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German Pages 204 Year 2015
Kay Sulk »Not grace, then, but at least the body«
m e d i e n · k u 1 tu r · an a l y s e I herausgegeben von Reinhold Görling I Band 2
Kay Sulk (Dr. phil.) hat Amerikanistik an der Universität zu Köln und Kulturwissenschaft an der Heinrich-Reine-Universität Düsseldorf gelehrt. Seine Forschungsschwerpunkte sind die neueren deutschund englischsprachigen Literaturen.
KAY SULK
»Not grace, then, but at Least the body«. J.M. Coetzees Schriften 1990-1999
[transcript]
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2005
transcript Verlag, Bielefeld
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INHALT 1 Einleitung ................................................. ................ 9 Ein gnadenloser Erzähler - Rezeptionslinien - Coetzee mit Agamben Vorschau 1.1 Biopolitik und Rassismus .......... .. ......................... ................ 27
Souveränität und Totalitarismus - Kolonialer und biopolitischer Rassismus - Lager, Ausnahmezustände und Bürgerkrieg in Südafrika - Life & Times of Michael K 1.2 Sprache und Subjektivität ......... .......................... ............... .46
Das letzte Wort vom Rassismus -Die Aussageakte- Die Enunziation bei Bhabha und Foucault - Das Subjekt als Zeuge 1. 3 Zeugenschaft und Literatur ............................... ................... 62
Die Wahrheits- und Versöhnungskommission - Trauma, Geschichte, Zeugenschaft - Jenseits primärer und sekundärer Zeugenschaft
2 Zeitzeugen: Age of lron (1990) ......... .............. ... ............ 79 Klassisches Zeitalter, Interregnum, Modeme - Ansprache in einer toten Sprache- Passivität, Intimität, Scham- Zeitformen im Briefroman
3 Talis Pater: The Master of Petersburg ( 1994) .... .. ............. 99 Der Traum vom brennenden Kind - Väter und Söhne - Prosopopöie, Mythos, Zitat- Der Meister und sein Material- Der Fall Nicholas und die Auseinandersetzung mit Freud- Eine neue Erzählperspektive
4 Erinnerungen an Prince Albert: Boyhood (1997) ... ........... 127 John C - Urspmngsstätten und Erinnemngsorte - Kulturelles Gedächtnis- Vergessen und Fiktion- Tante Annies Buchpresse
5 Berichte für eine Akademie: The Lives of Animals (1999) .. 151 Auf Vortragsreisen - Realismus oder Gleichnis? - Die Natur der Ähnlichkeit - Einbettung. Verkörperung, Enunziation - Mimetisches Vermögen - Kafka und die Gesten
6 Wie ein Hund: Disgrace ( 1999) . .. .................... .. ........... 175 Ein unversöhnliches Schauspiel - Coup de gräce oder Opfergang? Sündenbock und Stellvertreter- Mitgefühl für Hunde
Literatur ......... .............. ......... .. .......... ........ .. .. ........... 191
DANKSAGUNG Die Nobelpreisvergabe des Jahres 2003 an den südafrikanischen Schriftsteller J.M. Coetzee kam nicht überraschend- ihre Berechtigung, ja vielleicht Überfälligkeit, ist vielfach vermerkt geworden. Für mich kam sie zudem zu einem passenden Zeitpunkt. Die vorliegende Arbeit war kurz zuvor als Dissertationsschrift, unterstützt durch die Graduiertenförderung der Universität Hannover, der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften an der Universität Hannover eingereicht. Einige Anmerkungen haben mich zu einer Durchsicht des Argumentationsstils geführt. Für eine auch zuvor bereits exzellente Betreuung danke ich zunächst Reinhold Görling. Gleicher Dank gilt Hanjo Berressem. Viele Anregungen kamen von den Mitgliedern des langjährigen Doktoranden- und Forschungskolloquiums »Literatur-/Theorie, Kulturanthropologie, Psychoanalyse«. Weiterhin danken möchte ich Xenia Rajewsky, Gesine Krüger, Kathrin Braun, Liselotte Glage, Jane Poyner, Sam Durrant, Teresa Dovey, Marianne de Jong, Stephan Meyer, Thomas Olver, Miriam Rössig, Tobias Hinrichs und Silke Merzhäuser. Teile der Arbeit sind in abweichender Form erschienen als: >» Visiting Hirnself on Me< - The Angel, The Witness and the Modem Subject of Enunciation in J.M. Coetzee's Age oflron«. In: Journal of Literary Studies, 18:3/4 (2002), 313-326. »Coup de griice - Die südafrikanische Truth and Reconciliation Commission und J.M. Coetzees Disgrace«. In: Reinhold Görling!Vittoria Borso (Hg.), Kulturelle Topographien, Stuttgart: Metzler (2004), 193209.
1 EINLEITUNG Ein gnadenloser Erzähler Im Februar 1990 kündigt der letzte Regierungschef des alten südafrikanischen Regimes zusammen mit der Freilassung Nelson Mandelas das Ende der Apartheid an. Nach der Wahl Mandelas zum neuen Präsidenten der Republik Südafrika vier Jahre später nimmt die sogenannte Wahrheits- und Versöhnungskommission unter Desmond Tutu zwischen 1996 und 1998 die Aussagen von Opfern, Tätern und Zeugen der Apartheidzeit auf. 1999 schließlich veröffentlicht J.M. Coetzee Disgrace, die trotz ihres befremdlichen regionalen Szenarios vielleicht letzte große Erzählung des zwanzigsten Jahrhunderts. Disgrace wird in seinen ganzen Implikationen allerdings erst lesbar neben den ihm vorausgehenden Schriften, den in jenem bewegten Jahrzehnt veröffentlichten Romanen und Erzählungen Coetzees, beginnend mit Age oflron (1990) über TheMaster ofPetersburg (1994) und Boyhood (1997) bis zu The Lives of Animals (1999). Zusammen haben sie den südafrikanischen Gesellschaftswandel begleitet und bezeugt vom offenen Rassismus über einen faktischen Bürgerkrieg bis zur anvisierten Versöhnung. Die meist gewaltdurchdrungenen Schicksale ihrer Protagonisten werden zudem global bedeutsam. Ihren weitreichenden soziokulturellen Kontext versuchen die folgenden zweihundert Seiten zu bestimmen. John Maxwell Coetzee stammt aus Cape Town, genauer noch aus der vorgelagerten, sich weit ins Innenland streckenden Halbwüste Karoo; nicht aus der industriellen Minengegend um Johannesburg/Soweto oder dem Eastern Cape, jenen Kerngebieten der gewaltsamen Konfrontationen während und im Ausklang der Apartheid. Coetzee beschreibt sich retrospektiv als jemanden, »who bad grown up in a European enclave in Africa, who disliked travel, who preferred books to life [... ] a Western colonial whose imaginary identity bad been sewn together (how thinly, and with how many rents!) from the tatters passed down to him by high modernist art« (DP: 24). Trotz seines modernistischen Erbes erscheint dem europäischen Leser der Schriftsteller und Geisteswissenschaftler Coetzee mit seinen weitverzweigten Bezugsfeldern als geradezu klassischer man 9
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of letters. Er hat sich ebenso in der Mathematik und Informatik wie in der Linguistik betätigt. Nicht zuletzt diese Tätigkeiten bestimmen den Ansatz seiner ersten veröffentlichten Abhandlungen literarischer Themen. Seine frühen literaturwissenschaftliehen Essays sind geprägt von technisch-formalistischen Analysen, verschrieben den in den sechziger Jahren aufkommenden, vor allem sprachtheoretischen Strömungen (Formalismus, generative Grammatik, kontinentaler Strukturalismus), aus denen sich für Coetzee früh die Prämisse herauskristallisiert, dass sprachliche Strukturen jeden historischen Diskurs determinieren. Der ab und an auch als Übersetzer auftretende Coetzee beschreibt Afrikaans, die Sprache seiner Vorväter und der Apartheid (der Afrikaander also, jener in sich hybriden, das heißt holländisch, deutsch, hugenottischen Bevölkerungsgruppe- einer drastischen Minderheit innerhalb Südafrikas), als in ihren Grundzügen monologisch, die englische Sprache hingegen, in welcher er erzogen und ausgebildet wurde, als dialogisch. Doch wird diese etwas spekulative, auf die Analyse kolonialer Diskurse gerichtete Feststellung allein schon dadurch dynamisiert, dass für Coetzee Afrikaans, zumindest in jungen Jahren, immer auch Anlass zur lustvollen Identifikation und mimetischen Faszination gegeben hat, wie es sein Memoire Boyhood ( 1997) nahe legt. Bereits Coetzees frühe, vermeintlich technokratische, statistischsyntaktische Analyse von Samuel Becketts späten konstruktivistischen Schreibexperimenten (1973) erscheint im Nachhinein als »a rigorous inquiry into the ontology of fictional discourse« (DP: 1) oder, etwas anders formuliert, als eine erste Auseinandersetzung mit dem Stoff der Sprache und dem literarischen Korpus. So ist auch Coetzees spätere an einer derartigen Diesseitigkeit geschärfte Prosa stets bedacht, ihr Material noch vor ihren eigentlichen Bedeutungshorizont zu stellen. Dies soll nicht heißen, hier schriebe jemand gegen die eigene symbolische Transparenz an. Klarheit im sprachlichen Ausdruck, auch und gerade in ambivalenten Passagen, ist leitendes Prinzip sowohl seiner literaturwissenschaftliehen wie seiner literarischen Arbeiten. Wie seine im konventionellen Sinne niemals >UnverständlichenAnderenAndere< als konzeptionelle Variable in allgemeinen philosophischen und kulturtheoretischen Erörterungen, so wichtig der Hinweis von Mike Marais, dass »otherness is routinely foreclosed upon attempts to represent it« (Marais 1998: 48), so wenig spezifisch und hilfreich erscheint diese Variable inzwischen für eine Lektüre der neuerenTexte Coetzees. »Das Problem des Anderen«, von dem Marais sehr differenziert berichtet, mag als Kritik der jeweiligen Vereinnahmung Coetzees durch Postmarxisten, Postfeministen und Postmodemisten dienen, als eigenständiges Lektüremodell ist es inzwischen unbefriedigend. Bei Coetzee gibt es kein Problem des Anderen, jedenfalls nicht mehr oder weniger als in den meisten anderen literarischen Texten- wie postkolonial oder postmodern diese auch sein mögen. Was der geschilderte Blickwinkel auf Coetzee allerdings deutlich erkennbar macht, ist, dass dieser selbst einen großen Teil des postkolonialen, postmodernen und poststrukturalistischen Kanons bereits rezipiert und aufbereitet hat. Die Trennlinie zwischen sogenanntem kreativen und kritischen Ausdmck ist bei ihm von Anfang an extrem unscharf. 6 Theoretischer Ansatz und Lektüre meinerseits ordnen sich daher auch weniger in getrennter Abfolge, sondern parallel und immer wieder übertragend, über- und ineinandergreifend. Will ein theoretischer Ansatz nicht in einer reinen Werkphilologie aufgehen, muss er folglich gerade jene Textspuren beleuchten, die den Schriften Coetzees einen neuen Widerstand entgegenbringen. Schon daher kann es nicht darum gehen, in Coetzees Figuren eine Illustration der jeweiligen Theorie aufzuzeigen oder gar eine vermeintliche (ein- oder gegenseitige) Rezeptionslinie nachzuzeichnen.
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Hiergegen ließe sich Jacques Derridas zweite kanonische Formel »tout autre est tout autre" (nach dem häufig enigmatisch verstandenen Verweis »il n'y pas de hors texte«) als Versuch einer ethischen Bestimmung von Alterität zwischen Transzendenz und Immanenz ins Feld führen (Derrida 1994: 408ff. ). Coetzees fiktionale Texte bieten ausdrücklich eigene, meist selbst verworfe· ne, lnterpretationsmodelle. Diese Tendenz offenbart weniger ein transparent werdendes kritisches Selbstbewusstseins als eine Strategie zur Hinterfragung der eigenen Aussageposition. Seine auch in seinen Erzählungen offenkundige Belesenheit zeitgenössischer Philosophen und Literaturwissenschaftler haben ihm den naiven, weil selbstredenden Vorwurf zugetragen, er mache seine Werke »Critic-proof, or at least resistant to critical parameters. [ . .. ] His novels understand his critics better than the other way around. " (Glenn 1994: 25) Warum sollte man ihn, oder sonst jemanden, kritisch lesen wollen, wenn es sich anders verhielte?
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EINLEITUNG
Coetzee mit Agamben »Coetzees Schriften von 1990 bis 1999« also. Andere denkbare Titel, wie beispielsweise »Coetzees Schriften während des südafrikanischen Gesellschaftswandels« oder »Coetzees Schriften im Ausklang der Apartheid« hätten einen zu engen thematischen Rahmen vorgegeben. Dies soll nicht das zuweilen national- oder gar regionalspezifische Milieu der meisten Plots in Abrede stellen. Während die Republik Südafrika in den neunziger Jahren den Übergang von der Apartheid zur Demokratie vollzieht, gestalten sich Coetzees Schriften im Eingedenken seiner Vorzeichen, Begleitumstände und Konsequenzen. Sie tun dies gewiss auch dann noch, wenn der Wandel in Südafrika nicht mehr erklärtes Thema ist, so wie The Master of Petersburg in den revolutionären und gewaltbesessenen Kräften im Russland des mittleren neunzehnten Jahrhunderts noch sehr leicht nachvollziehbar die Parallele zum Südafrika der späten achtziger, frühen neunziger Jahre zeichnet. Jedoch inszeniert Coetzee stets auch eine in ihren Implikationen weitreichendere Problematik, die mit der Ablösung und eventuell sogar Bewältigung (auch im Sinne einer >Vergangenheitsbewältigungmüsstegereinigten< südafrikanischen Metropolen einnehmen würden. So entstanden die typischen Townships und squatter camps an der Peripherie der großen Städte. Generell wurden diese eigenmächtig von Migranten besetzten Auffanglager vor allem nach den Soweto-Aufständen rigoros niedergewalzt, mit Beginn der achtziger Jahre aber geduldet. Sonderfall war das berüchtigte Crossroads mit bald mehr als 100.000 Einwohnern nahe dem Township Guguletu bei Cape Town, welches später auch zu einem zentralen Schauplatz von Coetzees Roman Age oflron werden sollte. »Through a quirk of the South African judicial system, it received the status of emergency camp in early 1976, and thus escaped the wholesale clearance of such areas in the wake ofthe Soweto uprising.« (Ross 1999: 149) Unabhängig von der lokalen politischen Organisation (aber auch bedingt durch die Unterstützung der Warlords in den internen Kämpfen der einzelnen schwarzen Gruppierungen seitens der Apartheidregierung) öffnet sich aus der Perspektive der souveränen Staatsgewalt ein Raum, in dem Menschen ohne einen echten rechtlichen Status getötet werden können. Diese effektive Förderung, ob gezielt verfolgt oder nicht, rechtsloser Räume wird durch die in den folgenden Jahrzehnten immer häufiger erklärten Ausnahmezustände noch potenziert. So geht die halbherzige und häufig doppelzüngige Reform der Apartheidgesetze unter der borrapartistischen Regierung P.W. Bothas ab Ende der siebziger Jahre einher mit harter Repression, massiver Ausformung des Sicherheitsapparates und, als diese »total strategy« sich unter dem inneren und internationalen Druck sowie der sich ausweitenden ökonomischen Krise als Makulatur entpuppt, ab 1984 mit immer umfassenderen Ausnahmeerklärungen. Deren Regulative, Gleichschaltung von polizeilicher und militärischer Verfügungsgewalt, Einschnürung der Infrastmktur und Migration, bleiben teilweise bis 1990, bis zur Ankündigung des faktischen Endes der Apartheid durch F. W. de Klerk, in Kraft. Wenn die Konflikte in der Zeit nach dem Südafrikanischen Krieg insgesamt eher ziviler denn ausgesprochen militärischer Natur waren 13 , so geht dies einher mit einer gleichzeitigen steten Zunahme der demographischen Kontrolle 14 und der beschriebenen Etabliemng rechtsloser Zonen im Rechtssystem selbst. Nicht nur führen diese in den virtuellen Bürgerkrieg der achtziger und frühen neunziger Jahre, sie sind in dieser Kombination ein überzeugendes Indiz biopolitischer Stmkturen, sowie 13 Die militärische Beteiligung der Apartheidregierung an Konflikten außerhalb ihres Staatsgebiets sei hier ausgeklammert. 14 »Segregation to 1948, and Apartheid afterwards, were policies aimed not simply at separating white from black, but at regulation the way in which indigenous populationwas drawn into a new society." (Beinart 1994: 3)
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auch der südafrikanische Rassismus mit seiner Ideologie des volks durchaus über den Zusammenfall von biopolitischen Techniken mit einer altertümlichen Blut-Mythologie beschrieben werden kann. Meine These nun: alle diese Entwicklungen finden sich in den Fiktionen Coetzees, wenn auch nicht immer ausdrücklich benannt, so doch konkret, realistisch und detailliert eingebettet und reflektiert, wieder. Einleitend mag zunächst ein früherer Roman Coetzees stehen, in dem die gewaltfreisetzende Krise der Apartheid schon nicht mehr nur als Relikt rein spätkolonialer Zusammenhänge erscheint, sondern bereits als ein sich immer deutlicher abzeichnendes Schlacht- und Schreibfeld einer biopolitischen Ratio.
Ufe ft Times of Michael K In Life & Times ofMichael K (1983) kehren nicht nur die Lager des Südafrikanischen Krieges aus der nicht allzu fernen Vergangenheit zurück, in dem Roman zeichnet sich auch die aus der damaligen Perspektive nahe Zukunft der Ausnahmezustände und des faktischen Bürgerkriegs (jene Situation, wie sie sich großen Teilen Südafrikas unter Botha zwei Jahre nach der Veröffentlichung des Romans darbot) geradezu prophetisch ab. Die Geschichte selbst aber entstellt ihren Protagonisten. Die Titelfigur der Erzählung kennzeichnet seit seiner Geburt eine grotesk klaffende Hasenscharte. Im ersten von drei unterschiedlich langen Teilen verlässt dieser dem sozialen Gefüge nach augenscheinlich, aber ohne ausdrückliche Ne1mung, farbige Mann Anfang dreißig, ein ungelernter Landschaftsgärtner, gelenkt von einer recht sonderbaren Wahrnehmung seiner Umwelt mit seiner schwerkranken Mutter seine Heimatstadt Cape Town. Diese befindet sich samt Umland tief in den, detailliert beschriebenen aber nicht eigens gesamtpolitisch aufgeschlüsselten, Wirren eines Aufruhrs samt seiner unerbittlichen Repression. Michael K will seine Mutter auf die Farm ihrer Kindheit nahe einer Provinzstadt in den Weiten des Karoo geleiten, wo sie sich Genesung von ihren Leiden erhofft. Als diese auf dem beschwerlichen Weg dorthin verstirbt und eingeäschert wird, setzt er nichtsdestotrotz und in krasser Missachtung der gesellschaftspolitischen Realität (von Außen betrachtet gar als Widerstand zur Gesellschaftspolitik) die Reise fort, um zumindest ihre Überreste an dem ursprünglich anvisierten Zielort zu begraben. Auf einer verlassenen, den Beschreibungen der Mutter nicht unähnlichen Farm angelangt (ob dies wirklich ihre Kindheitsfarm darstellt, belässt der Roman im Ungewissen), versucht er zunächst ein agrarisches, später ein gleichsam vegetatives, zuletzt ein von Austauschprozessen jeglicher Art freies, auch der Nahrungsaufnahme immer stärker entsagendes Leben zu führen. Den rein politischen Alternativen zu seiner zunehmend im Ausdruckslosen
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sich verlierenden Existenz begegnet er mit vermeintlicher Ignoranz oder Apathie. Doch stets holen ihn die Schikanen und die Willkür des Bürgerkriegs ein. Und stets wird Michael K aus jenen Phasen reiner, letztlich wohl fataler Selbstgenügsamkeit gerissen und in jeweils neue Lager eingewiesen: das Erziehungslager Huis Norenius, das Umsiedlungslager Jakkalsdrif, das Umerziehungs- und Internierungslager Kenilworth. Allen diesen kann Michael entkommen, um in dem kurzen Schlusskapitel völlig abgemagert nach Cape Town in das frühere Bedienstetenzimmer seiner Mutter zurückzukehren. Dort fantasiert er in einer letzten Sequenz eine erneute, im Lichte seiner Erfahrungen revidierte und gebrochen messianische Rückkehr zu jener Ursprungsfarm Ein >Vorteil< des Romans ist kaum von der Hand zu weisen: er liefert seine Hermeneutik gleich mit. Im Kontrast zum realistischen Gleichmut des heterodiegetischen Erzählers des ersten und dritten Teils, der sich, nachdem er anfangs noch ein auktoriales Wissen andeutet, dann doch meist stoisch an die beschränkte Perspektive Michaels hält (wenn auch sicher nicht an seine kognitiven und sprachgestalterischen Engpässe), steht eine, nahezu wie ein Fremdkörper innerhalb des narrativen Aufbaus wirkende, zweite Passage mit einer eigenen Erzählerfigur. Dieser Pharmazeut und Humanist, zum Lagerarzt flir die Zeit der Ausnahmezustände abkommandiert, effektiv jedoch der einzig wirklich kritische Betrachter des Bürgerkriegs innerhalb des Romans, gibt sich gleichzeitig als Therapeut und Exeget Michael Ks. Er versteht ihn als Text, seine Geschichte als Anamnese. So führt er eine Art Tagebuch seiner Eindrücke aus dem Lager, vor allem aber seiner selbst zwischen Melancholie und Paranoia schwankenden Erklärungsmodelle flir jenen enigmatischen Patienten. Das anspruchvollste Deutungsszenario liefert der medizinische Offizier, als er von der schieren Undeutbarkeit Michaels getrieben sich in der Verfolgung Michaels fantasiert. In dem endlosen Entgleiten des Objekts seines hermeneutischen Begehrens kommt er im Moment größter Erschöpfung und Emphase am Zenith seiner metatextuellen Deutung an, der Allegorie, oder besser noch, in diesem Bild seiner Verfolgung, einer Allegorie zweiten Grades. »Your stay in the camp was merely an allegory, if you know that word. It was an allegory - speaking at the highest level - of how scandalously, how outrageously a meaning can take up residence in a system without becoming a term in it.« (LT: 166) Für die Sekundärliteratur reflektiert der Satz allgemein die Kapitulation von Darstellung und Interpretation angesichts eines repressiven Systems. Dies ist im Allgemeinen zwar richtig. Doch statt nur als Bewegung reiner Textualität kann die Romanstruktur nachträglich auch als konkrete Gegenbewegung zum einschließenden Ausschluss souveräner Strukturen gelesen werden - die Figur Michael K dann vielleicht weniger als »a kind of
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Derridean trace (refusing to occupy a fixed place in the system)« (Attwell in DP: 245) denn als Gegenentwurf zum bloßen Leben. So ist dieser Leitsatz des Lagerarztes vor dem Hintergrund der Position dessen zu verstehen, der ihn äußert, also vor dem Hintergrund des Lagers. Es ist in einer Übertragung genau dieser Raum, dem Michael K sowohl mit seiner konkreten Flucht als auch mit seiner vegetativen Reduktion zu entgehen sucht. In der Tat kann der Roman als kontinuierlicher Versuch gelesen werden, den Lagern als jenem von Agamben beschriebenen biopolitischen n6mos zu entkommen. Zunächst zu Jakkalsdrif: offiziell ein Umsiedlungslager, eigentlich ein Auffangbecken und Arbeitslager ftir Erwerbslose, Landstreicher und die Familien der potentiellen Widerstandskämpfer der Gegend, scheint dieses zunächst eine gewisse Freizügigkeit und Selbstorganisation seiner Insassen zu gewähren. Doch deutet der Roman schnell an, dass hier die nur schwer fassbare herrschende Gewalt jederzeit über sich selbst hinauswachsen und auch die Bereiche erfassen kann, die eigentlich jenseits ihrer Jurisdiktion liegen. Sämtliche Vaterfiguren des Romans als mögliche Gestalten souveräner Macht bleiben im Übrigen angesichts der vollständigen Abwesenheit eines leiblichen Vaters wenig konkret, dafür aber allumfassend (in dem Sinn, dass sie gerade auch das umfassen, was sie eigentlich nicht umfassen) geworden. Sie finden exemplarisch in dem Heraklit-Motto ihren Ausdruck: »War is the father of all.« »Y ou get a choice and you chose JaldNaturverbundenheit< und >Selbstgenügsamkeit< Michael Ks sind deswegen auch weder als romantisches Ideal eines Urzustandes noch als vorkapitalistische agrarische Idylle oder gar als ökologisches Nischendasein zu verstehen. Eine derartige Lektüre unterschlüge eben jene weitaus beunruhigenderen Implikationen, dass das Entschwinden Michael Ks bereits von der Ununterscheidbarkeit von gesellschaftlich qualifiziertem,
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biographischem Leben und einem unqualifizierten, daher aber auch unartikulierbarem Leben gezeichnet ist. Nur in dieser Form ist Michael K, »who approached [... ] as near to a state of life in death, or death in life, whatever it was, as is humanly possible« (L T: 159), machtsubversiv zu verstehen: als gleichzeitiger Ausdruck vom und Gegenentwurf zum bloßen Leben. Genauso wie das Lager Jakkalsdrif in Michael Ks dramatischer Imagination jegliche Spuren seiner Inhaftierten auszulöschen vermag (LT: 94), gestaltet Michael K sein Leben auf der Farm so, keine Spuren zu hinterlassen (wenn auch die Erzählung zwangsläufig welche hinterlässt). Dies ist der primäre Grund, warum der Lagerarzt von Kenilworth mit seiner, an sich wohlwollenden Anamnese nicht weiterkommt. Dadurch dass Michael K sich nicht der souveränen Struktur des einschließenden Ausschlusses entgegenstellt, das heißt außerhalb von ihr anzusiedeln ist, sondern sich an der Schwelle zu ihr als »body [that] contains no ambivalence« bewahrt, gibt es einen gewissen Moment des Widerstandes, eine »originality of resistance« (LT: 163f.). Michael K ist in seinem Widerstand auf der Farm ebenso Subjekt wie sein lebender Körper, der sich allerdings nur selbst begründen kann: »he or his body, it was the same thing« (LT: 69). Die Farm, als eigentlich unmögliche Lokalität des Widerstandes in einem derart repressiven System, und das Lager sind die zwei Seiten ein und derselben Medaille. Beider Gegenstand ist der lebende Körper. Wie der Roman bereits den Übergang des spätkolonialen Unternehmens in die Biopolitik nachzeichnet (bereits die Tatsache, dass die Einordnung Michael Ks nach Hautfarbe wie bei fast allen folgenden Protagonisten Coetzees ausbleibt, obwohl sie stets und allerorten bestimmend ist, somit jenen Zusammenfall von Recht und Faktum evoziert, kann auch als ein erstes Indiz für die weitere biopolitische Motivation des Romans gelesen werden), so kann der Lagerarzt zwar noch, zumindest in Klammem, die Frage stellen, ob das Kriegsende wirklich auch das Ende des Lagers bringen werde (LT: 147), aber diese Frage eigentlich nicht mehr verfolgen. Dies ist das eigentlich Skandalöse des Romans: nicht die Unterdrückung und Inhaftierung durch das Militär und die Polizei (denn diese ist ja in sich konsequent), sondern Michael Ks Beziehung zum Lagerarzt, da sich in ihr die Unlesbarkeit eines unqualifizierten Lebens figuriert. Indem in dieser die souveräne Macht (auch die des Deutungsgebenden) an ihre Grenzen gerät, kann diese sich zwangsläufig (nicht weil es einen Willen zum Widerstand geben würde) in kein Deutungsverhältnis mehr zu ihrem Subjekt setzen. Was der Lagerarzt nicht sagen kann, was der Roman somit aber in Michael K als Allegorie seiner Unabschließbarkeit und Undeutbarkeit wiederfindet, was er somit trotz-
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dem inszeniert, gewinnt in dem vegetativen Verschwinden des Michael K seine eigene messianische Kraft. So ist ersichtlich, warum bereits der Titel des Romans eben keine biographische Skizze bezeugt, auch wenn der Roman in Auszügen Michael Ks gesamtes Leben durchspielt und gesellschaftspolitische Details genau darstellt, sondern in dem Wegfall des Artikels bereits einen Verweis auf ein bloßes, ja immanentes Leben. In der Tat scheint der Titel exemplarisch für die Überlagerung einer spezifischen westlichen literaturhistorischen Tradition (hier also die klassischen biographischen Romane des achtzehnten Jahrhunderts, sowie durch das Namensinitial natürlich nicht zuletzt Franz Kafka) mit einer Erzählung von einem an sich namenlosen Leben. Einen biopolitischen Sachverhalt erkannt und dargestellt zu haben, erklärt allerdings noch nicht befriedigend die literarische (das heißt hier allerdings eben nicht nur ästhetische) Qualität der Fiktionen Coetzees. Der eigentliche Zugang, den Agamben zur Literatur Coetzees liefert, liegt in einer bislang (zumindest in der deutschen Politologie) wenig beachteten Analogie, oder besser: Verschränkung zwischen Politik und Sprache. Die Frage: •ln welcher Weise verfügt das Lebewesen über die Sprache?< entspricht genau der Frage: •ln welcher Weise bewohnt das nackte Leben die p6lis?< Das Lebewesen verfügt über den Logos, indem es in ihm die eigene Stimme aufhebt und bewahrt, so wie es die p6lis bewohnt, indem es das eigene nackte Leben in ihr ausgenommen sein läßt. Die Politik erweist sich demnach als im eigentlichen Sinn fundamentale Struktur der abendländischen Metaphysik, insofern sie die Schwelle besetzt, auf der sich die Verbindung zwischen Lebewesen und Sprache vollzieht. [ ... ] Politik gibt es deshalb, weil der Mensch das Lebewesen ist, das in der Sprache das nackte Leben von sich abtrennt und sich entgegensetzt und zugleich in einer einschließenden Ausschließung die Beziehung zu ihm aufrechterhält. (Agamben 2002: 18)
Wenn sich nun Widerstand gegen die biopolitische Macht nicht mehr oder nicht mehr problemlos, wie in der westlichen Tradition üblich, auf die >Natur< des Menschen oder den Körper berufen kann, da diese ja bereits in ein biopolitisches Machtdispositiv gefasst sind, wie erklären wir dann die Widerständigkeit, die Coetzee noch Anfang der neunziger Jahre nichtsdestotrotz dem Körper im Schmerz kategorisch zuspricht? Er tut dies (in der bereits zuvor etwas kürzer zitierten Passage, der auch mein Titelzitat entnommen ist), ganz ähnlich wie Foucault einen mögliche Widerstand des Körpers am Ende seines Kapitels zum Wandel der Souveränität (F oucault 1977: 179ff.) erkennt.
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lf I look back over my own fiction, I see a simple (simple-minded?) standard erected. That standard is the body. Whatever else, the body is not >that which is not•, and the proof that it is is the pain it feels. The body with its pain becomes a counter to the endless tri als of doubt. [ ... ] Not grace, then, but at least the body. Let me put it blandly: in South Africa it is not possible to deny the authority of suffering and therefore of the body. lt is not possible, not for logical, not for ethical reasons (I would not assert the ethical superiority of pain over pleasure), but for political reasons, for reasons of power. And let be again unambiguous: it is not that one grants the authority of the suffering body. The suffering body takes this authority: that is its power. To use other words: its power is undeniable. (DP: 248)
In der Quintessenz ist der Körper Schauplatz und Wasserscheide einer Interpretation Coetzees hinsichtlich folgender Diskrepanz: auf der einen Seite die Ununterscheidbarkeit von Leben und Politik, Körper und Kode, auf der anderen Seite der Umstand, dass der Mensch sich über den Körper in die Sprache und in die Subjektivität versenkt. Ohne sie letztgültig auflösen zu können, motiviert diese Diskrepanz sämtliche Lektüren dieser Arbeit. Hilfreich mag dabei sein, wie Agamben gegen die Struktur des einschließenden Ausschlusses und seine totalitäre Normalisierung das setzt, was er die Potentialität eines immanenten Lebens nennt, und nicht zuletzt in der Literatur, beispielsweise in Melvilles Bartleby, findet. Dazu beruft er sich auf den Moment, in welchem die Stimme, indem sie sich im Diskurs über den Akt der >Enunziation< positioniert, in dieser aufzugehen droht. Er versucht, diesen Moment aber nicht von seinem Vollzug aus zu denken, sondern eben von seiner Potentialität her, dass heißt von der Möglichkeit seiner Unmöglichkeit. In dieser potentiellen Aufrechterhaltung des Stimmkörpers in der Sprache kann aber auch die Literatur Coetzees der neunziger Jahre bis hin zur Erzählung The Lives of Animals und dem Roman Disgrace beschrieben werden - dann allerdings nicht mehr als Ausdruck eines Politischen, sondern als eine Ethik der >Enunziation< und >ZeugenschaftApartheidApartheid< Geschichte gemacht hätten, sollten wir jetzt mit diesem Begriff als vorgezogenes Gedächtnis eines letzten staatstragenden und staatlich legitimierten Rassismus Geschichte machen. Wenn Derrida seinen Appell als Aufruf, Geschichte zu gestalten, verstanden haben wollte (Derrida 1986: 158), so war damit allerdings noch nichts darüber gesagt, ob sein performativer Anspruch (>perlokutiveillokutivleben< in Beschlag genommen wird, um als das >Leben< (in dieser Substantialisierung und Singularisierung) entweder als Substanz, Begründung oder (gar auch) als Widerstand einer politischen oder gesellschaftlichen Form zu wirken. Die Uneinlösbarkeit einer Identität des Lebens liegt darin begründet, dass lebendes und sprechendes Wesen, das Nicht-Menschliche und das Menschliche nicht zusammenfallen. Jener vollständigen Entgrenzung des Lebewesens vom sprechenden Wesen, jener absoluten Trennung dieser Attribute als »dem höchsten Ehrgeiz der Bio-Macht« (Agamben 2003 : 136)8 tritt die Zeugenschaft entgegen, indem sie auf der Potentialität des Sprechens beharrt. Sicher muss auch das bloße Leben (als Produkt einer rechtspolitischen Bestimmung, dessen Merkmal dennoch seine Sprachlosigkeit ist) bezeugt werden. Es kann nicht flir sich selbst sprechen, benötigt den Zeugen, um es wieder einzubinden. Gleichzeitig ist der Zeuge aber Gewährsmann dafür, dass die Kontingenz der Sprachlosigkeit Genes NichtKönnen, das in der Potentialität erhalten bleibt) nicht komplett vom Sprechen eingeholt wird - und somit ausgelöscht würde. Somit verweist Agamben nicht so sehr auf die Notwendigkeit des Erinnems (oder Vergessens) einer Vergangenheit (dies ist ein anderer, ein moralischer Imperativ), sondern spürt in der Verantwortung des Zeugen eine neue ethisch-
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Zentrale Figur und Idiom dieser absoluten Entgrenzung ist bei Agamben der »Muselmann". Dieser ist historisch eine für das Konzentrationslager charakte· ristische Grenzfigur: unterernährt, von seinen Leidensgenossen aufgegeben, apathisch dem Tod zugewandt, doch gleichzeitig noch mit Leben behaftet, einem bereits jeder gesellschaftlichen und individuellen Bestimmung entris· senem Leben. »Einmal Krankheitsbild oder einmal ethische Kategorie, einmal politische Schranke oder anthropologischer Begriff, ist der Muselmann ein undefiniertes Wesen, in dem nicht allein Menschlichkeit und NichtMenschlichkeit, sondern auch das vegetative Leben und die Beziehungen, Physiologie und Ethik, Medizin und Politik, Leben und Tod kontinuierlich ineinander übergehen.« (Agamben 2003: 41)
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politische Zukunft auf (Cohen 2002: 36). Die ethische Verantwortung des Zeugen kann dabei in keiner Weise an eine kommunikative Bedingung gelmüpft werden. »Umgekehrt: nur wenn die Sprache nicht immer schon Kommunikation ist, nur wenn sie für etwas Zeugnis ablegt, was nicht bezeugt werden kann, kann der Sprecher etwas wie das Erfordemis zu sprechen empfinden.« (Agamben 2003: 56) Trotz der Zurückweisung einer kommunikativen Verankerung des Sprechens, löst Agamben allerdings die Unmöglichkeit der Konvergenz von Stimme und Sprache, von Bedeutung und Präsenz, nicht in der dif.ft?rance der Dekonstruktion auf, in einem unendlichen Aufschub von Bedeutung. Ob Agamben der Dekonstruktion nun damit gerecht wird oder nicht, er setzt die Potentialität der Zeugenschaft an die Stelle ihrer >SpurTranspositionierungtranspositionierendDutraumatischen Subjektspostwendend< ein erzählerisches Mandat in einem derart festgefahrenen w1d desolaten Zeitalter impliziert. Nichtsdestotrotz kann in der Tat davon gesprochen werden, dass ihre >verbrieften< Versuche, sich der Gewalt des Apartheidsystems zu stellen, sich durchaus auf jene Zweideutigkeit berufen, die das englische Wort >demise< bereithält. Abgeleitet vom Lateinischen >demittere< bezeichnet es gleichzeitig und untrennbar den Transfer von Autorität und den individuellen Tod bzw. den kollektiven Untergang. Die Autorität ihrer Briefe befindet sich sozusagen selbst in einem Interregnum der Signifikation, in dem die alte Bedeutung abdanken musste und die neue ihren Platz noch nicht einnehmen kann. In »What is a Classic?« meint Coetzee offenkundig auch, dass klassische Texte generell die zahllosen Prüfsteine der nachfolgenden Kritik und kulturellen Aneignung überleben müssen. Das Problem, mit dem Elizabeth Currens Wortgeber konfrontiert werden, ist ähnlich, aber doch etwas spezifischer. Einiges spricht dafür, das Überleben der Klassiker bei Elizabeth Curren im Lichte von Bhabhas »survival of culture« aus seinem Aufsatz »The Postcolorrial and the Postmodern. The Question of Agency« zu lesen. Demnach wären sie mit jener grundsätzlichen zeitlichen Kluft der Signifikation in der postkolonialen Moderne konfrontiert, die Homi Bhabha als signifying lag bezeichnet hat.
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Postcolonial criticism bears witness to the unequal and uneven forces of cultural representation involved in the contest for political and social authority within the modern world. [ ... ] To reconstitute the discourse of cultural difference demands not simply a change of cultural contents and symbols; a replacement within the same time-frame of representation is never adequate. lt requires a radical revision of the social temporality in which emergent histories may be written, the rearticulation of the ·sign, in which cultural identities may be inscribed. And contingency as the signifying time of counter-hegemonic strategies is not a celebration of •lack' or •excess, or a self-perpetuating series of negative ontologies. Such ·indeterminism' is the mark of the conflictual yet productive space in which the arbitrariness of the sign of cultural signification emerges within the regulated boundaries of social discourse. (Bhabha 1994: 171f.)
Nicht zuletzt in der Intervention Vercueils, jenem hold-up oder jener Heimsuchung, geraten auch Elizabeth Currens antike Advokaten in den Bann postkolonialer agency. Nicht zuletzt aus diesem Grunde kann die Frage nach der erzählerischen Autorität Elizabeth Currens erst dann weiter verfolgt werden, nachdem jene absonderliche Gestalt selbst zum Thema geworden ist, der sie sich ihn ihrer Passion ausliefert.
Ansprache in einer toten Sprache In ihrer Tendenz zu dozieren tut Elizabeth Curren diversen Figuren ihre recht eigentümliche Sicht auf die schockierenden Ereignisse jener Tage kund. Da ist auf der einen Seite Florence, ihre Haushälterin mit den zwei jungen Mädchen Hope und Beauty, deren wahre Namen die Mutter nicht preisgibt. Da ist Bheki, der ältere Sohn von Florence, der sich militanten Jugendlichen anschließt und schließlich, während sein gleichermaßen noch heranwachsender Gefährte John von den Sicherheitskräften bereits regelrecht exekutiert worden ist, in den gewaltsamen Ausschreitungen ebenfalls seinen Tod findet. Diesen beiden Jugendlichen, besonders aber dem eigentlich von ihr als gänzlich lieblos empfundenen John, widmet Elizabeth Curren die ihr noch mögliche Fürsorge. Da ist auf der anderen Seite die polizeiliche Obrigkeit, vor deren Augen sie sich zunächst noch als spektakuläres Mahnmal ihres Protestes in Brand zu setzen gedenkt. Da ist schließlich auch Florences Cousin, Mr. Thabane, einer der geistigen Führer der Jugendlichen, dessen gerraue Funktion während der Ausschreitungen undurchsichtig bleibt, und der sie in einer Nacht- und Nebelaktion durch das umkämpfte Township geleitet, ohne allerdings großen Respekt ftir ihren intellektuellen Standpunkt zu erübrigen. Vorrangig aber ist es Vercueil, nicht nur als designierter Überbringer ihrer schriftlichen Bekenntnisse, sondern auch in seiner
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Funktion als Stellvertreter für ihren eigentlichen Adressaten (ihre Tochter), zu dem sie spricht, um schreiben zu können (AI: 80). Derek Attridge hat exemplarisch das Verhältnis einer allgemeinen modernistischen Verfremdung des literarischen Form- und Referenzrahmens zu den spezifischen Textgesten bei Coetzee herausgearbeitet. Diese stellten ein ethisches Moment dar, als »responsibility for the other that exceeds all instrumentalism« (Attridge 1994: 257). Alterität manifestiere sich in dem Wechselspiel der spezifischen Textmanöver mit den diversen narrativen Referenzfiguren, allerdings ohne dass beide gleich deckungsgleich würden. Dieses Wechselspiel zeige sich in Age oflron vor allem in dem Verhältnis zwischen dem potentiellen Boten und der Ansprache der belesenen Literaturwissenschaftlerin. Der bei der Briefübermittlung zur Schau gestellte Akt des »trusting the Other« (hier also dem zu vertrauen, dem man nicht vertrauen kann) lasse sich aber in keiner Opposition von realistischer Darstellung und allegorischer Bildhaftigkeit lokalisieren (Attridge 1994a). Attridge beharrt darauf, Alterität als Kontingenz des Schreibens und Lesens, aber eben nicht als kategoriales Zuschreibungsschema zu verstehen. »It is, in each text, a singular process; otherness cannot be generalized - which would mean that it could be coded, carried away, replicated - but must be staged as uniqueness, as untranscendable contingency« (Attridge 1994: 248). Nichtsdestotrotz hat Attridge Vercueil mit Herman Melvilles Bartleby verglichen, dem berüchtigten Schreiberling der WallStreet und Abkömmling aus dem dead Ietter office -jener Endstation des Unzustellbaren. Coetzees Text gehe, sei es angesichts eines literaturhistorischen Epochenwechsels, sei es angesichts der bestürzenden gesellschaftspolitischen Situation in Südafrika, sozusagen noch einen Schritt über Melville hinaus. 1 »Mrs. Curren's Ietter is itself, perhaps, a dead Ietter, gone astray before it even reaches the post office, and it is certainly a Ietter from the dead.« (Attridge 1994a: 254) Die Erscheinung des potentiellen Boten Verceuil ist für das Singuläre der Briefübermittlung in Age of Iran zentral und verdient eine eingehendere Betrachtung. Im Vergleich zu Bartleby erscheint Vercueils Herkunft keineswegs weniger dubios, dafür aber im fahlen Lichte einer anderen, düsteren und kaum einsehbaren gesellschaftlichen Realität. Die Bindung der intertextuellen Anspielungen an Vercueils spekulativ verbleibende Vergangenheit hält den Text zu etwas offen, was über seine Person hinausgeht. Das liegt nicht so sehr an der flüchtigen Referenz zum Ancient Mariner Agamben ist ausführlicher noch auf die Kontingenz des Boten Bartleby eingegangen (Agamben 1998). Ein ähnliches Pendant zum Verhältnis von Bartleby und Melvilles lcherzähler, jenem Anwalt aus der Wall Street, findet sich auch in Michael K und dem Lagerarzt aus dem zweiten Kapitel von Life Ii Times of Michael K.
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von Coleridge und seiner unwilligen und unzuverlässigen Selbstbeschreibung als ehemals havarierter Seemann, der nun sogar vor dem Wasserbottich zurückschreckt; letztlich auch nicht daran, dass dieser rudimentäre Mensch insgesamt und viel konkreter als Bartleby einem empirischen Milieu entspricht. Es liegt vielmehr daran, dass dessen immer nur in Andeutungen zur Sprache kommende Vergangenheit, die ihn mit einer verstümmelten Hand zurückgelassen hat, erst eine Spur legt, der Elizabeth Curren während ihrer Bestandsaufnahme in eigener Sache folgen kann. So offenbart Vercueil, der, wie Elizabeth Curren vermerkt, eine »language before language« spricht (AI: 8), eine intersubjektive Dimension. In der Tat sind Elizabeth Currens abschließende Seiten der Beschreibung ihrer Intimität mit Vercueil gewidmet, als letzte, minimale und grundlegende, irdische Beziehung. Sie versucht, innerhalb dieser Intimität seine obskure Vergangenheit aufzudecken. Während sie sein Passfoto den Augen ihrer Tochter darzustellen sucht, entwirft sie eine nachträgliche Deutung, ein hypothetisches Bildnis seiner Vergangenheit in den Fängen der südafrikanischen Sicherheitskräfte. Sie deutet dabei eine kollektive Erfahrung der Unterdrückung an. Sie sagt von Vercueil, he is not the kind of person who photographs well. I have seen the picture on his identity card. He looks like a prisoner torn from the darkness of a cell, thrust into a room full of blinding lights, shoved against a wall, shouted at to stand still. His image raped from him, taken by force. He is like one of those half-mythical creatures that come out in photographs only as blurs, vague forms disappearing into the undergrowth that could be man or beast or merely a bad spot on the emulsion: unproved, unattested. Or disappearing over the edge of the picture, leaving behind in the shutter trap an arm or a leg or the back of the head. (Al: 193)
Die Polizeigewalt wird hier ambivalent beschworen: zunächst in der durchaus authentischen Imagination der Mechanismen des Machtapparats, dann auch in der Beschreibung der fotographischen Mechanik (»shutter trap«) selbst, in den abgetrennten Gliedmaßen diesseits und jenseits der physischen Ausmaße des Bildes. In der bildliehen Resonanz der Gefängniszelle mit der Auslöserklappe verbleibt die hypothetische Vergangenheit immer als unheimliche Drohung realer Einkerkerung und Verstümmelung. So imaginativ und bilderreich diese Schilderung, so sehr korrespondiert sie mit einem Rückblick in Elizabeth Currens eigene Vergangenheit. Denn sowohl die erzwungene Pose als auch jene ausgeschlossenen, nur verzerrt wiederkehrenden Teilbilder erhellen retrospektiv eine vorhergehende Passage.
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In dieser zeigt die ebenfalls nachträgliche Beschreibung einer Fotographie Elizabeth Curren als zweijähriges Mädchen in der blühenden Gartenlandschaft ihres Familienheims, bar der eigentlich zu erwartenden Dienerschaft. Auch hier kippt die bildliehe Darstellung. In der Frage, wo denn eben jenes Personal geblieben sei, welches überhaupt erst für die üppige Fülle und das vegetative Gedeihen ihrer frühkindlichen Tage gesorgt habe, »blessing us with their profuse presence«, kehrt sich die Gewalteinwirkung in der Beschreibung der Fotographie um. Hier drängen die ausgesparten Elemente von außen auf das Format der Darstellung ein. Who are the ghosts and who the presences? Who, outside the picture, leaning on their rakes, leaning on their spades, waiting to get back to work, lean also against the edge of the rectangle, bending it, bursting it in?
Dies irae, dies illa when the absent shall be present and the present absent. No langer does the picture show who were in the garden that day, but who were not there. Lying all these years in places of safekeeping across the country, in albums, in desk drawers, this picture and thousands like it have subtly matured, metamorphosed. The fixing did not hold or the developing went further than one would ever have dreamed - who can know how it happened? - but they have become negatives again, a new kind of negative in which we begin to see what used to lie outside the frame, occulted. (Al: 111)
In diesen Erscheinungen kehrt sicherlich auch Vercueil wieder, als einer der Unterdrückten, als der verbarmte Teil des Apartheidregimes, gleichsam als einer dieser Geister, dieser gleichzeitig abwesend anwesenden Ungestalten. Und in dieser >Rolle< nimmt er die ihm anfanglieh angetragene Funktion innerhalb der Bekenntnisse Elizabeth Currens ein. »Why do I write about him? Because he is and is not I. Because in the Iook he gives me I see myself in a way that can be written. Otherwise what would this writing be but a kind of moaning, now high, now low? When I write about him I write about myself.« (AI: 9) Elizabeth Curren wägt die Möglichkeit ab, ob nicht ihr befremdlicher Blick auf dem Foto daher stamme, dass sie dem bloßlegenden Blick der Kamera zu entkommen suche, da sie die vage, aber um so eindringlichere Befürchtung habe, die Kamera werde ihre eigene Abwesenheit offenbaren - wie sie die Abwesenheit der Unterdrückten offenbart hat. Diese Abwesenheit führt sie allerdings in ihrem Fall auf die fast mystische Vorstellung zurück, dass sie einst, als noch voll im Leben stehendes Wesen, aus ihrer Krippe entführt worden, und an ihrer Stelle eine Puppe zurückgelassen worden sei. Sie wisse also, »in my doll's way, [...] that it will see what the eye cannot: that I am not there« (AI: 111). Die Kamera werde offenbaren, wie eben diese Puppe, »the doll [that] I call I« (AI: 109), anstelle ihrer eige-
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nen Präsenz getreten sei. In der deiktischen Markierung des Personalpronomens >ichverskuil< (in der Bedeutung von verbergen, maskieren) und >verkul< (in der Bedeutung von hintergehen). Was Verceuil im Einzelnen verbirgt, maskiert oder hintergeht, bleibt, wie gesehen, ungewiss. Das verborgene, maskierte und letztlich hintergangene Zitat des Klassikers jedoch überschattet Elizabeth Currens ambivalente Position als Erzählerin und Protagonistin. Wenn sie ihrem Vagabundenengel aus Vergil vorträgt, und darüber hinaus ausdrücklich die mysteriöse Vorstellung hegt, Latein könne für ihn eine Sprache sein,
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jenes unzugänglichen Teils seiner Vergangenheit gewahr zu werden, bietet sie weniger die Weisheiten Vergils an, als die Entstellung und Übertragung einer Tradition, die Übergabe eines Wissens, das sich aber niemals in sich selbst bewahrheiten oder erhalten kann. Erst als intersubjektives Zeugnis zwischen Vercueil und Elizabeth Curren ist es von Belang. Das ändert nichts daran, dass sie selbst postwendend das Zitat ebenso freihändig wie eigenmächtig auslegt. »It means ifyou don't mail the Ietter to my daughter I will have a hundred years ofmisery.« Die von ihr als »Virgil on the tmquiet dead« (AI: 192) wiedergegebene Originalpassage suggeriert natürlich, sie selbst sei bereits eine dieser unruhigen, Unruhe stiftenden Toten. Doch birgt der Verweis auf Vergil und das Latein ein noch komplexeres Verhältnis. In seiner doppelten Apostrophe, seinem zweifachen Auftreten zugleich als (spätantiker) Autor und als (spätmittelalterliche) literarische Figur markiert Vergil nicht nur ein zusätzliches Zeitalter des Interregnums und nicht nur den Übergang aus dem Gelehrtenidiom in die Mundart oder Volkssprache, sondern auch den Übergang von einer lebenden in eine tote Sprache. In letzterer ist die Dynamik zwischen der normativen Dimension (der Tendenz jeglicher lebenden Sprache, mit einer grammatischen Norm zu korrespondieren) und der anominalen Dimension (ihre Tendenz, sich selbst zu transformieren) nicht länger aktiv. Einer toten Sprache lässt sich kein sprechendes Subjekt zuweisen, das diese beiden Dimensionen zusammenbringen könnte, um so zu bestimmen, was in der gegebenen Sprache gesagt werden könne und was nicht (vgl. Agamben 2003: 139ff.). Was sich nun in der Übertragung Vergils als Überbleibsel einer toten Sprache zu erkennen gibt, ist nicht mehr ganz ein sprechendes Subjekt, sondern die Resonanz seiner stillschweigenden Intervention. Ein solcher Überrest (»remnant«) einer toten Sprache ist für Giorgio Agamben das paradigmatische Verhältnis, in welchem sich die Zeugenschaft zum poetischen Akt setzt. Wenn wir uns wieder dem Zeugnis zuwenden, können wir sagen, daß Zeugnis ablegen bedeutet, in der eigenen Sprache die Position desjenigen einzunehmen, der sie verloren hat, sich in einer lebenden Sprache anzusiedeln, als sei sie tot, oder in einer toten Sprache, als sei sie lebendig - jedenfalls außerhalb sowohl des Archivs als auch des
corpus des schon Gesagten. Es über-
rascht nicht, daß diese Geste des Zeugnisses auch die Geste des Dichters ist, des
auctor schlechthin. Hölderlins These ·Was bleibet aber, stiften die Dich-
ter· darf nicht in dem trivialen Sinn verstanden werden, daß das Werk des Dichters von Dauer sei, daß es zeitlich fortbestehe. Sie besagt vielmehr, daß das dichterische Wort dasjenige ist, was jedes Mal die Position des Rests einnimmt und auf diese Weise Zeugnis ablegen kann. Die Dichter - die Zeugen -
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stiften die Sprache als das, was übrig-bleibt, was aktuell die Möglichkeit oder Unmöglichkeit- zu sprechen überlebt_ (Agamben 2003: 141)
Indem sie auf eine doppelte Weise als Rest erscheinen, gewähren die Worte Elizabeth Currens ein, wenn auch wackeliges, Podium. Zum einen in der von ihr zum Leben erweckten toten Sprache, die aber immer auch darauf verweist, dass ihr Ausdruck in ihrer eigenen lebenden Sprache tot ist; zum anderen als Ausdruck eines tatsächlichen Unvermögens, angesichtsihres Todes und der politischen Gewalt angemessene Aussagen zu treffen. Ihre Position in diesem doppelten Dilemma ist zwangsläufig unbeständig, was sich nicht nur in der Übergabe der Briefe an Vercueil ausdrückt, sondern, abstruser noch, darin, dass sie letztlich ihre eigene >Sprachanimation< ad absurdum führt und somit ihre erklärtermaßen unteleologische Dialektik vollendet. Sie tut dies, indem sie auf mysteriöse, unentzifferbare oder besser noch: missglückte Anagramme stößt. Diese findet sie nicht mehr bei Vergil oder Darrte, sondern in dem Schauplatz einer berüchtigten Schlacht Napoleons sowie in ihrer eigenen Medikamentenvitrine. »Borodino: an anagram for Come back in some language or other. Diconal: I call. Words vomited from the belly of the whale, misshapen, mysterious. Daughter.« (AI: 140) In ihrer von Sedativen kaum, und nur auf Kosten des Schreibens, gelinderten Verzweiflung sucht Elizabeth Curren nicht nur, diese vermeintlichen Anagramme zu entschlüsseln, sondern nimmt auch Zuflucht in den teils stimmigen, teils spekulativen, teils offensichtlich trügerischen Etymologien ihrer heutigen Sprache. In ihnen sucht sie einen neuen Ansatz, eine neue Perspektive auf ihre beschämende Lage, findet aber häufig nur die Buchstäblichkeit ihrer Scham. Diese wiederum leitet sie als Ausdruck des Todes im Leben ab. »Shame. Mortification. Death in life.« (AI: 86)
Passivität, Intimität, Scham Elizabeth Curren benutzt eine befremdliche grammatisch-semantische Konstruktion, um die unfeierliche Ankunft ihres Gastes zu beschreiben. Als sie von ihrem Arztbesuch nach Hause kehrt, nachdem sie also die Diagnose von der Unheilbarkeit ihrer Krebserkrankung erhalten hat, allerdings bevor sie dem Leser die erschütternde Nachricht mit den Worten offenbart, »not good, but [... ] mine, for me, mine only, not to be refused«, kennzeichnet sie die erstaunliche Koinzidenz der Ereignisse in jenem bereits zu Beginn zitierten Satz. »A visitor, visiting hirnself on me on this of all days.« (AI: 4) Attridge spricht von einer »slightly selfconscious literariness of the style« (Attridge 1994: 251 ). Es scheint viel-
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versprechend, genau die Momente zu sezieren, die jene »Befangenheit« und »Literarizität« projizieren. Lexikalisch offenbart die Präposition >On< in >to visit something (up-)on someone< zunächst das geradezu biblische Attribut einer Bestrafung, eines Banns oder Fluchs, einer Heimsuchung statt einer wohlsinnenden Visite. Das Agens (der Akteur der Phrase) von >to visit on< ist dabei natürlich im Verhältnis zum Patiens (dem Erleidenden) semantisch noch sehr viel selbstmächtiger als im Fall von >to visitto visit< noch >to visit on< gemeinhin reflexiv verwandt. Ein >Sichselbst-besuchen< erscheint zunächst genauso unplausibel wie die >Heimsuchung-mit-sich-selbstsich besuchen< nicht aus. Spinoza gebrauche stattdessen das bemerkenswerte lateinische Syntagma >se visitantem constituerebesuchend< zu entwerfen, wie gleichwohl hier immer auch die Umkehrung mitgedacht werden müsse: sich als >besucht< zu entwerfen. Erstaunli2
Während es im Deutschen vielfältige Variationen gibt, entweder über Akkusativ- oder Dativkonstruktionen z.B. in >Sich verhalten• oder >Sich anmaßen•, gibt es, meines Wissens, im Englischen nur die dem juridischen entnommene Ausnahme, die interessanterweise aber gerade die Zeugenschaft betrifft: •to perjure oneself· , dt. einen Meineid leisten.
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eherweise sieht Agamben dann durch Spinoza eine Subjektivitätsbestimmung der modernen Philosophie auf den Punkt gebracht, die er in Kants Bestimmung der autoaffektiven Subjektivität begründet sieht. In dieser entpuppt sich das Subjekt als zweiteilig: ein rein erleidender Pol (den Agamben übrigens mit dem Prozess der photographischen Belichtung illustriert) und ein Pol, der sich gegenüber diesem passiven Teil aktiv, also autoaffektiv, verhält. In der Intimität jener zwei Funktionen sieht Agamben demnach die moderne Form von Subjektivität beschrieben. Die Passivität als Form der Subjektivität ist also konstitutiv in einen rein rezeptiven Pol [ ... ) und einen aktiv passiven Pol (den Zeugen) gespalten, doch so, daß diese Spaltung niemals sich selbst hinter sich läßt und die beiden Pole vollkommen voneinander trennt, sondern immer die Form einer Intimität hat, eines Sich-Auslieferns an eine Passivität, eines Sich-passiv-Machens, bei dem beide Zustände sich gleichzeitig unterscheiden und vermischen. (Agamben
2003: 96).
Eine glatte figurative Übertragung dieses Modells auf den Roman wäre unangemessen, da wir, aufgrund eben jener Intimität, keineswegs die zwei Pole auf einen der jeweiligen Charaktere, Vercueil oder Elizabeth Curren, abzugleichen vermögen. Aus der Koinzidenz von Agens und Patiens in der genannten Wendung lässt sich aber ableiten, warum am Kern des Verhältnisses zwischen Elizabeth Curren und Vercueil nicht die Dialektik und der tragische Pathos von Identität und Entfremdung steht, sondern die Scham. Denn die Scham ist für Agamben in gewisser Weise ein Produkt dieser Koinzidenz. Offensichtlich entgegnet Elizabeth Curren mit und in ihrer Scham der auch in ihrem Namen regierenden Apartheid- doch keineswegs als Frage der Schuld. Die Scham weiß nicht nur von keiner Schuld, kann somit auch nicht getilgt werden, sie ist niemals tragisch, manifestiert sich nicht in der Struktur des >Unschuldig schuldigmessianischen< Koinzidenz. In der narrativen Sequenz ist diese Zeit der Ankündigung, die ankündigend verbleibt, nicht darstellbar. Natürlich können erzählte Zeit und Erzählzeit nicht zusammenfallen. Und doch hat Coetzee in Bezug auf Kafkas Erzählung »Der Bau« von einem »breakdown of time« gesprochen hat, in dem »each moment has the threat or promise of being (not becoming) a timeless forever, unconnected to, ungenerated by the past« (DP: 203). So erscheint Elizabeth Currens in der narrativen Logik eigentlich unmögliche Koinzidenz mit ihrem eigenen Tod in der letzten Szene, dieser letzten Umarmung, nicht als Suspension oder Aufschub, sondern als sich bereits vollziehende Verkündung ihres Todes, derart, dass in dem letzten Satzteil die narrative Struktur des Imperfekts durch das Passiv eine vermeintliche Entstellung (»to be had«) in das Präsenz erfahren hat. »>ls it time?< I said. [... ]He took mein his arms and held me with mighty force, so that the breath went out of me in a rush. From that embrace there was no warrnth tobe had.« (AI: 198)
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3 TALIS PATER: THEMASTER OF PETERSBURG
( 1994) Der Traum vom brennenden Kind In Age of Iran findet sich ein dort kaum entschlüsselbarer, für den 1994 erschienenen Roman TheMaster ofPetersburg sich aber als zentral erweisender Bezug. In einer Szene überlässt sich Elizabeth Curren jenen »intimations« einer in Traum- und Erinnerungsbildern nur unvollständig lesbar werdenden Vergangenheit. Im Verlauf ihrer Kontemplationen gibt es einen unvermittelten Einschub. >»Father, can't you see I'm buming?< implored the child, standing at his father's bedside. But his father, sleeping on, dreaming did not see.« (AI: 110) Die vorausgegangenen Szenen haben den Leser nur ungenügend auf diesen Einschub vorbereitet, kein Detail der Erzählung klärt seinen Sachverhalt vollständig auf. Es ist für den Leser kaum möglich, dieses Zitat unmittelbar in seinem Kontext zu erfassen. Obwohl die Passage vage Assoziationen weckt zu den Verbrennungsphantasien Elizabeth Currens und dem Schicksal ihres >Sorgenkindes< John, dessen gewaltsamen Tod sie nicht verhindem konnte, ist weder die Identität von Vater und Kind noch der gerraue Hintergrund dieses rätselhaften Appells aus dem Plot ersichtlich. Stattdessen lässt sich diese Szene als eine nahezu unveränderte Übertragung einer Kernpassage aus Freuds Traumdeutung eingangs des siebten Kapitels erkennen: dem Traum eines Vaters von seinem bre1menden, realiter zuvor an einem Fieber verstorbenen Sohn. Mit einem ähnlichen Zitat sieht sich auch der Protagonist des folgenden Romans konfrontiert, jener >Meister aus PetersburgLeben< des Kindes für eben diesen Moment zu verlängern. Doch zeigt Freud eindringlich, dass nicht nur die Verlängerung des Lebens des Liebesobjekts im psychischen Apparat als Wunscherfüllung gelten muss, sondern auch die Verlängerung des Schlafes selbst, nämlich die Erfüllung des Wunsches zu schlafen. Um in diesem prekären Moment das grundsätzliche Enigma der Beziehung von Psyche und Realität zu lesen, greift Cathy Caruth auf jene Lektüre der Freudpassage durch Lacan in seiner Seminarsitzung »Tyche und Automaten« zurück. Lacan sieht in ihr den Grundsstein für Freuds spätere metapsychologischen Überlegungen, vor allem die flir das Gesamtwerk bahnbrechenden Spekulationen von Jenseits des Lustprinzips (1920): zum Wiederholungszwang, zum Todestrieb und zum Trauma. Lacan hat in dieser Sitzung' seinen eigenen Begriff des Realen als desjenigen entfaltet, welches in den psychischen Prozessen immer an derselben, für das Subjekt uneinsehbaren Stelle wiederkehrt, und somit als Gegenpol zum Funktionsfeld des Symbolischen verstanden werden muss. Das Symbolische äußert sich seinerseits in der Verschiebung des Signifikanten, dessen Effekt schließlich das Subjekt ist. Wenn das Reale nun die Grenze der Einkehr des Subjekts, des biographischen Eingedenkens markiert, so weil es innerhalb der Subjektivierungsprozesse reine Markierung zum Zwecke der Wiederkehr ist, eine Markierung allerdings, der das Subjekt als denkendes nicht begegnen kann (Lacan 1978: 56). In Lacans Konzeption ist somit die Geschichtlichkeit des Subjekts im ReaDie Sitzung ist Teil des Seminars von 1964, in dem Lacan die für ihn vier zentralen (metapsychologischen) Grundbegriffe der Psychoanalyse Freuds behandelt: das Unbewusste, die Übertragung, die Wiederholung, der Trieb (Lacan 1978).
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len grundsätzlich auf den Akt eines Verfehlens zurückgeworfen, es wird folglich an eine bestimmte Stelle berufen, die sich ihm aber stetig entzieht. Für Caruth ergibt sich aus dieser exemplarischen Lektüre des Traums folgende Konsequenz: in Lacan's analysis, Freud's dream is no longer about a father sleeping in the face of an external death, but about the way in which, in his traumatic awakening, the very identity of the father as subject, is bound up with the death that he survives. What the father cannot grasp in the death of the child, that is, becomes the foundation of his very identity as a father. in thus relating trauma to the very identity of the self and to one's relation to another, Lacan's reading shows us, I will suggest, that the shock of traumatic sight reveals at the heart of human subjectivity not so much an epistemological, but rather what can be defined as an ethical relation to the real. (Caruth 1996: 92)
Wie Caruth herausstellt, sieht Lacan in Freud das gerraue Gegenteil seiner expliziten Darstellung impliziert. Der Traum bewahre als Wunscherfüllung nicht nur zunächst den Schlaf, sondern führe dann paradoxerweise ebenso zum Erwachen, indem er den Vater bezichtige, das Brennen des Kindes nicht zu sehen. Der Vater werde also nicht von der umfallenden Kerze erweckt, sondern von den Worten in seinem Traum. Erwecken können diese Worte den Vater aber nur, wenn wir annehmen, dass in dem Vorwurf, in diesen Appell an den Vater durch das Kind ein zweifacher Bezug mitschwingt. Dass also der Traum an dem doppelten Unvermögen des Vaters rühre, das durch die umgefallene Kerze verursachte Brennen des Leichnams zu sehen sowie den Tod des vom Fieber dahingerafften Kindes wahrzunehmen. For if the dreamer' s awakening can be seen as a response to the words, to the address of the child, within the dream, then the awakening represents a paradox about the necessity and impossibility of confronting death . As a response to the child's request, the plea to be seen, the father's awakening represents not only a responding, that is, but a missing, a proper bond to the child that is build upon the impossibility of a proper response. Waking up in order to see, the father discovers that he has once again seen too late to prevent the burning. The relation between the burning within and the burning without is thus neither a fiction (as in Freud's interpretation) nor a direct representation, but a repetition that reveals, in its temporal contradiction, how the very bond of the father to the child - his responsiveness to the child's words- is linked to the missing of the child's death. To awaken is thus precisely to awaken only to one's repetition of a previous failure to see in
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time. The force of the trauma is not the death alone, that is, but the fact that, in his very attachment to the child, the father was unable to witness the child's dying as it occurred. (Caruth 1996: 100)
Dieser zeitliche Widerspruch bezieht sich darauf, dass jenes »traumatic awakening« erst durch den Traum nachträglich zum traumatischen Ereignis geworden ist, dass das Nichtwahrnehmen des Fiebertodes sich erst in dem Erwachen aus dem Nichtsehen des brennenden Kindes ereignet. Es wird also weniger das Kind in der Fiktion des Traumes wiederbelebt, als dass der Träumende durch die Fiktion in die in ihrer Essenz zu spät wahrgenomme Realität des toten Kindes erwacht. Der ethische Bezug zum Realen bestimmt sich somit nicht rein ausgehend vom Wissen (bzw. Nichtwissen) oder der Erinnerung (bzw. dem Vergessen) um ein empirisches Ereignis (also weder vom schieren Zufall der umfallenden Kerze noch vom unerfüllbaren Wunsch, den Tod des Kindes zu verhindem-im Traum ist er ja erfüllbar), sondern aus einem zeitlichen Widerspruch zwischen Realität und Wahrnehmung. In dieser sieht Caruth auch das Subjekt determiniert, indem sich also der Vater, der den Tod seines Kindes überlebt hat, nicht in Bezug auf eine empirische Realität (das Umfallen der Kerze, das Fieber des Kindes), sondern auf die (verfehlte) Begegnung mit dem Realen (die Stelle des wiederholten Nichtsehens) artikuliert. Folglich muss jegliche Antwort eines solchen Subjekts als überlebendes immer in gewissem Sinne unangemessen, verspätet bleiben. In anderer Hinsicht bleibt aber dafür die Geschichte des erwachenden Vaters als Subjekt unabdingbar mit der Geschichte des verstorbenen Kindes verbunden. In dem Erwachen erzählt der Vater nicht mehr seine eigene Geschichte, sondern seine Äußerung ist immer bereits die (wenn auch verspätete) Antwort auf eine Ansprache- also eine Beziehung von Verfehlung und Verantwortung, die sich nicht in einen syntaktischen Zusammenhang bringen lässt. Das Versagen, den Imperativ der Antwort auf das brennende Kind zu erfüllen, vermag sich dann nur als »re/enactment« (Caruth 1996: 106) zu zeigen. In diesem »re-/enactment« zeigt sich die Identität des Überlebenden, der vom Nichtsehen des Todes Zeugnis gibt. Erst in ihm gibt sich der Appell des brennenden Kindes in dem sprechenden Subjekt zu erkennen. »The implications of such a transmission will only be fully grasped, I think, when we come to understand how, through the act of survival, the repeated failure to have seen in time - in itself a pure repetition compulsion, a repeated nightmare can be transformed into the imperative of speaking that awakens others.« (Caruth 1996: 108) Warum aber nun in dem Zitat des Traums vom brennenden Kind einen Kernsatz für The Master ofPetersburg vermuten- speziell für des-
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sen Formel »talis pater qualis filius«? Zum einen zeigt der Roman eine eindeutige Analogie in der dargestellten Trauer eines Vaters um seinen verstorbenen Sohn. Auch hier wird das enge Verhältnis des verstorbenen Sohnes zur Identität des Vaters als sprechendes Subjekt thematisiert. Zum anderen zeigt sich, dass TheMaster ofPetersburg eine verschleierte Auseinandersetzung mit Freud beinhaltet. Es geht dabei nicht darum, eine psychoanalytische Begrifflichkeit in The Master ofPetersburg aufzufinden. Sein Vokabular ist offensichtlich einem anderen Diskurs entnommen. Stattdessen geht es darum, eine plausible symbolische Übertragungsfläche für den ansonsten unlesbaren >realen Stoffliterarische Vaterschaft< zu entwerfen. The Master of Petersburg zeigt den russi2
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Dies sei als Lektürepraxis zu verstehen, so wie Lacan von der Praxis sagt, sie sei " der umfassendste Ausdruck, mit dem sich ein durch den Menschen konzertiertes Handeln bezeichnen lässt, das wie immer, diesen in die Lage versetzt, das Reale durch das Symbolische zu behandeln•• (Lacan 1978: 13). Gerüchte über einen eventuellen Selbstmord erwiesen sich als wenig substantiell (vgl. Scanlan 1997: 477). Wie Coetzee überlebte übrigens auch Lacan den Unfalltod seines eigenen Kindes: seiner Tochter Carotine (vgl. Caruth 1996: 111 ).
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sehen Schriftsteller Fyodor Mikhailovich Dostoevsky5 auf seiner orphischen Suche nach seinem kürzlich verstorbenen Stiefsohn Pave16 . Einige Details sind recht frei fiktionalisiert. Doch sind die Umwelt, die Erlebnisse und die lnnansichten Dostoevskys teils anhand biographischer Daten des historischen Dostojewskij, teils anhand der Plots, Portraits und Dispute innerhalb seiner wichtigsten Werke konzipiert. Sie erweisen sich dabei als dichtes Bezugsfeld für die selbstreflexive Artikulation eines weißen südafrikanischen Schriftstellers in der akuten Phase eines radikalen gesellschaftlichen Umbruchs. Während Coetzee das Ende eines ihn kompromittierenden politischen Systems begrüßen konnte, hatte er aber den unvorhersehbaren Tod seines eigenen Sohnes zu beklagen. Zu Beginn des Romangeschehens, im Oktober 1869, kehrt Dostoevsky (vermeintlich inkognito) zurück nach Petersburg, um die mysteriösen Todesumstände des Sohnes seiner frühzeitig verstorbenen ersten Frau zu erkunden. Er hatte sich ursprünglich, wie der Leser retrospektiv erfährt, durch sein zwanghaftes Glücksspiel nahezu aussichtslos verschuldet, vor seinen Gläubigem nach Dresden geflüchtet. Um bei der Rückkehr aus seinem Refugium einer möglichen Festsetzung und Zwangsvollstreckung zu entgehen, reist er unter falschem Namen, dem des leiblichen Vaters Pavels, Alexander Isaev, in das rückständige, von sozialen Miseren und politischen Krisen gezeichnete Russland ein. In Petersburg angelangt bezieht er rasch Logis bei der Näherin Anna Sergeyevna Kolenkina und ihrer Tochter Matryona (Matlyosha), wohnt somit in dem zuletzt von seinem Stiefsohn belegten Zinuner zur Untermiete. Er verstrickt sich in eine leidenschaftliche Affäre mit seiner Zimmerwirtin, nähert sich aber auch ihrer noch unreifen Tochter, die ein inniges Verhältnis zu dem jung verstorbenen Mann bewahrt. Dostoevskys ungebührlicher und durch keinen Eingriff des Erzählers der moralischen Verwerflichkeit enthobener Annäherungsversuch resultiert zwar nicht in sexueller Verführung oder physischer Gewalt - schon weil er zunächst noch auf Matryonas kindliche Vertrautheit mit Pavel zu zielen scheint, nicht auf den letzten Endes dann doch eingestandenen Vorsatz, das junge Mädchen seelisch zu verderben. Er ist gleichwohl von Beginn an durch und durch begehrlich. In Matryona >erschafft sich< Dostoevsky schließlich eine literarische Figur ungezügelter Projektionen des eigenen Begehrens, obwohl sie zunächst als Medium zur Erinnerung an den verstorbenen Stiefsohn angelegt scheint.
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Ich nutze hier und im Folgenden die englische Schreibweise (Dostoevsky, Stavrogin) um zwischen diesen Protagonisten aus Coetzees Roman und dem historischen Dostojewskij bzw. seinen Charakteren (Stawrogin) zu unter· scheiden. Der echte Pavel hat dagegen de facto seinen Stiefvater um Jahre überlebt.
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Pavel war bei einem nicht aufgeklärten Sturz aus einem Munitionsturm ums Leben gekommen. Um an seine schriftlichen Hinterlassenschaften zu gelangen, muss sich Dostoevsky schließlich der zaristischen Polizei zu erkennen geben und zu den undurchsichtigen Kontakten Pavels zur terroristisch-revolutionären Bewegung befragen lassen, im Besonderen zu dessen Beziehung zu dem skrupellos waltenden Anführer Sergei Nechaev. Dieser verwirft später in seiner nihilistischen Manie die väterliche Fürsorge als schändlichen Anachronismus. Der Text legt nahe, obwohl er sich der eigentlichen Beantwortung der Schuldfrage für Pavels Tod vehement entzieht, der Anhänger könne von seinem Anführer mit dem Ziel etmordet worden sein, den Stiefvater nach Petersburg zu lokken, um dort Dostoevskys unter denjungen Russen bekannten und häufig auch geachteten Namen für die revolutionäre Bewegung ausschlachten zu können. In der Offenbarung dieser Verstrickungen Pavels beginnt das Ausmaß der Entfremdung zwischen Stiefsohn und Stiefvater erkennbar zu werden. Dostoevsky glaubt, trotz seiner aufrichtig empfundenen Sorge und entgegen der Bitte der Mutter auf ihrem Sterbebett, den Stiefsohn letztlich im Stich gelassen und seinem Schicksal überlassen zu haben. Wenn die beunruhigenden Details aus Pavels Leben einerseits den hohen Grad der Zerwürfnis zwischen Stiefsohn und Stiefvater offenlegen, so sind sie andererseits Anlass für Dostoevsky, seinen eigenen, düsteren Impulsen vorbehaltlos zu folgen. Er lässt sich schließlich selbst auf eine Auseinandersetzung mit Nechaev ein. Er steht diesem zwar antagonistisch gegenüber, liefert sich aber zunehmend dem Gegenspieler aus. Hier, wie in nahezu allen seinen Handlungen, tritt trotz seines leidenschaftlichen Ethos, seiner gleichermaßen überbordenden Passion und seines unsittlichen Begehrens, eine merkwürdige Passivität zutage. Er lässt sich in die persönlichen und politischen Verstrickungen seines Stiefsohnes treiben, indem er sich mehr und mehr in der wehmütigen Kontemplation verliert, anstatt die Aufklärung der Geschehnisse zu verfolgen. Was ihn zu leiten scheint, oder, um im sprachlichen Ausdruck des Romans zu bleiben, von ihm Besitz ergreift, ist die Bereitschaft, die eigene Person und seine Umwelt den Bedingungen und Forderungen des literarischen Schreibens zu opfern. So kulminiert der Roman zum Ende in der Niederschrift von zwei kurzen Prosatexten, die einerseits eine intratextuelle Fiktionalisierung der bisherigen Geschehnisse beinhalten, andererseits den intertextuellen Rahmen des Romans zuspitzen. Dostoevskys melancholische Versenkung in die Todesumstände seines Stiefsohns ist zunächst von einer ungezügelten Passivität gekennzeichnet. Einzig die Verweigerung, den Verlust anzuerkennen, mag zunächst noch als aktives Handeln des Helden gelten. Er gesteht sich die
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Konsequenzen seiner Passivität durchaus ein. Während er den Spuren seines Stiefsohnes folgt, überlässt er sich weniger einem affektiven Dialog mit seinen Erinnerungen als einer theatralischen Einheit mit Pavel selbst: in seiner Kostümierung mit Pavels hinterbliebenem Sommeranzug, in dem unheilvollen Kontakt zu Pavels intimen Bekanntschaften und in dem Aufsuchen des Tatortes - am nachhaltigsten jedoch in der Aneignung (der Besitznahme und, in einem gewissen Sinn, der Fortführung) seiner Tagebücher und literarischen Manuskripte. So kann Dostoevsky anfänglich noch davon sprechen, dass er den Stiefsohn in sich trage, ihn in der Ununterscheidbarkeit mit sich selbst lebend bewahre. »At moments like this he cannot distinguish Pavel from hirnself They are the same person; and that person is no more or less than a thought, Pavel thinking it in him, he thinking it in Pavel: The thought keeps Pavel alive, suspended in his fall.« (MP: 21) Doch ist diese Ununterscheidbarkeit im Andenken nur ein erster Schritt zu einer >substantiellerenDialogizität' Dostojewskijs.
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und einem kolonialen Weltverständnis fungiert), erscheint die Motivation für eine Umschrift Dostojewskijs zunächst weniger evident. Sie ist dies auch trotz der durchaus erkennbaren Analogien des rückständigen Unterdrückungssystems im zaristischen Russland (mit seinem Zensurapparat und seiner totalitären Polizeigewalt samt seiner >ten-oristischen< Opposition) zum südafrikanischen Apartheidstaat samt seines bewaffneten Widerstands. Hier ist auch die Ähnlichkeit der geschilderten Missstände in den Kellern Petersburgs mit den südafrikanischen Townships zu nennen sowie die Resonanz des Sturzes Pavels aus dem Munitionsturm mit der berüchtigten Tötungsmethode der staatlichen Sicherheitskräfte, politisch Inhaftierte aus den obersten Fenstern des Polizeigebäudes in Johannesburg zu stürzen. Nichtsdestotrotz ist die Parallele zu Foe überaus aufschlussreich. Nicht nur spricht in seinem Schlusskapitel der Erzähler in The Master of Petersburg vom Verhältnis von Vätern und Söhnen als »foes« (MP: 239). Auch inszeniert die jeweilige Schlusssequenz beider Romane einen schriftstellerischen Moment >reinen SchreibensSchreibens des Körpersnoch zukünftigen< Roman Böse Geister zu dem Roman selbst in einem hochkomplexen Verhältnis. Der Teufel steckt im Detail. So ist zum Beispiel der vorzeitige Tod Pavels, in sich bereits reine Fiktion, auch eine Referenz an die Ermordung des Studenten Schatow in Böse Geister, welche de facto das Schicksal des historischen Studenten Iwan Ivanow nachzeichnet, das sich wiederum in The Master of Petersburg in der Er13 Coetzee selbst verweist an anderer Stelle, in seiner Rezension der Biographie Franks, auf die Änderungen, die Dostojewskij aufgrund der rigorosen Zensur dieses zentralen Kapitels am gesamten Roman vornehmen musste und in der Neuaufnahme innerhalb seiner gesammelten Schriften nicht mehr vollständig revidieren konnte (55: 122f.).
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mordung des obdachlosen Polizeispitzels Ivanov neuerlich entstellt wiederfindet. So ist auch das Entgleiten von Dostoevskys Messer beim Anblick Matryonas nur als Fehlleistung vor dem Hintergrund des vermeintlich von Matryona gestohlenen Messers im Tichon-Kapitel zu verstehen. Daher wird einerseits innerhalb der narrativen Logik von The Master of Petersburg bewusst in Zweifel gezogen, inwieweit die geisteskranke und geschundene Maria Timofeyevna Lebyatkin eine >echte< Bekanntschaft Pavels war oder bloß als Figur des noch zu schreibenden Romans der Phantasie Dostoevskys entsprungen ist, um dann erst retrospektiv auf Pavel projiziert worden zu sein. So können andererseits das von den revolutionären Kräften gelegte Feuer im Armenviertel, welches in Coetzees Roman lediglich eine fast beiläufige Szenerie liefert, oder die in den Slums versteckte illegale Druckerpresse (trotz ihrer andersartigen Funktionen im narrativen Zusammenhang der zwei Romane und trotz ihrer möglichen Resonanz mit der südafrikanischen Realität) auch sehr plausibel als >authentische< Quellen Dostojewskijs gelesen werden. In ihrer augenscheinlichen Uneinheitlichkeit und Überdetermination aber scheint die Authentizität des Detailkonglomerats hinter die Prozesse der >Transposition< selbst zurückzutreten. In den verschiedenen Alternativversionen der Übertragung, Verdichtung und Entstellung sind weniger die potentiellen Quellen von Interesse als generell die Möglichkeit der Transposition. The Master of Petersburg zeichnet in all dem ein düster melancholisches Profil des modernen Schriftstellers, der seine geliebte Umwelt, seine Leidensgenossen und seine eigene Seele verraten und verkaufen muss, um die Dinge zu beschreiben. Sein Kriterium ist jedoch nicht die Psychologie, sondern die Perversion. Etwas radikaler formuliert: Nicht die Perversion ist Objekt der Psychologie, sondern die Psychologie wird vice versa im Prozess des Schreibens zum Objekt der Perversion. He unpacks the writing-case, sets out the materials. No longer a matter of listening for the lost child calling from the dark stream, no longer a matter of being faithful to Pavel when all have given him up. Not a matter of fidelity at all. On the contrary, a matter of betrayal - betrayal of love first of all, and then of Pavel and the mother and the child and everyone else. Perversion: everything and everyone to turn to another use, to be gripped to him and fall with him. (MP: 235)
Nur insofern der »Meister von Petersburg« der Psychologisierung oder sonst einer Legitimierung seiner Figuren zu entgehen sucht, dringt er zu seinem schriftstellerischen Material mit seiner »cold and massive indiffe-
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rence of stone« (MP: 240) vor. 14 Der titelgebende Ausdruck vom Meister, als der Dostoevsky wiederholt bezeichnet wird, hat in The Master of Petersburg unterschiedliche Konnotationen. Er zeigt sich in der verächtlichen Anklage Pavels an die als despotisch empfundene Autorität des Ziehvaters ebenso wie in dem fordernden Appell Annas an die auktoriale Berufung des Künstlers. >You are an artist, a master,' she says. >lt is for you to bring him back to life.'
Master. lt is a word he associates with meta! - with the tempering of swords, the casting of bells. A master blacksmith, a foundry-master. Master of life: strange term. But he is prepared to reflect on it. He will give a home to any word, no matter how strange, no matter how stray, if there is a chance it is an anagram for Pavel. ,[ am far from being a master,' he says. >There is a crack running through me. What can one do with a cracked bell? A cracked bell cannot be mended.' What he says is true. Yet at the same time he recalls that one of the bells of the Cathedral of the Trinity in Sergiyev is cracked, and has been from before Catherine's time. lt has never been removed and melted down. lt sounds over the town every day. The people call it St Sergius's wooden leg. (MP: 140f.)
In dieser tastenden, aber unglaublich dichten Beschreibung Dostoevskys als Meister kontrastiert sich das zu formende unorganische Material mit dem Leben. Auch überlagert sich das Bild vom Metall schmiedenden Meister mit seinem eigentlichen Kunstwerk, der Glocke. Seine lautstarke, wenn auch gebrochene Artikulation ist dabei direkt an eine körperliche Versehrtheit gekoppelt. Nicht zuletzt in dieser Versehrtheit muss der Begriff vom Meister gegen sich selbst gekehrt bleiben. So ist nicht verwunderlich, dass der Roman die Zuschreibung des Meisters metaphorisch umkehrt. Der Erzähler nennt Dostoevskys Passivität im Griff der Machenschaften Nechaevs »a reluctant dog following its master« (MP: 175). Es geht dabei nicht um Herrschaftsbeziehungen. Auch das eigentliche Pendant zum Meister, der Schüler, taucht im Roman nicht auf. Die Umkehrung in das Hündische aber ist bereits in der vorherigen Definition des >meisterhaften< Dostoevskys enthalten, also in demjenigen, der die Knochen, die Gebeine der Toten aufwühlt.
14 Die Mittelbarkeit des psychologische Moments sieht Coetzee bereits in Dostojewskij reflektiert. »Dostoevsky's ethical critique is that these [psychological self-analyses] are merely ways of making oneself into the hero of a story for the modern age" . (DP: 244)
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Der Hund als Figur ist auf der Friedhofsinsel eine symbolische Manifestation des Todes unter den Lebenden. Der Tod erscheint bildhaft »like a dog that has taken up residence with him« (MP: 52). Doch geht das Erscheinen des Hundes über die symbolische Figuration hinaus - vor allem in jenem in einem Hinterhof angeketteten Tier, um das sich Dostoevsky sorgt. Nur dadurch, dass das Tier nichts außer eine gleichzeitige Fremdheit und Nähe des Kreatürlichen figuriert, kann von ihr eine Ansprache ergehen. Diese kann weder beantwortet noch zurückgewiesen werden. »Because it is not his son he must not go back to bed but must get dressed and answer the call.« (MP: 80; vgl. Marais 1998, Attridge 1996) Und lediglich als unsymbolische Ähnlichkeit jenseits des signifikanten Zeichens wird die Kreatur zum Ausgangspunkt einer symbolischen Übertragung. He is waiting for a sign, and he is betting (there is no grander word he dare use) that the dog is not the sign, is not a sign at all, is just a dog among many dogs howling in the night. But he knows too that as long as he tries by cunning to distinguish things that are things from things that are signs he will be defeated; and feeling its iron hardness, he is at his wits' end, like a dog on a chain that breaks the teeth that gnaw it. And beware, beware, he reminds himself: the dog on the chain, the second dog, is nothing in itself [ ... ] not an illumination, merely an animallikeness! (MP: 83)
So ist die symbolische Autorität des Meisters stets vom Hündischen gezeichnet. Seinen eigentlichen Gegenpart findet er aber in den »bösen Geistern«. The Master of Petersburg entfaltet dieses Sujet in der Korrespondenz zum Titelmotiv des Romans von Dostojewskij: den Dämonen, den Teufeln, den Besessenen. Ihren Ursprung haben sie in den von Dostojewskij gewählten Mottos - das eine dem Lukasevangelium entnommen, in welchem von dem Ausfahren der bösen Geister aus den Menschen in die Schweine erzählt wird, das andere dem gleichnamigen Gedicht Puschkins entliehen, dem Urvater einer Europa zugewandten russischen Literatur. Der Originaltitel des Romans, Bessy, wird sowohl im Englischen als auch im Deutschen innerhalb des genannten Begriffsfeldes unterschiedlich prononciert wiedergegeben. Die deutsche Neuübersetzung von Swetlana Geier legt aber überzeugend den Schluss nahe, dass Dostojewskij mit seinem Titel sehr gezielt »böse Geister« bezeichnet (in Dostojewskij 1998: 942f.). Dostojewskijs allen moralischen Prinzipien trotzender Antiheld Stawrogin vermag in seiner Manie keinen »Dämon« erkennen, sondern nur »ein kleines, ekelhaftes, skrofulöses, böses Geistchen« (Dostojewskij 1998: 387) - also eher eine >naturalistische< oder (paradoxerweise) gar >materialistischeWhat is the value of literature?«< (Garber 1999: 84). Denn was bewerkstelligt dieses »really« anderes, als in der Aussage über die Tiere eine spiegelbildliche Entsprechung zu erkennen, zumindest aber die Tiere nur als Mittel zu einem anderen Zweck verstehen zu können? An anderer Stelle zieht Costello eine ähnliche, und doch etwas andere, Analogie zu jener mit der Shoah. In einem späten Gespräch mit ihrem Sohn merkt Costello an, dass moderne Zivilisationen Tiere wie Kriegsgefangene behandeln würden. »The prisoner of war does not belong to our tribe. We can do what we want with him. W e can sacrifice him to our gods. We can cut his throat, tear out his heart, throw him in the fire. There are no laws when it comes to prisoners of war.« (LA: 58f.) Schwierig bleibt, bei all diesen Kommentaren eine Richtung zu benennen, in welche die Analogie zielt: Ob die Tiere benutzt werden, um einen gesellschaftlichen Sachverhalt zu erklären, oder umgekehrt.
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Ob neben dem ausdrücklichen Verweis auf die Shoah, ungesagt auch eine Analogie zum totalitären Apartheidstaat mitschwingt, sei ausgeklammert.
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Coetzees Texte lösen sich von einem solchen Prinzip der Stellvertretung und zielen auf eine gemeinsame Basis. Es scheint daher ratsam, Coetzees Text nicht mehr nach seinen vermeintlich offenkundigen Analogien zu befragen, sondern nach dem >Stand seiner Ähnlichkeitendas Wesender Natur< der Ähnlichkeiten gefragt werden. Was bedeutet es für Costello, diesem ähnlich zu werden - sich Kafkas Affen anzuverwandeln, so wie Rotpeter seine Natur >überwundenäffische< Sprechen einer materiellen Ähnlichkeit. In »The Lives of Animals« hat eine Tendenz der Texte Kafkas eine Resonanz gefunden, nämlich ihr steter Sog, Differenzen in ihrem materiellen Träger aufgehen zu lassen. So kann Ähnlichkeit aber nicht länger als Nebeneinander oder Ersatz von ldentitäten verstanden werden, so wie Rilkes Panther von Costello noch als »stand-in for something eise« (LA: 50) benannt wird, sondern nur als Enunziation von Ähnlichkeit, die nicht ersetzt, sondern >entsetzt< und in einem neuen Kontext einbettet. Zwischen dem tierischen und dem menschlichen Wesen, getrennt durch die beschriebene Wunde, gibt es in dieser Hinsicht keine reziproken Analogien. Die Enunziation der Ähnlichkeit dagegen kann innerhalb der Vernunft (»the gabble of reason«) keine eigentliche Position einnehmen. 10 Gegen das Differenzdenken der Vernunft, dessen Fehlen bei den Tieren laut Costello als Basis genommen wird, dass der Mensch sie ohne jegliches Mitgefühl ausbeuten kann, setzt Coetzee die Verkörperung und ein Ähnlich-Werden. These einer derartigen Lektüre von Kafka und Coetzee ist, dass die Erlangung der Vernunft nur dank eines vormaligen äffischen Vermögens der Anverwandlung möglich gewesen ist, dass allerdings die Gewalt (der Dressur) den Rückgriff auf dieses äffische Vermögen unmöglich machen musste, und dass daher jegliches Vernunftdenken an dieses gebunden bleibt, wenn es dieses auch auszuschließen trachtet. Vor einer detaillierteren theoretischen Erörterung von Rotpeters äffischem
10 Die Schwierigkeiten einer Gegenposition zum Diskurs der Vernunft hat Coetzee in Giving Offense, u.a. ausgehend von Michel Foucault, beschrieben. Die Vernunft als Machtstruktur ist dahingehend ohnmächtig, ihr vermeintliches Gegenteil grundsätzlich als ausgeschlossen und letztlich nur als Schweigen manifestieren zu können. Die Paradoxien und Aporien, die zwangsläufig auftreten, sobald dieses Schweigen (des Wahnsinns, des Körpers, der Stimme) eine sprechende Position einnehmen soll, kontert Coetzee mit der immer wieder neu einsetzenden Befragung der eigenen Aussageposition. Er merkt dies mit Verweis auf einen Kommentar Shoshana Feimans zur Debatte zwischen Foucault und Derrida über Vernunft und Wahnsinn an (GO: 87). Auch die Apartheid erscheint einerseits als völlig wahnsinnig, anderseits beharrlich der Vernunft verschrieben und den Wahnsinn ausklammernd. Vgl. hierzu Coetzees Essay zu den Schriften Geoffrey Cronjes (GO: 163ff.).
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Vorleben bedarf es einer EntschlüsseJung des spezifischen Textverständnisses der Costello-Erzählungen.
Einbettung, Verkörperung, Enunziation Costello sieht die wesentlichen Merkmale einer nichtplatonischen Poetologie in der Verkörpenmg und textlichen Einbettung. Hier ist die behutsame Wortwahl hervorzuheben, mit der sie über die Repräsentationslogik hinauszugehen sucht. »[I]t is a matter - I emphasize - not of inhabiting another mind but of inhabiting another body. That is the kind of poetry I bring to your attention today: poetry that does not try to find an idea in the animal, that is not about the animal, but is instead the record of an engagement with him« (LA: 51). Dieses Diktum hat Konsequenzen für die Darstellung des Lebens der Tiere als »embodied-being« (LA: 34). Hinsichtlich der hier gewählten Definitionen kann es nicht mehr allein darum gehen, wie der Text Verkörperung repräsentiert, sondern in welcher Weise er selbst Verkörperung ist. Der gesamte Aufbau der Costello-Vorträge ist, wie bereits angedeutet, eine vielschichtige Transposition und Inszenierung von Einbettungen statt Entsprechungen, Ähnlichkeiten statt Analogien. Erzählung, Vortrag, Bericht - Coetzee, Costello, Kafka - Costello, Rotpeter, Sultan. Innerhalb dieser Konstellation gibt es keine hierarchischen Argumentationsebenen, kein Gesetz der Serie jenseits der Verkettung von Übertragungsfeldern. Es ist nicht (oder zumindest erst in einer späteren Instanz) Kafkas Bericht, welcher Coetzees Text oder Cestellos Vortrag legitimieren würde, nicht Sultans Erfahrungen, welche Rotpeters Erlebnisse repräsentativ werden ließen. Sultans Griffe nach den Bananen sind narrativ ebenso ausgestaltet und als Rahmen ebenso signifikant wie Cestellos verzweifelte Umarmung ihres Sohnes, wie Rotpeters durch die Kleidung sprießender Affenschwanz. In der Rahmengebung überlagern sich Textkörper und sprachlicher Ausdruck der Verkörperung. Als Kontextualisierung und gleichzeitige Unterbrechung der Erzählung oder Argumentation wirken diese Schilderungen performativ, da sie auch einen Sinnzusammenhang außerhalb des bisher Repräsentierten erstellen- ohne allerdings die aus ihr hervorgegangenen Differenzierungen zu essentialisieren. In der Einbettung ist es der Text selbst, der sich ähnlich macht, es ist Costellos Bericht, der sich dem des Rotpeters anverwandelt. Obwohl die Begriffe Einbettung, Verkörperung und Enunziation nicht synonym verwendet werden, erscheinen sie doch in zunehmend deutlicher Korrespondenz und einer noch näher zu bestimmenden Verschränkung. In dieser gewinnen die zu Beginn zitierten Bemerkungen Cestellos zum Realismus und zu Kafkas Schreiben eine neue Schärfe. Hier sind ihre Schlüsselbegriffe noch einmal (kursiv) hervorgehoben:
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J.M. (OETZEES SCHRIFTEN 1990-1999 [R]ealism is premised on the idea that ideas have no separate existence, can exist only in things. So when it needs to debate ideas, as here, it is driven to invent situations [ ... ] in which characters give voice to contending ideas and thereby in a certain sense embody them . The notion of embodying is cardinal. ln these debates, ideas do not and indeed cannot float free: they are tied to the speakers by whom they are enounced, are generated from the matrix of individual interests out of which their speakers act in the world. (WR: 65) Kafka's ape is embedded in life. lt is the embeddedness that is important, not the life. His ape is embedded as we are embedded, you in me, I in you. The ape is followed through to the end, to the bitter, unsayable end, whether or not traces are left on the page. Kafka stays awake during the gaps when we are sleeping. (WR: 80)
Dieses zweite Zitat ist der bemerkenswert dichten Schlusssequenz aus »What is Realism?« entnommen. In deren Verlauf konfrontiert John, im Nachhall seiner Affäre mit der Literaturwissenschaftlerirr Susan Moebius und noch bevor Mutter und Sohn die Heimreise antreten, letztere erneut mit der Frage nach Kafkas Bezug zur Darstellungsform des Realismus. Während beide abwechselnd, aber einander im Kern widersprechend, den realistischen Erzähler figurativ als Zoowärter zu beschreiben suchen, welcher die Unmengen anfallender Elefantenexkremente entsorgen muss, werden sie in dieser gleichsam profan-düsteren wie grotesk-heiteren Inszenierung in der Wartehalle des Flughafens von einer offensichtlich fresswütigen Frau mit elefantäsen Ausmaßen beäugt. Der Vergleich der literarischen Einbettung des Rotpeter zur Beziehung zwischen Mutter und Sohn birgt jenen dialogischen Gestus des »you in me, I in you«. Dieser wird aber nicht an ein epistemologisches Muster gegenseitiger Anerkennung gebunden, sondern manifestiert sich eben in dem Akt der Verkörpenmg, in dem sich der Sprecher aus dem >du< heraus in der Welt positioniert. Ein derartiges Gegenüber, dass >wir< also, um >uns< artikulieren zu können, immer schon im >du< eingebettet sein müssen, ist somit einer analogen Identität vorläufig, die anerkannt werden könnte. Diese Verschränkung von Verkörperung und Einbettung in einer dialogischen Konstellation entwirft weitere Bilder (vor allem in der Sorge Johns um seine Emergenz bzw. seine mütterliche Abkunft) zunächst über eine kurze Reflexion seines eigenen poetischen Artikulationsvermögens: Sleep, he thinks, that knits up the ravelled sleeve of care. What an extraordinary way of phrasing it! Not all the monkeys in the world, picking away at typewriters all their lives, would come up with those words. Out of the dark
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emerging, out of nowhere: first not there, then there, like a newborn child, heart, heart working, brain working, all the processes of that intricate electrochemicallabyrinth working. A miracle. He closes his eyes. (WR: 76)
In dieser Schilderung taucht ein Leben plötzlich aus dem Nichts auf, eigentlich aber aus dem Vergleich mit der Herkunft der poetischen Worte Johns. Es emergiert förmlich aus deren Artikulation, welche sich dann aber durchaus von den die Schreibmaschinen bearbeitenden Affen (Kafkas sprechendem Affen?) abhebt. Mit dieser Szene ist nicht, oder weniger, das Enigma literarischer Originalität gemeint- wie John von seiner Mutter der Schriftstellerirr sagt, das sie sichtrotz aller Übertragungen und Zitate von den großen Meistem zu emanzipieren und an ihnen zu messen suche. Auch geht es hier nicht um ein vermeintliches Primat des Wortes vor der Existenz des lebenden Körpers. Gemeint ist hier die Verschränkung eines verkörperten Lebens mit der sprachlichen Einbettung in der enunziativen Ähnlichkeit. Das faktische Leben, »the substrate of life«, welches Tiere und Menschen kategorisch teilen (LA: 35), birgt die Möglichkeit von Ähnlichkeit, gibt aber diese außerhalb der Enunziation nicht preis. Geradezu besessen von der Materialität zeigt sich John in seinem eindringlichen Bekenntnis seiner mütterlichen Abkunft gegenüber Susan Moebius. »I am her son. Nota foundling, not an adoptee. Out ofher very body I came, caterwauling.« (WR: 77) Auch hier wieder die Kulmination der Darstellung des noch rein verkörperten Lebens in einer Tiermetapher, hier dem Katzenjammer. Ebenso eindringlich, aber auch höchst ambivalent, versucht John sich in der abschließenden Szene gerrau dieser Einsicht wieder zu entziehen, als er im Anflug auf den Flughafen den Sitzgurt seiner schlafenden Mutter justieren will. »He can see up her nostrils, into her mouth, down the back of her throat. And what he cannot see he can imagine: the gullet, pink and ugly, contracting as it swallows, like a python, drawing things down to the pear-shaped belly-sac. He draws away, fastens his own belt, sits up facing forward. No, he teils himself, that is not where I come from, that is not it. « (WR: 81) Auffällig ist hier die anatomische Beschreibung, die Imagination in den Verdauungstrakt der Mutter, welche schließlich in der verzweifelten Negation seiner Abkunft mündet. Das Wort »belly-sac« ist unklar, in dieser Form kaum gebräuchlich, eigentlich eine Hypertrophie, denn »belly«, der geschwollene Bauch, ist per Definition bereits ein sackförmiger Behälter. Gemeint ist ein (bei Schlangen nach dem Verschlingen ihrer Beute übliches) groteskes Aufblähen des Verdauungstrakts. Allerdings konnotiert das Wort bereits metonymisch die Gebärmutter. So ist Johns Negation seiner Herkunft in sich bereits symbolisch unscharf, verfehlt. Trotzdem drückt er
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Schrecken und Scham der eigenen unsagbaren Abkunft aus (ähnlich dem unsagbaren Ende, welches auch Kafka bei seinem Affen verfolgt, ganz gleich ob Spuren auf dem Papier verbleiben), wenn sich die eigene Identität als die imaginäre Loslösung aus der Einbettung im Gegenüber entpuppt. Es mag hier auch eine gewisse textliche Selbstreferenz des fiktionalen Entwurfs Johns (dann als Kopfgeburt) mitschwingen, doch die Geste des Textes ist eine andere. Sie ist Ausdruck des Schreckens vor dem Ursprung des eigenen Artikulationsvermögens. Die Analogie zu den Tieren markiert die Körperlichkeit menschlicher Äußerungen, ihr Stattfinden im Körper. Es sei daran erinnert, dass Coetzee dem Körper, der dann nicht mehr nur als Medium von (eventuell auch traumatischen) Einschreibungen verstanden wird, sondern seine eigene Sprache ist, eine unantastbare Macht (auch in der konkreten politischen Situation) zuspricht (DP: 248). Und es sei auf die folgende genaue Erörterung der Geste verwiesen, der Geste als nicht zu archivierender Zusammenhang von Körper und Artikulation und als Kernausdruck in Walter Benjamins Kafka-Essay. Zuvor sind Benjamins sprachtheoretische Überlegungen Stichwortgeber, wem1 es darum geht, die Costello-Berichte am nachhaltigsten dem platonischen Verständnis von Mimesis zu entziehen. Mimetisches Vermögen Vonall den zahlreichen provokanten Argumenten bringt eine Spekulation Costellos strittiges, ja skandalöses Anliegen auf den Punkt. Despite Thomas Nagel, who is probably a good man, despite Thomas Aquinas and Rene Descartes, with whom I have more difficulty in sympathizing, there is no Iimit to the extend to which we can think ourselves into the being of another. There are no bounds to the sympathetic imagination. lf I can think my way into the existence of a being who has never existed [Marion/Molly Bloom], then I can think my way into the existence of a bat or a chimpanzee or an oyster, any being with whom I share the substrate of life. (LA: 35)
Die uneingeschränkte Vorstellungskraft des Mitgefühls ist Leitprinzip, nicht erst von »The Lives of Animals«, sondern bereits implizit von »What is Realism?«. Der Begriff »sympathetic imagination« scheint sorgsam gewählt. Anders als die Einfühlung oder Empathie (der Begriff eines romantischen Kunstideals, welcher eine Transzendenz von Subjekt und Objekt beschreibt und den Coetzee hier vermeidet) vermittelt das Mitgefühl einen möglichen Modus des Teilens, der sich hier auf »the substrate of life« bezieht. Statt eines aktiven Hineinversetzeng suggeriert er die Passivität eines Mitleidens. Andererseits ist Costello aber nicht so
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naiv, diese Grenzenlosigkeit nicht doch zumindest ironisch zu konditionieren, wenn sie ihre Vorbehalte anmeldet, mit Aquin und Descartes zu »sympathisieren«. Die Grenzen, die wir der Vorstellungskraft des Mitgefühls setzen, sind grundsätzlich Konditionen des Subjekt, nicht des Objekts. Sie mögen notwendig sein, sind letztlich jedoch willkürlich. Die Vorstellungskraft des Mitgefühls mag zunächst grenzenlos sein, sie verleiht dem Subjekt aber keinerlei Autonomie. In diesen ethischen Implikationen findet Costellos Vorstellung vom Umgang mit dem Leben der Tiere ihre Impulse. Während Susan Moebius das uneingeschränkte Vorstellungsvermögen noch als »just mimikry« abtut, als ein natürliches Privileg der Frauen (WR: 73), soll hier seine theoretische Basis entworfen werden, um so retrospektiv zu erkennen, in welcher Form diese Kernthese Costellos unmittelbar mit den bisherigen Erörterungen zur Frage der Ähnlichkeit zusammenhängt. Obwohl auffällig erscheint, dass Costello ausgehend vom Gedanken des »embodied-being« zur uneingeschränkten Vorstellungskraft des Mitgefühls gelangt (LA: 34f.), so bleibt doch ein entsprechender theoretischer Erklärungsentwurf, zumal sie einen solchen der klassischen Philosophie abspricht und nur in der Literatur umgesetzt sieht, in ihren Darstellungen unausgearbeitet. Um so bedeutsamer erscheint in diesem Kontext ein Zitat Walter Benjamins. In einem Schriftfragment zum Kunstwerkaufsatz betont Benjamin seine »Erkenntnis, daß die erste Materie, an der sich das mimetische Vermögen versucht, der menschliche Körper ist« (Benjamin 1977ff.: VI, 127; zit. Lang 1998: 105). Diese Erkenntnis will er dann für eine Urgeschichte der Künste fruchtbar machen. Angesichts dieses Vorzeichens steht das gesamte Projekt Cestellos in Resonanz zu Überlegungen, die sich bei Walter Benjamin an der Schnittstelle seiner sprach-, Iiteratur- und geschichtstheoretischen Überlegungen finden lassen und in jenem Konzept des mimetischen Vermögens gründen. Bei Coetzee gibt es im Gegensatz zu der großen Präsenz Franz Kafkas sowohl in den literarischen als auch den literaturwissenschaftliehen Schriften bis 1999 keinen ausdrücklichen Verweis auf Benjamin. Erst im Januar 2001 erscheint in der New York Review ofBooks ein sehr ausführlicher und dichter Artikel zum deutsch-jüdischen Philosophen, der anders als Kafka den Nationalsozialismus noch erlebt, wenn auch nicht überlebt hat. In diesem Artikel rezensiert Coetzee die englischen Übersetzungen der autobiographischen Schriften Benjamins und seines Passagenprojektes. Coetzee legt dabei sein umfassendes Wissen des Gesamtwerks Benjamins an den Tag. Unter anderem präsentiert er in einem eingeschobenen, recht isoliert stehenden längeren Abschnitt auch einen Abriss der sprachtheoretischen Schriften Benjamins, obwohl diese zunächst nicht Gegenstand der Rezension sind (MB: 30). Es lässt sich also annehmen, dass, trotz der zuvor
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fehlenden Referenz, Coetzee bereits zum Zeitpunkt des Verfassens von »The Lives of Animals«, also wenige Jahre vor dem Benjamin-Aufsatz, entweder ein Großteil der Schriften Benjamins bekannt waren oder aber ihn seine eigenen Überlegungen zu Benjamins Sprachtheorie geführt haben. Benjamin spricht in den zwei kurzen Essayversionen zum mimetischen Vermögen (»Lehre vom Ähnlichen« und »Über das mimetische Vermögen«) von einer menschlichen Fähigkeit, unsinnliche Ähnlichkeiten zu produzieren als Rudiment eines phylogenetisch wie ontogenetisch zurückliegenden gewaltigen Zwanges zur Anverwandlung (Benjamin 1977ff.: Il.l, 210). Diese Fähigkeit habe aber eine historische Veränderung erfahren, derart, dass was zunächst als seine Hinfälligkeit in modernen Gesellschaften erscheine, letztendlich statt einem Verfall eher einer Transformation oder gar einer Ausbildung und Zuspitzung gleichkomme. Inbegriff dieser Zuspitzung seien Sprache und Schrift, allerdings jenseits der Repräsentation in einem differentiell semiotischem System (retrospektiv betrachtet also jenseits einer saussuresehen Linguistik). Nicht zuletzt in dieser Lektüre Benjamins 11 kommt die offenkundigste Parallele zu Coetzees Darstellungen zum Tragen. Das mimetische Vem1ögen impliziert immer ein »Heraustreten aus der Zirkulation der Zeichen« (Lang 1998: 112). Und doch, »[a]lles Mimetische der Sprache kann[ ... ], der Flamme ähnlich, nur in einer Art von Träger in Erscheinung treten. Dieser Träger ist das Semiotische.« Benjamin fährt fort: So ist der Sinnzusammenhang der Wörter oder Sätze der Träger, an dem erst, blitzartig, die Ähnlichkeit in Erscheinung tritt. Denn ihre Erzeugung durch den Menschen ist - ebenso wie ihre Wahrnehmung durch ihn - in vielen und zumal den wichtigen Fällen an ein Aufblitzen gebunden. Sie huscht vorbei. Nicht unwahrscheinlich, daß die Schnelligkeit des Schreibens und des Lesens die Verschmelzung des Semiotischen und des Mimetischen im Sprachbereiche steigert. [ ... ] ·Was nie geschrieben wurde, lesen.• Das Lesen ist das älteste: das Lesen vor aller Sprache, aus den Eingeweiden, den Sternen oder Tänzen . Später kamen Vermittlungsglieder eines neuen Lesens, Runen und Hieroglyphen in Gebrauch. Die Annahme liegt nahe, daß dies die Stationen wurden, über welche jene mimetische Begabung, die einst das Fundament der okkulten Praxis gewesen ist, in Schrift und Sprache ihren Eingang fand. Dergestalt wäre die Sprache die höchste Stufe des mimetischen Verhaltens und das voll· kommenste Archiv der unsinnlichen Ähnlichkeit: ein Medium, in welches ohne 11 Diese Lektüre folgt weitgehend den Erörterungen Tilman Langs (Lang 1998), vor allem in der Frage, in welchem Verhältnis bei Benjamins sprachtheoretischen Überlegungen Semiosis und Mimesis stehen - ungeachtet dessen, dass diese Frage gelegentlich zu einer Gleichschaltung von anthropologischen, phi· losophischen und psychoanalytischen Konzepten führt.
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Rest die früheren Kräfte mimetischer Hervorbringung und Auffassung hineingewandert sind, bis sie so weit gelangten , die der Magie zu liquidieren_ (Benjamin 1977fL: 11.1 , 213)
Der Ausgangspunkt jener mimetischen Begabung in der Mimikry ist sicherlich wichtig, aber nicht eigentlich Benjamin-spezifisch, denn diesen Verweis finden wir auch bei anderen philosophischen und anthropologischen Überlegungen der Zeit. 12 Das wirklich Besondere des mimetischen Vermögens im Sinne Benjamins ist vielmehr zweierlei: einerseits der Umstand, dass die für seine, jegliche Abbildtheorie unterwandernden, Überlegungen maßgebliche Ähnlichkeit eine unsinnliche ist; dass somit die sinnlich wahrnehmbaren Ähnlichkeiten, obwohl auch diese auf eine vorsubjektive, in der Natur waltende Mimikry zurückgehen, nur einen geringen Ausschnitt aus einer zahlenlosen Menge an Ähnlichkeiten darstellen; und dass schließlich die unsinnlichen Ähnlichkeiten, obwohl sie für den Menschen nicht mehr erfassbar sind, trotzdem wirksam bleiben. 13 Andererseits der ambivalente Status, den die unsinnlichen Ähnlichkeiten in der Sprache einnehmen, wem1 diese gleichzeitig Rudiment und Ausfornmng des ursprünglichen Vermögens ist, soweit sogar, dass das mimetische Vermögen in der Sprache seinen magischen Ursprung abrufen kann. 14 Die Abkehr vom Magischen und die Hinwendung zu diesem ambivalenten Status findet sich übrigens verstärkt in Benjamins zweiten, die Sensibilitäten seiner verschiedenen Korrespondenzpartner verstärkt berücksichtigenden, Version der beiden Essays. Wenn sich in diesem das mimetische Moment zusehends von seiner magischen und okkulten Erscheinungsform abtrennt, so ohne für Benjamins typische Verquickung von materialistischen und messianischen Elementen innerhalb seiner Sprachtheorie unrelevant zu werden (vgl. Lang 1998: 33f.). 12 Wie später auch in Max Horkheimers und Theodor Adornos Dialektik der Aufklärung (Horkheimer 1987: 209ff.). Für eineneuere Erörterung der Mimikry in der Übertragung auf ein postkoloniales Untersuchungsfeld vgl. Homi Bhabha, ··Of Mimicry and Man: The Ambivalence of Colonial Discourse" (Bhabha 1994: 85ff. ). 13 Bei Benjamin zeigt sich im Prozess des Übersetzens ein derartiges Wirken. Was Benjamin die unsinnliche Ähnlichkeit nennt, scheint sich schriftsprachlich in der »Art des Meinens'' zu manifestieren. Für den Zusammenhang zwischen den semiotischem Sprachprozessen und seinen mimetischen Modalitäten im Sinne Benjamins, dem Gemeinten und der Art des Meinens innerhalb .. reiner Sprache", vgl. somit das Vorwort zu seinen Übertragungen von Baudelaire, »Die Aufgabe des Übersetzers,, (Benjamin 1977ff.: IV.1, 9ft.; hier besonders 14). 14 ln einer Vorstudie zur »Lehre vom Ähnlichentheatralische< Zusammenkunft bleiben. Dies ist keineswegs als Defizit zu verstehen. 6 Der englische Begriff >reconciliation< trägt noch das Konzil, auch trotz des für Südafrika fragwürdigen rückweisenden Präfixes, das eine vorherige gleichberechtigte Gemeinschaft suggeriert. Wenn der Roman selbst derweil wenig versöhnlich scheint, so ist er doch gewiss kein Pamphlet ftir oder wider die TRC - und doch eine unausgesprochene Auseinandersetzung mit ihr. Disgrace mag zwar in seinem zweiten Teil in dem Widerspruch verstanden werden, dass sich soziale Gerechtigkeit nach der Apartheid, so wie sie die TRC propagiert, gleichermaßen mit der Ungerechtigkeit auseinandersetzen wie über sie erheben muss. 7 Auf ein derartiges symbolisches Erzählmotiv reduzieren lässt sich der Roman aber nicht. Disgrace ist vorrangig die Inszenierung mehrfacher, ja verketteter Transgressionserfahrungen, verzichtet aber darauf, diesen einen kathartischen Effekt anbei zu stellen. Ein Schauspiel ohne Läuterung, da es Effekt nicht mit Affekt zusammenfallen lässt; ein Schauspiel ohne eigene Bühne, das sich selbst einen Rahmen geben muss. Wie die TRC findet Disgrace seine Artikulationsmöglichkeit nicht nur in einer Erzählbarkeit, durch welche eine historische Wahrheit als ein Teil des Ganzen wiedergegeben und in welcher ein Teil mit dem Ganzen versöhnt werden könnte, sondern in einem >Szenischen der DarstellbarkeilWie ein Hund!< sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben.« (Kafka 1994: III, 241) Wie bereits »The Lives of Animals« testet auch Disgrace das Menschliche in der Relation zum Leben der Tiere über jene uneingeschränkte Vorstellungskraft des Mitgefühls aus. Auch hier hat diese bereits ihre Unschuld verloren, da sie erst in dem Licht eines verstoßenen Lebens sichtbar wird. So ist es wohl charakteristisch für die Scham und Schande als Zeichen der Verstoßung, dass sie, während sie sich im Bezug zu den Hunden manifestieren (Wesen, die weder Scham noch Schande empfinden können), die Möglichkeit jener oft evozierten uneingeschränkten Vorstellungskraft des Mitgefühls liefern. Für Jonathan Lamb stehen Scham und Schande in einem absonderlichen Verhältnis zu dieser. Der Roman ästhetisiere eine psychologische Dynamik, wenn jener Stand des »disgrace« (neben dem Verlust eines Liebesobjekts) den Betroffenen in die Empfindungswelt eines anderen Wesens wirft. Coetzee's complex idea of disgrace is intented to dismantle that barrier [die zwischen den Herzen zweier Wesen steht und die Möglichkeit für ein anderes Wesen zu sprechen zunichte macht, die aber durch die Annahme einer kognitiven Verständigung nur verstärkt werden würde]. Disgrace is a collapse of the ego induced by pain and humiliation so severe that the acute sense of dispossession and self-disgust accompanying it is not a hypothesis or fantasy but a brutal expulsion from familiar thoughts into presentiments so alien, unconsoling, and vivid that they could belang to someone else or something else. (Lamb 2001: 138)
Inwieweit der Roman derart psychologisch argumentiert, und ob eine derartige Verbindung zwischen einem psychologischen und einem ästhetischen oder ethischen Moment direkt abgeleitet werden kann, sei dahingestellt. Die Verbindung zu einer moralischen Unterscheidung von gut und böse gibt es, laut Coetzee, zunächst nicht. 11 Zumindest die Möglichkeit des Mitgefühls macht, so ungeheuerlich ihm das erscheint, bei Lurie nicht einmal vor den Vergewaltigem halt. Nicht nur legt er ihnen Worte in den Mund, »call your dogs! No dogs? Then let us show you dogs!«, er sieht sich auch in der Lage, in seiner Imagination an der Vergewaltigung teilzuhaben, »he can, if he concentrates, if he loses himself, be there, be the men, inhabit them, fill them with the ghosts of hirnself The question is, does he have it in him to be the woman?« (Dg: 160) Diese Feststellung erschöpft sich gewiss nicht in seiner vorherigen lapidaren Verhöhnung des naiven Altruismus der Tierschützer, als er vom Drang spricht, 11 Diesem spezifischen Problem hat Coetzee sich in seiner späteren CostelloErzählung, »The Problem of Evil", angenommen (EC: 156ff.). 189
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loszuziehen, »to do some raping« (Dg: 73), sondern verbleibt als unlösbare Aufgabe. Für Lurie, der zumindest noch zu Beginn eine Grenze des Mitgefühls im Rahmen der Literatur selbst erkannt haben wollte, zum gefallenen Engel aus Byrons Gedicht »Lara« (Dg: 33), entzieht sich mehr und mehr die Gewissheit einer derartig festlegbaren Grenze. Sie tut dies gerade zu dem Zeitpunkt, als seine Umwelt ihm jegliche Anteilnahme verweigert. Für ihn könne es kein Mitgefühl mehr unter den gegebenen Umständen geben, konstatiert seine Ex-Frau, wobei diese bereits, im Blick der zurückliegenden Erörtenmgen völlig unangemessen, das Mitgefühl mit dem Erbarmen gleichgesetzt hat. »No sympathy, no mercy, not in this day and age.« (Dg: 44)
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