs. 1 OR beginnt der Fristenlauf auch bei Art. 210 Abs. 2 OR mit der Ablieferung der Sache an den Käufer.433 d.

Kulturgüter (Art. 210 Abs. 3 OR)

Bei Kulturgütern (s.  N  2376  f.) richtet sich die Verjährung von Ansprüchen aus 2631e Sachmängelgewährleistung nach Art.  210 Abs.  3  OR. Zu beachten ist grundsätzlich eine relative Jahresfrist seit Entdeckung des Mangels bzw. subsidiär eine absolute Frist von 30 Jahren. e.

Grundstückkauf (Art. 219 Abs. 3 OR)

Beim Grundstückkauf gilt nach Art. 219 Abs. 3 OR eine Fünfjahresfrist. Diese ist 2631f entgegen dem Wortlaut von Art. 219 Abs. 3 OR nicht nur auf Gebäudemängel, sondern sinngemäss auf sämtliche Grundstücksmängel anwendbar.434 Bei absichtlicher Täuschung gilt ebenfalls die zehnjährige Frist von Art. 127 OR.435

428 S. Gauch, recht 2012, 127; Krauskopf, 93; Vischer, Jusletter 11. März 2013, N 25 und FN 47. A.M. Roth, AJP 2014, wonach Parteiabreden über die Art und Weise der Integration nicht zu berücksichtigen seien. 429 Gauch, recht 2012, 127. 430 Krauskopf, 93; s. auch Pichonnaz, SJZ 2013, 72. 431 Krauskopf, 93; Roth, AJP 2014, 779. A.M. Vischer, Jusletter 11. März 2013, N 26 ff., welcher keine Mangelhaftigkeit des unbeweglichen Werkes voraussetzt. 432 Gauch, recht 2012, 128. 433 Gauch, recht 2012, 126. 434 CHK OR-Binder, Art. 219 N 8; BSK OR-Honsell, Art. 219 N 10. 435 BGE 107 II 231 E. 3.

799

5. Kapitel

f.

Nominatverträge

Rechtsnatur

2632

Ein Teil der Lehre liest in Art. 210 OR trotz der gegenüber Art. 210 Abs. 2 aOR geänderten Formulierung von Art. 210 Abs. 5 OR – gleich wie vor der Revision dieser Norm im Jahre 2013 – eine Verjährungs- wie auch eine Verwirkungsfrist hinein.436 Es ist wie folgt zu differenzieren: Art. 210 Abs. 1 und Abs. 2 OR enthalten zunächst eine zeitliche Beschränkung für die Gewährleistung bei Mängeln, die innerhalb von zwei bzw. fünf Jahren zum Vorschein kommen. Diese Frist beginnt mit der Ablieferung einer Sache zu laufen und beträgt zwei bzw. fünf Jahre. Kommt ein Mangel erst nach Ablauf der Frist von zwei bzw. fünf Jahren zum Vorschein, muss die Verkäuferin nicht mehr dafür einstehen. Bei dieser Frist handelt es sich also um eine Verwirkungsfrist.437

2633

Art. 210 Abs. 1 und Abs. 2 OR enthalten darüber hinaus aber auch eine Aussage zur Verjährung der aus Art.  197  ff.  OR resultierenden Ansprüche. Auch die Verjährungsfrist beginnt mit Ablieferung der Sache zu laufen438 und dauert zwei bzw. fünf Jahre (Art.  210 Abs.  1 und Abs.  2  OR). Kommt z.B. ein (versteckter) Mangel erst gegen Ablauf der Frist zum Vorschein, so verbleiben dem Käufer nur noch wenige Tage zur Geltendmachung seines Anspruchs. Für die Anspruchserhebung ist im Übrigen – entgegen dem Wortlaut von Art. 210 Abs. 1 und Abs. 2 OR – nicht die Einleitung einer Klage erforderlich, sondern es genügt jeder Hinderungsgrund gemäss Art. 134 OR bzw. jede Unterbrechungshandlung gemäss Art. 135 OR, um einen Neubeginn der Frist von zwei bzw. fünf Jahren herbeizuführen (z.B. eine Betreibung; s. Art. 137 f. OR).439 g.

2634

Anwendungsbereich

Die Verjährungsvorschrift von Art. 210 OR bezieht sich auf sämtliche Ansprüche, welche sich aus der Sachgewährleistung ergeben, also auf Wandlung, Minderung und Ersatzleistung.440 Die Verjährung betrifft mithin nicht das Wahlrecht als solches (das heisst das Wandlungs-, Minderungs- oder Nachbesserungsrecht) – dabei handelt es sich dogmatisch um ein Gestaltungsrecht, welches verwirkt –, sondern sie bezieht sich auf die Forderungen, die aus der Ausübung von Gestaltungsrechten entstehen (z.B. auf Ersatzansprüche aus Mangelfolgeschäden).441 Unter Hinweis auf 436 437 438 439 440 441

800

Koller, Werkvertragsrecht, N 769 mit FN 570; Krauskopf, 98; a.M. CHK OR-Müller-Chen, Art. 210 N 1a; Vischer, Jusletter 11. März 2013, N 43. Bucher, OR BT, 94; s. Guhl/Koller, § 42 N 31; Krauskopf, 98; ebenso Atamer/Eggen, ZBJV 2017, 785, die eine entsprechende Klarstellung des Gesetzestexts für wünschbar halten; a.M. Honsell, OR BT, 108. Gauch, recht 2012, 126 und 128; Krauskopf, 93 f. S. Bucher, OR BT, 95. KuKo OR-Honsell, Art. 210 N 2. ZK OR-Bühler, Art. 371 N 25; Gauch, Werkvertrag, N 2203. A.M. BSK OR-Honsell, Art. 205 N 2, der eine Verjährbarkeit des Wahlrechts nach Art. 210 OR befürwortet; ebenso Guhl/Koller, § 42 N 36.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

das deutsche Recht spricht sich Bucher denn auch dafür aus, dass die zur Wandlung bereite Verkäuferin dem Käufer eine angemessene Frist zur Entscheidung über Wandlung oder Minderung etc. setzen können soll.442 Diese Position kann auf Art. 2 Abs. 2 ZGB abgestützt werden: Wer mit der Ausübung des Wahlrechts zu lange zuwartet, verhält sich missbräuchlich. Übt der rechtzeitig rügende Käufer sein Wahlrecht nicht innerhalb der ihm zur Ausübung angesetzten (angemessenen) Frist aus, geht dieses unserer Auffassung nach auf die Verkäuferin über. Aufgrund von Art. 201 OR ist der Käufer bereits dazu angehalten, möglichst rasch zu rügen. Daher darf ihm auch zugemutet werden, innerhalb der ihm von der Verkäuferin allenfalls angesetzten (angemessenen) Frist Wandlung oder Minderung etc. zu erklären. Gleichzeitig ist es der Verkäuferin nach Ablauf derselben nicht weiter zumutbar, über das Schicksal der Kaufsache im Ungewissen zu bleiben bzw. gar eine allfällige Vergrösserung des Mangels in Kauf nehmen zu müssen, insbesondere, wenn sie dazu bereit gewesen wäre, die von ihr gelieferte Sache zurückzunehmen. Es ist daher gerechtfertigt, in einem solchen Fall die Verkäuferin entscheiden zu lassen, ob sie wandeln, nachbessern, nachliefern oder mindern will. h.

Verkürzung der Frist durch Parteivereinbarung (Art. 210 Abs. 4 OR)

Eine Verkürzung der Verjährungsfrist mittels Vereinbarung ist gemäss Art.  210 2635 Abs. 4 OR nur beschränkt zulässig: Eine Reduktionsvereinbarung ist ungültig, wenn dadurch die gesetzliche Verjährungsfrist auf weniger als zwei Jahre, bei gebrauchten Sachen auf weniger als ein Jahr verkürzt wird (Art. 210 Abs. 4 lit. a OR). Art. 210 Abs.  4  OR gelangt im Übrigen nur bei Konsumverträgen (b2c-Geschäfte) zur Anwendung: Die Sache muss für den persönlichen und familiären Gebrauch des Käufers bestimmt sein, und die Verkäuferin muss im Rahmen ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gehandelt haben (Art. 210 Abs. 4 lit. b und lit. c OR; zum uneinheitlichen Konsumentenbegriff im geltenden Recht s. N 635k f.). Nach wohl herrschender Lehre können die Parteien nur die zweijährige Frist von 2635a Art. 210 Abs. 1 OR bzw. die fünfjährige Frist von Art. 210 Abs. 2 OR, nicht aber die ein- bzw. 30-jährige Frist von Art. 210 Abs. 3 OR verkürzen.443 Nicht von Art. 210 Abs. 4 OR erfasst sind sodann Vereinbarungen über die Verlängerung der Verjährungsfrist; diese sind grundsätzlich zulässig (s. auch Art. 210 Abs. 1 OR). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und der wohl herrschenden Lehre darf die Verjährungsfrist allerdings nicht über die zehnjährige Frist von Art. 127 OR hinaus verlängert werden.444 442 Bucher, SJZ 1971, 4 f.; gl.M. auch BK OR-Giger, Art. 205 N 70. 443 Gauch, recht 2012, 129 f.; Krauskopf, 99; CHK OR-Müller-Chen, Art. 210 N 10. 444 BGE 132 III 226 E. 3.3.8 = Pra 2006 Nr. 146; Gauch, recht 2012, 130; Pichonnaz, SJZ 2013, 74. A.M. Vischer, Jusletter 11. März 2013, N 39, wonach eine Verlängerung der Verjährungsfrist um mehr als zehn Jahre zulässig sei.

801

5. Kapitel

2635b

Nominatverträge

Art. 210 Abs. 4 OR bezieht sich nicht auf Vereinbarungen über eine teilweise bzw. völlige Haftungsbeschränkung der Verkäuferin (s. N 2368 ff.). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von Art.  210 Abs.  4  OR: Erfasst sind einzig «Verjährungsfristen», nicht aber Gewährleistungsfreizeichnungen. Mit anderen Worten ist die Wegbedingung von Gewährleistungsansprüchen im Rahmen von Art. 19/20, Art. 100 und Art. 199 OR sowie allenfalls Art. 8 UWG erlaubt. Verboten wäre dagegen eine (im Vergleich zur Wegbedingung der Gewährleistung weniger gravierende) Verkürzung der Verjährungsfrist auf beispielsweise 20 Monate.445 Kramer sieht darin zu Recht einen Wertungswiderspruch, welcher de lege ferenda zu lösen ist.446 i.

Einzelfragen

2636

Wenn die Verkäuferin den Käufer absichtlich getäuscht hat, kann sie ihm die zweibzw. fünfjährige Verjährungsfrist nicht entgegenhalten (Art.  210 Abs.  6  OR). Es kommt alsdann die allgemeine Verjährungsfrist von zehn Jahren (Art. 127 OR) zur Anwendung. Diese zehnjährige Frist können die Parteien nicht verkürzen (Art. 210 Abs. 4 OR).447 Gleiches gilt für die 30-jährige Frist bei Kulturgütern (s. N 2631e); eine allfällige Täuschungshandlung hat auch keinen Einfluss auf die 30-jährige Verjährungsfrist von Art. 210 Abs. 3 OR (s. Art. 210 Abs. 6 OR).448 Die zweijährige Verjährungsfrist von Art. 210 OR gilt sodann nicht bei Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR) oder bei Vorliegen einer selbständigen Garantie449 (s. N 2605).

2637

Im Übrigen bleiben dem Käufer die verjährten Gewährleistungsansprüche in Form einer Einrede erhalten.450 Voraussetzung für deren erfolgreiche Geltendmachung ist nach Art. 210 Abs. 5 OR allerdings, dass die vorgeschriebene Anzeige an die Verkäuferin innerhalb der Verjährungsfrist, also innerhalb von zwei bzw. fünf Jahren nach Ablieferung der Kaufsache, erfolgt.451

2638

3.7

Keine vertragliche Haftungsbeschränkung (Art. 199 OR)

a.

Schranken der vertraglichen Haftungsbeschränkung

Die Gewährleistungspflicht der Verkäuferin ist dispositiv und kann darum grundsätzlich von den Parteien mittels Freizeichnung vertraglich aufgehoben, beschränkt oder erweitert werden.452 Die vereinbarte Gewährleistungsrestriktion ist aber 445 446 447 448 449 450 451 452

802

S. Kramer, recht 2013, 52. Kramer, recht 2013, 52. S. Gauch, recht 2012, 130; Krauskopf, 99; Pichonnaz, SJZ 2013, 74. Gauch, recht 2012, 125; KuKo OR-Honsell, Art. 210 N 2. BGE 4A_321/2012 E. 4.2. KuKo OR-Honsell, Art. 210 N 6; CHK OR-Hrubesch/Millauer, Art. 210 N 4. S. BGE 4A_446/2015 E. 3.4, wonach dem Käufer die Einrede nach Art. 210 Abs. 5 OR nicht zur Verfügung steht, wenn er eine vereinbarte Mangelbeseitigung durch die Verkäuferin verhindert hat. BGE 130 III 686 E. 4.3; s. ferner BGE 4P.271/2004 E. 5.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

ungültig, wenn die Verkäuferin den betreffenden Mangel arglistig verschwiegen hat (Art. 199 OR). Arglistiges Verschweigen wird in jenen Fällen bejaht, in welchen die Verkäuferin bezüglich des fraglichen Mangels eine Aufklärungspflicht trifft, welcher sie nicht genügt.453 Eine solche Pflicht kann sich aus dem Vertrag, einer besonderen gesetzlichen Bestimmung, dem Grundsatz von Treu und Glauben oder der herrschenden Anschauung ergeben.454 Unseres Erachtens geht die herrschende Anschauung im (dynamisch statt statisch zu verstehenden) Grundsatz von Treu und Glauben auf. Die Aufklärungspflicht erfordert, dass die Verkäuferin dem Käufer ihr bekannte, 2639 sonst aber versteckte Mängel bekannt gibt.455 Die Verkäuferin trifft allerdings keine allgemeine Pflicht, den Käufer von sich aus über alle preisrelevanten Umstände zu informieren.456 Letztlich entscheiden stets die Umstände des Einzelfalls (namentlich die Natur des Vertrages, die Absichten und Kenntnisse der Parteien etc.) darüber, in welchem Umfang die Verkäuferin den Käufer aufzuklären hat.457 Bei vertraglicher Wegbedingung der Sachgewährleistung darf nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vom Käufer einerseits grundsätzlich erwartet werden, dass er den Kaufgegenstand vor Abschluss des Vertrages auf seine Mängel hin überprüft.458 Andererseits verhält sich die Verkäuferin bereits dann arglistig, wenn sie den Mangel kennt und in Kauf nimmt, dass der Käufer ihn nicht entdecken werde.459 Ausser Art. 199 OR gibt es noch weitere Normen, welche den Freiraum limitieren, 2640 die Haftung zu beschränken: Art.  8 PrHG460 verbietet beispielsweise, die Haftung für jene Schäden wegzube- 2641 dingen, die ein fehlerhaftes Produkt auslöst (Art. 1 Abs. 1 PrHG). Dagegen ist das PrHG gegenüber Parteivereinbarungen, welche die Haftung bezüglich des Schadens am fehlerhaften Produkt begrenzen, indifferent (Art. 1 Abs. 2 PrHG). Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist also nicht nur für die Haftung als solche wichtig, sondern auch für die Möglichkeiten, diese zu beschränken. Eine neuere Tendenz geht dahin, den Haftungsausschluss für Körperschäden als 2642 ungültig zu betrachten. Dieser Auffassung zufolge ist die körperliche Integrität ein so hochrangiges Rechtsgut, dass jeder Haftungsausschluss als sittenwidrig anzusehen ist und darum gegen Art. 19/20 OR verstösst.461 Häufig finden sich Freizeich-

453 454 455 456 457 458 459 460 461

BGE 4A_648/2012 E. 3; 4A_721/2011 E. 4.1; s. ferner BSK OR-Honsell, Art. 199 N 7. BGE 116 II 431 E. 3a mit Verweis auf Bucher, OR AT, 220. S. BGE 4A_70/2011 E. 4.1; Keller/Siehr, 113. BGE 4C.26/2000 E. 2a bb. BGE 4A_648/2012 E. 3 m.w.H. BGE 4C.16/2005 E. 1.5. BGE 4A_619/2013 E. 4.1. Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über die Produktehaftpflicht (Produktehaftpflichtgesetz; SR 221.112.944). Schwenzer, OR AT, N 24.14.

803

5. Kapitel

Nominatverträge

nungen in AGB. Dies bedeutet, dass sich zur allgemeinen Regelung noch die AGBKontrolle gesellt (s. N 605 ff.).462 b.

Verhältnis zu Art. 100 OR

2643

Das Verhältnis zwischen Art. 199 und Art. 100 OR ist umstritten.463 Das Bundesgericht wendet Art. 199 OR an, ohne Art. 100 OR ausdrücklich auszuschliessen, und lässt damit die Frage des Verhältnisses der beiden Gesetzesbestimmungen zueinander offen.464

2644

Art. 100 Abs. 1 OR geht über die Schranken von Art. 199 OR hinaus, indem er auch Haftungsausschlüsse oder -beschränkungen für grobe Fahrlässigkeit für ungültig erklärt und folglich freizeichnungsfeindlicher ist als Art. 199 OR. Art. 199 OR wird im Verhältnis zu Art.  100  OR oft als lex specialis betrachtet.465 In der Tat überschneiden sich die Anwendungsbereiche der beiden Normen. Art. 199 OR bezieht sich zwar nur auf das Verhalten anlässlich des Vertragsschlusses. Das dabei vorausgesetzte arglistige Verschweigen ist aber stets auch eine schuldhafte (vorsätzliche) Pflichtwidrigkeit im Sinne von Art. 100 Abs. 1 OR.466 In diesem Überschneidungsbereich (und nur dort) verdrängt Art.  199  OR die allgemeine Regel von Art.  100  OR. Im Einzelnen bedeutet dies Folgendes: Beim Stückkauf kommt für Mängel, die bereits bei Vertragsschluss bestehen, ausschliesslich Art.  199  OR zur Anwendung. Ein Haftungsausschluss für grobfahrlässige Unkenntnis ist demnach zulässig. Für Mängel, welche die Verkäuferin nach Vertragsschluss verursacht, gilt dagegen Art.  100  OR.467 Beim Gattungskauf kommt ein Verschweigen von Mängeln bei Vertragsschluss grundsätzlich nicht in Betracht, weil die Kaufsache in diesem Zeitpunkt noch gar nicht individualisiert ist. Im Fall einer (Schlecht-)Erfüllung mit mangelhafter Gattungsware beurteilt sich die Gültigkeit der Freizeichnung nach Art. 100 OR.468 Eine Ausnahme hat bei begrenzten Gattungsschulden (s. N 2496) zu gelten, wenn die ganze Gattung bei Vertragsschluss mangelhaft ist. Auf diesen Sonderfall ist Art. 199 OR anwendbar. Folglich sind bei der kaufvertraglichen Haftungsbeschränkung sowohl Art. 199 wie auch Art. 100 Abs. 1 OR zu beachten.

462 463 464 465 466 467 468

804

S. Vischer, SJZ 2012, 182 ff. S.  Buol, N  281  ff.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N  3086; BK  OR-Giger, Art.  199 N  6; Keller/ Siehr, 114; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N  376; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N  827; CR COVenturi/Zen-Ruffinen, Art. 199 N 1. BGE 4C.295/2004 E. 5.2; 126 III 59 E. 4a = Pra 2000 Nr. 117; 107 II 161 E. 7b. Bucher, OR BT, 84; Honsell, OR BT, 106. Honsell, OR BT, 106. Koller, OR AT, N 60.39. Koller, OR AT, N 60.39. Abweichend ZK OR-Schönle/Higi, Art. 199 N 8 und N 17, die Art. 199 OR auch auf das Verschweigen bei Übergabe anwenden wollen.

§ 28

c.

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

Verhältnis zu Art. 41 Abs. 1 OR und zur Irrtumsanfechtung

Die vereinbarte Freizeichnung bezieht sich ihrem Sinn nach in der Regel auch auf 2645 eine allfällig konkurrierende Haftung aus Art.  41 Abs.  1  OR469 und auf die Irrtumsanfechtung wegen Mängeln, bezüglich deren die Haftung ausgeschlossen wurde.470 Nach Rechtsprechung und Lehre übernimmt der Käufer mit der völligen Wegbe- 2645a dingung der Haftung auch das Risiko, dass der Kaufsache gewisse Eigenschaften fehlen: Mit der Vereinbarung einer entsprechenden Freizeichnungsklausel bringt der Käufer zum Ausdruck, dass Qualität oder Tauglichkeit der Kaufsache zum vorausgesetzten Gebrauch für ihn keine notwendige Grundlage für den Abschluss des Kaufvertrages bildet. Er kann deshalb diese Eigenschaften nach Treu und Glauben auch nicht mehr als ein notwendiges Element des Kaufvertrages betrachten und entsprechend einen Grundlagenirrtum gemäss Art.  24 Abs.  1 Ziff.  4  OR geltend machen, wenn später ein Mangel auftritt, der von einer gültigen Freizeichnungsklausel erfasst wird.471 Beschränkt die Freizeichnungsklausel dagegen die Gewährleistung lediglich in zeitlicher oder inhaltlicher Hinsicht, darf der Käufer sich auf Grundlagenirrtum berufen.472 Zu einem anderen Ergebnis gelangt man allenfalls, wenn man die Ausschlussklausel 2646 mit der Begründung, dass sich der Vertragspartner damit unberechtigterweise seiner Verantwortung entziehe, restriktiv auslegt (s. N 2649). Eine Möglichkeit besteht z.B. darin, die Irrtumsanfechtung immer dann zuzulassen, wenn nicht alle, sondern nur ein Teil der Ansprüche ausgeschlossen wurden, die sich von Gesetzes wegen aus der Gewährleistung ergeben.473 Dagegen spricht aber, dass die Verkäuferin auch ein objektiv legitimes Interesse an einer solchen «Kanalisierung» der kaufrechtlichen Behelfe haben kann. In der Regel ist es im Übrigen de facto nicht so, dass die Parteien sich bei der ver- 2647 traglichen Gestaltung an den Rechtsbehelfen orientieren, sondern vielmehr an den unerwünschten Haftungsfolgen  – und zwar unabhängig davon, auf welchen Ansprüchen diese basieren.

469 BGE 107 II 161 E. 8a. 470 BGE 4A_492/2012 E. 3; 126 III 59 E. 3 = Pra 2000 Nr. 117; zum Ganzen Honsell, OR BT, 107 f.; Keller/Siehr, 111 f. 471 BGE 4A_492/2012 E. 5; 4A_551/2010 E. 2.6; 126 III 59 E. 3 = Pra 2000 Nr. 117; 91 II 275 E. 2b; BK ORGiger, Art. 199 N 25; CHK OR-Müller-Chen, Art. 199 N 10. 472 BGE 91 II 275 E. 2b; Keller/Siehr, 112; CHK OR-Müller-Chen, Art. 199 N 10; a.M. BSK OR-Honsell, Art. 199 N 6. 473 S. BGE 83 II 18 E. 2.

805

5. Kapitel

d.

Nominatverträge

Auslegung

2648

Für die Auslegung von Vereinbarungen über mögliche Restriktionen der Sachgewährleistung gelten die allgemeinen Prinzipien der Vertragsauslegung (s. N 273 ff.). Soweit der tatsächlich übereinstimmende Parteiwille nicht ermittelt werden kann, erfolgt die objektive (normative) Auslegung nach Massgabe des Vertrauensprinzips.474 Ist die haftungsbegrenzende Klausel als AGB formuliert, untersteht sie der Geltungs-, der Auslegungs- und der (offenen) Inhaltskontrolle (dazu s. N 605 ff.). Gemäss bundesgerichtlicher Praxis fällt ein Mangel überdies auch dann nicht unter den Gewährleistungsausschluss in einer allgemein formulierten Klausel, wenn er gänzlich ausserhalb dessen liegt, womit ein Käufer vernünftigerweise rechnen musste, und wenn er den (wirtschaftlichen) Zweck des Geschäfts erheblich beeinträchtigt.475 Durch diese Rechtsprechung wird die praktische Bedeutung der Kontroverse um den Umfang der Zulässigkeit von Freizeichnungsklauseln (s. N 2644) relativiert, da die entsprechenden Mängel auf der Ebene der Auslegung von der Freizeichnung ausgeschlossen werden.476

2649

Haftungsfreizeichnungen stehen nach Keller/Siehr grundsätzlich im Widerspruch zur Vertragstreue, weil sich damit die vertragsverletzende Partei ihrer Verantwortung entzieht.477 Daraus wird zum Teil abgeleitet, dass Freizeichnungsklauseln restriktiv auszulegen sind.478 Diese Argumentationslinie kann aus den oben genannten Gründen nicht generell-abstrakt unterstützt werden. Ist die Haftungsbeschränkung konsensual abgesichert, äussert sie sich bei funktionierendem Wettbewerb regelmässig auch in einem tieferen Preis.

2650

Zeichnet sich im Übrigen die Verkäuferin einerseits von der Gewährleistung frei und macht sie andererseits Angaben über bestimmte Eigenschaften des Kaufgegenstands, so ist durch Auslegung zu ermitteln, ob nun die Eigenschaftsangabe oder die Freizeichnung gilt. Das eine schliesst das andere aus.479 Falls in der Eigenschaftsangabe eine Zusicherung im Sinne von Art.  197  OR (s.  N  2599  ff.) erblickt werden kann, ist die Freizeichnung hinsichtlich der entsprechenden Eigenschaft bedeutungslos.480 Meistens hat nämlich die Zusicherung gegenüber der Freizeichnung lex specialis bzw. contractus specialis-Charakter.

474 475 476 477 478 479 480

806

BGE 4A_538/2013 E. 6.1; 4A_492/2012 E. 5; 126 III 59 E. 5a = Pra 2000 Nr. 117. S. BGE 4A_492/2012 E. 5; 4A_551/2010 E. 2.6; 4A_529/2010 E. 4.1; 130 III 686 E. 4.3.1; CHK OR-Müller-Chen, Art. 199 N 7. S. etwa BGE 4A_444/2017 E. 4.2.3 und E. 5.6. Keller/Siehr, 110. BGE 126 III 59 E. 5a = Pra 2000 Nr. 117; s. Honsell, OR BT, 105; Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1264. BGE 109 II 24 E. 4. S. BGE 4A_551/2010 E. 2.6.

§ 28

4.

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

Ansprüche aus Sachgewährleistung

Sind die Voraussetzungen der Sachgewährleistung erfüllt, kann der Käufer Wand- 2651 lung, Minderung oder – bei Gattungskäufen – Ersatzlieferung verlangen (Art. 205 Abs. 1 und Art. 206 Abs. 1 OR).481 Der Käufer hat grundsätzlich freie Wahl; Einschränkungen seiner Wahlfreiheit sind auf wenige Konstellationen beschränkt (s. Art. 205 Abs. 2 und Abs. 3 sowie Art. 207 Abs. 3 OR; s. N 2657 ff.). In der Lehre ist strittig, ob sich mit der Wahl eines Rechtsbehelfs das Wahlrecht 2652 des Käufers erschöpft oder ob er – zu einem späteren Zeitpunkt – auf seine Wahl zurückkommen und einen anderen Rechtsbehelf wählen darf (sog. ius variandi).482 Im Bereich des Werkvertrages hat sich das Bundesgericht dafür ausgesprochen, dass die Bestellerin durch die Ausübung des Wahlrechts nachhaltig gebunden wird, da es sich bei demselben um ein Gestaltungsrecht handle, welches grundsätzlich unwiderruflich sei.483 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt, wenn der Unternehmer das Vorliegen von Mängeln oder Mängelrechen bestreitet oder seinen Pflichten aus dem Gewährleistungsrecht nicht nachkommt.484 In einer vergleichbaren Konstellation würde das Bundesgericht zugunsten des Käufers wohl gleich entscheiden. Nach der hier vertretenen Auffassung spricht aus «gestaltungsrechtlicher» Sicht wenig für eine Konsumtion des Wahlrechts. Insbesondere sollte nicht generell-abstrakt der Grundsatz gelten, dass alle Gestaltungsrechte unwiderruflich seien. Dafür ist die Kategorie «Gestaltungsrechte» viel zu heterogen. Die Möglichkeit, auf die getroffene Wahl zurückzukommen, wird durch Art. 2 ZGB, namentlich durch das Verbot des venire contra factum proprium und durch das im Vertrag und dem vertraglichen Umfeld (vor- und nachvertragliche Phase) geltende Vertrauensprinzip begrenzt.

5.

Wandlung (Art. 205 und Art. 207–209 OR)

5.1

Begriff

Der Käufer bedient sich des Rechts auf Wandlung, wenn er den seiner Auffassung nach mangelhaften Kaufgegenstand nicht behalten will. Die erfolgreiche Ausübung des Wandlungsrechts führt zur Aufhebung des Kaufvertrages (Art.  205 Abs. 1 OR).

481 482 483 484

Guhl/Koller, § 42 N 35. Honsell, OR BT, 117. BGE 136 III 273 E. 2.2 = Pra 2010 Nr. 129; 109 II 40 E. 6a = Pra 1983 Nr. 114. BGE 136 III 273 E. 2.4 = Pra 2010 Nr. 129; 4C.130/2006 E. 6.1.

807

2653

5. Kapitel

2654

Nominatverträge

Ziel der Wandlung ist es, den (teilweise) bereits erfüllten Vertrag rückabzuwickeln und dadurch den früheren Zustand wiederherzustellen: Der Käufer hat die Sache (nebst dem bezogenen Nutzen) zurückzugeben und die Verkäuferin muss den gezahlten Kaufpreis (samt Zinsen) zurückerstatten. Dazu gesellen sich je nach Konstellation zusätzliche Posten wie etwa Schadenersatz für unmittelbare und – bei Verschulden – auch für mittelbare Schäden (s. Art. 208 OR; s. N 2669 ff.). 5.2

Voraussetzungen

a.

Grundsatz

2655

Liegt ein Gewährleistungsfall vor, darf der Käufer grundsätzlich immer Wandlung verlangen (Art. 205 Abs. 1 OR).

2656

Die Wandlung ist nicht nur möglich, wenn die fehlerhafte Sache infolge ihrer Mängel, sondern auch wenn sie durch Zufall untergegangen ist (Art.  207 Abs.  1  OR; s. N 2665 f.). Auf die Kausalität zwischen Mangel und Untergang kommt es also gemäss dem Wortlaut des Gesetzes nicht an. Entgegen den Regeln der Gefahrtragung (s. N 2473 ff.) und dem Grundsatz casum sentit dominus fällt damit ohne sachlichen Grund das Risiko des zufälligen Untergangs zurück auf die Verkäuferin.485 Immerhin erfährt damit der viel kritisierte Übergang der Preisgefahr bei Vertragsschluss nach Art. 185 OR eine weitere – und im Ergebnis begrüssenswerte – Einschränkung seines Anwendungsbereichs. b.

2657

Ausnahmen

Auch wenn der Käufer Wandlung wählt, hat das Gericht die Kompetenz, bloss auf Ersatz des Minderwerts zu entscheiden, «sofern die Umstände es nicht rechtfertigen, den Kauf rückgängig zu machen» (Art. 205 Abs. 2 OR). Dies bedeutet nichts anderes, als dass die Nachteile, welche der Verkäuferin aus einer Aufhebung des Vertrages erwachsen, gegen die daraus für den Käufer resultierenden Vorteile abzuwägen sind. Sind die Verkäufernachteile wesentlich grösser als die Käufervorteile, so ist bloss Minderung zulässig.486 Zu einem anderen Ergebnis führt die Interessenabwägung, wenn der Käufer den Vertrag bei Kenntnis des Mangels nicht abgeschlossen hätte und dies auch objektivierbar ist.487 Eine Auslegung des OR im Licht des UN-Kaufrechts ergäbe im Übrigen, dass die Wandlung im Konfliktfall nur zur Verfügung stünde, wenn dem Käufer als Folge des Mangels im Wesentlichen ent-

485 486

Kritik bei Honsell, OR BT, 121. S. Keller/Siehr, 87; s. auch BGE 4A_252/2013 E. 4, in welchem die Wandlung vom Bundesgericht als völlig unverhältnismässig («gravement disproportionnée») bezeichnet wurde. 487 S. BK OR-Giger, Art. 205 N 52.

808

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

ginge, was er nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen (Art. 49 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 25 CISG; s. N 2813 ff.).488 Die Wandlung ist sodann ausgeschlossen, wenn der fehlerhafte Kaufgegenstand 2658 durch das Verschulden des Käufers untergegangen oder aber von ihm weiterveräussert oder umgestaltet worden ist (Art.  207 Abs.  3  OR). Eine Gegenausnahme ist dem Käufer dann zu gewähren, wenn eine Sache ohnehin bestimmungsgemäss untergeht. Esswaren sind beispielsweise zum Verzehr bestimmt. Stellt sich später heraus, dass sie verdorben waren, steht dem Käufer die Wandlung gleichwohl offen. Das Bundesgericht schliesst die Wandlung nach Art. 207 Abs. 3 OR auch aus, wenn 2659 der Käufer den Kaufgegenstand benutzt, obwohl er weiss, dass dieser mangelhaft ist.489 Ausnahmsweise kann der Gebrauch gerechtfertigt sein, namentlich dann, wenn der Untergang der Sache verhindert werden soll.490 Die Wandlung ist alsdann trotz der Benutzung zulässig. Eine weitere Restriktion des Wandlungsrechts enthält schliesslich Art. 209 Abs. 1 OR: 2660 Sind beim Kauf einer Mehrheit von Kaufsachen bloss einzelne Stücke fehlerhaft, darf nur bezüglich derselben gewandelt werden. Dieser Grundsatz lässt sich auch auf den Sukzessivlieferungsvertrag übertragen, wenn nur einzelne Lieferungen mangelhaft sind.491 Eine Konkretisierung dieses Gedankens findet sich im Übrigen in Art. 209 Abs. 3 OR, wonach die Wandlung auf die Nebensache zu beschränken ist, wenn nur diese mangelhaft ist. Art. 209 Abs. 2 und Abs. 3 OR statuieren Gegenausnahmen zugunsten der «Totalwandlung»: Die Wandlung des gesamten Kaufgegenstands ist trotz teilweiser Mangelhaftigkeit des Kaufgegenstands erstens zulässig, wenn sich die fehlerhaften Stücke nicht ohne erheblichen Nachteil von den fehlerlosen Sachen trennen lassen (Art. 209 Abs. 2 OR). Zweitens zieht die Wandlung der Hauptsache auch jene der Nebensache nach sich (Art. 209 Abs. 3 OR). 5.3

Wirkungen

a.

Vertragliches Rückabwicklungsverhältnis (Art. 208 OR)

Ist die Wandlungserklärung erfolgreich, muss der Kaufvertrag liquidiert werden. 2661 Neben der Sache hat der Käufer gemäss Art. 208 Abs. 1 OR den bezogenen Nutzen herauszugeben, wobei ein kalkulatorischer Zins von 5% einzubeziehen ist.492 Die Verkäuferin hat den Preis zu erstatten. Dieser ist ebenfalls zu verzinsen.

488 489 490 491 492

Zu einer Interpretation des OR im Licht des UN-Kaufrechts Rüetschi, recht 2003, 121. BGE 105 II 90 E. 1; zum Ganzen Guhl/Koller, § 42 N 37; Keller/Siehr, 87. BGE 105 II 90 E. 1. ZK OR-Schönle, Art. 184 N 106. BGE 106 II 221 E. 1c; OFK OR-Kren Kostkiewicz/Henop Reich, Art. 208 N 3.

809

5. Kapitel

Nominatverträge

2662

Über die Art des Anspruchs auf Rückgabe der Kaufsache besteht in der Lehre eine Kontroverse: Ein Teil der Lehre geht von einem Vindikationsanspruch der Verkäuferin auf Rückgabe der Kaufsache aus. Bei der Wandlung falle die causa nämlich mit Wirkung ex tunc weg.493

2663

Die neuere Lehre, der wir uns anschliessen, befürwortet hingegen eine Überführung des Vertrages in ein Liquidationsverhältnis, das aus obligatorisch wirkenden synallagmatischen Ansprüchen besteht.494 Das Bundesgericht anerkennt denn auch in seiner jüngeren Rechtsprechung die Anwendbarkeit der Umwandlungstheorie auf Verträge, die mit Erfüllungsmängeln behaftet sind (s. N 960 ff.).495

2664

Die Umwandlungstheorie, auf welcher das Liquidationsverhältnis basiert, hat sich im Rahmen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zuerst beim Vertragsrücktritt nach Art. 109 Abs. 1 OR infolge Schuldnerverzugs, also ebenfalls bei einem Erfüllungsmangel, durchgesetzt.496 Überträgt man diese Konstruktion auf die Wandlung, so ergibt sich aus der parallelen Grundproblematik, dass auch hier das Schuldverhältnis nicht sogleich aufzuheben, sondern zunächst in ein Abwicklungsverhältnis umzuwandeln ist.497 Die Rückgabepflichten sind somit grundsätzlich vertraglicher Natur und interdependent. Die Parteien sollen durch die Erfüllung dieser Pflichten so gestellt werden, als ob sie gar nie miteinander eine Vereinbarung getroffen hätten.498 Art. 938 ff. ZGB sind somit nicht anwendbar; auf die Rückabwicklung finden nicht die ausservertraglichen, sondern die vertraglichen Regeln Anwendung, insbesondere Art. 68 ff., Art. 82 und Art. 97 ff. OR.499 Der Vorteil davon ist, dass alle Pflichten, welche aus dem Liquidationsverhältnis generiert werden, den gleichen Verjährungsregeln folgen und überdies auch dem synallagmatischen Charakter des Kaufs besser entsprechen als die Zerlegung in Vindikation und Kondiktion (zur Umwandlungstheorie s. N 583, N 960 ff.). b.

2665

Zufälliger Untergang (Art. 207 OR)

Im Rahmen des Rückabwicklungsverhältnisses stellt sich unter anderem die Frage, ob der zufällige Untergang der fehlerhaften Sache nach Erklären der Wandlung den zur Rückgewährung verpflichteten Käufer von seiner Leistung befreit (Art. 119 Abs. 1 OR) und er alsdann im Gegenzug seinen Anspruch auf die Gegenleistung verliert (Art. 119 Abs. 2 OR). 493 494

Engel, CO PS, 42; BK OR-Giger, Art. 208 N 8 f.; Keller/Siehr, 88. Bucher, OR BT, 98; Honsell, OR BT, 120; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 775; CR CO-Venturi/ Zen-Ruffinen, Art. 208 N 2. 495 S. BGE 137 III 243 E. 4.4.7 (obiter dictum); s. auch schon BGE 4C.60/2002 E. 1.3. 496 BGE 114 II 152 E. 2c aa. 497 S. BGE 114 II 152 E. 2c aa; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2806 f.; Schwenzer, OR AT, N 66.33; s. auch Tercier/Pichonnaz, CO PG, N 1461. 498 BGE 114 II 152 E. 2c aa; BSK OR-Wiegand, Art. 109 N 5. 499 BSK OR-Wiegand, Art. 109 N 6 f.

810

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

Diesem Ansatz steht beim Kaufvertrag Art. 207 Abs. 1 OR entgegen: Der Käufer 2666 darf selbst dann noch Wandlung verlangen, wenn die (mangelhafte) Sache bereits durch Zufall untergegangen ist. Im Resultat hat der Käufer diesfalls einen Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises, ist aber gleichwohl von seiner Leistungspflicht befreit. Die Verkäuferin trägt demnach zwischen Wandlung und Rückgabe der Sache die Preisgefahr.500 Hier führt die Anwendung von Art. 207 Abs. 1 OR, die aufgrund des klaren Gesetzeswortlauts unumgänglich ist, zu einer Vernachlässigung des Synallagmas während der Rückabwicklung. Im Zusammenspiel mit Art. 185 OR, nach welchem der Käufer die Gefahr schon ab Vertragsschluss zu tragen hat, ist diese Bestimmung aber gar nicht so stossend: Denn sie verlagert – sozusagen spiegelbildlich zu Art. 185 OR – die Preisgefahr auf die Verkäuferin.501 c.

Aufbewahrung bzw. Notverkauf (Art. 204 OR)

Bei Wandlung trifft den Käufer eine einstweilige Aufbewahrungspflicht (Art. 204 2667 Abs.  1  OR). Bezüglich verderblicher Waren gilt die Sonderregelung von Art.  204 Abs.  3  OR, wonach der Käufer berechtigt und unter Umständen sogar verpflichtet ist, die Sache verkaufen zu lassen. Unterlässt er es, die Verkäuferin über diesen Schritt zu informieren, muss er mit Schadenersatzansprüchen rechnen. d.

Rücktransport

Analog zur Regelung über den richtigen Erfüllungsort von Holschulden (Art.  74 2668 Abs. 2 Ziff. 2 OR) ist dort zurückzuleisten, wo sich die Kaufsache im Zeitpunkt der Wandlung befindet.502 Die Verkäuferin muss die Ware also beim Käufer abholen (lassen) und auch die Kosten des Rücktransports übernehmen.503 5.4

Schadenersatz (Art. 208 Abs. 2 und Abs. 3 OR)

Neben dem Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises sowie auf Ersatz der Ver- 2669 wendungen und Prozesskosten hat der Käufer bei der Wandlung auch einen Anspruch auf Ersatz eines allfälligen Schadens: Nach Art. 208 OR muss die Verkäuferin für unmittelbaren Schaden kausal (Art. 208 Abs. 2 OR) und für weiteren Schaden bei Verschulden (Art. 208 Abs. 3 OR) haften. Über die Abgrenzung der beiden Schadenposten herrschen in Lehre und Rechtsprechung unterschiedliche Ansichten. Im Wesentlichen werden dazu vier Begriffspaare herangezogen:

500 S. OFK OR-Kren Kostkiewicz/Henop Reich, Art. 208 N 3, die Art. 185 OR mit Hinweis auf BGE 109 II 26 E. 3a anwenden. 501 Keller/Siehr, 89. 502 BGE 109 II 26 E. 4a; Schwenzer, OR AT, N 7.15. 503 S. Keller/Siehr, 89; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 778.

811

5. Kapitel

Nominatverträge

• damnum emergens (eingetretener Schaden)  – lucrum cessans (entgangener Gewinn);504 • negatives Interesse – positives Interesse (Referenzzeitpunkt Vertragsschluss oder Vertragserfüllung);505 • Mangelschaden (Schaden am Kaufgegenstand) – Mangelfolgeschaden;506 • naher oder entfernter Kausalzusammenhang.507 2670

Betrachtet man die Frage vom Zweck der Norm her (teleologische Auslegung von Art. 208 OR), überzeugt die Anwendung des letzten Begriffspaars am meisten: Je entfernter nämlich der Kausalzusammenhang ist, umso weniger sachgerecht ist es, die Folgen einer ungünstigen und allenfalls auch ungewöhnlichen Verkettung von Ereignissen auf die Verkäuferin zu überwälzen, ohne ihr die Möglichkeit zur Exkulpation zu gewähren. Oder anders ausgedrückt: Die Verkäuferin (die ja nicht notwendigerweise auch Herstellerin des entsprechenden Produkts ist) kann die Kosten einer Sache nur sinnvoll kalkulieren, wenn der möglicherweise eintretende Schaden in etwa begrenzbar und quantifizierbar ist.

2671

Für die Abgrenzung «Mangelschaden – Mangelfolgeschaden» spricht auf den ersten Blick, dass sie wegen ihrer Klarheit mehr Rechtssicherheit generiert als die Nähe des Kausalzusammenhangs. Das Problem dieser Abgrenzung besteht jedoch darin, dass der Mangelschaden (der Schaden am mangelhaften Kaufgegenstand) im Wesentlichen bereits durch die Rückerstattung des Kaufpreises abgedeckt wird. Damit würde der Schadensposten von Art. 208 Abs. 2 OR praktisch seines Gehalts entleert und man fiele auch für das Gewährleistungsrecht wieder auf die Verschuldenshaftung von Art. 97 Abs. 1 OR zurück.

2672

Will man das nicht, so muss man Art. 208 Abs. 2 OR etwas weiter auslegen. Dafür spricht auch die folgende Überlegung: Stellt man Art. 208 OR zusätzlich zum teleologischen in einen systematischen Zusammenhang, so ergibt sich folgendes Bild: Art. 208 Abs. 2 OR steht in einem Gegensatz zu Art. 97 Abs. 1 OR, welcher unabhängig von der Art des Schadens, des Referenzzeitpunkts, des geschützten Rechtsguts oder der Nähe des Kausalzusammenhangs dem Verschuldensprinzip folgt. Art. 208 OR steht damit aber nicht allein da, sondern beruht auf ähnlichen Überlegungen wie die Kausalhaftung der Produzentin (und der ihr gleichgestellten Personen) im PrHG. Auch im übrigen Konsumrecht gibt es verschiedene Anhaltspunkte dafür, dass die Unternehmerin zum Teil unabhängig von ihrem allfälligen Verschulden zur Haftung herangezogen wird (s. z.B. Art. 14 Abs. 1 PauRG508). Ähnlichkeiten finden sich aber nicht nur im Konsumrecht, sondern auch im UN-Kaufrecht, das 504 505 506 507 508

812

S. BGE 79 II 376 E. 3; BK OR-Giger, Art. 208 N 35 ff.; s. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 784. S. Guhl/Koller, § 42 N 40. Ausführlich Honsell, OR BT, 127 ff.; Honsell, recht 2007, 156 ff. Bucher, OR BT, 104 f.; Keller/Siehr, 90; CR CO-Venturi/Zen-Ruffinen, Art. 208 N 14. Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über Pauschalreisen (SR 944.3).

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

bezüglich Schadenersatz ebenfalls von einem Verschuldenserfordernis bei der Verkäuferin absieht (Art. 35 CISG). Eine kontextuelle Betrachtung dieser Normen zeigt allerdings auch, dass die Kau- 2673 salhaftung in der Regel durch «Gegenprinzipien» ausbalanciert wird. So begrenzt Art. 74 CISG den Schaden beispielsweise auf den voraussehbaren Umfang. Genauer: Der Schadenersatz darf jenen Verlust nicht übersteigen, den die vertragsbrüchige Partei bei Vertragsschluss als mögliche Folge der Vertragsverletzung vorausgesehen hat oder unter Berücksichtigung der Umstände, die sie kannte oder kennen musste, hätte voraussehen müssen. Art. 14 PauRG wiederum gleicht das Kausalhaftungsprinzip beispielsweise aus, indem er eine Serie von Ursachen definiert, welche sich der Veranstalter nicht zurechnen lassen muss (z.B. Krieg und Katastrophen; s. Art. 15 PauRG; für das UN-Kaufrecht s. Art. 79 CISG). Da solche «Gegenprinzipien» im Gewährleistungsrecht des OR fehlen, muss man 2674 sich unseres Erachtens für einen der beiden folgenden Wege entscheiden: Der konservative – an den allgemeinen vertragsrechtlichen Haftungsprinzipien orientierte – Weg besteht darin, die Kausalhaftung möglichst eng auszulegen (Art. 208 Abs. 2 OR) und im Grenzfall eher via Verschulden zu kontrollieren (Art. 208 Abs. 3 OR), inwieweit der Verkäuferin ein Schaden überwälzt werden soll. Man kann aber auch einen anderen, zukunftsträchtigeren Weg beschreiten und Art. 208 Abs. 2 OR als Sprungbrett für eine CISG-konforme Vertragsauslegung benutzen. Dies ist allerdings nur dann sinnvoll, wenn man im Bereich von Art. 208 Abs. 2 OR die (grammatikalisch betrachtet) fehlenden Ausgleichsprinzipien auch wirklich richterrechtlich ergänzt. Dann gilt es aber auch zu überlegen, inwieweit diese Prinzipien über den sachlichen Geltungsbereich des UN-Kaufrechts hinaus auch für andere Vertragstypen, die ebenfalls ein Gewährleistungsrecht kennen, anwendbar sind. Das können übrigens Nominat- oder Innominatverträge sein. Im Zug dieser Überlegungen ist sodann zu entscheiden, ob auch in diesem Bereich 2675 der Zweiteilung zwischen Konsumverträgen und «gewöhnlichen» Verträgen Rechnung getragen werden soll. Wo sich allgemeingültige, aber auch flexible Kriterien finden lassen, ist nach der hier vertretenen Ansicht nach Möglichkeit von einer Zweiteilung abzusehen. Sowohl die Voraussehbarkeit (Art. 74 CISG) wie auch die Hinderungsgründe (Art. 79 CISG; Art. 15 PauRG) sind z.B. solche allgemeingültigen, flexiblen Kriterien. Im Übrigen kann anlässlich der Anwendung im Einzelfall weiteren Kriterien wie der Professionalität der Verkäuferin bzw. den Gepflogenheiten bezüglich der Versicherbarkeit möglicher Risiken ebenfalls Rechnung getragen werden. Das Bundesgericht hat sich in seiner neueren Rechtsprechung zur Auslegung von 2676 Art. 208 OR ebenfalls dahingehend geäussert, dass zur Abgrenzung zwischen unmittelbaren (und daher im Sinne von Art.  208 Abs.  2  OR von der Verkäuferin verschuldensunabhängig zu ersetzenden) Schäden und mittelbaren Schäden (Art. 208

813

5. Kapitel

Nominatverträge

Abs. 3 OR: Ersatz nur bei Verschulden; Art. 97 Abs. 1 OR) die Länge der Kausalkette heranzuziehen ist.509 2677

Als Schaden im Sinne von Art. 208 Abs. 2 OR sind demnach alle Schäden zu qualifizieren, welche dem Käufer durch die Lieferung fehlerhafter Ware unmittelbar verursacht werden. Nach dieser Lesart kann Art. 208 Abs. 2 OR bei einer kurzen und eng verknüpften Kausalkette auch solche Schäden erfassen, welche die mangelhafte Sache an anderen Rechtsgütern des Käufers verursachte (Mangelfolgeschäden). Weiter ist mit Blick auf die Abgrenzung zwischen damnum emergens und lucrum cessans mit Blick auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Art.  116 aOR festzuhalten, dass entgangener Gewinn zwar in der Regel zum mittelbaren und damit nicht ersatzfähigen Schaden gehört, in Ausnahmefällen (nämlich wenn voraussehbar ist, dass das Interesse des Käufers sich auf einen durch Weiterverkauf der Ware angestrebten Gewinn erstreckt) aber auch als unmittelbarer Schaden angesehen werden kann.510

2678

Gleichwohl kann unseres Erachtens auch der Lehrmeinung gefolgt werden, wonach der unmittelbare Schaden im Sinne von Art. 208 Abs. 2 OR in der Regel nur den Ersatz des negativen Interesses umfasst, ist doch auch unter diesem Titel der Ersatz entgangenen Gewinns unter ähnlichen Gesichtspunkten ausnahmsweise denkbar (s. N 874). Ein Ersatz des positiven Interesses im Lichte der Beschränkung der Ersatzpflicht von Art. 208 Abs. 2 OR auf unmittelbare Schäden (das heisst solche, die ohne Hinzutreten weiterer Schadensursachen in direkter Folge der fehlerhaften Lieferung entstanden sind) ist schwer vorstellbar: Der Ersatz des Erfüllungsinteresses zielt ja gerade darauf ab, durch weitere Teilursachen (meist solche aus der Sphäre des Käufers) bedingte (Zusatz-)Schäden abzudecken. Umgekehrt umfasst der Begriff des negativen Interesses aber sehr wohl auch mittelbare (und im Sinne von Art. 208 Abs. 2 OR nicht ersatzfähige) Schäden.

2679

Im Gesamtkontext betrachtet ergibt sich aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 208 Abs. 2 OR eine verschuldensunabhängige Haftung der Verkäuferin für unmittelbare Schäden, welche weder durch Gegenprinzipien ausbalanciert noch betragsmässig begrenzt wird. Das ist sehr streng. Denn: Eine Einschränkung der Haftung lässt sich so einzig durch die enge Auslegung des Begriffs der unmittelbaren Mangelfolge (bzw. des Kausalzusammenhangs zwischen Schlechterfüllung und Schaden) erreichen. Das Kriterium der Vorhersehbarkeit ist erst dann heranzuziehen, wenn eine (allerdings nur mit grosser Zurückhaltung anzunehmende) Qualifikation entgangenen Gewinns als unmittelbarer Schaden zur Diskussion steht. Die Abgrenzung zwischen Konsumverträgen und «gewöhnlichen» Verträgen findet hier keine Berücksichtigung. 509 BGE 133 III 257 E. 2.5.4, der in E. 2.1 zudem die verschiedenen Lehrmeinungen darstellt und sich in E. 2.5 mit der Auslegung von Art. 208 OR befasst. 510 BGE 133 III 257 E. 2.5.2; 26 II 739 E. 8.

814

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

In der Praxis ist damit bei der Beurteilung der Haftung der Verkäuferin anhand 2680 der Länge bzw. der «Intensität» der Kausalkette zu eruieren, ob der eingetretene Schaden eine direkte Folge des schädigenden Ereignisses ist (unmittelbarer Schaden) oder ob dieser erst durch das Hinzutreten weiterer Schadensursachen bewirkt wurde (mittelbarer Schaden). So liegt beispielsweise ein unmittelbarer Kausalzusammenhang vor, wenn ein Bauer eine kranke Kuh erwirbt und seine anderen Tiere als Folge der Übertragung der Krankheit sterben; von einer mittelbaren Schädigung ist jedoch auszugehen, wenn der Bauer aufgrund der Erkrankung seiner Ochsen die Felder nicht mehr bestellen und in der Folge seine Schulden nicht mehr bezahlen kann. Bei der Beurteilung muss überdies dem Umstand Rechnung getragen werden, dass nur selbständig hinzugetretene Teilursachen des Schadens die Kausalkette verlängern. Kurzum: «Ein Schaden ist nicht bereits deshalb als mittelbare Folge eines Mangels zu qualifizieren, weil er sich erst beim normalen Gebrauch der Sache im Rahmen des üblichen oder vereinbarten Verwendungszwecks auswirkte.»511 Steht die Teilursache in zwingender Verbindung mit dem Verkauf (etwa eine Einstallung von Tieren oder ein Tiertransport), ist sie nicht als selbständig hinzutretende Schadensursache zu betrachten; es liegt vielmehr ein unmittelbarer Schaden vor.512

6.

Minderung (Art. 205 OR)

6.1

Begriff

Minderung bedeutet Herabsetzung des Kaufpreises infolge eines Mangels an der Kaufsache. Der Kaufpreis wird um jenen prozentualen Anteil reduziert, welcher dem Minderwert der Kaufsache entspricht. 6.2

Voraussetzungen

a.

Grundsatz: Freie Wahl (Art. 205 Abs. 1 OR)

2681

Sind alle Voraussetzungen für einen Anspruch aus Sachgewährleistung erfüllt 2682 (s. N 2596 ff.), hat der Käufer grundsätzlich die Wahl, ob er Wandlung oder Minderung verlangen will (Art. 205 Abs. 1 OR; anders Art. 49 Abs. 1 lit. a CISG, wonach ein Vertrag nur bei einer wesentlichen Vertragsverletzung aufgehoben werden darf). Das gilt sogar, wenn die Sache infolge ihrer Mängel oder gar durch Zufall untergegangen ist (Art. 207 Abs. 1 und Abs. 2 OR).

511 BGE 133 III 257 E. 3.2. 512 S. BGE 133 III 257 E. 2.5 und E. 3.

815

5. Kapitel

b.

Nominatverträge

Ausnahmen (Art. 205 Abs. 2 und Abs. 3 OR)

2683

Verlangt der Käufer Wandlung, kann das Gericht auf Minderung erkennen, wenn die Umstände die Aufhebung des Kaufvertrages nicht rechtfertigen (Art.  205 Abs. 2 OR; s. N 2657 ff.). Zu mindern ist in der Regel auch, wenn die mangelhafte Sache durch das Verschulden des Käufers untergegangen oder von diesem veräussert bzw. umgestaltet worden ist (Art. 207 Abs. 3 OR).

2684

Erreicht der Minderwert den Umfang des Kaufpreises, kann dagegen nur gewandelt werden (Art. 205 Abs. 3 OR). 6.3

Berechnung (relative Methode)

2685

Die Minderung bezweckt nicht die Wiedergutmachung durch Schadenersatz, sondern die Wiederherstellung des wertmässigen Austauschverhältnisses von Leistung und Gegenleistung. Deshalb wird die Preisreduktion nach der relativen Methode berechnet.513 Dadurch wird gewährleistet, dass das subjektiv für stimmig betrachtete Verhältnis zwischen ausgehandeltem Preis und objektivem Wert erhalten bleibt.514 Entscheidend ist der Minderwert der Sache im Zeitpunkt des Gefahrenüberganges.515 Zur Berechnung werden zwei Vermutungen herangezogen: So wird zunächst vermutet, dass der objektive Wert der mangelfreien Sache dem vereinbarten Kaufpreis entspricht. Sodann wird vermutet, der Minderwert der mangelhaften Sache entspreche den Wiederherstellungskosten.516 Folgende Gleichung ist anwendbar:517

2686

objektiver Wert der mangelfreien Sache: ursprünglich vereinbarter Kaufpreis = objektiver Wert der mangelhaften Sache: geminderter Kaufpreis

2687

Berechnungsbeispiel: Der objektive Wert eines Kaufgegenstands ist CHF 1000, die Parteien vereinbaren aber einen Preis von CHF 1200. Hat die Sache einen Mangel, der zu einem objektiven Wert von CHF 500 führt, so beträgt der neue geminderte Preis nach der relativen Methode CHF 600. Kurzum: Der Defekt vermindert den Wert des Kaufgegenstands um 50%, gleichgültig ob der subjektive Preis höher oder tiefer ist als der objektive Wert der Sache. Absolut berechnet würde der geminderte Preis CHF 700 betragen (CHF 1200 minus CHF 500), wodurch in unserem Beispiel der Käufer benachteiligt würde. 513 BGE 4A_601/2009 E. 3.2.6. 514 BGE 81 II 207 E. 3a; Engel, CO PS, 45 f.; Guhl/Koller, § 42 N 45; Honsell, OR BT, 123; Keller/ Siehr, 92 f.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 802. 515 BGE 4A_601/2009 E. 3.2.6; 117 II 552 E. 4b bb. 516 BGE 4A_601/2009 E. 3.2.6. 517 S. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 800.

816

§ 28

6.4

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

Schadenersatz?

Für Schadenersatzforderungen im Zusammenhang mit der Minderung sind nach 2688 bundesgerichtlicher Rechtsprechung ausschliesslich die Art. 97 ff. OR anwendbar, weil Art. 208 OR sich nur auf die Wandlung beziehe.518 Während sich in der Lehre bei unmittelbaren Schäden das Problem für die einen gar nicht stellt519 und bei weiterem Schaden ein Ersatzanspruch analog zu Art. 208 Abs. 3 OR oder allenfalls auch Art. 97 Abs. 1 OR zu bejahen ist520, sprechen sich andere für die analoge Anwendung von Art. 208 Abs. 2 und Abs. 3 OR aus521.

7.

Nachbesserung und Ersatzlieferung?

7.1

Nachbesserung?

Nach dem Gesetz hat der Käufer keinen ausdrücklichen Anspruch auf Nachbes- 2689 serung (anders etwa im UN-Kaufrecht; s.  N  2806  ff.).522 Demgegenüber bejahen Guhl/Koller einen Nachbesserungsanspruch des Käufers, indem sie Art.  368 Abs. 2 OR analog heranziehen.523 Art. 368 Abs. 2 OR gewährt der Bestellerin einen solchen Anspruch, sofern dadurch dem Unternehmer nicht übermässige Kosten verursacht werden (s. auch Art. 46 Abs. 3 CISG: «… es sei denn, dass dies unter Berücksichtigung aller Umstände unzumutbar ist»). Art. 2 ZGB wird bisweilen ebenfalls zur Konstruktion eines Nachbesserungsrechts der Verkäuferin benutzt.524

2690

Da die (besonderen) Gewährleistungs- und auch die (allgemeinen) Leistungsstö- 2691 rungsregeln überwiegend dispositiver Natur sind, bleibt es den Parteien unbenommen, einen Anspruch des Käufers bzw. ein Recht der Verkäuferin auf Nachbesserung zu vereinbaren.525 Für die Durchsetzung eines solchen Nachbesserungsanspruchs gelten die allgemeinen Bestimmungen von Art. 102 ff. OR.526 Der Käufer kann sein Vorgehen dadurch rationalisieren, dass er gleichzeitig mahnt, also in Verzug setzt, und eine Nachfrist ansetzt.527

518 519 520 521 522 523 524 525 526 527

BGE 82 II 136 E. 3a. Honsell, OR BT, 110; offengelassen bei Guhl/Koller, § 42 N 40 und N 46. BSK OR-Honsell, Art. 208 N 7. Keller/Siehr, 93 f.; Schulin/Vogt, OR BT, Tafel B 7C; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 809. BGE 95 II 119 ff., 125 f.; offengelassen in BGE 124 III 456 E. 4b bb; Honsell, OR BT, 115; Tercier/Bieri/ Carron, CO PS, N 756. Guhl/Koller, § 42 N 48. Bucher, OR BT, 97; BK OR-Giger, Art. 205 N 43. S. Guhl/Koller, § 42 N 50. BGE 91 II 344 E. 3a. BGE 103 II 102 E. 1a.

817

5. Kapitel

2692

Gelingt die Nachbesserung nicht (je nach Umständen ist der Verkäuferin mehr als ein Versuch zuzubilligen528), kommt es auf die diesbezügliche Vereinbarung der Parteien an. Wurde der Nachbesserungsanspruch an die Stelle der gesetzlichen Gewährleistungsregeln gesetzt, greifen die Art. 107 ff. OR.529 Ist dies nicht der Fall, kann der Käufer immer noch mindern oder wandeln. 7.2

2693

Ersatzlieferung von Gattungsware (Art. 206 OR)

Der Anspruch darauf, bei mangelhafter Gattungsware (teleologisch betrachtet  – entgegen dem Wortlaut des Gesetzes – auch bei nicht «vertretbarer» Ware530) Ersatz zu verlangen bzw. zu leisten, richtet sich nach Art. 206 OR: Der Käufer kann statt Wandlung oder Minderung auch Ersatzlieferung verlangen (Art. 206 Abs. 1 OR). Nach gesetzlicher Anordnung hat die Verkäuferin aber nur beim Platzkauf ein Recht auf Ersatzlieferung (Art. 206 Abs. 2 OR). Aufgrund der heutigen Transportwege und -mittel spricht sich die herrschende Lehre jedoch auch beim Distanzkauf für ein Recht der Verkäuferin auf Ersatzlieferung aus,531 mindestens wenn sofort geliefert wird.532 Den Käufer trifft im Fall einer Ersatzlieferung wie bei der Wandlung die Pflicht zur einstweiligen Aufbewahrung, zur Tatbestandsfeststellung sowie allenfalls zum Notverkauf der mangelhaften Ware (Art. 204 Abs. 1–3 OR).533 7.3

2694

Nominatverträge

Unterbrechung der Verjährung

Sowohl Nachbesserung wie auch Ersatzlieferung stellen konkludente Anerkennungshandlungen der Verkäuferin im Sinne von Art. 135 Ziff. 1 OR dar. Dies bedeutet, dass die zweijährige Frist von Art.  210 Abs.  1  OR im Moment einer solchen Unterbrechungshandlung von Neuem zu laufen beginnt (Art. 137 Abs. 1 OR).534

528 529 530 531

S. Honsell, OR BT, 115 f. BGE 91 II 344 E. 3b. BGE 94 II 26 E. 4a; BK OR-Giger, Art. 206 N 4; von Tuhr/Peter, 54 FN 7. Guhl/Koller, § 42 N 47; BSK OR-Honsell, Art. 206 N 1; differenzierend Keller/Siehr, 95; a.M. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 812. 532 Bucher, OR BT, 117. 533 BSK OR-Honsell, Art. 204 N 5 ff. 534 BGE 4A_68/2009 E. 10.3; s. BK OR-Giger, Art. 210 N 32; BSK OR-Honsell, Art. 210 N 4; gleich beim Werkvertrag BGE 116 II 305 E. 3c; Gauch, Werkvertrag, N 2266.

818

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

8.

Konkurrenzen

8.1

Schlechterfüllung (Art. 97 ff. OR)

Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung stehen die Ansprüche aus Sachgewähr- 2695 leistung und Schlechterfüllung (Art.  97 Abs.  1  OR) in alternativer Konkurrenz zueinander (s. N 2548 f. und N 2583 f.).535 Das Bundesgericht mildert allerdings die Auswirkungen der (von ihm selbst sta- 2696 tuierten) Anspruchskonkurrenz zwischen den Regeln des Kaufrechts und des Allgemeinen Teils des OR, indem es bestimmte Voraussetzungen für die Sachgewährleistung (Rügeobliegenheit gemäss Art. 201 OR, Verwirkung und Verjährung gemäss Art. 210 OR, Haftungsausschluss gemäss Art. 199 OR) auch für den Anspruch aus Art. 97 Abs. 1 OR statuiert.536 Durch die Anwendung der Voraussetzungen der spezielleren auf die allgemeinere Norm erzielt das Bundesgericht ein ähnliches Ergebnis, wie wenn es die kaufrechtlichen Sachgewährleistungsnormen als leges speciales zu den Regeln des Allgemeinen Teils verstehen würde.537 Im Ergebnis mit dem Bundesgericht übereinstimmend, dessen Methode jedoch 2697 ablehnend, vertritt ein Teil der Doktrin die Auffassung, dass es sich bei den Sachgewährleistungsregeln nach Art. 197 ff. OR um eine abschliessende Regelung handle, welche die Anwendung von Art. 97 Abs. 1 OR ausschliesse.538 Dagegen argumentiert ein anderer Teil der Lehre wie folgt: Die Regeln der Sach- 2698 gewährleistung (Art.  197  ff.  OR) stünden wohl als leges speciales denjenigen der Schlechterfüllung (Art. 97 Abs. 1 OR) als lex generalis gegenüber. Alleine aus dem Grundsatz lex specialis derogat legi generali deren Exklusivcharakter abzuleiten, sei indessen verfehlt.539 Vielmehr habe der Gesetzgeber mit der Kausalhaftung nach Art. 197 ff. OR (unter die Ausnahme von Art. 208 Abs. 3 OR) eine Privilegierung des Käufers beabsichtigt. Folglich dürfe der Käufer in alternativer Konkurrenz auch Ansprüche aus Art. 97 Abs. 1 OR geltend machen, ohne dass die strengen Voraussetzungen der Sachgewährleistung erfüllt sein müssten.540 Damit der Käufer gegenüber der Verkäuferin Ansprüche aus Art. 97 Abs. 1 OR erhe- 2699 ben kann, muss diese ein Verschulden treffen. Dabei läge das Verschulden nicht darin, dass die Kaufsache mangelhaft sei, sondern dieses betreffe das Wissen (bzw. die fahrlässige Unkenntnis) um die Mangelhaftigkeit bei Vertragsabschluss (sog. Kontrahierungsverschulden).541 535 536 537 538 539 540 541

BGE 4A_472/2010 E. 2.1; 133 III 335 E. 2; 108 II 102 E. 2a; s. Keller/Siehr, 105 ff. BGE 133 III 335 E. 2.4.1. BSK OR-Honsell, Vorb. zu Art. 197–210 N 6. Honsell, OR BT, 131; s. Guhl/Koller, § 42 N 62. BK OR-Giger, Vorb. zu Art. 197–210 N 20 ff. BK OR-Giger, Vorb. zu Art. 197–210 N 26 ff.; Keller/Siehr, 106 f. Bucher, OR BT, 103 f.; BSK OR-Honsell, Vorb. zu Art. 197–210 N 6.

819

5. Kapitel

8.2 2700

Nominatverträge

Unerlaubte oder sittenwidrige Handlung (Art. 41 ff. OR)

Die Ansprüche aus Art. 197  ff. OR stehen sodann in alternativer Konkurrenz zu den Deliktsansprüchen aus Art. 41 ff. OR, wenn die Verkäuferin einen mangelhaften Kaufgegenstand liefert und damit schuldhaft widerrechtlich (Art. 41 Abs. 1 OR) oder absichtlich sittenwidrig (Art. 41 Abs. 2 OR) einen Schaden verursacht. Das Bundesgericht setzt auch hier eine rechtzeitige Rüge im Sinne von Art. 201 OR voraus.542 Ein Verstoss gegen Deliktsrecht liegt vor, wenn die Verkäuferin gleichzeitig mit der Schlechterfüllung absolute Rechte des Käufers verletzt oder dessen Vermögen in Verletzung besonderer Schutznormen schädigt (s. N 1940 ff.).543 8.3

Irrtum (Art. 23 ff. OR)

2701

Das Bundesgericht ermöglicht dem Käufer schliesslich die alternative Berufung auf die Irrtumsregeln nach Art. 23 ff. OR.544 Allerdings besteht diese Konkurrenz auch nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nur vor der Wahlausübung:545 Mache der Käufer Gewährleistungsansprüche geltend, sei die Anfechtung wegen Irrtums nicht mehr möglich. Mit der Wahl des Gewährleistungsanspruchs (auch der Wandlung) werde nämlich der Vertrag nach Art. 31 OR (konkludent) genehmigt. Die Sachmängelhaftung setze mit anderen Worten einen (gültigen) Vertragsschluss voraus.546

2702

Ein Teil der Lehre spricht sich gegen die (beschränkte) Alternativität bzw. für die ausschliessliche Anwendung der Regeln über die Sachgewährleistung aus.547 Beziehe sich der Irrtum nämlich auf eine Eigenschaft der Kaufsache, decke sich die Irrtumsanfechtung mit gewährleistungsrechtlichen Regeln. Liesse man die Berufung des Käufers auf Irrtum zu, könnte dieser die Sonderregelung der Sachgewährleistung, welche mit den Fristen von Art.  201 und Art.  210  OR eine rasche und abschliessende Konfliktlösung bezwecke, «umgehen».548

2703

Die Gegner argumentieren wie folgt: Die Regeln über den Irrtum betreffen das Gebiet der Vertragsgültigkeit, diejenigen der Sachgewährleistung hingegen das Gebiet der Vertragserfüllung.549 Auch nach unserer Meinung liegt das eine Mal ein Entstehungs-, das andere Mal ein Erfüllungsmangel vor.

542 543 544 545 546 547 548 549

820

BGE 67 II 132, 137; kritisch Fastricht, AJP 1995, 1118 f. S. Schwenzer, OR AT, N 50.04. BGE 127 III 83 E. 1b; 114 II 131 E. 1a. BGE 108 II 102 E. 2a. BGE 127 III 83 E. 1b. Ausführlich Honsell, SJZ 2007, 137 ff.; Mauchle, AJP 2012, 946 ff.; Schwenzer, OR AT, N 39.41. Schwenzer, OR AT, N 39.41; s. Mauchle, AJP 2012, 946. S. Bucher, OR BT, 109 f.; Guhl/Koller, § 42 N 63; Keller/Siehr, 107 f.

§ 28

Kauf (Art. 184–236 OR) und Tausch (Art. 237–238 OR)

XI.

Tausch (Art. 237–238 OR)

1.

Begriff

Beim Tausch verpflichten sich die Parteien zur gegenseitigen Übertragung von Gegenständen, die nicht in Geld bestehen (s. Art. 237 OR).

2704

Beim Tausch wird die Gegenleistung im Unterschied zum Kauf nicht mit Geld 2705 bezahlt, sondern mit einem anderen Gegenstand entgolten.550 Getauscht werden kann alles, was Gegenstand eines Kaufvertrages bildet (s. N 2414 ff.).551 Der Tausch ist historisch gesehen der Vorläufer des Kaufs; juristisch wird er als «Abart» desselben behandelt:552 Art. 237 OR verweist vorbehältlich besonderer Tauschregeln auf die Bestimmungen des Kaufrechts. Die Kaufregeln gelangen beim Tauschvertrag also nur teilweise und sinngemäss zur Anwendung. Sämtliche kaufpreisbezogenen Bestimmungen sind infolge der besonderen Charakteristika des Tausches nicht anwendbar.553

2.

Abgrenzung

Sind die Tauschobjekte nicht gleichwertig und tritt zum Ausgleich dieser Wertdif- 2706 ferenz eine Geldleistungspflicht des Schuldners der weniger wertvollen Tauschleistung hinzu, stellt sich die Frage, wie das Geschäft rechtlich zu qualifizieren ist. Entscheidendes Abgrenzungskriterium zwischen Tausch und Kauf ist die Gewichtung der Geldleistung innerhalb des Austauschverhältnisses. Ist die Geldleistung nebensächlicher Natur, liegt Tausch mit Aufgeld vor (s. N 2450 f.).554 Überwiegt quantitativ die Geldleistung, so ist von einem Kauf auszugehen.555 Kein Tausch, sondern ein Innominatkontrakt ist gegeben, wenn ein Gegenstand gegen eine Dienstleistung übertragen wird.556

550 S. auch BGE 4A_581/2012 E. 4.2, wonach es keine Rolle spielt, wenn die Parteien den vereinbarten Tauschobjekten einen Geldwert zum Zweck der Bemessung der Austauschäquivalenz zugemessen haben; am Charakter eines Rechtsgeschäfts als Tausch ändert dies nichts. 551 Guhl/Koller, § 41 N 146. 552 Guhl/Koller, § 41 N 146. 553 BSK OR-Giger, Art. 237 N 7. 554 BSK OR-Giger, Art. 237 N 6; OFK OR-Kren Kostkiewicz/Kähr, Art. 237 N 4. 555 BSK OR-Giger, Art. 237 N 6. 556 BSK OR-Giger, Art. 237 N 5.

821

5. Kapitel

2707

3.

Gewährleistung

3.1

Rechtsgewährleistung

Wird die getauschte Sache entwehrt, kann die geschädigte Partei den als Gegenleistung hingegebenen Tauschgegenstand zurückverlangen oder Schadenersatz fordern (Art. 238 OR). 3.2

2708

Nominatverträge

Sachgewährleistung

Sind die Voraussetzungen für eine Sachgewährleistung erfüllt, besteht eine ganze Palette von Ansprüchen (zum Sachmangel s. N 2597 ff.; zum Liquidationsverhältnis s. N 2661 ff., N 960 ff.):557 • Wandlung: Rückgabe der mangelhaften Sache und Rücknahme des Tauschgegenstands (Art. 238 OR); • Rückgabe der mangelhaften Sache und Schadenersatz anstelle der Rücknahme des Tauschgegenstands (Art. 238 OR); • Minderung: Ersatz in Höhe des Minderwerts (Art. 205 Abs. 1 OR analog); • Ersatzlieferung: Handelt es sich beim mangelhaften Tauschgegenstand um eine Gattungsware, kann die Nachlieferung mängelfreier Ware gefordert werden (Art. 206 Abs. 1 OR analog); • Nachbesserung (Art. 368 Abs. 2 OR analog; s. N 2689 ff.).

2709

Die geschädigte Partei kann hierbei zwischen den einzelnen Ansprüchen wählen.

557 S. BSK OR-Giger, Art. 238 N 3; a.M. CHK-OR-Schönenberger, Art. 237/238 N 7.

822

§ 29 UN-Kaufrecht (CISG) Grundlagenliteratur Bucher,  OR BT, 140  ff.; Honsell,  OR BT, 137  ff.; Müller, contrats, N  430  ff.; MüllerChen/Girsberger/Droese, Kap. 3 N  1  ff.; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N  704  ff.; Tercier/Bieri/Carron CO PS, N 1280 ff.

Weiterführende Literatur Achilles Wilhelm Albrecht (Hrsg.), Kommentar zum UN-Kaufrechtsübereinkommen (CISG), 2. Aufl., Neuwied 2014; Bell Kevin, The Sphere of Application of the Vienna Convention on Contracts for the International Sale of Goods, Pace International Law Review 1996, 237–258; Bianca Cesare M./Bonell Michael J., Commentary on the International Sales Law: The 1980 Vienna Sales Convention, Mailand 1987 (zit.: Bianca/Bonell/BearbeiterIn); Brunner Christoph (Hrsg.), UN-Kaufrecht – CISG, 2. Aufl., Bern 2014 (zit.: BearbeiterIn, UN-Kaufrecht); Brunner Christoph, Force Majeure and Hardship under General Contract Principles, Alphen aan den Rijn 2009 (zit.: Brunner, force majeure); Brunner Christoph/Hutzli Niklaus, Kaufvertrag – Ist ein Teilverzicht auf den Einwand der verspäteten Rüge der Vertragswidrigkeit möglich?, in: dRSK, publiziert am 4. September 2013; Brunner Christoph/Vischer Markus, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Kaufvertragsrecht im Jahr 2013  – unpublizierte und publizierte Entscheide, Jusletter 24.  November 2014; Chiomenti Christina, Does the choice of a-national rules entail an implicit exclusion of the CISG?, EuLF 2005, 141–148; Diedrich Frank, Maintaining Uniformity in International Uniform Law via Autonomous Interpretation: Software Contracts and the CISG, Pace International Law Review 1996, 303–338; Commentary on the Draft Convention on Contracts for the International Sale of Goods. Prepared by the Secretariat (A/CONF. 97/5) (zit.: Sekretariatskommentar); Ferrari Franco (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 3.  Aufl., München 2018 (zit.: Ferrari/BearbeiterIn); Ferrari Franco, Die Rügeobliegenheit bei Vertragswidrigkeit nach Art. 39 CISG, ZSR 2006 I, 532–561 (zit.: Ferrari, ZSR 2006 I); Ferrari Franco, Einige kurze Anmerkungen zur Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts beim Vertragsschluss über das Internet, EuLF 2001, 301–307 (zit.: Ferrari, EuLF 2001); Gauch Peter, Der Werkvertrag, 5. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2011; Gelzer Claudius, Die Bestimmung des Verzugszinssatzes von Art.  78  CISG  – das Handelsgericht Bern erkundet neue Wege, Jusletter 26.  Juli 2010; Hartnell Helen, Rousing the Sleeping Dog: The Validity Exception to the Convention on Contracts for the International Sale of Goods, Yale Journal of International Law 1993, 1–93; Herber Rolf/Czerwenka Beate/Eckardt Tobias, Internationales Kaufrecht, 2. Aufl., München 2011; Heuzé Vincent, La vente internationale de marchandises, Paris 2000; Hilmann Robert, Article 29(2) of the United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods: A New Effort at Clarifying the Legal Effect of «No Oral Modification» Clauses, Cornell Journal of International Law 1988, 449–466; Honnold John, Uniform Law for International Sales under the 1980 United Nations Convention, Alphen aan den Rijn 2009; Honsell Heinrich, Kommentar zum UN-Kaufrecht, 2. Aufl., Berlin/Heidelberg 2010 (zit.: Honsell/BearbeiterIn); Karollus Martin, UN-Kaufrecht, Wien 1991;

823

5. Kapitel

Nominatverträge

Koller Thomas, AGB-Kontrolle und UN-Kaufrecht (CISG) – Probleme aus schweizerischer Sicht, in: FS Honsell, Zürich 2002, 223–245 (zit.: Koller, AGB-Kontrolle); Schlechtriem Peter, Requirements of Application and Sphere of Applicability of the  CISG, Victoria University of Wellington Law Review 2005, 781–794; Schlechtriem Peter/Schwenzer Ingeborg (Hrsg.), Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 6.  Aufl., München/Basel 2013 (zit.: Schlechtriem/Schwenzer/BearbeiterIn); Schlechtriem Peter/Schwenzer Ingeborg (Hrsg.), Commentary on the UN Convention on the International Sale of Goods (CISG), 4. Aufl., Oxford 2016 (zit. Schlechtriem/Schwenzer/BearbeiterIn, CISG Commentary); Schmid Jörg/Freyenmuth-Frey Christina, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2014: Obligationenrecht, ZBJV 2016, 342–379; Schmitt Hansjörg, Intangible Goods in Online-Kaufverträgen und der Anwendungsbereich des CISG, CR 2001, 145–155; Schroeter Ulrich, Die Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts auf grenzüberschreitende Versteigerungen und Internet-Auktionen, ZEuP 2004, 20–35; von Staudinger Julius (Hrsg.), Staudingers Kommentar zum Wiener UN-Kaufrecht (CISG), Berlin 2017 (zit. Staudinger/BearbeiterIn).

I. 2710

Das Wiener Kaufrecht (Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf = United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods; CISG) wurde am 11. April 1980 in Wien abgeschlossen. Für die Schweiz steht es seit dem 1. März 1991 in Kraft.1 Inzwischen gehören bereits 89 Vertragsstaaten dem Übereinkommen an.2 Es handelt sich um materielles Einheitsrecht, das internationale Kauf- und Werklieferungsverträge über Waren regelt. In seinem Anwendungs- und Regelungsbereich schliesst es darum Art. 184 ff. bzw. Art. 363 ff. OR aus.

II. 2711

Begriff

Anwendungsbereich

Das UN-Kaufrecht (= CISG) kommt nur dann zur Anwendung, wenn kumulativ • • • •

1

der räumlich-persönliche Anwendungsbereich zu bejahen ist (s. N 2712 ff.); der sachliche Anwendungsbereich gegeben ist (s. N 2715 ff.); der zeitliche Anwendungsbereich vorliegt (s. N 2731); die Parteien die Anwendung des CISG nicht vertraglich ausgeschlossen haben (s. N 2732 ff.).

Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11. April 1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf (SR 0.221.211.1). 2 Abrufbar unter , besucht am 3. Januar 2019.

824

§ 29

1.

UN-Kaufrecht (CISG)

Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich (Art. 1 CISG)

In räumlicher Hinsicht ist erstens gemäss Art. 1 Abs. 1 CISG erforderlich, dass die 2712 Vertragsparteien ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben (sog. Internationalität des Kaufvertrages). Andere Anknüpfungsmerkmale wie der Sitz- oder Inkorporationsstaat sind hingegen nicht relevant.3 Die Niederlassung wird als der Ort definiert, von dem aus die selbständige, tatsächliche und auf Dauer angelegte Teilnahme am Wirtschaftsverkehr erfolgt.4 Hat eine Partei mehr als eine Niederlassung, so ist nach Art.  10 lit.  a  CISG diejenige Niederlassung massgebend, die zum Vertrag und zu dessen Erfüllung die engste Beziehung aufweist. Im Zweifel ist jene Niederlassung entscheidend, die für den Vertragsschluss verantwortlich ist.5 Hat eine Partei keine Niederlassung, so ist gemäss Art. 10 lit. b CISG der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts massgebend. Zweitens müssen entweder die Staaten, in denen die Parteien ansässig sind, 2713 dem  CISG beigetreten sein (Art.  1 Abs.  1 lit.  a  CISG) oder aber die Regeln des Internationalen Privatrechts (IPR) zur Anwendung des Rechts eines Vertragsstaates führen (Art. 1 Abs. 1 lit. b CISG; sog. Vorschaltlösung). Somit kann das CISG auch angewendet werden, wenn eine oder sogar beide Parteien nicht in Vertragsstaaten ihre Niederlassung haben, sofern das IPR des Staates, dessen Gericht mit der Sache befasst ist, auf das Recht eines Vertragsstaates verweist.6 Mit Bezug auf die Schweiz bedeutet dies, dass das UN-Kaufrecht immer anwendbar ist, wenn Schweizer Recht auf den Vertrag Anwendung findet (lex causae) und die Parteien das Wiener Kaufrecht nicht nach Art. 6 CISG ausgeschlossen haben.7 Es gilt jedoch zu beachten, dass gewisse Vertragsstaaten (unter anderem die USA) nach Art. 95 CISG einen Vorbehalt zu Art. 1 Abs. 1 lit. b CISG angebracht haben.8 Ausnahmsweise findet nach Art.  1 Abs.  2  CISG das nationale Kaufrecht (in der 2714 Schweiz also das OR und nicht das UN-Kaufrecht) Anwendung, wenn es bei Vertragsschluss für mindestens eine Partei objektiv nicht erkennbar war, dass die Niederlassungen der Vertragsparteien in verschiedenen Staaten liegen.9 Die Erkennbarkeit kann sich aus dem Vertrag, den Vertragsverhandlungen, früheren Geschäftsbeziehungen oder Auskünften ergeben. Weil Art. 1 Abs. 2 CISG als Ausnahmebestimmung eng auszulegen ist,10 genügt es jedoch beispielsweise, wenn eine Partei sich 3 4 5 6 7 8 9 10

Bell, Pace Int’l L. Rev. 1996, 244. OLG Stuttgart,  CISG-online 583; Bell, Pace Int’l L. Rev. 1996, 245; Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 1 N 46. Meier/Stacher, UN-Kaufrecht, Art. 10 N 1. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, CISG Commentary, Art. 1 N 30. Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 3 N 3. S. Bell, Pace Int’l L. Rev. 1996, 248. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, CISG Commentary, Art. 1 N 39. Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 1 N 58; teilweise a.M. Manner/Schmitt, UN-Kaufrecht, Art. 1 N 6.

825

5. Kapitel

Nominatverträge

einer fremden Sprache bedient, eine ausländische Postadresse für die Lieferung angibt oder eine ausländische E-Mail Adresse benützt.11

2. 2715

Sachlicher Anwendungsbereich

In sachlicher Hinsicht muss es sich um einen Kauf- (Art. 1 Abs. 1 CISG; s. N 2716 ff.) oder einen Werklieferungsvertrag (Art. 3 Abs. 1 CISG; s. N 2720 ff.) über Waren handeln. Ausserdem darf der Vertrag keinen Inhalt aufweisen, der gemäss Art. 2 CISG vom Anwendungsbereich ausgeschlossen ist (s. N 2723 ff.). 2.1

Kaufverträge (Art. 1 Abs. 1 CISG)

2716

Das CISG findet zunächst Anwendung auf Kaufverträge (s. N 2329 ff.), wobei dieser Begriff im CISG nicht definiert wird.12 Darunter fallen nach allgemeinem Verständnis sowohl der Stück- (s. N 2378) wie auch der Gattungskauf (s. N 2379); aber auch Spezialformen des Kaufs wie der Kauf nach Muster (s. N 2346 ff.) oder Probe (s.  N  2349), der Spezifikationskauf (s.  N  2364) oder der Sukzessivlieferungskauf (s.  N  2362) sind miterfasst.13 Aus dem Anwendungsbereich ausgeklammert sind hingegen Tauschverträge14, Schenkungen15 sowie Gebrauchsüberlassungsverträge.16

2717

Leasingverträge (s. N 3722 ff.) unterliegen dem CISG bisweilen hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Leasinggeber und Lieferant; zwischen Leasinggeber und Leasingnehmer ist das CISG aber erst (und nur dann) anwendbar, wenn der Leasingnehmer eine vertragliche Kaufoption ausübt.17 Vertriebsverträge (s. N 3835 ff.) sind in der Regel als Rahmenverträge konzipiert und unterliegen daher dem CISG nicht. Die Erfüllung des Vertriebsvertrages setzt jedoch oft den Abschluss einzelner Kaufverträge voraus, auf welche das CISG wiederum Anwendung findet.18 Dasselbe gilt für Franchiseverträge etc. (s. N 3874 ff.).19

2718

Der Kaufvertrag muss den Verkauf von Waren zum Inhalt haben. Grundsätzlich fallen unter den Warenbegriff nur Sachen, welche zur Zeit des Vertragsschlusses beweglich waren.20 Davon erfasst sind auch Tiere, selbst wenn sie in gewissen Rechtsord11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

826

Ferrari, EuLF 2001, 301; Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 1 N 56. Ferrari/Saenger, Art. 1 N 2. Meier/Stacher, UN-Kaufrecht, Art. 2 N 8. Meier/Stacher, UN-Kaufrecht, Art. 2 N 9. Staudinger/Magnus, Art. 1 N 32. Meier/Stacher, UN-Kaufrecht, Art. 2 N 4. Honsell/Siehr, Art. 2 N 7. Honsell/Siehr, Art. 2 N 8. Staudinger/Magnus, Art. 1 N 37. Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 1 N 34.

§ 29

UN-Kaufrecht (CISG)

nungen nicht mehr als Sachen gelten (s.  Art.  641a Abs.  1 ZGB).21 Der Kauf von unbeweglichen Sachen, Forderungen und Immaterialgüterrechten fällt hingegen nicht in den Anwendungsbereich des CISG.22 Umstritten ist, ob der Unternehmenskauf in Form des asset deal (s. N 2427) unter das CISG fällt. Nach der einen Meinung ist dies zu bejahen, wenn wertmässig mehr als 50% des Betriebsvermögens aus Waren im Sinne von Art. 1 Abs. 1 CISG besteht.23 Nach anderer, unserer Meinung nach zutreffender Ansicht sind asset deals grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen, da bei Unternehmensverkäufen regelmässig auch Immobilien und immaterielle Werte (z.B. Goodwill) übertragen werden.24 Ebenfalls umstritten ist, inwieweit der Kauf von Software dem  CISG unterliegt. 2719 Wenn die Software auf einem beweglichen Medium versandt wird (Diskette, CD, DVD etc.), liegt Wareneigenschaft im Sinne des CISG vor.25 Problematisch sind hingegen jene Fälle, in denen die Software elektronisch geliefert wird (download). Da der Warenbegriff jedoch nicht von der Art der Lieferung abhängt, sollte nach der hier vertretenen Auffassung auch elektronisch übermittelte Software als vom CISG erfasst gelten.26 2.2

Werklieferungsverträge (Art. 3 Abs. 1 CISG)

Gemäss Art. 3 Abs. 1 CISG fallen auch Werklieferungsverträge (s. N 3127) in den 2720 sachlichen Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts. Allerdings sind zwei Ausnahmen zu beachten. Erstens ist das  CISG nur anwendbar, wenn der Besteller (= Käufer) nicht selber 2721 einen wesentlichen Teil des Stoffes zur Verfügung gestellt hat. Was als wesentlich zu gelten hat, bestimmt sich in erster Linie nach dem Wertverhältnis zwischen den Materialien, welche die Parteien beitragen.27 Wie und wo die prozentuale Wertgrenze genau gezogen wird, ist jedoch umstritten. Klar scheint zumindest, dass Beiträge des Bestellers von über 50% stets als wesentlich zu gelten haben.28 Der Prozentsatz kann unseres Erachtens aber auch darunter liegen.29 Unter 20% dürfte die Wesentlichkeit hingegen regelmässig zu verneinen sein.30

21 22 23 24 25 26 27 28 29 30

S. z.B. LG Flensburg, CISG-online 619. Schlechtriem, U. Well. L. Rev. 2005, 786. Meier/Stacher, UN-Kaufrecht, Art. 2 N 5; s. KGer Wallis, SZIER 2003, 102. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, CISG Commentary, Art. 1 N 21. HGer Zürich, CISG-online 637; Honsell/Siehr, Art. 2 N 4. Ausführlich Diedrich, Pace Int’l L. Rev. 1996, 336; Meier/Stacher, UN-Kaufrecht, Art. 2 N 4. Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 3 N 7. Ferrari/Saenger, Art. 3 N 4. S. auch Feit, UN-Kaufrecht, Art. 3 N 3. Schiedsspruch der Ungarischen Handelskammer, CISG-online 163.

827

5. Kapitel

2722

Zweitens ist das CISG gemäss Art. 3 Abs. 2 CISG nicht anwendbar, wenn der überwiegende Teil der Pflichten der Unternehmerin (= Verkäuferin) in der Ausführung von Arbeiten oder anderen Dienstleistungen besteht. Dies wird ebenfalls anhand des Werteverhältnisses zwischen Arbeit und Waren ermittelt.31 Die prozentuale Wertgrenze ist hier aber bei 50% zu ziehen, weil Art. 3 Abs. 2 CISG vom «überwiegenden Teil» spricht.32 Dies hat zur Folge, dass auf Kaufverträge mit Montagepflicht (s. N 3130 ff.) das CISG zur Anwendung gelangt, da die Montage in der Regel wertmässig eine untergeordnete Bedeutung hat.33 2.3

2723

Konsumverträge (Art. 2 lit. a CISG)

Gemäss Art. 2 lit. a CISG ist auf Konsumverträge das CISG nicht anwendbar. Hauptzweck dieser Ausnahme ist es, allfällige Überschneidungen mit nationalem Konsumentenschutzrecht zu verhindern.34 Für die Beurteilung, ob ein Konsumvertrag vorliegt, ist entscheidend, ob der Käufer die Ware im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ausschliesslich35 zu persönlichen oder familiären Zwecken zu nutzen beabsichtigte.36 Trotz Vorliegens eines Konsumgeschäftes kommt das CISG allerdings nach Art. 2 lit. a CISG gleichwohl zur Anwendung, wenn die Verkäuferin weder wusste, noch wissen musste, dass die Ware zum persönlichen Gebrauch bestimmt war. Dabei geht jedoch jede fahrlässige Unkenntnis zulasten der Verkäuferin.37 b.

2725

Ausnahmen (Art. 2 CISG)

Art. 2 CISG enthält eine abschliessende Aufzählung von Kauf- bzw. Werklieferungsverträgen, die vom sachlichen Anwendungsbereich ausgeschlossen sind. a.

2724

Nominatverträge

Versteigerungen und Zwangsvollstreckungen (Art. 2 lit. b und lit. c CISG)

Unter einer Versteigerung ist der öffentliche Verkauf durch Zuschlag an den Meistbietenden zu verstehen.38 Kaufverträge, die im Rahmen einer Versteigerung abgeschlossen werden, sind nach Art. 2 lit. b CISG vom Anwendungsbereich des CISG ausgeschlossen. Der Grund für diesen Ausschluss liegt vor allem darin begründet,

31 Gauch, Werkvertrag, N 371; Honnold, N 60.1; teilweise a.M. Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 3 N 14. 32 Feit, UN-Kaufrecht, Art. 3 N 7. 33 Honsell/Siehr, Art. 3 N 7. 34 Karollus, 26. 35 Ferrari/Saenger, Art. 2 N 3. 36 Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 2 N 8. 37 Ferrari/Saenger, Art. 2 N 5. 38 Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 2 N 28.

828

§ 29

UN-Kaufrecht (CISG)

dass die Verkäuferin oft erst nach dem Zuschlag weiss, ob der Käufer eine Niederlassung im Ausland hat und infolgedessen das CISG Anwendung fände.39 Nicht gänzlich geklärt ist die Frage, ob Online-Auktionen (z.B. auf eBay; s. N 2358 ff.) 2726 ebenfalls ausgeschlossen sind. Nach Ansicht der herrschenden Lehre gilt das CISG für solche Auktionen nicht.40 Schroeter weist indessen überzeugend nach, dass der Ausschluss nach Art. 2 lit. b CISG nur die Versteigerung im Sinne eines Platzgeschäfts (s. N 2367) meint. Bei einem solchen kommt es nur ausnahmsweise zur Beteiligung ausländischer Parteien, weshalb das Vertrauen der Verkäuferin in ein Inlandgeschäft zu schützen ist.41 Online-Auktionen sind jedoch typischerweise gerade keine Platzgeschäfte: Grundsätzlich kann von jedem Ort der Welt aus mitgeboten werden.42 Die Verkäuferin muss somit jederzeit damit rechnen, dass sie den Kaufvertrag mit einem ausländischen Käufer abschliesst.43 Dementsprechend greift der Ausnahmetatbestand nach Art. 2 lit. b CISG nach zutreffender Ansicht bei Online-Auktionen nicht.44 Nach Art. 2 lit. c CISG ist das CISG nicht auf Verträge anwendbar, die aufgrund von 2727 Zwangsvollstreckungs- oder anderen gerichtlichen Massnahmen zustande kommen. Darunter fallen sowohl Zwangsversteigerungen als auch der freihändige Verkauf durch Gläubiger.45 c.

Kauf von Wertpapieren, Zahlungsmitteln, Schiffen, Flugzeugen und Elektrizität (Art. 2 lit. d–f CISG)

Gemäss Art. 2 lit. d CISG ist das CISG nicht auf den Kauf von Wertpapieren und 2728 Zahlungsmitteln anwendbar. Bezüglich Wertpapieren ist dieser Ausschluss insofern überflüssig, als diese Rechte verbriefen und deshalb gar nicht als Ware (s. N 2718) gelten können.46 Unter Zahlungsmittel sind nur gesetzliche Zahlungsmittel zu verstehen. Haben die Zahlungsmittel dagegen etwa «nur» eine künstlerische oder historische Bedeutung, ist das CISG anwendbar.47 Der Kauf von Schiffen und Flugzeugen ist gemäss Art. 2 lit. e CISG ebenfalls vom 2729 Anwendungsbereich ausgeschlossen. Die verkaufte Ware muss jedoch zur dauernden Fortbewegung auf dem Wasser bzw. in der Luft bestimmt sein, weshalb bei-

39 Schroeter, ZEuP 2004, 23. 40 Ferrari/Saenger, Art. 2 N 8; Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 2 N 28; Schmitt, CR 2001, 146. 41 Schroeter, ZEuP 2004, 27. 42 Schroeter, ZEuP 2004, 31. 43 Schroeter, ZEuP 2004, 31. 44 S. auch Schlechtriem, U. Well. L. Rev. 2005, 786. 45 Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 2 N 32 f. 46 Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 2 N 34. 47 Honsell/Siehr, Art. 2 N 18; Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 2 N 37.

829

5. Kapitel

Nominatverträge

spielsweise Pontonbrücken nicht von der Ausnahme erfasst sind.48 Der Ausschluss greift ausserdem nur, wenn Schiffe bzw. Flugzeuge als Ganzes verkauft werden. Der Verkauf von einzelnen (Ersatz-)Teilen unterliegt daher dem CISG.49 2730

Schliesslich findet das CISG gemäss Art. 2 lit. f CISG keine Anwendung auf den Kauf elektrischer Energie. Der Verkauf anderer Energieträger – wie Gas oder Öl – ist hingegen vom Anwendungsbereich des CISG erfasst.50

3. 2731

Zeitlicher Anwendungsbereich (Art. 100 CISG)

In zeitlicher Hinsicht ist Art. 100 CISG massgeblich. Gemäss Art. 100 Abs. 1 CISG sind die Bestimmungen bezüglich des Abschlusses des Vertrages (Art. 14–24 CISG) anwendbar, wenn das Angebot zum Vertragsabschluss (s. N 2747 ff.) am oder nach dem Tag gemacht wurde, an dem das CISG in den relevanten Staaten in Kraft getreten ist. Der übrige Teil des CISG findet gemäss Art. 100 Abs. 2 CISG Anwendung, wenn der Vertrag an oder nach dem Tag geschlossen wurde, an dem das CISG in den relevanten Staaten in Kraft getreten ist.51

4.

Kein vertraglicher Ausschluss (Art. 6 CISG)

2732

Den Parteien steht es gemäss Art. 6 CISG frei, die Anwendung des CISG ganz oder teilweise auszuschliessen. Dafür ist eine Vereinbarung52 notwendig, deren Zustandekommen sich nach zutreffender Ansicht nach den Regeln des CISG (s. N 2746 ff.) beurteilt.53 Die Vereinbarung kann bei oder nach Vertragsschluss erfolgen; sie ist sogar im Prozess noch möglich, sofern sich die Parteien darüber bewusst sind, dass sie das CISG als eigentlich anwendbares Recht ausschliessen.54

2733

Der Ausschluss kann explizit (Beispiel: «es gilt Schweizer Recht, unter Ausschluss des UN-Kaufrechts»), aber auch konkludent erfolgen. Vorausgesetzt ist aber stets, dass ein übereinstimmender wirklicher Wille der Parteien vorliegt.55 Ein stillschweigender Ausschluss wird insbesondere dann angenommen, wenn der Vertrag ausdrücklich auf nationales Vertragsrecht Bezug nimmt (Beispiel: «dieser Vertrag untersteht Art. 184 ff. OR»).56 Dasselbe gilt, wenn die Parteien das Recht eines Nichtvertrags48 Achilles, Art. 2 N 8; Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 2 N 38. 49 Meier/Stacher, UN-Kaufrecht, Art. 2 N 14. 50 Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 2 N 46. 51 S. BGH, CISG-online 296. 52 Honsell/Siehr, Art. 6 N 2. 53 Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 6 N 13. 54 Honsell/Siehr, Art. 6 N 2. 55 Manner/Schmitt, UN-Kaufrecht, Art. 6 N 2. 56 OLG Rostock, CISG-online 671; Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 6 N 21.

830

§ 29

UN-Kaufrecht (CISG)

staates gewählt haben.57 Hingegen genügt die alleinige Wahl des Rechts eines Vertragsstaates nicht (Beispiel: «dieser Vertrag untersteht schweizerischem Recht»), denn das CISG ist Teil der gewählten Rechtsordnung (im Beispiel der schweizerischen Rechtsordnung).58 Umstritten ist, ob die Wahl eines nicht staatlichen Regelwerks genügt, um das UN-Kaufrecht auszuschliessen.59 Unserer Meinung nach ist dies der Fall. Teilweise wird vertreten, dass der Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen 2734 oder Schiedsklauseln, welche die Zuständigkeit eines (Schieds-)Gerichts in einem Nichtvertragsstaat vorsehen, ebenfalls als impliziter Ausschluss zu werten ist.60 Dieser Ansicht ist unseres Erachtens nicht zu folgen: Die Frage nach dem anwendbaren Recht ist streng von derjenigen nach der Zuständigkeit zu trennen.61 Ohne weitere Hinweise oder Umstände lässt sich daher aus dem Abschluss solcher Vereinbarungen kein impliziter Ausschluss ableiten.62 Wollen die Parteien die Anwendung des CISG zweifelsfrei ausschliessen, so ist es 2735 ratsam, im Vertrag die spezifische Terminologie des UN-Kaufrechts zu vermeiden. Illustrativ hierzu ist ein Urteil des Bundesgerichts vom 16.  April 2009.63 Es ging hier um eine Kündigungsklausel, welche den Vertragsparteien die Kündigung für den Fall einer «wesentlichen Vertragsverletzung» ermöglichte. Gleichzeitig war die Anwendung des UN-Kaufrechts ausgeschlossen worden. Das Bundesgericht schützte die Erwägungen eines Schiedsgerichts, welches diese Klausel im Sinne von Art. 25 CISG (s. N 2793 ff.) ausgelegt hatte. Begründet wurde dies damit, dass die Parteien mit dem Begriff der «wesentlichen Vertragsverletzung» eine Terminologie des UN-Kaufrechts gewählt hätten, die dem Schweizer Recht unbekannt sei. Daraus schlossen das Bundes- und auch das Schiedsgericht, dass die Parteien diesen Begriff im Sinne des CISG verstehen durften und mussten, obwohl dieses infolge des Ausschlusses gar nicht anwendbar war.64

III.

Nicht erfasste Regelungsbereiche (Art. 4–5 CISG)

Das UN-Kaufrecht beantwortet nicht alle Fragen, die sich im Zusammenhang mit 2736 Kauf- bzw. Werklieferungsverträgen stellen können: Gemäss Art. 4 CISG regelt das Übereinkommen nur den Abschluss des Vertrages und die aus diesem erwachsen57 58 59 60 61 62 63 64

OLG Düsseldorf, CISG-online 74; Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 6 N 20. BGE 4C.94/2006 E. 4; Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 6 N 22 m.w.H. Chiomenti, EuLF 2005, 142 ff. Honsell/Siehr, Art. 6 N 6. Manner/Schmitt, UN-Kaufrecht, Art. 6 N 5. Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 6 N 31 f. BGE 4A_240/2009. BGE 4A_240/2009 E. 2.2.

831

5. Kapitel

Nominatverträge

den Rechte und Pflichten. Nicht vom Regelungsbereich erfasst sind hingegen die Frage nach der Gültigkeit des Vertrages (Art.  4 lit.  a  CISG; s.  N  2737  ff.) sowie die Wirkung des Vertrages auf das Eigentum an den verkauften Waren (Art.  4 lit. b CISG; s. N 2741). Nach Art. 5 CISG ist sodann die Haftung für Personenschäden dem Regelungsbereich des UN-Kaufrechts entzogen (s.  N  2742). Art.  4 und Art. 5 CISG sind nicht abschliessend, weshalb auch weitere Fragen vom UN-Kaufrecht nicht erfasst sind (s. N 2743 ff.). Fällt eine bestimmte Problematik nicht in den Regelungsbereich des CISG, so muss sie anhand des auf den Vertrag anwendbaren nationalen Rechts gelöst werden. Ist das übrige Schweizer Recht anwendbar, so sind z.B. das OR, das ZGB und die Spezialgesetze heranzuziehen.

1.

Gültigkeit des Vertrages (Art. 4 lit. a CISG)

2737

Gemäss Art. 4 lit. a CISG regelt das UN-Kaufrecht die Gültigkeit des Vertrages nicht. Fragen bezüglich Rechts- und Handlungsfähigkeit65, Widerrechtlichkeit (insbesondere Import- und Exportverbote66) und Sittenwidrigkeit67 sowie Willensmängeln68 richten sich alsdann nach dem auf den Vertrag anwendbaren nationalen Recht. Die Irrtumsanfechtung wegen Sachmängeln, die dem Käufer nach Schweizer Recht alternativ zum Gewährleistungsrecht offensteht (s. N 601, N 2701 ff.), ist allerdings im Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts ausgeschlossen, da Art.  35  ff.  CISG (s. N 2766 ff.) die Mängelrechte abschliessend regelt.69

2738

Nach nationalem Recht beurteilt sich auch, ob eine allfällige Haftungsfreizeichnung gültig ist (s. Art. 100 und Art. 199 OR; s. N 1014 ff., N 2638 ff.). Hingegen ist das UN-Kaufrecht anzuwenden, um die Frage zu beantworten, ob die Parteien eine Freizeichnung überhaupt vereinbart haben (Einbeziehungskontrolle).70

2739

Obwohl die Form des Vertrages seine Gültigkeit betreffen kann, sind die anderen nationalen Formvorschriften grundsätzlich unbeachtlich, weil Art. 11 CISG Formfreiheit vorsieht (s.  N  2758).71 Art.  12 und Art.  96  CISG eröffnen den Mitgliedsstaaten jedoch die Möglichkeit, einen Vorbehalt zu Art. 11 CISG anzubringen und damit nationalen Formvorschriften Geltung zu verschaffen.72 Von dieser Möglichkeit haben beispielsweise Argentinien und Chile Gebrauch gemacht.73 Hat eine Partei ihre Niederlassung in einem Vorbehaltsstaat, so ist nach herrschender Auf65 66 67 68 69 70 71 72 73

832

Hartnell, Yale J. Int’l L. 1993, 63 f. Schlechtriem, U. Well. L. Rev. 2005, 789. Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 4 N 18. Murmann/Stucki, UN-Kaufrecht, Art. 4 N 10. Murmann/Stucki, UN-Kaufrecht, Art. 4 N 10. Murmann/Stucki, UN-Kaufrecht, Art. 4 N 11. Balogh, UN-Kaufrecht, Art. 11 N 3. Schlechtriem, U. Well. L. Rev. 2005, 788. Balogh, UN-Kaufrecht, Art. 96 N 2.

§ 29

UN-Kaufrecht (CISG)

fassung bezüglich Formfragen das IPR des Staates, dessen Gericht mit der Sache befasst ist, anzuwenden (in der Schweiz Art. 124 IPRG74).75 In jedem Fall ist jedoch Art. 13 CISG (s. N 2758) zu beachten, weil der Vorbehalt diesbezüglich nicht gilt.76 Bezüglich der Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ist zu dif- 2740 ferenzieren: Die Frage der Geltung (wirksame Einbeziehung; s. N 614 ff.) unterliegt dem UN-Kaufrecht, das heisst Art. 8 und Art. 14 ff. CISG.77 Gleiches gilt für die Unklarheitenregel (s. N 629 f.), die im CISG ebenfalls anerkannt ist.78 Die offene Inhaltskontrolle (s. N 634 ff.) beschlägt hingegen die Gültigkeit des Vertrages und richtet sich demnach nach dem nationalen, auf den Vertrag anwendbaren Recht (in der Schweiz Art. 8 UWG79).80 Umstritten ist hingegen die Einordnung der Ungewöhnlichkeitsregel (s. N 614 ff.). Nach der einen Meinung knüpft die Ungewöhnlichkeitsregel vor allem an die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsklausel an, weshalb sie zur Inhaltskontrolle gehört und dem Regelungsbereich des UN-Kaufrechts entzogen ist.81 Diese Ansicht hat zur Konsequenz, dass dem nationalen, auf den Vertrag anwendbaren Recht zu entnehmen ist, ob und in welchem Umfang eine Kontrolle anhand der Ungewöhnlichkeitsregel durchzuführen ist. Ein anderer Teil der Lehre, dem auch wir folgen, versteht die Ungewöhnlichkeitsregel hingegen als Teil der Geltungskontrolle (s. N 613 ff.) und will sie daher dem CISG unterstellen.82

2.

Eigentum (Art. 4 lit. b CISG)

Das UN-Kaufrecht regelt gemäss Art. 4 lit. b CISG die Wirkungen nicht, die der 2741 Vertrag auf das Eigentum an den verkauften Waren hat. Der Ausschluss erfasst auch die Wirkungen eines allfälligen Eigentumsvorbehaltes.83 Grund für diese Regelung sind die grossen Unterschiede, die weltweit im Mobiliarsachenrecht bestehen:84 In gewissen Mitgliedsstaaten gilt das Traditionsprinzip (so auch in der Schweiz), in anderen das Konsensualprinzip.85

74 Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (SR 291); s. dazu ZK IPRG-Keller/Girsberger, Art. 124 N 1 ff. 75 Balogh, UN-Kaufrecht, Art. 96 N 3; Schlechtriem, U. Well. L. Rev. 2005, 788. 76 Ferrari/Mankowski, Art. 96 N 5. 77 Koller, AGB-Kontrolle, 236; OGH, CISG-online 2845. 78 Honnold, Art. 8 N 107.1. 79 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (SR 241). 80 Koller, AGB-Kontrolle, 242. 81 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Vor Art. 14–24 N 5. 82 Koller, AGB-Kontrolle, 241; Murmann/Stucki, UN-Kaufrecht, Art. 4 N 46. 83 OLG Koblenz, RIW 1992, 1019; Schlechtriem, U. Well. L. Rev. 2005, 789. 84 Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 4 N 29. 85 Murmann/Stucki, UN-Kaufrecht, Art. 4 N 17.

833

5. Kapitel

3. 2742

Nominatverträge

Personenschäden (Art. 5 CISG)

Gemäss Art.  5  CISG ist das UN-Kaufrecht nicht anwendbar auf die Haftung der Verkäuferin für Personenschäden (s.  N  873).86 Davon erfasst sind auch allfällige Genugtuungsansprüche.87 Der Ausschluss setzt allerdings voraus, dass der Personenschaden durch die Ware verursacht worden ist. Der Ersatz von Personenschäden, welche eine Partei durch unsorgfältiges Verhalten ausgelöst hat, beurteilt sich demnach nach dem UN-Kaufrecht.88 Wird beispielsweise bei der Lieferung der Ware der Käufer verletzt, so ist das UN-Kaufrecht anwendbar.89

4.

Weitere vom CISG nicht geregelte Bereiche

2743

Die Art. 4 und Art. 5 CISG sind nicht abschliessend. Weitere Fragen werden vom UN-Kaufrecht ebenfalls nicht geregelt und sind darum nach dem jeweils auf einen Vertrag anwendbaren nationalen Recht zu lösen. Dies ist beispielsweise der Fall für die Stellvertretung, Abtretung, Schuld- und Vertragsübernahme sowie Konventionalstrafe.90

2744

Das UN-Kaufrecht regelt insbesondere auch die Verjährung nicht.91 Hingegen gibt es ein internationales Übereinkommen über die Verjährung beim internationalen Warenkauf.92 Dieses wurde von der Schweiz jedoch nicht ratifiziert. Ist Schweizer Recht anwendbar, so bestimmt sich die Verjährung bzw. Verwirkung deshalb nach den Art. 127 ff. und Art. 210 OR (s. N 2219 ff., N 2631a ff.).

2745

Klagen auf Gewährleistung verjährten nach der bis Ende 2012 geltenden Fassung von Art. 210 Abs. 1 aOR nach einem Jahr nach Ablieferung, was zu Problemen im Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts führen konnte.93 Nach der aktuellen Fassung von Art. 210 Abs. 1 OR verjähren diese Ansprüche nunmehr grundsätzlich zwei Jahre nach Ablieferung (s. N 2631a ff.). Somit steht das OR neu bezüglich der Frist mit dem UN-Kaufrecht im Einklang.

86 Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 5 N 3. 87 Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 5 N 5. 88 Honsell/Siehr, Art. 5 N 5. 89 Ferrari/Saenger, Art. 5 N 3. 90 Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 4 N 34 ff. 91 S. BGE 138 III 601 E. 7.5; 4A_68/2009 E. 10.1; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, CISG Commentary, Art. 4 N 50. 92 Abrufbar unter , besucht am 3. Januar 2019. 93 S. unter anderem BGE 4A_68/2009 E. 10.3.

834

§ 29

IV.

UN-Kaufrecht (CISG)

Abschluss des Vertrages (Art. 14–24 und Art. 8 CISG)

Teil II des UN-Kaufrechts widmet sich dem Abschluss des Kaufvertrages. Wie im OR 2746 kommt der Vertrag durch Angebot (Art. 14 CISG) und Annahme (Art. 18 CISG) zustande; die Erklärungen der Parteien sind im Zweifelsfall nach dem Vertrauensprinzip auszulegen (Art. 8 CISG).

1.

Angebot (Art. 14–17 CISG)

1.1

Begriff

Art. 14 Abs. 1 CISG definiert das Angebot als einen Vorschlag zum Abschluss eines 2747 Vertrages, der an eine oder mehrere Personen gerichtet ist. Dies setzt voraus, dass der Kreis dieser Personen bestimmbar ist.94 Kann der Erklärende den Kreis potenzieller Empfänger nicht mehr überblicken und ist dieser Kreis auch nicht durch ein objektives Kriterium bestimmbar, so liegt gemäss Art. 14 Abs. 2 CISG kein Angebot vor, sondern lediglich eine invitatio ad offerendum (s. N 211).95 Massenwerbung (z.B. Inserate, Prospekte, Kataloge etc.) ist daher nicht als Angebot zu qualifizieren.96 Das gilt auch, wenn ein Katalog per Post zugeschickt wird, weil nicht ausgeschlossen (wenn nicht sogar erwünscht) ist, dass dieser an dritte Personen weitergegeben wird.97 1.2

Zugangsprinzip

Das Angebot wird gemäss Art. 15 Abs. 1 CISG wirksam, sobald es dem Empfänger 2748 zugeht. Dabei gilt das Angebot nach Art. 24 CISG dann als zugegangen, wenn es in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist.98 Wie im OR gilt demnach auch nach CISG das Zugangsprinzip (s. N 184 ff.). 1.3

Bestimmung oder Bestimmbarkeit von Ware, Menge und Preis

Im Übrigen setzt ein wirksames Angebot voraus, dass Ware, Menge und Preis  – 2749 also die essentialia negotii  – bestimmt oder mindestens bestimmbar sind (objektive Bestimmbarkeit). Dabei genügt es, wenn diese Faktoren im Lieferzeitpunkt bestimmbar sind.99 Auch die Bestimmung durch eine Partei oder durch einen Drit94 95 96 97 98 99

Honsell/Dornis, Art. 14 N 8. Ferrari/Mankowski, Art. 14 N 9 f. Ferrari/Mankowski, Art. 14 N 9. Honnold, Art. 14 N 136. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Art. 24 N 18. Pfisterer/Köster, UN-Kaufrecht, Art. 14 N 9.

835

5. Kapitel

Nominatverträge

ten (subjektive Bestimmbarkeit100) ist ausreichend, sofern keine nationalen Gültigkeitsvorschriften entgegenstehen.101 Ist Schweizer Recht anwendbar, so muss insbesondere Art. 27 ZGB beachtet werden.102 2750

Das Verhältnis zwischen Art. 14 Abs. 1 und Art. 55 CISG ist nicht gänzlich geklärt. Art. 14 Abs. 1 CISG fordert die Bestimmbarkeit des Preises. Art. 55 CISG stellt demgegenüber die Vermutung auf, dass ein marktüblicher Preis geschuldet ist, sofern der Kaufpreis nicht ausdrücklich oder stillschweigend festgesetzt wurde. Damit scheint die Regelung in Art. 14 CISG mit derjenigen in Art. 55 CISG in Konflikt zu stehen. Zur Lösung dieses Konflikts werden verschiedene Meinungen vertreten. Gewisse Autoren sehen für Art. 55 CISG keinen eigenen Anwendungsbereich vor, sofern der entsprechende Mitgliedstaat dem UN-Kaufrecht gesamthaft beigetreten ist. Art.  55  CISG habe nur dann eine eigenständige Bedeutung, wenn ein Staat nur Teil III des Übereinkommens (Art. 25 ff. CISG) ratifiziert habe, weil dann Art. 14 CISG nicht gelte.103 Dieser Ansicht folgt auch der offizielle Sekretariatskommentar der UNCITRAL.104 Nach einer zweiten Meinung ist bei der Vertragsauslegung zu prüfen, ob die Parteien den nach Art. 55 CISG ermittelten Preis nicht konkludent vereinbart haben.105

2751

Unseres Erachtens besteht gar kein Konflikt zwischen Art.  14 und Art.  55  CISG: Zunächst ist Art. 55 CISG selbstverständlich relevant, wenn Art. 14 CISG im betreffenden Staat nicht gilt. Gilt sowohl Art. 14 CISG als auch Art. 55 CISG, ist durch Auslegung nach Art. 8 CISG zu ermitteln, ob die Parteien – trotz fehlender expliziter Instrumente zur Preisbestimmung – nicht konkludent einen Preis vereinbart haben. Alsdann entfällt ein Rückgriff auf Art. 55 CISG. Bei marktgängigen Waren dürfte beispielsweise in der Regel der Marktpreis als konkludent vereinbart gelten.106 Auch wenn sich der Preis durch Auslegung nicht eruieren lässt, kann ein Vertrag zustande gekommen sein; denn Art. 14 CISG ist dispositiv (Art. 6 CISG) und den Parteien ist es daher freigestellt zu vereinbaren, einen Kaufvertrag ohne Preisbestimmung zu schliessen (sog. open price contract).107 Ob die Parteien einen solchen Vertrag beabsichtigt haben, ist ebenfalls eine Auslegungsfrage und gemäss Art. 8 CISG aufzulösen. Wurde der Vertrag beispielsweise bereits erfüllt (das heisst, die Ware geliefert), lässt sich aus diesem Verhalten regelmässig ableiten, dass die Parteien den Kaufvertrag wohl ohne Preisbestimmung schliessen wollten und daher Art. 14 Abs. 1 CISG modifiziert haben. In solchen Fällen rückt Art. 55 CISG ein, um den Preis zu bestimmen. Nur wenn sich nicht (re)konstruieren lässt, dass die Par100 101 102 103 104 105 106 107

836

Honsell/Dornis, Art. 14 N 19. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Art. 14 N 13. Pfisterer/Köster, UN-Kaufrecht, Art. 14 FN 621. Heuzé, N 169. Sekretariatskommentar, Art. 51 N 2. S. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Art. 14 N 20. S. Ferrari/Mankowski, Art. 14 N 31. Ferrari/Mankowski, Art. 14 N 31.

§ 29

UN-Kaufrecht (CISG)

teien einen Vertrag ohne Preisangabe schliessen wollten, ist von einem gescheiterten Vertrag auszugehen. 1.4

Widerruf des Angebots (Art. 16 CISG)

Art. 16 CISG regelt den Widerruf eines Angebots. Das UN-Kaufrecht geht solange 2752 von der Widerrufbarkeit des Angebots aus, als der Vertrag nicht durch Annahme zustande gekommen ist.108 Das Angebot ist dagegen nicht widerrufbar (Art.  16 Abs. 2 lit. a CISG), wenn die Antragstellerin ihren Bindungswillen bereits zum Ausdruck gebracht hat (Beispiel: «Angebot unwiderruflich»). Auch eine Befristung des Angebots hat die widerlegbare Vermutung zur Folge, dass das Angebot unwiderruflich sei.109 Gemäss Art. 16 Abs. 2 lit. b CISG kann das Angebot sodann nicht widerrufen werden, wenn der Empfänger auf die Unwiderruflichkeit vertrauen durfte und bereits in diesem Vertrauen gehandelt hat. Der Vertrauensschutz kann beispielsweise dann greifen, wenn der Empfänger aufgrund des Angebots bereits aufwendige Preiskalkulationen durchgeführt hat.110 Ein eigentlicher Schaden ist nicht erforderlich.111

2.

Annahme (Art. 18–22 CISG)

2.1

Begriff

Art. 18 Abs. 1 CISG definiert die Annahme als eine Erklärung oder ein gleichwerti- 2753 ges Verhalten des Empfängers, welches seine Zustimmung zum Angebot ausdrückt. Die Annahme kann mit anderen Worten durch Willenserklärung oder durch konkludentes (schlüssiges) Verhalten erfolgen.112 2.2

Wirkung

Die Annahme des Angebots bewirkt das Zustandekommen des Vertrages. Ein 2754 mündliches Angebot muss sofort angenommen werden, um die Annahmewirkung zu entfalten, sofern sich aus den Umständen nichts anderes ergibt (Art. 18 Abs. 2 CISG). Unter Abwesenden wird die Annahme gemäss Art. 18 Abs. 2 CISG wirksam: Der Vertrag kommt zustande (Art.  23  CISG), wenn die Annahme der Antragstellerin innerhalb der von ihr gesetzten (zur Berechnung s. Art. 20 CISG) oder einer angemessenen Frist zugeht (s. N 238). Wie nach dem OR beurteilt sich 108 109 110 111 112

Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Art. 16 N 2. Ferrari/Mankowski, Art. 16 N 13. Ferrari/Mankowski, Art. 16 N 18. Honsell/Dornis, Art. 16 N 22. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Art. 18 N 3 und N 7.

837

5. Kapitel

Nominatverträge

die Angemessenheit der Frist anhand der «Reisezeit» des Angebots zum Empfänger, einer Überlegungsfrist sowie der «Reisezeit» der Annahme zurück zur Antragstellerin (s.  N  238  ff.).113 Erfolgt die Annahme verspätet, kommt grundsätzlich kein Vertrag zustande. Es gelten allerdings zwei Ausnahmen: Die Antragstellerin kann gemäss Art.  21 Abs.  1  CISG die verspätete Annahme trotzdem «akzeptieren» und dadurch den Vertrag trotz Verspätung der Annahme zur Entstehung bringen, sofern sie den Empfänger sofort mündlich oder schriftlich darüber unterrichtet. Nach Art. 21 Abs. 2 CISG ist eine verspätete Annahme überdies wirksam, wenn für die Antragstellerin erkennbar ist, dass die Annahmeerklärung bei normaler Beförderung rechtzeitig zugegangen wäre (Beförderungsverzögerung). Möchte die Antragstellerin in einem Fall wie diesem nicht gebunden sein, so muss sie den Empfänger unverzüglich darüber informieren. 2.3 2755

Stimmt der Empfänger dem Angebot zu, aber ändert oder ergänzt er es gleichzeitig in wesentlichen Punkten, liegt gemäss Art. 19 Abs. 1 CISG ein Gegenangebot vor (s. N 225). Eine Modifikation in nur unwesentlichen Punkten bildet dagegen nach Art. 19 Abs. 2 CISG eine Annahme, sofern die Antragstellerin die Abweichung nicht unverzüglich mündlich oder schriftlich moniert. Die Abgrenzung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Änderungen ist eine Auslegungsfrage.114 Immerhin enthält Art. 19 Abs. 3 CISG eine nicht abschliessende, bloss beispielhafte Auflistung von Modifikationen, die vermutungsweise als wesentlich gelten, wie etwa Abweichungen bezüglich Preis, Menge und Lieferort und -zeit. Die aus der Auflistung resultierende Vermutung ist widerlegbar.115 2.4

2756

Rücknahme der Annahme (Art. 22 CISG)

Die Annahme kann gemäss Art. 22 CISG zurückgenommen werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Rücknahmeerklärung vor dem oder im Zeitpunkt zugeht, in dem die Annahme wirksam geworden wäre.

3. 2757

Gegenangebot (Art. 19 CISG)

Auslegung (Art. 8 CISG)

Art. 8 CISG regelt die Auslegung von Willenserklärungen, von sonstigem auf den Vertrag bezogenem Verhalten und – über den Wortlaut hinaus – auch von Verträ113 114 115

838

Pfisterer/Köster, UN-Kaufrecht, Art. 18 N 9. Honsell/Dornis, Art. 19 N 10. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Art. 19 N 8b; a.M. Herber/Czerwenka/Eckardt, Art. 19 N 11.

§ 29

UN-Kaufrecht (CISG)

gen.116 Die Regelung beinhaltet im Wesentlichen die gleichen Auslegungsmethoden wie sie in unserem nationalen Recht gelten (s. N 286 ff.). Art. 8 Abs. 1 CISG ordnet zunächst an, dass der wirkliche Wille der Parteien Vorrang geniesst.117 Kann kein übereinstimmender wirklicher Wille der Parteien festgestellt werden, so erfolgt gemäss Art. 8 Abs. 2 CISG die Auslegung gemäss dem Vertrauensprinzip: Der Erklärungsinhalt ist so auszulegen, wie ihn eine «vernünftige Person in gleicher Stellung wie die andere Partei unter den gleichen Umständen aufgefasst hätte»118. Nach Art.  8 Abs.  3  CISG sind dabei alle relevanten Umstände zu berücksichtigen, insbesondere die Vertragsverhandlungen, Handelsbräuche, Gepflogenheiten sowie das spätere Verhalten der Parteien. Sofern die Parteien die internationalen Handelsbräuche kannten oder kennen mussten und diese in der entsprechenden Branche weithin bekannt sind und regelmässig beachtet werden, sind ausserdem gemäss Art. 9 Abs. 2 CISG die internationalen Handelsbräuche bei der Auslegung zu berücksichtigen.

V.

Form (Art. 11–13 CISG)

Soweit die Parteien keine abweichende Vereinbarung getroffen haben, unterliegt der 2758 Kaufvertrag keinerlei Formvorschriften (Art. 11 CISG). Die Formfreiheit gilt auch für Vertragsänderungen. Den Parteien ist es freigestellt, Abschluss- oder Änderungsformen zu vereinbaren. Haben die Parteien sich auf die Schriftform verständigt, ohne diese näher zu konkretisieren, genügt gemäss Art. 13 CISG die Mitteilung per Telegramm oder Telex. Darüber hinaus wird – im Rahmen einer zeitgemässen Auslegung – auch die Mitteilung per Telefax und E-Mail als formwahrend angesehen.119 Zu beachten ist ferner, dass die Parteien gemäss Art. 29 Abs. 2 Satz 1 CISG die vereinbarte Schriftform nur mittels einer ebenfalls schriftlichen Erklärung aufheben können.120 Anders als im OR (s. N 389 f.) ist demnach eine formlose Aufhebung nicht möglich.121 Fälle des Rechtsmissbrauchs bleiben jedoch nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 CISG vorbehalten: Einer Partei wird die Berufung auf Formungültigkeit verwehrt, wenn sie schutzwürdiges Vertrauen in die Gültigkeit einer mündlichen Vertragsänderung erweckt hat und die andere Partei gestützt auf dieses Vertrauen aktiv122 geworden ist.

116 117 118 119 120 121 122

Honnold, Art. 8 N 102. Hurni, UN-Kaufrecht, Art. 8 N 3. BGE 4A_741/2012 E. 4. Honnold, Art. 13 N 130. Ausführlich Hillman, Cornell J. Int’l L. 1988, 466 ff. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Art. 29 N 16. Honsell/Gsell, Art. 29 N 26.

839

5. Kapitel

VI. 2759

Pflichten der Verkäuferin (Art. 30–52 CISG)

Die Verkäuferin treffen gemäss Art. 30 CISG im Wesentlichen die folgenden Pflichten: Sie muss dem Käufer die Ware liefern und ihm daran das Eigentum verschaffen. Gegebenenfalls hat sie ihm überdies die betreffenden Dokumente zu übergeben (Art. 30 CISG).

1. 2760

Nominatverträge

Lieferung der Ware und Übergabe der Dokumente (Art. 30–34 CISG)

Die Verkäuferin erfüllt richtig, wenn die Lieferung am richtigen Ort (s. N 2761 ff.) und zur richtigen Zeit (s.  N  2765) erfolgt und die Ware in vertragsgemässem Zustand, das heisst mängelfrei (s. N 2766 ff.) ist. 1.1

Liefermodalitäten (Art. 31–32 CISG)

2761

Grundsätzlich steht es den Parteien frei, die Modalitäten der Lieferpflicht zu vereinbaren. Dies geschieht im internationalen Handelsverkehr oft mittels Incoterms (s. N 698 ff.). Beispielsweise bestimmt die Klausel «DAP» (Delivered at Place), dass die Verkäuferin ihre Lieferpflicht erfüllt, indem sie die Ware dem Käufer auf dem ankommenden Beförderungsmittel entladebereit und am vertraglich vereinbarten Lieferungsort zur Verfügung stellt. Haben die Parteien die Liefermodalitäten nicht geregelt, so greift subsidiär Art. 31 CISG. Die Verpflichtung der Verkäuferin bestimmt sich alsdann gemäss einer dreigliedrigen Regelung:

2762

Verpflichtet der Vertrag die Verkäuferin zur Beförderung der Ware, so erfüllt die Verkäuferin richtig, wenn sie die Ware dem ersten Beförderer übergibt (Art.  31 lit. a CISG), das heisst, wenn sie diesem physischen Gewahrsam daran verschafft.123 Ob der Vertrag eine Beförderung erfordert, ist durch Auslegung (s. N 2757) zu ermitteln. Unter «Beförderer» ist nur ein selbständiges Unternehmen mit eigenen Angestellten zu verstehen, nicht etwa die Beförderung durch das Personal der Verkäuferin.124 Der Verkäuferin ist es dabei freigestellt, an welchem Ort sie die Ware dem Beförderer übergeben möchte.125 Ist die Verkäuferin zur Beförderung der Ware verpflichtet, so folgt aus Art. 31 lit. a CISG, dass im Zweifel bloss eine Schickschuld bzw. ein Versendungskauf und keine Bringschuld bzw. kein Fernkauf (s. N 2368 f.) vorliegt.126 Selbstverständlich können die Parteien davon abweichen und eine Bring-

123 124 125 126

840

Ferrari/Saenger, Art. 31 N 9. Honnold, Art. 8 N 208. Schlechtriem/Schwenzer/Widmer Lüchinger, CISG Commentary, Art. 31 N 4. KGer Zug, CISG-online 958; Schlechtriem/Schwenzer/Widmer Lüchinger, Art. 31 N 18.

§ 29

UN-Kaufrecht (CISG)

schuld vereinbaren (Fernkauf).127 Hat sich der Käufer demgegenüber verpflichtet, die Ware bei der Verkäuferin abzuholen (Holschuld; s. N 2367), so ist Art. 31 lit. a CISG nicht anwendbar. Art. 31 lit. b CISG enthält eine Sonderregelung für den von den Parteien bezüglich 2763 der Beförderung ungeregelten Fall, in welchem eine species-Sache (Beispiel: ein Bild von Picasso) oder eine genus-Sache aus einem begrenzten Vorrat (Beispiel: eine Flasche Rotwein aus dem Weinkeller der Verkäuferin) geschuldet ist und beide Parteien wissen, wo sich die Sache bzw. der Vorrat befindet. Die Verkäuferin erfüllt, indem sie die Ware dem Käufer an diesem Ort zu Verfügung stellt. Dasselbe gilt analog, wenn die Sache noch herzustellen ist und der Ort der Herstellung beiden Parteien bekannt ist.128 Wenn weder Art. 31 lit. a CISG noch Art. 31 lit. b CISG anwendbar sind, so bestimmt Art. 31 lit. c CISG, dass die Verkäuferin erfüllt, indem sie dem Käufer die Ware am Ort ihrer Niederlassung zu Verfügung stellt. Es liegt alsdann ein Platzkauf vor. 1.2

2764

Lieferzeitpunkt bzw. -zeitraum (Art. 33 CISG)

Art. 33 CISG regelt den Lieferzeitpunkt: Art. 33 lit. a bzw. lit. b CISG halten fest, dass 2765 die Parteien den Zeitpunkt bzw. die Zeitspanne selber einverständlich bestimmen können. Nur wenn die Parteien nichts vereinbart haben, greift Art. 33 lit. c CISG subsidiär ein und bestimmt, dass die Lieferung innerhalb einer angemessenen Frist nach Vertragsabschluss zu erfolgen hat. Welche Frist angemessen ist, muss anhand der Umstände des Einzelfalls entschieden werden.129 Dabei können Gepflogenheiten innerhalb einer Branche mitentscheidend sein.130 Bei herzustellenden Waren ist in der Regel die durchschnittliche Herstellungs- und Lieferzeit massgebend.131 Falls die Verkäuferin die Ware vorrätig hat, ist die Frist kürzer. Sie bemisst sich anhand der Zeitdauer, welche für das Verpacken und Liefern der Ware im Durchschnitt erforderlich ist.132

2.

Vertragsmässigkeit der Ware (Art. 35 ff. CISG)

Die Verkäuferin hat gemäss Art. 35 CISG Waren zu liefern, die dem Vertrag ent- 2766 sprechen. Dabei geht Art. 35 Abs. 1 CISG von einem subjektiven Fehlerbegriff aus, wonach die Parteien einverständlich bestimmen können, welche Qualität die Waren 127 128 129 130 131 132

Honsell/Ernst/Lauko, Art. 31 N 50. Schlechtriem/Schwenzer/Widmer Lüchinger, Art. 33 N 46. Ferrari/Saenger, Art. 33 N 6. Honsell/Ernst/Lauko, Art. 33 N 15. Ferrari/Saenger, Art. 33 N 6. Schlechtriem/Schwenzer/Widmer Lüchinger, Art. 33 N 17.

841

5. Kapitel

Nominatverträge

aufzuweisen haben (s. N 2770). Fehlt eine Vereinbarung, hält Art. 35 Abs. 2 CISG subsidiär eine Reihe von gesetzlichen Regelungen bereit (s. N 2771 ff.). 2767

Der entscheidende Zeitpunkt für die Beurteilung der Vertragsmässigkeit ist gemäss Art.  36 Abs.  1  CISG der Gefahrenübergang. Ausnahmsweise haftet die Verkäuferin auch für später auftretende Mängel. Dies ist der Fall, wenn die Mängel auf eine Vertragsverletzung ihrerseits (Beispiel: fehlerhafte Gebrauchsanweisung führt nach dem Gefahrenübergang zum Mangel) zurückzuführen sind oder wenn sie die Garantie dafür übernommen hat, dass die Ware auch nach dem Gefahrenübergang für den üblichen oder für einen bestimmten Zweck geeignet bleibt oder gewisse Eigenschaften nicht verliert (sog. Haltbarkeitsgarantie133; Beispiel: Die Verkäuferin garantiert, dass die verkauften Lebensmittel auch drei Monate nach Lieferung noch geniessbar sind).

2768

Im Gegensatz zum OR unterscheidet das UN-Kaufrecht nicht zwischen der Lieferung eines aliud und eines peius (s. N 2588 f.). Das bedeutet, dass auch die Lieferung eines aliud – selbst bei krassen Falschlieferungen – keine Nichterfüllung darstellt, sondern «bloss» als Lieferung nicht vertragsgemässer Ware angesehen wird.134 Der Käufer muss demnach auch aliud-Lieferungen grundsätzlich als Mangel rügen (s. N 2819 ff.).135

2769

Liefert die Verkäuferin Waren, die gemäss Art. 35 CISG nicht vertragsgemäss sind, so liegt ein Sachmangel vor, der eine entsprechende Sachmängelhaftung der Verkäuferin auslösen kann (s. N 2791 ff.). 2.1

2770

Subjektiver Fehlerbegriff (Art. 35 Abs. 1 CISG)

Gemäss Art.  35 Abs.  1  CISG hat die Ware hinsichtlich Menge, Qualität und Art (sowie hinsichtlich Verpackung oder Behältnis) den Anforderungen des Vertrages zu entsprechen.136 Die Parteien können in ihrem Vertrag die Anforderungen an die Ware regeln. Dies kann auch durch einen Verweis auf internationale Standards (z.B. ISO) geschehen.137 Die vertraglichen Anforderungen an die Konformität der Leistung sind gegebenenfalls durch eine Auslegung derselben und des Vertrages etc. nach Art. 8 CISG zu ermitteln.138

133 134 135 136 137 138

842

Boehm/Gottlieb, UN-Kaufrecht, Art. 36 N 4. Boehm/Gottlieb, UN-Kaufrecht, Art. 35 N 7. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 38 N 7. S. beispielsweise BGE 4A_617/2012 E. 2, wonach eine fehlende Kontrollbescheinigung in Bezug auf eine Bio-Zertifizierung bei einer Warenlieferung eine Qualitätsabweichung darstellt. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 35 N 7. Boehm/Gottlieb, UN-Kaufrecht, Art. 35 N 3.

§ 29

UN-Kaufrecht (CISG)

2.2

Subsidiäre Bestimmung der Vertragsmässigkeit (Art. 35 Abs. 2 CISG)

a.

Gewöhnlicher Gebrauchszweck (Art. 35 Abs. 2 lit. a CISG)

Die Waren müssen für den gewöhnlichen Gebrauchszweck geeignet sein. Das UN- 2771 Kaufrecht stellt die gleiche Regel auf wie Art. 197 Abs. 1 OR (s. N 2597 ff.). Wofür die Ware gewöhnlich gebraucht wird, bestimmt sich nach der in der jeweiligen Branche vorherrschenden Verkehrsanschauung.139 Im internationalen Handel ist insbesondere die Frage wichtig, ob die Ware öffent- 2772 lich-rechtlichen Vorgaben im Land des Käufers oder im Land der Verwendung der Ware genügen muss (z.B. Umweltvorschriften). Solche Vorschriften können nämlich von Land zu Land unterschiedlich ausgestaltet sein. In einem Leitentscheid aus dem Jahre 1995 hat der deutsche Bundesgerichtshof festgestellt, dass die Einhaltung solcher Vorschriften der Verkäuferin in der Regel nicht zumutbar ist, weil diese für sie oft nur schwer zugänglich sind.140 Die Ware ist daher grundsätzlich vertragsgemäss, wenn sie die rechtlichen Anforderungen des Verkäuferlandes erfüllt.141 Diese Rechtsprechung wurde in anderen Ländern bestätigt, so in den USA142, Österreich143 und Spanien144. Gemäss diesen Urteilen und der herrschenden Lehre sind drei Ausnahmen zu 2773 beachten, in denen die Ware gleichwohl den Vorschriften des Käufer- bzw. Verwenderlandes zu entsprechen hat. Wenn erstens die gleichen Vorschriften auch im Verkäuferland gelten, so ist die Verkäuferin verpflichtet, diese zu beachten. Dies ist insbesondere für Normen des EU-Rechts relevant, sofern beide Parteien in der EU ansässig sind.145 Zweitens muss die Verkäuferin sich an ausländische Vorschriften halten, die ihr bekannt sind oder sein müssten, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die Verkäuferin regelmässig in das fragliche Land verkauft, dort eine Zweigniederlassung hat, im Ausland Werbung macht oder bereits eine langfristige Geschäftsbeziehung zum Käufer unterhält.146 Drittens sind ausländische Normen einzuhalten, wenn der Käufer die Verkäuferin explizit auf diese aufmerksam gemacht hat. Dann gilt nämlich Art. 35 Abs. 2 lit. b CISG (s. N 2774).147 Die Tatsache, dass die Verkäuferin dem Käufer das Bestimmungsland der Ware mitgeteilt hat, genügt hingegen im Allgemeinen nicht als Begründung einer Pflicht der Verkäuferin, sich an die entsprechenden Vorschriften zu halten.148 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148

Boehm/Gottlieb, UN-Kaufrecht, Art. 35 N 10. BGH, CISG-online 144 (sog. «Neuseeland-Muschel-Fall»). Honsell/Magnus, Art. 35 N 14. U.S. District Court, Eastern District of Louisiana, CISG-online 387. OGH, CISG-online 576. Audiencia Provincial de Granada, CISG-online 756. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 35 N 17. S. Court of Appeal New Zealand, CISG-online 2215; Boehm/Gottlieb, UN-Kaufrecht, Art. 35 N 16. Boehm/Gottlieb, UN-Kaufrecht, Art. 35 N 15. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 35 N 17.

843

5. Kapitel

b. 2774

Verpackung bzw. Behältnis (Art. 35 Abs. 1 und Abs. 2 lit. d CISG)

Im Gegensatz zum OR, das die Pflicht der Verkäuferin, die Kaufsache angemessen zu verpacken, als Nebenpflicht auffasst,153 gehört nach UN-Kaufrecht eine angemessene Verpackung bzw. ein geeignetes Behältnis gemäss Art. 35 Abs. 1 und Abs. 2 lit. d CISG zur Sachgewährleistung. Die Ware muss dabei so verpackt werden, wie es in der jeweiligen Branche üblich ist.154 Lassen sich keine branchenüblichen Standards feststellen, so muss die Ware zumindest in der Weise geschützt sein, dass sie auf dem Transport keinen Schaden nimmt.155

3. 2777

Probe oder Muster (Art. 35 Abs. 2 lit. c CISG)

Bei einem Kauf auf Probe oder nach Muster muss die Ware den Eigenschaften der Probe bzw. des Musters entsprechen. d.

2776

Besonderer Gebrauchszweck (Art. 35 Abs. 2 lit. b CISG)

Die Ware muss für einen besonderen (das heisst nicht nur gewöhnlichen) Gebrauchszweck nur dann geeignet sein, wenn der Käufer diesen der Verkäuferin spätestens im Zeitpunkt des Vertragsschlusses149 zur Kenntnis gebracht hat. Die Mitteilung eines bestimmten Gebrauchszwecks kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen, wobei es ausreicht, dass eine sorgfältige Verkäuferin den besonderen Verwendungszweck erkannt hätte.150 Nicht erforderlich ist, dass die Parteien sich vertraglich auf den speziellen Zweck geeinigt haben. Die Verkäuferin kann widersprechen, wenn sie für den besonderen Gebrauchszweck nicht einstehen will.151 Die Einstandspflicht entfällt ausserdem gemäss Art. 35 Abs. 2 lit. b CISG, wenn der Käufer nicht auf die Sachkenntnis der Verkäuferin vertrauen durfte, beispielsweise weil er selber über grössere Expertise verfügt als sie.152 c.

2775

Nominatverträge

Verschaffen von unbelastetem Eigentum (Art. 41 ff. CISG)

Die Verkäuferin ist zweitens verpflichtet, dem Käufer das unbelastete Eigentum an der Ware zu verschaffen. Sie hat dabei alle Handlungen vorzunehmen, die dafür erforderlich sind.156 Wie die Eigentumsübertragung stattzufinden hat, bestimmt sich jedoch nicht nach dem CISG (s. N 2741), sondern nach dem via IPR des ange149 150 151 152 153 154 155 156

844

Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 35 N 22. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 35 N 21. Boehm/Gottlieb, UN-Kaufrecht, Art. 35 N 18. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 35 N 23. Honsell, OR BT, 46. Ferrari/Ferrari, Art. 35 N 23. S. Honsell/Magnus, Art. 35 N 25. Ferrari/Saenger, Art. 30 N 4.

§ 29

UN-Kaufrecht (CISG)

rufenen Gerichts ermittelten Recht, in der Regel nach dem Recht des Belegenheitsortes (lex rei sitae).157 Das Eigentum muss gemäss Art. 41 CISG frei von Rechten oder Ansprüchen Drit- 2778 ter sein. Darunter fallen sowohl dingliche Rechte, wie z.B. Pfandrechte, als auch obligatorische Rechte, wie z.B. Ansprüche aus Miete.158 Ebenfalls erfasst sind Sicherungs- und Verwertungsrechte innerhalb der Zwangsvollstreckung, wie z.B. die Pfändung oder der Arrest.159 Für Immaterialgüterrechte gilt die Spezialregelung von Art. 42 CISG.

VII. Pflichten des Käufers (Art. 53–60 CISG) Der Käufer hat gemäss Art. 53 CISG zwei Pflichten: Er ist verpflichtet, den Kaufpreis zu bezahlen (s. N 2780 ff.) und die Ware (s. N 2786) abzunehmen.

1.

Bezahlung des Kaufpreises

1.1

Modalitäten

2779

Die Bezahlung des Kaufpreises kann entweder in bar oder mittels Banküberwei- 2780 sung erfolgen.160 Mangels besonderer Abrede oder entsprechender Handelsbräuche ist die Bezahlung per Check unzulässig.161 Gemäss Art. 54 CISG muss der Käufer ausserdem alle erforderlichen Genehmigungen einholen, die für die Bezahlung erforderlich sind, insbesondere solche des Devisen- und Aussenwirtschaftsrechts im Käufer- und Verkäuferinnenstaat.162 Dementsprechend trägt der Käufer auch das Risiko, dass eine solche Genehmigung nicht oder nicht rechtzeitig erfolgt. Umstritten ist die Rechtslage, falls die Parteien keine spezifische Währung verein- 2781 bart haben. Das UN-Kaufrecht regelt diesen Fall nicht explizit.163 1.2

Fälligkeit (Art. 58 CISG)

Zwei Voraussetzungen sind dafür erforderlich, dass der Kaufpreis fällig wird. Ers- 2782 tens muss die Ware dem Käufer gemäss Art. 58 Abs. 1 CISG zur Verfügung gestellt 157 158 159 160 161 162 163

Ferrari/Saenger, Art. 30 N 4. Tebel, UN-Kaufrecht, Art. 41 N 10. Tebel, UN-Kaufrecht, Art. 41 N 10. Honsell/Schnyder/Straub, Art. 54 N 13. Lerch/Rusch, UN-Kaufrecht, Art. 54 N 3. Ferrari/Mankowski, Art. 54 N 5; Honsell/Schynder/Straub, Art. 54 N 33. Lerch/Rusch, UN-Kaufrecht, Art. 54 N 3.

845

5. Kapitel

Nominatverträge

worden sein. Zweitens muss dem Käufer nach Art. 58 Abs. 3 CISG eine kurze Frist zur Inspektion der Ware eingeräumt werden. 2783

In welchem Zeitpunkt die Ware als zur Verfügung gestellt gilt, hängt davon ab, ob ein Platz-, Versendungs- oder Fernkauf vorliegt (s. N 2761 ff.). Bei einem Platzkauf (Holschuld des Käufers) steht die Ware zur Verfügung, sobald sie sich physisch am Ort der Übergabe befindet und die Verkäuferin den Käufer darüber informiert hat. Die Informationspflicht der Verkäuferin ist zwar in Art. 58 Abs. 1 CISG nicht ausdrücklich genannt, wird aber von der herrschenden Lehre mit der Begründung statuiert, dass der Käufer andernfalls in Verzug geraten könnte, ohne von der Fälligkeit seiner Zahlungspflicht Kenntnis zu haben.164 Liegt ein Fernkauf vor (Bringschuld der Verkäuferin), so gilt die Ware als zur Verfügung gestellt, sobald die Verkäuferin diese dem Käufer an dessen Niederlassung oder an einem anderen vertraglich vereinbarten Ort anbietet.165 Im Fall eines Versendungskaufes (Schickschuld der Verkäuferin) ist die Ware zur Verfügung gestellt, sobald der Beförderer sie dem Käufer am Bestimmungsort angeboten hat.166

2784

Das Recht zur Inspektion beinhaltet keine umfassende Untersuchung nach Art. 38 CISG (s. N 2819 f.), sondern erschöpft sich in einem knappen Augenschein der Ware.167 Die Fälligkeit tritt ein, wenn der Käufer von seinem Recht Gebrauch gemacht hat oder davon hätte Gebrauch machen können. Das Untersuchungsrecht entfällt gemäss Art. 58 Abs. 3 CISG, falls die vereinbarten Liefer- oder Zahlungsmodalitäten eine Inspektion gar nicht zulassen, beispielsweise falls Nachnahme (cash on delivery) vereinbart wurde.168 1.3

2785

Zahlungsort (Art. 57 CISG)

Bezüglich Zahlungsortes differenziert das UN-Kaufrecht danach, ob ein Zug-umZug-Geschäft vorliegt oder ob eine Partei vorleistungspflichtig ist. Für das Zug-umZug-Geschäft bestimmt Art. 57 Abs. 1 lit. b CISG, dass der Ort der Warenübergabe den Zahlungsort bildet. Ist eine Partei vorleistungspflichtig, so wird als Zahlungsort gemäss Art. 57 Abs. 1 lit. a CISG die Niederlassung der Verkäuferin angesehen. Die Verpflichtung des Käufers gilt somit als Bringschuld.169 Wechselt die Verkäuferin nach Vertragsschluss den Ort ihrer Niederlassung, so hat sie gemäss Art. 57 Abs. 2 CISG die Mehrkosten zu tragen.

164 165 166 167 168 169

846

Ferrari/Mankowski, Art. 58 N 10; Lerch/Rusch, UN-Kaufrecht, Art. 58 N 1. Lerch/Rusch, UN-Kaufrecht, Art. 58 N 3. Lerch/Rusch, UN-Kaufrecht, Art. 58 N 4. Lerch/Rusch, UN-Kaufrecht, Art. 58 N 12. Schlechtriem/Schwenzer/Mohs, Art. 58 N 35. S. BGE 122 III 43 E. 3c.

§ 29

2.

UN-Kaufrecht (CISG)

Annahme der Ware (Art. 60 CISG)

Das UN-Kaufrecht konzipiert die Abnahme der Ware durch den Käufer gemäss 2786 Art.  60 lit.  b  CISG als Pflicht und nicht bloss als Obliegenheit (für das  OR s. N 2462 ff.).170 Die ungerechtfertigte Verweigerung der Abnahme stellt somit eine Vertragsverletzung dar. Der Käufer darf die Annahme verweigern (sog. Zurückweisungsrecht), wenn die Verkäuferin zu früh oder zu viel liefert (Art. 52 CISG) oder wenn er einen Anspruch auf Ersatzlieferung (Art. 46 Abs. 2 CISG; s. N 2808) bzw. auf Vertragsaufhebung (Art. 49 CISG; s. N 2813 ff.) hat.171

VIII. Gefahrtragung (Art. 66–70 CISG) Art. 66 ff. CISG enthalten verschiedene Regeln zur Gefahrtragung (im Allgemeinen 2787 s. N 2473 ff.). Die Parteien können die Gefahrtragungsregeln des CISG allerdings modifizieren, beispielsweise durch die Vereinbarung von Incoterms (s.  N  698  ff.). Art. 66 CISG hält zunächst die Wirkungen des Gefahrenübergangs fest: Wie im OR bewirkt der Gefahrenübergang, dass der Käufer von diesem Moment an verpflichtet ist, den Kaufpreis zu bezahlen, auch wenn die Ware durch Zufall beschädigt oder zerstört wird. Art. 67 Abs. 1 CISG bestimmt für den Versendungskauf (s. N 2762), dass die Gefahr 2788 in jenem Zeitpunkt übergeht, in welchem die Verkäuferin die Ware dem ersten Beförderer übergibt. Unter Beförderer ist der Transporteur zu verstehen, welcher um die Versendung besorgt ist. Es muss sich um eine Person handeln, die von der Verkäuferin unabhängig ist. Die Übergabe der Ware an eigenes Personal bewirkt keinen Gefahrenübergang (selbst wenn dieses die Ware transportiert).172 Hat sich die Verkäuferin allerdings verpflichtet, dem Transporteur die Ware an einem bestimmten Ort zu übergeben, führt die Übergabe an diesem Ort zum Gefahrenübergang. Nach Art.  67 Abs.  2  CISG muss die Ware individualisiert (Art.  69 Abs.  3  CISG), 2789 das heisst dem Vertrag zugeordnet sein, bevor die Gefahr übergehen kann. Solange genus-Ware beispielsweise unausgeschieden auf einem Frachtschiff lagert, kann sie keinem Käufer zugeordnet werden und die Gefahr verbleibt darum beim Verkäufer.173 Liegt kein Versendungskauf vor, so hängt der Gefahrenübergang davon ab, ob der 2790 Käufer verpflichtet ist, die Ware am Ort der Niederlassung der Verkäuferin zu über170 171 172 173

Lerch/Rusch, UN-Kaufrecht, Art. 60 N 1. Lerch/Rusch, UN-Kaufrecht, Art. 60 N 6; Schlechtriem/Schwenzer/Mohs, Art. 60 N 3. Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 67 N 13. Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 67 N 29.

847

5. Kapitel

Nominatverträge

nehmen (Holschuld des Käufers):174 Die Gefahr geht gemäss Art. 69 Abs. 1 CISG über, sobald der Käufer die Ware übernimmt oder übernehmen sollte. Muss der Käufer die Ware hingegen an einem anderen Ort übernehmen (Bringschuld der Verkäuferin, Verkauf ab Lager eines unabhängigen Lagerhalters)175, geht die Gefahr gemäss Art.  69 Abs.  2  CISG über, sobald die Lieferung fällig ist und der Käufer davon Kenntnis hat, dass ihm die Ware an besagtem Ort zur Verfügung steht. Auch in diesen Fällen muss die Ware jedoch nach Art. 69 Abs. 3 CISG individualisiert sein.

IX.

Leistungsstörungen

2791

Im Gegensatz zum  OR unterscheidet das  CISG nicht zwischen Nichterfüllung, Verzug und positiver Vertragsverletzung bzw. Gewährleistung. Das gesamte Leistungsstörungsrecht basiert auf dem einheitlichen Tatbestand der Vertragsverletzung (breach of contract; s. Art. 45 und Art. 61 CISG). Die verletzte Pflicht kann sich aus einer vertraglichen Abrede ergeben (Beispiel: Verletzung der vertraglichen Pflicht zur Instruktion des Käufers) oder zum (dispositiven) Pflichtenprogramm des Übereinkommens gehören (Beispiel: Lieferung einer im Sinne von Art.  35 Abs. 2 CISG mangelhaften Sache). Das CISG ordnet zuerst die Pflichten der Verkäuferin (Art. 30 ff. CISG) und sodann jene des Käufers (Art. 55 ff. CISG).

2792

Das CISG unterscheidet alsdann zwischen einfachen und wesentlichen Vertragsverletzungen.176 Diese Differenzierung ist entscheidend: Eine wesentliche Vertragsverletzung eröffnet im Gegensatz zu einer einfachen Vertragsverletzung den Parteien weiter gehende Rechte, insbesondere bezüglich der Vertragsaufhebung (s. Art. 49 Abs. 1 lit. a bzw. Art. 64 Abs. 1 lit. a CISG). Deshalb sollte im Zweifel auch nur von einer einfachen Vertragsverletzung ausgegangen werden.177

1. 2793

Wesentliche Vertragsverletzung (Art. 25 CISG)

Der Begriff der wesentlichen Vertragsverletzung wird im UN-Kaufrecht in Art.  25  CISG im Rahmen der «Allgemeinen Bestimmungen» umschrieben. Das UN-Kaufrecht geht vom Vorrang der Aufrechterhaltung des Vertrages aus. Der geschlossene Vertrag soll grundsätzlich auch bei Störungen Bestand haben.178 Die 174 175 176 177 178

848

Ferrari/Mankowski, Art. 69 N 2. Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Art. 69 N 17. Honsell, OR BT, 138. BGE 4A_614/2014 E.  6.1; 4A_264/2013 E.  3.1.1; 4A_68/2009 E.  7.1; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 749; kritisch zu BGE 4A_264/2013 Brunner/Vischer, Jusletter 24. November 2014, N 19 ff. BGE 4A_614/2014 E. 6.1; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, CISG Commentary, Art. 25 N 1.

§ 29

UN-Kaufrecht (CISG)

Konkretisierung des Begriffs der wesentlichen Vertragsverletzung ist in massgeblicher Weise die Aufgabe der Gerichte. Es bietet sich darum auch die Bildung von Fallgruppen an (s. N 2799 ff.). 1.1

Allgemeine Definition

Gemäss der Legaldefinition von Art. 25 CISG begeht eine Partei eine wesentliche 2794 Vertragsverletzung, wenn der Verstoss für die andere Partei einen derartigen Nachteil zur Folge hat, dass ihr im Wesentlichen entgeht, was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen, es sei denn, die vertragsbrüchige Partei habe oder auch eine vernünftige Person hätte diese Folge unter den gleichen Umständen nicht vorausgesehen. Im Einzelnen müssen somit folgende Voraussetzungen gegeben sein:

2795

• eine Partei hat den Vertrag verletzt (s. N 2799 ff.); • die von der Verletzung betroffene Partei erleidet dadurch einen wesentlichen Nachteil (s. N 2796 f.); • der Nachteil war voraussehbar, und zwar – für die vertragsverletzende Partei oder – für eine vernünftige «Durchschnittsperson» (s. N 2798). a.

Wesentlicher Nachteil

Einen Nachteil erleidet die betroffene Partei, wenn ein Vorteil des Vertrages ent- 2796 fällt, beispielsweise der Käufer durch den Verzug die Kaufsache nicht wie beabsichtigt gewinnbringend weiterverkaufen kann.179 Ein materieller Schaden (s. N 111 f.) wird jedoch nicht zwingend vorausgesetzt.180 Wesentlich ist ein Nachteil, wenn er ein «solches Ausmass annimmt, dass das Inte- 2797 resse der betroffenen Partei an der Durchführung des Vertrages im Wesentlichen entfallen ist». Das Gewicht, welches der richtigen Erfüllung einer einzelnen Vertragspflicht beizumessen ist, bestimmt sich in erster Linie nach der vertraglichen Vereinbarung der Parteien.181 Vereinbaren die Parteien z.B., dass die verkauften Lebensmittel frei von gentechnisch veränderten Organismen sein sollen, weil nur solche in der Schweiz weiterverarbeitet werden dürfen, so stellt die Lieferung von gentechnisch veränderten Organismen eine wesentliche Vertragsverletzung dar; der Käufer kann diese nicht gebrauchen.182 Keine wesentliche Vertragsverletzung

179 180 181 182

Leisinger, UN-Kaufrecht, Art. 25 N 8. BGE 4A_264/2013 E. 3.1.2 f.; 4C.105/2000 E. 2c aa. OGH, CISG-online 1047. S. AppGer Basel, CISG-online 943.

849

5. Kapitel

Nominatverträge

wäre hingegen anzunehmen, wenn die Parteien zwar einen Liefertermin vereinbart haben, dessen genaue Einhaltung für den Käufer aber nicht so wichtig ist.183 b. 2798

Voraussehbarkeit

Die Wesentlichkeit der Vertragsverletzung entfällt, wenn der Nachteil für die vertragsbrüchige Partei oder für eine objektive «Durchschnittsperson» voraussehbar war bzw. gewesen wäre, wobei der Zeitpunkt des Vertragsschlusses für die Beurteilung der Voraussehbarkeit entscheidend ist.184 Ergibt sich die verletzte Pflicht klar aus dem Vertrag oder den Vertragsverhandlungen, so ist der Nachteil in der Regel voraussehbar.185 Voraussehbarkeit ist im Übrigen zu vermuten; die vertragsbrüchige Partei hat die Unvoraussehbarkeit zu beweisen.186 1.2

Fallgruppen

a.

Vertragsverletzungen seitens der Verkäuferin

2799

Die definitive Nichtlieferung der Kaufsache, sei es aus subjektiver oder objektiver Unmöglichkeit, sei es wegen einer endgültigen und ernsthaften Lieferverweigerung trotz Möglichkeit der Leistung, stellt eine wesentliche Vertragsverletzung dar.187

2800

Der blosse Verzug der Verkäuferin bzw. das Überschreiten eines vereinbarten Liefertermins erreicht hingegen in der Regel die Wesentlichkeitsschwelle nicht und stellt daher nur eine einfache Vertragsverletzung dar.188 Daraus folgt, dass der Käufer bei Verzug der Verkäuferin grundsätzlich eine Nachfrist gemäss Art.  47 Abs. 1 CISG setzen muss und erst nach Ablauf dieser Frist den Vertrag aufheben kann (s. N 2809 ff.). Der Verzug stellt jedoch ausnahmsweise eine wesentliche Vertragsverletzung dar, wenn nämlich nach dem Willen der Parteien dem Lieferdatum Fixcharakter zukommen soll: Die Leistung soll genau bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen, weil dessen Einhaltung für den Käufer von besonderer Wichtigkeit ist (zum Fixgeschäft im Allgemeinen s. N 925 ff.).189 Eine solche Bedeutung kann sich aus der Verwendung entsprechender Klauseln im Vertrag ergeben (Beispiel: «15. Juli 2018 fix»190). In den meisten Fällen dürfte jedoch eine entsprechende Vereinbarung fehlen. Diesfalls muss durch Auslegung, allenfalls gemäss Vertrauensprinzip, eruiert werden, ob ein Fixgeschäft vereinbart worden war oder nicht. Als Beispiele für Fixgeschäfte aus der Judikatur seien genannt: Verkauf von Saisonware, 183 184 185 186 187 188 189 190

850

BGE 4A_614/2014 E. 5.6.1; OLG Düsseldorf, CISG-online 385. BGE 4A_264/2013 E. 3.1.4; Leisinger, UN-Kaufrecht, Art. 25 N 10 f. Leisinger, UN-Kaufrecht, Art. 25 N 10. BGH, CISG-online 135; offengelassen in BGE 4A_614/2014 E. 6.4.3.3. Ferrari/Ferrari, Art. 25 N 17. Honsell/Gsell, Art. 25 N 31. Leisinger, UN-Kaufrecht, Art. 25 N 13. AGer Ludwigsburg, CISG-online 17.

§ 29

UN-Kaufrecht (CISG)

wenn der Käufer ersichtlich nach Ablauf der Saison für die Güter keine Verwendung mehr hatte;191 Verkauf von Baumwolle, die der Käufer am vereinbarten Lieferdatum weiterverkaufen wollte, was für die Verkäuferin erkennbar war.192 Keine wesentliche Vertragsverletzung wurde hingegen in folgenden Fällen angenommen: Lieferung von Rohbenzin mit zwei Tagen Verspätung, was aber die geplante Weiterverarbeitung durch den Käufer nicht hinderte;193 Lieferung von Verpackungen für Tiernahrung 14 Wochen nach Vertragsschluss (anstatt nach den vereinbarten acht Wochen), wobei der Käufer täglich mit dieser Ware handelte und deshalb auch bei verspäteter Lieferung noch damit handeln konnte.194 Auch Sachmängel können schliesslich eine wesentliche Vertragsverletzung begrün- 2801 den. Voraussetzung ist, dass es sich um schwerwiegende Mängel handelt, die Ware damit «praktisch unbrauchbar, unverkäuflich bzw. nicht in zumutbarer Weise absetzbar oder verwendbar ist»195. Solange eine Nachbesserung oder Nachlieferung durch die Verkäuferin möglich und dem Käufer (insbesondere in zeitlicher Hinsicht) zumutbar ist, liegt keine wesentliche Vertragsverletzung vor.196 Die Gerichtspraxis bejahte beispielsweise in folgenden Fällen eine wesentliche Vertragsverletzung: Verkauf von Paprikapuder nach Deutschland, wobei dessen Ethylenoxidanteil die erlaubte Menge gemäss deutschem Lebensmittelrecht überschritt;197 Verkauf von Wein mit 9% Wasserzusatz, weshalb dieser in der gesamten EU nicht verkehrsfähig war;198 Lieferung eines im Jahre 1981 hergestellten Fahrzeugs, wobei vereinbart worden war, dass dieses nach 1988 fabriziert worden sein sollte.199 b.

Vertragsverletzungen seitens des Käufers

Die definitive Nichtzahlung bzw. eine endgültige und ernsthafte Zahlungsverweige- 2802 rung des Käufers stellt eine wesentliche Vertragsverletzung dar.200 Der blosse Zahlungsverzug ist analog zum Lieferverzug zu beurteilen. Grundsätz- 2803 lich liegt hier keine wesentliche Vertragsverletzung vor. Eine Ausnahme gilt dann, wenn aus dem Vertrag oder den Umständen geschlossen werden muss, dass der Zahlungstermin als Fixtermin aufzufassen ist.201

191 192 193 194 195 196 197 198 199

Corte die Appello di Milano, CISG-online 348. BGE 4C.105/2000 E. 2c bb. United States District Court for New Jersey, CISG-online 1216. AppGer Turku, CISG-online 1297. Leisinger, UN-Kaufrecht, Art. 25 N 17. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Art. 25 N 38. LG Ellwangen, CISG-online 279. LG Trier, CISG-online 160. Tribunal of International Commercial Arbitration at the Russian Federation Chamber of Commerce and Industry, CISG-online 1187. 200 Leisinger, UN-Kaufrecht, Art. 25 N 21. 201 Leisinger, UN-Kaufrecht, Art. 25 N 21.

851

5. Kapitel

2804

2805

Nominatverträge

Als wesentliche Vertragsverletzung ist schliesslich in der Regel die definitive Verletzung der Abnahmepflicht (s. N 2786) zu werten, ausser die Annahmeverweigerung sei gerechtfertigt.202

2.

Rechtsbehelfe bei Vertragsverletzungen

2.1

Rechtsbehelfe des Käufers (Art. 45–52 CISG)

Art.  45 Abs.  1  CISG bestimmt als «Übersichtsnorm», welche Rechtsbehelfe dem Käufer zustehen (Art. 46–52 CISG bzw. Schadenersatz gemäss Art. 74–77 CISG). Unter den jeweiligen Voraussetzungen kann er • Erfüllung, Ersatzlieferung oder Nachbesserung verlangen (Art.  46  CISG; s. N 2806 ff.); • der Verkäuferin Nachfrist setzen (Art. 47 CISG; s. N 2809 ff.); • den Vertrag aufheben (Art. 49 CISG; s. N 2813 ff.); • den Kaufpreis mindern (Art. 50 CISG; s. N 2817) und/oder • Schadenersatz verlangen (Art. 74 ff. CISG; s. N 2818).

2805a

Falls die Verkäuferin nur einen Teil der Ware liefert oder die gelieferte Ware nur teilweise nicht vertragsgemäss ist, beschränken sich die allgemeinen Rechtsbehelfe des Käufers nach Art. 46 ff. CISG grundsätzlich auf den fehlenden bzw. nicht vertragsgemässen Teil (Art. 51 Abs. 1 CISG).203 a.

2806

Erfüllung, Ersatzlieferung und Nachbesserung (Art. 46 CISG)

Wie auch nach dem OR (Binnenrecht) kann der Käufer gemäss Art. 46 Abs. 1 CISG die Erfüllung fordern. Voraussetzung ist jedoch, dass er davor nicht schon einen Rechtsbehelf ausgeübt hat, welcher eine Erfüllung in natura ausschliesst. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Käufer den Vertrag bereits aufgehoben oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangt bzw. den Kaufpreis im Umfang der Nichterfüllung gemindert hat.204 Die gerichtliche Durchsetzung des Erfüllungsanspruchs in natura (specific performance) findet allerdings in Art. 28 CISG eine Grenze: Gemäss dieser Bestimmung ist ein vertragsstaatliches Gericht nur dann verpflichtet, der Klage auf specific performance stattzugeben, wenn es dies bei Kaufverträgen unter der Herrschaft des eigenen Binnenrechts ebenfalls tun dürfte. Der Sinn dieser Norm erschliesst sich erst, wenn man in den angloamerikanischen Rechtskreis blickt. Dort hat eine Vertragsverletzung primär zur Folge, dass der Gläubiger Schadenersatz verlangen kann. Der Erfüllungsanspruch stellt hingegen eine Aus202 203 204

852

S. Leisinger, UN-Kaufrecht, Art. 25 N 23. BGE 138 III 601 E. 7.1; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 51 N 1. Ferrari/Saenger, Art. 46 N 3.

§ 29

UN-Kaufrecht (CISG)

nahme dar.205 Schweizerische Gerichte werden dagegen einer Erfüllungsklage stattgeben, weil der Anspruch auf specific performance im eigenen Binnenrecht, also dem OR, verankert ist (s. N 106, N 808 ff.). Bei Sachmängeln kann der Käufer gemäss Art. 46 Abs. 3 CISG Nachbesserung ver- 2807 langen, sofern dies der Verkäuferin zumutbar ist. Die Zumutbarkeit bestimmt sich anhand der Umstände. Erforderlich ist eine Abwägung zwischen dem Interesse des Käufers an einer mängelfreien Sache und dem Aufwand der Verkäuferin, den Mangel zu beheben. Unzumutbarkeit kann beispielsweise vorliegen, wenn die Nachbesserung im Vergleich zum Wert der Ware unverhältnismässig kostspielig ist.206 Ausserdem muss der Käufer die Nachbesserung entweder direkt mit der Mängelrüge nach Art. 39 CISG (s. N 2819 ff.) oder aber innert angemessener Frist nach Erhebung derselben verlangen. Die Angemessenheit der Frist bestimmt sich nach den Umständen und beträgt im Regelfall zwei Wochen.207 Ersatzlieferung kann der Käufer bei Sachmängeln gemäss Art. 46 Abs. 2 CISG nur 2808 verlangen, wenn der Sachmangel eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt (s. N 2793 ff.) und wenn er dies mit – oder innert angemessener Frist nach – der Mängelrüge (s. N 2819 ff.) verlangt. b.

Nachfrist (Art. 47 CISG)

Der Käufer kann die Verkäuferin mittels Nachfristsetzung im Sinne von Art.  47 2809 Abs.  1  CISG zur Erfüllung (einzelner) ihrer Pflichten anhalten.208 Die Nachfrist muss eine bestimmte Willenserklärung darstellen, das heisst, eine klare Aufforderung zur Leistung bis zu einem festgesetzten Termin enthalten.209 Besondere Bedeutung erlangt dieses Recht dort, wo das CISG an eine ungenutzt ver- 2810 strichene Frist besondere Rechtsfolgen knüpft. Dies ist beim Lieferverzug der Fall. Gemäss Art. 49 Abs. 1 lit. b CISG kann der Käufer den Vertrag aufheben, wenn die Verkäufern trotz Nachfristansetzung nicht innert Frist liefert. Die Nachfristansetzung ermöglicht dem Käufer, den Vertrag auch dann aufzuheben, wenn der Verzug an sich noch keine wesentliche Vertragsverletzung darstellte (s. N 2813 ff.). Wie es für das Binnenrecht Art. 107 OR verlangt, muss auch nach dem CISG die 2811 Dauer der Nachfrist angemessen sein. Die Angemessenheit ergibt sich anhand der Umstände des Einzelfalls, wobei beispielsweise die Länge der vertraglichen Lieferzeit, das allfällige Interesse des Käufers an einer raschen Lieferung, der Umfang 205 206 207 208 209

Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 28 N 2. Bianca/Bonell/Will, Art. 46 N 2.2.2.2. Akikol/Bürki, UN-Kaufrecht, Art. 46 N 17. Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 47 N 1. S. Honsell/Schnyder/Straub, Art. 47 N 13; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 47 N 5.

853

5. Kapitel

Nominatverträge

und die Art der Leistung der Verkäuferin sowie die Ursache des Verzugs zu berücksichtigen sind.210 Setzt der Käufer eine unangemessen kurze Frist, so beginnt nach herrschender Lehre und Rechtsprechung trotzdem eine Nachfrist zu laufen. Diese ist alsdann auf eine angemessene Periode zu erstrecken.211 Die Konsequenz davon ist, dass der Käufer, der eine zu kurze Nachfrist gesetzt hat, den Vertrag trotzdem aufheben darf, sofern er dies erst nach Ablauf der angemessenen (sozusagen «verlängerten») Nachfrist tut. Erklärt er die Vertragsaufhebung innert der zu kurzen Nachfrist, ist die Erklärung bedeutungslos. Anders als im OR muss die Verkäuferin also eine unangemessen kurze Nachfrist nicht monieren (für die Situation im OR s. N 953).212 2812

Die Nachfristansetzung bindet den Käufer gemäss Art. 47 Abs. 2 CISG: Solange die Nachfrist läuft, darf der Käufer keinen anderen Rechtsbehelf wegen Vertragsverletzung ausüben. Er hat lediglich das Recht, Verspätungsschaden geltend zu machen. c.

Vertragsaufhebung (Art. 49 CISG)

2813

Die Aufhebung des Vertrages entspricht in etwa der Wandlung des Binnenrechts (Art. 205 Abs. 1 OR; s. N 2653 ff.). Der Käufer kann das Aufhebungsrecht im Wesentlichen in zwei Fällen ausüben: Entweder muss eine wesentliche Vertragsverletzung im Sinne von Art.  25  CISG (s.  N  2793  ff.) vorliegen (Art.  49 Abs.  1 lit.  a  CISG), oder es muss eine Nachfrist im Sinne von Art. 47 Abs. 1 CISG (s. N 2809 ff.) ungenutzt verstrichen sein bzw. die Verkäuferin muss bereits vor Ablauf der Frist ankündigt haben, dass sie nicht liefern wird (Art. 49 Abs. 1 lit. b CISG). Zu beachten ist, dass der Ablauf einer Nachfrist nur dann zur Aufhebung des Vertrages berechtigt, wenn seitens der Verkäuferin Verzug vorliegt (s. N 2810). Der Käufer kann also beispielsweise nicht wegen eines Sachmangels, der keine wesentliche Vertragsverletzung darstellt, den Vertrag aufheben  – selbst wenn er diesfalls mittels Nachfristansetzung die Verkäuferin zur Behebung des Mangels aufgefordert hat.213

2814

Der Käufer muss der Verkäuferin die Vertragsaufhebung gemäss Art. 26 CISG mitteilen. Solange die Lieferung noch nicht erfolgt ist, ist der Käufer für die Geltendmachung der Vertragsaufhebung an keine Frist gebunden (Art.  49 Abs.  2  CISG e contrario).214 Hat die Verkäuferin dagegen bereits geliefert, so muss die Aufhebung innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntnis über die erfolgte Lieferung erklärt werden (Art. 49 Abs. 2 lit. a CISG). Bei anderen Vertragsverletzungen ist der Vertrag innerhalb einer angemessenen Frist, nachdem der Käufer die Vertragsverletzung kannte oder hätte kennen sollen, aufzuheben (Art. 49 Abs. 2 lit. b CISG). 210 211 212 213 214

854

Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 47 N 6. OLG Naumburg, CISG-online 512; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 47 N 9. Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 47 N 9. Ferrari/Saenger, Art. 49 N 11. Leisinger, Art. 49 N 9.

§ 29

UN-Kaufrecht (CISG)

Ausserdem kann der Käufer den Vertrag nicht aufheben, wenn er die Ware nicht im Wesentlichen in jenem Zustand zurückgeben kann, in welchem er sie erhalten hat (Art. 82 Abs. 1 CISG). Die Ausnahmen von diesem Grundsatz sind in Art. 82 Abs. 2 lit. a–c CISG geregelt.

2815

Eine Teilaufhebung bei teilweiser Nichterfüllung ist nach Rechtsprechung und herr- 2815a schender Lehre bei eigenständigen wirtschaftlichen Einheiten, nicht aber bei aus verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzten einheitlichen Sachgesamtheiten möglich.215 Fehlen beispielsweise bei einer Produktionsanlage entgegen der vertraglichen Vereinbarung wichtige, funktionsnotwendige Bestandteile, ohne welche die Nutzung der Anlage nicht möglich ist, liegt ein Sachmangel vor; eine teilweise Aufhebung des Vertrages ist daher ausgeschlossen.216 Mit der Aufhebung des Vertrages erlöschen gemäss Art. 81 Abs. 1 CISG (mit Aus- 2816 nahme der Schadenersatzpflichten) die Vertragspflichten der Parteien. Von der Aufhebung nicht berührt werden Streitbeilegungs- und andere aufhebungsrelevante Abreden (Art. 81 Abs. 1 in fine CISG). So kann beispielsweise gegen eine Schiedsvereinbarung nicht eingewendet werden, der zugrunde liegende Kaufvertrag sei aufgehoben worden.217 Nach Art. 81 Abs. 2 CISG können bereits erbrachte Leistungen Zug um Zug zurückgefordert werden, wobei von einem vertraglichen Rückabwicklungs- oder Liquidationsverhältnis auszugehen ist.218 d.

Herabsetzung (Art. 50 CISG)

Bei Sachmängeln hat der Käufer die Möglichkeit, den Kaufpreis gemäss Art.  50 2817 Abs.  1  CISG herabzusetzen. Berechnet wird der Minderwert gleich wie im Binnenrecht nach der relativen Methode (s.  N  2685  ff.).219 Auch die Herabsetzung muss gegenüber der Verkäuferin erklärt werden. Solange eine Nacherfüllung nach Art.  48  CISG (s.  N  2831  ff.) möglich ist, bleibt eine Minderung allerdings ausgeschlossen. e.

Schadenersatz (Art. 45 Abs. 1 lit. b CISG)

Gemäss Art. 45 Abs. 1 lit. b CISG kann der Käufer unter den Voraussetzungen von Art. 74 ff. CISG (s. N 2834 ff.) Schadenersatz verlangen.

215 216 217 218 219

BGE 138 III 601 E. 7.1; Altenkirch, UN-Kaufrecht, Art. 51 N 3; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 51 N 10; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 51 N 2. S. BGE 138 III 601 E. 7.4. S. Schmid/Freyenmuth-Frey, ZBJV 2016, 363. Zuber, UN-Kaufrecht, Art. 81 N 2. Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 50 N 8.

855

2818

5. Kapitel

f.

Nominatverträge

Besonderheiten bei Sachmängeln

2819

Wie das Binnenrecht knüpft auch das UN-Kaufrecht die Geltendmachung eines Rechtsbehelfs aufgrund eines Sachmangels an zwei besondere Voraussetzungen: Erstens muss der Käufer die Ware rechtzeitig untersuchen (Art. 38 CISG), und zweitens muss er eine allfällige Vertragswidrigkeit innerhalb einer angemessenen Frist anzeigen (Art.  39  CISG). Unterlässt der Käufer die Untersuchung bzw. die Rüge, verliert er in der Regel sämtliche Rechtsbehelfe, die das UN-Kaufrecht vorsieht.220 Art.  39 Abs.  1  CISG ist dispositiv. Die Verkäuferin kann demnach auf ihren Einwand, die Mängelrüge sei verspätet oder nicht gehörig erfolgt, verzichten. Ein solcher Verzicht ist auch konkludent möglich, wenn die Verkäuferin beispielsweise vorbehaltlos die Vertragswidrigkeit anerkennt bzw. die Ware zurücknimmt, sich zur Nachbesserung oder Ersatzlieferung bereit erklärt oder sich vorbehaltlos auf die sachliche Prüfung der gerügten Mängel einlässt.221

2820

Gemäss Art. 38 Abs. 1 CISG trifft den Käufer die Obliegenheit, die Ware innerhalb einer so kurzen Frist zu untersuchen, wie es die Umstände erlauben.222 Die Art und Weise der Untersuchung hängt massgeblich vom Einzelfall ab: Die Prüfung sollte in der Weise durchgeführt werden, dass erkennbare Mängel an der jeweiligen Ware dabei zum Vorschein kommen.223 Bei grösseren Mengen ist eine Stichprobe ausreichend.224 Die Frist für die Untersuchung ist eher kurz bemessen, erforderlich ist also ein zügiges Handeln:225 Eine unverbindliche Faustregel besagt, dass die Frist etwa eine bis maximal zwei Wochen beträgt, sofern die Ware nicht verderblich ist und ein Sachmangel nicht durch eine einfache Untersuchung wie z.B. einen blossen Augenschein erkennbar ist.226

2821

Sodann muss der Käufer die Vertragswidrigkeit der Ware gemäss Art.  39 Abs. 1 CISG rügen. Die Anzeige kann formlos erfolgen.227 Inhaltlich muss sie in der Weise substanziiert werden, dass sich die Verkäuferin ein Bild der Lage machen und entsprechend reagieren kann.228 Ungenügend sind daher pauschale Angaben wie: die Ware sei «schlecht», «nicht gemäss den Vorgaben» oder «in weiten Teilen unbrauchbar».229 Erkennbare Mängel müssen innert angemessener Frist nach der (rechtzeitigen) Untersuchung gerügt werden, versteckte Mängel innert angemessener Frist nach Entdeckung des Mangels. Trotz der verschiedenen Rechtstraditionen, 220 221 222 223 224 225 226 227 228 229

856

S. BGE 4A_68/2009 E. 8.1; AGer Geldern, CISG-online 2302. BGE 4A_617/2012 E. 3.2.1; Brunner/Hutzli, dRSK 4. September 2013, N 10; Brunner/Vischer, Jusletter 24. November 2014, N 38; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 39 N 33 m.w.H. OGH, CISG-online 2308. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 38 N 13. Honsell/Magnus, Art. 38 N 16. Honsell/Magnus, Art. 38 N 20. Honsell/Magnus, Art. 38 N 24. Ferrari, ZSR 2006 I, 538 ff. Marti-Schreier, UN-Kaufrecht, Art. 39 N 4. Ferrari, ZSR 2006 I, 543 f. mit Verweisen auf die Rechtsprechung.

§ 29

UN-Kaufrecht (CISG)

wonach zum Teil im Vergleich zum schweizerischen Binnenrecht längere Rügefristen akzeptiert werden (so z.B. in den USA), ist die CISG-Rügefrist länger als im OR; sie beträgt im Regelfall mindestens einen Monat.230 In jedem Fall verliert der Käufer das Recht, die Vertragswidrigkeit gemäss Art. 39 Abs. 2 CISG zu monieren, wenn die Anzeige nicht innert zwei Jahren nach Lieferung erfolgt. Dabei handelt es sich um eine Verwirkungsfrist.231 Der Verkäuferin bleibt es verwehrt, sich zur Verteidigung auf die bereits abgelau- 2822 fene Untersuchungs- oder Anzeigefrist zu berufen, wenn sie die Vertragswidrigkeit kannte oder darüber nicht in Unkenntnis sein konnte. Der Verkäuferin muss im zweiten Fall zumindest grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden können.232 Hat der Käufer die Anzeigerüge unterlassen, so eröffnet ihm Art. 44 CISG eine wei- 2823 tere Möglichkeit, zumindest den Kaufpreis herabzusetzen und/oder Schadenersatz (allerdings ohne entgangenen Gewinn) zu verlangen. Es muss diesfalls nur eine «vernünftige Entschuldigung» für seine Unterlassung vorbringen und dartun. Es handelt sich um Fälle, in welchen das Verschulden des Käufers gering ist, beispielsweise weil ihm die nötige Erfahrung fehlte.233 2.2

Rechtsbehelfe der Verkäuferin (Art. 61–65 CISG)

Art. 61 Abs. 1 CISG bestimmt als «Übersichtsnorm», welche Rechtsbehelfe der Ver- 2824 käuferin zustehen (Art. 62–65 CISG bzw. Art. 74–77 CISG). Unter den jeweiligen Voraussetzungen kann sie • • • •

Erfüllung verlangen (Art. 62 CISG; s. N 2826); dem Käufer eine Nachfrist setzen (Art. 63 CISG; s. N 2827); den Vertrag aufheben (Art. 64 CISG; s. N 2828 f.) und/oder Schadenersatz verlangen (Art. 74 ff. CISG; s. N 2830).

Ausserdem sieht Art.  65  CISG ein Spezifizierungsrecht der Verkäuferin und Art. 48 CISG ein Recht derselben zur Nacherfüllung ihrer eigenen Pflichten vor. a.

Erfüllung (Art. 62 CISG)

Die Verkäuferin hat einen Anspruch darauf, dass der Käufer den Kaufpreis zahlt, die Ware ordnungsgemäss abnimmt sowie alle seine sonstigen Pflichten erfüllt. Diese Ansprüche entfallen, wenn die Verkäuferin einen Rechtsbehelf eingesetzt hat, der mit

230 231 232 233

2825

Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 39 N 17; s. auch BGE 4A_68/2009 E. 8.1; Ferrari, ZSR 2006 I, 550 ff. Marti-Schreier, UN-Kaufrecht, Art. 39 N 16. Rey, UN-Kaufrecht, Art. 40 N 2. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 44 N 6 ff.

857

2826

5. Kapitel

Nominatverträge

der Erfüllung unvereinbar ist, z.B. den Vertrag aufgehoben hat.234 In Bezug auf die gerichtliche Durchsetzbarkeit ist auch hier die Grenze von Art. 28 CISG zu beachten: Ein Gericht muss nicht auf Realerfüllung erkennen, wenn es dies bei gleichartigen Fällen innerhalb des nationalen Rechts auch nicht tun würde (s. N 2806).235 b. 2827

Nachfrist (Art. 63 CISG)

Gemäss Art. 63 Abs. 1 CISG kann die Verkäuferin dem Käufer eine angemessene Nachfrist zur Erfüllung seiner Pflichten ansetzen (zur Angemessenheit s. N 2811). Erforderlich ist eine eindeutige Aufforderung an den Käufer, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erfüllen.236 Eine ungenutzt verstrichene Nachfrist hat aber lediglich für die Fälle eines Zahlungs- oder Abnahmeverzugs Konsequenzen (s. N 2810). c.

Vertragsaufhebung (Art. 64 CISG)

2828

Die Verkäuferin kann die Aufhebung des Vertrages erklären, wenn der Käufer diesen wesentlich verletzt (Art. 64 Abs. 1 lit. a CISG; s. N 2793 ff.) oder wenn er eine wegen Zahlungs- oder Abnahmeverzugs angesetzte Nachfrist ungenutzt verstreichen lässt bzw. die Nichtzahlung oder -annahme bereits vor Ablauf der Nachfrist ankündigt (Art. 64 Abs. 1 lit. b CISG).

2829

Hat der Käufer den Kaufpreis nachträglich bezahlt, so greift die Aufhebungserklärung nur, wenn die Verkäuferin diese ausspricht, bevor sie von der Zahlung Kenntnis erlangt (Art.  64 Abs.  2 lit.  a  CISG). Bei anderen wesentlichen Vertragsverletzungen muss die Aufhebung – sofern der Kaufpreis bereits bezahlt wurde – innert angemessener Frist erklärt werden, nachdem die Verkäuferin von der Verletzung Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können (Art. 64 Abs. 2 lit. b CISG). d.

2830

Schadenersatz (Art. 61 Abs. 1 lit. b CISG)

Gemäss Art. 61 Abs. 1 lit. b CISG kann die Verkäuferin unter den Voraussetzungen von Art. 74 ff. CISG (s. N 2834 ff.) Schadenersatz verlangen. e.

Nacherfüllungsrecht (Art. 48 CISG)

2831

Art.  48  CISG gewährt der Verkäuferin das Recht, die Vertragsverletzung unter bestimmten Voraussetzungen nachträglich zu «beheben».

2832

Gemäss Art.  48 Abs.  1  CISG steht der Verkäuferin ein Recht auf Nacherfüllung zu, wenn dies für den Käufer in zeitlicher wie auch in sachlicher Hinsicht zumut234 235 236

858

Schlechtriem/Schwenzer/Mohs, Art. 62 N 12. Honsell/Schnyder/Straub, Art. 62 N 14. Schlechtriem/Schwenzer/Mohs, Art. 63 N 3.

§ 29

UN-Kaufrecht (CISG)

bar ist. Die Nacherfüllung darf somit nicht unzumutbar lange dauern oder unzumutbare Nachteile für den Käufer nach sich ziehen. Die Gewichtigkeit der Nachteile ist aus objektivierter Perspektive («Durchschnittskäufer») zu beurteilen.237 Die Kosten der Nacherfüllung trägt die Verkäuferin. Gemäss dem Wortlaut von Art. 48 Abs. 1 CISG besteht dieses Recht jedoch nur vorbehältlich von Art. 49 CISG. Mit anderen Worten geht das Recht zur Vertragsaufhebung dem Nacherfüllungsrecht vor.238 Die Wesentlichkeit einer Vertragsverletzung (und damit ein Recht zur Vertragsaufhebung) ist jedoch in der Regel nicht gegeben, solange der Verkäuferin die Nacherfüllung zuzumuten ist.239 Der Käufer behält aber das Recht, Schadenersatz zu verlangen (Art. 48 Abs. 1 in fine CISG). Art. 48 Abs. 2 und Abs. 3 CISG sehen ein weiteres Nacherfüllungsrecht vor, sofern 2833 die Verkäuferin die Nacherfüllung innerhalb einer bestimmten Frist anzeigt und der Käufer dieser Anzeige nicht widerspricht. In einem solchen Fall darf der Käufer bis zum Ablauf der Frist keinen Rechtsbehelf ausüben, welcher mit der Nacherfüllung nicht vereinbar ist (z.B. den Vertrag aufheben). 2.3

Schadenersatz (Art. 74–77 CISG)

Das UN-Kaufrecht regelt im Gegensatz zu den anderen Rechtsbehelfen den Scha- 2834 denersatzanspruch für beide Parteien in den gleichen Bestimmungen, nämlich in Art. 74–77 CISG. Ein Schadenersatzanspruch der geschädigten Partei setzt kumulativ Folgendes voraus: • • • • •

Vertragsverletzung (einfache oder wesentliche; s. N 2791 ff.); Schaden (s. N 2836 f.); Voraussehbarkeit des Schadens (s. N 2838); natürlicher Kausalzusammenhang (s. N 2839); keine Entlastung gemäss Art. 79 oder Art. 80 CISG (s. N 2840 ff.).

Das Verschulden der vertragsbrüchigen Partei ist dagegen keine allgemeine Voraus- 2835 setzung für die Haftung. Gewisse Verschuldensmomente können aber bei der Entlastung gemäss Art. 79 CISG berücksichtigt werden.240 a.

Schaden

Der Schadenersatz gemäss Art. 74 CISG enthält den Verlust, der durch Vertragsver- 2836 letzung entstanden ist, sowie den entgangenen Gewinn. Gemäss Art. 75 CISG ist eine Schadensberechnung anhand der konkreten Methode (s. N 2529) möglich: Hat 237 238 239 240

Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Art. 48 N 9. Ferrari/Saenger, Art. 48 N 5. Akikol/Bürki, UN-Kaufrecht, Art. 48 N 9. Honsell/Schönle/Koller, Art. 74 N 10.

859

5. Kapitel

Nominatverträge

der Käufer einen Deckungskauf bzw. die Verkäuferin einen Deckungsverkauf getätigt und wurde der Vertrag aufgehoben, so kann als Schaden die Differenz zwischen vereinbartem Preis und dem Preis des Deckungsgeschäfts geltend gemacht werden. Art. 76 CISG erlaubt aber auch eine Berechnung anhand der abstrakten Methode (s. N 2530), sofern die Ware einen Marktpreis hat. Als Schaden gilt die Differenz zwischen Marktpreis zur Zeit der Vertragsaufhebung bzw. der Übernahme der Ware und dem vereinbarten Preis. 2837

Die geschädigte Partei trifft ausserdem gemäss Art. 77 CISG eine Schadenminderungsobliegenheit: Sie hat alle zumutbaren Massnahmen zu treffen, die den Schaden verringern. Dazu gehört insbesondere die Vornahme eines rechtzeitigen Deckungsgeschäfts.241 Versäumt sie dies, hat die vertragsbrüchige Partei einen entsprechenden Herabsetzungsanspruch (Art. 77 in fine CISG). b.

2838

Voraussehbarkeit

Das Erfordernis der Voraussehbarkeit schränkt den Schadenersatzanspruch auf Schäden ein, welche die vertragsbrüchige Partei bei Vertragsschluss als mögliche Folge der Vertragsverletzung vorausgesehen hat oder anhand der Umstände hätte voraussehen müssen (Art. 74 CISG). Eine solche Beschränkung ist notwendig, weil ansonsten die Haftung aufgrund des fehlenden Verschuldenserfordernisses ausufern würde (s. N 2835).242 Sowohl die grundsätzliche Möglichkeit des Schadenseintritts als auch die Höhe des Schadens müssen voraussehbar sein.243 Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls. Voraussehbar sind im Allgemeinen in der Regel diejenigen Schadensposten, die sich unmittelbar aus der Vertragsverletzung ergeben, wie beispielsweise Reparaturkosten, Transportkosten, Schadenminderungskosten und Rechtsverfolgungskosten.244 Die Voraussehbarkeit ist vor allem bei Folgeschäden, das heisst bei Verlusten, die über den unmittelbaren Schaden hinausgehen, genauer zu prüfen.245 Diese Kategorie umfasst insbesondere Weiterverkaufsgewinne, die infolge der Vertragsverletzung nicht anfallen. Das Ausbleiben solcher Gewinne ist voraussehbar, wenn die Verkäuferin damit rechnen musste, dass die Ware für den Weiterverkauf bestimmt war. Voraussehbar ist im Allgemeinen allerdings nur der Verlust eines «normalen» Gewinnbetrags, derjenige einer aussergewöhnlich hohen Gewinnsumme jedoch nicht.246

241 242 243 244 245

BGE 136 III 56 E. 5 = Pra 2010 Nr. 74; Schäfer, UN-Kaufrecht, Art. 77 N 9. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 74 N 45. Bianca/Bonell/Knapp, Art. 74 N 2.9. Honsell/Schönle/Koller, Art. 74 N 30 ff. S. Southern District of Florida, CISG-online 2241; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 74 N 32. 246 Honsell/Schönle/Koller, Art. 74 N 37.

860

§ 29

c.

UN-Kaufrecht (CISG)

Natürlicher Kausalzusammenhang

Der Kausalzusammenhang beurteilt sich gleich wie nach schweizerischem Bin- 2839 nenrecht. Erforderlich ist, dass die entsprechende Vertragsverletzung nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Schaden entfiele (conditio sine qua nonFormel; s. N 120). Bei Unterlassungen ist der hypothetische Kausalzusammenhang (s. N 122) entscheidend.247 d.

Befreiungen (Art. 79–80 CISG)

Art. 79 CISG sieht einen Entlastungsbeweis zugunsten der an sich haftenden Partei 2840 vor. Gelingt dieser, wird die vertragsbrüchige Partei von der Schadenersatzpflicht befreit. Andere Rechtsbehelfe bleiben hiervon gemäss Art. 79 Abs. 5 CISG unberührt. Insbesondere verbleibt der verletzten Partei das Recht, den Vertrag aufzuheben oder den Kaufpreis herabzusetzen (Art. 49 f. CISG). Eine Entlastung gemäss Art. 79 CISG setzt kumulativ Folgendes voraus: • • • • •

2841

Hinderungsgrund; Kausalzusammenhang zwischen Hinderungsgrund und Nichterfüllung; Unbeherrschbarkeit; Unvorhersehbarkeit und Unabwendbarkeit bzw. Unüberwindbarkeit.

Hinderungsgründe sind Ursachen, welche die Erfüllung verunmöglichen. Erforder- 2842 lich ist also ein Kausalzusammenhang mit der Nichterfüllung, wobei der Hinderungsgrund die einzige Ursache für die Nichterfüllung sein muss.248 Im Rahmen der Entlastung sind sodann nur solche Gründe relevant, welche von der vertragsbrüchigen Partei nicht beherrscht werden können, also ausserhalb ihres Einflussbereichs liegen. Mit anderen Worten muss es sich um einen externen Umstand handeln, der nicht der Risikosphäre der vertragsbrüchigen Partei zuzurechnen ist.249 Innerbetriebliche Probleme wie die Verwirklichung «normaler» personeller oder technischer Risiken (Krankheit eines Mitarbeiters, Defekt einer Maschine) führen regelmässig nicht zur Entlastung.250 Typische, potenziell entlastende Hinderungsgründe sind hingegen Naturkatastrophen wie ein Sturm oder politische Ereignisse wie ein Kriegsausbruch.251 Der Hinderungsgrund muss ferner für die vertragsbrüchige Partei bei Vertrags- 2843 schluss vernünftigerweise nicht voraussehbar gewesen sein. War bei Abschluss des Vertrages beispielsweise der Ausbruch eines Krieges im Land der Verkäuferin zu 247 248 249 250 251

Schmidt-Ahrendts/Czarnecki, UN-Kaufrecht, Art. 74 N 10. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 79 N 15. S. Honsell/Magnus, Art. 79 N 10 f. Brunner, force majeure, 168. Honsell/Magnus, Art. 79 N 12.

861

5. Kapitel

Nominatverträge

erwarten, kann diese sich nicht entlasten, wenn sie deswegen die Ware nicht liefern kann. 2844

Im Weiteren ist erforderlich, dass es der vertragsbrüchigen Partei nicht möglich ist, den Hinderungsgrund zu vermeiden oder zu überwinden. Eine Entlastung entfällt selbst dann, wenn die vertragsbrüchige Partei einen erheblichen Mehraufwand betreiben muss.252 Beispielsweise kann sich die Verkäuferin nicht wegen eines Sturmes über der geplanten Schiffsroute entlasten, wenn eine alternative Route zu Verfügung gestanden wäre.253

2845

Eine weitere Entlastungsmöglichkeit zugunsten der Gegenpartei sieht Art. 80 CISG vor. Die geschädigte Partei kann sich insoweit nicht auf die Nichterfüllung einer Pflicht berufen, als sie diese durch ihre Handlung oder Unterlassung selber verursacht hat. Erforderlich ist, dass das Verhalten der geschädigten Partei die Vertragsverletzung zumindest mitverursacht hat.254 Bei Unterlassungen wird weiter vorausgesetzt, dass die geschädigte Partei eine Pflicht zum Handeln hatte.255 2.4

2846

Zinsen (Art. 78 CISG)

Art. 78 CISG bestimmt, dass die Partei, welche den Kaufpreis oder einen anderen fälligen und auf Geld gerichteten Betrag nicht bezahlt, Zinsen schuldet. Zur Zinshöhe sagt diese Bestimmung allerdings nichts aus.256 Nach herrschender Auffassung ist der Zinssatz nach demjenigen Recht zu beurteilen, das nach dem entsprechenden Kollisionsrecht auf den Vertrag anwendbar ist.257 Nach einer anderen Meinung ist die Lücke hingegen anhand von Art. 7 Abs. 2 CISG zu schliessen.258 Grundsätzlich ist die Lückenfüllung aus dem CISG heraus einer einheitlichen Regelbildung zuliebe vorzuziehen. Auch in diesem Rahmen können schliesslich den Gegebenheiten vor Ort Rechnung getragen werden.

252 253 254 255 256 257 258

862

Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 79 N 14. S. Honsell/Magnus, Art. 79 N 16; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Art. 79 N 14. Ferrari/Saenger, Art. 80 N 3. Honsell/Magnus, Art. 80 N 10. Schlechtriem/Schwenzer/Bacher, Art. 78 N 26. Feit, UN-Kaufrecht, Art. 78 N 8. Feit, UN-Kaufrecht, Art. 78 N 11; s. Gelzer, Jusletter 26. Juli 2010, N 1 ff.

§ 30 Schenkung (Art. 239–252 OR) Grundlagenliteratur Bucher,  OR BT, 147  ff.; Engel, CO PS, 110  ff.; Guhl/Koller, §  43; Honsell,  OR BT, 212 ff.; Koller, OR BT, § 7; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 3 N 150 ff.; Schmid/ Stöckli/Krauskopf, N 806 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 1475 ff.

Weiterführende Literatur Abt Daniel, Probleme um die unentgeltlichen lebzeitigen Zuwendungen an Vertrauenspersonen, AJP 2004, 1225–1235; Eitel Paul/Bieri Marjolein, Die Durchführung der Herabsetzung bei Schenkungen, Lebensversicherungen und Trusts, successio 2015, 288–303; Hürlimann-Kaup Bettina, Die privatrechtliche Gefälligkeit und ihre Rechtsfolgen, Diss. Freiburg 1999; Koller Alfred, Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, in: FS Schulin, Basel 2002, 97–112 (zit.: Koller, FS Schulin); Maissen Sandra, Der Schenkungsvertrag im schweizerischen Recht, Diss. Freiburg 1996; Möri Nathalie, Durchführung der Herabsetzung nach Art. 532 ZGB, insbesondere bei gewöhnlichen Schenkungen, Schenkungsversprechen und frei widerruflichen Schenkungen, AJP 2016,  803–814; Rusch Arnold F., Schenkung und Verantwortung, AJP 2017, 1188–1193 (zit.: Rusch, AJP 2017); Rusch Arnold F., Schenkungsversprechen und Form, AJP 2016, 431–434 (zit.: Rusch, AJP 2016); Tuor Peter/ Schnyder Bernhard/Schmid Jörg/Jungo Alexandra, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 14. Aufl., Zürich 2015 (zit.: Tuor/BearbeiterIn).

I.

Begriff

Die Schenkung ist ein einseitig verpflichtender Vertrag, in welchem der Schenker verspricht, der Beschenkten aus seinem eigenen Vermögen ohne Gegenleistung eine Zuwendung unter Lebenden zu erbringen (Art. 239 Abs. 1 OR).

II.

Arten

1.

Schenkungsversprechen und Handschenkung

2847

Als Schenkungsversprechen (Art. 243 OR) bezeichnet man einen Schenkungsver- 2848 trag, dessen Erfüllung zeitlich nicht mit dem Abschluss zusammen fällt. Bei der

863

5. Kapitel

Nominatverträge

Handschenkung (Art. 242 Abs. 1 OR) wird demgegenüber die Leistung sogleich mit Vertragsabschluss erbracht.

2.

Bedingte Schenkung und Schenkung unter Auflage (Art. 245–247 OR)

2849

Die bedingte Schenkung ist von der Schenkung unter Auflage (Art. 245 ff. OR) zu unterscheiden:

2850

Bei der bedingten Schenkung (s. Art. 151 ff. OR) wird im Fall einer aufschiebenden Bedingung die Wirksamkeit bzw. im Fall einer auflösenden Bedingung der Wegfall einer Schenkung vom Eintritt einer ungewissen zukünftigen Tatsache abhängig gemacht.1 Im Gegensatz zur Schenkung unter Auflage entsteht bei der bedingten Schenkung keine selbständige Verpflichtung der Beschenkten.2

2851

Unter einer Schenkung unter Auflage ist die Verpflichtung der Beschenkten zu einer Leistung an den Schenker oder an Dritte zu verstehen. Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine Forderung im rechtlichen Sinn. Die Auflage ist mit anderen Worten nicht eine Gegenleistung zur Schenkung. Es besteht denn auch kein Synallagma.3 Von einer Auflage wird nicht etwa der Bestand der Schenkung abhängig gemacht, sondern es wird an die Schenkung die Verpflichtung zur Vornahme oder Unterlassung einer Handlung geknüpft.4 Die Auflage ist abhängig vom Bestand der Schenkung (akzessorisch). Der Sammler schenkt z.B. der Gemeinde seine Gemäldekollektion unter der Auflage, die Bilder zu konservieren und in einer Dauerausstellung zu präsentieren.5

2852

Der Vollzug der Auflage ist vom Schenker grundsätzlich einklagbar (Art.  246 Abs.  1  OR; Realexekution). Sofern die Erfüllung einer Auflage im öffentlichen Interesse liegt, steht das Klagerecht nach dem Tod des Schenkers gemäss Art. 246 Abs. 2 OR auch der zuständigen Behörde zu. Ein öffentliches Interesse ist dann gegeben, wenn die Allgemeinheit an einer Auflage ein Interesse hat und die Auflage das Gemeinwohl fördert. Der Vollzug einer Auflage darf von der Beschenkten gemäss Art. 246 Abs. 3 OR verweigert werden. Ein Verweigerungsrecht steht ihr zu, wenn der Wert einer Schenkung die Kosten einer Auflage nicht deckt und ein Ausfall der Beschenkten nicht ersetzt wird. Der Vollzug kann jedoch nur im Umfang des Fehlbetrags verweigert werden.6 Will die Beschenkte die Erfüllung einer Auflage

1 2 3 4 5 6

Honsell, OR BT, 220; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 844. BSK OR-Vogt/Vogt, Art. 246 N 4. ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 245 N 4. Guhl/Koller, § 43 N 19. S. BGE 133 III 421 = Pra 2008 Nr. 15. Maissen, N 512; ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 246 N 8.

864

§ 30

Schenkung (Art. 239–252 OR)

verweigern, hat sie im Prozess die entsprechende Einrede zu erheben.7 Bei einer ungerechtfertigten Verweigerung des Auflagenvollzugs kann der Schenker seine Schenkung widerrufen und die Leistung zurückfordern (Art. 249 Ziff. 3 OR). Ein Schadenersatzanspruch des Schenkers wegen Nichterfüllung der Auflage ist jedoch nicht möglich, weil die Pflicht zur Erfüllung einer Auflage bloss eine Obliegenheit darstellt.8 Die stillschweigende Vereinbarung von Auflagen oder Bedingungen ist wirksam, 2853 sollte jedoch nicht ohne Weiteres angenommen werden.9 Beispielsweise lässt sich einer in Lebensgefahr erbrachten Schenkung unter Umständen die stillschweigende Bedingung entnehmen, der Schenker werde die Gefahr nicht überleben.10

3.

Zweckschenkung

Bei einer Zweckschenkung verbindet der Schenker eine Zuwendung mit der 2854 Bestimmung, dass die Beschenkte diese für einen bestimmten Zweck verwende.11 In der Bestimmung liegt auch der Rechtsgrund für die Zweckschenkung (z.B. Geldschenkung zur Finanzierung einer Ausbildung). Erübrigt sich der Zweck, so entfällt nach herrschender Lehre nachträglich die causa für das Verfügungsgeschäft, und die Zweckschenkung kann nach den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung (Art. 62 Abs. 2 OR; condictio ob causam finitam) und der Vindikation (Art. 641 Abs.  2 ZGB) zurückgefordert werden.12 Unseres Erachtens führt der Wegfall des Zwecks zur Umwandlung des Schenkungsvertrages in ein Liquidationsverhältnis (s. N 960 ff., N 1821). Der Anspruch des Schenkers auf Rückerstattung ist alsdann vertraglicher Natur.

4.

Schenkung mit Rückfallsrecht (Art. 247 OR)

Die Parteien vereinbaren bei einer Schenkung mit Rückfallsrecht (Art.  247 2855 Abs.  1  OR), dass die Sache bei Vorversterben der Beschenkten an den Schenker zurückfallen soll. Es handelt sich mithin um eine resolutiv bedingte Schenkung.13 Bei einer Schenkung von Grundstücken bzw. beschränkten dinglichen Rechten kann das Rückfallsrecht im Grundbuch vorgemerkt werden, sodass dem Schenker 7 8 9 10 11 12 13

Maissen, N 515. Bucher, OR BT, 155. Anders BGE 80 II 260 E. 4 = Pra 1955 Nr. 1 und Guhl/Koller, § 43 N 21; offengelassen in BGE 133 III 421 E. 4.2 = Pra 2008 Nr. 15. BSK OR-Vogt/Vogt, Art. 246 N 1; s. Honsell, OR BT, 220, bezüglich Bedingungen. S. BGE 58 II 423, 427. S. Guhl/Koller, § 43 N 22. S. Guhl/Koller, § 43 N 22; BSK OR-Vogt/Vogt, Art. 246 N 8. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 1584.

865

5. Kapitel

Nominatverträge

auch gegenüber Dritten ein dingliches Recht auf den Rückfall zusteht (Art. 959 ZGB i.V.m. Art. 247 Abs. 2 OR).

5.

Gemischte Schenkung

2856

Bei der gemischten Schenkung handelt es sich um eine (gesetzlich nicht geregelte) Mischung zwischen einem Kauf- und einem Schenkungsvertrag (Innominatvertrag mit Typenverschmelzung; s. N 3689). Die Parteien vereinbaren einen Kaufpreis, der erheblich tiefer ist als der objektive Wert des Vertragsgegenstands; das Missverhältnis ist so gewollt: Die Differenz soll der Erwerberin unentgeltlich zugutekommen, es liegt also Schenkungsabsicht vor.14 Die Schenkungsabsicht wird vermutet, wenn die Parteien den (erheblichen) Wertunterschied kannten und diesen auch wollten.15 Die Vereinbarung eines Freundschaftspreises genügt hingegen für die Annahme einer gemischten Schenkung nicht; der Veräusserer wertet das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung hier subjektiv als do ut des, das heisst, er schaut den Gegenstand im Wesentlichen als durch den Preis abgegolten an.16

2857

Handelt es sich dagegen auch subjektiv um einen bloss symbolischen Preis, ist also das Schenkungselement dominant, sind in toto die Bestimmungen des Schenkungsrechts zu beachten.17 Das bedeutet zunächst, dass sich die Formvorschrift von Art. 243 OR auf den ganzen Vertrag erstreckt.18 Weiter heisst dies, dass der «Schenker» den Vertrag widerrufen darf, sofern die Voraussetzungen von Art.  249  OR erfüllt sind (s. N 2881 ff.). Im Gegenzug hat die «Beschenkte» unseres Erachtens (wie der Schenker) einen vertraglichen Rückabwicklungsanspruch in Bezug auf ihre Leistung.19 Und schliesslich greift bei Überwiegen des Schenkungselements eine mildere Haftung gemäss Art.  248  OR (s.  N  2880). Die Schadenersatzpflicht des Schenkers berechnet sich in einem ersten Schritt nach den Regeln des entgeltlichen Vertrages. In einem zweiten Schritt wird dieses Resultat um das Verhältnis von Entgelt und Schenkungswert gekürzt. Werden beispielsweise Grundstücke zu einem Drittel des Verkehrswerts veräussert, reduziert sich die nach kaufrechtlichen Grundsätzen ermittelte Schadenersatzsumme um zwei Drittel.20

14 15 16

BGE 126 III 171 E. 3b aa; Engel, CO PS, 123. BGE 5C.259/2000 E. 2c aa. BSK  OR-Vogt/Vogt, Art.  239 N  5; s. ferner BGE 5A_662/2009 E.  2.2 (güterrechtliche Auseinandersetzung) und BGE 118 Ia 497 E. 2b bb (Schenkungssteuer). 17 Honsell, OR BT, 214. 18 Beachte aber bei Teilbarkeit des Vertragsgegenstands BGE 117 II 382 E. 2b. 19 S. Tercier/Bieri/Carron, N 1569; differenzierend und a.M. Honsell, OR BT, 214, der einen bereicherungsrechtlichen Anspruch annimmt. 20 BSK OR-Vogt/Vogt, Art. 248 N 5.

866

§ 30

Schenkung (Art. 239–252 OR)

Die Anwendbarkeit von Art. 99 Abs. 2 OR auf die gemischte Schenkung ist kon- 2858 trovers.21 Unseres Erachtens ist für die Anwendbarkeit von Art. 99 Abs. 2 OR nicht erforderlich, dass das Geschäft für den Schuldner überhaupt keinen Vorteil hat. Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut des Gesetzes, wonach Art. 99 Abs. 2 OR insbesondere dann greift, wenn der Schuldner aus dem Geschäft «keinerlei» Vorteil zieht. Mit anderen Worten genügt es für die Anwendbarkeit von Art. 99 Abs. 2 OR, dass das Geschäft für den Schuldner überwiegend keinen Vorteil hat.22 Dies ist etwa bei der gemischten Schenkung der Fall. Bei der oben dargestellten Reduktion der Schadenersatzansprüche handelt es sich unserer Ansicht nach darum auch um einen Anwendungsfall von Art. 99 Abs. 2 OR.

III.

Abgrenzungen

1.

Zur Erfüllung einer unklagbaren Forderung

Eine unklagbare Forderung ist nicht durchsetzbar (s. N 34 ff.).23 Eine solche Forde- 2859 rung kann, muss aber nicht erfüllt werden. Bei einer Schenkung muss die Zuwendung unentgeltlich und durch eine causa 2860 donandi motiviert sein. Diese fehlt bei der Erfüllung einer unklagbaren Forderung. Im Fall einer Naturalobligation (z.B. Wettschuld) oder einer einredebelasteten Forderung (z.B. verjährte Forderung) kann somit per definitionem keine Schenkung vorliegen. Gleiches gilt für die Erfüllung einer sittlichen Pflicht (Art. 239 Abs. 3 OR). Eine Folge davon ist auch, dass solche Versprechen nicht den Formvorschriften des OR unterliegen.24 Wird eine unklagbare Forderung aus freien Stücken erfüllt, so kann das Geleistete nicht unter Hinweis auf die Unklagbarkeit zurückgefordert werden. Zwar kann auch eine Schenkung nicht zurückgefordert werden. Dies hängt jedoch mit der causa donandi zusammen. Eine sittliche Pflicht im Sinne von Art. 239 Abs. 3 OR ist anzunehmen, wenn das 2861 Unterlassen des fraglichen Verhaltens als unanständig bzw. unethisch qualifiziert wird. Die Tatsache, dass ein bestimmtes Verhalten gesellschaftlich erwartet wird, genügt aber für sich allein genommen für die Bejahung einer sittlichen Pflicht noch nicht.25 Die Leistung, die im Rahmen einer sittlichen Pflicht vorgenommen wird, 21 Für die Anwendbarkeit BK OR-Weber, Art. 99 N 147 und N 239; gegen die Anwendbarkeit Honsell, OR BT, 214; BSK OR-Vogt/Vogt, Art. 248 N 5. 22 BK OR-Weber, Art. 99 N 239. 23 A.M. Gauch/Schluep/Schmid, N 81 ff., die in diesem Zusammenhang von einer unvollkommenen Obligation sprechen. 24 CHK  OR-Schönenberger, Art.  239 N  5; s. ferner Guhl/Koller, §  43 N  4; BSK  OR-Vogt/Vogt, Art. 239 N 35. 25 BGE 131 V 329 E. 4.2; Bucher, OR AT, 69.

867

5. Kapitel

Nominatverträge

stellt eine unklagbare Forderung dar und kann darum nach erfolgter Leistung auch nicht mehr zurückverlangt werden (Art. 63 Abs. 2 OR; s. N 1809). Als sittliche Pflicht gilt beispielsweise die Verwandtenunterstützung über den Pflichtrahmen hinaus.26

2.

Zur Schenkung auf den Todesfall (Verfügung von Todes wegen; Art. 245 Abs. 2 OR)

2862

Soll ein Schenkungsversprechen erst nach dem Tod des Schenkers vollzogen werden, liegt eine Schenkung auf den Todesfall vor (Art.  245 Abs.  2  OR). Das Vermögen des Schenkers wird – ausser durch die vertragliche Bindung – durch eine Schenkung auf den Todesfall nicht geschmälert, der Vollzug erfolgt erst aus der Erbmasse. Art. 245 Abs. 2 OR verweist auf die erbrechtlichen Vorschriften. Dies bedeutet insbesondere, dass auch die besonderen Formvorschriften für einen Erbvertrag27 (s. Art. 512 Abs. 1 i.V.m. Art. 499 ff. ZGB) und die Schranken bezüglich der Verfügungsfähigkeit des Erblassers zu beachten sind, z.B. die Bestimmungen über den Pflichtteil (Art. 470 ff. ZGB).

2863

Die Abgrenzung einer Schenkung unter Lebenden von einer Verfügung von Todes wegen erfolgt danach, ob das Rechtsgeschäft nach dem Willen der Parteien seine Wirkungen bereits zu Lebzeiten des Schenkers oder erst nach dessen Tod entfalten soll; es fragt sich also, ob die Erfüllung der Forderung zulasten des Vermögens oder des Nachlasses geht.28

3.

Zur Gefälligkeit, Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA; Art. 419 ff. OR)

2864

Sowohl bei einer Gefälligkeit als auch bei einer Schenkung lässt eine Partei der anderen eine unentgeltliche Zuwendung zukommen. Bei der Schenkung handelt es sich um einen Vertrag, bei der Gefälligkeit fehlt hingegen der Rechtsbindungswille. Parallelen zeigen sich darin, dass zwischen dem Versprechen und dem Erbringen unterschieden werden kann.29

2865

Bei einer Handschenkung kann zur Unterscheidung von der (unmittelbar erbrachten) Gefälligkeit die Abgrenzung zwischen einer Schenkung im Sinne von Art.  239  ff.  OR und Gelegenheitsgeschenken, die als Gefälligkeiten zu qualifizieren sind,30 herangezogen werden. Gelegenheitsgeschenke haben in der Regel einen 26 Bucher, OR AT, 69; Honsell, OR BT, 213. 27 BGE 76 II 273 E. 1a. 28 Zur Abgrenzung s. Maissen, N 543 ff., insbesondere N 545. 29 Hürlimann-Kaup, N 159. 30 S. CR CO-Baddeley, Art. 239 N 72.

868

§ 30

Schenkung (Art. 239–252 OR)

geringen Wert und werden vor allem dann erbracht, wenn dies gesellschaftlich üblich ist.31 In Zweifelsfällen ist aber zum Schutz des Schenkers eher von einer echten Schenkung auszugehen.32 Die echte berechtigte GoA im Sinne von Art.  419  ff.  OR ist nicht wie die Schen- 2866 kung als Vertrag, sondern als Quasivertrag zu qualifizieren (s. N 1605 ff.). Ein Haftungsprivileg zugunsten der Geschäftsführerin kommt nur zur Anwendung, sofern diese einen dem Geschäftsherrn drohenden Schaden abwenden wollte (Art.  420 Abs. 2 OR; s. N 1655). Dies gilt so im Gegensatz zum Schenkungsrecht, das voraussetzungslos ein (dispositives) Haftungsprivileg vorsieht (Art. 248 OR).

4.

Zur unentgeltlichen Dienstleistung

Das entscheidende Abgrenzungskriterium zwischen Schenkung und unentgelt- 2867 licher Dienstleistung ist die Zuwendung aus dem Vermögen des Schenkers, also die Entreicherung der schenkenden Person. Bei unentgeltlichen Dienstleistungen erfolgt die Zuwendung nicht aus dem Vermögen des Schenkers, da sich das Vermögen dadurch nicht vermindert.33 Unentgeltliche Arbeit gilt somit nicht als Schenkung. Erlässt der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin seine Lohnforderung, liegt hingegen eine Schenkung durch Erlass vor.34

5.

Zum Verzicht auf ein noch nicht erworbenes Recht, Nichtgeltendmachen eines Anspruchs

Beim Verzicht auf ein noch nicht erworbenes Recht besteht kein rechtlicher Zusam- 2868 menhang zwischen der Entreicherung des Verzichtenden und der Bereicherung der Begünstigten. Die Nichtannahme einer Offerte, der Verzicht auf die Anfechtung eines Rechtsgeschäfts oder die Nichtausübung eines Kaufrechts sind deshalb nicht als Schenkung zu qualifizieren.35 Ebenso wenig erfüllt ein unentgeltlicher Erbverzichtsvertrag die Kriterien der Legaldefinition der Schenkung.36 Auch wer einen ihm zustehenden Anspruch trotz Fälligkeit nicht geltend macht, 2869 schenkt nicht. Eine Zuwendung aus dem Vermögen (und damit eine Schenkung) liegt dagegen vor, wenn der Gläubiger der Schuldnerin die Forderung erlässt.

31 32 33 34 35 36

Hürlimann-Kaup, N 170. Hürlimann-Kaup, N 167. Bucher, OR BT, 148. CR CO-Baddeley, Art. 239 N 68. BGE 102 II 313 E. 4a. BGE 138 III 497 E. 6.2.

869

5. Kapitel

IV. 2869a

Nominatverträge

Charakteristik

Eine Schenkung ist zu bejahen, wenn folgende fünf Voraussetzungen erfüllt sind: • Zwischen dem Schenker und der Beschenkten liegt ein Vertrag vor (s. N 2870 f.); • der Schenker ist handlungsfähig und die Beschenkte zumindest urteilsfähig (s. N 2872 f.); • der Schenker verpflichtet sich gegenüber der Beschenkten, in Schenkungsabsicht eine Zuwendung vorzunehmen, ohne dafür eine Gegenleistung erhalten zu wollen (s. N 2874); • die Schenkung erfolgt aus dem Vermögen des Schenkers (s. N 2875); • sofern keine Handschenkung vorliegt, ist das Schenkungsversprechen schriftlich abgegeben worden (s. 2786 f.).

1.

Vertrag

2870

Die Schenkung ist bezüglich der Leistungspflichten ein einseitiger Vertrag (s. N 53). Dies ändert nichts daran, dass bezüglich der Willenserklärungen ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, ein Vertrag, vorliegt (s. N 54). Die Beschenkte nimmt den Antrag des Schenkers in Kenntnis der Schenkungsabsicht und zu Lebzeiten des Schenkers an. Unter den Voraussetzungen von Art. 6 OR darf wegen der besonderen Natur des Geschäfts in der Regel eine stillschweigende Annahme vermutet werden.37 Im Moment des Vertragsabschlusses müssen auch die subjektiven Voraussetzungen erfüllt sein: die Schenkungsabsicht des Schenkers, die Kenntnis der Beschenkten von der Schenkungsabsicht sowie der Schenkungsempfangswille gemäss Art. 244 OR.

2871

Weil die Schenkung auf die Übertragung eines Schenkungsgegenstands gerichtet ist, wird sie den Veräusserungsverträgen zugeordnet. Schenkungen können nach dem Bundesgericht statt «auf direktem Weg» auch mittels echten Vertrags zugunsten eines Dritten38 oder mittels Anweisung39 erfolgen.

2. 2872

Voraussetzungen beim Schenker und bei der Beschenkten

Der Schenker muss grundsätzlich handlungsfähig, also volljährig und urteilsfähig sein (Art. 240 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 13 ff. ZGB). Ausnahmen bestehen aufgrund von Art. 323 Abs. 1 ZGB (selbständige Verfügungsfähigkeit über das freie Kindsvermögen). Schranken ergeben sich gemäss Art. 240 Abs. 1 OR aus dem ehelichen Güter-

37 BGE 110 II 156 E. 2d = Pra 1984 Nr. 243. 38 S. BGE 96 II 79 E. 8c. 39 BGE 136 III 142 E. 3.3 = Pra 2010 Nr. 100; 105 II 104 E. 3c.

870

§ 30

Schenkung (Art. 239–252 OR)

recht (Art. 169 Abs. 1, Art. 178 Abs. 1 und Art. 228 Abs. 1 ZGB) und dem Erbrecht (Pflichtteilsrecht gemäss Art. 470 ff. ZGB). Die Beschenkte erwirbt nur Vorteile aus dem Vertrag und muss deshalb gemäss 2873 Art. 241 Abs. 1 OR lediglich urteilsfähig sein. Ist sie jedoch noch nicht volljährig, so kann ihr der gesetzliche Vertreter nach Art. 241 Abs. 2 OR die Annahme untersagen oder die Rückerstattung anordnen. Zweck dieses familienrechtlich motivierten «Vetorechts» ist der Schutz Minderjähriger vor einer Abhängigkeit vom Schenker.40

3.

Keine Gegenleistung der Beschenkten

Dieses Kriterium beinhaltet zwei Voraussetzungen: Der Zuwendung darf kein ande- 2874 rer Rechtsgrund als die Schenkungsabsicht zugrunde liegen, und mit der Zuwendung darf keine entsprechende Gegenleistungspflicht der Beschenkten kombiniert werden. Mit einer Schenkung verbundene Auflagen gelten nicht als Gegenleistung der Beschenkten und sind gemäss Art. 245 f. OR explizit zulässig: Sie begründen mit anderen Worten kein synallagmatisches Rechtsverhältnis, welches das Vorliegen einer Schenkung ausschliessen würde.

4.

Zuwendung aus dem Vermögen des Schenkers

Gegenstand einer Schenkung können alle Vermögensobjekte sein, die auch Gegen- 2875 stand eines Kaufvertrages bilden können (s. N 2414 ff.).41 Eine Zuwendung liegt vor, wenn die Beschenkte «bereichert» und der Schenker kausal dazu «entreichert» wird (Art. 239 Abs. 1 OR). Die Bereicherung im Vermögen der Beschenkten kann dabei aus einer Vermehrung der Aktiven oder einer Verminderung der Passiven resultieren. Die Entreicherung muss immer im Vermögen des Schenkers eintreten. Verschenkt ein Dritter einen ihm von einem Eigentümer anvertrauten Gegenstand, so erfolgt die Schenkung nicht aus dem Vermögen des Schenkers und ist daher nach Art. 239 Abs. 1 OR ungültig. Der bisherige Eigentümer kann den Gegenstand bei der Beschenkten vindizieren (Art. 641 Abs. 2 ZGB). Dasselbe gilt, wenn ein gestohlener oder abhandengekommener Gegenstand verschenkt wird.42 Wird Geld aus fremdem Vermögen geschenkt, so hat der z.B. bestohlene Gläubiger, wenn er von einem Schenker keinen Ersatz erhält, einen Bereicherungsanspruch gegen die Beschenkte

40 41 42

BSK OR-Vogt/Vogt, Art. 241 N 4. BGE 105 II 104 E. 3a; Guhl/Koller, § 43 N 2. S. BSK OR-Vogt/Vogt, Art. 239 N 42.

871

5. Kapitel

Nominatverträge

aus Art. 62 Abs. 1 OR.43 Eine Vindikation ist ausgeschlossen, weil der Gläubiger die Stellung als Eigentümer infolge Vermischung des Geldes verloren hat.44

5.

Form

2876

Wird das der Verfügung zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft sofort vollzogen, ist der Vertrag gemäss Art. 242 Abs. 1 OR formlos gültig (Handschenkung).

2877

Das eigentliche Schenkungsversprechen bedarf dagegen zu seiner Gültigkeit gemäss Art. 243 Abs. 1 OR grundsätzlich der Schriftform. Fehlt diese und wird die Zuwendung später trotzdem erbracht, so gilt der Formmangel des Verpflichtungsgeschäfts nach Art. 243 Abs. 3 OR jedoch als geheilt (Konvaleszenz).45 Auf Erfüllung des Schenkungsversprechens kann aber nur geklagt werden, wenn dieses schriftlich erfolgt ist.46 Zur Wahrung des Formerfordernisses genügt die Unterschrift des Schenkers; nur dieser wird verpflichtet (Art.  13 Abs.  1  OR). Bei der Schenkung von Grundstücken muss gemäss Art.  243 Abs.  2  OR ein öffentlich beurkundeter Schenkungsvertrag abgeschlossen werden. Die Form des Verfügungsgeschäfts muss immer – und zwar auch bei Handschenkungen – beachtet werden (s. etwa Art. 165 Abs. 1 OR für Forderungen oder Art. 967 Abs. 2 OR für Ordre- bzw. Namenpapiere).

2878

V.

Wirkungen

1.

Rechte der Beschenkten

Bei anfänglich subjektiver sowie nachträglicher Unmöglichkeit (s. N 814 ff.) sowie bei positiver Vertragsverletzung (Schlechterfüllung oder Verletzung vertraglicher Nebenpflichten; s. N 846 ff.) kann die Beschenkte gegen den Schenker gemäss Art. 97 Abs. 1 OR auf Ersatz des Schadens klagen. Zu beachten ist, dass die Haftung des Schenkers – verglichen mit einem regulär nach Art. 97 OR Haftenden – in zweierlei Hinsicht privilegiert ist: Zum einen haftet der Schenker gemäss Art. 248 Abs. 1 OR nur bei Vorsatz oder Grobfahrlässigkeit. Zum anderen kommt dem Schenker bei der Bemessung des Schadenersatzes Art. 99 Abs. 2 OR als Reduktionsgrund zugute (zur Einordnung von Art. 99 Abs. 2 OR als Reduktionsgrund s. N 897a).

43 44

BSK OR-Vogt/Vogt, Art. 239 N 43. Der Grundsatz, wonach die Vermischung von Geld Eigentum begründet gilt qua Gewohnheitsrecht; vgl. dazu ZK ZGB-Haab/Simonius/Scherrer/Zobl, Art. 727 N 84; Tuor/Schnyder/Schmid, § 103 N 39. 45 S. BGE 105 II 104 E. 3c. S. ferner auch Art. 29 OR 2020, welcher die Regelung des Instituts der Heilung im Allgemeinen Teil des OR vorschlägt. 46 Bucher, OR BT, 151; s. ferner Rusch, AJP 2016, 434.

872

§ 30

Schenkung (Art. 239–252 OR)

Fällt der Schenker in Verzug, so kann die Beschenkte auf Realerfüllung des Schen- 2878a kungsvertrages nach Art. 239 Abs. 1 OR klagen. Dabei kann sie einen allfälligen Verspätungsschaden gestützt auf Art. 103 OR geltend machen, wobei auch in diesem Fall ein qualifiziertes Verschulden gemäss Art. 248 Abs. 1 OR vorausgesetzt wird.47 Umstritten ist, ob die Beschenkte alternativ zur Realexekution auf die Leistung verzichten und einen Anspruch auf das positive beziehungsweise negative Interesse geltend machen kann (Art. 107 ff. OR). Vogt/Vogt vertreten die Auffassung, dass mangels Vorliegen eines synallagmatischen Vertrages Art. 107 OR nicht angewendet werden könne; ein solcher Anspruch sei deshalb ausgeschlossen.48 Nach Ansicht von Honsell findet Art. 107 OR zwar keine Anwendung, der Beschenkte könne aber direkt gestützt auf Art. 97 Abs. 1 OR auf die Leistung verzichten und Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen.49 Koller wiederum plädiert für eine analoge Anwendung von Art. 107 OR, wonach die Beschenkte auf die Leistung verzichten und wahlweise das positive oder das negative Interesse einfordern könne.50 Letztere Ansicht widerspricht zwar dem Wortlaut von Art. 107 OR, welcher nur (vollkommen) zweiseitige Verträge erfasst, hat aber den Vorteil, dass mit Art. 107 OR eine Bestimmung zur Verfügung steht, die auf die Situation des Verzuges zugeschnitten ist (zum generellen Anwendungsbereich von Art. 107 OR s. N 949). Einig ist sich die Lehre immerhin darin, dass dieser Anspruch in jedem Fall nur unter Berücksichtigung von Art. 248 Abs. 1 OR zu gewähren ist. Bei Geldschulden gilt in Bezug auf die Verzugszinsen im Übrigen Art. 105 OR. Grundsätzlich hat die Beschenkte kein Anspruch auf Sach- und Rechtsgewähr- 2878b leistung. Einzig im Rahmen des ausdrücklich vereinbarten Umfangs (Art.  248 Abs. 2 OR) oder bei arglistigem Verschweigen eines Mangels (Art. 192 Abs. 3 und Art. 199 OR analog)51 muss der Schenker für Entwehrung und Mängel am Schenkungsgegenstand einstehen. Besteht ausnahmsweise eine Gewährleistungspflicht, so bestimmen sich deren Rechtsfolgen analog zu Art. 192 ff. und Art. 197 ff. OR (s. N 2551 ff., N 2585 ff.).52 Die Beschenkte kann nicht nur vertraglich, sondern alternativ auch ausservertrag- 2879 lich gestützt auf Art. 41 OR gegen den Schenker vorgehen. In diesem Fall ist die Haftung nach der herrschenden Lehre in Analogie zu Art. 248 Abs. 1 OR auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt.53

47 48 49 50

Maissen, N 363; BSK OR-Vogt/Vogt, Art. 248 N 1b. BSK OR-Vogt/Vogt, Art. 248 N 1b; ähnlich Bucher, OR BT, 156. Honsell, OR BT, 222. Koller, OR BT, § 7 N 50. Dieser Ansicht scheint das Bundesgericht nicht zu folgen, hat es doch in BGE 133 III 421 E. 4.2 = Pra 2008 Nr. 15 eine Anwendung von Art. 107 ff. OR auf das Schenkungsrecht verneint. 51 Koller, FS Schulin, 104 f.; Maissen, N 385 f. 52 Koller, FS Schulin, 103; CHK OR-Schönenberger, Art. 248 N 3. 53 Maissen, N 357; CHK OR-Schönenberger, Art. 248 N 2; BSK OR-Vogt/Vogt, Art. 248 N 4; OFK ORWeingart, Art. 248 N 5; a.M. Koller, FS Schulin, 109 ff.; Rusch, AJP 2017, 1192 f.

873

5. Kapitel

2880

2881

Nominatverträge

Stirbt der Schenker vor Erfüllung des Schenkungsversprechens, so kann die Beschenkte ihren Anspruch gemäss Art.  252  OR gegenüber den Erben geltend machen, sofern es sich nicht um wiederkehrende Leistungen handelt. Art. 252 OR ist dispositiv; die Parteien können deshalb vereinbaren, dass wiederkehrende Leistungen auch nach dem Tod des Schenkers zu erbringen sind. Die Vererblichkeit des Anspruchs bei Vorversterben der Beschenkten wird dagegen in der Lehre abgelehnt.54

2.

Widerrufsrecht des Schenkers

2.1

Bei bereits vollzogener Schenkung (Art. 249 OR)

Dem Schenker steht gemäss Art.  249  OR in besonderen Fällen sowohl bei einer Schenkung von Hand zu Hand als auch bei einem vollzogenen Schenkungsversprechen ein Widerrufsrecht zu (Wirkung ex nunc). Im Einzelnen hat der Schenker ein Widerrufsrecht, wenn die Beschenkte gegen den Schenker oder eine diesem nahestehende Person eine schwere Straftat begeht (Art. 249 Ziff. 1 OR)55, ihr obliegende familienrechtliche Pflichten schwer verletzt (Art. 249 Ziff. 2 OR) oder mit der Schenkung verbundene Auflagen ungerechtfertigterweise nicht erfüllt (Art. 249 Ziff. 3 OR). Gemäss Art. 91 ZGB kann eine Schenkung auch bei einer Auflösung des Verlöbnisses widerrufen werden. Als Folge des Widerrufs hat der Schenker gegenüber der Beschenkten nach herrschender Lehre einen Art. 62 Abs. 2 OR entsprechenden gesetzlichen Rückgabeanspruch (condictio ob causam finitam) auf die noch vorhandene Bereicherung bzw. auf Rückübereignung.56 Unseres Erachtens bewirkt der Widerruf die Umwandlung des Schenkungsvertrages in ein Liquidationsverhältnis (s. N 960 ff., N 1821): Der Schuldner hat alsdann einen vertraglichen Rückerstattungsanspruch.57 Denn der Rückerstattungsanspruch nach Art. 249 OR weist grosse Ähnlichkeiten mit demjenigen nach Art. 109 OR auf, bei welchem auch das Bundesgericht und die herrschende Lehre einen vertraglichen Rückerstattungsanspruch annehmen (s. dazu N 960). In beiden Fällen ist ein Vertrag gültig zustande gekommen und soll nachträglich rückabgewickelt werden.58 Zu beachten ist allerdings, dass sich der Umfang des Rückerstattungsanspruchs nach Art. 249 OR auf die im Zeitpunkt des Widerrufs noch vorhandene Bereicherung beschränkt, was aber keinen Einfluss auf die Qualifikation des Anspruchs hat.

54 55 56 57 58

874

Bucher, OR BT, 158; BSK OR-Vogt/Vogt, Art. 252 N 3; s. auch CR CO-Baddeley, Art. 252 N 14. S. BGE 4A_171/2011 E. 4. Von Tuhr/Peter, 493; BSK OR-Vogt/Vogt, Art. 249 N 14. Gl.M. Guhl/Koller, § 43 N 34; Maissen, N 414. Maissen, N 414.

§ 30

2.2

Schenkung (Art. 239–252 OR)

Vor Erfüllung des Schenkungsversprechens (Art. 250 OR)

Vor der Erfüllung kann ein Schenkungsversprechen gemäss Art. 250 OR zusätzlich 2882 zu den in Art. 249 OR genannten Gründen widerrufen werden, wenn beim Schenker erhebliche und unvorhersehbare Vermögensveränderungen eintreten (Art. 250 Abs.  1 Ziff.  2  OR) oder dessen familienrechtliche Pflichten erheblich zunehmen (Art. 250 Abs. 1 Ziff. 3 OR). Ausserdem wird ein Schenkungsversprechen bei der Eröffnung eines Konkurses bzw. der Ausstellung eines Verlustscheins gegen den Schenker aufgehoben (Art. 250 Abs. 2 OR). 2.3

Weitere Widerrufsmöglichkeiten

Neben den genannten Möglichkeiten kann der Schenker den Schenkungsvertrag 2883 auch wegen Übervorteilung (Art.  21  OR), Willensmängeln (Art.  23  ff.  OR), vorübergehender Urteilsunfähigkeit (Art.  16 ZGB) oder Rechts- bzw. Sittenwidrigkeit (Art.  20  OR) umstossen. Klagegrundlage bilden dabei Art.  641 Abs.  2 ZGB (Vindikation), Art. 975 Abs. 1 ZGB (Grundbuchberichtigungsklage) oder Art. 62 Abs. 2 OR (condictio sine causa).59 Unseres Erachtens ist in diesen Fällen dagegen ein Liquidations-, also ein vertragliches Rückabwicklungsverhältnis zu bejahen (s. N 443, N 583). Den Parteien steht es überdies frei, vertraglich ein Widerrufsrecht zu vereinba- 2883a ren. Dessen Ausübung können sie entweder an keine Gründe knüpfen oder eigene Gründe definieren.60 Unseres Erachtens gelangt dabei die einjährige Verwirkungsfrist von Art. 251 Abs. 1 OR nicht zur Anwendung, da die Parteien durch ihre vertragliche Regelung bewusst von den in den Art. 249 und Art. 250 OR geregelten Widerrufsgründen abweichen. Auch die Erben des Schenkers können unter Berufung auf die genannten Gründe die Ungültigkeit eines Schenkungsvertrages geltend machen. Mittel dazu bildet in erster Linie die Erbschaftsklage (Art. 598 ff. ZGB).61 2.4

2884

Form und Frist (Art. 251 Abs. 1 OR)

Das Widerrufsrecht steht dem Schenker während eines Jahres zu (Verwirkungs- 2885 frist). Diese relative Frist beginnt in jenem Zeitpunkt, in welchem der Schenker vom Widerrufsgrund Kenntnis erhalten hat (Art. 251 Abs. 1 OR). Die Widerrufserklärung kann formlos erfolgen. Der Rückforderungsanspruch nach Art. 249 OR untersteht aufgrund seiner vertraglichen Natur (s. N 2881) entgegen der wohl herrschen59 Abt, AJP 2004, 1227. 60 Honsell, OR BT, 221. 61 Abt, AJP 2004, 1227 f.

875

5. Kapitel

Nominatverträge

den Lehre nicht der einjährigen Verjährungsfrist nach Art. 67 OR (mit Inkrafttreten des revidierten Verjährungsrechts am 1. Januar 2020 beträgt diese Frist neu drei Jahre)62, sondern der zehnjährigen Verjährungsfrist gemäss Art 127 OR.63

VI.

Anfechtung und Widerruf durch Dritte

1.

Widerrufsrecht der Erben

2886

Gemäss Art. 251 Abs. 2 OR geht das Klagerecht für den Rest der Widerrufsfrist von Art. 251 Abs. 1 OR auf die Erben des Schenkers über, wenn der Schenker vor Ablauf der einjährigen Widerrufsfrist stirbt. Der Widerrufsgrund muss allerdings schon zu Lebzeiten des Schenkers bestanden haben;64 keine Rolle spielt dagegen, ob der Schenker selber widerrufen hätte oder nicht.65 Die Frist nach Art. 251 Abs. 1 OR beginnt mit der sicheren Kenntnisnahme des Widerrufsgrundes durch den Schenker zu laufen und endet somit spätestens ein Jahr nach dessen Tod.

2887

Tötet die Beschenkte den Schenker widerrechtlich und vorsätzlich oder hindert sie ihn widerrechtlich und vorsätzlich am Widerruf der Schenkung, so haben die Erben zusätzlich ein eigenes Widerrufsrecht gemäss Art. 251 Abs. 3 OR. Es gilt wie für den Schenker eine einjährige Frist ab Kenntnis des Widerrufsgrundes.66

2. 2888

Herabsetzung

Nach dem Tod des Schenkers unterliegen gemäss Art. 527 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB folgende zwei Arten von Schenkungen der Herabsetzung:67 Erfasst sind einerseits die frei widerrufbaren Schenkungen (Fall 1). Gemeint sind damit Schenkungen, bei denen sich der Erblasser ein jederzeitiges und freies Widerrufsrecht vorbehalten hat, und nicht die von Gesetzes wegen widerrufbaren Schenkungen (Art. 249 f. OR; s.  N  2881  ff.).68 Der Herabsetzung unterliegen andererseits solche Schenkungen, die der Schenker während der letzten fünf Jahre vor seinem Tod ausgerichtet hat, mit Ausnahme der üblichen Gelegenheitsgeschenke (Fall 2). Im Gegensatz zur frei

62 63 64 65 66 67 68

876

S. BBl 2018 3537 ff., 3538. Gl.M. Guhl/Koller, §  43 N  34; KuKo  OR-Liniger/Triebold, Art.  251 N  1; Maissen, N  414; a.M. CHK OR-Schönenberger, Art. 251 N 2; BSK OR-Vogt/Vogt, Art. 251 N 3. Tercier/Bieri/Carron, N 1567. CHK OR-Schönenberger, Art. 251 N 3. BSK OR-Vogt/Vogt, Art. 251 N 5. CHK ZGB-Fankhauser, Art. 527 N 4. CHK ZGB-Fankhauser, Art. 527 N 4; Möri, 803; Tuor/Schnyder/Jungo, § 68 N 26.

§ 30

Schenkung (Art. 239–252 OR)

widerrufbaren Schenkung ist die Herabsetzung in diesem Fall zeitlich beschränkt (Art. 527 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB: «während der letzten fünf Jahre vor seinem Tode»).69 Bei gemischten Schenkungen (s. N 2856 ff.) unterliegt nur der unentgeltliche Teil der Schenkung der Herabsetzung.70

3.

2888a

Schenkungspauliana

Alle Schenkungen, mit Ausnahme der üblichen Gelegenheitsgeschenke, die inner- 2889 halb des letzten Jahres vor der Pfändung oder der Konkurseröffnung gegen den Schenker an die Beschenkte ausgerichtet wurden, können überdies gemäss Art. 286 SchKG71 angefochten werden.

69 Eitel/Bieri, successio 2015, 291; BSK ZGB-Forni/Piatti, Art. 527 N 7. 70 CHK ZGB-Fankhauser, Art. 527 N 4; BSK ZGB-Forni/Piatti, Art. 527 N 8. 71 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SR 281.1).

877

§ 31 Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR) Grundlagenliteratur Bucher, OR BT, 163 ff.; Engel, CO PS, 131 ff.; Guhl/Koller, § 44; Honsell, OR BT, 227 ff.; Koller, OR BT, §§ 8 ff.; Müller, contrats, N 608 ff.; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 4 N  1  ff.; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N  865  ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 1590 ff.

Weiterführende Literatur Abegg Andreas/Bernauer Christof, Welchen neuen Regulierungsbedarf schaffen Airbnb, Uber & Co.?, AJP 2018, 82–86; Addorisio de Feo Raniero, Fälligkeit und Verjährung im Mietrecht, mp 2001, 163–193; Bärtschi Harald/Ackermann Ruedi, Verspätete Anfechtung einer Kündigung im Mietrecht, Jusletter 14. Juli 2014 (zit.: Bärtschi/Ackermann, Jusletter 14. Juli 2014); Bärtschi Harald/Ackermann Ruedi, Fristberechnung im Mietrecht, Jusletter 3.  Februar 2014 (zit.: Bärtschi/Ackermann, Jusletter 3.  Februar 2014); Béguin Andreas, Klare Ausscheidung von Nebenkosten und Höhe der Akontozahlungen im Mietvertrag, mp 2004,  167–193; Béguin Andreas/Brüllhardt Beat/Brutschin Sarah/Nideröst Peter/Oeschger Sara/Püntener Richard/Roncoroni Giacomo/Roy Claude/ Spirig Irène/Thanei Anita/Töngi Michael/Wettstein Carmen/Wyttenbach Markus/Zahradnik Peter, Das Mietrecht für die Praxis, 9. Aufl., Zürich 2016 (zit.: Mietrecht für die Praxis-BearbeiterIn); Biber Irène, Die Rohbaumiete – ausgewählte Aspekte, mp 2015,  79–108 (zit.: Biber, mp 2015); Biber Irène, Die Anwendung der mietrechtlichen Schutzbestimmungen auf gemischte Verträge, mp 2014, 1–31 (zit.: Biber, mp 2014); Blumer Maja, Gebrauchsüberlassungsverträge (Miete/Pacht), in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), SPR Bd. VII/3, Basel 2012; Bohnet François/Carron Blaise/Montini Marino (Hrsg.), Commentaire Pratique, Droit du bail à loyer et à ferme, 2. Aufl., Basel 2017 (zit.: CPra Bail-BearbeiterIn); Brunner Andreas, Störungen der Mieterinnen und Mieter durch Immissionen, insbesondere Bau- und Verkehrslärm – zivil- und öffentlichrechtliche Rechtsbehelfe und deren Durchsetzung, mp 2000, 97–118 und 153–177; Brutschin Sarah, Die Mietzinsgestaltung bei energetischen Verbesserungen gemäss Art. 14 VMWG unter besonderer Berücksichtigung der Förderbeiträge von Bund und Kantonen, mp 2010, 1–20; Frese Lukas/Kobel Marcel, Vorsorgliche Massnahmen im Mietrecht, mp 2016, 87–121; Girsberger Daniel/Huber-Purtschert Tina/Sprecher Jörg/Maissen Eva, Vertragsgestaltung und Vertragsdurchsetzung, 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2017; Gut Beat, Die Entwicklung der Rechtsprechung zum missbräuchlichen Mietzins, mp 2000, 1–26; Heinrich Peter, Die Untermiete, Diss. Zürich 1999; Hürlimann-Kaup Bettina, Grundfragen des Zusammenwirkens von Miete und Sachenrecht, Habil. Luzern 2008; Jud Dominique/Steiger Isabelle, Airbnb in der Schweiz: Was sagt das Mietrecht?, Jusletter 30. Juni 2014; Koller Alfred, Rechtsbehelfe des Mieters bei Wegfall der Mietbedarfs, AJP 2018, 209–221 (zit.: Koller, AJP 2018); Koller Alfred, Wenn mir Mon-Repos die Ruhe raubt  …, Jusletter 3.  Februar 2014 (zit.: Koller, Jusletter 3.  Feb-

878

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

ruar 2014); Koller Alfred (Hrsg.), Der Grundstückkauf, 3. Aufl., Bern 2017 (zit.: Koller/BearbeiterIn); Kunz Tobias/Wyttenbach Markus, Die Rückgabe der Mietsache, mp 2016, 187–208; Lupi Thomann Melania, Die Anwendung des Konsumkreditgesetzes auf Miet-, Miet-Kauf- und Leasingverträge, Diss. Zürich 2003; Maag Andreas, Kündigungsschutz und Ausweisung – ausgewählte zivilprozessuale Aspekte, MRA 2014, 1–16 (zit.: Maag, MRA 2014); Maag Andreas, Die Bundesgerichtspraxis zur ausserordentlichen Kündigung nach Art. 257f OR bei Vertragsverletzungen, MRA 2006, 127–137 (zit.: Maag, MRA 2006); Mauchle Yves/von der Crone Hans Caspar, Grundlagenirrtum bei Mängeln am Mietobjekt, SZW 2015, 56–63; Münch Peter, Mieterstreckung: Hobby-Pferdestall als Geschäftsraum, ZBJV 1995,  418–419; Polivka Lukas, Bundesgerichtsentscheid 4C.24/2002 vom 29. April 2002 i.S. EG A. und B.ca. PK S. [mit Kommentierung], MRA 2002, 108–117; Rohrer Beat, Die Erstreckung des Mietverhältnisses, MRA 2008, 185–194 (zit.: Rohrer, MRA 2008); Rohrer Beat, Die «besondere Vereinbarung» von Nebenkosten (Art. 257a Abs. 2 OR), MRA 2006,  87–96 (zit.: Rohrer, MRA 2006); Rohrer Beat, Urteil des Einzelrichters des Mietgerichtes Bülach vom 26. März 2003 [mit Kommentierung], MRA 2003, 55–61 (zit.: Rohrer, MRA 2003); Roncoroni Giacomo, Die Auswirkungen des Eigentümerwechsels auf den Mietvertrag, mp 2005,  195–231; Schmid Jörg, Gewinnherausgabe bei unerlaubter Untermiete BGE 126 III 69 ff., recht 2000, 205–209; Schweizerischer Verband der Immobilien-Treuhänder (Hrsg.), Schweizerisches Mietrecht, Kommentar, 4. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2018 (zit.: SVIT-BearbeiterIn); Sommer Monika, Ausserordentliche Kündigung wegen Verletzung der Pflicht des Mieters zur Sorgfalt und Rücksichtnahme nach Art. 257f Abs. 3 OR [Entscheid mit Kommentierung], MRA 1996, 69–73; Spirig Irène, Grundsätze der Untermiete und Airbnb, mp  2015,  1–21 (zit.: Spirig, mp 2015); Spirig Irène, Ausserordentliche Kündigungen ausserhalb des mietrechtlichen Katalogs?, mp 2012,  1–20 (zit.: Spirig, mp 2012); Spirig Irène, Grundsätze im Erstreckungsrecht, mp 2008, 199–224 (zit.: Spirig, mp 2008); Spöndlin Ruedi, Mietrecht für Mieterinnen und Mieter, 8. Aufl., Zürich 2018; Stoll Daniel, Sicherheitsleistungen der Mieterschaft vor dem Hintergrund kantonalrechtlicher Bestimmungen – eine Übersicht zu Art. 257e Abs. 4 OR, mp 2007, 65–80; Studer Hans-Jakob, Herabsetzung des Mietzinses: Zum Anspruch des Mieters auf Herabsetzung des Mietzinses wegen Bauimmissionen ab Nachbargrundstücken, MRA 2005, 93–107; Tschudi Matthias, Einige Gedanken zur Mitwirkungspflicht des Mieters bei der Mängelbehebung durch den Vermieter, MRA 2009, 117–122 (zit.: Tschudi, MRA 2009); Tschudi Matthias, Zuständigkeit und Befugnisse der Schlichtungsbehörde – ein Überblick, MRA 2006, 45–55 (zit.: Tschudi, MRA 2006); Tschudi Matthias, Mietrechtliche Probleme bei Immissionen als Folge von Umgebungsveränderungen, Diss. Freiburg 2005 (zit.: Tschudi, Immissionen); Vischer Moritz, Die Rohbaumiete – Zulässigkeit und Grenzen, Diss. Zürich 2014; Weber Roger, Die Kündigung nach Treu und Glauben, mp 2008, 1–17 (zit.: Weber, mp 2008); Weber Roger, Rückforderungsansprüche im Mietrecht, mp 2005, 2–22 (zit.: Weber, mp 2005); Wessner Pierre, Sorgfaltspflichten des Mieters von Wohn- und Geschäftsräumen [Vortrag], mp 2007,  127– 146 und 197–214; Wyttenbach Markus, Die Auswirkungen der Spaltungstheorie auf die Ansprüche des Mieters (Art. 261 OR), mp 2011, 1–36; Zucker Armin/Kunz Tobias, Kleiner Unterhalt als Mieterpflicht – Inhalt und Schranken, mp 2009, 2–11; Züst Martin, Die Mietzinsherabsetzung bei Mängeln am Beispiel des Fluglärms, mp 2003, 145–177.

879

5. Kapitel

Nominatverträge

I.

Begriff

1.

Miete

2890

Bei der Miete verpflichtet sich die Vermieterin, dem Mieter eine Sache entgeltlich zum Gebrauch zu überlassen (Art. 253 OR).

2891

Es handelt sich bei der Miete um ein zweiseitiges Dauerschuldverhältnis zwischen Mieter und Vermieterin, welches auf bestimmte Zeit oder unbefristet abgeschlossen wird (Art. 255 Abs. 1 OR). Zu den wesentlichen Vertragspunkten (essentialia negotii) gehören Gegenstand der Miete und Entgeltlichkeit: Die Vermieterin überlässt dem Mieter eine unbewegliche oder bewegliche Sache gegen Entgelt (Mietzins) zum Gebrauch.

2892

Miete (Art. 253 ff. OR), Pacht (Art. 275 ff. OR), Gebrauchsleihe (Art. 305 ff. OR) und Darlehen (Art. 312 ff. OR) werden unter dem Oberbegriff der Gebrauchsüberlassungsverträge zusammengefasst.1

2. 2893

Mögliche Mietobjekte

Gegenstand der Miete können nur bewegliche oder unbewegliche Sachen im Sinne des Sachenrechts (s. Art. 641 ff. ZGB) sein. Bei der Nutzungsüberlassung von Rechten kommen Pacht (s. N 2897, N 3026 ff.) oder ein Innominatvertrag (z.B. Lizenzvertrag; s. N 3787 ff.) infrage, insoweit Mietrecht nicht analog angewendet werden kann.

1

BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 305 N 1.

880

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Im Mietrecht werden folgende Mietobjekte unterschieden:

2894

Sachen (Art. 253 OR)

unbewegliche Sachen

Wohn- und Geschäftsräume (Art. 253a OR)

bewegliche Sachen

Einstellplätze andere Fahrnisbauten (Art. 266e OR) (Art. 266b OR) (Art. 266b OR)

Wohnräume

Geschäftsräume

Familienwohnungen (Art. 266m, Art. 266n, Art. 273a OR)

möblierte Zimmer (Art. 266e OR)

Ferienwohnungen (Art. 253a Abs. 2 OR)

Luxuswohnungen und Einfamilienhäuser (Art. 253b Abs. 2 OR)

andere (Art. 266f OR)

andere (Art. 253a OR)

Abbildung: Mietobjekte im Mietrecht

Bei Wohn- und Geschäftsräumen ist neben den gesetzlichen Vorschriften die Ver- 2895 ordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG)2 zu beachten, die der Bundesrat gestützt auf Art. 253a Abs. 3 OR erlassen hat. Der zweite (Art. 269–270e OR) und dritte Abschnitt (Art. 271–273c OR) des Mietrechts gelten überdies ausschliesslich für die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen. Auch im ersten Abschnitt gibt es mehrere Normen, die nur auf Wohn- und Geschäftsräume anwendbar sind. In diesem ersten Abschnitt gelten wiederum gewisse Bestimmungen nur für spezifische Mietobjekte (z.B. Familienwohnungen; Art. 266m f. OR). Die Bestimmungen des Mietrechts sind somit teils auf alle, teils nur auf bestimmte Mietobjekte anwendbar. 2.1

2896

Bewegliche Sachen

Bewegliches Mietobjekt ist jede (körperliche) Sache (vgl. Art.  713 ZGB), die weder als Grundstück (Art. 655 ZGB) noch als unbewegliche Sache im Sinne von Art. 266b–266e OR (s. nachfolgend N 2896b ff.) qualifiziert werden kann.3 Unter die 2 Verordnung vom 9. Mai 1990 über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (SR 221.213.11). 3 S. auch ZK OR-Higi, Art. 266f N 3.

881

2896a

5. Kapitel

Nominatverträge

beweglichen Mietobjekte fallen demnach Autos, Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik etc. Das Gesetz erwähnt ausdrücklich die Fahrnisbauten (Art. 266b OR; vgl. auch Art. 677 Abs. 1 ZGB)4 sowie die Konsumgüter (Art. 266f OR). Zu beachten sind hier die Sonderbestimmungen in Art. 266b und 266k OR, welche für die Kündigung dieser beweglichen Mietobjekte eine im Vergleich zu Art. 266f OR längere Frist vorsehen. 2.2 2896b

Unbewegliche Sachen

Zu den unbeweglichen Mietobjekten (Art.  266b  OR) gehören Wohnungen (Art. 266c OR; N 2896c ff.), Geschäftsräume (Art. 266d OR; N 2896i) sowie möblierte Zimmer (Art.  266e  OR), gesondert vermietete Einstellplätze oder ähnliche Einrichtungen (Art. 266e OR; N 2896j). Diese Aufzählung ist nicht abschliessend (s.  Art.  266b  OR). Unbewegliche Sachen sind beispielsweise auch Grundstücke im Sinne von Art. 655 und Art. 943 Abs. 1 ZGB, Sport- und Versammlungslokale, Scheunen oder Stallungen.5 a.

Wohnräume

2896c

Was Wohnraum ist, bestimmt sich nach dem vereinbarten Gebrauchszweck: Wohnräume sind geschlossene Räumlichkeiten, die dem dauerhaften Aufenthalt von Personen, das heisst dem Verbringen des Privatlebens dienen. Es müssen daher eine Schlafmöglichkeit sowie ein minimaler Schutz vor Umwelteinflüssen vorliegen.6

2896d

Sowohl möblierte als auch unmöblierte Zimmer sind ebenfalls als Wohnraum im mietrechtlichen Sinn zu qualifizieren.7 Zu beachten ist hier die spezielle Regelung zur Kündigung von möblierten Zimmern in Art. 266e OR.

2896e

Der Begriff Wohnraum umfasst auch Ferienwohnungen und Ferienhäuser.8 Massgeblich ist auch hier, was die Parteien als Gebrauchszweck vereinbart haben, und nicht die Beschaffenheit der gemieteten Wohnung (z.B. Lage, Ausstattung). Die Ferienwohnung muss zu Urlaubs- bzw. Erholungszwecken gemietet worden sein.9 Die Bestimmungen über die Wohnraummiete sind allerdings nicht anwendbar auf 4 5

6 7 8 9

S.  zur Abgrenzung zwischen Fahrnis- und Dauerbaute BGE 105 II 264 E.  1; BSK  ZGB-Rey/Strebel, Art. 677 N 3 ff. Botschaft zur Volksinitiative «für Mieterschutz», zur Revision des Miet- und Pachtrechts im Obligationenrecht und zum Bundesgesetz über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen (Botschaft zur Revision des Miet- und Pachtrechts) vom 27. März 1985, BBl 1985 I 1389 ff., 1449; ZK OR-Higi, Art. 266b N 6 f.; CR CO-Lachat, Art. 266d–266f N 5. BGE 4C.128/2006 E. 2; BSK OR-Weber, Art. 253a/253b N 4; differenzierend in Sachen «dauerhafter» Aufenthalt BK OR-Giger, Art. 253a N 24. BK OR-Giger, Art. 253a N 24. ZK OR-Higi, Art. 253a–253b N 44. ZK OR-Higi, Art. 253a–253b N 45; SVIT-Rohrer, Art. 253a N 86.

882

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Ferienwohnungen, die für weniger als drei Monate gemietet werden (Art.  253a Abs. 2 OR). Von den Bestimmungen zum Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen 2896f (Art. 269 ff. OR; Art. 10 ff. VMWG) ausgenommen ist die Miete von Wohnungen oder Einfamilienhäusern mit sechs oder mehr Wohnräumen, die zudem kumulativ10 einen luxuriösen Charakter aufweisen (Art. 253b Abs. 2 OR; Art. 2 Abs. 1 VMWG). Entscheidend sind der Gesamteindruck und die Exklusivität des Mietobjekts, wobei das übliche Mass an Komfort deutlich überschritten werden muss.11 Überlässt die Vermieterin dem Mieter zusammen mit Wohn- oder Geschäfts- 2896g räumen weitere bewegliche oder unbewegliche Sachen zum Gebrauch, so gelten für diese ebenfalls die Bestimmungen über die Wohn- und Geschäftsraummiete (Art.  253a Abs.  1  OR). Mitvermietete Sachen sind beispielsweise Garagen, Autoeinstell- und Abstellplätze, Kellerabteile, Gärten, Computer oder Kopiergeräte (s. auch Art.  1 VMWG).12 Zwischen Wohn- und Geschäftsraum und der mitvermieteten Sache muss allerdings ein innerer funktionaler Zusammenhang bestehen, damit diese als mitvermietet gilt (z.B. Vermietung eines Ladenlokals und von Kundenparkplätzen).13 Zudem müssen Vermieterin und Mieter jeweils identisch sein; das heisst, die Vermieterin der Hauptsache muss auch Vermieterin der Nebensache sein und sie muss beides dem gleichen Mieter zum Gebrauch überlassen (vgl. Art. 253a Abs. 1 OR).14 Mitvermietete Sachen teilen grundsätzlich das rechtliche Schicksal der Hauptmiet- 2896h sache. Der funktionale Zusammenhang darf nicht von vornherein verneint werden, weil die Parteien über Haupt- und Nebensache separate Verträge abgeschlossen haben.15 Vielmehr muss anhand der Interessenlage der beteiligten Parteien und der von ihnen getroffenen Vereinbarungen beurteilt werden, ob eine einheitliche Behandlung der Verträge angezeigt ist oder nicht.16

10 BGE 4A_257/2015 E. 3.1; CR CO-Lachat, Art. 253b N 5. 11 BGE 4C.5/2004 E. 4.2; ZK OR-Higi, Art. 253a–253b N 75; CR CO-Lachat, Art. 253b N 5. Gemäss BGE 4A_257/2015 E. 3.1 ist beispielsweise eine Wohnung mit sieben Zimmern, einem Schwimmbad und/oder einer Sauna, mehreren Badezimmern, ausserordentlich grossen und geräumigen Zimmern, einer besonders grossen Grundfläche sowie einem grossen Garten als luxuriös zu bewerten. 12 ZK OR-Higi, Art. 253a–253b N 51. 13 BGE 125 III 231 E. 2; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 253a N 5. 14 BGE 125 III 231 E. 2.a; kritisch BSK OR-Weber, Art. 253a/253b N 15. 15 BSK OR-Weber, Art. 253a/253b N 15a; ähnlich auch BK OR-Giger, Art. 253a N 37. 16 BGE 4A_283/2013 E. 4.4.1; 137 III 127 E. 2.2; zustimmend BSK OR-Weber, Art. 253a/253b N 15a f. In BGE 137 III 123 entschied das Bundesgericht beispielsweise, dass die Vermieterin nur die beiden Parkplätze (Nebensache), nicht aber auch die Wohnung (Hauptsache) kündigen durfte, da der Mieter sich einzig bei der Parkplatzmiete im Zahlungsverzug befand. Aufgrund unterschiedlicher Kündigungstermine in den beiden Verträgen hätten die Parteien im vorliegenden Fall ein unterschiedliches rechtliches Schicksal der beiden Verträge in Kauf genommen.

883

5. Kapitel

b. 2896i

2897

Geschäftsräume

Wie bei Wohnräumen ist auch bei Geschäftsräumen der vereinbarte Gebrauchszweck massgebend:17 Als Geschäftsraum gilt jeder Raum, der dem Betrieb eines Gewerbes oder der Ausübung einer haupt- oder nebenberuflichen Tätigkeit dient (z.B. Büro, Verkaufsraum, Werkstatt, Magazin und Lagerraum).18 Kein Geschäftsraum liegt beispielsweise bei einem Hobbyraum vor, der einzig zur reinen Freizeitgestaltung genutzt wird.19 In der Lehre umstritten ist, ob Versammlungs- und Vereinslokale, Klubhäuser etc. ebenfalls als Geschäftsräume zu qualifizieren sind, wenn der Mieter darin kein nach kaufmännischen Grundsätzen geführtes Gewerbe betreibt, sondern diesen Raum einzig zu ideellen Zwecken benutzt.20 c.

2896j

Nominatverträge

Einstellplätze und ähnliche Einrichtungen

Wie für möblierte Zimmer gilt auch für Einstellplätze und ähnliche Einrichtungen die spezielle Kündigungsbestimmung in Art. 266e OR. Darunter fallen z.B. offene und gedeckte Parkplätze, Plätze zum Aufstellen von Spielautomaten, Pferdeboxen oder Schaufensterkästen.21 Art. 266e OR ist gemäss seinem Wortlaut nur anwendbar, wenn eine gesonderte Vermietung vorliegt. Es darf also kein innerer Zusammenhang zwischen Einstellplatz bzw. ähnlicher Einrichtung und einem Wohn- oder Geschäftsraum im Sinne von Art. 253a Abs. 1 OR vorliegen (s. dazu N 2896g f.).22

II.

Abgrenzungen

1.

Zur Pacht (Art. 275 ff. OR)

Im Unterschied zur Miete schliesst die Pacht neben dem Gebrauch der Sache auch deren Nutzung ein (Bezug der Früchte oder bzw. und Erträge; Art.  275  OR). So wird in der Regel ein Reitpferd vermietet, eine Kuh hingegen verpachtet. Wird eine Wiese als Sportplatz gegen Entgelt zur Verfügung gestellt, so wird sie vermietet.23 Wenn Vieh auf ihr weiden soll, wird sie dagegen verpachtet.24 Im Unterschied zur

17 BK OR-Giger, Art. 253a N 33 m.w.H. 18 BBl 1985 I 1421; BGE 124 III 108 E. 2 b; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 253a N 2. 19 S. BGE 4C.425/1994, zitiert in Münch, 419 f. 20 Befürwortend BSK OR-Weber, Art. 253a/253b N 12; ähnlich auch SVIT-Rohrer, Vorb. zu Art. 253–273c N 26; ablehnend BK OR-Giger, Art. 253a N 33; ZK OR-Higi, Art. 253a–253b N 34; CHK OR-Hulliger/ Peter, Art. 253a N 2. 21 BBl 1985 I 1450. 22 ZK OR-Higi, Art. 266e N 44; BSK OR-Weber, Art. 266e N 1a f. 23 S. BGE 123 III 292. 24 S. Bucher, OR BT, 187.

884

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Miete können auch Rechte Gegenstand der Pacht sein (Art. 275 OR). Die Abgrenzung zwischen Miete und Pacht kann im Einzelfall schwierig sein. Zur Pacht von Geschäftsräumen s. N 3027.

2.

2898

Zur Gebrauchsleihe (Art. 305 ff. OR)

Die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung ist stets Gebrauchsleihe (Art.  305– 2899 311 OR). Der Entlehner hat keine Gegenleistung zu entrichten, obwohl die Leihe in seinem Interesse erfolgt. Im Gegensatz zur Miete umfasst die Leihe vorbehältlich einer anderen vertraglichen Regelung auch Nutzungsbefugnisse (Früchte).

3.

Zum Darlehen (Art. 312 ff. OR)

Das Darlehen (Art.  312–318  OR) bezieht sich auf Geld oder andere vertretbare 2900 Sachen, welche im Gegensatz zur gemieteten Sache ins Eigentum des Borgers übergehen und von diesem verbraucht werden dürfen. Rückzuerstatten sind alsdann Sachen «der nämlichen Art» (Art.  312  OR). Im Übrigen ist das Darlehen grundsätzlich nur dann verzinslich (das heisst entgeltlich), wenn ein Zins verabredet worden ist (Art. 313 Abs. 1 OR).

4.

Zur Hinterlegung (Art. 472 ff. OR)

Gegenstand der Hinterlegung (Art. 472–491 OR) kann nur eine bewegliche Sache sein. Der Aufbewahrer darf die Sache ohne Einwilligung der Hinterlegerin nicht gebrauchen (Art. 474 Abs. 1 OR). Die Hinterlegung ist im Zweifelsfall unentgeltlich (Art. 472 Abs. 2 OR), erfolgt aber im Interesse der Hinterlegerin.

2901

Beispiel, bei welchem das Bundesgericht Mietrecht für anwendbar erklärte: Ein Hotelier stellt seinen Gästen ein individuelles Schliessfach (Safe) zur Verwahrung von Wertgegenständen zur Verfügung25; anders dagegen Motorfahrzeug, welches in einer verschliessbaren Autobox eingestellt wird26.

2902

5.

Zum Kauf (Art. 184 ff. OR)

Vom Kauf (Art. 184–236 OR) unterscheidet sich die Miete dadurch, dass die Sache nicht zu Eigentum, sondern nur zum vorübergehenden Gebrauch übertragen 25 BGE 95 II 541 E. 2; s. auch BGE 102 Ib 314 E. 3b. 26 BGE 76 II 154 E. 2.

885

2903

5. Kapitel

Nominatverträge

wird.27 Beim so genannten Miet-Kauf-Vertrag überlässt die Vermieterin dem Mieter die Sache entgeltlich zum Gebrauch und überträgt ihm das Eigentum daran erst in einem zweiten Schritt; dabei werden die geleisteten Mietzinszahlungen häufig mindestens zum Teil auf den Kaufpreis angerechnet.28 Unter Umständen müssen hier wegen der Art der Finanzierung die Bestimmungen über das Konsumkreditgesetz (KKG)29 beachtet werden.30 Bei unbeweglichen Sachen liegt ein Mietverhältnis vor, solange ein allfälliges Kaufrecht nicht ausgeübt wird. Bei Ausübung des Kaufrechts sind die Bestimmungen zum Grundstückkauf (Art. 216 ff. OR) anwendbar.31

6.

Zum Konsumkreditvertrag

2904

Die Regeln des KKG finden keine Anwendung auf die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen.32 Das heisst, dass die Vermieterin  – beispielsweise bei Gewährung eines Zahlungsaufschubs (vgl. Art. 1 Abs. 1 KKG) – nicht an die Vorschriften des KKG gebunden ist. Dagegen kann ein Mietvertrag über eine bewegliche Sache33 oder ein Darlehen, welches zum Zweck der Wohnungsfinanzierung aufgenommen wird, als Konsumkreditvertrag (s. N 3095 ff.) qualifiziert werden, falls die entsprechenden Voraussetzungen nach Art. 1 Abs. 1 KKG erfüllt sind.

2905

Im Gegensatz zum Konsumgüterleasing ist bei der Miete eine nachträgliche Erhöhung des Mietzinses im Falle einer (vorzeitigen) Kündigung des Vertrages ausgeschlossen (Art. 266k OR; Art. 1 Abs. 2 lit. a KKG).

7. 2906

Zu Innominatverträgen mit mietrechtlichem Einschlag

Es gibt zahlreiche Innominatverträge mit mietrechtlichem Einschlag. Im Mietrecht sind viele Normen zwingend. Damit stellt sich in jedem einzelnen Fall die Frage, ob der Schutzzweck der zwingenden Norm die jeweilige Innominatkonstellation einschliesst. Bei den dispositiven Normen hängt die Anwendung davon ab, ob ihr Inhalt dem Willen der Parteien entspricht. Das Bundesgericht nimmt bei gemischten Verträgen mit mietrechtlichem Einschlag mit Bezug auf die Beendigung eine inhaltliche Gewichtung vor. Es stellt diesbezüglich auf den Regelungsschwerpunkt ab: «Stehen verschiedene Parteivereinbarungen nicht als selbständige Verträge nebeneinander, sondern sind nach dem Willen der Parteien mehrere Vertragsbestandteile 27 28 29 30 31 32 33

886

Engel, CO PS, 137. BGE 86 IV 160 E. 1. Bundesgesetz vom 23. März 2001 über den Konsumkredit (SR 221.214.1). Ausführlich Lupi Thomann, 113 ff. ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 253–274g N 179. Lupi Thomann, 111. Ausführlich dazu Lupi Thomann, 103 ff.

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

in der Weise miteinander verknüpft und voneinander abhängig, dass ein gemischter oder ein zusammengesetzter Vertrag vorliegt [s. N 3684 ff. bzw. N 3676 ff.], so ist dieser als Einheit aufzufassen. Das wirkt sich insbesondere hinsichtlich der Vertragsbeendigung aus. Die einzelnen Vertragsbestandteile einem unterschiedlichen rechtlichen Schicksal zu unterwerfen, ginge angesichts ihrer gegenseitigen Abhängigkeit nicht an.»34 Die Lehre unterscheidet zwischen Mietverträgen mit typenfremder Nebenleis- 2907 tung (z.B. Miete eines Zimmers mit Bedienung oder Reinigung) und Verträgen, bei denen die Miete die typenfremde Nebenleistung (z.B. Gastaufnahmevertrag) ist. Sofern keine abweichende Vereinbarung vorliegt, ist bei der ersten Kategorie grundsätzlich Mietrecht anwendbar. Bei der zweiten Kategorie kommt dem mietvertraglichen Element im Rahmen des Vertrages bloss eine untergeordnete Bedeutung zu. Beispiele:

2908

• Automatenaufstellungsvertrag: Die Platzgeberin verpflichtet sich, dem Aufsteller entgeltlich einen Platz zur Aufstellung eines Automaten zur Verfügung zu stellen, und übernimmt unter Umständen weitere Pflichten, wie beispielsweise keine Automaten von Konkurrenzunternehmen aufzustellen. Ist das Überlassen des Standplatzes die einzige Leistungspflicht des Platzinhabers, liegt ein gewöhnlicher Mietvertrag vor. 35 Tritt indessen ein Zweckförderungselement hinzu, das namentlich Förderungspflichten, Kontrollrechte und Konkurrenzverbote zum Gegenstand hat, liegt ein Innominatvertrag vor, der neben Elementen der Miete auch gesellschaftsrechtliche oder mindestens kooperationsvertragliche Komponenten aufweist.36 • Gastaufnahmevertrag: Die Hauptleistung besteht in der Beherbergung und Verpflegung eines Gastes gegen Entgelt. Beim Gastaufnahmevertrag treten zumeist die mietrechtlichen Benützungsrechte gegenüber den auftragsrechtlichen, kaufrechtlichen und allenfalls werkvertraglichen Elementen zurück.37 • Hauswartvertrag: Dieser kombiniert regelmässig Miete und Arbeit in einem Vertrag. Das hat zur Folge, dass Leistung und Gegenleistung nicht der gleichen Vertragsart zuzuordnen sind. Bezüglich der Gebrauchsüberlassung der Dienstwohnung können in der Regel die mietrechtlichen Bestimmungen angewendet werden, bezüglich der Arbeitsleistungen des Hauswarts bieten sich die arbeitsrechtlichen Bestimmungen an, wenn nicht Auftrag oder ein auftragsähnliches Konstrukt vorliegt. Bei der Kündigung des gesamten Rechtsverhältnisses sind

34 35 36 37

BGE 118 II 157 E. 3a; kritisch ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 253–274g N 202. BGE 2A.599/2004, E. 5.1; 110 II 474 E. 3a. BGE 2A.599/2004 E. 5.1; 99 IV 201 E. 2.b. ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 253–274g N 215.

887

5. Kapitel

Nominatverträge

die Regeln desjenigen Vertrages anwendbar, welcher den überwiegenden Teil der Leistung ausmacht.38 • Leasingvertrag: Je nach Ausgestaltung des Leasings liegen neben dem mietrechtlichen Element noch Elemente von Kauf und eventuell Pacht und Auftrag vor.

III.

Abschluss des Mietvertrages

1.

Vertragsparteien

1.1

Vermieterin

2909

Vermieterin ist jede natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft, die Eigentum an der Mietsache hat oder aufgrund einer anderen besonderen Rechtsbeziehung über die Mietsache verfügen kann (z.B. eine Nutzniesserin [Art. 758 ZGB], Untervermieterin [Art. 262 OR]).39 Nach Übertragung der Mietsache auf den Mieter ist die vermietende Eigentümerin zwar noch selbständige, aber nur noch mittelbare Besitzerin der Mietsache (Art. 920 ZGB).

2909a

Mehrere Personen können ein Objekt auch gemeinsam vermieten. Je nach Art und Ausgestaltung der Gemeinschaft, welche die Vermieterinnen untereinander bilden, sowie der Natur des Anspruchs sind die Vermieterinnen entweder einzeln oder solidarisch bzw. anteilsmässig oder gemeinschaftlich aus dem gemeinsamen Mietverhältnis berechtigt und verpflichtet.40 Die Frage der Haftung sowie die Zuordnung der Forderungen und Schulden richten sich also nach den jeweiligen Umständen.41 Nach mehrheitlicher Lehre liegen bei teilbaren Leistungen (z.B. einer Geldschuld) im Zweifelsfall Teilforderungen und Teilschulden (s. dazu N 2281 f. und N 2319) vor.42 Bei unteilbaren Leistungen wie z.B. Sachleistungen gilt dagegen Art.  70 Abs. 2 OR (s. dazu N 2289 ff.). Der Mieter kann demnach von jeder einzelnen Vermieterin die Übergabe und den Unterhalt des Mietobjekts fordern.43 Gestaltungs-

38 BGE 133 III 566 E.  3.1 = Pra 2006 Nr.  54; ZK  OR-Higi, Vorb. zu Art.  253–274g N  216; s. auch BGE 4A_102/2013 E. 2.2; Biber, mp 2014, 24 f. m.w.H. 39 CPra Bail-Bohnet/Dietschy-Martenet, Art. 253 N 2 f. 40 S. für eine ausführlichere Zusammenstellung CPra Bail-Bohnet/Dietschy-Martenet, Art. 253 N 6 ff.; ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 253–274g N 109 ff. 41 Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 904. 42 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 253 N 12; BSK OR-Weber, Vor Art. 253–273c N 2; s. auch BGE 140 III 150 E. 2.2.3 (Teilgläubigerschaft bei Verkauf eines im Miteigentum stehenden Grundstücks); a.M. CPra Bail-Bohnet/Dietschy-Martenet, Art. 253 N 6 und N 26. 43 CPra Bail-Bohnet/Dietschy-Martenet, Art.  253 N  7; ZK  OR-Higi, Vorb. zu Art.  253–274g N  113; s. auch BGE 4C.103/2006 E. 4.1.

888

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

rechte wie z.B. die Kündigung (Art. 266 ff. OR) müssen grundsätzlich von allen Vermieterinnen gemeinsam ausgeübt werden und an alle Mieter gerichtet sein.44 1.2

Mieter

Mieter ist, wer das vertraglich eingeräumte Gebrauchsrecht an der Mietsache hat 2910 und dafür ein Entgelt entrichtet. Es kann sich ebenfalls um eine natürliche oder juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft handeln.45 Der Mieter ist unselbständiger unmittelbarer Besitzer (Art. 920 ZGB). Auch auf der Mieterseite können mehrere Personen Vertragspartner sein. Mehrere 2910a Mieter haften in der Regel – aber nicht zwingend – solidarisch für die Erfüllung ihrer Pflichten (z.B. Zahlung des Mietzinses).46 Nach Auffassung des Bundesgerichts liegt bei einer gemeinsamen Miete einer Wohnung oder eines Geschäftsraums in den meisten Fällen eine einfache Gesellschaft (Art. 530 ff. OR) vor. Denn der gemeinsame Betrieb eines Geschäfts bzw. das gemeinsame Wohnen gehe regelmässig über die blosse gemeinsame Nutzung einer Sache durch mehrere Personen hinaus und begründe dementsprechend zumindest den Anschein einer einfachen Gesellschaft.47 Bei der Ausübung von Gestaltungsrechten (z.B. Kündigung, Mieterstreckung) müssen die Mieter grundsätzlich gemeinschaftlich handeln und gegenüber allen Vermieterinnen geltend machen.48 Sind sich die Mieter uneinig darüber, ob sie ein solches Recht ausüben wollen, so soll der Einzelne auch selbständig vorgehen können (z.B. Anfechtung einer Kündigung)49. Wegen der Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung müssen jedoch alle am Vertrag beteiligten Parteien in das Verfahren miteinbezogen werden. Diesfalls liegt eine notwendige Streitgenossenschaft (s. Art. 70 ZPO50) vor.51

44 45 46 47 48 49 50 51

BGE 140 III 491 E. 4.2.1. Zur Ausübung von Gestaltungsrechten ausführlich s. CPra Bail-Bohnet/Dietschy-Martenet, Art. 253 N 13 ff. CPra Bail-Bohnet/Dietschy-Martenet, Art. 253 N 23. S. BSK OR-Weber, Vorb. zu Art. 253–274g N 2. BGE vom 13. Mai 1996 E. 3 = Pra 1996 Nr. 240; s. auch BGE 4A_352/2012 E. 3; 108 II 204 E. 4b. BGE 140 III 491 E. 4.2.1. S. BGE 140 III 598. Zur Ausübung von Gestaltungsrechten ausführlich s. CPra Bail-Bohnet/DietschyMartenet, Art. 253 N 33 ff. Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2012 (Zivilprozessordnung; SR 272). BGE 140 III 598 E.  3.2; s. dazu ausführlich auch Mietrecht für die Praxis-Püntener, 19  ff.; BSK  ORWeber, Vorb. zu Art. 253–274g N 2 ff.; a.M. CPra Bail-Bohnet/Dietschy-Martenet, Art. 253 N 36a.

889

5. Kapitel

Nominatverträge

2.

Vertragsinhalt

2.1

Mietzins (Art. 257 OR)

2911

Der «Mietzins» ist das Entgelt, welches der Mieter der Vermieterin für die Überlassung der Sache schuldet (Art. 257 OR). Der Mietzins kann dabei als fixer Betrag (z.B. CHF 2500 pro Monat) angegeben oder mittels variabler Komponenten bestimmt werden (z.B. bei der Miete eines Geschäftsraumes 10% des jeweiligen Bruttoumsatzes pro Monat); eine Kombination von fixen und variablen Komponenten ist ebenfalls erlaubt (z.B. CHF 1500 pro Monat plus 10% des monatlichen Bruttoumsatzes).52 Ist statt des Mietzinses eine andere Leistung zu erbringen, z.B. Arbeitsleistungen in Form von Hauswartdiensten, liegt ein gemischter Vertrag vor.53

2912

In Rechtsprechung und Lehre ist umstritten, ob sich die Parteien auch über die Höhe des Mietzinses (sog. essentialia negotii) einigen müssen: Das Bundesgericht und ein Teil der Lehre verlangen, dass der Mietzins bestimmt oder wenigstens objektiv bestimmbar sein muss (analog zum Kaufpreis). Eine blosse Einigung über die Entgeltlichkeit der Miete genügt demnach für das Zustandekommen des Vertrages nicht.54 Gemäss Bundesgericht darf das Gericht einen Mietvertrag betreffend den Mietzins nur hinsichtlich der bereits erfolgten Nutzung ergänzen. Wird die Miete angetreten, obwohl keine Einigung über den Mietzins erzielt werden konnte, liegt zumindest ein mietvertragsähnliches bzw. quasivertragliches Verhältnis zwischen den Parteien vor. Das Gericht bestimmt alsdann gemäss dem hypothetischen Parteiwillen oder gemäss dem marktüblichen Mietzins die Höhe der zu leistenden Entschädigung für die bereits erfolgte Nutzung.55 Nach einem anderen Teil der Lehre ist die Höhe des Mietzinses dagegen kein wesentlicher Vertragspunkt. Demnach genügt es, wenn die Parteien sich geeinigt haben, die Mietsache gegen ein Entgelt zu überlassen.56 2.2

2912a

Mietobjekt

Zu den möglichen Mietobjekten s. N 2893 ff.

52 53 54 55 56

890

Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N 294. ZK OR-Higi, Art. 253 N 30. BGE 119 II 347 E. 5a; Honsell, OR BT, 230 f.; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 253 N 8 und N 10; SVIT-Rohrer, Art. 253 N 5. S. BGE 4C.11/2002 E. 5; 108 II 112 E. 4. BSK OR-Weber, Art. 253 N 6.

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

2.3

Grenzen der Vertragsgestaltung

a.

Koppelungsgeschäft (Art. 254 OR)

Mieter und Vermieterin können zusammen mit einem Mietvertrag weitere Ver- 2913 träge abschliessen. Wird der Abschluss oder die Weiterführung des Mietvertrages vom Zustandekommen eines anderen Rechtsgeschäfts abhängig gemacht und hängen die Verpflichtungen des Mieters aus diesem Vertrag nicht unmittelbar mit dem Gebrauch der Mietsache zusammen (Art. 254 OR), liegt ein sog. Koppelungsgeschäft vor. Zum Schutz des Mieters ist ein solches Geschäft im Zusammenhang mit der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen ungültig, wenn die Initiative zum Abschluss dieses anderen Vertrages von der Vermieterin oder einem Dritten ausgeht. Der Dritte muss dabei nicht Stellvertreter der Vermieterin sein. Hauptsache ist, dass er sich in einer Position befindet, die ihm erlaubt, die verpönte Koppelung herbeizuführen.57 Dies kann beispielsweise bei einem Mieter gegeben sein, der durch eine Übertragung des Geschäftsraums nach Art. 263 OR seinen Nachmieter bestimmen kann und diesem Nachmieter für die Übertragung des Mietvertrages ein sog. «Schlüsselgeld» abknöpft, oder bei einem Mieter, der bei einer vorzeitigen Rückgabe der Mietsache nach Art. 264 OR nur denjenigen Mieter der Vermieterin als zumutbaren Nachmieter meldet, der ihm seine Möbel abkauft.58 Das Bundesgericht fordert mit der Mehrheit der Lehre bei einer Handlung eines selbständigen Dritten, dass der Vermieterin das Kopplungsgeschäft bekannt war und sie diesem zustimmte.59 Ausgehend vom klaren Wortlaut von Art. 254 OR und nachdem nicht die Sanktionierung des Vermieterverhaltens, sondern der Schutz des Mieters im Vordergrund stehen dürfte,60 ist das Erfordernis der Mitwirkung der Vermieterin mit der Minderheit der Lehre abzulehnen.61 Art.  3 VMWG zählt beispielhaft einige Koppelungsgeschäfte auf: Verpflichtung 2913a des Mieters, Möbel oder Aktien zu kaufen oder einen Versicherungsvertrag abzuschliessen. Ob eine verpönte Koppelung vorliegt, ist im Einzelfall zu beurteilen. So fällt der sog. Hauswartvertrag (Vermietung einer Wohnung nur unter Übernahme einer Hauswartung) nicht unter die verpönten Koppelungsverträge.62 Gleiches gilt beispielsweise auch für die Verpflichtung des Mieters zum Abschluss einer Haft-

57 SVIT-Biber, Art. 254 N 26. 58 Vgl. BK OR-Giger, Art. 254 N 30. 59 BGE 4C.161/2001 E. 3; Blumer, N 376; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 254 N 6; CPra Bail-Montini/Bouverat, Art. 254 N 22. Zusätzlich verlangen gewisse Autoren, dass die Vermieterin vom Kopplungsgeschäft profitiert; so z.B. ZK OR-Higi, Art. 254 N 26. 60 A.M. BK OR-Giger, Art. 254 N 49. 61 SVIT-Biber, Art. 254 N 28 m.w.H. 62 Zu besonderen Aspekten beim Hauswartvertrag s. Biber, mp 2014, 23 ff.

891

5. Kapitel

Nominatverträge

pflicht- bzw. Hausratversicherung, falls kein bestimmter Versicherer vorgeschrieben ist.63 2913b

Die Ungültigkeit bezieht sich nur auf das entsprechende Koppelungsgeschäft; der Mietvertrag ist dagegen weiterhin gültig.64 Nach herrschender Lehre sind die aufgrund eines ungültigen Koppelungsgeschäfts erbrachten Leistungen nach ausservertraglichen Regeln (Art. 641 Abs. 2 ZGB; Art. 62 ff. OR) zurückzuerstatten.65 Die Kondiktion bzw. Vindikation der Vermieterin oder des Dritten dürfte in der Regel an Art. 66 OR bzw. am Rechtsmissbrauchsverbot (Art. 2 Abs. 2 ZGB) scheitern.66 Nach der hier vertretenen Auffassung sollten die aus dem mietfremden Koppelungsgeschäft erbrachten Leistungen nach vertraglichen Regeln zurückerstattet werden (zum Liquidationsverhältnis s. N  960  ff.), wobei sich nach Massgabe des Normzwecks von Art. 254 OR bestimmt, wer sich auf die Ungültigkeit berufen darf.67 b.

Verbot abweichender Vereinbarungen zum Nachteil des Mieters (Art. 256 Abs. 2 OR)

2914

Abweichende Vereinbarungen über die Pflichten der Vermieterin zum Nachteil des Mieters sind nichtig, wenn sie in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Art. 256 Abs. 2 lit. a OR; s. Art. 8 UWG68) oder in Mietverträgen über Wohn- und Geschäftsräume enthalten sind (Art. 256 Abs. 2 lit. b OR). Eine Vereinbarung gilt für den Mieter dann als nichtig, wenn diese die Übergabe- bzw. Unterhaltspflicht der Vermieterin im Sinne von Art. 256 Abs. 1 OR teilweise oder ganz aufhebt, ohne dass der Mieter hierfür entschädigt wird (z.B. durch einen tieferen Mietzins).69

2914a

Nichtig sind grundsätzlich nur die gegen Art. 256 Abs. 2 OR verstossenden Bestimmungen und nicht der gesamte Vertrag, es sei denn, der Mietvertrag als Ganzes werde durch deren Wegfall infrage gestellt (Art. 20 Abs. 2 OR).70

3. 2914b

Vertragsform

Der Mietvertrag bedarf grundsätzlich keiner besonderen Form (Art. 11 Abs. 1 OR); aus beweistechnischen Gründen empfiehlt es sich allerdings, einen schriftlichen 63 64 65 66 67 68 69 70

892

SVIT-Biber, Art. 254 N 21. Für die Westschweiz vgl. Art. 6 CCR, wonach gemäss diesem allgemeinverbindlich erklärten Rahmenmietvertrag sowohl für den Mieter als auch für die Vermieterin die Pflicht besteht, eine Haftpflichtversicherung abzuschliessen, die allfällige Ansprüche aus dem Mietvertrag deckt. ZK OR-Higi, Art. 254 N 37 f.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 1645. SVIT-Biber, Art. 254 N 35; BK OR-Giger, Art. 254 N 78; ZK OR-Higi, Art. 254 N 42 ff.; wohl gl.M. auch BGE 140 III 583 E. 3.2.3 = Pra 2015 Nr. 102; 130 III 504 E. 6.2 = Pra 2005 Nr. 6. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 254 N 9. Ähnlich auch BSK OR-Weber, Art. 254 N 6. Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (SR 241). CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 256 N 7; SVIT-Tschudi, Art. 256 N 50. ZK OR-Higi, Art. 254 N 74.

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Vertrag abzuschliessen.71 Für bestimmte Willenserklärungen ist im Sinne einer lex specialis eine besondere Form vorgeschrieben (so müssen z.B. Mieter und Vermieterin von Wohn- und Geschäftsräumen schriftlich kündigen; Art. 266l OR). Bei Wohnungsmangel können die Kantone bei Abschluss von neuen Mietverträgen 2915 den Gebrauch eines amtlichen Formulars zur Mitteilung des Anfangsmietzinses verbindlich vorschreiben (Art. 270 Abs. 2 OR; s. zum Inhalt des Formulars Art. 19 VMWG).72 Wurde diese Formularpflicht missachtet, hat dies laut Bundesgericht nicht die Nichtigkeit des gesamten Mietvertrages zur Folge. Es liegt lediglich Teilnichtigkeit in Bezug auf die vereinbarte Mietzinshöhe vor (Art. 20 Abs. 2 OR) vor.73 Der Mietzins ist alsdann unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls festzulegen; der letzte Mietzins des Vormieters lebt nicht automatisch wieder auf.74

IV.

Pflichten der Vermieterin

1.

Hauptpflichten (Art. 256 OR)

Die Vermieterin trifft eine Übergabe- und eine Instandhaltungspflicht: Sie muss 2916 dem Mieter die Mietsache übergeben (Art. 253 und Art. 256 Abs. 1 OR; N 2916a f.) und dafür sorgen, dass sich diese sowohl in einem (zum vorausgesetzten Gebrauch) tauglichen Zustand befindet als auch darin erhalten bleibt (Art.  256 Abs.  1  OR; N 2916c). 1.1

Übergabe der Sache

Die Vermieterin hat dem Mieter die Mietsache zum vereinbarten Zeitpunkt zu 2916a übergeben, das heisst, die tatsächliche Sachherrschaft über die Mietsache zu ermöglichen (s. Art. 256 Abs. 1 OR).75 Haben die Parteien nichts anderes vereinbart, so ist der Mieter – anders als bei der Pacht (Art. 283 Abs. 1 OR) – grundsätzlich nicht verpflichtet, die Sache nach erfolgter Übergabe auch zu gebrauchen. Ausnahmsweise ist eine solche Gebrauchspflicht anzunehmen, wenn der Nichtgebrauch die Mietsache erheblich schädigen kann (z.B. Stillstandschäden durch Nichtbenutzung eines Autos).76 71 Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N 283. 72 Derzeit haben die Kantone Genf, Freiburg, Neuenburg, Nidwalden, Waadt, Zug und Zürich davon Gebrauch gemacht. 73 BGE 140 III 583 E. 3.2 = Pra 2015 Nr. 102; 137 III 547 E. 2.3 = Pra 2012 Nr. 40. 74 BGE 124 III 62 E. 2b = Pra 1998 Nr. 53; 120 II 341 E. 6c = Pra 1995 Nr. 252. 75 BK OR-Giger, Art. 256 N 27 f. 76 BK OR-Giger, Art. 256 N 31 f.; Mietrecht für die Praxis-Püntener, 34 f. Zur Gebrauchspflicht s. auch BGE 4C.302/2003 E. 1.

893

5. Kapitel

2916b

Nominatverträge

Die Parteien können den Zeitpunkt sowie den Ort der Übergabe frei bestimmen. Bei fehlender Vereinbarung gelten die allgemeinen Erfüllungsbestimmungen von Art. 74 OR. Mietsachen sind ohne anderweitige Vereinbarung regelmässig dort zu übergeben, wo sie sich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses befinden (Art. 74 Abs. 2 Ziff. 2 OR).77 Gerät die Vermieterin mit ihrer Übergabepflicht in Verzug, so kann der Mieter nach den allgemeinen Verzugsregeln von Art.  107–109  OR vorgehen (Art. 258 Abs. 1 OR; ausführlich dazu N 2939k f.). 1.2

Gebrauchstauglichkeit der Mietsache

2916c

Nach Art.  256 Abs.  1  OR muss die Mietsache nicht nur übergeben werden, sondern zusätzlich auch für die Zwecke taugen, für welche sie gemietet bzw. vermietet worden ist.78 Ob die Mietsache den vorausgesetzten Gebrauch tatsächlich ermöglicht, hängt in erster Linie vom Vertragszweck ab, den die Parteien ausdrücklich oder konkludent vereinbart haben, und bestimmt sich nach objektiven Kriterien.79 Massgeblich ist, welche Eigenschaften ein Mieter von der Mietsache unter den konkreten Umständen vernünftigerweise erwarten darf.80 Zu berücksichtigen sind etwa die Lage und das Alter des Mietobjekts,81 die Höhe des Mietzinses,82 Zusicherungen der Vermieterin83 oder das Verhalten der Parteien bei Vertragsabschluss bzw. nach Antritt des Mietverhältnisses84.

2916d

Übergibt die Vermieterin die Mietsache nicht im geschuldeten Zustand oder erhält sie diese nicht in demselben, so kann der Mieter die Mängelrechte nach Art. 258 ff. OR geltend machen.85 Verwendet der Mieter die Mietsache nicht gemäss dem vorausgesetzten Gebrauch (z.B. Verwendung eines als Wohnung vermieteten Mietobjekts als Gewerberaum), liegt eine Vertragsverletzung im Sinne von Art. 257f OR vor (ausführlich zu den Leistungsstörungen s. N 2939a ff.).86

77 78 79 80 81 82 83 84 85 86

894

S. dazu ausführlich BK OR-Giger, Art. 256 N 35 ff.; ZK OR-Higi, Art. 255 N 12 ff. und Art. 256 N 46 ff. BBl 1985 I 1423. ZK OR-Higi, Art. 256 N 29 f.; BSK OR-Weber, Art. 256 N 3 f. BGE 135 III 345 E. 3.2 = Pra 2009 Nr. 135; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 256 N 4. ZK OR-Higi, Art. 256 N 30; CPra Bail-Montini/Bouverat, Art. 256 N 28. BGE 4C.65/2002 E. 3a und E. 3b. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 256 N 4; dazu ausführlich SVIT-Tschudi, Art. 256 N 25 ff. SVIT-Tschudi, Art. 256 N 33 f.; s. auch ZK OR-Higi, Art. 256 N 32. SVIT-Tschudi, Art. 256 N 23 f. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 256 N 6; SVIT-Reudt, Art. 257f N 9.

§ 31

2.

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Nebenpflichten und Obliegenheiten

Die Nebenpflichten der Vermieterin ergeben sich aus Vertrag, Gesetz sowie Treu 2917 und Glauben (z.B. Auskunfts-, Aufklärungs-, Informations-, Schutz- und Obhutspflichten; allgemein zu den Nebenpflichten s. N 99 ff.). 2.1

Auskunftspflichten (Art. 256a und Art. 257b Abs. 2 OR)

Der Mieter kann von der Vermieterin die Einsicht in ein allfälliges Rückgabepro- 2917a tokoll, das am Ende des vorangehenden Mietverhältnisses erstellt worden ist, verlangen (Art. 256a Abs. 1 OR). Eine gesetzliche Pflicht zur Erstellung eines solchen Rückgabeprotokolls besteht allerdings nicht (s. ausführlich zum Rückgabeprotokoll N 3012).87 Die Vermieterin ist ausserdem verpflichtet, auf Verlangen des Mieters die Höhe des Mietzinses des vorherigen Mietverhältnisses mitzuteilen (Art. 256a Abs. 2 OR; beachte auch Art. 270 OR) sowie Einsicht in die Nebenkostenbelege zu gewähren (Art. 257b Abs. 2 OR; s. auch Art. 8 Abs. 2 VMWG). Das Mietrecht regelt die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Auskunftspflichten 2917b nicht.88 Verweigert die Vermieterin, das Rückgabeprotokoll vorzulegen oder die Höhe des Mietzinses des vorangegangenen Mietverhältnisses bekannt zu geben (Art.  256a  OR), so kann dies das Gericht bei der Beweiswürdigung und bei der Auferlegung der Kosten in einem allfälligen Prozess entsprechend berücksichtigen (vgl. auch Art. 164 ZPO).89 Die Verweigerung des Einsichtsrechts gemäss Art. 257b Abs. 2 OR verhindert die Fälligkeit der Nachzahlungsforderung für Nebenkosten bei Akontovereinbarungen der Vermieterin;90 der Mieter befindet sich in einem solchen Fall nicht im Zahlungsverzug. 2.2.

Tragung von Lasten und Abgaben (Art. 256b OR)

Die Vermieterin trägt die mit der Sache verbundenen Lasten und öffentlichen Abga- 2917c ben (Art. 256b OR). Darunter sind sämtliche Belastungen zu verstehen, die mit dem blossen «Haben», also mit dem Eigentum am Mietobjekt, zusammenhängen (z.B. Grundsteuern, Gebäudeversicherungsprämien, Strassen- und sonstige Erschliessungsgebühren aller Art, Grundlasten, Baurechtszinse etc.).91

87 88 89 90

CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 256a N 3. SVIT-Biber, Art. 256a N 13 und N 24; CPra Bail-Montini/Bouverat, Art. 256a N 13 und N 23. ZK OR-Higi, Art. 256a N 29 und N 38; CPra Bail-Montini/Bouverat, Art. 256a N 13 und N 24. ZK  OR-Higi, Art.  257a–257b N  33; BSK  OR-Weber, Art.  257b N  7; ausführlich zum Einsichtsrecht BK OR-Giger, Art. 257b N 42 ff. 91 ZK  OR-Higi, Art.  256a–256b N  40. Ausführlich zu den verschiedenen Lasten und Abgaben CPra BailBieri, Art. 256b N 5 ff.

895

5. Kapitel

2917d

Nominatverträge

Die Lasten und Abgaben sind abzugrenzen von den Nebenkosten (Art. 257a f. OR), die direkt oder indirekt mit dem Gebrauch der Sache zusammenhängen (z.B. Heizkosten, TV-Anschlussgebühren; ausführlich zu den Nebenkosten s. N 2923 ff.).92 2.3.

Ordnungsgemässe Behandlung der vom Mieter geleisteten Sicherheiten (Art. 257e OR)

a.

Allgemeines

2918

Die Vermieterin kann vom Mieter eine Sicherheit zur Deckung ihrer Ansprüche aus dem Mietverhältnis (z.B. Mietzinse, Nebenkosten, Mängel bei Rückgabe des Mietobjekts etc.) verlangen, wenn die Parteien dies bei Mietbeginn vertraglich vereinbart haben.93 In der Praxis werden solche Sicherheitsleistungen in der Regel als «Mietzinsdepot» oder «Miet(zins)kaution» bezeichnet.94 Neben den gesetzlich geregelten Sicherheitsleistungen in Form von Geld oder Wertpapieren (Art. 257e OR) können die Parteien auch andere Massnahmen vereinbaren (z.B. Solidarschuldnerschaft), um allfällige Schäden oder Mietzinsausfälle zu decken.95 Diese alternativen Sicherheitsleistungen unterliegen nicht Art. 257e OR.

2918a

Immer häufiger schliessen Mieter  – in der Regel aus wirtschaftlichen Überlegungen96  – eine Mietkautionsversicherung bei einem Versicherer ab, statt ein Mietzinsdepot bei einer Bank zu hinterlegen. Um eine Mietkautionsversicherung abschliessen zu können, bedarf es allerdings der Zustimmung der Vermieterin. Der Versicherer ist am Mietvertrag zwischen Vermieterin und Mieter nicht beteiligt.97 Er verpflichtet sich lediglich gegen Entgelt, bis zu einer vertraglich vereinbarten Maximalsumme als Bürge des Mieters gegenüber der Vermieterin einzustehen, falls Letztere Forderungen aus dem Mietverhältnis gegenüber dem Mieter geltend macht. Der Mieter hat hierfür eine jährliche Prämie von in der Regel 5% der vereinbarten Bürgschaftssumme zu leisten. Kann der Mieter (vorübergehend) seinen Verpflichtungen nicht nachkommen (z.B. Zahlung des Mietzinses oder von Mieterschäden), so schiesst der Versicherer das Geld bis zur vereinbarten Bürgschaftssumme vor und fordert dieses anschliessend wieder vom Mieter zurück.98

92 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 256b N 3. 93 CPra Bail-Marchand, Art. 257e N 8; Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 371 m.w.H. 94 Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 369. 95 Zu den verschiedenen Möglichkeiten s. Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 368 ff. 96 S. dazu auch Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N 322. 97 Vgl. auch BGE 2C_410/2010 E. 3 und E. 4. 98 Zu den Vor- und Nachteilen einer Mietkautionsversicherung für die Vermieterin und den Mieter s. Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N 823; Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 369.

896

§ 31

b.

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Anforderungen an die Mietkaution

Bei Sicherheiten in Form von Geld oder Wertpapieren anlässlich der Miete von 2918b Wohn- und Geschäftsräumen ist zwingend99 Art. 257e OR zu beachten. Die Vermieterin darf ein solches Depot keinesfalls in ihrem eigenen Vermögen behalten bzw. dieses selber verwalten, sondern muss gemäss Art. 257e Abs. 1 OR das Geld oder die Wertpapiere bei einer Bank auf einem Sparkonto oder einem Depot hinterlegen, das auf den Namen des Mieters lautet. Die Vermieterin kann dabei frei bestimmen, bei welcher Bank das Konto bzw. Depot errichtet werden soll (s. aber für die Westschweiz Art. 2 Abs. 3 CCR, der eine «Bank am Ort der Liegenschaft» vorschreibt).100 c.

Durchsetzung und Verfahren

Befindet sich die Vermieterin mit ihrer Hinterlegungspflicht im Verzug oder hat sie die bereits geleistete Sicherheit nicht ordnungsgemäss hinterlegt (s.  Art.  257e Abs. 1 OR), so kann der Mieter diese zurückfordern oder seine fälligen Mietzinse mit dem bereits geleisteten Mietzinsdepot verrechnen (zum Verzug des Mieters s.  N  2969).101 Der Mieter kann seinen Anspruch auf korrekte Hinterlegung des Mietzinsdepots nötigenfalls auch mittels vorsorglicher Massnahmen gerichtlich durchsetzen.102

2918c

Die Vermieterin kann nicht nach eigenem Belieben auf das Mietzinsdepot zurück- 2918d greifen. Die Bank darf das Geld oder die Wertpapiere vielmehr nur mit Zustimmung beider Parteien oder gestützt auf einen rechtskräftigen Zahlungsbefehl bzw. ein rechtskräftiges Urteil herausgeben (Art.  257e Abs.  3 Satz 1  OR). Hat die Vermieterin ihren Herausgabeanspruch nicht innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Mietverhältnisses mittels Klage oder Betreibung103 geltend gemacht, so kann der Mieter alleine die Herausgabe des Mietzinsdepots verlangen (Art. 257e Abs. 3 Satz 2 OR). 2.4.

Prüfungs- und Rügeobliegenheit bei Rückgabe der Sache (Art. 267a OR)

Will die Vermieterin Schadenersatzansprüche für Mängel geltend machen, trifft sie die Obliegenheit104, die Sache sofort nach deren Rückgabe zu prüfen und allfällige 99 CHK  OR-Hulliger/Heinrich, Art.  257e N  1; SVIT-Reudt, Art.  257e N  3; Stoll, mp 2007, 66; BSK OR-Weber, Art. 257e N 2a. 100 CR CO-Lachat, Art. 257e N 6; SVIT-Reudt, Art. 257e N 12. Nach Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 373 FN 31, soll auch der Mieter ein solches Wahlrecht haben. 101 BGE 127 III 237 E. 4c bb; Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 374. Ausführlich zu den Rechtsfolgen bei Verletzung dieser Pflichten s. CPra Bail-Marchand, Art. 257e N 23; zu den strafrechtlichen Konsequenzen s. SVIT-Reudt, Art. 257e N 14. 102 ZK OR-Higi, Art. 257e N 30; dazu ausführlich s. Frese/Kobel, mp 2016, 104 f. 103 BSK OR-Weber, Art. 257e N 11. 104 CPra Bail-Aubert, Art. 267a N 2 und N 12; ZK OR-Higi, Art. 267a N 21 und N 38.

897

2918e

5. Kapitel

Nominatverträge

Mängel zu melden (Art. 267a Abs. 1 OR). Zu diesem Zweck wird in der Praxis meist ein Rückgabeprotokoll erstellt (ausführlich zur Rückgabe der Sache s. N 3010 ff.). 2918f

Die Mängelrüge ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie ist an keine bestimmte Form gebunden; aus Beweisgründen empfiehlt es sich allerdings, diese schriftlich zu erheben.105 Die Mängelrüge muss dabei klar und präzise sein. Das heisst, die Vermieterin muss die Mängel detailliert auflisten und klar aufzeigen, für welche dieser Mängel sie den Mieter haftbar machen will.106

2919

Versäumt es die Vermieterin, die Sache zu prüfen bzw. die Mängelrüge rechtzeitig zu erheben, verwirkt sie ihre Ansprüche gegenüber dem Mieter, soweit es sich um offene Mängel handelt (Art.  267a Abs.  2  OR). Später entdeckte Mängel muss sie sofort melden (Art. 267a Abs. 3 OR). 2.5.

2919a

2920

Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben können sich weitere Informations- und Schutzpflichten ergeben (z.B. rechtzeitige Information über Abstellen des Wassers, rechtzeitige Anzeige von Renovations- oder Reparaturarbeiten, Warnung über bestimmte Gefahren bei der Benützung der Mietsache etc.).107 Dabei handelt es sich in der Regel um Obliegenheiten.108

V.

Pflichten des Mieters

1.

Hauptpflichten

Hauptpflichten des Mieters sind die Bezahlung des Mietzinses bzw. je nach Vereinbarung die Pflicht zur Leistung eines anderen Entgelts109 (Art.  253 und Art. 257 OR) sowie die Rückgabe der Mietsache bei Beendigung des Mietverhältnisses (Art. 267 OR). 1.1.

2920a

Weitere Nebenpflichten und Obliegenheiten

Zahlung des Mietzinses (Art. 257 OR)

Der Mieter hat für die Überlassung der Mietsache zum Gebrauch ein Entgelt zu leisten (Art. 257 OR). Andernfalls liegt kein Mietvertrag im Sinne von Art. 253 ff. OR 105 106

Mietrecht für die Praxis-Roncoroni, 874. BGE 4A_545/2011 E.  3.2; CR  CO-Lachat, Art.  267a N  2; Mietrecht für die Praxis-Roncoroni, 873 m.w.H. Ausführlich zum Inhalt der Mängelrüge s. CPra Bail-Aubert, Art. 267a N 14 ff. 107 SVIT-Tschudi, Art. 256 N 13; ausführlich dazu s. ZK OR-Higi, Art. 256a–256b N 11 f. 108 BSK OR-Weber, Art. 256a N 9. 109 S. dazu auch SVIT-Biber, Art. 257–257b N 6; CPra Bail-Bieri, Art. 257 N 14.

898

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

vor. Im Zweifelsfall ist mit «Mietzins» das gesamte Entgelt für die Überlassung der Mietsache, also auch die Nebenkosten im Sinne von Art. 257a OR gemeint.110 Weder der Mieter noch die Vermieterin können im Voraus auf eine Verrechnung von Forderungen und Schulden aus dem Mietverhältnis verzichten (Art. 265 OR als spezielle Ausnahme von Art. 126 OR). Eine solche Abrede wäre nichtig111.

2921

Unter Vorbehalt anderer Abreden sind der Mietzins und allenfalls die Nebenkos- 2922 ten grundsätzlich auf das Ende jedes Kalendermonats zu bezahlen, spätestens aber am Ende der Mietzeit (Art.  257c  OR). In der Praxis wird regelmässig vereinbart, den Mietzins für den Folgemonat bereits im Voraus zu bezahlen.112 Mit Eintritt des (vereinbarten oder dispositiven) Zahlungstermins beginnt die 5-jährige Verjährungsfrist zu laufen (Art. 128 Ziff. 1 OR).113 Diese Frist gilt auch für periodisch zu bezahlende Nebenkosten.114 Die Periodizität der Mietzinse muss aus der Vereinbarung oder dem Ortsgebrauch hervorgehen, weil sie nicht im Gesetz vorgesehen ist.115 «Periodisch» bedeutet, dass der Mieter die Mietzinszahlungen in regelmässig wiederkehrenden Zeitabständen leisten muss (z.B. «zahlbar monatlich», «zahlbar vierteljährlich»).116 Haben mehrere Mieter gemeinsam die Mietsache gemietet, so haften sie grundsätz- 2922a lich solidarisch für die Bezahlung des Mietzinses (zum Mietverhältnis bei mehreren Mietern s. auch N 2910a).117 1.2.

Rückgabe der Sache (Art. 267 OR)

Eine weitere Hauptpflicht ist die Rückgabe der Mietsache bei Beendigung des Miet- 2922b verhältnisses (Art. 267 OR). Die Sache ist hierbei in dem Zustand zurückzugeben, der sich aus dem vertragsgemässen Gebrauch ergibt (Art. 267 Abs. 1 OR; ausführlich zur Rückgabe der Mietsache s. N 3010 ff.).

2.

Nebenpflichten und Obliegenheiten

Die weiteren Mieterpflichten sind in den Art. 257a–257h OR geregelt. Auf die wich- 2922c tigsten soll im Folgenden eingegangen werden: 110 111 112 113 114 115 116 117

BGE 124 III 201 E. 2c; BSK OR-Weber, Art. 257 N 1 m.w.H. CPra Bail-Marchand, Art. 265 N 2; BSK OR-Weber, Art. 265 N 1. Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N 317; so auch Art. 1 Abs. 1 CCR. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 257–257c N 16. Addorisio de Feo, mp 2001, 178; SVIT-Biber, Art. 257c N 7. Addorisio de Feo, mp 2001, 177 f.; ZK OR-Higi, Art. 257 N 34. Addorisio de Feo, mp 2001, 175. BGE 4A_12/2012 E.  2. Ausführlich zur solidarischen Haftung der Mieter s. CPra Bail-Bohnet/Dietschy-Martenet, Art. 253 N 24 ff.; Mietrecht für die Praxis-Püntener, 19 ff.

899

5. Kapitel

2.1

Nominatverträge

Zahlung von Nebenkosten (Art. 257a f. OR; Art. 4 ff. VMWG)

2923

Die Nebenkosten stellen das Entgelt für Leistungen der Vermieterin (oder eines Dritten) dar, die mit dem Gebrauch der Sache zusammenhängen (Art.  257a Abs. 1 OR). Gemeint sind neben den in Art. 257b Abs. 1 OR ausdrücklich aufgelisteten Leistungen wie Heizungs- und Warmwasserkosten z.B. die Kosten für Gartenpflege, Schneeräumung, Servicekosten (z.B. periodische Kontrolle des Lifts oder der Waschmaschine) oder für die Beleuchtung von allgemeinen Räumen (s. auch Art. 5 ff. VMWG).118 Keine Nebenkosten bilden Leistungen, welche keinen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Gebrauch der Sache haben (z.B. Grundsteuern, Versicherungsprämien und Erschliessungsgebühren).119 Diese fallen unter Art. 256b OR (s. dazu N 2917c f.). Nicht nebenkostenfähig sind auch Unterhaltskosten wie z.B. Reparaturen oder Ersatzanschaffungen, welche dem Erhalt der Sache dienen.120

2924

Gemäss Art. 257a Abs. 2 OR ist bezüglich der Nebenkosten eine besondere Vereinbarung notwendig. Fehlt eine solche, so muss der Mieter keine Nebenkosten bezahlen; sie gelten mangels vertraglicher Abrede als im Mietzins enthalten121 bzw. sind grundsätzlich durch die Vermieterin zu bezahlen122.

2925

Nach herrschender Lehre und Praxis ist für eine Nebenkostenvereinbarung keine besondere Form vorgeschrieben (Art.  11 Abs.  1  OR); die entsprechende Abmachung kann auch mündlich oder durch konkludentes Verhalten getroffen werden123 (z.B. wenn die Waschmaschine nur mit Münzeinwurf zu betreiben ist124). Wurde der Mietvertrag allerdings schriftlich abgeschlossen, so ist auch für die Nebenkostenabrede Schriftlichkeit erforderlich (Art.  16 Abs.  1  OR).125 «Besonders vereinbart» (s. Art. 257a Abs. 2 OR) bedeutet, dass eine spezielle Vereinbarung über die Nebenkosten besteht und dass die entsprechenden Posten detailliert aufgelistet werden.126 Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung müssen die Nebenkosten über-

118 119 120 121 122 123 124 125 126

900

SVIT-Biber, Art. 257–257b N 13. Für eine ausführliche Zusammenstellung s. Mietrecht für die PraxisBéguin, 320 ff. BGE 137 I 135 E. 2.4 = Pra 2011 Nr. 81; CR CO-Lachat, Art. 257a, 257b N 1. Zur Abgrenzung zwischen Art. 256b OR und Art. 257a f. OR s. CPra Bail-Bieri, Art. 256b N 15 ff. sowie Art. 257a/257b N 59 und N 83 ff. BBl 1985 I 1426; BGE 137 I 135 E. 2.4 = Pra 2011 Nr. 81; BSK OR-Weber, Art. 257a N 4; differenzierend CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 257–257c N 10. BGE 137 III 362 E. 3.2.1 = Pra 2012 Nr. 5; 4C.24/2002 E. 2.1; 121 III 460 E. 2a aa = Pra 1996 Nr. 152; Mietrecht für die Praxis-Béguin, 319 m.w.H. BGE 4A_215/2012 E. 2.1; 4P.323/2006 E. 2.1 m.w.H.; Mietrecht für die Praxis-Béguin, 324 m.w.H. zur Rechtsprechung. BGE 4A_194/2012 E. 2.1; 4P.323/2006 E. 2.1; Mietrecht für die Praxis-Béguin, 324 f.; CPra Bail-Bieri, Art. 257a/257b N 22; Rohrer, MRA 2006, 88. BBl 1985 I 1426; SVIT-Biber, Art. 257–257b N 20. Mietrecht für die Praxis-Béguin, 325; CPra Bail-Bieri, Art. 257a/257b N 23; s. auch BGE 4C.224/2006 E. 2.1. BGE 121 III 460 E. 2a aa = Pra 1996 Nr. 152; SVIT-Biber, Art. 257–257b N 19; s. CHK OR-Hulliger/ Heinrich, 257–257c N 7.

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

dies «im Vertrag eindeutig und genau bezeichnet werden»127, weshalb der Hinweis auf einen standardisierten Vertragszusatz wie etwa AGB nicht genügt.128 Dies gilt nach zutreffender Meinung auch dann, wenn die Nebenkosten in den AGB einzeln aufgelistet sind.129 Nebenkostenabreden, welche diese Anforderungen nicht erfüllen, sind nichtig.130 Zu Unrecht bezahlte Nebenkosten kann der Mieter von der Vermieterin zurück- 2925a fordern. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung beruht der Rückforderungsanspruch vor der Saldoziehung – also vor der Präsentation bzw. Zustellung der Nebenkostenabrechnung – auf Vertrag.131 Hat der Mieter die aufgerechneten und zugestellten Nebenkosten nicht innert der vereinbarten Frist beanstandet, so gelten diese als anerkannt (sog. «Saldoanerkennung»). Eine Rückerstattung von zu Unrecht dem Mieter auferlegten und von diesem bezahlten Nebenkosten ist nach anerkannter Saldoziehung aber dennoch möglich. Das Bundesgericht und ein Teil der Lehre unterstellen den Rückforderungsanspruch nach erfolgter Saldoziehung und Saldoanerkennung dem Bereicherungsrecht.132 Unseres Erachtens ist mit einem anderen Teil der Lehre auch in diesem Fall von einem vertraglichen Anspruch auszugehen:133 Der Mieter kann die Genehmigung wegen Willensmängeln (Art.  23  ff.  OR) anfechten134 und hat, wenn er obsiegt, einen vertraglichen Rückforderungsanspruch (s. N 583). 2.2

Leistung von Sicherheiten (Art. 257e OR)

Der Mieter ist nur dann zur Leistung von Sicherheiten verpflichtet, wenn die Par- 2925b teien dies vereinbart sowie Art und Umfang der Sicherheitsleistung bestimmt haben.135 Bei der Miete von Wohnräumen darf die Vermieterin höchstens drei Monatszinse 2926 als Sicherheit verlangen (Art. 257e Abs. 2 OR). Gemeint ist der Bruttomonatszins,

127 BGE 4A_194/2015 E. 2.1; 4A_215/2012 E. 2.1; 4P.323/2006 E. 2.1; s. auch BGE 135 III 591 E. 4.3.1 = Pra 2010 Nr. 53. 128 BGE 135 III 591 E.  4.3.1 = Pra 2010 Nr.  53; 4P.323/2006 E.  2.1 m.w.H.; statt vieler Béguin, mp 2004, 175 f.; CPra Bail-Bieri, Art. 257a/257b N 257; Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N 306; BSK OR-Weber, Art. 257a N 5; a.M. Polivka, MRA 2002, 115. 129 Béguin, mp 2004, 175; s. auch CPra Bail-Bieri, Art. 257a/257b N 27 ff.; a.M. Polivka, MRA 2002, 115. 130 KuKo OR-Blumer, Art. 257a/257b OR N 6; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 257–257c N 7. 131 BGE 4A_267/2011 E. 2.2; 4C.24/2002 E. 3.3.1. 132 BGE 4A_267/2011 E. 2.2; 4C.250/2006 E. 2; 4C.24/2002 E. 3.3.2; SVIT-Biber, Art. 257c N 19; ZK ORHigi, Art. 257a–257b N 24; Polivka, MRA 2002, 113 und 116. 133 BSK OR-Weber, Art. 257a N 8a; wohl auch Blumer, N 776; CR CO-Lachat, Art. 257a, 257b N 12. 134 Gl.M. Weber, mp 2005, 19; a.M. Rohrer, MRA 2006, 93, der einen Irrtum (in Bezug auf Art.  63 Abs. 1 OR) verneint, wenn die Nebenkosten in der Abrechnung übersichtlich und klar aufgelistet sind. 135 ZK OR-Higi, Art. 257e N 7 und N 16; Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 371.

901

5. Kapitel

Nominatverträge

das heisst der Monatszins netto zuzüglich der Nebenkosten.136 Für die Geschäftsraummiete gilt diese Begrenzung nicht.137 2927

Die Vermieterin hat Sicherheiten in Form von Geld oder Wertpapieren (sog. «Mietzinsdepot» oder «Miet(zins)kaution») auf den Namen des Mieters bei einer Bank zu hinterlegen (Art. 257e Abs. 1 OR). Die Zinsen aus der hinterlegten Geldsumme fallen als Früchte in das Vermögen des Mieters und erweitern nach wohl herrschender Lehre das Sicherungssubstrat.138 Diese sind dem Mieter – unter Vorbehalt einer anderen Abrede – während der Dauer des Mietverhältnisses nicht herauszugeben.139 Obere Grenze bildet unseres Erachtens aber Art. 257e Abs. 2 OR, wonach das Sicherungssubstrat auf nicht mehr als drei Monatszinse anwachsen darf.

2928

Unter Vorbehalt einer anderen Abrede kann die Vermieterin die Sicherheit für alle Forderungen beanspruchen, die sie gegenüber dem Mieter aus dem Mietverhältnis hat.140 Dagegen kann der Mieter den Mietzins nicht mit dem korrekt hinterlegten Depot verrechnen, da Letzteres ihm gehört.141 Bei Konkurs des Mieters wird die Sicherheitsleistung als Pfand der Vermieterin behandelt und fällt nicht in seine Konkursmasse.142

2928a

Die Bank darf Sicherheitsleistungen im Sinne von Art. 257e OR nur unter den Voraussetzungen von Art. 257e Abs. 3 OR herausgeben (dazu ausführlich s. N 2918d). 2.3

2929

Sorgfalt und Rücksichtnahme (Art. 257f OR)

Gemäss Art.  257f  OR muss der Mieter die Sache sorgfältig gebrauchen und bei Immobilien auf Hausbewohner und Nachbarn Rücksicht nehmen. Sorgfältiger Gebrauch bedeutet namentlich, dass er das Mietobjekt «vertragsgemäss» zu gebrauchen143 und zu unterhalten144 hat. Mit einer gewissen Abnutzung muss die Vermieterin rechnen, sofern diese nicht übermässig ist und aus dem erlaubten Gebrauch resultiert.145

136 137 138 139 140 141 142 143 144 145

902

SVIT-Reudt, Art. 257e N 17; Stoll, mp 2007, 66. In der Westschweiz sind damit ausdrücklich monatliche Nettomietzinse (also ohne Nebenkosten) gemeint (s. Art. 2 Abs. 1 CCR). BGE 4C.35/2004 E. 2.2.1; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 1895; BSK OR-Weber, Art. 257e N 7. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 257e N 9; ZK OR-Higi, Art. 257e N 31; SVIT-Reudt, Art. 257e N 18; a.M. KuKo OR-Blumer, Art. 257e N 10; CPra Bail-Marchand, Art. 257e N 16; BSK OR-Weber, Art. 257e N 8. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 257e N 9; SVIT-Reudt, Art. 257e N 18. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 257e N 4; CR CO-Lachat, Art. 257e N 2. SVIT-Reudt, Art. 257e N 16. ZK OR-Higi, Art. 257e N 24; SVIT-Reudt, Art. 257e N 15. BGE 123 III 124 E. 2a; SVIT-Reudt, Art. 257f N 6 f.; s. Wessner, mp 2007, 132. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 1831. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 257f N 3; SVIT-Reudt, Art. 257f N 11; s. auch Tercier/Bieri/ Carron, CO PS, N 1836.

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Für den sorgfältigen Gebrauch ist auf den Verwendungszweck abzustellen, der sich 2930 aus dem Vertrag sowie aus Treu und Glauben ergibt.146 Nicht vertragsgemässer Gebrauch liegt z.B. vor, wenn Wohn- und Geschäftsräumlichkeiten umgenutzt werden.147 Auch die Überbelegung stellt einen vertragswidrigen Gebrauch dar, wenn die Mietsache dadurch übermässig abgenutzt wird.148 Weitere Beispiele für einen nicht vertragsgemässen Gebrauch sind die Missachtung eines allfälligen Tierhaltungs- oder Rauchverbots.149 Ein generelles Verbot der Tierhaltung bzw. des Rauchens ist nach überwiegender Lehre allerdings unzulässig.150 Der Mieter darf ohne Zustimmung der Vermieterin keine tiefgreifenderen Ver- 2931 änderungen an der Mietsache vornehmen (Art. 260a Abs. 1 OR; dazu ausführlich s. N 2979a ff.).151 Unseres Erachtens sind grössere Veränderungen (z.B. Bemalen der Wände mit einer anderen Farbe) der Vermieterin auch bei fehlender Zustimmung zumutbar, sofern der Mieter diese bei Auflösung des Mietverhältnisses auf eigene Kosten wieder rückgängig macht.152 Der Mieter einer unbeweglichen Sache hat ausserdem Rücksicht auf Hausbewohner 2932 und Nachbarn zu nehmen (Art. 257f Abs. 2 OR). Hausbewohner sind alle Personen, die auch ein vertragliches oder dingliches Recht zum Gebrauch der Immobilie haben, sowie deren Angehörige.153 Bei der Definition von Nachbar und der Beurteilung der Rücksichtnahme kann auf die Kriterien, die im Nachbarrecht (Art. 684 ZGB) entwickelt worden sind, abgestellt werden (s. N 2090).154 Der Mieter haftet sowohl für sein eigenes Verhalten wie auch für dasjenige von Drit- 2933 ten oder seiner Hilfspersonen (Art. 101 OR). Als Dritte bzw. als Hilfspersonen im Sinne von Art. 101 Abs. 1 OR sind alle Personen zu qualifizieren, welche die Mietsache mit Zustimmung des Mieters gebrauchen (z.B. Familienangehörige, Hausgenossen, Angestellte, Gäste, Untermieter155).156 Auch das Verhalten seiner Haustiere wird dem Mieter angerechnet.157 146 BGE 136 III 186 E. 3.1 = Pra 2010 Nr. 113; SVIT-Reudt, Art. 257f N 9; Wessner, mp 2007, 133. 147 BGE 123 III 124 E. 2a. 148 Entscheid der Schlichtungsbehörde Zürich vom 10. Februar 1995 E. II.3.3a = MRA 1996, 70–72; s. auch Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N 341; ZK OR-Higi, Art. 271a N 161 ff. 149 Maag, MRA 2006, 127. 150 Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N 343 und N 345; CPra Bail-Montini/Bouverat, Art. 256 N 34; Mietrecht für die Praxis-Püntener, 28 ff.; weitere Beispiele für vertragswidrigen Gebrauch in BSK OR-Weber, Art. 257f N 1. 151 SVIT-Reudt, Art. 257f N 10; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 1832. 152 In diese Richtung Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 1832, wonach der Mieter keine «modifications profondes qui auraient des effets au-delà de la durée du contrat» vornehmen dürfe. 153 ZK OR-Higi, Art. 257f N 33; CPra Bail-Wessner, Art. 257f N 24. 154 SVIT-Reudt, Art. 257f N 31; CPra Bail-Wessner, Art. 257f N 24 und N 26. Ausführlich zu möglichen Störungen s. Mietrecht für die Praxis-Püntener, 33 f.; Wessner, mp 2007, 139 ff. 155 S. auch BGE 4A_296/2007 E. 2.2. 156 CPra Bail-Wessner, Art. 257f N 7. 157 BSK OR-Weber, Art. 257h N 3; s. auch Wessner, mp 2007, 139 f.

903

5. Kapitel

2933a

Nominatverträge

Bei mangelnder Sorgfalt oder Rücksichtnahme des Mieters kann die Vermieterin gemäss Art.  97  ff.  OR vorgehen und die vertragsgemässe Benützung der Mietsache, die Unterlassung von Störungen sowie Schadenersatz (z.B. Kosten der Mängelbeseitigung, Ersatz des Minderwerts) verlangen.158 Eine ausserordentliche Vertragsauflösung ist nur möglich bei einer schwerwiegenden Vertragsverletzung des Mieters (s. Art. 257f Abs. 3 und Abs. 4 OR). Auch bei einer ausserordentlichen Vertragsauflösung ist der Mieter für Beschädigungen der Sache, die über die normale Abnutzung hinausgehen, gestützt auf Art.  97  OR schadenersatzpflichtig (ausführlich zu den Rechtsfolgen bei Verstoss gegen die Sorgfaltspflicht nach Art. 257f OR s. N 2977a ff.).159 2.4

Meldepflicht (Art. 257g OR)

2933b

Der Mieter muss der Vermieterin allfällige Mängel, die er nicht selber zu beseitigen hat, rechtzeitig melden (Art. 257g Abs. 1 OR). Die Meldepflicht besteht während der gesamten Mietdauer und endet grundsätzlich mit dem Vertragsende, namentlich mit der Rückgabe der Mietsache (s. Art. 267 f. OR; zu den Folgen der unterlassenen Mängelmeldung s. N 2976e f.).160 Bei Mietende obliegt es der Vermieterin, die zurückgegebene Mietsache zu prüfen und allfällige Mängel sofort anzuzeigen (Art. 267a OR; N 2918e ff.).161 Eine Ausnahme ist zu machen bei versteckten Mängeln. Nach Treu und Glauben trifft den Mieter die Obliegenheit, solche Mängel der Vermieterin bei Rückgabe der Mietsache zu melden.162

2933c

Damit die Vermieterin die Mietsache in dem zum vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand erhalten kann (Art. 256 Abs. 1 OR), sind ihr nicht nur bereits bestehende oder aufgetretene, sondern auch drohende Mängel anzuzeigen.163 Nicht meldepflichtig sind dagegen Schäden, welche der Mieter selber beseitigen muss, wie namentlich geringfügige Mängel im Sinne von Art. 259 OR (s. N 2937 ff.).164 Ausgenommen von der Meldepflicht sind auch Mängel, welche die Vermieterin bereits kennt oder hätte kennen müssen.165 Im Zweifelsfall sollte der Mieter einen Mangel melden, um nicht schadenersatzpflichtig (Art. 257g Abs. 2 i.V.m. Art. 97 ff. OR) zu werden.166 158 159 160 161 162 163

ZK OR-Higi, Art. 257h N 44 ff.; SVIT-Reudt, Art. 257h N 34 ff. SVIT-Reudt, Art. 257f N 35. BK OR-Giger, Art. 257g N 29; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 257g N 5. Statt vieler CPra Bail-Aubert, Art. 257g N 13; ZK OR-Higi, Art. 257g N 35. ZK OR-Higi, Art. 257g N 35; SVIT-Reudt, Art. 257g N 20. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 257g N 3; SVIT-Reudt, Art. 257g N 10; s. auch CPra Bail-Aubert, Art. 257g N 10. 164 BBl 1985 I 1429; CPra Bail-Aubert, Art. 257g N 5 f. Für weitere Ausnahmen zur Meldepflicht s. Mietrecht für die Praxis-Roy, 216 f. 165 BBl 1985 I 1429. 166 SVIT-Reudt, Art. 257g N 13; s. auch BK OR-Giger, Art. 257g N 22.

904

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Ob die Meldung rechtzeitig erfolgt ist, bestimmt sich nach den gesamten Umstän- 2933d den des Einzelfalls, namentlich nach dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Mieter sowie nach der Art und Schwere des Mangels.167 Als Faustregel gilt: Je grösser der (drohende) Schaden und damit die finanziellen Folgen für die Vermieterin sind, desto schneller hat der Mieter Anzeige zu erstatten.168 Zu den Folgen der unterlassenen bzw. verspäteten Meldung s. N 2976d ff. 2.5

Duldungspflicht (Art. 257h OR)

Art. 257h OR statuiert eine Duldungspflicht des Mieters, damit die Vermieterin ihre 2934 Rechte (Wiedervermietung, Verkauf) und Pflichten (Mängelbeseitigung, Unterhalt) wahrnehmen kann. Die Norm ist mit Ausnahme der Modalitäten zwingend.169 a.

Notwendige Arbeiten

Der Mieter muss grundsätzlich nur notwendige Arbeiten zur Mängelbeseitigung 2935 oder Schadensverhinderung dulden (Art.  257h Abs.  1  OR). Die Notwendigkeit bestimmt sich dabei nach objektiven Massstäben.170 Objektiv notwendig sind Arbeiten, welche den vertragsgemässen Zustand des Mietobjekts erhalten sollen.171 Abzugrenzen sind die Arbeiten gemäss Art. 257h OR von den Arbeiten zur Erneue- 2935a rung oder Änderung einer Mietsache (Art. 260 f. OR; s. dazu N 2976i ff.).172 b.

Besichtigungen

Besichtigungen der Mietsache muss der Mieter nur dulden, wenn diese für den 2935b Unterhalt, den Verkauf oder die Weitervermietung notwendig sind (Art.  257h Abs. 2 OR). Will die Vermieterin die Mietsache aus anderen Gründen besichtigen, so muss sie hierfür die Zustimmung des Mieters einholen.173 Besichtigungen im Zusammenhang mit dem Unterhalt der Mietsache sind auch 2935c dann zulässig, wenn kein konkreter Mangel oder Schadensfall vorliegt. Die Vermieterin ist berechtigt, sich ganz allgemein von Zeit zu Zeit  – aber in vernünftigem Mass174  – über den Zustand der Mietsache ein Bild zu machen (s.  Art.  256

167 BK OR-Giger, Art. 257g N 30; BSK OR-Weber, Art. 257g N 3; s. auch CPra Bail-Aubert, Art. 257g N 10. 168 S. Mietrecht für die Praxis-Roy, 218. 169 CHK  OR-Hulliger/Heinrich, Art.  257h N  1; BSK  OR-Weber, Art.  257h N  7. Ausführlich dazu s. SVIT-Reudt, Art. 257h N 1 f. 170 BGE 4C.306/2003 E. 3.3. 171 ZK OR-Higi, Art. 257h N 17; SVIT-Reudt, Art. 257h N 10; ausführlich BK OR-Giger, Art. 257h N 45 ff. 172 Dazu ausführlich SVIT-Bättig, Art. 260–260a N 13 ff. 173 ZK OR-Higi, Art. 257h N 30; SVIT-Reudt, Art. 257h N 21. 174 S. dazu BBl 1985 I 1430; CPra Bail-Aubert, Art. 257h N 13.

905

5. Kapitel

Nominatverträge

Abs.  1  OR).175 Besichtigungen zwecks Wiedervermietung muss der Mieter nur dulden, wenn das Mietverhältnis bereits gekündigt worden ist oder dieses infolge Ablaufs einer festen Dauer bald endet.176 Besichtigungen im Zusammenhang mit dem Verkauf der Mietsache setzen nach mehrheitlicher Lehre ernsthafte Vertragsverhandlungen voraus.177 c.

Durchsetzung und Vorgehen der Vermieterin

2936

Die Vermieterin muss dem Mieter die von ihr geplanten «Arbeiten und Besichtigungen» rechtzeitig anzeigen (Art.  257h Abs.  3  OR). Ob die Anzeige rechtzeitig erfolgt ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Allgemein gilt, dass bei grösseren Unterhaltsarbeiten die Anzeige frühzeitiger erfolgen muss als bei kleineren; und je dringender die Arbeiten sind, desto kürzer ist die Anzeigefrist.178

2936a

Beeinträchtigten die Unterhaltsarbeiten den vorausgesetzten Gebrauch der Sache, so kann der Mieter nur Herabsetzung des Mietzinses (Art. 259d; s. N 2952 ff.) und/ oder Schadenersatz (Art.  259e  OR; s. N  2957  ff.) verlangen (Art.  257h Abs.  3 in fine OR).179 Der Mieter hat in der Regel auch dann Anspruch auf Schadenersatz, wenn er diesen Arbeiten zugestimmt hat.180

2936b

Kommt der Mieter seiner Duldungspflicht nicht nach, so haftet er nach Art. 97 ff. OR. Bei gegebenen Voraussetzungen ist auch eine ausserordentliche Kündigung (Art. 257f Abs. 3 OR; s. dazu N 2974 ff.) möglich.181 Alsdann verliert der Mieter seinen Anspruch auf Mietzinsherabsetzung und Ersatz für Schäden, die ab dem Zeitpunkt der Mitwirkungsverweigerung entstehen (s. Art. 257h Abs. 3 OR).

2936c

Widersetzt sich der Mieter den «Arbeiten und Besichtigungen» ungerechtfertigterweise, so darf sich die Vermieterin nur bei Vorliegen einer Notstandssituation (s. Art. 52 Abs. 3 OR) eigenmächtig Zutritt zum Mietobjekt verschaffen, sonst begeht sie Hausfriedensbruch (Art. 186 StGB182).183 In allen anderen Fällen muss die Vermieterin das Gericht anrufen und – am einfachsten mittels Gesuch um vorsorgliche Massnahmen (s. Art. 261 ff. ZPO)184 oder mittels summarischen Verfahrens zum

175 176 177 178 179 180 181 182 183 184

906

BK OR-Giger, Art. 257h N 35; SVIT-Reudt, Art. 257h N 23; Mietrecht für die Praxis-Roy, 220. ZK OR-Higi, Art. 257h N 38; SVIT-Reudt, Art. 257h N 24. KuKo OR-Blumer, Art. 257h N 2; ZK OR-Higi, Art. 257h N 37; a.M. BK OR-Giger, Art. 257h N 40. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 257h N 4; Mietrecht für die Praxis-Roy, 223. BK OR-Giger, Art. 257h N 72; SVIT-Reudt, Art. 257h N 16 f.; s. auch CPra Bail-Aubert, Art. 257h N 23. ZK OR-Higi, Art. 257h N 46; BSK OR-Weber, Art. 257h N 6. SVIT-Reudt, Art. 257h N 19; Tschudi, MRA 2009, 120 f.; s. auch Wessner, mp 2007, 142. Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (SR 311.0). Mietrecht für die Praxis-Roy, 221; BSK OR-Weber, Art. 257h N 15. Dazu ausführlich CPra Bail-Aubert, Art. 257h N 27 ff.; Frese/Kobel, mp 2016, 108 f.

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Rechtsschutz in klaren Fällen (Art. 257 ZPO)185 – beantragen, der Mieter sei zur Duldung der notwendigen «Arbeiten und/oder Besichtigungen» zu verpflichten.186 2.6

Kleiner Unterhalt (Art. 259 OR)

Der Mieter ist für den sog. «kleinen Unterhalt», das heisst für Mängel, die durch 2937 kleine, für den gewöhnlichen Unterhalt erforderliche Reinigungen oder Ausbesserungen behoben werden können, zuständig (Art.  259  OR). Diese Unterhaltspflicht des Mieters ist allerdings sehr beschränkt: Ein durchschnittlich begabter Mieter muss die entsprechenden Mängel bzw. Schäden ohne übermässigen Aufwand und ohne besonderes Fachwissen selber und/oder mit nur geringen Kosten beseitigen (lassen) können (z.B. Auswechseln von Glühbirnen, Ersatz eines Duschschlauches).187 In der Praxis fallen Reparaturen bis zum Maximalbetrag von ca. CHF  100–150 pro Ereignis in aller Regel unter den sog. «kleinen Unterhalt» («Faustregel»).188 Sind jedoch spezielle Geräte oder der Beizug eines Handwerkers für die Arbeiten notwendig, trägt die Vermieterin die Kosten für Reinigungen und/ oder Ausbesserungen.189 Im Zweifelsfall gehen die Kosten der Mängelbeseitigung zulasten der Vermieterin.190 Art.  259  OR ist zugunsten des Mieters von Wohn- und Geschäftsräumen relativ 2938 zwingend (s. Art. 256 Abs. 2 OR).191 Somit sind Vereinbarungen, welche die Unterhaltspflicht des Mieters über das Mass des «kleinen Unterhalts» erweitern, ungültig.192 Unzulässig sind beispielsweise Mietvertragsklauseln, welche dem Mieter unabhängig vom Reparaturumfang einen Selbstbehalt auferlegen.193 Nach überwiegender Lehre sind auch die in der Praxis gängigen Prozentklauseln, wonach Reparaturen bis zu einem bestimmten Prozentsatz (in der Regel 1–2%) des Jahresmietzinses vom Mieter selbst zu bezahlen sind, unzulässig.194

185 Frese/Kobel, mp 2016, 108 FN 87; BSK OR-Weber, Art. 257h N 5. 186 Frese/Kobel, mp 2016, 108; Mietrecht für die Praxis-Roy, 221 und 224. 187 Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N  348; Mietrecht für die Praxis-Roy, 228  f.; kritisch CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259 N 3. 188 Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N  348; CR  CO-Lachat, Art.  259 N  3; eine feste Kostengrenze ablehnend ZK OR-Higi, Art. 259 N 17. 189 CPra Bail-Aubert, Art. 259 N 14; Zucker/Kunz, mp 2009, 2. 190 ZK OR-Higi, Art. 259 N 10; BSK OR-Weber, Art. 259 N 2; Zucker/Kunz, mp 2009, 2. 191 ZK OR-Higi, Art. 259 N 4; Zucker/Kunz, mp 2009, 3. 192 Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N  348; s. auch CPra Bail-Aubert, Art.  259 N 4; BSK OR-Weber. Art. 259 N 4. 193 CPra Bail-Aubert, Art. 259 N 4; KuKo OR-Blumer, Art. 257 N 5; Zucker/Kunz, mp 2009, 8. 194 ZK OR-Higi, Art. 259 N 17; BSK OR-Weber, Art. 259 N 4; Zucker/Kunz, mp 2009, 7 f.; a.M. wohl CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259 N 4; SVIT-Tschudi, Art. 259 N 15.

907

5. Kapitel

2939

Bei den anderen Mietarten ist Art. 259 OR dispositiv. Die Bestimmung gilt in diesen Fällen nur, wenn die Parteien via AGB die gesetzliche Unterhaltspflicht des Mieters zu dessen Ungunsten erweitern (Art. 256 Abs. 2 lit. a OR).195

VI. 2939a

Nominatverträge

Leistungsstörungen aufseiten der Vermieterin

Das Mietrecht enthält zahlreiche Rechtsbehelfe für verschiedene Arten von Leistungsstörungen. Wo das Gesetz selbst nichts regelt, gelangen die Allgemeinen Bestimmungen des OR zur Anwendung, sofern die Parteien nicht eine eigene Störungsordnung vereinbart haben.

1.

Rechte des Mieters bei Leistungsunmöglichkeit der Vermieterin

2939b

Art. 258 OR regelt die Nicht- oder Schlechterfüllung des Mietvertrages in zeitlicher (verspätete Übergabe der Mietsache) sowie in sachlicher Hinsicht (Übergabe einer mangelhaften Mietsache).196 Nicht von dieser Bestimmung erfasst sind dagegen die Fälle der objektiven Leistungsunmöglichkeit. In diesem Fall gelangen die Bestimmungen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts (s. N 814 ff.) zur Anwendung.197

2939c

Für die Rechtsfolgen der Unmöglichkeit muss danach unterschieden werden, um welche Art von Leistungsunmöglichkeit es sich handelt und in welchem Zeitpunkt diese eintritt. Es sind folgende Fälle zu unterscheiden: 1.1.

2939d

Leistungsunmöglichkeit vor Beginn der Miete bzw. Übergabe der Mietsache

Ist es bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses für die Vermieterin oder auch einen Dritten unmöglich, die versprochene Mietsache zu übergeben (z.B. Liegenschaft brennt völlig aus), liegt anfängliche objektive Unmöglichkeit (s. N 426 ff.) vor. Nach herrschender Lehre ist der Vertrag im Sinne von Art. 20 Abs. 1 OR nichtig.198 Hat die Vermieterin die Unmöglichkeit zu vertreten, sind allenfalls Ersatzansprüche aus culpa in contrahendo (s. N 1524 ff.) zu bejahen.199

195 ZK OR-Higi, Art. 259 N 5. 196 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 258 N 4. 197 Statt vieler BK OR-Giger, Vorb. zu Art. 258–259i N 22; SVIT-Tschudi, Vorb. zu Art. 258–259i N 9. 198 Statt vieler ZK OR-Higi, Art. 258 N 21; Mietrecht für die Praxis-Roncoroni, 187. 199 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 258 N 4; SVIT-Tschudi, Vorb. zu Art. 258–259i N 9.

908

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Wird die Vertragsleistung erst nach Abschluss des Mietvertrages, aber noch vor 2939e der Übergabe der Sache objektiv unmöglich (z.B. Liegenschaft brennt nach Vertragsabschluss, aber kurz vor der Wohnungsübergabe völlig aus), liegt nachträgliche objektive Unmöglichkeit vor.200 Entscheidend ist dabei, ob die Vermieterin die Unmöglichkeit zu vertreten hat oder nicht: Trägt sie die Verantwortung für den zur Unmöglichkeit führenden Umstand, so haftet die Vermieterin nach Art. 97 ff. OR.201 Ist dies nicht der Fall, gelangt Art. 119 OR zur Anwendung.202 Uneinigkeit herrscht in der Lehre darüber, ob bei (anfänglicher bzw. nachträglicher) 2939f subjektiver Leistungsunmöglichkeit die Art.  97  ff.  OR zur Anwendung gelangen oder ein Verzugsfall vorliegt (Art. 258 bzw. Art. 102 ff. OR). Gemäss Bundesgericht und einem Teil der Lehre richten sich die Rechtsfolgen der subjektiven Leistungsunmöglichkeit vor Übergabe der Mietsache (z.B. Vermieterin vermietet eine Wohnung trotz laufendem Erstreckungsverfahren weiter203) nach den Art. 97 ff. OR.204 Ein anderer Teil der Lehre nimmt dagegen an, dass es sich hierbei um einen Fall der Nichterfüllung im Sinne von Art. 258 OR handelt. Demnach sind die allgemeinen Verzugsregeln von Art. 102 ff. OR anwendbar.205 Störungsart

Charakteristik

anwendbare Norm

anfängliche objektive Leistungsunmöglichkeit

Vermieterin erfüllt nicht, weil die Leistung bereits bei Vertragsabschluss unmöglich ist.

Art. 20 OR

verschuldete nachträgliche objektive Leistungsunmöglichkeit

Leistung wird nach Vertragsabschluss, aber vor Übergabe der Mietsache aus Gründen unmöglich, welche die Vermieterin zu vertreten hat.

Art. 97 ff. OR

unverschuldete nachträgliche objektive Leistungsunmöglichkeit

Leistung wird nach Vertragsabschluss, aber vor Übergabe der Mietsache aus Gründen unmöglich, welche die Vermieterin nicht zu vertreten hat.

Art. 119 OR

anfängliche bzw. nachträgliche subjektive Leistungsunmöglichkeit

Leistung ist bei Vertragsabschluss bzw. wird nach Vertragsabschluss, aber vor Übergabe der Mietsache für die Vermieterin unmöglich

strittig: Art. 97 ff. OR oder Art. 258 bzw. Art. 102 ff. OR

Abbildung: Übersicht über die Rechtsfolgen bei Unmöglichkeit vor Beginn der Miete bzw. Übergabe der Mietsache 200 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 258 N 4; Mietrecht für die Praxis-Roncoroni, 187. 201 BK OR-Giger, Vorb. zu Art. 258–259i N 22; SVIT-Tschudi, Vorb. zu Art. 258–259i N 9. 202 Statt vieler SVIT-Tschudi, Vorb. zu Art. 258–259i N 9; Mietrecht für die Praxis-Roncoroni, 187. 203 S. BGE 117 II 71 = Pra 1991 Nr. 164. 204 BGE 117 II 71 E. 4a = Pra 1991 Nr. 164; CPra Bail-Aubert, Art. 258 N 6; Guhl/Koller, § 44 N 29; wohl auch Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 1709. 205 ZK OR-Higi, Art. 258 N 19 und N 22; SVIT-Tschudi, Vorb. zu Art. 258–259i N 5.

909

2939g

5. Kapitel

1.2.

Nominatverträge

Leistungsunmöglichkeit nach erfolgter Übergabe der Mietsache bzw. während der Mietdauer

2939h

Kann die Vermieterin nach erfolgter Übergabe der Mietsache ihrer Gebrauchsüberlassungspflicht nicht mehr nachkommen (z.B. ein Brand zerstört die Liegenschaft nach Mietantritt), liegt nachträgliche objektive Unmöglichkeit vor. Es gelten die gleichen Rechtsfolgen wie bei der nachträglichen Unmöglichkeit «vor Übergabe der Mietsache» (s. N 2939e): Hat die Vermieterin die nachträgliche Unmöglichkeit verschuldet, so haftet sie aus Art. 97 ff. OR.206 Trifft sie dagegen kein Verschulden, so erlischt das Mietverhältnis gemäss Art. 119 OR ohne Kündigung.207

2939i

Wie bei der subjektiven Leistungsunmöglichkeit vor Beginn der Miete bzw. Übergabe der Mietsache (s. N 2939f) sind auch die Rechtsfolgen der subjektiven Leistungsunmöglichkeit während der Mietdauer bzw. nach Übergabe der Mietsache umstritten: Ein Teil der Lehre ist der Auffassung, dass der Mieter das Mietverhältnis gemäss Art. 266g OR kündigen kann, wenn er dieses auflösen will; allfällige Schadenersatzansprüche richten sich nach Art. 266g Abs. 2 OR.208 Nach einem anderen Teil der Lehre löst die nachträgliche subjektive Leistungsunmöglichkeit dagegen die Rechtsfolgen von Art. 102 ff. OR aus.209 Haben die Parteien bereits mit der Erfüllung des Mietvertrages begonnen, soll der Rücktritt jedoch gemäss den allgemein geltenden Regeln für die Ungültigerklärung von Dauerschuldverhältnissen (s. N 585) zu einer Kündigung mit Wirkung ex nunc führen.210 Eine Mindermeinung befürwortet die Anwendung der Art. 97 ff. OR.211

206 207 208 209 210 211

910

BK OR-Giger, Vorb. zu Art. 258–259i N 25; SVIT-Tschudi, Vorb. zu Art. 258–259i N 12; a.M. CHK ORHulliger/Heinrich, Art. 258 N 4, wonach der Mieter gemäss Art. 258 OR vorgehen kann. Blumer, N 1084; Mietrecht für die Praxis-Thanei, 668. ZK OR-Higi, Art. 258 N 23 und Vorb. zu Art. 266–266o N 26; gl.M. auch Blumer, N 1084; Mietrecht für die Praxis-Thanei, 668. BK OR-Giger, Vorb. zu Art. 258–259i N 26; SVIT-Tschudi, Vorb. zu Art. 258–259i N 13. BK OR-Giger, Vorb. zu Art. 258–259i N 26 m.w.H.; SVIT-Tschudi, Vorb. zu Art. 258–259i N 13. Guhl/Koller, § 44 N 29.

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Störungsart

Charakteristik

anwendbare Norm

verschuldete objektive Leistungsunmöglichkeit

Leistung wird nach Übergabe der Mietsache aus Gründen unmöglich, welche die Vermieterin zu vertreten hat.

Art. 97 ff. OR

unverschuldete objektive Leistungsunmöglichkeit

Leistung wird nach Übergabe der Mietsache aus Gründen unmöglich, welche die Vermieterin nicht zu vertreten hat.

Art. 119 OR

subjektive Leistungsunmöglichkeit

Leistung wird nach Übergabe der Mietsache für die Vermieterin unmöglich.

strittig:

2939j

ausserordentliche Kündigung nach Art. 266g OR oder Rücktritt nach Art. 102 ff. OR mit Wirkung ex nunc oder Art. 97 ff. OR

Abbildung: Übersicht über die Rechtsfolgen bei Unmöglichkeit nach erfolgter Übergabe der Mietsache

2.

Rechte des Mieters bei Verzug der Vermieterin mit der Übergabe des Mietobjekts (Art. 258 Abs. 1 OR)

Übergibt die Vermieterin die Sache nicht zum vereinbarten Zeitpunkt, kann sich 2939k der Mieter auf die Art. 107–109 OR über die Nichterfüllung von Verträgen berufen (Art. 258 Abs. 1 OR). Die Mängelrechte nach Art. 259a–259i OR (s. N 2939m ff.) stehen dem Mieter bei Verzug der Vermieterin dagegen nicht zur Verfügung.212 Damit der Mieter überhaupt nach Art. 107 ff. OR vorgehen kann, muss er die Ver- 2939l mieterin zunächst durch Mahnung (Art. 102 OR) in Verzug setzen (s. N 919 ff.).213 Üblicherweise haben die Parteien im Mietvertrag ein explizites Übergabedatum vorgesehen (z.B. «Mietbeginn am 1. Oktober 2018»; sog. Verfalltagsgeschäft), weshalb eine Mahnung in diesen Fällen überflüssig ist. Die Vermieterin gerät bereits mit Ablauf dieses Datums in Verzug (Art. 102 Abs. 2 OR).214 Nach herrschender Lehre darf bei einem solchen Verfalltagsgeschäft jedoch nicht automatisch auch ein relatives Fixgeschäft im Sinne von Art. 108 Ziff. 3 OR (s. N 710 und N 925) ange-

212 SVIT-Tschudi, Vorb. zu Art. 258–259i N 69. 213 BK OR-Giger, Art. 258 N 11; SVIT-Tschudi, Art. 258 N 5. 214 CPra Bail-Aubert, Art. 258 N 11; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 258 N 9.

911

5. Kapitel

Nominatverträge

nommen werden. Richtigerweise ist vielmehr auf den (tatsächlichen oder hypothetischen) Parteiwillen abzustellen.215

3.

Rechte des Mieters bei Schlechterfüllung der Vermieterin (Art. 258–259i OR)

2939m

Schlechterfüllung im Sinne von Art.  258  OR liegt vor, wenn die Vermieterin die Sache zwar zum vereinbarten Zeitpunkt übergibt, diese aber nicht dem geschuldeten Zustand entspricht.216

2940

Das Gesetz unterscheidet zunächst zwischen anfänglichen Mängeln (also Schlechterfüllung bei Übergabe der Sache; Art.  258  OR) und solchen, die erst nachträglich (also während der Mietdauer) auftreten (Art.  259  OR): Ist die Mietsache bereits bei Übergabe der Sache mangelhaft, so gelangt Art. 258 OR zur Anwendung (s. N 2943 ff.). Bei einem nachträglich auftretenden Mangel kann sich der Mieter dagegen einzig und allein auf die Mängelrechte nach Art. 259a–259i OR berufen (s. N 2944 ff.; zur Konkurrenz mit anderen Rechtsbehelfen s. N 2966 f.).217 Ausserdem muss unterschieden werden, ob der Mangel schwer, mittelschwer oder leicht ist (s. Art. 258 und Art. 259b OR; N 2945). Je nach Kategorie des Mangels stehen dem Mieter unterschiedliche Rechtsbehelfe zur Verfügung. 3.1.

2940a

Mangel

Zunächst muss ein Mangel (zum Mangelbegriff s. sogleich N  2941  f.) vorliegen, damit der Mieter die Mängelrechte gemäss Art. 258 ff. OR geltend machen kann.218 a.

Begriff

2941

Ein Mietobjekt ist mangelhaft, wenn «ihm eine vertraglich zugesicherte oder eine sich aus dem vertraglichen Gebrauchszweck ergebende Eigenschaft fehlt».219 Hierfür ist der tatsächliche Zustand («Ist-Zustand») der Mietsache mit dem vorausgesetzten Zustand («Soll-Zustand») zu vergleichen.220

2941a

Worin der vorausgesetzte Gebrauch besteht und welchen Zustand der Mieter erwarten darf, bestimmt sich primär anhand der Parteivereinbarung.221 Fehlt eine aus215 S. BK OR-Giger, Art. 258 N 26; ZK OR-Higi, Art. 258 N 67; SVIT-Tschudi, Art. 258 N 21. 216 S. BK OR-Giger, Vorb. zu Art. 258–259i N 20; SVIT-Tschudi, Vorb. zu Art. 258–259i N 6. 217 BSK OR-Weber, Art. 258 N 4; s. auch SVIT-Tschudi, Vorb. zu Art. 258–259i N 8. 218 SVIT-Tschudi, Vorb. zu Art. 258–259i OR N 19. 219 BGE 4A_159/2014 E. 4.1; Guhl/Koller, § 44 N 30; Züst, mp 2003, 148. 220 BGE 135 III 345 E. 3.2 = Pra 2009 Nr. 35; Mietrecht für die Praxis-Roy, 200; SVIT-Tschudi, Vorb. zu Art. 258–259i N 27. 221 BGE 4A_606/2015 E. 3; 4A_159/2014 E. 4.1.

912

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

drückliche Vereinbarung, muss mittels Vertragsauslegung festgestellt werden, welche Eigenschaften der Mietsache der Mieter berechtigterweise erwarten durfte. Zu berücksichtigen sind dabei sämtliche Umstände des Einzelfalls (z.B. Standort, Konstruktion und Alter der Mietsache, Höhe des Mietzinses etc.).222 b.

Arten und Kategorien von Mängeln

Der Mangel kann körperlicher (z.B. Wasserschaden) oder unkörperlicher Natur 2941b (z.B. Nichterfüllung der feuerpolizeilichen Vorschriften, Lärmimmissionen) sein.223 Nach ihrer Schwere werden drei Kategorien von Mängeln unterschieden:

2942

• Bei einem schweren Mangel ist «die Tauglichkeit einer unbeweglichen Sache zum vorausgesetzten Gebrauch» ausgeschlossen oder erheblich beeinträchtigt (Art.  258 Abs.  1 und Art.  259b lit.  a  OR). Der betreffende Mangel führt mindestens dazu, dass der Gebrauch der Sache bei objektiver Betrachtungsweise nicht mehr zumutbar ist, dass also die vitalen Interessen des Mieters (und seiner Hausgenossen) betroffen sind.224 Beispiele zur Miete von Immobilien: Feuchtigkeit und Wassereinbruch, herabfallende Gipsdecken.225 Beispiele zur Miete von Mobilien: mangelhaft eingestellte Bindung bei Skiern226, defekte Bremse eines Autos. • Ein mittelschwerer Mangel liegt vor, wenn der Mangel «die Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch vermindert», diese aber nicht ausschliesst oder erheblich beeinträchtigt (Art. 258 Abs. 3 lit. a, Art. 259b lit. b und Art. 259d OR). Der mittelschwere Mangel kann nicht mehr durch Reinigung oder kleine Ausbesserungen behoben werden (s. Art. 259 OR; N 2937 ff.), das heisst, er stellt keinen leichten Mangel mehr dar; gleichzeitig liegt aber auch noch kein schwerer Mangel vor.227 Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist ein mittelschwerer Mangel zu bejahen, wenn der Gebrauch der Sache um mindestens 5% eingeschränkt ist.228 Die Rechtsprechung lässt auch eine (an sich leichte) Einschränkung von 2% als mittelschweren Mangel gelten, wenn dieser über lange Zeit besteht, ohne dass die (benachrichtigte) Vermieterin etwas dagegen unternimmt (z.B. verschmutzter, gebrauchter und löchriger Teppich im Eingangsbe-

222 223 224 225 226 227 228

S. BGE 135 III 345 E. 3.3 = Pra 2009 Nr. 35; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 256 N 4. Ausführlich zu den zu berücksichtigenden Umständen s. Mietrecht für die Praxis-Roy, 201 ff. ZK OR-Higi, Art. 258 N 30; Mietrecht für die Praxis-Roy, 209. BGE 4A_11/2013 E. 3.1; SVIT-Tschudi, Vorb. Art. 258–259i N 63; BSK OR-Weber, Art. 258 N 2. ZK OR-Higi, Art. 258 N 45; SVIT-Tschudi, Vorb. Art. 258–259i N 63 mit weiteren Beispielen. ZK OR-Higi, Art. 258 N 45. SVIT-Tschudi, Vorb. Art. 258–259i N 62; BSK OR-Weber, Art. 258 N 2. BGE 135 III 345 E. 3.2 = Pra 2009 Nr. 135; 4C.97/2003 E. 3.3.

913

5. Kapitel

Nominatverträge

reich während 5½ Jahren229).230 Beispiele: defekte Waschmaschine, Ungezieferbefall, verblichene Tapeten.231 • Leichte Mängel beeinträchtigen den vertragsgemässen Gebrauch der Mietsache nicht oder nur unwesentlich.232 Sie können, müssen aber nicht mit den Mängeln im Sinne von Art. 259 OR identisch sein.233 Beispiele: defekte Glühbirne, defekter Duschschlauch, verstopfter Abfluss, Schnee auf dem Balkon.234 3.2.

Bei der Übergabe der Mietsache bestehende Mängel (Art. 258 OR)

2943

Weist die Mietsache im Zeitpunkt der Übergabe einen schweren Mangel auf (s. Art. 258 Abs. 1 OR; N 2942) und hat der Mieter diesen Mangel und damit die Schlechterfüllung des Vertrages nicht zu vertreten235, so kann er – gleich wie beim Leistungsverzug der Vermieterin (s. N 2939k f.) – nach Art. 107 ff. OR vorgehen.236

2943a

Die Erfüllung der vereinbarten Leistung muss objektiv noch möglich sein, andernfalls sind die Regeln der objektiven Leistungsunmöglichkeit anwendbar (zu den Rechtsfolgen bei objektiver Leistungsunmöglichkeit s. N 2939d f. und N 2939h).237

2943b

Der Mieter darf die Mietsache ausserdem nicht übernehmen, sondern muss die Übernahme der Mietsache ablehnen, wenn er nach Art. 107 ff. OR vorgehen will (Art. 258 Abs. 1 und Abs. 2 OR).

2943c

Weist die Mietsache nur mittlere oder leichte Mängel (s. N 2942) auf, muss der Mieter die Sache übernehmen; er kann einzig die Mängelrechte nach Art. 259a ff. OR geltend machen (Art. 258 Abs. 1 e contrario und Art. 258 Abs. 3 OR).

229 230 231 232 233 234 235 236 237

914

BGE 4C.97/2003 E. 3.4. S. BGE 135 III 345 E. 3.2 = Pra 2009 Nr. 135; 4C.97/2003 E. 3.3, E. 3.4 und E. 3.6. SVIT-Tschudi, Vorb. Art. 258–259i N 62 mit weiteren Beispielen. ZK OR-Higi, Art. 258 N 39; SVIT-Tschudi, Vorb. Art. 258–259i N 61. ZK OR-Higi, Art. 258 N 39; Mietrecht für die Praxis-Roy, 213 FN 111. S. Mietrecht für die Praxis-Roy, 213 f. ZK OR-Higi, Art. 258 N 36; SVIT-Tschudi, Vorb. zu Art. 258–259i N 80. SVIT-Tschudi, Vorb. zu Art. 258–259i N 70. BK OR-Giger, Art. 258 N 20; SVIT-Tschudi, Art. 258 N 14.

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

2943d Mangel bei Übergabe der Mietsache (anfänglicher Mangel)

schwerer Mangel (Art. 258 Abs. 1 OR)

keine Übernahme (Art. 258 Abs. 1 OR)

Übernahme trotz Mangel (Art. 258 Abs. 2 OR)

Art. 107 ff. OR

Art. 259a ff. OR

mittlerer oder leichter Mangel (Art. 258 Abs. 1 e contrario und Art. 258 Abs. 3 OR)

Art. 259a ff. OR

Abbildung: Übersicht über die Rechtsfolgen der Schlechterfüllung bei Übergabe der Mietsache

3.3.

Während der Mietdauer entstandene Mängel (Art. 259–259a OR) sowie weitere davon erfasste Fälle

Tritt ein Mangel erst während der Mietdauer auf oder liegt ein Fall von Art. 258 2944 Abs.  2 oder Abs.  3  OR vor (das heisst, der Mieter hat das Mietobjekt trotz eines schweren Mangels übernommen bzw. es handelt sich nicht um einen schweren Mangel), kann der Mieter nach den Art. 259a ff. OR vorgehen, vorausgesetzt er hat den Mangel weder selber zu verantworten, noch muss er diesen auf eigene Kosten beseitigen lassen (Art. 259a Abs. 1 OR). Selber verantwortlich ist der Mieter, wenn er nach Art. 97 oder Art. 101 OR für den Mangel einzustehen hat oder wenn der Mangel auf einen vertragswidrigen Gebrauch zurückzuführen ist.238 Die Vermieterin muss ausserdem Kenntnis vom Mangel bzw. der Störung haben. Ein Verschulden der Vermieterin wird allgemein für die Geltendmachung der Mängelrechte nicht vorausgesetzt (Ausnahme: Art. 259e OR),239 was sich schon aus dem Grundsatz casum sentit dominus (den Schaden trägt der Eigentümer) ergibt.240 Folgende Mängelrechte stehen dem Mieter bei Mängeln während der Mietdauer zur 2945 Verfügung (s. Art. 259a Abs. 1 OR): • Mängelbeseitigung (Art. 259b–259c OR; s. N 2946 ff.); • Mietzinsherabsetzung (Art. 259d OR; s. N 2952 ff.); 238 Guhl/Koller, § 44 N 40; s. Züst, mp 2003, 156. 239 Züst, mp 2003, 158. 240 S. Züst, mp 2003, 164.

915

5. Kapitel

Nominatverträge

• Schadenersatz bei Verschulden (Art. 259e OR; s. N 2957 ff.); • Übernahme des Rechtsstreits mit einem Dritten (Art. 259f OR; s. N 2958 f.) und • bei unbeweglichen Sachen zudem Hinterlegung des Mietzinses (Art.  259a Abs. 2, Art. 259g–259i OR; s. N 2959 ff.). a.

Beseitigung des Mangels (Art. 259b–259c OR)

2946

Die Vermieterin muss Mängel beseitigen, welche der Mieter weder zu verantworten noch auf eigene Kosten zu beseitigen hat und die ihn im (vertragsgemässen) Gebrauch der Sache stören (Art. 259a Abs. 1 lit. a OR). Der Beseitigungsanspruch des Mieters setzt allerdings voraus, dass die Beseitigung des Mangels für die Vermieterin subjektiv und objektiv möglich bzw. zumutbar ist.241 Der Mieter kann ferner keine Beseitigung verlangen, wenn er verpflichtet ist, den Mangel zu dulden (Art. 257h und Art. 260 OR), wenn er das Mietverhältnis nach Art. 259b lit. a OR bereits gekündigt oder wenn die Vermieterin ihm vollwertigen Ersatz angeboten hat (Art. 259c OR; N 2951).242

2947

Damit die Vermieterin die Mängel überhaupt beseitigen kann, muss sie Kenntnis vom Mangel haben.243 Dabei spielt es keine Rolle, auf welchem Weg und von wem (z.B. Kundgabe durch den Hauswart) die Vermieterin erfährt, dass ein Mangel vorliegt. Eine Mängelanzeige durch den Mieter ist nach mehrheitlicher Lehre nicht nötig; die blosse Kenntnis der Vermieterin vom Mangel soll demnach bereits genügen.244 Beweistechnisch und aufgrund der Meldepflicht nach Art. 257g Abs. 1 OR (N 2933b ff.) empfiehlt sich für den Mieter allerdings, der Vermieterin den Mangel schriftlich anzuzeigen.245

2948

Die Vermieterin muss den Mangel innert angemessener Frist beseitigen (Art. 259b OR). Nicht vorausgesetzt ist, dass der Mieter der Vermieterin eine Frist zur Mängelbehebung ansetzt. Auch ohne eine solche Fristansetzung muss sie den Mangel von sich aus innert angemessener Frist ab Kenntnisnahme beseitigen.246 Bezüglich der Angemessenheit einer Frist gilt allgemein: Je schwerer der Mangel und je leichter dessen Beseitigung ist, desto schneller muss die Behebung erfolgen.247 Die Frist kann aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls (z.B. Jah241 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259b N 3; SVIT-Tschudi, Art. 259b N 10. 242 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259b N 3; BSK OR-Weber, Art. 259b N 4. 243 BK OR-Giger, Art. 259b N 10; SVIT-Tschudi, Art. 259b N 8. 244 CPra Bail-Aubert, Art. 259b N 4; BK OR-Giger, Art. 259b N 10; BSK OR-Weber, Art. 259b N 2; s. auch BBl 1985 I 1434; wohl a.M. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259b N 4. 245 Gl.M. CPra Bail-Aubert, Art. 259b N 4 f.; SVIT-Tschudi, Art. 259b N 8. 246 BGE 4A_476/2015 E.  4.4.2; 4C.164/1999 E.  2d = Pra 2000 Nr.  49; CPra Bail-Aubert, Art.  259b N  6; BK OR-Giger, Art. 259b N 17; SVIT-Tschudi, Art. 259b N 23. A.M. Guhl/Koller, § 44 N 41, und ZK OR-Higi, Art. 259b N 28, welche auf die mit Fristansetzung verbundene Aufforderung des Mieters abstellen. 247 BGE 4C.164/1999 E. 2d = Pra 2000 Nr. 49; ZK OR-Higi, Art. 259b N 24; Mietrecht für die Praxis-Roy, 244.

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§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

reszeit, Verfügbarkeit der Handwerker, Einholung von Bewilligungen) auch kürzer oder länger ausfallen.248 Beseitigt die Vermieterin den Mangel nicht fristgerecht, nur teilweise oder mangel- 2949 haft249, so stehen dem Mieter je nach Schwere des Mangels verschiedene Rechtsbehelfe zur Verfügung: Ist der Mangel schwer, kann der Mieter einer unbeweglichen Sache das Mietverhältnis fristlos kündigen (Art. 259b lit. a OR; zur fristlosen Kündigung s. N 3004 ff.).250 Bei beweglichen Sachen genügt schon ein mittlerer Mangel zur Kündigung (Art. 259b lit. a OR). Das Kündigungsrecht steht dem Mieter – im Gegensatz zum Beseitigungsanspruch (s. N 2946) – nach wohl herrschender Lehre auch dann zu, wenn die Behebung des Mangels objektiv nicht möglich oder zumutbar ist.251 Nach unbenutztem Ablauf der Behebungsfrist muss der Mieter nicht sofort kündi- 2949a gen. Er darf solange damit warten, bis er einen Ersatz für die Mietsache gefunden hat.252 Der Mieter muss sich allerdings aktiv um einen Ersatz bemühen, da ein allzu langes Zuwarten gemäss Vertrauensprinzip als Verzicht auf die Kündigung verstanden werden kann.253 Sind nicht alle Voraussetzungen von Art. 259b lit. a OR erfüllt, so ist die Kündigung unwirksam.254 Leichte und mittlere Mängel, welche nicht fristgemäss behoben werden, kann der 2950 Mieter auf Kosten der Vermieterin beseitigen lassen (Ersatzvornahme; Art.  259b lit. b OR).255 Der Mieter muss sich nicht richterlich ermächtigen lassen, sondern kann von sich aus einen Handwerker beauftragen.256 Führt der Mieter eine Ersatzvornahme durch, ohne dass deren Voraussetzungen vorliegen, kann er seine Aufwendungen höchstens über die unechte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA; Geschäftsanmassung), bei Dringlichkeit allenfalls auch über die echte GoA auf die Vermieterin abwälzen (zur Abgrenzung der beiden Erscheinungsformen s. N 1607 f.).257 Liegt ein schwerwiegender Mangel vor, kann der Mieter den Mangel nicht selbständig beseitigen, sondern muss sich richterlich (das heisst von der

248 249 250 251 252 253 254 255 256 257

CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259b N 5. Engel, CO PS, 154; ZK OR-Higi, Art. 259b N 21; Mietrecht für die Praxis-Roy, 244. CPra Bail-Aubert, Art. 259b N 15; SVIT-Tschudi, Art. 259b N 22. ZK OR-Higi, Art. 259b N 22; SVIT-Tschudi, Art. 259b N 30; Tschudi, Immissionen, 40; anders das Urteil des Einzelrichters des Mietgerichts Bülach vom 26. März 2003 E. 4d = MRA 2003, 55–59. BBl 1985 I 1435; ZK OR-Higi, Art. 259b N 35; BSK OR-Weber, Art. 259b N 8; a.M. Guhl/Koller, § 44 N 45. BBl 1985 I 1435; ZK OR-Higi, Art. 259b N 35; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259b N 7. Nach SVIT-Tschudi, Art. 259b N 31, soll der Mieter der Vermieterin nach Ablauf der Frist allerdings immerhin mitteilen, dass er kündigen wird, sobald er Ersatz gefunden hat. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259 N 7; BSK OR-Weber, Art. 259b N 9. ZK OR-Higi, Art. 259b N 45; wohl a.M. BSK OR-Weber, Art. 259b N 10. Zur Kontroverse in Bezug auf den Begriff des untergeordneten Mangels s. BK OR-Giger, Art. 259b N 24 f. Mietrecht für die Praxis-Roy, 244 f. Guhl/Koller, § 44 N 41; SVIT-Tschudi, Art. 259b N 43.

917

5. Kapitel

Nominatverträge

Schlichtungsbehörde und [falls nötig] anschliessend vom Gericht) ermächtigen (Art. 98 OR) lassen.258 2951

Leistet die Vermieterin innert angemessener Frist vollwertigen Ersatz, so hat der Mieter keinen Anspruch auf Beseitigung des Mangels (Art. 259c OR). «Vollwertigkeit» bedeutet nicht, dass das Ersatzobjekt identisch sein muss. Vielmehr genügt es, wenn die Sache die vorausgesetzten und zugesicherten Eigenschaften der mängelfreien Mietsache aufweist (das heisst gleichwertig ist), zum bisherigen Mietzins angeboten wird und wenn der Mieter auch sonst keine finanzielle Einbusse wegen des Ersatzes erleidet.259 Aus dem letzten Erfordernis ergibt sich, dass der Mieter so zu stellen ist, wie wenn der Mangel ohne Ersatzleistung beseitigt worden wäre (z.B. Ersatz der Umzugskosten260).261 Sofern die Vermieterin ein vollwertiges Ersatzobjekt zur Verfügung stellt, fallen sämtliche Mängelrechte nach Art. 259b–259c OR wie auch das Recht zur Hinterlegung des Mietzinses (Art. 259g ff. OR; N 2959 ff.) dahin.262 b.

Herabsetzung des Mietzinses (Art. 259d OR)

2952

Kann der Mieter die Sache nicht wie vereinbart nutzen, weil sie Mängel aufweist, so hat er Anspruch auf eine Mietzinsreduktion (Art. 259d OR). Nach einem Teil der Lehre berechtigen alle Mängel im Sinne von Art. 259a Abs. 1 OR zur Herabsetzung des Mietzinses;263 leichte Mängel (s. N 2942) werden von Art. 259d OR nur erfasst, wenn der Mieter sie nicht auf eigene Kosten zu beheben hat (Art. 259 OR).264 Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung und einem anderen Teil der Lehre ist demgegenüber (unseres Erachtens zu Recht) mindestens ein mittelschwerer Mangel (s. N 2942) erforderlich.265

2953

Der Mangel muss sich nicht aus der Sache selber ergeben, sondern kann auch in der Nachbarschaft zum Mietobjekt liegen oder im Verhalten eines Dritten begründet sein (z.B. Baustellenlärm).266 Der Mieter kann auch dann eine Mietzinsreduktion verlangen, wenn der Mangel nicht beseitigt werden kann.267 Ein Verschulden

258 259 260 261 262 263 264 265 266 267

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CPra Bail-Aubert, Art.  259b N  28; Mietrecht für die Praxis-Roy, 245. Zum Inhalt der Klage s. SVITTschudi, Art. 259b N 46 ff. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259c N 3; BSK OR-Weber, Art. 259c N 1. SVIT-Tschudi, Art. 259c N 5; BSK OR-Weber, Art. 259c N 1. ZK OR-Higi, Art. 259c N 21. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259c N 5; BSK OR-Weber, Art. 259c N 4. ZK OR-Higi, Art. 259d N 8; in diese Richtung BSK OR-Weber, Art. 259d N 2. S. SVIT-Tschudi, Art. 259d N 10. BGE 4C.97/2003 E. 3.3; CPra Bail-Aubert, Art. 259d N 8; SVIT-Tschudi, Art. 259d N 11. BGE 4C.377/2004 E. 2.1; Hürlimann-Kaup, N 439. Mietrecht für die Praxis-Roy, 250; Tschudi, Immissionen, 39 ff.; a.M. Urteil des Einzelrichters des Mietgerichts Bülach vom 26. März 2003 E. 4d = MRA 2003, 55–59; Rohrer, MRA 2003, 59 f.; Studer, MRA 2005 102 f.

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

der Vermieterin ist nicht erforderlich.268 Kausales Mieterverschulden schliesst den Herabsetzungsanspruch dagegen aus (Art. 259a Abs. 1 OR).269 Der Herabsetzungsanspruch beginnt frühestens mit der Kenntnis des Mangels 2954 durch die Vermieterin und endet mit der Behebung des Mangels, dem Wegfall der Beeinträchtigung oder der Beendigung des Mietverhältnisses (s. Art. 259d OR).270 Die Herabsetzung nach Art. 259d OR setzt eine entsprechende Herabsetzungserklärung des Mieters gegenüber der Vermieterin voraus. Die Vermieterin muss wissen, dass sich der Mieter am Mangel stört. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Mieter eine Mietzinsreduktion oder die Beseitigung des Mangels verlangt.271 Aus Sicherheits- und Beweisüberlegungen empfiehlt es sich, die Vermieterin schriftlich oder gar mit eingeschriebenem Brief über den Mangel und die dadurch empfundene Belästigung zu informieren.272 Eine bestimmte Frist für die Abgabe der Herabsetzungserklärung besteht nicht. Die 2955 Herabsetzung des Mietzinses kann auch noch nach Beseitigung des Mangels oder sogar nach Beendigung des Mietverhältnisses verlangt werden; die entsprechende Mängelrüge des Mieters (s. N 2954) muss dagegen während des Bestehens des Mangels erfolgen.273 Die Herabsetzung erfolgt wie die Preisminderung im Kaufrecht (s. N 2685 ff.) nach 2956 der relativen Berechnungsmethode.274 Dabei wird der objektive Wert der mangelhaften Sache mit dem objektiven Wert der mängelfreien Sache verglichen und der Mietzins im gleichen Verhältnis reduziert.275 Insbesondere bei mittelschweren Mängeln (s. N 2942) ergeben sich hier jedoch praktische Schwierigkeiten, weshalb es nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung zulässig ist, Billigkeitserwägungen in die Bemessung miteinfliessen zu lassen.276 Massgebend für die Bemessung der Mietzinsreduktion sind objektive Kriterien (z.B. Art und Intensität des Mangels, vereinbarter Gebrauch).277 Subjektive, in der Person des Mieters liegende Umstände (z.B. Alter, Invalidität einer Person) sind nur zu berücksichtigen, wenn entsprechende Regelungen in Form von expliziten Zusicherungen in den Vertrag eingeflossen oder die subjektiven Kriterien für die Vermieterin bei Vertragsschluss

268 269 270 271 272 273 274

BBl 1985 I 1436; BSK OR-Weber, Art. 259d N 2a. ZK OR-Higi, Art. 259d N 7; SVIT-Tschudi, Art. 259d N 10. BGE 142 III 557 E. 8.3.1 und E. 8.3.4; CPra Bail-Aubert, Art. 259d N 15; Blumer, N 750. BGE 142 III 557 E. 8.3.4 und E. 8.4; SVIT-Tschudi, Art. 259d N 15. Gl.M. CPra Bail-Aubert, Art. 259d N 12. BGE 142 III 557 E. 8.3.4 ff. BGE 130 III 504 E. 4.1 = Pra 2005 Nr. 6; statt vieler Guhl/Koller, § 44 N 52; Honsell, OR BT, 234; CR CO-Lachat, Art. 259d N 2; BSK OR-Weber, Art. 259d N 6. 275 BGE 130 III 504 E. 4.1 = Pra 2005 Nr. 6; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259d N 7. 276 BGE 130 III 504 E. 4.1 = Pra 2005 Nr. 6; BSK OR-Weber, Art. 259d N 6; s. ferner Honsell, OR BT, 234. 277 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259d N 7; Mietrecht für die Praxis-Roy, 248.

919

5. Kapitel

Nominatverträge

erkennbar gewesen sind (z.B. Benutzbarkeit des Lifts bei einem an den Rollstuhl gebundenen Mieter).278 2956a

Beim Anspruch auf Rückforderung von zu viel bezahltem Mietzins im Rahmen von Art. 259d OR handelt es sich um einen vertraglichen (und nicht um einen bereicherungsrechtlichen) Anspruch, weil er sich auf Miet- und damit Vertragsrecht stützt.279 Die Verjährung richtet sich dementsprechend nach Art. 128 Ziff. 1 OR (bei periodischen Mietzinsen) bzw. nach Art. 127 OR.280 Der Fristenlauf beginnt laut Bundesgericht mit der Kenntnis der Vermieterin vom Mangel (Art. 130 Abs. 2 OR).281

2956b

Falls sich die Vermieterin und der Mieter nicht konsensual über die Höhe der Mietzinsreduktion einigen können, hat der Mieter verschiedene Handlungsmöglichkeiten: Entweder kann er die Mietzinsreduktion mittels Rückforderungs- bzw. Feststellungsklage282 gerichtlich geltend machen oder seinen Herabsetzungsanspruch im Hinterlegungsverfahren (s.  Art.  259g  ff.  OR; N  2959  ff.) durchzusetzen versuchen.283 Reduziert der Mieter die Mietzinse eigenmächtig bzw. verrechnet er seiner Ansicht nach zu viel bezahlte Mietzinse mit künftigen Mietzinszahlungen, riskiert er, dass ihm infolge Zahlungsverzug ausserordentlich gekündigt wird (Art. 257d OR; N  3005e).284 Nach jüngster bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist der Mieter zudem ohnehin nur bei behebbaren Mängeln berechtigt, den Mietzins eigenmächtig zu reduzieren.285 c.

2957

Schadenersatzanspruch (Art. 259e OR)

Hat der Mieter durch den Mangel einen Schaden erlitten (z.B. wenn Mobiliar wegen eines undichten Dachs beschädigt wurde oder wenn er infolge eines Mangels vorübergehend im Hotel übernachten musste), so haftet die Vermieterin bei Verschulden286 auch für Mangelfolgeschäden (Art.  259e  OR). Die Vermieterin haftetet allerdings nur, wenn der Mieter den Mangel nicht selbst zu verantworten oder zu beheben hat (s. Art. 259 und Art. 259a OR).287 Die weiteren Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs entsprechen denjenigen der Haftung aus Art.  97

278 279 280 281 282 283 284 285 286 287

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SVIT-Tschudi, Art. 259d N 31 f.; s. auch BBl 1985 I 1423; ZK OR-Higi, Art. 259d N 14 f. BGE 130 III 504 E. 6 ff. = Pra 2005 Nr. 6; Addorisio de Feo, mp 2001, 184; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259d N 6; a.M. ZK OR-Higi, Art. 259d N 25; Rohrer, MRA 2003, 60 f. Addorisio de Feo, mp 2001, 184. BGE 130 III 504 E. 8.2; SVIT-Tschudi, Art. 259d N 47. Zu den verschiedenen Klagemöglichkeiten s. Mietrecht für die Praxis-Roy, 257 f., und Mietrecht für die Praxis-Spirig, 708 f.; s. ferner SVIT-Tschudi, Art. 259d N 43. S. KuKo OR-Blumer, Art. 259d N 11; BSK OR-Weber, Art. 259d N 5. KuKo OR-Blumer, Art. 259d N 11; SVIT-Tschudi, Art. 259d N 43. BGE 4A_140/2014 und BGE 4A_250/2014 E. 5.4; s. ferner auch Mietrecht für die Praxis-Roy, 259; Mietrecht für die Praxis-Spirig, 708 f. S. dazu BGE 4A_173/2010 E. 5.3. Mietrecht für die Praxis-Roy, 260; BSK OR-Weber, Art. 259e N 1.

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Abs.  1  OR.288 Neben einem Mangel sind also Schaden, Vertragswidrigkeit (mangelhafte Mietsache; s. N 2941 ff.), natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang (zwischen Mangel und Schaden) sowie Verschulden vorausgesetzt, wobei Letzteres vermutet wird. Das Mass der Haftung und der Umfang des Schadenersatzes beurteilen sich nach den Art. 99–101 und Art. 42–46 OR; zu ersetzen ist das positive Interesse.289 Eine Einschränkung oder Wegbedingung der Mängelhaftung ist nur im Rahmen von Art. 256 Abs. 2 OR zulässig (s. auch die allgemeinen Schranken von Art. 100, Art. 101 Abs. 2 und Abs. 3 OR).290 Im Gegensatz zur Herabsetzung des Mietzinses (Art. 259d OR) muss die Vermiete- 2957a rin keine Kenntnis vom Mangel haben. Die Unterlassung der Mängelanzeige durch den Mieter kann allerdings den Untergang des Schadenersatzanspruchs bewirken (Art. 257g OR; s. N 2976e).291 Bei Art. 259e OR handelt es sich um einen vertraglichen Schadenersatzanspruch, 2957b weshalb dieser grundsätzlich nur dem Mieter als Vertragspartner der Vermieterin zur Verfügung steht.292 Umstritten ist, ob die Schutzwirkung des Mietvertrages auch auf Dritte (z.B. Familienangehörige, Hausgenossen, Gäste) ausgedehnt werden sollte oder nicht (sog. Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter; s. N 1567 ff.).293 Das Bundesgericht hat diese Frage bislang offengelassen. Nach der hier vertretenen Auffassung sollten bei der Wohnungsmiete auch geschädigte Haushaltsmitglieder, die selber nicht Vertragspartei sind, bei gegebenen Voraussetzungen (s. N 1574 ff.) vertragliche Schadenersatzansprüche nach Art. 259e OR gegen die Vermieterin geltend machen können, wenn sie infolge der mangelhaften Mietsache zu Schaden gekommen sind. Der Mieter kann seinen Schadenersatzanspruch entweder durch entsprechende 2957c Klage oder im Rahmen der Mietzinshinterlegung nach Art.  259g  ff.  OR geltend machen.294 Auch steht dem Mieter die Möglichkeit offen, seine Schadenersatzforderung eigenmächtig mit fälligen Mietzinsen zu verrechnen. Bei einem solchen Vorgehen riskiert der Mieter allerdings, dass ihm der Vertrag infolge Zahlungsverzugs ausserordentlich gekündigt wird (s. Art. 257d OR; N 3005e).295 Der Mieter sollte daher nur dann seine Mietzinsschulden mit ihm zustehenden Forderungen ver-

288 289 290 291 292 293

CPra Bail-Aubert, Art. 259e N 3; KuKo OR-Blumer, Art. 259e N 2. ZK OR-Higi, Art. 259e N 24; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259e N 3. BSK OR-Weber, Art. 259e N 2. CPra Bail-Aubert, Art. 259e N 15; BK OR-Giger, Art. 259e N 7. S. BK OR-Giger, Art. 259e N 23. Bejahend Bucher,  OR BT, 167; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259e N 6; ablehnend CPra BailAubert, Art. 259e N 32; BK OR-Giger, Art. 259e N 24; kritisch auch ZK OR-Higi, Art. 259e N 22; SVITTschudi, Art. 259e N 28 ff. 294 BK OR-Giger, Art. 259e N 27; SVIT-Tschudi, Art. 259e N 39. 295 CPra Bail-Aubert, Art. 259e N 29; SVIT-Tschudi, Art. 259e N 40.

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5. Kapitel

Nominatverträge

rechnen, wenn die Vermieterin die Schadenersatzforderung anerkannt hat oder diese vom Gericht verbindlich festgelegt ist.296 d.

Übernahme des Rechtsstreits (Art. 259f OR)

2958

Gemäss Art. 259f OR muss die Vermieterin auf Anzeige des Mieters einen Rechtsstreit übernehmen, wenn ein Dritter gegenüber dem Mieter einen Anspruch auf die Mietsache erhebt, der sich mit den Rechten des Mieters nicht verträgt. Die Norm ist in der Praxis allerdings eher unbedeutend.297

2958a

Mit Ansprüchen im Sinne von Art.  259f  OR sind dingliche Rechte (Eigentum; Art. 641 Abs. 2 ZGB), beschränkte dingliche Rechte (z.B. Dienstbarkeiten) oder allfällige nachbarrechtliche Ansprüche (z.B. Art. 679 i.V.m. Art. 684 ZGB) gemeint.298 Die Rechte des Dritten müssen allerdings schon bei Abschluss des Mietverhältnisses bestanden haben, ansonsten gelangen die Art. 261–261a OR zur Anwendung.299 In der Lehre umstritten ist, ob auch realobligatorische Rechte (z.B. vorgemerkte Miet- oder Pachtverträge) unter Art. 259f OR fallen oder nicht.300 Macht ein Dritter bloss obligatorische Rechte gegen die Vermieterin geltend (z.B. bei einer Doppelvermietung), so ist Art. 259f OR mangels Passivlegitimation des Mieters nicht anwendbar.301 Nicht vorausgesetzt ist, dass die Vermieterin an der Entstehung des Rechtsmangels ein Verschulden trifft.302 e.

Hinterlegung des Mietzinses (Art. 259g–259i OR)

2959

Der Mieter einer unbeweglichen Sache kann den Mietzins bei einer vom Kanton bezeichneten Stelle (z.B. Banken, Verwaltungs- oder Gerichtsbehörden303) hinterlegen (Art. 259g Abs. 1 OR):

2960

«Materiell» ist zunächst vorausgesetzt, dass ein Mangel im Sinne von Art.  259a Abs. 1 OR vorliegt, dessen Beseitigung der Mieter verlangen kann (Art. 259b f. OR; s. N 2946).304 Nach der herrschenden Lehre (und unseres Erachtens zu Recht) ist eine Hinterlegung unzulässig, wenn die Beseitigung objektiv unmöglich oder unzumutbar ist (s. dagegen Mietzinsreduktion; N 2953).305 Die Hinterlegung stellt näm296 CPra Bail-Aubert, Art. 259e N 29; Mietrecht für die Praxis-Roy, 263. 297 KuKo OR-Blumer, Art. 259f N 1; BK OR-Giger, Art. 259f N 9. 298 SVIT-Tschudi, Art. 259f N 6 f.; BSK OR-Weber, Art. 259f N 2. 299 CPra Bail-Aubert, Art. 259f N 5; SVIT-Tschudi, Art. 259f N 10. 300 Bejahend KuKo OR-Blumer, Art. 259f N 1; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259f N 2; ablehnend ZK OR-Higi, Art. 259f N 8; wohl auch Mietrecht für die Praxis-Roy, 264 FN 207. 301 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259f N 2; SVIT-Tschudi, Art. 259f N 8. 302 BGE 90 I 13 E. 4b; ZK OR-Higi, Art. 259f N 15. 303 S.  auch Auflistung in CPra Bail-Aubert, Art.  259g N  49; für den Kanton Zürich s.  etwa §  66 Abs.  2 GOG ZH (LS 211.1): Die Mietzinse sind bei der Kasse des zuständigen Bezirksgerichts zu hinterlegen. 304 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259g–i N 3; ZK OR-Higi, Art. 259g N 21. 305 SVIT-Tschudi, Art. 259g N 11; BSK OR-Weber, Art. 259g N 4; a.M. Blumer, N 763.

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§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

lich ein Druckmittel zur Verwirklichung des Anspruchs auf Mängelbehebung dar.306 Andere Ansprüche wie z.B. Mietzinsherabsetzung wegen Renovationsarbeiten können dagegen nicht mittels Hinterlegung durchgesetzt werden.307 «Formell» ist sodann erforderlich, dass der Mieter unter Fristansetzung die Besei- 2961 tigung des Mangels verlangt und der Vermieterin die Hinterlegung schriftlich androht sowie ankündigt (Art. 259g Abs. 1 OR).308 Somit können vier Willenserklärungen des Mieters unterschieden werden, die grundsätzlich kumulativ gegeben sein müssen:309 • Aufforderung zur Mängelbeseitigung: Der Mieter hat die Vermieterin aufzufordern, den Mangel zu beseitigen, was formfrei erfolgen kann, sofern die Aufforderung nicht mit der Fristansetzung verbunden ist.310 Im Gegensatz zu Art. 259b OR genügt es somit nicht, wenn die Vermieterin über andere Wege Kenntnis vom Mangel erlangt. • Fristansetzung: Der Mieter hat der Vermieterin analog zu Art. 107 f. OR eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels anzusetzen.311 Die Fristansetzung hat schriftlich zu erfolgen.312 Ist die Frist zu knapp bemessen, hat die Vermieterin dem Mieter dies zu erklären, andernfalls die Frist nach dem Vertrauensprinzip als ausreichend gilt.313 Ist die Unangemessenheit der gesetzten Frist für den Mieter dagegen klar erkennbar, so ist die Fristansetzung wirkungslos und damit auch eine allfällige Hinterlegung ungültig.314 Ausnahmsweise und in Analogie zu Art. 108 Ziff. 1 OR kann der Mieter darauf verzichten, eine Beseitigungsfrist anzusetzen. Nicht erforderlich ist demnach die Fristansetzung, wenn aus dem Verhalten der Vermieterin hervorgeht, dass dies unnütz sein würde.315 • Hinterlegungsandrohung: Mit der Fristansetzung sollte die Androhung verbunden werden, dass bei unbenützter Frist die künftig anfallenden Mietzinsen hinterlegt würden. Die Hinterlegungsandrohung hat ebenfalls schriftlich zu erfolgen (Art. 259g Abs. 1 OR).316 Wiederum kann in Analogie zu Art. 108 Ziff. 1 OR bei gegebenen Voraussetzungen auf die Androhung verzichtet werden.317 306 307 308 309 310 311 312 313 314 315

BGE 125 III 120 E. 2b; 124 III 201 E. 2d m.w.H; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259g–i N 3. BGE 4A_739/2011 E. 2.3; 4A_163/2007 E. 4.2.1 m.w.H. CR CO-Lachat, Art. 259g N 3. Ausführlich zum Fehlen von Voraussetzungen ZK OR-Higi, Art. 259g N 43 ff. ZK OR-Higi, Art. 259g N 25; s. auch BGE 142 III 557 E. 8.3.3. ZK OR-Higi, Art. 259g N 26 f.; BSK OR-Weber, Art. 259g N 6. OFK-Permann, Art. 259g N 4; BSK OR-Weber, Art. 259g N 8. BGE 4A_565/2009 E. 4.2. BGE 4A_565/2009 E. 4.3; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259g–i N 4. BGE 4C.264/2003 E. 3.1; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259g–i N 4; CR CO-Lachat, Art. 259g N 3; restriktiv BK OR-Giger, Art. 259g N 21; SVIT-Tschudi, Art. 259g N 22, zumal die Beweislast für die Nutzlosigkeit beim Mieter liegt. 316 ZK OR-Higi, Art. 259g N 36; Mietrecht für die Praxis-Roy, 267. 317 BGE 4C.264/2003 E. 3.1; ZK OR-Higi, Art. 259g N 37; restriktiv BK OR-Giger, Art. 259g N 21; SVITTschudi, Art. 259g N 22.

923

5. Kapitel

Nominatverträge

• Hinterlegungsankündigung: Hat die Vermieterin den Mangel nicht innerhalb der gesetzten Frist behoben, kann der Mieter den Mietzins hinterlegen. Das Gesetz verlangt, dass der Mieter die Hinterlegung ebenfalls (schriftlich) anzukündigen hat (Art. 259g Abs. 1 Satz 2 OR). Hierbei handelt es sich gemäss Rechtsprechung und herrschender Lehre um eine blosse Ordnungsvorschrift:318 Die Unterlassung der Hinterlegungsankündigung schliesst mit anderen Worten die Zahlungswirkung (s. Art. 259g Abs. 2 OR) nicht aus.319 In den meisten Fällen kann davon ausgegangen werden, dass die Androhung der Hinterlegung bereits auch deren Ankündigung nach unbenützt verstrichener Frist enthält.320 Der Mieter tut allerdings gut daran, der Vermieterin auch die Hinterlegung anzukündigen, um nicht unnötig betrieben zu werden oder eine Kündigung wegen Zahlungsverzuges (Art. 257d OR) befürchten zu müssen.321 2962

Unabhängig von der Schwere des Mangels kann der ganze Mietzins (Nettomietzins zuzüglich Nebenkosten) hinterlegt werden.322 Art. 259g OR ist jedoch nur auf die künftig fälligen Mietzinse anwendbar. Gemeint sind lediglich die Zinse, die nach Ablauf der gesetzten Mängelbeseitigungsfrist anfallen.323 Damit wird auch klar, dass bereits verfallene Mietzinse nicht durch Hinterlegung getilgt werden können.324 Das gilt selbst für den Fall, dass die Fälligkeit während der laufenden Frist eingetreten ist.325

2963

Sind alle «materiellen» und «formellen» Voraussetzungen erfüllt, tritt mit der Hinterlegung eine Zahlungsfiktion ein: Die Mietzinse gelten nun als bezahlt (Art. 259g Abs. 2 OR).326 Fehlt es an einer Voraussetzung, gerät der Mieter grundsätzlich in Zahlungsverzug und riskiert eine Kündigung nach Art.  257d  OR (N  3005e).327 Ausnahmsweise gelten die Mietzinse als bezahlt, wenn der Mieter gutgläubig vom Vorliegen eines Mangels ausging.328 In solchen Fällen ist alsdann die Zahlungsverzugskündigung (Art. 257d OR) ungültig.329 Sind dagegen die formellen Voraus-

318 BGE 4C.264/2003 E. 3.1; SVIT-Tschudi, Art. 259g N 34; BSK OR-Weber, Art. 259g N 8; a.M. ZK ORHigi, Art. 259g N 41; kritisch auch BK OR-Giger, Art. 259g N 19. 319 Guhl/Koller, § 44 N 54; Mietrecht für die Praxis-Roy, 267. 320 BSK OR-Weber, Art. 259g N 8. 321 S. SVIT-Tschudi, Art. 259g N 34. 322 BGE 124 III 201 E. 2d; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259g–i N 5; Mietrecht für die Praxis-Roy, 268; in Bezug auf Nebenkosten a.M. ZK OR-Higi, Art. 259g N 53. Kritisch SVIT-Tschudi, Art. 259g N 33, wenn zwischen den hinterlegten Mietzinsen und den finanziellen Ansprüchen des Mieters ein Missverhältnis besteht. 323 CR CO-Lachat, Art. 259g N 5. 324 BGE 4A_368/2007 E. 2.4. 325 Guhl/Koller, § 44 N 54; SVIT-Tschudi, Art. 259g N 25. 326 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259g–i N 7; SVIT-Tschudi, Art. 259g N 39. 327 CR CO-Lachat, Art. 259g N 8; SVIT-Tschudi, Art. 259g N 40. 328 BGE 125 III 120 E. 2b. 329 BGE 4C.264/2006 E. 3.3; CR CO-Lachat, Art. 259g N 8; SVIT-Tschudi, Art. 259g N 41.

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§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

setzungen (Aufforderung zur Mängelbeseitigung, Fristansetzung, Hinterlegungsandrohung) nicht erfüllt, kann sich der Mieter nicht auf den guten Glauben berufen.330 Nach erfolgreicher Hinterlegung muss der Mieter sodann innerhalb von 30 Tagen 2964 (gerechnet ab dem Tag, an welchem der erste hinterlegte Mietzins gemäss Vertrag oder Gesetz fällig gewesen wäre331) die Schlichtungsbehörde anrufen (Art.  259h Abs. 1 OR) und zwingend auf die Beseitigung des Mangels bzw. die Ermächtigung zur Vornahme auf Kosten der Vermieterin klagen.332 Daneben kann er auch Schadenersatz (Art.  259e  OR; N  2957  ff.) oder Mietzinsherabsetzung (Art.  259d  OR; N 2952 ff.) geltend machen.333 Unterlässt es der Mieter, die Schlichtungsbehörde fristgerecht anzurufen, so wird der hinterlegte Mietzins der Vermieterin ausbezahlt (Art.  259h Abs.  1  OR), und der Mieter muss von vorne (Aufforderung zur Mängelbeseitigung etc.) beginnen, falls die beanstandeten Mängel in der Zwischenzeit nicht behoben worden sind.334 Die restlichen Mängelrechte gemäss Art. 259a ff. OR hat der Mieter jedoch mit Ablauf der 30-tägigen Frist nicht verwirkt.335 Auch die Vermieterin kann an die Schlichtungsbehörde gelangen und die Heraus- 2965 gabe der zu Unrecht hinterlegten Mietzinse verlangen, sobald ihr die Hinterlegung angekündigt worden ist (Art.  259h Abs.  2  OR). Entgegen dem Gesetzeswortlaut muss die Vermieterin aber nicht die Hinterlegungsankündigung abwarten. Vielmehr kann sie die Herausgabe bereits mit der Kenntnisnahme der Mietzinshinterlegung verlangen.336 Der Herausgabeanspruch der Vermieterin ist im Gegensatz zur Klage des Mieters (Art. 259h Abs. 1 OR) aber nicht auf 30 Tage befristet. Art. 259h Abs. 2 OR enthält keine explizite Fristbestimmung. Ausserdem wäre es nicht nachvollziehbar, warum der legitime Anspruch der Vermieterin, allenfalls zu Unrecht hinterlegte Mietzinse jederzeit herauszuverlangen, auf 30 Tage beschränkt sein sollte.337 f.

Konkurrenz

Grundsätzlich bestehen die Mängelrechte nach Art. 259a ff. OR kumulativ, schlies- 2966 sen einander also gegenseitig nicht aus:338 Hat der Mieter das Mietverhältnis trotz schwerer Mängel angetreten, so kann er neben der Beseitigung des Mangels (Art. 259b OR; N 2946 ff.) grundsätzlich auch die Herabsetzung des Mietzin330 331 332 333 334 335 336 337

BGE 4C.264/2006 E. 3.3; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259g N 7; SVIT-Tschudi, Art. 259g N 42. Mietrecht für die Praxis-Roy, 270. BK OR-Giger, Art. 259h N 10; Mietrecht für die Praxis-Roy, 270; Tschudi, MRA 2006, 48 f. BK OR-Giger, Art. 259h N 11; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259g–i N 9. BK OR-Giger, Art. 259h N 9; SVIT-Tschudi, Art. 259h N 3. ZK OR-Higi, Art. 259h N 12; Mietrecht für die Praxis-Roy, 270. ZK OR-Higi, Art. 259h N 31; SVIT-Tschudi, Art. 259h N 16. Gl.M. SVIT-Tschudi, Art. 259h N 17; ähnlich auch BK OR-Giger, Art. 259h N 15; a.M. ZK OR-Higi, Art. 259h N 26. 338 Blumer, N 744; ZK OR-Higi, Art. 259a N 13.

925

5. Kapitel

Nominatverträge

ses (Art.  259d  OR; N  2952  ff.) und bei Verschulden der Vermieterin Schadenersatz (Art. 259e OR; N 2957 ff.) verlangen.339 Bis zur Beseitigung des Mangels kann der Mieter ausserdem den Mietzins hinterlegen (Art. 259g OR; N 2959 ff.).340 Verlangt der Mieter dagegen nur Herabsetzung oder Schadenersatz, aber keine Mängelbeseitigung (Art.  259b  OR), so ist die Mietzinshinterlegung ausgeschlossen (s. auch Wortlaut von Art. 259b OR).341 Sodann hat der Mieter keinen Mängelbeseitigungsanspruch (Art. 259b OR) mehr, wenn er das Mietverhältnis gemäss Art. 259b lit. a OR bereits fristlos gekündigt hat.342 2967

Zwischen dem Schadenersatzanspruch aus Miete (Art.  259e  OR), dem Ersatzanspruch aus unerlaubter Handlung (Art.  41  ff.  OR; s. N  1829  ff.) und der Werkeigentümerhaftung (Art.  58  OR; s. N  2055  ff.) besteht nach herrschender Lehre Anspruchskonkurrenz.343 Gemäss seiner Wahl kann der Mieter auch die Mängelrechte nach Art. 259a ff. OR geltend machen oder das Mietverhältnis bei gegebenen Voraussetzungen wegen Willensmängeln (z.B. Grundlagenirrtum) anfechten.344 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts wird mit der Geltendmachung der Mängelrechte jedoch der Mietvertrag gemäss Art. 31 OR genehmigt, weshalb sich der Mieter diesfalls nicht mehr auf einen Willensmangel berufen kann.345 Im Übrigen ist das Bereicherungsverbot zu beachten (s. N 4144).

339 340 341 342 343 344 345

926

KuKo OR-Blumer, Art. 259b/259c N 7; SVIT-Tschudi, Art. 259b N 19 f. KuKo OR-Blumer, Art. 259b/259c N 7; s. auch SVIT-Tschudi, Art. 259g N 5. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259g–i N 9; SVIT-Tschudi, Art. 259g N 6. ZK OR-Higi, Art. 259b N 13; SVIT-Tschudi, Art. 259b N 21. BGE 60 II 341; SVIT-Tschudi, Vorb. zu Art. 258–259i N 84 f. S. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 259d N 9; SVIT-Tschudi, Vorb. zu Art. 258–259i N 86. BGE 4C.326/2002 E. 3.1; 5P.360/2001 E. 4; kritisch Mauchle/von der Crone, SZW 2015, 62 f.; BSK ORWeber, Art. 258 N 9.

§ 31

g.

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Übersicht 2967a Mangel während der Mietdauer (Art. 259 OR)

leichter bzw. selbst zu verantwortender Mangel

mittlerer oder schwerer Mangel

Behebung auf Kosten des Mieters (Art. 259 OR)

Rechtsbehelfe des Mieters (Art. 259a OR)

Beseitigung des Mangels (Art. 259b-259c OR)

Herabsetzung des Mietzinses (Art. 259d OR)

Schadenersatz (Art. 259e OR)

Übernahme des Rechtsstreits (Art. 259f OR)

bei unterlassener, teilweiser oder mangelhafter Mängelbeseitigung

bei schwerem Mangel: fristlose Kündigung (Art. 259b lit. a OR)

bei leichterem bzw. mittlerem Mangel: Ersatzvornahme auf Kosten der Vermieterin (Art. 259b lit. b OR)

Hinterlegung des Mietzinses (Art. 259g OR)

Abbildung: Übersicht über die Rechtsfolgen der Schlechterfüllung bei während der Mietdauer entstandenen Mängeln

VII. Leistungsstörungen aufseiten des Mieters 1.

Rechte der Vermieterin bei Verzug des Mieters mit der Mietzinszahlung (Art. 257d OR)

Die Vermieterin kann den Mietvertrag ausserordentlich, das heisst vorzeitig, kün- 2968 digen, wenn der Mieter mit der Zahlung der Mietzinse oder Nebenkosten im Rückstand ist (Art. 257d OR). Folgende Voraussetzungen müssen hierfür erfüllt sein: • Die Übernahme der Mietsache ist erfolgt (N 2968a f.); • der Mieter befindet sich mit der Zahlung des Mietzinses oder der Nebenkosten im Verzug (N 2968c f.);

927

5. Kapitel

Nominatverträge

• die Vermieterin muss schriftlich eine Nachfrist ansetzen und gleichzeitig bei unbenutztem Ablauf der Frist die Kündigung androhen (N 2968e ff.); • die Zahlungsfrist verstreicht ungenutzt (N 2968i ff.). 1.1

Voraussetzungen

a.

Übernahme der Sache

2968a

Art. 257d OR ist nach seinem Gesetzeswortlaut erst anwendbar, wenn der Mieter die Mietsache «übernommen» hat. Nach Rechtsprechung und herrschender Lehre genügt es jedoch, wenn die Vermieterin die Erfüllung angeboten, namentlich das Mietobjekt zur Verfügung gestellt hat.346 Nicht nötig ist mit anderen Worten, dass der Mieter das Mietverhältnis auch tatsächlich angetreten hat.347

2968b

Ist die Mietsache noch nicht im erwähnten Sinn übernommen worden, gelten die allgemeinen Verzugsregeln von Art. 107 ff. OR.348 Die Vermieterin kann den Mietvertrag vorzeitig auflösen (Art. 107 Abs. 2 OR) oder die Übergabe der Wohnung verweigern (Art. 82 OR).349 b.

Zahlungsrückstand des Mieters

2968c

Zahlungsrückstand im Sinne von Art. 257d OR liegt vor, wenn der Mieter fällige Mietzinse oder Nebenkosten nicht fristgerecht (vgl. Art. 257c OR) zahlt.350 Von dieser Bestimmung erfasst sind grundsätzlich auch Verzugszinse für ausstehende Mietzinse351, nicht aber z.B. Betreibungskosten, Sicherheitsleistungen und Schadenersatzansprüche352.

2968d

Ausgeschlossen ist die Kündigung, wenn der Mieter den Mietzins rechtmässig oder zumindest gutgläubig hinterlegt (Art. 259g OR)353 oder Verrechnung erklärt und die Erklärung innert Zahlungsfrist bei der Vermieterin eintrifft354 (zum Verbot des Verrechnungsverzichts s. N 2921). Stellt sich jedoch nachträglich heraus, dass die Verrechnungsforderung nicht oder in viel geringerem Umfang bestand als vom Mieter geltend gemacht, so liegt ein Zahlungsrückstand vor, der eine ausserordentliche Kündigung rechtfertigen kann.355 346 347 348 349 350 351 352 353 354 355

928

BGE 127 III 548 E. 3; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 257d N 3; BSK OR-Weber, Art. 257d N 2. Mietrecht für die Praxis-Spirig, 707; s. auch CPra Bail-Wessner, Art. 257d N 7. SVIT-Reudt, Art. 257d N 10; BSK OR-Weber, Art. 257d N 2. S. Mietrecht für die Praxis-Spirig, 707; BSK OR-Weber, Art. 257d N 2 ZK OR-Higi, Art. 257d N 7 f.; BSK OR-Weber, Art. 257d N 3; s. auch BGE 140 III 591 E. 3 = Pra 2015 Nr. 55. SVIT-Reudt, Art. 257d N 15; Mietrecht für die Praxis-Spirig, 707. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 257d N 2; Mietrecht für die Praxis-Spirig, 708. Blumer, N 848; BK OR-Giger, Art. 257d N 26. BGE 4A_140/2014 E. 5.2 m.w.H.; 4C.248/2002 E. 5.3; SVIT-Reudt, Art. 257d N 20. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 257d N 10; SVIT-Reudt, Art. 257d N 23.

§ 31

c.

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Ansetzung einer Zahlungsfrist mit Kündigungsandrohung

Die Vermieterin muss dem Mieter in einem ersten Schritt schriftlich (Art. 11 ff. OR) 2968e eine Zahlungsfrist ansetzen und ihm gleichzeitig androhen, dass das Mietverhältnis bei unbenütztem Ablauf der Frist gekündigt werde (Art. 257d Abs. 1 Satz 1 OR). Die Frist wie auch die Rechtsfolgen bei ausbleibender Zahlung, nämlich die Kündigung des Mietverhältnisses, müssen klar und unzweideutig aus dieser Zahlungsaufforderung hervorgehen. Ein Verweis auf Art.  257d  OR oder auf eine entsprechende Vertragsbestimmung, welche den Gesetzestext wiedergibt, genügt demnach nicht.356 Fehlt die ausdrückliche Kündigungsandrohung, gerät der Mieter «bloss» in Zahlungsverzug und eine ausserordentliche Kündigung nach Art. 257d OR ist ausgeschlossen.357 Bei Familienwohnungen muss die Zahlungsaufforderung den beiden Ehegat- 2968f ten bzw. eingetragenen Partnern jeweils separat zugestellt werden, auch wenn nur ein Ehegatte oder eingetragener Partner Vertragspartei des Mietverhältnisses ist (Art.  266n  OR).358 Unterlässt die Vermieterin die doppelte Zustellung der Zahlungsaufforderung, so ist diese nichtig (Art. 266o i.V.m. Art. 266n OR). Die Zahlungsfrist beträgt bei Mietverhältnissen über Wohn- und Geschäfts- 2968g räume mindestens 30 Tage, bei den übrigen Mietverhältnissen mindestens 10 Tage (Art. 257d Abs. 1 Satz 2 OR). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und der herrschenden Lehre gilt für den Beginn der Frist die sog. relative Empfangstheorie: Kann die eingeschriebene Zahlungsaufforderung nach Art. 257d Abs. 1 OR nicht direkt dem Empfänger bzw. einem empfangsberechtigten Dritten ausgehändigt werden, so gilt sie erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Empfangnahme am Postschalter als zugegangen (und nicht bereits am Tag des erfolglosen Zustellungsversuchs). Holt der Empfänger jedoch die Sendung nicht innerhalb der postalischen Aufbewahrungsfrist von sieben Tagen ab, wird die Zustellung aus Gründen der Rechtssicherheit auf den letzten Tag dieser Frist fingiert.359 Umstritten ist, was die Folgen einer zur kurz angesetzten Zahlungsfrist sein sollen: 2968h Nach wohl herrschender Lehre ist eine infolge zu kurzer Zahlungsfrist ausgesprochene Kündigung unwirksam bzw. nichtig.360 Ein anderer Teil der Lehre ist dagegen der Auffassung, dass eine zu kurze Frist in eine gesetzeskonforme Frist umgedeu356 BGE 136 III 196 E. 2.4.1 = Pra 2010 Nr. 128; Mietrecht für die Praxis-Spirig, 709; CPra Bail-Wessner, Art. 257d N 17. 357 ZK OR-Higi, Art. 257d N 34; Mietrecht für die Praxis-Spirig, 709. 358 BGE 140 III 491 E. 4.1; Mietrecht für die Praxis-Spirig, 709. Zum Erfordernis der separaten Aufforderung bei anderen Mietergemeinschaften s. Blumer, N 852. 359 BGE 140 III 244 E. 5.1 = Pra 2014 Nr. 95; 137 III 208 E. 3.1.3 = Pra 2011 Nr. 106; 119 II 147 E. 2 = Pra 1994 Nr. 56; s. ferner Bärtschi/Ackermann, Jusletter 14. Juli 2014, N 31 f.; CR CO-Lachat, Art. 257d N 6; BSK OR-Weber, Art. 257d N 5. 360 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 257d N 9; SVIT-Reudt, Art. 257d N 30; Mietrecht für die PraxisSpirig, 710; BSK OR-Weber, Art. 257d N 5.

929

5. Kapitel

Nominatverträge

tet, also «geheilt» werden kann.361 Das Bundesgericht hat diese Frage bislang offengelassen, beurteilte zumindest aber die Berufung auf die Unwirksamkeit oder Nichtigkeit der Kündigung als rechtsmissbräuchlich, wenn der Mieter – unabhängig von der gesetzten Frist – nie beabsichtigte, die ausstehenden Mietzinse zu begleichen.362 1.2

Rechtsfolgen

2968i

Bezahlt der Mieter nicht innert der gesetzten Zahlungsfrist, so kann die Vermieterin (muss aber nicht363) das Mietverhältnis in einem zweiten Schritt ausserordentlich kündigen (Art. 257d Abs. 2 OR).364 Eine vor Ablauf der Zahlungsfrist ausgesprochene Kündigung ist grundsätzlich unwirksam. Das Bundesgericht erachtet eine solche Kündigung ausnahmsweise als zulässig, wenn diese dem Mieter erst nach Ablauf der Zahlungsfrist zugeht.365 Wartet die Vermieterin dagegen nach Ablauf der Zahlungsfrist zu lange mit der Kündigung, so kann dies nach Treu und Glauben als Verzicht auf das Kündigungsrecht gedeutet werden.366

2968j

Die Kündigung von Wohn- und Geschäftsräumen hat zwingend schriftlich sowie auf dem dafür vorgesehenen amtlichen Formular zu erfolgen (Art.  266l  OR; ausführlich zu den formellen Kündigungsvoraussetzungen N 3007 ff.). Ausserdem hat die Vermieterin bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen eine zwingende minimale Kündigungsfrist von 30 Tagen, verbunden mit dem zwingenden gesetzlichen Kündigungstermin auf Ende eines Kalendermonats, zu beachten (Art. 257d Abs.  2  OR).367 Hält die Vermieterin die gesetzlichen Fristen und/oder den Termin nicht ein, so gilt die Kündigung auf den nächstmöglichen Termin (Art. 266a Abs. 2 OR analog).368 Die übrigen Mietverhältnisse kann die Vermieterin frist- und formlos kündigen (s. Art. 257d Abs. 2 und Art. 266l OR).

2968k

Die Erstreckung des Mietverhältnisses (Art.  272  ff.  OR; N  3024  ff.) ist bei einer gültigen Kündigung wegen Zahlungsverzugs ausgeschlossen (Art.  272a Abs.  1 lit.  a  OR).369 Der Mieter schuldet der Vermieterin Schadenersatz aus der vorzeitigen Auflösung des Mietverhältnisses. Gemäss dem Bundesgericht und der wohl herrschenden Lehre ist das positive Interesse (Erfüllungsinteresse nach Art. 97 OR)

361 ZK OR-Higi, Art. 257d N 39; wohl auch Blumer, N 856. 362 BGE 4C.88/2003; s. auch BGE 4A_245/2017 E. 5.1 und E. 5.3; für die Pacht s. BGE 4A_574/2011 E. 2.2. 363 S. BGE 4A_585/2010 E. 3.1, wonach die Vermieterin das Mietverhältnis auch aufrechterhalten kann. Zum Wahlrecht der ordentlichen Kündigung s. SVIT-Reudt, Art. 257d N 8. 364 BGE 119 II 147 E. 3a; Mietrecht für die Praxis-Spirig, 707 und 713; BSK-Weber, Art. 257d N 6. 365 BGE 4A_585/2010 E. 3.2; 4C.96/2006 E. 2.2; kritisch BSK OR-Weber, Art. 257d N 6. 366 BGE 4A_366/2008 E. 4; 4C.430/2004 E. 3.1; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 257d N 11b. Für weitere Beispiele s. Blumer, N 865 f. 367 BSK OR-Weber, Art. 257d N 8. 368 BK OR-Giger, Art. 257d N 85; CR CO-Lachat, Art. 257d N 9; SVIT-Reudt, Art. 257d N 46. 369 ZK OR-Higi, Art. 257d N 59.

930

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

geschuldet.370 Die Vermieterin kann somit vom Mieter die entgangenen Mietzinse bis zu demjenigen Zeitpunkt, in welchem eine Weitervermietung objektiv möglich war, längstens aber bis zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin fordern.371

2.

Rechte der Vermieterin bei Ausbleiben der Sicherheitsleistung nach Art. 257e OR

Leistet der Mieter die vereinbarte Sicherheitsleistung nicht, kann die Vermieterin 2969 die Betreibung auf Zahlung oder Sicherheitsleistung nach Art.  38 SchKG372 einleiten.373 Vor Übergabe der Mieträumlichkeiten kann die Vermieterin ausserdem die Erfüllung des Vertrages verweigern (Art. 82 OR) oder den Mietvertrag auflösen (Art. 107 Abs. 2 OR).374 Bleibt die Sicherheitsleistung auch nach Übergabe der Mietsache aus, kann die Vermieterin ordentlich kündigen (Art. 266a ff. OR).375 Je nach Umständen kommt auch eine ausserordentliche Kündigung infrage, wofür allerdings die Rechtsgrundlage strittig ist: Während ein Teil der Lehre eine Kündigung in analoger Anwendung von Art. 257f Abs. 3 OR (Kündigung wegen mangelnder Sorgfalt und Rücksichtnahme) favorisiert,376 erscheint es uns sachgerechter, die Kündigung auf Art. 266g Abs. 1 OR (Kündigung aus wichtigem Grund) zu stützen,377 da keine Vertragsverletzung im Zusammenhang mit dem Gebrauch der Mietsache vorliegt (s. N 2969a ff.). Einig ist sich die wohl herrschende Lehre hingegen darüber, dass Art. 257d OR (Kündigung wegen Zahlungsrückstand; N 2968 ff.) nicht anwendbar ist, weil das Ausbleiben der Sicherheitsleistung keinen Zahlungsrückstand bewirkt.378 Art. 257d OR nennt lediglich «Mietzinse und Nebenkosten». Hier könnte höchstens argumentiert werden, dass die Aufzählung in Art. 257d OR nicht abschliessend ist.

370 BGE 127 III 548 E. 5; Blumer, N 868; SVIT-Reudt, Art. 257d N 63; BSK OR-Weber, Art. 257d N 13; CPra Bail-Wessner, Art. 257d N 50; a.M. BK OR-Giger, Art. 257d N 99; ZK OR-Higi, Art. 257d N 62 f. 371 BGE 4A_22/2009 E. 2 m.w.H.; 127 III 548 E. 5. 372 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SR 281.1). 373 ZK OR-Higi, Art. 257e N 9. 374 CPra Bail-Marchand, Art. 257e N 10; Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 372. 375 SVIT-Reudt, Art. 257e N 20. 376 CPra Bail-Marchand, Art. 257e N 12; Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 372. 377 Gl.M. BK OR-Giger, Art. 257e N 31; für den befristeten Mietvertrag ZK OR-Higi, Art. 257e N 13. 378 BK OR-Giger, Art. 257e N 33; ZK OR-Higi, Art. 257d N 11; SVIT-Reudt, Art. 257e N 20.

931

5. Kapitel

3. 2969a

Nominatverträge

Rechte der Vermieterin bei mangelnder Sorgfalt und Rücksichtnahme des Mieters (Art. 257f OR)

Nach Art. 257f Abs. 1 und Abs. 2 OR muss der Mieter die Sache sorgfältig gebrauchen und bei der Immobiliarmiete auf Hausbewohner und Nachbarn Rücksicht nehmen (ausführlich s. N 2929 ff.). Die Vermieterin kann das Mietverhältnis gemäss Art. 257 Abs. 3 und Abs. 4 OR ausserordentlich kündigen, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: • der Mieter verletzt seine Pflicht zur Sorgfalt und Rücksichtnahme (N 2970 f.), • die Vermieterin hat dies schriftlich abgemahnt (N 2972 f.), • der Mieter verletzt danach weiterhin oder erneut seine Sorgfaltspflicht und die Fortsetzung des Mietverhältnisses ist für die Vermieterin oder die anderen Mieter deshalb nicht mehr zumutbar (N 2974).379

2970

3.1

Voraussetzungen

a.

Verletzung der Pflicht zur Sorgfalt und Rücksichtnahme

Verletzt der Mieter seine Pflichten zum sorgfältigen und vertragsmässigen Gebrauch der Mietsache sowie zur Rücksichtnahme auf Hausbewohner und Nachbarn, so kann die Vermieterin das Mietverhältnis vorzeitig auflösen (Art. 257f Abs. 3 und Abs. 4 OR). Umstritten ist in Rechtsprechung und Lehre, ob jede Art von vertragswidrigem Gebrauch und jede Verletzung von Mieterpflichten unter diese Bestimmung fallen sollen oder nicht. Gemäss Bundesgericht berechtigen nur diejenigen Vertragsverletzungen zur ausserordentlichen Kündigung nach Art. 257f OR, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Gebrauch eines Mietobjekts stehen.380 Bei Verletzung des vertraglich vereinbarten Verwendungszwecks381 sowie bei unzulässiger Untervermietung382 gelangt gemäss Bundesgericht Art. 257f OR ebenfalls zur Anwendung, wobei es in diesen beiden Fällen – entgegen dem Wortlaut von Art.  257f Abs.  3  OR  – auf das Unzumutbarkeitserfordernis (s. N  2974) verzichtet. Bei anderen Vertragsverletzungen des Mieters, welche die Fortführung eines Vertrages unzumutbar machen und die nicht von einer Spezialnorm erfasst sind (s. Art. 257d und Art. 257f OR), muss die Vermieterin dagegen nach Art. 266g OR vorgehen (z.B. Verletzung der Weinbezugspflicht383). Die Praxis des Bundesgerichts ist allerdings nicht konstant, da es vereinzelt auch einen Fall von Schuldnerverzug

379 380 381 382 383

932

BGE 4A_476/2015 E. 4.2. BGE 132 III 109 E. 5 = Pra 2007 Nr. 19; 123 III 124 E. 2a. BGE 4A_644/2011 E. 3.2; 132 III 109 E. 2 und E. 5 = Pra 2007 Nr. 19; 123 III 124 E. 2a. BGE 134 III 446 E. 2.2 = Pra 2009 Nr. 21; 134 III 300 E. 3.1 = Pra 2008 Nr. 130. BGE 4C.395/2006 E. 3; s. ferner auch BGE 4C.255/2004 E. 5.3

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

(Art. 102 ff. OR) annahm384 oder sich auf die allgemeinen Rücktrittsbestimmungen von Art. 107 ff. OR abstützte, wobei die Anforderungen von Art. 257f OR einzuhalten waren385. Es ist daher schwierig, eine allgemeingültige Aussage zu tätigen, ob bei einer Sorgfalts- oder Vertragsverletzung im Einzelfall Art. 257f, Art. 266g OR oder die allgemeinen Verzugsbestimmungen (Art. 97 ff., Art. 102 ff. OR) anwendbar sind.386 Die herrschende Lehre dehnt den Anwendungsbereich von Art. 257f OR ebenfalls 2971 auf den vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache aus. Im Gegensatz zum Bundesgericht soll Art. 257f OR auch dann anwendbar sein, wenn der Mieter «bloss» vertragliche Nebenpflichten verletzt.387 Beispiele für Nebenpflichten, die bei Missachtung eine Kündigung nach Art. 257f Abs. 3 oder Abs. 4 OR nach sich ziehen können, sind etwa die Meldepflicht bei Mängeln (Art. 257g OR), die Duldungspflicht nach Art. 257h OR, das Verbot von Erneuerungen und Änderungen (Art. 260a OR) oder die Verletzung nachbarrechtlicher Pflichten (Art. 679 i.V.m. Art. 684 ZGB).388 b.

Schriftliche Mahnung

Die Kündigung nach Art. 257f Abs. 3 OR setzt zunächst zwingend eine schriftliche 2972 Mahnung der Vermieterin (Art. 11 ff. OR) voraus.389 Anders als bei der Zahlungsverzugskündigung muss die Vermieterin mit der Mahnung nicht gleichzeitig auch die Kündigung androhen bzw. diese beiden Ehegatten oder eingetragenen Partnern separat zukommen lassen (s. Art. 257d Abs. 1 und Art. 266 OR e contrario).390 Die schriftliche Mahnung muss das vorgeworfene Verhalten konkret nennen.391 Nach dem Bundesgericht und dem mehrheitlichen Teil der Lehre kann ausnahmsweise auf die Mahnung verzichtet werden, wenn sie sich als nutzlos erweisen würde (s. Art. 108 Ziff. 1 OR).392 Bei vorsätzlicher und schwerer Schädigung von Wohn- und Geschäftsräumen kann 2973 die Vermieterin jederzeit fristlos und ohne vorherige Mahnung kündigen (Art. 257f Abs. 4 OR). Gleich vorgegangen werden kann bei vorsätzlicher (schwerer) Körper384 S. BGE 123 III 124 E. 3 bei Verweigerung der Ablösung eines Bauhandwerkerpfandrechts durch den Mieter. 385 S. BGE 132 III 109 E. 5 = Pra 2007 Nr. 19 bei vertragswidriger Nutzung eines Büros als Massagesalon. 386 Gl.M. Maag, MRA 2006, 136; Spirig, mp 2012, 14 f.; s. auch SVIT-Reudt, Art. 257f N 8. 387 CR CO-Lachat, Art. 257f N 4; Mietrecht für die Praxis-Spirig, 704 und 718; BSK OR-Weber, Art. 257f N 9 m.w.H.; a.M. Blumer, N 871. Nach Maag, MRA 2006, 128, und Wessner, mp 2007, 126 f., soll Art. 257f OR anwendbar sein, wenn die Nebenpflichten sich auf den Gebrauch oder die Nutzung der Mietsache beziehen. 388 BK OR-Giger, Art. 257f N 29; Wessner, mp 2007, 126 f. 389 BBl 1985 I 1428 f.; BSK OR-Weber, Art. 257f N 4. 390 ZK OR-Higi, Art. 257f N 54; SVIT-Reudt, Art. 257f N 55 f. 391 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 257f N 8; Wessner, mp 2007, 203. 392 BGE 4A_456/2010 E. 3.1 m.w.H.; ZK OR-Higi, Art. 257f N 55; SVIT-Reudt, Art. 257f N 52; Tercier/ Bieri/Bugnon, CO PS, N 1977; Wessner, mp 2007, 203; a.M. Mietrecht für die Praxis-Spirig, 719.

933

5. Kapitel

Nominatverträge

verletzung gegen die Vermieterin, Nachbarn oder Hausgenossen.393 Eventualvorsatz genügt.394 Urteilsfähigkeit wird nach wohl herrschender Lehre nicht vorausgesetzt.395

2973a

3.2

Rechtsfolge

a.

Recht der Vermieterin zur Leistungsverweigerung

Zeigt sich bereits vor Antritt des Mietverhältnisses, dass der Mieter seine Sorgfaltsund Rücksichtnahmepflicht verletzen wird (z.B. Einzug mit verwanzten Möbeln396, geplante Untervermietung als Bordell), kann die Vermieterin die Übergabe des Mietobjekts gestützt auf Art. 82 OR verweigern sowie nach Art. 97 ff. und Art. 107 ff. OR vorgehen.397 Zu beachten ist allerdings, dass die Vermieterin nicht bei jeder Verletzung einer Nebenpflicht zur Leistungsverweigerung berechtigt ist. Entscheidend ist, ob die Nebenpflicht mit der Hauptleistung (Überlassung des Mietobjekts) in einem Austauschverhältnis steht oder nicht.398 Das Bundesgericht verweigerte beispielsweise die Berufung auf Art. 82 OR bei einer Verletzung der vertraglich vereinbarten Versicherungspflicht durch den Mieter.399 b.

2974

Ausserordentliche Kündigung

Ist der Vermieterin oder den übrigen Hausbewohnern ein bestimmtes Mietverhältnis nicht mehr zuzumuten, weil der Mieter den Mietvertrag trotz schriftlicher Mahnung (N 2980) erneut oder weiterhin in gleichartiger Weise400 verletzt, so ist die fristlose Kündigung, bei Wohn- und Geschäftsräumen die Kündigung mit einer Frist von mindestens 30 Tagen auf Ende eines Monats möglich (Art. 257f Abs. 3 OR). Die Vermieterin muss dabei das amtliche Formular verwenden (Art. 266l OR; N 3007) und dieses beiden Ehegatten bzw. eingetragenen Partnern getrennt zustellen (Art. 266n OR; N 3007a). Die Beurteilung der Zumutbarkeit richtet sich nach Art. 4 ZGB401, wobei eine Abwägung zwischen den Interessen des Störers und jenen der betroffenen Vermieterin bzw. der übrigen Hausbewohner vorgenommen wird.402 Je länger die Vermieterin nach der letzten Mahnung jedoch mit der Kündigung 393 SVIT-Reudt, Art. 257f N 48; Mietrecht für die Praxis-Spirig, 725. 394 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 257f N 9; SVIT-Reudt, Art. 257f N 46; Wessner, mp 2007, 207. 395 BGE 4A_263/2011 E. 3.4; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 257f N 9; SVIT-Reudt, Art. 257f N 39 und N 46; a.M. BK OR-Giger, Art. 257f N 84; BSK-Weber, Art. 257f N 7, der die Lösung in Art. 54 OR sieht; Wessner, mp 2007, 208. 396 S. BGE 38 II 573. 397 ZK OR-Higi, Art. 257f N 44; SVIT-Reudt, Art. 257f N 33. 398 BGE 4A_438/2011 E. 2.5; s. auch BGE 4C.217/2002 E. 3.1; BSK OR-Leu, Art. 82 N 6 m.w.H. 399 BGE 4A_308/2011 E. 2.5 ff. 400 BGE 4C.270/2001 E. 3b cc; ZK OR-Higi, Art. 257f N 56 f.; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 257f N 8. 401 SVIT-Reudt, Art. 257f N 41; CPra Bail-Wessner, Art. 257f N 38. 402 Mietrecht für die Praxis-Spirig, 720. Für Beispiele s. BSK OR-Weber, Art. 257f N 6 m.w.H.

934

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

zuwartet, umso eher ist von der Zumutbarkeit des bestehenden Mietverhältnisses auszugehen.403 Nach dem Bundesgericht kann bei Verstössen gegen den vertraglich vereinbarten Verwendungszweck sowie bei unzulässiger Untervermietung auf die Überprüfung der Unzumutbarkeit verzichtet werden.404 Hat der Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen die Mietsache vorsätzlich schwer 2975 geschädigt, kann die Vermieterin fristlos kündigen (Art. 257f Abs. 4 OR; s. N 2973). Die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses wird vom Gesetzgeber in diesen Fällen unwiderlegbar vermutet.405 Wird die Kündigung ausgesprochen, ohne dass alle materiellen Voraussetzungen 2976 (schwere Verletzung der Sorgfaltspflicht, schriftliche Mahnung, Unzumutbarkeit) erfüllt sind, so ist sie unwirksam.406 Eine Konversion (s. N 3006) in eine andere ausserordentliche407 oder gar in eine ordentliche408 Kündigung ist grundsätzlich nicht möglich, da (ausgeübte) Gestaltungsrechte gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht umgedeutet werden können und Art. 257f Abs. 3 und Abs. 4 OR leges speciales darstellen. Eine Erstreckung des Mietverhältnisses infolge Kündigung gemäss Art. 257f Abs. 3 und Abs. 4 OR ist von Gesetzes wegen ausgeschlossen (Art. 272a Abs. 1 lit. b OR). c.

2976a

Schadenersatz und Unterlassungsanspruch

Die Vermieterin hat Anspruch auf Schadenersatz aus der vorzeitigen Auflösung des 2976b Mietverhältnisses (Mietzinsausfall bis zur Weitervermietung bzw. bis zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin).409 Ausserdem kann sie vom Mieter die angefallenen Reparatur- und Instandstellungskosten, die infolge der Sorgfaltspflichtverletzung entstanden sind, als Schadenersatz zurückverlangen (Art. 97 ff. OR oder alternativ410 bei Widerrechtlichkeit auch Art. 41 ff. OR).411 Statt das Mietverhältnis ausserordentlich zu kündigen, kann die Vermieterin auch 2976c auf der Erfüllung des Vertrages beharren und vom Mieter den vertragsgemässen Gebrauch der Mietsache bzw. die Beendigung des Missbrauchs (Unterlassung) verlangen.412 403 BGE 4C.118/2001 E. 1b bb aaa; Wessner, mp 2007, 206. 404 BGE 4A_644/2011 E. 3.2; 134 III 446 E. 2.2 = Pra 2009 Nr. 21; 134 III 300 E. 3.1 = Pra 2008 Nr. 130; 132 III 109 E. 5 = Pra 2007 Nr. 19; kritisch Maag, MRA 2006, 131 f.; Mietrecht für die Praxis-Spirig, 724. 405 SVIT-Reudt, Art. 257f N 47; Mietrecht für die Praxis-Spirig, 725. 406 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 257f N 10; Wessner, mp 2007, 209 f. 407 BGE 123 III 124 E. 3d. 408 BGE 4A_541/2015 E. 4.2; 135 III 441 E. 3.1 und E. 3.3 = Pra 2010 Nr. 30; SVIT-Reudt, Art. 257f N 69; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 1972. 409 BSK OR-Weber, Art. 257f N 11; CPra Bail-Wessner, Art. 257f N 54. 410 BK OR-Giger, Art. 257f N 113; Wessner, mp 2007, 211 f. 411 SVIT-Reudt, Art. 257f N 35; Mietrecht für die Praxis-Spirig, 726. 412 SVIT-Reudt, Art. 257f N 34; s. auch ZK OR-Higi, Art. 257f N 43.

935

5. Kapitel

4.

Nominatverträge

Rechte der Vermieterin bei Unterlassung der Meldepflicht durch den Mieter (Art. 257g OR)

2976d

Der Mieter muss der Vermieterin während der gesamten Mietdauer sämtliche Mängel melden, welche er nicht selber beseitigen muss (Art. 257g Abs. 1 OR; s. N 2933b f.). In der Lehre umstritten ist, ob eine unterbliebene Mängelmeldung bei Übergabe der Mietsache bedeutet, dass der Mieter die Mietsache in einem zum vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand, also mängelfrei, erhalten hat oder nicht.413 Nach der hier vertretenen Auffassung darf eine unterlassene Mängelmeldung nicht per se als Mängelfreiheit der Mietsache gedeutet werden.414 Abzustellen ist vielmehr darauf, ob die Vermieterin aufgrund des (passiven) Verhaltens des Mieters bei Mietantritt nach vertrauenstheoretischen Gesichtspunkten davon ausgehen darf, dass dieser den Zustand des Mietobjekts als vertragsgemäss anerkennt oder genehmigt hat.415

2976e

Unterlässt der Mieter die Meldung oder zeigt er die Mängel nicht rechtzeitig an, so haftet er für den Schaden, welcher der Vermieterin daraus entsteht (Art. 257g Abs. 2 OR).416 Die fortgesetzte Verletzung der Meldepflicht kann die Vermieterin ausserdem berechtigen, das Mietverhältnis ausserordentlich zu kündigen (Art. 257f Abs. 3 und Abs. 4 OR; N 2969a ff.).417

2976f

Die Verletzung der Meldepflicht führt dagegen nicht zur Verwirkung der Mängelrechte des Mieters (Art. 259a ff. OR). Der Mieter ist weiterhin berechtigt, die Mängelbeseitigung zu verlangen. Allerdings knüpfen verschiedene Mängelrechte an die Kenntnis der Vermieterin vom Mangel und damit (indirekt) an dessen Meldung an (vgl. Art. 259b lit. a, Art. 259b lit. b, Art. 259d, Art. 259f und Art. 259g OR).418 So ist beispielsweise eine Hinterlegung des Mietzinses erst dann zulässig, wenn der Mieter die Vermieterin aufgefordert hat, den Mangel zu beseitigen (Art. 259g Abs. 1 OR). Ferner ist die Vermieterin von ihrer eigenen Schadenersatzpflicht gemäss Art. 259e ganz oder teilweise befreit, falls sie keine Kenntnis vom Mangel erhalten hat.419

413 414 415 416 417 418 419

936

Bejahend BK OR-Giger, Art. 257g N 29; ZK OR-Higi, Art. 257g N 30; OFK-Permann, Art. 257g N 5; ablehnend KuKo OR-Blumer, Art. 257g N 6; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 257g N 5; BSK ORWeber, Art. 257g N 8. Gl.M. Mietrecht für die Praxis-Roy, 205; s. auch BBl 1985 I 1455. Gl.M. ZK  OR-Higi, Art.  257g N  30; in diesem Sinne wohl auch CPra Bail-Aubert, Art.  257g N  11; CR CO-Lachat, Art. 257g N 5; s. ferner auch BGE 4C.438/2005 E. 2.2. BK OR-Giger, Art. 257g N 52 m.w.H.; BSK OR-Weber, Art. 257g N 5. CPra Bail-Aubert, Art. 257g N 18; SVIT-Reudt, Art. 257g N 19; a.M. Blumer, N 783. Mietrecht für die Praxis-Roy, 218; s. auch KuKo OR-Blumer, Art. 257g N 6. SVIT-Reudt, Art. 257g N 18; BSK OR-Weber, Art. 257g N 6.

§ 31

5.

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Rechte der Vermieterin bei verspäteter Rückgabe der Mietsache durch den Mieter

Nach Beendigung des Mietverhältnisses muss der Mieter die Mietsache tatsäch- 2976g lich und vollständig420 zurückgeben (Art. 267 Abs. 1 OR; ausführlich s. N 3010 ff.). Gibt ein Mieter die Mietsache nicht rechtzeitig zurück, obschon das Mietverhältnis 2976h beendigt ist und die Vermieterin die Rückgabe verlangt, so kann die Vermieterin für die Dauer der Verspätung Schadenersatz verlangen (Art. 97 Abs. 1 OR). Dieser Schadenersatzanspruch entspricht in der Regel der Höhe des bisherigen Mietzinses.421 Kann die Vermieterin nachweisen, dass sie einen höheren Mietzins hätte erzielen können, so kann sie darüber hinaus die Differenz zwischen diesem höheren Mietzins und dem bislang bezahlten Mietzins geltend machen.422 Der Mieter muss der Vermieterin ausserdem den weiteren Verspätungsschaden aus verzögerter Instandstellung bzw. verzögerter Weitervermietung (z.B. Mietzinsausfall, Entschädigung an Nachfolgemieter wegen verspäteter Rückgabe etc.) ersetzen.423

VIII. Erneuerungen und Änderungen an der Mietsache (Art. 260–260a OR) 1.

Durch die Vermieterin (Art. 260 OR)

1.1

Begriff der Änderung oder Erneuerung der Mietsache

Dienen die vorgenommenen Arbeiten der blossen Behebung von Mängeln oder der 2976i Vermeidung von Schäden, handelt es sich um sog. Unterhaltsarbeiten (s. Art. 256 Abs. 1 OR; N 2916c f.). Auf reine Unterhaltsarbeiten, zu denen die Vermieterin verpflichtet ist, findet nicht Art. 260 OR, sondern Art. 256 Abs. 1 OR Anwendung.424 Erneuerungen und Änderungen im Sinne von Art. 260 Abs. 1 OR liegen dann vor, wenn die Arbeiten über die Behebung eines bestehenden Mangels oder die Abwehr eines drohenden Schadens hinausgehen, in die materielle Substanz der Mietsache eingreifen und diese modernisieren bzw. verbessern (z.B. Einbau von Lärmschutz-

420 S. Mietrecht für die Praxis-Roncoroni, 864. 421 BGE 4A_27/2017 E. 4.1.2 m.w.H.; 4A_456/2012 E. 2.1; 131 III 257 E. 2.1; ZK OR-Higi, Art. 267 N 58; BSK OR-Weber, Art. 267 N 2a. 422 BGE 4A_27/2017 E. 4.1.2; 4A_463/2014 E. 3 = Pra 2015 Nr. 85; SVIT-Müller, Art. 267-267a N 15. 423 BGE 4A_463/2014 E. 3 = Pra 2015 Nr. 85; ZK OR-Higi, Art. 267 N 58 und N 106; CHK OR-Hulliger/ Heinrich, Art. 267–267a N 7. 424 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 260 N 2; Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 280.

937

5. Kapitel

Nominatverträge

fenstern, Ersatz des Teppichbodens durch Parkett etc.).425 Der Gesetzgeber behandelt die Erneuerung und die Änderung der Mietsache gleich.426 2976j

Führen die Erneuerungen und Änderungen zu einer dauerhaften Einschränkung des bisherigen Gebrauchs der Mietsache (z.B. Entzug des Estrichs infolge Ausbaus des Dachstocks), handelt es sich um eine einseitige Vertragsänderung zulasten des Mieters im Sinne von Art. 269d Abs. 3 und Art. 270b Abs. 2 OR. Die Vermieterin muss solche Änderungen daher unter Einhaltung der Kündigungsfristen und -termine mit amtlichen Formular anzeigen (Art. 269d Abs. 3 OR).427 1.2

2977

Zulässigkeit der Änderung oder Erneuerung (Art. 260 Abs. 1 OR)

Nach Art.  260 Abs.  1  OR kann die Vermieterin Erneuerungen und Änderungen an der (vermieteten) Sache nur vornehmen, wenn (kumulativ) dies für den Mieter zumutbar sowie das Mietverhältnis nicht gekündigt ist: Vorausgesetzt ist zunächst, dass weder die Vermieterin noch der Mieter das Mietverhältnis vor Beginn der Arbeiten gekündigt hat.428 Nach zutreffender herrschender Lehre kann nur eine ordentliche, nicht aber eine ausserordentliche Kündigung (z.B. Art. 257d, Art. 257f, Art. 266g OR) die Vornahme von Erneuerungen und Änderungen verhindern.429 Sodann müssen die Erneuerungen und Änderungen für den Mieter zumutbar sein. Die Frage der Zumutbarkeit ist eine Rechtsfrage und beurteilt sich nach objektivierten Kriterien.430 So wird unter anderem auf die Art und Dauer des Mietverhältnisses, die Dringlichkeit und Nützlichkeit der Änderung, die finanziellen Folgen für den Mieter oder den Ausführungszeitpunkt der Arbeiten abgestellt.431 Hausrenovationen, bei denen umfassend erneuert und «veredelt» wird (z.B. Bad, Küche, Fenster etc.), um anschliessend die Miete zu erhöhen, fallen in der Regel unter die unzumutbaren Eingriffe nach Art. 260 Abs. 1 OR.432 Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit sind die Interessen der Vertragsparteien (Notwendigkeit des Eingriffs versus «Störung») gegeneinander abzuwägen.433

425 426 427 428 429 430 431 432 433

938

SVIT-Bättig, Art. 260–260a N 15; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 260 N 2; s. BGE 4C.393/2002 E. 5.3. KuKo OR-Blumer, Art. 260/260a N 4; ZK OR-Higi, Art. 260 N 13. CPra Bail-Aubert, Art. 260 N 11; SVIT-Bättig, Art. 260–260a N 18; Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 281. KuKo OR-Blumer, Art. 260/260a N 7; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 260 N 4. SVIT-Bättig, Art. 260–260a N 36; KuKo OR-Blumer, Art. 260/260a N 7; ZK OR-Higi, Art. 260 N 46; BSK OR-Weber, Art. 260 N 3; a.M. Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 286. BSK OR-Weber, Art. 260 N 2; ausführlich zu den einzelnen Kriterien s. Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 284 f. BGE 4C.382/2002 E. 3.2 m.w.H.; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 260 N 5; BSK OR-Weber, Art. 260 N 2. Honsell, OR BT, 242; s. auch BSK OR-Weber, Art. 260 N 2; Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 284. BGE 4C.382/2002 E. 3.2; SVIT-Bättig, Art. 260–260a N 24 f. mit Kriterienkatalog als Auslegungshilfe.

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist eine ordentliche Kündigung durch 2978 die Vermieterin zwecks umfassender Sanierung einer Baute ausnahmsweise zulässig, wenn sie auf deren Räumung angewiesen ist.434 Diese ist auch dann nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne von Art. 271 Abs. 1 OR, wenn sich der Mieter bereit erklärt, die Unannehmlichkeiten der Bauarbeiten in Kauf zu nehmen; denn «selbst wenn solche weitreichenden Eingriffe unter Weiterbenutzung des Mietobjekts denkbar sein sollten, so wäre dies regelmässig mit beträchtlichen bautechnischen und organisatorischen Erschwerungen verbunden und würde zu einer Verzögerung der Bauarbeiten führen»435. 1.3

Rücksichtnahme auf die Interessen des Mieters (Art. 260 Abs. 2 OR)

Die Vermieterin hat bei der Ausführung der Arbeiten auf die Interessen des Mieters 2978a Rücksicht zu nehmen (Art. 260 Abs. 2 OR). Sie muss die Erneuerungs- und Änderungsarbeiten so organisieren und ausführen, dass diese den Mieter sowie seine Mitbewohner möglichst wenig beeinträchtigen.436 Insbesondere muss die Vermieterin den Mieter rechtzeitig im Voraus über die geplanten Arbeiten informieren437, diese sinnvoll terminieren (z.B. kein Austausch der Fenster im Winter) sowie möglichst speditiv und ohne unnötige Immissionen durchführen438. 1.4

Rechte und Pflichten des Mieters während der Änderung oder Erneuerung

Der Mieter ist grundsätzlich verpflichtet, die zumutbaren Erneuerungen oder Ände- 2978b rungen an der Mietersache zu dulden (s. auch Art. 257h OR; N 2934 ff.).439 Auch bei zulässigen Umbauarbeiten muss sich das Mietobjekt während der Dauer 2979 des Eingriffs in vertragsgemässem Zustand befinden.440 Ist dies nicht der Fall, hat der Mieter bei gegebenen Voraussetzungen einzig Anspruch auf Herabsetzung des Mietzinses (Art. 259d OR; N 2952 ff.) und/oder Schadenersatz (Art. 259e OR; N 2957 ff.; s. Art. 260 Abs. 2 OR). Nimmt die Vermieterin dagegen Arbeiten vor, obschon die Voraussetzungen von Art. 260 Abs. 1 OR nicht (mehr) erfüllt sind, stehen dem Mieter alle Mängelrechte nach Art. 259a ff. OR zur Verfügung. Er kann namentlich das Mietverhältnis fristlos kündigen (Art. 259b lit. a OR), die Beseiti-

434 435 436 437 438 439 440

Honsell, OR BT, 242 f.; Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 287. BGE 135 III 112 E. 4.2; s. auch BGE 142 III 91 E. 3.2.1; 140 III 496 E. 4.1= Pra 2015 Nr. 12. Blumer, N 579; Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 290. SVIT-Bättig, Art. 260–260a N 43; Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 289. Blumer, N 579. SVIT-Bättig, Art. 260–260a N 47; ZK OR-Higi, Art. 260 N 66. BSK OR-Weber, Art. 260 N 2.

939

5. Kapitel

Nominatverträge

gung des Mangels verlangen (Art. 259b lit. b OR) oder den Mietzins hinterlegen (Art. 259g ff. OR).441

2.

Durch den Mieter (Art. 260a OR)

2.1

Begriff der Änderung oder Erneuerung der Mietsache

2979a

Der Begriff der Erneuerung oder Änderung der Mietsache in Art. 260a OR ist mit demjenigen in Art. 260 OR identisch (s. N 2976i).

2979b

Nach herrschender Lehre sind die Ausbauarbeiten bei der sog. Rohbaumiete, welche den Gebrauch der Sache erst ermöglichen, nicht als Änderungen oder Erneuerung der Mietsache im Sinne von Art. 260a OR zu qualifizieren.442 Umstritten ist allerdings, worauf sich der Entschädigungsanspruch des Mieters für die getätigten Investitionen stützt: Während ein Teil der Lehre Art. 260a Abs. 3 OR (s. N 2981 f.) direkt oder zumindest analog anwendet443, richtet sich der Entschädigungsanspruch nach einem anderen Teil der Lehre nach Art. 256 OR444. Das Bundesgericht hat diese Frage bislang offengelassen. 2.2

Zulässigkeit der Änderung oder Erneuerung (Art. 260a Abs. 1 OR)

2979c

Das Mietverhältnis berechtigt den Mieter einzig zum Gebrach der Sache. Grundsätzlich ist er also nicht berechtigt, das Mietobjekt zu verändern oder zu erneuern.445

2979d

Der Mieter kann Erneuerungen und Änderungen an der Sache nur mit schriftlicher Zustimmung der Vermieterin vornehmen (Art. 260a Abs. 1 OR). Die schriftliche Zustimmung der Vermieterin kann vor, während oder nach Ausführung der Arbeiten eingeholt werden.446 Die Schriftform hat hier (im Gegensatz zur Unterschrift des Mieters bei der Wiederherstellungspflicht; s. sogleich N  2980) lediglich Beweisfunktion.447 Die Vermieterin darf die Zustimmung ohne Angabe von Gründen verweigern.448 Nimmt der Mieter trotzdem Änderungen vor, kann die Vermieterin diese mittels vorsorglicher Massnahmen verbieten bzw. stoppen, die 441 442

Blumer, N 580; Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 291 f. CPra Bail-Aubert, Art.  260a N  10; SVIT-Bättig, Art.  260–260a N  62; ZK  OR-Higi, Art.  260a N  4; BSK OR-Weber, Art. 260a N 2; a.M. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 260a N 3. 443 Biber, mp 2015, 90 f.; ZK OR-Higi, Art. 260a N 4; Vischer, N 291 ff. und N 302; s. auch CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 260a N 3. 444 BSK OR-Weber, Art. 260a N 2; Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 907. 445 BBl 1985 I 1439; BSK OR-Weber, Art. 260a N 1; Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 893. 446 ZK OR-Higi, Art. 260a N 22; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 260a N 4. Zum Inhalt der Zustimmung s. Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 895. 447 BSK OR-Weber, Art. 260a N 4; Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 894. 448 Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 894; s. ferner SVIT-Bättig, Art.  260–260a N  113; BSK  ORWeber, Art. 260a N 3.

940

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands verlangen und/oder das Mietverhältnis ordentlich bzw. bei gegebenen Voraussetzungen nach Art. 257f Abs. 3 oder Abs. 4 OR ausserordentlich kündigen.449 Die Kündigung nach Art. 257f Abs. 3 OR ist unseres Erachtens nicht mehr zulässig, wenn die Arbeiten bereits abgeschlossen sind, sofern die Vermieterin Kenntnis von der Änderung hatte und nicht vorher mahnte. Die Kündigung nach Art. 257f Abs. 4 OR ist nach einem Teil der Lehre zu Recht ausgeschlossen, wenn die Arbeiten sachgemäss ausgeführt wurden, also keine «schwere» Schädigung vorliegt.450 Die Vermieterin kann in diesen Fällen nur die Wiederherstellung des vertragsgemässen Zustands auf den Rückgabezeitpunkt verlangen.451 2.3

Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands (Art. 260a Abs. 2 OR)

Erfolgt die Erneuerung oder Änderung mit Zustimmung der Vermieterin, so kann 2980 diese die Wiederherstellung des früheren Zustands bei Beendigung des Mietverhältnisses nur verlangen, wenn dies schriftlich vereinbart wurde (Art. 260a Abs. 2 OR). «Schriftlichkeit» bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Mieter ebenfalls unterschrieben haben muss (Art. 13 Abs. 1 OR).452 2.4

Entschädigungspflicht der Vermieterin (Art. 260a Abs. 3 OR)

Der Mieter hat einen Entschädigungsanspruch, wenn die Vermieterin der Ände- 2981 rung oder Erneuerung zugestimmt hat (N 2979d) und die Sache bei Vertragsende aufgrund seines «Eingriffs» einen erheblichen Mehrwert aufweist (Art.  260a Abs. 3 OR). Der Mehrwert ist objektiv aufgrund der aufgewendeten (und noch nicht amortisierten) Kosten für die Vermieterin zu bestimmen,453 wobei «luxuriöse oder aussergewöhnliche Einrichtungen» nicht mitberücksichtigt werden454. Art.  260a Abs. 3 OR ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung dispositiver Natur, weshalb der Mieter auch im Voraus gültig auf eine Entschädigung verzichten darf.455

449 450 451 452

CPra Bail-Aubert, Art. 260a N 18; Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 896 f. ZK OR-Higi, Art. 260a N 30; s. auch CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 260a N 5. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 260a N 5; ZK OR-Higi, Art. 260a N 30 und N 34 f. Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 893; s. auch BGE 4C.393/2002 E.  5.2.2. A.M. und eingehend SVIT-Bättig, Art.  260-260a N  75  ff., der unterschiedliche Anforderungen an die Schriftlichkeit von Abs. 1 und Abs. 2 von Art. 260a OR für nicht angebracht und zudem lebensfremd hält; s. ferner auch BSK OR-Weber, Art. 260a N 4. 453 BGE 4A_678/2014 E. 4.1.1 und E. 4.1.2 je m.w.H.; SVIT-Bättig, Art. 260–260a N 89; Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 901. 454 BGE 4A_678/2014 E. 4.1.1; ZK OR-Higi, Art. 260a N 51; Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 901; a.M. für luxuriöse Erneuerungen oder Änderungen BSK OR-Weber, Art. 260a N 5. 455 BGE 124 III 149 E. 5; ablehnend BSK OR-Weber, Art. 260a N 6.

941

5. Kapitel

2981a

Nominatverträge

Die Vermieterin kann sich ferner verpflichten, dem Mieter eine über den gesetzlichen Rahmen von Art. 260a Abs. 3 Satz 1 OR hinausgehende Entschädigung zu leisten (Art. 260a Abs. 3 Satz 2 OR). Die Parteien können beispielsweise schriftlich (Art. 13 ff. OR; s. Art. 260a Abs. 3 Satz 2 OR) vereinbaren, dass eine Entschädigung auch dann zu leisten ist, wenn kein erheblicher Mehrwert vorliegt, oder dass diese Entschädigung sofort nach Vornahme der Änderung oder Erneuerung und nicht erst nach Beendigung des Mietverhältnisses zu bezahlen ist.456

IX.

Einbezug Dritter

1.

Wechsel der Eigentümerin (Art. 261–261b OR)

1.1

Voraussetzung: Wechsel der Eigentümerin des Mietobjekts

2982

Grundsätzlich wirkt ein Schuldverhältnis nur zwischen den beteiligten Vertragsparteien. Verliert, veräussert oder verschenkt die Verpflichtete das zur Erfüllung notwendige Recht an einer Sache, verbleiben dem Berechtigten nur die Behelfe über die Leistungsstörungen. Art. 261 OR statuiert eine beschränkte Ausnahme von diesem Grundsatz:

2983

Veräussert die Vermieterin die Sache, so geht das Mietverhältnis kraft einer lex specialis auf die neue Erwerberin über (Art. 261 Abs. 1 OR; Grundsatz: «Kauf bricht Miete nicht»). Dabei ist unerheblich, ob die Erwerberin vom Mietvertrag Kenntnis hatte oder nicht.457 Als «Veräusserung» gilt jedes Rechtsgeschäft, welches den Wechsel der Eigentümerin bewirkt (z.B. Kauf, Tausch, Schenkung, Einlagen in eine Gesellschaft etc.).458 Unter Art. 261 OR fällt ferner auch die Einräumung beschränkter dinglicher Rechte (z.B. Nutzniessung, Wohn- oder Baurecht), die mit dem bestehenden Mietverhältnis kollidieren und somit einem Eigentumswechsel gleichkommen (Art. 261a OR).459

2984

Nicht anwendbar ist Art.  261  OR dagegen, wenn die Mietsache infolge Universalsukzession (z.B. Erbgang [Art.  560 ZGB], Vermögensübergänge nach Fusionsgesetz460) oder Vertragsübernahme im Sinne von Art. 181 OR (s. N 1459 ff.) auf eine neue Eigentümerin übergegangen ist.461 Nach herrschender Lehre gelangt Art. 261 OR auch dann nicht zur Anwendung, wenn der Eigentumswechsel nach 456 457 458 459 460 461

942

ZK OR-Higi, Art. 260a N 64 f.; Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 903. Hürlimann-Kaup, N 517. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 261–261b N 2; BSK OR-Weber, Art. 261 N 2. SVIT-Bättig, Art. 261–261a N 8; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 261–261b N 2. Bundesgesetz vom 3.  Oktober 2001 über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz; SR 221.301). SVIT-Bättig, Art. 261–261a N 3; CR CO-Lachat, Art. 261 N 2.

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Abschluss des Mietvertrages, aber vor Übergabe der Mietsache (s. N 2916a f.) an den Mieter stattfindet.462 Da die Erfüllung des Mietvertrages für die bisherige Vermieterin in einem solchen Fall subjektiv nicht mehr möglich ist, kann der Mieter gemäss neuerer Lehre gestützt auf Art. 107 ff. OR vom Vertrag zurücktreten sowie Schadenersatz verlangen.463 Ist der Eigentümerwechsel auf eine Enteignung zurückzuführen, so bestimmen die 2985 einschlägigen kantonalen und eidgenössischen Enteignungsgesetze, ob das Mietverhältnis bestehen bleibt oder nicht (Art. 261 Abs. 4 OR).464 Diese sehen in der Regel eine Entschädigung des Mieters im Falle einer vorzeitigen Vertragsauflösung durch die Enteignerin vor.465 Die Vermieterin ist diesfalls nicht schadenersatzpflichtig, da sie die objektive Leistungsunmöglichkeit nicht verschuldet hat (Art. 119 OR).466 1.2

Rechtsfolge: Übergang des Mietverhältnisses

Mit der Übertragung des Eigentums geht das Mietverhältnis auf die Erwerberin 2985a über (Art.  261 Abs.  1  OR), und zwar mit allen Rechten und Pflichten. Der Zeitpunkt des Eigentumsübergangs bestimmt sich nach sachenrechtlichen Kriterien.467 Bei unbeweglichen Sachen ist gemäss Bundesgericht der Zeitpunkt der Eintragung im Tagebuch (und nicht erst im Hauptbuch) massgebend (Art. 972 Abs. 2 ZGB).468 Gemäss Bundesgericht und herrschender Lehre erfolgt der Eintritt der neuen Eigen- 2985b tümerin in den Mietvertrag allerdings nicht rückwirkend. Die bisherige Vermieterin haftet demnach weiterhin für diejenigen Forderungen, welche vor dem Eigentumsübergang entstanden und fällig geworden sind.469 Sind die Ansprüche dagegen erst nach dem Eigentumsübergang entstanden oder fällig geworden, so muss der Mieter gegen die Erwerberin vorgehen. Es findet also eine Aufspaltung der Ansprüche des Mieters statt (sog. «Spaltungstheorie»).470 Auch wenn die bisherige Vermieterin dem Mieter ab Übergang des Mietvertrages nicht mehr für die Erfüllung des Mietvertrages haftet, so statuiert das Gesetz dennoch eine Haftung für Schäden, 462 ZK OR-Higi, Art. 261–261a N 13; CR CO-Lachat, Art. 261 N 1; BSK OR-Weber, Art. 261 N 2. Zur Begründung dieser Einschränkung s. Guhl/Koller, § 44 N 72 f. A.M. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 261–261b N 4; Roncoroni, mp 2005, 199. 463 ZK OR-Higi, Art. 261–261a N 13; Mietrecht für die Praxis-Spirig, 649. 464 Blumer, N 701; Mietrecht für die Praxis-Spirig, 651. 465 CPra Bail-Marchand, Art. 261 N 63; Mietrecht für die Praxis-Spirig, 651; s. etwa Art. 20 EntG BE (BSG 711.0); Art. 16 EntG GE (RS L 7 05). 466 SVIT-Bättig, Art. 261–261a N 7; Roncoroni, mp 2005, 198. 467 ZK OR-Higi, Art. 261–261a N 25. 468 BGE 138 III 512 E. 3.4.2; 128 III 82 E. 1b und E. 1c; 118 II 119 E. 3a = Pra 1993 Nr. 165; a.M. ZK OR-Higi, Art. 261–261a N 25. 469 BGE 127 III 123 E. 4c; SVIT-Bättig, Art. 261–261a N 11; Guhl/Koller, § 44 N 63; kritisch Mietrecht für die Praxis-Spirig, 653; BSK OR-Weber, Art. 261 N 4. 470 Wyttenbach, mp 2011, 4 f. Für eine eingehende Erläuterung der Auswirkungen der Spaltungstheorie unter Berücksichtigung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Wyttenbach, mp 2011, 1 ff.

943

5. Kapitel

Nominatverträge

welche dem Mieter durch eine vorzeitige Kündigung der Erwerberin entstanden sind (Art. 261 Abs. 3 OR; s. N 2989).471

2985c

1.3

Rechte der Vermieterin

a.

Ordentliches Kündigungsrecht

Ab dem Zeitpunkt des Eigentumsübergangs (s. N 2985b) wird die Erwerberin Partei des Mietverhältnisses und kann dieses dementsprechend ordentlich, das heisst unter Einhaltung der vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsfristen und -termine, kündigen (allgemein zur ordentlichen Kündigung s. N 3002b ff.).472 b.

Ausserordentliches Kündigungsrecht

2985d

Die Erwerberin kann das Mietverhältnis bei Eigentumswechsel auch ausserordentlich kündigen, bei Wohn- und Geschäftsräumen allerdings nur bei «dringendem Eigenbedarf» (Art. 261 Abs. 2 OR). Will die Erwerberin das Mietverhältnis ausserordentlich kündigen, so hat sie dies unter Einhaltung der vorgeschriebenen Frist auf den nächsten gesetzlichen Termin zu tun (s. Art. 261 Abs. 2 OR). Verzichtet sie auf eine Kündigung oder kündigt sie erst zu einem späteren Termin, so hat sie – wie zuvor die frühere Eigentümerin – die vertraglichen Fristen und Termine zu beachten; die anlässlich des Eigentümerwechsels eingeräumte Möglichkeit der vorzeitigen Kündigung ist nun verwirkt.473 Das ausserordentliche Kündigungsrecht nach Art. 261 Abs. 2 OR ist nur dann praktisch relevant, wenn ein befristetes Mietverhältnis vorliegt oder im unbefristeten Mietverhältnis eine längere Kündigungsfrist als die gesetzlich vorgeschriebene bzw. ein anderer Kündigungstermin vereinbart wurde.474

2986

Der Begriff des «dringenden Eigenbedarfs» findet sich auch in anderen Bestimmungen zur mietrechtlichen Kündigung (Art. 271a Abs. 3 lit. a und Art. 272 Abs. 2 lit. d OR). Darunter ist durchgängig ein ernsthafter, aktueller und ausgewiesener Bedarf der Erwerberin am Mietobjekt für sich bzw. die nahen Verwandten zu verstehen.475 Auf dringenden Eigenbedarf kann sich auch eine juristische Person berufen, sofern sie selbst (und nicht der einzelne Gesellschafter) die Räume für ihre Tätigkeit auf eigenen Nutzen und eigene Gefahr zu benützen beabsichtigt.476 Der Eigenbedarf der neuen Eigentümerin ist immer dann gegeben, «wenn es [der] Vermieter[in] 471 472 473 474 475 476

944

Eingehend (auch zur Solidarität unter altem Recht) SVIT-Bättig, Art. 261-261a N 13 f. BGE 128 III 82 E. 1a; 118 II 119 E. 3a = Pra 1993 Nr. 165; SVIT-Bättig, Art. 261–261a N 16. SVIT-Bättig, Art. 261–261a N 18; Roncoroni, mp 2005, 213 f. BSK OR-Weber, Art. 261 N 8. S. BGE 142 III 336 E. 5.2.2 = Pra 2017 Nr. 79. BGE 142 III 336 E. 5.2.2 m.w.H. = Pra 2017 Nr. 79; 115 II 181 E. 2a = Pra 1989 Nr. 176. Betreffend den Eigenbedarf eines Aktionärs s. BGE 132 III 737 E. 3.4.3.

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

aus wirtschaftlichen oder anderen [z.B. persönlichen] Gründen nicht zuzumuten ist, auf die Benutzung der vermieteten Wohnung oder des Hauses zu verzichten»477. Von der Vermieterin kann mit anderen Worten nicht verlangt werden, dass sie die vertraglichen Kündigungsfristen und -termine einhält.478 Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist dies etwa bereits der Fall, wenn die neue Vermieterin verzinsliches Fremdkapital aufgenommen hat, gleichzeitig selbst an einem anderen Ort in Mieterstellung ist und dort mehr Miete bezahlt als ihr eigener Mieter.479 Eine Zwangs- oder gar Notlage der Vermieterin ist dagegen nicht erforderlich.480 Die Kündigung ist gemäss Bundesgericht und nach wohl herrschender Lehre anfechtbar, wenn es an «dringendem Eigenbedarf» fehlt.481 Sie kann auch nicht in eine ordentliche Kündigung umgewandelt werden.482

2987

Gemäss Art. 261b Abs. 1 OR kann bei der Miete an einem Grundstück vereinbart 2988 werden, dass das Verhältnis im Grundbuch vorgemerkt wird. Diese Vormerkung bewirkt, dass jede neue Eigentümerin dem Mieter gestatten muss, das Grundstück entsprechend dem Mietvertrag zu gebrauchen (Art. 261b Abs. 2 OR). Die Erwerberin kann den Vertrag alsdann nicht mehr ausserordentlich kündigen (Art.  261 Abs. 2 OR), es sei denn, diese Vormerkung wurde im Rahmen eines Doppelaufrufes (Art. 142 SchKG) gelöscht.483 Ferner ist die Kündigung gemäss Art. 261 Abs. 2 OR ausgeschlossen, wenn sich die Erwerberin gegenüber der Veräusserin zur Übernahme des Mietverhältnisses verpflichtet hat; es liegt alsdann ein echter Vertrag zugunsten eines Dritten (nämlich des Mieters) vor.484 1.4

Rechte des Mieters

Der Mieter kann die ausserordentliche Kündigung wegen fehlenden Eigenbedarfs 2988a bzw. allgemein gestützt auf Art. 271 f. OR (s. N 3020b ff.) anfechten. Die Erwerberin handelt allerdings nicht missbräuchlich, wenn sie die Kündigung wegen dringenden Eigenbedarfs während eines noch laufenden Schlichtungs- oder Gerichtsver477 BGE 118 II 50 E. 3d; bestätigt unter anderem in BGE 142 III 336 E. 5.2.3 = Pra 2017 Nr. 79; 132 III 737 E. 3.4.3. 478 BGE 142 III 336 E. 5.2.3 = Pra 2017 Nr. 79. 479 BGE 118 II 50 E. 4; a.M. Honsell,  OR BT, 244, weil sich die Vermieterin so denn dringenden Eigenbedarf schaffen könne. 480 BGE 142 III 336 E. 5.2.3 = Pra 2017 Nr. 79; 118 II 50 E. 3d. 481 BGE 142 III 336 E. 5.2.4 = Pra 2017 Nr. 79; ZK OR-Higi, Art. 261–261a N 44; Honsell, OR BT, 244 f.; CPra Bail-Marchand, Art. 261 N 38; wohl auch BSK OR-Weber, Art. 261 N 11. A.M. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 261–261b N 7a, und Mietrecht für die Praxis-Spirig, 732, welche Unwirksamkeit annehmen; s. auch CR CO-Lachat, Art. 261 N 8. 482 BGE 142 III 336 E. 5.2.4 = Pra 2017 Nr. 79. 483 KuKo  OR-Blumer, Art.  261b N  2; Mietrecht für die Praxis-Wyttenbach, 170. Zu den Folgen einer nachträglichen Belastung mit beschränkten dinglichen Rechten durch die Eigentümerin s. HürlimannKaup, N 773 ff. 484 Guhl/Koller, § 44 N 67; Hürlimann-Kaup, N 519.

945

5. Kapitel

Nominatverträge

fahrens oder während der gesetzlichen Kündigungssperrfrist ausspricht (Art. 271a Abs. 3 lit. d und lit. e OR).485 Ferner kann der Mieter die Erstreckung des Mietverhältnisses nach Art. 272 ff. OR (s. N 3024 ff.) verlangen.486 Der «dringende Eigenbedarf» der Erwerberin schliesst eine Erstreckung nicht von vornherein aus, da im Erstreckungsverfahren die Interessen beider Vertragsparteien (und nicht nur diejenigen der Erwerberin) zu berücksichtigen sind.487 Gegen den Wechsel der Eigentümerin kann sich der Mieter dagegen nicht wehren.488 2989

Nach Art. 261 Abs. 3 OR hat der Mieter einen Schadenersatzanspruch gegen seine bisherige Vermieterin (z.B. Umzugskosten, Mietzinsdifferenz bei gleichwertigem Ersatzobjekt, Gewinnverlust bei Geschäftsräumen489), wenn ihm die neue Eigentümerin wegen dringenden Eigenbedarfs gültig kündigt, bevor eine vertragliche Kündigung nach Mietvertrag möglich gewesen wäre. Bezüglich des sachlichen Umfangs gelten die Grundsätze von Art. 97 ff. und – über Art. 99 Abs. 3 OR – Art. 41 ff. OR. In zeitlicher Hinsicht erstreckt sich die Haftung bis zu dem Tag, an dem die Erwerberin den Mietvertrag erstmals hätte ordentlich kündigen können bzw. die vereinbarte Dauer bei einem befristeten Vertrag abgelaufen wäre (s. Art. 261 Abs. 3 OR).490

2. 2989a

Übertragung der Miete von Geschäftsräumen durch den Mieter auf einen Dritten (Art. 263 OR)

Bei der Übertragung gemäss Art. 263 OR tritt ein anderer Mieter («Dritter») mit Zustimmung der Vermieterin in das bestehende Mietverhältnis ein, was einen Parteiwechsel aufseiten des Mieters zur Folge hat.491 Es handelt sich also nicht um eine (vorzeitige) Rückgabe der Mietsache (Art. 264 OR; N 3013 ff.) oder eine Abtretung, sondern das bisherige Mietverhältnis wird mit dem übernehmenden Dritten weitergeführt (Vertragsübernahme).492

485 486 487

SVIT-Bättig, Art. 261–261a N 23; BSK OR-Weber, Art. 261 N 11 f. SVIT-Bättig, Art. 261–261a N 31; Blumer, N 891. S. BGE 142 III 336 E. 5.2.3 und E. 5.3; gl.M. Mietrecht für die Praxis-Spirig, 731; kritisch KuKo OR-Blumer, Art. 261/261a N 11. 488 SVIT-Bättig, Art. 261–261a N 12. 489 CPra Bail-Marchand, Art. 261 N 51; Roncoroni, mp 2005, 219; s. Koller/Koller, § 7 N 64. 490 ZK OR-Higi, Art. 261–261a N 56. 491 BGE 139 III 353 E. 2.1.1 = Pra 2014 Nr. 38. 492 Koller, AJP 2018, 216; BSK OR-Weber, Art. 263 N; s. auch Honsell, OR BT, 248.

946

§ 31

2.1

Voraussetzungen

a.

Geschäftsraum

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Art. 263 OR findet nur Anwendung auf die Miete von Geschäftsräumen (s. Art. 263 2990 Abs.  1  OR: «Der Mieter von Geschäftsräumen kann  […]»).493 Bei der Übertragung anderer Mietsachen (z.B. Wohnräume) kann die Vertragsübernahme entweder rechtsgeschäftlich durch einen Vertrag zwischen Vermieterin, bisherigem Mieter und übernehmendem Mieter erfolgen, oder der Mieter kann nach Art. 264 OR («vorzeitige Rückgabe der Sache»; N 3013 ff.) vorgehen und sich so befreien.494 b.

Begehren des Mieters

Nach Art. 263 Abs. 1 OR darf der Mieter das Mietverhältnis nur mit schriftlicher 2991 Zustimmung der Vermieterin auf einen Dritten übertragen (Art. 263 Abs. 1 OR). Die Zustimmung setzt voraus, dass der Mieter die Vermieterin um Übertragung ersucht hat («Übertragungsgesuch»), wofür der Mieter den Beweis zu erbringen hat.495 Aus beweistechnischen Gründen empfiehlt es sich daher, dieses Begehren schriftlich zu stellen.496 c.

Schriftliche Zustimmung der Vermieterin

Die Zustimmung der Vermieterin hat schriftlich zu erfolgen (Art. 263 Abs. 1 OR). 2991a Liegt keine schriftliche, sondern bloss eine mündliche oder konkludente Zustimmung vor, kann eine Berufung auf die fehlende Form je nach Umständen rechtsmissbräuchlich (Art. 2 Abs. 2 ZGB) erscheinen.497 Ohne diese (konstitutive) Zustimmung gehen die Rechte und Pflichten nicht vom bisherigen Mieter auf den übernehmenden Dritten über. Die Zustimmung ist also eine aufschiebende Bedingung (s. Art. 151 OR; N 1288) für die Übertragung des Mietverhältnisses.498 Die schriftliche Zustimmung eines allfälligen Untermieters ist dagegen nicht erforderlich.499

2991b

Die Vermieterin darf ihre Zustimmung nur aus wichtigem Grund verweigern 2991c (Art. 263 Abs. 2 OR). Das Vorliegen wichtiger Gründe ist zu bejahen, wenn Umstände vorliegen, die eine Fortführung des Mietverhältnisses mit dem Dritten für die Ver493 A.M. BSK OR-Weber, Art. 263 N 9, welcher eine analoge Anwendung auf den Fall des Ausscheidens eines von mehreren Wohnungsmietern befürwortet. 494 Blumer, N 1051 und N 1077; s. auch BBl 1985 I 1443; ZK OR-Higi, Art. 263 N 7 und N 18. 495 BGE 125 III 226 E. 2b = Pra 1999 Nr. 152; ZK OR-Higi, Art. 263 N 22. 496 Mietrecht für die Praxis-Nideröst, 636; SVIT-Rohrer, Art. 263 N 13. 497 BGE 125 III 226 E. 2b = Pra 1999 Nr. 152; ZK OR-Higi, Art. 263 N 28; Mietrecht für die Praxis-Nideröst, 637; eine Beweisform befürwortend Koller, AJP 2018, 216. 498 BGE 139 III 353 E. 2.1.1 = Pra 2014 Nr. 38; 125 III 226 E. 2b = Pra 1999 Nr. 152. 499 BGE 139 III 353 E. 2.1.1 = Pra 2014 Nr. 38.

947

5. Kapitel

Nominatverträge

mieterin nach Treu und Glauben unzumutbar erscheinen lassen (z.B. mangelnde Solvenz des übernehmenden Dritten, beabsichtigte vertragswidrige Nutzung der Mietsache).500 Der Vermieterin ist zur Prüfung des Übertragungsgesuchs eine nach den Umständen angemessene Frist einzuräumen.501 2991d

2991e

Verweigert die Vermieterin ihre Zustimmung, obschon kein wichtiger Grund vorliegt, oder erteilt sie ihre Zustimmung nicht innert angemessener Frist, so kann der übergebende Mieter (nicht aber der übernehmende Dritte) sich an die Schlichtungsbehörde bzw. das Gericht wenden und auf Erteilung der Zustimmung klagen.502 2.2

Rechtsfolgen

a.

Verhältnis zwischen Mieter und Übernehmer

Das Verhältnis zwischen dem bisherigen Mieter und dem übernehmenden Dritten bestimmt sich nach dem zwischen diesen beiden Parteien abgeschlossenen Übernahmevertrag sowie den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen.503 Sofern der bisherige Mieter und der Dritte nichts anderes vereinbart haben, haften sie im Innenverhältnis grundsätzlich zu gleichen Teilen (Art.  148 Abs.  1  OR).504 In der Praxis verabreden die Parteien jedoch regelmässig, dass der Dritte den bisherigen Mieter im Falle einer Inanspruchnahme vollständig zu entschädigen hat.505 Nach einem Teil der Lehre soll dies – via Vertragsergänzung506 – auch bei Fehlen einer solchen vertraglichen Regressregelung gelten. Denn mit der Vertragsübernahme «garantiere» der bisherige Mieter nur gegenüber der Vermieterin (und nicht gegenüber dem Dritten) für die nach der Übertragung fälligen Mietzinse. Dementsprechend müsse der Dritte den bisherigen Mieter im Innenverhältnis vollumfänglich schadlos halten.507 b.

2991f

Verhältnis zwischen Vermieterin und Übernehmer

Stimmt die Vermieterin der Übertragung zu, so tritt der übernehmende Dritte anstelle des bisherigen Mieters in das Mietverhältnis ein (Art. 263 Abs. 3 OR). Der 500 SVIT-Rohrer, Art. 263 N 21 ff.; BSK OR-Weber, Art. 263 N 5. Für weitere Beispiele s. ZK OR-Higi, Art. 263 N 32 ff.; Mietrecht für die Praxis-Nideröst, 638 f. 501 CPra Bail-Bise/Planas, Art. 263 N 39; s. auch SVIT-Rohrer, Art. 263 N 16, der von «mindestens vier Wochen» ausgeht. 502 BGE 125 III 226 E. 2b = Pra 1999 Nr. 152; ZK OR-Higi, Art. 263 N 43; s. im Einzelnen Mietrecht für die Praxis-Spirig, 640. 503 ZK OR-Higi, Art. 263 N 58; Koller, AJP 2018, 217. 504 Mietrecht für die Praxis-Nideröst, 643. 505 Koller, AJP 2018, 217; Mietrecht für die Praxis-Nideröst, 643. 506 Koller, AJP 2018, 217. 507 Koller, AJP 2018, 217; BSK OR-Weber, Art. 263 N 7.

948

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Mietvertrag geht mit sämtlichen vertraglichen und gesetzlichen Rechten und Pflichten auf den übernehmenden Dritten über.508 In der Lehre wird – wie beim Wechsel der Eigentümerin (Art. 261 ff. OR; N 2981 ff.) – kontrovers die Frage diskutiert, ob der Eintritt des Dritten in den Mietvertrag rückwirkend erfolgt, das heisst, auch bereits vor der Übertragung entstandene Ansprüche übernommen werden.509 Allfällig geleistete Sicherheiten im Sinne von Art. 257e OR (N 2918) werden nur mit Zustimmung des bisherigen Mieters auf den Dritten übertragen.510 Andere Sicherheiten, welche mit der Person des bisherigen Mieters verbunden sind (z.B. Bürgschaften, Bankgarantien), sind dagegen neu zu errichten.511 c.

Verhältnis zwischen Vermieterin und Mieter

Nach Art. 263 Abs. 4 OR ist der Mieter von seinen Verpflichtungen gegenüber der 2992 Vermieterin befreit. Er haftet allerdings weiterhin solidarisch (s. Art. 143 ff. OR512) mit dem Dritten bis zum Zeitpunkt, auf den das Mietverhältnis ordentlicherweise hätte beendet werden können, maximal aber zwei Jahre (Art. 263 Abs. 4 OR). Dabei spielt es keine Rolle, ob die Forderungen der Vermieterin vor oder nach der Übertragung des Mietverhältnisses entstanden sind.513 Der bisherige Mieter haftet deshalb auch solidarisch für allfällige Vertragsverletzung durch den Dritten (z.B. Beschädigung der Mietsache, unerlaubte Weiterbenutzung der Mietsache trotz erfolgter Kündigung).514 Die Vermieterin kann grundsätzlich direkt gegen den ehemaligen Mieter vorgehen, ohne zuerst den Dritten in Anspruch nehmen zu müssen (Art. 144 Abs. 1 OR).515

3.

Untermiete (Art. 262 OR)

Dem Mieter steht ein relativ zwingendes Recht auf Untervermietung der Sache zu 2993 (Art. 262 Abs. 1 OR).516 Das Recht zur Untervermietung gilt für alle Mietverhält-

508 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 263 N 7; Mietrecht für die Praxis-Nideröst, 641. 509 Ablehnend CHK  OR-Hulliger/Heinrich, Art.  263 N  7; Koller, AJP 2018, 216  f.; SVIT-Rohrer, Art. 263 N 23. Bejahend ZK OR-Higi, Art. 263 N 47; BSK OR-Weber, Art. 263 N 6. Eine teilweise Rückwirkung bejahend CR CO-Lachat, Art. 263 N 8; Mietrecht für die Praxis-Nideröst, 641. 510 CHK  OR-Hulliger/Heinrich, Art.  263 N  7; SVIT-Rohrer, Art.  263 N  43; a.M. CR CO-Lachat, Art. 263 N 8, wonach auch die Bank zustimmen muss. 511 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 263 N 7. 512 S. BGE 140 III 344 E. 5. 513 BGE 121 III 408 E. 4a = Pra 1996 Nr. 151; CPra Bail-Bise/Planas, Art. 263 N 79; CHK OR-Hulliger/ Heinrich, Art. 263 N 9. 514 S. BGE 140 III 344 E. 5.1; 121 III 408 E. 4 = Pra 1996 Nr. 151. 515 BGE 140 III 344 E. 5.4. 516 CHK  OR-Hulliger/Heinrich, Art.  262 N  1; a.M. hinsichtlich beweglicher Sachen SVIT-Rohrer, Art. 262 N 48 ff.

949

5. Kapitel

Nominatverträge

nisse, also auch für die Miete von beweglichen Sachen.517 Der Mieter ist allerdings nur dann zur Untervermietung berechtigt, wenn er das Mietobjekt in absehbarer Zeit wieder selbst zu nutzen beabsichtigt.518 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung genügt es dabei nicht, wenn er dies bloss vage in Betracht zieht.519 3.1 2994

Voraussetzung: Zustimmung der Vermieterin

Voraussetzung für die Zulässigkeit der Untervermietung ist die Zustimmung der Vermieterin (Art. 262 Abs. 1 OR). Diese darf ihre Zustimmung allerdings nur in den von Art. 262 Abs. 2 OR abschliessend aufgezählten Fällen verweigern:520 • Der Mieter weigert sich, die Bedingungen der Untermiete bekannt zu geben (Art. 262 Abs. 2 lit. a OR); • die Bedingungen der Untermiete sind im Vergleich zur Hauptmiete missbräuchlich (z.B. Erzielung von übermässigem Gewinn; Art. 262 Abs. 2 lit. b OR) oder • der Vermieterin entstehen aus der Untermiete wesentliche Nachteile (z.B. übermässige Abnutzung durch Überbelegung; Art. 262 Abs. 2 lit. c OR).

2994a

In Bezug auf die Erzielung eines übermässigen Gewinnes ist zu differenzieren: Ein allfällig vom Mieter erzielter Überschuss muss sachlich gerechtfertigt sein.521 Der Mieter darf für zusätzliche Leistungen, die er zugunsten des Untermieters erbringt (z.B. möblierte Überlassung der Wohnung, Reinigung, Internet-/Telefonnutzung etc.) ein Entgelt verlangen.522 Ob der Mieter darüber hinaus auch einen geringfügigen Untermietgewinn erzielen darf, hat das Bundesgericht bislang offengelassen.523 Rechtsprechung und Lehre sind sich zumindest darin einig, dass die Vermieterin einen übermässigen Gewinn vom Mieter gestützt auf Art. 423 Abs. 1 OR herausverlangen kann.524

2995

Die Zustimmung ist nicht Voraussetzung für das gültige Zustandekommen des Untermietvertrages525 und kann darum auch erst nach Vertragsabschluss eingeholt

517 518 519 520 521 522 523 524 525

950

Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N 350. BGE 138 III 59 E. 2.2.1; 134 III 446 E. 2.4 = Pra 2009 Nr. 21. BGE 4A_367/2010 E. 2.1. BGE 139 III 353 E. 2.1.2 = Pra 2014 Nr. 38; CPra Bail-Bise/Planas, Art. 262 N 32; CHK OR-Hulliger/ Heinrich, Art. 262 N 6. Entscheid des BezGer Zürich vom 9.  Februar 2017 E.  2.2.4 = mp  2017, 126  ff.; Jud/Steiger, Jusletter 30. Juni 2014, N 30; SVIT-Rohrer, Art. 262 N 18. BGE 119 II 353 E. 5c = Pra 1993 Nr. 57; Entscheid des BezGer Zürich vom 9. Februar 2017 E. 2.2.4 = mp 2017, 126 ff.; Jud/Steiger, Jusletter 30. Juni 2014, N 30; Mietrecht für die Praxis-Nideröst, 633. S. BGE 4C.331/2004 E. 1.2.2; 119 II 353 E. 6b, E. 6e und E. 6f = Pra 1994 Nr. 57; s. dazu auch CPra BailBise/Planas, Art. 262 N 39; Spirig, mp 2015, 10 f. BGE 4A_518/2014 E. 3; 129 III 422 E. 4 m.w.H.; Entscheid des BezGer Zürich vom 9. Februar 2017 E. 3.1.1 = mp 2017, 126 ff.; Jud/Steiger, Jusletter 30. Juni 2014, N 29; Schmid, recht 2000, 207 f. CPra Bail-Bise/Planas, Art. 262 N 24; Jud/Steiger, Jusletter 30. Juni 2014, N 17.

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

werden.526 Das Gesetz verlangt für die Zustimmung keine besondere Form. Reagiert die Vermieterin nicht auf ein Gesuch um Erteilung der Zustimmung oder erhebt sie gegen ein ihr bekanntes Untermietverhältnis keinen Widerspruch, so kann dieses Verhalten als konkludente Zustimmung der Vermieterin gedeutet werden.527 Lehnt die Vermieterin die Untermiete ohne Angabe von Gründen ab oder sind 2995a die Gründe für die Verweigerung strittig, so kann der Mieter an die Schlichtungsbehörde gelangen mit dem Begehren um Erteilung der Zustimmung zur Untermiete.528 3.2

Untermiete mit Zustimmung der Vermieterin

a.

Verhältnis zwischen Mieter und Untermieter

Der Untermietvertrag zwischen Mieter und Untermieter ist ein gewöhnlicher Miet- 2996 vertrag (Art. 253 OR).529 Insbesondere das in einigen Kantonen für obligatorisch erklärte amtliche Formular für Anfangsmietzinse (Art. 270 Abs. 2 OR; s. N 2915) muss auch beim Abschluss eines Untermietvertrages verwendet werden.530 Die Erstreckung des Untermietverhältnisses ist allerdings nur bis zum Ablauf des 2996a Hauptmietverhältnisses möglich (Art. 273b Abs. 1 OR; zur Erstreckung s. N 3024 ff.). b.

Verhältnis zwischen Hauptvermieterin und Untermieter

Zwischen der Hauptvermieterin und dem Untermieter besteht kein Vertragsver- 2997 hältnis.531 Ausnahmsweise kann sie in den folgenden Fällen dennoch direkt gegen den Untermieter vorgehen:532 • Die Vermieterin darf den Untermieter direkt dazu anhalten, die Sache nicht anders zu gebrauchen, als es dem Mieter gestattet ist (Art. 262 Abs. 3 OR); • das Retentionsrecht der Vermieterin umfasst bei der Geschäftsraummiete auch die vom Untermieter eingebrachten beweglichen Sachen insoweit, als Letzterer seinen Mietzins nicht bezahlt hat (Art. 268 Abs. 2 OR; zum Retentionsrecht s. N 3015a ff.); • der Untermieter wird von Gesetzes wegen als Vertragspartei (also Mieter) der Hauptvermieterin betrachtet, wenn die Untermiete nur vorgeschoben ist, um 526 ZK OR-Higi, Art. 262 N 16. 527 BGE 4A_290/2015 E. 3.1; ZK OR-Higi, Art. 262 N 30; Mietrecht für die Praxis-Nideröst, 620 f. Anders aber Art. 8 CCR, wonach die Zustimmung schriftlich erfolgen muss. Dazu auch BGE 4A_290/2015 E. 3.2, und BSK OR-Weber, Art. 262 N 3. 528 CPra Bail-Bise/Planas, Art. 262 N 46; SVIT-Rohrer, Art. 262 N 35. 529 Mietrecht für die Praxis-Nideröst, 625. 530 BGE 124 III 62 E. 2a = Pra 1998 Nr. 53. 531 SVIT-Rohrer, Art. 262 N 55. 532 S. auch Mietrecht für die Praxis-Nideröst, 628 ff.

951

5. Kapitel

Nominatverträge

damit die Vorschriften über den Kündigungsschutz zu umgehen (Art.  273b Abs. 2 OR; zum Kündigungsschutz s. N 3020 ff.); • nach Beendigung des Hauptmietverhältnisses hat die Vermieterin gegenüber dem Untermieter einen direkten Anspruch auf Ausweisung533. c.

Verhältnis zwischen Hauptvermieterin und Mieter

2997a

Der Untervermieter bleibt Mieter und damit Vertragspartei des Hauptmietverhältnisses. Auch wenn beispielsweise der Untermieter seiner Mietzinspflicht nicht nachkommt, ist der Mieter – trotz Untermietverhältnis – weiterhin verpflichtet, der Vermieterin den Mietzins zu bezahlen.534

2998

Der Mieter haftet der Vermieterin dafür, dass der Untermieter die Sache nur so gebraucht, wie es ihm selbst gestattet ist, wobei die Vermieterin den Untermieter direkt dazu anhalten kann (Art. 262 Abs. 3 OR). Diese Haftung des Mieters richtet sich nach den Grundsätzen von Art. 101 OR.535 Bei Nichtbeachtung des Verbots des vertragswidrigen Gebrauchs kann die Vermieterin den Hauptmietvertrag nach den Voraussetzungen von Art. 257f OR kündigen.536

2999

Erlischt das Hauptmietverhältnis zwischen Vermieterin und Mieter, so verliert auch der Untermieter sein Recht, die Mietsache zu gebrauchen; er muss diese alsdann zurückgeben.537 Gemäss Bundesgericht muss der Mieter, welcher das Mietobjekt nach Beendigung des Hauptmietverhältnisses weiterhin untervermietet, der Vermieterin gemäss Art. 423 Abs. 1 OR den damit erzielten Gewinn herausgeben.538 Mit seiner Rechtsprechung anerkennt das Bundesgericht, dass der Mieter die Mietsache nur unter Einhaltung des Vertrages nutzen darf und eine (zu Recht) nicht bewilligte Untermiete einen Eingriff in die Vermieterinnenrechte darstellt.539

3000

3.3

Unzulässige Untermiete

a.

Untermiete trotz begründeter Verweigerung der Zustimmung

Erfolgt die Untervermietung trotz begründeter Verweigerung der Zustimmung, so liegt nach einer Mindermeinung ein ausserordentlicher Kündigungsgrund nach Art.  266g  OR (wichtiger Grund) vor.540 Dagegen befürworten Rechtsprechung 533 BGE 120 II 112 E. 2b cc ddd; ZK OR-Higi, Art. 262 N 27; SVIT-Rohrer, Art. 262 N 48. 534 Mietrecht für die Praxis-Nideröst, 631. Zum Ausschluss des Klagerechts nach Art. 926 f. ZGB s. SVITRohrer, Art. 262 N 48. 535 SVIT-Rohrer, Art. 262 N 46; BSK OR-Weber, Art. 262 N 10. 536 SVIT-Rohrer, Art. 262 N 47; Mietrecht für die Praxis-Spirig, 628 f. 537 BGE 139 III 353 E. 2.1.2 = Pra 2014 Nr. 38. 538 BGE 126 III 69 E. 2c = Pra 2001 Nr. 11; bestätigt in BGE 129 III 422 E. 4. 539 BGE 126 III 69 E. 2b = Pra 2001 Nr. 11; zum Ganzen s. Schmid, recht 2000, 205 ff. 540 Honsell, OR BT, 247.

952

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

und herrschende Lehre zu Recht die ausserordentliche Kündbarkeit nach Art. 257f Abs. 3 OR (Verletzung von Sorgfalt und Rücksichtnahme)541, da es sich um einen vertragswidrigen Gebrauch handelt (s. N  2930). Eine ungerechtfertigte Verweigerung der Zustimmung durch die Vermieterin (s. Art. 262 Abs. 2 OR) bleibt dagegen wirkungslos. Der Mieter darf dementsprechend die Sache untervermieten.542 b.

Untermiete ohne Zustimmung der Vermieterin

Der Mieter kann die Mietsache auch eigenmächtig, das heisst ohne Zustimmung 3000a der Vermieterin, untervermieten. Allerdings riskiert er in einem solchen Fall eine ordentliche bzw. nach erfolgter schriftlicher Abmahnung eine ausserordentliche Kündigung gemäss Art. 257f Abs. 3 OR sowie eine Schadenersatzklage der Vermieterin bzw. des Untermieters (Art. 97 ff. OR).543 Nach wohl herrschender Lehre (und unseres Erachtens zu Recht) ist eine Untervermietung ohne Einholung der Zustimmung allerdings nicht eo ipso unzulässig. Die Vermieterin ist nur dann zur ordentlichen bzw. ausserordentlichen Kündigung im Sinne von Art. 257f Abs. 3 OR berechtigt, wenn sie sich der Untermiete hätte wirksam widersetzen können (s. Art. 262 Abs. 2 OR).544 Ein anderer Teil der Lehre geht dagegen davon aus, dass die Vermieterin das Mieterverhältnis auch dann ordentlich bzw. ausserordentlich kündigen kann, wenn keine Gründe für die Verweigerung der Zustimmung im Sinne von Art. 262 Abs. 2 OR vorliegen.545 c.

Nachträgliche Entstehung eines Verweigerungsgrundes

Die Zustimmung der Vermieterin zur Untervermietung ist ein Gestaltungsrecht 3000b und somit grundsätzlich unwiderruflich. Die Vermieterin kann ihre Zustimmung jedoch widerrufen, wenn nachträglich Umstände eingetreten sind, welche die Vermieterin zur Verweigerung der Zustimmung berechtigen würden.546 Mit dem Entzug ihres Einverständnisses verringert die Vermieterin allerdings einseitig ihre Leistungen gegenüber dem Mieter (Einschränkung seines Gebrauchsrechts), weshalb

541 BGE 134 III 300 E. 3.1 = Pra 2008 Nr. 130; Heinrich, 158; ZK OR-Higi, Art. 262 N 49; Mietrecht für die Praxis-Nideröst, 623; BSK OR-Weber, Art. 262 N 4a; s. auch SVIT-Rohrer, Art. 262 N 35. 542 Heinrich, 162; ZK OR-Higi, Art. 262 N 54. 543 Mietrecht für die Praxis-Nideröst, 622; SVIT-Rohrer, Art. 262 N 38. 544 CPra Bail-Bise/Planas, Art.  262 N  46 und N  62; Blumer, N  595; Honsell,  OR BT, 247; CR  COLachat, Art. 262 N 4; Mietrecht für die Praxis-Nideröst, 623; BSK OR-Weber, Art. 262 N 4; s. auch BGE 134 III 446 E. 2.2 = Pra 2009 Nr. 21; 134 III 301 E. 3.1 = Pra 2008 Nr. 130. 545 ZK OR-Higi, Art. 262 N 57 f.; Koller, AJP 2018, 214; SVIT-Rohrer, Art. 262 N 32. S. ferner BGE 138 III 59 E. 2.2.2, wo festgehalten wird, «es ist nicht auszuschliessen», dass eine fehlende Zustimmung «grundsätzlich geeignet ist, das Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragsparteien derart zu erschüttern, dass eine ordentliche Kündigung als nicht treuwidrig erscheint». 546 KuKo  OR-Blumer, Art.  262 N  5. Ausführlich zum Widerruf Mietrecht für die Praxis-Nideröst, 622 und FN 58 f.

953

5. Kapitel

Nominatverträge

Art. 269d OR zur Anwendung gelangt.547 Die Vermieterin hat also dem Mieter den Widerruf der Zustimmung mit amtlichem Formular anzuzeigen und zu begründen (Art. 269d Abs. 3 OR; N 3017m f.).548 3.4 3000c

Exkurs: Buchungsplattformen im Internet und die Regeln der Untermiete

Werden Wohnungen über entgeltliche Buchungsplattformen wie z.B. Airbnb oder booking.com vergeben, liegt zwischen dem Anbieter der Unterkunft und dem Gast je nach Rechtsbeziehung eine klassische (Unter-)Miete oder ein Innominatkontrakt in der Form eines Beherbergungs- oder Gastaufnahmevertrages (s. N  3977 ff.) vor.549 Rechtsprechung und Lehre gehen davon aus, dass wenn ein Mieter seine Wohnung über eine solche Buchungsplattform vergibt – ungeachtet des Rechtsverhältnisses550 –, grundsätzlich die Regeln über die Untermiete (Art. 262 OR) anzuwenden sind.551 Der Mieter benötigt demnach die Zustimmung der Vermieterin (Art. 262 Abs. 1 OR), wenn er keine ordentliche oder ausserordentliche Kündigung riskieren will.552 Er muss allerdings die Absicht haben, die Wohnung in absehbarer Zeit wieder selbst nutzen zu wollen.553 Andernfalls ist die Untervermietung unzulässig, und die Vermieterin kann ihre Zustimmung verweigern bzw. ist zur ordentlichen Kündigung berechtigt.554 Zu beachten sind auch allfällige öffentlichrechtliche Vorschriften, welche eine solche Untermiete nur beschränkt zulassen.555 547 BGE 4A_290/2015 E. 4.4.1; 125 III 231 E. 3b; SVIT-Rohrer, Art. 262 N 37. 548 BGE 4A_290/2015 E. 4.4.1; 125 III 62 E. 2b; SVIT-Rohrer, Art. 262 N 37. 549 Mietrecht für die Praxis-Püntener, 51; ähnlich Spöndlin, 80. Zur Funktionsweise solcher Plattformen s. SVIT-Rohrer, Art. 262 N 41. 550 Mietrecht für die Praxis-Püntener, 51. 551 Entscheid des BezGer Zürich vom 9.  Februar 2017 E.  2.1.1 = mp  2017, 126  ff.; Jud/Steiger, Jusletter 30. Juni 2014, N 19; SVIT-Rohrer, Art. 262 N 41; s. ferner CPra Bail-Bise/Planas, Art. 262 N 90. 552 CPra Bail-Bise/Planas, Art. 262 N 91. 553 BGE 138 III 59 E. 2.2.1; 134 III 446 E. 2.4 = Pra 2009 Nr. 21; Jud/Steiger, Jusletter 30. Juni 2014, N 16; Spirig, mp 2015, 7 f. Eine einschränkende Anwendung von Art. 262 OR auf die blossen «Wechselfälle des Lebens» befürwortend Abegg/Bernauer, AJP 2018, 85 f. S. ferner auch Entscheid des BezGer Zürich vom 9. Februar 2017 E. 2.1.2 = mp 2017, 126 ff. 554 BGE 138 III 59 E. 2.2; 134 III 446 E. 2.4 = Pra 2009 Nr. 21; Jud/Steiger, Jusletter 30. Juni 2014, N 16; Spirig, mp 2015, 8. 555 In der Stadt Bern ist beispielsweise geplant, dass Mieter ihre Zweiwohnungen in der Altstadt nur noch während einer bestimmten Maximalanzahl von Tagen pro Jahr über Vermittlungsplattformen wie etwa Airbnb vermieten können sollen. S. geplante Teilrevision der Bauordnung der Stadt Bern, abrufbar unter (besucht am 3.  Januar 2019). Auch in der Stadt Luzern liegt ein entsprechendes Postulat an den Luzerner Stadtrat vor, welches die (professionelle) Vermietung über entgeltliche Buchungsplattformen einschränken will. S. «Ja zu Vermietungsplattformen – aber nicht auf Kosten von Wohnraum», Postulat an den Grossen Stadtrat von Luzern vom 18.  Mai 2018, abrufbar unter (besucht am 3. Januar 2019).

954

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Überlässt der Mieter seine Wohnung kostenlos einem Dritten (z.B. über die Plattform CouchSurfing), liegt mangels Entgeltlichkeit keine Untermiete, sondern eine «blosse» Gebrauchsleihe (Art. 305 ff. OR) vor.556 Die Vermieterin kann ihre Zustimmung nur aus den in Art. 262 Abs. 2 OR abschlies- 3000d send aufgezählten Gründen verweigern (s. N 2994). Bei über Buchungsplattformen vermieteten Wohnungen dürften die Verweigerungsgründe regelmässig im übermässig erzielten Gewinn und der zu intensiven Nutzung liegen.557 Weiter gilt es zu bedenken, dass durch eine regelmässige Untervermietung einer Wohnung deren ursprünglicher Verwendungszweck verletzt sein kann, indem durch die Häufung der Vermietungen eine gewerbsmässige Nutzung vorliegt558 und dadurch auch gegen öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkungen verstossen wird.

X.

Beendigung des Mietverhältnisses

1.

Überblick 3000e Beendigung des Mietverhältnisses (Art. 266–266o, 267–267a OR)

Befristeter Mietvertrag

Unbefristeter Mietvertrag

Ablauf der vereinbarten Dauer (Art. 266 Abs. 1 OR)

Ausserordentliche Kündigung Unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (meist) auf beliebigen Zeitpunkt (Art. 266g–266k OR)

Übertragung der «Fristlose» Miete von Kündigung Geschäftsräumen Bestimmte auf einen Dritten Handlungen (Art. 263 OR) vorausgesetzt (Art. 257d, Art. 257f, Art. 259b lit. a OR)

Ordentliche Kündigung (Art. 266a–266f OR)

Vorzeitige Rückgabe der Mietsache (Art. 264 Abs. 1 OR)

Aufhebungsvertrag Beendigung im gegenseitigen Einvernehmen (Art. 115 OR)

Abbildung: Übersicht über die Beendigung des Mietverhältnisses

556 Jud/Steiger, Jusletter 30. Juni 2014, N 19; Koller, AJP 2018, 209 f.; Spirig, mp 2015, 8. 557 SVIT-Rohrer, Art.  262 N  44; s. auch Entscheid des BezGer Zürich vom 9.  Februar 2017 E.  2.3.11 = mp 2017, 126 ff. 558 SVIT-Rohrer, Art. 262 N 45; s. auch Spöndli, 80.

955

5. Kapitel

2.

Nominatverträge

Aufhebungsvertrag (Art. 115 OR)

3000f

Die Parteien können das befristete oder unbefristete Mietverhältnis jederzeit durch übereinstimmende Willensäusserung auf einen beliebigen Zeitpunkt hin (auch sofort) aufheben (Art.  115  OR).559 Die besonderen Formvorschriften (Art. 266l ff. OR; N 3007 f.) und Kündigungsfristen und -termine (Art. 266a ff. OR; N  3003) sind dabei nicht zu berücksichtigen.560 Bei Familienwohnungen muss allerdings auch der nichtmietende Ehegatte der Aufhebung des Mietverhältnisses zustimmen (s. Art. 266m OR).561

3000g

Die Folgen des Aufhebungsvertrages sind: • auf den vereinbarten Aufhebungszeitpunkt hin erlöschen alle mietvertraglichen Pflichten mit Wirkung ex nunc;562 • davon ausgenommen sind die mietvertraglichen Rückabwicklungspflichten (z.B. Rückgabe der Mietsache [Art. 267 OR]) sowie die noch fortwirkenden Vertragspflichten (z.B. Zahlung des noch ausstehenden Mietzinses);563 • die Kündigungsschutzbestimmungen gemäss Art.  271a  ff. OR finden keine Anwendung.564

3. 3001

Ordentliche Beendigung bzw. ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses

Zur ordentlichen Beendigung eines Mietverhältnisses zählt sowohl die Beendigung durch Zeitablauf (befristetes Mietverhältnis) als auch die ordentliche Kündigung (unbefristetes Mietverhältnis).565 Bei beiden Varianten sind im Unterschied zur ausserordentlichen Kündigung keine wichtigen Gründe zur Beendigung des Mietverhältnisses erforderlich. Eine Schranke bildet aber der Grundsatz von Treu und

559 KuKo OR-Blumer, Art. 255 N 8; CR CO-Lachat, Art. 255 N 10; Mietrecht für die Praxis-Thanei, 658. 560 ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 266–266o N 14; BSK OR-Weber, Art. 255 N 2 und Art. 266a N 1e. Hinsichtlich Form teilweise a.M. Blumer, N 1015, SVIT-Müller, Vorb. zu Art. 266–266o N 41, und Mietrecht für die Praxis-Thanei, 659, wonach Schriftlichkeit erforderlich ist, wenn die Parteien für Vertragsänderungen die Schriftform vorbehalten haben (Art. 16 OR). 561 ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 266–266o N 14; Mietrecht für die Praxis-Thanei, 659. 562 Blumer, N 1013; ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 266–266o N 12. 563 Blumer, N 1013; ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 266–266o N 12. 564 ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 266–266o N 14. Nach CR CO-Lachat, Art. 255 N 11, sollte im Einzelfall immer geprüft werden, ob die Parteien tatsächlich darauf verzichtet haben. 565 S. ZK OR-Higi, Art. 266 N 6 ff. und Art. 266a N 4 ff. In der Praxis finden sich auch gemischte Varianten, in denen das Mietverhältnis erst nach Ablauf einer bestimmten Dauer ordentlich gekündigt werden kann und dann unbefristet weiterläuft; s. dazu Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N 327.

956

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Glauben (z.B. Kündigung aus reiner Schikane, nicht aber bei Härte für den Mieter; s. N 3022 f.).566 3.1

Ablauf der vereinbarten Dauer beim befristeten Mietverhältnis (Art. 266 OR)

Das befristete Mietverhältnis (s. Art. 255 Abs. 2 OR) endet mit Ablauf der vertrag- 3002 lich vereinbarten Dauer. Es ist keine Kündigung notwendig (Art. 266 OR). Setzen die Parteien das befristete Mietverhältnis nach seinem Ablauf ohne Verein- 3002a barung einer neuen Dauer bewusst und widerspruchslos fort, gilt es als unbefristet (Art. 266 Abs. 2 OR).567 3.2.

Ordentliche Kündigung (Art. 266a–266f OR)

a.

Begriff der ordentlichen Kündigung

Die Parteien können das unbefristete Mietverhältnis mittels Kündigung beenden. 3002b Die Kündigung ist eine empfangsbedürftige und rechtsaufhebende Willenserklärung (sog. Gestaltungsrecht; N 75 ff.) und deshalb grundsätzlich bedingungsfeindlich sowie unwiderruflich.568 Ordentlich ist eine Kündigung dann, wenn sie unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfristen und -termine erfolgt. Bei einer ausserordentlichen Kündigung wird das Vertragsverhältnis dagegen vorzeitig aufgelöst (s. dazu N 3004 ff.).569 b.

Kündigungsfristen und -termine

Das unbefristete Mietverhältnis kann unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen 3003 und Termine gekündigt werden, sofern keine längere Frist oder kein anderer Termin vereinbart wurde (Art. 266a Abs. 1 OR). Die gesetzlichen Fristen stellen zwingende Minimalfristen dar.570 Eine vertragliche Verkürzung der Fristen ist somit ausgeschlossen; dagegen sind die Kündigungstermine dispositiver Natur.571 Das Gesetz enthält für die verschiedenen Arten von Mietobjekten unterschiedliche Fristen und Termine. Wichtige gesetzliche Fristen enthalten z.B. Art.  266c  OR für die Wohnungsmiete und Art. 266d OR für die Miete von Geschäftsräumen. Auf Verlangen

566 BGE 138 III 59 E. 2.1. 567 Mietrecht für die Praxis-Thanei, 666; BSK OR-Weber, Art. 255 N 5; a.M. BK OR-Giger, Art. 255 N 46 und N 72. 568 BGE 128 III 129 E. 2a; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 266–266f N 2. 569 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 266–266f N 4. 570 ZK OR-Higi, Art. 266a N 22. 571 Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N 474.

957

5. Kapitel

Nominatverträge

des Mieters ist die Kündigung zu begründen (Art. 271 Abs. 2 OR), was e contrario heisst, dass eine ordentliche Kündigung auch ohne Begründung gültig ist.572 3.3 3003a

Halten die Parteien die Frist oder den Termin nicht ein, so gilt die Kündigung auf den nächstmöglichen Termin (Art. 266a Abs. 2 OR), sofern sich aus dem Willen der kündigenden Partei nichts anderes ergibt.573 3.4

3003b

Folgen der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist

Übersicht

Mietobjekt

Kündigungsfrist

Kündigungstermin

unbewegliche Sachen, Fahrnisbauten (Art. 266b OR)

3 Monate

Ortsgebrauch kein Ortsgebrauch: auf Ende einer 6-monatigen Mietdauer

Wohnungen (Art. 266c OR)

3 Monate

Ortsgebrauch kein Ortsgebrauch: auf Ende einer 3-monatigen Mietdauer

Geschäftsraum (Art. 266d OR)

6 Monate

Ortsgebrauch kein Ortsgebrauch: auf Ende einer 3-monatigen Mietdauer

möbliertes Zimmer, Einstellplätze, ähnliche Einrichtungen (Art. 266e OR)

2 Wochen

auf Ende einer 1-monatigen Mietdauer

bewegliche Sachen (Art. 266f OR)

3 Tage

beliebiger Zeitpunkt

Abbildung: Übersicht Fristen und Termine bei ordentlicher Kündigung

3004

4.

Ausserordentliche Kündigung (Art. 266g–266k OR)

4.1.

Begriff der ausserordentlichen Kündigung

Die ausserordentliche Kündigung ist wie die ordentliche ein rechtsaufhebendes Gestaltungsrecht (s. N 75 ff. und N 3002b). Sie grenzt sich von der ordentlichen Kündigung dadurch ab, dass auf einen früheren als den gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Termin gekündigt werden kann, dafür aber ein wichtiger Grund 572 S. Mietrecht für die Praxis-Thanei, 688. 573 KuKo OR-Blumer, Art. 266a–266f N 6; BSK OR-Weber, Art. 266a N 5 m.w.H.

958

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

bzw. besonderer Umstand erforderlich ist. Auch gelten in gewissen Fällen kürzere Kündigungsfristen als die in Art.  266a–266f  OR vorgesehenen gesetzlichen Fristen. Bestimmungen betreffend die ausserordentliche Kündigung finden sich auch ausserhalb der Art.  266g  ff.  OR, etwa in den Art.  257d (Kündigung wegen Zahlungsrückstands), Art.  257f (Kündigung wegen mangelnder Sorgfalt und Rücksichtnahme) und Art.  258 Abs.  2 i.V.m. Art.  259b lit.  a  OR (Kündigung wegen Mangels).574 Nach zutreffender Meinung ist Art.  266g  OR (Kündigung aus wichtigem Grund; s. sogleich N 3005 f.) subsidiär zu den anderen ausserordentlichen Kündigungsmöglichkeiten anwendbar.575 4.2.

Gründe für eine ausserordentliche Kündigung

a.

Wichtiger Grund nach Art. 266g OR

Die Parteien können das Mietverhältnis aus wichtigen Gründen, welche die Vertrags- 3005 erfüllung für sie unzumutbar machen, mit der gesetzlichen Frist (s. Art. 266b ff. OR) auf einen beliebigen Zeitpunkt, das heisst ohne Berücksichtigung eines bestimmten Termins, kündigen. Art. 266g Abs. 1 OR ist Ausfluss des Grundsatzes, wonach Dauerschuldverhältnisse aus wichtigen Gründen auch vorzeitig beendet werden können.576 Als wichtige Gründe im Sinne von Art. 266g Abs. 1 OR gelten nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung «nur ausserordentlich schwerwiegende Umstände, die bei Vertragsschluss weder bekannt noch voraussehbar waren und auch nicht auf ein Verschulden der kündigenden Partei zurückzuführen sind»577. Wichtige Gründe sind z.B. eine schwere Krankheit des Kündigenden oder eine strafbare Handlungen des Vertragspartners gegen den Kündigenden (bzw. ihm nahestehende Personen).578 Infrage kommen aber auch äussere Gründe (z.B. allgemeine schwere Wirtschaftskrise oder eine Naturkatastrophe).579 Erforderlich ist nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung, dass die wichtigen Gründe die Fortsetzung des Mietverhältnisses in objektiver Hinsicht (das heisst im Verständnis vernünftiger und redlicher Menschen) als unzumutbar erscheinen lassen.580 Die vorzeitig kündigende Partei ist gegenüber der anderen Partei schadenersatz- 3005a pflichtig (Art.  266g Abs.  2  OR). Grundsätzlich schuldet sie nicht das volle Erfüllungsinteresse. Die kündigende Partei muss vielmehr nur dann Schadenersatz 574 S. KuKo OR-Blumer, Art. 266g N 3; Honsell, OR BT, 253. 575 BGE 4A_536/2009 E.  2.2; 4C.395/2006 E.  3; BSK  OR-Weber, Art.  266g N  4; s. ferner SVIT-Müller, Art. 266g N 7. 576 BGE 4C.395/2006 E. 3; 122 III 262 E. 2a aa. 577 BGE 4C.375/2000 E. 3a; s. ferner BGE 122 III 262 E. 2a aa; Honsell, OR BT, 254; CHK OR-Hulliger/ Heinrich, Art. 266g N 3. 578 S. Honsell, OR BT, 253; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 266g N 3; Mietrecht für die Praxis-Spirig, 735. 579 Mietrecht für die Praxis-Spirig, 735. 580 BGE 4C.395/2006 E. 3; 4C.375/2000 E. 3a; 122 III 262 E. 2a aa; Honsell, OR BT, 254.

959

5. Kapitel

Nominatverträge

leisten, wenn dies aufgrund der Umstände des Einzelfalles als billig (Art. 4 ZGB) erscheint (das heisst Berücksichtigung z.B. der finanziellen Verhältnisse der Parteien oder eines allfälligen Selbst- oder Mitverschuldens der gekündigten Partei am Eintritt des wichtigen Grundes).581 b.

Konkurs des Mieters (Art. 266h OR)

3005b

Fällt der Mieter vor Übergabe der Mietsache (s. N 2916a f.) in Konkurs, kann die Vermieterin nach Art. 83 OR (N 934 ff.) vorgehen. Ist die Mietsache dagegen bereits übergeben worden, so gelangt Art. 266h OR zur Anwendung.582 Eine ausserordentliche Kündigung infolge Konkurs des Mieters ist demnach erst möglich, wenn die Vermieterin den Mieter vergeblich aufgefordert hat, eine Sicherheit (z.B. in Form von Bankgarantien, Bürgschaften) für die künftigen Mietzinse zu leisten (Art. 266h OR). Sie muss hierfür sowohl dem Mieter als auch der Konkursverwaltung schriftlich eine nach den Umständen angemessene Frist583 setzen (Art. 266h Abs. 1 OR). Bei einem unbefristeten Mietverhältnis kann die Vermieterin die Sicherstellung der Mietzinse bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin verlangen, bei einem befristeten Mietverhältnis bis zum Ablauf der vereinbarten Dauer.584 Leistet weder der Mieter noch die Konkursverwaltung die geforderte Sicherheit, so kann die Vermieterin das Mietverhältnis «fristlos», das heisst ohne Berücksichtigung von gesetzlichen Fristen oder Terminen, kündigen (Art. 266h Abs. 2 OR).585 Bezüglich der Kündigungsmodalitäten sind Art. 266l und Art. 266m OR zu beachten. Eine Erstreckung des Mietverhältnisses ist gemäss Art. 272a Abs. 1 lit. c OR ausgeschlossen.

3005c

Ist der Mieter bei Konkurseröffnung auch mit der Zahlung von Mietzinsen im Rückstand, so muss die Vermieterin hierfür nach Art. 257d OR (N 3005e) vorgehen.586 Art. 266h OR ist nur für die zukünftig fällig werdenden Mietzinse anwendbar (s. Wortlaut von Art.  266h Abs.  1  OR). Fällt die Vermieterin in Konkurs, ist Art. 261 OR zu beachten.587 c.

3005d

Tod des Mieters (Art. 266i OR)

Stirbt der Mieter, können seine Erben das Mietverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist auf den nächsten gesetzlichen Termin ausserordentlich kündigen, wenn sie dieses nicht mehr fortsetzen wollen (Art. 266i OR). Will die Vermieterin 581 BGE 4C.375/2000 E. 4a; 122 III 262 E. 2a aa; s. ferner auch BBl 1985 I 1451; SVIT-Müller, Art. 266g N 43 f.; BSK OR-Weber, Art. 266g N 99. 582 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 266h N 2; SVIT-Müller, Art. 266h N 2 und N 10. 583 S. hierzu SVIT-Müller, Art. 266h N 13; BSK OR-Weber, Art. 266h N 6. 584 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 266h N 5; SVIT-Müller, Art. 266h N 22. 585 KuKo OR-Blumer, Art. 266h N 4; BSK OR-Weber, Art. 266h N 10. 586 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 266h N 10; SVIT-Müller, Art. 266h N 34. 587 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 266h N 2.

960

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

das Mietverhältnis infolge Tod des Mieters bzw. Übernahme des Vertrages durch die Erben ausserordentlich kündigen, muss sie nach Art. 266g OR vorgehen.588 d.

Zahlungsrückstand des Mieters (Art. 257d OR)

Die Vermieterin kann den Mietvertrag ausserordentlich kündigen, wenn der Mieter 3005e mit der Zahlung der Mietzinse oder Nebenkosten im Rückstand ist (Art. 257d OR; s. hierzu auch N 2968 ff.). Eine Sicherheit im Sinne von Art. 257e Abs. 1 OR gilt nicht als Vorauszahlung des Mietzinses und steht daher einer Kündigung nach Art. 257d Abs.  2  OR nicht entgegen. Umgekehrt berechtigt ein Nichtleisten der Sicherheit nicht zu einer Kündigung nach Art. 257d Abs. 2 OR.589 e.

Verletzung der Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflicht (Art. 257f Abs. 3 und Abs. 4 OR)

S. hierzu N 2969a ff. f.

3005f

Verletzung der Pflicht zur Mangelbeseitigung (Art. 259b lit. a OR)

S. hierzu N 2949. g.

3005g

Dringender Eigenbedarf beim Verkauf des Mietobjekts (Art. 261 OR)

S. hierzu N 2985d ff. 4.3.

3005h

Folgen einer ausserordentlichen Kündigung bei Fehlen von Voraussetzungen

Die Frage, ob die Konversion einer ausserordentlichen Kündigung (bei nicht gege- 3006 benen Voraussetzungen) in eine ordentliche Kündigung möglich sei, ist in der Lehre umstritten.590 Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung und mehrheitlicher Lehre ist dies zu verneinen, da das Ausüben eines Gestaltungsrechts eine Konversion prinzipiell ausschliesst.591 Aus dem gleichen Grund ist auch eine Konversion in eine andere ausserordentliche Kündigung in der Regel ausgeschlossen.592 Sind also die Voraussetzungen nicht erfüllt, ist die entsprechende ausserordentliche Kündigung unwirksam.593 588 589 590 591

BBl 1985 I 1452 f.; KuKo OR-Blumer, Art. 266i N 5. ZK OR-Higi, Art. 257d N 11; SVIT-Reudt, Art. 257d N 16. Ausführlich BGE 135 III 441 E. 3.2 m.w.H. zur Lehre = Pra 2010 Nr. 30. BGE 135 III 441 E. 3.3 = Pra 2010 Nr. 30; s. unter anderem ZK OR-Higi, Art. 257f N 72; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 266–266f N 9; Mietrecht für die Praxis-Spirig, 703. 592 BGE 123 III 124 E. 3d. 593 BGE 135 III 441 E. 3 = Pra 2010 Nr. 30; ZK OR-Higi, Art. 257f N 72; SVIT-Reudt, Art. 257f N 69.

961

5. Kapitel

4.4 3006a

Nominatverträge

Übersicht

Ausserordentlicher Kündigungsgrund

Kündigungsfrist

Kündigungstermin

Konkurs des Mieters (Art. 266h)

fristlos nach unbenütztem Fristablauf zur Sicherheitsleistung



Tod des Mieters (Art. 266i OR)

gesetzliche Kündigungsfrist je nach Mietsache

gesetzlicher Kündigungstermin je nach Mietsache

Zahlungsrückstand des Mieters (Art. 257d OR)

fristlos nach unbenütztem Fristablauf zur Zahlung



bei Wohn- und Geschäftsraummiete: mindestens 30 Tage nach unbenütztem Fristablauf zur Zahlung

auf Ende eines Kalendermonats

fristlos nach erfolgloser Mahnung



bei Wohn- und Geschäftsraummiete: mindestens 30 Tage nach erfolgloser Mahnung

auf Ende eines Kalendermonats

Verletzung der Pflicht zur Mangelbeseitigung (Art. 259b lit. a OR)

fristlos nach unbenütztem Fristablauf zur Mängelbeseitigung



dringender Eigenbedarf beim Verkauf des Mietobjekts (Art. 261 OR)

gesetzliche Kündigungsfrist je nach Mietsache

gesetzlicher Kündigungstermin je nach Mietsache

subsidiär: wichtiger Grund (Art. 266g OR)

gesetzliche Kündigungsfrist je nach Mietsache



Verletzung der Sorgfaltsund Rücksichtnahmepflicht (Art. 257f Abs. 3 und Abs. 4 OR)

Abbildung: Übersicht Fristen und Termine bei ausserordentlicher Kündigung

3007

5.

Form der Kündigung (Art. 266l–266o OR)

5.1

Im Allgemeinen (Art. 266l OR; Art. 9 VMWG)

Art. 266l Abs. 1 OR verlangt für die ordentliche oder ausserordentliche Kündigung des Mietvertrages von Wohn- und Geschäftsräumen Schriftlichkeit (Art. 12 ff. OR), wobei die Vermieterin überdies ein vom Kanton bewilligtes Formular verwenden muss, das den Mieter über seine Rechte aufklärt (Art.  266l Abs.  2  OR; zum notwendigen Inhalt s. Art. 9 VMWG). Die Kündigung muss jedoch keine Begründung

962

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

(s. Art. 271 OR; N 3013) enthalten, um gültig zu sein.594 Das Formular muss nur darauf hinweisen, dass die Vermieterin die Kündigung auf Verlangen des Mieters begründen muss (Art. 9 Abs. 1 lit. c VMWG). Diese Begründung hat nicht in einer bestimmten Form zu erfolgen.595 Alle anderen Mietverträge, welche nicht Wohnund Geschäftsräume betreffen, können formlos gekündigt werden. 5.2

Bei Familienwohnungen (Art. 266m–266nOR)

Spezielle Regelungen bestehen bei Kündigung der Familienwohnung:596 Der Mie- 3007a ter kann den Mietvertrag nur mit ausdrücklicher Zustimmung seines Ehepartners kündigen (Art. 266m Abs. 1 OR). Die Vermieterin muss die Kündigung der Familienwohnung beiden Ehegatten mit amtlichem Formular separat zuzustellen (Art. 266n OR).597 Diese Regelungen gelten sinngemäss auch für eingetragene Partner (Art. 266m Abs. 3 OR). 5.3

Folgen bei Nichteinhalten der Form (Art. 266o OR)

Werden die Formvorschriften (Art. 266l–266n OR) verletzt, ist die Kündigung nich- 3008 tig (Art. 266o OR) und damit grundsätzlich unwirksam.598 Von der Nichtigkeit ist die Anfechtbarkeit nach Art. 271 f. OR zu unterscheiden, welche eine gültige Kündigung voraussetzt (zur Anfechtbarkeit s. N 3020b ff.).

6.

Zustellung der Kündigung

6.1

Im Allgemeinen

Für die Wirkung der Kündigung gelten die allgemeinen Grundsätze: Die Kündi- 3009 gung ist eine empfangsbedürftige und rechtsaufhebende Willenserklärung, die ihre vertragsauflösende Wirkung erst mit dem Eintreffen im Machtbereich des Empfängers entfaltet. Sie gilt als zugestellt, wenn sie der Gegenpartei bzw. einer emp594 BGE 4C.400/2001 E. 2. S. aber BGE 123 III 124 E. 2c = Pra 2000 Nr. 49, wonach bei einer ausserordentlichen Kündigung zumindest die Umstände, welche zur Kündigung führten, umschrieben werden müssen, damit diese wirksam ist. 595 BGE 4C.400/2001 E. 2. 596 S. BGE 137 III 208 E. 2 = Pra 2011 Nr. 106 bezüglich Geschäftsräumen, die auch der Unterkunft von Ehegatten dienen. 597 S. BGE 139 III 7 E. 2.3 = Pra 2013 Nr. 65 bezüglich Zustellung einer Kündigung, wenn ein Ehepartner nicht mehr in der Familienwohnung wohnt. 598 S. BGE 140 III 244 E. 4 = Pra 2014 Nr. 95, wonach die Verwendung eines veralteten Formulars nicht zwingend die Nichtigkeit der Kündigung zur Folge hat; s. ferner BGE 140 III 54 E. 2 = Pra 2014 Nr. 58, wonach ein von der Vermieterin eigenhändig unterzeichnetes und dem amtlichen Formular beigelegtes Schreiben dem Schriftlichkeitserfordernis nach Art. 266l Abs. 1 i.V.m. Art. 12 ff. OR genügt, wenn Formular und Begleitschreiben ein einheitliches Ganzes bilden.

963

5. Kapitel

Nominatverträge

fangsberechtigten Person übergeben oder in deren Briefkasten geworfen wird (sog. Zugangsprinzip; s. N 184 ff.).599 3009a

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und der herrschenden Lehre gilt beim Empfang einer eingeschriebenen Kündigung die sog. absolute Empfangstheorie: Die Kündigung gilt in der Regel als zugestellt, sobald sie in den Machtbereich des Empfängers oder von dessen Vertreter gelangt ist. Kann der Briefträger ein eingeschriebenes Kündigungsschreiben weder dem Mieter noch seinem Vertreter zustellen, so beginnt die Frist bereits zu laufen, wenn der Briefträger die Abholungseinladung in den Briefkasten oder das Postfach legt. Besteht für den Adressaten (Mieter) die Möglichkeit, das Kündigungsschreiben noch am gleichen Tag abzuholen, und darf damit auch gerechnet werden, gilt die Erklärung bereits im Zeitpunkt der Hinterlegung der Abholungseinladung als zugegangen. Darf nicht damit gerechnet werden, so beginnt die Frist erst ab dem Tag zu laufen, welcher auf den Tag des vergeblichen Zustellungsversuchs folgt.600 Ob und wann der Adressat Kenntnis von der Kündigung erhält, ist somit nicht entscheidend. Die Kündigung ist auch dann zugegangen, wenn er von dieser überhaupt keine oder erst verspätet Kenntnis erlangt hat (z.B. infolge Ferienabwesenheit).601 Ausnahmen von der absoluten Empfangstheorie im Mietrecht machte das Bundesgericht bis anhin nur in zwei Fällen: bei der eingeschriebenen Mitteilung einer Mietzinserhöhung im Sinne von Art. 269d OR602 und bei der Zustellung einer Zahlungsaufforderung nach Art. 257d Abs. 1 OR603. Bei beiden Ausnahmen gilt die sog. relative Empfangstheorie (s. N 186, N 2968g).604 6.2

3009b

Bei Familienwohnungen

Bei Familienwohnungen muss die Vermieterin die Kündigungsschreiben den Ehegatten in getrennten, jeweils persönlich adressierten Couverts zukommen lassen (s.  Art.  266n  OR; N  3007a).605 Gemäss Bundesgericht müssen die beiden Kündigungsschreiben jedoch nicht jedem Ehegatten einzeln ausgehändigt werden. Vielmehr genügt es, wenn ein Ehegatte beide Schreiben entgegennimmt, auch wenn er dadurch die Kündigung dem anderen vorenthalten kann.606 Dasselbe gilt für eingetragene Partner sinngemäss (Art. 266m Abs. 3 OR). Umgekehrt kann auch ein Mieter nur mit ausdrücklicher Zustimmung seines Ehegatten den Mietvertrag der 599 Näheres in BGE 137 III 208 E. 3.1 = Pra 2011 Nr. 106; 118 II 42 E. 3b; Mietrecht für die Praxis-Thanei, 685. 600 BGE 143 III 15 E. 4.1 = Pra 2017 Nr. 45; 140 III 244 E. 5 = Pra 2014 Nr. 95; 4A_471/2013 E. 2; ZK ORHigi, Art. 273 N 48 ff. und N 95. 601 BGE 143 III 15 E. 4.1 = Pra 2017 Nr. 45. 602 BGE 107 II 189 E. 2 = Pra 1981 Nr. 177. 603 BGE 119 II 147 E. 2 = Pra 1994 Nr. 56. 604 BGE 143 III 15 E. 4.3 = Pra 2017 Nr. 45; 140 III 244 E. 5.1 = Pra 2014 Nr. 95; 137 III 208 E. 3.1.3 = Pra 2011 Nr. 106; kritisch Bärtschi/Ackermann, Jusletter 14. Juli 2014, N 39 ff.; Blumer, N 829 f. 605 ZK OR-Higi, Art. 266m–266n N 36. 606 BGE 118 II 42 E. 3.

964

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Familienwohnung kündigen (Art. 169 Abs. 1 ZGB), wobei diese Zustimmung nicht an eine Form gebunden ist.607 6.3

Bei Wohngemeinschaften

Haben mehrere Mieter den Mietvertrag gemeinsam unterzeichnet (z.B. Konkubi- 3009c nats- oder sonstige Wohngemeinschaft), so bilden diese Personen üblicherweise eine einfache Gesellschaft (Art. 530 ff. OR)608 und die Vermieterin muss die Kündigung an alle Mieter richten (s. Art. 70 OR).609 Sie muss die Kündigung jedoch nicht jedem Mieter gesondert zustellen, wenn keine Familienwohnung vorliegt (s. Art. 266n OR). Es genügt vielmehr, wenn die Vermieterin alle Mieter auf einem einzigen amtlichen Kündigungsformular als Empfänger auflistet und dieses den Mietern gemeinsam zukommen lässt.610

7.

Rückgabe der Mietsache (Art. 267–267a OR)

7.1

Begriff der Rückgabe

Nach Beendigung des Mietverhältnisses muss der Mieter die Sache der Vermieterin 3010 zurückgeben (Art. 267 OR; s. auch Art. 641 Abs. 2 ZGB). Die Rückgabe erfolgt durch Übergabe der Mietsache selbst oder der Mittel, welche der Vermieterin die alleinige Sachherrschaft über die Mietsache verschaffen.611 Bei Wohn- und Geschäftsräumen müssen regelmässig alle vorhandenen Schlüssel (inklusive allfällig erstellter Doppel) zurückgegeben sowie das Mietobjekt vollständig geräumt werden.612 Weigert sich der Mieter einer unbeweglichen Sache, diese nach Ablauf des Mietver- 3010a hältnisses zurückzugeben, so muss die Vermieterin ihren Rückgabeanspruch auf dem Weg des Zivilprozesses mittels Ausweisungsverfahren durchsetzen (s. dazu N 3025d ff.).613 Der Mieter ist nicht zur Rückgabe verpflichtet, solange ein Anfechtungs- oder Erstreckungsverfahren (s. Art. 271 ff. OR) hängig ist.614

607 608 609 610 611 612

SVIT-Müller, Art. 266l-266o N 34, der aus Beweisgründen aber auch hier Schriftlichkeit empfiehlt. Mietrecht für die Praxis-Thanei, 683. ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 253–274g N 120; Mietrecht für die Praxis-Thanei, 684. ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 253–274g N 120. S. KuKo OR-Blumer, Art. 267/267a N 3; SVIT-Müller, Art. 267–267a N 4. BGE 4A_388/2013 E. 2.1; 4A_456/2012 E. 2.1; CPra Bail-Bise/Planas, Art. 264 N 13; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 267–267a N 2 und N 6. Zu den Ausnahmen s. Kunz/Wyttenbach, mp 2016, 191. 613 Mietrecht für die Praxis-Roncoroni, 888. Ausführlich zu den zivilprozessualen Fragestellungen s. CPra Bail-Aubert, Art. 267 N 49a ff.; BSK OR-Weber, Art. 267 N 3. 614 KuKo OR-Blumer, Art. 267/267a N 2.

965

5. Kapitel

7.2 3010b

Ort und Zeitpunkt der Rückgabe

Haben die Parteien nichts Gegenteiliges vereinbart, so ist die Mietsache am letzten Tag des Mietverhältnisses während der üblichen Geschäftszeit (s. Art. 79 OR) an dem  Ort zurückzugeben, wo sie sich zur Zeit des Vertragsabschlusses befand (Art. 74 Abs. 2 Ziff. 2 OR).615 In der Praxis enthalten die meisten Vertragsformulare genaue Regelungen, wann die Mietsache zurückzugeben ist (z.B. Regelung des Rückgabetermins, falls der letzte Tag des Mietverhältnisses ein Sonn- oder Feiertag ist).616 7.3

3010c

Nominatverträge

Zustand der Mietsache bei der Rückgabe

Nach Art.  267 Abs.  1  OR muss der Mieter die Sache in dem Zustand zurückgeben, der sich aus dem vertragsgemässen Gebrauch ergibt. Der Mieter haftet demnach für Schäden, die er durch übermässigen, unsorgfältigen oder vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache verursacht hat (s. Art. 257f, Art. 259, Art. 260a Abs. 2 und Abs. 3 OR). Er haftet dagegen nicht für Zufall und höhere Gewalt. Die Kosten für die gewöhnliche Abnutzung infolge vertragsgemässen Gebrauchs trägt die Vermieterin (Art. 267 Abs. 1 OR e contrario).617 7.4

Prüfung der Sache bei der Rückgabe

3011

Will die Vermieterin Schadenersatzansprüche geltend machen, muss sie die Sache sofort nach der Rückgabe prüfen und erkennbare Mängel melden, ansonsten verwirkt sie ihre Ansprüche gegenüber dem Mieter (Art. 267a Abs. 1 und Abs. 2 OR; N 2918e ff.). Kann sie die Mängel erst später erkennen, muss sie diese sofort nach ihrer Entdeckung melden (Art. 267a Abs. 3 OR).

3012

Die Vermieterin hält den Zustand der Mieträumlichkeiten üblicherweise in einem sog. «Rückgabeprotokoll» fest.618 Regelmässig sind bei einer solchen Abnahme Vermieterin und Mieter anwesend, oft auch der neue Mieter.619 Eine Pflicht zur Teilnahme an der Abnahme besteht jedoch nicht.620 Das Rückgabeprotokoll hat – sofern es schriftlich abgefasst und von der Vermieterin und vom Mieter unterzeichnet wurde  – Beweisfunktion hinsichtlich des Bestehens der darin festgehaltenen Mängel.621 Es kann als Mängelrüge im Sinne von Art. 267a Abs. 1 OR gelten, wenn 615 616 617 618 619 620 621

966

KuKo OR-Blumer, Art. 267/267a N 1. Zur Rückgabe bei einem Samstag, Sonntag oder Feiertag s. statt vieler CHK OR-Heinrich/Hulliger, Art. 267–267a N 2. S. Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N 337; SVIT-Müller, Art. 267–267a N 10. ZK OR-Higi, Art. 267 N 79 und N 83; BSK OR-Weber, Art. 267 N 4. ZK OR-Higi, Art. 267a N 16; Mietrecht für die Praxis-Roncoroni, 870 f. SVIT-Müller, Art. 267–267a N 57. Mietrecht für die Praxis-Roncoroni, 871. ZK OR-Higi, Art. 256a–256b N 19 und Art. 267a N 18; Kunz/Wyttenbach, mp 2016, 197.

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

aus dem Protokoll klar und unmissverständlich hervorgeht, für welche der festgehaltenen Mängel der Mieter haften soll (zur Mängelrüge s. N 2918f).622

8.

Vorzeitige Rückgabe der Sache (Art. 264 OR)

Gibt der Mieter den Mietgegenstand zurück, ohne die Kündigungsfristen und -termine einzuhalten, handelt es sich um eine vorzeitige Rückgabe der Mietsache.623 Er muss in diesem Fall

3013

• einen zumutbaren und zahlungsfähigen Ersatzmieter624 vorschlagen (s. N 3013a), • welcher den Vertrag zu den gleichen Bedingungen übernimmt (s. N 3013b f.), • sowie die Mietsache zurückgeben (s. N 3013d). 8.1

Voraussetzungen

a.

Zumutbarkeit und Zahlungsfähigkeit des Ersatzmieters

Zunächst muss der vorzeitig ausziehende Mieter der Vermieterin mindestens 3013a einen625 zumutbaren Ersatzmieter vorschlagen (Art. 264 Abs. 1 OR). Insbesondere muss dieser zahlungsfähig, also in der Lage sein, den Mietzins (inklusive Nebenkosten) regelmässig und pünktlich zu bezahlen.626 Gemäss bundesgerichtlicher Praxis ist dies zu bejahen, wenn das verfügbare Einkommen des Ersatzmieters mindestens das Dreifache des Bruttomietzinses beträgt.627 Neben der Zahlungsfähigkeit können weitere sachliche Kriterien berücksichtigt werden (z.B. zu erwartende Nutzung und damit verbundene Immissionen, Feindschaft zwischen der Vermieterin und dem vorgeschlagenen Ersatzmieter, wirtschaftliche Konkurrenz).628

622 BGE 4A_545/2011 E. 3.2; SVIT-Müller, Art. 267–267a N 57; gl.M. wohl auch ZK OR-Higi, Art. 267a N 28. 623 Mietrecht für die Praxis-Spirig, 745. 624 Zur Eignung einer Wohngemeinschaft als Ersatzmieterin s. Urteil des BezGer Maloja vom 6. Juni 2012 E. 4 = mp 2014, 149 ff. 625 CR CO-Lachat, Art. 264 N 4. CPra Bail-Bise/Planas, Art. 264 N 36, weisen zu Recht darauf hin, dass in der Praxis mehrere Ersatzmieter vorgeschlagen werden sollten, um sicherzustellen, dass zumindest einer dieser Personen die Voraussetzungen nach Art. 264 Abs. 1 OR erfüllt. 626 SVIT-Bättig, Art. 264 N 13; CR CO-Lachat, Art. 264 N 5. 627 BGE 119 II 36 E. 3d = Pra 1994 Nr. 33; SVIT-Bättig, Art. 264 N 13. Kritisch CPra Bail-Bise/Planas, Art. 264 N 45 f., und CR CO-Lachat, Art. 264 N 5, wonach nicht auf solche starren Regeln abgestellt werden sollte. 628 BGE 119 II 36 E. 3d = Pra 1994 Nr. 33; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 264 N 5; ausführlich zur Praxis CPra Bail-Bise/Planas, Art. 264 N 51 ff.

967

5. Kapitel

b.

Nominatverträge

Übernahme des Mietvertrages zu den gleichen Bedingungen

3013b

Der Ersatzmieter muss sodann bereit sein, den Mietvertrag zu den «gleichen Bedingungen» zu übernehmen (s. Art. 264 Abs. 1 OR). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Ersatzmieter sich bereit erklärt, den gleichen Mietzins zu zahlen sowie die vertraglichen Modalitäten bezüglich Dauer und Beendigung zu übernehmen.629

3013c

Art.  264 Abs.  1  OR verlangt lediglich die Bereitschaft des Ersatzmieters zur Vertragsübernahme zu den «gleichen Bedingungen».630 Dementsprechend können die Vermieterin und der Ersatzmieter einen neuen Mietvertrag mit anderen Konditionen (z.B. bezüglich Mietzins und Mietdauer) als den bisher geltenden abschliessen. Der bisherige Mieter wird in diesem Fall dennoch aus dem Mietvertrag entlassen (s. N 3013f).631 c.

3013d

Rückgabe der Mietsache

Schliesslich muss der Mieter die Mietsache tatsächlich und vollständig zurückgeben (s. Art. 267 OR; N 3010 ff.).632 8.2

Folgen bei Annahme des Nachmieters

3013e

Schlägt der Mieter einen Ersatzmieter vor, so muss der Vermieterin eine angemessen Frist eingeräumt werden, um dessen Zumutbarkeit zu prüfen und diesen gegebenenfalls zu akzeptieren.633 Die Angemessenheit der Prüfungsfrist bemisst sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei die Praxis in der Regel eine Frist von einem Monat als genügend erachtet.634

3013f

Akzeptiert die Vermieterin den vorgeschlagenen Ersatzmieter, so ist der vorzeitig ausziehende Mieter von seinen vertraglichen Verpflichtungen befreit (Art. 264 Abs.  1  OR).635 Regelmässig schliesst die Vermieterin mit dem Ersatzmieter dann einen eigenen Vertrag ab. Anders als bei Art.  263  OR hat der Mieter keinen Anspruch, dass der Ersatzmieter mittels Parteiwechsel seinen Vertrag übernehmen kann; es ist den Parteien (Vermieterin, Mieter und Nachmieter) aber freigestellt, 629

S. BGE 117 II 56 E. 3b; SVIT-Bättig, Art. 264 N 39; ZK OR-Higi, Art. 264 N 39 und N 41. Für weitere Beispiele s. Mietrecht für die Praxis-Spirig, 751 f. 630 ZK OR-Higi, Art. 264 N 44. 631 ZK OR-Higi, Art. 264 N 44; Mietrecht für die Praxis-Spirig, 751. 632 BGE 4A_388/2013 E. 2.1; SVIT-Bättig, Art. 264 N 26; BSK OR-Weber, Art. 264 N 3. A.M. CPra BailBise/Planas, Art. 264 N 23 ff., welche auch eine teilweise Rückgabe als zulässig erachten. 633 BGE 4C.129/1999 E. 2a; ZK OR-Higi, Art. 264 N 48; Koller, AJP 2018, 219. 634 BGE 4C.129/1999 E. 2a; SVIT-Bättig, Art. 264 N 37; ZK OR-Higi, Art. 264 N 48. A.M. CPra Bail-Bise/ Planas, Art. 264 N 85, CR CO-Lachat, Art. 264 N 7, und Mietrecht für die Praxis-Spirig, 753, welche eine Frist zwischen 10 und 20 Tagen genügen lassen. Für eine Zusammenstellung der verschiedenen Lehrmeinungen s. auch Mietrecht für die Praxis-Spirig, 753 FN 53. 635 SVIT-Bättig, Art. 264 N 11a f.

968

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

rechtsgeschäftlich doch eine Vertragsübernahme zu vereinbaren.636 Je nachdem, ob ein neuer Vertrag abgeschlossen wird oder ein Parteiwechsel stattfindet, hat der Ersatzmieter eine andere Rechtsstellung inne.637 8.3

Folgen bei Ablehnung des Nachmieters und bei Fehlen eines Ersatzmieters

Die Vermieterin muss einen vom Mieter vorgeschlagenen Ersatzmieter nicht zwin- 3013g gend als neuen Mieter akzeptieren. Erklärt sie sich einfach mit der Auflösung auf den Termin der vorzeitigen Rückgabe einverstanden, so ist der bisherige Mieter befreit und die Vermieterin verliert ihren Anspruch auf Weiterzahlung des Mietzinses (s. Art. 264 Abs. 1 OR). Gleiches gilt auch, wenn die Vermieterin einen tauglichen Ersatzmieter ohne triftigen Grund ablehnt638 oder ihrer Prüfungsobliegenheit (s. N 3013e) nicht innert angemessener Frist nachkommt.639 Sind die Voraussetzungen von Art.  264 Abs.  1  OR nicht erfüllt, so kann die Ver- 3014 mieterin den vorgeschlagenen Ersatzmieter ablehnen.640 Diesfalls bleibt der vorzeitig ausziehende Mieter weiterhin vertraglich gebunden und muss den Mietzins bis zum nächsten Termin leisten, an welchem der Vertrag endet oder beendet werden könnte (Art. 264 Abs. 2 OR). Der Mieter wird ferner nicht aus dem Mietvertrag entlassen, wenn er trotz entsprechender Bemühungen gar keinen Ersatzmieter stellen kann.641 Die Vermieterin muss sich allerdings in beiden Fällen ersparte Auslagen und anderweitige Verwendungen (geldwerte Vorteile, welche sie aus der Verwendung der vorzeitig zurückgegebenen Mietsache erzielt oder absichtlich zu erzielen unterlässt; z.B. Wasser- und Stromkosten, Kehrichtgebühren) anrechnen lassen (Art. 264 Abs. 3 OR).642 Ausserdem muss die Vermieterin ihrerseits im Rahmen des Zumutbaren einen neuen Mieter suchen, wenn sie dies mit dem Mieter vereinbart hat oder aber erkennt, dass der Mieter sich nicht oder nur ungenügend um die Weitervermietung bemüht. Unterlässt sie dies absichtlich bzw. wider Treu und Glauben, so kann der bisherige Mieter für die Zeit zwischen Rückgabe der Sache und Beendigung des Mietvertrages eine Reduktion des Mietzinses verlangen.643 636 SVIT-Bättig, Art.  264 N  42; CHK  OR-Hulliger/Heinrich, Art.  264 N  2. A.M. Blumer, N  1040, ZK OR-Higi, Art. 264 N 40, und BSK OR-Weber, Art. 264 N 6, welche standardmässig von einer Vertragsübernahme ausgehen. 637 Blumer, N 1040, weist darauf hin, dass bei einer Vertragsübernahme z.B. die Anfechtung des «Anfangsmietzinses» nach Art. 270 OR ausgeschlossen ist. 638 Koller, AJP 2018, 211; zum prozessrechtlichen Vorgehen s. CPra Bail-Bise/Planas, Art. 264 N 98 ff., und Mietrecht für die Praxis-Spirig, 756. 639 BGE 4C.129/1999 E.  2a; CPra Bail-Bise/Planas, Art.  264 N  88; Mietrecht für die Praxis-Spirig, 753 und 755. 640 S. BBl 1985 I 1445; ZK OR-Higi, Art. 264 N 58; Koller, AJP 2018, 219. 641 SVIT-Bättig, Art. 264 N 49; BSK OR-Weber, Art. 264 N 7. 642 S. BSK OR-Weber, Art. 264 N 9 f. 643 BGE 4C.118/2002 E. 3.1; ZK OR-Higi, Art. 264 N 80 ff.; BSK OR-Weber, Art. 264 N 10.

969

5. Kapitel

9.

Nominatverträge

Haftung des Mieters für am Ende des Mietverhältnisses bestehende Schäden

3014a

Art. 267 Abs. 1 OR stellt klar, dass der Mieter bei Beendigung des Mietverhältnisses nur für den vertragswidrigen und unsorgfältigen Gebrauch der Mietsache haftet.644 Er haftet dementsprechend nicht für Abnützungen, welche sich aus dem korrekten (vertragsgemässen) Gebrauch der Sache ergeben. Solche normalen Abnützungen gehen zu Lasten der Vermieterin, welche hierfür durch Zahlung des Mietzinses entschädigt wird.645 Auch haftet der Mieter nicht für Zufall oder höhere Gewalt (z.B. Zerstörung des Hauses infolge eines Erdbebens)646 oder absichtliche Beschädigungen durch Dritte, sofern er für deren Verhalten nicht aufgrund von Obhutsoder Sorgfaltspflichten einzustehen hat647.

3014b

Neben dem vertragswidrigen und unsorgfältigen Gebrauch haftet der Mieter ferner für unterlassene Reinigungs- und Ausbesserungsarbeiten im Sinne von Art. 259 OR (sog. «kleiner Unterhalt»; N 2937) sowie für die übermässige Abnützung der Mietsache.648 Bei übermässiger Abnützung ist der Mieter nur anteilsmässig für die übermässige Abnützung schadensersatzpflichtig. Er haftet lediglich für den Zustandswert der Sache und nicht für den Preis für eine Neuanschaffung.649 In der Praxis wird die normale Lebensdauer von Einrichtungen bzw. die Höhe der Entschädigung bei übermässiger Abnützung regelmässig mithilfe von paritätischen Lebensdauertabellen des Hauseigentümer- und Mieterverbands bestimmt.650

3014c

Die Vermieterin muss den Schaden infolge vertragswidrigen bzw. unsorgfältigen Gebrauchs sowie die übrigen Haftungsvoraussetzungen (mit Ausnahme des Verschuldens) nachweisen (Art. 8 ZGB). Insbesondere muss sie den Beweis erbringen, dass dieser Mangel erst während der Mietdauer eingetreten ist und nicht bereits zu Beginn des Mietverhältnisses bestand.651 Den Parteien ist daher zu empfehlen, ein Übergabe- sowie Rückgabeprotokoll zu erstellen. Bei Mietantritt nicht protokollierte Mängel sind vermutungsweise erst während der Dauer des Mietverhältnisses eingetreten.652 Das Verschulden wird vermutet, der Mieter kann sich allerdings exkulpieren (Art. 97 OR).653 644 645 646 647 648 649 650

CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 267 N 5; SVIT-Müller, Art. 267–267a N 31. BBl 1985 I 1455; ZK OR-Higi, Art. 267 N 79. BSK OR-Weber, Art. 267 N 5. SVIT-Müller, Art. 267–267a N 32. KuKo OR-Blumer, Art. 267/267a N 10; s. ZK OR-Higi, Art. 267 N 94. SVIT-Müller, Art. 267–267a N 34 ff.; BSK OR-Weber, Art. 267 N 4. CR CO-Lachat, Art. 267 N 4; BSK OR-Weber, Art. 267 N 4. Zu finden ist diese Tabelle unter anderem in Mietrecht für die Praxis, 969 ff.; kritisch dazu ZK OR-Higi, Art. 267 N 117 f. 651 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 267–267a N 10; Mietrecht für die Praxis-Roncoroni, 883. 652 Guhl/Koller, § 44 N 230; Mietrecht für die Praxis-Roncoroni, 883; s. auch BSK OR-Weber, Art. 267 N 5. 653 Blumer, N 1092; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 267–267a N 10.

970

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Nichtig sind Vereinbarungen, welche dem Mieter zum Voraus die Pflicht auferlegen, 3015 bei Beendigung des Mietverhältnisses eine Entschädigung zu entrichten, welche «anderes als die Deckung des allfälligen Schadens» bezweckt (Art. 267 Abs. 2 OR). Zulässig sind solche (pauschalen) Entschädigungsvereinbarungen dagegen nach Beendigung des Mietverhältnisses.654

10.

Retentionsrecht der Vermieterin (Art. 268–268b OR)

10.1

Begriff

Das Retentionsrecht der Vermieterin gemäss Art. 268–268b OR ist ein gesetzliches 3015a Pfandrecht, welches im Gegensatz zu Art. 895 ZGB nicht den Besitz des Pfandgläubigers voraussetzt.655 Das Retentionsrecht greift nur bei der Geschäftsraummiete (s. auch Art. 268 Abs. 1 OR).656 10.2

Umfang des Retentionsrechts (Art. 268 OR)

Das Retentionsrecht erfasst alle beweglichen, in den Räumen befindlichen Sachen, 3016 wenn sie zur «Einrichtung oder Benutzung der Mietsache gehören» (z.B. Maschinen, Warenvorräte, Gemälde einer Galerie etc.; Art.  268 Abs.  1  OR).657 Ausgeschlossen vom Retentionsrecht sind die nicht pfändbaren Sachen des Mieters (Art. 268 Abs. 3 OR; sog. «Kompetenzstücke» gemäss Art. 92 SchKG) wie etwa die dem persönlichen Gebrauch dienenden Gegenstände (z.B. Kleider; Art. 92 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG) sowie die Werkzeuge, die für seine Berufsausübung notwendig sind (Art. 92 Abs. 1 Ziff. 3 SchKG). Das Retentionsrecht umfasst auch die vom Untermieter eingebrachten Gegenstände, sofern dieser seinen Untermietzins nicht bezahlt hat (Art. 268 Abs. 2 OR), sowie die Sachen Dritter, von denen die Vermieterin nicht weiss oder wissen muss, dass sie nicht dem Mieter gehören (Art. 268a OR e contrario). Die Geltendmachung ist in Art. 268b OR geregelt. 10.3

Durch das Retentionsrecht gedeckte Forderungen

Das Retentionsrecht ist beschränkt auf den verfallenen Jahreszins und den noch 3016a nicht fälligen laufenden Halbjahreszins (Art.  268 Abs.  1  OR), also auf Mietzinsforderungen.658 Das Retentionsrecht umfasst auch Nebenkostenforderungen (z.B. Heiz- und Warmwasserkosten), allfällige Betreibungs- und Retentionskosten sowie 654 655 656 657 658

ZK OR-Higi, Art. 267 N 134; SVIT-Müller, Art. 267 N 53. BSK OR-Weber, Art. 268–268b N 1; Mietrecht für die Praxis-Wettstein, 309. CPra Bail-Marchand, Art. 268 N 4; BSK OR-Weber, Art. 268–268b N 2. BSK OR-Weber, Art. 268–268b N 3. ZK OR-Higi, Art. 268–268b N 23 ff. und N 29; SVIT-Polivka, Art. 268–268b N 12; s. auch BGE 63 II 368.

971

5. Kapitel

Nominatverträge

mietzinsähnliche Forderungen (z.B. für die Weiterbenützung der Sache nach Beendigung des Mietverhältnisses).659 Kein Retentionsrecht besteht dagegen für Schadenersatzforderungen der Vermieterin (z.B. wegen Beschädigung der Mietsache).660

XI.

Missbrauchsschutz bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen (Art. 269–270e OR)

1.

Anwendungsbereich (Art. 253b OR; Art. 2 VMWG)

3017

Die Bestimmungen von Art. 269 ff. OR über den Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen gelten nur für die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen (s. Überschrift zu Art. 269 ff. OR) sowie «sinngemäss für nichtlandwirtschaftliche Pacht- und andere Verträge, die im Wesentlichen die Überlassung von Wohn- und Geschäftsräumen gegen Entgelt regeln» (Art. 253b Abs. 1 OR).661 Sie finden keine Anwendung auf die Miete von luxuriösen Wohnungen und Einfamilienhäusern mit sechs oder mehr Wohnräumen (ohne Anrechnung der Küche; Art.  253b Abs.  2  OR; Art.  2 Abs.  1 VMWG). Für Wohnungen, deren Bereitstellung von der öffentlichen Hand gefördert wurde und deren Mietzinse durch eine Behörde kontrolliert werden, gelten nur die in Art.  2 Abs.  2 VMWG aufgezählten Bestimmungen (s. auch Art.  253b Abs. 3 OR).

3017a

Die Parteien eines Mietvertrages können die Anwendbarkeit von Art.  269  ff.  OR vertraglich weder wegbedingen noch materiell einschränken.662 Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist z.B. eine Vereinbarung, welche die Berücksichtigung des Referenzzinssatzes bei der Beurteilung einer Missbräuchlichkeit des Mietzinses ausschliesst, ungültig (Art. 20 Abs. 1 OR).663

659 660 661 662 663

972

BGE 111 II 71 E. 2; 63 II 368 E. 9 ff.; Blumer, N 102; BSK OR-Weber, Art. 268–268b N 9 f. BGE 104 III 84 E. 2; 63 II 368 E. 8; ZK OR-Higi, Art. 268–268b N 27. S. auch BGE 4A_113/2012 E. 2. S. BGE 133 III 61 E. 3.2.2 = Pra 2008 Nr. 4. BGE 133 III 61 E. 3.2.3 = Pra 2008 Nr. 4.

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

2.

Missbräuchlicher Mietzins (Art. 269–269a OR)

2.1

Begriff des missbräuchlichen Mietzinses (Art. 269–269a OR; Art. 10 ff. VMWG)

Art.  269  OR zählt zwei Fallkategorien eines missbräuchlichen Mietzinses auf.664 Missbräuchlich ist der Mietzins, wenn

3017b

• entweder ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt wird • oder wenn dieser auf einem offensichtlich übersetzten Kaufpreis beruht. Mit Ertrag im Sinne von Art. 269 OR ist nach ständiger Rechtsprechung des Bun- 3017c desgerichts die Nettorendite der Vermieterin gemeint, welche sie im Verhältnis zwischen den nach Abzug aller Kosten (z.B. Unterhalts-, Betriebs- und Verwaltungskosten) aus der Vermietung der Liegenschaft verbleibenden Einkünften und der von ihr investierten Eigenmitteln erzielt.665 Als angemessen gilt gemäss Bundesgericht eine Nettorendite, welche den Referenzzinssatz für Hypotheken gemäss Art. 12a VMWG um nicht mehr als 0,5% übersteigt.666 Ein offensichtlich übersetzter Kaufpreis liegt gemäss Art. 10 VMWG dann vor, wenn dieser den Ertragswert einer Liegenschaft, berechnet auf den orts- oder quartierüblichen Mietzinsen für gleichartige Objekte, erheblich übersteigt.667 Das Gesetz zählt in Art. 269a OR beispielhaft sechs verschiedene Gründe auf (Kon- 3017d kretisierung in den Art. 11–16 VMWG), bei deren Erfüllung ein Mietzins in der Regel als nicht missbräuchlich und somit zulässig vermutet wird.668 Der Mieter kann diese Vermutung allerdings widerlegen, indem er nachweist, dass der Mietzins zu einem übersetzten Ertrag im Sinne von Art. 269 OR führt.669 2.2

Berechnung des missbräuchlichen Mietzinses

Das Bundesgericht überprüft die Missbräuchlichkeit des Mietzinses anhand von 3017e zwei unterschiedlichen Berechnungsmethoden: der absoluten Methode (N 3017f f.)

664 Mietrecht für die Praxis-Brutschin, 474; Gut, mp 2000, 2 f. 665 BGE 142 III 568 E. 2.1 = Pra 2017 Nr. 93; 141 III 245 E. 6.3 = Pra 2016 Nr. 33; 125 III 421 E. 2b = Pra 2000 Nr. 30; 123 III 171 E. 6a = Pra 1997 Nr. 123. Ausführlich zur Bestimmung des übersetzten Ertrags im Sinne von Art. 267 OR Mietrecht für die Praxis-Brutschin, 461 ff. 666 BGE 142 III 568 E. 2.1 = Pra 2017 Nr. 93; 141 III 245 E. 6.3 = Pra 2016 Nr. 33; KuKo OR-Blumer, Art. 269 N 1; kritisch BSK OR-Weber, Art. 269 N 7. 667 Ausführlich zur Bestimmung des übersetzten Kaufpreises im Sinne von Art. 267 OR Mietrecht für die Praxis-Brutschin, 474 ff. 668 Mietrecht für die Praxis-Brutschin, 493; BSK OR-Weber, Art. 269a N 1. 669 BGE 140 III 433 E. 3.1; 4A_276/2011 E. 5.2.1; 124 III 310 E. 2b = Pra 1998 Nr. 173; Mietrecht für die PraxisBrutschin, 493; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 269–269a N 2; a.M. Blumer, N 458. Zum Vorbehalt hinsichtlich Altbauten s. BGE 140 III 433 E. 3.1. m.w.H.; 4A_276/2011 E. 5.2.3 und E. 5.5.

973

5. Kapitel

Nominatverträge

und der relativen Methode (N 3017h f.).670 Das OR selbst lässt mit einer Ausnahme (s.  Art.  270a Abs.  1  OR) offen, wann welche Methode zur Anwendung gelangen soll.671 Es ist daher auf die von Bundesgericht und Lehre entwickelte Praxis abzustellen. a.

Absolute Berechnungsmethode

3017f

Die absolute Berechnungsmethode stellt fest, ob der Mietzins an sich missbräuchlich ist bzw. ob damit ein übermässiger Ertrag erzielt wird. Der fragliche Mietzins wird dabei mit den  orts- oder quartierüblichen Mietzinsen (Art.  269a lit.  a  OR) verglichen bzw. anhand des erzielten Ertrags aus der Mietsache (s.  Art.  269 und Art.  269a lit.  c  OR) überprüft. Frühere vertragliche Vereinbarungen der Parteien bzw. die bisherige Mietzinsentwicklung werden nicht berücksichtigt.672

3017g

Die absolute Methode gelangt gemäss Bundesgericht bei der Kontrolle des Anfangsmietzinses (s. N 3019 ff.) zur Anwendung.673 Sie kann ausserdem als Verteidigungsmittel (das heisst als Einrede) bei einer einseitigen Erhöhung oder Herabsetzung des Mietzinses eingesetzt werden, indem geltend gemacht wird, es werde nach der absoluten Methode kein missbräuchlicher Ertrag erzielt.674 b.

Relative Berechnungsmethode

3017h

Die relative Berechnungsmethode überprüft, ob eine Anpassung des Mietzinses unter Berücksichtigung des zuletzt festgelegten Mietzinses und der eingetretenen Veränderungen zulässig ist.675 Relative Anpassungsgründe sind Kostensteigerungen oder Mehrleistungen der Vermieterin (Art. 269a lit. b OR; Art. 12, Art. 13–14 VMWG), eine Teuerung auf dem risikotragenden Kapital (Art. 269a lit. e OR; Art. 16 VMWG) sowie der Ausgleich einer Mietzinsverbilligung (Art.  269a lit.  d  OR).676 Diese rechtfertigen eine Anpassung des Mietzinses nur in demjenigen Umfang, in welchem sich die Umstände seit der letzten Anpassung geändert haben.677

3017i

Die relative Methode gelangt gemäss Bundesgericht in der Regel bei einseitigen Mietzinserhöhungen durch die Vermieterin (s. N 3017k ff.) sowie bei Begehren des 670 671 672 673 674 675 676 677

974

BGE 142 III 568 E. 1.2 = Pra 2017 Nr. 93; 120 II 240 E. 2; ZK OR-Higi, Art. 269 N 452 f. Zu den Vor- und Nachteilen dieser beiden Methoden s. Mietrecht für die Praxis-Brutschin, 581. Mietrecht für die Praxis-Brutschin, 574 FN 1. BGE 142 III 568 E. 1.2 = Pra 2017 Nr. 93; 4A_531/2010 E. 4.1: 121 III 163 E. 2b = Pra 1996 Nr. 53; Mietrecht für die Praxis-Brutschin, 579. BGE 122 III 257 E. 4; 121 III 163 E. 2d = Pra 1996 Nr. 53; KuKo OR-Blumer, Vor Art. 269–270e N 7. BGE 142 III 568 E. 1.2 = Pra 2017 Nr. 93; 141 III 569 E. 2.1.2 = Pra 2016 Nr. 99; 122 III 257 E. 4; 121 III 163 E. 2d = Pra 1996 Nr. 53; s. auch CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 269–269a N 9. BGE 142 III 568 E. 1.2 = Pra 2017 Nr. 93; 141 III 569 E. 2.1.1 = Pra 2016 Nr. 99; s. ferner Mietrecht für die Praxis-Brutschin, 580. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 269–269a N 5; s. auch BSK OR-Weber, Art. 269 N 16. Mietrecht für die Praxis-Brutschin, 579; s. auch BGE 142 III 568 E. 1.2 = Pra 2017 Nr. 93.

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Mieters um Herabsetzung des Mietzinses während der Dauer des Mietverhältnisses zur Anwendung (s. N 3019g ff.), es sei denn, die Vermieterin habe bei Vertragsabschluss bzw. bei der letzten Mietzinsanpassung einen Vorbehalt im Sinne von Art. 18 VMWG gemacht.678 2.3

Rechtsfolgen

Erweist sich ein Mietzins als missbräuchlich, so ist dieser anfechtbar (s. Art. 270 ff. OR; 3017j N 3018f ff.).679

3.

Mietzinserhöhung bei unbefristeten Verträgen (Art. 269d OR)

Art.  269d  OR findet nur Anwendung bei unbefristeten Mietverhältnissen sowie 3017k bei befristeten Mietverhältnissen, welche vorzeitig gekündigt werden können (sog. unecht befristetes Mietverhältnis).680 3.1

Voraussetzungen der Mietzinserhöhung (Art. 269d Abs. 1 OR)

Die Vermieterin muss die Mietzinserhöhung oder die einseitige Änderung des Ver- 3017l trages zu Lasten des Mieters • begründen (N 3017m), • auf dem vom Kanton genehmigten Formular anzeigen (inklusive gültiger Unterzeichnung; N 3017n) • und die Kündigungsfrist und -termine sowie zusätzlich eine zehntägige Bedenkfrist berücksichtigen (N 3018 f.; s. Art 269d Abs. 1 OR). a.

Begründung der Mietzinserhöhung (Art. 269d Abs. 1 OR; Art. 20 VMWG)

Die Begründung der Mietzinserhöhung muss genügend klar sein (s. auch Art. 19 3017m Abs. 1 lit. a Ziff. 4 und lit. b Ziff. 3 VMWG). Der Mieter muss sich ein Bild darüber machen können, weshalb die Vermieterin den Mietzins erhöht, ob diese Erhöhung gerechtfertigt ist und ob er deshalb den Vertrag kündigen bzw. die Mietzinserhö678 BGE 121 III 163 E. 2c f. = Pra 1996 Nr. 53; KuKo OR-Blumer, Vor Art. 269–270e N 8; Guhl/Koller, § 44 N 128. Zu den Ausnahmen s. z.B. BGE 142 III 568 E. 1.3 = Pra 2017 Nr. 93; CHK OR-Hulliger/ Heinrich, Art. 269–269a N 7. 679 Guhl/Koller, § 44 N 129. 680 BGE 128 III 419 E. 2.4.1 = Pra 2003 Nr. 7; ZK OR-Higi, Art. 269d N 9 f. und N 73; BSK OR-Weber, Art. 269d N 1.

975

5. Kapitel

Nominatverträge

hung anfechten (s. Art. 270b OR; N 3019g ff.) will oder nicht.681 Die Vermieterin ist aus diesem Grund auch an ihre in der Mitteilung enthaltene Begründung gebunden (Grundsatz der Unabänderlichkeit der Begründung).682 Sie kann nachträglich keine anderen oder weiteren Erhöhungsgründe geltend machen.683 b. 3017n

Verwendung eines amtlichen Formulars (Art. 269d Abs. 1 OR; Art. 19 VMWG)

Die Mitteilung muss sodann auf einem vom Kanton genehmigten Formular erfolgen (Art. 269d Abs. 1 OR und Art. 19 VMWG) und von der Vermieterin grundsätzlich eigenhändig unterzeichnet worden sein (sog. qualifizierte Schriftlichkeit).684 Den zwingend notwendigen Formularinhalt hält Art.  19 VMWG fest. Das Bundesgericht ist bei der Anwendung der in Art. 269d OR vorgeschriebenen Formularpflicht sehr streng und lässt hiervon nur sehr wenige Ausnahmen zu (zur Nichtigkeit s. N 3018b f.).685 c.

Einhaltung der Frist

3018

Die Vermieterin darf den Mietzins jederzeit unter Berücksichtigung der vertraglichen bzw. gesetzlichen Kündigungsfrist sowie einer zusätzlichen zehntägigen Frist auf den nächstmöglichen Kündigungstermin erhöhen (Art. 269d Abs. 1 OR). Der Mieter kann sodann binnen zehn Tagen entscheiden, ob er den Vertrag wegen der Mietzinserhöhung kündigen will (vgl. Art. 269d Abs. 1 Satz 2 OR).686 Statt das Mietverhältnis zu kündigen kann der Mieter die Mietzinserhöhung auch innerhalb von 30 Tagen vor der Schlichtungsbehörde anfechten (Art. 270b OR).

3018a

Teilt die Vermieterin die Mietzinserhöhung nicht frist- bzw. termingerecht mit, so gilt diese auf den nächstfolgenden Kündigungstermin (Art.  266a Abs.  2  OR analog).687

681 682 683 684 685 686 687

976

BGE 142 III 375 E. 3.3; 137 III 362 E. 3.2.1 = Pra 2012 Nr. 5; 117 II 458 E. 2a; BSK OR-Weber, Art. 269d N 3. BGE 118 II 130 E. 2b = Pra 1992 Nr. 163; ZK OR-Higi, Art. 269d N 94; BSK OR-Weber, Art. 269d N 3; kritisch SVIT-Rohrer, Art. 269d N 48 ff. ZK OR-Higi, Art. 269d N 95; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 269d N 3. BGE 4C.110/2003 E. 3; Mietrecht für die Praxis-Oeschger/Zahradnik, 412 f.; kritisch SVIT-Rohrer, Art. 269d N 33. S. aber BGE 138 III 401 E. 2, wonach bei einer Mietzinserhöhung mit faksimilierter statt eigenhändiger Unterschrift die Berufung auf einen Formmangel rechtsmissbräuchlich sein kann. BGE 121 III 214 E. 3b = Pra 1997 Nr. 151; s. auch BGE 4C.330/2002 E. 3.1; s. ferner CHK OR-Hulliger/ Heinrich. Art. 269d N 3 m.w.H. Zum Sinn und Zweck dieser Bedenkfrist s. BGE 142 III 375 E. 3.3.2.1. BGE 131 III 566 E. 3.3 = Pra 2006 Nr. 54; 107 II 189 E. 3; ZK OR-Higi, Art. 269d N 157; BSK OR-Weber, Art. 269d N 6.

§ 31

3.2

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

Nichtigkeit der Mietzinserhöhung (Art. 269d Abs. 2 OR)

Nicht formgerechte sowie gar nicht bzw. ungenügend begründete Mitteilungen sind 3018b gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts und der wohl herrschenden Lehre nichtig (Art.  269d Abs.  2 lit.  a und lit. b  OR), sofern die Berufung (insbesondere auf den Formmangel) nicht offensichtlich rechtsmissbräuchlich ist.688 Die gleichzeitige Mitteilung (oder Androhung) einer Kündigung ist der Vermieterin ebenfalls untersagt (Art. 269d Abs. 2 lit. c OR).689 Der Mieter kann die Mietzinse, welche er auf eine nichtige Mitteilung hin bezahlt 3018c hat, zurückfordern.690 Entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichts691 und der herrschenden Lehre692 sind die zu viel bezahlten Mietzinse nach der hier vertretenen Auffassung (gleich wie bei Art. 259d OR; s. N. 2934) nicht nach Bereicherungsrecht, sondern nach vertraglichen Regeln zurückzuerstatten.693 3.3

Analoge Anwendung auf einseitige Vertragsänderungen (Art. 269d Abs. 3 OR)

Einer Mietzinserhöhung gleichgestellt sind sonstige einseitige Änderungen des Mietvertrages zulasten des Mieters wie die Einführung von (neuen) Nebenkosten oder eine Verringerung der bisherigen Leistung (z.B. Entzug der Benützungsrechte für allgemein zugängliche Flächen wie Waschküche, Velokeller;694 s.  Art.  269d Abs. 3 OR).

4.

3018d

Mietzinserhöhung bei befristeten Verträgen

Die Erhöhung des Mietzinses ist bei echt befristeten Verträgen grundsätzlich aus- 3018e geschlossen, es sei denn, die Parteien haben im Voraus eine Anpassung im Sinne

688 BGE 142 III 375 E. 3.3; 137 III 362 E. 3.2.1 = Pra 2012 Nr. 5; 123 III 70 E. 3c; 121 III 6 E. 3b; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 269d N 5. CPra Bail-Marchand, Art. 269d N 37, und SVIT-Rohrer, Art. 269d N 26 ff., unterscheiden zwischen wichtigen und weniger wichtigen Formularangaben, deren Fehlen nicht zur Nichtigkeit führen sollen, was klar abgelehnt wird von Mietrecht für die Praxis-Oeschger/Zahradnik, 414 FN 131. BSK OR-Weber, Art. 269d N 7b, nimmt bei einer unklar begründeten Mietzinserhöhung blosse Anfechtbarkeit an. 689 Kritisch Honsell, OR BT, 266. 690 BGE 113 II 187 E. 1a = Pra 1988 Nr. 171. 691 BGE 140 III 583 E. 3.2.3 = Pra 2015 Nr. 102; 130 III 504 E. 6.2 = Pra 2005 Nr. 6; 113 II 187 E. 1a = Pra 1988 Nr. 171. 692 ZK OR-Higi, Art. 269d N 227; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 269d N 5; CR CO-Lachat, Art. 269d N 12; CPra Bail-Marchand, Art. 269d N 40. 693 Gl.M. BSK OR-Weber, Art. 269d N 8; ähnlich auch Mietrecht für die Praxis-Oeschger/Zahradnik, 428 FN 199 mit Verweis auf Mietrecht für die Praxis-Oeschger/Zahradnik, 404 f. 694 SVIT-Rohrer, Art. 269d N 69.

977

5. Kapitel

Nominatverträge

einer Index- oder Staffelungsklausel vereinbart (s.  Art.  269b und Art.  269c  OR; N 3019o f.).695

5. 3018f

Anfechtung des Mietzinses (Art. 270–270d OR)

Bei der Anfechtung des Mietzinses muss zwischen Anfangsmietzins (Art. 270 OR) und Mietzins während der Mietdauer (Art.  270a–270d  OR) unterschieden werden. Die Anfechtung des Anfangsmietzinses ist bei befristeten und bei unbefristeten Mietverträgen möglich. Dagegen ist die Anfechtung des Mietzinses während der Mietdauer bei befristeten Verträgen ausgeschlossen, ausser der Mietzins ist indexiert (Art. 269b, Art. 270c OR).

3018g Anfechtung (Art. 270 ff. OR)

befristeter Vertrag

Anfechtung einer Mietzinserhöhung

Anfechtung des Anfangsmietzinses

unbefristeter Vertrag

Anfechtung des Anfangsmietzinses

(Art. 269b, Art. 269c (Art. 270 Abs. 1 OR) (Art. 270 Abs. 1 OR) OR, Art.17 VMWG)

Herabsetzung des missbräuchlichen Mietzinses während der Mietdauer

Anfechtung einer Mietzinserhöhung oder anderen einseitigen Vertragsänderungen

(Art. 270a OR)

(Art. 270b Abs. 1 OR)

Nichtigkeit einer Mietzinserhöhung (Art. 269d Abs. 2 OR): bei Verletzung der Formularoder Begründungspflicht

gleichzeitige Kündigung oder Androhung der Kündigung

Abbildung: Übersicht Anfechtung von Mietzinsen

3019

5.1

Anfechtung des Anfangsmietzinses (Art. 270 OR)

a.

Voraussetzungen

Der Mieter kann den Anfangsmietzins bei der Schlichtungsbehörde als missbräuchlich im Sinne von Art. 269 und Art. 269a OR anfechten und dessen Herabsetzung verlangen, 695

978

Mietrecht für die Praxis-Oeschger/Zahradnik, 411.

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

• wenn er sich entweder wegen einer persönlichen oder familiären Notlage zum Vertragsschluss gezwungen sah (Art. 270 Abs. 1 lit. a OR, erste Alternative) • oder wenn er sich wegen der Verhältnisse auf dem örtlichen Markt zum Vertragsschluss gezwungen sah (Art. 270 Abs. 1 OR lit. a, zweite Alternative) • oder wenn die Vermieterin den Anfangsmietzins im Vergleich zum früheren Mietzins für dieselbe Sache erheblich erhöhte (Art. 270 Abs. 1 lit b OR). Diese drei Gründe können alternativ geltend gemacht werden.696 Alternativ kann sich der Mieter gemäss herrschender Lehre auch auf Übervorteilung (Art. 21 OR) oder Irrtum (Art. 23 f. OR) berufen.697 Entscheidet sich der Mieter allerdings für Art. 270 OR, so genehmigt er gleichzeitig den Vertrag im Sinne von Art. 31 bzw. Art. 21 OR. Der Mieter kann dementsprechend nicht mehr die Rechtsbehelfe des Allgemeinen Teils geltend machen.698 Eine persönliche oder familiäre Notlage ist gegeben, wenn sich der Mieter z.B. 3019a wegen der Vergrösserung seiner Familie oder der Verlegung seines Arbeitsplatzes an einen neuen Ort zum Vertragsschluss gezwungen sah.699 Hat der Mieter die Notlage selbst verschuldet (etwa weil er keine ernsthaften Anstrengungen zur Wohnungssuche unternahm), ist eine Anfechtung nach Art. 270 OR ausgeschlossen.700 Wohnungsnot ist grundsätzlich zu bejahen, wenn der Kanton die Verwendung des Formulars gemäss Art. 269d OR vorgeschrieben hat (s. Art. 270 Abs. 2 OR) oder ein Leerbestand in der betreffenden Mietkategorie von weniger als 1,5% festgestellt wird.701 Gemäss Bundesgericht muss der Mieter nicht noch zusätzlich eine (persönliche oder familiäre) Not- oder Zwangslage nachweisen; «blosse» Wohnungsnot genügt.702 Eine erhebliche Erhöhung gegenüber dem früheren Mietzins liegt dann vor, wenn die Anzahl der Räume und die Oberfläche des Wohn- oder Geschäftsraums gleich geblieben, der Mietzins aber um mehr als 10% erhöht worden ist.703

696 BGE 142 III 442 E. 3.1.1; s. auch BGE 136 III 82 E. 2 = Pra 2010 Nr. 98. 697 CPra Bail-Dietschy-Martenet, Art.  270 N  84; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N  2180; BSK  ORWeber, Art. 270 N 1c; s. auch BGE 135 III 537 E. 2.2 = Pra 2010 Nr. 40; 123 III 292 = Pra 1997 Nr. 142; a.M. ZK OR-Higi, Art. 270 N 58; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 270 N 8. 698 CHK  OR-Hulliger/Heinrich, Art.  270 N  8; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N  2180 m.w.H.; BSK OR-Weber, Art. 267 N 1c. 699 S. BGE 114 II 74 E. 3d = Pra 1988 Nr. 254; ZK OR-Higi, Art. 270 N 44. Für weitere Beispiele s. CPra Bail-Dietschy-Martenet, Art. 270 N 30 m.w.H., und Mietrecht für die Praxis-Oeschger/Zahradnik, 400. 700 BGE 4C.169/2002 E. 2.3 = Pra 2003 Nr. 124. 701 BGE 4C.367/2001 E. 3b bb; KuKo OR-Blumer, Art. 270 N 8; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 270 N 3. 702 BGE 142 III 442 E. 3.1.2–3.1.6. 703 BGE 139 III 13 E.  3.1.1 = Pra 2013 Nr.  105; 136 III 82 E.  3.4 = Pra 2010 Nr.  98; 4C.169/2002 E.  3.1  f. = Pra 2003 Nr.  124; Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N  294; SVIT-Rohrer, Art. 270 N 21. Kritisch bezüglich einer allzu schematischen Anwendung dieser Prozentformel CPra BailDietschy-Martenet, Art. 270 N 4; BSK OR-Weber, Art. 270 N 5.

979

5. Kapitel

Nominatverträge

3019b

Die Überprüfung des Anfangsmietzinses erfolgt grundsätzlich nach der absoluten Berechnungsmethode (N 3017f).704 Begründet die Vermieterin die Erhöhung mit relativen Gründen, so wird der Anfangsmietzins mittels der relativen Methode (N 3017h) überprüft.705

3019c

Der Mieter kann innert 30 Tagen nach Übernahme der Sache den Anfangsmietzins bei der Schlichtungsbehörde und (falls sich die Parteien nicht einigen können) bei Gericht als missbräuchlich anfechten (s. Art. 270 Abs. 1 OR; Art. 209 Abs. 1 lit. b, Art. 210 Abs. 1 lit. b und Art. 211 ZPO). b.

Rechtsfolge

3019d

Während des Anfechtungsverfahrens gilt der bestehende Mietvertrag grundsätzlich unverändert weiter (Art. 270e OR). Der Mieter hat den vereinbarten bzw. bisherigen Mietzins zu bezahlen.706

3019e

Erweist sich der Anfangsmietzins im Anfechtungsverfahren als missbräuchlich (s. Art. 269 f. OR), so setzt die Schlichtungsbehörde oder (falls nötig) das Gericht diesen auf das zulässige Mass herab.707 Der Mieter kann den zu viel bezahlten Mietzins zurückverlangen; gemäss Bundesgericht und einem Teil der Lehre ist dieser Anspruch bereicherungsrechtlicher Natur708, nach einem anderen Teil der Lehre (und unseres Erachtens zu Recht) vertragsrechtlicher Natur709.

3019f

5.2

Herabsetzung des Mietzinses während der Dauer des Mietverhältnisses (Art. 270a OR)

a.

Voraussetzungen

Der Mieter kann den Mietzins während der Dauer des Mietverhältnisses als missbräuchlich anfechten und die Herabsetzung auf den nächstmöglichen Kündigungstermin verlangen, 704 705 706 707

BGE 120 II 240 E. 2; ZK OR-Higi, Art. 270 N 59. BGE 121 III 364 E. 4b; BSK OR-Weber, Art. 270 N 13; a.M. ZK OR-Higi, Art. 270 N 60 f. Mietrecht für die Praxis-Oeschger/Zahradnik, 404. Mietrecht für die Praxis-Oeschger/Zahradnik, 404. Gemäss CHK  OR-Hulliger/Heinrich, Art. 270 N 8, und SVIT-Rohrer, Art. 270 N 56 f., kann sich die Vermieterin bei einer erheblichen Reduktion des Mietzinses auf Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR) berufen oder den Vertrag gemäss Art.  266g  OR ausserordentlich kündigen; dies ablehnend ZK  OR-Higi, Art.  270 N  75, und BSK  ORWeber, Art. 270 N 8a. 708 BGE 4C.291/2001 E. 6c; CPra Bail-Dietschy-Martenet, Art. 270 N 69; ZK OR-Higi, Art. 270 N 74; SVIT-Rohrer, Art. 270e N 5. S. ferner auch BGE 130 III 504 E. 6.2 = Pra 2005 Nr. 6; s. aber den gleichen BGE 130 III 504 E. 6.3 = Pra 2005 Nr. 6, wonach der Rückerstattungsanspruch bei Herabsetzung gemäss Art. 259d OR vertragsrechtlicher Natur ist. 709 CHK  OR-Hulliger/Heinrich, Art.  270b–e N  5; Mietrecht für die Praxis-Oeschger/Zahradnik, 404 f.; BSK OR-Weber, Art. 270 N 8a mit Verweis auf Art. 269d N 8.

980

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

• wenn die Berechnungsgrundlagen sich wesentlich verändert haben • und dies zu einem übersetzten Ertrag aus der Mietsache (s.  Art.  269 und Art. 269a OR) führt (Art. 270a Abs. 1 OR). Diese Berechnungsgrundlagen finden ihre Entsprechungen in den Posten des Art. 269a OR.710 Allerdings sei darauf hingewiesen, dass Art. 269a OR aus der Sicht der Ausnahme vom Verbot von missbräuchlichen Mietzinsen formuliert ist. Der wichtigste Fall einer Änderung dieser Berechnungsgrundlage dürfte in der Praxis die Senkung des Referenzzinssatzes für Hypotheken sein («Kostensteigerungen» e contrario; s. Art. 269a lit. b OR, Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 12a VMWG und Art. 13 Abs. 4 VMWG). Infrage kommen können auch eine Senkung der Unterhalts- und Betriebskosten (z.B. Gebühren, Versicherungsprämien) oder die Verminderung der Leistungen der Vermieterin (z.B. Aufhebung der Hauswartung; «Mehrleistungen» e contrario; s. Art. 269a lit. b OR, Art. 14 VMWG) sowie eine Senkung des Landesindexes der Konsumentenpreise («Teuerung auf dem risikotragenden Kapital» e contrario; s. Art. 269a lit. e OR, Art. 16 VMWG).711 Das Herabsetzungsbegehren des Mieters beurteilt sich grundsätzlich nach der rela- 3019g tiven Methode (N  3017h).712 Die Vermieterin kann sich dagegen wahlweise auf relative oder absolute Gründe (z.B. es werde kein übersetzter Ertrag im Sinne von Art. 269 OR erzielt; N 3017g) berufen, um sich einem auf die relative Methode abgestützten Herabsetzungsgesuch zu widersetzen.713 Der Mieter kann die Herabsetzung des Mietzinses nur auf den nächstmöglichen Kündigungstermin verlangen (Art. 270a Abs. 1 OR). Das Herabsetzungsverfahren nach Art. 270a OR ist zweistufig gestaltet:714 • Der Mieter muss sich zunächst an die Vermieterin wenden und von ihr schriftlich (Art. 12 ff. OR) die Herabsetzung des Mietzinses verlangen (Art. 270a Abs. 2 OR). Das Herabsetzungsbegehren muss dabei vor Beginn der Kündigungsfrist bei der Vermieterin eingehen.715 Nach Bundesgericht und herrschender Lehre gilt beim Empfang die absolute Empfangstheorie (s. dazu auch N 3009a).716 Die Vermieterin hat 30 Tage Zeit, dazu Stellung zu nehmen (Art. 270a Abs. 2 Satz 1 OR). 710 Mietrecht für die Praxis-Oeschger/Zahradnik, 444. 711 S. KuKo OR-Blumer, Art. 270a N 4; Mietrecht für die Praxis-Oeschger/Zahradnik, 444. 712 BGE 142 III 568 E. 1.2 = Pra 2017 Nr. 93; 141 III 569 E. 2.1.1 = Pra 2016 Nr. 99; 126 III 124 E. 2a m.w.H. = Pra 2000 Nr. 186; SVIT-Rohrer, Art. 270a N 5; BSK OR-Weber, Art. 270a N 2. 713 BGE 142 III 568 E. 1.2 = Pra 2017 Nr. 93; 141 III 569 E. 2.1.2 = Pra 2016 Nr. 99; 122 III 257 E. 4; 121 III 363 E. 2; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 270a N 5; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2183; kritisch BSK OR-Weber, Art. 269 N 18 f. 714 Mietrecht für die Praxis-Oeschger/Zahradnik, 449. 715 Mietrecht für die Praxis-Oeschger/Zahradnik, 448; SVIT-Rohrer, Art. 270a N 20. 716 BGE 140 III 244 E. 5.1 = Pra 2014 Nr. 95; SVIT-Rohrer, Art. 270a N 20; BSK OR-Weber, Art. 270a N 4. A.M. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 270a N 1, welche die Anwendung der relativen Empfangstheorie befürworten.

981

3019h

5. Kapitel

Nominatverträge

• Versäumt die Vermieterin diese Frist oder lehnt sie das Begehren des Mieters ganz oder teilweise ab, so kann dieser sodann innert 30 Tagen die Schlichtungsbehörde anrufen und Mietzinsherabsetzung verlangen (Art.  270a Abs.  2 Satz 2 OR). 3019i

Das parteiinterne Einleitungsverfahren nach Art. 270a Abs. 2 Satz 1 OR ist Prozessvoraussetzung, um (falls nötig) an die Schlichtungsbehörde oder das Gericht gelangen zu können. Wird dieses nicht durchgeführt und liegt kein Ausnahmefall von Art. 270a Abs. 3 OR vor, so tritt die Schlichtungsbehörde bzw. das Gericht grundsätzlich nicht auf das Herabsetzungsbegehren ein.717 b.

3019j

3019k

Rechtsfolge

Während des Herabsetzungsverfahrens gilt der vereinbarte bzw. bisherige Mietzins grundsätzlich unverändert weiter (Art.  270e  OR). Bei Gutheissung des Herabsetzungsbegehrens kann der Mieter die zu viel bezahlten Mietzinse gemäss Bundesgericht und einem Teil der Lehre gestützt auf Art. 62 OR zurückverlangen.718 Nach einem anderen Teil der Lehre beruht dieser Anspruch zu Recht auf Vertrag.719 5.3

Anfechtung einer Mietzinserhöhung oder einseitigen Vertragsänderung (Art. 270b OR)

a.

Voraussetzungen

Der Mieter kann Mietzinserhöhungen (s.  Art.  269d Abs.  1 und Abs.  2  OR; N 3017k ff.) oder andere einseitige Vertragsänderungen der Vermieterin zulasten des Mieters (s.  Art.  269d Abs.  3  OR; N  3018d) bei der Schlichtungsbehörde auf ihre Missbräuchlichkeit hin überprüfen lassen (Art. 270b OR). Die Überprüfung der Missbräuchlichkeit im Sinne von Art. 269 und Art. 269a OR erfolgt grundsätzlich nach der relativen Methode (N 3017h). Gemäss Bundesgericht steht dem Mieter jedoch der Nachweis offen, die relativ an sich zulässige Erhöhung ergebe einen absolut missbräuchlichen Ertrag (Art. 269 und Art. 269a OR).720 Für die Anfechtung der Mietzinserhöhung hat der Mieter ab Mitteilung durch die Vermieterin 30 Tage Zeit (Art. 270b OR). Die Frist beginnt dabei ab dem Empfang der Mitteilung zu laufen, bei eingeschriebenen und nicht abgeholten Mitteilungen spätestens am

717 BGE 132 III 702 E. 4.2; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 270a N 8; SVIT-Rohrer, Art. 270 N 24. Zu möglichen Ausnahmen s. BGE 132 III 702 E. 4.3; Mietrecht für die Praxis-Oeschger/Zahradnik, 452. 718 BGE 4C.291/2001 E. 6c; ZK OR-Higi, Art. 270a N 103; CR CO-Lachat, Art. 270a N 11; SVIT-Rohrer, Art. 270e N 5; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, 2186. 719 Blumer, N 570; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 270b–e N 5; Mietrecht für die Praxis-Oeschger/ Zahradnik, 404 und 457; BSK OR-Weber, Art. 270a N 6b i.V.m. Art. 269d N 8. 720 BGE 121 III 163 E. 2c; s. auch SVIT-Rohrer, Art. 270b N 9 ff.

982

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

siebten Tag der postalischen Aufbewahrungsfrist (sog. relative Empfangstheorie; s. N 186, N 2968g).721 Verzichtet der Mieter auf die Anfechtung einer klar begründeten und formgerecht angezeigten Mietzinserhöhung (s. N 3017m f.) oder versäumt er die Klagefrist, so ist die Erhöhung (auch wenn unter Umständen missbräuchlich) auf den zulässigen Termin hin wirksam.722 b.

3019l

Rechtsfolge

Während des hängigen Verfahrens ist der bisherige und nicht der erhöhte Miet- 3019m zins geschuldet (Art. 270e OR).723 Heisst die Schlichtungsbehörde bzw. das Gericht die Mietzinserhöhung gut, kann die Vermieterin die zu wenig bezahlten Mietzinse nachfordern. Dieser Nachforderungsanspruch ist nach übereinstimmender Lehre vertragsrechtlicher Natur.724 5.4

Anfechtung indexierter oder gestaffelter Mietzinse (Art. 270c–270d OR)

Bei indexierten Mietzinsen (Art. 269b OR; Art. 17 VMWG) kann der Mieter den 3019n Anfangsmietzins gemäss Art. 270 OR anfechten.725 Mietzinsänderungen während der Dauer des Mietverhältnisses kann der Mieter bzw. die Vermieterin nur mit der Begründung anfechten, dass die von der anderen Partei verlangte Erhöhung bzw. Herabsetzung des Mietzinses durch keine entsprechende Änderung des Landesindexes der Konsumentenpreise gerechtfertigt sei (Art. 270c OR). Bei einem Staffelmietzins (Art.  269c  OR) kann nur der Anfangsmietzins (inklu- 3019o sive Höhe der einzelnen Zinsstaffeln) gemäss Art.  270  OR angefochten werden, nicht aber spätere Erhöhungen des Mietzinses aufgrund der Staffelvereinbarung (Art. 270d OR).726

721 BGE 137 III 208 E. 3.1.3 = Pra 2011 Nr. 106; 107 II 189 E. 2 = Pra 1981 Nr. 177. Kritisch in Bezug auf BGE 140 III 244 E. 5.2 BSK OR-Weber, Art. 270b N 2. Für Beispiele zur Berechnung s. CPra Bail-Marchand, Art. 269d N 31; Mietrecht für die Praxis-Oeschger/Zahradnik, 424. 722 BGE 124 III 67 E. 3; Blumer, N 555; ZK OR-Higi, Art. 270b N 29 f. 723 Blumer, N 557; CPra Bail-Montini/Wahlen, Art. 270b N 16. 724 Blumer, N 557; ZK OR-Higi, Art. 270e N 16; BSK OR-Weber, Art. 270e N 2. 725 ZK OR-Higi, Art. 270c–270d N 15; BSK OR-Weber, Art. 270c/270d N 1. 726 ZK OR-Higi, Art. 270c–270d N 28 f.; BSK OR-Weber, Art. 270c/270d N 2.

983

5. Kapitel

Nominatverträge

XII. Kündigungsschutz bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen (Art. 271–273c OR) 1.

Allgemeines

3020

Die Kündigungsschutzbestimmungen (Art.  271–273c  OR) sind gemäss Gesetzesüberschrift nur auf die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen (Art.  253a und Art.  253b  OR; N  2896c  ff.) anwendbar.727 Sie gelten dagegen nicht für die Miete von beweglichen oder unbeweglichen Sachen sowie von Ferienwohnungen, die für höchstens drei Monate gemietet werden (Art. 253a Abs. 2 OR).728 Der Kündigungsschutz besteht darin, dass der Mieter die Kündigung anzufechten (Art. 271 f. OR) und/oder eine Erstreckung des Mietverhältnisses zu verlangen berechtigt ist (Art. 272 ff. OR).729 Spezielle Kündigungs- und Erstreckungsbestimmungen gelten für Familienwohnungen im Sinne von Art. 162 ZGB (s. Art. 169 ZGB; Art. 266m, Art. 266n und Art. 273a OR) sowie für Untermietverhältnisse (s. Art. 273b OR).

3020a

Die Bestimmungen über den Kündigungsschutz sind einseitig zwingend, dürfen also vertraglich nicht zuungunsten des Mieters modifiziert werden (s.  Art.  273c Abs.  1  OR). Abweichende Vereinbarungen zulasten des Mieters sind nichtig (Art. 273c Abs. 2 OR).

3020b

2.

Anfechtbarkeit der Kündigung (Art. 271–271a OR)

2.1

Voraussetzungen

Eine ordentliche oder ausserordentliche730 Kündigung ist anfechtbar, wenn • sie nicht bereits nichtig oder unwirksam ist (s. N 3021), • sie gegen das Gebot von Treu und Glauben verstösst (Art.  271 Abs.  1  OR; N 3022 ff.) • und die 30-tägige Anfechtungsfrist gemäss Art.  273  OR eingehalten wurde (N 3023b).

3021

Vorausgesetzt ist zunächst, dass die Kündigung weder nichtig noch unwirksam ist.731 Erfüllt eine Kündigung die gesetzlichen oder vertraglichen Formerfordernisse nicht, so wäre sie nichtig (Art. 266o OR; N 3008). Unwirksam wäre eine Kündigung, 727 S. auch SVIT-Futterlieb, Art. 271 N 2; BSK OR-Weber, Art. 271/271a N 2. 728 Ausführlich ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 271–273c N 40 ff. 729 S. auch BGE 136 III 190 = Pra 2010 Nr. 112; ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 271–273c N 7 ff.; Mietrecht für die Praxis-Thanei, 772. 730 CR CO-Lachat, Art. 271 N 3; ausführlich s. SVIT-Futterlieb, Art. 271 N 9; ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 271–273c N 54 ff. 731 BGE 122 III 92 E. 2d; 121 III 156 E. 1c aa = Pra 1995 Nr. 272; s. auch BSK OR-Weber, Art. 271/271a N 1a.

984

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

wenn nicht alle Kündigungsvoraussetzungen erfüllt sind (z.B. Fehlen einer Sorgfaltspflichtverletzung bei einer Kündigung gemäss Art. 257f OR).732 Solche Kündigungen entfalten keine Wirkung und müssen daher nicht (können aber) angefochten werden.733 Nichtigkeit und Unwirksamkeit sind von Amtes wegen zu beachten und können jederzeit geltend gemacht werden.734 Die Grenze bildet das Rechtsmissbrauchsverbot.735 Demgegenüber entfaltet eine anfechtbare Kündigung ihre volle Wirkung, wenn die betroffene Partei diese nicht fristgemäss (s. Art. 273 OR; N 3023b) anfechtet.736 Grundsätzlich dürfen Vermieterin und Mieter das Mietverhältnis unter Einhal- 3022 tung der vertraglichen oder gesetzlichen Fristen und Termine aus einem beliebigen Grund kündigen. Anfechtbar sind nur diejenigen Kündigungen, welche gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen (Art. 271 Abs. 1 OR).737 Ein solcher Verstoss ist zu bejahen, wenn eine Kündigung ausgesprochen wird, ohne dass daran ein objektives, ernsthaftes und rechtlich schützenswertes Interesse besteht, die Kündigung also als eigentliche Schikane erscheint.738 Ob eine Kündigung treuwidrig ist, beurteilt sich mit Bezug auf den Zeitpunkt, in welchem die Vermieterin die Kündigung mitteilt.739 Bei der Beurteilung des schützenswerten Interesses gilt allgemein: Je höher das Fortführungsinteresse des Mieters, «desto gewichtiger muss auch das Kündigungsmotiv [der Vermieterin] sein»740. Gemäss Bundesgericht genügt es, wenn sich von mehreren angegebenen Kündigungsgründen einer als nicht treuwidrig erweist, damit eine Kündigung gültig ist.741 Ein Teil der Lehre nimmt dagegen an, dass in einem solchen Fall eine Gesamtwürdigung der Umstände vorzunehmen ist.742 Entscheidend soll dabei sein, dass der ausschlaggebende Kündigungsgrund nicht missbräuchlich ist.743 Art.  271a  OR zählt beispielhaft verschiedene Konstellationen von treuwidrigen Kündigungen auf, in welchen die Missbräuchlichkeit der Kündigung vermutet

732 BGE 122 III 92 E. 2d; 121 III 156 E. 1c aa = Pra 1995 Nr. 272; SVIT-Futterlieb, Art. 271 N 16; ZK ORHigi, Vorb. zu Art. 266–266o N 49 und N 54. 733 S. BGE 122 III 92 E. 2d; 121 III 156 E. 1c aa = Pra 1995 Nr. 272. 734 S. BGE 122 III 92 E. 2d; 121 III 156 E. 1c aa = Pra 1995 Nr. 272; BSK OR-Weber, Art. 271/271a N 1a. 735 BGE 121 III 156 E. 1c bb = Pra 1995 Nr. 272 736 Mietrecht für die Praxis-Thanei, 777; s. auch Honsell, OR BT, 269; BSK OR-Weber, Art. 271 N 1a. 737 S. BGE 142 III 91 E. 3.2.1; 140 III 496 E. 4.1 = Pra 2015 Nr. 12; 138 III 59 E. 2.1; Guhl/Koller, § 44 N 174. 738 BGE 142 III 91 E. 3.2.1; 138 III 59 E. 2.1; s. auch BBl 1985 I 1459. 739 BGE 142 III 91 E. 3.2.1; 140 III 496 E. 4.1 = Pra 2015 Nr. 12; 138 III 59 E. 2.1. Zum Lehrstreit in Bezug auf den nachträglichen Wegfall des Kündigungsgrundes s. Mietrecht für die Praxis-Thanei, 782 f. und FN 68. 740 Weber, mp 2008, 15. 741 BGE 4A_155/2009 E. 6.2.1; 4C.365/2006 E. 3.2 m.w.H.; s. auch CPra Bail-Conod, Art. 271 N 44; SVITFutterlieb, Art. 271 N 74; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 271–271a N 6a. 742 KuKo OR-Blumer, Art. 271/271a N 12; Mietrecht für die Praxis-Thanei, 781; Weber, mp 2008, 8; s. ferner auch BBl 1985 I 1459. 743 Mietrecht für die Praxis-Thanei, 781; Weber, mp 2008, 8; s. auch BSK OR-Weber, Art. 271/271a N 29a.

985

3023

5. Kapitel

Nominatverträge

wird.744 In den Fällen von Art. 271a Abs. 1 lit. d und lit. e OR (Kündigungssperre vor und nach Mietstreitigkeiten) kann die Vermieterin aus bestimmten Gründen (s.  Art.  271a Abs.  3  OR) trotzdem kündigen. Unter anderem ist hier eine Kündigung der Vermieterin wegen dringenden Eigenbedarfs nicht anfechtbar (Art. 271a Abs. 3 lit. a OR). 3023a

Eine Kündigung ist auch ohne Begründung gültig (s. Art. 271 Abs. 2 OR). Sie ist aber auf Verlangen der gekündigten Partei zu begründen, damit diese ihre Chancen bei einer allfälligen Anfechtung (s. Art. 273 OR) einschätzen kann.745 Eine mangelnde, fehlerhafte oder verweigerte Begründung kann gemäss Bundesgericht ein Indiz für die Missbräuchlichkeit der Kündigung sein und ist im Rahmen der Beweiswürdigung entsprechend zu berücksichtigen.746 2.2

3023b

Will der Mieter die Kündigung anfechten, so muss er das entsprechende Begehren innert 30 Tagen ab Empfang der Kündigung bei der Schlichtungsbehörde einreichen (Art.  273 Abs.  1  OR). Danach ist das Anfechtungsrecht verwirkt.747 Die 30-tägige Frist von Art. 273 Abs. 1 OR beginnt dabei laut Bundesgericht bereits in jenem Zeitpunkt zu laufen, in welchem die Kündigung in den Machtbereich des Empfängers oder seines Vertreters gelangt (sog. absolute Empfangstheorie; s. auch N 3009a).748 Die Geltung der absoluten Empfangstheorie hat zur Folge, dass dem Mieter unter Umständen nicht die vollen 30 Tage ab Kenntnis der Kündigung verbleiben, um sich fristgerecht gegen diese zur Wehr zu setzen.749 2.3

3023c

Verfahren

Rechtsfolge

Während der Dauer des Anfechtungsverfahrens entfaltet die Kündigung keine Wirkung. Der Mieter kann in der Mietsache bleiben und muss diese erst zurückgeben, wenn ein rechtskräftiger Entscheid vorliegt.750 Kann die gekündigte Partei die Kün744 BGE 131 III 33 E. 3.4; ZK OR-Higi, Art. 271a N 13. Nach BSK OR-Weber, Art. 271/271a N 9a, handelt es sich hierbei um Definitionen von anfechtbaren Kündigungen. 745 BGE 143 III 344 E. 5.3.1; 142 III 91 E. 3.2.1; 140 III 496 E. 4.2.2 = Pra 2015 Nr. 12; CPra Bail-Conod, Art. 271 N 28; CR CO-Lachat, Art. 271 N 10. 746 BGE 143 III 344 E. 5.3; 142 III 91 E. 3.2.1; 125 III 231 E. 4b. 747 S. BGE 133 III 175 E. 3; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2250. 748 BGE 143 III 15 E. 4.1 = Pra 2017 Nr. 45; 140 III 244 E. 5 = Pra 2014 Nr. 95; 4A_471/2013 E. 2; ZK ORHigi, Art. 273 N 48 ff. und N 95. 749 Ein Teil der Lehre möchte daher – abweichend von der Rechtsprechung des Bundesgerichts – für den Beginn der 30-tägigen Frist von Art. 273 Abs. 1 OR auf die relative Empfangstheorie abstellen; s. unter anderem Blumer, N 828 f. und N 965; Bärtschi/Ackermann, Jusletter 14. Juli 2014, N 43 ff.; BSK ORWeber, Art. 273 N 3a. 750 BGE 117 II 71 E. 4a = Pra 1991 Nr. 164; SVIT-Futterlieb, Art. 271 N 59; Mietrecht für die Praxis-Thanei, 817.

986

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

digung erfolgreich anfechten, so hebt die Schlichtungsbehörde (oder falls nötig das Gericht) diese auf, und das Mietverhältnis wird unverändert fortgesetzt.751 Zusätzlich wird die Sperrfrist gemäss Art. 271a Abs. 1 lit. e OR ausgelöst.752 Eine missbräuchliche Kündigung stellt eine Vertragsverletzung dar (Art.  97  OR), 3023d weshalb daraus grundsätzlich Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen resultieren können.753 Bei einer erfolgreichen Anfechtung der Kündigung dürfte in der Regel aber kein Schaden (mehr) vorliegen.754 Ein Schadenersatzanspruch dürfte daher nur in Ausnahmefällen zu bejahen sein.755

3.

Erstreckung des Mietverhältnisses (Art. 272–272d OR)

3.1

Voraussetzungen

Der Mieter kann eine Erstreckung des Mietverhältnisses verlangen, wenn

3024

• das unbefristete Mietverhältnis mittels gültiger Kündigung bzw. das befristete Mietverhältnis durch Zeitablauf beendet worden ist (s. Art. 273 Abs. 2 OR)756, • die Beendigung für ihn oder seine Familie (wozu auch Hausgenossen und Hausangestellte gehören757) eine Härte zur Folge hätte, die durch die Interessen der Vermieterin nicht zu rechtfertigen wäre (Art. 272 OR; N 3024a), • die Erstreckung nicht von Gesetzes wegen ausgeschlossen ist (Art. 272a; N 3024c) • und das Erstreckungsgesuch innerhalb der in Art. 273 Abs. 2 und Abs. 3 OR vorgesehenen Fristen bei der Schlichtungsbehörde gestellt wurde (N 3024d f.). Bei der Erstreckung eines Mietverhältnisses sind die Interessen beider Vertrags- 3024a parteien zu berücksichtigen (s. Art. 272 Abs. 2 OR).758 Unter «Härte» sind die den Mieter (oder seine Familie) persönlich treffenden besonderen Schwierigkeiten und Probleme zu verstehen, die es ihm verunmöglichen oder zumindest erschweren, innerhalb der bis zur Vertragsbeendigung verbleibenden Zeit ein ihm zumutba751 752 753 754

SVIT-Futterlieb, Art. 271 N 60; ZK OR-Higi, Art. 271 N 92; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2254. ZK OR-Higi, Art. 271 N 93. ZK OR-Higi, Art. 271 N 98; BSK OR-Weber, Art. 271/271a N 34. Blumer, N 970. Nach ZK OR-Higi, Art. 271 N 102, fällt bei einer erfolgreichen Anfechtung zudem die vertragswidrige Handlung und damit eine Tatbestandsvoraussetzung des Schadenersatzanspruchs weg. 755 ZK OR-Higi, Art. 271 N 101; s. auch CPra Bail-Conod, Art. 271 N 52; BSK OR-Weber, Art. 271/271a N 34. 756 KuKo OR-Blumer, Art. 272 N 2; ZK OR-Higi, Art. 272 N 53 und N 65. 757 Spirig, mp 2008, 214; BSK OR-Weber, Art. 272 N 4. Gemäss BGE 105 II 197 E. 3c sind Konkubinatspartner vom Begriff der «Familie» ausgeschlossen. Zu Recht kritisch CR CO-Lachat, Art. 272 N 8; Spirig, mp 2008, 214; Mietrecht für die Praxis-Spirig, 830. In BGE 4A_673/2014 E.  3.2. hielt das Bundesgericht zumindest fest, dass es sich bei den Bedürfnissen der Lebenspartnerin um die eigenen Interessen handle, falls der andere Partner mit ihr zusammen wohne und wieder in eine gemeinsame Wohnung ziehen möchte. 758 BGE 142 III 336 E. 5.3.1 = Pra 2017 Nr. 79.

987

5. Kapitel

Nominatverträge

res Ersatzobjekt zu finden.759 Das Gesetz zählt in Art. 272 Abs. 2 OR verschiedene Beispiele für Härtegründe auf.760 Das Vorliegen von Härtegründen bewirkt für sich allein noch keinen Erstreckungsanspruch.761 Die zuständige Behörde beurteilt im Einzelfall nach ihrem Ermessen (Art. 4 ZGB); sie hat dabei sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.762 3024b

Verlangt der Mieter eine nochmalige Erstreckung des Mietverhältnisses (sog. Zweiterstreckung), muss er zur Abwendung der Härte alles unternommen haben, was ihm zuzumuten war (Art.  272 Abs.  3  OR). Zu beachten ist, dass bei einer Zweiterstreckung an die Suchbemühungen des Mieters deutlich höhere Anforderungen gestellt werden als bei der Ersterstreckung.763

3024c

Art. 272a Abs. 1 lit. a–d OR zählt abschliessend die Gründe auf, bei deren Vorliegen eine Erstreckung ausgeschlossen ist.764 Eine allfällige Härte für den Mieter ist in diesen Fällen nicht zu berücksichtigen.765 3.2

Verfahren

3024d

Der Mieter muss sein Erstreckungsbegehren bei einem unbefristeten Mietverhältnis innerhalb von 30 Tagen seit Empfang der Kündigung (gemäss Bundesgericht gilt die absolute Empfangstheorie766; s. N 3009a), bei einem befristeten Mietverhältnis spätestens 60 Tage vor Ablauf der Vertragsdauer bei der zuständigen Schlichtungsbehörde einreichen (Art. 273 Abs. 2 lit. a und lit. b OR). Das Begehren um eine zweite Erstreckung muss spätestens 60 Tage vor Ablauf der Erstreckungsdauer eingereicht werden (Art. 273 Abs. 3 OR). Bei den in Art. 273 OR genannten Fristen handelt es sich um Verwirkungsfristen.767 Während der Dauer des hängigen Erstreckungsverfahrens gilt das Mietverhältnis als vorläufig erstreckt.768 Solange kein Vergleich bzw. rechtskräftiger Entscheid vorliegt, muss der Mieter die Mietsache nicht verlassen.769

3024e

Ficht der Mieter die Gültigkeit der Kündigung an, muss er nicht noch zusätzlich Erstreckung bei der Schlichtungsbehörde beantragen. Die Schlichtungsbehörde

759 760 761 762 763 764 765 766

Blumer, N 989; SVIT-Hulliger, Art. 272 N 15 ff.; s. auch Spirig, mp 2008, 205. BGE 142 III 336 E. 5.3.1 = Pra 2017 Nr. 79; Honsell, OR BT, 270; CR CO-Lachat, Art. 272 N 9. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 272 N 4; Spirig, mp 2008, 205. BGE 142 III 336 E. 5.3.2 = Pra 2017 Nr. 79; 135 III 121 E. 2 = Pra 2009 Nr. 88; CR CO-Lachat, Art. 272 N 9. S. SVIT-Hulliger, Art. 272 N 75 ff.; Rohrer, MRA 2008, 194. BGE 128 III 82 E. 2d bb; 117 II 415 E. 5b; ZK OR-Higi, Art. 272 N 8; SVIT-Hulliger, Art. 272a N 2. CR CO-Lachat, Art. 272a N 1; BSK OR-Weber, Art. 272a N 1. BGE 143 III 15 E. 4.1 = Pra 2017 Nr. 45; 140 III 244 E. 5 = Pra 2014 Nr. 95; 137 III 208 E. 3 = Pra 2011 Nr. 106; a.M. BSK OR-Weber, Art. 273 N 3a m.w.H. 767 BGE 114 II 165 E. 2a = Pra 1988 Nr. 253. 768 BSK OR-Weber, Art. 273 N 4; s. auch Mietrecht für die Praxis-Spirig, 858. 769 Mietrecht für die Praxis-Spirig, 858.

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§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

muss bei Abweisung des Anfechtungsbegehrens von Amtes wegen prüfen, ob das Mietverhältnis erstreckt werden kann (Art. 273 Abs. 5 OR).770 3.3

Rechtsfolge

Art (Erst- oder einmalige Erstreckung) und Dauer der Erstreckung liegen im Ermes- 3024f sen der zuständigen Schlichtungsbehörde.771 Das Mietverhältnis kann für Wohnräume um höchstens vier, für Geschäftsräume um höchstens sechs Jahre erstreckt werden (Art. 272b Abs. 1 OR).772 Im Rahmen dieser Höchstdauer können maximal zwei Erstreckungen gewährt werden (s. Art. 272b Abs. 1, Art. 272 Abs. 3 OR). Den Parteien steht es frei, andere (auch längere) Erstreckungsfristen zu vereinbaren, und der Mieter kann auf eine zweite Erstreckung verzichten (s. Art. 272b Abs. 2 OR).773 Die Erstreckung hat zur Folge, dass das bestehende, aber weiterhin gekündigte 3024g Mietverhältnis durch richterliche Anordnung fortgesetzt wird.774 Die Vermieterin kann das erstreckte Mietverhältnis nur noch ausserordentlich kündigen.775 Der Mieter kann seinerseits sowohl ausserordentlich776 wie auch ordentlich kündigen. Bei der ordentlichen Kündigung gelten die verkürzten Fristen und Termine von Art.  272d  OR, sofern keine anderslautende Erstreckungsvereinbarung bzw. kein anderslautender Erstreckungsentscheid vorliegt.777

XIII. Verfahren und besondere verfahrensrechtliche Aspekte 1.

Behördenorganisation und Verfahren im Allgemeinen

Mietrechtliche Verfahren richten sich nach der ZPO (Art. 197 ff. ZPO), mit deren 3025 Inkrafttreten die entsprechenden prozessrechtlichen Bestimmungen im  OR (Art.  274–274g aOR) aufgehoben wurden. Während des Schlichtungs- und Gerichtsverfahrens gilt der bestehende Mietvertrag (grundsätzlich) unverändert weiter (Art. 270e OR). 770 Mietrecht für die Praxis-Spirig, 824; BSK OR-Weber, Art. 273 N 5. Zur Kontroverse rund um Art. 272b Abs.  2  OR und mögliche Dritterstreckungen bzw. Zweiterstreckungen nach einmaliger Erstreckung s. BSK OR-Weber, Art. 272b N 5 m.w.H. 771 S. BGE 125 III E. 4b = Pra 1999 Nr. 152; KuKo OR-Blumer, Art. 272b N 1 f.; ZK OR-Higi, Art. 272b N 16. 772 S. BGE 4A_72/2011 E. 3, wonach die Erstreckungsdauer bei fehlenden Suchbemühungen des Mieters herabsetzbar ist. Kasuistik zur Erstreckung bei Spirig, mp 2008, 218 ff. 773 Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 1138; Mietrecht für die Praxis-Spirig, 849. 774 ZK OR-Higi, Art. 272 N 18 und N 23; CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 272c–d N 1. 775 CPra Bail-Conod, Art. 272d N 5; ZK OR-Higi, Art. 272d N 42 ff.; s. auch BBl 1985 I 1463. 776 S. BBl 1985 I 1464; ZK OR-Higi, Art. 272d N 48 ff.; BSK OR-Weber, Art. 272d N 3. 777 Zum Sinn und Zweck dieser Bestimmung s. ZK OR-Higi, Art. 272d 5 f.; BSK OR-Weber, Art. 272d N 1 f.

989

5. Kapitel

Nominatverträge

3025a

Wollen die Vermieterin oder der Mieter einen Anspruch aus dem Mietverhältnis gegen die andere Vertragspartei geltend machen, so müssen sie sich in aller Regel zunächst an eine Schlichtungsbehörde (bei Wohn- und Geschäftsräumen umgangssprachlich Mietschlichtungsstelle)778 wenden, bevor sie ans Gericht gelangen können (s. Art. 197 ZPO). In den Fällen von Art. 198 ZPO (z.B. summarisches Verfahren beim Rechtsschutz in klaren Fällen gemäss Art. 257 ZPO) und Art. 199 ZPO kann ausnahmsweise auf die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens verzichtet werden.779 Für den Erlass von vorsorglichen Massnahmen im Sinne von Art.  261  ff. ZPO ist dagegen nur das Gericht und nicht die Schlichtungsbehörde zuständig.780 Aufgabe der Schlichtungsbehörde ist es, «in einer formlosen Verhandlung» eine Einigung zwischen den Parteien zu erzielen (Art. 201 Abs. 1 ZPO). Das Schlichtungsverfahren ist bei der Wohn- und Geschäftsraummiete grundsätzlich kostenlos (Art. 113 Abs. 2 lit. c ZPO; Ausnahme: bös- oder mutwillige Prozessführung, Art. 115 ZPO);781 Parteientschädigungen (z.B. Anwaltskosten) werden ebenfalls nicht zugesprochen (Art. 113 Abs. 1 ZPO).

3025b

Für Klagen aus der Miete unbeweglicher Sachen ist die Schlichtungsbehörde bzw. das Gericht am Ort der gelegenen Sache zuständig (Art. 33 ZPO). Der Mieter von Wohn- und Geschäftsräumen (s. Art. 253a OR; N 2896c ff.) kann nicht im Voraus oder durch Einlassung auf diesen Gerichtsstand verzichten (Art.  35 Abs.  1 lit.  b ZPO). Die Miete von beweglichen Sachen fällt entweder unter Art. 32 ZPO (falls es sich um einen Konsumvertrag handelt) oder unter die allgemeine Regel von Art. 31 ZPO.782

3025c

Können sich die Parteien während der Schlichtungsverhandlung einigen, so protokolliert die Schlichtungsbehörde die entsprechende Einigung und lässt die Parteien diese unterzeichnen (Art. 208 Abs. 1 ZPO). Diese Einigung hat die Wirkung eines rechtskräftigen Entscheids (Art. 208 Abs. 1 ZPO). Kommt im Schlichtungsverfahren keine Einigung zustande, so verfügt die Schlichtungsbehörde über fol778 Beispielsweise ist im Kanton Zürich bei Streitigkeiten aus Wohn- und Geschäftsraummiete an jedes Bezirksgericht eine besondere Schlichtungsbehörde angegliedert, welche vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens einen Schlichtungsversuch durchführt (§§ 63 und 65 GOG ZH [LS 211.1]). Die meisten Kantone stellen im Internet Standardformulare für die Einreichung von Schlichtungsbegehren zur Verfügung; s. etwa für den Kanton Zürich , besucht am 3. Januar 2019. 779 BSK  OR-Weber, Vor Art.  253–273c N  11: s. auch Mietrecht für die Praxis-Brüllhardt/Püntener, 106 f. 780 CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 274–274g N 2; BSK ZPO-Sprecher, Vor Art. 261–269 N 69. 781 Umstritten ist in der Lehre die Zusprechung von Gerichts- und Parteikosten bei einem Urteilsvorschlag im Sinne von Art. 210 ZPO. Ablehnend Mietrecht für die Praxis-Brüllhardt/Püntener, 117; BSK ZPORüegg/Rüegg, Art.  113 N  3a; KuKo ZPO-Schmid, Art.  113 N  2; bejahend KuKo ZPO-Gloor/ Umbricht Lukas, Art. 210 N 6; ZK ZPO-Jenny, Art. 113 N 5: BK ZPO-Sterchi, Art. 113–114 N 3. 782 KuKo ZPO-Haas/Strub, Art. 33 N 3. Nach BSK ZPO-Job, Art. 33 N 3a, soll die Bestimmung ausnahmsweise auch dann Anwendung finden, wenn die bewegliche Sache Teil einer unbeweglichen Mietsache ist und ein alle beweglichen und unbeweglichen Sachen umfassendes Mietverhältnis zwischen den Parteien besteht.

990

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

gende drei Möglichkeiten:783 Entweder stellt sie die Nichteinigung fest und erteilt die sog. Klagebewilligung, mit welcher die jeweilige Partei (s. Art. 209 Abs. 1 lit. a und lit. b ZPO) innert 30 Tagen ans Gericht gelangen kann (Art. 209 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 ZPO), oder sie kann den Parteien in den Fällen von Art. 210 Abs. 1 ZPO einen Urteilsvorschlag unterbreiten. Lehnt keine der Parteien den Urteilsvorschlag innerhalb von 20 Tagen ab, so gilt dieser als angenommen und hat die Wirkungen eines rechtskräftigen Entscheids (Art. 211 Abs. 1 ZPO). Bis zu einem Streitwert von CHF 2000 kann die Schlichtungsbehörde ausserdem (wie ein Gericht) einen Entscheid fällen, sofern die klagende Partei einen entsprechenden Antrag gestellt hat (Art. 212 Abs. 1 ZPO).

2.

Ausweisung im Besonderen

Der Mieter muss die Mietsache nach Ablauf des Mietverhältnisses zurückgeben 3025d (Art. 267 OR; s. N 3010 ff.). Verweigert er die Rückgabe, so darf die Vermieterin nicht zur Selbsthilfe greifen und z.B. Wohn- oder Geschäftsräume gewaltsam räumen, ansonsten macht sie sich strafbar (z.B. Nötigung [Art. 181 StGB]; Hausfriedensbruch [Art.  186 StGB]). Vielmehr muss die Vermieterin in einem solchen Fall bei der Schlichtungsbehörde oder dem Gericht einen Ausweisungsentscheid erwirken, nach welchem der Mieter die Mietsache zu verlassen und ordnungsgemäss zurückzugeben hat.784 Dieser Anspruch stützt sich auf Vertrag (Art. 267 OR) oder – sofern die Vermieterin Eigentümerin ist – auf Vindikation gemäss Art. 641 Abs. 2 ZGB (Anspruchskonkurrenz; N 4143 ff.).785 Die Besitzesschutzklage gemäss Art. 926 ff. ZGB ist dagegen ausgeschlossen, da der Mieter die Sache nicht durch verbotene Eigenmacht entzogen hat;786 die tatsächlichen Besitzverhältnisse bleiben gleich. Die vertraglichen und sachenrechtlichen Rückgabeansprüche stehen der Vermieterin im Übrigen auch direkt gegen den Untermieter zu.787 Die Vermieterin hat zwei Möglichkeiten, um einen Ausweisungsentscheid zu erhal- 3025e ten: • Ist der Sachverhalt unbestritten oder sofort beweisbar und die Rechtslage klar, so kann die Vermieterin die Ausweisung im summarischen Verfahren verlangen (sog. «Rechtsschutz in klaren Fällen»; Art. 248 lit. b i.V.m. Art. 257 ZPO).788 Ein 783 784 785 786

S. auch Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 1162 ff. Mietrecht für die Praxis-Roncoroni, 888; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 1058 f. und N 1061. ZK OR-Higi, Art. 267 N 14 f. BGE 5P.122/2004 E. 2.1; BSK ZGB-Ernst, Vor Art. 926–929 N 22 und Art. 927 N 2; ZK OR-Higi, Art. 267 N 17; BSK OR-Weber, Art. 267 N 1; a.M. CHK OR-Hulliger/Heinrich, Art. 267 N 4. 787 KuKo OR-Blumer, Art. 267/267a N 7; BSK OR-Weber, Art. 267 N 1. Nach BGE 120 II 112 E. 3b cc ddd ist diese Auffassung zumindest vertretbar; a.M. ZK OR-Higi, Art. 273b N 21 und Art. 274g N 13. 788 Mietrecht für die Praxis-Brüllhardt/Püntener, 151; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 1061; s. auch BGE 140 III 315 = Pra 2015 Nr. 4; 139 III 38.

991

5. Kapitel

Nominatverträge

solcher Fall kann vorliegen, wenn z.B. der Mieter die Kündigung der Vermieterin überhaupt nicht oder nicht fristgemäss angefochten und auch keine Erstreckung geltend gemacht hat.789 Das summarische Verfahren ist insofern vorteilhaft, da unter anderem das Schlichtungsverfahren entfällt (Art. 198 lit. a ZPO) und die Verfahrensdauer somit kürzer ist. Die Vermieterin trägt allerdings das Risiko, doch noch den ordentlichen Prozessweg mit vorausgehendem Schlichtungsverfahren einschlagen zu müssen, falls die Voraussetzungen von Art. 248 und Art. 257 ZPO nicht erfüllt sind.790 Das Summargericht tritt in einem solchen Fall nicht auf das Gesuch ein (Art. 257 Abs. 3 ZPO).791 • Ist die Rechtslage dagegen umstritten oder unklar, muss die Vermieterin den ordentlichen Prozessweg einschlagen.792 Über das Ausweisungsbegehren wird gemäss neuerer Rechtsprechung (unabhängig vom Streitwert) im vereinfachten Verfahren entschieden (Art. 243 Abs. 2 lit. c ZPO).793 Die Vermieterin muss das Ausweisungsverfahren zunächst mit einem Gesuch bei der Schlichtungsbehörde einleiten (s. Art. 197 ZPO). Kann keine gütliche Einigung erzielt werden, erteilt die Schlichtungsbehörde die Klagebewilligung, mit welcher die Vermieterin innerhalb von 30 Tagen ans zuständige Gericht gelangen muss (s. Art. 209 ZPO). Gleiches gilt auch bei Ablehnung eines allfälligen Urteilsvorschlags (s. Art. 210 f. ZPO).794 3025f

Wird das Ausweisungsbegehren der Vermieterin gutgeheissen, so befiehlt das Gericht dem Mieter, die Wohn- oder Geschäftsräume zu verlassen und ordnungsgemäss zu übergeben. In der Regel setzt es dem Mieter hierfür eine gewisse Frist an.795 Verlässt der Mieter trotz Ablauf dieser Frist die Mietsache nicht, so kann die Vermieterin bei der zuständigen kantonalen Behörde die zwangsweise Vollstreckung der Ausweisung gemäss Art. 343 Abs. 1 lit. d ZPO verlangen.796 Die effektive Vollstreckung geschieht sodann häufig durch die Polizei oder unter deren Auf-

789 CHK  OR-Hulliger/Heinrich, Art.  267–267a N  4; für weitere Beispiele s. Maag, MRA 2014, 4  f. Gemäss BGE 141 III 262 E. 3 ist ein Ausweisungsbegehren im Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen grundsätzlich auch dann zulässig, wenn der Mieter die vorausgegangene Kündigung vor Gericht angefochten hat und dieses Verfahren noch nicht rechtskräftig erledigt ist. 790 BSK OR-Weber, Art. 267 N 3; s. auch BGE 139 III 38 E. 2. Zum unbestrittenen und sofort beweisbaren Sachverhalt sowie der klaren Rechtslage im Sinne von Art. 257 ZPO s. BGE 141 III 23 E. 3.2 = Pra 2015 Nr. 114; 138 III 123 E. 2.1 und E. 2.5. 791 BGE 142 III 515 E. 2.2.4; 141 III 23 E. 3.2 = Pra 2015 Nr. 114; 138 III 620 E. 5.1.1. 792 Mietrecht für die Praxis-Brüllhardt/Püntener, 151. 793 BGE 4A_300/2016 E. 2.3; 142 III 690 E. 3.1 = Pra 2017 Nr. 95. Zum weiten Verständnis des «Kündigungsschutzes» im Sinne von Art. 210 Abs. 1 lit. b und Art. 243 Abs. 2 lit. c ZPO s. BGE 142 III 690 E. 3.1 = Pra 2017 Nr. 95; 142 III 515 E. 2.2.4; 142 III 402 E. 2.5. 794 Vgl. auch BGE 142 III 690 E. 3 = Pra 2017 Nr. 95. 795 Mietrecht für die Praxis-Brüllhardt/Püntener, 153; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 1061. S. ferner auch BGE 4A_391/2013 E. 7, wonach das Gericht nicht zwingend eine solche «Schonfrist» vorsehen muss. 796 Mietrecht für die Praxis-Roncoroni, 889; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 1062.

992

§ 31

Miete (Art. 253–273c OR) und Pacht (Art. 275–304 OR)

sicht (s. Art. 343 Abs. 3 ZPO).797 Aus Effizienzgründen empfiehlt es sich, bereits im Ausweisungsverfahren die direkte Vollstreckung zu beantragen, falls der Mieter die Räumungsfrist nicht einhält (s. Art. 236 Abs. 3 und Art. 337 Abs. 1 ZPO).798

XIV. Pacht (Art. 275–304 OR) Zur Abgrenzung zur Miete s. N 2897.

3026

Schwierig ist in der Praxis die Abgrenzung von Miete und Pacht bei der entgelt- 3027 lichen Überlassung von Geschäftsräumen. Das Bundesgericht nahm Pacht von Geschäftsräumen (Büroräume, Ladenlokale, Werkstätten und dergleichen) nur dann an, wenn auch die Geschäftsbeziehungen dem Vertragspartner überlassen werden.799 Honsell hielt dies für zu streng und schlug vor, Pacht bereits anzunehmen, wenn neben den Geschäftsräumen die vollständige Einrichtung des Betriebs dem Pächter überlassen wird.800 In seiner jüngeren Rechtsprechung hat das Bundesgericht nun zutreffend auch die Überlassung eines öffentlich zugänglichen und vollständig eingerichteten Lokals zur selbständigen Bewirtschaftung (im konkreten Fall eines Cafés/Restaurants) als Pacht qualifiziert.801 Beispiele für mögliche Pachtobjekte sind:

3028

• bewegliche und unbewegliche Sachen: z.B. Vieh, Nutzflächen für Obst- oder Gemüseanbau, Hotel, Unternehmen etc.; • relative und absolute Rechte: z.B. Immaterialgüterrechte, Forderungen, Nutzniessungsrechte, Jagd- und Fischereirechte etc.802 Die pachtrechtlichen Bestimmungen (Art. 275 ff. OR) entsprechen weitgehend dem 3029 Mietrecht (Art. 253 ff. OR).803 So erklärt das Gesetz an einigen Stellen, das Mietrecht sei sinngemäss (z.B. Art. 288 Abs. 1, Art. 290 und Art. 292 OR) oder direkt anwendbar (z.B. Art. 281 Abs. 2 OR). Teilweise geben die pachtrechtlichen Bestimmungen auch die entsprechenden Mietrechtsbestimmungen wieder, ohne dass ausdrücklich darauf verwiesen wird.804 Bei der landwirtschaftlichen Pacht ist neben den Bestim-

797 Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 1062. 798 Vgl. auch Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7221 ff., 7383. 799 BGE 103 II 247 E. 2b. 800 Honsell, OR BT, 274. 801 BGE 128 III 419 E. 2.1 m.w.H. = Pra 2003 Nr. 7. 802 OFK OR-Fricker/Seiler, Art. 275 N 2 f.; Honsell, OR BT, 272. 803 Honsell, OR BT, 275; Koller, OR BT, § 11 N 19. 804 S. Koller, OR BT, § 11 N 19; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 1233 und N 1243 ff.

993

5. Kapitel

Nominatverträge

mungen im OR das Bundesgesetz über die landwirtschaftliche Pacht (LPG)805 zu beachten (Art. 276a Abs. 1 OR). Das OR gilt subsidiär (Art. 276a Abs. 2 OR). 3030

Zu den (Haupt-)Pflichten der Verpächterin gehören die Übergabe der Sache in einem tauglichen Zustand (Art. 278 OR), die Vornahme von grösseren Reparaturen (Art. 279 OR) sowie die Übernahme von Abgaben und Lasten (Art. 280 OR). Demgegenüber trifft den Pächter nach Art. 281 OR die Pflicht zur Zahlung des Pachtzinses sowie der Nebenkosten. Hinzu kommt die Pflicht, die Sache sorgfältig und gemäss ihrer Bestimmung zu bewirtschaften (Art. 283 Abs. 1 OR). Im Gegensatz zur Miete muss der Pächter die Pachtsache gebrauchen und bewirtschaften sowie für deren nachhaltige Ertragsfähigkeit sorgen (z.B. keine Verunkrautung oder zu intensive Nutzung).806 Der Pächter ist ausserdem zum «ordentlichen» und nicht bloss zum «gewöhnlichen» Unterhalt wie im Mietrecht (s. Art. 259 OR) verpflichtet (Art.  284 Abs.  1  OR).807 Darunter fallen können z.B. Serviceleistungen (Wartung des Lifts, Entkalken eines Boilers) oder periodische Unterhaltsarbeiten wie etwa das Reinigen und Ausbessern von Zufahrtsstrassen.808 Hinsichtlich des Kündigungsschutzes bei der Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen findet das Mietrecht sinngemäss Anwendung (Art. 300 Abs. 1 OR). Nicht anwendbar sind hingegen die Vorschriften über die Familienwohnung (Art. 300 Abs. 2 OR); diese bleiben dem Mietrecht vorbehalten.

805 806 807 808

994

Bundesgesetz vom 4. Oktober 1985 über die landwirtschaftliche Pacht (SR 221.213.2). KuKo OR-Blumer, Art. 281–285 N 3; Koller, OR BT, § 11 N 20. ZK OR-Higi, Art. 284 N 8. KuKo OR-Blumer, Art. 281–285 N 4; BSK OR-Studer/Koller, Art. 284 N 2. Allgemein zum Umfang der Unterhaltspflichten s. ZK OR-Higi, Art. 284 N 11 ff.

§ 32 Leihe (Art. 305–311 OR) und Darlehen (Art. 312–318 OR) Grundlagenliteratur Bucher, OR BT, 191 ff.; Engel, CO PS, 257 ff.; Guhl/Koller, § 45; Honsell, OR BT, 280 ff.; Koller, OR BT, §§ 12 und 13; Müller, contrats, N 1101 ff. und N 1161 ff.; Müller-Chen/ Girsberger/Droese, Kap. 5 N  1  ff.; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N  1262  ff.; Tercier/ Bieri/Carron, CO PS, N 2934 ff.

Weiterführende Literatur Bärtschi Harald, Verjährung des unbefristeten Darlehens, ius.focus 2012 Nr. 2, 8; Bertschinger Urs, Die Kündigung des verzinslichen Darlehensvertrages aus wichtigem Grund, insbesondere bei Verschlechterung der Finanzlage des Borgers, SJZ 1996,  371–375; Christ Bernhard, Der Darlehensvertrag in: Vischer Frank (Hrsg.), SPR Bd. VII/2, Basel/Stuttgart 1979, 219–276; Gauch Peter, System der Beendigung von Dauerverträgen, Diss. Freiburg 1968; Gruber Joachim, Die Kündigung des Darlehensvertrages aus wichtigem Grund, Ein Vorschlag für die Entwicklung des schweizerischen Rechts in Anlehnung an ausländische Rechtsordnungen, SJZ 1996,  26–29; Guery Michael, Die Abgrenzung des partiarischen Darlehens von der Gesellschaft mit Vergleichen zum deutschen und französischen Recht, Diss. Zürich 1999; Hürlimann-Kaup Bettina, Die privatrechtliche Gefälligkeit und ihre Rechtsfolgen, Diss. Freiburg 1999; Kramer Ernst A., Bemerkungen zu BGE 125 III 363, AJP 2000, 335–337; Maravic Deborah, Schadenersatzanspruch bei Ausleihe von Bildern Dritter, ius.focus 2013 Nr. 3, 9–10; Maurenbrecher Benedikt, Das Darlehen als Dauerschuldverhältnis, Zugleich eine Besprechung von BGE 128 III 428 ff. («Fiat Lux»), recht 2003, 180–192 (zit.: Maurenbrecher, recht 2003); Maurenbrecher Benedikt, Das verzinsliche Darlehen im schweizerischen Recht, Diss. Bern 1995 (zit.: Maurenbrecher, Verzinsliches Darlehen); Meier-Hayoz Arthur/Forstmoser Peter/Sethe Rolf, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, 12. Aufl., Bern 2018; Ruedin Roland, Droit des sociétés, 2. Aufl., Bern 2007; Schmid Jörg, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2008, ZBJV 2011, 876–922; Venturi-Zen-Ruffinen Marie-Noëlle, La résiliation pour justes motifs des contrats de longue durée, Diss. Freiburg 2007; Vetter Meinrad/Gutzwiller Roman S., Voraussetzungen und Rechtsfolgen der ausserordentlichen Beendigung von Dauerschuldverhältnissen, AJP 2010, 699–714.

I.

Allgemeines

Das Gesetz unterscheidet unter dem Oberbegriff «Leihe» zwischen den Vertragsty- 3031 pen «Gebrauchsleihe» und «Darlehen». Diese Terminologie konnte sich weder im

995

5. Kapitel

Nominatverträge

alltäglichen noch im juristischen Sprachgebrauch durchsetzen. Bei der «Gebrauchsleihe» sprechen wir darum im Folgenden schlicht von «Leihe».1

II.

Leihe (Art. 305–311 OR)

1.

Begriff

3032

Bei der Leihe verpflichtet sich die Verleiherin, dem Entlehner unentgeltlich einen Gegenstand zum Gebrauch zu überlassen (Gebrauchsüberlassungsvertrag). Der Entlehner verpflichtet sich, der Verleiherin den Gegenstand nach Gebrauch zurückzugeben (s. Art. 305 OR).

3033

Mögliche Leihobjekte sind (un-)bewegliche Sachen und nutzbare Rechte (z.B. Patentrecht). Forderungen kommen mangels «Nutzbarkeit» nicht als Leihobjekte infrage.2 Im Alltag spielt die Leihe eine wichtige Rolle (z.B. die Leihe von Ferienwohnungen, Autos oder Büchern unter Verwandten und Bekannten); wirtschaftlich ist sie von eher geringer Bedeutung. Häufig betrifft sie Gegenstände von niedrigem Wert und erfolgt ausserdem unentgeltlich bzw. casually und ohne System.

3034

Die Leihe ist im Gesetz nur knapp geregelt. Um allfällige Lücken zu füllen, werden insbesondere die (geeigneten) Bestimmungen über die Miete und Pacht (Art. 253 ff. und Art. 275 ff. OR) sowie die Regeln zur Nutzniessung (Art. 745 ff. ZGB), die alle ebenfalls die Überlassung zum Gebrauch regeln, analog angewendet.3

3035

2.

Abgrenzungen

2.1

Zum Darlehen (Art. 312 ff. OR)

Im Unterschied zur Verleiherin verpflichtet sich die Darleiherin, eine bestimmte Menge vertretbarer Gegenstände zu übereignen. Der Borger muss bei Ablauf des Darlehens lediglich Gegenstände der gleichen Art zurückerstatten, in der Regel Geld (Gattungsschuld; s. Art. 312 OR). Ausserdem ist das Darlehen im Gegensatz zur Leihe nicht definitionsgemäss unentgeltlich (eventuell Zinszahlungspflicht des Borgers; s. N 3058 f.). 1

So auch Bucher, OR BT, 191; ZK OR-Higi, Art. 305 N 10; Honsell, OR BT, 280; BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Vor Art. 305–318 N 1. 2 CR CO-Bovet/Richa, Art. 305 N 8; BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 305 N 6. 3 BGE 75 II 38 E. 4 = Pra 1949 Nr. 410; ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 305–318 N 21 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2440.

996

§ 32

2.2

Leihe (Art. 305–311 OR) und Darlehen (Art. 312–318 OR)

Zur Gefälligkeit

Ob eine Sache aus reiner Gefälligkeit (s. N 78 ff.) überlassen werden kann und damit 3036 kein Vertragsverhältnis, insbesondere auch keine Leihe im Sinne von Art. 305 OR vorliegt, ist in der Lehre umstritten. Zum Teil wird die Meinung vertreten, es handle sich in der Regel dann um eine blosse Gefälligkeit, wenn die Verleiherin durch ihre Erklärung rechtlich nicht gebunden sein will.4 Indizien für den fehlenden Rechtsbindungswillen könnten unter anderem eine besonders enge Beziehung zwischen den Parteien (z.B. Konkubinatsverhältnis), eine nur kurzfristige Überlassung der Sache oder die Überlassung einer Sache von geringem Wert sein.5 Im Unterschied zum Entlehner stehe dem Gefälligkeitsempfänger bei blossen Gefälligkeitsverhältnissen kein (einklagbarer) Anspruch auf Überlassung der Sache zu.6 Eine andere Meinung sieht gerade im Umfeld der Leihe, welche begriffsnotwendig 3037 unentgeltlich ist, keinen Raum für die Annahme einer Gefälligkeit. Für die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung habe der Gesetzgeber die Leihe vorgesehen.7 Wird eine Sache mit der Vorstellung übergeben, sie sei nach dem sorgfältigen Gebrauch zurückzugeben, entstünden beim Entlehner die Hauptpflichten der Gebrauchsleihe, nämlich die Pflicht zum sorgfältigen Umgang und die Pflicht zur Rückgabe der Sache.8 Man könne deshalb nicht von einem unverbindlichen Gefälligkeitsverhältnis sprechen, sondern es sei angemessener, eine Leihe anzunehmen. Dafür spreche auch, dass für die Abgrenzung zwischen Gefälligkeit und Gebrauchsleihe vernünftige und klare Kriterien fehlen.9 Mit Blick auf die für die Verleiherin günstigen Beendigungs- und Kündigungsgründe (s.  N  3050  ff.) erscheine schliesslich die Erzwingbarkeit der Leihe nicht als ein so grosser Nachteil, dass neben der Leihe auch die Gefälligkeit erforderlich sei. Zu den beiden Meinungen ist Folgendes anzumerken: Grundsätzlich muss vor 3038 Übergabe des Gegenstands neben der Leihe auch Gefälligkeit vorliegen können (s. N 1662 ff.). Menschliches Handeln darf nicht einfach ohne Grund und eo ipso mit Verbindlichkeit belegt werden. Zur Beurteilung, ob eine verbindliche Vereinbarung, also ein Rechtsgeschäft vorliegt, darf aber umgekehrt auch nicht nur auf den Willen, sondern es muss nach dem Vertrauensprinzip auch auf den Anschein abgestellt werden. Dies ist keine Besonderheit der Leihe, sondern gilt generell: Nicht nur der natürliche, sondern auch der normative Konsens (s. N 249 f.) bindet. Wird die Sache jedoch tatsächlich übergeben, besteht kein Raum mehr für die Annahme 4 BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 305 N 5b. 5 S. Hürlimann-Kaup, N 181 f., wobei die Autorin davon ausgeht, dass grundsätzlich eine Gebrauchsleihe anzunehmen ist und unentgeltliche Gebrauchsüberlassungen nur in Ausnahmefällen als Gefälligkeiten zu qualifizieren sind. 6 S. BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 305 N 11. 7 ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 305–311 N 29; ähnlich Hürlimann-Kaup, N 181. 8 ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 305–311 N 26. 9 Nach Hürlimann-Kaup, N 182, bestehen lediglich Indizien.

997

5. Kapitel

Nominatverträge

einer Gefälligkeit. Wer eine Sache unentgeltlich mit der Vorstellung zum Gebrauch überlässt, sie wiederzuerlangen, handelt im vertraglichen Kontext. Die Verleiherin bringt damit ihren Willen zum Ausdruck, sich rechtlich binden zu wollen. Hat sie dagegen keinen Rückübertragungswillen, so erbringt sie eine Zuwendung zugunsten des Entlehners. Daraus kann in der Regel abgeleitet werden, dass die Verleiherin dem Entlehner das Eigentum an der Sache übertragen will; es liegt mithin eine Schenkung vor (Art. 243 ff. OR; s. N 3039 und N 2847 ff.). 2.3 3039

Eine Schenkung (Art. 239 ff. OR) unterscheidet sich von der Leihe durch die Schenkungsabsicht und den damit verbundenen Willen, das Eigentum an der verschenkten Sache zu übertragen.10 Auch die Beschenkte will unentgeltlich Eigentümerin der Sache werden. Um Leihe handelt es sich daher stets dann, wenn die Parteien – explizit oder implizit – die Rückerstattung eines Leihobjekts vereinbart haben. 2.4

3040

Zur Hinterlegung (Art. 472 ff. OR)

Bei der Hinterlegung (Art. 472 ff. OR) darf der Aufbewahrer die Sache nicht gebrauchen: Die Hinterlegung erfolgt im Interesse der Hinterlegerin, während die Leihe auf das Interesse des Entlehners ausgerichtet ist.12 Die Hinterlegung kann, muss aber nicht unentgeltlich erfolgen (Art. 472 Abs. 2 OR); die Leihe ist dagegen zwingend unentgeltlich. 2.6

3042

Zur Miete (Art. 253 ff. OR)

Die Miete (Art. 253 ff. OR) ist im Gegensatz zur Leihe entgeltlich.11 Lässt man jemanden unentgeltlich in seiner Wohnung logieren, leiht man ihm daher die Räumlichkeiten. 2.5

3041

Zur Schenkung (Art. 239 ff. OR)

Zur Nutzniessung (Art. 745 ff. ZGB)

Die Nutzniessung (Art. 745 ff. ZGB) verleiht dem Nutzniesser dingliche Rechte an der Sache. Die Leihe hingegen gewährt dem Entlehner nur obligatorische Rechte.13

10 11

Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2454. BGE 136 III 186 E. 3.2.3 = Pra 2010 Nr. 113; Engel, CO PS, 259; BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 305 N 3. 12 Guhl/Koller, § 45 N 3; Honsell, OR BT, 281. 13 CR CO-Bovet/Richa, Art.  305 N  3; BSK  OR-Schärer/Maurenbrecher, Art.  305 N  5; Schmid/ Stöckli/Krauskopf, N 1273.

998

§ 32

Leihe (Art. 305–311 OR) und Darlehen (Art. 312–318 OR)

3.

Rechte und Pflichten des Entlehners

3.1

Beschränktes Gebrauchsrecht (Art. 306 Abs. 1 und Abs. 2 OR)

Der Entlehner hat gegenüber der Verleiherin einen Anspruch auf Herausgabe 3043 des Gegenstands zum Gebrauch (nicht aber zum Verbrauch). Der Umfang des Gebrauchsrechts wird grundsätzlich nach Massgabe des Vertrages bestimmt. Fehlt eine entsprechende Abrede, ergibt sich der Zweck aus der Beschaffenheit und der Funktion des Leihobjekts (Art. 306 Abs. 1 OR). Der Entlehner ist verpflichtet, sorgfältig mit dem entliehenen Gegenstand umzuge- 3044 hen. Er darf diesen nicht weiterverleihen (Art. 306 Abs. 2 OR), veräussern oder dergleichen. Die während der Leihe angefallenen Erträge gehören ihm in Analogie zu Art. 756 Abs. 1 ZGB.14 Vertraglich ist aber auch eine andere Lösung möglich. Für die Analogie spricht im Zweifelsfall, dass das Gesetz den Entlehner auch die Kosten tragen lässt (Art. 307 Abs. 1 OR). Auch dies kann aber anders vereinbart werden. 3.2

Haftung des Entlehners (Art. 306 Abs. 3 und Art. 97 ff. OR)

Bei Vertragsverletzungen haftet der Entlehner nach Art. 97 ff. OR für den Schaden, 3045 welcher der Verleiherin entstanden ist15, und zwar gemäss Art. 99 Abs. 1 OR für jedes Verschulden.16 Hat der Entlehner von der geliehenen Sache einen vertragswidrigen Gebrauch gemacht, sei es, indem er die Sache nicht wie vertraglich vereinbart benutzt, diese unsorgfältig gebraucht oder sie einem Dritten zum Gebrauch überlassen hat, so sieht das Gesetz in Art. 306 Abs. 3 OR auch eine Zufallshaftung vor.17 Der Entlehner kann sich nur entlasten, indem er beweist, dass die Sache auch bei vertragsgemässem Gebrauch untergegangen oder beschädigt worden wäre (Art. 306 Abs. 3 OR). Entspringt aus dem vertragswidrigen Gebrauch ein Gewinn, so hat der Entlehner diesen nach Art. 423 Abs. 1 OR der Verleiherin herauszugeben.18

14 BGE 75 II 38 E. 4 = Pra 1949 Nr. 410; CR CO-Bovet/Richa, Art. 306 N 3; BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 306 N 1b; CHK OR-Schönenberger, Art. 305 N 5. 15 Ist die Verleiherin nicht Eigentümerin der Sache, erleidet sie bei deren Beschädigung nur insoweit einen Schaden, als sie von der Eigentümerin dafür belangt wird; s. dazu BGE 4A_71/2012 E.  5.4; Maravic, ius.focus 2013 Nr. 3, 9 f. 16 ZK OR-Higi, Art. 306 N 43; BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 306 N 4. 17 CR CO-Bovet/Richa, Art. 306 N 6; ZK OR-Higi, Art. 306 N 22 ff. und N 40 ff.; Honsell, OR BT, 282; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2472. 18 ZK OR-Higi, Art. 306 N 38; BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 306 N 5.

999

5. Kapitel

3.3 3046

Rückgabepflicht nach Gebrauch (Art. 305 OR)

Nach Beendigung der Leihe ist der Entlehner verpflichtet, das Leihobjekt in natura zurückzugeben (Stückschuld; Art. 305 OR).23 Für Leistungsstörungen haftet er nach Art. 306 bzw. Art. 97 ff. OR. Nach dem Gesetzeswortlaut sind Art. 107 ff. OR nur auf vollkommen zweiseitige Verträge anwendbar. Der Anwendungsbereich der genannten Normen ist aber auf alle Fälle auszudehnen, in denen die Gläubigerin ein schützenswertes Interesse daran hat, die Rechte von Art. 107–109 OR in Anspruch zu nehmen (z.B. wenn der Schuldner mit einer wesentlichen Vertragsverpflichtung in Verzug ist; s. N 949). Dies ist hier der Fall.

4. 3048

Unterhaltspflicht (Art. 307 OR)

Der Entlehner trägt die gewöhnlichen Kosten für die Erhaltung der Sache (z.B. Benzin für das Auto, Futter für die Tiere etc.; Art. 307 Abs. 1 OR). Ausserordentliche Kosten (z.B. neuer Motor für das Auto, Operation für den Hund) dagegen muss die Verleiherin übernehmen. Für die Abgrenzung der ordentlichen von den ausserordentlichen Kosten kann auf das Mietrecht (Art. 259 f. OR; s. N 2937 ff.) verwiesen werden.19 Unterlässt die Verleiherin die erforderlichen Massnahmen, ist der Entlehner berechtigt, diese selbst einzuleiten. In diesem Fall gewährt ihm Art. 307 Abs. 2 OR einen Ersatzanspruch gegenüber der Verleiherin, wobei die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA; Art. 422 OR) ergänzend herangezogen werden können.20 Hat der Entlehner Aufwendungen getätigt, welche über die gebotenen Interessen des Verleihers hinausgehen (z.B. Verschönerung oder Verbesserung der Sache), so kommen gemäss einem Teil der Lehre für einen allfälligen Ersatzanspruch Art. 423 bzw. Art. 62 ff. OR zur Anwendung.21 Nach anderer Meinung kann der Entlehner in diesen Fällen analog den Regeln der Miete (Art. 260a Abs. 3 OR) oder der Pacht (Art. 299 Abs. 2 lit. a bzw. Art. 299b Abs. 3 OR) Ersatz von der Verleiherin verlangen.22 3.4

3047

Nominatverträge

Überlassungspflicht und Haftung der Verleiherin (Art. 305 OR)

Die Verleiherin ist verpflichtet, dem Entlehner die Sache im vereinbarten Zeitpunkt zum unentgeltlichen Gebrauch zu überlassen. Erfüllt sie diese Pflicht nicht oder 19 Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2471. 20 Bucher, OR BT, 193; BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 307 N 7. 21 ZK OR-Higi, Art. 307 N 41 ff. 22 BGE 75 II 38 E. 4 = Pra 1949 Nr. 410; CR CO-Bovet/Richa, Art. 307 N 6; BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 307 N 8. 23 Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2473.

1000

§ 32

Leihe (Art. 305–311 OR) und Darlehen (Art. 312–318 OR)

nicht ordnungsgemäss, stehen dem Entlehner die Ansprüche aus Art. 305 OR auf Erfüllung bzw. aus Art. 97 ff. OR auf Schadenersatz zu. Ist die geliehene Sache mangelhaft oder gefährlich (z.B. Auto mit defekten Brem- 3049 sen oder ohne Licht, bissiger Hund etc.), so haftet die Verleiherin gestützt auf Art. 97 OR aus positiver Vertragsverletzung (wegen der Verletzung von Nebenpflichten; s. N 852 f.) für den Schaden, welcher dem Entlehner entstanden ist. Die Haftung wird aufgrund der Unentgeltlichkeit des Vertrages analog zum Schenkungsrecht (Art. 248 Abs. 1 OR) auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt.24 Zusätzlich ist Art. 99 Abs. 2 OR als Herabsetzungsgrund zu berücksichtigen (s. N 897 f.). Gleiches gilt auch beim Fehlen zugesicherter Eigenschaften. Der Entlehner hat diesfalls einen Anspruch auf Ersatz des aus dem Fehlen dieser Eigenschaft resultierenden Mangelfolgeschadens nach Art.  97 OR.25 Zu beachten ist dabei, dass es mindestens grobfahrlässig ist, eine bestimmte Eigenschaft zuzusichern, obschon man nicht weiss, ob diese tatsächlich vorliegt oder nicht. Es kann unseres Erachtens daher offenbleiben, ob eine Zusicherung eine Haftung für jedes Verschulden nach sich zieht.26

5.

Beendigung (Art. 309–311 OR)

Aufgrund der Natur der Leihe als unvollkommener zweiseitiger Vertrag liegen beim 3050 Entlehner und bei der Verleiherin unterschiedliche Situationen vor. Die Verleiherin hat kein eigenes ökonomisches Interesse an der Aufrechterhaltung des Vertrages.27 Deshalb kann der Entlehner, obwohl im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen, den Vertrag jederzeit beenden.28 Vorbehalten bleiben abweichende Vereinbarungen der Parteien und die allgemeine Schranke von Art. 2 Abs. 2 ZGB.29 Anders ist die Situation der Verleiherin zu beurteilen. Es wird diesfalls zwischen 3051 ordentlichen und ausserordentlichen Beendigungsgründen unterschieden. Ordentlich beendet wird die Leihe, sofern sie auf eine bestimmte Dauer oder zu einem bestimmten Zweck abgeschlossen wurde, mit Ablauf dieser Dauer oder beim Abschluss des vereinbarten Gebrauchs (Art. 309 Abs. 1 OR). Ist die Dauer im letzteren Fall unbestimmt, lässt sich die Leihe auch nach Ablauf der Zeit beenden, binnen deren der vereinbarte Gebrauch hätte stattfinden sollen (Art. 309 Abs. 1 in fine OR).

24 Guhl/Koller, § 45 N 4; Honsell, OR BT, 283; s. auch Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2465. 25 ZK OR-Higi, Art. 305 N 58; BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 305 N 12; a.M. CR CO-Bovet/ Richa, Art. 306 N 7, welche eine Haftung analog Art. 248 Abs. 2 OR befürworten. 26 S. etwa ZK OR-Higi, Art. 305 N 58, welcher die Verleiherin in diesem Fall für jedes Verschulden haften lässt. 27 Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2476; s. auch ZK OR-Higi, Art. 309 N 26. 28 BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 309 N 1b; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2476. 29 BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 309 N 1b; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2476; s. auch Engel, CO PS, 264, der von einer «temps inopportun» in Analogie zu Art. 404 Abs. 2 OR spricht.

1001

5. Kapitel

Nominatverträge

3052

Kann die Dauer des Vertrages auch durch den vereinbarten Gebrauch nicht berechnet werden30 oder wurde die Leihe auf unbestimmte Dauer abgeschlossen und kein bestimmter Gebrauch vereinbart, so kann die Verleiherin den Vertrag jederzeit und mit sofortiger Wirkung kündigen und die Sache zurückfordern (Art. 310 OR). Dies gilt zwar selbst für geliehene Wohn- und Geschäftsräume, doch muss sich die Verleiherin nach Treu und Glauben verhalten und gegebenenfalls eine angemessene Frist für die Rückgabe der Sache einräumen.31

3053

Ausserordentlich wird die Leihe beendet, wenn der Entlehner vertragswidrig handelt, indem er die Sache weiter gehend gebraucht, als er darf, diese beschädigt oder einem Dritten überlässt. In diesen Fällen kann die Verleiherin die Sache jederzeit zurückfordern (Art.  309 Abs.  2  OR). Das gleiche Recht steht ihr zu, falls sie aus unvorhergesehenen, dringenden Gründen selbst der Sache bedarf (Art. 309 Abs. 2 in fine OR). Der Eigenbedarf darf nicht vorhersehbar gewesen sein, er muss objektiv geboten und zeitlich dringlich sein.32 Eine Interessenabwägung sollte ebenfalls erfolgen, wobei ausnahmsweise das Interesse des Entlehners (zumindest kurzfristig) überwiegen kann.33 Diese Beendigungsgründe kommen nur dann infrage, wenn der Vertrag zu einem bestimmten Zweck oder für eine bestimmte Zeit abgeschlossen wurde; ansonsten steht der Verleiherin immer das ordentliche Kündigungsrecht nach Art. 310 OR zu.

3054

Der Tod des Entlehners beendet das Vertragsverhältnis ex lege, die Erben sind zur Herausgabe der Sache verpflichtet (Art.  311  OR). Der Tod der Verleiherin hingegen zeitigt keine entsprechenden Rechtsfolgen (Art.  311  OR e contrario); ihre Gebrauchsüberlassungspflicht wird also passiv vererbt.34 Jedoch kann sich aus diesem Fall ein weiterer wichtiger Grund für die ausserordentliche Beendigung ergeben, so z.B. der Eigenbedarf der Verleiherin gemäss Art. 309 Abs. 2 OR.35

30 S.  BGE 4A_273/2012 E.  5.2; 125 III 363 E.  2h = Pra 2000 Nr.  118; s. auch Kommentar von Kramer, AJP 2000, 336 f. 31 KGer St. Gallen, SJZ 2001, 16; CHK OR-Schönenberger, Art. 309–311 N 3; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2479. 32 Zum Ganzen ZK OR-Higi, Art. 309 N 73 ff. 33 BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 309 N 3; CHK OR-Schönenberger, Art. 309–311 N 4. 34 Bucher, OR BT, 194. 35 CR CO-Bovet/Richa, Art.  311 N  2; BSK  OR-Schärer/Maurenbrecher, Art.  311 N  2; CHK  ORSchönenberger, Art. 309–311 N 5.

1002

§ 32

Leihe (Art. 305–311 OR) und Darlehen (Art. 312–318 OR)

III.

Darlehen (Art. 312–318 OR)

1.

Begriff

Beim Darlehen verpflichtet sich die Darleiherin zur Übertragung des Eigentums an einer Summe Geldes oder an anderen vertretbaren Sachen während einer gewissen Zeit. Der Borger wird im Gegenzug zur Rückerstattung von Sachen der gleichen Art und Menge verpflichtet (s. Art. 312 OR).1

2.

Arten

2.1

Befristetes und unbefristetes Darlehen

3055

Ein befristetes Darlehen ist nach Ablauf der vereinbarten Zeitspanne zurückzuer- 3056 statten. Soll das Darlehen erst zurückbezahlt werden, wenn es das Geschäftsergebnis gestattet, liegt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ebenfalls ein befristetes Darlehen vor. In diesem Fall ist nämlich die Mindestdauer bestimmbar: Die Darleiherin ist verpflichtet, mit der Rückforderung so lange zu warten, bis das Geschäftsergebnis die Rückzahlung erlaubt.37 Ein Darlehen gilt also auch dann als befristet, wenn dessen Dauer zwar nicht bestimmt, aber zumindest bestimmbar ist.38 Das unbefristete Darlehen endet durch Kündigung, wobei die vereinbarte Kündi- 3057 gungsfrist zu beachten ist. Wurde keine solche abgemacht, muss der Borger die Darlehensvaluta innert einer Frist von sechs Wochen ab Aufforderung durch die Darleiherin zurückerstatten (Art. 318 OR). 2.2

Verzinsliches und unverzinsliches Darlehen (Art. 313 OR)

Im gewöhnlichen (nicht kaufmännischen) Verkehr ist das Darlehen nur bei entspre- 3058 chender Vereinbarung verzinslich (Art. 313 Abs. 1 OR). Im kaufmännischen Verkehr dagegen ist das Darlehen vermutungsweise verzins- 3059 lich (Art. 313 Abs. 2 OR). Ob ein Darlehen kaufmännischer Art ist, entscheidet sich primär nach der Funktion des Geschäfts (objektives Element) und sekundär nach den beteiligten Personen (subjektives Element). Unter das kaufmännische Darlehen fallen sowohl das Darlehen einer Geldgeberin, die gewerbsmässig Geld ausleiht (z.B. Bank), als auch jenes an einen Borger, der das Darlehen seinerseits zu 36 37 38

Zur Definition s. BGE 131 III 268 E. 4.2 = Pra 2006 Nr. 19, und ZK OR-Higi, Art. 312 N 20 ff. BGE 76 II 144 E. 4. BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 318 N 3.

1003

5. Kapitel

Nominatverträge

kaufmännischen Zwecken verwendet (für sein Geschäft oder Gewerbe).39 Subjektiv betrachtet liegt kaufmännischer Verkehr vor, wenn die am Vertrag beteiligten Personen geschäftsgewandt sind. Als geschäftsgewandt gelten alle natürlichen und juristischen Personen, die eine Geschäftstätigkeit mit kaufmännischen und/oder gewerblichen Zwecken verfolgen.40 Andere subjektive Merkmale der Parteien wie der Eintrag im Handelsregister werden nicht zwingend vorausgesetzt. Die Definition des kaufmännischen Verkehrs in anderen Bestimmungen – wie beispielsweise beim Kauf (Art. 190 Abs. 1 und Art. 215 OR) – ist nicht identisch mit der beim Darlehen gebräuchlichen Umschreibung.41 Dieser Umstand trägt nicht gerade zur Rechtssicherheit bei. 3060

Beim verzinslichen Darlehen liegt ein synallagmatischer Vertrag vor, wobei die Zinszahlungspflicht das Synallagma zur Pflicht zur Darlehensgewährung bildet.42 Die Pflicht zur Aushändigung bzw. Rückerstattung der Darlehenssumme begründet für sich allein noch kein Synallagma.43 2.3

3061

Bei Sach- oder Naturaldarlehen (z.B. Gold, Wertschriften, Lebensmittel) muss die Darleiherin dem Borger das Eigentum an der Sache in der vereinbarten Qualität verschaffen. Die Darleiherin hat gegenüber dem Borger nach herrschender Lehre gemäss Art. 97 ff. OR für Schlechterfüllung einzustehen.44 2.4

3062

Sach- bzw. Naturaldarlehen (Art. 312 OR)

Partiarisches Darlehen

Das spezifische Merkmal dieser Darlehensart liegt in der Vereinbarung einer partiarischen Vergütung: Neben oder anstelle eines Zinses (Art.  314  OR) wird die Darleiherin anteilsmässig an dem vom Borger erwirtschafteten Gewinn beteiligt (s. N 3065).45 Diese Beteiligung unterscheidet sich von einem Zins insofern, als sie gewinnabhängig ist und anhand des Gewinns berechnet wird. Zinsen hingegen sind unabhängig von einem Gewinn immer geschuldet und werden nach der Höhe des Darlehens berechnet.46 39 40 41 42 43 44 45 46

1004

CHK OR-Schönenberger, Art. 313–314 N 1; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2543. ZK OR-Higi, Art. 313 N 11; BK OR-Weber, Art. 313 N 45. CR CO-Bovet/Richa, Art. 313 N 3; BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 313 N 3. BGE 136 III 247 E. 5; Maurenbrecher, Verzinsliches Darlehen, 64 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2505; BK OR-Weber, Vorb. zu Art. 312–318 N 17 ff.; anders noch BGE 93 II 189 E. b; 80 II 327 E. 4a. BGE 136 III 247 E. 5; CHK OR-Schönenberger, Art. 312 N 1; BK OR-Weber, Vorb. zu Art. 312–318 N 17 ff. Ausführlich dazu ZK  OR-Higi, Art.  312 N  59  ff.; BSK  OR-Schärer/Maurenbrecher, Art.  312 N  8; BK OR-Weber, Art. 312 N 37. Guery, 2; eingehend zur Abgrenzung BK OR-Weber, Vorb. zu Art. 312–318 N 37 ff. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2539.

§ 32

2.5

Leihe (Art. 305–311 OR) und Darlehen (Art. 312–318 OR)

Wertpapierdarlehen (securities lending)

Bei einem Wertpapierdarlehen überlässt die Darleiherin dem Borger gegen Entgelt 3063 (lending fee) Wertpapiere, um nach Beendigung der vereinbarten Zeitspanne Wertpapiere gleicher Art und Menge vom Borger zurückzuerhalten.47 Es handelt sich um ein Naturaldarlehen, das von der Hingabe von Wertpapieren an Geldes statt nach Art. 317 OR zu unterscheiden ist.

3.

Abgrenzungen

3.1

Zur Leihe (Art. 305 ff. OR) und zur Miete (Art. 253 ff. OR)

Bei der Leihe und bei der Miete ist nach Ablauf der Vertragsdauer das Leih- bzw. 3064 Mietobjekt selbst zurückzugeben (species); dagegen muss der Borger vertretbare Sachen (genus) erstatten.48 3.2

Zur Gefälligkeit

Die Gefälligkeit ist begriffsnotwendig unentgeltlich.49 Die Frage nach einer Abgren- 3064a zung zwischen Gefälligkeit und Darlehen stellt sich daher nur beim unverzinslichen bzw. unentgeltlichen Darlehen. In der Lehre wird das unentgeltliche Darlehen zum Teil als Vertrag mit Gefälligkeitscharakter qualifiziert.50 Als Beispiel wird hier jeweils das «Eierausleihen» genannt, bei welchem ein Nachbar dem anderen mit einigen Eiern oder anderen kleinen Artikeln wie Milch, Salz oder Reibkäse aushilft.51 Nach den Vertretern dieser Lehrmeinung liegt hier grundsätzlich keine Gefälligkeit, sondern ein Naturaldarlehen vor. Gemäss einer anderen Ansicht soll nach den allgemeinen Regeln beurteilt werden, 3064b ob es sich im Einzelfall um eine blosse Gefälligkeitshandlung oder um ein unentgeltliches Darlehen handelt. Es sei nicht einzusehen, weshalb hier keine Abgrenzung erfolgen soll, da die Konstellation nicht anders zu charakterisieren sei als jene, die bei der Gebrauchsüberlassung vorliege (s. N 3036 ff.).52 Nach unserer Auffassung ist – wie zuvor schon bei der Leihe (s. N 3038) – wie folgt 3064c zu argumentieren: Grundsätzlich muss ausser Darlehen auch Gefälligkeit vorlie47

BGE 99 II 303 E.  4a = Pra 1974 Nr.  31, wonach der Darleiherin zur Überprüfung ihres Beteiligungsanspruchs ein gewisses Aufsichtsrecht über die Tätigkeit des Borgers zusteht; CR CO-Bovet/Richa, Art. 312 N 19; Honsell, OR BT, 284. 48 Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2509. 49 Hürlimann-Kaup, N 11. 50 BK OR-Weber, Vorb. zu Art. 312–318 N 46. 51 Hürlimann-Kaup, N 188 mit den entsprechenden Verweisen. 52 Hürlimann-Kaup, N 188 ff.; kritisch hierzu ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 312–318 N 33 ff.

1005

5. Kapitel

Nominatverträge

gen können. Menschliches Handeln darf nicht einfach ohne Grund und eo ipso mit Verbindlichkeit belegt werden. Es darf aber auch nicht «mechanisch» vom Gegenteil ausgegangen werden. Die Abgrenzungsfrage wird sich im vorliegenden Kontext allerdings vergleichsweise selten stellen, weil bei der Hingabe von Geld – zumindest wenn die Summe nicht trivial ist (z.B. also nicht bei Hingabe eines Frankens für Parkuhr) – regelmässig von einem Bindungswillen der Darleiherin auszugehen ist.53 3.3 3065

Im Gegensatz zum Darlehen beteiligen sich bei der einfachen Gesellschaft sowohl der Geldgeber als auch sein(e) Partner an der Erreichung eines Zwecks mit gemeinsamen Kräften und Mitteln. Ein zentrales Unterscheidungskriterium ist somit der animus societatis, der bei den einfachen Gesellschaftern per definitionem gegeben sein muss.54 Weitere Indizien für das Vorliegen einer einfachen Gesellschaft können insbesondere Mitwirkungs- und Kontrollrechte des Geldgebers55, aber auch eine Beteiligung am Verlust56 sein. Die rechtlichen Konsequenzen dieser Abgrenzung sind insbesondere die Solidarität und Verlustbeteiligung unter den einfachen Gesellschaftern. Borger und Geldgeber werden auch bei einer allenfalls nur stillen Gesellschaft zu Gesellschaftern. Ihre gegenseitigen Ansprüche tragen die Gesellschafter über die actio pro socio aus.57 3.4

3066

Zur einfachen Gesellschaft (Art. 530 ff. OR)

Zum Kauf (Art. 184 ff. OR) und zur Schenkung (Art. 239 ff. OR)

Sowohl beim Kauf, bei der Schenkung wie auch beim Darlehen wird das Eigentum an einer Sache übertragen. Der Zweck der Vereinbarung ist jedoch ein anderer: Der Borger erhält die Sache nur auf Zeit und ist – neben dem Zins – zur Rückerstattung verpflichtet, währenddessen beim Kauf und bei der Schenkung das Übertragungsobjekt endgültig übertragen wird.58 Eine solche Unterscheidung ist bisweilen schwierig59 und hängt vom Willen der Parteien bei Vertragsschluss ab.60 Dieser ist auszulegen und allfällige Lücken sind zu füllen.

53 54 55 56 57 58 59 60

1006

So auch Hürlimann-Kaup, N 191. BGE 4C.173/2006 E. 3; 99 II 303 E. 4 = Pra 1974 Nr. 31; Engel, CO PS, 278; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6844. BGE 4A_509/2010 E. 5.2; Meier-Hayoz/Forstmoser/Sethe, § 15 N 7; BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 312 N 43. BGE 99 II 303 E. 4 = Pra 1974 Nr. 31; ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 312–318 N 59; a.M. Guery, 73 ff. Ruedin, N 835. BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 312 N 47; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2508; s. auch BGE 144 III 93 E. 5.1.1. S. BGE 89 II 410 E. 3; weitere Beispiele bei ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 312–318 N 47. BGE 144 III 93 E. 5; 83 II 209 E. 2 = Pra 1957 Nr. 81; ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 312–318 N 48.

§ 32

Leihe (Art. 305–311 OR) und Darlehen (Art. 312–318 OR)

4.

Rechte und Pflichten der Darleiherin

4.1

Pflicht zur Übergabe und Überlassung der Darlehensvaluta (Art. 312 OR)

Die Darleiherin ist verpflichtet, dem Borger die Valuta zu übergeben und ihm den 3067 Wert der Valuta bis zum Vertragsende zu überlassen.61 Obschon nicht ausdrücklich in Art. 312 OR erwähnt, handelt es sich beim Darlehen um ein Dauerschuldverhältnis. Denn es verpflichtet die Darleiherin, die Darlehensvaluta, namentlich deren Kapitalwert, dem Borger während eines gewissen Zeitraums zum ungestörten Gebrauch zu überlassen, unabhängig davon, ob das Darlehen verzinslich oder unverzinslich ist.62 Auch ein unverzinsliches Darlehen kann demnach aus wichtigem Grund gekündigt werden (s. dazu N 3086). 4.2

Zinsanspruch (Art. 313 und Art. 314 OR)

Die Darleiherin hat, falls vereinbart (Art. 313 Abs. 1 OR) oder – im Rahmen des 3068 kaufmännischen Verkehrs – nicht ausdrücklich ausgeschlossen (Art. 313 Abs. 2 OR), Anspruch auf Zinsen (Art. 313 f. OR; s. N 3058 ff., N 3075). 4.3

Anspruch auf Rückzahlung bzw. Rückerstattung (Art. 312 OR)

Die Darleiherin hat ein Recht auf Rückzahlung der Darlehensvaluta bzw. auf die Rückerstattung von Sachen der nämlichen Art in gleicher Menge und Güte (Art. 312 OR). 4.4

3069

Rücktrittsrecht (Art. 316 OR)

Haben die Parteien einen gültigen Darlehensvertrag abgeschlossen und hat die 3070 Darleiherin ihre Leistung noch nicht erbracht, kann sie vom Vertrag zurücktreten, wenn der Borger seit dem Vertragsabschluss zahlungsunfähig geworden ist. Wurde die Darlehensvaluta bereits vollständig ausbezahlt, ist eine analoge Anwendung von Art.  316  OR gemäss Bundesgericht ausgeschlossen.63 Mit Blick auf die vollständig ausbezahlte Darlehenssumme hielt das Bundesgericht fest, dass es sich bei Art. 316 OR wie auch bei Art. 83 OR lediglich um Schutzbestimmungen zugunsten der vorleistungspflichtigen Gläubigerin handle. So sei die Gläubigerin, wel61 BGE 136 III 247 E. 5; 131 III 268 E. 4.2 = Pra 2006 Nr. 19; 129 III 118 E. 2.2 = Pra 2003 Nr. 123; 128 III 428 E. 3b; ZK OR-Higi, Art. 312 N 43 ff.; BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 312 N 6; Tercier/Bieri/ Carron, CO PS, N 2520. 62 BGE 128 III 428 E.  3b; Maurenbrecher, recht 2003, 181  f.; BSK  OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 312 N 3; s. ferner auch BGE 136 III 247 E. 5 63 BGE 100 II 345 E. 4.

1007

5. Kapitel

Nominatverträge

che die Darlehenssumme bereits ausbezahlt habe, in der gleichen Lage wie jede andere Gläubigerin, die bereits erfüllt habe. Ihr bleibe daher nur die Berufung auf Art. 107 ff. OR.64 Strittig ist hingegen, ob Art. 316 OR auch bei noch nicht vollständiger Leistung der Darleiherin zur Anwendung gelangt. Das Bundesgericht hat sich bisher noch nicht zu dieser Frage geäussert. Nach der hier vertretenen Auffassung sollte die Darleiherin bezüglich des noch nicht geleisteten Darlehensteils vom Vertrag zurücktreten können:65 Weiss die Darleiherin bzw. muss sie davon ausgehen, dass der Borger seinen vertraglichen Pflichten nicht nachkommen wird, kann ihr nicht zugemutet werden, den noch ausstehenden Teil des Darlehens auszubezahlen. Ein Teilrücktritt sollte daher zulässig sein.66 Mit Bezug auf den bereits geleisteten Darlehensteil gelten dagegen weiterhin die strengeren Regeln zur Beendigung von (entgeltlichen) Darlehen (s. N 3084 ff.). 3071

3072

Es genügt, wenn die Darleiherin die Zahlungsunfähigkeit darlegt; eine Gefährdung der Vermögenslage wird im Gegensatz zu Art. 83 OR nicht verlangt.67 Nicht zwingend vorausgesetzt ist eine Konkurseröffnung oder eine fruchtlose Pfändung: Dem Borger müssen lediglich für absehbare Zeit die Geldmittel zur Befriedigung seines Gläubigers fehlen.68 Eine vorübergehende Einstellung der Zahlungen von einer gewissen Dauer muss genügen. Das gilt auch für eine Überschuldung nach Art. 725 OR.69 Die gleichen Kriterien sind anwendbar, wenn der Borger bereits vor Vertragsabschluss zahlungsunfähig geworden war, die Darleiherin aber erst nach Vertragsschluss davon erfuhr (Art. 316 Abs. 2 OR).

5.

Rechte und Pflichten des Borgers

5.1

Annahmeobliegenheit

In der Regel besteht lediglich eine Annahmeobliegenheit des Borgers. Bei Verzug des Borgers kommen alsdann die Regeln über den Gläubigerverzug (Art. 91 ff. OR; s. N 967 ff.) zur Anwendung.70 Die Darleiherin kann sich durch eine Hinterlegung im Sinne von Art. 92 Abs. 1 OR von ihrer Pflicht befreien.71 Nur ausnahmsweise hat 64 65 66 67 68 69 70 71

1008

BGE 100 II 345 E. 4. Gl.M. Christ, 239; BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 316 N 7 und N 9; BK OR-Weber, Art. 316 N 23 f.; a.M. ZK OR-Higi, Art. 316 N 32 ff. So auch BK OR-Weber, Art. 316 N 23. CR CO-Bovet/Richa, Art. 316 N 3; ZK OR-Higi, Art. 316 N 16; CHK OR-Schönenberger, Art. 316 N 3; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2525. BGE 105 II 28 E. 1 zu Art. 83 OR; 68 II 177, 179; ZK OR-Higi, Art. 316 N 14; BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 316 N 9. CR CO-Bovet/Richa, Art. 316 N 5; Bucher, OR BT, 195; CHK OR-Schönenberger, Art. 316 N 3. Bucher, OR BT, 196; Maurenbrecher, Verzinsliches Darlehen, 152; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2524; ähnlich CR CO-Bovet/Richa, Art. 315 N 2. ZK OR-Higi, Art. 312 N 48; BK OR-Weber, Art. 312 N 54.

§ 32

Leihe (Art. 305–311 OR) und Darlehen (Art. 312–318 OR)

die Darleiherin einen Anspruch auf Annahme des Darlehens (z.B. beim partiarischen Darlehen; zu den Folgen der Nichtannahme s. N 3078 f.).72 5.2

Zahlung von Zinsen und Schutz vor missbräuchlichen Zinssätzen

Ob Zinsen geschuldet sind, richtet sich nach der Vereinbarung der Parteien 3073 (Art.  313 Abs.  1  OR). Im kaufmännischen Verkehr wird die Zinszahlungspflicht vermutet (Art. 313 Abs. 2 OR). Die Höhe des Zinses wird in erster Linie von den Parteien festgelegt. Fehlt eine Vereinbarung über deren Höhe, so gilt «der zurzeit und am Orte des Darlehensempfanges für die betreffende Art von Darlehen» übliche Zinssatz (Art. 314 Abs. 1 OR). Zur Bestimmung des üblichen Zinssatzes ist insbesondere der von den Banken bei der betreffenden Art von Darlehen und in der betreffenden Region angewandte Zinssatz heranzuziehen.73 Ist für das betreffende Darlehen kein üblicher Zinssatz vorhanden oder kann dieser nicht bewiesen werden, gilt subsidiär der nach Art. 73 Abs. 1 OR vorgesehene Zinssatz von 5% analog.74 Art.  314 Abs.  3  OR verbietet grundsätzlich die vorherige Übereinkunft, wonach 3074 die Zinsen zum Kapital geschlagen und mit diesem weiter verzinst werden sollen. Diese Bestimmung dient dem Schutz des Schuldners: Bei einer solchen Abrede könnte nämlich dem Geschäftsunerfahrenen die exponentielle Vergrösserung seiner Schuld verborgen bleiben.75 Davon ausdrücklich ausgenommen sind kaufmännische Kontokorrentverhältnisse (Art.  117  OR; s.  N  744) und ähnliche Konstellationen wie etwa Verträge, bei denen eine Bank oder ein anderes Geldinstitut Schuldnerin ist (s. N 3083). Zum Schutz vor missbräuchlichen Zinsen gibt es verschiedene Vorschriften: Für 3075 Darlehen, die unter das KKG76 fallen, gilt zwingend der Höchstzinssatz von derzeit 10% (Art. 1 VKKG77 und Art. 14 KKG; s. N 3103).78 Für die übrigen Kredite ist zu beachten, dass überhöhte Zinsabreden sittenwidrig sein können (Art. 19 Abs. 2 und Art. 20 OR) oder wegen Übervorteilung (Art. 21 OR) anfechtbar sind. Sittenwidrig ist ein Zinssatz, der nach allgemeiner Anschauung aussergewöhnlich hoch ist und deshalb gegen die herrschende Moral verstösst, was unter Berücksichtigung

72 ZK OR-Higi, Art. 312 N 84; BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 315 N 3. 73 CR CO-Bovet/Richa, Art. 314 N 2; BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 314 N 3. 74 BGE 126 III 189 E. 2c = Pra 2000 Nr. 119. S. aber BGE 134 III 224 E. 7.2 = Pra 2008 Nr. 143, wonach Art. 73 Abs. 1 OR nur dann analog zur Anwendung gelangen könne, wenn die Parteien nachweislich einen höheren Zinsfuss als 5% bestimmt haben, dessen effektive Höhe aber nicht beweisen können; kritisch dazu Schmid, ZBJV 2011, 904 f.; BK OR-Weber, Art. 313 N 48 f. 75 CR CO-Bovet/Richa, Art. 314 N 5; BK OR-Weber, Art. 314 N 32. 76 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über den Konsumkredit (SR 221.214.1). 77 Verordnung vom 6. November 2002 zum Konsumkreditgesetz (SR 221.214.11). 78 Auf kantonaler Ebene können zusätzliche Zinsvorschriften bestehen. So beträgt etwa im Kanton Zürich der zulässige Höchstzinssatz 18%, sofern das Darlehen nicht dem KKG untersteht (s. § 215 EG ZGB ZH).

1009

5. Kapitel

Nominatverträge

der besonderen Umstände des Einzelfalles beurteilt werden muss.79 In Rechtsprechung und Lehre hat sich eine flexible Höchstzinssatzschwelle von ca. 18% pro Jahr etabliert.80 Ein Zinssatz von mehr als 18% kann somit grundsätzlich als sittenwidrig (Art. 19 Abs. 2 und Art. 20 OR) erachtet werden. Einige Autoren plädieren zu Recht gegen eine starre Grenze: Höhere Zinsen können z.B. durch besondere Risiken gerechtfertigt sein.81 Dabei sind der Darleiherin eingeräumte Sicherheiten ebenfalls in die Waagschale einzuwerfen.82 Ob ein Zinssatz übermässig ist, bestimmt sich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses.83 Wurde ein überhöhter Zins verabredet, so besteht die angemessene Rechtsfolge in der Regel in einer Reduktion der Höhe des Zinssatzes auf das erlaubte Mass (Art. 20 Abs. 2 OR).84 5.3 3076

Nach Beendigung des Rechtsverhältnisses ist der Borger zur Erstattung von Sachen der nämlichen Art in gleicher Menge und Güte verpflichtet (Art.  312  OR). Die Rückerstattungspflicht entsteht bereits mit dem Vertragsschluss, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass das Darlehen ausgezahlt wird (aufschiebende Bedingung; s. N 1288).85 Bei Geld geht es schlicht um die Rückzahlung der erhaltenen Summe. Die Rückerstattungspflicht ist ein zentrales Element des Darlehensvertrages; dadurch ist dieser auch klar von der Schenkung unterscheidbar (s. N 3066).86 Dennoch erfährt der Grundsatz, dass die Rückerstattung in Sachen derselben Art in gleicher Menge und Güte erfolgen muss, vereinzelt Ausnahmen: Die Parteien können vereinbaren, dass anstelle von Wertpapieren und Waren eine bestimmte oder bestimmbare Geldsumme zurückbezahlt werden muss (Art. 317 Abs. 1 OR), oder sie können, etwa beim partiarischen Darlehen, eine Verlustbeteiligung vorsehen.87

6. 3077

Rückerstattungspflicht (Art. 312 OR)

Verzug der Darleiherin

Überträgt die Darleiherin die Darlehensvaluta nicht, kann der Borger nach den Regeln über den Schuldnerverzug (Art.  102  ff.  OR) vorgehen. Weil es sich beim 79 BGE 4A_69/2014 E. 6.3.3. 80 BGE 4A_69/2014 E. 6.3.2 f.; 93 II 189 E. b; s. auch BGE 119 Ia 59 E. 7; Christ, 245; BSK OR-Schärer/ Maurenbrecher, Art. 313 N 11; KuKo OR-Schwaibold, Art. 313 N 8. 81 Honsell, OR BT, 290; BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 313 N 11; s. auch BGE 4A_69/2014 E. 6.3.3. 82 S. BGE 4A_69/2014 E. 6.3.3. 83 BGE 4C.172/2000 E. 5e. 84 BGE 4A_69/2014 E. 6; 93 II 189 E. b; Engel, CO PS, 273; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 5 N 65; BK OR-Weber, Art. 313 N 37. 85 BGE 134 III 452 E. 3.1; BK OR-Weber, Art. 312 N 27. 86 BGE 4A_12/2013 E. 2; 131 III 268 E. 4.2 = Pra 2006 Nr. 146; s. ferner auch BGE 144 III 93 E. 5; CR COBovet/Richa, Art. 312 N 4. 87 BGE 99 II 303 E. 4 = Pra 1974 Nr. 31; Maurenbrecher, Verzinsliches Darlehen, 126.

1010

§ 32

Leihe (Art. 305–311 OR) und Darlehen (Art. 312–318 OR)

verzinslichen Darlehen um einen synallagmatischen Vertrag handelt88 (s. N 3060), stehen dem Borger die Wahlrechte von Art. 107 ff. OR zur Verfügung. Die Darleiherin hat bei Verschulden nach Art. 106 OR grundsätzlich alle (adäquat kausal verursachten) Folgeschäden aus der verspäteten Valutierung zu ersetzen (z.B. Pfandverfall, Konventionalstrafen, Betreibung oder gar Konkurs).89

7.

Verzug des Borgers

7.1

Annahmeverzug

Nimmt der Borger die gehörig angebotene Darlehensvaluta nicht an, gerät er in 3078 der Regel in Gläubigerverzug (Art. 91 OR; s. N 967 ff.). Die Darleiherin kann sich mittels Hinterlegung im Sinne von Art.  92 Abs.  1  OR von ihrer Pflicht befreien. Vor allem in der älteren Lehre wurde vertreten, den Borger treffe eine Annahmepflicht, sodass auch Schuldnerverzug (Art. 102 ff. OR) eintreten könne.90 Nach der hier vertretenen Ansicht kann bei Nichtannahme oder bei Nichtgebrauch der Darlehensvaluta nur dann von einer Pflichtverletzung gesprochen werden, wenn eine Gebrauchspflicht vereinbart wurde.91 In diesem Fall kann die Darleiherin nach den Regeln von Art. 97 ff. OR vorgehen. Zinsen hat der Borger trotz Nichtannahme zu leisten. Allfällige Gewinne, insbesondere solche infolge anderweitiger Investitionen der 3079 Darlehenssumme, muss sich die Darleiherin nicht auf ihre Zinsforderung anrechnen lassen.92 Erstens fehlt sowohl im Darlehensvertragsrecht als auch im allgemeinen Verzugsrecht eine entsprechende Bestimmung. Zweitens stellt die Zahlung von Zinsen – falls vereinbart – eine Pflicht des Borgers dar, weshalb in der Zinszahlung an sich kein Schaden gesehen werden kann, welchen die Darleiherin zu mindern hätte. Eine Abrede, welche eine Anrechnung allfälliger Gewinne auf die Zinsforderung der Darleiherin vorsieht, ist aber innerhalb der gesetzlichen Schranken als zulässig anzusehen.93

88 Zur Qualifizierung des entgeltlichen bzw. des unentgeltlichen Darlehens s. BK  OR-Weber, Vorb. zu Art. 312–318 N 16 ff. m.w.H. 89 Maurenbrecher, Verzinsliches Darlehen, 213 ff.; BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 312 N 10a; BSK OR-Wiegand, Art. 106 N 1; a.M. Honsell, OR BT, 289. 90 Statt vieler Engel, CO PS, 271; s. BK OR-Weber, Art. 312 N 55 f.; Kritik bei Maurenbrecher, Verzinsliches Darlehen, 147 ff. 91 S. ZK OR-Higi, Art. 312 N 84; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2528. 92 A.M. Honsell, OR BT, 288 f. 93 BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 313 N 5.

1011

5. Kapitel

7.2

Nominatverträge

Verzug mit der Rückerstattung

3080

Ist der Borger mit der Rückzahlung der Darlehensvaluta in Verzug, schuldet er in Anwendung von Art. 104 Abs. 1 OR Verzugszins. Dieser bestimmt sich nach den allgemeinen Verzugsregeln und substituiert grundsätzlich den Vertragszins.94 So muss der Borger bei einem unverzinslichen bzw. unter 5% verzinsten Darlehen einen Verzugszins von mindestens 5% bezahlen (Art.  104 Abs.  1 und Abs.  3  OR). Haben die Parteien einen höheren vertraglichen Zins vereinbart, so bestimmt sich danach auch die Höhe des Verzugszinses (Art.  104 Abs.  2  OR). Damit der Verzug überhaupt eintritt, muss die Darleiherin den Borger in der Regel mahnen (s. Art. 102 Abs. 1 OR). Keine Mahnung ist nötig, wenn der Darlehensvertrag eine Kündigungsfrist enthält und die Kündigung gehörig vorgenommen wurde. Der Borger kommt alsdann schon mit Ablauf dieses Tages in Verzug (s. Art. 102 Abs. 2 OR).

3081

Übersteigt der (Verspätungs-)Schaden (der Darleiherin) die Höhe des geschuldeten Verzugszinses, so ist der Borger bei Verschulden des Verzugs verpflichtet, für den (adäquat kausal verursachten) Schaden einzustehen (Art. 106 OR). Insbesondere bei Finanzinstituten tendiert die Rechtsprechung dazu, eine abstrakte Schadensberechnung zu erlauben. Danach genügt der Beweis, dass mit dem geschuldeten Geldbetrag auf dem Kapitalmarkt höhere Renditen hätten erzielt werden können.95 7.3

Verzug mit der Zinszahlungspflicht

3082

Die Zinszahlungspflicht stellt die vertragliche Gegenleistung des Borgers dar. Beim Verzug des Borgers bezüglich der Zinszahlung stehen der Darleiherin die Wahlrechte von Art. 107 ff. OR zur Verfügung. Sie kann entsprechend auch vom Vertrag zurücktreten.96

3083

Art.  314 Abs.  3  OR verbietet nur die vorgängige Vereinbarung von Zinseszinsen. Beim Verzug des Borgers mit der Zinszahlungspflicht ist die Berechnung von Verzugszinsen ab Betreibung oder Klageerhebung nach Art. 105 Abs. 1 OR dagegen nicht ausgeschlossen.97

8. 3084

Beendigung

Das Gesetz regelt die Beendigung des Darlehensvertrages nur implizit. Der Darlehensvertrag als Dauerschuldverhältnis kann sowohl ordentlich als auch ausserordentlich beendigt werden. 94 95 96 97

1012

ZK OR-Higi, Art. 312 N 69; BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 312 N 14. BGE 130 III 312 E. 7.1; 123 III 241 E. 4b; s. KuKo OR-Thier, Art. 106 N 2. BGE 100 II 345 E. 3. So auch ZK OR-Higi, Art. 314 N 39; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2555.

§ 32

8.1

Leihe (Art. 305–311 OR) und Darlehen (Art. 312–318 OR)

Ordentliche Beendigung

Den Parteien steht es gemäss Art. 318 OR frei, für das Darlehen einen bestimmten 3085 bzw. bestimmbaren Rückzahlungstermin, eine Kündigungsfrist oder einen Verfall auf beliebige Aufforderung hin zu vereinbaren. In diesen Fällen endet der Darlehensvertrag durch Zeitablauf oder Kündigung, wobei die vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen einzuhalten sind. Art. 318 OR lässt den Parteien damit grundsätzlich die Freiheit, die Zeit der Rückzahlung des Darlehens frei zu vereinbaren. Selbstverständlich sind dabei die Schranken von Art. 27 ZGB zu beachten.98 Wurde das Darlehen ausnahmsweise unbefristet, das heisst auf unbestimmte Zeit und ohne Kündigungsvereinbarung abgeschlossen, muss der Borger die Darlehensvaluta innert sechs Wochen ab erster Aufforderung zurückerstatten (Art. 318 OR; s. zum befristeten und unbefristeten Darlehen auch N 3056 f.). 8.2

Ausserordentliche Beendigung

Die Parteien können Gründe für eine ausserordentliche Beendigung vertraglich 3086 vorsehen. Weiter ist allgemein anerkannt, dass Dauerschuldverhältnisse aus wichtigem Grund ausserordentlich gekündigt werden können (s. N 60 und N 797).99 Da es sich beim Darlehen um ein Dauerschuldverhältnis handelt (s. N 3067), wird diese Möglichkeit für das Darlehen ebenfalls mehrheitlich bejaht.100 Kontrovers ist aber, was unter «wichtigem Grund» zu verstehen ist. Bei Dauerschuldverhältnissen wird ein solcher angenommen, wenn einer oder beiden Parteien die Fortsetzung des Vertrages nach Treu und Glauben (Art. 2 Abs. 1 ZGB) nicht mehr zugemutet werden kann oder wenn die Weiterführung zu einer unzumutbaren Einschränkung der Persönlichkeitsrechte führen würde (Art. 27 ZGB).101 Das Gericht entscheidet nach sei98 S. BGE 76 II 144 E. 4, in welchem das Bundesgericht die Auffassung vertrat, dass zwar die Darleiherin, nicht aber der Borger gänzlich auf ihre bzw. seine Kündigungsmöglichkeit verzichten könne. In den neueren BGE 125 III 363 E. 2d = Pra 2000 Nr. 118 und BGE 114 II 159 E. 2a hielt das Bundesgericht jedoch fest, dass ewige Verträge generell unzulässig seien. Diese Rechtsprechung muss unseres Erachtens auch auf den Darlehensvertrag angewendet werden. Es ist nicht ersichtlich, wieso für die Darleiherin eine übermässige Bindung nach Art. 27 ZGB «ausser Frage» stehen soll. Vielmehr sind die Umstände des Einzelfalls (insbesondere, ob ein verzinsliches oder unverzinsliches Darlehen vorliegt) zu berücksichtigen, und es ist bezüglich jeder Partei zu beurteilen, ob eine Vereinbarung Art. 27 ZGB zuwiderläuft. 99 BGE 138 III 304 E. 7; 128 III 428 E. 3; 122 III 262 E. 2a aa. 100 BGE 128 III 428 E. 3c; CR CO-Bovet/Richa, Art. 318 N 5; Gauch, 188 f. und 193 f.; Gruber, SJZ 1996, 26 ff.; ZK OR-Higi, Art. 318 N 48 ff.; Maurenbrecher, recht 2003, 181 f.; BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 318 N 24; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2563; Venturi-Zen-Ruffinen, N 113 und N 1114 f.; BK OR-Weber, Art. 318 N 47 ff.; differenzierend Engel, CO PS, 277; kritisch Bucher, OR BT, 196 f., und Christ, 257. 101 BGE 4C.67/2006 E. 2.1; 128 III 428 E. 3c; s. Venturi-Zen-Ruffinen, N 374 ff.; Vetter/Gutzwiller, AJP 2010, 704. Anschaulich auch der OR 2020-Entwurf, welcher in Art. 145 Abs. 1 OR 2020 eine allgemein anwendbare Regel zur ausserordentlichen Kündigung von Dauerverträgen im Allgemeinen Teil des OR vorschlägt. Als wichtiger Grund soll jeder Umstand gelten, welcher die Fortsetzung des Vertrages für den Kündigenden unzumutbar werden lässt.

1013

5. Kapitel

Nominatverträge

nem Ermessen, ob ein wichtiger Grund vorliegt (Art. 4 ZGB). Die Gründe für die Unzumutbarkeit können wirtschaftlicher (z.B. zinsloses Darlehen mit langer Laufzeit, wenn die Darleiherin früher auf das Geld angewiesen ist) oder persönlicher (z.B. Austritt aus einer religiösen Gemeinschaft, der ein Darlehen gewährt wurde) Natur sein.102 3087

Im Vergleich zu anderen Schuldverhältnissen gelten beim entgeltlichen Darlehen strengere Massstäbe: Die Darleiherin hat das Solvenzrisiko des Borgers zu tragen.103 Folglich darf aus einer Vermögensverschlechterung oder bei drohendem Konkurs des Borgers kein Beendigungsrecht der Darleiherin abgeleitet werden (beachte aber für die Zeit vor Aushändigung der Darlehenssumme Art.  316  OR; s.  N  3070  f.). Genügte die Vermögensverschlechterung als Kündigungsgrund, würde man der Darleiherin das Privileg verschaffen, ihre noch nicht fällige Schuld noch vor Konkurs einzutreiben.104 Dies widerspräche dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung im Konkurs.

3088

Auch Veränderungen der persönlichen Verhältnisse begründen insbesondere beim entgeltlichen Darlehen nicht eo ipso einen wichtigen Grund. Beispielsweise lehnte das Bundesgericht die vorzeitige Rückzahlung eines entgeltlichen Darlehens infolge Scheidung des Borgers von der Tochter des Darleihers ab.105 Insgesamt ist massgebend, ob sich die persönliche Beziehung der Vertragspartner nachweislich im Vertrag niedergeschlagen hat. Dies ist indessen in der Regel nicht der Fall, wenn ein marktgerechter Zinssatz vereinbart wurde.106 Wurde jedoch aufgrund einer persönlichen Beziehung ein besonders vorteilhafter Darlehensvertrag abgeschlossen, so ist die Möglichkeit einer Kündigung aus wichtigem Grund bei Änderung der persönlichen Verhältnisse eher zu bejahen.

3089

Haben die Parteien für das Darlehen einen bestimmten Verwendungszweck vereinbart (z.B. Investition in ein bestimmtes Projekt, Kauf bestimmter Immobilien etc.) und ist dieser unmöglich geworden, liegt ein wichtiger Grund vor.107

102 103 104 105 106 107

1014

BGE 128 III 428 E. 4; s. BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 318 N 25; BK OR-Weber, Art. 318 N 50. Bertschinger, SJZ 1996, 374; Bucher, OR BT, 197; Honsell, OR BT, 292. Ähnlich Bertschinger, SJZ 1996, 374, der darauf hinweist, dass solche Rückzahlungen allenfalls paulianisch angefochten werden könnten (Art. 288–291 SchKG). BGE 100 II 345 E. 2. S. BK OR-Weber, Art. 318 N 51. Maurenbrecher, Verzinsliches Darlehen, 239; BK OR-Weber, Art. 318 N 54.

§ 32

9.

Leihe (Art. 305–311 OR) und Darlehen (Art. 312–318 OR)

Verjährung

Beim befristeten Darlehen beginnt die Verjährung mit Ablauf der vereinbarten Ver- 3090 tragsdauer. Die Rückgabe der Darlehenssumme kann nach Ablauf der vereinbarten Dauer gefordert werden und wird damit auch fällig (Art. 130 Abs. 1 OR). Beim unbefristeten Darlehen ist der Beginn der Verjährungsfrist insbesondere auf- 3091 grund von Art. 130 Abs. 2 OR umstritten. Das Bundesgericht108 und ein Teil der Lehre109 nehmen an, dass die Frist zu laufen beginnt, sobald die Kündigung zulässig ist. Nach dieser Auffassung verjährt der Rückerstattungsanspruch der Darleiherin, falls nicht anders von den Parteien vereinbart, innert zehn Jahren und sechs Wochen nach Aushändigung der Darlehenssumme (Art. 318 i.V.m. Art. 130 Abs. 2 und Art. 127 OR). Unter Umständen tritt somit die Verjährung ein, bevor der Rückerstattungsanspruch überhaupt fällig geworden ist.110 Ein anderer Teil der Lehre vertritt deshalb zu Recht die Meinung, dass die zehnjährige Verjährungsfrist erst mit der effektiven Beendigung des Darlehensvertrages beginnen soll (s. N 2254).111 Grundpfandgesicherte Forderungen verjähren  – im Gegensatz zu faustpfandgesi- 3092 cherten Forderungen  – nicht (Art.  807 ZGB). Jedoch kann ein Faustpfand auch nach Verjährung der Forderung noch verwertet werden (Art. 140 OR).

10. Geltung des KKG beim Konsumentendarlehen Ein Konsumentendarlehen, das heisst ein Gelddarlehen, bei dem der Borger ein 3093 Konsument ist, fällt in der Regel in den Geltungsbereich des KKG, wenn vier Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind (dazu ausführlich s. N 3095 ff.):112 • Die Darleiherin gewährt gewerbsmässig Kredite und/oder Darlehen (Art.  2 KKG);113

108 BGE 4A_181/2012 E. 2; 4A_699/2011 E. 3; 91 II 442 E. 5b; s. dazu Bärtschi, ius.focus 2012 Nr. 2, 8. 109 CR CO-Bovet/Richa, Art. 318 N 7; Bucher, OR BT, 197; ZK OR-Higi, Art. 315 N 22; Koller, OR BT, § 13 N 46 ff. 110 Honsell, OR BT, 293. 111 ZK OR-Berti, Art. 130 N 58; Honsell, OR BT, 294; Maurenbrecher, Verzinsliches Darlehen, 260 ff.; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 1326; KuKo OR-Schwaibold, Art. 318 N 11; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2535. 112 ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 312–318 N 108 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2587 ff. 113 Mit der Einführung des neuen Finanzinstitutsgesetzes sollen neu auch nicht gewerbsmässig handelnde Darleiherinnen unter das KKG fallen, welche Kredite und/oder Darlehen unter Mithilfe von sog. Crowdfunding-Plattformen gewähren (Art. 2 lit. b revKKG); s. dazu Bundesgesetz über die Finanzinstitute vom 15. Juni 2018 (Finanzinstitutsgesetz), BBl 2018 3557 ff., 3580. Das Finanzinstitutsgesetz wird voraussichtlich am 1. Januar 2020 in Kraft treten; s. Medienmitteilung vom 24. Oktober 2018, , besucht am 3. Januar 2019.

1015

5. Kapitel

Nominatverträge

• der Borger als Konsument ist eine natürliche Person, die den Kredit weder zu beruflichen noch zu gewerblichen Zwecken braucht (Art.  3 KKG; zum uneinheitlichen Begriff des Konsumenten im geltenden Recht s. N 635k);114 • dem Borger wird ein Kredit gewährt, wobei das Darlehen eine Form des Kredits im Sinne des KKG ist (Art. 1 Abs. 1 KKG); • das Darlehen fällt nicht unter einen der abschliessend aufgezählten Ausnahmetatbestände von Art. 7 KKG (unter anderem unentgeltliche Darlehen, gesicherte Darlehen, bestimmter Darlehensbetrag wird nicht überschritten etc.) oder von Art. 8 KKG (eingeschränkte Anwendung des KKG). 3094

Die Vorschriften des KKG sind zwingender Natur und haben gegenüber dem OR Vorrang (s. N 3096).115

114 115

1016

S. BGE 139 III 201 E. 2.5.2 ff., wonach ein Darlehen, das zur Finanzierung des Studiums zu beruflichen Zwecken aufgenommen wird, nicht unter den Anwendungsbereich des KKG fällt. CR CO-Favre-Bulle, Intro. à la LCC N 21.

§ 33 Konsumkreditvertrag (KKG) Grundlagenliteratur Guhl/Koller, §  45 N  14  ff. und N  29  ff.; Honsell,  OR BT, 296  ff.; Müller, contrats, N 1258 ff.; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 5 N 78 ff.; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 1332 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2566 ff.

Weiterführende Literatur Barnikol Michael, Die Schutzinstrumente des schweizerischen Konsumkreditrechts, Diss. Bern 2013; Bolli Aline, Darlehen zur Finanzierung des Studiums ist kein Konsumkredit, ius.focus 2013 Nr.  4, 88; Favre-Bulle Xavier, La nouvelle loi fédérale sur le crédit à la consommation: présentation générale et champ d’application, in: Imsand Pierre-Louis (Hrsg.), La nouvelle loi fédérale sur le crédit à la consommation, Lausanne 2002, 27–65; Fornage Anne-Christine, Vers un droit du crédit à la consommation plus responsable, JdT 2017 II, 4–46 (zit.: Fornage, JdT 2017); Fornage Anne-Christine, La mise en œuvre des droits du consommateur contractant, Étude de droit suisse avec des incursions en droit de l’Union européenne, en droit anglais, français et allemand, Diss. Fribourg 2010 (zit.: Fornage, consommateur contractant); Grandjean Jérôme, Crédit à la consommation, leasing, réserve de propriété et rapports avec le droit des poursuites et des faillites – Aspects relatifs à l’exécution forcée, JdT 2017 II, 67–85; Hess Markus, Leasing unter dem Bundesgesetz über den Konsumkredit, in: Hess Markus/Simmen Robert (Hrsg.), Das Neue Konsumkreditgesetz (KKG), Zürich 2002, 65–87; Hilty Reto M./Huguenin Claire, Schweizer Obligationenrecht 2020, Entwurf für einen neuen allgemeinen Teil, Zürich 2013 (zit.: OR 2020-BearbeiterIn); Krummenacher Peter, Konsumentenleasing, Diss. Luzern 2007; Lupi Thomann Melania, Die Anwendung des Konsumkreditgesetzes auf Miet-, Miet-Kauf- und Leasingverträge, Diss. Zürich 2003; Simmen Robert, Barkredit und Teilzahlungsverträge unter dem neuen Konsumkreditgesetz in: Hess Markus/Simmen Robert (Hrsg.), Das Neue Konsumkreditgesetz (KKG), Zürich 2002, 35–64; Stauder Bernd, Konsumkreditrecht, in: Kramer Ernst A. (Hrsg.), SPR Bd. X, Basel 2008, 217–290 (zit.: Stauder, Konsumkreditrecht); Stauder Bernd, Der Grundsatz der verantwortungsvollen Kreditvergabe, in: FS Mayer, Wien/Graz 2004, 193–212 (zit.: Stauder, Kreditvergabe); Stauder Bernd, La prévention du surendettement du consommateur: la nouvelle approche de la LCC 2001, in: Imsand Pierre-Louis (Hrsg.), La nouvelle Loi fédérale sur le crédit à la consommation, Lausanne 2002, 105–144 (zit.: Stauder, prévention); Stauder Bernd, Konsumkreditrecht, AJP 1994, 675–690 (zit.: Stauder, AJP 1994); Stengel Cornelia, Anwendungsbereich des Konsumkreditgesetzes, Diss. Zürich 2014; Tercier Pierre/Favre Pascal G., Le point sur la Partie spéciale du droit des obligations, SJZ 2014, 319–325.

1017

5. Kapitel

I.

Nominatverträge

Begriff (Art. 1 KKG)

3095

Ein Konsumkreditvertrag nach Art. 1 Abs. 1 KKG1 liegt vor, wenn eine Kreditgeberin (natürliche oder juristische Person; Art.  2 KKG) gewerbsmässig einem Konsumenten (natürliche Person; Art. 3 KKG) einen Kredit für private Zwecke in Form eines Zahlungsaufschubs, eines Darlehens oder einer ähnlichen Finanzierungshilfe gewährt oder zu gewähren verspricht.

3096

Der Konsumkreditvertrag ist nicht im Besonderen Teil des OR geregelt, sondern im Bundesgesetz vom 23.  März 2001 über den Konsumkredit (KKG). Das KKG beruht auf dem Gedanken, dass der Konsument vor Überschuldung zu schützen ist, was unter anderem damit erreicht werden soll, dass seine Zahlungsfähigkeit vor Abschluss des Vertrages geprüft wird (Art. 22 KKG).2 Namentlich sollen jene Konsumenten geschützt werden, die ihre wirtschaftliche Situation selber nicht richtig einschätzen können und sich mithilfe eines solchen Kredits Sachen leisten, für die sie nicht genügend Geld haben.3 Aufgrund dieses Schutzgedankens ist das KKG relativ zwingend, das heisst, es darf nicht zuungunsten der Konsumenten vom Gesetz abgewichen werden (Art. 37 KKG).

3097

Einen klassisch definierten Kreditvertrag gibt es nicht:4 Der Kreditbegriff im Sinne des KKG ist wirtschaftlich und funktional zu betrachten und kann demzufolge nicht einem bestimmten Vertragstypus wie beispielsweise dem Darlehensvertrag (Art. 312 OR) zugeordnet werden.5 Das KKG regelt nämlich meist nur einen Teilbereich (Kreditvergabe an einen Konsumenten) eines umfassenderen Vertrages (Kauf, Werkvertrag, Darlehen, Leasing etc.), bei welchem der Kredit die Finanzierungsfunktion im Rahmen des Hauptvertrages übernimmt. Ohne das Bestehen eines Hauptvertrages wird der Konsument folglich kaum einen Konsumkreditvertrag abschliessen wollen.

II. 3098

Geltungsbereich des KKG (Art. 1–8 KKG)

Das Gesetz gilt ausschliesslich für Verträge mit Konsumenten, das heisst mit natürlichen Personen, die für private – nicht gewerbliche oder berufliche – Zwecke einen Kredit beanspruchen (Art. 3 KKG). In BGE 139 III 201 qualifizierte das Bundesge1 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über den Konsumkredit (SR 221.214.1). 2 Stauder, prévention, 113. 3 S. Botschaft vom 14. Dezember 1998 betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über den Konsumkredit, BBl 1999 III 3155 ff., 3165; s. auch BGE 139 III 201 E. 2.5.3; Bolli, ius.focus 2013 Nr. 4, 88. 4 Lupi Thomann, 60; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 1340. 5 CR CO-Favre-Bulle, Art. 1 LCC N 11; s. auch BBl 1999 III 3173.

1018

§ 33

Konsumkreditvertrag (KKG)

richt einen Kreditnehmer, der einen Kredit zur Finanzierung seines Studiums aufnahm, nicht als Konsumenten im Sinne von Art. 3 KKG. Im Gegensatz zu einem «klassischen» Kredit für den Erwerb von Konsumgütern sei ein solcher Aus- bzw. Weiterbildungskredit in der Regel nicht übereilt abgeschlossen worden. Ausserdem setze der Wortlaut von Art. 3 KKG nicht voraus, dass im Moment der Kreditaufnahme bereits eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausgeübt werde, um die Konsumenteneigenschaft zu verneinen. Es genüge vielmehr, wenn mithilfe eines solchen Kredits eine (spätere) berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ermöglicht werden soll.6 Ist ein Konsumkreditvertrag nicht nur für die private, sondern auch für die berufli- 3098a che bzw. gewerbliche Tätigkeit des Kreditnehmers gedacht (sog. «Mischnutzung»), so ist nach der hier vertretenen Auffassung darauf abzustellen, welche Art der Nutzung überwiegt.7 Das KKG findet demnach Anwendung, wenn die private Nutzung des Kredits überwiegt oder zumindest keine völlig untergeordnete Bedeutung8 hat. Nach dem Wortlaut von Art. 3 KKG gelten einzig natürliche Personen als Konsu- 3098b menten im Sinne dieses Gesetzes. Mit anderen Worten sind sämtliche juristischen Personen vom Anwendungsbereich des KKG ausgeschlossen, selbst wenn sie nicht zu beruflichen oder gewerblichen Zwecken handeln.9 Auch ein Gewerbetreibender  – insbesondere ein kleineres oder mittleres Unternehmen  – kann sich beim Abschluss eines Konsumkreditvertrages jedoch in der gleichen Situation befinden (z.B. fehlende Geschäftserfahrung für Beurteilung des Kreditvertrages) und damit ebenso schutzbedürftig sein wie eine natürliche Person. Es wäre daher sachgerechter, auf die Schutzbedürftigkeit der einzelnen Partei statt auf den Verwendungszweck des Kredits abzustellen. Ein gesetzgeberisches Tätigwerden wäre hier wünschenswert.10 Die Kreditgeberin ist demgegenüber eine natürliche oder juristische Person, die 3098c gewerbsmässig Konsumkredite gewährt (Art.  2 KKG; s. auch Art.  4  ff. VKKG11 zu den Bewilligungsvoraussetzungen für die Kreditgewährung und die Kreditver6 7

8 9 10 11

BGE 139 III 201 E.  2, insbesondere E.  2.5.2  ff.; s. auch Stengel, N  79  ff. und N  548; Tercier/Favre, SJZ 2014, 323; kritisch CHK OR-Brunner, Art. 1–42 KKG N 28; Fornage, JdT 2017 II, 10 f. Gl.M. Barnikol, 27; Tercier Bieri/Carron, CO PS, N  2589; ähnlich auch CHK  OR-Brunner, Art. 1–42 KKG N 28. S. ferner auch Erwägung 17 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.  Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU vom 22. November 2011, Nr. L 304, 64 ff. Zur untergeordneten beruflichen bzw. gewerblichen Tätigkeit als Ausschlusskriterium s. EuGH v. 20. Januar 2005, Rs. C-464/01, Johann Gruber ./. Bay Wa AG, Slg. 2005, I-439, N 39; ferner auch Fornage, consommateur contractant, N 193 ff. Barnikol, 24 f.; Lupi Thomann, 28. Gl.M. Fornage, consommateur contractant, N 196. Verordnung vom 6. November 2002 zum Konsumkreditgesetz (SR 221.214.11).

1019

5. Kapitel

Nominatverträge

mittlung). Mit der Einführung des neuen Finanzinstitutsgesetzes (FINIG) sollen im Übrigen neu auch nicht gewerbsmässig tätige Kreditgeberinnen unter das KKG fallen, welche Kredite und/oder Darlehen unter Mithilfe von sog. CrowdfundingPlattformen (im Gesetz als «Schwarmkredit-Vermittlerinnen» bezeichnet) gewähren (Art. 2 lit. b revKKG).12 3099

Mit Bezug auf den allgemeinen sachlichen Anwendungsbereich enthält Art.  1 Abs.  1  KKG eine Aufzählung der Erscheinungsformen von Krediten. Als Kredit muss jede Leistung gelten, die in Form von Geld und in Hinblick auf eine spätere Gegenleistung erbracht wird.13 Das Gesetz nennt drei Erscheinungsformen: Es kann sich entweder um einen Kredit in Form eines Zahlungsaufschubs, eines Darlehens oder einer ähnlichen Finanzierungshilfe handeln. Mit «Zahlungsaufschub» ist eine Abweichung vom üblichen Fälligkeitstermin der Leistung zugunsten des Konsumenten gemeint, wobei der Aufschub mehr als drei Monate betragen muss (Art. 7 Abs. 1 lit. f. KKG).14 Beim «Darlehen» handelt es sich immer um eine Form von Kredit. Deshalb fallen diese Verträge per se in den Anwendungsbereich des Gesetzes, sofern die persönlichen Voraussetzungen bei den Parteien gegeben sind und keine Ausschlussgründe nach Art.  7 KKG vorliegen. Mit dem Begriff der «ähnlichen Finanzierungshilfe» schafft das Gesetz eine Auffangform. Darunter sollen alle weiteren wirtschaftlichen Kreditformen fallen, die nicht in die zwei ersten Kategorien passen, wobei vor allem die durch einen Kredit finanzierten Gebrauchsüberlassungsverträge in Betracht kommen.15

3100

Zum Anwendungsbereich des Konsumkreditgesetzes gehören explizit auch Kreditformen wie Leasing (s. N 3720 ff.), Kredit- und Kundenkarten-Geschäfte sowie Überziehungskredite: Bei Leasingverträgen kommt das KKG zur Anwendung, sofern die drei Voraussetzungen von Art. 1 Abs. 2 lit. a KKG erfüllt sind (s. dazu N 3744a). Verträge über «Kredit- und Kundenkarten» unterstehen dem Gesetz, wenn der Vertrag eine «Kreditoption» enthält, wonach der in Rechnung gestellte Betrag ratenweise zurückbezahlt werden darf (Art.  1 Abs.  2 lit.  b KKG). Nicht darunter fallen Verträge über Kredit- und Kundenkarten, die eine einmalige Rückzahlung bei periodischer Abrechnung vorsehen. Zusätzlich müssen die Ausschlussgründe von Art. 7 Abs. 1 KKG beachtet werden, insbesondere Art. 7 Abs. 1 lit. f. KKG, welcher Kreditverträge ausschliesst, nach denen den Kredit innert drei Monaten zurückbezahlt werden muss. Schliesslich fallen auch «Überziehungskredite» auf laufendem Konto in den Anwendungsbereich des Gesetzes. Damit sind Verträge gemeint, die es dem 12

S. dazu Bundesgesetz über die Finanzinstitute vom 15. Juni 2018 (Finanzinstitutsgesetz), BBl 2018 3557 ff., 3580. Das Finanzinstitutsgesetz wird voraussichtlich am 1. Januar 2020 in Kraft treten; s. Medienmitteilung des Bundesrates vom 24. Oktober 2018, , besucht am 3. Januar 2019. 13 Favre-Bulle, 37; s. auch Stengel, N 147 ff. und N 545. 14 CR CO-Favre-Bulle, Art. 1 LCC N 14; Stengel, N 152 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2591. 15 CR CO-Favre-Bulle, Art. 1 LCC N 24 und N 43 ff.; Lupi Thomann, 65.

1020

§ 33

Konsumkreditvertrag (KKG)

Konsumenten erlauben, sein Konto bis auf einen Minus-Saldo zu überziehen und diesen Betrag zuzüglich Zinsen ratenweise zurückzubezahlen. Zu beachten ist, dass das KKG auf Leasingverträge, Verträge über Kredit- und Kundenkarten mit Kreditoption sowie Überziehungskredite auf laufendem Konto nur zum Teil anwendbar ist (s. Aufzählung in Art. 8 KKG). Weitere Beschränkungen des Geltungsbereichs des KKG sind in Art. 7 KKG aufge- 3101 führt. So sind «grundpfandgesicherte» oder «mit Sicherheiten gedeckte» Kreditverträge sowie «zins- und gebührenfreie Kredite» vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgeschlossen (Art. 7 Abs. 1 lit. a, lit. b und lit. c KKG). Zudem ist das KKG nur auf Konsumkredite in der Grössenordnung zwischen CHF  500 und CHF  80 000 (Art.  7 Abs.  1 lit.  e KKG) anwendbar.16 Muss der Konsument den Kredit innert höchstens drei Monaten zurückzahlen (handelt es sich also um einen sog. Expresskredit), kommt das KKG ebenfalls nicht zur Anwendung (Art. 7 Abs. 1 lit. f. KKG).

III.

Entstehung und Gültigkeit des Vertrages (Art. 9–16 KKG)

1.

Form- und Inhaltsvorschriften (Art. 9–14 KKG)

Konsumkreditverträge unterliegen strengen gesetzlichen Formvorschriften. Sie 3102 sind schriftlich abzuschliessen (Art.  9 Abs.  1 KKG; Art.  12–15  OR) und müssen zwingend bestimmte Angaben enthalten (Art. 9 ff. KKG). Diese zentralen Bestimmungen des KKG haben den Zweck, dem Konsumenten (spätestens) vor bzw. bei Abschluss des Vertrages detaillierte Informationen zu garantieren, insbesondere betreffend die Kosten des Kredits.17 Es handelt sich dabei um formalisierte vorvertragliche Informationspflichten des Anbieters.18 Inhaltlich unterscheiden sich die verschiedenen Informationspflichten zu den «Bar- 3103 krediten» (Art. 9 KKG), Krediten «zur Finanzierung des Erwerbs von Waren oder Dienstleistungen» (Art. 10 KKG), «Leasingverträgen» (Art. 11 KKG) und «Überziehungskrediten auf laufendem Konto oder Kredit- und Kundenkartenkonto mit Kreditoption» (Art. 12 KKG). Generell muss der Anbieter dem Konsumenten immer den effektiven Jahreszins angeben (Art. 9 Abs. 2 lit. b und Art. 11 Abs. 2 lit. e KKG) und ihn über das Widerrufsrecht informieren (Art. 9 Abs. 2 lit. h und Art. 11 Abs. 2 16 Mit der Einführung des neuen Finanzinstitutsgesetzes (FINIG), welches am 1. Januar 2020 in Kraft treten soll, müssen Kredite, welche koordiniert über eine sog. Crowdfunding-Plattform gesammelt werden, zusammengezählt werden (Art. 7 Abs. 1 lit. e revKKG); s. BBl 2018 3580. Diese Form der Kreditsuche bzw. -gewährung wird in der Praxis in der Regel unter dem Begriff «Crowdlending» subsumiert. 17 Stauder, Konsumkreditrecht, 263. 18 S. CHK OR-Brunner, Art. 1–42 KKG N 38 f.; a.M. CR CO-Favre-Bulle, Art. 9 LCC N 4.

1021

5. Kapitel

Nominatverträge

lit. f. KKG). Der effektive Jahreszins drückt nach Art. 6 KKG für den Konsumenten die Gesamtkosten des Kredits (inklusive Zinsen und sonstiger Kosten gemäss Art. 5 KKG) in Jahresprozenten des gewährten Kredits aus; er wird nach den Regeln von Art. 33 und Art. 34 KKG berechnet.19 Art. 14 KKG ermächtigt den Bundesrat, den maximal zulässigen Höchstzinssatz festzulegen. Der Bundesrat hat wiederum seine Kompetenz an das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) weiterdelegiert, welches jährlich den zulässigen Höchstzinssatz bestimmt (s. Art. 1 Abs. 3 VKKG20).21 Dieser beträgt aktuell 10% für Barkredite, Verträge zur Finanzierung des Erwerbs von Waren oder Dienstleistungen und Leasingverträge bzw. 12% für Überziehungskredite auf laufendem Konto sowie Kredit- und Kundenkartenüberzüge (Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 VVKG). 3104

Bei den Krediten zur Finanzierung des Erwerbs von Waren oder Dienstleistungen muss der Vertrag unter anderem zusätzlich die einschlägigen Waren oder Dienstleistungen beschreiben und auch Angaben über den Barzahlungspreis und den Preis, der im Rahmen des Kreditvertrages zu leisten ist, enthalten (s. Art. 10 KKG).

3105

Gemäss Art. 11 KKG muss ein Leasingvertrag unter anderem die Beschreibung der Leasingsache, die Anzahl, Höhe und Fälligkeit der Leasingraten und eine «Tabelle» einschliessen. Aus der Tabelle hat hervorzugehen, was der Leasingnehmer bei einer vorzeitigen Beendigung des Leasingvertrages zusätzlich zu bezahlen hat. Auch diese Informationen sind dem Konsumenten spätestens bei Vertragsabschluss schriftlich zu übermitteln (Art. 11 KKG).

3106

Bei einem Überziehungskredit und einem Kredit- und Kundenkartenkonto mit Kreditoption müssen unter anderem Angaben über die Höchstgrenze, den Jahreszins und die Modalitäten einer allenfalls vorzeitigen Beendigung im Vertrag enthalten sein (Art. 12 KKG).

2. 3107

Rechtsfolge der Verletzung der Inhalts- oder Formvorschrift (Art. 15 KKG)

Werden die Form- und Inhaltsvorschriften nicht eingehalten, so hat dies grundsätzlich die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge (Art. 15 Abs. 1 KKG).22 Hat weder die Kreditgeberin noch der Konsument Leistungen erbracht, sind beide Parteien von ihren Verpflichtungen befreit.23 Anderenfalls richtet sich die Rückabwicklung nach den allgemeinen Regeln, wobei Art. 15 Abs. 2–4 KKG für den Kreditnehmer vorteilhaftere Rechte vorsieht, als es nach dem allgemeinen Rückleistungs- bzw. Werter19 S. zur Berechnung CHK OR-Brunner, Art. 1–42 KKG N 41 ff.; Stauder, Konsumkreditrecht, 264 ff. 20 Verordnung vom 6. November 2002 zum Konsumkreditgesetz (SR 221.214.11). 21 Obwohl Art. 14 KKG nicht explizit vom effektiven Jahreszins spricht; s. Favre-Bulle, 55. 22 S. BGE 4C.58/2006 E. 5 als Anwendungsbeispiel eines mit einem Formmangel behafteten Leasingvertrages. 23 Stauder, Konsumkreditrecht, 268.

1022

§ 33

Konsumkreditvertrag (KKG)

satzstandard üblich ist. Eine bereits empfangene Kreditsumme hat der Konsument zwar über die vereinbarte Vertragsdauer zurückzuzahlen, er schuldet dafür aber keine Zinsen und Kosten mehr. Das führt im Ergebnis dazu, dass der ursprüngliche Kreditvertrag ex lege in einen zinslosen Kredit umgewandelt wird.24 Bei einem Leasingvertrag muss der Konsument den Gegenstand zurückgeben, bleibt aber zur Zahlung der Raten, die bis zu diesem Zeitpunkt geschuldet sind, verpflichtet (Art.  15 Abs.  4 KKG; s.  N  3746). Hinsichtlich der Folgen der Nichtigkeit gehen Art. 15 Abs. 2–4 KKG den Art. 11 und Art. 20 OR als leges speciales vor.25

3.

Widerrufsrecht (Art. 16 KKG)

Die Form- und Inhaltsvorschriften des KKG garantieren zwar einen bestimmten 3108 vertraglichen Mindestinhalt, gewähren aber nicht immer ausreichenden Schutz vor einem übereilten Vertragsabschluss. Erhält der Konsument erst bei Abschluss des Vertrages von den gesetzlich verlangten Informationen Kenntnis, kann es sein, dass er die finanziellen Auswirkungen seiner Verpflichtungen unterschätzt oder sich zu einem Vertragsabschluss hinreissen lässt, dessen Konsequenzen er nicht überblickt.26 Deshalb sieht das KKG bei allen in seinen Anwendungsbereich fallenden Kreditverträgen ein Widerrufsrecht vor (Art. 16 KKG).27 Danach kann der Konsument den Vertrag während 14 Tagen schriftlich widerrufen (Art. 16 Abs. 1 KKG). Kein Widerrufsrecht besteht, wenn die Kreditgeberin eine Kontoüberziehung von mehr als drei Monaten durch den Konsumenten stillschweigend akzeptiert (Art. 12 Abs. 4 und Art. 16 Abs. 1 Satz 2 KKG). Der Konsument muss die Kreditgeberin über ihren Widerrufsentschluss informieren. Die Widerrufsfrist beginnt mit Erhalt der Vertragskopie zu laufen und gilt als gewahrt, wenn die Widerrufserklärung am letzten Tag der Widerrufsfrist der Kreditgeberin oder der Post übergeben wird (Art. 16 Abs. 2 KKG). Ein mündlicher oder elektronisch (vorbehältlich Art. 14 Abs. 2bis OR) übermittelter Widerruf genügt nach vorherrschender Lehre nicht.28 Ein anderer Teil der Lehre nimmt dagegen an, dass das Schriftformerfordernis in Art.  16 Abs.  2  KKG lediglich Beweisfunktion habe. Eine mündliche Widerrufserklärung soll demnach bereits genügen.29 Art. 16 Abs. 2 KKG eröffnet in seiner seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung zumindest neu die Möglichkeit, die Widerrufserklärung der Kreditgeberin zu übergeben. Diese muss also nicht mehr zwingend per Post verschickt werden. Eine elektronisch übermittelte Erklärung (z.B. E-Mail) sollte unse24 25 26 27

Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 1363; Stauder, Konsumkreditrecht, 268. Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 1363. S. CR CO-Favre-Bulle, Art. 16 LCC N 1; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2654. S. zum geplanten Widerrufsrecht bei der Gewährung von Krediten über sog. Crowdfunding-Plattformen Art. 16 Abs. 1bis und Abs. 2bis revKKG; s. dazu BBl 2018 3580. 28 Hess, 75; Simmen, 60; eine mündliche Widerrufserklärung ablehnend Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2660. 29 Fornage, JdT 2017, 22 f.; s. auch Stauder, Konsumkreditrecht, 270 f. und FN 292.

1023

5. Kapitel

Nominatverträge

res Erachtens daher den Anforderungen des revidierten Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 KKG genügen, ansonsten würde die in Art. 16 Abs. 2 KKG vorgenommene Ergänzung ins Leere laufen. Aus Beweisgründen empfiehlt es sich allerdings, den Vertrag schriftlich (Art. 12 ff. OR) zu widerrufen. Ist das Darlehen bereits vor dem Widerruf des Vertrages ausbezahlt worden, so bewirkt der Widerruf nach der hier vertretenen Auffassung eine Umwandlung des Vertrages in ein Liquidationsverhältnis (s. N 268 sowie N 583 und N 1317). Art. 16 Abs. 3 KKG verweist bei bereits ausbezahlten Darlehen auf Art. 15 Abs. 2 und Abs. 3 KKG. Für die Rückabwicklung im Falle eines Abzahlungskaufs, einer auf Kredit beanspruchten Dienstleistung oder eines Leasingvertrags gilt Art. 40f OR (Art. 16 Abs. 3 Satz 2 KKG). Im Falle eines missbräuchlichen Gebrauchs der Sache während der Widerrufsfrist ist der Konsument zum Bezahlen einer angemessenen Entschädigung verpflichtet, welche sich nach dem Wertverlust der Sache bemisst (Art. 16 Abs. 3 Satz 3 KKG).

IV.

Überschuldungsprävention (Art. 22–32 KKG)

3109

Zur Verbesserung des Konsumentenschutzes sieht das Gesetz ein besonderes System der Prävention, nämlich eine Kreditfähigkeitsprüfung durch die Kreditgeberin, vor. Die Überschuldungsprävention bildet den Kern des KKG (s. Art. 22 KKG).30 Die Besonderheit dieses Präventionsinstrumentes besteht darin, dass die Kreditgeberin in die Verantwortung eingebunden wird, indem ihr eine gesetzliche Sorgfaltspflicht, deren Verletzung Sanktionen nach sich zieht, auferlegt wird.31

3110

Im Einzelnen funktioniert die Kreditfähigkeitsprüfung wie folgt: Bevor ein Kredit gewährt wird, muss die Kreditgeberin abklären, ob der Kreditnehmer dazu in der Lage sein wird, den in Aussicht genommenen Kredit zurückzuzahlen (Art. 28 ff. KKG).32 Dabei darf sie sich auf die Richtigkeit der Angaben des Konsumenten verlassen (Art. 31 Abs. 1 KKG), sofern diese nicht «offensichtlich unrichtig» sind oder jenen der Informationsstelle widersprechen (Art. 31 Abs. 2 KKG). Die Kreditgeberin kann vom Konsumenten einen Betreibungsregisterauszug und einen Lohnnachweis oder bei Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit sonstige Dokumente verlangen, die über dessen Einkommen Auskunft geben (Art. 31 Abs. 1 KKG). Als Lohnnachweis gelten alle Dokumente, die geeignet sind, das Einkommen zu bele-

30 BBl 1999 III 3180; CHK OR-Brunner, Art. 1–42 KKG N 49; Stauder, Konsumkreditrecht, 248. 31 CR CO-Favre-Bulle, Art. 22 LCC N 2; Stauder, Kreditvergabe, 194. 32 Mit der Einführung des neuen Finanzinstitutsgesetzes müssen neu sowohl die gewerbsmässig tätige Kreditgeberin wie auch die Schwarmkredit-Vermittlerin die Kreditfähigkeit des Kreditnehmers prüfen, bevor ein Kredit gewährt wird (neu Art. 27a revKKG; Art. 28 Abs. 1 KKG wird aufgehoben). Beim sog. Crowdlending wird dabei geprüft, ob der Kreditnehmer alle in Aussicht gestellten Kredite zurückzahlen kann (Art. 28 Abs. 5 revKKG); s. BBl 2018 3581.

1024

§ 33

Konsumkreditvertrag (KKG)

gen.33 Bei Zweifeln muss sie die erhaltenen Angaben «anhand einschlägiger amtlicher oder privater Dokumente» auf deren Richtigkeit überprüfen, wobei sie sich nicht mit den Dokumente nach Absatz 1 begnügen darf (Art. 31 Abs. 3 KKG). Ein Konsument gilt als kreditfähig, wenn eine Rückzahlung des Kredits voraussichtlich möglich ist, ohne dass dabei der nicht pfändbare Einkommensanteil nach Art. 93 Abs. 1 SchKG34 beansprucht wird (Art. 28 Abs. 2 und Abs. 3 KKG). Bei der Beurteilung der Kreditfähigkeit geht das Gesetz von einer (rechnerischen) Amortisationszeit des Kredits von 36 Monaten aus (Art. 28 Abs. 4 KKG). Die ratio dieser Annahme liegt darin, dass der durch die Prüfung gewährte Schutz nicht durch eine lange Laufzeit mit entsprechend tiefen Raten umgangen werden können soll.35 Die tatsächliche vertragliche Laufzeit muss aber nicht 36 Monate betragen. Wird der Konsumkredit gewährt, hat die Kreditgeberin dies der Informationsstelle zu melden (s. Art. 23 ff. KKG und Art. 2 ff. VKKG zur Informationsstelle). Die Informationsstelle, die Meldepflicht und der Zugang zu den Daten stellen zusätzliche Absicherungen der Kreditfähigkeitsprüfung dar.36 Art. 32 KKG ordnet unterschiedliche Sanktionen je nach Art und Schwere des Ver- 3111 stosses gegen die Kreditfähigkeitsprüfung an: Verstösst die Kreditgeberin gegen die Art. 25, Art. 26 oder Art. 27 Abs. 1 KKG bzw. nur in geringfügiger Weise gegen die Art. 28–31 KKG, so verliert sie die Zinsen und die Kosten (Art. 32 Abs. 2 KKG).37 Bei schwerwiegenden Verstössen erhält sie zudem den gewährten Kredit nicht mehr zurück, während der Konsument die geleistete Zinszahlungen gemäss den Regeln über die ungerechtfertigte Bereicherung zurückfordern darf (Art. 32 Abs. 1 KKG). Das Gesetz präzisiert nicht, nach welchen Kriterien zwischen geringfügiger und schwerwiegender Verletzung zu unterscheiden ist.38 Es ist umstritten, ob das Kriterium des Verschuldens hier analog zur Abgrenzung herangezogen werden kann.39 Offen lässt das Gesetz ebenso die Frage, ob infolge der Verletzung der Kreditfä- 3111a higkeitsprüfung auch der zugrunde liegende Konsumkreditvertrag nichtig ist. Insbesondere stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob ein Konsument  – 33

S. Parlamentarische Initiative «Schuldprävention. Keine Werbung für Kleinkredite», Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates vom 28. Januar 2014, BBl 2014 3259 ff., 3271. 34 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SR 281.1). 35 BBl 1999 III 3184. 36 CHK OR-Brunner, Art. 1–42 KKG N 55. 37 Für das Crowdlending ist eine eigene Sanktionsordnung in Art.  32a revKKG vorgesehen: Die Schwarmkreditvermittlerin wird bei einem Verstoss gegen die Kreditfähigkeitsprüfung mit einer Busse bis zu CHF 100 000 bestraft und verliert die Zinsen und Kosten; s. BBl 2018 3582. 38 BBl 1999 III 3186; CR CO-Favre-Bulle, Art. 32 LCC N 7. S. auch Roncoroni, Jusletter 27. Mai 2013, N 35, der es den Gerichten überlassen will, geeignete Abgrenzungskriterien zu etablieren. In den zehn Jahren seit Inkrafttreten des revidierten KKG seien, so Roncoroni, aber keine Entscheide dazu veröffentlicht worden, weil die Auseinandersetzung über eine unsorgfältige Kreditfähigkeitsprüfung meist in Rechtsöffnungsverfahren geführt werde. S. ferner auch Fornage, JdT 2017 II, 34 f., die vorschlägt, dass sich die Gerichte am Ziel der Überschuldungsprävention orientieren sollen. 39 Befürwortend: CR CO-Favre-Bulle, Art. 32 LCC N 6; ablehnend: Stauder, Konsumkreditrecht, 261.

1025

5. Kapitel

Nominatverträge

trotz unterbliebener oder fehlerhafter Kreditfähigkeitsprüfung  – eine noch nicht bezahlte Darlehenssumme herausverlangen kann.40 Die Lehre ist sich über die Folgen der Pflichtverletzung auf den Konsumkreditvertrag uneinig. Ein Teil der Lehre vertritt die Ansicht, dass der zugrunde liegende Kreditvertrag (ex tunc) nichtig sei,41 während ein anderer Teil der Lehre davon ausgeht, dass der Kreditvertrag wirksam bleibe42. 3111b

Nach der hier vertretenen Auffassung ordnet Art. 32 Abs. 1 KKG die Nichtigkeit des Konsumkreditvertrages an. Für diese Qualifikation spricht die Ähnlichkeit der Sanktionen von Art. 32 KKG mit jenen von Art. 15 KKG. Art. 32 Abs. 1 KKG ordnet wie Art.  15 Abs.  2 KKG bei Nichtbeachtung der einschlägigen Vorschriften den Verlust von Zinsen und Kosten an. Während das Gesetz in Art. 32 KKG die Rechtsfolge (z.B. Nichtigkeit, Anfechtung) für das zugrunde liegende Kreditgeschäft offenlässt, sieht Art. 15 Abs. 1 KKG explizit «Nichtigkeit» als Rechtsfolge vor. Hätte der Gesetzgeber im Falle eines Verstosses gemäss Art. 32 KKG eine andere Rechtsfolge als Nichtigkeit gewollt (z.B. Anfechtung), so hätte er dies höchstwahrscheinlich ausdrücklich angeordnet. Sodann spricht auch der Hinweis der Botschaft auf Art. 20 Abs. 2 OR dafür, dass der Konsumkreditvertrag bei einer solchen Pflichtverletzung ex tunc wirkungslos sein soll.43 Zweifelhaft ist in diesem Zusammenhang der Hinweis der Botschaft auf das Leistungsverweigerungsrecht gemäss Art. 82 OR.44 Denn die Berufung auf die Einrede des nichterfüllten Vertrages setzt voraus, dass der zugrunde liegende Kreditvertrag wirksam wäre. Insgesamt geht die Botschaft aber klar von einem Leistungsverweigerungsrecht der Kreditgeberin bei noch nicht erfolgter Auszahlung der Kreditsumme aus, weshalb bei einem Verstoss gegen Art. 32 KKG von Nichtigkeit auszugehen ist.

3111c

Unseres Erachtens ist von einem flexiblen Ungültigkeitsregime auszugehen (zum Begriff der flexiblen Ungültigkeit s. N 433). Mit Blick auf den Schutzzweck des KKG ist zu ermitteln, wer sich im konkreten Fall auf die Nichtigkeit berufen können soll.45 Art. 32 KKG sanktioniert die Nichtabklärung der Kreditfähigkeit. Damit dient die Bestimmung der Überschuldungsprävention. Es scheint im Sinne der Überschuldungsprävention zu sein, dass sich auch eine fehlbare Kreditgeberin auf die Nichtigkeit des Konsumkreditvertrages berufen darf.46 Dagegen lässt sich einwenden, dass der Gesetzgeber nur die Kreditgeberin für ihr Fehlverhalten «bestrafen» wollte; der Konsument soll dagegen den Kredit behalten und bereits erbrachte Leistungen (z.B. Zinszahlungen) zurückfordern können (Art. 32 Abs. 1 KKG). Für die Vermei40 Barnikol, 213 f. 41 BK OR-Giger, Konsumkredit, N 677 ff.; Krummenacher, 242 ff. 42 Stauder, Konsumkreditrecht, 259 m.w.H.; die Entstehung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses bejahend Barnikol, 229. 43 BBl 1999 III 3187. 44 So auch Barnikol, 216. 45 S. auch OR 2020-Huguenin, Art. 30 N 30 ff. und Art. 31 N 1 ff. 46 Zur Einordnung der Sanktion in rechtspolitischer Hinsicht s. Barnikol, 231 ff.

1026

§ 33

Konsumkreditvertrag (KKG)

dung der Überschuldung sollte es aber nicht massgeblich sein, auf wessen Betreiben hin diese verhindert wird. Vielmehr sollte grundsätzlich vermieden werden, dass es zum Vertragsschluss mit einem potenziell nicht kreditfähigen Konsumenten kommt. Der Schutzzweck von Art. 32 KKG sollte die Kreditgeberin daher nicht per se vom Klägerkreis ausschliessen. Diese wäre daher auch nicht verpflichtet, den Kredit auszuzahlen.47

V.

Rechte und Pflichten der Parteien (Art. 17–21 KKG)

1.

Vorzeitige Rückzahlung (Art. 17 KKG)

Eine vorzeitige Erfüllung kann bei synallagmatischen Verträgen die Interessen der 3112 Gegenpartei verletzen. So ist beim verzinslichen Darlehen eine vorzeitige Rückzahlung desselben nach herrschender Lehre zulässig, der Borger bleibt aber zur Zahlung der Zinsen für die gesamte vereinbarte Dauer verpflichtet.48 Art. 17 Abs. 1 KKG gewährt dem Konsumenten dagegen zwingend das Recht, die Pflichten aus dem Konsumkreditvertrag auch schon vorzeitig zu erfüllen. In diesem Fall hat er für den nicht beanspruchten Zeitraum Anspruch auf Erlass der Zinsen und auf eine angemessene Reduktion der übrigen Kosten (Gebühren, Entgelt für weitere Dienstleistungen etc.; Art. 17 Abs. 2 KKG). Diese Reduktion dürfte in der Regel pro rata temporis erfolgen, kann aber auch weniger hoch ausfallen, sofern die Fixkosten im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vertrages oder dem Einsatz eines Kreditvermittlers verhältnismässig hoch waren.49 Bei der vorzeitigen Kündigung eines Leasingvertrages hat die Leasinggeberin 3113 Anspruch auf eine Entschädigung, die gemäss Tabelle (s. Art. 11 Abs. 2 lit. g KKG) zu berechnen ist (Art. 17 Abs. 3 KKG; s. N 3785).

2.

Verzug des Kreditnehmers (Art. 18 KKG)

Das KKG regelt den Verzug des Kreditnehmers nicht abschliessend, modifiziert aber 3114 die allgemeinen Verzugsregeln mit Bezug auf die Voraussetzungen für den Vertragsrücktritt und den Verzugszins. Es handelt sich hierbei um zwingende Schuld-

47 48 49

So auch BBl 1999 III 3187, welcher allerdings auf die Einrede des nichterfüllten Vertrages (Art. 82 OR) abstellt. BSK OR-Schärer/Maurenbrecher, Art. 312 N 13. CR CO-Favre-Bulle, Art. 17 LCC N 10.

1027

5. Kapitel

Nominatverträge

nerschutzvorschriften.50 Daneben bleiben der Kreditgeberin aber alle Rechte aus Art. 107 ff. OR erhalten.51 3115

Die Kreditgeberin darf erst vom Vertrag zurücktreten, wenn Teilzahlungen nicht erfolgten, die mindestens 10% des Nettobetrags des Kredits bzw. des Barzahlungspreises ausmachen (Art.  18 Abs.  1 KKG). Bei Leasingverträgen müssen mindestens drei Raten ausstehend sein (Art. 18 Abs. 2 KKG). Ein Teil der Lehre vertritt unter Hinweis auf Art. 214 Abs. 3 OR die Auffassung, dass bei einer dem Vertrag zugrunde liegenden Sachleistung die Kreditgeberin nur dann zurücktreten dürfe, wenn sie sich dieses Recht ausdrücklich vorbehalten habe.52 Nach der hier vertretenen Auffassung ist dieses zusätzliche Kriterium abzulehnen, da dieses weder dem Wortlaut von Art. 18 KKG noch den dazugehörigen Materialien53 entnommen werden kann.54 Im Anwendungsbereich des KKG verdrängt Art. 18 KKG die Regel von Art. 214 Abs. 3 OR.55

3116

Liegt der vereinbarte Zins höher als 5%, kann auch im Verzug nach der Regel von Art. 104 Abs. 2 OR der höhere Zins verlangt werden. Dieser wird so zum Verzugszins.56 Die Parteien dürfen im Übrigen den Verzugszins auch vereinbaren, dieser darf allerdings nicht höher als der nach Art. 9 Abs. 2 lit. b KKG im Vertrag festgelegte Zins sein (Art. 18 Abs. 3 KKG).

3. 3117

Einreden des Kreditnehmers bei Abtretung (Art. 19 KKG)

Der Konsument hat das «unabdingbare Recht», die Einreden aus dem Konsumkreditvertrag gegenüber jedem Abtretungsgläubiger geltend zu machen (Art. 19 KKG). Die Parteien dürfen also im Rahmen des KKG nicht von Art. 169 OR abweichen. Ein Einredeausschluss zugunsten des Zessionars in einer Vertrags- oder AGB-Klausel ist darum nichtig.57 Entsprechend statuiert Art. 20 KKG ein Zahlungsverbot mittels Wechsel und Check; der Konsument würde sonst gegenüber einem späteren Inhaber seine Einreden (Art. 1007 OR) verlieren.58

50 51 52 53 54 55 56

Stauder, Konsumkreditrecht, 285. BBl 1999 III 3180; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2681. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2682. S. BBl 1999 III 3180. Gl.M. Lupi Thomann, 152. Ähnlich Grandjean, JdT 2017, 78 f. BGE 137 III 453 E.  5.1; 130 III 312 E.  7.1; BK  OR-Weber, Art.  104 N  71; a.M. CR CO-Favre-Bulle, Art. 18 LCC N 3; Stauder, Konsumkreditrecht, 286. 57 Stauder, Konsumkreditrecht, 276. 58 Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 2673.

1028

§ 33

4.

Konsumkreditvertrag (KKG)

Einrede- bzw. Einwendungsdurchgriff beim Konsumkreditvertrag zum Erwerb von Waren oder Dienstleistungen (Art. 21 KKG)

Art.  21 KKG betrifft nur die sog. drittfinanzierten Geschäfte, das heisst Verträge, 3118 bei welchen Kreditgeberin und Warenlieferant bzw. Dienstleistungserbringer nicht identisch sind. Der Konsument kann bei solchen Verträgen gegenüber der Kreditgeberin alle Rechte aus der mangelhaften Erfüllung des «Erwerbsvertrages» geltend machen, die ihm auch gegenüber dem Lieferanten zustehen. Mit «Rechten» sind sämtliche Einreden und Einwendungen gemeint, welche dem Konsumenten infolge Nichterfüllung, verspäteter oder nicht gehöriger Erfüllung des «Erwerbsvertrages» zustehen (z.B. Einrede des nicht erfüllten Vertrages, Mängeleinreden bei Sachgewährleistung).59 Nach mehrheitlicher Lehre soll der Konsument auch Schadenersatzansprüche (nicht aber Ansprüche aus culpa in contrahendo oder positiver Vertragsverletzung) bzw. allfällige Liquidationsansprüche gegenüber der Kreditgeberin (z.B. Rückzahlung des Kaufpreises infolge Wandlung) geltend machen können.60 Dieser sog. Einrede- bzw. Einwendungsdurchgriff kommt nur dann zum Tragen, 3119 wenn die in Art. 21 Abs. 1 lit. a–e KKG genannten Bedingungen kumulativ erfüllt sind. Wichtigste Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Art. 21 KKG ist das in Abs.  1 lit.  a festgehaltene Ausschliesslichkeitserfordernis: Verlangt wird, dass alle Kredite an Kunden (nicht nur Konsumenten) eines bestimmten Lieferanten von der gleichen Kreditgeberin gewährt werden. Weiter wird verlangt, dass der Konsument den Kredit im Rahmen einer Abmachung zwischen der Kreditgeberin und dem Lieferanten erhält (lit. b), eine Nicht- oder Schlechterfüllung vorliegt (lit. c) und der Betrag des Geschäfts CHF 500 übersteigt (lit. e). Gemäss lit. d muss der Konsument vorgängig seine Rechte gegenüber dem Lieferanten erfolglos geltend gemacht haben (Grundsatz der Subsidiarität). Da diese Vorgaben sehr restriktiv sind, ist  – zur Erweiterung des Anwendungs- 3120 bereichs der an sich sehr sinnvollen Norm – an eine teleologische Reduktion von Art.  21 Abs.  1 lit.  a KKG zu denken. Ein Teil der Lehre betrachtet das in dieser Bestimmung aufgestellte Erfordernis der Ausschliesslichkeit zu Recht als zu restriktiv.61 Bei einer wortwörtlichen Auslegung von Art. 21 Abs. 1 lit. a KKG wäre das Ausschliesslichkeitserfordernis in der Praxis kaum je erfüllt und die Schutzmecha-

59 CR CO-Favre-Bulle, Art. 21 LCC N 6; BK  OR-Giger, Konsumkredit, N 224; Stauder, Konsumkreditrecht, 277 f. 60 Barnikol, 308 f.; CR CO-Favre-Bulle, Art. 21 LCC N 6 und N 11; BSK OR-Koller-Tumler, Art. 15 KKG N 11 f. 61 S. Barnikol, 289; Fornage, JdT 2017, 42 f.; BSK OR-Koller-Tumler, Art. 15 KKG N 9; Stauder, Konsumkreditrecht, 278 f.; a.M. BK OR-Giger, Konsumkredit, N 222 f.; wohl auch Krummenacher, 164 f.

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5. Kapitel

Nominatverträge

nismen von Art. 21 KKG würden nicht greifen.62 Die Kreditgeberin und der Lieferant könnten ausserdem sehr einfach diese Bestimmung aushebeln, indem sie entweder auf eine solche Exklusivvereinbarung verzichten oder der Lieferant schon nur eine weitere Kreditgeberin zur Gewährung von Krediten beizieht.63 Dies widerspricht Sinn und Zweck von Art.  21 KKG, wonach der Konsument bei einer formalen Aufspaltung des Kredit- und des Erwerbsgeschäfts nicht schutzlos dastehen soll.64 Sinnvoller erscheint es deshalb, wenn der Konsument seine Rechte aus dem Erwerbsvertrag bereits dann gegenüber der Kreditgeberin geltend machen kann, wenn diese bei der Ermöglichung des drittfinanzierten Geschäfts eng mit dem Lieferanten zusammengewirkt hat. Nur wenn die Kreditgeberin und der Lieferant in einem engen Kontakt stehen und somit objektiv betrachtet als wirtschaftliche Einheit erscheinen, scheint ein solcher Einrede- bzw. Einwendungsdurchgriff auf die Kreditgeberin gerechtfertigt.65 Denn bei einer solch engen Zusammenarbeit kann die Kreditgeberin das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Lieferanten besser einschätzen als der Konsument und sollte dieses daher auch tragen müssen.66 3120a

Zu berücksichtigen ist ausserdem, dass das KKG im Rahmen des autonomen Nachvollzugs an die damals in Kraft stehende Verbraucherkreditrichtlinie 87/102/EWG67 angepasst wurde.68 Art. 21 Abs. 1 lit. a KKG ist daher im Zweifelsfall europarechtskonform auszulegen.69 Der EuGH legte das in Art. 11 Abs. 2 lit. b statuierte Erfordernis der Ausschliesslichkeit weit aus: Dieses Erfordernis muss nicht in jedem Fall zwingend erfüllt sein, damit der Konsument seine Rechte aus der mangelhaften Erfüllung des «Erwerbsvertrages» geltend machen kann.70 Hinzu kommt, dass sich die Verbraucherkreditrichtlinie 87/102/EWG im Sinne dieses extensiven Verständnisses weiterentwickelt hat. Die neue Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG71 verzichtet auf das Ausschliesslichkeitserfordernis. Der Einrede- bzw. Einwendungsdurchgriff soll bereits dann zum Tragen kommen, wenn Erwerbs- und Kreditvertrag objektiv betrachtet wirtschaftlich eng miteinander verknüpft sind (s. dazu Art. 15 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 lit. n Richtlinie 2008/48/EG). Der schweizerische Rechtsanwender ist grundsätzlich nicht verpflichtet, autonom nachvollzogenes Recht zwingend 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71

Gl.M. Stauder, Konsumkreditrecht, 278; s. auch CHK  OR-Brunner, Vorb. Art. 184 ff./Leasing N 36; CR CO-Favre-Bulle, Art. 21 LCC N 7 f. BSK OR-Koller-Tumler, Art. 15 KKG N 9. Barnikol, 262 ff. und 274. S. dazu ausführlich Barnikol, 272 ff. Barnikol, 273 f.; Stauder, AJP 1994, 687. Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit, ABl. EU vom 12. Februar 1987, Nr. L 42, 48. Vgl. Botschaft über das Folgeprogramm nach der Ablehnung des EWR-Abkommens vom 24. Februar 1993, BBl 1993 I 805 ff. S. BGE 129 III 335 E. 6. EuGH v. 23. April 2009, Rs. C-509/07, Luigi Scarpelli ./. NEOS Banca SpA, Slg. 2009, I-03311, N 30. Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. EU vom 22. Mai 2008, Nr. L 133, 66.

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§ 33

Konsumkreditvertrag (KKG)

im Sinne des nachträglich geänderten europäischen Rechts auszulegen. Das entsprechende Auslegungsergebnis muss vielmehr vom Willen des Gesetzgebers getragen sein und sich harmonisch in die schweizerische Rechtsordnung einfügen.72 Wie erwähnt sollte der Konsument gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. a KKG dann geschützt werden, wenn Kreditgeberin und Lieferant bei einem drittfinanzierten Geschäft eng zusammenarbeiten und objektiv betrachtet als wirtschaftliche Einheit erscheinen (s. N 3120).73 Der Schutzzweck der Bestimmung steht also einem (dynamischen) europarechtskonformen Verständnis nicht entgegen.74

VI.

Werbung für Konsumkredite

Gemäss Art.  36 KKG unterliegt die Werbung für Konsumkredite dem UWG75. 3120b Darunter fallen auch Leasingverträge, Kredit- und Kundenkarten mit Kreditoption sowie Überziehungskredite auf laufenden Konten (Art. 8 KKG).76 Das UWG enthält eine Reihe von Bestimmungen, welche explizit für Konsumkredite gelten (s. Art. 3 Abs. 1 lit. k–n und Art. 4 lit. d UWG). Die Werbung für Konsumkredite unterliegt zusätzlich der Preisbekanntgabeverordnung (PBV)77. Enthält eine Werbung den Zinssatz des Konsumkredits, sind mitunter die Spezifikationspflichten von Art. 14 PBV zu beachten. Mit der Einführung von Art. 36–36b KKG anlässlich der Revision vom 1. Januar 3120c 2016 wurde den Stimmen Rechnung getragen, die sich für mehr Präventivmassnahmen ausgesprochen hatten. Gemäss Art. 36a Abs. 1 KKG dürfen Konsumkreditgeber nicht mehr in aggressiver Weise für Konsumkredite werben. Bei vorsätzlichem Verstoss gegen das Verbot von aggressiver Werbung droht eine Busse von bis zu CHF 100 000 (Art. 36b KKG). Welche Art von Werbung dabei als aggressiv gilt, regelt die Kreditbranche in einer privatrechtlichen Vereinbarung selbst (Art.  36a Abs. 2 KKG). Der Verband Schweizerischer Kreditbanken und Finanzierungsinstitute (VSKF) 3120d veröffentlichte im November 2015 eine entsprechende Konvention78, welche vom 72 BK-Emmenegger/Tschentscher, Art.  1 ZGB N  302; zur dynamischen Auslegung von Art.  21 KKG s. auch Fornage, JdT 2017, 43 f. und 46. 73 Barnikol, 271. 74 So auch Barnikol, 270. 75 Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb (SR 241). 76 BBl 2014 3270. 77 Verordnung vom 11.  Dezember 1978 über die Bekanntgabe von Preisen (Preisbekanntgabeverordnung; SR 942.211). 78 Die Konvention vom 27.  November 2015 betreffend Werbeeinschränkungen und Prävention im Privatkredit- und Konsumentenleasinggeschäft ist abrufbar unter , besucht am 3.  Januar 2019.

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5. Kapitel

Nominatverträge

Bundesrat am 17. Juni 2016 als ausreichend bewertet wurde.79 Die genannte Vereinbarung definiert konkrete Beispiele von Werbung, die gemäss Art. 36a Abs. 1 KKG als aggressiv gelten. So darf mit der entsprechenden Werbung nicht der Eindruck erweckt werden, Kredite würden speziell rasch und ohne ausführliche Kreditfähigkeitsprüfung vergeben werden (B. Selbstregulierung der Konsumkreditwerbung, 1. Grundsätze, lit. a). Weiter darf die Werbung junge Erwachsene nicht besonders ansprechen (B. Selbstregulierung der Konsumkreditwerbung, 1. Grundsätze, lit. b), und es soll auf Argumente verzichtet werden, die offenkundig ökonomisch nicht sinnvoll sind (B. Selbstregulierung der Konsumkreditwerbung, 1. Grundsätze, lit. c). Ebenfalls unzulässig ist es, für die Finanzierung kurzzeitiger kostspieliger Freizeitaktivitäten, Feste und von Ähnlichem zu werben (B. Selbstregulierung der Konsumkreditwerbung, 1. Grundsätze, lit. d). Zudem muss auf aufdringliche Verteilaktionen von Werbemitteln auf Strassen und Plätzen verzichtet werden (B. Selbstregulierung der Konsumkreditwerbung, 1. Grundsätze, lit. e).

79

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Medienmitteilung Bundesrat, abrufbar unter , besucht am 3. Januar 2019.

§ 34 Werkvertrag (Art. 363–379 OR) Grundlagenliteratur Bucher, OR BT, 201 ff.; Engel, CO PS, 433 ff.; Guhl/Koller, § 47; Honsell, OR BT, 299 ff.; Müller, contrats, N 1402 ff.; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 7 N 1 ff.; Schmid/ Stöckli/Krauskopf, N 1654 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 3460 ff.

Weiterführende Literatur Bieger Alain, Die Mängelrüge im Vertragsrecht, Diss. Freiburg 2008; Chaix François, La violation par l’entrepreneur de ses devoirs d’information vis-à-vis du maître de l’ouvrage, SemJud 2009 II,  117–141; Denzler Beat/Hochstrasser Michael, Die Haftung für die Planung, in: Stöckli Hubert/Siegenthaler Thomas (Hrsg.), Die Planerverträge, Zürich/ Basel/Genf 2013, 381–452; Frey Isabelle/Siegenthaler Thomas, Was heisst «unbewegliches Werk» in Art. 371 Abs. 2 OR?, BR 2014, 176–179; Gauch Peter, Die revidierten Art. 210 und 371 OR, recht 2012, 124–136 (zit.: Gauch, recht 2012); Gauch Peter, Der Werkvertrag, 5. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2011 (zit.: Gauch, Werkvertrag); Gauch Peter, Die Haftung des Architekten für die Überschreitung seines Kostenvoranschlages, in: FS Heiermann, Wiesbaden 1995,  79–91 (zit.: Gauch, Haftung); Gauch Peter/Middendorf Patrick, Von den Planerverträgen, von ihrer Qualifikation und dem SIA-Normenwerk für Planerleistungen, in: Stöckli Hubert/Siegenthaler Thomas (Hrsg.), Die Planerverträge, Zürich/Basel/Genf 2013, 1–56; Gehrer Leo R., Vom Recht des Unternehmers, den Werkvertrag aufzulösen, in: Touring Club Suisse et Assista SA (Hrsg.), Mélanges Assista, Genf 1989, 167–185; Hofstetter Josef, Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), SPR Bd. VII/6, Basel/Genf/München 2000; Koller Alfred, Schweizerisches Werkvertragsrecht, Zürich/St. Gallen 2015 (zit.: Koller, Werkvertragsrecht); Koller Alfred, Das Nachbesserungsrecht im Werkvertrag, 2.  Aufl., Zürich 1995 (zit.: Koller, Nachbesserungsrecht); Krauskopf Frédéric, Die Planer und die Haftung mehrerer, in: Stöckli Hubert/ Siegenthaler Thomas (Hrsg.), Die Planerverträge, Zürich/Basel/Genf 2013, 749–822 (zit.: Krauskopf, Planerverträge); Krauskopf Frédéric, Verjährung bei Kauf- und Werkverträgen – neue Regeln mit Mängeln, in: Schweizer Baurechtstagung 2013, Freiburg 2013, 85–102 (zit.: Krauskopf, Verjährung); Locher Christoph, Die Bauleitung, in: Stöckli Hubert/ Siegenthaler Thomas (Hrsg.), Die Planerverträge, Zürich/Basel/Genf 2013,  453–506; Niklaus Jürg, Das Recht auf Ersatzvornahme gemäss Art. 366 Abs. 2 OR, Diss. St. Gallen 1999; Pichonnaz Pascal, Les nouveaux délais de prescription de l’action en garantie (CO 371 et CO 210), SJZ 2013, 69–77; Roth Simon, Integration einer Sache/eines Werks in ein unbewegliches Werk, AJP 2014,  773–780; Rusch Arnold F., Erfolgsbezug beim Werkvertrag und Auftrag, BJM 2013, 285–304; Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein (Hrsg.), Norm SIA 118, Bern 2014 (zit.: SHK SIA 118-BearbeiterIn); Siegenthaler Thomas, Der Werkvertrag, in: Gauch Peter/Aepli Viktor/Stöckli Hubert (Hrsg.), Präjudizienbuch OR, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts (1875–2015), 9. Aufl., Zürich/ Basel/Genf 2016,  1043–1102 (zit.: Siegenthaler, Art.  … N  …); Siegenthaler Thomas,

1033

5. Kapitel

Nominatverträge

Die Mängelhaftung bei der Lieferung von Maschinen nach schweizerischem Obligationenrecht und unter Berücksichtigung der Liefer- und Montagebedingungen des Vereins Schweizerischer Maschinen-Industrieller (VSM), Diss. Freiburg 2000 (zit.: Siegenthaler, Mängelhaftung); Stöckli Hubert, Einleitung, in: Gauch Peter/Stöckli Hubert (Hrsg.), Kommentar zur SIA-Norm 118, 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2017, 1–17; Vischer Markus, Der Mangelbegriff im Kauf-, Miet- und Werkvertragsrecht, recht 2015, 1–9 (zit.: Vischer, recht 2015); Vischer Markus, Die fünfjährige Gewährleistungsfrist für bewegliche Sachen im Kaufrecht, Jusletter 11. März 2013 (zit.: Vischer, Jusletter 11. März 2013); Zehnder Hannes, Die Mängelrüge im Kauf-, Werkvertrags- und Mietrecht, SJZ 2000, 545–550 (zit.: Zehnder, SJZ 2000); Zehnder Hannes, Das neue Kostenvoranschlagsurteil des Bundesgerichts (BGE 122 III 61 ff.) – Roma locuta causa finita?, AJP 1996, 1251–1254 (zit.: Zehnder, AJP 1996).

I.

Begriff

3121

Durch den Werkvertrag verpflichten sich der Unternehmer zur Herstellung und Ablieferung eines Werks und die Bestellerin zur Leistung einer Vergütung (s. Art. 363 OR).

3122

Beim Werkvertrag handelt es sich um einen vollkommen zweiseitigen Vertrag. Der Unternehmer schuldet der Bestellerin einen bestimmten Erfolg und nicht  – wie beim Auftrag (s. N 3247 ff.) – ein blosses Tätigwerden. Der Erfolg besteht darin, dass der Unternehmer ein körperliches oder unkörperliches Werk abredegemäss herstellt und abliefert. Ein Werk kann nicht nur darin bestehen, eine neue Sache zu schaffen, sondern auch darin, eine bestehende Sache umzuändern, zu vergrössern, zu verbessern, zu renovieren oder ihr neue Eigenschaften zu verleihen.1 Vertragsgegenstand ist das Arbeitsresultat, nicht die Arbeit als solche.2

3123

Ein unkörperliches Werk ist das Ergebnis einer immateriellen (geistigen) Leistung.3 Unkörperliche Werke können Gegenstand eines Werkvertrages sein, sofern ihre «Herstellung» im Sinne eines Erfolgs geschuldet ist.4 Nicht jede immaterielle Leistung kann indessen als Arbeitserfolg versprochen werden. Dies gilt etwa dann, wenn nicht alle Faktoren durch den Unternehmer gesteuert werden können, wie dies z.B. bei einem Lehr-, Heil- oder Prozesserfolg der Fall ist.5 Umstritten ist in der Lehre, ob darüber hinaus eine «gewisse Körperlichkeit» vorausgesetzt werden soll, nämlich das wahrnehmbare Festhalten der immateriellen Leistung in Form einer 1 2 3 4

BGE 130 III 458 E. 4 = Pra 2005 Nr. 41. BGE 124 III 456 E. 4b aa; 98 II 299 E. 4a. Gauch, Werkvertrag, N 33. Ablehnend Koller, Werkvertragsrecht, N 65 f., wonach der Werkbegriff von Art. 363 OR nur körperliche Arbeitserfolge erfasst; anders freilich noch BK OR-Koller, Art. 363 N 98. 5 Gauch, Werkvertrag, N 43 f.; s. Rusch, BJM 2013, 286 f.

1034

§ 34

Werkvertrag (Art. 363–379 OR)

Sache, also z.B. auf Papier oder anderen, z.B. elektronischen Datenträgern.6 Verlangt man dies, ist ein Vertrag, der einen rein geistigen Arbeitserfolg zum Gegenstand hat, als Innominatkontrakt mit überwiegend werkvertraglichen Elementen zu qualifizieren.7 Geht man dagegen von einem weiten Werkbegriff aus, so handelt es sich bei einem solchen Vertrag um einen Werkvertrag mit atypischer Ausgestaltung (s. N 3675).8 Beide Sichtweisen ermöglichen es, Werkvertragsrecht auf reine Geist-Werkverträge (allenfalls analog) anzuwenden, soweit es eine passende Lösung bereithält. Nicht sachgerecht ist es jedenfalls, einzig darum Auftragsrecht anzunehmen, weil infolge fehlender Körperlichkeit kein Werk im Sinne von Art. 363 OR vorliegt.9 Beispiele:

3124

• körperliche Werke: Errichten eines Hauses, Schaffen eines Kunstwerks10, Anfertigen eines Möbel- oder Kleidungsstücks, Schlagen von Holz, Schneiden von Haaren, Montage11, Reparaturen12, Reinigungen; • unkörperliche Werke: Vermessung durch einen Geometer, Fotografieren, Ausarbeiten eines Projekts13. Verneint hat das Bundesgericht das Vorliegen eines Werkvertrages dagegen in den folgenden Fällen:

3124a

• körperliches Element: Behandlungsvertrag zwischen Zahnarzt und Patient (inklusive Anfertigen von Brücken und Kronen)14; • unkörperliches Element: Liegenschaftsverwaltung15. Die Bestellerin verpflichtet sich beim Werkvertrag zur Leistung einer Vergütung 3125 (s. Art. 363 OR). Bei Unentgeltlichkeit kann gemäss Legaldefinition kein Werkvertrag vorliegen. Diesfalls handelt es sich um einen Innominatvertrag, auf den analog Werkvertragsrecht (abgesehen von den Regeln über die Vergütung) und Schen6

7 8 9 10 11 12 13 14 15

In diesem Sinne Gauch, Werkvertrag, N  45; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N  3523; a.M. hingegen BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Vorb. zu Art. 363–379 N 5; offengelassen in BGE 127 III 328 E. 2a. S. aber BGE 113 II 264 E. 2a, in welchem vorausgesetzt wird, dass das Werk «verkörpert und damit wahrnehmbar festgehalten» wird; anders dagegen BGE 109 II 34 E. 3b = Pra 1983 Nr. 147 mit Beispielen zu «reinen» Geist-Werkverträgen. So Gauch, Werkvertrag, N 321. So BK OR-Koller, Art. 363 N 98. So schon BGE 109 II 34 E. 3b = Pra 1983 Nr. 147; s. auch die zutreffende Kritik bei BK OR-Koller, Art. 363 N 99. BGE 115 II 50 E. 1 = Pra 1989 Nr. 250. S. BGE 4A_401/2011 E. 2.1 und E. 3.4. S. BGE 113 II 421 E. 1 = Pra 1988 Nr. 110. S. auch BGE 130 III 458 E. 4 = Pra 2005 Nr. 41, wonach auf einen Wartungsvertrag ebenfalls Werkvertragsrecht anwendbar ist, wenn dieser kein Dauerelement enthält. S. BGE 4A_90/2013 E. 3 und E. 4, wo es um die Projektierung einer Entwässerung bzw. das Erstellen eines Entwässerungskonzepts ging. Für weitere Beispiele zum Werkvertrag s. BK OR-Koller, Art. 363 N 233. BGE 110 II 375 E. 1b = Pra 1985 Nr. 59; anders noch BGE 47 II 213. BGE 83 II 525 E. 1.

1035

5. Kapitel

Nominatverträge

kungsrecht (Art. 239 ff. OR; s. N 2847 ff.) Anwendung finden, soweit dies sachgerecht ist.16 Sofern die übrigen Elemente des Werkvertrages, insbesondere die Erfolgshaftung, vorliegen, kann jedenfalls kein Auftrag (Art. 394 ff. OR; s. N 3218 ff.) angenommen werden. 3126

Der Werkvertrag ist an sich kein Dauervertrag.17 Endet die Leistungspflicht des Unternehmers gemäss Vereinbarung der Parteien nicht mit der Erfüllung, sondern ist sie auf Dauer ausgerichtet (Beendigung durch Zeitablauf oder Kündigung), liegt ein Innominatkontrakt vor («Dauer-Werkvertrag»). Ein Dauerwerkvertrag kann z.B. der Wartungsvertrag über eine bestimmte oder unbestimmte Dauer sein.18

3127

Vom schlichten Werkvertrag ist der sog. Werklieferungsvertrag zu unterscheiden, bei welchem der Unternehmer den Stoff zur Herstellung des Werks ganz oder teilweise selbst zu beschaffen hat (Art. 365 Abs. 1 OR). Die Formulierung von Art. 365 Abs.  1  OR ist missverständlich, denn auch der Werklieferungsvertrag untersteht dem Werkvertragsrecht.19 Einzig die Rechtsgewährleistung bezüglich des Stoffs richtet sich nach Art. 192 ff. OR (s. N 3188).20

II.

SIA-Norm 118

3128

Bei den «Allgemeinen Bedingungen für Bauarbeiten» (SIA-Norm 118; Ausgabe 2013) handelt es sich um ein privates Regelwerk, das vom Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein herausgegeben wird. Die SIA-Norm 118 enthält Bestimmungen zum Bauwerkvertrag und wird in der Praxis sehr häufig verwendet, um den Abschluss und die Gestaltung von Verträgen zu erleichtern. Die Norm enthält aber keine für Architektur- oder Ingenieurverträge bestimmten Regelungen.21

3129

Die SIA-Norm 118 hat den Charakter von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Ihr kommt somit keine allgemeine Verbindlichkeit zu; insbesondere gilt sie nicht als regelbildende Übung.22 Vielmehr muss sie von den Parteien als Vertragsin-

16 17 18 19 20 21 22

BGE 127 III 519 E. 2b = Pra 2001 Nr. 195; Gauch, Werkvertrag, N 318; Koller, Werkvertragsrecht, N 44; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 1674; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 3505; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 363 N 6. BGE 130 III 458 E. 4 = Pra 2005 Nr. 41; Gauch, Werkvertrag, N 9 und N 322 f.; CHK OR-Hürlimann/Siegenthaler, Art. 363 N 5; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 3551; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Vorb. zu Art. 363–379 N 14. BGE 4C.231/2004 E. 2; s. ferner auch BGE 130 III 458 E. 4 = Pra 2005 Nr. 41; Gauch, Werkvertrag, N 323. BGE 103 II 33 E. 2a; 72 II 347, 349. Koller, Werkvertragsrecht, N 487 m.w.H.; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 365 N 31 m.w.H. S. zum Ganzen Stöckli, N 2 ff. BGE 118 II 295 E. 2a; Siegenthaler, Art. 363 N 14.

1036

§ 34

Werkvertrag (Art. 363–379 OR)

halt einbezogen werden und unterliegt den Schranken der AGB-Kontrolle (zur Geltungs-, Auslegungs- und Inhaltskontrolle von AGB s. N 605 ff.).23

III.

Abgrenzungen

1.

Zum Kaufvertrag (Art. 184 ff. OR)

Existiert der Vertragsgegenstand bei Vertragsschluss bereits in der geschuldeten 3130 Gestalt, ist ein Werkvertrag ausgeschlossen.24 Abgrenzungsprobleme stellen sich somit nur bei einem Vertrag über erst (fertig) herzustellende Sachen (andernfalls eindeutig Kauf), und auch dann nur, wenn der «Unternehmer» den Stoff liefert (andernfalls eindeutig Werkvertrag). Abzugrenzen sind mit anderen Worten der Kauf einer künftigen Sache (s. N 2420) oder der Kauf mit Montagepflicht vom Werklieferungsvertrag. Kein brauchbares Abgrenzungskriterium stellt die Eigentumsübertragung dar: 3131 Auch im Rahmen eines Werkvertrages ist eine Eigentumsübertragung notwendig, wenn der Unternehmer aus eigenem Material eine Fahrnissache herstellt.25 Keine Eigentumsübertragung ist freilich dann erforderlich, wenn der Unternehmer auf dem Boden der Bestellerin baut (Akzessionsprinzip). Hauptleistungspflicht ist beim Werkvertrag die Herstellung eines Werks durch den 3132 Unternehmer, beim Kaufvertrag hingegen die Pflicht der Verkäuferin, die Kaufsache zu übereignen. Ausschlaggebendes Abgrenzungskriterium ist damit in jedem Fall das Werteverhältnis zwischen Arbeit und Warenlieferung.26 Angewendet auf die Frage der Abgrenzung zum Kauf mit Montagepflicht und zum Kauf einer künftigen Sache heisst dies Folgendes: • Eine entgeltliche Warenlieferung verbunden mit einer Montagepflicht ist als Kaufvertrag anzusehen, wenn die Montagepflicht eine Nebenpflicht darstellt. Das Element der Sachlieferung muss gegenüber dem Element der Arbeit klar überwiegen. Steht demgegenüber die Arbeit im Zentrum, handelt es sich um einen Werklieferungsvertrag. Sind Montage und Lieferung ungefähr gleichwertig, liegt ein gemischter Vertrag vor, und es rechtfertigt sich nach der Lehre meist

23 Stöckli, N 24 ff. 24 Bucher, OR BT, 202; Honsell, OR BT, 302; BK OR-Koller, Art. 363 N 104; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 1669. 25 Bucher, OR BT, 202; Honsell, OR BT, 302. 26 Gauch, Werkvertrag, N  127; Tercier/Bieri/Carron, N  3538  ff.; BSK  OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 363 N 22.

1037

5. Kapitel

Nominatverträge

eine sog. Spaltung der Rechtsfolgen.27 Lediglich ein Indiz zur Abgrenzung bildet dabei das Kostenverhältnis zwischen Arbeit und Material. 28 • Bei einer individuell für die Bestellerin herzustellenden Sache liegt ein Werkvertrag vor; bei Serienprodukten, die der Hersteller auch ohne den konkreten Vertragsabschluss hergestellt hätte, handelt es sich um einen Kaufvertrag über eine künftige Sache. Wusste die Abnehmerin nicht, dass die Sache bei Vertragsschluss noch nicht bestand oder war es ihr gleichgültig, spricht dies für Kauf. Höchstens als Anhaltspunkt, nicht aber als Abgrenzungskriterium, taugt auch die Unterscheidung zwischen vertretbaren und unvertretbaren Sachen.

2.

Zum Auftrag (Art. 394 ff. OR)

3133

Im Unterschied zur Verpflichtung, einen bestimmten Erfolg zu erzielen (contrat de résultat), schuldet der Beauftragte lediglich ein sorgfältiges Tätigwerden (contrat de moyens; s. N 3247 ff.). Vom vereinbarten Vertragsinhalt hängt ab, ob die Leistung überhaupt als Erfolg versprochen werden kann. Dies ist nur dann sinnvoll, wenn objektive Kriterien für die Beurteilung des Ergebnisses vorhanden sind. Fehlen solche Kriterien, kann «Richtigkeit» nicht versprochen werden, und die werkvertraglichen Gewährleistungsregeln sind nicht sachgerecht. Diesfalls liegt meist ein Auftrag oder ein anderer Dienstleistungsvertrag, aber kein Werkvertrag vor.29 Aus der Vertragstypenfreiheit folgt, dass auch eine Kombination beider Elemente in einem einzigen Vertrag möglich ist.30

3134

Die Abgrenzung hat von Fall zu Fall zu erfolgen. Nicht sachgerecht ist es somit, generell für alle «Juristenverträge», «Gutachterverträge» oder «Architektenverträge», die es in dieser stillschweigend vorausgesetzten Homogenität gar nicht gibt, a priori die jeweils gleiche Zuordnung vorzunehmen.31

3135

Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich z.B. im Zusammenhang mit der Qualifikation32 von Planerleistungen: Einerseits hält das Bundesgericht fest, dass «das Verfassen von Plänen und Kostenvoranschlägen» dem Werkvertrag zu unterstellen

27 Gauch, Werkvertrag, N 131; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 363 N 22. 28 S. Gauch, Werkvertrag, N 133, nach dem die Kosten nicht das ausschlaggebende Kriterium für die rechtliche Einordnung sein können. 29 BGE 127 III 328 E. 2c für den Gutachtervertrag; a.M. OFK OR-Huber/Schwendener, Art. 363 N 2; für die Anwendung von Auftragsrecht auf die Montageüberwachung s. ZK OR-Bühler, Art. 363 N 124; Siegenthaler, Mängelhaftung, N 12. 30 Bucher,  OR BT, 204; am Beispiel der Architekturverträge eingehend s. BGE 4A_55/2012 E.  4.4, und BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 363 N 17 ff. 31 S. BGE 4A_252/2010 E. 4.1; 127 III 328 E. 2c; Bucher, OR BT, 204. 32 Zur Qualifikation ausführlich s. Gauch/Middendorf, N 1.3 ff. und N 1.27 ff.; Denzler/Hochstrasser, N 8.9 ff.

1038

§ 34

Werkvertrag (Art. 363–379 OR)

sei.33 Andererseits sieht es eine wechselseitige Beeinflussung zwischen Kostenschätzung und Planerstellung. Unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung zu den Kostenschätzungen unterstellt es alsdann beide Leistungen dem Auftragsrecht.34 Auch wird die Bauleitung als Teilleistung eines Planervertrages in der Regel dem Auftragsrecht unterstellt.35 Ist hingegen bloss das Erstellen von Plänen geschuldet, bleibt es bei der Anwendung von Werkvertragsrecht.36 Kein taugliches Abgrenzungskriterium stellt im Übrigen das Weisungsrecht dar.37 3136 Auch beim Werkvertrag wird die Bestellerin je nach Sachkunde und Kontrollbedürfnis Weisungen über die Ausführung des Werks erteilen und ist dazu grundsätzlich auch berechtigt (s. Art. 369 OR). Zum einen kann die Bestellerin bereits vor Vertragsschluss den Vertragsgegenstand konkretisieren. Solche Anweisungen werden Vertragsbestandteil, soweit sie vom Konsens erfasst sind. Anweisungen nach Vertragsabschluss stellen bei Einverständnis des Unternehmers eine Vertragsänderung dar. Zum anderen sind einseitige Weisungen auch noch nach Vertragsschluss möglich, setzen aber ein entsprechendes Weisungsrecht voraus.38 Soweit die Weisungen den Rahmen des vereinbarten Werks nicht sprengen, ergibt sich ein solches Weisungsrecht unseres Erachtens auch ohne explizite Vereinbarung aus dem Werkvertragsrecht.39 Sprengen Weisungen diesen Rahmen, liegt eine Bestellungsänderung vor, wofür die Befugnis aus der Vereinbarung, mindestens also aus dem mutmasslichen Parteiwillen ableitbar sein muss.40 Das Weisungsrecht ist beim Werkvertrag somit – im Gegensatz zum Auftrag – begrenzt. Allein der Umstand, dass die Parteien ein umfassendes Weisungsrecht vereinbaren, führt aber nicht dazu, dass der Vertrag als Auftrag zu qualifizieren ist. Das Erteilen einer Weisung kann indessen ein Grund dafür sein, dass die Erfolgshaftung zur Sorgfaltshaftung mutiert. Durch Beharren auf fehlerhaften Weisungen verliert die Bestellerin nämlich ihre Gewährleistungsansprüche (Art. 369 OR).

3.

Zum Arbeitsvertrag (Art. 319 ff. OR)

Im Unterschied zum Arbeitnehmer steht der Unternehmer nicht in einem Subor- 3137 dinationsverhältnis zur Bestellerin. Er ist auch nicht in ihren Betrieb eingegliedert. Der gewöhnliche Werkvertrag ist ferner kein Dauerschuldverhältnis (s. N 3126). 33 34 35 36 37 38 39 40

BGE 4A_90/2013 E. 4.2; 4A_55/2012 E. 4.4; 4A_252/2010 E. 4.1; 134 III 361 E. 6 = Pra 2009 Nr. 8. Zur Haftungsgrundlage s. Denzler/Hochstrasser, N 8.23 ff.; Krauskopf, Planerverträge, N 15.68 ff. BGE 4A_86/2011 E. 3.2. BGE 4A_252/2010 E. 4.1; 127 III 543 E. 2a = Pra 2001 Nr. 194; Locher, N 9.24 ff. m.w.H. zur Qualifikation des Bauleitungsvertrages. BGE 4A_90/2013 E. 3; 4A_252/2010 E. 4.1; 127 III 543 E. 2 = Pra 2001 Nr. 194. Gl.M. Rusch, BJM 2013, 291 f. S. ZK OR-Bühler, Art. 369 N 30; eingehend zum Thema Weisungen Gauch, Werkvertrag, N 1927 ff. S. auch Hofstetter, 25. Zur Bestellungsänderung s. Gauch, Werkvertrag, N 768 ff.

1039

5. Kapitel

3138

3139

Nominatverträge

IV.

Pflichten und Rechtsstellung des Unternehmers

1.

Hauptpflicht: Herstellung und Ablieferung des Werks (Art. 363 OR)

Die Hauptleistungspflicht des Unternehmers besteht in der Herstellung und Ablieferung eines Werks (s. Art. 363 OR; s. N 3121 f.). Die Ablieferungspflicht wird in Art.  363  OR zwar nicht ausdrücklich erwähnt, aber als selbstverständlich vorausgesetzt und zudem in anderen Bestimmungen des Werkvertragsrechts angesprochen (z.B. in Art. 367 OR).41 Unter «Ablieferung» ist die in Absicht der Vertragserfüllung vorgenommene Übergabe des Werks an die Bestellerin zu verstehen.42 Mit dem Begriff der «Abnahme» (s. Art. 371 Abs. 1 und Abs. 2 OR) ist derselbe Vorgang (aus der Perspektive der Bestellerin) gemeint.43 Die Mängelfreiheit des Werks bildet dabei keine Voraussetzung für dessen Ablieferung oder Abnahme. Auch ein mangelhaftes Werk kann demnach abgeliefert werden, unabhängig von der Art der Mängel.44 Nach Rechtsprechung und herrschender Lehre soll eine Ablieferung allerdings nur dann möglich sein, wenn das Werk vollendet ist.45 Überzeugender ist unseres Erachtens die Gegenansicht, wonach auch unvollendete Werke als abgeliefert gelten, wenn der Unternehmer erfüllen will und die Bestellerin ein solches Werk annimmt, wozu sie aber nicht verpflichtet ist.46

2.

Nebenpflichten

2.1

Pflicht zu persönlicher Ausführung (Art. 364 Abs. 2 OR)

Der Unternehmer ist in Abweichung zur Grundregel von Art.  68  OR grundsätzlich zu persönlicher Herstellung verpflichtet. Sofern die Herstellung nicht derart individuell ist, dass keine andere Person (allenfalls auch unter Anleitung durch den Unternehmer) dazu in der Lage ist, genügt es aber immer noch, wenn die Herstellung unter der persönlichen Leitung des Unternehmers erfolgt.47 Dies wird meist dann der Fall sein, wenn die Erstellung des Werks vom Umfang der Arbeit her eine 41 Gauch, Werkvertrag, N 8; Honsell, OR BT, 305. 42 BGE 4A_51/2007 E. 4.5; 129 III 738 E. 7.2 = Pra 2004 Nr. 147; 115 II 456 E. 4; Gauch, Werkvertrag, N 87. 43 Gauch, Werkvertrag, N 97 ff.; BK OR-Koller, Art. 363 N 313. 44 BGE 4A_252/2010 E. 5.4.2 und E. 5.4.3; Gauch, Werkvertrag, N 106; Koller, Werkvertragsrecht, N 157. 45 BGE 4A_319/2017 E. 2.3.1; 4A_401/2015 E. 2.1; 129 III 738 E. 7.2 = Pra 2004 Nr. 147; ZK OR-Bühler, Art. 367 N 7; Gauch, Werkvertrag, N 101 ff. 46 Guhl/Koller, § 47 N 42; BK OR-Koller, Art. 363 N 315. 47 Gauch, Werkvertrag, N 609 f.; Tercier/Bieri/Carron, N 3675. S. ferner BGE 103 II 52 E. 5b, wonach zur Fähigkeit zur persönlichen Leitung mehr als nur berufliche Qualifikation und langjährige Erfahrung gehören. Vielmehr zählen dazu auch die Organisation der Arbeit, die Bereitstellung von personellen und materiellen Mitteln und die Anleitung von (betriebseigenem) Hilfspersonal sowie die Überwachung der Arbeiten.

1040

§ 34

Werkvertrag (Art. 363–379 OR)

Arbeitsteilung notwendig macht oder wenn es sich beim Vertragspartner um ein (grösseres) Unternehmen handelt.48 Von der Pflicht zur persönlichen Erfüllung oder mindestens Leitung ist der Unter- 3140 nehmer befreit, wenn es für die Erstellung des Werks auf seine persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften nicht ankommt (Art.  364 Abs.  2  OR). «Dies ist in der arbeitsteiligen und anonymisierten Gesellschaft so häufig der Fall», dass die Ausnahme fast als Regel gilt.49 Die Bestellerin kann im Übrigen auch nach Vertragsabschluss noch erlauben, einen Dritten beizuziehen. Kommt es auf die persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften des Unternehmers 3141 an, wirkt sich dies z.B. auf eine allfällige vorzeitige Beendigung des Werkvertrages aus (Erlöschensgründe von Art. 379 Abs. 1 OR; s. N 3216 f.). Missachtet der Unternehmer die Pflicht zur persönlichen Ausführung, kann die Bestellerin nach Art. 107 ff. OR vom Vertrag zurücktreten.50 2.2

Sorgfaltspflicht (Art. 364 Abs. 1 OR)

Der Unternehmer haftet nach Art. 364 Abs. 1 OR für die gleiche Sorgfalt wie ein 3142 Arbeitnehmer (Art. 321e Abs. 2 OR). Diese Regelung ist insofern nicht sachgerecht, als im Allgemeinen höhere Sorgfaltsanforderungen an den Unternehmer zu stellen sind als an den Arbeitnehmer.51 Der Sorgfaltsmassstab ergibt sich aus den zur Zeit der Vertragserfüllung anerkannten Regeln der Technik.52 Verfügt der einzelne Unternehmer über besondere Fachkenntnisse und Fähigkeiten, hat er für eine entsprechend höhere Sorgfalt einzustehen.53 Geht der Unternehmer einen Werkvertrag ein, ohne über die erforderlichen Fähigkeiten zu verfügen, so haftet er aus Übernahmeverschulden (s.  N  899).54 Als Spezialist hat er zudem die Pflicht, der Bestellerin alle Umstände mitzuteilen (Aufklärungspflicht), welche für die Ausführung des Werks bedeutsam sind.55 Beispielsweise muss der Unternehmer die (unerfahrene)

48 49 50 51 52

53 54 55

So BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 364 N 31 f. Nach BGE 103 II 52 E. 5c ist eine arbeitsvertragliche Unterordnung erforderlich, um eine ausreichende persönliche Leitung sicherzustellen, welche der Pflicht zur persönlichen Ausführung nach Art. 364 Abs. 2 OR genügt. Bucher, OR BT, 205; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 364 N 36; a.M. BK OR-Koller, Art. 364 N 19. S. BGE 103 II 52 E. 4. Gauch, Werkvertrag, N 840; Honsell, OR BT, 306; Koller, Werkvertragsrecht, N 140. Gauch, Werkvertrag, N 843, wonach technische Regeln anerkannt sind, wenn diese «von der Wissenschaft als theoretisch richtig erkannt wurden, feststehen und sich nach einer klaren Mehrheitsmeinung der fachkompetenten Anwender in der Praxis bewährt haben»; s. auch BGE 4A_428/2007 E. 3.1; BSK OR-Zindel/ Pulver/Schott, Art. 364 N 7 f. m.w.N. Gauch, Werkvertrag, N 841. BGE 4A_608/2011 E. 5.3.1; 93 II 317 E. 2e bb; Honsell, OR BT, 306. BGE 4A_608/2011 E. 5.3.1; 129 III 604 E. 4.1 = Pra 2004 Nr. 100.

1041

5. Kapitel

Nominatverträge

Bestellerin über die sachgemässe Nutzung des Werks bzw. die Folgen unsachgemässer Nutzung aufklären, um möglichen Gefahren vorzubeugen.56 3143

Die Tragweite von Art. 364 Abs. 1 OR, wonach ein Unternehmer für die gleiche Sorgfalt wie ein Arbeitnehmer haftet, ist umstritten. Die Norm darf jedenfalls nicht darüber hinwegtäuschen, dass bezüglich der Hauptleistung für den Erfolg und gerade nicht für das sorgfältige Tätigwerden gehaftet wird. Die Sorgfaltspflicht nach Art. 364 Abs. 1 OR findet nach der hier vertretenen Meinung keine Anwendung auf die Verletzung der Hauptleistungspflicht, wo stattdessen die Mängelhaftung (Art. 367 ff. OR) Platz greift, sondern definiert die geschuldete Sorgfalt des Unternehmers im Rahmen der Neben(leistungs)pflichten (positive Vertragsverletzung; zur Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten s. N 852 f.). In diesem Fall haftet der Unternehmer nach Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 364 Abs. 1 OR, und zwar unseres Erachtens unabhängig davon, ob der Schaden vor oder nach Ablieferung des Werks eintritt.57 Eine solche Sorgfaltspflichtverletzung kann auch dann vorliegen, wenn die Hauptleistung mängelfrei abgeliefert wurde. Ist das Werk dagegen mangelhaft, beurteilen sich die Rechtsfolgen nach Art. 367 ff. OR (wobei Art. 364 Abs. 1 OR wiederum für die Beurteilung des Verschuldens herbeizuziehen ist; s.  N  3178). Erfolgt die Ablieferung zu spät, kommen die Verzugsbestimmungen von Art. 366 und Art. 102 ff. OR zum Zug. Bei Nichterfüllung ist Art. 97 Abs. 1 OR – und nicht Art. 364 Abs. 1 OR – anwendbar.58 2.3

Pflichten im Umgang mit dem von der Bestellerin gelieferten Stoff (Art. 365 Abs. 2 und Abs. 3 OR)

3144

Stammt das Material von der Bestellerin (klassischer Werkvertrag), so hat der Unternehmer es sorgfältig zu behandeln, Rechenschaft darüber abzulegen und der Bestellerin einen allfälligen Rest zurückzugeben (Art. 365 Abs. 2 OR). Zudem trifft den Unternehmer eine Orientierungspflicht, falls der gelieferte Stoff mangelhaft ist (Art. 365 Abs. 3 OR). Als von der Bestellerin gelieferter Stoff gilt etwa auch ein Auto, das zur Reparatur in die Garage gebracht wird.59

3145

Sorgfältige Behandlung des Stoffs bedeutet im Übrigen, dass den Unternehmer eine umfassende Obhutspflicht trifft.60 Der Grad der Sorgfalt richtet sich grosso modo nach Art. 364 Abs. 1 OR (s. N 3142 f.). Eine schuldhafte Verletzung der Pflichten

56 57 58 59 60

1042

BGE 4A_608/2011 E. 5.3.1; 129 III 604 E. 4.1 = Pra 2004 Nr. 100; 94 II 157 E. 5; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 3721 ff. Gauch, Werkvertrag, N 853. S. zum Ganzen Bucher, OR BT, 206; teilweise anders Honsell, OR BT, 306; wieder anders BK OR-Koller, Art. 364 N 4 ff. BGE 113 II 421 E. 2a = Pra 1988 Nr. 110; Honsell, OR BT, 307. Gauch, Werkvertrag, N 828.

§ 34

Werkvertrag (Art. 363–379 OR)

von Art. 365 Abs. 2 OR führt zur Schadenersatzpflicht nach Art. 97 Abs. 1 OR.61 Von dieser entbindet nur der Nachweis, dass der Unternehmer den Stoff «mit aller Sorgfalt» behandelt hat. Das Verschulden des Unternehmers wird vermutet (Art. 97 Abs. 1 OR).62 Art. 376 Abs. 3 OR regelt einen Anwendungsfall der Orientierungspflicht (Anzeige- 3146 pflicht) von Art. 365 Abs. 3 OR, nämlich den Fall des Untergangs des Werks infolge mangelhaften Stoffs (z.B. Lieferung von Aluminium statt Stahl63). Der Unternehmer hat die Bestellerin über alle Umstände zu orientieren, welche einen Werkmangel bewirken oder die Ablieferung über den vereinbarten Termin hinaus verzögern.64 Es besteht nur ein Vergütungsanspruch, wenn der Unternehmer seiner Anzeigepflicht gemäss Art. 365 Abs. 3 OR nachgekommen ist. Die Anzeigepflicht entfällt, wenn der Unternehmer annehmen darf, dass die Bestellerin den Mangel bzw. die Umstände, welche zu einer mangelhaften oder verspäteten Ausführung führen, bereits kennt oder kennen müsste.65 2.4

Treuepflicht?

Den Unternehmer trifft im Regelfall  – anders als den Arbeitnehmer oder Beauf- 3147 tragten (s. N 3269 ff.) – keine besondere Treuepflicht im Sinne einer umfassenden Interessenwahrungspflicht. Auch hier sind indessen die berechtigten Interessen der Gegenpartei gemäss Art.  2 Abs.  1 ZGB nach guten Treuen zu wahren.66 Richtig ist zweifellos auch, dass der Unternehmer vertrauliche Informationen, die ihm die Bestellerin offenbart hat, nicht weiterverbreiten darf.67 Ob man bei Bestehen solcher Neben- bzw. Schutzpflichten, die grundsätzlich in jeden Vertrag mehr oder weniger umfassend Eingang finden, von einer Treuepflicht sprechen will, ist aber letztlich eine Frage der Terminologie. Unseres Erachtens ist es bei jedem Vertrag per definitionem zutreffend, vom Vorliegen einer Treuepflicht auszugehen. Diese variiert in ihrer inhaltlichen Ausgestaltung allerdings von Vertrag zu Vertrag.68

61 62 63 64 65 66

67 68

BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 365 N 36. ZK OR-Bühler, Art. 365 N 47. ZK OR-Bühler, Art. 365 N 53. BGE 4A_321/2007 E. 4.2; BK OR-Koller, Art. 365 N 57; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 365 N 19. BGE 4C.99/2004 E. 4.1; 93 II 311 E. 3a; 92 II 328 E. 3b; BK OR-Koller, Art. 365 N 71. Honsell, OR BT, 307; wohl auch Bucher, OR BT, 206; eine Treuepflicht bejahen indessen Engel, CO PS, 441 f.; Gauch, Werkvertrag, N 820 ff.; BK OR-Koller, Art. 363 N 274; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 3723. S. ferner auch BGE 129 III 604 E. 4.1 = Pra 2004 Nr. 100, wonach die werkvertragliche Sorgfaltspflicht Ausdruck der Treuepflicht ist, welche dem Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmer und Bestellerin entspringt. BGE 93 II 272 E. 5; Engel, CO PS, 442; BK OR-Koller, Art. 363 N 276. S. auch Siegenthaler, Art. 364 N 5.

1043

5. Kapitel

3148

Nominatverträge

3.

Verzug des Unternehmers

3.1

Ablieferungsverzug

Gerät der Unternehmer mit der Ablieferung des Werks in Verzug, sind grundsätzlich die Art. 102–109 OR anwendbar. Der Unternehmer fällt ohne Weiteres in Verzug, wenn ein als Verfalltag (Art. 102 Abs. 2 OR) vereinbarter Ablieferungstermin abgelaufen ist. Haben die Parteien vertraglich keinen Termin bestimmt, wird die Ablieferung in jenem Zeitpunkt fällig, in dem der Unternehmer nach rechtzeitigem Beginn (s. N 3150) mit dem üblichen Einsatz in der Lage sein müsste, das Werk abzuliefern.69 Alsdann muss die Bestellerin den Unternehmer mittels einer Mahnung in Verzug setzen (Art. 102 Abs. 1 OR). 3.2

Herstellungsverzug (Art. 366 Abs. 1 OR)

3149

Die Sonderregelung von Art. 366 Abs. 1 OR über den Herstellungsverzug70 erlaubt der Bestellerin, bereits vor Eintritt des Ablieferungstermins gegen den Unternehmer vorzugehen. Diese Möglichkeit besteht, wenn sich der Unternehmer mit der Ausführung des Werks derart im Rückstand befindet, dass eine verspätete Ablieferung unvermeidlich wird oder verbindliche Zwischentermine nicht eingehalten werden können. Sodann genügt gemäss Gesetzestext für die Anwendung von Art. 366 Abs. 1 OR aber auch bereits, dass der Unternehmer mit der Ausführung des Werkes nicht rechtzeitig beginnt.

3150

Art.  366 Abs.  1  OR ist durch das Verzugsrecht des Allgemeinen Teils des OR (Art.  102–109  OR) zu ergänzen.71 Ein Herstellungsverzug setzt demnach voraus, dass die ausbleibende Leistung fällig ist (s.  N  917  f.). Ergibt sich aus dem Inhalt des Vertrages nichts anderes, kann die Bestellerin vom Unternehmer verlangen, sogleich mit der Herstellung des Werks zu beginnen (Art. 75 OR). Haben die Parteien dagegen einen Ablieferungstermin vereinbart, ist diese Abrede mangels anderer Anhaltspunkte so zu verstehen, dass der Unternehmer frei entscheiden darf, wann er mit der Ausführung beginnt, solange er den Ablieferungstermin und allfällige Zwischentermine noch einhalten kann.72 Zusätzlich zur Fälligkeit setzt der Verzugseintritt voraus, dass die Bestellerin den Unternehmer gemahnt hat (Art. 102 Abs. 1 OR) oder dass dieser einen vereinbarten Termin (voraussichtlich) nicht einhält (Art. 102 Abs. 2 OR). Schliesslich darf dem Herstellungsverzug weder ein Leistungsverweigerungsrecht des Unternehmers noch ein Gläubigerverzug der Bestellerin entgegenstehen. 69 BGE 4A_233/2016 E. 6.2; s. Koller, Werkvertragsrecht, N 326 und N 328. 70 CHK OR-Hürlimann/Siegenthaler, Art. 366 N 1 ff. 71 BGE 4A_232/2011 E. 4.3; Gauch, Werkvertrag, N 675; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 366 N 13 ff. 72 Gauch, Werkvertrag, N 674.

1044

§ 34

3.3

Werkvertrag (Art. 363–379 OR)

Rechtsfolgen

Befindet sich der Unternehmer mit der Ablieferung oder mit der Herstellung des 3151 Werks im Verzug, haftet er gemäss Art. 103 Abs. 1 OR für den Zufall sowie für allfälligen Verspätungsschaden. Der Bestellerin steht ausserdem ein Vorgehen nach Art. 107 ff. OR offen. Dazu muss sie dem Unternehmer vorbehältlich Art. 108 OR zunächst eine angemessene Nachfrist ansetzen.73 Nach deren Ablauf kann sie ihre Wahlrechte gemäss Art. 107 Abs. 2 OR ausüben (s. N 948 ff.).74 Erklärt die Bestellerin den Rücktritt, hat dies grundsätzlich zur Folge, dass der Vertrag mit Wirkung ex tunc aufgelöst wird. Die Bestellerin schuldet keine Vergütung und kann eine bereits bezahlte Vergütung zurückverlangen. Im Gegenzug muss sie dem Unternehmer einen allenfalls schon empfangenen Werkteil herausgeben.75 Für den Fall, dass der Unternehmer bereits mit der Werkausführung begonnen hat, gestehen Lehre und Rechtsprechung der Bestellerin zudem wahlweise das Recht zu, den Vertrag mit Wirkung ex nunc aufzulösen und den ausgeführten Werkteil gegen Vergütung zu beanspruchen.76

4.

Ersatzvornahme nach Art. 366 Abs. 2 OR

Kann die Bestellerin schon während der Ausführung des Werks «bestimmt vor- 3152 aussehen», dass der Unternehmer dieses vertragswidrig erstellt (antizipierter Vertragsbruch), so kann sie noch während der Ausführung des Werks eine angemessene Frist «zur Abhilfe» setzen. Gleichzeitig ist sie befugt, eine Ersatzvornahme «auf Gefahr und Kosten» des Unternehmers anzudrohen (Art. 366 Abs. 2 OR). Bahnt sich somit bereits während der Ausführung an, dass der Unternehmer schlecht erfüllen wird bzw. der Vertragszweck gefährdet ist77, braucht die Bestellerin den Ablieferungszeitpunkt nicht abzuwarten, bis sie reagiert. Vertragswidrigkeit im Kontext von Art. 366 Abs. 2 OR bedeutet im Übrigen jede Art von Leistungsstörung. Ausgenommen ist die nicht rechtzeitige Ausführung, deren Folgen sich wie erwähnt nach Art. 366 Abs. 1 OR bestimmen (s. N 3149 ff.).78 Art. 366 Abs. 2 OR ist somit im Gegensatz zu Art. 366 Abs. 1 OR keine Verzugsbe- 3153 stimmung.79 Vielmehr modifiziert diese Norm als lex specialis Art. 98 Abs. 1 OR, indem sie der Bestellerin ein Recht auf Ersatzvornahme ohne richterliche Ermäch73 BGE 4A_551/2015 E. 5.2; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 366 N 15. 74 S. BGE 141 III 106 E. 16.2 zur Rechtslage, wenn sich der Unternehmer nur mit einer Teilleistung im Verzug befindet. 75 Gauch, Werkvertrag, N 684. 76 BGE 116 II 450 E.  2a aa; Gauch, Werkvertrag, N  685  ff.; BSK  OR-Zindel/Pulver/Schott, Art.  366 N 21 ff. 77 Niklaus, N 2.4. 78 S. Gauch, Werkvertrag, N 877. 79 Zur analogen Anwendbarkeit von Art. 108 OR bei der Fristansetzung s. BGE 4A_518/2011 E. 4.

1045

5. Kapitel

Nominatverträge

tigung gewährt und den Unternehmer gleichzeitig verpflichtet, die Aufwendungen sowie die Kosten und die Gefahr für die Ersatzvornahme zu tragen.80 Zu beachten ist, dass die Bestellerin bei gegebenen Voraussetzungen alternativ zur Ersatzvornahme nach Art. 366 Abs. 2 OR auch die Wahlrechte von Art. 107 Abs. 2 OR geltend machen kann.81 3154

3155

Zeichnet sich eine mangelhafte Erstellung des Werks ab, besteht das Recht zur Ersatzvornahme nach Art. 366 Abs. 2 OR unbesehen davon, ob der Unternehmer schuldhaft gehandelt hat oder nicht. Wie bei der (nachträglichen) Gewährleistung – und entgegen dem Wortlaut von Art. 366 Abs. 2 OR – gilt auch im Rahmen der Ersatzvornahme, dass der Unternehmer für Werkmängel verschuldensunabhängig (also kausal) haftet. Verlangt werden kann immerhin, dass die Bestellerin kein Selbstverschulden im Sinne von Art. 369 OR an der Entstehung des Mangels trifft.82.

5.

Gewährleistung für Werk

5.1

Übersicht

Der Unternehmer hat generell unabhängig von seinem Verschulden für Werkmängel einzustehen (s. Art. 368 OR). Die gesetzliche Gewährleistungsordnung ist dispositiver Natur und kann darum innerhalb der zwingenden Schranken vertraglich erweitert werden.83 Die unternehmerische Gewährleistungspflicht kann aber auch vertraglich beschränkt bzw. ausgeschlossen werden (sog. Freizeichnung).84 Dabei ist Art. 100 OR zu beachten. Nicht sachgerecht wäre eine analoge Anwendung des kaufrechtlichen Art. 199 OR, welcher das Verschweigen von Mängeln bei Vertragsschluss regelt.85 Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses existiert das Werk noch nicht. Man müsste die Regelung also auf das Verschweigen bei Ablieferung beziehen.86 Wer aber als Unternehmer ein Werk abliefert, von dem er weiss, dass es mangelhaft ist, erfüllt den Vertrag vorsätzlich schlecht. Für diesen Fall verbietet bereits Art. 100 Abs. 1 OR eine Haftungsbeschränkung, weshalb für Art. 199 OR kein Raum bleibt.87

80 81 82 83 84 85 86 87

Gauch, Werkvertrag, N  870  f.; Niklaus, N  1.104  f. Zum Verhältnis zwischen Art.  98 und Art. 366 Abs. 2 OR s. BGE 142 III 321 E. 4.4.2. BGE 4A_518/2011 E. 3; 4C.433/2005 E. 2.1; 126 III 230 E. 7a bb; a.M. Gauch, Werkvertrag, N 894b f. BGE 4C.159/1999 E. 5; Gauch, Werkvertrag, N 880 f.; Koller, Werkvertragsrecht, N 407; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 366 N 35. BGE 114 II 239 E. 5a aa. BGE 4C.82/2001 E. 2b; 118 II 142 E. 1a; 114 II 239 E. 5a aa; 91 II 348 E. 2a. So aber Koller, Werkvertragsrecht, N 861. S. ZK OR-Bühler, Art. 368 N 249; Gauch, Werkvertrag, N 2581. Im Ergebnis gleich Honsell, OR BT, 322.

1046

§ 34

Werkvertrag (Art. 363–379 OR)

Von Gesetzes wegen ist die Gewährleistungspflicht in folgenden Fällen ausgeschlos- 3155a sen: • Der Mangel wird durch den von der Bestellerin gelieferten Stoff oder ihren Baugrund verursacht, und der Unternehmer kommt rechtzeitig seiner Anzeigepflicht nach Art. 365 Abs. 3 OR nach.88 • Die Bestellerin (oder ihre Hilfsperson; Art. 101 OR) verschuldet den Mangel selber, z.B. durch Weisungen, die sie «entgegen den ausdrücklichen Abmahnungen» des fachkundigeren Unternehmers erteilt (Art. 369 OR). Selbstverschulden im Sinne von Art. 369 OR liegt aber nur vor, wenn die Verursachung des Werkmangels wertungsmässig ausschliesslich der Bestellerin anzulasten ist.89 Gemäss Art.  369  OR verliert die Bestellerin dadurch ihre Rechte aus Gewährleistung. Trifft die Bestellerin nur ein beschränktes Selbstverschulden, ist der Unternehmer via eine (analoge) Anwendung von Art. 99 Abs. 3 i.V.m. Art. 44 Abs. 1 OR teilweise entlastbar.90 • Die Bestellerin verwirkt ihre Ansprüche aus Gewährleistung, indem sie das Werk ausdrücklich oder konkludent91 genehmigt (Art. 370 OR).92 Der Untergang des abgelieferten Werks führt hingegen nicht generell zum Verlust 3156 der Ansprüche aus Sachgewährleistung. Beschränkt wird nur das Wahlrecht: Vorbehaltlos möglich bleibt die Minderung. Die Nachbesserung dagegen wird durch den Untergang eines Werks unmöglich. Das Recht zu wandeln beurteilt sich in analoger Anwendung von Art. 207 Abs. 3 OR: Es wird der Bestellerin abgeschnitten, wenn sie den Untergang des Werks zu verantworten hat, es veräussert oder umgestaltet hat.93 Gebraucht die Bestellerin das Werk in Kenntnis des Mangels, verliert sie die Wandlungsoption ebenfalls (Art. 2 ZGB).94 5.2

Voraussetzungen für die Sachgewährleistung

Für die Sachgewährleistung gelten folgende Voraussetzungen: • • • •

3157

das Werk ist bei der Ablieferung mangelhaft (s. N 3158 ff.); die Bestellerin erhebt fristgerecht Mängelrüge (Art. 367 OR; s. N 3161); es liegt kein Ausschlussgrund vor (s. N 3155); der Anspruch ist noch nicht verjährt (Art. 371 OR; s. N 3179 ff.).

88 S. Gauch, Werkvertrag, N 1979 ff. und N 1986 ff. 89 BGE 4C.217/2005 E.  3.2.1; Gauch, Werkvertrag, N  1918; BSK  OR-Zindel/Pulver/Schott, Art.  369 N 3 m.w.H. 90 BGE 116 II 454 E. 3; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 369 N 26; ausführlich Gauch, Werkvertrag, N 2061 ff. 91 BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 370 N 11. 92 S. Gauch, Werkvertrag, N 2069 ff. 93 Gauch, Werkvertrag, N 1593 ff. 94 BGE 105 II 90, E. 1; Gauch, Werkvertrag, N 1606.

1047

5. Kapitel

Nominatverträge

3158

Ein Werkmangel ist eine Abweichung von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit des Werks95, also eine Differenz zwischen dem abgelieferten Werk und dem vereinbarten Leistungsprogramm. Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung der Mangelhaftigkeit ist die Ablieferung des Werks.96 Haben die Parteien die SollBeschaffenheit vertraglich nicht oder nicht vollständig definiert, ist die Leistungspflicht des Unternehmers (richterlich) zu konkretisieren. Dabei dienen die Kriterien Gebrauchstauglichkeit und Verkehrsanschauung als Indikatoren für den hypothetischen Parteiwillen.97

3159

Versteht man «Mangel» generell als Vertragsabweichung, so ist die in Art.  368 Abs.  1  OR getroffene Unterscheidung zwischen Mängeln und sonstigen Abweichungen vom Vertrag bedeutungslos. Unterschiedliche Rechtsfolgen verbindet das Gesetz mit dieser Unterscheidung ohnehin nicht.98 Die Kontroverse, ob die Mängelbegriffe von Kauf- und Werkvertrag identisch sind, hat überdies kaum eine praktische Relevanz.99

3160

Nicht als Mangel gilt im Übrigen die Lieferung eines aliud, also eines völlig anderen Werks (Falschlieferung). Die Rechtsfolgen einer aliud-Lieferung beurteilen sich nach den Bestimmungen über die Nichterfüllung (Art. 102 ff. OR);100 den werkvertraglichen Gewährleistungsregeln von Art.  367  ff.  OR bleibt die Anwendung versagt. Die Abgrenzung zwischen aliud und Werkmangel kann im Einzelfall schwierig sein. Fehlt eine entsprechende Parteiabrede, entscheidet die Verkehrsauffassung (s. N 2590 f.).101

3161

Die Bestellerin hat das Werk nach Ablieferung («sobald es nach dem üblichen Geschäftsgange tunlich ist») zu überprüfen und die Mängel zu rügen (Art. 367 OR; s. Art. 201 OR). Der Prüfungszeitraum richtet sich dabei nicht nach den persönlichen Gewohnheiten der Bestellerin, sondern nach der Verkehrsübung und hängt von der Art und Beschaffenheit des Werks sowie der Art des Mangels ab.102 Die Prüfung kann darum auch einige Tage oder auch mehrere Monate dauern.103 Da gewisse Mängel nicht sofort sichtbar werden, ist unter Umständen gar mit der Prü-

95 96 97 98 99 100 101 102 103

1048

BGE 4A_173/2014 E. 5.2; 4A_109/2014 E. 3.3.1; 4A_428/2007 E. 3.1; Koller, Nachbesserungsrecht, N 23; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 368 N 9. Bucher, OR BT, 208. S. BGE 4A_511/2014 E. 3.4, wonach das Werk unter anderem dann mangelhaft ist, wenn ihm eine Eigenschaft fehlt, welche die Bestellerin in guten Treuen erwarten durfte; s. auch Vischer, recht 2015, 8. Gauch, Werkvertrag, N 1438 ff. Für Identität BGE 4C.130/2006 E. 7.3; 4C.90/2000 E. 2; 104 II 348 E. III.3b bb; Honsell, OR BT, 312; Vischer, recht 2015, 6 und 9. Für eine eigenständige Begriffsbestimmung dagegen Gauch, Werkvertrag, N 1352 f. BGE 4A_360/2017 E. 3.1.1; Gauch, Werkvertrag, N 1443 ff.; a.M. Koller, Werkvertragsrecht, N 500. S. Gauch, Werkvertrag, N 1443. BGE 118 II 142 E. 3b; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 367 N 6. S. BGE 81 II 56 E. 3b.

§ 34

Werkvertrag (Art. 363–379 OR)

fung zuzuwarten.104 Ein Zuwarten ist jedenfalls dort nicht statthaft, wo die Bestellerin den Verdacht hat, es könnte ein Mangel vorliegen.105 Wird bei der Prüfung ein Mangel entdeckt, hat die Mängelrüge sofort (das heisst unverzüglich106, in der Regel innerhalb von sieben bis zehn Tagen107) zu erfolgen und muss genügend substanziiert werden, also Art, Umfang und unter Umständen auch den Ort des Mangels möglichst genau bezeichnen.108 Aus der Rüge muss (implizit) ersichtlich sein, dass die Bestellerin das Werk nicht als vertragsgemäss anerkennt und dafür den Unternehmer haftbar machen will.109 Das Bundesgericht hält eine siebentägige Rügefrist für angemessen, sofern nicht schon dieser Zeitraum zu einer Vergrösserung des Schadens führt.110 Die Wahlerklärung nach Art.  368  OR muss im Übrigen nicht bereits zusammen mit der Mängelrüge abgegeben werden.111 Im kaufmännischen Verkehr wird das Erfordernis der Rechtzeitigkeit der Mängelrüge strikter gehandhabt als unter Privaten.112 Die Mängelrüge ist an den Unternehmer oder an einen von diesem entsprechend bevollmächtigten Vertreter zu adressieren.113 Versteckte (geheime) Mängel sind dem Unternehmer sofort nach Entdeckung anzu- 3162 zeigen (Art. 370 Abs. 3 OR). Versteckt ist ein Mangel, wenn er bei der Abnahme und der ordnungsgemässen Prüfung nicht erkennbar war.114 Entdeckung bedeutet zweifelsfreie Feststellung. Mängel, die nach und nach zutage treten, gelten erst dann als «entdeckt», wenn die Bestellerin ihre Bedeutung und Tragweite erfassen kann.115 Rügt die Bestellerin einen Mangel nicht rechtzeitig, so gilt das Werk als genehmigt 3163 (Art. 370 Abs. 2 und Abs. 3 OR). Die Genehmigungsfiktion hat zur Folge, dass die entsprechenden Mängelrechte verwirken.116 Keine Verwirkung tritt dagegen bei arglistigem Verschweigen von Mängeln ein (Art. 370 Abs. 1 OR). Diese Ausnahmeregel gilt nach der herrschenden Lehre nicht nur für offene, sondern auch für versteckte Mängel.117 Die Beweislast für das Bestehen eines Mangels und für die recht-

104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117

BGE 4A_534/2008 E. 7.3. BGE 4A_360/2017 E. 3.2.2. Gauch, Werkvertrag, N 2141 ff.; Zehnder, SJZ 2000, 546 f. und FN 10. BGE 4A_82/2008 E. 7.1; Bieger, N 258; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 367 N 20. BGE 141 III 596 E. 3.2 = Pra 2016 Nr. 88; 4A_51/2007 E. 4.5; 107 II 172 E. 1a und E. 1b; Bieger, N 154, N 158 und N 160 f.; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 367 N 18. S. ferner auch BGE 4C.130/2006 E. 4.2.1, wonach das Nennen der Mangelursache nicht erforderlich ist. BGE 4C.130/2006 E. 4.2.1; 107 II 172 E. 1a; Gauch, Werkvertrag, N 2133 f.; Zehnder, SJZ 2000, 546; zur solidarischen Haftung mehrerer s. Krauskopf, Planerverträge, N 15.58 ff. BGE 4C.82/2004 E. 2.3. BGE 98 II 118 E. 2; Honsell, OR BT, 313. S. BGE 4C.82/2004 E. 2.2 und E. 2.3. BGE 4C.125/2005 E. 3.1; Gauch, Werkvertrag, N 2145. BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 370 N 7. BGE 131 III 145 E. 7.2 = Pra 2005 Nr. 50; 118 II 142 E. 3b. BGE 4A_231/2016 E. 2.2; Koller, Werkvertragsrecht, N 591. Gauch, Werkvertrag, N 2187 f.; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 370 N 20; gegenteilig BGE 100 II 30 E. 2; offengelassen in BGE 4C.34/2005 E. 5.3.

1049

5. Kapitel

Nominatverträge

zeitige Rüge trägt die Bestellerin (Art. 8 ZGB).118 Gelingt ihr der Beweis oder wird er nicht verlangt, hat sie in der Folge ein Wahlrecht zwischen Wandlung, Minderung und Nachbesserung, jeweils in Kombination mit Schadenersatz (zu den einzelnen Rechtsbehelfen s. N 3164 ff.).119 5.3

Wandlung (Art. 368 Abs. 1 OR)

3164

Die Bestellerin darf die Annahme des Werks verweigern, wenn ihr diese wegen eines gravierenden Mangels nicht zuzumuten ist (Art. 368 Abs. 1 OR). Ob im Einzelfall eine solche Unzumutbarkeit vorliegt, ist mittels einer Abwägung der Parteiinteressen unter umfassender Würdigung der konkreten Umstände zu ermitteln.120 Ausgangspunkt sind Art und Ausmass des Mangels.121 Daraus folgt, dass bei möglicher Nachbesserung oder Minderung das Wandlungsrecht nicht eo ipso wegen fehlender Zumutbarkeit ausgeschlossen ist.122

3165

Die in der Lehre überwiegende Meinung fordert keine Nachfristansetzung im Sinne von Art. 107 Abs. 1 OR.123 Vorgängig zu Wandlung und Minderung eine Nachbesserungsfrist anzusetzen, verlangt dagegen Art. 169 SIA-Norm 118.

3166

Wurde das Werk auf Grund und Boden der Bestellerin errichtet, so darf diese nicht wandeln, wenn das Entfernen des Werks mit unverhältnismässigen Nachteilen für den Unternehmer verbunden wäre (Art. 368 Abs. 3 OR). Dies gilt nicht etwa nur für ganze Bauten, sondern auch für nicht leicht demontierbare Bauteile, z.B. für einen eingebauten Aufzug.124 Art. 368 Abs. 3 OR ist analog anwendbar, wenn der Unternehmer auf Grund und Boden eines Dritten ein Werk errichtet.125 Ungeachtet der Nachteile für den Unternehmer ist das Werk aber zu entfernen, wenn es für den vereinbarten Gebrauch nicht taugt126 oder Leib und Leben von Personen gefährdet, ohne dass geeignete und verhältnismässige Schutzmassnahmen getroffen werden könnten.127 Die Bestellerin darf das unbrauchbare Werk selber beseitigen oder es – auch ohne richterliche Ermächtigung (Art. 98 Abs. 1 OR) – beseitigen lassen,

118 119 120 121 122 123 124 125 126 127

1050

Honsell, OR BT, 312 f. m.w.H. S. BGE 136 III 273 E. 2.2 = Pra 2010 Nr. 129, wonach die Bestellerin ihr Wahlrecht selbst ausüben muss; das Gericht kann dies nicht an ihrer Stelle tun. S. BGE 4A_232/2016 E. 3.5.1 und E. 3.5.2. BGE 4A_290/2010 E. 2.1; 98 II 118 E. 3a; Gauch, Werkvertrag, N 1559 ff.; s. die weiteren Gesichtspunkte bei BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 368 N 15. BGE 4A_290/2010 E. 2.3. Honsell, OR BT, 315; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 368 N 20 m.w.H.; a.M. Bucher, OR BT, 209. BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 368 N 76 m.w.H. Gauch, Werkvertrag, N 1574. BGE 4A_177/2014 E. 4.1; 98 II 118 E. 3b. ZK OR-Bühler, Art. 368 N 211 f. m.w.H.

§ 34

Werkvertrag (Art. 363–379 OR)

weil sie aufgrund des Akzessionsprinzips (Art. 671 Abs. 1 ZGB) Eigentümerin des Werks geworden ist.128 Bei der Wandlung wird der Vertrag aufgehoben.129 Analog zu Art.  109  OR wird 3167 das Schuldverhältnis nach unserer Meinung in ein vertragliches Abwicklungsverhältnis überführt.130 Die Rückleistungsforderungen sind vertraglicher Natur (sog. Umwandlungstheorie; s. N 2663 f.).131 Die bereits erbrachten Leistungen können somit nach folgenden Grundsätzen zurückgefordert werden: Der Unternehmer hat Anspruch auf Rückübereignung des Werks. Im Gegenzug muss er den bereits bezogenen Werklohn gegen Verzinsung zurückerstatten, darf davon aber allfällige Nutzungen des Werks durch die Bestellerin abziehen.132 Nach der Rücknahme des Werks ist der Unternehmer verpflichtet, den von der Bestellerin gelieferten Werkstoff herauszutrennen und zurückzugeben.133 Ist dies nicht ohne erheblichen Wertverlust möglich oder mit unzumutbarem Aufwand verbunden, hat er der Bestellerin Wertersatz zu leisten.134 In analoger Anwendung von Art. 74 Abs. 2 Ziff. 2 OR befindet sich der Erfüllungsort dort, wo sich das Werk im Zeitpunkt der Wandlung befindet; die Kosten des Rücktransports gehen zulasten des Unternehmers (s. N 2668). 5.4

Minderung (Art. 368 Abs. 2 OR)

Liegen Werkmängel vor, die minder erheblich sind und darum eine Wandlung nicht rechtfertigen, kann die Bestellerin mindern (Art. 368 Abs. 2 OR). Wie beim Kauf wird der Minderwert nach der relativen Berechnungsmethode ermittelt (s. N 2685 ff.).135

3168

Hilfsweise kann der Minderwert auch anhand der tatsächlichen Nachbesserungs- 3169 kosten errechnet werden.136 Lassen sich diese nicht genau beziffern, so bestimmt das Gericht den Minderwert nach seinem Ermessen (Art. 42 Abs. 2 OR analog).137 Wählt die Bestellerin die Minderung, fallen bei ihr entstehende Nachbesserungskosten, welche die (relativ berechnete) Herabsetzungssumme übersteigen, nicht unter den Minderungsanspruch. Weil mit der Wahl der Minderung ein Nachbesserungs-

128 129 130 131 132 133 134 135 136

BGE 98 II 118 E. 4. BGE 4A_387/2014 E. 4.1; 98 II 118 E. 3a. Gl.M. Gauch, Werkvertrag, N 1538 ff.; Honsell, OR BT, 315. Allgemein zur Rückabwicklung s. BSK OR-Wiegand, Art. 109 N 4 ff. S. zum Ganzen Honsell, OR BT, 315; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 368 N 25 m.w.H. A.M. Gauch, Werkvertrag, N 1542. Koller, Werkvertragsrecht, N 655; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 3929. BGE 4A_326/2007 E. 5.1; 116 II 305 E. 4a; Honsell, OR BT, 316. BGE 4C.461/2004 E. 2; 116 II 305 E. 4a; ZK OR-Bühler, Art. 368 N 103 m.w.H.; Gauch, Werkvertrag, N 1680 ff. 137 BGE 4C.461/2004 E. 2.

1051

5. Kapitel

Nominatverträge

anspruch entfällt, können die höheren Nachbesserungskosten auch nicht mehr als Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden.138 5.5

Nachbesserung (Art. 368 Abs. 2 OR)

3170

Anstelle von Wandlung oder Minderung kann die Bestellerin dem Unternehmer auch eine angemessene Frist einräumen und Nachbesserung verlangen, sofern die Kosten dafür nicht unverhältnismässig sind (Art. 368 Abs. 2 in fine OR). Umstritten ist, ob das Erfordernis der verhältnismässigen Kosten auch dann zu beachten ist, wenn dem Werk eine zugesicherte Eigenschaft fehlt.139 Die Bestellerin soll durch die Nachbesserung weder schlechter noch besser gestellt werden, als wenn der Unternehmer von Anfang an korrekt erfüllt hätte. Die Kosten der Nachbesserung gehen damit zu seinen Lasten, ausser sie wären der Bestellerin auch bei einwandfreier Vertragserfüllung angefallen.140

3171

Der Unternehmer seinerseits hat grundsätzlich kein Recht auf Nachbesserung. Ein solcher Anspruch lässt sich lediglich einzelfallweise mithilfe von Art.  2 ZGB begründen.141

3172

Dogmatisch stellt das Nachbesserungsrecht der Bestellerin nach herrschender Lehre ein Gestaltungsrecht dar. Wird es ausgeübt, entsteht ein Anspruch auf unentgeltliche Leistung der Nachbesserung.142 Aus der Qualifikation des Nachbesserungsrechts als Gestaltungsrecht ergibt sich, dass die Ausübung (grundsätzlich; s. N 2652) unwiderruflich ist.

3173

Gerät der Unternehmer mit der Nachbesserung in Verzug, kann die Bestellerin nach den allgemeinen Verzugsregeln (Art.  102  ff.  OR) verfahren. Das Wahlrecht von Art. 107 Abs. 2 OR eröffnet in dieser Situation folgende Möglichkeiten: Die Bestellerin kann entweder weiterhin auf Nachbesserung beharren, Schadenersatz wegen Nichterfüllung (der Nachbesserung) verlangen, welcher auch die Kosten einer Ersatzvornahme umfasst, oder vom Vertrag zurücktreten.143 Alternativ dazu kann sie auch eine richterliche Ermächtigung zur Ersatzvornahme einholen (Art.  98 Abs.  1  OR). Das muss sie aber nicht, denn das Bundesgericht wendet Art. 366 Abs. 2 OR analog auf diesen Fall an (Ersatzvornahme ohne richterli-

138 139 140 141 142 143

1052

BGE 116 II 305 E. 4a. Verneinend Bucher, OR BT, 210, und Honsell, OR BT, 316, jeweils unter Berufung auf BGE 93 II 317 E. 4b. A.M. Gauch, Werkvertrag, N 1748 mit dem zutreffenden Hinweis, dass im zitierten Entscheid eine abweichende Vereinbarung getroffen wurde. BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 368 N 54; ausführlich zur Kostentragung Koller, Nachbesserungsrecht, N 345 ff. Honsell, OR BT, 318. BGE 4A_90/2013 E. 4; Gauch, Werkvertrag, N 1702 f. m.w.H. BGE 136 III 273 E. 2.4 = Pra 2010 Nr. 129.

§ 34

Werkvertrag (Art. 363–379 OR)

che Ermächtigung).144 Sowohl beim Vorgehen nach Art. 107 OR als auch bei jenem nach Art. 366 Abs. 2 OR ist die Ansetzung einer Nachfrist nötig, sofern kein Fall von Art. 108 OR vorliegt. Die Nachfristansetzung erübrigt sich in der Regel dann, wenn der Unternehmer die Nachbesserung von vornherein verweigert oder wenn er offenbar nicht in der Lage ist, die Mängelbeseitigung vorzunehmen.145 Entscheidet sich die Bestellerin dazu, in Anwendung von Art. 107 Abs. 2 OR vom 3173a Vertrag zurückzutreten, wird die Ausübung des Gestaltungsrechts (Nachbesserung) rückwirkend aufgehoben, was die Gewährleistungsbehelfe von Art. 368 OR wieder aufleben lässt.146 Möchte die Bestellerin vom Vertrag zurücktreten, hat sie somit die werkvertraglichen Besonderheiten zu berücksichtigen.147 Dies bedeutet, dass das Werk an so erheblichen Mängeln leiden oder sonst so sehr vom Vertrag abweichen muss, dass es für die Bestellerin unbrauchbar ist oder dass ihr die Annahme billigerweise nicht zugemutet werden kann (Art. 368 Abs. 1 OR).148 5.6

Erstellung eines neuen Werks (Art. 206 Abs. 1 OR analog)?

Die wohl herrschende Lehre lehnt eine analoge Anwendung von Art. 206 Abs. 1 OR 3174 auf den Werkvertrag ab. Die Bestellerin ist damit mangels entsprechender Parteivereinbarung nicht dazu berechtigt, statt Wandlung die Herstellung eines neuen und mängelfreien Werks zu verlangen.149 Keine Herstellung eines neuen Werks, sondern blosse Nachbesserung ist der Ersatz bzw. die Neuherstellung fehlerhafter Werkteile.150 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz macht das Bundesgericht dann, wenn eine 3175 Nachbesserung nicht machbar, eine Neuherstellung aber möglich ist.151 Da das Nachbesserungsrecht diesfalls entfällt, rechtfertigt es sich, der Bestellerin lückenfüllend ein Recht auf Neuherstellung einzuräumen.152

144 BGE 107 II 50 E. 3; Koller, Nachbesserungsrecht, N 182 ff. Kritisch Gauch, Werkvertrag, N 1820 ff., der das analoge Heranziehen von Art. 366 Abs. 2 OR auf diese Konstellation nur bei besonderer Dringlichkeit zulassen will. 145 BGE 136 III 273 E. 2.3 = Pra 2010 Nr. 129; 96 II 351 E. 2c; Koller, Nachbesserungsrecht, N 171. S. auch BGE 141 III 596 E. 4.2 und E. 4.3 = Pra 2016 Nr. 88, in welchem eine Weigerung des Unternehmers nicht bewiesen war und folglich das Ansetzen einer Nachfrist erforderlich gewesen wäre. 146 BGE 136 III 273 E. 2.4 = Pra 2010 Nr. 129; Gauch, Werkvertrag, N 1796 f. 147 BGE 4A_290/2010 E. 1.1. 148 BGE 4A_290/2010 E. 2. 149 ZK OR-Bühler, Art. 368 N 120; Gauch, Werkvertrag, N 1773 ff. m.w.H.; BSK OR-Zindel/Pulver/ Schott, Art. 368 N 31. 150 Gauch, Werkvertrag, N 1776 f. 151 BGE 4C.258/2001 E. 4.1.4. 152 Gauch, Werkvertrag, N 1779; Koller, Nachbesserungsrecht, N 120; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 368 N 57.

1053

5. Kapitel

3176

Nominatverträge

Dem Unternehmer steht es frei, statt der verlangten Nachbesserung ein neues Werk herzustellen, wenn dadurch die berechtigten Interessen der Bestellerin nicht beeinträchtigt werden.153 5.7

Schadenersatz (Art. 368 Abs. 1 und Abs. 2 OR)

3177

Kumulativ zu den Optionen Wandlung, Minderung und Nachbesserung hat die Bestellerin einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der aus dem Werkmangel resultiert (sog. Mangelfolgeschaden). Nicht zulässig ist es nach herrschender Lehre, den Schadenersatzanspruch gemäss Art.  368  OR anstelle von Wandlung, Minderung oder Nachbesserung auszuüben. Der Schadenersatzanspruch ergänzt die genannten Rechtsbehelfe insofern, als er zusätzlich den Mangelfolgeschaden abdeckt. Was mit den anderen Mängelrechten gefordert werden darf (Ersatz des Mangelschadens), kann nicht auch noch Gegenstand des Schadenersatzanspruchs sein.154 Keine Voraussetzung ist aber, dass die übrigen Mängelrechte auch tatsächlich ausgeübt werden.155

3178

Erforderlich ist dagegen, dass die Bestellerin rechtzeitig rügt und dass ein Verschulden des Unternehmers vorliegt. Die Praxis und die herrschende Lehre gehen davon aus, dass das Verschulden des Unternehmers wie in Art.  97 Abs.  1  OR vermutet wird.156 Das Verschulden kann auch in der fahrlässigen Verletzung einer Sorgfaltspflicht (Art. 364 Abs. 1 OR) bestehen,157 weshalb Art. 364 Abs. 1 OR im Bereich der Mängelhaftung ebenfalls eine Rolle spielt. Als eigenständige Haftungsgrundlage neben Art. 368 OR kommt Art. 364 Abs. 1 OR aber nicht infrage (s. N 3143).

3179

5.8

Wahrung der Fristen (Art. 371 OR)

a.

Überblick

Die Ansprüche aus Werkmängeln verjähren grundsätzlich nach zwei Jahren (Art. 371 Abs. 1 Satz 1 OR). Für Mängel im Zusammenhang mit der Integration eines beweglichen Werkes in ein unbewegliches gilt eine fünfjährige Verjährungsfrist (Art. 371 Abs. 1 Satz 2 OR). Die Mängelrechte der Bestellerin eines unbeweglichen Werkes verjähren nach fünf Jahren (Art. 371 Abs. 2 OR). Während Art. 370 OR die Verwirkung regelt, befasst sich Art. 371 OR mit der Verjährung und der Verwirkung der

153 154 155 156 157

1054

BGE 4C.80/2000 E. 3a; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 368 N 57. BGE 4C.106/2005 E. 3.1; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 368 N 68; a.M. Koller, Werkvertragsrecht, N 506 f. m.w.H. BGE 4A_90/2013 E. 4.2; Gauch, Werkvertrag, N 1851. BGE 107 II 438, 439; 93 II 311 E. 3a; Gauch, Werkvertrag, N 1891; Honsell, OR BT, 318; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 368 N 94; a.M. Bucher, OR BT, 210 f. m.w.H. Gauch, Werkvertrag, N 1887.

§ 34

Werkvertrag (Art. 363–379 OR)

Mängelrechte. Verwirkung führt zum Erlöschen eines Rechts, Verjährung dagegen lediglich zum Wegfall der Klagbarkeit (s. N 2222 f.). b.

Grundregel (Art. 371 Abs. 1 Satz 1 OR)

Gemäss der Grundregel von Art. 371 Abs. 1 Satz 1 OR verjähren die Ansprüche der 3180 Bestellerin wegen Werkmängeln nach zwei Jahren. Anwendbar ist die Bestimmung auf Werke, die weder von der Sonderregelung nach Art. 371 Abs. 1 Satz 2 OR erfasst sind noch unter Art. 371 Abs. 2 OR fallen.158 Die Verjährungsfrist beginnt mit der Abnahme (s. N 3138) des Werks zu laufen. c.

Spezialfall: Integration in ein unbewegliches Werk (Art. 371 Abs. 1 Satz 2 OR)

Verursacht ein Mangel eines beweglichen Werks, welches bestimmungsgemäss in 3180a ein unbewegliches Werk integriert worden ist, die Mangelhaftigkeit des Letzteren, so beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre (Art. 371 Abs. 1 Satz 2 OR). Diese fünfjährige Verjährungsfrist beginnt (wie die zweijährige Frist in Art. 371 Abs. 1 Satz 1 OR) mit Abnahme des beweglichen Werks zu laufen (s. N 3122).159 Art. 371 Abs. 1 Satz 2 OR ist grundsätzlich gleich auszulegen wie Art. 210 Abs. 2 OR. Diese beiden Bestimmungen unterscheiden sich hauptsächlich dadurch, dass es bei Art. 371 Abs. 1 Satz 2 OR um ein bewegliches «Werk» geht, während Art. 210 Abs. 2 OR sich auf eine bewegliche «Sache» bezieht (s. zum Ganzen N 2631c).160 d.

Unbewegliche Werke (Art. 371 Abs. 2 OR)

Ansprüche wegen Mängeln an unbeweglichen Werken verjähren erst nach fünf Jah- 3180b ren nach Abnahme des unbeweglichen Werkes (Art. 371 Abs. 2 OR). Aus dem Gesetzestext und den Materialien geht nicht hervor, was unter dem Begriff «unbewegliches Werk» zu verstehen ist. Nach wohl herrschender Lehre ist darunter eine mit dem Erdboden unmittelbar oder mittelbar verbundene Sache zu verstehen.161 Erforderlich ist darüber hinaus die Dauerhaftigkeit dieser Verbindung.162 Typische Fälle von unbeweglichen Werken im Sinne von Art. 371 Abs. 2 OR sind somit z.B. neu errichtete Gebäude, Brücken oder Strassen.163 Gemäss bundesgerichtlicher Recht158 Frey/Siegenthaler, BR 2014, 178. 159 Gauch, recht 2012, 131; Krauskopf, Verjährung, 94. 160 S. Gauch, recht 2012, 131, wonach die werkvertragsrechtliche Regel von Art. 371 Abs. 1 Satz 2 OR mutatis mutandis der kaufrechtlichen Regel von Art. 210 Abs. 2 OR entspricht. 161 Gauch, recht 2012, 132; OFK OR-Huber/Schwendener, Art. 371 N 5; Krauskopf, Verjährung, 96; Roth, AJP 2014, 776. A.M. Vischer, Jusletter 11. März 2013, N 16, welcher darunter nur Grundstücke im Sinne von Art. 655 bzw. Art. 943 ZGB subsumiert. 162 ZK OR-Bühler, Art. 371 N 44; OFK OR-Huber/Schwendener, Art. 371 N 5; CHK OR-Hürlimann/ Siegenthaler, Art. 371 N 5; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 371 N 23. 163 Gauch, Werkvertrag, N 2232.

1055

5. Kapitel

Nominatverträge

sprechung fehlt es an der Dauerhaftigkeit, wenn sich das Werk ohne erheblichen Wertverlust abmontieren und an einem neuen Ort wieder aufbauen lässt.164 So hat das Bundesgericht etwa ein Lehrgerüst (eine Hilfsbaute zur Erstellung einer Brücke) mangels dauerhafter und fester Verbindung mit dem Erdboden nicht als unbewegliches Werk qualifiziert.165 In der Fassung vor dem 1. Januar 2013 sprach Art. 371 Abs. 2 aOR noch von einem «unbeweglichen Bauwerk». Da der revidierte Art. 371 Abs. 2 OR nur noch von einem «unbeweglichen Werk» spricht, ist mit der Revision der Anwendungsbereich dieser Bestimmung erweitert worden: Neben den unbeweglichen Bauwerken fallen darunter auch unbewegliche Sachen, denen die Merkmale eines unbeweglichen Bauwerks fehlen (z.B. Beschneidung eines Baums, Tapezieren einer Wohnung, Aushub eines Grabens etc.).166 Wie bereits unter altem Recht sollen blosse werkvertragliche Arbeiten an einem bereits vorbestehenden unbeweglichen Werk (z.B. Umbau-, Renovationsarbeiten etc.) nur erfasst werden, wenn die Art und der Umfang der ins Auge gefassten Arbeiten für das unbewegliche Werk von wesentlicher Bedeutung sind.167 Das Bundesgericht hat dies etwa beim Einbau neuer Rollläden168 oder bei Verputzarbeiten an der Hausfassade169 bejaht und diese Arbeiten folglich als unbewegliche Werke qualifiziert. Die ratio legis der im Vergleich zur Regelverjährung längeren fünfjährigen Frist nach Art. 371 Abs. 2 OR besteht darin, dass die Mangelhaftigkeit unbeweglicher Werke typischerweise erst spät festgestellt werden kann.170 In der Literatur ist umstritten, ob aufgrund dieses Zweckgedankens das Risiko der Späterkennbarkeit von Mängeln eine eigenständige Voraussetzung für die Anwendbarkeit von Art. 371 Abs. 2 OR sein soll.171 3180c

Die Dauer der Verjährungsfristen in Art. 371 Abs. 1 Satz 2 und Art. 371 Abs. 2 OR ist zwar identisch, die beiden Verjährungsfristen beginnen jedoch in einem unterschiedlichen Zeitpunkt zu laufen: Art. 371 Abs. 1 Satz 2 OR stellt auf die Abnahme des beweglichen Werks ab, Art. 371 Abs. 2 OR setzt dagegen bei der Abnahme des unbeweglichen Werks an.172 Es ist daher je nach Konstellation möglich, dass eine Verjährung früher eintritt als die andere.

164 165 166 167 168 169 170 171 172

1056

BGE 4A_235/2008 E. 5.5; 96 II 181 E. 3a; 92 II 227 E. 2c. BGE 113 II 264 E. 2c. Gauch, recht 2012, 132 f. und FN 35 m.w.H.; KuKo OR-Lehmann, Art. 371 N 11; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 371 N 27. Gauch, recht 2012, 133 und FN 38; KuKo OR-Lehmann Art. 371 N 11. BGE 121 III 272 E. 3c. BGE 117 II 425 E. 3. Gauch, Werkvertrag, N 2225. S. ferner BGE 93 II 242 E. 2a, wonach bei unbeweglichen Bauwerken «oft erst nach längerer Zeit erkennbar wird, ob das Werk den Anforderungen der Festigkeit oder den geologischen und atmosphärischen Verhältnissen standhält». Bejahend Frey/Siegenthaler, BR 2014, 178 f.; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 371 N 19j; verneinend Koller, Werkvertragsrecht, N 775. Gauch, recht 2012, 132; Krauskopf, Verjährung, 94; dazu ausführlich auch Pichonnaz, SJZ 2013, 72 f.

§ 34

e.

Werkvertrag (Art. 363–379 OR)

Einzelfragen

Der Unternehmer kann die Verjährung nicht geltend machen, wenn er der Bestel- 3180d lerin einen Mangel (des abgelieferten beweglichen oder unbeweglichen Werks) absichtlich verschwiegen hat. Die Verjährungsfrist beträgt in diesem Fall gemäss Art. 127 OR zehn Jahre (Art. 371 Abs. 3 i.V.m. Art. 210 Abs. 6 OR; s. N 2636).173 Die Parteien können diese Frist nicht verkürzen; eine entsprechende Vereinbarung ist nichtig (Art. 199 OR gilt sinngemäss).174 Der Verjährungsfrist unterliegen sämtliche Forderungen aus Mängelrechten, somit auch der Anspruch auf Ersatz des Mangelfolgeschadens.175

3180e

Die Verjährung betrifft genau genommen nicht das Wandlungs-, Minderungs- oder 3181 Nachbesserungsrecht als solches – dabei handelt es sich um unverjährbare Gestaltungsrechte  –, sondern lediglich die Forderungen, die aus der Ausübung dieser Gestaltungsrechte entstehen (z.B. Ersatz des Mangelschadens; s. auch N 2634).176 Einredeweise kann die Bestellerin die Mängelrechte (Wandlungs-, Minderungs- 3182 einrede) unabhängig von der Verjährungsfrist geltend machen, sofern sie die entsprechenden Mängel vor Ablauf der zwei- bzw. fünfjährigen Verwirkungsfrist rügt (Art. 210 Abs. 5 OR gilt sinngemäss).177 Art. 371 OR ist darum in Bezug auf die Mängelrüge eine Verwirkungsbestimmung: Die Frist von Art. 371 OR ist die «äusserste» Frist, innerhalb deren die Mängel gerügt werden können.178 Mit Ablauf dieser Frist verwirken die Mängelrechte. Sie können dann nicht einmal mehr einredeweise geltend gemacht werden. Strittig ist, ob sich diese «absolute» Rügefrist verlängert, wenn die Verjährungsfrist gehemmt oder unterbrochen wird.179 Art. 371 OR ist dispositiver Natur; die Regeln für die Verjährung der entsprechen- 3183 den Ansprüche des Käufers (Art. 210 OR) gelten sinngemäss (Art. 371 Abs. 3 OR). Die Fristen können dementsprechend vertraglich verkürzt oder verlängert werden: Eine Verkürzung ist nur in den in Art. 210 Abs. 4 OR festgelegten Grenzen erlaubt (s. N 2635a).180 Eine Verlängerung der Verjährungsfrist über die zehnjährige Frist von Art. 127 OR hinaus ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts und der

173 174 175 176 177

Krauskopf, Verjährung, 98. Gauch, recht 2012, 135; Koller, Werkvertragsrecht, N 779. Bucher, OR BT, 211; Gauch, Werkvertrag, N 2202 m.w.H. ZK OR-Bühler, Art. 371 N 25; Gauch, Werkvertrag, N 2203. Gauch, recht 2012, FN  27; Krauskopf, Verjährung, 97  f.; zu Art.  210 Abs.  2 aOR ZK  OR-Bühler, Art. 371 N 25 f. 178 Gauch, Werkvertrag, N 2295; Krauskopf, Verjährung, 98. S. auch Roth, AJP 2014, 778, welcher dies nur für die fünfjährige Frist annimmt. 179 Befürwortend Gauch, Werkvertrag, N 2295 m.w.H.; ablehnend Bucher, OR BT, 94 f. 180 Krauskopf, Verjährung, 97; s. auch Gauch, recht 2012, 134.

1057

5. Kapitel

Nominatverträge

wohl herrschenden Lehre nicht zulässig.181 Eine Vereinbarung der Parteien betreffend Übergang von Nutzen und Gefahr bedeutet grundsätzlich keine Änderung der Verjährungsfrist. Vereinbaren die Parteien eine «Garantiefrist», ist via Auslegung zu ermitteln, ob damit die Rügefrist, die Verjährungsfrist oder der Beginn des Fristenlaufs der Verjährung parteiautonom neu geregelt wird.182 3184

Kontrovers ist der Verjährungsbeginn in jenem Fall, in welchem die Bestellerin bei Übergabe den Mangel rügt und Nachbesserung verlangt. Ein Teil der Lehre geht davon aus, dass dann noch keine eigentliche Abnahme erfolgt ist, weshalb die Verjährung nicht zu laufen beginnt.183 Nach der Gegenmeinung beginnt die Verjährung immer mit Ablieferung des Werks, wobei dessen Mängelfreiheit nicht vorausgesetzt wird (s. auch N 3138).184 Ist alsdann auch die Nachbesserung mangelhaft und leben die übrigen Mängelrechte wieder auf, gilt (wiederum) eine zwei- bzw. fünfjährige Verjährungsfrist, welche mit der Ablieferung des «nachgebesserten» Werks beginnt (Art.  371  OR). Nach der ersten Lehrmeinung beginnt die Verjährungsfrist überhaupt erst jetzt, nach der zweiten beginnt sie bloss von Neuem zu laufen (Art. 137 OR). Die (versuchte) Nachbesserung durch den Unternehmer stellt einen Unterbrechungsgrund dar (Art. 135 OR).185 5.9

Abtretung von Gewährleistungsrechten

3185

Gestaltungsrechte, und damit auch Mängelrechte, sind nach herrschender Lehre grundsätzlich nicht abtretbar (s. N 1353 ff.).186 Abtretbar sind lediglich die Forderungen, die aus der Ausübung der Gestaltungsrechte (hier also der Mängelrechte) entstehen.187

3186

Sachgerechter erscheint es uns, die Abtretbarkeit von Gestaltungsrechten im Einzelfall zu beurteilen (s. N 1356). In diesem Sinne verneint eine vermittelnde Meinung die Abtretbarkeit von Wandlungs- und Minderungsrechten, weil die Ausübung dieser Rechte das bestehende Vertragsgefüge erheblich verändert.188 Für zulässig wird hingegen die Abtretung des Nachbesserungsrechts (obwohl Gestaltungsrecht) erachtet. Da dessen Ausübung lediglich eine Forderung auf Verbesserung des Werkes entstehen lässt, gilt es als «nicht unlösbar mit dem Werkvertrag verbunden» 181 182 183 184 185 186 187 188

1058

BGE 4A_221/2010 E. 3; 132 III 226 E. 3.3.8 = Pra 2006 Nr. 146; Gauch, recht 2012, 134; Pichonnaz, SJZ 2013, 74. A.M. Koller, Werkvertragsrecht, N 778, der eine Verlängerung auf über zehn Jahre unter Vorbehalt von Art. 27 Abs. 2 ZGB als zulässig erachtet. BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 371 N 41. Honsell, OR BT, 325. BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 371 N 12; ferner Gauch, Werkvertrag, N 2253. BGE 4C.258/2001 E. 4.1.2; 121 III 270 E. 3c. ZK OR-Bühler, Art. 368 N 214 ff.; Siegenthaler, Art. 368 N 3. BGE 114 II 239 E. 5c aa und E. 5c bb; CHK OR-Hürlimann/Siegenthaler, Art. 368 N 4. Gauch, Werkvertrag, N 2439; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 3952 ff.; BSK OR-Zindel/Pulver/ Schott, Art. 368 N 13.

§ 34

Werkvertrag (Art. 363–379 OR)

und damit abtretbar.189 Auch das Bundesgericht lässt die Abtretung von Nachbesserungs- und Ersatzrechten (nicht jedoch von Wandlungs- und Minderungsrechten) zu.190 Um einem praktischen Bedürfnis zu genügen, spricht sich Honsell demgegenüber generell für die Abtretbarkeit aller Sachmängelrechte «im Bündel» aus.191 5.10

Konkurrenzen

Bei einem mangelhaften Werk beurteilt sich der Schadenersatzanspruch aus- 3187 schliesslich nach Art. 368 OR. Art. 97 Abs. 1 OR ist nach dem Bundesgericht und der herrschenden Lehre daneben nicht anwendbar.192 Der Schadenersatzanspruch von Art. 368 OR konkurriert aber mit Art. 41 ff. OR und dem PrHG193, sofern die Anwendungsvoraussetzungen dieser Normen in der jeweiligen Konstellation erfüllt sind.194

6.

Gewährleistung für Stoffmängel (Art. 365 Abs. 1 OR)

Beim Werklieferungsvertrag (s. N 3127) haftet der Unternehmer für Sachmängel 3188 des von ihm gelieferten Materials nach Werkvertragsrecht (Art. 367 ff. OR, insbesondere auch Art. 371 OR), für Rechtsmängel dagegen nach Kaufrecht (Art. 365 Abs. 1 i.V.m. Art. 192 ff. OR).195

V.

Pflichten und Rechtsstellung der Bestellerin (Art. 372–374 OR)

1.

Hauptpflicht: Leistung einer Vergütung (Art. 372 OR)

Die Hauptleistungspflicht der Bestellerin besteht in der Zahlung einer Vergütung, des 3189 sog. Werklohns (Art. 372 OR). Der Anspruch auf Werklohn entsteht mit Abschluss des Vertrages. Die Fälligkeit tritt entgegen der allgemeinen Regel (Art. 75 OR) nicht sogleich, sondern erst mit Ablieferung des Werks ein (Art. 372 Abs. 1 OR). Haben die Parteien keine abweichende Vereinbarung getroffen, ist demnach der Unterneh189 190 191 192

Gauch, Werkvertrag, N 2443. BGE 118 II 142 E. 1b; 114 II 239 E. 5c aa und E. 5c bb. Honsell, OR BT, 322 f.; ebenso Koller, Werkvertragsrecht, N 530. BGE 4A_387/2014 E. 4.2; 100 II 30 E. 2; ZK OR-Bühler, Art. 368 N 14; CR CO-Chaix, Art. 368 N 66; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 368 N 78. 193 Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über die Produktehaftpflicht (Produktehaftpflichtgesetz; SR 221.112.944). 194 Dazu ausführlich Honsell, OR BT, 319 f. 195 BGE 117 II 425 E. 3 m.w.H.

1059

5. Kapitel

Nominatverträge

mer hinsichtlich der Werkherstellung vorleistungspflichtig. Abliefern muss er das Werk aber nur Zug um Zug gegen Bezahlung des Werklohns (Art. 82 OR).196 3190

Da auch ein mangelhaftes Werk ablieferungsfähig ist, wird der Vergütungsanspruch selbst dann fällig, wenn das Werk zwar übergeben wurde, aber noch Mängel aufweist. Umstritten ist wie bereits erwähnt, ob das Werk vollendet sein muss, um abgeliefert werden zu können (s. N 3138). Wird dies entsprechend der hier vertretenen Ansicht verneint, so lässt auch die Ablieferung eines unvollendeten Werks die Fälligkeit der Werklohnforderung eintreten.197 Sowohl bei mangelhaften wie auch bei unvollendeten Werken kann die Bestellerin aber die Ablieferung verhindern und damit die Fälligkeit aufschieben, indem sie das Werk zurückweist.198

3191

Mit der Ablieferung des nicht vertragskonformen Werks wird der Werklohn fällig und die Bestellerin bleibt auf die Mängelrechte verwiesen. Wenn sie Nachbesserung verlangt, kann sie die Zahlung des Werklohns nach Art. 82 OR bis zur Erfüllung der Nachbesserungspflicht verweigern.199 Im Fall einer Wandlung entfällt die Werklohnforderung ohnehin (zum Liquidationsverhältnis s. N 2663 f.).

3192

Keinen Einfluss auf die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs hat die Rechnungsstellung durch den Unternehmer. Das gilt grundsätzlich auch dort, wo die Bestellerin erst mit der Rechnung Kenntnis vom genauen Umfang des Werklohns erhält. In diesen Fällen muss jedoch der Unternehmer seine Forderung auf Verlangen der Bestellerin in einer nachvollziehbaren Rechnung substanziieren. Solange er dieser Obliegenheit nicht nachkommt, darf die Bestellerin die (fällige) Zahlung verweigern.200

3193

Gerät die Bestellerin mit der Zahlung des Werklohns in Verzug, bestimmt sich die Rechtslage nach Art. 102 ff. OR. Das Werkvertragsrecht enthält dazu keine besonderen Regeln; auch eine analoge Anwendung von Art. 214 OR wird abgelehnt.201 Hat der Unternehmer bereits mit der Ausführung des Werks begonnen, ist ihm die Möglichkeit einzuräumen, den Rücktritt (Art. 107 Abs. 2 OR) entgegen Art. 109 OR nur für die Zukunft wirken zu lassen (ex nunc) und damit eine Rückabwicklung auszuschliessen (zum Liquidationsverhältnis s. N 960 ff.).202

196 197 198

BGE 94 II 161 E. 2c. Guhl/Koller, § 47 N 42. Koller, Werkvertragsrecht, N  204 m.w.N.; a.M. mit Bezug auf mangelhafte Werke Gauch, Werkvertrag, N 106. 199 Gauch, Werkvertrag, N 2377 ff.; Koller, Nachbesserungsrecht, N 315 ff. 200 BGE 4A_305/2014 E. 6.3; Gauch, Werkvertrag, N 1160; Koller, Werkvertragsrecht, N 201. 201 Gauch, Werkvertrag, N 1274. 202 BGE 4A_603/2009 E. 2.2; Gauch, Werkvertrag, N 1275.

1060

§ 34

Werkvertrag (Art. 363–379 OR)

2.

Höhe der Vergütung

2.1

Bei fester vertraglicher Vereinbarung (Art. 373 OR)

Haben die Parteien die Vergütung bestimmt, so trägt der Unternehmer das Risiko 3194 allfälliger Mehrkosten, profitiert aber umgekehrt von Einsparungen (Art. 373 Abs. 1 und Abs. 3 OR).203 Bilden indessen «ausserordentliche Umstände» Grund für den Mehraufwand, kann das Gericht eine Preiserhöhung oder eine Auflösung des Vertrages anordnen (Art.  373 Abs.  2  OR).204 «Ausserordentlich» sind die Umstände, wenn sie entweder nicht vorausgesehen werden konnten oder wenn ihr Eintritt nach den von beiden Beteiligten angenommenen Voraussetzungen ausgeschlossen war (Art. 373 Abs. 2 OR).205 Das kann auf Umstände zutreffen, die erst nach Vertragsschluss eintreten, aber auch auf solche, die von Anfang an bestanden haben und erst später festgestellt werden (z.B. Mängel des Baugrundes).206 Im letzteren Fall verdrängt Art. 373 Abs. 2 OR als Sonderregelung die Irrtumsanfechung (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR), im ersteren die clausula rebus sic stantibus (s. N 323 ff.).207 Ordnet das Gericht die Vertragsauflösung an, entscheidet es zugleich auch, ob der Vertrag ex tunc oder ex nunc liquidiert werden soll.208 Über den Wortlaut hinaus ist Art. 373 Abs. 2 OR auch zugunsten der Bestellerin anwendbar, wenn die Herstellungskosten erheblich tiefer ausfallen.209 2.2

Bei fehlender Preisvereinbarung (Art. 374 OR)

Fehlt im Vertrag ein fester Preis und fehlt auch eine Vereinbarung darüber, wie der 3195 Preis zu berechnen ist, oder ist der Preis nur ungefähr bestimmt worden,210 regelt Art. 374 OR subsidiär die Art und Weise der Preisberechnung. Der Werklohn setzt sich danach aus dem Wert der Arbeit zuzüglich der Aufwendungen des Unternehmers zusammen (Art. 374 OR). Dazu gehört auch ein angemessener Unternehmergewinn.211 Anders als in Art. 373 OR ist hier der tatsächliche Aufwand des Unternehmers massgebend (aufwand- statt ergebnisbezogene Vergütung). Damit trägt in dieser Konstellation die Bestellerin das Preisrisiko.212 Die Preisberechnung nach Art. 374 OR kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn die Parteien dem Vertrag einen (unverbindlichen) ungefähren Kostenansatz (Preisschätzung) zugrunde 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212

S. BGE 4C.385/2005 E. 5. BGE 4C.385/2005 E. 5; CR CO-Chaix, Art. 376 N 16; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 373 N 2. CHK OR-Hürlimann/Siegenthaler, Art. 373 N 11. Gauch, Werkvertrag, N 1071. S. BGE 109 II 333 E. 2b; 104 II 314 E. a; Koller, Werkvertragsrecht, N 908 und N 929. BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 373 N 29 m.w.N. Gauch, Werkvertrag, N 1145 f.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4011. S. Gauch, Werkvertrag, N 941. Bucher, OR BT, 212 f. BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 374 N 2.

1061

5. Kapitel

Nominatverträge

gelegt oder wenn sie sich auf einen (verbindlichen) Preisrahmen mit Höchst- und/ oder Mindestpreis geeinigt haben.213 Abweichungen vom ungefähren Kostenansatz sind nach Art.  375  OR zu beurteilen (s.  N  3196  ff.). Eine vereinbarte Preisobergrenze bleibt indessen verbindlich, auch wenn der nach Aufwand berechnete Preis höher liegt.214 Eine Erhöhung ist nur unter den Voraussetzungen von Art. 373 Abs. 2 OR möglich.215

3. 3196

Überschreiten des Kostenansatzes (Art. 375 OR)

Überschreitet der nach Art. 374 OR bemessene Preis den ungefähren Kostenansatz wesentlich, so hat die Bestellerin auch nach Ausführung des Werks noch das Recht, vom Vertrag ex tunc zurückzutreten (Art. 375 Abs. 1 OR). Vorausgesetzt ist, dass die Überschreitung «ohne Zutun» der Bestellerin erfolgt, das heisst nicht durch deren Verhalten verursacht worden ist.216 Der Rücktritt ist laut Bundesgericht innert Jahresfrist seit Kenntnis der Kostenüberschreitung geltend zu machen (Art. 31 Abs. 1 und Abs. 2 OR analog).217 Ist die Bestellerin fristgerecht zurückgetreten, schuldet sie dem Unternehmer keine Vergütung.

Die herrschende Lehre gesteht der Bestellerin neben dem Rücktrittsrecht auch die Möglichkeit zur Vertragsauflösung mit ex nunc-Wirkung zu, ohne dass die Voraussetzungen von Art. 375 Abs. 2 OR (Baute auf Grund der Bestellerin) vorzuliegen brauchen. Ihr steht es alsdann frei, anstelle des Rücktritts das bereits ausgeführte Teilwerk gegen Vergütung zu übernehmen.218 3198 Eine Kostenüberschreitung ist unverhältnismässig, wenn mit ihr bei Vertragsschluss nach Treu und Glauben nicht gerechnet werden musste. Als Faustregel gilt, dass Überschreitungen ab 10% als unverhältnismässig anzusehen sind.219 Diese Regel darf indes nicht schematisch angewendet werden. Zu berücksichtigen sind stets die Umstände des konkreten Einzelfalls (z.B. die Art der Schätzung und die gemachten Erklärungen).220 3197

3199

Bei Bauten auf Grund und Boden der Bestellerin kann diese bis zum Abschluss des Werks ebenfalls vom Vertrag zurücktreten, schuldet jedoch billigen Ersatz für 213 Gauch, Werkvertrag, N 935 ff.; Guhl/Koller, § 47 N 37. 214 Koller, Werkvertragsrecht, N 185. 215 S.  Koller, Werkvertragsrecht, N  931. A.M. ZK  OR-Bühler, Art.  375 N  8, der auch auf diesen Fall Art. 375 OR anwenden will. 216 Gauch, Werkvertrag, N  988  f.; BSK  OR-Zindel/Pulver/Schott, Art.  375 N  15; s. ferner BGE 4A_302/2014 E. 3.1 mit Bezug auf eine Bestellungsänderung. 217 BGE 4A_577/2008 E. 3.1. 218 CR CO-Chaix, Art. 375 N 23; Gauch, Werkvertrag, N 994; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 375 N 33; a.M. Koller, Werkvertragsrecht, N 970. 219 Gauch, Werkvertrag, N 985 m.w.H. 220 BGE 4A_15/2011; 115 II 460 E. 3b und E. 3c; s. Koller, Werkvertragsrecht, N 961 ff.

1062

§ 34

Werkvertrag (Art. 363–379 OR)

die bereits ausgeführten Arbeiten (Art. 375 Abs. 2 OR). Stattdessen kann sie auch verlangen, dass der Werklohn angemessen herabgesetzt wird (Art. 375 Abs. 2 OR). Eine Preisanpassung kann auch noch nach Vollendung des Werks verlangt werden. Dabei ist im Normalfall die Überschreitung zu halbieren,221 wobei sich andere Lösungen aus den Umständen des Einzelfalls, etwa einem Verschulden des Unternehmers, ergeben können.222

4.

Sicherung der Werklohnforderung

Der Unternehmer besitzt ein dingliches Retentionsrecht an beweglichen Sachen, 3200 die im Eigentum der Bestellerin stehen (Art.  895 ZGB; z.B. bei Reparaturarbeiten). Beim Werkvertrag über Arbeiten an Werken auf einem Grundstück steht dem Unternehmer zudem ein Bauhandwerkerpfandrecht zu (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 und Art. 839 ff. ZGB).223

VI.

Gefahrtragung (Art. 376 OR)

1.

Grundsatz

Gefahrtragung bedeutet Risikoverteilung bei zufälligem Untergang des Leistungsge- 3201 genstands (zum Anwendungsbereich der Gefahrtragungsregeln s. N 2473 ff.). Geht das Werk vor Übergabe durch Zufall unter, trägt grundsätzlich der Unternehmer die Preisgefahr (= Vergütungsgefahr), ausser wenn die Bestellerin sich im Annahmeverzug befindet (Art. 376 Abs. 1 OR). Der Unternehmer erhält damit grundsätzlich weder Werklohn noch Ersatz seiner Auslagen.224 Die Gefahr geht mit Übergabe des Werks auf die Bestellerin über. Geht das Werk 3202 danach unter, hat sie die Vergütung gleichwohl zu bezahlen. Dies gilt aber nur, wenn das übergebene Werk in allen Teilen vertragskonform ist. Andernfalls liegt entweder keine Erfüllung vor (aliud) oder aber die Bestellerin hat Ansprüche aus Gewährleistung (peius), womit sie sich unter Umständen (teilweise) von der Bezahlung der Vergütung befreien kann (Minderung oder Wandlung; Art. 207 Abs. 1 OR analog). Eine bloss zufällige Verschlechterung des Werks, die zu einem Werkmangel führt,

221 222

Honsell, OR BT, 328 f. m.w.H. BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 375 N 29. Zur besonderen Problematik der Architektenhaftung bei Überschreiten der Baukosten bzw. des Kostenvoranschlags s. auch BGE 122 III 61 E. 2a; 119 II 249 E. 3b aa; Gauch, Haftung, 79 ff.; Zehnder, AJP 1996, 1251 ff. 223 S. Honsell, OR BT, 331 f. m.w.H. 224 Honsell, OR BT, 309.

1063

5. Kapitel

Nominatverträge

ist kein Fall von Art. 376 OR, sondern beurteilt sich nach den Regeln über die Mängelhaftung (Art. 367 ff. OR).225 3203

Ist die Erstellung des vereinbarten Werks objektiv noch möglich (zur nachträglich eintretenden Unmöglichkeit s. Art. 378 OR und N 3215 ff.) und trägt der Unternehmer die Preisgefahr, ist er weiterhin zur Werkherstellung verpflichtet. Er trägt damit auch die Leistungsgefahr.226 Für die Ablieferung des zweiten, neu erstellten Werks hat der Unternehmer Anspruch auf Vergütung, nicht jedoch auf Entschädigung seines Mehraufwandes infolge Untergangs des ersten Werks, sofern dieser zu seinen Lasten geht.227

3204

Der zufällige Untergang des Stoffs geht auf das Konto jener Partei, die den Stoff geliefert hat (Art.  376 Abs. 2  OR; sog. Sachgefahr). Wurde der Stoff z.B. von der Bestellerin eingebracht, kann sie keinen Ersatz vom Unternehmer verlangen.228

2. 3205

Ausnahmen

Die erste Ausnahme gemäss Art. 376 Abs. 1 OR, nämlich der Annahmeverzug der Bestellerin, wurde bereits erwähnt (s. N 3201). Art. 376 Abs. 3 OR enthält weitere Ausnahmen bezüglich der Zuordnung der Preisgefahr an die Bestellerin: So schuldet diese eine angemessene Vergütung, wenn das Werk wegen eines Mangels des von ihr gelieferten Stoffs bzw. des Baugrunds oder auch infolge einer Anweisung der Bestellerin untergeht und der Unternehmer sie rechtzeitig auf die daraus resultierenden Gefahren hingewiesen hat (Art. 376 Abs. 3 OR). Weitere Verhaltensweisen der Bestellerin, welche ebenfalls das Werk beeinträchtigen, werden von der Lehre (analog) unter Art. 376 Abs. 3 OR subsumiert.229 Die Obliegenheit des Unternehmers zur Abmahnung entfällt, wenn die Bestellerin oder deren Hilfsperson über mehr Expertise verfügt als der Unternehmer und dieser die Fehlerhaftigkeit der Weisung weder erkannte noch erkennen musste.230 Bei Verschulden hat die Bestellerin dem Unternehmer zusätzlich zur Vergütung Schadenersatz im Umfang des positiven Interesses zu leisten (Art. 376 Abs. 3 OR).231

225 226 227 228 229 230 231

1064

CR CO-Chaix, Art.  376 N  5  f.; Gauch, Werkvertrag, N  1184; BSK  OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 376 N 5. Honsell, OR BT, 311; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 376 N 27. Gauch, Werkvertrag, N 1204. CHK OR-Hürlimann/Siegenthaler, Art. 376 N 6. CHK OR-Hürlimann/Siegenthaler, Art. 376 N 7; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 376 N 22. Gauch, Werkvertrag, N 1955 ff.; Honsell, OR BT, 310. CHK OR-Hürlimann/Siegenthaler, Art. 376 N 7; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 376 N 31.

§ 34

3.

Werkvertrag (Art. 363–379 OR)

Abweichende Vereinbarungen und Abgrenzung

Art. 376 OR ist dispositiv.232 Die SIA-Norm 118 enthält im Rahmen ihres Anwen- 3206 dungsbereichs in Art. 187–189 eigene Regeln zur Gefahrtragung, welche in einigen Punkten von der gesetzlichen Regelung abweichen.233 Art. 187 Abs. 3 SIA-Norm 118 statuiert einen vertraglichen Anspruch auf eine Zusatzvergütung des Unternehmers bei völligem oder teilweisem Untergang infolge höherer Gewalt (z.B. Krieg, Aufruhr, Naturkatastrophe).234 Die SIA-Norm 118 kommt aber nur zum Tragen, wenn die Parteien die entsprechenden AGB in ihren Vertrag inkorporiert haben. Eine Modifikation der Bestimmung von Art.  376 Abs.  1  OR durch Parteiabrede 3207 besteht nach Bucher dann, wenn die Parteien Entlöhnung «nach Aufwand» vereinbart haben. Eine solche Parteiabrede soll in der Regel so auszulegen sein, dass bei zufälligem Untergang der Sache vor Ablieferung die Bestellerin die Kosten für den dem Unternehmer dadurch entstandenen Mehraufwand zu tragen hat.235 Von Art. 376 OR ist Art. 378 OR abzugrenzen. Art. 378 OR regelt nicht den Unter- 3208 gang des Werks (Art.  376  OR), sondern die nachträgliche objektive Unmöglichkeit der Werkausführung infolge eines bei der Bestellerin eingetretenen Zufalls.236 Die Voraussetzungen für einen (teilweisen) Vergütungsanspruch des Unternehmers sind bei Art. 376 OR strenger als nach Art. 378 OR (s. Art. 376 Abs. 3 und Art. 378 Abs. 1 OR). Dies ist deshalb sachgerecht, weil bei Art. 378 OR die Bestellerin für ihre Vergütung immerhin einen noch vorhandenen (allerdings aber vielleicht unbrauchbaren) Werkteil erhält, wogegen bei Art. 376 OR das Werk untergegangen ist.237 Die Anwendungsbereiche der genannten Normen überschneiden sich, wenn ein 3209 in der Gefahrenzone der Bestellerin eintretender Zufall den Untergang des bereits erstellten Werks oder Werkteils (Art.  376  OR) und damit die objektive Unmöglichkeit (Art. 378 OR) verursacht. Aus Art. 378 OR folgt e contrario, dass die noch nicht ausgeführten (und jetzt objektiv unmöglich gewordenen) Leistungen nicht mehr geschuldet und auch nicht mehr zu vergüten sind.238 Zum gleichen Ergebnis würde auch die Anwendung von Art. 119 OR führen. Art. 378 OR ist indessen lex specialis und geht darum Art. 119 OR vor.239 Nicht nach Art. 378 OR, sondern nach Art. 376 OR beurteilt sich dagegen, ob für die Arbeiten und Auslagen, die für die

232 233 234 235 236

BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 376 N 34 m.w.N. S. SHK SIA 118-Spiess/Huser, Art. 187 ff. BGE 123 III 183 E. 3a; s. auch SHK SIA 118-Spiess/Huser, Art. 187 N 17 f. Bucher, OR BT, 207. ZK OR-Bühler, Art. 378 N 5; Gauch, Werkvertrag, N 741; Honsell, OR BT, 311; BSK OR-Zindel/ Pulver/Schott, Art. 376 N 4. 237 BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 378 N 6. 238 BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 378 N 5; a.M. ZK OR-Bühler, Art. 378 N 6 f. 239 ZK OR-Bühler, Art. 378 N 11; CR CO-Chaix, Art. 378 N 8.

1065

5. Kapitel

Nominatverträge

Erstellung des (untergegangenen) Werks geleistet wurden, eine Vergütung geschuldet ist.240 3210

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es Zufälle gibt, die bei der Bestellerin eintreten (Art. 378 Abs. 1 OR), den Unternehmer aber nicht von der Preisgefahr befreien, weil nach Art.  376  OR beim Untergang des Werks der Unternehmer grundsätzlich keinen Anspruch auf Vergütung hat.241 Den Vergütungsanspruch für geleistete Arbeit und (nicht im Preis inbegriffene) Auslagen nach Art. 378 OR ist mit anderen Worten in der Regel nur stattzugeben, wenn das Werk nicht untergegangen ist.242

VII. Beendigung 1. 3211

Nachfolgend werden systematisch die bereits angesprochenen Rechtsbehelfe des Unternehmers respektive der Bestellerin zusammengestellt, welche zu einer Beendigung des Werkvertrages führen. 1.1

3212

Rechtsbehelfe zugunsten des Unternehmers

• Rücktritt bei Zahlungsverzug der Bestellerin (Art. 107 Abs. 2 OR; s. N 948 ff.), allenfalls auch bei Verzug bezüglich Mitwirkungspflichten der Bestellerin;243 • Vertragsauflösung nach Ermessen des Gerichts bei erheblich höheren Herstellungskosten (Art. 373 Abs. 2 OR; s. N 3194); • Vertragsauflösung ex nunc infolge objektiver Unmöglichkeit aus Verhältnissen der Bestellerin (Art. 378 OR; s. N 3215); • Vertragsauflösung ex nunc infolge Unmöglichkeit aus Verhältnissen des Unternehmers (Art. 379 OR; s. N 3216). 1.2

3212a

Überblick

Rechtsbehelfe zugunsten der Bestellerin

• Rücktritt bei Leistungsverzug des Unternehmers (Art.  366 Abs.  1  OR; s. N 3149 ff.); • Wandlung bei erheblicher Mangelhaftigkeit des Werks (Art.  368 Abs.  1  OR; s. N 3164 ff.);

240 241 242 243

1066

BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 378 N 5; a.M. ZK OR-Bühler, Art. 378 N 8. Gauch, Werkvertrag, N 1197. Gauch, Werkvertrag, N 741. S. Gehrer, 173 ff.

§ 34

Werkvertrag (Art. 363–379 OR)

• Vertragsauflösung nach Ermessen des Gerichts bei erheblich tieferen Herstellungskosten (Art. 373 Abs. 2 OR analog; s. N 3194); • Rücktritt oder Vertragsauflösung mit ex nunc-Wirkung bei unverhältnismässiger Überschreitung des Kostenvoranschlags (Art. 375 OR; s. N 3196 ff.); • Recht der Bestellerin zur Vertragsauflösung nach Art. 377 OR (s. N 3213 f.).

2.

«Rücktrittsrecht» (Art. 377 OR)

Entgegen dem Grundsatz pacta sunt servanda steht der Bestellerin beim Werkver- 3213 trag ein jederzeitiges «Rücktrittsrecht» vom Vertrag zu (Art. 377 OR). Auch wenn der Gesetzeswortlaut das Gegenteil auszudrücken scheint, wirkt die Vertragsaufhebung ex nunc, weshalb es sich genau besehen nicht um ein Rücktritts-, sondern um ein Kündigungsrecht handelt.244 Mit dessen Ausübung wird der Vertrag in ein vertragliches Abwicklungsverhältnis überführt (s. N 960 ff.). Auf die Gründe der Bestellerin kommt es dabei nicht an.245 Voraussetzung ist indessen, dass noch nicht alle geschuldeten Arbeiten am Werk ausgeführt sind und dass keine Befugnis besteht, in Anwendung von Art. 375 OR vom Vertrag zurückzutreten.246 Die Bestellerin ist verpflichtet, die bereits geleistete Arbeit zu vergüten und den 3214 Unternehmer umfassend schadlos zu halten. Unabhängig von ihrem Verschulden schuldet sie Schadenersatz auf das positive Interesse. Der Unternehmer darf nicht schlechter gestellt sein, als wenn der Vertrag erfüllt worden wäre. Dazu gehört auch der entgangene Gewinn. Obergrenze von Vergütung und Schadenersatz bildet in jedem Fall der Werklohn, den der Unternehmer bei Erfüllung erhalten hätte.247 Der dem Unternehmer geschuldete Schadenersatz für die geleistete Arbeit nach Art. 377 OR wird im Zeitpunkt der Vertragsauflösung fällig.248 Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung kann der Anspruch auf Schadloshaltung unter gewissen Voraussetzungen reduziert werden (Art. 43 f. OR), etwa wenn der Unternehmer durch schuldhaftes Verhalten in schwerwiegender Weise zur Vertragsauflösung beigetragen249 oder wenn er seine Schadenminderungspflicht verletzt hat250.

244 245 246 247 248 249 250

Gehrer, 171 FN 3; Koller, Werkvertragsrecht, N 1040; BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 377 N 11. BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 377 N 1. BGE 98 II 299 E. 3b. BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 377 N 15 ff. m.w.H. BGE 129 III 738 E.  7.3 = Pra 2004 Nr.  147 mit Verweis auf Gauch, Baurecht 1992, 98. Anders noch BGE 117 II 273 E. 4c, in welchem auf den Zeitpunkt abgestellt wird, in welchem der Unternehmer die Vergütung bei ordnungsgemässer Vertragsabwicklung hätte verlangen können. BGE 4A_96/2014 E. 4.1 = Pra 2015 Nr. 111; 4D_8/2008 E. 3.4.1; 4C.393/2006 E. 3.3.3. Gauch, Werkvertrag, N 554 ff. S. ferner BGE 4A_182/2014 E. 2 und E. 3 = Pra 2015 Nr. 56, in welchem das Bundesgericht einen Entschädigungsanspruch für Arbeiten verneinte, die der Unternehmer ohne Genehmigung der Bestellerin ausführte.

1067

5. Kapitel

3.

Nominatverträge

Vertragsbeendigung infolge Unmöglichkeit (Art. 378 und Art. 379 OR)

3215

Art.  378  OR regelt die objektive Unmöglichkeit251 der Werkherstellung aus Verhältnissen, die bei der Bestellerin vorliegen, und verdrängt damit als lex specialis Art.  119  OR. Der Grund der Unmöglichkeit muss in der Person der Bestellerin oder in ihrem Gefahrenbereich liegen.252 Resultiert die Unmöglichkeit aus einem bei der Bestellerin eingetretenen Zufall, behält der Unternehmer seinen Vergütungsanspruch im Umfang der bereits geleisteten Arbeit (zur Abgrenzung zu Art. 376 OR s. N 3201 ff.) und seiner Auslagen (Art. 378 Abs. 1 OR). Der Werkvertrag wird mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc), also ohne Rückabwicklung liquidiert (s. N 583).253 Trifft die Bestellerin ein Verschulden an der Unmöglichkeit, haftet sie auf das positive Interesse (Art. 378 Abs. 2 OR).254

3216

Art. 379 OR regelt demgegenüber die nachträgliche, objektive Unmöglichkeit der Werkherstellung aus Verhältnissen beim Unternehmer. Keine Rolle für das «Erlöschen» des Vertrages spielt dabei, ob den Unternehmer ein Verschulden an der Unmöglichkeit trifft.255 Die Formulierung von Art. 379 Abs. 1 OR ist damit missverständlich. Trifft den Unternehmer an seiner Unfähigkeit ein Verschulden, dann haftet er nach Art. 97 Abs. 1 OR auf Ersatz des Erfüllungsinteresses.256 Für den Vergütungsanspruch gemäss Art.  379 Abs.  2  OR ist das Verschulden des Unternehmers hingegen relevant: Die Bestellerin muss den bereits ausgeführten Werkteil nur annehmen und bezahlen, wenn der Unternehmer die Unmöglichkeit nicht verschuldet hat.257

3217

Erfolgt die Unmöglichkeit der Werkherstellung aus einem Grund, der weder bei der Bestellerin noch beim Unternehmer liegt, beurteilt sich die Rechtslage nach Art. 119 OR. Der Werkvertrag gilt als erloschen mit Wirkung ex nunc. Ist bereits ein Werkteil hergestellt und ist dieser für die Bestellerin brauchbar, rechtfertigt sich die Anwendung von Art. 379 Abs. 2 OR.258

251 S. BGE 4A_477/2008 E. 3.1.2, wonach das Leistungshindernis dauerhaft sein muss. 252 BK OR-Becker, Art. 378 N 1; ZK OR-Bühler, Art. 378 N 21; CR CO-Chaix, Art. 378 N 9. 253 CHK OR-Hürlimann/Siegenthaler, Art. 379 N 3. 254 BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 378 N 21. 255 BGE 103 II 52 E. 5d; Gauch, Werkvertrag, N 757; Gehrer, 181; a.M. BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 379 N 6. 256 CHK OR-Hürlimann/Siegenthaler, Art. 379 N 5. 257 BGE 103 II 52 E. 5d; ZK OR-Bühler, Art. 379 N 19; a.M. Gauch, Werkvertrag, N 763 mit FN 315. 258 Gehrer, 182.

1068

§ 35 Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR) Grundlagenliteratur Bucher, OR BT, 223 ff.; Engel, CO PS, 477 ff.; Guhl/Schnyder, § 49; Honsell, OR BT, 333 ff.; Müller, contrats, N 1890 ff.; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 8 N 1 ff.; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 1870 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4274 ff.

Weiterführende Literatur Bänninger Sabrina, Die Verjährung von Bestandespflegekommissionen: Wann beginnt sie und wie lange dauert sie?, Jusletter 10. Juni 2013; Buff Felix/von der Crone Hans Caspar, Zwingende Natur von Art. 404 OR, Bundesgerichtsurteil 4A_284/2013 vom 13. Februar 2014, SZW 2014, 332–343; Cramer Conradin, Die Form der Vollmacht für öffentlich zu beurkundende Verträge, AJP 2018, 281–292; Derendinger Peter, Die Nicht- und die nichtrichtige Erfüllung des einfachen Auftrages, 2.  Aufl., Freiburg 1990; Droz Johan, La substitution dans le contrat de mandat, Diss. Genf 2008; Fellmann Walter, Meldepflicht des Beauftragten nach Art.  397a  OR, Anwaltsrevue 2013,  354–357; Gauch Peter, Periodisch geschuldete Leistungen: Gedanken zur Verjährungsbestimmung des Art. 128 Ziff. 1 OR, AJP 2014, 285–293 (zit.: Gauch, AJP 2014); Gauch Peter, Der Auftrag, der Dauervertrag und Art.  404  OR  – Ein Kurzbeitrag zur Rechtsprechung des Bundesgerichts, SJZ 2005,  520–525 (zit.: Gauch, SJZ 2005); Gauch Peter, Art. 404 OR – Sein Inhalt, seine Rechtfertigung und die Frage seines zwingenden Charakters, recht 1992, 9–22 (zit.: Gauch, recht 1992); Gauch Peter, System der Beendigung von Dauerverträgen, Diss. Freiburg 1968 (zit.: Gauch, Beendigung); Gehrer Leo R., Die Gestaltung von Architekturverträgen  – Praktische Hinweise, in: Koller Alfred (Hrsg.), Recht der Architekten und Ingenieure, St. Gallen 2002, 75–190; Gmür Philipp, Die Vergütung des Beauftragten, Ein Beitrag zum Recht des einfachen Auftrages, Diss. Freiburg 1993; Grieder Thomas, Schadenersatz und Honorarreduktion: Eine praktische Abgrenzungsproblematik im Auftragsrecht am Beispiel des Zahnarztvertrages, AJP 2008,  1509–1516; Handschin Lukas/Jucker Beat, Sorgfalt, Pflichtwidrigkeit und Verschulden im auftrags-, arbeits- und aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsrecht, in: FS Stöckli, Zürich/St. Gallen 2014, 317–334; Hofstetter Josef, Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), SPR Bd. VII/6, Basel/Genf/München 2000; Hürlimann-Kaup Bettina, Die privatrechtliche Gefälligkeit und ihre Rechtsfolgen, Diss. Freiburg 1999; Kilgus Sabine/Kuhn Rolf, Das Bundesgericht spricht Retrozessionen dem Kunden zu, Jusletter 26. Juni 2006; Koller Alfred, Die Haftung für den Erfüllungsgehilfen, Diss. Freiburg 1980 (zit.: Koller, Erfüllungsgehilfe); Krauskopf Frédéric, Der einfache Auftrag, in: Gauch Peter/Aepli Viktor/Stöckli Hubert (Hrsg.), Präjudizienbuch  OR, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts (1875–2015), 9. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2016, 1109– 1174 (zit.: Krauskopf, Art. … N …); Kuhn Rolf/Luginbühl Nina, Zur Verjährung des Rechenschafts- und Herausgabeanspruches gemäss Art. 400 Abs. 1 OR beim Vermögensverwaltungsvertrag, AJP 2014, 977–982; Maissen Eva/Purtschert Tina/Rusch Arnold F., Unentgeltliche Hilfeleistung: GoA, Gefälligkeit oder unentgeltlicher Auftrag?, Jusletter 9. September 2013; Mathys Beat/Roberto Vito, Wann verjähren Bestandespflegekommissio-

1069

5. Kapitel

Nominatverträge

nen?, Jusletter 19.  November 2012; Mondini Andrea/Liatowitsch Manuel, Jederzeitige Kündbarkeit von Aufträgen schadet dem Dienstleistungsstandort Schweiz – Zeit für eine Praxisänderung zu Art.  404  OR, AJP 2009,  294–300; Nänni Matthias/von der Crone Hans Caspar, Rückvergütungen im Recht der unabhängigen Vermögensverwaltung, SZW 2006,  377–384; Neuman Natalia/von der Crone Hans Caspar, Herausgabepflicht für Bestandespflegekommissionen im Auftragsrecht, Entscheide des Schweizerischen Bundesgerichts 4A_127/2012 und 4A_141/2012 vom 30. Oktober 2012 in Sachen Bank X und Kunde A, SZW 2013, 101–112; Pichonnaz Pascal/Werro Franz/Hurni Béatrice, La prescription de la créance en restitution des commissions d’état (art. 400 al. 1 CO) après l’ATF 138 III 755, AJP 2013, 887–902; Portmann Wolfgang/Stöckli Jean-Fritz, Schweizerisches Arbeitsrecht, 3. Aufl., Zürich/St. Gallen 2013; Roberto Vito, Die Haftung der Bank als Kreditgeberin, in: Emmenegger Susan (Hrsg.), Bankhaftungsrecht, Schweizerische Bankrechtstagung 2006, Basel/Genf/München 2006,  93–140; Romerio Flavio/Bazzani Claudio, Verjährung des Anspruchs auf Herausgabe von Bestandespflegekommissionen, GesKR 2013, 49–57; Rusch Arnold F., Hilfsperson, Substitut und Direktanspruch, Jusletter 18.  Oktober 2010; Rusch Arnold F./Maissen Eva, Fällt das zwingende Kündigungsrecht beim Auftrag?, AJP 2017,  26–33; Schaller Jean-Marc, Handbuch des Vermögensverwaltungsrechts, Zürich 2013 (zit.: Schaller, Handbuch); Schaller Jean-Marc, Retrozessionen: Nochmals zur Verjährungsfrage, Jusletter 3.  Dezember 2012 (zit.: Schaller, Jusletter 3.  Dezember 2012); Schmid Jörg/Hürlimann-Kaup Bettina, Sachenrecht, 5. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2017; Schneeberger Thomas, Der Einfluss des Entgelts auf die rechtliche Stellung des Beauftragten, Diss. Bern 1992; Thévenoz Luc, La banque exposée aux prétentions de tiers: art. 402 CO et rétention d’actifs de clients, SZW 2017,  126–143; Weber Roger, Besprechungen zu Huguenin Claire, Obligationenrecht Besonderer Teil, SJZ 2003, 290–292 (zit.: Weber, SJZ 2003); Weber Rolf H., Kontoführung, Anlageberatung und Vermögensverwaltung für Privatkunden, Jusletter 31.  August 2015 (zit.: Weber, Jusletter 31.  August 2015); ZellwegerGutknecht Corinne, Retrozessionen: Verjährung, Rechtsmissbrauch und Schadenersatz, Jusletter 25. September 2017.

I.

Allgemeines

3218

Der Gesetzgeber verwendet den Terminus «Auftrag» nicht einheitlich. In der Regel meint er damit den Vertrag als Ganzes («Der einfache Auftrag»), bisweilen aber auch lediglich eine einseitige Willensäusserung (s. z.B. Art. 395 OR). Entgegen der Alltagsterminologie, nach welcher der Begriff Auftrag ebenfalls häufig im zweiten Sinn gebraucht wird, meint die Juristin mit Auftrag den in Art. 394 ff. OR geregelten Vertrag als Ganzes.

3219

Unter den Oberbegriff «Auftrag» fällt zunächst der Grundtypus des gewöhnlichen oder «einfachen» Auftrags. Art. 394–406 OR bilden sozusagen den Allgemeinen Teil des Auftragsrechts. Der einfache Auftrag wird gefolgt von verschiedenen (qualifizierten oder) Sonderformen (Ehe- oder Partnerschaftsvermittlung, s. N 3315 ff.; Kreditbrief und Kreditauftrag; Mäklervertrag, s. N 3339 ff.; Agenturvertrag, s. N 3384 ff.).

1070

§ 35

Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR)

Verwandt mit dem Auftrag sind auch Kommission (s. N 3426 ff.), Speditionsvertrag (s. N 3473 ff.) sowie Frachtvertrag (s. N 3488 ff.), welche je in der einen oder anderen Form Verweise auf das Recht des einfachen Auftrags enthalten. Erwähnt sei schon hier, dass unzählige Innominatverträge von Auftragselementen dominiert oder mitgeprägt werden (z.B. der Hauswartvertrag, s. N 3688; oder der Unterrichtsvertrag). Dagegen handelt es sich bei der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auf- 3220 trag (GoA) – wie der Name schon sagt – um auftragslose Geschäftsführung, also gerade nicht um einen Vertrag, sondern lediglich um einen Quasivertrag. Bei der unechten oder echten unberechtigten GoA entstehen dagegen nur extrakontraktuelle Ansprüche (s. N 2146, N 2179, N 2189). Die jeweilige Qualifikation bringt es mit sich, dass einzelne auftragsrechtliche Normen zur Befriedigung von quasivertraglichen Ansprüchen herangezogen werden dürfen (und auch vom Gesetzgeber herangezogen werden), welche im Gefolge des unbeauftragten Führens von Geschäften entstehen.

II.

Begriff

Beim Auftrag (Mandat) verpflichtet sich der Beauftragte (Mandatar), die ihm übertragenen Geschäfte oder Dienste im Interesse der Auftraggeberin (Mandantin) zu besorgen (s. Art. 394 Abs. 1 OR).

3221

Ein Auftrag kann entgeltlich oder unentgeltlich sein; eine Gegenleistung für die Besorgung ist also nicht begriffswesentlich (s. Art. 394 Abs. 3 OR). Ist der Auftrag entgeltlich, handelt es sich um einen synallagmatischen Vertrag; andernfalls liegt lediglich ein unvollkommen zweiseitiger Vertrag vor (s. N 53).

3222

Die dem Beauftragten übertragenen «Geschäfte» können sowohl rechtlicher (Rechts- 3223 handlungsaufträge) als auch tatsächlicher Natur (Tathandlungsaufträge) sein. Das Erscheinungsbild ist entsprechend vielfältig und reicht vom einfachen Gelegenheitsauftrag bis zum Dauerauftrag mit grosser ökonomischer Tragweite.1 Infrage kommen obligationes faciendi, also Arbeitsleistungen oder auch andere Tätigkeiten aller Art (z.B. für die Auftraggeberin Zahlungen erledigen, sie anwaltlich oder sonst beraten, sie im Prozess, bei einem Rechtsgeschäft oder anderweitig vertreten, sie ärztlich behandeln, ihre Kunstwerke schätzen etc.). Der Vertragsinhalt bestimmt sich nach dem Parteiwillen, insbesondere auch nach dem von den Parteien verfolgten Sinn und Zweck des Auftrags.

1 BGE 4C.316/2001 E. 1b, wonach ein Auftrag durchaus als Dauerschuldverhältnis ausgestaltet werden kann; BK OR-Fellmann, Art. 394 N 129 ff.; a.M. Gauch, Beendigung, 11 f. FN 5.

1071

5. Kapitel

III.

Nominatverträge

Art. 394 Abs. 2 OR als Auffangtatbestand?

3224

Nach Art. 394 Abs. 2 OR fallen alle Verträge über Arbeitsleistungen, die keinem anderen Vertragstypus zugeordnet werden können, unter das Auftragsrecht. Würde diese Bestimmung wörtlich ausgelegt, so gäbe es konsequenterweise keine Innominatverträge über Arbeitsleistungen bzw. bestünde im Bereich der Arbeitsleistungen ein numerus clausus von gesetzlichen Typen.2

3225

Dies würde auch bedeuten, dass zwingende auftragsrechtliche Normen (wie z.B. Art.  404  OR; s.  N  3307  ff.) grundsätzlich auf alle gesetzlich nicht geregelten Verträge auf Arbeitsleistungen anwendbar wären.3

3226

Die herrschende Lehre verlangt dagegen zu Recht, dass auch im Bereich der Arbeitsleistungen Raum für Innominatkontrakte bleibt.4 Ein numerus clausus von Verträgen auf Arbeitsleistungen lässt sich insbesondere im Hinblick auf die Vertrags-, genauer Typenfreiheit nicht rechtfertigen.5 Seit 1983 vertritt auch das Bundesgericht6 die Meinung, dass Innominatverträge auf Dienstleistungen Bestand haben. Damals führte das Gericht aus, dass ein komplexes Vertragsverhältnis wie ein Architektenvertrag nicht zwingend entweder nur nach den Regeln des Auftrags oder nur nach denjenigen des Werkvertrages zu beurteilen sei.7 Folglich vermögen Innominatverträge im Bereich der Arbeitsleistungen auch auftragsfremde Vereinbarungen zu enthalten. Insbesondere ist Art. 404 OR in diesem Bereich nur anzuwenden, sofern er wegen des dominanten Vertrauenselementes auch sachgerecht ist (s. N 3307 ff.).

3227

Obwohl Innominatverträge auf Arbeitsleistungen nunmehr von Lehre und Rechtsprechung zugelassen werden, wird Art. 394 Abs. 2 OR dadurch nicht bedeutungslos. Vielmehr ist Art.  394 Abs.  2  OR als eine Art nicht abschliessender Auffangtatbestand zu begreifen.8 Dies heisst aber nicht, dass die Parteien einen Vertrag 2 3 4 5 6 7

8

So die Meinung von BK OR-Gautschi, Art. 394 N 56, der auch das Bundesgericht früher folgte: BGE 106 II 157 E. 2a; 104 II 108 E. 1; s. dazu eingehend BK OR-Fellmann, Art. 394 N 284 ff. So noch BGE 106 II 157 E. 2b; 104 II 108 E. 4. Bucher, OR BT, 224; Engel, CO PS, 478 f.; BK OR-Fellmann, Art. 394 N 292 m.w.H.; CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 394 N 16; Honsell, OR BT, 347; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 1882; BSK ORWeber, Art. 394 N 23. BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 6. BGE 109 II 462 E. 3d. Seither ständige Rechtsprechung: BGE 134 III 361 E.  5.1 = Pra 2009 Nr.  8; 127 III 543 E.  2a = Pra 2001 Nr. 194; 110 II 380 E. 2. S. ferner auch BGE 4A_89/2017 E. 4; 4A_514/2016 E. 3.1.1; 4A_210/2015 E. 4.1: Von einem Werkvertrag ist dann auszugehen, wenn der Architekt z.B. ausschliesslich Pläne zu erstellen oder ein Gutachten auszuarbeiten hat. Ist der Vertragsgegenstand hingegen beschränkt auf Aufgaben wie die Bauleitung oder -aufsicht, die Vergabe von Arbeiten, das Ausarbeiten von Kostenvoranschlägen oder die Prüfung des Bauwerks, liegt in der Regel ein Auftrag vor. Erbringt der Architekt Leistungen beider Arten, handelt es sich gemäss Bundesgericht um einen sog. Gesamtvertrag, welcher als gemischter Vertrag zu qualifizieren ist. S. zum Meinungsstand in der Lehre etwa BSK OR-Zindel/Pulver/Schott, Art. 363 N 18). Honsell, OR BT, 347.

1072

§ 35

Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR)

auf Arbeitsleistungen nicht anderen Normen unterstellen bzw. eigene Regelungen aufstellen können, sofern damit nicht beabsichtigt wird, zwingende Normen (z.B. im Arbeitsrecht) zu umgehen. Ebenso ist auch der Richter frei, auftragsrechtliche Bestimmungen (insbesondere Art. 404 OR) nicht anzuwenden, sofern sie zu unangemessenen Resultaten führen.9 Oder um es anders zu sagen: Verträge auf Arbeitsleistungen, die unter keinen spezifischen gesetzlichen Vertragstyp fallen, sind gemäss Art. 394 Abs. 2 OR insoweit wie Aufträge zu behandeln, als dies dem konkreten Vertragsinhalt gerecht wird und zu angemessenen Lösungen führt.10 Ein Auffangtatbestand ist also gegeben, aber er ist offen.

IV.

Entstehung

Der Auftrag kommt durch übereinstimmende Willenserklärungen der Parteien, das 3228 heisst durch Antrag und Annahme, zustande (Art. 1 und Art. 3 ff. OR; s. N 140 ff.). Unterbreitet die eine Partei der anderen einen Antrag, ist diese grundsätzlich nicht gehalten, diesen abzulehnen, wenn sie keinen Vertrag schliessen will.11 Nur ausnahmsweise wird gemäss Art. 6 OR vermutet, dass der Antrag bei Stillschweigen als angenommen gilt, sofern wegen der besonderen Natur des Geschäfts oder nach den Umständen eine ausdrückliche Annahme nicht zu erwarten ist. Art. 395 OR konkretisiert diese Ausnahme für den Auftrag, ist also ein speziell geregelter Anwendungsfall von Art. 6 OR.12 Art. 6 und Art. 395 OR unterscheiden sich dadurch, dass der Beauftragte den Antrag gemäss Art.  395  OR sofort ablehnen muss, während ihm Art. 6 OR eine angemessene Frist konzediert. Die sofortige Reaktion ist nicht wortwörtlich zu deuten; vielmehr muss dem Beauftragten eine kurze Überlegungsfrist eingeräumt werden. So hat er beispielsweise die Möglichkeit, ihm zugestellte Akten kursorisch durchzusehen, bevor er ablehnt.13 Art. 395 OR kommt zur Anwendung, wenn es um Geschäfte geht, die der Beauf- 3229 tragte dank obrigkeitlicher Bestellung (z.B. amtlich notwendiger («Pflicht»-)Verteidiger) bzw. gewerbsmässig betreibt (z.B. Anwalt, Arzt) oder zu deren Besorgung er sich öffentlich empfiehlt (z.B. durch Werbung).14

9 BK OR-Fellmann, Art. 394 N 297; Hofstetter, 27. 10 CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 394 N 17; Hofstetter, 28. 11 Gauch/Schluep/Schmid, N 451. 12 BK OR-Fellmann, Art. 395 N 63; CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 395 N 2; a.M. Tercier/Bieri/ Carron, CO PS, N 4384. 13 S. dazu BK OR-Fellmann, Art. 395 N 119 m.w.H. 14 S. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4386 ff.

1073

5. Kapitel

V. 3230

Gültigkeit

Der Auftrag darf nicht gegen die Schranken der Inhaltsfreiheit von Art. 19/20 OR und Art. 27 ZGB verstossen (s. N 392 ff.). Der Auftrag sowie auch die mit dem Auftrag gegebenenfalls verbundene Vollmacht bedürfen grundsätzlich keiner besonderen Form (Art.  11 Abs.  1  OR; zur Unterscheidung zwischen Auftrag und Vollmacht s. N 3244 ff.). Unter Vorbehalt spezieller gesetzlicher Formvorschriften (z.B. Art. 493 Abs. 6 OR für die Vollmacht zur Eingehung einer Bürgschaft) gilt dies nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung auch, wenn der Auftrag den Abschluss eines formbedürftigen Geschäfts beinhaltet, z.B. den Kauf eines Grundstücks (Art. 216 Abs. 1 OR).15 Diese Bundesgerichtspraxis wird in der neueren Literatur insbesondere unter Hinweis auf die Schutzfunktion der Formvorschriften kritisiert.16 So vertritt die mehrheitliche Lehre, die Vollmacht (und den Auftrag17) zu einem formbedürftigen Geschäft der gleichen Form wie das abzuschliessende Geschäft (oder zumindest der einfachen Schriftform) zu unterstellen, sofern die Form Gültigkeitsvoraussetzung ist und den Schutz einer Vertragspartei vor einem unüberlegten Vertragsabschluss bezweckt (s. N 1068 ff.).18

VI. 3231

Nominatverträge

Abgrenzungen

Die Abgrenzung des Auftrags ist deshalb von Bedeutung, weil das Auftragsrecht, etwa mit dem jederzeitigen und gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung zwingenden Beendigungsrecht (Art. 404 OR) und der Legalzession bzw. dem Aussonde-

15

BGE 112 II 330 E. 1a; 99 II 159 E. 1b; 99 II 39 E. 1; 81 II 227 E. 3; 65 II 161; s. auch BGE 4C.25/2001 E. 1b, wobei das Bundesgericht die Frage der Formbedürftigkeit des Auftrags zur Eingehung einer Bürgschaft aber offenliess. S. ferner Bucher, OR BT, 223; BK OR-Fellmann, Art. 395 N 24 und N 28; Gauch/Schluep/ Schmid, N 1349 f.; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 8 N 52; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4372 f.; von Tuhr/Peter, 355 f.; eingehend auch Cramer, AJP 2018, 281 ff. 16 Für einen Überblick über die Rechtsprechung und den Meinungsstand in der Lehre s. Cramer, AJP 2018, 282 ff. 17 Für Formbedürftigkeit hinsichtlich Auftrag und Vollmacht plädieren etwa CHK  OR-Gehrer Cordey/ Giger, Art. 395 N 1; Honsell, OR BT, 335 f.; BSK OR-Weber, Art. 395 N 10 f.; CR CO-Werro, Art. 395 N 12; a.M. BK OR-Fellmann, Art. 395 N 28; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4372 f. 18 Statt vieler Cramer, AJP  2018, 286  ff.; Hofstetter, 49  f.; Honsell,  OR BT, 335  f.; BSK  OR-Weber, Art. 395 N 10 f.; CR CO-Werro, Art. 395 N 12; BK OR-Zäch/Künzler, Art. 33 N 57. S. ferner auch BGE 4C.25/2001 E. 1b, der sich zwar mit der in der Lehre geäusserten Kritik auseinandersetzt, sodann aber offenlässt, ob der Auftrag zur Eingehung einer Bürgschaft (wie die entsprechende Vollmacht gemäss expliziter Regelung von Art. 493 Abs. 6 OR) formbedürftig ist. Anschaulich in diesem Zusammenhang auch der Vorschlag des OR 2020-Entwurfs in Art. 189 Abs. 3 OR 2020, wonach sich die für das Hauptgeschäft erforderliche Form auch auf die Vollmachterteilung erstreckt, falls die Formvorschrift den Vollmachtgeber vor Übereilung schützen soll.

1074

§ 35

Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR)

rungsrecht (Art. 401 OR), einige Besonderheiten aufweist, deren (analoge) Übertragung auf andere Verträge und vergleichbare Rechtsfiguren wohlüberlegt sein will.19

1.

Zur Gefälligkeit

Zur Abgrenzung sowohl des entgeltlichen als auch des unentgeltlichen Auftrags von 3232 der Gefälligkeit (s. N 1513 ff. und N 1662 ff.) ist auf den Rechtsbindungswillen abzustellen. Der entgeltliche Auftrag ist, wie es der Begriff bereits sagt, zwingend entgeltlich; die Gefälligkeit erfolgt dagegen – wie der unentgeltliche Auftrag – begriffsnotwendig unentgeltlich.20 Im Gegensatz zum (unentgeltlichen) Auftrag, der einen (unvollkommen) zweisei- 3233 tigen Vertrag darstellt, fehlt bei der blossen Gefälligkeit der Rechtsbindungswille mindestens einer Partei und ergibt sich auch nicht aus dem Vertrauensprinzip. Mangels Vertrages, also mangels übereinstimmender, rechtsverbindlicher Willenserklärungen aufgrund eines natürlichen oder normativen Konsenses, entstehen weder Erfüllungs- noch (aus Leistungsstörungen resultierende) Haftungsansprüche; in Betracht kommen vielmehr grundsätzlich ausservertragliche Ansprüche.21 Für die Unterscheidung zwischen (unentgeltlichem) Auftrag und Gefälligkeit ist 3234 insbesondere entscheidend, ob zwischen den Parteien ein (rechtsverbindlicher) Konsens vorliegt. Zu fragen ist zum einen, ob der Beauftragte nach Treu und Glauben die Bedeutung des Geschäfts für die Auftraggeberin (auch im Hinblick auf die Folgen von Leistungsstörungen) erkennen und daraus deren Rechtsbindungswillen ableiten konnte bzw. durfte. Zum anderen ist die Lage des «Beauftragten» zu berücksichtigen: Muss jemand, der eine Leistung unentgeltlich, in seinen Augen sogar gefälligkeitshalber erbringt, nach dem Vertrauensprinzip damit rechnen, dass er aus Vertrag ersatzpflichtig wird, wenn er einen Schaden stiftet (s. N 1667 ff.)?22 Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles. Zu berücksichtigen sind insbe- 3235 sondere die Art der Leistung, ihr Grund und Zweck, ihre rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung, die Umstände, unter denen sie erbracht wird, sowie die bestehende Interessenlage der Parteien. Für einen Bindungswillen und damit für einen Auftrag spricht ein eigenes rechtliches oder wirtschaftliches Interesse des Leistenden an der gewährten Hilfe bzw. ein erkennbares Interesse der Begünstigten, fachmännisch beraten oder unterstützt zu werden.23 19 S. BSK OR-Weber, Art. 394 N 24. 20 Hürlimann-Kaup, N 11. 21 S. BGE 137 III 539 E. 5.1; 129 III 181 E. 3.2 und E. 4. Das Bundesgericht hält dafür, dass die Schadenersatzpflicht des Geschäftsherrn gemäss Art. 422 Abs. 1 OR unter bestimmten Bedingungen analog auch auf Gefälligkeitsverhältnisse angewendet werden kann (s. N 1662 ff.). 22 S. BGE 116 II 695; Hürlimann-Kaup, N 200. 23 S. BGE 141 V 112 E. 5.2; 129 III 181 E. 3.2; 116 II 695 E. 2b.

1075

5. Kapitel

2. 3236

Nominatverträge

Zum Werkvertrag (Art. 363 ff. OR)

S. dazu die Ausführungen zum Werkvertrag (s. N 3133 ff.).

3.

Zum Arbeitsvertrag (Art. 319 ff. OR)

3237

Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist das Subordinationsverhältnis: Während der Arbeitnehmer in der Regel in den Betrieb der Arbeitgeberin eingegliedert ist, kann der Beauftragte vorbehältlich einer anderen Abrede oder der Natur des jeweiligen Vertrages selber bestimmen, wann und wo er seine Dienste erbringt.24 Als weiteres Indiz ist auch die Weisungsgebundenheit heranzuziehen. Sowohl der Arbeitnehmer als auch der Beauftragte müssen Weisungen der Arbeitgeberin bzw. der Auftraggeberin befolgen, dies allerdings in unterschiedlichem Umfang. Die Auftraggeberin darf nur hinsichtlich der Besorgung des übertragenen Geschäfts Weisungen erteilen (Art. 397 Abs. 1 OR; s. N 3273 f.). Die Arbeitgeberin hingegen hat ein umfassenderes Weisungsrecht, da sie über Art, Umfang und Organisation der zu leistenden Arbeit verbindliche Anordnungen treffen darf (s.  Art.  321d  OR).25 Schwierigkeiten bereitet die Abgrenzung bisweilen bei Angehörigen freier Berufe und bei Führungspersonen. Diese organisieren und gestalten ihre Arbeit weitgehend autonom; das Subordinationsverhältnis tritt dementsprechend nur schwach in Erscheinung. Für einen Arbeitsvertrag sprechen in diesen Fällen vor allem die betriebliche Einordnung (z.B. Zurverfügungstellung des Arbeitsplatzes und der Arbeitsgeräte), eine fixe Entlöhnung sowie die Übernahme des unternehmerischen Risikos durch die Arbeitgeberin.26

3238

Das Zeitmoment ist demgegenüber kein taugliches Kriterium für die Abgrenzung vom Arbeitsvertrag: Ein Auftrag kann nämlich auch als Dauervertrag ausgestaltet werden (s. N 3223).27 Bedingt tauglich ist die Entgeltlichkeit als Abgrenzungskriterium: Grundsätzlich kann bei einer unentgeltlichen Dienstleistung immer Auftragsrecht angenommen werden, da der Arbeitsvertrag zwingend entgeltlich sein muss.28 Ausnahmsweise ist bei fehlender Vereinbarung über die Entgeltlichkeit gleichwohl Arbeits- und nicht Auftragsrecht anwendbar (s. z.B. Art. 320 Abs. 2 OR). Liegt eine Umgehung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen vor, gilt Arbeits- und nicht Auftragsrecht. Alsdann ist insbesondere ein Entgelt für die betreffende Dienstleistung geschuldet. 24 25 26 27 28

1076

BGE 4A_10/2017 E. 3.1; 4A_602/2013 E. 3.2 m.w.H.; 4A_139/2011 E. 5; 4C.276/2006 E. 4; BK OR-Fellmann, Art. 394 N 308. BGE 4A_10/2017 E. 3.1; 4A_602/2013 E. 3.2; 4A_139/2011 E. 5; Portmann/Stöckli, N 561 ff.; ferner BK OR-Fellmann, Art. 394 N 309 m.w.H. BGE 4A_592/2016 E. 2; 4A_200/2015 E. 4.2.3; 4A_602/2013 E. 3.2; 4A_61/2012 E. 2. Zum Ganzen BK OR-Fellmann, Art. 394 N 303 ff. m.w.H. BSK OR-Weber, Art. 394 N 25.

§ 35

4.

Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR)

Zur einfachen Gesellschaft (Art. 530 ff. OR)

Kerninhalt einer einfachen Gesellschaft ist der gemeinsame Zweck der Gesellschafter, 3239 welcher mit gemeinsamen Kräften und Mitteln erreicht werden soll (Art. 530 OR). Beim Auftrag dagegen haben zwar ebenfalls beide Parteien ein Interesse an der Auftragsausführung; ihre Interessen sind jedoch verschieden gelagert.29 Die Auftraggeberin erwartet ein Tätigwerden in ihrem Interesse, der Beauftragte will beim entgeltlichen Auftrag das vereinbarte Honorar. Auch wenn dabei ein Gewinnanteil ausbedungen wurde, macht dies einen Vertrag zwar zu einem gesellschaftsähnlichen Verhältnis, aber noch nicht zwingend zu einer einfachen Gesellschaft.30 Beim unentgeltlichen Auftrag hat der Beauftragte kein finanzielles Interesse. Aber auch in diesem Fall verfolgt er auch eigene (und weniger gemeinsame) Interessen (z.B. Steigerung seines Ansehens, Handeln aus rein altruistischen Motiven).31

VII. Auftrag und Bevollmächtigung (Art. 396 Abs. 2 und Abs. 3 OR) 1.

Zusammenspiel

Ob der Beauftragte Rechtsgeschäfte in eigenem Namen und auf fremde Rechnung (indirekte Stellvertretung; s. N 1032 f.) oder in fremdem Namen und auf fremde Rechnung (direkte Stellvertretung; s. N 1022 ff.) abschliessen darf, ist in erster Linie eine Frage der Bevollmächtigung, sodann aber auch des Inhalts und Zwecks des zu besorgenden Geschäfts.

3240

Erfordert die Tätigkeit des Beauftragten den Abschluss von Rechtsgeschäften 3241 (Rechtshandlungsauftrag), stellt Art.  396 Abs.  2  OR die Vermutung auf, dass der Auftrag implizit auch die Bevollmächtigungen (im Sinne der Ermächtigung zur direkten Stellvertretung) enthält, die zu dessen Ausführung notwendig sind. Aus der Auslegung des Rechtshandlungsauftrags kann sich freilich auch ergeben, dass der Beauftragte in eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung, das heisst als indirekter Stellvertreter, Rechtsgeschäfte abschliessen soll. Ein typisches Beispiel bildet der Treuhandvertrag, bei dem Beauftragter (Fiduziar) und Auftraggeberin (Fiduziantin) vereinbaren, dass der Fiduziar in eigenem Namen, aber für fremde Rechnung tätig wird.32 Führt die Vertragsauslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis, so greift im Konfliktfall die Vermutung von Art.  396 Abs.  2  OR. Diese gewährt 29 30 31 32

BGE 4A_284/2013 E. 3.1. BGE 4A_284/2013 E. 3.1; 104 II 108 E. 2. S. BK OR-Fellmann, Art. 394 N 344 ff. BK OR-Fellmann, Art. 396 N 45 m.w.H.; BSK OR-Weber, Art. 396 N 5.

1077

5. Kapitel

Nominatverträge

dem Beauftragten eine Beweiserleichterung: Er muss lediglich den Abschluss eines Rechtshandlungsauftrags, nicht aber die Erteilung der Vollmacht nachweisen, um darzutun, dass er sich zur Vornahme der betreffenden Rechtsgeschäfte in direkter Stellvertretung der Auftraggeberin als berechtigt erachten durfte und den Vertrag nicht durch Eigenmacht verletzt hat.33 Genau besehen handelt es sich hierbei um eine besondere Beweislastverteilung, falls die Vollmachtserteilung unbewiesen bleibt.34 3242

Die Vermutung von Art. 396 Abs. 2 OR wird durch Art. 396 Abs. 3 OR beschränkt: Für bestimmte Aufgaben (z.B. Abschluss eines Vergleichs, Veräusserung von Grundstücken) muss die Auftraggeberin den Beauftragten besonders (eigens) bevollmächtigen.35 Die Erteilung einer solchen Spezialvollmacht kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen.36 Ferner gilt nach dem Bundesgericht für die Vollmachtserteilung der Grundsatz der Formfreiheit, und zwar selbst dann, wenn die Ermächtigung auf den Abschluss eines formbedürftigen Geschäfts gerichtet ist (s. dazu im Einzelnen und insbesondere zur Kritik in der Lehre N 3230 und N 1068 ff.).

3243

Fehlt es an einer solchen Spezialvollmacht nach Art. 396 Abs. 3 OR, wird die Auftraggeberin durch diese Rechtshandlungen grundsätzlich nicht berechtigt und verpflichtet (Art. 38 Abs. 1 OR). Sie kann das Geschäft jedoch nachträglich genehmigen und damit die Vertretungswirkung auslösen.37

2.

Abgrenzung

3244

Auftrag und Vollmacht sind klar voneinander zu trennen. Sie können zwar im Duo auftreten, notwendig ist dies aber nicht: «Es gibt […] Vollmachten ohne Auftrag und Aufträge ohne Vollmachten.»38 In der Regel wird die Bevollmächtigung zwar im Rahmen eines Vertragsverhältnisses erteilt. Dennoch ist ein solches Grundverhältnis nicht Voraussetzung für die Bevollmächtigung; diese ist vielmehr ein selbständiges bzw. abstraktes Rechtsgeschäft (s. N 1073).39

3245

Die Vollmacht, welche den Rechtsgrund für die Vertretungsmacht des direkten Stellvertreters bildet, ist ein einseitiges Rechtsgeschäft (s.  N  1066). Durch dieses räumt die Auftraggeberin dem Beauftragten die Kompetenz ein, sie gegenüber Drit33 S. BK OR-Fellmann, Art. 396 N 11 f.; CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 396 N 6. 34 S. CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 396 N 6. 35 S. BK OR-Fellmann, Art. 396 N 124; Hofstetter, 47 f.; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 8 N 17. 36 BGE 4P.184/2003 E. 2.3.1; 4C.271/2001 E. 3.1; s. BK OR-Fellmann, Art. 396 N 124. A.M. BSK OR-Weber, Art. 396 N 14, welcher eine konkludente Vollmachtserteilung in diesen Fällen ablehnt. 37 BK OR-Fellmann, Art. 396 N 156 f.; CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 396 N 12. 38 BK OR-Fellmann, Art. 396 N 43 m.w.H.; ferner Hofstetter, 50; Honsell, OR BT, 346. 39 Gauch/Schluep/Schmid, N 1351; CR CO-Werro, Art. 396 N 10.

1078

§ 35

Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR)

ten zu vertreten.40 Die Bevollmächtigung betrifft demzufolge bloss die Ermächtigung zu einem Handeln im Namen der Vertretenen; es handelt sich um ein Können des Beauftragten. Demgegenüber ist der Auftrag ein zweiseitiges Rechtsgeschäft bzw. ein Vertrag, bei welchem sich der Beauftragte verpflichtet, für die Auftraggeberin tätig zu sein.41 Die Vollmacht hat Auswirkungen auf das Aussenverhältnis, wogegen der Auftrag das Innenverhältnis betrifft (Grundverhältnis).42

3246

VIII. Pflichten des Beauftragten 1.

Pflicht, tätig zu werden

Der Beauftragte ist verpflichtet, den Auftrag im Interesse der Auftraggeberin aus- 3247 zuführen. Obwohl er keinen bestimmten Erfolg schuldet (s. N 3133 ff.), ist er verpflichtet, einen solchen anzustreben und in diesem Sinn tätig zu werden.43

2.

Persönliche Leistungspflicht (Art. 398 Abs. 3 OR)

2.1

Grundsatz

Gemäss Art. 68 OR ist der Schuldner nur dann verpflichtet, persönlich zu erfüllen, 3248 wenn es bei der Leistung auf seine Persönlichkeit ankommt. Da beim Auftrag das Vertrauen in die individuellen (insbesondere fachlichen) Eigenschaften des Beauftragten häufig dominiert, wird die Vermutung von Art. 68 OR (unpersönliche Leistungspflicht) aufgehoben. Es gilt mithin sogar das Umgekehrte: Vermutungsweise hat der Beauftragte (vor allem Vertreter der sog. freien Berufe wie Ärzte, Rechtsanwälte etc.) die aufgetragenen Geschäfte persönlich zu besorgen.44 Die persönliche Leistungspflicht wird denn auch in Art. 398 Abs. 3 OR explizit statuiert. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Beauftragte zwingend sämtliche Aufgaben 3249 des aufgetragenen Geschäfts selber vornehmen muss: Die Übertragung des Auftrags auf einen Dritten im Sinne von Art. 398 Abs. 3 und Art. 399 OR (Substituten) ist ausnahmsweise zulässig (s. N 3258 ff.). Sodann kann der Beauftragte auch Hilfs-

40 41 42 43 44

Ausführlich Gauch/Schluep/Schmid, N 1343 ff. Honsell, OR BT, 347. CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 396 N 5. S. auch BGE 144 III 43 E. 3.1.2, wonach der Beauftragte ein Tätigwerden im Interesse der Auftraggeberin schuldet, «das zwar in der Regel erfolgsgerichtet ist, aber den Erfolg nicht mitumfasst». BK OR-Fellmann, Art. 398 N 527; s. auch ZK OR-Schraner, Art. 68 N 17 und N 21.

1079

5. Kapitel

Nominatverträge

personen (Art. 101 OR) für untergeordnete Aufgaben beiziehen (z.B. Anwaltssekretär oder Pflegefachfrau; s. N 3251 ff. und N 3255 ff.).45 3250

Infolge der unterschiedlichen Haftung des Beauftragten (Art. 399 Abs. 2 OR versus Art. 101 OR) ist es wichtig, den Substituten klar von der Hilfsperson abzugrenzen (s. sogleich N 3251 ff.). Die Lehre verwendet insbesondere den Begriff des Erfüllungsgehilfen uneinheitlich; im Folgenden wird deshalb auf diesen Begriff verzichtet und nur zwischen Hilfspersonen und Substituten unterschieden.46 2.2

Abgrenzung von Hilfspersonen und Substituten

3251

Die Abgrenzung zwischen Hilfsperson und Substitut ist elementar, da davon die Haftung des Beauftragten abhängt: Nach Art. 101 OR haftet der Beauftragte im Rahmen der «hypothetischen Vorwerfbarkeit»47 kausal48 für jegliches Handeln seiner (befugt beigezogenen) Hilfspersonen (s. N 3255 ff.).49 Der Beauftragte haftet somit auch dann für das Verhalten der Hilfsperson, wenn ihn kein Verschulden trifft (z.B. hinsichtlich der Auswahl, der Instruktion und der Überwachung); aufgrund von Art. 101 OR wird ihm das Verschulden der Hilfsperson angerechnet, wie wenn es sein eigenes wäre.50 Dagegen wird der Beauftragte bei der befugten Übertragung der Geschäfte an einen Substituten nach Art. 399 Abs. 2 OR privilegiert behandelt: Er haftet hier grundsätzlich nur für die gehörige Sorgfalt bei der Wahl und Instruktion des Substituten (cura in eligendo et instruendo; s. N 3259).

3252

Die Lehre verwendet verschiedene Kriterien für die Abgrenzung von Hilfspersonen und Substituten:51 Oft wird auf die technische sowie wirtschaftliche und rechtliche Selbständigkeit eines Substituten gegenüber einer Hilfsperson abgestellt. Dieser erbringt die Leistung nämlich autonom, also ohne dass er sich in einem Unterordnungsverhältnis (mit Leitungs-, Aufsichts-, und Weisungsbefugnissen) zum Beauftragten befindet. Zwischen den beiden besteht aber in aller Regel ebenfalls ein Auftrag (sog. Unterauftrag), sodass der Erstbeauftragte als Auftraggeber zumindest Weisungen erteilen darf (Art. 397 Abs. 1 OR).52

3253

Ein Teil der Lehre berücksichtigt für die Abgrenzung zwischen Hilfsperson und Substitut (zusätzlich) die Interessenlage:53 Werde die Drittperson im Interesse der Auftraggeberin beigezogen (z.B. Konsultation eines Facharztes), handle es sich um 45 46 47 48 49 50 51 52 53

1080

Bucher, OR BT, 229; CR CO-Werro, Art. 398 N 9. S. BK OR-Fellmann, Art. 398 N 536. BGE 130 III 591 E. 5.5; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3039 ff. CHK OR-Furrer/Wey, Art. 101 N 1. S. BSK OR-Wiegand, Art. 101 N 11 ff. CR CO-Werro, Art. 398 N 42; BSK OR-Wiegand, Art. 101 N 12. S. dazu ausführlich BK OR-Fellmann, Art. 398 N 538 ff. m.w.H. BK OR-Fellmann, Art. 398 N 539 f.; CR CO-Werro, Art. 398 N 6. So auch noch in der Vorauflage dieses Buches vertreten.

§ 35

Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR)

einen Substituten im Sinne von Art. 398 Abs. 3 und Art. 399 OR. In diesem Fall beabsichtige der Beauftragte nicht, seine Verdienstmöglichkeiten mittels Arbeitsteilung zu erweitern. Ziehe der Beauftragte die Drittperson dagegen in eigenem Interesse bei (z.B. Vergrösserung des Umsatzes, Ferienvertretung), so sei die Drittperson nicht als Substitut im Sinne von Art. 398 Abs. 3 und Art. 399 OR zu qualifizieren, sondern es rechtfertige sich die schärfere Haftung nach Art. 101 OR.54 Wie bereits in der Vorauflage des vorliegenden Werks angemerkt, kann das Abstel- 3254 len auf die Interessenlage Schwierigkeiten bereiten. Das gilt insbesondere dann, wenn der Beizug einer Drittperson sowohl im Interesse des Beauftragten als auch der Auftraggeberin erfolgt ist. In diesem Fall seien, so in der Vorauflage vertreten, die Interessen gegeneinander abzuwägen, und es sei zu prüfen, ob eine privilegierte Haftung nach Art. 399 Abs. 2 OR überhaupt sachgerecht sei oder ob Art. 101 OR zu einer angemesseneren Lösung führe.55 In Fortführung dieses Gedankens und mit der insbesondere in der neueren Lehre 3254a vertretenen Gegenansicht sollte das Kriterium der Interessenlage unseres Erachtens erst bei der Beurteilung der Frage der Anwendung des Haftungsprivilegs gemäss Art. 399 Abs. 2 OR (s. hierzu nachfolgend N 3259) herangezogen werden und nicht bereits bei der grundsätzlichen Abgrenzung von Hilfsperson und Substitut. Wird die Interessenlage bereits bei der Abgrenzungsthematik berücksichtigt und der beigezogene Dritte dabei als Hilfsperson qualifiziert, so hätte dies zur Folge, dass die Auftraggeberin nicht direkt gegen den Dritten vorgehen könnte (s. Art. 399 Abs. 3 OR). Denn der Direktanspruch von Art. 399 Abs. 3 OR gelangt nur bei der Substitution, nicht aber bei der Hilfspersonenhaftung nach Art. 101 OR zur Anwendung (zu Art. 399 Abs. 3 OR s. auch N 3261). Dies erscheint nicht sachgerecht.56 Die dargelegte Auffassung scheint im Übrigen nicht im Widerspruch zur Praxis des Bundesgerichts zu stehen: Das Bundesgericht erwähnt zwar das Kriterium der Interessenlage wiederholt, jedoch ohne dieses explizit für die Abgrenzung zwischen Hilfsperson und Substitut heranzuziehen. Jedenfalls scheint auch das Bundesgericht die Interessenlage hauptsächlich bei der Anwendbarkeit des Haftungsprivilegs von Art. 399 Abs. 2 OR zu berücksichtigen.57

54 S.  Guhl/Schnyder, §  49 N  16; Hofstetter, 96  ff. m.w.H.; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 8 N 80; BSK OR-Weber, Art. 398 N 3. S. ferner auch Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3061, wobei die Autoren die in der neueren Lehre vertretene Gegenansicht immerhin als «bedenkenswert» bezeichnen. 55 BGE 112 II 347 E. 2a und E. 2b; s. auch BGE 4A_407/2007 E. 2.3. 56 Ausführlich Rusch, Jusletter 18. Oktober 2010, N 1 ff.; s. ferner Droz, N 287 ff.; CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 399 N 5. 57 S. BGE 4A_407/2007 E. 2.3; 112 II 347 E. 2a und E. 2b; 107 II 238 E. 5; s. auch Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4421.

1081

5. Kapitel

2.3 3255

Nominatverträge

Beizug von Hilfspersonen

Hinsichtlich einer Mitwirkung von Hilfspersonen bestehen im Auftragsrecht zwei verschiedene Stufen:58 • Hilfsperson unterstützt lediglich den Beauftragten; • Hilfsperson erfüllt allein, aber gemäss allgemeiner Ordnung oder Weisungen des Beauftragten.

3256

Trotz der grundsätzlich persönlichen Leistungspflicht, welche auf das Vertrauen zurückzuführen ist, das die Auftraggeberin in das Wissen und das Können des Beauftragten setzt (s. N 3248), dürfen untergeordnete Aufgaben an Hilfspersonen übertragen werden, da dadurch die Qualität der Leistung nicht beeinträchtigt werden sollte.59

3257

Wird befugtermassen eine Hilfsperson für die Erfüllung einer Leistungspflicht herangezogen, ist Art.  101  OR anwendbar (s. zur Hilfspersonenhaftung im Einzelnen N 993 ff.). Der Beauftragte haftet somit auch dann für den Schaden, den die Hilfsperson im Zusammenhang mit der Geschäftsbesorgung verursacht, wenn ihn kein Verschulden (etwa hinsichtlich Auswahl, Instruktion und Überwachung der Hilfsperson) trifft. Aufgrund von Art. 101 OR wird ihm das Verschulden der Hilfsperson angerechnet, wie wenn es sein eigenes wäre (hypothetische Vorwerfbarkeit).60 Der Beauftragte wird nur von der Haftung nach Art. 101 OR befreit, wenn er nachweisen kann, «dass auch ihm selber, wenn er gleich gehandelt hätte wie die Hilfsperson, kein Verschulden vorgeworfen werden könnte»61. Ist der Beizug unbefugt, so verletzt der Beauftragte den Vertrag und haftet demzufolge gestützt auf Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 398 Abs. 2 OR. Allenfalls kommt auch hier Art. 101 OR subsidiär zur Anwendung. So entsteht keine Schutzlücke, wenn sich der Beauftragte beispielsweise wegen eines gutgläubigen Irrtums über die Zulässigkeit eines Beizugs exkulpieren kann.62 2.4

3258

Beizug von Substituten

Art. 398 Abs. 3 OR bestimmt, wann dem Beauftragten der Beizug eines Substituten gestattet ist (alternativ): • Die Auftraggeberin hat ihn dazu ermächtigt; 58 S. dazu Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3021 ff. 59 BK OR-Fellmann, Art. 398 N 529. 60 CR CO-Werro, Art. 398 N 42; BSK OR-Wiegand, Art. 101 N 12. 61 BGE 92 II 15 E. 3; s. ferner auch BGE 130 III 591 E. 5; 4C.307/2003 E. 5.2; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3049. 62 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3066 m.w.H. S. ferner auch Koller, Erfüllungsgehilfe, N 226 ff., insbesondere N  234, welcher bei unbefugtem Beizug einer Hilfsperson die alternative Anwendbarkeit von Art. 97 und Art. 101 OR befürwortet.

1082

§ 35

Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR)

• er ist durch die Umstände dazu genötigt; oder • eine Vertretung wird übungsgemäss als zulässig betrachtet. Die Rechtsfolgen der befugten bzw. unbefugten Substitution sind sodann in Art. 399 OR geregelt. War der Beauftragte zur Übertragung der Geschäfte befugt, so haftet er grundsätz- 3259 lich nur für die gehörige Sorgfalt bei der Wahl und Instruktion des Substituten (cura in eligendo et instruendo; Art. 399 Abs. 2 OR). Da die Überwachung des Substituten, welcher ja als Spezialist im Interesse der Auftraggeberin tätig wird, de facto unmöglich und wohl von dieser auch nicht erwünscht ist, entfällt die Haftung für eine sorgfältige Überwachung (cura in custodiendo).63 Das Haftungsprivileg von Art.  399 Abs. 2 OR gilt allerdings nicht uneingeschränkt64. So ist dessen Anwendung gemäss herrschender Lehre und Rechtsprechung nur dann gerechtfertigt, wenn der Beizug des Substituten (auch) im Interesse der Auftraggeberin erfolgt ist. Hat der Beauftragte den Dritten dagegen (nur) im eigenen Interesse beigezogen (z.B. zur Vergrösserung seines wirtschaftlichen Leistungsvermögens), so haftet er nach dem strengeren Regime von Art. 101 OR, auch wenn eine an sich befugte Substitution vorliegt.65 Bei einem unbefugten Beizug des Substituten haftet der Beauftragte gemäss Art. 399 3260 Abs.  1  OR für dessen Handlungen wie für seine eigenen.66 Der Beauftragte verletzt durch den unbefugten Beizug eines Substituten den Auftrag und haftet somit gestützt auf Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 398 Abs. 2 OR.67 Nach Art. 399 Abs. 3 OR kann die Auftraggeberin ihre Haftungsansprüche sowohl 3261 bei befugter als auch bei unbefugter Substitution auch direkt gegenüber dem Substituten geltend machen («Durchgriff»). Folgt man dem Gesetzeswortlaut, kann sich die Auftraggeberin nur auf diejenigen Ansprüche berufen, die dem Beauftragten gegenüber dem Substituten zustehen. Dies führt zu unbefriedigenden Ergebnissen. Der Schaden tritt in der Regel nicht beim Beauftragten, sondern bei der Auftraggeberin ein. Der Beauftragte hätte folglich keinen Anspruch gegen den Substituten, und es könnte somit auch die Auftraggeberin nicht gegen diesen vorgehen. Judikatur und Doktrin anerkennen darum, dass es der Auftraggeberin gestattet sein soll, ihren eigenen Schaden auch nach Art. 399 Abs. 3 OR direkt beim Substituten gel-

63 Engel, CO PS, 485; Hofstetter, 97; Honsell, OR BT, 348. 64 S.  für einen Überblick zu den Einschränkungen CHK  OR-Gehrer Cordey/Giger, Art.  399 N  13  ff.; BSK OR-Weber, Art. 399 N 3 f. 65 BGE 4A_407/2007 E. 2.3; 112 II 347 E. 2a und E. 2b; 107 II 238 E. 5; BK OR-Fellmann, Art. 398 N 542 ff. und Art. 399 N 49; CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 399 N 15; Guhl/Schnyder, § 49 N 16; Hofstetter, 96 ff. m.w.H.; kritisch Honsell, OR BT, 349. 66 In der Lehre ist die Bedeutung dieses Absatzes allerdings umstritten; dazu ausführlich BK OR-Fellmann, Art. 399 N 10 ff. 67 Hofstetter, 95 f. m.w.H.; BSK OR-Weber, Art. 399 N 5 m.w.H.

1083

5. Kapitel

Nominatverträge

tend zu machen.68 Einige Autoren begründen dies damit, dass die auftragsrechtliche Substitution eine ähnliche Wirkung zeitige wie ein Vertrag zugunsten eines Dritten (s. N 1119 ff.);69 andere halten dafür, dass es sich hier um Drittschadensliquidation (s. N 1600 ff.) handle.70 Das Bundesgericht hat die Rechtsgrundlage des Direktanspruchs für den eigenen Schaden der Auftraggeberin bislang explizit offengelassen71.

3.

Sorgfaltspflicht (Art. 398 Abs. 1 und Abs. 2 OR)

3262

Einhelligkeit besteht in der Lehre hinsichtlich Art.  398  OR wohl nur darin, dass der Gesetzgeber mit der auftragsrechtlichen Sorgfaltspflicht eine etwas kryptische Norm schuf.72 Haftungsgrundlage bildet Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 398 Abs. 2 OR, während Art. 398 Abs. 1 OR bloss den Massstab der Sorgfalt definiert. Schwierigkeiten bereitet die Sorgfaltspflicht bzw. deren Verletzung generell auch darum, weil sie sowohl bei der Beurteilung der Pflichtwidrigkeit wie auch des Verschuldens berücksichtigt werden muss.73

3263

Gemäss Art. 398 Abs. 2 OR haftet der Beauftragte der Auftraggeberin für getreue und sorgfältige Ausführung der Geschäfte. Wird der Beauftragte unsorgfältig bzw. – nach den Interessen der Auftraggeberin zu beurteilen – unsachgerecht tätig, so stellt dies eine Verletzung des Auftrags dar.74 Die Sorgfaltspflicht erstreckt sich auf alle Pflichten des Beauftragten, also beispielsweise auch auf die Nebenpflichten betreffend Information und Aufklärung (Art. 400 Abs. 1 OR; s. N 3275 ff.). So hat beispielsweise ein Steuerberater als Experte auch auf aktuelle Risiken im Zusammenhang mit allfälliger neuer Bundesgerichtsrechtsprechung hinzuweisen, um seine Informations- und Aufklärungspflicht sorgfältig zu erfüllen.75

3264

Ob Art.  398 Abs.  2  OR als selbständige Haftungsgrundlage oder im Zusammenhang mit Art. 97 Abs. 1 OR verstanden werden soll, ist in der Lehre umstritten.76 Der Lehrstreit hat aber keine praktische Bedeutung, da Art. 97 Abs. 1 OR als vertragliche Grundhaftungsnorm von allen Autoren in der einen oder anderen Weise ergänzend herangezogen wird. Unseres Erachtens ist Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 398 68 69 70 71 72 73 74 75 76

1084

BGE 121 III 310 E.  4 m.w.H.; s. auch BGE 4A_10/2013 E.  4.2; BK  OR-Fellmann, Art.  398 N  600  ff.; CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 399 N 25 f.; Honsell, OR BT, 349. S. Honsell, OR BT, 349; Rusch, Jusletter 18. Oktober 2010, N 13; BSK OR-Weber, Art. 399 N 6. S. BK OR-Fellmann, Art. 398 N 605 und Art. 399 N 100 ff.; Hofstetter, 98. BGE 4A_10/2013 E. 4.2. S. BK OR-Fellmann, Art. 398 N 11 ff.; Honsell, OR BT, 350; BSK OR-Weber, Art. 398 N 1. S. dazu BK OR-Fellmann, Art. 398 N 22. BK OR-Fellmann, Art. 398 N 21. BGE 4A_64/2012 E. 5. Eine selbständige Haftungsnorm annehmend BK OR-Fellmann, Art. 398 N 10 ff. und N 328 ff., insbesondere N 332. Für Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 398 Abs. 2 OR hingegen Derendinger, N 256; Engel, CO PS, 485; Hofstetter, 122 f.

§ 35

Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR)

Abs. 2 OR zu sehen. Daraus ergeben sich folgende (kumulativen) Voraussetzungen für einen allfälligen Schadenersatzanspruch77: • • • •

Vertragsverletzung; Schaden; natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang und Verschulden (s. Art. 398 Abs. 1 OR).

Das Verschulden des Beauftragten besteht darin, dass er die Vertragsverletzung bzw. 3265 den Schaden vorsätzlich oder fahrlässig herbeiführte. Fahrlässig handelt der Beauftragte, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verletzt.78 Beim Auftrag wird der Sorgfaltsmassstab in Art. 398 Abs. 1 OR, welcher auf das 3266 Arbeitsrecht (Art. 321a und Art. 321e OR, insbesondere Art. 321e Abs. 2 OR) verweist, explizit geregelt. Die entsprechenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen dürfen allerdings nicht unverändert bzw. unangepasst übernommen werden:79 Zunächst ist das arbeitsrechtliche Mass der Sorgfalt auf entgeltliche Tätigkeiten ausgerichtet. Diesbezüglich vertritt Hofstetter die Meinung, dass im Auftragsrecht der Sorgfaltsmassstab bei Unentgeltlichkeit weniger streng sein dürfe als bei Entgeltlichkeit (z.B. Einschränkung auf grobe Fahrlässigkeit).80 Nach richtiger Auffassung ist der Unentgeltlichkeit allerdings nicht bereits beim Sorgfaltsmassstab, sondern erst bei der Schadenersatzbemessung im Rahmen von Art. 99 Abs. 2 OR Rechnung zu tragen.81 Sodann werde, so weitere Autoren, bei einer unbesehenen Übernahme des arbeitsrechtlichen Sorgfaltsmasses ins Auftragsrecht vernachlässigt, dass die Auftraggeberin den Beauftragten in der Regel als Experten beizieht, was eine (im Vergleich mit derjenigen des Arbeitnehmers) erhöhte Sorgfaltspflicht des Beauftragten rechtfertige.82 Ob der Beauftragte unsorgfältig gehandelt hat, beurteilt sich danach, ob ihm sein Handeln unter Berücksichtigung der konkreten Umstände gemessen am fachspezifischen Durchschnittsverhalten vorwerfbar ist (objektivierter Fahrlässigkeitsbegriff).83 Dagegen werden beim arbeitsrechtlichen Sorgfaltsmassstab auch rein subjektive Umstände berücksichtigt wie das Berufsrisiko, das Bildungsniveau oder die Fachkenntnisse des jeweiligen Arbeitnehmers (s. Art. 321e Abs. 2 OR).84 Das Bundesgericht umschreibt den Sorgfaltsmassstab des Beauftragten häufig wie folgt: «Das Mass der Sorgfalt bestimmt sich nach objektiven Kriterien. Erforderlich ist die Sorgfalt, die ein gewissenhafter Beauftragter in der glei77 S. BGE 4A_45/2016 E. 2.4; 4A_577/2015 E. 4; 4A_267/2014 E. 2. 78 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2968 ff. 79 S. BGE 4A_380/2016 E. 4.1. 80 Hofstetter, 127; ferner Honsell, OR BT, 349 f. 81 BK OR-Fellmann, Art. 398 N 497 und N 508; Honsell, OR BT, 349 f.; BSK OR-Weber, Art. 398 N 31. 82 S. Honsell, OR BT, 350; ferner Guhl/Schnyder, § 49 N 11 f. 83 S. BGE 127 III 357 E. 1c; 4C.159/2000 E. 1a; s. Derendinger, N 269 ff.; differenziert: Hofstetter, 127; ferner auch Handschin/Jucker, 320 f. 84 S. aber BGE 127 III 357 E. 1; BK OR-Fellmann, Art. 398 N 498 ff.; CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 398 N 12; BSK OR-Weber, Art. 398 N 23.

1085

5. Kapitel

Nominatverträge

chen Lage bei der Besorgung der ihm übertragenen Geschäfte anzuwenden pflegt. Höhere Anforderungen sind an den Beauftragten zu stellen, der seine Tätigkeit berufsmässig, gegen Entgelt ausübt. Dabei ist nach der Art des Auftrages zu differenzieren und auch den besonderen Umständen des Einzelfalles Rechnung zu tragen. Bestehen für eine Berufsart oder ein bestimmtes Gewerbe allgemein befolgte Verhaltensregeln und Usanzen, so können sie bei der Bestimmung des Sorgfaltsmasses herangezogen werden».85 3267

Als Beispiel86 einer auftragsrechtlichen Sorgfaltspflicht soll hier die Anwaltshaftung dienen: Die anwaltliche Sorgfaltspflicht richtet sich nach den allgemein anerkannten und praktizierten Regeln des Berufsstandes. Vom Anwalt werden insofern die Kenntnisse und Fähigkeiten eines juristischen Fachmannes verlangt: Die Auftraggeberin darf voraussetzen, dass der Anwalt die relevanten Gesetze, die ober- und bundesgerichtliche Judikatur und die einschlägige Doktrin in ihren Grundzügen kennt.87 Ein Anwalt darf deshalb nur Mandate annehmen, die er aufgrund seines Wissensstandes auch zu behandeln in der Lage ist. Fehlt ihm dieses Wissen, darf er den Auftrag nicht annehmen, ausser er kann sich dieses innert adäquater Frist aneignen oder einen Spezialisten beiziehen (ansonsten liegt ein Übernahmeverschulden vor; s. N 899).88 Neben der sorgfältigen Abklärung des Sachverhalts hat der Anwalt auch die Rechtslage zu prüfen.89 Auf dieser Basis hat er der Auftraggeberin die verschiedenen Handlungsoptionen sowie die jeweils damit einhergehenden Chancen und Risiken aufzuzeigen.90 Dabei haftet er für unsorgfältige Beratung, beispielsweise wenn er seiner Auftraggeberin trotz offensichtlich guten Erfolgschancen von der Einlegung eines Rechtsmittels abrät.91 Für Schäden, welche aus Fristversäumnissen resultieren, haftet der Anwalt nur, wenn angenommen werden kann, dass die Klage bzw. andere fristgebundene Handlungen (z.B. Beschwerde, Gesuch) bei fristgerechter Einreichung oder Vornahme erfolgreich gewesen wären.92

3268

Bezüglich der Haftung des Arztes wegen Sorgfaltspflichtverletzung statuierte das Bundesgericht 1979 noch Folgendes: Der Arzt haftet nur für eigentliche Kunstfehler (Vorgehen entgegen lege artis), nicht aber für leichte Fahrlässigkeit.93 Allerdings 85 86 87

88 89 90 91 92 93

1086

BGE 4A_364/2013, 4A_394/2013 und 4A_396/2013 E.  6.1; gleichlautend etwa auch BGE 4A_140/2011 E. 2.1; 4A_223/2007 E. 6.1. Für weitere Beispiele in der Rechtsprechung s. Krauskopf, Art. 398 N 2 ff. S. BGE 127 III 357 E. 1 und E. 3d. S. ferner BGE 134 III 534 E. 3.2.3.3 = Pra 2009 Nr. 35, wonach ein Anwalt lediglich Kenntnis über die in der amtlichen Sammlung des Bundesgerichts publizierte Rechtsprechung haben muss (bestätigt unter anderem in BGE 1C_878/2013; 4A_329/2009; 4A_369/2009 E. 3.1); s. ferner auch BGE 4C.80/2005 E. 2.2.1; BK OR-Fellmann, Art. 398 N 408 ff. BGE 4C.80/2005 E. 2.2.1; 4P.317/2001 E. 6; BK OR-Fellmann, Art. 398 N 409 f. BGE 4C.80/2005 E. 2.2.1. BGE 4A_380/2016 E. 4.1; 139 IV 294 E. 4.5. S. BGE 4A_53/2008 E. 2. BGE 4C.231/2003 E. 1; 87 II 364 E. 1; s. auch BGE 4A_380/2016 E. 4.2; 4A_329/2009 E. 3.2 und E. 3.3; ferner BGE 143 III 10 E. 3.1 zur privatrechtlichen Haftung des unentgeltlichen Rechtsbeistands. BGE 105 II 284 E. 1.

§ 35

Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR)

verschärfte das Bundesgericht später diese Praxis: Die Anforderungen an die ärztliche Sorgfaltspflicht seien nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen.94 Als Umstände zu berücksichtigen sind etwa die Art des Eingriffs bzw. der Behandlung, die damit verbundenen Risiken, der Ermessensspielraum, die Mittel und die Zeit, die dem Arzt zur Verfügung stehen, sowie dessen Ausbildung und Leistungsfähigkeit.95 Umstritten ist, inwiefern die Parteien die Sorgfaltspflicht durch Vereinbarung abän- 3268a dern, einschränken oder gar ganz wegbedingen können. Ein Teil der Lehre verneint die Zulässigkeit der Freizeichnung von der auftragsrechtlich geschuldeten Sorgfalt, weil das sorgfältige Tätigwerden gerade den eigentlichen Kern des Vertrages ausmache und die Wegbedingung damit der Natur des Auftrags widerspreche.96 Gemäss der wohl herrschenden Lehre ist eine Haftungsfreizeichnung zu Recht auch beim Auftrag innerhalb der allgemeinen Grenzen von Art. 100 OR gestattet (s. N 1016).97 Das Bundesgericht hat diese Streitfrage bislang explizit offengelassen.98

4.

Treuepflicht

Im Rahmen der Treuepflicht muss ein Beauftragter die Interessen seiner Auftrag- 3269 geberin wahren (s.  Art.  398 Abs.  2  OR).99 Ausfluss der Treue- bzw. Interessenwahrungspflicht ist insbesondere die Pflicht, die Auftraggeberin zu beraten und zu informieren.100 So muss etwa der Architekt den Bauherrn über die Kosten des Projekts und das eigene Honorar informieren101 oder die Bank im Rahmen einer Vermögensverwaltungsbeziehung ihren Kunden grundsätzlich über die Risiken der beabsichtigten Investitionen aufklären102. 94 95 96 97 98 99 100 101 102

BGE 113 II 429 E. 3a; kritisch Honsell, OR BT, 352 f. m.w.H. BGE 4A_696/2012 E. 2; 133 III 121 E. 3.1 = Pra 2007 Nr. 105; 130 IV 7 E. 3.3. S. Bucher, OR AT, 348; differenzierend: BSK OR-Wiegand, Art. 100 N 6. S. BK OR-Fellmann, Art. 398 N 515; CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 398 N 31 f.; Handschin/ Jucker, 331 f.; Honsell, OR BT, 354; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4551 ff. mit Differenzierungen; BSK OR-Weber, Art. 398 N 34 f. BGE 4C.158/2006 E. 2.3; 124 III 155 E. 3c. Bucher, OR BT, 230. Krauskopf, Art. 398 N 2 m.w.H. BGE 4A_196/2014 E. 4. Im Bankgeschäft bzw. bei Geschäften im Zusammenhang mit Vermögensanlagen ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung bezüglich Bestand und Umfang der Aufklärungs-, Beratungs- und Warnpflichten nach dem jeweils bestehenden Vertragsverhältnis (reine Konto-/Depotbeziehung, Anlageberatung oder Vermögensverwaltung) zu differenzieren; s. aus der reichen Gerichtspraxis etwa BGE 4A_436/2016 und 4A_466/2016 E.  3.1, E.  3.2 und E.  4.3; 4A_593/2015 E.  7.1; 4A_45/2016 E.  2; 4A_41/2016 E.  3.2 und E. 3.3; 4A_369/2015 E. 2.3; 4A_336/2014 E. 4.1, E. 4.2 und E. 5.2; 4A_364/2013, 4A_394/2013 und 4A_396/2013 E. 6, insbesondere E. 6.1, E. 6.2, E. 6.3 und E. 6.6.1; 4A_525/2011 E. 3.1, E. 3.2 und E. 3.3; 133 III 97 E. 7.1; 124 III 155 E. 3a; 119 II 333 E. 5a und E. 7; 115 II 62 E. 3a je m.w.H. Für eine Übersicht betreffend die umfassende Gerichtspraxis s. Krauskopf, Art. 398 N 26; BSK OR-Weber, Art. 398 N 29; ausführlich zu den Pflichten der Bank ferner Weber, Jusletter 31. August 2015, N 1 ff.

1087

5. Kapitel

Nominatverträge

3270

Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Aufklärungspflicht des Arztes gegenüber der Patientin. Da ein medizinischer Eingriff nach dem Bundesgericht als Körperverletzung gilt, haftet der Arzt, welcher die Patientin nicht vollständig aufgeklärt hat, für den ganzen Schaden, der durch die Operation entsteht.103 Diese Haftung ist davon unabhängig, ob die ärztliche Sorgfalt beachtet wurde oder nicht. Von der Haftung befreit ist der Arzt nur, wenn er beweisen kann, dass die Patientin auch bei voller Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte (hypothetische Einwilligung; s. N 1967).104

3271

Zur allgemeinen Treuepflicht gehört auch, dass den Beauftragten bei unzulässigen oder unzweckmässigen Weisungen eine Abmahnungs- oder Orientierungspflicht trifft (s. N 3273). Neben Diskretions- und Geheimhaltungspflichten finden sich noch weitere Konkretisierungen der Treuepflicht des Beauftragten wie etwa die Pflicht zur Vermeidung bzw. Auflösung von Interessenkollisionen (z.B. Verbot von Insichgeschäften; s. Art. 436 OR; N 3468 ff.) und die Pflicht, einen Auftrag nur anzunehmen, sofern der Beauftragte über die erforderlichen Fähigkeiten verfügt, da ihm sonst ein sog. Übernahmeverschulden vorgeworfen werden kann.105

3271a

Die Haftung für Schäden aus dem Verstoss gegen die auftragsrechtliche Treuepflicht richtet sich unseres Erachtens wie diejenige für Sorgfaltspflichtverletzungen nach Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 398 Abs. 2 OR (s. N 3264).106 Die Anwendungsbereiche dieser beiden Pflichten überschneiden sich stark. Ein vertragswidriges Verhalten des Beauftragten weist in der Regel Berührungspunkte zu beiden Pflichten auf, ohne dass dabei eine klare Trennung vorgenommen werden kann.107 So berührt etwa die Frage des Übernahmeverschuldens sowohl die Thematik der Sorgfalts- wie auch der Treuepflichtverletzung. Z.B. kann die Annahme eines Mandats trotz fehlender Kompetenzen oder Kapazitäten als unsorgfältig betrachtet werden und gleichzeitig auch den Interessen der Auftraggeberin zuwiderlaufen, welche der Beauftragte im Rahmen seiner Treuepflicht zu wahren hat (s. N 3267 und N 3271). Gleichermassen können auch die Informations- und Aufklärungspflichten einerseits als Teil der sorgfältigen Auftragsausführung und andererseits als Ausfluss der Treuepflicht aufgefasst werden.108 103 104 105 106 107 108

1088

BGE 116 II 519 E. 3; 113 Ib 420 E. 4. BGE 4A_137/2015 E. 8; 4A_160/2015 E. 5.2.1; 4A_453/2014 E. 6; 133 III 121 E. 4.1.3 = Pra 2007 Nr. 105; 117 Ib 197 E. 5; s. Honsell, OR BT, 353 f.; Krauskopf, Art. 398 N 10 ff. m.w.H. S. Bucher, OR BT, 230; CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 398 N 3 ff.; Hofstetter, 106 ff. S.  CHK  OR-Gehrer Cordey/Giger, Art.  398 N  1 und N  23; s. auch BK  OR-Fellmann, Art.  398 N 341 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4533 ff. S. BK OR-Fellmann, Art. 394 N 271; s. ferner bezüglich der Abmahnungspflicht bei unzweckmässigen Weisungen Guhl/Schnyder, § 49 N 14. S. exemplarisch auch BGE 143 III 653 E. 4, in welchem sich das Bundesgericht mit der Frage auseinanderzusetzen hatte, ob eine Bank durch die (gutgläubige) Vornahme von Geldwäschereiabklärungen und die damit verbundene Nicht- bzw. verzögerte Ausführung einer Transferinstruktion ihre Sorgfalts- und Treuepflicht gegenüber dem betroffenen Kunden verletzte. Das Bundesgericht verneinte dies unter Bezugnahme auf die einschlägigen öffentlich-rechtlichen Geldwäschereibestimmungen.

§ 35

5.

Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR)

Weisungsgebundenheit (Art. 397 Abs. 1 OR)

Weisungen sind einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärungen der Auftrag- 3272 geberin, mittels deren ein bestimmtes Tätigwerden angeordnet und das Vertragsverhältnis konkretisiert wird.109 Nicht als Weisungen werden blosse Wünsche, Vorschläge oder Anregungen verstanden.110 Nach Fellmann kann die Auftraggeberin zwei Arten von Weisungen erteilen:111 Zielanweisungen (Konkretisierung der Arbeitsleistung) und Fachanweisungen (Art und Weise der Arbeitsleistung). Ausgeschlossen sind aber Weisungen hinsichtlich Ort, Organisation der Arbeit etc. (sog. Verhaltensanweisungen). Der Beauftragte steht im Verhältnis zur Auftraggeberin eben gerade nicht in einem Subordinationsverhältnis (bezüglich Abgrenzung des Auftrags vom Arbeitsvertrag s. N 3237 f.).112 Gemäss Art. 397 Abs. 1 OR ist die Auftraggeberin befugt, dem Beauftragten Wei- 3273 sungen zu erteilen. An diese Weisungen ist der Beauftragte grundsätzlich gebunden. Ausnahmsweise darf er davon abweichen, wenn es nach den Umständen (z.B. wegen Dringlichkeit) nicht tunlich wäre, eine Erlaubnis im Sinne einer abweichenden oder ergänzenden Weisung einzuholen. Diesfalls hat der Beauftragte gemäss derjenigen (mutmasslichen) Weisung zu handeln, die ihm die Auftraggeberin in Kenntnis der Sachlage gegeben hätte.113 Die in Art. 397 Abs. 1 OR statuierte grundsätzliche Weisungsbefolgungspflicht heisst auch nicht, dass der Beauftragte die Weisungen blindlings zu befolgen hat. Vielmehr hat er die Aufgabe, im wohlverstandenen Interesse der Auftraggeberin zu handeln. Er muss ihren Weisungen deshalb mit Sachverstand begegnen, konstruktive Kritik üben und die Auftraggeberin über mögliche Konsequenzen informieren (sog. Abmahnung).114 Orientiert der Beauftragte die Auftraggeberin dagegen nicht oder weicht er unzulässigerweise von den Weisungen ab, verletzt er den Vertrag und haftet infolgedessen aufgrund von Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 398 Abs. 2 OR für allfälligen Schaden (s. N 3262 ff.).115 Besteht die Auftraggeberin auch nach der Orientierung weiterhin darauf, dass der Beauftragte trotzdem ihre ursprünglichen Weisungen befolgt, muss er diesen nachkommen oder notfalls das Mandat niederlegen (Art.  404  OR).116 Das Festhalten der Auftraggeberin an 109 110 111 112 113 114 115

Hofstetter, 101 m.w.H. CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 397 N 3. BK OR-Fellmann, Art. 397 N 58 ff.; kritisch BSK OR-Weber, Art. 397 N 5. BK OR-Fellmann, Art. 397 N 60; CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 397 N 9. S. BGE 4A_41/2016 E. 3.3; 4A_474/2014 E. 8.1; OFK OR-Bühler, Art. 397 N 1. S. BGE 4A_474/2014 E. 8.1; BSK OR-Weber, Art. 397 N 8. Eine Sonderregelung enthält diesbezüglich Art.  397 Abs.  2  OR, der vorsieht, dass der Beauftragte die unbefugte Weisungsmissachtung und damit die Vertragsverletzung «heilen» kann, indem er den daraus erwachsenden Schaden (Nachteil) auf sich nimmt. Der Beauftragte kann so eine allfällige Schadensersatzpflicht abwenden und verliert nicht seine (Honorar- und sonstigen) Ansprüche (etwa auf Auslagenund Verwendungsersatz oder Befreiung von Verbindlichkeiten); s. BK OR-Fellmann, Art. 397 N 164 ff.; CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 397 N 10; BSK OR-Weber, Art. 397 N 11. 116 BGE 108 II 197 E. 2a; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 8 N 60.

1089

5. Kapitel

Nominatverträge

ihren unzweckmässigen Weisungen trotz Abmahnung entbindet den Beauftragten (mindestens teilweise) von seiner Schadenersatzpflicht, insoweit die Auftraggeberin ein (relevantes) Selbstverschulden trifft (Art. 99 Abs. 3 i.V.m. Art. 44 Abs. 1 OR).117 3274

Rechtswidrige, unmögliche und unsittliche Weisungen (die Klientin verlangt beispielsweise vom Anwalt ein standeswidriges Benehmen) sind infolge analoger Anwendung von Art. 19/20 OR für den Beauftragten ungültig, berühren jedoch den Fortbestand des Auftragsverhältnisses nicht (s. Art. 20 Abs. 2 OR analog).118 Trotzdem entfalten sie insofern Wirkung, als der Beauftragte aufgrund der Treuepflicht die Weisungen ablehnen und neue Instruktionen verlangen muss. Beharrt die Auftraggeberin auf ihren rechtswidrigen, unmöglichen oder sittenwidrigen Weisungen, so kann der Beauftragte den Vertrag aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung beenden (s. Art. 404 Abs. 1 OR).119 Der wichtige Grund kann erfolgreich gegen allfällige mit dem Unzeit-Argument (Art. 404 Abs. 2 OR) begründete Schadenersatzansprüche der Auftraggeberin ins Feld geführt werden (s. N 3303 ff., insbesondere N 3304).120

6. 3274a

Meldepflicht (Art. 397a OR)

Art.  397a  OR verpflichtet den Beauftragten, die Erwachsenenschutzbehörde am Wohnsitz der Auftraggeberin zu benachrichtigen, wenn diese voraussichtlich dauernd urteilsunfähig wird und eine solche Meldung zur Interessenwahrung angezeigt erscheint. In welchen Fällen eine solche Meldung angezeigt ist, wird durch die einschlägigen Bestimmungen des Erwachsenenschutzrechts beantwortet (s. Art. 389 ZGB). Sind die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt, ist der Beauftragte verpflichtet, Meldung zu erstatten (Art. 397a OR). Er verstösst dabei nicht gegen seine aus der Treuepflicht gemäss Art. 398 Abs. 2 OR fliessende Diskretions- und Geheimhaltungspflicht (s. N 3271).121 Sieht der Beauftragte trotz bestehender Meldepflicht von einer Meldung ab oder nimmt er eine solche vor, obwohl die Voraussetzungen nicht gegeben sind, stellt dies eine positive Vertragsverletzung dar, welche (bei gege-

117

S.  BGE 4A_474/2014 E.  8.1; BK  OR-Fellmann, Art.  397 N  115; s. auch CHK  OR-Gehrer Cordey/ Giger, Art. 397 N 4; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4454, wonach Art. 369 OR analog zur Anwendung gelange. 118 S.  BGE 4A_474/2014 E.  8.1; CHK  OR-Gehrer Cordey/Giger, Art.  397 N  6; BSK  OR-Huguenin/ Meise, Art. 19/20 N 52 ff. 119 Hofstetter, 103; ferner CR CO-Werro, Art. 397 N 9. 120 S. BGE 4A_680/2016 und BGE 4A_686/2016 E. 3.1, wonach die Vertragsbeendigung insbesondere dann nicht zur Unzeit erfolgt, wenn die Gegenpartei der beendigungswilligen Partei einen begründeten Anlass zur Beendigungserklärung gegeben hat. 121 Fellmann, Anwaltsrevue 2013, 355 f.; zur Thematik der Meldepflicht bei Bestehen eines Berufsgeheimnisses ausführlich CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 397a N 13 m.w.H.

1090

§ 35

Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR)

benen Voraussetzungen) zu einer Schadenersatzpflicht führen kann (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 398 Abs. 2 OR).122

7.

Rechenschafts- und Herausgabepflicht (Art. 400 OR)

Nach Art. 400 Abs. 1 OR muss der Beauftragte gegenüber der Auftraggeberin jeder- 3275 zeit über seine Geschäfte Rechenschaft ablegen und alles herausgeben, was ihm aus dem Auftrag zugekommen ist. Dem Beauftragten erwachsen aus Art. 400 OR kumulativ demnach die folgenden zwei Pflichten:123 • Rechenschaft (Informations-, Auskunfts- sowie Abrechnungspflicht, z.B. über Einnahmen und Ausgaben; s. N 3276); • Herausgabe (Ablieferung von Sachen, Vermögenswerten, Dokumenten etc., die der Beauftragte von der Auftraggeberin oder von Dritten erhalten hat; s. N 3277 f.). Die Rechenschaftspflicht bildet die Grundlage für die Ablieferungs- und die Her- 3276 ausgabepflicht. Nach Art. 400 Abs. 1 OR ist der Beauftragte verpflichtet, die Auftraggeberin vollständig und wahrheitsgetreu zu informieren und ihr alle Dokumente vorzulegen, die sich auf die – im Interesse der Auftraggeberin – besorgten Geschäfte beziehen.124 Die Auftraggeberin soll dadurch die vertragsgemässe Erfüllung der Verpflichtungen durch den Beauftragten kontrollieren können, um allenfalls anhand der erlangten Informationen die notwendigen Weisungen zu erteilen, den Auftrag zu widerrufen oder Schadenersatzforderungen zu stellen.125 Die Rechenschaftspflicht des Beauftragten findet ihre Grenzen am Grundsatz von Treu und Glauben:126 Toleriert beispielsweise ein Klient über Jahre hinweg, dass die von ihm beauftragte Anwältin in ihrer Abrechnung nur den Gesamtaufwand angibt, statt ihre Tätigkeiten detailliert aufzulisten, wäre es treuwidrig, wenn er nachträglich die Art der Rechnungsstellung beanstandet.127 Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung verjährt die Forderung auf Rechenschaftsablegung zehn Jahre nach Beendigung des Auftragsverhältnisses (Art. 127 OR).128

122 123 124 125

S. CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 397a N 9; BSK OR-Weber, Art. 397a N 2. S. BSK OR-Weber, Art. 400 N 1 ff. BGE 139 III 49 E. 4.1.2 und E. 4.1.3 je m.w.H. BGE 141 III 564 E. 4.2.1 m.w.H. = Pra 2015 Nr. 80; BK OR-Fellmann, Art. 400 N 14 und N 19; BSK ORWeber, Art. 400 N 3 ff.; s. ferner zur Dokumentationspflicht des Arztes BGE 141 III 363 E. 5; zu den Grenzen der Rechenschaftspflicht der Bank im Kontokorrentverhältnis BGE 4A_596/2013 E. 3. 126 BGE 139 III 49 E. 4.1.2; 4A_144/2012 E. 3.2.2. 127 S. BGE 4A_144/2012 E. 3.2.3. 128 BGE 5A_638/2009 E. 3.4.5; 5C.305/2005 E. 2.2.

1091

3276a

5. Kapitel

3277

Nominatverträge

Sodann ist der Beauftragte nach Art.  400 Abs.  1  OR verpflichtet, alles zu erstatten, was ihm infolge seiner Geschäftsführung aus irgendeinem Grund zugekommen ist. Dazu gehören sowohl Vermögenswerte wie auch Dokumente.129 Rechenschaftsund Herausgabepflicht gehen dabei nicht immer gleich weit.130 Im Allgemeinen betrifft die Herausgabepflicht nicht nur diejenigen Vermögenswerte, welche der Beauftragte direkt von der Auftraggeberin zur Erfüllung des Auftrags erhält, sondern auch indirekte Vorteile, welche dem Beauftragten infolge der Auftragsausführung von Dritten zukommen. Der Beauftragte soll durch den Auftrag – abgesehen von einem allfälligen Honorar – weder gewinnen noch verlieren und muss daher im Interesse der Auftraggeberin alle Vermögenswerte herausgeben, welche in einem inneren Zusammenhang mit der Auftragsausführung stehen.131 Zu den indirekten Vorteilen zählen z.B. Rabatte, Provisionen, Schmiergeldzahlungen, aber auch «Retrozessionen» (das heisst Provisionen, welche z.B. einem beauftragten Vermögensverwalter durch Dritte ausgerichtet werden), Rückvergütungen oder «Bestandespflegekommissionen» (das heisst Vergütungen, die z.B. einem Vermögensverwalter für das Platzieren bzw. den Vertrieb von Fondsanteilen bzw. strukturierten Produkten durch die jeweiligen Emittenten ausgerichtet werden132).133 Allerdings kann die Auftraggeberin auf den Herausgabeanspruch ganz oder teilweise verzichten, solange dadurch der Grundsatz der Fremdnützigkeit des Auftrags nicht infrage gestellt wird (dispositiver Charakter von Art. 400 OR).134 Dabei ist nicht nur der nachträgliche Verzicht zulässig. Die Auftraggeberin kann vielmehr auch auf die Herausgabe bestimmter in Zukunft anfallender Werte verzichten.135 Im Zusammenhang mit seiner Rechtsprechung zu den sog. Retrozessionen konkretisierte das Bundesgericht in BGE 137 III 393 die Anforderungen an einen gültigen Vorausverzicht: Die Auftraggeberin muss erstens über die künftig zu erwartenden Provisionszahlungen «vollständig und wahrheitsgetreu» aufgeklärt worden sein.136 Zweitens muss sie zumindest die Eckwerte der bestehenden Vereinbarungen mit Dritten sowie die Grössenordnung der zu erwartenden Entschädigungen kennen.137 Drittens muss ihr Verzichtswille klar und eindeutig aus der Vereinbarung hervorgehen.138 129 CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 400 N 12; BSK OR-Weber, Art. 400 N 12. 130 BGE 139 III 49 E. 4.1.3; s. auch Schaller, Handbuch, N 355. 131 BGE 143 III 348 E. 5.1; 138 III 755 E. 4.2; 138 III 137 E. 5.3.1; 137 III 393 E. 2.1; Schaller, Handbuch, N 367; s. auch BK OR-Fellmann, Art. 400 N 115 ff. 132 Schaller, Handbuch, N 372. 133 BGE 143 III 348 E. 5.1; 138 III 755 E. 4.2; 137 III 393 E. 2.1; BK OR-Fellmann, Art. 400 N 128 und N 132; Hofstetter, 120 f.; BSK OR-Weber, Art. 400 N 14; teilweise a.M. CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 400 N 12b. 134 S. BGE 137 III 393 E. 2.2; 132 III 460 E. 4.2. 135 BGE 132 III 460 E. 4.2; BK OR-Fellmann, Art. 400 N 154; Schaller, Handbuch, N 399; differenzierend Hofstetter, 119. 136 BGE 4A_427/2011 E. 4; 137 III 393 E. 2.2; eingehend Kilgus/Kuhn, Jusletter 26. Juni 2006, N 1 ff. 137 BGE 138 III 755 E. 6.3; 137 III 393 E. 2.4. 138 BGE 137 III 393 E. 2.2; 132 III 460 E. 4.2; s. ausführlich Nänni/von der Crone, SZW 2006, 383 f.

1092

§ 35

Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR)

Nicht herauszugeben sind interne Dokumente. Hierbei ist zu differenzieren zwi- 3277a schen internen Dokumenten, die zwar nicht herausgegeben, aber der Auftraggeberin im Rahmen der Rechenschaftspflicht zur Einsicht vorgelegt werden müssen (z.B. Aufzeichnungen über Kundenbesuche und -kontakte), und sog. rein internen Dokumenten, bei welchen grundsätzlich nicht nur die Herausgabe-, sondern auch die Rechenschaftspflicht entfällt (z.B. nicht versandte Vertragsentwürfe, vorbereitende Studien, Notizen, Entwürfe, Materialsammlungen und eigene Buchhaltungen).139 Im Übrigen können sowohl Art. 400 OR als auch Art. 401 Abs. 3 OR dazu berech- 3277b tigen, die Herausgabe von beweglichen Sachen zu verlangen. Art. 401 Abs. 3 OR ist als lex specialis im Konkurs des Beauftragten anwendbar (s. N 3295 ff.). Hinsichtlich der Verjährung des Herausgabeanspruchs gilt die zehnjährige Ver- 3277c jährungsfrist nach Art. 127 OR. Diese zehnjährige Frist ist gemäss Bundesgericht auch für die Herausgabe der sog. Retrozessionen einschlägig und nicht (wie in der Lehre140 teilweise vertreten) die fünfjährige Verjährungsfrist gemäss Art. 128 Ziff.  1  OR.141 In Bezug auf den Beginn der Verjährungsfrist hat das Bundesgericht mit Blick auf die treuhänderische Vermögensverwaltung festgehalten, dass der Anspruch auf Herausgabe bzw. Rückerstattung nicht bereits mit der Übergabe der zu verwaltenden Vermögenswerte, sondern erst mit Beendigung des Vertragsverhältnisses entstehe und damit auch die Verjährungsfrist erst in diesem Zeitpunkt zu laufen beginne (s. N 2254).142 Demgegenüber sind Vermögenswerte, welche der Beauftragte während der Auftragsausführung erlangt und die er für die Vertragserfüllung nicht benötigt, der Auftraggeberin mangels anderer vertraglicher Abmachung sofort nach ihrem Erwerb herauszugeben.143 Im Zusammenhang mit der strittigen Frage der Verjährung von Retrozessionen hat das Bundesgericht in BGE 143 III 348 festgehalten, dass der Herausgabeanspruch für jede erhaltene Zahlung gesondert am Tag des Zuflusses entstehe und sogleich fällig werde. Damit beginne auch die Verjährungsfrist für jede Zahlung separat mit deren Erhalt. Folglich kommt es gemäss Auffassung des Bundesgerichts für den Eintritt der Fälligkeit und den Verjährungsbeginn nicht darauf an, ob die Auftraggeberin überhaupt Kenntnis vom fristauslösenden Ereignis, das heisst von den einzelnen Retrozes139 BGE 143 III 348 E. 5.3.1; 139 III 49 E. 4.1.3; 5A_171/2009 E. 3.5; 122 IV 322 E. 3c aa; BK OR-Fellmann, Art. 400 N 136; BSK OR-Weber, Art. 400 N 12. 140 S. Bänninger, Jusletter 10. Juni 2013, N 11 ff.; Mathys/Roberto, Jusletter 19. November 2012, N 9 ff.; Pichonnaz/Werro/Hurni, AJP 2013, 895 ff.; Romerio/Bazzani, GesKR 2013, 50 ff. 141 BGE 143 III 348 E. 5.2; ebenso: Gauch, AJP 2014, 290 ff.; Kuhn/Luginbühl, AJP 2014, 981 f.; Neuman/von der Crone, SZW 2013, 110; Schaller, Jusletter 3. Dezember 2012, N 4 ff. und N 16; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4495. 142 BGE 91 II 442 E. 5; s. ferner auch BGE 6B_696/2012 E. 5.10; 4A_256/2011 E. 3.3; 133 III 37 E. 3.2; 122 III 10 E. 5a; s. hierzu ferner Mathys/Roberto, Jusletter 19. November 2012, N 14 ff.; Neuman/von der Crone, SZW 2013, 111; Pichonnaz/Werro/Hurni, AJP 2013, 900. Allgemein zur Verjährung des Herausgabeanspruchs BK OR-Fellmann, Art. 400 N 168 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4496 f.; BSK OR-Weber, Art. 400 N 24. 143 BGE 4C.125/2002 E. 3.1; s. auch Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4496 f.

1093

5. Kapitel

Nominatverträge

sionszahlungen, hat.144 Andere Lehrmeinungen koppeln Fälligkeit und Verjährungsbeginn dagegen an den Zeitpunkt des Vertragsendes145 oder an die erfolgte Rechnungslegung146. 3277d

3278

Der Rechenschafts- und Herausgabeanspruch ist materiell-rechtlicher und nicht verfahrensrechtlicher Natur, weshalb er prozessual mittels Leistungsklage durchzusetzen ist. Das heisst, dass die Auftraggeberin den Weg des ordentlichen oder gegebenenfalls vereinfachten Verfahrens beschreiten muss, um Auskünfte einzuholen oder Dokumente (zurück) zu erhalten. Gemäss Bundesgericht sind vorsorgliche Massnahmen im Fall der Rechenschaftsablegung nach Art. 400 Abs. 1 OR ausgeschlossen, da diese eine endgültige Beurteilung des zu schützenden Anspruchs einschliessen würden. Aus denselben Überlegungen lässt sich der Informationsanspruch der Auftraggeberin auch nicht auf dem Weg der vorsorglichen Beweisführung (Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO147) geltend machen.148 Muss der Beauftragte gestützt auf Art.  400  OR Vermögenswerte herausgeben, so stellt sich die Frage, ob er dies solange verweigern darf, bis die Auftraggeberin ihren Verpflichtungen nachkommt. Der Beauftragte hat folgende Möglichkeiten:149 • dingliches Retentionsrecht (Art. 895 ZGB); • Einrede des noch nicht erfüllten Vertrages (Art. 82 OR); • obligatorisches Retentionsrecht.

3279

Gemäss Art. 895 ZGB kann der Beauftragte bewegliche Sachen, die sich mit dem Willen der Auftraggeberin in seinem Besitz befinden, unter bestimmten Voraussetzungen zurückbehalten, bis die Auftraggeberin alle Verbindlichkeiten aus dem Auftragsverhältnis erfüllt hat. Zu beachten bleibt, dass Sachen in der Regel nur retinierbar sind, wenn sie sich im Eigentum der Schuldnerin, das heisst der Auftraggeberin, befinden. Gehört die Sache jedoch ins Eigentum des Beauftragten, besteht daran nach Art. 895 ZGB per definitionem kein Retentionsrecht.150

3280

Beim entgeltlichen, das heisst vollkommen zweiseitigen Auftrag kann der Beauftragte der Auftraggeberin die Einrede des noch nicht erfüllten Vertrages entgegen144

145 146 147 148 149

150

1094

BGE 143 III 348 E. 5.3; ebenso: Bänninger, Jusletter 10. Juni 2013, N 4 ff.; Gauch, AJP 2014, 290 ff.; Mathys/Roberto, Jusletter 19. November 2012, N 21 ff.; Neumann/von der Crone, SZW 2013, 111; Pichonnaz/Werro/Hurni, AJP 2013, 899 ff.; Romerio/Bazzani, GesKR 2013, 55 ff.; s. ferner Zellweger-Gutknecht, Jusletter 25. September 2017, N 18 ff. Schaller, Jusletter 3. Dezember 2012, N 9 ff. Kuhn/Luginbühl, AJP 2014, 979 ff. Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung; SR 272). BGE 141 III 564 E. 4.2.2 = Pra 2016 Nr. 80 m.w.H. S. BGE 122 IV 322 E. 3; BK OR-Fellmann, Art. 400 N 171 ff. m.w.H. Insbesondere im Bankengeschäft sind in der Praxis neben den hier beschriebenen Retentionsmöglichkeiten Pfandklauseln verbreitet, welche der beauftragten Bank zur Sicherung ihrer Forderungen gegenüber der Kundin ein Pfandrecht an den deponierten Vermögenswerten einräumen; s. hierzu insbesondere BGE 142 III 746 E.  2; 4A_540/2015 E. 2.3 und E. 3; ausführlich (und zum Teil kritisch) Thévenoz, SZW 2017, 126 ff. S. Schmid/Hürlimann-Kaup, N 1921 ff.

§ 35

Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR)

halten (Art. 82 OR). Die infrage stehenden Leistungen müssen in der Weise miteinander verknüpft sein, dass die eine als Gegenleistung für die andere erscheint.151. Sind Art. 895 ZGB und Art. 82 OR nicht anwendbar, wird von Lehre und Recht- 3281 sprechung ein sog. obligatorisches Retentionsrecht angenommen, welches es dem Beauftragten erlaubt, seine Leistung zu verweigern, bis die Gegenleistung erbracht ist.152 Dadurch soll vermieden werden, dass in Konstellationen, in denen weder Art. 895 ZGB noch Art. 82 OR zur Anwendung gelangen, die eine Partei einen ihr zustehenden Anspruch durchsetzen kann, ohne gleichzeitig ihre eigenen Pflichten zu erfüllen.153

IX.

Pflichten der Auftraggeberin

1.

Vergütung (Art. 394 Abs. 3 OR)

Die Entgeltlichkeit stellt kein begriffsnotwendiges Element des Auftrags dar. Auf 3282 den unentgeltlichen sind grundsätzlich die gleichen Normen wie auf den entgeltlichen Auftrag anwendbar (s. aber N 3289 f. bezüglich Art. 402 Abs. 2 OR). Hinsichtlich der Vergütung des Beauftragten stellen sich mangels Parteiabrede zwei Fragen: Ist überhaupt ein Entgelt geschuldet und, wenn ja, wie hoch ist es? Ob Art. 394 Abs. 3 OR eine Vermutung für die Unentgeltlichkeit des Auftrags auf- 3283 stellt oder nicht, ist in der Lehre umstritten.154 Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist ein Auftrag dann entgeltlich, wenn die Parteien eine Vergütung vereinbart haben oder wenn eine solche «üblich» ist. Eine «Übung» kann als das Verhalten eines mehr oder weniger grossen Personenkreises definiert werden.155 Eine Vergütung ist beispielsweise üblich, wenn der Beauftragte berufsmässig tätig ist.156 Handelt es sich um einen entgeltlichen Auftrag, ist alsdann zu klären, wie hoch 3284 die geschuldete Vergütung ist. Dabei ist wiederum zunächst auf eine allfällige Parteivereinbarung abzustellen. Ob die Übung gemäss Art.  394 Abs.  3  OR auch für diese Frage herangezogen werden kann, ist in der Lehre ebenfalls umstritten; das

151 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2214; ZK OR-Schraner, Art. 82 N 60; von Tuhr/Escher, 67 f. 152 BGE 122 IV 322 E. 3c; 94 II 263 E. 3a; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 2216 ff.; von Tuhr/Escher, 68; ausführlich ZK OR-Schraner, Art. 82 N 180. 153 Ausführlich BK OR-Fellmann, Art. 400 N 186 ff. 154 Verneinend BK  OR-Fellmann, Art.  394 N  366 m.w.H.; CHK  OR-Gehrer Cordey/Giger, Art.  394 N 23; bejahend ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 394 N 15; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4306 und N 4585 ff. (allerdings mit praxisbezogenen Vorbehalten). 155 S. dazu BK ZGB-Liver, Art. 5 N 67 m.w.H. 156 BGE 135 III 259 E. 2.1 = Pra 2009 Nr. 87; s. ferner auch BGE 4A_606/2016 E. 3.1 und E. 3.2; Guhl/Schnyder, § 49 N 5; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4599.

1095

5. Kapitel

Nominatverträge

Bundesgericht bejaht dies.157 Unseres Erachtens hat dieser Lehrstreit keine praktische Bedeutung: Regeln die Parteien den Umfang der Vergütung nämlich nicht, so besteht eine Lücke, die nach dem mutmasslichen Parteiwillen bzw. nach dispositivem Recht (allenfalls Art. 394 Abs. 3 OR) zu ergänzen ist.158 Dabei ist die Übung so oder so zu berücksichtigen.159 3285

Erfüllt der Beauftragte den Auftrag nur teilweise und/oder schlecht, ist es nicht sachgerecht, wenn die Auftraggeberin die volle Vergütung bezahlen muss. Sie hat diesfalls in der Regel zwei Optionen: Erstens steht ihr nach Rechtsprechung und Lehre richtigerweise eine Art Minderungsrecht zu, das heisst, sie kann die Vergütung reduzieren.160 Abzustellen ist dabei auf das Mass bzw. die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung  – und nicht auf die Brauchbarkeit der Gesamtleistung und damit auf das Ergebnis der erbrachten Leistung. Denn im Vergleich zum Werkvertrag ist die Vergütung beim einfachen Auftrag grundsätzlich auch dann geschuldet, wenn der von der Auftraggeberin beabsichtigte Erfolg nicht eintritt.161 Zweitens kann sie gestützt auf Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 398 Abs. 2 OR Schadenersatz geltend machen. Vergütungsverminderung und Schadenersatz sind insoweit kumulierbar, als das allgemeine Bereicherungsverbot nicht verletzt wird; die Auftraggeberin darf somit nicht besser gestellt werden, als wenn der Auftrag sorgfältig erfüllt worden wäre.162

2. 3286

Auslagen- und Verwendungsersatz (Art. 402 Abs. 1 OR)

Nach Art. 402 Abs. 1 OR ist die Auftraggeberin dazu verpflichtet, dem Beauftragten für sie vorgenommene Auslagen und Verwendungen zu ersetzen. Auslagen (Geld157 158 159

160

161

162

1096

S. BGE 135 III 259 E. 2.2 = Pra 2009 Nr. 87 m.w.H.; 4A_381/2013 E. 3.1; befürwortend: Tercier/Bieri/ Carron, CO PS, N 4598 f.; BSK OR-Weber, Art. 394 N 39 m.w.H.; a.M. BK OR-Fellmann, Art. 394 N 398 f.; Guhl/Schnyder, § 49 N 5. S. dazu Schwenzer, OR AT, N 34.04 ff. S. BGE 4A_353/2012 und BGE 4A_355/2012 E. 4.2.4 m.w.H., wonach der Richter bei Fehlen einer betreffenden Vereinbarung oder Übung die Vergütung des Beauftragten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls (insbesondere Art und Dauer des Auftrags, dessen Bedeutung und Komplexität, die dem Auftrag inhärente Verantwortung, Situation des Beauftragten) so festzusetzen hat, dass sie objektiv den geleisteten Diensten entspricht; s. auch BGE 4A_481/2013 E. 3.1. BGE 4A_89/2017 E. 5.2; 4A_658/2015 E. 3.1; 4A_287/2015 E. 2.1; 4A_364/2013 E. 14.1; 4A_89/2012 E. 3.1 und E. 3.2, insbesondere E. 3.2.3, wonach der Auftraggeberin bei geleisteten Akontozahlungen ein vertraglicher Rückerstattungsanspruch für die zu viel bezahlte Vergütung zusteht; 124 III 423 E. 3b = Pra 1999 Nr. 22; BK OR-Fellmann, Art. 394 N 496 ff.; Gmür, 146 ff.; Honsell, OR BT, 360; BSK OR-Weber, Art. 394 N 43; a.M. BK OR-Gautschi, Art. 394 N 83b. BGE 144 III 43 E. 3.1.2 m.w.H., wonach das vereinbarte oder übliche Honorar im Rahmen des einfachen Auftrags grundsätzlich unabhängig vom Erfolg geschuldet ist, die Parteien aber dem Erfolg bei der Bemessung des Honorars (z.B. durch Vereinbarung einer Erfolgsbeteiligung) durchaus Rechnung tragen können; s. auch Grieder, AJP 2008, 1512. BGE 4A_89/2017 E. 5.2.2; 4A_364/2013 E. 14.1; BK OR-Fellmann, Art. 394 N 504 und N 534; ausführlich Gmür, N 453 ff.

§ 35

Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR)

aufwand) und Verwendungen (Verbrauch von Sachen) sind «freiwillige Vermögensleistungen, die der Beauftragte zur Durchführung des [konkreten] Auftrags vernünftigerweise getätigt hat»163. Den Parteien steht es jedoch frei, eine abweichende Regelung zu treffen bzw. die Leistung von Auslagen- und Verwendungsersatz ganz auszuschliessen.164 Da Auslagen- und Verwendungsersatz im Übrigen nicht Teil der Vergütung bilden, hat der Beauftragte diese Ansprüche auch beim unentgeltlichen Auftrag.165 Voraussetzungen für einen Anspruch aus Art. 402 Abs. 1 OR sind der Bestand eines 3287 Auftrags und die richtige Ausführung desselben. Der Wortlaut des Gesetzes ist allerdings irreführend: Sinnvoll ausgelegt weist der Ausdruck «richtige Ausführung» darauf hin, dass die getätigten Aufwendungen für die Ausführung objektiv erforderlich sein müssen.166 Gemeint ist also nicht das gehörige oder sorgfältige, sondern das zielführende Tätigwerden. Besorgt der Beauftragte das Geschäft unsorgfältig, darf er trotzdem Auslagen- und Verwendungsersatz fordern, sofern die genannten Voraussetzungen erfüllt sind (für den allfällig verursachten Schaden haftet der Beauftragte nach Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 398 Abs. 2 OR; s. N 3262 ff.).167 Den Ersatz unnötiger oder überhöhter Auslagen darf die Auftraggeberin hingegen in entsprechendem Umfang ablehnen.168

3.

Befreiung von Verbindlichkeiten (Art. 402 Abs. 1 OR)

Unter den gleichen Voraussetzungen gewährt das Gesetz dem Beauftragten einen 3288 Anspruch auf Befreiung von den Verbindlichkeiten, die er als indirekter Stellvertreter der Auftraggeberin eingeht (sog. Liberationsregress, Art. 402 Abs. 1 OR; bezüglich der Voraussetzungen s. N 3287 und N 3240 ff. zur Stellvertretung).169

163 164 165 166

Honsell, OR BT, 358; s. ferner BK OR-Fellmann, Art. 402 N 15 f. S. BGE 4A_429/2014 E. 6.2.5; 4A_46/2013 E. 3.3; 6B_446/2010 E. 4.3.2; 4C.17/2003 E. 3.3.1. BK OR-Fellmann, Art. 402 N 57. S. BGE 4A_424/2014 E. 2 = Pra 2016 Nr. 26, der diesbezüglich von «le remboursement des avances et frais objectivement nécessaires à l’exécution du mandat» spricht; s. ferner BGE 6B_446/2010 E. 4.3.2; BK ORFellmann, Art. 402 N 29 ff., insbesondere N 37 m.w.H.; CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 402 N 4; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4568 f. 167 Ausführlich BK OR-Fellmann, Art. 402 N 75 ff.; s. aber BGE 4A_429/2014 E. 6.2.5 m.w.H., wonach kein Anspruch besteht, «wenn er [der Beauftragte] den Auftrag sorgfaltswidrig ausgeführt hat». 168 BGE 4A_128/2011 E. 3.2. 169 S. CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 402 N 11 ff.

1097

5. Kapitel

3289

Nominatverträge

4.

Schadenersatzpflicht

4.1

Entgeltlicher Auftrag (Art. 402 Abs. 2 OR)

Gemäss Art. 402 OR haftet die Auftraggeberin dem Beauftragen für den ihm aus dem Auftrag erwachsenen Schaden, sofern sie nicht beweist, dass der Schaden ohne ihr Verschulden entstand (Verschuldenshaftung mit Umkehr der Beweislast). Die Haftung ist an folgende kumulativen Voraussetzungen geknüpft:170 • Schaden; • Vertragsverletzung (insbesondere auch Verletzung der Nebenpflicht, alles Zumutbare zu unternehmen, um den Beauftragten vor Schaden zu bewahren);171 • natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang zwischen der Vertragsverletzung und dem entstandenen Schaden; • keine Exkulpation der Auftraggeberin.

3289a

Uneinigkeit besteht in der Lehre hinsichtlich der Frage, ob im Rahmen von Art. 402 Abs. 2 OR das positive oder das negative Vertragsinteresse zu ersetzen ist.172

3289b

Im Einzelfall kann die Abgrenzung zwischen Ansprüchen nach Art. 402 Abs. 2 OR und solchen nach Art.  402 Abs.  1  OR Schwierigkeiten bereiten. Ob eine spezifische Verminderung der Aktiven oder Erhöhung der Passiven als Auslage, Verwendung bzw. eingegangene Verbindlichkeit (Art. 402 Abs. 1 OR) oder aber als Schaden (Art. 402 Abs. 2 OR) qualifiziert wird, ist wichtig, weil der Schadenersatzanspruch im Gegensatz zu den Ansprüchen nach Art.  402 Abs.  1  OR ein Verschulden seitens der Auftraggeberin voraussetzt.173 Rechtsprechung und Lehre sind sich zumindest darin einig, dass Auslagen und Verwendungen bzw. eingegangene Verbindlichkeiten nach Art.  402 Abs.  1  OR freiwillige Vermögensverluste sind; Schäden nach Art.  402 Abs.  2  OR stellen demgegenüber nicht gewollte Vermögenseinbussen dar. Im Einzelfall kann es allerdings zu Überschneidungen zwischen diesen beiden Kategorien kommen.174 Unter Berufung auf den französischen Wortlaut («obligations par lui contractées») von Art. 402 Abs. 1 OR vertritt ein Teil der Lehre die Auffassung, dass die Norm nur Ansprüche aus dem Auftragsgeschäft, nicht jedoch Ansprüche gegen den Beauftragten aus Delikt oder ungerechtfertigter Bereicherung

170 171 172 173 174

1098

S. BGE 4A_424/2014 E. 2 = Pra 2016 Nr. 26; BK OR-Fellmann, Art. 402 N 145 ff. m.w.H.; Hofstetter, 88 ff. Hofstetter, 88. Das positive Vertragsinteresse bejahend BK  OR-Fellmann, Art.  402 N  150, CHK  OR-Gehrer Cordey/Giger, Art.  402 N  20; das negative Vertragsinteresse bejahend Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4579; BSK OR-Weber, Art. 402 N 15; CR CO-Werro, Art. 402 N 12. BGE 4A_429/2014 E. 6.2 m.w.H. S. BGE 59 II 245 E. 5 und E. 6; BK OR-Fellmann, Art. 402 N 19 ff.; Hofstetter, 85 und 88; Tercier/ Bieri/Carron, CO PS, N 4567, N 4573 und N 4577; Thévenoz, SZW 2017, 131 ff.

§ 35

Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR)

erfasse.175 Nach anderer Lehrmeinung kommen als Verbindlichkeiten im Sinne von Art.  402 Abs.  1  OR auch (verschuldensunabhängige) Haftpflichtansprüche Dritter infrage.176 Das Bundesgericht hat seinerseits beispielsweise Devisenkursverluste einer beauftragte Bank, welche Devisen im Hinblick auf einen für die Auftraggeberin zu tätigenden Goldkauf kaufte, als «Verwendung» im Sinne von Art. 402 Abs. 1 OR qualifiziert.177 Auch im Fall eines in Ausführung des Auftrags gemachten Garantieversprechens (Art. 111 OR) mit anschliessender Inanspruchnahme durch den Dritten erklärte es Art. 402 Abs. 1 OR für anwendbar, um den Beauftragten von seinen Verbindlichkeiten zu befreien.178 In jüngster Zeit musste sich das Bundesgericht insbesondere im Zusammenhang mit dem grossen US-amerikanischen Betrugs- und Insolvenzverfahren betreffend Bernard L. Madoff mit der Frage der Abgrenzung von Art.  402 Abs.  1 und Abs.  2  OR beschäftigen: In mehreren Fällen sahen sich schweizerische Banken, die im Auftrag von Kundinnen Anteile an zum Madoff-System gehörenden Fonds erworben und wieder veräussert hatten, mit sog. claw back-Forderungen von amerikanischen Liquidatoren konfrontiert. Diese wollten Zahlungen, die während einer gewissen Zeitspanne vor Konkurseröffnung ausgerichtet wurden, wieder zur Konkursmasse schlagen. Umstritten war vor den schweizerischen Gerichten179 insbesondere, ob die Banken wegen ihrer Inanspruchnahme in den USA einen Befreiungsanspruch gemäss Art.  402  OR gegenüber ihren Kundinnen haben, welchen sie mittels eines Pfands an den Kundenguthaben sichern können. Das Bundesgericht liess in all seinen Entscheiden die Frage offen, ob sich der Befreiungsanspruch der beauftragten Bank gegenüber ihren Kundinnen auf Art. 402 Abs. 1 OR oder Abs. 2 OR abstützen lässt bzw. ob die Forderung der US-amerikanischen Liquidatoren gegen die Bank als eingegangene Verbindlichkeit im Sinne von Art. 402 Abs. 1 OR oder als Schaden gemäss Art. 402 Abs. 2 OR zu qualifizieren ist.180

175 Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4573 und N 4577; BSK OR-Weber, Art. 402 N 3; CR CO-Werro, Art. 402 N 10. 176 BK OR-Fellmann, Art. 402 N 89. 177 Da der beauftragten Bank ein unsorgfältiges Vorgehen vorzuwerfen war, entfiel jedoch die Ersatzpflicht; s. BGE 59 II 245 E. 5 und E. 6. 178 BGE 120 II 34 E. 6d = Pra 1995 Nr. 147. 179 BGE 142 III 746 = Pra 2018 Nr. 15; 4A_540/2015; 4A_429/2014. 180 In zwei der drei in FN 179 erwähnten Entscheide stützte das Bundesgericht den Befreiungsanspruch der Bank unter Hinweis auf die dispositive Natur von Art. 402 OR direkt auf die vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien; s. BGE 4A_540/2015 E. 3.3; 4A_429/2014 E. 6.2 und E. 6.4. Im dritten Entscheid befasste es sich erst gar nicht mit der Grundlage des Befreiungsanspruchs, da es das infrage stehende Pfandrecht der Bank aus anderen Gründen verneinte; s. BGE 142 III 746 E. 2; ausführlich und kritisch Thévenoz, SZW 2017, 126 ff.

1099

5. Kapitel

4.2 3290

Nominatverträge

Unentgeltlicher Auftrag (Art. 422 Abs. 1 OR)

Nach dem Wortlaut wäre Art.  402 Abs.  2  OR auch auf den unentgeltlichen Auftrag anwendbar. Da es aber unbillig wäre, wenn der Beauftragte beim unentgeltlichen Auftrag schlechter gestellt wird als der Geschäftsführer ohne Auftrag, bejahen Rechtsprechung und Lehre die analoge Anwendung von Art. 422 Abs. 1 OR.181 Demnach hat die Auftraggeberin dem Beauftragten den Schaden, der in einem funktionellen Zusammenhang mit der Erfüllung des unentgeltlichen Auftrags steht, nach Ermessen des Richters zu ersetzen (Art. 422 OR). Diese Haftung setzt weder einen Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten der Auftraggeberin und dem eingetretenen Schaden noch ein Verschulden der Auftraggeberin voraus. Der erforderliche funktionelle Zusammenhang ist vielmehr dann gegeben, wenn der Schaden in Ausführung (und nicht bloss bei Gelegenheit) des Auftrags entstanden ist, sich also mit anderen Worten ein mit dem Auftrag verbundenes Risiko verwirklicht hat (s. N 1507 f. und N 1632 ff.).182

X.

Legalzession und Aussonderungsrecht (Art. 401 OR)

3291

Der Beauftragte kann auch als indirekter Stellvertreter tätig werden, das heisst in eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung handeln (s. N 3240). Fällt der Beauftragte in Konkurs, gehören Forderungen und Vermögenswerte, die er auf Rechnung der Auftraggeberin erworben hat, prinzipiell zur Konkursmasse. Zum einen sehen deshalb Art. 401 Abs. 1 und Abs. 2 OR zum Schutz der Auftraggeberin vor, dass entsprechende Forderungen von Gesetzes wegen auf die Auftraggeberin übergehen, sobald diese ihre Verbindlichkeiten aus dem Auftragsverhältnis erfüllt hat (sog. Legalzession).183 Zum anderen besteht an beweglichen Sachen unter bestimmten Voraussetzungen ein Aussonderungsrecht (Art. 401 Abs. 3 OR). Damit rückt Art. 401 OR den indirekten Stellvertreter beim Auftrag funktionell in die Nähe des direkten Stellvertreters. Weber betrachtet Art. 401 OR darum auch als eine Norm des Stellvertretungsrechts, die an sich in den Allgemeinen Teil des OR gehörte.184

3292

Art.  401  OR findet auch im Treuhandverhältnis Anwendung.185 Allerdings ist umstritten, ob auch bewegliche Sachen und Forderungen, welche die Auftrag-

181 182 183 184 185

1100

BGE 61 II 95 E. 3; Bucher, OR BT, 233; BK OR-Fellmann, Art. 402 N 142 m.w.H.; Honsell, OR BT, 359. S. BGE 4A_429/2014 E. 6.2.4; Honsell, OR BT, 359. Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3552. BSK OR-Weber, Art. 401 N 1. BGE 115 II 468 E. 2b.

§ 35

Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR)

geberin selber dem Beauftragten übertragen hat (das eigentliche Treugut), unter den genannten Tatbestand fallen.186

1.

Legalzession (Art. 401 Abs. 1 und Abs. 2 OR)

Damit eine Forderung von Gesetzes wegen auf die Auftraggeberin übergeht, müs- 3293 sen kumulativ folgende Voraussetzungen gegeben sein:187 • Bestehen einer (zedierbaren) Forderung; • Handeln des Beauftragten als indirekter Stellvertreter; • Erfüllung aller Verbindlichkeiten (insbesondere Vergütung, Auslagen- und Verwendungsersatz) durch die Auftraggeberin. Die Forderung geht in jenem Moment auf die Auftraggeberin über, in welchem 3294 sie alle Verbindlichkeiten gegenüber dem Beauftragten erfüllt hat. Wird über den Beauftragten der Konkurs eröffnet, bevor die Auftraggeberin allen Verbindlichkeiten nachgekommen ist, fallen die Forderungsrechte des Beauftragten gegenüber Dritten grundsätzlich in die Konkursmasse. Gemäss Art. 401 Abs. 2 i.V.m. Art. 401 Abs. 1 OR gehen indessen auch diese Forderungen von Gesetzes wegen auf die Auftraggeberin über, wenn sie ihre Verbindlichkeiten gegenüber der Konkursmasse erfüllt hat.188

2.

Aussonderungsrecht im Konkurs (Art. 401 Abs. 3 OR)

Befindet sich der Beauftragte im Konkurs, gewährt Art.  401 Abs.  3  OR der Auf- 3295 traggeberin ein Aussonderungsrecht an den beweglichen Sachen, welche de iure dem Beauftragten gehören, aber de facto (wirtschaftlich) für die Auftraggeberin bestimmt sind. Hingegen besteht an Grundstücken aufgrund des öffentlichen Glaubens des Grundbuches kein Aussonderungsrecht.189 Art. 401 Abs. 3 OR setzt voraus, dass der Beauftragte als indirekter Stellvertreter gehandelt und die Auftraggeberin ihm gegenüber sämtliche Verbindlichkeiten erfüllt hat. Im Gegensatz zu Art. 401 Abs.  1  OR gehen die beweglichen Sachen nicht eo ipso mit der Erfüllung sämtlicher Verbindlichkeiten auf die Auftraggeberin über. Vielmehr hat die Auftraggeberin lediglich einen rein obligatorischen Anspruch auf Aussonderung der beweglichen Sachen.190 Der Eigentumsübergang findet also nicht von Gesetzes wegen statt. 186 Bejahend Hofstetter, 137  f.; Honsell,  OR BT, 357  f. m.w.H.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4503 ff.; BSK OR-Weber, Art. 401 N 5; verneinend BGE 117 II 429 E. 3b; BK OR-Fellmann, Art. 401 N 35 f. m.w.H. 187 S. zum Ganzen BK OR-Fellmann, Art. 401 N 15 ff. 188 BK OR-Fellmann, Art. 401 N 66 und N 92 ff.; CR CO-Werro, Art. 401 N 1. 189 BSK OR-Weber, Art. 401 N 7. 190 BK OR-Fellmann, Art. 401 N 131.

1101

5. Kapitel

Nominatverträge

3296

Bewegliche Sachen müssen ausreichend individualisiert sein, damit sie ausgesondert werden können. Mangels Individualisierung (wegen Vermischung) kann Geld deshalb grundsätzlich nicht ausgesondert werden.191 In diesem Fall muss die Auftraggeberin ihren Anspruch als normale Konkursforderung eingeben.

3297

Das Aussonderungsrecht steht der Auftraggeberin nur unter Vorbehalt der Retentionsrechte zu (s. den Wortlaut von Art. 401 Abs. 3 OR). Erfüllt sie ihre Verpflichtungen bei Fälligkeit nicht (insbesondere Zahlung von Vergütung und Auslagen- und Verwendungsersatz), steht ihr kein Aussonderungsrecht zu bzw. kann der Beauftragte mittels der Einrede des noch nicht erfüllten Vertrages (Art. 82 OR; s. N 3280) oder des obligatorischen Retentionsrechts (s. N 3281) die Herausgabe verweigern.

3298

Zu beachten ist überdies, dass dem Beauftragten im Anwendungsbereich von Art.  401 Abs.  3  OR kein Retentionsrecht im Sinne von Art.  895 ZGB zusteht (s. N 3279). Ein solches setzt nämlich voraus, dass sich die retinierbare Sache im Eigentum des Schuldners, das heisst der Auftraggeberin, befindet.192 Die Voraussetzung von Art. 401 Abs. 3 OR ist aber gerade, dass der Beauftragte in eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung gehandelt hat, mithin zunächst zum Eigentümer der erworbenen Sachen wird.

XI. 3299

Art. 404–406 OR regeln die Beendigung des Auftragsverhältnisses. Von Interesse ist dabei insbesondere Art. 404 OR, welcher zugunsten beider Parteien ein jederzeitiges Beendigungsrecht statuiert (s. N 3300 ff.). Neben dieser einseitigen Beendigungsmöglichkeit können die Parteien das Auftragsverhältnis selbstverständlich auch durch übereinstimmende Willensäusserungen (sog. Aufhebungsvertrag) auflösen.193 Des Weiteren «erlischt» der Vertrag grundsätzlich durch Verlust der Handlungsfähigkeit, Konkurs, Tod oder Verschollenerklärung (Art. 405 Abs. 1 OR; s. N 3313). Art. 406 OR bestimmt, welche Wirkungen das Erlöschen eines Auftrags entfaltet (s. N 3314).

1. 3300

Beendigung des Auftrags (Art. 404–406 OR)

Vorbemerkung

Nach dem Wortlaut von Art. 404 Abs. 1 OR kann der Auftrag von jedem Teil jederzeit widerrufen oder gekündigt werden. Die wohl herrschende Lehre versteht

191 192 193

1102

BSK OR-Weber, Art. 401 N 14 ff. Schmid/Hürlimann-Kaup, N 1923. Hofstetter, 57.

§ 35

Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR)

Art. 404 Abs. 1 OR dahin gehend, dass der Auftrag von der Auftraggeberin widerrufen, vom Beauftragten hingegen gekündigt werden kann.194 Während im ersten Absatz von «Widerruf» bzw. «Kündigung» die Rede ist, wird in 3301 Art. 404 Abs. 2 OR auf den Rücktritt Bezug genommen («der zurücktretende Teil»). Der «Rücktritt» im Sinne von Art. 404 Abs. 2 OR darf allerdings nicht im technischen Sinn verstanden werden: Art. 404 Abs. 1 OR gewährt nämlich beiden Parteien ein solches Recht. Damit erlöschen die gegenseitigen Leistungspflichten ab dem Zeitpunkt der Beendigung.195 Obwohl der Gesetzgeber auf zwei verschiedene Begriffe abstellt, bezwecken sowohl «Widerruf» wie auch «Kündigung» im Sinne von Art. 404 Abs. 1 OR die Auflösung eines Auftragsverhältnisses.196 Unseres Erachtens ist es deshalb sachgerechter, generell von einem Beendigungsrecht zu sprechen. «Widerruf» und «Kündigung» beenden den Auftrag ex nunc, das heisst mit Wirkung 3302 für die Zukunft. Dies gilt trotz der (terminologisch verfehlten) Verwendung des Begriffs «Rücktritt», der im Allgemeinen dann verwendet wird, wenn eine Beendigungserklärung ex tunc wirkt, mithin zur Wiederherstellung des vorvertraglichen Zustands führt.197

2.

Jederzeitige Widerruf- bzw. Kündbarkeit (Art. 404 Abs. 1 OR)

Gemäss Art. 404 Abs. 1 OR haben beide Parteien das Recht, den Vertrag jederzeit zu 3303 beenden (Gestaltungsrecht). Während bei anderen Verträgen zumindest die ordentliche Kündigung davon abhängig gemacht wird, dass sie auf einen bestimmten Termin bzw. unter Einhaltung einer bestimmten Frist erfolgt (z.B. Art. 266a OR), lässt Art. 404 OR eine Vertragsauflösung jederzeit zu. Einzige Einschränkung bildet Art. 404 Abs. 2 OR. Wird der Vertrag zur Unzeit gekün- 3304 digt, so wird die beendende Partei schadenersatzpflichtig.198 Art. 404 Abs. 2 OR ist nur dann anwendbar, wenn die Beendigung zu Unzeit erfolgt. Nach dem Bundesgericht trifft dies zu, wenn kein sachlicher Grund für eine Kündigung vorliegt,199 der Zeitpunkt der Kündigung besonders ungünstig ist und für den Vertragspartner besondere Nachteile mit sich bringt.200 Demgegenüber nimmt Gauch eine Kündigung zu Unzeit schon dann an, wenn dem Vertragspartner ein Vertrauensschaden 194 195 196 197

BK OR-Fellmann, Art. 404 N 11 ff., insbesondere N 16 m.w.H.; BSK OR-Weber, Art. 404 N 2. Gauch, recht 1992, 10; BSK OR-Weber, Art. 404 N 7. Ausführlich Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4618 ff. BK  OR-Fellmann Art.  404 N  17 und N  29  f.; Gauch, recht 1992, 10  f.; Hofstetter, 58; BSK  ORWeber, Art. 404 N 7. 198 BK OR-Fellmann, Art. 404 N 23. 199 BGE 4A_680/2016 E. 3.1; 4A_601/2015 E. 1.2.1; 134 II 297 E. 5; 110 II 380 E. 3b. 200 BGE 4A_680/2016 E. 3.1; 110 II 380 E. 3b; BK OR-Fellmann, Art. 404 N 48.

1103

5. Kapitel

Nominatverträge

entstanden ist.201 Dies läuft auf eine Kausalhaftung der beendigungswilligen Partei hinaus, kann aber im Einzelfall aufgrund des weiten Anwendungsbereichs dieser Norm (s. N 3307 ff.) gerechtfertigt sein.202 3305

Trotz dieser Bestimmung ist die Beendigung aber als solche wirksam und stellt keine Vertragsverletzung dar, sondern verpflichtet die beendigungswillige Partei bloss zur Leistung von Ersatz des Vertrauensschadens (s. N 3311).203

3306

Zur Veranschaulichung von Art. 404 OR mag man sich beispielsweise einen Anwalt vorstellen, der kurz vor Ablauf einer Frist sein Mandat niederlegt, sodass kein anderer Anwalt mehr gefunden werden kann, welcher in diesem späten Zeitpunkt die Frist noch zu wahren vermag.204

3. 3307

Art. 404 Abs. 1 OR als zwingende oder dispositive Norm?

Das Bundesgericht bejaht in ständiger Rechtsprechung die zwingende Natur von Art. 404 OR sowohl für Auftragsverhältnisse wie auch für gemischte Verträge mit Auftragselementen (s.  N  3711)205. Dies rechtfertige sich damit, dass «der Beauftragte regelmässig eine ausgesprochene Vertrauensstellung einnimmt» und es deshalb «keinen Sinn hat, den Vertrag noch aufrechterhalten zu wollen, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien zerstört ist»206. Aufgrund der zwingenden Natur von Art. 404 OR dürften die Parteien das freie Beendigungsrecht vertraglich weder wegbedingen noch einschränken; sie dürften grundsätzlich auch keine mittelbaren Beschränkungen des freien Beendigungsrechts (etwa in Form einer Konventionalstrafe, die bei vorzeitiger Vertragsbeendigung bedingungslos geschuldet ist) vereinbaren.207 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zulässig ist dagegen die Vereinbarung einer Konventionalstrafe bei Kündigung zur Unzeit, sofern diese nicht über den Rahmen hinausgeht, der gemäss Art. 404 Abs. 2 OR Voraussetzung der Schadenersatzpflicht der zurücktretenden Partei bildet. Insbesondere darf eine solche Vereinbarung nicht darauf abzielen, dem Beauftragten den entgange-

201 202 203 204 205 206

207

1104

Gauch, recht 1992, 12; s. auch Derendinger, N 73. Kritisch dazu Honsell, OR BT, 363 f. Gauch, recht 1992, 11 ff.; BSK OR-Weber, Art. 404 N 16 f. A.M. BK OR-Fellmann, Art. 404 N 52, der in einer Kündigung, die zur Unzeit erfolgt, eine Vertragsverletzung sieht. Bucher, OR BT, 229. S. BGE 4A_680/2016 E. 3.1 m.w.H.; 4A_152/2016 E. 6.3; 4A_601/2015 E. 1.2.1; 4A_284/2013 E. 3.5.1. BGE 115 II 464 E. 2a m.w.H. auf frühere Bundesgerichtsentscheide; s. ferner auch BGE 4A_141/2011 E. 1.3 und E. 2.2; 4A_437/2008 E. 1.4. S. aber BGE 4C.228/2000 E. 4, in welchem das Bundesgericht die Ansicht der Vorinstanz, die analoge Anwendung des Art. 404 OR auf einen Franchisevertrag sei wegen seines Dauerschuldcharakters ausgeschlossen, als zutreffend erachtet; Gauch, SJZ 2005, 520 ff. S. BGE 4A_294/2012 E. 7.2; 4A_141/2011 E. 2.2 und E. 2.4; 110 II 380 E. 3a; 109 II 462 E. 3e und E. 4 m.w.H.

§ 35

Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR)

nen Gewinn aus dem beendigten Vertrag zu ersetzen, der unter Art. 404 Abs. 2 OR grundsätzlich nicht ersetzbar ist208.209 Nicht als mittelbare Beschränkung des freien Beendigungsrechts und somit als 3307a zulässig zu qualifizieren ist gemäss Bundesgericht auch die Vereinbarung eines erfolgsabhängigen Honorars.210 Denn mit dem Erfolgseintritt endet das Mandat ohnehin und ein Widerruf bzw. eine sofortige Kündigung ist somit gegenstandslos. Ist dagegen der angestrebten Erfolg (noch) nicht erreicht ist, so ist auch die Voraussetzung für die erfolgsabhängige Honorierung nicht erfüllt. Die Vereinbarung eines Erfolgshonorars ist in einem solchen Fall nach Meinung des Bundesgerichts «nicht geeignet, die sofortige Beendigung des Auftrags nach Art.  404 Abs.  1  OR durch den Auftraggeber in Frage zu stellen»211. Dieser Argumentation kann mit Blick auf die Auftraggeberin gefolgt werden. Sie ist in der Tat durch die Vereinbarung eines Erfolgshonorars nicht in ihrem freien Beendigungsrecht eingeschränkt. Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Überlegungen des Bundesgerichts gleichermassen auch für den Beauftragten gelten oder ob man, wenn man der Logik des Bundesgerichts folgt, in der Vereinbarung eines Erfolgshonorars nicht vielmehr eine faktische Einschränkung des freien Beendigungsrechts des Beauftragten erblicken muss. Der Beauftragte wäre faktisch gezwungen, den Vertrag bis zum Erfolgseintritt zu erfüllen, wenn er nicht auf seinen Honoraranspruch verzichten will. Die Ausübung des freien Beendigungsrechts wird für den Beauftragten durch die Vereinbarung einer (ausschliesslich) erfolgsabhängigen Honorierung mit anderen Worten zwar nicht verunmöglicht, aber zumindest unattraktiv gemacht. Art.  404  OR komme, so Weber, auch eine volkswirtschaftliche Bedeutung zu. 3308 Indem nämlich dem Beauftragten eine jederzeitige Kündigung drohe, werde auch die hohe Dienstleistungsqualität in der Schweiz gewährleistet.212 Dem kann das Argument entgegengehalten werden, dass durch eine plötzliche Beendigung des Auftrags wichtige Ressourcen vernichtet werden können. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung wird von der Lehre immer wieder kritisiert. 3309 Die grosse Mehrheit plädiert für eine Unterscheidung zwischen typischen und atypischen Aufträgen: Typische Aufträge bilden diejenigen, die sich durch ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Beauftragtem und Auftraggeberin auszeichnen. Im Gegensatz dazu beinhalten atypische Aufträge kein intensiveres Vertrauenselement als andere Vertragsverhältnisse.213 Art. 404 OR als zwingende Norm soll als208 209 210 211 212 213

S. aber BGE 144 III 43 E. 3.4.4. BGE 4A_601/2015 E.  1.2.2 und E.  2.2.3; 140 III 200 E.  5.3 = Pra 2014 Nr.  102; 4A_284/2013 E.  3.6.1; 4A_294/2012 E. 7.2; 4A_141/2011 E. 2.4; 110 II 380 E. 3a und E. 4; 109 II 462 E. 4; s. zum Ganzen auch CHK OR-Gehrer Cordey/Giger, Art. 404 N 9; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 8 N 116. BGE 144 III 43 E. 3.4.4. BGE 144 III 43 E. 3.4.4. Weber, SJZ 2003, 291. Gehrer, 124.

1105

5. Kapitel

Nominatverträge

dann nur bei typischen, nicht aber bei atypischen Aufträgen zur Anwendung kommen.214 Gauch geht sogar so weit, dass er Art. 404 OR als rein dispositive Norm verstanden wissen möchte.215 3310

Nach der hier vertretenen Meinung ist in der Tat zu differenzieren: Wenn das Bundesgericht auf ein generell gesteigertes Vertrauensverhältnis beim Auftrag abstellt, so zollt es der Tatsache zu wenig Rechnung, dass dieses ausgeprägte Vertrauenselement nicht für jeden Auftrag typisch ist. Des Weiteren ist Art. 404 OR – als Ausnahme zum vertragsrechtlichen Grundsatz pacta sunt servanda – restriktiv auszulegen, was bei der Qualifikation als generell zwingende Norm unberücksichtigt bliebe. Und schliesslich hält das Argument, dass sowohl höchstpersönliche (typische) als auch atypische Auftragsverhältnisse einheitlich, das heisst gemäss Art. 404 OR, auflösbar sein müssen, einer genaueren Betrachtung nicht stand:216 Entscheidend ist vielmehr, dass eine sachgerechte Lösung bzw. Beendigungsmöglichkeit gefunden wird. Immerhin hat das Bundesgericht mit ebendieser Begründung gemischte Verträge anerkannt: «Die Anerkennung gemischter Verträge erlaubt den Vertragspartnern wie dem Richter, den Umständen angepasste Lösungen zu finden, die der Rechtswirklichkeit besser entsprechen als eine einheitliche Qualifikation.»217 Dieser Gedanke müsste richtigerweise auch bei der Frage nach der Rechtsnatur von Art. 404 OR zum Tragen kommen.218

3310a

Vor diesem Hintergrund wurde im Herbst 2011 eine Motion lanciert, welche Art. 404 OR neu als dispositives Recht ausgestalten wollte.219. Der in der Folge durch den Bundesrat ausgearbeitete Vorentwurf220 räumte den Vertragsparteien ausdrücklich die Möglichkeit ein, mittels Individualabrede auf das jederzeitige Beendigungsrecht zu verzichten. Die Reaktionen auf dieses Gesetzesvorhaben fielen jedoch im anschliessenden Vernehmlassungsverfahren geteilt aus; in einigen Stellungnahmen wurde ein entsprechender Handlungsbedarf verneint.221 Der Bundesrat wollte des214

215 216 217 218 219 220

221

1106

Bucher, OR BT, 228; BK OR-Fellmann, Art. 404, N 120 ff.; Gehrer, 123 f.; Honsell, OR BT, 360 ff.; Mondini/Liatowitsch, AJP 2009, 299  f. mit rechtsvergleichenden Ausführungen; Tercier/Bieri/ Carron, CO PS, N 4639 ff.; CR CO-Werro, Art. 404 N 6 f.; a.M. Hofstetter, 61. Die bundesgerichtliche Praxis grundsätzlich befürwortend auch Buff/von der Crone, SZW 2014, 335 ff., insbesondere 337 ff. S. dazu ausführlich Gauch, recht 1992, 15 ff. BGE 115 II 464 E. 2a. BGE 109 II 462 E. 3d. Ausführlich zum Ganzen Mondini/Liatowitsch, AJP 2009, 294 ff. S. Motion 11.3909, eingereicht von Luc Barthassat, Artikel 404 OR, Anpassung an die Erfordernisse des 21. Jahrhunderts, abrufbar unter , besucht am 3. Januar 2019. Änderung des Obligationenrechts (Auftragsrecht), Vorentwurf, abrufbar unter , besucht am 3.  Januar 2019; s. auch Änderung des Obligationenrechts (Auftragsrecht), Erläuternder Bericht, September 2016, abrufbar unter , besucht am 3. Januar 2019. Kritisch z.B. Rusch/Maissen, AJP 2017, 26 ff.

§ 35

Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR)

halb auf eine Revision von Art. 404 OR verzichten und beantragte dem Parlament im Herbst 2017 die Abschreibung der betreffenden Motion.222 Das Parlament folgte im Herbst 2018 der bundesrätlichen Empfehlung; der bestehende Gesetzestext wird unverändert beibehalten. Es ist also weiterhin dem Bundesgericht überlassen, die notwendige Differenzierung vorzunehmen und in denjenigen Fällen, in welchen die zwingende Natur von Art. 404 OR als unangemessen erscheint, seine Rechtsprechung anzupassen.223

4.

Negatives oder positives Interesse (Art. 404 Abs. 2 OR)?

Umstritten ist, ob gestützt auf Art. 404 Abs. 2 OR das positive oder das negative 3311 Interesse ersetzt werden muss. Gemäss Rechtsprechung und der wohl herrschenden Lehre ist nur der Vertrauensschaden (negatives Interesse) zu ersetzen.224 Dem ist grundsätzlich zuzustimmen (s. aber sogleich N 3312): Wäre das positive Interesse geschuldet, so würden die Parteien so gestellt, wie wenn der Vertrag erfüllt worden wäre. Da die Parteien den Vertrag aber auflösen, geht es gerade nicht darum, den Zustand herzustellen, der herrschen würde, wenn die Parteien den Vertrag korrekt erfüllt hätten. Das Interesse an der Fortführung des Auftrags wird durch Art. 404 Abs. 2 OR grundsätzlich nicht geschützt.225 Der Vertrauensschaden besteht in den Einbussen, welche die Gegenpartei erleidet, weil die Beendigung zur Unzeit erfolgt. Nachteile, die bei einer (fristlosen) Auflösung in einem opportunen Zeitpunkt ebenfalls eingetreten wären, sind nicht zu ersetzen.226 Insbesondere ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung der Ersatz entgangenen Gewinns unter Art. 404 Abs.  2  OR ausgeschlossen, soweit damit das freie Beendigungsrecht unzulässig erschwert wird.227

222 223 224 225 226 227

Bericht des Bundesrates zur Abschreibung der Motion Barthassat 11.3909 «Artikel 404 OR. Anpassung an die Erfordernisse des 21. Jahrhunderts» vom 25. Oktober 2017, BBl 2017 7431 ff. So auch BBl 2017 7434. BGE 4A_284/2013 E. 3.6.1; 110 II 380 E. 4b; 109 II 462 E. 4d; BSK OR-Weber, Art. 404 N 17; differenzierend BK  OR-Fellmann, Art.  404 N  70  ff.; Gauch, recht 1992, 11; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 1971. BGE 4A_152/2016 E. 6.3; 4A_284/2013 E. 3.6.1; 4A_294/2012 E. 7.2. BGE 4A_152/2016 E. 6.3; 4A_284/2013 E. 3.6.1; 4A_294/2012 E. 7.2. S. BGE 144 III 43 E. 3.4.4 m.w.H., der allerdings festhält, dass beispielsweise in denjenigen Fällen, in welchen der Beauftragte seinen Betrieb auf einen bestimmten (in der Folge zur Unzeit beendeten) Auftrag ausgerichtet hat und deshalb andere Aufträge ausschlagen musste, der Schadenersatz auch den entgangenen Gewinn aus den ausgeschlagenen Aufträgen umfasse. Der entgangene Gewinn aus dem zur Unzeit beendeten Auftrag selbst sei ausnahmsweise geschuldet, so etwa, wenn die Auftraggeberin in einem Zeitpunkt, in welchem sämtliche Vorbereitungen für den erfolgreichen Abschluss bereits geleistet seien, den Auftrag kündige, um die Voraussetzungen für das vereinbarte Erfolgshonorar zu vereiteln. Ein solches Verhalten sei treuwidrig.

1107

5. Kapitel

3312

Anders sieht es im Werkvertragsrecht aus: Gemäss Art. 377 OR schuldet die Bestellerin, welche den Vertrag (mit Wirkung ex nunc) beendigt, die volle Schadloshaltung des Unternehmers (positives Interesse). Gemäss Art. 377 OR muss somit das positive und nicht nur das negative Interesse ersetzt werden. Diese unterschiedliche Regelung findet beim typischen Auftrag im Vertrauenselement ihre Rechtfertigung: Die Auftraggeberin soll mangels Vertrauens den Vertrag auflösen können, ohne dem Beauftragten das positive Interesse ersetzen zu müssen. Diese Rechtfertigung kann aber nicht auch für atypische Aufträge gelten, da das Vertrauenselement (im Sinne eines qualifizierten Beendigungsgrunds) hier grundsätzlich fehlt (s. N 3307). Deshalb ist unseres Erachtens auch diesfalls – wie bei der Frage nach der Rechtsnatur des Beendigungsrecht nach Art. 404 Abs. 1 OR (s. N 3309 f.) – zwischen typischen und atypischen Aufträgen zu differenzieren. Aufgrund des fehlenden Vertrauenselements ist es unseres Erachtens überlegenswert, ob es nicht doch sachgerechter wäre, wenn bei atypischen Verträgen das positive Interesse geschuldet wäre (analog des Beispiels von Art. 377 OR).228 Dies würde sich auch in Anbetracht des Grundsatzes pacta sunt servanda rechtfertigen, da es nicht sein kann, dass die Rechtsfolgen der Vertragsbeendigung bei atypischen Aufträgen gleich sind wie bei der Vertragsbeendigung bei typischen Aufträgen, bei welchen der Auftrag mangels Vertrauens in die Gegenpartei beendet wird. Die Gleichbehandlung von atypischen und typischen Aufträgen ist auch hier – wie schon bei der Frage nach der Rechtsnatur von Art. 404 OR – zu undifferenziert.229

5. 3313

Nominatverträge

«Erlöschen» des Auftrags (Art. 405–406 OR)

Grundsätzlich «erlischt» der Auftrag mit dem Verlust der entsprechenden Handlungsfähigkeit, dem Konkurs, dem Tod oder der Verschollenerklärung des Beauftragten bzw. der Auftraggeberin (Art. 405 Abs. 1 OR). Das Auftragsverhältnis endet jedoch nicht, sondern besteht weiter, sofern alternativ: • die Parteien dies vorgängig vereinbart haben (Art. 405 Abs. 1 OR); • der Fortbestand aus der Natur des Geschäfts gefolgert werden muss (Art. 405 Abs. 1 OR); • die Interessen der Auftraggeberin bzw. ihrer Erben gefährdet sind (Art.  405 Abs. 2 OR).

228

BK OR-Fellmann, Art. 404 N 70, vertritt die Auffassung, dass das positive Interesse geschuldet sei. Dieses sollte jedoch dann auf den Schadenszeitpunkt der Beendigung «zur richtigen Zeit» (in diesem Sinn pro rata temporis) limitiert werden, da die Beendigung «zur richtigen Zeit» ohne Schadenersatz erfolgen kann (Art. 404 Abs. 2 OR e contrario). Mit anderen Worten ist die Gegenpartei «so zu stellen, wie [sie] stünde, wenn der Auftrag auf den nächstmöglichen Zeitpunkt hin aufgelöst worden wäre». 229 S. auch die Kritik bei Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4642 ff.

1108

§ 35

Einfacher Auftrag (Art. 394–406 OR)

Die Wirkungen der Beendigungsgründe treten erst ein, wenn der Beauftragte über 3314 das Erlöschen des Auftrags in Kenntnis gesetzt wird (Art. 406 OR).230

230

S. BK OR-Fellmann, Art. 406 N 6 ff.

1109

§ 36 Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag (Art. 406a–406h OR) Grundlagenliteratur Engel, CO PS, 534 ff.; Guhl/Schnyder, § 50 N 30 ff.; Honsell, OR BT, 382 ff.; MüllerChen/Girsberger/Droese, Kap. 9 N  1  f.; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N  1975  f.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4818 ff.

Weiterführende Literatur Giampaolo Davide/Huguenin Claire, Entwicklungen im schweizerischen Konsumrecht – Plädoyer für ein integrales Konsumschutzgesetz, Jusletter 8. Juli 2013; Hartmann Stephan, Die vorvertraglichen Informationspflichten und ihre Verletzung – Klassisches Vertragsrecht und modernes Konsumentenschutzrecht, Diss. Freiburg 2001; Hofstetter Josef, Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), SPR Bd. VII/6, Basel/Genf/München 2000; Huguenin Claire/Hunold Fridolin, Qualifikation der Verträge mit Online-Partnervermittlern, in: FS Schwenzer, Bern 2011,  827–848; Hürlimann Brigitte, Prostitution  – ihre Regelung im schweizerischen Recht und die Frage der Sittenwidrigkeit, Diss. Freiburg 2004; Klaus Philipp/Rusch Arnold F., Online-Partnervermittlung – Vertragsinhalt, Qualifikation und Probleme, AJP 2011, 1571–1580; Tercier Pierre, Le point sur la partie spéciale du droit des obligations, SJZ 2000, 322–326; Werro Franz, Concubinage, mariage et démariage, Bern 2000.

I. 3315

Vorbemerkung

Die Bestimmungen über die Ehe- bzw. Partnerschaftsvermittlung (Art.  406a– 406h  OR) sind erst relativ spät ins OR aufgenommen worden (im Jahr 2000). Gemäss der vorher geltenden Regelung entstand aus einem (Heirats-)Mäklervertrag nur eine Naturalobligation (früher Art.  416 aOR; zur unvollkommenen Obligation s. N 34 ff.), also kein klagbarer Anspruch auf den Mäklerlohn. Diese Vorschrift entsprach jedoch nicht mehr den aktuellen Wertungen und verleitete überdies zum Missbrauch, da die Beauftragten (z.B. Heiratsvermittlungsinstitute) wiederholt exzessive Vorschusszahlungen verlangten, was zum Teil zur Aufnahme von Kleinkrediten führte.1 1

Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Personenstand, Eheschliessung, Scheidung, Kindesrecht, Verwandtenunterstützungspflicht, Heimstätten, Vormundschaft und Ehevermittlung) vom 15. November 1995, BBl 1996 I 1 ff., 173.

1110

§ 36

Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag (Art. 406a–406h OR)

Im Zuge einer Revision der Art. 40a ff. OR zum Haustürgeschäft wurden im Jahr 3315a 2015 die (konsumentenvertraglichen) Widerrufsrechte des gesamten Vertragsrechts und damit auch jene im Recht der Ehe- und Partnerschaftsvermittlung angepasst. Ziel der umfassenden Gesetzesänderung war namentlich die Harmonisierung der Begriffe, Fristen und Folgen der im Obligationenrecht (Art. 40a ff., Art. 406d Ziff. 5 und Ziff. 6, Art. 406e und Art. 406f aOR) sowie in Sondergesetzen (Art. 16 KKG) geregelten Widerrufsrechte.2 Die geänderten Bestimmungen von Art. 406d Ziff. 5 und Ziff.  6 und Art.  406e  OR sowie die Aufhebung von Art.  406f aOR sind per 1. Januar 2016 in Kraft getreten (s. N 3330 ff.).

II.

Begriff

Beim Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag verpflichtet sich die Beauftragte (Vermittlerin), gegen Vergütung durch den Auftraggeber (Kunden) eine Person für die Ehe oder für eine feste Partnerschaft zu vermitteln (Art.  406a Abs. 1 OR).

3316

Gemäss Art.  406a Abs.  2  OR ist subsidiär zu Art.  406a–406h  OR das Auftrags- 3317 recht (Art. 394 ff. OR) anwendbar. Damit hat sich der Gesetzgeber im Grundsatz gegen ein Erfolgshonorar entschieden (vgl. Art.  413 Abs.  1  OR hinsichtlich des Mäklervertrages).3 Im Zusammenhang mit der berufsmässigen grenzüberschreitenden Ehe- und Partnerschaftsvermittlung ist darüber hinaus – nebst den Sonderbestimmungen von Art. 406b f. und Art. 406d Ziff. 3 OR – die entsprechende Verordnung zu beachten (Art. 406c Abs. 2 OR; Verordnung vom 10. November 1999 über die berufsmässige Vermittlung von Personen aus dem Ausland oder ins Ausland zu Ehe oder fester Partnerschaft4). Der Ehe- bzw. Partnerschaftsvermittlungsvertrag gemäss Art.  406a–406h  OR ist 3318 ein entgeltlicher Dauervertrag.5 Erfasst werden die Vermittlung eines Ehepartners, die Vermittlung eines Partners zur Eingehung einer eingetragenen Partnerschaft im Sinne des PartG6 oder die Vermittlung eines «festen» Partners.7 Der Gesetzge2 3 4 5 6 7

Kommission für Rechtsfragen des Ständerates, Parlamentarische Initiative «Mehr Konsumentenschutz und weniger Missbräuche beim Telefonverkauf», Bericht vom 14. November 2013, BBl 2014 921 ff., 922, 927 und 945. S. BBl 1996 I 175; differenzierend Honsell, OR BT, 384. SR 221.218.2. So auch Tercier/Bieri/Carron, CO PS, 4837; a.M. hinsichtlich der Charakterisierung als Dauerschuldverhältnis BSK OR-Pietruszak, Art. 406a N 31. Bundesgesetz vom 18. Juni 2004 über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare (Partnerschaftsgesetz; SR 211.231). BBl 1996 I 175; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4835.

1111

5. Kapitel

Nominatverträge

ber wollte einen weiten Anwendungs- und damit Schutzbereich schaffen: Es genügt, wenn der Auftraggeber beabsichtigt, eine feste, das heisst auf Dauer angelegte Beziehung aufzubauen.8 Kurzfristige Bekanntschaften (z.B. für eine Ferienreise oder einen Escort Service etc.) oder Bekanntschaften zur Ausübung von gemeinsamen Tätigkeiten (z.B. Jass-, Tanz-, Fitness- oder Tennispartner) werden von Art. 406a ff. OR nicht erfasst.9 3319

Entsprechend ist auch der Begriff «Vermittlung» im Sinne von Art. 406a Abs. 1 OR weit auszulegen. Darunter fällt bereits die blosse Weitergabe von Kontaktdaten oder Namen. Vorausgesetzt wird aber, dass die Beauftragte zum Vorlegen von konkreten Partnerschaftsvorschlägen verpflichtet ist (s. zu spezifischen Abgrenzungsfragen im Bereich von Onlinedienstleistungen nachfolgend N 3321 f.).10

III.

Anwendungsbereich

3320

Art. 406a ff. OR soll einerseits diejenigen Personen schützen, welche sich auf der Suche nach einem Partner unter Bekanntgabe sensibler persönlicher Daten an ein gewerbsmässig tätiges Institut wenden.11 Daneben ist andererseits auch an ausländische Personen zu denken, welche durch die Vermittlerin zur Einreise veranlasst wurden und infolge gescheiterter Vermittlung Rückreisekosten und andere Nachteile auf sich zu nehmen haben (s. N 3325a).12

3321

Die jüngste und heute immer öfters benutzte Form der Ehe- bzw. Partnerschaftsvermittlung ist die Online-Partnervermittlung. Bei der Online-Partnervermittlung wird dem Auftraggeber eine individuell angepasste Liste mit Partnervorschlägen unterbreitet. Diese wird meist aufgrund eines bei der Erstanmeldung durchgeführten Persönlichkeitstests und unter Beachtung der Partnerwünsche des Auftraggebers erstellt.13 Es stellt sich deshalb die Frage, ob der online durchgeführte Partnerschaftsvermittlungsvertrag den Art. 406a ff. OR zu unterstellen ist.

3322

Wie beim «normalen» Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag verpflichtet sich die Beauftragte hier zum Tätigwerden bezüglich der Vermittlung eines Partners. In der Regel verspricht die Online-Partnervermittlerin, aufgrund der bekannt gegebenen persönlichen Daten des Auftraggebers einen Persönlichkeitstest durch8 Guhl/Schnyder, § 50 N 32; s. BBl 1996 I 175; s. auch Hürlimann, 218; Werro, N 983. 9 BBl 1996 I 175; Guhl/Schnyder, § 50 N 32; Honsell, OR BT, 383 f.; Huguenin/Hunold, 836. 10 S. zum Ganzen BSK OR-Pietruszak, Art. 406a N 5; s. auch den Wortlaut des französischen («présenter») und italienischen Gesetzestextes («presentare»). 11 Huguenin/Hunold, 847; Hürlimann, 214. 12 S. BSK OR-Pietruszak, Art. 406b N 2 f. 13 Zur Abgrenzung zwischen Online-Partnervermittlung und Online-Singlebörse s. Huguenin/Hunold, 828 f.

1112

§ 36

Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag (Art. 406a–406h OR)

zuführen und gestützt darauf ein Kundenprofil zu schaffen. Mittels der Ergebnisse des Persönlichkeitstests wird sodann per Spezialsoftware eine Liste mit Partnervorschlägen erstellt und dem Kunden zugesendet.14 Bereits die Aushändigung einer Liste der Online-Partnervermittlerin mit konkreten Partnerschaftsvorschlägen fällt dabei als Bekanntgabe von Kontaktdaten unter den Vermittlungsbegriff im Sinne von Art. 406a Abs. 1 OR, da dieser wie gesagt weit auszulegen ist (s. N 3319).15 Dass die Liste möglicherweise automatisch durch eine Software erstellt wird, ist nicht entscheidend: Eine rein technische und administrative Tätigkeit liegt bei der OnlinePartnervermittlung gerade nicht vor. Im Gegensatz etwa zu einer Online-Singlebörse beschränkt sich die Tätigkeit der Online-Partnervermittlerin nämlich nicht auf die blosse Bereitstellung einer Datenbank, in die sich Interessenten eintragen und selbständig nach bestimmten Kriterien Suchabfragen durchführen können.16 Vielmehr werden oft aufwendige Persönlichkeitstests mit sensiblen Daten durchgeführt, Kontaktaufnahmen zu anderen Kunden ermöglicht (z.B. Fotoaustausch) und verschiedene «Kennenlernspiele» sowie Beratung und Betreuung angeboten.17 Wichtig ist zudem, dass der Auftraggeber in die Tätigkeit der Vermittlerin vertraut und darum auch seine persönlichen Daten preisgibt (z.B. durch Ausfüllen eines Persönlichkeitstests, Bereitstellung von Fotos etc.), gestützt worauf die konkreten Partnerschaftsvorschläge erst erstellt werden können.18 All dies rechtfertigt eine Unterstellung der Online-Partnervermittlung unter die Art. 406a ff. OR.19

IV.

Qualifikation als Konsumvertrag

Der «unerfahrene, einsame» Konsument, beim Ehe- bzw. Partnerschaftsvermitt- 3323 lungsvertrag wohl besser als Kunde oder Auftraggeber zu bezeichnen, soll als schwächere Partei vor übereilt eingegangenen Verträgen und deren finanziellen Folgen geschützt werden (Schutzzweck).20 Der partnersuchende Auftraggeber ist unter anderem dadurch «strukturell» benachteiligt, dass der Entschluss, bei einem Streitfall vor Gericht zu gehen, nicht leicht zu treffen ist, weil durch das gerichtliche Verfahren höchstpersönliche Angelegenheiten öffentlich bekannt werden können.21

14 15 16 17 18 19

S. Huguenin/Hunold, 839 ff. BSK OR-Pietruszak, Art. 406a N 5. S. auch Honsell, OR BT, 384; BSK OR-Pietruszak, Art. 406a N 5. Huguenin/Hunold, 840. Huguenin/Hunold, 840 f. Ebenso etwa CHK OR-Pfiffner/Joost, Art. 406a–406h N 5; a.M. Klaus/Rusch, AJP 2011, 1573 und 1580; s. auch Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4832 (mit Differenzierungen). 20 BBl 1996 I 175; BSK OR-Pietruszak, Art. 406e N 1 f. 21 Hofstetter, 151; s. Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 9 N 1.

1113

5. Kapitel

Nominatverträge

3324

Der Gesetzgeber versuchte, diesen Umständen mittels der typischen konsumrechtlichen Schutzinstrumente Rechnung zu tragen.22 Wie etwa der Pauschalreisevertrag (s.  N  3626  ff.) ist auch der Ehe- bzw. Partnerschaftsvermittlungsvertrag ein Konsumvertrag (gleichfalls im Sinne von Art. 120 IPRG23).24 Die gewerbsmässig tätige Vermittlerin bietet ihre Dienste gegen ein Entgelt an; der Kunde hingegen schliesst den Vertrag zu privaten Zwecken.25

3325

Namentlich die folgenden Normen dienen dem genannten Schutzzweck:26 • spezielle Gültigkeitserfordernisse (Art. 406d OR; s. N 3327 ff.); • 14-tägiges, entschädigungsloses Widerrufsrecht des Auftraggebers (Art.  406d Ziff. 5 und Art. 406e Abs. 2 OR; s. N 3330 ff.); • Informationsrechte des Auftraggebers (Art.  406d und Art.  406g Abs.  1  OR; s. N 3333); • strenge Diskretionspflicht der Beauftragten (Art. 406g Abs. 2 OR; s. N 3333); • Verbot von Vorschusszahlungen vor Ablauf der Widerrufsfrist (Art. 406d Ziff. 6 und Art. 406e Abs. 1 OR; s. N 3330 und N 3335); • Möglichkeit der Herabsetzung unverhältnismässig hoher Vergütungen oder Kosten (Art. 406h OR; s. N 3336).

3325a

Zusätzliche Schutzvorschriften gelten bei der grenzüberschreitenden Ehe- und Partnerschaftsvermittlung: Diese untersteht einerseits einer behördlichen Bewilligungspflicht und Aufsicht (Art. 406c OR). Andererseits wird der zu vermittelnden Person unter gewissen Voraussetzungen ein Anspruch gegen die Vermittlerin auf Vergütung der Rückreisekosten zugestanden (Art. 406b und Art. 406d Ziff. 3 OR; s. N 3320).

3326

Die Bestimmungen des Ehe- bzw. Partnerschaftsvermittlungsvertrages (Art. 406a ff. OR) enthalten keine expliziten Aussagen darüber, ob sie dispositiver oder zwingender Natur sind. Analog zu Art. 19 PauRG27, Art. 40c bzw. Art. 40e OR28 und zu Art. 37 KKG29 sind sie als einseitig zwingend zu qualifizieren. Die Parteien dürfen mit anderen Worten nur zugunsten des Auftraggebers davon abweichen.30

22 23 24 25 26 27 28 29 30

1114

Hofstetter, 151; BSK OR-Pietruszak, Vor Art. 406a–406h N 5. Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (SR 291). ZK IPRG-Koller/Kostkiewicz, Art.  120 N  21; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N  4827; Werro, N 980. S. Hürlimann, 216 f.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 389 f.; s. auch Huguenin/Hunold, 847 f. S. BSK OR-Pietruszak, Vor Art. 406a–406h N 5 f. Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über Pauschalreisen (SR 944.3). S. BSK OR-Koller-Tumler, Vor Art. 40a–40f N 10. Bundesgesetz vom 23. März 2001 über den Konsumkredit (SR 221.214.1). Ebenso CHK OR-Pfiffner/Joost, Art. 406a–406h N 8. Für die Art. 406a ff. OR als zwingende Normen: Hofstetter, 151; OFK OR-Schwander, OR 406a N 2; s. auch BSK OR-Pietruszak, Art. 406d N 19.

§ 36

V.

Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag (Art. 406a–406h OR)

Geltung und Gültigkeit (Art. 406d–406e OR)

Für seine Gültigkeit bedarf der Ehe- und Partnervermittlungsvertrag der (qua- 3327 lifizierten) schriftlichen Form. Er hat folgende Angaben zu enthalten (Art.  406d Ziff. 1–7 OR): • Namen und Wohnsitz der Parteien (Ziff. 1); • Anzahl und Art der Leistungen der Vermittlerin (Ziff. 2); • Höhe der Vergütung und Kosten (das heisst Auslagen- und Verwendungsersatz wie z.B. Einschreibegebühren; Ziff.  2), inklusive Zahlungsbedingungen (Ziff. 4)31; • Widerrufsrecht (Ziff.  5; s.  N  3330  ff.) und jederzeitiges Beendigungsrecht (Ziff. 7); • Verbot der Entgegennahme von Vorschusszahlungen vor Ablauf der Widerrufsfrist (Ziff. 6). Diese Bestimmungen dienen der Information des Auftraggebers und sollen den Ver- 3328 tragsinhalt transparent machen. Die Beauftragte trifft insofern eine vorvertragliche Informationspflicht.32 Ist der Vertrag nicht schriftlich abgeschlossen und/oder enthält er nicht alle notwendigen Angaben, ist er ungültig (Art. 20 OR).33 Eine blosse Teilungültigkeit gemäss Art. 20 Abs. 2 OR ist ausgeschlossen, da der Schutzzweck der Norm Ganznichtigkeit gebietet.34 Der Ehe- bzw. Partnerschaftsvermittlungsvertrag ist gültig zustande gekommen, 3329 sofern • sämtliche Erfordernisse nach Art. 406d OR erfüllt sind; • das beiderseits unterzeichnete Vertragsdoppel beim Auftraggeber eingetroffen ist (Art. 406e Abs. 1 OR; abweichend von Art. 13 OR muss das Vertragsdoppel von beiden Parteien unterzeichnet werden)35 und • seit Erhalt dieses Vertragsdoppels 14 Tage vergangen sind (Art. 406e Abs. 1 OR). Gemäss der seit 1.  Januar 2016 geltenden Fassung von Art.  406e Abs.  2 i.V.m. 3330 Art. 406e Abs. 1 OR kann der Auftraggeber seinen Antrag zum Vertragsabschluss oder seine Annahmeerklärung während 14 Tagen seit Erhalt des beidseitig unterzeichneten Vertragsdoppels schriftlich widerrufen (s. auch Art.  406d Ziff.  5  OR). 31 32 33 34 35

Bei der Vermittlung von oder an Personen aus dem Ausland muss der Vertrag zusätzlich den Höchstbetrag der Entschädigung enthalten, welche der Auftraggeber der Vermittlerin schuldet, wenn diese die Kosten für die Rückreise getragen hat (Art. 406d Ziff. 3 OR; s. Art. 406b OR). BSK OR-Pietruszak, Art. 406d N 1. BBl 1996 I 175; Engel, CO PS, 537; BSK OR-Pietruszak, Art. 406d N 19. Guhl/Schnyder, § 50 N 35; s. Hartmann, N 365 f.; CR CO-Werro, Art. 406a–406h N 21, wobei sich lediglich der Auftraggeber auf die Nichtigkeit berufen können soll; a.M. BSK OR-Pietruszak, Art. 406d N 20. Werro, N 987.

1115

5. Kapitel

Nominatverträge

Auf dieses Widerrufsrecht kann er nicht vorgängig verzichten (Art. 406e Abs. 2 OR). Hinsichtlich der Widerrufsfolgen verweist Art.  406e Abs.  2  OR im Übrigen auf Art. 40f OR, dessen Bestimmungen sinngemäss anzuwenden sind. 3331

In der Lehre war die Rechtsnatur des Widerrufsrechts gemäss Art. 406e OR lange umstritten, da das Gesetz in seiner vor 2016 geltenden Fassung noch von einem «Rücktrittsrecht» sprach, was verschiedene Interpretationen zuliess.36 Mit der Revision der Art. 40a ff. OR hat der Gesetzgeber die Begriffe in den Art. 406a ff. OR terminologisch angepasst. Neu ist im Gesetzestext nur noch von «Widerruf» die Rede. Der Gesetzgeber hat damit klargestellt, dass der Ehe- und Partnerschaftsvermittlungsvertrag suspensiv bedingt ist und damit vor Ablauf der Widerrufsfrist noch nicht wirksam zustande gekommen ist.37 Der Vertrag wird also erst nach unbenutztem Ablauf der 14-tägigen Frist wirksam, wie dies auch bei Art. 40e OR und Art. 16 KKG der Fall ist.38 Mit dieser Bedenkzeit soll der Auftraggeber bei der Eheund Partnerschaftsvermittlung (gleich wie der potenzielle Kunde bei den Haustürbzw. ähnlichen Geschäften oder der Kreditnehmer beim Konsumkreditvertrag) vor einem unüberlegten Vertragsschluss geschützt werden.39

3332

Die Ausübung des Widerrufsrechts gemäss Art. 406e OR ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung (Gestaltungsrecht) und muss schriftlich erfolgen (Art. 406e Abs. 2 OR). Zur Wahrung der Frist genügt es, wenn der Auftraggeber die Widerrufserklärung innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des beidseitig unterzeichneten Vertragsdoppels bei der Post aufgibt oder der Vermittlerin übergibt. Auch wenn der neue Wortlaut von Art. 406e OR dieses sog. «Absendeprinzip» (anders als etwa Art. 40e Abs. 4 OR für das Haustürgeschäft; s. N 266) nicht mehr explizit statuiert, gilt es auch nach der Revision des Widerrufsrechts unverändert.40 Gemäss Art. 406e Abs. 2 OR sind die Bestimmungen über die Widerrufsfolgen beim Haustürgeschäft (Art. 40f OR) analog anwendbar. Die mehrheitliche Lehre nimmt bei Widerruf eine Rückabwicklung nach bereicherungsrechtlichen Regeln an41; unseres Erachtens knüpft an den Widerruf die Entstehung eines vertraglichen Abwicklungsverhältnisses (s. N 268 und N 583, N 1317).

36 Ein Teil der Lehre verstand den Rücktritt in einem technischen Sinn und nahm daher eine Resolutivbedingung an (so etwa Guhl/Schnyder, § 50 N 36). Das Bundesgericht stellte in BGE 137 III 243 bereits für die damals geltende Fassung der Art. 40a ff. OR klar, dass das darin geregelte Widerrufsrecht ein Gestaltungsrecht und deshalb eine Suspensivbedingung darstelle (E. 4.5). 37 So auch BBl 2014 945. 38 Tercier, SJZ 2000, 323. 39 CHK OR-Pfiffner/Joost, Art. 406a–406h N 14; BSK OR-Pietruszak, Art. 406e N 1 ff. 40 Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4851. 41 S. BGE 137 III 243 E. 4.5; s. auch BBl 2014 927 und 942; ferner etwa Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4852.

1116

§ 36

VI.

Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag (Art. 406a–406h OR)

Pflichten der Beauftragten

Die Beauftragte (Vermittlerin) hat insbesondere folgende Pflichten (s. N 3247 ff.):42

3333

• zielführendes Tätigwerden (Art. 406a Abs. 1 OR; z.B. Unterbreitung von Partnervorschlägen, Organisation von Veranstaltungen wie z.B. Single-Abende etc.);43 • Befolgen der Weisungen des Auftraggebers (Art.  397 Abs.  1 i.V.m. Art.  406a Abs. 2 OR; z.B. hinsichtlich der Wunschvorstellungen des perfekten Partners); • Geheimhaltung von Personendaten (Art. 406g Abs. 2 OR);44 • Informations- und Aufklärungspflichten (Art. 406g Abs. 1 OR: besondere Pflicht zur Orientierung über die zu erwartenden Erfolgschancen der Vermittlung bzw. über individuelle Vermittlungsschwierigkeiten beim Auftraggeber).45 Die Beauftragte trifft die gleiche Sorgfalts- und Treuepflicht wie beim einfachen 3334 Auftrag (Art. 406a Abs. 2 i.V.m. Art. 398 Abs. 2 OR). Im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit der Treuepflicht stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit einer Doppeltätigkeit der Beauftragten. Bei der Doppeltätigkeit ist die Beauftragte einerseits für den Auftraggeber tätig und andererseits für den vorgeschlagenen Partner. Die Doppeltätigkeit ist im Bereich der Ehe- und Partnerschaftsvermittlung insoweit als unproblematisch anzusehen, als die Beauftragte dabei nicht in einen Interessenkonflikt gerät: Die Interessen von Auftraggeber und vorgeschlagener Person verlaufen in der Regel insofern parallel, als beide geeignete Partnervorschläge erhalten wollen.46

VII. Pflichten des Auftraggebers Der Ehe- bzw. Partnerschaftsvermittlungsvertrag ist begriffnotwendig entgeltlich 3335 (Art. 406a Abs. 1 OR): Der Auftraggeber (Kunde) schuldet der Vermittlerin eine Vergütung. Dies gilt auch dann, wenn der eigentliche Vermittlungserfolg trotz sorgfältiger Auftragsausführung nicht eintritt, weil für den Auftraggeber kein geeigneter Partner gefunden werden konnte.47 Gemäss Art. 406d Ziff. 2 OR muss die Höhe der Vergütung im Vertrag angegeben werden (s. N 3327). Zudem hat der Auftraggeber der Vermittlerin die Auslagen (z.B. Einschreibegebühr) zu ersetzen, welche 42 43 44 45 46 47

S. dazu Honsell, OR BT, 385 ff. Guhl/Schnyder, § 50 N 34; Werro, N 990. BSK OR-Pietruszak, Art. 406g N 8 ff.; s. auch Werro, N 994 ff., der auf die Beachtung des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (SR 235.1) hinweist. Hofstetter, 151; BSK OR-Pietruszak, Art. 406g N 2. BSK OR-Pietruszak, Art. 406a N 21. BBl 1996 I 175; Guhl/Schnyder, § 50 N 33; Werro, N 979.

1117

5. Kapitel

Nominatverträge

ebenfalls im Vertrag aufzuführen sind (Art. 406a Abs. 2 i.V.m. Art. 402 Abs. 1 OR; Art. 406d Ziff. 2 OR).48 Die Zahlungspflicht geht jedoch nicht weiter als bis zum vereinbarten Höchstbetrag.49 Die Vereinbarung einer Vorleistungspflicht des Auftraggebers ist zulässig und in der Praxis häufig (Einschreibegebühr); allerdings darf die Vermittlerin gemäss Art. 406e Abs. 1 OR während der laufenden Widerrufsfrist (noch) keine Zahlungen entgegennehmen (s. N 3330).50 3336

Haben die Parteien eine unverhältnismässig hohe Vergütung und/oder einen exzessiven Auslagenersatz vereinbart, so kann das Gericht beides auf Antrag des Kunden angemessen herabsetzen (Art. 406h OR).

VIII. Beendigung 3337

Die Bestimmungen zur Beendigung des einfachen Auftrags gelten auch für den (durch ein besonderes Vertrauen geprägten) Ehe- und Partnerschaftsvermittlungsvertrag (s. Art. 404 und Art. 405 i.V.m. Art. 406a Abs. 2 OR). Das jederzeitige entschädigungslose Beendigungsrecht (Art. 404 OR i.V.m. Art. 406a Abs. 2 OR) steht dem Auftraggeber sowie der Beauftragten zu.51 Dabei handelt es sich um ein Kündigungs- bzw. Beendigungsrecht (vom Widerrufsrecht nach Art. 406e OR zu unterscheiden) und nicht um ein Rücktrittsrecht, da der Ehe- bzw. Partnerschaftsvermittlungsvertrag ein Dauervertrag ist. Für den Auftraggeber ist dieses zwingend und geht aus Art. 406d Ziff. 7 OR hervor. Für die Beauftragte ergibt es sich aus der allgemeinen subsidiären Anwendbarkeit der Regeln des einfachen Auftrags (Art. 404 i.V.m. Art. 406a Abs. 2 OR; für Ausführungen zum zwingenden bzw. dispositiven Charakter von Art. 404 OR s. N 3307 ff.). Erfolgt die Auflösung des Vertrages zur Unzeit, zieht dies die Schadenersatzpflicht gemäss Art. 404 Abs. 2 OR nach sich. Art. 406e Abs.  3  OR sieht vor, dass die «Kündigung» der Schriftform bedarf. Das Formerfordernis gilt dabei (wie bereits unter dem Regime von Art. 406f aOR) sowohl für die Beendigung durch den Auftraggeber wie auch für jene durch die Beauftragte.52 Das Schriftformerfordernis soll insbesondere der Rechtssicherheit dienen53, weshalb sich eine auf die Beendigung durch den Auftraggeber beschränkte Geltung nicht rechtfertigen lässt. Ferner enthalten auch die gesetzgeberischen Materialien 48 Werro, N 1011 ff.; s. auch Honsell, OR BT, 387. 49 BSK OR-Pietruszak, Art. 406a N 25. 50 CHK OR-Pfiffner/Joost, Art. 406a–406h N 27; BSK OR-Pietruszak, Art. 406a N 23. 51 Hofstetter, 152; BSK OR-Pietruszak, Art. 406a N 32. A.M. Tercier, SJZ 2000, 323, der das Beendigungsrecht nur dem Auftraggeber zuspricht. 52 S. (noch zum alten Recht) etwa BSK OR-Pietruszak, Art. 406f N 2. A.M. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N  4872, wonach das Schriftformerfordernis seit der Gesetzesrevision nur noch für die Beendigung durch den Auftraggeber gelte, allerdings kritisch gegenüber dem Schriftformerfordernis an sich und dieser lediglich einseitigen Geltung. 53 S. BBl 1996 I 177.

1118

§ 36

Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag (Art. 406a–406h OR)

zur Revision des Widerrufsrechts keine Anhaltspunkte, dass der Anwendungsbereich des Schriftformerfordernisses eingeschränkt werden sollte; eine solche Einschränkung wäre denn auch mit den Konsumentenschutzbestrebungen, welche mit der Gesetzesrevision explizit verfolgt wurden, kaum vereinbar.54 Vom eben genannten Beendigungsrecht ist das Widerrufsrecht nach Art. 406e OR zu unterscheiden (s. vorgängig N 3330 ff.). Ist eine bestimmte Vertragsdauer vereinbart, endet der Auftrag zur Ehe- und Part- 3338 nerschaftsvermittlung mit deren Ablauf. Die erfolgreiche Vermittlung führt darüber hinaus ebenfalls zur Beendigung des Vertrages, da damit der Zweck des Vertrages erreicht ist.55

54 Vgl. BBl 2014 921 ff. 55 CHK OR-Pfiffner/Joost, Art. 406a–406h N 10; BSK OR-Pietruszak, Art. 406a N 31.

1119

§ 37 Mäklervertrag (Art. 412–418 OR) Grundlagenliteratur Bucher, OR BT, 235 ff.; Engel, CO PS, 520 ff.; Guhl/Schnyder, § 50 N 11 ff.; Honsell, OR BT, 374 ff.; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 9 N 3 ff.; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 1979; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4912 ff.

Weiterführende Literatur Antognazza Giampiero, Voraussetzungen der Mäklerprovision, Diss. Zürich 1964; Domenig Benjamin, Der Verleihvertrag nach AVG, die Vermittlungsentschädigung und das Verhältnis zum Mäklervertragsrecht, recht 2016, 86–96; Guggenbühl Adolf, Die Liegenschaftenmäkelei, Diss. Zürich 1951; Hofstetter Josef, Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), SPR Bd. VII/6, Basel/Genf/München 2000, 169– 185; Marquis Christian, Le contrat de courtage immobilier et le salaire de courtier, Diss. Lausanne 1993; Pichonnaz Pascal, La nullité du double courtage de négociation (CO 415), BR 2015,  155–156; Schmid Jörg, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2016 – Obligationenrecht, ZBJV 2017, 788–809 (zit.: Schmid, Rechtsprechung 2016); Schmid Jörg, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2015 – Obligationenrecht, ZBJV 2017, 547–579 (zit.: Schmid, Rechtsprechung 2015); Schweiger Werner, Der Mäklerlohn – Voraussetzungen und Bemessung, Diss. Zürich 1986; Turrettini Pierre, Le contrat de courtage et le salaire du courtier, Diss. Genf 1952; Weber Rolf H., Praxis zum Auftragsrecht und zu den besonderen Auftragsarten, Bern 1990.

I.

Begriff

3339

Durch den Mäklervertrag verpflichtet sich die Auftraggeberin, dem Mäkler ein Entgelt zu leisten, wenn dessen Tätigwerden zum Abschluss des von der Auftraggeberin angestrebten Vertrages führt bzw. beiträgt (Art. 412 Abs. 1 OR).

3340

Die Regeln über den Mäklervertrag werden auf Transaktionen, die ganz unterschiedliche Objekte betreffen (sog. Hauptverträge), angewendet: so unter anderem bei Grundstücken, Miet- und Pachtobjekten, Hypothekarkrediten, Darlehen, Arbeitnehmern etc.1 Die Tätigkeit des Mäklers besteht, je nach Vereinbarung mit der Auftraggeberin, im Nachweisen (Verschaffen) einer Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrages oder im Vermitteln eines solchen Abschlusses (Art. 412 Abs. 1 OR). 1

BSK OR-Ammann, Art. 412 N 4; Honsell, OR BT, 374; s. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4938.

1120

§ 37

Mäklervertrag (Art. 412–418 OR)

Die Aufgabe des Mäklers erstreckt sich indessen nicht auch auf den Abschluss dieser Geschäfte selbst; es geht um Tathandlungen, nicht um Rechtshandlungen:2 Der Mäkler ist von der gesetzlichen (dispositiven) Regelung her nicht berechtigt, den Vertrag direkt im Namen der Auftraggeberin abzuschliessen. Hierzu bedarf es kumulativ eines besonderen Auftrags und einer Vollmacht.3 Wesentliche Merkmale des Mäklervertrages sind Entgeltlichkeit4 und Erfolgsbedingtheit.5 Im Übrigen ist auf den Mäklervertrag das Auftragsrecht anwendbar (Art. 412 Abs. 2 OR).

II.

Arten

1.

Nachweismäkler

Bei «Nachweismäkelei» muss der Mäkler einen Interessenten für den gewünsch- 3341 ten Vertragsabschluss nachweisen (Art.  412 Abs.  1  OR). Dieser Nachweis hat in der Weise zu erfolgen, dass der Auftraggeberin eine konkrete Abschlussgelegenheit (z.B. durch Übermittlung der Namen von Interessenten) eröffnet wird.6 Gestützt auf diesen Nachweis muss die Auftraggeberin alsdann Vertragsverhandlungen führen können.7 Die Provision ist grundsätzlich erst verdient, wenn es auch tatsächlich zu einem Abschluss des nachgewiesenen Geschäfts kommt (Art. 413 Abs. 1 OR).8

2.

Vermittlungsmäkler

Der Vermittlungsmäkler muss zusätzlich zum Nachweis eines Interessenten den 3342 Vertragsabschluss im Rahmen der Verhandlungen oder sonst aktiv gefördert haben (Art. 412 Abs. 1 OR).9 Darüber hinaus kann der Vermittlungsmäkler auch beauftragt werden, die Interessen der Auftraggeberin «in umfassender Weise wahrzunehmen», beispielsweise indem er den Vertrag ganz aushandelt.10 Er hat gemäss der im Gesetz vorgesehenen Konzeption keinen Lohnanspruch, wenn der Vertrag aufgrund blosser Nachweistätigkeit zustande kommt.11 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

BSK OR-Ammann, Art. 412 N 1; BK OR-Gautschi, Vorb. zu Art. 412–418 N 2b. BGE 83 II 151 E. 4b; Bucher, OR BT, 235; Hofstetter, 170. BGE 144 III 43 E. 3.1.1; 139 III 217 E. 2.3 = Pra 2013 Nr. 66; 4C.328/2006 E. 3.2; 131 III 268 E. 5.1.2 = Pra 2006 Nr. 19; 118 IV 403 E. 2a; BK OR-Gautschi, Art. 412 N 2a ff. BGE 144 III 43 E. 3.1.1; 131 III 268 E. 5.1.2 = Pra 2006 Nr. 19; BSK OR-Ammann, Art. 412 N 3 und N 20; CHK OR-Bracher, Art. 412 N 6; a.M. Schweiger, 28 ff. BGE 144 III 43 E. 3.1.1; 4D_43/2014 E. 3.2.2; 84 II 521 E. 2d; Bucher, OR BT, 237. BGE 4C.268/2001 E. 3b bb; CHK OR-Bracher, Art. 412 N 4; s. Schweiger, 68. BSK OR-Ammann, Art. 412 N 3; Honsell, OR BT, 375. BGE 144 III 43 E. 3.1.1; 4D_43/2014 E. 3.2.2; CHK OR-Bracher, Art. 412 N 4. BGE 139 III 217 E. 2.3 = Pra 2013 Nr. 66. Honsell, OR BT, 375; zur Beweisfrage s. Bucher, OR BT, 237.

1121

5. Kapitel

3. 3343

3344

Nominatverträge

Zuführungsmäkler

Eine Zwischenposition nimmt der (im Gesetz nicht explizit genannte) Zuführungsmäkler ein, der nicht bloss Interessenten nachweist, sondern die Parteien zusammenführt und so zwischen ihnen den direkten Kontakt herstellt.12

III.

Überblick und Abgrenzungen

1.

Überblick über die verschiedenen Vertriebsverträge

Der Mäklervertrag gehört zu einer Gruppe von Vertragstypen, die sich insgesamt als «Vertriebsverträge» bezeichnen lassen. Die folgende Tabelle vermittelt einen ersten Überblick über die typischen Merkmale dieser Verträge, zu denen im Übrigen sowohl Nominat- als auch Innominatverträge gehören.

12

S. Bucher, OR BT, 237; kritisch bezüglich der Differenzierung zwischen Vermittlungs- und Zuführungsmäkler Honsell, OR BT, 375.

1122

Nachweis von Abschlüssen Dauervertrag

einmalige Tätigkeit

§ 37

Vermittlung von Abschlüssen

Mäklervertrag (Art. 412–418 OR)

3345

Abschluss von Verträgen in fremdem Namen und auf fremde Rechnung (direkte Stellvertretung)

in eigenem Namen und auf fremde Rechnung (indirekte Stellvertretung)

in eigenem Namen und auf eigene Rechnung

Nachweismäkler (Art. 412 OR) Vermittlungsmäkler (Art. 412 OR) Vermittlungsagent (Art. 418a Abs. 1 OR) Handelsreisender ohne Abschlussvollmacht (Art. 347 Abs. 1 OR) Handelsreisender mit Abschlussvollmacht (Art. 347 Abs. 1 i.V.m. Art. 348 Abs. 1 und Abs. 2 OR) Abschlussagent (Art. 418a Abs. 1 OR) Kommissionär (Art. 425 OR) Spediteur (Art. 439 OR) Alleinvertriebshändler Trödler

Abbildung: Überblick über die verschiedenen Vertriebsverträge

2.

Zum Agenturvertrag (Art. 418a ff. OR)

Ein Vermittlungsagent übt seine Tätigkeit dauernd für eine bestimmte Auftragge- 3346 berin aus (Art. 418a OR; Dauerschuldverhältnis). Der Mäkler dagegen ist nur in einzelnen, bestimmten Angelegenheiten für die Auftraggeberin tätig.13 Im Unter13 BGE 118 IV 403 E. 2a.

1123

5. Kapitel

Nominatverträge

schied zum Mäkler ist der Agent verpflichtet, tätig zu werden, und kann bzw. soll unter Umständen den Vertrag auch gleich als direkter Stellvertreter abschliessen (sog. Abschlussagent).14 Weiter enthält der Agenturvertrag (anders als der Mäklervertrag) zum Schutz des Agenten zahlreiche zwingende Vorschriften.15

3. 3347

Zum Kommissionsvertrag (Art. 425 ff. OR)

Im Gegensatz zum Mäkler schliesst der Einkaufs- oder Verkaufskommissionär (in indirekter Stellvertretung; s. N 3430) regelmässig selber Verträge ab; er nimmt also Rechtshandlungen vor (s. N 3432). Weiter – wiederum im Gegensatz zur Mäkelei – ist die Kommission auf bewegliche Sachen und Wertpapiere beschränkt (Art. 425 Abs. 1 OR).16

4. 3348

Zum einfachen Auftrag (Art. 394 ff. OR)

Ein einfacher Auftrag wird angenommen, wenn der Lohn des Vermittlers unabhängig von einem Erfolg (Vertragsabschluss) geschuldet wird, sofern der Beauftragte sorgfältig gehandelt hat (z.B. Honorar eines Rechtsanwalts, der mit dem Verkauf eines Grundstücks beauftragt wurde).17 Anders als der Mäklervertrag ist der einfache Auftrag auch nicht per definitionem entgeltlich. Eine unentgeltliche Tätigkeit oder eine Tätigkeit, bei welcher das Entgelt erfolgsunabhängig geleistet wird, z.B. indem das Entgelt anhand des Zeitaufwands bemessen wird, kann daher in aller Regel nicht als Mäklervertrag qualifiziert werden, sondern hat als einfacher Auftrag, allenfalls gar als Arbeitsvertrag, zu gelten.18 Das Gleiche gilt für den Fall, dass der Vermittler von einem Dritten entschädigt wird.19 Das Merkmal der Erfolgsbedingt14 15 16 17 18 19

BSK OR-Ammann, Art. 412 N 19. BSK OR-Wettenschwiler, Vor Art. 418a–418v N 2. BSK OR-Ammann, Art. 412 N 18. BGE 144 III 43 E. 3.1.2; 131 III 268 E. 5.1.2 = Pra 2006 Nr. 19; BSK OR-Ammann, Art. 412 N 20. BGE 4C.328/2006 E. 3.2; BK OR-Gautschi, Art. 412 N 3a ff. BGE 4C.17/2003 E.  3.2. Zur Qualifikation des Verhältnisses zwischen dem Versicherungsmakler (Broker), der Auftraggeberin (Versicherungsnehmerin) und dem Versicherungsunternehmen sowie der Einordnung des branchenüblichen Courtagemodells hat das Bundesgericht in BGE 124 III 481 E.  3 festgehalten, dass zwischen dem Broker und dem Versicherungsunternehmen kein Mäklervertrag im Sinne von Art. 412 ff. OR vorliege. In der Folge hat es aber die rechtliche Qualifikation dieses Verhältnisses offengelassen (s. auch BGE 142 III 657 E. 4.1.1). Auch die Frage nach der Rechtsnatur des Verhältnisses zwischen Broker und Versicherungsnehmerin hat das Bundesgericht nicht abschliessend beantwortet. Namentlich hat es angemerkt, dass sich dieses regelmässig nicht auf die einmalige Vermittlung einer Versicherung beschränke, sondern auf Dauer angelegt sei und insbesondere auch Beratungsaspekte enthalte (BGE 142 III 657 E. 4.1.1; 124 III 481 E. 4a). Diese bundesgerichtlichen Erwägungen dürften die Qualifikation als einfacher Auftrag (allenfalls mit Elementen anderer Vertragstypen) nahelegen (s. auch die in BGE 142 III 657 nicht publizierten Ausführungen des Bundesgerichts zur Anwendung von Art. 404 OR in BGE 4A_152/2016 E. 6); s. für eine ausführliche Besprechung von BGE 142 III 657 Schmid, Rechtsprechung 2016, 795 ff.

1124

§ 37

Mäklervertrag (Art. 412–418 OR)

heit taugt allerdings nur bedingt als Abgrenzungskriterium: Denn die Tätigkeit des Beauftragten ist ebenfalls regelmässig erfolgsgerichtet und auch im Rahmen des einfachen Auftrags kann dem Erfolg bei der Bemessung des Honorars (etwa durch Vereinbarung einer Erfolgsbeteiligung) Rechnung getragen werden.20 Sodann kann beim Mäklervertrag die gesetzlich vorgesehene Erfolgsbedingtheit des Mäklerlohnanspruchs durch Parteivereinbarung (etwa durch Zusicherung eines Honorars auch bei Nichtzustandekommen des beabsichtigten Vertrages) wegbedungen oder eingeschränkt werden (s. N 3354). Für die Abgrenzung zwischen Auftrag und Mäklervertrag gilt es schliesslich auch die vertraglich vereinbarten Tätigkeiten zu beachten: Beschränken sich diese nicht auf die «blosse» Mäklertätigkeit, sondern stehen vielmehr über die reine Vermittlung hinausgehende und für diese nicht erforderliche Beratungselemente im Vordergrund, spricht dies für das Überwiegen auftragsrechtlicher Elemente.21 Während der Beauftragte eine Pflicht zum Tätigwerden hat, bleibt es dem Mäkler in der Regel unbenommen, zu handeln oder nicht.22 Der Mäkler ist in der Regel in der Organisation seiner Tätigkeit und in der Wahl der dazu benötigten Mittel (noch) freier als der Beauftragte (s. Art. 397 Abs. 1 OR).23 Auch ist er in seiner Tätigkeit unabhängiger von Weisungen der Auftraggeberin.24 Der Mäklervertrag gilt im Übrigen als besondere Form des Auftrags (Art. 412 Abs. 2 OR).

IV.

Anwendbares Recht

Insoweit als Art.  412–418  OR keine Spezialvorschriften enthalten, untersteht der 3349 Mäklervertrag subsidiär dem Recht des einfachen Auftrags (Art. 412 Abs. 2 OR).25 Dies gilt aber nur, sofern die Regeln von Art.  394  ff.  OR auf den Mäklervertrag passen (zur Anwendbarkeit von Art.  404  OR s.  N  3383; es besteht ferner keine Handlungspflicht und auch die Bedeutung der Sorgfalts- und Treuepflicht ist eine andere).26 Bei gewerbsmässiger Stellenvermittlung ist neben Art. 418 OR auch das Bundesgesetz über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih (AVG)27 zu

20 21 22 23 24

S. BGE 144 III 43 E. 3.1.2, E. 3.4.3, E. 3.4.4 und E. 3.5 m.w.H. S. BGE 144 III 43 E. 3.1.2; 142 III 657 E. 4.1.1; 124 III 481 E. 4a. S. BGE 144 III 43 E. 3.1.1 und E. 3.1.2. BGE 144 III 43 E. 3.1.1 und E. 3.1.2; 131 III 268 E. 5.1.2 = Pra 2006 Nr. 19. BGE 144 III 43 E. 3.1.1 und E. 3.1.2; 4C.328/2006 E. 3.2; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4940; s. aber auch BGE 4A_529/2015 E. 4.1. 25 BK OR-Gautschi, Art. 412 N 4a ff. 26 BGE 144 III 43 E. 3.1; 106 II 224 E. 4; Engel, CO PS, 521 f.; Schweiger, 20 f. 27 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1989 über die Arbeitsvermittlung und den Personalverleih (Arbeitsvermittlungsgesetz; SR 823.11).

1125

5. Kapitel

Nominatverträge

beachten.28 Weitere Sonderbestimmungen bleiben vorbehalten wie z.B. das Börsengesetz (BEHG29).30

V.

Entstehung des Vertrages

3350

Der Mäklervertrag kann formfrei abgeschlossen werden. Es sind daher auch konkludente (schlüssige) Vereinbarungen zulässig.31 Dabei wird immer vorausgesetzt, dass die Auftraggeberin vom Handeln des Mäklers Kenntnis hat und diesen gewähren lässt.32 Dies kann in Form der wissentlichen Duldung bzw. stillschweigenden Genehmigung (im Sinne von Art. 424 OR) geschehen, beispielsweise durch bewusstes Nichteinschreiten der Auftraggeberin.33

3351

Um die Auftraggeberin vor einer allzu raschen Inanspruchnahme zu schützen, darf bei der Duldung einer Mäklertätigkeit indessen wiederum auch nicht vorschnell auf eine konkludente Vereinbarung geschlossen werden. Nach dem Bundesgericht ist ein «genügend bestimmtes unmissverständliches Verhalten des Mäklers» erforderlich, «so dass das Ausbleiben eines Widerspruchs gegen seine Tätigkeit nach Treu und Glauben nur den Schluss auf einen Geschäftswillen des Auftraggebers zulässt»34. Haben aber die Parteien in der Vergangenheit schon mehrmals Mäklerverträge abgeschlossen, ist für eine erneute Vermittlungstätigkeit grundsätzlich davon auszugehen, dass wie in den vorherigen Fällen ebenfalls eine Vergütung geschuldet sein soll, mithin ein Mäklervertrag vorliegt.35

3352

Der stillschweigende Abschluss eines Mäklervertrages ist ausgeschlossen, falls bereits die Gegenpartei den Mäkler mit ihrer Interessenwahrung beauftragt hat.36

28 29 30 31 32 33 34 35 36

1126

S. zum Verleihvertrag nach AVG und dem Verhältnis zum Mäklervertragsrecht etwa Domenig, recht 2016, 86 ff. Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Börsen und den Effektenhandel (Börsengesetz; SR 954.1). S. auch Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4917 ff. BGE 4C.328/2006 E. 3.1 m.w.H.; s. ferner auch BGE 139 III 217 E. 2.3 = Pra 2013 Nr. 66. Bucher, OR BT, 236. BGE 84 II 521 E. 2a und E. 2b; BK OR-Gautschi, Art. 412 N 5c f.; s. Schweiger, 37. BGE 4C.282/2002 E. 2.3; s. auch BGE 4A_67/2011 E. 1.2; 4C.328/2006 E. 3.1; 72 II 84 E. 1b; BK OR-Gautschi, Art. 412 N 5c. S. BGE 4A_510/2013 E. 3.2. Guhl/Schnyder, § 50 N 17; Marquis, 188; s. auch Schweiger, 38 f.

§ 37

Mäklervertrag (Art. 412–418 OR)

VI.

Rechte und Pflichten des Mäklers

1.

Mäklerlohn (Art. 413–417 OR)

1.1

Vergütungsanspruch (Art. 413 Abs. 1 und Abs. 2 OR)

Der Mäkler hat gemäss der gesetzlichen Konzeption nur Anspruch auf eine Vergü- 3353 tung, wenn der (Haupt-)Vertrag infolge seiner Vermittlung, seiner Zuführung oder seines Nachweises zustande gekommen ist (Art. 413 Abs. 1 OR). Sein Lohnanspruch ist mit anderen Worten abhängig von der Ausübung der vereinbarten Mäklertätigkeit (s. N 3341 ff.), aufgrund deren (Kausalität; s. N 3356 ff.) der (Haupt-)Vertrag abgeschlossen wird (s. zur Verwirkung des Vergütungsanspruchs nach Art. 415 OR N 3367 ff., insbesondere N 3375 ff.). Der Vergütungsanspruch des Mäklers unterliegt (dispositiv37) einer doppelten 3354 Erfolgsbedingtheit (suspensive Potestativbedingung im Sinne von Art. 151 ff. OR):38 Der Mäkler muss einen geeigneten Interessenten nachweisen bzw. vermitteln (s. N 3341 ff.), und die Auftraggeberin muss den Vertrag mit diesem auch tatsächlich abschliessen. Auf die Erfüllung des abgeschlossenen (Haupt-)Vertrages kommt es hingegen nicht an.39 In der Praxis sind vertraglich vereinbarte Provisionsgarantien verbreitet, mittels deren die Parteien die in Art.  413 Abs.  1  OR vorgesehene Erfolgsbedingtheit des Vergütungsanspruchs wegbedingen oder einschränken. Dabei sichert die Auftraggeberin dem Mäkler die Provision voll oder teilweise auch für den Fall zu, dass der Vertragsabschluss gar nicht zustande kommt (Verzicht auf das Erfolgserfordernis) oder dass dieser nicht auf die Tätigkeit des Mäklers zurückzuführen ist (Verzicht auf das Erfordernis des Kausalzusammenhangs; s. N 3356). Solche Vereinbarungen sind zulässig; allerdings muss der Mäkler zumindest erfolgsgerichtet tätig werden, um sich sein Honorar zu verdienen.40 Umstritten ist, ob mangels vertraglicher Abrede eine Vermutung zugunsten der 3355 Nachweismäkelei besteht oder nicht. Laut Bundesgericht fehlt eine solche Vermutung. Der Mäkler, der einen Anspruch auf Lohn infolge einer Nachweistätigkeit geltend macht, hat die Nachweismäkelei zu beweisen (Art. 8 ZGB).41 Die herrschende Lehre, welcher wir uns anschliessen, spricht sich dagegen für eine Vermutung 37 38 39 40

41

BGE 4A_309/2016 E. 2.1 m.w.H.; 4A_96/2016 E. 2.1; 4D_43/2014 E. 3.2.2; 4C.120/2006 E. 2.2; 4C.278/2004 E. 2.3. S. BSK OR-Ammann, Art. 413 N 2 ff.; Bucher, OR BT, 236 ff.; Hofstetter, 171. BGE 106 II 224 E. 4; s. auch BGE 139 III 217 E. 2.3 = Pra 2013 Nr. 66; Honsell, OR BT, 377. S. zum Ganzen BGE 144 III 43 E. 3.1.1; 4A_309/2016 E. 2.1 m.w.H.; 4A_96/2016 E. 2.1; 4C.120/2006 E. 2.2; 131 III 268 E. 5.1.2 = Pra 2006 Nr. 19. Unter Umständen kein Mäklervertrag, sondern ein einfacher Auftrag liegt dann vor, wenn der Lohnanspruch überhaupt nicht erfolgsbezogen ist, also beispielsweise eine Entschädigung nach aufgewendeter Zeit und Aufwand vereinbart wird; s. auch CHK OR-Bracher, Art. 412 N 6. BGE 90 II 92 E. 2.

1127

5. Kapitel

Nominatverträge

zugunsten der Nachweismäkelei aus, solange keine andere vertragliche Abrede besteht.42 Für diese Meinung spricht, dass ohne eine solche Vermutung die Durchsetzbarkeit des Lohnanspruchs erschwert wird: Bei der andernfalls zur Anwendung kommenden Zuführungs- oder Vermittlungsmäkelei wird nämlich zusätzlich der Beweis der erfolgreichen Zuführungs- bzw. Vermittlungstätigkeit verlangt  – und nicht nur der blosse Nachweis eines Interessenten (s. N 3342). 3356

Zwischen dem Vertragsabschluss und den Aktivitäten des Mäklers muss, sofern nichts anderes vereinbart wurde,43 ein Kausalzusammenhang (s. Art. 413 Abs. 1 OR: «… infolge …») bestehen.44 Kannte die Auftraggeberin beispielsweise den Interessenten und seine Bedürfnisse bereits (z.B. durch ein Zeitungsinserat), fehlt ein ausreichender Kausalzusammenhang.45

3357

Im Sinne eines «psychologischen Zusammenhangs» muss der Vertragsabschluss aber nicht unmittelbar aus der Tätigkeit des Mäklers resultieren: Für den Kausalzusammenhang genügt es, wenn seine Aktivität beim Interessenten ein mitbestimmendes Motiv zum Vertragsabschluss begründet.46 Der psychologische Zusammenhang kann beispielsweise trotz Abbruchs der Vertragsverhandlungen gewahrt bleiben, wenn die Auftraggeberin diese später wieder aufnimmt und aufgrund des bereits durch den Mäkler begründeten Abschlussmotivs erfolgreich zum Abschluss führt. Für die Frage nach dem erforderlichen psychologischen Zusammenhang mithin nicht entscheidend ist, ob der Mäkler bis zum Ende der Verhandlungen beteiligt ist, ob später allenfalls ein weiterer Mäkler involviert wird oder wie viel Zeit zwischen den Bemühungen des Mäklers und dem Vertragsschluss verstreicht. Kein Anspruch auf Vergütung besteht dagegen, wenn der Abbruch der Vertragsverhandlungen definitiv ist und die späteren Verhandlungen auf völlig neuer Basis weitergeführt werden.47 Wirkt der Mäkler gegen einen Vertragsabschluss und wird dieser dann trotzdem von der Auftraggeberin vorgenommen, wird der psychologische Kausalzusammenhang ebenfalls neutralisiert bzw. unterbrochen.48

3358

Die Beweislast für die Kausalität trägt der Mäkler: Der Nachweismäkler muss belegen, dass die Auftraggeberin infolge seines Nachweises einen Vertrag mit dem Inte-

42 43 44 45 46 47 48

1128

BSK OR-Ammann, Art. 412 N 12; Bucher, OR BT, 237; Honsell, OR BT, 375; a.M. BGE 90 II 92 E. 2 ff.; Hofstetter, 170. BGE 4A_96/2016 E. 2.1; 97 II 355 E. 3. BGE 144 III 43 E.  3.1.1; 4A_153/2017 E.  2.3; 4A_213/2017 E.  4; 4D_43/2014 E.  3.2.2; 84 II 542 E.  5; s. CHK OR-Bracher, Art. 413 N 7; Honsell, OR BT, 378 f.; s. zum Ganzen Marquis, 437 ff. BGE 4C.268/2001 E. 3b f.; BSK OR-Ammann, Art. 413 N 8; Bucher, OR BT, 237. BGE 84 II 542 E. 5; 72 II 421 E. 3; s. ferner auch BGE 4A_153/2017 E. 2.3.1; 4A_213/2017 E. 4; 4A_75/2016 E.  4.1; 4A_269/2016 E.  5; 4A_96/2016 E.  2.1; 4A_155/2008 E.  3.1; CHK  OR-Bracher, Art.  413 N  7; Bucher, OR BT, 237; Engel, CO PS, 531; Honsell, OR BT, 378 f. BGE 72 II 84 E. 2; s. zum Ganzen auch BGE 4A_153/2017 E. 2.3.1 und E. 2.3.2; 4A_75/2016 E. 4.1 m.w.H.; 4A_269/2016 E. 5; 4A_96/2016 E. 2.1; BSK OR-Ammann, Art. 413 N 8; s. ferner auch Engel, CO PS, 532. S. BGE 4C.268/2001 E. 2 ff., insbesondere E. 3c.

§ 37

Mäklervertrag (Art. 412–418 OR)

ressenten abgeschlossen hat etc.49 Für den Nachweis des Kausalzusammenhangs genügt der Beweis einer objektiv geeigneten Mäklertätigkeit (tatsächliche Vermutung zugunsten des Mäklers).50 Besteht zwischen der Tätigkeit des Mäklers und dem Abschluss des Hauptvertrages der erforderliche Kausalzusammenhang, so ist der Mäklerlohn auch im Fall einer vor Abschluss des Hauptvertrages ausgesprochenen Beendigung des Mäklervertrages (Art. 404 OR) geschuldet. Der Mäkler soll nicht durch eine solche Auflösung seines Vertrages um den Vergütungsanspruch gebracht werden. Der Zeitpunkt des Abschlusses des Hauptvertrages ist insofern bedeutungslos, als der Anspruch auf Mäklerlohn bei gegebenem Kausalzusammenhang auch nach Beendigung des Mäklervertrages entstehen kann (s. N 3383).51 Sind mehrere Mäkler unabhängig voneinander für die Auftraggeberin tätig, hat 3359 jeder Mäkler, nach Massgabe seines Anteils am Erfolg, Anspruch auf einen Anteil am Lohn.52 Unterliegt der (Haupt-)Vertrag einer aufschiebenden Bedingung (s. N 1288), hängt der Lohnanspruch des Mäklers vom Eintritt der Bedingung ab (Art. 413 Abs. 2 OR). Umstritten ist, ob dies auch für die auflösende Bedingung gelten soll oder ob eine solche den Mäklerlohnanspruch nicht beeinflusst.53 Da der Wortlaut von Art.  413 Abs.  2  OR nur die aufschiebende Bedingung erfasst, hindert das Bestehen einer auflösenden Bedingung den Anspruch auf den Mäklerlohn unseres Erachtens nicht.54 Im Übrigen muss der abgeschlossene Vertrag mit dem angestrebten nicht wortwörtlich übereinstimmen; Identität des wirtschaftlichen Erfolgs genügt (z.B. Kaufvertrag anstatt Mietvertrag).55 1.2

Höhe der Vergütung (Art. 414 und Art. 417 OR)

Die Höhe der Vergütung bestimmt sich zunächst nach dem Vertrag. Die Parteien 3360 können einen Pauschalbetrag vereinbaren oder den Lohn anhand eines Prozentversprechens (sog. Provision) berechnen. Kumulativ zum Pauschallohn und zur Provision kann eine Gewinnbeteiligung versprochen werden (z.B. wenn ein höherer Verkaufspreis erzielt werden kann).56 Haben die Parteien keine vertragliche Vereinbarung über die Höhe des Lohns getroffen, bestimmt sich dieser nach Tarif oder

49 BGE 144 III 43 E. 3.1.1; 4A_337/2011 E. 2.1; 4C.333/2000 E. 2d bb. 50 BGE 4A_269/2016 E. 5; 4C.93/2006 E. 2.1; 4C.259/2005 E. 2. 51 BGE 4A_269/2016 E. 5; 4C.322/2003 E. 2.4; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4987; s. CHK OR-Bracher, Art. 413 N 7. 52 BGE 72 II 421 E. 3; BSK OR-Ammann, Art. 413 N 12; Guhl/Schnyder, § 50 N 21; a.M. Bucher, OR BT, 238; BK OR-Gautschi, Art. 412 N 15b; Hofstetter, 178. 53 BSK OR-Ammann, Art. 413 N 14; s. Antognazza, 67 f. und 70 f. 54 So auch BSK OR-Ammann, Art. 413 N 14; CHK OR-Bracher, Art. 413 N 10; a.M. ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 413 N 10. 55 BGE 4A_153/2017 E. 2.2; 4C.320/2003 E. 2.1; 114 II 357 E. 3; Antognazza, 65; Hofstetter, 176; s. auch BGE 4A_213/2017 E. 4. 56 BSK OR-Ammann, Art. 413 N 1.

1129

5. Kapitel

Nominatverträge

allgemeiner Übung (Art. 414 OR).57 Die Kantone dürfen die Mäklerlöhne mittels öffentlich-rechtlicher Tarifordnung beschränken, wenn daran ein öffentliches Interesse besteht (Art. 418 OR).58 3361

Der Richter kann auf Antrag des Schuldners unverhältnismässig hohe Vergütungen bei Mäklerverträgen über die Vermittlung von Arbeitsverträgen oder Grundstückkaufverträgen herabsetzen (Art. 417 OR).59 Da Art. 417 OR die Privatautonomie einschränkt, ist diese Bestimmung restriktiv auszulegen.60 Bei der Beurteilung der Unverhältnissmässigkeit kommt es primär auf den wirtschaftlichen Wert der Mäklerleistung an (und nicht auf den tatsächlichen Aufwand des Mäklers).61 Eine vereinbarte Provision kann den üblichen Satz oder die übliche Höhe durchaus leicht übersteigen, ohne dabei schon übermässig zu sein; ein Mäklerlohn, der auf 11% des Verkaufspreises festgelegt wurde, während die übliche Höhe 2% entsprach, ist aber offensichtlich unverhältnismässig.62 Umstritten ist, ob Art. 417 OR auf die übliche Provision nach Art.  414  OR anwendbar ist.63 Nach dem Bundesgericht soll eine Herabsetzung nur auf den vereinbarten Lohn zur Anwendung kommen.64 1.3

3362

Für Folgegeschäfte der Auftraggeberin mit dem durch den Mäkler nachgewiesenen oder vermittelten Interessenten ist – mangels gegenteiliger Abrede – grundsätzlich kein Mäklerlohn geschuldet.65 Anders liegt der Fall, wenn die verschiedenen Rechtsgeschäfte eine wirtschaftliche Einheit bilden und von Beginn an so geplant bzw. voraussehbar waren.66 1.4

3363

Folgegeschäfte

Spesenersatz (Art. 413 Abs. 3 OR)

Im Unterschied zum gewöhnlichen Beauftragten kann der Mäkler neben dem Mäklerlohn grundsätzlich keinen Auslagenersatz verlangen.67 Nur falls vereinbart, hat der Mäkler gemäss Art. 413 Abs. 3 OR zusätzlich und erfolgsunabhängig Anspruch 57 BGE 4A_96/2016 E. 2.2; Honsell, OR BT, 379. 58 BGE 110 Ia 111 E. 3c. 59 BGE 111 II 366 E. 3. 60 S. etwa BGE 4A_467/2012 E. 7.3. 61 BGE 138 III 669 E. 3.1 = Pra 2013 Nr. 55; 4C.121/2005 E. 4.2.1; 112 II 459 E. 3; BSK OR-Ammann, Art. 417 N 4; CR CO-Rayroux, Art. 417 N 8; s. auch Engel, CO PS, 524 ff.; Guggenbühl, 167 ff.; Schweiger, 238 ff. 62 BGE 138 III 669 E. 3.1 = Pra 2013 Nr. 55; 83 II 151 E. 4c; s. auch BGE 4A_467/2012 E. 7.3. 63 Honsell, OR BT, 380. 64 BGE 117 II 286 E. 5b; ebenso BSK OR-Ammann, Art. 417 N 1; BK OR-Gautschi, Art. 417 N 3a; a.M. Schweiger, 232. 65 BGE 75 II 53 E. 1a; Marquis, 452 f. 66 BGE 75 II 53 E. 1c; BSK OR-Ammann, Art. 413 N 11. 67 S. BGE 2C_1026/2012 E. 4.3.

1130

§ 37

Mäklervertrag (Art. 412–418 OR)

auf Ersatz seiner Aufwendungen (Spesenersatz). Ersetzt werden Barauslagen wie z.B. Reise- und Inseratkosten.68 Es ist umstritten, ob bei fehlender diesbezüglicher Vereinbarung andere als Barauslagen ersetzt werden, das heisst beispielsweise ein Zeitaufwand im Sinne einer Arbeitszeitvergütung.69 1.5

Mängel des Hauptvertrages: Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch des Mäklers

Ist der Hauptvertrag ungültig (insbesondere wegen Willensmängeln), so entfällt 3364 er und mit ihm der Anspruch des Mäklers auf Vergütung.70 Bei einem nichtigen Hauptvertrag (Art. 19/20 OR; s. N 392 ff.) wird ein Anspruch auf Vergütung gar nicht erst begründet.71 Wurde die Vergütung bereits entrichtet, besteht unseres Erachtens ein vertraglicher Erstattungsanspruch der Auftraggeberin (vertragliches Rückabwicklungsverhältnis; s. N 443, N 583 und N 960 ff.). Ein allfällig vereinbarter Anspruch auf Aufwendungsersatz bleibt dagegen bestehen, da ein solcher nicht durch den (gültigen) Abschluss des Hauptvertrages bedingt ist.72 Wenn die Auftraggeberin selbst die Ungültigkeit zu verantworten hat, ist der Mäklerlohn aber trotzdem geschuldet (Art. 2 ZGB).73 Leistungsstörungen im Rahmen des Hauptvertrages (z.B. Schlechterfüllung, Min- 3365 derung) oder gar dessen nachträgliche Auflösung (z.B. einverständliche Aufhebung oder Ausübung eines vertraglichen Rücktritts- oder Wandlungsrechts) berühren den Anspruch des Mäklers auf seine Vergütung nicht.74 Der Mäkler muss mit anderen Worten nicht für die Erfüllung des Hauptvertrages einstehen.75

2.

Handlungspflicht

Für den Mäkler besteht, falls nichts anderes vereinbart wurde, keine Pflicht zum 3366 Tätigwerden, sondern bloss eine Obliegenheit.76 Die Lehre geht davon aus, dass der in Aussicht gestellte Mäklerlohn bei erfolgreicher Vermittlungstätigkeit aus-

68 Bucher, OR BT, 237; BK OR-Gautschi, Art 412 N 3d und Art. 413 N 7c; s. Schweiger, 60 f. 69 Verneinend: Bucher, OR BT, 237; Guggenbühl, 179 ff.; Turrettini, 98 f.; bejahend: BK OR-Gautschi, Art. 413 N 7c; Marquis, 335 ff.; Schweiger, 61 f. 70 Antognazza, 63 f.; Hofstetter, 174; Honsell, OR BT, 378; Schweiger, 109 ff. 71 Schweiger, 107. 72 S. auch Hofstetter, 179. 73 Antognazza, 65; Guggenbühl, 198; Marquis, 354 ff.; Schweiger, 107 ff. m.w.H.; Weber, 145. 74 Schweiger, 114 m.w.H.; s. ferner Antognazza, 69; s. hierzu beispielhaft auch BGE 139 III 217 E. 2.3 = Pra 2013 Nr.  66; kritisch bezüglich des Fortbestehens des Vergütungsanspruchs bei Wandlung Honsell, OR BT, 378. 75 BGE 106 II 224 E. 4; BSK OR-Ammann, Art. 413 N 6. 76 BGE 144 III 43 E. 3.1.1; CHK OR-Bracher, Art. 412 N 7; Hofstetter, 170.

1131

5. Kapitel

Nominatverträge

reichende Motivation zum Tätigwerden ist.77 Ein Synallagma liegt nicht vor, Art. 107–109 OR kommen nicht zur Anwendung.78 Vereinbaren die Parteien eine Ausschliesslichkeitsklausel, was bedeutet, dass die Auftraggeberin keine weiteren Mäkler beauftragen darf, muss der Mäkler dagegen (im Interesse der Auftraggeberin) handeln.79 Generell kann der Mäkler aber sein Handeln frei und selbständig organisieren, ohne vorher die Meinung der Auftraggeberin einzuholen (zu beachten bleiben die Sorgfalts- und Treuepflicht; s. sogleich N 3367 ff.).80

3367

3.

Sorgfalts- und Treuepflicht (Art. 415 OR)

3.1

Allgemeines

Grundsätzlich trifft den Mäkler nicht wie den Beauftragten eine umfassende Interessenwahrungspflicht (z.B. keine Pflicht zum Tätigwerden und keine Pflicht, alles zu unternehmen, um die Interessen der Auftraggeberin zu wahren).81 Da der Erfolg des Mäklers vom Abschlusswillen der Auftraggeberin abhängt, kommt der genannten Pflicht eine weniger bedeutende Rolle zu als im Auftragsrecht.82 Wird der Mäkler jedoch für die Auftraggeberin tätig, untersteht er einer dem Auftragsrechts durchaus vergleichbaren Sorgfalts- und Treuepflicht (Art. 412 Abs. 2 i.V.m. Art. 398 i.V.m. Art. 321d f. OR; s. Art. 415 OR).83 Der Mäkler hat die Pflicht, die Interessen der Auftraggeberin zu fördern, diese insbesondere über wichtige Fakten zu informieren (Anzeige- und Auskunftspflicht, z.B. über Doppelmäkelei oder Zahlungsunfähigkeit des Käufers etc.) und vertrauliche Informationen der Auftraggeberin diskret zu behandeln.84 Auch hat er Weisungen der Auftraggeberin, welche die Treuepflicht konkretisieren, zu befolgen (z.B. Weisungen über die Eigenschaften der Gegenpartei).85 Bei der «Verkaufsmäkelei» gilt es als «elementare Pflicht» des Mäklers, sich für einen möglichst hohen Verkaufspreis einzusetzen.86 Weiter 77 BSK OR-Ammann, Art. 412 N 7; Bucher, OR BT, 235. 78 OFK OR-Burkhalter, Art. 412 N 11; Hofstetter, 170 f.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4956; anders BGE 4C.268/2001 E. 3b bb. 79 S. BGE 144 III 43 E. 3.1.1; 103 II 129 E. 3; Bucher, OR BT, 235. 80 BGE 144 III 43 E. 3.1.1; 4C.328/2006 E. 3.2; 131 III 268 E. 5.1.2 = Pra 2006 Nr. 19; BSK OR-Ammann, Art. 412 N 7. 81 BGE 110 II 276 E. 2a = Pra 1984 Nr. 246; CHK OR-Bracher, Art. 412 N 8; BK OR-Gautschi, Art. 415 N 1b. 82 S. BK OR-Gautschi, Art. 415 N 1a f. 83 BGE 106 II 224 E. 4; s. ferner auch BGE 4A_529/2015 E. 4.1; BSK OR-Ammann, Art. 412 N 8 und Art. 415 N 2 f.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS N 4958 ff. A.M. Bucher, OR BT, 236, welcher die Qualifizierung des Mäklervertrages als Sonderauftragsverhältnis für ungerechtfertigt hält. 84 S. BGE 124 III 481 E. 3 ff.; 110 II 276 E. 2a = Pra 1984 Nr. 246; CHK OR-Bracher, Art. 412 N 8; BK ORGautschi, Art. 415 N 2b; Marquis, 147 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4959 ff.; Turrettini, 21; s. OFK OR-Burkhalter, Art. 412 N 9. 85 BGE 4A_529/2015 E. 4.1. 86 BGE 83 II 147, 150.

1132

§ 37

Mäklervertrag (Art. 412–418 OR)

hat der Mäkler Tätigkeiten zu unterlassen, welche die Auftraggeberin um einen günstigen Vertragsabschluss bringen.87 Die Verletzung der Treuepflicht im Sinne von Art. 415 OR umfasst alle Handlungen, welche der Mäkler für die Gegenseite in Konflikt mit Interessen der Auftraggeberin tätigt.88 Erfasst von dieser Gesetzesbestimmung sind ausserdem alle unzulässigen Formen der Doppelmäkelei (s. sogleich N 3368 ff.). 3.2

Doppelmäkelei; Doppelkontrahieren

Bei der Doppelmäkelei ist der Mäkler für beide Parteien tätig, was zu Interessenkol- 3368 lisionen führen kann (Art. 415 OR). In Art. 415 OR werden nur Missbräuche der Doppelmäkelei erfasst, über eine all- 3369 fällige Zulässigkeit wird nichts ausgesagt. Soweit die Doppelmäkelei daher vertraglich nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde und auch keine Interessenkollisionen entstehen, ist sie nicht generell verboten (Art. 415 OR).89 Die Zulässigkeit wird jedoch von der Lehre auf die Nachweis- und Zuführungsmäkelei beschränkt, da der Vermittlungsmäkler per se in einen Interessenkonflikt gerät.90 Zur Beurteilung wendet die Lehre die Regeln über das Doppelkontrahieren an.91 Die ältere Rechtsprechung war dagegen weniger strikt. So erachtete das Bundesgericht die Doppelmäkelei selbst im Bereich der Vermittlungstätigkeit als zulässig, sofern es dem Mäkler nicht obliege, für Käufer und Verkäufer mit ihren entgegengesetzten Interessen jeweils möglichst günstige Vertragsbedingungen zu erzielen.92 In seiner jüngsten Rechtsprechung hat sich das Bundesgericht – allerdings explizit nur für das Immobilienwesen – nun der herrschenden Lehre angeschlossen. In BGE 141 III 64 hat es entschieden, dass der Immobilienmäkler, der sowohl mit dem Verkäufer als auch mit dem Käufer einer Liegenschaft einen Vermittlungsvertrag abschliesse, unvermeidlich in einen Interessenkonflikt gerate, weshalb die Doppelmäkelei hier stets unzulässig sei. Es seien deshalb beide Mäklerverträge gemäss Art. 415 OR nichtig und der Mäkler verliere folglich seinen Vergütungsanspruch für beide Geschäfte (s. zu den Rechtsfolgen der Pflichtverletzung N 3375 f.).93 Bei vorgängigen Zweifeln über die Zulässigkeit einer Doppelmäkelei trifft den Mäkler gegenüber der jeweiligen Auftraggeberin eine Aufklärungspflicht (s. N 3367).94

87 88 89 90 91 92

OFK OR-Burkhalter, Art. 415 N 2; BK OR-Gautschi, Art. 415 N 1b. BGE 4A_529/2015 E. 4.1; BK OR-Gautschi, Art. 415 N 2c; Hofstetter, 178. BGE 124 III 481 E. 3a; 111 II 366 E. 1; BSK OR-Ammann, Art. 415 N 1; s. Engel, CO PS, 529 f. Guhl/Schnyder, § 50 N 26; Hofstetter, 180; Honsell, OR BT, 381. BK OR-Gautschi, Art. 415 N 2h. S. BGE 4A_508/2007 E. 3; 4C.375/2005 E. 4.3; 124 III 481 E. 3a; 111 III 366 E. 1; s. auch BGE 4A_214/2014 E. 1.1.3 = Pra 2015 Nr. 113 (nicht publiziert in BGE 141 III 64 = Pra 2015 Nr. 113). 93 BGE 141 III 64 E. 4.3 = Pra 2015 Nr. 113. 94 BGE 4A_508/2007 E. 3; 111 II 366 E. 2; s. BSK OR-Ammann, Art. 415 N 4.

1133

5. Kapitel

3370

Nominatverträge

Ist der Mäkler neben seiner Mäklertätigkeit zusätzlich zur Vertretung der Auftraggeberin sowie eines vermittelten Interessenten ermächtigt, liegt ein Insichgeschäft vor (s. N 1077). Da eine Interessenkollision bei solchen Geschäften kaum vermeidbar ist, erachtet die herrschende Lehre solche Geschäfte prinzipiell als ungültig. Das Verbot gilt aber nicht uneingeschränkt. So sind Insichgeschäfte unter anderem bei einer Ermächtigung oder nachträglichen Genehmigung durch die Auftraggeberin zulässig. Das Gleiche gilt, wenn die Gefahr einer Interessenkollision nach der Natur des Geschäfts ausgeschlossen werden kann (s. N 1079).95 3.3

Selbsteintritt des Mäklers; Selbstkontrahieren

3371

Zu einer Interessenkollision kann es auch bei einem Selbsteintritt kommen (Insichgeschäft; s. N 1077 ff.). Dabei schliesst der Mäkler den Hauptvertrag mit der Auftraggeberin ab. Grundsätzlich darf der Mäkler nur Tathandlungen – und keine Rechtshandlungen – vornehmen. Zum Abschluss von Geschäften ist er nicht befugt, die Auftraggeberin kann er nicht vertreten. Ein Insichgeschäft liegt gerade nicht vor.96

3372

Möglich ist aber, dass die Auftraggeberin den Mäkler zum Vertragsabschluss bevollmächtigt. Diesfalls darf der Mäkler selber in den Vertrag eintreten (sog. «unmittelbarer Selbsteintritt»97),  – aber nur mit Zustimmung der Auftraggeberin. Der Selbsteintritt ist offenzulegen. Es wird sodann mangels einer Abrede angenommen, dass die Parteien den Mäklervertrag stillschweigend aufheben und stattdessen einen Kaufvertrag schliessen (analog Art. 436 OR).98 Weiter wird im Zweifel davon ausgegangen, dass durch den Selbsteintritt der Provisionsanspruch verwirkt wird (Art. 415 OR). Die Parteien können gleichwohl einen Provisionsanspruch vereinbaren (s. N 3353 ff.).99

3373

Beim mittelbaren Selbsteintritt tritt der Mäkler selber nicht direkt in den Vertrag mit der Auftraggeberin ein: Vielmehr vermittelt der Mäkler der Auftraggeberin einen Interessenten, mit dem es zum Vertragsabschluss kommt. Der vermittelte Interessent dient aber bloss als Strohmann. Der Mäkler tritt mittelbar in den Vertrag ein, indem er wirtschaftlich davon profitiert (z.B. durch Übernahme des vermittelten Geschäfts). Ähnlich gelagert ist die Vermittlung an eine dem Mäkler nahestehende

95

96 97 98 99

1134

Anschaulich in diesem Zusammenhang auch Art. 191 OR 2020, welcher die von Rechtsprechung und Lehre zu den verschiedenen Formen des Insichgeschäfts entwickelten Grundsätze in einer Bestimmung zusammenfasst; zugleich dehnt Art. 191 OR 2020 den Anwendungsbereich auf ähnliche Fallkonstellationen aus, in denen vergleichbare Interessenkonflikte bestehen können. Demnach ist ein Insichgeschäft zulässig, wenn der Vertretene «dem Handeln des Vertreters zugestimmt hat, es genehmigt oder für ihn keine Gefahr der Benachteiligung besteht». S. BK OR-Gautschi, Art. 415 N 3a. BK OR-Gautschi, Art. 415 N 3b. S. BK OR-Gautschi, Art. 415 N 3b. BGE 83 II 147, 150.

§ 37

Mäklervertrag (Art. 412–418 OR)

Person. Dies ist in der Regel eine Treuepflichtverletzung. Allenfalls bezahlte Provisionen sind im Zweifel zurückzuerstatten.100 3.4

Pflicht zur persönlichen Ausführung; Untermäkelei

Der Mäkler kann für Tätigkeiten, bei denen es nicht auf seine Persönlichkeit 3374 ankommt, ohne Weiteres Hilfspersonen beiziehen (Art. 101 OR; zur Abgrenzung von Substitut und Hilfsperson s.  N  3251  ff.).101 Fraglich ist, ob der Mäkler auch Untermäkler, also Substituten im Sinne von Art. 398 Abs. 3 i.V.m. Art. 412 Abs. 2 OR, einsetzen darf. Dort, wo der Mäkler aufgrund seiner persönlichen Fähigkeiten (wie z.B. Verhandlungsgeschick), seiner geschäftlichen Kontakte, seines Wissens, seiner Erfahrung oder der Fähigkeit zur psychologischen Beeinflussung der Interessenten von der Auftraggeberin ausgewählt wurde, hat der Mäkler den Mäklervertrag grundsätzlich persönlich auszuführen (Art. 398 Abs. 3 und Art. 68 OR).102 Der Beizug eines Untermäklers ist demnach nur erlaubt, wenn der Mäkler dazu ermächtigt oder durch die Umstände genötigt wurde oder wenn diesbezüglich eine Übung besteht (s. Art. 398 Abs. 3 OR).103 Problematisch sind insbesondere die Fälle eines Beizugs ohne Ermächtigung durch den Auftraggeber.104 Es ist oft umstritten, ob bezüglich bestimmter Güter eine Übung zum Beizug eines Untermäklers besteht.105 Der einen Meinung nach soll der persönliche Charakter der Mäklertätigkeit im Vordergrund stehen und im Zweifel keine solche Übung angenommen werden.106 Geht man diesfalls von einer unzulässigen Untermäkelei aus und wird der Erfolg (z.B. der Nachweis eines Interessenten) durch den Untermäkler herbeigeführt, ist der Mäklerlohn nicht geschuldet. Denn die Tätigkeit des Untermäklers kann dem Mäkler dann nicht angerechnet werden.107 Hat allerdings die Auftraggeberin vom Einsatz des Untermäklers gewusst bzw. davon wissen müssen, ist der Lohn geschuldet. Das Gleiche gilt, wenn die Auslegung des Mäklervertrages dazu führt, dass Substitution nicht – explizit oder implizit – ausgeschlossen war. Denn die Auftraggeberin darf dem Mäkler den Lohn nicht treuwidrig verweigern. Unabhängig von der Zulässigkeit des Beizugs von Hilfspersonen und Untermäklern gilt es zu beachten, dass es sich beim Mäkler auch um eine juristische Person handeln kann und aus diesem Grund unter Umständen mehrere verschiedene (natürliche) Personen mit der Ausführung des Mäklervertrages befasst sein können. 100 101 102 103 104 105

S. BK OR-Gautschi, Art. 415 N 3c. Schweiger, 74. BK OR-Gautschi, Art. 412 N 9a f.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4969 f. und N 4412 ff. S. Schweiger, 75; zur Anwendbarkeit von Art. 398 Abs. 3 OR s. BK OR-Gautschi, Art. 412 N 9b. BK OR-Gautschi, Art. 412 N 9c. Verneinend: BK OR-Gautschi, Art. 412 N 9e ff.; Schweiger, 75 ff.; bejahend: Guggenbühl, 305; Turrettini, 25 ff. 106 S. BK OR-Gautschi, Art. 412 N 9e. 107 BGE 76 II 378 E. 3; s. Schweiger, 76.

1135

5. Kapitel

3.5

Nominatverträge

Rechtsfolgen der Pflichtverletzung

3375

Grundsätzlich ist es dem Mäkler nicht verboten, für beide Parteien des Hauptvertrages tätig zu sein, und es liegt häufig gar in deren Interesse. Art. 415 OR setzt diesem Grundsatz allerdings gewisse Schranken: Ist der Mäkler zum Nachteil der Auftraggeberin auch im Interesse der Gegenpartei tätig (Verstoss gegen die Treuepflicht)108 oder lässt er sich in einem Fall, wo dies Treu und Glauben widerspricht, auch von der Gegenpartei eine Vergütung versprechen (unzulässige Form der Doppelmäkelei, s. N 3368 ff.)109, verliert er seinen Anspruch auf das vereinbarte oder übliche Entgelt sowie auf den Ersatz seiner Aufwendungen. Er «verwirkt» damit mit anderen Worten seinen Lohn- und Aufwendungsersatzanspruch (s. Marginalie von Art. 415 OR).

3375a

Im bereits erwähnten BGE 141 III 164 (unzulässige Doppelmäkelei im Immobilienbereich) gelangte das Bundesgericht zum Schluss, dass der Mäkler seinen Vergütungsanspruch für beide Vermittlungsmäklerverträge verliere (Art. 415 OR). Es hielt überdies fest, dass die Vermittlungsmäklerverträge mit beiden Auftraggeberinnen nichtig seien.110 Diese Feststellung ist in der Literatur zu Recht auf Kritik gestossen.111 Die Nichtigkeitsfolge lässt sich nicht aus dem Gesetz ableiten; Art. 415 OR sieht lediglich die Verwirkung des Lohn- und Aufwendungsersatzanspruchs vor.112 Auch im allgemeinen Auftragsrecht bewirkt das Vorliegen einer Interessenkollision nicht die Unwirksamkeit des Auftrags, sondern zieht vielmehr Haftungsfolgen nach sich. Weshalb bei einer Interessenkollision im Fall der Doppelmäkelei eine andere Rechtsfolge gelten soll, ist unseres Erachtens nicht einsichtig.113 Verschiedene Autoren weisen ausserdem darauf hin, dass die Annahme der Nichtigkeitsfolge dazu führe, dass die Auftraggeberinnen keinen Ersatz des Schadens, der ihnen aus dieser Treuepflichtverletzung erwächst, verlangen könnten, soweit dieser den Vergütungsanspruch übersteige. Denn ein solcher Haftungsanspruch setze selbstverständlich das Bestehen eines wirksamen Vertrages voraus.114 Richtigerweise sollte die unzulässige Doppelmäkelei als «blosse» Vertragsverletzung qualifiziert werden. Der Mäkler verwirkt dadurch seinen Vergütungsanspruch (Art. 415 OR) und muss gegebenenfalls für den Schaden infolge der Treuepflichtverletzung einstehen.115

3375b

Die Bestimmung von Art.  415  OR, wonach der Lohn- und der Aufwendungsersatzanspruch entfallen, ist auf Ausnahmesituationen zugeschnitten und restrik108 109 110 111 112 113 114 115

1136

S. etwa BGE 4A_529/2015 E. 4.1. S. etwa BGE 141 III 64 E. 4.3 = Pra 2015 Nr. 113. BGE 141 III 64 E. 4.3 = Pra 2015 Nr. 113. S. etwa CHK OR-Bracher, Art. 415 N 2 f.; Pichonnaz, BR 2015, 156; Schmid, Rechtsprechung 2015, 577 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4966. S. CHK OR-Bracher, Art. 415 N 3; Schmid, Rechtsprechung 2015, 579. S. auch Schmid, Rechtsprechung 2015, 579. S. CHK OR-Bracher, Art. 415 N 3; Pichonnaz, BR 2015, 156; Schmid, Rechtsprechung 2015, 579; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 4966. S. CHK OR-Bracher, Art. 415 N 3; Pichonnaz, BR 2015, 156; Schmid, Rechtsprechung 2015, 579; s. ferner BK OR-Gautschi, Art. 412 N 10d und Art. 415 N 5b; Marquis, 156.

§ 37

Mäklervertrag (Art. 412–418 OR)

tiv auszulegen, da die Auftraggeberin hier lediglich, aber immerhin die Umstände der Treuepflichtverletzung bzw. der unzulässigen Doppelmäkelei, nicht aber einen Schaden nachzuweisen hat bzw. keinen solchen erlitten haben muss und deshalb nach unserer Meinung zu Unrecht privilegiert wird.116 Nach einem Teil der Lehre soll der Mäkler bei Selbsteintritt nur einen Lohnan- 3376 spruch haben, wenn er der Auftraggeberin vor Vertragsschluss seinen fortbestehenden Lohnanspruch bekannt gibt.117 Letztere habe dann die Möglichkeit, den Preis an die gegebenen Umstände anzupassen und den Mäklerlohn allenfalls zu genehmigen.118 Unseres Erachtens hat der Mäkler auch bei Selbsteintritt einen Anspruch auf den Mäklerlohn, wenn der Preis durch die Auftraggeberin bereits im Voraus fixiert wurde oder dieser dem (objektiven) Wert der Sache und den Preiserwartungen der Auftraggeberin entspricht.119 Die Interessen der Auftraggeberin sind dann nämlich (weiterhin) gewahrt, weshalb es sich nicht rechtfertigen würde, dem Mäkler den Lohnanspruch zu verweigern.

VII. Rechte und Pflichten der Auftraggeberin 1.

Bezahlung des Mäklerlohns und des Aufwendungsersatzes (Art. 413 OR)

Sofern das vermittelte Geschäft abgeschlossen wird, muss die Auftraggeberin120 dem 3377 Mäkler den vereinbarten Lohn ausrichten (Art. 413 Abs. 1 OR). Neben dem Mäklerlohn schuldet sie ihm Aufwendungsersatz, falls ein solcher zugesichert wurde (Art. 413 Abs. 3 OR; s. N 3363). Der Aufwendungsersatz ist diesfalls – im Gegensatz zum Mäklerlohn – auch geschuldet, wenn das vermittelte Geschäft nicht abgeschlossen wird. Der Mäklerlohn ist grundsätzlich nur geschuldet, wenn der (Haupt-)Vertrag 3378 zustande kommt (s.  N  3353  ff.). Die Auftraggeberin ist jedoch nicht verpflichtet, 116 S. BGE 4A_529/2015 E. 4.1; s. ferner BK OR-Gautschi, Art. 412 N 10d; s. auch BGE 142 III 462 E. 4.3 = Pra 2017 Nr. 70. 117 BGE 83 II 147, 150; BSK OR-Ammann, Art. 415 N 5; Hofstetter, 177 f. 118 BSK OR-Ammann, Art. 415 N 5; BK OR-Gautschi, Art. 415 N 3b; Hofstetter, 178. 119 S. Bucher, OR BT, 237. 120 S. auch BGE 142 III 657 E. 4 und E. 5 zur Entschädigungsentrichtung durch das Versicherungsunternehmen anstelle der Auftraggeberin beim Versicherungsmaklervertrag (wobei das Bundesgericht diesen nicht als Mäklervertrag im Sinne von Art. 412 ff. OR qualifizierte, dessen Rechtsnatur gleichzeitig aber offenliess): Sind die Auftraggeberin (Versicherungsnehmerin) und der Versicherungsmakler (Broker) übereingekommen, dass seine Dienste indirekt über die Courtagen des Versicherungsunternehmens an den Broker abgegolten werden, hat der Broker keinen direkten Entschädigungsanspruch gegen die Versicherungsnehmerin; s. auch BGE 124 III 481 E. 4.

1137

5. Kapitel

Nominatverträge

mit dem nachgewiesenen Interessenten einen Vertrag abzuschliessen (potestative Seite der Bedingung121).122 Der Mäkler kann sich im Fall einer Weigerung in der Regel nicht auf Art. 156 OR berufen: Die Auftraggeberin kann selber entscheiden, mit wem sie einen Vertrag abschliessen will (Abschlussfreiheit);123 es trifft sie keine Abschlussverpflichtung124. 3379

Die Grenzen von Treu und Glauben (Art. 2 ZGB und Art. 156 OR) hat die Auftraggeberin aber immer zu beachten:125 Die Auftraggeberin darf z.B. den Vertrag mit dem Mäkler nicht beenden, um danach «vergütungsfrei» mit dem empfohlenen Interessenten einen Vertrag abzuschliessen.126 Die Bedingung gilt diesfalls als eingetreten (Art. 156 OR).127 Dies gilt auch bei anderen Umgehungsgeschäften: Der Mäklerlohn ist geschuldet, wenn z.B. die Auftraggeberin einen Dritten (Strohmann) einsetzt, um an ihrer Stelle und in ihrem Interesse, nicht aber in ihrem Namen, den Vertrag mit dem vermittelten Interessenten einzugehen. Der Dritte kann dazu durch die Auftraggeberin beauftragt worden sein oder mit ihr aufgrund enger wirtschaftlicher oder persönlicher Verbundenheit eine sog. Interessengemeinschaft bilden (z.B. wenn anstelle der Auftraggeberin deren Sohn das Geschäft abschliesst).128 Der wirtschaftliche Erfolg wird in einem solchen Fall mittelbar der Auftraggeberin zugerechnet.129

2. 3380

Anzeige- und Auskunftspflicht

Die Auftraggeberin muss den Mäkler über alles, was für das Zustandekommen des Vertrages relevant ist, informieren (z.B.: «Mit A und C habe ich bereits Kontakt aufgenommen; mit B schliesse ich nie einen Vertrag»).130 Handelt der Mäkler aufgrund mangelhafter Unterlagen, die er von der Auftraggeberin erhalten hat, haftet Letztere aus Unsorgfalt für einen allfälligen Schaden des Mäklers.131 Analog zu Art. 418f OR hat die Auftraggeberin dem Mäkler eine erfolgreiche Tätigkeit zu ermöglichen.

121 Hofstetter, 171. 122 S. BGE 4A_309/2016 E. 2.1; s. auch Bucher, OR BT, 236; Schweiger, 93. 123 BGE 4A_309/2016 E. 2.1; 84 II 521 E. 2b; BSK OR-Ammann, Art. 413 N 2; s. Marquis, 174 ff.; Schweiger, 93. 124 BSK OR-Ammann, Art. 412 N 11; BK OR-Gautschi, Art. 412 N 3f; Honsell, OR BT, 377; Turrettini, 18 f. 125 S. dazu Marquis, 175 ff. 126 BGE 84 II 521 E. 2b; 76 II 378 E. 5; s. auch BGE 4A_269/2016 E. 5; BSK OR-Ammann, Art. 413 N 2. 127 S. BK OR-Gautschi, Art. 413 N 3a ff.; Marquis, 175 ff.; Schweiger, 94. 128 BGE 4A_155/2008 E. 3.1; s. auch BGE 4A_213/2017 E. 4; 4A_75/2016 E. 4.2; 4A_269/2016 E. 5; BK ORGautschi, Art. 412 N 3f; s. Guhl/Schnyder, § 50 N 21 und N 28. 129 BGE 76 II 378 E. 3; Guhl/Schnyder, § 50 N 21 und N 28; Honsell, OR BT, 378; Schweiger, 105. 130 Hofstetter, 179. 131 Hofstetter, 179; s. auch Weber, 147.

1138

§ 37

3.

Mäklervertrag (Art. 412–418 OR)

Weisungsrecht

Die Auftraggeberin kann in beschränktem Mass Weisungen bezüglich der Mäklertä- 3381 tigkeit, etwa betreffend die Eigenschaften der Gegenpartei, erteilen (Art. 397 Abs. 1 i.V.m. Art. 412 Abs. 2 OR); diese Weisungen, welche die Treuepflicht konkretisieren, sind vom Mäkler zu befolgen.132 Weisungen, welche die Provisionsvoraussetzungen des Mäklers verändern und die Bedingung des Erfolgseintritts erschweren, muss der Mäkler jedoch nicht befolgen. Gegebenenfalls schuldet die Auftraggeberin Ersatz des von ihr schuldhaft verursachten Schadens (s. N 3380).133

VIII. Beendigung Es gelten die gleichen Beendigungsgründe wie beim einfachen Auftrag (via Art. 412 3382 Abs. 2 OR).134 Schliesst die Auftraggeberin das nachzuweisende oder zu vermittelnde Geschäft mit dem Dritten ab, erlischt der Mäklervertrag in der Regel. Bei einem befristeten Mäklervertrag endet das Rechtsverhältnis spätestens mit Ablauf der vereinbarten Frist.135 Der Mäklervertrag kann von beiden Parteien gemäss Art.  404 i.V.m. Art. 412 3383 Abs.  2  OR beendet werden (zur zwingenden bzw. dispositiven Natur dieser Vorschrift s. N 3307 ff.).136 Eine Konventionalstrafe ist ausnahmsweise zulässig, wenn sie den Schaden angemessen pauschaliert.137 Das jederzeitige Beendigungsrecht von Art. 404 OR ändert nichts am Anspruch des Mäklers auf eine Provision anlässlich eines Geschäftsabschlusses, welcher auf die Tätigkeit aus dem Mäklervertrag zurückzuführen ist (s. N 3358).138

132 BGE 4A_529/2015 E.  4.1; Guggenbühl, 109; Schweiger, 73; restriktiv etwa BK  OR-Gautschi, Art. 412 N 8c. 133 S. BK OR-Gautschi, Art. 412 N 8c; Guggenbühl, 109; Marquis, 143 f.; s. auch CR CO-Rayroux, Art. 412 N 31. 134 Engel, CO PS, 532 f.; Hofstetter, 173; CR CO-Rayroux, Art. 412 N 19; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5014. 135 BSK OR-Ammann, Art. 412 N 6; s. CR CO-Rayroux, Art. 412 N 19. 136 BGE 103 II 129 E. 1; s. auch BGE 4A_152/2016 E. 6 (nicht publiziert in BGE 142 III 657) zur Anwendung von Art. 404 OR beim Versicherungsmaklervertrag (wobei das Bundesgericht diesen nicht als Mäklervertrag im Sinne von Art. 412 ff. OR qualifizierte, sondern dessen Rechtsnatur wie bis anhin vielmehr offenliess); CHK OR-Bracher, Art. 412 N 11; Hofstetter, 173. 137 BGE 103 II 129 E. 1; Bucher, OR BT, 236; s. auch Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5016. 138 S.  BGE 4A_269/2016 E.  5; 76 II 378 E.  3  f.; Honsell,  OR BT, 377; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5019.

1139

§ 38 Agenturvertrag (Art. 418a–418v OR) Grundlagenliteratur Bucher, OR BT, 239 ff.; Engel, CO PS, 540 ff.; Guhl/Schnyder, § 50 N 43 ff.; Honsell, OR BT, 390  ff.; Müller, contrats, N  2101  ff.; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 9 N 24 ff.; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 1980; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5021 ff.

Weiterführende Literatur Baudenbacher Carl, Anspruch auf Kundschaftsentschädigung bei gesetzlich nicht geregelten Absatzmittlungsverträgen?, in: FS Schluep, Zürich 1988, 81–93; Fountoulakis Christiana, Agentur- und Fachhändlerverträge  – jüngere Rechtsprechung und aktuelle Probleme, in: Arter Oliver (Hrsg.), Vertriebsverträge, Bern 2007, 49–102; Hofstetter Josef, Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), SPR Bd.  VII/6, Basel/Genf/München 2000; Kull Michael, Die Verbindlichkeit des nachvertraglichen Konkurrenzverbots und des Anspruchs auf Karenzentschädigung nach Art. 418d Abs. 2 OR, in: FS Stöckli, Zürich 2014, 369–388; Maissen Eva, Die automatische Vertragsverlängerung unter dem Aspekt der Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), Diss. Zürich 2012; Mirfakhraei Kaveh, Tribunal fédéral, Ire Cour de droit civil, arrêt du 10 octobre 2013, 4A_212/2013, X.c.Z. SA, recours contre l’arrêt de la Cour de justice du canton de Genève du 22 février 2013, AJP 2014, 1256–1260 (zit.: Mirfakhraei, AJP 2014); Mirfakhraei Kaveh, Les indemnités de fin de contrat dans le contrat d’agence et le contrat de distribution exclusive, Diss. Genf 2014 (zit.: Mirfakhraei, fin de contrat); Vetsch Johannes/von der Crone Hans Caspar, Die Kundschaftsentschädigung in Vertriebssystemen, Entscheid des Schweizerischen Bundesgerichts 4A_61/2008 (BGE 134 III 497) vom 22. Mai 2008 i.S. X und Y (Beschwerdeführer) gegen Z SA (Beschwerdegegnerin), SZW 2009, 79–93.

I. 3384

Begriff

Der Agenturvertrag ist ein synallagmatischer Vertrag, welcher den Agenten dazu verpflichtet, dauernd für eine (oder mehrere) Auftraggeberin(nen) Geschäfte zu vermitteln oder (in ihrem Namen und auf ihre Rechnung) abzuschliessen, ohne zu diesen in einem Arbeitsverhältnis zu stehen (Art. 418a Abs. 1 OR).

1140

§ 38

1.

Agenturvertrag (Art. 418a–418v OR)

Vermittlungsagent

Der Vermittlungsagent ist nur berechtigt, Geschäfte zu vermitteln, nicht aber als 3385 Stellvertreter der Auftraggeberin mit den Interessenten selbst einen Vertrag abzuschliessen. Art. 418e Abs. 1 OR stellt die Vermutung auf, dass der Agent bloss zur Vermittlung ermächtigt ist.1 Subsidiär untersteht der Vermittlungsagent gemäss Art.  418b  OR den Vorschriften des Mäklervertrages (Vermittlungsmäkler). Der Verweis von Art. 418b OR schliesst jene Norm des Mäklerrechts mit ein, die ihrerseits auf Auftragsrecht verweist (Art. 412 Abs. 2 OR). Damit kommt mittelbar auch das Auftragsrecht auf die Agentur zur Anwendung.

2.

Abschlussagent

Der Abschlussagent ist bevollmächtigt, als direkter Stellvertreter der Auftragge- 3386 berin (in deren Namen und auf deren Rechnung) Verträge mit den Interessenten abzuschliessen. Der Abschlussagent untersteht subsidiär den Vorschriften über die Kommission (Art. 418b OR), welche ebenfalls auf das Auftragsrecht (weiter)verweisen (Art. 425 Abs. 2 OR). Die Abschlussvollmacht kann ausdrücklich oder konkludent (schlüssig) erteilt 3387 und jederzeit widerrufen werden (Art.  34 Abs.  1  OR).2 Die Vollmacht wird häufig auf bestimmte Arten von Verträgen bzw. auf bestimmte Geschäftstätigkeiten beschränkt sein. Es kann sich im Übrigen auch lediglich um eine Anscheinsvollmacht handeln.3

3.

Agent im Nebenberuf

Ein Agent arbeitet im Nebenberuf, wenn er «weniger als die Hälfte seiner Arbeits- 3388 zeit auf die Tätigkeit als Agent verwendet und ausserdem aus ihr weniger als die Hälfte seines Einkommens bezieht»4. Auf eine bloss nebenberufliche Tätigkeit finden die Vorschriften über den Agenturvertrag insoweit Anwendung, als nicht schriftlich etwas anderes vereinbart wurde (Art. 418a Abs. 2 OR). Zum Nachteil des Agenten darf gemäss Art. 418a Abs. 2 OR weder von den Vorschriften über das Delkredere-Risiko (Art. 418c Abs. 3 OR) noch von jenen über das Konkurrenzverbot (Art. 418d Abs. 2 OR) und die Auflösung des Vertragsverhältnisses aus wichtigem 1 CHK OR-Mathys, Art. 418a N 10; BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418a N 6. 2 BK OR-Gautschi, Art. 418a/b N 6d. 3 ZK OR-Bühler, Art. 418a N 15; s. BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418a N 8. 4 Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über den Agenturvertrag vom 27. November 1947, BBl 1947 III 661 ff., 673; s. ZK OR-Bühler, Art. 418a N 56; CR CODreyer, Art. 418a N 5; CHK OR-Mathys, Art. 418a N 12; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5074.

1141

5. Kapitel

Nominatverträge

Grund (Art. 418r OR) abgewichen werden. Die Lehre bezieht diese Bestimmung darüber hinaus auf das gesetzliche Erfordernis der beidseitig gleichen Kündigungsfrist (Art. 418q Abs. 3 OR).5

4.

Versicherungsagent

3389

Der Versicherungsagent fällt grundsätzlich ebenfalls unter die Bestimmungen von Art. 418a ff. OR. Eine Ausnahme besteht hinsichtlich der Vertretungsbefugnis, die sich nicht nach Art. 418e OR, sondern nach Art. 34 und Art. 44 Abs. 3 VVG6 beurteilt (Art. 418e Abs. 3 OR).7

3390

Art.  34 aVVG statuierte eine gesetzlich typisierte Vollmacht des Versicherungsagenten, wonach dieser zu allen Handlungen ermächtigt war, welche die Tätigkeit eines Versicherungsagenten gewöhnlich mit sich bringt. Dies bedeutete aber nicht, dass jeder Versicherungsagent von Gesetzes wegen Abschlussagent war. Das Gesetz ging vielmehr davon aus, dass verschiedene Kategorien von Versicherungsagenturen existieren.8 Per 1. Januar 2006 wurde diese Kategorisierung aufgegeben. In seiner aktuellen Fassung besagt Art. 34 VVG nur noch, dass der Versicherer für das Verhalten des Vermittlers wie für sein eigenes einzustehen hat, wobei sich der Begriff des Versicherungsvermittlers nach der in Art.  40 VAG9 enthaltenen Definition richtet.10 Im Rahmen einer derzeit im Parlament hängigen Teilrevision des VVG soll Art. 34 VVG ganz aus dem Gesetz gestrichen werden, da er lediglich wiederhole, was nach Art. 101 OR ohnehin gelte.11

5 BK OR-Gautschi, Art. 418a/b N 15b; BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418a N 9. 6 Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz; SR 221.229.1) 7 S. BSK OR-Wettenschwiler, Vor Art. 418a–418v N 3; s. aber BSK VVG Nachf.Bd.-Fuhrer, Art. 34 ad N 76 ff., nach welchem der Verweis von Art. 418e Abs. 3 OR auf das VVG ins Leere stösst, da sich Art. 34 VVG nicht länger zur Vollmacht des Agenten äussert. 8 BSK VVG-Fuhrer, Art. 34 N 69. 9 Bundesgesetz vom 17. Dezember 2004 betreffend die Aufsicht über Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz; SR 961.01). 10 Botschaft zu einem Gesetz betreffend die Aufsicht über Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz, VAG) und zur Änderung des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag, BBl 2003 3789 ff., 3857. 11 Botschaft zur Änderung des Versicherungsvertragsgesetzes vom 28. Juni 2017, BBl 2017 5089 ff., 5119.

1142

§ 38

Agenturvertrag (Art. 418a–418v OR)

II.

Abgrenzungen

1.

Zu Auftrag, Mäklervertrag und Kommission (Art. 394 ff., Art. 412 ff. und Art. 425 ff. OR)

Im Unterschied zum (typischen) Auftrag, zum Mäklervertrag und zur Kommis- 3391 sion ist der Agent dauernd für die Auftraggeberin tätig; es liegt ein Dauervertrag vor.12 Die Position des Agenten ist daher durch stärkere wirtschaftliche Abhängigkeit geprägt.13 Anders als der Abschlussagent schliesst der Mäkler selbst überhaupt keine Verträge 3392 ab. Der Kommissionär grenzt sich vom Vermittlungsagenten dadurch ab, dass er Verträge abschliesst, im Gegensatz zum Abschlussagenten tut er dies jedoch in eigenem Namen (Art. 425 Abs. 1 OR).14

2.

Zum Handelsreisendenvertrag (Art. 347 ff. OR)

Der Handelsreisende ist verpflichtet, auf Rechnung der Inhaberin eines Handels-, Fabrikations- oder anderen nach kaufmännischer Art geführten Geschäfts gegen Lohn Geschäfte jeder Art ausserhalb der Geschäftsräume der Arbeitgeberin zu vermitteln oder in deren Namen und auf deren Rechnung abzuschliessen (s. Art. 347 OR).

3393

Der Handelsreisende steht somit im Gegensatz zum Agenten, der selbständiger 3394 Gewerbetreibender ist.15 Er arbeitet bei der Geschäftsinhaberin und unterliegt ihren Weisungen als Arbeitgeberin (zur auftragsrechtlichen Weisungsbefolgungspflicht des Agenten s. N 3405). Entscheidend für das Arbeitsverhältnis ist die Subordination des Arbeitnehmers.16 Vereinbarungen, wonach der Handelsreisende das Delkredere-Risiko oder die Inkassokosten zu tragen hat, sind grundsätzlich nichtig (Art. 348a Abs. 1 OR; zu den Ausnahmen s. Art. 348a Abs. 2 und Abs. 3 OR). Ebenfalls unzulässig ist die Überbindung der mit der Tätigkeit einhergehenden üblichen Kosten und Auslagen auf den Handelsreisenden (s. Art. 349d und Art. 327a OR). Demgegenüber trägt der Agent die Kosten und Auslagen seiner Tätigkeit grundsätzlich selbst (Art. 418n Abs. 1 OR; s. N 3419).17 12 13 14 15 16

BGE 4C.218/2005 E. 3.2; s. Fountoulakis, 64. ZK OR-Bühler, Art. 418a N 35 f.; Hofstetter, 188 f. Hofstetter, 188. BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418a N 3. BGE 4A_86/2015 E. 4.1; 4A_533/2012 E. 2.4; 4C.218/2005 E. 3.2; 129 III 664 E. 3.2 = Pra 2004 Nr. 67; Fountoulakis, 59 und 68. 17 S. BGE 4A_86/2015 E. 4.1.

1143

5. Kapitel

3. 3395

3396

3397

Nominatverträge

Zum Alleinvertriebsvertrag

Der Alleinvertriebshändler handelt in eigenem Namen und auf eigene Rechnung (s. N 3843). Er ist nicht direkter Stellvertreter wie der Abschlussagent. Der Alleinvertriebshändler wird Eigentümer der Ware und trägt damit auch das Risiko ihres Absatzes.18

III.

Entstehung und Beendigung des Vertrages

1.

Entstehung

Der Agenturvertrag kann grundsätzlich formfrei abgeschlossen werden.19 Gewisse Abweichungen von den gesetzlichen Regelungen bedürfen jedoch der Schriftform: Art. 418c Abs. 2 und Abs. 3 OR (Konkurrenzverbot und Übernahme des Delkredere-Risikos), Art. 418f Abs. 3 OR (Gebiets- oder Kundenkreiszuweisung an Agenten ohne Exklusivagentur), Art. 418g Abs. 1 und Abs. 3 OR (Wegbedingung des Provisionsanspruchs für blosse Kundenwerbung und Vereinbarung eines abweichenden Entstehungszeitpunkts des Provisionsanspruchs), Art.  418k Abs.  1  OR (Pflicht des Agenten zur schriftlichen Provisionsabrechnung), Art. 418q Abs. 1 OR (Verkürzung der ordentlichen Kündigungsfrist) sowie Art. 418t Abs. 3 OR (Vereinbarung einer späteren Fälligkeit des Provisionsanspruchs für nach Beendigung des Agenturverhältnisses zu erfüllende Geschäfte).

2.

Beendigung (Art. 418p ff. OR)

2.1

Zeitablauf (Art. 418p OR)

Zeitlich befristete Verträge enden mit Ablauf der vereinbarten Dauer. Die zeitliche Befristung kann vereinbart sein oder sich aus dem Zweck des Vertrages ergeben (Art. 418p Abs. 1 OR). Setzen beide Parteien das (befristete) Vertragsverhältnis nach dem Ablauf der entsprechenden Zeit stillschweigend fort, gilt der Vertrag als für die gleiche Zeitspanne (aber höchstens für ein weiteres Jahr) erneuert (Art. 418p Abs. 2 OR; widerlegbare Vermutung für eine konkludente Vertragsverlängerung20). Vereinbaren die Parteien, dass der Vertrag trotz seiner befristeten Dauer gekündigt werden muss, so gilt die beiderseitige Unterlassung der Kündigung als Vertragserneuerung (Art. 418p Abs. 3 OR; gesetzliche automatische Vertragsverlängerung 18 BGE 4C.130/2004 E. 2.2; Honsell, OR BT, 391. 19 Guhl/Schnyder, § 50 N 49. 20 Maissen, N 77 und N 79.

1144

§ 38

Agenturvertrag (Art. 418a–418v OR)

aufgrund fingierter Zustimmung21). Da Art. 418p Abs. 3 OR einen Ausnahmetatbestand zu Art. 418p Abs. 2 OR bildet, ist die Verlängerung in diesem Fall indessen nicht auf ein Jahr beschränkt.22 2.2

Ordentliche Kündigung (Art. 418q OR)

Unbefristete Agenturverträge können ordentlich gekündigt werden (Art. 418q OR): 3398 Die Kündigungsfrist hängt davon ab, wie lange der Vertrag gedauert hat. Im ersten Jahr kann der Vertrag unter Einhaltung einer einmonatigen Frist jeweils per Monatsende gekündigt werden (Art. 418q Abs. 1 OR). Die Parteien können diese Frist nur schriftlich verkürzen; eine Verlängerung ist jedoch formlos möglich.23 Dauert ein Vertrag länger als ein Jahr, gilt die zweimonatige Frist mit vierteljährlichem Kündigungstermin von Art. 418q Abs. 2 OR. Diese Regelung ist insofern einseitig zwingend, als die Frist lediglich verlängert werden kann. Die freie Widerrufsmöglichkeit nach Art. 404 OR ist auf den Agenturvertrag nicht anwendbar.24 Sie wird durch die Spezialregelungen verdrängt. 2.3

Ausserordentliche Kündigung (Art. 418r OR)

Gemäss Art. 418r OR kann jede Partei den Vertrag mit sofortiger Wirkung kündigen, 3399 sofern ein wichtiger Grund im Sinne von Art. 337 OR vorliegt. Die Fortsetzung des Vertrages muss für die kündigende Partei unzumutbar sein (Art. 337 Abs. 2 OR).25 Die ausserordentliche Kündigung entfaltet auch dann ihre Wirkung und der Agenturvertrag wird fristlos beendet, wenn diese ungerechtfertigt, das heisst ohne wichtigen Grund ausgesprochen wird.26 Bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gilt hinsichtlich der vermögensrechtlichen Folgen Art. 337b OR (s. Art. 418r Abs. 2 OR). Die Rechtsfolgen einer fristlosen Kündigung ohne wichtigen Grund durch die Auftraggeberin bestimmen sich nach Art. 337c i.V.m. Art. 418r Abs. 2 OR.27 Der Agent hat demnach Anspruch auf Schadenersatz in der Höhe des hypothetischen Einkommens, welches er während der Kündigungsfrist erzielt hätte (Art. 337c Abs. 1

21 Maissen, N 64 und N 67. 22 BSK  OR-Wettenschwiler, Art.  418p N  1; s. auch Maissen, N  65, die es allerdings als inkonsistent erachtet, dass die Parteien bei der konkludenten Zustimmung zur Vertragsverlängerung nach Art. 418p Abs. 2 OR besser geschützt sind als bei der fingierten Zustimmung nach Art. 418p Abs. 3 OR. 23 Kuko OR-Vlcek, Art. 418q N 2. 24 BGE 4C.270/2002 E. 2.4; Fountoulakis, 79; Hofstetter, 191; Honsell, OR BT, 392. 25 BGE 4A_212/2013 E. 2.1; 4A_433/2011 E. 5; 136 III 518 E. 4; ZK OR-Bühler, Art. 418r N 3 ff. m.w.H. zur Kasuistik. 26 BGE 136 III 518 E. 5; 125 III 14 E. 2a; kritisch etwa ZK OR-Bühler, Art. 418r N 8, und BSK OR-Wettschwiler Art. 418r N 2, welche bei Fehlen eines wichtigen Grundes die Möglichkeit der Fortführung des Agenturvertrages bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin befürworten. 27 BGE 4A_544/2015 E. 2 und E. 3; 4A_212/2013 E. 3 und E. 4; 125 III 14 E. 2a.

1145

5. Kapitel

Nominatverträge

und Abs. 2  OR).28 Gemäss dem Bundesgericht erfasst der Verweis von Art.  418r Abs.  2  OR auch Art.  337c Abs.  3  OR, wonach das Gericht dem Agenten zusätzlich zum Schadenersatz eine Entschädigung für den durch die ungerechtfertigte Kündigung erlittenen Persönlichkeitseingriff zusprechen kann.29 Daneben besteht bei gegebenen Voraussetzungen auch ein Anspruch auf Kundschaftsentschädigung (Art.  418u  OR; s.  N  3421  ff.).30 Diese vermögensrechtlichen Folgen gelten auch dann, wenn der Agent selbst Anlass zur Kündigung gegeben hat, sein Verhalten die Auftraggeberin jedoch nicht zu einer Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt.31 Bei einer fristlosen Kündigung ohne wichtigen Grund durch den Agenten gelangt Art. 337d OR zur Anwendung. Danach hat die Auftraggeberin grundsätzlich Anspruch auf einen Viertel des Monatseinkommens sowie auf Entschädigung allfälligen weiteren Schadens (Art. 337d Abs. 1 i.V.m. Art. 418r Abs. 2 OR). 2.4 3400

3401

Tod, Handlungsunfähigkeit und Konkurs (Art. 418s OR)

Andere Beendigungsgründe sind nach Art. 418s OR der Tod und der Eintritt der Handlungsunfähigkeit des Agenten (Art.  418s Abs.  1  OR) bzw. der Konkurs der Auftraggeberin (Art. 418s Abs. 1 OR) und deren Tod, sofern der Vertrag wesentlich mit ihrer Person zusammenhängt (Art. 418s Abs. 2 OR).

IV.

Pflichten des Agenten (Art. 418c–418d OR)

1.

Pflicht zum sorgfältigen Tätigwerden

Der Agent ist verpflichtet, im Interesse der Auftraggeberin – je nach Vertrag als Vermittlungs- oder Abschlussagent – tätig zu werden.32 Der Agent untersteht gemäss Art. 418c Abs. 1 OR den gleichen Sorgfaltspflichten, die ein ordentlicher Kaufmann beachten muss (s. Art. 398 und Art. 321e Abs. 2 OR). Die Lehre legt diese Bestim28 29

BGE 125 III 14 E. 2b; s. auch BGE 4A_544/2015 E. 2; 4A_212/2013 E. 3. BGE 4A_544/2015 E. 3; 4A_212/2013 E. 4; s. Guhl/Schnyder, § 50 N 50; CHK OR-Mathys, Art. 418r N  8; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N  5172. Kritisch bezüglich der Anwendbarkeit von Art.  337c Abs.  3  OR beispielsweise Mirfakhraei, AJP 2014, 1256  ff. m.w.H.; differenzierend auch ZK  OR-Bühler, Art. 418r N 11 ff. 30 BGE 4A_544/2015 E. 4; 4A_212/2013 E. 5; s. auch Mirfakhraei, AJP 2014, 1259. Allenfalls kann bei gegebenen Voraussetzungen auch ein Anspruch auf Karenzentschädigung bestehen (Art. 418d Abs. 2 OR); s. hierzu Mirfakhraei, AJP 2014, 1259. 31 S. BGE 4A_212/2013 E. 2.2 und E. 2.4, wonach Vorbereitungshandlungen für die Zeit nach Ende des Agenturvertrages die Treuepflicht des Agenten nicht verletzen und keinen wichtigen Grund für eine sofortige Vertragsauflösung darstellen, solange keine Kunden oder Mitarbeiter abgeworben werden; so auch BGE 4A_544/2015. 32 Hofstetter, 199.

1146

§ 38

Agenturvertrag (Art. 418a–418v OR)

mung in dem Sinn aus, dass damit der gleiche Sorgfaltsmassstab wie in Art. 398 Abs. 1 OR gemeint ist.33 Verstösst der Agent gegen die Sorgfaltspflicht, haftet er aus Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 418c Abs. 1 OR.

2.

Treuepflicht

Eine allgemeine Treuepflicht geht aus dem Gesetz nicht direkt hervor, ergibt sich 3402 jedoch aus der mittelbaren Anwendbarkeit des Auftragsrechts (für den Abschlussagenten ferner auch aus der kommissionsvertragsrechtlichen Spezialbestimmung von Art. 433 i.V.m. Art. 418b OR).34 Gesetzlich spezifisch geregelt sind – als besondere Elemente der Treuepflicht – nur die Geheimhaltungspflicht und das (nachvertragliche) Konkurrenzverbot (Art. 418d OR). Einer Geheimhaltungspflicht unterliegt der Agent auch nach Beendigung des Agenturvertrages (Art. 418d Abs. 1 OR). Zu den Geschäftsgeheimnissen im Sinne von Art.  418d Abs.  1  OR gehören z.B. die Bilanzen und Inventare sowie die Kundenlisten.35 Soll ein Konkurrenzverbot über die Dauer des Agenturvertrages hinaus bestehen, sind die Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts (Art. 418d Abs. 2 i.V.m. Art. 340 ff. OR) sowie Art. 27 ZGB zu beachten. Ein solches Konkurrenzverbot ist zwingend zu entschädigen (s. zur Karenzentschädigung N 3424 ff.).36 Wurde schriftlich nichts anderes vereinbart, darf der Agent auch für andere Auf- 3403 traggeberinnen tätig werden (Art.  418c Abs.  2  OR). Während der Vertragsdauer beurteilt sich die Rechtslage somit nicht nach Art. 418d Abs. 2 OR, sondern nach Art. 418c Abs. 2 OR.37 Aus der Treuepflicht ergibt sich jedoch, dass Konkurrenztätigkeiten des Agenten einer entsprechenden Zustimmung der Auftraggeberin bedürfen.38 Aus der Treuepflicht fliesst auch das Verbot der Doppelvermittlung (Provisionsbe- 3404 zug von der Auftraggeberin und vom Kunden) und -vertretung. Die abgeschlossenen Verträge werden zwar nicht ungültig, aber der Agent ist zur Rückerstattung der Provision und allenfalls zu Schadenersatz verpflichtet (s. Art. 415 OR).39 Der Agent darf ferner nicht mit sich selbst kontrahieren. Ein solcher Vertrag wäre ohne Geneh33 34 35 36

ZK OR-Bühler, Art. 418c N 10. S. dazu Honsell, OR BT, 390 f. Engel, CO PS, 545; s. BK OR-Gautschi, Art. 418d N 2a. Zu den Grundlagen, der Natur und den Voraussetzungen des Konkurrenzverbots ausführlich ZK OR-Bühler, Art. 418d N 24 ff. 37 BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418d N 4; s. BGE 4A_212/2013 E. 2.2. 38 Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N  5085; BSK  OR-Wettenschwiler, Art.  418c N  4. S. auch BGE 4A_212/2013 E. 2.2 und E. 2.4 je m.w.H., wonach Vorbereitungshandlungen zur Aufnahme einer konkurrierenden Tätigkeit für die Zeit nach Ende des Agenturvertrages die Treuepflicht des Agenten nicht verletzen, wenn während der Vertragsdauer keine konkrete Abwerbung von Kunden oder Mitarbeitern erfolgt; so auch BGE 4A_544/2015. 39 BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418c N 5 m.w.H.

1147

5. Kapitel

Nominatverträge

migung durch die Auftraggeberin nichtig.40 Allerdings kommen in der Praxis auch mit anderen Vertragstypen zusammengesetzte Agenturverträge vor.41 Genannt sei das Beispiel eines Vermittlungsagenten, der neben seiner Vermittlungstätigkeit die Erlaubnis hat, als Eigenhändler im Sinne von Art.  436  f.  OR Waren einzukaufen und weiterzuverkaufen.42 Anwendbar sind vorbehältlich besonderer Vereinbarungen die Regeln über das Insichgeschäft (s. N 1077 ff.).

3. 3405

Weisungen der Auftraggeberin hat der Agent dann zu befolgen, wenn sie die konkreten zu vermittelnden oder abzuschliessenden Geschäfte betreffen. Nicht zu beachten hat er indessen Weisungen über die Organisation der Agentur.43 Der Agent ist selbständiger Unternehmer und muss sich darum nicht vorschreiben lassen, wie er seinen Betrieb zu gestalten hat.44 Begrenzt wird diese Freiheit durch die Pflicht zur sorgfältigen Geschäftserledigung und durch entsprechende Parteivereinbarungen.45 Die Treuepflicht (Art. 418c OR) führt zu keiner weiteren Weisungsgebundenheit.46

4. 3406

Weisungsbefolgungspflicht

Delkredere-Risiko (Art. 418c Abs. 3 OR)

Gestützt auf eine schriftliche Vereinbarung kann sich der Agent gegen besonderes Entgelt (Delkredere-Provision) verpflichten, das Delkredere-Risiko zu tragen (Art. 418c Abs. 3 OR). Übernahme des Delkredere-Risikos bedeutet, dass der Agent eine Garantiehaftung für die Erfüllung der Schulden der von ihm vermittelten Kunden übernimmt.47 Diese umfasst die Haftungsübernahme für die Erfüllung an sich sowie die Haftungsübernahme für die Kosten der Einbringung von Forderungen (Inkassokosten: Mahnungs-, Betreibungs- und Gerichtskosten). Die Parteien können dabei vereinbaren, ob die Delkredere-Haftung für alle oder nur für einzelne Geschäfte übernommen wird.48 Die Rechtsnatur der Delkredere-Haftung ist in der Literatur im Übrigen umstritten: Ein Teil der Lehre qualifiziert diese als Garantieversprechen im Sinne von Art. 111 OR49, während ein anderer Teil der Lehre die 40 41 42 43 44 45 46 47 48

ZK OR-Bühler, Art. 418c N 5 und N 7 m.w.H. S. dazu BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418a N 7. S. BGE 100 II 34 E. 3. BGE 136 III 518 E. 4.4. Hofstetter, 200. BGE 136 III 518 E. 4.4; ZK OR-Bühler, Art. 418a N 17 und N 32. BGE 136 III 518 E. 4.4. S. etwa ZK OR-Bühler, Art. 418c N 33 ff.; Honsell, OR BT, 393; Guhl/Schnyder, § 50 N 57. ZK OR-Bühler, Art. 418c N 33 f. und N 38; BK OR-Gautschi, Art. 418c N 2c; Guhl/Schnyder, § 50 N 57; CHK OR-Mathys, Art. 418c N 7. 49 BK OR-Gautschi, Art. 418c N 8b; Honsell, OR BT, 393; CHK OR-Mathys, Art. 418c N 7; BSK ORWettenschwiler, Art. 418c N 6.

1148

§ 38

Agenturvertrag (Art. 418a–418v OR)

Delkredere-Haftung mit dem Argument, es handle sich um eine akzessorische Verpflichtung, in die Nähe der einfachen Bürgschaft (Art. 492 OR) rückt50. Auch ohne Übernahme des Delkredere-Risikos ergibt sich aus der Sorgfaltspflicht 3407 des Agenten, dass er die Zahlungsfähigkeit der Kunden zu prüfen hat.51 Unterlässt der Agent diese Prüfung, verletzt er Art. 418c Abs. 1 OR (zu den Konsequenzen daraus s. N 3401).

V.

Rechte des Agenten und Vermutungen

1.

Vermutung der blossen Vermittlungsagentur (Art. 418e OR)

Mangels abweichender Vereinbarung (und Vollmachterteilung) durch die Auftrag- 3408 geberin ist der Agent gemäss Art. 418e Abs. 2 OR nicht befugt, Verträge im Namen und auf Rechnung der Auftraggeberin zu schliessen, Zahlungen entgegenzunehmen, Zahlungsfristen zu gewähren oder andere Vertragsänderungen zu vereinbaren (Vermutung der blossen Vermittlungsagentur, ergänzt durch Mäklerrecht; Art. 418b Abs. 1 OR). Bis zum Geschäftsabschluss beschränken sich die Kompetenzen des Vermittlungs- 3409 agenten auf das Zuführen von Kunden. Weder die Auftraggeberin noch die vermittelten Kunden werden zum Vertragsabschluss verpflichtet.52 Nach Abschluss des Vertrages ergeben sich weitere Kompetenzen aus Art. 418e Abs. 1 OR (Entgegennahme von Willenserklärungen des jeweiligen Dritten hinsichtlich allfälliger Leistungsstörungen, Beweissicherung). Begründet die Auftraggeberin hingegen mittels entsprechender Bevollmächtigung 3410 eine Abschlussagentur (ergänzt durch Kommissionsrecht; Art. 418b Abs. 1 OR), ist der Agent berechtigt, im Namen und auf Rechnung der Auftraggeberin (als direkter Stellvertreter) Verträge abzuschliessen.

2.

Recht auf Unterstützung durch die Auftraggeberin (Art. 418f Abs. 1 und Abs. 2 OR)

Der Agent hat Anspruch darauf, dass die Auftraggeberin alles tut, damit seine Tätig- 3411 keit als Agent Aussicht auf Erfolg hat. So kann die willkürliche Ablehnung eines 50 ZK OR-Bühler, Art. 418c N 36; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5096. Auf die Ähnlichkeit zur Bürgschaft verweist auch bereits die Botschaft zum Agenturvertrag; s. BBl 1947 III 674. 51 Honsell, OR BT, 393. 52 BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418a N 6.

1149

5. Kapitel

Nominatverträge

vom Agenten vermittelten Vertragsabschlusses gegen Art. 418f OR verstossen.53 Die Auftraggeberin treffen insbesondere Informations- und Aufklärungspflichten über Entwicklungen, die sich auf das Agenturverhältnis auswirken (Art. 418f Abs. 1 und Abs. 2 OR). Sie hat dem Agenten im Übrigen auch die nötigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen (Art. 418f Abs. 1 OR), wobei der Begriff «Unterlagen» eher weit zu fassen ist: Es kann sich um Kataloge, Muster, Vorführungsmaterial etc. handeln.54 3412

Verletzt die Auftraggeberin diese Unterstützungspflichten, wird sie dem Agenten entschädigungspflichtig.55 Der Anspruch stützt sich dabei auf Art. 418f Abs. 1 und Abs. 2 OR i.V.m. Art. 418m Abs. 1 OR. Die Auftraggeberin hat dem Agenten demnach eine angemessene Entschädigung zu bezahlen, wenn sie ihn durch Verletzung ihrer gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten schuldhaft daran hindert, die Provision im vereinbarten oder zu erwartenden Umfang zu verdienen.56 Insbesondere darf die Auftraggeberin die Vermittlungstätigkeit des Agenten nicht durch ihr Verhalten im Sinne von Art. 97 OR verunmöglichen, ansonsten wird sie ersatzpflichtig.57 Mit «angemessener Entschädigung» (Art. 418 Abs. 1 OR) ist voller Schadenersatz im Sinne des Erfüllungsinteresses gemeint. Der Agent hat Anspruch auf den entgangenen Gewinn, welcher sich nach der vereinbarten bzw. zu erwartenden Provision (abzüglich allfälliger ersparter Aufwendungen) berechnet.58

3. 3413

Vermutung der Exklusivität (Art. 418f Abs. 3 OR)

Wurde dem Agenten ein bestimmtes Gebiet oder ein bestimmter Kundenkreis zugesprochen, so vermutet das Gesetz, dass der Agent in diesem Bereich Anspruch auf Exklusivität hat (Art. 418f Abs. 3 OR).59 Eine anderslautende Vereinbarung muss schriftlich getroffen werden. Umgekehrt darf der Agent aber auch für andere Auftraggeberinnen tätig werden, wenn schriftlich nichts anderes vereinbart worden ist (Art. 418c Abs. 2 OR).

53 54 55 56 57 58 59

BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418f N 1. Engel, CO PS, 546. BGE 122 III 66 E.  3c und E.  3d; s. ZK  OR-Bühler, Art.  418f N  6; CHK  OR-Mathys, Art.  418f N  7; OFK OR-Spoerri, Art. 418f N 7; BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418f N 1. CHK  OR-Mathys, Art.  418m N  1; OFK  OR-Spoerri, Art.  418m N  1; BSK  OR-Wettenschwiler, Art. 418m N 1. BGE 122 III 66 E. 3b, E. 3c und E. 3d. BGE 122 III 66 E. 3d; s. ZK OR-Bühler, Art. 418m N 7; CHK OR-Mathys, Art. 418m N 2; OFK ORSpoerri, Art.  418m N  4; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N  5154; BSK  OR-Wettenschwiler, Art. 418m N 1. S. auch BGE 122 III 66 E. 3b aa.

1150

§ 38

4.

Agenturvertrag (Art. 418a–418v OR)

Retentionsrecht (Art. 418o OR)

Gemäss Art. 418o OR steht dem Agenten ein Retentionsrecht zur Sicherung der fäl- 3414 ligen – bei Zahlungsunfähigkeit der Auftraggeberin auch der noch nicht fälligen – Ansprüche zu. Es handelt sich dabei nicht nur um ein dingliches Retentionsrecht im Sinne von Art. 895 ff. ZGB, sondern um ein qualifiziertes Retentionsrecht, dessen Schutz über das dingliche Retentionsrecht hinausgeht.60 Das Retentionsrecht erstreckt sich auf sämtliche beweglichen und verwertbaren Sachen, die der Agent aufgrund des Agenturvertrages besitzt; explizit ausgenommen sind nach Art. 418o Abs. 2 OR Preistarife und Kundenverzeichnisse.61 Weiter erstreckt sich das Retentionsrecht auch auf sämtliche Geldleistungen Dritter, die der Agent gestützt auf seine Inkassovollmacht entgegengenommen hat (Art. 418o Abs. 1 OR). Nach mehrheitlicher Lehre muss der Agent vor Ausübung des Retentionsrechts die aufgrund einer Inkassovollmacht von ihm entgegengenommenen Zahlungen verwenden, um seine fälligen Geldforderungen zu sichern. Mit anderen Worten muss der Agent vorab die an ihn geleisteten Zahlungen mit seinen Ansprüchen verrechnen (Art. 120 OR).62 Ausgeschlossen sind Verrechnung und Retentionsrecht dagegen bei Geldern, welcher der Agent ohne Inkassovollmacht entgegengenommen hat.63

5.

Provisionsanspruch (Art. 418g–418l OR)

Die Auftraggeberin schuldet die vereinbarte oder übliche Provision für alle 3415 Geschäfte, die der Agent während des Vertragsverhältnisses vermittelt bzw. abschliesst (Art. 418g Abs. 1 OR). Dass der Agent überhaupt über die nötigen Informationen verfügt, um den Umfang seiner Provision bestimmen zu können, stellt Art.  418k  OR64 sicher. Die Bestimmung auferlegt der Auftraggeberin eine periodische Abrechnungspflicht (Art.  418k Abs.  1  OR) und sieht ein Einsichtsrecht des Agenten in die für die Abrechnung massgebenden Unterlagen vor (Art. 418k Abs. 2 OR). Im Einzelnen ist in folgenden Fällen eine Provision geschuldet:

3416

• Der Abschlussagent schliesst im Namen der Auftraggeberin mit einem Dritten einen gültigen Vertrag ab. • Ein durch den Agenten vermitteltes Geschäft wird durch die Auftraggeberin abgeschlossen. Der Anspruch besteht selbst dann, wenn der Vertrag erst nach 60 S. ZK OR-Bühler, Art. 418o N 3; s. auch Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5144. 61 BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418o N 2. 62 CHK  OR-Mathys, Art.  418o N  3; OFK  OR-Spoerri, Art.  418o N  5; BSK  OR-Wettenschwiler, Art. 418o N 2. 63 OFK OR-Spoerri, Art. 418o N 5. 64 S. BGE 4A_92/2013 E. 7.

1151

5. Kapitel

Nominatverträge

Beendigung des Agenturverhältnisses eingegangen wird, sofern nur die Vermittlung während der Vertragsdauer erfolgt ist.65 Zwischen der Tätigkeit des Agenten und dem Geschäftsabschluss muss wie beim Mäklervertrag ein (psychologischer) Kausalzusammenhang bestehen (s. N 3356 ff.).66 Die Vermittlungstätigkeit des Agenten muss aber nicht ausschliesslicher oder überwiegender Grund für den Vertragsschluss sein.67 Eine Ausnahme vom (psychologischen) Kausalzusammenhang besteht beim Exklusivagenten. Dieser hat Anspruch auf Provision für alle Geschäfte, die mit ihm zugewiesenen Kunden – auch ohne seine Mitwirkung – während des Bestehens des Agenturverhältnisses abgeschlossen werden (Art. 418g Abs. 2 OR),68 sofern er die betreffenden Waren oder Dienstleistungen in seinem Sortiment führt.69 • Zusätzlich besteht ein Provisionsanspruch für alle Verträge gleicher Art zwischen der Auftraggeberin und dem jeweiligen vom Agenten geworbenen Kunden, welche die Auftraggeberin auch ohne weitere Tätigkeit des Agenten während des Bestehens des Agenturvertrages abschliessen kann (Art. 418g Abs. 1 OR). Der Grund für diesen Anspruch liegt darin, dass der Agent bei geeigneter Tätigkeit vermutungsweise das Interesse des Kunden für Geschäfte mit der Auftraggeberin geweckt hat (Vermutung des psychologischen Kausalzusammenhangs).70 Für Nachbestellungen eines vom Agenten geworbenen Kunden gelangt Art. 418t Abs. 1 OR zur Anwendung. 3417

Der Provisionsanspruch entsteht, sobald das Rechtsgeschäft gültig (das heisst weder nichtig noch anfechtbar71) abgeschlossen worden ist (Art. 418g Abs. 3 OR). Er fällt nachträglich insoweit dahin, als bei einem gültig abgeschlossenen Geschäft aus einem Grund, den die Auftraggeberin nicht zu vertreten hat, eine Leistungsstörung auftritt (Art. 418h Abs. 1 OR).72 Hat die Auftraggeberin ihre Leistung gemäss Hauptvertrag bereits vollständig erbracht und bleibt die Gegenleistung des Dritten gänzlich oder zu einem erheblichen Teil aus, hat der Agent im Gegensatz zum Mäklervertrag keinen Provisionsanspruch (Art. 418h Abs. 2 OR). Hat die Auftraggeberin indessen (auch ohne Verschulden) die Gründe für das Ausbleiben der Leistung zu vertreten, bleibt der Provisionsanspruch bestehen.73

65 66 67 68 69 70 71 72 73

1152

BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418g N 2. BGE 4C.249/2005 E. 3; Hofstetter, 195. Hofstetter, 176. S. BGE 121 III 414 E. 1a; Hofstetter, 195. S. BGE 4C.249/2005 E. 4; Fountoulakis, 72 f. BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418g N 3. S. CR CO-Dreyer, Art. 418g N 7. Bucher, OR BT, 243. BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418h N 1; s. CHK OR-Mathys, Art. 418g–k N 12 m.w.H.

§ 38

Agenturvertrag (Art. 418a–418v OR)

Der Provisionsanspruch des Agenten fällt im Übrigen bei unredlichem Verhal- 3418 ten gegenüber der Auftraggeberin dahin (Art.  418b i.V.m. Art.  433  OR für den Abschlussagenten und Art. 418b i.V.m. Art. 415 OR für den Vermittlungsagenten).74

6.

Entschädigungsansprüche und zusätzliche Provision

6.1

Im Allgemeinen (Art. 418m und Art. 418n OR)

Hindert die Auftraggeberin den Agenten durch schuldhafte Verletzung ihrer ver- 3419 traglichen oder gesetzlichen Pflichten daran, die Provision zu verdienen, hat der Agent Anspruch auf eine angemessene Entschädigung (Art.  418m Abs.  1  OR; s. Art. 418f OR).75 Für die üblichen, mit seiner Tätigkeit verbundenen Kosten und Auslagen steht dem Agenten gemäss Art. 418n Abs. 1 OR kein Entschädigungsanspruch zu. Etwas anderes gilt nur für besondere, durch Weisungen der Auftraggeberin entstandene Kosten (in Anlehnung an die auftragsrechtliche Regelung von Art. 402 Abs. 1 OR) sowie für Aufwendungen im Rahmen einer echten Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 422 Abs. 1 OR).76 6.2

Inkasso- und Delkredere-Provision (Art. 418c und Art. 418l OR)

Für die vom Agenten auftragsgemäss eingezogenen und übergebenen Beträge 3420 steht ihm eine Inkasso-Provision zu, sofern nichts anderes vereinbart wurde oder üblich ist (Art. 418l OR). Falls er das Delkredere-Risiko zu tragen hat, hat er gemäss Art. 418c Abs. 3 OR auch Anspruch auf eine Delkredere-Provision. 6.3

Kundschaftsentschädigung (Art. 418u OR)

Nach Beendigung des Agenturvertrages haben der Agent oder nach dessen Tod 3421 seine Erben gemäss Art. 418u OR einen unabdingbaren Anspruch auf eine Kundschaftsentschädigung, falls der Agent den Kundenkreis zum nachhaltigen Vorteil der Auftraggeberin wesentlich erweitert hat und der Anspruch nicht unbillig erscheint (Art. 418u Abs. 1 OR):77 • Das Agenturverhältnis muss aufgelöst worden sein;78 • die Erweiterung des Kundenstammes muss auf die Tätigkeit des Agenten zurückzuführen sein.79 Sie muss ausserdem wesentlich sein, wobei der Umsatz bzw. das 74 75 76 77 78 79

Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5136. S. BGE 122 III 66 E. 3d. Honsell, OR BT, 394; CHK OR-Mathys, Art. 418n N 4 ff.; BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418n N 2. Ausführlich zu den einzelnen Voraussetzungen s. Mirfakhraei, fin de contrat, N 277 ff. BGE 4A_261/2007 E. 3.1. BGE 4C.218/2005 E. 4.2; CHK OR-Mathys, Art. 418u N 6.

1153

5. Kapitel

Nominatverträge

Umsatzpotenzial massgebend sind.80 Das Bundesgericht hat die Wesentlichkeit bei einem Zuwachs von 85 auf 123 Kunden innerhalb von 17 Monaten81 sowie für das Anwerben von ca. 200 neuen Kunden innerhalb von 11 Jahren82 bejaht; • der Auftraggeberin oder ihrer Nachfolgerin müssen erhebliche Vorteile erwachsen (Art. 418u Abs. 1 OR), was der Fall ist, wenn die Kunden ihr treu bleiben und sich weiterhin an sie wenden, um ihren Bedarf zu decken.83 Davon kann wiederum nur bei Waren des wiederkehrenden Bedarfs (z.B. Kleidung) ausgegangen werden;84 • Unbilligkeit kann den Anspruch mindern oder ganz ausschliessen.85 Eine Kundschaftsentschädigung ist insoweit unbillig, als der Agent für die Vorteile, welche der Auftraggeberin aus dem Agenturvertrag erwachsen, bereits hinreichend entschädigt worden ist.86 Dies kann z.B. bei überdurchschnittlicher Entlöhnung, besonders vorteilhaften Fürsorgeleistungen oder einem langen Vertragsverhältnis der Fall sein.87 3422

Der Anspruch ist auf einen Nettojahresverdienst aus dem Agenturvertrag beschränkt (Art. 418u Abs. 2 OR). Er entfällt, wenn der Agent den Auflösungsgrund zu vertreten hat (Art. 418u Abs. 3 OR). Dies ist klarerweise dann der Fall, wenn er die Vertragsauflösung – unabhängig davon, ob diese nun durch ihn selbst oder durch die Auftraggeberin erfolgt  – zu verantworten hat.88 Ein Verschulden des Agenten ist allerdings nicht vorausgesetzt. Vielmehr genügt es bereits, wenn er der Auftraggeberin begründeten Anlass zur Vertragsauflösung gibt oder aber selbst den Vertrag ohne begründeten Anlass beendet.89 Ein Anlass zur Kündigung durch den Agenten besteht jedoch z.B., wenn diese altershalber begründet ist.

3422a

Der Agent trägt die Beweislast für die Erweiterung des Kundenstamms der Auftraggeberin, deren Wesentlichkeit sowie für den Kausalzusammenhang zwischen seiner Tätigkeit und der damit verbundenen Erweiterung des Kundenstamms. Auch muss er beweisen, dass der Auftraggeberin hieraus erhebliche Vorteile erwachsen, wobei an diesen Nachweis gemäss Bundesgericht keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sind. Gelingt dem Agenten der Beweis, obliegt es in der Folge der Auftraggeberin, darzutun, dass die Auflösung des Agenturverhältnisses vom Agenten zu 80 81 82 83 84 85 86

CHK OR-Mathys, Art. 418u N 8; BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418u N 6. BGE 84 II 164 E. 4. BGE 103 II 277 E. 2. BGE 4A_544/2015 E. 4.1 m.w.H.; 4C.218/2005 E. 5.2 m.w.H. BGE 103 II 277 E. 3a; Fountoulakis, 85; CHK OR-Mathys, Art. 418u N 10. S. etwa BGE 4A_544/2015 E. 4.1. m.w.H. BGE 110 II 476 E. 3e; CR CO-Dreyer, Art. 418u N 11; CHK OR-Mathys, Art. 418u N 11; Mirfakhraei, fin de contrat, N 306; s. zum Ganzen ZK OR-Bühler, Art. 418u N 41 ff. m.w.H. 87 BGE 110 II 476 E. 3a. 88 S. etwa BGE 110 II 280 E. 3c = Pra 1984 Nr. 213. 89 BGE 4A_433/2011 E. 6, wonach eine fristlose Kündigung ohne wichtigen Grund (Art. 337 OR) nicht per se eine Kündigung ohne Anlass darstellt; s. ferner BGE 110 II 280 E. 3c = Pra 1984 Nr. 213; Honsell, OR BT, 395.

1154

§ 38

Agenturvertrag (Art. 418a–418v OR)

vertreten ist oder dass die Zusprechung einer Kundschaftsentschädigung ganz oder teilweise unbillig wäre.90 Warum überhaupt eine Kundschaftsentschädigung geschuldet sein soll, bedarf der 3423 Begründung: Weder liegt eine bereits erfolgte ungerechtfertigte Bereicherung der Auftraggeberin noch eine widerrechtliche Schädigung des Agenten vor. Die Kundschaftsentschädigung stellt vielmehr eine gesetzliche Gegenleistung für einen erheblichen Vorteil dar, den die Auftraggeberin nach Beendigung des Vertrages weiter nutzen kann (aber nicht muss).91 Dies lässt sich dann rechtfertigen, wenn die Provision des Agenten das zusätzliche wirtschaftliche Gut «Kundenstamm» bzw. dessen Erweiterung nicht abdeckt. Inwiefern der Kundenstamm verändert wurde, lässt sich erst bei Vertragsende und nicht bereits bei Festlegung der Provision am Vertragsanfang beurteilen. Da der Agent den Kundenstamm nicht mehr selber nutzen kann, steht ihm eine Abgeltung zu.92 Diesbezüglich bezweckt die Kundschaftsentschädigung auch einen Investitionsschutz.93 Dass der Anspruch auf die Kundschaftsentschädigung zwingend ausgestaltet ist, resultiert aus dem vom Gesetzgeber angenommenen generellen Schutzbedürfnis des Agenten. 6.4

Karenzentschädigung (Art. 418d Abs. 2 OR)

Wurde ein nachvertragliches Konkurrenzverbot gemäss Art. 418d Abs. 2 OR ver- 3424 einbart, steht dem Agenten ein zwingend ausgestalteter Anspruch auf eine Karenzentschädigung zu (s. bereits N  3402). Der Grund für diese Entschädigung liegt darin, dass der Agent nach Ende des Vertrages keine die Aktivität der Auftraggeberin konkurrierende Tätigkeit ausführen darf (s. Art. 340 Abs. 1 OR). Als Gegenwert für diesen Ausfall steht ihm eine gesetzliche Entschädigung zu.94 Haben die Parteien die Höhe derselben nicht selber bestimmt, kann das Gericht sie nach seinem Ermessen festlegen (Art. 4 ZGB). Es kann ferner auch eine vertraglich vereinbarte Karenzentschädigung auf ihre Angemessenheit hin prüfen. Ausgangspunkt ist das Einkommen, das der Agent bei Aufnahme einer konkurrierenden Tätigkeit hätte erzielen können. Das Bundesgericht bringt davon den tatsächlich neu erzielten oder den zumutbaren, aber versäumten Ersatzverdienst in Abzug.95 Verstösst der Agent gegen das Konkurrenzverbot, kann die Auftraggeberin die bereits entrichtete Karenzentschädigung aus ungerechtfertigter Bereicherung zurückfordern (Art. 62 ff. OR).96 90 S. zum Ganzen etwa BGE 4A_544/2015 E. 4.1; 4A_335/2014 E. 4.4; 134 III 497 E. 4.1 = Pra 2009 Nr. 19; 103 II 277 E. 2; s. ferner Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5185. 91 S. BGE 4A_544/2015 E. 4.1; 134 III 497 E. 4.1 = Pra 2009 Nr. 19; 122 III 66 E. 3d. 92 S. zum Ganzen Hofstetter, 197. 93 Ausführlich Vetsch/von der Crone, SZW 2009, 86. 94 S. etwa Kull, 373. 95 S. BGE 95 II 143 E. II.5; kritisch BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418d N 7. 96 BK OR-Gautschi, Art. 418d N 8a; BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418d N 5.

1155

5. Kapitel

Nominatverträge

3424a

Gemäss dem Wortlaut von Art. 418d Abs. 2 OR hat der Agent einen Anspruch auf Karenzentschädigung «bei Auflösung des Vertrages». Demzufolge besteht dieser Anspruch unabhängig davon, auf welche Art der Vertrag endet, durch welche Partei die Kündigung erfolgt, aus welchem Grund das Vertragsverhältnis beendet wird und welche Partei die Beendigung zu verantworten hat.97

3424b

Eine Karenzentschädigung ist zunächst in all denjenigen Fällen zu leisten, in welchen der Agent den Vertrag beendet hat. So steht dem Agenten beispielsweise eine Karenzentschädigung zu, wenn er selbst den Vertrag ohne wichtigen Grund (ordentlich) kündigt.98 Der Anspruch auf Karenzentschädigung entfällt  – im Gegensatz zum Anspruch auf Kundschaftsentschädigung (Art.  418u Abs.  3  OR)  – grundsätzlich auch dann nicht, wenn der Agent die Vertragsauflösung zu vertreten hat.99 Ein Verlust der Karenzentschädigung ist gemäss Bundesgericht allenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn der Agent der Auftraggeberin durch sein Verhalten Anlass gegeben hätte, den Vertrag aus wichtigen Gründen zu kündigen, aber der Entlassung durch eigene Kündigung zuvorkommt.100 Ungeachtet der bundesgerichtlichen Überlegungen zu dieser Sonderkonstellation bleibt der Anspruch auf Karenzentschädigung unseres Erachtens selbst bei einer gerechtfertigten fristlosen Kündigung durch die Auftraggeberin aus einem wichtigen vom Agenten zu vertretenden Grund bestehen. Zur Sanktionierung des vertragswidrigen Verhaltens des Agenten während der Dauer des Vertragsverhältnisses stehen eigens geschaffene (Schadenersatz-)Mechanismen zur Verfügung (s. N 3399). Dieses Verhalten zusätzlich mit dem Verlust der Karenzentschädigung zu bestrafen, ist nicht angezeigt, zumal der Zweck der Karenzentschädigung (nämlich die Abgeltung der nachvertraglichen Konkurrenzenthaltung) in keinem Zusammenhang mit dem vertragswidrigen Verhalten steht.101

3424c

Sodann ist auch in denjenigen Fällen eine Karenzentschädigung zu entrichten, in denen die Auftraggeberin den Vertrag beendet hat oder die Beendigung zu vertreten hat. Insbesondere besteht ein solcher Anspruch unseres Erachtens auch dann, wenn die Auftraggeberin den Vertrag kündigt, ohne dass der Agent ihr hierzu einen begründeten Anlass gegeben hätte. Gleiches gilt, wenn der Agent das Vertragsverhältnis mit der Auftraggeberin aus einem begründeten, von ihr zu vertretenden Grund auflöst. Nach einem Teil der Lehre fällt das Konkurrenzverbot (und mit ihm der Anspruch auf Karenzentschädigung) in diesen Fällen dahin (Art. 340c

97 98

S. BGE 95 II 143 E. II.3. BGE 95 II 143 E.  II.3; s. statt vieler ZK  OR-Bühler, Art.  418d N  49; Hofstetter, 196; CHK  ORMathys, Art. 418d N 9; Mirfakhraei, fin de contrat, N 561; OFK OR-Spoerri, Art. 418d N 10; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5091; BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418d N 5. 99 BGE 95 II 143 E. II.3; s. auch ZK OR-Bühler, Art. 418d N 44; Mirfakhraei, fin de contrat, N 561. 100 BGE 95 II 143 E. II.3; s. hierzu die Kritik bei Mirfakhraei, fin de contrat, N 563; s. auch Kull, 384 f. 101 Ebenso Mirfakhraei, fin de contrat, N 562 ff.

1156

§ 38

Agenturvertrag (Art. 418a–418v OR)

Abs. 2 i.V.m. Art. 418d Abs. 2 OR)102.103 Dem kann entgegengehalten werden, dass Art. 340c Abs. 2 OR seinem Sinn nach auf unentgeltliche Konkurrenzverbote zugeschnitten ist. Die Norm will den Arbeitnehmer davor schützen, ein für ihn nachteiliges Konkurrenzverbot einhalten zu müssen, wenn die Arbeitgeberin die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu vertreten hat.104 Demgegenüber ist das Konkurrenzverbot des Agenten zwingend entgeltlich, weshalb die Aufrechterhaltung des Konkurrenzverbots diesfalls sogar im Interesse des Agenten sein kann. Bei vorbehaltloser analoger Anwendung von Art. 340c Abs. 2 OR könnte sich die Auftraggeberin der Pflicht zur Entrichtung der Karenzentschädigung dadurch entledigen, dass sie den Vertrag ohne begründeten Anlass auflöst. Eine solche faktische einseitige Aufhebungsmöglichkeit ist abzulehnen (s. hierzu sogleich N 3424e). Folglich muss der Anspruch auf Karenzentschädigung auch dann aufrechterhalten bleiben, wenn die Auftraggeberin die Vertragsauflösung zu vertreten hat.105 Aus ähnlichen Überlegungen fällt der Anspruch auf Karenzentschädigung auch 3424d dann nicht dahin, wenn die Auftraggeberin am Konkurrenzverbot nachweislich kein erhebliches Interesse mehr hat. Wie Art. 340c Abs. 2 OR ist auch Art. 340c Abs.  1  OR auf unentgeltliche Konkurrenzverbote zugeschnitten und kann daher zufolge der unterschiedlichen Interessenlagen unseres Erachtens nicht unbesehen auf das Agenturvertragsrecht übertragen werden.106 Die Auftraggeberin kann sich also nicht mit der Begründung, es bestehe ihrerseits kein Interesse mehr an der Aufrechterhaltung des Konkurrenzverbots, von ihrer Entschädigungspflicht befreien. Diesen Erwägungen ist auch das Bundesgericht gefolgt, wobei es allerdings explizit offengelassen hat, ob sich umgekehrt ein Agent (bei Fehlen jedes schutzwürdigen Interesses der berechtigten Auftraggeberin) durch Verzicht auf die Karenzentschädigung von seiner Konkurrenzenthaltungspflicht befreien kann.107 Schliesslich entbindet auch ein nachträglicher freiwilliger Verzicht auf das Konkur- 3424e renzverbot grundsätzlich nicht von der Karenzentschädigungspflicht. Da die (ent102 ZK OR-Bühler, Art. 418d N 34 und N 45; Hofstetter, 198; wohl auch CHK OR-Mathys, Art. 418d N 8; implizit ebenso Baudenbacher, 92. Differenzierend Kull, 379 f., der sich für die analoge Anwendung von Art. 340c Abs. 2 OR ausspricht, wobei die Karenzentschädigung eingefordert werden könne, wenn das Verbot (trotz seines grundsätzlichen Wegfalls) eingehalten werde. 103 Diese Auffassung diente auch als Grundlage für die Ausführungen in der Vorauflage dieses Buches, welche sich allerdings noch nicht im Einzelnen mit den Fallkonstellationen eines möglichen Wegfalls der Karenzentschädigung auseinandersetzte, sondern lediglich im Zusammenhang mit der Thematik der Kumulation von Karenz- und Kundschaftsentschädigung auf Basis dieser Prämisse argumentierte (s. N 3425 der Vorauflage). 104 S. BGE 95 II 143 E. II.2 und E. II.4; s. auch Mirfakhraei, fin de contrat, N 542 f. und N 560 f. 105 So auch Mirfakhraei, fin de contrat, N 542 f. und N 560 f. 106 BGE 95 II 143 E. II.2 und E. II.4; s. auch BK OR-Gautschi, Art. 418d N 7a; Mirfakhraei, fin de contrat, N 542 f. und N 559; BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418d N 5. Für eine analoge Anwendung von Art.  340c Abs.  1  OR (Dahinfallen des Konkurrenzverbots, allerdings unter Fortbestand der Entschädigungspflicht) etwa ZK OR-Bühler, Art. 418d N 34 und N 49; ebenso wohl CHK OR-Mathys, Art. 418d N 8; differenzierend wiederum Kull, 379. 107 BGE 95 II 143 E. II.4.

1157

5. Kapitel

Nominatverträge

geltliche) Konkurrenzverbotsabrede ein zweiseitig verpflichtender Vertrag ist, kann sie vor Ablauf der vereinbarten Dauer nur dann durch einseitige Erklärung gekündigt werden, wenn die Parteien dies so ausdrücklich vereinbart haben.108 Mangels vertraglich vorgesehener Kündigungsmöglichkeit kann sich die Auftraggeberin ihrer Pflicht zur Leistung des Entgelts nicht dadurch entziehen, dass sie auf die Aufrechterhaltung des Konkurrenzverbots verzichtet. Allerdings kann ein solcher Verzicht bei der Bemessung der Karenzentschädigung berücksichtigt werden.109 6.5

Konkurrenz zwischen Kundschafts- und Karenzentschädigung

3425

Kontrovers ist, ob Kundschafts- und Karenzentschädigung kumulierbar sind oder nicht. Das Gesetz enthält keine explizite Regelung zum Verhältnis dieser beiden Ansprüche. Das Bundesgericht scheint einer Kumulation der zwei Entschädigungsansprüche tendenziell kritisch gegenüber zu stehen, hat sich allerdings bislang lediglich im Rahmen eines obiter dictum hierzu geäussert110, was unseres Erachtens aber nicht als abschliessende Beurteilung dieser Streitfrage zu verstehen ist. Die Doktrin zeigt sich in dieser Frage gespalten: Während eine Lehrmeinung die Kumulation von Kundschafts- und Karenzentschädigung generell ablehnt, da damit die rechts- und sozialpolitisch fragwürdige Bevorzugung des Agenten im OR noch weiter ausgebaut würde111, spricht sich ein anderer Teil der Lehre (insbesondere unter Bezugnahme auf die unterschiedliche ratio legis) generell für eine Kumulation aus112. Dazwischen finden sich differenzierende Ansätze, welche die Kumulation für bestimmte Konstellationen bzw. unter gewissen einschränkenden Voraussetzungen zulassen wollen.113

3425a

Die Frage der Kumulation stellt sich immer dann, wenn bei der Beendigung eines Agenturverhältnisses die Tatbestände von Art. 418d Abs. 2 OR und von Art. 418u OR erfüllt sind. Wird der Agenturvertrag aus Gründen aufgelöst, welche der Agent zu vertreten hat, entfällt gemäss Art. 418u Abs. 3 OR der Anspruch auf Kundschaftsentschädigung (s. N 3422); die Frage der Kumulation erübrigt sich diesfalls. In allen anderen Fällen der Vertragsauflösung können die beiden Ansprüche bei gegebenen Voraussetzungen nebeneinander bestehen, da der Anspruch auf Karenzentschädi108 109 110 111 112 113

1158

BGE 95 II 143 E. II.4; s. auch ZK OR-Bühler, Art. 418d N 29, N 31, N 38 und N 49; BK OR-Gautschi, Art. 418d N 7c; Kull, 377 f.; Mirfakhraei, fin de contrat, N 550 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5091; BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418d N 6. BGE 95 II 143 E. II.4; s. im Kontext eines entgeltlichen arbeitsvertraglichen Konkurrenzverbots auch BGE 78 II 230 E. 3b. BGE 103 II 277 E. 3a. BK OR-Gautschi, Art. 418d N 6a ff. und Art. 418u N 5d und N 6d, der sich für ein Wahlrecht des Agenten zwischen Kundschafts- und Karenzentschädigung ausspricht; CHK OR-Mathys, Art. 418d N 11. Honsell, OR BT, 395; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5094 und N 5186. Baudenbacher, 92; ZK OR-Bühler, Art. 418d N 40 ff.; Hofstetter, 198; Mirfakhraei, fin de contrat, N 594 f.; OFK OR-Spoerri, Art. 418d N 9; BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418d N 9 und Art. 418u N 10. S. für einen Überblick über den Meinungsstand etwa Mirfakhraei, fin de contrat, N 589 ff.

§ 38

Agenturvertrag (Art. 418a–418v OR)

gung, wie vorgängig aufgezeigt (s. N 3424a ff.), nicht an zusätzliche Bedingungen geknüpft ist. Der in der Lehre bisweilen für gewisse Konstellationen befürwortete Wegfall des Anspruchs auf Karenzentschädigung ist nach der hier vertretenen Auffassung abzulehnen.114 Ob dabei eine Kumulation oder eine Absorption dieser beiden Ansprüche stattfindet, hängt davon ab, was mit ihnen im Einzelfall abgegolten werden soll.115 So darf dem Agenten keine Karenzentschädigung für jenen Teil der Kundschaft zustehen, dessen Verlust ihm bereits durch die Kundschaftsentschädigung vergütet wird,116 weil sonst beide Ansprüche entgangene Verdienstmöglichkeiten des Agenten bezüglich der gleichen Kunden entschädigen würden (allgemeines Bereicherungsverbot). In diesem Sinn hat die Kundschaftsentschädigung Priorität. Die Karenzentschädigung für ein Konkurrenzverbot bezüglich Kunden, die der Agent gewonnen hat, kann damit nicht zusätzlich zur Kundschaftsentschädigung gefordert werden. Die Karenzentschädigung für Altkunden aus der Zeit vor der Tätigkeit des Agenten und für künftige Kunden ist hingegen mit der Kundschaftsentschädigung kumulierbar.117 Zu berücksichtigen ist überdies, dass Konkurrenzverbote häufig örtlich oder sektoriell umschrieben werden, während die Kundschaftsentschädigung stets auf ein zeitlich-sachliches Kriterium (während der Agentur angeworbener Kundenstamm) abstellt. Auch hier muss die Kumulation möglich sein, soweit das Konkurrenzverbot damit über den mit der Kundschaftsentschädigung abgegoltenen Kundenstamm hinausgeht.118

114 Anders noch die Vorauflage dieses Buches, gemäss welcher die Ansprüche generell nur dann nebeneinander bestehen können, wenn keine der Parteien die Vertragsauflösung zu vertreten habe (s. N 3425 der Vorauflage). 115 OFK OR-Spoerri, Art. 418d N 9; s. auch ZK OR-Bühler, Art. 418d N 47. S. ferner Mirfakhraei, fin de contrat, N 594 f., der einen differenzierten Ansatz zur Kumulation einer (vollen) Karenzentschädigung und einer (gemäss den Umständen des Einzelfalls reduzierten) Kundschaftsentschädigung vorschlägt. 116 Hofstetter, 198. 117 Baudenbacher, 92; ZK OR-Bühler, Art. 418d N 43; Hofstetter, 198; Mirfakhraei, fin de contrat, N 594. 118 BSK OR-Wettenschwiler, Art. 418d N 9.

1159

§ 39 Einkaufs- und Verkaufskommission (Art. 425–438 OR) Grundlagenliteratur Bucher, OR BT, 244 ff.; Engel, CO PS, 557 ff.; Guhl/Schnyder, § 51; Honsell, OR BT, 397 ff.; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 9 N 55 ff.; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 1981; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5189 ff.

Weiterführende Literatur Arter Oliver, Bundesgericht, I. Zivilabteilung, Urteil vom 21. November 2012 i.S. X.c. Bank Z AG (BGer 4A_295/2012), AJP 2013, 937–942; Arter Oliver/Jörg Florian S., Informationspflichten beim Discount-Brokerage, AJP 2001, 52–68; Hofstetter Josef, Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), SPR Bd. VII/6, Basel/Genf/München 2000; Loher Peter, Das dingliche Schicksal des Kommissionsguts, AJP 2016, 921–931; Richtlinien der Schweizerischen Bankiervereinigung, Verhaltensregeln für Effektenhändler bei der Durchführung des Effektenhandelsgeschäfts 2008 (zit.: Verhaltensregeln für Effektenhändler 2008).

I. 3426

Die Kommission ist eine im Gesetz geregelte Sonderform des Auftrags. Gemäss Art. 425 Abs. 2 OR kommen die Vorschriften über den Auftrag insoweit zur Anwendung, als das Kommissionsrecht keine lex specialis enthält. Das Gesetz unterscheidet zwischen zwei Arten von Kommissionären: dem Einkaufs- bzw. Verkaufskommissionär (Art. 425 Abs. 1 OR) einerseits und dem Spediteur (Art. 439 OR) andererseits. Einkaufs- und Verkaufskommission werden in diesem (s. N 3427 ff.), der Speditionsvertrag im folgenden Kapitel (s. N 3473 ff.) behandelt.

II. 3427

Vorbemerkung

Begriffe

Bei der Einkaufs- bzw. Verkaufskommission verpflichtet sich der Kommissionär, gegen eine Provision in eigenem Namen, aber für Rechnung der Kommittentin bewegliche Sachen oder Wertpapiere zu kaufen (Einkaufskommission; s. Art. 425 Abs. 1 OR) oder zu verkaufen (Verkaufskommission; s. Art. 425 Abs. 1 OR).

1160

§ 39

Einkaufs- und Verkaufskommission (Art. 425–438 OR)

Seine Hauptbedeutung hat der Kommissionsvertrag im Effektenhandel, und zwar 3428 im Verhältnis zwischen Effektenhändler und Kundin. In diesem Zusammenhang sind die besonderen Verhaltenspflichten der Effektenhändler gemäss Art. 11 BEHG1 (s. N 3444 ff.) und Art. 513 Abs. 2 OR zu beachten, wonach aus einem Kommissionsvertrag keine einklagbaren Forderungen entstehen können, sofern es sich um Differenzgeschäfte oder andere spielähnliche Lieferungsgeschäfte über Börsenpapiere handelt (s.  N  3612  ff.).2 In der Praxis weit verbreitet ist das Kommissionsgeschäft heutzutage auch im «direct» oder «online broking»3 über das Internet, bei welchem Kundenaufträge innerhalb weniger Minuten abgewickelt werden können.4 Als weitere Anwendungsbeispiele für die Kommission können der Kunst- und der Antiquitätenhandel oder der Verkauf einer Konzertkarte durch ein Reisebüro genannt werden. An Bedeutung verloren hat hingegen die Warenkommission, weil andere Vermarktungsformen wie beispielsweise der Alleinvertrieb oder das Franchising (s. N 3835 ff. bzw. N 3874 ff.) vorgezogen werden, wenn Vertriebssysteme über Waren aufgebaut werden.5 Es ist aber immer zu prüfen, ob solche Vertriebssysteme auch Kommissionselemente enthalten. Nach herrschender Lehre handelt es sich bei der Kommission um eine besondere 3429 Art des entgeltlichen Auftrags (s. Art. 425 Abs. 2 OR).6 Manche Autoren platzieren den Kommissionsvertrag auch in die Nähe des Werkvertrages, weil die Provision des Kommissionärs erfolgsabhängig ist (zu Art. 432 OR s. N 3446 ff.).7 Nach Koller handelt es sich beim Kommissionsvertrag sogar um einen verkappten Werkvertrag.8 So oder so ist nach Art. 425 Abs. 2 OR Auftragsrecht nur subsidiär anwendbar, sofern die entsprechende Auftragsnorm überhaupt auf den Fall passt. Bezieht sich der Vertrag nicht auf bewegliche Sachen oder Wertpapiere9, sondern etwa auf ein Grundstück oder wird die Dienstleistung unentgeltlich erbracht, liegt keine Kommission, sondern vielmehr ein einfacher Auftrag vor.10

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10

Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Börsen und den Effektenhandel (Börsengesetz; SR 954.1); s. zur geplanten Neuordnung der Gesetzgebung im Finanzdienstleistungsbereich und der damit einhergehenden Aufhebung des BEHG nachfolgend N 3445a. Hofstetter, 202 f. Der Begriff direct oder online broking ist enger als der allgemeine Begriff des online banking. Gemeint sind damit nur die via Fernkommunikationsmittel geschlossenen Effektengeschäfte. Arter/Jörg, AJP 2001, 52 f.; CR CO-von Planta/Flegbo-Berney, Intro. art. 425–439 N 2a. Honsell, OR BT, 397. Bucher, OR BT, 244 f.; Guhl/Schnyder, § 51 N 1; Hofstetter, 201. BSK OR-Lenz/von Planta, Art. 432 N 3. BK OR-Koller, Art. 363 N 11. Obwohl Optionen nicht in Wertpapieren verbriefte Rechte beinhalten, befürworten das Bundesgericht sowie ein Teil der Lehre in Bezug auf die Pflichten der mit dem Kauf oder Verkauf von Optionen betrauten Bank die analoge Anwendung von Art. 425 ff. OR; s. BGE 4A_547/2012 E. 4.1 m.w.H.; statt vieler BSK ORLenz/von Planta, Art. 425 N 2. S. BGE 4A_412/2015 E. 2 = Pra 2017 Nr. 51; Bucher, OR BT, 244; Guhl/Schnyder, § 51 N 1; MüllerChen/Girsberger/Droese, Kap. 9 N 55.

1161

5. Kapitel

3430

Nominatverträge

Da der Kommissionär als indirekter Stellvertreter tätig wird, entsteht zwischen dem Dritten und der Kommittentin kein Vertragsverhältnis; oft kennen sich der Dritte und die Kommittentin nicht einmal und wollen dies auch gar nicht. Die Anonymität kann je nach angestrebtem Geschäft und Perspektive denn auch als spezieller Vorteil der Kommission angesehen werden. Dieser wird allerdings zum Teil durch Offenlegungsvorschriften neutralisiert.11

III.

Abgrenzungen

3431

Im Unterschied zur Trödlerin, welche in eigenem Namen und auf eigene Rechnung handelt, verkauft bzw. kauft der Verkaufskommissionär oder der Einkaufskommissionär zwar in eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung (s. N 4018). Deshalb hat der Kommissionär  – grundsätzlich, aber modifizierbar durch die Vereinbarung  – den Gewinn (bei billigerem Einkauf bzw. teurerem Verkauf als dem vereinbarten Mindestpreis) herauszugeben (Art. 428 Abs. 3 OR).

3432

Im Gegensatz zum Mäkler (Art.  412  ff.  OR) und zum Vermittlungsagenten (Art.  418a  ff.  OR) vermittelt der Kommissionär nicht bloss Geschäfte, sondern schliesst sie in eigenem Namen, aber für Rechnung der Kommittentin ab (s. N 3347 und N 3392).

3433

Der Abschlussagent (Art.  418a  ff.  OR) kontrahiert mit dem Dritten als direkter Stellvertreter in fremdem Namen und auf fremde Rechnung. Der Kommissionär handelt dagegen als indirekter Stellvertreter, nämlich in eigenem Namen und auf fremde Rechnung. Zudem bildet der Dauerschuldcharakter kein typenspezifisches Element des Kommissionsvertrages, wohl aber des Agenturvertrages (s. N 3391).

3434

Beim Alleinvertriebsvertrag wird der Händler – im Gegensatz zum Kommissionär – in eigenem Namen und auf eigene Rechnung tätig. Er ist somit weder direkter noch indirekter Stellvertreter; der Kommissionär hingegen handelt als indirekter Stellvertreter (s. N 3835 ff.; s. zur Abgrenzung von Mäklervertrag, Agenturvertrag, Alleinvertriebsvertrag auch N 3345).

11

Guhl/Schnyder, § 51 N 3 m.w.H.

1162

§ 39

Einkaufs- und Verkaufskommission (Art. 425–438 OR)

IV.

Pflichten des Kommissionärs (Art. 426–430 OR)

1.

Persönliche Ausführungspflicht

Grundsätzlich hat der Kommissionär den Einkauf bzw. Verkauf von beweglichen 3435 Sachen oder Wertpapieren persönlich zu besorgen (s. dazu die Ausführungen zum Auftrag in N 3248 ff.).12 Gemäss Art. 425 Abs. 2 i.V.m. Art. 398 Abs. 3 OR kann der Auftrag von einem Substituten ausgeführt werden, sofern die Parteien dies vereinbart haben bzw. die Substitution durch die Umstände geboten oder üblich ist.13 Unter Umständen rechtfertigt sich auch der Einsatz von Hilfspersonen, für welche der Kommissionär weiter gehend einzustehen hat als für Substituten.

2.

Informationspflichten (Art. 426 Abs. 1 OR)

Der Kommissionär hat die Kommittentin über alle wichtigen Umstände zu infor- 3436 mieren, welche allfällige Weisungen der Kommittentin modifizieren oder gar eine Beendigung der Kommission bewirken könnten (Art. 426 Abs. 1 OR). Dabei handelt es sich insbesondere um Informationen betreffend Markt- und Preisentwicklungen.14 Informationen sind aber auch bei Normalverlauf geschuldet: Gemäss Art. 426 Abs. 1 OR ist der Abschluss eines Vertrages mit einem Dritten der Kommittentin sofort anzuzeigen. Der Kommissionär hat der Kommittentin grundsätzlich auch den Namen des Dritten zu übermitteln, da sonst allenfalls die Vermutung eines Selbsteintritts des Kommissionärs greift (Art. 437 OR; s. dazu auch N 3471a).15 Im Einzelnen hängt hier aber viel von der Vereinbarung sowie von allfälligen Offenlegungsvorschriften ab. Bei der Wertpapierkommission können sich allenfalls weiter gehende spezialgesetzliche Informationspflichten ergeben (s. N 3444 ff.). Handelt es sich um eine Verkaufskommission und ist die Sache mangelhaft, muss 3437 der Verkaufskommissionär die Kommittentin unverzüglich darüber informieren (s.  Art.  427 Abs.  1  OR). Andernfalls kann er für den daraus entstandenen Schaden zur Rechenschaft gezogen werden, das heisst, er hat z.B. den Mindererlös zu ersetzen (Art. 427 Abs. 2 OR; s. N 3458 ff.).16 Diese Regel ist über den in Art. 427 Abs. 1 OR beschriebenen Fall hinaus verallgemeinerbar. So lässt sich namentlich für den Einkaufskommissionär eine entsprechende Pflicht aus dem allgemeinen Auftragsrecht ableiten (s. Art. 398 OR).17 12 13 14 15 16 17

Hofstetter, 209. S. BSK OR-Lenz/von Planta, Art. 425 N 7. BGE 48 II 74 E. 2; BSK OR-Lenz/von Planta, Art. 426 N 1 f. BGE 138 III 781 E. 3.5.1; 59 II 245 E. 3; s. Hofstetter, 208. CHK OR-Pfenninger, Art. 427 N 5. BK  OR-Gautschi, Art.  427 N  1a; BSK  OR-Lenz/von Planta, Art.  427 N  1; CHK  OR-Pfenninger, Art. 427 N 1.

1163

5. Kapitel

3. 3438

Nominatverträge

Versicherungspflicht (Art. 426 Abs. 2 OR)

Grundsätzlich trägt die Kommittentin die Gefahr des Untergangs oder der Wertverminderung des Kommissionsguts.18 Somit hat sie ein Interesse daran, dass das Kommissionsgut versichert wird. Der Kommissionär ist dazu jedoch nur verpflichtet, wenn ihn die Kommittentin speziell damit beauftragt (und in der Regel auch entschädigt) hat (Art. 426 Abs. 2 OR). Infolgedessen trägt vorbehältlich einer anderen Parteiregelung die Kommittentin die Versicherungskosten.19 Hat der Kommissionär entgegen der Weisung der Kommittentin keine Versicherung abgeschlossen, so haftet er für den daraus entstandenen Schaden.20

4.

Übernahme des Delkredere-Risikos (Art. 429–430 OR)

3439

Schliesst der Kommissionär mit einem Dritten einen Kaufvertrag ab, so besteht die Gefahr, dass er seine Leistung erbringt, ohne alsdann die Gegenleistung des Dritten zu erhalten. Gemäss Art. 430 OR hat in der Regel die Kommittentin diese Gefahr zu tragen. Zum Schutz der Kommittentin ist der Kommissionär grundsätzlich verpflichtet, die Geschäfte Zug um Zug zu erfüllen.21 Weicht er unzulässigerweise hiervon ab, indem er dem Dritten ohne (ausdrückliche oder konkludente) Erlaubnis der Kommittentin Kredite gewährt oder Vorschussleistungen erbringt, so handelt er grundsätzlich auf eigene Gefahr (Art. 429 Abs. 1 OR; s. Art. 429 Abs. 2 OR bezüglich Ausnahmen).

3440

Die Parteien können gemäss Art. 430 Abs. 1 OR jedoch auch vereinbaren, dass der Kommissionär für die Zahlung oder anderweitige Erfüllung der Verbindlichkeiten durch den Schuldner das Risiko übernehmen soll. In diesem Fall ist dieser nebst der «normalen» Provision gemäss Art. 425 Abs. 1 OR zu einer weiteren Vergütung, der sog. «Delkredere-Provision», berechtigt (Art. 430 Abs. 2 OR).22 Ausser via Parteivereinbarung kann das Risiko auch infolge einer entsprechenden Handelsübung auf den Kommissionär überwälzt werden (Art. 430 Abs. 1 OR).23 Art. 430 Abs. 1 OR schafft nur eine Vermutung, ist also nicht zwingend, sondern nur beweisrechtlich relevant.24

18 BSK OR-Lenz/von Planta, Art. 426 N 3. 19 BK OR-Gautschi, Art. 426 N 3e. 20 CHK OR-Pfenninger, Art. 426 N 10. 21 S. CHK OR-Pfenninger, Art. 429 N 1. 22 CR CO-von Planta/Flegbo-Berney, Art. 430 N 3. 23 Eine solche Handelsübung besteht gemäss wohl herrschender Lehre etwa im Börsengeschäft; s. BSK ORLenz/von Planta, Art. 430 N 2 m.w.H. 24 S. zum Zusammenspiel mit den Usanzen CHK OR-Pfenninger, Art. 430 N 1; s. ferner zur Rechtsnatur der Delkredere-Haftung etwa BSK OR-Lenz/von Planta, Art. 430 N 5 m.w.H.

1164

§ 39

5.

Einkaufs- und Verkaufskommission (Art. 425–438 OR)

Treue- und Sorgfaltspflichten

Gemäss Art. 425 Abs. 2 i.V.m. Art. 398 Abs. 2 OR ist der Kommissionär verpflichtet, 3441 das ihm übertragene Geschäft getreu und sorgfältig auszuführen.25 Die allgemeinen auftragsrechtlichen Treue- und Sorgfaltspflichten werden sowohl durch das BEHG26 (s. N 3444 ff.) und andere Spezialgesetze als auch durch die kommissionsrechtlichen Regeln spezifiziert (z.B. Gewinnherausgabe nach Art. 428 Abs. 3 OR oder spezielle Risikoverteilung bezüglich der Gegenleistung nach Art. 429 OR).27 Der Kommissionär ist nicht verpflichtet, den von der Kommittentin angestrebten Erfolg herbeizuführen (realisierter Kauf oder Verkauf), sondern er hat nur weisungskonform tätig zu werden. Die Treuepflicht verlangt, dass der Kommissionär nach Möglichkeit teurer zu ver- 3442 kaufen bzw. billiger zu kaufen hat, als mit der Kommittentin vereinbart wurde. Gelingt ihm das, hat er der Kommittentin den erzielten Gewinn herauszugeben (Art. 428 Abs. 3 OR; s. auch Art. 400 OR28). Der Grund dafür liegt darin, dass er nicht auf eigene, sondern auf fremde Rechnung handelt und darum in einem kontraktuellen Sinn ungerechtfertigt bereichert wäre, wenn er einen Teil des Erlöses behalten würde. Art. 428 Abs. 3 OR ist aber dispositiver Natur. Die Parteien können somit vereinbaren, dass ein allfälliger Gewinn dem Kommissionär als zusätzliche oder ausschliessliche Provision zukommen soll.29 Im Fall einer solchen Vereinbarung ist die «Bereicherung» als gerechtfertigt zu qualifizieren. Erbringt der Kommissionär «seine» Leistung dem Dritten gegenüber nicht Zug um 3443 Zug, sondern im Voraus, tut er dies gemäss Art. 429 Abs. 1 OR auf eigene Gefahr. Erfüllt der Dritte seine Leistungspflicht nämlich nicht, verliert der Einkaufskommissionär seinen Erstattungsanspruch gegenüber der Kommittentin; ebenso schuldet der Verkaufskommissionär der Kommittentin den vollen Verkaufspreis.30 Nur wenn die Kommittentin einwilligt (Art. 429 Abs. 1 OR) oder eine Handelsübung betreffend Kreditierung des Kaufpreises besteht (Art.  429 Abs.  2  OR), fällt die Nichterfüllung des Dritten nicht in die Risikosphäre des Kommissionärs.

6.

Spezialgesetzliche Pflichten des Effektenhändlers

Art. 11 BEHG stellt für Effektenhändler verschiedene Verhaltensregeln auf. Obwohl 3444 das BEHG primär aufsichtsrechtlichen (und damit öffentlich-rechtlichen) Charak25 BGE 4C.89/2005 E. 3.3.1.1. 26 S. zur geplanten Neuordnung der Gesetzgebung im Finanzdienstleistungsbereich und der damit einhergehenden Aufhebung des BEHG nachfolgend N 3445a. 27 Zum Ganzen Honsell, OR BT, 398 f. 28 S. BGE 139 III 49 E. 3.4. 29 Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5220. 30 BSK OR-Lenz/von Planta, Art. 429 N 4.

1165

5. Kapitel

Nominatverträge

ter hat, beinhaltet diese Bestimmung auch privatrechtliche Verpflichtungen, auf welche sich die Kundin (Kommittentin) berufen kann.31 Das Bundesgericht hat diese Ansicht mittlerweile bestätigt.32 Der Effektenhändler hat drei börsenrechtliche Pflichten: eine Informationspflicht (Art.  11 Abs.  1 lit.  a BEHG), eine Sorgfaltspflicht (Art. 11 Abs. 1 lit. b BEHG) sowie eine Treuepflicht (Art. 11 Abs. 1 lit. c BEHG). Die Bankiervereinigung hat den Inhalt dieser Pflichten in einer Richtlinie konkretisiert.33 3445

Die Informationspflicht bedeutet in erster Linie, dass der Effektenhändler die Kundin über die mit der Geschäftsart verbundenen Risiken aufklärt. Allerdings darf der Händler davon ausgehen, dass die Kundin die üblichen Risiken des Effektenhandels kennt, insbesondere die Kursrisiken bei Aktien. Ebenso ist der Effektenhändler nicht verpflichtet – im Sinne einer sog. suitability-Prüfung – zu beurteilen, ob die finanziellen Verhältnisse einer Kundin die vorgesehene Transaktion zulassen.34 Besondere Aufklärung ist hingegen bei komplexen Geschäften (beispielsweise bei strukturierten Produkten) oder bei erhöhtem Risikoprofil des Produkts (z.B. bei Derivaten) erforderlich. Professionelle Anleger (wie z.B. Banken, Pensionskassen, institutionelle Anleger und Vermögensverwalter) müssen nicht aufgeklärt werden (s. Art. 11 Abs. 2 BEHG).35 Die Sorgfaltspflicht umfasst zwei Aspekte: Zunächst ist der Händler verpflichtet, den Auftrag der Kundin bestmöglich zu erfüllen (sog. best execution). Das setzt voraus, dass die Weisungen der Kundin eingehalten werden und das Geschäft umgehend, vollständig sowie zum bestmöglichen Preis ausgeführt wird. Sodann muss die Transaktion für die Kundin nachvollziehbar sein, das heisst transparent abgerechnet werden.36 Die Treuepflicht verlangt schliesslich insbesondere auch eine Vermeidung von Interessenkonflikten.37

3445a

Im Zuge der geplanten Gesetzesrevision im Finanzdienstleistungsbereich wird das BEHG mit Inkraftsetzung des Finanzinstitutsgesetzes (FINIG) und des Finanzdienstleistungsgesetzes (FIDLEG) aufgehoben werden.38 Die bisher in Art. 11 BEHG enthaltenen Verhaltenspflichten werden ins FIDLEG überführt und zugleich erweitert werden. Das FIDLEG sieht insbesondere in seinem zweiten Titel ausführliche Anforderungen für das Erbringen von Finanzdienstleistungen vor (s. Art. 6 ff. FIDLEG39). Von zentraler Bedeutung sind im vorliegenden Kontext die Verhaltensregeln 31 BSK BEHG-Bahar/Stupp, Art. 11 N 6. 32 BGE 133 III 221 E. 5.3 = Pra 2007 Nr. 127; 133 III 97 E. 5.2. 33 S. Verhaltensregeln für Effektenhändler 2008, abrufbar unter , besucht am 3. Januar 2019. 34 BGE 133 III 97 E. 5.4. 35 Verhaltensregeln für Effektenhändler 2008, 6 f. 36 BSK BEHG-Bahar/Stupp, Art. 11 N 76 ff. 37 Verhaltensregeln für Effektenhändler 2008, 12. 38 S. Bundesgesetz über die Finanzinstitute (Finanzinstitutsgesetz, FINIG), BBl 2018 3557 ff., sowie Bundesgesetz über die Finanzdienstleistungen (Finanzdienstleistungsgesetz, FIDLEG), BBl 2018 3615 ff. 39 BBl 2018 3619 ff.

1166

§ 39

Einkaufs- und Verkaufskommission (Art. 425–438 OR)

gemäss Art. 7 ff. FIDLEG40, namentlich die Bestimmungen zur Informationspflicht (s. Art. 8 f. FIDLEG41), zur Angemessenheits- bzw. Eignungsprüfung (s. Art. 10 ff. FIDLEG42), zur Dokumentations- und Rechenschaftspflicht (s. Art. 15 f. FIDLEG43) sowie zur Transparenz- und Sorgfaltspflicht (s. Art. 17 ff. FIDLEG44). Weiter enthält der Entwurf organisatorische Anforderungen, von denen mit Blick auf die hier interessierende Thematik vor allem die Regeln betreffend Interessenkonflikte relevant sind (s. Art. 25 ff. FIDLEG45). Schliesslich soll auch der Begriff des «Effektenhändlers» durch die Bezeichnung «Wertpapierhäuser» ersetzt werden (s. zum Begriff Art.  41 FINIG46).47 Die beiden Gesetze sollen gemeinsam mit ihren Vollzugsverordnungen (deren Vernehmlassung bei Veröffentlichung der vorliegenden Auflage noch nicht abgeschlossen war) auf den 1. Januar 2020 in Kraft treten.48

V.

Rechte des Kommissionärs (Art. 431–438 OR)

1.

Provision (Art. 432–433 OR)

Gemäss Art.  432 Abs.  1  OR schuldet die Kommittentin dem Kommissionär die 3446 Bezahlung der Kommissionsgebühr (sog. Provision), sofern das Geschäft realisiert (s. sogleich N 3447) bzw. aus einem in der Person der Kommittentin liegenden Grund nicht realisiert worden ist (s. N 3448). Die Provision bemisst sich meist nach Prozenten des Kauf- bzw. Verkaufspreises.49 Der Provisionsanspruch entsteht, wenn das Geschäft «ausgeführt» bzw. erfüllt 3447 worden ist:50 Der Dritte muss seine Verpflichtungen erfüllt haben, indem er das Kommissionsgut an den Kommissionär geliefert (Einkaufskommission) bzw. den Kaufpreis an ihn bezahlt hat (Verkaufskommission)51. Nicht erforderlich für das Entstehen des Provisionsanspruchs ist hingegen die Ablieferung des Kommissionsguts bzw. des Kommissionserlöses an die Kommittentin.52 Die Provision ist somit 40 41 42 43 44 45 46 47

S. BBl 2018 3619 ff. S. BBl 2018 3620. BBl 2018 3621 ff. BBl 2018 3622. BBl 2018 3622 f. BBl 2018 3624 f. BBl 2018 3568. S.  Botschaft zum Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und zum Finanzinstitutsgesetz (FINIG) vom 4. November 2015, BBl 2015 8901 ff., 8903, 9018 und 9032. 48 S. Medienmitteilung des Bundesrates vom 24. Oktober 2018, abrufbar unter (besucht am 3. Januar 2019). 49 Guhl/Schnyder, § 51 N 6. 50 S. BGE 142 III 129 E. 3 = Pra 2017 Nr. 51; 40 II 390 E. 3; Bucher, OR BT, 246; Engel, CO PS, 564. 51 BGE 142 III 129 E. 3 = Pra 2017 Nr. 51. 52 BK OR-Gautschi, Art. 432 N 3a.

1167

5. Kapitel

Nominatverträge

erfolgsabhängig. Im Gegensatz zum Agentur- oder Mäklervertrag genügt der blosse Abschluss eines Vertrages (s. N 3386) bzw. dessen Vermittlung (s. N 3342) nicht. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur, wenn der Kommissionär das Delkredere-Risiko zu tragen hat und bereits für die Verpflichtungen des nicht leistenden Dritten eingestanden ist. Dann entsteht der Provisionsanspruch bereits bei Abschluss des Vertrages (s. zur Delkredere-Haftung N 3439 f.; zur Delkredere-Provision N 3454).53 3448

Wurde das Geschäft nicht realisiert, besteht der volle Provisionsanspruch nur, wenn der Grund für das Scheitern in der Person der Kommittentin liegt. Bei Tod, Handlungsunfähigkeit oder Konkurs der Kommittentin vor Erfüllung des – vom Kommissionär abgeschlossenen  – Geschäfts ist daher die volle Provision geschuldet (Art. 432 Abs. 1 OR).54 Art. 432 Abs. 1 OR greift unseres Erachtens auch bei Widerruf durch die Kommittentin ohne Grund oder aus einem einzig von ihr selbst zu vertretenden Grund, wenn der Kommissionär den Vertrag mit dem Dritten bereits abgeschlossen hat, die Ausführung des Geschäfts aber noch aussteht (s. zur Anwendbarkeit des jederzeitigen Beendigungsrechts nach Art. 425 Abs. 2 i.V.m. Art. 404 OR nachfolgend N 3462).55 In diesem Sinne kann Art. 432 Abs. 1 OR gleichsam als Ausdruck der Beendigung des Auftrags zur Unzeit gemäss Art. 404 Abs. 2 OR aufgefasst werden.56 Kein Anspruch auf Provision besteht dagegen, wenn die Kommittentin das Mandat des Kommissionärs widerruft, bevor dieser einen Vertrag mit einem Dritten abgeschlossen hat.57 In diesem Fall ist der Widerruf nicht als ein in der Person der Kommittentin liegender Grund für das Scheitern zu werten, welcher zu einer Provision nach Art. 432 Abs. 1 OR berechtigen würde.58 Einzige Anspruchsgrundlagen des Kommissionärs für allfällige Entschädigungen bilden in diesem Fall der Auslagen- und der Verwendungsersatz nach Art. 431 OR sowie Art. 404 Abs. 2 OR (Schadenersatz), falls die Kündigung zur Unzeit erfolgte.59

3449

Hindern Gründe, welche die Kommittentin nicht zu vertreten hat, die Erfüllung des vom Kommissionär abgeschlossenen Geschäfts, hat der Kommissionär Anspruch auf die ortsübliche Entschädigung für seine Bemühungen (Art.  432 Abs.  2  OR). 53 54 55 56 57 58 59

1168

BSK OR-Lenz/von Planta, Art. 432 N 3. Bucher, OR BT, 246; BK OR-Gautschi, Art. 432 N 4b. Engel, CO PS, 564  f.; BK  OR-Gautschi, Art.  432 N  3b; BSK  OR-Lenz/von Planta, Art.  432 N  5; CHK OR-Pfenninger, Art. 432 N 4. BSK OR-Lenz/von Planta, Art. 432 N 5; CHK OR-Pfenninger, Art. 432 N 4; s. ferner BK OR-Gautschi, Art. 432 N 4a ff. S. etwa den Sachverhalt von BGE 4A_412/2015 = Pra 2017 Nr. 51 (nicht publiziert in BGE 142 III 129): Die Eigentümerin einer Briefmarkensammlung verkaufte diese nach Erteilung eines Verkaufsauftrags an einen Dritten, bevor der mandatierte Verkaufskommissionär einen betreffenden Kaufvertrag abschliessen konnte. S. BGE 142 III 129 E. 3 = Pra 2017 Nr. 51; s. auch BSK OR-Lenz/von Planta, Art. 432 N 6; CHK ORPfenninger, Art. 432 N 7; kritisch Honsell, OR BT, 399. S. BGE 142 III 129 E. 3 = Pra 2017 Nr. 51. Eine Entschädigung nach Art. 432 Abs. 2 OR dürfte im Falle eines solchen Widerrufs wie in den meisten anderen Konstellationen mangels entsprechenden Ortsgebrauchs kaum in Betracht kommen (s. dazu auch N 3449); s. ferner CHK OR-Pfenninger, Art. 432 N 7 m.w.H.

§ 39

Einkaufs- und Verkaufskommission (Art. 425–438 OR)

Dies setzt einen entsprechenden Ortsgebrauch voraus, der in der Praxis allerdings kaum existiert.60 Allenfalls helfen besondere Handelsübungen. Meistens wird der Kommissionär aber in solchen Fällen leer ausgehen.61 Art.  433 Abs.  1  OR sanktioniert die «unredliche Handlungsweise» des Kommis- 3450 sionärs gegenüber der Kommittentin, also die Verletzung der Treuepflicht mit dem Verlust des Provisionsanspruchs.62 Dies gilt auch für die Vergütung gemäss Art. 432 Abs.  2  OR, jedoch nicht für den Aufwendungsersatz nach Art.  431  OR (s. dazu N  3453). Stellt der Kommissionär der Kommittentin zu hohe Einkaufs- bzw. zu tiefe Verkaufspreise in Rechnung (im Effektenhandel Kursschnitt genannt), hat er zusätzlich die nicht verrechneten Einsparungen bzw. die vorenthaltenen Überschüsse zu erstatten (Art. 428 Abs. 3 OR).63 Darüber hinaus darf die Kommittentin den Kommissionär in diesen Fällen selbst als Verkäufer bzw. Käufer betrachten (Art. 433 Abs. 2 OR). Im ersten Fall (Einkaufskommission) hat dies zur Folge, dass sie allfällige Gewährleistungsansprüche direkt gegen den Kommissionär richten kann; dieser haftet somit als Verkäufer für Mängel der Ware. Im zweiten Fall (Verkaufskommission) verliert der Kommissionär bezüglich der allenfalls durch den Dritten geltend gemachten Gewährleistungsansprüche aus dem Kaufvertrag seinen Regressanspruch gegenüber der Kommittentin; ausserdem trägt er das Insolvenzrisiko des Dritten, ohne hierfür jedoch eine Delkredere-Provision zu erhalten.64 Der Gesetzgeber hat in Art.  433 Abs.  2  OR eine Art Rollenkumulation als Strafe für illoyales Verhalten des Kommissionärs vorgesehen.65

2.

Aufwendungsersatz (Art. 431 OR) und Schadenersatz

Unabhängig vom erfolgreichen Abschluss des Vertrages mit dem Dritten hat der 3451 Kommissionär Anspruch auf Vergütung seiner Vorschüsse, Auslagen und Verwendungen samt Zinsen, falls er im Interesse der Kommittentin tätig wurde (Art. 431 Abs.  1  OR).66 Gemäss Art.  431 Abs.  2  OR steht dem Kommissionär eine Vergütung für die Kosten der Lagerung und des Transports der entsprechenden Güter, nicht aber für den Lohn seiner Angestellten zu. Kosten für Substituten im Sinne von Art. 398 Abs. 3 OR, die erlaubterweise herangezogen werden, müssen hinge60 61 62 63 64

ZK OR-Schönenberger, Art. 432 N 8. Kritisch dazu CHK OR-Pfenninger, Art. 432 N 6. S. etwa BSK OR-Lenz/von Planta, Art. 433 N 5. BSK OR-Lenz/von Planta, Art. 433 N 5. S.  zum Ganzen Hofstetter, 209  f.; BSK  OR-Lenz/von Planta, Art.  433 N  5  f.; CHK  OR-Pfenninger, Art. 433 N 5. 65 Neben den in Art. 433 OR normierten besonderen Rechtsfolgen für unredliches Verhalten führt die Treuepflichtverletzung durch den Kommissionär bei gegebenen Haftungsvoraussetzungen auch zu Schadenersatzansprüchen (Art. 97 OR) sowie allenfalls gar zu strafrechtlichen Konsequenzen; s. zum Ganzen etwa BSK OR-Lenz/von Planta, Art. 433 N 5 und N 7; CHK OR-Pfenninger, Art. 433 N 6 f. 66 BGE 4A_429/2014 E. 6.2.1 und E. 6.2.5 je m.w.H.

1169

5. Kapitel

Nominatverträge

gen vergütet werden. Der Gesetzgeber differenziert hier sinnvollerweise zwischen Fix- und Sonderkosten.67 Den Parteien steht es angesichts der dispositiven Natur von Art. 431 OR frei, die betreffenden Ansprüche des Kommissionärs einzuschränken oder zu erweitern.68 3452

Nach Art. 425 Abs. 2 i.V.m. Art. 402 Abs. 2 OR hat der Kommissionär ausserdem Anspruch auf Ersatz jenes Schadens, der ihm in ordentlicher Ausführung des Auftrags entstanden ist (s. N 3289 ff.).69

3453

Handelt der Kommissionär unredlich im Sinne von Art. 433 Abs. 1 OR, fragt sich, ob ihm Auslagen und Verwendungen trotzdem zu ersetzen sind, wie Art. 431 OR es für den Regelfall vorsieht.70 Das unredliche Handeln bzw. die Verletzung der Treuepflicht hat unseres Erachtens keinen direkten Einfluss auf den Aufwendungsersatz (s. auch die Ausführungen zu Art. 402 Abs. 1 OR in N 3286 f.).71 Somit schuldet die Kommittentin den Auslagenersatz beispielsweise auch dann, wenn der Kommissionär ihr den höheren Verkaufspreis nicht vollumfänglich weitergegeben hat. Umgekehrt schuldet der Kommissionär der Kommittentin in diesem Fall die Differenz, aber aus anderem Titel; Pönalisierungs- und Bereicherungseffekte sind im OR grundsätzlich unerwünscht.72

3. 3454

Delkredere-Provision (Art. 430 Abs. 2 OR)

Der Kommissionär, der das Delkredere-Risiko übernimmt, hat Anspruch auf eine Delkredere-Provision (Art. 430 Abs. 2 OR; s. N 3440). Als Delkredere-Risiken gelten das Erfüllungs- sowie das mit der Kreditierung bzw. Bevorschussung verbundene Risiko.73 Es geht also um das Ausbleiben der Gegenleistung trotz Erbringens der eigenen Leistung. Anders als beim Agenturvertrag (s. Art. 418c Abs. 3 OR) ist bei der Kommission der Vergütungsanspruch allerdings nicht zwingender Natur, sodass der Kommissionär auch auf die Delkredere-Provision verzichten kann.74

67 68 69 70

71 72 73 74

1170

Hofstetter, 206 f. m.w.H.; s. ferner auch BSK OR-Lenz/von Planta, Art. 431 N 1 und N 8; CHK ORPfenninger, Art. 431 N 6. BGE 4A_429/2014 E. 6.2.5 m.w.H. BGE 4A_429/2014 E. 6.2.1, E. 6.2.5 und E. 6.3. Für einen Entfall des Anspruchs aus Art. 431 OR bei unredlichem Verhalten im Sinne von Art. 433 OR etwa OFK OR-Moskric, Art. 433 N 3; CHK OR-Pfenninger, Art. 433 N 1. Für einen Entfall nur unter der zusätzlichen Bedingung, dass das unredliche Verhalten gleichzeitig eine Sorgfaltspflichtverletzung darstellt, etwa BK OR-Gautschi, Art. 433 N 3a; BSK OR-Lenz/von Planta, Art. 433 N 5. S. ferner BGE 4A_429/2014 E. 6.2.5 m.w.H., wonach kein Anspruch bestehe, «wenn er [der Beauftragte] den Auftrag sorgfaltswidrig ausgeführt hat». BK OR-Fellmann, Art. 402 N 76 ff.; s. auch BSK OR-Lenz/von Planta, Art. 433 N 5 m.w.H. A.M. etwa OFK OR-Moskric, Art. 433 N 3; CHK OR-Pfenninger, Art. 433 N 1. CHK OR-Pfenninger, Art. 430 N 1. Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 9 N 66; CR CO-von Planta/Flegbo-Berney, Art. 430 N 4.

§ 39

4.

Einkaufs- und Verkaufskommission (Art. 425–438 OR)

Retentionsrecht (Art. 434 OR)

Der Kommissionär hat am Kommissionsgut sowie am Verkaufserlös gemäss 3455 Art. 434 OR ein Retentionsrecht. Dieses bezweckt, die Rechte des Kommissionärs (insbesondere den Provisionsanspruch und den Aufwendungsersatz) zu sichern. Je nachdem, wie die Eigentumsverhältnisse hinsichtlich des Kommissionsguts liegen, bzw. je nachdem, ob eine Einkaufs- oder eine Verkaufskommission vorliegt, erscheint das Retentionsrecht in verschiedenen Formen: Rückbehaltungsrecht gemäss Art. 82 OR, Verrechnungsanspruch gemäss Art. 120 OR (mit allenfalls geleisteten Vorschüssen bzw. mit dem erzielten Verkaufserlös), Retentionsrecht (s. Art. 895 ZGB).75 Nach der herrschenden Lehre wird der Einkaufskommissionär grundsätzlich 3456 Eigentümer des eingekauften Kommissionguts.76 Nur ausnahmsweise (bei Art. 32 Abs. 2 OR und beim Besitzeskonstitut) geht das Eigentum direkt auf die Kommittentin über.77 Ist der Kommissionär erster Eigentümer des Kommissionsguts, steht ihm gemäss Art. 82 OR ein Rückbehaltungsrecht zu. Ist dagegen die Kommittentin erste Eigentümerin, kann der besitzende Einkaufskommissionär ein Retentionsrecht gegenüber dem dinglichen Anspruch der Kommittentin geltend machen (Art. 434 OR). Das dem Kommissionär zum Verkauf übergebene Kommissionsgut geht nach über- 3457 wiegender Lehre – im Gegensatz zur Trödelei – in der Regel nicht in dessen Eigentum über.78 Da bei der Verkaufskommission der Kommissionär den Verkaufserlös grundsätzlich mit seinem Provisionsanspruch verrechnen (Art. 120 OR) kann, ist ein Retentionsrecht überflüssig. Widerruft die Kommittentin den Verkaufsauftrag, bevor dieser ausgeführt wurde, kann der Kommissionär das Kommissionsgut gestützt auf das Retentionsrecht bis zur Bezahlung seiner Ansprüche zurückbehalten. Dagegen vermag der Vindikationsanspruch der Kommittentin nicht durchzudringen.79

75 BSK OR-Lenz/von Planta, Art. 434 N 1 ff. 76 Bucher, OR BT, 247; Hofstetter, 204 f. m.w.H. S. ferner für einen Überblick über den Meinungsstand in der Lehre sowie zur einschlägigen Rechtsprechung Loher, AJP 2016, 922 f. 77 Hofstetter, 204 m.w.H.; Loher, AJP 2016, 923 ff., insbesondere 925 f. 78 S. BGE 4A_496/2014 E. 3.3 m.w.H.; s. auch Hofstetter, 204 m.w.H.; a.M. Guhl/Schnyder, § 51 N 8. S.  ferner für einen Überblick über den Meinungsstand in der Lehre sowie zur einschlägigen Rechtsprechung Loher, AJP 2016, 922 f. 79 BSK OR-Lenz/von Planta, Art. 434 N 7.

1171

5. Kapitel

VI.

Nominatverträge

Verkaufskommission im Besonderen

3458

Für die Verkaufskommission enthält das Gesetz einige spezifische Regeln hinsichtlich der Pflichten (Art. 427 f. OR) und Rechte des Kommissionärs (Art. 435 OR):

3459

Das zu verkaufende Kommissionsgut wird dem Kommissionär oft nur zugesandt. Bei Entgegennahme des Guts ist der Kommissionär gemäss Art. 427 Abs. 1 OR verpflichtet, die Ware zu prüfen. Befindet sie sich in einem mangelhaften Zustand, hat er die daraus resultierenden Rechte der Kommittentin gegen den Frachtführer zu wahren (Art. 447 ff. OR, insbesondere Art. 453 OR), allfällige Beweise zu sichern sowie für die Erhaltung des Kommissionsguts zu sorgen. Zudem hat er die Kommittentin unverzüglich zu informieren (Art. 427 Abs. 1 OR; s. N 3436 f.). Handelt es sich beim Kommissionsgut um schnell verderbliche Ware, ist der Kommissionär berechtigt oder  – falls dies auch im Interesse der Kommittentin liegt  – verpflichtet, die Ware unter Mithilfe der zuständigen Amtsstelle öffentlich versteigern zu lassen (Art. 427 Abs. 3 OR). Erfüllt er diese Pflichten schuldhaft nicht und erwächst daraus der Kommittentin ein Schaden, schuldet er Ersatz nach Art. 97 Abs. 1 OR (Art. 427 Abs. 2 OR).80

3460

Des Weiteren ist der Kommissionär verpflichtet, die Interessen der Kommittentin bestmöglich zu wahren: Das Kommissionsgut ist somit so teuer wie möglich zu verkaufen. Die Kommittentin gibt oft untere Preislimiten vor. Verkauft der Kommissionär darunter, hat er die Differenz selbst zu bezahlen, sofern er nicht beweist, dass er den Verkauf im Interesse der Kommittentin getätigt hat, wobei eine Rücksprache mit der Kommittentin nicht mehr möglich war (Art. 428 Abs. 1 OR). Für weiteren Schaden der Kommittentin haftet der Kommissionär unter der Voraussetzung, dass ihn ein Verschulden trifft (Art. 428 Abs. 2 OR).

3461

Ist das Kommissionsgut unverkäuflich oder widerruft die Kommittentin den Auftrag vor Abschluss eines Vertrages mit einem Dritten, muss sie den Kommissionär über das weitere Vorgehen informieren. Zögert sie mit der Rücknahme des Guts oder mit Weisungen, kann der Kommissionär gemäss Art. 435 OR die Versteigerung des Kommissionsguts bei der zuständigen Amtsstelle beantragen.

VII. Beendigung des Kommissionsvertrages (Art. 404 OR) 3462

Gemäss Art. 425 Abs. 2 i.V.m. Art. 404 Abs. 1 OR sind die Parteien zur jederzeitigen Beendigung des Auftrags berechtigt.81 So kann insbesondere die Kommittentin das Mandat jederzeit widerrufen. Für die Rechtsfolgen des Widerrufs ist danach 80 81

1172

BSK OR-Lenz/von Planta, Art. 427 N 7; CHK OR-Pfenninger, Art. 427 N 5. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5270.

§ 39

Einkaufs- und Verkaufskommission (Art. 425–438 OR)

zu unterscheiden, ob der Kommissionär im fraglichen Zeitpunkt bereits mit einem Dritten einen Kaufvertrag abgeschlossen hat oder nicht (s. hierzu bereits N 3448). Liegt ein solcher Vertrag vor, ist Art. 432 OR anwendbar. Liegt noch kein Vertrag vor, erhält der Kommissionär keine Provision; Art. 432 OR greift nicht.82 Diesfalls kann der Kommissionär einzig gestützt auf Art.  431  OR Ersatz seiner Auslagen und Verwendungen und, sofern der Widerruf zur Unzeit erfolgt ist, den in Art. 404 Abs. 2 OR vorgesehenen Schadenersatz fordern.83

VIII. Rechtsübergang nach Art. 425 Abs. 2 i.V.m. Art. 401 OR 1.

Legalzession (Art. 425 Abs. 2 i.V.m. Art. 401 Abs. 1 und Abs. 2 OR)

Art. 425 Abs. 2 i.V.m. Art. 401 Abs. 1 OR statuiert für die Kaufpreisforderung (Ver- 3463 kaufskommission) bzw. für die Forderung auf Übergabe des Kaufgegenstands (Einkaufskommission) eine Legalzession. Wenn das Ausführungsgeschäft zwischen Kommissionär und Drittem geschlossen wird, ist zunächst der Kommissionär Gläubiger der Forderung. Diese geht alsdann von Gesetzes wegen auf die Kommittentin über, sofern diese ihren Verpflichtungen gegenüber dem Kommissionär nachgekommen ist. Dies gilt gemäss Art. 425 Abs. 2 i.V.m. Art. 401 Abs. 2 OR auch, wenn der Kommissionär vor dem Forderungsübergang in Konkurs geraten ist.84 Bei Schadenersatzansprüchen hilft die Legalzession der Kommittentin aber nicht 3464 weiter: Wenn der Kommissionär nicht geschädigt wurde, hat er auch keinen Ersatzanspruch, den er auf die Kommittentin übertragen könnte. Dies ist die Ausgangslage, in welcher die Drittschadensliquidation (s. N 1600 ff.) herangezogen wird,85 falls man sie zulässt. Alsdann kann gestützt darauf der Kommissionär den Schaden der Kommittentin geltend machen, die Kommittentin zur Geltendmachung ermächtigen oder den Ersatzanspruch auf sie übertragen. Wehrt er sich gegen eine solche Vorgehensweise, kann die Kommittentin argumentieren, dass auch für diesen Anspruch Art. 425 Abs. 2 i.V.m. Art. 401 Abs. 1 OR gelten solle und demzufolge die Forderung ex lege, also unabhängig vom Einverständnis des Kommissionärs, auf sie übergehe.

82 BSK OR-Lenz/von Planta, Art. 432 N 6; a.M. ZK OR-Schönenberger, Art. 432 N 7 f., nach welchem Art. 432 Abs. 2 OR dennoch zur Anwendung gelangen soll. 83 BGE 142 III 129 E. 3 = Pra 2017 Nr. 51. 84 S. zum Ganzen etwa Loher, AJP 2016, 927 f.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5248. 85 Honsell, OR BT, 401.

1173

5. Kapitel

2.

Nominatverträge

Aussonderungsrecht der Kommittentin im Konkurs des Kommissionärs (Art. 425 Abs. 2 i.V.m. Art. 401 Abs. 3 OR)

3465

Bei der Einkaufskommission wird der Kommissionär in der Regel erster Eigentümer des erworbenen Kommissionsguts, da er den Kaufvertrag mit dem Dritten in eigenem Namen abschliesst (s. N 3456). Die Kommittentin hat gegenüber dem Kommissionär einen obligatorisch wirkenden Herausgabeanspruch (s. Art. 425 Abs. 2 i.V.m. Art. 400 OR).86 Fällt der Kommissionär vor Übergabe der erworbenen Sache an die Kommittentin in Konkurs, greift Art. 401 Abs. 3 OR: Unter Vorbehalt des Retentionsrechts des Kommissionärs am Kommissionsgut kann die Kommittentin alsdann bewegliche Sachen aus der Konkursmasse des Kommissionärs herausverlangen (Aussonderungsanspruch).87

3466

Art.  401 Abs.  3  OR ist nicht auf diejenigen Geldsummen anwendbar, welche der Kommissionär bei der Einkaufskommission von der Kommittentin (Vorschuss zur Bezahlung des Einkaufspreises) bzw. bei der Verkaufskommission vom Drittkäufer (Kaufpreiszahlung) erhält.88 Diese werden nämlich mit dem Geld des Kommissionärs vermischt, womit dieser originäres Eigentum daran erwirbt. Bei Konkurs des Kommissionärs fällt dieses Geld darum in die Konkursmasse. Wird es jedoch getrennt aufbewahrt, besteht daran ebenfalls ein Aussonderungsrecht (Art.  401 Abs. 3 OR).89

3467

Das dem Kommissionär bei der Verkaufskommission zum Verkauf übergebene Kommissionsgut geht nach herrschender Lehre grundsätzlich nicht in dessen Eigentum über (s. N 3457). Fällt der Kommissionär vor Abschluss eines Kaufvertrages mit einem Dritten in Konkurs, kann die Kommittentin das Kommissionsgut darum ohne Weiteres vindizieren (Art. 641 Abs. 2 ZGB). Aufgrund des Wortlauts von Art. 401 Abs. 3 OR ist umstritten, ob diese Bestimmung (allenfalls analog) anwendbar ist, wenn die Kommittentin das Kommissionsgut dem Kommissionär zu Eigentum übergibt und dieser in Konkurs fällt.90 Unseres Erachtens ist die analoge Anwendung von Art. 401 Abs. 3 OR auf diesen Fall aus der Interessenlage der Beteiligten und dem Schutzzweck der Norm heraus gerechtfertigt.

86 BGE 139 III 49 E. 3.4; s. auch Loher, AJP 2016, 924; CHK OR-Pfenninger, Art. 434 N 2. 87 Ausführlich Loher, AJP 2016, 926 ff. 88 BSK OR-Lenz/von Planta, Art. 434 N 6. 89 BSK OR-Weber, Art. 401 N 14 ff. m.w.H., insbesondere bezüglich der Voraussetzungen der Aussonderung. 90 Bejahend Honsell, OR BT, 357 f. m.w.H. und 401; verneinend BGE 117 II 429 E. 3b; BK OR-Fellmann, Art. 401 N 115 f. m.w.H., welcher jedoch de lege ferenda ein erweitertes Aussonderungsrecht postuliert; s. auch BSK  OR-Lenz/von Planta, Art.  434 N  5 m.w.H. S. ferner ausführlich zur Thematik Loher, AJP 2016, 931 m.w.H.

1174

§ 39

IX.

Einkaufs- und Verkaufskommission (Art. 425–438 OR)

Selbsteintritt des Kommissionärs (Art. 436–438 OR)

Hat das Kommissionsgut (Waren, Wechsel oder andere Wertpapiere) einen Börsen- oder Marktpreis, darf der Kommissionär den Kaufvertrag (bei der Einkaufskommission als Verkäufer bzw. bei der Verkaufskommission als Käufer) auch selber mit der Kommittentin abschliessen (s. Art. 436 OR).

3468

Bei einem Selbsteintritt (s. N 1077 ff.) handelt der Kommissionär in eigenem Namen 3469 und auf eigene Rechnung und befindet sich daher in der Regel in einem Interessenkonflikt: Ist der Preis nicht bereits vom Markt oder einer unabhängigen Drittinstanz nach Massgabe des objektiven Werts bestimmt worden, kann man als Verkäufer nicht gleichzeitig die Interessen des Käufers wahren und umgekehrt. Die Gegenläufigkeit dieser Interessen ist im Übrigen typisch für ein Austauschgeschäft. Um dieser Interessenkollision vorzubeugen, ist ein Selbsteintritt nur unter strengen 3470 Voraussetzungen zuzulassen: Erstens darf die Kommittentin dem Kommissionär den Selbsteintritt nicht verboten haben (s. Art. 436 Abs. 1 OR). Zweitens muss das Kommissionsgut einen Markt- oder Börsenpreis haben. Von dieser Voraussetzung kann abgesehen werden, sofern die Kommittentin dem Selbsteintritt zustimmt.91 Nach unserem Dafürhalten ist diesfalls ausserdem die Zustimmung zum vereinbarten Preis erforderlich. Das ergibt sich daraus, dass die Parteien sich über die essentialia negotii zu einigen haben. Steht im Übrigen der Selbsteintritt in erkennbarer Weise den Interessen der Kommittentin entgegen und kann der Kommissionär die Kommittentin nicht um ihr Einverständnis fragen, so wird vermutet, dass sie diesem nicht zustimme.92 Eine dritte Voraussetzung ergibt sich gemäss einer in der Lehre verbreiteten Ansicht 3471 aus Art. 428 Abs. 3 OR, wonach der Gewinn aus dem Verkauf über der angesetzten Preislimite bzw. aus dem Einkauf unter derselben der Kommittentin zusteht. Der Kommissionär darf diese Vorschrift nicht dadurch umgehen, dass er zuerst über dem Marktpreis verkauft bzw. unter demselben einkauft und anschliessend sein Selbsteintrittsrecht wahrnimmt, um so der Kommittentin gegenüber den Marktpreis geltend machen zu können (s. Art. 436 Abs. 2 OR).93 Mit diesem Vorgehen käme nämlich die Preisdifferenz gerade nicht der Kommittentin zugute (Art. 428 Abs.  3  OR), und es wäre stattdessen der Kommissionär ungerechtfertigt bereichert. Dieser könnte so je nach Marktpreisentwicklung den Selbsteintritt erklären 91 S. Guhl/Schnyder, § 51 N 16, welche wohl bereits die Angabe einer Preislimite als Genehmigung des Selbsteintritts zum angegebenen Preis betrachten; a.M. CR CO-von Planta/Flegbo-Berney, Art. 436 N 5. 92 CHK OR-Pfenninger, Art. 436 N 4. 93 Guhl/Schnyder, §  51 N  18; s. auch Engel, CO PS, 561; Hofstetter, 211  f.; BSK  OR-Lenz/von Planta, Art. 437 N 2 ff.; CR CO-von Planta/Flegbo-Berney, Art. 437 N 2 ff.

1175

5. Kapitel

Nominatverträge

bzw. darauf verzichten und so die guten Geschäfte für sich behalten, die schlechten jedoch an die Kommittentin weitergeben.94 Daher soll der Kommissionär den Selbsteintritt nur erklären können, solange er noch kein Erwerbsgeschäft mit einem Dritten abgeschlossen hat. Mit dem Abschluss des Drittgeschäfts geht das Selbsteintrittsrecht unter.95 Allgemeiner formuliert bedeutet diese dritte Voraussetzung, dass der Selbsteintritt nur insofern zulässig ist, als dieser nicht zum Nachteil der Kundin geschieht.96 Das Bundesgericht hat sich in BGE 138 III 781 mit dieser in der Lehre vertretenen Ansicht auseinandergesetzt und dabei festgehalten, dass die getroffene Unterscheidung nach dem bereits erfolgten oder noch ausstehenden Abschluss des Drittgeschäfts keine Stütze im Gesetzeswortlaut finde. In seinem Entscheid hat das Bundesgericht allerdings explizit offengelassen, ob es die betreffende Auffassung in einem konkreten Fall gleichwohl teilen würde oder nicht.97 3471a

In jenen Fällen, in denen der Eintritt als Selbstkontrahent zulässig ist und der Kommissionär die Ausführung des Auftrags mitteilt, ohne eine andere Person als Käufer oder Verkäufer «namhaft zu machen», gilt die widerlegbare Vermutung, dass er selbst die Verpflichtung eines Käufers oder Verkäufers auf sich nimmt (Vermutung des Selbsteintritts gemäss Art. 437 OR). Die Beweislast für eine Widerlegung der Vermutung des Selbsteintritts trägt der Kommissionär (Art. 8 ZGB).98

3472

Die Rechtsnatur des Selbsteintritts ist in der Lehre umstritten.99 Einig ist man sich darüber, dass durch den Selbsteintritt eine «Mischung» von Kommission und Kauf entsteht bzw. der Kommissionär nicht nur als Käufer bzw. Verkäufer des Kommissionsguts gelten kann, sondern gegenüber der Kommittentin auch alle Ansprüche und Rechte aus dem Kommissionsvertrag (insbesondere auf Provision100) behält (Art. 436 Abs. 2 und Abs. 3 OR).101 Auch das Bundesgericht qualifiziert die Konstellation des Selbsteintritts als «gemischten Vertrag»: Obwohl der Kommissionär bei einem Selbsteintritt kaufrechtliche Pflichten (z.B. Gewährleistung) übernehme, bedeute dies nicht, dass das Kommissionsrecht überhaupt nicht mehr anwendbar

94 95 96 97 98 99 100 101

1176

S. etwa Engel, CO PS, 561; Hofstetter, 211 f.; BSK OR-Lenz/von Planta, Art. 437 N 2b. Engel, CO PS, 561; BK  OR-Gautschi, Art.  437 N  1a  f.; Hofstetter, 211  f.; BSK  OR-Lenz/von Planta, Art. 437 N 2 ff.; CR CO-von Planta/Flegbo-Berney, Art. 437 N 2 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5233; s. auch BGE 138 III 781 E. 3.5.2 und E. 3.5.3. Insbesondere ist dies bei der Durchführung von Transaktionen durch den Effektenhändler von Bedeutung; s. hierzu Arter, AJP 2013, 940; s. ferner auch Verhaltensregeln für Effektenhändler 2008, 9. BGE 138 III 781 E. 3.5.2 und E. 3.5.3. BGE 138 III 781 E. 3.5.1 und E. 3.5.3; 4A_570/2012 E. 4.3; s. auch Arter, AJP 2013, 942. BSK  OR-Lenz/von Planta, Art.  436 N  3 m.w.H.; s. auch CR CO-von Planta/Flegbo-Berney, Art. 436 N 3. Ein vereinbarter Anspruch auf Delkredere-Provision entfällt allerdings; s. etwa BSK  OR-Lenz/von Planta, Art. 436 N 10. Engel, CO PS, 560 f.; Guhl/Schnyder, § 51 N 15; Hofstetter, 212 m.w.H.; anders noch BGE 114 II 57 E. 6a.

§ 39

Einkaufs- und Verkaufskommission (Art. 425–438 OR)

sei; namentlich unterliege der Kommissionär weiter den auftragsrechtlichen Treuepflichten.102 Die Kumulation von Ansprüchen aus Kaufvertrag und Kommission ist für den Kommissionär insgesamt vorteilhafter.103

102 BGE 4A_547/2012 E. 4.1. 103 Engel, CO PS, 561 m.w.H.

1177

§ 40 Speditions- und Frachtvertrag (Art. 439–457 OR) Grundlagenliteratur Bucher, OR BT, 248 ff.; Engel, CO PS, 585 ff.; Guhl/Schnyder, §§ 52 und 53; Honsell, OR BT, 403  ff.; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 9 N  77; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 1982 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5189 ff. und N 5655 ff.

Weiterführende Literatur Dettling-Ott Regula, Internationales und schweizerisches Lufttransportrecht, Zürich 1993; Furrer Andreas, Der Einbezug der Allgemeinen Beförderungsbedingungen beim Kauf eines Fahrscheins, in: FS Vonplon, Zürich 2009, 139–150; Hochstrasser Michael, Der Beförderungsvertrag, Habil. Zürich 2015; Hofstetter Josef, Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), SPR Bd. VII/6, Basel/Genf/München 2000, 214–232; Isler Rolf, Kritisches zur vertrauenstheoretischen Abgrenzung von Speditions- und Frachtvertrag, SJZ 1990, 243–249; Krauskopf Patrick, Der Vertrag zugunsten Dritter, Diss. Freiburg 2000; Montanaro Giovanna, Die Haftung des Spediteurs für Schäden an Gütern, Diss. Zürich 2001; Stettler Aurélien, La responsabilité du transporteur pour perte, avarie et/ou livraison tardive de la marchandise, Diss. Lausanne 2008; Weber Rolf H., Praxis zum Auftragsrecht und zu den besonderen Auftragsarten, Bern 1990, 174–190.

I.

Der Speditionsvertrag (Art. 439 OR)

1.

Begriff und anwendbare Normen

3473

Beim Speditionsvertrag verpflichtet sich der Spediteur gegen eine Vergütung, in eigenem Namen, aber für Rechnung der Versenderin einen Gütertransport zu organisieren (Art. 439 OR). Der Spediteur führt den Transport in der Regel nicht selber aus, sondern schliesst (als indirekter Stellvertreter) einen Frachtvertrag mit einem Dritten (Frachtführer) ab.

3474

Der Speditionsvertrag, der in seiner Hauptsache in einem einzigen Artikel geregelt ist (Art. 439 OR), ist eine besondere Art der Kommission (sog. Frachtvertragskommission), wobei sowohl die kommissionsrechtlichen – via Verweis im Kommissionsrecht – als auch die auftragsrechtlichen Bestimmungen (s. Art. 425 Abs. 2 OR) anwendbar sind. In Bezug auf den Transport der Güter verweist Art.  439  OR

1178

§ 40

Speditions- und Frachtvertrag (Art. 439–457 OR)

auf die Bestimmungen des Frachtvertrages (s. N 3488 ff.). Des Weiteren sind die Art.  456  f.  OR zu beachten, welche auf den Speditionsvertrag ebenfalls anwendbar sind, sofern eine öffentliche Transportanstalt die Speditionsgüter versendet. Oft vereinbaren die Parteien, dass die Allgemeinen Bedingungen (2005) des Verbands schweizerischer Speditions- und Logistikunternehmen ebenfalls zum Vertragsinhalt des Speditionsvertrages gehören (AB SPEDLOGSWISS).1 Im Folgenden sollen nur die spezifischen Fragen des Speditionsvertrages behandelt 3475 werden. Im Weiteren wird auf die Ausführungen zur Einkaufs- und Verkaufskommission verwiesen (s. N 3426 ff.).

2.

Abgrenzungen

Nur der Transport von Gütern kann Inhalt eines Speditionsvertrages im Sinne 3476 von Art.  439  OR sein. Auf die Beförderung von Personen ist Art.  439  OR hingegen nicht anwendbar. Hinsichtlich der Qualifikation des Personenbeförderungsvertrages wurden in der Lehre unter dem Regime des alten Transportgesetzes (TG) vom 4. Oktober 1985 (das heisst vor Inkrafttreten des Personenbeförderungsgesetzes (PBG)2 am 1.  Januar 2010) verschiedene Meinungen vertreten. Ein Teil qualifizierte den Personenbeförderungsvertrag als Auftrag.3 Zum Teil wurden solche Verträge auch als Werk-4 oder Innominatverträge5 eingestuft. Art. 15–19 TG regelten den Personentransportvertrag; sie entsprechen weitgehend den Art. 19–23 PBG, sodass die zitierten Meinungen auch unter der Herrschaft des PBG noch relevant sein dürften. Unseres Erachtens handelt es sich beim Personenbeförderungsvertrag um einen Nominatvertrag (s. unter anderem die Legaldefinition in Art.  19 PBG, bezeichnet als Personentransportvertrag).6 In den Fällen, die nicht vom Geltungsbereich gemäss Art.  1 PBG erfasst sind, wie dies z.B. für Taxifahrten der Fall ist (Art. 5 PBG i.V.m. Art. 8 Abs. 1 lit. a VPB7), muss zunächst geprüft werden, ob eine spezialgesetzliche Regelung (z.B. das PauRG8) greift. Fehlt eine solche, kommt unseres Erachtens Auftragsrecht zur Anwendung.9

1 Hofstetter, 216; die Bedingungen sind abrufbar unter , besucht am 3. Januar 2019. 2 Bundesgesetz vom 20. März 2009 über die Personenbeförderung (Personenbeförderungsgesetz; SR 745.1). 3 Hofstetter, 215; BSK OR-Staehelin, Art. 439 N 4. 4 BK OR-Koller, Art. 363 N 11 und N 233. 5 Dettling-Ott, 103; Furrer, 140. 6 So auch Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 69. 7 Verordnung vom 4. November 2009 über die Personenbeförderung (SR 745.11). 8 Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über Pauschalreisen (SR 944.3). 9 S. OGer Thurgau, SJZ 1987, 329 f., wonach der entgeltliche Auftrag zur Personenbeförderung durch einen Taxibetrieb dem Auftragsrecht unterliegt.

1179

5. Kapitel

3477

Beim Hinterlegungsvertrag besteht die Hauptleistung darin, Waren aufzubewahren. Im Unterschied dazu ist die Aufbewahrung von Speditionsgut nur eine Nebenleistung des Spediteurs (s. N 3535).10

3. 3478

Pflichten des Spediteurs

Die Hauptpflicht des Spediteurs besteht im Organisieren des Transports der Speditionsgüter, also schwergewichtig im Abschluss eines Frachtvertrages mit einem Dritten, dem Frachtführer.11 Dazu kommen beispielsweise folgende Nebenpflichten:12 • • • • • • • •

3479

Annahme der Speditionsgüter; Verpackung und Lagerung der Güter; eventuell Versicherung (s. Art. 426 Abs. 2 OR); Ausfüllen von Transportdokumenten; Be- und Entladen der Güter; Verzollung; Überwachung des Transports; Rechenschaftsablegung (Art. 400 i.V.m. Art. 425 Abs. 2 OR).

Das Transportieren der Speditionsgüter gehört nicht zu den Pflichten des Spediteurs; diese Pflicht trifft den Frachtführer. Allerdings kann der Spediteur unter den Voraussetzungen von Art.  436  OR (Selbsteintritt des Kommissionärs) den Transport auch selbst ausführen.

4. 3480

Rechte des Spediteurs

Der Spediteur hat Anspruch auf eine Vergütung (Art. 439 OR). Daneben muss ihm die Versenderin alle Auslagen ersetzen und ihn von den eingegangenen Verpflichtungen befreien (Art. 431 OR). Die grösste Auslage des Spediteurs liegt darin, dass er dem Frachtführer die Frachtkosten zu bezahlen hat.13

5. 3481

Nominatverträge

Haftung des Spediteurs

Bei der Haftung des Spediteurs ist gemäss Art. 439 OR zu unterscheiden, ob der Schaden ausserhalb oder während des Transports eintritt.14 10 S. BGE 126 III 192 E. 2a = Pra 2001 Nr. 49. 11 Hofstetter, 217; BSK OR-Staehelin, Art. 439 N 2. 12 S. dazu Hofstetter, 218 m.w.H.; Montanaro, 72 ff. 13 Hofstetter, 217. 14 Bucher, OR BT, 253; Guhl/Schnyder, § 53 N 1.

1180

§ 40

5.1

Speditions- und Frachtvertrag (Art. 439–457 OR)

Ausserhalb des Transports

Entsteht der Schaden ausserhalb des Transports, also insbesondere während der 3482 Vorbereitungshandlungen, so haftet der Spediteur wie ein Kommissionär bzw. Beauftragter (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 439, Art. 425 Abs. 2 und Art. 398 Abs. 2 OR; s. N 3262 ff. und N 3441 ff.).15 Bei Verlust der Ware vor dem Transport oder bei ihrer Beschädigung im Lager schuldet der Spediteur somit gestützt auf Art.  97 Abs.  1 i.V.m. Art. 398 Abs. 2 OR Schadenersatz.16 5.2

In Ausführung des Transports

Gemäss Art. 439 OR muss der Spediteur in Bezug auf den Transport der Güter wie 3483 ein Frachtführer für Schaden einstehen. Entsteht der Schaden während des Transports, so haftet der Spediteur gestützt auf die frachtvertraglichen Bestimmungen,17 auch wenn er nicht durch Selbsteintritt Frachtführer geworden ist (Art. 447 ff. OR).

6.

Zwischenspediteur

Beauftragt der Spediteur einen Dritten (Zwischenspediteur) mit der Organisation 3484 des Transports, stellt sich die Frage, ob dieser als Hilfsperson gemäss Art. 101 OR oder als Substitut gemäss Art. 398 Abs. 3 OR handelt. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil sich der Spediteur bei befugtem Beizug eines Substituten allenfalls von der Haftung befreien kann (s. Art. 399 Abs. 2 OR). Auch hier ist zu unterscheiden, ob es sich um den eigentlichen Transport und des- 3485 sen Ausführung oder um Vorbereitungshandlungen handelt.18 6.1

Ausserhalb des Transports

Entsteht der Schaden ausserhalb des Transports, gelangen die kommissions- bzw. 3486 auftragsrechtlichen Bestimmungen zur Anwendung. Für die Haftung ist danach zu differenzieren, ob der Beizug eines Substituten erlaubt ist oder nicht (Art. 398 Abs. 3 OR): War der Spediteur befugt, das Geschäft einem Dritten zu übertragen, so haftet er nur für die gehörige Sorgfalt bei der Wahl und Instruktion des Dritten (Art. 439 i.V.m. Art. 425 Abs. 2 und Art. 399 Abs. 2 OR). War der Beizug des Zwischenspediteurs unbefugt, so muss der Spediteur für dessen Handlungen einste-

15 16 17 18

BGE 88 II 430 E. 1; Honsell, OR BT, 404. S. Weber, 188 f. mit zahlreichen Beispielen und Hinweisen. S. BGE 102 II 256 E. 1 bezüglich eines Diebstahls während des Transports; Bucher, OR BT, 253. S. Guhl/Schnyder, § 53 N 2.

1181

5. Kapitel

Nominatverträge

hen, wie wenn es seine eigenen wären (Art. 439 i.V.m. Art. 425 Abs. 2 und Art. 399 Abs. 1 OR).19 6.2 3487

3488

In Ausführung des Transports

Entsteht der Schaden während des Transports, so ist der Zwischenspediteur dem Zwischenfrachtführer gleichzustellen. Der Spediteur haftet somit für seinen Zwischenspediteur (Hilfsperson) gemäss Art. 449 OR.20

II.

Der Frachtvertrag (Art. 440–457 OR)

1.

Begriff

Der Frachtvertrag regelt das Verhältnis zwischen der Absenderin und dem Frachtführer. Dabei verpflichtet sich der Frachtführer, gegen eine Vergütung (sog. Frachtlohn) Sachen zu transportieren (Art. 440 Abs. 1 OR).

3489

Jedes transportfähige Gut kann Frachtgut sein.21

3490

Die frachtvertraglichen bzw. auftragsrechtlichen Bestimmungen des  OR werden in vielen Bereichen wie beispielsweise Luftfahrt, Eisenbahn, Seeschifffahrt von Spezialgesetzen (z.B. GüTG22) und internationalen Abkommen (z.B. Übereinkommen vom 19.  Mai 1956 über den Beförderungsvertrag im internationalen Strassengüterverkehr23) überlagert, deren Anwendbarkeit für den jeweiligen Kontext zu prüfen ist.24 Die Bestimmungen von Art. 440 ff. OR gelangen daher hauptsächlich auf den schweizerischen Strassengüterverkehr zur Anwendung.25 Diesfalls sind bei entsprechender Vereinbarung auch die Allgemeinen Bedingungen (2005) des Verbands schweizerischer Speditions- und Logistikunternehmen zu berücksichtigen (AB SPEDLOGSWISS).

19 S. BGE 107 II 238 E. 5b. 20 Bucher, OR BT, 253 f.; Guhl/Schnyder, § 53 N 2. 21 Hofstetter, 223; CHK OR-von Ziegler/Montanaro, Art. 440 N 6. 22 Bundesgesetz vom 25. September 2015 über den Gütertransport durch Bahn- und Schifffahrtsunternehmen (Gütertransportgesetz; SR 742.41). 23 SR 0.741.611; Anwendungsfall: BGE 107 II 238 ff. 24 S.  BGE 132 III 626 E.  2.1; s. Hofstetter, 214  f. FN  1; Honsell,  OR BT, 405  f.; BSK  OR-Staehelin, Art. 440 N 13 ff. 25 Honsell, OR BT, 406.

1182

§ 40

Speditions- und Frachtvertrag (Art. 439–457 OR)

Gemäss Art. 440 Abs. 2 OR untersteht der Frachtvertrag subsidiär dem Auftrags- 3491 recht. Dies wird von einigen Autoren kritisiert.26 Gemäss Koller handelt es sich sogar um einen sog. «verkappten Werkvertrag», da das Entgelt für die Erbringung eines bestimmten Arbeitserfolgs nicht schon für die Arbeit als solche geschuldet ist (s. dazu N 3499 f.).27 Der Auffassung, dass der Frachtvertrag ein Element des Werkvertrages umfasst, ist beizustimmen. Dies äussert sich indessen in der «Erfolgshaftung» des Frachtführers und nicht darin, dass die Vergütung nur für einen bestimmten Arbeitserfolg geschuldet ist (zum Frachtlohn s.  N  3499; zur «Erfolgshaftung» s. N 3507). Die Absenderin und die Empfängerin können dieselbe Person sein. In der Regel 3492 liegt aber ein Dreiparteienverhältnis (Absenderin, Frachtführer und Empfängerin) vor. Es handelt sich alsdann beim Frachtvertrag um einen Vertrag zugunsten eines Dritten (Art. 112 OR; s. N 1119 ff.). 3493 Frachtvertrag

Absenderin (= Promissarin)

Deckungsverhältnis

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Frachtführer (= Promittent)

Empfängerin (= Dritte)

Abbildung: Dreiparteien-Verhältnis beim Frachtvertrag

2.

Abgrenzungen

Nur der Transport von Sachen kann Inhalt eines Frachtvertrages sein (Art.  440 Abs. 1 OR).

3494

Die Beförderung von Personen fällt demzufolge nicht unter das Frachtvertragsrecht,28 3495 sondern ist nach herrschender Lehre als Auftrag zu qualifizieren (zu den verschiedenen Lehrmeinungen s. N 3476).

26 Bucher, OR BT, 249; Honsell, OR BT, 405. 27 BK OR-Koller, Art. 363 N 11; Weber, 175. 28 BSK OR-Staehelin, Art. 440 N 3.

1183

5. Kapitel

3496

Nominatverträge

Der Speditionsvertrag ist ein Rechtshandlungsauftrag: Der Spediteur verpflichtet sich, in eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung einen Frachtvertrag mit einem Dritten abzuschliessen. Der Frachtvertrag ist hingegen ein Tathandlungsauftrag: Der Frachtführer transportiert das Frachtgut selber an einen bestimmten Ort.29

3.

Entstehung

3497

Die determinierenden Elemente eines Frachtvertrages bilden das Frachtgut, der Name des Empfängers und der Ablieferungsort.30 Auch der Frachtlohn ist begriffsnotwendig (Art. 440 Abs. 1 OR; bei Unentgeltlichkeit gelangen die Art. 394 ff. OR zur Anwendung31).32 Dieser ergibt sich bisweilen auch aus den Umständen, insbesondere dann, «wenn der Transport nur gegen Entgelt zu erwarten war, was bei der gewerbsmässigen Beförderung stets zutrifft».33

3498

Hinsichtlich der Form bestehen keine spezifischen Vorschriften. Zwecks Beweiserleichterung wird aber häufig ein sog. Frachtbrief ausgestellt, welcher dem Frachtführer nach Vertragsschluss ausgehändigt wird.34 Der Frachtbrief ist nichts anderes als ein schriftlicher (oder elektronischer35) Frachtvertrag,36 welcher die in Art. 441 Abs. 1 OR genannten Punkte regelt.37 Er ist eine reine Beweisurkunde und besitzt keinen Wertpapiercharakter. Dies hat wiederum zur Folge, dass die Waren nicht schon mit Übergabe des Frachtbriefs, sondern erst mit Übergabe des Frachtguts in das Eigentum der Empfängerin übergehen.38 Die Übergabe des Originals durch den Frachtführer an die Empfängerin bewirkt aber, dass das Weisungsrecht von der Absenderin zur Empfängerin wechselt (s. Art. 443 OR).

4. 3499

Pflichten der Absenderin (Art. 441–442 OR)

Die Hauptleistung der Absenderin besteht im Bezahlen des Frachtlohns (Art. 440 Abs. 1 OR). Es stellt sich die Frage, ob der Frachtlohn für das Tätigwerden an sich oder für den Arbeitserfolg geschuldet ist. Im Gegensatz zum Kommissionsrecht (Art. 432 Abs. 1 OR), wonach die Kommissionsgebühr erst geschuldet ist, wenn das Geschäft zur Ausführung gekommen ist (s. N 3446), regelt das Frachtvertragsrecht 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38

1184

S. Hochstrasser, N 218; Hofstetter, 216; CHK OR-von Ziegler/Montanaro, Art. 440 N 8. Isler, SJZ 1990, 244. BK OR-Gautschi, Art. 440 N 2a; ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 440 N 15. S. Engel, CO PS, 588 und 590; BK OR-Gautschi, Art. 440 N 5b; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5714. ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 440 N 15. Hofstetter, 223. Hochstrasser, N 456. BSK OR-Staehelin, Art. 443 N 3. CR CO-Marchand, Art. 443 N 11. BSK OR-Staehelin, Art. 443 N 4.

§ 40

Speditions- und Frachtvertrag (Art. 439–457 OR)

diese Frage nicht. Deshalb ist – gemäss Art. 440 Abs. 2 OR – Auftragsrecht heranzuziehen: Der Frachtlohn wird somit für die Transporttätigkeit als solche geschuldet und nicht dafür, dass ein bestimmter Erfolg (Eintreffen am Bestimmungsort) eintritt.39 Gemäss Auftragsrecht ist auch Ersatz für Auslagen und Verwendungen geschuldet (Art. 402 i.V.m. Art. 440 Abs. 2 OR).

3500

Die Absenderin treffen des Weiteren folgende Pflichten:

3501

• Mitteilen aller notwendigen Angaben (Adresse der Empfängerin, Verpackung, Inhalt, Gewicht der Frachtstücke etc.; Art. 441 Abs. 1 OR); • Angabe des Werts bei wertvollen Gegenständen (Art.  441 Abs.  1  OR; s. auch Art. 447 Abs. 2 OR);40 • Verpacken der Frachtstücke (Art. 442 Abs. 1 OR). Für die Ansprüche aus dem Frachtvertrag hat der Frachtführer ein Retentionsrecht (s. Art. 451 OR).

5.

3502

Pflichten des Frachtführers (Art. 444–446 und Art. 450 OR)

Die Art. 444–446 OR konkretisieren die auftragsrechtlichen Treue- und Sorgfalts- 3503 pflichten des Frachtführers. Bei Ablieferungshindernissen trifft den Frachtführer z.B. eine Pflicht zur Benachrichtigung der Absenderin sowie zur Aufbewahrung des Frachtguts. Die Kosten dafür dürfen der Absenderin überbunden werden. Diese trägt auch die Gefahr (Art. 444 Abs. 1 OR). Schnell verderbliche oder minderwertige Ware kann der Frachtführer – gleich einem Kommissionär – verkaufen lassen (Art. 444 Abs. 2 und Art. 445 OR). Dieses Recht hat er aber möglichst schonend auszuüben. Wahrt er die Interessen der Eigentümerin nicht «bestmöglich», schuldet er ihr Ersatz für einen allfälligen Schaden (Art. 446 OR). Der Frachtführer muss die Empfängerin sodann über die Ankunft der Frachtgüter informieren (Art. 450 OR; s. auch Art. 443 Abs. 1 Ziff. 3 OR). Die Absenderin hat aufgrund des auftragsrechtlichen Einschlags des Frachtvertra- 3504 ges hinsichtlich der Frachtgüter ein Weisungsrecht (s. Art. 397 Abs. 1 i.V.m. Art. 440 Abs. 2 OR). Dieses Weisungsrecht geht in den Fällen von Art. 443 Abs. 1 Ziff. 1–4 OR auf die Empfängerin über (Art. 443 Abs. 2 OR).

39 40

S. BGE 109 II 231 E. 3c aa = Pra 1984 Nr. 12. Gl.M. wohl Honsell, OR BT, 410, welcher für die Bezahlung des Frachtlohns auf Art. 440 Abs. 1 und Art. 394 OR verweist; a.M. Engel, CO PS, 590; Hofstetter, 224; BK OR-Koller, Art. 363 N 11; Weber, 175; offengelassen bei Bucher, OR BT, 251. S. BGE 102 II 256 E. 2b für ein Beispiel betreffend Golduhren.

1185

5. Kapitel

6.

Nominatverträge

Rolle der Empfängerin

3505

Die Empfängerin ist nicht Partei des Frachtvertrages, sondern begünstigte Dritte (Art. 112 OR; s. N 3492). Ihr dürfen aus dem Frachtvertrag keine Pflichten auferlegt werden. Eine allfällige Pflicht der Empfängerin, die Kosten des Transports zu tragen, resultiert nicht aus dem Frachtvertrag, sondern aus dem Vertrag zwischen der Empfängerin und der Absenderin (Valutaverhältnis, z.B. Distanzkauf; Art. 189 Abs. 1 OR).41 Mögliche Mängel im Valutaverhältnis haben denn auch keinen Einfluss auf die Gültigkeit des Frachtvertrages.42

3506

In den Fällen von Art. 443 Abs. 1 Ziff. 1–4 OR hat der Frachtführer ausschliesslich die Weisungen der Empfängerin zu befolgen (Art. 443 Abs. 2 OR).43 Selbstverständlich ist es der Absenderin und dem Frachtführer gestattet, eine vom dispositiven Recht abweichende Regelung zu treffen.44

7. 3507

Grundsätzlich haftet der Frachtführer wie ein Beauftragter (Art.  97 Abs.  1 i.V.m. Art. 398 Abs. 2 und Art. 440 Abs. 2 OR). Für bestimmte Fälle enthält das Gesetz spezielle Haftungstatbestände (Art. 447–449 OR). Darin äussert sich auch das werkvertragliche Element des Frachtvertrages (s. N 3491).45 Gemäss Bundesgericht handelt es sich bei Art.  447–449  OR um «eine durch die Möglichkeit des Entlastungsbeweises gemilderte Kausalhaftung»46. Diese verschuldensunabhängige Haftung wird somit durch bestimmte Entlastungsgründe relativiert.47 7.1

3508

Haftung des Frachtführers

Haftung nach Art. 447 ff. OR

Neben den allgemeinen Tatbestandselementen wie Schaden, Kausalzusammenhang, Vertragsverletzung bzw. Mangel am Frachtgut (Verlust, Untergang, Beschädigung) oder Verspätung müssen folgende weitere Voraussetzungen erfüllt sein, damit der Frachtführer nach Art. 447 f. OR haftet:

41 42 43 44 45 46 47

1186

S. Honsell, OR BT, 410. S. BGE 88 II 94 E. 3; Weber, 175; s. ferner auch Hochstrasser, N 375. CHK OR-von Ziegler/Montanaro, Art. 443 N 3. Hochstrasser, N 774 mit Beispielen für abweichende Vereinbarungen. S. Hofstetter, 226. BGE 103 II 59 E. 1a; s. auch Stettler, N 186 ff. Hofstetter, 226; s. auch Honsell, OR BT, 406 f., welcher die Unterscheidung zwischen Verschuldenshaftung und milder Kausalhaftung aufgrund der Exkulpations- bzw. Entlastungsmöglichkeiten für obsolet hält.

§ 40

Speditions- und Frachtvertrag (Art. 439–457 OR)

• keine vorbehaltlose Annahme des Guts seitens der Empfängerin («Rügepflicht»; Art. 452 Abs. 1 bzw. Art. 452 Abs. 2 und Abs. 3 OR bei einem versteckten Mangel); • keine Verjährung der Forderung (Art. 454 OR). Bei Verlust oder Untergang des Guts schuldet der Frachtführer vollen Wertersatz 3509 (Art. 447 Abs. 1 OR). Nach dem Bundesgericht handelt es sich dabei um eine milde Kausalhaftung.48 Der Frachtführer hat alsdann die Möglichkeit, den Entlastungsbeweis zu erbringen. Dabei muss er (alternativ) darlegen, dass der Verlust oder Untergang • durch die natürliche Beschaffenheit des Guts, • durch ein Verschulden oder eine Anweisung der Absenderin bzw. der Empfängerin verursacht wurde oder • auf Umständen beruht, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht hätten abgewendet werden können (Art. 447 Abs. 1 OR). Der Frachtführer kann sich insbesondere entlasten, indem er beweist, dass die 3510 Absenderin die Leistungsstörung verschuldet hat, indem sie z.B. den Frachtführer nicht über den besonderen Wert der Sache informierte (Art.  447 Abs.  1 und Abs. 2 OR). Die herrschende Lehre sieht in der Haftung von Art. 447 f. OR keinen Anwendungs- 3511 fall der allgemeinen Haftungsregeln von Art. 97 OR (mit den Voraussetzungen Vertragsverletzung, Schaden, Kausalität und Verschulden), weil gemäss diesen Bestimmungen schon allein der Verlust bzw. der Untergang des Frachtguts die Haftung des Frachtführers begründe.49 Als Folge des Entlastungsbeweises des Frachtführers (insbesondere des Sorgfaltsbeweises; s. Art. 447 Abs. 1 OR) sowie der Tatsache, dass bei Verlust oder Untergang eines Frachtguts die einzelnen Haftungsvoraussetzungen Art. 97 OR de facto ohnehin vorliegen, führt diese Betrachtungsweise vom Resultat her zu einer milden Kausalhaftung.50 Sind sämtliche Voraussetzungen für den Ersatzanspruch gegeben, hat der Fracht- 3512 führer den vollen Wert des Frachtguts zu ersetzen (Art.  447 Abs.  1  OR; s. auch Art. 447 Abs. 3 OR). Ersatzfähig ist gemäss Art. 447 OR nur der Sachwert des Frachtguts. Dabei handelt es sich um den Wert, den das Frachtgut am Empfangsort zum vereinbarten Ablieferungszeitpunkt aufweisen würde.51 Der volle Wertersatz kann

48

BGE 102 II 256 E. 2a; in der Lehre umstritten, s. dazu Hofstetter, 227 m.w.H.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5785 m.w.H. 49 CR CO-Marchand, Art. 447 N 34 f.; s. Engel, CO PS, 594. 50 S. betreffend die Annäherung der Bestimmungen zum Frachtwertersatz an klassische Haftungsregelungen ansatzweise CR CO-Marchand, Art. 447 N 36. 51 Hofstetter, 228.

1187

5. Kapitel

Nominatverträge

vom tatsächlich erlittenen Schaden abweichen. Die Ersatzberechnung folgt nicht dem allgemeinen Schadenersatzrecht (Differenzhypothese und Art. 97 OR).52 3513

Entsteht der Absenderin ein Schaden, weil das Frachtgut verspätet oder beschädigt geliefert wurde bzw. teilweise untergegangen ist, haftet der Frachtführer grundsätzlich für diesen Schaden, wenn er sich nicht entlasten kann (Art. 448 i.V.m. Art. 447 Abs. 1 OR). Im Unterschied zu Art. 447 OR umfasst die Haftung nach Art. 448 OR nicht nur den unmittelbaren, sondern auch den mittelbaren Schaden.53 Die Höhe des Schadenersatzes ist, falls keine abweichende Vereinbarung vorliegt, auf den vollen Wert der Sache begrenzt (Art. 448 Abs. 2 i.V.m. Art. 447 Abs. 1 OR). Die Haftung des Frachtführers ist dispositiver Natur und kann demzufolge innerhalb des Rahmens von Art. 100 und Art. 101 Abs. 2 und Abs. 3 OR eingeschränkt werden.54 Eine Ausnahme gilt für Transportanstalten, zu deren Betrieb es einer staatlichen Genehmigung bedarf (Art. 455 Abs. 1 OR).

3513a

In Bezug auf die Ersatzansprüche gemäss Art. 447 f. OR stellt sich schliesslich auch die Frage, ob die Absenderin und/oder die Empfängerin gegenüber dem Frachtführer anspruchsberechtigt sind. Die mehrheitliche Lehre knüpft hierfür an die Verfügungsberechtigung über das Frachtgut (Art. 443 OR) an.55 Folgt man dieser Lehrmeinung, so kann entweder nur die Absenderin oder nur die Empfängerin einen allfälligen Schaden geltend machen.56 Diese Lösung ist für die Empfängerin insofern problematisch, als sie bei Verlust oder Zerstörung des Frachtguts während des Transports nicht anspruchsberechtigt wäre, da sie in diesen Fällen in der Regel das Verfügungsrecht nicht erlangt hat.57 Ein Teil der Lehre stellt deshalb zu Recht auf die allgemeinen Regeln des echten Vertrages zugunsten Dritter ab.58 Dementsprechend sind Absenderin und Empfängerin gemäss den Vertretern dieser Lehrmeinung beide gleichzeitig berechtigt, vom Frachtführer Schadenersatz zu verlangen.59 Dem Frachtführer entstehen dadurch keine Nachteile. Absenderin und Empfän52 53 54 55 56 57 58

59

BSK OR-Staehelin, Art. 447 N 5. BGE 88 II 94 E. 4; BSK OR-Staehelin, Art. 447 N 5 und Art. 448 N 3. BGE 94 II 197 E. 13; Guhl/Schnyder, § 52 N 12. BK OR-Gautschi, Art. 447 N 15c; Krauskopf, N 970 f., N 1027, N 1444 f.; ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 447 N 7; BSK OR-Staehelin, Art. 447 N 12. Hochstrasser, N 1312. Hochstrasser, N 1313; CHK OR-von Ziegler/Montanaro, Art. 447–448 N 20. Hochstrasser, N 1313 ff.; CHK OR-von Ziegler/Montanaro, Art. 447–448 N 203. S. ferner auch BGE 128 III 390 E. 4.2.2 und E. 4.2.3, in welchem sich das Bundesgericht mit der Frage der Aktivlegitimation der Absenderin in einem internationalen Sachverhalt auseinandersetzen musste. Das Bundesgericht versagte der restriktiven Regelung von Art. 21 der Verordnung über Lufttransport (SR 748.411) die Anwendung, da diese der Absenderin den völkerrechtlichen Anspruch auf Schadenersatz gemäss Art. 18 des Warschauer Abkommens zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (SR 0.748.410) entzog. Stattdessen wendete das Bundesgericht Art. 30 Abs. 3 des Warschauer Abkommens analog an. Im Ergebnis beantwortete das Bundesgericht die Frage der Aktivlegitimation losgelöst von der Verfügungsberechtigung über das Frachtgut und räumte sowohl der Absenderin als auch der Empfängerin die Aktivlegitimation ein. Hochstrasser, N 1312; CHK OR-von Ziegler/Montanaro, Art. 447–448 N 20.

1188

§ 40

Speditions- und Frachtvertrag (Art. 439–457 OR)

gerin sind bezüglich des Schadenersatzes Solidargläubigerinnen. Durch die Leistung an die eine befreit sich der Frachtführer auch gegenüber der anderen (Art. 150 Abs. 2 OR).60 7.2

Haftung für Zwischenfrachtführer (Art. 449 OR)

Der Frachtführer kann für die Erfüllung des Frachtvertrages Dritte beiziehen. Das 3514 Einsetzen eines Zwischenfrachtführers als Substitut ist aufgrund der Übung grundsätzlich zulässig (Art. 398 Abs. 3 OR).61 Mit dem Substituten schliesst der Frachtführer im Namen der Absenderin wiederum einen Frachtvertrag ab. Im Gegensatz zur Haftung des Auftraggebers kommt der Unterscheidung zwischen Hilfsperson und Substitut vorliegend keine Bedeutung zu. Gemäss Art. 449 OR hat der Frachtführer nicht bloss für cura in eligendo/instruendo (s. Art. 399 Abs. 2 OR), sondern für alle Unfälle und Fehler einzustehen, die sich auf dem übernommenen Transport zutragen. Sofern die Substitution befugtermassen erfolgte, ist die Haftung jedoch grundsätzlich auf den Sachwert des Frachtguts beschränkt (Art. 447 f. OR). Es wäre nämlich nicht adäquat, den Frachtführer bei zulässigem Beizug eines Substituten in einem grösseren Umfang haften zu lassen, als wenn er selbst die Frachtgüter transportiert hätte. Bei unbefugten Beizug eines Substituten verletzt der Frachtführer dagegen eine Weisung der Absenderin und schuldet deshalb gestützt auf Art.  97 Abs. 1 i.V.m. Art. 398 Abs. 2 und Art. 440 Abs. 2 OR vollen Schadenersatz.62 Auch Art. 449 OR setzt voraus, dass das Frachtgut nicht vorbehaltlos angenommen 3515 wurde (Art. 452 Abs. 1 OR) und dass die Forderung nicht gemäss Art. 454 OR verjährt ist. 7.3

Auftragsrechtliche Haftung (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 398 Abs. 2 und Art. 440 Abs. 2 OR)

Für eine Haftung des Frachtführers müssen folgende Voraussetzungen vorliegen 3516 (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 398 Abs. 2 und Art. 440 Abs. 2 OR): Vertragsverletzung bzw. Verletzung einer Sorgfaltspflicht, Schaden, natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang zwischen Vertragsverletzung und Schaden sowie Verschulden des Frachtführers. Der Frachtführer haftet gestützt auf das Auftragsrecht, sofern die Vertragsverlet- 3517 zung nicht im Verlust oder Untergang (Art. 447 OR), in der Verspätung, der Beschädigung oder dem teilweisen Untergang (Art. 448 OR) besteht.63 60 Hochstrasser, N 1315; für weitere Gründe betreffend Annahme eines echten Vertrages zugunsten Dritter s. Hochstrasser, N 1312 ff. 61 BSK OR-Staehelin, Art. 449 N 3. 62 S. BSK OR-Staehelin, Art. 449 N 4. 63 Hofstetter, 226 f.

1189

5. Kapitel

8.

Nominatverträge

Beendigung

3518

Grundsätzlich endet der Frachtvertrag als Dienstleistungsvertrag mit der Erfüllung bzw. der Ablieferung des Frachtguts am Bestimmungsort bzw. dem Bezahlen des Frachtlohns.64 Gemäss Art. 404 i.V.m. Art. 440 Abs. 2 OR kann der Frachtvertrag jederzeit beendigt werden (s. N 3300 ff.).65 Mit Blick auf den eher werkvertraglichen Einschlag wird dies von der Lehre zum Teil heftig kritisiert.66

3519

Art. 404 OR ist auf die Beendigung durch die Absenderin nur anwendbar, bevor der Frachtführer das Frachtgut besitzt.67 Hält der Frachtführer das Frachtgut in Händen und hat er es noch nicht abgeliefert, gelangt Art. 443 OR zur Anwendung: Die Absenderin hat diesfalls (das heisst unter Vorbehalt von Art. 443 Abs. 1 Ziff. 1–4 OR) das Recht, das Frachtgut zurückzunehmen, muss dem Frachtführer jedoch – im Gegensatz zu Art. 404 OR – das positive Interesse ersetzen.68

64 65 66 67 68

1190

S. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5813. BGE 109 II 231 E. 3c aa = Pra 1984 Nr. 12. Bucher, OR BT, 228 und 249. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5817. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5818 f.

§ 41 Hinterlegungsvertrag (Art. 472–491 OR) Grundlagenliteratur Bucher, OR BT, 275 ff.; Engel, CO PS, 597 ff.; Guhl/Schnyder, § 55; Honsell, OR BT, 420  ff.; Müller, contrats, N  2300  ff.; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N  2152  ff.; Tercier/ Bieri/Carron, CO PS, N 5964 ff.

Weiterführende Literatur Baerlocher René Jacques, Der Hinterlegungsvertrag, in: Vischer Frank (Hrsg.), SPR Bd. VII/1, Basel/Stuttgart 1977, 647–721; Bärtschi Harald, Die rechtliche Umsetzung des Bucheffektengesetzes, AJP 2009,  1071–1087; Furrer Andreas, Stillstehende Ware unter schweizerischem Recht, AJP 2013, 865–886.

I.

Begriff

Der Hinterlegungsvertrag verpflichtet den Aufbewahrer (Depositar), eine bewegliche Sache, die ihm von der Hinterlegerin (Deponentin) anvertraut wurde, zu übernehmen, an einem sicheren Ort aufzubewahren und am Ende wieder zurückzugeben (s. Art. 472 Abs. 1 und Art. 475–477 OR).1

II.

Arten

1.

Depositum regulare (Art. 472 OR)

3520

Das depositum regulare ist die Grundform der Hinterlegung. Geregelt ist es in den 3521 Art.  472–480  OR. Die reguläre Hinterlegung ist vermutungsweise unentgeltlich. Eine Vergütung ist nur geschuldet, falls sie ausdrücklich vereinbart wurde oder nach den Umständen zu erwarten ist (Art. 472 Abs. 2 OR). Das Eigentum an der Sache verbleibt bei der Hinterlegerin. Dem Aufbewahrer steht nur dann ein Benutzungsrecht zu, wenn dies ausdrücklich oder konkludent vereinbart wurde (Art. 474

1 BGE 139 III 160 E. 2.4 = Pra 2013 Nr. 106 m.w.H.; 126 III 192 E. 2c = Pra 2001 Nr. 49.

1191

5. Kapitel

Nominatverträge

Abs. 1 OR).2 Soweit keine Spezialnormen bestehen, finden die Bestimmungen über das depositum regulare auch auf die anderen Arten der Hinterlegung Anwendung.3

Depositum irregulare (Art. 481 OR)

2. 3522

Gegenstand der irregulären Hinterlegung bilden einzig vertretbare Sachen. Das depositum irregulare setzt eine Parteiabrede voraus, wonach der Aufbewahrer bloss Sachen gleicher Art und Güte zurückzuerstatten hat (Art. 481 OR). Der Aufbewahrer erwirbt das Alleineigentum an den hinterlegten Gegenständen, worin auch der wesentliche Unterschied zum depositum regulare besteht.

3523

Da der Aufbewahrer das Eigentum an den hinterlegten Gegenständen erwirbt, darf er die ihm anvertrauten Sachen gebrauchen und vermengen. Auch gehen mit dem Erwerb des Eigentums Nutzen und Gefahr auf den Aufbewahrer über, was (entgegen dem Wortlaut von Art. 481 Abs. 1 OR) nicht nur bei der Hinterlegung von Geld, sondern auch von anderen vertretbaren Sachen oder Wertpapieren (s.  Art.  481 Abs. 3 OR) der Fall ist.4

3524

Entscheidendes Kriterium für die Annahme einer irregulären Hinterlegung ist der Parteiwille (Art. 481 Abs. 1 OR):5 Werden vertretbare Sachen hinterlegt, bedarf die Annahme einer irregulären Hinterlegung einer entsprechenden (ausdrücklichen oder konkludenten) Vereinbarung (Art. 481 Abs. 1 und Abs. 3 OR). Eine Ausnahme besteht für die unverschlossene Hinterlegung einer bestimmten Geldsumme. Hier besteht eine Vermutung für eine irreguläre Hinterlegung (Art. 481 Abs. 2 OR).6

3.

Lagergeschäft (Art. 482–486 OR)

3525

Das Lagergeschäft ist ein qualifizierter Hinterlegungsvertrag. Der Lagerhalter bietet öffentlich die Lagerung von handelbaren, körperlichen Sachen an (keine Wertpapiere) und unterhält speziell dafür betriebene Anlagen.7 Der Lagerhalter offeriert seine Dienste gewerbsmässig, weshalb ihm das Gesetz in Art. 485 Abs. 1 OR einen Anspruch auf Entgelt gewährt.

3526

Zum Lagergeschäft s. N 3550 ff.

2 3 4 5 6 7

BSK OR-Koller, Art. 474 N 3. Bucher, OR BT, 275; BSK OR-Koller, Vor Art. 472–491 N 11. Honsell, OR BT, 423. Bucher, OR BT, 280; Honsell, OR BT, 423; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6075. S. BGE 118 Ib 312 E. 2c = Pra 1993 Nr. 63. BGE 139 III 160 E. 2.3 = Pra 2013 Nr. 106; BSK OR-Koller, Art. 482 N 5; CHK OR-Stupp, Art. 482 N 1.

1192

§ 41

4.

Hinterlegungsvertrag (Art. 472–491 OR)

Sammelverwahrung/Vermengungsdepot (Art. 484 OR)

Eine Sammelverwahrung liegt vor, wenn die Hinterlegerinnen dem Aufbewahrer 3527 gestatten, die vertretbaren Sachen der einzelnen Hinterlegerinnen miteinander zu vermengen (Art. 484 Abs. 1 OR). Die Hinterlegerinnen erlangen an den hinterlegten Sachen labiles (modifiziertes) Miteigentum nach Art. 484 Abs. 2 OR.8 Im Miteigentum der Hinterlegerinnen liegt auch der Unterschied zum depositum irregulare, bei welchem der Lagerhalter Alleineigentümer wird.9 Die Begriffe Vermengung und Vermischung bezeichnen denselben Vorgang, wobei 3528 feste Stoffe vermengt, flüssige und gasförmige dagegen vermischt werden. Die Terminologie in Gesetz und Lehre ist jedoch uneinheitlich, die Begriffe werden oft synonym gebraucht (s. z.B. Art. 484 Abs. 1 und Abs. 2 OR). Falls der Aufbewahrer die hinterlegten Sachen unbefugterweise mit eigenen oder 3529 mit solchen von anderen Hinterlegerinnen vermengt, sind die sachenrechtlichen Folgen die gleichen wie bei der erlaubten Vermengung. Es liegt alsdann ebenfalls Miteigentum im Sinne von Art. 484 OR vor.10 Das Fehlen des Einverständnisses der Hinterlegerinnen hat somit sachenrechtlich keine Auswirkungen. Schuldrechtlich begeht der Aufbewahrer mit der unerlaubten Vermengung aber eine Vertragsverletzung. Dies führt zur analogen Anwendung von Art. 474 Abs. 2 OR. Der pflichtwidrig handelnde Aufbewahrer hat nun auch für Zufall einzustehen. Er kann sich jedoch durch den Beweis von der Haftung befreien, dass der Zufall die Sache auch bei getrennter Aufbewahrung getroffen hätte.11 Eine Ausnahme besteht bei der Hinterlegung von Geld. Da der Aufbewahrer durch die Vermengung des Geldes Alleineigentum erwirbt, liegt hinsichtlich der Rechtsfolgen sowohl bei rechtmässiger wie auch bei unrechtmässiger Vermengung ein depositum irregulare vor.12 Ein Beispiel aus der Praxis bildet die Sammelverwahrung von Wertpapieren (sog. 3530 Vermengungsdepot): Der Aufbewahrer ist (im Gegensatz zu Art. 484 Abs. 1 OR)13 befugt, vertretbare Wertpapiere mehrerer Hinterlegerinnen ungetrennt zu verwahren, es sei denn, eine Hinterlegerin verlange ausdrücklich die gesonderte Verwahrung ihrer Wertpapiere (Art. 973a Abs. 1 OR). Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Hinterlegerin bei vertretbaren Wertpapieren in der Regel kein Interesse an der Rückgabe eines «spezifischen» Titels hat.14 Die Hinterlegerin 8 S. BGE 112 II 406 E. 4a und E. 4b; Baerlocher, 691. 9 Baerlocher, 696 f.; BK OR-Gautschi, Art. 484 N 2b; CHK OR-Stupp, Art. 484 N 2. 10 CR CO-Barbey, Art. 484 N 11; Bucher, OR BT, 278; BSK OR-Koller, Art. 481 N 3, Art. 484 N 2 und N 12. A.M. (aber im Ergebnis gleich) BK OR-Gautschi, Art. 484 N 2c, und CHK OR-Stupp, Art. 484 N 5, die auf Art. 727 ZGB abstellen; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6100. 11 BSK OR-Koller, Art. 484 N 13; CHK OR-Stupp, Art. 484 N 5. 12 S. BSK OR-Koller, Art. 481 N 4. 13 Bärtschi, AJP 2009, 1073 FN 20. 14 Botschaft zum Bucheffektengesetz sowie zum Haager Wertpapierübereinkommen vom 15. November 2006, BBl 2006 9315 ff., 9392.

1193

5. Kapitel

Nominatverträge

erwirbt mit der Einlieferung vielmehr Miteigentum nach Bruchteilen (Art.  973a Abs.  2  OR)15, womit Art.  727 Abs.  1 ZGB bestätigt wird.16 Das Bucheffektengesetz (BEG)17 knüpft an diese sammelverwahrten Wertpapiere (Art.  5 lit.  e BEG) bestimmte Rechtsfolgen (z.B. Art. 7 Abs. 1 BEG).18

5. 3531

Sequestration (Art. 480 OR)

Bei der Sequestration (Art. 480 OR) wird eine Sache, an welcher die Rechtsverhältnisse strittig sind, so lange beim Sequester hinterlegt, bis der Konflikt entschieden ist. Die Sache darf nur mit Zustimmung aller Beteiligten oder des Gerichts herausgegeben werden.

III.

Abgrenzungen

1.

Zur Leihe (Art. 305 ff. OR)

3532

Bei der Leihe überlässt die Verleiherin dem Entlehner eine Sache unentgeltlich zum Gebrauch. Vom depositum irregulare unterscheidet sich die Leihe dadurch, dass der Entlehner (wie beim depositum regulare) nach Gebrauch dieselbe Sache zurückgeben muss (Art. 305 OR).

3533

Vereinbaren die Parteien beim depositum regulare ein Gebrauchsrecht (Art.  474 Abs.  1  OR), wird zur Unterscheidung zwischen Hinterlegung und Leihe auf die Interessenlage abgestellt: Die Hinterlegerin sucht für ihre eigene Sache einen Ort zur sicheren Aufbewahrung; der Entlehner will eine fremde Sache gebrauchen. Die Hinterlegung erfolgt mithin im Interesse der Hinterlegerin, die Leihe dagegen im Interesse des Entlehners.19

2. 3534

Zum Darlehen/Sparkassenvertrag (Art. 312 ff. OR)

Umstritten ist vor allem die Abgrenzung zwischen irregulärer Hinterlegung und Darlehen, insbesondere in seiner Ausgestaltung als Sparkassenvertrag. Ein Teil der Lehre und das Bundesgericht qualifizieren den Sparkassenvertrag als deposi-

15 16 17 18 19

S. BGE 112 II 406 E. 4a zum Begriff des modifizierten und labilen Miteigentums. BBl 2006 9392. Bundesgesetz vom 3. Oktober 2008 über Bucheffekten (Bucheffektengesetz; SR 957.1). S. Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 2203. Engel, CO PS, 601; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 2180.

1194

§ 41

Hinterlegungsvertrag (Art. 472–491 OR)

tum irregulare,20 während Bucher, Honsell und Koller darauf Darlehensrecht anwenden wollen21. Abgrenzungskriterien bilden gemeinhin der Wille der Parteien, deren Interessenlage sowie der wirtschaftliche Zweck des Rechtsgeschäfts. Steht Kreditgewährung im Vordergrund, muss Darlehen angenommen werden. Geht es dagegen in erster Linie um eine sichere Verwahrung, kommt Hinterlegungsrecht zur Anwendung.

3.

Zum Auftrag (Art. 394 ff. OR)

Charakteristisches Merkmal der Hinterlegung bildet die Verpflichtung des Auf- 3534a bewahrers zur Rückgabe der Sache.22 Dagegen ist der Beauftragte in der Regel zu einem bestimmten Tätigwerden verpflichtet. Im Gegensatz zum Hinterlegungsvertrag bildet eine allfällige Aufbewahrungspflicht nur eine Nebenpflicht des Beauftragten (z.B. Hüten und Füttern von Haustieren während Ferienabwesenheit des Halters).23

4.

Zum Speditionsvertrag (Art. 439 OR)

Beim Hinterlegungsvertrag besteht die Hauptleistung in der Aufbewahrung von 3535 Waren. Im Unterschied dazu ist die Lagerung von Speditionsgut nur eine Nebenpflicht des Spediteurs (s. N 3478).24 Seine Hauptleistung besteht in der Organisation eines Gütertransports auf Rechnung der Versenderin, aber in eigenem Namen und gegen Vergütung (Art. 439 OR).

IV.

Pflichten der Hinterlegerin (Art. 473 OR)

Eine Vergütungspflicht der Hinterlegerin besteht nur, wenn eine solche vereinbart 3536 wurde oder nach den Umständen zu erwarten war (Art. 472 Abs. 2 OR). Von einer sich aus den Umständen ergebenden Entgeltlichkeit ist insbesondere dann auszugehen, wenn der Aufbewahrer berufs- oder gewerbsmässig handelt.25 Wird eine Vergütung vereinbart, so ist sie für die ganze Dauer der Hinterlegung geschuldet.

20 21 22 23 24 25

S. BGE 100 II 153 E. a und E. c; Guhl/Schnyder, § 55 N 14; OFK OR-von Ballmoos, Art. 481 N 4. Bucher, OR BT, 199; Honsell, OR BT, 423 f.; BSK OR-Koller, Art. 481 N 12. BGE 139 III 160 E. 2.5 = Pra 2013 Nr. 106. BK OR-Gautschi, Art. 472 N 2b; BSK OR-Koller, Art. 472 N 12. BGE 126 III 192 E. 2a = Pra 2001 Nr. 49. BGE 98 II 211 E. 7b; BK OR-Gautschi, Art. 472 N 6c; BSK OR-Koller, Art. 472 N 19.

1195

5. Kapitel

Nominatverträge

Sobald also die vertraglich vereinbarte Dauer der Hinterlegung de facto überschritten wird, ist quasivertraglich eine Mehrvergütung geschuldet.26 3537

Eine Erstattungspflicht aller mit der Aufbewahrung verbundenen Auslagen, welche der Aufbewahrer tätigte, besteht, sofern diese zur Erfüllung des Vertrages notwendig waren (Art. 473 Abs. 1 OR). Ersatz für bloss nützliche Ausgaben kann der Aufbewahrer dagegen nur aus echter Geschäftsführung ohne Auftrag (Art. 422 Abs. 1 OR) oder aus ungerechtfertigter Bereicherung (Art. 62 ff. OR) fordern.27

3538

Die Hinterlegerin hat dem Aufbewahrer sämtlichen Schaden zu ersetzen, der diesem durch die Hinterlegung entsteht, sofern ihr der Exkulpationsbeweis nach Art. 473 Abs. 2 OR nicht gelingt. Die Hinterlegerin muss den Aufbewahrer bei Hinterlegung gefährlicher Sachen überdies vorgängig auf die besonderen Gefahren aufmerksam machen.28 Beispielsweise muss sie mitteilen, ob ein Tier eine ansteckende Krankheit hat oder sich aggressiv verhält.29 Auf den besonders hohen Wert der Sache muss sie nur hinweisen, wenn dieser dem Aufbewahrer nicht bekannt ist.30

3539

Allerdings kann eine Haftung nach Art.  473 Abs.  2  OR bei zufälligen Schäden im Rahmen einer unentgeltlichen Hinterlegung zu unbilligen Resultaten führen. Danach würde ein altruistisch tätiger Aufbewahrer schlechter gestellt als ein Geschäftsführer ohne Auftrag. Deshalb drängt sich – wie beim unentgeltlichen Auftrag (s. N 1506 ff., N 3290) – eine analoge Anwendung von Art. 422 Abs. 1 OR auf. Das Gericht bestimmt den Schadenersatz alsdann nach freiem Ermessen.31

3540

V.

Pflichten des Aufbewahrers (Art. 472 Abs. 1 und Art. 474–479 OR)

1.

Aufbewahrungspflicht

Der Aufbewahrer muss die Sache an einem sicheren Ort aufbewahren (Art.  472 Abs. 1 OR); er muss also insbesondere um Schutz vor Untergang, Entwendung oder Beschädigung bemüht sein.32 Droht der hinterlegten Sache eine Gefahr, so hat er die nötigen Massnahmen zu ergreifen und die Hinterlegerin zu informieren.33

26 27 28 29 30 31 32 33

1196

S. Bucher, OR BT, 276. Bucher, OR BT, 277; Honsell, OR BT, 421; BSK OR-Koller, Art. 473 N 3. S. Bucher, OR BT, 277. BSK OR-Koller, Art. 473 N 10. BGE 109 II 234 E. 2c. BSK OR-Koller, Art. 473 N 11; CHK OR-Stupp, Art. 473 N 10. CR CO-Barbey, Art. 472 N 6; Guhl/Schnyder, § 55 N 3. Bucher, OR BT, 277.

§ 41

Hinterlegungsvertrag (Art. 472–491 OR)

Der Aufbewahrer darf die Sache ohne Einwilligung der Hinterlegerin nicht gebrau- 3541 chen (Art.  474 Abs.  1  OR). Verletzt er diese Pflicht, schuldet er der Hinterlegerin eine Vergütung für den Gebrauch. Überdies haftet er auch für Zufall, ausser er beweist, dass der Zufall die Sache auch getroffen hätte, wenn er sie nicht gebraucht hätte (Art. 474 Abs. 2 OR).

2.

Rückgabe- bzw. Restitutionspflicht (Art. 475–477 OR)

Die Rückgabe erfolgt am Ort der Aufbewahrung auf Kosten und Gefahr der Hin- 3542 terlegerin (Art.  477  OR). Auch bei Vereinbarung einer bestimmten Dauer muss der Aufbewahrer der Hinterlegerin die Sache jederzeit auf Verlangen zurückgeben (Art. 475 Abs. 1 OR; zur Verjährung des Rückgabeanspruchs s. N 2254). Beim depositum irregulare beschränkt sich die Pflicht des Aufbewahrers auf die Rückgabe von Sachen gleicher Menge und Güte; eine Obhuts- und Sorgfaltspflicht hinsichtlich der hinterlegten Gegenstände entfällt.34

3543

Ist die Hinterlegerin Eigentümerin der hinterlegten Sache, hat sie neben einem obli- 3544 gatorischen auch einen dinglichen Rückerstattungsanspruch nach Art. 641 Abs. 2 ZGB.35 Hinterlegt die Deponentin eine fremde Sache oder wird ein depositum irregulare vereinbart, so steht ihr dagegen nur ein obligatorischer Restitutionsanspruch zu.36 Dies hat zur Folge, dass die Hinterlegerin die Sache im Konkurs des Aufbewahrers nicht aussondern kann und somit das Insolvenzrisiko trägt. Tätigt der Aufbewahrer hinsichtlich der vereinbarten Dauer besondere Aufwendun- 3545 gen, hat er bei vorzeitiger Beendigung Anspruch auf Ersatz (Art. 475 Abs. 2 OR). Umstritten ist, ob der Aufbewahrer bei einer entgeltlichen Hinterlegung nach Art. 472 Abs. 2 OR zusätzlich einen Anspruch auf das Entgelt für die gesamte vereinbarte Vertragsdauer hat (Erfüllungsinteresse) oder ob dies mit der zwingenden Natur des jederzeitigen Rückforderungsrecht nicht vereinbar ist.37 Nach unserer Auffassung besteht ein solcher Anspruch zumindest bei kommerziellen Hinterlegungsgeschäften, jedoch unter Abzug von Einsparungen bzw. anderweitigen Gewinnmöglichkeiten. Dem Aufbewahrer wird zur Sicherung seines Anspruchs auf das Entgelt ein dingliches Retentionsrecht im Sinne von Art. 895 ZGB zugestanden, dem Art. 896 Abs. 2 ZGB nach herrschender Lehre nicht entgegensteht.38 Daneben kann der Verwahrer die Rückgabe der Sache auch unter analoger Anwendung von 34 Bucher, OR BT, 281; BSK OR-Koller, Art. 481 N 7. 35 Engel, CO PS, 603; Honsell, OR BT, 422; BSK OR-Koller, Art. 475 N 4 f. 36 BSK OR-Koller, Art. 475 N 5 f. 37 Einen Anspruch auf das Erfüllungsinteresse bejahend: OFK OR-von Ballmoos, Art. 475 N 4; Bucher, OR BT, 279; Guhl/Schnyder, §  55 N  6; ablehnend: BK  OR-Gautschi, Art.  475 N  8c; BSK  OR-Koller, Art. 475 N 20 ff.; KuKo OR-Maurenbrecher/Schott, Art. 475 N 10. 38 BSK OR-Koller, Art. 472 N 21 sowie Art. 473 N 14 m.w.H.

1197

5. Kapitel

Nominatverträge

Art. 82 OR verweigern («obligatorisches Retentionsrecht»).39 Direkt anwendbar ist diese Bestimmung bei der entgeltlichen Hinterlegung.40 3546

Ist eine bestimmte Dauer vereinbart, darf der Aufbewahrer die hinterlegte Sache grundsätzlich nicht vorzeitig zurückgeben (Art.  476 Abs.  1  OR). Eine Rückgabe wegen unvorhersehbaren Umständen ist aber möglich (beim Lagergeschäft s. N 3552).41 Zu Recht wird in der herrschenden Lehre vertreten, dass dieses Recht vor allem den altruistischen Aufbewahrer schützen soll, da ihm ein unvorhersehbarer Schaden nicht zuzumuten ist. Bei der entgeltlichen Aufbewahrung hat der Aufbewahrer dagegen die Gefahren, die mit der Hinterlegung verbunden sind, als Geschäftsrisiko übernommen, weshalb das Recht auf vorzeitige Rückgabe nur restriktiv gewährt werden sollte.42 Wurde keine bestimmte Dauer vereinbart, kann auch der Aufbewahrer jederzeit von der Hinterlegerin verlangen, die hinterlegten Sachen zurückzunehmen (Art. 476 Abs. 2 OR).

3547

Beansprucht ein Dritter das Eigentum an der hinterlegten Sache, muss der Aufbewahrer diese prinzipiell gleichwohl an die Hinterlegerin zurückgeben. Wurden die Sachen gerichtlich mit Beschlag belegt oder vindiziert, hat der Aufbewahrer die Hinterlegerin unverzüglich zu benachrichtigen (Art. 479 OR).

3.

Folgen der Pflichtverletzung

3548

Pflichtverletzungen des Aufbewahrers führen zu einer Haftung nach Art. 97 ff. OR. Bei der unentgeltlichen Hinterlegung sind dabei jedoch die Herabsetzungsgründe in Art. 99 Abs. 3 i.V.m. Art. 43 OR sowie in Art. 99 Abs. 2 OR (s. dazu N 897a) zu beachten. Liegt ein entgeltlicher Hinterlegungsvertrag vor, verfügt der Aufbewahrer auch über die Rechtsbehelfe von Art. 107 ff. OR.

3549

Beim depositum irregulare haftet der Aufbewahrer auch für Zufall (Art.  481 Abs. 1 OR: «so gehen Nutzen und Gefahr auf ihn über»), ausser er beweist, dass der Zufall die Sache bei der Hinterlegerin ebenfalls getroffen hätte (Art. 474 Abs. 2 OR analog und Art. 103 Abs. 2 OR analog).43

39 40 41 42 43

1198

S. BGE 94 II 263 E. 3a; BSK OR-Koller, Art. 473 N 14. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6054. Bucher, OR BT, 278. Vgl. BSK  OR-Koller, Art.  476 N  6  f.; KuKo  OR-Maurenbrecher/Schott, Art.  476 N  3; CHK  ORStupp, Art. 476 N 2 f. BSK OR-Koller, Art. 481 N 8.

§ 41

VI.

Hinterlegungsvertrag (Art. 472–491 OR)

Besonderheiten des Lagergeschäfts (Art. 482–486 OR)

Gegenstand des Lagergeschäfts bilden regelmässig Handelswaren. Hinsichtlich der 3550 Aufbewahrungspflicht des Lagerhalters verweist das Gesetz (zusätzlich) auf die diesbezüglichen Bestimmungen über den Kommissionsvertrag (Art.  483 Abs.  1  OR). Diese verpflichten den Lagerhalter zu einem sorgfältigen Tätigwerden (Art.  483 Abs. 1 i.V.m. Art. 425 Abs. 2 und Art. 398 OR). Im Gegensatz zum Kommissionsvertrag stellt allerdings die Aufbewahrungspflicht eine Haupt- und keine Nebenpflicht dar.44 Gemäss Art.  483 Abs.  2  OR steht der Hinterlegerin ein besonderes Informationsrecht hinsichtlich Veränderungen der Ware zu. Die Hinterlegerin hat bei Lagergeschäften ausserdem ein Recht auf jederzeitige Kontrolle des hinterlegten Guts (Art. 483 Abs. 3 OR). Das Lagergeschäft ist aufgrund der gewerblichen Tätigkeit des Lagerhalters grund- 3551 sätzlich entgeltlich (Art. 485 Abs. 1 OR).45 Wird Unentgeltlichkeit vereinbart, so sind nicht die Bestimmungen über das Lagergeschäft, sondern jene über die Hinterlegung anwendbar. Wurde beim Lagergeschäft keine bestimmte Dauer vereinbart, ist nach herrschen- 3552 der Lehre Art. 476 Abs. 2 OR anwendbar: Der Lagerhalter darf den Hinterlegungsvertrag jederzeit durch Rückgabe der Sache beenden.46 Beim befristeten Lagergeschäft hat der Lagerhalter hingegen – im Gegensatz zu Art. 476 OR – kein Recht auf vorzeitige Beendigung des Vertrages (Art. 486 Abs. 1 OR). Eine Ausnahme besteht aufgrund der allgemeinen Regeln des OR: Bei Dauerschuldverträgen ist die Kündigung aus wichtigem Grund zwingend jederzeit möglich, sofern die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen (s. N 60 und N 797 ff.).47 Gemäss Art.  482 Abs.  1  OR kann ein Lagerhalter mit behördlicher Bewilligung Warenpapiere ausgeben, was in der Praxis jedoch selten geschieht.48 Warenpapiere stellen Wertpapiere dar. Dies hat zur Folge, dass nur der Besitzer des Warenpapiers die Sachen herausverlangen kann.49 Für den Besitzübergang wird anstelle der Waren bloss das Papier übertragen (Art. 925 Abs. 1 ZGB).

44 45 46 47

48 49

Furrer, AJP 2013, 870. S. BGE 126 III 192 E. 2a = Pra 2001 Nr. 49; Furrer, AJP 2013, 875. Furrer, AJP 2013, 875; BK OR-Gautschi, Art. 486 N 3b; KuKo OR-Maurenbrecher/Schott, Art. 486 N 1. S.  KuKo  OR-Maurenbrecher/Schott, Art.  486 N  1. Anschaulich in diesem Zusammenhang auch der  OR  2020-Entwurf, welcher in Art.  145 Abs.  1  OR 2020 ein ausserordentliches Kündigungsrecht für Dauerverträge vorschlägt. Demnach soll ein Dauervertrag aus wichtigem Grund jederzeit fristlos gekündigt werden können. Als wichtiger Grund gilt dabei jeder Umstand, welcher die Fortsetzung des Vertrages für die kündigende Partei unzumutbar werden lässt. BSK OR-Koller, Art. 482 N 2. S. BGE 43 II 639 E. 1.

1199

3553

§ 42 Bürgschaftsvertrag (Art. 492–512 OR) Grundlagenliteratur Bucher, OR BT, 285 ff.; Engel, CO PS, 625 ff.; Guhl/Schnyder, § 57; Honsell, OR BT, 428 ff.; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 6 N 31 ff.; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 2267 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6149 ff.

Weiterführende Literatur Böckli Peter, Schweizer Aktienrecht, 4.  Aufl., Zürich 2009; Bucher Eugen, Rechtsprechung, recht 1994, 168–187; Emmenegger Susan, Garantie, Schuldbeitritt und Bürgschaft – vom bundesgerichtlichen Umgang mit gesetzgeberischen Inkohärenzen, ZBJV 2007, 561–581; Forstmoser Peter/Meier-Hayoz Arthur/Nobel Peter, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996; Handschin Lukas, Zur Abgrenzung von Garantievertrag und Bürgschaft: Akzessorietät der Verpflichtung als massgebendes Kriterium, SZW 1994, 226–231; Kramer Ernst A., Bundesgericht, I. Zivilabteilung, 27. Januar 1994, Bank X.c.H. (4C.259/1993), Berufung, mit Bemerkungen, AJP 1994,  1042–1046; Meier-Hayoz Arthur/von der Crone Hans Caspar, Wertpapierrecht, 3. Aufl., Bern 2018; Nobel Peter, Patronatserklärungen und ähnliche Erscheinungen im nationalen und internationalen Recht, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), Personalsicherheiten – Bürgschaft, Bankgarantie, Patronatserklärung und verwandte Sicherungsgeschäfte im nationalen und internationalen Umfeld, Bern 1997, 55–85; Riemer Hans Michael, Die beschränkten dinglichen Rechte, 2. Aufl., Bern 2000; Rusch Arnold F./ Wohlgemuth Marc, Bürgschaft mit vollstreckbarer öffentlicher Urkunde?, ZBJV 2015, 339– 349; Schmid Jörg/Hürlimann-Kaup Bettina, Sachenrecht, 5.  Aufl., Zürich 2017; von Büren Roland/Stoffel Walter A./Weber Rolf H., Grundriss des Aktienrechts, 3. Aufl., Zürich 2011; Wiegand Wolfgang, Die Bürgschaft im Bankgeschäft, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), Personalsicherheiten – Bürgschaft, Bankgarantie, Patronatserklärung und verwandte Sicherungsgeschäfte im nationalen und internationalen Umfeld, Bern 1997, 175–216; Zobl Dieter, Die Bankgarantie im schweizerischen Recht, in: Wiegand Wolfgang (Hrsg.), Personalsicherheiten  – Bürgschaft, Bankgarantie, Patronatserklärung und verwandte Sicherungsgeschäfte im nationalen und internationalen Umfeld, Bern 1997, 23–53.

I. 3554

Begriff

Die Bürgschaft ist ein einseitig verpflichtender Vertrag zwischen dem Bürgen und der Gläubigerin. Der Hauptschuldner ist an diesem Vertrag nicht beteiligt. Der Bürge ist verpflichtet, gegenüber der Gläubigerin für die Erfüllung der Hauptschuld einzustehen (s. Art. 492 Abs. 1 OR).

1200

§ 42

Bürgschaftsvertrag (Art. 492–512 OR)

Der Bürge begründet gegenüber der Gläubigerin eine eigene Schuld, die eine 3555 fremde Schuld sichert.1 So erhält die Gläubigerin eine Forderung gegen den Bürgen, diese setzt aber den Bestand einer wirksamen Hauptforderung voraus (Akzessorietät; s. N 3587 f.). Zudem ist diese Forderung grundsätzlich subsidiär; die Gläubigerin kann nur auf den Bürgen zugreifen, wenn die Leistung des Schuldners ausfällt. Die Bürgschaft ist eine Personalsicherheit, die sich von den Realsicherheiten (Grund- 3556 und Pfandrechte) wie folgt unterscheidet: Bei einer Personalsicherheit dient nicht ein Gegenstand zur Sicherstellung einer Forderung, sondern das Vermögen einer zusätzlichen Person.2 Während bei Realsicherheiten das Prinzip des numerus clausus gilt, können Personalsicherheiten unterschiedlich und von vorgegebenen Typen unabhängig ausgestaltet werden (s. N 3571 ff.).3

II.

Arten

Das Gesetz regelt folgende Bürgschaftsarten:

1.

3557

Einfache Bürgschaft (Art. 495 OR)

Bei der einfachen Bürgschaft ist der Bürge erst zur Zahlung verpflichtet, wenn der 3558 Hauptschuldner in Konkurs gefallen ist oder Nachlassstundung erhalten hat bzw. wenn die Gläubigerin einen definitiven Verlustschein gegen den Hauptschuldner erwirkt oder dieser seinen Wohnsitz ins Ausland bzw. im Ausland verlegt hat (Art. 495 Abs. 1 OR; subsidiäre Haftung). Ist keine dieser Voraussetzungen erfüllt, steht dem Bürgen die Einrede der Vorausklage (= Einrede, die Gläubigerin solle zuerst gegen den Hauptschuldner vorgehen) zu.4 Der einfache Bürge kann zudem verlangen, dass die Gläubigerin zuerst allfällig bestehende Pfandrechte zu verwerten versucht (Art. 495 Abs. 2 OR; beachte auch Art. 503 OR). Eine Ausnahme vom Recht der Vorausklage und der vorausgehenden Pfandver- 3559 wertung schafft Art. 509 Abs. 6 OR. Gemäss dieser Bestimmung kann die Gläubigerin den Bürgen bei jeder Bürgschaftsart belangen, ohne dass sie zuerst den Hauptschuldner oder die Pfänder in Anspruch nimmt. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Hauptschuld weniger als zwei Jahre vor dem Dahinfallen der Bürgschaft fällig wird (das heisst frühestens nach 18 Jahren seit Abschluss des Bürgschaftsvertrages; 1 BGE 70 II 271 E. 4; Engel, CO PS, 639; BSK OR-Pestalozzi, Art. 492 N 2; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6170; a.M. Emmen egger, ZBJV 2007, 562. 2 Riemer, 87; s. Schmid/Hürlimann-Kaup, N 1465. 3 Engel, CO PS, 627. 4 BGE 125 III E. 2 m.w.H.; Honsell, OR BT, 437.

1201

5. Kapitel

Nominatverträge

s. Art. 509 Abs. 3 und Abs. 4 OR) und die Gläubigerin nicht auf einen früheren Zeitpunkt kündigen konnte.

2. 3560

Der Bürge hat hier bloss für den definitiven Ausfall des Hauptschuldners der Gläubigerin einzustehen, das heisst, er haftet nur für die Höhe des endgültigen Verlusts. Aus diesem Grund genügt auch die Eröffnung des Konkurses nicht.5 Die Gläubigerin kann nur dann gegen den Bürgen vorgehen, wenn sie einen definitiven Verlustschein gegen den Schuldner hat oder der Schuldner seinen Wohnsitz ins Ausland bzw. im Ausland verlegte (Art. 495 Abs. 3 OR).

3. 3561

Solidarbürgschaft (Art. 496 OR)

Der Solidarbürge verpflichtet sich solidarisch mit dem Hauptschuldner zur Begleichung der Hauptschuld. Im Gegensatz zur einfachen Bürgschaft kann die Gläubigerin den Bürgen vor dem Hauptschuldner belangen. Sobald der Hauptschuldner rechtmässig und erfolglos gemahnt wurde oder seine Zahlungsunfähigkeit offensichtlich ist, kann die Gläubigerin vom Solidarbürgen Erfüllung verlangen (Art. 496 Abs. 1 OR). Selbst vor Verwertung bestehender Faustpfandrechte ist ein Vorgehen gegen den Bürgen möglich, wenn und soweit diese Pfande nach richterlichem Ermessen voraussichtlich keine Deckung bieten, der Schuldner in Konkurs geraten ist, Nachlassstundung erhalten hat oder dies so vereinbart wurde (Art. 496 Abs. 2 OR; beachte auch Art. 509 Abs. 6 OR; s. N 3559).

4. 3562

Schadlos- oder Ausfallbürgschaft (Art. 495 Abs. 3 OR)

Gemeinsame Mitbürgschaft (Art. 497 Abs. 1–3 OR)

Bei der Mitbürgschaft verpflichten sich mehrere Personen als Bürgen für die gleiche Hauptschuld. Der Mitbürge geht seine Verpflichtung im Wissen darum ein, dass sich neben ihm noch andere Personen für die Schuld verbürgt haben. Das Gesetz berücksichtigt diesen Umstand, indem es in Art. 497 Abs. 3 OR eine spezielle Regelung für den Fall des diesbezüglichen Irrtums eines Mitbürgen vorsieht.6 Wenn nämlich ein Mitbürge seine Verpflichtung unter der – für die Gläubigerin erkennbaren – Voraussetzung eingeht, dass sich für die Hauptschuld noch andere Bürgen verpflichten würden, so wird er frei, wenn diese Voraussetzung nicht vorliegt oder eintritt. Dies ist dann der Fall, wenn ein Mitbürge sich nicht verpflichtet, aus der

5 BSK OR-Pestalozzi, Art. 495 N 9. 6 Engel, CO PS, 643; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6256.

1202

§ 42

Bürgschaftsvertrag (Art. 492–512 OR)

Haftung entlassen oder seine Bürgschaft für ungültig erklärt wird.7 Bei Ungültigkeit einer Bürgschaft kann der Richter die Haftung auch bloss auf das angemessene Mass herabsetzen (Art. 497 Abs. 3 Satz 2 OR).8 Es gilt zwischen einfacher und solidarischer Mitbürgschaft zu unterscheiden: 4.1

3563

Einfache Mitbürgschaft (Art. 497 Abs. 1 OR)

Einfache Mitbürgschaft liegt vor, wenn sich zwei oder mehrere Personen gemein- 3563a sam (das heisst jeweils im Wissen um die anderen Bürgen) für die gleiche Hauptschuld desselben Hauptschuldners verbürgen. Keine Mitbürgschaft liegt dagegen vor, wenn sich die Bürgen für verschiedene Verpflichtungen des gleichen Hauptschuldners verbürgen.9 Bei der einfachen Mitbürgschaft haftet jeder Mitbürge der Gläubigerin für seinen 3564 Anteil als einfacher Bürge (Art. 495 Abs. 1 OR) und subsidiär als Nachbürge (Art. 498 Abs. 1 OR) für die Anteile der übrigen Mitbürgen. Jedem Mitbürgen steht die Einrede der Teilung zu. Erst nachdem die Mitbürgen erfolglos in Anspruch genommen worden sind (Vorliegen der Voraussetzung von Art. 495 Abs. 1 OR), haftet der Mitbürge der Gläubigerin als Nachbürge. Rechtsprechung und Lehre räumen dem in Anspruch genommenen Mitbürgen, der mehr als seinen Kopfanteil bezahlt hat, einen Regressanspruch ein. Dieser leitet sich nach älterer Rechtsprechung aus Auftrag oder Geschäftsführung ohne Auftrag ab.10 Nach neuerer Lehre ergibt sich dieser Anspruch auch aus Art. 507 OR.11 4.2

Solidarische Mitbürgschaft (Art. 497 Abs. 2 und Abs. 3 OR)

Jeder Mitbürge haftet hier für die Erfüllung der gesamten Hauptschuld. Er kann 3565 jedoch die Leistung des über seinen quotenmässigen Teil hinausgehenden Betrags verweigern, bis gegen alle übrigen Solidarbürgen Betreibung eingeleitet worden ist (Art. 497 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 OR). Für den Betrag, den ein Mitbürge über seinen Anteil hinaus erbracht hat, steht ihm ein Regressanspruch gegenüber den übrigen Mitbürgen zu. Zur Geltendmachung dieses Anspruchs wird nicht verlangt, dass er zuerst gegen den Hauptschuldner vorgeht (Art. 497 Abs. 2 Satz 4 und Satz 5 OR).

7 8

S. BGE 63 II 167 E. 1. Gemäss Bucher, OR BT, 298, BSK OR-Pestalozzi, Art. 497 N 13, und Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6262, ist die Herabsetzung der Haftung durch den Richter nur bei einer ungültigen Bürgschaft möglich; a.M. Honsell, OR BT, 440. 9 CHK OR-Vischer, Art. 497 N 1. 10 BGE 66 II 123 E. 1; 56 II 133 E. 2. 11 OFK OR-Krauskopf/Stuber, Art. 497 N 3; CR CO-Meier, Art. 497 N 9; BSK OR-Pestalozzi, Art. 497 N 8; in diesem Sinne wohl auch BGE 4C.221/2006 E. 1.4.

1203

5. Kapitel

5. 3566

Nominatverträge

Nebenbürgschaft (Art. 497 Abs. 4 OR)

Bei der Nebenbürgschaft wissen die einzelnen Bürgen nichts voneinander (sog. uneigentliche Mitbürgschaft). Sie haben sich unabhängig voneinander für die gleiche Hauptschuld verpflichtet. Jeder Bürge haftet darum unabhängig für die ganze Schuld (s. Art. 497 Abs. 4 Satz 1 OR). Die Einrede der Teilung können die Nebenbürgen der Gläubigerin nicht entgegenhalten. Das Gesetz gewährt jedoch jedem Nebenbürgen einen anteilsmässigen Regressanspruch gegen die anderen Nebenbürgen (Art. 497 Abs. 4 Satz 2 OR). Die in Art. 497 Abs. 1–3 OR aufgeführten Einreden sind nicht anwendbar.12

6.

Nachbürgschaft (Art. 498 Abs. 1 OR)

3567

Ein Nachbürge bürgt der Gläubigerin für die Erfüllung von Verpflichtungen des Vorbürgen. Er haftet hinter dem Vorbürgen wie ein einfacher Bürge neben dem Hauptschuldner (Art. 498 Abs. 1 OR). Eine solidarische Verpflichtung mit dem Vorbürgen ist auch möglich, ohne dabei die Nachbürgeneigenschaft aufzugeben.13

3568

Die Gültigkeit der Nachbürgschaftsverpflichtung hängt sowohl vom Bestehen der Hauptschuld als auch von jenem der Vorbürgschaft ab (doppelte Akzessorietät).14 Zudem muss die Gläubigerin, sofern die Vorbürgschaft eine einfache Bürgschaft ist, zuerst den Hauptschuldner und den Vorbürgen belangen (doppelte Subsidiarität). Im Fall einer solidarischen Vorbürgschaft kann die Gläubigerin den Nachbürgen schon vor dem Vorbürgen belangen. Der Vorbürge haftet alsdann nach Art. 496 OR und der Nachbürge nach Art. 495 OR.15

7. 3569

Rückbürgschaft (Art. 498 Abs. 2 OR)

Jeder Bürge hat einen Regressanspruch gegen den Hauptschuldner (Art. 507 OR). Ein Rückbürge verbürgt sich gegenüber dem zahlenden Bürgen für die Erfüllung dieses Regressanspruchs durch den Hauptschuldner (Art. 498 Abs. 2 OR). Da die Rückbürgschaft als gewöhnliche Bürgschaft gilt, sind die entsprechenden Bürgschaftsvorschriften anwendbar.16 Bei der Rückbürgschaft ist sowohl eine einfache als auch eine solidarische Bürgschaft möglich.17 12

Honsell, OR BT, 440; ZK OR-Oser/Schönenberger, Art. 497 N 75; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6210. 13 BSK OR-Pestalozzi, Art. 498 N 2. 14 CR CO-Meier, Art. 498 N 5. 15 Engel, CO PS, 645; CR CO-Meier, Art. 498 N 4; BSK OR-Pestalozzi, Art. 498 N 2 ff. 16 BGE 61 II 99, 100; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6206. 17 BSK OR-Pestalozzi, Art. 498 N 6; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6206.

1204

§ 42

Bürgschaftsvertrag (Art. 492–512 OR)

3570 Verpflichten sich mehrere Bürgen für die gleiche Hauptschuld? Ja

Nein

Verpflichten sich die Bürgen solidarisch mit dem Hauptschuldner zur Begleichung der Hauptschuld?

Verpflichtet sich der Bürge solidarisch mit dem Hauptschuldner zur Begleichung der Hauptschuld?

Nein

Ja

Nein

einfache Mitbürgschaft (Art. 497 Abs. 1 OR)

solidarische Mitbürgschaft (Art. 497 Abs. 2–3 OR)

einfache Bürgschaft (Art. 495 Abs. 1 OR)

solidarische Mitbürgschaft (Solidarität nur unter Mitbürgen) (Art. 497 Abs. 2–3 OR)

Nebenbürgschaft (Art. 497 Abs. 4 OR) Nachbürgschaft (Art. 498 Abs. 1 OR)

Schadlos- oder Ausfallbürgschaft (Art. 495 Abs. 3 OR)

Ja

solidarische Bürgschaft (Art. 496 OR) Rückbürgschaft (Art. 498 Abs. 2 OR)

Rückbürgschaft (Art. 498 Abs. 2 OR)

Nebenbürgschaft (Art. 497 Abs. 4 OR) Nachbürgschaft (Art. 498 Abs. 1 OR)

Abbildung: Übersicht zur Bestimmung der Bürgschaftsart

III.

Abgrenzungen

Zur Sicherung eines Risikos oder zur Verstärkung der Stellung einer Gläubigerin 3571 können die Parteien auf unterschiedliche Institute des Vertragsrechts zurückgreifen.18 Die in der Praxis wichtigsten Personalsicherheiten sind der Garantievertrag (Art. 111 OR), die Konventionalstrafe (Art. 160 ff. OR), die kumulative Schuldübernahme, die Bürgschaft, die Wechselbürgschaft (Art.  1020  ff.  OR) oder die je ver18 S. BGE 129 III 702 E. 2.2; Emmenegger, ZBJV 2007, 561.

1205

5. Kapitel

Nominatverträge

schieden ausgestalteten Bankgarantien.19 Die Parteien können im Rahmen der Vertragsautonomie auch weitere «unbenannte» Sicherungsgeschäfte eingehen. 3572

Unter Gleichbehandlungsaspekten kritisch ist, dass sich diese Rechtsgeschäfte in den jeweiligen Formerfordernissen unterscheiden. Die Bürgschaft z.B. unterliegt strengen Formvorschriften (s. N 3579 ff.). Diese wurden bei der Reform des Bürgschaftsrechts 1941 eingeführt und dienen vorab dem Schutz des Bürgen.20 Sie zielen darauf ab, unbedachte Begründungen von Bürgschaften zu verhindern und dem Bürgen die Tragweite seiner Verpflichtungen bewusst zu machen.21 Erfüllt die Erklärung, für die Schuld eines anderen einzustehen, die gesetzlichen Formerfordernisse der Bürgschaft nicht, darf sie darum auch nicht leichthin in eine Garantieerklärung oder in eine kumulative Schuldübernahme umgedeutet werden, weil sonst der Schutzzweck der Form versagt. Trotz dieser gesetzgeberischen Inkohärenz anerkennt das Bundesgericht, dass aus praktischen Gründen auch ein hohes Bedürfnis nach formfreien Sicherungsgeschäften besteht.22 Dieser Umstand führt zu wichtigen Abgrenzungen.

1. 3573

Zur kumulativen Schuldübernahme (Schuldbeitritt)

Bei der kumulativen Schuldübernahme übernimmt der Erklärende eine selbständige, zur Hauptschuld des Schuldners hinzutretende, also echte solidarische Verpflichtung gegenüber der Gläubigerin. Dabei wird eine eigene, selbständige und zusätzliche Verpflichtung begründet.23 Die kumulative Schuldübernahme hängt zwar ebenfalls vom Bestand der mitübernommenen Hauptschuld ab, teilt aber insofern nicht deren rechtliches Schicksal, als nicht jeder Wegfall der Hauptschuld die Verpflichtung des Schuldübernehmers untergehen lässt. Ob diese Solidarverpflichtung wegfällt, bestimmt sich nach den Regeln der Solidarität (Art. 147 OR).24 Die aus einer Bürgschaft resultierende Verpflichtung ist demgegenüber grundsätzlich subsidiär (s. N 3555). Bei der kumulativen Schuldübernahme darf die Sicherung der Gläubigerin nicht das wesentliche Element im Rechtsgrund der übernommenen Schuld darstellen.25 Der Erklärende muss ein unmittelbares und materielles Interesse haben, in das Geschäft zwischen dem Hauptschuldner und der Gläubigerin einzutreten und es zu seinem eigenen Geschäft zu machen. Er muss mithin direkt – für die Gegenpartei erkennbar – von der Gegenleistung der Gläubigerin 19 S. Engel, CO PS, 627; ausführlich zu den Bankgarantien Zobl, 23 ff. 20 Handschin, SZW 1994, 227; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 2269; Wiegand, 186. 21 Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6263; Wiegand, 185. 22 BGE 129 III 702 E. 2.3; Emmenegger, ZBJV 2007, 563 f. 23 BGE 4A_235/2012 E. 2.1; 129 III 702 E. 2.1; Emmenegger, ZBJV 2007, 562; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6181. 24 BGE 4A_310/2015 E. 3.1; 129 III 702 E. 2.1 m.w.H. 25 BGE 4A_235/2012 E. 2.1; 129 III 702 E. 2.2.

1206

§ 42

Bürgschaftsvertrag (Art. 492–512 OR)

profitieren. Für eine Schuldübernahme spricht, dass der Erklärende ein ausgeprägtes eigenes Interesse – und nicht nur ein Sicherungsinteresse wie bei der Bürgschaft – an der Erfüllung der Hauptschuld hat oder daraus persönlich einen Vorteil zieht.26

2.

Zur bürgschaftsähnlichen Garantie (Art. 111 OR)

Gibt es keine Hauptschuld, ist die Abgrenzung zwischen Bürgschaft und Garan- 3574 tie einfach. Bei der bürgschaftsähnlichen Garantie liegt jedoch eine Hauptschuld vor. In diesem Fall bereitet es oft Schwierigkeiten, die Garantie von der Bürgschaft abzugrenzen. Als Hauptkriterium zur Unterscheidung wird meist die Akzessorietät der Bürgschaftsverpflichtung angeführt (s. N 3587).27 Allerdings handelt es sich bei der Akzessorietät streng genommen um ein Element der Rechtsfolge und nicht des Tatbestands: Ein Sicherungsversprechen wird dann akzessorisch, wenn es sich um eine Bürgschaft handelt.28 In der Praxis hilft dieses Kriterium ohnehin häufig nicht weiter, da die entsprechenden Vereinbarungen selten eine Erklärung über das Verhältnis zum Grundgeschäft enthalten und darum regelmässig auslegungsbedürftig sind.29 Selbst der Einredeverzicht des Bürgen schliesst die Annahme einer Bürgschaft nicht aus.30 Deshalb muss meistens durch Auslegung nach Wortlaut, Sinn und Zweck des Ver- 3575 trages, nach dem Sachzusammenhang und der inhaltlichen Ausgestaltung der Erklärung ermittelt werden, wie die Vereinbarung einzuordnen ist. Bleibt die Qualifikation weiterhin unklar, sollen gemäss dem Bundesgericht die folgenden Anhaltspunkte helfen:31 • Im Zweifelsfall ist eher Bürgschaft anzunehmen, zumindest wenn die Erklärung von einer Privatperson abgegeben wurde (Vermutung zugunsten der «milderen» Verpflichtung).32 • Erklärungen von Banken und Sicherungsgeschäfte über Auslandverträge33 gelten vermutungsweise als Garantien (Grund: Geschäftserfahrenheit).34 Ein Teil der Lehre kritisiert die Beschränkung auf Banken und möchte den erwähnten

26 27 28 29 30 31 32 33 34

BGE 4A_235/2012 E. 2.5; 129 III 702 E. 2.6; Honsell, OR BT, 433 f. BGE 4A_530/2008 E. 5.1; 125 III 305 E. 2a = Pra 1999 Nr. 172; Guhl/Schnyder, § 57 N 7. Emmenegger, ZBJV 2007, 562. Emmenegger, ZBJV 2007, 564; Honsell, OR BT, 430 ff. BGE 113 II 434 E. 3d. Ausführlich dazu Emmenegger, ZBJV 2007, 565 ff.; BSK OR-Pestalozzi, Art. 111 N 21 ff.; s. tabellarische Darstellung bei Guhl/Schnyder, § 57 N 10. BGE 4A_530/2008 E. 5.1.2; 4C.274/2001 E. 3; 113 II 434 E. 2c. BGE 131 III 511 E. 4.3 = Pra 2006 Nr. 66. BGE 4A_530/2008 E. 5.1.2; 113 II 434 E. 2c.

1207

5. Kapitel





• •

Nominatverträge

Grundsatz allgemein für geschäftsgewandte (natürliche und juristische) Personen gelten lassen.35 Grundsätzlich ist nicht entscheidend, ob dem Sicherungsversprechen ein vertragliches Drittschuldverhältnis zugrunde liegt. Jedoch sprechen die Identität des Leistungsversprechens der sichernden Person mit dem Inhalt der Hauptschuld sowie die Übernahme der Schuldpflicht bei Ausfall der Leistungspflicht eher für die Annahme einer Bürgschaft (Sachzusammenhang zwischen Drittund Sicherungsvertrag).36 Die Bürgschaft ist schuldnerbezogen, die Garantie dagegen gläubigerbezogen. Vermutungsweise kann eine Garantie deshalb nur dann angenommen werden, wenn die vom Garanten zu erbringende Leistung in der Erklärung selbst detailliert umschrieben ist und dabei nicht auf das Grundgeschäft Bezug genommen wird.37 Bestimmungen über einen allfälligen Regress gegenüber dem Hauptschuldner weisen ebenfalls auf eine Bürgschaft hin, da entsprechende Klauseln bei der Garantie nicht üblich sind.38 Ein weiteres Indiz ist das Eigeninteresse der sich verpflichtenden Person. Während der Garant ein Eigeninteresse hat, übernimmt der Bürge aus vorwiegend uneigennützigen Gründen ein finanzielles Risiko.39 Das Bundesgericht erachtet dieses Indiz jedoch nicht immer als ausschlaggebend.40 In einem Fall, in welchem der Hauptaktionär die persönliche Haftung für die Verbindlichkeit der AG übernommen hatte, nahm das Bundesgericht trotz des offensichtlichen Eigeninteresses eine Bürgschaft an.41 Begründet wurde dieser Entscheid damit, dass der besagte Aktionär zwar für die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft einzutreten gewillt war, nicht aber zu Zahlungen verpflichtet werden wollte, für welche die Gesellschaft wegen Nichtigkeit des zugrunde liegenden Vertrages nicht einzustehen hatte.42 Ob dieser Entscheid auch vor der Auslegung des Vertrages nach dem Vertrauensprinzip standhält, darf hier offenbleiben.

35 36 37 38 39 40 41 42

1208

BSK OR-Pestalozzi, Art. 111 N 26; BK OR-Weber, Art. 111 N 81. BGE 113 II 434 E. 3b; BSK OR-Pestalozzi, Art. 111 N 28. BGE 113 II 434 E. 3c; Guhl/Schnyder, § 57 N 10; BK OR-Weber Art. 111 N 74. BGE 113 II 434 E. 3e; BK OR-Weber Art. 111 N 75. BGE 129 III 702 E. 2.6; 4C.274/2001 E. 3; 125 III 305 E. 2b = Pra 1999 Nr. 172; 101 II 323 E. 1a; BSK ORPestalozzi, Art. 111 N 31; BK OR-Weber Art. 111 N 61. BGE 125 III 305 E. 2b = Pra 1999 Nr. 172; 113 II 434 E. 3g; Emmenegger, ZBJV 2007, 567 m.w.H. BGE 125 III 305 = Pra 1999 Nr. 172. BGE 125 III 305 E. 2c = Pra 1999 Nr. 172; s. die kritische Besprechung dieses Entscheids bei Honsell, OR BT, 431.

§ 42

3.

Bürgschaftsvertrag (Art. 492–512 OR)

Zum Kreditauftrag (Art. 408 ff. OR)

Mittels Kreditauftrag verpflichtet die Auftraggeberin den Beauftragten, einem Drit- 3576 ten Kredit zu gewähren. Die Auftraggeberin haftet gegenüber dem Beauftragten neben dem kreditnehmenden Dritten «wie ein Bürge» (Art. 408 Abs. 1 OR). Das Verhältnis der Auftraggeberin zum Kreditnehmer (Dritten) bestimmt sich nach Bürgschaftsrecht (Art. 411 OR). Der Kreditauftrag unterscheidet sich von der Bürgschaft dadurch, dass die Auftraggeberin denselben jederzeit beenden kann (Art. 404 i.V.m. Art. 407 Abs. 1 OR). Wurde dies vertraglich ausgeschlossen, handelt es sich dagegen um Bürgschaft oder Garantie.43

4.

Zur Wechselbürgschaft (Art. 1020 ff. OR)

Durch Wechselbürgschaft garantiert der Wechselbürge die Zahlung eines Wechsels 3577 durch den Wechselverpflichteten. Es wird eine zusätzliche wechselrechtliche Verpflichtung bergründet, auf die ausschliesslich die Art. 1020–1022 OR zur Anwendung kommen.44 Sie bleibt auch dann gültig, wenn die garantierte Verbindlichkeit aus einem andern Grund als wegen eines Formfehlers ungültig ist (Art. 1022 Abs.  2  OR).45 Die Bürgschaftserklärung wird auf den Wechsel oder eine Allonge gesetzt.46

5.

Zur Patronatserklärung

Unter einer Patronatserklärung wird eine garantieähnliche Abrede einer Mutter- 3578 zugunsten einer Tochtergesellschaft verstanden.47 Der Inhalt einer solchen Erklärung wird oft bewusst unklar formuliert.48 Man versucht, ohne allzu weitreichende Verpflichtungen entstehen zu lassen, Kredite der Tochtergesellschaft zu garantieren.49 Diese Erklärungen können von unverbindlichen Zusagen (sog. comfort letter) bis zu garantieähnlichen Verpflichtungen oder (allenfalls formungültigen) Bürgschaften reichen.50 Will sich die Muttergesellschaft tatsächlich für die Tochtergesellschaft verpflichten, kann unter Umständen eine Bürgschaft vorliegen.51 Bei der Auslegung ist aber auch den Gläubigerinteressen angemessen Rechnung zu tragen. 43 44 45 46 47 48 49 50 51

Honsell, OR BT, 434; BSK OR-Pestalozzi, Art. 111 N 33. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6186. Meier-Hayoz/von der Crone, § 12 N 772. Honsell, OR BT, 434; Meier-Hayoz/von der Crone, § 12 N 777. Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, § 60 N 41; ausführlich Nobel, 55 ff. Von Büren/Stoffel/Weber, N 1672. Böckli, § 11 N 496; Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, § 60 N 41; Nobel, 65 f. Böckli, § 8 N 363; Nobel, 58 ff. BSK OR-Pestalozzi, Art. 111 N 35.

1209

5. Kapitel

3579

Nominatverträge

IV.

Voraussetzungen

1.

Formvorschriften (Art. 493 OR)

Die Formvorschriften bei der Bürgschaft gestalten sich unterschiedlich, je nachdem, ob der Bürge eine natürliche oder eine juristische Person ist und welche Höhe der Haftungsbetrag hat. 1.1

Schriftlichkeit und zahlenmässig bestimmter Höchstbetrag (Art. 493 Abs. 1 OR)

3580

Bürgschaftsverträge bedürfen zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Erklärung eines Bürgen und der Angabe des zahlenmässig bestimmten Höchstbetrags (Art.  493 Abs. 1 OR). Formbedürftig ist nur die Willenserklärung des Bürgen, der auch als Einziger unterschreiben muss (Art. 13 Abs. 1 OR).52

3581

Beträgt der Haftungsbetrag bei natürlichen Personen weniger als CHF 2000, muss dieser Betrag handschriftlich in die Urkunde eingetragen werden (qualifizierte Schriftlichkeit; s. N 359). Verpflichtet sich der Bürge zu einer Solidarbürgschaft im Sinne von Art. 496 OR, so muss auch dies handschriftlich vermerkt sein (Art. 493 Abs. 2 Satz 2 OR).

3582

Handelt es sich beim Bürgen dagegen um eine juristische Person oder um Personenhandelsgesellschaften, genügt immer die einfache Schriftlichkeit.53 Die Bürgschaftsurkunde muss nicht handschriftlich verfasst sein, doch muss sie den vereinbarten Höchstbetrag der Bürgschaftshaftung zahlenmässig enthalten. Ein blosser Verweis (beispielsweise auf den der Hauptschuld zugrunde liegenden [Kauf-]Vertrag) genügt dem Schriftformerfordernis nicht.54

3583

Eine Bürgschaftserklärung einer verheirateten Person (das Gleiche gilt auch für Personenhandelsgesellschaften mit verheirateten Inhabern) bedarf zudem grundsätzlich der schriftlichen Zustimmung des Ehegatten (Art. 494 Abs. 1 OR). Die gleiche Regelung gilt bei eingetragenen Partnerschaften sinngemäss (Art. 494 Abs. 4 OR). 1.2

3584

Öffentliche Beurkundung (Art. 493 Abs. 2 Satz 1 OR)

Beträgt der Höchstbetrag mehr als CHF  2000, bedürfen Bürgschaftserklärungen natürlicher Personen der öffentlichen Beurkundung (Art.  493 Abs.  2 Satz 1  OR). Wollen die Parteien diese Formvorschrift umgehen, indem sie den Höchstbetrag 52 53 54

1210

Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6264. Zu den dem Formzwang unterliegenden Elementen der Bürgschaft s. BGE 125 III 131 E. 4b und BSK OR-Pestalozzi, Art. 493 N 7 ff. Engel, CO PS, 641. BK OR-Giovanoli, Art. 493 N 21.

§ 42

Bürgschaftsvertrag (Art. 492–512 OR)

mittels der Abgabe von mehreren Bürgschaftserklärungen «parzellieren», ist die Bürgschaft ungültig (Art. 493 Abs. 4 OR; sog. Umgehungsgeschäft). Nach mehrheitlicher Lehre ist die öffentlich beurkundete Bürgschaftserklärung 3584a im Übrigen als öffentliche Urkunde im Sinne von Art.  347  ff. ZPO55 zu betrachten, sofern der Bürge darin ausdrücklich erklärt, dass er eine bestimmte Forderung der Gläubigerin anerkennt und sich deren direkten Vollstreckung unterwirft. In einem solchen Fall kann die Gläubigerin direkt die definitive Rechtsöffnung verlangen (Art.  349 ZPO i.V.m. Art.  80 Abs.  2 Ziff.  1bis SchKG56).57 Rusch/Wohlgemut58 lehnen dagegen diese Möglichkeit der Ausgestaltung der Bürgschaftserklärung als vollstreckbare öffentliche Urkunde ab, da dadurch die zwingende Einredeordnung des Bürgschaftsrechts (s. Art. 492 Abs. 4 und Art. 502 OR) umgangen werde. Die Einwendungen und Einreden nach Art. 502 OR (z.B. nicht gehörige Erfüllung durch die Gläubigerin) liessen sich in der Regel nicht «sofort» beweisen, wie es Art. 81 Abs. 2 SchKG für die Beseitigung der definitiven Rechtsöffnung verlange. Der Bürge müsse in einem solchen Fall also ein zweites Verfahren anstreben (s. Art. 85a f. SchKG), um seine Einwendungen und Einreden gegenüber der Gläubigerin doch noch vorbringen zu können. Nach Meinung der Autoren widerspricht dies aber dem Wesen der Einreden und Einwendungen nach Art. 502 OR, wonach hierfür nicht extra ein neues Verfahren eingeleitet werden müsse.59 Es wäre denn auch absurd, wenn der Bürge klagen müsste, um seine Leistungsverweigerungsrechte gegenüber der Gläubigerin geltend machen zu können. Mit der Ausgestaltung der Bürgschaftserklärung als vollstreckbare öffentliche Urkunde (Art. 347 ZPO) würde der Bürge de facto im Voraus auf seine Rechte aus Art. 502 OR verzichten, was gemäss Art. 492 Abs. 4 OR jedoch unzulässig ist.60 1.3

Nachträgliche Abänderungen (Art. 493 Abs. 5 OR)

Nachträgliche Änderungen einer Bürgschaft können trotz öffentlicher Beurkundung 3585 der Bürgschaftserklärung schriftlich vereinbart werden. Ausgenommen von dieser Regelung sind Änderungen, die zu einer Mehrbelastung des Bürgen führen (Erhöhung des Höchstbetrags der Haftung und Umwandlung einer einfachen Bürgschaft in eine Solidarbürgschaft; Art. 493 Abs. 5 Satz 1 OR). Hier gilt das ursprüngliche Formerfordernis (z.B. öffentliche Beurkundung, falls die Schwelle von CHF 2000 überschritten wird). 55 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung; SR 272). 56 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SR 281.1). 57 BSK OR-Pestalozzi, Art. 493 N 13 m.w.H.; CHK OR-Vischer, Art. 493 N 15. Kritisch gegenüber der Möglichkeit der Ausgestaltung der Bürgschaft als vollstreckbare öffentliche Urkunde KuKo  OR-Ernst/ Zelger, Vor Art. 492–512 N 8a. 58 Rusch/Wohlgemuth, ZBJV 2015, 339 ff., insbesondere 342 ff. 59 Rusch/Wohlgemuth, ZBJV 2015, 343 f. 60 S. zum Ganzen Rusch/Wohlgemuth, ZBJV 2015, 342 ff. und 348 f.

1211

5. Kapitel

3586

Nominatverträge

Übernimmt ein Dritter mit befreiender Wirkung die Hauptschuld, so geht die Bürgschaft unter, es sei denn, dass der Bürge der Schuldübernahme schriftlich zustimmt (Art. 493 Abs. 5 Satz 2 OR).

2.

Prinzip der Akzessorietät

3587

Die Bürgschaft ist akzessorisch, setzt mithin eine bestehende Hauptschuld voraus (Art.  492 Abs.  2  OR). Aus der Akzessorietät folgt auch, dass die Bürgschaftsverpflichtung durch Novation (Art. 116 OR; s. dazu N 737 ff.) der Forderung wegfällt, bei Zession hingegen bestehen bleibt (Art. 170 OR).

3588

Eine Ausnahme vom Prinzip der Akzessorietät statuiert Art. 492 Abs. 3 OR, wonach sich der Bürge verpflichten kann, für eine (wegen Irrtums oder Vertragsunfähigkeit) unverbindliche bzw. für eine verjährte Schuld des Hauptschuldners einzustehen (s. dazu auch Art. 502 Abs. 1 und Art. 507 Abs. 6 OR). In diesen Fällen liegt ein Garantieversprechen vor, bei dem der Garant nach den Regeln der Bürgschaft haftet.61 Der Garantieempfängerin («Gläubigerin») obliegt es zu beweisen, dass der Garant («Bürge») den Mangel im Grundverhältnis kannte.62

3. 3589

Bestimmbarkeit der Hauptschuld

Grundsätzlich muss bei der Bürgschaft die verbürgte Hauptschuld bestimmt oder bestimmbar sein.63 Dazu gehört, dass die Parteien identifizierbar sein müssen und der Forderungsgrund bekannt sein muss.64 Die Bürgschaft für künftige oder bedingte Schulden ist zulässig, sofern die Hauptschuld wirksam wird (Art.  492 Abs.  2 Satz 2  OR). Gemäss einem Bundesgerichtsentscheid von 1994 verstösst aber eine Bürgschaft über alle künftigen Schulden (auch wenn sie ziffernmässig genau begrenzt wurden) gegen das Bestimmtheitserfordernis und gegen Art.  27 Abs. 2 ZGB.65 Dieser Entscheid wurde in der Praxis mehrfach kritisiert.66 In einem späteren Entscheid wurde alsdann neu statuiert, dass bei einem eindeutig identifizierbaren Rechtsverhältnis zwischen Gläubigerin und Hauptschuldner innerhalb dieses Rechtsverhältnisses eine beliebige Zahl von künftigen Forderungen gesichert werden kann.67 Eine Einschränkung kann sich durch die Auslegung nach dem Vertrauensprinzip ergeben, wenn der Bürge sich nach Treu und Glauben darauf verlas61 62 63 64 65 66 67

1212

Engel, CO PS, 639; BK OR-Giovanoli, Art. 492 N 80. BK OR-Giovanoli, Art. 492 N 83. BGE 46 II 95 E. 2; BSK OR-Pestalozzi, Art. 492 N 19; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6243. BGE 128 III 434 E. 3; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6243. BGE 120 II 35 E. 3 = Pra 1995 Nr. 146. S. unter anderem Bucher, recht 1994, 180 ff.; Kramer, AJP 1994, 1042 ff. BGE 128 III 434 E. 3.4.

§ 42

Bürgschaftsvertrag (Art. 492–512 OR)

sen durfte, dass bestimmte Forderungen von seinem Bürgschaftsversprechen nicht erfasst waren.68

V.

Umfang der Haftung (Art. 499 OR)

Die Haftung des Bürgen ist immer auf den in der Urkunde angegebenen Höchst- 3590 betrag beschränkt (Art. 499 Abs. 1 OR). Die in Art. 499 Abs. 2 OR aufgezählten Posten werden in diesen Betrag eingeschlossen. Die Bürgschaft umfasst insbesondere auch den Ersatz jenes Schadens, welcher der 3591 Gläubigerin aus der nicht gehörigen Erfüllung der Hauptschuld entsteht (Art. 499 Abs.  2 Ziff.  1  OR). Ansprüche der Gläubigerin aus einer vereinbarten Konventionalstrafe oder aus dem Dahinfallen des Vertrages (negatives Vertragsinteresse; s. Art. 109 OR) sind von der Bürgschaft dagegen grundsätzlich nicht gedeckt. Der Bürge haftet also nur bei entsprechender Vereinbarung dafür.69 Besteht keine abweichende Abrede, verringert sich der Haftungsbetrag bei Bürg- 3592 schaften natürlicher Personen jährlich um 3% bzw. 1% des ursprünglichen Höchstbetrags (Art. 500 Abs. 1 OR). Die teilweise Tilgung der Hauptschuld bewirkt gemäss Art. 500 Abs. 1 Satz 2 OR automatisch eine verhältnismässige Reduktion des Höchstbetrags.

VI.

Einreden des Bürgen (Art. 501 ff. OR)

1.

Selbständige Einreden des Bürgen

Dem Bürgen stehen aus eigenem Recht zahlreiche Einreden zur Verteidigung sei- 3593 ner Rechtsposition zur Verfügung. So kann er unter anderem alle Einreden aus dem Bürgschaftsvertrag (z.B. Recht der Vorausklage gemäss Art. 495 Abs. 1 OR), die Einrede mangelnder Fälligkeit der Forderung (Art. 501 Abs. 1 und Abs. 3 OR), die Einrede aus Gläubigerverzug (Art. 504 OR) etc. geltend machen.70

68 BGE 128 III 434 E. 3.4. 69 Engel, CO PS, 649; BK OR-Giovanoli, Art. 499 N 12; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6338; kritisch dazu Bucher, OR BT, 298; Honsell, OR BT, 417. 70 S. dazu Bucher, OR BT, 299 ff.; BSK OR-Pestalozzi, Art. 502 N 1 ff.

1213

5. Kapitel

2.

Nominatverträge

Einreden des Hauptschuldners

3594

Aufgrund der Akzessorietät einer Bürgschaftserklärung ist der Bürge berechtigt, sämtliche dem Hauptschuldner zustehenden Einreden gegenüber der Gläubigerin vorzubringen (Art. 502 Abs. 1 OR). Ausnahmen von dieser Regel bilden die Einrede der Zahlungsunfähigkeit, des Irrtums oder der Vertragsunfähigkeit des Hauptschuldners bzw. der Verjährung der Forderung (Art. 492 Abs. 3 OR; Art. 502 Abs. 1 Satz 2  OR). Selbst der Verzicht des Hauptschuldners auf Geltendmachung einer Einrede schadet dem Bürgen nicht (Art. 502 Abs. 2 OR). Einreden, die nicht innert der gesetzlichen Frist geltend gemacht wurden und daher verwirkt sind, können auch vom Bürgen nicht mehr erhoben werden.71

3595

Macht der Bürge eine Einrede schuldhaft nicht geltend, verliert er gemäss Art. 502 Abs. 3 OR seinen Regressanspruch (Art. 507 OR).

3596

Solange der Hauptschuldner verrechnen kann, darf der Bürge die Zahlung verweigern (Art. 121 OR). Der Bürge kann jedoch die Verrechnungseinrede des Hauptschuldners gegenüber der Gläubigerin nicht bezüglich seiner Bürgschaftsschuld erheben, denn es fehlt an der Wechselseitigkeit.72 Verzichtet der Hauptschuldner auf die Verrechnung, wird von Lehre und neuerer Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass Art. 502 Abs. 2 und Art. 121 OR analog anzuwenden sind. Dem Bürgen soll in jenem Fall ein Leistungsverweigerungsrecht zugestanden werden, in welchem der Hauptschuldner nachträglich, also nach Abschluss des Bürgschaftsvertrages, und ohne Zustimmung des Bürgen auf die Verrechnung verzichtet. Nicht auf Art. 502 Abs. 2 OR berufen kann sich der Bürge dagegen, wenn er die Bürgschaft im Wissen um den Verrechnungsverzicht des Hauptschuldners eingegangen ist.73

3597

Nach Art. 141 Abs. 3 OR hat ein Verzicht des Hauptschuldners auf die Verjährungseinrede keine negativen Auswirkungen auf die Position des Bürgen.

VII. Obliegenheiten der Gläubigerin gegenüber dem Bürgen 1. 3598

Sorgfaltsobliegenheit (Art. 503 OR)

Die Gläubigerin darf die Stellung des Bürgen nicht durch eine Freigabe von Pfandrechten oder anderweitigen Sicherheiten und Vorzugsrechten verschlechtern. 71

BGE 45 II 568 E.  2; ZK  OR-Oser/Schönenberger, Art.  502 N  27; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6348. 72 BGE 138 III 453 E. 2.2.1; 126 III 25 E. 3b = Pra 2000 Nr. 101; BSK OR-Peter, Art. 121 N 1; Tercier/Bieri/ Carron, CO PS, N 6350. 73 BGE 138 III 453 E. 2.2.2 (noch offengelassen in BGE 126 III 25 E. 3b = Pra 2000 Nr. 101); ZK OR-Aepli, Art. 121 N 29; CR CO-Jeandin, Art. 121 N 3; BSK OR-Peter, Art. 121 N 3.

1214

§ 42

Bürgschaftsvertrag (Art. 492–512 OR)

Andernfalls reduziert sich die Haftung des Bürgen um einen der Verminderung entsprechenden Betrag (Art. 503 Abs. 1 OR).

2.

Obliegenheit der Zahlungsannahme (Art. 504 OR)

Bei Fälligkeit der Hauptschuld kann der Bürge der Gläubigerin jederzeit Zahlung 3599 bzw. bei mehreren Bürgen auch Teilzahlung anbieten (Art. 504 Abs. 1 OR). Verweigert die Gläubigerin die Annahme ungerechtfertigterweise, wird der Bürge von seiner Pflicht befreit (Art. 504 Abs. 2 OR). Diese Spezialvorschrift zu Art. 91 ff. OR lässt nicht den Gläubigerverzug eintreten, sondern die Gläubigerin ihre Forderung verlieren.74 Diese Regel gilt nicht nur für den einfachen Bürgen oder Solidarbürgen, sondern auch für den Mitbürgen.

3.

Herausgabeobliegenheiten (Art. 503 Abs. 3 OR)

Begleicht der Bürge die Hauptschuld freiwillig vor Verwertung vorhandener Pfand- 3600 rechte oder anderer Sicherheiten durch die Gläubigerin (s. Art. 495 Abs. 2, Art. 496 Abs. 2 und Art. 504 OR), so gehen deren Rechte auf ihn über (Art. 507 OR). Die Gläubigerin hat dem Bürgen in diesen Fällen die Urkunden und Informationen zu geben, welche dieser zur Ausübung seiner Rechte benötigt (Art. 503 Abs. 3 OR).75 Weigert sich die Gläubigerin oder kann sie den entsprechenden Obliegenheiten aufgrund eigener grober Fahrlässigkeit nicht mehr nachkommen, wird der Bürge frei; er kann das bereits Bezahlte zurückfordern und hat Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens (Art. 503 Abs. 4 OR). Art.  505  OR statuiert zusätzliche Mitteilungs- und Anmeldeobliegenheiten der 3601 Gläubigerin (insbesondere hinsichtlich eines Verzugs des Schuldners).

VIII. Verhältnis des Bürgen zum Hauptschuldner 1.

Recht auf Sicherstellung und Befreiung (Art. 506 OR)

Zum Schutz des Bürgen sieht Art. 506 OR gesetzliche Ansprüche des Bürgen gegen 3602 den Hauptschuldner vor, wenn dieser durch sein Verhalten die Stellung des Bürgen verschlechtert. In den in Art. 506 Ziff. 1–3 OR aufgezählten Fällen kann der 74 BSK OR-Pestalozzi, Art. 504 N 1; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6384; kritisch Bucher, OR BT, 300. 75 S. BGE 78 II 258 E. 6.

1215

5. Kapitel

Nominatverträge

Bürge vom Schuldner Sicherstellung oder – bei Fälligkeit der Hauptschuld – Befreiung von der Bürgschaft verlangen. Zur Sicherstellung kann der Schuldner Pfandrechte einräumen oder eine Rückbürgschaft ermöglichen. Eine Befreiung des Bürgen kann durch Zahlung der Hauptschuld oder durch den Vorschlag eines neuen Bürgen erfolgen. Der erste Bürge wird dann aus dem Bürgschaftsvertrag entlassen.76

2.

Rückgriffsrecht (Art. 507 OR)

3603

Mit Bezahlung der Hauptschuld gehen Forderung, Pfandrechte und andere Sicherheiten zugunsten der Gläubigerin von Gesetzes wegen auf den Bürgen über (Art. 507 Abs. 1 und Abs. 2 OR; Legalzession, Subrogation). Der Bürge ist gehalten, den Hauptschuldner über die Zahlung zu unterrichten. Leistet der uninformierte Hauptschuldner ebenfalls, verliert der Bürge nämlich andernfalls seinen Regressanspruch (Art. 508 OR; s. auch Art. 167 OR). Der Bürge kann alsdann nur noch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Gläubigerin vorgehen (Art. 508 Abs. 3 OR).

3604

Mit der Zahlung des Bürgen an die Gläubigerin beginnt die Verjährung der Regressforderung zu laufen (Art. 507 Abs. 5 OR).

IX.

Beendigungsgründe (Art. 509–510 OR)

3605

Wichtigster Beendigungsgrund der Bürgschaft ist wegen der Akzessorietät das Erlöschen der Hauptschuld. Die Hauptschuld erlischt unter anderem durch Erfüllung, Erlass, Verrechnung, Novation oder Vereinigung von Gläubiger- und Schuldnerposition (Art. 509 Abs. 1 OR). Bei der Vereinigung von Schuldner- und Bürgenposition (sog. unechte Konfusion; z.B. Beerbung) hingegen bleiben der Gläubigerin die aus der Bürgschaft zustehenden Vorteile erhalten (Art. 509 Abs. 2 OR).

3606

Nach 20 Jahren seit Abgabe der Erklärung fällt die auf längere oder unbestimmte Zeit abgeschlossene Bürgschaft natürlicher Personen dahin (Art.  509 Abs.  3  OR; s. auch Art. 511 OR). Die Bürgschaft kann während des 20. Jahres vorzeitig geltend gemacht werden, ausser wenn der Bürge sie durch eine neue ersetzt oder die alte verlängert hat (Art. 509 Abs. 4 OR).77 Eine Verlängerung ist indessen für höchstens zehn Jahre zulässig (Art. 509 Abs. 5 OR).

3607

Wurde die Bürgschaft nur für eine bestimmte Zeit vereinbart, erlischt sie nicht mit Ablauf derselben, sondern erst vier Wochen danach (Art. 510 Abs. 3 OR). Von 76 77

1216

BK OR-Giovanoli, Art. 506 N 4. S. BGE 4C.23/2002 E. 2.3; BSK OR-Pestalozzi, Art. 509 N 13.

§ 42

Bürgschaftsvertrag (Art. 492–512 OR)

Art. 510 Abs. 3 OR erfasst wird bei einer einfachen Bürgschaft nur die verbürgte Hauptforderung; für die subsidiäre Bürgschaftsforderung gilt das entsprechende Beschleunigungsgebot nicht (Geltendmachung der Forderung innert vier Wochen und Rechtsverfolgung ohne erhebliche Unterbrechung). Grundsätzlich genügt es, wenn die Gläubigerin binnen vier Wochen nach Belangung des Hauptschuldners dem Bürgen anzeigt, dass sie ihn aus der Bürgschaft in Anspruch nehmen will (analoge Anwendung von Art. 510 Abs. 3 OR).78 Es ist also nicht erforderlich, innerhalb dieser Frist zu klagen. Ist die Forderung noch nicht fällig, kann sich der Bürge nur befreien, indem er Realsicherheit leistet (Art. 510 Abs. 4 OR). Unterlässt er dies, so gilt die Bürgschaft für die gesamte gesetzlich zulässige Höchstdauer weiter (Art. 510 Abs. 5 OR). Ist eine zukünftige Forderung der Gläubigerin Gegenstand der Bürgschaft (Art. 492 3608 Abs. 2 OR), so steht dem Bürgen bis zu deren Entstehung unter gewissen Voraussetzungen ein jederzeitiges Rücktrittsrecht zu (Art. 510 Abs. 1 OR).

78 BGE 125 III 322 E. 3d.

1217

§ 43 Spiel, Wette und Differenzgeschäfte (Art. 513–515a OR) Grundlagenliteratur Bucher, OR BT, 311 ff.; Engel, CO PS, 667 ff.; Guhl/Koller, § 3 N 4 ff.; Honsell, OR BT, 448 ff.; Tercier/Favre/Carron, CO PS, N 6611 ff.

Weiterführende Literatur Amonn Kurt, Spiel und spielartige Verträge, in: Vischer Frank (Hrsg.), SPR Bd. VII/2, Basel/Stuttgart 1979, 459–477; Bracher Rolf, Strukturiertes Produkt einer Bank als Glücksspiel, Jusletter 5. Mai 2008; Rusch Arnold F., Aleatorische Verträge, AJP 2013, 1625–1630.

I.

Begriffe

1.

Spielvertrag (Art. 513 OR)

Mit dem Spielvertrag versprechen sich die Parteien im Rahmen einer «künstlichen» Anordnung ohne «realen» wirtschaftlichen Hintergrund eine Leistung unter entgegengesetzten Bedingungen, sodass es am Ende zwingend einen Gewinner und eine Verliererin gibt.1 Der Eintritt der Bedingungen hängt vom Zufall, von der Betätigung körperlicher oder geistiger Fähigkeiten der Spieler selbst oder eines Dritten (z.B. Pferderennen) ab.2

3609

2.

Wette (Art. 513 OR)

Die Wette ist ein Unterfall des Spiels. Die Besonderheit liegt darin, dass derjenige gewinnt, der in einem Meinungsstreit eine gegensätzliche Behauptung aufstellt, die sich später als richtig erweist.3

3610

1

BGE 133 II 68 E. 8.2 = Pra 2007 Nr. 136; 126 III 534 E. 2a = Pra 2001 Nr. 120; 126 IV 165 E. 3c; Tercier/ Favre/Carron, CO PS, N 6637; s. auch Rusch, AJP 2013, 1628 f. 2 S. BSK OR-Bauer, Art. 513 N 1; CR CO-Jeandin/Tedjani, Art. 513 N 1. 3 CHK OR-Hochstrasser, Art. 513–514 N 4; ZK OR-Schönenberger, Art. 513 N 3

1218

§ 43

Spiel, Wette und Differenzgeschäfte (Art. 513–515a OR)

Hinsichtlich der Rechtsfolgen sind die Wetten den Spielen gleichgestellt.4

3.

3611

Differenzgeschäft (Art. 513 OR)5

Börsentermingeschäfte sind spekulativ motivierte Kaufverträge über vertretbare Waren, Wertpapiere oder Devisen, die an einem Terminmarkt abgeschlossen werden. Spekuliert wird dabei entweder auf steigende (à la hausse) oder auf sinkende (à la baisse) Preise.5

3612

Es handelt sich somit um Lieferungsgeschäfte mit Spielcharakter.6 Die Waren, Wert- 3613 papiere oder Devisen effektiv zu kaufen, ist nicht Absicht der Parteien. Es geht ihnen lediglich darum, Profit aus den zutreffend antizipierten Börsenpreisen zu ziehen. Beim Kauf à la hausse wird in der Hoffnung auf steigende Preise ein Geschäft mit bestimmtem Liefertermin getätigt; steigen die Preise tatsächlich, wird zum Preis am Liefertermin weiterverkauft. Eine tatsächliche Lieferung ist nicht vorgesehen.7 Bei Geschäften à la baisse verkauft der Spekulierende in der Hoffnung auf sinkende Preise Waren, Wertpapiere oder Devisen, ohne diese jedoch je zu besitzen. Sinken die Preise tatsächlich, kann zum Preis im Lieferzeitpunkt ein Deckungskauf zu günstigeren Konditionen getätigt werden. In beiden Fällen trägt der Spekulierende das Risiko gegenteiliger Preisentwicklung oder fehlender Möglichkeiten zum Gegengeschäft.8 Börsentermingeschäfte als solche fallen noch nicht unter die Vorschriften über Spiel 3614 und Wette. Das Spielartige solcher Geschäfte, welches zur Gleichstellung mit Spiel und Wette führt (Art. 513OR), manifestiert sich erst, wenn folgende kumulativ vorausgesetzte Merkmale vorliegen:9 • Das Geschäft muss spekulativ motiviert sein, andere Geschäftsmotive müssen folglich von der Spekulationsidee klar dominiert werden; • das Geschäft muss von mindestens einer Partei in Spielabsicht abgeschlossen werden; ein ernstlicher Geschäftswille (dieser könnte z.B. auf die Investition von Kapital oder den Umschlag von Waren gerichtet sein) muss demgegenüber völlig in den Hintergrund treten; • die Spielabsicht muss für die Gegenpartei leicht erkennbar sein. 4 5 6 7 8 9

Bucher, OR BT, 311; CR CO-Jeandin/Tedjani, Art. 513 N 2; Tercier/Favre/Carron, CO PS, N 6638. Honsell, OR BT, 450. Amonn, 467. Honsell, OR BT, 450 f.; CR CO-Jeandin/Tedjani, Art. 513 N 20. S. Bracher, Jusletter 5. Mai 2008, N 16; Honsell, OR BT, 450 f. BGE 120 II 42 E. 3a; Guhl/Koller, § 3 N 5; s. auch BSK OR-Bauer, Art. 513 N 8 ff. A.M. Rusch, AJP 2013, 1627 ff., wonach einzig auf objektivierte Kriterien und nicht auf die konkrete Absicht mindestens einer Partei bzw. deren Erkennbarkeit für die Gegenpartei abgestellt werden sollte.

1219

5. Kapitel

3615

Gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist der Spielcharakter nach den gesamten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Indizien dafür sind je nachdem das Missverhältnis zwischen Vermögenslage und Verlustrisiko, die Wahl- und Planlosigkeit der Abschlüsse, das Fehlen jeglichen Zusammenhangs zwischen den Lieferungsgeschäften und der Berufstätigkeit des Spekulanten sowie allenfalls auch die Geschäftsunerfahrenheit desselben. Indiz für den Spielcharakter ist auch die fehlende Absicht, den Kaufgegenstand tatsächlich zu liefern. Nicht vorausgesetzt wird allerdings, dass eine effektive Lieferung vertraglich ausgeschlossen ist. Aus Gründen der Verkehrssicherheit ist das Bundesgericht bei Geschäften im Rahmen von organisiertem Handel (z.B. Börse) sehr zurückhaltend darin, Spielcharakter zu bejahen (Vermutung fehlenden Spielcharakters).10

II. 3616

Nominatverträge

Darlehen für Spielzwecke und akzessorische Nebenrechte von Spielforderungen (Art. 513 Abs. 2 OR)

Art. 513 Abs. 2 OR unterstellt Darlehen bzw. Vorschüsse für Spielzwecke den gleichen Rechtsfolgen wie Spiele im Sinne von Art. 513 Abs. 1 OR. Es geht dabei um Geschäfte, welche die Förderung der Spieltätigkeit bezwecken.11 Die Gleichstellung setzt demnach Folgendes voraus:12 • Die Darleiherin war sich über die Verwendung der Darlehenssumme zu Spielzwecken bewusst, wobei blosse Erkennbarkeit nicht genügt; • der Borger hat die Summe tatsächlich zu Spielzwecken verwendet;13 • das Rechtsgeschäft wurde bereits vor der Durchführung des Spiels abgeschlossen.

3617

Aufgrund der Akzessorietät sind die aus einem Sicherungsgeschäft resultierenden Rechte ebenfalls nicht durchsetzbar, wenn die Hauptschuld eine Naturalobligation (s. N 34 ff.) darstellt (s. Art. 502 Abs. 4 sowie Art. 507 Abs. 6 OR). Generell gilt, dass sich die Unklagbarkeit auf akzessorisch bestellte Nebenrechte erstreckt, somit auch auf Pfand- und Retentionsrechte sowie Konventionalstrafen.14

10 S. zum Ganzen BGE 120 II 42 E. 3a; s. dazu auch Rusch, AJP 2013, 1626. 11 Amonn, 471. 12 S. Amonn, 471; BSK OR-Bauer, Art. 513 N 14. 13 S. hierzu BGE 129 IV 257 E. 2.3 = Pra 2004 Nr. 15, der das Bestehen eines Rückforderungsanspruchs bei zweckwidriger Verwendung der zu Spielzwecken geliehenen Summe allerdings offenlässt. 14 S. Engel, CO PS, 669; BK OR-Giovanoli, Art. 513 N 6; CHK OR-Hochstrasser, Art. 513–514 N 17; a.M. zum Pfand Honsell, OR BT, 450.

1220

§ 43

III.

Spiel, Wette und Differenzgeschäfte (Art. 513–515a OR)

Abgrenzungen

Preisausschreiben (Wettbewerb) und Spiel sind keine Synonyme. Art.  8  OR 3618 bestimmt, dass der Preis, der anlässlich eines Preisausschreibens ausgesetzt wird, entrichtet werden muss. Unter Art.  8  OR fallen etwa Ideen- oder Projektwettbewerbe. Art.  8  OR stellt einen besonderen Fall der Begründung von Obligationen dar, die Obligation entsteht nämlich durch einseitige Erklärung des Verpflichteten (s. N 50, N 214 ff.).15 Erfolgt die Preisausschreibung im Rahmen eines Spiels, entstehen gemäss Art. 513 Abs.  1  OR keine klagbaren Forderungen. Lediglich Preisausschreiben, die keine Spiele sind, begründen durchsetzbare Ansprüche.16

3619

Entscheidendes Abgrenzungskriterium von Art. 513 OR und damit gleichzeitig Kri- 3620 terium und Grund, um den Ansprüchen die Durchsetzbarkeit zu versagen, ist der objektive wirtschaftliche Zweck. Fehlt ein solcher, liegt ein aleatorischer oder Spielcharakter im Sinne von Art. 513 OR vor. Tätigkeiten von Artisten und Sportlern, deren Leistungen ein wirtschaftlicher Wert zukommt, stellen deshalb auch keine Spiele im Sinne von Art. 513 OR dar; diese haben Anspruch auf die vereinbarte Vergütung.17

IV.

Wirkungen

Aus Spielverträgen entstehen entgegen dem deutschen Gesetzeswortlaut von 3621 Art. 513 OR zwar erfüllbare Forderungen – es liegt somit keine Nichtschuld vor –, doch sind diese nicht durchsetzbar. Der Staat verweigert den Rechtsschutz (sog. Naturalobligation; s. N 34 ff.).18 Dies hat das Gericht von Amtes wegen zu berücksichtigen.19 Erbringt der Schuldner eine Leistung freiwillig, so kann er das Geleistete grundsätz- 3622 lich nicht zurückverlangen (Art. 514 Abs. 2 OR). Das Gesetz lässt eine Kondiktion nach Art. 62 ff. OR nur in den engen Grenzen von Art. 514 Abs. 2 OR zu.20 Neben den Fällen der irregulären Ausführung kann das freiwillig Geleistete ausnahmsweise auch dann zurückverlangt werden, wenn das Spiel überhaupt nicht stattge-

15 16 17 18 19 20

BSK OR-Zellweger-Gutknecht, Art. 8 N 1. BK OR-Schmidlin, Art. 8 N 50 f. BSK OR-Bauer, Art. 513 N 2. CR CO-Jeandin/Tedjani, Intro. art. 513–515a N 5; Tercier/Favre/Carron, CO PS, N 6658. BSK OR-Bauer, Art. 513 N 13; Guhl/Koller, § 3 N 7; CHK OR-Hochstrasser, Art. 513–514 N 16. BGE 126 IV 165 E. 3c; Bucher, OR BT, 313. A.M. OFK OR-Schwander, Art. 414 N 3, der die Rückforderungsklage einzig auf Art. 514 Abs. 2 OR abstützt und die Anwendbarkeit von Art. 62 ff. OR ausschliesst.

1221

5. Kapitel

Nominatverträge

funden hat.21 Freiwillige Leistungen als Erfüllung von Spielforderungen sind damit weitgehend verbindlich.22 Unzulässig ist aber beispielsweise die Verrechnung mit Spielforderungen, um so an die versprochene Geldsumme zu gelangen;23 von einer freiwilligen Leistungserbringung des Schuldners kann diesfalls nicht die Rede sein.24 3623

Folgendes Beispiel soll dies verdeutlichen: A und B spielen zu Hause Roulette, dabei gewinnt A CHF 1000. B schuldet A jetzt zwar CHF 1000, A kann seine Forderung jedoch nicht durchsetzen, da es sich um eine Naturalobligation handelt (Art. 513 Abs.  1  OR). Gleichwohl überweist B die CHF  1000 auf das Bankkonto von A. B erfährt nachträglich, dass er die CHF 1000 eigentlich nicht hätte bezahlen müssen. Er versucht daher mithilfe von Art. 62 ff. OR das Geld zurückzuerhalten. Nach Art. 514 Abs. 2 OR ist dies aber nur ausnahmsweise zulässig, wenn das Spiel oder die Wette durch Zufall oder durch den Empfänger der Zahlung (A) vereitelt worden ist oder wenn dieser sich einer Unredlichkeit schuldig gemacht hat. Wenn A das Roulette-Spiel manipuliert hat, besteht für B die Möglichkeit, seine CHF 1000 gestützt auf Art.  514 Abs.  2  OR nach den Regeln von Art.  62  ff.  OR zurückzuverlangen. Art. 63 Abs. 1 OR besagt, dass eine freiwillig bezahlte Nichtschuld nur dann zurückgefordert werden kann, wenn der Leistende (B) sich bezüglich der Schuldpflicht im Irrtum befand, was vorliegend jedoch zutrifft. Art. 63 Abs. 2 OR, der die Rückforderung einer Naturalobligation (worunter auch die Spielschuld fällt; s. N 1810) in jedem Fall ausschliessen würde, ist lex generalis zu Art. 514 Abs. 2 OR und wird darum von dieser verdrängt. B kann die CHF 1000 von A nach Art. 514 Abs. 2 i.V.m. Art. 62 Abs. 1 OR zurückverlangen.

3624

Anders präsentiert sich die Lage bei den gesetzlich verbotenen (das heisst nicht bewilligungsfähigen) Spielen: Diese sind gemäss Art. 20 OR nichtig.25 Bei bereits erbrachten Leistungen entsteht ein Liquidationsverhältnis.  Nach Bucher und Schwander kommt es nach bereicherungsrechtlichen Prinzipien nicht auf die Unfreiwilligkeit an. Bereits erbrachte Leistungen können deshalb nach diesen Autoren aus ungerechtfertigter Bereicherung zurückverlangt werden.26

3625

Wieder anders ist die Rechtslage bei bewilligungspflichtigen Spielen: Aus solchen resultieren vollkommene (das heisst klagbare) Forderungen, falls die Bewilligung erteilt wurde (Art.  515 Abs.  1  OR). Fehlt die Bewilligung für ein an sich bewilligungsfähiges Spiel, liegt wiederum eine Naturalobligation vor (Art. 515 Abs. 2 OR).27 Die gleiche Rechtslage wie bei den bewilligungspflichtigen Spielen besteht auch 21 22 23 24 25

BGE 77 II 45 E. 4. Amonn, 474; Engel, CO PS, 669; Guhl/Koller, § 3 N 4. BGE 126 IV 165 E. 3c; s. Honsell, OR BT, 450. Amonn, 475. Zu den Verboten s. etwa das Bundesgesetz vom 29.  September 2017 über Geldspiele (Geldspielgesetz; SR 935.51), welches am 1. Januar 2019 in Kraft getreten ist. 26 S. Bucher, OR BT, 311 f.; OFK OR-Schwander, Art. 515 N 1. 27 Bucher, OR BT, 312; OFK OR-Schwander, Art. 515 N 2.

1222

§ 43

Spiel, Wette und Differenzgeschäfte (Art. 513–515a OR)

in Bezug auf Spielbanken. Diese benötigen eine Konzession des Bundes. Aus Glückspielen mit konzessionierten Spielbanken entstehen klagbare Forderungen (Art. 515a OR).28

28 S. Art. 5 ff. des Bundesgesetzes vom 29. September 2017 über Geldspiele (Geldspielgesetz; SR 935.51).

1223

§ 44 Pauschalreisevertrag (PauRG) Grundlagenliteratur Honsell, OR BT, 485 ff.; Tercier/Bieri /Carron, CO PS, N 5846 ff.

Weiterführende Literatur Bettoja Luca, Der Gastaufnahmevertrag, Diss. Zürich 2000; Chaix François, La responsabilité de l’organisateur de voyages à la lumière de la jurisprudence genevoise relative aux art. 13 et 14 LVF, SJZ 2005, 416–418; Frank Richard, Bundesgesetz über Pauschalreisen, Kurzkommentar, Zürich 1994; Führich Ernst, Reiserecht und Kommentar: Reisevertragsrecht, Reisevermittlungsrecht, Wettbewerbsrecht, Reiseversicherungsrecht, Luftbeförderungsrecht, Beherbergungsrecht, 7.  Aufl., München 2015; Gauch Peter, Der Werkvertrag, 5. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2011; Giampaolo Davide/Huguenin Claire, Entwicklungen im schweizerischen Konsumrecht – Plädoyer für ein integrales Konsumschutzgesetz, Jusletter 8. Juli 2013; Girsberger Andreas, Die Haftung des Veranstalters, SJZ 1996, 201–202 (zit.: Girsberger, SJZ 1996); Girsberger Andreas, Der Reisevertrag, ZSR 1986 II, 1–106 (zit.: Girsberger, ZSR 1986 II); Hangartner Sandro, Das neue Bundesgesetz über Pauschalreisen, Diss. Zürich 1997; Hartmann Stephan, Die vorvertraglichen Informationspflichten und ihre Verletzung, Diss. Freiburg 2001; Huguenin Claire, Europäisches Vertragsrecht auf dem Weg vom Konsumentenrecht zum Allgemeinen Vertragsrecht, in: Kellerhals Andreas (Hrsg.), Einführung ins europäische Wirtschaftsrecht, Bd. 45, Zürich 2003, 173–194; Klett Barbara/Verde Michel, Haftung nach Pauschalreisegesetz, HAVE 2016, 263–268; Martinelli Alessandro, Die Haftung bei Pauschalreisen im schweizerischen, französischen und deutschen Recht, Diss. Basel 1997; Roberto Vito, Ersatzpflicht für verdorbenen Feriengenuss, HAVE 2016, 276–279 (zit.: Roberto, HAVE 2016); Roberto Vito, Zur Ersatzfähigkeit verdorbener Ferien, recht 1997, 108–112 (zit.: Roberto, recht 1997); Roberto Vito, Das neue Pauschalreisegesetz, recht 1994, 6–16 (zit.: Roberto, recht 1994); Weber-Stecher Urs M., Internationales Konsumvertragsrecht, Grundbegriffe, Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung sowie anwendbares Recht (LugÜ, IPRG, EVÜ, EGBGB), Diss. Zürich 1997; Werro Franz, Contrat de voyage à forfait et … vacances gâchées! Y a-t-il un lien entre l’indemnité due et le contrat?, in: FS Gauch, Zürich/Basel/Genf 2004, 695–708; Wiede An dreas, Reiserecht, Zürich/Basel/Genf 2014; Wiegand Wolfgang, Zwei Urteile des EuGH zu Pauschalreisen und ihre Bedeutung für die Schweiz, Jusletter 17. Juni 2002; Zingg Nicolas, La réparation des vacances gâchées en droit suisse – Vers une redéfinition du préjudice réparable au regard de la jurisprudence européenne, Diss. Fribourg 2011.

1224

§ 44

I.

Pauschalreisevertrag (PauRG)

Begriff1

Ein Pauschalreisevertrag liegt vor, wenn die Veranstalterin einem Konsumenten mindestens zwei Dienstleistungen (Beförderung, Unterbringung, andere touristische Dienstleistungen) als im Voraus festgelegte Verbindung zu einem Gesamtpreis anbietet und deren Durchführung mehr als 24 Stunden dauert oder eine Übernachtung einschliesst (Qualifikation nach Art. 1 Abs. 1 PauRG1).

3626

Der Pauschalreisevertrag ist ein Nominatvertrag, welcher nicht im Besonderen Teil 3627 des OR, sondern im Bundesgesetz über Pauschalreisen vom 18. Juni 1993 geregelt ist (PauRG). Das PauRG entspricht weitgehend der europäischen Richtlinie (90/314/ EWG) vom 13.  Juni 1990 über Pauschalreisen (sog. autonomer Nachvollzug).2 Daher ist das PauRG nach herrschender Meinung im Zweifel europarechtskonform auszulegen.3 Abzugrenzen ist der Pauschalreisevertrag vom Individualreisevertrag, bei dem der 3628 Reisende seine Reise eigenständig organisiert und die jeweiligen Verträge direkt mit den Leistungserbringern abschliesst.4 Die einzelnen Leistungen werden individuell vereinbart, sie bilden kein package (infrage kommen: Gastaufnahmevertrag [s. N 3977 ff.], Beförderungsvertrag oder, beim Mieten eines Autos, ein Mietvertrag [s. N 2890 ff.] etc.). Der Pauschalreisevertrag fällt unter die Kategorie der Reiseverträge, welche ihrer- 3629 seits in zwei Gruppen unterteilt werden kann: Reisevermittlungsverträge und Reiseveranstaltungsverträge.5

1 Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über Pauschalreisen (SR 944.3). 2 Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen, ABl. EU vom 23. Dezember 1992, Nr. L 158, 59 ff. (sog. Pauschalreiserichtlinie). Diese Richtlinie wurde in der Zwischenzeit durch die neue Pauschalreiserichtlinie 2015/2302/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015, ABl. EU vom 25. November 2015, Nr. L 326, 1 ff., ersetzt. 3 BGE 139 III 217 E. 2.1.3 = Pra 2013 Nr. 66; 130 III 182 E. 5.5.1. 4 BGE 139 III 217 E. 2.1.3 = Pra 2013 Nr. 66; Führich, N 10. 5 Gauch, N 342 ff.

1225

5. Kapitel

Nominatverträge

3630 Reisevertrag

Reisevermittlungsvertrag (Art. 394 ff. OR)

Reiseveranstaltungsvertrag i.w.S.

Pauschalreisevertrag (PauRG)

Reiseveranstaltungsvertrag i.e.S. (Innominatvertrag)

Abbildung: Überblick über den Reisevertrag 3631

Beim Reisevermittlungsvertrag offeriert die Vermittlerin (s. Art. 2 Abs. 2 PauRG) einem Kunden eine einzelne Leistung (z.B. Übernachtung, Beförderung) oder ein bereits bestehendes Reisearrangement eines Dritten (z.B. eine Pauschalreise; s. Art. 1 Abs. 1 PauRG).6 Der Vermittlung kann eine Beratung vorausgehen. Die Vermittlerin übernimmt dabei keine eigene Verantwortung für die Qualität der Reiseleistung, sondern vermittelt diese bloss als direkte Stellvertreterin (Art. 32 Abs. 1 OR) der Leistungserbringerin.7

3632

Beim Reiseveranstaltungsvertrag verspricht die Veranstalterin einem Reisenden, gegen Bezahlung eines Gesamtpreises eine Kombination von Leistungen zu erbringen, die im Zusammenhang mit einer Reise stehen (Beförderung, Unterkunft, Verpflegung etc.). Die Veranstalterin haftet dabei in eigener Verantwortung für die Reiseleistung.8

II. 3633

Rechtsnatur und Abgrenzungen

Der Vertrag des Kunden mit der Vermittlerin ist ein Reisevermittlungsvertrag, welcher nicht unter das PauRG fällt. Dieser ist in der Regel als Auftrag bzw. als besonderer Typ des Auftrags wie z.B. als Mäkler- (Art. 412 ff. OR; s. N 3339 ff.) oder als Agenturvertrag (Art. 418a ff. OR; s. N 3384 ff.) zu qualifizieren und somit den Nomi-

6 Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5869. 7 Bettoja, 43; BSK OR-Roberto, Art. 2 PRG N 8; CHK OR-Zeiter/Schlumpf, Art. 2 PauRG N 3. 8 BSK OR-Roberto, Art. 2 PRG N 5.

1226

§ 44

Pauschalreisevertrag (PauRG)

natverträgen zuzuordnen.9 Der Reiseveranstaltungsvertrag ist hingegen grundsätzlich ein Innominatkontrakt. Nur in seiner speziellen Ausgestaltung als Pauschalreisevertrag handelt es sich um einen Nominatvertrag. Die Qualifikation als Pauschalreise erfordert die Verbindung von mindestens zwei 3634 der folgenden Dienstleistungen (Art. 1 Abs. 1 lit. a–c PauRG): Beförderung, Unterbringung und andere touristische Dienstleistungen. Als «Beförderung» gilt jeglicher Personentransport vom vereinbarten Abreiseort zum Bestimmungsort.10 Eine «Unterbringung» im Sinne von Art. 1 Abs. 1 lit. b PauRG liegt nur vor, wenn neben der Schlafgelegenheit auch eine sanitäre Infrastruktur bereitgestellt wird (z.B. zusätzlich zum «Schlafen im Stroh» die sanitäre Infrastruktur des Bauernhofs).11 Die «andere touristische Leistung» darf nicht bloss eine Nebenleistung zur Beförderung oder Unterbringung sein, sondern muss als «beträchtlicher Teil der Gesamtleistung» erscheinen (Art. 1 Abs. 1 lit. c PauRG). Unter andere touristische Leistung fallen z.B. fly and drive-Arrangements; das Angebot eines Mietautos für die Beförderung zum Bestimmungsort ist als erheblicher Teil der Gesamtleistung zu werten.12 Auch bei «Tauchferien» bilden etwa der Tauchkurs und das Taucherlebnis einen wichtigen Teil der Leistung. Als blosse Nebenleistung gelten hingegen Leistungen, die für die Erbringung der Hauptleistung notwendig sind:13 z.B. die Verpflegung an Bord eines Flugzeuges, der Transfer vom Hotel zum Flughafen14 oder das Personal an Bord einer grossen Charteryacht15. Einschränkend ist hier zu bemerken, dass die notwendigen Leistungen aufgrund neuer Verkehrssitten zum Teil zu zusätzlichen Leistungen mutieren. So ist es z.B. heute nicht mehr selbstverständlich, dass eine (ausreichende) Verpflegung zum Fliegen gehört. Allerdings macht dieser Umstand die Verpflegung nicht ohne Weiteres zu einem «beträchtlichen Teil der Gesamtleistung». Gemäss Art. 1 Abs. 1 PauRG ist das PauRG sodann nur auf Verbindungen anwendbar, deren Durchführung mehr als 24 Stunden dauert oder eine Übernachtung einschliesst. Die wohl herrschende Lehre erachtet die analoge Anwendung einzelner Bestimmungen des PauRG auf Tagesausflüge bzw. andere Einzelleistungen (z.B. Zurverfügungstellung einer Ferienwohnung) allerdings als richtig.16 Dies relativiert die Bedeutung der «Eintrittsschranken» für die Anwendbarkeit des PauRG. Keine zwingende Voraussetzung für die Anwendbarkeit des PauRG ist die Festset- 3635 zung eines Pauschalpreises. Vielmehr dürfen einzelne Leistungen auch getrennt 9 10 11 12 13 14 15 16

BGE 139 III 217 E.  2.3 = Pra 2013 Nr.  66; 115 II 474 E.  2a; Girsberger, ZSR 1986 II, 91  f.; BSK  ORRoberto, Art. 2 PRG N 8; Wiede, N 551. S. CHK OR-Zeiter/Schlumpf, Art. 1 PauRG N 4. Wiede, N 583. BSK OR-Roberto, Art. 1 PRG N 5. S. BGE 139 III 217 E. 2.1.3 = Pra 2013 Nr. 66. Hangartner, 16. BGE 139 III 217 E. 2.1.3 = Pra 2013 Nr. 66. BSK OR-Roberto, Art. 1 PRG N 6; Wiede, N 623 ff. m.w.H.

1227

5. Kapitel

Nominatverträge

berechnet werden (Art. 1 Abs. 2 PauRG).17 Ein Teil der angebotenen Dienstleistung kann auch unentgeltlich sein.18 Ein Pauschalpreis gilt jedoch als Indiz für das Bestehen eines Pauschalreisevertrages.19 Es spielt für die Qualifizierung als Pauschalreisevertrag sodann auch keine Rolle, ob der Konsument eine vorgegebene Reise der Reiseveranstalterin bucht (sog. «Katalogreise»), ob er verschiedene (Katalog-)Angebote nach eigenem Belieben zusammenstellt (sog. «Baukastensystem») oder ob die Reiseveranstalterin die Reise sogar eigens auf Wunsch und nach den Vorgaben des Konsumenten organisiert (sog. «dynamic packaging»).20 Die Initiative für die Kombination kann also auch vom Konsumenten kommen.21 Entscheidend ist allein, dass mindestens zwei Leistungen im Voraus, also spätestens im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. einer allfälligen Vertragsänderung, miteinander verbunden werden (Art. 1 Abs. 1 PauRG). 3636

Ob ein Reisevermittlungs- oder ein Reiseveranstaltungsvertrag vorliegt, ergibt sich aus einer Gesamtbeurteilung: Massgeblich ist, wen der Konsument aus den gesamten Umständen als Vertragspartnerin (der Reiseveranstaltung) ansehen durfte und musste (Vertrauensprinzip).22 Dies hängt auch davon ab, ob sich die Vermittlerin als solche zu erkennen gab oder ob sie als Veranstalterin auftrat (z.B. in Werbekatalogen).23

3637

Die Bestimmungen des PauRG sind zugunsten des Konsumenten, also einseitig zwingend ausgestaltet, sofern das Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes anordnet (Art. 19 PauRG).24

17 18 19 20 21 22 23 24

Hangartner, 19; CR CO-Stauder, Art. 1 LVF N 10; Tericer/Bieri/Carron, CO PS, N 5862; s. auch Art. 2 Pauschalreiserichtlinie 90/314/EWG (nunmehr ersetzt durch Art. 3 Abs. 5 Pauschalreiserichtlinie 2015/2302/EU). CHK OR-Zeiter/Schlumpf, Art. 1 PauRG N 11. BGE 4C.125/2004 E. 2.3; BSK OR-Roberto, Art. 1 PRG N 10; Roberto, recht 1994, 8; s. CHK OR-Zeiter/Schlumpf, Art. 1 PauRG N 11. S. EuGH v. 30. April 2002 Rs. C-400/00, Club-Tour, Viagens e Turismo SA ./. Alberto Carlos Lobo Gonçalves Garrido, Slg. 2002, I-04051 N 14 ff.; Wiede, N 568 ff.; CHK OR-Zeiter/Schlumpf, Art. 1 PauRG N 10. EuGH v. 30. April 2002, a.a.O., N 17 f.; BSK OR-Roberto, Art. 1 PRG N 7 f.; CHK OR-Zeiter/Schlumpf, Art. 1 PauRG N 10; a.M. Hangartner, 17 f.; Martelli, 36 ff. BGE 4C.125/2004 E. 2.1; 115 II 474 E. 2a; 111 II 270 E. 4; CHK OR-Zeiter/Schlumpf, Art. 2 PauRG N 3. S. BGE 115 II 474 E. 2b; 111 II 270 E. 5a; KGer St. Gallen, SJZ 1986, 230 ff.; s. Martinelli, 73 und 77 f.; s. zum Ganzen BSK OR-Roberto, Art. 2 PRG N 9. S. Roberto, recht 1994, 6; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5852 und N 5866.

1228

§ 44

III.

Pauschalreisevertrag (PauRG)

Abschluss und Gültigkeit

Der Pauschalreisevertrag entsteht  – wie jeder Vertrag  – durch den Austausch 3638 übereinstimmender Willensäusserungen (Art.  1  OR).25 Dazu kommen folgende Besonderheiten: Oft wird die Pauschalreise in einem Ferienprospekt veröffentlicht. Gemäss Art. 3 PauRG sind die im Prospekt enthaltenen Angaben für die Veranstalterin (oder allenfalls die Vermittlerin) grundsätzlich verbindlich. Ob solche Angaben als ein Angebot oder bloss als eine Einladung zur Offertstellung zu verstehen sind, ist umstritten. Ein Teil der Lehre vertritt die Meinung, dass der Prospekt als Angebot zu qualifizieren ist und Art.  3 PauRG somit eine Ausnahme von Art.  7 Abs. 2 OR darstellt.26 Andere Autoren sind der Auffassung, dass der veröffentlichte Prospekt nur eine Einladung an den Konsumenten darstellt, selber einen Antrag zu stellen. Kommt ein Pauschalreisevertrag zustande, handelt es sich bei den Angaben im Prospekt um zugesicherte Eigenschaften; Abweichungen bei der Leistung lösen alsdann die in Art. 12 ff. PauRG genannten Ansprüche aus.27 Für die zweite Auffassung spricht ein systematischer Grund: Art. 3 lit. b PauRG ergibt nur Sinn, wenn der Prospekt eine Einladung zur Offertstellung darstellt. Ein Antrag in Form eines Prospekts wäre nämlich nicht verbindlich, wenn die Veranstalterin diesen bis zur Annahme durch den Konsumenten jederzeit ändern könnte.28 Hinzu kommt, dass die Unbestimmtheit des Adressatenkreises eine Qualifikation als Offerte verunmöglicht.29 Obwohl der Pauschalreisevertrag ein Konsumvertrag ist, hat der Gesetzgeber auf 3639 spezielle Gültigkeitsvorschriften verzichtet (anders z.B. Art.  406d  OR). Gemäss Art.  4 Abs.  1 PauRG müssen die Vertragsbedingungen  – darunter sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und die Angaben gemäss Art.  6 PauRG zu verstehen  – dem Konsumenten zwar vor Vertragsabschluss schriftlich mitgeteilt werden. Art.  4 Abs.  2 Satz 1 PauRG lässt aber auch eine Mitteilung in einer anderen geeigneten Form genügen, sofern die Vertragsbedingungen dem Konsumenten vor Vertragsschluss schriftlich bestätigt werden. Die Pflicht zur schriftlichen Bestätigung fällt dahin, wenn ihre Erfüllung eine Buchung oder einen Vertragsschluss verunmöglichen würde (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 PauRG); z.B. kann bei last minute-Buchungen auf die Schriftlichkeit verzichtet werden.30 Das Gesetz statuiert bei Nichtbeachten dieses Schriftlichkeitserfordernisses jedoch keine Nichtigkeit des 25 S. auch BGE 4A_555/2014 E. 3, in welchem das Bundesgericht das passive Verhalten des Konsumenten als stillschweigende Annahme qualifizierte (s. Art. 6 OR), da die Veranstalterin aufgrund der Umstände (in casu seit mehreren Monaten schwebendes Angebot, Nachhaken der Veranstalterin und Reisedatum rückte näher) eine ausdrückliche und sofortige Ablehnung erwarten durfte. 26 Frank, Art. 3 N 20 ff. 27 Hangartner, 38 f.; Honsell, OR BT, 487; BSK OR-Roberto, Art. 3 PRG N 1 f.; Wiede, N 790. 28 Hangartner, 39. 29 BSK OR-Roberto, Art. 3 PRG N 2. 30 Hartmann, N 154; Roberto, recht 1994, 10.

1229

5. Kapitel

Nominatverträge

Vertrages (anders z.B. Art. 406d OR für den Auftrag zur Ehe- oder Partnerschaftsvermittlung; s.  N  3327  ff.). Verletzt die Veranstalterin ihre Informationspflichten nach Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 PauRG, so kann dies verschiedene Rechtsfolgen nach sich ziehen:31 Mangels (schriftlicher) Mitteilung der AGB und/oder bestimmter Angaben nach Art. 6 PauRG werden diese beispielsweise nicht Vertragsinhalt und erhalten infolgedessen auch keine Geltung.32 Die Veranstalterin kann ihre Pflichtverletzung auch nicht beheben, indem sie dem Konsumenten die AGB nach Vertragsschluss (etwa mit der Reisebestätigung) zustellt. Dies würde nämlich eine Offerte zur Änderung des Vertrages darstellen, welche nicht einfach durch Stillschweigen des Konsumenten (s.  Art.  6  OR) als angenommen angesehen werden darf; die AGB werden auch nicht dadurch angenommen, dass der Konsument die Reise bezahlt.33 Betreffend den Einbezug von AGB gelten überdies die allgemeinen Grundsätze (s. N 614 ff.). Eine Ausnahme gilt für 6 Abs. 1 lit. c PauRG: Hält die Veranstalterin die (von ihr bereits akzeptierten) Sonderwünsche des Konsumenten nicht in der (schriftlichen) Mitteilung fest, ändert dies nichts an deren Verbindlichkeit.34

IV. 3640

Vertragsparteien (Art. 2 PauRG)

Vertragsparteien des Pauschalreisevertrages sind Veranstalterin und Konsument: • Als Veranstalterin bezeichnet das PauRG jede Person, die Pauschalreisen gewerbsmässig (das heisst regelmässig und mit Gewinnerzielungsabsicht35) organisiert und diese direkt oder über eine Vermittlerin anbietet (Art. 2 Abs. 1 PauRG). • Als Konsument gilt jede Person (Art. 2 Abs. 3 PauRG): – die eine Pauschalreise bucht oder zu buchen sich verpflichtet; – in deren Namen oder zu deren Gunsten eine Pauschalreise gebucht oder eine Buchungsverpflichtung eingegangen wird; – welcher eine Pauschalreise abgetreten wird.

3641

Die Vermittlerin (Art. 2 Abs. 2 PauRG) dagegen ist nicht Vertragspartei des Pauschalreisevertrages, sondern direkte Stellvertreterin der Veranstalterin (s. Art. 32 ff. OR).36 Verwirrend und falsch sind deshalb auch einzelne Formulierungen im Gesetz, welche vom «Vermittler, der Vertragspartei ist», sprechen (Art. 14 Abs. 1, Art. 15 Abs. 2, 31 32 33 34 35 36

1230

S. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5897 und N 5900. S. Frank, Art. 4 N 27 ff.; ausführlich Hartmann, N 474 und N 476 ff. Hartmann, N 475 m.w.H. Hangartner, 55; Hartmann, N 482. CHK OR-Zeiter/Schlumpf, Art. 2 PauRG N 1 m.w.H. BSK OR-Roberto, Art. 2 PRG N 8; Roberto, recht 1994, 8 f.; differenzierend Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5874.

§ 44

Pauschalreisevertrag (PauRG)

Art. 17 Abs. 2 und Art. 18 Abs. 1 PauRG).37 Tritt die «Vermittlerin» nämlich nicht als solche auf, sondern als Veranstalterin, wird sie Vertragspartei. In diesem Fall kann jedoch nicht mehr von einer vermittelnden Tätigkeit die Rede sein.38 Der Konsumentenbegriff des PauRG beschränkt sich, im Gegensatz zu demjenigen 3642 anderer Gebiete des Konsumrechts (s. N 264, N 3098), nicht auf natürliche Personen, sondern schliesst nach herrschender Lehre auch juristische Personen als Reisende ein.39 Strittig ist, ob nur Privat- oder auch Geschäftsreisen vom persönlichsachlichen Anwendungsbereich erfasst sind. In der Lehre wird darauf hingewiesen, dass der Begriff der «anderen touristischen Dienstleistung» (Art.  1 Abs.  1 lit.  c PauRG) für den Ausschluss von Geschäftsreisen spricht,40 sofern diese nicht (auch) eine Kombination touristischer Leistungen beinhalten bzw. rein nicht touristische Zwecke verfolgen.41 Der Gesetzgeber liess bei der Umsetzung der damals in Kraft stehenden EU-Richtlinie 90/314/EWG42 in das schweizerische Recht offen, inwiefern das PauRG auf den business-Bereich Anwendung finden soll. Die neue, nunmehr in der EU geltende Richtlinie 2015/2302/EU spricht neuerdings bewusst vom Reisenden (anstatt dem Verbraucher, sog. «consumer») und hat den persönlichen Anwendungsbereich auf Geschäftsreisende erweitert, sofern diese ihre Geschäftsreise nicht über einen zuvor abgeschlossenen Rahmenvertrag mit der Reiseveranstalterin buchen.43 Ein solches Verständnis wurde von der Botschaft zum PauRG nicht (explizit) ausgeschlossen.44 Eine Ausweitung auf Geschäftsreisen wäre daher (zumindest de lege ferenda) angezeigt. An dieser Stelle ist zudem auf den uneinheitlichen Konsumentenbegriff in der schweizerischen Rechtsordnung hinzuweisen (s. N 635k), aufgrund dessen es zu Auslegungs- und Anwendungsschwierigkeiten rund um das Konsumrecht kommen kann.45 Für die Abgrenzung zwischen Veranstalterin und Vermittlerin ist – neben der wahr- 3643 genommenen Funktion – auch das Vertrauensprinzip heranzuziehen. Veranstalte37 38 39 40 41

42 43 44 45

Hangartner, 27; zum Ganzen BSK OR-Roberto, Art. 2 PRG N 1 ff. Ebenso Martinelli, 77 f.; ausführlich Wiede, N 676 ff. Hangartner, 28; BSK OR-Roberto, Art. 2 PRG N 7; CR CO-Stauder, Art. 2 LVF N 9; Wiede, N 726 ff.; a.M. CHK OR-Zeiter/Schlumpf, Art. 2 PauRG N 5. BSK OR-Roberto, Art. 2 PRG N 7. Wiede, N 563 ff. und N 731 ff.; s. CR CO-Stauder, Art. 2 LVF N 9. A.M. Weber-Stecher, 31, der aufgrund des Wortlauts von Art. 2 Abs. 3 PauRG annimmt, dass der Zweck der Reise keine Rolle spielt. De lege ferenda sei es aus terminologischer Sicht aber erstrebenswert, den Konsumentenbegriff auf natürliche, zu privaten Zwecken handelnde Personen einzuschränken und dafür deren Rechtsstellung für das Reiserecht auf weitere Personenkreise ausserhalb des Konsumentenbegriffs auszudehnen. Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen, ABl. EU vom 23. Dezember 1992, Nr. L 158, 59 ff. Richtlinie 2015/2302/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015, ABl. EU vom 25. November 2015, Nr. L 326, 1 ff., Erwägung 7. S. Botschaft über das Folgeprogramm nach der Ablehnung des EWR-Abkommens vom 24. Februar 1993, BB1 1993 I 805 ff. S. dazu ausführlich Giampaolo/Huguenin, Jusletter 8. Juli 2013, N 52 ff.

1231

5. Kapitel

Nominatverträge

rin bzw. Vermittlerin ist, wen der Konsument nach Treu und Glauben als Veranstalterin bzw. Vermittlerin ansehen durfte und musste (s. N 196).46 3644

3645

Die von der Veranstalterin eingesetzte Person, welche die Unterkunft (z.B. Hotel, Bungalow) stellt, den Flug durchführt oder eine touristische Dienstleistung anbietet, ist nicht Vertragspartei des Pauschalreise- oder des Reiseveranstaltungsvertrages. Zumeist handelt es sich bei der Beziehung zwischen Veranstalterin (Promissarin) und Hotelunternehmerin47 etc. um einen (echten) Vertrag zugunsten eines Dritten im Sinne von Art. 112 OR (s. dazu N 1119 ff.). Daraus folgt, dass dem Konsumenten (in diesem Sinn als Dritter) oft ein direkter Anspruch gegen die Promittentin im Sinne von Art. 112 Abs. 2 OR zusteht.48

V.

Pflichten der Vertragsparteien

1.

Veranstalterin

Pflichten der Veranstalterin:49 • Organisationspflicht betreffend die vereinbarten Leistungen (s.  Art.  2 Abs.  1 PauRG); • Informationspflichten vor Vertragsschluss (Art. 4 PauRG: schriftliche Mitteilung der AGB und Orientierung über Einreisevorschriften); • Informationspflichten vor Reisebeginn (Art. 5 PauRG: Reisemodalitäten); • Pflicht zur detaillierten Angabe der Reisemodalitäten in der Reisebestätigung50 (Art. 6 PauRG).

46 47 48 49 50

1232

BGE 111 II 270 E. 4; OGer Zürich, SJZ 1986, 231; BSK OR-Roberto, Art. 2 PRG N 9. S. dazu Bettoja, 86 ff. S. BGH, NJW 1985, 1457 f. S. zum Ganzen Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5916 ff. Nach einhelliger Lehre muss die Veranstalterin dem Konsumenten den überwiegenden Teil der in Art. 6 PauRG aufgeführten Angaben – entgegen dem Wortlaut – nicht schon bei Vertragsschluss, sondern erst mit der Reisebestätigung (spätestens vor der Abreise) mitteilen; s. BSK OR-Roberto, Art. 6 PRG N 1; Wiede, N 833; CHK OR-Zeiter/Schlumpf, Art. 6 PauRG N 3.

§ 44

2.

Pauschalreisevertrag (PauRG)

Konsument

Pflichten des Konsumenten:

3646

• Pflicht zur Bezahlung des Pauschalreisepreises (s. Art. 17 PauRG zur Abtretung der Buchung einer Pauschalreise); • Unterlassungspflichten (Rücksichtnahme auf Mitreisende etc.) und andere Nebenpflichten.51

VI.

Nichterfüllung und nicht gehörige Erfüllung (Art. 12–16 PauRG)

1.

«Ersatzmassnahmen» (Art. 12–13 PauRG)

Gemäss Art.  12 Abs.  1 PauRG trifft den Konsumenten eine Anzeigeobliegenheit: 3647 Tritt ein (erheblicher) Mangel auf, hat der Konsument diesen unverzüglich schriftlich (oder in einer anderen geeigneten Form) gegenüber dem betreffenden Dienstleistungsträger und gegenüber der Veranstalterin oder der Vermittlerin zu beanstanden.52 Unterlässt der Konsument die Anzeige, so verletzt er keine vertragliche Pflicht, sondern «nur» eine Obliegenheit. Eine solche Obliegenheitsverletzung kann zu einer Reduktion des Schadenersatzes führen (Art. 44 Abs. 1 i.V.m. Art. 99 Abs. 3 OR).53 Im Gegensatz zu Art. 201 Abs. 2 oder Art. 370 Abs. 2 OR enthält das PauRG keine Genehmigungsfiktion (s. N 2630 f., N 3162). Im Fall einer Beanstandung ist die Veranstalterin gemäss Art. 12 Abs. 2 PauRG gehalten, sich «nach Kräften um geeignete Lösungen» zu bemühen. Ob und inwiefern dem Konsumenten aus dieser Bestimmung Ansprüche gegen die Veranstalterin erwachsen, ist allerdings strittig.54 Liegt ein erheblicher Mangel55 vor, so hat der Konsument jedenfalls folgende «Gewährleistungsansprüche» (in Art. 13 PauRG «Ersatzmassnahmen» genannt): • Recht, dass die Veranstalterin Ersatzmassnahmen (Behebung der Mängel) trifft (Art. 13 Abs. 1 lit. a PauRG); • Recht, den Preis der Pauschalreise um die Differenz zwischen vorgesehenen und erbrachten Dienstleistungen zu mindern (Minderung; Art. 13 Abs. 1 lit. b PauRG); 51 52 53 54 55

Honsell, OR BT, 489. Hangartner, 116; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5930. Hangartner, 116 m.w.H.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 5930. S. zum Ganzen Wiede, N 917 ff. m.w.H. S. Führich, N 246 ff. mit Beispielen für Situationen des allgemeinen Lebensrisikos, blosse Unannehmlichkeiten und ortsübliche Beeinträchtigungen.

1233

3648

5. Kapitel

Nominatverträge

• Recht auf Selbsthilfe (analog zu Art. 366 Abs. 2 OR); • Recht auf Rückbeförderung und Schadenersatz, sofern die Veranstalterin keine Abhilfe schaffen kann oder der Konsument die Ersatzmassnahmen aus wichtigen Gründen ablehnt (Art. 13 Abs. 2 PauRG). 3649

Die Gewährleistungsansprüche setzen kein Verschulden seitens der Veranstalterin voraus.56 Der Behebungs- und der Minderungsanspruch stehen dem Konsumenten kumulativ zu: Der Konsument hat Anspruch auf Behebung des Mangels und – für die Dauer des Mangels – einen Minderungsanspruch.57 Der Umfang des Preisabschlags (Art. 13 Abs. 1 lit. b PauRG) wird anhand der «relativen Methode» berechnet: Der Pauschalpreis ist um die mangelhafte Reiseleistung im Verhältnis zum Wert der einwandfreien Gesamtreise herabzusetzen.58 Da diese Berechnung in der Praxis nicht einfach ist, werden oft Schätzungen vorgenommen (zum Teil unter analoger Anwendung von Art. 42 Abs. 2 OR).59 Kann die Veranstalterin den Mangel nicht beseitigen, steht dem Konsumenten ein Recht auf Selbsthilfe (Art. 98 Abs. 1 OR) zu, wobei unter analoger Anwendung von Art. 366 Abs. 2 OR von einer richterlichen Bewilligung abzusehen ist. Für die erforderlichen Aufwendungen hat der Konsument sodann einen Aufwendungsersatzanspruch aus Art. 14 Abs. 1 PauRG.60

3650

Ist die Veranstalterin nicht in der Lage, den Reisemangel nach Art. 13 Abs. 1 PauRG zu beheben, räumt Art. 13 Abs. 2 PauRG dem Konsumenten schliesslich ein (implizites) Kündigungsrecht mit Anspruch auf Rückbeförderung ein.61 Der Mangel muss dabei analog zu Art. 368 Abs. 1 OR so erheblich sein, dass eine Annahme der Reise unzumutbar bzw. die Reise unbrauchbar ist.62

2. 3651

Schadenersatzansprüche (Art. 14–16 PauRG)

Art.  14 PauRG enthält die Haftungsgrundlage zulasten der Veranstalterin; als lex specialis geht sie der allgemeinen Regelung von Art. 97 OR vor.63 Gemäss Art. 14 PauRG haftet die Veranstalterin kausal für die gehörige Vertragserfüllung.64 Dabei 56 57 58 59 60 61 62 63 64

BSK OR-Roberto, Art. 13 PRG N 2. Führich, N 282. Chaix, SJZ 2005, 416 f. m.w.H.; s. Martinelli, 232 ff. Chaix, SJZ 2005, 417 m.w.H.; Martinelli, 233. Hangartner, 127 ff.; Martinelli, 222 f.; BSK OR-Roberto, Art. 13 PRG N 5; a.M. CR CO-Stauder, Art. 13 LVF N 11. Hangartner, 134 f.; a.M. Martinelli, 240 f., der ein Rücktrittsrecht mit Schadenersatzanspruch analog Art. 368 OR annimmt. Zum Ganzen Hangartner, 135 ff.; Martinelli. 214 ff.; CR CO-Stauder, Art. 13 LVF N 18 ff. Hangartner, 143; Wiede, N 1054. BGE 4A_420/2013 E. 5.1; 130 III 182 E. 4a und E. 4b; Frank, Art. 14 N 21 ff.; Hangartner, 146 ff.; differenzierend Honsell, OR BT, 488; Wiede, N 1020 ff. A.M. BSK OR-Roberto, Art. 14/15 PRG N 5 f., der von einer Verschuldenshaftung mit Beweislastumkehr ausgeht; zur einfachen Kausalhaftung s. Rey/Wildhaber, Haftpflichtrecht, N 1043 ff.

1234

§ 44

Pauschalreisevertrag (PauRG)

ist unerheblich, ob sie selbst oder andere Dienstleistungsträgerinnen die vereinbarte Leistung zu erbringen haben. Andere Dienstleistungsträgerinnen gelten demnach als Hilfspersonen im Sinne von Art.  101  OR. Eine Haftungsbeschränkung nach Art. 101 Abs. 2 OR ist nach dem Prinzip des Vorrangs der lex specialis ausgeschlossen: Nach Art. 14 Abs. 1 PauRG haftet die Veranstalterin für die Leistung der Hilfsperson zwingend so, wie wenn sie diese selbst erbracht hätte.65 Ein allfälliges Mitverschulden des Konsumenten kann zur Reduktion des Schadenersatzes führen (Art. 44 Abs. 1 OR analog).66 Ein solches Mitverschulden liegt gemäss Bundesgericht beispielsweise dann vor, wenn der Konsument es unterlässt, die Veranstalterin über den für sie nicht erkennbaren besonders hohen Wert des Inhalts des Reisegepäcks zu informieren, damit diese besondere Schutzmassnahmen treffen kann.67 Nach dem Wortlaut von Art. 14 PauRG haftet auch die Vermittlerin, die Vertrags- 3652 partei ist, für die gehörige Erfüllung. Das ist dogmatisch falsch; die Vermittlerin ist nicht Vertragspartei des Pauschalreisevertrages und haftet dem Konsumenten darum auch nicht gestützt auf Art. 14 PauRG (s. N 3641). Umstritten ist, ob der Konsument Schadenersatz für verdorbene Ferien (immate- 3653 rieller Schaden) verlangen kann. Das PauRG regelt den Ersatz des immateriellen Schadens nicht. Das Bundesgericht und die herrschende Lehre lehnen einen solchen Ersatzanspruch ab.68 Begründet wird dies damit, dass Beeinträchtigungen, welche nicht das Vermögen betreffen, keinen Schaden im rechtlichen Sinn darstellen. Immaterieller Schaden kann deshalb höchstens Genugtuungsansprüche auslösen.69 Interessant ist in diesem Zusammenhang das Urteil des EuGH vom 12. März 2002 3654 zur europäischen Richtlinie 90/314/EWG über Pauschalreisen: Ein österreichisches Gericht hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob sich aus der Richtlinie ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens (verdorbene Ferien) ergebe. Der EuGH hat einen solchen Anspruch mit Verweis auf mögliche Wettbewerbsverzerrungen infolge divergierenden einzelstaatlichen Rechts und auf den Konsumentenschutz bejaht: «Bei Pauschalreisen würde aber das Bestehen einer Schadenersatzpflicht für immaterielle Schäden in einigen Mitgliedstaaten und das Fehlen einer solchen Pflicht in anderen zu spürbaren Wettbewerbsverzerrungen führen, da […] immaterielle Schäden in diesem Bereich häufig zu verzeichnen sind. Ausserdem 65 Frank, Art. 14 N 25; Girsberger, SJZ 1996, 201; Hangartner, 149 f.; BSK OR-Roberto, Art. 14/15 PRG N 7. 66 BGE 130 III 182 E. 5.5.1. Klett/Verde, 265. 67 S. BGE 130 III 182 E. 5.5.2, in welchem das Bundesgericht nebenbei anmerkte, dass Wertsachen auf einer Reise nicht im Koffer, sondern im Handgepäck zu transportieren seien. 68 BGE 115 II 474 E.  3a; Chaix, SJZ 2005, 417  f.; Hangartner, 159; Honsell,  OR BT, 488; Roberto, HAVE 2016, 276 ff.; Roberto, recht 1997, 108 ff.; zum Ganzen Werro, 695 ff.; Wiede, N 1067 ff. und N 1155 ff. 69 BGE 115 II 474 E. 3a; s. auch BGE 87 II 290 E. 4a und E. 4b; anders OGer Zürich, SJZ 1981, 81 ff.; kritisch bei verdorbenem Feriengenuss Roberto, HAVE 2016, 278 f.

1235

5. Kapitel

Nominatverträge

bezweckt die Richtlinie […] den Schutz der Verbraucher. Für sie hat bei Urlaubsreisen der Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreude besondere Bedeutung»70 (s. N 881). 3655

Die Veranstalterin kann sich in folgenden Fällen von der Haftung befreien (Art. 15 Abs. 1 PauRG), sofern sie im Übrigen ihre gesetzlichen sowie vertraglichen Pflichten richtig erfüllt hat:71 • Versäumnis des Konsumenten als einziger Grund für die Nichterfüllung bzw. nicht gehörige Erfüllung des Vertrages (Art. 15 Abs. 1 lit. a PauRG); • unvorhersehbare oder nicht abwendbare Versäumnisse von Dritten, die an der vereinbarten Leistungserbringung nicht beteiligt sind (Art. 15 Abs. 1 lit. b PauRG); • höhere Gewalt (Art. 15 Abs. 1 lit. c PauRG); • Ereignisse, die trotz aller gebotenen Sorgfalt unvorhersehbar und unabwendbar sind (Art. 15 Abs. 1 lit. c PauRG).

3. Verjährung 3655a

Das PauRG sieht keine besondere Regelung für die Verjährung der Gewährleistungsansprüche vor. Ein Teil der Lehre vertritt die Meinung, dass aufgrund der besonderen Nähe zum Werkvertragsrecht (insbesondere aufgrund der verschuldensunabhängigen Gewährleistungspflicht der Veranstalterin) Art. 371 Abs. 1 OR analog angewendet werden soll, was lediglich eine zweijährige Verjährungsfrist zur Folge hätte.72 Nach hier vertretener Ansicht ist aufgrund des Schweigens im PauRG die zehnjährige Verjährungsfrist nach Art. 127 OR anwendbar.73

VII. Abtretung der Pauschalreise (Art. 17 PauRG) 3656

Der Konsument kann die Pauschalreise an eine andere Person abtreten (Art.  17 Abs.  1 PauRG). Die Bestimmung soll den Konsumenten vor einer allenfalls kostspieligen Annullation der Reise schützen und den Vertrag aufrechterhalten. Obwohl nach dem Wortlaut dieser Bestimmung von einer Abtretung gesprochen wird, han-

70 71 72 73

1236

EuGH v. 12.  März 2002 Rs. C-168/00, Simone Leitner ./. TUI Deutschland GmbH & Co. KG, Slg. 2002, I-02631 N 21 und N 22. S. ferner Zingg, N 729 ff. zum Einfluss der EuGH-Rechtsprechung auf den Begriff des ersatzfähigen Schadens sowie zu einer möglichen Ausweitung des Begriffs in der Schweiz. Zum Ganzen BGE 130 III 182 E. 5.4 ff.; Martinelli, 258 ff. BSK OR-Roberto, Art. 12 PRG N 15; Schwenzer, OR AT, N 84.10. So auch Klett/Verde, 267; Wiede, N 1152; CHK OR-Zeiter/Schlumpf, Art. 12 PauRG N 9.

§ 44

Pauschalreisevertrag (PauRG)

delt es sich um eine Vertragsübernahme: Der Ersatzteilnehmer übernimmt Rechte und Pflichten, insbesondere auch die Solidarhaftung nach Art. 17 Abs. 2 PauRG.74 Vorausgesetzt wird nach dem Wortlaut von Art. 17 Abs. 1 PauRG unter anderem ein 3657 objektiver Verhinderungsgrund wie beispielsweise Krankheit oder Unfall. Unseres Erachtens ist auf die Voraussetzung eines objektiven Verhinderungsgrunds zu verzichten, da diese Einschränkung «weder zweckmässig noch sachgerecht»75 ist.76 Denn die Veranstalterin wird durch die Übertragung der Buchung nicht schlechter, sondern wegen der Solidarhaftung (Art. 17 Abs. 2 PauRG) besser gestellt. Deshalb kann und muss es der Veranstalterin grundsätzlich gleichgültig sein, wer Vertragspartner ist und die Reise antritt; eine Verweigerung des Teilnehmerwechsels nur aufgrund einer fehlenden Teilnahmeverhinderung wäre beispielsweise rechtsmissbräuchlich (Art. 2 Abs. 2 ZGB).77 Einschränkungen sind aber zulässig, wenn die Reise besondere Anforderungen an den Konsumenten stellt. Durch den Teilnehmerwechsel allenfalls entstehende Mehrkosten sind vom neuen Reiseteilnehmer und vom ehemaligen Konsumenten solidarisch zu tragen (Art. 17 Abs. 2 PauRG). Auf das Recht zur «Abtretung» der Pauschalreise kann der Konsument nicht im Voraus (z.B. in AGB) verzichten (Art. 19 PauRG).78 Art. 19 PauRG verbietet es der Veranstalterin zudem, das Abtretungsrecht mittels überhöhter Bearbeitungsgebühren zu vereiteln.79

VIII. Preiserhöhung und Vertragsänderung (Art. 7–10 PauRG) Der vereinbarte Preis darf nur unter den in Art. 7 PauRG genannten (kumulativen) 3658 Voraussetzungen erhöht werden: • ausdrücklicher Änderungsvorbehalt und exakte Preisberechnungsangaben (Art. 7 lit. a PauRG); • mindestens drei Wochen vor Abreise (Art. 7 lit. b PauRG); • gesetzliche Gründe für die Erhöhung (Art. 7 lit. c PauRG). Liegt eine wesentliche Vertragsänderung (Art.  8 Abs.  1 PauRG) vor (unwiderleg- 3659 bare Vermutung, wenn der Preis sich um mehr als 10% erhöht; Art. 8 Abs. 2 PauRG), hat der Konsument ein Wahlrecht zwischen Rücktritt ohne Entschädigung und 74 75 76 77 78

Hangartner, 67 f.; BSK OR-Roberto, Art. 17 PRG N 2; CR CO-Stauder, Art. 17 LVF N 2. BSK OR-Roberto, Art. 17 PRG N 5. CHK OR-Zeiter/Schlumpf, Art. 17 PauRG N 4. Hangartner, 70; BSK OR-Roberto, Art. 17 PRG N 5; CR CO-Stauder, Art. 17 LVF N 6. S. zum Ganzen BSK OR-Roberto, Art. 19 PRG N 1 f. A.M. CHK OR-Zeiter/Schlumpf, Art. 19 PauRG N 2, wonach Verzichtserklärungen auch während der Reise nichtig sind. 79 BSK OR-Roberto, Art. 17 PRG N 6; s. auch Hangartner, 73 f., der eine Kostenpauschale generell ablehnt.

1237

5. Kapitel

Nominatverträge

Annahme der Vertragsänderung (Art.  10 Abs.  1 PauRG). Entscheidet er sich für den Rücktritt, kann er sodann zwischen der Teilnahme an einer anderen Pauschalreise (gleich- oder höherwertig), der Teilnahme an einer minderwertigen Pauschalreise mit Rückerstattung der Preisdifferenz und der schnellstmöglichen Rückzahlung aller geleisteten Beträge wählen (Art. 10 Abs. 3 lit. a–c PauRG).

1238

6.

Kapitel Innominatverträge

§ 45 Allgemeiner Teil Grundlagenliteratur Bucher, OR BT, 25 ff.; Engel, CO PS, 733 ff.; Guhl/Koller, § 40 N 4 und N 17 ff.; Honsell, OR BT, 25 ff. und 457 f.; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 10 N 1 ff.; Schmid/ Stöckli/Krauskopf, N 2444 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 311 ff.

Weiterführende Literatur Amstutz Marc, Vertragskollisionen: Fragmente für eine Lehre von der Vertragsverbindung, in: FS Rey, Zürich 2003, 161–176; Bucher Eugen, Hundert Jahre schweizerisches Obligationenrecht: Wo stehen wir heute im Vertragsrecht?, ZSR 1983 II, 251–383 (zit.: Bucher, ZSR 1983 II); Dasser Felix, Vertragsrecht ohne Vertragstypenrecht?, in: FS Rey, Zürich 2003, 207– 216; Dasser Felix, Vertragstypenrecht im Wandel, Habil. Zürich 2000; Gauch Peter, Der Werkvertrag, 5.  Aufl., Zürich/Basel/Genf 2011 (zit.: Gauch, Werkvertrag); Gauch Peter, Das gesetzliche Vertragstypenrecht der Schuldverträge, in: FS Honsell, Zürich 2002, 3–27 (zit.: Gauch, Vertragstypenrecht); Köhler Helmut, Vertragstypenzuordnung oder Sachnähe der Einzelnorm als Entscheidungskriterium?, in: FS Honsell, Zürich 2002, 29–39; Meier-Hayoz Arthur, Verträge (gesetzlich nicht geregelte) I: Allgemeines  – Verträge «sui generis», SJK 1134; Meier-Hayoz Arthur, Verträge (gesetzlich nicht geregelte) II: Gemischte Verträge, SJK 1135 (zit.: Meier-Hayoz, SJK 1135); Schluep Walter R., Zusammengesetzte Verträge: Vertragsverbindung oder Vertragsverwirrung, in: FS Rey, Zürich 2003, 285–306 (zit.: Schluep, Zusammengesetzte Verträge); Schluep Walter R., Innominatverträge, in: Vischer Frank (Hrsg.), SPR Bd. VII/2, Basel/Stuttgart 1979, 763–969 (zit.: Schluep, Innominatverträge).

Im Gegensatz zum römisch-rechtlichen Kontraktdenken herrscht im schweizeri- 3660 schen Vertragsrecht die Typenfreiheit (s. N 4 ff.). Sie erlaubt den Parteien, in den Schranken des Gesetzes (Art. 19/20 OR) vertragliche Bindungen losgelöst von den gesetzlich normierten Typen einzugehen, indem sie bestehende Typen oder Typenelemente in einem Vertrag kombinieren oder völlig neue Verträge kreieren.1 Von dieser Möglichkeit wird in der Praxis auch rege Gebrauch gemacht: Moderni- 3661 sierungs- und Globalisierungstendenzen schaffen fortlaufend neue rechtsgeschäft1 S. BGE 129 III 604 E. 2.2 = Pra 2004 Nr. 100.

1239

6. Kapitel

Innominatverträge

liche Phänomene, die von den bestehenden Vertragstypen nur teilweise abgedeckt werden. Einige neue Vertragstypen wurden vom Gesetzgeber kodifiziert (wie z.B. der Pauschalreisevertrag im PauRG)2, andere finden in der Praxis als zu einem Vertragstypus verdichtete Innominatkontrakte Verwendung (z.B. Leasing). Fehlt eine solche Verdichtung zu einem Vertragstypus im Rechtsverkehr, wird der entsprechende Vertrag als Innominatkontrakt individueller Natur (singulärer Innominatkontrakt) charakterisiert. 3662

Bei einer (allfälligen) Entwicklung zu einem Typus können verschiedene Stadien beobachtet werden:3 • vermehrtes Auftreten gleichartiger Regelungsgegenstände im Geschäftsverkehr, oft unter gleicher Benennung; • Konstanz gewisser Merkmale (bestimmte «Tatbestandselemente», gleiche Rechtsfolgen); • Entwicklung einer Verkehrsübung (zum Teil beschleunigt als Folge der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen); • Untersuchung des Phänomens in der Lehre; • eventuell Bildung von Gewohnheitsrecht (gewohnheitsrechtliches Vertragstypenrecht); • Setzen generell-abstrakter Regelungen durch die Rechtsprechung (richterliches Vertragstypenrecht); • Legiferierung, also Überführung in Nominatkontrakt (gesetzlich geregelter Typus).

I.

Begriff

3663

Innominatkontrakte sind Verträge, die weder im Besonderen Teil des OR noch in einem Spezialgesetz eine eigene Regelung erfahren haben.4

3664

Der Begriff Innominatvertrag ist irreführend, da auch im Gesetz lediglich genannte, aber in der Sache nicht geregelte Verträge dazu gezählt werden wie z.B. der Vorvertrag (Art. 22 OR), der Kontokorrentvertrag (Art. 117 OR), der Willensvollstreckungsauftrag (Art. 517 f. ZGB), der Grunddienstbarkeitsvertrag (Art. 732 ZGB) oder der Patentlizenzvertrag (Art. 34 PatG5). Umgekehrt genügt die knappe mate2 Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über Pauschalreisen (SR 944.3). 3 S. zum Ganzen Schluep, Innominatverträge, 798 ff. 4 S. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 5; Bucher, OR BT, 25; CR CO-Thévenoz/de Werra, Intro. art. 184–529 N 10. 5 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz; SR 232.14).

1240

§ 45

Allgemeiner Teil

rielle Regelung des Speditionsvertrages in Art.  439  OR, um von einem Nominatkontrakt zu sprechen. Zu beachten ist, dass – vor allem in neueren Spezialgesetzen mit Konsumschutzcha- 3665 rakter – bisweilen nur ganz bestimmte Unterarten eines Vertrages gesetzlich geregelt werden. So ist zwar der Reisevertrag nach wie vor ein Innominatkontrakt, der Pauschalreisevertrag aber wegen der Legiferierung im PauRG nicht mehr (s. N 3633 ff.). Innominatkontrakte lassen sich am zweckmässigsten im Sinne einer negativen Defi- 3666 nition als jene Verträge umschreiben, die keine Nominatkontrakte sind, die mit anderen Worten keinem bestimmten inhaltlich im Gesetz geregelten Vertragstypus zuzuordnen sind. Kriterium für die Zuordnung eines konkreten Vertrages zu einem bestimmten Vertragstypus bilden in erster Linie die essentialia negotii. Man prüft den Vertragsinhalt mit anderen Worten auf seine Übereinstimmung mit den Hauptleistungspflichten, die den entsprechenden Typus charakterisieren.6 Die essentialia negotii haben indessen herkömmlicherweise nicht die Funktion, den Anwendungsbereich des Typus zu umreissen, sondern sie charakterisieren eher seinen Kerngehalt. Ohnehin erscheint es richtiger, anstelle einer mechanischen Subsumtion im Sinne einer Gesamtbetrachtung zu fragen, ob das gesamte Wesen eines Vertragstypus und der konkret zu qualifizierende Vertrag ganz oder mindestens teilweise aufeinander passen.7 Das bedeutet auch, dass nicht nur die Legaldefinition eines Vertragstypus, son- 3667 dern auch die weiteren (dispositiven und zwingenden) gesetzlichen Regeln des entsprechenden Typenrechts zu berücksichtigen sind. Ein anschauliches Beispiel dafür bildet der Kauf mit Montagepflicht: Stellt die Montagepflicht lediglich eine Nebenpflicht dar, ist die Hauptleistungspflicht deckungsgleich mit jener eines Kaufvertrages. Damit liegt ein gewöhnlicher Kauf vor. Sind hingegen Sachlieferung und Montage praktisch gleichwertig und auch sonst als Hauptleistungspflichten zu betrachten, wird der Rahmen des Kaufs gesprengt, und es liegt ein aus Kaufund Werkvertrag gemischter Vertrag, das heisst ein Innominatkontrakt, vor (zum gemischten Vertrag s. N 3684 ff. sowie N 3715).8 Gelangt man zum Schluss, dass ein Vertrag nicht zwanglos einem gesetzlichen Typus 3668 zuordenbar ist, liegt ein Innominatkontrakt vor. Auf ein solches «unbenennbares Vertragsgebilde» kann – je nach Beurteilung der Rechtsanwendung (s. N 3695 ff.) – wiederum Typenrecht analoge Anwendung finden, allerdings nur soweit es passt, und damit möglicherweise auch nur einzelne Normen eines gesetzlichen Typus.9

6 7 8 9

Schluep, Innominatverträge, 770 f. und 789. S. zum Ganzen Schluep, Innominatverträge, 789 ff. S. Gauch, Werkvertrag, N 131. Gauch, Vertragstypenrecht, 23.

1241

6. Kapitel

Innominatverträge

3669

Die Zuordnung eines Vertrages zu einem Nominattyp oder einem Innominattyp (auch aus Innominatverträgen können sich im Laufe der Rechtsentwicklung eigentliche Typen herausbilden) kann letztlich immer nur als Indiz für die vorzugsweise Anwendbarkeit bestimmter Normen oder Normgruppen (Besonderer Teil des OR, Spezialgesetze, Richterrecht etc.) herangezogen werden. Die Zuordnung bleibt damit ein blosser Ausgangspunkt auf der Suche nach den richtigen Normen.

3670

Im Bereich dispositiver Vorschriften ist die Frage, ob sich ein konkretes Vertragsproblem mithilfe einer bestimmten Norm angemessen lösen lässt, vom Parteiwillen abhängig, welcher durch Auslegung des Vertrages und damit die Bestimmung der «Natur des Geschäftes» (Art. 2 Abs. 2 OR) zu ermitteln ist. Geht es um zwingendes Recht, müssen dagegen der Kern und die Reichweite des Schutzzwecks der entsprechenden Norm ermittelt werden. Dabei stellt sich die Frage, ob mit Bezug auf den konkreten Fall ein zwingend geschütztes öffentliches Interesse verletzt oder eine Partei als zwingend schutzbedürftig anzusehen ist, sodass die Anwendung der entsprechenden Norm geboten ist.10

3671

Die Qualifikation eines Vertrages ist somit nur als Hilfskonstruktion anzusehen; die Anwendung einer Norm darf nie nur auf der Zuordnung eines Vertrages zu einem bestimmten Typus basieren, sondern muss auch inhaltlich stimmig sein.11 Sonst besteht die Gefahr von Zufallsergebnissen.12

3672 Verträge

Nominatkontrakte

typische Verträge

gesetzlich geregelte Mischverträge

Innominatkontrakte typische Verträge mit Beimischung Kombinationsverträge

gemischte Verträge

Verträge eigener Art

doppeltypische Verträge

Verträge mit Typenverschmelzung

Abbildung: Arten von Nominat- und Innominatkontrakten13

10 11 12 13

Gauch, Vertragstypenrecht, 24. Vgl. BGE 121 III 336 E. 5e dd und E. 6a. CHK OR-Huguenin/Purtschert, Vorb. Art. 184 ff./Innominatkontrakte AT N 4 f. Terminologie im Wesentlichen nach Schluep, Innominatverträge, 772.

1242

§ 45

II.

Allgemeiner Teil

Abgrenzungen

Von den Innominatkontrakten an sich sind zunächst folgende Figuren abzugrenzen: 3673

1.

Gesetzlich geregelte Mischverträge

Gesetzlich geregelte Mischverträge (positivierte Mischverträge) liegen vor, wenn 3674 eine Mischung von Typenelementen gesetzlich vorgesehen ist. Es handelt sich somit um Nominatkontrakte. Entscheidend für die Beurteilung, ob tatsächlich ein Nominatvertrag vorliegt, ist weniger der Umstand, dass das Gesetz eine Legaldefinition enthält, als vielmehr, dass es auch Rechtsfolgeanordnungen trifft. Ein Beispiel für einen gesetzlich geregelten Mischvertrag stellt der Werklieferungsvertrag dar (Art. 365 Abs. 1 OR).14

2.

Typische Verträge mit Beimischung (atypische Verträge)

Typische Verträge mit Beimischung, das heisst typische Verträge mit einer oder 3675 mehreren atypischen Komponenten, sind keine Innominatkontrakte. Sie weisen gewisse Abweichungen zum gesetzgeberischen Leitbild des betreffenden Nominattypus auf, werden aber noch unter diesen subsumiert.15 Als Beispiel kann der Kaufvertrag über unkörperliche Gegenstände genannt werden (s.  N  2343). Der Übergang zu einem Innominatkontrakt ist im Übrigen graduell.

3.

Zusammengesetzte Verträge (sog. Vertragsverbindungen, Netz- oder Verbundverträge)

Zusammengesetzte Verträge stellen keine besondere Art von Verträgen dar, son- 3676 dern lediglich eine Verknüpfung von zwei oder mehreren selbständigen (Nominatoder Innominat-)Verträgen. Diese sind in der Weise miteinander verbunden, dass eine gegenseitige Abhängigkeit wie zwischen Leistung und Gegenleistung im Synallagma besteht (conditio sine qua non). Zwischen den einzelnen Verträgen besteht eine innere Interdependenz, die regelmässig in einer expliziten oder impliziten Koppelungsabrede Ausdruck findet.16 Mit der gegenseitigen (oder auch einseitigen)

14 Schluep, Innominatverträge, 775. 15 S. dazu Bucher, OR BT, 20 mit leichten Abweichungen. 16 S. BGE 139 III 49 E. 3.3; 131 III 528 E. 7.1.1 = Pra 2006 Nr. 43; 4C.288/2001 E. 2; OFK OR-Huguenin/ Huber-Purtschert, Innominatkontrakte N 8 f.

1243

6. Kapitel

Innominatverträge

Abhängigkeit soll ein bestimmter Zweck erreicht werden (sog. «Finalnexus»).17 Beispiel: Leihe einer Hotdog-Maschine durch eine Metzgerei an einen Verein, gleichzeitig Kauf einer bestimmten Menge Würste für den entsprechenden Anlass durch den Verein bei derselben Metzgerei. Sind die Würste nicht bereit, wird auch die Maschine nicht gebraucht. 3677

Zu nennen sind weiter Vertragsketten (z.B. Sukzessivlieferungsverträge sowie Haupt- und Subunternehmerverträge) oder Vertragsnetze (z.B. Joint Venture-Verträge). Zusammengesetzte Verträge können bilaterale (zwischen zwei Parteien) oder multilaterale Verbundsysteme bilden.18

3678

Weil bei einem zusammengesetzten Vertrag selbständige Parteivereinbarungen funktionell miteinander verknüpft werden, handelt es sich nicht um einen Innominatkontrakt als solchen,19 sondern allenfalls um eine «Innominatfigur».20 Angesichts der Koppelung rechtfertigt es sich aber nur selten, die einzelnen Verträge bzw. ihre Vertragsbestandteile gesondert zu behandeln; vielmehr stellen sich oft Rechtsfragen (z.B. Vertragsbeendigung), welche für das Vertragsnetz als Ganzes beantwortet werden müssen, um dessen Zweckmässigkeit zu gewährleisten und zu fördern. Zur Beantwortung solcher Rechtsfragen soll daher zunächst der vertragliche Regelungsschwerpunkt ermittelt und müssen sodann die entsprechenden Regeln auf das gesamte Vertragsnetz angewendet werden. In BGE 139 III 49 hat das Bundesgericht beispielsweise einen Vertrag, welcher aus einem Darlehensverhältnis und einer auftrags- bzw. kommissionsrechtlichen Komponente zusammengesetzt war, gesamthaft der Herausgabe- und Rechenschaftspflicht von Art. 400 OR unterstellt.21

3679

Oft wollen die Parteien an einen Vertrag nur gebunden sein, wenn auch der andere gültig ist bzw. gilt. Ungültigkeit oder auch Rücktritt im Bereich des einen Vertrages beschlägt diesfalls auch den anderen, verbundenen Vertrag.22 Um diesen Zusammenhang auszuloten, können als «Ideengeber» auch Art. 20 Abs. 2, Art. 82, Art. 107 sowie Art.  119 Abs.  2  OR herangezogen werden. Den Parteien steht es aber wie gesagt frei, statt Vertrag A und B jeweils vom anderen Vertrag abhängig zu machen, nur Vertrag A an das Schicksal von Vertrag B zu binden und umgekehrt.23

3680

Im Grund geht es bei den zusammengesetzten Verträgen häufig um nichts anderes als um eine vorweggenommene Regelung von Ungültigkeits- und Beendigungsfolgen durch die Parteien. Die Parteien bestimmen z.B., dass alle verknüpften Verträge 17 18 19 20 21 22 23

BGE 115 II 452 E. 3b; BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 12; BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 64. S. dazu eingehend BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 52. Schluep, Innominatverträge, 776. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 12; Schluep, Zusammengesetzte Verträge, 288. BGE 139 III 49 E. 3.3 und E. 3.4; in diesem Sinne auch BGE 131 III 528 E. 7.1.1 = Pra 2006 Nr. 43; 118 II 157 E. 3a; Amstutz, 172. Honsell, OR BT, 27. S. Bucher, OR BT, 23.

1244

§ 45

Allgemeiner Teil

von einem allfälligen Ungültigkeits- und Beendigungsgrund gleichermassen betroffen sein sollen. Zusammengesetzte Verträge führen damit nur ausnahmsweise zu einer Zuordnung eines Vertrages zu einem bestimmten Typenrecht, oft enthalten sie «nur» eine Abrede der Parteien über bestimmte Rechtsfolgen.

III.

Arten

Die Unterteilung in verschiedene Arten von Innominatkontrakten wie auch die 3681 Begriffsbildung erfolgen in der Lehre uneinheitlich. Die in den folgenden Abschnitten vorgestellte Klassifizierung (s. N 3684 ff.) stellt eine mögliche Variante dar.24 Oft ist im Übrigen die Zuordnung im Einzelfall fliessend und damit schwierig. Kon- 3682 sequenz aus dem Grundsatz der Typenfreiheit ist nämlich, dass zwischen den verschiedenen Arten auch Zwischenstufen möglich sein müssen. Die Bedeutung der begrifflichen Erfassung eines konkreten Vertrages (Qualifizierung) sollte nicht überschätzt werden. Wichtiger ist die im Einzelfall sachgerechte und über das Ganze konsistente Rechtsanwendung. Von den Innominatkontrakten im eigentlichen Sinn ist schliesslich die «Innominat- 3683 figur» zu unterscheiden, welche ein Netzwerk von verbundenen (zusammengesetzten) Verträgen bezeichnet (s. N 3678).25

1.

Gemischte Verträge (mixti generis, mixti iuris)

Der gemischte Vertrag ist ein einheitlicher Vertrag, für den schwergewichtig Ele- 3684 mente von Nominatverträgen verwendet werden. Entscheidend ist dabei, dass mehrere Leistungen in Verbindung miteinander geschuldet sind (Vertragseinheit). Wegen der Bedeutung der einzelnen wesentlichen Elemente ist es hier im Unterschied zum Vertrag mit «Beimischung» (s. dazu N 3675) in der Regel nicht sachgerecht, die Rechtsfolgen nur mit einem einzigen Typus zu koordinieren.26 Keine Innominatkontrakte, sondern Nominatkontrakte sind die gesetzlich geregel- 3685 ten Mischverträge (s. N 3674). Die Unterscheidung zum zusammengesetzten Vertrag erfolgt durch Auslegung des Parteiwillens und kann vor allem bei doppeltypischen Verträgen delikat sein. Nicht entscheidend sind dabei formelle Kriterien wie die einheitliche oder getrennte Verurkundung.27 Praktische Bedeutung erlan24 Bucher, OR BT, 25 f.; s. zu anderen Definitionen Honsell, OR BT, 26 ff. 25 S. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 50 ff. 26 S. BGE 131 III 566 E. 3.1 = Pra 2006 Nr. 54; BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 9; Schluep, Innominatverträge, 772 ff. 27 Schluep, Innominatverträge, 773.

1245

6. Kapitel

Innominatverträge

gen diese aber dann, wenn die beteiligten Vertragstypen unterschiedlichen gesetzlichen Formvorschriften zu gehorchen haben: Beim zusammengesetzten Vertrag hat jeder Bestandteil «seiner» Formvorschrift zu genügen, beim gemischten Vertrag muss eine einheitliche Lösung gefunden werden.28 Unserer Meinung nach kann der Umfang der Formvorschrift nicht von der mitunter etwas zufällig anmutenden Klassifizierung der Verträge abhängen. Vielmehr ist nach Massgabe des Schutzzwecks und der Reichweite der gesetzlichen Formvorschrift zu bestimmen, welche Verträge von der entsprechend zwingenden Norm erfasst werden (s. Art. 11 ff. OR). Bei der gewillkürten Form richten sich Zweck und Reichweite der Formvorschrift dagegen nach dem Parteiwillen (s. Art. 16 OR). 3686

Folgende Unterarten von gemischten Verträgen29 können unterschieden werden, ohne dass damit allerdings alle Erscheinungsformen von gemischten Verträgen erfasst werden:30 1.1

3687

Mindestens eine Partei verpflichtet sich zu mehreren Hauptleistungen, die je verschiedenen Vertragstypen zuzuordnen sind.31 Die Gegenleistung ist meist einheitlich gestaltet; häufig besteht sie in der Zahlung eines Entgelts. Beispiele sind der Gastaufnahme- oder Architektenvertrag.32 1.2

3688

Kombinationsverträge («Zwillingsverträge»)

Doppeltypische Verträge («Zwitterverträge»)

Die Parteien verpflichten sich zum Austausch von Hauptleistungen (Synallagma), die je einem verschiedenen Vertragstypus entsprechen (z.B. Miete einer Wohnung mit Hauswartarbeit als Gegenleistung statt Mietzinszahlung) oder dem gleichen Vertragstypus zuzuordnen sind, aber einen anderen Vertragsgegenstand haben (z.B. Ausleihe von CDs gegen Ausleihe von Lehrbüchern).33

28 Guhl/Koller, § 40 N 26. 29 Terminologie im Wesentlichen nach Schluep, Innominatverträge, 775. 30 BSK  OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art.  184  ff. N  10; BK  OR-Kramer, Art.  19–20 N  59; ablehnend Schwenzer, OR AT, N 3.16. 31 Für Beispiele s. BGE 117 II 259 E. 2b; 111 II 270 E. 4. 32 BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 60. 33 S. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 10.

1246

§ 45

1.3

Allgemeiner Teil

Verträge mit Typenverschmelzung bzw. -vermengung

Mindestens eine Partei verpflichtet sich zu Hauptleistungen, die bezüglich der Ent- 3689 geltlichkeit je verschiedenen Vertragstypen zuzuordnen sind. Paradebeispiel ist die aus Schenkung und Kauf «verschmolzene» gemischte Schenkung (s. N 2856 ff.).34

Verträge eigener Art (sui generis, sui iuris)

2.

Verträge eigener Art sind solche, die weder materiell-rechtlich geregelt sind, noch in 3690 der Hauptsache aus verschiedenen Nominatelementen bestehen und – positiv ausgedrückt – eine besondere innere Einheit bilden (z.B. Alleinvertriebsvertrag oder «Geschäftsübertragungsvertrag»).35 Anders als beim gemischten Vertrag werden schwergewichtig gesetzlich nicht geregelte Elemente verwendet.36 Die Abgrenzung im Einzelnen wird hier oft kontrovers diskutiert. So wird z.B. der Leasingvertrag von den einen als gemischter, von den anderen als Vertrag eigener Art bezeichnet (s. N 3725 ff.).37

IV.

Abschluss

Innominatverträge werden wie Nominatverträge abgeschlossen, das heisst, es 3691 bedarf des Konsenses zwischen den Vertragsparteien. Im Sinne der Willenstheorie ist primär der übereinstimmende wirkliche Wille massgebend. Haben sich die Parteien übereinstimmend geäussert, verstanden und in diesem Verständnis geeinigt, so liegt tatsächlicher Konsens vor (s. N 189 und N 245 ff.). Steht fest, dass es am tatsächlichen Konsens fehlt, sind die Erklärungen der Ver- 3692 tragsschliessenden nach dem Vertrauensprinzip auszulegen. Stimmt der vertrauenstheoretisch ermittelte Sinngehalt der Erklärung mit dem Willen der Empfängerin überein, ist normativer Konsens gegeben (s. N 249 f.).

34 35 36 37

BGE 117 II 382 E. 2b; 108 II 449 E. 3a = Pra 1983 Nr. 56; 98 II 352 E. 3b; BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 63. Für den Geschäftsübertragungsvertrag s. BGE 129 III 18 E. 2.1 = Pra 2003 Nr. 30; für die Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 IPRG s. BGE 119 II 391 E. 3a. Weiter differenzierend Schluep, Innominatverträge, 776; s. zu einem abweichenden Begriffsverständnis Bucher, OR BT, 25. Als gemischter Vertrag qualifizierend etwa BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 69 m.w.H.; als Vertrag sui generis qualifizierend Engel, CO PS, 811.

1247

6. Kapitel

V.

Innominatverträge

Auslegung

3693

Die Auslegung von Innominatkontrakten unterscheidet sich nicht von der Auslegung von Nominatkontrakten.38 Der Umstand, dass kein gesetzliches Typenrecht existiert, darf die Auslegung nicht beeinflussen.39

3694

Streiten sich die Parteien über den Vertragsinhalt, so ist dieser wie sonst auch auszulegen (s. N 273 ff.). Ist der mittels subjektiver (empirischer) Auslegung zu eruierende tatsächlich übereinstimmende Wille der Parteien (Art. 18 Abs. 1 OR) nicht feststellbar, so muss mittels objektivierter (normativer) Auslegung nach dem mutmasslichen Parteiwillen gesucht werden. Der Parteiwille wird sozusagen weitergedacht und Erklärungen, Verhaltensweisen sowie Begleitumstände werden so interpretiert, wie die betreffenden Parteien sie aufgrund der konkreten Umstände bei Vertragsschluss verstehen durften und mussten (s. N 282 ff.).40

VI.

Rechtsanwendung

1.

Allgemeines

3695

Die Basis bildet wie bei den Nominatkontrakten der Grundsatz der Privatautonomie. Ausgangslage ist immer der individuelle, gültig zustande gekommene Vertrag mit dem von den Parteien festgelegten Leistungsprogramm und den zu dessen Erfüllung leitenden «Spielregeln».

3696

Bei Innominatverträgen ist ein regelgeleitetes Vorgehen bei der Rechtsanwendung noch schwieriger als bei Nominatverträgen.41 Die zwingenden Normen des Allgemeinen Teils finden ohne Einschränkung auch auf Innominatverträge direkte Anwendung, dessen dispositive Normen allerdings nur insoweit, als sie dem Parteiwillen bzw. dem Wesen des Vertrages entsprechen.42 Darüber hinaus drängt sich – insbesondere bei den gemischten Innominatverträgen – die Frage auf, ob auch der Besondere Teil des OR analog zur Lückenfüllung heranzuziehen ist. Die Lehre hat zur Rechtsanwendung bei Innominatverträgen verschiedene Theorien mit jeweils begrenztem Nutzen entwickelt. Im Sinne einer methodischen Anleitung auf einer allgemeinen Ebene sollen diese die Frage beantworten, ob und nach welchen Kriterien Nominatrecht auf Innominatkontrakte anwendbar sein soll. Das Bundesgericht

38 39 40 41 42

1248

S. BGE 107 II 144 E. 3. Schluep, Innominatverträge, 796. S. BGE 126 III 119 E. 2 m.w.H.; 118 II 157 E. 2c. OFK OR-Huguenin/Huber-Purtschert, Innominatkontrakte N 21. S. zu den dispositiven Normen BK OR-Kramer, Art. 18 N 256.

§ 45

Allgemeiner Teil

hat sich in seiner Rechtspraxis nicht explizit für eine Theorie entschieden (Methodenpluralismus), was nach der hier vertretenen Meinung auch richtig ist. 1.1

Absorptionstheorie

Nach der Absorptionstheorie ist ein Innominatkontrakt nach dem Recht des domi- 3697 nanten Vertragstypus auszulegen und zu ergänzen. Die Bestimmungen des weniger bedeutenden Typus werden «absorbiert». Die Absorptionstheorie versucht, ein Vertragsgebilde als Ganzes in ein vorbestimm- 3698 tes Schema zu legen. Dies ist dann sachgerecht und naheliegend, wenn lediglich untergeordnete atypische Elemente in diesem Gebilde enthalten sind (typische Verträge mit Beimischung; s. N 3675). Stellen die atypischen Elemente indessen mehr als nur Nebenpflichten dar, führt die Absorptionstheorie bisweilen zu schwer vertretbaren Ergebnissen.43 Das Vertragsgebilde wird so in ein Schema gezwungen, in welches es unter Umständen gar nicht hineinpasst. Die Absorptionstheorie verkommt dann zu einer Bauanleitung für ein Prokrustesbett. 1.2

Kombinationstheorie

Die Kombinationstheorie sieht den gemischten Vertrag als Verbindung von gesetz- 3699 lich geregelten Tatbestandselementen an. Zu diesem Zweck zerlegt sie Nominattypen in einzelne Teile, an die sich die entsprechenden Rechtsfolgen knüpfen. Diese wendet sie sodann auf die einzelnen Vertragselemente an. Die Problematik dieser Methode liegt darin, dass ein Zerlegen der Nominatverträge 3700 die Typenmerkmale aus dem Gesamtkontext und damit aus einem fein austarierten Gleichgewicht reisst.44 Sie versagt vollends, wenn sich die Rechtsfolgen der zu «kombinierenden» Normen oder der Normgruppe widersprechen.45 1.3

Theorie der Übernahme gesetzlicher Einzelanordnungen

Diese Theorie ist eine Weiterentwicklung der Kombinationstheorie und setzt statt 3701 auf der Stufe des Typus auf der Stufe der Einzelanordnung an. Sie soll ermöglichen, auf einen konkreten Fall bloss jene Typennormen anzuwenden, die zu einem sachgerechten Ergebnis führen. Ausserdem erlaubt sie, auf einen Innominatvertrag, der in Beziehung zu mehreren gesetzlichen Typen steht, gleichzeitig Einzelanordnungen verschiedener Nominatkontrakte anzuwenden.46 43 44 45 46

BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 17; s. Kritik bei Schluep, Innominatverträge, 801. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 18; s. BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 79. Meier-Hayoz, SJK 1135, III. 3. Bucher, ZSR 1983 II, 321.

1249

6. Kapitel

3702

Damit sind flexible, sachgerechte Lösungen gewährleistet, die für die Kontrahenten jedoch nicht immer so leicht antizipierbar sind (Rechtssicherheit). Es ist darum – wie gesagt – auch dem Kriterium der Konsistenz über das Ganze angemessen Rechnung zu tragen. Diese Gesamtsicht kann zur Bildung neuer Fallgruppen führen. Damit erhöht sich die Rechtssicherheit wieder. 1.4

3703

Theorie der analogen Rechtsanwendung des OR BT

Diese Theorie wendet – wie ihr Name sagt – die Regeln der Nominattypen nicht unmittelbar, sondern analog an. Sie will dem Vertrag als ganzheitlichem Gebilde entsprechen. Eine Lösung bietet sie allerdings nur an, wenn eine Ähnlichkeit mit einer bestehenden Regel gefunden werden kann.47 Richtig an dieser Theorie ist, dass die Anwendung von Typenrecht auf Innominatkontrakte (nicht hingegen auf typische Verträge mit Beimischung und grundsätzlich nicht auf zusammengesetzte Verträge) stets nur eine analoge sein kann.48 Direkte Anwendung finden hingegen in der Regel die Bestimmungen des Allgemeinen Teils (Art. 1–183 OR). Auch von diesem Grundsatz bestehen angesichts des Modells eines Austauschvertrages Ausnahmen. Überdies sind einige Normen nur auf synallagmatische Verträge zugeschnitten. 1.5

3704

Innominatverträge

Kreationstheorie

Bei der Kreationstheorie ist das Gericht dazu aufgerufen, die fehlenden Regeln selber zu setzen. Die Kreationstheorie folgt also der Aufforderung von Art. 1 Abs. 2 und Abs. 3 ZGB: Fehlt Gewohnheitsrecht (was die Regel ist), so muss das Gericht bei der Beurteilung eines Innominatkontrakts die gesuchte Norm selbst setzen. Die Kreationstheorie ergibt nach der Meinung ihrer Kritiker nur Sinn, wenn das Gericht generell-abstrakte Normen (modo legislatoris) schaffen soll, das heisst, wenn der zu beurteilende Sachverhalt sich in der Praxis bereits zu einem Vertragstypus verdichtet hat, nicht aber bei Innominatkontrakten individueller Natur, wo es vielmehr gilt, individuell-konkrete Ergänzungen zu finden.49 Dieser Meinung können wir uns nicht anschliessen: Die Anwendung dispositiven Rechts kommt unabhängig vom Verdichtungsgrad eines Vertrages nur infrage, wenn es im Kern den Parteiwillen trifft. Die Anwendung zwingenden Rechts hängt ebenfalls nicht von der Typenbildung, sondern vom Schutzzweck der entsprechenden Norm ab.

47 48 49

1250

BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 20. BK OR-Kramer, Art. 19–20 N 78; s. Meier-Hayoz, SJK 1135, III. 4. und III. 5. S. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 21; Schluep, Innominatverträge, 802 f.

§ 45

1.6

Allgemeiner Teil

Diskurstheorie

Schliesslich ist die Diskurstheorie zu erwähnen, wonach die Rechtsanwendung bei 3705 Innominatverträgen von einem soziologischen Blickwinkel aus betrachtet im Diskurs zwischen Rechtsprechung, Rechts- und Wirtschaftswissenschaft sowie Kautelarjurisprudenz zu erfolgen hat.50 Gegen die Diskursbereitschaft der Rechtsanwenderin ist nichts einzuwenden. Massgeblich für die Wahl der anzuwendenden Norm sind allerdings wie gesagt bei dispositivem Recht der Parteiwille und bei zwingendem Recht der Schutzzweck der Norm.

2.

Mittel der Vertragsergänzung

Führt die Auslegung des Vertrages zum Ergebnis, dass hinsichtlich bestimmter rege- 3706 lungsbedürftiger Vertragspunkte eine Einigung fehlt, liegt eine Vertragslücke vor, welche auf dem Weg der Vertragsergänzung zu schliessen ist.51 Keine Lücke liegt vor, wenn anwendbares zwingendes Gesetzesrecht die Kontrahierenden in ihrer Dispositionsbefugnis einschränkt (s. N 3709 ff.).52 In diesem Fall greifen die Folgen der (verletzten) Norm. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung und auch nach der herrschenden Lehre 3707 sind Innominatkontrakte nach den gleichen Regeln wie Nominatkontrakte zu ergänzen.53 In der Lehre war lange umstritten, ob sich die Vertragsergänzung primär am mutmasslichen Parteiwillen oder primär am dispositiven Gesetzesrecht orientieren soll (s. N 312 ff.).54 Den Ausgangspunkt bildet hier wie dort der Parteiwille (s. N 314). Die angewandte 3708 Regel soll gleichzeitig im Einzelfall sachgerecht und auch insgesamt konsistent sein.

3.

Zwingendes Recht

Der Grundsatz der Vertragsfreiheit wird durch eine Serie von Schranken begrenzt 3709 (z.B. Art.  11 und Art.  19/20  OR; Art.  27 ZGB etc.). Verträge, die gegen eine dieser Schranken verstossen, sind mangelhaft; woraufhin entschieden werden muss, ob (Teil-)Ungültigkeit im Sinne des Art. 20 OR greift. Vor dem Hintergrund, dass das Ziel von Art. 20 OR nicht im Dahinfallen des Vertrages, sondern in der Beseitigung des diesem anhaftenden Mangels besteht, soll ein Vertrag nur insoweit mit 50 S. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 22. 51 OFK OR-Huguenin/Huber-Purtschert, Innominatkontrakte N 29. 52 CHK  OR-Huguenin/Purtschert, Vorb. Art.  184  ff./Innominatkontrakte AT N  43; BK  OR-Kramer, Art. 18 N 216. 53 BGE 107 II 144 E. 3; BK OR-Kramer, Art. 18 N 255. 54 Zu dieser Kontroverse s. BSK OR-Wiegand, Art. 18 N 70 m.w.H.

1251

6. Kapitel

Innominatverträge

Ungültigkeit belegt werden, als es für die Behebung des Mangels erforderlich ist (s. N 433).55 Ausgangspunkt bilden die Festlegung des sich aus dem Wortlaut, der systematischen Stellung und dem Sinn und Zweck der verletzten Norm ergebenden Schutzzwecks sowie – für Innominatverträge besonders wichtig – der Schutzradius der verletzten Norm. 3710

Die Vertragsfreiheit wird nicht nur beschränkt, um gleich- oder höherwertige Güter zu schützen, sondern auch, um die Vertragsfreiheit selber als Institution aufrechtzuerhalten. Die Vertragsfreiheit könnte sonst durch eine extensive und einseitige Inanspruchnahme «umverteilt» und «konzentriert» werden, während andere sich ihrer nicht mehr oder nur noch in minimalem Umfang zu bedienen vermöchten.56 Je allgemeiner die Schutznorm ist (wie beispielsweise die Normen des Allgemeinen Teils des OR), desto eher sind auch Innominatverträge in ihre Schutzzone eingeschlossen. Hingegen erfordert die Beantwortung der Frage, ob eine zwingende Norm des Besonderen Teils des OR auf einen Innominatkontrakt (analoge) Anwendung findet, eine eingängige Prüfung der Frage, ob der Vertrag dem Schutzbereich der entsprechenden Norm zu unterstellen ist. Indiziencharakter dafür hat die Antwort auf die Frage, ob der Innominatvertrag in den Kontext der Normgruppe passt, innerhalb welcher die fragliche Regelung sich befindet.

3711

Als Anwendungsfall sei etwa Art. 404 OR erwähnt, bei welchem die Reichweite des zwingenden Teils der Norm umstritten ist (s. N 3307 ff.). Unabhängig vom Vorliegen eines Nominat- oder Innominatkontraktes ist hier entscheidend, ob ein Vertrag jene personalen Güter betrifft, über die vertraglich nur bei besonderem Vertrauen in die Person des Gegenübers disponiert wird. Nur wenn der Auftrag bzw. der auftragsähnliche Vertrag diese Voraussetzung erfüllt, wird die Vereinbarung (direkt oder analog) vom zwingenden Teil des Art. 404 OR erfasst und untersteht folglich – auch bei anderslautender vertraglicher Vereinbarung – einem jederzeitigen Beendigungsrecht.57 Das Bundesgericht bejaht dagegen durchwegs den zwingenden Charakter von Art. 404 OR und gibt damit der Qualifikationsfrage unserer Meinung nach zu viel Gewicht.

3712

Es gilt unter Umständen zu prüfen, ob – über den Geltungsanspruch und die Reichweite einzelner Normen hinaus – ganze Normgruppen (Besonderer Teil, Spezialgesetze) zwingend anzuwenden sind. Konsumrechtliche Spezialerlasse z.B. definieren in der Regel nicht nur den Konsum-Vertragstypus, sondern auch dessen Geltungsbereich in persönlicher und sachlicher Hinsicht.58 Ob bzw. inwiefern der Gesetzgeber eine «Transferschranke» für den Analogieschluss auf nicht vom Anwendungsbereich erfasste Verträge legen wollte, ist oft umstritten. Soll beispielsweise bei 55 56 57 58

1252

BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 55. BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 12 ff. S. ausführlich CHK OR-Huguenin/Purtschert, Vorb. Art. 184 ff./Innominatkontrakte AT N 35. OFK OR-Huguenin/Huber-Purtschert, Innominatkontrakte N 36.

§ 45

Allgemeiner Teil

einem Reiseveranstaltungsvertrag, der nicht alle Voraussetzungen des Pauschalreisevertrages im Sinne des PauRG erfüllt, dennoch analog ein Schadenersatzanspruch im Sinne von Art. 14 PauRG gewährt werden? Auch hier kommt es auf die Auslegung an. Mit Blick auf den einschränkend definierten Geltungsbereich von Art. 1–3 PauRG dürfte unserer Meinung nach eine gewisse Zurückhaltung geboten sein. Nur wenn die wertungsmässige Übereinstimmung schwerer als die formale Abgrenzbarkeit via Anwendungsbereichsnorm wiegt, rechtfertigt sich eine analoge Rechtsanwendung. Verstossen nur einzelne Teile eines Innominatvertrages gegen zwingendes Recht, ist mangels einer anderslautenden Vereinbarung nach Art. 20 Abs. 2 OR zu verfahren (s. N 434).

4.

Rechtsanwendung bei den verschiedenen Arten von Innominatverträgen und -figuren im Besonderen

4.1

Zusammengesetzte Verträge

3713

Bei zusammengesetzten Verträgen wird je nach Eignung richterrechtlich geschaffe- 3714 nes Innominatvertragsrecht, Besonderer Teil, Allgemeiner Teil oder allenfalls auch ein Spezialgesetz angewendet. Allerdings kann der Gesamtzusammenhang, der sich daraus ergibt, dass diese Teile in den zusammengesetzten Vertrag eingebettet und in einer bestimmten Weise miteinander verknüpft sind, nicht ausser Acht gelassen werden. In der Lehre wird vor allem die Frage nach dem Durchgriff (durch Klagen, Einwendungen und Einreden, die auf einen anderen Vertrag bzw. andere Person «durchgreifen») diskutiert, z.B. die direkte Belangbarkeit des Subunternehmers durch den Bauherrn.59 4.2

Gemischte Verträge

Auch bei gemischten Verträgen ist stets das harmonische Gesamtergebnis im Auge 3715 zu behalten, was die Anwendung von Typenrecht ausschliessen kann. Bei gemischten Verträgen, die sich zu eigenständigen Verkehrstypen entwickelt haben, hat das Gericht, sofern eine analoge Anwendung von bestehendem Typenrecht nicht passt, im Sinne von Art. 1 Abs. 2 und Abs. 3 ZGB generell-abstrakte Regeln aufzustellen. Mit anderen Worten hat es neues – auf diese Art von Verträgen passendes – Typenrecht zu setzen.

59 S. zum Ganzen eingehend Schluep, Zusammengesetzte Verträge, 289 ff.

1253

6. Kapitel

4.3

Innominatverträge

Verträge eigener Art

3716

Verträge eigener Art haben häufig nur einen geringen Bezug zum Typenrecht des Besonderen Teils, womit dessen Anwendung in der Regel ausser Betracht fällt. Im Übrigen kann auf die Ausführungen zu den gemischten Verträgen verwiesen werden.

3717

Zur Präzisierung ist anzumerken, dass das Typenrecht des Besonderen Teils auch bei der richterlichen Lückenfüllung eine Rolle spielen kann. Dies ist dann der Fall, wenn das Gericht zum Schluss kommt, dass eine Nachbildung von Richterrecht entsprechend dem gesetzlichen Nominatrecht sachgerecht ist.60 Analogien zum bestehenden Recht gehören zu den wichtigsten Instrumenten der richterlichen Lückenfüllung.61 Es ist aber auch anzumerken, dass der (mutmassliche) Parteiwille nicht aus Scheu vor der Schaffung von Richterrecht übermässig schematisiert werden darf.

VII. Einzelne Innominatkontrakte 3718

Die nachfolgend behandelten Innominatkontrakte stellen lediglich Erscheinungsformen dar, die sich in der Praxis annäherungsweise zu einem Vertragstypus verdichtet haben. Eine allgemeine Darstellung setzt selbstredend eine gewisse Verfestigung eines Vertrages zu einem Verkehrstyp voraus.

3719

Vorliegend wurde eine Auswahl von Innominatkontrakten getroffen, welchen in der Praxis eine besondere Bedeutung zukommt.62

60 61 62

1254

Schluep, Innominatverträge, 797. S. für ein Beispiel BGE 134 III 497 E. 4.3 = Pra 2009 Nr. 19; BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 29; BK ZGB-Meier-Hayoz, Art. 1 N 346 ff. S.  zu weiteren Innominatkontrakten OFK  OR-Huguenin/Huber-Purtschert, Innominatkontrakte N 38 ff.

§ 46 Leasingvertrag Grundlagenliteratur Bucher, OR BT, 32 ff.; Engel, CO PS, 804 ff.; Guhl/Koller, § 40 N 9 ff.; Honsell, OR BT, 459 ff.; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 11 N 1 ff.; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 2517 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7126 ff.

Weiterführende Literatur Badertscher Beat, Operating Lease  – Echtes Leasing oder Miete?, in: Koller Alfred (Hrsg.), Leasingrecht – Ausgewählte Fragen, Bern 2007, 123–142; Ebenroth Carsten Thomas, Leasing im grenzüberschreitenden Verkehr, in: Kramer Ernst A. (Hrsg.), Neue Vertragsformen der Wirtschaft: Leasing, Factoring, Franchising, 2.  Aufl., Bern 1992,  117–238; Fatzer Peter Kurt, Sachgewährleistung beim Finanzierungsleasing von mobilen Investitionsgütern, Diss. Zürich 1999; Hess Markus, Leasing unter dem Bundesgesetz über den Konsumkredit, in: Hess Markus/Simmen Robert (Hrsg.), Das neue Konsumkreditgesetz (KKG), Zürich 2002,  65–87; Hess Markus/Krummenacher Peter, Sachgewährleistung und Gefahrtragung beim Leasing, in: Koller Alfred (Hrsg.), Leasingrecht – Ausgewählte Fragen, Bern 2007,  79–121; Iten Andres, Der Leasingvertrag in der Büromaschinenbranche, Diss. Zürich 1984; Keller Max/Siehr Kurt, Kaufrecht, 3.  Aufl., Zürich 1995; Koller-Tumler Marlis, Konsumkreditverträge nach revidiertem KKG  – eine Einführung, in: Brunner Alexander/Rehbinder Manfred/Stauder Bernd (Hrsg.), Jahrbuch des Schweizerischen Konsumentenrechts 2002, Bern 2003, 3–49; Koller-Tumler Marlis/Koller Thomas/Dias Raoul, Indirektes Konsumgüterleasing: Die Rechtsstellung des Leasingnehmers gegenüber der Leasinggesellschaft bei verspäteter oder mangelhafter Lieferung des Leasinggegenstandes, in: FS Stauder, Droit de la consommation, Konsumentenrecht, Consumer law, Baden-Baden/Zürich 2006,  157–176; Krummenacher Peter, Konsumentenleasing, Diss. Luzern 2007; Lüem Walter, Typologie der Leasingverträge, in: Kramer Ernst A. (Hrsg.), Neue Vertragsformen der Wirtschaft: Leasing, Factoring, Franchising, 2.  Aufl., Bern 1992,  49–69; Lupi Thomann Melania, Die Anwendung des Konsumkreditgesetzes auf Miet-, Miet-Kauf- und Leasingverträge, Diss. Zürich 2003; Metzler Lukas/Schmuki Markus, Das Immobilienleasing – Frage der Anwendbarkeit der zwingenden Bestimmungen des Mietrechts, AJP 2005,  579–583; Müntener Hansjörg, Ausgewählte Fragen des KKG: «Sanktionen» beim Konsumentenleasing, in: Koller Alfred (Hrsg.), Leasingrecht  – Ausgewählte Fragen, Bern 2007, 25–55; Renz Friedemann, Leistungsstörungen beim Finanzierungsleasing in rechtsvergleichender Sicht, Diss. Basel 1997; Rinderknecht Thomas M., Leasing von Mobilien, Diss. Zürich 1984; Roth Jürg, Leasing im Lichte des revidierten Konsumkreditgesetzes, AJP 2002, 968–977; Schatz Peter, Das Leasing von Automobilen, AJP 2006,  1042–1050; Schluep Walter R., Probleme des Leasingvertrags aus schweizerischer Sicht, in: Marschall von Biberstein Wolfgang (Hrsg.), Leasingverträge im Handelsverkehr, Frankfurt a.M. 1980, 103–116; Schmid Jörg, Überschuldungsprävention nach revidiertem KKG (Gesichtspunkte ex ante von Finanzierungen), in: Brunner Alexander/Rehbin-

1255

6. Kapitel

Innominatverträge

der Manfred/Stauder Bernd (Hrsg.), Jahrbuch des Schweizerischen Konsumentenrechts 2002, Bern 2003, 51–77; Stauder Bernd, Konsumkreditrecht, in: Kramer Ernst A. (Hrsg.), SPR Bd. X, Basel 2008, 217–290 (zit.: Stauder, Konsumkreditrecht); Stauder Bernd, Leasingverträge nach revidiertem KKG, in: Brunner Alexander/Rehbinder Manfred/ Stauder Bernd (Hrsg.), Jahrbuch des Schweizerischen Konsumentenrechts 2002, Bern 2003, 79–125 (zit.: Stauder, JKR 2002); Stengel Cornelia, Anwendungsbereich des Konsumkreditgesetzes, Diss. Zürich 2014; Stöckli Hubert, Verträge und AGB beim Autokauf, in: Stöckli Hubert/Werro Franz (Hrsg.), Strassenverkehrsrechts-Tagung, 16./17.  März 2006, Bern 2006, 1–34; Werro Franz, Le contrat de leasing dans la pratique, in: Pichonnaz Pascal/Werro Franz (Hrsg.), La pratique contractuelle 3, Symposium en droit des contrats, Zürich/Basel/Genf 2012, 3–40; Wiegand Wolfgang, Das neue Mietrecht und die Dogmatik des OR, recht 1992, 110–112; Wulkan Christoph R., Der Immobilien-Leasingvertrag nach schweizerischem Privatrecht, Diss. Zürich 1988.

I.

Vorbemerkungen

3720

Der Begriff «Leasing» stammt vom englischen Wort to lease (überlassen, vermieten) und wurde Ende der Fünfzigerjahre aus den USA übernommen. In der Schweiz erfolgte nach zögerlichen Anfängen in den Sechzigerjahren ein eigentlicher Boom, wobei auf breiter Basis vor allem in der Autobranche das Importeur- und Händlerleasing zu florieren begann.1 In der Praxis kommen verschiedene Erscheinungsformen des Leasingvertrages vor.

3721

Auf Leasingverträge über Konsumgüter kommt unter gewissen Voraussetzungen das Konsumkreditgesetz (KKG)2 zur Anwendung (s. N 3744a ff.). Dieses Spezialgesetz enthält zwingende Bestimmungen zum Schutz des Leasingnehmers und beeinflusst damit das vertragliche Pflichtengefüge. Die partielle Regelung im KKG ändert aber nichts daran, dass es sich beim Leasingvertrag um einen Innominatkontrakt handelt.3

1 Lüem, 50 f. 2 Bundesgesetz vom 23. März 2001 über den Konsumkredit (SR 221.214.1). 3 S. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7150.

1256

§ 46

II.

Leasingvertrag

Begriff

Ein Leasingvertrag liegt vor, wenn die Leasinggeberin dem Leasingnehmer gegen ein in Teilbeträgen zu zahlendes Entgelt (Leasingzins) eine bewegliche oder unbewegliche Sache (Leasingobjekt) zur freien Nutzung und Verwendung für einen bestimmten Zeitraum überlässt, wobei der Leasingnehmer die Gefahr trägt und für die Erhaltung aufzukommen hat. Das formale Eigentum verbleibt bei der Leasinggeberin.4

3722

Ein Teil der Lehre hält zudem das Vorliegen eines Dreiparteienverhältnisses für 3723 begriffsnotwendig. Das sog. direkte Leasing (s. N 3728 ff.) gilt nach dieser Auffassung nicht als Leasing-, sondern als Mietvertrag.5 Kein entscheidendes Charakteristikum für ein Leasing ist die Veräusserungsabsicht der Leasinggeberin.6

III.

Funktion

Der Leasingnehmer hat beim Leasing die Möglichkeit, über einen meist längeren 3724 Zeitraum eine Sache gegen ein regelmässiges Entgelt zu gebrauchen und zu nutzen, ohne auf einen Schlag grosse Investitionen tätigen zu müssen. Der Hersteller oder Händler kann durch Leasingverträge seinen Umsatz steigern, und die Leasinggesellschaft profitiert von einer günstigen Kapitalnutzung.7

IV.

Rechtsnatur

Der Leasingvertrag ist nach hier vertretener Auffassung als gemischter Vertrag zu 3725 qualifizieren und enthält in der Regel Elemente von Kauf, Miete, eventuell Pacht und Auftrag (beim indirekten Leasing).8 In der Lehre wird der Leasingvertrag dagegen unterschiedlich eingeordnet:9 • Gebrauchsüberlassungsvertrag sui generis (Miete als zentrales Element); • Veräusserungsvertrag sui generis (Abzahlungskauf im Vordergrund) oder • Kreditvertrag sui generis (Mischung aus Darlehen und Sicherungsübereignung). 4 5 6 7 8 9

BGE 4A_404/2008 E. 4.1; BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 59. BK OR-Giger, Art. 253 N 169; s. auch Guhl/Koller, § 40 N 9. S. BGE 118 II 150 E. 6. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 61; Werro, 7. Gl.M. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 69. S. dazu BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 69 f. m.w.H.; Werro, 13.

1257

6. Kapitel

Innominatverträge

3726

Die Frage nach der Rechtsnatur sollte indes nicht überbewertet werden. Das Bundesgericht hat in seiner bisherigen Praxis zu Leasingverträgen jeweils das Gebrauchsüberlassungselement in den Vordergrund gestellt. Statt den Lehrstreit zu entscheiden hat es dabei aber vorwiegend auf den Parteiwillen und die Ausgestaltung des konkreten Vertrages abgestellt.10 Dieser bottom up-approach ist zu befürworten.11 Die abstrakte Zuordnung zu einem bestimmten (Innominat-)Typus kann nicht dafür massgeblich sein, welche Bestimmungen auf einen Vertrag anzuwenden sind. Diese Frage entscheidet sich vielmehr bei dispositivem Recht nach dem Parteiwillen und bei zwingenden Vorschriften nach deren Schutzzweck (s. N 3670).

3727

Nach Ablauf der Vertragsdauer hat der Leasingnehmer je nach Vertragsausgestaltung in der Regel die folgenden Optionen: Rückgabe des Leasingobjekts, Verlängerung des Vertrages, Eingehen eines neuen Vertrages oder Kauf des Leasingobjekts.12

V.

Erscheinungsformen

1.

Direktes und indirektes Leasing

3728

In der Praxis haben sich bezüglich der an einem Leasinggeschäft beteiligten Parteien die beiden Grundtypen direktes und indirektes Leasing herausgebildet.13

3729

Beim direkten Leasing (sog. Herstellerleasing) finanziert der Hersteller oder Lieferant das Leasing; der Leasingnehmer zahlt die meist monatlich erhobene «Miete» an diesen (Zwei-Parteien-Beziehung). In der Praxis ist das direkte Leasing von geringer Bedeutung.14

3730

Beim indirekten Leasing liegt ein Dreiecksverhältnis vor:15 Der Leasingnehmer wählt beim Dritten (Hersteller/Lieferanten) das Leasingobjekt aus. Die Leasinggeberin (Leasinggesellschaft) erwirbt den Gegenstand direkt vom Dritten und überlässt diesen dem Leasingnehmer im Rahmen eines Leasingvertrages gegen Entgelt zum Gebrauch. Meist erfolgt die Übergabe direkt vom Hersteller/Lieferanten an den Leasingnehmer (Eigentumserwerb der Leasinggeberin erfolgt mittels Stellver-

10

S. BGE 4A_404/2008 E. 4.1.2, in welchem das Bundesgericht das konkrete Leasinggeschäft «als gemischten Vertrag unter anderem mit Elementen der Miete (Gebrauchsüberlassung) und des Darlehens» qualifizierte. In BGE 118 II 150 E. 6 ging das Bundesgericht aufgrund der fehlenden Veräusserungsabsicht der Parteien von einem Gebrauchsüberlassungsvertrag aus. Offengelassen wurde die Frage in BGE 119 II 236 E. 4 = Pra 1995 Nr. 102. 11 In diesem Sinne auch Engel, CO PS, 811. 12 BGE 4A_404/2008 E. 4.1.1; 118 II 150 E. 4b. 13 Lüem, 56; Rinderknecht, 4 f. 14 Lüem, 56. 15 BGE 118 II 150 E. 4b; Koller-Tumler/Koller/Dias, 160.

1258

§ 46

Leasingvertrag

tretung; Art.  923 ZGB). Als Eigentümerin kann die Leasinggeberin das Leasingobjekt im Konkurs des Leasingnehmers alsdann herausverlangen.16 Erwirbt der Leasingnehmer das Gut vom Dritten vor dem Vertragsabschluss mit 3731 der Leasinggeberin und wird ihm dieses auch vorgängig tradiert, ist er der Eigentümer. Nach der Rechtsprechung17 kommt die von den Parteien erwünschte lease back-Wirkung wegen der Hürde von Art. 717 bzw. Art. 884 ZGB nicht zustande (s.  N  3742).18 Die beiden Artikel erfassen den Eigentumserwerb mittels Besitzeskonstitut. Der Veräusserer bleibt aufgrund eines besonderen Rechtsverhältnisses (dem Leasing) unmittelbarer Besitzer der zu veräussernden Sache, wogegen das Eigentum auf den Erwerber übergeht. Der Erwerber wird somit mittelbarer Besitzer.19 Diese Rechtslage besteht grundsätzlich auch im Verhältnis zu Dritten. Davon gibt es 3732 jedoch zwei Ausnahmen: Der Eigentumserwerb ist Dritten gegenüber unwirksam, wenn damit eine Benachteiligung Dritter, insbesondere der Gläubiger des Veräusserers, beabsichtigt ist (Art. 717 Abs. 1 ZGB). Ebenso verhält es sich bezüglich der Begründung eines Faustpfandes an einer beweglichen Sache, sofern und solange der Verpfänder im Besitz der beweglichen Sache ist (Art. 884 Abs. 1 und Abs. 3 ZGB).20 3733

ag tr er gv

Zahlen des Leasingzinses

in

Wahl des Leasingguts

as

eventuell Besitzübertragung via Übergabe an Stellvertreter (Art. 923 ZGB)

Leasinggeberin

Le

Hersteller/Lieferant

Kauf- oder Werkvertrag über Leasinggut

Leasingnehmer

Überlassen des Leasingguts für eine zum Voraus bestimmte, unkündbare Vertragsdauer

Abbildung: Beispiel für indirektes Leasing

16 BezGer Kulm, SJZ 1982, 166; s. auch BGE 7B.130/2003 E. 2.2, wo von dritter Seite ein Retentionsrecht am Leasingobjekt geltend gemacht wurde. 17 BGE 119 II 236 E. 5 = Pra 1995 Nr. 102. 18 Honsell, OR BT, 462. 19 BSK ZGB-Schwander, Art. 717 N 1 f. 20 Bucher, OR BT, 35; BSK ZGB-Schwander, Art. 717 N 3 f.

1259

6. Kapitel

2.

Innominatverträge

Mobilien- und Immobilienleasing

3734

Je nach Art des Leasingobjekts wird zwischen Mobilien- und Immobilienleasing unterschieden, wobei das Mobilienleasing viel häufiger ist. Vertragszweck eines Immobilienleasings kann z.B. der Bau grösserer Projekte (Fabrikhallen, Einkaufszentren etc.) sein.21

3735

Gegenstand des Immobilienleasings bilden Grundstücke im Sinne von Art.  655 ZGB, neben Liegenschaften also z.B. auch Stockwerkeigentumseinheiten oder Baurechtsparzellen.22 Beim Immobilienleasing wird dem Leasingnehmer in der Regel die Befugnis eingeräumt, die Immobilie auf das Ende der Vertragsdauer zu erwerben.23 Ein solches Kaufsrecht ist – anders als der Leasingvertrag selber – im Grundbuch vorzumerken (Art. 216 Abs. 2 OR; s. N 3745).

3.

Investitionsgüter- und Konsumgüterleasing

3736

Als Investitionsgüter gelten nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung «Güter, welche im und für den Geschäftsgebrauch eines Unternehmens eingesetzt werden und die ausschliesslich gewerblichen Zwecken dienen»24. Gewerblichen Charakter erlangt ein Gegenstand, wenn mit ihm Geld verdient werden kann und soll.25 Als typische Investitionsgüter gelten Maschinen, Produktionsanlagen, Lastwagen, Flugzeuge, Büromaschinen etc.

3737

Unter den Begriff Konsumgüter können alle Güter subsumiert werden, welche zu privaten Zwecken gebraucht werden (Möbel, Haushaltsapparate, Privatfahrzeuge etc.).26 Es gibt im Übrigen auch Güter, bei denen erst der Gebrauch aussagt, ob sie gewerblich und/oder privat genutzt werden.

3738

Die Unterscheidung nach dem Verwendungszweck des Leasingobjekts ist massgebend für die allfällige Anwendbarkeit der relativ zwingenden Normen des KKG (s. Art. 1 Abs. 2 lit. a und Art. 3 KKG; s. N 3744a). Investitionsgüter- und Konsumgüterleasing können sich im Einzelfall überlagern.27

21 22 23 24 25 26 27

1260

Wulkan, 36. S. Wulkan, 35 f. Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 11 N 4; Wulkan, 47 f. BGE 118 II 150 E. 4a. BGE 103 II 114 E. 4b. BGE 4A_404/2008 E. 4.1.1. CHK OR-Brunner, Vorb. Art. 184 ff./Leasing N 9; s ferner auch Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 11 N 7.

§ 46

4.

Leasingvertrag

Finanzierungs- und Operatingleasing

Mithilfe der Vertragsdauer bzw. der Kündbarkeit lässt sich unterscheiden zwischen Finanzierungsleasing und Operatingleasing:28

3739

Das Finanzierungsleasing ist die wichtigste Erscheinungsform des Leasingvertrages. 3740 Unter Finanzierungsleasing versteht die Lehre ein Rechtsgeschäft, das vorwiegend bei beweglichen Investitionsgütern zum Einsatz gelangt.29 Denkbar wären auch andere Kombinationen. Hauptmerkmal eines Finanzierungsleasings ist das Vorliegen eines Dreiecksverhältnisses,30 eines sog. indirekten Leasings also (s. N 3730). Das Finanzierungsleasing zeichnet sich durch eine lange, über diesen Zeitraum in der Regel unkündbare Vertragsdauer aus (meist drei bis fünf Jahre, bei Immobilien bis zu dreissig Jahre31). Der Leasingnehmer erhält das ausschliessliche Gebrauchsund Nutzungsrecht am Leasingobjekt. Weiter überträgt ihm die Leasinggeberin das Erhaltungsrisiko, die Gefahrtragung für den zufälligen Untergang des Leasingobjekts sowie die Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Hersteller bzw. Lieferanten.32 Mit dem Leasingvertrag wird kein Eigentumsübergang des Leasingobjekts auf den Leasingnehmer angestrebt, zumindest nicht während der Dauer des Vertrages. Oft soll wirtschaftlich betrachtet der Leasinggegenstand während der Vertragsdauer amortisiert werden. Der Vertrag ist meist auf eine 80–100% Amortisation ausgerichtet (full pay out-contracts). In der Praxis sind auch so genannte Teilamortisationsverträge üblich (non full pay out-contracts).33 Beim Operatingleasing wird ein Gegenstand – entweder von Anfang an kündbar 3741 oder aber für eine kurze, während dieser Frist nicht ordentlich kündbare Dauer (wesentlich unter der Amortisationszeit) – zum Gebrauch überlassen.34 Im Gegensatz zum Finanzierungsleasing, bei dem der Leasingnehmer eine lange Nutzung an einem meist kapitalintensiven Investitionsgut anstrebt, soll das Operatingleasing einen kurzfristigen Nutzungsbedarf an einem Gut decken. Die Leasinggeberin verfolgt beim Operatingleasing kein Finanzierungsinteresse, sondern  – wie die Vermieterin einer beweglichen Sache  – ein produkteorientiertes Absatzinteresse. Da das Leasingobjekt nach dem Ende des Leasingvertrages oft noch nicht amortisiert ist, will die Leasinggeberin den Gegenstand nach Ablauf oder Auflösung des Vertragsverhältnisses weiter verwerten. Das Operatingleasing wird denn auch oft als gewöhnliche Miete qualifiziert.35 28 29 30 31 32 33 34 35

Wulkan, 8; s. zum Ganzen Badertscher, 130 ff. BGE 118 II 150 E. 4a. BGE 118 II 150 E. 4b. S. Wulkan, 9 f. Lüem, 59. Lüem, 59; Rinderknecht, 27; Wulkan, 9. Rinderknecht, 31. Honsell, OR BT, 465; differenzierend Badertscher, 138 ff.

1261

6. Kapitel

5. 3742

3743

Sale and lease back

Beim sale and lease back als Sonderform des Leasingvertrages verkauft der Leasingnehmer seine Immobilien oder Mobilien zu einem Barpreis an eine Leasinggesellschaft und least sie sogleich zurück. Der Leasingnehmer erhält dadurch die gewünschten Barmittel, ohne auf die Nutzung der verkauften Anlagen verzichten zu müssen. Merkmal dieser Leasingvariante ist die Zwei-Parteien-Beziehung zwischen Leasingnehmer und Leasinggeberin. Im Gegensatz zum Leasing im Immobilienbereich (in welchem aufgrund des Grundbucheintrags klare Eigentumsverhältnisse bestehen) trägt die Leasinggeberin bei Mobilien das Risiko, ihre Eigentumsrechte (etwa im Konkursfall) nicht geltend machen zu können, da bei Mobilien der Eigentumsübergang auf die Leasinggesellschaft gegenüber Dritten unwirksam ist (Art. 717 Abs. 1 i.V.m. Art. 884 Abs. 3 ZGB; s. N 3731).36

VI.

Abgrenzungen

1.

Zum Kauf (Art. 184 ff. OR)

Beim Leasingvertrag besteht – im Gegensatz zum Kaufvertrag – keine Eigentumsverschaffungspflicht.

2. 3744

Innominatverträge

Zur Miete (Art. 253 ff. OR)

Den Leasingnehmer trifft in der Regel – im Gegensatz zum Mieter – nach dem Vertrag die Gefahr für den zufälligen Untergang der Sache. Bisweilen wird ihm darum die Pflicht auferlegt, den Leasinggegenstand zu versichern. Der Leasingzins stellt oft nicht nur ein Entgelt für die Nutzung und den Gebrauch dar, sondern verkörpert auch die (Teil-)Amortisation des Leasingobjekts.37 Neben der jeweiligen ökonomischen Konzeption, die sich in einer je unterschiedlichen Zuweisung von Rechten und Pflichten spiegelt, haben allfällige Differenzen bei der vertraglichen Ausgestaltung auch mit dem ungleich langen Lebenszyklus verschiedener Güter zu tun.

36 Lüem, 65; Wulkan, 15. 37 BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 72; s. auch Stengel, N 198 ff.

1262

§ 46

Leasingvertrag

VII. Geltung des KKG beim Konsumgüterleasing Beim Konsumgüterleasing ist neben dem OR auch das Konsumkreditgesetz (KKG) 3744a zu beachten. Art. 1 Abs. 2 lit. a KKG beschränkt dessen Anwendungsbereich indes auf Leasingverträge, welche folgende drei Voraussetzungen erfüllen: Erstens muss ein Leasingvertrag über eine bewegliche Sache abgeschlossen worden sein. Zweitens muss diese Sache dem privaten Gebrauch des Leasingnehmers dienen; Leasingverträge über Investitionsgüter sind somit vom Anwendungsbereich des KKG ausgeschlossen. Drittens müssen die Parteien vereinbart haben, dass bei vorzeitiger Vertragsauflösung die Leasingraten erhöht werden. In der Praxis ist es insbesondere bei Autoleasingverträgen üblich (und wirtschaftlich auch gerechtfertigt), die vorzeitige Vertragsauflösung mit einer Erhöhung der Leasingraten zu verknüpfen.38 Die rückwirkende Erhöhung soll die Amortisation der Sache, die Kosten und den Gewinn decken.39 Solche Klauseln sind für Verträge, die dem KKG unterstehen, nach Art. 17 Abs. 3 KKG ausdrücklich erlaubt und fallen nicht unter das Verbot von Art. 266k OR, welcher einen Entschädigungsanspruch bei der Kündigung ausschliesst (s. N 3785).40 Erfüllt ein Leasingvertrag die Anforderungen von Art. 1 Abs. 2 lit. a KKG, findet 3744b das Gesetz gleichwohl nur eingeschränkt Anwendung. Art. 8 Abs. 1 KKG listet diejenigen Bestimmungen auf, welche auf Leasingverträge im Sinne des KKG anwendbar sind.41 Bislang offengelassen hat das Bundesgericht die Frage, ob die Ausschlussgründe von 3744c Art. 7 KKG, insbesondere Art. 7 Abs. 1 lit. e KKG (s. dazu N 3101), bei Leasingverträgen ebenfalls zu berücksichtigen sind oder nicht. Art. 7 KKG ist in der Auflistung von Art. 8 Abs. 1 KKG nicht enthalten. Dass Art. 8 Abs. 1 KKG keinen ausdrücklichen Verweis auf Art. 7 KKG enthält, beruht nach mehrheitlicher Lehre auf einem redaktionellen Versehen. Art. 7 KKG ist deshalb – zu Recht – auch auf Leasingverträge anwendbar.42 Das KKG gilt somit nicht für Leasingverträge mit Krediten von weniger als CHF 500 oder mehr als CHF 80 000. Nach zutreffender Meinung ist für die Bestimmung der gewährten Kreditsumme an den Barkaufpreis des Leasingobjekts im Sinne von Art. 11 Abs. 2 lit. a KKG anzuknüpfen.43

38 Lupi Thomann, 123. 39 CR CO-Favre-Bulle, Art. 1 LCC N 36. 40 BGE 4A_404/2008 E. 5.3; CHK OR-Brunner, Vorb. Art. 184 ff./Leasing N 49; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7207. 41 S. Krummenacher, 39 ff.; Stengel, N 492 ff. 42 Krummenacher, 42; Müntener, 32; Stauder, JKR 2002, 94; a.M. Roth, AJP 2002, 974 f. 43 Hess, 68 FN 9; Krummenacher, 38; Stengel, N 471. A.M. Lupi Thomann, 135, die auf die Differenz zwischen Barkaufpreis und dem vertraglich festgelegten Restwert des Leasingobjekts am Ende der Vertragsdauer abstellen möchte.

1263

6. Kapitel

Innominatverträge

VIII. Gültigkeit 3745

Der Leasingvertrag ist unter Vorbehalt von Art.  11 KKG an kein Formerfordernis gebunden (Art. 11 Abs. 1 OR; zum KKG s. N 3102 ff.). In der Praxis werden oft AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen) verwendet; der Vertrag liegt also schriftlich vor. Nur in Ausnahmefällen, nämlich wenn die Eigentumsübertragung am Leasinggegenstand formbedürftig ist und der Leasingvertrag eine Option zum Erwerb des Leasingobjekts (Kaufsrecht) enthält, müssen die jeweiligen Formvorschriften betreffend Eigentumsübertragung (z.B. Art.  216 Abs.  2  OR) eingehalten werden. Die Formbedürftigkeit erfasst dabei aber nicht den gesamten Vertrag, sondern z.B. nur die das Kaufsrecht begründenden Klauseln.44

3746

Art. 11 Abs. 2 KKG statuiert einige inhaltliche Anforderungen, deren Verletzung Nichtigkeit bewirkt (Art.  15 Abs.  1 KKG; s.  N  3107). Die Wirkung tritt ex nunc ein, das heisst, der Leasingnehmer hat das Leasingobjekt zurückzugeben und die Raten zu bezahlen, die bis zum Zeitpunkt der Rückgabe geschuldet sind.45 Ein nicht «abgedeckter» Verlust geht zulasten der Leasinggeberin (Art. 15 Abs. 4 KKG). Ob die geforderten Inhaltsangaben im Hauptvertrag oder in den wirksam einbezogenen AGB stehen, spielt unseres Erachtens ausser für den Kontrollmassstab keine Rolle.46

3747

IX.

Pflichten der Parteien

1.

Leasinggeberin

1.1

Allgemeine Pflichten

Die Leasinggeberin ist verpflichtet, dem Leasingnehmer das entsprechende Objekt für eine bestimmte Dauer zum Gebrauch und zur Nutzung zu überlassen. Die Pflichten und Obliegenheiten der Käuferin gegenüber dem Lieferanten werden beim indirekten Leasing – mit Ausnahme der Pflicht zur Bezahlung des Kaufpreises – oft vertraglich auf den Leasingnehmer übertragen (s. N 3762 ff.).47

44 45 46 47

1264

Zum Immobilienleasing s. BGE 132 III 549 E. 2. Krummenacher, 60. S. aber Stauder, Konsumkreditrecht, 264. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 77 m.w.H.

§ 46

1.2

Leasingvertrag

Pflicht zur Kreditfähigkeitsprüfung

Soweit auf den Leasingvertrag das KKG anwendbar ist (s. N 3744a ff.), hat die Lea- 3748 singgeberin eine Kreditfähigkeitsprüfung im Sinne von Art. 28 Abs. 2 und Abs. 3 KKG (s. N 3109 ff.) durchzuführen (Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 29 Abs. 1 KKG). Für den Fall, dass die Leasinggeberin diese Pflicht verletzt, droht das KKG unterschiedliche Sanktionen an, je nachdem, ob der Verstoss schwerwiegend (Art. 32 Abs. 1 KKG) oder geringfügig (Art. 32 Abs. 2 KKG) ist. Was als schwerwiegender und was als geringfügiger Verstoss anzusehen ist, ist Ermessensfrage (s. auch N 3111).48 Als schwerwiegende Verstösse sind nach der Lehre z.B. die Unterlassung der Kreditfähigkeitsprüfung oder der Abschluss eines Leasingvertrages trotz negativer Kreditfähigkeitsprüfung zu qualifizieren.49 Ein schwerwiegender Verstoss hat gemäss Art. 32 Abs. 1 KKG zur Folge, dass die Leasinggeberin die Kreditsumme samt Zinsen und Kosten verliert. Dies bedeutet nach zutreffender Ansicht, dass der Leasingvertrag nichtig ist (s. N 3111a ff.).

3749

Umstritten ist in der Lehre sodann die Frage, was beim Leasingvertrag der «Kre- 3750 ditsumme» entspricht, deren Verlust das Gesetz bei schwerwiegenden Verstössen anordnet. Ein Teil der Lehre versteht darunter das Leasingobjekt. Die Leasinggeberin kann dieses demnach nicht zurückverlangen.50 Dagegen ist einzuwenden, dass die «Kreditsumme» genau besehen den nutzungsbedingten Wertverlust des Leasingobjekts (Amortisationsanteil) entgelten soll.51 Darin liegt das kreditähnliche Element des Leasingvertrages. Folglich kann die Leasinggeberin das Leasingobjekt trotz Art.  32 Abs.  1 KKG zurückverlangen. Der Leasingnehmer schuldet jedoch kein Entgelt für die bis dahin erfolgte Benutzung des Leasingobjekts; die Leasinggeberin muss ihm die bereits erhaltenen Leasingraten vollumfänglich zurückerstatten.52 Bei Art. 32 Abs. 2 KKG verliert die Leasinggeberin die künftigen Zinsen und Kos- 3751 ten, nicht aber die Kreditsumme. Dies bedeutet, dass die Leasingrate um den Zins herabzusetzen ist, sodass der Leasingnehmer nur noch den Amortisationsanteil zu bezahlen hat.53 Letzterer entspricht dem Barkaufpreis im Sinne von Art. 11 Abs. 2 lit. a KKG, welcher durch die Anzahl Leasingperioden geteilt wird,54 wobei nach unserer Meinung auch der Restwert in Abzug zu bringen ist.

48 49 50 51 52 53 54

Krummenacher, 187; ausführlich zur Abgrenzung Müntener, 49 ff. Krummenacher, 189. Schmid, JKR 2002, 72. Müntener, 46 f. m.w.H.; s. auch BGE 4A_404/2008 E. 4.1.2. Hess, 85 f.; Krummenacher, 216 und 244; Müntener, 48. Koller-Tumler, JKR 2002, 42; Müntener, 49. Koller-Tumler, JKR 2002, 42.

1265

6. Kapitel

2. 3752

Innominatverträge

Leasingnehmer

Der Leasingnehmer ist verpflichtet, der Leasinggeberin den vereinbarten Leasingzins (meist in monatlichen Tranchen) zu zahlen. Weiter trägt der Leasingnehmer in der Regel sämtliche Kosten, so auch die Ausgaben für den aussergewöhnlichen Unterhalt und die Prämien für die Versicherung des Leasinggegenstandes.55

X.

Leistungsstörungen beim indirekten Leasing

1.

Zu vertretende Unmöglichkeit und Schuldnerverzug

3753

Die Haftung der Leasinggeberin für Nicht- oder verspätete Lieferung wird in den AGB oft wegbedungen (s. dagegen das Freizeichnungsverbot von Art. 256 Abs. 2 lit. a OR; s. N 3777 f.). Verschiedentlich bleibt der Leasinggeberin der Exkulpationsbeweis vorbehalten (Beweislastumkehr im Vertrag).56 Verschuldet die Leasinggeberin die Unmöglichkeit oder den Verzug, kann der Leasingnehmer nach Art. 97 Abs. 1 bzw. Art. 102 ff. OR vorgehen.57

3754

Hat der Lieferant die Unmöglichkeit oder die Verspätung zu verantworten, trifft die Leasinggeberin in der Regel kein Verschulden. Der Leasingnehmer kann allenfalls nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation (s. N 1600 f.) oder via Forderungsabtretung gegen den Lieferanten vorgehen (Schranke: Freizeichnung des Lieferanten; s. N 3779 ff.).58 Meist enthalten die AGB für diesen Fall eine Abtretung der Ansprüche der Leasinggeberin gegen den Lieferanten an den Leasingnehmer.

3755

Da für den Leasingzins in der Regel ein Verfalltag vereinbart wird, fällt der Leasingnehmer mit Ablauf dieses Tages in Verzug (Art. 102 Abs. 2 OR). Die Leasinggeberin ist daher ohne vorgängige Mahnung berechtigt, einen Verzugszins zu verlangen (Art. 104 OR). Nach Ablauf der (zu setzenden) Nachfrist stehen ihr die Wahlrechte von Art. 107 Abs. 2 OR zu.

2. 3756

Nicht zu vertretende Unmöglichkeit: Gefahrtragung

Mit der Übergabe des Leasingobjekts geht die Gefahr nach dem Vertrag von der Leasinggeberin auf den Leasingnehmer über. Geht die Sache somit nach Abschluss des Leasingvertrages, aber vor Übergabe des Objekts unter, handelt es sich um nach55 56 57 58

1266

BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 59 und N 76. Iten, 85. Iten, 86; s. Renz, 114; ausführlich Schluep, 109 f. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 80.

§ 46

Leasingvertrag

trägliche Unmöglichkeit (Art. 97 Abs. 1 und Art. 119 OR);59 diese betrifft sowohl den Vertrag zwischen der Leasinggeberin und dem Lieferanten/Hersteller als auch den Leasingvertrag. Mit der Gefahrtragung ist mangels einer vertraglichen Regelung die Obliegenheit 3757 verbunden, das Leasingobjekt zu versichern (umstritten; ein Teil der Lehre will die Versicherungslast im Zweifel der Leasinggeberin auferlegen).60 Der Leasingnehmer hat in der Regel nach Untergang der Sache den Leasingzins weiter zu bezahlen. Diese vom Mietrecht (Art. 256 OR) abweichende Zuweisung der Gefahr wird heute in der Tendenz als gültig anerkannt.61 3758 Rechtsfolgen der Unmöglichkeit (Art. 97 und Art. 119 OR)

Gefahrtragung in der Regel durch den Leasingnehmer

t Leasingvertrag

Übergabe des Leasingguts

Abbildung: Gefahrtragung

3.

Übertragung von Prüfungs- und Rügeobliegenheiten

Die kaufrechtliche (eventuell werkvertragsrechtliche) Prüf- und Rügeobliegenheit 3759 (Art. 201, Art. 367 und Art. 370 OR) wird in den AGB meist auf den Leasingnehmer übertragen. In der Praxis bezahlt die Leasinggeberin dem Lieferanten/Hersteller den Kaufpreis/Werklohn erst, wenn der Leasingnehmer ein sog. Übernahmeprotokoll (Prüfung der Sache auf Mangelhaftigkeit, Bestätigung der Lieferung) unterzeichnet hat.62

59 Honsell, OR BT, 465. 60 S. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 84 m.w.H.; Schluep, 113. 61 ZR 1998, 124 ff. (bestätigt durch das Bundesgericht am 24. Oktober 1997); Honsell, OR BT, 465. Kritisch Werro, 17 f., welcher die Abwälzung der Gefahr auf den Leasingnehmer als unzulässig erachtet, wenn sie in global übernommenen AGB erfolgt. 62 BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 82.

1267

6. Kapitel

4.

Innominatverträge

Sachgewährleistung

3760

Bei einem Konsumgüterleasing im Geltungsbereich des KKG kann der Leasingnehmer gemäss Art. 21 KKG bei gegebenen Voraussetzungen direkt gegen die Leasinggeberin vorgehen, falls der Lieferant ein mangelhaftes Objekt liefert (s. N 3118).63

3761

Beim Investitionsgüterleasing (Leasingobjekt für gewerbliche Zwecke; s.  N  3736) kommt das KKG (s.  N  3720 und N  3098  ff.) dagegen per definitionem nicht zur Anwendung; Leasingnehmer ist ein Unternehmen (= business). Ist hier der Leasinggegenstand mangelhaft, kommt es meist zu Produktionsausfällen und Ertragseinbussen. Dementsprechend hat der Leasingnehmer ein besonderes Interesse an einer klaren und rasch durchsetzbaren Sachgewährleistungsordnung. Zwischen dem Leasingnehmer und dem Lieferanten (welcher für ein Einstehen aus Sachgewährleistungsrecht am besten geeignet wäre) besteht kein Vertragsverhältnis. Der an sich anspruchsberechtigten Leasinggeberin fehlt als Finanzierungsgesellschaft die nötige Nähe zum Leasingobjekt. In der Praxis lösen die Vertragsparteien dieses Problem regelmässig, indem sie die Gewährleistungspflicht der Leasinggeberin vertraglich ausschliessen und gleichzeitig die kauf- oder werkvertragsrechtlichen Ansprüche der Leasinggeberin gegenüber dem Lieferanten/Hersteller an den Leasingnehmer abtreten.64 4.1

3762

Dem Leasingnehmer fehlt von Gesetzes wegen in der Regel ein Anspruch, um seine Sachmängelansprüche gegenüber dem Lieferanten geltend zu machen. Nach Fatzer bieten sich zur Abhilfe drei mögliche Vertragskonstruktionen an:65 eine Abtretung von Sachmängelrechten, eine Vollmacht zur Geltendmachung von Sachmängelrechten (Ermächtigungskonstruktion) oder ein echter Vertrag zugunsten eines Dritten (des Leasingnehmers). a.

3763

Sachmängelansprüche des Leasingnehmers gegenüber dem Lieferanten?

Abtretung von Sachmängelrechten

Gemäss Bundesgericht66 und herrschender Lehre ist das Recht, Wandlung oder Minderung des Kaufvertrages zu erklären, nicht abtretbar, weil es sich hierbei um ein Gestaltungsrecht handelt (abtretbar ist hingegen die Forderung, die aus der Ausübung eines Gestaltungsrechts resultiert).67 Nur die Abtretung des Nachbesserungs- und Ersatzlieferungsrechts wird für zulässig erachtet. Honsell plädiert 63 Hess, 78 f. 64 Fatzer, 3. 65 S. zum Ganzen Fatzer, 38 ff. 66 BGE 114 II 239 E. 5b aa. 67 Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3424 m.w.H.

1268

§ 46

Leasingvertrag

gleichwohl unter Hinweis auf die deutsche Rechtsprechung für die grundsätzliche Abtretbarkeit der Sachgewährleistungsansprüche «im Bündel».68 Auch unserer Meinung nach müsste der Grundsatz der Nichtabtretbarkeit von Gestaltungsrechten neu überdacht werden. Es ist nicht nachvollziehbar, welche schutzwürdigen Interessen durch die Abtretung derselben verletzt werden könnten. Auch mit dem Bestimmtheits- bzw. Bestimmbarkeitsprinzip wäre nach unserem Dafürhalten eine solche Abtretung vereinbar. b.

Vollmacht zur Geltendmachung von Sachmängelrechten (Ermächtigungskonstruktion)

Bei dieser Konstruktion wird der Leasingnehmer vertraglich ermächtigt, als direk- 3764 ter Stellvertreter der Leasinggeberin Sachmängelansprüche geltend zu machen. Der Leasingnehmer hat zwar in der Regel kein vorgängig eingeräumtes Recht auf ein selbständiges Vorgehen gegen den Lieferanten. Vielmehr muss er bei jedem Gewährleistungsfall bei der Leasinggeberin eine sog. Prozessvollmacht einholen. Prozesspartei ist die Leasinggesellschaft. Diese ermächtigt den Leasingnehmer, im Namen der Leasinggesellschaft gegenüber dem Lieferanten die Sachmängelrechte Wandlung, Minderung, Ersatzlieferung oder Nachbesserung geltend zu machen, soweit der Kaufvertrag diese gewährt. Die schweizerischen Leasinggesellschaften haben sich im grossen Ganzen für diese Möglichkeit entschieden.69 c.

Echter Vertrag zugunsten eines Dritten (zugunsten des Leasingnehmers)

Ein Leasingvertrag, der als echter Vertrag zugunsten eines Dritten ausgestaltet wird, 3765 verlangt im Kaufvertrag zwischen dem Lieferanten und der Leasinggeberin eine Begünstigungsklausel zugunsten des Leasingnehmers (Art. 112 Abs. 2 OR). Dieser wird zur Geltendmachung der Sachmängelansprüche aus dem Kaufvertrag berechtigt. In der Praxis der schweizerischen Leasinggesellschaften wurde offenbar bislang von dieser an sich einleuchtenden Ausgestaltungsvariante kaum Gebrauch gemacht.70 Möglich wäre auch die nachträgliche Vereinbarung einer Begünstigungsklausel. 4.2

Sachmängelansprüche im Einzelnen

Nach dispositivem Recht sind  – soweit zwischen dem Lieferanten und der Lea- 3766 singgeberin ein Kaufvertrag vorliegt – Wandlung (Art. 205 Abs. 1 OR), Minderung (Art. 205 Abs. 1 OR) und – bei Gattungsware – Ersatzlieferung (Art. 206 OR) vor68 S. Honsell, OR BT, 117 f., 322 f. und 467; s. auch BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 164 N 5a, welche die Abtretbarkeit von Gestaltungsrechten grundsätzlich bejahen. 69 Fatzer, 44 ff. 70 Fatzer, 51 ff.

1269

6. Kapitel

Innominatverträge

gesehen. Vertraglich wird dem Käufer häufig anstelle der gesetzlichen Rechte ein Nachbesserungsrecht, allenfalls auch ein Recht auf Ersatzlieferung, eingeräumt.71 Im Folgenden ist zu untersuchen, welche Auswirkungen die Ausübung des jeweiligen Gewährleistungsrechts auf die Pflicht des Leasingnehmers zur Zahlung der Leasingraten hat. a.

Wandlung

3767

Wird der Kaufvertrag gewandelt, so wird auch der Leasingvertrag aufgehoben; dies ergibt sich meist direkt aus den AGB oder sonst allenfalls aus dem (hypothetischen) Parteiwillen.72 Der Leasingnehmer muss diesfalls keine weiteren Raten mehr bezahlen bzw. kann zu viel bezahlte Raten zurückfordern (zum Liquidationsverhältnis s. N 2661 ff., N 960 ff.).73

3768

Nach zutreffender Meinung treten die Wirkungen der Wandlung bereits im Zeitpunkt der Erklärung ein74 und nicht erst, wenn ein gerichtliches Gestaltungsurteil oder eine Anerkennung seitens des Lieferanten vorliegt.75

3769

Wurde das Wandlungsrecht nicht wegbedungen und wird es (zu Recht) ausgeübt, so sind die erwähnten Folgen (namentlich Aufhebung des Leasingvertrages, Einstellen der Zahlung weiterer Leasingraten sowie Rückforderbarkeit bereits bezahlter Raten) unseres Erachtens zwingend: Die Leasinggeberin kann ihre Pflichten alsdann nämlich nicht mehr erfüllen, und es wäre widersprüchlich, wenn sie die Wandlung zwar erlauben, aber deren Ausübung durch die Pflicht des Leasingnehmers, die Raten weiter zu bezahlen, faktisch aushebeln würde. b.

3770

Minderung

Bei einer Minderung des Kaufpreises sind auch die Leasingraten proportional herabzusetzen, da sich die Leasinggeberin ansonsten auf Kosten des Leasingnehmers bereichern würde, was nicht sachgerecht wäre.76 Die AGB sehen denn auch regelmässig anlässlich der Minderung eine proportionale Herabsetzung der Leasingraten vor. Wie bei der Wandlung ist unseres Erachtens davon auszugehen, dass die Wirkungen im Zeitpunkt der Erklärung eintreten.77 Der Leasingnehmer kann die zu viel bezahlten Raten zurückfordern oder mit künftigen Raten verrechnen.78

71 Hess/Krummenacher, 95. 72 S. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 N 83; Fatzer, 100. 73 Fatzer, 104. 74 Bucher, OR BT, 99; CHK OR-Müller-Chen, Art. 208 N 1; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 764. 75 Fatzer, 102; Keller/Siehr, 88. 76 Fatzer, 109; s. auch Schluep, 111. 77 Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 764 und N 791; a.M. Fatzer, 109. 78 Fatzer, 110.

1270

§ 46

c.

Leasingvertrag

Nachbesserung und Ersatzlieferung

Regelmässig wird in den AGB statuiert, dass die Geltendmachung von Gewährleis- 3771 tungsansprüchen den Leasingnehmer nicht von der Einhaltung seiner vertraglichen Pflichten entbinde. Insbesondere sei er nicht berechtigt, für die Zeit des (teilweisen) Ausfalls des Leasingobjekts eine Sistierung oder Ermässigung der Leasingrate zu verlangen. Dies bedeutet, dass der Leasingnehmer nach dem Willen der Leasinggesellschaft auch im Falle der Nachbesserung oder Ersatzlieferung den Leasingzins zu bezahlen hat. In der Lehre wird vorgebracht, dass dieses Risiko nur auf den Leasingnehmer abgewälzt würde, um die Leasingrate zu verbilligen.79 Grundsätzlich ist nichts gegen eine solche Risikoabwälzung einzuwenden; so wird z.B. bei Kaufverträgen über reduzierte Waren häufig das Wandlungsrecht wegbedungen. Störend ist aber, dass insbesondere einem Konsumenten bei Vertragsschluss in der Regel nicht bewusst sein dürfte, dass er ein solches Risiko übernimmt und der offerierte Zins nur scheinbar günstig ist. Im Rahmen vertraglicher Verhandlungen haben die Parteien sich gegenseitig nach 3772 Treu und Glauben über Tatsachen zu informieren, welche geeignet sind, den Willen der Gegenpartei zum Vertragsschluss überhaupt oder zum Vertragsschluss unter gewissen Bedingungen zu beeinflussen.80 Der Umfang einer allfälligen Aufklärungspflicht ergibt sich aus den Umständen des Einzelfalles, insbesondere der Natur und Bedeutung des Vertrages, den Kenntnissen der Beteiligten sowie dem fachlich und persönlich bedingten Informationsgefälle zwischen den Vertragspartnern.81 Das zusätzliche Risiko ist unseres Erachtens geeignet, den Willen des Leasingnehmers zu beeinflussen; Leasingverträge dauern oft über einen längeren Zeitraum hinweg und können  – namentlich bei Konsumenten  – ein erhebliches Schuldenrisiko darstellen; schliesslich liegt bei Konsumverträgen regelmässig auch eine Informationsasymmetrie vor. Eine solche Aufklärungspflicht ergibt sich unseres Erachtens auch aus einer Loyali- 3773 tätspflicht der Leasinggeberin: Sie ist nämlich formelle Eigentümerin und hat – wie sich bei entsprechenden Informations- und Verhaltenspflichten des Leasingnehmers zeigt – regelmässig ebenfalls ein Interesse daran, dass das Leasingobjekt mängelfrei ist. Schliesslich dient das Leasingobjekt der Leasinggeberin wirtschaftlich auch als Sicherungsmittel.82 Umgekehrt wählt der Leasingnehmer das Leasingobjekt aus und ist wirtschaftlicher Eigentümer. Diese Aufspaltung der Eigentümerstellung bewirkt eine besondere Nähe bzw. Interessenparallelität zwischen Leasinggeberin und Leasingnehmer, woraus sich die gegenseitigen Loyalitätspflichten der Parteien zu ergeben vermögen. 79 80 81 82

S. Krummenacher, 141 f.; s. auch Metzler/Schmuki, AJP 2005, 582; Schatz, AJP 2006, 1049. BGE 4C.202/2002 E. 3.2. BGE B 160/06 E. 4.2.2; s. auch BGE 105 II 75 E. 2a. Koller-Tumler/Koller/Dias, 162 FN 18; Krummenacher, 144.

1271

6. Kapitel

Innominatverträge

3774

Gegen eine Aufklärungspflicht kann eingewendet werden, dass sich die Risikozuweisung aus den AGB ergebe und nicht ungewöhnlich sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Ungewöhnlichkeitsregel im Rahmen der Wirksamkeit eine Rolle spielt, während die Aufklärungspflicht zum Teil vorvertraglicher Natur ist und darum auch nicht Ungültigkeit bewirkt (s. N 1562).

3775

Es ist somit unseres Erachtens eine gegenseitige Auskunftspflicht zwischen Leasingnehmer und Leasinggeberin anzunehmen; diese ergibt sich aus der aufgespaltenen Zuständigkeit für das Objekt und den diesbezüglich gleichläufigen Interessen.

3776

Verletzt die Leasinggeberin ihre Aufklärungs- bzw. Auskunftspflicht und sind auch die übrigen Haftungsvoraussetzungen erfüllt, so hat der Leasingnehmer einen Schadenersatzanspruch aus Art.  97 Abs.  1  OR gegenüber der Leasinggeberin. Diesen kann er bei gegebenen Voraussetzungen (s. N 759 ff.) mit der Zinsforderung verrechnen. 4.3

3777

Wegbedingung der Haftung

In der Praxis zeichnet sich die Leasinggeberin in den AGB in aller Regel im gesetzlich zulässigen Rahmen von der Sachmängelhaftung frei.83 Die herrschende Lehre spricht sich überwiegend für eine Zulässigkeit dieser Wegbedingung aus. Fatzer z.B. rechtfertigt eine Beschränkung der Sachmängelhaftung mit der fehlenden Einflussmöglichkeit der Leasinggeberin auf die Auswahl und die Qualität der Sache (im Gegensatz zum Vermieter).84 Überdies sei beim Finanzierungsleasing der Leasingnehmer meist geschäftserfahren und rechne mit einer Beschränkung der Haftung in den AGB.85 Die analoge Beachtung von Art. 256 Abs. 2 lit. a OR sei somit nicht erforderlich.86 Demgegenüber hält ein Teil der Lehre die zwingenden Bestimmungen des Mietrechts (insbesondere Art. 256 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a, Art. 256a und Art. 259 ff. OR) für anwendbar.87 Man könnte auch argumentieren, dass der Leasingnehmer bei gegebenen Voraussetzungen gemäss Art. 21 KKG «das (unabdingbare) Recht hat, sich beim Konsumgüterleasing im Falle einer nicht vertragskonformen Lieferung des Leasingobjekts auch dann an den Leasinggeber zu halten, wenn im Leasingvertrag eine Freizeichnungsklausel oder eine Gewährleistungsmodifikationsklausel enthalten ist»88. 83 84 85 86

Hess/Krummenacher, 105. S. Fatzer, 23 ff. Fatzer, 26 f. Fatzer, 26 f.; im Ergebnis gleich BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 83; Engel, CO PS, 809; Hess/Krummenacher, 109 ff.; s. Metzler/Schmuki, AJP 2005, 581 (in Bezug auf das Immobilienleasing); s. ferner Schluep, 111; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7180. 87 ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 253–274g N 178; Koller-Tumler/Koller/Dias, 167; s. Stöckli, 19; Wiegand, recht 1992, 111. 88 Koller-Tumler/Koller/Dias, 159 f. und 171 ff.; s. ferner Stöckli, 20 f.

1272

§ 46

Leasingvertrag

Einem vollständigen Haftungsausschluss sind so oder so gewisse Schranken gesetzt. 3778 Gemäss Art. 100 Abs. 1 OR ist ein Haftungsausschluss unbeachtlich, wenn die Leasinggeberin den Vertrag grobfahrlässig oder vorsätzlich schlecht erfüllt hat.89 4.4

Schadenersatzanspruch des Leasingnehmers?

In der Lehre unbestritten ist die Abtretbarkeit von Schadenersatzforderungen. 3779 Allerdings stellt sich infolge einer Freizeichnung der Leasinggeberin gegenüber dem Leasingnehmer das Problem, dass der Leasinggeberin aus der Verletzung des Vertrages zwischen ihr und dem Lieferanten gar kein Schaden entsteht. Infolge des fehlenden Schadens der Leasinggeberin ist weder eine Abtretung noch die Erteilung einer Vollmacht geeignet, dem Leasingnehmer zum Ersatz seines Schadens zu verhelfen. Es stellt sich daher die Frage, wie der Leasingnehmer diesen Schaden gegenüber dem Lieferanten geltend machen kann. In der Lehre wurden folgende Lösungsvarianten entwickelt:90 echter Vertrag zugunsten eines Dritten im Sinne von Art. 112 Abs. 2 OR (s. N 3780), Drittschadensliquidation (s. N 3781) und Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (s. N 3782). a.

Echter Vertrag zugunsten eines Dritten

Ein solcher Vertrag liegt vor, wenn Lieferant und Leasinggeberin in einer Begüns- 3780 tigungsklausel vereinbaren, dass der Leasingnehmer berechtigt sein soll, Mangelfolgeschäden gegenüber dem Lieferanten geltend zu machen (Art. 112 Abs. 2 OR; s. N 1137 ff.).91 b.

Drittschadensliquidation

Eine Gläubigerin (Leasinggeberin) darf nach diesem Haftungsinstrument gegen- 3781 über dem Schuldner (Hersteller) einen Schaden geltend machen (liquidieren), der nicht bei ihr selbst, sondern bei einem Dritten entstanden ist, sofern eine für den Schuldner zufällige Schadensverlagerung von der Gläubigerin auf einen Dritten vorliegt (s.  N  1600  f.). Die Drittschadensliquidation verlangt, dass der Schaden nicht bei der Leasinggeberin als Vertragspartnerin, sondern bei einem Dritten, dem Leasingnehmer, entsteht. Weiter stellt nach dieser Theorie die Haftungsbefreiung (Freizeichnung) der Leasinggeberin gegenüber dem Leasingnehmer beim Leasingvertrag einen Umstand dar, der ausserhalb des Kaufvertrages liegt und aus der Perspektive des Lieferanten eine Zufälligkeit darstellt.92 Ohne eine solche Freizeichnung könnte sich der Leasingnehmer mit Schadenersatzforderungen an die Lea89 90 91 92

BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 83; Fatzer, 34. Fatzer, 59 ff. Fatzer, 62 ff. Fatzer, 71; a.M. Stauder, 108.

1273

6. Kapitel

Innominatverträge

singgeberin wenden. Der Leasingnehmer lässt sich den Anspruch auf Ersatz eines Drittschadens gegenüber dem Lieferanten von der Leasinggeberin abtreten und klagt somit im Ergebnis seinen Schaden selbst ein. In der schweizerischen Lehre und Rechtsprechung ist die Drittschadensliquidation nur für Fälle der indirekten Stellvertretung allgemein anerkannt.93 So ist in der Schweiz – trotz der Verwandtschaft mit der indirekten Stellvertretung – die Drittschadensliquidation beim indirekten Leasing zu Unrecht (noch) nicht anerkannt. c. 3782

3783

Einem unbeteiligten Dritten soll dank Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu einem vertraglichen Anspruch gegen einen der Vertragspartner verholfen werden. Vorausgesetzt ist, dass der Dritte (Leasingnehmer) im Gefahrenbereich des Vertrages steht, die Gläubigerin (Leasinggeberin) ein schutzwürdiges Interesse am Einbezug des Dritten in den vertraglichen Schutzbereich hat, der Schuldner (Hersteller) über die beiden genannten Voraussetzungen informiert wurde und der Dritte schutzbedürftig ist (s. N 1567 ff.). In der Schweiz ist das genannte Rechtsinstitut umstritten (s. dazu N 1573 ff.).

XI.

Beendigung

1.

Ordentliche Beendigung

Mit Ablauf der festgelegten Vertragsdauer ist der Leasingvertrag beendet.94 Möglich ist auch die Ausgestaltung als (allenfalls nach einer Mindestdauer) periodisch verlängerbarer Vertrag. Die Verlängerung wird bisweilen als Automatismus ausgestaltet, was mittels der AGB-Kontrolle zu regulieren ist.

2. 3784

Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

Ausserordentliche Beendigung

Nichterfüllung durch den Leasingnehmer oder die Leasinggeberin kann nach Art. 107 ff. OR zur Auflösung des Vertrages führen. Als Dauerschuldverhältnis ist der Leasingvertrag zudem jederzeit aus wichtigen Gründen kündbar.95 Die herrschende Lehre betrachtet den Leasingvertrag auch als aufgelöst, wenn Wandlung erklärt wird (s. N 3767). Für den Gebrauch des Leasingobjekts hat der Leasingnehmer ein Entgelt zu entrichten. 93 94 95

1274

Fatzer, 69 ff. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 85. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 86.

§ 46

Leasingvertrag

Art. 17 Abs. 3 KKG sieht ein zwingendes Kündigungsrecht des Leasingnehmers bei 3785 Leasingverträgen, welche unter den Anwendungsbereich des KKG fallen, vor. Der Leasingnehmer kann das Leasingverhältnis auf das Ende einer dreimonatigen Leasingdauer und mit einer Frist von 30 Tagen vorzeitig kündigen. Bei einer vorzeitigen Beendigung hat die Leasinggeberin Anspruch auf eine Entschädigung, deren Höhe sich nach der Tabelle gemäss Art. 11 Abs. 2 lit. g KKG bestimmt. Ausserhalb des Anwendungsbereichs des KKG sind solche Entschädigungs- bzw. Nachzahlungsvereinbarungen unter dem Blickwinkel von Art. 266k OR zu beurteilen.96 Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist diese mietrechtliche Bestimmung als Auffangnorm analog auf Leasingverträge betreffend Konsumgüter anwendbar.97 Sieht der Vertrag für eine vorzeitige Auflösung Nachzahlungen vor, so müssen sich diese ihrer Höhe nach wirtschaftlich als Entgelt für die Gebrauchsüberlassung des Leasingobjekts während der vereinbarten Leasingdauer rechtfertigen lassen. Eigentliche Vertragsstrafen für eine vorzeitige Kündigung sind untersagt.98

XII. Internationales Seit dem 1. Mai 1995 gilt auf internationaler Ebene die UNIDROIT Convention on International Financial Leasing vom 28. Mai 1988.99

96 97 98 99

S. Werro, 26 ff. BGE 4A_404/2008 E. 4.1.4 und E. 4.2. Ausführlich dazu BGE 4A_404/2008 E. 5. Abrufbar unter , besucht am 3. Januar 2019; deutsche Übersetzung als Anhang zu Ebenroth, 228 ff.

1275

3786

§ 47 Lizenzvertrag Grundlagenliteratur Bucher, OR BT, 37 ff.; Engel, CO PS, 773 ff.; Honsell, OR BT, 481 ff.; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 12 N 29 ff.; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 2482; Tercier/Bieri/ Carron, CO PS, N 7304 ff.

Weiterführende Literatur Bortolani Sergio, Markenlizenzvertrag, in: Weinmann Conrad/Münch Peter/Herren Jürg (Hrsg.), Schweizer IP-Handbuch, Basel 2013, 593–629; Day Stefan, Patent- und Know-how-Lizenzvertrag, in: Münch Peter/Kasper Lehne Sabina/Probst Franz (Hrsg.), Schweizer Vertrags-Handbuch, Musterverträge für die Praxis, 3. Aufl., Basel 2018, 1457–1482; Fischer Roland/Dorigo Lara, Patent- und Know-how-Lizenzvertrag, in: Weinmann Conrad/Münch Peter/Herren Jürg (Hrsg.), Schweizer IP-Handbuch, Basel 2013,  333– 396; Frey Conrad, Die Rechtsnatur der Patentlizenz, Diss. Zürich 1976; Fröhlich-Bleuler Gianni, Softwareverträge, 2. Aufl., Bern 2014; Hilty Reto M., Lizenzvertragsrecht – Systematisierung und Typisierung aus schutz- und schuldrechtlicher Sicht, Bern 2001 (zit.: Hilty, Lizenzvertragsrecht); Hilty Reto M., Die Rechtsgrundlage des Lizenzvertrages, in: Aspekte des Wirtschaftsrechts, FS zum Schweizerischen Juristentag 1994, Zürich 1994, 111–127 (zit.: Hilty, Rechtsgrundlage); Huguenin Claire/Hilty Reto M. (Hrsg.), Schweizer Obligationenrecht 2020, Entwurf für einen neuen allgemeinen Teil, Zürich 2013 (zit.: OR 2020-BearbeiterIn); Iskic Maria/Strobel Eva-Maria, Lang lebe die Unterlizenz!?!, sic! 2013, 682– 689; Joller Gallus, Markenlizenzvertrag, in: Münch Peter/Kasper Lehne Sabina/ Probst Franz (Hrsg.), Schweizer Vertrags-Handbuch, Musterverträge für die Praxis, 3. Aufl., Basel 2018, 1387–1405; Krauskopf Patrik L./Russ Sebastian D., Lizenzverträge und Wettbewerbsrecht, sic! 2014, 753–768; Leimgruber Stefan, Risikoverteilung im Lizenzvertrag – Wer trägt die Folgen der Patentnichtigkeit?, sic! 2014, 421–435; Marbach Eugen/Ducrey Patrik/Wild Gregor, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, 4. Aufl., Bern 2017; Mauerhofer Marc André, Die Rechtsstellung des Lizenznehmers im Verletzungsprozess, Diss. Bern 2010; Menn Annatina, Bemerkungen zum Urteil des Bundesgerichts vom 17. Februar 2015 «Von Roll Hydro/Von Roll Water», sic! 2015, 633–638; Passadelis Nicolas, SoftwareLizenzvertrag, in: Münch Peter/Kasper Lehne Sabina/Probst Franz (Hrsg.), Schweizer Vertrags-Handbuch, Musterverträge für die Praxis, 3. Aufl., Basel 2018, 1961–1978; Pedrazzini Mario, Versuch einer Nominalisierung des Lizenzvertrages, in: FS Schluep, Zürich 1988, 413–422; Probst Thomas, Der Lizenzvertrag: Grundlagen und Einzelfragen, Jusletter 2. September 2013; Rehbinder Manfred, Schweizerisches Urheberrecht, 3. Aufl., Bern 2000; Schramm Peter, Designlizenzvertrag, in: Weinmann Conrad/Münch Peter/Herren Jürg (Hrsg.), Schweizer IP-Handbuch, Basel 2013, 849–862; Stieger Werner, Zur Beendigung des Lizenzvertrages nach schweizerischem Recht, sic! 1999, 3–16; Thouvenin Florent/ Bircher Marcel/Fischer Roland, Repetitorium Immaterialgüterrecht, 3.  Aufl., Zürich 2016; Tissot Nathalie, Contrat de licence – responsabilités et garanties, sic! 2000, 473–486;

1276

§ 47

Lizenzvertrag

Troller Kamen, Grundzüge des schweizerischen Immaterialgüterrechts, 2. Aufl., Basel 2005; von Büren Roland, Der Lizenzvertrag, in: von Büren Roland/David Lucas (Hrsg.), SPR Bd. I/1, 2. Aufl., Basel 2002, 293–429; Weinmann Conrad, Die Rechtsnatur der Lizenz, Diss. Bern 1996; Zenhäusern Urs, Der internationale Lizenzvertrag, Diss. Freiburg 1991.

I.

Begriff

Bei einem Lizenzvertrag verpflichtet sich der Lizenzgeber dazu, der Lizenznehmerin das Nutzungsrecht an einem Immaterialgut und/oder an einem Immaterialgüterrecht zu gewähren, wofür er in der Regel ein Entgelt (Lizenzgebühr) erhält.

3787

In den einzelnen Immaterialgütergesetzen gibt es verschiedentlich Hinweise auf 3788 den Lizenzvertrag (Art. 18 MSchG1, Art. 15 DesG2, Art. 34 PatG3, Art. 21 SoSchG4); diese geben aber keinen Aufschluss darüber, was unter diesem Rechtsinstitut zu verstehen und wie es zu regeln ist.5 Der Lizenzvertrag ist ein Innominattypus, welcher die folgenden Elemente enthält: • Gegenstand ist ein dem Lizenzgeber rechtlich (absolut geschütztes Immaterialgut) oder faktisch vorbehaltenes immaterielles Gut (z.B. Know-how); • Befugnis der Lizenznehmerin, das Immaterialgut beschränkt oder unbeschränkt zu nutzen; • meistens Pflicht der Lizenznehmerin zur Erbringung einer Gegenleistung; • bestimmte oder unbestimmte Dauer.6 Eine Gegenleistung der Lizenznehmerin ist zwar üblich, aber nicht zwingend.7 Bei Zwangslizenzen (s. N 3813) ist eine Entschädigung immer vorgesehen, während die Bestimmung einer Lizenzgebühr bei den parteiautonom gestalteten Lizenzen den Vertragsschliessenden überlassen bleibt.

1 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz; SR 232.11). 2 Bundesgesetz vom 5. Oktober 2001 über den Schutz von Design (Designgesetz; SR 232.12). 3 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz; SR 232.14). 4 Bundesgesetz vom 20. März 1975 über den Schutz von Pflanzenzüchtungen (Sortenschutzgesetz; SR 232.16). 5 Hilty, Lizenzvertragsrecht, 5. 6 S. zum Ganzen Hilty, Lizenzvertragsrecht, 6 f. m.w.H. 7 S. statt vieler Troller, 295; a.M. Weinmann, 4 FN 15.

1277

3789

6. Kapitel

II.

Innominatverträge

Gegenstand

3790

Vertragsgegenstand sind Immaterialgüterrechte (das heisst Marken-, Design-, Patent-, Sortenschutz- und Urheberrechte) und/oder Immaterialgüter, die nicht absolut, sondern nur relativ, vor allem via Vereinbarungen, geschützt sind (z.B. Know-how, Fabrikations-, Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, nicht registrierte Erfindungen, nicht eingetragene Kennzeichen etc.).

3791

Computerprogramme (sog. Software) gelten nach Art. 2 Abs. 3 URG8 ausdrücklich als absolut geschützte Werke und sind ebenfalls lizenzierbar.9

1.

Absolut geschützte Immaterialgüter

3792

Ist der Gegenstand eines Lizenzvertrages ein absolut geschütztes Immaterialgut, so spricht man von einem echten Lizenzvertrag; im Gegensatz zum unechten Lizenzvertrag, bei welchem ein nicht, ein noch nicht oder ein nicht mehr absolut geschütztes Immaterialgut Vertragsobjekt ist. Ein absolutes Recht, das heisst ein solches, das auf einer absoluten, erga omnes wirkenden Rechtsposition des Lizenzgebers beruht, kann aus einem erteilten Patent, einer eingetragenen Marke, einem erteilten Sortenschutzrecht, einem Design, einem urheberrechtlich geschützten Werk oder aus dem Persönlichkeitsrecht herrühren.10

3793

Das Urheberrecht sowie das Persönlichkeitsrecht entstehen ohne Formalakt: Ersteres durch Schöpfung eines Werks (sog. Schöpferprinzip; Art. 6 URG), Letzteres «mit dem Leben nach der vollendeten Geburt» (Art. 31 ZGB; natürliche Personen) bzw. mit Eintragung im Handelsregister (Art. 52 ZGB; juristische Personen); eine Registrierung ist in beiden Fällen nicht erforderlich. Anders liegt der Fall beispielsweise beim Patent, der Marke und dem Design: Das Immaterialgüterrecht entsteht hier erst durch die erfolgreiche Anmeldung bzw. den Registereintrag. Vom Zeitpunkt der Anmeldung bis zum formellen Erteilen des Schutzrechts befinden sich diese Immaterialgüter in einem Schwebezustand. Auch diese sich im Schwebezustand befindlichen Immaterialgüter können lizenziert werden.11 Fraglich ist, ob dabei aber nicht eher von einem unechten Lizenzvertrag gesprochen werden sollte.12

8 Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz; SR 231.1). 9 S. BGE 125 III 263 E. 4; Honsell, OR BT, 483. Detailliert zum Software-Lizenzvertrag Fröhlich-Bleuler, N 2367 ff.; s. ferner mit Vertragsmuster Passadelis, 1961 ff. 10 Hilty, Lizenzvertragsrecht, 17. 11 Hilty, Lizenzvertragsrecht, 30 ff. 12 Hilty, Lizenzvertragsrecht, 31.

1278

§ 47

2.

Lizenzvertrag

Nicht absolut geschützte Immaterialgüter

Auch nicht absolut geschützte Immaterialgüter  – wie Know-how (Betriebs- oder 3794 Fabrikationsgeheimnisse) etc. – können lizenziert werden, wobei es sich dann um einen unechten Lizenzvertrag handelt.13 Ausserdem können Immaterialgüter auch nach Ablauf ihrer Schutzdauer Gegenstand einer Lizenzierung sein.14 In aller Regel dürfte es diesfalls aber am Interesse der Lizenznehmerin fehlen, da das Immaterialgut ohne Schutz sowieso frei verwendet werden darf. Anders wäre es z.B., wenn ihr das Immaterialgut weiterhin faktisch vorenthalten würde (beispielsweise durch technische Schutzmassnahmen) oder wenn zur Benutzung des Immaterialguts geheimes Know-how bekannt sein müsste.15

III.

Rechtsnatur

Der Lizenzvertrag kann neben den innominatrechtlichen vor allem auch Elemente 3795 folgender Nominatverträge bzw. gesetzlich geregelter Institute enthalten: Miete, Pacht, Auftrag, Kauf und einfache Gesellschaft. Er kann seinerseits in einen Vertrag (z.B. in einen Franchisevertrag) eingebaut werden und bildet alsdann ein vertragliches Element desselben. Von praktischer Bedeutung und kontrovers diskutiert ist die Frage, ob eine Lizenz eine relative oder eine absolute Wirkung habe.16 Die herrschende Lehre17 und wohl auch die Rechtsprechung18 gehen von einer relativen Wirkung aus.

3796

Bejaht man die absolute Wirkung der Lizenz, kann die Lizenznehmerin bei einem 3797 absolut geschützten Immaterialgut selbständig gegen einen allfälligen Lizenzverletzer vorgehen. Spricht man der Lizenz nur relative Wirkung zu (das heisst nur obligatorische Berechtigung der Lizenznehmerin), muss die Lizenznehmerin in der Regel vom Lizenzgeber fordern, dass dieser vom Dritten verlange, die Verletzung fortan zu unterlassen. Eine Ausnahme besteht nur für die ausschliessliche Lizenznehmerin; diese ist selbständig zur Klage berechtigt, sofern die Parteien keine abweichende 13 14 15 16 17

S. Bucher, OR BT, 39; s. zum Know-how-Begriff etwa auch Day, 1463 f. m.w.H. Day, 1466; Fischer/Dorigo, 349; Hilty, Lizenzvertragsrecht, 36 ff. S. zum Ganzen Hilty, Lizenzvertragsrecht, 40 ff. CHK OR-Zenhäusern, Vorb. Art. 184 ff./Lizenz- und Know-how-Vertrag N 16 f. Hilty, Lizenzvertragsrecht, 147  f.; Probst, Jusletter 2.  September 2013, 16; Thouvenin/Bircher/ Fischer, 220; von Büren, 308 ff.; s. ferner auch Fischer/Dorigo, 346 f.; Iskic/Strobel, sic! 2013, 686; Joller, 1393. 18 S.  BGE 113 II 190 E. I.1b; s. ferner auch BGE 4A_317/2016 E.  2.5 m.w.H., in welchem das Bundesgericht unter anderem festhält, dass ein Markenlizenzvertrag, zumindest wenn er nicht gemäss Art. 18 Abs. 2 MSchG im Register eingetragen ist, nur obligatorische Wirkung gegenüber dem Lizenzgeber entfalte und daher einem späteren Erwerber der Marke nicht entgegengehalten werden könne, selbst wenn dieser Kenntnis vom Lizenzvertrag hatte und der Erwerb im Konkurs erfolgte.

1279

6. Kapitel

Innominatverträge

vertragliche Vereinbarung getroffen haben (Art. 75 PatG; Art. 55 Abs. 4 MSchG; Art. 35 Abs. 4 DesG; Art. 62 Abs. 3 URG).19 3798

Für die relative Wirkung der Lizenz wird unter anderem angeführt, dass eine konstitutive Einräumung von absolut wirkenden Rechten nur möglich sei, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist. Es besteht mithin keine privatautonome Möglichkeit, Dritte zu verpflichten.20 Des Weiteren wird angeführt, dass es aus Gründen der Kohärenz verfehlt sei, vom fast weltweit vertretenen obligatorischen Verständnis der Lizenz abzuweichen.21 Frey hingegen begründet die absolute Wirkung des Lizenzvertrages damit, dass er diesen als Dienstbarkeit für Immaterialgüter konzipiert.22 Damit werden – vereinfacht gesagt – Immaterialgüter auf dem Weg der Lückenfüllung dem Katalog von Art. 655 ZGB unterstellt und damit sozusagen als Grundstücke behandelt.23 Rehbinder versteht die in Art. 16 URG angesprochene «Übertragung» als Lizenzierung mit absoluter Wirkung («gegenständlich wirkende Lizenzierung»): Gemäss herrschender Lehre verbleibe dem Urheber entgegen dem Wortlaut von Art. 16 Abs. 1 URG stets die (unabtretbare) Urheberpersönlichkeit.24 Weinmann wiederum argumentiert unter anderem mit Art. 34 Abs. 3 PatG. Diese Gesetzesbestimmung bezieht sich auf den gutgläubigen Erwerber von Rechten am Patent, gegenüber welchem nicht eingetragene Lizenzen am Patent unwirksam sind. Gemäss Weinmann ist der Gutglaubensschutz eines Erwerbers nur dann sinnvoll, wenn man die Lizenz als absolutes Recht auffasse. Hätte die nicht eingetragene Lizenz nur obligatorischen Charakter, könnte sie nämlich ohnehin nur gegen den Lizenzgeber und nicht gegen den Erwerber geltend gemacht werden. Der gutgläubige Erwerber bedürfte also gar keines besonderen Gutglaubensschutzes.25

3799

Der Lizenzvertrag ist in der Regel als Vertrag sui generis zu qualifizieren.26 Grundsätzlich ist er als Dauerschuldverhältnis ausgestaltet.27 Zwingend ist dies allerdings nicht: Insbesondere im Urheberrechtsbereich ist auch eine einmalige Rechtseinräumung möglich (z.B. für eine einzelne Aufführung); in diesem Fall nimmt der Lizenzvertrag den Charakter eines einfachen Austauschverhältnisses an.28

19 20 21 22 23 24 25 26 27 28

Ausführlich zur Stellung der Lizenznehmerin im Zusammenhang mit Schutzrechtsverletzungen sowie zu den sich daraus ergebenden Rechten und Befugnissen im Verletzungsprozess Mauerhofer, 9 ff. Für eine mögliche vertragliche Regelung der Rechtsverfolgung s. Fischer/Dorigo, 374 ff. Von Büren, 308 ff., insbesondere 310, für die ausschliessliche Lizenz. Beim einfachen Lizenzvertrag folge die relative Natur «ohne weiteres aus dem Grundsatz der Privatautonomie». Hilty, Lizenzvertragsrecht, 147 f. Frey, 112. S. Hilty, Lizenzvertragsrecht, 141 f. mit einlässlicher Kritik. Rehbinder, N 155. Weinmann, 149. S. BGE 133 III 360 E. 8.1 = Pra 2008 Nr. 6; ferner etwa Tissot, 473 m.w.H. S. BGE 133 III 360 E. 8.1 = Pra 2008 Nr. 6; ferner etwa Tissot, 473 m.w.H. Hilty, Lizenzvertragsrecht, 6, insbesondere FN 10; s. von Büren, 302.

1280

§ 47

Lizenzvertrag

Meist handelt es sich beim Lizenzvertrag um einen synallagmatischen Vertrag, da 3800 die Überlassung des Immaterialguts entgeltlich erfolgt.29 Folglich können grundsätzlich Art.  82  f. (Einrede des nicht erfüllten Vertrages bzw. der Zahlungsunfähigkeit; s.  N  929  ff.), Art.  107  ff. (Rechte beim Schuldnerverzug) sowie Art.  119 Abs. 2 OR (nachträgliche unverschuldete Unmöglichkeit) zur Anwendung gebracht werden. Zu prüfen ist jedoch im Einzelfall, inwieweit diese Normen auf den (üblicherweise als Dauervertrag ausgestalteten) Lizenzvertrag passen. Der Gesetzgeber des Allgemeinen Teils des OR orientierte sich nämlich am gewöhnlichen Austauschvertrag.

1.

Miet- oder pachtrechtliche Elemente

Beim Lizenzvertrag geht es um die gewerbsmässige Nutzung eines Immaterialguts 3801 bzw. Immaterialgüterrechts. Der Lizenzgeber bleibt Inhaber seines Immaterialguts bzw. Immaterialgüterrechts, gestattet aber der Lizenznehmerin – in der Regel gegen ein Entgelt  – dessen Nutzung. Damit besteht eine gewisse Nähe zum Miet- oder Pachtvertrag.30 Die herrschende Lehre lehnt die Unterstellung des Lizenzvertrages unter die Bestimmungen des Pachtvertrages aus verschiedenen Gründen ab: Entweder wird auf die Unterschiedlichkeit der Rechtsgüter hingewiesen (Grundstück bzw. Immaterialgut) oder auf den dem Pachtrecht immanenten Sozialschutzgedanken, der für den Lizenzvertrag nicht richtig passt.31 Auch die Parallele zu den vom Mietrecht erfassten Sachen führt kaum zu brauchbaren Ergebnissen.

2.

Kaufvertragsrechtliche Elemente

Soweit adäquat kommen insbesondere auf Lizenzverträge, welche sich durch einen 3802 einmaligen Leistungsaustauch kennzeichnen, das heisst solche, die nicht als Dauerschuldverhältnis ausgestaltet sind, kaufvertragliche Regeln (analog) zur Anwendung.32

3.

Gesellschaftsrechtliche Elemente

Lizenzverträge mit gesellschaftsrechtlichen Elementen werden gesellschaftsähnli- 3803 che Lizenzverträge genannt. Sie zeichnen sich vor allem durch eine erhöhte Pflicht der Parteien zur Zusammenarbeit aus. Folgende Vertragsklauseln weisen auf einen 29 30 31 32

Hilty, Rechtsgrundlage, 119 f.; von Büren, 300 ff. Honsell, OR BT, 482; von Büren, 303 f. Thouvenin/Bircher/Fischer, 222; von Büren, 304 f.; a.M. Bucher, OR BT, 41. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 242.

1281

6. Kapitel

Innominatverträge

gesellschaftsähnlichen Lizenzvertrag hin: Wirtschaftliche Verwertung einer Erfindung auf gemeinsame Rechnung, Einräumung von gegenseitigen Lizenzen, gegenseitige Pflicht zur Mitteilung von Rechtsverletzungen und gemeinsame Verfolgung eines Verletzers, gemeinsames Tragen der Kosten für Schutzrechte etc.33 Die Qualifizierung eines Vertraggebildes als gesellschaftsähnlicher Lizenzvertrag hat die analoge Anwendung von (sachgerechtem) Gesellschaftsrecht zur Folge.34

IV.

Abgrenzungen35

3804

Vom Kaufvertrag unterscheidet sich der auf Dauer angelegte Lizenzvertrag dadurch, dass er typischerweise eine Dauerschuld begründet und nicht schon durch einmaligen Leistungsaustausch erfüllt wird (s. auch N 3799).

3805

Vertragsgegenstand bei der Miete ist eine Sache, somit ein körperlicher Gegenstand (Art. 253 OR). Beim Lizenzvertrag geht es dagegen um ein Immaterialgüterrecht oder um ein Immaterialgut, mit anderen Worten um ein unkörperliches Gut (s. N 3790 f.).

3806

Der Lizenzvertrag weist bisweilen Ähnlichkeiten zur Pacht auf. Die direkte Anwendbarkeit des Pachtrechts wird jedoch von der Lehre abgelehnt (s. N 3801).36

3807

Beim Verlagsvertrag erwirbt die Verlegerin gemäss Art. 381 OR das Recht des Urhebers in dem Umfang, in welchem es für die Vervielfältigung und Verbreitung des Werks erforderlich ist. Die Übertragung urheberrechtlicher Befugnisse ist Wesensmerkmal des (echten) Verlagsvertrages.37 Während der Vertragsdauer tritt die Verlegerin somit im vertraglich vereinbarten Umfang in die Rechtsstellung des Urhebers ein. Die Lizenznehmerin erlangt dagegen kein Ausschliesslichkeitsrecht wie die Verlegerin, welche die dem Verlaggeber zustehenden Abwehrrechte gegen Dritte in der Regel übertragen erhält.38

3808

Dem Franchisevertrag (s. N 3874 ff.) ist ein lizenzvertragliches Element inhärent: Die Franchisenehmerin wird in der Regel zur Benutzung von allfälligen Schutzrechten und von Know-how berechtigt. Jedoch ist das lizenzvertragliche Element beim Franchisevertrag zumeist nicht von vorrangiger Bedeutung. Inhaltlich geht

33 S. zum Ganzen ausführlich von Büren, 306 ff. 34 S. Fischer/Dorigo, 346 m.w.H. 35 S. zur immaterialgüterrechtlichen Abgrenzung zwischen Lizenzvertrag und Markenabgrenzungsvereinbarung BGE 138 III 304 E. 6, E. 7 und E. 11; s. auch BGE 4A_553/2014 E. 2. Ferner ausführlich zur fraglichen Abgrenzung Menn, sic! 2015, 634 ff. 36 Vgl. BGE 75 II 166 E. 3d. 37 BGE 101 II 102 E. 1b. 38 Von Büren, 301 FN 36.

1282

§ 47

Lizenzvertrag

der Franchisevertrag dadurch, dass die Franchisenehmerin in das Absatzkonzept des Franchisegebers integriert wird, wesentlich über den Lizenzvertrag hinaus.39

V.

Erscheinungsformen

1.

Unterscheidung nach dem Vertragsobjekt

Je nachdem, woran die Lizenznehmerin berechtigt wird, kann zwischen einem Mar- 3809 ken-, Patent-, Urheber-, Know-how-Lizenzvertrag etc. unterschieden werden.40

2.

Unterscheidung nach der Art

Bei einer einfachen Lizenz ist die Lizenznehmerin berechtigt, das Lizenzobjekt zu 3810 benutzen, jedoch kann der Lizenzgeber Nutzungsrechte auch einem Dritten einräumen und/oder das Lizenzobjekt selbst nutzen.41 Eine ausschliessliche Lizenz (Exklusivlizenz) gibt als Einziger der Lizenznehmerin 3811 die Berechtigung zur Nutzung. Der Lizenzgeber verpflichtet sich, keinen weiteren Personen die Nutzung zu gestatten und sich auch selber der Nutzung zu enthalten.42 Bei der Alleinlizenz verpflichtet er sich demgegenüber, weiteren Personen die Nutzung nicht zu gestatten, behält sich aber selber ein Nutzungsrecht vor.43 Bei der Unterlizenz erteilt die Lizenznehmerin ihrerseits einer weiteren Person eine 3812 Lizenz. Im Rahmen des Unterlizenzvertrages wird die Lizenznehmerin des Hauptlizenzvertrages Lizenzgeberin des Unterlizenzvertrages. Grundsätzlich ist zur Erteilung einer Unterlizenz die Zustimmung des Hauptlizenzgebers erforderlich.44 Bei einer cross licence erteilen sich die beiden Parteien gegenseitig Lizenzen: Beide sind sowohl Lizenzgeber als auch Lizenznehmer (zwei Lizenzobjekte).45 39 BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 134 m.w.H. 40 S. zu den einzelnen Lizenzarten (jeweils mit Vertragsmustern) Bortolani, 593 ff. (Markenlizenzvertrag); Day, 1457 ff. (Patent- und Know-how-Lizenzvertrag); Fischer/Dorigo, 333 ff. (Patent- und Know-howLizenzvertrag); Joller, 1387 ff. (Markenlizenzvertrag); Schramm, 849 ff. (Designlizenzvertrag). 41 Marbach/Ducrey/Wild, N 929. 42 CHK OR-Zenhäusern, Vorb. Art. 184 ff./Lizenz- und Know-how-Vertrag N 7. A.M. Hilty, Lizenzvertragsrecht, 238 ff., insbesondere 240 ff., der unter einer ausschliesslichen Lizenz nur die Verpflichtung des Lizenzgebers versteht, keine weiteren Nutzungsberechtigungen einzuräumen. 43 Fischer/Dorigo, 351; Joller, 1394. 44 S. Fischer/Dorigo, 352 ff.; Hilty, Lizenzvertragsrecht, 758 ff., insbesondere 764 f.; Marbach/Ducrey/ Wild, N  929. Ausführlich zur Thematik der Unterlizenzierung, insbesondere zum Schicksal des Unterlizenzvertrages bei Wegfall des Hauptlizenzvertrages Iskic/Strobel, sic! 2013, 682 ff., insbesondere 686 ff. 45 CHK  OR-Zenhäusern, Vorb. Art.  184  ff./Lizenz- und Know-how-Vertrag N  11. Ausführlich zur cross licence sowie zum Technologiepool Fischer/Dorigo, 347 f.

1283

6. Kapitel

3813

Bei einer gesetzlichen Lizenz räumt der Gesetzgeber einer unbestimmten Anzahl von Personen von Gesetzes wegen Nutzungsrechte ein (Art. 13, Art. 19, Art. 20 und Art. 22 Abs. 2 URG). Solche Lizenzen können unentgeltlich oder entgeltlich sein; bei entgeltlichen Lizenzen können aber Ansprüche nur von gesetzlich zugelassenen Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden (Art. 13 Abs. 3 und Art. 20 Abs.  4 URG).46 Bei der Zwangslizenz haben gewisse Personen unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf die Erteilung einer Lizenz: Der Gesetzgeber verpflichtet den Lizenzgeber nämlich in bestimmten Situationen zur Lizenzvergabe an einen Dritten (z.B. Art. 23 URG; Art. 29 Abs. 3, Art. 36, Art. 37, Art. 40 und Art. 40a PatG; Art. 22 SoSchG).

VI. 3814

Innominatverträge

Gültigkeit

Der Lizenzvertrag darf nicht gegen die Schranken der Inhaltsfreiheit von Art. 19/20 OR verstossen (s. im Allgemeinen N 392 ff.; zur Frage der anfänglichen objektiven Unmöglichkeit beim Lizenzvertrag N  3822  ff.; zu möglichen kartellrechtlichen Schranken N 3834). Es ist keine besondere Form zu beachten (Art. 11 Abs. 1 OR). Die Parteien können die Einhaltung einer Form für den Vertragsschluss und/oder allfällige Vertragsänderungen aber vertraglich vorsehen (Art.  16  OR; s. N 384 ff.).47

VII. Pflichten der Parteien 1.

Lizenzgeber

3815

Der Lizenzgeber hat eine «Genussverschaffungspflicht»: Es trifft ihn die Pflicht, der Lizenznehmerin das Recht zur wirtschaftlichen Nutzung am Lizenzobjekt einzuräumen. Das kann die Anmeldung bzw. Hinterlegung und Zahlung der erforderlichen Gebühren beinhalten. Vor allem bei unechten Lizenzen fallen auch das Erteilen von Auskünften und das Überlassen von Unterlagen darunter.48

3816

In der Lehre ist umstritten, ob die Lizenz insofern negativ zu verstehen ist, als der Lizenzgeber mit Einräumung der Nutzungsbefugnis nur darauf verzichtet, sein Ausschliesslichkeitsrecht geltend zu machen, oder ob er der Lizenznehmerin über-

46 47 48

1284

S. zum Ganzen ausführlich von Büren, 329 ff. BGE 125 III 263 E. 4a; 101 II 293 E. 2c; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7334; s. auch Schramm, 854. Pedrazzini, 416; s. auch Fischer/Dorigo, 354 f.

§ 47

Lizenzvertrag

dies ein positives Nutzungsrecht am Immaterialgut einräumt.49 Hilty differenziert danach, ob Gegenstand des Lizenzvertrages ein absolut geschütztes Immaterialgut oder ein (nicht absolut geschütztes) faktisches Monopol (z.B. Geschäftsgeheimnis) ist.50 Da der Schutz faktischer Monopole nicht absolut ist, fehle hier das negative Element. Der Lizenzvertrag beruhe bei den nicht absolut geschützten Immaterialgütern einzig auf der positiven Pflicht des Lizenzgebers, der Lizenznehmerin die Nutzung des Immaterialguts zu ermöglichen. Bei absolut geschützten Immaterialgütern sei dagegen das negative Element per definitionem gegeben. Soll der Lizenzgeber darüber hinaus noch weitere (positive) Pflichten übernehmen, muss dies ausdrücklich im Vertrag festgehalten werden. Nach Amstutz/Morin handelt es sich hierbei um ein Scheinproblem: Der (negativen) Unterlassungspflicht des Lizenzgebers entspreche als Kehrseite das (positive) Nutzungsrecht der Lizenznehmerin. Aus diesem Verhältnis ergäben sich positive Nebenpflichten für den Lizenzgeber, wobei deren Umfang einzig durch die Vereinbarung der Parteien bestimmt werde.51 Neben der Genussverschaffung ist der Lizenzgeber auch zur Genusserhaltung ver- 3817 pflichtet.52 Im Vordergrund steht dabei die Pflicht, die formelle Rechtsstellung zu erhalten, das heisst unter anderem, die periodisch anfallenden Gebühren zu zahlen oder die Marke zu erneuern.53 Handelt es sich um einen unechten Lizenzvertrag, so äussert sich die Pflicht zur Genusserhaltung vor allem in einer Unterlassungspflicht. Danach hat der Lizenzgeber alles zu unterlassen, was die faktische Stellung des Immaterialguts gefährdet, wie z.B. die Offenlegung eines Betriebsgeheimnisses. Falls ein Dritter das Schutzrecht verletzt, geht die herrschende Lehre im Zusammenhang mit der Pflicht zur Genusserhaltung davon aus, dass den Lizenzgeber eine Pflicht zur Rechtsverfolgung trifft.54 Hilty unterscheidet grundsätzlich danach, ob eine ausschliessliche oder eine einfache Lizenz vorliegt. Bejaht er bei der ausschliesslichen Lizenz die Pflicht zur Rechtsverfolgung, so anerkennt er sie bei der einfachen Lizenz grundsätzlich nur, wenn gleichzeitig eine Meistbegünstigungsklausel (s. N 3818) vereinbart wurde.55 Des Weiteren ist der Lizenzgeber verpflichtet, für allfällige Rechts- oder Sachmängel einzustehen (s. N 3827 ff.). Zu den möglichen Nebenpflichten des Lizenzgebers im Rahmen einer einfachen 3818 Lizenz kann wie erwähnt auch eine Pflicht zur Meistbegünstigung gehören. Diese verpflichtet den Lizenzgeber dazu, die Lizenznehmerin bei Besserbehandlung einer anderen Lizenznehmerin gleichzubehandeln.56 Das Meistbegünstigungsrecht wird regelmässig ausdrücklich vereinbart; es kann jedoch auch aus den Umständen dar49 50 51 52 53 54 55 56

S. von Büren, 295 f. Hilty, Lizenzvertragsrecht, 7 ff., insbesondere 10 f. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 250. S. Fischer/Dorigo, 372 ff. S. Bortolani, 604 f. S. Fischer/Dorigo, 373 ff. m.w.H. Hilty, Lizenzvertragsrecht, 464 ff. Thouvenin/Bircher/Fischer, 225.

1285

6. Kapitel

Innominatverträge

auf geschlossen werden.57 Weitere mögliche Nebenpflichten des Lizenzgebers können die Pflicht zur Erbringung von Dienstleistungen oder auch die Pflicht zur Übertragung des Vertrages auf den jeweiligen Erwerber der Schutzrechte darstellen.58

2.

Lizenznehmerin

3819

In der Regel hat die Lizenznehmerin als Entschädigung für die Erteilung der Lizenz eine Gebühr zu entrichten.59 Nach der Art der Ausgestaltung kann zwischen Pauschallizenzgebühren, Mindestlizenzgebühren, umsatzproportionalen oder ertragsproportionalen Lizenzgebühren, Stücklizenzgebühren und  – falls die Lizenznehmerin gar keine Gegenleistung zu erbringen hat  – Freilizenzen unterschieden werden.60 Für die Berechnung der Lizenzgebühren sind – ausser im Fall der Pauschallizenzgebühren – weiter gehende Informationen erforderlich. Deswegen untersteht die Lizenznehmerin einer Abrechnungspflicht, und dem Lizenzgeber steht ein entsprechendes Kontrollrecht zu. Die Lizenznehmerin hat dabei jene Geschäfte anzuführen, die für die Berechnung der Gebühren erforderlich sind.61 Da die blosse Abrechnung noch keine Richtigkeitsgewähr bietet, muss der Lizenzgeber sinnvollerweise auch die relevanten Geschäftsunterlagen (z.B. Buchungsauszüge) einsehen dürfen.62 Wie weit das Informationsrecht geht, hängt von der vertraglichen Ausgestaltung des Lizenzvertrages ab.

3820

Kontrovers ist, ob der Lizenznehmerin auch mangels besonderer vertraglicher Abrede eine Benutzungspflicht obliegt.63

3821

Nebenpflichten der Lizenznehmerin können auch aus einer Nichtangriffsklausel herrühren: Die Lizenznehmerin verpflichtet sich z.B. dazu, das Schutzrecht nicht selber zu Fall zu bringen oder aber den Lizenzgeber bei Schutzrechtsverletzungen durch Dritte zu unterstützen (s. zur nachvertraglichen Geheimhaltungspflicht N 3833).64

57 Hilty, Lizenzvertragsrecht, 479 f.; von Büren, 345. 58 S. dazu von Büren, 345 f. 59 S. etwa Tissot, sic! 2000, 484. 60 Von Büren, 347 ff.; ausführlich zu diversen Ausgestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der Lizenzgebühren Bortolani, 613 ff.; Fischer/Dorigo, 355 ff.; Joller, 1469 ff. 61 Fischer/Dorigo, 361 f. 62 Ausführlich Hilty, Lizenzvertragsrecht, 504 ff. 63 Bejahend bei ausschliesslichen Lizenzen BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 251; s. auch Bortolani, 610; Fischer/Dorigo, 366 f.; Schramm, 859; von Büren, 349 f.; differenzierend Hilty, Lizenzvertragsrecht, 509 ff. 64 S. dazu und zu weiteren möglichen Nebenpflichten Troller, 294 f.; von Büren, 352 ff.

1286

§ 47

Lizenzvertrag

VIII. Anfängliche objektive Unmöglichkeit Strittig sind die Rechtsfolgen, wenn das lizenzierte Schutzrecht im Zeitpunkt des 3822 Vertragsabschlusses nicht besteht (z.B. nichtiges Patent) bzw. wenn beim unechten Lizenzvertrag z.B. das lizenzierte Know-how allgemein bekannt ist, aber der Vertrag (als Dauerschuldverhältnis ausgestaltet) dennoch über einen gewissen Zeitraum erfüllt wird. Das Bundesgericht spricht in diesem Zusammenhang generell von einem Dahinfal- 3823 len des Lizenzvertrages. Bei der Begründung dieses Ergebnisses hat es sich jedoch noch nicht festgelegt: In Betracht gezogen hat es Art. 20 OR, aber auch Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR) oder Auflösung aus wichtigem Grund.65 In der Literatur wird unter anderem die Anwendung von Art. 20 OR (anfängliche 3824 objektive Unmöglichkeit) befürwortet;66 nach Honsell hat allerdings der Lizenzgeber gemäss Art. 192 OR Gewähr zu leisten und soll in analoger Anwendung von Art.  171  OR haften (Garantieübernahme).67 Art.  20  OR entfaltet seine Wirkung prinzipiell ex tunc; «erfüllen» die Parteien indessen den Vertrag freiwillig, soll dies nach von Büren den Vertrag zwar nicht heilen, die Rückforderung der Leistungen sei jedoch wegen Rechtsmissbrauchs nach Art. 2 Abs. 2 ZGB zu verweigern.68 Hilty spricht sich für eine Beendigung des Lizenzvertrages ex nunc aus; dabei bejaht er das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur ausserordentlichen Kündigung. Ausserdem lässt er auch eine Berufung auf den (ex nunc wirkenden) Grundlagenirrtum zu.69 Unseres Erachtens ist der Nichtigkeit im Sinne von Art. 19/20 OR mit Wirkung ex 3825 nunc der Vorzug zu geben (flexibler Ungültigkeitsbegriff; s. N 433). Eine ähnliche Regelung besteht schon für ungültige Arbeitsverhältnisse (Art. 320 Abs. 3 OR), bei welchen die Arbeitsleistung gutgläubig erbracht wurde.70 Gegenüber der Wirkung ex tunc kombiniert mit einem faktischen Vertragsverhältnis71 ist die von uns bevorzugte Lösung einfacher. Die Lösung einer Ungültigkeit mit Wirkung ex tunc kombiniert mit einer Rückabwicklung nach Kondiktionsrecht hat demgegenüber den

65 BGE 116 II 191 E. 3; s. auch bereits BGE 75 II 166 E. 3a, wonach die Nichtigkeit eines Patentes zur Folge habe, «dass auch der darauf bezügliche Lizenzvertrag der Parteien nichtig ist»; Stieger, sic! 1999, 6 f. Ausführlich zur Entwicklung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Leimgruber, sic! 2014, 422 f. 66 S. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 248 m.w.H.; Probst, Jusletter 2. September 2013, 12 f.; Stieger, sic! 1999, 14; Tissot, sic! 2000, 475. Für einen Überblick zum Meinungsstand in der Literatur s. Leimgruber, sic! 2014, 424 f. 67 Honsell, OR BT, 483. 68 Von Büren, 363 und 397 f. 69 S. BGE 129 III 320 E. 7.1.2; Hilty, Lizenzvertragsrecht, 351 ff.; ähnlich auch Fischer/Dorigo, 374. 70 BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 55 ff., insbesondere N 57. 71 S. von Büren, 362 f. und 397 f.

1287

6. Kapitel

Innominatverträge

Nachteil «qualitativ minderwertigerer Ansprüche» (Bereicherungs- statt Vertragsrecht; zum vertraglichen Abwicklungsverhältnis s. N 443, N 583, N 1821).72

IX. 3826

Grundsätzlich sind auf Leistungsstörungen die allgemeinen Regeln des  OR anzuwenden. Dies gilt allerdings nur für den Fall, dass sie überhaupt sachgerecht sind und dass ihnen nicht «einschlägiges» und adäquates Typenrecht als lex specialis vorgeht.73 Bei Schuldnerverzug kommen Art. 102 ff. OR zur Anwendung. Da es sich beim Lizenzvertrag in der Regel um ein Dauerschuldverhältnis handelt, kommt ein Rücktritt im Sinne von Art. 107 Abs. 2 und Art. 109 OR mit Wirkung ex tunc nicht infrage, wenn einmal mit der Erfüllung der typischen Hauptleistungspflicht begonnen worden ist. Der Rücktritt wird somit zur Kündigung mit Wirkung ex nunc (zum Liquidationsverhältnis s.  N  960  ff., N  1821). Eine solche kann alsdann auch aus wichtigem Grund erfolgen (s. N 3832).

1. 3827

Sach- und Rechtsmängel

Sachmängelhaftung

Von Büren befürwortet für Sachmängel die analoge Anwendung der Bestimmungen des Miet- und Pachtrechts.74 Amstutz/Morin setzen sich für die Anwendung der allgemeinen Vorschriften über die Nicht- oder nicht richtige Erfüllung (Art. 97 ff. OR), alternativ für die miet- oder pachtrechtlichen sowie die kaufrechtlichen Gewährleistungsregeln ein.75 72

Differenzierend zu den Folgen der Patentnichtigkeit im Kontext des Patentlizenzvertrages Leimgruber, sic! 2014, 421 ff.; insbesondere 425 ff. Gemäss Leimgruber kann entgegen dem verbreiteten Verständnis in der Lehre eine gültige Lizenz auch an einem allenfalls ungültigen Patent eingeräumt werden, zumindest solange die Patentnichtigkeit (noch) nicht feststeht. Mit Blick auf die (Rechts-)Folgen der Patentnichtigkeit seien, so Leimgruber, insbesondere die Interessenlage der Parteien, die konkret geschuldete Leistung des Lizenzgebers sowie eine allfällige explizite oder implizite Risikozuteilung massgebend. Trage die Lizenznehmerin das Risiko der Patentnichtigkeit, berühre die Nichtigerklärung des Patents den Bestand des Lizenzvertrages nicht. Die Rückforderung von bereits bezahlten Lizenzgebühren oder Schadenersatzansprüche der Lizenznehmerin infolge Nichtigkeit des Patents seien ausgeschlossen. Allerdings habe die Lizenznehmerin ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund. Trage demgegenüber der Lizenzgeber das Risiko der Patentnichtigkeit, so hafte er bei Nichtigerklärung nach Massgabe des Lizenzvertrages. Mithin liege eine vertragliche Haftung vor. Eine ausservertragliche Rückforderung von bereits bezahlten Lizenzgebühren (Art. 62 ff. OR) scheide demnach aus. Bereits geleistete Zahlungen seien allenfalls bei der Berechnung des Schadenersatzes zu berücksichtigen, welcher der Lizenznehmerin aufgrund der Nichtigkeit des Patents entstanden sei. 73 S. BGE 115 II 255 E. 2b. 74 Von Büren, 369. 75 BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 255; s. zum Ganzen auch Fischer/Dorigo, 364 ff.; Tissot, sic! 2000, 479 ff.

1288

§ 47

Lizenzvertrag

Hilty spricht sich demgegenüber für eine spezifisch lizenzvertragliche Regelung 3828 aus, die sich im Wesentlichen aus folgenden Komponenten zusammensetzen soll:76 Bei Sachmängeln hat die Lizenznehmerin Anspruch auf Mängelbeseitigung («Nachbesserung») bzw. auf Reduktion («Minderung») ihrer Gegenleistung (in der Regel Lizenzgebühren) während der Dauer des Mangels. Falls die Mängelbeseitigung mit unverhältnismässigem Aufwand verbunden ist und ein Fortbestehen des Lizenzvertrages unzumutbar erscheint, kann die Lizenznehmerin den Lizenzvertrag auflösen («Wandlung»). Bereits empfangene Leistungen ohne dafür erbrachte Gegenleistungen sind nach Massgabe des vertraglich festgelegten Leistungsverhältnisses auszugleichen. Unmittelbar mit den Mängeln zusammenhängende Schäden sind der Lizenznehmerin verschuldensunabhängig zu ersetzen, weitere Schäden jedoch nur bei Verschulden des Lizenzgebers.77

2.

Rechtsmängelhaftung

Liegt ein Rechtsmangel vor, so kann die Lizenznehmerin ihre Gegenleistung redu- 3829 zieren bzw. für die Schäden, die aufgrund des Mangels vorhersehbar waren, Schadenersatzansprüche stellen. Für weitere Schäden haftet der Lizenzgeber hingegen bloss, soweit er schuldhaft handelt.78 Schliesslich bleibt generell eine Vertragsaufhebung bei Unzumutbarkeit vorbehal- 3830 ten (s. hierzu nachfolgend N 3832).

X.

Beendigung79

1.

Ordentliche Beendigung

Der Lizenzvertrag endet mit Ablauf der vertraglich vereinbarten Dauer, durch Aus- 3831 übung eines Kündigungsrechts oder via vertragliche Aufhebung (contrarius actus).80 Beim echten (unbefristeten) Lizenzvertrag besteht die Vermutung, dass der Vertrag endet, wenn der formelle Schutz des subjektiven Rechts entfällt (s. z.B. Art. 14 Abs. 1 76 77 78 79

Hilty, Lizenzvertragsrecht, 718. S. Übersicht und Anwendungsfälle in Thouvenin/Bircher/Fischer, 226 f. Hilty, Lizenzvertragsrecht, 661 ff. und 687 f. Eingehend dazu Stieger, sic! 1999, 3 ff. Anschaulich in diesem Zusammenhang der OR 2020-Entwurf, welcher allgemein anwendbare Regeln zur Kündigung von Dauerverträgen im Allgemeinen Teil des OR vorschlägt (s. Art. 144 ff. OR 2020); s. dazu ausführlich OR 2020-Hilty/Purtschert, Vor Art. 144–147 N 3. 80 Wie eine allgemein anwendbare Regel zur ordentlichen Kündigung von Dauerverträgen aussehen könnte, s. Art. 144 OR 2020.

1289

6. Kapitel

Innominatverträge

PatG).81 Handelt es sich dagegen um einen (unbefristeten) unechten Lizenzvertrag, so endet er frühestens, wenn das faktische Ausschliesslichkeitsrecht des Lizenzgebers und der Lizenznehmerin am Immaterialgut tatsächlich endet.82

2. 3832

Rechtsprechung und Lehre anerkennen ein ausserordentliches Kündigungsrecht aus wichtigem Grund.83 Dieses ergibt sich aus dem dauervertraglichen Charakter des Lizenzvertrages.84 Ob ein wichtiger Grund vorliegt, hat der Richter nach Recht und Billigkeit (Art. 4 ZGB) zu bestimmen. Es muss eine Ursache vorliegen, die das Festhalten am Vertrag unzumutbar erscheinen lässt.85 Sind persönliche Elemente der Vertragsparteien von massgebender Bedeutung für das Bestehen des Vertrages, kann z.B. der Tod einer Partei einen Auflösungsgrund darstellen.

XI. 3833

Ausserordentliche Beendigung

Nachvertragliche Geheimhaltungspflicht

Die Lizenznehmerin trifft in der Regel auch nach Vertragsbeendigung eine Geheimhaltungspflicht hinsichtlich Know-how etc.86 Eine Ausnahme ist anzunehmen, wenn das Lizenzobjekt allgemein zugänglich oder bekannt geworden ist.

81 82 83

BGE 92 II 299 E. 3; s. auch Fischer/Dorigo, 387. Troller, 297. S. insbesondere BGE 138 III 304 E. 6 und E. 7; 133 III 360 E. 7 und E. 8 = Pra 2008 Nr. 6; s. ferner etwa BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 257 m.w.H.; Bortolani, 625  f.; Fischer/Dorigo, 388 ff. 84 S. BGE 138 III 304 E. 6 und E. 7; CHK OR-Zenhäusern, Vorb. Art. 184 ff./Lizenz- und Know-how-Vertrag N 46 m.w.H. 85 BGE 138 III 304 E. 7; BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 257. Der OR 2020-Entwurf schlägt eine allgemeine Bestimmung zur ausserordentlichen Kündigung von Dauerverträgen im Allgemeinen Teil des OR vor. Als wichtiger Grund gilt nach dieser Regel jeder Umstand, der die Fortsetzung des Vertrages für die kündigende Partei unzumutbar werden lässt (Art. 145 OR 2020); s. dazu OR 2020-Hilty/Purtschert, Art. 145 N 1 ff. 86 S. CHK OR-Zenhäusern, Vorb. Art. 184 ff./Lizenz- und Know-how-Vertrag N 31.

1290

§ 47

Lizenzvertrag

XII. Kartellrecht Immaterialgüterrechte vermitteln ihrem Inhaber eine (rechtliche) Monopolstellung, 3834 indem sie es ihm erlauben, Dritte von der Nutzung seines geistigen Eigentums auszuschliessen.87 Diese Monopolstellung unterliegt insofern nicht der wettbewerbsrechtlichen Kontrolle, als Art. 3 Abs. 2 KG88 Auswirkungen auf den Wettbewerb, die ausschliesslich den Bestand des Immaterialgüterrechts betreffen, vom Geltungsbereich des Kartellgesetzes ausnimmt. Trifft der Schutzrechtsinhaber mit Bezug auf seine Immaterialgüterrechte allerdings Absprachen (z.B. indem er daran Lizenzen einräumt), sind diesbezüglich die Vorgaben und Schranken des Kartellgesetzes zu beachten.89 So ist beim Lizenzvertrag zu prüfen, ob der jeweilige Vertrag kartellrechtlich unzulässige Abreden im Sinne von Art. 5 f. KG enthält (s. zu den Rechtfertigungsgründen insbesondere Art. 5 Abs. 2 KG; ferner Art. 6 Abs. 2 lit. d KG).90 Kartellrechtlich heikel können insbesondere direkt oder indirekt (beispielsweise mittels Rabatt- oder Bonussystem) auferlegte Preisbindungen der Lizenznehmerin, Mengenabreden oder Gebietszuweisungen sein.91 Ausserdem können Immaterialgüterrechte auch zu einer marktbeherrschenden Stellung beitragen, die sodann unter dem Blickwinkel der Marktmissbrauchskontrolle nach Art. 7 KG auf unzulässige Behinderungs- und Ausbeutungspraktiken hin überprüft werden muss.92

87 Thouvenin/Bircher/Fischer, 28; CHK OR-Zenhäusern, Vorb. Art. 184 ff./Lizenz- und Know-howVertrag N 23. 88 Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz; SR 251). 89 S. CHK OR-Zenhäusern, Vorb. Art. 184 ff./Lizenz- und Know-how-Vertrag N 23 f. 90 S. dazu ausführlich Hilty, Lizenzvertragsrecht, 381 ff.; Krauskopf/Russ, sic! 2014, 753 ff., insbesondere 756 ff. 91 S. für weitere Beispiele, zu den einzelnen Elementen der Zulässigkeitskontrolle und zu den Rechtsfolgen einer Verletzung Krauskopf/Russ, sic! 2014, 756 ff.; s. ferner auch Thouvenin/Bircher/Fischer, 212 92 S. im Einzelnen Krauskopf/Russ, sic! 2014, 763 ff.; Thouvenin/Bircher/Fischer, 212.

1291

§ 48 Alleinvertriebsvertrag Grundlagenliteratur Bucher, OR BT, 37 und 240; Engel, CO PS, 762 ff.; Guhl/Koller, § 40 N 6; Honsell, OR BT, 478 ff.; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 12 N 1 ff.; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 2483; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7237 ff.

Weiterführende Literatur Baker&McKenzie (Hrsg.), Kartellgesetz, Bern 2007 (zit.: SHK KG-BearbeiterIn); Baudenbacher Carl, Anspruch auf Kundschaftsentschädigung bei gesetzlich nicht geregelten Absatzmittlungsverträgen, in: FS Schluep, Zürich 1988,  81–93; Benedick Gilles/Bottini Paolo, Die Kundschaftsentschädigung beim Alleinvertriebsvertrag, Jusletter 3.  November 2008; Bratschi Peter/Rüedi Pascal, Fragen rund um die Beendigung von Vertriebsverträgen, in: FS von der Crone, Zürich/Basel/Genf 2017, 827–843; Cotti Lukas, Das vertragliche Konkurrenzverbot, Diss. Freiburg 2001; Fountoulakis Christiana, Zur Kundschaftsentschädigung bei Beendigung eines Alleinvertriebsvertrags, recht 2008, 221–226; Girsberger Daniel/Huber-Purtschert Tina/Maissen Eva/Sprecher Jörg, Vertragsgestaltung und Vertragsdurchsetzung, 2.  Aufl., Zürich/Basel/Genf 2017; Hartmann Jürg E., Vertriebsverträge im internationalen Kontext, Zürich/Basel/Genf 2007; Hartmann Jürg E. /Egli Felix W./Meyer-Hauser Bernard F., Der Alleinvertriebsvertrag, 2. Aufl., St. Gallen 1995; Jacobs Reto, Flexible Nichtigkeit kartellrechtswidriger Verträge, in: FS von Büren, Basel 2009, 573– 594; Kindler Thomas, Händlerverträge in der Schweizer Automobilbranche, Diss. Bern 2000; Kuhn Moritz, Der Alleinvertriebsvertrag (AVV) im Verhältnis zum Agenturvertrag (AV), in: FS Keller, Zürich 1989,  187–204; Kull Michael, Verbindlichkeit der fristlosen und ungerechtfertigten Kündigung von Dauerschuldverhältnissen, SJZ 2011, 245–253; Meyer Christian Alexander, Gedanken zum Vertriebsrecht, Jusletter 2. Mai 2016 (zit.: Meyer, Jusletter 2. Mai 2016); Meyer Christian Alexander, Der Alleinvertrieb, 2. Aufl., St. Gallen 1992 (zit.: Meyer, Alleinvertrieb); Schluep Walter R., Innominatverträge, in: Vischer Frank (Hrsg.), SPR Bd. VII/2, Basel/Stuttgart 1979, 763–969; Vetsch Johannes/von der Crone Hans Caspar, Die Kundschaftsentschädigung in Vertriebssystemen, SZW 2009, 79–93; Zäch Roger, Schweizerisches Kartellrecht, 2. Aufl., Bern 2005; Zurkinden Philipp, Auswirkungen der KG-Revision auf Vertriebssysteme, SZW 2004, 105–111.

1292

§ 48

I.

Alleinvertriebsvertrag

Begriff

Beim Alleinvertriebsvertrag verpflichtet sich die Lieferantin, dem Händler (Alleinvertreter) ein örtlich, sachlich und eventuell zeitlich begrenztes ausschliessliches Bezugsrecht für die an ihn gelieferten Waren einzuräumen. Im Gegenzug verpflichtet sich der Händler, die entsprechende Ware (allenfalls ausschliesslich) bei der Lieferantin zu beziehen und den Verkauf im Vertragsgebiet zu fördern.1

3835

Der Alleinvertriebsvertrag ist ein sog. Absatzmittlungsvertrag, welcher dazu dient, 3836 Waren oder Dienstleistungen über ein Vertriebsnetz abzusetzen.2 Nach Meyer prägen die folgenden Merkmale den Alleinvertriebsvertrag:3 Erstens handelt der Händler im Gegensatz zu anderen Absatzmittlern in eigenem Namen und auf eigene Rechnung. Zweitens ist der Alleinvertriebsvertrag als Dauerschuldverhältnis ausgestaltet. Drittens verpflichtet sich die Lieferantin gegenüber dem Händler, die vereinbarten Waren innerhalb eines bestimmten Vertragsgebiets ausschliesslich an ihn zu liefern (ausschliessliche Lieferverpflichtung; s. N 3852). Viertens verpflichtet sich der Händler, die Vertragsware für das Vertragsgebiet nur von seiner Lieferantin zu beziehen (ausschliessliche Bezugsverpflichtung; s. N 3859).4 Darüber hinaus kann sich der Händler auch sog. Vertriebsbindungen unterwer- 3837 fen. So übernimmt er häufig die Verpflichtung, keine Vertragsprodukte an Kunden und/oder Händler ausserhalb des Vertragsgebiets zu verkaufen (Direkt- bzw. Querlieferungsverbote).5 Die Lieferantin verpflichtet sich im Gegenzug zu Gebietsschutz, das heisst, sie stellt sicher, dass Dritthändler in diesem Gebiet keine Vertragswaren verkaufen.6 Der Ausgestaltung solcher Klauseln sind durch das Kartellrecht7 Grenzen gesetzt (s. N 3851a f.). Oft bildet der einzelne Alleinvertriebsvertrag nur ein Element eines umfassenderen Vertriebsnetzes.

1 S. BGE 4A_61/2008 E. 2. 2 BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 112. 3 Meyer, Alleinvertrieb, 108 ff. 4 Teilweise a.M. ein Teil der Lehre, welcher eine ausschliessliche Bezugsverpflichtung nicht als notwendiges Merkmal des Alleinvertriebsvertrages betrachtet und z.B. eine Pflicht zum Mindestbezug genügen lässt: so BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 112; Hartmann/Egli/Meyer-Hauser, 15; CHK ORJacobs, Vorb. Art. 184 ff./Alleinvertriebsvertrag N 25 f.; Kuhn, 191. 5 BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 112; Hartmann/Egli/Meyer-Hauser, 18 f. 6 Hartmann/Egli/Meyer-Hauser, 19; CHK OR-Jacobs, Vorb. Art. 184 ff./Alleinvertriebsvertrag N 24. 7 S.  Bundesgesetz vom 6.  Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz; SR 251).

1293

6. Kapitel

3838

Innominatverträge

Der Alleinvertriebsvertrag zeichnet sich durch zwei gleichzeitig bestehende Austauschverhältnisse aus: • das Kauf- oder Werklieferungsverhältnis, aus dem die Lieferpflicht der Lieferantin und die Abnahme- und Zahlungspflicht des Händlers resultiert; • das Alleinvertriebsverhältnis, bei dem sich die Pflicht der Lieferantin, dem Händler ein exklusives Bezugsrecht einzuräumen, und die Pflicht des Händlers zur Verkaufsförderung gegenüberstehen.8

3839 Lieferantin

Lieferpflicht

Pflicht, exklusives Bezugsrecht einzuräumen

Händler

Kauf- oder Werklieferungsverhältnis

Alleinvertriebsverhältnis

Abnahme- und Zahlungspflicht

Verkaufsförderungspflicht

Abbildung: Alleinvertriebsvertrag

II.

Wirtschaftliche Funktion und Erscheinungsformen

3840

Der Alleinvertriebsvertrag ist ein wichtiges Absatzinstrument, namentlich in der Automobil-9, Maschinen- und Kosmetikindustrie.10 Er eignet sich im Übrigen nicht nur für den Vertrieb von Produkten, sondern auch von Dienstleistungen.

3841

Beim Alleinvertriebsvertrag wird das Vertriebsrisiko auf den Händler verlagert; das Eigentum an der Vertragsware geht im Gegensatz zum Absatz via Niederlassungen, Tochtergesellschaften, Agenten und Kommissionäre auf den Händler bzw. die Händler über.11 Die Lieferantin muss für den Absatz der Waren kein Kapital aufwenden. Sie behält aber in der Regel aufgrund der vereinbarten Weisungsrechte

8 9 10 11

CHK OR-Jacobs, Vorb. Art. 184 ff./Alleinvertriebsvertrag N 1; Kuhn, 191 f. Zur Ausgestaltung in der Automobilindustrie s. Kindler, 20 ff. Honsell, OR BT, 479. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 113.

1294

§ 48

Alleinvertriebsvertrag

die wirtschaftliche Dispositionsbefugnis.12 Der Händler seinerseits profitiert vom Bekanntheitsgrad der Marke und ist im Vertragsgebiet frei von Konkurrenz.13 Der Alleinvertriebsvertrag kommt in der Praxis sowohl mit als auch ohne Integra- 3842 tion des Händlers in die Absatzorganisation der Lieferantin vor. Beim Alleinvertriebsvertrag mit Integration des Händlers bestehen weiter gehende Pflichten wie beispielsweise Vertriebsbindungen sowie Weisungs- und Kontrollrechte.14

III.

Rechtsnatur

Der Alleinvertriebsvertrag ist als Rahmenvertrag konzipiert (die einzelnen Waren- 3843 bezüge beruhen auf Kaufverträgen). Der Händler handelt in eigenem Namen und auf eigene Rechnung. Des Weiteren binden sich die Parteien über einen längeren Zeitraum, es liegt also ein Dauerschuldverhältnis vor.15 Der Alleinvertriebsvertrag ist nach der hier vertretenen Meinung als Vertrag sui 3844 generis zu qualifizieren.16 Als wichtigstes Innominatelement ist das Alleinvertriebsrecht (Bezugsrecht bzw. ausschliessliche Lieferverpflichtung) zu nennen. Weitere Innominatelemente können die Alleinbezugspflicht (ausschliessliche Bezugsverpflichtung), Vertriebsbindungen und Warenzeichnungsklauseln bilden. Letztere verpflichten die Lieferantin, den Gebrauch eines Zeichens durch den Händler zu dulden, ihm ihre Marke zum Gebrauch zu überlassen (Lizenz).17 Der Händler darf im Gegenzug zum Gebrauch der Marke verpflichtet werden. Durch die Vereinbarung von solchen Pflichten rückt das Vertragsverhältnis in die Nähe von Lizenz und Franchising (zur Abgrenzung s. N 3850). Typisch ist sodann die Absatzförderungspflicht, die den Alleinvertriebsvertrag vom 3845 Konzept her in die Nähe des Agenturvertrages rückt (Art. 418a ff. OR; s. N 3384 ff.). Art.  418a  ff.  OR gehen aber von einem strukturellen Ungleichgewicht zwischen Agent und Auftraggeberin aus und sind darum weitgehend zwingend. Für die analoge Anwendung auf den Alleinvertriebsvertrag eignen sie sich daher nur sehr beschränkt.18 Weiter kann der Alleinvertriebsvertrag auch Elemente des Kaufs, vor allem in seiner Gestalt als Sukzessivlieferungsvertrag (s. N 2362), sowie der Garantie (Art. 111 OR; Abrede des Gebietsschutzes zulasten eines Dritten) aufweisen. 12 13 14 15 16

Hartmann/Egli/Meyer-Hauser, 12; Meyer, Alleinvertrieb, 9 f. Honsell, OR BT, 479; CHK OR-Jacobs, Vorb. Art. 184 ff./Alleinvertriebsvertrag N 10. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 114; Schluep, 843. BGE 78 II 32 E. 1a; Meyer, Alleinvertrieb, 108 und 110 f. BGE 4A_61/2008 E.  2; 78 II 32 E.  1; Bucher,  OR BT, 240; Guhl/Koller, §  40 N  6; a.M. BSK  ORAmstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 115, die von einem gemischten Vertrag ausgehen. 17 Kuhn, 196 f. 18 Teilweise a.M. Kuhn, 199 ff.

1295

6. Kapitel

3846

IV.

Abgrenzungen

1.

Zum Vorvertrag (Art. 22 OR)

Der Alleinvertriebsvertrag ist ein Rahmenvertrag und kein Vorvertrag (Art. 22 OR);19 ein Vorvertrag wird durch den Abschluss des geplanten Vertrages erfüllt und erlischt damit (s. Art. 114 OR). Der Alleinvertriebsvertrag dagegen stellt ein Dauerschuldverhältnis (s.  N  57  ff.) dar und erlischt dementsprechend nicht durch einmalige Erfüllung der vorgesehenen Pflichten.20

2. 3847

Zum Kaufvertrag (Art. 184 ff. OR)

Die einzelnen Warenbezüge im Rahmen eines Alleinvertriebsvertrages beruhen in der Regel auf Kaufverträgen. Der Alleinvertriebsvertrag kann deswegen jedoch nicht mit dem Kaufvertrag gleichgesetzt werden. Grundsätzlich ist ein Kaufvertrag mit Austausch von Ware und Geld erfüllt, der Alleinvertriebsvertrag ist dagegen auf Dauer und wiederholten Warenbezug gerichtet. Der Warenbezug im Rahmen des Alleinvertriebsvertrages hat wie gesagt (s. N 3845) oft den Charakter eines auf Dauer angelegten Sukzessivlieferungsvertrages, der als einheitlicher Vertrag über die Lieferung der Ware in zeitlich getrennten Teilleistungen verstanden wird (s. N 2362).21 Der Alleinvertriebsvertrag enthält über die Elemente des Sukzessivlieferungskaufs hinaus noch weitere Charakteristika, die ihn von diesem abgrenzen (beispielsweise die Gebietsexklusivität22 oder das Bezugsrecht des Händlers; s. N 3852).

3. 3848

Innominatverträge

Zum Arbeitsvertrag (Art. 319 ff. OR)

Die Abgrenzung des Arbeitsvertrages vom Alleinvertriebsvertrag erfolgt anhand des Kriteriums der Unterordnungsintensität (Art. 321d OR).23 Der Händler ist selbstständiger Unternehmer, untersteht also mindestens de iure nicht der Weisungsgewalt der Lieferantin und bezieht z.B. auch keinen Lohn von ihr.

19 20 21 22 23

BSK  OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art.  184  ff. N  116; CHK  OR-Jacobs, Vorb Art.  184  ff./Alleinvertriebsvertrag N 2. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 116. Guhl/Koller, § 41 N 49 und N 51; CHK OR-Jacobs, Vorb. Art. 184 ff./Alleinvertriebsvertrag N 13. CHK OR-Jacobs, Vorb. Art. 184 ff./Alleinvertriebsvertrag N 13. S. BSK OR-Portmann/Rudolph, Art. 319 N 14.

1296

§ 48

4.

Alleinvertriebsvertrag

Zum Auftrag/Agenturvertrag (Art. 394 ff. und Art. 418a ff. OR)

Vom Auftrag bzw. Agenturvertrag unterscheidet sich der Alleinvertriebsvertrag 3849 dadurch, dass der Händler  – im Gegensatz zum Beauftragten bzw. Agenten  – in eigenem Namen und auf eigene Rechnung handelt. Der Beauftragte bzw. Agent besorgt ein fremdes, der Händler ein eigenes Geschäft. Daher agiert der Händler im Unterschied zum Beauftragten bzw. Agenten auch nicht als direkter oder indirekter Stellvertreter.24

5.

Zum Franchising

Die Franchisenehmerin ist meistens stärker in die Absatzorganisation der Lieferan- 3850 tin eingebunden als der Händler.25 Die Abgrenzung erfolgt anhand der Kriterien Weisungsgebundenheit/unternehmerische Autonomie, standardisiert zu erbringende Dienstleistungen und Franchisegebühr.26 Falls Lieferantin und Händler nur in einzelnen Bereichen kooperieren, spricht dies für Alleinvertrieb; eine umfassende Kooperation zwischen Lieferantin und Händler dagegen deutet eher auf Franchising hin. Indizien für Franchising sind koordinierte Bemühungen wie z.B. Marketinganstrengungen und Imagepflege, soweit sich diese auf das Vertriebssystem als Ganzes beziehen und nicht alleine dem Warenabsatz dienen.27

V.

Gültigkeit

Es besteht kein Formerfordernis (Art. 11 Abs. 1 OR). In der Regel sehen die Par- 3851 teien aber Schriftlichkeit des Vertrages und seiner Modifikationen vor (Art. 16 OR). Der Alleinvertriebsvertrag darf sodann nicht gegen die Schranken der Inhaltsfrei- 3851a heit (Art.  19/20  OR) verstossen. So können insbesondere restriktiv oder einseitig ausgestaltete Kündigungsregelungen übermässig bindend und damit persönlichkeitsverletzend sein (Art. 27 Abs. 2 ZGB; s. dazu auch N 425).28 Daneben sind immer auch mögliche kartellrechtliche Schranken zu beachten, stellen doch Alleinvertriebsverträge unter Umständen unzulässige (vertikale) Wettbewerbsabreden im Sinne von Art. 5 KG dar (s. dazu ausführlich N 3873 f.).

24 25 26 27 28

Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7256; detailliert zur Abgrenzung zum Agenturvertrag Kuhn, 187 ff. CHK OR-Jacobs, Vorb. Art. 184 ff./Alleinvertriebsvertrag N 17. Meyer, Alleinvertrieb, 146, insbesondere 66 ff., 77 ff. und 101 ff. S. Honsell, OR BT, 478; Meyer, Alleinvertrieb, 71. S. z.B. BGE 107 II 216.

1297

6. Kapitel

3852

Innominatverträge

VI.

Pflichten der Parteien

1.

Lieferantin

1.1

Gewährung eines ausschliesslichen Bezugsrechts

Die Lieferantin verpflichtet sich, dem Händler für die Vertragsware ein ausschliessliches Bezugsrecht einzuräumen und damit den direkten oder indirekten (durch beauftragte Dritte) Vertrieb im Ausschliesslichkeitsgebiet des Händlers zu unterlassen.29 Diese Pflicht ist Wesensmerkmal des Alleinvertriebsvertrages; sie verleiht dem Händler die ausschliessliche (alleinige) Stellung (zu der mit dem Bezugsrecht korrespondierenden Absatzförderungspflicht des Händlers s.  N  3858). Der Lieferantin ist es weiter in aller Regel vertraglich untersagt, die Vertragsware z.B. in anderer Aufmachung (etwa unter einer anderen Marke) im Vertragsgebiet zu vertreiben.30 1.2

Gebietsschutz

3853

Von der Gewährung eines ausschliesslichen Bezugsrechts ist der sog. Gebietsschutz zu unterscheiden. Mittels Gebietsschutzklausel verpflichtet sich die Lieferantin, anderen Abnehmern den Export in das Vertragsgebiet zu untersagen. Beispielsweise verspricht die schweizerische Lieferantin dem irischen Händler, dass sie dem norwegischen Händler die Lieferung nach Irland verbieten bzw. gegen einen solchen Export aus ihrem Vertrag mit dem norwegischen Händler gegen jenen vorgehen werde.

3854

Vertragliche Abreden, die einen Gebietsschutz begründen, sind kartellrechtlich problematisch.31 Gemäss Art. 5 Abs. 4 KG wird nämlich die Beseitigung des wirksamen Wettbewerbs bei einer Gebietsschutzklausel vermutet, sofern diese sich auch auf sog. passive Verkäufe bezieht, das heisst den Vertriebshändlern (auch) verboten wird, unaufgeforderte Bestellungen von Kunden ausserhalb ihres Vertragsgebiets auszuführen (sog. absoluter Gebietsschutz).32 Solche Verbote sind grundsätzlich kartellrechtswidrig und können daher nicht gültig vereinbart werden (s. N 3873 f.).33 Hingegen erfasst der Vermutungstatbestand von Art. 5 Abs. 4 KG das Untersagen aktiver Verkäufe nicht; solche Verbote sind daher in der Regel kartellrechtlich zuläs-

29 Guhl/Koller, § 40 N 6; Honsell, OR BT, 478; Kuhn, 191. 30 Meyer, Alleinvertrieb, 112. 31 CHK OR-Jacobs, Vorb. Art. 184 ff./Alleinvertriebsvertrag N 24 und N 34 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7263. 32 SHK KG-Reinert, Art. 5 N 33; Zurkinden, SZW 2004, 108. 33 S. Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N 636 f.; s. auch Meyer, Jusletter 2. Mai 2016, N 172.

1298

§ 48

Alleinvertriebsvertrag

sig.34 Aktive Verkaufsvorgänge sind beispielsweise das aktive Werben oder das Einrichten eigener Verkaufsstellen ausserhalb des Vertragsgebiets.35 Angebote über das Internet sind hingegen grundsätzlich als passive Verkaufsvorgänge zu qualifizieren. Ein aktiver Verkaufsvorgang liegt dagegen vor, wenn aus Werbung, Währungsangaben oder anderen Elementen des Internetauftritts hervorgeht, dass die Internetseite auch für Gebiete bestimmt ist, welche die Lieferantin dem Händler nicht ausschliesslich zugewiesen hat.36 1.3

Preis- und Lieferkonditionen

In der Regel vereinbaren die Parteien rahmenvertraglich Regelungen bezüglich der 3855 Preise und der Lieferkonditionen.37 Die Lieferantin ist verpflichtet, zu diesen vereinbarten Konditionen zu liefern.38 Inhaltlich entspricht dieser Teil des Alleinvertriebvertrages dem Sukzessivlieferungskauf (s. N 2362). Hingegen hat der Händler ohne entsprechende Abrede kein Recht auf Provisionszahlungen für Geschäfte, die von Dritten auf seinem Vertragsgebiet getätigt werden. Art. 418g Abs. 2 OR findet mit anderen Worten nicht analog Anwendung.39 1.4

Unterstützungspflicht

Die Lieferantin trifft mindestens insoweit eine Pflicht zur Unterstützung des Händ- 3856 lers, als Letzterer diese benötigt, um den Vertrieb vereinbarungsgemäss zu fördern, z.B. durch Informationsleistungen.40 Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck von Kooperationen und braucht darum nicht via Agenturrecht begründet zu werden.41 1.5

Gewährung einer Markenlizenz

Allenfalls verpflichtet sich die Lieferantin, die eigene Marke an den Händler zu 3857 lizenzieren und damit auch den Gebrauch der Marke bei den vom Händler vertriebenen Produkten zu dulden.42

34 CHK OR-Jacobs, Vorb. Art. 184 ff./Alleinvertriebsvertrag N 24. 35 Zäch, N 472. 36 SHK KG-Reinert, Art. 5 N 34. 37 Hartmann, 13. 38 Guhl/Koller, § 40 N 6; CHK OR-Jacobs, Vorb. Art. 184 ff./Alleinvertriebsvertrag N 28; Kuhn, 192. 39 BGE 4C.130/2004 E. 2.3. 40 Hartmann/Egli/Meyer-Hauser, 20. 41 A.M. Kuhn, 202, der Art. 418f OR analog anwendet. 42 BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 118; Kuhn, 197, je m.w.H.

1299

6. Kapitel

3858

2.

Händler

2.1

Absatzförderung

Der Händler ist zur Absatzförderung verpflichtet.43 Die Absatzförderungspflicht ergibt sich aus der Natur des Alleinvertriebsvertrages44; sie ist als Korrelat des Alleinvertriebsrechts (ausschliessliches Bezugsrecht; s. N 3852) zu verstehen.45 Oft konkretisieren die Parteien diese Pflicht, indem der Händler zusichert, vollständige Warensortimente zu führen, jährlich mindestens eine bestimmte Menge zu bestellen, Werbung für die Vertragswaren zu betreiben oder angemessene Leistungen bezüglich Garantie und Kundendienst zu erbringen.46 2.2

3859

Bezugspflicht

Sodann ist der Händler verpflichtet, die Ware bei der Lieferantin zu beziehen und dafür den Kaufpreis zu bezahlen.47 Ob den Händler ohne vertragliche Abrede die Pflicht trifft, die Vertragsware ausschliesslich bei der Lieferantin zu beziehen, ist umstritten.48 Unseres Erachtens ist diese Frage durch Auslegung bzw. Ergänzung des Parteiwillens zu beantworten. Jedenfalls empfiehlt sich eine ausdrückliche vertragliche Regelung. 2.3

3860

Innominatverträge

Vertriebsbindungen

Der Händler hat die vereinbarten Vertriebsbindungen zu beachten.49 Solche Bindungen sind auf ihre Vereinbarkeit mit dem Kartellrecht zu überprüfen. Heikel sind etwa dem Händler auferlegte Lieferverbote, sofern sie auf einen absoluten Gebietsschutz hinauslaufen (s. N 3854). In der Regel kartellrechtswidrig sind ferner Klauseln, welche dem Händler vorschreiben, zu welchem Preis er die Waren verkaufen muss (sog. Preisbindung zweiter Hand). Als zulässig gelten dagegen unverbindliche Preisempfehlungen sowie die Vorgabe von Höchstpreisen, solange die Lieferantin weder Druck ausübt noch Anreize gewährt, um deren Einhaltung sicherzustellen.50

43 44 45

Guhl/Koller, § 40 N 6; Honsell, OR BT, 478; Meyer, Alleinvertrieb, 115 ff. BGE 4C.126/2001 E. 4.4.1. Hartmann/Egli/Meyer-Hauser, 17. A.M. Kuhn, 191 und 199 f., der die Pflicht zur Absatzförderung auf Art. 418c Abs. 1 und Art. 418f Abs. 3 OR stützt. 46 Hartmann, 14. 47 Hartmann/Egli/Meyer-Hauser, 15; Kuhn, 191 f. und 196; Meyer, Alleinvertrieb, 113 f. 48 Bejahend Meyer, Alleinvertrieb, 113; nicht zwingend ausschliessliche Bezugspflicht BSK OR-Amstutz/ Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 119; Kuhn, 191; CHK OR-Jacobs, Vorb. Art. 184 ff./Alleinvertriebsvertrag N 25. 49 BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 119; Hartmann/Egli/Meyer-Hauser, 19. 50 CHK OR-Jacobs, Vorb. Art. 184 ff./Alleinvertriebsvertrag N 37.

1300

§ 48

2.4

Alleinvertriebsvertrag

Treuepflicht

Ob eine Treuepflicht bzw. ein Konkurrenzverbot des Händlers besteht, wenn etwas 3861 Entsprechendes nicht vereinbart wurde, ist in der Lehre umstritten. Während der Vertragsdauer wird dies von einem Teil der Lehre bejaht51, von einem anderen verneint52. Nach unserer Auffassung ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen: Je stärker die Integration des Händlers in das Vertriebsnetz der Lieferantin, desto eher ist eine Treuepflicht und damit ein Konkurrenzverbot anzunehmen. Bei wirtschaftlich selbständigen Händlern dürfte ein Konkurrenzverbot eher zu verneinen sein.53 Angesichts der unklaren Rechtslage empfiehlt sich eine vertragliche Regelung.54 Ein nachvertragliches Konkurrenzverbot kann unter den Voraussetzungen von Art. 418d Abs. 2 (Karenzentschädigung) und Art. 340 ff. OR zwar grundsätzlich vereinbart werden,55 unterliegt aber engen kartellrechtlichen Restriktionen.56

VII. Leistungsstörungen 1.

Anwendbarkeit des OR AT

Haben die Parteien die Folgen von allfälligen Leistungsstörungen nicht geregelt, fin- 3862 den grundsätzlich die allgemeinen Regeln des OR Anwendung, soweit nicht eine analoge Anwendung von Bestimmungen des Besonderen Teils angezeigt ist. Die Vernachlässigung der Absatzförderungspflicht (s. N 3858) stellt – sofern eine 3863 Ausschliesslichkeits- oder Mindestabnahmepflicht des Händlers fehlt  – eine positive Vertragsverletzung dar,57 welche die Folgen von Art. 97 ff. OR auslöst. Auch die Verletzung der Lieferpflicht durch die Lieferantin führt zur Anwendung von Art. 97 ff. oder – bei Verzug – Art. 102 ff. OR.58 Da der Alleinvertriebsvertrag ein Dauerschuldverhältnis ist, kommt ein Rücktritts- 3864 recht (ex tunc) kaum je infrage. Das Rücktrittsrecht wandelt sich in ein Kündigungsrecht (ex nunc); eine Aufhebung erfolgt in der Regel nur hinsichtlich künftiger Leistungen (s. N 3867 f.). Berühren die einzelnen Leistungsstörungen die Stamm51 52 53 54 55 56 57 58

Meyer, Alleinvertrieb, 292; Schluep, 844 m.w.H. Hartmann/Egli/Meyer-Hauser, 28. Gl.M. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 127. S. Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N 638 f. mit Hinweisen zur kartellrechtlichen Praxis zu Konkurrenzverboten während der Vertragsdauer. Cotti, N 855 m.w.H.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7281; a.M. hinsichtlich der Karenzentschädigung von Art. 418d Abs. 2 OR OGer Zürich, SJZ 1981, 213 ff. S. CHK OR-Jacobs, Vorb. Art. 184 ff./Alleinvertriebsvertrag N 40 m.w.H. Kuhn, 199 f. Meyer, Alleinvertrieb, 250 f. m.w.H.; s. CHK OR-Jacobs, Vorb. Art. 184 ff./Alleinvertriebsvertrag N 31.

1301

6. Kapitel

Innominatverträge

verpflichtung nicht und soll darum auch das Vertragsverhältnis als Ganzes nicht infrage gestellt werden, kann bezüglich einzelner Lieferungen gleichwohl nach Art. 107 ff. OR vorgegangen werden (zum Liquidationsverhältnis s. N 960 ff.).59

2. 3865

Hinsichtlich der einzelnen Lieferungen kommen sodann auch die kaufvertragsrechtlichen Gewährleistungsregeln zur Anwendung (Art. 192 ff. bzw. Art. 197 ff. OR). Ist die Vertragsware bei Vertragsabschluss noch nicht hergestellt, so handelt es sich nach einem Teil der Lehre um einen Werklieferungsvertrag (Art. 365 OR), was die Anwendung der werkvertragsrechtlichen Gewährleistungsregeln (Art.  365 i.V.m. Art. 192 ff. OR; Art. 365 und Art. 367 ff. OR) nach sich ziehen würde.60 Meyer ist dagegen der Auffassung, dass kein Werkvertrag oder Werklieferungsvertrag vorliegen kann: Der Erwerb einer erst noch herzustellenden Sache, die serienmässig fabriziert wird, sei als Kauf zu betrachten (s. N 2398). Gegenstand eines Alleinvertriebsvertrages seien immer genus-Waren.61 Insoweit dies zutrifft, ist Meyer Recht zu geben.

3. 3866

Gewährleistung

Anwendbarkeit von Art. 82 OR?

Der Alleinvertriebsvertrag enthält zwei Synallagmen: erstens die Lieferpflicht und die Abnahme- und Zahlungspflicht und zweitens die Pflicht, ein ausschliessliches Bezugsrecht einzuräumen sowie den Verkauf zu fördern (s. N 3838 f.). Innerhalb eines Synallagmas ist die Anwendung von Art. 82 OR (Einrede des nicht erfüllten Vertrages) unproblematisch. So darf der Händler beispielsweise die Förderung des Verkaufs solange einstellen, als die Lieferantin ihm kein ausschliessliches Bezugsrecht gewährt. Hingegen ist fraglich, ob das Leistungsverweigerungsrecht auch «über das Kreuz» möglich ist. Eine Ausübung «über das Kreuz» wäre beispielsweise zu bejahen, wenn sich die Lieferantin weigern würde, weiterhin Vertragsware zu liefern, weil der Händler die Verkaufsförderungspflicht verletzt. Die Rechtsprechung62 und die herrschende Lehre63 verneinen ein Leistungsverweigerungsrecht «über das Kreuz». Bei stärkerer Integration des Händlers in das Vertriebsnetz der Lieferan-

59 BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 120; Schluep, 846 f. 60 BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 121; Kuhn, 195. 61 Meyer, Alleinvertrieb, 141 f.; s. auch CHK OR-Jacobs, Vorb. Art. 184 ff./Alleinvertriebsvertrag N 2. 62 BGE 107 II 222 E. I.2b. 63 Kuhn, 193 f.; Meyer, Alleinvertrieb, 249 f.

1302

§ 48

Alleinvertriebsvertrag

tin verschmilzt gemäss Schluep das Doppelsynallagma zu einem einzigen, was im Resultat auf eine kreuzmässige Anwendbarkeit von Art. 82 OR hinausläuft.64

VIII. Beendigung 1.

Ordentliche Beendigung

In der Regel werden die Parteien miteinander eine bestimmte Laufzeit vereinbaren, 3867 bevor die (ordentliche) Kündigungsregelung pro Zeitabschnitt zu greifen beginnt.65 Während der Mindestdauer darf alsdann nur ausserordentlich, also bei Unzumutbarkeit einer Weiterführung, gekündigt werden. Haben die Parteien weder die Dauer des Vertrages noch die Kündigungsmodalitäten geregelt, so ist der Vertrag anhand des hypothetischen Parteiwillens zu ergänzen. Dabei sollte sich das Gericht am Typenrecht anderer Dauerschuldverhältnisse orientieren, um zu einer angemessenen Lösung zu gelangen (s. N 311). Hat der Vertrag im Zeitpunkt der Kündigung noch kein Jahr gedauert, so bietet sich analog Art. 418q Abs. 1 OR eine einmonatige Kündigungsfrist an; nach dem ersten Jahr dürfte eine sechsmonatige Kündigungsfrist analog Art. 546 Abs. 1 OR angemessen sein.66

2.

Ausserordentliche Beendigung

Da es sich beim Alleinvertriebsvertrag um ein Dauerschuldverhältnis handelt, ist 3868 eine (ausserordentliche) Kündigung aus wichtigem Grund unabhängig von der Befristung immer zulässig (s.  N  797  ff.).67 Umstritten ist, ob eine ausserordentliche Kündigung auch dann Wirkung entfaltet und den Alleinvertriebsvertrag fristlos beendet, wenn sie ungerechtfertigt (das heisst ohne wichtigen Grund) ausgesprochen wird.68 Das Bundesgericht hat diese Frage mit Bezug auf Vertriebsverträge offengelassen.69

64 Schluep, 847; ähnlich BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 122, welche die analoge Anwendung zulassen, wenn die Zweckstruktur des rechtsgeschäftlichen Verbundes auf einen gemeinsamen Finalnexus ausgerichtet ist, was ihrer Meinung nach in der Regel bejaht werden kann. 65 Zur Auslegung solcher Klauseln Bratschi/Rüedi, 833 ff. 66 S. Meyer, Jusletter 2. Mai 2016, N 26 ff. m.w.N.; ferner auch CHK OR-Jacobs, Vorb. Art. 184 ff./Alleinvertriebsvertrag N 42 m.w.H. 67 BGE 4A_484/2014 E.  3.2; BSK  OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art.  184  ff. N  124 m.w.H.; Bratschi/ Rüedi, 837. 68 Befürwortend Kull, SJZ 2011, 249 ff. und 252 f.; s. zur Kontroverse auch Bratschi/Rüedi, 840 f. m.w.N. 69 BGE 4A_589/2011 E. 10; tendenziell verneinend noch BGE 133 III 360 E. 8.3 = Pra 2008 Nr. 6.

1303

6. Kapitel

Innominatverträge

IX.

Einzelfragen

1.

Kundschaftsentschädigung

3869

Die ältere bundesgerichtliche Rechtsprechung70 lehnte die analoge Anwendung von Art. 418u OR auf den Alleinvertriebsvertrag ab. Das Bundesgericht begründete dies damit, dass die Interessenlage eine andere sei: Im Gegensatz zum Agenten handle der Händler in eigenem Namen und auf eigene Rechnung. Die Kunden des Agenten würden bei Beendigung des Vertrages zu solchen der Auftraggeberin, was beim Alleinvertriebsvertrag nicht automatisch der Fall sei. Die kantonale Rechtsprechung folgte mehrheitlich diesem Entscheid.71

3870

Eine Ausnahme schuf das Walliser Kantonsgericht, welches urteilte, dass auch ein Alleinvertriebsverhältnis in die Nähe eines Agenturverhältnisses rücken könne, wenn der Händler eine bekannte Marke vertreibe. Bei Beendigung des Alleinvertriebvertrages würden die Kunden zu solchen der Lieferantin (oder eines neuen Händlers). Die Person des Händlers trete in einer solchen Konstellation insofern in den Hintergrund, als es dem Kunden um die Marke und nicht um den Händler gehe.72 In BGE 134 III 497 nahm das Bundesgericht die Überlegungen des kantonalen Gerichts auf, um einen Anspruch auf Kundschaftsentschädigung in Analogie zu Art. 418u OR unter gewissen Voraussetzungen zuzulassen.73 Zusätzlich zu den geschriebenen Tatbestandsmerkmalen von Art. 418u OR (s. N 3421 ff.) müssen zwei weitere Voraussetzungen erfüllt sein.74 Zunächst muss der Händler massgeblich in das Vertriebssystem der Lieferantin eingebunden worden sein.75 Sodann muss eine Vereinbarung vorliegen, wonach der Kundenstamm bei Beendigung des Vertrages auf die Lieferantin bzw. auf einen neuen Händler übergehen sollte.76 Nur dann rechtfertige sich eine Analogie zum Agenturrecht.77

3871

Die Eingliederung in die Vertriebsorganisation der Lieferantin ergibt sich regelmässig aus den vertraglichen Pflichten des Händlers, wie beispielsweise den Regeln über Mindestabnahme- und Mindestvorratsmengen, Konkurrenzverbote, Berichterstattungspflichten bezüglich des Kundenstamms etc.78 Der Kundenstamm kann aus 70 71 72 73 74 75 76 77 78

S. BGE 88 II 169 E. 7 = Pra 1962 Nr. 127. Cour civile de Neuchâtel, RJN 1995, 81 ff.; Cour de justice civile de Génève, SemJud 1970, 33 ff.; für eine Übersicht der kantonalen Rechtsprechung s. Baudenbacher, 83 f. KGer Wallis, RVJ 2003, 282 ff. E. 4d. BGE 134 III 497 E.  4.2 = Pra 2009 Nr.  19; den Ausnahmecharakter der analogen Anwendung von Art. 418u OR bestätigte das Bundesgericht in BGE 4A_86/2010 E. 1.3, in welchem es einen Anspruch auf Kundschaftsentschädigung verneinte. Gemäss Fountoulakis, recht 2008, 226, sind dies «Analogievoraussetzungen». A.M. Meyer, Jusletter 2. Mai 2016, N 85, der dieses Kriterium ablehnt. BGE 134 III 497 E. 4.4.2 = Pra 2009 Nr. 19. Benedick/Bottini, Jusletter 3. November 2008, N 8. BGE 134 III 497 E. 4.4.2 = Pra 2009 Nr. 19; s. Benedick/Bottini, Jusletter 3. November 2008, N 12.

1304

§ 48

Alleinvertriebsvertrag

rechtlichen oder faktischen Gründen auf die Lieferantin übergehen.79 Ersteres ist beispielsweise der Fall, wenn dem Händler ein nachvertragliches Konkurrenzverbot (s. N 3861) auferlegt wurde, Letzteres, wenn die Kundschaft an die Marke und nicht an die Person des Händlers gebunden ist (sog. Sogwirkung der Marke).80 Nach unserer Ansicht ist die Analogie wenig sachgerecht.81 Beim Alleinvertriebs- 3872 vertrag stehen sich grundsätzlich zwei gleichgestellte Parteien gegenüber, welche die Eingliederung des Händlers in die Vertriebsorganisation der Lieferantin frei wählen. Keine der Parteien ist somit a priori besonders schutzbedürftig. Dies steht im Gegensatz zum Agenturvertrag, bei welchem der Gesetzgeber prinzipiell ein Schutzbedürfnis des Agenten annimmt. Ein richterlicher Eingriff in das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung darf somit nicht leichthin erfolgen, weshalb eine analoge Anwendung von Art. 418u OR in der Regel abzulehnen ist. Sie ist insbesondere dann zu verneinen, wenn die Kundschaftsentschädigung durch die Parteien im Vertrag ausgeschlossen wurde.82 Da zwingendes Recht im OR die Ausnahme darstellt, sollte auch der zwingende Charakter von Art. 418u OR bei Alleinvertriebsverträgen nur ausnahmsweise gelten, nämlich dann, wenn der Händler sich in einer ähnlich schutzwürdigen Position wie der Agent befindet, das heisst wirtschaftlich massgeblich von der Lieferantin abhängig ist. Besteht keine solche besondere Schutzwürdigkeit, ist im Rahmen des Alleinvertriebsvertrages von einer dispositiven Norm auszugehen.83

2.

Kartellrecht

Alleinvertriebsverträge stellen unter Umständen unzulässige (vertikale) Wettbe- 3873 werbsabreden gemäss Art. 5 KG dar und sind deshalb immer auch im Licht des Kartellrechts zu prüfen. Durch den Abschluss solcher Verträge schafft die Lieferantin nämlich ein bestimmtes Gebiet, in welchem es lediglich einen Händler geben soll. Für die Marktgegenseite, das heisst für die einzelnen Kunden, bedeutet dies, dass die Produkte der Lieferantin – innerhalb des entsprechenden Gebiets – nur bei einem Händler bezogen werden können. Der Wettbewerb unter verschiedenen Händlern derselben Produkte (sog. Intrabrand-Wettbewerb) soll damit aufgehoben werden. Andererseits kann der Alleinvertriebsvertrag aber auch dazu dienen, neue Produkte auf einem Markt zu lancieren, wodurch der Wettbewerb zwischen Produkten verschiedener Hersteller (sog. Interbrand-Wettbewerb) gefördert wird.84 Es ist im Ein79 80 81 82 83

Fountoulakis, recht 2008, 226. S. Benedick/Bottini, Jusletter 3. November 2008, N 15 f. A.M. Baudenbacher, 87 f.; Schluep, 847 f. S. CHK OR-Jacobs, Vorb. Art. 184 ff./Alleinvertriebsvertrag N 33. Gl.M. CHK OR-Jacobs, Vorb. Art. 184 ff./Alleinvertriebsvertrag N 33; s. Vetsch/von der Crone, SZW 2009, 92. 84 S. Zäch, N 63 ff.

1305

6. Kapitel

Innominatverträge

zelfall zu prüfen, ob Abreden im Rahmen eines Alleinvertriebsvertrages überwiegend wettbewerbsfördernde oder -beschränkende Wirkung haben.85 3873a

Öffentlich-rechtlich wird die Beteiligung an einer unzulässigen Wettbewerbsabrede mit hohen Bussen sanktioniert (s. Art. 49a KG).86 Zivilrechtlich weist ein Vertrag, der gegen die kartellrechtlichen Schranken verstösst, einen widerrechtlichen Inhalt auf und ist ex tunc nichtig (Art. 20 OR).87 Die Nichtigkeit soll indes nur so weit reichen, als dies der Zweck der verletzten Norm erfordert.88 Da in der Regel nur einzelne Klauseln eines Alleinvertriebsvertrages (z.B. Preisbindungen) kartellrechtswidrig sind und der Schutz des wirksamen Wettbewerbs keine Ganznichtigkeit gebietet, ist anhand des hypothetischen Parteiwillens zu entscheiden, ob der Vertrag ohne den mangelhaften Teil aufrechterhalten werden kann (Art. 20 Abs. 2 OR; s. N 434 ff.).89 Mit Blick auf den Schutzzweck des KG ist sodann zu beurteilen, wer sich im konkreten Fall auf die (Teil-)Nichtigkeit berufen können soll.90

85 CHK OR-Jacobs, Vorb. Art. 184 ff./Alleinvertriebsvertrag N 34. 86 S. Girsberger/Huber-Purtschert/Maissen/Sprecher, N 630. 87 BGE 134 III 438 E. 2.2; s. Jacobs, 576 ff. m.w.H. 88 BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 55 ff. 89 Jacobs, 581. 90 Ausführlich dazu Jacobs, 587 ff.

1306

§ 49 Franchisevertrag Grundlagenliteratur Bucher, OR BT, 42 f.; Engel, CO PS, 789 ff.; Guhl/Koller, § 40 N 7; Honsell, OR BT, 474  ff.; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 12 N  59  ff.; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 2484; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7375 ff.

Weiterführende Literatur Baudenbacher Carl, Die Behandlung des Franchisevertrages im schweizerischen und im europäischen Recht, in: Kramer Ernst A. (Hrsg.), Neue Vertragsformen der Wirtschaft: Leasing, Factoring, Franchising, 2. Aufl., Bern 1992, 365–404 (zit.: Baudenbacher, Franchisevertrag); Baudenbacher Carl, Anspruch auf Kundschaftsentschädigung bei gesetzlich nicht geregelten Absatzmittlungsverträgen?, in: FS Schluep, Zürich 1988,  81–93 (zit.: Baudenbacher, Kundschaftsentschädigung); Benedick Gilles/Bottini Paolo, Die Kundschaftsentschädigung beim Alleinvertriebsvertrag, Jusletter 3. November 2008; Ebneter Martin J., Der Franchise-Vertrag, Diss. Zürich 1997; Egli Urs, Die Bedeutung des Kartellrechts in der Vertragspraxis (1. Teil), recht 2014, 1–15; Huguenin Claire/Hilty Reto M. (Hrsg.), Schweizer Obligationenrecht 2020, Entwurf für einen neuen allgemeinen Teil, Zürich 2013 (zit.: OR 2020-BearbeiterIn); Koller Thomas/Zirlick Beat, Rechtliche Einordnung, vorvertragliche Phase und Durchführung des Franchisevertrages im schweizerischen Recht, in: Schulze Reiner (Hrsg.), Franchising im Europäischen Privatrecht, Baden-Baden 2001,  49–84; Marsch Diana, Franchising im internationalen Rechtsverkehr – Eine rechtsvergleichende und kollisionsrechtliche Untersuchung, Diss. Zürich 1999; Martinek Michael, Moderne Vertragstypen, Bd. II: Franchising, Know-how-Verträge, Management- und Consultingverträge, München 1992; Metzlaff Karsten, Praxishandbuch Franchising, München 2003 (zit.: Metzlaff/BearbeiterIn); Pichonnaz Pascal, Le contrat de franchise: état de son évolution, in: Pichonnaz Pascal/Werro Franz (Hrsg.), La pratique contractuelle 3, Symposium en droit des contrats, Zürich/Basel/Genf 2012; 41–68; Schluep Walter R., Innominatverträge, in: Vischer Frank (Hrsg.), SPR Bd. VII/2, Basel/Stuttgart 1979,  763–969; Schulthess Victor G., Der Franchise-Vertrag nach schweizerischem Recht, Diss. Zürich 1975; Stein-Wigger Matthias, Der Investitionsersatzanspruch des Franchisenehmers, AJP 2000,  1079–1094 (zit.: Stein-Wigger, AJP 2000); Stein-Wigger Matthias, Die Beendigung des Franchisevertrages, Eine rechtsvergleichende Studie unter besonderer Berücksichtigung des schweizerischen, deutschen und amerikanischen Rechts, Diss. Basel 1999 (zit.: Stein-Wigger, Beendigung); Vetter Meinrad/Gutzwiller Roman S., Voraussetzungen und Rechtsfolgen der ausserordentlichen Beendigung von Dauerschuldverhältnissen, AJP 2010, 699–714; Wang Mario, Die Funktionsweise des Franchising im Gastgewerbe und in der Hotellerie, in: Kramer Ernst A. (Hrsg.), Neue Vertragsformen der Wirtschaft: Leasing, Factoring, Franchising, 2. Aufl., Bern 1992, 335–393; Wildhaber Christoph, Franchising im internationalen Privatrecht: unter besonderer Berücksichtigung des schweizerischen Schuld-

1307

6. Kapitel

Innominatverträge

rechts und mit Hinweisen auf die Vertragsgestaltung namentlich unter IPR-Gesichtspunkten, Diss. St. Gallen 1991.

I.

Begriff

Ein Franchisevertrag liegt vor, wenn der Franchisegeber einer Franchisenehmerin gegen Entgelt das Recht einräumt, in eigenem Namen und auf eigene Rechnung eine Absatz-, Organisations- und/oder Marketingkonzeption für Waren und/oder Dienstleistungen zu übernehmen. Die Franchisenehmerin verpflichtet sich ausserdem, Weisungen des Franchisegebers zu beachten und den Absatz zu fördern.1

3874

3875

Zur-Verfügung-Stellen des Vertriebssystems

Franchisegeber

Franchisevertrag

Franchisenehmerin

Entgelt

Erbringen von Dienstleistungen und/oder Lieferung von Waren in eigenem Namen

Kunde

Abbildung: Franchiseverhältnis

II. 3876

Wirtschaftliche Funktion und Erscheinungsformen

Waren- und/oder Dienstleistungskonzepte, welche unabhängig von den Ideenträgern auch an anderen Orten im gleichen Stil umgesetzt werden sollen, können mit1

S. BGE 118 II 157 E. 2a; BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 129; Honsell, OR BT, 475.

1308

§ 49

Franchisevertrag

tels Franchising einheitlich vertrieben und abgesetzt werden. Der Franchisegeber kann so das Vertriebsnetz aufbauen bzw. ausweiten, ohne das Absatzrisiko allein tragen zu müssen. Die Franchisenehmerin kann demgegenüber von der Marktposition und dem Know-how des Franchisegebers profitieren.2 In Lehre und Praxis werden verschiedene Erscheinungsformen des Franchisevertra- 3877 ges unterschieden: Gestützt auf die «Kooperationsintensität» zwischen Franchisegeber und Franchisenehmerin wird zwischen Produktefranchising und Betriebsfranchising unterschieden.3 Bei beiden Formen bildet ein einheitliches Vertriebskonzept die Grundlage. Der Franchisevertrag dreht sich somit immer um ein Franchisesystem oder package, das heisst ein umfassendes Organisations- und Absatzsystem.4 Unterschiedlich ist hingegen der Umfang des Leistungsbündels, welches der Franchisegeber einer Franchisenehmerin zur Verfügung stellt. Während sich das Produktefranchising auf den Absatz von bestimmten Waren beschränkt (z.B. Coca-Cola), übernimmt die Franchisenehmerin beim Betriebsfranchising ein viel umfassenderes Leistungsbündel, welches beispielsweise Nutzungsrechte an Immaterialgütern, Dienstleistungen, Know-how und eventuell Waren umfasst (z.B. Hertz, Hilton, McDonald’s, Starbucks etc.). Des Weiteren stellen Lehre und Rechtsprechung auf die Natur des Verhältnisses 3878 zwischen Franchisenehmerin und Franchisegeber ab: Beim Partnerschaftsfranchising besteht zwischen den Parteien ein partnerschaftliches (tendenziell gleichberechtigtes) Verhältnis.5 Ist die Franchisenehmerin hingegen dem Franchisegeber untergeordnet, so handelt es sich um ein Subordinationsfranchising.6 Das Subordinationsfranchising zeichnet sich dadurch aus, dass die Franchisenehmerin zwar rechtlich selbständig ein Unternehmen führt, wirtschaftlich und persönlich aber vom Franchisegeber abhängig ist und ihre Aufgabe im Wesentlichen darin besteht, das Vertriebskonzept des Franchisegebers präzise nach seinen Vorstellungen umzusetzen.7 Das Subordinationsfranchising dürfte in der Praxis die Regel, das Partnerschaftsfranchising die Ausnahme sein.8

2 3 4 5 6 7 8

BGE 118 II 157 E. 2a; s. CHK OR-Wildhaber, Vorb. Art. 184 ff./Franchisevertrag N 2. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 132 m.w.H.; Marsch, 11 f. Metzlaff/Skaupy, § 2 N 3; Wang, 337. BGE 4A_148/2011 E. 4.1; Pichonnaz, 48. BGE 118 II 157 E. 2c; Martinek, 65 ff. Koller/Zirlick, 52; Stein-Wigger, AJP 2000, 1080. S. Ebneter, 17 ff. m.w.H.; Koller/Zirlick, 52. S. aber auch BGE 4A_148/2011 E. 4.3.2.2, wonach keine Vermutung zugunsten des Subordinationsfranchisings besteht, sondern im Einzelfall aufgrund der Umstände zu prüfen ist, ob ein Unterordnungsverhältnis vorliegt oder nicht.

1309

6. Kapitel

III. 3879

Innominatverträge

Rechtsnatur

Beim Franchisevertrag handelt es sich um einen als Dauerschuldverhältnis ausgestalteten Innominatvertrag. Besteht er schwergewichtig aus verschiedenen Elementen von Nominatverträgen, liegt ein gemischter Vertrag vor; enthält er hauptsächlich Innominatelemente, so ist er als Vertrag sui generis zu qualifizieren.9 Meistens finden sich in ihm Elemente folgender Verträge: Kauf, Miete bzw. Pacht, Arbeitsvertrag, Agenturvertrag, Auftrag, einfache Gesellschaft, Lizenzvertrag, Know-howVertrag und Alleinvertriebsvertrag.10

IV.

Abgrenzungen

3880

Während beim Werkvertrag ein Erfolg geschuldet wird, ist die Franchisenehmerin mit der Pflicht zur Absatzförderung bloss zu einem Tätigwerden verpflichtet.

3881

Im Gegensatz zum Agenten, welcher direkter Stellvertreter der Auftraggeberin ist, handelt die Franchisenehmerin in eigenem Namen und auf eigene Rechnung (s. auch Art. 418 ff. OR). Somit trägt die Franchisenehmerin ein wesentlich grösseres Risiko als der Agent.

3882

Die Kommission unterscheidet sich vom Franchisevertrag dadurch, dass der Kommissionär zwar in eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung (Art. 425 Abs. 1 OR), die Franchisenehmerin hingegen in eigenem Namen und auf eigene Rechnung handelt. Des Weiteren sind beim Franchisevertrag die Geschäftsbeziehungen auf Dauer und Wiederholung ausgerichtet, während beim Kommissionsvertrag kein Dauerschuldverhältnis vorliegt.

3883

Der Franchisevertrag, insbesondere das Produktefranchising, hat mit dem Alleinvertriebsvertrag viele Ähnlichkeiten: Sowohl die Franchisenehmerin als auch der Händler handeln in eigenem Namen und auf eigene Rechnung. Die Franchisenehmerin ist aber stärker als der Händler in das Absatzkonzept des Franchisegebers eingebunden.11 Dies äussert sich darin, dass den Franchisegeber sowohl weiter gehende Leistungspflichten als auch umfassendere Weisungs- und Kontrollrechte zukommen als der Lieferantin beim Alleinvertriebsvertrag.12 Ausserdem zahlt die Franchisenehmerin im Gegensatz zum Händler eine Franchisegebühr (s. zur Abgrenzung auch N 3850).

9 10 11 12

BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 133. S. BGE 134 I 304 E. 3.3; CHK OR-Wildhaber, Vorb. Art. 184 ff./Franchisevertrag N 5. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 134; Pichonnaz, 51. Marsch, 13.

1310

§ 49

Franchisevertrag

Gewisse Parallelen (Nutzungsrechte an Immaterialgüterrechten etc.) finden sich 3884 auch zum Lizenzvertrag (s. N 3808). Die Franchisenehmerin ist aber in der Regel stärker in das Absatzkonzept des Franchisegebers integriert als die Lizenznehmerin.13 Indizien für eine stärkere Einbindung der Franchisenehmerin bilden die ausgeprägten Kontrollrechte und Weisungsbefugnisse des Franchisegebers (insbesondere beim Subordinationsfranchising). Entscheidendes Kriterium für die Abgrenzung des Partnerschaftsfranchisings vom 3885 Arbeitsvertrag ist die persönliche Abhängigkeit von der Arbeitgeberin. Der Arbeitnehmer ist persönlich, organisatorisch, zeitlich und wirtschaftlich von der Arbeitgeberin abhängig.14 Zwar hat auch der Franchisegeber Weisungs- und Kontrollbefugnisse gegenüber der Franchisenehmerin; dennoch ist diese Abhängigkeit weniger weitgehend, hauptsächlich wirtschaftlicher Natur15. Handelt es sich hingegen um ein Subordinationsfranchising, so kann es sich durchaus rechtfertigen, einzelne Bestimmungen des Arbeitsrechts analog auf den Innominatvertrag Franchising anzuwenden, soweit der Schutzzweck der zwingenden Norm dies verlangt (s. N 3696 ff.).16 Vielfach enthält der Franchisevertrag aber auch (Spuren-)Elemente der hier genann- 3886 ten sowie anderer Verträge.

V.

Gültigkeit

Zur Entstehung bedarf der Franchisevertrag keiner besonderen Form (Art.  11 3887 Abs. 1 OR). Um ein einheitliches Absatzkonzept zu realisieren, werden regelmässig Standardverträge verwendet.17 Diese unterliegen der AGB-Kontrolle (s. N 605 ff.).18 Sodann wird in der Regel Schriftlichkeit für die Entstehung sowie für Änderungen vereinbart (Art. 16 OR). Der Franchisevertrag muss vor der Inhaltsschranke von Art.  19/20  OR standhal- 3887a ten. Zu beachten gilt es auch mögliche wettbewerbs- bzw. kartellrechtliche Schranken (s. dazu N 3908).

13 14 15 16 17 18

CHK OR-Wildhaber, Vorb. 184 ff./Franchisevertrag N 9. BSK OR-Portmann/Rudolph, Art. 319 N 14. S. CHK OR-Wildhaber, Vorb. 184 ff./Franchisevertrag N 7. S. BGE 118 II 157 E. 4. BGE 4P.135/2002 E. 3; s. Schulthess, 159 ff. CHK OR-Wildhaber, Vorb. Art. 184 ff./Franchisevertrag N 24.

1311

6. Kapitel

VI. 3888

Pflichten der Parteien

Beim Franchisevertrag gibt es keine spezifische Haupt- bzw. Gegenleistung; vielmehr zeichnet sich das Franchising dadurch aus, dass jede Partei der anderen mehrere zu einem sinnvollen Ganzen assortierte Leistungen schuldet. Da diese Pflichten je nach Ausgestaltung des Vertrages stark variieren können, ist es weder tunlich noch möglich, das jeweilige Leistungsbündel abschliessend zu beschreiben.19 Die folgende Aufzählung der Pflichten (s. N 3889) ist deshalb entsprechend zu relativieren.

1. 3889

Innominatverträge

Franchisegeber

Den Franchisegeber treffen in der Regel folgende Pflichten:20 • Überlassung von Nutzungsrechten an absolut geschützten und nicht absolut geschützten Immaterialgütern (Markenrechte und übrige Kennzeichenrechte wie Namen, Logos, Symbole und gewerbliches Know-how) sowie Verteidigung der Schutzrechte; • Weiterentwicklung des Franchisesystems und Anpassung an organisatorische, technische und marktmässige Neuerungen; • Gewährleistung der Brauchbarkeit von Absatz-, Organisations- und Marketingkonzept; • Erbringen von Dienstleistungen (Schulung des Kaders, Beratung etc.); • Lieferung der Produkte (Produktfranchising); • Gewährleistung des Gebietsschutzes, sofern ein Ausschliesslichkeitsbereich zugesichert wurde (soweit kartellrechtlich zulässig; s. N 3908); • Informations- und Aufklärungspflichten.

2. 3890

Franchisenehmerin

Die Franchisenehmerin ihrerseits schuldet die Bezahlung einer Franchisegebühr. Diese Franchisegebühr setzt sich regelmässig aus einer Eintrittsgebühr und einer laufenden, umsatzabhängigen Gebühr zusammen.21 Während die Eintrittsgebühr den Franchisegeber für die Planung und den Aufbau des Systems entschädigt, bezweckt die laufende Gebühr die Abgeltung der aus dem Franchisevertrag entspringenden Rechte.

19 Koller/Zirlick, 71. 20 BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 139 ff. m.w.H.; s. ferner auch Marsch, 19 ff. 21 Marsch, 23.

1312

§ 49

Franchisevertrag

Des Weiteren hat die Franchisenehmerin häufig die folgenden Pflichten:22 • • • • • • • •

3891

Absatzförderung; Nutzung der eingeräumten Rechte; Abrechnung; Geheimhaltungspflicht (insbesondere bezüglich Know-how und Geschäftsgeheimnissen); Befolgen von Weisungen des Franchisegebers (z.B. Kleidervorschriften) und Dulden von Kontrollen; Treue und Interessenwahrung; Konkurrenzverbot; (eventuell ausschliesslicher) Warenbezug beim Franchisegeber oder bei von ihm benannten Dritten.

VII. Beendigung Im Franchisevertrag wird meistens eine Mindestdauer vereinbart, während der eine 3892 ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist. Nach Ablauf der Mindestdauer besteht sodann oft die Möglichkeit, den Vertrag um eine jeweils wiederkehrende Zeitdauer zu verlängern. Es fragt sich, ob es sich bei dieser Konstellation um einen befristeten oder unbefristeten Vertrag handelt. Die Unterscheidung ist deshalb von Bedeutung, weil ein befristetes Vertragsverhältnis grundsätzlich nicht durch ordentliche, sondern nur durch ausserordentliche Kündigung aufgelöst werden darf. Von einem unbefristeten Vertrag spricht man häufig, wenn es nach Ablauf der Min- 3893 destdauer automatisch, das heisst, ohne dass eine Partei eine Willenserklärung abgibt, um eine bestimmte Dauer verlängert wird (s. zur AGB-rechtlichen Problematik solcher Bestimmungen N 625a). Vereinbaren die Parteien, dass das Vertragsverhältnis nach Ablauf der Mindestdauer 3894 nur verlängert wird, sofern die Franchisenehmerin eine solche vertraglich eingeräumte Option auch ausübt, so handelt es sich um einen befristeten Vertrag. Dieser darf grundsätzlich nicht ordentlich gekündigt werden.23

1.

Ordentliche Kündigung

Ein unbefristeter Franchisevertrag kann von jeder Partei unter Einhaltung einer 3895 bestimmten Kündigungsfrist beendet werden. In der Lehre wird bei Fehlen einer 22 S. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 142 ff. m.w.H. 23 Stein-Wigger, Beendigung, 252 m.w.H.

1313

6. Kapitel

Innominatverträge

vertraglichen Regelung die analoge Anwendbarkeit von Art. 546 Abs. 1 OR postuliert, welcher eine Kündigungsfrist von sechs Monaten vorsieht.24 Abgelehnt wird die analoge Anwendung von Art. 404 OR, da diese Norm für ein Dauerschuldverhältnis wie den Franchisevertrag wenig sachgerecht ist.25 Auch Art. 418q OR passt aufgrund der sehr kurzen Kündigungsfristen nicht auf die Besonderheiten des Franchiseverhältnisses.26 Etwas anderes gilt, wenn der Schutzzweck dieser zwingenden Norm die Anwendung auf den entsprechenden Sachverhalt erfordert. 3896

Wird ein sehr stark subordinativ ausgestaltetes Franchising vom Franchisegeber missbräuchlich gekündigt, so kommen allenfalls die arbeitsrechtlichen Bestimmungen analog zur Anwendung. Insbesondere ist eine Entschädigung nach Art. 336a OR möglich.27 Auch die Antwort auf diese Frage hängt vom Schutzbereich der zwingenden, diesfalls arbeitsrechtlichen Norm ab.

2.

Ausserordentliche Kündigung

3897

Jedes Dauerschuldverhältnis kann aufgrund unvorhersehbarer und gravierend veränderter Umstände oder bei sonstiger Unzumutbarkeit der Weiterführung (Vorliegen eines wichtigen Grunds) jederzeit gekündigt werden.28 Durch die ausserordentliche Kündigung wird das Vertragsverhältnis mit Wirkung ex nunc aufgelöst.29

3898

Faktoren, die eine ausserordentliche Kündigung erlauben, sind beispielsweise Tod oder Handlungsunfähigkeit eines Vertragspartners (Art. 418s OR analog).30

3899

Wichtige Gründe, welche den Franchisegeber berechtigen, ausserordentlich zu kündigen, sind in der Regel gleichzeitig schwerwiegende Vertragsverletzungen wie z.B. folgende:31

24

25 26 27 28

29 30 31

1314

BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 152; Marsch, 26 m.w.H. A.M. Stein-Wigger, Beendigung, 267 ff., welcher eine analoge Anwendung von Art. 546 Abs. 1 OR für das Subordinationsfranchising verneint. Nach Art. 144 Abs. 1 OR 2020 soll ein unbefristeter Dauervertrag bei fehlender vertraglicher oder gesetzlicher Regelung unter Einhaltung einer angemessenen Frist gekündigt werden können. Da bei Innominatverträgen keine gesetzliche Regel in Betracht kommen kann, ist in diesen Fällen, so OR 2020-Hilty/ Purtschert, Art. 144 N 2, eine angemessene Frist einzuhalten. BGE 4C.228/2000 E. 4; CHK OR-Wildhaber, Vorb. 184 ff./Franchisevertrag N 28. Baudenbacher, Franchisevertrag, 379; Stein-Wigger, Beendigung, 266 m.w.H. BGE 118 II 157 E. 4b; ausführlich zum Ganzen Stein-Wigger, Beendigung, 270 ff. BGE 92 II 299 E. 3b. Anschaulich in diesem Zusammenhang auch der OR 2020-Entwurf, welcher eine allgemeine Bestimmung zur ausserordentlichen Kündigung von Dauerverträgen im Allgemeinen Teil des OR vorschlägt. Nach Art. 145 Abs. 1 OR 2020 soll ein Dauervertrag aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden können; als wichtiger Grund soll dabei jeder Umstand gelten, welcher die Fortsetzung des Vertrages unzumutbar werden lässt. Stein-Wigger, Beendigung, 299. Baudenbacher, Franchisevertrag, 380. S. Martinek, 128 ff.

§ 49

• • • •

Franchisevertrag

unerlaubte Nebentätigkeit; dauernde Vernachlässigung der Absatzförderungspflicht; wiederholtes Missachten von Informationspflichten; wiederholtes Nichtbeachten der vorgeschriebenen Verfahrensrichtlinien für die Leistungserstellung (z.B. im fast food-Bereich).

Auch die Franchisenehmerin kann den Vertrag jederzeit auflösen, sofern der Fran- 3900 chisegeber den Vertrag in gravierender Weise verletzt und somit einen wichtigen Grund für die ausserordentliche Kündigung setzt (z.B. vertragswidrige Absatzgebietsbeschränkung, willkürliche Nichtannahme von Bestellungen etc.).32 Kündigt ein Vertragspartner den Vertrag ohne wichtigen Grund, also unberechtig- 3901 terweise, so sind beim Subordinationsfranchising die Bestimmungen des Arbeitsrechts analog heranzuziehen (Art.  337c  OR), sofern der Schutzzweck der Norm es erfordert.33 Demnach ist das Vertragsverhältnis trotz unzulässiger Kündigung aufgelöst. Die Gegenseite hat jedoch einen Entschädigungsanspruch (Art. 337c OR analog); sie ist so zu stellen, als hätte es keine fristlose Kündigung gegeben.

VIII. Kundschafts- und Karenzentschädigung 1.

Kundschaftsentschädigung

Nachdem das Bundesgericht dem Alleinvertreter einen Anspruch auf Kundschafts- 3902 entschädigung zugebilligt hat (s. N 3870)34, dürfte ein solcher auch der subordinierten Franchisenehmerin zustehen, sofern der Schutzbereich der zwingenden Norm den konkreten Fall erfasst. Die vom Bundesgericht statuierten Analogievoraussetzungen sind bei einem Franchisevertrag sogar häufiger gegeben:35 Denn die Franchisenehmerin ist regelmässig in das Absatzkonzept des Franchisegebers eingebunden und bietet die Waren und/oder Dienstleistungen unter einer fremden Marke an. Die Kunden, die Leistungen bei der Franchisenehmerin beziehen, werden mittels des Vertriebskonzepts bzw. der Markenbekanntheit des Franchiseobjekts akquiriert. Der Kundenstamm entsteht infolgedessen beim Franchisegeber und schafft einen immateriellen Vermögenswert, soweit die Kundschaft nach Beendigung des Vertragsverhältnisses beim Franchisegeber verbleibt. Der Franchisenehmerin selbst 32 33

Martinek, 130. S.  Vetter/Gutzwiler, AJP  2010, 712; ferner auch Stein-Wigger, Beendigung, 300. A.M. BSK  ORAmstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 156, und CHK OR-Wildhaber, Vorb. Art. 184 ff./Franchisevertrag N 31, welche eine grundlos ausgesprochene Kündigung grundsätzlich als unwirksam erachten. Unter Umständen wird diese in eine ordentliche Kündigung auf den nächstmöglichen Termin umgewandelt. 34 BGE 134 III 497 E. 4 = Pra 2009 Nr. 19. 35 Benedick/Bottini, Jusletter 3. November 2008, N 40.

1315

6. Kapitel

Innominatverträge

ist es grundsätzlich nicht möglich, eine eigene Kundschaft zu schaffen.36 Sowohl die Voraussetzung der Eingebundenheit in das Absatzsystem als auch diejenige des Übergangs des Kundenstamms zum Franchisegeber sind somit im Normalfall erfüllt. Liegt ein schwergewichtig subordinativer Franchisevertrag vor, so dürfte der Anspruch auf Kundschaftsentschädigung ausserdem zwingender Natur sein, weil die Franchisenehmerin im Sinne der entsprechenden Norm schutzwürdig ist (s. N 3423 und N 3872).

2. 3903

Die Parteien vereinbaren oft ein nachvertragliches Konkurrenzverbot. Für die Franchisenehmerin bedeutet dies eine beträchtliche Einschränkung: Trotz wiedererlangter Unabhängigkeit ist es ihr dann nämlich während einer bestimmten Zeit verwehrt, in ihrer angestammten Branche zu wirtschaften. Zu beachten sind einerseits die allgemeinen Schranken von Art. 19/20 OR sowie Art. 27 ZGB, andererseits die allenfalls analog anwendbare Regelung des Agenturvertrages, welche der Franchisenehmerin einen unabdingbaren Entschädigungsanspruch gewährt (sog. Karenzentschädigung; Art. 418d Abs. 2 OR analog).37

3. 3904

Karenzentschädigung

Konkurrenz

Kundschaft- und Karenzentschädigung können allenfalls kumuliert werden, soweit sie verschiedene Leistungen abgelten. Eine Kumulation ist ausgeschlossen, sofern sich das Konkurrenzverbot auf die durch die Franchisenehmerin geworbenen Kunden bezieht («Bereicherungsverbot»). In diesem Fall wird der Kundenverlust nämlich bereits durch die Kundschaftsentschädigung vergütet. Betrifft das Konkurrenzverbot jedoch sowohl Altkunden als auch durch die Franchisenehmerin geworbene sowie künftige Kunden, ist es angemessen, Karenzentschädigung (für die Altkunden und künftigen Kunden) und Kundschaftsentschädigung (für die durch die Franchisenehmerin geworbenen Kunden) zu kumulieren.38

36 S. zum Ganzen Baudenbacher, Kundschaftsentschädigung, 89 ff. m.w.H.; Stein-Wigger, Beendigung, 326 ff. m.w.H. 37 Baudenbacher, Franchisevertrag, 381. 38 S. Baudenbacher, Kundschaftsentschädigung, 92 m.w.H.

1316

§ 49

IX.

Einzelfragen

1.

Rückgaberecht für Vertragswaren

Franchisevertrag

Im Rahmen des Franchisevertrages kann oder muss die Franchisenehmerin oft vom 3905 Franchisegeber Waren beziehen. Wird das Vertragsverhältnis aufgelöst, so verfügt die Franchisenehmerin in der Regel immer noch über einen Warenvorrat, welchen sie zu Eigentum erworben, aber im Beendigungszeitpunkt noch nicht weiterveräussert hat. Es liegt in der Regel im Interesse beider Vertragsparteien, dass die Franchisenehmerin diese Waren an den Franchisegeber zurückgeben kann: Die Franchisenehmerin muss die Waren diesfalls nicht mehr absetzen und der Franchisegeber kann weiterhin die Ausschliesslichkeit des Vertriebssystems gewährleisten. Kein Rückgaberecht der Franchisenehmerin besteht allerdings in der Regel in jenen Fällen, in welchen sie die Vertragsauflösung verschuldet hat.39 Das gilt auch, wenn die Ware verderblich ist oder aus einem anderen Grund nicht weiterverwendet werden kann. Es muss alsdann via Auslegung bzw. Ergänzung des Vertrages ermittelt bzw. festgelegt werden, wem der Gewinn bzw. Verlust aus der Verwertung der überschüssigen Ware zuzuweisen ist.

2.

Investitionsersatzanspruch

In der Lehre ist umstritten, ob grundsätzlich ein Investitionsersatzanspruch besteht, 3906 wenn eine entsprechende vertragliche Regelung fehlt.40 In bestimmten Konstellationen (vor allem beim schwergewichtig subordinativen Franchising) ist ein Investitionsersatzanspruch zu bejahen. Dieses charakterisiert sich ja regelmässig dadurch, dass dem Franchisegeber ein Weisungsrecht bezüglich der von der Franchisenehmerin zu tätigenden Investitionen zukommt. Wird der Vertrag beendet, büsst die Franchisenehmerin nicht nur das Recht ein, die einheitliche Vertriebskonzeption zu nutzen, sondern sie verliert häufig auch die noch nicht amortisierten Investitionen. Die Investitionen sind nämlich in der Regel systemgebunden und können grundsätzlich nur im Rahmen des Franchisevertrages genutzt werden. Als Leitlinie für einen allfälligen Investitionsersatzanspruch sind das Schutzbedürfnis der Franchisenehmerin sowie das Schutzvermögen des Franchisegebers heranzuziehen. Grundsätzlich ist der Franchisenehmerin ein Investitionsersatzanspruch zu gewäh- 3907 ren, sofern sie die Investitionen nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf Anordnung des Franchisegebers getätigt hat, was unter Umständen auch konkludent erfolgen 39

BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 157; ferner Martinek, 165. S. auch Stein-Wigger, Beendigung, 339, welcher das Rückgaberecht der Franchisenehmerin nur verneint, wenn diese die Vertragsbeendigung in schwerwiegender Weise verschuldet hat. 40 Bejahend Stein-Wigger, AJP 2000, 1079 ff.; ferner auch Baudenbacher, Franchisevertrag, 383 f.; ablehnend Honsell, OR BT, 477; CHK OR-Wildhaber, Vorb. Art. 184 ff./Franchisevertrag N 40.

1317

6. Kapitel

Innominatverträge

kann. Man spricht hier von fremdveranlassten Investitionen. Der Investitionsbegriff als solcher ist weit zu verstehen und erfasst alle kostenauslösenden Massnahmen wie z.B. die Anschaffung von Maschinen, Werbung, Kunden- oder Markterhebungen, Schulungskurse etc. Schliesslich ist erforderlich, dass die Franchisenehmerin die entsprechenden Investitionen noch nicht amortisiert hat.41 Ein allfälliger Investitionsersatzanspruch kommt sodann vorbehältlich einer anderen Vereinbarung nur bei einer ordentlichen Kündigung, bei einer Nichterneuerung des Vertrages sowie bei einer berechtigten ausserordentlichen Kündigung durch die Franchisenehmerin in Betracht, nicht aber bei einer berechtigten ausserordentlichen Kündigung durch den Franchisegeber. Beendet der Franchisegeber den Vertrag vorzeitig, ohne dass die Voraussetzungen für eine ausserordentliche Kündigung erfüllt sind, so umfasst der Schadenersatzanspruch aus ungerechtfertigter Vertragsauflösung auch den Investitionsersatzanspruch.42

3. 3908

Kartellrecht

Das Kartellrecht kann, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, die Privatautonomie der Franchising-Parteien zusätzlich beschränken. Insbesondere ist zu prüfen, ob unzulässige vertikale Wettbewerbsabreden vorliegen (Art. 5 ff. KG43; s. insbesondere die gesetzliche Vermutung der Wettbewerbsbeseitigung nach Art. 5 Abs. 4 KG).44 Nicht kartellrechtskonform sind beispielsweise vertragliche Abreden über die Aufteilung von Märkten oder eine einheitliche Preispolitik. Die (unverbindliche) Empfehlung von Richtpreisen hingegen gilt als zulässig.45

41 42 43

S. zum Ganzen Stein-Wigger, AJP 2000, 1084 f. Stein-Wigger, AJP 2000, 1083 f. Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz; SR 251). 44 S. Baudenbacher, Franchisevertrag, 389 f. 45 Egli, 11 f.

1318

§ 50 Factoringvertrag Grundlagenliteratur Bucher, OR BT, 43 f.; Engel, CO PS, 796 ff.; Honsell, OR BT, 471 ff.; Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 12 N 106 ff.; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 2493; Tercier/Bieri/ Carron, CO PS, N 7442 ff.

Weiterführende Literatur Dallèves Louis, Le contrat de factoring, in: Neuvième journée juridique, Mémoires publiées par la Faculté de Droit de Genève Nr. 29, Genf 1970, 79–101; Deuber Andreas, Rechtliche Aspekte der Forfaitierung, Diss. St. Gallen 1993; Erni Rudolf, Factoring nach schweizerischem Recht, Diss. Zürich 1974; Fässler Benedikt, Der Factoringvertrag im schweizerischen Recht, Diss. St. Gallen 2010; Glomb Georg Peter, Finanzierung durch Factoring – Rechtliche Analyse und Vergleich mit herkömmlichen Finanzierungs- und Sicherungsmethoden, Köln/Berlin/Bonn/München 1969; Martinek Michael, Moderne Vertragstypen, Bd. I: Leasing und Factoring, München 1991; Müller-Chen Markus, Internationales Factoring, BJM 1999, 177–206; Peter Eugen W.G., Factoring als Treuhand-, Finanzierungs- und Sicherungsinstrument offener kurzfristiger Buchforderungen in der Schweiz, Diss. Zürich 1973; Rey Heinz, Die Behandlung des Factoringvertrages im schweizerischen Recht, in: Kramer Ernst A. (Hrsg.), Neue Vertragsformen der Wirtschaft: Leasing, Factoring, Franchising, 2. Aufl., Bern 1992, 289–331; Schaer Kurt F., Die wirtschaftliche Funktionsweise des Factoring, in: Kramer Ernst A. (Hrsg.), Neue Vertragsformen der Wirtschaft: Leasing, Factoring, Franchising, 2. Aufl., Bern 1992, 275–288; Schluep Walter R., Innominatverträge, in: Vischer Frank (Hrsg.), SPR Bd. VII/1, Basel/Stuttgart 1979, 761–969.

I.

Begriff

Ein Factoringvertrag liegt vor, wenn sich der Faktor (häufig ein Kreditinstitut) gegen Entgelt einen Teil oder alle Forderungen aus dem Geschäftsbetrieb der Klientin abtreten lässt, der Klientin den Forderungsbetrag bzw. einen Teil davon bezahlt und sich allenfalls zu weiteren Finanzierungs- und Dienstleistungen verpflichtet.1

1 S. BVGE A-2632/2013 E. 2.2.1; 2007/14 E. 2.2.2; s. ferner auch BGE 4C.60/2000 E. 6.b, wonach das Factoringgeschäft «im Kern in einer Zession besteht»; ferner ZR 1988 Nr. 130, 309 ff.

1319

3909

6. Kapitel

3910

Innominatverträge

In der Lehre wird anstelle von Klientin auch der Begriff Kundin verwendet.2 Mehrheitlich wird jedoch der Drittschuldner als Kunde bezeichnet. Die nachstehenden Ausführungen richten sich nach dieser Terminologie. Der Klientin steht der Faktor gegenüber.

3911 Entgelt (Factoringgebühr, -zins, eventuell Delkredereprovision)

Kunde

Kunde

Forderung

er u

Finanzierung, Dienstleistung, eventuell Delkredere-Übernahme ng eru d r Fo

ng

Klientin

rd

Zession

Factoringvertrag

Fo

Faktor

Kunde

Abbildung: Factoringvertrag

3912

II.

Funktionen

1.

Wirtschaftliche Funktion

Das Factoring ist eine besondere Art der Arbeitsteilung bzw. Arbeitsauslagerung.3 Betriebliche Funktionen werden spezifiziert und auf fachkundige Unternehmen übertragen. In der Regel handelt es sich dabei um die Debitorenbuchhaltung, die kurzfristige Absatzfinanzierung und allenfalls die Risikoabsicherung bei der Kundenkreditierung.4

2. 3913

Finanzierungsfunktion

Im kaufmännischen Verkehr werden dem Kunden (= Schuldner) in der Regel Zahlungsfristen von 60, 90 oder mehr Tagen gewährt. Diese besondere Form der Kreditierung ist für die Liquidität und die Rentabilität der Klientin (= Gläubigerin) 2 Bucher, OR BT, 44; Honsell, OR BT, 471; s. CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 2. 3 ZR 1990 Nr. 68, 152; s. Erni, 5 ff.; Schluep, 833; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7445. 4 S.  ZR 1990 Nr.  68, 152; ausführlich zum Ganzen Erni, 5  ff.; allgemein zu den ökonomischen Aspekten s. auch Fässler, N 90 ff.

1320

§ 50

Factoringvertrag

von Nachteil. Der Abschluss eines Factoringvertrages erlaubt es der Klientin, diesen Nachteil zu überbrücken.5 Die Klientin mobilisiert dabei die ihr gegen ihre Kunden zustehenden Forderun- 3914 gen mithilfe eines Faktors: Die Forderungen aus dem Geschäftsbetrieb der Klientin werden dem Faktor vor Fälligkeit (fiduziarisch oder vorbehaltlos) zediert und von diesem bevorschusst. Damit kann die Klientin bereits zwischen dem Zeitpunkt ihrer Leistung an die Kunden und deren (allenfalls zeitlich verzögerten) Gegenleistungen über den (teilweisen) Wert der zedierten Forderungen verfügen. Das erhöht ihre Liquidität.6 Im weiteren Kontext der Finanzierungsfunktion gilt es unter Umständen zu prü- 3915 fen, ob gewisse spezialgesetzliche Bestimmungen (zwingend) zu berücksichtigen sind. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, ob das Factoringunternehmen dem Bankengesetz7 unterstellt ist. Dies dürfte nach vorherrschender Auffassung in den meisten Fällen zu verneinen sein.8 Sofern ein Faktor ausnahmsweise gleichwohl als Bank zu qualifizieren ist, ist dem bei der Vertragsgestaltung Rechnung zu tragen.9

3.

Dienstleistungsfunktion

Der Faktor führt in der Regel die Debitorenbuchhaltung der Klientin, übernimmt die Fakturierung und besorgt Mahnwesen und Inkasso.10

3916

Darüber hinaus kann sich der Faktor auch zu Marktforschung und Absatzberatung verpflichten. Da dies aber in den gängigen Factoringverträgen selten vereinbart wird, handelt es sich hierbei eher um atypische Dienstleistungen.11

3917

4.

Delkredere-Funktion

Unter Delkredere-Risiko ist die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit (Bonität; hier die- 3918 jenige des Kunden bzw. Drittschuldners) zu verstehen. In der Regel ist darin sowohl

5 6 7 8

S. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 94 m.w.H. BVGE A-2632/2013 E. 2.2.1; 2007/14 E. 2.2.2; Dallèves, 82 ff.; Martinek, 222 ff.; Rey, 292. Bundesgesetz vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz; SR 952.0). Ausführlich hierzu Fässler, N 606 ff.; CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 55 ff.; s. ferner auch Erni, 73 ff.; Rey, 292; Schluep, 839. 9 Weiterführend zur (im Allgemeinen verneinten) Frage der Anwendbarkeit der Versicherungsgesetzgebung auf das Factoring Erni, 73; Fässler, N 611 ff.; zur (ebenfalls grundsätzlich verneinten) Frage der Anwendbarkeit der Geldwäschereigesetzgebung BGE 2A.62/2007 E. 5 und E. 9; s. ferner Fässler, N 623 ff.; CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 60. 10 Fässler, N 14; CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 4. 11 Dallèves, 82; Rey, 291.

1321

6. Kapitel

Innominatverträge

das Risiko der Zahlungsunwilligkeit als auch jenes des Verzugs eingeschlossen.12 Nicht unter das Delkredere-Risiko und die Zahlungsunfähigkeit fallen Konstellationen, in welchen der Kunde nicht zahlt, weil er Bestand und Höhe der Forderung (z.B. wegen einer mangelhaften Warenlieferung der Klientin) infrage stellt.13 Diesfalls hat die Klientin sich mit dem Kunden auseinanderzusetzen (s. zur Gewährleistung N 3935) und haftet dem Faktor allenfalls ihrerseits für den Bestand der Forderung (Art. 171 Abs. 1 OR).14 3919

Bisweilen verpflichtet sich der Faktor im Factoringvertrag ausdrücklich zur Übernahme des Delkredere-Risikos. In der Praxis hat der Faktor als spezialisiertes Unternehmen regelmässig die besseren Voraussetzungen, die Kreditwürdigkeit eines Kunden richtig einzuschätzen. Er wird zudem das Risiko der Uneinbringlichkeit einer Forderung auf die Gesamtheit seiner Klientinnen verteilen können.15 Übernimmt der Faktor das Delkredere-Risiko, geht es im Allgemeinen zu seinen Lasten, wenn ein Kunde seine Schuld nicht begleicht. Fehlende Bonität des Kunden liegt in einem solchen Fall im Risikobereich des Faktors.16 Praktisch häufig sind in diesem Kontext vertragliche Optionsklauseln, welche den Faktor ermächtigen, jeweils von Fall zu Fall zu wählen, ob er das Delkredere-Risiko übernehmen oder dieses bei der Klientin belassen will. Das Wahlrecht ist innert angemessener Frist auszuüben.17 Diese für den Factoringvertrag typische Verteilung des Delkredere-Risikos ergibt zusammenfassend folgendes Bild:18 • Recht des Faktors, aufgrund einer Prüfung der Zahlungsfähigkeit das Delkredere-Risiko für eine oder mehrere Forderung(en) zu übernehmen (vertragliches Optionsrecht); • Pflicht des Faktors zu Garantieleistungen bei fehlender Bonität der Kunden, falls er das Delkredere-Risiko übernommen hat; • Pflicht der Klientin, Delkredere-Provisionen zu zahlen; • (meistens stillschweigend erklärte) Pflicht der Klientin, das Delkredere-Risiko zu übernehmen, falls keine Übernahmeerklärung des Faktors erfolgt19 (s. sogleich N 3920).

3920

Es stellt sich die Frage, welche Partei das Delkredere-Risiko trägt, wenn eine ausdrückliche Regelung im Factoringvertrag fehlt. Gemäss Art.  171 Abs.  2  OR haftet die Klientin (= Zedentin) grundsätzlich nicht für die Bonität ihres Kunden bzw. Schuldners (debitor cessus), es sei denn, sie habe sich dazu verpflichtet. Das Boni12 13 14 15 16 17 18 19

Erni, 20 f. Erni, 49 und 97 f.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7466 und N 7475. Erni, 98; CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 26 und N 41. Bucher, OR BT, 44. CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 25 f.; s. auch Rey, 292 f. CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 25 und N 29; Schaer, 280 f. S. BVGE A-2632/2013 E. 2.2.1; 2007/14 E. 2.2.2; Rey, 296 f. S. BVGE A-2632/2013 E. 2.2.1; 2007/14 E. 2.2.2.

1322

§ 50

Factoringvertrag

tätsrisiko läge damit auch ohne ausdrückliche Übernahme grundsätzlich beim Faktor (= Zessionar). Gemäss Bundesgericht ist bei fehlender Vereinbarung von einer – zumindest stillschweigenden (impliziten)  – Verpflichtung der Klientin aus dem Factoringvertrag auszugehen.20 Damit ist bei fehlender Vereinbarung in Abweichung von Art. 171 Abs. 2 OR davon auszugehen, dass die Klientin die (stillschweigend erklärte) Verpflichtung behält, die Folgen einer ausbleibenden Zahlung zu tragen.21

III.

Rechtsnatur

Der Factoringvertrag ist nach der hier vertretenen Auffassung als doppeltypischer 3921 Kombinationsvertrag (s. N 3687 f.) den gemischten (doppeltypischen) Innominatverträgen zuzuordnen, da vorwiegend Elemente von Nominatverträgen kombiniert werden. Infrage kommen etwa: Forderungskauf (Art. 184 ff. OR), (Global-)Zession (Art. 164 ff. OR), Auftrag (Art. 394 ff. OR) und Darlehen (Art. 312 ff. OR).22 Vereinbaren die Parteien darüber hinaus eine Option, nach welcher der Faktor wählen kann, ob er das Delkredere-Risiko übernehmen will oder nicht (s. N 3919), fliesst ein zusätzliches Innominatelement in den Vertrag ein.23

IV.

Abgrenzungen

• Zum Vorvertrag (Art. 22 OR): Der Factoringvertrag ist regelmässig ein Rahmen- 3922 vertrag24 und stellt ein Dauerschuldverhältnis25 dar, welches nicht durch einmalige Erfüllung erlischt, sondern so lange zu erfüllen ist, bis es durch Zeitablauf oder aus einem anderen Grund beendigt wird.26 • Zur Kommission (Art. 425 ff. OR): Gegenstand des Factoringvertrages ist nicht der Kauf von beweglichen Sachen oder von Wertpapieren (Art. 425 Abs. 1 OR), sondern die Abtretung von Forderungen.

20 S. BVGE A-2632/2013 E. 2.2.1; 2007/14 E. 2.2.2; Rey, 292 f. Gleiches gilt nach BVGE A-2632/2013 E. 2.2.1 auch für den Fall, in welchem der Faktor das ihm vertraglich eingeräumte Optionsrecht nicht ausübt. 21 S. BVGE A-2632/2013 E. 2.2.1; 2007/14 E. 2.2.2; s. auch Müller-Chen, BJM 1999, 181 f.; Rey, 292 ff. und 296 f. 22 S. BVGE A-2632/2013 E. 2.2.1; 2007/14 E. 2.2.2; s. auch Engel, CO PS, 798; Fässler, N 135; Schluep, 834 f.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7456. 23 S. etwa Rey, 296 f. m.w.H.; Schluep, 834. 24 S. hierzu und zu verschiedenen Ausgestaltungsvarianten etwa BVGE A-5757/2015 E. 3.7. 25 S. BVGE A-5757/2015 E. 3.7.1; ZR 1990 Nr. 68, 152. 26 BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 98; Fässler, N 184.

1323

6. Kapitel

Innominatverträge

• Zur Forfaitierung: Hier werden noch nicht fällige Forderungen aus Warenlieferungen oder Dienstleistungen unter Abzug eines Diskonts gekauft; Forfaitierungsobjekt sind in der Regel Wertpapiere (z.B. Wechsel). Gegenstand der Forfaitierung bildet eine individuell bestimmte Forderung; dies im Gegensatz zum Factoringvertrag, bei dem die Forderungen der Klientin gegenüber ihren Kunden in der Regel global zediert werden.27 • Zum Auftrag (Art.  394  ff.  OR): Wird nur die Führung der Debitorenbuchhaltung vereinbart (kein Inkasso, keine Finanzierungsfunktionen etc.), kommt vorwiegend Auftragsrecht nach Art. 394 ff. OR zur Anwendung; ebenfalls auftragsrechtlicher Natur ist das reine Inkassomandat, bei welchem lediglich die «Eintreibung» bestimmter Forderungen an einen Dritten übertragen wird.28 • Zum Darlehen (Art. 312 ff. OR): Wird nur die Finanzierung von Debitorenforderungen übertragen (kein Inkasso, keine Debitorenbuchhaltung, keine Übernahme des Delkredere-Risikos), ist auf diesen reinen Zessionskredit Darlehensrecht nach Art. 312 ff. OR anwendbar.29

V.

Erscheinungsformen

1.

Echtes und unechtes Factoring

3923

Übernimmt der Faktor das Delkredere-Risiko (s. N 3918 ff.) und ist er bereit, die übertragene Forderung zu finanzieren, liegt echtes Factoring vor, das nach herrschender Lehre dem Forderungskauf gleichgestellt wird.30 Zu Recht weist Rey darauf hin, dass aufgrund der konkreten Ausgestaltung eines Factoringvertrages die Zessionen auch Leistungen an Erfüllungs statt (s. N 669 ff.) im Zusammenhang mit einem durch den Faktor gewährten Darlehen darstellen können.31 Beim echten Factoringvertrag muss also immer geprüft werden, ob im konkreten Fall ein darlehensrechtliches oder ein kaufrechtliches Element vorliegt.

3924

Übernimmt der Faktor dagegen das Delkredere-Risiko nicht, so hat man es mit einem unechten Factoring zu tun.32 Es handelt sich dabei regelmässig um eine 27 28 29 30 31 32

1324

S. zum Ganzen und zu weiteren Unterschieden Deuber, 37 ff.; Fässler, N 65 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7457. Fässler, N  67  f. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung fällt dagegen das sog. Basisfactoring (Übernahme von Inkasso und Debitorenbuchhaltung) unter den Factoringbegriff; s. BGVE 2007/14 E. 3.3.1; a.M. Fässler, N 68. Fässler, N 56 ff.; CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 14; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7458. S. BVGE A-2632/2013 E. 2.2.1; 2007/14 E. 2.2.2; ZR 1986 Nr. 15, 28; s. auch Fässler, N 170 m.w.H.; ferner Erni, 48 f.; Rey, 293 m.w.H. Rey, 293. S. BVGE A-2632/2013 E. 2.2.1; 2007/14 E. 2.2.2; ZR 1986 Nr. 15, 28.

§ 50

Factoringvertrag

Kombination aus Darlehensgewährung (sog. Bevorschussung) und fiduziarischer Zession. Die Zessionen können aber auch als Leistungen zahlungshalber dienen.33 Von einer fiduziarischen Zession ist dabei auszugehen, wenn eine Sicherungs- oder 3925 Inkassozession vorliegt. Der Gehalt der betreffenden Abrede ist im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln. Umfasst z.B. die Factoringgebühr (s.  N  3933) auch das Inkasso der abgetretenen Forderungen, so ist das ein Hinweis darauf, dass Inkassozession (und nicht Leistung zahlungshalber) gewollt war.34 Eine Kombination von echtem und unechtem Factoring ist zu bejahen, wenn bei 3926 Übernahme des Delkredere-Risikos eine Risikolimite vereinbart wurde.35 Hinsichtlich jener Forderungen, welche die Limite übersteigen, liegt alsdann unechtes Factoring vor.36

2.

Offenes und verdecktes Factoring

Unterscheidungskriterium ist hier die Notifikation der Zession an den Drittschuld- 3927 ner (debitor cessus, Kunde): Wird die Abtretung angezeigt, spricht man von offenem, andernfalls von verdecktem Factoring.37 Wird die Abtretung dem Kunden angezeigt, kann dieser seine Schuld mangels guten Glaubens nur noch mit Leistung an den Faktor richtig erfüllen (Art. 167 OR e contrario).

3.

Nationales Factoring – internationales Factoring

Sofern der Faktor und die Klientin Sitz in der Schweiz haben und Gegenstand der 3928 Abtretung Inlandforderungen sind, handelt es sich um nationales Factoring. Geht es hingegen um die Abtretung von Forderungen der Klientin gegenüber Auslandschuldnern, liegt internationales Factoring vor.38

33 34 35 36 37 38

Zum Ganzen Rey, 294; s. auch Fässler, N 233 m.w.H. Rey, 294. BGE 4C.154/2002 E. 4.1. S. zum Ganzen ausführlich Rey, 292 ff. S. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 96 m.w.H. S. CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 11 m.w.H. Demgegenüber sprechen andere Autoren von Domestic Factoring und Import-Export-Factoring; s. etwa Erni, 32 f.; Rey, 295; Schluep, 832; s. ferner auch Martinek, 240 f.; ausführlich zum internationalen Factoring Müller-Chen, BJM 1999, 177 ff.

1325

6. Kapitel

VI. 3929

Innominatverträge

Gültigkeit

Es gelten die allgemeinen Schranken der Inhaltsfreiheit von Art. 19/20 OR (s. im Allgemeinen  N  392  ff.; spezifisch zur Frage der persönlichkeitsrechtlichen Zulässigkeit der beim Factoring üblichen Globalzession nachfolgend N  3938). Wird die Abtretung von Forderungen als zentrales Element des Factorings angesehen, so bedarf der Factoringvertrag zur (Form-)Gültigkeit der einfachen Schriftlichkeit (Art. 165 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 ff. OR).39

VII. Pflichten der Parteien

3930

1.

Faktor

1.1

Echter und unechter Factoringvertrag

Der Faktor verpflichtet sich dazu, gewisse Dienstleistungen zu erbringen (wie Führung der Debitorenbuchhaltung, Inkasso etc.).40 Auf die Buchführungspflicht ist Auftrags-, nicht Werkvertragsrecht anzuwenden.41 Des Weiteren hat der Faktor eine Finanzierungsfunktion wahrzunehmen (Forderungskauf oder Darlehensgewährung).42 Den Faktor trifft allenfalls die Pflicht zur rechtzeitigen Erklärung (in der Regel innert dreier Arbeitstage), ob er die Forderung erwirbt oder bloss bevorschusst.43 Es können ihn auch weitere Informationspflichten treffen. 1.2

3931

Echter Factoringvertrag

Beim echten Factoring, das in der Regel Elemente des Forderungskaufs enthält (s. N 2440 sowie N 3923), trifft den Faktor die Pflicht zur jeweiligen Bezahlung des Kaufpreises (Art.  184 und Art.  211  OR).44 Der Kaufpreis repräsentiert das wirtschaftliche Gegenstück zur Forderung.45 Falls jedoch die Zessionen als Leistungen an Erfüllungs statt im Zusammenhang mit einem Darlehen zu betrachten sind, muss der Faktor der Klientin die Darlehensvaluta überlassen (Art.  312  OR; zum 39 BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 99 m.w.H.; Erni, 110; CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./ Factoring N 19; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7460; s. auch BVGE A-5757/2015 E. 3.6.3. 40 BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 100 m.w.H. 41 ZR 1986 Nr. 15, 29; a.M. Erni, 54 und 99. 42 S. CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 23 f. und N 30 ff. 43 BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 100; CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 29; Schluep, 835; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7465. 44 Erni, 104; CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 30; Schluep, 835; s. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7465. 45 CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 30; s. auch Erni, 48.

1326

§ 50

Factoringvertrag

Darlehen s. N 3055 ff.).46 Weiter verpflichtet sich der Faktor beim echten Factoringvertrag, das Delkredere-Risiko zu übernehmen (s. N 3918 ff.). 1.3

Unechter Factoringvertrag

Beim unechten Factoringvertrag, bei dem es sich in der Regel unter anderem um 3932 eine Kombination aus Darlehensgewährung und fiduziarischer Zession handelt (s. N 1377 f. sowie N 3924 f.), muss der Faktor der Klientin die Darlehensvaluta überlassen (Art. 312 OR).47 Der Faktor hat sodann die Pflicht, die gestützt auf die fiduziarisch erworbenen Forderungen eingezogenen Beträge rückzuerstatten (analog Art. 400 Abs. 1 OR).48 Regelmässig steht jedoch dem Faktor ein Recht zur Verrechnung mit der Darlehensvaluta zu.49 Des Weiteren ist der Faktor beim unechten Factoring verpflichtet, der Klientin bloss fiduziarisch erworbene, noch ausstehende Debitorenforderungen auf ihre Weisung hin gegen Rückerstattung der Bevorschussung zurückzuzedieren.50

2.

Klientin

Die Klientin hat beim Factoringvertrag ein Entgelt zu bezahlen, das sich in der Regel 3933 wie folgt zusammensetzt: Factoringgebühr für die Dienstleistungen, Factoringzins für die Finanzierungsleistungen und – beim echten Factoring – Delkredere-Provision (= Factoringkommission).51 Typischerweise tritt die Klientin grundsätzlich alle bestehenden und künftigen 3934 Debitorenforderungen an den Faktor ab.52 Dabei trägt die Klientin das Veritätsrisiko; sie haftet also für den Bestand der Forderungen (Art. 171 Abs. 1 OR).53 Ob bzw. inwieweit die Klientin darüber hinaus auch das Bonitäts- bzw. Delkredere-Risiko trägt, hängt im Wesentlichen von der vertraglichen Ausgestaltung im Einzelfall ab (s. dazu ausführlich N 3918 ff.) Das Loyalitätsgebot verpflichtet sie dazu, alles zu unterlassen, was die Forderung invalidieren könnte.54 46 47 48 49 50 51 52 53 54

CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 23 f.; s. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7465. S. Erni, 104 f. S. Erni, 105. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 100; Schluep, 836; s. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7465. S. zum Ganzen BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 100; Schluep, 836. S. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 101; Erni, 92 ff.; CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./ Factoring N 36 ff.; Müller-Chen, BJM 1999, 182; Schaer, 285 ff.; Schluep, 831. Erni, 36 und 79 ff.; CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 34; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7470. S. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 101; CHK OR-Jenni Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 39 f. m.w.H. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 101; Erni, 97 f.; Schluep, 835 m.w.H.

1327

6. Kapitel

Innominatverträge

3935

Des Weiteren hat die Klientin gegenüber allfälligen Gewährleistungsansprüchen der Kunden einzustehen.55 Zahlt der Kunde beim echten Factoringvertrag aufgrund der Geltendmachung eines Mangels überhaupt nicht oder nur zum Teil, reduziert sich die Verpflichtung des Faktors zur Übernahme des Delkredere-Risikos in gleichem Umfang. Infolgedessen hat die Klientin bereits erhaltene Abtretungszahlungen im selben Umfang zurückzuerstatten.56 Es ist Sache der Klientin, sich gegen Gewährleistungsansprüche zur Wehr zu setzen.57 Bei Vereinbarung eines offenen Factorings ist die Klientin verpflichtet, den Kunden die Abtretung durch einen entsprechenden Hinweis auf der Rechnung oder durch eine Anzeige zu notifizieren (s. Art. 167 OR).58

3936

Schliesslich hat die Klientin dem Faktor häufig auch Auskünfte über die Kunden zu erteilen. Es können sie auch weitere Informationspflichten treffen.59

VIII. Einzelfragen 1.

Zession

3937

Ob bei der Globalzession künftiger Forderungen aufgrund des Spezialitätsprinzips – wonach Verfügungen nur gültig sind, wenn sie sich auf einen genau bestimmten Verfügungsgegenstand beziehen  – jeweils bei Entstehen der Forderung eine Einzelzession verlangt werden muss, ist umstritten.60 Unseres Erachtens muss es genügen, dass die künftigen Forderungen im Zeitpunkt ihrer Abtretung bestimmbar sind (s. N 1368 ff.).

3938

Weiter stellt sich die Frage, ob eine (Global-)Abtretung von Forderungen zulässig sein soll (Art. 27 Abs. 2 ZGB i.V.m. Art. 19/20 OR): Eine in zeitlicher und gegenständlicher Hinsicht unbeschränkte Zession aller gegenwärtigen und künftigen Forderungen ist nichtig, denn die Zedentin entäussert sich damit ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit (s. N 1375 f.). Da die (Global-)Abtretung der Forderungen beim Factoring allerdings auf den Geschäftsbetrieb und bisweilen auch auf einen 55 56 57 58 59 60

BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 101; Dallèves, 95; Erni, 49 und 97 f.; CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 41; Schluep, 835. Dallèves, 95; CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 41. Glomb, 20. S. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 101; CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 43 je m.w.H. S. zum Ganzen BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 101; Engel, CO PS, 800; Schluep, 835. Bejahend Bucher,  OR AT, 544; verneinend BGE 4A_164/2010 E.  3 und E.  4; 135 V 2 E.  6.1.2; 122 III 361 E. 4c; 113 II 163 E. 2; BVGE A-5757/2015 E. 3.6.2; BSK OR-Girsberger/Hermann, Art. 164 N 41 f. m.w.H. S. zum Ganzen Fässler, N 353 ff. m.w.H.; Gauch/Schluep/Emmenegger, N 3441 ff. m.w.H.; Rey, 304 ff.; Schwenzer, OR AT, N 90.27 ff.

1328

§ 50

Factoringvertrag

bestimmten Kundenkreis der Klientin beschränkt ist und diese hierfür einen im Synallagma stehenden Gegenwert in Form einer Bevorschussung oder Zahlung erhält,61 kommt eine persönlichkeitsverletzende übermässige Bindung im Sinne von Art.  27 Abs.  2 und Art.  28 ZGB beim Factoringvertrag nicht ohne Weiteres infrage.62 Der Faktor muss sich ein vor Abschluss des Factoringvertrages vereinbartes Zes- 3939 sionsverbot (pactum de non cedendo; s. N 1360 ff.) entgegenhalten lassen, wenn dies vom Kunden vorgebracht wird.63 Ein nach Abschluss des Factoringvertrages vereinbartes Zessionsverbot für bereits bestehende Forderungen zwischen dem Kunden und der Klientin muss der Faktor hingegen nicht beachten, da die Klientin zum Zeitpunkt des Abschlusses des pactum de non cedendo keine Verfügungsmacht mehr über die betreffenden Forderungen hatte.64 Wird nach Abschluss des Factoringvertrages jedoch ein Zessionsverbot für künftige Forderungen zwischen der Klientin und dem Kunden vereinbart und weiss der Kunde nichts von der Globalzession dieser Forderungen, kann das Zessionsverbot dem Faktor entgegengehalten werden.65 Nach Art. 169 OR darf sich nämlich die Stellung des Schuldners (Kunden) durch die Zession nicht verschlechtern.66

2.

Konkurs von Klientin oder Faktor

Fällt die Klientin in Konkurs, stellt sich die Frage nach dem Schicksal der global 3940 zedierten Forderungen, die im Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch nicht entstanden sind. Gemäss der in diesem Zusammenhang wohl überwiegend vertretenen Durchgangstheorie fällt eine Forderung, selbst wenn sie bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgetreten wurde, «für eine logische Sekunde» in das Vermögen der Zedentin (s. dazu im Einzelnen N 1372 ff.). Folglich fallen die bei Konkurseröffnung

61 Erni, 38 und 71; CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 30 und N 47; s. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7465. 62 S. zum Ganzen BGE 113 II 163 E. 2 m.w.H.; Fässler, N 345 ff.; Honsell, OR BT, 473; CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 47. 63 CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 49. Der OR 2020-Entwurf schlägt im Gegensatz zum geltenden Recht vor, die Abtretung einer Forderung auch dann zuzulassen, wenn die Parteien ein Zessionsverbot vereinbart haben (Art. 164 Abs. 1 OR 2020; s. auch Art. 163 Abs. 1 OR 2020): Die Abtretung wäre demnach wirksam, selbst wenn die Gläubigerin und der Schuldner diese vertraglich ausgeschlossen bzw. von bestimmten Voraussetzungen abhängig gemacht haben. Der Schuldner hätte aber einen (Schaden-) Ersatzanspruch gegenüber der Gläubigerin (Zedentin), falls diese die vertragliche Vereinbarung verletzt (Art. 164 Abs. 2 OR 2020). 64 CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 50. 65 BGE 112 II 241 E. 2a; CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 51. 66 BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 105; Schluep, 838.

1329

6. Kapitel

Innominatverträge

bereits zedierten, aber noch nicht entstandenen Forderungen in die Konkursmasse der Klientin. Diese können nicht mehr auf den Faktor übergehen.67 3941

Gerät der Faktor in Konkurs, steht der Klientin nach herrschender Lehre kein Aussonderungsrecht (im Sinne von Art. 401 OR) für Forderungen zu, die vor der Konkurseröffnung entstanden sind, da der Faktor diese Forderungen durch die Zession erworben hat.68 Die Klientin hat somit grundsätzlich bloss eine Konkursforderung dritter Klasse auf Rückzahlung der betreffenden Forderungen (Art. 219 Abs. 4 SchKG69).70

3. 3942

Beendigung

Üblicherweise vereinbaren die Parteien ein Kündigungsrecht mit einer Kündigungsfrist.71 Die ordentliche Kündigung richtet sich alsdann nach dem Vertrag. Aufgrund des Auftragselements stellt sich, insbesondere wenn keine Kündigungsfrist vereinbart wurde, die Frage, ob Art. 404 OR zwingend anzuwenden ist (s. N 3307 ff.). Nach herrschender Lehre72 ist Art.  404  OR auf den Factoringvertrag nicht anwendbar. Eine jederzeitige Beendigungsmöglichkeit des Vertrages wird abgelehnt, da der Factoringvertrag ein eigenständiger Innominatkontrakt ist, auf den Auftragsrecht nur dann angewandt werden soll, wenn dadurch adäquate Ergebnisse erzielt werden können. Gerade beim Factoring ist es jedoch offensichtlich, dass die Möglichkeit zur jederzeitigen Beendigung dem Sicherheitsbedürfnis des Faktors und der Interessenlage der Klientin, die sich nach Auflösung des Vertrages gegebenenfalls kurzfristig eine neue Debitorenbuchhaltung aufbauen müsste, zuwiderlaufen würde.73 Ein Teil der Lehre setzt sich deshalb bei fehlender Vereinbarung über die Kündigung für ein richterliches Kündigungsrecht unter Beachtung einer Kündigungsfrist von mindestens 60 Tagen ein.74 Diesem Vorschlag ist zuzustimmen, wobei die Kün67 68 69 70 71 72

73 74

S. zum Ganzen BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 104 m.w.H.; CHK  OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 52 m.w.H.; Rey, 306 ff. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 104; CHK OR-Jenni, Vorb. Art. 184 ff./Factoring N 53; Rey, 309 m.w.H.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7468. Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SR 281.1). Differenzierend und zum Teil a.M. Fässler, N 575 ff., insbesondere N 582 ff., gemäss welchem in analoger Anwendung von Art. 401 Abs. 3 OR ein generelles Aussonderungsrecht bei fiduziarischen Zessionen angenommen werden sollte. ZR 1986 Nr. 15, 29. S. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 106; Erni, 112; Fässler, N 514 f.; Honsell, OR BT, 472 f.; Peter, 322 ff.; Schluep, 836; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7481. Auch die (kantonale) Rechtsprechung scheint den Factoringvertrag grundsätzlich vom Anwendungsbereich von Art.  404  OR auszunehmen: s. etwa ZR 1988 Nr. 130, 309 ff.; ZR 1986 Nr. 15, 28 ff.; anders für den konkreten Einzelfall allerdings ZR 1990 Nr. 68, 151 ff. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 106; Erni, 112; Fässler, N 514 f.; Honsell, OR BT, 472 f.; Peter, 322 ff.; Schluep, 836; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7481. S. etwa BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 106; Erni, 111 f.; Peter, 322 ff.; Schluep, 836.

1330

§ 50

Factoringvertrag

digungsfrist von mindestens 60 Tagen als etwas knapp bemessen erscheint – insbesondere bei hoher Intensität und langer Dauer der bisherigen Vertragsbeziehung.75 Die Frist ergibt sich im Einzelfall aus der Auslegung des Vertrages. Möglich ist auch die Bildung von Fallgruppen. Die Parteien können den Vertrag sodann jederzeit aus wichtigen Gründen ausser- 3943 ordentlich kündigen (analog Art. 545 Abs. 2 OR).76

IX.

Internationales Factoring

Für die internationalen Bedürfnisse wurde auf den 28. Mai 1988 die Unidroit Con- 3944 vention on International Factoring77 vorgelegt, die von der Schweiz allerdings bislang nicht ratifiziert wurde.78 Bei internationalen Factoringverträgen gilt die Leistung des Faktors als vertrags- 3945 charakteristische Leistung im Sinne von Art.  117 Abs.  2 IPRG79. Bei fehlender Rechtswahl kommt somit hinsichtlich der schuldrechtlichen Aspekte das Recht des Staates zur Anwendung, in welchem der Faktor seine Niederlassung hat.80 Für die zessionsrechtlichen Aspekte erfolgt eine gesonderte Anknüpfung nach Art. 145 IPRG.81

75 Fässler, N 518. 76 S. ZR 1990 Nr. 68, 152; ZR 1988 Nr. 130, 311; BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 107; Erni, 112; Schwenzer, OR AT, N 3.27. Anschaulich in diesem Zusammenhang der OR 2020-Entwurf, welcher allgemein anwendbare Regeln zur Kündigung von Dauerverträgen für den Allgemeinen Teil des OR vorschlägt (s. Art. 144–147 OR 2020): Unter anderem soll ein Dauervertrag aus wichtigem Grund ausserordentlich gekündigt werden können, wenn die Fortsetzung des Vertrages für den Kündigenden unzumutbar wird (Art. 145 Abs. 1 OR 2020). 77 Abrufbar unter , besucht am 3. Januar 2019. 78 Ausführlich zum internationalen Factoring, im Speziellen zur UNIDROIT Convention on International Factoring Müller-Chen, BJM 1999, 177 ff., insbesondere 186 ff.; Rey, 310 ff. 79 Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht (SR 291). 80 Müller-Chen, BJM 1999, 184 f. 81 S. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 108 m.w.H.

1331

§ 51 Sponsoringvertrag Grundlagenliteratur Müller-Chen/Girsberger/Droese, Kap. 12 N  91  ff.; Schmid/Stöckli/Krauskopf, N 2487.

Weiterführende Literatur Bruhn Manfred, Sponsoring, 6. Aufl., Wiesbaden 2018; Büchler Andrea, Persönlichkeitsgüter als Vertragsgegenstand?, in: FS Rey, Zürich 2003, 177–195; Cavadini Mauro, Le contrat de merchandising, sic! 2000, 176–187; Engel Philipp, Sponsoring im Sport, Diss. Zürich 2009; Engel Philipp/Bösiger Markus, Individual- und Eventsponsoring, in: Kleiner Jan/Baddeley Margareta/Arter Oliver (Hrsg.), Sportrecht, Band I, Zürich 2013, 213–237; Fuchs Philippe, Gedanken zu den Auswirkungen eines Dopingvergehens auf das Vertragsverhältnis zwischen Sponsor und Athlet, Jusletter 18. Februar 2013; Gundelfinger Daniel, EventSponsoring und seine Verträge, in: Wyler Rémy (Hrsg.), Sport und Recht, Bern 2002, 57–64; Haas Raphaël, Die Einwilligung in eine Persönlichkeitsverletzung nach Art. 28 Abs. 2 ZGB, Diss. Luzern 2007; Hauser Thomas, Der Sponsoring-Vertrag im schweizerischen Recht, Diss. Zürich 1991; Kaiser Martin, Rechtliche Überlegungen zu Trendsport und Sponsoring am Beispiel von Red Bull, HAVE 2015, 40–47; Levy Roy/Verschuuren Kopfstein Thomas H.A., Sportsponsoringvertrag, in: Münch Peter/Kasper Lehne Sabina/Probst Franz (Hrsg.), Schweizer Vertrags-Handbuch, 3.  Aufl., Basel 2018,  2561–2575; Morand JeanPierre, Le contrat de sponsoring individuel, in: Wyler Rémy (Hrsg.), Sport und Recht, Bern 2002,  44–55; Netzle Stephan, Sponsoring von Sportverbänden, Diss. Zürich 1987; Rapp Jean-Marc, Quelques aspects juridiques du sponsoring en droit suisse, SZW 1991, 189–201; Schwammberger Frank, Die vertragsrechtliche Behandlung des Kunstsponsorings in der Schweiz, Diss. Zürich 1992; Spindler Carolin/Morand Anne-Sophie, Fangewalt als Leistungsstörung bei Sportsponsoringverträgen?, CaS 2014,  231–239; Wahrenberger André, Sponsoringverträge, in: Arter Oliver (Hrsg.), Sport und Recht, Bern 2005, 147–173; ZenRuffinen Piermarco, Droit du Sport, Zürich/Basel/Genf 2002.

1332

§ 51

I.

Sponsoringvertrag

Begriff

Ein Sponsoringvertrag liegt vor, wenn sich die Sponsorin verpflichtet, dem Sponsornehmer Geld-, Sach- oder Dienstleistungen zu erbringen, und sie ihn in ihre Kommunikationsstrategie einbezieht, um so ihre Bekanntheit zu steigern sowie ihr Image zu profilieren. Demgegenüber entfaltet der Sponsornehmer die vereinbarte Tätigkeit und überlässt der Sponsorin kommerziell nutzbare Rechte für kommunikative Massnahmen.

1.

3946

Funktion

Sponsoring ist ein Mittel der Kommunikationspolitik eines Unternehmens. Aus 3947 Sicht der Sponsorin geht es insbesondere um die Stabilisierung und Steigerung ihres Bekanntheitsgrads sowie um einen Imagetransfer, letztlich also um Imagepflege.1 Weiter dient Sponsoring auch als Werbeinstrument, wobei eine Werbebotschaft durch den Sponsornehmer als Medium vermittelt wird.2 Mittelbar verspricht sich die Sponsorin davon einen kommerziellen Nutzen (Umsatzsteigerung).3 Darüber hinaus kann Sponsoring auch zum Ziel haben, persönliche Kontakte herbeizuführen. Die Sponsorin kann ihrer Leistung auch einen altruistischen Fördergedanken zugrunde legen. Letztlich handelt es sich aber um einen synallagmatischen Vertrag (s. N 3951), da vom Sponsornehmer eine Gegenleistung erwartet wird. Ohne Gegenleistung liegt kein Sponsoringvertrag, sondern sog. Mäzenatentum vor.4 Dem Sponsornehmer geht es um die Förderung durch finanzielle Beiträge, wel- 3948 che die Sponsorin leistet. Häufig ist er auf solche Beiträge angewiesen; ohne sie könnte er seine Tätigkeiten oft nicht im gewünschten Umfang entfalten (z.B. Formel-1-Unternehmen).5 Auch ihn können altruistische Motive leiten.

2.

Erscheinungsformen

Je nach Sponsoring-Gegenstand wird zwischen Sport-Sponsoring, Kultur-Sponso- 3949 ring, Sozio-Sponsoring etc. unterschieden. Die Einteilung erfolgt nach dem Gebiet, 1 S. BGE 134 II 223 E. 3.1 und E. 3.2; 126 II 7 E. 5a; anschaulich zur Thematik des Imagetransfers auch BGE 118 Ib 356 E. 5; s. ferner auch Engel/Bösiger, 214; Fuchs, Jusletter 18. Februar 2013, N 4; Kaiser, HAVE 2015, 42. 2 Wahrenberger, 149; s. ferner auch BGE 2C_576/2013 E. 2.2.2; 2C_628/2013 E. 3.3.9 je m.w.H. 3 Engel, 13. 4 S. etwa BGE 2C_576/2013 E. 2.2.3; s. zum Ganzen auch Bruhn, 3 f.; Engel, 42 ff.; Levy/Verschuuren Kopfstein, 2566; Wahrenberger, 149. 5 S. zum Ganzen Hauser, 241 ff.; Kaiser, HAVE 2015, 42; Levy/Verschuuren Kopfstein, 2566.

1333

6. Kapitel

Innominatverträge

in welchem die Parteien Tätigkeiten entfalten. Beim Sozio-Sponsoring geht es um Bereiche, in welchen gesellschaftspolitische oder soziale Aufgaben zu erfüllen sind, beispielsweise Gesundheitswesen, Umweltschutz, Entwicklungshilfe, Wissenschaft und Forschung.6 3950

Je nach Sponsornehmer bzw. Sponsoringobjekt erfolgt die Einteilung in PersonenSponsoring, institutionelles Sponsoring oder Projekt-Sponsoring. Beim PersonenSponsoring unterstützt die Sponsorin eine Einzelperson (z.B. Sportler), während beim institutionellen Sponsoring ein Verein, ein Museum, eine Stiftung etc. Sponsornehmer ist. Falls eine bestimmte Veranstaltung oder ein Ereignis (z.B. Konzert, Leichtathletik-Meeting etc.) gesponsert wird, spricht man von Projekt-Sponsoring oder Event-Sponsoring7.8

3.

Rechtsnatur

3951

Der Sponsoringvertrag ist nach überwiegender Lehre ein gemischter Innominatvertrag.9 Soweit dominante Innominatelemente enthalten sind, bildet er einen Vertrag sui generis.10 Typischerweise wird der Sponsoringvertrag über eine längere Dauer geschlossen. Entscheidend dafür, dass er als Dauerschuldverhältnis qualifiziert werden kann, ist die Hauptleistung, welche der Sponsornehmer zu erbringen hat. Damit der Imagetransfer zustande kommen kann, muss der Sponsornehmer seine Leistungen in der Regel dauernd und immer wieder erbringen.11 Der Sponsoringvertrag ist ein synallagmatischer Vertrag: Im Hinblick auf den Werbenutzen erbringt die Sponsorin ihre Leistungen, und der Sponsornehmer lässt sich im Hinblick auf die Zahlungen der Sponsorin in deren Kommunikationsstrategie einbeziehen bzw. entfaltet gewisse Aktivitäten für sie.12

3952

Ein wesentliches Nominatelement ist demnach meistens auftragsrechtlicher Natur (Art. 394 ff. OR; s. N 3218 ff.). Die Sponsorin verpflichtet sich, den Sponsornehmer in ihre Kommunikationsstrategie einzubeziehen, und der Sponsornehmer muss im Interesse der Sponsorin aktiv werden. Ist mit dem Sponsoring eine Lieferung von Sachen verbunden, wie das häufig beim Projekt-Sponsoring der Fall ist, so ist entweder Werkvertragsrecht (Art.  363  ff.  OR; s.  N  3121  ff.) oder Kaufvertragsrecht (Art. 184 ff. OR; s. N 2329 ff.) heranzuziehen. Hinzutreten kann auch ein arbeitsver6 Hauser, 47 und 61. 7 Ausführlich zum Sport-Eventsponsoringvertrag mit Vertragsmuster Levy/Verschuuren Kopfstein, 2561 ff. 8 S. eingehend Gundelfinger, 57 ff.; Hauser, 82 f.; Schwammberger, 14 f. 9 S. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 385 m.w.H. 10 BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 385; Rapp, 199; Zen-Ruffinen, 315. 11 Schwammberger, 41; s. auch Engel/Bösiger, 218 f.; Fuchs, Jusletter 18. Februar 2013, N 3 f. 12 S. etwa BGE 2C_576/2013 E. 2.2.2 f.; 2C_628/2013 E. 3.3.9; ausführlich zum Synallagma Engel/Bösiger, 215 f.; s. ferner Schwammberger, 39 f.

1334

§ 51

Sponsoringvertrag

tragliches Element (Art. 319 ff. OR), sofern die Sponsorleistung als Lohn geschuldet ist und ein Subordinationsverhältnis vorliegt.13 Mietrecht (Art.  253  ff.  OR; s. N 2890 ff.) ist beispielsweise dann beizuziehen, wenn bei kommunikativen Massnahmen ein Entgelt für eine Platznutzung zu bezahlen ist; selten kommt Pachtrecht (Art. 275 ff. OR; s. N 3026 ff.) zur Anwendung.14 Ein Beispiel dafür ist die Überlassung von (im Eigentum des Sponsornehmers stehenden) Werbeflächen an eine Verwertungsgesellschaft zur Weitervermietung an Sponsorinnen. Bisweilen ist auch ein garantievertragliches Element (Art. 111 OR) anzutreffen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Sportverein einer Sponsorin die Mitwirkung seiner Spieler bei kommunikativen Massnahmen verspricht.15 Vereinbarungen, die zur kommunikativen Nutzung von Immaterialgütern berechtigen (wie Bild, Stimme etc.), sind lizenzvertraglicher Natur, mithin handelt es sich um Innominatelemente.16

II.

Abgrenzungen

Sponsoringverträge bezwecken, die mit der Aktivität und Attraktivität des Spon- 3953 sornehmers verbundene Publizitäts- und Imagewirkung wirtschaftlich nutzbar zu machen bzw. auf einen anderen Träger, nämlich die Sponsorin, auszuweiten. Beim Sponsoringvertrag stehen die Leistungen der Parteien in der Regel  – im Gegensatz zum Schenkungsvertrag (Art. 239 ff. OR; s. N 2847 ff.) – in einem Synallagma (s. N 3947).17 Vom Merchandising grenzt sich das Sponsoring insofern ab, als das suggestive Ele- 3954 ment für den Konsumenten beim Merchandising durch die Marke selber wiedergegeben wird, währenddessen beim Sponsoring die Suggestivwirkung durch das Ereignis oder die Berühmtheit erzielt wird.18 Von der einfachen Gesellschaft (Art.  530  ff.  OR) unterscheidet sich der Sponso- 3955 ringvertrag dadurch, dass der Parteiwille zur gemeinsamen Zweckverfolgung fehlt (affectio societatis).19

13 14 15 16

S. etwa Kaiser, HAVE 2015, 44 ff. S. etwa Engel/Bösiger, 222 f. S. etwa CHK OR-Netzle, Vorb. Art. 184 ff./Sponsoringvertrag N 15. S. zum Ganzen BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 385; Engel/Bösiger, 220 f.; CHK ORNetzle, Vorb. Art. 184 ff./Sponsoringvertrag N 12 ff. 17 Wahrenberger, 149; Zen-Ruffinen, 340. 18 Cavadini, 178. 19 Engel/Bösiger, 217; zur Abgrenzung von weiteren Verträgen s. Hauser, 256 ff.; Schwammberger, 77 ff.

1335

6. Kapitel

III.

Innominatverträge

Gültigkeit

3956

Der Sponsoringvertrag kommt formfrei zustande (Art. 11 Abs. 1 OR). Regelmässig werden die Parteien jedoch die Schriftform für den Abschluss und allfällige Änderungen vorbehalten (Art. 16 OR).20

3957

Mit Blick auf die inhaltliche Gültigkeit gelten die allgemeinen Schranken der Inhaltsfreiheit von Art. 19/20 OR sowie Art. 27 ZGB (s. N 392 ff.).21 Bezüglich einer allfälligen Widerrechtlichkeit (s. N 396 ff.) ist insbesondere zu beachten, dass einige Erlasse des öffentlichen Rechts Werbung für gewisse Produkte – und damit mittelbar das Sponsoring – einschränken. So darf beispielsweise gemäss Art. 42b Abs. 3 lit.  d Alkoholgesetz22 auf Sportplätzen oder auf Sportveranstaltungen keine Werbung für «gebrannte Wasser» gemacht werden.

3958

IV.

Pflichten der Parteien

1.

Sponsornehmer

1.1

Beim Personen-Sponsoring

Der Sponsornehmer wird in der Regel vertraglich dazu verpflichtet, eine Aktivität im Sponsoringbereich auszuüben. Die Tätigkeit kann in einer höchstpersönlichen Leistung bestehen wie etwa in einer sportlichen oder künstlerischen Betätigung.23 Die Sponsorin verpflichtet sich demgegenüber, ein bestimmtes Entgelt zu leisten sowie den Sponsornehmer in ihre kommunikativen Aktivitäten einzubeziehen (dazu ausführlich N  3964  ff.). Diese Gegenleistungen muss sie allerdings nicht für die Ausübung der gesponserten Aktivität erbringen, sondern vielmehr für die Möglichkeit, sich mit dieser Betätigung und der Person des Sponsornehmers in der Öffentlichkeit in Verbindung zu bringen.24 Überdies ist der Sponsornehmer verpflichtet, die Nutzung von Persönlichkeits- und Immaterialgütern zu ermöglichen und zu dulden.25 Dadurch ermöglicht der Sponsornehmer der Sponsorin, mithilfe seiner Person kommunikative Massnahmen wie die Pflege von public relations,

20 21

CHK OR-Netzle, Vorb. Art. 184 ff./Sponsoringvertrag N 25. Zur Frage, inwiefern Sponsoringverträge, in denen sich (Extrem-)Sportler zur Eingehung hoher sportlicher Risiken verpflichten, übermässig in die physische Integrität und damit in den Kernbereich der Persönlichkeit des Sportlers eingreifen und folglich nach Art. 27 ZGB ungültig sind, ausführlich Kaiser, HAVE 2015, 44 f. 22 Bundesgesetz vom 21. Juni 1932 über die gebrannten Wasser (Alkoholgesetz; SR 680). 23 Hauser, 296; s. auch Morand, 49. 24 CHK OR-Netzle, Vorb. Art. 184 ff./Sponsoringvertrag N 20 und N 38; s. auch Kaiser, HAVE 2015, 43 f. 25 S. Fuchs, Jusletter 18. Februar 2013, N 4.

1336

§ 51

Sponsoringvertrag

Werbung etc. durchzuführen.26 Die Leistung des Sponsornehmers besteht also in der Überlassung der Verwertungsrechte an wirtschaftlich nutzbaren Gütern (z.B. Name, Bild, Stimme, Signet, Titel etc.)27 während eines bestimmten Zeitraums. Die Übertragung solcher Rechte erfolgt meistens im Rahmen des Sponsoringvertrages (lizenzvertragliches Element).28 Der Sponsornehmer wird unter anderem auch dazu verpflichtet, an Kommunika- 3959 tionsaktivitäten der Sponsorin teilzunehmen. Die Sponsorin bezweckt durch das Nutzbarmachen der publizitätsfördernden Wirkung des Sponsornehmers bzw. -objekts eine Steigerung des eigenen Bekanntheitsgrads und eine Imageprofilierung ihrer Marke bzw. ihrer Institution. Im Rahmen dieser Mitwirkungspflichten werden vor allem Pflichten zur Teilnahme des Sponsornehmers an Foto- und Filmaufnahmen, Interviews, Pressekonferenzen, Repräsentationsanlässen, Autogrammstunden und Ähnlichem vereinbart.29 Die Mitwirkungspflichten des Sponsornehmers im Einzelnen richten sich primär nach den vertraglichen Vereinbarungen. In der Regel wird der Sponsornehmer verpflichtet, sich nach Weisungen der Sponsorin für weitere kommunikative Massnahmen zur Verfügung zu stellen, was die analoge Heranziehung von Art. 394 ff. OR rechtfertigt. Das Weisungsrecht kann sich aber – vorbehältlich anderslautender vertraglicher Vereinbarungen – nur auf Handlungen des Sponsornehmers beziehen, die für seine Mitwirkung bei der Kommunikationsarbeit erforderlich sind.30 Des Weiteren wird der Sponsornehmer in der Regel verpflichtet, Kennzeichnungs- 3960 mittel der Sponsorin – anlässlich seines Auftritts – zu integrieren. Es treffen den Sponsornehmer regelmässig Benutzungs- und Platzierungspflichten: Er wird z.B. verpflichtet, Bekleidungsstücke zu tragen oder Ausrüstungsgegenstände zu gebrauchen, die der Sponsorin zugeschrieben werden können.31 Nebenpflichten, welche den Sponsornehmer binden können, sind allenfalls Exklusi- 3961 vitäts- und Prioritätsverpflichtungen32, Konkurrenzenthaltungs-, Geheimhaltungsund Diskretionspflichten (meist hinsichtlich des Entgelts) und eine übergeordnete Treuepflicht. Nach der Treuepflicht ist der Sponsornehmer zu loyalem Verhalten

26 Engel/Bösiger, 222 ff., unterscheiden in diesem Zusammenhang zwischen Pflichten des aktiven Imagetransfers mit Präsentationspflichten unmittelbarer (z.B. Verwendung von Ausrüstungsgegenständen mit Erkennungszeichen der Sponsorin) sowie mittelbarer Natur (z.B. Teilnahme an Kundenanlässen) und Pflichten des passiven Imagetransfers, bei welchem der Sponsornehmer seine Identifikationsmerkmale (z.B. Name, Bildnis, Signet) der Sponsorin zur Nutzung zur Verfügung stellt. 27 Zur Frage, welche kommerzialisierbaren Persönlichkeitsattribute und welche Elemente des Immaterialgüterrechts im Einzelnen Gegenstand eines Sponsorings sein können, s. z.B. Engel/Bösiger, 228 ff. 28 Hauser, 297 FN 946; Schwammberger, 111; s. ferner Engel/Bösiger, 225 ff. 29 S. Fuchs, Jusletter 18. Februar 2013, N 4. 30 S. zum Ganzen Hauser, 297 ff. 31 Zen-Ruffinen, 321. 32 S. etwa Engel/Bösiger, 232 f.; Levy/Verschuuren Kopfstein, 2567 f.

1337

6. Kapitel

Innominatverträge

verpflichtet, hat sich also z.B. Missfallensäusserungen über die Sponsorin zu enthalten.33 1.2 3962

Beim institutionellen Sponsoring handelt es sich oft um das klassische Verbandsund Vereinssponsoring. Über die bereits genannten Pflichten hinaus trifft den Sponsornehmer beim institutionellen Sponsoring oft die Pflicht, Mitteilungsträger zur visuellen Verbreitung einer Werbebotschaft der Sponsorin zur Verfügung zu stellen. Darunter fallen z.B. Programmhefte, Haus- und Kundenzeitungen, Überlassen von Werbeflächen in Inseraten, auf Plakaten, Mitgliederausweisen und Eintrittskarten etc.34 1.3

3963

Beim Projekt-Sponsoring

Die den Sponsornehmer speziell beim institutionellen Sponsoring treffenden Pflichten werden beim Projekt-Sponsoring häufig noch erweitert. Der Sponsornehmer wird je nach spezifischer Vertragsausgestaltung etwa verpflichtet, projektbezogene Anlässe durchzuführen (z.B. Cocktails, Ausflüge etc.) und kommunikative Massnahmen zu ergreifen (z.B. Plakate herzustellen).35

2. 3964

Beim institutionellen Sponsoring

Sponsorin

Die Sponsorin trifft die Pflicht, ein Entgelt (sponsoring fee) zu zahlen. Dieses kann einmalig oder während einer bestimmten Dauer regelmässig in Raten oder auch unregelmässig nach Anlass bezahlt werden. Der Umfang des Geldbetrags ist im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmt oder zumindest bestimmbar. In der Praxis oftmals vorgesehen sind eine leistungsabhängige und eine leistungsunabhängige Komponente (z.B. Fixum als Basisleistung).36 Bei einer leistungsabhängigen Komponente ist die Bezahlung einer Prämie beispielsweise an das Erreichen eines bestimmten Resultats an einem bestimmten Wettkampf (z.B. Podestplatz bei der Weltmeisterschaft) geknüpft.37

33 34 35 36 37

1338

Schwammberger, 117 ff. Hauser, 194 und 306 ff. S. zum Ganzen Hauser, 196 ff., insbesondere 202; Levy/Verschuuren Kopfstein, 2569 ff. Engel, 156. Fuchs, Jusletter 18. Februar 2013, N 5; s. ferner Engel/Bösiger, 234 f., welche die Anpassung des sponsoring fee an den besonderen sportlichen Erfolg oder Misserfolg des Sponsornehmers bei Fehlen einer expliziten vertraglichen Anpassungsregel verneinen.

§ 51

Sponsoringvertrag

Anstatt der Leistung in Geld kann die Sponsorin auch Sach- oder Dienstleistun- 3965 gen erbringen.38 Sachgegenstände können während einer bestimmten Dauer zum Gebrauch überlassen oder aber auch zu Eigentum übertragen werden. In Betracht kommen vor allem Ausrüstungsgegenstände.39 Des Weiteren trifft die Sponsorin die Pflicht, den Sponsornehmer bzw. das Spon- 3966 sorobjekt in die kommunikativen Aktivitäten einzubeziehen.40 Auch muss sie dem Sponsornehmer gegebenenfalls das Recht auf die Nutzung ihrer Marke einräumen, damit dieser beispielsweise das Logo an seiner Ausrüstung anbringen kann.41 Als Nebenpflichten kommen Obhuts- und Schutzpflichten infrage. Sie sind beson- 3967 ders aktuell, wenn der Sponsornehmer seine Leistungen im Herrschaftsbereich der Sponsorin zu erbringen hat.42

V.

Leistungsstörungen

1.

Allgemeines

Grundsätzlich finden die Regeln des Allgemeinen Teils des OR Anwendung, soweit 3968 sich nicht die analoge Anwendung des einschlägigen Typenrechts als problemlösend erweist.43

2.

Schlechterfüllung durch die Sponsorin

Die Sponsorin hat in der Regel während der Vertragsdauer immer wieder Leis- 3969 tungen zu erbringen. Der jeweilige Erfüllungszeitpunkt richtet sich entweder nach dem ursprünglichen Vertrag oder aber er wird einer späteren Regelung vorbehalten (s. Art. 2 Abs. 1 OR). Falls eine Einigung darüber nicht zustande kommt, so kommt Art. 75 OR zum Zug bzw. hat das Gericht den oder die Termine nach der Natur des 38 39 40

41 42 43

S. dazu und insbesondere zur mehrwertsteuerlichen Behandlung des Sponsorenentgelts in Form von Sachleistungen BGE 2C_576/2013 E. 2.2.2 und E. 2.2.4 ff.; s. ferner Engel/Bösiger, 236 f.; Fuchs, Jusletter 18. Februar 2013, N 2; Levy/Verschuuren Kopfstein, 2571; Morand, 51 f. Hauser, 293 ff. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 391 m.w.H.; a.M. CHK OR-Netzle, Vorb. Art. 184 ff./ Sponsoringvertrag N 33, wonach ohne entsprechende explizite Vereinbarung der Sponsornehmer grundsätzlich keinen Anspruch darauf hat, tatsächlich in der Kommunikation der Sponsorin erwähnt zu werden. Die Sponsorin ist demnach bloss berechtigt, nicht aber verpflichtet, den Sponsornehmer in ihre Kommunikation einzubeziehen. Fuchs, Jusletter 18. Februar 2013, N 5. S.  dazu und zu weiteren Nebenpflichten Schwammberger, 109  ff.; zu allfälligen vertraglichen Schutzpflichten bei Sponsoringverträgen mit Extremsportlern s. ferner Kaiser, HAVE 2015, 45 ff. S. etwa Schwammberger, 140 ff. und 161 ff.; Zen-Ruffinen, 329 f.

1339

6. Kapitel

Innominatverträge

Geschäfts festzusetzen (Art.  2 Abs.  2  OR). Bei Ausrüsterverträgen kann sich der Erfüllungszeitpunkt aus dem Verwendungszweck der Sponsorware ergeben. Steht der Erfüllungszeitpunkt fest und bleibt die Leistung aus, sind die Bestimmungen über den Schuldnerverzug anzuwenden (Art. 102 ff. OR). Art. 108 Ziff. 3 OR kommt dann zur Anwendung, wenn sich aus der Vereinbarung oder der Natur des konkreten Geschäfts ergibt, dass die Leistung nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt (z.B. im Hinblick auf die Teilnahme an einer Olympiade) erbracht werden kann.44 3970

Da der Sponsoringvertrag Ähnlichkeit mit dem Sukzessivlieferungsvertrag aufweist, können Art. 107 ff. OR nur hinsichtlich der rückständigen Rate angerufen werden (das heisst allenfalls auch Teilkündigung mit Wirkung ex nunc). Ist es aber wegen der Ungewissheit über die vertragsgetreue Erfüllung für den Sponsornehmer unzumutbar, weiterhin an den Vertrag gebunden zu sein, kann er bezüglich des gesamten Vertragsverhältnisses nach Art. 107 ff. OR, wieder mit Wirkung ex nunc, vorgehen bzw. aus wichtigem Grund kündigen.45 Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gemäss Art. 82 OR ist nicht leichthin zuzulassen, sondern auf jene Fälle zu beschränken, in denen die geforderten Leistungen in einem engen funktionellen Zusammenhang mit der fälligen Sponsorleistung stehen.46

3971

Falls Sachleistungen der Sponsorin Mängel aufweisen, so sind die kaufvertragsrechtlichen oder werkvertraglichen Gewährleistungsnormen beizuziehen: Handelt es sich um industriell angefertigte Ausrüstungsgegenstände, sind die Art. 197 ff. OR entsprechend anzuwenden; Art. 367 ff. OR passen dagegen auf Fälle individueller Warenanfertigung. In der Regel wird die Nachlieferung mängelfreier Ware (Art. 206 bzw. Art.  368 Abs.  2  OR analog) der Interessenlage des Sponsoringvertrages am besten gerecht.47 Bei mangelhafter Dienstleistung wird die Sponsorin verantwortlich, wenn sie ein Verschulden trifft (Art. 398 OR analog).48 Praktisch bedeutsam sind ferner Fälle der Missachtung der vertraglich vereinbarten Nutzungsbefugnisse durch die Sponsorin (z.B. durch Verwendung des Sponsoringobjekts zur Bewerbung anderer als der verabredeten Produkte). Hier kommen Schadenersatzansprüche des Sponsornehmers (Art. 97 OR) sowie bei fortgesetzter Verletzung eine Kündigung aus wichtigem Grund in Betracht.49

44 S. zum Ganzen Netzle, 120 f. 45 S. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 393 m.w.H. 46 Netzle, 124 f. 47 BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 394. 48 BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 394. 49 CHK OR-Netzle, Vorb. Art. 184 ff./Sponsoringvertrag N 51.

1340

§ 51

3.

Sponsoringvertrag

Schlechterfüllung durch den Sponsornehmer

Übt der Sponsornehmer die vereinbarte Tätigkeit nicht aus, so haftet er gemäss 3972 Art.  97 Abs.  1  OR, sofern ihn ein Verschulden trifft. Kein Verschulden liegt vor, wenn der Sponsornehmer erkrankt oder sich verletzt.50 Bei einem Dopingvergehen wird der Sponsornehmer hingegen in der Regel wegen Verschuldens schadenersatzpflichtig. Die Sponsorin kann ausserdem den Vertrag aus wichtigem Grund auflösen.51 Bei Verletzung der Treuepflicht oder der Mitwirkungspflichten bei Werbemassnah- 3973 men der Sponsorin sowie bei Nichteinhaltung von Exklusivitäts- und Prioritätsverpflichtungen ist ebenfalls Ersatz gemäss Art.  97 Abs.  1  OR geschuldet. Ist die Fortsetzung des Vertrages für die Sponsorin unzumutbar, so kommt auch in diesen Fällen eine Kündigung aus wichtigem Grund infrage.52

VI.

Beendigung

Der Sponsoringvertrag als Dauerschuldverhältnis endet in der Regel erst nach 3974 Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer53 bzw. durch Kündigung und nicht bereits mit Erfüllung der Hauptleistungspflicht.54 Haben die Parteien keine eigenen Beendigungsregeln vorgesehen, so ist die analoge Anwendung von Art. 546 Abs. 1 OR (ordentliche Kündigung)55 bzw. die ausserordentliche Kündigung aus wichtigem Grund angemessen.56 Ein Teil der Teil der Lehre erachtet die Einwilligung in einen Eingriff in das Persön- 3975 lichkeitsrecht als frei widerrufbar.57 Auf den Sponsoringvertrag übertragen würde 50 CHK OR-Netzle, Vorb. Art. 184 ff./Sponsoringvertrag N 54. 51 S. Fuchs, Jusletter 18. Februar 2013, N 22 ff. und N 29 ff.; Zen-Ruffinen, 336. Weiterführend zur Thematik einer möglichen Qualifizierung von Fangewalt und Hooliganismus als Leistungsstörung bei Sportsponsoringverträgen Spindler/Morand, 235 ff. 52 CHK OR-Netzle, Vorb. Art. 184 ff./Sponsoringvertrag N 59 ff. 53 Insbesondere im Bereich des Sportsponsorings trifft man in der Praxis häufig befristete Verträge mit einer Optionsklausel an, welche der Sponsorin das einseitige Recht zur Vertragsverlängerung einräumen; s. zu den spezifischen Ausgestaltungsmöglichkeiten etwa Engel/Bösiger, 245 f. 54 Netzle, 142. 55 S. Engel/Bösiger, 248 f.; Zen-Ruffinen, 333 m.w.H. 56 S. etwa BGE 128 III 428 E. 3 f.; Netzle, 144 f.; s. ferner Levy/Verschuuren Kopfstein, 2573. In diesem Zusammenhang anschaulich der OR 2020-Entwurf, welcher allgemein anwendbare Regeln zur Kündigung von Dauerverträgen im Allgemeinen Teil des OR vorschlägt (Art. 144–147 OR 2020). Unter anderem soll ein unbefristetes Dauerschuldverhältnis unter Einhaltung einer angemessenen Frist ordentlich gekündigt werden können, wenn Gesetz oder Vereinbarung nichts anderes vorsehen (Art. 144 Abs. 1 OR 2020). Eine ausserordentliche Kündigung soll zulässig sein, wenn die Fortsetzung des Vertrages für die kündigende Partei nicht mehr zumutbar ist (Art. 145 Abs. 1 OR 2020). 57 Haas, N 540 ff. und N 802 ff. m.w.H.

1341

6. Kapitel

Innominatverträge

das bedeuten, dass der Sponsornehmer den Vertrag jederzeit kündigen darf und der Sponsorin allenfalls nur Ansprüche aus Art. 404 Abs. 2 OR analog zustehen, falls die Kündigung zur Unzeit erfolgte.58 Eine andere Lehrmeinung hingegen anerkennt, dass eine Partei über ihre Persönlichkeitsrechte vertraglich und damit ohne Widerrufsrecht disponieren kann.59 Zu Recht hat das Bundesgericht sich zugunsten dieser Lehrmeinung entschieden.60 Angesichts der Bedeutung, welche die Vermarktung des eigenen Bildes, des Namens oder der Stimme im Rahmen von Sponsoring oder ähnlichen Verträgen erlangt hat, muss eine vertragliche Disposition möglich sein. Entgegen älterer Lehrmeinungen kann der Sponsoringvertrag somit nicht in jedem Fall frei widerrufen werden. Sinnvoll bezüglich des Beendigungsregimes ist es sicher auch, nach der Intensität des Persönlichkeitseingriffs zu differenzieren. 3976

Für ein jederzeitiges und vom Vorliegen eines wichtigen Grundes unabhängiges Widerrufsrecht im Sinne von Art. 404 Abs. 1 OR analog besteht kein Anlass.61 Ein solches würde denn auch Sinn und Zweck des Sponsoringvertrages widersprechen, ist doch das Zusammenwirken der Parteien typischerweise auf eine bestimmte Dauer ausgelegt, damit der Imagetransfer zustande kommt.62 In jedem Fall sollte aber auf die spezifische vertragliche Ausgestaltung im Einzelfall abgestellt werden.

58 So BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 395. 59 S. etwa Büchler, 187. 60 BGE 136 III 401 E. 5.2.2 f. 61 BGE 4A_401/2009 E. 1.1.2; Hauser, 313; Rapp, 199 f.; Zen-Ruffinen, 332 m.w.H. 62 S. etwa Hauser, 313.

1342

§ 52 Gastaufnahmevertrag Grundlagenliteratur Engel, CO PS, 619 ff.; Guhl/Schnyder, § 55 N 24 ff.; Honsell, OR BT, 425 ff.; Schmid/ Stöckli/Krauskopf, N 2246 ff. und N 2510; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6114 ff.

Weiterführende Literatur Bettoja Luca, Der Gastaufnahmevertrag, Diss. Zürich 2000; Breitschmid Peter, Vertragsbeendigung bei mangelhaften Restaurantleistungen, SJZ 1990, 112; Gauch Peter, Der Werkvertrag, 5.  Aufl. Zürich/Basel/Genf 2011; Hangartner Sandro, Das neue Bundesgesetz über Pauschalreisen, Diss. Zürich 1997; Huguenin Claire/Rusch Arnold F., Der Bewirtungsvertrag, Jusletter 10. Oktober 2005; Koller Alfred, Die Haftung des Gastwirts, recht 2013,  235–241; Michel Rudolf, Der Gastaufnahmevertrag nach britischem, deutschem, französischem, italienischem und schweizerischem Recht, Diss. Zürich 1957; Peiser Evelyne, Der Bewirtungsvertrag, Diss. Basel 1982; Schluep Walter R., Innominatverträge, in: Vischer Frank (Hrsg.), SPR Bd. VII/2, Basel/Stuttgart 1979, 763–969; von Büren Bruno, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, Zürich 1972.

I.

Begriff

Der Gastaufnahmevertrag ist die Bezeichnung für die Kombination von Bewirtungs- 3977 und Beherbergungsvertrag. Die verwendete Terminologie ist jedoch nicht einheitlich.1 Die nachstehenden Ausführungen richten sich nach folgender Terminologie:2 Der Gastaufnahmevertrag ist die Kombination von Beherbergungs- und Bewirtungsvertrag, entspricht also einer Kost- und Logisleistung der Gastwirtin.2

3978

Im Bewirtungsvertrag verpflichtet sich die Gastwirtin, einen Gast zu bedienen, diesem Essen und/oder Getränke anzubieten, den dafür benötigten Raum bereitzustellen und die Sicherheit des Gastes zu gewährleisten.3

3979

1 Vgl. die Übersicht bei Schluep, 930. 2 Bettoja, 58; Huguenin/Rusch, Jusletter 10. Oktober 2005, N 2. 3 Bettoja, 57 f.; Peiser, 2 f.

1343

6. Kapitel

Innominatverträge

3980

Beim Beherbergungsvertrag verpflichtet sich die Gastwirtin, einen Gast für eine vereinbarte Zeit ein oder mehrere möblierte Zimmer bewohnen zu lassen und diese vertragsgemäss instand zu halten.4

3981

Während in Restaurants (Café, Bistro, Pizzeria etc.) die Bewirtung des Gastes mit Speis und Trank im Vordergrund steht (Bewirtungsvertrag), bieten Hotels und Pensionen häufig sowohl Unterkunft wie auch Verköstigung (z.B. Frühstück, Halbpension) an (Gastaufnahmevertrag).5

II.

Rechtsnatur und Abgrenzungen

1.

Gastaufnahmevertrag

3982

Das Gesetz regelt in Art. 487 ff. OR lediglich die Haftung der Gastwirtin für eingebrachte Sachen der Gäste, die sie zur Beherbergung aufnimmt. Weitere Bestimmungen enthält das Gesetz nicht, weshalb es sich beim Gastaufnahme- sowie beim Bewirtungs- und Beherbergungsvertrag um gemischte Verträge (Innominatkontrakte mixti iuris und in diesem Sinn ein Kombinationsvertrag) handelt, die sich in der Praxis zu Verkehrstypen verdichtet haben.6 Sie enthalten auftragsrechtliche, werk(lieferungs)- und kaufvertragsrechtliche sowie mietähnliche und weitere Elemente.7

3983

Der Leistungsaustausch ist synallagmatischer Natur; in der Regel erfolgt die Leistung der Gastwirtin gegen Entgelt.8 Der Gastaufnahmevertrag kann als Dauerschuldverhältnis charakterisiert werden, sofern die Gesamtleistung der Gastwirtin von der Zeit der Vertragsdauer abhängt (s. N 59).9

2. 3984

Bewirtungsvertrag

Der Bewirtungsvertrag ist ebenfalls ein Innominatkontrakt mixti iuris.10 Beim Bewirtungsvertrag steht der werkvertragliche Anteil im Vordergrund. Er enthält 4 S. Huguenin/Rusch, Jusletter 10. Oktober 2005, N 2. 5 BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 294. 6 BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 295 f.; Bettoja, 90. S. ferner BGE 4A_341/2016 E. 4.2, wonach der Beherbergungsvertrag als Innominatvertrag mit Elementen des Mietvertrages, des Verkaufs, des Auftrags und des Hinterlegungsvertrages zu qualifizieren ist. 7 CHK OR-Huguenin/Rusch, Vorb. Art. 184 ff./Gastaufnahme- und Freizeitverträge N 1. 8 Bettoja, 83 f. 9 Bettoja, 84 f. 10 Huguenin/Rusch, Jusletter 10. Oktober 2005, N 6; a.M. BGE 108 II 449 E. 3a = Pra 1983 Nr. 56; ZK ORHigi, Vorb. zu Art. 253–274g N 198 f., wonach es sich um einen Innominatvertrag sui generis handelt.

1344

§ 52

Gastaufnahmevertrag

werklieferungsvertragliche Elemente (Art. 365 Abs. 1 OR analog), sofern die Rohwaren für die Speisen und Getränke von der Gastwirtin selber beschafft werden.11 Erfolgt die Herstellung bereits vor Vertragsschluss und standardmässig, kommt allenfalls Kaufvertragsrecht zur Anwendung.12 Zur Abgrenzung des Kaufs vom Werk(lieferungs-)vertrag kann zusätzlich auf das Wertverhältnis zwischen Arbeit und Ware abgestellt werden (s. N 3132).

3985

Benützung der Gaststube, des Mobiliars sowie von Geschirr und Besteck sind miet- 3986 vertragsähnliche Elemente des Bewirtungsvertrages.13 Im Unterschied zum Mietvertrag liegt hier die Instandhaltungspflicht aber bei der Wirtin.14 Bezüglich der Bedienung handelt es sich um mehr als um eine bloss konkludent ver- 3987 einbarte Lieferungsmodalität von Essen und Getränken (Bringschuld). Es liegt vielmehr ein auftragsrechtliches Element vor (Tathandlungsauftrag);15 die Serviceangestellten sind Hilfspersonen der Gastwirtin. Weniger sachgerecht ist die Annahme eines arbeitsrechtlichen Elements, da ein Subordinationsverhältnis zwischen Gast und Gastwirtin fehlt und die Vertragsdauer sehr kurz ist. Beim Essen in einem Selbstbedienungsrestaurant liegt ebenfalls ein Bewirtungsver- 3988 trag vor. Bei einem blossen Verpflegungsstand (takeaway) ist indessen ein Werklieferungs- oder allenfalls ein Kaufvertrag anzunehmen. Es fehlen sowohl mietvertragsähnliche als auch auftragsrechtliche Komponenten.16 Die Grenzen sind allerdings fliessend.

3.

Beherbergungsvertrag

Beim Beherbergungsvertrag steht das mietvertragsähnliche Element der Überlas- 3989 sung einer Unterkunft im Zentrum. Im Unterschied zur gewöhnlichen Miete ist die Überlassungszeit meistens nur von kurzer Dauer. Auch hier liegt die Instandhaltungspflicht einzig bei der Wirtin.17 Art. 259 OR, wonach der Gast kleine Mängel selbst zu beheben hat, ist nicht (analog) anwendbar. Zur blossen Überlassung und Instandhaltung der Unterkunft können verschiedene weitere Elemente hinzukommen: Kinderbetreuung, Ausführen des mitgebrachten Hundes (Auftrag), organisierte Ausflüge, Überlassen von Sportausrüstungen (Miete, Leihe) etc.18 Da der 11 Bettoja, 91; Michel, 53 f.; Peiser, 9 f. 12 S. Bucher, OR BT, 202; Huguenin/Rusch, Jusletter 10. Oktober 2005, N 6. 13 BGE 108 II 449 E. 3a = Pra 1983 Nr. 56; 71 II 107 E. 4; ZK OR-Higi, Vorb. zu Art. 305–311 N 31; Huguenin/Rusch, Jusletter 10. Oktober 2005, N 6 und FN 13; Peiser, 9 f.; Schluep, 931. 14 Michel, 37 f.; s. Schluep, 931. 15 Huguenin/Rusch, Jusletter 10. Oktober 2005, N 6; Michel, 52 f. 16 S. auch Huguenin/Rusch, Jusletter 10. Oktober 2005, N 3. 17 Schluep, 931. 18 Huguenin/Rusch, Jusletter 10. Oktober 2005, N 2; s. Schluep, 931 f.

1345

6. Kapitel

Innominatverträge

Umfang der Leistung der Gastwirtin von der Zeit abhängt, handelt es sich um ein Dauerschuldverhältnis. 3990

Nach Art. 1 PauRG19 ist ein Beherbergungsvertrag als Pauschalreisevertrag zu qualifizieren, wenn eine im Voraus festgelegte Verbindung von Unterkunft und weiteren touristischen Dienstleistungen angeboten wird. Eine Gastwirtin, die ihren Hotelgästen im Preis eingeschlossene Exkursionen oder Sportkurse anbietet (Gesamtpaket), schliesst einen Pauschalreisevertrag ab, sofern diese Leistungen einen beträchtlichen Teil der Gesamtleistung ausmachen und die Gastwirtin ein solches package nicht nur gelegentlich offeriert. Die Gastwirtin gilt in diesem Fall als Veranstalterin (Art. 2 PauRG). Blosse Übernachtung verbunden mit Halb- oder Vollpension genügt indessen noch nicht, um einen Pauschalreisevertrag anzunehmen (diesfalls liegt ein Gastaufnahmevertrag vor; s. N 3980 ff.). In der Halb- oder Vollpension ist keine «andere touristische Dienstleistung» im Sinne von Art. 1 Abs. 1 lit. c PauRG zu sehen, sondern vielmehr eine blosse Nebenleistung (s. N 3634).20

III. 3991

Die Pflichten des Gastaufnahmevertrages ergeben sich aus der spezifischen Vereinbarung bzw. aus dem Bewirtungs- sowie dem Beherbergungsvertrag.

1. 3992

Pflichten der Parteien

Bewirtungsvertrag

Eine Pflicht der Gastwirtin zur Bewirtung des Gastes besteht nur ausnahmsweise. Anzunehmen ist eine solche Pflicht, wenn eine Verweigerung der Bedienung eine Persönlichkeitsverletzung (Art.  28 ZGB), insbesondere eine Diskriminierung (Art. 8 Abs. 1 BV; Art. 261bis Abs. 5 StGB21), darstellt oder wenn eine solche in einem Gastgewerbegesetz enthalten ist (zur Kontrahierungspflicht s. N 159 ff.).22 Die Gastwirtin schuldet die fachgemässe Zubereitung der Speisen, Bedienung sowie die Überlassung eines Platzes. Im Sinne einer Schutzpflicht ist sie gehalten, für die persönliche Sicherheit des Gastes zu sorgen.23 Die Bestimmungen von Art. 487 ff. OR zur Haftung für eingebrachte Sachen des Gastes sind nicht anwendbar, wenn die Wirtin dem Gast keine Unterkunft gewährt (s. Art. 487 Abs. 1 OR: «zur Beherber19 Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über Pauschalreisen (SR 944.3). 20 Hangartner, 15 f.; BSK OR-Roberto, Art. 1 PRG N 5; unklar hingegen Botschaft II über die Anpassung des Bundesrechts an das EWR-Recht (Zusatzbotschaft II zur EWR-Botschaft) vom 15. Juni 1992, BBl 1992 V 520 ff., 763. 21 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 (SR 311.0). 22 Huguenin/Rusch, Jusletter 10. Oktober 2005, N 9 und FN 21; Peiser 71 ff. 23 BGE 108 II 449 E. 3a = Pra 1983 Nr. 56; 71 II 107 E. 4.

1346

§ 52

Gastaufnahmevertrag

gung aufnehmen»).24 Demgegenüber enthält der Bewirtungsvertrag ein zusätzliches (hinterlegungsvertragliches) Element, wenn die Wirtin Sachen des Gastes zur Aufbewahrung annimmt und dadurch ein ausdrücklicher oder konkludenter Hinterlegungsvertrag zustande kommt.25 Bei einer offenen Garderobe, wo die Gäste die Kleider selbst holen können, wird aber kein hinterlegungsvertragliches Element angenommen, selbst dann nicht, wenn die Wirtin beim Ablegen und Anziehen behilflich ist.26 Der Gast ist verpflichtet, ein Entgelt zu zahlen («Zeche»; s. Art. 149 StGB). Zur Ent- 3993 gegennahme einer Verpflegung ist er nicht verpflichtet; es handelt sich um eine blosse Obliegenheit.27 Die Forderungen der Gastwirtin verjähren gemäss Art. 128 Ziff. 2 OR nach fünf Jahren («Wirtsschulden»).

2.

Beherbergungsvertrag

Die Gastwirtin schuldet die Überlassung bestimmter oder bestimmbarer Räume 3994 sowie eine angemessene Bedienung, deren Umfang und Qualität vom Vertrag bzw. bei mangelnder Regelung von der Kategorie des Hotels bzw. der Pension abhängen. Auch hier hat sie für die Sicherheit ihres Gastes zu sorgen. Aus Art. 487 Abs. 1 OR haftet sie für eingebrachte Sachen kausal, also verschuldensunabhängig. Die Wirtin kann sich von der Haftung befreien, wenn der Schaden durch den Gast selbst oder seine Besucher, Begleiter bzw. Dienstleute, durch höhere Gewalt oder durch die Beschaffenheit der Sache verursacht worden ist (Art. 487 Abs. 1 OR). Die Kausalhaftung ist insofern eingeschränkt, als sie grundsätzlich auf den Betrag von CHF 1000 limitiert ist. Für Schäden über CHF 1000 haftet die Gastwirtin nur, wenn sie oder ihr Personal ein Verschulden trifft (s. Art. 487 Abs. 2 OR).28 Eine Ausnahme von dieser Regel sieht das Gesetz in Art. 488 OR für Wertsachen (Kostbarkeiten, grössere Geldbeträge oder Wertpapiere) vor:29 Hat der Gast die Wertsachen der Gastwirtin nicht zur Aufbewahrung übergeben, obschon dies für ihn zumutbar gewesen wäre, haftet die Gastwirtin nur bei Verschulden (Art. 488 Abs. 1 und Abs. 3 OR). Die beschränkte Kausalhaftung gemäss Art. 487 Abs. 2 OR gelangt in diesem Fall nicht zur Anwendung.30 Eine weitere Ausnahme gilt für Wertsachen, deren Aufbewahrung die Gastwirtin übernommen oder deren Aufbewahrung sie abgelehnt hat. Die Gastwirtin haftet in diesem Fall kausal «für den vollen Wert», das heisst 24 25 26 27 28

BGE 109 II 234 E. 2c; 108 II 449 E. 2 und E. 3a = Pra 1983 Nr. 56; Koller, recht 2013, 236 f. BGE 108 II 449 E. 3a = Pra 1983 Nr. 56. BGE 108 II 449 E. 3a = Pra 1983 Nr. 56. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 300; Peiser, 98; s. Schluep, 933; a.M. Michel, 56. BGE 4A_341/2016 E. 4.2; BSK OR-Koller, Art. 487 N 11; ausführlich zur Haftung der Gastwirtin s. Koller, recht 2013, 235 ff. 29 Zum Begriff der Wertsache s. BGE 4A_341/2016 E. 4.2. 30 BGE 4A_341/2016 E. 4.2; BSK OR-Koller, Art. 488 N 4; Koller, recht 2013, 238.

1347

6. Kapitel

Innominatverträge

betragsmässig unbeschränkt (Art.  488 Abs.  2  OR), wobei ihr der Entlastungsbeweis nach Art. 487 Abs. 1 OR offensteht.31 Zu beachten ist, dass die Ansprüche aus Art. 487 f. OR verwirken, wenn der Gast den Schaden nicht sofort nach dessen Entdeckung gegenüber der Gastwirtin geltend macht (Art. 489 Abs. 1 OR). Die zwingende Natur von Art. 487 f. OR und damit verbunden die Möglichkeit einer Freizeichnung sind im Übrigen in der Lehre umstritten. Nach einem Teil der Lehre ist eine vertragliche Beschränkung oder Wegbedingung der Haftung aufgrund der zwingenden Natur von Art. 487 f. OR ausgeschlossen.32 Ein anderer Teil der Lehre erachtet dagegen eine Freizeichnung in den Schranken von Art. 19/20, Art. 100 und Art. 101 OR als zulässig. Art 489 Abs. 2 OR schliesse bloss die Wegbedingung der Haftung «durch Anschlag in den Räumen des Gasthofes» aus.33 Das Bundesgericht musste bislang keine Stellung zu diesem Lehrstreit beziehen. 3995

Der Gast ist neben der Bezahlung des Entgelts (s. Art. 149 StGB) verpflichtet, die ihm überlassenen Räume nicht vertragswidrig zu nutzen (analog Art. 257f Abs. 1 OR).34 Eine Unterhalts- und Instandhaltungspflicht zu seinen Lasten besteht nicht.

3996

Für sämtliche Forderungen aus dem Beherbergungsvertrag, einschliesslich Forderungen aus Verpflegung bei einem Gastaufnahmevertrag, hat die Gastwirtin ein Retentionsrecht an den eingebrachten Sachen des Gastes aus Art. 491 OR.35 Sachen, die nicht pfändbar sind, können indessen auch nicht Gegenstand des Retentionsrechts sein (Art. 491 Abs. 1 und Art. 268 Abs. 3 OR).36 Für die Verjährung von Forderungen der Gastwirtin aus Beherbergung ist Art. 128 Ziff. 1 OR analog anwendbar; für Verpflegungsleistungen richtet sich die Verjährung nach Art. 128 Ziff. 2 OR.

IV. 3997

Leistungsstörungen

Beim Bewirtungsvertrag kann der Gast vom Vertrag zurücktreten (Art. 107 Abs. 2 i.V.m. Art. 109 OR), z.B. wenn das bestellte Essen nicht gebracht wird. Für die aufgetischten Speisen und Getränke haftet die Gastwirtin aus Gewährleistung – je nach anwendbarem Typenrecht – analog den werk(lieferungs)- oder kaufvertraglichen Regeln (s. N 3984 f.), soweit diese Regeln passend sind. Demnach berechtigen man31 Koller, recht  2013, 236 und 238; von Büren, 190  f.; nicht eindeutig BGE 4A_341/2016 E.  4.2. A.M. die herrschende Lehre, welche Art. 488 Abs. 2 OR als Verschuldenshaftung versteht: BK OR-Gautschi, Art. 488 N 2c; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6131; differenzierend BSK OR-Koller, Art. 488 N 4; OFK OR-von Ballmoos, Art. 488 N 4. 32 BSK OR-Koller, Art. 489 N 5 m.w.H.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 6134; OFK OR-von Ballmoos, Art. 489 N 3. 33 BK OR-Gautschi, Art. 489 N 2b; Koller, recht 2013, 238; CHK OR-Stupp, Art. 489 N 3. 34 Bettoja, 197 ff. 35 S. BSK OR-Koller, Art. 491 N 1 ff. 36 Engel, CO PS, 623; BSK OR-Koller, Art. 491 N 2.

1348

§ 52

Gastaufnahmevertrag

gelhafte (das heisst ungeniessbare oder nicht fachgerecht zubereitete) Speisen oder Getränke oder das Fehlen zugesicherter Eigenschaften (z.B. vegane oder laktosefreie Kost) zu Nachlieferung, Nachbesserung, Minderung oder Wandlung (Art. 205, 206 und Art. 368 OR analog; s. sogleich N 3998 f.).37 Der Qualitätsmassstab richtet sich nach der Kategorie des Gasthauses, muss aber mindestens einer mittleren Qualität entsprechen (Art. 71 Abs. 2 OR).38 Weist der Gast die mangelhaften Speisen zurück, liegt darin eine Wandlung (Art. 368 3998 Abs. 1 bzw. Art. 205 OR analog).39 Der Wandlungsanspruch des Gastes besteht auch, wenn er die Speisen bereits verzehrt hat. Dies entspricht dem bestimmungsgemässen Ge- bzw. Verbrauch der Sache (Art. 207 Abs. 3 OR ist nicht einschlägig).40 Das Menü, bestehend aus verschiedenen Gängen, stellt keine einheitliche Sache dar. Wie bei der Erstellung verschiedener Werke und bei der Mehrheit von Kaufsachen gilt bei mehrgängigen Menüs der Grundsatz der Einzelwandlung mangelhafter Gänge analog Art. 209 Abs. 1 OR.41 Der Gast kann auch mindern (Art. 368 Abs. 2 oder Art. 205 OR analog). Ist der Gast in Begleitung von weiteren Personen, die nicht selber mit der Wirtin 3999 einen Bewirtungsvertrag abschliessen, sind diese Personen Drittpersonen des Vertragsverhältnisses (z.B. der Mann, der von seiner Frau zum Essen eingeladen wird). Ihnen steht in der Regel ebenfalls ein allfälliger Schadenersatz-, Nachbesserungsoder Ersatzlieferungsanspruch zu. Je nach Lehrmeinung entsteht dieser Anspruch aufgrund der Bejahung einer Drittschadensliquidation (s. N 1600 ff.), eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (wobei hier nur Sekundäransprüche geltend gemacht werden können; s. N 1567 ff.) oder eines echten Vertrages zugunsten eines Dritten (Art. 112 Abs. 2 OR; s. N 1137 ff.).42 Der Minderungs- oder Wandlungsanspruch steht jedoch alleine dem Gast als Kontrahenten des Bewirtungsvertrages zu.43 Sind werkvertragliche Bestimmungen anwendbar, besteht ein Nachbesserungsanspruch des Gastes (Art. 368 Abs. 2 OR analog).44 Der Gast kann also z.B. verlangen, dass das beinahe rohe Schweinefleisch nochmals gebraten wird, wobei es der Gastwirtin auch freisteht, das Gericht vollumfänglich neu herzustellen, sofern dies zu keiner namhaften Verzögerung führt.45 Vorbehalten bleibt, dass dem Gast die Fortsetzung des Vertrages überhaupt zugemutet werden kann.46 Die Unzu-

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46

CHK OR-Huguenin/Rusch, Vorb. Art. 184 ff./Gastaufnahme- und Freizeitverträge N 5. Michel, 54; Peiser, 83 und 119; Schluep, 932 und FN 11. Huguenin/Rusch, Jusletter 10. Oktober 2005, N 29. Huguenin/Rusch, Jusletter 10. Oktober 2005, N 30. Breitschmid, SJZ 1990, 112; s. Gauch, N 1547. Bettoja, 86 ff.; s. Huguenin/Rusch, Jusletter 10. Oktober 2005, N 31. Bettoja, 87; BSK OR- Zellweger-Gutknecht, Art. 112 N 15b. Peiser, 121 f. Bezüglich Werkvertrag s. Gauch, N 1778; Huguenin/Rusch, Jusletter 10. Oktober 2005, N 29. Bettoja, 232.

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6. Kapitel

Innominatverträge

mutbarkeit ist abhängig von der Schwere des Mangels.47 Diesfalls hat das Wandlungsrecht des Gastes vorzugehen. Dies gilt insbesondere auch bei mehrgängigen Menüs.48 Das Verzehren eines solchen kann z.B. nicht mehr verlangt werden, wenn der Gast eine Schnecke im Salat entdeckt.49 Gelangen kaufrechtliche Regeln zur Anwendung, kann der Gast ferner ein neues Menü oder Getränk bestellen (Nachlieferung beim Gattungskauf; Art.  206  OR analog), muss aber die blosse Beseitigung des Mangels der alten Speise akzeptieren, wenn die Qualität danach einwandfrei ist (Nachbesserungsrecht der Verkäuferin bzw. der Gastwirtin aus Art. 2 ZGB).50 Aus der analogen Anwendung von Art. 206 Abs. 2 OR folgt ferner, dass die Wirtin Wandlung und Minderung abwenden kann, indem sie sofort ein einwandfreies Gericht oder Getränk auftischt (Ersatzlieferung). Die Interessen des Gastes sollten in diesem Fall gewahrt sein. 4000

Für Mangelfolgeschäden haftet die Wirtin ebenfalls aus Gewährleistung.51 Hier ist aber gleichzeitig zu beachten, dass die Gastwirtin als Herstellerin im Sinne des PrHG52 gelten kann (Art. 2 PrHG), womit sie zusätzlich kausal für Personen- und Sachschäden haftet.53

4001

Verletzt die Gastwirtin ihre Schutzpflicht, für die Sicherheit ihrer Gäste zu sorgen,54 haftet sie aus Art. 97 OR (positive Vertragsverletzung). Diese Pflicht erstreckt sich jedoch nur auf den Bereich des eigentlichen Vertragsgegenstands. Die Hüttenwartin ist daher aus dem Gastaufnahmevertrag heraus nicht gehalten, ihre Gäste vor gefährlichen Bergtouren zu warnen.

4002

Eine Besonderheit gilt beim Bewirtungsvertrag bezüglich der persönlichen Gegenstände des Gastes. Die Rechtsprechung lehnt es hier ab, eine stillschweigend vereinbarte Nebenpflicht der Gastwirtin anzunehmen. Somit haftet die Gastwirtin für die sichere Aufbewahrung der persönlichen Gegenstände nur, wenn sie einen entsprechenden Bindungswillen zum Ausdruck gebracht hat, z.B. wenn die Gegenstände an einem besonderen Ort aufbewahrt oder nur gegen einen Depotschein wieder zurückgegeben werden.55

4003

Sind die Räumlichkeiten, welche im Rahmen des Beherbergungsvertrages angeboten werden, mangelhaft, kann der Gast die mietrechtlichen Mängelrechte ana-

47 Huguenin/Rusch, Jusletter 10. Oktober 2005, N 30. 48 Huguenin/Rusch, Jusletter 10. Oktober 2005, N 30. 49 AGer Burgwedel, NJW 1986, 2647. 50 Huguenin/Rusch, Jusletter 10. Oktober 2005, N 29. 51 Peiser, 122. 52 Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über die Produktehaftpflicht (Produktehaftpflichtgesetz; SR 221.112.944). 53 Huguenin/Rusch, Jusletter 10. Oktober 2005, N 32. 54 S. dazu Bettoja, 185 ff. 55 S. dazu BGE 120 II 252 E. 2 und E. 3 = Pra 1995 Nr. 275; 109 II 234 E. 2; 108 II 449 E. 3a = Pra 1983 Nr. 56; BSK OR-Koller, Art. 487 N 5.

1350

§ 52

Gastaufnahmevertrag

log Art. 258 Abs. 2 und Art. 259a ff. OR (s. N 2942m ff.) geltend machen:56 Leiden diese im Zeitpunkt der Übergabe an einem derart schwerwiegenden Mangel, dass der vereinbarte Gebrauch der Räume eingeschränkt bzw. ausgeschlossen ist, kann der Gast schon vor Antritt des Gastaufnahmevertrages die Rücktrittsrechte nach Art. 107–109 i.V.m. Art. 258 Abs. 1 OR geltend machen.57 Kennt die Gastwirtin den schweren Mangel und tritt der Gast den Gastaufnahmevertrag an, so kann der Gast analog Art. 259b lit. a OR frist- und formlos kündigen. Etwas anderes gilt, wenn die Gastwirtin in der Lage ist, innert kurzer Zeit einen angemessenen Ersatz zur Verfügung zu stellen.58 Kommt der Gast durch eine mangelhafte Einrichtung der Herberge zu Schaden, gelangt Art. 259e OR analog oder die Werkeigentümerhaftung (Art. 58 OR) zur Anwendung.59 Der Gastwirtin steht das Rücktrittsrecht nach Art. 107 Abs. 2 und Art. 109 OR zu, 4004 wenn der Gast nicht zur vereinbarten Zeit erscheint und die Gastwirtin darüber auch nicht informiert.60

V.

Beendigung

Der Bewirtungsvertrag endet meistens durch Erfüllung. Es handelt sich in der Regel 4005 um ein typisches Handgeschäft, bei dem Vertragsabschluss und Erfüllung unmittelbar aufeinander folgen. Der Konsum der Speisen, die Bedienung, das Benützen der Gaststube und der Umstand, dass der Gast weitere Speisen und Getränke bestellen kann und auch nicht sofort nach deren Konsum die Gaststube verlassen muss, beinhalten zudem Elemente einer gewissen zeitlichen Ausdehnung der Leistung. Der Bewirtungsvertrag weist deshalb Ähnlichkeiten zu Dauerschuldverhältnissen auf. Auch hier muss darum eine Kündigung aus wichtigem Grund per analogiam zulässig sein.61 Beherbergungs- und Gastaufnahmeverträge sind Dauerschuldverhältnisse und 4006 enden grundsätzlich mit Ablauf einer vereinbarten Dauer. Sind sie auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, so sind sie mangels gegenteiliger Abrede noch am gleichen Tag kündbar. Es ist – mindestens in Stadthotels – nicht nötig, dass der Gast seine Abreise bereits am Vortag bekannt gibt.62 Die Parteien können aber eine abweichende Vereinbarung treffen. 56 57 58 59 60 61 62

Bettoja, 229 f. S. BGE 120 II 237 E. 4; Bettoja, 229. Bettoja, 231; ZK OR-Higi, Art. 259b N 33 ff. CHK OR-Huguenin/Rusch, Vorb. Art. 184 ff./Gastaufnahme- und Freizeitverträge N 7 m.w.H. Bettoja, 270. Huguenin/Rusch, Jusletter 10. Oktober 2005, N 7. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 308; Schluep, 934.

1351

6. Kapitel

Innominatverträge

4007

Beherbergungs- und Gastaufnahmeverträge dürfen zudem aus wichtigem Grund durch beide Parteien ausserordentlich gekündigt werden (Art. 266g OR analog).63 Die mietrechtlichen Bestimmungen zu den Kündigungsfristen, von deren Einhaltung Art. 266g OR grundsätzlich nicht entbindet, sind hier allerdings nicht geeignet (s.  Art.  266e  OR: zwei Wochen). Kündigung aus wichtigem Grund muss bei einem Beherbergungsvertrag die Beendigung am selben Tag bedeuten. Ein wichtiger Grund kann mangelhafte Bedienung oder schlechtes Essen sein, aus der Sicht der Gastwirtin etwa ungebührliches Verhalten des Gastes.64 Keine wichtigen Gründe stellen in der Regel Enttäuschungen im Bereich der Motive des Gastes dar.65 So ist grundsätzlich eine Annullierung der bereits vereinbarten Übernachtungen in einem Wintersportort wegen Schneemangels ohne Kostenfolge nicht möglich. Anders ist zu entscheiden, wenn aus der Auslegung des Vertrages sowie der Umstände hervorgeht, dass die Aufrechterhaltung des Vertrages von ausreichenden Schneeverhältnissen abhängig gemacht worden ist. War die Gefahr von Schneemangel bei Buchung für den Gast voraussehbar, kann eine solche konkludente Vereinbarung indessen nicht angenommen werden (Vertrauensprinzip).66

4008

Ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes kann der Gast den Gastaufnahmevertrag nicht kündigen bzw. vor Antritt der Gastaufnahme nicht von diesem zurücktreten. Es gilt das Prinzip pacta sunt servanda. Tritt der Gast den gebuchten Aufenthalt nicht an oder kündigt er den befristeten Vertrag ohne wichtigen Grund, befindet er sich im Gläubigerverzug; die Gastwirtin hat alsdann Anspruch auf die vereinbarte Leistung (positives Interesse; Art. 95 i.V.m. Art. 107 ff. OR).67 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Gastwirtin sich anrechnen lassen muss, was sie an Auslagen einspart oder durch anderweitige Verwendung der Sache gewinnt oder absichtlich zu gewinnen unterlässt, z.B. wenn sie durch Aufnahme eines anderen Gastes einen Schaden hätte vermeiden können (analog Art. 264 Abs. 3 OR; Schadenminderungspflicht).68 Bettoja will dem Gast zudem das Recht zugestehen, einen geeigneten Ersatzgast zu bestimmen, der den Gastaufnahmevertrag übernimmt und den Gast von seinen Verpflichtungen befreit (analog Art. 264 Abs. 1 OR).69

63 64 65 66 67 68 69

1352

Bettoja, 271. Huguenin/Rusch, Jusletter 10. Oktober 2005, N 27. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 309. S. den Entscheid des Tribunale d’appello Ticino vom 4. September 1996, SJZ 1998, 499 f. Bettoja, 270 und 279. Bettoja, 280 und 282. Bettoja, 282.

§ 53 Trödelvertrag Grundlagenliteratur Bucher,  OR BT, 27  ff.; Guhl/Koller, §  40 N  8; Müller, contrats, N  3239  ff.; MüllerChen/Girsberger/Droese, Kap. 12 N 109 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7210 ff.

Weiterführende Literatur Bucher Eugen, Der Trödelvertrag, mit den Augen Ulpians betrachtet, in: FS Schluep, Zürich 1988, 95–113 (zit.: Bucher, FS Schluep); Cavin Pierre, Kauf, Tausch und Schenkung, in: Vischer Frank (Hrsg.), SPR Bd. VII/1, Basel/Stuttgart 1977, 1–198; Meier-Hayoz Arthur, Trödelvertrag, SJK Nr. 680; Oftinger Karl, Der Trödelvertrag – Prolegomena zu seiner Lehre, Zürich 1937; Piotet Paul, Le contrat estimatoire (Trödelvertrag), spécialement le passage de la propriété et des risques, in: FS Schluep, Zürich 1988, 115–129 (zit.: Piotet, FS Schluep); Piotet Paul, Le contrat estimatoire – Dit de soumission ou de consignation (Trödelvertrag), Bern 1967 (zit.: Piotet, contrat); Reutter Mark A., Mäkler-, Kommissions- und Trödelverträge, in: Arter Oliver (Hrsg.), Vertriebsverträge, Bern 2007, 103–123.

I.

Begriff

Vertragsinhalt bildet die Übergabe eines Gegenstands zum Zweck der Weiterveräusserung an einen Dritten mit der Vereinbarung, dass die Trödlerin die Veräusserung in eigenem Namen und auf eigene Rechnung vornimmt und sich verpflichtet, dem Vertrödler entweder den zwischen ihnen vereinbarten Schätzungspreis zu zahlen oder den Gegenstand zurückzugeben.1

4009

Die Übergabe des Trödelgegenstands erfolgt zum Zweck der Weiterveräusserung; 4010 der Trödelvertrag ist somit in seiner Gesamtheit betrachtet ein Veräusserungsvertrag mit auftragsrechtlichen Elementen. Beim Verkauf des Trödelobjekts an einen Dritten handelt die Trödlerin nicht als (direkte oder indirekte) Stellvertreterin, sondern in eigenem Namen und auf eigene Rechnung (sog. Propregeschäft).2 Schwierig ist die Frage zu beantworten, ob es sich beim Trödelvertrag um einen 4011 vollkommen (synallagmatischen) oder unvollkommen zweiseitigen Vertrag handelt. Die Rückgabe der Ware ist nämlich keine im Austauschverhältnis stehende Leistung, 1 BGE 55 II 39 E. 2; BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 163; Reutter, 106. 2 BGE 69 II 110 E. 2; Meier-Hayoz, 1.

1353

6. Kapitel

Innominatverträge

sondern eine Rechtsfolge der Hingabe. Richtet man das Augenmerk jedoch auf die Alternativverpflichtung, nämlich die Zahlung des Schätzungspreises, so muss der Trödelvertrag klarerweise als synallagmatischer Vertrag bezeichnet werden. Entsprechend wird der Trödelvertrag als bedingt synallagmatischer Vertrag verstanden: Der Hauptzweck des Trödelvertrages besteht darin, dass die Sache an einen Dritten verkauft wird und die Trödlerin dem Vertrödler den vereinbarten Preis bezahlt. Der Vertrag ist sodann (resolutiv) bedingt, weil die Gegenseitigkeit nachträglich dahinfällt, wenn die Trödlerin die Rückgabe der Sache wählt.3

II. 4012

Das Interesse des Vertrödlers liegt darin, die Ware zu veräussern, ohne selbst einen Käufer finden zu müssen; die Trödlerin dagegen will weder das Risiko der Unverkäuflichkeit der Ware übernehmen noch die finanziellen Mittel zum Eigenerwerb aufbringen.4 Der Trödelvertrag enthält demgemäss ein Separierungselement; die kommerziellen Sphären der Parteien werden nicht vermischt.5

III. 4013

Erscheinungsformen

Früher waren vornehmlich Kunstwerke, Autos, Pferde etc. Trödelgegenstände; in neuerer Zeit ist eine Tendenz hin zu industriellen Massenprodukten (CDs, Bücher, Kosmetika etc.) zu beobachten.6

IV. 4014

Wirtschaftliche Funktion

Rechtsnatur

Die Rechtsnatur des Trödelvertrages ist umstritten. Das Bundesgericht qualifiziert ihn als Vertrag sui generis, indem es die Rückgabepflicht – wenngleich alternativ – als essentiale negotii betrachtet.7 Entscheidendes Typenmerkmal ist die Wahlschuld bzw. Alternativermächtigung der Trödlerin zwischen Erstattung des Schätzungs-

3

Meier-Hayoz, 1; Oftinger, 50 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7233; s. auch BGE 89 II 214 E. 3; a.M. Piotet, contrat, 58 ff.; Piotet, FS Schluep, 118 f. 4 S. etwa BSK OR-Lenz/von Planta, Vor Art. 425–438 N 7. 5 Bucher, FS Schluep, 99. 6 S. etwa Bucher, OR BT, 28; Müller, contrats, N 3242 ff. 7 BGE 55 II 39 E. 2; s. auch BGE 4A_155/2017 E. 4.1; 89 II 214 E. 1b; ebenso Oftinger, 19 ff.; s. ferner Guhl/ Koller, § 40 N 8; Meier-Hayoz, 2 m.w.H.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7225.

1354

§ 53

Trödelvertrag

preises und Restitution der Sache (s. dazu N 4024). Eine Mindermeinung8 geht von einem suspensiv bedingten Kaufvertrag aus (Bedingung: Weiterverkauf an einen Dritten). Angesichts der Vielzahl von Erscheinungsformen, in welchen der Trödelvertrag auf- 4015 tritt, ist eine allgemeingültige Einordnung nur bedingt sinnvoll. Zur Qualifikation ist vielmehr je nach konkreter Vertragsgestaltung das Recht des bedingten Kaufs (inklusive Kauf auf Probe), des (Verkaufs-)Auftrags, des Werkvertrages oder der einfachen Gesellschaft heranzuziehen.9

V.

Abgrenzungen

1.

Zum Kauf (Art. 184 ff. OR)

Sowohl Trödelvertrag wie auch Kaufvertrag sind Veräusserungsverträge. Haupt- 4016 sächlich unterscheidet sich der Trödelvertrag vom Kauf dadurch, dass die Übergabe der Ware an die Trödlerin zu einem bestimmten Zweck erfolgt (Verkauf an Dritte); die Pflicht des Käufers beschränkt sich auf die Bezahlung des Kaufpreises, wogegen die Trödlerin alternativ verpflichtet ist, den Preis zu zahlen oder die Ware zurückzugeben.10

2.

Zum Auftrag (Art. 394 ff. OR)

Anders als etwa im Falle eines Auftrags zum Verkauf einer Sache trifft die Trödlerin 4017 keine Pflicht zum Tätigwerden; der Trödelvertrag ist schwergewichtig ein Veräusserungsgeschäft. Überdies ist der Trödelvertrag ein Propregeschäft, der Auftrag jedoch nicht. Der Beauftragte ist regelmässig Stellvertreter der Auftraggeberin (s. Art. 396 Abs.  2  OR): Er handelt entweder in fremdem Namen und auf fremde Rechnung (als direkter Stellvertreter) oder in eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung (als indirekter Stellvertreter). Die Trödlerin dagegen handelt immer in eigenem Namen und auf eigene Rechnung. Im Unterschied zum Trödelvertrag schuldet die mit dem Verkauf einer Sache Beauftragte dem Auftraggeber den erzielten Preis. Sie ist in der Regel nicht für einen mit dem Geschäft verbundenen Verlust verantwortlich. Dem-

8

Piotet, contrat, 20 ff.; Piotet, FS Schluep, 116 ff.; ferner auch Cavin, 176 f. In diesem Sinne auch die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichts; s. BGE 47 II 218, 222. 9 S. BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 167; Bucher, FS Schluep, 101 f.; Bucher, OR BT, 28 f.; Müller, contrats, N 3247. 10 S. Meier-Hayoz, 2; Müller, contrats, N 3249.

1355

6. Kapitel

Innominatverträge

gegenüber schuldet die Trödlerin dem Vertrödler nicht weniger und nicht mehr als den vereinbarten Schätzungspreis.11

3. 4018

Die Trödlerin muss den Verkaufspreis nicht offenlegen; der Kommissionär hingegen handelt auf Rechnung der Kommittentin. Gemeinsam ist der Kommission und dem Trödelvertrag, dass der (Verkaufs-)Kommissionär und die Trödlerin den Kaufvertrag über die Ware in eigenem Namen und nicht in (direkter) Vertretung der Kommittentin bzw. des Vertrödlers abschliessen. Der Kommissionär handelt allerdings im Gegensatz zur Trödlerin als indirekter Stellvertreter, also zwar in eigenem Namen, aber nicht auf eigene Rechnung.12

4. 4019

Zum Mäklervertrag (Art. 412 ff. OR)

Die Trödlerin verpflichtet sich gegenüber Drittkäufern selbst; der Mäkler schliesst den Vertrag dagegen nicht selber ab, sondern vermittelt nur dessen Abschluss oder weist die Gelegenheit dazu nach (Art. 412 Abs. 1 OR).13

VI. 4020

Zur Kommission (Art. 425 ff. OR)

Entstehung und Inhalt

Der Trödelvertrag darf nicht gegen die Schranken der Inhaltsfreiheit von Art. 19/20 OR verstossen (s. N 392 ff.). Mangels anderer Abrede kommt der Trödelvertrag über Fahrnisgegenstände formfrei zustande (Art. 11 Abs. 1 und Art. 16 OR). Ob Trödelobjekte nur Fahrnisgegenstände oder auch Grundstücke sein können, ist im Übrigen kontrovers.14 Erachtet man die Grundstücktrödelei als zulässig, können sich gegebenenfalls Formerfordernisse ergeben (s. etwa Art. 216 Abs. 1 OR).15

11 12

BGE 55 II 39 E. 2; s. auch Meier-Hayoz, 2. BGE 69 II 110 E. 2; 55 II 39 E. 2 m.w.H. Zur Nichtanwendbarkeit der Bestimmungen zur Kommission auf den Trödelvertrag bereits BGE 47 II 218, 219 ff.; s. auch Guhl/Koller, § 40 N 8. 13 Zum Ganzen ausführlich s. Meier-Hayoz, 2 f. 14 Keine Grundstücktrödelei: Bucher, FS Schluep, 98; Cavin, 176; Oftinger, 38  ff. Bejahend dagegen: BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 169; Müller, contrats, N 3254; Piotet, contrat, 64; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7228. 15 S. etwa BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 169, wonach der Trödelvertrag öffentlich zu beurkunden ist (Art. 216 Abs. 1 OR analog), wenn der Trödlerin fiduziarisches Eigentum am Grundstück eingeräumt wird; s. ferner Müller, contrats, N 3254; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7228.

1356

§ 53

Trödelvertrag

VII. Eigentumsverhältnisse Mit Blick auf die Eigentumsverhältnisse beim Trödelvertrag gilt es zu beachten, dass 4021 der Vertrödler bis zum Abschluss des Vertrages zwischen der Trödlerin und dem Dritten Eigentümer der Sache bleibt und diese jederzeit zurückverlangen kann.16 In Bezug auf den Zeitpunkt der Eigentumsübertragung gilt es zwei Situationen zu unterscheiden: Entweder hat die Trödlerin die Ware an einen Dritten verkauft (s. sogleich N 4022) oder sie ist selber eingetreten (Selbsteintritt; s. N 4023).

1.

Verkauf an Dritte

Beim Verkauf an Dritte ist zwischen Lieferungskauf (zeitliches Auseinanderfallen 4022 von Abschluss des Kaufvertrages und Besitzesverschaffung) und Tageskauf (zeitliches Zusammenfallen von Kaufvertrag und Besitzesverschaffung) zu unterscheiden. Im Fall des Lieferungskaufs geht das Eigentum im Augenblick des Vertragsabschlusses zwischen Trödlerin und Dritterwerber (Käufer) vom Vertrödler auf die Trödlerin über.17 Der Dritterwerber wird alsdann erst nach vollzogener Tradition Eigentümer. Liegt ein Tageskauf zwischen Trödlerin und Dritterwerber vor, so geht das Eigentum direkt vom Vertrödler auf den Dritterwerber über. Die Trödlerin erwirbt diesfalls gar nie Eigentum.18

2.

Selbsteintritt

Tritt die Trödlerin selber ein, vollzieht sich die Eigentumsübertragung im Zeitpunkt 4023 der Wahl: Sobald die Trödlerin (ausdrücklich oder konkludent) den Selbsteintritt erklärt, wird sie Eigentümerin.19

VIII. Pflichten der Parteien 1.

Trödlerin

Die Trödlerin trifft die Pflicht, entweder den Schätzungspreis zu bezahlen oder 4024 den Gegenstand zurückzugeben. Gemäss Bundesgericht und einem Teil der Lehre

16 17 18 19

BGE 75 IV 11 E. 1; 70 II 103 E. 1; 55 II 39 E. 2; 47 II 218, 221 f. S. allgemein etwa BGE 75 IV 11 E. 1; 70 II 103 E. 1. S. zum Ganzen Meier-Hayoz, 4; Oftinger, 85 ff., insbesondere 88 ff. Zum Ganzen s. Meier-Hayoz, 4; Oftinger, 85 ff., insbesondere 86 f.

1357

6. Kapitel

Innominatverträge

handelt es sich dabei um eine Wahlobligation im Sinne von Art. 72 OR.20 Unseres Erachtens ist im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln, ob eine Wahlobligation oder eine Alternativermächtigung vorliegt (zu dieser Unterscheidung im Allgemeinen s. N 678 ff.).21 Hat sich die Trödlerin gegenüber dem Vertrödler für die Zahlung des Schätzpreises entschieden, so tritt die Fälligkeit gemäss Art. 75 OR sofort ein, es sei denn, die Parteien hätten etwas anderes vereinbart. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Trödlerin den Kaufpreis vom Dritten bereits erhalten hat oder nicht. Denn sie veräussert die Ware auf eigene Rechnung (s. N 4009).22 4025

Die Trödlerin ist nicht verpflichtet, im Hinblick auf die Weiterveräusserung tätig zu werden.23 Sie hat indessen bei der Aufbewahrung der Ware Sorgfalt walten zu lassen, sofern sie die Möglichkeit der Rückgabe noch in Betracht zieht.24

2. 4026

4027

Den Vertrödler trifft die Pflicht, der Trödlerin die Ware in der Weise zur Verfügung zu stellen, dass die kaufvertraglich geschuldete Übertragung des Eigentums auf den Dritten möglich ist.25

IX.

Leistungsstörungen

1.

Vorbemerkung

Der Trödelvertrag wird als bedingt synallagmatischer Vertrag verstanden (s. N 4011). Die Konsequenzen bezüglich Art. 107 ff. OR sind die folgenden:

2. 4028

Vertrödler

Verzug der Trödlerin

Der Verzug betrifft die Ausübung des Wahlrechts: Ist eine Frist für die Ausübung des Wahlrechts vereinbart worden und befindet sich die Trödlerin nur hinsichtlich der Wahl in Verzug, steht dem Vertrödler ein Anspruch auf Vornahme dieser Wahl

20 21 22 23 24 25

1358

BGE 4A_155/2017 E. 4.1; CR CO-Hohl, Art. 72 N 4; ZK OR-Schraner, Art. 72 N 10 ff. Gl.M. Bucher, FS Schluep, 106. Reutter, 111. BGE 75 IV 11 E. 1. Reutter, 113 f. S. etwa BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 171.

§ 53

Trödelvertrag

zu.26 Die Trödlerin haftet dann für Verspätungsschaden und – bei Verschulden am Verzug – auch für Zufall (Art. 103 OR). Die Art. 107 ff. OR sind nicht anwendbar, da die Verpflichtung zur Ausübung des Wahlrechts nicht im Synallagma zur Leistung des Vertrödlers (Übergabe des Trödelobjekts) steht.27 Der Verzug bezieht sich auf die Leistung(en): Ist die Trödlerin mit ihrer Leistung 4029 (Zahlung des Schätzungspreises oder Rückgabe des Gegenstands; s. N 4024) in Verzug, so hat der Vertrödler eine Nachfrist anzusetzen. Nach Ablauf dieser Frist kann er das Wahlrecht ausüben.28 Der Verzug betrifft die Zahlung des Schätzungspreises: Voraussetzung ist hier, dass 4030 die Trödlerin ihr Wahlrecht bereits ausgeübt hat, nun aber mit der Zahlung in Verzug gerät. Der Vertrödler kann alsdann nach Art. 107 ff. OR vorgehen. Zurücktreten kann er jedoch nur, falls er sich das Rücktrittsrecht ausdrücklich vorbehalten hat (Art. 214 Abs. 3 OR analog).29 Der Verzug beschlägt die Rückgabe des Gegenstands: Wählt die Trödlerin das Rück- 4031 gaberecht, entfällt das Synallagma. Art. 107 ff. OR sind nicht mehr anwendbar. Es besteht ein vertraglicher Anspruch auf Rückgabe des Trödelobjekts und auf Schadenersatz wegen Verspätung (Art.  103  OR). Ausserdem kann der Vertrödler die Ware auch gemäss Art. 641 Abs. 2 ZGB vindizieren, da er Eigentümer geblieben ist.30

3.

Verzug des Vertrödlers

Kommt der Vertrödler mit der Übergabe der Sache in Verzug, so kann die Trödle- 4032 rin nach Art. 107 ff. OR vorgehen. Art. 190 OR ist nach Oftinger auf den Trödelvertrag nicht anwendbar.31

4.

Gefahrtragung

Der Zeitpunkt des Gefahrenübergangs ist in der Lehre umstritten.32 Das Bundes- 4033 gericht scheint in diesem Zusammenhang den Trödelvertrag als «une vente ferme

26 S. BGE 55 II 39 E. 2: Die Klage des Vertrödlers ist alternativ auf Bezahlung des Schätzungspreises oder Rückgabe der Sache (nach Wahl der Trödlerin) zu richten; s. auch Guhl/Koller, § 40 N 8. Kritisch hierzu Bucher, OR BT, 31. 27 BGE 55 II 39 E. 2; Oftinger, 71. 28 Oftinger, 71 f.; s. auch BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 172. 29 Oftinger, 72 ff.; s. auch Meier-Hayoz, 6; Müller, contrats, N 3260. 30 S. zum Ganzen BGE 55 II 39 E. 2; Oftinger, 74 f.; s. ferner Meier-Hayoz, 6; Müller, contrats, N 3261. 31 S. zum Ganzen Oftinger, 49 ff. 32 S. Übersichtsdarstellungen der Meinungen bei Bucher, FS Schluep, 103 ff.; Piotet, FS Schluep, 126 ff.; Reutter, 116.

1359

6. Kapitel

Innominatverträge

avec obligation alternative»33 aufzufassen und in der Folge die Gefahr im Sinne von Art.  185 Abs.  1  OR mit Vertragsschluss auf die Trödlerin übergehen zu lassen.34 Nach Bucher hat in der Regel die Trödlerin vom Erhalt des Trödelobjekts an bis zu dessen Veräusserung oder Rückgabe die Gefahr zu tragen, da sich das Trödelobjekt in ihrem Herrschaftsbereich befindet: Sie hat die Möglichkeit zu bestimmen, wie dieses aufzubewahren ist, ab wann sie sich um einen allfälligen Verkauf bemüht etc. Wenn das Geschäft durch die Interessen des Vertrödlers veranlasst wurde, hat dagegen ausnahmsweise der Vertrödler die Gefahr zu tragen.35 Piotet dagegen will den Vertrödler die Gefahr tragen lassen, da gemäss seiner Konzeption (Trödelvertrag als suspensiv bedingter Kauf; s. N 4014) Art. 185 Abs. 3 OR anwendbar ist.36 Oftinger befreit die Trödlerin (nach Wahl der – nachträglich unmöglichen – Sachrückgabe) gemäss Art. 119 Abs. 1 OR von ihrer Leistungspflicht, womit der Vertrödler die Gefahr trägt.37 Meier-Hayoz wendet den Grundsatz casum sentit dominus an, wonach der Eigentümer den Zufall zu tragen hat.38 Der Vertrödler trägt die Gefahr alsdann nach dieser Theorie bis zu dem Zeitpunkt, in dem das Eigentum an der Trödelware übergeht (bei einem Lieferungskauf geht die Gefahr zuerst auf die Trödlerin und dann auf den Käufer über; s. N 4022). Angesichts der kontroversen Rechtslage empfiehlt es sich, die Gefahrtragung explizit im Trödelvertrag zu regeln.39

5. 4034

Rechtsgewährleistung

Die herrschende Lehre plädiert für die Anwendung von Art. 192 ff. OR, was zu einer verkäuferähnlichen Haftung des Vertrödlers führt:40 • Die Sache wird der Trödlerin entzogen: Die Trödlerin kann sich dennoch für die Übernahme der Sache entscheiden und Ansprüche aus Art. 195 OR geltend machen. • Die Sache wird dem Dritterwerber entzogen: Geht dieser aus Art. 192 ff. OR gegen die Trödlerin vor, so kann sie sich am Vertrödler schadlos halten (Art. 195 OR). Im Anspruch enthalten ist auch die den Schätzpreis übersteigende Differenz zum Kaufpreis des Dritten, sofern sich der Vertrödler nicht exkulpieren kann (Art. 195 Abs. 2 OR).

33 BGE 4C.199/2004 E. 9.1.2. 34 BGE 4C.199/2004 E. 9.1.1 f.; s. Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7230; ferner auch Müller, contrats, N 3271. 35 Bucher, FS Schluep, 103 ff.; Bucher, OR BT, 29 f. 36 Piotet, contrat, 67 ff.; Piotet, FS Schluep, 126 ff.; ebenso Cavin, 177 f. 37 Oftinger, 99 ff., insbesondere 108 f. 38 Meier-Hayoz, 4. 39 S. zum Ganzen auch Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7230 f. 40 BSK OR-Amstutz/Morin, Einl. vor Art. 184 ff. N 173; Bucher, FS Schluep, 107 f.; Bucher, OR BT, 30; Meier-Hayoz, 5; Müller, contrats, N 3265 ff.; Oftinger, 60; Piotet, contrat, 92 ff.

1360

§ 53

6.

Trödelvertrag

Sachgewährleistung

Es sind zwei Situationen zu unterscheiden:

4035

Die Sache befindet sich noch bei der Trödlerin, welche diese auch noch nicht ver- 4036 kauft hat: Ein Teil der Lehre wendet Art.  197  ff.  OR unmittelbar auf den Trödelvertrag an, obwohl die Trödlerin die Sache noch gar nicht veräussert hat.41 In der Regel wird die Trödlerin die Sache unter diesen Umständen jedoch zurückgeben, sodass die Sachmängelhaftung kaum je relevant werden dürfte.42 Bucher vertritt die Meinung, es bestünden vor dem Verkauf gar keine Ansprüche aus Sachmängelgewährleistung, da die Trödlerin zur jederzeitigen Rückgabe befugt sei.43 Unseres Erachtens ist dies fraglich: Der Schaden kann nämlich auch in einem entgangenen Gewinn der Trödlerin liegen. Würde man der Ansicht Buchers folgen, beraubte man die Trödlerin ihres Wahlrechts und damit auch der Möglichkeit, einen guten Verkaufspreis zu erzielen. Unserer Meinung nach ist darum in diesem Fall der Vertrödler zur Gewährleistung aus Art. 197 ff. OR verpflichtet. Die Trödlerin hat die Sache bereits veräussert: Die herrschende Lehre44 nimmt 4037 generell eine Verkäuferhaftung des Vertrödlers an, wenn beim Dritterwerber ein Mangel auftritt (Art. 197 ff. OR), wobei sich der Dritte an die Trödlerin und diese ihrerseits an den Vertrödler zu halten hat. Die beiden Gewährleistungsverfahren (Dritter – Trödlerin, Trödlerin – Vertrödler) sind dabei insoweit voneinander abhängig, als z.B. die Trödlerin die Wandlung nicht anstrengen kann, wenn der Dritterwerber bloss Minderung verlangt.45 Bucher46 unterscheidet zwischen Unikaten und Serienprodukten. Bei Unikaten tritt er für eine Haftung des Vertrödlers auf das positive Vertragsinteresse nach Art. 97 OR ein («Regresshaftung» des Vertrödlers). Er setzt also die vorgängige Belangung der Trödlerin durch den Dritten voraus und stellt diese dann so, als ob die Sache mängelfrei gewesen wäre. Bucher begründet diese Meinung damit, dass die Trödlerin auf die Ausgestaltung des Kaufvertrages mit dem Dritten selber Einfluss nehmen und ihre Haftung somit im Rahmen des Gesetzes wegbedingen kann. Dagegen will er den Vertrödler/Lieferanten industriell gefertigter neuer Produkte für die Qualität der gelieferten Ware einstehen lassen. Dabei würden in der Regel ohnehin Formularverträge zugrunde gelegt, welche entsprechende Pflichten beinhalten. Dem ist zuzustimmen.

41 42 43

S. etwa Cavin, 178; Oftinger, 57; s. ferner auch Piotet, contrat, 100 ff. S. Meier-Hayoz, 5. Bucher, FS Schluep, 108 ff.; ebenso Müller, contrats, N 3269; s. auch Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7232. 44 Cavin, 178; Meier-Hayoz, 5; Müller, contrats, N 3270; Oftinger, 57 ff.; Piotet, contrat, 103 ff.; Tercier/Bieri/Carron, CO PS, N 7273. 45 S. Meier-Hayoz, 5; Oftinger, 57 ff. 46 Bucher, FS Schluep, 109 ff.; Bucher, OR BT, 30 f.

1361

§ 54 Vergleichsvertrag 4038– [entfallen] 4059

1362

§ 55 Weitere Innominatverträge [entfallen]

4060– 4078

1363

§ 56 Technik zur Lösung vielschichtiger Fälle (Anspruchsmethode) Weiterführende Literatur Bucher Eugen, Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, Habil. Tübingen 1965 (zit.: Bucher, Normsetzungsbefugnis); Bucher Eugen/Wiegand Wolfgang, Übungen im Obligationenrecht, 3. Aufl., Zürich 2001; Forstmoser Peter/Ogorek Regina/Schindler Benjamin, Juristisches Arbeiten, 6.  Aufl., Zürich 2018,  73–131; Honsell Heinrich/Isenring Bernhard/Kessler Martin A./Raiber Beda M. M., Fälle mit Lösungen zum Obligationenrecht, 4. Aufl., Zürich 2017; Kramer Ernst A., Juristische Methodenlehre, 5. Aufl., Bern 2016; Rehbinder Manfred, Einführung in die Rechtswissenschaft, 8.  Aufl., Berlin 1995; Schaller Jean-Marc, Die Anspruchsmethode, AJP 2011, 3–17 (zit.: Schaller, Anspruchsmethode); Schaller Jean-Marc, Einwendungen und Einreden im schweizerischen Schuldrecht, Habil. Zürich 2010 (zit.: Schaller, Einwendungen); Schwenzer Ingeborg/Chevalley Cyrill, Fallübungen Obligationenrecht Allgemeiner Teil, Bern  2018; Tuor Peter/Schnyder Bernhard/Schmid Jörg/Jungo Alexandra, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 14. Aufl., Zürich 2015 (zit.: Tuor/BearbeiterIn); Voser Nathalie/ Weber Flavia, Übungen zum Allgemeinen Teil des Obligationenrechts und zum Kaufrecht, Zürich/Basel/Genf 2014.

4079

I.

Einführung in die Anspruchsmethode

1.

Begriff

Die Anspruchsmethode ist eine systematische und zielführende Methode, um obligationenrechtliche Fälle zu lösen. Sie lässt sich als Frage folgendermassen formulieren: «Wer will was von wem woraus?»

4080 4081

Ein Anspruch ist das klagbare Recht, von einem anderen ein Tun, Dulden oder Unterlassen zu verlangen (s. auch die Definition im deutschen § 194 Abs. 1 BGB). Nach unserem Verständnis ist mit Anspruch jedes klagbare relative Recht auf ein fremdes Verhalten gemeint, also sowohl klagbare Forderungen als auch entsprechende Rechte ausserhalb des Obligationenrechts wie z.B. der Vindikationsanspruch nach Art. 641 Abs. 2 ZGB.1 1

S. Rehbinder, 104 ff. mit Hinweisen zur Entstehungsgeschichte des Begriffs.

1364

§ 56

Technik zur Lösung vielschichtiger Fälle (Anspruchsmethode)

Beispiel: Der Käufer hat keinen Anspruch gegen die Verkäuferin auf Geltendma- 4082 chung eines Grundlagenirrtums (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR); vielmehr ist die erfolgreiche Anfechtung des Kaufvertrages infolge Grundlagenirrtums eine Voraussetzung des Anspruchs des Käufers gegen die Verkäuferin auf Rückzahlung des Kaufpreises aus Art. 184 Abs. 1 OR (bzw. nach traditioneller Auffassung aus Art. 62 Abs.  1  OR; = Anspruch auf ein Tun). Weiteres Beispiel: Die Franchisenehmerin kann einen Anspruch gegen den Franchisegeber auf Einhaltung des Konkurrenzverbots aus Art. 418c Abs. 1 OR (analog) haben (= Anspruch auf ein Unterlassen). Voraussetzung dafür ist, dass der Franchisegeber gegen die Pflicht, die Franchisenehmerin nicht zu konkurrenzieren, verstossen hat. Ob das Geltendmachen eines Anspruchs zum Erfolg führt, ergibt sich alsdann aus 4083 dem Prozess, in welchem der Anspruchsgeber nach Möglichkeit Einreden und Einwendungen vorträgt, die sich dazu eignen, den Anspruch zu Fall zu bringen.

2.

Anwendungsbereich

Die Anspruchsmethode kommt vor allem zum Zug, wenn bei einem obligationen- 4084 rechtlichen Fall nach der Rechtslage gefragt wird. Darüber hinaus ist sie aber auch bei der Lösung privatrechtlicher Fälle ausserhalb des Obligationenrechts hilfreich, vor allem wenn nicht nur eine Anspruchsgrundlage und nicht nur zwei Personen involviert sind. Konzentriert sich die Fragestellung auf einen Teil der möglichen Ansprüche, sind 4085 nur diejenigen Anspruchsnormen zu prüfen, die zu diesem Ziel führen (bzw. Gegenpositionen dazu). Wird beispielsweise gefragt, ob A von B Schadenersatz verlangen kann, so sind Ansprüche von A gestützt auf Art. 97 Abs. 1 OR wie auch auf Art. 41 Abs. 1 OR zu prüfen – nicht hingegen ein Anspruch von A auf Übergabe der Mietsache aus Art. 253/256 OR oder Ansprüche von B. Daneben gibt es auch Fälle, für die sich die Anspruchsmethode nicht eignet. So ins- 4086 besondere bei der Zuordnung von dinglichen Rechten und im Erbrecht, aber auch im Obligationenrecht, wenn es z.B. ausschliesslich um die Frage des Zustandekommens eines Vertrages geht. In diesen Fällen hilft oft die sog. historische Methode: Dabei wird von einem Zeitpunkt ausgegangen, in welchem noch Klarheit über die Rechtslage (z.B. wer Eigentümer einer Sache ist) herrscht. Anschliessend werden in chronologischer Reihenfolge alle Ereignisse untersucht, die einen Einfluss auf die Rechtslage haben könnten.2 Bisweilen kann es auch sinnvoll sein, die beiden Methoden zu verflechten oder um 4087 eine dritte Vorgehensweise anzureichern. Je komplexer die Ausgangslage ist, umso 2

Bucher/Wiegand, 4; Forstmoser/Ogorek/Schindler, 109.

1365

6. Kapitel

Innominatverträge

effizienter ist es, vor Beginn einer punktuellen Beschäftigung mit den einzelnen Ansprüchen eine Lösungsstrategie festzulegen, die man rollend modifizieren kann. So ist einem auch stets bewusst, wo auf dem Weg bzw. an welcher Gabelung man sich befindet. Auf diese Art erhält man ein verlässliches Bild der Rechtslage, gestützt auf welches man alsdann den Klienten bezüglich Chancen und Vorgehen beraten bzw. ein (neutrales oder Partei-)Gutachten verfassen kann.

3.

Vorgehen

4088

Nachdem der Bearbeiter den Sachverhalt gelesen und verstanden hat, empfiehlt es sich, in einem ersten Schritt zu ermitteln, was die Parteien wollen. Es ist zu fragen: «Wer will was von wem?» Dabei wird für jede Person gegen jede andere untersucht, welche Ansprüche ihr zustehen könnten.

4089

Steht fest, was die Parteien wollen, so ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, auf welchen Rechtsgrund die Parteien die behaupteten Rechte stützen können. Es sind also die möglichen Anspruchsgrundlagen – das «Woraus?» – zusammenzustellen (für einen Überblick über die Rechtsgrundlagen s. N 4093 ff.).

4090

Sind alle Ansprüche und die jeweils zugehörigen Rechtsgrundlagen assortiert, verfügt der Bearbeiter über einen «Lösungs-Grundriss», der zum einen sicherstellt, dass kein Anspruch verloren oder vergessen geht, und zum anderen als Leitfaden für die weitere Prüfung dienen kann. Beispiel: Hat der Mieter (M) die Mietsache des Vermieters (V) einem Dritten (D) verkauft, könnte der Grundriss wie folgt aussehen:

4091

Ansprüche des V 1. Ansprüche von V gegen M 1.1 Anspruch auf Schadenersatz infolge Unmöglichkeit der Rückgabe aus Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 267 OR 1.2 Anspruch auf Herausgabe des Kaufpreises als stellvertretendes commodum 1.3 Anspruch auf Herausgabe des Kaufpreises aus Art. 423 OR 1.4 Anspruch auf Schadenersatz aus Art. 41 Abs. 1 OR 1.5 Anspruch auf Herausgabe des Kaufpreises aus Art. 62 Abs. 1 OR 2. Anspruch von V gegen D auf Herausgabe der Mietsache aus Art. 641 Abs. 2 ZGB

1366

§ 56

Technik zur Lösung vielschichtiger Fälle (Anspruchsmethode)

In einem dritten und letzten Schritt gilt es nun zu untersuchen, ob der Sachverhalt 4092 die einzelnen Voraussetzungen der Ansprüche erfüllt (sog. Subsumtion). Hierzu gehört auch die Prüfung, ob eine Forderung noch besteht (s. N 4123 ff.) und ob sie überhaupt durchsetzbar ist (s. N 4127 ff.). Sind die Voraussetzungen mehrerer Ansprüche erfüllt, ist schliesslich zu fragen, ob diese im Anwendungsbereich des Falles miteinander konkurrenzieren, einander ausschliessen oder einander nachfolgen (s. N 4138).

II.

Die möglichen Anspruchsgrundlagen

1.

Übersicht

Nach ihrem Entstehungsgrund lassen sich vertragliche, quasivertragliche und aus- 4093 servertragliche Ansprüche unterscheiden, wobei sich Letztere weiter aufgliedern: Mögliche Ansprüche: 1. Vertragliche Ansprüche (Erfüllung, Schadenersatz, Gewährleistung etc.)

4094

2. Quasivertragliche Ansprüche (culpa in contrahendo, echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag etc.) 3. Ausservertragliche Ansprüche 3.1 Ansprüche aus der Konkretisierung absoluter Rechte (Art. 641 Abs. 2 ZGB, Art. 737 ZGB etc.) 3.2 Ansprüche aus unerlaubter Handlung (Art. 41 ff. OR, inklusive Gefährdungshaftungen) 3.3 Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (Art. 62 ff. OR) Eine Prüfung der Ansprüche in dieser Reihenfolge ist zunächst aus dogmatischen 4095 Gründen sinnvoll: Die Privatautonomie ermöglicht es den Parteien, ihre Verhältnisse selber zu gestalten. Machen die Parteien davon Gebrauch, ist es nur folgerichtig, ihre Beziehung in erster Linie nach den von ihnen selbst (vertraglich) gesetzten Regeln zu beurteilen.3 Dieser Gedanke wird auch im französischen Art. 1103 CC fr. treffend ausgedrückt: «Les contrats légalement formés tiennent lieu de loi à ceux qui les ont faites.»

3 Bucher, Normsetzungsbefugnis, 87; zum Ganzen Schaller, AJP 2011, 7 ff.

1367

6. Kapitel

4096

Innominatverträge

Sodann empfiehlt es sich auch aus praktischen Gründen, mit der Prüfung der vertraglichen Ansprüche zu beginnen, da diese für die Klägerin oft vorteilhafter sind als die ausservertraglichen Ansprüche. So hat z.B. die vertragliche Haftung verschiedene Vorteile gegenüber der deliktischen: • Haftung auch für reine Vermögensschäden; • Umkehr der Beweislast für das Verschulden (Art.  97 Abs.  1  OR statt Art.  41 Abs. 1 OR); • Hilfspersonenhaftung nach Art. 101 OR (statt Art. 55 OR mit weitreichenden Befreiungsmöglichkeiten); • längere Verjährungsfristen für Sachschäden (Art. 127 ff. OR statt z.B. Art. 60 OR).

4097

Als Zweites folgt die Prüfung der quasivertraglichen Ansprüche. Hier besteht eine vertragsähnliche Beziehung zwischen den Parteien, auf welche der Schutzbereich des Vertrages ausgedehnt wird. Die quasivertraglichen Ansprüche bieten den Parteien punktuell die gleichen Vorteile wie die vertraglichen. Die überdies allenfalls analog herangezogenen vertraglichen Ansprüche gelten nur punktuell. Zum Schluss kommen die ausservertraglichen Ansprüche.

2.

Vertragliche Ansprüche

4098

Die folgende Gliederung zur Prüfung der vertraglichen Ansprüche suggeriert ein schematisiertes Vorgehen nach drei klar getrennten Stufen. Tatsächlich verflechten sich die drei Stufen aber in einem iterativen Prozess: So kann z.B. der Konsens nicht beurteilt werden, ohne dass bei einem klassischen Vertragstypus, insbesondere aber auch bei einem Konsumvertrag, gleichzeitig die objektiv wesentlichen Vertragspunkte mittels der anwendbaren Rechtsnormen ermittelt werden. Gleichzeitig besteht die Grundlage dafür, nach den alsdann anwendbaren Rechtsnormen zu suchen, erst von jenem Moment an, in welchem das Vorliegen eines Konsenses bejaht wird. Nötig ist somit ein «Hin- und Herwandern des Blicks» zwischen den einzelnen Prüfschritten: Jede bereits geprüfte Stufe ist anhand der Erkenntnisse aus der nächsten Stufe nachzubeurteilen.

4099

Erste Stufe: Welche (geschriebenen und ungeschriebenen) Normen sind anwendbar?

4100

Zur Bestimmung der anwendbaren Rechtsnormen gelten die folgenden Rangordnungen:

1368

§ 56

Technik zur Lösung vielschichtiger Fälle (Anspruchsmethode)

Rangordnung der Rechtsnormen 1. Zwingendes Recht

4101

1.1 Bestimmungen des Nominatvertragsrechts (der Schutzzweck einer Norm ist für ihre Reichweite ausschlaggebend; z.B. der arbeitsvertragliche Kündigungsschutz von Art. 336 ff. OR) 1.2 Bestimmungen des Allgemeinen Teils des OR 1.3 Weitere privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Bestimmungen4 2. Zwischen den Parteien vereinbartes Recht 3. Dispositives Recht, Übung, Verkehrssitte, soft law etc. (soweit eine – direkte oder analoge – Anwendung dem Parteiwillen und den Umständen des Einzelfalls entspricht) 4. Richterrecht (ist das Richterrecht generalisierbar und hat es sich etabliert, wandert es zu den Stufen 1. oder 3.) Zweite Stufe: Ist der Vertrag zustande gekommen? (Art. 1 OR)

4102

Für das Zustandekommen des Vertrages ist zunächst erforderlich, dass die Parteien 4103 rechtsfähig (Art. 11 und Art. 53 ZGB) und handlungsfähig (Art. 12 ff. und Art. 54 ZGB) sind. Die Vertreterin muss zur Stellvertretung bevollmächtigt sein; fehlt die Vollmacht, ist eine nachträgliche Genehmigung des Vertrages durch den Vertretenen erforderlich (Art. 38 Abs. 1 OR). Art. 1 Abs. 1 OR verlangt übereinstimmende gegenseitige Willenserklärungen:

4104

• tatsächlicher (natürlicher) Konsens über alle wesentlichen Punkte (s. Art. 2 OR); oder • rechtlicher (normativer) Konsens über alle wesentlichen Punkte (s. Art. 2 OR). Dritte Stufe: Ist der Vertrag gültig? Warum nicht?

4105

Folgende Entstehungsmängel, welche alle die Ungültigkeit oder Teilungültigkeit des Vertrages bewirken, sind zu beachten:

4106

• • • • • •

Formmangel (Art. 11 ff. OR); Inhaltsmangel (Art. 19 und Art. 20 OR); Übervorteilung (Art. 21 OR); Irrtum (Art. 23 ff. OR); absichtliche Täuschung (Art. 28 OR); Furchterregung (Art. 29 f. OR).

Bei AGB sind Geltungs-, Auslegungs- und Inhaltskontrolle verschärft. 4

4107

BSK OR-Huguenin/Meise, Art. 19/20 N 20 f.

1369

6. Kapitel

Innominatverträge

4108

Vierte Stufe: Welche Anspruchsgrundlage kommt infrage? Sind die Voraussetzungen erfüllt (Erfüllung bzw. Erfüllungsmängel)?

4109

Wurden die anwendbaren Rechtsnormen bestimmt und ist der Vertrag sowohl zustande gekommen als auch gültig, so ist als Nächstes zu prüfen, auf welchen Rechtsgrund die Parteien ihre Ansprüche (z.B. Schadenersatz) stützen können.

4110

Sobald eine Anspruchsgrundlage gefunden ist (z.B. Art. 259e OR), können die einzelnen Voraussetzungen des entsprechenden Anspruchs geprüft werden. Dadurch ist auch die weitere Gliederung für die Fallbearbeitung vorgegeben. Im Beispiel von Art. 259e OR wäre etwa zu prüfen:

4111

Voraussetzungen des Anspruchs von M gegen V auf Schadenersatz aus Art. 259e OR 1. Vorliegen eines gültigen Mietvertrages zwischen V und M 2. Mangel an der Mietsache während der Mietdauer (= Vertragswidrigkeit) 3. Schaden des M (Mangelfolgeschaden) 4. Adäquater Kausalzusammenhang zwischen Mangel und Schaden 5. Verschulden

4112

4113

Wurde die Vertragsverletzung durch einen Dritten begangen, so ist zusätzlich unter dem Titel der Vertragswidrigkeit zu prüfen, ob z.B. die Voraussetzungen der Hilfspersonenhaftung gemäss Art. 101 Abs. 1 OR gegeben sind. Die Prüfungsreihenfolge der Vertragswidrigkeit lautet dann: Vertragswidrigkeit 1. Verletzung vertraglicher Pflicht durch einen Dritten 2. Qualifikation als Hilfsperson 3. Beizug in Erfüllung der Schuldpflicht 4. Schädigung in Ausübung der Verrichtung (funktioneller Zusammenhang)

3. 4114

Quasivertragliche Ansprüche

Quasivertragliche Ansprüche entstehen, wenn die Parteien zueinander in einer vertragsähnlichen Beziehung – aber ohne gültigen Vertrag – stehen und entweder quasivertragliche Ansprüche gegeben sind oder die analoge Anwendung vertragsrechtlicher Bestimmungen sachgerechter erscheint als ausservertragliches Recht.

1370

§ 56

Technik zur Lösung vielschichtiger Fälle (Anspruchsmethode)

Die wichtigsten quasivertraglichen Ansprüche entstehen im Fall einer/eines: • • • • •

4115

culpa in contrahendo (cic); Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter; Haftung bei Gefälligkeit; echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA; Art. 419 ff. OR); Vertrauenshaftung.

4.

Ausservertragliche Ansprüche

4.1

Ansprüche aus der Konkretisierung von absoluten Rechten

Aus der Konkretisierung (meist infolge Aktivierung durch Verletzung, allenfalls 4116 aber auch anlässlich der Aktivierung zwecks Allokation bzw. Zuweisung an die berechtigte Person) von absoluten Rechten entstehen zahlreiche Ansprüche. Wichtigste Untergruppe sind die sachenrechtlichen Ansprüche. Die nachfolgende Aufzählung nennt einige der wichtigsten sachenrechtlichen Ansprüche; daneben gibt es zahlreiche weitere. Aufgelistet sind auch Ansprüche aus Besitz, obwohl die Rechtsnatur des Besitzes umstritten ist.5 • Vindikationsklage (Eigentumsklage; Art. 641 Abs. 2 ZGB, 1. Fall); • Eigentumsfreiheitsklage (Negatorienklage; Art. 641 Abs. 2 ZGB, 2. Fall); • Ansprüche aus beschränkten dinglichen Rechten (z.B. Art. 694 Abs. 1, Art. 737, Art. 745 Abs. 2, Art. 776, Art. 782, Art. 891 Abs. 1 ZGB); • Besitzesentziehungsklage (Art. 927 ZGB); • Besitzesstörungsklage (Art. 928 ZGB); • Besitzesrechtsklage (Fahrnisklage; Art. 934 und Art. 936 ZGB); • Verantwortlichkeit des nicht berechtigten Besitzers (Art. 938–940 ZGB); • Grundbuchberichtigungsklage (Art. 975 ZGB). Aus der Konkretisierung von absoluten Rechten entstehen weiter auch Ansprüche im 4117 Bereich der Persönlichkeitsrechte (z.B. Anspruch auf Beseitigung einer Persönlichkeitsverletzung aus Art. 28 f. ZGB; Anspruch auf Gegendarstellung aus Art. 28g ff. ZGB), der Immaterialgüterrechte (z.B. Anspruch auf Unterlassung einer drohenden Patentverletzung aus Art. 72 Abs. 1 PatG6; Anspruch auf Beseitigung einer Urheberrechtsverletzung aus Art. 62 Abs. 1 lit. b URG7) und der Namens- und Firmenrechte (z.B. Anspruch auf Unterlassung der Namensanmassung aus Art. 29 ZGB).

5 S. statt vieler Tuor/Schnyder/Schmid, § 90 N 12 f. 6 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz; SR 232.14). 7 Bundesgesetz vom 9.  Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz; SR 231.1).

1371

6. Kapitel

4.2

Innominatverträge

Ansprüche aus unerlaubter Handlung

4118

Rechtsgrundlagen für Ansprüche aus unerlaubter Handlung finden sich im OR und ZGB (z.B. Art. 41 ff. OR; Art. 333 Abs. 1 und Art. 679 f. ZGB), aber auch in Spezialgesetzen (z.B. Art. 58 Abs. 1 SVG8, Art. 3 Abs. 1 KHG9, Art. 1 Abs. 1 PrHG10, Art. 59a Abs. 1 USG11). Insbesondere Gefährdungshaftungen sind häufig in Spezialgesetzen geregelt.

4119

Der Grundtatbestand der ausservertraglichen Verschuldenshaftung (Art.  41 Abs. 1 OR) umfasst folgende Voraussetzungen: Voraussetzungen der ausservertraglichen Verschuldenshaftung 1. Schaden 2. Natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang 3. Widerrechtlichkeit 4. Verschulden 4.3

4120

Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (Art. 62 ff. OR)

Allgemeine Anspruchsgrundlage der ungerechtfertigten Bereicherung ist Art.  62 Abs. 1 OR. Der Grundtatbestand setzt folgendes voraus: Voraussetzung der ungerechtfertigten Bereicherung 1. Bereicherung 2. Entreicherung und Sachzusammenhang zwischen Bereicherung und Entreicherung 3. Fehlende Rechtfertigung der Bereicherung 4. Weder der Bereicherungsanspruch noch dessen Klagbarkeit ist ausgeschlossen.

4121

Nach neuerer Auffassung darf vom Kriterium der Entreicherung abgesehen werden (s. N 1780). Je nach Art der Kondiktion (Leistungskondiktion, Eingriffskondiktion, Zufallskondiktion) gelten zudem Besonderheiten: Die Leistungskondiktion setzt eine Zuwendung des Entreicherten voraus und folgt im Übrigen den genannten Voraussetzungen (zum Sonderfall der Erfüllung einer Nichtschuld s. aber Art. 63 8 9 10 11

Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SR 741.01). Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 18. März 1983 (SR 732.44). Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über die Produktehaftpflicht (Produktehaftpflichtgesetz; SR 221.112.944). Bundesgesetz vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz (Umweltschutzgesetz; SR 814.01).

1372

§ 56

Technik zur Lösung vielschichtiger Fälle (Anspruchsmethode)

Abs. 1 OR). Bei der Eingriffskondiktion ist bezüglich der Rechtfertigung die Zuweisungstheorie zu beachten. Bereicherungsrechtliche Ansprüche entstehen ebenfalls in den Fällen der echten 4122 unberechtigten GoA (s. N 2145 f.) sowie der gutgläubigen und der bösgläubigen Eigengeschäftsführung (s. N 2189).

III.

Bestand der Forderung bzw. des Rechts

Bestand oder besteht die Forderung bzw. das Recht im massgeblichen Zeitpunkt 4123 überhaupt? Bei vertraglichen Ansprüchen ist möglich, dass die Forderung in den folgenden Fäl- 4124 len nicht (mehr) besteht: • • • • •

Erfüllung (Art. 68 ff. OR); Verwirkung (s. N 2222 f.); Erlass einer Forderung (Art. 115 OR); Aufhebung eines ganzen Vertragsverhältnisses (Art. 115 OR analog); zufälliger Untergang (Art. 119 OR; allenfalls aber Anspruch auf ein stellvertretendes commodum; s. N 833); • Hinterlegung (Art. 92 OR). Auch ausservertragliche Ansprüche können sich als nicht (mehr) gegeben erweisen, 4125 weil das betreffende Recht im Zeitpunkt der Geltendmachung nicht (mehr) besteht. Für absolute Rechte ist dies etwa in folgenden Beispielen der Fall: • Ersitzung (Art. 661 ff., Art. 728, Art. 731 Abs. 2 und Abs. 3 i.V.m. Art. 661 ff. ZGB); • Ablösung einer Dienstbarkeit durch das Gericht aus mangelndem Interesse (Art. 736 Abs. 1 ZGB); • Untergang des Rechts durch Zeitablauf (z.B. Art. 779c ZGB). Ebenso kann ein Bereicherungsanspruch ausgeschlossen sein bei:

4126

• freiwilliger und irrtumsfreier Erfüllung einer Nichtschuld (Art. 63 Abs. 1 OR); • Erfüllung einer verjährten Schuld oder einer sittlichen Pflicht (Art. 63 Abs. 2 OR).

1373

6. Kapitel

IV.

Innominatverträge

Durchsetzbarkeit der Forderung bzw. des Rechts

4127

Ist die Forderung bzw. das Recht durchsetzbar (klagbar)?

4128

Eine Forderung kann klagbar sein oder nicht.12 Im Falle der klagbaren Forderung wird von einem Anspruch gesprochen. Die Klagbarkeit kann jedoch insbesondere aus folgenden Gründen ausgeschlossen sein:13

4129

Mögliche Gründe für den Ausschluss der Klagbarkeit 1. Einreden 1.1 Verjährung 1.1.1 Allgemeine Verjährungsfristen (Art. 127 ff. OR; nicht abänderbar [Art. 129 OR]) 1.1.2 Spezielle Verjährungsfristen (im OR und häufig in Spezialgesetzen: Art. 315 OR, Art. 10 Abs. 1 KHG, Art. 9 PrHG) 1.2 Einrede des nicht erfüllten Vertrages (Art. 82 OR) 1.3 Einrede der Zahlungsunfähigkeit (Art. 83 OR) 1.4 Retentionsrecht (Art. 895 ff. ZGB) etc. 2. Einwendungen 2.1 Nichtentstehen von Forderung und Anspruch 2.1.1 Naturalobligationen (z.B. Art. 513 OR) 2.1.2 Nichteintritt, Ausfall oder treuwidriges Bewirken einer Suspensivbedingung 2.1.3 Simulation etc. 2.2 Erlöschen von Forderung und Anspruch 2.2.1 Erfüllung 2.2.2 Erlass 2.2.3 Verwirkung 2.2.4 Verrechnung etc.

12 13

A.M. Gauch/Schluep/Schmid, N  48  ff., welche die Klagbarkeit zu den Wesensmerkmalen der Forderung zählen. S. dazu Schaller, Einwendungen, 94 ff.

1374

§ 56

Technik zur Lösung vielschichtiger Fälle (Anspruchsmethode)

Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Einreden und Einwendungen:

4130

Eine Einrede ist die Befugnis, die Erfüllung eines Rechts zu verweigern («Ja, aber …!»). Sie beschlägt lediglich die Durchsetzbarkeit eines Rechts.

4131

Mit einer Einwendung wird hingegen der Bestand des vom Gläubiger behaupteten Rechts bestritten («Nein!»).

4132

Zu unterscheiden ist auch zwischen Verjährung (Einrede) und Verwirkung (Ein- 4133 wendung): Die Verwirkung führt zum Untergang des Rechts und tritt automatisch ein.

4134

Im Gegensatz dazu berührt die Verjährung bloss die Durchsetzbarkeit des Rechts. Sie ist von den Parteien einredeweise geltend zu machen.

4135

Absolute Rechte können nicht verjähren (s.  N  2226). Ein Vindikationsanspruch 4136 (Art. 641 Abs. 2 ZGB) bleibt deshalb grundsätzlich durchsetzbar, solange das Eigentum nicht durch Ersitzung verloren geht. Auch das Bereicherungsrecht kennt Fälle, in denen die Durchsetzbarkeit des Berei- 4137 cherungsanspruchs ausgeschlossen ist: • Herbeiführung eines rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolgs (Art. 66 OR); • Verjährung (Art. 67 OR als spezielle Verjährungsfrist).

V.

Konkurrenzen

1.

Gesetzeskonkurrenz

Von Gesetzeskonkurrenz spricht man, wenn zwei oder mehrere Normen bzw. Nor- 4138 menkomplexe auf den gleichen Sachverhalt anwendbar sind, ihre kumulative oder alternative Anwendung aber zu widersprüchlichen Ergebnissen führen würde. Meist geht es dabei um das Verhältnis von allgemeinen (lex generalis) und speziellen Normen (lex specialis). Bei der Gesetzeskonkurrenz schliesst der eine Anspruch den anderen aus. Die spe- 4139 ziellere Norm geht z.B. der allgemeineren vor. Beispiel: Im Verzug beim Fixgeschäft im kaufmännischen Verkehr schliessen Art. 190 f. OR – in jenem Bereich, den sie regeln – die Anwendung von Art. 107 ff. OR aus. Dies muss jedenfalls dann gelten,

1375

6. Kapitel

Innominatverträge

wenn die lex specialis strengere Voraussetzungen aufweist als die lex generalis. Denn liesse man in diesem Fall eine alternative Berufung auf die lex generalis zu, würde die lex specialis durch eine Regel kompromittiert, welche die Optionen des Gläubigers anders priorisiert. 4140

Zu beachten ist, dass das Bundesgericht bisweilen in Fällen, in denen eine allgemeine auf eine spezielle Norm trifft, zwar von Anspruchskonkurrenz ausgeht, aber die Voraussetzungen für den spezielleren Anspruch auch für den allgemeineren anwendet, wodurch es schliesslich wieder zu einem der Gesetzeskonkurrenz ähnlichen Ergebnis gelangt (z.B. bei Art. 197 ff. und Art. 97 Abs. 1 OR; s. N 2695 f.). Will man seinen Anspruch in einem Gewährleistungsfall nämlich auf Art. 97 Abs. 1 OR stützen, muss man die Ware rechtzeitig untersuchen und den Mangel unverzüglich rügen (s. Art. 201 Abs. 1 OR).

4141

Da nur ein Anspruch besteht, kann und muss die Anspruchsberechtigte nicht wählen. Bei der Gesetzeskonkurrenz besteht zwischen den Ansprüchen eben gerade keine Konkurrenz.

4142

Der Bearbeiter hat das Gesetz auszulegen und das Verhältnis der konkurrierenden Normen zueinander zu bestimmen. Gelangt er dabei z.B. zum Schluss, dass eine Norm der anderen als lex specialis vorgeht, ist im Weiteren nur der speziellere Anspruch zu prüfen. Gesetzeskonkurrierende Ansprüche werden in der Regel eventualiter geltend gemacht.

2.

Anspruchskonkurrenz

4143

Im Falle einer Anspruchskonkurrenz (auch Alternativität bzw. alternative Konkurrenz genannt) können mehrere Ansprüche nebeneinander geltend gemacht werden.

4144

Allerdings erhält die Anspruchsberechtigte die Leistung selber nicht zweimal; die Anspruchsinhalte lassen sich nicht kumulieren. Vielmehr hat die Erfüllung des einen Anspruchs zur Folge, dass der andere ebenfalls untergeht. Das ergibt sich aus dem Grundsatz des sog. Bereicherungsverbots: Danach soll niemand durch einen Schadensfall bereichert werden, sondern maximal den effektiv erlittenen Schaden ersetzt erhalten.

4145

Beispiele von Anspruchskonkurrenz: vertragliche (Art. 97 Abs. 1 OR) neben deliktischen (Art. 41 Abs. 1 OR) Schadenersatzansprüchen; Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (Art. 62 Abs. 1 OR) neben Gewinnherausgabeanspruch bei bösgläubiger Eigengeschäftsführung (Art. 423 Abs. 1 OR).

4146

Die Anspruchsberechtigte ist frei, denjenigen Anspruch zu wählen, der für sie günstiger ist (z.B. in Bezug auf Verjährung, Umfang des Anspruchs, Beweislast etc.; so ist etwa der Anspruch aus Art. 423 Abs. 1 OR oft vorteilhafter als derjenige aus Art. 62

1376

§ 56

Technik zur Lösung vielschichtiger Fälle (Anspruchsmethode)

Abs.  1  OR; s.  N  2202  ff.). Aus prozessualen Gründen kann es aber auch empfehlenswert sein, verschiedene Ansprüche nebeneinander geltend zu machen und die «Wahl» dem Gericht zu überlassen. Der Fallbearbeiter muss im Falle der Anspruchskonkurrenz alle Ansprüche prüfen. 4147 Oft wird von ihm auch erwartet, dass er eine Empfehlung abgibt, wie die Anspruchsberechtigte bezüglich Reihenfolge (Strategie) vorgehen soll.

3.

Kumulation von Ansprüchen

In gewissen Fällen können Ansprüche addiert werden. Die Anspruchsberechtigte kann damit mehrere Ansprüche gleichzeitig realisieren.

4148

Eine Kumulation der Ansprüche kommt vor allem dann infrage, wenn sich die 4149 Ansprüche wertungsmässig ergänzen und die Kumulation nicht dazu führt, dass die Anspruchsberechtigte zweimal dieselbe Leistung erhält. Ansprüche können mit anderen Worten so lange «addiert» werden, bis sich der aufgrund von Vertrag und Gesetz als adäquat erscheinende Ausgleich einstellt. Beispiele: Kumulierbar sind der Erfüllungsanspruch und der Anspruch auf Ersatz 4150 des Verspätungsschadens im Schuldnerverzug (Art.  107 Abs.  2 i.V.m. Art.  103 Abs.  1  OR); ebenso können die aus der Persönlichkeitsverletzung resultierenden Ansprüche aus Art. 28a ZGB kumuliert werden.

1377

Gesetzesregister Die Zahlen in der rechten Spalte verweisen auf die Randnoten (mit Einschluss der entsprechenden Fussnoten). Fett gedruckte Zahlen bezeichnen die Hauptfundstelle.

OR (Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches; Fünfter Teil: Obligationenrecht; SR 220) Artikel 1 1 Abs. 1 1 Abs. 2 2 2 Abs. 1 2 Abs. 2 3 3 Abs. 1 4 5 5 Abs. 1 5 Abs. 3 6

6a 6a Abs. 1 6a Abs. 2 6a Abs. 3 7 Abs. 1 7 Abs. 2 8 8 Abs. 1 8 Abs. 2 9 10 10 Abs. 1 10 Abs. 2 11 11 Abs. 1

11 Abs. 2

Randnote 140 ff., 266b, 444, 1346, 1535, 3638, 4102 47, 140, 169, 201 ff., 335, 1666, 2400, 4046, 4104 172 ff., 175, 289, 2299 4104 254, 256 ff., 260, 335, 3969 305, 308, 315, 3670, 3969 1540 234 f. 177, 183, 235, 237 178, 235, 238 239 240 175, 226 ff., 241, 243, 289, 618, 731, 778, 1106, 1346, 2870, 3228, 3639 12, 218 ff. 218 218 218 212 f. 3638 50, 180, 214 ff., 1292, 3618 214 215, 217 262 243 187, 243 243, 1346 741a, 2402, 2968e, 2972 209, 337 f., 343, 353, 1067, 2914b, 2925, 3230, 3745, 3814, 3851, 3887, 3956, 4020, 4047, 4064, 4071 368, 1347

12 13 13 Abs. 1 14 Abs. 1 14 Abs. 2 14 Abs. 2bis 14 Abs. 3 15 16 16 Abs. 1 16 Abs. 2 17 18 18 Abs. 1 18 Abs. 2 19 19 Abs. 1 19 Abs. 2 20

20 Abs. 1

20 Abs. 2

21

21 Abs. 1 21 Abs. 2 22

366 ff., 389, 730, 734 f., 741a, 3007, 3019i 2981a, 3329 209, 223, 345, 350, 353, 1344, 2877, 2980, 3580 354 354 12, 349, 357, 3108 356 356 366, 384 ff., 3685, 3814, 3851, 3887, 3956, 4020 209, 337, 387, 2925 388 70 246, 274 ff., 280, 371, 741, 748, 1518, 2410, 2602 198 f., 247, 278, 3694 70, 200 297 392 394, 396 ff., 637 426, 433, 621, 636, 740, 828, 843 f., 1301, 1370, 1545, 2260, 2412, 2883, 2939g, 3075, 3328, 3624, 3709, 3823 f., 3873a 162, 164, 394, 396 ff., 589, 598, 692, 827, 829, 859, 1342, 1359, 1376, 1403, 1417, 1895, 1959, 1966, 2508, 2510, 2939d, 3017a 307, 378, 434 ff., 586 ff., 680, 845, 1297, 1376, 2261, 2914a, 2915, 3075, 3111b, 3274, 3328, 3713, 3873a 20, 421, 447, 451 ff., 465, 468, 578, 589, 598, 692, 1547, 1821, 2447, 2883, 3019, 3075, 4106 449, 458 f., 578 449, 578, 598 153 ff., 3664, 3846, 3922

1379

Gesetzesregister

22 Abs. 1 22 Abs. 2 23 24 Abs. 1 24 Abs. 1 Ziff. 1 24 Abs. 1 Ziff. 2 24 Abs. 1 Ziff. 3 24 Abs. 1 Ziff. 4

24 Abs. 2 24 Abs. 3 25 Abs. 1 25 Abs. 2 26 26 Abs. 1 26 Abs. 2 27 28 28 Abs. 1 28 Abs. 2 29 29 Abs. 1 29 Abs. 2 30 Abs. 1 30 Abs. 2 31 31 Abs. 1 31 Abs. 2 31 Abs. 3 32 32 Abs. 1 32 Abs. 2 32 Abs. 3 33 Abs. 2 33 Abs. 3 34 Abs. 1 34 Abs. 2 34 Abs. 3 35 Abs. 1

1380

153 154 471, 478 f., 481, 2925a, 3019 447, 468, 473 f., 477, 480, 482, 487, 495, 497 f., 503 497 f. 501 f. 503 f. 323, 328, 447, 468, 473 f., 480, 482, 496, 507 ff., 543, 556, 1285, 2568, 2586, 2600, 2636, 2645a, 3194, 3823, 4082 473 f., 480, 510 468, 473, 531 485, 580, 590 194, 588, 590 ff. 450, 476, 486, 517, 562, 593 ff., 600, 1471, 1529 874 593, 1555 447, 468, 473, 487, 495, 504 ff. 20, 447, 468, 532 ff., 600, 1405, 1544, 4106 533 ff., 546, 548, 1562 533 f., 546 ff. 550 ff. 541, 558 f. 551, 555, 595 558 f., 559 558, 599 477, 484, 574, 580, 601, 1453, 2701, 2967, 3019 449, 569, 578 f., 2223 449, 578 450, 597, 1544 50, 380, 546, 1026, 1046 ff., 1129, 1324, 1441, 1509 f., 3641 1026, 1051, 3631 1061, 1063 f., 3456 1032 f. 1074, 1088 1057, 1059, 1089 ff., 1639 46, 1024, 1072, 1080, 1103, 1214, 3387 401, 404, 1080, 1215 1057, 1059, 1082, 1089 ff., 1105 16, 1084 f., 1103

35 Abs. 2 36 Abs. 1 36 Abs. 2 37 37 Abs. 1 37 Abs. 2 38 38 Abs. 1 38 Abs. 2 39 39 Abs. 1 39 Abs. 2 39 Abs. 3 40 40a 40a Abs. 1 40b 40c 40d Abs. 1 40e 40e Abs. 1 40e Abs. 2 40e Abs. 4 40f 40f Abs. 1 40f Abs. 2 40f Abs. 3 40f Abs. 4 41

41 Abs. 1

41 Abs. 2 42 42 Abs. 1 42 Abs. 2

1084 1109 1109 1102 f., 1112 1102 1102 1051, 1104 ff., 1619 1104, 1282, 1512, 1639, 2198, 3243, 4103 1107 1062, 1094, 1099, 1103, 1112 ff., 1471, 1529, 1638 874, 1112, 1559 1113 1111, 1114a ff. 1050 264 ff., 635k, 791, 2374 f., 3330 264, 2375 265, 2374 265 266a 791, 3326, 3331 266 266, 2375 266 267, 791, 3108, 3330, 3332 267 267 267 267 123, 133, 138, 450, 595 ff., 908, 1118, 1508, 1518, 1520, 1531, 1669, 1672, 1677, 1686, 1693, 1697, 1763, 1771, 1831, 1843 ff., 1902, 2136, 2146, 2149, 2152, 2174, 2176, 2189, 2200, 2210 ff., 2215, 2206, 2879, 2967, 2976b, 2989 86, 91, 96, 111, 126, 165, 396, 861, 893, 908, 1526, 1566, 1680, 1840, 1843 ff., 1941, 1950, 1956, 1958, 1969, 1971 f., 2016, 2020, 2052, 2065, 2149, 2645, 2700, 4085, 4091, 4096, 4119, 4145 91, 165, 420, 1843, 1956, 1956 ff., 2700 1848 ff., 1894, 2957 1850 1850, 2241, 3169, 3649

Gesetzesregister

43

43 Abs. 1 43 Abs. 1bis 44 44 Abs. 1

44 Abs. 2 45 45 Abs. 1 45 Abs. 3 46 Abs. 1 46 Abs. 2 47 49 49 Abs. 1 50 50 Abs. 1 50 Abs. 2 50 Abs. 3 51 51 Abs. 1 51 Abs. 2 52 52 Abs. 1 52 Abs. 2 52 Abs. 3 53 54 54 Abs. 1 54 Abs. 2 55

55 Abs. 1 56 56 Abs. 1 58 58 Abs. 1 60 60 Abs. 1

118, 897a, 902, 1553, 1673, 1698, 1709, 1851, 1886 ff., 1910, 2147, 3548 886, 897, 1886, 1888, 1892, 1896, 1898, 1936, 1972, 1985, 2026, 2307 1912 f. 886, 897a, 1561, 1701, 1760, 1886 ff., 1898 835, 843 f., 891, 1073, 1673, 1889 f., 1894 f., 1927, 1965, 3155a, 3273, 3651 1896, 1988, 2026 1857, 2104 1858 117, 885, 1868 ff., 1873 1859, 1861, 1878, 1880 1862 113, 1901 ff., 1905 ff., 2104 113, 1901 ff., 1908 f. 1909 2001, 2005 ff., 2294, 2309, 2315 2005, 2011, 2020, 2272, 2302, 2315 2011, 2015, 2021, 2309 2010 2001, 2013 ff., 2297 2000 f., 2015, 2021, 2302, 2315 2015 ff. 1961 ff. 1962 f., 2175 1962 f. 1964, 2936c 1979 1656, 1997 ff. 1838, 1997 ff. 1837, 1994, 1999 996, 1007, 1011 f., 1526, 1569, 1833, 1837, 1840, 2027 ff., 2043, 2153, 4096 1564, 1937, 2030, 2033 f., 2041 1837, 2043, 2044 ff., 2049, 2051 2046, 2051 ff. 1552, 1838, 1941, 2043, 2055 ff., 2967 2056 f., 2059 f., 2063 ff., 2095 1532, 1715, 1723, 1761, 2142 f., 2185, 2237 ff., 4096 16a, 1563, 1569, 2142, 2239 ff., 2243

16a, 1840, 2236b f., 2243 2244 ff. 1815 134, 136, 138, 148, 381, 442, 582, 791, 909, 962, 1115, 1118, 1152, 1317, 1388, 1495, 1508, 1808b, 1826, 1842, 2146, 2148, 2151, 2161, 2189, 2200, 2202 ff., 2215, 2913b, 3019k, 3046 62 Abs. 1 1216, 1767 ff., 2875, 3623, 4082, 4091, 4120, 4145 f. 62 Abs. 2 1784, 1808b, 2337, 2854, 2881, 2883 63 1774 63 Abs. 1 1774, 1792, 1808 ff., 1816, 1818, 3623, 4121, 4126 63 Abs. 2 37, 1809 f., 2861, 3623, 4126 64 1775, 1777, 1804 f., 1807, 1816, 1819 65 1806 65 Abs. 2 1635 66 37, 414, 442, 791, 1810, 1811 ff., 1816, 1818 ff., 2204, 2913b, 4137 67 268, 791, 1814 f., 2248, 2258, 4137 67 Abs. 1 572 ff., 1814, 2248 67 Abs. 2 1815 68 502, 648 ff., 993, 1000, 1144, 1190, 1206, 1292, 1416, 1420, 3139, 3248, 3374 69 675, 2611 69 Abs. 1 675, 690, 771 69 Abs. 2 690 70 3009c 70 Abs. 1 2326 ff. 70 Abs. 2 2275, 2280, 2289 ff., 2328, 2909a 70 Abs. 3 1379, 2292, 2328 71 676 71 Abs. 1 676 71 Abs. 2 676, 851, 2589, 3997 72 678, 990, 1353, 2364, 2483 73 1634, 2577 73 Abs. 1 692, 3073 73 Abs. 2 692 74 697 ff., 2366, 2369, 2916b 74 Abs. 1 697 ff., 706, 2431 74 Abs. 2 699, 701 ff. 74 Abs. 2 Ziff. 1 702, 706, 716, 2449 60 Abs. 1bis 60 Abs. 2 60 Abs. 3 62

1381

Gesetzesregister

74 Abs. 2 Ziff. 2 703, 706, 2367, 2431, 2455, 2668, 2916b, 3010b, 3167 74 Abs. 2 Ziff. 3 703 f., 706, 2431, 2455 74 Abs. 3 702 75 244, 610a, 713, 715, 918, 1422, 2249, 2260a, 2534, 3150, 3189, 3969, 4024 76 712, 918 77 2228 79 3010b 81 Abs. 1 688, 760 82 32, 37, 761, 903, 929 ff., 936, 984, 1395, 1422, 1452, 2968b, 2969, 2973a, 3149, 3189, 3191, 3278, 3280 f., 3297, 3414, 3455 f., 3545, 3800, 3866, 3970, 4129 83 934 ff., 3005b, 3070 f., 4129 83 Abs. 1 934 83 Abs. 2 937 84 2443 84 Abs. 1 662, 687 f. 84 Abs. 2 688 f., 772 85 690 85 Abs. 1 690 85 Abs. 2 690, 781 f. 86 Abs. 1 691, 781 86 Abs. 2 691 87 691, 781 88 694, 972 88 Abs. 1 696, 972 88 Abs. 2 696, 972 89 Abs. 2 692 89 Abs. 3 692, 696 90 696 90 Abs. 1 972 91 651, 803, 806, 967, 970 f., 977, 979 f., 1206, 2364, 2461, 2463, 3072, 3078, 3599 92 659, 987, 990, 4124 92 Abs. 1 987, 3072, 3078 92 Abs. 2 987 93 Abs. 1 988 93 Abs. 2 988 94 Abs. 1 987 94 Abs. 2 987 95 790, 989 f., 4008 96 979, 981

1382

97

97 Abs. 1

97 Abs. 2 98 98 Abs. 1 98 Abs. 2 98 Abs. 3 99 99 Abs. 1 99 Abs. 2

99 Abs. 3

100 100 Abs. 1 100 Abs. 2 101

446, 684 ff., 798, 801 ff., 843 f., 942, 907, 1117, 1304, 1308, 1330, 1361, 1408, 1531, 1565, 1585, 2152, 2171, 2200 f., 2305, 2476, 2518, 2615, 2688, 2695, 2878, 2922, 2933a, 2933c, 2936b, 2939e ff., 2944, 2966, 2968k, 2970, 2973a, 2976b, 2978 f., 2987a, 2989, 3000a, 3014c, 3023c, 3045, 3047 ff., 3061, 3078, 3412, 3511 f., 3548, 3651, 3758, 3827, 3863, 3971, 4001, 4037 103, 111, 126, 427, 429, 686, 798b, 806, 814 ff., 831 ff., 846 ff., 857 ff., 903a ff., 906, 907 ff., 925, 944, 959, 995, 998, 1000, 1010, 1013, 1141, 1262, 1265, 1267, 1271, 1388, 1403, 1551, 1558, 1565, 1569, 1595, 1659, 1757, 1771, 1840, 1971, 2235 f., 2251, 2389, 2469, 2508, 2512, 2526, 2548, 2550, 2560, 2567, 2583, 2671 f., 2676, 2688, 2695 ff., 2878, 2957, 2976h, 3143, 3145, 3178, 3187, 3216, 3257, 3260, 3262, 3264, 3273, 3285, 3287, 3401, 3459, 3482, 3507, 3514, 3516, 3753, 3756, 3776, 3972 f., 4085, 4091, 4096, 4140, 4145 15, 809, 812 812, 2950 812, 914, 3153, 3166, 3173, 3649 805, 812, 857, 865 420, 805, 812, 914 2957 897, 1985, 3045 897 f., 947, 966, 986, 1660, 1698, 1709, 1760, 1888a, 2858, 2878, 3049, 3266, 3548 113, 118, 878, 885 f., 895, 897 f., 902, 1553, 1561, 1760, 1872, 1886, 1904, 2309, 2315, 2989, 3155a, 3273, 3647 579, 1014 ff., 1020, 2569, 2643 f., 2738, 2957, 3155 897, 1015, 1402, 1985, 2643 f., 3778 1018 546, 962, 993 ff., 1020 f., 1532, 1551, 1564, 1569, 1659, 1761, 1840, 2028, 2153, 2251, 2296, 2305, 2369, 2469, 2476, 2499, 2933, 2944, 2998,

Gesetzesregister

101 Abs. 1 101 Abs. 2 101 Abs. 3 102

102 Abs. 1 102 Abs. 2

103 103 Abs. 1 103 Abs. 2 104 104 Abs. 1 104 Abs. 2 104 Abs. 3 105 105 Abs. 1 105 Abs. 3 106 106 Abs. 1 107

107 Abs. 1 107 Abs. 2

108

3155a, 3249 f., 3251 ff., 3255 ff., 3259, 3374, 3390, 3484, 3651, 3994, 4096 718, 720 f., 993 f., 1001, 1005, 1013, 1110, 2933, 4112 1020, 2957, 3651 1021, 2957 806, 820 f., 842, 844, 910 f., 919, 992, 1141, 1271, 1353, 2463, 2472, 2514, 2531, 2533 f., 2564, 2611, 2691, 2939f f.,2939i f., 2939l, 2970, 3077 f., 3148, 3193, 3826, 3969 171a, 919, 920 ff., 951, 953, 1027, 2534, 2588, 3080, 3148, 3150 711, 919, 924 ff., 951, 978, 2517, 2534, 2939l, 3080, 3148, 3150, 3755 106, 938, 942 f., 951, 966, 2251, 2542, 2878a, 4028, 4031 942, 944, 946 f., 956, 985, 1010, 2236, 2476, 3151 943, 945, 2476, 3549 692, 805, 938, 939 ff., 966, 1209, 2236, 3755 939, 2535, 3080 940, 2536, 3080, 3116 940, 1383, 2536, 3080 2878a 3083 941 3077, 3081 942 106, 639, 790, 805, 905, 938, 948 ff., 1448, 2515, 2519, 2524, 2538, 2692, 2811, 2878a, 2916b, 2939k f., 2943, 2943b, 2943d, 2961, 2968b, 2970, 2973a, 2984, 3047, 3070, 3077, 3082, 3114, 3141, 3173, 3366, 3548, 3784, 3864, 3970, 4003, 4008, 4027 f., 4030 ff., 4139 581, 951 f., 2518, 2525, 3165 789, 809 f., 834, 837, 855, 901, 903a f., 906, 937, 951, 955, 957 ff., 965 f., 989, 991, 1010, 1141, 1353, 2236, 2251, 2305, 2520 ff., 2528 f., 2542, 2546 f., 2567, 2968b, 2969, 3151, 3153, 3173 f., 3193, 3212, 3412, 3755, 3826, 3997, 4004, 4150 951, 954, 2538, 3151, 3173

108 Ziff. 1 108 Ziff. 2 108 Ziff. 3 109

109 Abs. 1 109 Abs. 2 110 111 112 112 Abs. 1 112 Abs. 2

112 Abs. 3 114 114 Abs. 1 115 116 116 Abs. 1 116 Abs. 2 117 117 Abs. 1 117 Abs. 2 117 Abs. 3 118 118 Abs. 1 118 Abs. 2 118 Abs. 3 119

119 Abs. 1 119 Abs. 2 119 Abs. 3 120 120 Abs. 1 120 Abs. 2

927, 954, 978, 2961, 2972 954, 2521, 2525 710, 954, 2517 f., 2521, 2525, 2939l, 3969 583, 789, 798, 906, 937, 951, 2520, 2547, 2881, 3167, 3193, 3591, 3826, 3997, 4004 960, 966, 1794, 2235, 2664 874, 904, 906, 951, 963, 966, 1010, 2235, 2525 1379 1167 ff., 1434, 2602, 2605, 3289b, 3406, 3571, 3574, 3845, 3952 25, 658, 1039 f., 1119 ff., 1457, 1580, 1596 ff., 3492, 3505, 3644 1129, 1133 ff., 1457 1040, 1126, 1137 ff., 1325, 1421, 1427, 1578, 2323, 3644, 3765, 3779 f., 3999 658, 1136, 1142, 1153 641, 724, 2229, 3846 646, 736, 746, 748, 753, 782, 836 367, 643, 695, 724 ff., 741a, 788, 1350, 2308, 3000e ff.4124 643, 724, 742 f., 941, 2308, 3587 737, 741, 742 f., 1444 743 744 f., 3074, 3664 744 744 f. 745 643, 724, 749 ff. 751, 754 754 753 643, 683, 686, 724, 740, 806, 832 f., 836 ff., 839 f., 842 f., 905, 2305, 2473 ff., 2508, 2511, 2513, 2939e, 2939g f., 2939j, 2985, 3209, 3215, 3217, 4124 427, 685 f., 740, 831, 836, 944, 2474, 2513, 2665, 4033 837, 2235, 2474, 2513, 2665 838, 2474, 2513 643, 724, 755 ff., 1454, 3414, 3455, 3457 760 ff., 770 761

1383

Gesetzesregister

120 Abs. 3 121 122 123 Abs. 1 123 Abs. 2 124 Abs. 1 124 Abs. 2 124 Abs. 3 125 125 Ziff. 1 125 Ziff. 2 125 Ziff. 3 126 127

128 128 Ziff. 1 128 Ziff. 2 128 Ziff. 3 128a 129 130 130 Abs. 1 130 Abs. 2 131 131 Abs. 1 131 Abs. 2 132 Abs. 1 132 Abs. 2 133 134 134 Abs. 1 134 Abs. 1 Ziff. 3bis 134 Abs. 2 135 135 Ziff. 1 135 Ziff. 2 136 136 Abs. 1

1384

761 763, 3596 764, 1147 761 758 756, 781 771, 782 ff. 758 774 ff. 775 776 777 778 ff., 2921 16a, 268, 580, 584, 644, 746, 962, 1563, 1569, 1661, 1686, 1761, 1840, 2184, 2225, 2228, 2230, 2231 f., 2234 f., 2236a ff., 2244, 2254 ff., 2261, 2570, 2631f, 2635a, 2636, 2744, 2956a, 3180d, 3276a, 3277c, 3655a, 4096, 4129 2231 ff., 2236a 2232, 2255, 2922, 2956a, 3277c, 3996 2233, 3993, 3996 2234 1840, 2236a f. 2250, 2256 ff., 4129 2249 ff. 2249, 2255, 2260a, 3090 2252 ff., 2305, 2956a, 3091 2255 2255 2255 2228 2228 2229, 2236 2266 f., 2633 2266 f. 14 2266 2268 ff., 2633, 3184 1450, 2254 f., 2269, 2274 ff., 2293, 2306 f., 2694 2270, 2273 2271 ff., 2314 2002, 2274 ff., 2290, 2293, 2306 f., 2316 f.

136 Abs. 2 136 Abs. 3 137 137 Abs. 1 137 Abs. 2 138 138 Abs. 2 138 Abs. 3 140 141 141 Abs. 1 141 Abs. 1bis 141 Abs. 2 141 Abs. 3 142 143

143 Abs. 1 143 Abs. 2 144 144 Abs. 1 144 Abs. 2 145 Abs. 1 145 Abs. 2 146 147 147 Abs. 1 147 Abs. 2 148 148 Abs. 1 148 Abs. 2 148 Abs. 3 149 149 Abs. 1 149 Abs. 2 150 150 Abs. 1 150 Abs. 2 151 151 Abs. 1 151 Abs. 2 152 Abs. 1 152 Abs. 2 152 Abs. 3 153 153 Abs. 1

2276 2276 2271 ff., 3184 2268, 2271, 2694 2269, 2272 2273 2273 2273 2227, 3092 2257 ff. 2258, 2260 f. 610a, 2265 2274, 2275 f., 2306 2275 f., 2290, 3597 32a, 37, 2220, 2262, 2278 25, 1425, 1428 f., 1459, 1461, 1466, 2003, 2011, 2280, 2282, 2284, 2298 ff., 2992 2298 ff. 2000, 2061, 2298 2303 2297, 2303, 2992 2297, 2303 2304 2304, 2312 2296, 2305 f. 2308, 3573 2308 2308 2290, 2292, 2309 ff. 2281, 2309, 2991e 2281, 2310, 2313 2311 2003 2313, 2317 2313 25, 1143, 2318, 2321 f. 2321 2320, 2322 1277 ff., 2850, 2991b, 3354 1281, 1288 1303, 1313 1304, 1306 ff. 1305 1306 ff., 1312 1313, 1317 1313

Gesetzesregister

153 Abs. 2 154 Abs. 1 154 Abs. 2 156 157 158 158 Abs. 1 158 Abs. 2 160 160 Abs. 1 160 Abs. 2 160 Abs. 3 161 161 Abs. 1 161 Abs. 2 163 Abs. 1 163 Abs. 2 163 Abs. 3 164 164 Abs. 1 164 Abs. 2 165 165 Abs. 1 165 Abs. 2 166 167 168 168 Abs. 1 168 Abs. 2 168 Abs. 3 169 169 Abs. 1 169 Abs. 2 170 Abs. 1 170 Abs. 2 171 171 Abs. 1 171 Abs. 2 171 Abs. 3 172 173 173 Abs. 1

1317 1289, 1311, 1314, 1448 1315 927, 1319 ff., 2561, 3378 f. 1301 f. 1240 ff. 1241, 1244, 1248 1244, 1248 f. 1246, 1250 ff., 3571 1250, 1262 f. 1250, 1271 1247, 1273 1251 1260, 1266 1251, 1267, 1270, 1272 1275 1254, 1262, 1274 434, 440, 1247, 1253 f., 1256 f., 1269, 1275 f. 25, 380, 1032, 1322 ff., 1455, 2334, 2440, 3921 64, 1329 1362, 1364 1344 ff., 1381 358, 364, 1344, 1370, 2402, 2440, 3929 1348, 2402, 2440 1349, 1379 ff. 664, 1386 ff., 1401, 1800, 3603, 3927, 3935 1392 ff. 1391 f. 1393 f. 658, 1394 767, 1395 ff., 1403, 3117, 3939 1395, 1399, 2872 1401 1353, 1383 f. 1363 1397, 1402 ff., 2412, 2510, 2595, 3824 1399, 1403, 1407, 2556, 3918, 3934 1404, 1405, 3920 1405 1406 1408 1407

173 Abs. 2 175 175 Abs. 1 175 Abs. 2 175 Abs. 3 176 176 Abs. 1 176 Abs. 2 176 Abs. 3 177 177 Abs. 1 177 Abs. 2 178 178 Abs. 1 178 Abs. 2 179 179 Abs. 1 179 Abs. 2 179 Abs. 3 180 180 Abs. 1 180 Abs. 2 181 181 Abs. 1 181 Abs. 2 181 Abs. 4 183 184

184 Abs. 1

184 Abs. 2 184 Abs. 3 185 185 Abs. 1

185 Abs. 2 185 Abs. 3 187 187 Abs. 1

1381, 1405 25, 1032, 1134, 1410, 1412 ff., 1461 1412, 1414, 1418, 1420 1422 1423 1326, 1410, 1423, 1429 ff., 1435 ff., 1637 1435, 1439 1441 1441 1440 1440 1440 1443 ff. 1445 f. 1446 f. 1450 ff. 1450 1451 1454 1448 f. 1437, 1448, 1458 1449 12, 1410, 1459 ff., 2984 1459 1459 f., 2282, 2302 1460 1461 7, 40, 53, 58, 98, 2291, 2329 ff., 2334, 2351, 2413 ff., 2415, 2432, 2441, 2443, 2710, 2733, 2903, 3066, 3130, 3847, 3921, 3931, 3952, 4016 30, 91, 1782, 2329 f., 2413, 2429 ff., 2433 ff., 2439, 2441, 2467, 2567, 4082 2341, 2371, 2448 2415, 2445 683, 2399, 2473 ff., 2478 f., 2656, 2666 838, 946, 2048, 2479, 2480 ff., 2487, 2489, 2491, 2497, 2500, 2502, 2513, 4033 2487, 2490, 2492 ff., 2497 f., 2500 2501, 4033 2342, 2344, 2417 2343

1385

Gesetzesregister

188 189 189 Abs. 1 189 Abs. 2 189 Abs. 3 190 190 Abs. 1 190 Abs. 2 191 191 Abs. 1 191 Abs. 2 191 Abs. 3 192

192 Abs. 1 192 Abs. 2 192 Abs. 3 193 193 Abs. 1 193 Abs. 2 194 Abs. 1 194 Abs. 2 195 195 Abs. 1 195 Abs. 1 Ziff. 1 195 Abs. 1 Ziff. 2 195 Abs. 1 Ziff. 3 195 Abs. 1 Ziff. 4 195 Abs. 2 196 196 Abs. 1 196 Abs. 2 196a 197

197 Abs. 1 198 199 200 200 Abs. 1 200 Abs. 2

1386

2454, 2457 705 2457, 3505 2454 2455 2514 ff., 2518, 2520, 4032, 4139 957, 2514, 2516 ff., 2521, 2525 f., 2529, 3059 957, 2515, 2522, 2525 2514 ff., 868, 2527, 2545 2526 ff. 2527, 2529 f. 2527, 2530 603, 1402, 2439, 2465, 2510, 2548, 2551 ff., 2583 f., 2880, 3127, 3188, 3824, 3865, 4034 2551, 2558, 2559 f., 2565, 2567 2554, 2556 ff., 2561 f. 2556, 2569 2572 15, 2572 2574 2575 2575 2555, 2576 ff., 4034 2576 2577 2578 2579 2580 f. 2581, 4034 2582 2582 2582 13, 2555, 2562, 2570 f. 601 f., 849, 2127, 2344, 2355, 2399, 2552, 2585 ff., 2591 f., 2595, 2597, 2600, 2609 ff., 2613, 2633, 2650, 2697 f., 2700, 3971, 4036 f., 4140 1176, 2346, 2585, 2599, 2603, 2605, 2607 f., 2610, 2612, 2631d, 2771 2601 601, 1017, 1404, 2596, 2623, 2638 ff., 2696, 3155, 3180d 2596, 2616 ff. 2616 2617 f.

201

201 Abs. 1 201 Abs. 2 201 Abs. 3 203 204 204 Abs. 1 204 Abs. 3 205 205 Abs. 1 205 Abs. 2 205 Abs. 3 206 206 Abs. 1 206 Abs. 2 207 207 Abs. 1 207 Abs. 2 207 Abs. 3 208 208 Abs. 1 208 Abs. 2 208 Abs. 3 209 Abs. 1 209 Abs. 2 209 Abs. 3 210 210 Abs. 1 210 Abs. 2 210 Abs. 3 210 Abs. 4 210 Abs. 5 210 Abs. 6 211 211 Abs. 1 212 213 213 Abs. 1 213 Abs. 2 214 214 Abs. 1

107, 171a, 601, 849, 1027, 2460, 2550, 2596, 2619 ff., 2622 f., 2634, 2696, 2700, 2702, 3161, 3759 2223, 2619, 2625 ff., 4140 2460, 2620, 2625, 2630 f., 3647 2615, 2631 2620, 2631 2667, 2693 2667 2667 1794, 2653 ff., 2681 ff., 3998 855, 904, 2651, 2653, 2655, 2682, 2708, 2813, 3766 2651, 2657, 2683 2651, 2684 854, 2693, 3766, 3971, 3999 2693, 2708, 3174 2693, 3999 2653 ff., 2665 ff. 2504, 2656, 2666, 2682, 3202 2682 2658 f., 2683, 3156, 3998 2654, 2661, 2669 f., 2672, 2676, 2688 2661 1973, 2669, 2671 f., 2674, 2676 ff., 2688 856, 2669, 2674, 2676, 2688, 2698 2660, 3998 2660 2660 2550, 2570, 2596, 2631a ff., 2696, 3183 13, 2631a ff., 2635a, 2694, 2745 13, 2631a, 2631c f., 2635a, 3180a 2631a, 2631e, 2635a, 2636 13, 2631a, 2635 ff., 3183 2632, 2637, 3182 2636 2441 ff., 2462 2442 2446 714, 2533 2448 2535 2464, 2533 ff., 3193 2537 f., 2541 f.

Gesetzesregister

214 Abs. 2 214 Abs. 3 215 215 Abs. 1 215 Abs. 2 216 216 Abs. 1 216 Abs. 2 216 Abs. 3 216a 216b Abs. 1 216c Abs. 1 216c Abs. 2 216d Abs. 1 216d Abs. 2 216d Abs. 3 216e 217 219 219 Abs. 1 219 Abs. 2 219 Abs. 3 220 221 222 222 Abs. 2 223 223 Abs. 1 223 Abs. 2 224 225 229 229 Abs. 1 229 Abs. 2 229 Abs. 3 230 233 Abs. 1 233 Abs. 2 234 Abs. 1 234 Abs. 3 235 Abs. 1 235 Abs. 2 236 237 238

2537 f. 172, 174, 958, 2539 ff., 4030 902. 2533, 2544 ff. 2544 2545 2342 ff., 2417, 2903 363, 371, 1070, 2344, 2402, 2403, 2406, 2410, 3230, 4020 2406, 2387, 3735, 3745 358, 2387, 2406 2388, 2392 2388 2386 2386 2389 2386 2390 2389 1299 2344, 2592 2593 2593 2593, 2631a, 2631f 2344, 2505 2344, 2557, 2592 2346 ff. 2348 1292, 2349 2349 2349 2349 2349 2352 ff., 2356, 2359 2356 2252, 2358 2252 2354 2353, 2359 2353 2356 2355 2353, 2359 2353 2357, 2359 2393 ff., 2704 ff. 2707 f.

53, 2393 ff., 2395, 2847 ff., 2865, 3039, 3066, 3125, 3953 239 Abs. 1 2847, 2875 239 Abs. 3 2860 f. 240 Abs. 1 2872 241 Abs. 1 2873 241 Abs. 2 149, 2873 242 Abs. 1 2848, 2876 243 209, 1348, 2848, 2857, 3038 243 Abs. 1 358, 364, 1419, 1442, 2877 243 Abs. 2 363, 2877 243 Abs. 3 2877 244 2870 245 2849 ff., 2874 246 Abs. 2 2852 246 Abs. 3 2852 247 1293, 2855 247 Abs. 1 2855 247 Abs. 2 2855 248 2857, 2866, 2880 248 Abs. 1 1985, 2879, 3049 248 Abs. 2 2880 249 1794, 2857, 2881 f. 249 Ziff. 1 2881 249 Ziff. 2 2881 249 Ziff. 3 2852, 2881 250 2882 250 Abs. 1 1214 250 Abs. 1 Ziff. 1 1451 250 Abs. 1 Ziff. 2 2882 250 Abs. 1 Ziff. 3 2882 250 Abs. 2 2882 251 2223 251 Abs. 1 2885 f. 251 Abs. 2 2886 251 Abs. 3 2887 252 2880 253 59, 2890 ff., 2916, 2920 f., 3029, 3034, 3040, 3064, 3805, 3952, 4085 253a 2894, 3020 253a Abs. 1 2896g, 2896j 253a Abs. 2 2894, 2896e, 3020 253a Abs. 3 2895 253b 3017 f., 3020 253b Abs. 1 3017 253b Abs. 2 2894, 2896f, 3017 253b Abs. 3 3017 239

1387

Gesetzesregister

254 255 Abs. 1 255 Abs. 2 256 256 Abs. 1

2913 ff. 2891 3002 2916 ff., 2979b, 3757 2914, 2916 f., 2916c, 2933c, 2935c, 2976i, 3777 256 Abs. 2 2914 f., 2938, 2957 256 Abs. 2 lit. a 2914, 2939, 3753, 3777 256 Abs. 2 lit. b 2914 256a 2917a f., 3777 256a Abs. 1 2917a 256a Abs. 2 2917a 256b 2917c f., 2923 257 2911, 2920 ff. 257a 2917d, 2920a, 2922c ff. 257a Abs. 1 2923 257a Abs. 2 2924 f. 257b Abs. 1 2923 257b Abs. 2 2917a f. 257c 714, 918, 931, 2922, 2968c 257d 186, 2956b, 2961, 2963 f., 2968 ff., 2969, 2970, 2977, 3000e, 3004, 3005c, 3005e, 3006a 257d Abs. 1 2968e, 2968g, 2972, 3009a 257d Abs. 2 2968i f., 3005e 257e 2918 ff., 2925b ff., 2969, 2991f 257e Abs. 1 2918b f., 2927, 3005e 257e Abs. 2 2926 f. 257e Abs. 3 2918d, 2928a 257f 2916d, 2929 ff., 2969a ff., 2977, 2998, 3000e, 3004, 3010c, 3021 257f Abs. 1 2969a, 3995 257f Abs. 2 2932, 2969a 257f Abs. 3 2933a, 2936b, 2969 ff., 2976e, 2979d, 3000 f., 3006a 257f Abs. 4 2933a, 2969a ff., 2976e, 2979d, 3006a 257g 2933b ff., 2971, 2976d ff. 257g Abs. 1 2933b, 2947, 2976d 257g Abs. 2 2933c, 2976e 257h 2934 ff., 2946, 2971, 2978b 257h Abs. 1 2935 257h Abs. 2 2935b 257h Abs. 3 2936 ff. 258 2916d, 2939b, 2939f f., 2939m ff. 258 Abs. 1 2916b, 2939k f., 2942 f., 2943b ff., 4003

1388

258 Abs. 2 258 Abs. 3 258 Abs. 3 lit. a 259

2943b, 2943d f., 3004, 4003 2943c ff. 2942 99, 2933c, 2937 ff., 2940, 2942, 2952, 2957, 2967a, 3010c, 3014b, 3030, 3777, 3989 259a 849, 2939k, 2940, 2943c ff., 2957, 2964, 2966 ff., 2976f, 2979, 4003 259a Abs. 1 2944 f., 2952 f., 2960 259a Abs. 1 lit. a 854, 2946 259a Abs. 2 2945 259b 2940, 2945 ff., 2960 f., 2966, 2967a 259b lit. a 855, 904, 2942, 2946, 2949 f., 2966, 2967a, 2976f, 2979, 3000e, 3004, 3006a, 4003 259b lit. b 2942, 2950, 2967a, 2976f 259c 2946, 2951, 2979 259d 2936a, 2942, 2945, 2952 ff., 2957a, 2957c, 2966, 2976f, 2979, 3018c, 4073 259e 856, 2936a, 2944 f., 2957 ff., 2964, 2966 ff., 2979, 4110 f. 259f 2945, 2958 f., 2967a, 2976f 259g 2945, 2951, 2956b, 2957a, 2957c, 2959 ff., 2968d, 2976f, 2979 259g Abs. 1 2959, 2961, 2976f 259g Abs. 2 2961, 2963 259h 2959 ff. 259h Abs. 1 2964 f. 259h Abs. 2 2965 259i 260 260 Abs. 1 260 Abs. 2 260a 260a Abs. 1 260a Abs. 2 260a Abs. 3 261 261 Abs. 1 261 Abs. 2 261 Abs. 3 261 Abs. 4 261a 261b Abs. 1 261b Abs. 2

2935a, 2946, 2976i ff., 2979a 2976i, 2977 f., 2979 2978a, 2979 2971, 2979a ff. 2931, 2979c f. 2980, 3010c 2979b, 2981 f., 3010c 2958a, 2982 ff., 2991f, 3005c, 3006a 1465, 2983, 2985a 2985d, 2988 2985b, 2989 2985 2983 2988 2988

Gesetzesregister

262 262 Abs. 1 262 Abs. 2 262 Abs. 3 263 263 Abs. 1 263 Abs. 2 263 Abs. 3 263 Abs. 4 264 264 Abs. 1 264 Abs. 2 264 Abs. 3 265 266 266 Abs. 1 266 Abs. 2 266a 266a Abs. 1 266a Abs. 2 266b 266c 266d 266e 266f 266g 266g Abs. 1 266g Abs. 2 266h 266i 266k 266l 266l Abs. 1 266l Abs. 2 266m 266m Abs. 1 266m Abs. 3 266n 266o 267 267 Abs. 1

2909, 2993 ff., 3000c 2993 f., 3000c 2994, 3000 f., 3000d 2321, 2997, 2998 2913, 2989a ff., 3000e, 3013f 2990 ff. 2991c 2991f 2992 2913, 2989a f., 3013 ff. 3000e, 3013a ff., 4008 3014 3014, 4008 779, 2921 641, 799, 2909a, 2972, 3000e, 3002 f. 3000e 3002a, 3003a 639, 796, 799, 2969, 3000e f., 3002b ff., 3004, 3303 3003 2968j, 3018a 2894, 2896a f., 3003b, 3005 2896b, 3003, 3003b 2896b, 3003, 3003b 2894, 2896b, 2896d, 2896j, 4007 2894, 2896a, 3003b 798 f., 2939i f., 2970, 3000, 3003b, 3000e, 3004 ff., 4007 2969, 3005 2939i, 3005a 3005b f., 3006a 2977, 3005d, 3006a 2896a, 2905, 3100, 3785 2914b, 2968j, 2974, 3000f, 3005b, 3007 3007 359, 3007 2894 f., 3000f, 3005b, 3007a, 3020 3007a 3007a, 3009b 2894, 2968f, 2974, 3007a, 3009b f., 3020 2968f, 3008, 3021 2920, 2922b, 2933b, 3000e, 3000g, 3010 ff., 3025d, 4091 2291, 2922b, 2976g, 3010c, 3014a

267 Abs. 2 267a 267a Abs. 1 267a Abs. 2 267a Abs. 3 268 268 Abs. 1 268 Abs. 2 268 Abs. 3 268a 268b 269 269a 269a lit. a 269a lit. b 269a lit. c 269a lit. d 269a lit. e 269b 269c 269d 269d Abs. 1 269d Abs. 2 269d Abs. 2 lit. a 269d Abs. 2 lit. b 269d Abs. 2 lit. c 269d Abs. 3 270 270 Abs. 1 270 Abs. 2 270a 270a Abs. 1 270a Abs. 2 270a Abs. 3 270b 270b Abs. 2 270c 270d 270e 271 271 Abs. 1 271 Abs. 2 271a 271a Abs. 1 lit. d 271a Abs. 1 lit. e

3015 2918e ff., 2933b, 3010 ff. 2918e, 3011 f. 2919, 3011 2919, 3011 3015a ff. 3015a ff. 2997, 3016 3016, 3996 3016 3016 2895, 2896f, 3017 ff. 3017 b ff. 3017f 3017h, 3019f 3017f 3017h 3017h, 3019f 3018e ff., 3019n 3018e, 3018g, 3019o 186, 359, 3000b, 3009a, 3017k ff., 3019a 359, 3017l ff., 3019k 3018b f., 3018g, 3019k 359, 3018b 3018b 3018b 2976j, 3000b, 3018d, 3019k 2917a, 3017j, 3018f ff. 3018g, 3019, 3019c 2915, 2996, 3019a 3018f f., 3019f ff. 3017e, 3019f, 3019h 3019h f. 3019i 3017m, 3018, 3019k ff. 2976j 3018f, 3019n 3019o 3019d, 3019j, 3019m, 3025 2895, 2988a, 3007, 3008, 3010a, 3020 ff. 2978, 3020b, 3022 3003, 3023a 3000g, 3023 3023 3023, 3023c

1389

Gesetzesregister

271a Abs. 2 271a Abs. 3 271a Abs. 3 lit. a 271a Abs. 3 lit. d 271a Abs. 3 lit. e 272 272 Abs. 2 272 Abs. 2 lit. d 272 Abs. 3 272a 272a Abs. 1 272a Abs. 1 lit. a 272a Abs. 1 lit. b 272a Abs. 1 lit. c 272b Abs. 1 272b Abs. 2 272d 273 273 Abs. 1 273 Abs. 2 273 Abs. 2 lit. a 273 Abs. 2 lit. b 273 Abs. 3 273 Abs. 5 273a 273b 273b Abs. 1 273b Abs. 2 273c Abs. 1 273c Abs. 2 275 276a Abs. 1 276a Abs. 2 278 279 280 281 281 Abs. 2 283 Abs. 1 284 Abs. 1 288 Abs. 1 290 292 294 299 Abs. 2 lit. a 300 Abs. 1 300 Abs. 2

1390

3023a 3023 2986, 3023 2988a 2988a 2968k, 2988a, 3020, 3024 ff. 3024a 2986 3024b, 3024f 3024 3024c 2968k 2976a 3005b 3024f 3024f 3024g 3020b f., 3023a, 3024d 3023b 3024 3024d 3024d 3024, 3024d 3024e 2894, 3020 3020 2996a 2997 3020a 3020a 2892, 2897, 3026 ff. 3029 3029 3030 3030 3030 3030 3029 2916a 3030 3029 3029 3029 779 3046 3030 3030

305 306 306 Abs. 1 306 Abs. 2 306 Abs. 3 307 307 Abs. 1 307 Abs. 2 308 309 309 Abs. 1 309 Abs. 2 310 311 312

313 313 Abs. 1 313 Abs. 2 314 314 Abs. 1 314 Abs. 3 315 316 316 Abs. 2 317 317 Abs. 1 318 319 320 Abs. 3 321 321a 321d 321e 321e Abs. 2 323 Abs. 1 323b Abs. 2 324 Abs. 2 325 Abs. 2 328 333 333 Abs. 1 333 Abs. 2 333 Abs. 3 334

2892, 2899, 3000c, 3032 ff., 3036, 3047 f., 3532 3047 3043 3043 f. 3045 3046 3044, 3046 3046 2295 3050 ff. 3051 3053 f. 3052 f. 3054 59, 2892, 2900, 3035, 3055 ff., 3061, 3067, 3069, 3076, 3097, 3534, 3921 f., 3931 f. 3058 ff., 3068 2900, 3058, 3068, 3073 3059, 3068, 3073 3062, 3068 3073 3074, 3083 4129 3070 ff., 3087 3071 3063 3076 918, 2254, 3057, 3085, 3091 1024, 2031, 3137, 3237, 3848, 3952 433, 1471, 3825 654 3266 3237, 3367, 3848 3266 3142, 3266, 3401 931 779 2471 1358 37 1466 1465 f. 1466 1466 641

Gesetzesregister

334 Abs. 2 335 335a Abs. 1 335c Abs. 1 336 336a 337 337 Abs. 2 337b 337c 337c Abs. 1 337c Abs. 2 337c Abs. 3 337d 337d Abs. 1 340 340 Abs. 1 340b Abs. 2 340b Abs. 3 340c Abs. 2 347 347 Abs. 1 347a 347a Abs. 2 348 Abs. 1 348 Abs. 2 348a Abs. 1 348a Abs. 2 348a Abs. 3 348b 362 363 364 Abs. 1 364 Abs. 2 365 365 Abs. 1 365 Abs. 2 365 Abs. 3 366 366 Abs. 1 366 Abs. 2 367 368

799 187, 796, 812 796 796, 799 4101 3896 187, 797, 798a, 799, 1257, 3399 3399 3399 798b, 3399, 3901 3399 3399 3399 798b, 3399 3399 864, 3402 3424 1252, 1273 1252 3424c 3393 ff. 3345 359, 368 368 3345 3345 3394 3394 3394 1050 405 648, 2063, 2397 ff., 2710, 3121 ff., 3138, 3236, 3952 3142 f., 3145, 3178 648, 654, 3139 f. 3865 3127, 3188, 3674, 3984 3144 f. 3144 ff., 3155a 2399, 3143 3149 ff., 3152 f., 3212a 3152 ff., 3173, 3648 f. 3138, 3143, 3157, 3160 f., 3188, 3202, 3971 604, 856, 2127, 3148, 3155, 3161, 3173, 3177 f., 3187, 4078

368 Abs. 1 368 Abs. 2 368 Abs. 3 369 370 370 Abs. 1 370 Abs. 2 370 Abs. 3 371 371 Abs. 1 371 Abs. 2 371 Abs. 3 372 372 Abs. 1 373 373 Abs. 1 373 Abs. 2 373 Abs. 3 374 375 375 Abs. 1 375 Abs. 2 376 376 Abs. 1 376 Abs. 2 376 Abs. 3 377 378 378 Abs. 1 378 Abs. 2 379 379 Abs. 1 379 Abs. 2 381 394

394 Abs. 1 394 Abs. 2 394 Abs. 3 395 396 Abs. 2 396 Abs. 3 397

855, 904, 3159, 3164 ff., 3173a, 3177, 3212a, 3650 854, 2689, 2708, 3168 ff., 3177, 3971, 3999 3166 3136, 3154, 3155a 3155a, 3179 3163 3163 3162 f. 13, 3157, 3179 ff., 3188 13, 3179 ff., 3180c, 3655a 3180b f. 3180d, 3183 3189 ff. 3189 3194 f. 3194 321, 523, 3194 f., 3212 f. 3194 258, 3195 3196 ff., 3212a f. 3196 3199 2399, 3201 ff., 3206, 3208 ff., 3215 3201, 3205, 3207 3204 3146, 3205, 3208 3213 f., 3312 3203, 3208 ff., 3212, 3215 3208, 3210, 3215 3215 3212, 3215 f. 3141, 3216 3216 f. 3807 1024, 1197, 1235, 1613, 1680, 2361, 3125, 3133, 3218 ff., 3317, 3349, 3391, 3497, 3534a, 3630, 3849, 3921 f., 3952, 3959, 4017 3221 3224 ff. 1506, 1646, 3222, 3282 ff. 228, 3218, 3228 f. 1024, 1618, 3240 ff., 4017 1024, 3240 ff. 1968

1391

Gesetzesregister

397 Abs. 1 397a 398 398 Abs. 1 398 Abs. 2

398 Abs. 3 399 Abs. 1 399 Abs. 2 399 Abs. 3 400

400 Abs. 1 401 401 Abs. 1 401 Abs. 2 401 Abs. 3 402 402 Abs. 1 402 Abs. 2 403 Abs. 2 404

404 Abs. 1 404 Abs. 2 405 405 Abs. 1 405 Abs. 2 406 406a 406a Abs. 1 406a Abs. 2 406b 406b Abs. 1

1392

3237, 3252, 3272 ff., 3333, 3348, 3381, 3504 16, 3274a 1651, 3262 ff., 3367, 3401, 3437, 3550, 3971 3262 ff., 3401 848, 900, 1016, 1652, 3257, 3260, 3262 ff., 3269, 3271a, 3273, 3274a, 3285, 3287, 3334, 3441, 3482, 3507, 3514, 3516 654, 3248 ff., 3374, 3435, 3451, 3484, 3486, 3514 3260, 3486 999, 1659, 3250 f., 3254 f., 3259, 3484, 3486, 3514 1236, 3254a, 3261 103, 1649, 1653, 2151, 2180, 2190, 2200, 3275 ff., 3442, 3465, 3478, 3678 3263, 3275 ff., 3932 1653, 2195, 3231, 3291 ff., 3463, 3941 1032, 3292 ff., 3295, 3463 f. 3292 ff. 3277b, 3291, 3295 ff., 3465 ff. 267, 1378, 3289, 3289b, 3500 53, 3286 ff., 3289b, 3335, 3419, 3453 1507, 1680 f., 2197, 3282, 3289 ff., 3452 2197 156, 1197, 3225 ff., 3231, 3273, 3299 ff., 3303, 3307 ff., 3312, 3337, 3349, 3358, 3383, 3398, 3462, 3518 f., 3576, 3711, 3895, 3942 795, 1257, 3274, 3300 f., 3303 ff., 3307 ff., 3312, 3462, 3976 156, 1083, 3274, 3301, 3303, 3304, 3311, 3325, 3337, 3448, 3462, 3975 3313, 3337 3299, 3313 3313 3299, 3314 3315 ff., 3320 f., 3326 3316, 3319, 3322, 3333, 3335 3317, 3333 f., 3335, 3337 3317, 3325a 3325

406c 406c Abs. 2 406d 406d Ziff. 1 406d Ziff. 2 406d Ziff. 3 406d Ziff. 4 406d Ziff. 5 406d Ziff. 6 406d Ziff. 7 406e 406e Abs. 1 406e Abs. 2 406e Abs. 3 406g Abs. 1 406g Abs. 2 406h 407 Abs. 1 408 Abs. 1 408 Abs. 2 411 412 412 Abs. 1 412 Abs. 2 413 413 Abs. 1 413 Abs. 2 413 Abs. 3 414 415 417 418 418a 418a Abs. 1 418a Abs. 2 418b 418b Abs. 1 418c 418c Abs. 1 418c Abs. 2 418c Abs. 3 418d 418d Abs. 1

3317, 3325a 3317 272c, 3315a, 3325, 3327, 3329, 3639 3327 3327, 3335 3317, 3325a 3327 12, 3315a, 3325, 3327, 3330 3325, 3327 3325, 3327, 3337 12, 272, 3331 f., 3337 272, 3325, 3329, 3335 3325, 3330, 3332 3325, 3337 3325, 3333 3325, 3333 3325, 3336 3576 3576 358 3576 1038, 2360 f., 3339 ff., 3345, 3349, 3391, 3432, 3633, 4019 3339 ff. 3340, 3348 f., 3367, 3371, 3374, 3381 ff., 3385 1292, 3353 ff., 3377 ff. 714, 3317, 3341, 3353 ff., 3356 3353 ff., 3359 3363, 3377 3360 f. 3367 ff., 3372, 3375, 3404, 3418 3360 f. 3349, 3360, 3881 1038, 3345 f., 3384 ff., 3389, 3433, 3633, 3845, 3849 1038, 3345, 3384 3388 3385 f., 3402, 3418 3408, 3410 3401, 3405, 3420 3401, 3407, 4082 3396, 3403, 3413 3388, 3406 f., 3420, 3454 3402 3402

Gesetzesregister

418d Abs. 2 418e 418e Abs. 1 418e Abs. 2 418e Abs. 3 418f 418f Abs. 1 418f Abs. 2 418f Abs. 3 418g Abs. 1 418g Abs. 2 418g Abs. 3 418h Abs. 1 418h Abs. 2 418k 418k Abs. 1 418l 418m 418m Abs. 1 418n Abs. 1 418o 418o Abs. 1 418p 418p Abs. 1 418p Abs. 2 418p Abs. 3 418q 418q Abs. 1 418q Abs. 2 418q Abs. 3 418r 418s 418s Abs. 1 418s Abs. 2 418t Abs. 1 418t Abs. 3 418u 418u Abs. 1 418u Abs. 2 418u Abs. 3 419

420 420 Abs. 1

3388, 3402 f., 3424 ff., 3861, 3903 3389, 3408 ff. 3385, 3409 3408 3389 3380, 3411 f., 3419 3411 3411 3396, 3413 3396, 3415 f. 3416, 3855 3417 3417 3417 3415 3396, 3415 3420 3419 3412, 3419 3394, 3419 3414 3414 3397 ff. 3397 3397 3397 3398, 3895 3388, 3396, 3867 3398 3388 3388, 3399 3400, 3898 3400 3400 3416 3396 3399, 3421 ff., 3869 f., 3872 3421 3422 3422, 3424b, 3425a 139, 1118, 1471, 1478, 1492, 1496, 1510, 1604 ff., 1605, 1610, 1613, 1642, 1649, 1650, 1772, 1826, 2145, 2866, 2901, 4115 1500a, 1649, 1654 ff., 1658 1654, 1680

420 Abs. 2 420 Abs. 3

421 Abs. 1 422 422 Abs. 1

422 Abs. 2 422 Abs. 3 423

423 Abs. 1

423 Abs. 2 424 425 425 Abs. 1 425 Abs. 2

426 426 Abs. 1 426 Abs. 2 427 427 Abs. 1 427 Abs. 2 427 Abs. 3 428 Abs. 1 428 Abs. 2 428 Abs. 3 429 429 Abs. 1 429 Abs. 2 430 430 Abs. 1 430 Abs. 2

1500a, 1625, 1655, 1660, 2200, 2866 1487, 1489, 1491 f., 1501, 1503, 1607, 1630, 1657, 2145, 2147, 2152 f., 2181, 2200 1656, 2147, 2197 1488, 1500b, 1520, 1623, 1632 ff., 3046, 3290 1474, 1492, 1496, 1507 f., 1614, 1627 ff., 1633, 1636 ff., 1640, 1645, 1671, 1681, 1684 ff., 1688, 1698, 1706, 1709 ff.,1806, 2183, 2197, 3290, 3419, 3537, 3539 1632, 1650 1633, 1634 f. 1611, 1799, 1806, 1826, 2161, 2162 ff., 2169, 2171, 2176, 2184, 2189, 2200 ff., 2201, 2202 ff., 2206, 2208, 2210, 2217, 4091 1388, 2159, 2164, 2172 f., 2174, 2175, 2176, 2179, 2182, 2209, 2210 f., 2994a, 2999, 3045, 4145 f. 2182 f. 1492, 1511 f., 1619, 2145 f., 2148, 2150, 2160, 2191 ff., 3350 1024, 2352, 2360, 3345, 3391 ff., 3426 ff., 3922, 4018 2352, 3347, 3392, 3426 f., 3440, 3882, 3922 3386, 3426, 3429, 3435, 3441, 3452, 3462, 3463 f., 3465 ff., 3474, 3478, 3482, 3486 3435 ff. 3436 3438, 3478 3458 f. 3437, 3459 3437 3459 3460 3460 3431, 3441 f., 3450, 3471 3439, 3441 3439, 3443 3439, 3443 3439 3440 3440, 3447, 3454

1393

Gesetzesregister

431 431 Abs. 1 431 Abs. 2 432 432 Abs. 1 432 Abs. 2 433 433 Abs. 1 433 Abs. 2 434 435 436 436 Abs. 2 436 Abs. 3 437 439

3446, 3451, 3453, 3480 3451, 3462 3451 3429, 3446, 3462 3446, 3448, 3499 3449 f. 3402, 3418 3450, 3453 3450 3455 f. 3458, 3461 3271, 3372, 3404, 3468, 3479 3471 f. 3472 3404, 3436, 3471c 3345, 3426, 3473 ff., 3476, 3480 ff., 3486, 3535, 3664 440 3488 ff. 440 Abs. 1 3488, 3494, 3497, 3499 440 Abs. 2 3491, 3499 f., 3504, 3507, 3514, 3516, 3518 441 Abs. 1 3498, 3499, 3501 442 Abs. 1 3501 443 3498, 3519 443 Abs. 1 3504, 3506, 3519 443 Abs. 1 Ziff. 3 3503 443 Abs. 2 3504, 3506 444 3503 444 Abs. 1 3503 444 Abs. 2 3503 446 3503 447 3459, 3483, 3507, 3508, 3511 ff., 3514, 3517 447 Abs. 1 3509 ff. 447 Abs. 2 3501, 3510 447 Abs. 3 3512 448 3513, 3517 448 Abs. 2 3513 449 3487, 3514 f. 450 3503 451 3502 452 Abs. 1 3508, 3515 452 Abs. 2 3508 452 Abs. 3 3508 453 3459 454 3508, 3515 455 Abs. 1 3513

1394

456 458 462 464 Abs. 2 466

467 467 Abs. 1 467 Abs. 2 467 Abs. 3 468 468 Abs. 1 468 Abs. 2 468 Abs. 3 469 470 470 Abs. 1 470 Abs. 2 470 Abs. 2bis 472 472 Abs. 1 472 Abs. 2 473 473 Abs. 1 473 Abs. 2 474 474 Abs. 1 474 Abs. 2 475 475 Abs. 1 475 Abs. 2 476 476 Abs. 1 476 Abs. 2 477 478 479 480 481 481 Abs. 1 481 Abs. 2 481 Abs. 3 482 482 Abs. 1 483 Abs. 1 483 Abs. 2

3474 1050 1050 2172 658, 659, 1041, 1128, 1182 ff., 1190, 1196, 1200, 1235, 1327, 1458, 1823 1202 1202 1186, 1203 1186, 1205 f. 1197 1186, 1210, 1211 ff. 658, 773, 1128, 1186, 1196, 1208 ff. 1208 ff., 1235 1207, 1210 796, 1197, 1214 1214 f. 1215 1215 2901, 3041, 3520 ff. 3520, 3540 2901, 3041, 3521, 3536, 3545 3536 3537 3538 f. 3540 2901, 3521, 3533, 3541 3529, 3541, 3549 3542 3543 3545 3552 3546 3546, 3552 701, 3542 2295 3547 3531 3522 3523 f., 3549 3524 3523 f. 3525, 3550 3553 3550 3550

Gesetzesregister

483 Abs. 3 484 484 Abs. 1 484 Abs. 2 485 Abs. 1 486 Abs. 1 487 487 Abs. 1 487 Abs. 2 491 491 Abs. 1 492 492 Abs. 1 492 Abs. 2 492 Abs. 3 492 Abs. 4 493 493 Abs. 1 493 Abs. 2 493 Abs. 4 493 Abs. 5 493 Abs. 6 494 Abs. 1 495 495 Abs. 1 495 Abs. 2 495 Abs. 3 496 496 Abs. 1 496 Abs. 2 497 497 Abs. 1 497 Abs. 2 497 Abs. 3 497 Abs. 4 498 Abs. 1 498 Abs. 2 499 499 Abs. 1 499 Abs. 2 499 Abs. 2 Ziff. 1 500 Abs. 1 501 501 Abs. 1 501 Abs. 3 502 502 Abs. 1

3550 3527, 3529 3528, 3530 3527 f. 3525, 3551 3552 3982, 3992 3992, 3994 3994 3996 3996 1173, 1430, 3406, 3554 ff. 1423, 1431, 3554 3587, 3589, 3608 3588, 3594 3584a 364, 1173, 1433, 3579 3580 359, 363, 3580, 3584 3584 1446, 3585 f. 1067 3583 2285, 3558, 3567 f. 2311, 3558, 3564, 3570, 3593 3558, 3600 3560, 3570 1432, 3561, 3568, 3570, 3581 3561 3561 3562 ff. 3563a f., 3570 3565, 3570 3562, 3565, 3570 2316, 3566, 3570 3564, 3567, 3569, 3570 3569, 3570 3590 3590 3590 3591 3592 3593 3593 3593 3584a 3588, 3594

502 Abs. 2 502 Abs. 3 502 Abs. 4 503 503 Abs. 1 503 Abs. 3 503 Abs. 4 504 504 Abs. 1 504 Abs. 2 505 506 507 507 Abs. 1 507 Abs. 2 507 Abs. 5 507 Abs. 6 508 508 Abs. 2 508 Abs. 3 509 509 Abs. 1 509 Abs. 2 509 Abs. 3 509 Abs. 4 509 Abs. 5 509 Abs. 6 510 Abs. 1 510 Abs. 3 510 Abs. 4 510 Abs. 5 511 513 513 Abs. 1 513 Abs. 2 514 Abs. 2 515 Abs. 1 515 Abs. 2 515a 517 521 Abs. 1 522 Abs. 1 530 533 534

3594, 3596 3595 3617 3558, 3598 3598 3600 3600 3593, 3599 3599 3599 3601 3602 3569, 3595, 3600, 3603 3603 3603 3604 3588 3603 2312 3603 3605 3605 3605 3559, 3606 3559, 3606 3606 3559, 3561 3608 3607 3607 3607 3606 34 f., 37, 1810, 3609 ff., 3620, 3621, 4129 3616, 3619, 3623 3428, 3616 3622 f. 3625 3625 3625 358 2386 363 2, 52, 2910a, 3009c, 3065, 3239, 3955 2309 55

1395

Gesetzesregister

535 544 Abs. 1 544 Abs. 3 545 Abs. 1 Ziff. 6 545 Abs. 1 Ziff. 7 545 Abs. 2 546 Abs. 1 562 568 Abs. 3 573 Abs. 3 602 622 Abs. 1 645 679 684 Abs. 2 698 Ziff. 5 703 704 718 Abs. 1 718a Abs. 1 725 758 759 Abs. 1 779a 814 Abs. 4 838 899 Abs. 1 965 967 Abs. 1 967 Abs. 2 968 973a Abs. 1 973a Abs. 2 974 978 1001 1002 1003 1007 1020 1022 Abs. 2 1044 1145 1156

1396

2325 2287, 2324 2288, 2300, 2302, 2309 796 77 3943 3867, 3895, 3974 142 766 766 142 2440 144 1838 2440 728 55 55 1045 1045 3071 728 2307 144 1045 144 1045 2424 2440 2440, 2877 2440 3530 3530 2440 2440 753 2440 2440 3117 3571, 3577 3577 2302 2440 23, 2319

ZGB (Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907; SR 210) 1 Abs. 1 1 Abs. 2 1 Abs. 3 2

312 259, 1682, 3704, 3715 3704, 3715 230, 1450, 1542, 1740, 1756, 2561, 2652, 2690, 3156, 3171, 3364, 3379, 3999 2 Abs. 1 193, 282, 292, 666, 1527, 1531, 1539, 1566, 1727, 1740, 1750, 1954, 2151, 2180, 2190, 2458, 3086, 3147 2 Abs. 2 199, 304, 322, 370 f., 373, 485, 580, 635j, 1352, 1808a, 2264, 2410, 2634, 2913b, 2991a, 3050, 3657, 3824 3 Abs. 2 665, 1391, 1807, 2162, 2188, 2553, 2561 4 798, 1500a, 1641, 1655, 2582, 2974, 3005a, 3024a, 3086, 3424, 3832 7 19, 467, 708 8 260, 693, 742, 1840, 2598, 3014c, 3163, 3355, 3471a 9 2404 11 141 f., 4103 12 145, 4103 13 1966, 2872 14 145, 2077 16 145, 457, 895, 1970, 1974, 1989 ff., 2078, 2883 17 148 18 147, 457 19 Abs. 1 148 19 Abs. 2 149, 1065 19a Abs. 1 148 19b Abs. 1 148 19b Abs. 2 1529 19c 150, 1966 19c Abs. 1 1065 23 171 27 20, 87, 207, 730, 798 f., 2606, 2749, 3086, 3402, 3709, 3903, 3976 27 Abs. 2 394, 423 ff., 433, 639, 1360, 1370, 1376, 1446, 3589, 3851a, 3938 28 136, 162 f., 165, 1945, 3938, 3992, 4117 28 Abs. 2 1965 28a 4150 28a Abs. 1 Ziff. 2 163

Gesetzesregister

28a Abs. 3 28g 29 29 Abs. 2 31 31 Abs. 2 52 53 54 55 55 Abs. 2 66 69 80 90 Abs. 2 91 101 102 114 125 Abs. 1 162 163 166 169 169 Abs. 1 177 178 Abs. 1 221 227 Abs. 2 228 228 Abs. 1 260 Abs. 2 264 304 Abs. 1 323 Abs. 1 328 331 Abs. 1 333 333 Abs. 1 334 334bis Abs. 3 342 Abs. 2 390 ff. 394 398 468 Abs. 2 470

113 136, 4117 136, 4117 113, 136 3793 143 3793 141 f., 4103 145, 4103 546 998, 1045 55 1045 50 150 2881 1298 1298 708 1782 3020 1878 1581 3020 2872, 3009b 658 2872 2324 2325 2325 2287, 2872 150 1298 1044 2872 1869 2075 1833, 1837, 2043, 2073 ff. 2073 ff., 4118 2227 2227 2302 2077 1044 148, 2077 150 2862, 2872

471 482 Abs. 2 482 Abs. 3 488 Abs. 1 498 499 505 512 512 Abs. 1 513 Abs. 1 517 518 521 Abs. 1 527 Abs. 1 Ziff. 3 533 Abs. 1 560 560 Abs. 1 560 Abs. 2 566 Abs. 1 570 Abs. 2 586 Abs. 2 598 602 602 Abs. 2 603 Abs. 1 604 604 Abs. 1 634 Abs. 2 635 Abs. 1 639 Abs. 1 639 Abs. 2 641 641 Abs. 1 641 Abs. 2

641a Abs. 1 642 646 652 653 Abs. 2 655 655 Abs. 2 655 Abs. 3

73 1301 1302 2323 50, 72 f. 2862 359 72 f., 1124 2862 358 3664 3664 2223 2888 2223 2984 754 1456 754 1298 2265 2884 2324 f. 2287 2302 161 2227 358 358 1461 1461 1947, 2057, 2893 1798 31, 91, 135, 381, 442, 582, 791, 962, 1111, 1115, 1152, 1317, 1802, 1820, 1827, 2146, 2226, 2337, 2854, 2875, 2883, 2913b, 2958a, 2965, 3010, 3023, 3025d, 3467, 3544, 4031, 4081, 4091, 4094, 4116, 4136 2718 2109 2061, 2287, 2324a 2061, 2287 2287 2057, 2417, 2896a f., 3798 2343 f. 2343

1397

Gesetzesregister

656 656 Abs. 1 657 657 Abs. 1 661 665 671 671 Abs. 1 672 672 Abs. 3 675 677 677 Abs. 1 678 679 679 Abs. 1 679a 680 Abs. 2 681 Abs. 1 681a Abs. 3 682 Abs. 1 684 684 Abs. 1 684 Abs. 2 685 685 Abs. 1 694 694 Abs. 1 713 714 714 Abs. 1 714 Abs. 2 715 715 Abs. 1 717 717 Abs. 1 722 Abs. 1 726 726 Abs. 1 727 Abs. 1 728 728 Abs. 1ter 729 730 731 Abs. 2

1398

1459, 2057, 2334 64, 2344, 2409, 2436 1442, 4047 363, 1419, 2344, 2402, 2403 582, 4125 2438, 2468 1800 3166 2216 1805 2058 2058 2896a 2216 133, 1838, 1902, 1973, 2043, 2082 ff., 2958a, 29 714118 2082 2094 363 2387 2389 161, 2387 2082, 2085, 2090 f., 2932, 2958a, 2971 2090 2090, 2093 2091 2082, 2091 89, 161 4116 2417 f., 2896a 1459, 2334, 2440 64, 2433 1309, 2226, 2377, 2553 1291, 2435 1296 3731 3732, 3742 1782 171, 2216 1028 3530 582, 2377, 4125 2555 64 1947 4125

731 Abs. 3 732 736 Abs. 1 737 745 745 Abs. 2 753 Abs. 1 756 Abs. 1 758 765 Abs. 1 776 776 Abs. 2 779 779c 782 793 807 827 832 832 Abs. 2 837 Abs. 1 Ziff. 1 837 Abs. 1 Ziff. 3 839 845 854 Abs. 1 884 884 Abs. 1 884 Abs. 3 889 Abs. 2 891 Abs. 1 895 896 Abs. 2 920 922 922 Abs. 2 923 924 924 Abs. 1 925 Abs. 1 926 927 928 933 934 934 Abs. 1

4125 3664 4125 4094, 4116 3034, 3042 4116 3046 3044 2909 3046 4116 1358 2058 4125 4116 2439 2227, 3092 768 1462, 2439 1462 2345 1447, 2399, 3200 2399, 3200 1462 753 3731 3732 3732, 3742 782 4116 782, 1447, 3015a, 3200, 3278 f., 3281, 3298, 3414, 3455, 3545, 4129 3545 2909, 2910 64, 2334, 2429, 2433, 2440 2429 3730 1200 2429 3553 3025d 4116 4116 65, 419, 1031, 1309 f., 1312, 1334, 2226, 2377, 2553 135, 4116 2555

Gesetzesregister

934 Abs. 2 936 938

2555 2554, 4116 135, 582, 1806, 1827, 2200, 2216 ff., 2577, 2664, 4116 939 1806, 2578 940 2200, 2217 942 2057 943 Abs. 1 2896b 958 Ziff. 1 64, 2344, 2436 959 2559, 2855 960 Abs. 1 Ziff. 1 1305 963 Abs. 1 64, 2334, 2437 963 Abs. 2 2438 965 Abs. 1 2437 972 64, 2344, 2436 972 Abs. 2 2985a 973 Abs. 1 2344, 2405, 2557 974 Abs. 2 69, 2336, 2437 975 381, 442, 4116 975 Abs. 1 69, 582, 2337, 2883 BV (Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999; SR 101) 8 Abs. 1 10 30 Abs. 2 123b

3992 20 621 2244

AlkG (Bundesgesetz vom 21. Juni 1932 über die gebrannten Wasser; SR 680) 42b Abs. 3 lit. d 3957

BBG (Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Berufsbildung; SR 412.10) 45

BEG (Bundesgesetz vom 3. Oktober 2008 über Bucheffekten; SR 957.1) 5 lit. e 7 Abs. 1

30 35

166 166

ATSG (Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts; SR 830.1) 72

2018 f.

3530 3530

BEHG (Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Börsen und den Effektenhandel; SR 954.1) 11 11 Abs. 1 lit. a 11 Abs. 1 lit. b 11 Abs. 1 lit. c 11 Abs. 2

3428, 3444, 3445a 3444 3444 3444 3445

BewG (Bundesgesetz vom 16. Dezember 1983 über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland; SR 211.412.41) 2 Abs. 1

166

BGG (Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht; SR 173.110) 97 Abs. 1

281

ChemV (Verordnung vom 5. Juni 2015 über den Schutz vor gefährlichen Stoffen und Zubereitungen; SR 813.11) 39

ArG (Bundesgesetz vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel; SR 822.11)

166

2113

CISG (Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11. April 1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf; SR 0.221.211.1) 1 1 Abs. 1 1 Abs. 1 lit. a 1 Abs. 1 lit. b 1 Abs. 2 2 2 lit. a 2 lit. b 2 lit. c

2712 ff. 2712, 2715, 2716, 2718 2713 2713 2714 2715, 2723 2724 2725 f. 2725, 2727

1399

Gesetzesregister

2 lit. d 2 lit. e 2 lit. f. 3 Abs. 1 3 Abs. 2 4 4 lit. a 4 lit. b 5 6 7 Abs. 2 8 8 Abs. 1 8 Abs. 2 8 Abs. 3 9 Abs. 2 10 lit. a 10 lit. b 11 12 13 14 14 Abs. 1 14 Abs. 2 15 Abs. 1 16 16 Abs. 2 lit. a 16 Abs. 2 lit. b 18 18 Abs. 1 18 Abs. 2 19 19 Abs. 1 19 Abs. 2 19 Abs. 3 20 21 Abs. 1 21 Abs. 2 22 23 24 25 26 28 29 Abs. 2 30 31

1400

2728 2728 f. 2730 2715, 2720 2722 2736, 2743 2736 f. 2736, 2741 2736, 2742, 2743 2713, 2732, 2751 2781, 2846 2740, 2746, 2751, 2757, 2770 2757 2757 293, 2757 2757 2712 2712 2739, 2758 2739 2739, 2758 2731, 2740, 2746 f., 2750 f. 2747, 2750 f. 213, 2747 2748 2752 2752 2752 2746, 2753 2753 2754 2755 2755 2755 2755 2754 2754 2754 2756 2754 2748 904, 2657, 2735, 2793 f., 2813 2814 2806, 2826 2758 2759, 2791 2761

31 lit. a 31 lit. b 31 lit. c 33 33 lit. a 33 lit. b 33 lit. c 35 35 Abs. 1 35 Abs. 2 35 Abs. 2 lit. a 35 Abs. 2 lit. b 35 Abs. 2 lit. c 35 Abs. 2 lit. d 36 Abs. 1 38 38 Abs. 1 39 39 Abs. 1 39 Abs. 2 41 42 44 45 45 Abs. 1 45 Abs. 1 lit. b 46 46 Abs. 1 46 Abs. 2 46 Abs. 3 47 47 Abs. 1 47 Abs. 2 48 48 Abs. 1 48 Abs. 2 48 Abs. 3 49 49 Abs. 1 lit. a 49 Abs. 1 lit. b 49 Abs. 2 49 Abs. 2 lit. a 49 Abs. 2 lit. b 50 50 Abs. 1 51 Abs. 1 52

2762 2763 f. 2764 2765 2765 2765 2765 2672, 2737, 2766, 2769 2766, 2770 2766, 2771, 2791 2771 2773 f. 2775 2776 2767 2784, 2819 2820, 2821 2807, 2819 2819, 2821 2821 2777 f. 2778 2823 2791 2805 2818 2805, 2806 2806 2786, 2808 2689, 2807 2805, 2809 2800, 2809, 2813 2812 2817, 2825, 2831 2832 2833 2833 904, 2786, 2805, 2813, 2832, 2840 2657, 2682, 2792, 2813 2810, 2813 2814 2814 2814 2805, 2817, 2840 2817 8805a 2786

Gesetzesregister

53 54 55 57 57 Abs. 1 lit. a 57 Abs. 1 lit. b 57 Abs. 2 58 58 Abs. 1 58 Abs. 3 60 60 lit. b 61 61 Abs. 1 61 Abs. 1 lit. b 62 63 63 Abs. 1 64 64 Abs. 1 lit. a 64 Abs. 1 lit. b 64 Abs. 2 lit. a 64 Abs. 2 lit. b 65 66 67 Abs. 1 67 Abs. 2 69 Abs. 1 69 Abs. 2 69 Abs. 3 74

2779 2780 2750 f., 2791 2785 2785 2785 2785 2782 2782 f. 2782, 2784 2786 2786 2791 2824 2830 2824, 2826 2824, 2827 2827 904, 2824, 2828 2792, 2828 2828 2829 2829 2825 2787 2498, 2788 2789 2790 2489, 2493, 2497, 2500, 2790 2789, 2790 2673, 2675, 2805, 2818, 2824, 2830, 2834, 2836, 2838 75 2836 76 2836 77 2837 78 2846 79 2673, 2675, 2834 f., 2840 f. 79 Abs. 5 2840 80 2834, 2840, 2845 82 Abs. 1 2815 f., 2816 82 Abs. 2 2816 82 Abs. 2 lit. a–c 2815 95 2713 96 2739 100 2731 100 Abs. 1 2731 100 Abs. 2 2731

CMR (Übereinkommen vom 19. Mai 1956 über den Beförderungsvertrag im internationalen Strassengüterverkehr; SR 0.741.611) 32

2230

DesG (Bundesgesetz vom 5. Oktober 2001 über den Schutz von Design; SR 232.12) 14 Abs. 2 15

2402 3788

EBG (Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957; SR 742.101) 40b 40b Abs. 1

2136 1833

EG ZGB ZH (Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 2. April 1911; LS 230) § 215 § 223

692 2357

EMRK (Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten; SR 0.101) 6 Ziff. 1

2243

FIDLEG (Bundesgesetz vom 15. Juni 2018 über die Finanzdienstleistungen; BBl 2018 3615 ff.) 6 7 8 10 15 17 25

3445a 3445a 3445a 3445a 3445a 3445a 3445a

FINIG (Bundesgesetz vom 15. Juni 2018 über die Finanzinstitute; BBl 2018 3557 ff.) 41

3445a

FMG (Fernmeldegesetz vom 30. April 1997; SR 784.10) 11

160

1401

Gesetzesregister

FusG (Bundesgesetz vom 3. Oktober 2003 über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung; SR 221.301) 22 Abs. 1 3 29 69 73 Abs. 2 75 Abs. 1 76 Abs. 1 76 Abs. 2

1456 1468 1468 1460, 1468 1460 1460 1465 1466

GBV (Grundbuchverordnung vom 23. September 2011; SR 211.432.1) 47 Abs. 1 64 Abs. 1 lit. a

1299 2409

GlG (Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Gleichstellung von Frau und Mann; SR 151.1) 3 5 Abs. 2

163 163

IPRG (Bundesgesetz vom 18. Dezember 1987 über das Internationale Privatrecht; SR 291) 5 Abs. 1 19 116 117 Abs. 2 120 120 Abs. 1 124 178 Abs. 1

347 405 403 3945 3324 635k 2739 347

JSG (Bundesgesetz vom 20. Juni 1986 über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel; SR 922.0) 15

1833

KG (Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen; SR 251) 5 5 Abs. 1

1402

608, 3834, 3837, 3851a, 3908 1953

5 Abs. 2 5 Abs. 4 7 7 Abs. 1 7 Abs. 2 13 lit. b

3834 3854, 3908 3834 1953 160 160

KGTG (Bundesgesetz vom 20. Juni 2003 über den internationalen Kulturgütertransfer; SR 444.1) 2 Abs. 1 3 Abs. 1 3 Abs. 2 3 Abs. 2 lit. a

2376, 2555 2377 2377 2562, 2571

KHG (Kernenergiehaftpflichtgesetz vom 18. März 1983; SR 732.44) 3 Abs. 1 7 Abs. 2 10 Abs. 1

4118 1896 4129

KKG (Bundesgesetz vom 23. März 2001 über den Konsumkredit; SR 221.214.1) 1 1 Abs. 1 1 Abs. 2 lit. a 1 Abs. 2 lit. b 2 3 5 6 7 7 Abs. 1 7 Abs. 1 lit. a 7 Abs. 1 lit. b 7 Abs. 1 lit. c 7 Abs. 1 lit. e 7 Abs. 1 lit. f. 8 8 Abs. 1 9 9 Abs. 1 9 Abs. 2 lit. b 9 Abs. 2 lit. h 10

3095 ff. 2904, 3093, 3095, 3099 2905, 3100, 3738, 3744a f. 3100 3093, 3095, 3098c 269, 635k, 3093, 3095, 3098, 3098b, 3738 3103 3103 3093, 3099, 3101, 3744c 3100 3101 3101 3101 3101, 3744c 3099 ff. 3093, 3100, 3120b 3744b f., 3748 340, 359, 364, 377, 3102 f. 3102 692, 3103, 3116 3103 3103 f.

Gesetzesregister

11 11 Abs. 2 11 Abs. 2 lit. a 11 Abs. 2 lit. e 11 Abs. 2 lit. f. 11 Abs. 2 lit. g 12 14 15 15 Abs. 1 15 Abs. 2 15 Abs. 3 15 Abs. 4 16 16 Abs. 1 16 Abs. 2 16 Abs. 3 17 17 Abs. 1 17 Abs. 2 17 Abs. 3 18 18 Abs. 1 18 Abs. 2 18 Abs. 3 19 20 21 21 Abs. 1 21 Abs. 1 lit. a 22 23 28 28 Abs. 2 28 Abs. 3 28 Abs. 4 29 29 Abs. 1 31 Abs. 1 31 Abs. 2 31 Abs. 3 32 32 Abs. 1 32 Abs. 2 33 34 37

3103, 3105, 3745 3746 3744c, 3751 3103 3103 3113, 3785 3103, 3106 692, 3075, 3103 381, 3107, 3111b 3107, 3111b, 3746 271, 3108, 3111b 3108 3107, 3746 12, 269 ff., 3108, 3315a, 3331 270, 3108 270, 3108 271, 3108 3112 f. 3112 3112 3113, 3744a, 3785 3114 ff. 3115 3115 3116 3117 3117 3118 ff., 3760, 3777 3118 f. 3120 f. 3096, 3109 3110 3110 3110, 3748 3110, 3748 3110 3748 3748 3110 3110 3110 3111 ff. 3111 ff., 3748 ff. 3111, 3748, 3751 3103 3103 3096, 3326

LBG (Bundesgesetz vom 7. Oktober 1959 über das Luftfahrzeugbuch; SR 748.217.1) 36

2227

LFG (Bundesgesetz vom 21. Dezember 1948 über die Luftfahrt; SR 748.0) 64

2136

MSchG (Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben; SR 232.11) 17 Abs. 2 18 27 55 Abs. 2 55 Abs. 4

2402 3788 2440 1948 3797

PatG (Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente; SR 232.14) 14 Abs. 1 29 Abs. 3 33 Abs. 2bis 33 Abs. 3 34 34 Abs. 3 36 37 40 40a 71 Abs. 1 72 Abs. 1 73 Abs. 1 75

3831 3813 2402 2440 3664, 3788 3798 3813 3813 3813 3813 4117 136 1948 3797

PauRG (Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über Pauschalreisen; SR 944.3) 1 1 Abs. 1 1 Abs. 1 lit. b 1 Abs. 1 lit. c 1 Abs. 2 2 2 Abs. 1 2 Abs. 2

3990 3626, 3631, 3634 f. 3634 3634, 3642, 3990 3635 3640 ff., 3990 3640, 3645 3631, 3641

1403

Gesetzesregister

2 Abs. 3 3 3 lit. b 4 4 Abs. 1 4 Abs. 2 5 6 6 Abs. 1 lit. c 6 Abs. 1 lit. d 7 7 lit. a 7 lit. b 7 lit. c 8 Abs. 1 8 Abs. 2 10 Abs. 1 10 Abs. 3 12 12 Abs. 1 12 Abs. 2 12–13 12–16 13 13 Abs. 1 13 Abs. 1 lit. a 13 Abs. 1 lit. b 13 Abs. 2 14 14 Abs. 1 15 15 Abs. 1 15 Abs. 1 lit. a 15 Abs. 1 lit. b 15 Abs. 1 lit. c 15 Abs. 2 16 17 17 Abs. 1 17 Abs. 2 18 Abs. 1 19

1404

3640 3638 3638 3639, 3645 615, 3639 615 3645 3639, 3645 3639 3639 3658 3658 3658 3658 3659 3659 3659 3659 3638, 3647 3647 3647 3647 3647 3648 3650 3648 3648 f. 3648, 3650 2673, 3649, 3651 f., 3712 2672, 3641, 3650, 3651 2673, 2675 3655 3655 3655 3655 3641 1019 3646, 3656 3656 f. 3641, 3656 f. 3641 3326, 3637, 3639, 3657

PBG (Bundesgesetz vom 20. März 2009 über die Personenbeförderung; SR 745.1) 1 5 19

3476 3476 3476

PG (Postgesetz vom 17. Dezember 2010; SR 783.0) 13 32

160 160

PrHG (Bundesgesetz vom 18. Juni 1993 über die Produktehaftpflicht; SR 221.112.944) 1 1 Abs. 1 1 Abs. 1 lit. a 1 Abs. 1 lit. b 1 Abs. 2 2 2 Abs. 1 2 Abs. 1 lit. a 2 Abs. 1 lit. b 2 Abs. 1 lit. c 2 Abs. 2 3 3 Abs. 1 lit. a 3 Abs. 1 lit. b 4 4 Abs. 1 4 Abs. 1 lit. a 4 Abs. 1 lit. b 4 Abs. 1 lit. c 4 Abs. 2 5 5 Abs. 1 lit. a 5 Abs. 1 lit. b 5 Abs. 1 lit. c 5 Abs. 1 lit. d 5 Abs. 1 lit. e 5 Abs. 2 6 Abs. 1 7 8 9 10 11 Abs. 1 11 Abs. 2

2097, 2103 133, 2098, 2103, 2111, 2641, 4118 2104 2105 2103, 2107, 2641 2097, 2098, 4000 2098, 2102 2099 2100 2101 2102 2097, 2108, 2111 2109 2109, 2116 2097, 2108 2112 2113 2114 2115 2115 2117 1836, 2118 2119 2120 2121 2122 2099, 2123 2106 2098, 2302 1019, 2124 f., 2641 2126, 2237, 4129 2126, 2223 2104 2127

Gesetzesregister

PrSG (Bundesgesetz vom 12. Juni 2009 über die Produktesicherheit; SR 930.11)

StGB (Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937; SR 311.0)

3 5 8

97 101 101 Abs. 1 lit. e 109 128 Abs. 1 138 139 146 147 149 157 157 Ziff. 1 181 186 261bis Abs. 5 305bis

1953 1953 1953

SchKG (Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs; SR 281.1) 38 38 Abs. 1 63 Abs. 3 69 80 Abs. 2 Ziff. 1bis 81 Abs. 2 85a 86 92 92 Abs. 1 Ziff. 1 92 Abs. 1 Ziff. 3 93 Abs. 1 99 125 133 142 146 204 Abs. 1 207 Abs. 3 212 219 Abs. 4 257 271 271 Abs. 1 Ziff. 2 273 Abs. 1 286 322

2977 812 1808a 921 3584a 3584a 3584a 1789, 1808a 3016, 3030 3016 3016 3110 658 2356 2356 2988 1383 65, 1342 2265 2543 1383, 3941 2356 1305 1964 1953 2889 2356

SoSchG (Bundesgesetz vom 20. März 1975 über den Schutz von Pflanzenzüchtungen; SR 232.16) 21 22

2244 2244 2244 2244 1949 1953 1953 20, 93, 596, 1953 1953 3993, 3995 20, 596 692 596, 3025d 2936c, 3025d 163, 3992 1953

SVG (Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958; SR 741.01) 7 Abs. 1 58 Abs. 1 58 Abs. 2 59 Abs. 1 60 Abs. 1 62 Abs. 2 63 63 Abs. 1 65 Abs. 1 65 Abs. 2 65 Abs. 3 70 71 Abs. 1 75 Abs. 1 76 Abs. 2 lit. a 76 Abs. 2 lit. b 83 Abs. 1 89 Abs. 1

2136 133, 1833, 1892, 1902, 2128, 2129, 2130, 2135, 2138 f., 4118 2139 2140 2134 1897 f. 160 2128, 2141 2141 2141 2141 2136 2133 2133, 2136 2141 2141 2142 f. 2136

3788 3813

1405

Gesetzesregister

UNESCO–Konvention (Übereinkommen vom 14. November 1970 über die Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut; SR 0.444.1) 1 1 lit. c 1 lit. g 1 lit. k 1 lit. i

2376 2376 2376 2376 2376

URG (Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte; SR 231.1) 2 Abs. 3 62 Abs. 1 lit. b 62 Abs. 2

3791 136, 4117 1948

USG (Bundesgesetz vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz; SR 814.01) 59a Abs. 1

133, 4118

UWG (Bundesgesetz vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wettbewerb; SR 241) 2 3 Abs. 1 lit. m 4 4 lit. d 5 8

9 Abs. 1 9 Abs. 1 lit. b

636 2351 419 2351 1798 297, 408, 610 ff., 611 ff., 634 ff., 637 f., 1019, 2384, 2635b, 2740, 2914 1953 636

VAG (Bundesgesetz vom 17. Dezember 2004 betreffend die Aufsicht über Versicherungsunternehmen; SR 961.01) 40

VKKG (Verordnung vom 6. November 2002 zum Konsumkreditgesetz; SR 221.214.11) 1 2 4

692, 3075, 3103 3110 3098c

VMWG (Verordnung vom 9. Mai 1990 über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen; SR 221.213.11) 1 2 Abs. 1 2 Abs. 2 3 4 5 8 Abs. 2 9 9 Abs. 1 lit. c 10 11 12 12 Abs. 1 12a 13 13 Abs. 4 14 16 17 18 19 19 Abs. 1 lit. a Ziff. 4 19 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 20

2896g 2896f, 3017 3017 2913a 2923 ff. 2923 2917a 3007 3007 2896f, 3017b ff. 3017d 3017h 3019g 3019g 3017h 3019g 3017h, 3019g 3017h, 3019g 3018g, 3019o 3017i 2915, 3017n 3017m 3017m 3017m

VPB (Verordnung vom 4. November 2009 über die Personenbeförderung; SR 745.11) 8 Abs. 1 lit. a

3476

3390 VVG (Bundesgesetz vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag; SR 221.229.1) 14 Abs. 2 33 34

1406

2141 630 3389 f.

Gesetzesregister

44 Abs. 3 72 Abs. 1 98

3389 1379, 2018 405

VVV (Verkehrsversicherungsverordnung vom 20. November 1959; SR 741.31) 38

2136

VZV (Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr; SR 741.51) 78

2131

WZG (Bundesgesetz vom 22. Dezember 1999 über die Währung und die Zahlungsmittel; SR 941.10) 3 Abs. 1 3 Abs. 2

687 662, 687

ZertES (Bundesgesetz vom 18. März 2016 über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur und anderer Anwendungen digitaler Zertifikate; SR 943.03) 2 lit. e 2 lit. j 3

357 357 357

ZPO (Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008; SR 727) 17 Abs. 2 31 32 32 Abs. 2 33 35 35 Abs. 1 lit. b 70 77 78 78 Abs. 1 80 113 Abs. 1 113 Abs. 2 lit. c 115

347 3025b 621, 635k, 3025b 635k 3025b 621 3025b 2910a 2573 15, 2572 2573 2573 3025a 3025a 3025a

138 Abs. 3 lit. a 164 197 198 198 lit. a 199 201 Abs. 1 208 Abs. 1 209 209 Abs. 1 209 Abs. 1 lit. a 209 Abs. 1 lit. b 209 Abs. 3 209 Abs. 4 210 210 Abs. 1 210 Abs. 1 lit. b 211 211 Abs. 1 212 Abs. 1 236 Abs. 3 243 Abs. 2 lit. c 248 250 lit. a Ziff. 1 257 257 Abs. 3 261 335 337 Abs. 1 343 Abs. 1 lit. d 343 Abs. 3 347 349 358

186 2917b 15, 3025 f., 3025e 3025a 3025e 3025a 3025a 3025c 3025e 3025c 3025c 3019c, 3025c 3025c 3025c 3025e 3025c 3019c 3019c 3025c 3025c 3025f 3025e 3025e 1109 2936c, 3025a, 3025e 3025e 2936c, 3025a 812 3025f 3025f 3025f 812, 3584a 3584a 349

Bundesgesetz vom 28. September 1923 über das Schiffsregister; SR 747.11 45

2227

1407

Sachregister OR AT & BT Die Zahlen verweisen auf die Randnote(n), die fett gedruckten Zahlen überdies auf die Hauptfundstelle(n).

A Ablieferung, 2631b, 2631d, 2632 f., 2637, 2745, 3447, 3497, 3503, 3512, 3518 – bei der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1649, 1653, 1656 – beim einfachen Auftrag, 3275 f. – beim Werkvertrag, 3121 f., 3138, 3143, 3146, 3148 ff., 3152, 3155, 3157 f., 3161, 3184, 3189 ff., 3203, 3207 Abmahnung – beim einfachen Auftrag, 3271, 3273 – beim Werkvertrag, 3155a, 3205 Abnahmekosten, s. Kosten, Abnahmekosten Abnahmepflicht, 2779, 2786, 2804, 2826, 3863 Absatzmittlungsvertrag, s. auch Alleinvertriebsvertrag Abschluss des Vertrages, 47 f., 140 ff., 201, 385, 387, 399, 401, 413, 417, 433, 444, 448 f., 456, 459, 546, 579, 580, 605, 632, 1029, 1440 f., 1667 f., 2048, 2440 f., 2260, 2374, 2480, 2482, 2513, 2639, 2848, 3096, 3102, 3108, 3112, 3189, 3228, 3409, 3447, 3451, 3691 f., 4021, 4102 ff. – Annahme, s. Annahme (Akzept) – Antrag, s. Antrag (Angebot; Offerte) – Austausch der Willenserklärungen, s. Gegenseitigkeit der Willenserklärungen – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2712, 2714, 2718, 2724, 2731, 2732, 2736, 2746 ff., 2774, 2785, 2798, 2838, 2843 – Übereinstimmen der Willenserklärungen, s. Konsens; und s. auch Dissens – Vertragspartei, s. dort – Voraussetzungen, 140 ff. – Widerruf von Willenserklärungen, s. Widerrufsrecht – Willenserklärung, s. dort Abschlussagent, 3345, 3346, 3386 f., 3390, 3392, 3395, 3401 f., 3410, 3416, 3418, 3433 Abschlussfreiheit, 4 f., 151 ff., 337, 3378 – gesetzliche Einschränkungen, 159 ff. – rechtsgeschäftliche Einschränkungen, 153 ff.

Abschlussvermittlung, 1038, s. auch Vermittlungsagent; und s. auch Vermittlungsmäkler – Abgrenzung zur direkten Stellvertretung, 1038 Abschlusswille, 159, 213, 254, 350, 387, 3367, s. auch Rechtsbindungswille (Geschäftswille; Rechtsfolgewille; Verpflichtungswille; vertraglicher Bindungswille; Vertragswille) Absendeprinzip, 266, 3332 Absicht, 1811, 1959, 1969, 1976, 2008, 2573, 2620 – Täuschungsabsicht, s. dort – Schenkungsabsicht, s. dort absichtliche Täuschung, 20, 447 ff., 464, 468, 485, 515, 518, 532 ff., 551, 569, 578, 580 f., 589, 596 f., 600, 603, 936, 1405, 1453 f., 2355 f., 2620, 2631, 2631f, 2636, 4106 – Begriff, 532 f. – durch einen Dritten, 546 ff. – Konkurrenz zur Rechtsgewährleistung (Eviktionshaftung), 603, 2584 – Voraussetzungen, 534 ff. absolut subjektives Recht, 86 f., 90 f., 93, 124, 129, 132, 135 f., 1798, 1854, 1867, 1875, 1940, 1944 ff., 2170 f., 2201, 2210, 2226, 2422 f., 2552, 2700, 3028, 3788, 3792, 3798, 4094, 4116 f., 4125, 4136 – dingliches Recht, s. dort – Immaterialgüterrecht, s. dort – Namens- und Firmenrecht, 87, 136, 1798, 2170, 2423, 2559, 4117 – Persönlichkeitsrecht, s. dort absolute Frist, 573, 2236b, 2243, 2244a, 2248, 2631a, 2631e absolute Methode, 3017f f., 3019b absolutes Fixgeschäft, 710, 823, 925, 2518 Absorptionstheorie, 3697 f. Abstraktionsprinzip, 68, 70 ff. Abtretung (Zession), 25, 44, 64, 71, 200, 358, 364, 380, 664, 732, 767, 1032, 1157, 1162 f., 1166, 1254, 1296, 1322 ff., 1467, 1800, 2172, 2338, 2402, 2423, 2427, 2440, 2556, 2743, 3117, 3587, 3646, 3656 f., 3754, 3779, 3911, 3920 ff., 3927 ff., 3937 ff., 3941 – Abgrenzung, 1324 ff. – zum echten Vertrag zugunsten eines Dritten, 1162 f., 1325

1409

Sachregister



– – –

– – – – – – –

– – – – – – – – – –

– zur Anweisung, 1327 – zur externen Schuldübernahme, 1326, 1455 – zur Stellvertretung, 1324 abstrakter oder kausaler Charakter des Verfügungsvertrages, 71, 732, 1332 ff., 2338, s. auch Verfügungsvertrag als Verfügungsvertrag, 1328 ff., s. auch Verfügungsvertrag Anzeige, s. Notifikation (Denunziation) Arten – Abtretung künftiger Forderungen, s. Vorausabtretung – Abtretung von Gestaltungsrechten, 1353 ff., 3185 f., 3761 ff. – Blankozession, s. dort – Einzelzession, s. dort – fiduziarische Abtretung, s. dort – Globalzession, s. dort – Inkassozession, s. dort – Kettenzession, s. dort – Legalzession, s. dort – Mehrfachzession, s. dort – Rückzession, s. dort – Sicherungszession, s. dort – Übergang durch Richterspruch, 1380 f. Begriff, 1322 f. debitor cessus, s. dort; s. auch Abtretung (Zession), Stellung des Schuldners Denunziation, s. Notifikation (Anzeige) Durchgangstheorie, s. dort Einrede, s. Einrede, bei der Abtretung (Zession) Einwendung, s. Einwendung, bei der Abtretung (Zession) Gewährleistung für abgetretene Forderung, s. Gewährleistung, bei der Abtretung (Zession) für abgetretene Forderung Notifikation, s. Notifikation (Anzeige; Denunziation) pactum de cedendo, s. dort pactum de non cedendo, s. dort Prätendentenstreit, s. dort Stellung des Schuldners, 1385 ff. Teilforderung, 1352 Unmittelbarkeitstheorie, s. dort Verpflichtungsgeschäft, s. pactum de cedendo vertragliche Vereinbarung über Abtretbarkeit der Forderung, s. pactum de non cedendo Voraussetzungen, 1340 ff. – Abtretbarkeit, 1340, 1351 ff., 1365, 2388, 3185 f., 3763, 3779, 3798 – Bestimmbarkeit, 1340, 1344 f., 1366 f., 1368 ff., 2510, 3763, 3937

1410

– Formerfordernis, 364, 1340, 1344 ff. – Verfügungsmacht, s. dort – Wirkungen, 1382 ff. Abwicklungsverhältnis, s. Rückabwicklung (Liquidation) accidentalia negotii, 260, 365, s. auch Vertragspunkt, unwesentlicher Vertragspunkt, objektiv unwesentlicher Vertragspunkt actio pro socio, 3065 Adäquanztheorie, 1920 adäquater Kausalzusammenhang, 119, 121, 544, 857, 889 ff., 1556, 1671, 1758, 1843, 1916 f., 1920 ff., 1925, 1926, 1929, 2029, 2083, 2097, 2129, 2957, 3264, 3289, 3516, 4111, 4119 affectio societatis (animus societatis), 3065, 3955 Affektionswertersatz, 1912 f. AGB, s. Allgemeine Geschäftsbedingungen Agent im Nebenberuf, 3388 Agenturvertrag, 3219, 3384 ff., 3447, 3633, 3845, 3869 ff., 3879, 3903 – Abgrenzung, 3391 ff. – zum Alleinvertriebsvertrag, 3395, 3849 – zum einfachen Auftrag, 3391 – zum Franchisevertrag, 3881 – zum Handelsreisendenvertrag, 3393 f. – zum Mäklervertrag, 3345, 3346, 3391 f. – zur Kommission, 3391 f., 3433 – Arten, 3385 ff. – Abschlussagent, s. dort – Agent im Nebenberuf, s. dort – Vermittlungsagent, s. dort – Versicherungsagent, s. dort – Beendigung, 3397 ff., s. auch Kündigung, des Agenturvertrages – Begriff, 3384 ff. – Delkredere, s. Delkredere, beim Agenturvertrag – Entstehung, 3396 – Exklusivität, s. dort – Inkasso-Provision, s. dort – Karenzentschädigung, s. Karenzentschädigung, beim Agenturvertrag – Konkurrenzverbot, s. Konkurrenzverbot, des Beauftragten beim Agenturvertrag – Kundschaftsentschädigung, s. Kundschaftsentschädigung, beim Agenturvertrag – Pflichten des Agenten, 3401 ff. – Provision, s. Provision, beim Agenturvertrag – Rechte des Agenten, 3408 ff. – Retentionsrecht, s. Retentionsrecht, beim Agenturvertrag – Sorgfaltspflicht, s. Sorgfaltspflicht, des Beauftragten, beim Agenturvertrag

Sachregister

– Treuepflicht, s. Treuepflicht, des Beauftragten, beim Agenturvertrag – Verbot der Doppelvermittlung, 3404 – Weisungsbefolgungspflicht, s. Weisungsbefolgungspflicht, des Beauftragten, beim Agenturvertrag Akkreditivbank, 1224, 1227 ff., 1231, 1235, 1239, s. auch Dokumentenakkreditiv Akkreditivklausel, 1227, 1229, s. auch Dokumentenakkreditiv Akkreszenztheorie, 1139 Akzept, s. Annahme Akzessionsprinzip, 2109, 3131, 3166 Akzessorietät, 1172, 1174, 1177 f., 1254, 1274, 2229, 2851, 3617 – beim Bürgschaftsvertrag, 1172, 1431, 3555, 3568, 3574, 3587 f., 3594, 3605 aliud-Lieferung, 851 – beim Kaufvertrag, 2588 ff. – beim Werkvertrag, 3160, 3202 – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2768 Alleinvertriebsvertrag, 152, 158, 794, 2172, 3345, 3428, 3690, 3835 ff., 3879 – Abgrenzung, 3846 ff. – zum Agenturvertrag, 3395, 3849 – zum Arbeitsvertrag, 3848 – zum einfachen Auftrag, 3849 – zum Franchisevertrag, 3850, 3883 – zum Kaufvertrag, 3847 – zum Vorvertrag, 3846 – zur Kommission, 3434 – Beendigung, 3867 f., s. auch Kündigung, beim Alleinvertriebsvertrag – Begriff, 3835 ff. – Erscheinungsformen, 3842 – Gebietsschutz, s. dort – Gewährleistung, s. Gewährleistung, beim Alleinvertriebsvertrag – Gültigkeit, 3851 f. – Karenzentschädigung, s. Karenzentschädigung, beim Alleinvertriebsvertrag – Kartellrecht, s. Kartellrecht, beim Alleinvertriebsvertrag – Konkurrenzverbot, s. Konkurrenzverbot, des Händlers beim Alleinvertriebsvertrag – Kundschaftsentschädigung, s. Kundschaftsentschädigung, beim Alleinvertriebsvertrag – Leistungsstörung, s. Leistungsstörung, beim Alleinvertriebsvertrag – Pflichten der Lieferantin, 3852 ff. – Pflichten des Händlers, 3858 ff.

– Rechtsnatur, 3843 ff. – Treuepflicht, s. Treuepflicht, des Händlers beim Alleinvertriebsvertrag – wirtschaftliche Funktion, 3840 f. Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), 605 ff., 2914, 3893 – Auslegungskontrolle, s. dort – Battle of the Forms, s. dort – Begriff, 605 – Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), s. Geltungskontrolle, Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) – Freizeichnungsklauseln, s. Wegbedingung der Haftung (Freizeichnung; Haftungsbeschränkung), in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) – Geltungskontrolle, s. dort – Globalübernahme, 232 f., 612d, 614, 617, 619 f., 626, 638 – Inhaltskontrolle, s. dort – Problematik, 606 ff. – Rechtslage, 609 ff. – Restriktionsprinzip, s. dort – Ungewöhnlichkeitsregel, s. dort – Vollübernahme, 612d, 617, 626, 638 – Wegbedingung der Haftung, s. Wegbedingung der Haftung (Freizeichnung; Haftungsbeschränkung), in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) Alternativermächtigung, 670, 678 f., 688 f., 1263, 2444, 4014, 4024 Alternativverhalten, rechtmässiges, s. rechtmässiges Alternativverhalten Änderungsfreiheit, 4 f., 639 Andeutungstheorie, 298, 317 Anfechtungstheorie, 564, 566, 570, 574, 576, 582, 1787, s. auch Willensmangel, Ungültigkeit und andere Wirkungen Angebot, s. Antrag (Offerte) Angeld, 1244 f., 1248 f. animus negotia aliena gerendi, 1615, 1623 ff., s. auch Fremdgeschäftsführungswille animus novandi, 741, s. auch Neuerung (Novation), Neuerungswille (Novierungswille) animus societatis, s. affectio societatis Annahme (Akzept), 179, 201 ff., 221 ff. – Arten – ausdrückliche Annahme, 223 – konkludente (schlüssige) Annahme, 223, 231 – stillschweigende Annahme, s. Annahme, Arten, konkludente (schlüssige) Annahme – Begriff, 221 f. – Frist, 234 ff.

1411

Sachregister

– im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2746, 2752, 2753 ff. – kaufmännisches Bestätigungsschreiben, s. dort – Schweigen als Annahme, s. Schweigen – von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), s. Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), Globalübernahme; s. auch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), Vollübernahme; und s. ferner auch Geltungskontrolle – Voraussetzungen, 223 ff. – Widerruf, 261 ff. – Wirkungen, 234 ff. – Bindungswirkung, 234 ff. – Gestaltungswirkung, 243 f. Annahmeobliegenheit, 968, 971 – beim Darlehen, 3072 – beim Kaufvertrag, 2452, 2462 ff. – des Gläubigers im Rahmen eines Bürgschaftsvertrages, 3599 – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2786 Annahmeverweigerung, 652, 980, 988, 1180, – antizipierte Annahmeverweigerung, 978 – beim Kaufvertrag, 2464 – beim Werkvertrag, 3164, 3173a – des Gläubigers im Rahmen eines Bürgschaftsvertrages, 3599 – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2786, 2804 Anpassung des Vertrages an veränderte Umstände, 320 ff., 639, s. auch clausula rebus sic stantibus – Abgrenzung, 323 ff. – zum Grundlagenirrtum, 323 ff. – zur Kündigung aus wichtigem Grund, 326a, 800 – zur Unmöglichkeit der Leistung (Leistungsunmöglichkeit), 825 – Voraussetzungen, 327 ff. – Wirkungen, 333 f. Anpreisung, 2601 f., 2604 – Abgrenzung zur Zusicherung (als unselbständige Garantie), 2601 ff. Anscheinsvollmacht, 1095, 1099 ff., 1639, 3387 Anspruch, 28a ff., 4081 ff. – ausservertraglicher (extrakontraktueller) Anspruch, 123, 132, 138, 908, 1473, 1515, 1518, 1526, 1551, 1566, 1568, 1609, 1669, 1677, 1766, 1767 ff., 1829 ff., 2143 ff., 2338, 3220, 3233, 4093 f., 4096 f., 4116 ff., 4125 – Begriff, 28a ff.

1412

– quasivertraglicher (quasikontraktueller) Anspruch, s. dort – vertraglicher (kontraktueller) Anspruch, 123, 138, 585, 907 ff., 962, 1111, 1115, 1152, 1155, 1157, 1222, 1244, 1264, 1315, 1317, 1330, 1333, 1339, 1388, 1479, 1513, 1567, 1570, 1572 f., 1600, 1602, 1766, 1769, 1789, 1793, 1795, 1823 ff., 1840, 1856, 1872, 2337 f., 2854, 2925a, 3018c, 3019e, 3019j, 3364, 3782, 4031, 4093 f., 4096 f., 4098 ff., 4124 Anspruchskonkurrenz, 598, 600 ff., 908, 1011, 1695, 1799, 1828, 1840, 2202, 2212, 2215, 2303, 2695 ff., 2967, 3025d, 4140, 4143 ff. Anspruchsmethode, 30, 130, 1766, 4079 ff. antizipierter Vertragsbruch, 927 – beim Werkvertrag, 3152 Antrag (Angebot; Offerte), 179, 201 ff., 204 ff. – Abgrenzung, 211 ff., 214 ff. – zum Preisausschreiben, 216 f. – zur Auslobung, 214 f. – zur Einladung zur Offertstellung (invitatio ad offerendum), 211 ff. – zur Realofferte, 208a – Begriff, 204 f. – Gegenantrag, s. Gegenantrag (Gegenangebot; Gegenofferte) – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2731, 2746, 2747 ff., 2753 ff. – Voraussetzungen, 206 ff. – Bestimmbarkeit der Vertragsparteien, 210 – Bestimmbarkeit des Antrags, 206 f. – Form, 209 – Widerruf, 261 ff. – Wirkungen, 234 ff. – Bindungswirkung, 234 ff. – Gestaltungswirkung, 243 f. – Zusenden unbestellter Sachen, s. dort Anweisung, 658 f., 796, 1157, 1182 ff., 1235, 1823 f., 2871 – Abgrenzung, 1196 ff. – zum einfachen Auftrag, 1197 – zum Vertrag zugunsten eines Dritten, 1128, 1196 – zur Abtretung (Zession), 1327 – zur Besitzanweisung, 1200 – zur direkten Stellvertretung, 1041 – zur externen Schuldübernahme, 1458 – zur Inkassovollmacht, 1198 – zur Zahlstelle, 1199 – Arten, 1191 ff. – Anweisung auf Schuld, 1193 – Kreditanweisung, s. dort

Sachregister

– titulierte Anweisung, 1194 f., 1213, 1223 – Zahlungsanweisung, s. dort – Begriff, 1182 ff. – bereicherungsrechtliche Fragen, 1216 ff. – Deckungsverhältnis, s. dort – Dokumentenakkreditiv, s. dort – Einlösungsverhältnis, s. Leistungsverhältnis – Leistungsverhältnis (Einlösungsverhältnis), s. dort – rückabwicklungsrechtliche Fragen, 1216 ff. – Valutaverhältnis, s. dort – Widerruf, 1214 f. – wirtschaftliche Bedeutung, 1201 Anzeige – bei der Abtretung (Zession), s. Notifikation (Anzeige; Denunziation) – von Mängeln beim Kaufvertrag, 2460, 2624, 2627 ff., 2637 Anzeigeobliegenheit, 2624, 3647 Anzeigepflicht – beim Mäklervertrag, 3367, 3380 – beim Werkvertrag, 3144, 3146, 3155a Äquivalenzstörung, 320, 322, 326a, 327, 329, 334, 800, s. auch Anpassung des Vertrages an veränderte Umstände; s. ferner auch clausula rebus sic stantibus Arbeitsvertrag, 187, 368, 433, 542, 640 f., 654, 779, 796, 798a ff., 848, 1018, 1024, 1073, 1465, 1471, 1590, 2132, 2234, 2396, 3348, 3402, 3825, 3879, 3952, 3987, 4101 – Abgrenzung – zum Alleinvertriebsvertrag, 3848 – zum einfachen Auftrag, 3237 f. – zum Franchisevertrag, 3885 – zum Werkvertrag, 3137 Architektenvertrag, 3134 ff., 3226, 3687 asset deal, 2427, 2718 Aufbewahrungspflicht, 218 f., 3534a, 3550 – beim Hinterlegungsvertrag, 3540 f. – beim Kaufvertrag, 2667, 2693, 3458 Aufhebungsfreiheit, 4 f., 337, 639 Aufhebungsvertrag, 367a, 389, 724, 726, 731 ff., 788, 3000f f., 3299, s. auch Erlass Aufklärungspflicht, 100, 853, 1537, 1543 ff., 1556, 1562, 1656, 1739 f., 2550, 2638 f., 2917, 3369, 3772 ff., 3889 – beim Gültigkeitsmangel, 383, 1545 – beim Irrtum der Vertragsverhandlungsgegenpartei, 515, 518, 538 ff., 548 f., 1544 – der Auftraggeberin – beim Agenturvertrag, 3411 f.

– des Beauftragten – beim Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag, 3333 – beim einfachen Auftrag, 3263, 3269 ff. – beim Werkvertrag, 3142 – im Rahmen von Vertragsverhandlungen, 1543 ff. Auflage, 1286, 2851 – Abgrenzung zur Bedingung, 1286 – Schenkung unter Auflage, s. Schenkung, Arten, Schenkung unter Auflage Auftrag, 3218 ff. – Abgrenzung zur Vollmacht, 3244 ff. – Arten – Agenturvertrag, s. dort – echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), s. dort – echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), s. dort – Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag, s. dort – einfacher Auftrag, s. dort – Frachtvertrag, s. dort – Kommissionsvertrag, s. Kommission – Kreditauftrag, s. dort – Mäklervertrag, s. dort – Speditionsvertrag, s. dort – unechte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), s. dort – Unterauftrag, s. dort Aufwendungsersatz, 53, 215, 874, 879, 963, 1554, 1806, 3046, 3153, 3419, 3451 ff., 3455, 3545, 3649 – beim Mäklervertrag, 3363, 3364, 3375 ff., 3377 Auktion, s. Steigerungskauf; und s. auch OnlineAuktion Ausfallbürgschaft, s. Schadlosbürgschaft Auskunftspflicht, 100, 3775 f., 3936 – bei der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1649, 1653 – bei der Miete, 2917a f. – bei der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 2151, 2180, 2190 – beim einfachen Auftrag, 3275 f. – beim Mäklervertrag, 3367, 3380 Auslagenersatz, 267, 1488, 3201, 3209 f., 3215, 3363, 3394, 3419, 3480, 3500, 3537 – bei der Kommission, 3448, 3451, 3453, 3462 – beim Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag, 3327, 3335 f. – beim einfachen Auftrag, 3286 f., 3289b, 3293, 3297

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Auslegung des Vertrages, 273 ff. – Abgrenzung zur Ergänzung des Vertrages, 300 ff., 319 – Arten – empirische Auslegung, s. Arten, subjektive Auslegung – normative Auslegung, s. Arten, objektivierte Auslegung – objektivierte (normative) Auslegung, 282 ff. – subjektive (empirische) Auslegung, 278 ff. – formbedürftige Rechtsgeschäfte, 298 – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2750 f., 2755, 2757, 2758, 2762, 2770, 2800 – Mittel, 286, 287 ff. – Regeln, 286, 291 ff. – und Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), s. Auslegungskontrolle Auslegung einer Willenserklärung, s. Willenserklärung, Auslegung Auslegungskontrolle, 611, 612c f., 627 ff., 631, 638, 2648, 3129, 4107 – Grundsatz, 627 f. – Restriktionsprinzip, s. dort – Unklarheitenregel, s. dort Auslegungsstreit, 273 ff., 304, s. auch Auslegung des Vertrages Auslobung, 50, 63, 180, 214 ff., s. auch Preisausschreiben Aussonderungsrecht, 3941 – bei der Kommission, 3465 ff. – beim einfachen Auftrag, 3231, 3291, 3295 ff. Austauschprinzip, 2339 Austauschtheorie, 902 f., 906, 951, 965, 2542, 2546 Ausweisung (des Mieters), 3010a, 3025d ff. Automatenaufstellungsvertrag, 2908





B



Banküberweisung, 659 ff., 719 ff., 1201, 2780 – Hausüberweisung, 719 f. – Kettenüberweisung, 719, 721 f. Barkauf, 2335, 2370 f., 2541 – Rücktrittsrecht der Verkäuferin beim Barkauf, s. Rücktritt, der Verkäuferin beim Barkauf Battle of the Forms, 626a Bauhandwerkerpfandrecht, 1383, 1447, 2399, 3200 Bedingung, 143, 154, 208, 214 f., 723, 1213, 1235, 1259, 1277 ff., 1368, 2390, 3378 f., 3589, 3609, 4015 – Abgrenzung, 1282 ff. – zu den vorausgesetzten Sachverhalten, 1285

– –

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– – – –



– zur Auflage, 1286 – zur Befristung, 1284 – zur Rechtsbedingung, 1282 – zur Vertragsbedingung, 1283 Arten, 1287 ff. – auflösende (resolutive) Bedingung, 523, 566, 570, 574, 1087, 1231, 1281, 1286 f., 1289 ff., 1295, 1302, 1311 f., 1314 f., 1318, 1448, 1794, 2502 f., 2850, 2855, 3359, 4011 – aufschiebende (suspensive) Bedingung, 268, 272, 523, 565, 569, 1250, 1281, 1287, 1288, 1290 f., 1295, 1299, 1302 ff., 1311, 1313, 1315, 1316 f., 1791, 1793, 2252, 2349, 2420, 2501, 2850, 2991b, 3076, 3331, 3354, 3359, 4014, 4033, 4129 – gemischte Bedingung, 1287, 1294 – kasuelle Bedingung (Zufallsbedingung), 1287, 1293 – negative Bedingung, 1287, 1295 – positive Bedingung, 1287, 1295 – potestative Bedingung, 1231, 1287, 1292, 1300, 1321, 2252, 2349, 2389, 3354, 3378 – resolutive Bedingung, s. Bedingung, Arten, auflösende Bedingung – suspensive Bedingung, s. Bedingung, Arten, aufschiebende Bedingung – Willensbedingung, s. Bedingung, Arten, potestative Bedingung – willkürliche Bedingung, s. Bedingung, Arten, potestative Bedingung – Wollensbedingung, s. Bedingung, Arten, potestative Bedingung – Zufallsbedingung, s. Bedingung, Arten, kasuelle Bedingung bedingte Schenkung, s. Schenkung, Arten, bedingte Schenkung bedingungsfeindliche Rechtsgeschäfte, 76, 577, 678, 1296 ff. Begriff, 1277 f. Eintritt, 1259, 1261, 1281, 1288 f., 1292 f., 1295, 1300, 1306 f., 1313 ff., 2501 f., 3379, 3609 Handeln wider Treu und Glauben, 1319 ff. unzulässige Bedingungen, 1301 f. Voraussetzungen, 1279 ff. Wirkungen, 1303 ff. – bei Ausfall der Bedingung, 1316 ff. – bei Eintritt der Bedingung, 1313 ff. – während des Schwebezustands der Bedingung, 1303 ff. Zwischenverfügung, s. Zwischenverfügung, beim bedingten Geschäft

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Beendigung eines Schuldverhältnisses, 639 ff. – Beendigung eines Schuldverhältnisses i.w.S., s. dort – Erfüllung, s. dort – Erlass, s. dort – Neuerung (Novation), s. dort – Vereinigung (Konfusion), s. dort – Verrechnung, s. dort Beendigung eines Schuldverhältnisses i.w.S., 786 ff. – Anpassung des Vertrages an veränderte Umstände, s. dort; s. auch clausula rebus sic stantibus – Aufhebung durch Übereinkunft, 788 – Kündigung, s. dort – Rücktritt, s. dort – unverschuldete nachträgliche Unmöglichkeit, 836 ff. Befreiungsversprechen, s. interne Schuldübernahme (Erfüllungsübernahme) Befristung, 747, 1284, 2752, 3397, 3868 – Abgrenzung zur Bedingung, 1284 Begleithandlung, 972, 979 Beherbergungsvertrag, 3000c, 3977 f., 3980, 3982, 3989 f., 3991, 3994 ff., 4003, 4006 f., s. auch Gastaufnahmevertrag Bereicherung, 1773, 1776 f., 4120 – aufgedrängte Bereicherung, 1805 – Berechnung, 1776 f., 1803 ff. – ungerechtfertigte Bereicherung, s. dort Bereicherungsverbot, 1116, 1931, 2000, 2213, 2215, 2583, 2967, 3285, 3425a, 3904, 4144 Beschluss, 51, 53a, 55, 728, 2287 – Abgrenzung zum Vertrag, 51 ff. Besitz – mittelbarer Besitz, 1200, 2909, 3731 – selbständiger Besitz, 2909 – unmittelbarer Besitz, 2429, 2910, 3731 – unselbständiger Besitz, 2910 Besitzanweisung, 1200, 1309, 2429, s. auch Übergabesurrogat (Traditionssurrogat) – Abgrenzung zur Anweisung, 1200 Besitzeskonstitut, 2429, 3456, 3731, s. auch Übergabesurrogat (Traditionssurrogat) Besitzesrechtsklage, 135, 4116 Besitzesrechtsschutz, 2554 Bestätigungsschreiben, kaufmännisches, s. kaufmännisches Bestätigungsschreiben Bestellungsänderung, 3136

bestimmter Verfalltag, 912, 919, 924 ff., s. auch relatives Fixgeschäft (qualifiziertes Verfalltagsgeschäft); und s. ferner auch Verfalltagsgeschäft – bei Kündigung, 926 – beim relativen Fixgeschäft (qualifizierten Verfalltagsgeschäft), 925 – beim Verfalltagsgeschäft, 925 Beurkundung, öffentliche, s. öffentliche Beurkundung Beurkundungskosten, s. Kosten, Beurkundungskosten Bevollmächtigung, 50, 365, 664, 1023, 1029, 1040, 1043, 1052, 1066 ff., 1072 ff., 1082, 1088, 1089 ff., 1098 f., 1100, 1618, 3372, 3386, 3410, 4103, s. auch direkte Stellvertretung – Auftrag und Bevollmächtigung, 3240 ff. – Begriff, 1066 – Grundsatz der Formfreiheit, 1067 ff. – Inkassobevollmächtigung, s. dort Bewirtungsvertrag, 3977, 3978, 3979, 3981, 3982, 3984 ff., 3991 ff., 3997, 3999, 4002, 4005, s. auch Gastaufnahmevertrag Billigkeitshaftung – bei fehlender Urteilsfähigkeit, 895, 1656, 1997 ff. Bindungswille, vertraglicher, s. Rechtsbindungswille (Abschlusswille, Geschäftswille; Rechtsfolgewille; Verpflichtungswille; vertraglicher Bindungswille; Vertragswille) Blankourkunde, 492, 494 Blankozession, 1345 Bonität, 1228, 1404, 1521, 3918, 3919 f., 3934 Bonitätsprüfung, 3919 f., s. auch Factoringvertrag Bonitätsrisiko, 3920, s. auch Factoringvertrag Börsenpreis, 1079, 2530, 2545, 3468, 3470, 3613 Börsentermingeschäft, s. Differenzgeschäft Börsenwert, 988, 991, s. auch Gläubigerverzug Botenschaft, 186, 1030, 1034 ff. brevi manu traditio, 2429, s. auch Übergabesurrogat (Traditionssurrogat) Brief, 182, 186, 353 – Kreditbrief, 3219 – Frachtbrief, 3498 Bringschuld, 702, 716, 922, 2368 f., 2454, 2482, 2489, 2492 f., 2497, 2500, 3987 – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2762, 2783, 2785,2790 Buchgeld, 660, 687a, 721, 2443, 2449, 2451 Buchungsplattformen (im Internet), 3000c f., s. auch Untermiete Bürgschaft, einfache, s. einfache Bürgschaft

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Bürgschaftsvertrag, 736, 763, 1383, 1423, 1433, 1446, 2229, 2313, 3554 ff. – Abgrenzung, 3571 ff. – zum Kreditauftrag, 3576 – zur bürgschaftsähnlichen Garantie, 1172, 1173 f., 3574 f. – zur kumulativen Schuldübernahme (Schuldbeitritt; Schuldmitübernahme), 1430 ff., 3573 – zur Patronatserklärung, 3578 – zur Wechselbürgschaft, 3577 – Arten, 3557 ff. – einfache Bürgschaft, s. dort – gemeinsame Mitbürgschaft, s. dort – Nachbürgschaft, s. dort – Nebenbürgschaft, s. dort – Rückbürgschaft, s. dort – Schadlosbürgschaft (Ausfallbürgschaft), s. dort – Solidarbürgschaft, s. dort – Vorbürgschaft, s. dort – Beendigungsgründe, 3605 ff., s. auch Rücktritt, beim Bürgschaftsvertrag – Begriff, 3554 ff. – Einreden des Bürgen, s. Einrede, beim Bürgschaftsvertrag – Obliegenheiten der Gläubigerin gegenüber dem Bürgen, 3598 ff. – Umfang der Haftung, 3590 ff. – Verhältnis des Bürgen zum Hauptschuldner, 3602 ff. – Voraussetzungen, 3579 ff. – Bestimmbarkeit der Hauptschuld, 3589 – Formvorschriften, 359, 363, 364, 1067, 1433, 3579 ff. – Prinzip der Akzessorietät, s. Akzessorietät, beim Bürgschaftsvertrag

C casum sentit dominus (Grundsatz/Prinzip casum sentit dominus), 2656, 2944, 4033 casus omissus, 299, s. auch Vertragslücke chômage, 1866 cic, s. culpa in contrahendo CISG, s. UN-Kaufrecht (Wiener Kaufrecht) clausula rebus sic stantibus, 320 ff., 323 ff., 327, 329, 523, 639, 800, 825, 3194, s. auch Anpassung des Vertrages an veränderte Umstände commodum, stellvertretendes, s. stellvertretendes commodum

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condictio causa data causa non secuta, 1791 ff., s. auch Leistungskondiktion, Leistung aus nicht verwirklichtem Grund condictio ob causam finitam, 1794 f., 2854, 2881, s. auch Leistungskondiktion, Leistung aus nachträglich weggefallenem Grund condictio ob causam futuram, 1791 ff., s. auch Leistungskondiktion, Leistung aus nicht verwirklichtem Grund condictio sine causa, 1785 ff., 2883, s. auch Leistungskondiktion, Leistung ohne gültigen Grund conditio cum qua non, 122, 889a, 1924, s. auch Kausalzusammenhang, bei Unterlassungen conditio sine qua non, 120, 260, 511, 888, 1915, 1918, 1923, 1937, 2408, 2600, 2612, 2839, 3676, s. auch natürlicher Kausalzusammenhang contrarius actus, s. Aufhebungsvertrag culpa in contrahendo (cic), 111, 123, 139, 383, 429, 433, 450, 540, 593, 596 f., 827, 1109 f., 1205, 1474, 1477, 1524 ff., 1715, 1723, 1731, 1734, 1738, 1742, 1758, 1761, 2237, 2251, 2550, 2942d, 4094, 4115 – Begriff, 1524 ff. – Konkurrenzen, 1565 f. – Rechtsnatur, 1477, 1530 ff. – Voraussetzungen, 1534 ff. – Wirkungen, 1560 ff. cura in custodiendo, 1012, 2035, 2038, 3259, s. auch Sorgfaltsbeweis cura in eligendo, 1012, 2035, 2036, 3259, 3514, s. auch Sorgfaltsbeweis cura in instruendo, 1012, 2035, 2037, 3251, 3259, 3514, s. auch Sorgfaltsbeweis

D damnum cessans, 1776, s. auch ungerechtfertigte Bereicherung damnum emergens, 869, 871, 873, 2213 f., 2669, 2677, s. auch positiver Schaden Darlehen, 59, 271, 402, 775, 1191, 2892, 2901, 3031, 3055 ff., 3095, 3097, 3098 f., 3108, 3111a, 3112, 3340, 3678, 3725, 3921, 3923 f., 3930 ff. – Abgrenzung, 3064 ff. – zum Factoringvertrag, 3922 – zum Hinterlegungsvertrag, 3534 – zum Kaufvertrag, 3066 – zur einfachen Gesellschaft, 3065 – zur Gefälligkeit, 3064a ff. – zur Leihe, 3035, 3064 – zur Miete, 2900, 3064 – zur Schenkung, 3066, 3076

Sachregister

– Arten, 3056 ff. – befristetes Darlehen, 3056, 3090 – Darlehen für Spielzwecke, 3616 f. – Naturaldarlehen, s. dort – partiarisches Darlehen, 3062, 3072, 3076 – Sachdarlehen, s. dort – unbefristetes Darlehen, 2254, 3057, 3064b f., 3085, 3091 – unverzinsliches Darlehen, 3058 f., 3064a, 3067, 3080 – verzinsliches Darlehen, 3058 ff., 3067, 3077, 3080, 3112 – Wertpapierdarlehen (securities lending), s. dort – Beendigung, 3057, 3070, 3076, 3084 ff., 3091 – ausserordentliche Beendigung, 3084, 3086 ff., s. auch Kündigung, beim Darlehen – ordentliche Beendigung, 3084 f., s. auch Kündigung, beim Darlehen – Begriff, 3055 – Eigenbedarf, 3053 f. – Geltung des KKG beim Konsumentendarlehen, 3093 f. – Rechte und Pflichten der Darleiherin, 3067 ff. – Rechte und Pflichten des Borgers, 3072 ff. – Verjährung, s. Verjährung, beim Darlehen – Verzug der Darleiherin, s. Schuldnerverzug, beim Darlehen – Verzug des Borgers, s. auch Gläubigerverzug, beim Darlehen; und s. ferner auch Schuldnerverzug, beim Darlehen datio in solutum, 669, s. auch Leistung (Hingabe) an Erfüllungs statt datio solvendi causa, 668, s. auch Leistung (Hingabe) erfüllungshalber Dauerauftrag, 3223, 3238 Dauerschuldverhältnis, 7, 59 ff., 326a, 328, 502, 538, 562, 582, 585, 646, 790, 792, 797, 904, 931, 964, 1315, 1484, 2232, 2332, 2362, 2391, 2891, 3067, 3084, 3086, 3137, 3346, 3433, 3552, 3784, 3799, 3802, 3804, 3822, 3826, 3836, 3843, 3846, 3864, 3868, 3879, 3882, 3895, 3897, 3922, 3951, 3974, 3983, 3989, 4005 f. – Beendigung, 60, 792 ff., s. auch Kündigung, von Dauerschuldverhältnissen – Kündigung, s. Kündigung, von Dauerschuldverhältnissen – Rückabwicklung (Liquidation), s. Rückabwicklung (Liquidation), von Dauerschuldverhältnissen Dauervertrag, 60, 293, 303, 625a, 639, 792, 795, 3126, 3238, 3318, 3337, 3345, 3391, 3800, 3832, s. auch Dauerschuldverhältnis

Dauerwerkvertrag, 3126 debitor cessus, 1323, 1329, 1800, 3920, 3927, s. auch Abtretung (Zession) Deckungskauf, 2529 f., 2836, 3613 Deckungsverhältnis, 1120, 1124, 1141, 1146, 1154 ff., 1184 f., 1194 f., 1208 ff., 1212 f., 1222, 1227, 1235, 1237, 1824, 3493 Deckungsverkauf, 2544 f., 2836 Delkredere – bei der Kommission, 3439 f., 3447 – beim Agenturvertrag, 3388, 3396, 3406 f., 3420 – beim Factoringvertrag, 3911, 3918 ff., 3921, 3923 ff., 3931, 3933, 3935 Delkredere-Provision, 3406, 3420, 3440, 3447, 3450, 3454, 3911, 3920, 3933 Delkredere-Risiko, 3388, 3394, 3396, 3406 f., 3420, 3439 f., 3447, 3454, 3918 ff., 3921, 3922, 3923 f., 3926, 3931, 3934 f. Denunziation, s. Notifikation (Anzeige) depositum irregulare, 3522 ff., 3527, 3529, 3532, 3534, 3543, 3549, s. auch Hinterlegungsvertrag depositum regulare, 3521, 3522, 3532 f., s. auch Hinterlegungsvertrag Differenzgeschäft, 3428, 3612 ff. Differenzhypothese, 112 ff., 118, 867 ff., 877 ff., 1776, 1803, 1848 f., 1860, 1871, 1876, 1878, 1886, 1899, 3512 Differenzmethode, s. Differenztheorie Differenztheorie, 868, 902, 906, 951, 965, 2546 dingliches Recht, 87, 90, 363, 419, 829, 1027, 1159, 1299, 1944, 1947, 2088, 2156, 2170, 2226, 2421, 2423, 2439, 2559 f., 2565, 2778, 2855, 2958a, 3042, 4086, 4116 Direktkondiktion, 1216, 1217 f., 1221, 1223, 1824 direkte Stellvertretung, 65, 186, 354, 546, 1022 ff., 1342, 1441, 1823, 2360, 3240 f., 3241, 3245, 3291, 3345, 3346, 3386, 3395, 3410, 3433 f., 3631, 3641, 3764, 3849, 3881, 4010, 4017, 4103 – Abgrenzung, 1032 ff. – zum (echten) Vertrag zugunsten eines Dritten, 1039 f., 1129 f. – zur Abschlussvermittlung, 1038, 3345 – zur Abtretung (Zession), 1324 – zur Anweisung, 1041 – zur Botenschaft, 1030, 1034 ff. – zur Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1509 ff. – zur indirekten Stellvertretung, 1032 f. – Arten der Stellvertretung, 1042 ff. – aktive Stellvertretung, 1042

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Sachregister

– bürgerliche (zivilrechtliche) Stellvertretung, 1049, 1075 f. – gesetzliche Stellvertretung, 1044 ff. – gewillkürte Stellvertretung, 1043, 1047 f., 1065, 1084, 1088 – handelsrechtliche Stellvertretung, 1250 – indirekte Stellvertretung, s. dort – kaufmännische Stellvertretung, 1250 – passive Stellvertretung, 1042 – Begriff, 1022 ff. – Bevollmächtigung, s. dort – Grundverhältnis, 1023, 1029, 1076, 1080 f., 1117 f. – Handeln in fremdem Namen, s. dort – Organvertretung, s. dort – Rechtslage bei fehlender Vertretungswirkung, 1108 ff., s. auch Schadenersatz, bei der fehlenden Vertretungswirkung; und s. ferner auch Rückabwicklung (Liquidation), bei der fehlenden Vertretungswirkung – Vertretungsbefugnis, s. dort – Vertretungsmacht, s. dort – Vertretungswille, 1061, 1063 – Vertretungswirkung kraft Gutglaubensschutzes, 1088 ff. – nachträgliche Genehmigung, s. Genehmigung, nachträgliche Genehmigung, bei der fehlenden Vertretungsmacht – Gutglaubensschutz, s. Gutglaubensschutz, bei der gewillkürten Stellvertretung – Vollmacht, s. dort – Voraussetzungen, 1050a ff. direkter Vorsatz, 894 Diskurstheorie, 3705 Dispositionsmaxime, 2220 dispositives Recht (dispositives Gesetzesrecht), 9, 188, 258 f., 263, 295, 297, 308, 311, 312 ff., 368, 439, 528 f., 630a, 635f, 638, 653, 674, 687, 688, 692, 699, 714, 748, 758, 783, 905, 918, 931, 952, 976, 982, 1000, 1267, 1269, 1336, 1383, 1402, 1423, 1440, 1454, 2287 f., 2324a, 2444, 2454, 2488, 2499, 2537, 2623, 2638, 2691, 2751, 2791, 2819, 2866, 2880, 2906, 2981, 3155, 3183, 3206, 3277, 3284, 3309, 3310a, 3326, 3340, 3354, 3383, 3442, 3506, 3513, 3667, 3670, 3696, 3704 f., 3707, 3726, 3766, 3872, 4101 Dissens, 225, 251 ff., 445, 626a, 1181, 1333 – latenter Dissens, s. Dissens, versteckter Dissens – offener Dissens, 252 ff. – Partialdissens, 253 f., 626a

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– Totaldissens, 253 – versteckter (latenter) Dissens, 252 ff. – Willensdissens, s. dort Dissimulation, 198 ff., 371, 2410, s. auch Simulation Distanzkauf, 705, 2365, 2369, 2457, 2487, 2490, 2498 f., 2500, 2693, 3493, 3505, s. auch Versendungskauf do ut des, 2339, 2856, s. auch Austauschprinzip Dokumentenakkreditiv, 1224 ff. – Ablauf, 1227 ff. – Arten, 1230 ff. – bestätigtes Dokumentenakkreditiv, 1232 – unbestätigtes Dokumentenakkreditiv, 1233 – unwiderrufliches Dokumentenakkreditiv, 1230 ff. – widerrufliches Dokumentenakkreditiv, 1231 – Begriff, 1224 ff. – Deckungsverhältnis, s. dort – Rechtsgrundlagen, 1234 ff. – Abstraktheit, 1237, 1239 – Dokumentenstrenge, 1238 f. – Valutaverhältnis, s. dort dolus eventualis, 540, s. auch Eventualvorsatz Doppelermächtigung, 1186, 1327, s. auch Anweisung Doppelmäkelei, 3367, 3368 ff. Doppelmangel, 1156 f., 1222, 1824 Doppelverkauf, 91, 419 f., 833, 1343, 2172, 2470, 2483, 2485 Doppelvertretung, 1077 ff. Draufgeld, 1244, 1248 Drittbegünstigungsklausel, 1121, 1136 Drittschaden, s. Reflexschaden Drittschadensliquidation, 117, 884, 1135, 1600 ff., 1874, 3261, 3464, 3754, 3779, 3781, 3999 – Abgrenzung – zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, 1586, 1600 ff. – zum Vertrag zugunsten eines Dritten, 1131 f. Drittverschulden, 683, 891, 1891, 1926 f., 1929, 2140, 2307 Drohung, s. Furchterregung Dulden, 1, 22, 1095, 1098, 1717 f., 4081 Duldungspflicht, 2934 ff., 2971, 2978b Duldungsvollmacht, 1095 ff., 1639 Durchgangstheorie, 1372 f., 3940

Sachregister

E E-Mail, 178, 182, 186, 238, 347, 357, 1101, 2758, 3108 echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA; berechtigte Fremdgeschäftsführung), 1471, 1474, 1478 f., 1486, 1488 f., 1491 f., 1498 ff., 1505 ff., 1508, 1509, 1518, 1604 ff., 1705 ff., 1734, 1772, 1826, 4094 – Abgrenzung, 1486 ff., 1606 ff. – zur echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1486 ff., 1607, 1609, 1611 – zur Gefälligkeit, 1493 ff., 1498 ff., 1704 f. – zur Schenkung, 2866 – zur unechten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1486 ff., 1608 f., 1611, 2155 ff. – zur ungerechtfertigten Bereicherung, 1772 – Ansprüche der Geschäftsführerin, 1508, 1632 ff. – Begriff, 1604 ff. – Einmischungsverbot, s. dort – Pflichten der Geschäftsführerin, 1649 ff. – Verjährung, s. Verjährung, bei der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) – Voraussetzungen, 1612 ff. – Auftragslosigkeit, s. Geschäftsführung ohne Auftrag, Auftragslosigkeit – fremdes Geschäft, s. Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), fremdes Geschäft – Fremdgeschäftsführungswille, s. Fremdgeschäftsführungswille, bei der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) – Gebotenheit, s. Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), Gebotenheit echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA; unberechtigte Fremdgeschäftsführung), 1627, 1630, 1826, 2143 ff., 2216, 3220, 4122 – Abgrenzung, 1486 ff., 1606 ff. – zur echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1486 ff., 1607, 1609, 1611 – zur Gefälligkeit, 1493 ff., 1501 ff. – Ansprüche der Geschäftsführerin, 2148 f. – Ansprüche des Geschäftsherrn, 2150 ff. – Begriff, 2143 f. – Einmischungsverbot, s. dort – Rechtsfolgen, 2145 ff. echter Vertrag zugunsten eines Dritten, 1125 ff., 1137 ff., 1421, 1427, 1578, 2323, 2871, 2988, 3644, 3762, 3765, 3779 f., 3999 – Abgrenzung – zur Abtretung (Zession), 1325

– zur Anweisung, 1128 – zur direkten Stellvertretung, 1039 f., 1129 f. – Mangel im Deckungsverhältnis, 1154 f., 1156 f. – Mangel im Valutaverhältnis, 1151 ff., 1156 f. – Wirkungen, 1139 ff. Effektenhändler, 3428, 3444 f. Effektivklausel, 689, 772, 2444 Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag, 3219, 3315 ff., 3639 – Anwendungsbereich, 3320 ff. – Beendigung, 3337 f., s. auch Kündigung, des Eheoder Partnerschaftsvermittlungsvertrages – Begriff, 3316 ff., 3322 – Geheimhaltungspflicht, s. Geheimhaltungspflicht, des Beauftragten, beim Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag – Geltung, 3327 ff. – Gültigkeit, 3327 ff. – Online-Partnervermittlung, 3321 f. – Pflichten der Beauftragten, 3333 f. – Pflichten des Auftraggebers, 3335 f. – Rechtsnatur, 3323 ff. – Rücktritt, s. Widerrufsrecht, gesetzliches Widerrufsrecht, beim Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag Ehe- und Partnerschaftsvermittlung, s. Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag Ehevermittlung(svertrag), s. Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag Eigenbedarf, s. Darlehen, Eigenbedarf; und s. auch Kündigung, bei der Miete, Eigenbedarf Eigengeschäftsführung, s. unechte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) Eigentumsfreiheitsklage (Negatorienklage), 135, 4116 Eigentumsverschaffung, 64, 420, 2397, 2413 f., 3743 – an Fahrnissachen, 40 f., 98, 2330 f., 2334, 2401, 2433 ff., 2467, 2509, 2513 – an Grundstücken, 2344, 2430, 2436 ff. – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2759, 2777 f. – Verschaffung von unbeschwertem Eigentum, 2439, 2553, 2567 Eigentumsvorbehalt, 174, 782, 1296 – aufschiebend oder auflösend bedingt, 1291 – Kauf unter Eigentumsvorbehalt, 1310, 2435, 2503, 2540, 2741 einfache Bürgschaft, 2285, 2311, 3230, 3406, 3558 f., 3564, 3570, 3585, 3599, 3607 einfache (gewöhnliche) Kausalhaftung, 1830, 1832 ff., 2017

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Sachregister

– milde einfache (gewöhnliche) Kausalhaftung, 1834 f., 1837, 1973, 1999, 2027, 2044, 2073, 3507, 3509, 3511 – scharfe einfache (gewöhnliche) Kausalhaftung, 1834, 1836, 1838, 1997, 2055, 2072, 2082, 2096 einfacher Auftrag, 228, 267, 654, 848, 853, 999, 1024, 1029, 1073, 1076, 1081, 1086a, 1184, 1235 f., 1257, 1505 ff., 1613 f., 1618, 1628, 1632, 1646, 1651, 1703, 1706, 2032, 2196, 2360 f., 2396, 2407, 2908, 3122 f., 3125, 3218 ff., 3382, 3426, 3435, 3476, 3633, 3725, 3795, 3879, 3921 – Abgrenzung, 3231 ff. – des unentgeltlichen einfachen Auftrags zur Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1505 ff. – zum Agenturvertrag, 3391 – zum Alleinvertriebsvertrag, 3849 – zum Arbeitsvertrag, 3237 f. – zum Factoringvertrag, 3922 – zum Mäklervertrag, 3348 – zum Trödelvertrag, 4017 – zum Werkvertrag, 3133 ff., 3236 – zur Anweisung, 1197 – zur einfachen Gesellschaft, 3239 – zur Gefälligkeit, 3232 ff. – Art. 394 Abs. 2 OR als Auffangtatbestand, 3224 ff. – Arten – atypischer Auftrag, 3309 f., 3312 – Dauerauftrag, s. dort – entgeltlicher Auftrag, 1508, 1640, 1681, 1710, 3222, 3232, 3238, 3239, 3266, 3280, 3282 ff., 3289 – Rechtshandlungsauftrag, s. dort – Tathandlungsauftrag, s. dort – typischer Auftrag, 3309 ff., 3391 – unentgeltlicher Auftrag, 53, 79, 1505 ff., 1680 ff., 1706, 1772, 3222, 3232 ff., 3238, 3239, 3266, 3282 f., 3286, 3290, 3539 – Auftrag und Bevollmächtigung, 3240 ff. – Aussonderungsrecht, s. Aussonderungsrecht, beim einfachen Auftrag – Beendigung, 795, 3299 ff., s. auch Kündigung, beim einfachen Auftrag; und s. auch Rücktritt, beim einfachen Auftrag; und s. ferner auch Widerrufsrecht, gesetzliches Widerrufsrecht, beim einfachen Auftrag – Begriff, 3221 ff. – Beizug von Hilfsperson, s. Hilfsperson, Beizug von Hilfspersonen, beim einfachen Auftrag – Beizug von Substituten, s. Substitut, Beizug von Substituten, beim einfachen Auftrag

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Entstehung, 3228 f. Erlöschen, 3299, 3301, 3313 f. Gelegenheitsauftrag, s. dort Gültigkeit, 3230 Legalzession, s. Legalzession, beim einfachen Auftrag – Leistungsverweigerungsrecht. s. Retentionsrecht, beim einfachen Auftrag – Pflichten der Auftraggeberin, 3282 ff. – Auslagenersatz, s. Auslagenersatz, beim einfachen Auftrag – Befreiung von Verbindlichkeiten, 3288 – Schadenersatzpflicht, s. Schadenersatz, beim einfachen Auftrag – Vergütung, s. Vergütung, beim einfachen Auftrag – Verwendungsersatz, s. Verwendungsersatz, beim einfachen Auftrag – Pflichten des Beauftragten, 3247 ff. – Herausgabepflicht, 3275 ff. – Meldepflicht, s. Meldepflicht, des Beauftragten – persönliche Leistungspflicht, 3248 ff., s. auch Hilfsperson, Beizug von Hilfsperson, beim einfachen Auftrag; und s. ferner auch Substitut, Beizug von Substituten, beim einfachen Auftrag – Rechenschaftspflicht, s. Rechenschaftspflicht, beim einfachen Auftrag – Sorgfaltspflicht, s. Sorgfaltspflicht, des Beauftragten, beim einfachen Auftrag – Tätigkeitspflicht, s. Tätigkeitspflicht, des Beauftragten, beim einfachen Auftrag – Treuepflicht, s. Treuepflicht, des Beauftragten, beim einfachen Auftrag – Weisungsgebundenheit, s. Weisungsbefolgungspflicht, des Beauftragten, beim einfachen Auftrag – Provision, s. Provision, beim einfachen Auftrag – Rechtsnatur, 3221 ff. – Retentionsrecht, s. Retentionsrecht, beim einfachen Auftrag – Wegbedingung der Haftung, s. Wegbedingung der Haftung (Freizeichnung; Haftungsbeschränkung), beim einfachen Auftrag einfaches Verfalltagsgeschäft, 2517 Eingriffskondiktion, 1780, 1783, 1796 ff., 1813, 2167, 2203, 4121 Eingriffstheorie, 1798, 2166 Einheitstheorie, 1467 f. Einkaufskommission, s. Kommission, Arten Einladung zur Offertstellung (invitatio ad offerendum), 211 ff., 217, 2358, 2747, 3638 Einlösungsverhältnis, s. Leistungsverhältnis – – – – –

Sachregister

Einmalschuldverhältnis, 57 f., 61, 538, 795, 1315, 2362 Einmischungsverbot, 1489 ff., 1501 ff., 1604, 1607, 1630 f., 1657, 2143, 2147, 2152 Einrede, 32 f., 37, 373, 729, 746, 912, 928 ff., 1146, 1148 f., 1169, 1181, 1212 ff., 1221 f., 1237, 1815, 1822, 2141, 2637, 2852, 3011b, 3117 ff., 3182, 3558, 3714, 4083, 4129 ff. – bei der Abtretung (Zession), 1395 ff., 1403 – beim Alleinvertriebsvertrag, 3866 – beim Bürgschaftsvertrag, 3558, 3564, 3566, 3574, 3584a, 3593 ff. – der Verjährung, 16a, 32 f., 37, 610a, 912, 1146, 1395, 1450, 2220, 2222, 2224, 2228, 2260 ff., 2270, 2273, 2278, 3597 – der Zahlungsunfähigkeit, 934 ff., 3005b, 3070 f., 3800 – des Kreditnehmers bei Abtretung, 3117 – des nicht erfüllten Vertrages, 32, 37, 761, 903, 929 ff., 984, 1146, 1452, 2968b, 2969, 2973a, 3189, 3191, 3278, 3280 f., 3297, 3455 f., 3800, 3866, 3970 – des Schuldübernehmers, 1450 ff. – des Solidarschuldners, 2304 ff. – dilatorische Einrede, 32, 933 – peremptorische Einrede, 32 – Stundungseinrede, 32, 912, 1149, 1450, 2308 Einrededurchgriff, 3118 ff. Einstufentheorie, 155 Einwendung, 33 f., 746, 761, 890, 903, 1146, 1148 f., 1450, 1181, 1212 ff., 1221 f., 1822, 3584a, 3714, 4083, 4129 f., 4132 f. – bei der Abtretung (Zession), 1395 ff., 1403 – der Entreicherung, 1807 – der Simulation, 70, 200 – der Verrechnung, 1399 ff., 1450 f., 2304 – der Verwirkung, 2222, 4133 – des rechtmässigen Alternativverhaltens, 1937 f. – des Schuldübernehmers, 1450 ff. – des Solidarschuldners, 2304 ff. Einwendungsdurchgriff, 3118 ff. Einwilligung, 463, 651, 1329, 1455, 3270, 3443, 3541, 3975 – des Geschädigten, s. Einwilligung, in die schädigende Handlung – hypothetische Einwilligung, 3270 – in die schädigende Handlung, 124, 1895, 1898, 1946, 1961, 1965 ff. Einzelgläubigerschaft, 2318, 2320 ff. Einzelschuld, 2280, 2283 ff. Einzelvollmacht, 1076 Einzelzession, 3937

elektronische Signatur, 12, 349, 353, 357 – Authentizität, 357 – Integrität, 357 Empfangsbotin, 186, 1034, 1036 Empfangstheorie, s. Zugangsprinzip emptio rei speratae, 2420, s. auch Sache, künftige Sache emptio spei, 2420, s. auch Sache, künftige Sache Enteignung, 2985 entgangener Feriengenuss, s. verdorbene Ferien entgangener Gewinn, 112, 867, 869 ff., 873 f., 942, 1845, 1865, 2171, 2212, 2528, 2581, 2669, 2677 ff., 2823, 2836, 3214, 3307, 3311, 3412, 4036 Entlastungsbeweis, 1834 ff., 1937, 1999, 2121, 3507, 3509, 3511, 3994 – bei der Geschäftsherrenhaftung, 1012, 2034 ff., s. auch Sorgfaltsbeweis – bei der Haftung des Familienhaupts, 2079 ff. – bei der Haftung des Motorfahrzeughalters, 2140 – bei der Tierhalterhaftung, 2053 f. – bei der Werkeigentümerhaftung, 2072 – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2834 f., 2840 ff. Entscheidungsfreiheit, 451, 454, 457 ff., 1547, 2032 Entstehungsgeschichte des schweizerischen Obligationenrechts, 10 ff. Entwehrung (Eviktion), – Abgrenzung zur Sachgewährleistung, s. Sachgewährleistung, beim Fahrniskauf, Abgrenzung zur Rechtsgewährleistung (Eviktionshaftung) – Ansprüche, 2576 ff. – Anwendungsbereich, 2553 ff. – Begriff, 2551 – Gefahr der Entwehrung (Eviktion), 2554, 2558, 2561 f., 2879 – Konkurrenzen, 2583 f. – Rechtsmangel, s. dort – teilweise Entwehrung (Eviktion), 2565, 2582 – Verfahren, 2572 ff. – vollständige Entwehrung (Eviktion), 2565, 2576 ff. – Voraussetzungen, 2558 ff. Erbteilung, 1461, 2227, 2386 – Erbteilungsvertrag, 358, 530 Erfolgsunrecht, 124, 1854, 1940, 1942, 1944 ff., 1950, 1956, 2129 – Verletzung dinglicher Rechte, 1947 Erfüllbarkeit, 707, 710 f., 715, 759, 760, 784, 2303 Erfüllung, 645 ff. – Begriff, 645 – einer sittlichen Pflicht, 37, 1809, 2860 f., 4126

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Sachregister

– einer unvollkommenen Obligation, 34, 1810 – einer verjährten Schuld, 1809 – Gegenstand, s. Erfüllungsgegenstand – Leistungsempfängerin, 655 ff. – Leistungserbringer, 648 ff. – Ort, s. Erfüllungsort – Voraussetzungen, 647 – Wirkungen, 723 – Zeit, s. Erfüllungszeitpunkt Erfüllungsanspruch (specific performance), 78, 373 f., 808 ff., 853, 903, 911, 928, 942, 1255, 1264, 1269, 1271, 2288, 2294, 4150 – beim Kaufvertrag, 2467 f., 2522, 2542 – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2805, 2806, 2809, 2824 2826 Erfüllungsgegenstand, 646 f., 666 ff. – Bestimmung durch Gesetz, 674 ff. – Alternativermächtigung, s. dort – Gattungsschuld, s. dort – Teilzahlung, s. dort – Wahlobligation, s. dort – Bestimmung durch Vertrag, 673 – Erfüllung mittels Erbringung der geschuldeten Leistung, 666 – Erfüllungssurrogat, s. dort Erfüllungsgehilfe, s. Hilfsperson; und s. ferner auch Substitut Erfüllungsinteresse, s. positives (Vertrags-)Interesse Erfüllungsort, 647, 697 ff., 716, 773, 987 f., 1271 f., 2366, 2369, 2431, 2444, 2455, 2487, 2489, 2493, 2495, 2497, 2500, 2668, 3167 – aus Gesetz, 701 ff. – Bringschuld, s. dort – Holschuld, s. dort – Versendungsschuld, s. Schickschuld – aus Vertrag, 697 ff. Erfüllungssurrogat, 667 ff., 2450 f. – Leistung an Erfüllungs statt, s. dort – Leistung erfüllungshalber, s. dort Erfüllungstheorie, 812, 2549 Erfüllungsübernahme, s. interne Schuldübernahme (Befreiungsversprechen) Erfüllungszeitpunkt, 244, 428, 647, 702, 707 ff., 823, 1261, 1271 f., 2249, 2415, 2445, 2530, 2545, 3969 – aus Gesetz, 714 – aus Natur des Rechtsverhältnisses, 713 – aus Vertrag, 709 ff. – Fixgeschäft, s. dort – Verfalltagsgeschäft, s. dort – bei bargeldloser Zahlung, 716 ff.

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Ergänzung des Vertrages, 275, 285, 299 ff., 322, 332, 435, 437, 441, 562, 586 f., 591, 626a, 2446, 2991e, 3905 – Abgrenzung zur Auslegung des Vertrages, 319 – bei formbedürftigem Rechtsgeschäft, 317 f. – Mittel, 305 ff., 3706 ff. – dispositives Gesetzesrecht, 311 – hypothetischer Parteiwille, 306 ff. – Rangordnung, 312 ff. – und wesentliche Punkte, 303 f. – Vertragslücke, s. dort – Voraussetzungen, 299 ff. Erklärungsirrtum, 250, 447 f., 464, 468 f., 470, 473 f., 480 ff., 487 ff., 504, 508, 587 f., 590 f. – Begriff, 488 ff. – Voraussetzungen, 475 ff. – error in corpore vel in persona, s. dort – error in negotio, s. dort – error in quantitate, s. dort – Übermittlungsirrtum, s. dort Erklärungstheorie, 193 Erklärungswille, 170 Erlass, 367, 643, 695, 724 ff., 1165, 1437, 1444, 2308, 3605, 4124, 4129 – Abgrenzung, 727 ff. – zum Klageverzicht, 729 – zum Verzicht auf künftige Forderungen, 730 – zur negativen Schuldanerkennung, 727 f. – Begriff, 725 f. – Voraussetzungen, 731 ff. – Wirkungen, 736 Ermächtigung, 659, 661 f., 687a, 1041, 1091 f., 1128, 1182 ff., 1202 f., 1209, 1214, 1263, 1327, 1390, 2443, 3242, 3258, 3370, 3374 – rechtsgeschäftliche Ermächtigung, 1051 f., 1072, 1441, 3245, s. auch Vollmacht – richterliche Ermächtigung zur Ersatzvornahme, 914, 987, 2950, 2964, 3153, 3166, 3173 – richterliche Ermächtigung zur Hinterlegung, 987 error in corpore vel in persona, 495, 501 f., s. auch Erklärungsirrtum error in negotio, 495, 497 ff., s. auch Erklärungsirrtum error in quantitate, 495, 503, s. auch Erklärungsirrtum error iuris, 528 f., s. auch Motivirrtum, unwesentlicher Motivirrtum Ersatzlieferung, 1354, 3999 – beim Fahrniskauf, 854, 2634, 2651, 2693 f., 2708 – beim indirekten Leasing, 3763 f., 3766, 3771 ff. – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2786, 2805, 2808

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Ersatzvornahme – bei der Miete, 2950, 2967a – beim Werkvertrag, 3152 ff., 3173 – gemäss Art. 98 Abs. 1 OR, 812, 3173 Ersitzung, 569, 582, 2226, 2555, 4125, 4136 Ersparnisbereicherung, 1776, 1807, 2206, s. auch damnum cessans Erstattungspflicht, 3066 f., 3076, 3537 essentialia negotii, 256, 303, 1016, 2401, 2749, 2891, 2912, 3470, 3666, 4014, s. auch Vertragspunkt, wesentlicher Vertragspunkt Eventualvorsatz, 548 f., 894, 896, 1976 f., 2008, 2176, 2973, s. auch dolus eventualis Eviktion, s. Entwehrung Eviktionshaftung, s. Rechtsgewährleistung ex nihilo nihil fit, 443, 1923 Exklusivität, 152, 3413, 3416, 3838 f., 3847, 3961, 3973 Exkulpationsbeweis, 832, 860, 865, 893, 900, 944, 959, 963, 1558, 2152, 2535, 2670, 3014c, 3289, 3538, 3753 externe (private) Schuldübernahme, 1410, 1414, 1420, 1423, 1435 ff. – Abgrenzung, 1455 ff. – zum Vertrag zugunsten eines Dritten, 1457 – zur Abtretung (Zession), 1326, 1455 – zur Anweisung, 1458 – zur kumulativen Schuldübernahme (Schuldbeitritt; Schuldmitübernahme), 1429 – zur Universalsukzession, 1456 – Begriff, 1435 ff. – Einrede, s. Einrede, des Schuldübernehmers – Einwendung, s. Einwendung, des Schuldübernehmers – Voraussetzungen, 1437a ff. – Wirkungen, 1443 ff.

F Factoringvertrag, 1378, 3909 ff. – Abgrenzung, 3922 – zum Darlehen, 3922 – zum einfachen Auftrag, 3922 – zum Vorvertrag, 3922 – zur Forfaitierung, 3922 – zur Kommission, 3922 – Abtretung (Zession), s. dort – Beendigung, 3942 f. – Begriff, 3909 ff. – Bonität, s. dort; s. auch Bonitätsprüfung; und s. ferner auch Bonitätsrisiko

– Delkredere, s. Delkredere beim Factoringvertrag – Erscheinungsformen, 3923 ff. – echtes Factoring, 3923 ff., 3930 f., 3933, 3935 – internationales Factoring, 3928, 3944 f. – nationales Factoring, 3928 – offenes Factoring, 3927, 3935 – unechtes Factoring, 3924 ff., 3930, 3932 – verdecktes Factoring, 3927 – Funktionen, 3912 ff., 3930 – Gültigkeit, 3929 – Konkurs der Klientin, 3940 f. – Pflichten der Klientin, 3933 ff. – Pflichten des Faktors, 3930 ff. – Rechtsnatur, 3921 Fahrlässigkeit, 127, 476, 486, 540, 549, 562, 593, 894, 896 ff., 1015 ff., 1020 f., 1557, 1654, 1843, 1889 f., 1959, 1969, 1970, 1975, 1977 ff., 2007 ff., 2618, 2644, 3178, 3265 ff. – Arten – grobe Fahrlässigkeit, s. dort – leichte Fahrlässigkeit, s. dort – mittlere Fahrlässigkeit, s. dort – Objektivierung der Fahrlässigkeit, 898 ff., 1978 ff., 3266 Fahrniskauf, 2342 ff., 2402, 2427, 2433, 2553 ff., 2586 ff., s. auch Kaufvertrag faktisches Vertragsverhältnis, 1473, 3825, s. auch quasivertraglicher (quasikontraktueller) Anspruch Fälligkeit, 244, 610a, 688, 707, 713, 715, 734, 759 ff., 784, 810, 912, 917 f., 920 ff., 927, 929, 951, 977, 1123, 1254, 1261, 1311, 1366, 1382, 1395 f., 1400 f., 1404, 1422 f., 1459, 2249 ff., 2252 ff., 2260a, 2467, 2534, 2869, 2962, 3090 f., 3099, 3105, 3148 ff., 3189 ff., 3277c, 3297, 3593, 3599, 3602, 3914, 3922, 4024 – des Kaufpreises, 2448 – im UN–Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2782 ff. falsa demonstratio non nocet, 189, 247, 274, 748, s. auch Konsens, tatsächlicher (natürlicher) Konsens Falschlieferung, s. aliud-Lieferung favor negotii, 250, 303, 338, 516, 527 Fax, s. Telefax Ferien, verdorbene, s. verdorbene Ferien Fernkauf, 2365, 2368 f., 2482, 2489, 2493, 2497, 2500, 2762, 2783 – im UN–Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2788 ff. fiduziarische Abtretung, 1377 f., 3914, 3924 f., 3932

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Sachregister

Fixgeschäft, 710, 823, 925, 954, 2800, 4139 – absolutes Fixgeschäft, s. dort – relatives Fixgeschäft (qualifiziertes Verfalltagsgeschäft), s. dort Forderung, 26, 29 ff. – Begriff, 26 – klagbare Forderung, 34 f., 37 – unklagbare Forderung, 34 ff., s. auch Naturalobligation – verjährte Forderung, 644, 740, 2220, 2273 ff., 2860 Forderungskauf, 1403, 2402, 2423, 2440, 2556, 2595, 3921, 3923, 3930 f. Form des Vertrages, 337 ff., s. auch Formfreiheit; und s. ferner auch Formvorschriften Formfreiheit, 4 f., 337, 365, 1067 ff., 1419, 1442, 2402, 2601, 2739, 2758, 2914b, 2925, 3242, s. auch Grundsatz der Formfreiheit (Prinzip der Formfreiheit) – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2739, 2758 Formmangel, 69, 199, 368 ff., 378 ff., 381 ff., 441a, 443, 1349, 1395, 2304, 2410, 2877, 3018b, 4106 – Heilung des Formmangels, 369, 375, 431, 433 Formnichtigkeit, 369 ff., s. auch Formvorschriften, gesetzliche, Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung Formungültigkeit, s. Formvorschriften, gesetzliche, Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung Formvorbehalt, s. Formvorschriften, vertraglich vorbehalten Formvorschriften, gesetzliche, 338 ff. – Anwendungsbereich, 343 – Arten, 344 ff. – einfache Schriftlichkeit, s. Schriftlichkeit, einfache Schriftlichkeit – öffentliche Beurkundung, s. dort – qualifizierte Schriftlichkeit, s. Schriftlichkeit, qualifizierte Schriftlichkeit – bei Vertragsaufhebung, 367 f. – Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung, 368 ff. – Formungültigkeit, 368 ff. – Haftung für Formungültigkeit, 383 – Konversion, s. dort – Rückabwicklung, s. Rückabwicklung (Liquidation), bei der Formungültigkeit – teilweise Formungültigkeit, 378 – Textform, s. dort – Umfang, 364 ff. Formvorschriften, vertraglich vorbehalten, 366, 384 ff., 3685, 3814, 3851, 3887, 3956, 4020 – Änderung und Aufhebung, 389 f.

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– Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung, 385, 391 – Vermutung der einfachen Schriftlichkeit, 388 – Vermutung der Gültigkeitsform, 387 Fotokopie, 355 Frachtvertrag, 1121, 3219, 3473 f., 3478 ff., 3483, 3488 ff. – Abgrenzung, 3494 ff. – zum Personenbeförderungsvertrag, 3495 – zum Speditionsvertrag, 3496 – Beendigung, 3518 f. – Begriff, 3488 ff. – Deckungsverhältnis, s. dort – Entstehung, 3497 f. – Haftung des Frachtführers, 3491, 3507 ff. – auftragsrechtliche Haftung, 3516 f. – für Zwischenfrachtführer, 3514 f. – nach Art. 447 ff. OR, 3508 ff. – Pflichten der Absenderin, 3499 ff. – Pflichten des Frachtführers, 3503 f. – Retentionsrecht, s. Retentionsrecht, beim Frachtvertrag – Rolle der Empfängerin, 3505 f. – Valutaverhältnis, s. dort Frachtvertragskommission, s. Speditionsvertrag Franchisevertrag (Franchising), 794, 2717, 3428, 3795, 3808, 3874 ff. – Abgrenzung, 3880 ff. – zum Agenturvertrag, 3881 – zum Alleinvertriebsvertrag, 3850, 3883 – zum Arbeitsvertrag, 3885 – zum Lizenzvertrag, 3808, 3884 – zum Werkvertrag, 3880 – zur Kommission, 3882 – Beendigung, 3892 ff., 3902, 3906 f. – ausserordentliche Beendigung, 3892, 3897 ff., 3907, s. auch Kündigung, beim Franchisevertrag – ordentliche Beendigung, 3892, 3894, 3895 f., 3907, s. auch Kündigung, beim Franchisevertrag – Begriff, 3874 f. – Erscheinungsformen, 3877 f. – Betriebsfranchising, 3877 – Partnerschaftsfranchising, 3878, 3885 – Produktefranchising, 3877, 3883, 3889 – Subordinationsfranchising, 3878, 3884 f., 3901 – Gültigkeit, 3887 f. – Investitionsersatzanspruch, 3906 f. – Karenzentschädigung, s. Karenzentschädigung, beim Franchisevertrag – Konkurrenzverbot, s. Konkurrenzverbot, beim Franchisevertrag

Sachregister

– Kundschaftsentschädigung, s. Kundschaftsentschädigung, beim Franchisevertrag – Pflichten der Franchisenehmerin, 3888, 3890 f. – Pflichten des Franchisegebers, 3888, 3889 – Rechtsnatur, 3879 – Rückgaberecht für Vertragswaren, 3905 – wirtschaftliche Funktion, 3876 – Kartellrecht, s. Kartellrecht, beim Franchisevertrag Franchising, s. Franchisevertrag Frankolieferung, 2454 f. Freizeichnung, s. Wegbedingung der Haftung (Haftungsbeschränkung) Freizeichnungsklauseln, s. Wegbedingung der Haftung (Freizeichnung; Haftungsbeschränkung) fremdes Geschäft, s. Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), fremdes Geschäft Fremdgeschäftsführung – berechtigte Fremdgeschäftsführung, s. echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) – unberechtigte Fremdgeschäftsführung, s. echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) Fremdgeschäftsführungswille – bei der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1508, 1612, 1621, 1623 ff. – fehlender Fremdgeschäftsführungswille bei echter unberechtigter und unechter Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1508, 2155, 2164 ff. Frist, absolute, s. absolute Frist Frist, relative, s. relative Frist Frustrationsschaden, 116, 881 ff., 1884 f. Furchterregung (Drohung), 447 ff., 464, 468, 485, 541, 550 ff., 578, 580 f., 589, 592, 595, 596 f., 4106 – Begriff, 550 f. – Voraussetzungen, 552 ff.

G Garantie – bürgschaftsähnliche Garantie, s. Garantievertrag – selbständige Garantie, s. Garantievertrag – unselbständige Garantie, s. Zusicherung Garantiefrist, 2624, 3183 Garantiehaftung, 2510, 3406 Garantievertrag, 1167 ff., 3845, 3952 – Abgrenzung, 1173 ff. – der bürgschaftsähnlichen Garantie zum Bürgschaftsvertrag, 1172, 1173 f., 3571 f., 3574 f. – zur kumulativen Schuldübernahme (Schuldbeitritt; Schuldmitübernahme), 1176a, 1434 – zur Zusicherung, 1175 f., 2602 ff.

– Arten, 1172 – Begriff, 1167 ff. – Garantiefall, 1167, 1179 f. – Wirkungen, 1777 ff. Gastaufnahmevertrag, 2907 f., 3000c, 3628, 3687, 3977 ff., 3990 – Beendigung, 4005 ff., s. auch Kündigung, beim Gastaufnahmevertrag; und s. ferner auch Rücktritt, beim Gastaufnahmevertrag – Begriff, 3977 ff. – Beherbergungsvertrag, s. dort – Bewirtungsvertrag, s. dort – Leistungsstörung, s. Leistungsstörung, beim Gastaufnahmevertrag – Pflichten der Parteien, 3991 ff. – Rechtsnatur, 3982 f. Gattungskauf, 602, 854, 2379 f., 2431, 2475, 2492 ff., 2500 f., 2587 ff., 2611, 2644, 2651, 2716, 3999 – begrenzter Gattungskauf, 2380 – Gefahrtragung, s. Gefahrtragung, beim Kaufvertrag, beim Gattungskauf – Gewährleistung, s. Sachgewährleistung, beim Fahrniskauf, beim Gattungskauf Gattungsschuld (genus-Schuld), 676 f., 704, 706, 770, 818, 851, 2380, 2394, 2588, 2644, 3035 – begrenzte Gattungsschuld, 676, 818, 2380, 2496 – unbegrenzte Gattungsschuld, 676 Gattungsvollmacht, 1076 Gebietsschutz, 3837, 3845, 3853 f., 3860, 3889 Gebotenheit, s. Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), Gebotenheit Gebrauch, vorausgesetzter, s. vorausgesetzter Gebrauch Gebrauchsleihe, s. Leihe, Begriff, Gebrauchsleihe Gebrauchsüberlassungstheorie, 3726 Gebrauchsüberlassungsvertrag, 2716, 2892, 3032, 3099, 3725 – Abgrenzung zum Kaufvertrag, 2396 Gefährdungshaftung (qualifizierte Kausalhaftung), 1830, 1832 f., 2013, 2016, 2128, 2135 ff., 4094, 4118 Gefahrensatz, 899, 1924, 1949, 1955, 1983 Gefahrtragung, 838 ff., 985 f., 2344, 2399, 2478 f., 3722, 3740, 3756 ff., 4033 – beim indirekten Leasing, 3722, 3740, 3756 ff. – beim Kaufvertrag, 838, 946, 2366, 2466, 2473 ff., 2513, 2596, 2606, 2656, 2614 f., 2666, 2787 – Begriff und Wesen, 2473 f. – bei der Wandlung des Kaufvertrages, 2504, 2656 – beim bedingten Kaufvertrag, 2501 ff.

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Sachregister

– beim Gattungskauf, 2475, 2492 ff., 2501 – beim Grundstückkauf, 2344, 2505 – beim Stückkauf, 2480 ff., 2500 f. – Gegenleistungsgefahr, s. dort – Preisgefahr, s. Preisgefahr, beim Kaufvertrag – restriktive Interpretation, 2478 f. – Voraussetzungen, 2475 ff. – beim Trödelvertrag, 4033 – beim Werkvertrag, 3153, 3183 – abweichende Vereinbarung, 3206 ff. – Ausnahme, 3205 – Grundsatz, 3201 ff. – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2767, 2787 ff. – Preisgefahr, s. Preisgefahr, beim Werkvertrag Gefälligkeit, 49, 78 ff., 1479, 1493, 1508, 1643 – Abgrenzung – zum Darlehen, 3064a ff. – zum einfachen Auftrag, 1508, 3232 ff. – zum Vertrag, 78 ff., 1513 ff., 1666 ff. – zur echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1498 ff., 1508 – zur echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1501 ff., 1508 – zur Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1493 ff., 1508, 1605, 1614, 1628, 1702 ff. – zur Leihe, 3036 ff. – zur Schenkung, 2864 f. – zur Selbstverständlichkeit, 1516 ff. – zur Vertrauenshaftung, 1519 ff. Gefälligkeitshaftung, 897a, 1474, 1479, 1495, 1522, 1662 ff., 1709 f., 1729, 1734, 1888a – Begriff, 1662 ff. – der Gefälligkeitserbringerin, 1691 ff. – des Gefälligkeitsempfängers, 1677 ff. Gefälligkeitsverhältnis, s. Gefälligkeit Gegenangebot, s. Gegenantrag (Gegenofferte) Gegenantrag (Gegenangebot; Gegenofferte), 225, 227 – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2755 Gegenleistungsgefahr, 837, 2474 Gegenofferte, s. Gegenantrag (Gegenangebot) Gegenseitigkeit der Willenserklärungen, 47 f., 52, 140, 201 ff. Geheimhaltungspflicht, 1523, 1652, 3271, 3274a, 3891, 3961 – des Beauftragten – beim Agenturvertrag, 3402 – beim Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag, 3333

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– nachvertragliche Geheimhaltungspflicht beim Lizenzvertrag, 3821, 3833 Geist-Werkvertrag, 3123 Geldersatz, 902, 2542 Geldschuld, 648, 662, 675, 687 ff., 702, 706, 716, 772, 805, 822, 938 ff., 1201, 1209, 1352, 2272, 2443, 2878a, 2909a Gelegenheitsauftrag, 3223 Gelegenheitsgeschenk, 2865, 2888 f. Geltungskontrolle, 493, 611, 612a, 612c f., 613 ff., 631, 635, 638, 2648, 3129, 4107 – Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), 614 ff. – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2740 – Ungewöhnlichkeitsregel, s. dort – Vorrang von Individualabreden, 613 gemeinsame Mitbürgschaft, 3562 ff., 3566, 3599 – einfache Mitbürgschaft, 3563a f., 3570 – solidarische Mitbürgschaft, 3565, 3570 gemeinschaftliche Gläubigerschaft, 2318, 2324 ff., 2327 – bei Miteigentum, 2324a gemeinschaftliche Schuld, 2280, 2286 ff. gemischter Vertrag, 2483, 2906, 3132, 3307, 3310, 3667, 3672, 3684 ff., 3690, 3699, 3715, 3725, 3879, 3921, 3951, 3982 – doppeltypischer Vertrag (Zwittervertrag), 3688 – Kombinationsvertrag (Zwillingsvertrag), 3687 – Vertrag mit Typenverschmelzung/-vermengung, 3689 Genehmigung, 148, 450, 581, 597, 624, 874, 1040, 1104 ff., 1108, 1110, 1292, 1329, 1364, 1639, 2198, 2349, 2967, 3019, 3155, 3350, 3370 – Genehmigungsfiktion, 2630 f., 3162, 3647 – nachträgliche Genehmigung – bei der fehlenden Vertretungsmacht, 1088 ff., 4103 – bei der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1492, 1511 f., 1619, 1639, 2145 f., 2150 f., 2160 f., 2191 ff. Generalvollmacht, 1076 Genugtuung, 113 f., 878, 1595, 1884, 1899 ff., 2012, 2104, 2129a, 2142a, 2236a, 2243 ff., 2742, 3023d, 3653 – Begriff, 113 f., 1899 ff. – bei Persönlichkeitsverletzung (Art. 49 OR), 1901 ff., 1908 f., 2104 – bei Tötung oder Körperverletzung (Art. 47 OR), 1905 ff., 2104 – bei Vertragsverletzungen, 113, 878, 1595, 1904

Sachregister

– Bemessung, 1910 f. – für juristische Personen, 1901a – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2742 genus-Schuld, s. Gattungsschuld genus perire non potest, 818, 2472, 2496, s. auch Gattungsschuld Gesamthandverhältnis, 1048, 2287 f., 2324 ff., 2327 Geschäft, fremdes, s. Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), fremdes Geschäft Geschäftsanmassung, s. unechte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA; Eigengeschäftsführung) Geschäftseinmischung, s. unechte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA; Eigengeschäftsführung) Geschäftsfähigkeit, 140, 146, 148 ff. – beschränkte Geschäftsfähigkeit, 148 Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1604 ff., 2143 ff., s. auch echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) und echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) – Abgrenzung – zum unentgeltlichen Auftrag, 1505 ff., 1508 – zur Gefälligkeit, 1493 ff., 1508 – zur Stellvertretung, 1509 ff. – zur ungerechtfertigten Bereicherung, 1772 – Auftragslosigkeit, 1505, 1612, 1613 ff., 1619, 2157, 3220 – Auskunftspflicht, s. dort – echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), s. dort – echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), s. dort – Einmischungsverbot, s. dort – fremdes Geschäft, 1607, 1612, 1615, 1616 ff., 1772, 2154, 2187 f., 2193 – Fremdgeschäftsführung, s. echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) und s. auch echte unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) – Fremdgeschäftsführungswille, s. dort – Gebotenheit, 1489 ff., 1500, 1508, 1604, 1607, 1612, 1627 ff., 1708, 1710, 2143, 2150 – Genehmigung, s. Genehmigung, nachträgliche Genehmigung, bei der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) – Gewinnabschöpfung, s. dort – Gewinnherausgabe, s. dort – Konkurrenz hinsichtlich der Ansprüche des Geschäftsherrn, 2199 ff. – Art. 423 OR und Art. 41 ff. OR, 2210 ff. – Art. 423 OR und Art. 62 ff. OR, 1826, 2202 ff.

– Art. 423 OR und Art. 97 ff. OR, 2201 – Art. 41 ff. OR und Art. 62 ff. OR, 1828, 2215 – Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) und sachenrechtliche Besitz- und Ausgleichansprüche, 2216 ff. – Rechenschaftspflicht, s. dort – unechte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), s. unechte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA; Eigengeschäftsführung) Geschäftsherrenhaftung, 1007, 1564, 1569, 1837, 1840, 2027 ff. – Abgrenzung zur Hilfspersonenhaftung, 1011 f., 2028 – Begriff, 2027 – Entlastungsbeweis, s. Entlastungsbeweis, bei der Geschäftsherrenhaftung – Verhältnis zu anderen Kausalhaftungen, 2043 – Voraussetzungen, 2029 ff. Geschäftskern, 258, s. auch Vertragspunkt, wesentlicher Vertragspunkt, objektiv wesentlicher Vertragspunkt Geschäftsübernahme, s. Übernahme eines Vermögens oder eines Geschäfts Geschäftswille, s. Rechtsbindungswille (Abschlusswille; Rechtsfolgewille; Verpflichtungswille; vertraglicher Bindungswille; Vertragswille) Gesetzeskonkurrenz, 4138 ff. Gestaltungserklärung, 577, 756, 789, 792, 905, 1106 Gestaltungsfreiheit, 4, 207 Gestaltungsgeschäft, 75 ff. Gestaltungsklagerecht, 77 Gestaltungsrecht, 50, 56, 75 ff., 157, 266b, 386, 577, 778, 781, 792, 905, 1141, 1300, 1353 ff., 1384, 1468, 1562, 2223, 2363, 2385, 2634, 2652, 2909a, 2910a, 3000b, 3002b, 3004, 3006, 3172 ff., 3181, 3185 f., 3303, 3332, 3763 Gewährleistung, s. auch Rechtsgewährleistung; und s. ferner auch Sachgewährleistung – bei der Abtretung (Zession) für abgetretene Forderung, 1381, 1402 ff. – bei Abtretung an Zahlungs statt, 1407 – bei Abtretung zahlungshalber, 1406 f. – bei entgeltlicher Abtretung, 1403 f. – bei unentgeltlicher Abtretung, 1405 – Umfang der Haftung, 1408 – bei der Leihe, 3049 – bei der Schenkung, 2879 – beim Alleinvertriebsvertrag, 3865 – beim Fahrniskauf, 2399, 2439, 2460, 2465 f., 2477, 2548 ff., 2551 ff., 2558 ff., 2585 ff., 2596 ff., 4140 – beim Forderungskauf, 2556, 2595

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Sachregister

beim Gastaufnahmevertrag, 3997 ff. beim Grundstückkauf, 2344, 2557, 2559, 2592 ff. beim Leasingvertrag, 3740, 3760 ff. beim Lizenzvertrag, 3824, 3827 f. beim Pauschalreisevertrag, 3647 ff. beim Sponsoringvertrag, 3971 beim Steigerungskauf, 2355 f. beim Tauschvertrag, 2707 ff. beim Trödelvertrag, 4034 ff. beim UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2737, 2745, 2776, 2791 – beim Unternehmenskauf(vertrag), 2613 – beim Werklieferungsvertrag, 3127, 3188, 3865 – beim Werkvertrag, 2399, 3127, 3133, 3136, 3154, 3155 ff., 3202 Gewährleistungstheorie, 2549 Gewinn, entgangener, s. entgangener Gewinn Gewinnabschöpfung – bei unechter Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1799, 1826, 2159, 2161, 2163, 2164 ff., 2994a, 2999 – bei Vertragsverletzung, 2171 f., 2201 – Eingriffstheorie, s. dort – und ungerechtfertigte Bereicherung, 1826, 2206 f. – Verhältnis zum Schadenersatz aus unerlaubter Handlung, 2210 ff. – Widerrechtlichkeitstheorie, s. dort – Zuweisungstheorie, s. dort Gewinnherausgabe, 1799, 1826, 2159, 2161, 2179, 2184 ff., 2206 ff., 2211 f., 3045, 3441, 4145, s. auch Gewinnabschöpfung – Verjährung des Gewinnherausgabeanspruchs, s. Verjährung, des Gewinnherausgabeanspruchs Gläubigerinnenmehrheit, 2279, 2318 ff. – Arten, 2318 – bei unteilbarer Leistung, s. unteilbare Leistung, bei mehreren Gläubigerinnen – Einzelgläubigerschaft, s. dort – gemeinschaftliche Gläubigerschaft, s. dort – Solidargläubigerschaft, s. dort – Teilgläubigerschaft, s. dort – übrige Fälle, 2318, 2323 Gläubigerrechte, s. Wahlrechte Gläubigerschaft, gemeinschaftliche, s. gemeinschaftliche Gläubigerschaft Gläubigerverzug, 332, 651 f., 694, 803, 806, 912, 967 ff., 1206, 2364, 2461, 2463, 3072, 3078, 3150, 3593, 3599, 4008 – Begriff, 967 f. – beim Darlehen, 3072, 3078 f. – Mitwirkungshandlungen des Gläubigers, 969 ff. – – – – – – – – – –

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– Annahmeobliegenheit, s. dort – Begleithandlung, s. dort – Vorbereitungshandlung, s. dort – Rechtsfolgen, 982 ff. – bei anderen Leistungen, 989 f., 991 – bei Pflichtverletzungen, 992 – bei Sachleistungen, 987 f., 990 f. – Verhältnis zum Schuldnerverzug, 973, 983 – Voraussetzungen, 975 ff. – gehöriges Leistungsangebot, 975, 977 f. – Verhinderung der Erfüllung, 975, 979 ff. Gleichbehandlungsprinzip, 1685 Globalübernahme, s. Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), Globalübernahme Globalzession, 1367, 1375 f., 1378, 3921, 3929, 3937 ff., 3940 GoA, s. Geschäftsführung ohne Auftrag grobe Fahrlässigkeit, 593, 896 ff., 1015 f., 1020 f., 1896, 1985 ff., 2141, 2569, 2573, 2643 f., 2822, 2878, 2879, 3049, 3266, 3600, 3778, s. auch Fahrlässigkeit Grundbuch, 3295 – Eintragung ins Grundbuch, 64, 69, 1299, 1459, 2057, 2334, 2343 f., 2353, 2389, 2405, 2409, 2427, 2436 ff., 2557, 3742 – Grundbuchberichtigungsklage, 69, 381, 442, 582, 2337, 2389, 2883, 4116 – Vormerkung im Grundbuch, 1305, 2388 f., 2392, 2559, 2855, 2988, 3735 Grundeigentümerhaftung, 1838, 2058, 2082 ff. – Begriff, 2082 – Verhältnis – zur Geschäftsherrenhaftung, 2043 – zur Werkeigentümerhaftung, 2095 – Voraussetzungen, 2083 ff. Grundlagenirrtum, 328, 447, 468, 470, 473 f., 480 ff., 496, 498, 501, 503, 507 ff., 540, 548, 556, 569, 590 f., 600 ff., 936, 1285, 2354, 2568, 2645a, 2967, 3823 f., 4082 – Abgrenzung zur Anpassung des Vertrages an veränderte Umstände (clausula rebus sic stantibus), 323 ff. – Begriff, 507 ff. – beim Fahrniskauf wegen Fehlen zugesicherter Eigenschaften, 2586, 2600, 2612, 2636 – Irrtum über zukünftigen Sachverhalt, 324 ff., 520 ff. – Konkurrenzen, 601 ff. – Voraussetzungen, 475 ff., 510 ff. Grundsatz – «Geld muss man haben», 822, 915

Sachregister

– «Kauf bricht Miete nicht», 1465, 2983 – casum sentit dominus, s. casum sentit dominus (Grundsatz/Prinzip casum sentit dominus) – der allgemeinen Rechtsfähigkeit, s. Rechtsfähigkeit – der Formfreiheit (Prinzip der Formfreiheit), 337, 1067 ff., 2402, 2601, 3242 – der Gegenseitigkeit, s. Prinzip, der Gegenseitigkeit (Grundsatz der Gegenseitigkeit) – der Inhaltsfreiheit, 392 ff. – der Privatautonomie, 4, 151, 234, 260, 830, 1489, 1736, 2257, 3361, 3695, 4095 – der restriktiven Auslegung, 296 – der Subsidiarität, 3119 – der Typenfreiheit, s. Prinzip, der Typenfreiheit – der Typengebundenheit (Prinzip der Typengebundenheit), 829 – der Unwiderruflichkeit, 261 f. – der Vereinigungsfreiheit, 3 – der Verhältnismässigkeit, 1962 – der Vertragsfreiheit, 4 f., 316, 639, 1190, 1467, 3709 – der Vertragstreue, s. Prinzip, der Vertragstreue; und s. ferner auch pacta sunt servanda – des Bereicherungsverbots, s. Bereicherungsverbot – des favor negotii, s. favor negotii – des numerus clausus, s. Prinzip, des numerus clausus – des Primats des subjektiv übereinstimmend Gewollten vor dem objektiv Erklärten, 246 – des Verbots unsittlichen Handelns, 164 – genus perire non potest, s. genus perire non potest – in dubio mitius, s. in dubio mitius – lex specialis derogat legi generali (Prinzip des Vorrangs der lex specialis), 2698, 3651 – nemo plus iuris ad alium transferre potest quam ipse habet, 65 – Prioritätsgrundsatz, s. dort – Relativitätsgrundsatz, s. dort – von Treu und Glauben (Prinzip von Treu und Glauben), 99, 538, 1186, 1525, 1527, 1566, 1731, 1954, 2456, 2458, s. auch Treu und Glauben Grundstückkauf, 64, 154 ff., 166, 199, 363, 371, 374, 1299, 1419, 1542, 1791, 2300, 2342 ff., 2353, 3230, 3361, s. auch Kaufvertrag – Form, 2344, 2402, 2403 ff. – öffentliche Beurkundung, s. öffentliche Beurkundung, beim Grundstückkauf – Rechtsfolgen bei Formmangel, 2410 – Umfang des Formzwangs, 365, 2402, 2406, 2407 ff.

– Eigentumsverschaffung, s. Eigentumsverschaffung, an Grundstücken – Gefahrtragung, s. Gefahrtragung, beim Kaufvertrag, beim Grundstückkauf – Gewährleistung, s. Gewährleistung, beim Grundstückkauf – Rechtsgewährleistung (Eviktionshaftung), s. Rechtsgewährleistung (Eviktionshaftung), beim Grundstückkauf – Sachgewährleistung, s. Sachgewährleistung, beim Grundstückkauf – Kaufsrecht, s. dort – Rückkaufsrecht, s. dort – Simulation, s. Simulation, beim Grundstückkauf – Vorkaufsrecht, s. Vorkaufsrecht, an Grundstücken Gültigkeitsform, s. Formvorschriften, vertraglich vorbehalten, Vermutung der Gültigkeitsform Gutachtervertrag, 3134 Gutglaubensschutz, 65, 1336 ff., 1362 ff., 3798 – bei der gewillkürten Stellvertretung, 1030, 1051, 1059, 1088 ff.

H Haftgeld, 1240 ff. – Abgrenzung zur Konventionalstrafe, 1246 – Arten, 1240 ff. – Angeld, s. dort – Draufgeld, s. dort – Begriff, 1240 ff. – Wirkungen, 1248 f. Haftung, 108 ff. – aus culpa in contrahendo, s. culpa in contrahendo (cic) – aus Rechtsgewährleistung (Eviktionshaftung), s. dort – aus Sachgewährleistung, s. dort – Begriff, 108 ff. – bei fehlender Urteilsfähigkeit, s. Billigkeitshaftung, bei fehlender Urteilsfähigkeit – bei Gefälligkeit, s. Gefälligkeitshaftung – bei Mehrheit von Schädigern, s. Solidarhaftung – der Gefälligkeitserbringerin, s. Gefälligkeitshaftung, der Gefälligkeitserbringerin – des Familienhaupts, s. dort – des Frachtführers, s. Frachtvertrag, Haftung des Frachtführers – des Gefälligkeitsempfängers, s. Gefälligkeitshaftung, des Gefälligkeitsempfängers – des Geschäftsherrn, s. Geschäftsherrenhaftung

1429

Sachregister

– des Grundeigentümers, s. Grundeigentümerhaftung – des Motorfahrzeughalters, s. Motorfahrzeughalterhaftung – des Produkteherstellers, s. Produktehaftung – des Schenkers, s. Schenkung, Haftung – des Spediteurs, s. Speditionsvertrag, Haftung des Spediteurs – des Tierhalters, s. Tierhalterhaftung – des Urteilsunfähigen, 895, 1656, 1837 f., 1997 ff., 2008 – des Werkeigentümers, s. Werkeigentümerhaftung – Eviktionshaftung, s. Rechtsgewährleistung (Eviktionshaftung) – Freizeichnung der Haftung, s. Wegbedingung der Haftung (Freizeichnung; Haftungsbeschränkung) – für Formungültigkeit, s. Formvorschriften, gesetzliche, Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung, Haftung für Formungültigkeit – für Hilfspersonen, s. Hilfspersonenhaftung – für Rechtsschein, s. Rechtsscheinhaftung – Garantiehaftung, s. dort – Gefährdungshaftung, s. Gefährdungshaftung (qualifizierte Kausalhaftung) – kausale Haftung, s. Kausalhaftung – Milderung der Haftung, s. Haftungsmilderung – quasivertragliche Haftung, s. Quasivertrag und s. auch quasivertraglicher (quasikontraktueller) Anspruch – Vertrauenshaftung, s. dort – Wegbedingung der Haftung, s. Wegbedingung der Haftung (Freizeichnung; Haftungsbeschränkung) – Zufallshaftung, s. dort Haftung des Familienhaupts, 1837, 2043, 2073 ff. – Begriff, 2073 – Entlastungsbeweis, s. Entlastungsbeweis, bei der Haftung des Familienhaupts – Voraussetzungen, 2074 ff. Haftungsausschluss, s. Wegbedingung der Haftung (Freizeichnung; Haftungsbeschränkung) Haftungsfreizeichnung, s. Wegbedingung der Haftung (Freizeichnung; Haftungsbeschränkung) Haftungsmilderung, 897 f., 966, 986, 1760, 1888a, 2857 f., 3049 – bei der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1500a, 1655 f., 1660 – bei der echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, 2147 – bei der Gefälligkeitshaftung, 1673, 1698 f. – Wegfall einer Haftungsmilderung, 947

1430

Haftungsbeschränkung, s. Wegbedingung der Haftung (Freizeichnung; Haftungsbeschränkung) Handeln «für denjenigen, den es angeht», 1062 Handeln in fremdem Namen, 1061 ff., s. auch direkte Stellvertretung Handelskauf, 957, 2381 ff., 2514 f., s. auch kaufmännischer Verkehr Handelsreisendenvertrag, 359, 368, 1050, 3393 f. – Abgrenzung zum Agenturvertrag, 3394 – Handelsreisender mit Abschlussvollmacht, 3345 – Handelsreisender ohne Abschlussvollmacht, 3345 Handgeld, 1242 Handkauf, 2335, s. auch Barkauf Handlung, rechtsgeschäftsähnliche, s. rechtsgeschäftsähnliche Handlung Handlung, unerlaubte, s. unerlaubte Handlung Handlungsfähigkeit, 19, 140, 145 ff., 171, 182, 1122, 1657, 1895, 1966, 2737, 3299, 3313, 4103 – bei der Schenkung, 2869a, 2872 – bei der Stellvertretung, 1050a, 1065 f., 1084 – beschränkte Handlungsfähigkeit, 148 ff. Handlungswille, 170, 554 Handschenkung, 2848, 2865, 2869a, 2876 f., 2881 Hauptpflicht, s. Pflicht, Hauptpflicht Hauptvertrag, 153 ff., 1177, 3097, 3340, 3353 f., 3358 f., 3364 f., 3371, 3375, 3378, 3417, 3746 Haushaltsschaden, 115, 879, 882, 1876 ff. Haustürgeschäft und ähnliche Verträge, 264 ff., 270, 791, 2374 f., 3315a, 3331 f. Hauswartvertrag, 2908, 2913a, 3219, 3688 Heilung, s. Formmangel, Heilung des Formmangels Herabsetzung – der Konventionalstrafe, s. Konventionalstrafe, Herabsetzung – des (Kauf-)Preises, s. Minderung – des Mietzinses, s. Mietzins, Herabsetzung (Reduktion) – des Schadenersatzes, s. Schadenersatz, Reduktionsgründe (Herabsetzungsgründe) – bei der Schenkung, s. Schenkung, Anfechtung und Widerruf durch Dritte Herausgabeobliegenheit, 3600 f. Hersteller – beim Leasing, s. dort – bei der Produktehaftung, 2097, 2098 ff. – beim Werkvertrag, s. dort Hilfsperson, 186, 720 f., 993 ff., 3484, 3487, 3514, 3651, 3987, 4113 – Beizug von Hilfspersonen – bei der Kommission, 3435 – bei der Stellvertretung, 1076, 1110

Sachregister

– beim einfachen Auftrag, 3249 f., 3251 ff., 3255 ff. – beim Mäklervertrag, 3374 – in Erfüllung einer Schuldpflicht, 1001 – zur Ausübung eines Rechts, 1002 – gemäss Art. 101 OR, 993 ff. – Abgrenzung zum Substituten, 999, 3250, 3251 ff. – Qualifizierung als Hilfsperson, 996 ff. Hilfspersonenhaftung, 993 ff., 1076, 1526, 1532, 1551, 1569, 1840, 2369, 2469, 2476, 2933, 3254a, 4096, 4112 – Abgrenzung zur Geschäftsherrenhaftung, 1011 f., 2028 – bei der culpa in contrahendo-Haftung, 1564 – bei der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1659, 2153 – bei der echten unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 2153 – bei der Haftung des Grundeigentümers (Grundeigentümerhaftung), 2087 – bei der Haftung des Motorfahrzeughalters (Motorfahrzeughalterhaftung), 2139 – bei der Haftung des Tierhalters (Tierhalterhaftung), 2049 – bei der positiven Vertragsverletzung, 1000 – bei der Rückabwicklung (Liquidation), 962 – bei der Solidarschuldnerschaft, 2296 – bei der Vertrauenshaftung, 1761 – gemäss Art. 55 OR, s. Geschäftsherrenhaftung – gemäss Art. 101 OR, 993 ff. – funktioneller Zusammenhang, 1003 ff. – hypothetische Vorwerfbarkeit, s. dort – Prüfungsschema, 1013 – Rechtsfolgen, 1010 – Voraussetzungen, 995 ff., s. auch Hilfsperson, gemäss Art. 101 OR – Wegbedingung, s. Wegbedingung der Haftung (Freizeichnung; Haftungsbeschränkung), der Hilfspersonenhaftung Hinterlegung – bei der Stellvertretung, 1109 – beim Darlehen, 3072, 3078 – beim Gläubigerverzug, 985, 987 f., 991, 2308, 3072, 3078, 4124 – beim Prätendentenstreit, 1391, 1392 ff. – des Mietzinses, 2956b, 2957c, 2959 ff., 2967a, 2968d, 2976f, 2979 – irreguläre Hinterlegung, s. depositum irregulare – reguläre Hinterlegung, s. depositum regulare Hinterlegungsvertrag, 2133, 2254, 3520 ff., 3992

– Arten, 3521 ff. – depositum irregulare, s. dort – depositum regulare, s. dort – Lagergeschäft, s. dort – Sammelverwahrung (Vermengungsdepot), s. dort – Sequestration, s. dort – Abgrenzung, 3532 ff. – zum Auftrag, 3534a – zum Darlehen, 3534 – zum Sparkassenvertrag, 3534 – zum Speditionsvertrag, 3477, 3535 – zur Leihe, 3041, 3532 f. – zur Miete, 2901 f. – Begriff, 3520 – Besonderheiten des Lagergeschäfts, 3550 ff. – Pflichten der Hinterlegerin, 3536 ff. – Pflichten des Aufbewahrers, 3540 ff. – Aufbewahrungspflicht, s. Aufbewahrungspflicht, beim Hinterlegungsvertrag – Restitutionspflicht (Rückgabepflicht), s. Restitutionspflicht, beim Hinterlegungsvertrag – Folgen der Pflichtverletzung, 3548 f. – Retentionsrecht, s. Retentionsrecht, beim Hinterlegungsvertrag Holschuld, 703 ff., 922, 2367, 2369, 2455, 2492 f., 2494 ff., 2500, 2668, 2762, 2783, 2790 hypothetische Vorwerfbarkeit – bei der Hilfspersonenhaftung gemäss Art. 101 OR, 995, 1008 f., 1012, 1013, 2369, 2499, 3251, 3257 hypothetischer Parteiwille, s. Parteiwille, hypothetischer Parteiwille

I ignorantia, 470, 507 ignorantia facti, 527, s. auch Grundlagenirrtum ignorantia iuris, 526 f., s. auch Rechtsirrtum Immaterialgut, 3787 f., 3790, 3792 ff., 3797 f., 3801, 3805, 3816 f., 3831, 3877, 3889, 3952, 3958 Immaterialgüterrecht, 87, 90, 136, 1798, 1804, 1867, 1944, 1948, 2156, 2170, 2208, 2226, 2334, 2423, 2440, 2559, 2718, 2778, 3028, 3787, 3790, 3801, 3805, 3834, 3884, 4117 immaterielle Unbill, s. Genugtuung Immission, 2084, 2090, 2094, 2941b, 2978a – materielle Immission, 2093 – ideelle Immission, 2093 – negative Immission, 2093 – positive Immission, 2093

1431

Sachregister

indirekte Stellvertretung, 65, 1032, 1601, 1637, 1823, 2360, 3240 f., 3288, 3291, 3292, 3295, 3345, 3347, 3430, 3433 f., 3473, 3781, 3849, 4010, 4017 f., s. auch direkte Stellvertretung – Abgrenzung – zum Vertrag zugunsten eines Dritten, 1130 – zur direkten Stellvertretung, 1032 f. in dubio contra stipulatorem, 296, 629, s. auch Unklarheitenregel in dubio mitius, 1290 Inanspruchnahme, vertragslose, s. vertragslose Inanspruchnahme Incoterms (International Commercial Terms), 698 ff., 2487, 2491, 2761, 2787 Individualabrede, s. Geltungskontrolle, Vorrang von Individualabreden Informationspflicht, 2604, 2783, 3899, 3930, 3936 – beim Leasingvertrag, 3773 – bei der Miete, 2919a – beim Konsumkreditvertrag, 3102 f. – beim Pauschalreisevertrag, 3639, 3645 – der Auftraggeberin beim Agenturvertrag, 3411 f. – des Beauftragten – beim Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag, 3325, 3328, 3333 – beim einfachen Auftrag, 3263, 3271a, 3275 ff. – des Effektenhändlers, 3444 ff. – des Kommissionärs, 3436 f., 3444 ff. Inhaberpapier, 2440 Inhaltsfreiheit, 5, 336, 337, 392 ff., 2411, 3230, 3814, 3851a, 3929, 3957, 4020 – anfängliche Unmöglichkeit, s. Unmöglichkeit der Leistung (Leistungsunmöglichkeit), Arten inklusive ihre Rechtsfolgen, anfängliche (ursprüngliche) Unmöglichkeit – öffentliche Ordnung, s. dort – Persönlichkeitsrechtswidrigkeit, s. dort – Rechtsfolgen bei Verstoss, 431 ff. – Konversion, 441a f. – Nichtigkeit, s. dort – Rückabwicklung, s. Rückabwicklung, bei der Inhaltsungültigkeit – Teilnichtigkeit, s. dort – Sittenwidrigkeit, s. dort – Widerrechtlichkeit, s. dort Inhaltskontrolle, 297, 408, 493, 611, 612a, 612c f., 631 ff., 638, 2648, 2740, 3129, 4107 – offene Inhaltskontrolle, 408, 610, 612, 612d, 633, 634 ff., 637, 2648 – bei Nichtkonsumverträgen, 612a, 635m

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– Rechtsfolgen, 636 – Voraussetzungen, 635a ff. – verdeckte Inhaltskontrolle, 295, 611 f., 630a, 631 ff. – vertragsrechtliche Inhaltskontrolle, 637 Inkassobevollmächtigung, 1347 Inkasso-Provision, 3420 Inkassovollmacht, 380, 1198, 3414 – Abgrenzung zur Anweisung, 1198 Inkassozession, 1378, 3925 Innominatfigur, 3678, 3683 Innominatkontrakt (Innominatvertrag), 4, 8, 98, 258, 316, 796, 1183, 1427, 2427, 2674, 2706, 2856, 2893, 3123, 3125 f., 3219, 3224, 3226 f., 3344, 3476, 3630, 3633, 3660 ff. – Abgrenzung, 3673 ff. – Innominatkontrakt mit mietrechtlichem Einschlag zur Miete, 2906 ff. – zum gesetzlich geregelten Mischvertrag (positivierter Mischvertrag), 3674 – zum typischen Vertrag mit Beimischung (atypischer Vertrag), 3675 – zum zusammengesetzten Vertrag (Vertragsverbindung, Netz-/Verbundvertrag), 3676 ff. – Abschluss, 3691 f., s. auch Abschluss des Vertrages – anzuwendendes Recht, 3695 ff., 3714 ff. – Absorptionstheorie, s. dort – Diskurstheorie, s. dort – Kombinationstheorie, s. dort – Kreationstheorie, s. dort – Theorie der analogen Rechtsanwendung des Besonderen Teils des OR, s. Theorie, der analogen Rechtsanwendung des Besonderen Teils des OR BT – Theorie der Übernahme gesetzlicher Einzelanordnungen, s. Theorie, der Übernahme gesetzlicher Einzelanordnungen – Mittel der Vertragsergänzung, 3706 ff., s. auch Ergänzung des Vertrages – Arten, 3681 ff. – gemischter Vertrag, s. dort – Vertrag eigener Art (Vertrag sui generis; Vertrag sui iuris), s. dort – auf Arbeitsleistungen, 3225 f. – auf Dienstleistungen, 3226 – Auslegung, 3693 f., s. auch Auslegung des Vertrages – Begriff, 3663 ff. – einzelne Innominatkontrakte, 3718 f. – und zwingendes Gesetzesrecht, 3709 ff.

Sachregister

Innominatvertrag, s. Innominatkontrakt Insichgeschäft, 1077 ff., 1105, 3271, 3370, 3371, 3404, s. auch Selbsteintritt; und s. ferner auch Selbstkontrahieren Interesse – negatives Interesse, s. negatives (Vertrags-)Interesse – positives Interesse, s. positives (Vertrags-)Interesse – Erfüllungsinteresse, s. positives (Vertrags-)Interesse – Vertrauensinteresse, s. dort Interessenkollision, 1078 f., 3271, 3368 ff., 3371, 3375 ff., 3469 f., s. auch Insichgeschäft Interessenwahrungspflicht – beim einfachen Auftrag, 3269 ff. – beim Mäklervertrag, 3352, 3367 – beim Werkvertrag, 3147 International Commercial Terms, s. Incoterms interne Schuldübernahme (Befreiungsversprechen; Erfüllungsübernahme), 1134, 1410, 1412 ff., 1441 f., 1454, 1461 – Begriff, 1412 ff. – Voraussetzungen, 1414a ff. – Wirkungen, 1420 ff. Internet-Telefonie, 177 invitatio ad offerendum, s. Einladung zur Offertstellung Irrtum, 247, 447, 449 f., 464, 468, 470 ff., 562 f., 578, 586, 588, 590 f., 593 f., 596, 600 f., 874, 1031, 1471, 1483, 1529, 1544, 1555, 1774, 1792, 1808 ff., 2188, 3019, 3588, 3594, 4106 – Arten, 473 f. – Erklärungsirrtum, s. dort – Motivirrtum, s. dort – Begriff, 470 ff. – bei gemeinsamer Mitbürgschaft, 3562 – Konkurrenz, 598 ff. – keine Konkurrenz zur Gewährleistung im UNKaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2737 – zur Rechtsgewährleistung (Eviktionshaftung), 603, 2584 – zur Sachgewährleistung beim Fahrniskauf, 601 f., 2701 ff. – zur werkvertraglichen Mängelhaftung, 604 – über zukünftigen Sachverhalt, s. Grundlagenirrtum, über zukünftigen Sachverhalt – Verhältnis von Art. 199 OR zur Irrtumsanfechtung, 2645 ff. – Voraussetzungen, 475 ff. ius variandi, 2652, s. auch Wahlrechte (Gläubigerrechte), beim Fahrniskauf iustum pretium, 309

J Juristenvertrag, 3134

K Kalkulationsirrtum, s. Rechnungsfehler Karenzentschädigung – beim Agenturvertrag, 3402, 3424 ff., 3425 f. – beim Alleinvertriebsvertrag, 3861 – beim Franchisevertrag, 3903, 3904 Kartellrecht, 18, 152, 1953 – beim Alleinvertriebsvertrag, 3837, 3851a, 3854, 3860 f., 3873 f. – beim Franchisevertrag, 3889, 3908, 3887a – beim Lizenzvertrag, 3814, 3834 Kassenobligation, 2440 Kauf auf Abruf, 2363, 2461 Kauf auf Probe, 1292, 2349, 2716, 2775, 4015 Kauf mit Montagepflicht, 2722, 3130 ff., 3667 Kauf nach Muster, 2346 ff., 2716, 2775 kaufmännischer Verkehr, 219, 230, 698, 702, 940, 1050, 2381 ff., 2514 ff., 2533, 2546, 3059, 3068, 3073, 3161, 3913, 4139 kaufmännisches Bestätigungsschreiben, 229 ff. Kaufsrecht, 157, 1354, 2385, 2391 f., 2406, 2559, 3745 Kaufvertrag, 40 f., 53, 58, 67, 98, 153, 199, 247, 497, 538, 558, 855 f., 904, 1017, 1176, 1184, 1229, 1281, 1285, 1304, 1308, 1402, 1465, 2048, 2300, 2327, 2329 ff., 2875, 3359, 3372, 3439 f., 3462, 3465, 3467, 3468, 3472, 3612 f., 3667, 3675, 3725, 3733, 3763 ff., 3771, 3781, 3795, 3802, 3838 f., 3843, 3865, 3879, 3982, 3985, 3988, 3997, 4014, 4022, 4026, 4037 – Abgrenzung, 2393 ff. – zu den Gebrauchsüberlassungs- und Arbeitsleistungsverträgen, 2396 – zum Alleinvertriebsvertrag, 3847 – zum Darlehen, 3066 – zum Leasingvertrag, 3743 – zum Lizenzvertrag, 3804 – zum Tauschvertrag, 2393 f., 2706 – zum Trödelvertrag, 4016 – zum Werkvertrag, 2397 ff., 3130 ff. – zur Miete, 2903 – zur Schenkung, 2393, 2395 – Annahme der Kaufsache, 974, 2442, 2452, 2462 ff. – Arten, 2342 ff. – Barkauf, s. dort – Distanzkauf, s. dort

1433

Sachregister

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– Fahrniskauf, s. dort – Fernkauf, s. dort – Forderungskauf, s. dort – Gattungskauf, s. dort – Grundstückkauf, s. dort – Handelskauf, s. dort – Handkauf, s. dort – Haustürgeschäft und ähnliche Verträge, s. dort – Kauf auf Abruf, s. dort – Kauf auf Probe, s. dort – Kauf mit Montagepflicht, s. dort – Kauf nach Muster, s. dort – Kreditkauf, s. Postnumerandokauf – Kulturgüterkauf, s. dort – Online-Auktion, s. dort – Platzkauf, s. dort – Postnumerandokauf, s. dort – Pränumerandokauf, s. dort – Rechtskauf, s. dort – Spezifikationskauf, s. dort – Steigerungskauf, s. dort – Stückkauf, s. dort – Sukzessivlieferungskauf, s. dort – Versendungskauf, s. dort – Vorauszahlungsvertrag, 2350 f. Begriff, 2329 ff. Charakteristik, 2333 ff. Doppelverkauf, s. dort Eigentumsverschaffung, s. dort Ersatzlieferung, s. Ersatzlieferung, beim Fahrniskauf Form, 2402 ff. Gefahrtragung, s. Gefahrtragung, beim Kaufvertrag Gewährleistung, s. dort – Rechtsgewährleistung, s. Rechtsgewährleistung (Eviktionshaftung) – Sachgewährleistung, s. dort Gültigkeit, 2402 ff. – Ausnahmen, 2403 ff. – Form, s. Grundsatz, der Formfreiheit (Prinzip der Formfreiheit) – Inhalt, 2411 f. im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2715, 2716 ff., 2723 ff., 2736 Hauptpflichten der Verkäuferin, 40 f., 2413 ff. Hauptpflichten des Käufers, 40 f., 2441 ff. Kaufgegenstand, 2329 ff., 2342 f., 2358, 2364, 2367 ff., 2370 ff., 2375, 2378 f., 2382, 2401, 2407, 2413 f., 2435, 2415 ff. – Bestimmtheit und Bestimmbarkeit, 2415 f.

1434

künftige Sache, s. Sache, künftige Sache Rechte, 2414, 2422 ff. Rechtsgesamtheit, s. dort Sachgesamtheit, s. dort sonstige wirtschaftliche und faktische Vorteile, 2414, 2425 Kaufpreis, 2324a, 2330, 2339 f., 2345, 2350, 2370 ff., 2390, 2401, 2406 ff., 2410, 2441, 2443 ff. – Begriff und Gegenstand, 2443 f. – Erfüllung des Kaufpreises, 2449 – Erfüllungssurrogat, s. dort – Fälligkeit, s. Fälligkeit, des Kaufpreises – Höhe und Bestimmbarkeit, 2445 ff. – Zahlung des Kaufpreises, 40 f., 98, 2445 ff. Kaufsrecht, s. dort Leistungsstörung, s. Leistungsstörung, beim Kaufvertrag Mängelrüge, s. Mängelrüge, beim Kaufvertrag Minderung, s. Minderung, beim Fahrniskauf Nachbesserung, s. Nachbesserung, beim Fahrniskauf Nebenpflichten der Verkäuferin, 2453 ff. Nebenpflichten des Käufers, 2457 f. Obliegenheiten des Käufers, 2459 ff. – Begriff, s. Obliegenheit, des Käufers – Untersuchung der Kaufsache und Anzeige von Mängeln, 2460 – Abrufs- und Bestimmungsrecht, 2461 – Annahme des Kaufgegenstands, s. Kaufvertrag, Annahme der Kaufsache Rechtsgewährleistung, s. Rechtsgewährleistung, beim Fahrniskauf Rechtsnatur, 2333 ff. – Synallagma, s. dort – Verfügungsgeschäft, s. dort – Verpflichtungsgeschäft, s. Verpflichtungsgeschäft, beim Kaufvertrag Rückkaufsrecht, s. dort Sachgewährleistung, s. Sachgewährleistung, beim Fahrniskauf Schadenersatz, s. Schadenersatz, beim Fahrniskauf Übergabe des Kaufgegenstands, 40 f., 98, 2330, 2366 ff., 2370 ff., 2401, 2413 f., 2429 ff., 2433 ff., 2558, 2563 f. Vorkaufsrecht, s. dort Wandlung, s. Wandlung, beim Fahrniskauf Wegbedingung der Haftung, s. Wegbedingung der Haftung (Freizeichnung; Haftungsbeschränkung), beim Fahrniskauf Zustandekommen, 2336, 2352, 2391, 2400 f., 2416, 2446 – – – – –



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Sachregister

kausale Theorie, 1337, s. auch Abtretung (Zession) Kausalhaftung, 1640, 1657, 1671, 1681, 1830 ff., 1888, 1892, 1898, 1902, 1969, 1973, 1997, 1999, 2016 ff., 2027, 2043, 2044, 2051 f., 2055, 2072, 2073, 2082, 2096, 2128, 2139, 2147, 2152, 2581, 2672 ff., 2698, 3154, 3251, 3304, 3507, 3509, 3511, 3651, 3994, 4000 – einfache (gewöhnliche) Kausalhaftung, s. dort – Gefährdungshaftung (qualifizierte Kausalhaftung), s. dort Kausalhaftungsprinzip, 2673 Kausalität, 1930 ff. – alternative Kausalität, 1932 f. – hypothetische Kausalität, 890, 1934, 1936, 1937 – kumulative Kausalität, 1931 – überholende Kausalität, 1934 ff., 1937 Kausalitätsprinzip, 68 ff. Kausalkette, 2676 f., 2680 Kausalzusammenhang, 119 ff., 535, 544 f., 552, 561, 857, 860, 887 ff., 1013, 1319, 1534, 1556, 1585, 1671, 1758, 1843, 1844, 1888a f., 1902, 1914 ff., 2045, 2056, 2083, 2097, 2129, 2152, 2307, 2834, 2841 f., 2957, 3264, 3289, 3290, 3354 ff., 3416, 3422a, 3508, 3516, 4111, 4119 – adäquater Kausalzusammenhang, s. dort – Begriff, 119 ff., 1915 ff. – bei Unterlassungen, 122, 889a, 1556, 1914, 1923 ff., 2839 – Beweis des fehlenden Kausalzusammenhangs, 2034, 2041 f., 2054, 2081 – entfernter Kausalzusammenhang, 2669 ff. – hypothetischer Kausalzusammenhang, 1556, 1924 f., 2839 – naher Kausalzusammenhang, 2669 ff. – natürlicher Kausalzusammenhang, s. dort – Unterbrechung des Kausalzusammenhangs, 891, 1889 ff., 1926 ff., 2307 – durch höhere Gewalt, 891, 1926, 1928 f., 2140 – durch schweres Drittverschulden, 891, 1891, 1926 f., 1929, 2140, 2307 – durch schweres Selbstverschulden, 891, 1889 ff., 1926 f., 1929, 2140 – Ursachenkonkurrenz, 1930 ff. – alternative Ursachenkonkurrenz, s. Kausalität, alternative Kausalität – hypothetische Ursachenkonkurrenz, s. Kausalität, hypothetische Kausalität – kumulative Ursachenkonkurrenz, s. Kausalität, kumulative Kausalität – überholende Ursachenkonkurrenz, s. Kausalität, überholende Kausalität

Kettenzession, 1336, 1362, 1387 Klageverzicht, 729 kleiner Unterhalt, 99, 2933c, 2937 ff., 2957, 2967a, 3014b, 3989 Knockout-Theorie, 626a Know-how, 2419, 2425, 2440, 3788, 3790, 3794, 3808, 3809, 3822, 3833, 3876 f., 3879, 3889, 3891 Kollektivvollmacht, 1076 Kombinationstheorie, 3699 f., 3701 Kommerzialisierungsschaden, 115, 880 ff., 1883, 1885 Kommission, 2352, 2360, 3219, 3345, 3386, 3410, 3426 ff., 3474 f., 3482, 3486, 3499, 3503, 3550, 3678, 3841 – Abgrenzung, 3431 ff. – zum Agenturvertrag, 3391 f., 3433 – zum Alleinvertriebsvertrag, 3434 – zum Factoringvertrag, 3922 – zum Franchisevertrag, 3882 – zum Mäklervertrag, 3345, 3347, 3432 – zum Trödelvertrag, 3431, 4018 – Arten – Einkaufskommission, 3426, 3427, 3431, 3437, 3443, 3447, 3450, 3455 f., 3463, 3465 f., 3468 – Verkaufskommission, 3426, 3427, 3431, 3437, 3443, 3447, 3455, 3457, 3458 ff., 3463, 3468 – Aussonderungsrecht, s. Aussonderungsrecht, bei der Kommission – Beendigung, 3462 – Begriff, 3427 ff. – Delkredere, s. Delkredere, bei der Kommission – Effektenhändler, s. dort – Legalzession, s. Legalzession, bei der Kommission – Pflichten des Kommissionärs, 3435 ff. – Informationspflicht, s. Informationspflicht, des Kommissionärs – persönliche Ausführungspflicht, 3435 – Sorgfaltspflicht, s. Sorgfaltspflicht, des Kommissionärs – Treuepflicht, s. Treuepflicht, des Kommissionärs – Übernahme des Delkredere-Risikos, s. Delkredere, bei der Kommission – Versicherungspflicht, s. dort – Rechte des Kommissionärs, 3446 ff. – Auslagenersatz, s. Auslagenersatz, bei der Kommission – Delkredere-Provision, s. dort – Provision, s. Provision, bei der Kommission – Retentionsrecht, s. Retentionsrecht, bei der Kommission

1435

Sachregister

– Schadenersatz, s. Schadenersatz, bei der Kommission – Verwendungsersatz, s. Verwendungsersatz, bei der Kommission – Selbsteintritt des Kommissionärs, s. Selbsteintritt, des Kommissionärs Kondiktion, 442, 582 f., 962, 1111, 1115 f., 1221, 1768, 1770, 1793, 1798 ff., 1803, 1821, 1827, 1842, 2338, 2913b, 3622, 3825, 4121, s. auch ungerechtfertigte Bereicherung – der Kondiktion, 1220, 1222 – Direktkondiktion, s. dort – Eingriffskondiktion, s. dort – Leistungskondiktion, s. dort – Zufallskondiktion, s. dort Kondiktionssperre, 442, 1808 ff. – bei freiwilliger und irrtumsfreier Bezahlung einer Nichtschuld, 1792, 1808 ff., 1816, 1818, 4126 – bei Erfüllung einer verjährten Schuld oder einer sittlichen Pflicht, 37, 1809 f., 4126 – bei Herbeiführung eines rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolgs, 37, 414, 1811 ff., 1816, 1818, 1820, 4137 Konfusion, s. Vereinigung Konkurrenzverbot, 853, 864, 1252, 2172 – beim Franchisevertrag, 3891, 3903, 3904, 4082 – des Beauftragten beim Agenturvertrag, 3388, 3396, 3402, 3424, 3424c ff., 3425a, s. auch Karenzentschädigung, beim Agenturvertrag – des Händlers beim Alleinvertriebsvertrag, 3861, 3871 Konsens, 47, 140, 201 f., 209, 245 ff., 251, 266b, 276, 335, 444 f., 611, 612c, 614 ff., 620, 626a, 638, 1497, 1505, 2401, 3136, 3691, 4098, 4104 – Dissens, s. dort – hypothetischer Konsens, 307, 587, 589, s. auch Ergänzung des Vertrages – natürlicher, s. Konsens, tatsächlicher Konsens – normativer (rechtlicher) Konsens, 248, 249 f., 252, 255, 256, 469, 487, 489, 499, 516, 527, 1171, 1473, 1483, 1614, 1663, 1668, 2299, 3038, 3233 f., 3692, 4104, s. auch Vertrauensprinzip – rechtlicher, s. Konsens, normativer Konsens – tatsächlicher (natürlicher) Konsens, 245 ff., 249a, 256, 287, 469, 516, 1171, 1614, 1663, 1668, 3038, 3233, 3691 f., 4104 Konsensprinzip (Konsensualprinzip), 55, 279, 337, 2299, 2741 Konsensstreit, 202, 273 ff., 1030, s. auch Auslegung des Vertrages Konsensualprinzip, s. Konsensprinzip

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konstitutionelle Prädisposition, 1888a, 1893 f. Konsumgeschäft, 2384 Konsumentenschutz, 6, 264, 615, 3109, 3337 Konsumvertrag, 264, 408, 610a f., 612 f., 615, 795, 2375, 2383, 2635, 2675, 2679, 2724, 3025b, 3323 ff., 3639, 3642, 3712, 3772, 4098 – Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag, s. dort – Haustürgeschäft und ähnliche Verträge, s. dort – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2724 – Konsumkreditvertrag, s. dort – Pauschalreisevertrag, s. dort – und Allgemeine Geschäftsbedingungen, s. Inhaltskontrolle, offene Inhaltskontrolle Konsumkreditgesetz (KKG) 3093 f., 3098 ff. – Geltungsbereich, 3098 ff. – Höchstzinssatz, 3075, 3103, 3116 – und Leasingvertrag, 3100, 3103, 3105, 3107, 3108, 3113, 3115, 3120b, 3720 f., 3738, 3744a ff., 3745 f., 3748 ff., 3760 f., 3777, 3785 Konsumkreditvertrag, 269 ff., 359, 3093, 3095 ff. – Abgrenzung zur Miete, 2904 f. – Auslegung, 3120 f., s. auch Auslegung des Vertrages – Begriff, 3095 ff. – Einrededurchgriff, s. dort – Einwendungsdurchgriff, s. dort – Entstehung und Gültigkeit, 3102 ff. – Form, 3102 ff., 3108 – Geltungsbereich des KKG, s. Konsumkreditgesetz (KKG), Geltungsbereich – Kreditfähigkeitsprüfung, s. dort – Leistungsstörung, s. Leistungsstörung, beim Konsumkreditvertrag (KKG) – Nichtigkeit, 3107, 3111b ff., s. auch Nichtigkeit – Pflichtverletzung, 3111a f. – Rechte und Pflichten der Parteien, 3112 ff. – Einreden des Kreditnehmers bei Abtretung, 3117 – Verzug des Kreditnehmers, 3114 ff. – vorzeitige Rückzahlung, 3112 ff. – Rücktritt, s. Rücktritt, beim Konsumkreditvertrag – Überschuldungsprävention, s. auch Kreditfähigkeitsprüfung – Überziehungskredit, 3100, 3103, 3106, 3120b – und Konsumkreditgesetz (KKG), s. Konsumkreditgesetz (KKG) – Werbung für Konsumkredite, 3120b ff. – Widerruf, s. Widerrufsrecht, gesetzliches Widerrufsrecht, beim Konsumkreditgesetz (KKG)

Sachregister

Kontokorrentverhältnis, 227 744 f., 758, 3074, 3664 Kontrahierungspflicht, 152, 3992 – gesetzliche Kontrahierungspflicht, 159 ff. – öffentlich-rechtliche, 159 f. – privatrechtliche, 159, 161 ff. – rechtsgeschäftliche Kontrahierungspflicht, 153 ff. – Optionsrecht, s. dort – Vorvertrag, s. dort Kontrahierungszwang, s. Kontrahierungspflicht, gesetzliche Kontrahierungspflicht Konventionalstrafe, 736, 1250 ff., 1445, 2229, 2743, 3307, 3383, 3571, 3591, 3617 – Abgrenzung, 1256 ff. – zum Haftgeld, 1246, 1258 – zur Schadenspauschale, 1256 – zur unechten Konventionalstrafe, 1257 – Arten, 1255 – alternative Konventionalstrafe, 1255, 1263 ff., 1269 – exklusive Konventionalstrafe, s. Wandelpön – kumulative Konventionalstrafe, 1255, 1269 f., 1271 – Begriff, 1250 ff. – Herabsetzung, 1253, 1275 f. – unechte Konventionalstrafe, s. dort – Ungültigkeit, 1274 – Voraussetzungen, 1259 ff. – Wirkungen, 1263 ff. Konversion, 379 f., 441a f., 590, 1347 – bei Kündigung eines Mietvertrages, 2976, 3003a, 3006 Koppelungsgeschäft, 2913 ff., 3676 ff. Kosten – Abnahmekosten, 2457 – Beurkundungskosten, 2457, 2580 – der Übergabe, 2454, 2457 – Nebenkosten, s. dort – Prozesskosten, 2311, 2669, 3025a – Transportkosten, 2454 f., 2457, 2838, 3505 Kostenansatz, s. Kostenvoranschlag Kostenvoranschlag (Kostenansatz), 3135, 3195, 3196 ff., 3212a Kreationstheorie, 3704 Kreditanweisung, 1191 Kreditauftrag, 3219 – Abgrenzung zum Bürgschaftsvertrag, 3576 Kreditfähigkeitsprüfung, 3109 ff., 3120d, 3748 ff. Kreditkartenvertrag, 3100, 3103, 3106 Kreditkauf, s. Postnumerandokauf Kulturgüterkauf, 13, 2376 f., 2555, 2562, 2571, 2631e, 2636

kumulative Schuldübernahme (Schuldbeitritt; Schuldmitübernahme), 1410, 1425 ff., 2301, 3571 f. – Begriff, 1425 ff. – Abgrenzung, 1429 ff. – zum Bürgschaftsvertrag, 1430 ff., 3573 – zum Garantievertrag, 1176a, 1434 – zur externen (privaten) Schuldübernahme, 1429 Kundenkartenvertrag, 3100, 3103, 3106, 3120b Kündigung, 50, 75, 179, 792 ff., 919, 926, 2252 ff. – aus wichtigem Grund und clausula rebus sic stantibus, 326a, 800 – ausserordentliche Kündigung, 797 ff., s. auch wichtiger Grund – Begriff, 792 ff. – bei der Leihe, 3053 – bei der Miete, 186, 796, 3000e ff. – Anfechtbarkeit, 2987, 2988a, 3008, 3010a, 3020b ff. – ausserordentliche Kündigung, 2949 f., 2956b, 2957c, 2963, 2966, 2967a, 2968 ff., 2969, 2974 ff., 2976e, 2977, 2979, 2979d, 2985d ff., 2998, 3000 f., 3002b, 3004 ff., 3007, 3024g – Ausweisung des Mieters, s. dort – Begründung, 3007, 3023a – Behörden und Verfahren, 3023b, 3024d f., 3025 ff. – der Familienwohnung, 3007a, 3009b – Eigenbedarf, 2985d ff., 3006a, 3023 – Erstreckung des Mietverhältnisses, 2968k, 2976a, 2988a, 2996a, 3005b, 3010a, 3024 ff. – Form, 3007 ff. – Härte, 3024 f. – Konkurs des Mieters, 3005b f., 3006a – Konversion, s. Konversion, bei Kündigung eines Mietvertrages – Kündigungsfristen und -termine, 3003 ff., 3006a – Kündigungsschutz, 2997, 3020b ff. – Nichtigkeit, 3008, 3021 – ordentliche Kündigung, 796, 2969, 2977 f., 2979d, 2985c, 3000a, 3002b ff., 3007, 3024g – Sperrfrist, 2988a, 3023c – Tod des Mieters, 3005d, 3006a – Unwirksamkeit, 3021 – Verletzung der Pflicht zur Mangelbeseitigung, 2949, 3006a – Verletzung der Sorgfalts- und Rücksichtspflicht, 2969a ff., 3006a

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Sachregister

– wichtiger Grund, s. wichtiger Grund, bei der Miete – Zahlungsrückstand des Mieters, 2968 ff., 3005e, 3006a – Zustellung, 3009 ff. – bei der Pacht, 3030 – bei Leistungsstörungen, 855, 904 – beim Agenturvertrag, 3388, 3396, 3397 ff., 3422, 3424a ff. – beim Alleinvertriebsvertrag, 3864, 3867 f. – beim Darlehen, 3057, 3084 ff., 3091 – beim einfachen Auftrag, 795, 3300 ff., 3303 ff., 3307 f. – beim Factoringvertrag, 3942 f. – beim Franchisevertrag, 3892, 3894, 3895 ff., 3907 – beim Gastaufnahmevertrag, 4003, 4005 ff. – beim Leasingvertrag, 3784 f. – beim Lizenzvertrag, 3824, 3826, 3831 f. – beim Pauschalreisevertrag, 3650 – beim Sponsoringvertrag, 3970 f., 3973, 3974 ff. – beim Werkvertrag, 3126, 3213 ff. – des Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrages, 3337 – ordentliche Kündigung, 796 – Verjährungsbeginn, 2252 ff., 2305 – beim Hinterlegungsvertrag, 2254 – beim Darlehen, 2254, 3090 f. – von Dauerschuldverhältnissen, 60, 585, 639, 646, 790, 792 ff., 797 f., 904, 964, 1484, 2939i, 3016, 3552, 3784, 3864, 3868, 3897, 3943, Kundschaftsentschädigung – beim Agenturvertrag, 3399, 3421 ff., 3424b, 3425 f. – beim Alleinvertriebsvertrag, 3869 ff. – beim Franchisevertrag, 3902, 3904 laesio enormissima, 578, 598, s. auch Übervorteilung Lagergeschäft, 3525 f., 3550 ff. Landesindex der Konsumentenpreise, 3019f Leasingvertrag, 1330, 1355 f., 2132, 2717, 2908, 3097, 3100, 3103, 3105, 3107, 3108, 3113, 3115, 3120b, 3690, 3720 ff. – Abgrenzung, 3743 f. – zum Kaufvertrag, 3743 – zur Miete, 2908, 3744 – Beendigung, 3783 ff. – ausserordentliche Beendigung, 3784 f. – ordentliche Beendigung, 3783 – Begriff, 3722 f. – Ersatzlieferung, s. Ersatzlieferung, beim indirekten Leasing

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– Erscheinungsformen, 3728 ff. – direktes Leasing (Herstellerleasing), 3728 f. – Finanzierungsleasing, 3739 ff., 3777 – Immobilienleasing, 3734 f. – indirektes Leasing, 3725, 3728, 3730 ff., 3739 f., 3747, 3753 ff. – Investitionsgüterleasing, 3736 f., 3738 ff., 3761 – Konsumgüterleasing, 3721, 3737 f., 3760, 3777 – Mobilienleasing, 3734 – Operatingleasing, 3739, 3741 – sale and lease back Leasing, 3739, 3742 – Funktion, 3724 – Gefahrtragung, s. Gefahrtragung, beim indirekten Leasing – Gültigkeit, 3745 f. – Leistungsstörung, 3753 ff., s. auch Leistungsstörung, beim indirekten Leasing – Abtretbarkeit von Schadenersatzforderungen, 3779 ff. – Abtretung von Sachmängelrechten, 3762, 3763 – echter Vertrag zugunsten des Leasingnehmers, 3762, 3765, s. auch echter Vertrag zugunsten eines Dritten – Vollmacht zur Geltendmachung von Sachmängelrechten (Ermächtigungskonstruktion), 3762, 3764 – Minderung, s. Minderung, beim indirekten Leasing – Nachbesserung, s. Nachbesserung, beim indirekten Leasing – Pflichten der Leasinggeberin, 3747 ff. – allgemeine Pflichten, 3747 – Kreditfähigkeitsprüfung, s. dort – Pflichten des Leasingnehmers, 3752 – Prüfungsobliegenheit, s. dort – Rechtsnatur, 3725 ff. – Rügeobliegenheit, s. Rügeobliegenheit, beim Leasingvertrag – und Konsumkreditgesetz (KKG), s. Konsumkreditgesetz (KKG), und Leasingvertrag – und UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2717 – Vorbemerkungen, 3720 f. – Wandlung, s. Wandlung, beim indirekten Leasing – Wegbedingung der Haftung, s. Wegbedingung der Haftung (Freizeichnung; Haftungsbeschränkung), beim indirekten Leasing Legalzession, 1379, 1381, 1405, 3603 – bei der Kommission, 3463 f. – beim einfachen Auftrag, 3231, 3291 f., 3293 ff. leichte Fahrlässigkeit, 896, 1016, 1018, 1896, 1985, 1987 f., 3268, s. auch Fahrlässigkeit

Sachregister

Leihe, 2047, 2132, 2396, 2892, 3031, 3032 ff., 3989 – Abgrenzung, 3035 ff. – zum Darlehen, 3035, 3064 – zum Hinterlegungsvertrag, 3041, 3532 f. – zur Gefälligkeit, 3036 ff. – zur Miete, 2899, 3040 – zur Nutzniessung, 3042 – zur Schenkung, 3039 – Beendigung, 3050 ff. – Begriff, 3032 ff. – Gebrauchsleihe, 3031, 3037 – Pflichten der Verleiherin, 3048 f. – Rechte und Pflichten des Entlehners, 3043 ff. Leistung, unteilbare, s. unteilbare Leistung Leistung an Erfüllungs statt, 669 ff., 679, 687a f., 1202, 2450 f., 3923, 3931 Leistung erfüllungshalber, 668, 672, 1202, 2450 f. Leistungsgefahr, 836, 2492, 3203, s. auch Gefahrtragung Leistungsinäquivalenz, 421 f., 578, 598 Leistungskondiktion, 1222, 1778, 1780, 1783 ff., 1796, 1808b, 4121 – Leistung aus nachträglich weggefallenem Grund, 574, 1787, 1794 f. – Leistung aus nicht verwirklichtem Grund, 1791 ff., 1814 – Leistung ohne gültigen Grund, 381, 572 ff., 1785 ff., 2883 Leistungspflicht, s. Pflicht, Leistungspflicht Leistungsstörung, 446, 707, 801 ff. – bei der Leihe, 3047 ff. – bei der Miete – aufseiten der Vermieterin, 2939a ff. – aufseiten des Mieters, 2968 ff. – beim Alleinvertriebsvertrag, 3862 ff. – beim Gastaufnahmevertrag, 3997 ff. – Gewährleistung, s. Gewährleistung, beim Gastaufnahmevertrag – beim indirekten Leasing, 3753 ff. – Sachgewährleistung, s. Sachgewährleistung, beim indirekten Leasing – Schadenersatz, s. Schadenersatz, beim Leasingvertrag – Schuldnerverzug, s. Schuldnerverzug, beim indirekten Leasing – Unmöglichkeit, s. Unmöglichkeit der Leistung (Leistungsunmöglichkeit), beim indirekten Leasing – beim Kaufvertrag, 2465 ff. – anfängliche Leistungsunmöglichkeit der Verkäuferin, 2466, 2472, 2506 ff.

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– Konkurrenzen, 850, 2465, 2548, 2583 f., 2695 ff. – nachträglich nicht zu vertretende Unmöglichkeit, 2466, 2473 ff., s. auch Gefahrtragung, beim Kaufvertrag – nachträglich zu vertretende Unmöglichkeit, 2466, 2469 ff. – positive Vertragsverletzung, s. positive Vertragsverletzung, beim Kaufvertrag – Rechtsgewährleistung, s. Rechtsgewährleistung (Eviktionshaftung), beim Fahrniskauf – Sachgewährleistung, s. Sachgewährleistung, beim Fahrniskauf – Schuldnerverzug, s. Schuldnerverzug, beim Kaufvertrag beim Konsumkreditvertrag (KKG), 3114 ff. beim Lizenzvertrag, 3826 ff. – Rechtsgewährleistung, s. Rechtsgewährleistung (Eviktionshaftung), beim Lizenzvertrag – Sachgewährleistung, s. Sachgewährleistung, beim Lizenzvertrag beim Pauschalreisevertrag, 3647 ff. – Gewährleistung, s. Gewährleistung, beim Pauschalreisevertrag – Schadenersatz, s. Schadenersatz, beim Pauschalreisevertrag beim Sponsoringvertrag, 3968 ff. beim Trödelvertrag, 4027 ff. – Rechtsgewährleistung, s. Rechtsgewährleistung (Eviktionshaftung), beim Trödelvertrag – Sachgewährleistung, s. Sachgewährleistung, beim Trödelvertrag – Verzug der Trödlerin, 4028 ff. – Verzug des Vertrödlers, 4032 Erfüllungsanspruch (specific performance), s. dort Gläubigerverzug, s. dort im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 807, 904, 2791 ff. – einfache Vertragsverletzung (breach of contract), s. Vertragsverletzung, nicht wesentliche (einfache) Vertragsverletzung, im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht) – wesentliche Vertragsverletzung (fundamental breach of contract), s. Vertragsverletzung, wesentliche Vertragsverletzung, im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht) Leistungsunmöglichkeit, s. Unmöglichkeit der Leistung positive Vertragsverletzung, s. dort

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Sachregister

– Schuldnerverzug, s. dort – Überblick, 801 ff. Leistungsunmöglichkeit, s. Unmöglichkeit der Leistung Leistungsverhältnis (Einlösungsverhältnis), 1120, 1155, 1184 f., 1200, 1211 ff. Liquidation, s. Rückabwicklung Liquidationsverhältnis, s. Rückabwicklung (Liquidation) Lizenzvertrag, 1804, 2208, 3787 ff., 3879 – Abgrenzung, 3804 ff. – zum Franchisevertrag, 3808, 3884 – zum Kaufvertrag, 3804 – zum Verlagsvertrag, 3807 – zur Miete, 3805 – zur Pacht, 3806 – anfängliche objektive Unmöglichkeit, 3822 ff. – Beendigung, 3831 f. – ausserordentliche Beendigung, 3832 – ordentliche Beendigung, 3831 – Begriff, 3787 ff. – Erscheinungsformen, 3809 ff. – Alleinlizenz, 3811 – ausschliessliche Lizenz (Exklusivlizenz), 3811, 3817 – cross licence, 3812 – einfache Lizenz, 3810, 3817 f. – gesetzliche Lizenz, 3813 – Unterlizenz, 3812 – Zwangslizenz, 3789, 3813 – Gegenstand, 3790 ff. – Immaterialgut, s. dort – Immaterialgüterrecht, s. dort – Gewährleistung, s. Gewährleistung, beim Lizenzvertrag – Gültigkeit, 3814 – Kartellrecht, s. Kartellrecht, beim Lizenzvertrag – Leistungsstörung, s. Leistungsstörung, beim Lizenzvertrag – nachvertragliche Geheimhaltungspflicht, s. Geheimhaltungspflicht, nachvertragliche Geheimhaltungspflicht beim Lizenzvertrag – Pflichten der Lizenznehmerin, 3819 ff. – Pflichten des Lizenzgebers, 3815 ff. – Rechtsnatur, 3795 ff. longa manu traditio, 2429, s. auch Übergabesurrogat (Traditionssurrogat) Lösungsrecht, 2555, s. auch Rechtsgewährleistung, beim Fahrniskauf, bei abhanden gekommenen Sachen

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Lücke, s. Vertragslücke lucrum cessans, 869, 871, 873, 2213 f., 2669, 2677, s. auch entgangener Gewinn lucrum emergens, 1776, s. auch ungerechtfertigte Bereicherung

M Mahnung, 171a, 711, 912, 914, 919 ff., 951, 953 f., 976, 1027, 2939l, 2972 f., 3080, 3151, 3755 Mäklervertrag, 714, 1038, 1292, 2360 f., 3219, 3315, 3317, 3339 ff., 3385, 3408, 3416, 3447, 3633 – Abgrenzung, 3344 ff. – zum Agenturvertrag, 3345, 3346, 3391 f. – zum einfachen Auftrag, 3348 – zum Trödelvertrag, 3345, 4019 – zur direkten Stellvertretung, 1038 – zur Kommission, 3345, 3347, 3432 – anwendbares Recht, 3349 – Arten, 3341 ff. – Nachweismäkler, s. dort – Vermittlungsmäkler, s. dort – Zuführungsmäkler, s. dort – Beendigung, 3382 f., s. auch einfacher Auftrag, Beendigung – Begriff, 3339 f. – Doppelmäkelei, s. dort – Entstehung, 3350 ff. – Rechte und Pflichten der Auftraggeberin, 3377 ff. – Rechte und Pflichten des Mäklers, 3353 ff. – Selbsteintritt des Mäklers, s. Selbsteintritt, des Mäklers – Untermäkelei, s. dort Mandat, s. Auftrag; und s. ferner auch einfacher Auftrag Mangel – bei der Miete, 2940a ff., 4111 – anfänglicher Mangel, 2940, 2943 ff. – Beseitigung des Mangels, 2946 ff., 2964, 2966, 2967a, 2976f, 2979 – durch Mieter selbst zu verantwortender Mangel, 2944, 2957, 2967a – körperlicher Mangel, 2941b – leichter Mangel, 2942, 2943c f., 2952, 2967a – mittelschwerer Mangel, 2942, 2943c f., 2956, 2967a – schwerer Mangel, 2942, 2943d, 2966, 2967a – unkörperlicher Mangel, 2941b – während der Mietdauer, 2940, 2944 ff., 2967a – beim Werkvertrag, s. Werkmangel

Sachregister

– geheimer (versteckter) Mangel, 2615, 2620, 2629, 2631, 2633, 2639, 2821, 2933b, 3162 f., 3508 – offener Mangel, 2630, 2919, 3163 Mangelfolgeschaden, 1135, 2103, 3780, 4000 – bei der Leihe, 3049 – bei der Miete, 2957, 4111 – beim Fahrniskauf, 2634, 2669, 2671, 2677 – beim Werkvertrag, 3177, 3180e Mangelhaftigkeit des Werkes, s. Werkmangel Mangelkenntnis – bei der Miete, 2944, 2947, 2954, 2957a, 2976f – beim Fahrniskauf, 2561 f., 2616 ff., 2620, 2657 – beim Werkvertrag, 3146, 3156 Mängelrüge – bei der Miete, 2918e ff., 3011 f. – beim Kaufvertrag, 107, 171a, 849, 1027, 2223, 2439, 2596, 2619 ff., 2634, 2700, 4140 – beim Werkvertrag, 849, 2223, 3157, 3161, 3163, 3178, 3182 ff. – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2768, 2807 f., 2819 ff. Mangelschaden – beim Fahrniskauf, 2669, 2671 – beim Werkvertrag, 3177, 3181 Marktpreis, 207, 309, 448, 456, 773, 2446, 2530, 2545, 2751, 2836, 3468, 3470 f. Marktwert, 988, 991, 1804, 1864, s. auch Gläubigerverzug Mehrfachzession, 1343, 1346, 1387 Mehrheit von Gläubigerinnen, s. Gläubigerinnenmehrheit Mehrheit von Schuldnern, s. Schuldnermehrheit Meldepflicht – des Beauftragten, 3274a – des Mieters, 2933b ff., 2947, 2971, 2976d ff. Mentalreservation, s. Vertrauensprinzip, Mentalreservation Methode, relative, s. relative Methode Methodenpluralismus, 3696 Miete, 15, 50, 59, 99, 186, 227, 359, 448, 490, 641, 646, 714, 779, 796, 799, 848 f., 854 ff., 904, 918, 997, 1315, 1465, 1572, 1590, 2047, 2084, 2088, 2101, 2132, 2162, 2172, 2232, 2291, 2295, 2559, 2778, 2890 ff., 3034, 3688, 3725, 3729, 3741, 3795, 3879, 3982, 3986, 3988, 3989, 4090 f., 4110 f. – Abgrenzung, 2897 ff. – zu Innominatkontrakt mit mietrechtlichem Einschlag, 2906 ff. – zum Darlehen, 2900, 3064 – zum Kaufvertrag, 2396, 2903 – zum Konsumkreditvertrag, 2904 f.

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– zum Leasingvertrag, 2908, 3744 – zum Lizenzvertrag, 3801, 3805 – zum Hinterlegungsvertrag, 2901 f. – zur Leihe, 2899, 3040 – zur Pacht, 2897, 3027 Behörden und Verfahren, 2918c f., 2936 ff., 2956b, 2964 f., 3025 ff. Beendigung, 3000e ff. – ausserordentliche Beendigung, s. Kündigung, bei der Miete, ausserordentliche Kündigung – ordentliche Beendigung, s. Kündigung, bei der Miete, ordentliche Kündigung Begriff, 2890 ff. Dauer – befristetes Mietverhältnis, 2891, 3002 f., 3018e – unbefristetes Mietverhältnis, 2891, 3002b ff., 3017k ff. Eigenbedarf, s. Kündigung, bei der Miete, Eigenbedarf Eigentümerwechsel, 1465, 2982 ff., 2991f Ersatzmieter, 3013 ff. Ersatzvornahme, s. Ersatzvornahme, bei der Miete Erstreckung, s. Kündigung, bei der Miete, Erstreckung des Mietverhältnisses Form, 2914b f. Gebrauch, vorausgesetzter, s. vorausgesetzter Gebrauch, bei der Miete Koppelungsgeschäft, s. dort Kündigung, s. Kündigung, bei der Miete Mangel, s. Mangel, bei der Miete Mietkautionsversicherung, s. dort Mietsache, s. dort Mietzins, s. dort Pflichten der Vermieterin, 2916 ff. – Gebrauchstauglichkeit der Mietsache, 2916c f., 2933c – Nebenpflichten, 2917 ff. – Übergabepflicht, 2916a f. Pflichten des Mieters, 2920 ff. – Bezahlung des Mietzinses, 2891, 2920a ff. – Nebenpflichten, 2922c ff. – Rückgabe der Mietsache, 2922b, 2976g f., 3010 ff. – Sicherheitsleistung (Mietkaution), s. dort Retentionsrecht, s. Retentionsrecht, bei der Miete Schadenersatz, s. Schadenersatz, bei der Miete Staffelmiete, s. dort Übertragung des Mietverhältnisses, 2989a ff. Untermiete, s. dort Verrechnung, s. Verrechnung, bei der Miete Vertragsparteien

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Sachregister

– Mieter, 2910 f. – Vermieterin, 2909 f. Mietkaution, s. Sicherheitsleistung (Mietkaution) Mietkautionsversicherung, 2918a Mietsache, 2893 ff., 4085, 4090 f., 4111 – bewegliche Sache, 2891, 2896a, 2993, 3003b – Einstellplätze und ähnliche Einrichtungen, 2896j, 3003b – Erneuerung und Änderung an der Mietsache, 2976i ff. – durch den Mieter, 2971, 2979a ff. – durch die Vermieterin, 2976i ff. – Geschäftsraum, 2896i, 2989a ff., 3003b, 3015a ff. – mitvermietete Sache, 2896g f. – Rückgabe der Mietsache, s. Miete, Pflichten des Mieters, Rückgabe der Mietsache – Übernahme der Mietsache, 2968a f. – unbewegliche Sache, 2891, 2896b ff., 2985a, 3003b – vorzeitige Rückgabe der Mietsache, 3013 ff. – Wohnraum, 2896c ff., 3003b – Familienwohnung, 2894 f., 2968f, 3000f, 3007a, 3009b – Ferienwohnung, 2894, 2896e, 3989 – luxuriöse Wohnung, 2894, 2896f – möbliertes Zimmer, 2894, 2896d, 3003b Mietzins, 646, 918, 1315, 2891, 2911 f., 2920a ff. – Anfangsmietzins, 2915, 3019 ff. – Anfechtung, 3017j, 3018, 3018f ff. – Depot, s. Sicherheitsleistung (Mietkaution) – Erhöhung, 186, 359, 3017k ff., 3019k ff. – Formularpflicht, 2915, 2996, 3019a – Herabsetzung (Reduktion), 227, 2952 ff., 2964, 2966, 2967a, 2979 – Hinterlegung, s. Hinterlegung, des Mietzinses – Indexierung, 3019n – marktüblicher Mietzins, 2912 – Mietzins während der Mietdauer, 3019f ff. – missbräuchlicher Mietzins, 3017b ff. – Nebenkosten, s. dort – Reduktion, s. Mietzins, Herabsetzung (Reduktion) – Sicherheitsleistung (Mietkaution), s. dort – Staffelmiete, s. dort Minderung, 75, 309, 1141, 1353, 2708, 3365, 3648 f., 3828, 3998 f., 4037 – beim einfachen Auftrag, 3285 – beim Fahrniskauf, 849, 2624, 2634, 2651, 2657, 2681 ff., 2692, 2693, 3763 – ausschliessliche Minderung, 2657 – Begriff und Wesen, 2681 – Berechnung, s. auch relative Methode, beim Fahrniskauf

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– Schadenersatz, s. Schadenersatz, beim Fahrniskauf, bei Minderung des Vertrages – Voraussetzungen, 2682 ff. – beim indirekten Leasing, 3763 f., 3766, 3770 – beim Pauschalreisevertrag, 3648 f. – beim Werkvertrag, 849, 3156, 3163, 3164 f., 3168 f., 3170, 3177, 3181 f., 3186, 3202, 3214, s. auch relative Methode – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2805, 2817, 2823, 2840, s. auch relative Methode Mischvertrag, 3672, 3674, 3685 Mitbürgschaft, gemeinsame, s. gemeinsame Mitbürgschaft mittlere Fahrlässigkeit, 896, 1016, 1018, 1021, 1896, 1988, s. auch Fahrlässigkeit mitwirkender Zufall, 1888a, 1892 f., 1898, s. auch konstitutionelle Prädisposition MMS, 357 modo legislatoris, 635 f., 3704, s. auch Kreationstheorie Montagepflicht, Kauf mit, s. Kauf mit Montagepflicht Motivirrtum, 447 f., 464, 470, 473 f., 480 f., 491, 496, 500, 503, 507 ff., 531, 532 f., 535, 543, 544, 548, 1808a – Begriff, 507 ff. – wesentlicher Motivirrtum, s. Grundlagenirrtum – unwesentlicher Motivirrtum, 473 f., 480, 510, 528, 531, 600 – Voraussetzungen der Irrtumsanfechtung, 475 ff. Motorfahrzeughalterhaftung, 1833, 2128 ff. – Begriff, 2128 – Entlastungsgründe, 2140 – Verjährung, s. Verjährung, bei der Motorfahrzeughalterhaftung – Versicherungspflicht, 160, 2141 – Voraussetzungen, 2129 ff. mutmasslicher Parteiwille, s. Parteiwille, mutmasslicher Parteiwille

N Nachbesserung, 854, 1354, 3828, 3999 – beim Fahrniskauf, 2624, 2634, 2689 ff., 2694, 2708 – beim indirekten Leasing, 3763 f., 3766, 3771 ff. – beim Werkvertrag, 849, 3156, 3163, 3164 f., 3169, 3170 ff., 3174 ff., 3177, 3181, 3184, 3186, 3191 – im UN-Kaufrecht (CSIG; Wiener Kaufrecht), 2801, 2805, 2807, 2819 Nachbürgschaft, 3564, 3567 f., 3570

Sachregister

Nacherfüllungsrecht, 2817, 2825, 2831 ff. Nachfristansetzung, 581, 951, 952 ff., 991, 3755, 4029 – beim Kaufvertrag, 2518, 2523 ff., 2538, 2691 – beim Werkvertrag, 3151, 3165, 3173 – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2800, 2805, 2809 ff., 2813, 2824, 2827, 2828 Nachweismäkler, 3341, 3345, 3355, 3358, 3369 Näheverhältnis, 81, 1521, 1570, 1738, 1739 ff., 1750, 1759 f., s. auch rechtliche Sonderverbindung Namenpapier, 2440, 2877 nascitura/nasciturus, 143 Naturaldarlehen, 3061, 3063 – Abgrenzung zur Gefälligkeit, 3064a Naturalersatz (Naturalrestitution), 902 Naturalobligation, 37, 109, 760 f., 2859 ff., 3315, 3617, 3621, 3623, 3625, 4129 Naturalrestitution, s. Naturalersatz natürlicher Kausalzusammenhang, 119 f., 544, 857, 888, 1556, 1671, 1758, 1843, 1915, 1917, 1918 f., 1920, 1923, 1925, 1937, 2029, 2083, 2097, 2129, 2834, 2839, 2957, 3264, 3289, 3516, 4119 Nebenbürgschaft, 3566, 3570 Nebenkosten, 2917d, 2920a, 2922, 2923 ff., 3016a, 3030 Nebenpflicht, s. Pflicht, Nebenpflicht Nebenpunkt, s. Vertragspunkt, unwesentlicher Vertragspunkt, objektiv unwesentlicher negatives (Vertrags-)Interesse, 593, 595, 872, 874, 904, 906, 951, 963, 966, 1109, 1112, 1542, 1554, 1561, 1645, 2521, 2525, 2547, 2669, 2678, 2878a, 3289a, 3311 f., 3591 Neuerung (Novation), 643, 724, 737 ff., 941, 1444 f., 2308, 3587, 3605 – Begriff, 737 f. – Form, 741a – Kontokorrentverhältnis, s. dort – Neuerungswille (Novierungswille; animus novandi), 739, 741, 742 – Vermutungslage, 742 f., 744 f. – Voraussetzungen, 739 ff. – Wirkungen, 746 ff. Nichterfüllung, s. Schuldnerverzug; und s. auch Unmöglichkeit der Leistung (Leistungsunmöglichkeit) Nichtigkeit, 431 ff., 397, 429, 636, 740, 827, 1297, 1376, 1417, 2124, 2260, 2556, 2914 ff., 3107, 3111a ff., 3117, 3180d, 3364, 3375a, 3394, 3404, 3624, 3639, 3746, 3749, 3938 – flexibler Ungültigkeitsbegriff, 370 ff., 377, 433, 589, 636, 1359, 1376, 1417, 2410, 3111c, 3825, 3873a

– Teilnichtigkeit, s. dort – traditionelle Auffassung, 368 f., 377, 431 f., 2410 Nichtigkeitsabrede, 439, 440 Niederlassung – beim Factoringvertrag, 3945 – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2712 ff., 2725, 2739, 2764, 2773, 2783, 2785, 2790 Nominatkontrakt (Nominatvertrag), 4, 8, 641, 1183, 1427, 3476, 3627, 3633, 3662, 3664, 3666, 3672, 3674, 3676, 36 854 f., 3700 f., 3711, 4101 – Arten – typischer Vertrag, 308, 3672 – gesetzlich geregelter Mischvertrag, s. Mischvertrag – typischer Vertrag mit Beimischung, 3672, 3675, 3698, 3703 Nominatvertrag, s. Nominatkontrakt normativer Konsens, s. Konsens, normativer (rechtlicher) Konsens normativer Schaden, 1847, 1876 ff. Notifikation (Anzeige; Denunziation), 1386 ff., 1392, 1399, 1401, 1403, 1800, 3927, 3935 Notlage – bei der Furchterregung, 558 – bei der Miete, 3019a – bei der Übervorteilung, 448, 452, 458 f., 578 – bei der unerlaubten Handlung, 1896 f., 2026 – beim Kaufvertrag, 2458 Notstand, 1963, 2936c Notverkauf, 2667, 2693 Notwehr, 1962 f., 2175 Novation, s. Neuerung numerus clausus, s. Prinzip des numerus clausus (Grundsatz des numerus clausus) Nutzniessung, 2909, 3034 – Abgrenzung zur Leihe, 3042

O Obhutspflicht, 2550, 2917, 3014a, 3145, 3543, 3967 Obliegenheit, 92, 97, 107, 186, 193, 227, 230, 266a, 626, 650, 811, 850, 968, 974, 1002, 1187, 3647, 3757, 3759, 3993 – bei der Bürgschaft, 3598 ff. – beim Darlehen, 3072 – beim Kaufvertrag, 2459 ff. – beim Werkvertrag, 3192, 3205 Obligation, 21 ff., 28, 38 ff. – Begriff, 21 – Entstehungsgrund, 128 ff. – ausservertraglicher Entstehungsgrund, 131 ff.

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Sachregister

– quasivertraglicher Entstehungsgrund, 137 ff. – vertraglicher Entstehungsgrund, 131 – Kassenobligation, s. dort – Naturalobligation, s. dort – Realobligation, s. relativ subjektives Recht, realobligatorisches Recht (Realobligation) – unvollkommene Obligation, 34 ff., 1810 – Wahlobligation, s. dort öffentliche Beurkundung, 345 f., 356, 360 ff., 365 f., 384, 1419, 1442, 2877 – beim Bürgschaftsvertrag, 3584 f. – beim Grundstückkauf, 199, 363, 371, 1070, 1542, 2344, 2353, 2402, 2403 ff. öffentliche Ordnung, 297, 395, 398, 407 f., 412, 637 – Begriff, 407 – Verstoss gegen die öffentliche Ordnung, 408 f. Offerte, s. Antrag (Angebot) Offertstellung, Einladung zur, s. Einladung zur Offertstellung (invitatio ad offerendum) Online-Auktion, 2358 ff., 2726 Optionsrecht, 152, 157, 2385, 3919, 3921 Ordrepapier, 2440 Organvertretung, 1045 ff., 1055

P Pacht, 714, 779, 2047, 2084, 2088, 2172, 2232, 2396, 2559, 2892 f., 2895, 2897 f., 2908, 3026 ff., 3034, 3046, 3725, 3795, 3801, 3827, 3879, 3952 – Abgrenzung zum Lizenzvertrag, 3806 – Abgrenzung zur Miete, 2897, 3027 – Vertragsparteien – Pächter, 3030 – Verpächterin, 3030 pacta sunt servanda, 43, 320, 330, 3213, 3310, 3312, 4008, s. auch Prinzip, der Vertragstreue (Grundsatz der Vertragstreue) pactum de cedendo, 1166, 1330 f., 1332 ff., 1338, 1341, 1348 f., 1350, 1361, 1369 ff., 1388, 1395, 1402, 2338, 2402, 2440 pactum de licitando, 416, 1960, 2354, s. auch Steigerungskauf pactum de non cedendo, 1360 ff., 1365, 1395, 3939, s. auch Abtretung (Zession) pactum de non licitando, 416, 1960, 2354, s. auch Steigerungskauf pactum de non petendo, 729, s. auch Klageverzicht paritätische Lebensdauertabelle, 3014b Parteiwille, 528, 587, 677, 686, 1126, 1213, 1279 ff., 1286, 1337, 1591, 2263, 3223, 3524, 3670, 3685, 3696, 3704, 3705, 3708, 3726, 3767, 3859, 3955, 4101

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– hypothetischer Parteiwille, 303, 306 ff., 312 ff., 319, 333, 378, 379, 434, 435 f., 437 f., 440 f., 441a, 587 f., 592, 845, 1286, 1376, 2912, 3158, 3767, 3867, 3873a – mutmasslicher Parteiwille, 275, 282 ff., 713, 2446, 3136, 3284, 3694, 3707, 3717 – übereinstimmender Parteiwille, 275, 278, 282, 291, 2609, 2648, 3694, 3767 – wirklicher (tatsächlicher) Parteiwille, 198, 246, 275, 278 ff., 282 f., 288, 292, 2648, 3694 Partialdissens, s. Dissens, Partialdissens Partnerschaftsvermittlung(svertrag), s. Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag Partnerwahlfreiheit, 4 f., 151 ff. – gesetzliche Einschränkungen, 159 ff. – rechtsgeschäftliche Einschränkungen, 153 ff. Patronatserklärung, 1724 – Abgrenzung zum Bürgschaftsvertrag, 3578 Pauschalreisevertrag, 3324, 3626 ff., 3665, 3712, 3990 – Abtretung der Pauschalreise, 3656 f. – Begriff, 3626 ff. – Gewährleistung, s. Gewährleistung, beim Pauschalreisevertrag – Gültigkeit, 3639 – Leistungsstörungen, s. Leistungsstörung, beim Pauschalreisevertrag – Pflichten der Vertragsparteien, 3645 f. – Preiserhöhung und Vertragsänderung, 3658 f. – Rechtsnatur und Abgrenzung, 3633 ff. – Schadenersatz, s. Schadenersatz, beim Pauschalreisevertrag – Vertragsabschluss, 3638 – Vertragsparteien, 3640 ff. peius-Lieferung, 851 – beim Kaufvertrag, 2589 ff. – beim Werkvertrag, 3202 – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2768 periculum est emptoris, 838, 2478, s. auch Gefahrtragung, beim Kaufvertrag Personenbeförderungsvertrag – Abgrenzung – zum Frachtvertrag, 3495 – zum Speditionsvertrag, 3476 Personenschaden, 16a, 873, 876, 1551, 1853 f., 2096, 2097, 2103, 2104, 2107, 2110, 2128, 2129, 2135, 2241, 4000 – Verjährung, 2243, 2278 – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2736, 2742

Sachregister

Persönlichkeitsrecht, 87, 90, 93, 136, 542, 1617, 1736, 1798, 1854, 1899, 1901 f., 1944 ff., 2156, 2170, 2226, 2423, 2559, 3086, 3792 f., 3958, 3975, 4117 Persönlichkeitsrechtswidrigkeit, 395, 423 ff., 1376 – Begriff, 423 – Fallkonstellationen, 424 f. Persönlichkeitsschutz, s. Persönlichkeitsrechtswidrigkeit Persönlichkeitsverletzung, 113, 136, 162 ff., 1899, 1901 ff., 1908 f., 1910, 1913, 2173, 2214, 3851a, 3938, 3992, 4117, 4150, s. auch Genugtuung Pflege- und Betreuungsschaden, 115, 882, 1859, 1876, 1880 ff. Pflicht, 92 ff. – Abgrenzung zur Obliegenheit, 107, s. auch Obliegenheit – Abnahmepflicht, s. dort – allgemeine Pflicht, 93 f., 96, 135, 1733, 1949 – Anzeigepflicht, s. dort – Aufbewahrungspflicht, s. dort – Aufklärungspflicht, s. dort – Auskunftspflicht, s. dort – besondere Pflicht, 95 f., 1539 – Duldungspflicht, s. dort – Erstattungspflicht, s. dort – Formularpflicht, s. Mietzins, Formularpflicht – Geheimhaltungspflicht, s. dort – Haftpflicht, s. unerlaubte Handlung – Hauptpflicht, 92, 97, 98, 105, 107, 1234, 1254, 1256, 1274, 2330, 2340 f., 3138, 3189 ff., 3550 – Informationspflicht, s. dort – Interessenwahrungspflicht, s. dort – Kontrahierungspflicht, s. dort – Leistungspflicht, 105, 106 – höchstpersönliche Leistungspflicht, 818 – persönliche Leistungspflicht, 502, 648 f., 653 f., 993, 1000, 1076, 1144, 1206, 3139 ff., 3248 ff., 3256, 3374, 3435 – primäre Leistungspflicht, 97, 106, 834, 1434, 1518, 1571, 1580, 1598 f., 1728, 2251, 2288, 2294, 2296, 2514, 2522 – sekundäre Leistungspflicht, 97, 106, 808 – Meldepflicht, s. dort – Nebenpflicht, 92, 97, 99 ff., 105, 107, 125, 666, 1728, 2066, 2453 ff., 2457 f., 2776, 3132, 3139 ff., 3263, 3478, 3534a, 3535, 3646, 3667, 3698, 3816, 3818, 3821, 3961, 3967, 4002 – primäre Nebenpflicht, 102 f., 852 f.

– sekundäre Nebenpflicht, 102 ff., 666, 852 f., 866, 1728 – Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht, 806, 846, 852 f., 866, 1135, 1595, 2550, 2878, 2971, 3049, 3143, 3289 – Obhutspflicht, s. dort – Rechenschaftspflicht, s. dort – Restitutionspflicht, s. dort – Rückgabepflicht, s. Restitutionspflicht – Rücksichtspflicht, s. dort – Schutzpflichten, s. dort – sittliche Pflicht, 37, 1809 f., 2860 f., 4126 – Sorgfaltspflicht, s. dort – Tätigkeitspflicht, s. dort – Treuepflicht, s. dort – Unterhaltspflicht, s. dort – Vorleistungspflicht, 931, 936, 973, 1234, 1422, 2350, 2372, 2785, 3070, 3189 – Versicherungspflicht, s. dort – vorvertragliche Pflicht, 1539 ff. – Weisungsbefolgungspflicht, s. dort Pflichtwidrigkeit, 123 ff., 1771, 1941, 2644, 3262 Platzgeschäft, s. Platzkauf Platzkauf, 2365, 2367, 2493, 2494 ff., 2500, 2693, 2726, 2764, 2783 positiver Schaden, 869, s. auch damnum emergens positives (Vertrags-)Interesse (Erfüllungsinteresse), 593, 595, 872 ff., 902, 906, 942, 951, 959, 966, 1113, 1167, 1179a, 1254, 1659, 2171, 2236, 2469, 2516, 2521, 2525, 2527 f., 2532, 2669, 2678 f., 2957, 2968k, 3205, 3214, 3215, 3289a, 3311 f., 3519, 4008, 4037 positive Vertragsverletzung, 103, 125, 802, 806, 842, 846 ff., 866, 873, 1000, 1585, 1595, 2235, 22 512 791, 3118, 3863, 4001 – Begriff, 846 – bei der Leihe, 3049 – bei der Miete, 2939m ff. – bei der Schenkung, 2878 – beim Auftrag, 3274a – beim Kaufvertrag, 2466, 2548 ff., 2615 – Konkurrenz der Schlechterfüllung zur Gewährleistung, 2465 f., 2548 f., 2589, 2695 ff. – beim Werkvertrag, 3143 – Rechtsfolgen, 854 ff., 901, 903a ff. – Schadenersatz, s. Schadenersatz, bei der positiven Vertragsverletzung – Schlechterfüllung, 847 ff. – Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht, s. Pflicht, Nebenpflicht, Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht

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Sachregister

Postnumerandokauf, 2341, 2350, 2370, 2372, 2541 – Rücktrittsrecht der Verkäuferin beim Kreditkauf, s. Rücktritt, der Verkäuferin beim Postnumerandokauf (Kreditkauf) Prädisposition, konstitutionelle, s. konstitutionelle Prädisposition Pränumerandokauf, 2341, 2370, 2373, 2537, 2541 – Rücktrittsrecht der Verkäuferin beim Pränumerandokauf, s. Rücktritt, der Verkäuferin beim Pränumerandokauf Prätendentenstreit, 1392 ff. Preis – Börsenpreis, s. dort – Kaufpreis, s. Kaufvertrag, Kaufpreis – Marktpreis, s. dort Preisausschreiben, 216 f. – Abgrenzung zum Spielvertrag, 3618 ff. Preisgefahr, 837 f. – beim Kaufvertrag, 838, 2474, 2482, 2486, 2489, 2493, 2494, 2501, 2504, 2513, 2656, 2666 – beim Werkvertrag, 3201, 3203, 3205, 3210 Primäranspruch, 106, 813, 942, 2467 Prinzip – Absendeprinzip, s. dort – Abstraktionsprinzip, s. dort – Akzessionsprinzip, s. dort – Austauschprinzip, s. dort – Bestimmbarkeitsprinzip, 3763 – casum sentit dominus, s. casum sentit dominus (Grundsatz/Prinzip casum sentit dominus) – der Akzessorietät, s. Akzessorietät – der Formfreiheit, s. Grundsatz der Formfreiheit – der Gegenseitigkeit (Grundsatz der Gegenseitigkeit), 762 f., 767, s. auch Verrechnung – der Singularsukzession, 1459 f., 2421 – der Solidarhaftung, 2000 – der Typenfreiheit (Grundsatz der Typenfreiheit), 392, 3682 – der Typengebundenheit, s. Grundsatz der Typengebundenheit – der Unterteilbarkeit der Pfandhaftung, 782 – der Vertragstreue (Grundsatz der Vertragstreue), 320, 330, 1275, 3213, 3310, 3312, 4008, s. auch pacta sunt servanda – des normativen Konsenses, 499 – des numerus clausus (Grundsatz des numerus clausus), 3 f., 3556 – des öffentlichen Glaubens, 2344, 2557 – des Vorrangs der lex specialis, s. Grundsatz lex specialis derogat legi generali – Gleichbehandlungsprinzip, s. dort

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– Kausalhaftungsprinzip, s. dort – Kausalitätsprinzip, s. dort – Konsensprinzip, s. Konsensprinzip (Konsensualprinzip) – Konsensualprinzip, s. Konsensprinzip – Publizitätsprinzip, s. dort – Restriktionsprinzip, s. dort – Risikoprinzip, s. dort – Spezialitätsprinzip, s. dort – Traditionsprinzip, s. dort – Universalitätsprinzip, s. dort – Verschuldensprinzip, s. dort – Vertrauensprinzip, s. dort – von Treu und Glauben, s. Grundsatz von Treu und Glauben – Werktorprinzip, 2118 – Willensprinzip, s. dort – Zugangsprinzip, s. Zugangsprinzip (Empfangstheorie) Prioritätsgrundsatz, 65 Privatautonomie, 4, 151, 234, 260, 830, 1489, 1736, 2194, 2257, 3361, 3695, 3908, 4095 Produkt, 2107, 2109 ff. – fehlerhaftes Produkt, 2096, 2097, 2103, 2105, 2108 ff., 2112 ff., 2119, 2123, 2641 Produktehaftung, 18, 1836, 1838, 1933, 2068, 2096 ff. – Begriff, 2096 – Entlastungsgründe, 2117 ff. – Verhältnis zur Sachgewährleistung, 2127 – Verjährung, s. Verjährung, bei der Produktehaftung – Verwirkung, s. Verwirkung, bei der Produktehaftung – Voraussetzungen, 2097 ff. – Wegbedingung der Haftung, s. Wegbedingung der Haftung (Freizeichnung; Haftungsbeschränkung), bei der Produktehaftung Propregeschäft, 4010, 4017, s. auch Trödelvertrag Prospekt, 2604, 2747, 3638, s. auch Einladung zur Offertstellung (invitatio ad offerendum) Provision – bei der Kommission, 3427, 3429, 3440, 3442, 3446 ff., 3455, 3457, 3462, 3472 – beim Agenturvertrag, 3396, 3404, 3412, 3415 ff., 3419, 3423 – beim Alleinvertriebsvertrag, 3855 – beim einfachen Auftrag, 3277 – beim Mäklervertrag, 714, 3341, 3354, 3360 f., 3372 f., 3381, 3383 – Delkredere-Provision, s. dort – Inkasso-Provision, s. dort

Sachregister

Prozesskosten, s. Kosten, Prozesskosten Prüfungsobliegenheit – bei der Miete, 2918e ff., 3011 f., 3013e – beim Kaufvertrag, 2625 f. Publizitätsprinzip, 1160

Q qualifizierte Kausalhaftung, s. Gefährdungshaftung qualifiziertes Verfalltagsgeschäft, s. relatives Fixgeschäft Quasivertrag, 133, 1713, 2281, 2866, 3220 quasivertraglicher (quasikontraktueller) Anspruch, 78, 111, 123, 129, 137 ff., 1470 ff., 2146, 4093 f., 4097, 4114 f. – Abgrenzung, 1486 ff. – zum ausservertraglichen Schadenersatzanspruch, 1841 – Anwendungsfälle, 1475 ff. – culpa in contrahendo (cic), s. dort – echte berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), s. dort – Gefälligkeitsverhältnis, s. Gefälligkeit; und s. auch Gefälligkeitshaftung – Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, s. dort – vertragslose Inanspruchnahme, s. dort – Vertrauenshaftung, s. dort – Begriff, 1470 ff. – einheitliches gesetzliches Schuldverhältnis, 1523 – Verhältnis zum vertraglichen Anspruch, 907 – Verjährung, 2237

R Rahmenvertrag, 227, 792, 2717, 3642, 3843, 3846, 3855, 3922 Realakt, s. Tathandlung Realakzept, 174, 224 Realoblation, 931, 977 Realobligation, s. relativ subjektives Recht, realobligatorisches Recht (Realobligation) Realofferte, 174, 208a, 219 Rechenschaftspflicht, 3678 – bei der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1649, 1653, 1656 – bei der Kommission, 3445a – bei der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 2151, 2180, 2190 – beim einfachen Auftrag, 3275 ff.

Rechnungsfehler, 468, 473, 531 Recht – dispositives Recht, s. dort – objektives Recht, 82 f., 396, 403, 1226 – subjektives Recht, 82 ff., 90, 1328, 1798, 2166 ff., 2222 f., 2552, 2554, 2559, 3831 – absolut subjektives Recht, s. dort – relativ subjektives Recht, s. dort – zwingendes Recht, s. dort rechtliche Sonderverbindung, 81, 1519, 1715 ff., 1738, 1739 ff., s. auch Näheverhältnis rechtmässiges Alternativverhalten, 890, 1657, 1924, 1937 f., 1967, 2034, 2041, 2054, 2072, 2081 Rechtsbedingung – Abgrenzung zur Bedingung, 1282 Rechtsbindungswille (Abschlusswille; Geschäftswille; Rechtsfolgewille; Verpflichtungswille; vertraglicher Bindungswille; Vertragswille), 49, 52, 78, 80, 140, 159, 170, 174 f., 189, 193, 196 ff., 208a, 211 f., 254, 303, 362, 385, 387, 391, 470, 499, 507, 1479, 1497, 1505, 1508, 1513 f., 1520, 1613, 1628, 1662 f., 1666 f., 1683 f., 1702, 1706, 2752, 2864, 3036, 3064c, 3232 ff., 3351, 3367, 3614, 4002 Rechtsfähigkeit, 141 ff., 146, 1122, 2909 f., 4103 Rechtsfolgewille, s. Rechtsbindungswille (Abschlusswille; Geschäftswille; Verpflichtungswille; vertraglicher Bindungswille; Vertragswille) Rechtsgesamtheit, 2414, 2426 ff. Rechtsgeschäft, 7, 45 ff., 131, 133, 148, 150, 153, 167, 227, 412, 441, 1028 – Begriff, 45 ff. – Abgrenzung zur Gefälligkeit, 78 ff. – Arten, 50 ff. – Dauerschuldverhältnis, s. dort – Einmalschuldverhältnis, s. dort – einseitiges Rechtsgeschäft, 50, 52, 53a f., 63, 75, 214, 274, 343, 386, 453, 1066, 1082 f., 1186, 1296, 2195, 3245 – formbedürftiges Rechtsgeschäft, 298, 317 f., 340, 345, 363, 370, 375, 379, 577 – Gestaltungsgeschäft, s. dort – mehrseitiges Rechtsgeschäft, 51 ff., 453 – Scheingeschäft (simuliertes Rechtsgeschäft), s. Simulation – unter Lebenden, 72 ff., 2847, 2863 – verdecktes Rechtsgeschäft (dissimuliertes Rechtsgeschäft), s. Dissimulation – Verfügungsgeschäft, s. dort – Verpflichtungsgeschäft, s. dort – von Todes wegen, 72 ff., 2862 f.

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Sachregister

– zweiseitiges Rechtsgeschäft, 51 ff., 453, 2870, 3245 – Irrtum über die Natur des Rechtsgeschäfts, s. Erklärungsirrtum; und s. auch error in negotio rechtsgeschäftsähnliche Handlung, 171a, 1027, 2599, 2622 Rechtsgewährleistung (Eviktionshaftung) – bei der Schenkung, 2879 – beim Fahrniskauf, 2439, 2465 f., 2548 f., 2551 ff. – Abgrenzung zur Sachgewährleistung, 2552 – Ansprüche aus Rechtsgewährleistung, 2576 ff. – Begriff, 2551 – bei abhandengekommenen Sachen, 2555 – bei anvertrauten Sachen, 2553 f. – Konkurrenzen, 2583 f. – Verfahren, 2572 ff. – Voraussetzungen, s. auch Entwehrung (Eviktion), Voraussetzungen – beim Forderungskauf, 2556 – beim Grundstückskauf, 2344, 2557, 2559 – beim Lizenzvertrag, 3824, 3829 f. – beim Rechtskauf, 2556 – beim Tauschvertrag, 2707 – beim Trödelvertrag, 4034 – beim Werklieferungsvertrag, 3127, 3188 Rechtshandlung, 1026, 1038, 1342, 1616, 3340, 3347, 3371 Rechtshandlungsauftrag, 3223, 3241, 3496 Rechtsirrtum, 524 ff. Rechtskauf, 2510, 2556, s. auch Forderungskauf Rechtsmangel, 2466, 2552 f., 2556, 2559 f., 2567, 2569, 2584, 2958 f., 3188, 3829 Rechtsmissbrauch, 194, 199, 304, 322, 370 ff., 381, 485, 687a, 932, 958, 1031, 1213a, 1239, 1352, 2228, 2264, 2410, 2634, 2758, 2968h, 2978, 2991a, 3018b, 3657, 3824 Rechtsmissbrauchsverbot, 194, 322, 370 ff., 485, 687a, 2410, 2913b, 3021 Rechtsscheinhaftung, 663 ff., 1091, 1095 ff. Rechtsschutz in klaren Fällen, 2936c, 3025a, 3025e Rechtssicherheit, 186, 219, 341, 580, 1050, 1297, 1371, 1594, 1725, 2515, 2671, 3059, 3337, 3702 Referenzverhalten, s. hypothetische Vorwerfbarkeit Referenzzinssatz, 3017a, 3017c, 3019f Reflexschaden (Drittschaden), 117, 884, 1135, 1480, 1868, 1873 ff., 3781 reiner Vermögensschaden, 124, 876, 1526, 1550 f., 1566, 1569, 1687, 1693, 1840, 1855 f., 1867, 1901, 1950 ff., 1956, 2103, 2135, 4096 Reiseveranstaltungsvertrag i.w.S., 3629 f., 3632, 3633, 3636, 3644, 3712

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Reisevermittlungsvertrag, 3629 ff., 3633, 3636 Reisevertrag, 883, 3629 f. – Reiseveranstaltungsvertrag i.w.S., s. dort – Pauschalreisevertrag, s. dort – Reiseveranstaltungsvertrag i.e.S., 3630 – Reisevermittlungsvertrag, s. dort Rekonstruktion des Parteiwillens, s. Auslegung des Vertrages, Arten, subjektive (empirische) Auslegung relative Frist, 580, 1814, 1840, 2142, 2236, 2237, 2239 ff., 2243, 2244a, 2248, 2571, 2631a, 2631e, 2885 relative Methode – bei der Miete, 2956, 3017h f., 3019b, 3019g, 3019k – beim Fahrniskauf, 2685 ff. – beim Pauschalreisevertrag, 3649 – beim Werkvertrag, 3168 – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2817 relatives Fixgeschäft (qualifiziertes Verfalltagsgeschäft), 710, 823, 925, 954, 2517 f., 2521, 2525, 2939l Relativitätsgrundsatz, 91 relativ subjektives Recht, 28a, 31, 88 ff., 95, 1798, 2171, 2422 f., 3028, 4081 – obligatorisches Recht, 85, 89 f., 2156, 2778, 2958a, 3042 – realobligatorisches Recht (Realobligation), 89 f., 2552, 2559, 2958a restitutio in integrum, 2207, s. auch Gewinnherausgabe Restitutionspflicht – beim Hinterlegungsvertrag, 3542 ff. – beim bedingten Geschäft, 1312 Restriktionsprinzip, 630a Retentionsrecht – bei der Kommission, 3455 ff., 3465 – bei der Miete, 2997, 3015a ff. – beim Agenturvertrag, 3414 – beim einfachen Auftrag, 3278 ff., 3297 f. – beim Frachtvertrag, 3502 – beim Gastaufnahmevertrag, 3996 – beim Hinterlegungsvertrag, 3545 – beim Werkvertrag, 3200, s. auch Bauhandwerkerpfandrecht – dingliches Retentionsrecht, 782, 3200, 3278, 3414, 3545 – obligatorisches Retentionsrecht, 930, 3278, 3281, 3297, 3545 Reugeld, 1241 ff., 1273 – Abgrenzung zur Wandelpön (exklusive Konventionalstrafe), 1247

Sachregister

– Begriff, 1241 ff. – Gemeinsamkeiten, 1246 f. – Wirkungen, 1248 f. Risikoprinzip, 1559 Rückabwicklung (Liquidation), 572, 706, 732, 740, 837, 930, 1155, 1157, 1824 – bei der Abtretung (Zession), 1339, 1350, 2338 – bei der Anweisung, 1216 ff., 1222 – bei der fehlenden Vertretungswirkung, 1111, 1115, 1823 – bei der Formungültigkeit, 69, 381 f., 443, 1788 – bei der Inhaltsungültigkeit, 442 f., 1788 – bei der Kündigung, 792 ff. – bei der Leistung aus nachträglich weggefallenem Grund, 1795, s. auch Leistungskondiktion, Leistung aus nachträglich weggefallenem Grund – bei der Miete, 2913b – bei der Schenkung, 2854, 2857, 2881, 2883 – beim bedingten Geschäft, 1315, 1317, 1793 – beim Haustürgeschäft und ähnlichen Verträgen, 268, 791, 1793 – beim Kaufvertrag, 2504 – infolge Wandlung, 2661 ff., 2665 f. – mangels gültigen Verpflichtungsgeschäfts, 2336 f. – beim Konsumkreditvertrag (KKG), 3107 – beim Lizenzvertrag, 3825 – beim Mäklervertrag, 3364 – beim Rücktritt vom Vertrag, 789 ff., 904, 906, 909, 960 ff. – beim UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2816 – beim Willensmangel, 582 ff., 1788 – Konkurrenz zu Art. 62 ff. OR, 1825 – Hilfspersonenhaftung, s. Hilfspersonenhaftung, bei der Rückabwicklung (Liquidation) – Verjährung, 2235 – von Dauerschuldverhältnissen, 60, 585, 639, 904, 964 – von synallagmatischen Verträgen, 1816 ff. Rückabwicklungsverhältnis, s. Rückabwicklung (Liquidation) Rückbürgschaft, 3569, 3570, 3602 Rückerstattungsanspruch, 268, 443, 962, 964, 2254, 2881, 3091, 3544 – in natura, 961, 1802, 1804, 1806, 2207 – Wertersatz, 961, 1802, 1804 Rückgabeprotokoll, 2917a f., 2918e, 3012, 3014c Rückkaufsrecht, 157, 1354, 2385, 2391 f., 2406, 2559 Rücksichtnahme, s. Rücksichtspflicht

Rücksichtspflicht – bei culpa in contrahendo (cic), 1547 – bei der Miete, 2929 ff., 2969a ff. Rücktritt, 75, 179, 274, 583 – bei Beendigung eines Schuldverhältnisses i.w.S., 639, 789 ff. – bei Dauerschuldverträgen, 964 – bei der Leistungsunmöglichkeit, 834, 903a ff. – bei der positiven Vertragsverletzung, 903a ff. – beim Bürgschaftsvertrag, 3608 – beim Darlehen, 3070 f. – beim einfachen Auftrag, 795, 3301 ff. – beim Gastaufnahmevertrag, 3997, 4003 f., 4008 – beim Konsumkreditvertrag (KKG), 3114 f. – beim Pauschalreisevertrag, 3659 – beim Schuldnerverzug bei vollkommen zweiseitigem Vertrag, 906, 948 ff., 958 ff. – beim Werkvertrag, 3153, 3173 f., 3196 f., 3212 ff., 3213 ff. – bei Leistungsverzug des Unternehmers, 3149 ff., 3212a – bei unverhältnismässiger Überschreitung des Kostenvoranschlags (Kostenansatzes), 3196 ff., 3212a – bei Zahlungsverzug und Verzug bezüglich Mitwirkungspflichten der Bestellerin, 3193, 3212 – jederzeitiger Rücktritt nach Art. 377 OR, 3212a, 3213 f. – der Verkäuferin beim Barkauf, 2537 f. – der Verkäuferin beim Postnumerandokauf (Kreditkauf), 2539 ff. – der Verkäuferin beim Pränumerandokauf, 2537 f. – und Reugeld, 1247 – und Wandelpön (exklusive Konventionalstrafe), 1247 – Verhältnis zur Verrechnung, 785 – Vorbehalt des Rücktritts, s. Rücktrittsvorbehalt Rücktrittsvorbehalt, 174, 2539 ff. Rückzession, 1314, 1333 f., 1339, 1350, 2338 Rügeobliegenheit, 850, 2630 f. – bei der Miete, 2918e ff., 3011 f. – beim Kauf, 2460, 2550, 2627 ff., 2630 – beim Leasingvertrag, 3759

S Sachdarlehen, 3061 Sache – genus-Sache, 2763 – künftige Sache, 2397 f., 2420, 3130 ff., 3985 – species-Sache, 2763

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Sachregister

– unvertretbare Sache, 677 – vertretbare Sache, 677 Sachgesamtheit, 2414, 2421, 2815a Sachgewährleistung – bei der Schenkung, 2879 – beim Alleinvertriebsvertrag, 3865 – beim Fahrniskauf, 2460, 2477, 2550, 2585 ff. – Abgrenzung zur Rechtsgewährleistung (Eviktionshaftung), 2552 – Ansprüche aus Sachgewährleistung, 2651 f. – Begriff, 2585 – beim Gattungskauf, 851, 2587 ff., 2611 – beim Stückkauf, 2586, 2611 – Konkurrenz zum Irrtum, 601 f., 2701 ff., 2737 – Konkurrenz zur Schlechterfüllung, 2465 f., 2548 f., 2695 ff. – Konkurrenz zur unerlaubten oder sittenwidrigen Handlung, 2700 – Sachmangel, s. dort – Voraussetzungen, 2596 ff. – beim Forderungskauf, 2595 – beim Gastaufnahmevertrag, 3997 ff. – beim Grundstückskauf, 2344, 2592 ff. – beim indirekten Leasing, 3740, 3760 ff. – beim Lizenzvertrag, 3826, 3827 f. – beim Sponsoringvertrag, 3971 – beim Steigerungskauf, 2355 – beim Tauschvertrag, 2708 f. – beim Trödelvertrag, 4035 ff. – beim Unternehmenskauf(vertrag), 2613 – beim Werklieferungsvertrag, 3188 – beim Werkvertrag, 2399, 3136, 3156, 3157 ff., 3202 – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2745, 2776, 2819 ff. – Verhältnis zur Produktehaftung, 2127 Sachmangel – Begriff, 2597 – beim Kaufvertrag, 2355, 2466, 2550, 2552, 2570, 2586, 2594, 2596, 2597 ff., 2614 f., 2616, 2631d f., 2701, s. auch vorausgesetzter Gebrauch; und s. ferner auch Zusicherung – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2769, 2801, 2807 f., 2813, 2815a, 2819 ff. Sachschaden, 1863 ff. – Begriff, 1863 ff. – bei der ausservertraglichen Haftung, 1853 f. – bei der Haftung des Motorfahrzeughalters, 2129, 2135 – bei der Produktehaftung, 2096 f., 2105 ff., 4000 – Verjährung, 2241

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– bei der quasivertraglichen Haftung, 1550 f. – bei der vertraglichen Haftung, 873, 1856 – Verhältnis zur Genugtuung, 1901 Saldotheorie, 1817 salvatorische Klausel, 439 f. Sammelverwahrung (Vermengungsdepot), 3527 ff. Schaden, 111 ff., 867 ff., 1843, 1844 ff., s. auch Schadenersatz – Abgrenzung – zum Affektionswertersatz bei Haustieren, 1913, s. auch Affektionswertersatz – zur immateriellen Unbill, 113 f., 1900, s. auch Genugtuung – Arten, 1853 ff. – Betreuungsschaden, s. Pflege- und Betreuungsschaden – Drittschaden, s. Reflexschaden – Folgeschaden, 873, 2838, 3077 – Frustrationsschaden, s. dort – Haushaltsschaden, s. dort – Kommerzialisierungsschaden, s. dort – Mangelfolgeschaden. s. dort – Mangelschaden, s. dort – mittelbarer Schaden, 2654, 2669 ff., 3513 – normativer Schaden, s. dort – Personenschaden, s. dort – Pflegeschaden, s. Pflege- und Betreuungsschaden – Reflexschaden, s. dort – reiner Vermögensschaden, s. dort – Sachschaden, s. dort – Schockschaden, s. dort – übriger Schaden, 1853, 1855, 1867 – unmittelbarer Schaden, 2580, 2654, 2669 ff., 2688, 3513 – Versorgerschaden, s. dort – Verspätungsschaden, s. dort – Vertrauensschaden, s. dort – weiterer Schaden, 476, 946, 2581, 2669, 2688, 3460 – bei der culpa in contrahendo-Haftung, 1534, 1553 ff. – bei der Gefälligkeitshaftung, 1665, 1691 ff. – bei der Produktehaftung, 2096 f., 2103 ff. – Begriff, 111 f., 867, 1845 ff. – beim UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2834, 2836 f. – Berechnung, 868 ff., 1848 ff., 1860, 1863 f., 1871, 1879, 1883, 1886, 1894, 2527 ff., 2544 ff. – abstrakte Berechnung des Schadens, 2527, 2530, 2545, 3081

Sachregister

– konkrete Berechnung des Schadens, 2527, 2529, 2544 – nach der Differenzhypothese, s. Differenzhypothese – nach der Differenztheorie, s. Differenztheorie – entgangener Gewinn, s. dort – Ersatz des Schadens, s. Schadenersatz – positiver Schaden, s. dort Schadenersatz, 857 ff., 1843 ff. – Abgrenzung – zum Affektionswertersatz bei Haustieren, 1912, s. auch Affektionswertersatz – zur Genugtuung, 1900 ff., s. auch Genugtuung – bei der Abtretung einer Forderung, 1388, 1399, 1403 – bei der Anweisung, 1205, 1210 – bei der culpa in contrahendo-Haftung, 1529, 1534 ff., 1560 f. – bei der Deliktshaftung, 1843 ff., 2029, 2044 ff., 2055 ff., 2073 ff., 2082 ff., 2096 ff., 2128 ff. – bei der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1633, 1638, 1640 f., 1649, 1654 ff. – bei der fehlenden Vertretungswirkung, 1099, 1109 f., 1112 ff., 1117 f. – bei der Gefälligkeitshaftung, 1495, 1665, 1669 ff., 1677 ff., 1691 ff. – bei der Kommission, 1601, 3438, 3448, 3451, 3459 f., 3462 – bei der Leihe, 3045, 3048 f. – bei der Leistungsunmöglichkeit, 857 ff. – Voraussetzungen, 857 ff. – Rechtsfolgen, 891 ff. – Konkurrenzen, 907 ff. – bei der Miete, 2933a, 2933c, 2957 ff., 2964, 2966 f., 2967a, 2968k, 2976b, 2976e f., 2976h, 2979, 2985b, 2989, 3005a, 3014a ff., 3023d, 4091, 4110 f. – bei der positiven Vertragsverletzung, 857 ff. – Voraussetzungen, 857 ff. – Rechtsfolgen, 891 ff. – Konkurrenzen, 907 ff. – bei der Schenkung, 2852, 2857 f., 2878 f. – bei der Schuldübernahme, 1434, 1445 – bei der Übervorteilung, 594, 596 f. – bei der Vertrauenshaftung, 1738, 1759 f. – bei der unechten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 2181, 2183, 2197, 2200, 2211 ff. – bei einem bedingten Vertrag, 1304, 1308 – bei einem Willensmangel, 450, 476, 486, 517 f., 562, 593 ff., 874, 1555

– beim einfachen Auftrag, 3264 ff., 3273 f., 3276, 3285, 3289 ff., 3304, 3307 – beim Fahrniskauf, 2453, 2459, 2469, 2476, 2484, 2514 ff., 2520 ff., 2526 ff., 2542, 2544 ff., 2550, 2707 – bei der Minderung des Vertrages, 2688 – bei der Wandlung des Vertrages, 2654, 2667, 2669 ff., 2688 – Berechnung, s. relative Methode – beim Garantievertrag oder Vertrag zulasten eines Dritten, 1168, 1179a – beim Leasingvertrag, 3776, 3779 ff. – beim Pauschalreisevertrag, 3647 f., 3651 ff., 3712 – beim Schuldnerverzug bei vollkommen zweiseitigem Vertrag, 948, 951, 958 ff., 966 – beim Tauschvertrag, 2707 f. – beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, 1567, 1570 f., 1573, 1585 ff. – beim Werkvertrag, 3143, 3145, 3163, 3169, 3173, 3177 f., 3180e f., 3187, 3205, 3214 – Bemessung, 118, 886, 897 f., 1553, 1851 f., 1886 ff., 1936, 1973, 1996, 3266 – Herabsetzung, s. Schadenersatz, Reduktionsgründe (Herabsetzungsgründe) – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2672 f., 2805, 2806, 2816, 2818, 2823, 2824, 2830, 2832, 2834 ff. – negatives (Vertrags-)Interesse, s. dort – positives (Vertrags-)Interesse, s. dort – Reduktionsgründe (Herabsetzungsgründe), 118, 886, 897a, 1698, 1851 f., 1886 ff., 1910, 1927, 1936, 1965, 1973, 1985, 2022 ff., 2307, 2858, 3647 – Verhältnis – zum Angeld, 1245 – zum Reugeld, 1249 – zur Konventionalstrafe, 1265, 1267, 1270, 1271, 1273 Schadensberechnung, s. Schaden, Berechnung Schadenspauschale – Abgrenzung zur Konventionalstrafe, 1256 Schadlosbürgschaft (Ausfallbürgschaft), 3560, 3570 Scheingeschäft, s. Simulation Schenkung, 36, 53, 67, 72, 149, 227, 364, 420a, 649, 1140, 1184, 1286, 1330, 1451, 1613, 2386, 2716, 2847 ff., 2992, 3038, 3076, 3049, 3125, 3689 – Abgrenzung, 2859 ff. – zum Darlehen, 3066, 3076 – zum Kauf, 2393, 2395 – zum Nichtgeltendmachen eines Anspruchs, 2869 – zum Sponsoringvertrag, 3953

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Sachregister

– zum Verzicht auf ein noch nicht erworbenes Recht, 2868 – zur echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA); 2866 – zur Erfüllung einer unklagbaren Forderung, 36, 2859 ff. – zur Gefälligkeit, 2864 f. – zur Leihe, 3039 – zur Schenkung auf den Todesfall, 2862 f. – zur unentgeltlichen Dienstleistung, 2867 – zur Verfügung von Todes wegen, 2863 – Anfechtung und Widerruf durch Dritte, s. auch Widerrufsrecht, gesetzliches Widerrufsrecht, bei der Schenkung – Arten, 2848 ff. – bedingte Schenkung, 2849 f., 2853, 2855 – gemischte Schenkung, 2386, 2395, 2856 ff., 3689 – Handschenkung, s. dort – Schenkung mit Rückfallsrecht, 2855 – Schenkung unter Auflage, 1286, 2849 ff., 2874, 2881 – Schenkungsversprechen, s. dort – Zweckschenkung, 2854 – Begriff, 2847 – Begriffsmerkmale, 2869a ff. – keine Gegenleistung der Beschenkten, 2874 – Voraussetzungen beim Schenker, 2872 – Voraussetzungen bei der Beschenkten, 2873 – Zuwendung aus dem Vermögen des Schenkers, 2875 – Form, 209, 358, 363 f., 1348, 1419, 1442, 2876 f. – Haftung, 2878 ff. – Schadenersatz, s. Schadenersatz, bei der Schenkung – Schuldnerverzug, s. Schuldnerverzug, bei der Schenkung – Wirkungen, 2878 ff. – Rechte der Beschenkten, 2878 ff. – Widerrufsrecht, s. Widerrufsrecht, gesetzliches Widerrufsrecht, bei der Schenkung Schenkungsabsicht, 2395 Schenkungspauliana, 2889 Schenkungsversprechen, 209, 358, 363, 1348, 1419, 1442, 1451, 2848, 2862, 2869a, 2877, 2880, 2881 f. Scherzerklärung, s. Vertrauensprinzip, Scherzerklärung Schickschuld (Versendungsschuld), 705, 2369, 2482, 2490, 2493, 2498 f., 2500, 2762, 2783 Schlechterfüllung, s. positive Vertragsverletzung, Schlechterfüllung Schmiergeld, 417, 419, 2172, 3277

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Schockschaden, 1875, 1945, 2129a Schriftlichkeit, 209, 344 ff. – einfache Schriftlichkeit, 345 f., 348 ff., 359, 362, 384, 388, 694, 1069 f., 1344, 1349, 2402, 2440, 2877, 3230, 3582, 3929 – qualifizierte Schriftlichkeit, 345, 359, 3581 Schuld, 27 f. – Begriff, 27 f. – Bringschuld, s. dort – Dauerschuldverhältnis, s. dort – Einmalschuldverhältnis, s. dort – Einzelschuld, s. dort – gemeinschaftliche Schuld, s. dort – Holschuld, s. dort – Gattungsschuld, s. dort – Geldschuld, s. dort – Schickschuld, s. dort – Solidarschuld, s. dort – Stückschuld (species-Schuld), s. dort – Teilschuld, s. dort Schuldanerkennung, 70 ff., 664 f., 1362 ff., 2269, 2272, 2306 f., s. auch Schuldbekenntnis – abstrakte Schuldanerkennung, 70 – kausale Schuldanerkennung, 70 – negative Schuldanerkennung, 695, 727 f. Schuldbeitritt, s. kumulative Schuldübernahme (Schuldmitübernahme) Schuldbekenntnis, 70, – abstraktes Schuldbekenntnis, 70 – Beweislastumkehr, 70a – kausales Schuldbekenntnis, 70 – schriftliches Schuldbekenntnis, 70, 200, 1362 ff. Schuldmitübernahme, s. kumulative Schuldübernahme (Schuldbeitritt) Schuldnermehrheit, 2279 ff. – Begriff, 2279 – Arten, 2280 – bei unteilbarer Leistung, s. unteilbare Leistung, bei mehreren Schuldnern – Einzelschuld, s. dort – gemeinschaftliche Schuld, s. dort – Solidarschuld, s. dort – Teilschuld, s. dort – übrige Fälle, 2280 Schuldnerverzug, 785, 806, 837, 841, 853, 874, 910 ff., 966, 973, 976, 983, 989, 992, 1207, 2236, 4150 – Abgrenzung zur Unmöglichkeit der Leistung (Leistungsunmöglichkeit), 820 ff. – Begriff, 910 f. – bei der Miete

Sachregister

– Verzug der Vermieterin mit der Übergabe des Mietobjekts, 2939k ff. – Verzug des Mieters mit der Mietzinszahlung, 2968 ff. – bei der Schenkung, 2878a – beim Darlehen, 3077, 3078, 3080 ff. – beim indirekten Leasing, 3753 ff. – beim Kaufvertrag, 2463 f., 2466, 2472, 2564, 2587 ff., 2611, 2664 – Verzug der Verkäuferin im kaufmännischen Verkehr, 2514 ff. – Verzug der Verkäuferin im nichtkaufmännischen Verkehr, 2531 f. – Verzug des Käufers, 2533 ff., s. auch Rücktritt – beim Leasing, 3800, 3826 – beim Sponsoringvertrag, 3969 f. – beim Werkvertrag, 3143, 3153, – Verzug des Unternehmers, 3148 ff., 3173, 3212a – Verzug der Bestellerin, 3193, 3205, 3212 – Rechtsfolgen, 938 ff. – Teilverzug, s. dort – Voraussetzungen, 912 ff. Schuldübernahme, 25, 1032, 1134 f., 1326, 1409 ff., 2301, 3571 ff., 3586 – Arten, 1410 f. – Erbteilung, s. dort – externe Schuldübernahme s. externe (private) Schuldübernahme – interne Schuldübernahme, s. interne Schuldübernahme (Befreiungsversprechen; Erfüllungsübernahme) – kumulative Schuldübernahme, s. kumulative Schuldübernahme (Schuldbeitritt; Schuldmitübernahme) – private Schuldübernahme, s. externe (private) Schuldübernahme – Übernahme eines Vermögens oder eines Geschäfts, s. dort – Veräusserung verpfändeter Grundstücke, s. dort – Begriff, 1409 Schuldübernahmevertrag, s. Schuldübernahme Schuldverhältnis, 38 ff. – Dauerschuldverhältnis, s. dort – einheitliches gesetzliches Schuldverhältnis, s. quasivertraglicher (quasikontraktueller) Anspruch, einheitliches gesetzliches Schuldverhältnis – Einmalschuldverhältnis, s. dort – i.e.S., 38, 40 f., 640, 1409, 1715, 1772, 2221, 2235, 2279

– i.w.S., 39 ff., 44, 45, 48, 97, 367, 640, 646, 726, 740, 750, 786 ff., 1353 f., 1409, 1715, 1744, 1772, 1789, 1821, 2221, 2279, 2337 Schutzpflichten, 100, 103, 1005, 1584, 2919a, 3147, 3967, 3992, 4001 – vorvertragliche Schutzpflichten, 1548 ff. schutzwürdiges Interesse, 579, 635j, 830, 1570, 1585, 1587 ff., 2307, 3424d, 3763, 3782 schutzwürdiges Vertrauen, 123, 1521, 1534, 1538, 1738, 1747, 1750 ff., 2758 Schwarzzahlung, 371, 2410 Schwebezustand, 148, 564 ff., 2389, 2514 f., 3793 – des bedingten Geschäfts, 1297, 1303 ff. Schweigegeld, 418 Schweigen, 540 – als Annahme, 173, 175, 226 ff., 230, 241, 731, 1106, 1205, 1346, 2870, 3228, 3639, s. auch Annahme, Arten, stillschweigende Annahme securities lending, s. Wertpapierdarlehen Sekundäranspruch, 106, 813, 903, 942, 959, 2236, 3999 Selbsteintritt, 1077, 1079, s. auch Selbstkontrahieren – der Trödlerin, 4021, 4023 – des Kommissionärs, 2172, 3436, 3468 ff., 3479 – des Mäklers, 3371 ff., 3376 – des Spediteurs, 3483 Selbsthilfe – als Rechtfertigungsgrund, 1963, 1964 – beim Pauschalreisevertrag, 3648 f. Selbstkontrahieren, 1077 ff., 3771 ff. Selbstverschulden, 835, 891, 1701, 1889 ff., 1898, 1910, 1926 f., 1929, 2140, 3154, 3155a, 3273 Selbstverständlichkeit – Abgrenzung zur Gefälligkeit, 1516 ff. Sequestration, 3531 Sexarbeitervertrag, 414 f. share deal, 2428, 2613 SIA-Norm, 1981, 2068, 2604 – SIA-Norm 118, 624, 3128 f., 3165, 3206 Sicherheitsleistung (Mietkaution), 2918 ff., 2925b ff., 2969, 2991 f. Sicherstellung, 937, 3556, 3602 Sicherungszession, 1375, 1378, 3925 Signatur, elektronische, s. elektronische Signatur Simulation, 198 ff., 274, 4129 – beim schriftlichen Schuldbekenntnis, 70, 200 – beim Grundstückskauf, 199, 371 ff., 2410 – Einwendung der Simulation, s. Einwendung, der Simulation Singularsukzession, s. Prinzip, der Singularsukzession

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Sachregister

Sittenwidrigkeit, 164, 395, 403, 410 ff., 426, 430, 442, 446, 598, 692, 829, 1178, 1333, 1376, 1545, 1630, 1811 f., 1816, 2304, 2340, 2354, 2642, 2737, 2883, 3075 – Begriff, 410 f. – Fallgruppen, 414 ff. – und Widerrechtlichkeit bei der unerlaubten Handlung, 91, 1843, 1956 ff., 2700 SMS, 178, 186, 238, 357 Software, 177, 2110, 3322, 3791 – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2719 Solidarbürgschaft, 1432, 2300, 3561, 3565, 3569, 3570, 3581, 3585, 3599 Solidargläubigerschaft, 25, 1143, 2318, 2320, 2321 f., 2323, 2326, 3513 Solidarhaftung, 1460 f., 1466, 2000 ff., 2197, 2295, 2302, 2304, 2307, 2992, 3656 f. – echte Solidarität, s. Solidarität, echte Solidarität – unechte Solidarität, s. Solidarität, unechte Solidarität Solidarität, 2000 ff., 2061, 2297 ff., 2310 f., 3065, 3570, 3573 – echte Solidarität, 2001 ff., 2005 ff., 2023, 2025, 2274 f., 2306, 2313 ff., 2315 ff. – persönliche Herabsetzungsgründe, 2022 ff. – unechte Solidarität, 2001 ff., 2007, 2013 ff., 2020 f., 2023, 2026, 2274, 2313 ff., 2315 ff. – eintypische unechte Solidarität, 2001, 2020 f. – mehrtypische unechte Solidarität, 2001, 2013 ff., 2315 Solidarschuld, 1236, 2274 f., 2280, 2281 f., 2284 f., 2288, 2294, 2296, 2297 ff., 2321 – Aussenverhältnis, 2303 ff. – Begriff, 2297 – Begründung, 2298 ff. – vertragliche Begründung, 2299 ff. – durch Gesetz, 2298, 2302 – Innenverhältnis, 2309 ff., 2991e Sonderverbindung, rechtliche, s. rechtliche Sonderverbindung Sorgfaltsbeweis, 1834 ff., 1973, 2034, 2035 ff., 2053 f., 2072, 2079 f., 3511, s. auch Sorgfaltspflicht Sorgfaltsmassstab, 897a, 1673, 1698, 1700, 1981 f., 3142, 3266, 3401 Sorgfaltsobliegenheit, 3598 Sorgfaltspflicht, 665, 899 f., 1135, 1833, 1835, 1922, 1943, 1981, 2017, 2034 ff., 2042, 2053, 3111, 3335 – bei der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag, 1632, 1649, 1650 ff. – beim Werkvertrag, 3142 f., 3144 f., 3178

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– des Aufbewahrers, 3543 – des Beauftragten – beim einfachen Auftrag, 848, 900, 1016, 3133, 3262 ff., 3271a, 3285, 3287 – beim Agenturvertrag, 3401, 3405, 3407 – beim Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag, 3334 – beim Mäklervertrag, 3349, 3366, 3367 ff. – der Kreditgeberin, 3109 – des Frachtführers, 3503, 3516 – des Kommissionärs, 3441 ff., 3444 ff. – des Mieters, 2929 ff., 2969a ff. Spaltungstheorie, 2985b Sparkassenvertrag – Abgrenzung – zur Hinterlegung 3534 species-Schuld, s. Stückschuld specific performance, s. Erfüllungsanspruch Speditionsvertrag (Frachtvertragskommission), 3219, 3345, 3426, 3473 ff., 3664 – Abgrenzung, 3476 f. – zum Frachtvertrag, 3496 – zum Hinterlegungsvertrag, 3477, 3535 – zum Personenbeförderungsvertrag, 3476 – Begriff, 3473 ff. – Haftung des Spediteurs, 3481 ff. – ausserhalb des Transports, 3482 – in Ausführung des Transports, 3483 – Pflichten des Spediteurs, 3478 f. – Rechte des Spediteurs, 3480 – Zwischenspediteur, 3484 ff. – ausserhalb des Transports, 3486 – in Ausführung des Transports, 3487 Spezialitätsprinzip, 1369, 1371, 2421, 2427, 3937 Spezialvollmacht, 1076, 1087, 3242 f. Spezifikationskauf, 2364, 2461, 2716 Spiel, 34, 37, 1810, 3609 ff., s. auch Spielvertrag – Abgrenzung – zum Preisausschreiben, 3618 ff. – bewilligungspflichtiges Spiel, 3625 – gesetzlich verbotenes Spiel, 3624 Spielvertrag, 34, 37, 1810, 3609, 3610 f. – Abgrenzung zum Preisausschreiben, 3618 ff. – Darlehen für Spielzwecke, s. Darlehen, Arten, Darlehen für Spielzwecke – Wirkungen, 3621 ff. Sponsoringvertrag, 3946 ff. – Abgrenzung, 3953 ff. – zum Merchandising, 3954 – zur einfachen Gesellschaft, 3955 – zur Schenkung, 3953

Sachregister

– Beendigung, 3974 ff. – Begriff, 3946 – Erscheinungsformen, 3949 f. – Event-Sponsoring, 3950 – institutionelles Sponsoring, 3950, 3962 f. – Kultur-Sponsoring, 3949 – Personen-Sponsoring, 3950, 3958 ff. – Projekt-Sponsoring, 3950 3952, 3963 – Sozio-Sponsoring, 3949 – Sport-Sponsoring, 3949 – Funktion, 3947 f. – Gültigkeit, 3956 f. – Leistungsstörung, s. Leistungsstörung, beim Sponsoringvertrag – Pflichten des Sponsornehmers, 3958 ff. – Pflichten der Sponsorin, 3964 ff. – Rechtsnatur, 3951 f. Staffelmiete, 3019o Steigerungskauf, 2352 ff., 2358, s. auch OnlineAuktion Steigerungsprotokoll, 2353 stellvertretendes commodum, 833, 839, 2470, 4091, 4124 Stellvertretung, direkte, s. direkte Stellvertretung Stellvertretung, indirekte, s. indirekte Stellvertretung Streitverkündung, 15, 2572 ff., 2579 Stückkauf, 2378 ff., 2431, 2480 ff., 2500, 2501 f., 2549, 2586, 2611, 2644, 2716 – Gefahrtragung, s. Gefahrtragung, beim Stückkauf – Gewährleistung, s. Sachgewährleistung, beim Fahrniskauf, beim Stückkauf Stückschuld (species-Schuld), 676, 703, 706, 770, 3047 Subordinationsverhältnis, 1012, 2028 f., 2030 ff., 2076, 3137, 3237, 3272, 3394, 3952, 3987 Subrogation, 1379, 2003, 2019, 2313, 3603 Substitut, 1236, 1659 – Abgrenzung zur Hilfsperson, 999, 3250, 3251 ff. – Beizug von Substituten – bei der Kommission, 3435, 3451 – bei der Stellvertretung, 1076 – beim einfachen Auftrag, 3249 f., 3251 ff., 3258 ff. – beim Frachtvertrag, 3514 – beim Mäklervertrag, s. auch Untermäkelei – beim Speditionsvertrag, 3484, 3486 Substitutionsvollmacht (Untervollmacht), 1076 Sukzessivlieferungskauf, 2332, 2362, 2363, 2480, 2716, 3847, 3855

Sukzessivlieferungsvertrag, 61, 328, 950, 2232, 2362, 2660, 3677, 3845, 3847, 3970 Synallagma, 7, 53 f., 365, 367, 453, 571, 583, 586, 685, 730, 735, 741a, 837, 930, 949, 962, 1816 ff., 2339 ff., 2474, 2663 f., 2666, 2874, 2878a, 3060, 3077, 3222, 3366, 3384, 3676, 3688, 3703, 3800, 3866, 3938, 3947, 3951, 3953, 3983, 4011, 4027 f., 4031

T Tathandlung (Realakt), 171, 224, 1028, 1616, 3340, 3371 Tathandlungsauftrag, 3223, 3496, 3987 Tätigkeitspflicht, 22, 848, 900, 1613, 3499, 3880, 4017 – des Beauftragten – beim Agenturvertrag, 3346, 3401 – beim Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag, 3322, 3333 – beim einfachen Auftrag, 848, 1016, 3122, 3239, 3245, 3247, 3259, 3263, 3268a, 3272, 3287 – beim Mäklervertrag, 3346, 3348, 3366, 3367 tatsächlicher Parteiwille, s. Parteiwille, wirklicher (tatsächlicher) Parteiwille täuschendes Verhalten, 535, 537 ff., 544 Täuschung, absichtliche, s. absichtliche Täuschung Täuschungsabsicht, 535, 540 Tauschvertrag, 2386, 2704 ff., 2716 – Abgrenzung – zum Kaufvertrag, 2393 f., 2706 – Begriff, 2704 f. – Gewährleistung, s. Gewährleistung, beim Tauschvertrag – Schadenersatz, s. Schadenersatz, beim Tauschvertrag Teilgläubigerschaft, 2318, 2319, 2324a Teilnichtigkeit, 434 ff., 440 f., 636, 680, 1376, 2914a, 2915 Teilschuld, 25, 2280, 2281 f., 2294 ff., 2298, 2909a Teilungültigkeit, 307, 378, 562, 586 ff., 592, 3328, 4106 Teilunmöglichkeit, 845 Teilverzug, 950 Teilzahlung, 271, 675, 690, 771, 3115, 3599 Telefax (Fax), 178, 186, 238, 355, 2758 Telefon, 177, 415, 1101 – Telefongeschäft, 264 f., 2374 f., s. auch Haustürgeschäft und ähnliche Verträge Telegramm, 353, 2758 Textform, 345 f., 347, 266a

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Sachregister

Theorie – Absorptionstheorie, s. dort – Adäquanztheorie, s. dort – Akkreszenztheorie, s. dort – Andeutungstheorie, s. dort – Anfechtungstheorie, s. dort – Austauschtheorie, s. dort – der analogen Rechtsanwendung des OR BT, 3703 – der geteilten Ungültigkeit, 564, 567, 571, 575 – der Übernahme gesetzlicher Einzelanordnungen, 3701 f. – der Unterbrechungsgründe, 1929 – Differenztheorie, s. dort – Diskurstheorie, s. dort – Durchgangstheorie, s. dort – Eingriffstheorie, s. dort – Einheitstheorie, s. dort – Einstufentheorie, s. dort – Empfangstheorie, s. Zugangsprinzip (Empfangstheorie) – Erfüllungstheorie, s. dort – Erklärungstheorie, s. dort – Gebrauchsüberlassungstheorie, s. dort – Gewährleistungstheorie, s. dort – kausale Theorie, s. dort – Knockout-Theorie, s. dort – Kombinationstheorie, s. dort – Kreationstheorie, s. dort – Saldotheorie, s. dort – Spaltungstheorie, s. dort – Umwandlungstheorie, s. dort – Ungültigkeitstheorie, s. Ungültigkeitstheorien, Ungültigkeitstheorie – Unmittelbarkeitstheorie, s. dort – Vollstreckungstheorie, s. dort – Widerrechtlichkeitstheorie, s. dort – Willenstheorie, s. dort – Zerlegungstheorie, s. dort – Zuweisungstheorie, s. dort – Zweikondiktionentheorie, s. dort – Zweistufentheorie, s. dort Tierhalterhaftung, 1837, 2043, 2044 ff. – Begriff, 2044 – Entlastungsbeweis, s. Entlastungsbeweis, bei der Tierhalterhaftung – Voraussetzungen, 2045 ff. Totaldissens, s. Dissens, Totaldissens Traditionsprinzip, 2741 Traditionssurrogat, s. Übergabesurrogat Transportkosten, s. Kosten, Transportkosten

1456

Treu und Glauben, 76, 99, 193, 249, 282, 292, 306, 326, 333, 370, 435, 485, 489, 507, 538 f., 635i f., 638, 666, 775, 883, 1095, 1098 f., 1101, 1106, 1186, 1213a, 1239, 1488, 1566, 1578, 1727, 1731, 1739 f., 1750, 1754, 1954, 2068, 2354, 2453, 2456, 2458, 2529, 2544, 2561, 2575, 2597, 2600 f., 2601, 2638, 2645a, 2968i, 2991c, 3014, 3022, 3052, 3086, 3147, 3198, 3234, 3276, 3351, 3375, 3379, 3589, 3643, 3772, s. auch Grundsatz von Treu und Glauben (Prinzip von Treu und Glauben) – bei bedingtem Geschäft, 1304, 1319 ff. – bei Vertragsverhandlungen, 1524 f., 1527, 1539 ff. – im Geschäftsverkehr, 230, 325, 479, 507, 512, 514, 520, 530, 587, 2269 – Treuwidrigkeit, 123, 418, 485, 1319 ff., 1521, 1539 ff., 1556, 1712, 1719, 1721, 1738, 1756 f., 1763, 2354, 2561, 3276, 3374, 4129 Treuepflicht, 3444 f., 3961, 3973 – bei der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1649, 1650 ff. – beim Werkvertrag, 3147 – des Beauftragten – beim Agenturvertrag, 3402 ff., 3405 – beim Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag, 3334 – beim einfachen Auftrag, 3263, 3269 ff., 3274, 3274a – beim Mäklervertrag, 3349, 3366, 3367 ff. – des Frachtführers, 3503 – des Händlers beim Alleinvertriebsvertrag, 3861 – des Kommissionärs, 3441 ff., 3450, 3453 Treuhandvertrag, 2234, 3241, 3292 Trödelvertrag, 3457, 4009 ff. – Abgrenzung, 4016 ff. – zum einfachen Auftrag, 4017 – zum Kaufvertrag, 4016 – zum Mäklervertrag, 3345, 4019 – zur Kommission, 3431, 4018 – Begriff, 4009 ff. – Eigentumsverhältnisse, 4021 ff. – Selbsteintritt, s. Selbsteintritt, der Trödlerin – Verkauf an einen Dritten, 4022 – Entstehung und Inhalt, 4020 – Erscheinungsformen, 4013 – Gefahrtragung, s. Gefahrtragung, beim Trödelvertrag – Gewährleistung, s. Gewährleistung, beim Trödelvertrag – Leistungsstörung, s. Leistungsstörung, beim Trödelvertrag – Pflichten der Parteien, 4024 ff.

Sachregister

– Rechtsnatur, 4014 f. – wirtschaftliche Funktion, 4012 Typenfreiheit, 4, 258, 392, 3226, 3660, 3682 Typengebundenheit, 430, 829

U übereinstimmender Parteiwille, s. Parteiwille, übereinstimmender Parteiwille Übergabesurrogat (Traditionssurrogat), 64, 1200, 2334, 2429, 2433 – Besitzanweisung, s. dort – Besitzeskonstitut, s. dort – brevi manu traditio, s. dort – longa manu traditio, s. dort Übermittlungsirrtum, 448, 468, 495, 504 ff. Übernahme des Rechtsstreits, 2958 f., 2967a Übernahme eines Vermögens oder eines Geschäfts, 751, 1410, 1459 f. Übernahmeverschulden, 832, 899, 1657, 1982, 2181, 2512, 3142, 3267, 3271 f. Übervorteilung, 447 ff., 451 ff., 466, 468, 485, 562, 569, 577 f., 582, 589, 592, 594, 692, 1547, 2447, 2883, 3019, 3075, 4106 – Begriff, 451 ff. – Konkurrenzen, 598 f. – Schadenersatz, s. Schadenersatz, bei der Übervorteilung – Voraussetzungen, 454 ff. Umwandlungstheorie, 268, 443, 732, 904, 960, 962, 1152, 1221 f., 1317, 1339, 1350, 1788, 1795, 1821, 1825, 2663 f., 3167 UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 807, 904, 2419, 2489, 2493, 2497, 2498, 2500, 2657, 2672, 2710 ff. – Abschluss des Vertrages, s. Abschluss des Vertrages, im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht); s. auch Antrag, im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht); und s. auch Annahme, im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht); und s. ferner auch Auslegung, im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht) – Anwendungsbereich, 2711 ff. – kein vertraglicher Ausschluss, 2711, 2713, 2732 ff. – räumlich-persönlicher Anwendungsbereich, 2711, 2712 ff. – sachlicher Anwendungsbereich, 2711, 2715 ff. – zeitlicher Anwendungsbereich, 2711, 2731 – Begriff, 2710

– Entlastungsbeweis, s. Entlastungsbeweis, im UNKaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht) – Erfüllungsanspruch (specific performance), s. Erfüllungsanspruch im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht) – Ersatzlieferung, s. Ersatzlieferung, im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht) – Form, 2739, 2758, 2821 – Gefahrtragung, s. Gefahrtragung, im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht) – Leistungsstörung, s. Leistungsstörung, im UNKaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht) – Minderung, s. Minderung, im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht) – Nachbesserung, s. Nachbesserung, im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht) – Nacherfüllungsrecht, s. dort – nicht erfasste Regelungsbereiche, 2736 ff. – Eigentum, 2736, 2741 – Gültigkeit des Vertrages, 2736, 2737 ff. – Personenschaden, s. Personenschaden, im UNKaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht) – weitere nicht geregelte Fragen, 2743 ff. – Pflichten der Verkäuferin, 2759 ff. – Pflichten des Käufers, 2779 ff. – Schadenersatz, s. Schadenersatz, im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht) – Vertragsaufhebung, s. dort unechte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA; Eigengeschäftsführung), 1388, 1487, 1508, 1609, 1611, 1621, 1626, 1799, 2154 ff., 2193, 2216, 2950, 3220 – Abgrenzung zur echten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1508, 1608 f., 1611, 2155 ff., 2200, – Begriff, 2154 ff. – bösgläubig unechte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA; Geschäftsanmassung), 1608, 1611, 1799, 1826, 2154, 2158 f., 2161, 2162 ff., 2210, s. auch Gewinnabschöpfung – Rechtsfolgen, 2179 ff. – Voraussetzungen, 2164 ff. – Eigengeschäftsführungswille, 2155, 2193 – gutgläubig unechte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA; Geschäftseinmischung), 1608, 1611, 1799, 1826, 2154, 2158 f., 2161, 2163, 2187 ff. unechte Konventionalstrafe, 1257 unechter Vertrag zugunsten eines Dritten, 1125 f., 1133 ff., 1142, 1580 unerlaubte Handlung, 86, 88, 91, 111, 123, 129, 132 f., 138, 165, 450, 596 f., 775, 927, 1118, 1504, 1518, 1520, 1533, 1550, 1566, 1656, 1687, 1695,

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Sachregister

1697, 1829 ff., 2142 f., 2173, 2186, 2210, 2237 ff., 2309, 2967, 4094, 4118 f. – Abgrenzung, 1839 ff. – zu den quasivertraglichen Haftungen, 1763 ff., 1841 – zur ungerechtfertigten Bereicherung, 1771, 1842 – zur vertraglichen Haftung, 1839 f. – allgemeiner Haftungstatbestand, 1843 ff. – Kausalzusammenhang, s. dort – Schaden, s. dort – Verschulden, s. dort – Widerrechtlichkeit, s. dort – Arten, 1830 ff. – Kausalhaftung, s. dort – einfache (gewöhnliche) Kausalhaftung, s. dort – Gefährdungshaftung (qualifizierte Kausalhaftung), s. dort – Verschuldenshaftung, s. dort – Begriff, 1829 – Konkurrenz – zur Sachgewährleistung beim Fahrniskauf, 2700 – zwischen Art. 41 ff. OR und Art. 62 ff. OR, 1828, 2215 – zwischen Art. 423 OR und Art. 41 OR, 2210 ff. – Mehrheit von Schädigern, s. Solidarhaftung – Verhältnis von Art. 199 OR zu Art. 41 Abs. 1 OR, 2645 ff. ungerechtfertigte Bereicherung, 60, 129, 132, 134, 138, 148, 268, 381, 568, 572, 574, 582, 585, 791, 793, 837, 909, 962, 1114a, 1116, 1118, 1152, 1157, 1184, 1219 f., 1222, 1317, 1333, 1388, 1473, 1656, 1767 ff., 2148, 2151, 2182, 2186, 2248, 2337, 2854, 2875, 2881, 2925a, 2956a, 3018c, 3019e, 3111, 3289b, 3332, 3423 f., 3537, 3603, 3624, 3825, 4094, 4120 ff., 4126, 4137 – Abgrenzung, 1771 f. – zu den Ansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1772 – zum ausservertraglichen Schadenersatzanspruch, 1771, 1842 – zum vertraglichen Schadenersatzanspruch, 1771 – Arten, 1783 ff. – Eingriffskondiktion, s. dort – Leistungskondiktion, s. dort – Begriff, 1767 ff. – Gegenstand des Bereicherungsanspruchs, 1802 – in einer Geldleistung, 1780, 1802, 1804 – in natura, 1780, 1802, 1804, 1806

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– im Dreipersonenverhältnis, 1822 ff. – Kondiktionssperre, s. dort – Konkurrenzen, 1825 ff. – zwischen Art. 41 ff. OR und Art. 62 ff. OR, 1828, 2215, 4145 – zwischen Art. 423 OR und Art. 62 ff. OR, 1826, 2202 ff., 4145 – zwischen vertraglichen Ansprüchen und Art. 62 OR, 1825, 4145 – zwischen Vindikation, den dinglichen Herausgabeansprüchen und Art. 62 OR, 1827 – Rückabwicklung von synallagmatischen Verträgen, 1816 ff. – Umfang des Bereicherungsanspruchs, 1803 ff. – Verjährung, s. Verjährung, bei der ungerechtfertigten Bereicherung – Voraussetzungen, 1773 ff. – Bereicherung, s. dort – Entreicherung, 1773, 1778 ff., 1797, 1801, 4120 f. – fehlende Rechtfertigung, 1773, 1781 f., 4120 – Wirkungen, 1802 ff. Ungewöhnlichkeitsregel, 612d, 619 ff., 633, 638, 1019, 1226, 3774 – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2740 Ungültigkeit – bei einem Willensmangel, s. Willensmangel, Ungültigkeit und andere Wirkungen – flexibler Ungültigkeitsbegriff, 377, 433, 589, 636, 1359, 1376, 2410, 3111c, 3825 – Formungültigkeit, s. Formvorschriften, gesetzliche, Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung – Inhaltsungültigkeit, 395, 431 ff., 441a, 4106 – Konversion, s. dort – Nichtigkeit, s. dort – Rückabwicklung – bei der Formungültigkeit, s. Rückabwicklung (Liquidation), bei der Formungültigkeit – bei der Inhaltsungültigkeit, s. Rückabwicklung (Liquidation), bei der Inhaltsungültigkeit – bei einem Willensmangel, s. Rückabwicklung (Liquidation), beim Willensmangel – Teilungültigkeit, s. dort – traditionelle Auffassung, 431 f., 2410 Ungültigkeitstheorien, 564 ff. – Anfechtungstheorie, s. dort – Theorie der geteilten Ungültigkeit, s. Theorie, der geteilten Ungültigkeit – Ungültigkeitstheorie, 564, 565, 569, 573, 575, 582, 1787

Sachregister

Universalitätsprinzip, 1831 Unklarheitenregel, 283, 296, 612d, 629 f., 633, 638, 1019 – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2740 Unmittelbarkeitstheorie, 1372, 1374 Unmöglichkeit der Leistung (Leistungsunmöglichkeit), 395, 426 ff., 643, 802, 806, 814 ff., 846, 853, 857 ff., 862 f., 915, 925, 944 f., 1342 – Abgrenzung, 820 ff. – zum Schuldnerverzug, 820 ff. – zur Anpassung des Vertrages an veränderte Umstände, 825 – Arten inklusive ihre Rechtsfolgen, 815a ff., 826 ff., 903a ff. – anfängliche (ursprüngliche) Unmöglichkeit, 426, 428 ff., 431 ff., 680 ff., 740, 806, 863, 819, 827 ff., 831 f., 843 f., 859, 916, 1178, 1403, 1417, 2412, 2466, 2472, 2506 ff., 2511 ff., 2878, 2939d, 2939g, 3814, 3822 ff. – nachträgliche Unmöglichkeit, 680 ff., 724, 740, 806, 819, 828, 830, 833 ff., 843 f., 863, 916, 1180, 1424, 2305, 2466, 2469 ff., 2473 ff., 2508, 2511, 2878, 2939e ff., 3203, 3208, 3216, 3800, 4033 – objektive Unmöglichkeit, 125, 426 ff., 740, 816 ff., 827 ff., 833 ff., 843 f., 859, 863, 1403, 1417, 1424, 2411, 2507, 2508 ff., 2799, 2939d f., 2939g f., 2939j, 2985, 3208 f., 3212, 3215 ff., 3814, 3822 ff. – subjektive Unmöglichkeit, 125, 427, 806, 817 f., 831 f., 833 ff., 841 f., 843 f., 863, 916, 2475, 2507, 2511 ff., 2799, 2878, 2939f f., 2939i f., 2984 – Teilunmöglichkeit, s. dort – Begriff, 426 ff., 814 f. – bei der Miete, 2939b ff. – beim indirekten Leasing, 3753 ff., 3756 ff. – beim Kaufvertrag, 2411 f., 2466, 2469 ff., 2473 ff., 2506 ff., 2518 – beim Lizenzvertrag, 3800, 3822 ff. – beim Werkvertrag, 2303, 3208 f., 3212, 3215 ff. – Schadenersatz, s. Schadenersatz, bei Leistungsunmöglichkeit; und s. auch Schadenersatz, bei positiver Vertragsverletzung Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit eines Vertragsschlusses, 1738, 1747 ff. unteilbare Leistung – bei mehreren Gläubigerinnen, 2318, 2326 ff. – bei mehreren Schuldnern, 2275, 2280, 2289 ff. Unterauftrag, 3252

Unterhalt, kleiner, s. kleiner Unterhalt Unterhaltspflicht, 1415, 2967 – bei der Leihe, 3046 Unterlassen, 1, 22, 122, 125, 805, 812, 864 f., 889a, 1095, 1556, 1562, 1808, 1923 ff., 1949, 1955, 2169, 2243, 2288, 2291, 2861, 3646, 4081 f. Untermäkelei, 3374 Untermiete, 997, 1798, 2172, 2970, 2974, 2993 ff., 3016 Unternehmenskauf(vertrag), 853, 2426 ff., 2613, 2718 – asset deal, s. dort – Sachgewährleistung, s. Sachgewährleistung, beim Unternehmenskauf(vertrag) – share deal, s. dort Unterschrift, 12, 351 ff., 359, 2272, 2301, 2877 Untersuchungsobliegenheit – beim Fahrniskauf, 2460, 2625 f. – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2819 f. Untervollmacht, s. Substitutionsvollmacht (Untervollmacht) Unzumutbarkeit, s. wichtiger Grund Unzumutbarkeit des Vertragsschlusses, s. Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit des Vertragsschlusses Urteilsfähigkeit, 127, 145, 148, 150, 2008, 2078, 2973 – bei der Botenschaft, 1037 – bei der Schenkung, 2869a, 2872 f. – bei der Stellvertretung, 1050a, 1065 – bei der unerlaubten Handlung, 1895, 1966, 1970, 1974, 1989 ff. – bei der Vertragsverletzung, 894 f. – verminderte Urteilsfähigkeit, 1996 Urteilsunfähigkeit, 16, 33a, 147, 457, 895, 1009, 1086a, 1656, 1837 f., 1895, 1992, 1997 ff., 2008, 2883, 3274 Urteilsvorschlag, 3025c, 3025e

V Valutaverhältnis, 1120, 1144, 1148, 1151 ff., 1156, 1184 ff., 1190, 1192, 1194 f., 1202 ff., 1209, 1211 ff., 1214, 1220 f., 1222, 1227, 1234, 1237 f., 1458, 1824, 3493, 3505 venire contra factum proprium, 371, 1808a, 2264, 2652 Veräusserung verpfändeter Grundstücke, 1462, s. auch Schuldübernahme Veräusserungsvertrag (Veräusserungsgeschäft), 2871, 3725, 4010, 4016 f.

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Sachregister

Verbaloblation, 931, 977 Verbindlichkeit, 23, s. auch Obligation – Befreiung von Verbindlichkeiten – bei der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1633, 1636 ff. – beim einfachen Auftrag, 3288 verdorbene Ferien, 881, 883, 1884, 3653 f., s. auch Frustrationsschaden; und s. ferner auch Kommerzialisierungsschaden Vereinigung (Konfusion), 643, 724, 749 ff., 3605 – Begriff, 749 f. – Voraussetzungen, 751 f. – Wirkungen, 753 f. Verfalltag, bestimmter, s. bestimmter Verfalltag Verfalltagsgeschäft, 711, 919, 925, 2517 f., 2534, 2588, 2939l, 3755 – einfaches Verfalltagsgeschäft, s. dort – qualifiziertes Verfalltagsgeschäft, s. relatives Fixgeschäft Verfügung zugunsten eines Dritten, 1158 ff. – dingliche Verfügung zugunsten eines Dritten, 1159 f. – schuldrechtliche Verfügung zugunsten eines Dritten, 1161 ff. Verfügungsgeschäft, 62, 64 ff., 146, 153, 571, 646, 732, 838, 1307, 1309, 1332 ff., 1341, 1343, 1344 ff., 1350, 1369 ff., 1372, 1444, 2334 ff., 2402, 2421, 2423 f., 2427, 2437, 2440, 2854, 2877, s. auch Verfügungsvertrag Verfügungsmacht, 65 f., 665, 1282, 1306, 1309, 1328, 1333 f., 1340, 1341 ff., 1346, 1373 f., 1377, 1439, 3939 Verfügungsvertrag, 731 f., 738, 1322, 1328 ff., 1344 ff., 1348 – abstrakter Charakter, 732, 1332 f., 1335 f., 2338 – kausaler Charakter, 732, 1332, 1334, 1337, 2338 – pactum de cedendo, s. dort – Verpflichtungsgeschäft, s. pactum de cedendo Vergütung – bei der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1633, 1642 ff., 1772 – bei der Einkaufs- und Verkaufskommission, 3440, 3450, 3451, 3454 – beim Darlehen, 3062 – beim Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag, 3316, 3325 f., 3327, 3335 f. – beim einfachen Auftrag, 3277, 3282 ff., 3286, 3292, 3297 – beim Hinterlegungsvertrag, 3521, 3535, 3536, 3541

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– beim Mäklervertrag, 3351, 3353 ff., 3369, 3375 ff., 3377 ff. – beim Speditions- und Frachtvertrag, 3473, 3480, 3488, 3491, 3535 – beim Werkvertrag, 3121, 3125, 3146, 3189 ff., 3194 f., 3196 f., 3201 ff., 3205, 3206 ff., 3214, 3215 f. – Lizenzgebühr beim Lizenzvertrag, 1804, 2208, 2232, 3787, 3789, 3819 f., 3828 Vergütungsgefahr, s. Preisgefahr, beim Werkvertrag Verhaltensunrecht, 124, 1855, 1940, 1942, 1950 ff., 1956 Verhandeln – Pflicht zu ernsthaftem Verhandeln, 1540 ff. Verjährung, 644, 2219 ff. – Abgrenzung zur Verwirkung, 2222 f., 4133 – ausserordentliche Verjährung, s. Verjährungsfrist, ausserordentliche Verjährungsfrist – Beginn, 746, 1814, 2126, 2228, 2239 ff., 2243, 2244a, 2249 ff., 2262, 2260a, 2266 f., 2268, 2271, 2273, 2277, 3183 f., 3277c – bei Ansprüchen aus Sachgewährleistung, 2633 – bei der Kündigung durch die Gläubigerin, 2252 ff. – bei der Leibrente und ähnlichen periodischen Leistungen, 2255 – Grundsatz, 2249 ff. – Begriff, 2219 ff. – bei der Bürgschaft, 3594, 3597, 3604 – bei der culpa in contrahendo-Haftung, 1532, 1563, 1761, 2237, 2251 – bei der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1661 – bei der Gefälligkeitshaftung, 1686 – bei der Miete, 2922, 2956a – bei der Motorfahrzeughalterhaftung, 2142 f. – bei der positiven Vertragsverletzung, 2235, 2251 – bei der Produktehaftung, 2126, 2237, 4129 – bei der Rückabwicklung (Liquidation), 268, 568 ff., 792, 962, 2235 – bei der Schenkung, 2885 – bei der unerlaubten Handlung, 1840, 2237 ff. – bei der ungerechtfertigten Bereicherung, 1814 f., 2248 – bei der Vertrauenshaftung, 1723, 1761, 2237 – bei einer strafbaren Handlung, 2142, 2237, 2244 ff. – bei Personenschäden, 16a, 1840, 2236a f., 2237, 2243 – bei Retrozessionen, 3277c – beim Darlehen, 2254, 3090 ff.

Sachregister

– beim Fahrniskauf, 13, 850, 2550, 2555, 2694, 2696 – Verjährung der Ansprüche bei Rechtsgewährleistung, 2570 f. – Verjährung der Ansprüche bei Sachgewährleistung, 2558, 2570, 2631a ff., 2696 – Verkürzung der Frist durch Parteivereinbarung, 2635 ff. – beim Gastaufnahmevertrag, 3996 – beim Grundstückkauf, 2593, 2631f – beim Pauschalreisevertrag, 3655a – beim Schadenersatzanspruch aus Nichterfüllung, 2236, 2251 – beim Schadenersatzanspruch aus Schuldnerverzug, 2236, 2251 – beim Vertrag, 2228 ff. – beim Werkvertrag, 13, 3157, 3179 ff. – der Regressforderung, 2314 f. – des Gewinnherausgabeanspruchs, 2184 ff. – Hinderung, 2266 f. – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2744 f. – ordentliche Verjährung, s. Verjährungsfrist, ordentliche Verjährungsfrist – Stillstand, 2266 f., 2275 – Unterbrechung, 1450, 2238, 2255, 2263 f., 2268 ff., 2694, 3182 – gegen Bürgen, 2276 – gegen Mitschuldner, 2275, 2293 – gegen Solidarschuldner, 2002, 2274 f., 2306 f., 2314 f., 2317 – unverjährbare Forderung, 2227 – verjährbare Forderung, 2225 f. – Verjährungseinrede, s. Einrede, der Verjährung – Verjährungsfrist, s. dort – Verzicht, 610a, 2238, 2257 ff., 2306 – befristeter Verzicht, 2263 – Form, 2265 – Verzicht zum Voraus, 2258 ff. – Voraussetzungen, 2224 ff. – Wirkungen, 2278 Verjährungsfrist, 2228 ff., 2237 ff. – Ablauf der Verjährungsfrist, 2570 f. – absolute Verjährungsfrist, 16a, 1814, 1840, 2142, 2237, 2243, 2248, 2555, 2571 – ausserordentliche Verjährungsfrist, 2231 ff., 2237, 2244 ff. – ordentliche Verjährungsfrist, 1661, 2230 – relative Verjährungsfrist, 1814, 2142, 2237, 2239 ff., 2248, 2571 – Unabänderlichkeit, 2256 – Verkürzung, 2635

Verkaufskommission, s. Kommission, Arten Verkehr, kaufmännischer, s. kaufmännischer Verkehr Verkehrswert, 1804, 2857 Verlagsvertrag – Abgrenzung zum Lizenzvertrag, 3807 Vermengungsdepot, s. Sammelverwahrung Vermittlungsagent, 1038, 3345, 3346, 3385, 3392, 3404, 3408 f., 3418, 3431 Vermittlungsmäkler, 1038, 3342, 3345, 3355, 3369, 3375a, 3385 Vermögensschaden, reiner, s. reiner Vermögensschaden Vermögensübernahme, s. Übernahme eines Vermögens oder eines Geschäfts Verpflichtungsgeschäft, 62 ff., 146, 148, 153, 571, 838, 1308, 1444 – Begriff, 62 – bei der Abtretung (Zession), s. pactum de cedendo – bei der Schenkung, 2876 f. – beim Erlass, 732 – beim Kaufvertrag, 2333 ff., 2336 ff., 2434 – Wirkungen eines ungültigen Verpflichtungsgeschäfts, 2336 ff. Verpflichtungswille, s. Rechtsbindungswille (Abschlusswille; Geschäftswille; Rechtsfolgewille; vertraglicher Bindungswille; Vertragswille) Verrechnung, 33a, 643, 694, 724, 729, 755 ff., 1147, 1149 f., 1181, 1213, 1254, 1300, 1387, 1395, 1399 ff., 1450 f., 1454, 2304, 2308, 2325, 3414, 3455, 3457, 3596, 3605, 3622, 3770, 3776, 3932, 4129 – Abgrenzung zum Verrechnungsvertrag, 758 – Begriff, 755 – bei der Miete, 2921, 2957c, 2968d – Voraussetzungen, 759 ff. – Wirkungen, 782 ff. Verschaffung – der Inhaberschaft an unkörperlichen Sachen, 2440 – von Eigentum, s. Eigentumsverschaffung Verschulden, 126 f., 429, 683 ff., 810, 832, 834 f., 857, 860, 865, 892 ff., 913 f., 939, 943, 945, 959 f., 966, 980, 998, 1008 f., 1112 ff., 1259, 1262, 1424, 1508, 1557 ff., 1969 ff., 2001, 2005, 2007 f., 2469, 2476, 2581, 2605, 2654, 2658, 2669, 3049, 3081, 3216, 3264, 3460, 3511, 4096, 4111, 4119 – Begriff, 1970 ff. – Exkulpationsbeweis, s. dort – objektive Komponente, 127, 1974, 1975 ff., 2008, 2078

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Sachregister

– Fahrlässigkeit, s. dort – Vorsatz, s. dort – subjektive Komponente, 127, 1974, 1989 ff., 1998, 2008, 2078 – Urteilsfähigkeit, s. dort – Übernahmeverschulden, s. dort Verschuldenshaftung, 1657, 1830 f., 1835, 1888, 1972 f., 1999, 2013, 2016 ff., 2139, 2152, 2581, 2671, 3289, 4119 Verschuldensprinzip, 1520, 1559, 1971, 1973, 2672 Versendungskauf, 697, 2365, 2369, 2457, 2482, 2487, 2490, 2493, 2498 f., 2500, 2762, 2783, 2788, 2790 Versendungsschuld, s. Schickschuld Versicherungsagent, 3389 f. Versicherungspflicht, 2136, 2141, 3438, 3744 Versorgerschaden, 117, 885, 1868 ff., 1873 – im Rahmen des vertraglichen Schadenersatzes, 885, 1872 Verspätungsschaden, 106, 942 f., 951, 956, 959, 966, 1209, 2236, 2522, 2525, 2542, 2812, 2878a, 3081, 3151, 4028, 4150 Versteigerung, 173, 2352 ff., 2386 f., 2555, 3461 – beim Gläubigerverzug, 988, 991 – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2725 ff. – Online-Auktion, s. dort – pactum de licitando, s. dort – pactum de non licitando, s. dort – Zwangsversteigerung, s. dort Vertrag, 47 ff. – Abgrenzung – zum Beschluss, 51 ff. – zur Gefälligkeit, 1513 ff., 1666 f. – Arten – dinglicher Vertrag, 1027, 2434 – doppeltypischer Vertrag, s. gemischter Vertrag, doppeltypischer Vertrag (Zwittervertrag) – echter Vertrag zugunsten eines Dritten, s. dort – eigener Art (Vertrag sui generis; Vertrag sui iuris), s. dort – einseitiger Vertrag, 53, 2870 – gemischter Vertrag, s. dort – Innominatvertrag, s. Innominatkontrakt (Innominatvertrag) – Kombinationsvertrag, s. gemischter Vertrag, Kombinationsvertrag (Zwillingsvertrag) – Mischvertrag, s. dort – mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, s. dort – mit Typenvermengung, s. gemischter Vertrag, Vertrag mit Typenverschmelzung/-vermengung

1462

– mit Typenverschmelzung, s. gemischter Vertrag, Vertrag mit Typenverschmelzung/-vermengung – Nominatvertrag, s. Nominatkontrakt (Nominatvertrag) – synallagmatischer Vertrag, s. Vertrag, Arten, vollkommen zweiseitiger Vertrag – typischer Vertrag, s. Nominatkontrakt (Nominatvertrag), Arten, typischer Vertrag – typischer Vertrag mit Beimischung, s. Nominatkontrakt (Nominatvertrag), Arten, typischer Vertrag mit Beimischung – unechter Vertrag zugunsten eines Dritten, s. dort – unvollkommen zweiseitiger Vertrag, 53, 367, 453, 735, 842, 857a, 930, 3050, 3222, 3233, 4011 – vollkommen zweiseitiger Vertrag (synallagmatischer Vertrag), 53, 741a, 805, 842, 911, 930, 934, 938, 948, 951, 973, 2339 f., 2878a, 3047, 3060, 3077, 3122, 3222, 3280, 3384, 3703, 3800, 3947, 3951, 4011, 4027 – zugunsten eines Dritten, s. dort – zulasten eines Dritten, s. Garantievertrag – zusammengesetzter Vertrag, s. dort Vertrag eigener Art (Vertrag sui generis; Vertrag sui iuris), 1467, 2427, 3672, 3690, 3716 f., 3725, 3799, 3844, 3879, 3951, 4014 Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, 117, 139, 1480, 1567 ff., 1729, 1734, 1874, 2957b, 3779, 3782, 3999, 4115 – Abgrenzung, 1596 ff. – zum Vertrag zugunsten eines Dritten, 1131 f., 1596 ff. – zur Drittschadensliquidation, 1586, 1600 ff. – Anerkennung, 1573 ff. – Begriff, 1567 ff. – Voraussetzungen, 1582 ff. – Wirkungen, 1582 ff. Vertrag zugunsten eines Dritten, 25, 658, 764 f., 1119 ff., 1162, 1580, 3261, 3492, 3644 – Abgrenzung, 1128 ff. – zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, 1131 f., 1596 ff. – zur Anweisung, 1128, 1196 – zur Drittschadensliquidation, 1131 f. – zur externen (privaten) Schuldübernahme, 1457 – zur Stellvertretung, 1129 f. – Arten – echter Vertrag zugunsten eines Dritten, s. dort – unechter Vertrag zugunsten eines Dritten, s. dort

Sachregister

– Begriff, 1119 ff. – Deckungsverhältnis, s. dort – Verfügung zugunsten eines Dritten, s. dort – Valutaverhältnis, s. dort Vertrag zulasten eines Dritten, s. Garantievertrag vertraglicher Bindungswille, s. Rechtsbindungswille (Abschlusswille; Geschäftswille; Rechtsfolgewille; Verpflichtungswille; Vertragswille) Vertragsabschluss, s. Abschluss des Vertrages Vertragsaufhebung, 789, 2786, 2792, 2811, 2813 ff., 2828 f., 2832, 2836, 3213, 3830 Vertragsauslegung, s. Auslegung des Vertrages Vertragsbedingung, 232, 341, 3369, 3639 – Abgrenzung zur Bedingung, 1283 Vertragsbeitritt, 1411, 1469 Vertragsbruch, antizipierter, s. antizipierter Vertragsbruch Vertragsergänzung, s. Ergänzung des Vertrages Vertragsfähigkeit, 140, 145 f. Vertragsfreiheit, 4 f., 9, 151, 162, 312 ff., 337, 392 f., 410, 426, 430, 639, 798a, 829, 1019, 1038, 1190, 1275, 2315, 3709 f. – Aspekte der Vertragsfreiheit – Abschlussfreiheit, s. dort – Änderungsfreiheit, s. dort – Aufhebungsfreiheit, s. dort – Formfreiheit, s. dort – Inhaltsfreiheit, s. dort – Partnerwahlfreiheit, s. dort – Grundsatz der Vertragsfreiheit, s. Grundsatz, der Vertragsfreiheit vertragslose Inanspruchnahme, 139, 1481 ff. Vertragslücke, 299 ff., 319, 441, 587, 626a, 3284, 3706 Vertragspartei, 140, 141 ff. – Geschäftsfähigkeit, s. dort – Handlungsfähigkeit, s. dort – Rechtsfähigkeit, s. dort – Urteilsfähigkeit, s. dort – Vertragsfähigkeit, s. dort Vertragspunkt – unwesentlicher Vertragspunkt, 254, 260 – objektiv unwesentlicher Vertragspunkt, 260, 366 – subjektiv unwesentlicher Vertragspunkt, 260 f., 366 – wesentlicher Vertragspunkt, 207 f., 253 f., 257 ff., 275 f., 303, 335, 365, 2407 f., 2416, 2891, 2912, 3706, 4098, 4104 – objektiv wesentlicher Vertragspunkt, 207, 253, 257, 258 f., 303, 365, 2407, 2416, 4098

– subjektiv wesentlicher Vertragspunkt, 207, 253, 257, 260 ff., 365, 2408 Vertragstreue, s. Prinzip, der Vertragstreue (Grundsatz der Vertragstreue), s. auch pacta sunt servanda Vertragstypenfreiheit, 258, 3133 Vertragsübernahme, 1409, 1411, 1463 ff., 1469, 3656 – Begriff, 1409, 1411, 1463 f. – bei der Miete, 1465, 2984, 2989a ff., 3013b f. – gesetzliche Vertragsübernahme, 1465 f. – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2743 – rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme, 1467 f. – Vertragsbeitritt, s. dort Vertragsverhandlungen, 139, 195, 211, 227, 290, 546, 635b, 661, 1477, 1523, 1524 ff., 1533, 1534 f., 1536 f., 1540, 1543, 1548, 1554, 1565, 2603, 2714, 2757, 2798, 3341, 3357 Vertragsverletzung – nicht wesentliche (einfache) Vertragsverletzung, 807 – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 807, 2792, 2800, 2803, 2834 – positive Vertragsverletzung, s. dort – wesentliche Vertragsverletzung, 807, 904 – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 807, 904, 2735, 2792, 2793 ff., 2834 Vertragswille, s. Rechtsbindungswille (Abschlusswille; Geschäftswille; Rechtsfolgewille; Verpflichtungswille; vertraglicher Bindungswille) Vertrauen – schutzwürdiges Vertrauen, s. dort – treuwidrige Enttäuschung des Vertrauens, 123, 1519, 1521, 1712, 1714, 1719, 1721, 1728, 1738, 1740, 1756 f., 1759, 1763 Vertrauenshaftung, 81, 123, 139, 1101, 1474, 1476 f., 1515, 1532, 1537, 1576, 1670, 1674 f., 1694 f., 1712 ff., 1957, 2237, 4115 – Abgrenzung zur Gefälligkeit, 1519 ff. – Begriff, 1712 ff. – Konkurrenzen, 1762 ff. – Rechtsnatur, 1727 ff. – Voraussetzungen, 1738 ff. – Wirkungen, 1759 ff. Vertrauensinteresse, 1554 f. Vertrauensprinzip, 80, 190 ff., 210, 213, 222, 227, 240, 249 ff., 282 ff., 459, 489, 498 f., 505 f., 516, 522, 557, 560, 577, 620, 623 f., 663, 921, 923, 1035, 1061, 1067, 1074, 1091, 1094, 1097,1290, 1483, 1513, 1662 f., 1667, 1750, 2269, 2299, 2355, 2602,

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Sachregister

2648, 2652, 2746, 2757, 2800, 2976d, 3038, 3232 f., 3575, 3589, 3636, 3643, 3692, 4007 – Mentalreservation, 197 – Scherzerklärung, 197, 498 Vertrauensschaden, 872, 3304 f., 3311 Vertrauensverhältnis, 227, 230, 241, 329, 420a, 538, 592, 1528, 1533, 1543, 3307, 3309 f. Vertretungsbefugnis, 1054 ff., 1066, 1072, 1075, 1088, 1090 f., 3389 Vertretungsmacht, 1038, 1043 ff., 1051 ff., 1066, 1075 f., 1088 ff., 1104 f., 1108, 1113, 1511, 3245 Vertretungswille, s. direkte Stellvertretung, Vertretungswille Vertriebsvertrag, 2717, 3344 f. – Arten, 3345 – Agenturvertrag, s. dort – Alleinvertriebsvertrag, s. dort – Handelsreisendenvertrag, s. dort – Kommission, s. dort – Mäklervertrag, s. dort – Speditionsvertrag, s. Speditionsvertrag (Frachtvertragskommission) – Trödelvertrag, s. dort Verwendungsersatz, 267, 1488, 2578, 2669, 3500 – bei der echten berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1633, 1634 f., 1638, 1645 – bei der Kommission, 3448, 3451, 3453, 3455, 3462 – beim Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag, 3327 – beim einfachen Auftrag, 3286 f., 3299, 3297 Verwertung, 87, 769, 1798, 2168, 2172, 2778, 3559, 3561, 3600, 3803, 3813, 3905, 3952, 3958 Verwirkung, 107, 266, 1253, 1786, 3372, 3375 f., 3594, 4124, 4129, 4133 f. – Abgrenzung zur Verjährung, 2222 f. – bei der Irrtumsanfechtung, 475, 484 ff., 578 ff., 2223 – bei der Miete, 2985d, 3011 – bei der Produktehaftung, 2126 – beim Kaufvertrag bei Sachgewährleistung, 2223, 2632, 2634, 2696 – beim Werkvertrag, 2223, 3163, 3179, 3182 – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2744, 2821 Verzug des Gläubigers, s. Gläubigerverzug Verzug des Schuldners, s. Schuldnerverzug Verzugszins, 783, 939 ff., 966, 1209, 1383, 2236, 2535 f., 2878a, 2968c, 3080 f., 3083, 3114, 3116, 3755

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Viehkauf, 2601 Vindikation, 31, 60, 135, 381, 433, 442 f., 582 f., 585, 791, 962, 1111, 1115, 1152, 1317, 1802, 1816 ff., 1827, 2146, 2226, 2337, 2662, 2664, 2854, 2875, 2883, 2913b, 3025d, 3457, 3467, 3547, 4031, 4081, 4116, 4136 vis absoluta, 170, 554 vis compulsiva, 553 volenti non fit iniuria, 1895, 1965, s. auch Einwilligung, in die schädigende Handlung Vollmacht, 401, 1023, 1043, 1048, 1050, 1052, 1057 ff., 1067, 1072 ff., 1080 ff., 1088, 1112, 1324, 1357, 2407, 3230, 3240 ff., 3244 ff., 3340, 3387, 3390, 3762, 3764, 3779, 4103 – Abgrenzung zum Auftrag, 3244 ff. – Abstraktheit der Vollmacht, 1073 – Anscheinsvollmacht, s. dort – Arten, 1076 – Bankvollmacht, 1085 – Einzelvollmacht, s. dort – Gattungsvollmacht, s. dort – Generalvollmacht, s. dort – Kollektivvollmacht, s. dort – Spezialvollmacht, s. dort – Substitutionsvollmacht, s. Substitutionsvollmacht (Untervollmacht) – Untervollmacht, s. Substitutionsvollmacht – Begriff, 1072 – Doppelvertretung, s. dort – Duldungsvollmacht, s. dort – Erlöschen, 1084 ff., 1102 f., 1109 – gesetzliche Erlöschensgründe, 1084 ff. – weitere Erlöschensgründe, 1087 – externe Vollmacht, 1057, 1057 f., 1089 ff. – Insichgeschäft, s. dort – interne Vollmacht, 1060, 1072 f., 1088, 1074, 1098 – Selbsteintritt, s. dort – Selbstkontrahieren, s. dort – Umfang, 1074 ff. – Verzicht des Bevollmächtigten, 1083 – Widerruf, 401, 1057, 1080 ff., 1086, 1092, 1094, 1103 Vollstreckung, s. Zwangsvollstreckung Vollstreckungstheorie, 812 Vollübernahme, s. Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), Vollübernahme Vorausabtretung (Abtretung künftiger Forderungen), 1322, 1360, 1367, 1368 ff., 1375 f., 1382, 1397, 2510, 3937, 3939

Sachregister

vorausgesetzter Gebrauch – bei der Miete, 2929 ff., 3014a ff. – beim Kaufvertrag, 2596, 2607, 2608 ff., 2645a Vorbereitungshandlung, 920, 970, 979, 3485 Vorbürgschaft, 3567 f. Vorkaufsrecht, 56, 157, 161, 358, 1354, 2391 – an Grundstücken, 358, 2385 ff., 2406 Vorleistungspflicht, s. Pflicht, Vorleistungspflicht Vorsatz, 127, 894, 896, 1015, 1020 f., 1321, 1811, 1959, 1975, 1976, 2176, 2878, 2879, 3049 – Arten – Absicht, s. dort – direkter Vorsatz, s. dort – Eventualvorsatz, s. dort Vorsatz, direkter, s. direkter Vorsatz Vorschaltlösung, 2713 vorsorgliche Massnahmen, 2936c, 2979d, 3025a Vorvertrag, 104, 152, 153 ff., 1365, 2406, 3664 – Abgrenzung – zum Alleinvertriebsvertrag, 3846 – zum Factoringvertrag, 3922 Vorwerfbarkeit, hypothetische, s. hypothetische Vorwerfbarkeit

W Wahlobligation, 670, 678 ff., 1263, 1353, 1384, 2252, 4024 Wahlrechte (Gläubigerrechte), 56, 842, 1141, 1353, 1357, 1384, 1804, 3659, 3755, 3919, 4028 ff., 4036 – beim Darlehen, 3077, 3082 – beim Fahrniskauf, 2415, 2483 f., 2515, 2520 ff., 2546 f., 2634, 2651 f., 2657, 2682, 2701 – beim Werkvertrag, 3151, 3153, 3156, 3161, 3163, 3169, 3173 – im Schuldnerverzug beim vollkommen zweiseitigen Vertrag, 948 ff. – Austauschtheorie, s. dort – Differenztheorie, s. dort – Festhalten an der Leistung, 948, 951, 955 f. – Nachfristansetzung, s. dort – Rücktritt vom Vertrag, s. Rücktritt, beim Schuldnerverzug bei vollkommen zweiseitigem Vertrag – Schadenersatz wegen Nichterfüllung, s. Schadenersatz, beim Schuldnerverzug bei vollkommen zweiseitigem Vertrag – Schadenersatz wegen Rücktritt, s. Schadenersatz, beim Schuldnerverzug bei vollkommen zweiseitigem Vertrag – Verzicht auf die Leistung, 948, 951, 955, 957

Wahlschuld, 2483 f., 4014 Wandelpön (exklusive Konventionalstrafe), 1247, 1255, 1273 – Abgrenzung zum Reugeld, 1247 Wandlung, 75, 1141, 1146, 1353, 2708, 3365, 3828, 3997 ff., 4037 – beim Fahrniskauf, 849, 1794, 2458, 2504, 2624, 2634, 2651, 2653 ff., 2682 f., 2688, 2692 f., 2701, 2708 – Begriff, 2653 f. – Schadenersatz, s. Schadenersatz, beim Fahrniskauf, bei Wandlung des Vertrages – Voraussetzungen, 2655 ff. – Wirkungen, 2661 ff. – beim indirekten Leasing, 3763 f., 3766, 3767 ff., 3770, 3771, 3784 – beim Werkvertrag, 849, 3156, 3163, 3164 ff., 3168, 3170, 3174, 3177, 3181 f., 3186, 3191, 3202, 3212a – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), s. Vertragsaufhebung Wechselbürgschaft, 3571 – Abgrenzung zum Bürgschaftsvertrag, 3577 Wegbedingung der Haftung (Freizeichnung; Haftungsbeschränkung), 1014 ff. – bei der Miete, 2957 – bei der Produktehaftung, 2124 f., 2641 – beim einfachen Auftrag, 1016, 3268a – beim Fahrniskauf, 2355, 2556, 2558, 2569, 2596, 2623, 2638 ff., 2738 – Auslegung, 2648 ff. – Verhältnis von Art. 199 OR zu Art. 41 Abs. 1 OR, 2645 ff. – Verhältnis von Art. 199 OR zu Art. 100 OR, 1017, 2643 f. – Verhältnis von Art. 199 OR zur Irrtumsanfechtung, 2645 ff. – beim indirekten Leasing, 3769, 3771, 3777 f. – beim Steigerungskauf, 2355 – beim Werkvertrag, 3155 – der Hilfspersonenhaftung, 1020 f. – der vertraglichen Haftung, 1014 ff. – Freizeichnungsklausel, 1019, 2355, 2645a, 2648 ff., 3777 – Auslegung einer Freizeichnungsklausel, 1019, 2355, 2648 ff. – für grobe Fahrlässigkeit, 1015 ff., 1020 f., 1985 – für Körperschäden, 2642 – für leichte Fahrlässigkeit, 1016, 1018 – für mittlere Fahrlässigkeit, 1016, 1018, 1021

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Sachregister

– für Vorsatz, 1015, 1020 f., 1985 – in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), 1019, 2642, 2648, 3777 Weisungsbefolgungspflicht – des Beauftragten – beim Agenturvertrag, 3394, 3405 – beim einfachen Auftrag, 3237, 3252, 3255, 3271, 3272 ff., 3276 Weisungsrecht, 3237, 3841, 3906, 3959 – beim Frachtvertrag, 3498, 3504 – beim Mäklervertrag, 3348, 3367, 3381 – beim Werkvertrag, 3136, 3155a Werk – im Sinne der Werkeigentümerhaftung, 2056, 2063 ff. – im Sinne des Werkvertrages, 3122 ff. – körperliches Werk, 3122, 3124 – unkörperliches Werk, 3122 ff., s. auch Geist-Werkvertrag Werkeigentümerhaftung, 1838, 2017, 2055 ff., 2967 – Begriff, 2055 – Entlastungsbeweis, s. Entlastungsbeweis, bei der Werkeigentümerhaftung – Verhältnis – zur Geschäftsherrenhaftung, 2043 – zur Grundeigentümerhaftung, 2095 – Voraussetzungen, 2056 ff. Werklieferungsvertrag, 2398, 3127, 3130 ff., 3188, 3674, 3838 f., 3865, 3984, 3988 – Abgrenzung zum Kaufvertrag, 3132 – Gewährleistung, s. Gewährleistung, beim Werklieferungsvertrag – im UN-Kaufrecht (CISG; Wiener Kaufrecht), 2710, 2715, 2720 ff., 2723, 2736 Werkmangel – im Sinne der Werkeigentümerhaftung, 2068 ff., 2095, 4003 – im Sinne des Werkvertrages, 2399, 3143, 3146, 3154, 3155a, 3157 ff., 3168, 3177, 3180a f., 3190, 3202 Werkvertrag,13, 156, 604, 648, 654, 849, 854 ff., 904, 1227, 2032, 2063, 2107, 2127, 2133, 2300, 2396, 2652, 3097, 3121 ff., 3285, 3429, 3491, 3667, 3865 – Abgrenzung, 3130 ff. – zum Arbeitsvertrag, 3137 – zum einfachen Auftrag, 3236, 3133 ff. – zum Franchisevertrag, 3880 – zum Kaufvertrag, 2397 ff., 3130 ff. – antizipierter Vertragsbruch, s. antizipierter Vertragsbruch, beim Werkvertrag – Beendigung, 3211 ff.

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– Rücktritt, s. Rücktritt, beim Werkvertrag – Vertragsauflösung nach Ermessen des Gerichts bei erheblich höheren oder tieferen Herstellungskosten, 3194, 3212 f. – wegen Unmöglichkeit, s. auch Unmöglichkeit der Leistung (Leistungsunmöglichkeit) Begriff, 3121 ff. Dauerwerkvertrag, s. dort Erfolg, 848, 3122 ff., 3133, 3136, 3143, 3880 Ersatzvornahme, s. Ersatzvornahme, beim Werkvertrag Gefahrtragung, s. Gefahrtragung, beim Werkvertrag Geist-Werkvertrag, s. dort Gewährleistung, s. Gewährleistung, beim Werkvertrag; und s. auch Sachgewährleistung, beim Werkvertrag Kostenvoranschlag, s. Kostenvoranschlag (Kostenansatz) Mängelrüge, s. Mängelrüge, beim Werkvertrag Minderung, s. Minderung, beim Werkvertrag Nachbesserung, s. Nachbesserung, beim Werkvertrag Pflichten und Rechtsstellung der Bestellerin, 3189 ff. – Vergütungspflicht, s. Vergütung, beim Werkvertrag Pflichten und Rechtsstellung des Unternehmers, 3138 ff. – Ablieferungspflicht, s. Ablieferung, beim Werkvertrag – Anzeigepflicht, s. Anzeigepflicht, beim Werkvertrag – Herstellungspflicht, 3121 ff., 3132, 3138 – Interessenwahrungspflicht, s. Interessenwahrungspflicht, beim Werkvertrag – Pflicht zur persönlichen Ausführung, 3139 ff. – Sorgfaltspflicht, s. Sorgfaltspflicht, beim Werkvertrag – Treuepflicht, s. Treuepflicht, beim Werkvertrag Retentionsrecht, s. Retentionsrecht, beim Werkvertrag Schadenersatz, s. Schadenersatz, beim Werkvertrag SIA-Norm 118, s. dort Verjährung, s. Verjährung, beim Werkvertrag Verwirkung, s. Verwirkung, beim Werkvertrag Wandlung, s. Wandlung, beim Werkvertrag Wegbedingung der Haftung, s. Wegbedingung der Haftung (Freizeichnung, Haftungsbeschränkung), beim Werkvertrag

Sachregister

– Weisungsrecht, s. Weisungsrecht, beim Werkvertrag – Werk, s. Werk, im Sinne des Werkvertrages – Werklohn, s. Vergütung, beim Werkvertrag – Werkmangel, s. Werkmangel, im Sinne der Werkeigentümerhaftung; und s. auch Werkmangel, im Sinne des Werkvertrages Wertpapier – Arten – Inhaberpapier, s. dort – Kassenobligation, s. dort – Namenpapier, s. dort – Ordrepapier, s. dort – Verkauf von Wertpapieren, 2728 Wertpapierdarlehen (securities lending), 3063 wesentlicher Vertragspunkt, s. Vertragspunkt, wesentlicher Vertragspunkt Wette (Wettschuld), 34, 37, 1810, 2860, 3610 f., 3614, 3623, s. auch Spielvertrag wichtiger Grund – bei der Miete, 2991c f., 3005 f., 3006a Widerrechtlichkeit, 86, 123 f., 395, 396 ff., 541 f., 558, 861, 876, 1012, 1181, 1257, 1566, 1687, 1771, 1853 f., 1895, 1902, 1939 ff., 1983, 2029, 2045, 2056, 2083, 2129, 2700, 2737, 3957, 4119 – Begriff, 396, 1940 ff. – bei Grundeigentümerhaftung, 2083, 2094 – bei unechter Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 2154, 2158, 2164, 2174 – Rechtfertigungsgründe, 1961 ff. – Einwilligung des Geschädigten, s. Einwilligung, in die schädigende Handlung – Notstand, s. dort – Notwehr, s. dort – Selbsthilfe, s. dort – und Sittenwidrigkeit, 91, 1178, 1843, 1956 ff., 2700 – Verletzung, 124, 1944 ff. – einer Schutznorm, s. Verhaltensunrecht – eines absoluten Rechts, s. Erfolgsunrecht Widerrechtlichkeitstheorie, 1798, 1942 f., 2166, 2168 Widerrufsrecht, 76, 179, 215, 261 ff., 401, 905, 1057, 1080 ff., 1092, 1094, 1103. 1136, 1142 f., 1214 f., 1217 f., 2752, 3462, 3975 f. – gesetzliches Widerrufsrecht, 264 ff. – bei der Schenkung, 1451, 1794, 2881 ff., 2886 f., 2888 f. – beim Ehe- oder Partnerschaftsvermittlungsvertrag, 272, 3325, 3327, 3330 ff., 3337

– beim einfachen Auftrag, 795, 1197, 1257, 3276, 3300 ff., 3398 – beim Haustürgeschäft und ähnlichen Verträgen, 12, 264 ff., 791, 2374 f., – beim Konsumkreditgesetz (KKG), 269 ff., 3103, 3108 – Grundsatz der Unwiderruflichkeit, 261 f., 2652 – vertragliches Widerrufsrecht, 263, 2883a Wiener Kaufrecht, s. UN-Kaufrecht (CISG) Wille – Abschlusswille, s. dort – Eigengeschäftsführungswille, s. unechte Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA; Eigengeschäftsführung), Eigengeschäftsführungswille – Erklärungswille, s. dort – Fremdgeschäftsführungswille, s. dort – Geschäftswille, s. Rechtsbindungswille (Abschlusswille; Rechtsfolgewille; Verpflichtungswille; vertraglicher Bindungswille; Vertragswille) – Handlungswille, s. dort – Neuerungswille (Novierungswille), s. Neuerung (Novation), Neuerungswille (Novierungswille; animus novandi) – Rechtsbindungswille, s. Rechtsbindungswille (Abschlusswille; Geschäftswille, Rechtsfolgewille; Verpflichtungswille; vertraglicher Bindungswille; Vertragswille) – Rechtsfolgewille, s. Rechtsbindungswille (Abschlusswille; Geschäftswille, Verpflichtungswille; vertraglicher Bindungswille; Vertragswille) – Verpflichtungswille, s. Rechtsbindungswille (Abschlusswille; Geschäftswille, Rechtsfolgewille; vertraglicher Bindungswille; Vertragswille) – vertraglicher Bindungswille, s. Rechtsbindungswille (Abschlusswille; Geschäftswille, Rechtsfolgewille; Verpflichtungswille; Vertragswille) – Vertretungswille, s. direkte Stellvertretung, Vertretungswille Willensäusserung, s. Willenserklärung Willensdissens, 255, s. auch Dissens Willenserklärung, 167 ff. – Abgrenzung, 171 f. – Arten, 172 ff. – ausdrückliche Willenserklärung, 172 f., 175 f. – empfangsbedürftige Willenserklärung, 179 – konkludente (schlüssige) Willenserklärung, 172, 174 ff. – mittelbare Willenserklärung, 178 – nicht empfangsbedürftige Willenserklärung, 180

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Sachregister

– stillschweigende Willenserklärung, 175 – unmittelbare Willenserklärung, 177 – Auslegung, 176, 189 ff. – Erklärungstheorie, s. dort – Vertrauensprinzip, s. dort – Willenstheorie, s. dort – Austausch, s. Gegenseitigkeit der Willenserklärungen – Begriff, 168 ff. – Dissens, s. dort – Dissimulation, s. dort – Erklärungsvorgang, 181 ff. – Konsens, s. dort – Simulation, s. dort – Übereinstimmen, s. Konsens; und s. auch Dissens – Wirksamkeit, s. Zugangsprinzip (Empfangstheorie) – Zugang, s. Zugangsprinzip (Empfangstheorie) Willensmangel, 60, 444 ff., 452, 463, 464 ff., 706, 1030, 1037, 1141, 1181, 1333, 1448, 1453, 1484, 1544, 1562, 1787 f., 2354, 2737, 2883, 2925a, 2967, 3364 – Arten, 468 – absichtliche Täuschung, s. dort – Furchterregung (Drohung), s. dort – Irrtum, s. dort – Begriff, 464 f. – Konkurrenzen, 598 ff. – Schadenersatz, s. Schadenersatz, bei einem Willensmangel – Ungültigkeit und andere Wirkungen, 562 ff., s. auch Ungültigkeitstheorien Willensprinzip, 249a, 282a, 499, 516, 557, 1101 Willenstheorie, 189, 246, 3691 wirklicher Parteiwille, s. Parteiwille, wirklicher (tatsächlicher) Parteiwille Wohl und Wehe, 1587, 1590 f. Wohngemeinschaft, 2910a, 3009c Wohnungsnot, 3019a

Z Zahlstelle, 718, 1228, 1233 – Abgrenzung zur Anweisung, 1199 Zahlungsanweisung, 1192, 1193, 1205 Zerlegungstheorie, 1467 f. Zession, s. Abtretung Zufall, mitwirkender, s. mitwirkender Zufall Zufallshaftung – bei der Gefälligkeit, 1689 – bei der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA), 1657, 2147, 2152, 2181

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bei der Leihe, 3045 beim Fahrniskauf, 2476 beim Gläubigerverzug, 985 beim Hinterlegungsvertrag, 3529, 3539, 3541, 3549 – beim Schuldnerverzug (Art. 103 OR), 943, 944 ff., 966, – beim Trödlervertrag, 4028 Zufallskondiktion, 1800 f., 4121 Zuführungsmäkler, 3343, 3369 Zugangsprinzip (Empfangstheorie), 182 f., 184 ff., 262, 920, 1389, 2748, 3009 f. – absolute Empfangstheorie, 186, 3009a, 3019h, 3023b, 3024d – relative Empfangstheorie, 186, 2968g Zug um Zug, 694, 696, 929, 933, 973, 1225, 2234, 2341, 2371, 2448, 2537, 2785, 2816, 3189, 3439, 3443 zukünftiger Sachverhalt, s. Grundlagenirrtum, Irrtum über zukünftigen Sachverhalt zusammengesetzter Vertrag, 2906, 3404, 3676 ff., 3683, 3685, 3703, 3714 Zuschlag, 2352 f., 2358, 2725, s. auch Steigerungskauf Zusenden unbestellter Sachen, 12, 218 ff. Zusicherung (unselbständige Garantie), 2346, 2356, 2597, 2599 ff., 2608, 2611, 2613, 2650, 3049 – Abgrenzung, 2601, 2604 – zum Garantievertrag, 1175 f., 2602 f., 2605 – zur Anpreisung, 2601 ff. Zuweisungstheorie, 1798, 1801, 2167 f., 2201, 4121 Zwangsversteigerung, 2300, 2355 f., 2386 f., 2727 Zwangsvollstreckung, 108, 812, 1953, 2727, 2778, 3025f Zweikondiktionentheorie, 1816, 1819 Zweistufentheorie, 155, 391, 445 Zwillingsvertrag, s. gemischter Vertrag, Kombinationsvertrag (Zwillingsvertrag) Zwittervertrag, s. gemischter Vertrag, doppeltypischer Vertrag (Zwittervertrag) zwingendes Recht (zwingendes Gesetzesrecht), 3, 9, 188, 234, 258, 297, 300, 314, 336, 396, 404 ff., 528 f., 612d, 635f, 638, 692, 758, 798a, 927, 1015, 1215, 1253, 1257, 1261, 1345, 1489, 1813, 2121, 2262, 2465, 2606, 2906, 2934, 2938, 2968i, 2993, 3003, 3020a, 3075, 3094, 3096, 3112, 3114, 3225 ff., 3231, 3307 ff., 3326, 3337, 3346, 3383, 3398, 3545, 3584a, 3637, 3667, 3670, 3685, 3696, 3704 ff., 3709 ff., 3721, 3738, 3777, 3785, 3845, 3872, 3885, 3895 f., 3902, 3994, 4101 Zwischenverfügung – beim bedingten Geschäft, 1306 ff. – – – –