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German Pages 307 Year 2004
Beiträge zum Informationsrecht Band 9
Netz und Nutzung Rechtspositionen vertikal integrierter Betreiber digitaler Breitbandkabelnetze
Von Andreas Bauer
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
ANDREAS BAUER
Netz und Nutzung
Beiträge zum Informationsrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Hansjürgen Garstka, Prof. Dr. Michael Kloepfer, Prof. Dr. Friedrich Schoch
Band 9
Netz und Nutzung Rechtspositionen vertikal integrierter Betreiber digitaler Breitbandkabelnetze
Von Andreas Bauer
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristenfakultät der Universität Leipzig hat diese Arbeit im Jahre 2003 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1619-3547 ISBN 3-428-11446-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Wie sind die Freiheit des Einzelnen und dessen verpflichtende Verantwortung für das Ganze ins rechte Verhältnis zu setzen? Dieses Problem begegnet dem Juristen in vielerlei Gestalt. Im Rundfunkrecht stellt sich die Frage derzeit in aller Schärfe mit Blick auf die (privatisierten) Betreiber der Breitbandkabelnetze: Welche Freiräume genießen, welchen Verpflichtungen unterliegen diese Unternehmer, wenn sie ihre Netze für eigene Rundfunkinhalte nutzen möchten? Die vorliegende Abhandlung versucht, hier Antworten zu geben. Die Arbeit lag der Juristenfakultät der Universität Leipzig im Jahr 2003 als Dissertation vor. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Professor Dr. Christoph Degenhart für seine ausgezeichnete Betreuung. Seine Hinweise und Anregungen waren mir sehr wertvoll und unverzichtbar. Danken möchte ich außerdem Professor Dr. Christian Berger und Professor Dr. Hartmut Bauer für die zügige Erstellung der Folgegutachten sowie Professor Dr. Michael Kloepfer für die Aufnahme in die vorliegende Schriftenreihe. Mein Dank gilt weiterhin der Juristenfakultät der Universität Leipzig und der Dr. Feldbausch-Stiftung für die Verleihung des Promotionspreises. Die Dissertation entstand während meiner wissenschaftlichen Tätigkeit am Institut für Urheber- und Medienrecht in München. Die dort gewährten Forschungsbedingungen haben diese Arbeit erst ermöglicht. Stellvertretend möchte ich Professor Dr. Manfred Rehbinder und Professor Dr. Jürgen Becker sowie Dr. Matthias Lausen dafür danken. Dank schulde ich auch meinen Kollegen am Institut, allen voran Katharina von Rom sowie meinen Zimmergenossen Dr. Stefan Schmaus, Andreas Gerhardt und Till Zimmer für ihre Unterstützung. Mein Dank gilt auch der „guten Seele“ des Instituts Nicole Bentin. Herzlicher Dank gebührt schließlich meinen Eltern, die mich auf dem langen Weg bis zur Veröffentlichung dieses Buchs stets in jeder denkbaren Weise unterstützt haben. Ihnen widme ich diese Arbeit. München im Januar 2004
Dr. Andreas Bauer
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Der Kabelnetzbetreiber als Kommunikationsunternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Neue Geschäftsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Technische Rahmenbedingungen des Kabelnetzbetriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fernsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Transportmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vermarktungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Internet und Telefonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Neue Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Satellit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Technischer und wirtschaftlicher Vergleich (De-facto-Konkurrenz) . . . . . b) Rechtliche Einschränkungen des Satellitenzugangs (De-jure-Konkurrenz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtslage nach nationalem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Alleineigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc) Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gemeinschaftsrechtliche Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Alleineigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Art. 2 a RL 89/522/EWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Art. 28 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Art. 49 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Antennenverbote als Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Rechtmäßigkeit der Beschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Mieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Individualregelung über Satellitenantenne . . . . . . . . . . . . . . . (a) Unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten als Duldungspflicht des Vermieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Garantenpflicht des nationalen Zivilgesetzgebers . . . (2) Keine Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) AGB-Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc) Wohnungseigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Terrestrik (DVB-T) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Telefonnetz (DSL-Technik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sonstige Zugangstechnologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22 22 22 24 25 25 27 30 31 32 32 33 34 34 36 37 38 38 42 44 47 48 49 49 50 51 51
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Inhaltsverzeichnis
C. Der Kabelnetzbetreiber als Träger von Kommunikationsinfrastruktur . . . . . . . . . .
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I. Verfassungsdeterminierter Rundfunkuniversaldienst (Art. 87 f GG)? . . . . . . . . . . . 1. Begriffsklärung vorab: Grundversorgung und Universaldienst . . . . . . . . . . . . . . a) Grundversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Universaldienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rundfunkweiterverbreitung als Dienstleistung im Bereich der Telekommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rundfunkweiterverbreitung als Universaldienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine verfassungsrechtliche Kriterien der Zuordnung von Dienstleistungen zum Universaldienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsrechtliche Zuordnung der Rundfunkweiterverbreitung zum Universaldienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rundfunkweiterverbreitung unterfällt Universaldienst . . . . . . . . . . . . . . bb) Im Umfang der Grundversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Auf allen Übertragungswegen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Einfachgesetzliche Pflichten zur Rundfunkweiterverbreitung de lege lata . . . . . . 1. Bestand an Vorschriften über die Kabelnutzung für Rundfunkdienste . . . . . . . 2. Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Der Kabelnetzbetreiber als Träger von Grundrechten und -freiheiten . . . . . . . . . . .
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I. Der Kabelnetzbetreiber und die Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) . . . 1. Die Rundfunkfreiheit als Individual- und Abwehrrecht oder objektive Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Rundfunkfreiheit nach dem Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . b) Die Rundfunkfreiheit nach einem Teil des Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Rundfunkfreiheit nach der Gegenmeinung im Schrifttum . . . . . . . . . . . aa) Methodische Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Funktionale Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutzbereich der Rundfunkfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rundfunkveranstalter als Weiterverbreiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kabelnetzbetreiber als Weiterverbreiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Signaltransport und Rundfunkfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Reine Transportfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Transportfunktion mit Auswahlrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zusätzliche Dienstleistungen und Rundfunkfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schranken der Rundfunkfreiheit des Kabelnetzbetreibers – das allgemeine Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Medien(meinungs)neutrale Zielrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutzgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhältnismäßiger Eingriff und schonender Ausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geeignetheit und Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schonender Ausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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59 61 61 65 65 67 68
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Inhaltsverzeichnis II. Der Kabelnetzbetreiber und die Wirtschaftsfreiheiten (Art. 14 und 12 GG) . . . . 1. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhältnis der Wirtschaftsfreiheiten zur Rundfunkfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis der Wirtschaftsfreiheiten zu Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 87 f GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhältnis der Wirtschaftsfreiheiten zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Kabelnetzbetreiber und Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sachlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Persönlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt und Schranken (Eingriff) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kabelnutzungsregeln keine Enteignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einheitlicher Eingriffsbegriff der Eigentumsbestimmung . . . . . . . . . . . cc) Kabelnutzungsbestimmungen besitzen Eingriffsqualität . . . . . . . . . . . . c) Zwischen Privatnützigkeit und Sozialpflichtigkeit (verfassungsrechtliche Rechtfertigung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Legitimes Ziel, geeignetes und erforderliches Mittel . . . . . . . . . . . . . . . bb) Angemessener Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Art des geschützten Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Netzeigentum als Anteilseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Netzeigentum als Leistungseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Netzeigentum als Monopoleigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Netzeigentum als privilegiertes Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Art und Ausmaß des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc) Maß der sozialen Verflochtenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Knappe Ressource . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Angewiesenheit Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ddd) Rundfunk bricht Eigentum? – abstrakte Güterabwägung . . . . . (1) Schutzpflicht und Rundumfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Nur dienendes Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Funktional-demokratischer Bonus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Verfassungskräftige Gegengewichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . eee) Vorrang des Eigenbedarfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Kabelnetzbetreiber und Art. 12 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eingriff in den Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sachlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Persönlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einspeisevorschriften als Beschränkungen der Berufsausübung . . . . bb) Pluralismussicherung als legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Geeignetheit und Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Höhere Anforderungen bei Indienstnahme Privater . . . . . . . . . . .
9 106 106 106 108 109 110 110 110 112 113 113 115 117 118 119 120 121 121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 134 135 136 137 140 140 140 142 142 143 143 145 146 146 146 148
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Inhaltsverzeichnis III. Der Kabelnetzbetreiber und europäische Rechtspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Recht der Europäischen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gemeinschaftsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter – Keine Notwendigkeit neuer Freiheitsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 I. Was ist vertikale Integration? – eine Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 II. Welche Vorteile bringt vertikale Integration? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 III. Welche Gefahren birgt vertikale Integration? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutzgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gefahrenprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Theoretische Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Praktische Erfahrungen (vertikale Integration in den USA) . . . . . . . . . . . . . .
167 167 167 168 171
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen vor diesen Gefahren erforderlich? . . . . . . . . 1. Bestehende rechtliche Schutzmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Trennungsmodell – § 6 Abs. 3 Nr. 4 SächsPRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Carry-Rules . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) § 52 Abs. 3 Nr. 1 RStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Must-Carry im Umfang der Grundversorgung . . . . . . . . . . . . (2) Must-Carry über die rundfunkrechtliche Grundversorgung hinaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Öffentlich-rechtliche Programme der Zusatzversorgung als Bouquetbestandteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Privatrechtliche Programme als Bouquetbestandteil . bbb) § 52 Abs. 3 Nr. 2 RStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc) § 52 Abs. 3 Nr. 3 und 4 RStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ddd) § 52 Abs. 4 RStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verhältnis Kartellrecht und Rundfunkrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verhältnis des allgemeinen zum sektorspezifischen Kartellrecht . . . . cc) Dienstbarmachung des allgemeinen Kartellrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Kabelnetzbetreiber und Marktbeherrschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Markt(-abgrenzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Endkundenmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Einspeisemarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
173 173 173 174 176 176 177 177 179 180 181 182 184 187 187 191 192 193 195 197 197 198 199 202
Inhaltsverzeichnis (2) Beherrschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GWB (Kein oder kein wesentlicher Wettbewerb) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB („überragende Marktstellung“ und vertikale Integration) . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Steuerung der vertikalen Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) § 19 Abs. 1 i.V. m. Abs. 4 Nr. 4 GWB (Verbot des Missbrauchs einer „essential facility“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Marktbeherrschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Infrastruktureinrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zugangsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) § 20 GWB (Diskriminierungsverbot) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Absatz 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Absatz 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) § 36 Abs. 1 GWB (Zusammenschlussverbot) . . . . . . . . . . . . . (a) Aufgreifkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Eingreifkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Prognose der Marktstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Betroffene Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Insbesondere durch vertikale Fusion . . . . . . . . . . . (ee) Abwägungsklausel, § 36 Abs. 1, 2. Halbsatz GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) § 42 GWB, Ministererlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc) Bewertung des allgemeinen Kartellrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Dienstbarmachung des bereichsspezifischen Kartellrechts (TKG) . . aaa) Anwendbarkeit des TKG auf Fernsehsignalübertragung in Kabelnetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) § 33 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc) § 35 TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Normadressat (Zugangsverpflichteter) . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der Normbegünstigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Anspruch auf Gewährung von Netzzugang als Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Sachliche Rechtfertigung der Verweigerung des allgemeinen Netzzuganges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ddd) Bewertung des bereichsspezifischen Kartellrechts . . . . . . . . . . . . d) Rundfunkkonzentrationsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Zuschaueranteilsmodell und die Regelungssystematik der §§ 25 ff. RStV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 205 206 207 209 209 211 211 212 214 215 216 216 217 218 224 227 227 228 232 232 233 234 235 238 240 241 241 242 242 244 245 245 246 247 248 253 253 254
12
Inhaltsverzeichnis bb) Anwendung der §§ 25 ff. RStV auf vertikal integrierte Kabelnetzbetreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Der Netzbetreiber auf dem Fernsehmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Veranstaltung durch den Netzbetreiber (Eigenveranstaltung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Veranstaltung durch andere Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Der Netzbetreiber auf „medienrelevanten verwandten Märkten“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtsfolgen vorherrschender Meinungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Bewertung des Rundfunkkonzentrationsrechts nach dem RStV . . . . . 2. Tatsächliche Schutzmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Erforderlichkeit neuer Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
258 258 258 259 260 263 264 265 267
F. Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
A. Einleitung und Gang der Untersuchung Die Breitbandkabellandschaft wandelt sich grundlegend. Die tief greifenden Veränderungen lassen sich auf zwei Ursachen zurückführen: zum einen auf große technische Fortschritte im Bereich der Fernmeldetechnologie, zum anderen auf einen Paradigmenwechsel im Fernmelderecht. Ausgangspunkt des technischen Wandels ist die Umstellung von analoger auf digitale Technik. In deren Folge kann ein- und derselbe Dienst über verschiedene Übertragungswege verbreitet und umgekehrt auf einem Übertragungsweg eine Vielzahl unterschiedlicher Dienste angeboten werden. Der Betreiber eines Breitbandkabelnetzes ist also nicht mehr auf die Übertragung von Fernsehen beschränkt, sondern kann über das Netz auch Nutzungen wie Internet oder Telefonie vermarkten. Darüber hinaus eröffnet die Digitalisierung die Möglichkeit, Rundfunksignale zu komprimieren und mithin den Kapazitätsbedarf des einzelnen Programms erheblich zu reduzieren. Im Ergebnis können bei gleicher Bandbreite wesentlich mehr Programme transportiert werden. Ausgangspunkt des rechtlichen Wandels sind die Postreformen der 90er Jahre, deren weitreichende Folgen erst allmählich sichtbar werden. Mit Einführung des Art. 87 f GG wurde ein Jahrzehnte altes Organisationsmodell der Rundfunkweiterverbreitung aufgegeben: das hoheitliche Monopol des Funkanlagenbetriebes und damit die Rundfunkweiterverbreitung als staatliche Aufgabe der Daseinsvorsorge fand ein Ende 1. An ihre Stelle tritt die privatwirtschaftliche Leistungserbringung. Damit erscheint ein neuer Akteur auf der medienrechtlichen Bühne: der private Kabelnetzbetreiber. Dieser neue Unternehmenstypus will und kann sich nicht darauf beschränken, das überkommene Geschäftsmodell fortzuführen und lediglich Fernsehprogramme nach rundfunkrechtlichen Vorgaben zu transportieren. Er muss sich vielmehr neue Geschäftsfelder erschließen, um sich in einem liberalisierten Markt der Rundfunkdistribution zu behaupten. Die daraus folgenden Veränderungen deuten sich derzeit an: Der Netzbetreiber wird insbesondere den Qualitätswettbewerb mit den anderen Übertragungswegen aufnehmen. Denn dem Substitutionsdruck, welcher in erster Linie vom – nach einmaliger Anfangsinvestition – kostenfreien Satellitenempfang ausgeht, kann auf Dauer nur durch ein inhaltlich überlegenes Pro1 Nach Entdeckung der drahtlosen Verbreitung elektromagnetischer Schwingungen durch Hertz im Jahre 1887 wurde bereits durch Reichsgesetz v. 4.8.1892 (RGBl. 467) die „Funkhoheit“ des Staates begründet u. 1908 der Reichspost das ausschließliche Recht eingeräumt, Funkanlagen zu betreiben (sog. Funkgesetznovelle v. 7.3.1908, RGBl. 79), zu der historischen Entwicklung Hermann, Rundfunkrecht, § 4 Rn. 1 ff.; A. Hesse 1 ff.
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A. Einleitung und Gang der Untersuchung
grammangebot begegnet werden. Den in der Folge entstehenden Programmbedarf kann der Netzbetreiber entweder dadurch decken, dass er Programme zur Weitervermarktung von fremden Veranstaltern erwirbt oder aber – einen Schritt weiter – selber generiert (sog. vertikale Integration). Das Rundfunk- und Rundfunkverfassungsrecht tut sich bislang schwer, den beschriebenen Wandel dogmatisch angemessen zu begleiten. Der private Netzbetreiber in seiner neuen rechtlichen und technischen Freiheit hat Argwohn geweckt: Vom künftigen „Widersacher“ der Rundfunkfreiheit war die Rede 2 und insbesondere im Hinblick auf vertikal integrierten Netzbetrieb wurde die Forderung nach neuen Beschränkungen der – vor kurzem erst eröffneten – Netzbetreiberfreiheit laut. Die vorliegende Arbeit hat es sich daher zum Ziel gesetzt, die Rolle des privaten Netzbetreibers in einem sich wandelnden rechtlichen und technischen Umfeld näher zu beleuchten. Die verfassungsrechtliche Grundsatzentscheidung für Rundfunkweiterverbreitung in individueller Freiheit wird dabei ernst genommen. Die Arbeit behandelt mithin nicht nur die allfälligen Beschränkungen des Netzbetreibers, sondern stellt bewusst auch die Freiheiten seiner unternehmerischen Tätigkeit heraus. Insbesondere im Hinblick auf die vertikale Integration untersucht sie die Frage, ob es der geforderten neuen Eingriffe in die unternehmerische Freiheit des Netzbetreibers bedarf. Die Untersuchung nimmt dementsprechend folgenden Gang: Im anschließenden Kapitel (B) werden die aktuellen unternehmerischen Möglichkeiten der Kabelnetznutzung – technische und betriebswirtschaftliche – ebenso dargestellt wie das wettbewerbliche Umfeld, dem sich der Netzbetreiber derzeit ausgesetzt sieht. Die Existenz rechtlich und tatsächlich gleichwertiger Übertragungswege beeinflusst nämlich auch die verfassungs- und kartellrechtliche Beurteilung des Netzbetriebes. Besonderer Wert wird dabei auf den Satellitenempfang als zweitwichtigstem Übertragungsweg für Rundfunk in Deutschland gelegt. Dabei soll auch die Frage geklärt werden, wie das von der EU-Kommission postulierte „Recht auf Antenne“ zu deuten ist. Daran anschließend wendet sich die Arbeit Art. 87 f GG als der Schlüsselnorm des rechtlichen Wandels in der Telekommunikation zu (Kapitel C). Aus Sicht des Netzbetreibers steht hier die Frage im Vordergrund, welche Verpflichtungen ihm als Träger von Infrastruktur auferlegt werden können. Die Arbeit untersucht deshalb, ob und – wenn ja – in welchem Umfang Rundfunk als Universaldienst qualifiziert und der Netzbetreiber dementsprechend verpflichtet werden kann. Darüber hinaus werden einfachgesetzliche Regelungen über die BK-Netznutzung dargestellt und auf ihre (formelle) Verfassungsmäßigkeit hin untersucht. Im Kapitel D werden die dem Netzbetreiber zustehenden Grundrechte näher betrachtet. Besonderes Augenmerk gilt dabei zunächst der Frage, ob der Netzbetreiber sich auf die Rundfunkfreiheit berufen kann. Dabei soll auch auf den dogmatischen Gehalt dieser Freiheit – mehr Individual- und Abwehrrecht oder allein Ausdruck objektiver Ordnung – eingegangen werden. Im Anschluss wendet sich die Untersuchung den Wirtschaftsfreiheiten des 2
Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 103.
A. Einleitung und Gang der Untersuchung
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Netzbetreibers zu. Aus der Sicht privatwirtschaftlichen Netzbetriebes ist vor allem von Interesse, ob und wieweit die verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie vor Beschränkungen der Netznutzung – auch zum eigenen Bedarf – durch Belegungsregeln schützt. Kapitel E widmet sich schließlich der vertikalen Integration. Dabei wird zunächst die Frage beantwortet, was unter vertikaler Integration überhaupt zu verstehen ist und welche Chancen und Gefahren mit diesem Geschäftsmodell verbunden sind. Anschließend wird das derzeit bestehende rechtliche Instrumentarium – unter Berücksichtigung der im vorhergehenden Kapitel gewonnen verfassungsrechtlichen Positionen der Netzbetreiber – auf die vertikale Integration angewandt. Damit soll festgestellt werden, ob nicht die von vertikaler Integration ausgehenden Gefahren mit den bestehenden Gesetzen zu beherrschen sind oder ob der vertikal integrierte Betreiber – wie Stimmen in der Medienpolitik fordern 3 – zusätzliche Einschränkungen seiner Freiheit hinzunehmen hat. Kapitel F fasst schließlich die Ergebnisse der Arbeit in Form von Thesen zusammen.
3 Z. B. forderte der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz Beck, der federführend die Rundfunkpolitik der Länder koordiniert, neue Einschränkungen für vertikal integrierte Netzbetreiber, siehe epd Nr. 54 v. 11.7.2001, 13; siehe auch die Stellungnahmen der DLM zum Kabelverkauf v. 10.4.2001, wonach es bei der Integration von Netz u. Nutzung „neuer Sicherungen“ bedarf, wiedergegeben in epd Nr. 32 v. 25.4.2001, 15 ff., insbes. 20.
B. Der Kabelnetzbetreiber als Kommunikationsunternehmer Im vorliegenden Abschnitt soll ein Überblick gegeben werden über die absehbaren wirtschaftlichen und technischen Veränderungen beim Betrieb von Breitbandkabelnetzen 1. Aus Sicht des Netzbetreibers stehen dabei zwei Fragen im Mittelpunkt: Welche Geschäftsmodelle versprechen in Zukunft Erfolg? Welche Konkurrenz geht von alternativen Übertragungswegen aus? Beide Fragen sind darüber hinaus im Hinblick auf die weitere Untersuchung von großem Interesse. Denn das Geschäftsmodell bestimmt wesentlich die kartellrechtlichen Anforderungen an den (vertikal integrierten) Netzbetreiber 2 und die Existenz konkurrierender Übertragungswege ist z. B. bei der Sozialpflichtigkeit des Netzeigentums 3 oder im Rahmen der Marktabgrenzung nach § 19 GWB zu berücksichtigen 4.
I. Neue Geschäftsmodelle Bis in die jüngerer Zeit beschränkte sich die Tätigkeit des Netzbetreibers darauf, Fernsehsignale gegen Entgelt weiterzuverbreiten. Mit einer derartigen – auf eine Wertschöpfungsstufe beschränkten – unternehmerischen Ausrichtung des Geschäftsbetriebes konnten weder in der Vergangenheit Gewinne erzielt werden 5 noch erscheint damit die Rentabilität der Netze in der Zukunft gesichert. Das Geschäftsmodell des Kabelnetzbetreibers wird sich also verändern müssen und zwar aller Voraussicht nach in zwei Dimensionen: Zum einen müssen über die Rundfunkverbreitung hinaus neue Dienste angeboten werden; das Angebot muss also breiter werden. In diese Richtung gehen Versuche, über das Breitbandkabel auch Internet und Tele1 Unter Breitbandkabelnetz (abgekürzt: BK-Netz) wird hier u. im Folgenden nur ein Kupferkoaxialkabel(-netz) (zu deren technischem Aufbau siehe PwC, Breitbandkabelmarkt, 23) o. ein im Zuge der Modernisierung häufiger anzutreffendes Hybrid-Fiber-Coax-Kabelnetz (HFC) (dazu PwC, Breitbandkabelmarkt, 52 ff.) verstanden. 2 Insbesondere § 20 GWB unterscheidet danach, ob Leistungen durch den Normadressaten angeboten o. von ihm nachgefragt werden, siehe näher unten E. IV. 1. c) cc) bbb) (2) (a) (bb). 3 Siehe unten D. II. 2. c) bb) ccc). 4 Zur Marktabgrenzung nach dem GWB unten E. IV. 1. c) cc) aaa) (1). 5 Das Kabelnetz unter dem Monopol der Deutschen Bundespost (jetzt: Deutsche Telekom AG, im Folgenden: DTAG) war chronisch defizitär: Im BK-Bereich dürften bei der Bundespost bzw. DTAG von 1983 bis 1997 Verluste von 6 Mrd. EUR angefallen sein; nach Angaben des Unternehmens lag der Verlust 1997 bei ca. 700 Mio. EUR, andere Quellen kommen auf lediglich 200 Mio. EUR Verlust, zu den Einzelheiten siehe die Berechnungen bei VPRT/TKLM, Kabelnetze II, 43 ff.
I. Neue Geschäftsmodelle
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fonie anzubieten, dazu unter 3. Zum anderen muss auch das Geschäftsfeld Fernsehen selbst grundlegend anders organisiert werden, dazu unter 2. Da beide Veränderungen auf den technischen Möglichkeiten des digitalisierten Netzbetriebs aufbauen, sollen diese vorab skizziert werden, dazu sogleich unter 1. 1. Technische Rahmenbedingungen des Kabelnetzbetriebes Der großflächige Ausbau der Breitbandkabelnetze begann nach dem Regierungswechsel 1982 unter dem damaligen Postminister Schwarz-Schilling. Dieser initiierte einen flächendeckenden Ausbau des Fernsehkabelnetzes zunächst in Kupfer- 6, später auch in Glasfasertechnologie 7. Die federführende Bundespost setzte auf einen streng hierarchischen Netzaufbau. Die sog. Bezugskette für Rundfunksignale wurde dabei – unter Einbeziehung der gesamten Übertragungsstrecke vom Veranstalter bis zur Anschlussdose des Zuschauers – in vier Abschnitte unterteilt, die Netzebenen genannt werden und bestimmte Qualitätsstandards erfüllen müssen8. Während die Netzebenen 1 und 2 die überörtliche Einspeisung, Heranführung und Verteilung betreffen, ist die Netzebene 3 vergleichbar mit dem Ortnetzbereich in der FernsprechTelefonie 9. Auf dieser Netzebene werden die Rundfunksignale über eine Baumstruktur von den Breitbandkabel-Verstärkerstellen zu den Übergabepunkten, im oder am Wohngebäude verteilt. Am Übergabepunkt beginnt die Netzebene 4 („Hausverteilanlage“), die bis zur Anschlussdose des Teilnehmers reicht 10. Während die Netzebenen 1 bis 3 fast durchweg im Eigentum der Bundespost bzw. ihrer Rechtsnachfolgerin DTAG standen, wurde die Netzebene 4 – als Zugeständnis an das Elektrohandwerk, das sich durch Wegfall der Antenneninstallation bedroht sah – größtenteils in privater Verantwortung errichtet 11. Daraus resultiert die – weltweit einmalige – Aufsplitterung der Netzebenen. Den neuen Erwerbern wie z. B. ish oder iesy fehlt denn auch teilweise der Zugang zum Endkunden, da sie von der Verkäuferin (DTAG), das Netz nicht durchgängig bis Netzebene 4 erwerben konnten. Was die Frequenzbelegung angeht, wurden die Netze durch die Bundespost zunächst auf eine Höchstfrequenz von 300 MHz ausgelegt (entspricht 28 analogen TV-Programmen), dann aber fast flächendeckend auf 450 MHz ausgebaut. Damit wurde das sog. Hyperband für die Übertragung weiterer 18 8-MHz-Kanäle eröffnet 12. Der derzeitige Ausbaustand nach dem Verkauf zahlreicher Netze ist sehr unterschiedlich und reicht bis zu 862 MHz 13. 6 Kritisch gegenüber einer „veralteten“ Kupferkoaxialverkabelung z. B. Groß, NJW 1984, 409 f. 7 VPRT/TKLM, Kabelnetze II, 22. 8 Siehe VPRT, Kabelnetze I, 25 ff. 9 Siehe zu den Netzebenen Mette, ArchivPT 1998, 41. 10 Näher zu den Netzebenen PwC, Breitbandkabelmarkt, 20 ff. 11 VPRT/TKLM, Kabelnetze II, S. 23 f.; Woldt, MP 2002, 34. 12 Details bei VPRT, Kabelnetze I, 32 f.; Jüngling 66. 13 Z. B. hat die Primacom AG ihre Netze in der Region Leipzig auf 862 MHz ausgebaut, siehe PwC, Breitbandkabelmarkt, 24.
2 Bauer
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B. Der Kabelnetzbetreiber als Kommunikationsunternehmer
Mit dieser Erweiterung ist die Grenze des technisch und wirtschaftlich sinnvollen Kabelausbaus erreicht 14. Bei vollständigem Ausbau stehen 93 Kanäle zur Verfügung 15. Neben der Frequenzbreite des Übertragungsspektrums bestimmen zwei weitere technische Parameter entscheidend die neuen Geschäftsmodelle des Netzbetriebes. Wesentlich ist einmal die Digitalisierung 16. Bei der Digitalisierung werden sämtliche Daten unabhängig von ihrer sinnlichen Wahrnehmungsform in „digits“ 17, d. h. Zahlen verwandelt 18, wobei mit einem binären Zahlensystem gearbeitet wird19. Würden analoge Signale unverändert digitalisiert, fielen Datenmengen an, die ein Vielfaches analoger Übertragungskapazität benötigten20. In einem zweiten Schritt wird die Datenmenge deshalb durch – bei analoger Technik nicht anwendbare – Datenreduktion (Kompression) wesentlich verringert 21, so dass im Ergebnis nur noch ungefähr ein Zehntel der analogen Übertragungskapazität benötigt wird. Für die Kabelweiterübertragung bedeutet dies, dass auf einem Kanal acht bis neun Programme übertragen werden können und die Gesamtkapazität einer auf 862 MHz ausgebauten Anlage 837 TV-Programmäquivalente 22 erreicht 23. Die genauen technischen Spezifikationen der digitalen Fernsehweiterverbreitung werden in Europa durch den DVB 24-Standard festgelegt, der sich wiederum je nach Übertragungsweg in Unterstandards (S für Satelliten-, C für Kabelnetz- und T für terrestrische Übertragung) gliedert 25. Die zweite technische Neuerung liegt in der Einführung eines Rückkanals (Bidirektionalität). Für diesen sog. Upstream ist in Deutschland der Frequenz14 Zwar ist auch ein Ausbau auf 1000 MHz möglich; dies erscheint aber nicht realistisch, dazu VPRT, Kabelnetze I, 52. 15 Positionspapier der DLM v. 8.6.2001, 4.1, abgedruckt bei Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/ Stettner, § 52 a Rn. 9. 16 Näher zur Digitalisierung Klußmann 257 f. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf digitalisierte Breitbandkabelnetze. Analoge Rundfunkweiterverbreitung wird dagegen in absehbarer Zukunft eingestellt werden, so hat die Bundesregierung mit Beschluss v. 24.8.1998 den Bericht der Initiative „Digitaler Rundfunk“ zustimmend zur Kenntnis genommen, wonach bis 2010 die Digitalisierung abgeschlossen sein soll, dazu Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 52 Rn. 44. 17 Ursprüngl. von lat. digitus = Finger, Ziffer, Zahl; siehe Klußmann 255. 18 Dörr/Janik/Zorn 22 f.; Thierfelder 6. 19 Lenz/Reich 30. 20 Ein analoger Kanal benötigte bei unveränderter digitaler Weiterverbreitung die siebenfache Übertragungskapazität, Lenz/Reich 33. 21 Dies geschieht im Wege der Redundanzeliminierung u. Irrelevanzreduktion, näher dazu Lenz/Reich 33 f.; Klußmann 571 f. 22 Unter Programmäquivalent versteht man einen Bitstrom mit einer Kapazität, die zur Verbreitung eines Fernsehprogramms in angemessener Qualität notwendig ist, z.B. 4 Megabit/Sekunde für digitales Fernsehen; Fn.5 des Berichts „Startszenario 2000“ der „Initiative Digitaler Rundfunk“ abgedruckt bei Hartstein/Kreile/Dörr/Stettner, § 50 Rn. 6. 23 Siehe Positionspapier der DLM v. 8.6.2001, 4.1, abgedruckt bei Hartstein/Ring/Kreile/ Dörr/Stettner, § 52 a Rn. 9; Thierfelder 6. 24 DVB = Digital Video Broadcasting. 25 Zu den Einzelheiten siehe Klußmann 287.
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bereich von 5 bis 65 MHz vorgesehen 26. Gleichzeitig müssen die auf bloße Verteilung ausgerichteten Baumstrukturen in Richtung einer interaktiven Sternstruktur verändert werden. Im Ergebnis kann über das Breitbandkabelnetz dann auch Internet, interaktives Fernsehen und Telefonie angeboten werden. 2. Fernsehen In Kenntnis der technischen Bedingungen sollen nun die möglichen Geschäftsmodelle des Kabelnetzbetriebes erläutert werden. An erster Stelle steht dabei weiterhin das Rundfunkangebot für Endkunden. Überträgt der Netzbetreiber Fernsehen, so steht er in zwei Geschäftsbeziehungen, nämlich der zum Endkunden und der zum Programmveranstalter. Diese Beziehungen können unterschiedlich gestaltet werden, wie die folgenden Ausführungen zeigen: a) Transportmodell In der Vergangenheit beschränkte sich der Netzbetreiber auf den Transport von Programmen zum Endkunden. Man spricht insofern auch von Transportmodell 27. Der Kabelnetzbetreiber refinanziert sich dabei einmal über die von den Kunden zu entrichtenden Teilnehmerentgelte. Diese machen den Großteil der Einnahmen aus28. Daneben werden von den Programmveranstaltern (teilweise) 29 sog. Einspeisegebühren verlangt 30. Nach diesem Marktmodell, das als „historische Erblast“31 des medienpolitisch gesteuerten Netzausbaus gelten muss, partizipiert der Netzbetreiber nicht an den Inhalten, er ist ausschließlich auf die Wertschöpfungsstufe des Transportes beschränkt. Folglich bestand kein Interesse am Netzausbau 32 und der Netzbetrieb war chronisch defizitär. Die für den Netzausbau dringend benötigten InPwC, Breitbandkabelmarkt, 24. Roßnagel/Hilger, MMR 2002, 446, Fn. 4; Dörr/Janik/Zorn 74; Hein/Schmidt, K & R 2002, 409 f.; Rhein, Beilage MMR 2/2001, 7 f. 28 Nach Schätzungen erzielte die DTAG auf dem Endkundenmarkt jährlich ca.2,4Mrd.EUR, auf dem Einspeisemarkt dagegen nur 0,08 Mrd., Zahlen nach Schrape/Hürst 32, Abb. 8; die Zahlen beziehen sich allerdings auch auf die analoge Weiterverbreitung. 29 Die ortsüblich terrestrisch analog empfangbaren Programme mussten in der Vergangenheit keine Einspeisegebühren bezahlen, diese Ungleichbehandlung wurde aber durch die RegTP beanstandet, MMR 1999, 299, 309 ff.; dazu auch Wagner, Beilage MMR 2/2001, 29. 30 So verlangte die DTAG über ihre Tochter MSG für eine digitale Übertragung reichweitenunabhängige Pauschalentgelte in Höhe von ca. 4 Mio. EUR pro 8 Megabitkanal in ihrem Netz, siehe Wagner, Beilage MMR 2/2001, 29; Hein/Schmidt, K & R 2002, 411. 31 Schrape/Hürst 34. 32 So kritisierte z. B. die EU-Kommission in ihrer Kartellentscheidung vom 27.5.1998, das Festhalten am reinen Transportmodell sei das Haupthindernis für den Ausbau der Netze in Deutschland. Nur unter Zugrundelegung eines Vermarktungsmodells seien die Netze für private Betreiber sinnvoll zu betreiben, ABl. v. 27.2.1999 L 53/31 (Deutsche Telekom/BetaResearch), Rn. 51 f. 26 27
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vestitionsmittel können nach dem Transportmodell aller Voraussicht nach nicht erwirtschaftet werden 33. Notwendig ist deshalb, dass die Netzunternehmer neue Geschäftsmodelle verfolgen, insbesondere durch Beteiligung an weiteren Wertschöpfungsstufen die wirtschaftliche Basis verbreitern. b) Vermarktungsmodell Innerhalb der denkbaren neuen Geschäftsmodelle wird erwartungsgemäß das sog. Vermarktungsmodell 34 besondere Bedeutung erlangen 35, das z. B. auch in den USA dominiert 36. Danach kauft der Netzbetreiber von Rundfunkveranstaltern Programme und vermarktet diese gegenüber den Endkunden. Das Verhältnis zum Veranstalter wandelt sich damit im Vergleich zum Transportmodell grundlegend: Während der Netzbetreiber beim Transportmodell diesem eine (entgeltliche) Leistung anbietet, wechselt er nun in die Rolle des Nachfragers. Zwar hat das Vermarktungsmodell aus Sicht des Netzbetreibers auch Nachteile: So trägt er das händlertypische Absatzrisiko. Darüber hinaus muss er zusätzliche Vertriebsanstrengungen unternehmen und zahlreiche Marktbeziehungen koordinieren 37. Auf der anderen Seite eröffnet dieses Modell aber große unternehmerische Freiheiten und ermöglicht zudem eine hohe Wertschöpfung 38: Das Vermarktungsmodell erlaubt es dem Netzbetreiber darüber hinaus, sein Gesamtangebot unmittelbar an den Kundenwünschen zu orientieren. Damit kann der Netzbetreiber in Qualitätswettbewerb zu anderen Übertragungswegen treten 39. Im Gegensatz zum Transportmodell kann der Netzbetreiber schließlich bei diesem Modell an den im Inhaltebereich generierten Gewinnen partizipieren, indem er beispielsweise Pay-TV-Programme mit Aufschlägen weiterverkauft. Das Vermarktungsmodell kann insoweit ausgedehnt werden, als der Netzbetreiber nicht fremde sondern eigene Inhalte vermarktet und damit die Wertschöpfung noch weiter erhöht; man spricht dann von vertikaler Integration. Auf dieses Geschäftsmodell soll hier jedoch nicht näher eingegangen werden, da ihm unten ein eigenes Kapitel (E) gewidmet ist. Neben dem Vermarktungsmodell sind schließlich noch andere Betriebsformen denkbar, wie etwa das sog. Revenue Sharing 40, deren nähere Darstellung aber wirtschaftswissenschaftlichen Arbeiten vorbehalten bleiben muss. VPRT/TKLM, Kabelnetze II, 59. In der Literatur wird das Vermarktungsmodell zum Teil auch Reselling-Modell genannt, siehe z. B. Schrape/Hürst 36; wieder anders Wagner, Beilage MMR 2/2001, 31. 35 Roßnagel/Hilger, MMR 2002, 446. 36 Dazu Hein/Schmidt, K & R 2002, 411. 37 Siehe Dörr/Janik/Zorn 76. 38 Wagner, Beilage MMR 2/2001, 32. 39 Stärken ergeben sich insbesondere bei der Verbreitung von regio-lokalen Angeboten, die regelmäßig über Satellit nicht wirtschaftlich zu verbreiten sind. 40 Dazu Schrape/Hürst 35 f.; Dörr/Janik/Zorn 74 f. 33 34
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Die hier dargestellten Modelle müssen nicht in Reinform verwirklicht werden und Modellkonsistenz ist privatautonomem Unternehmerhandeln ohnehin fremd. Vielmehr werden mehrere Modelle auch nebeneinander Anwendung finden: Dies folgt schon aus den rundfunkrechtlichen Vorgaben, die eine freie Vermarktung beispielsweise der öffentlich-rechtlichen Programme von vornherein ausschließen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der bloße Transport von Fernsehsignalen kein rentables Geschäftsmodell darstellt. Der Netzbetreiber muss vielmehr seinen Tätigkeitsbereich ausdehnen, um eine höhere Wertschöpfung zu erzielen. Erfolgversprechend erscheint daher das dargestellte Vermarktungsmodell. Aus rundfunkrechtlicher Sicht wird der Netzbetreiber – schon aus betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit – seine Rolle als „dienende“ Hilfsperson aufgeben und zu einer Zentralfigur des Kommunikationsprozesses werden.
3. Internet und Telefonie Schon den technischen Ausführungen ließ sich entnehmen, dass das ausgebaute und digitalisierte Breitbandkabel nicht auf die Fernsehverbreitung beschränkt ist. Vielmehr ist jeder Telekommunikationsdienst, vor allem auch Telefonie und Internet möglich. Die Verbindung dieser drei Kommunikationsformen in einem Netz wird als „triple play“, das so genutzte Netz als „Full-Service-Netz“ bezeichnet41. Da sich diese Arbeit ausschließlich mit der Rundfunkverbreitung beschäftigt, interessieren die anderen Nutzungsarten hier jedoch nur insofern, als sie auch den Fernsehdienst betreffen. Dabei sind vor allem die strategischen Vorteile zu nennen, die für den Netzbetreiber in der Verbindung von Fernsehen mit anderen Telekommunikationsdiensten zu einem Paket (Bundling) liegen 42. Beim Bundling verteilen sich die Fixkosten der Netzinfrastruktur auf die mehreren Dienste, was pro Dienst und also auch für die Fernsehweiterverbreitung zu einer Fixkostendegression führt. Außerdem kann der Netzbetreiber ein sog. one-stop-shopping, also einen Vertragsund Ansprechpartner für mehrere Kommunikationsdienste anbieten, was die Vermarktung des Kabelrundfunks ebenfalls erleichtern kann. Schließlich erlaubt das Bundling „Zwitter“-Produkte wie etwa interaktives Fernsehen 43, die ein weiteres Argument für einen Kabelanschluss darstellen 44. Der Netzbetreiber kann also – so ist zusammenfassend festzuhalten – durch das Angebot neuer Dienste die Rundfunkübertragung attraktiver und lukrativer gestalten. Man wird deshalb in Zukunft dem Geschäftsmodell des Full-Service-Network häufiger begegnen. 41 Zu sog. Full-Service-Netzen siehe ausführlich Jüngling 26 ff. passim; zu Internet u. Telefonie über BK-Netze auch Rhein, Beilage MMR 2/2001, 9 f. 42 Siehe auch Rhein, Beilage MMR 2/2001, 4. 43 Z. B. kann in einer Fernsehwerbung durch eine hinterlegte Verbindung ins Internet sogleich Informationsmaterial über das beworbene Produkt beim Hersteller angefordert werden. 44 Die dargestellten Vorteile finden sich bei PwC, Breitbandkabelmarkt, 93 f.
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B. Der Kabelnetzbetreiber als Kommunikationsunternehmer
II. Neue Konkurrenzen Für die Rechtsposition des Netzbetreibers etwa im Bereich der Grundrechte oder des Kartellrechts ist von großer Bedeutung die Frage, ob er ein Zugangsmonopol zum Fernsehzuschauer besitzt. Diese Frage ist umso eher zu verneinen, je zahlreicher gleichwertige Zugänge zum Rundfunk de facto und de jure zur Verfügung stehen. Von solchen Zugangsalternativen handelt dieses Kapitel. 1. Satellit Die Satellitenübertragung stellt unter allen derzeit marktgängigen Übertragungswegen die größte Konkurrenz für den Kabelrundfunk dar 45. Dies beruht auf technischen und wirtschaftlichen Vorteilen, die die Satellitenausstrahlung bereits zum zweitwichtigsten Übertragungsweg für Rundfunk in Deutschland befördert haben 46. Gleichwohl sehen sich viele Interessenten derzeit rechtlich gehindert, auf Satellitenempfang umzusteigen. Im Folgenden werden deshalb im Systemvergleich nicht nur die technischen und wirtschaftlichen Vor- und Nachteile der Rundfunkübertragung durch Satellit dargestellt (dazu unter a), vielmehr wird darüber hinaus geprüft, ob die derzeitigen rechtlichen Hindernisse des Satellitenempfangs – gerade auch vor dem Hintergrund gemeinschaftsrechtlicher Anforderungen – noch bestehen (dazu unter b). a) Technischer und wirtschaftlicher Vergleich (De-facto-Konkurrenz) Die Rundfunkübertragung mittels Satellit 47 wird in Deutschland derzeit durch die von Luxemburg aus betriebenen „Astra“-Satelliten beherrscht, die auf ihrer Position 19,2° Ost über insgesamt 120 Übertragungskanäle verfügen; daneben spielen noch die auf 13° Ost positionierten „HotBird“-Satelliten eine (untergeordnete) Rolle 48. Dabei handelt es sich jeweils um sog. Mediumpower-Satelliten 49, die ausrei45 Nach der neuesten Erhebung von SES/Astra/Infratest ist die Zahl der Satellitenhaushalte von 2000 auf 2002 von 12,96 Mio. auf 13,65 Mio. gestiegen, während die Zahl der Kabelhaushalte im gleichen Zeitraum gesunken ist, epd Nr. 83 v. 23.10.2002, 14. Der Absatz digitaler Satellitenempfangsgeräte stieg von 2001 zu 2002 um 108 %, Zahlen nach FAZ v. 2.10.2002, 14. Zur starken Stellung der Satellitentechnik siehe auch Dörr/Janik/Zorn 53 ff. 46 Die Anzahl der Satellitenhaushalte stieg bis 2001 auf 33,2 % der Gesamtzahl aller Fernsehhaushalte (zum Vergleich: 58,3 % der Haushalte sind Kabelhaushalte), ARD-Jahrbuch 2002, 369, Tab. 13. 47 Zu deren technischer Entwicklung siehe Klußmann 857 ff. 48 Merkel, ZUM 2002, 674 ff.; siehe auch Binder, in: Hahn/Vesting, § 51 Rn. 10. 49 Das sind Fernmeldesatelliten mit erhöhter Leistung. Mediumpowersatelliten liegen also zwischen den zwei Extremen, einmal der geringen Sendeleistung des Satelliten selbst in Verbindung mit großen Parabolantennen (früher als Fernmeldesatelliten bezeichnet) u. einer hohen Sendeleistung des Satelliten bei kleinen Antennendurchmessern (auch als Rundfunksatel-
II. Neue Konkurrenzen
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chenden Empfang mit vergleichsweise kleinen Parabolantennen 50 erlauben. So genügen Antennenspiegel von ca. 50 cm Durchmesser, um weit mehr als sechzig Kanäle und damit Hunderte von digitalen Programmen zu empfangen, während früher Durchmesser von 2 m nicht ungewöhnlich waren 51. Die Parabolantenne muss jedoch weiterhin in direktem Austausch mit dem Satelliten stehen („Blickkontakt“). Daher kann sie nicht in der Wohnung, hinter einer Verkleidung oder sonst verdeckt angebracht werden. Dies führt zu der Notwendigkeit, den Antennenspiegel außen und exponiert anzubringen, was oftmals als verunstaltend empfunden wird. Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass die Digitalisierung der Rundfunkübertragung beim Satelliten – insbesondere durch einen von Beginn an offenen Kaufmarkt für SetTop-Boxen – am weitesten fortgeschritten ist 52. Dabei kommt der europäische Standard DVB-S zur Anwendung, welcher der DVB-Systemfamilie entstammt. Die Satellitenausstrahlung erlaubt schließlich, ohne teuren und zeitraubenden Aufbau einer erdgebundenen Infrastruktur weite Bereiche, etwa ganz Mitteleuropa, mit Rundfunksignalen zu versorgen 53. Aus Sicht des Rezipienten ist Rundfunkempfang über Satellit technisch unkompliziert und kostengünstig zu realisieren. Nach – mittlerweile moderater 54 – einmaliger Investition in Anschaffung und Installation der Satellitenempfangsanlage fallen keine weiteren Kosten mehr an, während für Kabelempfang laufende Gebühren zu entrichten sind; langfristig ist der Satellitenempfang damit wirtschaftlich günstiger 55. Hinzukommt ein größeres Angebot an Programmen 56. Als Nachteil erweist sich aus Rezipientensicht der Umstand, dass regio-lokale Programme über Satellit kaum ausgestrahlt werden 57. Internet und Telefon über Satellit sind zwar mittlerweile technisch möglich, wegen der hohen Kosten bislang für private Endverbraucher aber nicht attraktiv 58. Aus Sicht des Satellitennetzbetreibers ermöglicht es die liten bezeichnet). Zu den Satellitentypen: Herrmann, Rundfunkrecht, § 2 Rn. 65 ff.; A. Hesse 298 f. 50 Mit „Parabol-“ o. „Satellitenantenne“ wird hier wie im Folgenden die Einheit von Antennenspiegel („Schüssel“) u. Empfangskopf (LNB = Low Noise Block Downconverter bzw. LNC = Low Noise Converter) bezeichnet. 51 VPRT/TKLM, Kabelnetze II, 92; siehe auch Lenz/Reich 57. 52 Siehe Dörr/Janik/Zorn 53. 53 Die Größe der als Footprint bezeichneten Ausleuchtungszone ist dargestellt bei Merkel, ZUM 2002, 675 f. 54 VPRT/TKLM, Kabelnetze II, 92. 55 Siehe schon Engel, ZUM 1997, 312; die Kosten sind seit 1997 noch wesentlich gefallen. 56 Selbst die auf 864 MHz ausgebauten Kabelnetze bieten nicht die dem Satellit entsprechende Übertragungskapazität (90 Kabelkanälen stehen 120 Kanäle auf einem Satelliten gegenüber; kann die Empfangsanlage mehrere Satelliten ansteuern, vervielfachen sich die Empfangsmöglichkeiten entsprechend); siehe VPRT/TKLM, Kabelnetze II, Tab. 5.2, 93. 57 Dies ist Folge der relativ hohen Kosten bei sehr kleinen Zielgruppen; siehe auch sogleich zu den Nachteilen aus Veranstaltersicht. 58 Siehe Bleich/Mansmann, c’t 2002, Heft 7/2002, 139 f.; Jüngling 75; PwC, Breitbandkabelmarkt, 68.
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Satellitentechnik, binnen kürzester Zeit eine flächendeckende Rundfunkverbreitung aufzubauen. Die Infrastrukturkosten pro Zuschauer und Programm sind sehr gering; kostenintensive Erdarbeiten entfallen. Soweit der Satellit von einer Gesellschaft mit Sitz im Ausland betrieben wird, kann der Unternehmer über die Kanalbelegung weitgehend frei entscheiden, da das deutsche Medienrecht nicht greift59. Dies führt zu der derzeitigen Situation, dass der zweitwichtigste Übertragungsweg für Rundfunk in Deutschland keiner (inländischen) medienrechtlichen Regulierung unterliegt, während sich die Kabelweiterverbreitung den – teils detaillierten – Vorgaben des RStV 60 gegenübersieht. Aus Sicht der (bundesweiten) Programmveranstalter schließlich bietet sich mit der Satellitenweiterverbreitung eine Möglichkeit, ohne Kapazitätsengpässe schnell angemessene Reichweiten zu erzielen. Für die Veranstalter regio-lokaler Fernsehangebote ist hingegen der Übertragungsweg Satellit in der Regel unattraktiv, da angesichts der europaweiten Ausstrahlung überproportional hohe Kosten je Zuschauer der Zielgruppe anfallen. Des weiteren erscheint aus Veranstaltersicht der Satellit für das Angebot von interaktivem Fernsehen zur Zeit ungeeignet.
b) Rechtliche Einschränkungen des Satellitenzugangs (De-jure-Konkurrenz) Sind nach dem Gesagten zumindest aus Sicht des Rundfunkrezipienten beide Übertragungswege technisch im Wesentlichen austauschbar, so gilt das derzeit jedoch nicht in rechtlicher Hinsicht. Insbesondere Wohnungseigentümer und Mieter, aber auch Alleineigentümer stoßen oftmals auf rechtliche Hindernisse, entscheiden sie sich für den Empfang mit Parabolantenne. Im Folgenden werden diese Beschränkungen dargestellt und ihre Rechtmäßigkeit überprüft. Neben der nationalen Rechtslage (dazu sogleich unter aa), wendet sich die Prüfung auch den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen zu, die durch den Hinweis der Kommission auf ein „Recht auf Parabolantenne“ 61 neue Bedeutung erfahren haben (dazu unter bb).
59 Zu den rechtlichen Hintergründen der „Staatsangehörigkeit“ eines Satelliten, siehe Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 51 Rn. 2; Binder, in: Hahn/Vesting, § 51 Rn. 2 f. 60 Rundfunkstaatsvertrag v. 31.8.1991 (Art. 1 des Staatsvertrags über den Rundfunk im vereinten Deutschland, z. B. SächsGVBl. 1991, 635), zuletzt geändert durch Art. 1 Siebter Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Der Siebte Rundfunkänderungsstaatsvertrag wurde von den Ministerpräsidenten am 25.9.2003 unterzeichnet und tritt gem. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 im Wesentlichen am 1.4.2004 in Kraft. Die Zustimmungsgesetze waren zum Zeitpunkt der Drucklegung von den Länderparlamenten noch nicht verabschiedet; zum Text z. B. Drs. 15/26 des Bayerischen Landtags v. 7.11.2003. 61 Mitteilung der Kommission v. 27.6.2001, KOM (2001) 351.
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aa) Rechtslage nach nationalem Recht Bei der Frage nach einem Rechtsanspruch auf Satellitenempfang sind zahlreiche Interessenkollisionen zu berücksichtigen, die je nach Stellung des Rundfunkrezipienten, sei er Alleineigentümer, Miteigentümer einer Gemeinschaft nach dem Wohnungseigentumsgesetz oder Mieter, differieren 62. Gemeinsam ist aber allen Fallgruppen, dass auf Seiten des Zuschauers, der Rundfunkprogramme mittels einer Parabolantenne empfangen möchte, stets die Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG streitet 63. Denn das Massenmedium Rundfunk steht seit jeher in der Sinnmitte des Schutzbereiches der Informationsfreiheit64; dies gilt darüber hinaus ohne Unterschied für in- und ausländische Rundfunkprogramme, da der Informationsfreiheit – wie sich bereits aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt – eine grenzüberschreitende Schutzwirkung immanent ist65. Die Informationsfreiheit schützt nicht nur den menschlichen Rezeptionsvorgang selbst, sondern auch die dafür notwendige Beschaffung und Nutzung technischer Empfangsanlagen, namentlich die Anbringung von Parabolantennen 66. Im Folgenden stellt sich damit jeweils die Frage, inwieweit sich die Informationsfreiheit in der Abwägung mit anderen Rechten oder Rechtsgütern durchsetzen kann. aaa) Alleineigentümer Bei (Allein-)Eigentümern können theoretisch subjektive Rechte der Nachbarn oder (objektive) Vorschriften des öffentlichen Rechts der Installation einer Parabolantenne entgegenstehen. Während Rechte Dritter in der Praxis kein Hindernis darstellen 67, erschweren den Satellitenempfang vor allem öffentlich-rechtliche Antennenverbote 68, deren Rechtmäßigkeit im Folgenden geprüft werden soll. Da diese Antennenverbote in die Informationsfreiheit des Eigentümers eingreifen69, stellen Siehe auch Übersicht bei Wiesner, MDR 1999, 131 ff. Z. B. für den Mieter BVerfGE 90, 27, 32 ff.; Mehrings, NJW 1997, 2275. 64 Siehe Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rn. 54. 65 Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 326. 66 BVerfGE 90, 27, 32 f. 67 Denn öffentlich-rechtliche Abwehransprüche stehen dem Nachbarn nicht zu, soweit die nachbarschützenden Vorschriften, wie die Einhaltung der Abstandsflächen, beachtet werden. Ein zivilrechtliches Abwehrrecht des Nachbarn, nicht auf eine Satellitenantenne blicken zu müssen, ist ebenfalls zu verneinen, denn bloße Störungen der Ästhetik muss der Nachbar dulden (BGHZ 51, 396, 398 f. bestätigt durch BGHZ 95, 307, 309). 68 Diese finden sich z. B. in städtebaulichen Satzungen, die auf entsprechenden Ermächtigungen der Landesbauordnungen beruhen, z. B. § 83 Abs. 1 Nr. 1 o. 2 SächsBauO o. Art. 91 Abs. 1 Nr. 1 BayBauO, zu Antennenverboten auf Grundlage von Art. 91 BayBauO Decker, in: Simon/Busse, Art. 91 Rn. 136, 3. Spiegelstrich. 69 Als Nutzungsbeschränkung berühren Antennenverbote auch Art. 14 GG; dieser dürfte aber – steht doch hier ganz die Empfangshandlung im Vordergrund – verdrängt sein; siehe auch Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 14 Rn. 5. 62 63
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B. Der Kabelnetzbetreiber als Kommunikationsunternehmer
sie eine Schranke dar, die an Art. 5 Abs. 2 GG und den allgemeinen SchrankenSchranken zu messen ist. Die entsprechenden Vorschriften sind als allgemeine Gesetze zu qualifizieren 70, da sie Ziele städtebaulicher Ästhetik und gegebenenfalls der Denkmalpflege verfolgen und sich damit nicht „gegen die Äußerung einer Meinung als solche richten“, sondern „vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsgutes dienen“71. Das grundrechtsbeschränkende Gesetz muss weiterhin auch unter Berücksichtigung der Wechselwirkungslehre verhältnismäßig sein 72. Gerade die Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs ist jedoch bei einem Totalverbot der Anbringung von Parabolantennen zweifelhaft. Sind Gründe für das Verbot einer Parabolantenne im Schutz des Stadtbildes vor Verunstaltung und in der Denkmalpflege zu suchen, so dürfte nämlich ein Totalverbot regelmäßig schon nicht erforderlich sein: denn es sind kaum Situationen vorstellbar, in denen nicht durch eine geschickte Platzierung der Satellitenantenne (z. B. Anbringung an der rückseitigen Hausfassade oder an uneinsehbarer Stelle auf dem Dach) und deren Gestaltung (z. B. nur bestimmte Größe, Form und Farbe) den gestalterischen Erfordernissen Rechnung getragen werden könnte. Vorschriften über die Modalitäten der Antenneninstallation gehen als milderes Mittel dem Totalverbot dann vor. Antennenverbote erscheinen darüber hinaus auch unangemessen: Zwar verfolgt die öffentliche Gewalt mit der Denkmalpflege und der Bewahrung des Stadtbildes vor Verunstaltung den Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter 73. Deren Bedeutung ist aber gegenüber der Informationsfreiheit zu relativieren. Dies folgt aus dem besonderen Stellenwert dieser Freiheit in der grundgesetzlichen Ordnung als Essentiale des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses 74 und als Menschenrecht: Die Informationsfreiheit als neben der Meinungsfreiheit gleichwertige Grundrechtsverbürgung 75 ist nämlich eine der wichtigsten Voraussetzung der freien Meinungsbildung und damit der freiheitlichen Demokratie nach dem Grundgesetz überhaupt 76 sowie darüber hinaus ein grundlegendes Bedürfnis menschlicher Persönlichkeit 77. Daraus folgt, dass jede nicht nur unerhebliche Ein70 So auch Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 385 sowie Dörr/ Braml, AfP 1997, 510. 71 So die Definition des BVerfG im Lüth-Urteil BVerfGE 7, 198, 209 f., seitdem so o. ähnlich st. Rspr. z. B. BVerfGE 62, 230, 243 f.; 71, 162, 175. 72 Zur Prüfungsfolge bei einem allgemeinen Gesetz: Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 71 ff. 73 Für die Bedeutung des Denkmalschutzes als „Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang“ BVerfGE 100, 226, 242; zurückhaltender für die Bedeutung stadtgestalterischer Aspekte („beachtenswertes öffentliches Anliegen“) BVerwGE 40, 94, 99; für die Rechtslage in Bayern, wo der Denkmalschutz im Gegensatz zum GG Verfassungsauftrag ist (Art. 141 Abs. 2 BV), BayVerfGH, AfP 1985, 277, 279. 74 Siehe Schmitt Glaeser, in: Isensee/Kirchhof HbStR II, § 31 Rn. 5. 75 BVerfGE 27, 71, 81. 76 Nach Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 5, Abs. I, II Rn. 83 ist der Stellenwert der Informationsfreiheit sogar eher noch höher als der der Meinungsäußerungs- u. verbreitungsfreiheit einzuschätzen. 77 BVerfGE 27, 71, 81; Dörr/Braml, AfP 1997, 508.
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schränkung des Rundfunkempfangs zugunsten städtebaulicher und denkmalpflegerischer Ziele wohl regelmäßig außer Verhältnis zum Regelungsziel steht 78. Eine nicht nur unerhebliche Einschränkung der Rundfunkempfangsmöglichkeiten dürfte auch dann vorliegen, wenn ein Zugang zum BK-Netz besteht, da beide Empfangswege nicht deckungsgleich sind 79. Im Ergebnis spricht viel dafür, dass mit Ausnahme weniger Sonderkonstellationen – die aber bei einer abstrakt-generalisierenden Betrachtung der Zugangsalternativen ausgeblendet werden können – Alleineigentümern ein Recht auf Parabolantenne zusteht. Letztlich kann die Frage jedoch offen bleiben, da ein Recht auf Parabolantenne jedenfalls gemeinschaftsrechtlich gefordert sein dürfte, dazu unten unter bb). bbb) Mieter Anders könnte sich die Situation für den Mieter darstellen80: Hier geht es nicht um das Verhältnis Staat-Bürger. Vielmehr stehen sich in dieser Konstellation zwei Private, nämlich Mieter und Vermieter, gegenüber. Da die gesetzlichen Bestimmungen des BGB-Mietrechts hinsichtlich der Antennennutzung keine konkreten Vorschriften enthalten, haben die Obergerichte entsprechende Regeln aufgestellt. Rechtlicher Ausgangspunkt ist die Frage, ob die Anbringung der Satellitenantenne sich im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs nach § 535 BGB bewegt und deshalb vom Vermieter zu gestatten ist. Bei der Bestimmung des vertragsgemäßen Gebrauchs ist auf Treu und Glauben, § 242 BGB, Rücksicht zu nehmen. §§ 535, 242 BGB eröffnen dabei nach den Grundsätzen der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten 81 das Tor zur Berücksichtigung der Informationsfreiheit auf Seiten des Mieters (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 GG) und der Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) auf Seiten des Eigentümervermieters 82. Dabei sind beide – an sich gleichrangigen 83 – Grundrechte in Abwägung, d. h. schonenden Ausgleich zu brin78 Siehe auch Decker, in: Simon/Busse, Art. 91 Rn. 21, wonach Antennenverbote allenfalls zulässig sein können, wenn qualitativ u. quantitativ gleichwertige andere technische Empfangsmöglichkeiten vorhanden sind. 79 Siehe auch die Wertung des BayVerfGH, AfP 1985, 277, 279 f., wonach bereits der Verlust eines Fernsehprogrammes u. des Kurzwellenbereiches eine nicht unerhebliche Einschränkung darstellt sowie Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 385. Siehe zur Gleichwertigkeit von Kabel- u. Satellitenempfang ausführlich weiter unten, wo sich im Rahmen der mietrechtlichen Problematik die Frage der Kompensation des Satellitenempfangs durch den Kabelzugang in besonderer Schärfe stellt. 80 Ein Überblick über die mietrechtliche Problematik gibt Weidenkaff, in: Palandt, § 535 Rn. 23. 81 Dazu z. B. K. Hesse Rn. 356 sowie grundlegend BVerfGE 7, 198, 205 ff. 82 Dazu grundlegend BVerfGE 90, 27, 33; sowie in der Literatur z. B. Ricker/Schiwy, B, Rn. 128; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5, Abs. 1 u. 2 Rn. 366. 83 BVerfGE 90, 27, 34.
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gen (praktische Konkordanz 84). Die Gerichte 85 treffen die Abwägung derzeit anhand einer typisierenden Prüfung, die auf das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zurückgeht 86 und vom Bundesverfassungsgericht übernommen wurde 87. Neben technischen Fragen wie Verpflichtung zur Haftungsfreistellung und Installation durch den Fachhandwerker ist entscheidungserheblicher Prüfungspunkt, ob der Mieter derzeit oder in naher Zukunft Zugang zum Kabelanschluss hat 88. Das Bundesverfassungsgericht rechtfertigt dieses Kriterium damit, dass durch den Kabelanschluss der Mieter „sein Interesse, am Medienangebot teilzuhaben, weitgehend realisieren kann“ 89, dass also angesichts des Programmangebotes des Kabels die Beeinträchtigung der Informationsfreiheit des Mieters nicht erheblich ins Gewicht fällt 90. Die Informationsfreiheit des Mieters soll dementsprechend bei Kabelanschluss hinter das Eigentumsgrundrecht des Vermieters zurücktreten. Auf die Besonderheiten bei Rundfunkempfang durch ausländische Mieter soll im Rahmen der bei einem Systemvergleich vorzunehmenden generalisierenden Betrachtungsweise nicht eingegangen werden 91. Mag diese Abwägung des Bundesverfassungsgerichtes in der technischen und medienrechtlichen Situation Anfang der 90er Jahre 92 richtig gewesen sein, so muss sie doch vor dem Hintergrund technischer Veränderungen beim Rundfunkempfang und eines Paradigmenwechsels im Medienrecht hinterfragt werden. Denn zum einen sind die Empfangsantennen im Laufe der Zeit und auch noch nach 1994 erheblich kleiner geworden. Der tatsächliche Eingriff in das Vermietereigentum hat damit noch weiter an Bedeutung verloren 93. Zum anderen haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Kabelweiterverbreitung grundlegend verändert: Anfang der 90er Jahre standen die Kabelnetze noch im Eigentum der Deutschen Bundespost, die diese unter den Prämissen der öffentlich-rechtlichen Daseinsvorsorge betrieb. Bei einer beschränkten Anzahl von Programmen bestand eine Einspeisungsverpflichtung bis zur Kapazitätsgrenze, bei Engpässen war eine Auswahl anhand der landesrechtlichen Belegungspläne zu treffen. Angesichts einer geringeren Zahl von K. Hesse Rn. 72. Siehe in neuerer Zeit z. B. BerlVerfGH, NJW 2002, 2166. 86 OLG Frankfurt am Main, NJW 1992, 2490 ff. 87 Erstmals BVerfG NJW 1993, 1252, 1253 sowie anschließend BVerfGE 90, 27, 35 f.; siehe zu dieser Entscheidung auch Hoffmann-Riem/Eifert, JZ 1995, 154 ff. 88 OLG Frankfurt am Main, NJW 1992, 2490, 2491; BVerfGE 90, 27, 35 f. 89 BVerfG NJW 1993, 1252, 1253. 90 BVerfGE 90, 27, 36. 91 BVerfGE 90, 27, 38 fordert zu prüfen, ob es dem Mieter möglich ist, Programme seines Heimatlandes im Kabel zu empfangen. Dies dürfte selten der Fall sein. Rspr. zu dieser Frage aus neuerer Zeit z. B.: AG Kronach, ZUM-RD 2002, 29, 30. 92 Der Beschluss in NJW 1993, 1252 ff. datiert vom 10.3.1993; der Beschluss in BVerfGE 90, 27 ff. v. 9.2.1994. 93 Der Eingriff besteht dabei vor allem unter ästhetischen Gesichtspunkten, da der Substanzeingriff (regelmäßig nur Bohrlöcher für eine Schraubverbindung) äußerst gering u. reversibel ist. 84 85
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ausgestrahlten Programmen bot der Kabelanschluss damit „weitgehende“ Teilhabe am Rundfunkangebot insgesamt. Diese Belegungspraxis hat sich – als Ausfluss der unternehmerischen Freiheit der privaten Kabelnetzbetreiber – im digitalisierten Kabelnetz nunmehr aber vollständig verändert: Wie noch ausführlich zu zeigen sein wird, besteht für den privaten Kabelnetzbetreiber als Ausdruck seiner unternehmerischen Freiheit94, soweit er nicht Universaldienstleistungen zu erbringen hat, verfassungsrechtlich keine Pflicht, überhaupt Rundfunk oder Rundfunk in bestimmtem Kapazitätsumfang zu übertragen 95. Es besteht weiterhin keine Pflicht, im Falle von (digitaler) Rundfunkübertragung jenseits des sog. – auf die Übertragung der Programme der rundfunkrechtlichen Grundversorgung beschränkten – Must-Carry-Bereichs 96 bestimmte andere Programme einzuspeisen 97. Vielmehr kann der private Netzbetreiber, soweit er die grundlegenden Anforderungen des Vielfaltsgebotes beachtet, nach eigenen wirtschaftlichen und publizistischen Auswahlkriterien das über Kabel erreichbare Gesamtangebot bestimmen. Für ein digitalisiertes Kabelnetz kann deshalb der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts kaum noch gefolgt werden, der Anschluss an ein BK-Netz erlaube es dem Mieter, seinen Anspruch am Medienangebot teilzuhaben, weitgehend zu erfüllen. Denn es kann nicht mehr mit Sicherheit angenommen werden, dass Satelliten- und Kabelempfang qualitativ und quantitativ annähernd gleichen Zugang zum verfügbaren Rundfunkgesamtangebot eröffnen. Auch im Hinblick auf die analoge Rundfunkweiterverbreitung bedient der Kabelempfang – wiewohl hier in der Regel noch umfassende Belegungsregeln bestehen 98 – nicht mehr weitgehend das Interesse des Mieters, am verfügbaren Medienangebot teilzuhaben. Denn die Zahl der über Satellit auch analog verbreiteten Sender hat sich ständig ausgeweitet, so dass mit einem derzeit regelmäßig auf ca. 30 analoge Kanäle begrenzten Kabelrundfunk weit weniger als die Hälfte der über Satellit erreichbaren Kanäle empfangen werden kann. Dies muss – auch unter angemessener Berücksichtigung des Eigentumsrechts des Vermieters – als schwerwiegende Einschränkung der Informationsfreiheit angesehen werden, die in erster Linie Auswahlfreiheit ist 99. Im Ergebnis stellt also der Kabelanschluss weder bei analogem noch bei digitalisiertem Empfang eine Garantie für weitgehende Teilhabe am Rundfunkangebot dar. 94 Der Kabelnetzbetreiber kann sich als Privatrechtssubjekt auf die Wirtschaftsfreiheiten berufen, siehe dazu unten D. II. 95 Dazu ausführlich unten Kapitel C. 96 Must-Carry ist geregelt in § 52 Abs. 3 RStV. 97 Solange die Vorgaben von § 52 Abs. 4 RStV erfüllt sind. 98 Siehe § 52 Abs. 1 Satz 3 RStV, der auf die landesrechtlichen Regelungen verweist, die regelmäßig detaillierte Regelungen vorsehen, teilweise aber nur noch einen kleinen Pflichtkanon fordern (z. B. § 38 Abs. 1 SächsPRG). 99 Siehe auch nochmals BayVerfGH, AfP 1985, 277, 279 f. Die Entscheidung gilt zwar nicht direkt für die mittelbare Drittwirkung, zeigt aber, welches Gewicht dem Auswahlrecht für die Informationsfreiheit zukommt.
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Damit kann jedenfalls der pauschale Hinweis auf den Kabelanschluss ein Antennenverbot durch den Vermieter kaum noch rechtfertigen. Es spricht vielmehr einiges dafür, dass derzeit ein anderes Abwägungsergebnis verfassungsrechtlich geboten ist: Demnach ist ein durch stark verkleinerte Antennenspiegel geringer – noch dazu durch den Mietzins ausgeglichener – Eingriff in das Vermietereigentum hinzunehmen zugunsten einer – nur bei Zugriffsmöglichkeit auf Satellitenempfang gewährleisteten – grundrechtsangemessenen persönlichen Auswahlfreiheit im Hinblick auf das tatsächlich verfügbare Rundfunkangebot. Das Gewicht der Informationsfreiheit des Mieters im Verhältnis zum Eigentumsgrundrecht des Vermieters, wird weiter erhöht, bedenkt man, dass die Informationsfreiheit auch und gerade den unkontrollierten Rundfunkempfang schützt 100. Aufgrund der technischen Gegebenheiten kann Kabelrundfunk jedoch die Anonymität der Rezeption nicht gewährleisten; bei digitalem Kabelrundfunk stellt sich dieses Problem sogar in besonderer Schärfe. Der drahtlose Empfang ist insofern immer noch die freiheitlichste Art der Rundfunkrezeption, die gesichert bleiben muss 101. Spricht damit vieles für ein Recht auf Parabolantenne auch des Mieters schon aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben, so kann im Ergebnis diese Frage ebenfalls offen bleiben, da – wie unten zu zeigen sein wird – jedenfalls eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung der mietrechtlichen Vorschriften eine Korrektur der derzeitigen Rechtsprechung zugunsten des Mieters fordert. ccc) Wohnungseigentümer Der Wohnungseigentümer steht in dieser Betrachtung zwischen dem (Allein-)Eigentümer, mit dem er die starke Stellung der Eigentumsposition teilt (§ 903 BGB), und dem Mieter, dessen Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf fremde Eigentumsinteressen ihn vergleichbar trifft. Die widerstreitenden Rechtspositionen sind hier auf der einen Seite das Informationsinteresse des einzelnen Wohnungseigentümers und seine Eigentumsposition als Miteigentümer sowie auf der anderen Seite die Eigentumsinteressen der Gesamtheit der Wohnungseigentümer. Die abstrakte Lösung dieses Spannungsverhältnisses nimmt die Rechtsprechung 102 und mit ihr auch die Literatur 103 anhand der für das Verhältnis Mieter-Vermieter (Eigentümer) entwickel100 Zum Schutz vor Registrierung u. Beobachtung als Schutzwirkung der Informationsfreiheit Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art.5, Abs. 1 u. 2 Rn. 356 sowie 385; Wendt, in: v. Münch/Kunig, Art. 5 Rn. 27. 101 So jedenfalls für die Grundversorgungsprogramme: Hermann, Rundfunkrecht, § 32 Rn. 37 sowie für Kabel Rn. 31; wobei unklar ist, warum beim Empfang privater o. auch nicht zur Grundversorgung gehörender ausländischer Sender Registrierung des Empfanges erlaubt sein sollte; siehe zur Problematik der Antennenverbote mit Hinweis auf Kabelempfangsmöglichkeiten: Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 385. 102 In der Rechtsprechung sei verwiesen auf OLG Celle, NJW-RR 1994, 977 u. BVerfG NJW 1995, 1665 ff. 103 Bielefeld 402 ff.; Bärmann/Pick/Merle, § 22 Rn. 183 ff., insbes. 189 a. E.; siehe auch Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 366 a. E.
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ten Grundsätze vor, mit Hinweis auf die vergleichbare Interessenlage 104. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass die Anbringung einer Parabolantenne aufgrund der mit ihr verbundenen optischen Auswirkungen eine bauliche Veränderung darstellt und dementsprechend grundsätzlich der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedarf (§ 22 Abs. 1 Satz 1 WEG). Nach § 22 Abs. 2 Satz 2 WEG ist aber eine Zustimmung insoweit nicht erforderlich, als durch die gewünschte bauliche Veränderung die Rechte anderer Wohnungseigentümer nicht über das in §14 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt werden. Der einschlägige § 14 Nr. 1 WEG verpflichtet den Miteigentümer, der die Parabolantenne wünscht, in der Weise von seinem Eigentum Gebrauch zu machen, dass den anderen Wohnungseigentümern nicht über das unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil entsteht. Dabei wird die Klausel vom unvermeidlichen Nachteil zum Einfallstor der grundrechtlichen Abwägung 105, die dann wie im Mietrecht üblich vorzunehmen ist 106. Danach hat der einzelne Wohnungseigentümer nach derzeitiger Rechtsprechung keinen Anspruch auf die Gestattung einer Satellitenantenne, wenn ein Kabelanschluss vorhanden ist. Diese Auslegung begegnet den gleichen Einwänden, wie sie schon für das Verhältnis Mieter-Vermieter vorgebracht wurden. Dabei wird die Position des Miteigentümers, der eine Satellitenschüssel begehrt, dadurch im Vergleich zum Mieter noch verstärkt, dass durch ein Antennenverbot nicht nur die Informationsfreiheit, sondern auch noch die Eigentumsverbürgung des Wohnungseigentümers berührt ist.
bb) Gemeinschaftsrechtliche Einflüsse Die Frage, ob ein Recht auf Satellitenantenne besteht, lässt sich nur dann abschließend beantworten, wenn auch die gemeinschaftsrechtliche Dimension der Problematik berücksichtigt wird. Gleichwohl bedurfte es erst der Rechtsäußerung der Kommission vom 27.6.2001 107, um die gemeinschaftsrechtlichen Aspekte ins Bewusstsein zu rücken 108. In ihrer Mitteilung beruhend auf Art. 211 EGV postuliert die Kommission ein „Recht auf Satellitenantenne“. Dies gibt Anlass genug, die Rechtslage nach Gemeinschaftsrecht im Folgenden näher zu untersuchen. Dabei soll wie bereits auf Ebene des nationalen Rechts zwischen den je nach Petenten verschiedenen Konstellationen differenziert werden.
BVerfG NJW 1995, 1665, 1666. BVerfG NJW 1995, 1665, 1666. 106 Zu den denkbaren Konstellation: Bielefeld 403 ff. 107 Mitteilung der Kommission v. 27.6.2001, KOM (2001) 351, siehe auch Antwort von Kommissar Bolkestein im Namen der Kommission auf die Anfrage des Abgeordneten Toine Manders, ABl. C 318 E v. 13.11.2001. 108 Die Mitteilung wird in der Literatur aufgegriffen z. B. von Dörr/Janik/Zorn 152 f. 104 105
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aaa) Alleineigentümer Zunächst wendet sich die Untersuchung mithin wieder dem Alleineigentümer und damit dem Verhältnis zwischen Staat und Bürger zu. Da wie oben gezeigt den Eigentümer nur öffentlich-rechtliche Vorschriften, insbesondere solche des Bauund Denkmalschutzrechts, an der Anbringung einer Satellitenantenne hindern können, ist im Folgenden zu prüfen, ob und inwieweit entsprechende Normen mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar sind. Dabei könnten solche Einschränkungen gegen die Fernsehrichtlinie (RL 89/522/EWG) sowie gegen die Regeln über den freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen im Binnenmarkt verstoßen und damit nichtig sein. (1) Art. 2 a RL 89/522/EWG Zwar könnte die Fernsehrichtlinie dem Wortlaut nach öffentlich-rechtlichen Antennenverboten entgegenstehen, soweit es in Art. 2 a Abs. 1 der Richtlinie heißt: „Die Mitgliedstaaten gewährleisten den freien Empfang und behindern nicht die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet aus Gründen, die Bereiche betreffen, die durch diese Richtlinie koordiniert sind.“ Im Ergebnis dürften aber jedenfalls Antennenverbote aus städtebaulichen und denkmalpflegerischen Gründen von dieser Bestimmung nicht erfasst werden. Dies ergibt sich aus den letzten beiden Halbsätzen, die den Anwendungsbereich der Norm deutlich einschränken: untersagt werden unmittelbar durch die Vorschrift nur solche Verbote, die durch die Richtlinie koordinierte Bereiche betreffen. Da die Richtlinie fast ausschließlich den Inhalt von Fernsehsendungen behandelt 109, unterbindet Art. 2 nur solche Empfangs- und Weiterverbreitungsverbote, die auf nationaler Ebene aus programm-inhaltlichen Gründen erlassen werden. Antennenverbote, die aus denkmalpflegerischen oder städtebaulichen Gründen ergehen, bleiben dagegen von der Bestimmung unberührt. Für die Richtigkeit dieser Auslegung spricht auch Erwägungsgrund 17 der Richtlinie. Er bringt zum Ausdruck, dass die Richtlinie nur auf spezifisch für das Fernsehen geltende Regelungen Anwendung finden soll. Verfolgt der Mitgliedstaat mit einer Vorschrift also den Schutz rundfunkfremder Rechtsgüter, wie etwa die Denkmalpflege, ist diese Norm nicht an der Richtlinie zu messen. 109 Dies ergibt einmal eine systematische Auslegung: Denn die RL regelt mit dem Anteil europäischer Produktionen, mit Vorschriften über Jugendschutz u. Werbung Sendeinhalte. Außerdem wären bei einem weiten Anwendungsfeld der Regelung die Ausnahmevorschriften des Art. 2 b Abs. 2 nicht verständlich, die ebenfalls nur auf Inhalte bezogen sind. Diese Auslegung des Art. 2 b RL wird gestützt weiterhin durch die Rechtsprechung des EuGH, wonach Regelungen, die allgemeine Ziele verfolgen wie z. B. Verbraucherschutz u. somit keine zweite Kontrolle von Fernsehinhalten darstellen, mit der RL vereinbar sind u. Bereiche betreffen, die im Gegensatz zu allgemeiner Fernsehtätigkeit u. Jugendschutz gerade nicht von ihr koordiniert werden; EuGH v. 9.7.1997 verbundene Rs. C-34/95, C-35/95 u. C-37/95 v. 9.7.1997, Slg. I-1997, 3843 Tz. 34. Siehe zu dieser Problematik auch Greissinger 118 f.
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Im Ergebnis steht die Fernsehrichtlinie den bestehenden öffentlich-rechtlichen Antennenverboten nicht entgegen. Das bedeutet aber nicht, dass diese erlaubt wären, vielmehr könnte ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten des EGV, namentlich gegen Art. 28 EGV (Warenverkehrsfreiheit) und Art. 49 EGV (Dienstleistungsfreiheit) vorliegen, was im Folgenden zu prüfen ist. (2) Art. 28 EGV Gemäß Art. 28 EGV sind im Hinblick auf Gemeinschaftswaren 110, z. B. eine in Frankreich hergestellte und in Deutschland angebotene Satellitenantenne, mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung verboten. Da mengenmäßige Begrenzungen für die Einfuhr von Satellitenschüsseln nicht existieren, kommen hier nur Antennenverbote als Maßnahmen gleicher Wirkung in Betracht. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH, sog. Dassonville-Formel, sind als Maßnahmen gleicher Wirkung nicht nur – hier nicht ersichtliche 111 – formal diskriminierende nationale Regelungen zu qualifizieren, sondern auch nicht-diskriminierende staatliche Vorschriften, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern 112; Art. 28 EGV wird damit an sich zum umfassenden Beschränkungsverbot. Die Rechtsprechung hat dies erkannt und legt seit 1993 das Verbot wieder enger aus: es gilt einschränkend nur für produktbezogene Anforderungen, bloße Verkaufsmodalitäten werden beispielsweise nicht erfasst (Keck-Rechtsprechung) 113. Daneben sind schließlich auch solche nicht-diskriminierenden Maßnahmen zulässig, die aus zwingenden Erfordernissen notwendig und außerdem verhältnismäßig sind 114. Überträgt man nun diese Grundsätze auf öffentlich-rechtliche Antennenverbote, ergibt sich folgendes Bild: Zwar dürften die Antennenverbote, den Absatz der Gemeinschaftsware in Deutschland erschweren, da zahlreichen potentiellen Kunden die Anbringung einer Antenne verboten ist. Eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne der Cassis-Rechtsprechung liegt damit wohl vor 115. Indes dürfte es sich aber 110 Gemeinschaftswaren sind geldwerte bewegliche Sachen, die aus einem (anderen) Mitgliedstaat stammen o. auch aus einem Drittland, das sich mit den Mitgliedstaaten in freiem Handelsverkehr, Art. 24 EGV, befindet; so Waldhoff, in: Callies/Ruffert, Art. 23 EGV Rn. 15 u. 18; nach dieser Definition scheiden mangels Körperlichkeit Rundfunksendungen als solche wie auch deren Verbreitung aus dem Warenbegriff aus, siehe EuGH v. 30.4.1974, Rs. 155/73, Slg.-1974, 409 Tz. 6 ff. (Sacchi). 111 Die öffentlich-rechtlichen Vorschriften unterscheiden nicht nach dem Herstellungsland der Satellitenantenne. 112 EuGH v. 11.7.1974, Rs. 8/74, Slg.-1974, 837 Tz. 5. 113 EuGH v 24.11.1993, Rs. C-267 u. 268/91, Slg. I-1993, 6097 Tz. 1 ff. 114 Siehe EuGH v. 20.2.1979, Rs. 120/78, Slg.-1979, 649 Tz. 8, 14. 115 Siehe auch Mitteilung der Kommission v. 27.6.2001, KOM (2001) 351, 14, wonach bereits ein Verwaltungsverfahren vor der Installation die Vermarktung der Antennen erschweren u. gegen Art. 28 EGV verstoßen soll, sowie EuGH v. 24.3.1994, Rs. C-80/92, Slg. I-1994, 1019
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bei den Antennenverboten um keine produktbezogene Regelung handeln, da nicht die Antenne selbst Anforderungen unterworfen, sondern lediglich ihr Vertrieb indirekt erschwert wird. Solche nicht produktbezogenen Regelungen werden nach der Keck-Rechtsprechung jedoch nicht von Art. 28 EGV erfasst. Danach erscheint fraglich, ob hier eine Verletzung der Warenverkehrsfreiheit vorliegt 116. Die Frage kann aber offen bleiben, wenn nationale Antennenverbote jedenfalls gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoßen. Dies ist im Anschluss zu prüfen.
(3) Art. 49 EGV Gemäß Art. 49 EGV sind – im Sinne einer Komplementärgewährleistung zur Warenverkehrsfreiheit 117 – Beschränkungen des Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft verboten. Der Vorschrift kommt im Zusammenhang mit der Installation von Satellitenantennen deshalb Bedeutung zu, weil die mittlerweile ganz h. M. in Fernsehveranstaltung einschließlich ihrer Verbreitung eine Dienstleistung im Sinne des Vertrages sieht 118. Die Dienstleistungsfreiheit umfasst dabei nicht nur die Freiheit, Dienste zu erbringen, sondern auch die Freiheit, sie in Empfang zu nehmen (passive Dienstleistungsfreiheit) 119 und zwar auch in der Weise, dass Leistungsempfänger und Leistungserbringer in ihrem jeweiligen Mitgliedsland verbleiben und nur die Leistung selbst die Grenze überschreitet (Korrespondenzdienstleistung 120). Damit fällt sowohl Weiterverbreitung als auch Empfang ausländischer Programme in den Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit 121.
(a) Antennenverbote als Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit Art. 49, 50 EGV enthalten zunächst ein Diskriminierungsverbot. Es verbietet diskriminierende Maßnahmen, die formal an der Staatsangehörigkeit oder AnsässigTz. 3 ff., wonach eine Zulassungsregel für Rundfunkempfangsgeräte gegen Art. 28 EGV verstoßen soll. 116 Davon scheint aber die Kommission auszugehen, siehe Mitteilung der Kommission v. 27.6.2001, KOM (2001) 351, 14. 117 Kluth, in: Callies/Ruffert, Art. 50 EGV Rn. 1. 118 Siehe RL 89/522/EWG Erwägungsgrund 5; Kluth, in: Callies/Ruffert, Art. 50 EGV Rn. 9 m. w. N.; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 653 ff.; EuGH, st. Rspr.: u. a. EuGH v. 30.4.1974, Rs. 155/73, Slg.-1974, 409 Tz. 6 (Sacchi); v. 18.6.1991 Rs. C-260/89, Slg. I-1991, 2925 Tz. 13 (ERT); v. 29.11.2001, Rs. C-17/00, Slg. I-2001, 9445 Tz. 28; dazu auch A. Hesse 311 f. sowie die Nachweise unten unter D. III. 2. b) aa). 119 Zur Dienstleistungsempfangsfreiheit: Kluth, in: Callies/Ruffert, Art. 50 EGV Rn. 27. 120 Opppermann, Rn. 1597; speziell für Telekommunikation u. Fernsehen, ders., Rn. 1598 ff.; EuGH v. 30.4.1974, Rs. 155/73, Slg.-1974, 409 Tz. 6 ff. (Sacchi). 121 So auch Dörr, WuM 2002, 348.
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keit des Marktteilnehmers anknüpfen 122. Ein so verstandenes Diskriminierungsverbot steht den einschlägigen inländischen Vorschriften nicht entgegen, da sie nicht nach der Herkunft der zu empfangenden Fernsehprogramme unterscheiden 123. Darüber hinaus enthält Art. 49 EGV nach ständiger Rechtsprechung des EuGH 124 auch ein allgemeines Beschränkungsverbot 125. Damit verbietet der EG-Vertrag jede – auch eine auf in- und ausländische Dienstleistende unterschiedslos angewandte – Regelung, die geeignet ist, die Tätigkeiten eines im anderen Mitgliedsstaat ansässigen Dienstleisters zu erschweren. Fraglich ist, ob die öffentlich-rechtlichen Antennenverbote eine solche Beschränkung darstellen. Soweit Kabelnetze nach den Vorgaben der Landesmedienanstalten zu belegen sind, werden vorrangig Programme von im Inland ansässigen Rundfunkveranstaltern verbreitet. Fernsehprogramme aus bestimmten anderen Mitgliedsstaaten kommen hingegen gar nicht zum Zug. So haben z. B. portugiesische oder schwedische Veranstalter kaum Chancen, eingespeist zu werden. Daran ändert sich auch dann wenig, wenn die Einspeisung im Ermessen des Netzbetreibers selbst steht 126. Denn auch die gesetzlich in ihrer Auswahl nicht eingeschränkten Betreiber werden nur solche Programme einspeisen, die wenigstens für eine relevante Mehrzahl von Zuschauern von Interesse sind. Schon aus technischen Gründen verhält es sich bei der Satellitenübertragung indes anders. Wegen der großen Bestrahlungsradien (Footprint 127) wird ein Satellit gleichzeitig Deutschland und, um das obige Beispiel aufzugreifen, Schweden und Portugal abdecken, mit dem Ergebnis, dass diese Fernsehsender über Satellit wesentlich leichter jeden potentiellen Zuschauer in Deutschland erreichen können. Damit behindert eine Einschränkung des Satellitenempfangs den ausländischen Fernsehveranstalter bei der Erbringung seiner Dienstleistung, den Zuschauer in Deutschland bei deren Empfang 128. Antennenverbote stellen daher eine Beschränkung im Sinne des Art.49 EGV dar.
122 Roth, in: Dauses EU-Wirtschaftsrecht, E. I Rn. 118. Zwischen diskriminierenden Maßnahmen u. anderen Beeinträchtigungen ist streng zu unterscheiden, da erstere nur durch Art.55 i.V. m. Art. 46 EGV gerechtfertigt werden können. Siehe zur Abgrenzung von materieller Diskriminierung u. nichtdiskriminierender Beeinträchtigung, z. B. Greissinger 57 ff. 123 Der EuGH, der unlängst über eine Steuer auf Satellitenantennen zu urteilen hatte, ging dabei ebenfalls von einer Beschränkung, nicht von einer Diskriminierung aus, EuGH v. 29.11.2001, Rs. C-17/00, Slg. I-2001, 9445 Tz. 29 ff. 124 So erstmals EuGH v. 3.12.1974, Rs. 33/74, Slg.-1974, 1299 Tz.10 (Van Binsbergen); aus neuerer Zeit z. B. EuGH v. 29.11.2001, Rs. C-17/00, Slg. I-2001, 9445 Tz. 29. 125 Dazu allgemein: Roth, in: Dauses EU-Wirtschaftsrecht, E. I Rn. 117. 126 So im Bereich des § 52 Abs. 4 Nr. 2 RStV. 127 Siehe dazu Merkel, ZUM 2002, 676. 128 Siehe auch EuGH v. 29.11.2001, Rs. C 17/00, Slg. I-2001, 9445 Tz. 32 f., wonach eine Steuer auf Parabolantennen geeignet ist, potentielle Empfänger von Fernsehdienstleistungen davon abzuhalten, Zugang zu Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten anzustreben u. somit eine Behinderung ausländischer Marktbeteiligter darstellt.
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(b) Rechtmäßigkeit der Beschränkung Das Beschränkungsverbot des Art. 49 EGV ist jedoch kein absolutes Verbot 129. Vielmehr stehen nichtdiskriminierende Beschränkungen nach ständiger Rechtsprechung des EuGH 130 mit der Dienstleistungsfreiheit in Einklang, wenn u. a. folgende Voraussetzungen erfüllt sind: die Beschränkung wird durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt, sie ist geeignet, das mit ihr verfolgte Ziel zu befördern, und sie ist erforderlich (im Sinne eines Übermaßverbotes), das angestrebte Ziel zu erreichen 131. Die hier in Rede stehenden Verbote, eine Satellitenantenne anzubringen, dienen der Stadtästhetik und dem Denkmalschutz und damit Zielen, die sicherlich im Allgemeininteresse stehen, wenngleich der EuGH dies im Hinblick auf eine Antennensteuer offen gelassen hat 132. Diese Verbote scheitern jedoch bereits an der Erforderlichkeit, an die gerade bei Korrespondenzdienstleistungen hohe Anforderungen gestellt werden müssen 133. Denn durch Erlass von Vorschriften über Beschaffenheit und Platzierung dürfte fast ausnahmslos den Gesichtspunkten des Stadtbildes entsprochen werden können. So hat auch die Kommission in ihrer Mitteilung zahlreiche mildere Mittel, z. B. Vorschriften über den Ort der Anbringung, aufgelistet und darauf hingewiesen, dass grundsätzlich das Recht, mittels Parabolantenne Rundfunk zu empfangen, gewährleistet sein müsse 134. Hinzukommt, dass die Mitgliedsstaaten, die unter Berufung auf Rechtfertigungsgründe die Grundfreiheiten einschränken wollen, dabei nach Rechtsprechung des EuGH die Gemeinschaftsgrundrechte zu achten haben135; die Gemeinschaftsgrundrechte werden so zur Schranken-Schranke bei Eingriffen in die Grundfreiheiten 136. Dies ist insofern relevant, als auch auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts die Informationsfreiheit anerkannt ist. Denn sowohl Art. 10 Abs. 1 Satz 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) 137 als auch die Verfassungstradition der Mitgliedsstaaten 138 und damit die nach Art. 6 Abs. 2 EUV maßgeblichen Rechtserkenntnisquellen gewährleisten die Informationsfreiheit, die sich gerade auch im Satellitenempfang verwirklicht 139. Diese Annahme wird durch die Aussagen der EuroRoth, in: Dauses EU-Wirtschaftsrecht, E. I Rn. 118. EuGH v. 31.3.1993, Rs. C-19/92, Slg. I-1993, 1663 Tz. 32 (Kraus); v. 30.11.1995, Rs. C-55/94, Slg. I-1995, 4165 Tz. 37 (Gebhard). 131 Zur Schrankensystematik im Rahmen des Art. 49 ff. siehe auch: Kluth, in: Callies/Ruffert, Art. 50 EGV Rn. 54; Roth, in: Dauses EU-Wirtschaftsrecht, E. I Rn. 118 ff. 132 EuGH v. 29.11.2001, Rs. C-17/00, Slg. I-2001, 9445 Tz. 36 ff. 133 Kluth, in: Callies/Ruffert, Art. 50 EGV Rn. 68. 134 Mitteilung der Kommission v. 27.6.2001, KOM (2001) 351, 15 ff. 135 EuGH Rs. C-260/89, Slg. I-1991, 2925 Tz. 43 sowie Rs. C-368/95, Slg. I-1997, 3689 Tz. 24 ff. 136 Siehe Kingreen, in: Callies/Ruffert, Art. 6 EUV Rn. 60, der selbst aber diese h. M. kritisiert (Rn. 61) sowie Mitteilung der Kommission v. 27.6.2001; KOM (2001) 351, 12. 137 Konvention zum Schutze der Menschenrechte u. Grundfreiheiten v. 4.11.1950. 138 Siehe die rechtsvergleichende Darstellung der Medienfreiheit bei Kühling 252 ff. 139 So hat der EGMR in seiner Entscheidung Autronic gerade die Empfangsmittel in den Schutzbereich des Art. 10 EMRK miteinbezogen, EuGRZ 1990, 261, 262. 129 130
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päischen Grundrechtscharta (EuGRCh) 140 gestützt 141. Die Informationsfreiheit nach Art. 11 Abs. 1 Satz 2 EuGRCh betont 142 ebenso wie Art. 10 EMRK den grenzüberschreitenden Aspekt der Empfangsfreiheit 143, wie er gerade beim Empfangsmittel Parabolantenne im Vordergrund steht. Dementsprechend dürfte die nationale Beschränkung der Grundfreiheiten auch an einem Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtliche Informationsfreiheit scheitern. Im Ergebnis sind deshalb Antennenverbote als Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit gemeinschaftsrechtswidrig. bbb) Mieter Kann die gemeinschaftsrechtliche Unzulässigkeit öffentlich-rechtlicher Antennenverbote damit als gesicherte Erkenntnis gelten, stellt sich die wesentlich schwierigere Frage, ob auch dem Mieter aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben ein Recht auf Antenne zusteht und den Vermieter eine korrespondierende Duldungspflicht trifft. Dabei sind zwei Situationen grundlegend zu unterscheiden. Vereinbaren Vermieter und Mieter individualvertraglich und explizit ein Verbot, eine Satellitenantenne anzubringen, stellt sich die Frage, ob hier das Europarecht auf Seiten des Mieters streitet (unmittelbare Drittwirkung von Grundfreiheiten) und deshalb eine solche Vereinbarung (gem. § 134 BGB i.V. m. Art. 49 EGV) nichtig ist 144; lehnt man die unmittelbare Drittwirkung ab, so ist weiter zu fragen, ob nicht der deutsche Zivilgesetzgeber zu einer Änderung des Mietrechts aufgrund einer gemeinschaftsrechtlichen Garantenpflicht gezwungen ist (zum Ganzen unter (1)). Eine andere rechtliche Ausgangslage besteht dann, wenn die Parteien keine Abrede treffen; hier ist dann auf die richterliche Auslegung des Begriffes vertragsgemäßer Gebrauch gemäß §§ 535, 242 BGB einzugehen, was in die Problematik der europarechtskonformen Auslegung des inländischen Zivilrechts mündet (dazu unter (2)). Da bei der europarechtskonformen Auslegung insbesondere generalklauselartige Tatbestände 140 Charta der Grundrechte der Europäischen Union v. 7.12.2002, ABl. C 364/1. Dazu allgemein Hilf, Beilage NJW 2000, 5 f., sowie aus medienrechtlicher Perspektive Dörr/Zorn, NJW 2001, 2841 f.; Stock, K & R 2001, 297 ff.; siehe auch Sporn, ZUM 2000, 537 ff. 141 Zwar gehört die EuGRCh nicht unmittelbar zu den Rechtserkenntnisquellen des Art. 6 Abs. 2 EUV, sie ist jedoch Ausdruck der dort genannten gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten u. dürfte insoweit auch zur Bestimmung der Gemeinschaftsgrundrechte herangezogen werden, so Kingreen, in: Callies/Ruffert, Art.6 EUV, Rn. 35 a; Dörr/Zorn, NJW 2001, 2842, sprechen zu Recht von einem „Interpretament“ der Gemeinschaftsgrundrechte; zur Wirkung der EuGRCharta siehe auch Entschließung des Europäischen Parlaments v. 23.10.2002, EuGRZ 2002, 670, 672. 142 Dort heißt es, dass jede Person die Freiheit habe, Informationen u. Ideen ohne behördliche Eingriffe u. „ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen“ zu empfangen. 143 Die inhaltlich enge Verbindung von EMRK u. EuGRCh ergibt sich schon aus Art. 52 Abs. 3 EuGRCharta, wonach die EMRK den Mindeststandard festlegt, soweit beide Normen gegenständlich die gleichen Rechte garantieren. 144 Siehe auch Forsthoff, EWS 2000, 397 u. z. B. BGH BGHZ 30, 74, 86.
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zum Einfallstor der Grundfreiheiten werden, kann insofern in Anlehnung an die nationale Terminologie auch von einer mittelbaren Drittwirkung gesprochen werden 145. Schließlich kann das vertragliche Antennenverbot durch allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) vereinbart sein, die in ihrer Wirkweise zwischen der individualvertraglichen Regelung und der Nichtregelung stehen (dazu unter (3)). (1) Individualregelung über Satellitenantenne Aufgrund der zwischen den Parteien bestehenden – grundsätzlich auch als europäisches Grundrecht anerkannten 146 – Vertragsfreiheit kann der Vermieter mit dem Mieter vertraglich aushandeln, dass dem Mieter die Anbringung einer Satellitenantenne nicht gestattet wird. Das Verhalten des Vermieters, nämlich die Anbringung der Satellitenantenne an seinem Eigentum vertraglich auszuschließen, behindert aber ebenso wie ein gesetzliches Verbot potentiell die Dienstleistungsfreiheit. Denn der Mieter kann die Programme ausländischer Veranstalter dann nicht oder nur eingeschränkt empfangen. Dies gilt nach dem oben Gesagten unabhängig davon, ob ein Zugang zum Kabelfernsehen eröffnet ist oder nicht. Denn bestimmte grenzüberschreitende Fernsehdienste werden regelmäßig nur mittels Satellit angeboten. Während aber die Verpflichtung staatlicher Gewalt, bei ihrem Tun die Verträge einzuhalten dem Grundsatz nach offensichtlich ist 147, man denke nur an Art. 10 EGV, ist die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten 148 im Verhältnis Privater zueinander (unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten) höchst strittig und unsicher. Nur aber wenn die Art. 49 ff. EGV im Verhältnis Mieter und Vermieter zu beachten sind, kann das vertragliche Antennenverbot (europa-)rechtlich unzulässig sein. Der Vermieter hätte dann die Anbringung einer Satellitenantenne an seinem Hauseigentum zu dulden. Greift eine so verstandene Drittwirkung nicht, ist weiter zu fragen, ob nicht die Bundesrepublik zum Erlass einer gesetzlichen Duldungsregelung verpflichtet ist. (a) Unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten als Duldungspflicht des Vermieters Bereits im Jahre 1974 hat der EuGH eine Drittwirkung der Dienstleistungsfreiheit – jedenfalls für kollektive Regelungen – angenommen und dies damit begründet, dass die Beseitigung von staatlichen Behinderungen des freien DienstleistungsJaensch 29 u. 81. Der EuGH erkennt die allgemeine Handlungsfreiheit an (siehe Bleckmann/Piper, in: Dauses EU-Wirtschaftsrecht, B. I Rn. 96), aus der dann die Vertragsabschlußfreiheit erwächst; vermutlich ist Art. 6 EuGRCharta ebenfalls im Sinne einer allgemeinen Handlungsfreiheit auszulegen, die unternehmerische Tätigkeit, z. B. bei gewerblicher Vermietung wird durch Art. 16 EuGRCharta anerkannt. 147 Zur Bindung z. B. des Zivilgesetzgebers: Randelshofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, vor Art. 39–55 EGV Rn. 54. 148 Zum Begriff m. w. N. Oppermann, Rn. 1273. 145 146
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verkehres erschwert werde, wenn diese von privater Seite erhalten oder neu aufgebaut würden 149. Im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit hat der EuGH ebenfalls diskriminierende Regelungen Privater als europarechtswidrig betrachtet 150, während eine Entscheidung über die Drittwirkung der Warenverkehrsfreiheit vereinzelt geblieben ist 151. In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, dass eine teleologische Auslegung der Grundfreiheiten ihre Drittwirkung fordere, da eine Beschränkung der Freiheiten durch autonom handelnde Private den Vertragszweck gefährde; die Drittwirkung diene der Durchsetzung der Grundfreiheiten152. Außerdem entspreche die Annahme, dass – auch ökonomische – Grundfreiheiten eine objektive Rechtsordnung und damit Drittwirkung begründen, einer kontinentaleuropäischen Verfassungstradition 153. Der überwiegende Teil der Literatur lehnt jedoch die Drittwirkung der Dienstleistungsfreiheit dem Prinzip nach ab 154. Durch die Anerkennung einer unmittelbaren Drittwirkung werde unzulässig die Kompetenz der Mitgliedstaaten beschränkt, die Beziehungen unter Privaten selbst zu regeln; an die Stelle mitgliedstaatlichen Privatrechts trete Gemeinschaftsrecht 155. Gegen eine Drittwirkung der Grundfreiheiten spreche außerdem ihre innere Struktur: Die Ausnahmetatbestände der Grundfreiheiten (z. B. Art. 30 EGV) ließen nämlich erkennen, dass diese nicht auf eine Interessenabwägung zwischen Privaten, sondern auf den Widerspruch von öf149 EuGH v. 12.12.1974, Rs. 36/74, Slg.-1974, 105 Tz. 16 ff., 25 (Walrave); bekräftigt in der Entscheidung Dona, EuGH v. 14.7.1976, Rs. 13/76, Slg.-1976, 1333 Tz. 17/18. In einem neueren Urteil zu Art. 49 EGV (EuGH v. 11.4.2000, Rs. C-51/96 verbunden mit Rs. C-191/97, Slg. I-2000, 2549 Tz. 47 (Deliège)) wird wieder eindeutig auf die kollektive Regelung (vorliegend eines nationalen Sportverbandes) abgestellt. Siehe insges. auch die Darstellung der Rspr. bei Schindler 63 ff. 150 Siehe die Urteile der vorherigen Fn. sowie EuGH v. 15.12.1995, Rs. C-415/93, Slg. I-1995, 4921 Tz. 82 ff. (Bosmann); EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-281/98, Slg. I-2000, 4139 Tz. 34 ff. (Angonese), dazu auch ausführlich Forsthoff, EWS 2000, 389 ff. Im Fall Agonese war eine Bewerberauswahlrichtlinie einer Bankgesellschaft zu prüfen, die auf einem Tarifvertrag basierte u. eine staatliche Sprachbescheinigung verlangte. Es handelt sich insofern um einen Fall im Grenzbereich von kollektiver zu individueller privater Regelung. 151 EuGH v. 22.1.1981, Rs.58/80, Slg.-1981, 181 Tz.17 (Dansk Supermarket). Dort heißt es: „... Überdies ist darauf hinzuweisen, dass Vereinbarungen zwischen Privaten auf keinen Fall von den zwingenden Bestimmungen des Vertrages über den freien Warenverkehr abweichen dürfen.“ Dieses obiter dictum hat der Gerichtshof dann aber nicht weiter verfolgt, so dass davon ausgegangen werden kann, dass der EuGH insoweit einer Drittwirkung ablehnend gegenübersteht, so Epiney, in: Callies/Ruffert, Art. 28 EGV Rn. 46, Fn. 112; siehe auch Roth, FS Everling, 1234 ff. 152 Steindorff, FS Lerche, 586; im Bezug auf Diskriminierungsverbote auch Forsthoff, EWS 2000, 393. 153 Siehe dazu die rechtsvergleichenden Ausführungen bei Meyer 342 ff. 154 Beispielsweise Roth, FS Everling, 1231 ff.; Kluth, in: Callies/Ruffert, Art. 50 EGV Rn. 48 f.; Burgi, EWS 1999, 330. 155 Burgi, EWS 1999, 330.
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fentlichem Interesse und privater Freiheit ausgerichtet seien 156. Wenn z. B. Art. 46 EGV Ausnahmen von der Niederlassungsfreiheit zum Zwecke des Schutzes der „öffentlichen Ordnung“ vorsehe, so ergebe sich daraus ohne weiteres, dass damit staatliches Handeln gemeint sein müsse, schlössen doch Privatpersonen kaum Verträge zum Schutz derartiger Rechtsgüter 157. Weiterhin unterscheide der Vertrag systematisch eindeutig zwischen Regelungen, die sich an die Mitgliedsstaaten richten, und solchen, die sich an die Marktbürger wenden, was sich vor allem aus den Art. 81 ff. EGV ergebe 158. Schließlich führe die unmittelbare Drittwirkung auch aus der Sicht von Gemeinschaftsgrundrechten zu Problemen. Denn durch eine Bindung Privater werde in deren europagrundrechtlich geschützte Freiheit, sich wirtschaftlich zu betätigen und ihre Rechtsbeziehungen privatautonom auszugestalten, eingegriffen, was aber einer expliziten gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage und einer Überprüfung anhand des Übermaßverbotes bedürfe 159. Verpflichtungen Privater müssten deshalb zunächst durch europäisches Sekundärrecht umgesetzt werden 160. Richtig erscheint es, bei der Frage nach der Drittwirkung der Dienstleistungsfreiheit einen Mittelweg einzuschlagen und von einer partiellen Drittwirkung auszugehen 161: Demnach ist eine unmittelbare Drittwirkung grundsätzlich mit den Argumenten der Literatur abzulehnen, in zwei Fällen davon aber eine Ausnahme zu machen: Die Dienstleistungsfreiheit sollte zum einen dann unmittelbare Drittwirkung entfalten, wenn sich das Verhältnis zwischen den beteiligten Parteien vom bürgerlich-rechtlichen Idealbild gleicher Verhandlungsstärke deutlich entfernt hat und sich dem eigentlichen Anwendungsbereich der Grundfreiheiten, dem Über-/Unterordnungsverhältnis, angleicht. In dieser Situation wesentlich ungleicher Verhandlungsstärke müssen die systematischen Bedenken hinter den teleologischen Erfordernissen der Grundfreiheiten zurücktreten. Zum anderen sollte von unmittelbarer Drittwirkung bei echter Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit ausgegangen werden, da die Grundfreiheiten insofern nur das allgemeine, dem Vertrag durchgän156 Bleckmann/Piper, in: Dauses EU-Wirtschaftsrecht, B. I Rn. 133; auch Steindorff, der an sich die Drittwirkung befürwortet räumt ein, dass Ausnahmen vom Verbot, die auf zwingenden Gründen des Allgemeininteresses beruhen, für privatautonomes Verhalten, das gerade von Eigennutz u. nicht Allgemeinnutz beherrscht wird, nicht passen (Steindorff, FS Lerche, 584 f.). 157 So Roth, FS Everling, 1241, im Hinblick auf Art. 36 EGV (a. F.). 158 Jaensch 140 ff. 159 Siehe zum Gesetzesvorbehalt u. Übermaßverbot jetzt auch Art. 52 Abs. 1 EuGRCharta. 160 Kluth, in: Callies/Ruffert, Art. 50 EGV Rn. 49. 161 Siehe auch die Lösung von Bleckmann/Piper, in: Dauses EU-Wirtschaftsrecht, B. I Rn. 134; ähnlich wie hier auch Möllers, EuR 1998, 36 f., der auf eine „massive Störung“ der Privatautonomie abhebt sowie Forsthoff, EWS 2000, 393; etwas enger ist die vor allem von Roth, FS Everling, 1246 f., in Anlehnung an die EuGH-Rechtsprechung entwickelte Lehre von den „intermediären Gewalten“. Danach unterliegen der unmittelbaren Drittwirkung ausnahmsweise solche Privatpersonen, die in Verfolgung öffentlicher Interessen normschöpferisch tätig sind u. deren Regelung man nicht entrinnen kann.
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gig zugrundeliegende und in Art. 12 EGV niedergelegte Diskriminierungsverbot konkretisieren 162. Die Drittwirkung im Mietrecht dürfte damit im Ergebnis wohl zu verneinen sein. Zunächst stellt ein vertragliches Antennenverbot keine Diskriminierung dar, da die Vereinbarung nach Gehalt und Zweck nicht zwischen in- und ausländischen Fernsehdiensten differenziert. Darüber hinaus gilt: Zwar befindet sich der Mieter bei abstrakt-genereller Betrachtung in einer schwächeren Verhandlungsposition. Gleichwohl dürfte die „Bargaining Power“ 163 des Vermieters nicht so groß sein, dass von einem Über-/Unterordnungsverhältnis ähnlich dem zwischen Staat und Bürger gesprochen werden kann 164. Allein die tatsächliche Zahl von Satellitenantennen an Mietwohnungen beweist, dass es möglich ist, entsprechende Wünsche auf dem Verhandlungsweg durchzusetzen. Selbst wenn man aber die unmittelbare Drittwirkung der Dienstleistungsfreiheit im Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter annehmen würde, hieße dies noch nicht, dass ein Verbot der Satellitenantenne gemeinschaftsrechtswidrig wäre. Man müsste dann nämlich auch die Rechtfertigungsmöglichkeiten seitens des verpflichteten Privaten, hier des Vermieters, bedenken. Dabei ist davon auszugehen, dass bereits „sachliche Erwägungen“ 165 den Privaten zu rechtfertigen vermögen 166 und auch an die Verhältnismäßigkeit geringe Anforderungen zu stellen sind 167. Damit lässt sich festhalten, dass das Gemeinschaftsrecht individuellen mietvertraglichen Antennenverboten nicht unmittelbar entgegensteht und keine Duldungspflicht des Vermieters begründet 168.
162 Randelshofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, vor Art. 39–55 EGV Rn. 67–69; auch hier sind jedoch Beschränkungen vorzunehmen, soweit die Diskriminierung im Kernbereich der persönlichen Lebensführung, etwa bei Dienstverhältnissen, die ein besonderes Vertrauensverhältnis voraussetzen, angesiedelt ist; siehe Forsthoff, EWS 2000, 395. 163 Begriff findet sich bei Bleckmann/Piper, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, B. I Rn. 133. 164 Zum gleichen Ergebnis gelangt die Lehre von den „intermediären Gewalten“. Denn der Vermieter schafft gerade nicht „rechtsschöpferisch“ Normen, denen man nicht entrinnen kann. Zu den einzelnen Voraussetzungen siehe auch Jaensch 268 ff. 165 EuGH v. 6.6.2000, Rs. C-281/98, Slg. I-2000, 4139 Tz. 42 (Agonese). 166 Das Erfordernis einer Rechtfertigung durch „sachliche Erwägungen“ ist schon sprachlich wesentlich weiter als das „zwingende Allgemeininteresse“, dem Maßstab der Rechtfertigung für staatliches Handeln; zum Ganzen Forsthoff, EWS 2000, 394 ff. 167 Randelshofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, vor Art. 39–55 EGV Rn. 81 ff. 168 Zum gleichen Ergebnis gelangt man im Übrigen, stellt man auf die EMRK ab: Zwar schützt Art. 10 EMRK auch u. gerade die passive Informationsfreiheit (z. B. Villiger Rn. 599), eine unmittelbare Drittwirkung ihrer Grundrechte kennt die EMRK aber gerade nicht (Fahrenhorst 87).
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(b) Garantenpflicht des nationalen Zivilgesetzgebers Von der Zulässigkeit privatautonomer Regelung ist die Frage zu trennen 169, ob nicht der deutsche Mietrechtsgesetzgeber gehalten ist, ein Recht auf Satellitenantenne zu schaffen, das die eingangs beschriebenen vertraglichen Antennenverbote untersagt und dem Mieter einen unabdingbaren Duldungsanspruch an die Hand gibt 170. Eine solche Verpflichtung des Mitgliedstaates könnte sich aus einer grundfreiheitlichen Garantenpflicht 171 ergeben. Eine solche hat der EuGH erstmals in einem Urteil zur Warenverkehrsfreiheit angenommen 172 und damit die seit jeher anerkannte Verpflichtung der Mitgliedstaaten, den Binnenmarkt nicht durch positive Maßnahmen zu gefährden, auf bestimmte Formen vertragswidriger Untätigkeit ausgedehnt 173. Die Frage, ob aus Art. 49 EGV eine Garantenpflicht der Bundesrepublik dahingehend folgt, dass in das BGB ein Recht des Mieters auf Satellitenantenne aufzunehmen ist, kann nicht abschließend behandelt werden, ohne den Rahmen der vorliegenden rundfunkrechtlichen Arbeit zu sprengen. Einige wenige Überlegungen im Folgenden müssen deshalb genügen. Dabei steht die Frage im Vordergrund, inwieweit die Entscheidung des EuGH, die strafrechtlich relevante Übergriffe französischer Bauern betraf 174, auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden kann. Zwar wird man die vom Gerichtshof für die Warenverkehrsfreiheit entwickelten Grundsätze wohl auf andere Grundfreiheiten und also auch auf die hier schwerpunktmäßig betroffene Dienstleistungsfreiheit erstrecken können 175. Ob die Garantenpflicht aber auch in Fällen greift, da nicht ein Störer die Grundfreiheiten durch Rechtsbruch verletzt, sondern die Einschränkung Folge einer privatautonomen Vereinbarung ist, muss bezweifelt werden 176. Denn es stellt einen nicht unerheblichen Unterschied dar, ob die Beschränkung der Grundfreiheit Folge eines ungerechtfertigten privaten Übergriffes auf die Rechte Dritter ist, der nach nationalem Recht ohnehin verboten und vom Mitgliedstaat gleichwohl Zum Verhältnis beider Institute zueinander, Burgi, EWS 1999, 330 ff. Fahrenhorst bezeichnet eine solche Schutzpflicht (im Hinblick auf die Grundfreiheiten der EMRK, aber insofern übertragbar) als die „zweite Dimension der Drittwirkung“, dies. 94. 171 Diese wird auch – in Anlehnung an die nationale Terminologie – Schutzpflicht genannt, z. B. bei Szczekalla, DVBl. 1998, 219 ff.; Kühling, NJW 1999, 403. 172 EuGH v. 9.12.1997, Rs. C-265/95, Slg. I-1997, 6959 Tz. 30 ff. Das Gericht befand, dass Frankreich seine aus Art. 28 EGV folgende Schutzpflicht dadurch verletzt habe, dass es keine effektiven Maßnahmen gegen andauernde Übergriffe seiner Bürger auf Warentransporte aus anderen Mitgliedstaaten getroffen habe. 173 Schwarze, EuR 1998, 53. 174 So wurden Obstgroß- u. Obsteinzelhändler genötigt, keine EG-ausländischen Waren zu kaufen u. solche Waren sowie LKWs mutwillig zerstört. 175 Eine weite Auslegung der Garantenpflicht in Richtung eines allgemeinen Prinzips der Grundfreiheiten z. B. bei Burgi, EWS 1999, 329 f. 176 Zu den Problemen der bundesverfassungsrechtlichen Schutzpflichtdogmatik bei privatautonomem Handeln siehe ausführlich unten D.II. 2. c) bb) ddd) (1), sowie Isensee, in: ders./ Kirchhof HbStR V, § 111 Rn. 128 ff., insbesondere Rn. 131. 169 170
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geduldet wird, oder ob die Beschränkung Folge eines an sich nach dem nationalen wie Gemeinschaftsrecht erlaubten und gewollten privatautonomen Handelns ist. Diese Differenzierung wird im Hinblick auf die konkreten Konstellationen – hier ein um das Erscheinungsbild seines Hauses besorgter Vermieter bei Vertragsverhandlungen, dort wutentbrannte Landwirte, die Lastwagen mit Waren aus anderen Mitgliedsstaaten anzünden – handgreiflich. Kurzum: Der Vermieter dürfte schon nicht die – eine Pflicht zu staatlichem Eingreifen auslösende – „Störerqualität“ besitzen. Garantenpflichten der Mitgliedsstaaten für das Ergebnis privatautonomer Verhandlung aus den Grundfreiheiten abzuleiten, erscheint weiterhin auch deshalb fraglich, weil so verstandene Freiheiten nicht mehr der ungehinderten wirtschaftlichen Entfaltungs- und Bewegungsfreiheit der Akteure im Binnenmarkt und damit ihrer eigentlichen Zweckbestimmung dienten 177, sondern im Gegenteil diese Freiheitsentfaltung einschränkten und damit die Freiheiten in ihr Gegenteil verkehrten. Darüber hinaus wird man zu bedenken haben, dass eine Garantenpflicht dahingehend, dass Vermieter durch den Mitgliedstaat gezwungen werden, Satellitenantennen zu dulden, auch einen Eingriff in das gemeinschaftsrechtlich 178 geschützte Eigentum dieser Vermieter darstellt 179 und dementsprechend zu rechtfertigen ist. Schließlich stellt sich die Frage, ob und wieweit der Mitgliedstaat gezwungen ist, gerade durch die Einführung einer gesetzlichen Duldungspflicht seinen – so sie denn bestünden – Garantenpflichten nachzukommen oder ob nicht ein Ermessen besteht, z. B. durch Zuschüsse, Werbe- und Aufklärungsmaßnahmen die Gefahren für die Dienstleistungsfreiheit abzuwenden 180. Im Ergebnis wird man daher – selbst nach nur kursorischer Prüfung – eine Garantenpflicht des deutschen Zivilrechtsgesetzgebers zur Änderung des Mietrechts wohl ablehnen müssen. Damit gilt es festzuhalten: individualvertraglich vereinbarte Antennenverbote dürften jetzt und in Zukunft gemeinschaftsrechtlich zulässig sein.
177 Zum konvergenten Ziel der Grundfreiheiten, Epiney, in: Callies/Ruffert, Art. 28 EGV Rn. 56. 178 Wie hier für die Gemeinschaftsgrundrechte als Maßstab Szczekalla, DVBl. 1998, 223 f., a. A. Burgi, EWS 1999, 330, Fn. 44. 179 Die Gemeinschaftsgrundrechte werden damit zur Grenze der aus den Grundfreiheiten ableitbaren staatlichen Handlungspflichten, Frenz, EuR 2002, 605; für die Notwendigkeit einer Abwägung zwischen der zu schützenden Grundfreiheit u. dem betroffenen Grundrecht auch Szczekalla, DVBl. 1998, 223 f.; siehe auch Schindler 162 ff. Für den EuGH stellte sich das Problem nicht, da sich die französischen Landwirte für ihre Angriffe nicht auf Gemeinschaftsgrundrechte berufen konnten. 180 Der EuGH hat denn auch einen weiten Ermessenspielraum bei der Umsetzung der Verpflichtung gefordert, EuGH v. 9.12.1997, Rs. C-265/95, Slg. I-1997, 6959 Tz. 33 f.; diesen Ermessenspielraum betonen auch Kühling, NJW 1999, 403; Epiney, in: Callies/Ruffert, Art. 28 EGV Rn. 50.
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(2) Keine Regelung In der Praxis ist es jedoch nicht selten der Fall, dass sich die Parteien über die Installation einer Satellitenantenne bei Vertragsschluss keine Gedanken machen und diesen Punkt ungeregelt lassen; im Streitfall hat dann das nationale Gericht anhand der §§ 535, 242 BGB zu entscheiden, ob der Mieter die Duldung einer Satellitenschüssel verlangen kann. Dabei stellt sich aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht die Frage, inwieweit die Dienstleistungsfreiheit das Auslegungsergebnis beeinflusst. Die gefestigte deutsche Rechtsprechung ist bisher – soweit ersichtlich – auf europarechtliche Aspekte nicht eingegangen und hat die Auslegung allein auf nationaler Ebene im Spannungsfeld von Eigentumsgarantie und Informationsfreiheit angesiedelt. Dies greift, wie zu zeigen sein wird, wohl zu kurz. Zu untersuchen sind dabei nur die Fallkonstellationen, in denen die Anbringung einer Anntenne nach derzeitiger nationaler Rechtsprechung nicht dem vertragsgemäßen Gebrauch entspricht, die Fälle also, in denen der Mieter Deutscher ist und die Wohnung bereits über Kabelanschluss verfügt 181. Das Gemeinschaftsrecht kann in zwei Spielarten die Auslegung beeinflussen 182: zum einen im Wege der richtlinienkonformen, zum anderen im Wege der europarechtskonformen Auslegung. Beide Auslegungsarten sind zu unterscheiden 183: Während die richtlinienkonforme Auslegung nur im Hinblick auf eine spezielle Richtlinie erfolgt, ist bei gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung, das gesamte Gemeinschaftsrecht bei der Normeninterpretation miteinzubeziehen184. Dabei fordert der Grundsatz des effet-utile, Art. 10 EGV, das gesamte nationale Recht so auszulegen, dass insbesondere den Grundfreiheiten als direkt wirksamen Vorschriften Rechnung getragen wird. Die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung ähnelt somit der verfassungskonformen Auslegung auf nationaler Ebene 185. Da wie oben gezeigt die im Hinblick auf Rundfunkempfang allein einschlägige Fernsehrichtlinie 186 vorliegend nicht anwendbar ist, scheidet eine richtlinienkonforme Auslegung aus; die folgenden Ausführungen widmen sich deshalb der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung. Siehe nochmals BVerfG NJW 1993, 1252 f. Ob die Verwirklichung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben durch Auslegung nur ein Anwendungsfall der Garantenpflicht der Mitgliedstaaten ist, so Burgi, EWS 1999, 330 o. ob Auslegung u. Erfüllung von Schutzverpflichtungen dogmatisch nicht verbunden sind (so für die Schutzpflichten nach dem GG, Isensee, in: ders./Kirchhof HbStR V, § 111 Rn. 134 ff.), kann hier offen bleiben. 183 Ehricke, RabelsZ 59 (1995), 603 f. 184 Siehe auch Jarass, EuR 1991, 223, der deshalb die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung als Oberbegriff, die richtlinienkonforme Auslegung als Unterfall ansieht; in diese Richtung auch Kahl, in: Callies/Ruffert, Art. 10 EGV Rn. 40. 185 Zur verfassungskonformen Auslegung u. ihren Grenzen Sachs, in: ders., Einführung Rn. 52 ff.; K. Hesse, Rn. 79 ff.; aus der Perspektive des Gemeinschaftsrechts auch Ress, DÖV 1994, 491 ff. 186 RL 89/522/EWG. 181 182
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Zunächst ist festzuhalten, dass Auslegungsobjekt der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung das gesamte nationale Recht 187, also auch jede Norm des Privatrechts sein kann 188. Dies führt zu einem weitgehenden Einbruch der Grundfreiheiten in die Zivilrechtsordnung der Mitgliedsstaaten, der aber – gerade in Ansehung von Art. 10 EGV – erwünscht ist, um die rechtliche Angleichung der Mitgliedstaaten und die Ziele des einheitlichen Marktes zu befördern189. Die Reichweite gemeinschaftrechtskonformer Auslegung wird aber dadurch wiederum begrenzt, dass diese Interpretation erst dort beginnt, wo überhaupt der Wortlaut die Möglichkeit der Auslegung eröffnet; die Auslegung lebt also vom Spielraum, den der Wortlaut der nationalen Vorschrift bietet 190. Adressat der Auslegungsregel ist jede staatliche Gewalt, insbesondere auch Gerichte bei der Normanwendung. Dies folgt ebenfalls aus Art. 10 EGV, verbietet dieser doch dem nationalen Richter sein „Heimatrecht“ so anzuwenden, dass gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen oder dieses in seiner Wirkkraft gemindert wird 191. Im Hinblick auf die Auslegung der einschlägigen mietrechtlichen Regelungen ergibt sich Folgendes: Gewährt der § 535 BGB dem Mieter Anspruch auf vertragsgemäßen „Gebrauch der Mietsache“, eröffnet dies dem Richter erheblichen Spielraum bei der Frage, welche Handlungen darunter fallen. Die Norm ist also angesichts ihres weiten Wortlautes auslegungsfähig; der Weg zur gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung dessen, was vertragsgemäßer Gebrauch ist, steht folglich offen. Dabei ist in zwei Schritten vorzugehen: zunächst ist der Gehalt der Gemeinschaftsnorm zu bestimmen, um anschließend den Inhalt der nationalen Vorschrift im Lichte der Erfordernisse der Gemeinschaftsnorm zu präzisieren192. Zu fragen ist also zunächst, welches Ergebnis der hier einschlägige Art. 49 EGV fordert. Bereits oben wu7rde dargelegt, dass ein Antennenverbot die Dienstleistungsfreiheit beschränkt 193. Fraglich ist deshalb nur, ob nicht der in einem Antennenverbot liegende Eingriff in die Grundfreiheit nach Art. 49 EGV ausnahmsweise 187 Jarass, EuR 1991, 220, betreffend die richtlinienkonforme Auslegung, was aber S. 223 auf die europarechtskonforme Auslegung übertragen wird. 188 Die Auslegung ist also nicht etwa auf vertikal wirkende Normen, die das Verhältnis Staat-Bürger bestimmen, beschränkt, Nettesheim, AöR 119 (1994), 275; Kahl, in: Callies/Ruffert, Art. 10 EGV Rn. 40; Zuleeg 170; so auch, jedoch explizit nur für die richtlinienkonforme Auslegung: Bach, JZ 1990, 1113; Götz, NJW 1992, 1853. 189 Siehe auch Zuleeg 168. 190 Nettesheim, AöR 119 (1994), 275; gegen den Wortlaut als Auslegungsgrenze aber z. B. Ehricke, RabelsZ 59 (1995), 632 ff. 191 Nettesheim, AöR 119 (1994), 268; Ehricke, RabelsZ 59 (1995), 626 unter Hinweis auf EuGH v. 16.11.1977, Rs. 13/77, Slg.-1977, 2115, der die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung treffend eine „Vermeidungsstrategie“ (630) nennt, da sie die gänzliche Unanwendbarkeit der Norm verhindert. Die besondere Stellung der Judikative bei der Durchsetzung praktischer Wirksamkeit von EG-Recht betont auch: Stettner, in: Dauses EU-Wirtschaftsrecht, A. IV Rn. 16. 192 Siehe Nettesheim, AöR 119 (1994), 281 sowie Zuleeg 171. 193 Siehe oben B. II. 1. b) bb) aaa) (3) (a).
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gerechtfertigt sein könnte. Dabei ist nun ein Perspektivwechsel vorzunehmen. Während oben zu prüfen war, ob öffentliche Interessen wie der Denkmalschutz Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit zu rechtfertigen vermögen, muss sich jetzt der Blick auf die horizontale Ebene richten. Denn fordert Art. 49 EGV die Duldung einer Satellitenantenne und in der Folge eine entsprechende Entscheidung des deutschen Gerichts, so bewirkt das Gemeinschaftsrecht einen Eingriff in die – gemeinschaftsrechtlich geschützten 194 – Eigentumsrechte des Vermieters 195. Es kommt also bei der – durch Auslegung zivilrechtlicher Normen bewirkten – Horizontalwirkung von Grundfreiheiten zu einem Konflikt zwischen Grundfreiheit (auf Seiten des Mieters) und Gemeinschaftsgrundrecht (auf Seiten des Eigentümervermieters) 196. Dabei ist fraglich wie ein derartiger Konflikt zwischen Dienstleistungsfreiheit und Eigentumsrecht aufzulösen ist. Während der EuGH regelmäßig der Grundfreiheit Vorrang einräumt, soweit eine Maßnahme nicht offensichtlich ungeeignet erscheint, die legitimen Ziele der Gemeinschaft zu erfüllen 197, wird in der Literatur mit Hinweis auf die deutsche Rechtslage ein schonender Ausgleich zwischen Grundfreiheit und Grundrecht im Sinne praktischer Konkordanz gefordert 198. Die Frage kann im Ergebnis offen bleiben, da auch bei gehöriger Abwägung der Grundfreiheit hier der Vorrang gebührt: Denn einem geringfügigen, noch dazu finanziell abgegoltenen Eingriff in das Vermietereigentum durch die Installation einer Antenne steht eine starke – der Empfang bestimmter Dienstleistungen würde gänzlich unterbunden – Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit entgegen. Zudem wird die Dienstleistungsfreiheit des Mieters noch durch seine – gemeinschaftsgrundrechtlich geschützte 199 – Informationsfreiheit gestärkt. Im Ergebnis ist damit gemeinschaftsrechtlich als Ausfluss der Dienstleistungsfreiheit ein unbeschränkter Zugang zum Satellitenempfang gefordert 200. Im zweiten Schritt der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung hat nun das nationale Gericht unter den mehreren Auslegungsmöglichkeiten einer Norm diejenige 194 Der Schutz aller vermögenswerten Recht u. Güter, die das bürgerliche Recht einem privaten Rechtsträger zuordnet, ist seit langem durch den EuGH anerkannt; siehe den ausführlichen Rechtsprechungsnachweis bei Kingreen, in: Callies/Ruffert, Art. 6 EUV Rn. 140, Fn. 403. 195 Der deutsche Zivilrichter ist lediglich der „verlängerte Arm“ der Gemeinschaft. 196 Siehe auch Gramlich, DÖV 1996, 806 ff. zur vergleichbaren Problematik bei der unmittelbaren Drittwirkung von Grundfreiheiten. 197 Zur Rechtfertigung von Eigentumsnutzungsbeschränkung durch den EuGH siehe Kingreen, in: Callies/Ruffert, Art. 6 EUV Rn. 155 ff. 198 Gramlich, DÖV 1996, 810; in diese Richtung auch Hintersteininger 277 sowie Schindler 165 ff. 199 Kingreen, in: Callies/Ruffert, Art. 6 EUV Rn. 115 ff., so hat der EuGH im Prinzip auch anerkannt, dass die Kommunikationsfreiheit die Wirkung der einschlägigen Grundfreiheit verstärken kann (siehe EuGH v. 26.6.1997, Rs. C- 368/95, Slg. I-1997, 3689 Tz. 24 ff.). Zur Informationsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht u. der Bedeutung von Art. 11 EuGRCh siehe schon oben B. II. 1. b) bb) aaa) (3) (b). 200 Das schließt Beschränkungen der Art u. Weise des Satellitenempfangs, z. B. auch die Verpflichtung zu Gemeinschaftssatellitenanlagen o. Installationsvorschriften, natürlich nicht aus.
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zu wählen, welche sich mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zwanglos in Einklang bringen lässt. Anders gewendet: Der Richter darf die Norm nicht so auslegen, dass er den Konflikt mit dem Gemeinschaftsrecht provoziert und deshalb aufgrund des Anwendungsvorrangs der Gemeinschaftsnorm zu einer Unanwendbarkeit der nationalen Norm kommt. Übertragen auf den vorliegenden Fall heißt das: § 535 BGB ist so auszulegen, dass der vertragsgemäße Gebrauch die Anbringung einer Satellitenschüssel mitumfasst. Dies gilt wie mehrfach betont auch bei Zugang des Mieters zum Kabel. Die derzeitige Auslegung des § 535 BGB in der mietrechtlichen Rechtsprechung entspricht dagegen nicht den europarechtlichen Vorgaben und dürfte gegen Art. 10 EGV verstoßen 201. Da dieses Ergebnis, wenn nicht sogar – wie hier vertreten – verfassungsrechtlich geboten, so doch jedenfalls verfassungsrechtlich vertretbar ist, kann auch die Frage offen bleiben, wie ein Spannungsverhältnis zwischen verfassungskonformer und gemeinschaftskonformer Auslegung aufzulösen wäre 202. Im Ergebnis steht dem Mieter ein Recht auf die Anbringung einer Satellitenantenne auch bei Kabelanschluss zu, wenn nicht individuell ein Antennenverbot vereinbart wurde. (3) AGB-Regelung Schließlich ist noch auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen einzugehen. Die Musterformularverträge sehen oftmals – in Einklang mit der derzeitigen Rechtsprechung – ein Satellitenantennenverbot für den Fall vor, dass ein Kabelanschluss vom Vermieter gestellt wird. Die europarechtliche Beurteilung hat dabei richtigerweise von Folgendem auszugehen: eine solche Klausel steht in der Mitte zwischen dem individuellen Verbot und der Nichtregelung. Denn zum einen handelt es sich um eine vertragliche Regelung Privater, zum anderen aber wird diese von den Parteien gerade nicht ausgehandelt. Dementsprechend ist zunächst zu fragen, ob eine derartige AGB-Regelung schon aufgrund der unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten nichtig ist. Dafür könnte sprechen, dass AGB sich in ihrer Wirkung einer einseitigen kollektiven Regelung annähern. So scheint auch der EuGH implizit von einer Anwendbarkeit der Grundfreiheiten auf AGB auszugehen 203. Die h. M. in der Literatur lehnt hingegen in diesen Fällen eine unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten ab204. Stellt man Im Ergebnis so auch Dörr, WuM 2002, 351. Dazu Nettesheim, AöR 119 (1994), 277; siehe auch DiFabio, NJW 1990, 947 ff. 203 EuGH v. 13.12.1984, Rs.251/83, Slg.-1984, 4277 Tz.14 ff. (Haug-Adrion); die Entscheidung betrifft Allgemeine Versicherungsbedingungen, die staatlich genehmigt waren, näher dazu Jaensch 42 ff. 204 Roth, FS Everling, 1247; Jaensch 271, stellt darauf ab, dass AGBs nicht wie echte Gesetze unentrinnbar seien, sondern gegenüber dem AGB-Verwender noch eine – wenn auch geringe – Handlungsmöglichkeit bleibe. 201 202
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nach hier vertretener Ansicht wiederum auf die Bargaining-power des AGB-Verwenders ab, so wird die unmittelbare Drittwirkung ebenfalls zu verneinen sein. Denn auch bei Verwendung von AGB erlangt der Vermieter keine der öffentlichen Hand vergleichbare Machtposition. Letztlich kann die Frage der unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls führt die europarechtskonforme Auslegung des BGB zur Nichtigkeit von formularmäßigen Antennenverboten; die mittelbare Drittwirkung genügt hier also bereits. Die gemeinschaftrechtskonforme Auslegung setzt bei § 307 BGB an, der AGB-Klauseln für unwirksam erklärt, die den anderen Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Damit ist wiederum eine wertende Auslegung erforderlich, die zunächst richtlinienkonform 205, darüber hinaus gemeinschaftsrechtskonform zu erfolgen hat. Die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung verpflichtet hier den Richter als staatliche Gewalt diejenige Auslegung zu wählen, die nicht im Widerspruch zu den Grundfreiheiten steht. Art. 49 EGV fordert nach dem oben Gesagten dabei eine Norminterpretation, wonach formularmäßige Antennenverbote den Mieter unangemessen benachteiligen. Im Ergebnis sind deshalb vorformulierte Verbote von Satellitenantennen auch bei vorhandenem Kabelanschluss unzulässig 206. Zusammenfassend gilt: Die eingangs gestellte Frage, ob auch der Mieter ein Recht auf Satellitenantenne hat, kann im Grundsatz bejaht werden. Lediglich dann, wenn er sich in individuellen Verhandlungen auf ein Antennenverbot einlässt, kann er sich nicht auf ein solches Recht berufen. ccc) Wohnungseigentümer Schließlich ist noch der europarechtliche Einfluss auf die Rechte des Wohnungseigentümers zu umreißen. Entscheidende Bedeutung kommt dabei wiederum der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung von Generalklauseln zu. Insofern stellt der Begriff des „unvermeidlichen Maßes“ (an Nachteil, § 14 Nr. 1 WEG) ein Einfallstor für gemeinschaftsrechtliche Wertungen dar. Dabei wird man auch angesichts der Eigentumsrechte der anderen Wohnungseigentümer der Dienstleistungsfreiheit und damit dem Recht auf Antenne den Vorrang einzuräumen haben. Soweit also die Obergerichte bei einem vorhandenen Kabelanschluss regelmäßig die Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer fordern, wird dies gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben kaum gerecht.
205 Die § 305 ff. BGB dienen der Umsetzung der Richtlinie 93/13/EG, aus der sich aber für den vorliegenden Fall nichts entnehmen lässt. 206 Zum gleichen Ergebnis gelangen auch Dörr/Janik/Zorn 227.
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c) Zusammenfassung Im Ergebnis lässt sich damit festhalten: Der Übertragungsweg Satellit stellt eine bedeutende Alternative zum Breitbandkabel dar. Technisch ist der Rundfunkempfang mittels Satellit dem Kabelempfang aufs Ganze gesehen ebenbürtig, bei Telefonie und Internet mangels günstiger Rückkanaltechnik (bis jetzt noch) unterlegen. Wirtschaftlich schlägt der Satellitenempfang aus der Sicht des Rezipienten langfristig den Kabelempfang. Rechtlich bestehen bei einer – hier anzuwendenden – generalisierenden Sichtweise für eine Parabolantenne als zweitem, alternativem Zugangsweg zum Rundfunk keine wesentlichen Hindernisse. Soweit nicht schon verfassungswidrig sind sowohl staatliche als auch privatrechtliche Antennenverbote gemeinschaftsrechtswidrig. Nur individuell ausgehandelte Antennenverbote dürften mit Gemeinschaftsrecht in Einklang stehen. 2. Terrestrik (DVB-T) Neben dem Satelliten wird die digitale terrestrische Rundfunkdistribution langfristig zum Hauptkonkurrenten des Fernsehkabels avancieren; in der Literatur ist deshalb schon vom „Kabel in der Luft“ die Rede 207. Die digitale terrestrische Übertragung wird in Deutschland nach den Vorgaben des DVB-T-Standards erfolgen. Dieser Standard ist wie schon DVB-S ebenfalls Teil der DVB-Systemfamilie 208. Er erlaubt eine schnelle terrestrische Datenübertragung bis etwa 24 MBit/s. Bei Ausnutzung dieser Nutzdatenrate können etwa 4–6 Fernsehprogramme in einem 8-MHz-Kanal übertragen werden209, im Ergebnis werden 24 bis 30 Fernsehprogramme empfangbar sein 210. Der Wettbewerbsvorteil des DVB-T liegt darin begründet, dass keine neuen Antennenanlagen notwendig sind. Das digitale Signal kann vielmehr über die vorhandene Dachantenne, bei guten Empfangsverhältnissen auch über eine kleine Zimmerantenne empfangen werden. Notwendig ist es allein, ein digitales Empfangsgerät (Umwandler) zwischen die Antennenbuchse und das Fernsehgerät zu schalten 211. Die bei Satellitenempfang dargestellten rechtlichen Fragen stellen sich mithin nicht. In technischer Hinsicht ist DVB-T dem Kabel allerdings nur in einem Punkt überlegen: DVB-T wird auch mobilen Fernsehempfang ermöglichen. Ansonsten bleibt DVB-T hinter DVB-C zurück: Denn mit terrestrischer Technik kann nicht annähernd die Programmanzahl übertragen werden, die das Kabel ermöglicht 212; weiterhin fehlt es an einem systemVPRT/TKLM, Kabelnetze II, 99. Dazu Klußmann 287. 209 VPRT/TKLM, Kabelnetze II, 98. 210 Siehe Raff, epd Nr. 76 v. 28.9.2002, 32. 211 Solche Geräte sind mittlerweile im Fernsehfachhandel erhältlich, siehe z. B. Prüfbericht über die erste DVB-T-Box auf dem deutschen Markt, Nokia Media-Master 210 T, zum Preis von 345 EUR, test, 10/2002, 42 ff. 212 Wagner, in: Hahn/Vesting, § 52 a Rn. 2. 207 208
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immanenten Rückkanal. Schließlich ist DVB-T bei weitem noch nicht implementiert. Bislang wurde allein im Großraum Berlin umgestellt213; andere Ballungsräume sollen später folgen 214. Eine flächendeckende Versorgung wir erst nach einer Revision des Stockholmer Wellenplans von 1961 möglich sein, die für das Jahr 2006 geplant ist 215. Zusammenfassend erscheint DVB-T vor allem in weiterer Zukunft eine Konkurrenz für den Kabelempfang und dann auch nur insoweit als kostenbewußte Zuschauer sich mit einer beschränkten Programmzahl zufrieden geben.
3. Telefonnetz (DSL-Technik) Mit der DSL-Technik (digital suscriber line = Digitale Teilnehmer-Anschlussleitung) 216 können durch Nutzung höherer – für den Telefonverkehr nicht benötigter – Frequenzlagen über das vorhandene örtliche Telefonnetz 217 Daten mit einer maximalen Nutzrate von 8 MBit/s zum Teilnehmer übertragen werden 218. Damit ist ein schneller Internetzugang möglich. Auch ganze Fernsehprogramme können mithin theoretisch über das Fernsprechnetz fortlaufend übertragen werden; dies hat sich in der Praxis aber noch nicht durchsetzen können 219. Auf absehbare Zeit stellt also die DSL-Technik für den Fernsehdienst im Kabel keine Konkurrenz dar. Ganz anders verhält es sich mit dem Internetzugang, hier sind die meisten Netzbetreiber bereits ins Hintertreffen geraten, da die DTAG ihre Vorteile (Marktführer im Schmalbandbereich, first mover) konsequent genutzt hat und den Markt bereits dominiert220. Aus 213 Zum 1. November 2002 wurden zwei bisher für analoge Fernsehübertragung genutzte Frequenzen auf digitale Ausstrahlung umgestellt, in Berlin können damit ARD, ZDF, ORB, SFB 1, RTL, Sat.1, ProSieben u. RTL 2 digital empfangen werden. Im Februar 2003 wurden die privaten Programme vollständig auf digitale Technik umgestellt; siehe dazu näher epd Nr. 83 v. 23.10.2002, 17; zu den rechtlichen Aspekten der Umstellung Wagner/Grünwald 43 ff. 214 Die Umstellung von analoger auf digitale Terrestrik verläuft weltweit langsamer als ursprünglich angenommen; zum schleppenden Verlauf z. B. in den USA siehe Rosenthal, TMR 2002, 192 f. 215 Siehe VPRT/TKLM, Kabelnetze II, 101; Dörr/Janik/Zorn 55; siehe dazu auch Libertus, TMR 2002, 270 ff.; Wagner, in: Hahn/Vesting, § 52 a Rn. 7. 216 Zu den verschiedenen Spielarten dieser Technik näher, PwC, Breitbandkabelmarkt, 62 ff., für die Verbreitung von Fernsehbildern eignet sich vor allem die Variante A(= Asymmetric)DSL, bei der die Kapazitäten hin zum Endkunden (sog. down-stream) wesentlich größer sind als zurück zum Sender (sog. up-stream). 217 Das sog. PSTN (public-switched-telephone-network) erreicht in Deutschland ca.40 Mio. Haushalte u. Unternehmen. 218 Zu den technischen Einzelheiten VPRT/TKLM, Kabelnetze II, 106 ff. 219 Siehe auch Jüngling 73; die T-Online International AG bietet aber mittlerweile über die Internetadresse (www.t-online-vision.de, Stand 1.1.2004) einzelne Sendungen oder Filme (Video-on-demand) an. 220 Siehe Ausführungen des BKartA im Fall Liberty, wonach die DTAG einen Marktanteil von über 90 % erzielt, epd Nr. 17, v. 6.3.2002, 41.
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rundfunkrechtlicher Perspektive ist – abschließend betrachtet – die Telefonie fürs erste unbeachtlich. 4. Sonstige Zugangstechnologien Durch den technischen Fortschritt sind die Zugangsmöglichkeiten zu den Fernsehhaushalten nicht mehr auf die dargestellten Übertragungstechniken beschränkt. So wird etwa an der Breitbandkommunikation über Stromleitungen gearbeitet („Powerline“) 221. Diese Technik hat sich aber – vor allem wegen der von einer hochfrequenten Nutzung der Stromleitungen ausgehenden Streustrahlung – bislang praktisch nicht durchsetzen können 222. Hinzukommt die für Fernsehübertragung regelmäßig zu geringe Übertragungskapazität 223. Eine weitere Alternative ist der Punkt-zu-Mehrpunkt-Richtfunk, auch „Wireless Local Loop“ (WLL) genannt 224. Dabei werden von einer Basisstation aus über Sichtverbindungen über 5 MBit/s übertragen 225. Der Aufbau der Netze hat sich jedoch als schwierig und kostenintensiv erwiesen, so dass in der Praxis von dieser Technologie keine wesentliche Konkurrenz zum Kabel ausgeht. 5. Zusammenfassung Die Darstellung der verschiedenen Übertragungswege hat gezeigt, dass im Hinblick auf die Übertragung von Fernsehdiensten wesentlicher Konkurrenzdruck für die Kabelweiterverbreitung derzeit nur von der Satellitenübertragung ausgeht. Alle anderen Techniken stehen derzeit jedenfalls der Masse der Rundfunkrezipienten nicht zur Verfügung oder sind technisch nicht gleichwertig. Zwar bestehen derzeit in der Rechtswirklichkeit noch zahlreiche rechtliche Hindernisse für den Rundfunkempfang mittels Satellit. Gleichwohl hat sich die Position der Zuschauer, die sich für Satellitenempfang entscheiden möchten, durch die dargestellten gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben wesentlich verbessert. Dürfte es auch noch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis die Rechtsprechung die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen zur Gänze umgesetzt hat, so erhöht sich der vom Satellit ausgehende Konkurrenzdruck in der Zukunft doch spürbar. Das Kabel wird als Übertragungsweg deshalb langfristig nur dann nicht ins Hintertreffen geraten, wenn es seine technischen Vorteile (regionale Differenzierung des Angebots und Rückkanalfä221 Ausführlich zu dieser Technik Waldeck/Zimmermann/Dostert, Funkschau 14/1998, 40 ff.; Klußmann 779 ff. 222 Siehe näher zur Powerline-Technologie Dörr/Janik/Zorn 56; zu den (europa-)rechtlichen Aspekten der Störstrahlungsproblematik König/Capito, TMR 2002, 195 ff. 223 Die genaue Kapazität hängt bei Powerline als einem sog. shared medium von der Zahl der Teilnehmer pro Anschlussknoten ab, Jüngling 74. 224 Dazu PwC, Breitbandkabelmarkt, 66 f. 225 Siehe näher Dörr/Janik/Zorn 57 f.
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higkeit) nutzt. Des weiteren werden exklusive Inhalte besonderes Gewicht im Wettbewerb des Kabels mit anderen Übertragungswegen gewinnen. Gerade eigenveranstaltete Programme, wie sie vertikal integrierte Betreiber anbieten können, erlauben ein exklusives und folglich mit dem Satellitenempfang konkurrenzfähiges Angebot.
C. Der Kabelnetzbetreiber als Träger von Kommunikationsinfrastruktur Schon im Einleitungskapitel wurde darauf verwiesen, dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation grundlegend geändert haben: Gemäß Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG werden diese Dienstleistungen als privatwirtschaftliche Tätigkeiten erbracht 1. Hinter dieser Formulierung verbirgt sich – im Einzelnen gesetzlich vollzogen durch die sog. Postreform II 2 – das Ende hoheitlicher Leistungserbringung im Fernmeldewesen: den Staat selbst trifft keine Erfüllungsverantwortung mehr. Er erbringt keine eigenen Leistungen, sondern „lässt“ diese durch den Markt bereitstellen. Hieraus erwachsen den privaten Erbringern von Telekommunikationsdienstleistungen ihre Freiheiten. Angesichts der Bedeutung, die der Telekommunikation in der Informationsgesellschaft 3 zukommt, bleibt indes der Markt nicht allein dem freien Spiel der Kräfte überantwortet: Den Staat trifft – in Art. 87 f Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verankert – als Privatisierungsfolge Gewährleistungsverantwortung für die Marktergebnisse 4. Sind die Marktergebnisse nicht hinnehmbar, hat der Staat regulierend einzugreifen und ein bestimmtes Versorgungsniveau zu sichern 5. Letztlich wird durch diese staatliche Ingerenzpflicht 6 die in Abs. 2 eröffnete Freiheit wieder begrenzt. 1 Damit ist im Grunde auch eine bestimmte Wirtschaftsform festgelegt: privatwirtschaftlich heißt letztlich marktwirtschaftlich. Soweit also nach h. M. das Grundgesetz neutral o. „relativ offen“ jeglicher Wirtschaftsform gegenüber ist (BVerfGE 4, 7, 17 f.; 50, 290, 338; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 Rn. 2; enger: Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 6), kann dies im Bereich der Telekommunikation nicht weitergelten; Marktwirtschaft ist hier Verfassungsgebot. 2 Während die sog. Postreform I noch eine (maximale) systemkonforme Reform darstellte, wurde mit der Postreform II eine Systemreform vorgenommen u. mit dem Grundsatz der staatlichen Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen als Daseinsvorsorge gebrochen. Kern der Reform war deshalb zwingend eine Verfassungsänderung (41. Änderungsgesetz des Grundgesetzes vom 30.8.1994, BGBl. I 2245); daneben waren sieben neue Gesetze sowie über 100 Gesetzes- u. Verordnungsänderungen notwendig, Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 87 f Rn. 6; ausführlich zur Postreform II Gersdorf, in: Mangoldt/Klein/Starck, III, Art. 87 f Rn. 17 sowie Stern, DVBl. 1997, 309 ff. 3 Näher zu diesem Begriff Schoch, VVDStRL 57 (1998), 160 ff. 4 Gersdorf, in: Mangoldt/Klein/Starck, III, Art. 87 f Rn. 21; Wieland, in: Dreier, III, Art. 87 f Rn. 11. 5 Diese Gewährleistungs- u. Kontrollverantwortlichkeit wurzelt im Sozialstaatsgebot (so Stern, DVBl. 1997, 312) sowie in der objektiv-rechtlichen Dimension jener Grundrechte, die allein auf Grundlage funktionsfähiger (Informations-)infrastruktur ausgeübt werden können (siehe Windthorst, in: Sachs, Art. 87 f Rn. 19). 6 Windthorst, in: Sachs, Art. 87 f Rn. 24 a.
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Im Folgenden soll zunächst geklärt werden, ob und inwieweit den Staat eine Gewährleistungspflicht auch und gerade für die Rundfunkweiterverbreitung trifft (dazu unter I.). Damit ist – in der Terminologie des Telekommunikationsrechts – die Frage gestellt, ob nach dem Grundgesetz die Rundfunkweiterverbreitung eine Universaldienstleistung darstellt. Diese Frage ist für den Netzbetreiber und damit für die vorliegende Untersuchung deshalb von großer Bedeutung, da eine solche Zuordnung die entsprechende staatliche Gewährleistungsverpflichtung auslöst und damit – nach einfachrechtlicher Umsetzung – letztlich den Netzbetreiber als Träger der Rundfunkinfrastruktur in seiner Unternehmerfreiheit beschränkt. Die Rechtsposition des Netzbetreibers, seine Freiheit als Eigentümer und Betreiber von Infrastruktur wird also im Ergebnis maßgeblich auch von Art und Umfang eines verfassungskräftig geforderten Universaldienstes bestimmt. Im zweiten Abschnitt (II) dieses Kapitels wendet sich der Blick von der verfassungsrechtlichen auf die einfachgesetzliche Ebene. Im Lichte der im ersten Abschnitt zu Art. 87 f GG gewonnenen Erkenntnisse wird geprüft, ob der Netzbetreiber als Infrastrukturträger nach derzeitiger Rechtslage zur Nutzung des Kabelnetzes für Rundfunkdienste verpflichtet ist. Während also der erste Abschnitt lediglich mittelbare – über eine verfassungsrechtliche Regulierungspflicht vermittelte – Beschränkungen der Netzbetreiber behandelt, stehen unmittelbare Eingriffe bei der Netznutzung im Mittelpunkt des zweiten Abschnitts. Dabei werden zunächst bestehende Nutzungsvorschriften dargestellt, dann deren (formelle) Verfassungsmäßigkeit behandelt.
I. Verfassungsdeterminierter Rundfunkuniversaldienst (Art. 87 f GG)? Die Frage, ob und inwieweit Art. 87 f Abs. 1 GG einen Rundfunkuniversaldienst fordert, lässt sich sinnvollerweise in den folgenden vier Schritten beantworten: Vorab sind die beiden zur Lösung des Problems maßgeblichen Begriffe, nämlich Grundversorgung und Universaldienst, zu definieren. Dann ist zu klären, ob Rundfunkweiterverbreitung überhaupt eine Dienstleistung im Bereich der Telekommunikation i. S. v. Art. 87 f GG darstellt (2.) und ob es sich dabei jedenfalls grundsätzlich um eine Universaldienstleistung handelt (3.). Schließlich ist festzustellen, in welchem Umfang und in welcher Qualität dieser Universalrundfunkdienst zu gewährleisten ist (4.). 1. Begriffsklärung vorab: Grundversorgung und Universaldienst Die Untersuchung der Frage, ob und wieweit durch Art. 87 f Abs. 1 GG ein Grundstock an Fernmeldeinfrastruktur für die Rundfunkübertragung gefordert ist, wird wesentlich erleichtert, wenn zwei Schlüsselbegriffe vorab geklärt sind: Grundversorgung und Universaldienst. Diese Klärung scheint insbesondere deshalb erfor-
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derlich, weil beide Begriffe nicht einheitlich und teils sogar synonym verwendet werden 7. Hinzukommt, dass beide Begriffe – wie zu zeigen sein wird – auch inhaltlich aufeinander bezogen sind, ohne sich jedoch zu decken.
a) Grundversorgung Zunächst ist der Begriff der „Grundversorgung“ näher einzugrenzen 8. Der an sich neutrale Begriff „Grundversorgung“ 9 kann in einer den Rundfunk berührenden Materie wie der Telekommunikation nur vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verstanden werden 10. Er beschreibt in diesem Kontext die inhaltliche Seite der Rundfunkkommunikation im Sinne eines klassischen Rundfunkauftrages und eines Vielfaltsangebotes 11. Die Kernelemente einer so verstandenen Grundversorgung sind dabei der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu entnehmen: Nachdem das Gericht im „Niedersachsen-Urteil“ der Grundversorgung durch die öffentlichenrechtlichen Anstalten 12 eine zentrale Aufgabe in der dualen Rundfunkordnung zugewiesen hatte 13, erläuterte es den Begriff im folgenden Rundfunkurteil („BadenWürttemberg-Beschluss“) 14 näher. Drei Bestandteile machen demnach die Grundversorgung aus 15: zum einen eine Übertragungstechnik, bei der ein Empfang der Sendungen für alle sichergestellt ist, zum zweiten ein inhaltlicher Standard im Sinne eines Programmangebotes, das nach seinen Gegenständen und der Art ihrer Darbietung dem klassischen Rundfunkauftrag, also insbesondere im Hinblick auf Kultur und Information in ganzer Breite, vollumfänglich gerecht wird, schließlich und drit7 So spricht z. B. § 17 Abs. 1 Satz 3 TKG davon, solche Telekommunikationsdienstleistungen könnten zu Universaldienstleistungen bestimmt werden, die als Grundversorgung unabdingbar seien. Allein diese Vorschrift lässt es geraten erscheinen, die Begriffe vorab zu definieren. 8 Siehe dazu auch Windthorst, CR 2002, 122 f.; Freund, 61 f.; insgesamt zum Begriff Grundversorgung im Telekommunikationsbereich Gramlich, ZUM 1998, 365 ff. 9 Der Begriff wird z. B. auch verwandt für den Bereich Personenverkehr, BVerwGE 95, 188, 203; zur semantischen Einordnung: Libertus, Grundversorgungsauftrag, 66 f. In allen Konstellationen zeigt sich eine Nähe zum Sozialstaatsprinzip; z. B. für den rundfunkrechtlichen Begriff der „Grundversorgung“ sehr deutlich bei Herrmann, Fernsehen u. Hörfunk, 297 ff. sowie zusammenfassend 332 f. 10 Siehe zum Begriff der Grundversorgung die Entscheidungen BVerfGE 73, 118, 157 ff.; 74, 297, 325 ff.; 83, 238, 297 f. 11 Zusammenfassend z. B. Bethge, ZUM 1996, 468 f.; A. Hesse 118 ff. 12 Ob auch die privatrechtlichen Rundfunkveranstalter zur Grundversorgung beitragen o. diese gar ganz übernehmen können, ist strittig. Für eine Grundversorgung durch private Anbieter z. B. Windthorst, CR 2002, 121; dagegen: Preuss Neudorf 94 ff. 13 BVerfGE 73, 118, 157 f. 14 BVerfGE 74, 297, 325; umfassende Analyse des Urteils findet sich bei Libertus, Grundversorgungsauftrag, 52 ff. 15 BVerfGE 74, 297, 325 f.; siehe dazu auch Degenhart, ZUM 1988, 49 f.
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tens die wirksame Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt, insbesondere durch organisatorische und prozedurale Vorkehrungen. In den folgenden Rundfunkurteilen wird am Begriff der Grundversorgung festgehalten, in den Mittelpunkt rückt jedoch stärker der „klassische Auftrag“ 16 des Rundfunks; der im Schrifttum zunehmend verwendete Begriff des „Funktionsauftrages“ ist so in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (noch) nicht zu finden 17. Aus Perspektive des Art. 87 f GG ist von besonderer Bedeutung, welche Anzahl von Programmen die Grundversorgung fordert. Denn damit wird der für die Grundversorgung notwendige Bedarf an Übertragungskapazität und mithin die korrespondierenden technischen Voraussetzungen der Grundversorgung festgelegt. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Grundversorgung erforderliche genaue Programmzahl bislang offen gelassen, jedoch eine Mehrzahl gefordert, die Anzahl der Programme im Jahr 1986 als Mindestzahl betrachtet18 und damit den seinerzeitigen Bestand unter eine Art „Schutzglocke“ gestellt 19. Demnach sind das ARD Gemeinschaftsprogramm Erstes Deutsches Fernsehen, das Zweite Deutsche Fernsehen sowie das jeweilige „Dritte Fernsehprogramm“ der zuständigen Landesrundfunkanstalt zum Kanon der Grundversorgung zu zählen. Eine Übertragungskapazität von drei Programmen(-äquivalenten) stellt somit technisch betrachtet den Kern der Grundversorgung dar. Der Gegenstand der Grundversorgung ist aber nicht ausschließlich am Bestand festzumachen; vielmehr ist er „offen und dynamisch“ im Hinblick auf die mit der Grundversorgung verbundene Funktion der Entwicklung des Rundfunkwesens anzupassen 20. Ob und wie viele Programme über die drei besagten Programme hinaus der Grundversorgung derzeit zugerechnet werden können, ist höchst strittig 21. Gleichwohl ist diese Frage (gesetzlich) zu beantworten 22, da – wie zu zeigen sein wird 23 – auf Basis der Grundversorgung in Rechte Dritter, zu 16 Erstmals: BVerfGE 73, 118, 158: „der klassische Auftrag des Rundfunks..., der neben seiner Rolle für die Meinungs- und politische Willensbildung, neben Unterhaltung und über laufende Berichterstattung hinausgehender Information seine kulturelle Verantwortung umfasst“ sowie E 83, 238, 303 o. E 90, 60, 90. Siehe auch Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 632 ff. 17 Eingehend zum „Funktionsauftrag“ Hoffmann-Riem, Regulierung, 208 ff.; kritisch Degenhart, Funktionsauftrag, 69 ff. 18 BVerfGE 74, 297, 326. 19 Begriff bei Lerche, Grundversorgung, 362. 20 BVerfGE 83, 238, 299. 21 Darstellung des Streitstandes bei Libertus, Grundversorgungsauftrag, 57 ff. Für eine eher enge Auslegung der „Grundversorgung“ Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 783 ff.; offen gelassen im Ergebnis von Niepalla, 118 ff. Für Berücksichtigung z. B. der Spartenprogramme nach §19 Abs. 2 RStV A. Hesse 124; dagegen Kresse, ZUM 1996, 62 f.; Ricker, ZUM 1997, 3 f. 22 Gegen eine gesetzliche Festlegung der Grundversorgung, wohl aber eher in inhaltlicher Hinsicht Bethge, ZUM 1996, 471: „Der Gesetzgeber ist nicht Herr der Grundversorgung“; allgemein ist eine gesetzliche Programmzahlbestimmung zulässig, siehe Degenhart, K & R 2000, 56. 23 Siehe unten C. I. 3.
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nennen ist im vorliegenden Zusammenhang die Netzunternehmerfreiheit, eingegriffen werden kann und deshalb dieser Eingriff im Umfang nicht unbestimmt bleiben darf 24. Zur Entscheidung berufen ist der Landesgesetzgeber25, nicht etwa die jeweilige Rundfunkanstalt selbst 26. Die Festlegung einer genauen Programmzahl für die Grundversorgung muss sich – nach hier vertretener Ansicht – an den folgenden Leitbildern orientieren: Grundversorgung bedeutet aus der Perspektive des Bundesverfassungsgerichts nicht Minimum- oder Mindestversorgung 27. Auf der anderen Seite wird mit dem Wortteil „Grund“, insbesondere in der Wortverbindung „unerlässliche Grundversorgung“ 28 eine deutliche Beschränkung etwa gegenüber dem Begriff Vollversorgung oder gar Maximalversorgung zum Ausdruck gebracht 29; ein Ergebnis, dass durch die (ursprüngliche) dogmatische Rückkoppelung an das Sozialstaatsgebot gestützt wird 30. Schließlich ist zu bedenken, dass der Rundfunk bei einer zu großen Zahl von Programmen die von ihm geforderte integrative Funktion 31 nicht mehr wahrnehmen kann 32. Spartenprogramme können, wenn überhaupt, nur in sehr begrenztem Umfang der Grundversorgung zugerechnet werden 33. Im Ergebnis wird man deshalb 24 Der Schutz der Telekommunikationsunternehmer vor über Art. 87 f Abs. 1 GG vermittelten Eingriffen in ihre Rechte dürfte einen weiteren Schutzzweck eines begrenzten Funktionsauftrages des Anstaltsrundfunks darstellen neben den bereits von Bullinger, Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, 19 ff., erwähnten. Unabhängig von der Begrenzung der Grundversorgung zum Schutz dritter Interessen folgt die Notwendigkeit einer quantitativen Festlegung auch aus dem Wesentlichkeitsvorbehalt bei Ausgestaltung der Rundfunkordnung; Fechner, NJW 1997, 3212 f.; Degenhart in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 779; zum (Landes-)parlamentsvorbehalt im Rundfunkrecht: BVerfGE 57, 295, 320 f. 25 Bullinger, Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, 109 f.; Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rn. 98. 26 Diese erfüllt vielmehr den gesetzgeberisch vorgegebenen Rahmen nach eigenen publizistischen Maßstäben mit Leben; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 780 f. Auch aus BVerfGE 90, 60, 91 f. kann nichts anderes folgen: Denn auch dort setzt das BVerfG eine „gesetzlich näher umschriebene Funktion“ voraus, was nur als durch den Gesetzgeber bestimmten Funktionsauftrag verstanden werden kann. 27 BVerfGE 74, 297, 325 f. 28 BVerfGE 73, 118, 157. 29 Bleckmann/Pieper/Erberich, AfP 1997, 420; siehe auch die Wortlautauslegung bei Niepalla 63 ff., die aber im Ergebnis offen bleibt. 30 Dazu Hermann, Fernsehen u. Hörfunk, 297 ff. 31 Zur Integrationsfunktion als Aufgabe öffentlichen Rundfunks: Bullinger, Aufgaben des öffentlichen Rundfunks, 15; Schoch, VVDStRL 57 (1998), 204; siehe auch BVerfGE 35, 202, 222 („Integration der Gemeinschaft in allen Lebensbereichen“); kritisch zur Integrationsfunktion: Vesting, Rundfunkrecht, 224 ff.; Trute, VVDStRL 57 (1998), 235, Fn. 71. 32 Degenhart in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 786; Bleckmann/Pieper/ Erberich, AfP 1997, 420 f., dagegen Hoffmann-Riem, Regulierung, 216 ff., u. a. mit dem Argument, der Rundfunk müsse auf einen kulturellen Fragmentierungsprozess situationsangemessen reagieren u. besondere Zielgruppen durch auf sie zugeschnittene Programme erreichen. In diese Richtung auch Gounalakis, NJW-Beilage 23/2002, 22 f. 33 Grundsätzlich für Spartenprogramme als Bestandteil der Grundversorgung mit Ausnahme von Unterhaltungsprogrammen: Braun/Gillert/Hoberg/Hübner/Kamps, ZUM 1996,
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wohl unverändert in drei Vollprogrammen den Umfang der Grundversorgung sehen müssen. Technisch gewendet heißt dies: die (Fernseh-)Grundversorgung erfordert eine Übertragungskapazität von drei Programmäquivalenten 34. Obwohl der Begriff Grundversorgung – wie das Gesagte zeigt – damit inhaltlich stark vorgeprägt war, hat der Verfassungsgeber in seiner Begründung zur Einfügung des Art. 87 f GG von „Grundversorgung“ gesprochen 35; schließlich ist das Wort sogar in den Gesetzestext gelangt, § 2 Abs. 2 Nr. 3 TKG 36 sowie § 17 Abs. 1 Satz 3 TKG. Dies ist misslich, da die „Grundversorgung“ mit Telekommunikationsdienstleistungen und die rundfunkrechtliche Grundversorgung nicht notwendig deckungsgleich sind. Die Verwendung gleicher Begriffe weckt Assoziationen, die nicht bestehen 37. Um solche Missverständnisse zu vermeiden, meint hier wie im Folgenden „Grundversorgung“ rundfunkrechtliche Grundversorgung im dargelegten Sinne 38.
b) Universaldienst Davon ist abzugrenzen die rein technische Seite, die Telekommunikationsinfrastruktur. Soweit es sich dabei um einen näher zu definierenden „Grundstock“ 39 handelt, spricht man von Universaldienst 40. Der Begriff Universaldienstleistung kennzeichnet somit ein sozial und ökonomisch betrachtet notwendiges Angebot an Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation. Das Angebot ist staatlicherseits mittels privater Leistungserbringer zu gewährleisten, insofern kann auch von Universaldienstgewährleistung gesprochen werden 41. Auch in dogmatischer Herleitung – die Grundversorgung stützt sich auf den objektiv-rechtlichen Gehalt der Rundfunkfreiheit, während der Universaldienst in Art. 87 f GG positiv normiert ist – sowie in den Mitteln und Wegen der jeweiligen Erfüllung des Versorgungsauf204 ff.; einschränkend Bleckmann/Pieper/Erberich, AfP 1997, 420 f.; verneinend Starck, FS Stern, 792 f.; Libertus 145; Degenhart in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art.5 Abs.1 u. 2 Rn.787; wohl auch Storr, K & R 2002, 472. 34 Zur Bedeutung des Programmäquivalents schon oben, B. I. 1. 35 BT-Drs. 12/6717, 4 sowie BT-Drs. 12/7269, 5. 36 Telekommunikationsgesetz v. 25.7.1996. 37 So warnt Lerche zu Recht davor, der „terminologische Gleichklang“ dürfe nicht zu gekünstelten Vergleichen ermuntern; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 f Rn. 79; Schoch, VVDStRL 57 (1998), 200 spricht von einem „schillernden Begriff“; weniger kritisch Windthorst, Universaldienst, 274 f., der Ausdruck begegne dann keinen Bedenken, wenn man sich seines durch Art. 87 f GG vorgegebenen Bedeutungsgehalts bewusst bleibe. 38 Demgegenüber meint Schoch, VVDStRL 57 (1998), 205, Fn. 232, der Begriff Grundversorgung habe sich für die Teilgehalte des Art. 87 f Abs. 1 GG durchgesetzt. 39 Begriff findet sich bei Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 f Rn. 73. 40 Ausführlich zu diesem Begriff u. seiner Ableitung von amerikanisch „universal service“, Windthorst, Universaldienst, 112 ff.; Freund, MMR 2002, 666, Fn. 1; einen Vergleich des Umfanges des Universaldienstes zwischen USA u. BRD findet sich bei Kubicek, CR 1997, 1 ff. 41 Windthorst, Universaldienst, 116 f.
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trages – hier Regulierung privat-wirtschaftlicher Akteure 42, dort öffentlich-rechtliche Anstalten in Selbstkontrolle – unterscheiden sich beide Formen der staatlichen Vorsorgeverantwortung 43. Trotz dieser begrifflichen Trennung stehen Universaldienst und rundfunkrechtliche Grundversorgung nicht etwa unverbunden neben oder gar gegeneinander 44. Vielmehr wird im Folgenden zu klären sein, ob und inwieweit aus den technischen Existenzbedingungen des Rundfunks Folgerungen für den Universaldienst zu ziehen sind 45. 2. Rundfunkweiterverbreitung als Dienstleistung im Bereich der Telekommunikation Sind damit die für die Untersuchung maßgeblichen Begriffe vorab geklärt, rückt die Frage nach einem verfassungsdeterminierten Rundfunkuniversaldienst in den Mittelpunkt. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob es sich bei der Weiterverbreitung von Rundfunk um eine Dienstleistung im Bereich der Telekommunikation im Sinne von Art. 87 f Abs. 1 GG handelt. Zunächst müsste Rundfunkweiterverbreitung Telekommunikation im Sinne der Vorschrift sein. Der Ausdruck „Telekommunikation“ 46 ist im Zuge einer sprachlichen Internationalisierung und Modernisierung an die Stelle des Wortes Fernmeldewesen getreten. Eine inhaltliche Änderung im Verhältnis zum Fernmeldewesen, wie das Wort noch in Art. 73 Nr. 7 und Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. verwendet wurde, war damit nicht bezweckt 47. Wie für den alten Begriff Fernmeldewesen ist auch für Telekommunikation im Sinne des Grundgesetzes typisch, dass mittels technischer Einrichtungen Signale „in die Ferne“ übermittelt und diese körperlosen Nachrichten am Empfangsorte „wieder erzeugt“, d. h. wiedergegeben werden 48. Der Begriff der Dies folgt notwendig aus Art. 87 f Abs. 2 GG. Windthorst, CR 2002, 123. 44 Gemeinsamkeiten etwa hinsichtlich der Zielvorgabe, eines Gebotes zur Anpassung u. Weiterentwicklung werden dargestellt bei Windthorst, CR 2002, 122 f. 45 So zählt das BVerfG – wie ausgeführt – zu den Wesenselementen der Grundversorgung neben inhaltlichen Standards u. organisatorischen u. prozeduralen Vorkehrungen der Vielfaltssicherung auch eine Übertragungstechnik, die den Empfang der Sendungen „für alle“ sicherstellt, z. B. BVerfGE 74, 297, 326. Auf diese „spezifische Verklammerung“ (Lerche, in: Maunz/ Dürig, Art. 87 f Rn. 79, Fn. 38) o. „Überdeckung“ (Mecklenburg, ZUM 1997, 533) wird weiter unten, C. I. 3. b) bb), noch einzugehen sein. 46 Der Begriff findet sich auch in der Kompetenznorm des Art.73 Nr. 7 GG u. stimmt mit diesem grundsätzlich überein, Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 f, Rn. 43. Siehe deshalb auch die Kommentierung von Degenhart, in: Sachs, Art. 73 Rn. 32 ff. 47 Freund 57; Windthorst, in: Sachs, Art.87 f Rn.6; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art.87 f Rn.50. 48 Grundlegend (noch für den Begriff des Fernmeldewesens u. gerade in dessen Abgrenzung zum Rundfunkbegriff) BVerfGE 12, 205, 226 (Deutschlandfernsehen) sowie BVerfGE 46, 120, 143; siehe auch BVerwGE 77, 128, 131 sowie in der Literatur: Freund 57; Windthorst, Univer42 43
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Telekommunikation ist für neue Techniken der Übermittlung offen 49; er erfasst die technische Seite sowohl der Individual- 50 als auch der Massenkommunikation 51. Jede Form der Rundfunkweiterverbreitung, auch die hier inmitten stehende Rundfunkweiterverbreitung durch digitalisierte Kabelnetze, unterfällt also als Signalübertragung zum Zwecke der Wiedergabe dem Begriff der Kommunikation in Art. 87 f GG 52. Darüber hinaus müsste Rundfunkweiterverbreitung eine „Dienstleistung“ im Sinne des Art. 87 f GG sein. Unter Dienstleistung versteht man das Bereithalten und Erbringen der für Telekommunikation erforderlichen Leistungen 53. Die „Dienstleistung“ ist abzugrenzen gegenüber der Warenleistung: Das Wesen der Dienstleistung ist – im Gegensatz zur Ware – gekennzeichnet durch fehlende Körperlichkeit und Dauerhaftigkeit (die Dienstleistung wird simultan mit ihrer Herstellung konsumiert) der Leistung 54. Das schließt aber nicht aus, dass (körperliche) Wirtschaftsgüter, insbesondere die Netzinfrastruktur, zur Erbringung der Dienstleistung genutzt werden 55. Der Begriff ist angesichts der Sicherungsaufgabe, die Art. 87 f Abs. 1 GG statuiert, weit auszulegen: die Gesamtheit der technischen Dienste, die zur körperlosen Nachrichtenübertragung notwendig sind, unterfallen ihm 56. Die Rundfunkweiterverbreitung als das Angebot der Übermittlung von Rundfunksignalen fällt mithin unter den Dienstleistungsbegriff. Auch für digitales Fernsehen notwendige Zusatzdienstleistungen wie das Multiplexing sind jedenfalls Dienstleistungen im Sinne des Art. 87 f GG. Schließlich handelt es sich bei der Rundfunkweiterverbreitung auch um Dienstleistungen „im Bereich der Kommunikation“. Denn damit sind Dienstleistungen der Kommunikation, also Angebot und Durchführung der körperlosen Nachrichtenübermittlung gemeint 57. saldienst, 83 ff.; Degenhart, in: Sachs, Art. 73 Rn. 32 f., zum gleichen Begriff in Art. 73 Nr. 7 GG. 49 So wird die digitale Nachrichtenübertragung mitumfasst, siehe auch BVerfGE 46, 120, 142. 50 Ausführlich: Gersdorf, Regelungskompetenzen, 44 ff. 51 Degenhart, in: Sachs, Art. 73 Rn. 33. 52 Windthorst, Universaldienst, 91 f.; auch nach der Rechtsprechung unterfallen Breitbandkabelnetze dem Telekommunikationsbegriff: BVerwGE 77, 128, 131. 53 Siehe Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 f Rn. 74; Windthorst, in: Sachs, Art. 87 f Rn. 11. 54 Windthorst, Universaldienst, 194; Freund 56 f. 55 Windthorst, in: Sachs, Art. 87 f Rn. 11. 56 Gersdorf, in: Mangoldt/Klein/Starck, III, Art. 87 f Rn. 35. 57 Der Terminus umfasst indes nicht etwa in weiter Auslegung auch Dienstleistungen „mittels“ Kommunikation, also z. B. die Rundfunkdarbietung selbst (so zu Recht: Windthorst, Universaldienst, 264 ff., zustimmend Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 f Rn. 74 sowie Gersdorf, in: Mangoldt/Klein/Starck, III, Art. 87 f, Rn. 32; a. A. Bullinger, AfP 1996, 4). Die gegenteilige Auslegung, die auch die übermittelte Nachricht selbst umfasst, führte nämlich zu einem erheblichen Kompetenzgewinn des Bundes im Vergleich zum alten Begriff Fernmeldewesen, der keinesfalls vom Verfassungsgesetzgeber gewollt war, Windthorst, Universaldienst, 266.
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Als Ergebnis kann damit festgehalten werden: Die Rundfunkweiterverbreitung, auch über digitalisierte Kabelnetze, ist eine Dienstleistung im Bereich der Telekommunikation im Sinne von Art. 87 f Abs. 1 GG. 3. Rundfunkweiterverbreitung als Universaldienstleistung Im Anschluss daran stellt sich die Frage, ob die Rundfunkweiterverbreitung auch dem Gewährleistungsauftrag unterfällt, wie ihn Art. 87 f Abs. 1 GG formuliert. Anders gewendet: Es ist zu prüfen, ob und wieweit es sich bei der Rundfunkweiterverbreitung allgemein und der Rundfunkübertragung mittels BK-Netze im Besonderen, um eine Universaldienstleistung handelt. Dabei sind zunächst die Kriterien herauszuarbeiten, nach denen die Verfassung in Art. 87 f Abs. 1 GG eine Dienstleistung abstrakt dem Universalbereich zuordnet (a), dann sind diese Maßstäbe auf die Rundfunkweiterverbreitung zu übertragen (b). a) Allgemeine verfassungsrechtliche Kriterien der Zuordnung von Dienstleistungen zum Universaldienst Während einfachgesetzlich durch § 17 TKG und die darauf basierende TUDLV 58 verschiedene Universaldienstleistungen konkret bestimmt werden, bleibt deren verfassungsrechtliche Grundlage, Art. 87 f Abs. 1 GG, mit der Begriffstrias „flächendeckend“, „angemessen“ und „ausreichend“ vage: Die entscheidenden Parameter sind damit aber gleichwohl angesprochen: Qualität und Quantität der Kommunikationsdienstleistungen. Dabei verweist die Angemessenheit im Sinne angemessener Beschaffenheit auf die Qualität; das Adjektiv „ausreichend“ im Sinne von ausreichender Menge auf die Quantität 59. Mit dem Begriff „flächendeckend“ soll schließlich eine „Rosinenpickerei“ 60 in dem Sinn vermieden werden, dass nur Ballungsräume mit hoher Bevölkerungsdichte und entsprechend sinkenden Stückkosten bedient werden 61. Erstrebt wird also ein gewisses Leistungsniveau innerhalb der gesamten Bundesrepublik (Bereitstellungsraum) 62. Auf weitere Konkretisierungen wurde im 58 Telekommunikations-Universaldienstleistungsverordnung v. 30.1.1997 (BGBl. I S. 141). So bestimmt z. B. § 1 Nr. 1 TUDLV einen digitalen Sprachtelefondienst mit einer Bandbreite von 3,1 KHz als Universaldienst. Die Rundfunkweiterverbreitung wird einfachgesetzlich nicht als Universaldienst erfasst, siehe dazu unten C. 2. I. 59 Mit Hinweis auf die Entstehungsgeschichte: Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 f Rn. 75; ebenso Freund 64; Cannivé 63. In dem Begriffsmerkmal „ausreichend“ wird man darüber hinaus das Erfordernis eines erschwinglichen Preises sehen müssen. Denn die Bevölkerung ist nur dann tatsächlich ausreichend versorgt, wenn sie von den Telekommunikationsdienstleistungen auch wirtschaftlich Gebrauch machen kann; wie hier: Lerche, in: Maunz/Dürig, Art.87 f Rn. 75; a. A. Windthorst, Universaldienst, 272, der die Erschwinglichkeit unter die Angemessenheit fasst; vermittelnd: Gersdorf, in: Mangoldt/Klein/Starck, III, Art. 87 f Rn. 39. 60 Begriff bei Hoffmann-Riem, in: Schmidt, 592. 61 Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 f Rn. 76; ausführlich Windhorst, Universaldienst, 268 ff. 62 Gersdorf in Mangoldt/Klein/Starck, III, Art. 87 f Rn. 40.
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Sinne einer dynamischen, entwicklungsoffenen Staatszielbestimmung verzichtet 63; dem einfachen Gesetzgeber soll eine Einschätzungsprärogative zukommen 64. Dennoch ist der Gesetzgeber nicht etwa völlig frei, vielmehr legt der Verfassungsgeber mit Art. 87 f Abs. 1 GG verfassungsrechtliche Eckpunkte fest, welche die Frage nach dem Gewährleistungsgegenstand im Sinne einer Ober- und Untergrenze konturieren 65. Aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie aus systematischer Stellung und Funktion der Gewährleistung im Verfassungsgefüge lassen sich die folgenden Kriterien gewinnen: Der verfassungsrechtlich geprägte Universaldienstbereich umfasst keine Optimalversorgung 66: Nicht nur ist die Verfassung mit Optimierungsgeboten insgesamt sehr zurückhaltend 67, auch die Gesetzesentstehung spricht dagegen: so lässt sich den Gesetzesmaterialien entnehmen, dass mit Art. 87 f Abs. 1 GG nur eine „Grundversorgung“ 68 angestrebt werde, der staatliche Handlungsauftrag deshalb gerade nicht „auf den Ausbau einer optimalen Infrastruktur“ ausgerichtet sei; ebenso wenig sollte die Gewährleistungspflicht gemäß Art. 87 f GG gegenüber anderen Ausprägungen des Sozialstaatsgebotes zu sehr in den Vordergrund treten 69. Außerdem birgt eine zu hoch geschraubte Verpflichtung die Gefahr der Innovationshemmung 70: Gerade innovative Techniken werden zunächst nur zu hohen Kosten und geringen Stückzahlen zur Verfügung stehen. Schließlich ist folgender Zusammenhang zu beachten: Je höher das Versorgungsniveau angesetzt wird, desto wahrscheinlicher werden Eingriffe seitens des Staates erforderlich; eine Optimalversorgung tendiert damit auch in Richtung einer Maximalregulierung. Richtig ist es mithin von einer verfassungsdeterminierten Mindestversorgung auszugehen 71. Deren Inhalt ist weiter einzugrenzen: Aus dem – wie schon dargelegt – entwicklungsoffenen, dynamischen Wesen der Staatszielbestimmung kann weiter gefolgert werden: Art. 87 f GG enthält gerade keine Bestandsgarantie. Der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung telekommunikationstechnische Status quo soll 63 Freund 64 f.; ders. 40 ff. zur verfassungsrechtlichen Normenkategorie der Staatszielbestimmung u. deren Bindungs- u. Verpflichtungswirkung sowie Stern, DVBl. 1997, 313 ff. 64 Gersdorf, in: Mangoldt/Klein/Starck, III, Art. 87 f Rn. 50; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 f Rn. 80. Rechtstechnisch wird dies über den Maßgabevorbehalt („nach Maßgabe eines Bundesgesetzes“) in Art. 87 f GG erreicht. 65 Gersdorf, in: Mangoldt/Klein/Starck, III, Art. 87 f Rn. 51 ff.; siehe auch Gramlich, NJW 1994, 2787. 66 Windthorst, Universaldienst, 276 f.; Gersdorf, in: Mangoldt/Klein/Starck, III, Art. 87 f Rn. 43; Badura, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 87 f Rn. 29; Wieland, in: Dreier, III, Art. 87 f Rn. 14. 67 Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 f Rn. 73. 68 Zu dieser Missverständnisse provozierenden Formulierung schon oben, C. I. 1. a). 69 Siehe die Gesetzesbegründung, Begr. RegE, BT-Drs. 12/7269, 5. 70 Lerche, in Maunz/Dürig, Art. 87 f Rn. 79. 71 Begriff bei Windthorst, Universaldienst, 276 f.; siehe auch Cannivé 64 f.; a. A. Mecklenburg, ZUM 1997, 533.
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nicht zementiert werden. Gleichwohl kann der historisch gewachsene Bestand an Telekommunikationsleistungen zum Zeitpunkt des Übergangs von der hoheitlichen zur privatautonomen Leistungserbringung einen Anhaltspunkt für den Umfang des Universaldienstes geben 72. Weitere verfassungskräftige Entscheidungsdeterminanten im Sinne einer Ober- und Untergrenze des zu gewährleistenden Grundstocks ergeben sich für den einfachen Gesetzgeber aus den Bedürfnissen der von Art. 87 f GG reflexartig 73 begünstigten Nutzer 74 auf der einen und den Grundrechten der durch die Zuordnung zum Universaldienst betroffenen privaten Leistungserbringer auf der anderen Seite 75. Dieser Spannungsbogen ist im Wege der praktischen Konkordanz 76 und unter Berücksichtigung des Leitbildes einer Mindestversorgung aufzulösen 77. Ist mit der praktischen Konkordanz das Ziel der Abwägung beschrieben, so stellt die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes das Mittel dar, dieses Ziel zu erreichen 78. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit findet zwar ursprünglich sein Anwendungsfeld in der Mäßigung staatlicher Gewalt beim Eingriff in Freiheitsrechte der Bürger, wegen der vergleichbaren Interessenlage ist er aber darüber hinaus auch auf staatliche Regulierung (Art. 87 f Abs. 1 GG) eines privatwirtschaftlichem Handeln vorbehaltenen Schutzraums anwendbar 79. Von den in verhältnismäßigen Ausgleich zu bringenden Positionen gewinnen auf Seiten der durch Art. 87 f Abs. 1 GG Begünstigten jene Bedürfnisse besonderes Gewicht, die sich aus der Grundrechtsausübung ergeben: Zu nennen wäre hier die Rundfunkfreiheit der Veranstalter und die Informationsfreiheit der Rundfunkrezipienten. Im Kern sind solche Dienstleistungen der Telekommunikation durch Abs. 1 72 Windthorst, Universaldienst, 277 f. Dies ergibt sich auch aus der Ratio des Art.87 f GG als einer Absicherung von Versorgungsstandards bei der Liberalisierung u. Privatisierung der Telekommunikation unter grundsätzlicher Beibehaltung des vormals sozialstaatlich gebotenen Versorgungsumfangs. 73 Art. 87 f GG gewährt als Staatszielbestimmung keine subjektiv-öffentlichen Rechte z. B. einzelner Telekommunikationsnutzer, Cannivé 55; Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, III, Art. 87 f Rn. 7; zum objektiv-rechtlichen Charakter der vergleichbaren Staatszielbestimmung des Art. 20 a GG, siehe Degenhart, Staatsrecht, Rn. 442 sowie Murswieck, in: Sachs, Art. 20 a Rn. 12 ff. 74 Abzustellen ist dabei nicht auf den individuellen Nutzer, vielmehr ist eine objektivierte Sicht aus der Perspektive der Mehrheit der Nutzer anzunehmen, da es sonst zu einer Subjektivierung des Universaldienstes kommen könnte, Windthorst, Universaldienst, 281; unklar Mecklenburg, ZUM 1997, 532, der zwar von einer „objektivierten Betrachtungsweise“ spricht, dabei aber zum Maßstab nicht die Gesamtheit der Bevölkerung sondern „subkulturelle und klassenspezifische“ Öffentlichkeiten machen will. 75 Windthorst, Universaldienst, 281. 76 Zu dieser Art der (Grund-)Rechtsbegrenzung: K. Hesse, Rn. 317 f. sowie als Maßstab der Verfassungsinterpretation: ders., Rn. 72. 77 Siehe dazu Stern, DVBl. 1997, 315 f., der zu Recht betont, dass im verfassungsrechtlichen System eines privaten Telekommunikationsmarktes Art.87 f Abs. 2 GG Regel-, Abs. 1 dagegen Ausnahmecharakter hat; Windthorst, Universaldienst, 280. 78 Siehe Lerche, in: Isensee/Kirchhof HbStR V, § 122 Rn. 6. 79 Stern, DVBl. 1997, 315 f.
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gesichert, ohne deren Inanspruchnahme die Teilhabe am wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Leben nicht oder nur mit großen Abstrichen möglich wäre 80. Dieses „Angewiesensein“ des objektiven Nutzers für seine Grundrechtsausübung ist als Untergrenze des staatlichen Gewährleistungsauftrages zu verstehen 81. Das „Angewiesensein“ auf bestimmte Leistungen kann abgelesen werden an deren Verbreitungsgrad und -zeitraum sowie an der Nachfrage nach ihnen 82. In der Literatur wird angenommen, dass ein 75%iger Nutzungsgrad über mehrere Jahre ein derart großes Kommunikationsbedürfnis zum Ausdruck bringt, dass die Kommunikationsdienstleistung dem Universaldienst zuzurechnen ist 83. Auf Seiten des privaten Anbieters von Telekommunikationsleistungen gilt es, Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG zu beachten, der eine formelle 84 und materielle (Aufgaben-) 85 Privatisierung fordert und insbesondere eine verdeckte Rückverstaatlichung durch ein zu hohes Universaldiensteniveau und eine damit einhergehende hohe Regulierungsdichte verbietet 86. Zuzustimmen ist Badura, wenn er in Art. 87 f Abs. 2 S. 1 GG ein Recht „auf Spielraum“ der Telekommunikationsdienstleister sieht 87. Dieser Spielraum der privaten Leistungserbringer wird darüber hinaus gesichert von Art. 12 GG und Art. 14 GG 88, daneben – dies wird noch zu untersuchen sein – mögGersdorf, in: Mangoldt/Klein/Starck, III, Art. 87 f Rn. 45. Dabei soll als Prüfungsmaßstab für eine mögliche Unterschreitung des von Verfassungs wegen Gebotenen das bislang der Grundrechtsprüfung zugeordnete Untermaßverbot fruchtbar gemacht werden, so Eifert 196. 82 Gersdorf, in: Mangoldt/Klein/Starck, III, Art.87 f Rn. 52; Badura in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 87 f Rn. 29, spricht von der Nachfrage als einem „wesentlichen Faktor“ der Bestimmung des Grundstocks. 83 Windthorst, Universaldienst, 282. 84 Gleichbedeutend mit dem Begriff Organisationsprivatisierung; gem. Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG sind demnach Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation zwingend durch Rechtsträger privaten Rechts zu erbringen; Freund 33 f.; Windthorst, in: Sachs, Art.87 f Rn.22 f. Bedenklich erscheint insofern die Netzträgerschaft öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten für die Sender zur Ausstrahlung des Ersten Deutschen Fernsehens, da die Anstalten – unabhängig von der Frage, ob u. wieweit sie in die Staatsverwaltung eingegliedert sind (dazu näher z.B. A. Hesse 136 ff.) – unstreitig juristische Personen des öffentlichen Rechts sind (z. B. für den Bayerischen Rundfunk Art. 1 Abs. 1 S. 1 BayRG). Demnach wären diese Sendeanlagen jedenfalls auf privatrechtliche Tochtergesellschaften zu übertragen (Organisationsprivatisierung). Wohl wie hier Ory, AfP 1998, 156 f.; a. A. Libertus, ZUM 1997, 707; wohl auch Neun 133. 85 Badura, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 87 f Rn. 22; Windthorst, in: Sachs, Art. 87 f Rn. 24; soweit in der Literatur noch angesichts der Besitzverhältnisse bei der DTAG von einer nicht „echten“ o. lediglich „erweiterten Organisationsprivatisierung“ gesprochen wird, z. B. Gersdorf, in: Mangoldt/Klein/Starck, III, Art.87 f Rn.74 ff., dürften sich diese Einschränkungen erledigt haben, seitdem der Bund nur noch Minderheitsgesellschafter ist; der Bund hielt zum 31.12.2001 noch 31 % des Gesellschaftskapitals der DTAG direkt sowie über die Kreditanstalt für Wiederaufbau weitere 12 %, also insgesamt 43 % (Geschäftsbericht der DTAG 2001, 39). 86 Stern, DVBl. 1997, 311. 87 Badura in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 87 f Rn. 29; weiter gehend Windthorst, in: Sachs, Art. 87 f Rn. 27: „grundrechtsähnliches Recht“. 88 Siehe zu den Grundrechten der Telekommunikationsdienstleister Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 f Rn. 83, besonders Fn. 55, sowie ausführlich unten, D. II. 80 81
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licherweise in gewissem Umfang auch noch durch die Rundfunkfreiheit selbst. Die Grundrechte der Telekommunikationsunternehmer, genauer die von ihnen geforderte Verhältnismäßigkeit ihrer Einschränkung, sowie der Grundsatz privater Leistungserbringung bilden somit die Obergrenze des Gewährleistungsniveaus 89. b) Verfassungsrechtliche Zuordnung der Rundfunkweiterverbreitung zum Universaldienst aa) Rundfunkweiterverbreitung unterfällt Universaldienst Die so gewonnenen Kriterien über die verfassungskräftige Zuordnung einer bestimmten Telekommunikationsdienstleistung zum Universaldienst sollen nun auf die Rundfunkverbreitung angewandt werden. Man gelangt dabei zu folgendem Bild: die Weiterverbreitung von Rundfunk ist grundsätzlich dem Universaldienst zuzurechnen 90. Dafür spricht die Bedeutung der Rundfunkweiterverbreitung für die Grundrechtsausübung sowohl der Veranstalter als auch der Zuschauer. Für die Veranstalter gehört die Rundfunkweiterverbreitung „zu den Grundvoraussetzungen des Gebrauchs der Rundfunkfreiheit“ 91. Rundfunkveranstaltung ohne Rundfunkverbreitung ist nicht denkbar, weshalb die Verbreitung nach der Definition des § 2 Abs. 1 Satz 1 RStV integraler Bestandteil des Rundfunkbegriffes ist („Veranstaltung und Verbreitung“). Für die Zuschauer gilt: Ohne Zugang zum Rundfunk als wesentlicher Faktor der öffentlichen Meinung läuft auch die Informationsfreiheit der Bürger in einer von Massenkommunikation geprägten Gesellschaft weitgehend ins Leere, die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben der Bundesrepublik dürfte erheblich eingeschränkt sein. Das „Angewiesensein der Nutzer“ zeigt sich auch in der hohen Nachfragerate nach Rundfunkweiterverbreitung; der Anteil der Personen aus Haushalten mit einem Fernsehgerät liegt bei über 98 % der Bevölkerung 92; der durchschnittliche Fernsehkonsum liegt bei 199 Minuten am Tag 93. Schließlich kann auch 89 Diese Sicht entspricht auch dem gesetzgeberischen Willen. So heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung BT-Drs. 12/7269, 5: „Die Ausgestaltung ... obliegt dem einfachen Gesetzgeber. Eingriffe haben sich an dem privaten Charakter der Tätigkeit und an dem einschlägigen Grundrechtsschutz auszurichten (insbesondere Art.12 und Art. 14 GG)“. 90 So wohl auch Windthorst, Universaldienst, 291, der Art. 87 f i.V. m. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG eine Vorrangregel der Art entnimmt, dass in Breitbandkabelnetzen Rundfunkübertragung anderen Multimediadiensten vorgeht; damit unterstellt er einen Rundfunkuniversaldienst; Freund 61; A. Hesse, 52 f., fordert eine Aufnahme der Rundfunkübertragung von Universaldienstleistungen in den Katalog des §1 TUDLV, ohne aber auszuführen, ob dies durch Art.87 f Abs. 1 GG verfassungskräftig gefordert ist; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 f Rn. 78; Jüngling 119 ff.; siehe auch im Sinne einer rechtspolitischen Forderung nach Rundfunkuniversaldienst, Holznagel, ZUM 1996, 24. 91 BVerfGE 90, 60, 93, wo die Zuteilung von Übertragungskapazitäten mit der Zulassung u. der Finanzierung auf einer Stufe gesehen wird. 92 Geräteausstattung 2002 nach MP Basisdaten 2002, 63. 93 Zeitbudget für Fernsehen, 5.00 bis 24.00 Uhr, Mo-Sa nach MP Basisdaten 2002, 70.
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den objektiv-rechtlichen Gehalten der Rundfunkfreiheit entnommen werden, dass ein Mindestmaß an Rundfunkweiterverbreitung sicherzustellen ist. Die Grundrechte der Dienstleister sowie das Gebot der privaten Leistungserbringung wiegen demgegenüber weniger schwer, zumal mit der Aufnahme der Rundfunkverbreitung in den Katalog der Universaldienste zunächst weder etwas über den Umfang noch über die Übertragungsart und damit über die konkrete Belastung der Telekommunikationsdienstleister gesagt ist. Für das hier gewonnene Ergebnis eines Rundfunkuniversaldienstes spricht schließlich auch das Telekommunikationsrichtlinienpaket 94 der Europäischen Gemeinschaft: Zwar ist der europäische Richtliniengeber damit nur einen Teil der Wegstrecke gegangen: So hat er die Verpflichtung zur Übertragung von (bestimmten) Rundfunkprogrammen zwar im Rahmen der Universaldiensterichtlinie 95 und damit im systematischem Zusammenhang mit solchen Dienstverpflichtungen geregelt. Innerhalb der Universaldienstrichtlinie finden sich die „Übertragungspflichten“ jedoch in Art. 31 und damit im Kapitel IV („Interessen und Rechte der Endnutzer“) und nicht im Kapitel II („Universaldienstverpflichtungen einschließlich sozialer Verpflichtungen“). Das schließt aber gerade nicht aus, dass ein einzelner Mitgliedstaat entsprechende Übertragungspflichten anordnet, wie Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie zeigt 96. Spricht damit alles dafür, Art. 87 f Abs. 1 GG dem Grundsatz nach eine Rundfunkuniversaldienstpflicht zu entnehmen, so sind folgende weitergehende Fragen zu beantworten: In welchem (kapazitätsmäßigen) Umfang besteht ein solcher Universaldienst (dazu unter bb) und bezieht er sich auch auf den Übertragungsweg BKNetz (dazu unter cc)? 94 Dieses besteht im Wesentlichen aus RL 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze u. -dienste (Rahmenrichtlinie); RL 2002/20/EG über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze u. -dienste (Genehmigungsrichtlinie); RL 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen u. zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie); RL 2002/22/EG über den Universaldienst u. Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen u. -diensten (Universaldienstrichtlinie) sowie die früher verabschiedete RL 97/66/EG v. 15.12.1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten u. den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation; vgl. Erwägungsgrund 5 der Rahmenrichtlinie. Siehe zum Richtlinienpaket Bartosch EuZW 2002, 389 ff. sowie ausführlich Schütz/Attendorn, Beilage MMR 4/2002, 1 ff.; speziell zu den Auswirkungen auf die Kabelnetzbetreiber Bonin, K & R 2002, 565 ff. sowie allgemein im Hinblick auf die Verbreitung breitbandiger Inhalte Weisser/Bauer, MMR 2003, 709 ff. 95 Art. 31 RL 2002/22/EG. 96 Siehe zu den neuen Möglichkeit von Übertragungspflichten auch Schütz/Attendorn, MMR-Beilage 4/2002, 23 u. 43. Ob aus Art.31 Universaldienstrichtlinie aber geschlossen werden kann, dass der Zugang der Veranstalter zum Kabelnetz ausschließlich national zu regeln ist (so Bartosch, EuZW 2002, 391) erscheint fraglich, da mit der Vorschrift nichts über die – in der Zugangsrichtlinie behandelten – Zugangsbedingungen außerhalb des Must-Carry-Bereichs gesagt ist.
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bb) Im Umfang der Grundversorgung Was den Umfang (Kapazität) des Universaldienstes angeht, gilt es wiederum darzulegen, inwieweit die Verfassung dem einfachen Gesetzgeber für die ihm zugewiesene Konkretisierung im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative Maßstäbe an die Hand gibt. Aus dem Gebot der Mindestversorgung folgt vorweg, dass nicht die technische Maximalzahl übertragbarer Programme dem Universaldienst unterfällt. Im Hinblick auf die Informationsfreiheit der Rezipienten und die Erfordernisse der verfassungsdeterminierten Rundfunkfreiheit ist aber eine dem Pluralismus verhaftete Vielzahl zu fordern. Hinzu kommen die Bedürfnisse der (öffentlich-rechtlichen) Veranstalter 97. Die „andere Seite der Medaille“ 98 sind die gegensätzlichen Positionen der Telekommunikationsunternehmer aus Art. 12, 14 GG und aus dem Privatisierungsgebot (Art. 87 f Abs. 2 GG) sowie gegebenenfalls aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Gerade aus dem genannten Privatisierungsgebot ist ein Spielraum auch bei der konkreten Frequenznutzung zu fordern: die Kapazitäten des Netzbetreibers dürfen nicht mit einer zu weitreichenden Pflichtkapazität „verstopft“ werden. Grundsätzlich kann nur der Markt entscheiden, wie die knappe Ressource Übertragungskapazität „effektiv“ genutzt wird. Gerade solche marktgeprägten Allokationen sind Ziel und Inhalt der von Art. 87 f Abs. 2 GG eingeführten Aufgabenprivatisierung 99 der Telekommunikation 100. Hinzutreten die Grundrechte der Telekommunikationsanbieter, insbesondere der Netzbetreiber. Auch sie, allen voran Art. 12 und 14 GG, fordern – wie im nächsten Kapitel zu zeigen sein wird – privatwirtschaftliche Handlungsfreiheit. 97 Den Bedarf der privaten Veranstalter wird man dagegen nicht ohne weiteres der technischen Mindestversorgung zurechnen können, da diesen in der Vergangenheit der Netzzugang nie uneingeschränkt möglich war, so zu Recht Jüngling 99, in Bezug auf § 17 TKG. Rechtsdogmatisch ist weiterhin fraglich, ob aus einem – nach der Rechtsprechung des BVerfG – überwiegend objektiv-rechtlich verstandenen Grundrecht (das BVerfG hat ein Recht auf private Veranstaltung bis heute nicht anerkannt; siehe auch Bethge, in: Sachs, Art.5 Rn.110) überhaupt eine grundrechtliche Angewiesenheit im Sinne des Art. 87 f GG folgen kann. 98 Als Begriff für das Verhältnis von Infrastrukturgewährleistung in Art. 87 Abs. 1 u. Privatisierungsgebot in Abs. 2 der Norm bei Stern, DVBl. 1997, 315. 99 Zum Begriff der Aufgabenprivatisierung Windthorst, in: Sachs, Art. 87 f Rn. 24 sowie Gersdorf, in: Mangoldt/Klein/Starck, III, Art. 87 f Rn. 70 ff. zur durch Abs. 2 vorgegebenen Kommerzialisierung; Gersdorf betont dabei den Gegensatz zwischen privatwirtschaftlichen u. den „auf umfassende Gemeinwohlhervorbringung gerichteten gemeinwirtschaftlichen Unternehmenszielen“ der Bundespost. Dabei sollte aber nicht unerwähnt bleiben, dass die allein an „kaufmännischen Leitprinzipien“ orientierte Unternehmenspolitik der privat(isiert)en Anbieter „sozialere“ Leistungen als ehemals die dem Sozialstaatsgebot verpflichtete Bundespostverwaltung hervorbringt. So ist im Zuge der Privatisierung der Preisindex für Telefondienstleistungen vom Wert 100 im Jahre 1991 auf 52, 1 bei Inlands- u. auf 34, 9 bei Auslandsgesprächen im Jahre 2001 gefallen (Zahlen nach Statistisches Bundesamt, 620, Tab. 23.17.1). 100 Das folgt m. E. aus der Entstehungsgeschichte der Postreform II: in der staatlichen Verwaltung von Telekommunikationsdienstleistungen machte der Gesetzgeber eine erhebliche Ineffizienz aus; zu den Motiven siehe auch: Lerche, in Maunz/Dürig, Art. 87 f Rn. 24.
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Die dargestellten Positionen sind in schonenden Ausgleich zu bringen101. An dieser Stelle verschränken sich nun die oben dargestellten an sich zu trennenden Begriffe der (rundfunkrechtlichen) Grundversorgung und der Universaldienstleistung. Die Grundversorgung im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung stellt ein rundfunkrechtliches Minimum dar, das sich als unantastbarer Kern der Rechtspositionen der Rundfunkteilnehmer und der objektiv-rechtlichen Dimension der Rundfunkfreiheit im Abwägungsergebnis wiederfinden muss. Zur Grundversorgung gehört darüber hinaus auch ihre flächendeckende Verbreitung 102. Es ist gerade typisch für die praktische Konkordanz, dass nicht eine Rechtsposition die andere völlig verdrängt, sondern beide zu weitreichender Verwirklichung streben, jedenfalls im Kern erhalten bleiben müssen 103. Ein Mehr als die Grundversorgung wird man wiederum den Netzbetreibern nicht zumuten können, da ansonsten deren Rechtspositionen übermäßig beschnitten, ihr „Recht auf Spielraum“ mit zunehmendem Umfang des Universaldienstes bis zur Unkenntlichkeit verblassen würde. Diese Aussage wird gestützt von dem in Art. 87 f GG in Verfassungsform gegossenen Regelungssystem, wonach die privatwirtschaftliche und dies heißt in erster Linie privatautonome Leistungserbringung das Prinzip und die Universaldienstverpflichtung als Ausnahme von diesem Prinzip nur dessen Absicherung dient. Diese gesetzliche Absicherung im Umfang auf den Kern der Nutzererfordernisse zu beschränken, ist damit auch ein Gebot der Systemgerechtigkeit. Im Ergebnis bedeutet dies: die Länder haben im Rahmen ihrer inhaltsbezogenen Rundfunkkompetenz den Umfang der rundfunkrechtlichen Grundversorgung im Sinne einer Programmanzahl, genauer einer Zahl von sog. Programmäquivalenten 104 festzulegen 105; der Bund hat die zur Übertragung einer solchen Datenrate notwendige Übermittlungsleistung als Universaldienstleistung mit dem ihm zur Sicherung des Universaldienstes zu Gebote stehenden Mitteln zu gewährleisten 106.
cc) Auf allen Übertragungswegen? Aus Art. 87 f GG kann also die verfassungskräftige Festlegung eines Rundfunkuniversaldienstes im Umfang der Grundversorgung gelesen werden. Damit bleibt noch die Frage offen, ob sich diese staatliche Gewährleistungspflicht auf einen bestimmten Übertragungsweg erstreckt. Die Antwort darauf ist letztlich wiederum Nochmals: Stern, DVBl. 1997, 315 f. BVerfGE 74, 297, 326. 103 Siehe K. Hesse, Rn. 72, auch Rn. 318. 104 Zu diesem technischen Begriff siehe oben unter B. I. 1. 105 Die Entscheidung darüber, mit welchen Programmen dann diese Kapazität zu füllen ist, steht als inhaltliche Frage ohnehin den Ländern zu; statt vieler A. Hesse 53; siehe auch VG Bremen, ZUM-RD 1998, 21 ff. 106 Wie hier VG Berlin, MMR 1998, 167 f.; sowie in der Literatur Freund 61 f.; A. Hesse 53; Lerche in: Maunz/Dürig, Art. 87 f Rn. 78; siehe auch Jüngling 124. 101 102
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Art. 87 f Abs. 1 GG mit seiner Vorgabe einer flächendeckend angemessenen und ausreichenden Versorgung zu entnehmen. Auf den Rundfunkempfang übertragen bedeutet dies, dass der Bund jedem Rundfunkrezipienten einen Zugang in ordentlicher Bild- und Tonqualität („angemessen“) zu Programmen der rundfunkrechtlichen Grundversorgung auf erschwinglichem Preisniveau („ausreichend“) und zwar an jedem Wohn- und Geschäftsort in der Bundesrepublik („flächendeckend“) gewährleisten muss 107. Dieser Verpflichtung dürfte sich indes kein Gewährleistungsauftrag speziell für die Rundfunkübertragung mittels BK-Netzen entnehmen lassen. Zwar stellt der Kabelempfang die häufigste Form des Rundfunkempfangs dar 108. Doch auch er erreicht mit 58,3 % Anteil an der Gesamtheit der Übertragungswege 109 nicht den Wert, der eine Technologie der Telekommunikation nach der Meinung im Schrifttum in den Status einer Universaldienstleistung hebt, nämlich 75 % 110. Zum anderen ist der Umstieg von Kabelanschluss auf den terrestrischen Empfang der Sender der Grundversorgung 111 oder auch auf Satellitenempfang technisch und finanziell ohne weiteres möglich und auch für Mieter problemlos112. Damit ist auch eine Ansicht in der Literatur abzulehnen, die sich im Wesentlichen auf die Schwierigkeiten beim Wechsel der Übertragungswege stützt und derzufolge zwar der Kabelanschluss selbst nicht Bestandteil des Universaldienstes sei, wohl aber die Übermittlung von Rundfunk im Kabel 113. Im Ergebnis gilt also: solange und soweit der Zugang zu den Programmen der Grundversorgung z. B. durch die terrestrische Empfangsmöglichkeit für jedermann gesichert ist, kann Art. 87 f GG keine Verpflichtung des Bundes entnommen werden, Rundfunkempfang gerade mittels Breitbandkabel zu gewährleisten. Damit entfällt auch eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung, die Kabelnetzbetreiber zur Erbringung von Rundfunkdiensten gesetzlich zu verpflichten. Damit ist kein subjektiver Anspruch des Rundfunkteilnehmers verbunden, Cannivé 55. Wohl aus dieser Perspektive aber für einen Universaldienst im Kabel A. Hesse 52 f. 109 ARD-Jahrbuch 2002, 369, Tab. 13. 110 Siehe zu dieser Ansicht Windthorst, Universaldienst, 282; wie hier Jüngling 99, der aber im Ergebnis einen Rundfunkuniversaldienst für bestehende Breitbandkabelanschlüsse annimmt, siehe dazu sogleich. 111 Der terrestrische Empfang deckt 100 % der Haushalte ab u. erfüllt damit weiterhin als einziger Übertragungsweg die Anforderungen des BVerfG an die Grundversorgung, zu der nach Ansicht des Gerichts auch eine Übertragungstechnik gehöre, bei der ein Empfang für alle sichergestellt werde (BVerfGE 74, 297, 326). Zwar erfordert es der Grundversorgungsauftrag auch, dass auf anderen bereits für die Weiterverbreitung von Rundfunk genutzten Übertragungswegen die Programme der Grundversorgung verbreitet werden (in diese Richtung zu Recht Libertus 85 ff.); gerade nicht gefordert ist aber, dass neben der terrestrischen Verbreitung weitere Kapazitäten geschaffen werden. 112 Auch nach derzeitiger Rechtsprechung besteht ein Recht auf Parabolantenne, wenn kein Rundfunkkabelempfang möglich ist, siehe auch schon oben, B. II. 1. b) aa). 113 So Jüngling 122; ähnlich u. für eine (einfachgesetzliche) Gewährleistung von Rundfunkempfang gerade über Kabel auch A. Hesse 52 f. sowie ihm folgend tendenziell auch Freund 124. Jüngling räumt aber ein, dass bei einem „Kabelanschluss“, der keinen Rundfunkempfang ermöglicht, die Hindernisse für eine Parabolantenne entfallen (ders. 100, Fn. 332). 107 108
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In der Praxis dürfte diese eng begrenzte Universaldienstgewährleistung jedoch keine größeren Auswirkungen haben. Denn Marktergebnis und Mindestversorgung nach Art. 87 f GG sind zweierlei: die bisherigen Erfahrungen z. B. im Bereich der Telefonie zeigen, dass das Marktergebnis regelmäßig ganz erheblich über der Mindestversorgung liegt 114. So bedeutet eine Mindestversorgung, wie sie hier beschrieben wird, keinesfalls, dass die tatsächliche Versorgung ihr gleichen wird 115.
II. Einfachgesetzliche Pflichten zur Rundfunkweiterverbreitung de lege lata Nachdem die verfassungsrechtlichen Aspekte einer Rundfunkuniversalpflicht dargestellt sind, soll nun die einfach gesetzliche Ebene betrachtet werden. Während Art. 87 f Abs. 1 GG nur mittelbar die Rechte der Träger von Infrastruktur im Bereich der Telekommunikation einschränkt, indem er den Staat auf regulierende Eingriffe verpflichtet, geht es im Folgenden um unmittelbare Verpflichtung der Netzbetreiber, in ihrem Netz Rundfunk weiterzuverbreiten. Solche Verpflichtungen gewinnen an Bedeutung durch die neuen technischen Möglichkeiten des digitalisierten Netzbetriebes. So können ausgebaute BK-Netze problemlos neben, aber eben auch statt Fernsehen für interaktive Dienste wie Telefonie, Video-on-demand oder Gebäudeüberwachung verwendet werden 116. Erscheint es derzeit zwar noch wenig sinnvoll, ein Fernsehkabelnetz ausschließlich für Nichtrundfunkdienste zu nutzen, so kann dies doch unter geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen jederzeit Wirklichkeit werden. Schon heute lässt sich sagen, dass für den betriebswirtschaftlichen Erfolg des Betriebes digitalisierter BKNetze mitentscheidend sein wird, wie die verfügbaren Bitkapazitäten auf die einzelnen Kommunikationsdienste aufgeteilt sind. Im Folgenden soll deshalb geprüft werden, ob der BK-Netzbetreiber nach derzeitiger (einfachgesetzlicher) Rechtslage zur Weiterverbreitung von Rundfunkdiensten verpflichtet ist (1). Daran anschließend wendet sich die Arbeit der äußerst umstrittenen Frage zu, ob dem Bund oder den Ländern die Gesetzgebungskompetenz für den Erlass von Vorschriften über die Netznutzung für Rundfunkdienste zusteht (2). Diese Frage muss deshalb beantwortet werden, weil von ihr im Wesentlichen die Verfassungsmäßigkeit der unter 1. dargestellten Regelungen abhängt.
114 So gehört die Mobiltelefonie nicht zu den Universaldienstleistungen nach § 1 TUDLV. Gleichwohl ist die Versorgung mit derartigen Dienstleistungen allein durch den Markt ausreichend gesichert. 115 So weist Jüngling mit Recht daraufhin, dass für besonders reichweitenstarke Programme eine Weiterverbreitung vom Markt sichergestellt wird (Jüngling 125, Fn. 466). 116 Wille/Schulz/Fach-Petersen, in: Hahn/Vesting, § 52 Rn. 7.
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1. Bestand an Vorschriften über die Kabelnutzung für Rundfunkdienste Auf bundesgesetzlicher Ebene könnten sich Regeln, die den Netzbetreiber zur Weiterverbreitung von Fernsehdiensten verpflichten, im TKG und den auf seiner Grundlage ergangenen untergesetzlichen Normen ergeben. Zwar regeln die §§ 44 ff. TKG die Nutzung von Frequenzen und zwar – wie § 47 Abs. 3 TKG zeigt – auch deren Nutzung für Rundfunkdienste. Von diesen Regelungen sind aber ganz überwiegend Funkfrequenzen betroffen, während § 45 Abs. 2 Satz 3 TKG die Frequenznutzung „in und längs von Leitern“, d. h. die Nutzung gerade auch der BK-Netze freigibt 117. Eine Verpflichtung könnte sich weiterhin aus den (einfachgesetzlichen) Universaldienstverpflichtungen des TKG, wie sie in § 17 ff. TKG und der darauf basierenden Verordnung festgelegt sind, ergeben. Nach § 17 Abs. 2 TKG ist die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung bestimmte Telekommunikationsdienstleistungen als Universaldienstleistungen zu bestimmen, die dann nach § 19 TKG den Leistungserbringern auferlegt werden können 118. Die auf Grundlage dieser Ermächtigung erlassene Verordnung 119 sieht jedoch die Rundfunkübertragung nicht als Universaldienstleistung an 120; allein Dienstleistungen im Bereich der Telefonie sind nach § 1 TUDLV dem Universaldienst zugeordnet. Im Ergebnis sind damit keine bundesgesetzlichen Regeln ersichtlich, die den Netzbetreiber zur Erbringung von Fernsehdiensten verpflichten würden 121. Auf Länderebene könnte zunächst der RStV entsprechende Regeln enthalten. Dabei kommt für die Nutzung der BK-Netze allein § 52 RStV Bedeutung zu 122. Aber auch diese Vorschrift enthält keine Verpflichtung, in (digitalisierten) Kabelnetzen Fernsehdienste zu verbreiten. Schon aus dem Wortlaut des § 52 Abs. 2 RStV („Soweit Betreiber ... Fernsehprogramme oder Mediendienste verbreiten ...“) folgt, dass die Vorschrift nicht anwendbar ist auf BK-Netze, über die ausschließlich Nichtrundfunkdienste, beispielsweise Telefonie, abgewickelt werden 123. Einzelne landesrechtliche Vorschriften verpflichten dagegen den Betreiber eines BKNetzes, Fernsehdienste anzubieten. So bestimmt beispielsweise § 35 StV BlnSiehe auch Korehnke/Grotelüschen, in: Büchner u. a., § 45 Rn. 30 ff. Zu den Einzelheiten Schütz, in: Büchner u. a., § 17 Rn. 1 ff. 119 Telekommunikations-Universaldienstleistungsverordnung (TUDLV) v. 30.1.1997. 120 Dazu Wagner, K & R 1998, 237. 121 Ebenso im Ergebnis Jüngling 80 ff., der aber eine Festschreibung nach § 17 TKG für möglich hält (101). 122 § 50 RStV enthält keine Verpflichtung an Dritte sondern primär eine grundsätzliche Kompetenzregelung, die darüber hinaus eine Widmung der Übertragungskapazität für Rundfunk bereits voraussetzt (Binder, in: Hahn/Vesting, § 50 Rn. 1 u. 3). 123 Dies ist – im Gegensatz zum weiteren Bedeutungsgehalt des § 52 Abs. 2 RStV – unstreitig, z. B. Wille/Schulz/Fach-Petersen, in: Hahn/Vesting, § 52 Rn. 75; siehe auch die amtliche Begründung zu § 52 Abs. 2, wonach dieser klarstellen soll, dass die Belegungsregeln nur greifen sollen, soweit „Betreiber ... überhaupt Fernsehprogramme ... verbreiten“, abgedruckt bei Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 52 vor der Kommentierung. 117 118
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Bbg 124, dass Übertragungskapazitäten in Kabelnetzen der Verbreitung von Rundfunk zu dienen haben und, nur soweit Vielfaltsanforderungen nicht beeinträchtigt sind, für andere Dienste genutzt werden können 125. In anderen Bundesländern finden sich ähnliche Regelungen 126. Auf einfachgesetzlicher Ebene ist der Betreiber eines BK-Netzes demnach zumindest in einigen Bundesländern gezwungen, über sein Netz Fernsehdienste anzubieten. 2. Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften Damit drängt sich die Frage auf, ob den Ländern überhaupt die Kompetenz zum Erlass derartiger Regelungen zusteht. Für ihre Beantwortung kann im Wesentlichen auf die obigen Ausführungen zu Art. 87 f GG zurückgegriffen werden, der sich als Schlüssel zur Lösung dieses strittigen Kompetenzproblems erweist. In der Literatur wird überwiegend und insbesondere von Gersdorf 127 die Frage nach einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Festlegung der Nutzungszwecke im Breitbandkabel verneint 128; die Gesetzgebungskompetenz der Länder wäre dem entsprechend zu bejahen. Begründet wird dies damit, dass sich der Bund weder auf Art.73 Nr. 7 GG noch auf Art. 87 f Abs. 1 GG stützen könne. Auf Art. 73 Nr. 7 GG könne sich der Bund nicht stützen, da die Zuordnung von Kapazitäten zu einzelnen Diensten kein an technischen Kriterien orientierter Vorgang, vielmehr eine inhaltsbezogene Entscheidung sei. Diese werde von Art. 73 Nr. 7 GG, der allein die Regelungskompetenz für die technische Seite im Sinne einer „Ätherpolizei“ vermittele, nicht mehr gedeckt 129. Unter dem Gesichtpunkt einer störungsfreien Frequenznutzung sei die Frage, welche Dienste über die im Kabel zur Verfügung stehenden Frequenzen genutzt werden, irrelevant. Der Bund sei auf Regelungen von Interferenzgefahren und Abschirmung beschränkt, weiter reiche die frequenztechnische Gefahrenabwehr nicht. Folgerichtig habe der Bund sich im Grundsatz 130 für ein Konzept der freien Nutzung des Kabels entschieden, wie es in § 45 Abs. 2 Satz 3, 2. Hs. TKG zum Ausdruck kommt 131. 124 Staatsvertrag über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks i. d. F. der Bekanntmachung v. 1.1.1999. 125 Schütz, Beilage MMR 2/2001, 22 bezeichnet dies als „Ermächtigung zum Widmungszwang“. 126 Siehe §38 Abs.1 MedienG des Landes Sachsen-Anhalt, auch §38 Abs.6 SächsPRG kann jedenfalls dem Wortlaut nach als Verpflichtung zur Erbringung von Fernsehdiensten verstanden werden. 127 Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 261 ff. passim; ders., Regelungskompetenzen, 49 ff., ihm folgend Wille/Schulz/Fach-Petersen, in: Hahn/Vesting, § 52 Rn. 21; wohl auch Wagner 47. 128 Offen gelassen dagegen von Vesting, Kabelkanalbelegung, 83 f. 129 Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 273 ff.; siehe auch Jüngling 111 f. 130 Unstreitig technischer Art sind die Einschränkungen gem. Nutzungsbestimmung Nr. 30 der Anlage B zum Frequenzbereichszuweisungsplan vom 24.6.2001 (BGBl. I, 825), wonach
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Auch aus Art. 87 f Abs. 1 GG folge nichts anderes: Zwar stelle die Vorschrift einen Kompetenztitel des Bundes in dem Umfang dar, der zur Sicherung des verfassungsrechtlich geforderten Versorgungsniveaus notwendig sei 132. Jedoch betreffe die Frage nach der Bestimmung der Nutzungszwecke im breitbandigen Kabel nicht die Grundversorgung der Bevölkerung mit Telekommunikationsdienstleistungen; die Grundversorgung gehe über die unerlässliche kommunikative Teilhabe am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben nicht hinaus133. Die zur Grundversorgung gehörende Telefonie werde aber bereits qualitativ und quantitativ ausreichend und angemessen durch das Telefonfestnetz gewährleistet, gleiches gelte – falls überhaupt zum telekommunikativen Grundstock des Art. 87 f Abs. 1 GG zu zählen – für den breitbandigen Internetzugang, der dank der DSL-Technologie ebenfalls über das Telefonfestnetz gewährleistet sei. Zuzustimmen ist Gersdorf, dass die Kapazitätszuweisung im Breitbandkabel nicht der funktechnischen Gefahrenabwehr unterfällt. Aber auch die Zuweisung einer bestimmten Nutzungsart auf eine bestimmte terrestrische Frequenz im Frequenzbereichszuweisungsplan ist nicht – jedenfalls nicht nur – eine Frage der „Ätherpolizei“. Ob z. B. ein freier Frequenzbereich dem Telefonmobilfunkdienst oder der terrestrischen Fernsehübertragung gewidmet wird, ist keine Frage der Störungsabwehr sondern gerade die Frage der inhaltlichen Nutzung des Frequenzspektrums, setzt also auch ein inhaltliches „Nutzungskonzept“ voraus. Gleichwohl unterfällt diese Entscheidung unter Zugrundelegung des vom Bundesverfassungsgericht geprägten 134 und von der Literatur rezipierten 135 Begriffes der Telekommunikation in Abgrenzung zum Rundfunk der Kompetenznorm des Art. 73 Nr. 7 GG. Ob deshalb die Frequenznutzung im Breitbandkabel allein aufgrund der Tatsache, dass ihr ein inhaltliches Nutzungskonzept vorausgehen muss, aus dem Anwendungsbereich des Art. 73 GG ausscheidet, muss bezweifelt werden 136. Darüber hinaus ergibt sich aber jedenfalls eine Bundeskompetenz zur Festlegung von Frequenznutzungen allgemein und speziell für das Kabel aus Art. 87 f Abs. 1 GG 137. Dem liegt folgende Überlegung zu Grunde: nur Frequenzbereiche innerhalb des Bandes von 9 KHz bis 3 GHz genutzt werden dürfen, auf denen keine (terrestrischen) sicherheitsrelevanten Funkdienste betrieben werden u. wonach weiterhin die Störstrahlung gewisse Grenzwerte einhalten muss; siehe dazu auch Schulz/ Vesting 14 f. 131 Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 276. 132 Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 279 f.; ders. auch in: Mangoldt/Klein/Starck, III, Art. 87 f Rn. 56. 133 Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 281 f. 134 Grundlegend BVerfGE 12, 205, 226 f. (Deutschlandfernsehen) sowie E 46, 120, 139 u. 143 f. (Direktruf). 135 Statt vieler: Degenhart, in: Sachs, Art. 73 Rn. 34 ff. 136 So etwa für eine Bundesgesetzgebungskompetenz aufgrund von Art. 73 Nr. 7 GG, Schütz, Beilage MMR 2/2001, 23. 137 So wie hier Jüngling 117 ff.; ähnlich auch Irion/Schirmbacher, CR 2002, 64.
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C. Der Kabelnetzbetreiber als Träger von Kommunikationsinfrastruktur
Art. 87 f Abs. 1 GG stellt eine alleinige 138 Bundesgesetzgebungskompetenz dar 139. Inhalt dieser Kompetenz ist der dem Bund zugewiesene Gewährleistungsauftrag: Der Bund hat mittels Bundesgesetz Regelungen zu treffen, die im Ergebnis die Mindestversorgung der Bevölkerung mit Dienstleistungen der Telekommunikation sicherstellen. Zu dieser Mindestversorgung gehört – wie die oben dargestellte Auslegung ergeben hat – auch die Versorgung mit Rundfunk; genauer: Art.87 f GG fordert einen Rundfunkuniversaldienst im Umfang der (rundfunkrechtlichen) Grundversorgung. Die Sicherstellung angemessener Kapazitäten für die Rundfunkübertragung kann dem Bund jedoch nur dann gelingen, wenn er auf die Nutzungsart des jeweiligen Übertragungsweges regulatorisch einwirken kann 140. Der Bund muss z. B. – sollte einmal der terrestrische Empfang nicht (mehr) gesichert sein – ebenso in der Lage sein, die Nutzung von Breitbandkabelkapazitäten für Fernsehdienste zu Lasten der Telefonie sicherzustellen, wie er bei schmalbandigen Übertragungswegen die Sprachtelefonienutzung zu Lasten vollständiger Internetnutzung festlegen könnte 141. Unterfiele die Aufteilung verfügbarer Übertragungskapazitäten auf verschiedene Dienste der Telekommunikation nicht der Bundesgesetzgebungskompetenz, liefe der Sicherstellungsauftrag, wie ihn Art. 87 f Abs. 1 GG formuliert, ins Leere. Der Bund besäße nicht die gesetzgeberische Kompetenz, gewisse für die Erfüllung der Universaldienstgewährleistung notwendige Frequenznutzungen anzuordnen. Gersdorf gelangt indes zum gegenteiligen Ergebnis, da er den Universaldienst allein auf Telefonie und Internet beschränkt. Diese – in der Tat mit § 17 TKG de lege lata übereinstimmende – Lösung dürfte aber, da Art. 87 f Abs. 1 GG wie gezeigt einen Rundfunkuniversaldienst fordert, den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht voll gerecht werden. Daraus folgt zwingend: Der Bund besitzt die (alleinige) Gesetzgebungskompetenz festzulegen, ob ein BK-Netz für Rundfunkdienste zu nutzen ist. Den Ländern fällt dagegen die Gesetzeskompetenz zu, über den (Kapazitäts-)Umfang der Grundversorgung und über die inhaltliche Belegung der dem Rundfunk darüber hinaus zur Verfügung stehenden Kapazitäten zu entscheiden. In der Praxis bedeutet dies: Der Bund trifft die Regelungen, ob unter dem Gesichtspunkt der Mindestversorgung Kabelkapazitäten in Umfang der Grundversorgung dem Rundfunk zu widmen sind; die Länder regeln dann die inhaltliche Belegung dieser erzwungenen und darüber hinaus aller freiwillig der Rundfunkübertragung gewidmeten Kapazitäten. Soweit die Länder die Netzbetreiber – wie oben gezeigt – verpflichten, ihre Netze für die Rund138 Es handelt sich nicht um eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz i. S. v. Art. 73 GG, da Art. 71 GG nicht gilt; richtigerweise wird insofern von einer „alleinigen“ Kompetenz gesprochen, Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 f Rn. 13. 139 Uerpmann, in: v. Münch/Kunig, III, Art. 87 f Rn. 9. 140 Siehe auch Engel, RTkom 2000, 195, wonach die Kompetenz der Länder nicht in einer Weise interpretiert werden darf, die den Bund außerstande setzt, seine Verpflichtungen aus Art. 87 f Abs. 1 GG zu erfüllen. 141 Siehe § 19 Abs. 2 TKG.
II. Einfachgesetzliche Pflichten zur Rundfunkweiterverbreitung
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funkübertragung zu nutzen, sind diese Vorschriften bereits aus formellen Gründen verfassungswidrig. Offen bleibt damit noch die – hier lediglich am Rande zu erörternde – Frage, ob die Länder die Gesetzgebungskompetenz besitzen, aus Gründen des Vielfaltsschutzes eine gewisse Kapazitätsgröße dem Netzbetreiber dann vorzuschreiben, wenn dieser sich nur überhaupt zur Weiterverbreitung von Rundfunk entschlossen hat 142. Der Netzbetreiber verlöre nach einer solchen Regelung also zugleich mit der Entscheidung zur Rundfunkübertragung das Recht, die Größe des für diesen Dienst gewidmeten Spektrums selbst zu bestimmen. Im Ergebnis wird man diese Frage nach der Gesetzgebungskompetenz der Länder offen lassen können, da eine solche Regelung wenn schon nicht formell, dann jedenfalls materiell verfassungswidrig ist. Soweit es um die Sicherung der fernmelderechtlichen Kapazitäten geht, steht – aus Art. 87 f Abs. 1 GG ersichtlich – dem Bund die Kompetenz zu. Der Wortlaut ist klar: nur der Bund und nicht die Länder gewährleisten die Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen. Daraus folgt an sich keine Lücke, die die Länder gem. Art. 70 Abs. 1 GG schließen könnten. In der Literatur wir jedoch die Ansicht vertreten, dass die Reichweite der Gesetzeskompetenz mit der Reichweite der Mindestversorgung identisch sei, dass also der Bund nicht nur wegen materieller Gegenpositionen aus Abs. 2 kein höheres Versorgungsniveau vorschreiben könnte, sondern dass ihm dazu bereits die Gesetzgebungskompetenz fehle. Die Art. 87 f Abs. 1 GG verankerte Mindestversorgung wäre insofern eine materielle und formelle Schranke 143. Damit wäre der Weg (kompetenziell) frei für die Länder, jenseits der Mindestversorgung Dienstleistungspflichten der Netzunternehmer auf Art. 70 Abs. 1 GG gestützt zu erlassen. Gewonnen ist damit indes nicht viel: diesen Gesetzen steht nämlich materiell Art. 87 f Abs. 2 GG entgegen, der selbstverständlich auch die Länder bindet 144 und eine Obergrenze für eine gesetzlich vorgegebene Bereitstellung von Dienstleistungen darstellt 145. Hinzukommen die Grundrechte der Netzbetreiber aus Art. 12 und 14 GG. Die Verpflichtung, einen bestimmten Kapazitätsumfang für Rundfunkdienste vorzuhalten, stellt dabei einen wesentlich stärkeren Eingriff in die Netzbetreiberfreiheit dar als die unten ausführlich erörterten Belegungsregeln 146. Während Letztere nur die ausgewogene inhaltlich Belegung der ohnehin für Rundfunkzwecke vorgesehenen Kapazitäten regeln, geht es hier um die Zwangswidmung für eine gewisse Nutzungsart. Der materiell-rechtlich geforderte schonende Aus142 Das Problem wird angesprochen bei A. Hesse 53; Wille/Schulz/Fach-Petersen, in: Hahn/ Vesting, § 52 Rn. 21. 143 Gersdorf, in: Mangoldt/Klein/Starck, III, Art. 87 f Rn. 54. 144 Zur Bindung der Länder an das materielle Gemeinwohlmodell des Art. 87 f GG, Engel, RTkom 2000, 192 f. 145 Windthorst, in: Sachs, Art. 87 f Rn. 19. 146 Siehe D. II.; zur materiellen Verfassungswidrigkeit auch Schütz, Beilage MMR 2/2001, 23.
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C. Der Kabelnetzbetreiber als Träger von Kommunikationsinfrastruktur
gleich zwischen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und den Rechten der Netzbetreiber mündet jedoch wieder in die Sicherstellung der Grundversorgung. Denn die Grundversorgung gewährleistet nach der Konzeption des Bundesverfassungsgerichts gerade die von Art. 5 GG geforderte Versorgung der Bevölkerung mit einem umfassenden und vielfältigen Rundfunkangebot 147. Es wäre außerdem nicht ersichtlich, warum die Netzbetreiber zur Bereitstellung von mehr Übertragungskapazität gezwungen werden könnten als vielerorts terrestrisch verfügbar ist, steht doch der terrestrische Empfang nicht in Widerspruch zur Rundfunkfreiheit. Im Ergebnis wäre also eine derartige Verpflichtung zur Bereitstellung von Übertragungskapazität materiell verfassungswidrig. Damit bleibt festzuhalten: Dem Bund steht die Gesetzgebungskompetenz zu, Kapazitäten zur Übertragung der Grundversorgung mit Rundfunk zu gewährleisten und – falls notwendig – auch die Kabelnetzbetreiber zur Bereitstellung entsprechender Kapazitäten gesetzlich zu verpflichten. Ob den Ländern die Kompetenz zusteht, jenseits dieser Mindestversorgung, dem Rundfunk Übertragungskapazitäten zu sichern, kann offen bleiben, da eine solche Regelung jedenfalls materiell verfassungswidrig wäre. Dieses Ergebnis beeinflusst im Übrigen auch die Auslegung des § 52 Abs. 2 RStV. Dessen Wortlaut („Soweit Betreiber von digitalisierten Kabelanlagen Fernsehprogramme oder Mediendienste verbreiten, gelten hierfür die Bestimmungen der Absätze 3 bis 5“) kann unterschiedlich aufgefasst werden: Begreift man das Wort „soweit“ konditional, im Sinne eines „wenn“, kann sich der Netzbetreiber entscheiden, ob er überhaupt Rundfunk verbreitet. Wenn er sich dem Grundsatz nach zur digitalen Rundfunkverbreitung 148 entschließt, hat er mindestens die vorgeschriebenen Kapazitäten zur Verfügung zu stellen 149. Zu einem anderen Ergebnis gelangt man, wenn man – näher am eigentlichen Wortsinn – das Wort „soweit“ im Sinne von „in dem Umfang“ versteht, also nicht als konditionale, sondern als relative Verpflichtung des Netzbetreibers. Nach dieser Auslegungsvariante beschränken sich die Länder darauf, die inhaltliche Belegung der vom Netzbetreiber für Rundfunkzwecke in freier Entscheidung (oder aufgrund bundesgesetzlich angeordneter Universaldienstverpflichtungen) gewidmeten 150 Kapazitäten festzulegen. Dieser Variante ist im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung der Norm der Vorzug zu geben. Denn für eine Verpflichtung der Netzbetreiber, gewisse Kapazitäten dem Rundfunkdienst zu Zur Grundversorgung bereits oben, C. I. 1. a). Nach Wille/Schulz/Fach-Petersen, in: Hahn/Vesting, § 52 Rn. 72 soll bereits die analoge Übertragung von Rundfunk genügen. Warum aber die analoge Fernsehübertragung eine Zweckbindung des digitalisierten Spektrums auslösen soll, ist nicht ersichtlich. 149 Diese Ansicht vertreten Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 267 f.: „Damit ist sichergestellt, dass die Verbreitung der entsprechenden Rundfunkprogramme... nicht unter den Vorbehalt der Zuverfügungstellung hinreichender Übertragungskapazitäten für Rundfunkzwecke gestellt werden kann“ sowie 355; Wille/Schulz/Fach-Petersen, in: Hahn/Vesting, § 52 Rn. 73. 150 Insofern kann auch von einer „Widmungslösung“ gesprochen werden, Irion/Schirmbacher, CR 2002, 65 f. 147 148
III. Zusammenfassung
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widmen, fehlt den Ländern wie gezeigt die Gesetzgebungskompetenz. Für die Auslegung des § 52 RStV gilt somit: die Belegungsvorschriften der Absätze 3 und 4 greifen nur in dem Umfang, in dem überhaupt Kapazitäten zur Verfügung gestellt werden.
III. Zusammenfassung Als Ergebnis lässt sich festhalten: Den Netzbetreiber als Träger einer Infrastruktur zur Rundfunkweiterverbreitung treffen derzeit weder mittelbar noch unmittelbar Pflichten, seine Netze für bestimmte Dienste, insbesondere für Fernsehdienste, zu nutzen. Zwar trifft den Bund eine Gewährleistungspflicht, die Rundfunkweiterverbreitung im Umfang der Grundversorgung sicherzustellen. Diese Verpflichtung erstreckt sich aber nicht auf die Rundfunkweiterverbreitung gerade über Breitbandkabel. Nur wenn andere Übertragungswege ausfielen, könnte der Bund auch die Netzbetreiber zur Rundfunkübertragung verpflichten. Darüber hinaus sind derzeit keine verfassungsmäßigen einfachgesetzlichen Vorschriften erkennbar, die den Netzbetreiber zur Nutzung seiner Infrastruktur für Rundfunkdienste zwingen. Im Ergebnis ist der Netzbetreiber in seiner Entscheidung frei, ob und in welchem Umfang er seine Netzinfrastruktur für Rundfunkübertragung nutzt.
D. Der Kabelnetzbetreiber als Träger von Grundrechten und -freiheiten Die Rechtsstellung des Netzbetreibers bemisst sich auch und vor allem danach, welche subjektiven Abwehrrechte ihm zustehen. In Frage kommen insoweit auf nationaler Ebene grundsätzlich die Rundfunkfreiheit als auch die Wirtschaftsfreiheiten des Grundgesetzes. Auf europäischer Ebene ist an die EMRK1 sowie an die Grundrechte und -freiheiten des Gemeinschaftsrechts zu denken. Soweit die dem Netzbetreiber zustehenden Abwehrpositionen der Konkretisierung bedürfen – insbesondere allfällige Abwägungen lassen sich nicht abstrakt bewältigen – wird als beispielhafte Beschränkung auf medienrechtliche Netzbelegungsregeln abgehoben. Innerhalb dieser Belegungsregeln wird – soweit notwendig – zwischen positiven (Gebot, bestimmte Programme einzuspeisen 2) und negativen (Verbot der Einspeisung bestimmter Rundfunkprogramme) unterschieden. Gerade Letztere spielen im Hinblick auf vertikal integrierte Betreiber eine große Rolle: zum Schutz vor den Gefahren vertikaler Integration wird zum Teil ein Verbot der Einspeisung „eigener“ Programme des Netzbetreibers und also eine negative Belegungsregel diskutiert.
I. Der Kabelnetzbetreiber und die Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) Zunächst soll die Rundfunkfreiheit 3 behandelt werden. Fraglich ist dabei – anders als beim Veranstalter, wo dies auf der Hand liegt –, ob der Kabelnetzbetreiber sich überhaupt auf die Rundfunkfreiheit berufen kann, ob er Träger der Rundfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist (dazu unter 2) 4. Zudem ist Wesen und Inhalt dieser grundrechtlichen Verbürgung – eher subjektives Abwehrrecht mit Eingriffsvorbehalt nach Abs. 2 oder objektive Institutsgarantie mit Ausgestaltungsvorbehalt – höchst strittig. Diese Frage soll vorab beantwortet werden (unter 1). Dies erscheint insofern sinnvoll, als zahlreiche Stellungnahmen zur Rechtsträgerschaft der Rundfunkfreiheit 1 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten v. 4.11.1950 (BGBl. 1952 II, 685, 953). 2 In diese Gruppe gehören vor allem die „Must-Carry-Rules“, wie sie z.B. § 52 Abs. 3 RStV festlegt. 3 Die Frage, ob Art. 5 Absatz 1 S. 2 GG einen Abwehranspruch gewährt, wird in der Literatur teilweise unter dem Stichwort der „Rundfunkunternehmerfreiheit“ diskutiert, so bei Hermann, Rundfunkrecht, § 7 Rn. 39 ff. 4 Die Frage wird mittlerweile auch im Schrifttum behandelt z. B. Jüngling 156; Ladeur, K & R 2001, 499; Engel, Kabelfernsehen, 26 f. u. 57.
I. Der Kabelnetzbetreiber und die Rundfunkfreiheit
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oftmals nur im Hinblick auf die mit dieser Freiheit verbundenen Rechtsfolgen zu verstehen sind. Schließlich sind die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Eingriffe in die Rundfunkfreiheit des Netzbetreibers darzustellen (unter 3).
1. Die Rundfunkfreiheit als Individual- und Abwehrrecht oder objektive Ordnung a) Die Rundfunkfreiheit nach dem Bundesverfassungsgericht Die Rundfunkfreiheit wurzelt in der lapidaren Aussage des Grundgesetzgebers in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG: „... die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film [wird] gewährleistet.“ Erst die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes mit ihren nunmehr zehn Rundfunkurteilen 5 hat diese konturiert und dabei als prätorische Leistung 6 eine Anomalie 7 unter den Grundrechten geschaffen. Zwar stellt auch nach der Auslegung des Bundesverfassungsgerichts Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zunächst ein Abwehrrecht gegen den Staat und also ein klassisches Grundrecht8 dar: Dies wird deutlich, wenn das Gericht ausführt, Art. 5 Abs. 1 GG insgesamt gewährleiste die Meinungsverbreitungsfreiheit als Menschenrecht und begründe insoweit subjektive Rechte 9; auch der vom Gericht neuerdings postulierte Grundrechtsbeachtungsanspruch, den der Träger der Rundfunkfreiheit genießen soll, dürfte als Stärkung der subjektiv-rechtlichen Gehalte zu verstehen sein 10. 5 Abhängig von der Zählung; hierzu gehören jedenfalls: BVerfGE 12, 205 (DeutschlandFernsehen-GmbH); 31, 314 (Mehrwertsteuerurteil); 57, 295 (Freie Rundfunk AG); 73, 118 (LRG Niedersachsen); 74, 297 (LMG Baden-Württemberg); 83, 238 (WDR-Gesetz); 87, 181 (Hessen-3-Beschluß); 90, 60 (Gebühren); 97, 228 (Kurzberichterstattung); 97, 298 (Extra-Radio). 6 Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rn. 91. 7 Begriff bei Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 21; die Besonderheit liegt weniger in der Institutsgarantie, man denke nur an die Schulaufsicht, Art. 7 Abs. 1 GG o. das elterliche Erziehungsrecht, Art. 6 Abs. 2 GG, als vielmehr in der vom Wortlaut weitgehend losgelösten Herleitung derselben. 8 Die Grundrechte schützen ihrer ursprünglichen Konzeption nach als Abwehrrechte den Bürger vor dem Staat (subjektive Dimension), daneben sind ihnen im Laufe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes jedoch auch mehr o. weniger stark ausgeprägte objektive Gehalte zugewiesen worden; siehe dazu überblicksartig v. Münch, in: ders./Kunig, Vorb. 1–19 Rn. 16 ff.; Jarass, in: ders./Pieroth, Vorb. vor Art. 1 Rn. 3 ff. sowie grundlegend BVerfGE 7, 198, 204 f. 9 BVerfGE 57, 295, 319 f.; wiederholt in E 74, 297, 323; insbesondere angesichts der Staatsfreiheit der Programmgestaltung wird der status negativus betont: „Gegen die Gängelung der Kommunikationsmedien durch den Staat haben sich die Kommunikationsgrundrechte ursprünglich gerichtet, und in der Abwehr staatlicher Kontrolle der Berichterstattung finden sie auch heute ihr wichtigstes Anwendungsfeld.“ BVerfGE 90, 60, 88; zur Betonung des status negativus siehe auch BVerfGE 95, 220, 234. 10 BVerfGE 97, 298, 314; teilweise wird in dieser Wendung bereits eine Abkehr von der objektiven institutionellen Garantie gesehen, so Bullinger, FS Bundesverfassungsgericht, 215 un-
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D. Der Kabelnetzbetreiber als Träger von Grundrechten
Diese abwehrrechtliche Sichtweise der Rundfunkfreiheit tritt aber hinter ein objektiv-rechtliches Prinzip zurück, welches das Bundesverfassungsgericht ebenfalls Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG entnimmt 11. Schon im ersten Rundfunkurteil stellte das Gericht fest, dass der Rundfunk nicht nur „Medium“12 sondern auch „Faktor“ des geschützten Prozesses der öffentlichen Meinungsbildung sei 13. In einer funktional geprägten Interpretation des Art.5 Abs. 1 Satz 2 GG kommt das Bundesverfassungsgericht zu dem Schluss, die Rundfunkfreiheit habe „dienenden“14 Charakter, sie diene der Meinungsbildung und damit der politischen Willensbildung in der Demokratie sowie der Persönlichkeitsentfaltung ihrer Bürger 15. Nur wenn die „Vermittlungsfunktion“ des Massenmediums Rundfunk gewährleistet sei, werde das Normziel des Art. 5 Abs. 1 GG in der Demokratie der Massenmedien insgesamt erreicht16. Das Bundesverfassungsgericht geht weiter davon aus, dass in der Beschränkung der Rundfunkfreiheit auf ein klassisches negatorisches Abwehrrecht die dem Rundfunk zugewiesene Aufgabe nicht erfüllt werden könne. Dies wird heutzutage 17 einmal mit dem im Vergleich zur Presse ungleich größeren finanziellen Aufwand der Rundfunkveranstaltung begründet 18, zum anderen mit dem überragenden publizistischen Einfluss des Rundfunks, der aus Sicht des Gerichtes auf seiner Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft beruht 19. Außerdem seien gerade im Rundfunk bereits eingetretene meinungsverzerrende Fehlentwicklungen schwer rückgängig zu machen 20. Der somit aus der Funktion des Mediums abgeleitete Dienst an der demokratischen Meinungsbildung bedarf nach Auffassung des Gerichts weiterhin der Absicherung durch eine positive Ordnung, die gewährleiste, dass die Vielfalt der Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite zum Ausdruck komme 21. Denn nach Anter der Überschrift „Stille Teilumkehr“; so wohl auch Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 5 Rn. 40; dies dürfte aber eine zu weitgehende Interpretation der Rechtsprechung sein; kritisch auch Determann 398, Fn. 585. 11 BVerfGE 57, 295, 319 f.; 74, 297, 323 f. 12 Das BVerfG spricht vom Fernsehen mittlerweile auch als „Leitmedium“, BVerfGE 97, 228, 257. 13 Seit BVerfGE 12, 205, 260, st. Rspr. 14 BVerfGE 57, 295, 319 f.; 74, 297, 323; 83, 238, 295; 87, 181, 197; Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 22, spricht zugespitzt davon, es gehe bei der Rundfunkfreiheit um „dienen statt verdienen“. 15 BVerfGE 90, 60, 87. 16 Siehe BVerfGE 83, 238, 296; 90, 60, 87. 17 Mit der Zunahme der Frequenzen konnte sich das BVerfG nicht mehr wie z. B. noch im ersten Rundfunkurteil auf die (im Vergleich zur Presse bestehende) „Sondersituation“ des Frequenzmangels berufen, so noch E12, 205, 261 u. hat deshalb die Auslegung vom Vorliegen einer Sondersituation unabhängig gemacht, E 57, 295, 322. 18 BVerfGE 73, 118, 123 u. 154. 19 BVerfGE 90, 60, 87. 20 BVerfGE 57, 295, 323; 73, 118, 160; 95, 163, 173. 21 BVerfGE 57, 295, 320; 83, 238, 296; 90, 60, 88.
I. Der Kabelnetzbetreiber und die Rundfunkfreiheit
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sicht des Gerichtes drohten dem Rundfunk als Vermittler des demokratischen Meinungsmarktes nicht nur Gefahren seitens des Staates, sondern auch durch einzelne gesellschaftliche Gruppen 22, die sich seiner für ihre Zwecke bemächtigen könnten 23. Die positive Ordnung umfasse materielle, prozedurale und organisatorische Regelungen 24. Daraus folgt für den subjektiven Gehalt des Grundrechts aus Sicht des Bundesverfassungsgerichtes eine Janusköpfigkeit: Zwar schützt die Rundfunkfreiheit ihren Träger vor staatlichen Eingriffen. Jedoch fallen solche Maßnahmen, die als Ausdruck der objektiven Ordnung seine freie Betätigung einschränken, schon gar nicht in den Schutzbereich. Denn sie beschränken aus der Perspektive des Gerichtes nicht die Rundfunkfreiheit, sondern sichern sie vielmehr25. Zudem handele es sich bei der Rundfunkfreiheit nicht um ein Grundrecht, das seinem Träger zum Zwecke der „Persönlichkeitsentfaltung“ oder „Interessenverfolgung“ gewährt werde 26. Der dienenden Freiheit wohnt also eine immanente Zweckbindung inne, die eine tatsächliche Freiheitsbeschränkung ihres Trägers nicht als Eingriff in ein vorhandenes Ganzes begreift, sondern als Ausdruck dessen, dass von vornherein dem Grundrechtsträger nur ein Teil der denkbaren Freiheit zusteht. In sachenrechtlicher Diktion gesprochen: Die Rundfunkfreiheit kann aus dieser Perspektive nicht als Recht ohne Belastung mit einer „demokratischen Dienstbarkeit“ 27 gedacht werden. Soweit der Gesetzgeber also lediglich ausgestaltende Regelungen trifft, fehlt diesen die Eingriffseigenschaft; zu einer grundrechtlichen Rechtfertigung im eigentliche Sinne kommt es dann gar nicht erst 28, der Gesetzgeber genießt „weitgehende Freiheit“ 29. Damit ist die Rundfunkfreiheit für das Bundesverfassungsgericht keine Freiheit als Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck, nämlich Mittel zur Gewährleistung einer freien Meinungsbildung im demokratischen Staat.
BVerfGE 83, 238, 296. Sehr deutlich: BVerfGE 90, 60, 88. Das BVerfG spricht von „gesellschaftlichen Mächten“. 24 Z. B. BVerfGE 73, 118, 152 f.; 90, 60, 88; speziell zum Gesetzesvorbehalt, 57, 295, 320 f. 25 Sehr deutlich BVerfGE 73, 118, 166, wonach ausgestaltende Regelungen, welche der Sicherung der Rundfunkfreiheit dienen, keinen Grundrechtseingriff enthalten könnten u. deshalb keiner weiteren verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedürften. 26 BVerfGE 87, 181, 197. 27 Kull spricht von grundrechtlicher Dienstbarkeit, FS für Lerche, 664 f. 28 BVerfGE 73, 118, 166, siehe dazu auch Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 29 ff.; Ricker/ Schiwy, B Rn. 98. 29 BVerfGE 97, 228, 267. 22 23
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D. Der Kabelnetzbetreiber als Träger von Grundrechten
b) Die Rundfunkfreiheit nach einem Teil des Schrifttums Ein Teil des Schrifttums folgt der Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes 30. Dabei wird – wohl in Anlehnung an dessen Vorgehensweise – vorwiegend funktional argumentiert: Eine rein individualistische Sichtweise übersehe das erhebliche Gefährdungspotential, das, zumal in Krisenzeiten, vom Rundfunk für die Kommunikationsfreiheit ausgehe 31. Der Markt der Meinungen könne nicht den Selbstregulierungskräften überlassen werden. Freiheitsgewährleistung fordere unter den Bedingungen des modernen Verfassungsstaates nicht nur Begrenzung staatlicher, sondern auch Begrenzung gesellschaftlicher Macht durch sichernde Strukturvorkehrungen 32. Der Schutz des einzelnen Rundfunkteilnehmers gebiete ebenfalls eine über bloße Eingriffsabwehr hinausgehende Rundfunkverfassung 33. Neben diesen funktionalen Begründungen bedient sich die herrschende Ansicht auch der klassischen Auslegungsmethoden, ihr Ergebnis zu stützen. Angeführt für eine stark objektive Sicht der Rundfunkfreiheit wird u. a. der Wortlaut, nämlich „Freiheit der Berichterstattung“ statt „Freiheit zur Berichterstattung“ sowie die passive Verbform „wird gewährt“ im Gegensatz zu einer aktiven Formulierung, wie etwa „Jeder hat das Recht, Rundfunk zu veranstalten“ 34. Schließlich wird ausgeführt, das Grundrecht der Rundfunkfreiheit habe keine Tradition in Deutschland, wohl aber die staatliche Verantwortung für den Rundfunk 35. c) Die Rundfunkfreiheit nach der Gegenmeinung im Schrifttum Ein wachsender Teil der Literatur betont indes die subjektiv-rechtlichen Gehalte 36. Dabei wird einmal mit dem überkommenen Auslegungskanon argumentiert 30 Z. B. aus dem älteren Schrifttum: Böckenförde/Wieland, AfP 1982, 77 ff.; aus neuerer Zeit: Kübler, FS Lerche, 658 ff., Hoffmann-Riem, Kommunikationsfreiheiten, Art. 5 Abs. 1, 2 Freiheit der Massenmedien, Rn. 156; Bernard 98 ff.; Dörr/Janik/Zorn 183 f.; Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 21 ff.; Ladeur, der wohl dem BVerfG folgt, wenn er ausführt, die Programmfreiheit der Privaten unterliege der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber, AfP 1998, 145 f.; ohne nähere Begründung folgen dem BVerfG auch Aschenbrenner 102 ff., Nauheim 120 ff. sowie Thierfelder 25, der mit Hinweis auf eine „praxisorientierte“ Untersuchung von Zugangsfragen, seine Zweifel an der Rechtsprechung nicht weiter vertieft; weiterer Nachweis der Befürworter der objektiv-rechtlichen Institutsgarantie bei Determann 399, Fn. 592 u. 593. 31 Ricker/Schiwy, B Rn. 134. 32 Kübler, FS Lerche, 652. 33 A. Hesse, BayVBl. 1997, 134 f.; Hesse will das Prinzip der dienenden Freiheit mit Hinweis auf BVerfGE 80, 124, 135 (Postzeitungsdienst) anscheinend auf den gesamten Normbereich des Art. 5 Abs. 1 GG angewendet wissen. 34 Auf den Wortlaut berufen sich z. B. Böckenförde/Wieland, AfP 1982, 78; siehe auch Bernard 99. 35 Böckenförde/Wieland, AfP 1982, 80. 36 Aus der älteren Rechtsprechung statt vieler: Scholz, JZ 1981, 565 f.; Pestalozza, NJW 1981, 2160 f.; aus neuerer Zeit: Hermann, Rundfunkrecht, § 7 Rn. 39 (Rundfunkunternehmer-
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(sogleich unter aa) oder aber auch – ähnlich wie das Bundesverfassungsgericht – funktional (dazu unter bb). aa) Methodische Begründung Was den Wortlaut angeht, hat in neuerer Zeit insbesondere Determann37 die Ansicht vertreten, dass aus der passiven Formulierung des Art. 5 GG nicht gefolgert werden könne, die subjektive Seite habe der Verfassungsgeber durch die Formulierung bereits ausschließen oder auch nur schwächen wollen: Denn auch andere wie Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG formulierte Grundrechte, zu nennen seien z. B. Art. 4 und 14 Abs. 1 GG, bezeichneten trotz passiver Formulierung nach ganz überwiegender Meinung Abwehrrechte 38. Die Vertreter dieser Ansicht weisen weiterhin auf die systematische Stellung der Rundfunkfreiheit im Grundrechtsteil der Verfassung sowie in Art. 5 Abs. 1 GG selbst hin 39: Die Rundfunkfreiheit stehe dort in systematischem Zusammenhang zur Filmfreiheit sowie zur Pressefreiheit, die beide nach ganz herrschender Meinung ein klassisches Abwehrrecht 40 darstellten. Diese systematische Nähe mache eine individualrechtliche Auslegung auch der Rundfunkfreiheit handgreiflich 41, zumal der Presse ebenso „öffentliche Aufgaben“ zugedacht würden, ohne jedoch ihren Charakter als Abwehrrecht anzugreifen 42. Was die historischen Aspekte (Genese) angehe, habe der Parlamentarische Rat keine Entscheidung für ein bestimmtes System getroffen, so dass auch insofern die Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes nicht vorgezeichnet sei 43. Jedenfalls sei aber die grundlegend andere tatsächliche Situation der Rundfunkveranstaltung im Entstehungszeitpunkt des Grundgesetzes zu berücksichtigen 44. freiheit); Depenheuer, AfP 1997, 673, Degenhart, K & R 2000, 52 f., ders., in: Dolzer/Vogel/ Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 643 ff.; Oermann 83 ff., 98 f.; Wendt, in: v. Münch/Kunig, Art. 5 Rn. 50; Weisser, ZUM 1997, 880 ff.; Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 106; zurückhaltend kritisch auch Bullinger, der nur noch den öffentlich-rechtlichen „Kulturrundfunk“ dienen lassen, den Privatrundfunk der Presse u. damit insoweit die Rundfunkfreiheit der Pressefreiheit angleichen will, FS Bundesverfassungsgericht, 215 f.; ders. in: Isensee/ Kirchhof HbStR VI, § 142, Rn. 118 ff.; sowie ferner ausführlich Determann 415 ff. 37 Determann 420 ff. 38 Determann 424. 39 Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 106; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/ Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 645; Wendt, in: v. Münch/Kunig, Art. 5 Rn. 50. 40 Für die Filmfreiheit siehe z. B. Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 907, für die Pressefreiheit Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rn. 71 („die negatorische Funktion dominiert“). 41 Determann 431 f. 42 Ricker/Schiwy, B Rn. 148, jedoch im Hinblick auf eine zukünftige Entwicklung. 43 Siehe Determann 440 f.; die Entstehungsgeschichte ist ausführlich dargestellt bei Böckenförde, AfP 1982, 78 ff., der daraus aber gegenteilige Schlüsse ableitet. 44 Siehe Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 645. 6*
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Schließlich sei die Vorgehensweise, das Grundrecht unter Gesetzesvorbehalt zu stellen, bedenklich, soweit sie – sicher notwendige – Einschränkungen nicht auf der Schrankenebene, sondern auf der Ebene der Gewährleistung selbst vornehme; eine sich daraus ergebende Rundfunkfreiheit nach Maßgabe des (Landes-)Gesetzgebers sei nicht hinnehmbar 45. bb) Funktionale Begründung Zwar sei es möglich, Art.5 Abs. 1 Satz 2 GG gar nicht als Grundrecht oder aber als Grundrecht beschränkt allein auf die Berichterstattung zu verstehen 46, folge man aber dem Bundesverfassungsgericht darin, dass die Rundfunkfreiheit ein umfassendes Grundrecht sei, dann müsse man das „freie Spiel der Kräfte“ folgerichtig akzeptieren. Bei Risiken gelte zunächst eine Freiheitsvermutung; eine Gefahrendiagnose ermächtige nicht zu beliebiger Prävention 47. Außerdem werde der Wesentlichkeitstheorie – wesentliche Eingriffe müssen durch den Gesetzgeber erfolgen –, die zum Schutz des Bürgers vor dem Staat entwickelt wurde, in ihr Gegenteil verkehrt, wenn nicht nur eine Schrankenregelung durch den Gesetzgeber getroffen werden müsse, sondern das Grundrecht selbst ihm vorbehalten sei 48. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass sich ein an ökonomischen Interessen orientierter Rundfunk und Pluralismus nicht ausschließen müssten 49 und die Vorstellung von der staatlich gepflegten Meinungsvielfalt leicht zu einer bloßen „staatlichen Meinungsausstellung“50 statt zum angestrebten Meinungsmarkt führe. Auch grundrechtstheoretisch sei der Ansatz des Bundesverfassungsgerichtes angreifbar: Denn aus liberaler Sicht „diene“ ein Grundrecht dem Gemeinwohl besser, wenn die Individuen eigene Zwecke verfolgten, als wenn ihr Streben auf ein staatlich vorgegebenes Ziel hingelenkt werde. Aus dieser Perspektive unterschätze die Gegenansicht die günstigen faktischen (überindividuellen) Wirkungen der rechtlichen Individualfreiheit 51: Das Streben des Einzelnen im Eigeninteresse befördere in der Gesamtschau aller Individuen das gemeine Interesse. Die Instrumentalisierung der Grundrechtsträger als Elemente einer staatlichen Vielfaltsplanung – Engel spricht von einer „Meinungsplanwirtschaft“ 52 – sei deshalb, jedenfalls sobald technisch freier Zugang zum Rundfunkmarkt bestehe, abzulehnen 53. Scholz, JZ 1981, 566; siehe auch Degenhart, DVBl. 1991, 511. So Determann 454, demzufolge aber der Schutz durch Art. 2 GG dem allgemeinen Ausgestaltungsvorbehalt der h. M. noch vorzuziehen ist (Fn. 931); ebenso Schoch, VVDStRL 57 (1998), 194, Fn. 170, der die private Rundfunktätigkeit als im Kern erwerbswirtschaftlich Art. 12 GG zurechnen will. 47 Pestalozza, NJW 1981, 2163. 48 Pestalozza, NJW 1981, 2163. 49 Schmitt Glaeser, DÖV 1986, 821. 50 Bullinger, AöR 108 (1983), 193. 51 Bremer 319 f. u. 334. 52 Engel, AfP 1994, 190. 53 Bremer 347. 45 46
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d) Eigene Stellungnahme Dem Bundesverfassungsgericht und der ihm folgenden Meinung kommt das Verdienst zu, die Bedeutung öffentlicher, insbesondere massenmedialer Kommunikation als Grundbedingung demokratischer Meinungsbildung auf der einen und in der Form der Teilhabe am öffentlichen Diskurs als individuelles Bedürfnis auf der anderen Seite herausgestellt zu haben. Dem Gericht gelingt damit die überzeugende inhaltliche Anbindung des Art. 5 Abs. 1 GG an Art. 20 Abs. 1 GG (Demokratiegebot) und an Art. 1 GG (Menschenwürde). Ebenso wenig können Zweifel am Ziel bestehen, vorherrschende Meinungsmacht einzelner gesellschaftlicher Kräfte zu vermeiden: Art.5 Abs. 1 Satz 2 GG wird man zu Recht als stete Aufforderung an den Staat zu verstehen haben, die freie und plurale Meinungsbildung in und durch Massenmedien zu befördern. Die Gefahren, die von vorherrschender Meinungsmacht für die demokratische Willensbildung ausgehen, dürfen – auch darin ist dem Bundesverfassungsgericht uneingeschränkt beizupflichten – keinesfalls unterschätzt werden. Gleichwohl dürften einige Argumente der – im Vordringen begriffenen – Gegenansicht kaum zu entkräften sein. Stichhaltig erscheint vor allem das systematische Argument, zumal das Bundesverfassungsgericht selbst im Lebach-Urteil die „wesensmäßige“ Gleichheit von Presse und Rundfunk anerkannt hat 54. Der Ausgestaltungsvorbehalt bleibt ein Fremdkörper im Organismus der Kommunikationsfreiheiten, die allesamt ohne dogmatische Sonderstellung dem Auftrag der individuellen und gesellschaftlichen Meinungsbildung erfolgreich dienen55. Der Bruch innerhalb der Kommunikationsverfassung wird wohl umso schmerzlicher deutlich werden, je mehr unter den Vorzeichen technischer Konvergenz die Unterschiede zwischen Rundfunk und anderen von Art. 5 GG erfassten Kommunikationsformen im Tatsächlichen verblassen 56. Dies gilt umso mehr, und hier liegt der zweite beachtenswerte Kritikpunkt, als die verfassungsrechtliche Anomalie einer Rundfunkfreiheit unter Ausgestaltungsvorbehalt nicht notwendig erscheint 57. Dass sich Meinungsvielfalt ebenso erreichen lässt, wenn man Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als negatorisches Freiheitsrecht klassischer Prägung versteht und die Feinsteuerung im Rahmen der üblichen SchrankensysteBVerfGE 35, 202, 222. Der Erfolg der Presse wird auch vom BVerfG nicht verkannt, worauf Degenhart zu Recht hinweist, ders., in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 643. 56 Wohl zu euphorisch spricht Depenheuer davon, das Zeitalter der Massenkommunikation, soweit damit zwischen der Art der Rezeption unterschieden werde, sei zu Ende (AfP 1997, 670). Recht zu geben ist ihm aber mit dem Befund, angesichts einer zunehmenden Verwischung von Individual- u. Massenkommunikation werde die Rundfunkfreiheit wieder auf den „verfassungstextlichen Boden zurückgeführt“, nämlich den individueller Freiheitsausübung (AfP 1997, 673); ebenso Degenhart, K & R 2000, 52 f. 57 Siehe Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 647, der selbst angesichts der Sondersituation in den Anfangsjahren eine weitreichende gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit als nicht zwingend ansieht. 54 55
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matik vornimmt, erscheint zumindest denkbar 58. Die Rückführung in die Schrankensystematik dürfte auch dogmatisch überzeugender sein, da eine Differenzierung zwischen die Rundfunkfreiheit gestaltenden Regelungen und solchen diese beschränkenden Regelungen nicht rechtssicher handhabbar ist 59. Ferner bedarf die Sachverhaltsanalyse und die Folgeneinschätzung des Gerichts und der ihm folgenden Meinung 60 einer Überprüfung. Zu berücksichtigen ist dabei vor allem: Gerade der Umstand attraktive Programme verbreiten zu müssen, sichert Ausgewogenheit 61, die Rückkoppelung des Veranstalters über die Werbung an die Massenkaufkraft hat eine demokratische Komponente. Wie auch der Pressemarkt qualitätsvolle Produkte hervorbringt, ohne dass es einer öffentlich-rechtlichen „Ausgewogenheitspresse“ bedarf, kann auch der freie Fernsehmarkt sein publizistisches Gleichgewicht finden. Die manipulative Kraft hat mit dem Bedeutungsverlust des Fernsehens 62 abgenommen und wird durch das Internet wohl weiter schwinden. Fernsehen wird immer mehr zum „Nebenbeimedium“, die Zuschauerbindung an eine Sendung, geschweige denn an einen Sender geht stark zurück63. Diesem – von manchen beklagten – Verlust der Integrationsfunktion von Fernsehen steht auf der Habenseite eine verminderte Verführungsmacht des Mediums gegenüber. Schließlich dürfte auch eine Auslegung unter Berücksichtigung europäischer Vorgaben für eine stärkere Betonung der subjektiven Seiten der Rundfunkfreiheit sprechen. Zu beachten ist dabei einmal die EMRK64. Zwar gilt die Konvention nur kraft einfachen Bundesrechts 65, aufgrund der wechselseitigen Beeinflussung nationaler und europäischer Grundrechte ist aber bei der (nationalen) Verfassungsinterpretation Inhalt und Entwicklungsstand der Konvention mitzuberücksichtigen; die 58 Auch im vorliegenden Fall sind Belegungsregeln – als Eingriffe verstanden – möglich wie unten unter D. II. 3. gezeigt wird. 59 Bethge, DÖV 2002, 680 f. („schwierig“), der daraus aber keine Konsequenzen für den Ausgestaltungsvorbehalt zieht; siehe auch Determann 402 f. 60 Zu den Veränderungen im Realbereich u. ihren Auswirkungen auf die dogmatische Einordnung siehe auch Weisser, ZUM 1997, 881 ff. 61 Auf diesen Aspekt weist zu Recht hin: Ricker/Schiwy, B Rn. 143 sowie Engel, AfP 1994, 188. 62 So antworteten nach einer repräsentativen Untersuchung im Auftrag von ARD u. ZDF auf die Frage, ob sie Fernsehen, hätten Sie keinen Zugang dazu, sehr vermissen würden, 1970 noch 60 % der Befragten mit ja, im Jahr 2000 nur noch 44 % (im Vergleich Zeitung: 1970: 47 %; 2000: 52 %); in einer simulierten Grenzsituation entschieden sich 1970 noch 62% der Befragten für Fernsehen als das Medium ihrer Wahl gegenüber 45 % im Jahr 2000. Interessant ist, dass im Jahr 2000 bereits 6 % das Internet als das Medium ihrer Wahl benannten. (Quelle: MP Basisdaten 2002, 64). 63 Siehe auch Schoch, VVDStRL 57 (1998), 193. 64 Einschränkend Determann 418, Fn. 741: „Die Gewährleistung des Art. 10 EMRK [ist] für die Auslegung des Art.5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht unmittelbar relevant“. Dafür z.B. Stern, DVBl. 1982, 1115 f.; Degenhart, K & R 2000, 53 f.; ders., Funktionsauftrag, 67. 65 Art. II Gesetz über die Konvention zum Schutz der Menschenrechte u. Grundfreiheiten vom 7.8.1952 (BGBl. II 685). Die Konvention ist aber für die Bundesrepublik völkerrechtlich bindend.
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Konvention wird zur Auslegungshilfe der Grundrechte 66. Wie unten näher erläutert 67 gewährt die Konvention dem Veranstalter ein echtes Abwehrrecht und kennt den deutschen Ausgestaltungsvorbehalt nicht. Auch aus dieser Perspektive spricht also vieles dafür, die Rundfunkfreiheit nicht mehr als vor allem „dienende“ zu verstehen 68. Schließlich dürfte auch die neue in Art. 11 Abs. 2 EuGRCh 69 verankerte Medienfreiheit eine Abkehr von der traditionellen Grundrechtsauslegung des Bundesverfassungsgerichtes begünstigen 70: Denn schon die einheitliche für alle Medien geltende Freiheitsverbürgung des Art. 11 EuGRCh spricht gegen eine unterschiedliche Behandlung des Rundfunks im Vergleich zur Presse. Hinzukommt, dass eine betont objektivrechtliche Sicht mit der Schrankensystematik der Charta 71, deren Wortlaut 72 und deren enger Anbindung an die – ein echtes Abwehrrecht eröffnende – EMRK 73 kaum zu vereinbaren ist 74. Spricht damit einiges für eine stärkere Betonung der subjektiv-abwehrrechtlichen Komponente der Rundfunkfreiheit, so kann die Frage doch für die vorliegende Untersuchung letztlich offen bleiben. Denn der Netzbetreiber kann sich – wie zu zeigen sein wird – neben der Rundfunkfreiheit auch noch auf die Wirtschaftsfreiheiten der Verfassung (Art. 12, 14 GG) berufen 75. Diese Grundrechtsverbürgungen sind aber unstreitig subjektive Abwehrrechte. Der Netzbetreiber ist also nicht allein auf den Schutz der Rundfunkfreiheit beschränkt. Da im Ergebnis – auch insoweit ist nach unten zu verweisen – die Wirtschaftsfreiheiten ein mindestens gleich hohes Schutzniveau bieten wie eine individuell-abwehrrechtlich verstandene Rundfunkfreiheit, ist auch aus der Sicht des Netzbetreibers eine Streitentscheidung nicht zwingend. 66 K. Hesse, Rn. 278; zur Bedeutung der EMRK für die Grundrechtsauslegung siehe auch BVerfGE 100, 313, 363; 103, 44, 64. 67 Siehe D. III. 1. 68 In diese Richtung auch Bethge, DÖV 2002, 675; Bullinger meint, das BVerfG werde sich längerfristig dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof anschließen, FS Bundesverfassungsgericht, 217. 69 Zur EuGRCh schon oben, B. II. 1. b) bb) aaa) (3) (b). 70 Die EuGRCh dürfte bei der Auslegung der Grundrechte des GG als Ausdruck der europäischen „gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen“ (Kingreen, in: Callies/Ruffert, Art. 6 EUV Rn. 35 a) zunehmend an Bedeutung gewinnen, gehört doch die Rechtsvergleichung schon heute zu den anerkannten Mitteln der Grundrechtsinterpretation (für Rechtsvergleichung als Auslegungsgrundsatz, z. B. Sachs, in: ders., Vor Art. 1 Rn. 60). 71 Für Art. 11 EuGRCh gilt die allgemeine Schranke des Art. 52 Abs. 1 EuGRCh, wonach Einschränkungen in die Freiheiten der Charta nur unter Wahrung ihres Wesenskerns (Satz 1) u. des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Satz 2) möglich sind. 72 So deutet die passive Formulierung („Freiheit der Medien und ihre Pluralität werden geachtet“) gerade nicht auf eine Verpflichtung zur aktiven Schaffung einer positiven Ordnung hin. 73 Die Charta gewährt nach Art. 52 Abs. 3 EuGRCh allenfalls einen weiter gehenden Schutz als die EMRK, die Freiheitsverbürgung darf aber nicht hinter diese zurückfallen. 74 Im Ergebnis wohl a. A. Stock, K & R 2001, 300 ff.; Jüngling 197 ff.; Storr, K & R 2002, 465 f.; siehe auch Neun 304 f. 75 Dazu unten D. II.
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2. Schutzbereich der Rundfunkfreiheit Neben Inhalt und Wesen der Rundfunkfreiheit ist auch fraglich, ob die Netzbetreiber mit ihrer unternehmerischen Tätigkeit überhaupt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unterfallen. Damit ist die Frage nach dem Schutzbereich gestellt. Elemente des Schutzbereiches eines Grundrechtes sind allgemeinhin seine sachliche und personale Dimension 76. Zunächst wäre also zu fragen, ob die Weiterverbreitung von Rundfunk schlechthin dem Schutzbereich der Rundfunkfreiheit zuzuordnen ist, zum anderen ob auch der Netzbetreiber, wenn er denn (fremde) Rundfunkprogramme überträgt, sich auf die Rundfunkfreiheit berufen kann. Diese beiden Dimensionen des Schutzbereiches können jedoch nicht vollständig getrennt werden. So kann die Frage nach der Weiterverbreitung und damit dem sachlichen Schutzbereich nicht losgelöst von der Grundrechtsträgerschaft beantwortet werden: Denn ob dieselbe Tätigkeit der Rundfunkweiterverbreitung vom Veranstalter selbst oder von fremden Dritten erbracht wird, kann Auswirkungen auf ihren grundrechtlichen Schutz haben77. Im Folgenden wird deshalb zunächst danach gefragt, ob die Weiterverbreitung durch den Rundfunkveranstalter selbst, der jedenfalls in der personalen Mitte der Rundfunkfreiheit steht 78, noch in den Schutzbereich fällt. Im Anschluss richtet sich der Blick auf den Netzbetreiber und dessen verschiedene Tätigkeiten. So gelingt es, den Schutzbereich auch in Ansehung gänzlich neuer Akteure 79 im Bereich der Rundfunkweiterverbreitung zu konturieren und damit dem in der Rundfunkfreiheit verkörperten grundrechtlichen Gedanken „in der Welt der Gegenwart zu möglichst sinnvollem Ausdruck zu verhelfen“ 80. Erleichtert wird die treffende Zuordnung zum Schutzbereich zusätzlich dadurch, dass vorliegend die dogmatische Stellung des Rundfunks im Grundrechtsgefüge offen bleiben kann 81. Auf die zahlreichen Definitionen von Rundfunk im Sinne des Grundgesetzes und ihre Teilaspekte 82 soll Jarass, in: ders./Pieroth, Vorb. Vor Art. 1 Rn. 20 f. Insbesondere das BVerfG unterscheidet zwischen unternehmensexternen u. -internen Hilfsdiensten für die – mit der Rundfunkfreiheit insofern vergleichbare – Bestimmung des Schutzbereiches der Pressefreiheit, BVerfGE 77, 346, 354. 78 Bethge, DÖV 2002, 674. 79 Das Problem ist erst mit den privaten Weiterverbreitungsunternehmen entstanden: die Signalverteilung erfolgte in der Vergangenheit in der Regel durch die Deutsche Bundespost als Aufgabe der Daseinsversorgung. Es bestand insofern nur ein Kompetenzproblem, auf die Rundfunkfreiheit konnte sich die Bundespost als unmittelbare Staatsverwaltung, deren Tätigkeit durch öffentlich-rechtliche Einspeisevorschriften geregelt war, ohnehin nicht berufen, Irion/Schirmbacher, CR 2002, 63. 80 Lerche, in: Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 121, Rn. 1. 81 Allein im Hinblick auf die strittige dogmatische Einordnung wird die Schutzbereichsfrage teilweise gemieden, Aschenbrenner 113. Hier zeigen sich Ähnlichkeiten zum Streit um den Rundfunkbegriff, der auch nur vor dem Hintergrund der dogmatischen Besonderheiten der Rundfunkfreiheit verständlich ist (die Wechselbeziehungen sind dargestellt bei Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 669). 82 Definitionen z. B. bei Ricker/Schiwy, B Rn. 33 ff.; A. Hesse, 77 ff.; ausführlich auch Brand 41 ff. passim. 76 77
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schließlich hier nur eingegangen werden, soweit dies für die Beantwortung der konkreten Frage nach der grundrechtsrelevanten Tätigkeit des Kabelnetzbetreibers erforderlich ist. a) Rundfunkveranstalter als Weiterverbreiter Die klassische Definition von Rundfunk i. S. v. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG 83, wie sie z. B. auch in § 2 RStV 84 ihren Ausdruck gefunden hat, umfasst (notwendig) 85 neben der Veranstaltung auch die „Verbreitung“ eines Programms. Das bedeutet zunächst: ohne Verbreitung kein Rundfunk im Sinne der Verfassung 86. Fraglich ist aber, ob umgekehrt auch die Verbreitung selbst der Rundfunkgewährleistung unterfällt. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, der Rundfunkfreiheit unterfielen alle wesensmäßig mit der Veranstaltung von Rundfunk zusammenhängenden Tätigkeiten von der Beschaffung der Information bis zur „Verbreitung der Nachricht und der Meinung“ 87. In allen Fällen waren Grundrechtsberechtigte Rundfunkveranstalter. Daraus kann gefolgert werden, dass jedenfalls der Rundfunkveranstalter sich über die Programmveranstaltung hinaus auch bei der Verbreitung seiner Programme auf die Rundfunkfreiheit berufen kann. Dem steht auch nicht die grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts „Deutschlandfernsehen“ entgegen: Dort hat das Gericht festgestellt, Art. 5 GG fordere nicht, dass die Veranstalter auch über die notwendigen Verbreitungsanlagen verfügen könnten 88. Daraus kann aber gerade nicht geschlossen werden, dass der fernmelderechtliche Vorgang nicht dem Schutzbereich des Art. 5 GG unterfällt 89, sondern nur dass nicht notwendig der Veranstalter auch der Verbreiter sein muss. 83 Siehe die Definitionen bei: Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 5, Abs. I, II Rn. 195; Wendt, in: v. Münch/Kunig, Art. 5, Rn. 58; Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 5 Rn. 36; Brand 43 ff. 84 § 2 Abs. 1 RStV lautet: „Rundfunk ist die ... Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters“. Natürlich kann dieser als Landesrecht nicht den Inhalt des GG als (höherrangiges) Bundesrecht definieren; er ist aber ein in Gesetzesform gegossenes weithin anerkanntes Ergebnis der Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG; siehe zu §2 RStV auch Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art.5 Abs. 1 u. 2 Rn. 667; Schulz, in: Hahn/Vesting, § 2 Rn. 42 f. sowie zum Verhältnis der landesrechtlichen Rundfunkdefinition zum Verfassungsbegriff Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff, 81 ff. 85 Dies soll sich schon aus dem Wort „Rundfunk“ ergeben, wonach erst der massenkommunikative Akt der Verbreitung den Schutz des Art.5 GG auslöst; deshalb unterliegt z. B. die reine Herstellung eines Programms zur Ausstrahlung im Ausland nicht der Genehmigungspflicht nach RStV; Ricker/Schiwy, B Rn. 43, sehr deutlich auch in Zusammenhang mit der Satellitenrundfunkverbreitung, dies., G Rn. 27. 86 Treffend Hermann, Rundfunkrecht, § 17 Rn. 24: „Wo Fernmeldetechnik nicht eingesetzt wird, da gibt es keinen Rundfunk“. 87 BVerfGE 77, 65, 74; 91, 125, 134 f., 103, 44, 59 (st. Rspr.). 88 BVerfGE 12, 205, 263. 89 So aber wohl Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 5 Rn. 39.
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Auch der nächste Schritt von der Verbreitung zur Weiterverbreitung dürfte von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes noch gedeckt sein. Denn einmal ist unklar, ob das Gericht mit seiner Aussage, Art. 5 GG schütze auch die Verbreitung der Nachricht, nicht auch die Weiterverbreitung miteinschließen will. Jedenfalls in der Sache kann es aber keinen Unterschied machen, ob der Veranstalter z. B. mit einem starken Sender sein Programm (erstmalig) ausstrahlt oder mit einem schwachen und dieses Signal dann durch weitere Sender verstärkt (Weiterverbreitung). Hinzu kommt, dass das Gericht bei medienrelevanten Hilfstätigkeiten des Kommunikators selbst (interne Hilfstätigkeit), aufgrund der organisatorischen Einbindung der Hilfstätigkeit deren Inhaltsbezug regelmäßig als gegeben und damit den Schutzbereich berührt sieht 90. Im Ergebnis wird man mithin davon auszugehen haben, dass das Gericht den (Weiter-)Verbreitungsvorgang, jedenfalls soweit der Veranstalter selbst handelt, dem Schutzbereich der Rundfunkfreiheit zuordnet. Auch das Schrifttum erkennt jedenfalls teilweise an, dass die (Weiter-)Verbreitung der Rundfunkprogramme durch den Veranstalter selbst vom Schutzbereich der Rundfunkfreiheit erfasst wird 91. b) Kabelnetzbetreiber als Weiterverbreiter Wendet man sich nun den Netzbetreibern zu, so ist zunächst zu beachten, dass es die Tätigkeit des Kabelnetzbetreibers nicht gibt. Im Sinne zunehmenden Inhaltsbezuges kann seine Dienstleistung vom bloßen Signaltransport (dazu unter aa), der nochmals danach zu untergliedern ist, ob er aufgrund fremder Vorgaben 92 oder eigener Auswahl der Programme 93 erfolgt, über die Bündelung solcher Programme zu Paketen oder Bouquets 94 bis hin zur Neugestaltung von „Programmen“ aus fremden Teilprogrammen reichen (dazu unter bb).
90 Für das Pressewesen BVerfGE 77, 346, 354, zur Kritik an dieser Rechtsprechung siehe sogleich. 91 Wendt, in: v. Münch/Kunig, Art. 5 Rn. 45 („alle wesensmäßigen ... zusammenhängenden Tätigkeiten“); siehe auch Oermann 125 ff., der Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ein Recht der Veranstalter auf Betrieb von Sendeanlagen u. damit inzident auf Weiterverbreitung entnimmt; gegen einen Schutz auch der Weiterverbreitung als fernmelderechtlichem Vorgang wohl Jarass, in: ders./Pieroth, Art.5 Rn. 39 sowie Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 5 I, II Rn.83, der in Rn.80 aber die Verbreitung von Rundfunk zu den geschützten Verhaltensweisen zählt. 92 Typisch für den Kabelnetzbetreiber alter Prägung im Bereich des § 52 Abs. 1 RStV; für den digitalen Kabelnetzbetreiber kann diese Situation nur noch im Must-Carry-Bereich nach § 52 Abs. 3 RStV auftreten. 93 So im Bereich des § 52 Abs. 4 RStV. 94 Dies ist typisch für das Vermarktungsmodell.
I. Der Kabelnetzbetreiber und die Rundfunkfreiheit
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aa) Signaltransport und Rundfunkfreiheit aaa) Reine Transportfunktion Die Frage, ob sich der Netzbetreiber beim „inhaltsneutralen“95 Signaltransport gemäß fremder Vorgaben auf die Rundfunkfreiheit berufen kann, ist strittig und darf als ungeklärt gelten 96. Für die rundfunkrechtliche Grundrechtsträgerschaft auch des reinen Transporteurs könnte die Parallele zum Rundfunkveranstalter sprechen. Unterfällt wie ausgeführt dessen (Weiter-)Verbreitung von Rundfunk der Rundfunkfreiheit, dann ist wenig ersichtlich, warum dies für Netzbetreiber, wenn er de facto die gleiche Transportfunktion erfüllt, nicht gelten soll. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in der bereits erwähnten und sogleich näher dargestellten Pressegrosso-Entscheidung betont, bei internen Tätigkeiten sei der Schutzbereich im Gegensatz zu externen Tätigkeiten aufgrund des „organisatorischen Zusammenhalts“ des betroffenen Unternehmens eher gegeben. Richtig verstanden sollte aber die Funktionsidentität einen einheitlichen Schutz interner wie externer (Hilfs-)Tätigkeiten mit sich bringen und mehr wiegen als die bloße Organisationsform 97. Es dürfte nämlich aus Perspektive des Schutzgutes der Kommunikationsfreiheiten keinen materiellen Unterschied machen, ob der Veranstalter die Nachricht selbst verbreitet oder sich fremder Personen hierfür bedient. Selbst wenn man aber mit dem Bundesverfassungsgericht an externe Dienstleister höhere Anforderungen stellt, spricht im Ergebnis die Aufgabenverwandtschaft des Netzbetreibers mit dem Pressegrossisten, dem das Bundesverfassungsgericht als externen Dienstleister in der soeben erwähnten Entscheidung die Pressefreiheit ausnahmsweise zuerkannt hat 98, für eine Ausdehnung des Schutzbereiches auf den reinen Signaltransporteur. In der Pressegrosso-Entscheidung hat das Gericht ausgeführt, für die Definition des Schutzbereiches der Pressefreiheit komme es darauf an, was notwendige Bedingung des Funktionierens einer freien Presse sei99. Damit werde allerdings nicht jede selbstständige Dienstleistung in den Schutzbereich der Pres95 So Gersdorf, Kabeleinspeisung von Programmbouquets, 195, für die Transportaufgabe im Must-Carry. 96 Für eine Ausdehnung des Schutzbereichs wohl Bethge, DÖV 2002, 674 unter Hinweis auf die unentbehrliche Mittlerfunktion zwischen Veranstalter u. Publikum u. entsprechende Urteile des BVerfGE zur Kunstfreiheit (BVerfGE 81, 278, 292); für eine Ausdehnung auf technische Dienstleistungen der digitalen Rundfunkübertragung Holznagel, ZUM 1996, 21 f. sowie (explizit jedoch nicht auf die Weiterverbreitung an sich) Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 69 ff.; dagegen soweit – wie z. B. im Must-Carry-Bereich – keine eigenen publizistischen Absichten verfolgt werden, Engel, Kabelfernsehen, 57; Jüngling 156; offen gelassen von Aschenbrenner 113. 97 Ähnlich Wendt, in: v. Münch/Kunig, Art. 5 Rn. 33; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 468. 98 BVerfGE 77, 346, 354 f. 99 So auch schon BVerfGE 66, 116, 134.
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sefreiheit einbezogen, die der Presse zugute komme und für diese funktionswichtig sei. Da der Schutz der Presse im Interesse der freien Meinungsbildung bestehe, könne er nur durch ausreichenden Inhaltsbezug ausgelöst werden. Dieser bestehe – im Gegensatz zu presseinternen Vorgängen – bei presseexternen nur ausnahmsweise. Er bestehe nämlich ausnahmsweise dann, wenn eine selbstständig ausgeübte, nicht die Herstellung von Presseerzeugnissen betreffende Hilfstätigkeit typischerweise pressebezogen sei, in enger organisatorischer Bindung an die Presse erfolge, für das Funktionieren einer freien Presse notwendig sei und wenn sich schließlich eine staatliche Regulierung dieser Tätigkeit zugleich einschränkend auf die Meinungsverbreitung auswirke. Wendet man nun diese Vorgaben des Gerichtes auf die Tätigkeit des (medienexternen) Kabelnetzbetreibers an, kommt man zu folgendem Ergebnis: Ebenso wie der Pressegrossist ist der Netzbetreiber wichtiges Vertriebssystem des Mediums. Zwar kann der Fernsehveranstalter auch noch auf Satellit, gegebenenfalls auf terrestrische Verbreitung zurückgreifen 100, das Kabel ist aber derzeit der wichtigste Übertragungsweg in Deutschland 101. Betrachtet man die Tätigkeit der Unternehmen der Rundfunkweiterverbreitung insgesamt, so wird der Funktionszusammenhang zwischen der Rundfunkproduktion und deren Verbreitung noch deutlicher: das publizistische Potential kann sich ohne Hilfstätigkeiten der Rundfunkweiterverbreitung überhaupt nicht entfalten. Für eine Aufnahme in den Schutzbereich spricht auch das Kriterium des Bundesverfassungsgerichtes, eine potentielle staatliche Regulierung könne sich beschränkend auf die Meinungsverbreitung auswirken 102. Denn eine Regelung, die z. B. dem Netzbetreiber als Transporteur eine Weiterverbreitung von bestimmten Inhalten untersagte, träfe auch den Veranstalter und damit den personalen Kern der Rundfunkfreiheit. Ähnliches gilt angesichts knapper Kapazitäten für eine Verbreitungspflicht, da diese immer zu Lasten der nachrangig verbreiteten Programme geht. In Anlehnung an die Worte des Bundesverfassungsgerichtes 103 kann man deshalb formulieren: die staatlicherseits ungehinderte Weiterverbreitung ist notwendige Bedingung eines freien Rundfunkwesens. Dies wird auch sinnfällig, überträgt man den vom Gericht im Pressegrosso-Urteil entschiedenen Fall, dass nämlich den Grossisten strafrechtliche Folgen treffen, wenn er bestimmte jugendgefährdende Presseprodukte vertreibt, auf den Kabelnetzbetreiber: staatliche Vorgaben, wie das Kabel zu belegen ist, z. B. mit dem Hinweis auf den Jugendschutz, wirken sich mitSo VG Bremen, ZUM-RD 1998, 463, 467. ARD-Jahrbuch 2002, 369, Tab. 13: 58, 3 % der Fernsehhaushalte nutzen Kabelempfang; aufgrund der zunehmend attraktiven Satellitenempfangsmöglichkeiten ist aber mit einem Rückgang der Kabelnutzung zu rechnen. 102 Siehe auch Hoffmann-Riem, Kommunikationsfreiheiten, Art. 5 Abs. 1, 2 Freiheit der Massenmedien, Rn. 163, wonach sich die Verweigerung von Grundrechtsschutz nachteilig auf die Medienbetätigung auswirken muss. 103 BVerfGE 77, 346, 354. 100 101
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telbar auf die Veranstalter aus und sind deshalb an der Rundfunkfreiheit zu messen 104. Damit kommt man zu dem Ergebnis, dass die Pressegrosso-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes auf die Kabelnetzbetreiber übertragbar sein dürfte105 und deshalb der Signaltransport (auch des externen Dienstleisters Netzbetreibers) als Funktionsvoraussetzung des freien Rundfunks in Anwendung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes dem Schutzbereich des Art. 5 GG unterfällt. In der untergerichtlichen Rechtsprechung zeichnet sich kein deutliches Bild ab. Das VG Bremen hat die Frage zwar behandelt, aber ausdrücklich offen gelassen 106, ebenso in der Berufungsinstanz das OVG Bremen 107. Dieses hat die Trägerschaft der Rundfunkfreiheit lediglich „zugunsten der Klägerin unterstellt“. Wendet man darüber hinaus die allgemeinen Auslegungskriterien an, so ergibt sich folgende Situation: Die grammatikalische Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfasst den Kabelnetzbetreiber wohl nicht. Geschützt wird nur die Berichterstattung, nicht aber die Übermittlung fremder Berichterstattung108. In systematischer Hinsicht fällt auf, dass der Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG das Recht schützt, „seine Meinung ... zu verbreiten.“ Daraus lassen sich zwei gegensätzliche Schlüsse ziehen. Zum einen bedeutet „seine“ eben nicht die Weiterverbreitung fremder Meinung, so dass schon der Satz 1 des Art. 5 Abs. 1 GG keine Mediatoren schützt 109. Zum anderen könnte man aus dem Wort „verbreiten“ aber den Schluss ziehen, dass gerade die Verbreitungsseite dem Verfassungsgeber bei den Kommunikationsrechten am Herzen lag. Ohne Mediator kann es jedenfalls auf Distanz keine Kommunikation geben. Aus teleologischer Sicht muss bedacht werden, dass eine staatliche Gängelung der Kabelnetzbetreiber auch die Rundfunkfreiheit als solche gefährden würde.
104 Hinzuweisen ist aber darauf, dass der Veranstalter selbst des originären Schutzes seines Transporteurs nicht bedarf, da dessen Beschränkung bereits einen (mittelbaren) Eingriff in seine, des Veranstalters Rundfunkfreiheit darstellt, die ja wie oben ausgeführt auch das Verbreiten umfasst. Aus diesem Grund kritisiert Engel, Kabelfernsehen, 58, Fn. 99, die Pressegrosso-Entscheidung des BVerfG. 105 Zweifelnd hinsichtlich einer Übertragbarkeit auf Netzbetreiber VG Bremen, ZUM-RD 1998, 463, 467. Wie hier für eine Übertragbarkeit auch auf inhaltsneutrale externe Dienstleistungen Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 69 ff.; zu den Parallelen des Presse- u. Kabelfernsehvertriebes siehe auch Hege 59 ff.; offen gelassen von Aschenbrenner 113. 106 VG Bremen, ZUM-RD 1998, 463, 467: „Die Kammer lässt offen, ob die Klägerin (Kabelnetzbetreiber) Trägerin des Grundrechts der Rundfunkfreiheit sein kann ...“. 107 OVG Bremen, ZUM 2000, 250, 252; das Urteil betraf einen analogen Netzbetreiber, der aufgrund der landesrechtlichen Kabelbelegung keine Auswahlfreiheit hatte; der Kabelnetzbetreiber ist deshalb reiner Transporteur gewesen. 108 Determann 422. 109 Determann 422.
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D. Der Kabelnetzbetreiber als Träger von Grundrechten
bbb) Transportfunktion mit Auswahlrecht Spricht damit nicht wenig für einen Schutz des Kabelnetzbetreibers ohne Auswahlfreiheit, so muss jedenfalls für den Netzbetreiber mit Auswahlfreiheit der Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG greifen und wird von der wohl h. M. auch angenommen 110: Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit gewinnt seine Bedeutung aus der publizistischen Relevanz des Rundfunks, sein Schutzbereich muss deshalb stets diese Funktion im Auge behalten. Der digitale Kabelnetzbetreiber hat jenseits der staatlichen Belegungsvorgaben angesichts des § 52 Abs. 3 RStV stets publizistisches Gewicht. Denn die Auswahl eines Programms zur Einspeisung ist immer auch eine publizistische, inhaltsbezogene Entscheidung im Sinne einer „programmbezogenen Gestaltungsmöglichkeit“ 111; eine Entscheidung darüber, was den Zuschauer zu interessieren hat oder ihm vorenthalten werden kann 112. Damit legt der Netzbetreiber die Informations- und Unterhaltungsmöglichkeiten des Zuschauers in ihrer konkreten Vielfalt fest. Anders als bei der Programmgestaltung geht dieser Einfluss nicht ins Detail und durch die Nachfragemacht der Zuschauer ist er auch sehr begrenzt, gleichwohl besteht er. Er muss frei gehalten werden von nicht standpunktneutralem staatlichen Einfluss. Diese Aufgabe ist typischerweise der Rundfunkfreiheit zugewiesen. Damit kann festgehalten werden, dass auch der Netzbetreiber, der keine Bouquets zusammenstellt und sich auf bloße Verteilung beschränkt, der Rundfunkfreiheit jedenfalls unterfällt, soweit er eine inhaltsbezogene Auswahl der eingespeisten Programme trifft 113.
110 Ladeur, K & R 2001, 499; Wagner 48 mit Hinweis auf die mit Belegungsrechten verbundene „herausgeberähnliche Funktion“; Engel, ZUM 1997, 328; Jüngling 156; kritisch dagegen Neun 145. 111 Begriff bei Gersdorf, Kabeleinspeisung von Programmbouquets, 191. 112 So für die Programmgestaltung im Sinne einer Auswahlentscheidung schon BVerfGE 12, 205, 260. 113 Offengelassen von Aschenbrenner 113; wie hier, wobei Einspeisungsauswahl als bloßes Unterelement der Paketbündelung behandelt wird, Gersdorf, Kabeleinspeisung von Programmbouquets, 194 f. (Die Trennung zwischen Paketbildung u. bloßer Auswahl zur Einspeisung erscheint aber notwendig, da insbesondere bei den kleineren Kabelnetzbetreibern auf Netzebene 4 das reine „Transport-Geschäftsmodell“ weiterverfolgt wird; Inhaltsbezug ist aber gerade auch bei reiner Auswahl ohne Bündelung gegeben); vorsichtig zustimmend: Wagner 48. A. A. Flechsig, CR 1999, 336 f. mit Verweis auf BVerfGE 97, 298, wo aber gerade nicht gesagt wird, dass nur der Programmveranstalter sich auf die Rundfunkfreiheit berufen kann: „Ob und in welchem Umfang weitere an dem arbeitsteiligen Vorgang der Veranstaltung von Rundfunk mittelbar oder unmittelbar Beteiligte den Schutz der Rundfunkfreiheit genießen, bedarf hier keiner Entscheidung“ (E 97, 298, 311).
I. Der Kabelnetzbetreiber und die Rundfunkfreiheit
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bb) Zusätzliche Dienstleistungen und Rundfunkfreiheit Der Kabelnetzbetreiber als Kommunikationsunternehmer neuer Art beschränkt sich jedoch nicht auf die Aufgabe des Transporteurs. Seine publizistisch relevante Tätigkeit geht über die bloße Programmauswahl zur Einspeisung hinaus. Der Kabelnetzbetreiber von Morgen bündelt Programme zu Bouquets 114 oder baut gar eigene Programme aus verschiedenen Zulieferungen zusammen. Damit rückt er von einer (nach hier vertretener Ansicht) rundfunkrechtlich geschützten (Hilfs-)Tätigkeit immer näher an den Kern der Rundfunkfreiheit, die Programmfreiheit 115, heran. Programm wird vom Bundesverfassungsgericht definiert als eine auf längere Dauer angelegte, planmäßige und strukturierte Abfolge von Sendungen oder Beiträgen. In Abgrenzung zum bloßen Zulieferer ist Veranstalter des Programms, wer dessen Struktur festlegt, die Abfolge plant, die Sendungen zusammenstellt und unter einer einheitlichen Bezeichnung dem Publikum anbietet116. Wendet man diese Definition auf den Kabelnetzbetreiber an, ergibt sich im Detail folgendes Bild: Die bloße Auswahl verschiedener Programme stellt keine Veranstaltung dar. Auch die Bouquetbildung stellt zwar eine schutzwürdige publizistische Auswahl- und Koordinierungsleistung dar; sie unterfällt deshalb im Vergleich zur reinen Auswahl von Programmen zur Einspeisung erst recht der Rundfunkfreiheit 117, nicht aber deren Kern, der Programmfreiheit. Denn die Zusammenfassung mehrerer Programme unter einem Dach gewährt weder tatsächlich den Einfluss auf die konkrete Programmabfolge noch erscheint vom Zuschauerhorizont aus das Bündel als einheitliche Veranstaltung 118. Die Bouquetbildung steht damit zwischen der bloßen Auswahl zur Einspeisung und der Programmveranstaltung. Die Grenze zur Programmveranstaltung dürfte jedoch dort überschritten sein, wo der einzelne Programmanbieter vom Zuschauerhorizont aus als solcher nicht mehr 114 Diese Tätigkeit tritt insbesondere in den Vordergrund, wenn der Netzbetreiber das sog. Vermarktungsmodell verfolgt. Zu den verschiedenen tatsächlichen Formen des Paketvertriebes siehe Bullinger, AfP 1997, 762 f., der aber zu wenig überzeugenden Vergleichsbeispielen (Hühnermassentierhaltung) greift. 115 BVerfGE 95, 220, 234; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 733. 116 BVerfGE 97, 298, 310. 117 Im Ergebnis wie hier unter Hinweis auf den Inhaltsbezug der Bouquetbildung Gersdorf, Kabeleinspeisung von Programmbouquets, 192 ff.; ders., Chancengleicher Zugang, 66 ff.; ders., AfP 1997, 427; für eine Ausdehnung des Schutzbereichs auf die Programmpaketbildung auch Weisser, ZUM 1997, 884; Ladeur, K & R 2001, 499; wohl ebenso dafür Thierfelder 37; a. A. Flechsig, CR 1999, 336 f. mit dem Hinweis, der bündelnde Netzbetreiber übernehme nur eine Vermittlungsfunktion; er ähnle dem Pressegrossisten. Gerade diesem hat aber das Bundesverfassungsgericht ein eigenes – wenn auch fremdnütziges – Recht aus Art.5 GG zuerkannt u. ihn in dessen Schutzbereich miteinbezogen (BVerfGE 77, 346, 355). 118 So sind – z. B. auch aus Zuschauersicht – die im ARD-Programmbouquet gebündelten Vollprogramme WDR u. BR noch als solche zu erkennen; dagegen gibt es nicht das ARD-Bouquet als Programm.
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D. Der Kabelnetzbetreiber als Träger von Grundrechten
erkennbar ist, vielmehr die Darbietung als einheitliche Veranstaltung des Netzbetreibers erscheint 119. Mit der Zusammenstellung einer Präsentation aus einzelnen Beiträgen, die noch wesentlich stärker als die Programmauswahl zur Einspeisung eine wertende, inhaltsbezogene Auswahlentscheidung mit sich bringt – der Netzbetreiber hat nun Durchgriff auf den einzelnen Beitrag – wird der Kabelnetzbetreiber publizistisch verstärkt aktiv. Er ist auch nicht lediglich Makler einzelner Sendungen, der den Kontakt von Angebot und Nachfrage neutral herstellt. Vielmehr ist er von der Tätigkeit eines klassischen Rundfunkveranstalters, der in weiten Teilen auch zugekaufte Programmteile verwendet, nicht mehr zu unterscheiden. Diese publizistische Aktivität unterfällt deshalb nach der Definition des Bundesverfassungsgerichts als auch bei teleologischer Auslegung jedenfalls der Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG. Damit lässt sich festhalten, dass der Kabelnetzbetreiber, gleich in welcher Weise er Programme zur Weiterverbreitung einspeist, sich auf die Rundfunkfreiheit berufen kann. Je nach Grad des Programmbezuges unterfällt er dem Kern oder den Randbereichen der Rundfunkfreiheit. Dies ist für seine Grundrechtsträgerschaft selbst unerheblich, da diese entweder besteht oder nicht besteht. Es wird aber relevant, wenn der Grundrechtsträger mit anderen gleichermaßen von der Rundfunkfreiheit geschützten Rechtssubjekten zusammentrifft und die beiden Grundrechtspositionen in schonenden Ausgleich zu bringen sind120. Dieses Ergebnis erscheint auch in rechtsvergleichender Sicht gut vertretbar: In den USA unterfallen die Kabelnetzbetreiber in Ansehung der Fernsehübertragung schon seit langem dem First Amendment 121. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass sich nicht nur der Netzbetreiber als natürliche Person auf die Rundfunkfreiheit berufen kann. Gemäß Art. 19 Abs. 3 GG gilt diese auch für inländische juristische Personen des Privatrechts 122.
119 Als Beispiel einer solchen Dachmarkenphilosophie können hier die „Produktlinien“ von Premiere genannt werden, die den Zulieferer nicht mehr erkennen lassen. 120 Näher dazu unter D. I. 3. c) bb). 121 Näheres siehe bei Esser-Wellié, Wirtschaftsrecht der Breitbandkommunikation, 99 f.; Wilmer/Cutler/Pickering 132 ff.; Pember 625 ff. 122 Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 712; Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 167; Oermann 94 f. Die Probleme bei gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen, insbesondere der DTAG, wie sie sich in der Vergangenheit bei Art.12 u. 14 GG stellten, können hier von vornherein nicht auftreten, da Art.5 Abs.1 Satz 2 GG anerkanntermaßen gerade auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts als Ausdruck der Staatsferne gilt (Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 5 Rn. 41).
I. Der Kabelnetzbetreiber und die Rundfunkfreiheit
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3. Schranken der Rundfunkfreiheit des Kabelnetzbetreibers – das allgemeine Gesetz Im Folgenden soll nun die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Eingriffen in die Rundfunkfreiheit des Netzbetreibers behandelt werden. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass vom Bundesverfassungsgericht und einem Teil der Literatur zahlreiche Belastungen der Träger der Rundfunkfreiheit nicht als Eingriff in diese Freiheit, sondern als deren Ausgestaltung verstanden werden 123. Dabei handelt es sich vor allem um Bestimmungen über Organisation und Verfahren, welche die Meinungsvielfalt im Rundfunk gewährleisten 124. Dies dürfte auf die medienrechtlichen Belegungsregeln zutreffen 125. Aus Sicht des Netzbetreibers stehen dann seine – im nächsten Abschnitt dargelegten – Rechte aus Art. 12 und 14 GG im Vordergrund 126; während insbesondere Art. 5 Abs. 2 GG keinen Schutz bieten soll 127. Von der oben dargestellten Gegenkonzeption zum Bundesverfassungsgericht 128 wird indes die Rechtsfigur der Ausgestaltungsnorm abgelehnt und grundsätzlich in jeder dem Träger der Rundfunkfreiheit gesetzlich auferlegten Verpflichtung ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gesehen. Die Belegungsregeln sind so verstanden als Eingriff in die Rundfunkfreiheit verfassungsrechtlich zu rechtfertigen. Weiterhin ist die Unterscheidung des Bundesverfassungsgerichts zwischen Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit und Eingriff in dieselbe schwierig 129 und nicht immer rechtssicher handhabbar 130; so hat auch das Bundesverfassungsgericht mittlerweile gewissen Belastungen einen Doppelcharakter zuerkannt131. Insgesamt erscheint es deshalb angezeigt, die Anforderungen an einen Eingriff in die Rundfunkfreiheit der Netzbetreiber zumindest in den Grundzügen darzustellen. 123 Siehe BVerfGE 73, 118, 166; siehe zum Ganzen auch Bethge, in: Sachs, Art.5 Rn. 154 ff.; Neun 191 f. 124 Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 65. Die Abgrenzung ist aber äußerst schwierig, kritisch insofern Determann 402 f. 125 Siehe Wille/Schulz/Fach-Petersen, in: Hahn/Vesting, § 52 Rn. 17; zu den Schwierigkeiten der Abgrenzung siehe aber sogleich. 126 Die Rundfunkfreiheit ausgestaltende Gesetze sollen im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG schon dann verfassungsrechtlich nicht zu erinnern sein, wenn sie geeignet sind, die Rundfunkfreiheit zu fördern u. die Programmfreiheit angemessen berücksichtigen (siehe dazu Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 20 ff.). Wie zu zeigen sein wird, entstehen aber dadurch im Ergebnis keine Schutzlücken, da die in Idealkonkurrenz anwendbaren Art. 12 u. 14 GG mindestens ein ebenso hohes Schutzniveau sichern. 127 BVerfGE 57, 295, 321; Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rn. 154 ff. 128 Zu dieser Konzeption oben, D. I. 1. c), sowie statt vieler nochmals Degenhart, in: Dolzer/ Vogel/Graßhof, BK Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 643 ff. 129 Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rn. 156. 130 Nochmals: Determann 402. 131 So sollen die Vorschriften über die Vorlage von Aufzeichnungen des Programms an die Landesmedienanstalten sowohl eine Ausgestaltung als auch einen Eingriff darstellen, BVerfGE 95, 220, 235 f.
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D. Der Kabelnetzbetreiber als Träger von Grundrechten
Eingriffe in den von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Lebensbereich sind an den Voraussetzungen der qualifizierten Schranke des Abs. 2 zu messen. Zu fragen ist also, ob die Beschränkungen allgemeine Gesetze darstellen132. Allgemeine Gesetze sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes Vorschriften, „die sich weder gegen die Meinungsfreiheit an sich noch gegen bestimmte Meinungen richten, sondern dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen“133. a) Medien(meinungs)neutrale Zielrichtung Daraus kann zum einen geschlossen werden, dass ein allgemeines Gesetz dann nicht vorliegt, wenn es sich gegen bestimmte Kommunikationsinhalte, also gegen eine bestimmte Meinung richtet 134. Unproblematisch sind insofern medienrechtliche Einspeisevorschriften, die wie § 52 Abs. 4 Nr. 1 RStV ein vielfältiges Programmangebot verlangen: Bestimmte Programme werden damit weder zwingend vorgeschrieben noch von der Einspeisung ausgeschlossen; die Regelung ist insofern inhaltsneutral. Schwieriger gestaltet sich die Einordnung von Must-CarryPflichten, da hier bestimmte Programme zur Weiterverbreitung vorgeschrieben werden 135. Dabei wird man differenzieren müssen: Der Zwang zur Einspeisung der öffentlich-rechtlichen Programme der Grundversorgung dürfte unter den Begriff des allgemeinen Gesetzes fallen und die Forderung nach Medieninhaltsneutralität erfüllen. Denn diese Programme werden nicht in Ansehung einer durch sie verkörperten bestimmten Meinung bevorzugt – Prinzip des öffentlich-rechtlichen, binnenpluralen Programmangebotes ist es gerade, die Vielfalt der verschiedenen Meinungen in ihrer Breite zum Ausdruck zu bringen und nicht eine bestimmte Tendenz zu vertreten 136 –, sondern aufgrund des durch sie verwirklichten Strukturmusters der binnenplural organisierten Meinungsvielfalt. Kurzum: hier wird gesetzlich nicht einer bestimmten Meinung als solcher der Vorrang eingeräumt, sondern einer 132 Daneben sind im Rahmen der Schrankentrias natürlich auch Einspeisevorschriften zum Schutz der Jugend u. Ehre möglich, auf die im Rahmen dieser Arbeit aber nicht im Detail eingegangen werden kann, soweit es sich nicht ohnehin um Unterfälle des allgemeinen Gesetzes handelt, in diese Richtung z. B. BVerfGE 11, 234, 238. 133 So o. so ähnlich BVerfGE 7, 198, 209; 62, 230, 243 f.; 71, 162, 175; 97, 125, 146; siehe auch Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 66; Pieroth/Schlink Rn. 588 ff. sowie zur historischen Herleitung des allgemeinen Gesetzes u. dieser Formel ausführlich Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 5, Abs. I, II, Rn. 250 ff. 134 Wendt, in: v. Münch/Kunig, Art. 5 Rn. 71, der als treffendes Beispiel das Gesetz gegen die Verbreitung der Lehre des Darwinismus im US-Bundesstaat Arkansas von 1928 benennt; Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rn. 144. 135 Thierfelder 112 bewertet dagegen alle Must-Carry-Rules unproblematisch als allgemeine Gesetze. 136 Siehe BVerfGE 59, 231, 258 („Die Rundfunkanstalten dürfen in ihrem Gesamtprogramm nicht eine Tendenz verfolgen, sondern sie müssen im Prinzip allen Tendenzen Raum geben“) sowie E 31, 314, 326 ff.; 57, 295, 325 f.; Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Rn. 132; A. Hesse 116 ff.
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bestimmten Programmstruktur. Anders können die Dinge liegen, wenn nicht binnenplural organisierten Programmen mit reduziertem Ausgewogenheits- und Vielfaltsanspruch Must-Carry-Privilegien zukommen. Problematisch erscheint dies bei Offenen Kanälen sowie bei einem Must-Carry-Privileg für private Tendenzprogramme. Knüpft die Must-Carry-Bestimmung für Offene Kanäle zumindest noch ausschließlich an der Form der Programmentstehung an, so ist die Meinungsneutralität von Must-Carry-Verpflichtungen zugunsten privater Programme zweifelhaft. Eine solche Einspeisepflicht privater Programme begründet im digitalen Bereich letztlich die Regelung der §§ 19 Abs. 3 Satz 3 i.V. m. 52 Abs. 3 Nr. 1 RStV, von der beispielsweise das ZDF durch Einspeisung eines privaten Programms in sein Bouquet ZDF.Vision Gebrauch gemacht hat 137. Zwar bestimmt der Gesetzgeber auch hier nicht direkt die einzuspeisende „Programmmeinung“, er räumt aber einem Dritten, nämlich den öffentlich-rechtlichen Veranstaltern, dieses Recht ein und sichert dann dem so bestimmten Programm – insofern nicht mehr neutral – den unbedingten Einspeisevorrang. Im Ergebnis kann damit festgehalten werden: die qualifizierte Schranke des allgemeinen Gesetzes schützt den Netzbetreiber vor nicht meinungsneutralen Einspeiseverpflichtungen. Der Netzbetreiber muss sich die Einspeisung bestimmter privater Programme nicht vorschreiben lassen, wenn diese nicht nach allgemeinen Kriterien, sondern individuell bestimmt werden. Entsprechend sind Must-Carry-Pflichten zugunsten öffentlich-rechtlicher Programme zulässig, während die Verpflichtung zur Einspeisung bestimmter privater Programmmeinungen bedenklich erscheint. Weiterhin muss das Gesetz i. S. v. Art. 5 Abs. 2 GG die persönliche Allgemeinheit wahren 138. Die in Frage kommenden Gesetze treffen alle Kabelnetzbetreiber gleichermaßen, so dass sich insofern keine Probleme ergeben. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht teilweise gefordert, die Gesetze dürften nicht ausschließlich den Schutzbereich der Medienfreiheiten berühren, also Sonderrecht gegen die Träger der Medienfreiheit sein 139. Diese Voraussetzung wäre beispielsweise durch die medienrechtlichen Belegungsvorschriften nicht erfüllt, da Beschränkungen der Rundfunkkabelnutzung natürlich nur eben diesen rundfunkrechtlich geschützten Vorgang betreffen und nicht auch außerhalb des Schutzbereiches des Art. 5 Abs. 1 GG eingreifen. So verstanden wird man aber dieses Kriterium abzu137 Das ZDF hat ein amerikanisches Wirtschaftsprogramm in sein Bouquet mitaufgenommen. Näher zu dieser Problematik siehe unten E. IV. 1. b) aa) aaa) (2). 138 Siehe BVerfGE 74, 297, 336, a. A. Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Rn. 181; kritisch auch Determann 404, weil so verstanden auch alle Privatrundfunkgesetze als Sondergesetze gerade gegen private Rundfunkveranstalter unzulässig wären. 139 BVerfGE 21, 271, 280, wo es heißt, Beschränkungen der Pressefreiheit seien kein allgemeines Gesetz, „wenn die im Verbot bezeichnete Tätigkeit nur der Presse und nicht auch jedermann verboten ist“, in diese Richtung auch E 74, 297, 336, anders aber wohl im gleichen Urteil 343; mit gleicher Tendenz Wendt, in: v. Münch/Kunig, Art. 5 Rn. 71; kritisch z. B. Bethge, in: Sachs, Art.5 Rn.144. Teilweise wird aus dieser Beschränkung der Schluss gezogen, dass Organisationsgesetze im Rundfunkbereich notwendig mit der Rechtsfigur der Ausgestaltung, für die Art. 5 Abs. 2 GG nicht gelten soll, zu rechtfertigen sind, A. Hesse, 73 f.
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lehnen haben 140, da nicht ersichtlich ist, warum das Medienrecht, das eben nur die Medien betrifft, von vornherein unzulässig sein sollte; ausschlaggebend muss vielmehr das hinter ihm stehende Schutzgut sein 141. Sonderrecht gegen den Rundfunk kann weiterhin auch insofern als allgemeines Gesetz gerechtfertigt sein, als es die meinungsbildende Funktion des Rundfunks an sich nicht verkürzt, sondern gerade der Herstellung kommunikativer Chancengleichheit dient 142. Dies dürfte auf die Belegungsregeln zutreffen.
b) Schutzgut Schließlich ist (schwerpunktmäßig) 143 auf das Schutzgut des beschränkenden Gesetzes abzustellen. Dieses muss schlechthin, also meinungsunabhängig schutzwürdig sein, womit der Weg in eine Abwägungsentscheidung zwischen den mit der Beschränkung der Medienfreiheit verfolgten Schutzgütern auf der einen und der Medienfreiheit selbst auf der anderen Seite eröffnet ist 144. Ausschlaggebend ist hier also die Herstellung praktischer Konkordanz zwischen der Rundfunkfreiheit und dem Schutzgut des allgemeinen Gesetzes 145 im Sinne einer verhältnismäßigen Zuordnung 146. Dabei ist der Gesetzgeber nicht völlig frei, wie das Bundesverfassungsgericht mit der sog. Wechselwirkungslehre 147, die im Ergebnis zur Rückvermittlung des grundrechtsbeschränkenden Gesetzes an das beschränkte Grundrecht führt148, zum Ausdruck bringt; er hat vielmehr bei der Beschränkung der Medienfreiheit wiederum deren Bedeutung zu beachten 149. Aus der Sicht des Netzbetreibers heißt 140 Nochmals Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art.5 Abs. 1, 2 Rn. 181; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 5 I, II Rn. 114, Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 5 Rn. 56; Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rn. 144. 141 Ricker/Schiwy, B Rn. 170. 142 Siehe Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 873 sowie bezogen auf die Pressefreiheit, Rn. 559 ff., 562. 143 Kritisch gegenüber dieser Schwerpunktsetzung der Rechtsprechung: Jarass, in: ders./ Pieroth, Art. 5 Rn. 56. 144 Siehe Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rn. 144 f. („generelles Abwägungsproblem“); auch Wieland, ZUM 1994, 450; damit wird die Abwägung Tatbestandsvoraussetzung des allgemeinen Gesetzes; denkbar ist aber auch, beide Fragen zu trennen u. die Abwägung als allgemeine Schranken-Schranke zu betrachten, die einen eigenständigen Prüfungspunkt darstellt (so in neuerer Zeit das Bundesverfassungsgericht, z. B. BVerfGE 74, 297, 343, in der Literatur z. B. Schmidt-Jortzig, in: Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 141 Rn. 41). Da beide Meinungen zum gleichen Ergebnis gelangen, kann die Frage jedoch offen bleiben, Degenhart, in: Dolzer/Vogel/ Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 72. 145 K. Hesse, Rn. 400 (bezogen auf die Meinungsfreiheit). 146 Siehe BVerfGE 59, 231, 265; 74, 297, 337. 147 St. Rspr. seit BVerfGE 7, 198, 208 f.; siehe auch E 71, 206, 214; 93, 266, 290. 148 Grimm, NJW 1995, 1701. 149 Die Wechselwirkungstheorie ist hier nur auf der normativen Ebene anzuwenden, wohingegen der Schwerpunkt auf der administrativen u. judikativen Ebene, nämlich bei der Geset-
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das: er ist vor unverhältnismäßigen Eingriffen in die ihm zugestandene Rundfunkfreiheit geschützt. Damit ist in zwei Schritten vorzugehen: zunächst ist das Schutzgut, also der gesetzgeberische Zweck, der beschränkenden Regelung zu bestimmen (dazu sogleich) und dann zu überprüfen, ob die Beschränkungen der Rundfunkfreiheit des Netzbetreibers der Forderung nach angemessenem Ausgleich von Schutzgut und Medienfreiheit gerecht werden (dazu unter c). Der Gesetzgeber bestimmt in demokratischer Souveränität das Ziel seines Handelns selbst; solange der Zweck nicht der Verfassung widerspricht, ist die Zwecksetzung nicht zu erinnern 150. Der Schutzzweck der Belegungsvorschriften, positiver wie negativer, kann ein zweifacher sein 151: einmal ist er in der Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht und damit endlich in der freien Meinungsbildung in der Demokratie zu sehen 152. Zum zweiten sollen die Nutzungsvorschriften auch den Zugang zum Kabel offen halten und damit den anderen Trägern der Rundfunkfreiheit, namentlich den Veranstaltern, ihre Freiheitsausübung ermöglichen und sichern 153. Insoweit lösen die Nutzungsvorschriften einen Konflikt zwischen mehreren Trägern desselben Grundrechtes. Hierin unterscheidet sich die Rundfunkfreiheit als Rechtsposition des Netzbetreibers von den ihm ebenfalls zustehenden Wirtschaftsfreiheiten: dort tritt die Rundfunkfreiheit als Grundrecht Dritter an seine Grundrechtsverbürgung heran, hier kommt es zum Konflikt der mehreren Träger ein und derselben Rundfunkfreiheit. Dieser Konflikt ist freilich keine Besonderheit des Grundrechtes der Rundfunkfreiheit, sondern kann bei jeder grundrechtlichen Verbürgung auftreten 154. Man spricht in diesen Fällen des Zusammentreffens mehrerer Träger der gleichen Grundrechtsgarantie von Grundrechtskollision 155. Nach zesanwendung liegt; dazu Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2, Rn. 70. 150 Sachs, in: ders., Art. 20 Rn. 149. 151 Ob daneben angesichts der Tätigkeit privater Netzbetreiber noch die Informationsfreiheit der Zuschauer ein (drittes) Schutzgut von Belegungsregeln darstellen kann, erscheint fraglich; siehe dazu unten unter D. II. 2. c) aa). Dafür aber Dörr, ZUM 1997, 360, wonach hoheitliche Belegungsregeln notwendige Umsetzung einer von der Informationsfreiheit ausgelösten Schutzpflicht des Staates sein sollen. 152 Zum Schutzzweck der Belegungsregeln siehe z. B. SächsVerfGH, ZUM-RD 1997, 531, 541 f.; Dörr, ZUM, 1997, 352 ff.; zum Einfluss von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auf die Belegungsregeln auch Nauheim 123 ff.; zum Regelungsziel des § 52 RStV hinsichtlich des digital betriebenen Kabels, Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 52, Rn.50 ff. Die Meinungsvielfalt ist darüber hinaus durch die objektiv-rechtlichen Gehalte der Rundfunkfreiheit vorgegeben, BVerfGE 73, 118, 199 f. 153 Auf diesen Gesichtspunkt der Angewiesenheit Dritter auf ein an sich grundrechtlich geschütztes Gut wird im Rahmen der Eigentumsgarantie als dort beherrschendem Topos ausführlich eingegangen, siehe unten D. II. 2. c) bb) ccc) (2). 154 So kann z. B. in der Konstellation von Demonstration u. Gegendemonstration die Versammlungsfreiheit mehrerer Grundrechtsträger aufeinander treffen; Beispiel bei v. Münch, in: ders./Kunig, Vorb. Art. 1-19 Rn. 46. 155 Jarass, in: ders./Pieroth, Vorb. Vor Art. 1 Rn. 45; Wegmann, BayVBl. 1990, 673.
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Ansicht der h. M., insbesondere des Bundesverfassungsgerichtes 156, ist diese Spannungslage durch schonenden Güterausgleich zu lösen157, womit letztlich auch hier wieder der Grundsatz der praktischen Konkordanz zur Anwendung kommt. Regeln der Netznutzung können beide Schutzzwecke gleichzeitig verfolgen (z. B. Must-Carry-Regelungen, die [bestimmten] Programmveranstaltern den Zugang erleichtern und zugleich der Meinungsvielfalt durch die Art der eingespeisten Programme dienen sollen) oder auch nur einen von ihnen (etwa § 52 Abs. 4 Nr. 1 RStV, der nur der Vielfalt dient, nicht aber aus Perspektive der Veranstalter den Zugang erleichtert). Oftmals werden beide Regelungszwecke nicht von einander abgeschichtet werden können, zumal die ungehinderte Entfaltung der Rundfunkfreiheit mehrerer Veranstalter auch wieder der Meinungsvielfalt dient.
c) Verhältnismäßiger Eingriff und schonender Ausgleich aa) Geeignetheit und Erforderlichkeit Schonender Ausgleich und praktische Konkordanz können nur durch geeignete und erforderliche Einschränkungen herbeigeführt werden158. Ob die die Rundfunkfreiheit einschränkenden Regeln geeignet und erforderlich sind, muss von vornherein zurückhaltend beurteilt werden: einmal kommt dem Gesetzgeber insofern ein weiter Beurteilungsspielraum zu159, zum anderen ist insbesondere die Erforderlichkeit abstrakt schwer zu bestimmen 160. Folgende allgemeine Leitlinien können aber gleichwohl festgehalten werden: Das (Teil-) 161Gebot der Geeignetheit verlangt vom Gesetzgeber den Einsatz solcher Mittel, die den gewünschten Erfolg fördern 162. Diese Anforderung soll nach ganz h. M. bereits erfüllt sein, wenn nur eine Teileignung vorliegt, d. h. der Erfolg muss nicht vollständig, insbesondere nicht in jedem Einzelfall eintreten 163. Das 156 BVerfGE 35, 202, 224 f. allerdings bezogen auf die Kollision verschiedener Grundrechte, siehe auch 59, 231, 265 f. 157 v. Münch, in: ders./Kunig, Vorb. Art. 1-19 Rn. 47; Lerche, in: Isensee/Kirchhof HbStR V, § 122 Rn. 23 f., allerdings bezogen auf Grundrechte ohne Gesetzesvorbehalt; zu diesem Prinzip des Güterausgleichs K. Hesse, Rn. 317 f. 158 K. Hesse, Rn. 318. 159 Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 20 Rn. 87. 160 Zur Individualisierungstendenz der Erforderlichkeit: Lerche, in: Isensee/Kirchhof HbStR V, § 122 Rn. 18. 161 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird nach allgemeiner Meinung untergliedert in die Gebote der Geeignetheit, Erforderlichkeit u. Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne), weshalb jeweils von „Teilgeboten“ gesprochen werden kann, Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 VII Rn. 73; Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 20 Rn. 83. 162 BVerfGE 30, 292, 316; 67, 157, 173. 163 Sachs, in: ders., Art. 20 Rn. 150; Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 VII Rn. 74.
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Bundesverfassungsgericht prüft folglich nur, ob eine gesetzgeberische Maßnahme nicht „schlechthin ungeeignet“ 164 ist, das mit ihr bezweckte Ziel zu erreichen. Dementsprechend selten scheitern Gesetze an dieser Hürde165. Aus der Sicht des Netzbetreibers entfaltet diese Schranken-Schranke deshalb wenig Schutz. Erforderlichkeit bedeutet, dass zur Erreichung des angestrebten Erfolges das mildeste Mittel gleicher Wirksamkeit eingesetzt wird 166, die jeweilige grundrechtliche Sphäre also nicht intensiver beschränkt wird, als dies vom sachlichen Anlass her notwendig ist 167. Bei Eingriffen in die Rundfunkfreiheit der Netzbetreiber wird dabei immer die Frage zu stellen sein, ob der Gesetzgeber das von ihm aufgestellte Vielfaltsziel und die angestrebte Zugangsoffenheit mit weniger einschneidenden Maßnahmen nicht ebenso sicher erreichen könnte. Daraus erhellt, dass mit Festlegung des Vielfaltszieles und des Grades der Zugangsoffenheit maßgeblich die Erforderlichkeit gesteuert wird: hohe Vielfaltsanforderungen, weitgehende Offenheitsansprüche machen in der Regel starke Eingriffe erforderlich. Das zeigen auch die Belegungsregeln: Je höher der Gesetzgeber die Anforderungen an die Vielfalt schraubt (schrauben muss), desto detailliertere Belegungsregelungen sind erforderlich, desto weniger Spielraum bleibt dem Netzbetreiber. Auch weniger wirksame Mittel zu berücksichtigen, wenn diese mit deutlich geringeren Eingriffen einhergehen, erscheint insofern wünschenswert 168, entspricht aber nicht der Rechtsprechung. Da wie ausgeführt dem Staat bei der Erforderlichkeit ein erheblicher Prognosespielraum zukommt, scheitert die Erforderlichkeitsprüfung der Belegungsregeln nicht etwa an den Möglichkeiten eines presseähnlichen, außenpluralen Vielfaltsmodells als milderem Mittel. Auch wenn einiges dafür spricht, dass das „freie Spiel der Kräfte“ angesichts zunehmender Übertragungskapazitäten auch ohne Belegungsregeln nicht unerhebliche Vielfalt hervorzubringen im Stande ist, so kann dies doch nicht mit der Sicherheit vorhergesagt werden, die an ein milderes Mittel im Sinne der verfassungsgerichtlichen Erforderlichkeitsprüfung zu stellen ist. Dies gilt umso mehr, als das Bundesverfassungsgericht mehrfach vor dem freien Spiel der Kräfte ausdrücklich gewarnt hat 169. Schließlich kann als milderes Mittel auch nicht darauf verwiesen werden, eine Übertragung der vielfaltsnotwendigen Programme müsse durch den Staat selbst oder aber jedenfalls durch die öffentlich-rechtlichen Anstalten erfolgen. Zwar greift der Staat im dualen System zur inhaltlichen Grundversorgung auf dieses OrganisaBVerfGE 61, 291, 313 f.; 71, 206, 215. Nachweis solcher Gesetze, die als ungeeignet vom Bundesverfassungsgericht verworfen wurden, bei Sachs, in: ders., Art. 20 Rn. 150, Fn. 552. 166 Sachs, in: ders., Art. 20 Rn. 152; Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 VII Rn. 75; st. Rechtsprechung des BVerfG z. B. E 68, 193, 218 f.; 77, 84, 109; 92, 262, 273. 167 Lerche, in: Isensee/Kirchhof HbStR V, § 122 Rn. 16. 168 Sachs, in: ders., Art. 20 Rn. 153. 169 Beispielsweise BVerfGE 31, 314, 325. Das gilt auch angesichts der Gefahren, die von privaten Verbreitungswegen ausgehen, BVerfGE 95, 163, 173. 164 165
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D. Der Kabelnetzbetreiber als Träger von Grundrechten
tionsmodell zurück, indem er die Grundversorgungsprogramme von öffentlichrechtlichen Rechtssubjekten, den Rundfunkanstalten, produzieren lässt. Ein „duales Übertragungssystem“ ist aber schon deshalb nicht erforderlich, da es durch Art. 87 f Abs. 2 GG verfassungskräftig untersagt ist 170. Verfassungsrechtlichen Schutz kann angesichts von Belegungsregeln insofern – abschließend betrachtet – nur die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn vermitteln.
bb) Schonender Ausgleich Die Rundfunkfreiheit des Netzbetreibers sowie das Schutzgut der Meinungsvielfalt und der Rundfunkfreiheit der Veranstalter sind in Ausgleich zu bringen. Kann die Abwägung dabei nur in Ansehung konkreter Beschränkungsregeln mit detailliertem Ergebnis durchgeführt werden 171, so können im Folgenden doch einige Abwägungskriterien aufgezeigt, Maßstäbe gebildet werden. Soweit die Schranken dem Schutz der Veranstalter und damit den Grundrechten Dritter zu dienen bestimmt sind, ist zu berücksichtigen: Die Veranstalter stehen mit ihrer stark inhaltsgeprägten Tätigkeit in der Sinnmitte der Rundfunkfreiheit, die vor allem inhaltsbezogen und im Kern Programmfreiheit ist 172. Im Konflikt mit dem Veranstalter kann der Netzbetreiber der Rundfunkfreiheit umso mehr Abwehrpositionen entnehmen, je stärker er selbst publizistisch-inhaltlich tätig wird. Je weniger er dagegen inhaltsbezogen arbeitet, namentlich also bei Betrieb der Kabelanlage nach dem reinen Transportmodell, desto mehr steht er am Rande der Rundfunkgewährleistung und desto größere Eingriffe hat er in diesen Freiheitsbereich hinzunehmen. Hier werden Zusammenhänge zum Schutzbereich sichtbar. Wurde dem Netzbetreiber beim Transportmodell trotz fehlenden Inhaltsbezuges die Rundfunkfreiheit unter den Vorzeichen der Pressegrosso-Entscheidung des Verfassungsgerichtes zuerkannt, so erfolgte dies letztlich zum Schutz der Veranstalter, auf deren Rundfunkfreiheit Beschränkungen des Netzbetreibers durchzuschlagen drohen. Die Rundfunkfreiheit schützt die Netzbetreiber insofern fremdnützig 173. Daraus erhellt, dass der Netzbetreiber sich auf dem Felde der Rundfunkfreiheit nicht gegen die Rundfunkveranstalter durchsetzen kann. Dies ändert sich dann, wenn der Netzbetreiber stärker inhaltsbezogen tätig wird wie beispielsweise beim Vermarktungsmodell: Hier rückt der Netzbetreiber näher an den Kern der Rundfunkrechtsverbürgung und gewinnt an Gewicht gegenüber den Veranstaltern. 170 Art. 87 f Abs. 2 GG enthält ein staatliches Betätigungsverbot, Telekommunikationsdienstleistungen selbst zu erbringen, Windthorst, in: Sachs, Art. 87 f Rn. 22; siehe auch für die Universaldienstverpflichtungen nach dem TKG: Cannivé 169. 171 Auf diese Tendenz zur Einzelfallabwägung weist Lerche, in: Isensee/Kirchhof HbStR V, § 122 Rn. 21, hin. 172 BVerfGE 87, 181, 201; Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rn. 96. 173 So auch Gersdorf, Kabeleinspeisung von Programmbouquets, 195.
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Ein Gleichgewicht beider Positionen dürfte (erst) dann erreicht sein, wenn die Tätigkeit des Netzbetreibers Programmgestaltung darstellt. Diese strukturelle Unterlegenheit der Netzbetreiber im Rahmen der Rundfunkfreiheit muss nicht mit einem generellen Rechtsverlust auf der Grundrechtsebene gegenüber den Veranstaltern einhergehen, da sich der grundrechtliche Schutz des Netzbetreibers bei geringem Inhaltsbezug seiner Tätigkeit lediglich mehr auf die inhaltsneutralen Wirtschaftsfreiheiten verlagert. Zusammenfassend lässt sich damit sagen: verfolgen Schrankengesetze als Schutzzweck die Sicherung der Rundfunkfreiheit der Veranstalter, so setzen sich im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG diese regelmäßig durch. Schutz bieten dem Netzbetreiber in dieser Konstellation überwiegend die Wirtschaftfreiheiten. Auf diese wird unten, unter (II), deshalb ausführlich eingegangen. Heißt das Schutzgut nicht Rundfunkfreiheit der Veranstalter als Individual-, sondern Meinungsvielfalt als Gemeinschaftsgut, ergibt sich folgendes Bild: Auch hier ist wieder nach Inhaltsbezug der Netzbetreiberaktivitäten zu differenzieren: Die Rundfunkfreiheit gewinnt an Gewicht, je ausgeprägter die publizistische Relevanz der betroffenen Netzbetreibertätigkeit ist, je stärker der Netzbetreiber dem Vermarktungsmodell folgt, umgekehrt verliert die Rundfunkfreiheit in ihren Randbereichen, denen der bloße Signaltransport zuzuordnen ist, an Wirkkraft. Abzustellen ist weiterhin auf die Bedeutung des Schutzgutes auf der einen und die Intensität des Eingriffs in die Medienfreiheit auf der anderen Seite. So wird die Rundfunkfreiheit der Netzbetreiber durch die hohe Bedeutung der Meinungsvielfalt – schlechthin konstituierend für die freiheitlich-demokratische Grundordnung 174 – als Schutzgut der Schrankengesetze in der Tendenz nicht unerheblich geschwächt 175. Hinzu kommt, dass das Bundesverfassungsgericht das Schutzgut selbst wiederum Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG entnimmt, so dass die Wechselwirkungstheorie weitgehend ins Leere läuft. Demgegenüber erscheint die Intensität des Eingriffs in die Rundfunkfreiheit oftmals gering; dies gilt insbesondere für den Netzbetrieb nach dem Transportmodell. Je stärker der Netzbetreiber indes eigene publizistische Konzepte verwirklicht, desto eher können Belegungsregeln mit diesen in Widerspruch geraten. Weiterhin wird die Intensität des Eingriffs vom Inhalt der Netznutzungsregel bestimmt, je inhaltsneutraler diese gestaltet ist, desto geringer sind die Reibungsflächen mit eigenen inhaltlichen Konzepten des Netzbetreibers. So lässt etwa die allgemeine Verpflichtung zu inhaltlicher Vielfalt, wie sie § 52 Abs. 4 Nr. 1 RStV vorsieht, noch ausreichenden Spielraum zur eigenverantwortlichen Programmauswahl. 174 BVerfGE 35, 202, 221 f.; ausführlich zur Funktion des Meinungspluralismus als Schutzgut der Rundfunkfreiheit, A. Hesse 60 ff. 175 Siehe auch Herzog, in: Maunz/Dürig, Art.5 Abs. I, II Rn. 267, wonach der einzelnen Verbürgung des Art. 5 Abs. 1 GG eine umso höhere Bedeutung zuzumessen ist, je näher sie der Verwirklichung des Art. 20 Abs. 1 GG steht.
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Im Ergebnis bietet die Rundfunkfreiheit dem Netzbetreiber unter dem hier untersuchten Blickwinkel verfassungsrechtlicher Abwehrpositionen gegen Belegungsregeln geringen Schutz, zumal wenn diese selbst wiederum in der Rundfunkfreiheit gründen. Die Ursache für diesen Befund ist im Wesentlichen darin zu sehen, dass der Schwerpunkt des Netzbetriebes – mit den Ausnahmen, die an Programmgestaltung heranreichen, – auf wirtschaftlicher, nicht publizistischer Betätigung liegt. Daraus folgt weiterhin: Verzichtet man mit dem Bundesverfassungsgericht und der ihm folgenden Literatur darauf, ausgestaltende Regeln an Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu messen, entstehen dem Netzbetreiber jedenfalls im Hinblick auf Belegungsvorschriften so gut wie keine Nachteile 176. Die vorangegangenen Ausführungen haben indes ebenfalls gezeigt, dass eine gesetzliche Sicherung der Meinungsvielfalt auch dann verfassungskonform gelingt, wenn man auf die Rechtsfigur der Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit verzichtet.
II. Der Kabelnetzbetreiber und die Wirtschaftsfreiheiten (Art. 14 und 12 GG) 1. Konkurrenzen a) Verhältnis der Wirtschaftsfreiheiten zur Rundfunkfreiheit Sind die maßgeblichen verfassungskräftigen Rechtspositionen des Netzbetreibers damit wohl im Bereich der Wirtschaftsfreiheiten zu suchen, so muss gleichwohl vorab geklärt werden, ob seine Tätigkeit, soweit sie der Rundfunkfreiheit zuzuordnen ist, daneben noch in den Schutzbereich der Art.12 und 14 GG fällt (Idealkonkurrenz) oder aber ob die Rundfunkfreiheit die allgemeinen Wirtschaftgrundrechte als lex specialis im Umfang ihres Schutzbereiches verdrängt (Gesetzeskonkurrenz). Die Problematik ist nicht neu, da auch bei privaten 177 Veranstaltern Konkurrenzlagen auftreten 178. Die Frage nach Ideal- oder Gesetzeskonkurrenz ist umstritten. Die wohl herrschende Ansicht geht von einer Idealkonkurrenz aus 179. Die Gegenansicht nimmt je176 Damit bestätigt sich im Übrigen die obige Aussage (D.I. 1. d)), wonach das Wesen der Rundfunkfreiheit offen bleiben kann. 177 Im Hinblick auf andere Grundrechte als Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fehlt es den Rundfunkanstalten dagegen als öffentlich-rechtlichen Anstalten an der Grundrechtsberechtigung, BVerfGE 78, 101, 102; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 764. 178 Diese Problematik wird u. a. dargestellt bei: Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 942; ders., ZUM 1987, 598; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 165 f.; (für die Presse) Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 5 Abs. I, II, Rn. 142 f.; Hoffmann-Riem, in: Schmidt, § 6 Rn. 25 ff. 179 Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 5 I, II Rn. 245; Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 5 Abs. I, II Rn. 142 f. (zur Pressefreiheit); Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 167; wohl auch Bethge, DÖV
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denfalls dann eine Spezialität des Art. 5 Abs. 1 GG an, wenn gesetzliche Beschränkungen die Ausgestaltung der Medienordnung betreffen 180 bzw. deren spezifischen Bedürfnissen zu dienen bestimmt sind 181. Die Streitfrage gewinnt besondere Brisanz dadurch 182, dass sich – wie oben dargestellt – nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts und der ihm folgenden Literatur Ausgestaltungsnormen nicht vollumfänglich an den Voraussetzungen der allgemeinen Schranken-Schranken messen lassen müssen 183. Damit unterläge bei Idealkonkurrenz jene Beeinträchtigung, die im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als Ausgestaltung zu qualifizieren ist, zugleich den grundlegend unterschiedlichen, strengeren Schranken-Schranken der Wirtschaftsfreiheiten (Problem schrankendivergenter Grundrechte) 184. Art. 12 und 14 GG grenzten die für den Bereich der Ausgestaltung der Rundfunkordnung postulierte größere Freiheit des Gesetzgebers wieder ein. Richtig erscheint es, mit der überwiegenden Meinung von Idealkonkurrenz auszugehen und dann die jeweils strengere Schranken-Schranke anzuwenden. Jedenfalls den Kabelnetzbetreiber nur dem Regime der Rundfunkfreiheit zu unterstellen, 2002, 675; Kloepfer, § 14 Rn. 7. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung „Kurzberichterstattung“ ohne nähere Ausführungen zur Konkurrenzproblematik Art. 12, 14 u. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auf die betroffenen Fernsehveranstalter angewandt, obgleich es sich bei der zu prüfenden Norm seiner Meinung nach um eine Ausgestaltungsregel handelte (BVerfGE 97, 228, 253 ff. passim). 180 Hoffmann-Riem, in: Schmidt, § 6 Rn. 27; im Ergebnis ähnlich Aschenbrenner 108 f., der dann aber die Frage nach der Anwendbarkeit der Rundfunkfreiheit auf die Netzbetreiber offen lässt (113 f.) u. die Wirtschaftsfreiheiten prüft. Dies überzeugt kaum, da bei Anwendbarkeit der Rundfunkfreiheit auf die Netzbetreiber, die Wirtschaftsfreiheiten seiner Ansicht nach verdrängt wären u. gerade nicht mehr geprüft werden dürften. Für einen Vorrang gegenüber Art.14 GG, soweit die dienende Funktion der Rundfunkfreiheit betroffen ist, u. mit Hinweis auf die funktionale Bedeutung der Rundfunkfreiheit auch Ricker/Schiwy, B Rn. 204 f. 181 Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 942, der auch soweit die Eingriffe nicht spezifische Organisationserfordernisse des Rundfunks erfüllen, differenziert (Rn. 940 f.). 182 Ganz unbeachtlich ist das Problem auch bei gleich lautenden Gesetzesvorbehalten nicht, denn die Einschränkbarkeit ist angesichts des spezifischen Gehaltes des jeweiligen Grundrechts materiell nie deckungsgleich (Lerche, in: Isensee/Kirchhof HbStR V, § 122 Rn. 47). 183 Ausführlich zu dieser Ansicht Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 28 ff., zur Unterscheidung von Ausgestaltungs- u. Eingriffsgesetzen, Kloepfer, § 14 Rn. 8 ff. 184 Wird die Beeinträchtigung als Eingriff qualifiziert, liegen wiederum, jedoch mit vertauschten Rollen, schrankendivergente Grundrechte vor: Art. 5 Abs. 2 GG stellt mit dem allgemeinen Gesetz eine Hürde auf, welche die Wirtschaftsfreiheiten nicht kennen. Nach der h. Lehre muss bei Grundrechtskonkurrenz der staatliche Eingriff auch den Anforderungen des strengeren Grundrechts gerecht werden, d. h. bei schrankendivergenten Grundrechten geht die stärkste Beschränkung vor (Pieroth/Schlink Rn. 343; v. Münch, in: ders./Kunig, Vorb. 1–19 Rn. 43). Dies würde aber die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit bei Ausgestaltungsgesetzen praktisch beenden, da stets die strengeren Anforderungen z. B. des Art. 12 GG zu beachten wären. Es wird deshalb teilweise angenommen, die gleichzeitige Anwendbarkeit der Rundfunkgarantie „relativiere“ den Schutz der Wirtschaftsfreiheiten (Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 98; abstrakt in diese Richtung auch Lerche, in: Isensee/Kirchhof HbStR V, § 122 Rn. 48).
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scheint allein angesichts des Art. 87 f Abs. 2 GG schon nicht möglich 185. Die von der Verfassung geforderte privatwirtschaftliche Leistungserbringung 186 muss darin ihren Ausdruck finden, dass sich der Netzbetreiber neben der ihm zustehenden Rundfunkfreiheit gerade auch auf die Wirtschaftsfreiheiten berufen kann. Die berechtigten Belange der Meinungsvielfalt können zudem bei der Auslegung der die Wirtschaftsfreiheit begrenzenden Schranken ausreichend berücksichtigt werden. Schließlich wird durch die Idealkonkurrenz auch der spezifische Schutzgehalt des Art. 5 Abs. 2 GG neben den Wirtschaftsfreiheiten gewahrt: soweit ein Gesetz vorliegt, das den besonderen Anforderungen des Art.5 Abs. 2 GG nicht entspricht, kann dieses auch nicht durch die insofern weiteren Schranken der Art. 12 oder 14 GG gerechtfertigt werden 187. Im Ergebnis wird man deshalb zunächst zu fragen haben, ob die konkret zu beurteilende Handlung des Netzbetreibers überhaupt in den jeweiligen Schutzbereich fällt; das ist im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG bei Einspeiseentscheidungen nach hier vertretener Ansicht stets zu befürworten, aber nicht unbestritten 188. Sodann ist zu prüfen, ob das Gesetz den Anforderungen des Art.5 Abs. 2 GG standhält, was bei den derzeitigen Belegungsvorschriften wie oben gezeigt in der Regel der Fall ist. Die Beschränkung ist schließlich – und zwar unabhängig von der Auslegung des Art. 5 GG – an den (Schranken-Schranken der) Wirtschaftsfreiheiten zu messen. Daraus folgt, dass der aus Sicht der Netzbetreiber maßgebliche Schutz seiner Unternehmertätigkeit den Wirtschaftsfreiheiten zu entnehmen ist.
b) Verhältnis der Wirtschaftsfreiheiten zu Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 87 f GG Fraglich ist weiterhin, ob neben den Wirtschaftsfreiheiten auch noch Art. 2 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab heranzuziehen ist. Dabei wird man mit der ganz h. M. annehmen können, dass diese Auffangnorm durch die spezielleren Art. 12 und 14 GG verdrängt wird 189. Siehe auch Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 98. Dazu Windthorst, in: Sachs, Art. 87 f Rn. 22. 187 Zu ähnlichen Ergebnissen dürfte auch Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 5 I, II Rn. 38 f. gelangen, der grundsätzlich von Idealkonkurrenz ausgeht, die jeweilige Schranke dann aber nach dem Schwerpunkt der Gefahrenlage bestimmt, um deren Bekämpfung willen die Schranke geschaffen wurde. So werden gezielte Eingriffe in die publizistische Freiheit des Netzbetreibers eben an Art.5 Abs.2 GG zu messen sein; siehe auch Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 940 (bezogen auf die Presse). 188 Siehe dazu nochmals oben D. I. 2. b) aa). 189 Siehe im Verhältnis zu Art. 12 GG Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 12 Rn. 3 sowie BVerfGE 77, 84, 118; 97, 228, 270; im Verhältnis zu Art. 14: Depenheuer, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 Rn. 100; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 228. Im übrigen geht auch die Rundfunkfreiheit der allgemeinen Handlungsfreiheit vor, Bethge, DÖV 2002, 677 f. Insgesamt anderer 185 186
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Schließlich ist noch auf das Verhältnis der Wirtschaftsfreiheiten zu Art. 87 f Abs. 2 GG einzugehen. Da diese Norm aus Wortlaut und systematischer Stellung außerhalb des Grundrechtsteils der Verfassung ersichtlich wohl kein Grundrecht der Netzbetreiber darstellt 190, liegt im eigentlichen Sinne keine Konkurrenzproblematik vor. Man wird vielmehr davon auszugehen haben, dass Art. 87 f GG die Netzbetreiber nach langer Zeit staatlichen Monopols erst die Berufung auf die (Wirtschafts-)Grundrechte ermöglicht, ohne selbst Grundrecht zu sein191. Zugleich wird die in dieser Vorschrift niedergelegte Verfassungsentscheidung für ein wettbewerblich-privatwirtschaftlich organisiertes Telekommunikationswesen aber ein bedeutender Abwägungsbelang sein. Die Frage, ob eine Einschränkung der Wirtschaftsfreiheiten noch zumutbar ist, darf die Weichenstellung des Art. 87 f GG nicht missachten oder gar konterkarieren. c) Verhältnis der Wirtschaftsfreiheiten zueinander Das Bundesverfassungsgericht grenzt Art. 12 und Art. 14 GG mit der Formel ab, Art. 14 GG schütze das Erworbene, das Ergebnis der (unternehmerischen) Betätigung, Art. 12 GG dagegen den Erwerb. Greift somit ein Akt der öffentlichen Gewalt eher in die Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungstätigkeit ein, so ist der Schutzbereich des Art. 12 GG berührt; begrenzt er mehr die Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögenswerte, so kommt der Schutz des Art. 14 GG in Betracht 192. So bündig diese Formel auch scheint, so schwierig ist es doch hier wie in anderen Fällen 193 eine Überschneidung zu vermeiden und trennscharf beide Schutzbereiche abzugrenzen: aus der Sicht der Netzbetreiber handelt es sich bei der Kabelnutzung um die Verwendungsmöglichkeit eines erworbenen Vermögensgegenstandes ebenso wie um zukünftige Verdienstmöglichkeiten; die Einspeisevorschriften sind also sowohl objekt- als auch erwerbsbezogen. Diese Abgrenzungsschwierigkeiten werden von der Literatur erkannt und folgerichtig eine Idealkonkurrenz als häufige und bedeutsame Konstellation in Fällen derartiger Überschneidung anerkannt 194. So geht Scholz von einem Nebeneinander beider GrundrechtsverbürgunAnsicht u. für die Geltung von Art. 2 Abs. 1 GG neben spezielleren Grundrechten Hermann, Rundfunkrecht, § 5 Rn. 59 ff., 87 ff. 190 OVG Bremen, ZUM 2000, 250, 258; Bullinger/Mestmäcker, 82 ff.; in Richtung eines subjektiv-öffentlichen Rechts aber Badura, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 87 f Rn. 24 f., wohl auch Vesting („überlegenswert“), Kabelkanalbelegung, 50, Fn.71; siehe auch Windthorst, in: Sachs, Art. 87 f Rn. 27 („grundrechtsähnliches Recht“). 191 Siehe auch BT-Drs. 12/7269, 5 sowie Schoch, VVDStRL 57 (1998), 191. 192 BVerfGE 30, 292, 334 f.; siehe auch E 84, 133, 157. 193 Beispielhaft für unvermeidliche Abgrenzungsschwierigkeiten: BVerfGE 50, 290, 361 f., 364 f. 194 Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 186; Breuer, in: Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 147 Rn. 100; Papier 41 speziell für Durchleitungsbegehren, allgemein ders., in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 222; für ein Nebeneinander spricht auch die Überlegung, dass andernfalls die Regeln einer ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung umgangen werden könnten, indem stets auf Art.12 ab-
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gen dann aus, wenn die freie Nutzung eines Gegenstandes beruflichen Zwecken dient und in dieses Eigentumsrecht eingegriffen wird 195. Genau diese Konstellation trifft auf die Beschränkungen des Netzbetriebes zu. Richtigerweise wird man deshalb von einem Nebeneinander von Art. 14 und Art. 12 GG auszugehen haben 196. Das schließt nicht aus, sondern fordert vielmehr, die große Nähe beider Grundrechte auf der Schrankenebene zu berücksichtigen: die Maßstäbe, die einen Eingriff in das Eigentum rechtfertigen, werden im Wesentlichen auch den Eingriff in die Berufsfreiheit legitimieren können 197; jedenfalls wird man mit ähnlichen Begründungsstrukturen arbeiten können. 2. Der Kabelnetzbetreiber und Art. 14 GG Die Gewährleistung des Eigentums hat „die Aufgabe ..., dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern ...“ 198; das Eigentum steht seinem Inhaber zu „als Grundlage privater Initiative“ und soll ihm „im eigenverantwortlichen privaten Interesse von Nutzen sein ...“ 199. Gerade dieser privaten Initiative, in Form von Netzneu- und Netzausbau, bedient sich der Staat in der neuen, privatrechtlich organisierten Telekommunikationslandschaft (Art. 87 f Abs. 2 GG), um eine ausreichende Versorgung mit Dienstleistungen der Telekommunikation zu gewährleisten. Dies kann auf das Eigentum der Netzbetreiber nicht ohne Auswirkung bleiben. Im Folgenden sollen die sich aus Art. 14 GG für den Netzbetreiber ergebenden Rechtspositionen, insbesondere auch gegenüber – zum Schutz der Rundfunkfreiheit geschaffener – Belegungsregeln, dargestellt werden. a) Schutzbereich aa) Sachlich Der Eigentumsbegriff des Art. 14 GG ist nicht mit dem des bürgerlichen Rechts vollkommen deckungsgleich 200. Er ist weiter, umfasst er doch anders als das zivilrechtliche Eigentum alle vermögenswerten Rechte 201. Er ist enger insofern, als das grundrechtlich geschützte Eigentum durch das gesamte öffentliche und private gestellt wird, der diese Rechtsfigur so nicht kennt (in diese Richtung: Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 Rn. 139 f.). 195 Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 Rn. 138. 196 Aschenbrenner 120; für die Telefoninfrastruktur Cannivé 178 f. 197 So hat das BVerfG (E50, 290, 365) ausgeführt, dass jene Gründe, die den Eingriff in Art.14 GG rechtfertigen, in der Regel vernünftige Gründe des Allgemeinwohls sind, die auch die Berufsausübungsregel tragen. 198 BVerfG ständige Rechtsprechung z.B. E 68, 193, 222; aus neuerer Zeit: E102, 1, 15 (Zustandshaftung). 199 BVerfGE ständige Rechtsprechung z. B. E 50, 290, 339. 200 Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 Rn. 11; Wieland, in: Dreier, Art. 14 Rn. 30.
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Recht definiert wird, so dass öffentlich-rechtliche Einschränkungen von der Eigentumsdefinition mitumfasst sein können 202. Jedenfalls aber ist als Kern der Gewährleistung das (zivilrechtliche) Sacheigentum geschützt 203. Der Kabelnetzunternehmer hat die technische Netzinfrastruktur, insbesondere die Leitungskabel als bewegliche Sachen sowie die weiteren technischen Einrichtungen zur Einspeisung und Weiterübertragung zum Eigentum im Sinne des § 903 BGB 204. Auf den über den Schutz dieser Einzelrechte hinausgehenden Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs, der nach h. M. ebenfalls gewährt wird 205, kommt es deshalb nicht an 206. Festzuhalten bleibt damit: Netzeigentum ist Eigentum im 201202203204205206207 Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG 207. Art. 14 GG schützt nicht nur das Innehaben sondern auch die Nutzung des Eigentums 208; die Nutzungsmöglichkeit des Eigentums gehört zum verfassungsrechtlichen „Eigentumskern“ 209. Geschützt ist also die freie Entscheidung des Eigentümers, wie er mit dem Eigentum verfährt 210. Auf den Netzeigentümer gewandt heißt 201 Grundlegend für die Nachkriegsentwicklung: BGHZ 6, 270 ff.; siehe auch Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 22; Pieroth/Schlink Rn. 903; damit werden entgegen der zivilrechtlichen Definition also auch Forderungen unter den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff gefasst. 202 H. M. z. B. Pieroth/Schlink Rn. 901. 203 BVerfGE 70, 191, 199; § 903 BGB bildet insofern den normativen Idealtypus grundgesetzlicher Eigentumsgewährleistung, Depenheuer, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art.14 Rn. 114. 204 Die Fernsehkabelnetze sind zwar an sich wegen ihrer festen Verbindung mit dem Grund u. Boden wesentliche Bestandteile des jeweiligen Grundstückes nach § 94 S. 1 BGB, so dass der Netzbetreiber (zivilrechtlich) schon nicht Eigentümer wäre. Die Netze sind mit fremden Grundstücken in der Regeln aber bereits in Ausübung eines Rechtes (§§50, 57 TKG) gem. §95 Abs. 1 Satz 2 BGB (für Fernmeldekabel BGHZ 125, 56, 59 f. sowie grundlegend für Versorgungsleitungen BGHZ 37, 353, 357 f.) o. jedenfalls nach Satz 1 nur zu vorübergehenden Zwecken verbunden u. damit jedenfalls bloße Scheinbestandteile des jeweiligen Grundstücks. Sie stehen mithin im durchgehenden Eigentum des Netzbetreibers (siehe auch m.w. N. Heinrichs, in: Palandt, § 95 Rn. 6 sowie Schütz, in: Büchner u. a., § 57 Rn. 8). Kritisch, Hermes 480 f., der das zivilrechtliche Netzeigentum bezweifelt sowie Moritz, CR 1998, 16, der die ursprüngliche Eigentumsübertragung jedenfalls der Telefonkabel auf die DTAG für rechtswidrig hält. Für den Schutz der Netze als Gesamtheit z. B. Engel, RTkom 2000, 202. 205 Z. B. BGHZ 92, 34, 37; BVerwGE 62, 224, 226; Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 26; zurückhaltend das BVerfG, wenn es in E58, 300, 353 ausführt, der Schutz dieses Rechtes könne „nicht weitergehen als der Schutz, den seine wirtschaftliche Grundlage genießt“; offengelassen in E84, 212, 232; 96, 375, 397; kritisch auch: Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 Rn. 18. 206 Die Einbeziehung des Rechts am eingerichteten u. ausgeübten Gewerbebetrieb in den Schutzbereich des Art. 14 GG bezweckt eine Schutzausdehnung über die Einzelrechte des Unternehmens hinaus auf den geschlossenen Wirtschaftskörper in seiner ökonomischen Funktion, Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 26. Da das Netzeigentum ein „ablösbares“ Einzelrecht darstellt, bedarf es des Rückgriffs auf diese Rechtsfigur hier gerade nicht. 207 Soweit in der Literatur Rechte des Netzbetreibers aus Art.14 GG geprüft werden, wird dies regelmäßig stillschweigend vorausgesetzt, z. B. Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 88 ff. 208 BVerfGE 31, 229, 241; 100, 226, 241 ff.; Wendt, in: Sachs, Art.14 Rn.41; Jarass, in: ders./ Pieroth, Art. 14 Rn. 19; Fuhr/Kerkhoff, MMR 1998, 9. 209 So Ossenbühl, FS Leisner, 690. 210 BVerfGE 79, 292, 303 f.; 88, 366, 377.
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dies: in den grundrechtlich umhegten Freiheitsraum fällt nicht nur z. B. die vorrangige Einspeisung „eigener“ Programme (wie sie für den vertikal integrierten Betreiber typisch ist), sondern auch – als Ausdruck der negativen Freiheit, fremde Dritte von der Nutzung des Eigentumsobjekts auszuschließen – die beliebige Nichteinspeisung fremder Programme und zwar selbst angesichts freier Kapazitäten 211. Schließlich sei noch auf eine – hier im Ergebnis nicht einschlägige – Besonderheit des Schutzbereichs des Art. 14 GG hingewiesen: Wegen der Nähe der Eigentumsnutzung zu anderen persönlichen Freiheitsrechten, wird die Nutzung212 persönlicher Fahrnis dem Schutzbereich des entsprechenden sachnäheren Grundrechtes zugeordnet und fällt mithin nicht in den Eigentumschutzbereich213. Dies gilt jedoch nicht für das Grundeigentum bzw. dann, wenn die vermögensrechtlichen, geldwerten Aspekte überwiegen 214. Aufgrund der dem Eigentum an Grund und Boden jedenfalls vergleichbaren Situation (Scheinbestandteil) und Funktion215 des Kabelnetzeigentums bleibt es für den Netzbetreiber jedoch dabei, dass die freie Netznutzung in den Schutzbereich des Art. 14 GG fällt 216. bb) Persönlich In persönlicher Hinsicht ist auch das Eigentum der inländischen juristischen Person 217 des Privatrechts geschützt, Art. 19 Abs. 3 GG. Denn der Eigentumsschutz ist 211 Papier, BB1997, 1215; diese Ausschlussfunktion des Eigentums macht im Übrigen seine „Anreizfunktion“ in der Marktwirtschaft aus; sie belohnt die – risikobehaftete – Investition des Privaten, Schmidt-Preuß, AG 1996, 6. 212 Die Veräußerungsbefugnis verbleibt dagegen stets im Schutzbereich des Art.14 GG; siehe BVerfGE 42, 229, 232 f. 213 So greifen etwa Geschwindigkeitsbeschränkungen in den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit ein, nicht aber – etwa unter dem Gesichtspunkt der freien Eigentumsnutzung am Auto – in den Schutzbereich des Art. 14, Pieroth/Schlink Rn. 915 f. 214 Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 14 Rn. 5 sowie auch im Hinblick auf Unternehmenseigentum Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 Rn. 13; a. A. wohl Vesting, Kabelkanalbelegung, 63 ff. der zunächst unter Berufung auf das BVerfG ausführt, Art. 14 GG schütze nicht die einträglichste Nutzung, dann aber dafür plädiert, die Nutzung des Eigentums falle gar nicht in den Schutzbereich von Art. 14 GG. 215 Insbesondere zu den Fällen der Nutzungsmöglichkeiten von Wohnungseigentum, die vom BVerfG stets (z. B. E 79, 292, 304) über Art. 14 GG gelöst werden, kann eine funktionale Parallele gezogen werden. Zwar wird mit Belegungsvorschriften nicht im engeren Sinn ein „Mietrecht“ des Veranstalters am Kabel begründet, bei typisierender Betrachtung liegt aber eine „Belegung“ des Eigentumsobjektes vor; noch wesentlich enger ist die Parallele beim vertikal integrierten Betreiber, da hier die „Eigennutzungsmöglichkeit“ u. der „Eigenbedarf“ des Eigentümers offensichtlich sind. 216 Für eine Berührung des Schutzbereiches von Art. 14 durch Einschränkungen der freien Netznutzung z. B. auch Depenheuer, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 GG Rn. 140 m. w. N. sowie OVG Bremen, ZUM 2000, 250, 257. 217 Natürliche Personen als Netzbetreiber dürften dagegen derzeit und in Zukunft die Ausnahme sein.
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seinem Wesen nach – nämlich Sicherung der vermögensrechtlichen Freiheit – auch und gerade auf die juristische Person übertragbar218. Die Frage, inwieweit – wenn überhaupt 219 – bei juristischen Personen angesichts des abgeschwächten personalen Substrats das Schutzniveau abzusenken sei, ist im Rahmen der Abwägung zu behandeln; es handelt sich dabei nicht um eine Frage des persönlichen Schutzbereiches. Auch soweit die Netze (noch) im Eigentum von Töchtern der DTAG stehen, ergeben sich hieraus keine Besonderheiten mehr, nachdem der Bund nur noch Minderheitsgesellschafter des Telekommunikationsunternehmens ist 220; die entsprechenden Vorbehalte hinsichtlich des Eigentumsschutzes haben sich erledigt221. b) Inhalt und Schranken (Eingriff) aa) Kabelnutzungsregeln keine Enteignung Wendet man sich nun der Frage nach dem Eingriff in den so bestimmten Schutzbereich zu, ist zunächst dessen Natur zu klären. Zu prüfen ist also, ob die positiven und negativen Belegungsregeln 222 eine Enteignung (Art. 14 Abs. 3 GG) oder eine Eigentumsbestimmung (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) darstellen. Diese Feststellung ist insofern wichtig, als nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes strikt zwischen Eigentumsenteignung und Eigentumsbestimmung als je eigene Institute zu unterscheiden ist 223. Da nach dieser Rechtsprechung eine Inhaltsbestimmung nicht in eine Enteignung umschlagen kann, ist die Unterscheidung für die spätere Rechtfertigung des Eingriffs weichenstellend und vorweg zu klären 224. Mit der Enteignung greift der Staat in konkret individueller Weise auf das Eigentum des Einzelnen zu 225. Die Enteignung ist dabei auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Eigentumspositionen zur Erfüllung bestimmter 218 Die Anwendbarkeit von Art. 19 Abs. 3 auf Art. 14 GG ist vom BVerfG ausdrücklich anerkannt: E 4, 7, 17; 35, 348, 360; 41, 126, 149; speziell für Netzbetreiber siehe auch Thierfelder 38; allgemein Krebs, in: v. Münch/Kunig, Art. 19 Rn. 34 ff. sowie Isensee, in: ders./Kirchhof HbStR V, § 118 Rn. 55: die Vermögensfähigkeit sei geradezu die „prototypische Eigenschaft“ der juristischen Person des Privatrechts. 219 Ablehnend z. B. Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 89 f. 220 Laut Geschäftsbericht der DTAG 2001, 39, hielt der Bund am 31.12.2001 nur noch 31% der Aktien des Unternehmens direkt u. 12 % indirekt über die KfW. 221 Siehe z.B. noch ausführlich bei v. Arnauld, DÖV 1998, 444 ff.; Gersdorf, Regelungskompetenzen, 69 ff.; Thierfelder 38 f. 222 Siehe dazu bereits oben vor D. I. 223 BVerfGE 58, 300, 330 f. (Nassauskiesung); 100, 226, 239 f. 224 Teilweise wird die Frage, ob eine Enteignung o. eine Eigentumsbestimmung vorliegt, erst in der Rechtfertigung selbst geprüft, z. B. Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 14 Rn. 29; gleichwohl erscheint eine möglichst frühe Prüfung sinnvoll, da im Rahmen der Eingriffsprüfung ohnehin auf die beeinträchtigende Maßnahme einzugehen ist. 225 Siehe BVerfGE 58, 300, 330 (Nassauskiesung); 79, 174, 191; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 Rn. 54.
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öffentlicher Aufgaben gerichtet 226. Im Hinblick auf die Kabelnutzungsregeln dürfte es jedoch bereits an dieser Entziehung einer Rechtsposition fehlen: Dass die Belegungsregeln keinen vollständigen Entzug des Netzeigentums darstellen, liegt auf der Hand. Schwierigkeiten ergeben sich aber daraus, dass auch die „teilweise Entziehung“ – wie ausgeführt – den Enteignungstatbestand erfüllen soll 227; damit könnten an sich auch bloße Nutzungsbeschränkungen als Enteignung qualifiziert werden 228. Richtigerweise wird man indes nur dann von einem Teilentzug ausgehen können, wenn bei formaler Betrachtung der entzogene Teil rechtlich sinnvoll abtrennbar ist und eine verselbständigte Rechtsposition darstellt 229. Damit dürften aber Belegungsvorschriften keine Enteignung darstellen 230: Im Gegensatz z. B. zu Dienstbarkeiten 231 regeln sie keine Nutzung durch Fremde sondern die regelmäßig nicht abspaltbare Nutzung durch den Eigentümer selbst232. Der durch Belegungsvorschriften Begünstigte, z. B. der Veranstalter kann gerade nicht wie der Eigentümer das Netz nutzen 233. Weiterhin fehlt den Regeln über die Netznutzung der für die Enteignung notwendige konkret-individuelle Charakter: der Staat greift nicht in ein bestimmtes Breitbandkabelnetz ein, sondern regelt generell-abstrakt die Netznutzung 234. Solche generell-abstrakten Nutzungsregeln sind aber typischerweise Inhaltsbestimmungen 235. 226 BVerfGE 52, 1, 27 f. (Kleingärten); 58, 300, 330 (Nassauskiesung); 70, 191, 199f.; 100, 226, 239 f. 227 Z. B. BVerfGE 70, 191, 199 f.; 72, 66, 76; zustimmend auch BVerwGE 84, 361, 366; siehe auch Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 14 Rn. 74. 228 So wohl im Hinblick auf Must-Carry-Rules Niewiarra, AfP 1997, 767. 229 Wieland, in: Dreier, Art. 14 Rn. 71; Ehlers, VVDStRL 51 (1992), 236 f.; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 Rn. 58; die Gegenansicht kehrt im Gegensatz zu den formalen Differenzierungen zu den materiellen Theorien zurück, um zwischen der eigentumsbestimmenden u. enteignenden Nutzungsregel zu unterscheiden (unter Rückgriff auf die Eingriffstiefe, insbesondere bemessen anhand des Privatnützigkeitskriteriums, Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn.375 sowie Wendt, in: Sachs, Art.14 Rn.155 ff., der auf die fehlende Verhältnismäßigkeit der Enteignung abstellt). Im Ergebnis kommt aber auch diese Mindermeinung hier zu keiner Enteignung, da die inmittenstehenden Belegungsregeln nicht die notwendige Eingriffstiefe aufweisen dürften; so geht z. B. Breuer, NuR 1996, 546, als Vertreter der materiellen Abgrenzung nur dann von einer den Tatbestand der Enteignung erfüllenden Nutzungsregel aus, wenn das Eigentumsobjekt „jeder privatnützigen Verwendungsmöglichkeit entzogen wird“. Da die Belegungsregeln nicht diese Intensität erreichen, kann der Streit offen bleiben. 230 Im Fall stark eingeschränkte Kündigungsrechte bei Kleingärten ging das BVerfG von einer Inhaltsbestimmung aus, E 52, 1, 26 ff.; eine Parallele kann darin gesehen werden, dass es hier wie dort um die „Belegung“ des Eigentumsobjektes ging. 231 Z. B. hat das BVerfG eine (Zwangs-)Dienstbarkeit, die das Überfliegen, Befahren u. Betreten ermöglicht, als Enteignung betrachtet, BVerfGE 56, 249, 260. 232 Die bildhaften Aussagen, das Netzeigentum sei mit einer Hypothek belastet, dürfen in diesem Zusammenhang nicht zu wörtlich verstanden werden; anders verhält es sich bei Konstruktionen wie dem amerikanischen leased access (näher dazu Dörr/Janik/Zorn, Zugang zum digitalen Kabel, 167 f.), wo nicht der Netzbetreiber selbst einspeist u. nutzt, sondern die Kapazität vermietet. 233 Zum Kriterium der eigentümergleichen Nutzungsmöglichkeit, Jarass, NJW 2000, 2844 f.
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bb) Einheitlicher Eingriffsbegriff der Eigentumsbestimmung Kann somit festgehalten werden, dass keine Enteignung vorliegt, so sind damit dennoch nicht alle den Eingriff betreffenden Schwierigkeiten gelöst. Denn anders als andere Grundrechte, bei denen sich ein vorgesetzliches Freiheitsrecht erkennen lässt, bedarf Eigentum der (einfach-)gesetzlichen Formung 236, der „Grundrechtsprägung“ 237. So gesehen stellt ein Gesetz, das Eigentum erst begründet, keinen Eingriff in das (künftige) Eigentumsrecht, sondern dessen Ausgestaltung dar238. Übertragen auf den Kabelnetzbetreiber könnten somit – bereits vor der Privatisierung der Kabelnetze auferlegte – Beschränkungen in Form des öffentlich-rechtlichen Regulierungsregimes nicht als Eingriff, sondern als Inhalt des Typs „Kabeleigentum“ verstanden werden 239. Eine Beeinträchtigung des Art. 14 GG läge so gesehen nicht 234235236237238239240 vor 240. Begrifflich wird in der Literatur an die – soeben dargestellte – für die Eigentumsgewährleistung typische Normprägung sowie an den Gesetzeswortlaut angeknüpft, indem zwischen Inhaltsnormen und Schrankennormen unterschieden wird 241. Teilweise werden die beiden Kategorien materiell-inhaltlich unterschieden: Inhaltsnormen legten die Eigentumsrechte und die mit ihnen verbundenen Befugnisse pflichtneutral fest. Schrankennormen hingegen komme die Aufgabe zu, die aus der Innehabung des durch Inhaltsnormen zuerkannten Eigentumsrechtes herrührenden Konflikte zu regeln und dementsprechend dem Rechtsinhaber Pflichten aufzuerlegen 242. Teilweise wird auch in zeitlicher Hinsicht zwischen Inhaltsnormen und Schrankennormen unterschieden 243. Häufig wird ein- und dieselbe Norm Inhaltsund Schrankennorm sein 244. 234 Zwar ermöglicht Art. 14 Abs. 3 Satz 2 F. 1 GG („durch Gesetz“) grundsätzlich die Legalenteignung; aber auch diese enteignenden Gesetze dürften als „Verwaltung durch Gesetz“ letztlich konkret-individuellen Charakter haben, z. B. Maßnahmegesetze; so Bryde, in: v. Münch/ Kunig, Art. 14 Rn. 55. 235 Z. B. (Nutzungs-)regeln der Gartenpacht BVerfGE 52, 1, 27; 70, 199, 200 (Fischereinutzung); 100, 226, 240 (Denkmalschutz). 236 Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 54 ff.; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 Rn. 50; differenzierend Leisner, in: Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 149 Rn. 64 ff., der zwischen natürlich abgegrenzten, abgrenzungsbedürftigen u. gesetzlich erst zu bestimmenden Gütern unterscheidet u. insofern ein „absolutes Inhaltsbestimmungsrecht“ für jede Form von Eigentum bestreitet. 237 Lerche, in: Isensee/Kirchhof HbStR V, § 121 Rn. 38 f. 238 Zur Grundrechtskategorie der Ausgestaltung Jarass, in: ders./Pieroth, vor Art. 1 Rn. 34 f.; Pieroth/Schlink Rn. 213. 239 So für die Verpflichtung der DTAG zur Überlassung des „blanken Drahtes“ an Wettbewerber aus §§ 33, 35 TKG, BVerwG, ZUM-RD 2002, 378, 391; siehe auch Aschenbrenner 116 f. 240 In diese Richtung Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 f Rn. 83, Fn. 55. 241 Siehe auch Leisner, in: Isensee/Kirchhof HbStR, § 149 Rn. 133 ff. 242 Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 55. 243 So Pieroth/Schlink Rn. 920; Ehlers, VVDStRL 51 (1992), 224 f. 244 Siehe Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 56; BVerfGE 72, 9, 22 f.
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Die Gegenansicht geht von einer einheitlichen Regelungsermächtigung zur Eigentumsbestimmung aus 245. Sie begründet dies in erster Linie damit, dass es oft zufällig sei, ob Eigentümerbefugnisse von vornherein inhaltlich eng gestaltet oder nach anfänglich großzügiger Gestaltung sogleich beschränkt werden246. Weiterhin überschätze die begriffliche Unterscheidung von Inhalt und Schranken die sprachliche Stringenz der Vorschrift 247. Das hinter der Differenzierung oftmals aufscheinende Anliegen, den Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Eigentumsrechtes weniger stark zu binden als bei dessen gezielter Verkürzung, werde durch eine differenzierte Verhältnismäßigkeitsprüfung sowie durch das Vertrauensschutzprinzip 248 ebenso erreicht 249. Auch das Bundesverfassungsgericht, wiewohl von beiden Seiten als Eideshelfer angeführt 250, unterscheidet zwischen beiden Gesetzeskategorien nicht scharf; es scheint mit der letztgenannten Meinung von einer undifferenzierten Eigentumsbestimmung auszugehen im Sinne einer einheitlichen gesetzlichen Regelungsermächtigung 251. Dieser Ansicht ist zu folgen: Für sie spricht insbesondere, dass sie dem einheitlichen gesetzgeberischen Auftrag zur Konstituierung einer Eigentumsordnung unter Ausgleich von Sozialpflichtigkeit und Privatnützigkeit am ehesten entspricht 252. Darüber hinaus verliert die vermeintlich klare (begriffliche) Trennung zwischen Inhalts- und Schrankennormen ihre dogmatische Funktion weitgehend deshalb, weil auch bei der Formung des Eigentums durch „Inhaltsnormen“ der Gesetzgeber nicht etwa frei ist 253. Der Gesetzgeber hat vielmehr Ausgestaltungsvorschriften zu schaffen, die den eigentumsspezifischen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich in einer dem jeweiligen Sachgebiet entsprechende Funktionstüchtigkeit sichern 254. Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis sind stets Leitbild 255; der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kommt zur Anwendung 256. Damit betont eine Unterscheidung 245 Insbesondere: Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 Rn. 51; Wieland, in: Dreier, Art. 14 Rn. 68; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 307. 246 Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 307. 247 Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 Rn. 51. 248 Dazu näher Papier, in: Maunz/Dürig Art. 14, Rn. 327. 249 Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 Rn. 51. 250 Für die strenge Unterscheidung von Inhalt- u. Schrankenbestimmung z. B. angeführt von Leisner, in: Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 149 Rn. 135 f.; für einen einheitlichen Begriff der Eigentumsbestimmung z. B. von Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 Rn. 51. 251 Siehe z. B. BVerfGE 52, 1, 27; 58, 300, 330; 72, 66, 76. 252 Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 306 f.; so im Ergebnis auch: Wieland, in: Dreier, Art. 14 Rn. 68. 253 Allgemeine Meinung, z. B. Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 60 ff., insbes. Rn. 69; siehe auch Isensee ders./Kirchhof HbStR V, § 111 Rn. 51. 254 Badura, FS Maunz, 8 ff. 255 Sie stellen den institutionellen Kern dar, Wieland, in: Dreier, Art. 14 Rn. 24; ständige Rechtsprechung des BVerfGE, aus neuerer Zeit E 102, 1, 15 (Zustandsstörer). 256 Zu den Anforderungen an Inhaltsnormen nochmals Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 69. Auch die Anforderungen an die Grundrechtskategorie „Ausgestaltung“ allgemein sind in we-
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zwischen Inhalts- und Schrankennormen – soweit sie überhaupt möglich ist – Gegensätze dort, wo letztlich nur graduelle Unterschiede bestehen. Es ist deshalb von einer einheitlichen Regelungsermächtigung und einem einheitlichen Eingriffsbegriff auszugehen. Für den Kabelnetzbetreiber bedeutet dies, dass die ihn in der Nutzung beschränkenden Gesetze, gleichviel wann sie in Kraft traten, Eigentumsbestimmungen und Eingriffe in sein Eigentumsrecht darstellen. Selbst aber wenn man zwischen Inhaltsund Schrankengesetzen differenziert und in jenen den analogen Bereich regelnden Belegungspflichten – sie gehen der Netzprivatisierung voraus – der Tendenz nach „Inhaltsbestimmungen“ sehen wollte, so käme man doch kaum zu einem anderen Ergebnis. Denn aus Art. 87 f Abs. 2 GG kann geschlossen werden, dass der Kabelnetzbetrieb – wenn auch nur für eine juristische Sekunde – „privatwirtschaftlich“, d. h. nach ökonomischen Kriterien gestaltet, gedacht werden muss. Durchleitungsverpflichtungen jeder Art müssen unter diesem Gesichtspunkt als von außen herantretender Eingriff in den durch Art. 87 f Abs. 2 GG geschaffenen „Bestand“ und also als Schrankengesetz verstanden werden 257. Die hier besonderes interessierenden zukünftigen Vorschriften zum Schutz vor vertikaler Integration sind ohnehin nach allen Ansichten Schrankennormen, da sie – als neu geschaffene Regeln – in den derzeitigen Bestand an Kabeleigentum eingreifen würden.
cc) Kabelnutzungsbestimmungen besitzen Eingriffsqualität Abschließend gilt es festzuhalten, dass auch bloße Nutzungsbeschränkung einen nicht unerheblichen Eingriff in das Eigentumsrecht darstellen; denn geschützt ist – wie oben ausgeführt 258 – nicht nur die Eigentumssubstanz im Sinne des Innehabens, sondern auch die Eigentumsnutzung 259. Damit sind auch jene Stimmen abzulehnen, die mit dem Hinweis, die Netzsubstanz selbst bleibe dem Betreiber bei Anwendung der Nutzungsbestimmungen erhalten, in diesen Vorschriften keinen Eingriff erblicken wollen 260. Die Eingriffsqualität ist den Nutzungsregeln weiterhin auch dann nicht abzusprechen, wenn das Recht des Netzbetreibers, Durchleitungssentlichen Bereichen mit Schranken-Schranken deckungsgleich, siehe Jarass, in: ders./ Pieroth, vor Art. 1 Rn. 35, wobei im Einzelnen strittig ist, inwieweit das Erforderlichkeitsgebot zu Anwendung kommt. 257 So zu Recht Aschenbrenner 118 ff.; a. A. wohl Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 f Rn. 83, Fn. 55. 258 Siehe D. II. 2. a) aa). 259 Allgemein: BVerfGE 79, 292, 303 f.; 88, 366, 377; 101, 54, 75; Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 41; Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 14 Rn. 19; bezogen auf die Kabelnetze z. B. Wille/Schulz/ Fach-Petersen, in: Hahn/Vesting, § 52 Rn. 19; Gersdorf, Regelungskompetenzen, 70; a. A. OVG Berlin, siehe sogleich. 260 So OVG Berlin, OVGE (Berlin) 20, 212, 215; ähnlich OLG Hamburg, ZUM 1996, 85, 90; wie hier: Dörr, ZUM 1997, 337, 369; Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 88 f.; ders., Kabeleinspeisung von Programmbouquets, 40 f.; OVG Bremen, ZUM 1997, 250, 257.
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entgelte zu verlangen, unberührt bleibt. Auf eine solche Freiheit, „aus der Fremdnutzung des Gegenstandes finanziellen Ertrag zu ziehen“, ist die Eigentumsfreiheit gerade nicht reduziert 261. Sie umfasst über eine solche Vermögenswertgarantie hinaus – als Element der Handlungsfreiheit 262 – eben auch eine Nutzungsgarantie 263. Jede Nutzungsbestimmung greift deshalb in den Schutzbereich des Art. 14 GG ein. Damit lässt sich zusammenfassen: die gesetzlichen Belegungsvorschriften als Netznutzungsregeln stellen einen Eingriff in das Netzeigentum in Form einer einheitlich zu verstehenden Eigentumsbestimmung dar.
c) Zwischen Privatnützigkeit und Sozialpflichtigkeit (verfassungsrechtliche Rechtfertigung) Schon mehrfach wurde dargelegt, dass der Gesetzgeber bei der Eigentumsbestimmung nicht frei ist: er hat vielmehr der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als auch dessen Sozialpflichtigkeit (Abs. 2) Rechnung zu tragen 264. Das Wohl der Allgemeinheit ist dabei nicht nur Grund, sondern zugleich Grenze der Beschränkungen des Eigentümers265. Der Gesetzgeber darf nur mit geeigneten und erforderlichen Mitteln das Gemeinwohlziel verfolgen. Denn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist auch bei Ausgestaltung der Eigentumsordnung oder – hängt man der Ansicht an, zwischen Inhalts- und Schrankennormen sei zu unterscheiden – bei der Inhaltsbestimmung im Wesentlichen zu wahren 266. Schließlich hat er im Rahmen der Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn) die Rechtgüter in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen 267. Die Grundzüge dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung sollen im Folgenden dargestellt werden, ohne dass dabei der Einzelfallabwägung, die im Hinblick auf jede Regelung der Kabelnutzung gesondert vor261 BVerfGE 79, 292, 304; im Hinblick auf die Kabelnetze z.B. Gersdorf, Kabeleinspeisung von Programmbouquets, 41. 262 Gersdorf, Regelungskompetenzen, 70. 263 Siehe Papier, BB 1997, 1215. 264 BVerfGE 95, 64, 84; 102, 1, 16 f. 265 Ständige Rechtsprechung seit BVerfGE 25, 112, 118; siehe auch: 50, 290, 340; 102, 1, 17. 266 Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 306 ff., insbes. 315; ders. im Zusammenhang mit Netzeigentum, BB 1997, 1215; ähnlich Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 Rn. 62 ff., der aber eine eigentumsspezifische Verhältnismäßigkeitsprüfung fordert; für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der Sozialbindung als Abstandshalter zum bloßen Willkürverbot auch Lerche, in: Isensee/Kirchhof HbStR V, § 122 Rn. 10, insbes. Fn. 30; Depenheuer, in: Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 14 Rn. 232; ebenso die Rechtsprechung: z. B. BVerfGE 52, 1, 29 f., 36 (Kleingarten); 58, 137, 148 ff. (Pflichtexemplar); 79, 174, 198; 100, 226, 240 f.; im Hinblick auf Kabelbelegungsregeln: OVG Bremen, ZUM 1997, 250, 257; zurückhaltend Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 14 Rn. 21. 267 Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn ist nach allen Ansichten auch bei der Ausgestaltung zu berücksichtigen, Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 Rn. 63 a.
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genommen werden muss, vorgegriffen wird; vielmehr geht es darum, die wesentlichen Maßstäbe der Beschränkung von BK-Netzeigentum herauszuarbeiten.
aa) Legitimes Ziel, geeignetes und erforderliches Mittel Ausgangs- und Bezugspunkt für die Bewertung der eigentumsbestimmenden Maßnahme ist der gesetzgeberische Zweck. Verfolgt der Gesetzgeber mit Kabeleigentum belastenden Gesetzen, insbesondere Belegungsregeln, die Sicherung der Meinungsvielfalt im Rundfunk, den Schutz vor privater Vermachtung desselben sowie die Sicherung der Rechte der Veranstalter und Zuschauer 268, so liegt diesem Tun ein legitimes – vom Grundgesetz selbst hoch bewertetes 269 – Gesetzgebungsziel zugrunde 270. Von der Legitimität des gesetzgeberischen Handelns ist umso mehr auszugehen als der Staat hier nicht (nur) aus freiem Antrieb für das Gemeinwohl handelt, sondern ihm eine Aufgabe – dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit im Wege der Auslegung entnommen – seitens des Bundesverfassungsgerichtes zur Erfüllung zugewiesen wurde: der Rundfunkgesetzgeber hat eine positive Ordnung zu schaffen, welche den programminhaltlichen Anforderungen des Rundfunkpluralismus gerecht wird 271. Der Gesetzgeber hat dafür zu sorgen, dass auch das über die BKNetze empfangbare Programmangebot in seiner Gesamtheit diesem Vielfaltsangebot gerecht wird 272. Für die Frage nach der Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit kann im Wesentlichen nach oben zu den Ausführungen im Rahmen der Rundfunkfreiheit verwiesen werden. Dort wie hier werden insbesondere mildere Mittel der Zielerreichung daran scheitern, dass sie die gewünschten Wirkungen nicht mit gleicher Sicherheit hervorzubringen vermögen. 268 Der Schutz der Informationsfreiheit der Zuschauer verliert indes als Normziel von Belegungsregeln an Bedeutung, da der private Netzbetreiber ohnehin überwiegend die Informationswünsche der Kunden befriedigt u., soweit er nach dem Vermarktungsmodell arbeitet, sogar ausschließlich für den Kunden tätig wird; hinzu kommt die oben dargestellte größere Wahlfreiheit zwischen den Übertragungswegen. Soweit dagegen eine Schutzpflicht des Gesetzgebers für die Informationsfreiheit angenommen wird, die ihn verpflichte, Kabelbelegungsregeln zum Schutz von Minderheiten zu erlassen (so Nauheim 128 f.; siehe auch Dörr, ZUM 1997, 357), erscheint dies fraglich. Denn einmal passt das Schutzpflichtmodell kaum auf das privatrechtliche „Dienstleistungsverhältnis“ zwischen Netzbetreibern u. Kabelkunden, zum anderen werden Minderheiteninteressen nach dem Modell der Grundversorgung bereits von den – aufgrund der Rundfunkfreiheit ohnehin einzuspeisenden – öffentlich-rechtlichen Vollprogrammen abgedeckt (dazu Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 748). Unberührt bleibt aber davon die Bedeutung der Informationsfreiheit als Abwehrrecht gegen bestimmte hoheitliche Belegungsvorgaben, dazu Bullinger, ZUM 1997, 301 ff.; siehe allgemein auch Wille/Schulz/Fach-Petersen, in: Hahn/Vesting, § 52 Rn. 18. 269 Siehe BVerfGE 97, 228, 260. 270 Siehe schon oben bei der Rundfunkfreiheit, D. I. 3. b). 271 Grundlegend: BVerfGE 12, 205, 263; zur Pflicht des Gesetzgebers, eine positive Ordnung aufzubauen auch: BVerfGE 57, 295, 320; 83, 238, 296; 95, 220, 236. 272 Siehe BVerfGE 73, 118, 196 ff., insbes. 199; Wille/Schulz/Fach-Petersen, § 52 Rn. 16 f.
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bb) Angemessener Eingriff Ein Eingriff ist dann angemessen, wenn er nicht außer Verhältnis zum angestrebten Zweck steht 273. Übertragen auf die gesetzgeberische Eigentumsbestimmung bedeutet dies: im Rahmen der Angemessenheit sind im eigentlichen Sinne die Interessen „in gerechten Ausgleich“ zu bringen, Privatnützigkeit und Sozialpflichtigkeit ins rechte Verhältnis zu setzen 274. Dabei sind dem Gebot praktischer Konkordanz 275 folgend widerstreitende Rechtsgüter, hier vor allem Rundfunkfreiheit und Eigentumsgewährleistung, in ihrer jeweiligen Wirksamkeit zu optimieren, jedenfalls nach beiden Seiten hin in schonenden, verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen 276. Damit diese Abwägung nicht in die Beliebigkeit führt 277, sind Einzelpunkte abzuschichten: Zunächst ist nach der Eigenart des Eigentums an den BK-Netzen zu fragen278, dann nach Art und Schwere des Eingriffs 279 sowie nach dem Maß der sozialen Verflochtenheit des Eigentums 280, weiterhin ist nach der relativen Bedeutung des Eingriffszweckes zu fragen 281, genauer danach, welcher Rang abstrakt 282 dem Eingriffsziel (Meinungsvielfalt) gegenüber dem Eigentum gebührt. Schließlich ist noch auf den Sonderfall der Netznutzung für eigene Zwecke (eigenveranstaltete Programme) einzugehen.
273 BVerfGE 50, 217, 227; 80, 103, 107; Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 20 Rn. 86; auch Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 VII Rn. 76. 274 BVerfGE 100, 226, 240 f.; 102, 1, 16 f.; auch Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 310. 275 K. Hesse, allgemein für die Verfassungsinterpretation Rn.72; speziell für die Begrenzung von Grundrechten, Rn. 317 ff.; die praktische Konkordanz beschränkt sich nicht auf die Angemessenheit, sondern setzt bereits voraus, dass der Eingriff geeignet u. verhältnismäßig ist. 276 Der von Lerche zunächst nur für den Fall unmittelbaren Zusammentreffens kollidierender Verfassungsgüter entwickelte Gedanke des nach beiden Seiten hin schonendsten Ausgleichs (ders., Übermaß, 153) ist mittlerweile einerseits insofern verallgemeinert worden, als er auf jede Güterabwägung angewandt wird, andererseits abgeschwächt worden, da nicht der optimal schonende („schonendste“), sondern nur der angemessene, verhältnismäßige Ausgleich gefordert wird; etwa BVerfGE 63, 133, 144; 81, 278, 292; zum Ausgleichsgebot bei Eigentumseingriffen BVerfGE 50, 290, 340 (Mitbestimmung); zum Ganzen Lerche, in: Isensee/ Kirchhof HbStR V § 122, Rn. 5. 277 Grundsätzlich kritisch gegenüber der „Abwägungslehre“ beim Eigentum Leisner, in: Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 149 Rn. 145 ff. 278 Zu den „Arten“ des Eigentums Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 89 ff. 279 BVerfGE 31, 229, 243; Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 14 Rn. 40. 280 BVerfGE 53, 257, 292; 101, 54, 75 f.; 102, 1, 17; kritisch Leisner, in Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 149 Rn. 162 ff. 281 Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 97. 282 Die eigentliche Abwägung kann nur angesichts der konkret eingreifenden Norm vorgenommen werden, nur in Kenntnis derselben kann beurteilt werden, ob der Eingriff nicht außer Verhältnis zum Zweck steht. Gleichwohl können Maßstäbe der Abwägung gebildet werden.
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aaa) Art des geschützten Eigentums (1) Netzeigentum als Anteilseigentum Im Schrifttum wird die Reichweite des Eigentumsschutzes nach Art. 14 GG für die Netzbetreiber mit dem Argument beschränkt, die Grundrechtsträger seien Unternehmen, bei denen ein personales Substrat „nur recht blass“ in Erscheinung trete; ihr lediglich gesellschaftsrechtlich vermitteltes Eigentum weise keinen nennenswerten personalen Bezug auf 283. Das darf freilich nicht so verstanden werden, dass das Grundgesetz unterschiedlich stark – je nach dem Grad ihres persönlichen Bezuges – geschützte Eigentumsarten voraussetzt; vielmehr ist von einer einheitlichen Eigentumsgarantie auszugehen 284. Auch darf die Grenze zwischen Eigentum einer Gesellschaft und Eigentum an einer Gesellschaft, sog. Anteilseigentum, nicht verwischt werden 285: Letzteres vermittelt Eigentum an die natürliche Person; der Gesellschafter ist also mittelbarer Eigentümer des Eigentums der Gesellschaft. Das Bundesverfassungsgericht spricht von Anteilseigentum als „gesellschaftsrechtlich vermitteltem Eigentum“ 286, so dass der Gebrauch dieser Wendung in der Literatur 287 für das – gerade nicht vermittelte – Eigentum der Netzgesellschaft zumindest missverständlich ist, jedenfalls können mit diesem zunächst auf das Anteilseigentum bezogenen Argument nicht gesteigerte Sozialpflichten begründet werden 288. Die Netzbetreiber„gesellschaft“ hält das Netz „unvermittelt“ in ihrem Eigentum; gerade auch dieses Eigentum zu schützen, ist Aufgabe des Art. 14 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG. In der Person des Netzbetreibers fallen die Freiheit zum Eigentumsgebrauch, die Entscheidung über diesen und die Zurechnung der Gebrauchswirkungen im Sinne von Konnexität zusammen, so dass die Prämissen, unter denen das Bundesverfassungsgericht dem gesellschaftsrechtlich vermittelten Eigentum höhere Sozialbindung 283 Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 93; ders., Regelungskompetenzen, 77; Dörr, ZUM 1997, 369; zustimmend Aschenbrenner 150 f.; Wille/Schultz/Fach-Petersen, in: Hahn/Vesting, § 52 Rn. 19. 284 Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 89 ff.; Depenheuer, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 Rn. 279. 285 Leisner, in: Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 149 Rn. 115. 286 BVerfGE 14, 263, 276; 25, 371, 407; 50, 290, 341 ff. 287 Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 93; ders., Regelungskompetenzen, 77; Dörr, ZUM 1997, 337, 369; Aschenbrenner 151. 288 Insbesondere in der Mitbestimmungsentscheidung (E 50, 290 ff.) wird vom Bundesverfassungsgericht klar zwischen Anteilseigentum (342ff.) u. Eigentum der Gesellschaft (351 f.) unterschieden; die Ausführungen in dem Urteil zum gesellschaftsrechtlich vermittelten Eigentum betreffen allein das Anteilseigentum, über das Eigentum der Gesellschaft wird in der Mitbestimmungsentscheidung wenig ausgesagt: „Das [Mitbestimmungs-]Gesetz berührt nicht die Außenbeziehungen der Gesellschaften; diese werden insoweit weder in der Nutzung ihres Eigentums noch in der Verfügung über ihr Eigentum betroffen.“ (351; Hervorhebung durch den Verfasser).
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ansinnt 289, gerade nicht vorliegen. Aus der Sicht der juristischen Person des Netzeigentümers ist die freie Eigentumsbefugnis über das Netz essentielle Eigentumsfunktion, das Netz ist für den Netzbetreiber keine Kapitalanlage, sondern betriebsnotwendiges Eigentum. Netznutzungsbefugnis ist der Seinszweck der juristischen Person Netzbetreiber; es liegt so gesehen gerade ein starker personaler Bezug vor. Richtig ist aber: die Funktion des Eigentums als Betriebsvermögen ist eine andere als die Funktion persönlichen Hab und Gutes 290. Insbesondere ist Betriebsvermögen weiter vom Kern jeder Freiheitsverbürgung, nämlich der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, entfernt als das persönliche Eigentum der natürlichen Person. Dem Eigentümer betrieblich genutzten Eigentums kann mithin mehr zumutbar, dort der unbedingt geschützte Eigentumskern kleiner sein als bei konsumtiven Eigentum als unmittelbarstem Ausdruck persönlicher Entfaltung. Der personale Bezug ist also Umstand der Abwägung und stets relativ im Verhältnis zu den mit der Einschränkung bezweckten Zielen zu sehen, nicht aber Ausdruck eines von vornherein, also absolut, nur schwach geschützten Eigentums minderer Art. Bedeutung erlangt deshalb auch die Überlegung, welchen personalen Bezug die durch Eigentumsbeschränkung zu schützenden (anderen) Rechtsgüter aufweisen291. Im Falle des Rundfunknetzbetriebs stehen als Träger der Rundfunkfreiheit ebenfalls ausnahmslos juristische Personen im Raum, ja die Rundfunkfreiheit ist typischerweise kein Grundrecht der natürlichen Person 292; an der direkten Frontstellung Betriebseigentum gegen persönliche Freiheit fehlt es insofern; das personale Substrat der Rundfunkfreiheit dürfte vielmehr in seiner Funktion für die – letztlich stets höchstpersönliche – freie Meinungsbildung wurzeln. „Personales Substrat“ schon auf Ebene der Grundrechtsträgerschaft wird hingegen sichtbar, wenn man auf die Informationsfreiheit der Rundfunknutzer abstellte. (2) Netzeigentum als Leistungseigentum Darüber hinaus klingt in der Literatur teilweise an, das Eigentum am Kommunikationsnetz der ehemaligen Bundespost sei von vornherein mangels Leistungsbezug weniger geschützt, da es aufgrund staatlicher Verwaltungstätigkeit mit Steuergeldern und damit ohne eigentumstypische individuelle Anstrengung und eigentumstypische Risiken errichtet sei 293. Dies darf jedoch jedenfalls nach der Privatisierung der Netze keine Rolle (mehr) spielen: die Leistung – falls man Leistungseigentum BVerfGE 50, 290, 342. Dieses ist besonders stark geschützt, Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 Rn. 4 u. 13; siehe auch BVerfGE 100, 226, 241; 102, 1, 17 m. w. N. 291 So ging es in der Mitbestimmungsentscheidung im Wesentlichen um die persönliche Freiheit der Arbeitnehmer, nämlich um die Bedingungen, unter denen sie ihr Grundrecht auf Berufsfreiheit ausüben; BVerfGE 50, 290, 349. 292 Deutlich: Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rn. 114. 293 So für das schmalbandige Telefonnetz: Fuhr/Kerkhoff, MMR 1998, 10 f. 289 290
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überhaupt als Eigentumskategorie anerkennen will 294 – liegt in der Zahlung des Kaufpreises durch die privaten Erwerber der Netze 295. Der Fiskus und damit der Steuerzahler ist mit dem Kaufpreis in Höhe des Marktwertes vollständig entschädigt 296. Die „öffentlich-rechtliche Vergangenheit“ der Netze stellt auch bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht etwa einen Startvorteil der Netzbetreiber dar. Im Gegenteil: die derzeitigen Probleme der Netzbetreiber, ihr Eigentum gewinnbringend zu nutzen, rühren unter anderem von dem nicht ökonomischen, sondern politischen Zielen folgenden Netzaufbau her 297. Insofern tragen die Netzbetreiber noch eine „fortwirkende Gemeinlast“ 298, die ihre Sozialpflichtigkeit wenn nicht sogar reduzieren, dann jedenfalls doch nicht verstärken kann. Schließlich verbietet auch Art. 87 f Abs. 2 Satz 1 GG aus der „Abstammung“ des Netzbetreibereigentums auf eine höhere Sozialpflichtigkeit zu schließen: wenn nämlich diese Vorschrift eine privatwirtschaftliche Leistungserbringung im Bereich der Telekommunikation fordert, dann darf auch die entsprechende Infrastruktur allein an den für privatwirtschaftliche Tätigkeit geltenden Maßstäben gemessen werden und nicht „kraft Herkunft“ anderen, insbesondere gemeinwirtschaftlichen Anforderungen unterworfen werden 299. (3) Netzeigentum als Monopoleigentum An die „Eigentümervergangenheit“ der Kabelnetze knüpft auch ein dritter Argumentationsstrang an: die starke Sozialbindung gerade der Eigentumsart Netzeigentum sei Ausgleich der vormals rechtlich gesicherten Monopolstellung, die in der Vergangenheit jede private Initiative etwa zum Ausbau von Parallelinfrastrukturen unterbunden habe 300. Dieses Argument des besonders sozialpflichtigen, weil rechtlich abgesicherten Monopoleigentums leuchtet ein301; je länger aber die Marktöff294 Zu Recht ablehnend z. B. Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 92; ebenso Depenheuer, Mangoldt/Starck/Klein, Art. 14 Rn. 280 f. jedenfalls im Bereich vermögenswerter Positionen des Privatrechts; in diese Richtung auch das BVerfGE 95, 64, 82, wenn es im Hinblick auf mit öffentlichen Mitteln geförderte Sozialwohnungen ausführt: „Auf die Frage, ob u. inwieweit ein vermögenswertes Recht sich als Äquivalent eigener Leistung darstellt, kommt es bei privatrechtlichen Eigentumspositionen nicht an.“ 295 Aber auch soweit das Netz noch – im Wege der Rechtsnachfolge erlangten – Eigentum der DTAG liegt, dürfte damit keine besondere Sozialpflichtigkeit verbunden sein, da die DTAG auch enorme Lasten mitübernommen hat (allein über 50 Milliarden EUR Pensionslasten), so zu Recht Stern/Dietlein, RTkom, 1999, 5 f. 296 Noch drastischer Engel, MMR-Beilage 3/1999, 8 im Bezug auf das schmalbandige Telefonnetz: Die Allgemeinheit habe bereits „Kasse gemacht“ u. sich den Gegenwert der Investition auszahlen lassen. 297 Im Gegensatz zum lukrativen Telefonnetz waren die Fernsehkabelnetze für die Deutsche Bundespost stets defizitär; VPRT/TKLM, Kabelnetze II, 43 ff. u. 57 f. 298 Bullinger, ZUM 1997, 285. 299 Siehe Stern/Dietlein, RTkom, 1999, 5 f. 300 Fuhr/Kerkhoff, MMR 1998, 11; unter Hinweis auf das frühere Gebietsmonopol in der Gasversorgung Papier, BB 1997, 1215. 301 Kritisch aber Büdenbender, WuW 2000, 132.
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nung zurückliegt 302, je länger der Wettbewerb sich rechtlich ungehemmt entfalten darf, desto weniger haftet dem Kabelnetzeigentum noch das „Kainsmerkmal“ des vormals bestehenden rechtlichen Monopols an. Gerade angesichts des Wettbewerbs durch den Satellitenempfang, dem sich der Kabelrundfunkempfang in Zukunft verstärkt ausgesetzt sieht 303, kann der Rückgriff auf eine – von vornherein stark sozial gebundene – Kategorie des Monopoleigentums immer weniger überzeugen. Insbesondere solchen Stimmen in der Literatur, welche die Sozialpflichtigkeit des Netzeigentums noch an dessen rechtlicher Monopolstellung festmachen304, kann unter den gewandelten Bedingungen des deutschen Telekommunikationsmarktes nicht mehr gefolgt werden.
(4) Netzeigentum als privilegiertes Eigentum Im Zusammenhang mit rechtlichen Privilegien als Grundlage gesteigerter Sozialpflichtigkeit soll noch auf folgende in der Literatur angeführte Argumentation eingegangen werden: so wird im Bereich der Energieversorgung eine besondere Verpflichtung von Netzbetreibern als Folge der ihnen eingeräumten Sonder-, insbesondere Enteignungsrechte, beim Netzaufbau angenommen305. Die rechtliche Eigenart des Netzeigentums liegt hier also nicht in seinem Erwerb aufgrund eines Monopolrechts, sondern in einer Erleichterung der Schaffung von Netzeigentum zu Lasten des Eigentums Dritter. Auch dem Kabelnetzbetreiber stehen insofern geringfügige Sonderrechte nach § 57 Abs. 1 TKG zu, so insbesondere der Duldungsanspruch gegenüber Grundstückseigentümern auf Errichtung von Telekommunikationslinien, soweit das Grundstück dadurch nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt wird (§ 57 Abs. 1 Nr. 2 TKG) 306. Diese Begünstigung findet ihre Rechtfertigung in der herausgehobenen volkswirtschaftlichen Bedeutung, die Netzbetreibern im System des Art. 87 f GG zugewiesen ist 307. Daraus können jedoch keine großen Schlüsse für eine besondere Sozialpflichtigkeit des Eigentums an BK-Netzen gezogen werden. 302 Mit Aufhebung des Netzmonopols durch Inkrafttreten des TKG zum 1.8.1996 steht es jedem Privaten seit über sechs Jahren auch auf der Netzebene 3 frei, Kabelfernsehnetze zu errichten; siehe auch Schütz, MMR 1998, 12. 303 Zu den wirtschaftlichen Freiheiten gerade der konkurrierenden ausländischen Satellitenbetreiber, Gersdorf, Regelungskompetenzen, 75, sowie oben B. II. 1. a). 304 Bullinger/Gödel, § 5 LMedienG, Rn. 10; sich darauf aber noch beziehend: Gersdorf, Regelungskompetenzen, 78 sowie Dörr, ZUM 1997, 369. 305 Papier 22; ders., BB 1997, 1216; Fehling, AöR 121 (1996), 92 f.; sehr deutlich auch Hermes 480 ff., der den Energienetzbetreibern die Grundrechtsfähigkeit abspricht, soweit das Netz aufgrund von Enteignungen errichtet wurde. 306 Näher zu Inhalt u. Ausgestaltung dieses Duldungsanspruches Schuster, MMR 1999, 139 ff.; Schütz, in: Büchner u. a., § 57 Rn. 9 ff.; § 57 TKG ist keine Enteignung sondern Inhaltsu. Schrankenbestimmung, BVerfG NJW 2000, 798, 799. 307 Zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von § 57 Abs.1 Nr. 2 TKG siehe BVerfG NJW 2000, 798, 799 sowie Schuster, MMR 1999, 138.
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Denn einmal sind die den Grundstückseigentümern nach dem abgestuften, an § 906 BGB angelehnten 308 System des § 57 TKG abverlangten Opfer nicht sehr hoch 309. Zum anderen rechtfertigt das Angebot von Telekommunikationsdienstleistungen schlechthin bereits die Privilegierung. Konkrete Belegungsregeln mit dem Hinweis auf die mit § 57 TKG verbundenen Vorteile zu rechtfertigen, hieße deshalb, diesen Vorteil zu überkompensieren. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Netzeigentum an den Breitbandkabelnetzen stellt keine von vornherein besonders sozialpflichtige Eigentumskategorie dar; das Grundgesetz geht vielmehr von einem einheitlichen Eigentumsbegriff aus. Gleichwohl wird bei jeder Abwägung zu beachten sein: Eigentum an den Kabelnetzen dient der Freiheitsentfaltung seiner Träger im Wirtschaftsleben. Eigentum, das dieser Sphäre zuzuordnen ist, liegt nicht in gleichem Maße im Mittelpunkt der Privatnützigkeit, ist nicht derart „sozialfest“ wie Eigentum, dessen der Bürger zur persönlichen Freiheitsentfaltung notwendig bedarf. Die rechtlichen und tatsächlichen Bedingungen des Netzbetriebes in der Vergangenheit können für die zukünftige Sozialbindung nur noch sehr beschränkt Argumente liefern, gewisse Begünstigungen des Netzeigentums zu Lasten Dritter dürfen nicht überkompensiert werden. bbb) Art und Ausmaß des Eingriffs Weiterhin ist nach Art und Ausmaß des Eingriffs zu fragen. Positive und negative Belegungsregeln gleich welcher Art schränken die freie Nutzung des Netzeigentums ein. Die Intensität der Belastung kann aber im Einzelfall ganz unterschiedlich sein. Folgende Maßstäbe sollen die Beurteilung erleichtern: Der von der Belegungsregel ausgehende Eingriff ist als umso schwerer zu werten, je weiter er sich von der Marktrationalität entfernt. So stellt z. B. eine Must-Carry-Verpflichtung derart, dass alle mit Stabantenne ortsüblich empfangbaren Programme einzuspeisen sind, eine nur geringe Einschränkung der freien Nutzung des Netzes dar, da ein attraktives Kabelgesamtprogramm diese Sender ohnehin wird anbieten müssen. Umgekehrt belastet eine Verpflichtung, Minderheitenprogramme oder sog. Offene Kanäle 310 einzuspeisen, den Netzbetreiber stärker. Als intensiv sind darüber hinaus solche Eingriffe zu beurteilen, welche die subjektive Eigentumsfunktion vereiteln, so etwa wenn der Zweck des Netzerwerbes gerade darin liegt, eigenen Programmen Verbreitungsmöglichkeiten zu verschaffen, dies durch negative Belegungsregeln aber untersagt wird. Dabei kann nach eigentumsfremden Zwecken, deren Beschränkung im Rahmen der Sozialpflichtigkeit eher hinzunehmen ist, und eigentumstypischen Zwecken, an deren Vereitelung hohe Anforderungen zu stellen sind, differenziert werden. Eigentumsfremde Zwecke verfolgt etwa die Vereitelung von Wettbewerb, wie Schütz, in: Büchner u. a., § 57 Rn. 10. Siehe insbesondere den Ausgleichsanspruch in § 57 Abs. 2 Satz 1 TKG. 310 Z. B. § 52 Abs. 3 Nr. 2 RStV; Gersdorf, AfP 1997, 424, bezeichnet pointiert solche Programme mit marginalen Einschaltquoten als „Blindenprogramme“. 308 309
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beispielsweise eine Durchleitungsverweigerung von Konkurrenzprodukten angesichts freier Kapazitäten und zur „Abschirmung“ des abgeleiteten Marktes vor Wettbewerb 311; hier ist ein Einschreiten als Eingriff geringer Intensität anzusehen 312. Anders wird dies zu beurteilen sein, wenn der Netzbetreiber „eigene“ Programme in der Mangellage bevorzugt; dieses eigentumstypische Verhalten zu unterbinden, greift weitreichend in seine Eigentümerbefugnisse ein313. Schließlich muss die Eingriffsintensität vor dem Hintergrund sich wandelnder Geschäftsmodelle gesehen werden. Da in der Vergangenheit das Transportmodell vorrangig verfolgt wurde, lag die Privatnützigkeit des Eigentums dem Schwerpunkt nach in der Erzielung von Durchleitungsentgelten gleich für welches Programm. Bei einem im Vordringen befindlichen Vermarktungsmodell beruht die Wirtschaftlichkeit überwiegend auf der inhaltlichen Zusammensetzung des Angebots. Im Vergleich zum Wettbewerber wird sie zum entscheidenden Faktor. Enge Nutzungsregeln stellen angesichts der geänderten Eigentumsfunktion im Vergleich zur Vergangenheit einen stärkeren Eingriff dar.
ccc) Maß der sozialen Verflochtenheit Weiterhin sind die sozialen Beziehungen zu berücksichtigen, in die sich das Eigentum gestellt sieht. Das Bundesverfassungsgericht geht dabei von einer Abstufung der Sozialpflichtigkeit des Eigentums je nach Grad seiner sozialen Verflochtenheit aus. Die Befugnis des Gesetzgebers zum Eingriff geht also um so weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem „sozialen Bezug“ und in einer „sozialen Funktion“ 314 steht 315. Anders gewandt: die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers verengt sich, je mehr Eigentumsnutzung und Verfügung in der Eigentümersphäre bleiben. Gradmesser der sozialen Funktion des Eigentums ist vorrangig das Ausmaß, in dem der Dritte auf das fremde Eigentum angewiesen ist: insbesondere wenn er des Eigentums zu seiner Freiheitssicherung und verantwortlichen Lebensgestaltung bedarf, umfasst das grundgesetzliche Gebot einer am Gemeinwohl orientierten Nutzung die Pflicht zur Rücksichtnahme auf den Nichteigentümer316. 311 Siehe Papier 22 f.; dieses Argument kann nur für den vertikal integrierten Netzbetreiber gelten, da nur er auch auf anderen Marktstufen als dem Netzbetrieb selbst tätig ist. 312 Siehe Papier, BB 1997, 1216. 313 Sehr deutlich für Energienetze: Papier, BB 1997, 1219: „Art. 14 GG gewährleistet dem (Netz-)eigentümer ... das Recht der Eigennutzung. Sie darf er aufgrund von Durchleitungsbegehren weder einstellen noch reduzieren müssen.“; Herdegen, in: FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, 290; Büdenbender, WuW 2000, 129 ff.; dazu ausführlich sogleich unter eee). 314 Sehr kritisch zum Funktionsbegriff Leisner, in: Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 149 Rn. 39 ff.; insbes. Rn. 45: „Funktionalismus ist einer der gefährlichsten Begriffe für die Freiheit“. 315 BVerfGE 50, 290, 340 f.; 70, 191, 201; 95, 64, 84 f.; 102, 1, 17; Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 111. 316 BVerfGE 50, 290, 340 f.; 68, 361, 368; 84, 382, 385.
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Exemplarisch deutlich wird diese Rechtsprechung im Hinblick auf das Grundeigentum: Grund und Boden ist nicht vermehrbar, endlich 317. Auf ihre Nutzung, insbesondere als Bau- und Agrarland, sind die Bürger angewiesen 318. Endlichkeit und Angewiesenheit sind also wesentliche Begründungsstränge gesteigerter Sozialpflichtigkeit des Grundeigentums. Das Grundeigentum kann so gesehen Modell stehen, um möglichst rechtssicher Art und Ausmaß sozialer Bindungen des Netzeigentums zu bestimmen 319, wobei Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen beiden Eigentumstypen zu berücksichtigen sind. (1) Knappe Ressource Im Gegensatz zu Grund und Boden sind Kabelrundfunkkapazitäten mehrbar. Insofern unterscheiden sie sich auch von terrestrischen Frequenzen, deren Anzahl physikalisch vorgegeben ist. Alternativnetze aufzubauen, macht jedoch regelmäßig (volks-)wirtschaftlich keinen Sinn 320. Die Sozialpflichtigkeit des Breitbandkabels dürfte also nicht der physischen, sondern der wirtschaftlichen Endlichkeit der Ressource erwachsen. Gleichwohl werden Grenzen der Sozialpflichtigkeit deutlich: je mehr alternative Übertragungskapazitäten zur Verfügung stehen, desto mehr schwindet die Sozialpflichtigkeit des Netzeigentums 321; das Maß sozialer Gebundenheit der Kabelnetze ist mithin keine feste Größe, sondern abhängig von Zahl und Leistungsfähigkeit alternativer Zugänge 322. Die oben erläuterten Zugangsalternativen, allen voran der Satellitenempfang, haben damit direkten Einfluss auf den Grad der Sozialpflichtigkeit. In besonderer Weise gilt damit für das Kabelnetzeigentum, was das Bundesverfassungsgericht auch für andere Eigentumsobjekte festgestellt hat: das Maß grundgesetzlichen Eigentumsschutzes kann sich im Lichte wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Veränderungen wandeln 323. In der Möglichkeit eines „Bypasses“ zeigen sich auch Unterschiede des BK-Netzeigentums zu anderen Arten Dagegen wenig überzeugend: Depenheuer, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 14 Rn. 286 f. Siehe zum Ganzen: Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 112. 319 Für eine Parallele zwischen Sozialpflichtigkeit des Netzeigentums u. des Grundstückseigentums auch Fehling, AöR 121 (1996), 88 ff., der wesentlich auf die Rechtsfigur der Situationsgebundenheit abstellt; zu diesem Topos näher Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 116 ff. 320 Papier, BB 1997, 1216 für Energieleitungsnetze; soweit ders., 1216 f., darüber hinaus dem Staatsziel Umweltschutz (Art.20 a GG) eine Verpflichtung des Staates entnimmt, den Bau von Parallelleitungen zu verhindern, erscheint das auf die BK-Netze nicht übertragbar. Für die Kabelnetze kann angesichts (unterirdisch verlegter) ressourcenschonender Glasfaserkabel u. den stets reversiblen Schäden bei den Verlegearbeiten der Umweltschutz keine entscheidende Rolle spielen. 321 Zu Recht Thierfelder 42. 322 So auch Gersdorf, Regelungskompetenzen, 78 f. 323 BVerfGE 52, 1, 30 ff. zur gewandelten Aufgabe des Kleingartens von der Lebensmittelerzeugung zur Erholungseinrichtung u. dem dadurch erstarkenden Eigentümergrundrecht; zu den sich wandelnden Anforderungen im Bereich der Sozialpflichtigkeit von Wohnungseigentum Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 106. 317 318
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des Netzeigentums: während z. B. Strom und Gas zwingend netzgebunden und damit keine Zugangsalternativen in Sicht sind 324, kann Rundfunk auch ohne „Leiter“, insbesondere durch Satellit verbreitet werden. Im Ergebnis besteht für das Kabelnetz mithin nicht nur keine physische Unvermehrbarkeit, sondern auch nur eine eingeschränkt wirtschaftliche Endlichkeit der Transportkapazität 325. (2) Angewiesenheit Dritter Zweiter wichtiger Faktor ist die Abhängigkeit Dritter vom grundrechtlich geschützten Eigentum 326: Rundfunk ist auf Weiterverbreitung angewiesen. Daraus folgt zweierlei: Die Träger der Rundfunkfreiheit, können von der ihnen zugewiesenen Freiheit nur Gebrauch machen, wenn sie ihre Produkte auch weiterverbreiten können. Die Zuschauer können ihr durch Art. 5 GG ebenfalls geschütztes Informationsinteresse nur befriedigen, wenn die Rundfunkveranstaltung weiterübertragen wird 327. Berührung fremder Grundrechtssphären ist gerade das Wesen der Telekommunikation 328. Ist damit die Weiterverbreitung conditio sine qua non der Grundrechtsausübung Dritter, so ist damit noch nichts über die Weiterverbreitung gerade über Breitbandkabel gesagt. Auch hier wird man wieder feststellen können: Je mehr der Grundrechtsträger essentiell auf das Kabelnetz angewiesen ist, desto eher kann der Gesetzgeber unter Berufung auf Art. 14 Abs. 2 GG dem Kabelnetzbetreiber Beschränkungen auferlegen 329, anders gewendet: Je mehr Zugangsalternativen bestehen, desto weniger ist der dritte Grundrechtsträger auf das geschützte Eigentumsobjekt angewiesen und desto weniger können dem Eigentümer unter diesem Gesichtspunkt Einschränkungen angesonnen werden. So ist beispielsweise ein Rundfunkteilnehmer mit Satellitenempfang auf die Kabelweiterleitung gerade nicht angewiesen. Vermehrbarkeit und Angewiesenheit als Maßstab sozialer Eigentumsbindung durch das Grundgesetz stehen somit in einem direkten Verhältnis: je mehr desto weniger. 324 Ausführungen über die Sozialpflichtigkeit von Energienetzen (Gas/Strom) sind deshalb nur eingeschränkt, nämlich unter Berücksichtigung dieses grundlegenden Unterschiedes auf die Breitbandkabelnetze übertragbar. 325 Das Argument einer aufgrund der Mangellage bei Rundfunkübertragungskapazität gesteigerten Sozialpflichtigkeit (beispielhaft: Gersdorf, AfP 1997, 428) ist deshalb in Ansehung der tatsächlichen Kapazitäten zu relativieren. 326 Kritisch zu diesem Begründungsmuster: Depenheuer, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art.14 Rn. 285: aus der schlichten Faktizität des Angewiesenseins könne nicht unvermittelt ein Eigentumsgegenrecht erwachsen, sowie Leisner, in: Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 149, Rn. 161 ff. 327 OVG Bremen, ZUM 1997, 250, 257; wohl zu weitgehend Gersdorf, Regelungskompetenzen, 78: die Verwirklichung „sämtlicher“ durch das GG geschützten Freiheiten sei zunehmend auf das Netzeigentum angewiesen sowie auch Stettner 63 f.: „Die einzelnen Kabelkunden sind zu ihrer Freiheitssicherung u. verantwortlichen Lebensgestaltung auf das im Kabel transportierte Rundfunksignal angewiesen“. Zur abnehmenden Bedeutung der Informationsfreiheit siehe schon oben D. II. 2. c) aa). 328 Gersdorf, Regelungskompetenzen, 77 f.; zustimmend: Aschenbrenner 151. 329 Dörr, ZUM 1997, 369 (allerdings unter der in Zukunft zunehmend angreifbaren Prämisse, der Kabelnetzteilnehmer habe keine Ausweichmöglichkeit).
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Selbstredend können letztlich nur solche die freie Eigentumsnutzung einschränkende Regelungen mit Hinweis auf das Angewiesensein Dritter gerechtfertigt werden, die eben diesen Dritten auch zu Gute kommen. So sind Vorschriften, die den freien, chancengleichen Zugang regeln, eher zu rechtfertigen als starre Belegungsregeln, die den durch sie nicht Begünstigten gerade zum Nachteil gereichen. Auch Belegungsregeln etwa, die sich nicht an den Wünschen der Zuschauer orientieren, können deshalb nicht damit gerechtfertigt werden, die Zuschauer seien auf eben diese Regeln zur Ausübung ihrer Informationsfreiheit angewiesen 330. Weiterhin ist darauf zu achten, dass Grad und Ausmaß der Angewiesenheit Dritter stets objektiv zu bestimmen sind. Andernfalls entwickelte dieses Begründungsmuster eine – von subjektiven Interessen vermeintlich Angewiesener entfachte – Eigendynamik 331. Das legitime, mit dem Gemeinwohl aber nicht deckungsgleiche Interesse der Veranstalter an für sie wirtschaftlich optimalen Verbreitungsbedingungen darf deshalb nicht unbesehen unter den Vorzeichen der Angewiesenheit zu Lasten der Netzbetreiber verwirklicht werden 332.
ddd) Rundfunk bricht Eigentum? – abstrakte Güterabwägung Bei der Bestimmung der Sozialpflichtigkeit im Wege des schonenden Ausgleichs muss weiter berücksichtigt werden, welcher Wert dem mit einem Eingriff verfolgten Ziel zukommt 333. Je höherrangig die mit dem Eingriff angestrebten gesetzgeberischen Zwecke relativ, d. h. in Ansehung der Eigentumsgewährleistung, sind, desto stärkere Einschränkungen hat der (Netz-)Eigentümer hinzunehmen, desto mehr ist die Sozialpflichtigkeit gesteigert. Dahinter steht letztlich die Frage, ob, wie und in welchem Umfang sich – unabhängig vom Einzelfall und also abstrakt – ein Vorrang der Rundfunkfreiheit vor der Eigentumsfreiheit begründen lässt, kurzum: ob in einer gedachten Rangordnung der Grundrechte Rundfunk Eigentum bricht. Die Frage ist strittig: Teils wird der Rundfunkfreiheit eine solche überwiegende Bedeutung beigemessen 334; teils jedenfalls eine pauschale Vorrangstellung gegenüber anderen Grundrechten verneint 335. 330 Denkbar wäre allenfalls, die Notwendigkeit von Kollisionsregeln bei widerstreitenden Nutzerinteressen anzuerkennen; eine dahingehende, der Informationsfreiheit entnommene Schutzpflicht erscheint aber wie ausgeführt äußerst fraglich. 331 Auf diese Gefahr weist zu Recht hin Leisner, in: Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 149, Rn. 163 f. 332 In diese Richtung aber Gersdorf, Regelungskompetenzen, 79, wonach eine Regulierung, insbesondere der Entgelte, zulässig sei, solange nicht ein jeder tatsächlich die Möglichkeit besitze, seine Angebote im Netz zu übermitteln. 333 Wendt, in: Sachs, Art. 14 Rn. 97. 334 Deutlich: Gersdorf, AfP 1997, 427 f.; siehe auch Aschenbrenner 100 f. 335 Schumacher 101 f.; wohl auch Vesting, Kabelkanalbelegung, 82 ff.
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Am Anfang jeder Abwägung muss die Überlegung stehen, dass die Grundrechte – vielleicht einmal die an prominenter Stelle in Art. 1 GG festgeschriebene Verbürgung der Menschenwürde ausgenommen 336 – auf gleicher Stufe stehen 337. Die Wertordnung des Grundgesetzes ist also grundsätzlich keine Wertrangordnung 338. Eine abstrakte Vorrangstellung der Rundfunkfreiheit gegenüber anderen Grundfreiheiten ist damit nicht ohne weiteres vereinbar 339, jedenfalls bedarf sie praktisch vorsichtiger Anwendung und dogmatisch sorgfältiger Begründung. Zur dogmatischen Absicherung eine Präponderanz der Rundfunkverbürgung wird einmal die Schutzpflichtlehre 340 oder – ihr ähnlich – das Modell einer „Rundumfreiheit“ 341 bemüht, zum andern unter den Vorzeichen der Gleichbehandlung von Veranstalter und Netzbetreiber in Anlehnung an die Dogmatik zu Art. 5 Abs. 2 Satz 1 GG die allein dienende 342 Eigentumsfreiheit postuliert 343. Ausschlaggebend dürfte hingegen – soweit man eine Vorrangstellung nach dem oben Gesagten überhaupt annehmen will – letztlich die funktional-demokratische Bedeutung der Rundfunkfreiheit sein. (1) Schutzpflicht und Rundumfreiheit Die Schutzpflichtdogmatik 344 schließt die „offene Flanke“ 345 des Grundrechtsschutzes: Diese wird darin gesehen, dass zwar der in die grundrechtliche Freiheit des anderen eingreifende Bürger gegenüber dem Staat seine Grundrechte geltend machen könne, das Eingriffsopfer aber bei rein abwehrrechtlicher Sicht grundrechtlich ungeschützt sei. Die Grundrechte wirkten als „Privileg des RechtsbreIn diese Richtung BVerfGE 75, 369, 380; Höfling, in: Sachs, Art. 1 Rn. 10 f. Grundsätzlich für die abstrakte Gleichwertigkeit der Grundrechtsgewährleistungen v. Münch, in: ders./Kunig, Vorb. Art. 1–19 Rn. 46; Bethge 269; Bumke 100; zurückhaltend gegenüber Rangfolgen auch Lerche, in: Isensee/Kirchhof HbStR V, § 122 Rn. 24, allerdings auf vorbehaltlose Grundrechte bezogen. In der Rechtsprechung (speziell zum Verhältnis von Eigentum u. Kommunikationsfreiheit) BVerfGE 90, 27, 34. 338 Siehe Sachs, in: ders., Vor Art. 1 Rn. 123. 339 Schumacher 100 f.; so hat auch das BVerfG jedenfalls im Verhältnis zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht einen abstrakten Vorrang der Rundfunkfreiheit ausdrücklich verneint, E 35, 202, 225 (Lebach). 340 Aschenbrenner 99 ff. 341 Gersdorf, AfP 1997, 428; siehe auch ders., Kabeleinspeisung von Programmbouquets, 186 ff.; ders., Chancengleicher Zugang, 100 ff. 342 Nicht in der rechtlich-inhaltlichen Begründung, wohl aber begrifflich wird damit das „Dienen“ der Technik, wie es vormals das BVerfG (E 12, 205, 227) aus der Kompetenzordnung der Verfassung u. dem Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens für die Rundfunknetze im Eigentum der Bundespostverwaltung abgeleitet hatte, in die Zeit nach der Postreform II perpetuiert. 343 Siehe Gersdorf, AfP 1997, 427 ff., insbes. 429. 344 Siehe allgemein: Sachs, in: ders., vor Art. 1 Rn. 35 mit Nachweis der Rechtsprechung (in Fn. 69); v. Münch, in: ders./Kunig, Vorb. Art. 1–19 Rn. 22. 345 Isensee, in: ders./Kirchhof HbStR V, § 111 Rn. 85. 336 337
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chers“ 346. Die Schutzpflichtkonstruktion führt somit von dem in der Grundrechtsdogmatik ehedem vorherrschenden zweiseitigen Spannungsverhältnis Bürger Staat in ein dreiseitiges. Überträgt man die Schutzpflichtkonstruktion auf das Verhältnis Netzbetreiber Rundfunkveranstalter, so wäre der Netzeigentümer der Störer, der Veranstalter das Opfer und der Staat aufgerufen, sich schützend vor den Veranstalter zu stellen. So gewinnt z. B. Aschenbrenner dem Prinzip nach aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG eine Schutzpflicht des Staates, die abstrakt zugleich die Sozialpflichtigkeit des Eigentums steigern soll: nach der Gesetzmäßigkeit kommunizierender Röhren fordere die der Rundfunkfreiheit zu entnehmende Schutzverpflichtung, die Befugnisse des Eigentümers zu beschränken 347. In ähnliche Richtung – allerdings ohne direkten Rückgriff auf das Schutzpflichtmodell 348 – geht die Argumentation Gersdorfs, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 begründe eine „Rundumfreiheit“ 349. Die aus der Rundfunkfreiheit dem Staat erwachsene Aufgabe, eine positive Ordnung zu schaffen, soll ein „Gegengewicht“, gemeint ist im Ergebnis ein Übergewicht, gegenüber der Eigentumsfreiheit darstellen. Die dem Gesetzgeber aufgegebene Verpflichtung, den Rundfunk vor jeder – auch privaten – außerpublizistischen Indienstnahme zu schützen 350, wird damit zum Hebel, widerstreitende Grundrechtspositionen Dritter, hier der Netzeigentümer, abzuschwächen. Diese Begründungen eines abstrakten Vorranges der Rundfunkfreiheit werfen Fragen auf 351. Nicht völlig unproblematisch in dogmatischer Hinsicht erscheint der Versuch (z. B. Aschenbrenners 352), die an Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG entwickelte Schutzpflichtlehre auf die Rundfunkfreiheit zu übertragen dann, wenn man mit dem Bundesverfassungsgericht und der ihm folgenden Meinung die objektiv-rechtlichen Gehalte des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auf Kosten des subjektiv verstandenen Freiheitsrechtes betont 353. Denn die Schutzpflichtlehre setzt ein subjektives Freiheitsrecht voraus, dessen Gefährdung der Staat abzuwehren hat; prototypisch eben Gefahren für Leben und körperliche Unversehrtheit 354. Die Schutzpflicht korresIsensee, in: ders./Kirchhof HbStR V, § 111 Rn. 85. Aschenbrenner 100. 348 Gersdorf, AfP 1997, 429, spricht allerdings auch von „Schutzwirkung“; Parallelen zeigen sich ebenfalls in dem Begriff „Rundumfreiheit“ (ders., AfP 1997, 428), da die Schutzpflichtlehre das Grundrecht „erga omnes“ schützt (Isensee, in: ders./Kirchhof HbStR V, § 111 Rn. 85). 349 Gersdorf, AfP 1997, 428 f.; siehe auch ders., Kabeleinspeisung von Programmbouquets, 186 ff. sowie Chancengleicher Zugang, 100 ff. 350 BVerfGE 95, 220, 234. 351 Kritisch gegenüber „Rundum“-Grundrechten – allerdings in ihrer Wirkung gegen Art. 5 GG – Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rn. 177 a. 352 Aschenbrenner 100 f.; in die gleiche Richtung allerdings bei Anerkennung einer stärker subjektiv verstandenen Rundfunkfreiheit, Flitsch 146 f. 353 Dies wird auch von Aschenbrenner 100, Fn. 363, erkannt, aber nicht näher thematisiert; ders. auch schon 98, Fn. 354; für eine Anwendung des Schutzpflichtkonzepts in „nicht hinreichend autonom regulierbaren Bereichen wie ... den Medien“ auch Pieroth/Schlink Rn. 92. 354 Grundlegend BVerfGE 39, 1, 41 ff. für das (ungeborene) Leben. 346 347
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pondiert also mit dem Abwehrrecht und entspricht ihm in thematischer Reichweite 355. Insofern erscheint es fraglich, inwieweit aus einem nur beschränkt abwehrrechtlich verstandenen Art. 5 Abs. 2 Satz 1 GG eine Schutzpflicht gewonnen werden kann: die durch die Schutzpflichtlehre bezweckte Verknüpfung von subjektiver Freiheit und objektiver Verpflichtung zu deren Schutz will ohne Anerkennung ersterer nicht zwanglos gelingen. Die Rundfunkfreiheit als staatliches Pflichtenprogramm zur Schaffung einer positiven Ordnung steht strukturell dem Staatsziel, zu nennen sind beispielsweise das Demokratie 356- oder Sozialstaatsprinzip, näher; diese Staatsziele liegen indes gerade außerhalb des Anwendungsbereichs der Schutzpflichtlehre als Grundrechtstheorie 357. Damit soll Maß und Bedeutung der Verpflichtung, die das Bundesverfassungsgericht der objektiven Dimension der Rundfunkfreiheit entnimmt und dem Gesetzgeber zur Sicherung der Rundfunkfreiheit aufgibt, nicht gemindert werden; allein die Aufwertung dieser Verpflichtung durch die subjektive Seite der Rundfunkfreiheit kann dieser Ansicht zu Art. 5 GG wohl nicht gelingen 358. Jedenfalls kann sich eine objektive Schutzpflicht wohl kaum zu einem subjektiven Anspruch 359 des Trägers der Rundfunkfreiheit auf staatlichen Schutz verdichten 360. Denn dann entstünde letztlich das Paradox eines (fast) nur drittschützenden Grundrechts 361. Fraglich ist weiterhin, inwieweit der Netzbetreiber überhaupt rechtswidrig in die Veranstalterrechte eingreift 362. Dabei ist zu bedenken, dass Netzbetreiber und Veranstalter grundsätzlich privatautonom über die Einspeisung verhandeln. Das VerZum Ganzen Isensee, in: ders./Kirchhof HbStR V, § 111 Rn. 93. Widersprüchlich insofern Flitsch 146, der die Schutzpflichtenlehre anwenden, gleichzeitig aber offen lassen will, ob sich die Verpflichtung des Staates zur Sicherung aus Art. 5 GG o. aus Art. 20 GG ableiten lässt. Jedenfalls auf Art. 20 GG ist die an Art. 2 Abs. 2 GG entwickelte Lehre nicht übertragbar, siehe die folgende Fn. 357 Isensee, in: ders./Kirchhof HbStR V, § 111 Rn. 96. 358 Ein Rückgriff auf die Schutzpflichtlehre, wenn man auf diese dogmatisch nicht verzichten zu können glaubt, wird deshalb besser an die – indes für den Netzbetrieb zunehmend bedeutungslose – Informationsfreiheit anknüpfen. Siehe in diese Richtung auch Dörr, ZUM 1997, 360 f. 359 Ob aus der Schutzpflichtenlehre überhaupt subjektive Rechte folgen ist strittig, wird aber von der h. M. bejaht, Isensee, in: ders./Kirchhof HbStR V, § 111 Rn. 183 ff. 360 In diese Richtung aber der vom BVerfG geschaffene Grundrechtbeachtungsanspruch, der aus der objektiv-rechtlichen Seite entwickelt wird. Wörtlich heißt es: „Die objektiv-rechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers dient aber auch der Sicherung der grundrechtlichen Position des Rundfunkveranstalters im Rahmen der vom Gesetzgeber zulässigerweise geschaffenen Rundfunkordnung; ihr Sicherungszweck wäre gefährdet, wenn die Betroffenen keine Möglichkeit hätten, eine Pflichtverletzung geltend zu machen“ (BVerfGE 97, 298, 313). 361 Auf die Spitze getrieben hieße das: der private Veranstalter kann aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG kein subjektives Recht auf Rundfunkveranstaltung herleiten, wohl aber einen Anspruch auf den Schutz dieser Tätigkeit vor ihren Gefährdungen durch Dritte. 362 Erst ein solcher Eingriff o. zumindest die entsprechende Gefahr desselben löst nach der Schutzpflichtlehre die das Rechtsgut des Störers belastende Maßnahmen aus; siehe Isensee, in: ders./Kirchhof HbStR V, § 111 Rn. 97 ff., zu der Voraussetzung einer nicht autonom regulierbaren Grundrechtskollision, Pieroth/Schlink Rn. 92. 355 356
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hältnis zwischen Netzbetreiber und Veranstalter lässt sich weniger in den Kategorien Täter und Opfer als vielmehr – wenn überhaupt – mit den Attributen verhandlungsmächtig und verhandlungsschwach beschreiben; dies sind aber gerade nicht die typischen Kategorien des Schutzpflichtprinzips 363. An dieser Stelle zeigt sich zum wiederholten Mal die Bedeutung von alternativen Übertragungswegen. Je zahlreicher Alternativen der Rundfunkweiterverbreitung den in ihren Grundrechten tangierten Veranstaltern und Zuschauern zur Verfügung stehen, desto größeren Raum gewinnt der privatautonome Ausgleich der kollidierenden Positionen und desto mehr verliert das Schutzpflichtmodell an Überzeugungskraft. Weiterhin kann auch aus dem Schutzpflichtmodell oder der „Rundumfreiheit“ für das Verhältnis von Rundfunkfreiheit und Eigentumsschutz deshalb nicht viel gewonnen werden, weil die Abwägungsproblematik nur auf eine andere Ebene verlagert wird. Denn Schutzpflichten des Staates bestehen auch für das Eigentum364; ihn trifft die Aufgabe, es nicht nur vor staatlichen, sondern auch vor Eingriffen durch Dritte zu schützen. Eine Aussage dahingehend, allein das Bestehen der Schutzpflicht oder allein der Auftrag an den Gesetzgeber, eine positive Ordnung zu schaffen, lasse im Kollisionsfall das andere Schutzgut zurücktreten, kann deshalb gerade nicht getroffen werden 365. Eine Bewertung der konkreten Schutzgüter bleibt durch das Schutzpflichtmodell oder die Rundumfreiheit nicht erspart. Das Schutzpflichtmodell verlagert nur die Entscheidungsebene von der Frage nach der vorrangigen Grundrechtsverbürgung auf die Frage nach der vorrangigen Schutzpflicht, dem vorrangigen gesetzgeberischen Regelungsauftrag. Schließlich ergeben sich auch in tatsächlicher Hinsicht Zweifel: die Prämisse, Freiheit des Netzeigentums und die durch eine staatliche Schutzpflicht begünstigte Rundfunkfreiheit verhielten sich wie „kommunizierende Röhren“, mehr Beschränkung der einen, führe zu Freiheitszuwächsen auf Seiten der anderen 366, lässt die Anreizfunktion der Eigentumsfreiheit außer Acht: erst die Aussicht auf durch Art. 14 GG geschützte Nutzungsfreiheit ermutigt unter den Bedingungen eines privatwirtschaftlich organisierten (Art. 87 f Abs. 2 GG) Telekommunikationsmarktes zum Kapazitätsauf- und ausbau 367. Große Netzkapazitäten eröffnen wiederum dem Pluralismus Raum.
363 Siehe auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Handelsvertreterrecht (BVerfGE 81, 242, 252 ff.) sowie Isensee, in: ders./Kirchhof HbStR V, § 111 Rn. 131. 364 Isensee, in: ders./Kirchhof HbStR V, § 111 Rn. 93; Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 14 Rn. 33 f. m. w. N. 365 In dieser Tendenz aber Aschenbrenner 101: bereits aus der für ein Grundrecht (hier die Rundfunkfreiheit) bestehenden Schutzpflicht bewege sich das „Pendel“ in eine bestimmte Richtung. 366 Aschenbrenner 100. 367 Zu diesem wichtigen Aspekt auch Herdegen, FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, 290.
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(2) Nur dienendes Eigentum Gersdorf bleibt in seiner Begründung nicht bei dem Argument stehen, Rundfunk sei eine „Rundumfreiheit“, sondern stützt die These von der Eigentumsfreiheit als im Verhältnis zur Rundfunkgewährleistung „untergeordneter Freiheit“ schließlich auf das Postulat einer Gleichbehandlung von (Netz-)Eigentümern und den Trägern der Rundfunkfreiheit, allen voran den Veranstaltern. Es leuchte nicht ein, warum das Grundrecht der Rundfunkfreiheit privaten Rundfunkveranstaltern ein Höchstmaß an (publizistischen) Pflichten abverlange, die Rundfunkveranstalter also ihre wirtschaftlichen Interessen ihrem publizistischen Auftrag unterordnen müssten, während private Netzbetreiber ihre Kabelnetze nach Maßgabe ökonomischer Determinanten betreiben dürfen sollten 368. Die Einschränkungen, die der Träger der Rundfunkfreiheit hinzunehmen habe, müssten auch dem Netzeigentümer angesonnen werden, der sich dem Schutzgut des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in Ausübung seiner grundrechtlichen Freiheiten nähere 369. Die dienende Rundfunkfreiheit finde in der Sozialpflichtigkeit des Netzeigentümers ihre „Entsprechung“ 370. Der nach dem Bundesverfassungsgericht und der ihm folgenden Meinung der Rundfunkfreiheit eigentümliche, aber auch einzigartige Bauplan wird damit auf andere Grundrechte extrapoliert; die Eigentumsfreiheit mutiert zum bloßen Funktionsgrundrecht371. Mag auch die dogmatische Sonderstellung der Rundfunkfreiheit – wiewohl angreifbar 372 – in ihrem eigenen Schutzbereich berechtigt sein, so muss doch jedenfalls eine Erstreckung dieses rundfunkspezifischen Ausgestaltungsvorbehaltes auf andere Grundrechte vermieden werden; der Ausnahme- darf nicht zum Regelfall werden. Zum einen beruht die dogmatische Sonderstellung des Rundfunks auf seiner faktischen Sondersituation, früher Frequenzmangel373, heute ökonomisch bedingte Vielfaltsgefährdung, die auf andere Grundrechtsbereiche nicht übertragen werden kann. Zum anderen ist zwar richtig, dass Art. 14 Abs. 2 GG besonders die mit der Freiheitsgewährung einhergehenden Pflichten betont und – im Gegensatz zu Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG – sich das Wort „dienen“ im Verfassungstext findet. Vom „zugleich“ dienenden (Art. 14 Abs. 2 GG) 374 zum „nur“ dienenden Eigentum ist es jedoch ein (nicht nur begrifflich) weiter Schritt: Das Rundfunkgrundrecht ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes seinem Träger nicht „zum Zweck Gersdorf, AfP 1997, 429. In diese Richtung auch Aschenbrenner 106, Fn. 390; sowie im Ergebnis für eine Übertragung der Vorrangstellung der Rundfunkfreiheit bei Grundrechtskonkurrenz auch auf die Grundrechtskollision, 149 f. 370 Gersdorf, Regelungskompetenzen, 79. 371 Grundsätzlich kritisch gegenüber einer funktionalisierten Eigentumsverbürgung, Leisner, in: Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 149 Rn. 39 ff. 372 Siehe dazu ausführlich oben D. I. 1. c). 373 Grundlegend BVerfGE 12, 205, 261. 374 Das BVerfG hat aus diesem Wortlaut z. B. geschlussfolgert, dass die steuerliche Gesamtbelastung in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater u. öffentlicher Hand verbleiben müsse (BVerfGE 93, 121, 138). 368 369
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der Persönlichkeitsentfaltung oder Interessenverfolgung“ 375 gewährt, Privatnützigkeit und ein Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich stellen dagegen den Ausgangspunkt des Eigentumsschutzes dar. Schließlich will das Bundesverfassungsgericht bei ausgestaltenden Eingriffen 376 in die Rundfunkfreiheit jeden nicht ungeeigneten und angemessenen Eingriff genügen lassen 377; das Verhältnismäßigkeitsprinzip in allen seinen Ausformungen gehört dagegen zu den „Bastionen“ des Eigentümers 378, auch bei der Inhaltsbestimmung 379. Die angesichts der Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit vom Bundesverfassungsgericht gewährte „freie Hand“ kann nicht auch noch auf die Eigentumsgewährleistung übertragen werden 380. Die sich zwischen Netzeigentum und Rundfunkfreiheit ergebende Spannung hat das Bundesverfassungsgericht vielmehr bereits früh erkannt, aber bewusst hingenommen 381. Ist damit im Ergebnis eine Angleichung der Wirtschaftsfreiheiten an die Rundfunkfreiheit abzulehnen, so könnte die Feststellung einer in der Tat auffälligen Ungleichbehandlung von privatem Netzbetreiber und Rundfunkveranstalter auch Anlass geben, umgekehrt die Rundfunkfreiheit vorsichtig wieder der allgemeinen Grundrechtsdogmatik anzunähern. Der Schluss aus der Ungleichbehandlung von Rundfunkveranstaltung und -verbreitung auf eine geschwächte Grundrechtsposition des Netzeigentums ist also nicht unbedingt zwingend.
(3) Funktional-demokratischer Bonus Zuzustimmen ist Gersdorf jedoch, wenn er eine Vorrangstellung der Rundfunkfreiheit gegenüber der Eigentumsfreiheit der Netzbetreiber weiterhin darin erblickt, dass der Rundfunkfreiheit eine herausragende Funktion in der freiheitlichen Demokratie zukommt 382. Das Bundesverfassungsgericht hat auf die Bedeutung des Fernsehens – ebenso wie der Presse – für die Willensbildung in der Demokratie wiederStändige Rechtsprechung z. B. BVerfGE 87, 181, 197. Nochmals zum Unterschied zwischen Ausgestaltung u. Beschränkung im Rundfunkrecht: Kloepfer, § 14, Rn. 8; Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rn. 154 ff. 377 BVerfGE 73, 118, 166; 87, 181, 198: Der Gesetzgeber genieße bei der Ausgestaltung „weitgehende Freiheit“; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art.5 I, II Rn.168 m.w. N.; Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 28 ff. 378 Papier, in: Maunz/Dürig, Art.14 Rn. 308, 315; Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 Rn. 62; BVerfGE 50, 290, 341; 58, 137, 148; 79, 174, 198. 379 Nicht unbestritten, zurückhaltend z. B. Bryde, in: v. Münch/Kunig, Art. 14 Rn. 63 f. 380 So auch Aschenbrenner 153 f. 381 So heißt es schon im ersten Rundfunkurteil: „Aus Art. 5 GG kann nicht hergeleitet werden, dass die Veranstalter von Rundfunksendungen notwendig Eigentümer oder Verfügungsberechtigte über die sendetechnischen Anlagen sein und als Veranstalter notwendig auch das Recht besitzen müssten, diese Anlagen zu betreiben.“ (BVerfGE 12, 205, 263). 382 Gersdorf, AfP 1997, 428 sowie ders., Chancengleicher Zugang, 96 f., der hier den Vergleich zieht zur allgemeinen Dogmatik der Meinungsfreiheit im Widerstreit zum Persönlichkeitsgrundrecht; dazu ausführlich Flitsch 101 ff. 375 376
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holt hingewiesen 383. Aus dieser funktional-demokratischen Komponente der Rundfunkfreiheit lässt sich ein Übergewicht der Rundfunkfreiheit gegenüber dem Eigentum und damit eine gesteigert Sozialbindung ableiten; man könnte von einem „funktionalen Bonus“ 384 sprechen. Der Vergleich zur Presse – auch hier wird man aufgrund der Bedeutung für die Willensbildung des Volkes von einem Vorrang gegenüber dem Eigentum sprechen können – zeigt, dass diese Präponderanz nicht notwendig Ausfluss oder gar Ausgleich der Indienstnahme der Träger der Rundfunkfreiheit ist 385. Vielmehr verleiht allein die Anbindung der Rundfunkfreiheit an das Demokratieprinzip dieser mehr Gewicht.
(4) Verfassungskräftige Gegengewichte Zu große Schlussfolgerungen darf man aus dem Gesagten allerdings nicht ziehen. Das folgt bereits aus dem Abwägungsziel des schonenden Ausgleichs der beiden Rechtsgüter, der Forderung also, dass jede Rechtspositionen „Wirklichkeit gewinnen“ 386 muss. Weiterhin wird man zu beachten haben, dass nicht nur die Rundfunkfreiheit als kollidierendes Verfassungsgut funktional durch Art. 20 GG „aufgeladen“, sondern dem Rundfunknetzeigentum ebenfalls und zwar durch Art. 87 f Abs. 2 GG verfassungskräftig „der Rücken gestärkt“ wird. Zwar stellt Art. 87 Abs. 2 GG – wie sich bereits aus Wortlaut und systematischer Stellung ergibt – kein Grundrecht der Telekommunikationsunternehmer dar. Da Art. 87 f Abs. 2 GG aber auch jedenfalls die materielle Privatisierung fordert, also nicht nur Tätigkeit in den Formen, sondern auch im Geiste des Privatrechts, namentlich der Privatautonomie, gibt er dem Staat das Ziel einer privatwirtschaftlichen Ordnung im Bereich der Telekommunikation vor. Dieses Privatisierungs(staats)ziel des Art. 87 f GG verbietet eine Rückverstaatlichung und schiebt der verwaltungsmäßigen Erbringung solcher Dienstleistungen einen Riegel vor 387. Mit Art. 87 f GG wäre es auch nicht vereinbar, den Konflikt zwischen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 14 GG dergestalt zu lösen, dass die Rundfunkfreiheit gänzlich die Oberhand gewönne. Ein ausschließlich der Rundfunkfreiheit dienendes Netzeigentum wäre nämlich funktional rückverstaatlicht. Das gilt selbst dann, wenn die Netze für ihren Eigentümer noch profitabel wä383 BVerfGE 35, 202, 221 f.: „schlechthin konstituierend für die freiheitlich-demokratische Grundordnung“; grundlegend auch BVerfGE 12, 212, 260 ff. (Deutschlandfernsehen). 384 Der Begriff wird ursprünglich verwendet von Flitsch 104 im Hinblick auf die Vermutungsformel des Bundesverfassungsgerichtes, die besondere Funktion der Meinungsfreiheit in der freiheitlichen Demokratie führe zu einer „grundsätzlichen Vermutung für die Freiheit der Rede ...“, BVerfGE 7, 198, 208. 385 So aber Gersdorf, AfP 1997, 428: „Dieser Indienststellung des Trägers des Grundrechts der Rundfunkfreiheit korrespondiert seine Privilegierung gegenüber den wirtschaftlichen Interessen der Netzbetreiber.“ 386 K. Hesse Rn. 72. 387 Gersdorf, AfP 1997, 426; Bullinger/Mestmäcker 83 f., sprechen von einer Sperre gegen eine beliebige Ausdehnung der Rundfunkverbürgung.
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ren, die Vermögenswertgarantie also noch gewahrt würde. Denn Qualitätswettbewerb ist neben Preiswettbewerb die zweite tragende Säule privatwirtschaftlicher Tätigkeit; ohne ihn verdiente unternehmerische Tätigkeit nicht mehr den Namen privatwirtschaftlich. Übertragen auf das Netzeigentum bedeutet dies: zu den Eigentümerbefugnissen gehört zwingend ein Mindestmaß an inhaltlicher Auswahlfreiheit 388 und unternehmerischem Spielraum 389. Aufs Ganze gesehen ist der Vorsprung der Rundfunkfreiheit damit, wenn sich Quantifizierungen nicht ohnehin verbieten, nur relativ geringfügig. Den Funktionsbonus überschätzt, die Sozialpflichtigkeit überdehnt deshalb die Literatur, wenn sie beispielsweise nahelegt, „ein jeder“ müsse „tatsächlich“ die Möglichkeit besitzen, seine Rundfunkangebote zu übermitteln 390. Denn ebensowenig wie das Grundgesetz mit Art. 14 GG dem Eigentümer jede Nutzungsmöglichkeit und den größtmöglichen Gewinn garantiert 391, sichert die Rundfunkfreiheit „einem jeden“ Veranstalter den Zugang zum Kunden. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG hat nicht zum Inhalt, Rundfunkveranstaltung unternehmerisch risikofrei zu stellen. Vielmehr hat auch der Rundfunkunternehmer grundsätzlich den Vertrieb seiner Produkte selbst zu organisieren und „zu erkaufen“. Damit lässt sich festhalten: das durch die Regel des schonenden Ausgleichs geforderte Kräfteparallelogramm von Rundfunk- und Eigentumsfreiheit verschiebt sich bei abstrakter Betrachtung der Tendenz nach zugunsten der Rundfunkfreiheit. Das hat seine Ursache weniger in der dogmatischen als vielmehr in der funktionalen Besonderheit der Rundfunkfreiheit, nämlich ihrer Bedeutung für die Meinungsbildung im demokratischen Verfassungsstaat. Wieweit die Rundfunkfreiheit die Eigentumsgewährleistung zu beschneiden vermag, kann nur im Einzelfall entschieden werden; die verfassungsrechtliche Grundsatzentscheidung für eine privatwirtschaftliche Weiterverbreitung von Rundfunk setzt aber dem Übergewicht der Rundfunkfreiheit Grenzen. Weiterhin stellt bei der notwendigen Abwägung die abstrakte Gütergewichtung nur einen Umstand neben den oben genannten weiteren Beurteilungskriterien dar. eee) Vorrang des Eigenbedarfs Schließlich soll nachfolgend noch kurz – im Vorgriff auf Kapitel E, aber unmittelbar mit der Eigentümerstellung des Netzbetreibers aus Art.14 GG verknüpft – auf einen Sonderfall eingegangen werden, der nur sog. vertikal integrierte Netzbetrei388 Ähnlich Aschenbrenner 191: Entlasse man den Telekommunikationsbereich in die privatrechtliche Freiheit, so könne man nicht in demselben Atemzug diese Freiheit mit einer Rundfunkhypothek versehen, die eine private Entwicklung ausschließe. 389 Siehe so zu Art. 87 f Abs. 2 GG Badura, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 87 f Rn. 29. 390 In diese Richtung Gersdorf, Regelungskompetenzen, 79; zustimmend: Dörr, ZUM 1997, 369 f. 391 BVerfGE 58, 300, 345 (Nassauskiesung).
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ber 392 betrifft: Zu prüfen ist, welchen Schutz die Eigentumsgewährleistung – über das Gesagte hinaus – einem Betreiber bietet, der sein Netz für eigenveranstaltete Rundfunkprogramme nutzen möchte 393. Gesetzliche Belegungsregeln greifen – wie oben gezeigt – in das Nutzungsrecht des Netzeigentümer ein und zwar auch dann, wenn der Netzeigentümer sein Eigentum ohnehin für die Weiterverbreitung fremder Programme nutzt. Der Eingriff liegt dann in der Beschränkung der Auswahlfreiheit, welche Programme der Eigentümer einspeisen darf. Noch schwerwiegender ist aber der Eingriff im vorliegenden Fall. Denn der Netzeigentümer, der selbst Programme veranstaltet, wird durch Belegungsregeln zugunsten dritter Veranstalter gezwungen, seinen eigenen Wettbewerber zu fördern. Die Eingriffsintensität erhöht sich dabei noch wesentlich, wenn der Netzbetreiber weitergehend verpflichtet wird, nicht nur angesichts freier Netzkapazitäten Programme anderer Programmveranstalter einzuspeisen 394, sondern auch in der Mangellage eigene Produkte im Verhältnis zu Programmen der Konkurrenz nur gleich oder sogar nachrangig zu verbreiten. Die folgenden Überlegungen konzentrieren sich deshalb auf die letztgenannte Konstellation, die zugleich eine „Fundamentalfrage“ 395 der Netznutzung darstellt. Den Ausgangspunkt der abstrakten verfassungsrechtlichen Beurteilung bildet die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Eigenbedarf bei vermieteten Wohnungen. Demnach gehört zur Substanz des Eigentums auch die Freiheit, dieses selbst zu nutzen. Das grundrechtlich geschützte Eigentum könne – so das Gericht – nicht auf die Freiheit beschränkt werden, aus der Fremdnutzung des Gegenstandes finanziellen Ertrag zu erzielen. Eine gesetzliche Regelung, welche den Willen des Eigentümers, sein Eigentum zu eigenen Zwecken zu nutzen, unberücksichtigt lasse, sei mit Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht zu vereinbaren 396. Überträgt man diese Rechtsprechung auf die Nutzung des BK-Netzes397, gilt Folgendes: Der Eigentumsschutz der Übertragungsinfrastruktur umfasst dem Grundsatz nach auch deren Nutzung zu eigenen Zwecken. Das heißt der Netzbetreiber darf, jedenfalls in angemessenem Umfang und nach Erfüllung der alle Netzbetreiber treffenden Belegungspflichten (z. B. Must-Carry) seinen Eigenbedarf vorrangig beEine genaue Definition des vertikal integrierten Betreibers findet sich unten E. I. Diese Situation gleicht im Wesentlichen der Lage im Bereich der Energiewirtschaft, wo Netzbetrieb u. Nutzung regelmäßig zusammenfallen. Netzzugangsansprüche im Energierecht werden behandelt u. a. von Papier 17 ff.; ders., BB 1997, 1213 ff.; ders., in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 521; Schmidt-Preuß, AG 1996, 5 ff., Büdenbender, WuW 2000, 119 ff., insbes. 129 ff.; ders., RdE 1999, 1 ff. 394 Solche Regelungen dürften nach h. M. noch hinzunehmen sein, da die Nichteinspeisung fremder Programme angesichts freier Kapazitäten eine „eigentumsfremde Nutzung“ des Netzes darstellt, siehe Papier, BB 1997, 1216 m. w. N. 395 Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 325. 396 BVerfGE 79, 292, 304; siehe auch 81, 29, 34; Hervorhebung durch den Verfasser. 397 Eine solche Parallele dürfte wegen der ähnlichen Interessenlage ohne weiteres zulässig sein; so auch Büdenbender, WuW 2000, 133 f.; einschränkend hingegen Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 329, Fn. 209. 392 393
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friedigen. Auch die ganz herrschende Meinung in der Literatur dürfte ein solches Recht des Netzbetreibers, seinen eigenen Bedarf vorrangig zu decken, befürworten 398. Gleichwohl sind Stimmen laut geworden, die einen solchen Vorrang bestreiten 399. So soll beispielsweise ein solches Vorrecht deshalb zu verneinen sein, weil der Netzbetreiber ansonsten abgeleitete Märkte monopolisieren könnte 400 und sein Eigentum am Netz durch Enteignungen erlangt habe401. Dem wird man – jedenfalls im Bezug auf die BK-Netzbetreiber – im Einzelnen entgegenhalten können, dass allein aufgrund der Must-Carry-Belegung und der Existenz anderer Übertragungswege eine Monopolisierung der abgeleiteten Märkte durch Netzbetreiber äußerst unwahrscheinlich ist und die nur geringfügigen Enteignungen für den BK-Netzbetrieb keine wesentlichen Eigentumsbeschränkungen der Netzbetreiber rechtfertigen können 402. Ein gesetzlich angeordneter Vor- oder Gleichrang der Programme fremder Veranstalter begegnet aber auch grundlegender Kritik. Denn eine solche Regelung verletzt das Art. 14 GG immanente Gebot gerechter Abwägung 403, wonach eine einseitige Bevorzugung (hier der Durchleitungsinteressen fremder Veranstalter) mit den verfassungsrechtlichen Vorstellungen eines sozial gebundenen Privateigentums nicht mehr in Einklang steht 404. Ein Netzbetreiber nämlich, der das Netz nur nachrangig für eigene Zwecke nutzen könnte, müsste überwiegend in fremdem Interesse – nämlich dem anderer Programmveranstalter – tätig werden. Damit würde die durch Art. 14 GG verbürgte – über die bloße Vermögenswertgarantie gerade hinausgehende – privatautonome Entscheidung im vermögensrechtlichen Bereich 405 unangemessen eingeschränkt 406 und das Netzeigentum nicht „zugleich“ (Art. 14 Abs. 2 398 So Papier, BB 1997, 1215 f.; ders., in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 521 a. E.; Herdegen, FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, 290; Schmidt-Preuß, AG 1996, 8; Büdenbender, WuW 2000, 129 ff.; ders., RdE 1999, 2 (wo er zwischen Mutter- u. Tochterunternehmen noch weiter differenzieren will) jeweils bezogen auf Energienetze, aber insofern erst Recht auf die Kabelnetze anwendbar, da Rundfunk im Gegensatz zu Strom u. Gas nicht leitungsgebunden ist u. die Anforderungen an verhältnismäßige Einschränkungen der Nutzung des BK-Netzes deshalb eher höher sind. 399 BKartA WuW/E DE-V 149, 155 f. (Berliner Stromdurchleitung); im Ergebnis zustimmend Haus, WuW 1999, 1191 f.; Fehling, AöR 91 (1996), 91 ff.; ablehnend („mit Art. 14 GG nicht vereinbar“) Büdenbender, WuW 2000, 129 ff. 400 So BKartA WuW/E DE-V 149, 155 f. in Bezug auf die Stromdurchleitung; näher zu dieser Entscheidung unten E. IV. 1. c) cc) bbb) (1) (d). 401 So Fehling, AöR 91 (1996), 92. 402 Dazu schon ausführlich oben D. II. 2. c) bb) aaa) (4). 403 Dazu Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 310. 404 Siehe aus neuerer Zeit BVerfGE 87, 114, 138 f.; 91, 294, 308. 405 Siehe Bryde, in: von v. Münch/Kunig, Art. 14 Rn. 61; Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 335. 406 Abzulehnen ist daher die Ansicht des BKartA (WuW/E DE-V 149, 155), wonach durch die Entgeltlichkeit der Durchleitung die Netze auch im Falle ihrer Nutzung durch Dritte stets ihrem bestimmungsgemäßen u. wirtschaftlich sinnvollen Gebrauch zugeführt werden. Zu bestimmen, was der bestimmungsgemäße u. wirtschaftliche Gebrauch ist, liegt jedenfalls im Ansatz in der privatautonomen Entscheidung des Eigentümers, der nicht „Vollstrecker“ (Papier, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 335) fremder Interessen ist.
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Satz 2 GG), sondern vorrangig heteronomen Zielsetzungen dienen 407. Das Eigentum wäre in seinem substanziellen Wesenskern berührt 408. Auch die Erfordernisse einer objektiv-rechtlich verstandenen Rundfunkfreiheit vermögen diese letzte Grenze nicht zu überwinden. Zusammenfassend gilt mithin: Bei abstrakter Betrachtung fordert die verfassungskräftige Eigentumsgarantie in der Knappheitssituation einen Vorrang des Eigenbedarfs des Eigentümers vor den Ansprüchen anderer Petenten. Diese Wertung wird im Rahmen der Ausführungen zur vertikalen Integration (Kapitel E) bei der Auslegung und Anwendung der einfachgesetzlichen Vorschriften zu beachten sein 409.
3. Der Kabelnetzbetreiber und Art. 12 Abs. 1 GG a) Eingriff in den Schutzbereich aa) Sachlicher Schutzbereich Art. 12 GG schützt als einheitliches Grundrecht (mit entgegen dem Wortlaut einheitlichen Schranken), die Wahl des Berufes ebenso wie dessen Ausübung 410. Unter dem zentralen Tatbestandsmerkmal des Berufes versteht man allgemeinhin 411 jede auf gewisse Dauer angelegte, der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Tätigkeit 412; neuerdings definiert das Bundesverfassungsgericht den Beruf auch dahingehend, dass es sich dabei um eine auf Erwerb gerichtete Beschäftigung handelt, die sich nicht in einem einmaligen Erwerbsakt erschöpft413. 407 Fehling, AöR 121 (1996), 72 spricht davon, ein so verstandenes Zugangsrecht Dritter nähere sich der „Sozialisierung der Infrastruktur an, wenn auch mangels Eigentumsübergang nicht im technischen Sinne des Art.15 GG“; siehe auch ders.92, wonach die Privatnützigkeit in ihrem Kern tangiert sein soll. Fehling kommt mit Hinweis auf Enteignungen zugunsten der Infrastruktur gleichwohl zur Verfassungsmäßigkeit des Eingriffs. 408 Büdenbender, WuW 2000, 131 f. 409 Das Problem vorrangiger Deckung des Eigenbedarfs ist – in unterschiedlichem Gewand – an mehreren Stellen zu diskutieren: Zum einen stellt sich die Frage im Rahmen des Wettbewerbsrechts, namentlich bei der Bestimmung der Zumutbarkeit i. S. v. § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB (dazu ausführlich unten E. IV. 1. c) cc) bbb) (1) (d)) u. der sachlichen Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung i. S. v. § 20 Abs. 1 GWB (dazu ausführlich unten E. IV. 1. c) cc) bbb) (2) (a) (bbb)). Zum anderen im Telekommunikationsrecht im Rahmen des § 35 TKG bei der sachlichen Rechtfertigung einer Zugangverweigerung (dazu ausführlich unten E. IV. 1. c) dd) ccc) (4)). 410 BVerfGE 7, 377, 400 ff.; 33, 303, 329 f.; 102, 197, 212; Breuer, in: Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 147 Rn. 32; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 Rn. 14. 411 Zu weiteren Definitionsmerkmalen, die im einzelnen streitig u. hier ohne Bedeutung sind, siehe Tettinger, in: Sachs, Art. 12 Rn. 34 ff. 412 BVerfGE 7, 377, 397; 54, 301, 313; 102, 197, 212; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 14 Rn. 18. 413 BVerfGE 97, 228, 253 (Kurzberichterstattung).
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Die Berufsdefinition ist damit weit und nicht etwa auf bestehende Berufe festgelegt, vielmehr offen für neue und atypische Tätigkeiten 414, was jedoch eine gesetzliche Fixierung von Berufsbildern keineswegs ausschließt 415. Wendet man sich der Tätigkeit des Kabelnetzbetreibers zu, so fällt auf, dass ein entsprechender Beruf klassischer Prägung weder gesetzlich fixiert wurde noch sich tatsächlich verdichtet hat. Das wird seine Ursache darin haben, dass vor der Postreform der Telekommunikationsunternehmer durch das staatliche Monopol als Berufsbild vollständig verdrängt war 416. Auffällig ist auch, dass sich (noch) nicht einmal wie im amerikanischen Sprachgebrauch ein Berufsbegriff für die Rundfunkweiterverbreitung herausbilden konnte: für den amerikanischen „Multichannel Video Programming Distributor“, der als einheitlicher Begriff jedes Unternehmen der Rundfunkweiterverbreitung erfasst, fehlt bereits sprachlich die deutsche Entsprechung. Aufgrund der Begriffsoffenheit fällt die Tätigkeit des Netzbetreibers aber jedenfalls in den Schutzbereich, gleichviel, ob der entsprechende Beruf als Kabelanlagenbetreiber417, Rundfunkverbreiter oder Telekommunikationsdienstleister 418 zu qualifizieren ist 419. Da ein Beruf sich regelmäßig aus vielfältigen Tätigkeiten zusammensetzt, unterfällt die Berufsfreiheit, insbesondere im unternehmerischen Bereich, in zahlreiche Teilfreiheiten 420. Dazu zählen die unternehmerische Produktions-, Dispositions-, Vertriebs- und Wettbewerbsfreiheit 421. Daraus wird deutlich, dass im Hinblick auf den Netzbetreiber zahlreiche Handlungen in den Schutzbereich fallen: allen voran die Entscheidung, nach welchem Geschäftsmodell – Transport- oder Vermarktungsmodell – er sein Unternehmen betreibt. Die Frage, in welchem Umfang er überhaupt Rundfunk verbreitet und welche konkreten Programme er einspeist, wird man darüber hinaus der Produktions- oder Dispositionsfreiheit, die Frage, ob und in welchem 414 BVerfGE 7, 377, 397; 78, 179, 193; siehe auch Beispiele bei Tettinger, in: Sachs, Art. 12 Rn. 27. 415 BVerfGE seit 13, 97, 106; 54, 237, 246; Breuer, in: Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 147 Rn. 35 ff. 416 Dass auch durch staatliches Monopol verdrängte Tätigkeiten dem Schutzbereich unterfallen betont zu Recht Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 Rn. 165 ff. 417 Da das Gesetz in § 52 Abs. 3 RStV von Betreibern von Kabelanlagen spricht, liegt es nahe, hier begrifflich anzuknüpfen. 418 Dass jedenfalls dieses Berufsbild existiert, kann aus Art.87 f Abs. 2 GG geschlossen werden; siehe auch Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 f Rn. 83, insbes. Fn. 55. 419 Wichtig wird die Festlegung des Berufes aber für die Frage, ob ein Eingriff eine Berufsausübungsregel o. eine Berufswahlregel darstellt; siehe dazu allgemein: Jarass, in: ders./ Pieroth, Art. 12 Rn. 28 f. sowie unten D. II. 3. b) aa). 420 Die Auffächerung in Teilfreiheiten soll den Schutzumfang verdeutlichen, ohne aber den Unternehmensschutz auf Teilfreiheiten zu beschränken (Wieland, in: Dreier, Art. 12 Rn. 61). 421 Breuer, in: Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 147 Rn. 61 ff.; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 Rn. 124; Manssen, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 12 Rn. 65 sowie Hoffmann, BB 1995, 53 u. 56; die Zuordnung der Wettbewerbsfreiheit zu Art. 12 GG ist allerdings strittig: eine Mindermeinung ordnet sie dem Schutzbereich des Art.2 Abs. 1 GG zu (siehe z. B. Gubelt, in: v. Münch/ Kunig, Art. 12 Rn. 93). Im Ergebnis folgen daraus aber keine nennenswerten Differenzen, Cannivé 159 m. w. N.
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Umfang er das Kabelnetz ausbaut (Rückkanal/Bandbreite), wird man der Investitionsfreiheit zuzuordnen haben. Die Frage, ob er sich durch eine Programmauswahl, die sich von der seiner Konkurrenten unterscheidet, auch den Qualitätswettbewerb 422 erschließen kann, wird schließlich der Wettbewerbsfreiheit zuzurechnen sein. Ein weiteres Teilelement der Berufsfreiheit ist deren negative Komponente, einen Beruf nicht in einer bestimmten Weise ausüben zu müssen 423. Die Freiheit von Durchleitungsverpflichtungen ist schwerpunktmäßig unter diese Teilfreiheit zu fassen. Schließlich berühren Einspeisepflichten auch die Vertragsfreiheit, nämlich die Freiheit seinen Vertragspartner, den Veranstalter, frei auswählen zu können 424. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der gewerbliche Netzbetrieb an sich sowie die damit verbundenen unternehmerischen Entscheidungen im von Art. 12 GG umhegten sachlichen Schutzbereich liegen.
bb) Persönlicher Schutzbereich Das gilt auch dann, wenn der Unternehmensträger eine inländische juristische Person des Privatrechts ist, Art. 19 Abs. 3 GG. Zwar üben juristische Personen nicht im herkömmlichen Sinne einen Beruf aus, doch unterfällt ihre bestimmten Erwerbszwecken dienende Tätigkeit jedenfalls dann dem Schutzbereich der Berufsfreiheit, wenn sie ebenso von einer natürlichen Person ausgeübt werden könnte 425. Der Netzbetreiber kann sich deshalb auch als juristische Person ohne weiteres426 auf die Berufsfreiheit berufen. cc) Eingriff Beschränkungen der Berufsfreiheit der Netzbetreiber sind in den positiven und negativen Belegungsregeln zu sehen. Dabei handelt es sich um Regeln, die gerade auf den Kabelnetzbetrieb, also auf eine spezielle berufliche Tätigkeit, gerichtet sind. Die Beschränkungen des Netzbetriebes sind nicht bloße Folge einer Regelung, sonDiesen Wettbewerbsfaktor betont, Engel, Kabelfernsehen, 57. Manssen, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 12 Abs. 1 Rn. 64. 424 Zur Vertragsfreiheit allgemein siehe Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 Rn. 131 sowie bei Telekommunikationsnetzunternehmern im Besonderen Cannivé 161. 425 BVerfGE 30, 292, 312 (Erdölbevorratung); 50, 290, 363 (Mitbestimmung); 74, 129, 148 f.; noch weiter E 102, 197, 212 f. 426 Der Umfang der gesetzlichen Regelungsbefugnis kann erweitert sein (Frage der Abwägung), soweit es sich um Großunternehmen handelt, da bei diesen die Berufsfreiheit als Element der Ausformung der Persönlichkeit des Menschen nicht mehr stark hervortritt. Dem Grunde nach sind jedoch auch Großunternehmen u. Konzerne durch Art. 12 GG (BVerfGE 50, 290, 363 f.; Mitbestimmung) geschützt, es gibt also keinen von vornherein weniger geschützten Berufe. Zu der vergleichbaren Problematik bei Art. 14 GG siehe schon oben D. II. 2. c) bb) aaa) (1). 422 423
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dern greifen final in die Produktionsfreiheit des Netzbetreibers ein427. Auch nach der restriktiven Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes, die zwischen finalen und nicht finalen Eingriffen unterscheidet und Letztere nur bei objektiv berufsregelnder Tendenz anerkennt 428, liegt damit unproblematisch ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 GG vor 429. b) Rechtfertigung aa) Einspeisevorschriften als Beschränkungen der Berufsausübung Nur verhältnismäßige Eingriffe in die Berufsfreiheit sind gerechtfertigt; jede Beeinträchtigung muss also in Ansehung des verfolgten gesetzgeberischen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein 430. Zur näheren Konkretisierung dieser Anforderung an Grundrechtseingriffe, insbesondere zur Strukturierung der Angemessenheitsprüfung bedient sich das Bundesverfassungsgericht seit dem Apothekenurteil 431 einer (Drei-)Stufentheorie 432: danach ist gemäß der ansteigenden Eingriffsintensität zwischen Berufsausübungsregeln, subjektiven sowie objektiven Berufswahlregeln zu unterscheiden. Während Letztere als höchste Eingriffsstufe nur durch höchstwahrscheinlich schwerwiegende Gefahren für überragend wichtige Gemeinwohlbelange gerechtfertigt werden können 433, werden Berufsausübungsregeln bereits durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls verfassungsrechtlich legitimiert 434. Zunächst ist deshalb zu fragen, welcher Stufe die inmitten stehenden Eingriffe, also positive und negative Belegungsregeln, zuzuordnen sind. Da die Belegungsvorschriften nicht an der Person des Netzbetreibers anknüpfen, scheiden subjektive Berufswahlregeln regelmäßig aus. Regeln der Berufsausübung betreffen die Form, die Mittel und die Bestimmung des Umfangs und Inhalts der Berufsbetätigung 435. ObSiehe auch Nauheim 189 f. Aus neuerer Zeit: BVerfGE 95, 267, 302; 97, 228, 254; siehe auch Tettinger, in: Sachs, Art. 12 Rn. 71 ff.; kritisch zur Rspr. Manssen, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 12 Abs. 1 Rn. 70 ff. Im Übrigen läge auch eine objektiv berufsregelnde Tendenz vor, da Kabelnetzbetrieb typischerweise beruflich erfolgt. 429 Siehe auch Vesting, Kabelkanalbelegung, 54, wonach die Regeln der Kabelregulierung „zumindest eine objektiv berufsregelnde Tendenz aufweisen“; einen Eingriff in den Schutzbereich bejaht auch Aschenbrenner 115. 430 Siehe nur BVerfGE 76, 196, 207; 80, 1, 24; 94, 372, 389 f. 431 BVerfGE 7, 377, 405 ff. 432 Allgemein dazu: Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 12 Rn. 24 ff.; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 12 Rn. 45 ff. Die Kritik an der Stufenlehre wird dargestellt bei Tettinger, in: Sachs, Art. 12 Rn. 123 ff. 433 BVerfGE 7, 377, 408; 85, 360, 373. 434 BVerfGE 7, 377, 405 f.; 65, 116, 125; 78, 155, 162; 85, 248, 259; 93, 362, 369. 435 Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 14, Rn. 38, 48. 427 428
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jektive Berufswahlregeln knüpfen dagegen die Möglichkeit, einen Beruf auszuüben, an Voraussetzungen, die regelmäßig nicht in der Person des Bewerbers ihre Ursache haben und nicht vom Grundrechtsträger beeinflusst werden können 436. Im Ergebnis sind die zu beurteilenden Eingriffe als Berufsausübungsregeln zu qualifizieren 437, da sie weder rechtlich den Zugang zum Beruf des Kabelnetzbetreibers beschränken noch tatsächlich die sinnvolle Ausübung dieses Berufes überhaupt unmöglich machen 438. Dabei ist von einem einheitlichen Beruf des Kabelnetzbetreibers auszugehen. Nur dann nämlich, wenn der zu prüfende Grundrechtseingriff lediglich die Ausübungsmodalitäten innerhalb ein und desselben Berufes verändert, kann die Berufsausübung betroffen sein; handelt es sich dagegen bei dem Eingriff um den Ausschluss eines eigenen Berufes, greifen die strengen Voraussetzungen für Berufswahleinschränkungen 439. So hatte das Bundesverfassungsgericht in den Kassenarzt-Entscheidungen darüber zu befinden, ob die kassenärztliche Tätigkeit einen eigenen Beruf darstellt mit der Folge, dass Zulassungsbeschränkungen für diese Tätigkeit in die Berufswahl eingriffen, oder nur eine Ausübungsmodalität innerhalb des allgemeinen Arztberufes mit dem Ergebnis, das die Zulassung nur auf der untersten Stufe zu rechtfertigen war 440. Im Hinblick auf den Netzbetreiber könnte man dementsprechend die Frage aufwerfen, ob nicht Netzbetrieb nach dem Vermarktungsmodell und dem Transportmodell je eigene Berufe im Sinne von Art. 12 GG darstellen. Dann wäre zumindest in solchen Belegungsregeln, die eine Auswahl der Programme durch den Veranstalter vollständig ausschließen 441, nicht eine Ausübungsregel für den Netzbetreiber-Beruf zu erblicken, sondern eine objektive Berufszulassungsregel, welche die Ausübung der Vermarktungstätigkeit rechtlich so gut wie ausschließt. Richtigerweise wird man aber den Unterschied zwischen Vermarktungs- und Transportmodell als nicht so erheblich bewerten können, dass von zwei verschiedenen Berufen auszugehen ist; beide Tätigkeiten sind nicht „entscheidend andersartig“ 442. Das ergibt sich schon daraus, dass beide Geschäftsmodelle in der Praxis nicht in Reinform vorliegen; der Netzbetreiber aber, der teils Programme vermarktet, teils transportiert, übt nicht zwei Berufe im Sinne von Art. 12 GG aus, sondern einen einheitJarass, in: ders./Pieroth, Art. 12 Rn. 27. Wie hier OVG Bremen, ZUM 2000, 250, 258, Vesting, Kabelkanalbelegung, 54 f.; Nauheim 192 f.; Schütz, MMR 1998, 13; für Universaldienstverpflichtungen als Berufsausübungsregeln, allerdings bei Defizitausgleich nach § 20 TKG, auch Cannivé 165. 438 Zu diesen Kriterien z. B. BVerfGE 68, 155, 170. 439 Für gesetzlich fixierte Berufsbilder besteht eine ähnliche Problematik bei der Frage, ob eine zum gesetzlich fixierten Berufsbild hinzutretende Tätigkeit ein eigenständiger Beruf o. ein schlichter Berufsteil ist; dazu Breuer, in: Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 147 Rn. 40 ff. 440 BVerfGE 11, 30, 41; 12, 144, 147; siehe auch E17, 232, 241 (zu der verneinten Frage, ob der Betrieb einer zweiten Apotheke einen eigenen Beruf gegenüber dem Betrieb der ersten Apotheke darstellt) sowie 68, 272, 281 f.; 86, 28, 38. 441 So im analogen Bereich noch einige Landesrundfunkgesetze. 442 Z. B. BVerfGE 17, 232, 241. 436 437
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lichen lediglich in verschiedener Art und Weise. Liegt damit ein einheitlicher Beruf des Netzbetreibers vor, so wird diese Tätigkeit durch Belegungsregeln weder rechtlich noch tatsächlich ausgeschlossen. Sie regeln vielmehr, wie der Grundrechtsträger das Netz im Einzelnen zu betreiben und zu nutzen hat, und betreffen also Modalitäten seiner Tätigkeit. Auch eine Berufsausübungsregel kann jedoch in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen ausnahmsweise einer Zulassungsbeschränkung nahekommen und die Freiheit der Berufswahl beeinträchtigen 443. Das ist dann anzunehmen, wenn die betroffenen Grundrechtsträger in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen wirtschaftlich nicht mehr in der Lage sind, die geschützte Tätigkeit zur Grundlage ihrer unternehmerischen Erwerbstätigkeit zu machen 444. Die derzeit sich offenbarenden erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Netzbetreiber 445 dürften ihre Ursache vor allem in den überhöhten Erwerbskosten der Netze sowie in der fehlenden Zahlungsbereitschaft der Kunden haben. Dass die positiven oder negativen Belegungsregeln jeden Netzbetrieb im digitalen Bereich unmöglich machten, kann dagegen derzeit jedenfalls nicht angenommen werden 446. Die Belegungsvorschriften könnten aber dann in die Nähe der Berufswahlregelung geraten, wenn sie dem Netzbetreiber angesichts intensiven Verdrängungswettbewerbs keine Möglichkeiten der Programmauswahl ließen und ihn damit vom entscheidenden Parameter im Qualitätswettbewerb mit anderen Übertragungswegen ausschlössen.
bb) Pluralismussicherung als legitimer Zweck Das Bundesverfassungsgericht hat Wert und Bedeutung der Meinungsvielfalt in seinen Rundfunkurteilen stets betont, insbesondere ihre Funktion für die freie, demokratische Meinungsbildung hervorgehoben 447. In der Entscheidung zur Kurzberichterstattung hat es erneut ausgeführt, der Gesetzgeber könne sich auf vernünftige Gründe des Allgemeinwohls berufen, wenn er vorherrschende Meinungsmacht zu verhindern suche 448. Weiterverbreitungsvorschriften, die der Sicherung einer Pluralität von Sichtweisen und Darbietungen, kurzum der Verhinderung von Meinungsmonopolen dienen, verfolgen also einen legitimen Zweck im Sinne von Art. 12 GG und können deshalb dem Grunde nach dessen Beschränkung rechtfertigen449. BVerfGE 30, 292, 313 f.; 82, 209, 229. BVerfGE 13, 181, 187; 68, 155, 170 f. 445 Siehe z. B. epd Nr. 25/26 v. 6.4.2002, 16 f. 446 Siehe auch Vesting, Kabelkanalbelegung, 56. 447 Siehe z. B. BVerfGE 57, 295, 322 ff.; zur Notwendigkeit auch bei Weiterverbreitung als rundfunkrechtlich relevantem Vorgang zumindest grundlegende Erfordernisse der Rundfunkfreiheit zu wahren, BVerfGE 73, 118, 199; siehe auch Wille/Schulz/Petersen, in: Hahn/Vesting Rn. 16 f. 448 BVerfGE 97, 228, 258. 449 Vesting, Kabelkanalbelegung, 56 f.; Nauheim 201; OVG Bremen, ZUM 2000, 250, 256. 443 444
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cc) Geeignetheit und Erforderlichkeit Was die Geeignetheit und Erforderlichkeit angeht, kann im Wesentlichen auf die Ausführungen im Rahmen des Art. 14 GG verwiesen werden. Auch hier gilt wiederum, dass dem Gesetzgeber ein recht breiter Beurteilungsspielraum eingeräumt wird und dass die Anforderungen an die Meinungsvielfalt letztlich über das gerade noch erforderliche Maß der Einschränkung vorentscheiden. dd) Angemessenheit aaa) Vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls Die Angemessenheit fragt danach, ob der Grundrechtseingriff nicht außer Verhältnis steht zum angestrebten Zweck 450. Auf der Stufe der reinen Berufsausübung ist der Gesetzgeber dabei grundsätzlich am freiesten451: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes können Berufsausübungsbeschränkungen regelmäßig durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls legitimiert werden 452. Auch bei Beurteilung von Berufsausübungsregeln gilt jedoch: Je stärker der Grundrechtsträger in seiner Freiheit beeinträchtigt wird, desto gewichtiger müssen die Gemeinwohlinteressen sein, denen der Eingriff zu dienen bestimmt ist 453. Bei der Beurteilung der Zweck-Mittel-Relation wird man sich also vor allem die unterschiedliche Eingriffsintensität von Belegungsregeln vor Augen zu halten haben; der bloße Verweis auf die Sicherung der Meinungsvielfalt als vernünftiges Allgemeinwohlziel, also die bloß zweckbezogene Betrachtung, genügt gerade nicht454. Zwischen negativen und positiven Belegungsvorschriften muss differenziert werden. Die positiven Belegungspflichten stellen bei direktem Vergleich aus Perspektive der Berufsfreiheit den stärkeren Eingriff dar, da der Grundrechtsträger damit auf einen bestimmten Einsatz von Kapital und Arbeit festgelegt wird, sofern er seine Tätigkeit beibehält 455; diese Eingriffe werden deshalb im folgenden Abschnitt besonders betrachtet (unten b). Aber auch die negativen Belegungsregeln, die dem Netzbetreiber verbieten, bestimmte Programme, z. B. solche eigener Produktion, einzuspeisen, und die deshalb bei der vertikalen Integration eine wichtige Rolle spielen, können erhebliche Eingriffe in Art. 12 GG darstellen. Z. B. BVerfGE 46, 120, 148; siehe aus jüngerer Zeit auch BVerfGE 102, 197, 220. Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 12 Rn. 48, Jarass, in ders./Pieroth, Art. 12 Rn. 36. 452 BVerfGE 7, 377, 405; 78, 155, 162; 95, 173, 183. 453 BVerfGE 17, 232, 242; 32, 1, 34, wo das Gericht ausführt: „Je empfindlicher die Berufsausübenden in ihrer Berufsfreiheit beeinträchtigt werden, desto stärker müssen die Interessen des Gemeinwohls sein, denen die Regelung zu dienen bestimmt ist.“ Für eine strengere Prüfung gesetzlicher Maßnahmen auch im Bereich „bloßer“ Berufsausübungsregeln plädiert Hufen, NJW 1994, 2917 f. 454 In diese Richtung aber Thierfelder 41. 455 Siehe Breuer, in: Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 148 Rn. 28; Cannivé 160 f. 450 451
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Kann die verfassungsrechtliche Beurteilung von derartigen Eingriffen in die Berufsfreiheit auch nicht pauschal erfolgen, so können doch die für die Einzelfallentscheidung maßgeblichen Kriterien herausgearbeitet werden: So ist zunächst innerhalb der negativen Belegungsregeln nach der Eingriffsintensität zu fragen: je mehr der Netzbetreiber sich auf das reine Transportmodell konzentriert und je geringer die Zahl der Einspeisebeschränkungen ist, desto schwächer ist die Eingriffswirkung. Je mehr sich der Netzbetreiber jedoch auf das Vermarktungsmodell konzentriert, je weitreichender die Einspeiseverbote ausfallen, desto stärker wird in die unternehmerische Produktionsfreiheit eingegriffen. Einen weiteren Indikator für die Eingriffsintensität stellt das Ausmaß einer mit der eingreifenden Regelung verbundenen Rentabilitätseinbuße dar 456. Während schließlich bloß modale Beschränkungen der Produktion eher hinzunehmen sind, müssen an die Rechtfertigung gezielter Produktionsverbote, wie sie negative Belegungsregeln darstellen, umso höhere Anforderungen gestellt werden457. Weiterhin wird man im Rahmen der Abwägung zu Lasten der Netzbetreiber zu berücksichtigen haben, dass zum einen der personale Kern der Berufsfreiheit jedenfalls bei Großunternehmen als Trägern der Berufsfreiheit abgeschwächt ist 458 und dass zweitens auch der Träger nicht nur der Eigentums-, sondern auch der Berufsfreiheit in sozialem Bezug steht. Der soziale Bezug ergibt sich wie oben bei der Untersuchung von Art. 14 GG ausführlich dargelegt aus der Rundfunkfreiheit der Veranstalter und – eingeschränkt – der Informationsfreiheit der Rezipienten 459. Schließlich dienen die Belegungsregeln einem durch die Verfassung selbst geschützten Gut, nämlich der Meinungsvielfalt, wie sie das Bundesverfassungsgericht dem Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG entnimmt 460. Dem steht als Korrektiv das in Art. 87 f Abs. 2 GG verankerte Verbot der Rückverstaatlichung entgegen, das ein Mindestmaß an unternehmerischer Freiheit fordert. Hinzu kommt, dass – ähnlich der zu Art. 5 Abs. 1 GG entwickelten Wechselwirkungslehre – nicht unberücksichtigt bleiben darf, dass die Berufsfreiheit selbst auch ein wichtiges Gemeinschaftsgut darstellt461. Kommt man unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe regelmäßig zu gleichen Abwägungsergebnissen wie bei Art. 14 GG, so kann dies nicht überraschen: zwar hat sich die verfassungsrechtliche Beurteilung nach den zu Art.12 GG entwickelten Regeln zu richten, doch sind Art. 12 GG und Art. 14 GG funktionell derart aufeinander bezogen, dass die verfassungsmäßige Einschränkung des Eigentums häufig eine mit 456 457 458 459
Hoffmann, BB 1995, 55. Siehe dazu auch Breuer, in: Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 148 Rn. 24. BVerfGE 50, 290, 364 f. (Mitbestimmung); 99, 367, 391 f. (Montanmitbestimmung). Siehe dazu oben D. II. 2. c) bb) ccc); die dort geltend gemachten Bedenken gelten auch
hier. 460 BVerfGE 97, 228, 256 ff., insbes. 260: „vom Grundgesetz selbst hoch bewerteter Gemeinwohlzweck“. 461 Darauf weist zu Recht Hufen, NJW 1994, 2918, hin sowie ihm folgend Tettinger, in: Sachs, Art. 12 Rn. 180.
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Art. 12 GG vereinbare Schranke der Berufsfreiheit darstellt 462. Das oben zu Art. 14 GG Gesagte gilt damit auch für die Rechtfertigung von Eingriffen in die Berufsfreiheit; ergänzend kann mithin nach oben verwiesen werden. bbb) Höhere Anforderungen bei Indienstnahme Privater Innerhalb der Stufe der Berufsausübungsregeln sind – wie erwähnt – höhere Anforderungen an die Rechtfertigung eines Eingriffs zu stellen, wenn der Staat positiv Leistungen des Grundrechtsträgers einfordert, wie dies bei Must-Carry-Rules der Fall ist. Diese dürften der Fallgruppe der „Indienstnahme“ zuzuordnen sein463. Bei dieser sog. Indienstnahme geht es nicht um die Beleihung Privater mit Staatsaufgaben, sondern um die Auferlegung von Dienstleistungen, die der betroffene Unternehmer im Rahmen seiner Tätigkeit zu erbringen hat 464. Diese Dienstleistungen sind regelmäßig öffentliche Aufgaben 465. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht zuletzt nicht mehr den Rundfunk als öffentliche Aufgabe qualifiziert 466, sein Stellenwert für die öffentliche Meinungsbildung rückt ihn aber in die Nähe einer solchen. Besieht man die anderen Fälle, die Rechtsprechung und Literatur dieser dogmatischen Kategorie zuordnen 467, so sind aufs Ganze gesehen die Parallelen nicht zu verkennen: das Bundesverfassungsgericht hat eine Indienstnahme u. a. bei der Verpflichtung von Banken, die Kapital- (oder sog. Kupon-)Steuer einzubehalten 468 ebenso angenommen wie bei der Pflicht zur Erdölbevorratung 469 oder zum kostenlosen Transport von Schwerbehinderten durch Nahverkehrsunternehmen 470. Ein Vergleich mit der Fallgruppe der Indienstnahme bietet sich schließlich auch an, um die Interessenabwägung strukturiert und rechtssicher vornehmen zu können. 462 Zu dieser Kongruenz siehe BVerfGE 21, 150, 160; 50, 290, 365 (Mitbestimmung); siehe auch E 97, 228, 265; OVG Bremen ZUM 2000, 250, 258; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 12 Rn. 18; Manssen, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 12 Abs. 1 Rn. 283; Dörr, ZUM 1997, 370; ders. NJW 1988, 1050. 463 Für die Qualifizierung von Universaldienstverpflichtungen (i. S. v. § 19 TKG), die in ihrer rechtlichen Wirkung mit Must-Carry-Regeln identisch sind, als Indienstnahme, Cannivé 154 ff. 464 Siehe Scholz, ArchivPT 1995, 177 ff.; auch Breuer, in: Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 148 Rn. 28; grundlegend BVerfGE 30, 292, 310 ff. 465 Manssen, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 12 Abs. 1 Rn. 196; siehe auch BVerfGE 30, 292, 311. 466 Im ersten Rundfunkurteil, BVerfGE 12, 205, 244 f., wurde die Veranstaltung als öffentliche Aufgabe betrachtet, der zuletzt in BVerfGE 31, 314, 324 ff. genannte Begriff wird in letzter Zeit nicht mehr verwendet. Siehe dazu auch Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 623, insbes. Fn. 6. 467 Ob es sich überhaupt um eine eigenständige Kategorie handelt, bezweifelt Manssen, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 12 Abs. 1 Rn. 196. 468 BVerfGE 22, 380, 383 ff. 469 BVerfGE 30, 292, 310 f. 470 BVerfGE 68, 155, 170 siehe außerdem noch E 54, 251, 271 (Inanspruchnahme als Vormund).
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Die Angemessenheit einer Indienstnahmepflicht ist in Anlehnung an Rechtsprechung und Literatur anhand folgender Merkmale zu beurteilen: Zu fragen ist zunächst mit dem Bundesverfassungsgericht, ob die Verpflichtung Nähe zur üblichen Geschäftstätigkeit aufweist oder ob sie sich als unternehmensfremd darstellt471. Weiterhin ist zu berücksichtigen, ob in Rand- oder Kernbereiche der unternehmerischen Tätigkeit eingegriffen wird 472. Zu prüfen ist auch Art und Umfang der Verpflichtung (Eingriffsintensität) 473. Schließlich ist die Indienstnahme nur bei herausgehobener Gemeinwohlrelevanz der betroffenen Aufgabe, deren Erfüllung die Indienstnahme gilt, zu rechtfertigen 474. Noch enger werden in Teilen der Literatur die Anforderungen in Anlehnung an die Rechtsprechung zu Sonderabgaben 475 gefasst 476: gefordert wird Sachnähe in dem Sinne, dass die (homogene und abgrenzbare) Gruppe der Indienstgenommenen (hier: Netzbetreiber) der Aufgabe evident nähersteht als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit (Gruppenverantwortlichkeit); zudem muss die verlangte Dienstleistung der Gruppe der Dienstverpflichteten auch zugute kommen (Gruppennützigkeit) 477. Auf den Netzbetreiber übertragen wird sich die Abwägung im Einzelfall also insbesondere an folgenden Punkten zu orientieren haben: Die Übertragung von Rundfunkprogrammen ist unternehmenstypisch. Je höher die Publikumsnachfrage nach einem Programm ist, desto mehr entspricht dessen Einspeisung der Unternehmerrationalität und desto geringer ist die Eingriffintensität. Umgekehrt ist der Eingriff umso schwerwiegender, je stärker sich der Netzbetreiber dem Vermarktungsmodell verschrieben hat, da hier die Belegungsverpflichtungen den Kern der unternehmerischen Leistung, nämlich die Programmauswahl, betreffen, und je geringer die tatsächliche Kundenachfrage nach dem einzuspeisenden Programm ist. Als Unternehmen der Rundfunkverbreitung steht der Netzbetreiber in besonderer Sachnähe zum BVerfGE 22, 380, 385 (Kuponsteuer); BVerfGE 30, 292, 324 f. Manssen, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 12 Abs. 1 Rn. 196. 473 Siehe BVerfGE 30, 292, 325. 474 Breuer, in: Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 148 Rn. 28. 475 Zu den Anforderungen an Sonderabgaben allgemein: grundlegend BVerfGE 55, 274, 297 ff. sowie z. B. E 67, 256, 275 ff.; 82, 159, 178 ff. weiterhin in der Literatur z. B. Siekmann, in: Sachs, vor Art. 104 a Rn. 123, inbes.146 ff., Pieroth, in: Jarass/ders., Art.105 Rn. 10. Die Parallele zu Sonderabgaben wird darin gesehen, dass es sich bei der gesetzlichen Inpflichtnahme einzelner Grundrechtsträger zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben im Kern um ein Problem der Lastentragung handele, wie es sich auch bei den Sonderabgaben stelle (Waechter, VerwArch 87 (1996), 76 ff. m. w. N.). 476 Ehmer, in: Büchner u. a., § 88 Rn. 52 ff.; in der Sache auch Scholz, ArchPT 1995, 183 ff., jedoch ohne direkt auf Sonderabgaben Bezug zu nehmen, jeweils zu § 88 TKG, der den Telefonnetzbetreibern aufgibt, technische Einrichtungen zur Überwachung auf eigene Kosten vorzuhalten, kritisch Manssen, in: Mangold/Klein/Starck, Art.12 Abs. 1 Rn. 196, soweit dabei auf die Anforderungen an sog. Finanzierungssonderabgaben rekurriert wird, da deren Beurteilung vor dem Hintergrund des Schutzes der bundesstaatlichen Finanzverfassung u. folglich mit anderer Zielrichtung entwickelt worden sei. 477 Siehe speziell für die Indienstnahme Ehmer, in: Büchner u. a., § 88 Rn. 53 unter Verweis auf BVerfGE 55, 274, 297 ff.; Breuer, in: Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 148 Rn. 28. 471 472
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Rundfunk; dies folgt schon daraus, dass er sich nach dem oben Ausgeführten – im Einzelnen nicht unbestritten – selber auf die Rundfunkfreiheit berufen kann. Solange die Programme Resonanz bei den Kabelkunden finden, nützt deren Übertragung auch den Netzbetreibern; gerade bei Offenen Kanälen dürfte aber die Nützlichkeit enden 478. Die dann vorliegende fremdnützige Verpflichtung muss als besonders schwerer Eingriff angesehen werden; sie stellt einen Fremdkörper in einer liberalen, auf dem Prinzip des marktgeprägten Ressourceneinsatzes basierenden Wettbewerbsordnung dar 479. Auf der anderen Seite kommt der Meinungsvielfalt eine besonders wichtige, demokratie-funktionale Bedeutung zu, die eine Indienstnahme in gewissen Grenzen rechtfertigt. Je mehr Programme der Unternehmer jedoch zwangsweise zu transportieren verpflichtet wird, desto eher wird die Grenze der noch angemessenen Verpflichtung erreicht sein. Schließlich wird stets zu berücksichtigen sein, ob die Einspeisung kostenfrei zu erfolgen hat oder aber der Unternehmer die übliche Vergütung oder einen entsprechenden Ausgleich fordern kann480. So wird man z. B. die Verpflichtung zur kostenlosen Bereitstellung von einem Fernsehkanal u. a. für lokale Sender, wie sie Art. 33 Abs. 2 BayMG fordert, als unangemessen bewerten müssen 481. In Teilen der Literatur dagegen wird diese Regelung als zumutbar betrachtet: die Netzbetreiber würden nur gering belastet, nämlich bei einer unterstellten Zahl von 30 Fernsehprogrammen nur um 1/30 ihrer Kapazität bzw. ihrer Einnahmen gebracht, was sie angesichts des besonderen Interesses an regionalem Rundfunk zu dulden hätten 482. Eine solche Aussage kann jedoch kaum mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes in Einklang gebracht werden. In der Pflichtexemplarentscheidung hat das Gericht ausgeführt, dass die Verpflichtung zur Abgabe von Pflichtexemplaren bei geringen Auflagen (dazu dürfte – um im Bild zu bleiben – jedenfalls eine Auflage von nur 30 Stück zählen) ohne Entschädigung un478 Die Übertragung von sog. offenen Kanälen sichert § 52 Abs. 3 Nr. 2 RStV. Das Interesse an einer offenen Meinungsplattform wie es der Gesetzgeber durch offene Kanäle verfolgt, ist ein gesamtgesellschaftliches. Dessen Erfüllung nützt allen, nicht aber dem Netzbetreiber in besonderer Weise. Die Verpflichtung zur unentgeltlichen Bereitstellung von offenen Kanälen aus Allgemeinwohlgründen (z. B. § 57 Abs. 2 Satz 1 LRG Rh.-Pfalz i.V. m. § 52 Abs. 3 Nr. 4 letzter Hs.) dürfte deshalb schnell die Grenze der Unzumutbarkeit erreichen; siehe auch sogleich die Ausführungen zu § 33 BayMG. 479 Cannivé 172. 480 Gegen eine Berücksichtigung des finanziellen Ausgleichs bei Art. 12 GG in der Tendenz Gallwas, BayVBl. 1971, 247 ff. sowie Cannivé 177. Eine Berücksichtigung des Nachteilsausgleiches im Rahmen der Verhältnismäßigkeit erscheint gleichwohl gerechtfertigt, wie bei Art. 14 GG die Rechtsfigur der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung zeigt. Das BVerfG hat denn auch fehlende Ausgleichsregeln nicht nur im Rahmen von Art. 3 GG, sondern bei der Frage des verhältnismäßigen Eingriffs in Art. 12 GG geprüft, E 54, 251, 271 (Vormundschaften), aus neuerer Zeit E 97, 228, 262 f. (Kurzberichterstattung). 481 So auch Engel, RTKom 2000, 201 f.; noch angemessen erscheinen dagegen bloße Entgeltvergünstigungen (z. B. die „Meistbegünstigungsklausel“ des § 38 Abs. 5 SächsPRG). 482 Vesting, Kabelkanalbelegung, 61.
III. Der Kabelnetzbetreiber und europäische Rechtspositionen
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angemessen ist 483. Berücksichtigt man darüber hinaus die schwierige wirtschaftliche Lage 484 der Netzbetreiber, kann die Entziehung auch nur eines dreißigsten Teils der Produktion existenzbedrohend nicht nur für einzelne Netzbetreiber sein und damit in eine Berufswahlregel umschlagen. Schließlich dienen regionale und erst recht lokale (öffentlich-rechtliche) Programme nicht der Grundversorgung 485, so dass auch aus der Perspektive des Sicherungszweckes der Netzbetreiber unangemessen belastet wird 486.
III. Der Kabelnetzbetreiber und europäische Rechtspositionen In gebotener Knappheit ist weiterhin auf Rechtspositionen des Netzbetreibers einzugehen, die sich Normen des europäischen (Völker-)Rechts entnehmen lassen 487. 1. EMRK Auf europäischer Ebene ist zunächst an Art. 10 EMRK zu denken. Die Vorschrift bindet zum einen die Bundesrepublik als Vertragsstaat der Konvention und kann zugleich von den Berechtigten direkt in Anspruch genommen werden488, zum anderen kommt ihr über Art. 6 Abs. 2 EUV als Erkenntnisquelle der Gemeinschaftsgrundrechte erhebliche Bedeutung zu 489. Die Vorschrift ist weiterhin deshalb von Interesse, da sie Rundfunkfreiheit 490 nach dem Bauplan eines Abwehrrechtes, also 483 BVerfGE 58, 137, 149 ff., allerdings ohne Rückgriff auf Art. 12 u. nur auf Art. 14 GG beschränkt, was aber wertungsmäßig unerheblich ist; siehe auch Vesting, Kabelkanalbelegung, 67 f., sowie Dörr, NJW 1988, 1051 f., der die Parallelen zu Art. 12 GG betont. 484 Zur Beinahe-Insolvenz des Netzbetreibers ish z. B. epd Nr. 76 v. 28.9.2002, 9 f. 485 BVerfGE 74, 297, 327; davon zu unterscheiden ist die Berichterstattung über lokale u. regionale Themen in den Vollprogrammen; siehe auch Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 787 sowie 790. 486 Auf die möglicherweise wettbewerbsverzerrenden Aspekte sowohl auf Seiten der Rundfunkverbreitung (Satellitenbetreiber treffen diese Pflichten nicht) als auch der Rundfunkanbieter (lokale Veranstalter müssen keine Kosten für die Weiterbreitung aufwenden) kann hier nicht vertieft eingegangen werden. 487 Auf Rechtspositionen, die sich möglicherweise noch aus anderen internationalen Quellen ergeben wie etwa Art. 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEdM) o. Art. 19 Abs. 2 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (UNMRP), kann im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden, siehe dazu Kloepfer, § 2 Rn. 47; Tietje, in: Grabitz/Hilf, E 27 Rn. 28 ff.; Kühling 202 ff. 488 Dazu näher Klein, AfP 1994, 10 f. 489 Diese dazu auch unten D. III. 2. a). 490 Dass Art. 10 EMRK eine solche Freiheit schützt, folgt aus dem Umkehrschluss zu Art.10 Abs. 1 Satz 3 EMRK: ein Genehmigungsvorbehalt für Rundfunkunternehmen macht nur Sinn, wenn sie u. ihre Tätigkeit auch dem Schutzbereich unterfallen, Probst 40; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 44.
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D. Der Kabelnetzbetreiber als Träger von Grundrechten
als subjektives öffentliches Recht des Begünstigten gewährt 491 und damit dogmatisch-konstruktiv das Gegenmodell zur inländischen Rundfunkfreiheit in der Auslegung des Bundesverfassungsgerichtes darstellt 492. Im Ergebnis jedoch dürften aufgrund eines Beschränkungsvorbehaltes in Art. 10 EMRK die Rechtsfolgen nicht so divergent sein, wie es die diametral entgegengesetzten dogmatischen Ansätze erwarten lassen 493. Die Vorschrift schützt die Meinungsäußerungsfreiheit umfassend 494, die nach Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK auch die „Freiheit zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden“ als sog. aktive Informationsfreiheit 495 einschließt. Fraglich ist, ob damit auch die Tätigkeit der Netzbetreiber dem Schutzbereich unterfällt. Dies wird man mit der h. M. wohl zu bejahen haben und zwar ohne dass es auf die bei Art. 5 GG dargelegte Differenzierung – bloßer Transport oder Bündelung von Programmpaketen – ankommt 496. Allen voran hat der EGMR in der Entscheidung Groppera Radio AG ausdrücklich die Kabelweiterübertragung als von Art. 10 Abs. 1 EMRK umfasst betrachtet 497 und im Fall Autronic AG festgestellt, dass sich der Schutz der Vorschrift nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Übertragungsmittel beziehe 498. Das erscheint auch deshalb folgerichtig, da 491 Astheimer 135 ff.; Probst 41; Wille/Schulz/Fach-Petersen, in: Hahn/Vesting, § 52 Rn. 33; ausdrücklich besteht ein originärer Anspruch auf Veranstaltung nach der Rechtsprechung des EGMR, EuGRZ 1994, 549, Rn. 32 ff. 492 Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 659 sowie 44 f.; Dörr, FS Kriele, 1423, siehe auch ausführlich zum Verhältnis objektiv- u. subjektiv-rechtlicher Gehalte des Art. 10 EMRK Roider 166 ff. 493 Dörr, ZUM 1997, 362. 494 Villiger Rn. 589. Diese umfassende Sichtweise, nach der aus Art.10 Abs. 1 Satz 3 EMRK ersichtlich Rundfunk ein Unterfall einer einheitlich verstandenen Meinungsäußerungsfreiheit ist, erfasst auch neue Erscheinung wie Internet problemlos (siehe z. B. den bei Determann 305 ff. dargelegten Schutz des Art. 10 EMRK für die Internetkommunikation). Hierin liegt ein Vorteil der EMRK-Verbürgung gegenüber Art. 5 GG. A. A. Stock, K & R 2001, 292 f., der aus rein nationaler Perspektive, nämlich allein am Maßstab der Rundfunkfreiheit nach der Auslegung des BVerfG („Karlsruher kommunikatives Sozialmodell“) gemessen, Art. 10 EMRK als „unentwickelt“ bezeichnet. 495 Probst 24, Dörr, ZUM 1997, 361. 496 Dörr/Janik/Zorn 104 ff., Villiger Rn. 606; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 754, der in der Weiterleitung herangeführter Programme aufgrund der damit verbundenen Wahrnehmung einer selbstständigen Programmfunktion eine Veranstaltung i. S. d. Vorschrift erkennt; Greissinger 85; Determann 305 f., einschränkend 310 f., auf die Fälle, in denen mit der Beschränkung des Telekommunikationsnetzbetreibers auch Interessen der Kommunizierenden beeinträchtigt werden; a. A. Engel, Rundfunk vor der Europäischen Menschenrechtskonvention, 264 ff., insbes. 266 f., für die Fälle, dass der Netzbetreiber nicht durch die Auswahl u. Zusammenstellung eigene publizistische Wirkung erzielen wolle, sondern nur technisch am Telekommunikationsvorgang teilnehme. Unklar Probst 39, der Schutz der Empfangsfreiheit wirke sich „mittelbar“ auch auf die technischen Übermittlungsträger wie die Netzbetreiber aus, weiter ders. 41, geschützt sei auch die Rundfunktechnik. 497 EGMR, EuGRZ 1990, 255, 256, Tz. 55. 498 EGMR, EuGRZ 1990, 261, 262, Tz. 47.
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Art. 10 EMRK den gesamten Kommunikationsprozess schützen will 499 und der Netzbetreiber, selbst bei Tätigkeit ausschließlich nach dem Transportmodell, stets Akteur dieses Prozesses ist. Schließlich sei darauf hingewiesen, dass sich juristische Personen ebenso wie natürliche auf Art. 10 EMRK berufen können 500. Unterfällt damit die Tätigkeit des Netzbetreibers dem Schutzbereich der Konvention, so wird sie doch nicht vorbehaltlos gewährleistet. Vorbehalte ergeben sich vielmehr aus Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK sowie aus Abs. 2. Beide Schranken 501 unterliegen jedoch dem Erfordernis eines legitimen Zweckes 502 sowie dem strengen Verhältnismäßigkeitsgebot („in einer demokratischen Gesellschaft ... unentbehrlich“) des Abs. 2 als Schranken-Schranken; Abs. 1 Satz 3 stellt also keinen generellen Ausgestaltungsvorbehalt dar 503, sondern erweitert den Katalog der legitimen Zwecke 504. Die Frage, ob Belegungsregeln für Netzbetreiber unter den Vorbehalt des Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK (Zulässigkeit eines Genehmigungsverfahrens für „Rundfunk-, ... oder Fernsehunternehmen“) fallen, wovon der EGMR auszugehen scheint 505, oder dem in Abs. 2 niedergelegten Vorbehalt zuzuordnen sind, kann deshalb weitgehend offen bleiben. Entscheidend ist hingegen die Frage, ob die für Netzbetreiber relevanten Belegungsregeln, den Schranken-Schranken standhalten: Gefordert ist zunächst ein legitimer Zweck. Der EGMR hat dabei u. a. den Meinungspluralismus als zur Rechtfertigung geeignetes Eingriffsziel anerkannt 506. Soweit Eingriffe, z. B. Kabelbelegungsregeln, also der Verhinderung einseitiger MeiSiehe Dörr, ZUM 1997, 363. Probst 42; Kühling 158 f.; EGMR, EuGRZ 1990, 261, 262, Tz. 47. 501 D. h. auch der Genehmigungsvorbehalt des Art. 10 Abs. 1 S. 3 EMRK unterliegt den strengen Schranken-Schranken des Abs.2, was der EGMR ausdrücklich anerkannt hat, EuGRZ 1990, 255, 257, Tz. 59 ff. (Groppera), bestätigt durch die Entscheidungen Autronic, EuGRZ 1990, 261, 262, Tz. 52 sowie Lentia, EuGRZ 1994, 549, Tz. 29. 502 Dieser kann sich ergeben aus Art. 10 Abs. 1 Satz 3 EMRK, der einen selbstständigen Schutzzweck – insbesondere technische Regelungsziele (Groppera, EuGRZ 1990, 255, 257, Tz. 61 a. E.), aber nicht nur (Lentia, EuGRZ 1994, 549, 550, Tz.32) – darstellt o. aus den Zwekken des Abs. 2, allgemein zum Verhältnis der Schranken zueinander siehe Ricker/Schiwy, H Rn. 76. 503 Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art.5 Abs. 1 u. 2 Rn. 659; a. A. wohl Petersen 94 ff. 504 Greissinger 87; Frowein, in: ders./Peukert, Art. 10 Rn. 19 sprechen von Einschränkungszielen. 505 In der Entscheidung Groppera Radio AG hat der EGMR ein Einspeiseverbot für ein Radioprogramm in eine Kabelanlage als Einschränkung im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Satz 3 aufgefasst, EuGRZ 1990, 255, 257, Tz. 59; siehe auch Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 754, der die Kabelweiterverbreitung als Veranstaltung i. S. d. Vorschrift u. damit auch als von Abs. 1 Satz 3 erfasst ansieht. 506 EuGRZ 1990, 255, 258, Rz.69 f. sowie EuGRZ 1994, 549, 550, Tz.38 (Lentia), wo er der Rundfunkklausel den legitimen Zweck der Pluralismussicherung entnimmt u. sich nicht mehr auf eine weite Auslegung des Abs. 2 („Rechte anderer“) stützt (näher zur Bedeutung der Rundfunkklausel Roider 178 ff.; Frey 56 ff.); siehe hinsichtlich der Pluralismussicherung als legitimem Beschränkungsgrund auch die Einschätzung bei Dörr, ZUM 1997, 363 f.; ders./Janik/Zorn 108 f.; Tietje, in Grabitz/Hilf, E 27 Rn. 51; Schwarze, ZUM 2000, 781 f., insbes. Fn. 21 m. w. N. 499 500
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nungsmacht dienen sollen, verfolgt der Gesetzgeber ein von der Konvention anerkanntes Ziel. Weiterhin müssen die gesetzgeberischen Maßnahmen in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, womit die – sich der Verhältnismäßigkeitsprüfung im deutschen Verfassungsrecht annähernde – „Notwendigkeitsprüfung“ des Eingriffs angesprochen ist 507. Dabei prüft der EGMR nach einem strengen Maßstab die Notwendigkeit des Eingriffs, die stets überzeugend nachgewiesen sein muss 508. Die Anforderungen an eine Rechtfertigung dürften deshalb jedenfalls im Hinblick auf die Erforderlichkeit eher höher sein als beim Eingriff in die entsprechenden Verbürgungen des Grundgesetzes 509. Im Rahmen der Angemessenheitskontrolle arbeitet der Gerichtshof mit dem Konventionsbegriff der „demokratischen Gesellschaft“ 510, der ein rechtsvergleichendes Element enthält 511. Auf die Belegungsregeln bezogen heißt dies, dass solche Vorschriften, die sich in allen Vertragsstaaten der Konvention finden, eher angemessen sind, als nur in Deutschland vorzufindende Nutzungsregeln. Erforderlich wird damit eine Gesamtschau der europäischen Belegungsregime, die im Rahmen dieser Arbeit aber nicht zu leisten ist. Eine Besonderheit der Abwägung im Rahmen des Art. 10 EMRK stellt weiterhin der den Vertragsstaaten eingeräumte Beurteilungsspielraum („margin of appreciation“) zu 512. Jenseits dieser Besonderheiten, wird man mit ähnlichen Mustern zu arbeiten haben wie im Rahmen der nationalen Grundrechtsabwägung, d. h. insbesondere die Rechte Dritter, die Bedeutung des Pluralismus für eine demokratische Gesellschaft sowie die Eingriffsintensität sind zu berücksichtigen. Ausschlaggebend dürfte dabei sein, inwieweit die anderen Rechtsträger des Art. 10 EMRK (Veranstalter, Zuschauer) auf den Netzbetreiber zur Ausübung ihrer Kommunikationsgrundrechte angewiesen oder durch einen Wettbewerbsmarkt der Weiterverbreitung vor Vermachtung des Informationsflusses durch den Netzbetreiber geschützt sind 513. Die Position des Netzbetreibers wird demgegenüber gestärkt durch den Eigentumsschutz des Art. 1 ZP-EMRK 514, wenngleich 507 Ausführlich zur Notwendigkeitsprüfung u. ihren Bestandteilen Geeignetheit, Erforderlichkeit u. Verhältnismäßigkeit Kühling 172 ff. 508 EGMR, EuGRZ 1994, 549, 550, Tz.35 (Lentia); Tietje, in: Grabitz/Hilf, E27 Rn. 52; Roider 180 f.; Frey 60. 509 A. A. Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 15, der die Vorbehalte des Art. 10 EMRK aber nur mit Art. 5 Abs. 2 GG vergleicht u. nicht mit den Ausgestaltungsmöglichkeiten, die das BVerfG dem Gesetzgeber im Hinblick auf die Rundfunkfreiheit eröffnet hat. 510 Z. B. EuGH, EuGRZ 1977, 38, Rn. 49 (Handyside). 511 Kühling 176. 512 EGMR, EuGRZ 1994, 549, 550, Rn. 35; zu diesem Beurteilungsspielraum näher Petersen 279 ff. 513 Siehe zu dieser Abwägung Engel, Rundfunk vor der Menschenrechtskonvention, 267 ff. sowie zum Eigentum privater Dritter auf das zur Rundfunkweiterverbreitung zurückgegriffen werden muss, 273 f. 514 Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (v. 20. März 1952). Zum Recht der Nutzung eines Übertragungsweges (allerdings bezogen auf terrestrische Verbreitung) siehe Engel, Rundfunk vor der Menschenrechtskonvention, 206 ff.
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dieser bei Benutzungsregeln abgeschwächt ist (Art. 1 Satz 2 ZP-EMRK). Einschränkungen der Rundfunkfreiheit sollen sich schließlich ergeben aus einer den Staat treffenden Schutzpflicht für den Medienpluralismus, die jedenfalls in der Literatur teilweise anerkannt wird 515. Eine derartige Schutzpflicht verleiht dem legitimen Regelungsziel Pluralismussicherung gegebenenfalls zusätzliches Gewicht im Rahmen der Abwägung, sie darf aber keinesfalls im Sinne eines Ausgestaltungsvorbehaltes oder eines Rechtfertigungsgrundes per se verstanden werden, da auch in Erfüllung dieser Pflicht begangene Eingriffe, ihren Eingriffscharakter nicht etwa verlieren und deshalb uneingeschränkt den Schranken-Schranken unterliegen 516. Art. 10 EMRK bietet also im Ergebnis einen dem nationalen mindestens vergleichbaren Grundrechtsschutz unter besonderer Betonung des Kriteriums der Erforderlichkeit eines jeden Eingriffes. 2. Recht der Europäischen Gemeinschaft Neben der völkerrechtlichen Verpflichtung der EMRK ist schließlich noch auf die Frage einzugehen, welche Rechtspositionen dem Netzbetreiber aus dem Recht der Europäischen Union erwachsen 517. Dabei ist zunächst zwischen Grundrechten und Grundfreiheiten zu unterscheiden 518: Die Grundrechte basieren auf der Rechtsquelle des Art. 6 Abs. 2 EUV, der mit der EMRK sowie den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten die maßgeblichen Rechtserkenntnisquellen benennt 519, und schützen die Grundrechtsberechtigten in erster Linie vor grundrechtswidrigen Gemeinschaftsakten. Die Grundfreiheiten sind demgegenüber in den Art. 23 ff. EGV niedergelegt und schützen die Akteure des Binnenmarktes vor den von Mitgliedstaaten zu verantwortenden Hemmnissen im innergemeinschaftlichen Handelsverkehr. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die Grundfrei515 Allgemein dazu Engel, Rundfunk vor der Menschenrechtskonvention, 65 f.; eine Schutzpflicht für den Meinungspluralismus befürwortend Roider 174 ff., insb. 177 f.; Tsakiridis 198 ff.; siehe auch Ricker/Schiwy, H Rn. 65 ff., differenzierend Kühling 137 ff. Eine staatliche Handlungspflicht aus Art. 10 EMRK hat dagegen der EGMR jedenfalls zur Informationsverschaffung abgelehnt, EGMR, EuGRZ 1999, 188, 190, Rn. 53 f. (Guerra). 516 In der Entscheidung Lentia hat der EGMR zwar ausdrücklich die Bedeutung des Medienpluralismus herausgestellt; diesem Umstand dann aber keine größeren Eingriffsmöglichkeiten in die Rechte der Grundrechtsträger entnommen, sondern vielmehr die abwehrrechtliche Komponente verstärkt, EGMR, EuGRZ 1994, 549, Rn.33 ff., insbes. 39 (Lentia); zurückhaltend gegenüber einer Drittwirkung u. das Erfordernis einer Rechtfertigung bei etwa darauf basierenden Eingriffen betonend: Kloepfer, Innere Pressefreiheit, 105 f., ebenso Klein, AfP 1994, 15 f., der zu Recht auf die Ambivalenz pluralismussichernder Maßnahmen hinweist. 517 Diese Rechtsquelle ist nach h.M. als vom Völkerrecht verschiedene Rechtsordnung bzw. Rechtsquelle eigener Art zu betrachten, siehe EuGH v. 15.7.1964, Rs. 6/64, Slg. 1964, 1251, 1269 f. (Costa/Enel); siehe auch BVerfGE 22, 293, 296 ff.; 31, 145, 173 f. sowie zur Frage der Verfassungsqualitität des primären EU-Rechts Callies, in: ders./Ruffert, Art. 1 EUV Rn. 17 ff. 518 Zur Begrifflichkeit eingehend Roider 130 ff.; Kühling 101 ff. 519 Kingreen, in: Callies/Ruffert, Art. 6 EUV Rn. 33 ff.
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heiten die Mitgliedstaaten unmittelbar binden und sich in erster Linie gegen sie richten, während die Grundrechte der Vermittlung eines gemeinschaftsrechtlichen Bezuges bedürfen, um die Mitgliedstaaten zu verpflichten 520.
a) Gemeinschaftsgrundrechte Ein Gemeinschaftsgrundrecht der Kommunikationsfreiheit, das die Rundfunkfreiheit mitumfasst, wird ebenso allgemein anerkannt 521 wie die Berufsfreiheit 522 und die Eigentumsgewährleistung 523. Die Grundrechte können den Netzbetreibern im Ergebnis (lediglich) in zweierlei Hinsicht Schutz gewähren: Zum einen ist von dem Grundsatz auszugehen, dass gemeinschaftliche (Rechts-) Akte an den Gemeinschaftsgrundrechten zu messen sind524 und somit die Gemeinschaftsorgane stets an sie gebunden sind. Der deutsche Gesetzgeber ist demgegenüber an die Gemeinschaftsgrundrechte regelmäßig nur gebunden, wenn seine Maßnahme in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt, wenn er also EURecht, z. B. Richtlinien, umsetzt 525; wegen des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechtes sind die Gewährleistungen des Grundgesetzes, soweit das Gemeinschaftsrecht das mitgliedsstaatliche Handeln determiniert, dann verdrängt 526. Die hier im Mittelpunkt des Interesses stehenden positiven und negativen Belegungsregeln sind jedoch kein europäisches Recht und beruhen auch nicht auf Richtlinien, Kühling 102. Ausführlich Kühling 359 ff. (zum Rundfunk 388); Kingreen, in: Callies/Ruffert, Art. 6 EUV Rn. 112 ff., 116; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 660 f.; Determann 357 ff. Zum neuen Art. 11 EuGRCh schon oben B. II. 1. b) bb) aaa) (3) (b). 522 St. Rspr. EuGH, z. B. EuGH v. 8.10.1986, Rs. 234/85, Slg.-1986, 2897 Tz. 8 (Keller) u. v. 17.10.1995, Rs. C-44/94, Slg. I-1995, 3115 Tz. 55 (Fishermen’s Organisation); Oppermann Rn.492; Kingreen, in: Callies/Ruffert, Art.6 EUV Rn.129; Bleckmann/Pieper, in: Dauses Wirtschaftsrecht B. I Rn.86. Die EKMR kennt hingegen die Gewährleistung der Berufsfreiheit nicht. 523 St. Rspr. EuGH, aus neuerer Zeit EuGH v. 17.7.1997, verb. Rs. C-248/95 u. C-249/95, Slg.I-1997, 4475 Tz.72 (SAM Schifffahrt u. Stampf) u. v. 28.4.1998, Rs.C-200/96, Slg.I-1998, 1953 Tz.21 (Metronome Music); Kingreen, in: Callies/Ruffert, Art.6 EUV Rn.140 ff. Auch die Nutzung des Betriebseigentums fällt darunter, Kingreen, in: Callies/Ruffert, Art. 6 EUV Rn. 149, siehe auch EuGH v. 9.12.1982, Rs. 258/81, Slg.-1982, 4261 Tz. 13 (Metallurgiki Halyps); a. A. Wieland, in: Dreier, Art. 14 Rn. 17. 524 Kingreen, in: Callies/Ruffert, Art. 6 EUV Rn. 84. 525 Umgekehrt ist Gesetzgebung nationalen Rechts ohne Richtlinienbezug grundsätzlich nicht an den Gemeinschaftsgrundrechten zu messen u. mithin nicht der Grundrechtskontrolle des EuGH unterworfen (grundlegend: EuGH v. 11.7.1985, Rs. 60 u. 64/84, Slg.-1985, 2605 Tz. 26, (Cinéthèque); aus neuerer Zeit z. B. EuGH v. 29.5.1997, Rs. 299/95, Slg. I-1997, 2629 Tz. 15 ff., (Kremzow)); siehe auch Art. 51 Abs. 1 EuGRCh. 526 Siehe EuGH v. 15.7.1964, Rs. 6/64, Slg. 1964, 1253, 1269 (Costa/Enel); das Bundesverfassungsgericht geht von zwei Ausnahmen von diesem Grundsatz aus: einmal soll der Anwendungsvorrang dann nicht greifen, wenn ein unverzichtbarer Grundrechtsstandard im Sinne des Grundgesetzes nicht gewahrt wird o. eine Kompetenzüberschreitung seitens der EU-Organe vorliegt, BVerfGE 89, 155, 174 ff., 188, siehe auch Pieroth/Schlink Rn.191; Oppermann Rn.497. 520 521
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die dem nationalen Gesetzgeber zwingende Vorschriften machen. Die nationalen rundfunkrechtlichen Belegungsregeln sind deshalb in der Regel nicht an Gemeinschaftsgrundrechten zu messen; anderes kann aber für solche die Kabelnutzung treffenden Regeln gelten, die auf sie determinierendem Gemeinschaftsrecht beruhen. Zum anderen entfalten die Grundrechte auch dann Schutz, wenn der nationale Gesetzgeber in die Grundfreiheiten eingreift. Die Gemeinschaftsgrundrechte wirken dann nach h. M. als Schranken-Schranke, d. h. die mitgliedsstaatliche Beschränkung hat vor der gemeinschaftlichen Rechtsordnung nur Bestand, wenn sie neben anderen Voraussetzungen, insbesondere der Verhältnismäßigkeit, auch mit den Gemeinschaftsgrundrechten in Einklang zu bringen ist527. Die oben getroffene Aussage, die rundfunkrechtlichen Belegungsregeln seien als rein nationale Regelung nicht an den Gemeinschaftsrechten zu messen, ist also in gewissen Konstellationen zu relativieren: stellt die Nutzungsregel einen Eingriff in die Grundfreiheiten dar, so muss sie den Gemeinschaftsrechten entsprechen. Die Gemeinschaftsgrundrechte sind im Ergebnis also nur – inzident – zu prüfen, wenn Belegungsregeln die Grundfreiheiten einschränken. Ob dies der Fall ist, wird im folgenden Abschnitt untersucht.
b) Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts aa) Dienstleistungsfreiheit Als Zweites hat man sich den Grundfreiheiten zuzuwenden. Zunächst ist fraglich, welche der (Grund-)Freiheiten hier einschlägig sein könnte. Rundfunk 528 selbst, aber auch dessen Weiterverbreitung als entgeltlich 529 und gewerblich er527 EuGH v. 18.6.1991, Rs. C-260/89, Slg.-1991, 2925 Tz. 43 (ERT) für die mitgliedsstaatliche Ausfüllung kodifizierter Schranken; später ausgedehnt auch auf die immanenten Schranken der Grundfreiheiten EuGH v. 26.6.1997, Rs. C-368/95, Slg. I-1997, 3689 Tz. 24 ff. (Familiapress); auch im Schrifttum wird dies überwiegend anerkannt; ausführlich z. B. Kühling 75 ff.; Klein, AfP 1994, 12; a. A. Kingreen, in: Callies/Ruffert, Art. 6 EUV Rn. 61 f. Zu dieser Funktion der Gemeinschaftsgrundrechte auch schon oben B.II. 1. b) bb) aaa) (3) (b). 528 Dass die Veranstaltung von Rundfunk eine Dienstleistung i. S. d. EGV darstellt, dürfte mittlerweile ganz h. M. sein: st. Rspr. EuGH, erstmals EuGH v. 30.4.1974, Rs. 155/73, Slg.-1974, 409 Tz. 6 ff. (Sacchi); auch im Schrifttum ist dies dem Grundsatz nach anerkannt, siehe im Einzelnen die Darstellungen bei A. Hesse 311 f., insbes. Fn. 52; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 653; soweit mit der Qualifikation von Rundfunk als Dienstleistung auch die Kompetenzfrage verbunden ist, wird man zu berücksichtigen haben, dass Rundfunk zwar eine Dienstleistung darstellt, daneben aber auch eine kulturelle Dimension umfasst, u. in erster Linie nach dem Schwerpunkt der Maßnahme zu differenzieren haben, zu dieser vermittelnden Meinung Ricker/Schiwy, H Rn. 17; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 655. 529 Das Tatbestandsmerkmal der Entgeltlichkeit im Verhältnis Veranstalter zu Netzbetreiber kann dann bejaht werden, wenn der Veranstalter direkt für die Weiterverbreitung bezahlt (Syn-
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brachte, nicht-körperliche 530 Leistung, stellen eine Dienstleistung im Sinne der Art. 49 ff. EGV, insbesondere Art. 50 EGV, dar 531. Soweit Programme inländischer Veranstalter verbreitet werden und somit in der Mehrzahl der Fälle, fehlt es jedoch an der notwendigen Grenzüberschreitung der Leistung532. Anders verhält es sich bei der Weiterverbreitung im Ausland veranstalteter Programme: die grenzüberschreitende Dienstleistung ist hier jedenfalls auch in der Weiterverbreitungstätigkeit des inländischen Netzbetreibers zugunsten der ausländischen Rundfunkveranstalter zu sehen 533. Unterfällt damit die Weiterverbreitung ausländischer Programme dem sachlichen Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit nach dem EGV, so sind die Einspeisevorschriften als Eingriff zu werten und auf ihre Vereinbarkeit mit der Grundfreiheit hin zu überprüfen: Die Eingriffsqualität der Belegungsregeln ergibt sich für den Netzbetreiber daraus, dass er in der freien Erbringung seiner grenzüberschreitenden Dienste beeinträchtigt ist. So kann z. B. ein in Deutschland tätiger Netzbetreiber möglicherweise einen in Frankreich veranstalteten Musikkanal nicht einspeisen, weil die notwendige Übertragungskapazität für die vorgeschriebene Weiterverbreitung von Must-Carry-Programmen verwendet werden muss. Dieses Beispiel zeigt zugleich, dass neben der Dienstleistung des Netzbetreibers auch die Dienstleistung des ausländischen Fernsehveranstalters, nämlich Veranstaltung und Sendung eines Programms, von den Einspeiseregelungen betroffen ist; er kann sich insofern ebenallagma), aber auch dann, wenn nur der Rezipient für den Empfang bezahlt, da Art. 50 EGV nicht verlangt, dass die Dienstleistung von demjenigen bezahlt wird, dem sie zugute kommt, EuGH v. 26.4.1988, Rs. 352/85, Slg.-1988, 2085 Tz. 16 (Bond van Adverteerders); Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Art. 49/50, Rn. 36; Roider 42 ff.; ausführlich zum Merkmal der Entgeltlichkeit auch Petersen 50 ff. 530 Dazu Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Art. 49/50, Rn. 25 ff. 531 Siehe auch Oppermann, Rn. 1598 ff. sowie schon oben B. II. 1. b) bb) aaa) (3). 532 Die Tatsache, dass rein innerstaatliche Vorgänge nicht erfasst werden, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift („... für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als desjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind“, Art. 49 Abs. 1 EGV) u. auch der EuGH hat ausgeführt, dass Art.49 EGV nicht zur Anwendung kommt, wenn alle Elemente der fraglichen Tätigkeit nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausweisen, EuGH v. 18.3.1980, Rs. 52/79, Slg.-1980, 833 Tz. 9 (Debauve) u. v. 16.1.1997, Rs. C-134/95, Slg. I-1997, 195 Tz. 19 (USSL No 47 di Biella). 533 EuGH v. 26.4.1988, Rs. 352/85, Slg.-1988, 2085 Tz. 14 (Bond van Adverteerders) u. v. 5.10.1994, Rs. C-23/93, Slg. I.-1994, 4795 Tz. 12 ff. (TV 10). Nach anderer Ansicht ist von einer einheitlichen grenzüberschreitenden Dienstleistung zwischen Veranstalter u. Rundfunkzuschauer auszugehen, z. B. EG-Kommission, in: Grünbuch über die Errichtung des gemeinsamen Marktes für den Rundfunk, insbesondere über Satellit u. Kabel, „Fernsehen ohne Grenzen“, KOM (84) 300 v. 14.6.1984, 111 ff. sowie Degenhart, EuGRZ 1983, 213. Dabei wird teilweise noch danach differenziert, ob der Netzbetreiber das ausländische Programm unverändert (dann grenzüberschreitende Dienstleistung) o. verändert (dann innerstaatliche Dienstleistung) weiterverbreitet. Richtigerweise wird man aber die Beziehung Netzbetreiber-Veranstalter nicht ausblenden können, was sich aus der technischen u. urheberrechtlichen Relevanz der Weiterverbreitungsleistung des Netzunternehmers ergibt (Petersen 70 f.). Das Entgelt selbst muss im Übrigen nicht die Grenze überschreiten, Greissinger 51 f.
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falls auf seine Dienstleistungsfreiheit berufen. Damit können nicht nur unter dem Blickwinkel des Netzbetriebs sondern auch aus der Perspektive ausländischer Programmveranstalter deutsche Einspeisevorschriften EG-rechtswidrig und unwirksam sein. Fallen im Hinblick auf eine derartige Diskriminierung ausländischer Veranstalter Belegungsregeln fort, so kommt dies auch dem Netzbetreiber zu Gute und erweitert unmittelbar seinen Freiheitsraum bei der Netznutzung. Auf diese die Netzbetreiber reflexiv begünstigenden Verstöße gegen die Grundfreiheit der Rundfunkveranstalter kann hier jedoch nicht eingegangen werden; die Prüfung muss allein auf die subjektiven Grundfreiheiten der Netzbetreiber beschränkt bleiben534. Fraglich ist, ob der Eingriff, also insbesondere die Belegungsregeln, gerechtfertigt werden kann. Dabei ist zunächst zu beachten, dass es sich aus der hier zu untersuchenden Perspektive der Netzbetreiber bei den Netznutzungsregeln um Beschränkungen des Dienstleistungserbringers in seinem Herkunftsstaat handelt535. Das heißt nicht, dass Eingriffe unbeschränkt möglich wären: Denn zwar enthält der Abschnitt über die Dienstleistungen keine dem auf die Warenausfuhr anwendbaren Art. 29 EGV vergleichbare Regelung, jedoch kann aus der weiten Formulierung des Art. 49 Abs. 1 EGV („Beschränkungen des Dienstleistungsverkehrs“) geschlossen werden, dass die Dienstleistungsfreiheit auch – jedenfalls im Grundsatz – den Herkunftsstaat verpflichtet. 536 Die Dienstleistungsfreiheit entfaltet jedoch gegenüber dem Herkunftsland weniger umfangreiche Wirkung als gegenüber dem Aufnahmeland der Dienstleistung: gegenüber dem Herkunftsland wirkt sie grundsätzlich nur als Diskriminierungsverbot und zwar mit dem Inhalt, dass solche Regelungen des Herkunftslandes gegen Art. 49 EGV verstoßen, die die Leistung von Diensten zwischen Mitgliedstaaten gegenüber der Leistung von Diensten innerhalb des Mitgliedstaates erschweren 537. Darüber hinaus ist die Dienstleistungsfreiheit im 534 Die Wirksamkeit der Belegungsregeln in Ansehung der Veranstalterdienstleistungsfreiheit wird untersucht von Schippan, BayVBl. 1998, 44 ff. Die Bedenken der Kommission gegenüber deutschen Einspeisungsregeln, die einen Vorrang deutschsprachiger Sender o. solcher mit regionalem Bezug begründeten, beruhten auf der möglichen Verletzung der Rechte der ausländischen Veranstalter (siehe zum Beanstandungsschreiben der Kommission: epd Nr. 20 v. 18.3.1998, 4 f. dazu Wille/Schulz/Fach-Petersen, in: Hahn/Vesting, § 52 Rn. 30 sowie einen Verstoß der beanstandeten Vorschriften gegen die Dienstleistungsfreiheit ablehnend Dörr/ Charissé, AfP 1999, 18 ff.). 535 Der Netzbetreiber „exportiert“ seine Leistung in das Land des ausländischen Veranstalters als Dienstleistungsempfänger; er wird dabei in seinen Heimatstaat durch Belegungsregeln beschränkt. Siehe zur Fallgruppe der Beschränkung des Dienstleistenden durch seinen Heimatstaat Roth, in: Dauses EU-Wirtschaftsrecht E. I Rn. 137; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/ Hilf, Art. 49/50 EGV Rn.63 ff. zur Abgrenzung zwischen Regelung des Aufnahme- u. des Herkunftsstaates, Rn. 62. 536 Der EuGH erkennt die Verpflichtung des Herkunftsstaates durch die Dienstleistungsfreiheit in ständiger Rechtsprechung an, z. B. EuGH v. 10.5.1995, Rs. C-384/93, Slg. I-1995, 1141 Tz.30 (Alpine Investments); EuGH v. 29.4.1999, Rs.C-224/97, Slg.I-1999, 2517 Tz.11 (Ciola). 537 EuGH v. 5.10.1994, Rs. C-381/93, Slg. I-1994, 5145 Tz. 17 (Kommission/Frankreich); EuGH v. 28.4.1998, Rs. C-158/96, Slg. I-1998, 1931 Tz. 33 (Kohll); Roth, in: Dauses EU-Wirt-
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D. Der Kabelnetzbetreiber als Träger von Grundrechten
Hinblick auf die Regelungen des Herkunftslandes ausnahmsweise als Beschränkungsverbot zu verstehen, wenn die fragliche Regelung spezifisch oder „unmittelbar“ den Zugang zu den Dienstleistungsmärkten anderer Mitgliedstaaten behindert 538. Diese – im Vergleich zur Beurteilung von Regelungen des Aufnahmestaates 539 – sehr enge Anwendung des Beschränkungsverbotes beruht auf zwei Gründen: einmal hat das Beschränkungsverbotes im Rahmen des Art. 49 EGV zum Ziel, ein Nebeneinander von Vorschriften mehrerer Staaten für die Dienstleistung zu verhindern, was aber nur für den Aufnahmestaat relevant werden kann; zum anderen fordert das allgemein anerkannte Herkunftslandprinzips, wonach die Regelungen im Herkunftsland der Dienstleistung die Beachtung der Regelungen des Bestimmungslandes gerade überflüssig machen, dass die Herkunftslandregeln auch tatsächlich zur Anwendung kommen 540. Da die Belegungsregeln jedenfalls dann, wenn sie – wie im digitalen Bereich derzeit der Fall – nicht spezifisch die Einspeisung ausländischer Veranstalter unterbinden, nicht unmittelbar den Zugang zu ausländischen Dienstleistungsmärkten verhindern, sind diese Regeln nicht am allgemeinen Beschränkungsverbot zu überprüfen. Fraglich ist demnach nur, ob die inmitten stehenden Belegungsregeln die Diensteerbringung des Netzbetreibers zugunsten von Dienstleistungsempfängern im Ausland wesentlich gegenüber der Leistungserbringung zugunsten von Veranstaltern als Dienstleistungsempfängern im Inland erschweren. Wird der Betreiber digitaler Netze, wie durch den derzeitigen § 52 RStV daran gehindert, ein Drittel seiner Kapazitäten nach eigenen Vorstellungen zu nutzen, so trifft ihn dies generell in seiner Freiheit, andere Veranstalter weiterzuverbreiten, und unabhängig von deren Sitz im In- oder Ausland. Seine Möglichkeit ausländischen Veranstaltern seine Dienste anzubieten, wird also gegenüber seinen Möglichkeiten im inländischen Binnenmarkt nicht erschwert. Ein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit liegt deshalb aus der Perspektive der Netzbetreiber nicht vor. Anders kann es sich jedoch verhalten, wenn – wie teilweise im analogen Bereich – der Netzbetreiber in seiner Freiheit, Dritten nach seiner Wahl Weiterverbreitungsleistungen anzubieten, vollständig beschränkt wird und diese Vorgaben einseitig inländische Programme bevorzugen. schaftsrecht E. I Rn. 137; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Art. 49/50 EGV Rn. 68; siehe auch Determann 350 f. 538 EuGH 10.5.1995, Rs.C-384/93, Slg.I-1995, 1141 Tz.38 (Alpine Investments), in diesem Fall erblickte der Gerichtshof in einem niederländischen Verbot, unaufgefordert zur Verkaufsförderung von Finanzprodukten Bürger in den Niederlanden u. in anderen Mitgliedsstaaten anzurufen, eine Beschränkung des Dienstleistungsverkehres; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Art. 49/50 EGV Rn. 68 u. 72. 539 In diesen Fällen ist nach ganz herrschender Ansicht dem Art. 49 EGV ein allgemeines Beschränkungsverbot zu entnehmen, siehe nur EuGH v. 3.12.1974, Rs. 33/74, Slg.-1974, 1299 Tz. 10/12 (van Binsbergen); 9.7.1997, Rs. C-222/95, Slg. I-1997, 3899 Tz. 18 (Parodi); Kluth, in: Callies/Ruffert, Art. 50 EGV Rn. 38 ff.; für den Rundfunkbereich Petersen 107 ff. 540 Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Art. 49/50, Rn. 71.
IV. Zusammenfassung
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bb) Niederlassungsfreiheit Zu denken ist schließlich als zweite berührte Grundfreiheit an die Niederlassungsfreiheit, Art. 43 EGV. Diese kann tangiert sein, wenn ein EU-ausländischer Netzbetreiber sich in Deutschland niederlassen, d. h. auf unbestimmte Zeit mittels fester Einrichtungen seine Tätigkeit bei Eingliederung in die Volkswirtschaft des Empfangslandes aufnehmen möchte 541. Anerkannt ist, dass die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EUV vor direkten oder indirekten Diskriminierungen schützt und insofern Inländergleichbehandlung fordert 542. Die Netzbelegungsregeln knüpfen aber weder indirekt noch direkt an die Ausländereigenschaft der Netzbetreiber an. Darüber hinaus enthält nach h. M. und Ansicht des EuGH die Niederlassungsfreiheit dem Grundsatz nach ein allgemeines Beschränkungsverbot 543. Dieses ist aber nicht umfassend. Im Ergebnis wird man ungeachtet aller Streitigkeiten im Detail die rechtlichen Ausübungsbedingungen der Tätigkeit im Aufnahmestaat (das dürften nach deutscher Terminologie die Berufsausübungsregeln sein) nicht am Beschränkungsverbot messen, da es sich dabei um die allgemeinen Standortbedingungen handelt, deren Modifikation durch Art. 43 EGV nicht angestrebt wird 544. Die Belegungsregelungen sind solche typischen Regeln für die Ausübung einer Tätigkeit, hier des Netzbetriebes; sie fallen deshalb nicht unter das Beschränkungsverbot.
IV. Zusammenfassung Die vorangegangenen Ausführungen haben eines gezeigt: Schutz vor übermäßigen Beschränkungen seiner Freiheit durch Belegungsregeln bieten dem Netzbetreiber vor allem die Wirtschaftsfreiheiten des Grundgesetzes. Zwar unterfällt die Weiterverbreitung von Rundfunk richtig verstanden in allen Spielarten dem Schutzbereich auch der Rundfunkfreiheit. Soweit Belegungsregeln aber überhaupt an den für Eingriffe geltenden Schranken-Schranken zu messen sind – das Bundesverfassungsgericht arbeitet mit der Rechtsfigur der Ausgestaltung, an die noch geringere Anforderungen zu stellen sind, – muss der Netzbetreiber erhebliche Eingriffe hinnehmen. Dies beruht vor allem darauf, dass seine Tätigkeit regelmäßig nicht der Programmfreiheit und damit dem eigentlichen Kern der Rundfunkfreiheit zuzurechnen ist. Die Eigentumsverbürgung schützt dagegen die Netznutzung wirksam. Zwar kam hier die Arbeit zu dem Ergebnis, dass der Rundfunkfreiheit aufgrund ihrer essentiellen, konstituierenden Bedeutung für die Meinungsbildung in der Demokratie 541 Siehe Bröhmer, in: Callies/Ruffert, Art. 43 Rn. 9 ff.; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/ Hilf, Art. 43 Rn. 13 ff. 542 Ständige Rechtsprechung seit EuGH v. 12.2.1974, Rs. 152/73, Slg.-1974, 153 Tz. 11 (Sotgiu); Oppermann Rn. 1591. 543 Grundlegend EuGH v. 31.3.1993, Rs. C-19/92, Slg. I-1993, 1663 Tz. 32 (Kraus); v. 30.11.1995, Rs. C-55/94, Slg. I-1995, 4165 Tz. 37 (Gebhard); Bröhmer, in: Callies/Ruffert, Art. 43 EGV Rn. 22 ff.; Roth, in: Dauses EU-Wirtschaftsrecht E. I Rn. 61 ff. 544 Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Art. 43 Rn. 100 ff.
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D. Der Kabelnetzbetreiber als Träger von Grundrechten
ein funktionaler Bonus zukommt. Praktische Konkordanz lässt sich aber nur herstellen, wenn die verfassungsrechtliche Grundsatzentscheidung für einen privatwirtschaftlichen Netzbetrieb und die Privatnützigkeit des Eigentums im Kern erhalten bleiben. Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt man unter Berücksichtigung der Berufsfreiheit. Ergänzt wird dieser grundrechtliche Schutz durch die Verbürgung der EMRK.
E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter – Keine Notwendigkeit neuer Freiheitsbeschränkungen Die Veranstaltung von eigenen Programmen kann für den Netzbetreiber betriebswirtschaftlich sehr sinnvoll sein. Massenattraktive eigene Inhalte können die Attraktivität des Kabelnetzes – insbesondere im Wettbewerb mit dem Satellitenempfang – wesentlich erhöhen 1. Gleichwohl hat das erste Auftreten integrierter Netzbetreiber, allen voran der geplante Einstieg von Liberty in den deutschen Kabelmarkt, Skepsis und Ablehnung hervorgerufen; der Ruf nach neuen Schutzvorschriften vor den Gefahren vertikaler Integration wurde laut 2. Aus Sicht der Netzbetreiber würden solche neuen Ge- und Verbote ihre (Rechts-)Position weiter schwächen. Im Folgenden soll deshalb untersucht werden, ob es solcher Eingriffe überhaupt bedarf. Dazu soll zunächst die vertikale Integration als solche dargestellt (Abschnitte I. bis III.) und sodann geprüft werden, ob nicht bereits die bestehende Sach- und Rechtslage die wirksame Steuerung dieses Geschäftsmodells erlaubt (Abschnitt IV.). Nur wenn diese Frage zu verneinen ist, erscheint ein gesetzlicher Eingriff in die Rechtspositionen der Netzbetreiber gerechtfertigt. Das Problem vertikaler Integration hat sich mit dem gescheiterten Netzverkauf an Liberty auch nicht etwa erledigt. Das Geschäftsmodell vertikaler Integration behält vielmehr auch in Zukunft seine ökonomischen Vorteile und damit – insbesondere in einer für die Netzbetreiber zusehends schwierigeren wirtschaftlichen Lage – seine Attraktivität. Vertikale Integration wird damit – soviel erscheint absehbar – Rundfunkrecht und Medienpolitik weiterhin beschäftigen.
1 Zur ausschlaggebenden Bedeutung der übertragenen Inhalte für die Wahl des Übertragungsmediums in den USA siehe unten E. III. 2. b). 2 Siehe z. B. Position der Gemeinsamen Stelle Digitaler Zugang der DLM v. 10.04.2001, abgedruckt in epd Nr. 32 v. 25.4.2001, 15 ff.; später offen gelassen in Positionen der Landesmedienanstalten zur Kabelregulierung, abgedruckt in epd Nr. 14 v. 23.2.2002, 22 f.; für neue Schutzvorschriften Landesregierung von Schleswig-Holstein, Ltags-Drs. 15/1065, abgedruckt in epd Nr. 64/23 v. 15.8.2001; überraschend skeptisch auch die Reaktionen des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT), in seinem Positionspapier v. 10.5.2001, abgedruckt in epd Nr. 40/41 v. 23.05.2001, 25 ff.; jetzt abgeschwächt in der Stellungnahme v. 12./13.9.2002, abgedruckt epd Nr. 77/78 v. 2.10.2002, 28 ff.; insbesondere 33; siehe auch Woldt, MP 2002, 48.
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
I. Was ist vertikale Integration? – eine Definition Vertikale Integration ist ein in der medienrechtlichen Literatur ebenso geläufiger wie häufig unscharfer Begriff, der definitorischer Klärung bedarf 3. Der Terminus vertikale Integration entstammt dem Kartellrecht. Dort bezeichnet er den Umstand, dass zwei oder mehr an sich separierbare Produktionsstufen der gleichen wirtschaftlichen Einheit angehören 4. Das heißt, ein Unternehmen beschafft im Rahmen grundsätzlich arbeitsteiliger Produktionsprozesse das Vorprodukt nicht von einem fremden Anbieter auf dem vorgelagerten Markt 5, sondern stellt das Vorprodukt selbst her. Anders formuliert bedeutet vertikale Integration im Kern, Marktbeziehungen zu Absatz- und Beschaffungsmärkten in unternehmensinterne Beziehungen zu überführen 6. Dem liegt eine von den Wirtschaftswissenschaften mit dem Schlagwort „Make-or-Buy“ bezeichnete unternehmerische Entscheidung zu Grunde7: Der Unternehmer optiert je nach Transaktionskosten entweder dafür, das Produkt selbst herzustellen (make) oder aber es auf dem vorgelagerten Markt zu kaufen (buy). Als vorgelagert werden dabei Märkte bezeichnet, auf denen das Unternehmen, von dem die Untersuchung ihren Ausgangspunkt nimmt, als Nachfrager auftritt. Nachgelagert sind die Märkte, auf denen dieses Unternehmen als Anbieter auftritt. Die Vertikale ist in den Märkten in Reihe zu sehen, also in den aufeinanderfolgenden Produktions- oder Wertschöpfungsstufen 8, wohingegen die Horizontale die mehreren Akteure innerhalb desselben Marktes betrifft. Auf die Kabelnetzbetreiber gewendet bedeutet dies: Auch Rundfunkdarbietung für Zuschauer (Endkunden) kann als arbeitsteiliger Vorgang in mehrere Märkte aufgespalten werden, die dann zueinander im Verhältnis von vor- und nachgelagerten Märkten stehen. Aus der Sicht des Netzbetreibers stellt die Signalweiterverbreitung den Bezugspunkt und also den Hauptmarkt dar. Diesem vorgelagert ist, insbesondere wenn er nach dem Vermarktungsmodell seinen Endkunden Rundfunkprogramme anbietet, die Programmveranstaltung, der wiederum zum Beispiel der Rechtemarkt vorgelagert ist. Der reinen Verbreitung sind außerdem die technischen Dienstleistungen wie z. B. das Multiplexing oder die Bouquetbildung vorangestellt. Als dem 3 Der Begriff findet sich als Ausdruck einer Kombination von Netz u. Nutzung z. B. bei Thierfelder 83; Esser-Wellié, Wirtschaftsrecht der Breitbandkommunikation, 125 f.; Irion/ Schirmbacher, CR 2002, 61; Bender 62; siehe auch Vesting, Rundfunkrecht, 335 ff. 4 Kruse, FS Schmidt, 247 ebenso Engel, Medienordnungsrecht, 81, der vertikale Integration statt über Produktionsstufen über Märkte definiert, ohne dass damit ein Unterschied in der Sache verbunden wäre. 5 Als Markt bezeichnet man in der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie den idealen Ort, wo Angebot u. Nachfrage zusammentreffen, Emmerich 168. 6 Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 Rn. 226; das bedeutet zugleich, dass aus externen Transaktionskosten interne Verrechnungskosten werden, dies. Rn. 224 sowie Trute, in: Hahn/Vesting, § 26 Rn. 4. 7 Kruse, FS Schmidt, 247. 8 Kops 33.
II. Welche Vorteile bringt vertikale Integration?
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Datentransport nachgelagert könnte man den Decoder-Markt betrachten. Aus der Sicht des Kabelnetzbetreibers können alle diese Märkte integriert werden 9; da sie vor- bzw. nachgelagert sind, wird diese Integration dann als vertikal bezeichnet 10. Dem Gegenbegriff der horizontalen Integration unterfiele indes das Zusammengehen mehrerer konkurrierender Kabelnetzunternehmen, d. h. die Integration von auf demselben Markt im Wettbewerb stehenden Akteuren. Die nachfolgende Untersuchung beschränkt sich aber auf den Fall einer vertikalen Integration der Ebenen Programmveranstaltung und Signalverbreitung. Diese Konstellation wird zum Lackmustest der Regulierung, weil hier am deutlichsten Netz und Nutzung zusammenfallen, die Pluralismussicherung also am stärksten gefordert ist. Im Folgenden wird mithin unter vertikaler Integration die jedenfalls wirtschaftliche Verbindung von Programmherstellung und kabeltechnischer Verbreitung in einer Hand verstanden und dementsprechend unter einem vertikal integrierten Kabelnetzbetreiber, ein Unternehmer, der ein Kabelfernsehnetz betreibt und zugleich ein oder mehrere Fernsehprogramm(e) selbst oder durch ihm zurechenbare wirtschaftliche Einheiten veranstaltet 11.
II. Welche Vorteile bringt vertikale Integration? Die vertikale Integration von Veranstaltung und Netzbetrieb bringt – wie bei der Vereinigung von mehreren Marktstufen oftmals der Fall – Kostenvorteile 12. Insbesondere verbilligt sich für den Netzbetreiber der Programmbezug im Vergleich zu Wettbewerbern 13. Die gestiegene Betriebsgröße an sich erlaubt zudem eine größere Risikostreuung 14 und Kontrolle über mehrere Stufen der Wertschöpfungskette 15. 9 Denkbare weitere „Verflechtungsformen“ bei Holznagel, Rundfunkrecht in Europa, 304 ff.; siehe auch KEK, Konzentrationsbericht, Schaubild I-1, 42. 10 KEK, Konzentrationsbericht, 42. 11 Siehe auch Begriffsbestimmung bei Esser-Wellié 125 f. für den amerikanischen Markt, auf dem sich diese Entwicklung bereits seit einiger Zeit vollzogen hat (dazu sogleich) u. die Definition der FCC (Federal Communications Commission = US-amerikanische Aufsichts- u. Regulierungsbehörde) in ihrem Bericht über den Wettbewerb auf dem Markt für Fernsehprogrammverteilung, Annual Assessment of the Status of Competition in the Market for the Delivery of Video Programming: „Eigth Annual Report“, FCC 01-389 herausgegeben am 14.01.2002, § 156: „Vertical integration occurs where a video programming distributer has an ownership interest in a video programming supplier or vice versa“. 12 Siehe dazu die Darstellung der Kosteneffekte vertikaler Integration bei Kruse, FS Schmidt, 248 ff. 13 So zu Recht das Bundeskartellamt in seiner Entscheidung „Liberty“ (BKartA, Beschluss v. 22.2.2002, B 7-168/01; vollständig abgedruckt in u. im Folgenden zitiert nach epd Nr. 17 vom 6.3.2002; in Auszügen auch wiedergegeben in WuW/E DE-V 558 ff.) u. zwar selbst für den Fall, dass der Netzbetreiber keine gesellschaftsrechtliche Kontrolle auf den Zulieferer ausübt, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 18. 14 Vesting, Rundfunkrecht, 336 f. 15 Bender 62 f.
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
Letzteres betrifft insbesondere die Kundenbindung: In Deutschland bestehen in der Regel zwar Kundenbeziehungen zwischen Netzbetreiber und Fernsehzuschauer, nicht aber zwischen „Free-TV“-Anbieter und Fernsehzuschauer 16. Die Kundenbeziehung kann für Marketingmaßnahmen der Veranstalter benutzt werden. Die vertikale Integration erlaubt es dem Kabelnetzbetreiber weiterhin, einen Veranstalter exklusiv an sich zu binden und damit die Attraktivität des Kabelanschlusses zu erhöhen. Diesen exklusiven Inhalten kommt im Wettbewerb der mehreren Übertragungswege untereinander Gewicht zu. Der Kabelnetzbetreiber kann damit die oben bereits dargestellten Nachteile gegenüber anderen Verbreitungswegen, insbesondere dem Satelliten, ausgleichen. Der Netzbetreiber kann die Veranstalter auch finanziell unterstützen (z. B. Anlaufsubvention), so dass Programme ermöglicht werden, die sonst keine Marktchance hätten. Damit eröffnen sich auch neue Möglichkeiten, das im deutschen Privatfernsehen bestehende Anbieterdyopol der RTLund ProSiebenSat.1-Gruppe 17 aufzubrechen. Liegen Inhalt und Netz in einer Hand können darüber hinaus die sich durch die technische Konvergenz ergebenden neuen Formen der Kommunikation optimal genutzt werden; hier sei z. B. an interaktives Fernsehen erinnert, das auf eine intensive Abstimmung von Inhalt und technischer Infrastruktur angewiesen ist. Die aus Kundensicht stark abschreckenden „technischen Brüche“ im Sinne fehlender Kompatibilität verschiedener Anwendungen entfallen. Aus der Sicht der Programmveranstaltung garantiert die Verbindung mit einem Kabelnetzbetreiber den Vertrieb der Programmproduktion, sie sichert den Distributionskanal zum Kunden 18. Ein Umstand der umso wichtiger erscheint, wenn man bedenkt, dass mangelnde Übertragungskapazitäten und damit mangelnde Reichweiten die Entwicklung von neuen Programmen auf dem deutschen Markt in der Vergangenheit oftmals erschwerten 19. Teilweise wird zudem angenommen, dass vertikale Integration Investitionen in die Netze beschleunigt 20, da dem Netzbetreiber der durch neue Anwendungsformen entstehende Mehrwert in größerem Umfang zu Gute kommt. Diese Vorteile stellen aber zugleich die potentiellen Nachteile der vertikalen Integration für den freien Meinungsmarkt dar, von denen im folgenden Abschnitt die Rede sein soll. 16 Anderes gilt für den Bereich Pay-TV. So tritt z. B. Premiere in vertragliche Beziehung direkt mit dem Zuschauer (Abonnent). 17 Zu den Zuschauermarktanteilen beider Programmgruppen siehe ARD-Jahrbuch 2002, 371. Danach kommt die RTL-Senderfamilie auf ca. 25 % Marktanteil in der Primetime, ProSiebenSat.1-Sender auf 22 % bei einem Marktanteil der öffentlich-rechtlichen Programme von 45 %. 18 Mailänder 169 f. 19 Siehe Schulz/Seufert/Holznagel 45 f. 20 So sieht Thierfelder 98, in der Integration ein „wirkungsvolles Instrument zum Kabelausbau“, sowie ders. 83; siehe auch die bei Holznagel, ZUM 1996, 19, beschriebenen Probleme einer strikten Trennung zwischen Netz u. Nutzung.
III. Welche Gefahren birgt vertikale Integration?
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III. Welche Gefahren birgt vertikale Integration? 1. Schutzgut Von einer Gefährdung kann nur gesprochen werden, wenn überhaupt ein Schutzgut vorhanden ist. Denn es gibt nicht an sich gefährliches Tun, sondern nur Handlungen, die in Bezug auf ein konkretes Rechtsgut nachteilig und also diesem gefährlich sind. Bevor die Frage nach den Gefahren vertikal integrierten Netzbetriebes beantwortet werden kann, muss also das Schutzgut festgelegt werden. Eine rundfunkrechtliche Untersuchung kann dabei als Schutzgut nur die Rundfunkfreiheit im Auge haben, wie sie im Rahmen der Ausführungen zu Art. 5 GG bereits dargestellt wurde. Demnach steht in der Sinnmitte der grundrechtlichen Verbürgung die Meinungsvielfalt. Dies deckt sich mit den Aussagen des Bundesverfassungsgerichtes, wonach der für die Demokratie wesentliche („ihr dienende“) Meinungsbildungsprozess nicht durch einseitige Meinungsmacht einzelner gefährdet werden darf und deshalb den Gesetzgeber der legislatorische Auftrag trifft, die wesentlichen Voraussetzungen der Meinungsvielfalt zu sichern 21. Von einer Gefahr durch vertikale Integration soll hier mithin nur gesprochen werden, soweit die Meinungsvielfalt, also der publizistische Wettbewerb betroffen ist. Die Gefahren für den freien ökonomischen Wettbewerb sind indes Gegenstand der Untersuchung allein insofern, als mit Marktmacht auch Meinungsmacht einhergeht und die Verhinderung von Marktmacht folglich zugleich der Verhinderung von Meinungsmacht dienen kann; weitergehende Fragen des ökonomischen Wettbewerbs müssen kartellrechtlichen Untersuchungen vorbehalten bleiben 22. Gefahr heißt im Nachfolgenden also immer Gefahr für die Meinungsvielfalt. Welche Gefahren im Einzelnen vertikale Integration birgt und wie ihnen begegnet werden kann, ist Gegenstand dieses Kapitels.
2. Gefahrenprognose Zwar hat das Bundesverfassungsgericht sich der vertikalen Integration im Medienbereich bereits obiter dictum angenommen, wenn es in der Entscheidung „DSF“ ausführt: „... nicht ersichtlich [ist], dass das Gebot der Vielfaltssicherung durch neuere Entwicklungen an Gewicht verlieren könnte. Vielmehr machen die im Vergleich zu den Printmedien fortgeschrittene und weiter fortschreitende horizontale Verflechtung auf dem Fernsehmarkt ..., die vertikale Verflechtung ... sowie die Privatisierung der Übertragungswege eine Berücksichtigung [scil. der VielfaltssicheSiehe z. B. BVerfGE 73, 118, 160. Dabei wird nicht der Ansicht gefolgt, dass ökonomischer u. publizistischer Wettbewerb so eng miteinander verknüpft seien, dass eine gesonderte Betrachtung beider Bereiche unmöglich sei. Siehe zu diesem Streit Trafkowski 9 f. 21 22
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
rung] nach wie vor dringlich“ 23. Worin diese Gefahren konkret liegen, lässt das Gericht indes offen. Dies verwundert nicht: Vertikal integrierte Unternehmen sind auf dem deutschen Fernsehmarkt (noch) kaum zu finden, nachdem Liberty aufgrund des Fusionsverbots durch das Bundeskartellamt 24 von einem Eintritt in den heimischen Markt Abstand genommen hat und auch andere Versuche einer vertikalen Integration in Deutschland gescheitert sind 25. Einzig die ARD stellt ein großes vertikal integriertes Gebilde dar, soweit sie eigene terrestrische Sender besitzt 26. Daneben bestehen noch kleinere Beteiligungen einzelner Netzbetreiber, die aber bei Betrachtung auf Bundesebene weder publizistisch noch ökonomisch ins Gewicht fallen 27. Die historische Ursache dieser geringen Verflechtung ist im – bis 1997 geltenden – Fernmeldemonopol zu erblicken 28. Um die Gefahren der vertikalen Integration einzuschätzen, muss mithin eine Prognose getroffen werden. Diese Prognose kann sich stützen einerseits auf theoretisch denkbare Gefahren (dazu unter a) anderseits auf praktische Erfahrungen anderer Länder. Von besonderem Interesse sind dabei die USA, die schon lange Erfahrung mit vertikal integrierten Betreibern sammeln konnten (dazu unter b). a) Theoretische Gefahren Bei theoretischer Darstellung der von vertikal integrierten Netzbetreibern ausgehenden Gefahren 29 muss zwischen den allgemeinen Risiken jeder vertikalen Integration verschiedener Märkte und den besonderen Risiken der Verschmelzung gerade von Netz und Nutzung unterschieden werden. Die allgemeinen Gefahren sind darin zu sehen, dass die integrierte Einheit ihr Bezugs- und Absatzrisiko minimiert, da die mehreren Produktionsstufen als unternehmensinterne Beziehung nicht (mehr) der Marktkontrolle unterliegen. Die Kosten der Beschaffung von VorproBVerfGE 95, 163, 173; Hervorhebung durch den Verfasser. BKartA, epd Nr. 17 v. 6.3.2002, 1 ff. 25 So scheiterte z. B. ein Gemeinschaftsunternehmen der DTAG mit Bertelsmann u. der Taurus Holding (ehemalige Kirch-Gruppe) an der Untersagungsverfügung der Europäischen Kommission, 94/922/EG, v. 9.11.1994, Sache IV/M.469 – MSG Media Service, ABl. Nr. L 364 v. 31.12.1994, 1 ff. 26 Die ARD verbreitete ihr Erstes Programm in den alten Bundesländern über ein eigenes terrestrisches Sendernetze im VHF-Bereich (Bereich zwischen 47 u. 68 MHz u. zwischen 174 u. 230 MHz), siehe dazu ARD, ABC der ARD, 167 f. 27 So ist z. B. Primacom in geringem Umfang an Programmveranstaltung beteiligt; siehe auch Schulz/Seufert/Holznagel 41. Zu den Veranstalter-Beteiligungen, die Liberty in den Netzbetrieb eingebracht hätte, siehe BKartA, epd Nr. 17 v. 6.3.2002, 5 u. 18. 28 Schulz/Seufert/Holznagel 41. 29 Zu den Gefahren durch die Kommerzialisierung der Kabelnetze allgemein siehe Schumacher 105 ff.; zu den Gefahren der vertikalen Integration von Programmherstellung u. Distribution Janik, AfP 2002, 108; Mailänder 183 f.; Thierfelder 83. 23 24
III. Welche Gefahren birgt vertikale Integration?
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dukten und des Vertriebs sind darüber hinaus nur noch unternehmensinterne Verrechnungskosten. Im Ergebnis kann die hoch integrierte Einheit geringer integrierte Unternehmen durch Preisdiskriminierung oder Marktausschluss benachteiligen30. Diese allgemeinen Gefahren verschärfen sich, wenn einer der verbundenen Märkte einen Schlüsselmarkt darstellt (sog. bottleneck) 31. Dann kann der Inhaber der Schlüsselressource (sog. Gatekeeper), mit deren Hilfe auch den abgeleiteten Markt kontrollieren. Die vertikale Integration erlaubt es also, die starke Marktstellung auf dem Schlüsselmarkt (Engpassbeherrschung) auf die vor- und nachgelagerten Märkte zu übertragen. Im Ergebnis sind die geringer integrierten Unternehmen für den Absatz ihrer Produkte auf den eigenen Wettbewerber angewiesen; der wiederum kann seine Konkurrenten doppelt angreifen: zum einen auf dem eigentlichen Wettbewerbsmarkt, zum anderen auf dem Schlüsselmarkt32. Gerade Netzinfrastrukturen stellen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten solche Schlüsselmärkte dar 33. Vertikale Integration in der Telekommunikation eröffnet also die Möglichkeit, eine starke Stellung im Netzbereich auf die Nutzungsebene auszudehnen. Hierin liegt ihre größte Gefahr. Diese Erkenntnisse sind auf den vertikal integrierten Betreiber eines Kabelnetzes zu übertragen: Im vertikal integrierten Unternehmen ist die Distribution der Programmprodukte – auch in der Mangellage und zu niedrigen Kosten – gewährleistet. Gleiches gilt für die Beschaffung des Vorproduktes „Programminhalt“. Auch hier sind die Risiken minimiert, da der Netzbetreiber kostengünstig und versorgungssicher auf die Eigenproduktion zurückgreifen kann. Diese Vorteile verschlechtern in der Folge die Wettbewerbsposition der Konkurrenten. Sie müssen sich den Weg zum Kunden erst noch sichern, müssen die Wirtschaftsstufe Verbreitung zu höheren Preisen zukaufen. Dem integrierten Anbieter gegenüber sind ihre Programme damit von vornherein strukturell unterlegen. Über diese Verbundvorteile hinaus kann das integrierte Unternehmen auch direkt „fremde“ Programmveranstalter behindern 34. Die Nichteinspeisung erweist sich dabei als die stärkste Form der Benachteiligung; sie stellt deshalb im Weiteren stets die Bewährungsprobe für eine wirksame Gefahrenkontrolle dar. Neben der Verweigerung des Netzzuganges sind andere – hier nicht näher untersuchte 35 – Formen der Benachteiligung denkbar etwa durch schlechte Programmqualität aufgrund nachtei30 Zum Ganzen Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 Rn. 224 ff.; Mailänder 174 f.; siehe auch Kiefer, MP 1995, 61. 31 Kruse, FS Schmidt, 252 ff.; siehe auch Klimisch/Lange, WuW 1998, 18. 32 Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 Rn. 227. 33 Die Schlüsselstellung ergibt sich aus den netztypischen Vorteilen auf der Kosten- (Bündelungs-, Glättungsvorteile, degressive Grenzkosten) u. der Nutzenseite, dazu ausführlich Weizsäcker, WuW 1997, 573 f.; Holzhäuser 6 ff.; Schulz/Seufert/Holznagel 49 f. 34 Mailänder 183 f.; Thierfelder 83; siehe auch Holznagel 308 u. 366 f. 35 Die Zugangsansprüche zu technischen ebenso wie zu Programm- u. Vermarktungsplattformen werden diskutiert z. B. von Thierfelder 117 ff.
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
liger Multiplexing-Vorgänge, durch ungünstigen Zugang zu Conditional-AccessSystemen (CA-Systeme), durch Einspeisung auf ungünstigen Übertragungsplätzen bzw. ungünstige Präsentation in proprietären elektronischen Programmführern (sog. EPG), durch höhere Weiterleitungsgebühren etc. 36. Insbesondere die Nichteinspeisung fremder Angebote aber erlaubt dem Netzbetreiber, die Erfolgschancen seiner Programme zu Lasten anderer Veranstalter wesentlich zu erhöhen. Die Beherrschung der Schlüsselressource Kabelnetz wird zum Hebel, die Position im Veranstaltungsbereich zu verbessern. Diese – zunächst kartellrechtlich relevanten – Verhaltensweisen begründen im Ergebnis auch Gefahren für die Meinungsvielfalt: Fordert diese dem Grundsatz nach, dass jede Meinung die gleichen Chancen erhält, zu Wort zu kommen 37, gewinnt im Zuge vertikaler Integration die in den Programmen des Netzbetreibers zum Ausdruck kommende Meinung einen doppelten Vorsprung: zum einen kann sie problemlos verbreitet, zum anderen kann die Verbreitung von Programmen anderer Tendenz gleichzeitig verhindert werden. Dieser doppelte Vorsprung begünstigt vorherrschende Meinungsmacht. Die Gefahren einer Integration von Programmverbreitung und Programmveranstaltung treten damit klar hervor: Im Extremfall könnte aus dem Netzmonopol ein Meinungsmonopol im Rundfunk werden. In der Praxis dürfte diese Gefahrenlage allein auf den integrierten Kabelnetzbetreiber beschränkt und damit einmalig sein. Ein Betreiber, der ausschließlich auf den Transport fremder Programme setzt und keine wirtschaftlichen Interessen im Programmbereich verfolgt, handelte wider wirtschaftliche Vernunft, wenn er Veranstalter, die Verbreitung nachfragen, nicht einspeiste 38. Da ein solcher Betreiber darüber hinaus an einer hohen Anschlussquote interessiert ist, wird er auch aus Gründen der Kundenakzeptanz – schließlich existieren andere Übertragungswege – auf Diskriminierung verzichten 39. Dies zeigt auch, dass hinter der viel zitierten Zugangsproblematik (z. B. was die Zwischenstufen wie Multiplexing, CA und EPG angeht) in erster Linie die Problematik der vertikalen Integration steht: Allein der vertikal integrierte Netzbetreiber ist unter Annahme von Marktrationalität versucht, fremde Inhalte zu diskriminieren. Während im vorhergehenden Absatz Gefahren für die Meinungsfreiheit beschrieben wurden, die aus der Nichteinspeisung fremder Programme in eigene Netze herrühren, soll nun das Augenmerk auf den umgekehrten Fall gerichtet werden, dass der Netzbetreiber „eigene“ Programme nicht in fremde Netze (oder andere Übertragungsmedien) einspeisen lässt: Gefahren für die Meinungsvielfalt ergeben sich nämlich auch dann, wenn der Kabelnetzbetreiber die Programme seiner Veranstalter 36 Diese Formen sind aber nur ein Minus im Vergleich zur Nichteinspeisung; die Nichteinspeisung ist damit die juristische „Nagelprobe“. 37 Siehe z. B. BVerfGE 73, 118, 160. 38 So auch aus wettbewerbstheoretischer Sicht Klimisch/Lange, WuW 1998, 18. 39 Zur Inhaltsneutralität des transportorientierten Netzbetreibers: Engel, ZUM 1997, 327.
III. Welche Gefahren birgt vertikale Integration?
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für sich monopolisiert und diese Programme konkurrierenden Übertragungsmedien nicht zur Verfügung stehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um Premiumprogramme handelt. Dazu gehören in erster Linie reichweitenstarke Sportprogramme oder aber Fiction-Programme mit zahlreichen Filmerstaufführungen. So beeinflusst auf dem amerikanischen Markt der Zugang zu Programmen mit regionaler Sportberichterstattung entscheidend die Wahl des Übertragungsmediums durch den Endkunden 40. Da es sich dabei jedoch um – temporäre – Monopole bereits auf der Programmebene handelt 41, würde diese – ansatzweise in §§ 5, 5 a RStV geregelte Problematik 42 – den Rahmen einer auf den Netzbetrieb bezogenen Arbeit sprengen. Es muss deshalb mit diesem Hinweis auf dieses weitere Missbrauchspotential sein Bewenden haben.
b) Praktische Erfahrungen (vertikale Integration in den USA) Diese theoretisch auszumachenden Gefahren sollen nun am Beispiel der Vereinigten Staaten verifiziert werden, die aufgrund einer traditionell privatrechtlich ausgerichteten Fernseh- und Fernmeldelandschaft 43 und einem hohen Verkabelungsgrad 44 schon seit langem Erfahrungen mit vertikal integrierten Kabelnetzbetreibern sammeln konnten. Da die Verhältnisse im Fernseh- und speziell im Kabelfernsehmarkt von denen in der Bundesrepublik stark abweichen, soll in groben Zügen die Situation in den USA vorab gezeichnet werden, soweit dies zum Verständnis der sich anschließenden Ausführungen notwendig ist. Der US-amerikanische Markt für Rundfunkverbreitung ist zweigeteilt: einmal in den terrestrischen, analogen 45 Empfang, sog. „Broadcasting“, und zum anderen in Verbreitungsweisen, die sich durch eine – analog-terrestrisch nicht existierende – Programmvielzahl auszeichnen: sog. „Multichannel Video Programming“. Darunter fallen in erster Linie der Fernsehempfang durch Kabelnetze aber auch durch Satellitenantennen und andere Mehrkanalempfangswege. Der erstgenannte Broadcasting Bereich ist bedingt durch die geringe räumliche Ausstrahlungsweite herkömmlicher Fernsehsendeanlagen unter zahlreichen Fernsehstationen aufgeteilt, die ihre Programme überwiegend mit Zulieferungen der großen Fernsehveranstalter (networks) Dazu sogleich unter b). Siehe Schulz/Seufert/Holznagel 50; die Herstellung solcher Programme ist aber extrem kostenintensiv u. deshalb wirtschaftlich auch sehr risikoreich wie das Beispiel Premiere zeigt. 42 Siehe zu den (beschränkten) Möglichkeiten einer Ausweitung der Liste nach § 5 a RStV Stettner, UFITA 2002, 727 ff. 43 Siehe Kleinsteuber zum Rundfunksystem allgemein, 962 ff. u. zum Kabelfernsehen speziell, 965 f. 44 Wilmer/Cutler/Pickering 126. 45 Immer mehr Stationen gehen aber zur digitalen Ausstrahlung über (200 von 1.678 Fernsehstationen arbeiten bereits im Digitalbetrieb; Stand 2001, Zahlen entnommen Federal Communications Commission § 13). 40 41
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
bestreiten 46. Etwa 13 % aller US-Fernsehhaushalte empfangen noch Fernsehen ausschließlich von diesen Stationen und sind nicht an einen „Multichannel Video Programming Distributor“, kurz MVPD, gebunden 47. Diese MVPD verbreiten neben den lokal empfangbaren auch eine Vielzahl von Programmen, die terrestrisch nicht ausgestrahlt werden; sie sind ausschließlich für die Nutzer der MVPD hergestellt und werden „video programming service“ oder auch „programming networks“ genannt. Im Jahr 2001 existierten 294 solcher Programme 48. Was die vertikale Integration angeht, stellt sich die Situation in den USA wie folgt dar: 35 % aller nationalen Kabelprogramme waren im Jahr 2001 mit einem Kabelnetzbetreiber vertikal integriert, wobei diese Zahl im Vergleich zu 2000 konstant blieb 49. Vier der sieben größten Kabelnetzbetreiber des Landes sind an programming services beteiligt: Cox Communication hält Anteile an 8% der landesweiten Kabelprogrammveranstalter, AOL Time Warner an 13 %, Comcast an 6 % und Cablevision an 3 % dieser Veranstalter 50. Von den 10 Programmen mit den meisten Abonnenten sind vier vertikal integriert, sechs sind indes netzbetreiberunabhängig; von den zehn Kabelfernsehprogrammen mit der höchsten durchschnittlichen Einschaltquote zur Hauptsendezeit 51 sind fünf, also die Hälfte, vertikal integriert. Diese Zahlen zeigen eindrucksvoll, dass die in Deutschland erst bevorstehende vertikale Integration in den USA bereits Realität ist. Dort haben sich in der Vergangenheit Probleme gezeigt: Zum einen bevorzugten die Netzbetreiber die Programme der mit ihnen verbundenen Veranstalter, indem sie z. B. ein konkurrierendes Programm überhaupt nicht einspeisen wollten. So weigerte sich ein zu Time Warner gehörender Kabelnetzbetreiber das Kinoprogramm Showtime weiterzuverbreiten, das direkt mit einem von einer Time Warner-Tochtergesellschaft veranstalteten Kinoprogramm namens HBO konkurrierte 52. Zu erwähnen ist auch der Fall CNBC. Dieses ursprünglich vom Veranstalter NBC als Nachrichtenkanal in Konkurrenz zu CNN geplante Programm musste seinen Programminhalt ändern, nachdem die mehreren an CNN beteiligten Kabelnetzbetreiber die Einspeisung als Nachrichtenkanal verweigerten 53. Weiterhin können die Netzbetreiber verhindern, dass die von ihnen beEs gibt zur Zeit (2001) 1.678; Zahlen nach Federal Communications Commission § 13. Zahlen nach Federal Communications Commission Appendix c, Table C-1. Zum Vergleich: Im Jahr 2001 empfingen in der BRD noch 8,5 % der Haushalte terrestrisch Fernsehen, ARD, ARD-Jahrbuch 2002, 369, Tab. 13. 48 Federal Communications Commission § 157, bezogen auf die landesweit empfangbaren Programme; in Deutschland bekannte programming services sind z. B. CNN o. MTV. 49 Federal Communications Commission § 157. 50 Federal Communications Commission § 158. 51 „Top 10 Programming Services by Prime Time Rating“; zu beachten ist, dass unter diese Rangfolge nur die programming services, also die nicht mit Stabantenne terrestrisch zu empfangenden Sender fallen, die großen Networks wie ABC, CBS etc. werden hier also nicht erfasst; Daten: Federal Communications Commission Appendix B, Table D-7. 52 Esser-Wellié 132. 53 Der Fall CNBC wird dargestellt bei Esser-Wellié 133 f. 46 47
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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einflussten Veranstalter an andere Verbreitungsfirmen Programme verkaufen. So äußerten nicht integrierte Netzbetreiber der amerikanischen Regulierungsbehörde gegenüber, insbesondere der Zugang zu Sportprogrammen werde von vertikal integrierten Wettbewerbern erschwert 54. Der vorherrschende Veranstalter im Bereich der regionalen Sportberichterstattung, Fox Sport Net, ist denn auch in ein Unternehmen der Weiterverbreitung vertikal integriert 55. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die vertikale Integration von Netz und Nutzung ein erhebliches Missbrauchspotential56 bei ebenfalls erheblichen Chancen für eine Weiterentwicklung des Fernsehmarktes darstellt. Ziel jeder Regulierung wird es deshalb sein, Risiken des Missbrauchs zu minimieren, ohne zugleich die in der vertikalen Integration liegenden Potentiale zu behindern.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen vor diesen Gefahren erforderlich? Nachdem die Gefahren vertikaler Integration im vorangegangenen Abschnitt dargestellt wurden, ist nun zu prüfen, ob ihnen – die derzeitige Sach- und Rechtslage zugrunde gelegt – ausreichend wirkungsvoll begegnet werden kann oder ob neue gesetzliche Schutzmaßnahmen notwendig sind. Dementsprechend werden zunächst bestehende Schutzmechanismen des Rundfunkrechts, aber auch anderer Rechtsgebiete – unter besonderer Beachtung der im vorhergehenden Kapitel festgestellten verfassungsrechtlichen Positionen des privatwirtschaftlichen Netzbetriebes – auf den vertikal integrierten Unternehmer angewandt und ihr Steuerungspotential untersucht 57 (dazu unter 1.). Sodann wird ein Blick auf tatsächliche Faktoren geworfen, die ebenfalls geeignet erscheinen, vor den Gefahren vertikaler Integration zu schützen (dazu unter 2.). Schließlich wird unter 3. das Gesamtergebnis dargestellt. 1. Bestehende rechtliche Schutzmechanismen a) Trennungsmodell – § 6 Abs. 3 Nr. 4 SächsPRG Der denkbar sicherste Schutz vor den mit der vertikalen Integration verbundenen Gefahren besteht darin, die Integration selbst zu verhindern. Das kann logisch auf zwei Wegen erreicht werden: Dem Netzbetreiber kann einmal die Einspeisung zurechenbarer Programme verboten werden. Zum anderen kann den Netzbetreibern die Veranstaltung solcher Programme untersagt werden. Die in beiden Fällen erzielte strikte Trennung von Netz und Nutzung wird denn auch – vornehmlich im politi54 55 56 57
Federal Communications Commission § 164. Federal Communications Commission § 172 ff. So auch: Schulz/Seufert/Holznagel 50. Siehe z. B. auch das Vorgehen von Roßnagel/Hilger, MMR 2002, 448 ff.
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
schen Bereich – als Idealzustand befürwortet 58. Gleichwohl sind solche Regeln de lege lata selten. Allein das SächsPRG 59 kennt eine solche Vorschrift: § 6 Abs. 3 Nr. 4 SächsPRG bestimmt, dass Betreibern von Kabelanlagen eine Zulassung als Veranstalter nicht erteilt werden darf 60. Damit wird eine der beiden möglichen Ausformungen des Trennungsmodells verwirklicht: der Kabelnetzbetreiber darf keine Programme veranstalten. Die vertikale Integration wird also im Ansatz verhindert, womit die Regelung auf den ersten Blick als äußerst effektives Instrument erscheint, den Gefahren vertikaler Integration zu begegnen. Ob dies tatsächlich so ist, bedarf genauerer Untersuchung. Zunächst ist nach der Rechtmäßigkeit der Vorschriften – denn nur rechtmäßige besitzen überhaupt Steuerungspotential – zu fragen (dazu unter aa)), dann nach der Zweckmäßigkeit der Regelungen im Hinblick auf das Regelungsziel (dazu unter bb)). aa) Rechtmäßigkeit Fraglich ist zuerst, ob eine derartige Regelung mit den Grundrechten des integrierten Netzbetreibers in Einklang steht. Für die verfassungsrechtliche Prüfung kann auf die obigen Ausführungen über die den Netzbetreibern zustehenden Grundrechte zurückgegriffen werden. Leitmotiv dieser Ausführungen war die Erkenntnis, dass Eingriffe zum Schutz der Meinungsvielfalt in die Wirtschaftsfreiheiten der Netzbetreiber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren haben, dass insbesondere Art. 12 GG an Beschränkungen der Berufswahl hohe Anforderungen stellt. Im Einzelnen gilt mit Hinblick auf Art. 12 GG Folgendes: Soweit der Netzbetreiber keine Programme veranstalten darf, kommt eine Berufswahlbeschränkung in Betracht. Denn gewissen Personen wird damit die Rundfunkveranstaltung, die einen Beruf darstellt 61, und damit die Zulassung zu einem Beruf verboten. Dabei dürfte es sich um eine subjektive Berufswahlregel handeln, da sie an der Person des Veranstalters – er darf kein Netzbetreiber sein – festmacht 62 und im Gegensatz zur objektiven Berufswahlregel, von ihm – durch Aufgabe des Netzbetriebes – beeinflusst werden kann 63. Jede Beeinträchtigung der Berufsfreiheit muss verhältnismäßig 58 Ministerpräsident v. Rheinland-Pfalz Beck, siehe epd Nr. 54 v. 11.7.2001, 13; so bereits der Medienpolitiker Glotz, epd Nr. 35 v. 7.5.1994, 10; siehe auch Thaenert, Meinungsvielfalt, 100 („faktische Netzneutralität) sowie Mailänder 184. 59 Gesetz über den privaten Rundfunk und neue Medien in Sachsen – Sächsisches Privatrundfunkgesetz in der Bekanntmachung vom 9. Januar 2001, SächsGVBl., 69. 60 Zwar ist dieses Verbot im Hinblick auf die DTAG als dem größten, marktdominierenden Anbieter konzipiert worden; entsprechende Einschränkungen, z.B. nur auf marktstarke Anbieter gewisser Größe, haben im Gesetzestext aber keinen Niederschlag gefunden. 61 Das gilt selbst dann, wenn man nicht von einer originären Rundfunkveranstalterfreiheit ausgeht, Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 12 Rn. 165. 62 Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 12 Rn. 53. 63 Dagegen ist typisch für objektive Regeln der Berufswahl, dass diese vom Betroffenen nicht beeinflusst werden können, BVerfGE 7, 377, 406.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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sein 64, d. h. geeignet, erforderlich und angemessen in Ansehung des gesetzgeberischen Zweckes. Nach der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Stufentheorie 65 sind bei subjektiven Berufswahlschranken nur bestimmte Regelungszwecke geeignet, die Beschränkung zu rechtfertigen; entscheidend ist, dass die Beschränkung dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter dient66. Das Schutzgut der Regelung, nämlich der Meinungspluralismus, stellt, insbesondere im Hinblick auf seine für die Demokratie schlechthin konstitutive Funktion 67, ein solches Gemeinschaftsgut dar 68. Mit Blick auf die Erforderlichkeit bestehen aber erste Bedenken. Die Erforderlichkeit ist im Rahmen des Art. 12 GG insbesondere zu verneinen, wenn der gesetzgeberische Zweck auf einer niedrigeren Stufe wirksam erreicht wird69. Dies könnte man hier annehmen: Denn eine bloße Beschränkung der Einspeisung eigenveranstalteter Programme und damit eine bloße Berufsausübungsregel würde die Meinungsvielfalt wohl ebenso sicher schützen, zumal auch Programme aus der Hand des Netzbetreibers einen Vielfaltsbeitrag leisten. Das Veranstaltungsverbot ist so gesehen wohl nicht das mildeste gleich wirksamer Mittel70. Die Regelung erscheint auch insofern eher unverhältnismäßig, als die aus der vertikalen Integration herrührende Spannungslage zwischen der (objektiven) Rundfunk- und der Berufsfreiheit im Wesentlichen zu Lasten letzterer aufgelöst wird. Ein vollständiges Verbot der Veranstaltung und mittelbar damit der Einspeisung „eigener“ Programme, unabhängig von deren Umfang, publizistischer Relevanz und der Übertragungskapazität der Anlage, lässt Proportionalität zwischen Schutzzweck und Eingriff nur noch schwer erkennen. Beispielsweise dürfte die Veranstaltung und Übertragung eines eigenen Sport- oder Musikkanals bei jedenfalls weit über 30 zur Verfügung stehenden Programmplätzen keine große Gefahr für den Pluralismus darstellen. Im Ergebnis bleiben also Zweifel, ob das Veranstaltungsverbot für Netzbetreiber in § 6 Abs. 3 Nr. 5 SächsPRG nicht die Berufsfreiheit verletzt. Schließlich ist ein solches Verbot auch rechtspolitisch kaum sinnvoll. Die Vorteile, die man sich von einer derart strikten Trennung von Netz und Nutzung verspricht, gehen nämlich einher mit dem Nachteil, dass der oben beschriebene Mehrwert der Integration, insbesondere für den Netzausbau, nicht erzielt werden kann71. BVerfGE 76, 196, 207; 94, 372, 389 f.; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 12 Rn. 59. Seit BVerfGE 7, 377, 405 ff. ständige Rechtsprechung; siehe dazu auch: Jarass, in: ders./ Pieroth, Art. 12 Rn. 24 ff.; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 12 Rn. 45 ff. Die Kritik an der Stufenlehre wird dargestellt bei Tettinger, in: Sachs, Art. 12 Rn. 123 ff. 66 Etwa BVerfGE 13, 97, 107; 69, 209, 218. 67 BVerfGE 35, 202, 221 f. 68 BVerfGE 97, 228, 255 ff., die Entscheidung betrifft zwar direkt nur die Rechtfertigung einer Berufsausübungsregel, dürfte aber auch auf subjektive Berufswahlregeln übertragbar sein, wenn das Gericht ausführt, bei der pluralen Informationsvermittlung handle es sich um einen Gemeinwohlgrund von erheblichem Gewicht (S. 256) u. um einen „vom Grundgesetz selbst hoch bewerteten Gemeinwohlzweck“ (S. 260). 69 Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 12 Rn. 34. 70 Siehe auch Schulte-Kellinghaus 151 f. 71 Siehe auch Engel, Medienordnungsrecht, 98; Kübler, Konzentrationskontrolle, 325. 64 65
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
Ein striktes Trennungsmodell, wie es § 6 Abs. 3 Nr. 5 SächsPRG verwirklicht, erscheint also weder volkswirtschaftlich oder medienpolitisch wünschenswert noch verfassungsrechtlich völlig unbedenklich; es kann deshalb kaum als geeignetes Steuerungselement betrachtet werden 72. bb) Zweckmäßigkeit Selbst wenn man aber die verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der sächsischen Regelung ausräumen könnte, so ist sie jedenfalls wenig zweckmäßig. Insbesondere kann die Regelung leicht legal umgangen werden. Die erste Umgehungsmöglichkeit ergibt sich daraus, dass die Zulassung nur dem Netzbetreiber selbst verwehrt ist. Unklar bleibt, ob auch Töchtern des Netzbetreibers oder Beteiligungsunternehmen die Veranstaltung untersagt ist. Das Gesetz schweigt insofern. Weiterhin verhindert die Vorschrift nur die Veranstaltung eigener Programme im Freistaat Sachsen selbst. In anderen Bundesländern oder Staaten Europas veranstaltete Programme können gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 SächsPRG bzw. § 52 Abs. 1 Satz 1 RStV weiterverbreitet werden, d. h. ein vom Kabelnetzbetreiber außerhalb Sachsens veranstaltetes Programm kann – vorausgesetzt es wird nicht allein aus Gründen der Umgehung außerhalb des Freistaates veranstaltet – in die Kabelanlage des Netzbetreibers auch in Sachsen eingespeist werden. Durch das Herkunftslandprinzip ist die Vorschrift also nicht unerheblich entwertet. Daraus folgt, dass die Regelung in der Praxis – ihre Rechtmäßigkeit unterstellt – wenig Schutz gegen die Gefahren vertikaler Integration entfaltet. Nimmt man noch die verfassungsrechtlichen Bedenken hinzu, so dürfte das Trennungsmodell, wie es durch § 6 Abs. 3 Nr. 4 SächsPRG verwirklicht ist, als Schutzmechanismus wohl ausscheiden. b) Carry-Rules Als nächstes sind die Carry-Rules des § 52 Abs. 2 bis 5 RStV 73 darauf hin zu untersuchen, ob sie de lege lata geeignet sind, die Gefahren vertikaler Integration zu beherrschen. 72 Gegen strikte Trennung von Netzträgerschaft u. Veranstaltung auch Vesting, Rundfunkrecht, 340 ff.; wohl auch Holznagel, ZUM 1996, 19 zu Parallelproblematik bei der Telefonie siehe auch die Darstellung bei Rudolf, 120 ff. 73 Diese wurden eingefügt durch Art. 1 des 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrages v. 16.7./31.8.1999, siehe dazu allgemein, A. Hesse, ZUM 2000, 183 ff. Dem Thema der Arbeit gemäß wird auf die Belegungsvorschriften im analogen Bereich (§ 52 Abs. 2 RStV i.V. m. dem jeweiligen Landesmediengesetz) nicht eingegangen. Zu überlegen ist aber, ob es nicht schon Art. 3 GG gebietet, den analogen Bereich dem digitalen anzugleichen, so zu Recht Weisser/ Lübbert, K & R 2000, 280, Fn. 48; siehe auch Schütz, Beilage MMR 2/2001, 23, wonach die analogen Belegungsregeln wegen Verstoß gegen die Netzbetreiberfreiheit verfassungswidrig seien; dagegen mit Hinweis auf die unterschiedlichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 128 f.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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§ 52 RStV unterscheidet nicht zwischen Netzbetreibern mit und ohne Zugang zu „eigenen“ Inhalten. Daraus kann geschlossen werden, dass der Gesetzgeber, dem die Problematik jedenfalls zum Zeitpunkt der letzten Vertragsänderung 74 bekannt war, gerade keine Notwendigkeit einer besonderen Regelung sah. Gleichwohl könnten aber die Carry-Rules der Abs. 3 bis 5 zumindest indirekt eine Absicherung vor den Gefahren vertikaler Integration darstellen. Die Vorschriften enthalten zwei Arten von Carry-Rules (Belegungsregeln): Abs. 3 hat die Pflichtbelegung zum Gegenstand (Must-Carry) 75, während Abs. 4 die Belegungsentscheidung dem Grundsatz nach in die Hände des Netzbetreibers legt (Non-Must-Carry) 76. Dabei wird nochmals unterschieden, zwischen einem Drittel der Kapazität, für das überprüfbar (Abs. 5) gewisse Vielfaltsvorgaben zu erfüllen sind (Abs. 4 Nr. 1) und einer Restkapazität, welche die Netzbetreiber nach Belieben und allein nach Maßgabe der allgemeinen Gesetze belegen können (Abs. 4 Nr. 2). Zunächst ist wiederum nach der Rechtmäßigkeit der Vorschriften zu fragen, dazu unter aa), dann nach der Zweckmäßigkeit der Regelungen im Hinblick auf das Regelungsziel, dazu unter bb). aa) Rechtmäßigkeit aaa) § 52 Abs. 3 Nr. 1 RStV Die Nr. 1 der Vorschrift verpflichtet den Netzbetreiber zur Weiterübertragung der „für das jeweilige Land gesetzlich bestimmten Fernsehprogramme des öffentlichrechtlichen Rundfunks einschließlich seiner Programmbouquets“. Unter den Begriff „gesetzlich bestimmte Programme“ fallen unstreitig jedenfalls die Programme ARD-Das Erste Deutsche Fernsehen 77, ZDF 78 sowie das „dritte“ für das jeweilige Bundesland veranstaltete 79 öffentlich-rechtliche Fernsehprogramm 80. Darüber hi7. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der am 1.4.2004 in Kraft tritt. Zur ursprünglichen Entwicklung der Must-Carry-Rules in den USA, Nauheim 49 ff. sowie Esser, Zugang zur Breitbandkommunikation, 416 ff. 76 Teilweise wird der Begriff auch nur auf Abs. 4 Nr. 2 bezogen u. die noch eingeschränkte Belegungsfreiheit der Nr. 1 als Can-Carry bezeichnet (so z. B. bei Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/ Stettner, § 52 Rn. 51), was aber m. E. eher verwirrt, da auch Nr. 1 keine bestimmten Programme vorschreibt u. insofern mit gutem Recht auch als „Non-Must-Carry-Rule“ bezeichnet werden kann. Wieder anders Zimmer/Büchner, CR 2001, 166 f., die Abs. 4 Nr. 1 als „Non-Must-Carry“ u. Nr. 2 als „Free Carry“ bezeichnen. Siehe auch die Begrifflichkeit bei Nauheim 163, insbesondere Fn. 594. 77 Gesetzlich bestimmt durch § 1 ARD-StV, der durch Zustimmungsgesetz in Landesrecht transformiert ist. 78 Gesetzlich bestimmt durch §2 Abs. 1 ZDF-StV, der durch Zustimmungsgesetz in Landesrecht transformiert ist. 79 Landesrechtlich gesetzlich bestimmt ist z. B. für den Freistaat Sachsen das Fernsehprogramm „Mitteldeutsches Fernsehen“ gemäß §3 Abs. 2 Satz 2 MDR-StV, umgesetzt in Landesrecht, SächsGVBl. 1991, S. 169. 74 75
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
naus sollen nach streitiger Ansicht 81 noch weitere Programme, nämlich die durch § 19 Abs. 1 RStV (Programm 3sat 82), Abs. 2 (Programme Kinderkanal – KI.KA 83 und Phoenix. Ereignis- und Dokumentationskanal84) und Abs. 6 Satz 2 (Arte) bestimmten, unter den Terminus „gesetzlich bestimmte Fernsehprogramme“ fallen. Solange jedoch – wie derzeit – die sogleich zu behandelnden und ebenfalls dem Must-Carry unterfallenden öffentlich-rechtlich veranstalteten Bouquets diese Programme ausnahmslos enthalten, kann die Frage an sich offen bleiben, wobei die bewusste Festlegung auf Satellitenverbreitung in § 19 RStV jedenfalls im Bezug auf die nach Absatz 1 und 2 veranstalteten Programme 85 eher gegen die Ansicht spricht, es handele sich um Pflichtprogramme der Kabelweiterverbreitung 86. Im Ergebnis besteht also nach einhelliger Meinung eine Must-Carry-Verpflichtung zur Einspeisung jener Programme, die jedenfalls der Grundversorgung zuzurechnen sind 87. Nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift unterfallen dem Pflichtbereich darüber hinaus noch die von den öffentlich-rechtlichen Sendern veranstalteten Programmbouquets, das sind ZDF.Vision sowie ARD digital, die zahlreiche eigene und fremde Programme umfassen 88. Der Umfang der Bouquets wird durch § 19 Abs. 4 RStV 80 Nauheim 162; Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, §52 Rn.55; Wille/Heckel, ZUM 1997, 241 ff., zum gleichen Begriff in den Landesrundfunkgesetzen sowie Ricker, ZUM 1997, 2. 81 Dafür Wille/Heckel, ZUM 1997, 241 ff.; dagegen Ricker, ZUM 1997, 1 ff. 82 Siehe dazu auch Vereinbarung von ORF, SRG, ARD u. ZDF über das Satellitenfernsehen des deutschen Sprachraums 3 Sat v. 8.7.1993, ARD-Jahrbuch 1993, 382. 83 Zum Namen siehe § 1 Abs. 1 der Vereinbarung über die Veranstaltung eines ARD/ZDF Kinderkanals vom 28.11./21.12.2000, abgedruckt in ARD-Jahrbuch 2001, 442. 84 Zum Namen siehe § 1 Abs. 1 der Vereinbarung über den Ereignis- u. Dokumentationskanal „Phoenix“ vom 28.11./21.12.2000, abgedruckt in ARD-Jahrbuch 2001, 448. 85 Sowohl die Paragrafenüberschrift („Satellitenfernsehprogramme“) als auch der identische Wortlaut beider Vorschriften „über Satelliten“ betonen diesen Übertragungsweg, siehe auch Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 19 Rn. 5 ff. sowie Binder, in: Hahn/Vesting, § 19 Rn. 74 f. 86 Insbesondere § 19 Abs. 1 S. 2 RStV, der den Erlass von Verbreitungsregelung für andere Übertragungswege als den Satelliten, also Terrestrik aber auch Kabel, den Ländern (außerhalb des Staatsvertrages) zuweist, ließe sich mit einer Auslegung von § 52 Abs. 3 Nr. 1 RStV, wonach dieser die Verbreitung der Satellitenprogramme im Kabel vorschreibt, systematisch kaum in Einklang bringen. 87 Zu diesem Begriff schon oben C. I. 1. 88 ZDF.vision umfasst zur Zeit folgende Programme: ZDF, Arte, 3 Sat, ZDF Theaterkanal, ZDF.infokanal, ZDF.dokukanal, Eurosport, Euronews, CNBC Europe (Quelle: www.digitv./ programme/freetvzdf.shtml, besucht am 13.09.2002). Die letzten drei genannten Programme werden nicht vom ZDF selbst veranstaltet. ARD digital hat die folgenden Programme derzeit zum Inhalt: ARD-Das Erste, Bayerisches Fernsehen, ARTE, KiKa (Kinderkanal), Phönix, 3 Sat, SFB 1, BR alpha, hessen fernsehen, MDR, NDR Fernsehen, ORB Fernsehen, Südwest RP, SR Fernsehen Südwest, Südwest BW, WDR fernsehen, Eins Extra, Eins Festival sowie Eins MuXx (Quelle: www.digitv.de/programme/freetv.shtml, besucht am 13.09.2002); siehe auch Binder, in: Hahn/Vesting, § 19 Rn. 93 ff., der aber auf CNBC im ZDF-Bouquet nicht eingeht, sowie Neun 108 ff.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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in zweierlei Hinsicht beschränkt. Im Sinne einer technischen Maßgröße dürfen die öffentlich-rechtlichen Programmbouquets die Kapazität von drei analogen Fernsehprogrammen nicht übersteigen, Abs. 4 Satz 1 89. Einschließlich des Störabstandes umfasst ein analoger Kanal 8 MHz, so dass diese Grenze bei einer Kapazität von 24 MHz liegt, wobei pro 8 MHz Bandbreite mit heutiger Übertragungstechnik 6 bis 8 digitale Programme übertragen werden können 90. Neben dieser technischen Maßgröße enthält Abs. 4 auch eine Programmzahlbegrenzung. Satz 4 schreibt nämlich fest, dass die Kapazität der drei Kanäle der Verbreitung der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens, also dem 1.4.2000, veranstalteten Programme dienen. Dabei dürfen jedoch die damals bestehenden digitalen Angebote durch andere ersetzt werden (Satz 4 am Ende) 91. Die in den Bouquets neben den genannten drei – ARD-Das Erste, ZDF, Drittes – enthaltenen zusätzlichen Programme, unterfallen nach hier vertretener und oben ausgeführter Ansicht 92 nicht der Grundversorgung. Es bietet sich deshalb an, zwischen beiden Kategorien von Must-Carry-Programmen zu unterscheiden.
(1) Must-Carry im Umfang der Grundversorgung Soweit die Must-Carry-Rules die Übertragung der Grundversorgungsprogramme betreffen, ergeben sich, wie die folgenden Ausführungen zeigen, keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine Ansicht, die die ganz herrschende Meinung teilt 93. Die positiven Belegungspflichten in Ansehung der Programme der rundfunkrechtlichen Grundversorgung berühren die Wirtschaftfreiheiten ebenso wie – soweit man wie hier, aber nicht unbestritten, diese den Netzbetreibern zuerkennt – die Rundfunkfreiheit der Netzbetreiber. Zur jeweiligen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung kann weitgehend auf die obigen Ausführungen zu den Grundrechtspositionen der Netzbetreiber zurückgegriffen werden. Der Eingriff in die Wirtschaftsfreiheiten ist dementsprechend durch folgende Überlegungen zu rechtfertigen: Die Pflichteinspeisung der Grundversorgungsprogramme dient einem herausragenden 89 Siehe auch Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 19 Rn. 27 sowie die amtliche Begründung zu § 19, 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, abgedruckt vor der Kommentierung zu § 19 bei Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner. 90 Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 52 Rn. 56. 91 Dazu Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 19 Rn. 28 f., siehe auch Wimmer, ZUM 2002, 541 f. 92 Siehe oben C. I. 1. 93 Thierfelder 111 f.; Schütz, MMR 1998, 13; Weisser/Lübbert, K & R 2000, 280; ausführlich Nauheim 185 ff.; dagegen Stettner, ZUM 1997, 697, in Bezug auf die Must-Carry-Regelung des SächsPRG (Rundfunkfreiheit „gröblich verletzt“) mit dem Argument, die Rundfunkfreiheit schütze nicht die „Gewinnmaximierung“ der Netzbetreiber. Art. 12, 14 GG u. die verfassungsrechtliche Grundsatzentscheidung des Art. 87 f Abs. 2 GG werden bei dieser Argumentation zu Unrecht ausgeblendet. Die Must-Carry-Reglung des SächsPRG wurde vom SächsVerfGH gebilligt, ZUM-RD 1997, 531, 543 f.
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
Schutzgut, nämlich der Vermittlung der gesellschaftlichen Meinungen in möglichster Breite, wie sie die binnenpluralen Programme der Grundversorgung leisten. Die gesetzliche Must-Carry-Verpflichtung zugunsten der Grundversorgung ist geeignet, dieses Schutzgut zu erreichen, ein milderes ebenso wirksames Mittel ist nicht vorhanden. Zwar würden die Netzbetreiber diese Programme aufgrund ihrer Zuschauergunst und ihrer terrestrischen Verbreitung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch freiwillig einspeisen, die gleiche Sicherheit, wie sie gesetzlicher Zwang vermittelt, ist aber nicht zu erreichen. Schließlich sind die Verpflichtungen auch nicht unangemessen, sondern stellen einen gerechten Ausgleich zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Netzbetreiber und den Erfordernissen der Meinungsvielfalt im Rundfunk dar. Dies beruht vor allem auf der schwachen Eingriffsintensität: Die Einspeisung der Grundversorgungsprogramme entspricht der Marktrationalität der Netzbetreiber und erfordert nur einen begrenzten Teil der Gesamtkapazität. Der geringen Belastung steht ein gewichtiges Schutzgut entgegen: der Meinungspluralismus. Angesichts dieses hochwertigen Schutzgutes dürften auch die hohen Hürden, die bei einer Indienstnahme Privater an die verfassungsrechtliche Zulässigkeit zu stellen sind 94, überwunden sein. Das vom Gesetzgeber in Ansehung der Wirtschaftfreiheiten geforderte Sozialmodell schonenden Ausgleichs ist verwirklicht. Soweit man mit einem Teil der Literatur von einem Eingriff in die Rundfunkfreiheit ausgeht 95, ergeben sich auch im Hinblick auf das Erfordernis eines allgemeinen Gesetzes (Art. 5 Abs. 2 GG) keine Bedenken. Denn es handelt sich bei den MustCarry-Vorschriften zugunsten der öffentlich-rechtlichen Programme der Grundversorgung um Vorschriften, die Programme inhaltsneutral aufgrund der ihnen eigenen Struktur der Veranstaltung bevorzugen und nicht aufgrund einer durch sie zum Ausdruck kommenden bestimmten Meinung als solcher 96. (2) Must-Carry über die rundfunkrechtliche Grundversorgung hinaus Kann damit die durch Abs. 3 Nr. 1 RStV konstituierte Pflicht zur Einspeisung der Grundversorgungsprogramme verfassungsrechtlich zwanglos gerechtfertigt werden, so sind darüber hinausgehende Verpflichtungen umso sorgfältiger zu prüfen. Dabei ist nochmals zu unterscheiden zwischen öffentlich-rechtlichen Programmen außerhalb der Grundversorgung, als Beispiel sei hier genannt das Programm ZDF Theaterkanal, und werbefinanzierten Programmen privater Veranstalter, die allein durch die Aufnahme in ein öffentlich-rechtliches Bouquet (§ 19 Abs. 3 Satz 3 RStV) an den Privilegien der Pflichteinspeisung nach Nr. 1 teilhaben 97, etwa CNBC. Dazu schon oben D. II. 3. b) dd) bbb). Die Gegenmeinung im Schrifttum u. das BVerfG dürften von einer Ausgestaltungsregelung ausgehen, an die ohnehin nicht die Anforderungen des Art. 5 Abs. 2 GG zu stellen sind (dazu Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rn. 54). 96 Siehe dazu schon oben D. I. 3. a), im Ergebnis wie hier Thierfelder 112. 97 Man nennt diese Programme auch „invited channels“, zu deutsch Gastprogramme (der Ausdruck findet sich z.B. bei A. Hesse, ZUM 2000, 185). Die ursprünglichen Erwartungen, die 94 95
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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(a) Öffentlich-rechtliche Programme der Zusatzversorgung als Bouquetbestandteil Überprüft man eine bevorzugte Weiterverbreitung von öffentlich-rechtlichen Programmen der Zusatzversorgung 98 auf ihre Verfassungsmäßigkeit, so drängt sich ein Verstoß gegen die (subjektive) Rundfunkfreiheit konkurrierender privater Veranstalter auf, deren Programme nicht durch Must-Carry-Vorschriften begünstigt sind. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes liegt dem Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk der Gedanke zugrunde, dass der publizistische Wettbewerb zwischen beiden sich anregend und belebend auf das Rundfunkgesamtangebot auswirke und die Meinungsvielfalt auf diese Weise gestärkt und gefördert werde. Daraus wird gefolgert, dass angesichts knapper Übertragungswege beide Veranstaltertypen jenseits der Grundversorgung „gleichen Rang“ bei der Verbreitung beanspruchen könnten 99. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber die öffentlichrechtlichen Programme nicht benachteiligen darf, umgekehrt diese bei der Weiterverbreitung aber auch keinen Vorrang fordern können 100. Kurzum: Der Gesetzgeber hat sich im Sinne freien publizistischen Wettbewerbs jeder Privilegierung eines Programmes zu enthalten; es gilt der Grundsatz der Chancengleichheit101. Damit ist die Regelung, wie sie in Abs. 3 Nr. 1 getroffen wurde, kaum zu vereinbaren. Die dem Netzbetreiber auferlegte Pflicht zur Weiterverbreitung öffentlich-rechtlicher Zusatzangebote wird in der Literatur jedoch mit dem Argument gerechtfertigt, der Gebührenzahler habe ein Recht auf Zugang zu diesen Programmen, da er sie mitfinanziert habe 102. Das erscheint in zweierlei Hinsicht zweifelhaft. Zum einen begründet die Rundfunkgebühr schon heute kein Recht auf technischen Zugang zu den öffentlich-rechtlichen Programmen, da die Gebühr – wenn überhaupt eine solche synallagmatische Sichtweise zulässig ist – für die Rundfunkveranstaltung (einschließlich der ersten Verbreitung) und nicht für den Rundfunkempfang geleistet wird. So muss der Rundfunkteilnehmer den Empfang selber organisieren und bezahlen. Sei es dass er sich eine Satellitenantenne anschafft, sei es, dass er durch die Entrichtung von Kabelgebühren den Empfang erkauft. Ebenso wird er sich in Zukunft den Zugang zu öffentlich-rechtlichen Programmen zu organisieren und zu erkaufen haben, etwa durch Aufpreis gegenüber der Grundversorgung im Basispaket seines Netzbetreibers. Zum anderen wird die Rundfunkgebühr wohl nicht als Leistung für öffentlich-rechtlichen Anstalten hätten keinen Platz für die Aufnahme fremder Veranstalter in ihre Bouquets (so noch Ring, ZUM 2002, 182) haben sich bis jetzt nicht bewahrheitet. 98 Kritisch dazu auch Weisser/Lübbert, K & R 2000, 278. 99 BVerfGE 74, 297, 332 f. 100 BVerfGE 74, 297, 333. 101 Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 110; Aschenbrenner 196; siehe auch Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 748 u. bezogen auf terrestrische Weiterverbreitung Rn. 745. 102 Wille/Heckel, ZUM 1997, 244 bezogen auf die Rangfolge im analogen Kabel, aber auf digitalisierte Kabelnetze wegen der vergleichbaren Interessenlage übertragbar.
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
eine Gegenleistung gezahlt, sondern – in den Worten des Bundesverfassungsgerichtes – zur Finanzierung der „Gesamtveranstaltung“ Rundfunk 103. Wenn aber das öffentlich-rechtliche Rundfunkangebot keine Gegenleistung für die Rundfunkgebühr darstellt, dann kann aus ihr auch kein Zugangsanspruch zu diesen Leistungen folgen, zumal der Zuschauer über die unstreitige Must-Carry-Verpflichtung zur Einspeisung der Programme der Grundversorgung stets ein umfassendes öffentlich-rechtliches Angebot erhält 104. Endlich nimmt der Gesetzgeber selbst im Rundfunkstaatsvertrag bewusst in Kauf, dass gebührenfinanzierte Programme von zahlreichen Gebührenzahlern nicht empfangen werden können, wenn er für Zusatzangebote die Verbreitung durch Satellit vorsieht 105 und die Zuschauer mit terrestrischem Empfang mithin außen vor bleiben. Schließlich kann die Pflichteinspeisung jenseits der Grundversorgung auch nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden, ein öffentlich-rechtliches Bouquet dürfe vom Netzbetreiber nicht entbündelt werden 106. Zwar fällt auch die Zusammenstellung von Bouquets in den Schutzbereich der Rundfunkfreiheit107. Jedoch wird die Aufspaltung des öffentlich-rechtlichen Bouquets in Programme der Grundversorgung, die unbedingt einzuspeisen sind, und andere Programme durch das oben erläuterte und im publizistischen Auftrag der Rundfunkfreiheit verwurzelte Gebot der Chancengleichheit 108 im dualen System gerechtfertigt 109. Die Rundfunkfreiheit der Bouquetanbieter steht also der hier vertretenen Differenzierung nicht entgegen. Im Ergebnis erscheinen Must-Carry-Vorrechte für öffentlich-rechtliche Angebote außerhalb der Grundversorgung rundfunk(verfassungsrechtlich) nicht unbedenklich.
(b) Privatrechtliche Programme als Bouquetbestandteil Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen damit auch und gerade gegenüber der durch § 19 Abs. 3 Satz 3 i.V. m. § 52 Abs. 3 Nr. 1 RStV eingeräumten Möglichkeit, privaten Veranstaltern den Must-Carry-Status zu gewähren. Die Begünstigung einiger weniger privater Veranstalter durch Aufnahme in den Kanon der Pflichtprogramme dürfte einmal die Rechte anderer, konkurrierender Rundfunkveranstalter verletzen. Zugangsengpässe auf dem Weg zum Rezipienten 103 BVerfGE 31, 314, 330, zum Charakter der Rundfunkgebühr siehe auch A. Hesse 176 ff.; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 810. 104 So auch Ricker/Schiwy, G Rn. 40. 105 So § 19 Abs. 2 RStV. „Nur“ 33,2 % der Haushalte empfangen Fernsehen mittels Satellit, ARD-Jahrbuch 2002, 369, Tab. 13. 106 So aber mit Hinweis auf Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 2 Nr. 9 RStV Wille, ZUM 2002, 265 sowie mit Hinweis auf den Wortlaut („seiner“) Kuch, ZUM 2002, 249. 107 Dazu oben D. I. 2. b) bb). 108 Nochmals BVerfGE 74, 297, 332 f. 109 Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 112 f.; zustimmend Aschenbrenner 197, Fn. 749.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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werden noch auf absehbare Zeit die Rundfunkveranstaltung erschweren. Angesichts dessen bedeutet die sichere Einspeisung in das Kabelnetz einen erheblichen (geldwerten) Vorteil. Dies verletzt den – oben für das Verhältnis privater zu öffentlichrechtlichen Veranstaltern herausgestellten – Grundsatz der Chancengleichheit, der auch für das Verhältnis privater Veranstalter untereinander zu gelten hat 110. Es drängt sich zudem die Parallele zur Fallgruppe der Pressesubventionen auf: hier wie dort geht es um die Verschaffung wirtschaftlicher Vorteile durch den Staat. Im Hinblick auf Pressesubventionen gilt dabei anerkanntermaßen Folgendes: Sie „dürfen bestimmte Meinungen oder Tendenzen weder begünstigen noch benachteiligen“; es besteht ein Anspruch auf Gleichbehandlung im publizistischen Wettbewerb 111. Auch der natürliche wirtschaftliche Ausleseprozess unter den mehreren Anbietern darf nicht wesentlich gestört werden 112. Gezielte Hilfen für einzelne Unternehmen sind ausgeschlossen 113. Übertragen auf den Rundfunk heißt dies: Wenn wie in der vorliegenden Konstellation einzelnen Rundfunkveranstaltern (wirtschaftliche) Vorteile verschafft werden, so dürfte dies mit dem Gebote der Neutralitätspflicht des Staates kaum mehr zu vereinbaren sein und erscheint als Missachtung des aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden subjektiv-rechtlichen Anspruchs auf Gleichbehandlung im publizistischen Wettbewerb. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Auswahl der Begünstigten nicht durch den Staat, sondern durch Dritte erfolgt. Denn die im Interesse des Pluralismus nicht hinnehmbaren Wirkungen – Verzerrung des publizistischen Wettbewerbs durch staatlichen Eingriff – sind stets die gleichen. Aus der Sicht des Netzbetreibers liegt darüber hinaus ein Eingriff in die Wirtschaftsfreiheiten vor, der verfassungsrechtlich nicht ohne weiteres zu rechtfertigen ist. Denn die Regelung kann das Kernanliegen des Rundfunkgesetzgebers, die – verfassungsrechtlich geforderte – Sicherung der Meinungsvielfalt, nicht fördern, sondern gefährdet diese Vielfalt tendenziell. Der Eingriff dürfte mithin schon an der Geeignetheit scheitern. Hinzukommt, dass an die Zulässigkeit positiver Belegungsvorschriften als Fälle der Indienstnahme Privater, wie oben erläutert 114, hohe Anforderungen zu stellen sind. Diese werden hier wohl verfehlt, weil kaum erkennbar ist, worin der Nutzen einer bevorzugten Weiterverbreitung gerade eines bestimmten Privatsenders (z. B. CNBC) liegen soll. Schließlich bestehen aus Sicht der Netzbetreiber auch noch Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeitslehre. Diese verlangt, dass bei einem Grundrechtseingriff alle wesentlichen Fragen vom (Parlaments-)gesetzgeber selbst ent110 Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 111; auch Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 748; BVerfGE 57, 295, 327 für die Zugangschancen konkurrierender privater Veranstalter. 111 BVerfGE 80, 124, 134; Starck, in: Mangoldt/Klein/Starck, Art.5 Abs. 1, 2 Rn. 82; Wendt, in: v. Münch/Kunig, Art. 5 Rn. 41; Jarass, in: ders./Pieroth, Art. 5 Rn. 30. 112 Bullinger, in: Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 142 Rn. 56. 113 Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 547. 114 Siehe oben D. II. 3. b) dd) bbb).
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
schieden werden 115, das Gesetz also hinreichend bestimmt und genau ist116. Der Rundfunkstaatsvertrag verpflichtet die Netzbetreiber durch die §§52 Abs. 3 Nr. 1, 19 Abs. 3 Satz 3 RStV zur Weiterverbreitung bestimmter privater Programme. Welche dies sind, und damit den entscheidenden Punkt, lässt der Gesetzgeber indes offen. § 19 Abs. 3 Satz 3 RStV legt lediglich fest, dass es sich um Programme handeln muss, die in europarechtlich zulässiger Weise verbreitet werden und den rundfunkrechtlichen Grundsätzen der öffentlich-rechtlichen Veranstalter nicht widersprechen 117. Die Inhalte sind damit offen, das Kriterium trifft auf unzählige Programme privater Veranstalter zu. Für den Netzbetreiber ist es aber von Bedeutung, welche Programme genau einzuspeisen sind. Die Zusammenstellung eines attraktiven Programmangebotes als rundfunkrechtlich geschützter Vorgang ist von Art und Inhalt der Pflichtprogramme im Kern betroffen: Zum einen kann der Netzbetreiber verpflichtet sein, unattraktive Programme weiterzuverbreiten, zum anderen kann die gesonderte Vermarktung unmöglich sein, wenn ein Programm aus einem Zusatzpaket, zugleich im Grundangebot auftaucht 118. Die beschriebenen Eingriffe in die grundrechtlich geschützten Tätigkeiten der Netzbetreiber bedürfen deshalb wohl einer gesetzlichen Festlegung von Auswahlkriterien. Dieser Notwendigkeit dürfte § 19 RStV im Ergebnis nicht gerecht werden, wenn er die Auswahl der privilegierten Programme ohne konkrete Vorgabe den öffentlich-rechtlichen Bouquetveranstaltern zuweist. Auf weitere Probleme, zu nennen ist z. B. die Frage, ob die öffentlich-rechtlichen Bouquetbetreiber von den aufgenommenen fremden Veranstaltern Entgelte verlangen dürfen 119 oder ob darin eine unzulässige Einnahmequelle liegt 120, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden. Im Ergebnis erscheint es angeraten, spätestens bei einer Überprüfung der §§ 52, 53 RStV, wie sie jetzt § 53 a RStV fordert, die Vorschrift des § 52 Abs. 3 Nr. 1 RStV verfassungskonform dahingehend zu ändern, dass nur die Pflichteinspeisung der Programme der Grundversorgung von den Kabelnetzbetreibern verlangt wird. Die Must-Carry-Vorschriften wären dann insgesamt ohne weiteres verfassungskonform. bbb) § 52 Abs. 3 Nr. 2 RStV Die Vorschrift des § 52 Abs. 3 Nr. 2 RStV enthält eine weitere Verpflichtung zur Einspeisung von Fernsehprogrammen, nämlich von regionalen und lokalen AngeBVerfGE 95, 267, 307; 98, 218, 251. BVerfGE 57, 295, 320 f.; siehe auch Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 VI Rn. 81 ff. 117 Siehe dazu Binder, in: Hahn/Vesting, § 19 Rn. 97 f. 118 So vermarktete der Netzbetreiber Primacom das Programm CNBC ursprünglich als Teil des eigenen Nachrichten-Bouquets, siehe dazu Wimmer, ZUM 2002, 542. 119 Problematisiert bei Wimmer, ZUM 2002, 542. 120 Zur Finanzierung durch Einnahmen neben der Rundfunkgebühr siehe Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 813 f. 115 116
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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boten sowie von Offenen Kanälen. Die Verpflichtung ist auf einen Umfang von einem analogen Kanal, d. h. auf 6 bis 8 digitale Programme 121 beschränkt 122. Der damit verbundene Eingriff in die Wirtschafts- und Rundfunkfreiheit der Netzbetreiber kann nicht ebenso leicht gerechtfertigt werden wie die Verpflichtung zur Einspeisung von Programmen der Grundversorgung. Gleichwohl dürfte er im Ergebnis verfassungsgemäß sein. Im einzelnen ist insbesondere zwischen Offenen Kanälen und regio-lokalen Angeboten zu unterscheiden. Die Einspeisung regio-lokaler Angebote entspricht der Marktrationalität der Netzbetreiber, da diese Programme auf starkes Interesse der Zuschauer stoßen und einen Wettbewerbsvorsprung vor den Satellitennetzbetreibern sichern helfen, die aus technischen Gründen kaum regional differenzierte Angebote unterbreiten können 123. Die Eingriffsintensität ist dementsprechend gering. Darüber hinaus besteht ein Bedürfnis, die Meinungsvielfalt auch des engeren räumlichen Bereichs in möglicher Breite zu Wort kommen zu lassen 124. Dieses Ziel kann eine Pflichteinspeisung mehrerer regio-lokaler Sender gut erreichen. Schließlich leisten auch diese Programme einen nicht unerheblichen Vielfaltsbeitrag für das Gesamtprogramm 125. Bedenken bestehen jedoch dahingehend, ob die Bevorzugung regio-lokaler Programme nicht eine tendenzielle Beeinflussung der Fernsehlandschaft darstellt und damit eine unerlaubte „Subvention“ dieser Angebote; weiters ist auch die Frage nach dem allgemeinen Gesetz zu beantworten. Gegen die Zulässigkeit der Bevorzugung regiolokaler Sender spricht, dass durch ein solches Must-Carry die überregionalen Angebote jedenfalls teilweise verdrängt werden können und damit die Auswahlentscheidung des Publikums vorgesteuert wird 126. Richtigerweise wird man aber annehmen müssen, dass die Förderung anhand des Kriterium des Lokalbezuges ausreichend inhaltsneutral ist und zwar sowohl im Hinblick auf das Verbot der Verzerrung des publizistischen Wettbewerbs 127 als auch im Hinblick auf die Anforderungen an ein allgemeines Gesetz. Denn die Vorschrift knüpft nicht am Inhalt (im Sinne von Meinung), sondern am Gegenstand der Berichterstattung an. Zu den technischen Aspekten Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 52 Rn. 56. Missverständlich insofern Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 52 Rn. 58, für die verschiedenen Programme sei je Kapazität im Umfang eines analogen Kanals zur Verfügung zu stellen. Dies würde zu einer Explosion der Kapazität im Must-Carry insgesamt u. zu einer – auch gegenüber den Programmen der Grundversorgung – überproportionalen Kapazitätszuweisung an Kleinstsender führen. Richtig ist deshalb, davon auszugehen, dass die Gesamtheit der in Nr. 2 aufgezählten Programme nicht mehr als die Kapazität eines analogen Programms für sich beanspruchen kann, was auch dem Wortlaut der Vorschrift entspricht. 123 Siehe schon oben B. II. 1. a). 124 BVerfGE 74, 297, 327. 125 Siehe auch Trebbe 248 ff.; Thierfelder 90 f. 126 Siehe zur Problematik der Subventionierung einzelner Pressesektoren Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 547. 127 Für das Pressewesen BVerfGE 80, 124, 133 f.; für die Rundfunkangebote im dualen System, E 74, 297, 332 f. 121 122
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
Die Verpflichtung, Offene Kanäle einzuspeisen, ist verfassungsrechtlich wie folgt zu beurteilen: Die Eingriffsintensität dürfte hier höher als bei regio-lokalen Pflichtprogrammen sein. Denn Offene Kanäle erzielen in der Regel geringe publizistische Relevanz 128. Darüber hinaus fehlt es Offenen Kanälen zuweilen an Professionalität und Attraktivität, so dass ihre Einspeisung publizistischen und ökonomischen Interessen der Netzbetreiber widersprechen kann. Dem steht ein eher geringer Vielfaltsbeitrag gegenüber. So hat das Bundesverfassungsgericht den Offenen Kanal als Vielfaltsreserve im außenpluralen Modell abgelehnt, da er nicht gewährleiste, dass die verschiedenen Meinungen tatsächlich zu Wort kommen 129. Zu berücksichtigen sind weiterhin die geringen Zuschauerzahlen. Denn bei Quoten von unter einem Prozent verliert das Fernsehen seine Funktion als Faktor der öffentlichen Meinung. Programme mit so geringer Relevanz leisten kaum mehr einen entscheidenden Vielfaltsbeitrag 130. Schließlich wird wohl das Internet zukünftig die Funktion der Offenen Kanäle übernehmen und Interessierten ein adäquates Kommunikationsforum bieten; das Fernsehen verliert damit zunehmend seine Bedeutung als Forumsmedium für einzelne Bürger oder Gruppierungen 131. Für die Offenen Kanäle sprechen auf der anderen Seite deren Funktion, das Fernsehen für nicht-professionelle Kommunikatoren zu öffnen 132 und neue, unkonventionelle Sichtweisen in das arrivierte Medium einzubringen 133. Hinzu kommt, dass die entgeltliche Weiterverbreitung von Fernsehprogrammen den – je nach Geschäftsmodell mehr oder weniger stark ausgeprägten – Kern des Geschäftsbetriebes der Netzbetreiber ausmacht und deshalb keine geschäftsfremde Verpflichtung auferlegt wird 134. Unter Abwägung dieser Gesichtspunkte kommt man zu dem Ergebnis, dass eine solche Einspeisepflicht gerade noch zumutbar sein dürfte, solange die Netzbetreiber nicht zur unentgeltlichen Weiterverbreitung verpflichtet sind 135. Sollten die dargestellten Programme die Kapazität eines analogen Kanals nicht ausschöpfen, so richtet sich die Belegung nach Landesrecht (§ 52 Abs. 3 Nr. 2, 2. Hs. 128 Ausführlich A. Engel 204 ff. So haben 40–50 % der Kabelteilnehmer in ausgewählten Gebieten mit offenem Kanal noch nie von diesem Angebot Gebrauch gemacht, „Stammseher“ sind lediglich 1–2 %. 129 BVerfGE 74, 297, 330, dabei ging es um den §22 Abs. 3 LMedienG Baden-Württemberg (v. 16.12.1985, GBl. S. 539), der in seiner damaligen Fassung vorsah, dass ein Veranstalter einen angemessenen Teil seiner Sendezeit in Form eines offenen Kanals zur Verfügung zu stellen hat. Dieser Offene Kanal sollte nach der Systematik des LMedienG die Meinungsvielfalt im regionalen Bereich sichern u. damit die Zulassung privater Veranstalter ermöglichen, auch wenn Binnenpluralität der Anbieter nicht gewahrt ist. 130 In diese Richtung auch A. Engel 286 f. 131 Zum Ganzen Degenhart, AfP 1998, 281. 132 Hoffmann-Riem/Schulz 63. 133 Siehe Vesting, Kabelkanalbelegung, 58. 134 Zu diesem wichtigen Gesichtspunkt schon oben D.II. 3. b) dd) bbb). 135 So schon oben D. II. 3. b) dd) bbb); a. A. indes A. Engel 284 f.; die durch § 52 Abs. 3 Nr. 4 letzter Hs. RStV ermöglichte Verpflichtung zur unentgeltlichen Einspeisung dürfte also kaum verfassungskonform sein.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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RStV). Diese Regelung ist kritikwürdig, weil damit weitere Must-Carry-Verpflichtungen geschaffen werden können, ohne dass hierfür ein Bedarf erkennbar ist. Die freien Kapazitäten sollten vielmehr direkt dem Non-Must-Carry zufallen 136. ccc) § 52 Abs. 3 Nr. 3 und 4 RStV Die dargestellten Belegungsvorschriften werden durch die Vorschriften der Nr. 3 und Nr. 4 abgesichert: Zum einen muss die technische Qualität der Übertragung von Must-Carry Programmen gewährleistet sein (Nr. 3) 137. Zum anderen müssen die Entgelte und Tarife offen gelegt werden, sog. Transparenzgebot (Nr. 4) 138. Die Nr. 4 fordert darüber hinaus, dass die Entgelte so gestaltet werden, dass auch die in der Regel (und allein aufgrund ihres räumlich kleineren Betätigungsfeldes) nicht mit landes- oder bundesweit verbreiteten Sendern vergleichbar wirtschaftsstarken kleinräumig verbreiteten Programme eine Zugangschance erhalten (Verbreitung zu angemessenen und chancengleichen Bedingungen139). Es geht also um einen pauschalierten Nachteilsausgleich zugunsten der strukturell unterlegenen regio-lokalen Angebote. Über die Entgelte für andere Sender ist damit nichts gesagt140. Schon aus kompetenziellen Gründen muss die Vorschrift so ausgelegt werden, dass sie einen spezifischen rundfunkrechtlichen, die telekommunikationsrechtlichen Anforderungen und Ziele überschießenden Gehalt aufweist. Aus diesen Gründen wird für die eigentliche Entgeltregulierung ins TKG (§ 24 Abs. 2 TKG) verwiesen 141. ddd) § 52 Abs. 4 RStV § 52 Abs. 4 RStV legt die Belegung der verbleibenden Kapazitäten in die Hände der Netzbetreiber. Während dabei die Nr. 1 Vielfaltsvorgaben macht, bilden in Nr. 2 allein die allgemeinen Gesetze die Grenze unternehmerischer Freiheit. Da die Nr. 2 mithin keine eigenständige Regelung mehr enthält, ist nur die Nr. 1 auf ihre Recht-, anschließend auch auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu untersuchen. 136 Sinnvoll ist deshalb die Regelung des § 38 Abs. 3 Satz 2 SächsPRG, die die Belegungsbefugnis an den Netzbetreiber zurückgibt. 137 Dazu Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 52 Rn. 59; siehe auch die Forderung Thierfelders, ders. 97. 138 Siehe dazu Wille/Schulz/Fach-Petersen, in: Hahn/Vesting, § 52 Rn. 79 ff. 139 Entscheidend dürfte die Chancengleichheit sein, da die objektive Angemessenheit keinen über die Anforderungen nach TKG hinausgehenden Gehalt aufweist, Thierfelder 88. 140 So auch Weisser/Lübbert, K & R 2000, 278 f.; a. A. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 52 Rn. 60 sowie Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 126, wonach aus dem Wort „auch“ geschlossen werden kann, dass alle Programme also z. B. auch bundesweite Programme zu angemessenen u. chancengleichen Bedingungen verbreitet werden müssen. Dies lässt sich aber weder mit der ratio (Nachteilsausgleich) noch mit der systematischen Stellung der Norm (Must-Carry-Bereich) vereinbaren. 141 Näher zur Entgeltregulierung für regio-lokale Angebote Weisser/Lübbert, K & R 2000, 279.
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
Zunächst ist der Regelungsgehalt der Vorschrift darzustellen: Nach Nr. 1 trifft der Betreiber die Belegungsentscheidung innerhalb eines Drittels der für die digitale Verbreitung zur Verfügung stehenden Gesamtkapazität selbst. Dies gilt aber nicht uneingeschränkt, sondern – verfassungsgerichtlichen Anforderungen 142 zur Sicherung eines Grundstandards gleichgewichtiger Vielfalt entsprechend 143 – nur „soweit“ der Betreiber in seine Entscheidung zwei Umstände miteinbezieht: Zum einen muss er eine Vielzahl von Programmveranstaltern und ein vielfältiges Programmangebot und zwar beides unter Berücksichtigung der Teilnehmerinteressen 144 in seine Entscheidung „einbeziehen“. Zum anderen muss er in seiner Belegungsentscheidung Mediendienste angemessen berücksichtigen. Das vielfältige Programmangebot wiederum erfordert Vollprogramme, nicht entgeltfinanzierte Programme, Sparten- und Fremdsprachenprogramme. Aus der Perspektive der Arbeit – Steuerung der vertikalen Integration – ist dabei das Erfordernis einer „Vielzahl von Programmveranstaltern“ von besonderem Interesse; fraglich ist, was darunter zu verstehen ist. Gersdorf nimmt an, aus dieser Regelung folge, dass der Netzbetreiber nicht überwiegend „eigene“ Inhalte einspeisen dürfe. Damit sei ein Schutz vor übermäßiger Bevorzugung dieser eigenen Inhalte durch den Netzbetreiber gegeben 145. Richtig ist zunächst, dass die Vorschrift eine Berücksichtigung nicht nur verschiedener Programme, sondern auch verschiedener Veranstalter fordert. Ob damit aber auch ein Schutz vor den Gefahren der vertikalen Integration gegeben ist, hängt davon ab, ob der Netzbetreiber im Sinne der Vorschrift auch „Veranstalter“ seiner eigenen Inhalte ist. Denn allein an dem Tatbestandsmerkmal Veranstalter knüpft die Vorschrift an. Der Programmveranstalterbegriff wird vom Rundfunkstaatsvertrag nicht definiert. In materieller Hinsicht gilt nach h. M. als Veranstalter, wer die redaktionelle Verantwortung für die konkrete Programmabfolge übernimmt 146; in formeller Hinsicht, wer eine Lizenz nach § 20 RStV besitzt. Damit würden Programme von Veranstaltern, an denen der Netzbetreiber nur kapitalmäßig beteiligt ist, nicht erfasst. Diese Auslegung berücksichtigt aber nicht ausreichend systematisch-teleologische 142 Insbesondere zu Anforderungen an den privatwirtschaftlich organisierten Bereich des Rundfunks BVerfGE 73, 118, 160, die im Wesentlichen auch für die Verbreitung gelten (BVerfGE 73, 118, 196 ff.). 143 Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 52 Rn. 61; Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 115 ff. 144 Damit wird auf die Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) der Kabelkunden Rücksicht genommen, Weisser/Lübbert, K & R 2000, 280; zu deren Bedeutung für die staatlich vorgegebene Kabelbelegung (des analogen Netzes) siehe noch Castendyk, ZUM 1993, 470; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 747 ff. sowie BVerfGE 73, 118, 197 f. 145 Gersdorf, Der Zugang zum digitalen Kabel, 366, spricht von „Inhalten“, wobei nicht ganz klar ist, ob es sich bei der Beteiligung an einem fremden Veranstalter um eigene Inhalte handelt u. wenn ja, ab welcher Beteiligungshöhe dies der Fall ist. 146 Siehe Beucher/Leyendecker/v. Rosenberg, § 1 RStV Rn. 14 sowie BVerfGE 97, 298, 310.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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Aspekte. Zum einen kann § 28 RStV der gesetzgeberische Wille entnommen werden, auch kapitalmäßige Beteiligungen an fremden Veranstaltern zu berücksichtigen und Umgehungsversuchen wirksam zu begegnen. Für einen weiten Anwendungsbereich des Tatbestandsmerkmals „Programmveranstalter“ spricht zudem die teleologische Auslegung. Die Vorgaben des § 52 Abs. 4 Nr. 1 RStV dienen der Vielfaltssicherung 147. Der RStV folgt dabei grundsätzlich – wie die §§ 25 ff. RStV zeigen 148 – der Konzeption des Außenpluralismus, wonach Veranstaltervielfalt Pluralismus gewährleistet. Dieser Grundannahme würde indes eine Auslegung nicht gerecht, die Beteiligungen bei der Frage, ob eine Vielzahl von Veranstaltern eingespeist wird, völlig ausblendete. Das Pluralismusgebot des Rundfunkrechts fordert dem Grunde nach vielmehr eine Auslegung, die auch gesellschaftsrechtliche Verbindungen miterfasst. Auf der anderen Seite kann aber auch nicht jede – noch so geringe – Beteiligung berücksichtigt werden. Vielmehr ist hier ein Gleichklang mit § 28 RStV derart herzustellen, dass Beteiligungen erst ab 25 % berücksichtigt werden. Eine weitergehende Auslegung, die Programmveranstaltervielfalt definierte als eine Vielfalt von völlig unabhängigen Unternehmen, beruhte dagegen auf einem strengeren Vielfaltskonzept im Rahmen des Zugangsrechts nach § 52 RStV als im Rahmen des Abschnittes „Sicherung der Meinungsvielfalt“. Dies dürfte nicht der gesetzgeberischen Intention entsprechen. Damit ist Veranstalter im Sinne der Vorschrift, wer selbst ein Programm veranstaltet oder an einem anderen Veranstalter mit 25 % beteiligt ist. Eine Vielzahl von Programmveranstaltern wird deshalb nur vorliegen, wenn neben Programmen, welche die jeweiligen Netzbetreiber selbst oder ihnen gemäß § 28 RStV zurechenbare Sender veranstalten, auch „fremde“ Veranstalter zum Zuge kommen. Eine so verstandene Einspeiseverpflichtung zugunsten mehrerer Veranstalter dürfte – als angemessener Ausgleich rundfunkrechtlicher Erfordernisse mit den Wirtschaftsfreiheiten der Netzbetreiber – auch verfassungskonform sein. Nicht unbedingt der Fall ist dies bei den Vorgaben für ein „vielfältiges Programmangebot“. Hier werden dem Netzbetreiber Belegungspflichten auferlegt, die wohl unverhältnismäßig in seine Freiheiten eingreifen. Insbesondere gilt dies für die Verpflichtung zur Einspeisung von Fremdsprachenprogrammen. Hier bestehen schon Zweifel an der Geeignetheit der gesetzlichen Vorgabe im Hinblick auf das Normziel. Fremdsprachige Programme werden vom weit überwiegenden Teil der Bevölkerung nicht verstanden und deshalb nicht rezipiert, ihr Beitrag zur Meinungsvielfalt ist deshalb recht gering einzuschätzen 149. Ein Schutz vor Vermachtung des Rundfunks wird durch Fremdsprachenprogramme kaum erreicht. Zugleich wird dem Netzbetreiber ein wichtiges Geschäftsfeld genommen: er sollte die Möglichkeit haben, fremdsprachige Programme in Zusatzpaketen zu vermarkten oder zugunsten attraktiver deutschsprachiger Programme auf sie zu verzichten. Die Vor147 148 149
Siehe Wille/Schulz/Fach-Petersen, in: Hahn/Vesting, § 52 Rn. 1. Siehe Beucher/Leyendecker/v. Rosenberg, § 25 Rn. 5. Siehe auch BVerfGE 73, 118, 202.
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schrift dürfte deshalb auch unangemessen sein, da die Eingriffswirkung außer Verhältnis steht zum – geringen – Vielfaltsgewinn. Gewisse Bedenken bestehen auch gegenüber der Verpflichtung zur Einspeisung von Spartenprogrammen 150. Diese sind regelmäßig meinungsschwach (Sport-, Musikkanäle; Ausnahme: Nachrichtenkanäle) 151 und leisten keinen integrativen Auftrag. Es ist deshalb kaum erkennbar, warum die Einspeisung zahlreicher, verschiedener Vollprogramme den Vielfaltsauftrag verfehlen würde und (stattdessen) Spartenprogramme einzuspeisen sind. Auch die Verpflichtung, Mediendienste zu berücksichtigen, ist nicht unproblematisch 152. Hier werden dem Netzbetreiber Produktionsgebote auferlegt, sein Betrieb in Dienst genommen 153, ohne dass dies erforderlich erscheint. Mediendienste154 besitzen eine geringere Meinungsrelevanz 155, sie können deshalb zur Pluralismussicherung wenig beitragen; sie bewirken vielmehr durch Verstopfung des NonMust-Carry-Bereiches, dass möglicherweise solche Programme, die einen erheblicheren Vielfaltsbetrag leisten könnten, nicht zum Zuge kommen. Eine Verpflichtung zur Berücksichtigung beispielsweise von Teleshopping 156 erscheint insgesamt aus Perspektive der von Art. 5 GG geforderten Vielfaltssicherung wenig hilfreich und als ein kaum zumutbarer Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit, insbesondere die durch Art. 12 GG geschützte unternehmerische Produktionsfreiheit157, der Netzbetreiber. Insgesamt schränken die Vielfaltsvorgaben, wie sie die Nr. 1 vorgibt, die notwendigen Spielräume mehr ein als dies zur Sicherung des Vielfaltsgebots notwendig erscheint 158. Sie sollten deshalb verfassungskonform tendenziell eng ausgelegt werden. Weiterhin ist an der Regelung insgesamt zu kritisieren, dass sie keine Regulierungsgrenze enthält, vielmehr der regulierte Bereich mit dem Netzausbau wächst. Dies ist einmal medienpolitisch zweifelhaft: Denn weiterer Netzaufbau wird aus der Perspektive des Netzbetreibers nicht belohnt, Anreize zu Investitionen fehlen 159. Ausführlich zum Begriff des Spartenprogrammmes Neun 50 ff. Siehe auch Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 693. 152 So auch Weisser, NJW 2000, 3527, Fn. 10 sowie ders./Lübbert, K & R 2000, 278. 153 Zu den strengen Anforderungen an eine Indienstnahme Privater siehe oben D. II. 3. b) dd) bbb). 154 Zu der Frage, was Mediendienste sind, siehe Legaldefinition in § 2 Abs. 1 MDStV, sowie die – nicht abschließende („insbesondere“) – Aufzählung in § 2 Abs. 2 MDStV. Wichtig für die Netzbetreiber sind vor allem Shoppingkanäle (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 MDStV). 155 Holznagel, in: Hoeren/Sieber, 3.2 Rn. 37. 156 Zur Bedeutung von Teleshopping auch Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 698 f. 157 Zur Produktionsfreiheit z. B. Breuer, in: Isensee/Kirchhof HbStR VI, § 147 Rn. 63. 158 Kritisch auch Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 117 f., wonach das vielfaltssichernde Kontrollsystem (des Staatsvertragsentwurfs) keinen nennenswerten Spielraum für eine an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientierte Kabelbelegung belasse; siehe auch Irion/Schirmbacher, CR 2002, 66; Möschel, Beilage MMR 2/2001, 16. 159 Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 360; siehe auch Möschel, MMR 2001, 7. 150 151
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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Zum anderen dürfte dies auch nicht verfassungsrechtlich gefordert sein 160. Denn zur Sicherung eines Grundstandards der Meinungsvielfalt ist eine unbegrenzte Anzahl von Programmen nicht erforderlich. Gerade mit wachsendem Kapazitätsaufbau verliert die Knappheit an Übertragungskapazität und damit auch die Sozialpflichtigkeit an Bedeutung. Schließlich wird in Zukunft auch Art. 31 Abs. 1 Satz 2 Universaldienstleistungsrichtlinie 161, wonach Übertragungspflichten nur auferlegt werden dürfen, soweit sie erforderlich, verhältnismäßig und transparent sind, eine restriktive Anwendung und Auslegung von Must-Carry-Rules erfordern 162.
bb) Zweckmäßigkeit Zu untersuchen ist nunmehr: Können die Regeln der Abs. 3 und 4 zweckmäßig die vertikale Integration steuern, ihren Gefahren wehren? Da nur rechtmäßige Regeln Steuerungspotential entfalten, sind die Vorschriften in der verfassungsmäßigen Auslegung zu überprüfen, wie sie die Untersuchung der Rechtmäßigkeit ergeben hat. Zunächst ist festzustellen, dass über die unbedingte Einspeiseverpflichtung für die Programme der Grundversorgung die Gefahren der vertikalen Integration, insbesondere die Gefahr der Vielfaltsverengung, schon wesentlich entschärft werden. In der Konzeption des Bundesverfassungsgerichtes geben die öffentlich-rechtlichen Vollprogramme die Vielfalt der Meinungen in möglichster Breite wieder. Sie leisten aufgrund ihrer Strukturprinzipien – allen voran der quotenunabhängigen Gebührenfinanzierung – Gewähr, dass auch Minderheiten zu Wort kommen 163. Auch die vertikaler Integration innewohnenden Vermachtungsgefahren werden eingedämmt, wenn ein Grundangebot gewährleistet ist, dass jedenfalls seinem Anspruch und seiner (binnenpluralen) Organisation nach bereits die gesamte Meinungsvielfalt abbildet. So entspricht es der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, dass die Grundversorgung durch öffentlich-rechtliche Programme es erlaubt, im Bereich privatwirtschaftlicher Rundfunkversorgung Vielfaltsansprüche abzusenken 164. Nicht nur (öffentlich-rechtliche) Grundversorgung und private Rundfunkveranstaltung, sondern auch Grundversorgung und privatwirtschaftlicher (vertikal integrierter) Netzbetrieb stehen damit in einem Wirkzusammenhang 165, in einem „eigentümlichen Entsprechungsverhältnis“ 166. Die Vielfaltsreserven der Grundversorgung werden ergänzt durch den Must-Carry-Status regio-lokaler Programme sowie der Offenen Kanäle. Die Pflichteinspeisung all dieser Programme schwächt die GateWie hier Irion/Schirmbacher, CR 2002, 66; Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 360 f. RL 2002/22/EG. 162 In diese Richtung auch Bonin, K & R 2002, 570. 163 Siehe BVerfGE 73, 118, 158 f.; 87, 181, 198 ff. 164 BVerfGE 73, 118, 157 ff.; 87, 181, 199; 90, 60, 90 f. 165 Siehe auch Gersdorf, Chancengleicher Zugang, 104 f. 166 So Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rn. 104 zum Verhältnis von privatem und öffentlich-rechtlichem Rundfunk in der dualen Rundfunkordnung. 160 161
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keeper-Position des Netzbetreibers. Insgesamt leisten die Must-Carry-Verpflichtungen mithin einen maßgeblichen Beitrag zum Schutz vor den Gefahren vertikaler Integration. Dieser Schutz wird weiter verstärkt durch die Vielfaltsverpflichtungen des § 52 Abs. 4 Nr. 1 RStV: auch dieser Bereich kann nicht vom Netzbetreiber durch von ihm veranstaltete oder ihm zurechenbare Programme vermachtet werden. Schwierigkeiten ergeben sich allein bei Minderheitsbeteiligungen, da diese – bei verständiger Auslegung – nicht vom Tatbestandsmerkmal „Vielzahl von Programmveranstaltern“ erfasst werden. Da unter 25 % jedoch zumindest gesellschaftsrechtlich kein wesentlicher Einfluss auf die Geschäftspolitik genommen werden kann, bleibt diese Regelungslücke relativ klein. Die Verpflichtung zur Einspeisung einer Vielzahl von Programmveranstaltern verhindert damit ausreichend wirksam, dass der Netzbetreiber etwa ausschließlich „eigene“ Programme einspeist und erleichtert im Ergebnis jedenfalls objektiv-rechtlich netzbetreiberfremden Veranstaltern den Netzzugang 167. Eine wesentliche Gefahr der vertikalen Integration ist damit entscheidend verringert. Im Ergebnis schwächen die Carry-Rules die Schlüsselstellung des Netzbetreibers wesentlich ab und leisten so einen wirksamen Schutz vor den Gefahren vertikaler Integration 168. Zu diesen medienrechtlichen Sicherungen kommen möglicherweise weitere Schutzmechanismen des Kartellrechts, die nachfolgend auf ihr Steuerungspotential hin zu untersuchen sind. c) Kartellrecht Das Kartellrecht schützt den wirtschaftlichen Wettbewerb; es bändigt Marktmacht. Soll wie hier die vertikale Integration des Netzbetreibers nur unter dem Blickwinkel der Meinungsvielfalt, also des Schutzes vor einseitiger Meinungsmacht betrachtet werden, so liegt eine Untersuchung kartellrechtlicher Schutzmechanismen zunächst nicht auf der Hand. Sie macht – die Anwendbarkeit des Kartellrechts im Medienbereich einmal unterstellt 169 – gleichwohl Sinn. Denn – und dies ist Gegenstand der folgenden Ausführungen – es muss untersucht werden, ob und gegebenenfalls wie weitreichend der Schutz vor Marktmacht nicht zugleich vor Meinungsmacht schützen kann. Das Ergebnis wird dabei im Spannungsfeld zweier Pole zu suchen sein: Einerseits kann der Schutz des Kartellrechts so wirkungsvoll auch in seinen publizistischen Auswirkungen sein, dass es genügen würde, den vertikal integrierten Kabelnetzbetreiber allein dem Kartellrecht zu unterstellen; die Rundfunkregulierung spielte dann „über Bande“. Zum anderen kann sich ergeben, dass das 167 168 169
So auch Roßnagel/Hilger, MMR 2002, 448. In diese Richtung auch Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 363 f. Das Verhältnis beider Rechtsgebiete zueinander wird sogleich dargestellt.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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Kartellrecht so wirkungsschwach vor den Gefahren vertikaler Integration schützt, dass es zwingend weiterer, spezifisch rundfunkrechtlicher Sicherungsmechanismen bedarf. aa) Verhältnis Kartellrecht und Rundfunkrecht Zunächst ist zu klären, ob das Kartellrecht im Medienbereich überhaupt zur Anwendung kommt. Die ganz herrschende Meinung 170 geht dabei – spätestens seit Neufassung des § 38 Abs. 3 GWB 171 – von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Kartellrechts auch im Rundfunkbereich aus; eine Ansicht, die das Bundesverfassungsgericht teilt 172. Ein und derselbe Sachverhalt kann also neben der rundfunkrechtlichen Regulierung auch noch der kartellrechtlichen unterfallen 173, da beide unterschiedliche Regelungsziele – hier Schutz des publizistischen, dort Schutz des ökonomischen Wettbewerbs – verfolgen. Als allgemeines Gesetz i. S. v. Art. 5 Abs. 2 GG vermögen GWB 174 sowie TKG auch – jedenfalls im Grundsatz – die Rundfunkfreiheit einzuschränken. Der Bundesgesetzgeber hat jedoch, erlässt er auf Grundlage seiner Kompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 16 GG kartellrechtliche Vorschriften, zum einen die Erfordernisse der Rundfunkfreiheit (grundrechtliche Problematik), zum anderen die Gesetzgebungskompetenz der Länder für die Rundfunkordnung zu achten (kompetenzielle Problematik). Im Hinblick auf Art. 5 GG wird also das Kartellrecht auch die Rundfunkträgerschaft der Netzbetreiber berücksichtigen müssen. Dabei kann auf die obigen Ausführungen zurückgegriffen werden, wonach der Netzbetreiber je nach publizistischer Relevanz seiner Tätigkeit am Rande oder in der Mitte dieser Grundrechtsverbürgung steht. Insbesondere die Unterscheidung zwischen Transportmodell und Vermarktungsmodell wird sich demnach auch bei der Anwendung kartellrechtlicher Normen widerzuspiegeln haben 175. Was die kompetenzielle Problematik angeht, gilt Folgendes: Zu einer Kollision zwischen dem Bundeskartellrecht und dem Landesrundfunkrecht kann es kom170 Siehe statt vieler Bender 219 f.; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 874 ff., insbesondere auf das vergleichbare Verhältnis GWB u. private Rundfunkveranstaltung eingehend, Rn. 879; Parlasca, WuW 1994, 212; Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 285; Tschon 280 f.; Beucher/Leyendecker/v. Rosenberg, § 26 Rn. 21. 171 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen i. d. F. der Bekanntmachung v. 26.8.1998. 172 BVerfGE 73, 118, 174. 173 Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, Vor § 35 Rn. 68; Stockmann, AfP 1989, 636. 174 Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 877. 175 Diese Unterscheidung kann auch zwanglos im Rahmen kartellrechtlicher Normen berücksichtigt werden, da das Kartellrecht – wie zu zeigen sein wird – dem Nachfrager fremder Leistungen (Inhalte) – in diese Rolle schlüpft der Netzbetreiber beim Vermarktungsmodell – wesentliche größere Freiheiten belässt als dem Anbieter eigener Leistungen (Transportmodell). Siehe dazu insbesondere die unterschiedlichen Anforderungen bei Liefer- u. Bezugssperre im Rahmen des § 20 GWB, unten E. IV. 1. c) cc) bbb) (2) (a) (bb).
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men, wenn sich beide Regelungen, obwohl sie sich zu Recht auf unterschiedliche Kompetenznormen stützen 176, in ihren praktischen Auswirkungen widersprechen 177. Dies wird im Rahmen der Zugangsansprüche angesichts unterschiedlicher Regelungsziele der Fall sein. Während das Kartellrecht der Öffnung der Netze und dem möglichst gleichberechtigten Zugang zu den Übertragungsressourcen dient (z. B. § 19 Abs. 4 Nr. 4, § 20 GWB; § 35 TKG), sichert die Zugangsregelung des § 52 Abs. 2 RStV Grundversorgung und Vielfalt. Vielfalt und Gleichheit widersprechen sich aber im Kern. Denn Vielfalt bedeutet angesichts endlicher Übertragungskapazität, dass nicht alle Programme die gleiche Chance auf Einspeisung haben, sondern dass aus inhaltlichen Gründen eines dem anderen gegenüber bevorzugt wird 178. Dieser Konflikt muss aufgelöst werden, wobei sich zwei Lösungen – beides Spielarten verfassungskonformer Auslegung – anbieten. Einmal ist denkbar, dass bei Anwendung kartellrechtlicher Normen die Gebote des § 52 RStV mitberücksichtigt werden, zumal GWB aber auch TKG Tatbestandsmerkmale enthalten, die als Einfallstore rundfunkrechtlicher Wertung dienen könnten (z. B. „ohne sachlich gerechtfertigten Grund“ in § 20 Abs. 1 GWB) 179. Dies liefe aber auf ein vor dem Hintergrund der Staatsferne des Rundfunks bedenkliches Ergebnis hinaus: die Kartellbehörden könnten über den Inhalt des Vielfaltsgebotes und letztlich über die konkrete Belegung im Rahmen der Carry-Rules wachen. Der andere, vorzugswürdige Lösungsweg ist in einer aus dem Gebot der Bundestreue 180 abzuleitenden Kompetenzausübungsschranke zu sehen 181, die in eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereiches kartellrechtlicher Zugangsvorschriften mündet. Dem (ungeschriebenen) Gebot der Bundestreue entsprechend hat nämlich der Bund von seinen Kompetenzen zurückhaltend Gebrauch zu machen, soweit ein Vorrang des Bundesrechtes den Landesgesetzgeber in seiner Kompetenz empfindlich treffen würde. Der Kompetenz des Landesgesetzgebers kommt dabei umso größeres Gewicht zu, wenn er – wie im Bereich der rundfunkrechtlichen Vielfaltssicherung – einen der Verfassung selbst zu entnehmenden Gesetzgebungsauftrag 176 Ist dies nicht der Fall, dann ist das Gesetz von vornherein verfassungswidrig; Probleme ergeben sich insoweit nicht. 177 Jarass 40. 178 Beispiel: In einer Kabelanlage wird bereits ein „Tenniskanal“ eingespeist; ein weiterer Tenniskanal könnte hier unter dem Gesichtspunkt der diskriminierungsfreien Gleichbehandlung durch den Netzbetreiber ebenfalls Zugang verlangen, während unter Vielfaltsgesichtspunkten hieran gerade kein Interesse bestünde. 179 In diese Richtung wohl BGH NJW 1996, 2656, 2659, wonach medienrechtliche Verpflichtungen im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen sind; Jüngling 232; Piepenbrock, in: Büchner u. a., § 33 Rn. 52. 180 Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man daneben auf das aus dem Rechtsstaatsgebot abzuleitende Gebot widerspruchsfreier Normgebung abstellt, zu diesem Gebot BVerfG NJW 1998, 2341 ff. u. 2346 ff.; zu dem Verhältnis beider Gebote zueinander, Frenz, DÖV 1999, 41 ff., insbes. 43 f. 181 Siehe Jarass 40 ff.; zum Gebot der Bundestreue als Kompetenzausübungsschranke Degenhart, Staatsrecht, Rn. 220 sowie ders., in: Sachs, Art. 70 Rn. 55 ff.; auch BVerfGE 43, 291, 348.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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erfüllt 182. Daraus folgt, dass die von den Ländern kraft Rundfunkkompetenz geschaffenen Vielfaltssicherungen nicht durch kartellrechtliche Regelungen überspielt oder ins Gegenteil verkehrt werden dürfen. Dies bedeutet für die Kabelbelegung, dass die Regelung des § 52 RStV nicht unter Berufung auf kartellrechtliche Vorschriften umgangen werden darf 183. Dies ist offensichtlich für den Must-CarryBereich des § 52 Abs. 3 RStV. Es gilt aber auch für § 52 Abs. 4 Nr. 1 RStV. Denn der unbestimmte Rechtsbegriff „vielfältiges Programmangebot“ verwirklicht ein ureigenes Anliegen der Rundfunkordnung und kann nicht durch Bundeskartellrecht inhaltlich modifiziert oder konkretisiert werden. Im Ergebnis findet das Kartellrecht also nur Anwendung, soweit der Netzbetreiber Kapazitäten nach § 52 Abs. 4 Nr. 2 RStV belegt. Diesen Bereich wollte der Rundfunkgesetzgeber selbst ersichtlich nicht regeln 184, so dass dem Bundeskartellrecht keine Kompetenzausübungsschranke entgegensteht. Die folgenden Ausführungen betreffen deshalb allein den Bereich nach § 52 Abs. 4 Nr. 2 RStV 185.
bb) Verhältnis des allgemeinen zum sektorspezifischen Kartellrecht Sedes materiae des allgemeinen Kartellrechts ist das GWB186, des sektorspezifischen Kartellrechts der Telekommunikation das TKG 187. Das Verhältnis beider Regelungswerke zueinander ist vorweg zu klären, bevor ihr Steuerungspotential im Einzelnen beleuchtet werden kann. Verdrängte nämlich das TKG das GWB oder umgekehrt, so schiede eines der beiden Gesetze von vornherein als Steuerungsinstrument aus. Während das GWB selbst keine Regelung über seine Anwendbarkeit im Verhältnis zu sektoriellen Kartellgesetzen enthält, besagt § 2 Abs. 3 TKG, dass die Vorschriften des GWB „unberührt“ bleiben. Dem Wortlaut kann also entnommen werden, dass von einem Nebeneinander beider Regelungen auszugehen ist 188. Trotzdem ist höchst strittig, ob das allgemeine Kartellrecht durch das TKG in dessen Regelungsbereich verdrängt wird oder das GWB uneingeschränkt daneben anJarass 51 f. Dies folgt aber nicht etwa im Hinblick darauf, dass §52 RStV zu den entsprechenden kartellrechtlichen Vorschriften (z. B. § 20 GWB) die speziellere Norm wäre. Denn für die Kollision von Landes- mit Bundesvorschriften gilt allein Art. 31 GG, Jarass 36 f. 184 Siehe Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 52 Rn. 62; sowie amtliche Begründung zu § 52, 4. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, abgedruckt bei dies., § 52 nach dem Gesetzestext. 185 So im Ergebnis auch Trafkowski 80; siehe ebenfalls Weisser/Meinking, WuW 1998, 833; Libertus K & R 1999, 260. 186 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung v. 26.8.1998. 187 Telekommunikationsgesetz v. 25.7.1996. 188 Die Formulierung „bleibt unberührt“ wird gesetzestechnisch üblicherweise verwendet, wenn gerade der Grundsatz „lex specialis derogat legi generali“ abbedungen werden soll; siehe auch Martenczuk, CR 1999, 364. 182 183
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wendbar ist. Die Ansicht, die von einem Vorrang des spezielleren TKG ausgeht 189, führt die Entstehungsgeschichte des Gesetzes ins Feld: Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs habe der historische Gesetzgeber den Vorrang des TKG gewollt 190 und dies bei der Novelle des GWB nochmals bestätigt 191. Außerdem berge das Nebeneinander beider Gesetze die Gefahr von widersprüchlichen Entscheidungen des Bundeskartellamtes auf der einen und der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post auf der anderen Seite. Rechts- und Planungssicherheit im dynamischen Telekommunikationsmarkt seien gefährdet 192. Die Gegenansicht 193 wendet ein, der Bundesrat sei im Gesetzgebungsverfahren von einem Nebeneinander beider Regelungen ausgegangen 194; das historische Argument der herrschenden Meinung sei insoweit entkräftet. Weiterhin müsse der historische Wille des Gesetzgebers unbeachtlich bleiben, soweit er im Wortlaut des TKG (§ 2 Abs. 3 TKG) keinen Niederschlag gefunden habe 195. Auch systematische Gründe sprächen für eine parallele Anwendbarkeit von TKG und GWB: § 82 S. 4 TKG fordert vom Bundeskartellamt, vor Abschluss eines Verfahrens „im Bereich der Telekommunikation ... nach den §§ 19 und 20 Abs. 1 und 2 GWB“ der Regulierungsbehörde Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Diese Vorschrift liefe bei einer Auslegung des § 2 Abs. 3 TKG, nach der das GWB im Bereich Telekommunikation verdrängt werde, ins Leere 196. Gefolgt werden soll hier der letztgenannten Ansicht, wonach TKG und GWB nebeneinander stehen. Neben dem klaren Wortlaut des TKG spricht für diese Ansicht auch der Umstand, dass nur auf diese Weise das wettbewerbspolitisch notwendige 189 Dies vertreten mit Unterschieden im Detail u.a. Schuster, in: Büchner u. a., § 2 Rn. 32 ff.; Zagouras 225 ff.; Zimmer/Büchner, CR 2001, 168; Bartosch, CR 1997, 524; Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 292; Hefekäuser/Dreier, CR 1997, 110. 190 Die entsprechende Passage der Begründung zu § 2 Abs. 3 TKG lautet: „Die Regelung unterstreicht das Verhältnis der sektorspezifischen Verhaltensaufsicht im Bereich der Telekommunikation als Spezialgesetz gegenüber dem allgemeinen Wettbewerbsrecht u. insbesondere gegenüber dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, das subsidiär immer dann Anwendung findet, wenn keine Spezialregelung getroffen ist“, BT-Drs. 13/3609, 36. 191 Regierungsamtliche Begründung zu § 19 GWB, BT-Drucks.13/9720, 37: „Soweit spezialgesetzliche Regelungen bestehen, bleiben diese unberührt und haben Vorrang“. 192 Thierfelder 75 f. 193 Hierzu zählen u. a. Engel, MMR-Beilage 3/1999, 10; wohl auch Bechtold, § 19 Rn. 90; Emmerich 334, der mit Hinweis auf den Wortlaut ausführt, die Gegenauffassung sei „unhaltbar“; Martenczuk, CR 1999, 364; ders./Thomaschki, RTKom 1999, 25; Piepenbrock/Schuster, CR 2002, 99 ff.; Möschel, K & R 2001, 619 ff.; Commichau/Schwartz Rn. 329 (jedenfalls für § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB neben §§ 33 ff. TKG); wohl auch Irion/Schirmbacher, CR 2002, 67 f.; Weisser/Meinking, WuW 1998, 847; offen gelassen OLG Düsseldorf, TMR 2002, 223, 228. 194 So Martenczuk, CR 1999, 364 mit Hinweis darauf, dass der Bundesrat vorgeschlagen habe, die Streitigkeiten aus dem TKG den Kartellgerichten zuzuweisen, da diese aufgrund des GWB ohnehin mit identischen Rechtsfragen auf dem Gebiet der Telekommunikation beschäftigt seien (siehe BT-Drs. 13/4438, 5). Diese Bundesratsbegründung sei nur verständlich, wenn eben das GWB neben dem TKG auf den Telekommunikationsbereich anwendbar sei. 195 Möschel, K & R 2001, 620 mit Hinweis auf BGHZ 129, 37, 50. 196 Martenczuk, CR 1999, 364.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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hohe Schutzniveau erreicht und jede Schutzlücke von vornherein vermieden wird 197. Außerdem scheint eine durchgängige Zuständigkeit des Bundeskartellamtes als selbstständiger Bundesbehörde mit großer Erfahrung und Tradition als Wettbewerbshüterin vorteilhaft. Sie kann den gerade im Wettbewerbsrecht so wichtigen psychologischen Abschreckungseffekt auf die Marktakteure ausüben. Mit der gleichzeitigen Anwendung von GWB und TKG kann das Ziel des TKG, nämlich Herstellung funktionsfähigen Wettbewerbs, umso leichter und schneller erreicht werden 198. Die Problematik von sich widersprechenden Entscheidungen ist demgegenüber nicht auf der Anwendungsebene, sondern auf der Tatbestandsebene zu lösen: Entscheidungen der Regulierungsbehörde haben nach Bestandskraft Bindungswirkung 199 – auch für das Kartellamt. Schließlich wird Gewicht und Bedeutung des allgemeinen Kartellrechts wieder wachsen, sobald gewisse Märkte aus der sektorspezifischen Regulierung entlassen werden. Damit können und müssen beide Regelungsmaterien auf ihr Steuerungspotential hin untersucht werden. cc) Dienstbarmachung des allgemeinen Kartellrechts Zentrales Tatbestandsmerkmal zahlreicher kartellrechtlicher Vorschriften im GWB (§§ 19 Abs. 1, 20 Abs. 1, 36 Abs. 1 GWB) 200, aber auch im TKG 201 ist die marktbeherrschende Stellung. Sie soll deshalb am Anfang der kartellrechtlichen Überlegungen stehen (dazu sogleich unter aaa)). Sodann sollen die einzelnen Schutzmechanismen im Hinblick auf die vertikale Integration dargestellt werden (dazu unter bbb)). Schließlich wird das Kartellrecht als Steuerungsinstrument der von vertikal integrierten Netzbetreibern ausgehenden Gefahren bewertet (dazu unter ccc)). aaa) Kabelnetzbetreiber und Marktbeherrschung Die Definition der Marktbeherrschung findet sich in § 19 Abs. 2 GWB. Danach ist Marktmacht stets festzustellen im Hinblick auf eine ganz „bestimmte Art von Waren oder gewerblichen Leistungen“ (§ 19 Abs. 2 Satz 1 GWB). Daraus folgt eine zweistufige Prüfung: zunächst ist der relevante Markt abzugrenzen, dann der MonopoliSiehe auch Trafkowski 79. So auch Piepenbrock/Schuster, CR 2002, 101. 199 Martenczuk, CR 1999, 365 f.; siehe zur entsprechenden Bindungswirkung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung für die Kartellverfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit, OLG Düsseldorf, TMR 2002, 223, 227. 200 Der einheitliche Begriff schließt nicht aus, dass je nach Regelungszusammenhang – Missbrauchs- o. Fusionskontrolle – Modifikationen vorzunehmen sind; siehe dazu Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, § 19 Rn. 17; Bunte 187 f. 201 Z. B. §§ 33 Abs. 1 Satz 1 u. 35 Abs. 1 Satz 1 TKG. 197 198
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sierungsgrad auf eben diesem Markt zu bestimmen202. Der Marktabgrenzung kommt entscheidende Bedeutung für die kartellrechtliche Beurteilung eines Sachverhalts zu, denn mit ihr wird implizit über den Beherrschungsgrad vorentschieden: je enger der abgegrenzte Markt, desto früher wird eine Beherrschung festzustellen sein 203. (1) Markt(-abgrenzung) Der relevante Markt wird regelmäßig in sachlicher und räumlicher 204 Richtung abgegrenzt 205. Zur Bestimmung des sachlich relevanten Marktes ist nach ganz herrschender Meinung auf das Bedarfsmarktkonzept zurückzugreifen 206. Danach bestimmt die Perspektive der Marktgegenseite den Markt: Zu prüfen ist, welche Güter oder Leistungen aus der Sicht der Marktgegenseite funktionell austauschbar bzw. marktgleichwertig sind 207. Die räumliche Abgrenzung erfolgt regelmäßig ebenfalls nach der Austauschbarkeit aus der Sicht des Nachfragers 208; entscheidend ist also, wo sich der Nachfrager eindecken kann 209. Da der Kabelnetzunternehmer in mehreren Leistungsbeziehungen steht, kommen mehrere Märkte in Betracht 210. In seiner Entscheidung Liberty 211 hat das Bundeskartellamt im Hinblick auf einen (vertikal integrierten) Netzbetreiber drei relevante Märkte unterschieden 212: zunächst den Markt der Belieferung von Endkunden mit Fernsehsignalen (Endkundenmarkt), hier stellen die Fernsehzuschauer die Marktgegenseite dar. Als weiterer Markt wird die Einspeisung von Signalen in Breitbandkabelnetze abgegrenzt (Einspeisemarkt), dessen Marktgegenseite die Emmerich 168; Bunte 188. Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, § 19 Rn. 20; Commichau/Schwartz Rn. 286. 204 In hier nicht relevanten Ausnahmefällen kann daneben noch ein zeitlich relevanter Markt zu bestimmen sein, Commichau/Schwartz Rn. 296. 205 Bechtold, § 19 Rn. 3. 206 Bunte 188; Bechtolt, § 19 Rn. 6; zur Rechtsprechung siehe nächste Fn. 207 Ständige Rechtsprechung, z. B. BGH NJW 1996, 595, 596 (Backofenmarkt) sowie NJW 1996, 2656, 2657 (Pay-TV-Durchleitung); die Rechtsprechung geht zurück auf die Entscheidung des KG im Fall „Handpreisauszeichner“, v. 18.2.1969, WuW/E OLG 995, 996: „Sämtliche Erzeugnisse, die sich nach ihren Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck u. ihrer Preislage so nahestehen, dass der verständige Verbraucher sie als für die Deckung eines bestimmten Bedarfs geeignet in berechtigter Weise abwägend miteinander vergleicht u. als gegeneinander austauschbar ansieht, sind marktgleichwertig.“; siehe auch Engel, ZUM 1997, 311; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, § 19 Rn. 24. 208 Bechtold, § 19 Rn. 13; Zagouras 30. 209 Emmerich 172. 210 Mit Hinweis auf die vergleichbare Situation im Zeitungsmarkt (Leser- u. Inserentenmarkt) Wendland, in: Büchner u. a., vor § 33 Rn. 40. 211 BKartA, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 1 ff. 212 BKartA, epd Nr. 17 v. 6.3.2002, 9. 202 203
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Veranstalter sind. Die Abgrenzung dieser beiden Märkte soll im Folgenden überprüft werden. Schließlich geht das Kartellamt noch von einem (dritten) Markt für die Signalbelieferung von Netzbetreibern der Netzebene vier aus (Signallieferungsmarkt). Letzterer Markt ist Folge der teilweisen Aufspaltung der Netzebene drei und vier auf verschiedene Betreiber und soll als Anomalie des deutschen Kabelmarktes unberücksichtigt bleiben.
(a) Endkundenmarkt Auf dem Endkundenmarkt stehen sich der Signalanbieter und der Fernsehzuschauer als Endkunde gegenüber. Von entscheidender Bedeutung ist die Frage, ob es aus maßgeblicher Sicht des Kunden einen einheitlichen Markt für die Anlieferung von Fernsehsignalen gibt, oder ob etwa die Anlieferung durch Kabel im Verhältnis zu den Hauptkonkurrenten Satellit und terrestrische Verbreitung einen eigenen Markt darstellt. Was die sachliche Marktabgrenzung betrifft, geht das Kartellamt von einem eigenen Markt für Kabelempfang aus; der Empfang mittels Satelliten- oder Stabantenne soll ebenfalls jeweils einen selbstständigen Markt darstellen 213. In seiner Entscheidung Liberty stützt es diese Ansicht auf zwei Argumente: Im Gegensatz zum Kabelanschluss bestehe bei den anderen Übertragungswegen erstens schon keine vertragliche Beziehung zwischen dem Signaltransporteur und dem Signalabnehmer. Zum zweiten seien die anderen Übertragungswege aus Sicht des Endverbrauchers nicht austauschbar. Diese fehlende Austauschbarkeit aus Nachfragersicht beruhe auf tatsächlichen und rechtlichen Gründen und gelte sowohl für Satelliten- als auch für terrestrischen Empfang. So sei der für Satellitenempfang notwendige „Blickkontakt“ oftmals nicht gewährleistet und mithin schon keine technische Austauschbarkeit gegeben; hinzukomme, dass bei derzeitigem Stand nicht von einer Rückkanalfähigkeit auszugehen sei. Außerdem verböten Vermieter und Miteigentümer ebenso wie öffentlich-rechtliche Vorschriften häufig die Anbringung einer Satellitenantenne, so dass der Bedarfsdisponent auch rechtlich keine angemessenen Wahlmöglichkeiten zwischen Kabel und Satellit habe 214. Terrestrischen Empfang sieht das Kartellamt als ebensowenig austauschbar an: zwar sei durch die Digitalisierung (DVB-T) mit qualitativ hochwertiger Ausstrahlung von bis zu 24 Fernsehprogrammen zu rechnen, gleichwohl fehle es jedoch an einer ausreichend schnellen Implementierung von digitalem terrestrischem Fernsehen und – wie beim Satellitenempfang – an der Rückkanalfähigkeit 215. Schließlich verweist das Bundeskartellamt auf die fehlende Wechselbewegung zwischen dem Kabel und anderen Übertragungsmedien (Kreuz213 BKartA, epd Nr. 17 v. 6.3.2002, 9 ff.; siehe auch schon BKartA, Az. B7-205/00 (CNRW), S. 14 des Umdrucks, in WuW/E DE-V 413 ff. nur unvollständig wiedergegeben. 214 BKartA, epd Nr. 17 v. 6.3.2002, 9 f. 215 BKartA, epd Nr. 17 v. 6.3.2002, 11.
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
Preis-Elastizität 216). Was den Endkundenmarkt anbetrifft, hat auch die EU-Kommission ihren kartellrechtlichen Entscheidungen stets nach Übertragungsweg getrennte Märkte zu Grunde gelegt 217. Sie stützt ihre Abgrenzung dabei vor allem auf die aus Zuschauersicht grundsätzliche Unterschiedlichkeit zwischen einer dauernden Zahlungsverpflichtung (Kabelgebühr) und einer Einmalinvestition (Satellitenanschaffung) 218; außerdem bemüht sie den Umstand, dass ein Haushalt, der einmal in ein Übertragungssystem eingestiegen sei, in der Regel nicht bereit sein werde, noch in eine andere Übertragungsart zu investieren (sog. mobilitätshemmender oder lockin-Effekt) 219. In der Literatur wird weiterhin vorgetragen, dass gerade Regionalprogramme oft nicht über Satellit ausgestrahlt würden und dieser Nachteil, die Endkunden von einem Wechsel abhalten könne 220. Die Marktabgrenzung der h. M. begegnet zunächst Bedenken: insbesondere die dem Satellitenempfang entgegenstehenden rechtlichen Hürden werden überschätzt. Denn wie oben bereits ausführlich dargelegt wurde, sind unter Beachtung europarechtlicher Vorgaben kaum noch rechtliche Hindernisse erkennbar, die dem Fernsehzuschauer die Wahl zwischen beiden Übertragungswegen erschweren 221. Jedenfalls sobald sich auch die höchstrichterliche Rechtsprechung dem europarechtlich Gebotenen angeschlossen hat, besteht in Zukunft rechtliche Austauschbarkeit zwischen den Übertragungsformen. Damit entfällt ein entscheidendes Hindernis freier Auswahl der Verbraucher. Gleichwohl wird man derzeit einen einheitlichen Markt noch nicht annehmen können. Denn die vollständige Marktgleichwertigkeit ist auch nach Wegfall rechtlicher Hürden nicht gegeben: es bleiben Hemmschwellen und Anpassungslasten. Diese reichen von der Einmalinvestition in die Satellitenanlage bis zur Abneigung, ein bereits funktionierendes technisches Verfahren zu Gunsten eines neuen, noch unbekannten aufzugeben. So findet in der Praxis der Wechsel zwischen den konkur216 Das Konzept der Kreuz-Preis-Elastizität beruht auf dem Gedanken, dass sich die Ausweichmöglichkeit der Nachfrager in ihren Reaktionen auf Preiserhöhungen zu erkennen gibt; so müsste z. B. eine Preiserhöhung beim Kabelanschluss bei Austauschbarkeit zu einer gewissen Anzahl von Umsteigern auf Satellit führen. Dem Konzept der Kreuzelastizität kann aber nur indizielle Wirkung zukommen. Zum Ganzen: Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, § 19 Rn. 33; kritisch gesehen für das TKG von Mayen, MMR 2001, 497. 217 Die Meinung der Kommission kann hier berücksichtigt werden, da die Marktabgrenzung im europäischen u. deutschen Kartellrecht gleich (nach dem Bedarfsmarktkonzept) erfolgt (Emmerich 427). 218 Entscheidung der Kommission v. 9.11.1994 (Sache IV/M.469 – MSG Media Service), ABl. Nr. L 364/1 v. 31.12.1994, Rn. 41; ebenso Entscheidung der Kommission v. 19.7.1995 (Sache IV/M.490 – Nordic Satellite Distribution), ABl. Nr. L 53/20 v. 2.3.1996, Rn. 62. 219 Entscheidung der Kommission v. 9.11.1994 (Sache IV/M.469 – MSG Media Service), ABl. Nr. L 364/1 v. 31.12.1994, Rn. 41, bestätigt durch Entscheidung der Kommission v. 19.7.1995 (Sache IV/M.490 – Nordic Satellite Distribution), ABl. Nr. L 53/20 v. 2.3.1996, Rn. 63 a. E. 220 Wagner, K & R 1998, 239. 221 Siehe oben B. II.
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rierenden Übertragungswegen – zumindest bislang – nur in geringem Umfang statt; das für Austauschbarkeit typische Hin- und Herwechseln zwischen den Produkten ist (noch) nicht erkennbar 222. Weiterhin gilt es, sich die hohen Anforderungen des GWB an die funktionelle Austauschbarkeit zu vergegenwärtigen: So wurde auch in der Vergangenheit eine Austauschbarkeit von an sich austauschbaren Produkten bereits dann verneint, wenn der Verbraucher aufgrund einer Systementscheidung223 oder einer Lebensgewohnheit 224 nicht mehr wechselbereit ist. Kommt man damit im Ergebnis zu einer – nach Übertragungswegen getrennten – engen Marktabgrenzung, so heißt das nicht, dass die technischen Alternativen ausgeblendet werden müssten. Denn einmal ist der von ihnen ausgehende disziplinierende Einfluss auf den anderen Markt als sog. Substitutionswettbewerb 225 bei der Beurteilung der Marktbeherrschung zu berücksichtigen. Unter Substitutionswettbewerb versteht man dabei Wettbewerb – also gegenseitige Beeinflussung – von nicht zum relevanten Markt gehörenden Produkten 226; diese marktfremden Produkte müssen das Unternehmen in seinem Handlungsspielraum einengen, wie das z. B. hier durch das alternative Übertragungsmittel Satellit der Fall ist. Zum anderen kann die technische Verbesserung weiterer alternativer Zugänge, z. B. vollständige Implementierung funktionsfähigen DVB-Ts oder Leistungssteigerung der ADSL-Technik zu einer neuen, weniger engen Marktabgrenzung in der Zukunft führen227. Zu beachten ist aber auch, dass solche Entwicklungen schwer vorhersehbar sind und die Einführung neuer Übertragungstechniken sehr langsam verlaufen kann 228. Festzuhalten bleibt aber: Die Marktabgrenzung ist immer eine Momentaufnahme, die sich in der Zukunft ändern kann. Wenn also hier eine enge Marktabgrenzung vorgenommen wird, so kann in wenigen Jahren angesichts des technischen Fortschritts anderes gelten. Die räumliche Marktabgrenzung des Endkundenmarktes ist durch die sachliche vorgegeben: Geht man davon aus, dass der sachliche Markt die Fernsehsignalanlieferung mittels Kabel ist, dann stellt das jeweilige Netz den räumlich relevanten Markt dar 229. Denn aus der maßgeblichen Sicht des Kabelkunden besteht derzeit jedenfalls keine Ausweichmöglichkeit auf ein anderes Kabelnetz. Das ändert sich nur in zwei Fällen. Einmal kann ein zweiter Netzbetreiber ein Parallelnetz aufbauen; dies erscheint jedoch aus wirtschaftlichen Gründen unwahrscheinlich. Die zweite Weisser/Meinking, WuW 1998, 838 f. Keine Austauschbarkeit von verschiedenen Heizungsarten (z.B. Gas/Öl) Emmerich 170; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, § 19 Rn. 28. 224 So entschieden z. B. für die Austauschbarkeit von Nass- u. Trockenrasur, BKartA, AG 1992, 363; Damenbinden u. Tampons, BKartA v. 18.11.1974, WuW/E 1561, 1563 ff. 225 Dazu z. B. Bechtold, § 19 Rn. 22; sowie im Hinblick auf einen Substitutionswettbewerb von Kabel- u. Satellitenmarkt, Lampert, WuW 1998, 32 f. 226 BGH NJW 1985, 1626, 1630. 227 So auch Weisser/Meinking, WuW 1998, 839. 228 So bleibt bis jetzt z. B. die Einführung von DAB (Digital Audio Broadcasting) hinter den Erwartungen zurück. 229 Siehe auch Lampert, WuW 1998, 31. 222 223
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Möglichkeit besteht in sog. Durchleitungswettbewerb 230, d. h. die Durchleitung eigener Leistungen (hier: Programmangebote) durch fremde Netze, wie dies vergleichbar auf dem Strom- oder dem Telefonmarkt 231 der Fall ist. Der Durchleitungswettbewerb ist jedoch derzeit noch hypothetisch. Angesichts der für Fernsehübertragung benötigten – im Vergleich zur Telefonie um ein Vielfaches – größeren Datenmengen und dem insgesamt wesentlich höheren technischen Aufwand ist fraglich, ob so ein Wettbewerb auf dem Netz überhaupt denkbar ist 232. (b) Einspeisemarkt Jeder Anbieter von Inhalten, gleichviel ob von kostenlosem Fernsehen oder von Bezahlfernsehen, ist auf einen Absatzkanal, mit anderen Worten auf Übertragungswege zum Zuschauer angewiesen. Diesem Wettbewerb kommt unter dem Blickwinkel der Sicherung von Meinungsvielfalt besondere Bedeutung zu: nur wenn die jeweilige Veranstaltung den Zuschauer erreicht, leistet sie ihren Vielfaltsbeitrag 233. Was den Verbreitungsmarkt angeht, stellt sich wiederum die Frage, ob der Verbreitungsweg Kabel isoliert zu betrachten ist oder ob die mehreren alternativen Verbreitungswege austauschbar sind und also ein einheitlicher Markt für Rundfunksignalverbreitung besteht. Dabei ist wieder in sachlicher und räumlicher Hinsicht zu unterscheiden. Der BGH nimmt in der Entscheidung „Pay-TV-Durchleitung“ einen weiten – alle Übertragungswege einschließenden – sachlich relevanten Markt an 234, wenn er ausführt: „Auszugehen ist ... von der Nachfrage der Anbieter von Rundfunk- und Fernsehprogrammen nach der Durchleitung ihrer Programme zu den Empfängern mittels Kabeln oder anderen technischen Vorrichtungen, die denselben Erfolg gewährleisten, nämlich dass die Anbieter mit ihren Programmen die Empfänger erreichen“ 235. Auch in der Literatur wird teilweise von einem einzigen sachlichen Markt für die Signalweiterverbreitung zum Fernsehzuschauer ausgegangen 236. Denn aus Veran230 Kritisch zur Durchleitung fremder Programmpakete Ladeur, ZUM 2002, 258 f.; dafür Roßnagel/Hilger, MMR 2002, 451 f. 231 Z. B. sog. Call-by-Call-Verfahren. 232 So auch Ladeur, ZUM 2002, 258 f. 233 So auch Trafkowski 52, der deshalb den Zuschauermarkt nicht näher betrachtet. Diese Vorgehensweise berücksichtigt aber nicht, dass auch von der Regulierung des Endkundenmarktes vielfaltssichernde Folgen ausgehen können. 234 Überraschender Weise stützen sich auch die Vertreter der engen sachlichen Marktabgrenzung auf diese Fundstelle so RegTP MMR 1999, 299, 305; Thierfelder 71, Fn. 482; Bartosch, CR 1997, 523; wie hier Raisch/Gudera, ZUM 1999, 906; Trafkowski 53; Jüngling 215. 235 BGH NJW 1996, 2656, 2657, Hervorhebung durch den Verfasser. Dem BGH folgend auch OLG Naumburg, ZUM 1999, 944, 946 u. OLG Hamburg ZUM-RD 2000, 122, 132. 236 Engel, ZUM 1997, 312 unter Bezugnahme auf das BGH-Urteil; Trafkowski 53; so auch Möschel, MMR Beilage 2/2001, 16, in Übereinstimmung mit dem Hauptgutachten der Monopolkommission 1999/2000 (u. im Hinblick auf die Entgeltregulierung): „Für das bestehende
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staltersicht spiele es keine Rolle, auf welchem Weg das Signal die Haushalte erreiche. Entscheidend sei vielmehr die technische Reichweite237. Weiterhin stünden auch die unterschiedlichen Kosten von Satelliten- und Kabelempfang der Annahme eines einheitlichen Marktes nicht entgegen, da der Preis ohnehin kein Abgrenzungskriterium sei 238. In der Entscheidung Liberty ist das Kartellamt dagegen auch aus der Perspektive der Veranstalter von einer engen Marktabgrenzung und also vom Kabeleinspeisemarkt als dem sachlich relevanten Markt ausgegangen: die alternativen Zugänge, insbesondere der Satellitenempfang, seien wie schon aus Zuschauer- so auch aus Veranstaltersicht funktionell nicht austauschbar. Denn die Veranstalter wollten möglichst hohe Reichweiten erzielen, die privaten, um hohe Werbekontakt- bzw. Abonnentenzahlen zu erreichen, die öffentlich-rechtlichen, um die Grundversorgung zu sichern. Dies setze aber einen komplementären Einsatz der Übertragungswege voraus; die Satellitenübertragung sei aus Veranstaltersicht also nicht Ersatz, sondern Ergänzung 239. Bereits in vorausgehenden Entscheidungen hatte das Bundeskartellamt den sachlichen Markt für die Weiterverbreitung von Rundfunksignalen auf das jeweilige Übertragungsmittel begrenzt 240. Auch die EU-Kommission vertrat – jedenfalls in der Vergangenheit und unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten 241 – diese Meinung 242. Die EU-Kommission stützt sich darauf, dass die unterschiedlichen Zugangswege unterschiedliche technische Reichweiten aufwiesen und der Kabelempfang ganz deutlich den Satellitenempfang überwiege 243. Außerdem führt sie die unterschiedlichen Kosten beider Übertragungswege an 244. Schließlich vertritt auch die deutsche Regulierungsbehörde (RegTP) die Ansicht, es TV-Geschäft existiert ein alternativer Teilnehmerzugang via Satellit. Ergänzt wird dies zukünftig durch digitales terrestrisches Fernsehen (DVB-T).“ sowie 18 f. 237 Engel, ZUM 1997, 313. 238 Trafkowski 55. 239 BKartA epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 21. 240 BKartA, Az. B 7-205/00, S. 11 des Umdruck, auch in Auszügen abgedruckt in WuW/E, DE-V 413 ff. (NetColgne). 241 Die Kommission geht im Entwurf für ihre Empfehlung der Marktabgrenzung nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 RahmenRL (RL 2002/21/EG v. 07.03.2002, Anhang Nr. 10; noch nicht in deutsches Recht umgesetzt) von einem einheitlichen Markt für die Bereitstellung von Rundfunkinhalten für Endnutzer aus. Möglicherweise deutet sich hier also ein Meinungswandel an. 242 Entscheidung der Kommission v. 27.05.1998 (Sache IV/M.1027 – Deutsche Telekom/ BetaResearch), ABl. Nr. L 53/31 v. 27.2.1999, Rn. 19 ff., letztlich aber offen gelassen; ebenso schon Entscheidung der Kommission v. 9.11.1994 (Sache IV/M.469 – MSG Media Service), ABl. Nr. L 364/1 v. 31.12.1994, Rn. 42. 243 Entscheidung der Kommission v. 27.05.1998 (Sache IV/M.1027 – Deutsche Telekom/ BetaResearch), ABl. Nr. L 53/31 v. 27.2.1999, Rn. 20. 244 Entscheidung der Kommission v. 27.05.1998 (Sache IV/M.1027 – Deutsche Telekom/ BetaResearch), ABl. Nr. L 53/31 v. 27.2.1999, Rn. 21. So auch schon in der Entscheidung der Kommission v. 9.11.1994 (Sache IV/M.469 – MSG Media Service), ABl. Nr. L 364/1 v. 31.12.1994, Rn. 42.
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bestehe ein eigener Kabelmarkt 245. Die enge Marktabgrenzung wird schließlich auch überwiegenden von der Literatur befürwortet 246, insbesondere mit dem Hinweis darauf, dass die zunehmende multimediale Entwicklung das Kabel einmalig mache 247 und das Programmangebot je nach Übertragungsweg erheblich differieren könne 248. Zwar ist den Befürwortern einer weiten Marktabgrenzung zuzugeben, dass sich beide Übertragungsarten immer mehr annähern und es den Veranstaltern allein auf Reichweite ankommt. Gerade letztes Argument spricht aber für die Annahme eines (engen) Kabeleinspeisungsmarktes. Denn in der jetzigen Situation – 58,3 % der Haushalte empfangen Rundfunk über Breitbandkabelnetze 249 – besitzt das Kabel eine so starke Stellung, dass sehr große Reichweiten nur über Kabelweiterverbreitung erreicht werden können. Marktrationale Veranstalter werden deshalb langfristig nicht allein auf Satellitenweiterverbreitung ausweichen wollen. Wie schon bei der Abgrenzung des Endkundenmarktes so gilt aber auch hier: die Abgrenzung des Einspeisemarktes kann sich in Zukunft verändern, der starke Wettbewerbsdruck durch andere Übertragungsmittel, ist jedenfalls wenn nicht schon bei der Marktabgrenzung, dann bei der Analyse der Marktbeherrschung in Form des Substitutionswettbewerbs zu berücksichtigen. Auch die räumliche Marktabgrenzung ist umstritten: Teilweise wird dem Grundsatz nach von einem bundeseinheitlichen Markt ausgegangen 250: Denn der Veranstalter versuche nicht, individuelle Fernsehzuschauer zu erreichen, sondern technische Reichweite 251. Auch beim Bezahlfernsehen gehe es nicht um individuelle Kunden, sondern um Abonnentenzahlen 252. Die enge Marktabgrenzung führe im Ergebnis auch zu einer Privilegierung der Programmanbieter, die ihre Produkte zu Lasten anderer Marktteilnehmer genau dem Empfänger zukommen lassen könnten, den sie im Auge haben, sogar unabhängig davon, ob er dies überhaupt wünsche 253. Im Ergebnis sei deshalb auch für diesen Markt grundsätzlich von einer Erstreckung auf das Bundesgebiet auszugehen 254. Dagegen geht das Bundeskartellamt ebenso wie Rechtsprechung und herrschende Literatur davon aus, dass sowohl der Veranstalter von kostenlosem wie auch der RegTP MMR 1999, 299, 305 f. Bartosch, CR 1997, 523; Weisser/Meinking, WuW 1998, 838 f.; Jüngling 216; Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 314 ff. 247 Thierfelder 70 f., im Rahmen des § 35 TKG. 248 Weisser/Meinking, WuW 1998, 839. 249 Angaben nach ARD-Jahrbuch 2002, 369, Tabelle 13. 250 Engel, ZUM 1997, 313; Raisch/Gudera, ZUM 1999, 906; Trafkowski 56 f. 251 Engel, ZUM 1997, 313; siehe auch, aber mit anderer Begründung, ders., Medienordnungsrecht, 94 f. 252 Engel, ZUM 1997, 313. 253 Raisch/Gudera, ZUM 1999, 906. 254 Trafkowski 56 f. 245 246
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Veranstalter von Bezahlfernsehen bestimmte Zuschauer erreichen wollten und nicht beliebige andere 255. Deshalb stellt nach dieser Ansicht das jeweilige Netz den räumlich abgegrenzten Markt dar. Dem wird man zunächst für regional-lokale Angebote zuzustimmen haben, wie folgendes Beispiel zeigt: Ein sächsisches Regionalprogramm kann nicht in ein Hamburger Kabelnetz ausweichen. Die Netze sind also räumlich nicht austauschbar 256. Aber auch für bundesweite Programme wird man – unabhängig von der Problematik regionaler Fenster – einen auf das Netz beschränkten Markt anzunehmen haben. Denn auch hier kann der Veranstalter Netze nicht austauschen, sondern muss sie kumulieren, um möglichst hohe Reichweiten zu erzielen 257. Im Ergebnis sind also zwei Märkte anzuerkennen: Der Endkundenmarkt und der Einspeisemarkt. Beide Märkte sind sachlich auf Breitbandkabelweiterverbreitung und räumlich auf das jeweilige BK-Netz bezogen. Die zunehmende Konkurrenz anderer Übertragungswege führt derzeit noch zu keiner anderen Bewertung; sie muss aber als Substitutionswettbewerb Berücksichtigung finden. Bei fortschreitender tatsächlicher, insbesondere technischer Entwicklung wird die Marktabgrenzung erneut zu überdenken sein. (2) Beherrschung Ist damit der relevante Markt abgegrenzt, ist in einem zweiten Schritt nach dem Beherrschungsgrad dieses Marktes zu fragen. Ein Unternehmen ist dann marktbeherrschend, wenn es keine Wettbewerber hat (§ 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 GWB) oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist (§ 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 GWB) oder wenn es eine überragende Marktstellung gegenüber seinen Wettbewerbern einnimmt (§ 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB). Dabei sind die Kriterien des fehlenden wesentlichen Wettbewerbs (Nr. 1) und der überragenden Marktstellung (Nr. 2) trotz des formalen Alternativverhältnisses ergänzend heranzuziehen 258. 255 BKartA (CNRW) Az. B7-205/00, S.11 f. des Umdrucks befürwortet diese Sicht, lässt die Frage aber, da nicht entscheidungserheblich, offen, BKartA, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 20 f.; BGH NJW 1996, 2656, 2657, allerdings betrifft die Entscheidung nur Bezahlfernsehen: „Räumlich ist der jeweilige Markt davon bestimmt, dass es den die Durchleitung nachfragenden Programmanbietern darum geht, gerade die ins Auge gefassten Empfänger – nicht beliebig andere Empfänger – zu erreichen.“; ebenso RegTP MMR 1999, 299, 306; in der Literatur: Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 315; Jüngling 220 ff. 256 Für Regionalprogramme wird dies auch von der Gegenmeinung anerkannt, Engel, ZUM 1997, 313, Trafkowski 57. 257 So auch Weisser/Meinking, WuW 1998, 840. 258 Bechtold, § 19 Rn. 28; auch der BGH vertritt nunmehr die Ansicht, dass kein echtes Alternativverhältnis zwischen § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 u. Nr. 2 GWB besteht, sondern sich die marktverhaltens- (Nr. 1) u. die marktstrukturorientierte (Nr. 2) Betrachtungsweise ergänzen, BGHZ 79, 62, 67 (Klöckner/Becorit); anders noch BGHZ 68, 23, 28 (Valium).
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(a) § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GWB (Kein oder kein wesentlicher Wettbewerb) Kein oder kein wesentlicher Wettbewerb kann dann festgestellt werden, wenn das Unternehmen einen vom Wettbewerb nicht mehr ausreichend kontrollierten Verhaltensspielraum besitzt 259, wenn es also bei funktionaler Betrachtung sein Marktverhalten unabhängig vom Marktverhalten der Konkurrenten bestimmen kann 260. Sind Willkür und Selbstherrlichkeit im Marktverhalten dagegen aufgrund der Marktlage ausgeschlossen (workable competition), liegt (wesentlicher) Wettbewerb und keine Marktbeherrschung vor 261. Ob ein Unternehmen sein Marktverhalten autonom bestimmen kann, ist – allen voran – anhand des Marktanteils 262 zu bestimmen, daneben aber auch anhand von Kriterien wie etwa potentieller oder durch Substitute verursachter Wettbewerb. Folgt man – wie hier – mit der h. M. einer sachlich und räumlich engen Marktabgrenzung, also der Annahme eines auf das jeweilige Netz bezogenen Marktes, dann ergibt sich daraus regelmäßig ein tatsächliches 263 Monopol 264 des Kabelnetzbetreibers, so dass die erste Alternative der Nr. 1 („ohne Wettbewerber“) bereits erfüllt ist 265. Hier beweist sich die oben aufgezeigte enge Verbindung von Marktabgrenzung und Marktbeherrschung deutlich: durch die enge Marktabgrenzung ist der Netzbetreiber regelmäßig „ohne Wettbewerber“ und deshalb an sich (automatisch) marktbeherrschend. Wie erwähnt ist als weiteres Kriterium aber auch der – vom Marktanteil nicht erfasste – Substitutionswettbewerb zu beachten 266. Der Kabelnetzbetreiber sieht sich einem nicht unbeachtlichen Substitutionsdruck durch den terrestrischen Empfang und den Empfang mittels Satellit ausgesetzt; insbesondere die Parameter Preis und Programmauswahl sind hier nicht unbedingt frei bestimmbar. Es ist z. B. kaum denkbar, dass der Kabelnetzbetreiber auf terrestrisch ausgestrahlte Programme verzichtet, da hier aufgrund der niedrigen WechselschwelBGHZ 73, 65, 73; Bechtold, § 19 Rn. 18 f.; Bunte 195. Commichau/Schwartz Rn. 300. 261 Bechtold, § 19 Rn. 18 ff.; Emmerich, 175 ff.; siehe auch BGHZ 73, 65, 73. 262 Bechtold, § 19 Rn. 20; Weisser/Meinking, WuW 1998, 840 f. 263 So Emmerich 175 für Netzbetrieb der DTAG. 264 Der Marktanteil liegt also bei 100 %. 265 Ebenso das BKartA im Fall Liberty u. zwar sowohl im Hinblick auf den Endkundenmarkt, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 12 als auch für den Einspeisemarkt, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 21; für regionale Netzbetreiber der Netzebene 4, Weisser/Meinking, WuW 1998, 842; Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 315 f., im Ergebnis auch Jüngling 227 ff. Trotz weiter sachlicher Marktabgrenzung hat der BGH im Fall „Pay-TV-Durchleitung“ im Ergebnis auch eine marktbeherrschenden Stellung angenommen, NJW 1996, 2656, 2657; ihm folgend OLG Naumburg, ZUM 1999, 944, 946. Solche Fälle fehlenden Wettbewerbes sind aufgrund der tendenziell engen funktionalen Marktabgrenzung auch nicht etwa selten, siehe Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, § 19 Rn. 45. 266 Für eine zurückhaltende Berücksichtigung Lampert, WuW 1998, 32; weiter gehend, Bechtold, § 19 Rn. 22; siehe auch BGH NJW-RR 1988, 227, 228 (Niederrheinische Anzeigenblätter); Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 Rn. 214. 259 260
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len – oftmals genügt eine Zimmerantenne – ein besonders starker Substitutionsdruck herrscht. Gleiches gilt für zu große Preiserhöhungen. Auch hier engt der – im laufenden Betrieb – kostenlose Satellitenempfang den Wettbewerbsspielraum ein 267. Andererseits geht von alternativen Verbreitungswegen dann keine wettbewerbliche Kontrolle aus, wenn bestimmte Programme nur über das Kabel empfangen werden können. Insbesondere die vertikale Integration, die eine Exklusivbindung von Programmressourcen an den Netzbetreiber erleichtert, verstärkt unter diesem Blickwinkel die Marktbeherrschung. Der unternehmerische Spielraum kann schließlich auch durch potentiellen Wettbewerb eingeschränkt sein. Denn auch ein Unternehmen, das aktuell nicht auf dem Markt tätig ist, aber zum Markteintritt fähig wäre, beeinflusst das Verhalten des Marktakteurs 268. So hat auch das Bundeskartellamt in der Entscheidung „Liberty“ eingehend die Kontrollmöglichkeiten potentiellen Wettbewerbs geprüft, im Ergebnis aber als nur gering erachtet 269. Potentieller Wettbewerb kann dabei in Form von Durchleitungswettbewerb auftreten – in das bestehende Netz des Kabelbetreibers werden Fernsehangebote anderer Weiterverbreitungsunternehmen eingespeist – oder in der Form, dass eine parallele Infrastruktur geschaffen wird. Beide Formen sind in der Praxis jedoch kaum anzutreffen. Durchleitungswettbewerb stellt erhebliche technische Probleme dar, jedenfalls vor einem Ausbau der Netze auf höhere Kapazitäten 270. Der Aufbau von Parallelnetzen, sog. Überbau, ist zwar technisch möglich, jedoch kaufmännisch wenig sinnvoll 271. Die hohen Kosten einer Parallelinfrastruktur stellen zugleich eine Marktzutrittsbarriere dar272. Insgesamt vermag weder der Substitutionswettbewerb noch der potentielle Wettbewerb den wettbewerblichen Handlungsspielraum der Netzbetreiber derart zu beschneiden, dass Marktbeherrschung zu verneinen wäre. Aufgrund der engen Marktabgrenzung gelangt also die hier vertretene, herrschende Meinung zu einer marktbeherrschenden Stellung, ohne dass es noch der Marktstrukturkriterien der Nr. 2 bedürfte. (b) § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB („überragende Marktstellung“ und vertikale Integration) Selbst dann aber, wenn man mit der Mindermeinung einen einheitlichen Markt der Übertragungswege abgrenzt, bedeutet dies nicht, dass eine Markbeherrschung etwa von vornherein zu verneinen wäre. Denn einmal ist auch dann zu prüfen, ob nicht schon aufgrund der – wenn auch bei weiter Marktabgrenzung regelmäßig 267 268 269 270 271 272
So auch Lampert, WuW 1998, 33. Bechtold, § 19 Rn. 23; siehe auch Weisser/Meinking, WuW 1998, 841. BKartA, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 14 ff. Siehe auch die Bedenken von Ladeur, ZUM 2002, 258 ff. So auch BKartA, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 15. Lampert, WuW 1998, 32.
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niedrigeren 273 – Marktanteile wesentlicher Wettbewerb ausgeschlossen ist. Zum anderen rücken die Marktstrukturkriterien des § 19 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GWB verstärkt ins Blickfeld. Ob ein Unternehmen eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung besitzt, ist im Rahmen einer Gesamtschau festzustellen274. Entscheidend ist wiederum, ob dem Unternehmen ein „vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierter Spielraum“ 275 zur Verfügung steht. Neben horizontalen Bewertungskriterien wie etwa dem eigenen Marktanteil im Vergleich zu dem der Wettbewerber oder der Finanzkraft des Unternehmens 276, erlaubt und fordert die Nr. 2 auch die Berücksichtigung vertikaler Faktoren 277. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut „Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten“. Die Vorteile eines vertikal integrierten Kabelnetzunternehmens, die sich aus seiner Beteiligung an Veranstaltern, d. h. durch Beteilung an „Programmlieferanten“ (Beschaffungsmärkte) 278 ergeben, werden also bei der Prüfung der marktbeherrschenden Stellung berücksichtigt279. Welche Vorteile dies im Einzelnen sind, wurde bereits oben dargelegt 280. Unter dem Blickwinkel der wettbewerblichen Marktbeherrschung sind hier nochmals zu nennen: Der vertikal integrierte Anbieter kann auf attraktive Programmangebote erleichtert zugreifen und diese auch exklusiv an sich binden. Dies eröffnet gegenüber Wettbewerbern Kosten- und – z. B. bei nicht duplizierbaren massenattraktiven Programmen – Qualitätsvorteile. Darüber hinaus ergibt sich ein Wettbewerbsvorsprung auf dem Einspeisemarkt dadurch, dass der Netzbetreiber den fremden Programmanbieter durch den eigenen ersetzen kann 281. Die genannten Vorteile vergrößern den 273 So wäre Liberty bei einem in sachlicher Hinsicht alle Übertragungswege umfassenden Endkundenmarkt in seinen Netzbereichen (räumlicher Markt) wohl ungefähr auf den gleichen Marktanteil gekommen, den der Kabelempfang bundesweit am Gesamtempfang hält, also ungefähr 58 %, Zahl nach ARD-Handbuch 2002, 369, Tab. 13. Dies ist erheblich weniger als bei Begrenzung des Marktes auf Kabelempfang, begründet jedoch nach §19 Abs.3 GWB ebenfalls Marktbeherrschung. 274 Bunte 99. 275 BGHZ 73, 65, 73; siehe auch Möschel in: Immenga/Mestmäcker, § 19 Rn. 53. 276 Dazu Zagouras 35; Emmerich 179. 277 Möschel in: Immenga/Mestmäcker, § 19 Rn.65 f.; siehe dazu auch Gersdorf, Regulierung des Zugang, 300. 278 Theoretisch kann auch die Beteiligung an Veranstaltern als „Abnehmern von Übertragungskapazität“ (Absatzmärkte) einen Vorteil darstellen; angesichts des derzeitigen Nachfrageüberhangs nach Transportkapazität dürften sich aber für kein Unternehmen der Rundfunkweiterverbreitung Absatzprobleme im Hinblick auf die Transportkapazität ergeben. 279 So für den Zugang zu Informationsbeschaffungsmärkten Zagouras 35. In der Rechtsprechung z. B. anerkannt für den günstigen Zugang zum Beschaffungsmarkt „Nachrichtendienst“, den ein Verlag hat, KG BB 1977, 559; zu dem umgekehrten Fall, dass sich der Inhalteanbieter den Absatzmarkt (Vertriebsweg) sichert, siehe die Ausführungen zur vertikalen Fusion unten E. IV. 1. c) cc) bbb) (3) (b). 280 Bei der Darstellung der Vorteile der vertikalen Integration oben E. II. 281 Darauf weist das BKartA in der Entscheidung Liberty zu Recht hin, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 22.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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wettbewerblichen Handlungsspielraum und sprechen im Rahmen der Gesamtbetrachtung für eine marktbeherrschende Stellung und zwar auch unterhalb der für Marktbeherrschung an sich kennzeichnenden Marktanteile. Zusammenfassend lässt sich festhalten: nach der hier befürworteten Meinung beherrscht der Kabelnetzbetreiber regelmäßig die eingangs beschriebenen (engen) Märkte aufgrund seiner Monopolstellung. Ist mit der Marktbeherrschung das entscheidende Tatbestandsmerkmal im Kartellrecht erfüllt, steht grundsätzlich die Möglichkeit einer vielfaltssichernden und -steuernden Wirkung des Kartellrechts offen. Aber auch wenn man mit der Mindermeinung einer weiten Marktabgrenzung folgt, verliert das Kartellrecht nicht von vornherein an Steuerungskraft. Denn die vertikale Integration kann ausreichend über § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB berücksichtigt werden. bbb) Steuerung der vertikalen Integration Ist damit Inhalt und Bedeutung des Tatbestandsmerkmales „Marktbeherrschung“ geklärt, können die für die kartellrechtliche Beherrschung der Gefahren vertikaler Integration wichtigsten Instrumente näher untersucht werden: Das ist einmal das Verbot, eine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich auszunutzen (dazu unter (1)), dann das Diskriminierungsverbot (dazu unter (2)) und schließlich das Zusammenschlussverbot (dazu unter (3)), welches nicht die Folgen vertikaler Integration verhindert, sondern den sie begründenden Zusammenschluss selbst. Die ersten beiden Verbote sind deshalb von besonderem Interesse, weil sie nicht nur vom Kartellamt hoheitlich durchgesetzt werden können (§ 32 GWB), sondern auch den durch das Fehlverhalten Betroffenen Ansprüche gewähren (Schadensersatz und Unterlassung, § 33 GWB). (1) § 19 Abs. 1 i.V. m. Abs. 4 Nr. 4 GWB (Verbot des Missbrauchs einer „essential facility“) § 19 Abs. 1 GWB verbietet allgemein „die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung“ im Sinne einer Generalklausel282, Abs. 4 hingegen benennt – wie bereits der Wortlaut („insbesondere“) zeigt – spezielle Anwendungsfälle des Missbrauchsverbots. Aufgrund der Weite der Generalklausel haben diese Regelbeispiele in der Praxis herausragende Bedeutung erfahren 283. Dabei werden vier Fallgruppen unterschieden, die fast alle relevanten Konstellationen missbräuchlichen Verhaltens abdecken. Was die vertikal integrierten Kabelnetzbetreiber angeht, erscheint Missbrauchsfall Nr. 4 von besonderer Bedeutung und soll deshalb im Mittelpunkt der folgenden Untersuchung stehen. 282 283
Bechtold, § 19 Rn. 61. Zagouras 40.
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Die Vorschrift stellt die deutsche Umsetzung der zuerst im amerikanischen Rechtskreis entwickelten essential-facility-doctrine dar 284. Die essential-facilitydoctrine wird in den USA mittlerweile sehr zurückhaltend angewendet und wurde bis heute nicht vom US Supreme Court anerkannt 285. Auf europarechtlicher Ebene hat die Kommission diese Lehre als Konkretisierung des Art. 82 EGV (Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung) zwar übernommen 286, der EuGH hat ihr aber bis jetzt die vollständige Anerkennung versagt und in der Bronner-Entscheidung eine restriktive Anwendung gefordert 287. Ansatzpunkt der essential-facility-doctrine, wie sie in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ihren Ausdruck gefunden hat, ist folgender: Der missbräuchlich handelnde Unternehmer nutzt seine gefestigte Markstellung auf einem Schlüsselmarkt, um auch den vor- oder nachgelagerten Markt zu beherrschen. Auf den Kabelnetzbetreiber gewandt bedeutet dies: der Netzbetreiber besitzt ein Zugangsmonopol zum Zuschauer und verwendet dies dazu, auch den Wettbewerb auf dem Fernsehwerbemarkt 288 zu monopolisieren, indem er z. B. Programmen fremder Veranstalter den Transport verweigert. Daraus folgt zunächst, dass die essentialfacility-doctrine allein den vertikal integrierten Kabelnetzbetreiber erfassen kann; der nicht integrierte Netzbetreiber ist auf dem abgeleiteten Fernsehwerbemarkt nicht tätig und kann deshalb dort keine Wettbewerbsabsichten verfolgen 289. Nunmehr sollen die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB im Hinblick auf den Kabelnetzbetreiber näher untersucht werden, wobei mit der Kommentarliteratur zwischen den Punkten Adressat, Zugangsobjekt, Zugangsgrund und Rechtfertigung unterschieden wird 290: 284 Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, § 19 Rn. 178; Klimisch/Lange, WuW 1998, 18 f. Ausführlich zur Entwicklung in den USA, insbesondere der Herleitung aus der Entscheidung „U.S. v. Terminal Railroad Association of St. Louis“, 224 U.S. 383 (1912), Holzhäuser 169 ff. 285 Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, § 19 Rn. 180. 286 Erstmals Kommission v. 21.12.1993, ABl. EG Nr. L 15/8 v. 18.01.1994, Rn. 66 (Sea Containers/Stella Sealink). Zur Rezeption der essential-facility-doctrine im europäischen Kartellrecht mit Darstellung weiterer Entscheidungen Holzhäuser 181 ff.; Bittner 123 ff. 287 EuGH v. 26.11.1998, Rs. C-7/97, Slg. I-1998, 7791 Tz. 23 ff. (Oscar Bronner), siehe dazu auch Lampert, NJW 1999, 2235 f.; Fleischer/Weyer, WuW 1999, 350 ff.; Holzhäuser 198 ff. In der Bronner-Entscheidung ging es um den Zugang zu einem Zeitungshauszustellsystem, das der Marktführer auf dem Zeitungsmarkt zum Vertrieb seiner Produkte aufgebaut hatte. Der EuGH lehnte einen Zugangsanspruch mit der Begründung ab, dass der Anspruchstellerin, einem marktschwächeren Zeitungsverlag, andere Vertriebswege offenstünden, der Wettbewerb auf dem von der „Einrichtung“ abgeleiteten Markt also nicht ausgeschlossen sei u. keine Hindernisse erkennbar seien, die den Aufbau eines eigenen Vertriebssystems unmöglich o. unzumutbar machten. 288 Ein Zuschauermarkt wird von der herrschende Meinung im Bereich des „FreeTV“ nicht anerkannt, siehe dazu näher unten E. IV. 1. c) cc) bbb) (3) (b) (bb). 289 Siehe auch Martenczuk/Thomaschki, RTKom 1999, 23. Daraus folgt auch, dass die essential-facility-doctrine im Fall der Pay-TV Durchleitung BGH NJW 1996, 2656 keine Rolle spielte, da der Kabelnetzbetreiber auf dem (Bezahl-)Fernsehveranstaltermarkt nicht aktiv war; so auch Dörr/Janik/Zorn 218 f. 290 So z. B. bei Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, § 19 Rn. 190.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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(a) Marktbeherrschung Beim Normadressaten muss es sich um ein marktbeherrschendes Unternehmen handeln. Dabei ist strittig, ob sich das Tatbestandsmerkmal der Marktbeherrschung auf den abgeleiteten Markt oder auf den Markt der wesentlichen Einrichtung bezieht, im vorliegenden Fall also, ob der Netzbetreiber auf dem Signaleinspeise- bzw. Endkundenmarkt oder auf dem Fernsehwerbemarkt marktbeherrschend sein muss. Teilweise wird (allein) Marktbeherrschung auf dem Markt der Infrastruktureinrichtung gefordert 291; dies macht jedoch wenig Sinn, da der Besitz der Infrastruktureinrichtung fast immer mit Marktbeherrschung gleichzusetzen ist und damit das Tatbestandsmerkmal „Marktbeherrschung“ leerliefe 292. Richtig erscheint es deshalb, mit der mittlerweile wohl herrschenden Meinung auch angesichts der ratio legis, nämlich Ermöglichung von Wettbewerb auf vor- und nachgelagerten Märkten 293, für die Marktbeherrschung auf eben diese vor- und nachgelagerten Märkte abzustellen 294. Dies bedeutet, dass nur solche integrierten Kabelnetzbetreiber überhaupt Adressat der essential-facility-doctrine sein können, die den Fernsehwerbemarkt beherrschen 295. Eine solche Situation ist in absehbarer Zeit nur denkbar, wenn eine der großen Fernsehveranstalter-Gruppen (RTL, ProSiebenSat.1) in den Netzbetrieb einsteigt; dass bislang – falls überhaupt vorhanden – quotenschwache Programme der Kabelnetzbetreiber alsbald den bundesdeutschen Fernsehwerbemarkt beherrschen werden, erscheint dagegen unwahrscheinlich. (b) Infrastruktureinrichtung Als Zugangsobjekt kommen Netze und andere Infrastruktureinrichtungen in Betracht. Auf den wissenschaftlichen Streit, was unter dem Oberbegriff Infrastruktureinrichtung und dem entsprechenden Unterbegriff Netz zu verstehen ist 296, muss hier nicht näher eingegangen werden: das (Fernseh-)Kabelnetz als zweidimensiona291 Bunte 208; Zagouras 71; ähnlich Commichau/Schwartz Rn. 328, die Marktbeherrschung auf einem der beiden Märkte ausreichen lassen u. somit zu einem sehr weiten Normadressatenkreis gelangen; siehe auch BKartA B 8-40100 T 99/99, S. 8 des Umdrucks = WuW/E DEV 149 ff., dort aber nicht wiedergegeben (Berliner Stromdurchleitung) sowie LG Dortmund, BB 2000, 2325, 2326. 292 Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, § 19 Rn. 192; Emmerich 204; Haus, WuW 1999, 1191, der von einer „Tautologie“ spricht. 293 Zum Normzweck Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, § 19 Rn. 186; siehe auch Klimisch/ Lange, WuW 1998, 23. 294 Zimmer/Büchner, CR 2001, 169; v. Wallenberg, K & R 1999, 155; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, § 19 Rn. 192, Emmerich 204; Martenczuk/Thomaschki, RTKom 1999, 23; wohl auch Holzhäuser 264. 295 Siehe auch Zimmer/Büchner, CR 2001, 168 f. 296 Siehe dazu ausführlich: Martenczuk/Thomaschki, RTKom 1999, 22 f.; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, § 19 Rn. 194 f.; Zagouras 66 ff., insbes. für Breitbandkabelnetz 70 sowie grundlegend zum Begriff des Netzes, Weizsäcker, WuW 1997, 572 ff.
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les materielles Netz zur Signalweiterleitung stellt den Prototyp eines Netzes im Sinne der Vorschrift dar 297.
(c) Zugangsgrund Zentrales Tatbestandsmerkmal der Vorschrift ist der Zugangsgrund 298, also die Frage, ob es dem Wettbewerber „aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist“, auf dem abgeleiteten Markt tätig zu werden. Die Frage ist in zwei Schritten zu beantworten: Zum einen ist zu prüfen, ob nicht der Wettbewerber die Einrichtung selbst schaffen (Duplizierbarkeit), zum anderen ob der Zugang nicht auf andere Art und Weise erreicht werden kann (Substituierbarkeit) 299. Die Duplizierbarkeit ist zu verneinen, wenn tatsächliche oder rechtliche Hindernisse entgegenstehen. Tatsächliche Hindernisse stehen einer Duplizierung auch dann entgegen, wenn die Schaffung eigener Netze unter Anlegung eines Maßstabes kaufmännischer Vernunft nicht sinnvoll in Betracht kommt 300. Dies dürfte für die Fernsehkabelnetze zu gelten haben, deren Duplizierung äußert kostenintensiv wäre. Dies trifft insbesondere auf weniger dicht besiedelte Gebiete zu, wo die Anschlusskosten je Teilnehmer erheblich sind und schon die Erstverkabelung durch die damalige Deutsche Bundespost eher politischen Vorgaben denn wirtschaftlichem Kalkül entsprach. Hinzukommt, dass es sich bei den Netzkosten um irreversible Kosten handelt, die bei einem Marktaustritt nicht wiederzuerlangen sind301. Kommt die Duplizierbarkeit nicht in Betracht, ist danach zu fragen, ob die Mitbenutzung der fremden Infrastruktur zwingend notwendig ist, um im abgeleiteten Markt wettbewerblich aufzutreten; entscheidend ist, ob objektiv kein drittes Unternehmen in den abgeleiteten Markt eintreten kann 302. Dabei rücken insbesondere andere Struktureinrichtungen ins Blickfeld, so ist z. B. im Kommunikationsbereich zu prüfen, ob nicht die sog. „letzte Meile“ anderweitig, z. B. durch Richtfunk überbrückt werden kann 303. Für die Kabelnetze als Kommunikationsnetze stellt sich deshalb die Frage der alternativen Zugänge zum Fernsehhaushalt. Dabei wird man zwischen bundesweiten Pro297 Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, § 19 Rn. 197; Martenczuk/Thomaschki, RTKom 1999, 23. 298 Die Frage wird in der Literatur auch unter dem Stichwort „Wesentlichkeit der Einrichtung“ diskutiert, womit inhaltlich kein Unterschied verbunden ist, z. B. bei Martenczuk/Thomaschki, RTKom 1999, 23. 299 Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, § 19 Rn. 199. 300 Bechtold, § 19 Rn. 84. 301 Diese werden auch versunkene Kosten o. englisch „sunk costs“ genannt, siehe Klimisch/ Lange, WuW 1998, 17; Möschel, MMR 2001, 3. 302 Siehe Martenczuk/Thomaschki, RTKom 1999, 23; v. Wallenberg, K & R 1999, 156 f.; Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, § 19 Rn. 199; eher zu eng dagegen Zagouras 74, wonach die Alternativeinrichtung nach quantitativen u. qualitativen Gesichtspunkten der begehrten Einrichtung gleichkommen müsse. 303 In diese Richtung Bechtold, § 19 Rn. 84 a. E.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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grammen und solchen mit regionaler Zielgruppe unterscheiden müssen: Jedenfalls für ein bundesweites Programm ist es nicht unmöglich als Wettbewerber in den Fernsehwerbemarkt einzutreten und zugleich auf das Netz eines Kabelnetzbetreibers zu verzichten: Denn einmal können über Satelliten- und terrestrische Verbreitung allein schon nicht unbedeutende Reichweiten erzielt werden304, zum anderen können bei Verweigerung durch einen Kabelnetzbetreiber noch andere Kabelnetzbetreiber zur Weiterverbreitung bereit sein 305, so dass im Ergebnis ausreichend hohe Reichweiten zum Einstieg in den Programmwettbewerb und damit in den Fernsehwerbemarkt erzielt werden können. Das beweist auch die Vergangenheit: Programme haben den erfolgreichen Markteintritt geschafft, obwohl sie in zahlreichen Bundesländern zunächst nicht in das Netz eingespeist wurden. Hinzukommen noch die anderen im Kapitel B beschriebenen Möglichkeiten 306 sowie die durch Carry-Rules ohnehin abgesenkte Eintrittsbarriere in den Fernsehwerbemarkt. Zwar sind diese alternativen Zugangswege nach dem Gesagten nicht derart funktionell austauschbar, dass von einem einheitlichen Markt gesprochen werden kann; sie erleichtern den Zugang zum abgeleiteten Fernsehwerbemarkt aber zumindest in einem Umfang, der einen Markteinstieg gestattet 307. Anderes könnte für regio-lokale Programme gelten, bei denen die Satellitenausstrahlung wegen der großen Ausleuchtungszonen („Footprints“) 308 im Allgemeinen nicht in Frage kommt. Aber auch hier ist der Markteintritt durch die Must-Carry-Verpflichtung für regio-lokale Sender wesentlich erleichtert 309. Im Ergebnis dürfte mithin der Prüfungspunkt Zugangsgrund regelmäßig zu verneinen sein 310.
304 Selbst unter vollständigem Ausschluss des Kabels könnten theoretisch 41,7 % der Fernsehhaushalte erreicht werden, nur durch Satellit immerhin 33,2% der Fernsehhaushalte, Zahlen nach ARD-Jahrbuch 2002, 369, Tab. 13. 305 So hätte selbst Liberty lediglich weniger als 60 % der deutschen Kabelhaushalte über die Netzebene 3 erreicht (BKartA, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 22). Da 2000 56 % der Haushalte Fernsehen über Kabel empfingen, hätte Liberty als bei weitem größter Betreiber nach der Übernahme weniger als 27 % der deutschen Haushalte erreicht (so auch Kuch, ZUM 2002, 248). 306 Siehe B. I. 307 Der Maßstab der Austauschbarkeit (als Kriterium der Marktabgrenzung, § 19 Abs. 2 GWB) ist also enger als jener der Ersetzbarkeit (als Kriterium der wesentlichen Einrichtung, § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB). Das hat seine Ursache in der unterschiedlichen Funktion beider Kriterien: zum einen Feststellung von Marktstärke, zum anderen Feststellung deren Missbrauches. 308 Dazu schon oben B. II. 1. a) sowie Merkel, ZUM 2002, 675 f. 309 § 52 Abs. 3 Nr. 2 RStV. 310 Dies deckt sich auch mit der europarechtlichen Rechtslage, wie sie sich aus der schon eingangs erwähnten Entscheidung Bronner des EuGH (NJW 1999, 2259) ergibt. Dort lehnte der EuGH einen Zugang zu einem Zeitungsvertriebssystem (Hauszustellung) ab, u. a. mit dem Argument ein – wenn auch nicht gleichwertiger – Vertriebsweg (Kioskvertrieb) bestehe. Ein – im Verhältnis zum begehrten – nachteiliger Absatzweg reicht demnach aus, um die Wesentlichkeit der Einrichtung zu verneinen; siehe dazu auch Fleischer/Weyer, WuW 1999, 358.
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
(d) Rechtfertigung Schließlich ist noch (hilfsweise) auf die denkbare Rechtfertigung einzugehen. Denn ein Missbrauch liegt ausnahmsweise nicht vor, wenn das marktbeherrschende Unternehmen nachweist, dass die Mitbenutzung aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Damit ist vor allem eine Interessenabwägung gefordert, was dem Unternehmen, das sich mit dem Zugangsanspruch konfrontiert sieht, zuzumuten ist 311. In die Abwägung sind einzustellen das Eigentumsinteresse des marktbeherrschenden Unternehmens auf der einen sowie die Freiheit des Wettbewerbes als ratio legis auf der anderen Seite 312. Soweit der Netzbetreiber mit der Auswahl der Programme auch eine der Rundfunkfreiheit unterfallende Tätigkeit ausübt 313, wird man zu seinen Gunsten auch noch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zu berücksichtigen haben. Auf sein grundrechtlich geschütztes Auswahlrecht wird sich der Netzbetreiber beispielsweise dann berufen können, wenn er kartellrechtlich zur Verbreitung solcher Programme verpflichtet sein soll, die seinem publizistischen Konzept grundlegend zuwiderlaufen. Anerkannter Rechtfertigungsgrund ist die fehlende Kapazität314. Dabei folgt sowohl aus dem Wortlaut („Mitbenutzung“) als auch aus der verfassungsrechtlichen Position des Netzeigentums, wonach der Unternehmer zu einer Neuschaffung von Kapazitäten nicht verpflichtet werden kann, dass die Unternehmens- und vor allem die Netzstruktur als solche unangetastet bleiben muss315. Strittig ist aber, ob in der Mangelsituation der Netzbetreiber eigenen Durchleitungsbedarf bevorzugt befriedigen kann oder ob er sich – bildlich gesprochen – in die Schlange der Petenten einreihen muss. Das Bundeskartellamt hatte über einen derartigen Fall im Bereich der Stromdurchleitung zu entscheiden 316: Ein auswärtiger Stromerzeuger (RWE AG) verlangte vom betroffenen (vertikal integrierten) Netzbetreiber (Bewag) Durchleitung zu einem Stromkunden. Der Netzbetreiber wies das Zugangsbegehren insoweit ab, als er selbst die Kapazitäten nutzte oder zu nutzen beabsichtigte. Das Kartellamt verpflichtete die Bewag, das Netz entsprechend dem Begehren der RWE zu öffnen und stützte sich dabei vor allem auf den hier zu prüfenden § 19 Abs. 1 Nr. 4 GWB allerdings i.V. m. § 6 Abs. 1 EnWG 317. Zwar sei bei der Verteilung knapper Ressourcen v. Wallenberg, K & R 1999, 156. Bechtold, § 19 Rn. 88. 313 Wann dies im Einzelnen der Fall ist, wurde oben erläutert, D. I. 2. 314 Commichau/Schwartz Rn. 326; Zagouras 77. 315 Möschel, in: Immenga/Mestmäcker, § 19 Rn. 206; offen gelassen von Emmerich 205; über den kartellrechtlichen Missbrauchstatbestand kann also keinesfalls der Ausbau der Netze auf 862 MHz erzwungen werden. 316 BKartA, WuW/E DE-V 149, 151 ff. Siehe dazu auch in der Tendenz zustimmend Haus, WuW 1999, 1190 ff., in der Tendenz eher ablehnend Büdenbender, WuW 2000, 121 ff. 317 Die Vorschrift lautete: „Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen haben anderen Unternehmen das Versorgungsnetz für Durchleitungen zu Bedingungen zur Verfügung zu stellen, die nicht ungünstiger sind, als sie von ihnen in vergleichbaren Fällen für Leistungen innerhalb ihres Unternehmens o. gegenüber verbundenen o. assoziierten Unternehmen tatsächlich oder 311 312
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unter den interessierten Nutzern auch das eigene Nutzungsinteresse der Netzbetreiber angemessen zu berücksichtigen; dieses sei jedoch grundsätzlich nicht als gegenüber anderen Netzbenutzern vorrangig, sondern nur als gleichrangig anzusehen318. Der Netzbetreiber sei dadurch auch nicht schwer benachteiligt, da er ein angemessenes Entgelt erhalte. Entschiede man zugunsten eines Vorranges des Netzbetreibers bei der Netznutzung könne er die vor- und nachgelagerten Märkte monopolisieren, eine solche Befugnis enthalte das Eigentum aber gerade nicht. Im Hinblick auf die Kabelnetze ist zunächst zu bezweifeln, ob diese Entscheidung, die § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB nach den Wertungen des § 6 EnWG auslegt, der unstreitig auf Kabelnetze nicht anwendbar ist, zur Lösung der Einspeiseproblematik bei BK-Netzen überhaupt herangezogen werden kann. Die Unterschiede zwischen dem Durchleitungsgut Strom und Fernsehprogramm sind nämlich augenfällig: Strom ist wie andere Energieträger leitungsgebunden während Rundfunksignale auch ohne Leiter übertragen werden können 319. Selbst wenn man aber hier eine Parallele zieht, wird man bezweifeln müssen, ob eine so weitgehende Beschränkung der Eigentümerautonomie mit Art. 14 GG noch vereinbar ist. Das Argument, das Eigentum gebe kein Recht, den vor- oder nachgelagerten Markt zu monopolisieren, vermag kaum zu überzeugen. Denn vorrangige Einspeisung und Monopolisierung anderer Märkte sind zweierlei: Wenn z. B. der Netzbetreiber sein eigenes Vollprogramm zu Lasten eines anderen von mehreren Vollprogrammen einspeist, so hat er sich zwar vorrangig behandelt; der Markt für Vollprogramme ist damit aber – vor allem angesichts der Carry-Rules – noch nicht monopolisiert. Im Übrigen kann weitgehend auf die obigen Ausführungen zu Art. 14 GG verwiesen werden. Im Ergebnis wird auch hier wieder gelten, dass Art. 14 GG zu entnehmen ist, dass der Netzbetreiber sich in der Mangelsituation nicht auf die Fremdnutzung verweisen lassen muss, vielmehr der Eigenbedarf vorweg gedeckt werden darf 320. (e) Ergebnis In der Gesamtschau lässt sich feststellen: Auf den ersten Blick erscheint die essential-facility-doctrine geeignet, die Gefahren vertikaler Integration bei der Rundfunkverbreitung zu beherrschen, zumal sie gerade für sog. „gatekeeper“-Situationen geschaffen wurde. Bei genauerem Hinsehen muss aber die Effektivität der essential-facility-doctrine, wie sie in § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB geregelt ist und von der h. M. kalkulatorisch in Rechnung gestellt werden. Dies gilt nicht, soweit der Betreiber nachweist, dass ihm die Durchleitung aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen unter Berücksichtigung der Ziele des § 1 nicht möglich oder nicht zumutbar ist.... § 19 Abs. 4 und § 20 Abs. 1 u. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bleiben unberührt.“ 318 BKartA, WuW/E DE-V 149, 153 ff.; ablehnend Bechtold, § 19 Rn. 87, mit Hinweis darauf, die Eigennutzung sei der Abwägung schon nicht zugänglich. 319 Siehe auch oben bei Art. 14 GG, D. II. 2. c) bb) ccc). 320 Siehe schon ausführlich oben D. II. 2. c) bb) eee) sowie nochmals BVerfGE 79, 292, 304; 81, 29, 34; Papier, BB 1997, 1214 u. 1219; Büdenbender, WuW 2000, 129 ff.
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verstanden wird, bezweifelt werden 321. Erstens setzt sie erst dann ein, wenn der Netzbetreiber bereits den abgeleiteten Markt beherrscht. Aus rundfunkrechtlicher Perspektive greift also der Missbrauchstatbestand erst spät und im Sinne der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Prävention vor Vermachtung 322 wohl zu spät. Zum zweiten dürfte der Netzzugang regelmäßig substituierbar sein, so dass kein Zugangsengpass im Sinne der Vorschrift vorliegt. Schließlich kann nicht sicher gesagt werden, dass in der Mangellage sich nicht der Netzeigentümer gegen den „fremden“ Veranstalter durchsetzt. Vielmehr wird wohl dem Eigenbedarf des Netzeigentümers im Hinblick auf die ihm zustehenden Wirtschaftsfreiheiten der Vorrang einzuräumen sein. Erweist sich damit die essential-facility-doctrine des GWB jedenfalls in der derzeitigen Lage als wirkungsschwach, so zeigt dies auch, dass der deutsche Rundfunkmarkt jetzt und auf absehbare Zeit von einer Monopolisierung aufgrund von Torwächter-Positionen im Bereich Distribution weit entfernt ist. (2) § 20 GWB (Diskriminierungsverbot) Weiterhin ist zu untersuchen, inwieweit § 20 GWB geeignet ist, den Gefahren der vertikalen Integration zu begegnen. (a) Absatz 1 Besonderes Augenmerk ist dabei auf § 20 Abs. 1 GWB zu legen. Auch der vom BGH entschiedene Fall der Pay-TV-Weiterleitung war über § 20 Abs. 1 GWB (§ 26 Abs. 2 Satz 1 GWB alter Fassung) zu lösen 323. Normadressat nach Abs. 1 ist wiederum das marktbeherrschende Unternehmen. Die obigen Ausführungen zur Marktbeherrschung haben also auch hier Gewicht, wenngleich der Adressatenkreis durch den im Anschluss an diesen Abschnitt dargestellten Abs. 2 erweitert wird. Das Behinderungs- und Diskriminierungsverbot des Abs. 1 trifft den Normadressaten nur „in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist“. Zu Recht hat der BGH die Signalweiterverbreitung durch den Kabelnetzbetreiber als einen gleichartigen Unternehmen zugänglichen Geschäftsverkehr angesehen 324. Denn der Kabelnetzbetreiber schließt mit zahlreichen Veranstaltern Verträge über die Weiterleitung, so dass der Geschäftsverkehr – im Sinne privatrechtlich geordneten Verkehrs mit gewerblichen Leistungen 325 – in diesem Bereich eröffnet ist. Was die Gleichartigkeit anbetrifft, so ist dieses TatbestandsSo wohl auch Wille/Schulz/Fach-Petersen, in: Hahn/Vesting, § 52 Rn. 23. Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass Fehlentwicklungen im Medienbereich nur schwer zu korrigieren sind, u. fordert deshalb ein frühzeitiges Einschreiten, BVerfGE 95, 163, 172 f. 323 BGH NJW 1996, 2656 ff.; siehe auch die Entscheidung des OLG Hamburg, an das der BGH zurückverwiesen hatte, ZUM-RD 2000, 122 ff. sowie OLG Naumburg, ZUM 1999, 944 ff. 324 BGH NJW 1996, 2656, 2657 f.; ihm folgend OLG Naumburg, ZUM 1999, 944, 946 f. 325 Commichau/Schwartz Rn. 347. 321 322
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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merkmal – nach der Rechtsprechung als grober Filter weit auszulegen 326 – durch alle Programmarten und -formen erfüllt, da die „Programmzulieferer“ insofern stets die gleiche wirtschaftliche Grundfunktion 327 ausüben, nämlich Bereitstellung von Inhalt. Die Unterschiede zwischen kostenlosem und kostenpflichtigem, zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Fernsehen sowie zwischen Sparten- und Vollprogrammen treten dahinter zunächst zurück. Ist der Geschäftsverkehr somit grundsätzlich frei zugänglich, darf der Marktbeherrscher, hier der Kabelnetzbetreiber, andere weder „unmittelbar noch mittelbar unbillig behindern“ noch „ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich behandeln“. Während sich das Verbot unbilliger Behinderung vorwiegend auf das Verhältnis des (angeblich) Behindernden zu seinen Wettbewerbern bezieht und also vorrangig auf horizontaler Ebene wirkt, betrifft die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung schwerpunktmäßig das Verhältnis zu Abnehmern und Lieferanten 328, also die – aus Perspektive dieser Arbeit besonders interessante – Vertikale. Deshalb soll im Folgenden allein das Verbot ungerechtfertigter Ungleichbehandlung auf seine Auswirkungen für den (vertikal integrierten) Netzbetreiber hin untersucht werden 329. Ob eine ungerechtfertigte ungleiche Behandlung vorliegt, ist zweistufig zu prüfen 330: einmal ist die Ungleichbehandlung, also die unterschiedliche Behandlung im wesentlichen gleicher Unternehmen festzustellen, die aber noch nicht mit einem Unwerturteil verbunden ist 331. Sodann ist nach einer sachlichen Rechtfertigung der Ungleichbehandlung zu fragen, wobei ebenso wie bei der Unbilligkeit der Behinderung eine Interessenabwägung erforderlich ist. (aa) Ungleichbehandlung Fraglich ist in Fällen vertikaler Integration bereits auf der ersten Stufe der Prüfung, ob das integrierte Tochterunternehmen, also der „eigene“ Veranstalter, mit anderen, unabhängigen Veranstaltern im Sinne der Vorschrift vergleichbar ist. Da ein Vergleich denklogisch ein „anderes“ Unternehmen als Vergleichsunternehmen voraussetzt, vertritt der BGH die Ansicht, dass Tochtergesellschaften des Diskriminierers und fremde Dritte nicht gleichartig sind, dass also § 20 GWB in Form der Diskriminierung ausscheidet, wenn das Vergleichsunternehmen mit dem diskriminierenden Unternehmen eine unternehmerische Einheit bildet332. Das hat seinen Sinn in BGH WuW/E DE-R 134 f.; Commichau/Schwartz Rn. 349; Bunte 216. Siehe zu diesem Kriterium Bechtold, § 20 Rn. 30. 328 St. Rspr. seit BGHZ 38, 90, 101 f. (Grote-Revers); Commichau/Schwartz Rn. 361. 329 Die Praxis neigt mittlerweile zunehmend dazu, die beiden Verbote des § 20 Abs. 1 GWB als ein einheitliches, umfassendes Diskriminierungsverbot auszulegen, siehe Emmerich 212; Markert, in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 114. 330 Commichau/Schwartz Rn. 362. 331 Emmerich 227. 332 BGH NJW 1982, 2775, 2776 (Stuttgarter Wochenblatt) betreffend die begünstigte Abgabe von Anzeigenraum gegenüber der eigenen 100 % Reisebürotochter durch einen Anzei326 327
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
der Ratio der Norm, Wettbewerb zu schützen. Schützenswerter Wettbewerb besteht in Bezug auf innerbetriebliche oder konzerninterne Vorgänge gerade nicht, jedenfalls solange nicht, wie die Tochtergesellschaft weisungsabhängig ist 333. Die Gegenmeinung würde letztlich dazu führen, dass auch bei Begünstigung von unselbstständigen Betriebsteilen ein Fall der Diskriminierung vorläge, was aber aufgrund der Marktbezogenheit des Wettbewerbsrechtes ausscheidet 334. Damit greift der Diskriminierungstatbestand des § 20 GWB jedenfalls bei enger, gesellschaftsrechtlicher Verbindung von Netzbetreiber und Veranstalter nicht; Drittwirkungen können in solchen Fällen nur – und wesentlich schwerer – über den hier nicht zu prüfenden Behinderungstatbestand des § 20 Abs. 1 GWB erfasst werden 335. Für die – im Rahmen der vertikalen Integration nicht seltenen 336 – Fälle jedoch, in denen sich die Verbindungen zwischen Netzbetreiber und Veranstalter nicht als innergesellschaftlich qualifizieren lassen, soll weiter geprüft werden. Damit kann auch die schwierige Abgrenzung offen bleiben, unter welchen Bedingungen noch von einem „innergesellschaftlichen Vorgang 337“ gesprochen werden kann.
(bb) Rechtfertigung Die Frage, ob die ungleiche Behandlung von anderen Unternehmen als sachlich noch gerechtfertigt betrachtet werden kann, beantwortet der BGH in ständiger Rechtsprechung aufgrund einer umfassenden Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB 338. Die ganz h. Literatur teilt diese Ansicht 339. Demnach sind zunächst die Interessen sowohl auf der Seite des unterschiedlich behandelnden Normadressaten als auch des ungleich behandelten Unternehmens (hier: Veranstalter) zu genblattverlag; BGH NJW 1987, 3197, 3198 f. (Freundschaftswerbung) betreffend die Bevorzugung der eigenen Abonnentenwerbetochter durch den Verlag gegenüber allen anderen Unternehmen des werbenden Zeitschriftenhandels; so auch die Literatur Markert in: Immenga/ Mestmäcker, § 20 Rn. 126; Bechtold, § 20 Rn. 46. 333 So Schwintowski, BB 1988, 1766 bezogen auf Vorzugskonditionen von Autoherstellern für ihre Leasingtöchter. Der Fall ist mit „Vorzugseinspeisekonditionen“ für eigene Veranstalter gut vergleichbar. Die weiter gehende Frage, inwieweit auf verbundene Unternehmen überhaupt das Wettbewerbsrecht anwendbar ist, wird im deutschen Recht meist im Rahmen des §1 GWB diskutiert; näher dazu Zimmer in: Immenga/Mestmäcker, § 1 Rn. 147 ff. 334 Markert in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 126. 335 Markert in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 126 a. E. Da die Abwägung bei der Unbilligkeit der Behinderung jedoch inhaltlich die gleiche ist wie bei der Rechtfertigung der Diskriminierung, werden die maßgeblichen Umstände hier jedenfalls erörtert. 336 Zu denken ist z. B. an eine Minderheitsbeteiligung an einem Rundfunkveranstalter. 337 BGH NJW 1982, 2775, 2776 (Stuttgarter Wochenblatt). 338 Seit BGHZ 38, 90, 102 (Treuhandbüro) st. Rspr., siehe auch BGH NJW 1996, 2656, 2658 (Pay-TV-Durchleitung) u. OLG Naumburg ZUM 1999, 944, 947. 339 Emmerich 228; Markert in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 129; Commichau/Schwartz Rn. 364.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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berücksichtigen. Sie sind jedoch nicht einfach nur einander gegenüberzustellen, sondern zunächst für sich und dann in ihrem Verhältnis zueinander zu gewichten. Die Positionen Dritter sind dagegen nur eingeschränkt im Rahmen des normativen Wertungsurteils berücksichtigungsfähig 340. Auf Seiten des Normadressaten streitet das unternehmerische Grundinteresse, seinen Geschäftsbetrieb nach eigenen Vorstellungen zu gestalten und das aus seiner Sicht betriebswirtschaftliche Optimum zu erreichen341. Die Berücksichtigungsfähigkeit dieser Interessen wurzelt letztlich in den Unternehmerpositionen aus Art.12 und 14 GG. Speziell auf den integrierten Kabelnetzbetreiber bezogen ist sowohl sein Interesse abwägungsfähig, Veranstalter, an denen er wirtschaftlich beteiligt ist, vorrangig einzuspeisen als auch die Bevorzugung von Programmen mit hoher Zuschauerakzeptanz. Dies entspricht wirtschaftlicher Vernunft. Hinzu kommt für integrierte wie nicht integrierte Netzbetreiber schließlich noch ihr aus Art. 5 GG folgendes 342 publizistisches Auswahlrecht 343. Auch auf Seiten des ungleich behandelten Veranstalters ist dessen – durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschütztes – Interesse zu berücksichtigen, Rundfunk nicht nur zu produzieren, sondern auch zu verbreiten 344. Zwar ist der Kreis der berücksichtigungsfähigen Interessen beim ungleich Behandelten enger zu ziehen als beim Normadressaten 345, die Berücksichtigung seiner der Rundfunkfreiheit unterfallenden Interessen, gebietet aber eine grundrechtskonforme Auslegung des Begriffes „ohne sachlich gerechtfertigten Grund“, der sich als Einfallstor des objektiven Gehalts der Rundfunkfreiheit erweist 346. Daneben tritt das allgemeine Interesse des ungleich Behandelten an einem freien Marktzugang 347. 340 Siehe BGHZ 53, 61 ff. (Importarzneimittel); BGH GRUR 1994, 526 f. (Orthopädisches Schuhwerk); im Einzelnen strittig, siehe auch Engel, ZUM 1997, 325. 341 Markert in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 131; bezogen auf Netzbetreiber Zimmer/ Büchner, CR 2001, 169. 342 Siehe zu Kabelnetzbetreibern als Trägern der Rundfunkfreiheit schon oben D. I. 2. 343 Dass Art. 5 GG zu den abwägungsfähigen Interessen zählt, wurde vom BGH für das Parallelproblem der Pressefreiheit anerkannt, BGH NJW 1984, 1116f. (gemeinsamer Anzeigenteil). Der BGH betont aber in der Entscheidung, dass Art. 5 GG den Wettbewerbsschutz vor dem marktbeherrschenden Unternehmen gerade noch verstärke u. nicht geeignet sei, die Missbrauchskontrolle gegenüber marktbeherrschenden (Presse-)Unternehmen einzuschränken. In der Entscheidung Pay-TV-Durchleitung ist der BGH jedenfalls obiter dictum auf Art. 5 GG im Rahmen der Abwägung eingegangen, BGH NJW 1996, 2656, 2658. Für eine Berücksichtigung der Rundfunkfreiheit im Rahmen der Interessenabwägung auch Engel, ZUM 1997, 326 unter Bezugnahme auf OLG Stuttgart WuW/E OLG 2497, 2498 (Fahrschulpraxis) u. WuW/E OLG 3560, 3561 (Internationale Ehevermittlung) betreffend die Parallelproblematik der Pressefreiheit. 344 Zum Verbreitungsrecht als Inhalt der Rundfunkfreiheit: Degenhart, in: Dolzer/Vogel/ Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2, Rn. 742. 345 Markert in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 132. 346 Zum Einfluss von Art. 5 GG auf Missbrauchstatbestände siehe auch BGH NJW 1984, 1116 f. (Gemeinsamer Anzeigenteil). Zu der Frage, wie sich die jeweils auf der Rundfunkfrei-
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
Bereits bei Bewertung der Individualinteressen ist nach dem allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen, ob der Normadressat seine Interessen nicht auch schonender, d. h. unter Anwendung milderer Mittel zur Geltung bringen kann 348. Solche unverhältnismäßigen Interessen sind dann schon auf dieser Stufe des Abwägungsprozesses auszuscheiden. Ein milderes Mittel gegenüber einer Einspeiseverweigerung kann dabei auch eine differenzierte Preisgestaltung sein. Das Argument, ein Programm könne bereits mangels Zuschauerinteresses nicht eingespeist werden, ist deshalb auf dieser Stufe auszuscheiden; denn finanzielle Nachteile können durch erhöhte Gebühren ausgeglichen werden 349. Verweist der Netzbetreiber aber auf qualitative Aspekte, z. B. darauf, das Programm passe aufgrund seiner Ausrichtung (z. B. gewaltbetonte „Actionfilme“) nicht in sein publizistisches Konzept, ist auf der Stufe der Verhältnismäßigkeit keine pauschale Lösung erkennbar 350. Stehen damit die berücksichtigungsfähigen Interessen jeder Seite fest, sind diese unter Beachtung des auf die Freiheit des Wettbewerbs zielenden Normzwecks abzuwägen 351. Dabei liegt der Schwerpunkt auf den Verhältnissen des Einzelfalles, insbesondere auf der individuellen Marktmacht des Normadressaten. Auch an dieser Stelle kommt also der Frage, ob der Kabelnetzbetreiber dem Programmveranstalter als Monopolist gegenübersteht oder aber ob Zugangsalternativen bestehen, erhebliches Gewicht zu: die Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die wettbewerblichen Betätigungsmöglichkeiten anderer Unternehmen sind im Rahmen des § 20 Abs. 1 GWB um so größer, je stärker die tatsächliche Marktmacht des in Betracht kommenden Normadressaten ist und je weniger Ausweichmöglichkeiten die Normbegünstigten im Einzelfall haben 352. Ist zwar die Betrachtung des Einzelfalls geboten, so haben sich dennoch gewisse Fallgruppen herausgebildet, die es erlauben, die Abwägung zu strukturieren 353: Zu diesen Fallgruppen gehört an erster Stelle die sog. Liefersperre354, d. h. die Verweigerung eines Unternehmens, andere Unternehmen mit Waren oder gewerblichen heit beruhenden Positionen des Netzbetreibers u. des Veranstalters zueinander verhalten, siehe schon oben D. I. 3. c) bb). 347 BGHZ 129, 53, 64 f. (Importarzneimittel). 348 Emmerich 226; Bunte 219; siehe auch OLG Naumburg, ZUM 1999, 944, 947. 349 Die Entgelthöhe nach der Zuschauerakzeptanz zu bemessen, wurde vom BGH ausdrücklich als mit § 20 Abs. 1 GWB (§ 26 GWB a. F.) vereinbar anerkannt, BGH NJW 1996, 2656, 2658 f. (Pay-TV-Durchleitung). 350 Auch die Verschlüsselung ändert nichts daran, dass das Angebot den Ruf oder die „Tendenz“ des Netzbetreibers z. B. als seriöser Vermarkter nachhaltig schädigen kann. 351 BGHZ 38, 90, 102; Emmerich 225; zur Abwägung auch Markert in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 136 ff. 352 Bunte 219; Markert in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 143; OLG Hamburg v. 19.12.1985, WuW/E 3795, 3803. 353 Die Fallgruppen sind z. B. dargestellt bei Bechtold, § 20 Rn. 48 ff. u. Markert in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 149 ff. 354 Siehe auch deren Darstellung für Medienkonvergenzmärkte bei Zagouras 90 f. sowie allgemein Bunte 219 f.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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Leistungen zu versorgen (Abschlussverweigerung). Spiegelbildlich dazu besteht auch eine Fallgruppe der Abnahmeverweigerung: der Normadressat steht dabei auf der Nachfrageseite und verweigert die Abnahme bestimmter Leistungen, sog. Bezugssperre 355. Auf den Kabelnetzbetreiber können beide Fallgruppen zutreffen, je nachdem welches Geschäftsmodell er verfolgt: Nach dem Transportmodell bietet er Veranstaltern die Signalweiterleitung zum Fernsehzuschauer als Endkunden und mithin eine Transportdienstleistung an, er tritt somit als „Lieferant“ der Veranstalter auf, seine Verweigerung einen von mehreren Veranstaltern einzuspeisen ist damit der Fallgruppe der Lieferverweigerung zuzuordnen 356. Beim Vermarktungsmodell hingegen bietet er dem Zuschauer ein Programmpaket an. Dessen Bestandteile muss er zuvor als Vorprodukt bei den Veranstaltern „einkaufen“, indem er sich die Rechte zur Kabelweiterleitung sichert. Gegenüber den Veranstaltern tritt er somit als Nachfrager des Vorprodukts „Programm“ auf. Seine Auswahl stellt sich deshalb aus Sicht der übergangenen Veranstalter als Abnahmeverweigerung dar; rechtlich ist sein Verhalten in die entsprechenden Fallgruppe einzuordnen. In der Praxis dürfte kein Geschäftsmodell in Reinform auftreten 357; es kann dann hilfreich sein anhand der Vertragsbeziehungen im Einzelfall zu entscheiden, wobei maßgeblich ist, ob der Veranstalter für die Verbreitung zahlt oder zahlen soll (dann dürfte die Dienstleistung des Transports im Vordergrund stehen und der Kabelnetzbetreiber schwerpunktmäßig als Anbieter auftreten) oder ob umgekehrt der Netzbetreiber für die Weiterleitungsberechtigung zahlt oder zahlen soll (dann wird der Kabelnetzbetreiber schwerpunktmäßig Nachfrager sein). An die Rechtfertigung einer Liefersperre sind hohe Anforderungen zu stellen. Denn die Verweigerung der eigenen Leistung stellt für das andere Unternehmen eine besonders starke Belastung – auch im Vergleich zu differenzierten Konditionen im Rahmen einer bestehenden Geschäftsbeziehung – dar 358. Hinzu kommt, dass ein der Marktrationalität folgendes Unternehmen seine Leistung allen potentiellen Abnehmern anbietet; eine Liefersperre muss insoweit als Marktanomalie betrachtet werden 359. Insbesondere dann, wenn die vom Normadressaten erbrachte Leistung für den Abnehmer existenznotwendig ist, kann der Normadressat seine Leistung nur unter recht engen Voraussetzungen, wie etwa fehlender Bonität der anderen Partei oder aber der Grundsatzentscheidung, andere Unternehmen gar nicht (mehr) zu beZum Begriff näher: Emmerich 235 f. Für Einspeisungsverweigerung als Unterfall der Lieferverweigerung auch Markert in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 163, der aber auf die Nachfrageseite nicht eingeht. 357 Engel, ZUM 1997, 320, stellt dagegen vorzugsweise auf den Kabelnetzbetreiber als Nachfrager ab u. behandelt ihn als Lieferanten nur in hypothetischer Form (320 f.), mit dem Argument, man dürfe nicht in die Vergangenheit schauen, als die Telekom sich noch als reines Transportunternehmen verstand (315). Das Transportmodell wird aber m. E. auch in absehbarer Zukunft noch bestehen, jedenfalls im Must-Carry-Bereich. 358 Markert in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 151 f.; siehe auch BGHZ 49, 90, 99. 359 BGH NJW 1996, 2656, 2658: „... die völlige Aussperrung an einem geschäftlichen Kontakt Interessierter [ist] dem Wettbewerb eher fremd ...“. 355 356
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
liefern, verweigern. So hat der BGH entschieden, dass der Ausschluss branchenangehöriger Aussteller von einer Branchenmesse grundsätzlich ungerechtfertigt ist360. Weigert sich also der marktbeherrschende Netzbetreiber, einen Rundfunkveranstalter angesichts freier Kapazitäten zur Rundfunkübertragung mit Weiterverbreitungsdienstleistungen zu „beliefern“, wird dies regelmäßig – insbesondere auch bei Berücksichtigung der durch die Rundfunkfreiheit gestärkten Position des Veranstalters – gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen. Nur in Ausnahmefällen – wie z. B. Durchleitungsbegehren für unzumutbare Inhalte – wird der Netzbetreiber seine anderen gegenüber erbrachte Leistung einem bestimmten Veranstalter verweigern dürfen. Zu prüfen ist aber, ob dies auch in der Situation des Kabelengpasses gilt. Die Entscheidungsfreiheit des Lieferanten ist an sich auch in Knappheitssituationen eingeschränkt 361, denn eine Mangellage befreit den Normadressaten nicht etwa von dem grundsätzlichen Verbot ungleicher Behandlung 362. Der Marktbeherrscher hat dann anhand von einheitlichen und sachgerechten, in erster Linie marktkonformen Kriterien, die beschränkten Kapazitäten auf die mehreren (fremden) Nachfrager zu verteilen (sog. Repartierung) 363. Marktkonform heißt hier, dass der Netzbetreiber, – auch entgegen den Anliegen des Meinungspluralismus – Programme mit hoher Einschaltquote bevorzugen darf; attraktive Programme einzuspeisen, ist keinesfalls ein wettbewerbsfremdes Verhalten, vielmehr ein Gebot unternehmerischer Vernunft 364. Darüber hinaus stellt sich für den integrierten Netzbetreiber die – bereits oben unter verfassungsrechtlichen Vorzeichen behandelte – Frage, inwieweit er seine „eigenen“ Veranstalter unter dem Rechtsregime des § 20 GWB in der Mangellage bevorzugen darf. Es ist dies eine wettbewerbliche „Fundamentalfrage“ 365 im Bereich vertikaler Integration. Gälte der Grundsatz der Gleichbehandlung uneingeschränkt, hätte dies weitreichende Folgen, da bei großer Nachfrage dem Netzbetreiber nur noch geringe Möglichkeiten der Eigennutzung verblieben. Das Kammergericht (KG) hat in einer mit der Programmeinspeisung vergleichbaren Situation entschieden, dass zwar der Hersteller eines Halbfertigproduktes verpflichtet ist, einen Abnehmer zu beliefern, der zu ihm auf dem Fertigproduktemarkt in Konkurrenz um Endverbraucher tritt. Das KG hat dies aber damit begründet, dass auch bei Belieferung des Konkurrenten dem Normadressaten im konkreten Fall noch „nicht aufholbare Wettbewerbsvorteile in Grundlegend: BGHZ 52, 65, 69 ff. (Sportartikelmesse II). Markert in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 167 f. 362 Grundlegend BGHZ 52, 65, 70 (Sportartikelmesse II); Rixen, in: Glassen u. a., § 20 Rn. 210 f. 363 Markert in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 168; insbesondere für die Zulassung zu Messen, die mit der Einspeiseentscheidung vergleichbar ist: OLG Frankfurt GRUR 1989, 777, 780 (Kunstmesse Art Frankfurt). Angesichts der Grundrechtsträgerschaft aus Art.5 Abs. 1 GG wird man dem Netzbetreiber aber jedenfalls einen publizistischen Ermessensspielraum belassen müssen. 364 Siehe (zur vergleichbaren Abwägung im TKG) Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 324; ders., Chancengleicher Zugang, 57 f. 365 Bezogen auf die Parallelfrage im TKG Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 325. 360 361
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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beachtlichem Umfang“ verblieben 366. In der Literatur wird daraus geschlossen, der Unternehmer dürfe in der Knappheitssituation seinen unternehmenseigenen Bedarf jedenfalls insoweit vorrangig decken, als dies zur Sicherung eigener Wettbewerbsfähigkeit (auf dem abgeleiteten Markt) notwendig ist367. Überträgt man dies auf den Kabelnetzbetreiber, so ist dieser in Knappheitssituationen zwar grundsätzlich an eine gleichmäßige Vergabe von Sendeplätzen nach einheitlichen Kriterien gebunden. Er dürfte aber seine „eigenen“ Angebote soweit bevorzugen, wie dies zur angemessenen Sicherung seines aus der Vorhaltung eines eigenen Netzes sich ergebenden Wettbewerbsvorsprunges auf dem Fernsehwerbemarkt notwendig ist368. Die gegenteilige Ansicht, nämliche die Geltung eines uneingeschränkten Gleichbehandlungsgrundsatzes, vertrat das Bundeskartellamt in der – bereits oben dargestellten – Entscheidung „Berliner Stromdurchleitung“ 369, insbesondere mit dem Hinweis darauf, Art.14 GG schütze nicht das Recht, den abgeleiteten Markt zu monopolisieren370. Diese Entscheidung kann jedoch – wie oben ausgeführt – kaum verallgemeinert werden, da sie auf die tatsächlichen Verhältnisse des – vom Kabelnetzmarkt verschiedenen – Strommarktes und auf die rechtlichen Wertungen des hier nicht einschlägigen EnWG bezogen ist. Für eingeschränkte Repartierungspflichten spricht dagegen der Grundsatz des BGH, dass niemand verpflichtet ist, die eigene Konkurrenz zu fördern 371. Auch volkswirtschaftlich macht nur eine eingeschränkte Gleichbehandlungspflicht Sinn: Verträte man die gegenteilige Ansicht, dann ginge jeder Anreiz für den Kapazitätsausbau verloren, da der Netzbetreiber zugleich stets die Kapazitäten der Konkurrenz auf dem Veranstaltermarkt erweitern würde 372. Schließlich haben auch die obigen Ausführungen zu Art. 14 GG gezeigt, dass dem Netzbetreiber das Recht zusteht, in Mangellagen Eigenbedarf zu decken 373. Daraus folgt zusammenfassend: der marktbeherrschende, dem Transportmodell verhaftete Netzbetreiber muss „fremden“ Veranstaltern seine Übertragungsdienste anbieten, darf sich aber in der Knappheitslage einen Wettbewerbsvorsprung zugunsten „eigener“ Rundfunkprogramme erhalten. 366 KG v. 5.12.1986, WuW/E OLG 3957, 3961 f. (Straß); das Urteil wurde aus anderen Gründen vom BGH aufgehoben, BGH v. 25.10.1988, WuW/E BGH 2535 ff., insbes. 2540 f. (Lüsterbehangstein). 367 Markert in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn.169; Rixen, in: Glassen u.a., §20 Rn.212; für weiten unternehmerischen Spielraum bei Kapazitätsengpässen auch OLG Naumburg ZUM 1999, 944, 947. 368 Ob dies auf den Bereich des sektoriellen Kartellrechts übertragbar ist, das nicht nur der Bewahrung, sondern als asymmetrische Regulierung gerade der Schaffung von Wettbewerb dient, kann hier noch offen bleiben; siehe dazu aber unten E. IV. 1. c) dd) ccc) (4). 369 BKartA v. 30.8.1999, WuW/E DE-V 149 ff.; die Entscheidung wurde neben § 19 Abs. 4 Nr.4 GWB (dazu siehe oben E. IV. 1. c) cc) bbb) (1) (d)) auch auf §20 Abs.1 GWB gestützt, 156. 370 BKartA v. 30.8.1999, S. 28 i.V. m. S. 17 des Umdrucks, in WuW/E DE-V 149 ff. nur unvollständig abgedruckt. 371 BGH NJW 1992, 1827, 1828 („Aktionsbeiträge“) sowie bestätigend („durchaus von Gewicht“) BGHZ 128, 17, 37 f. (Gasdurchleitung). 372 Nicht überzeugend dagegen die Ansicht des BKartA, die Bevorzugung des Netzeigentümers in Mangellagen schaffe Anreiz zum Rückbau der Netze, BKartA WuW/E DE-V, 149, 156. 373 Siehe schon oben, D. II. 2. c) bb) eee) sowie nochmals Büdenbender, WuW 2002, 129 ff.
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Während also bei der Liefersperre strenge Anforderungen an deren Rechtfertigung zu stellen sind, halten sich Literatur und Rechtsprechung im umgekehrten Fall der Bezugssperre mit der Annahme einer Abnahmepflicht des Normadressaten zurück 374. Dies folgt daraus, dass die Bezugsfreiheit tragendes Element der Wettbewerbsordnung ist und es deshalb dem Nachfrager grundsätzlich freistehen muss, für sich die günstigsten Bedingungen zu erwirken. Diese Auswahlfreiheit führt dazu, dass selbst Nachfragemonopolisten nicht daran gehindert sind, das für sie günstigste Angebot auszuwählen, selbst wenn die übrigen Anbieter deshalb nicht zum Zuge kommen 375. Mit § 20 GWB steht es auch in Einklang, wenn der Nachfrager deshalb keine Leistungen mehr bezieht, weil er sich selbst versorgt 376; dies ist der Fall, wenn der integrierte Kabelnetzbetreiber seine eigenen Programme einspeist und deshalb in diesem Umfang keinen Bedarf mehr für Angebote fremder Dritter hat. Tritt der Kabelnetzbetreiber als Programmnachfrager auf, so ist eine Ungleichbehandlung „fremder“ Veranstalter regelmäßig sachlich gerechtfertigt und nicht zu erinnern. (b) Absatz 2 Abschließend soll noch der Abs. 2 des § 20 GWB kurz betrachtet werden, der eine den persönlichen Schutzbereich erweiternde Rechtsgrundverweisung auf Abs.1 darstellt 377. Er betrifft sog. marktstarke Unternehmen, greift also bereits unterhalb der Schwelle der Marktbeherrschung bei „relativer Marktmacht“ 378 ein und gewinnt deshalb insbesondere dann Bedeutung, wenn man eine Marktbeherrschung des Kabelnetzbetreibers verneint. Auch seinem historischen Herkommen nach scheint Abs. 2 prädestiniert, den Schutz vor den Gefahren vertikaler Integration zu verbessern 379. Abs. 2 bietet Schutz nur den „kleinen oder mittleren Unternehmen“. Welche Unternehmen unter den (persönlichen) Schutzbereich der Vorschrift fallen, ist zuerst absolut, darüber hinaus relativ im Vergleich zu den unterschiedlich behandelten Wettbewerbern (in der Horizontale) gegebenenfalls auch der Marktgegenseite (in der Vertikale 380) zu bestimmen 381. Die absoluten Schwellen können der Fusionskontrolle entnommen werden, so dass Unternehmen mit mehr als 500 Mio. Euro Umsatz jedenfalls nicht mehr in den Schutzbereich fallen 382. Damit scheiden die großen BGHZ 101, 72 ff.; Bunte 221 f. Markert, in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 205 ff. 376 Grundlegend BGH WuW/E BGH 863, 871 (Rinderbesamung II); BGH WuW/E BGH 1205, 1210 (Verbandszeitschrift). 377 Markert, in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 38. 378 Zum Begriff: Bunte 214; Markert, in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 39. 379 Die Vorschrift wurde durch die 2. GWB-Novelle 1973 eingeführt, um die freien Tankstellen davor zu schützen, dass die Mineralölkonzerne ihre „eigenen“ Tankstellen bevorzugt beliefern; Commichau/Schwartz Rn. 345. 380 So seit BGH GRUR 1993, 592, 593 f. (Herstellerleasing). 381 Bechtold, § 20 Rn. 17. 382 Siehe § 35 Abs. 1 Nr. 1 GWB; Bechtold, § 20 Rn. 17; siehe auch Commichau/Schwartz Rn. 337; a. A. Markert, in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 44; der Verzicht auf absolute Grö374 375
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Veranstalter von vornherein aus dem Anwendungsbereich aus 383. Da diese Anbieter aufgrund ihrer Publikumsakzeptanz aber für einen jeden Netzbetreiber ohnehin unverzichtbar seien dürften, entstehen hier keine größeren Schutzlücken 384. Die verbleibenden auch im Verhältnis zur Konkurrenz relativ kleinen und mittleren Veranstalter müssen weiterhin vom Kabelnetzbetreiber „als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen in der Weise abhängig [sein], dass ausreichende und zumutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen“, § 20 Abs. 2 Satz 1 GWB. Dabei stellt sich die Frage, ob die Veranstalter in eine Abhängigkeit als Anbieter (von Programmen) oder als Nachfrager (von Signaltransportdienstleistungen) geraten können und damit letztlich wiederum die Frage nach dem Geschäftsmodell des Kabelnetzbetreibers 385: beim Vermarktungsmodell tritt der Netzbetreiber als Nachfrager von Programmen auf, so dass im Hinblick auf die Veranstalter deren Abhängigkeit als Anbieter zu prüfen ist. Beim Transportmodell sind sie dagegen in ihrer Marktfunktion als Nachfrager der Weiterverbreitungsleistung betroffen. Im folgenden soll eine Abhängigkeit der Veranstalter im Sinne von § 20 Abs. 2 für beide Konstellationen kurz beleuchtet werden. Abhängigkeit als Anbieter (auch nachfragebedingte Abhängigkeit genannt 386) liegt abstrakt dann vor, wenn der Anbietende – hier die Veranstalter – nicht mehr zumutbar auf andere Abnehmer ausweichen kann. Dass ist u. a. 387 dann der Fall, wenn der Abnehmer faktisch einen hohen Anteil an der gesamten Abnahme hält388. Übertragen auf den Bereich der Kabelnetze heißt dies: der Kabelnetzbetreiber nimmt im Rahmen des Vermarktungsmodells zu einem wesentlichen Teil die (Rundfunk-)Produktion des Veranstalters ab 389. Dabei ist strittig, welche Höhe der Anteil eines Nachfragers am Absatz des Anbieters haben muss, um von einer nachfragebedingten Abhängigkeit sprechen zu können. Während Teile der Literatur bereits ab 10 % Absatzanteil von einem ersten Anschein einer nachfragebedingten Abhängigkeit ausgehen 390, hat die Rechtsprechung bislang Abhängigkeit in Fällen bejaht, in denen ßen führt aber zu einer von Markert (Rn. 43) gerade beklagten problematischen Rechtsunsicherheit der Verbotsnorm. Dagegen erscheint der Rückgriff auf die Größen der Fusionskontrolle als systematische Auslegung gut begründbar. 383 Z. B. lag der Umsatz der ProSiebenSat.1 Gruppe bei 2,015 Milliarden Euro Umsatz (Quelle: Geschäftsbericht 2001 der ProSiebenSat.1 Media AG). 384 Gleichwohl wird vorgeschlagen, den Kreis der durch §20 Abs. 2 GWB Begünstigten auszudehnen, Engel, Medienordnungsrecht, 140 (Empfehlungen). 385 So auch Engel, ZUM 1997, 315, der seiner Untersuchung zu §20 Abs. 2 GWB aber allein das Vermarktungsmodell zu Grunde legt. 386 Z. B. bei Markert, in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 77 ff. 387 Dargestellt sind die Fallgruppen bei Engel, ZUM 1997, 316. 388 Emmerich 220 f.; Markert, in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 80. 389 Abnahme heißt hier, dass der Netzbetreiber dem Programmveranstalter Reichweite u. damit mittelbar Einnahmen verschafft oder aber direkt für das Programm bezahlt. 390 Markert, in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 81 für Konsumgüterhersteller im Verhältnis zum Handel; a. A. Engel, ZUM 1997, 316. 15 Bauer
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
der Anteil des marktstarken Unternehmens am Absatz des Abhängigen 40 – 80 % betrug 391. Solche Größenordnungen werden nur bei Exklusivbindungen erreicht werden, wenn also ein Veranstalter sein Programm nur für einen bestimmten Netzbetreiber produziert, oder aber bei regio-lokalen Angeboten. Ansonsten dürfte ein bundesweiter Anbieter kaum in eine derartige Abhängigkeit von einem einzigen Netzbetreiber geraten. Das Vermarktungsmodell entzieht sich damit weitgehend der Steuerung durch § 20 Abs. 2 GWB. Anderes könnte für das Transportmodell gelten. Von einer Abhängigkeit ist nach dem Wortlaut der Vorschrift dann auszugehen, wenn das geschützte Unternehmen (hier: Veranstalter) aufgrund fehlender oder unzumutbarer Bezugsalternativen vom Marktstarken abhängig ist 392. Im Kern ist die Frage nach der Abhängigkeit damit wiederum eine Frage der alternativen Zugangswege, wie sie sich bereits mehrmals im Kartellrecht gestellt hat. Behandelt man alle Übertragungswege als austauschbar, dann wird man im Ergebnis regelmäßig auch keine Abhängigkeit der Veranstalter von einzelnen Kabelnetzbetreibern feststellen. Unterstellt die mehreren Wege zum Fernsehzuschauer stehen nicht in einem Alternativverhältnis, wird man dagegen von einem – bereits durch Abs. 1 erfassten – marktbeherrschenden Kabelnetzbetreiber auszugehen haben. Die Erweiterung des Schutzbereiches durch die Rechtsgrundverweisung des § 20 Abs. 2 GWB vermag deshalb zur Antwort auf die Frage, ob das Kartellrecht vor den Gefahren vertikaler Integration ausreichend schützt, wohl nur wenig beizutragen. Wenn aber Abs. 1 ausnahmsweise nicht vorgreiflich sein sollte, so gilt Folgendes: Literatur und Rechtsprechung haben Fallgruppen gebildet 393, welche die typischen Besonderheiten einzelner Abhängigkeitsformen erfassen. Im Hinblick auf das Verhältnis Kabelnetzbetreiber – Veranstalter ist die Fallgruppe der mangelbedingten Abhängigkeit einschlägig, die alle Fälle erfasst, in denen der Lieferant angesichts knapper Ressourcen vorrangig seine „eigenen“ Konzernunternehmen versorgt 394. Gelöst werden diese Fälle wiederum im Wege der Abwägung zwischen den Rechten des marktstarken und des abhängigen Unternehmens. Dabei kann wegen der vergleichbaren Interessenlage nichts anderes gelten als im Rahmen des § 20 Abs. 1 GWB: In der Mangellage kommt dem Netzbetreiber jedenfalls dann ein Vorsprung zu, wenn ansonsten seine Wettbewerbsstellung auf dem abgeleiteten Markt gefährdet wäre 395.
391 BGH, 8.5.1990, WuW/E BGH 2665, 2666 (Physikalisch-therapeutische Behandlung) 40 % u. BGH, 22.4.1994, BGH GRUR 1994, 526, 527 (Orthopädisches Schuhwerk) 80%. 392 Zu den Anforderungen im Einzelnen Markert, in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 49 f.; Zagouras 81 ff. 393 Die anerkannten vier Fallgruppen werden übersichtsartig bei Commichau/Schwartz Rn. 340 ff.; Bechtold, § 20 Rn. 19–25 dargestellt. 394 Emmerich 218; Commichau/Schwartz Rn. 345; Markert, in: Immenga/Mestmäcker, § 20 Rn. 75. 395 Ablehnend gegenüber Repartierungspflichten jenseits von Rohstoffverknappung Bechtold, § 20 Rn. 25.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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(c) Ergebnis Betrachtet man zusammenfassend die Schutzfunktion des § 20 GWB für den Meinungspluralismus, so lässt sich folgendes Fazit ziehen: Soweit der Kabelnetzbetreiber das Transportmodell verfolgt, sind die Veranstalter über die Rechtsfigur der Liefersperre wenigstens dem Grundsatz nach vor wettbewerbsfremder Einspeiseverweigerung geschützt. Das bedeutet aber nicht, dass eine marktkonforme Differenzierung nach Attraktivität der Programmangebote unzulässig ist. Je mehr der Veranstalter in die Position des publizistisch auswählenden Paketanbieters rückt, desto weniger vermag § 20 GWB zu leisten. Im Hinblick auf die vertikale Integration bleibt die Vorschrift ebenfalls wirkungsschwach. Insbesondere dann, wenn der „eigene“ Veranstalter eng an die Kabelnetzmutter gebunden ist, kann § 20 GWB mangels Marktbezug der Vorgänge ganz ausfallen. Auch eine bevorzugte Einspeisung „eigener“ Programme in der Mangellage zur Sicherung der Wettbewerbsposition auf dem abgeleiteten Markt wird als marktkonformes, letztlich durch Art. 14 GG gedecktes Verhalten, nicht kartellrechtlich zu unterbinden sein. § 20 GWB ist demnach nur bedingt geeignet, vor den Gefahren vertikaler Integration für die Meinungsvielfalt zu schützen. (3) § 36 Abs. 1 GWB (Zusammenschlussverbot) Die Gefahren vertikaler Integration können schließlich noch bei vertikalen 396 Zusammenschlüssen Berücksichtigung finden. Während die oben dargestellte Verhaltenskontrolle missbräuchliches Verhalten des bereits marktbeherrschenden vertikal integrierten Netzbetreibers betrifft, setzt die Zusammenschlusskontrolle vorher an: unausgewogene Marktstrukturen sollen präventiv verhindert werden 397. Es geht hier also um den Vorgang der vertikalen Integration selbst. Das Zusammengehen eines Veranstalters mit einem Netzbetreiber – und nur diese Art der Fusion soll hier untersucht werden – hat das Bundeskartellamt gemäß § 36 Abs. 1 GWB grundsätzlich zu untersagen, wenn die folgenden zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Zum einen muss der Zusammenschluss seinem wirtschaftlichen Gewicht nach überhaupt vom GWB erfasst sein, man spricht insofern von Aufgreifkriterien (dazu unter (a)). Zum andern ist der Zusammenschluss nur zu verbieten, wenn von ihm zu erwarten ist, „dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt“ (§ 36 Abs. 1 1. Hs. GWB) und wenn nicht die mit dem Zusammenschluss verbundenen Vorteile die Nachteile gemäß § 36 Abs. 1 2. Hs. GWB überwiegen, hier ist von Eingreifkriterien die Rede (dazu unter (b)). Sind beide Kriterien zu bejahen, so kann die Fusion ausnahmsweise durch den zuständigen Bundesminister dennoch gestattet werden, (dazu unter (c)). 396 Auch bei Zusammenschlüssen von Unternehmen wird idealtypisch zwischen horizontalen, vertikalen u. konglomeraten unterschieden, Emmerich 252 f. 397 Emmerich 251 sowie ausführlich zum Zweck der Fusionskontrolle Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, Vor § 35, Rn. 26 ff.
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
(a) Aufgreifkriterien Die nationale Fusionskontrolle greift nur dann, wenn die Umsatzschwellen des § 35 GWB überschritten sind, die inmitten stehende Unternehmensverbindung einen Zusammenschluss nach § 37 GWB darstellt und kein Fall der vorrangigen europäischen Fusionskontrolle vorliegt. Besonderheiten für eine vertikale Fusion zwischen Kabelnetzbetreiber und Fernsehveranstalter können sich einmal bei den Umsatzschwellen ergeben: § 35 GWB unterwirft der Kontrolle nur solche Zusammenschlüsse, bei denen die beteiligten Unternehmen insgesamt als auch ein jedes der Unternehmen für sich, bestimmte Umsätze erreichen, § 35 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GWB 398. Während an sich die maßgeblichen Umsätze allein nach dem HGB zu ermitteln sind, werden im Medienbereich die so ermittelten Umsätze mit dem Faktor zwanzig vervielfacht: „Für den Verlag, die Herstellung und den Vertrieb von Zeitungen, Zeitschriften und deren Bestandteilen, die Herstellung, den Vertrieb und die Veranstaltung von Rundfunkprogrammen ... ist das Zwanzigfache der Umsatzerlöse in Ansatz zu bringen“, § 38 Abs. 3 GWB 399. Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass der Umsatz des am Zusammenschluss beteiligten Fernsehveranstalters zu vervielfachen ist. Fraglich ist aber, ob gleiches auch für den Umsatz des Netzbetreibers gilt. Dem Wortlaut nach passt die Formulierung „Vertrieb von Rundfunkprogrammen“ auf die Tätigkeit des Netzbetreibers. Gleichwohl wird in der Literatur unter Vertrieb stets etwas anderes verstanden, nämlich die Zulieferung von Rahmenprogrammen, etwa an solche lokalen (Hör-)Rundfunkveranstalter, die sich kein eigenes Vollprogramm leisten können 400. Diese Ansicht erscheint zu eng: Einmal spricht die systematische Auslegung für die Erfassung auch der Weiterverbreitung von Rundfunk. Denn unter dem Wort „Vertrieb“ von Presseprodukten wird unstreitig die Weiterverbreitung des Presseproduktes verstanden 401. Es ist aber kein Grund ersichtlich, warum elektronische Weiterverbreitungsformen nicht unter den Vertriebsbegriff fallen oder aber warum in ein und derselben Vorschrift unterschiedliche Vertriebsbegriffe zur Anwendung kommen sollten. Auch die teleologische Auslegung stützt diese Ansicht: ging es dem Gesetzgeber darum, gerade regionale publizistische Konzentrationstendenzen sowie neue, arbeitsteilige Herstellungsweisen im Medienbereich zu erfassen, so muss dies auch für die Produktionsstufe der Weiterverbreitung von Rundfunksignalen mit dem gerade ihr innewohnenden Gefahrenpotential gelten. Unter Vertrieb ist deshalb auch die Weiterverbreitung zu verstehen. Diese Ansicht wird vom Bundeskartellamt Näher dazu: Emmerich 254 ff.; Bechtold, § 35 Rn. 21 ff. Die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift wird bejaht von Zagouras 138 ff., der zu Recht darauf hinweist, dass der Bund beim Erlass von Vorschriften zur Verbesserung der Wettbewerbsverhältnisse aufgrund der unterschiedlichen Zielrichtung – dort Sicherung der Meinungs-, hier Sicherung der Wettbewerbsfreiheit – nicht verfassungswidrig in die Rundfunkkompetenz der Länder eingreift; siehe dazu schon oben E.IV. 1. c) aa). 400 So mit Hinweis auf die gesetzgeberische Begründung: Emmerich 256 f.; ebenso Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, § 38 Rn. 33; Bechtold, § 38 Rn. 6; Zagouras 140. 401 Siehe z. B. Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, § 38 Rn. 29. 398 399
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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an sich geteilt, aber im Hinblick auf die Einspeiseentgelte eingeschränkt: In seiner Liberty-Entscheidung hat das Amt ausgeführt, dass Vertrieb nur gegenüber den Endkunden vorliege, da der Bereitstellung der Inhalte ein vertriebstypisches Auswahlrisiko innewohne. Die Umsätze aus von den Veranstaltern gezahlten Einspeiseentgelten seien dagegen mit der – vertriebsfremden – tatsächlichen Bereitstellung einer Infrastruktur erzielt und unterfielen mithin ebenso wenig wie bloße Presseverteilungsunternehmen der Medienrechtsklausel 402. Ebenfalls zu einer Erfassung der Netzbetreiberumsätze gelangte man schließlich, wenn man unter „Veranstaltung“ auch die Weiterverbreitung fasste 403. Dagegen spricht aber, dass zum einen die Weiterverbreitung schon dem Wortsinn nach dem Tatbestandsmerkmal „Vertrieb“ näher steht und zum anderen der Betreiber eines Kabelnetzes jedenfalls rundfunkrechtlich – dass hier ein neuer, kartellrechtlicher Veranstalterbegriff geschaffen werden sollte, ist nicht erkennbar – regelmäßig kein Veranstalter ist 404. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass sowohl Umsatzerlöse des Rundfunkveranstalters als auch – jedenfalls die mit Endkunden erzielten – Umsatzerlöse des Kabelnetzbetreibers nach § 38 GWB zu vervielfachen sind. Im Rahmen der Bagatellgrenzen ist weiterhin noch auf die Vorschrift des § 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GWB einzugehen, die es kleineren Unternehmen erlaubt, sich ungehindert größeren anzuschließen, selbst dann wenn die Bagatellgrenzen an sich überschritten sind (sog. Anschlussklausel) 405. Da die Konzentration im Medienbereich weiter befördert würde, wenn z. B. kleinere lokale Einheiten sich großen Medienakteuren anschlössen, wurde für den Pressebereich eine Gegenausnahme geschaffen in Form des § 35 Abs. 2 Satz 2 GWB 406. Nach dem eindeutigen Wortlaut gilt diese Ausnahme für Rundfunkunternehmen nicht407. Da deren Umsätze jedoch auch der Verzwanzigfachung unterfallen 408, gilt die Anschlussklausel nur dann, wenn der Veranstalter nach HGB-Berechnung weniger als eine halbe Million Euro Jahresumsatz erzielt 409. Solche Kleinstunternehmen können hier aber außer Betracht bleiben. Was das Zusammenschlusserfordernis der Fusionskontrolle angeht, erfasst die Regelung in § 37 GWB wegen ihrer teils generalklauselartigen Weite, insbesondere des sog. Kontrollerwerbes, § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB 410, fast alle denkbaren Fälle exBKartA, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 35 f. In diese Richtung kann Zagouras (140) verstanden werden. 404 Anderes gilt natürlich wenn der Netzbetreiber selbst ein Programm verantwortet u. Lizenznehmer nach § 20 Abs. 1 RStV ist. 405 Bechtold, § 35 Rn. 27 ff.; Trafkowski 29. 406 Bechtold, § 35 Rn. 30. 407 Die unterschiedliche Regelung in § 35 (nur Presse) u. § 38 (Presse u. Rundfunk) beruht auch nicht etwa auf einem Redaktionsversehen, Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäkker, § 35 Rn. 25, die deshalb – zu Recht – eine analoge Anwendung ablehnen. 408 Bechtold, § 35 Rn. 30. 409 Dies verkennt wohl Trafkowski 29. 410 Die Vorschrift ist Art. 3 FKVO (Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21.12.1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen) nachgebildet. 402 403
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
ternen Wachstums, insoweit ergeben sich für die hier darzustellenden vertikalen Fusionen auch keine Besonderheiten 411. Hinzuweisen ist aber darauf, dass durch die Fusionskontrolle Abhängigkeiten, die sich allein auf Lieferbeziehungen gründen, nach wohl überwiegender Ansicht nicht aufgegriffen werden. Denn der Kontrollerwerb nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GWB betrifft ebenso wenig tatsächliche Abhängigkeiten 412 wie der Auffangtatbestand, § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 GWB, der – enger als der Wortlaut vermuten lässt – nach ganz herrschender Meinung nur gesellschaftsrechtlich vermittelten Einfluss erfasst 413. Hierin unterscheidet sich das Kartellrecht von den Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages, der mit der Vorschrift § 28 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RStV auch bloße (kaufvertragliche) Programmzulieferung erfasst 414. Weiterhin nicht erfasst werden dem Wesen der Fusionskontrolle nach die Fälle des internen Wachstums eines Unternehmens 415. Das bedeutet aus rundfunkrechtlicher Perspektive eine Schwäche des deutschen Kartellrechts 416 und hat u. a. zu der Forderung geführt, die Zulassung als Veranstalter nach § 20 RStV solle als Zusammenschluss fingiert werden 417. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Regelungsvorschlag als verfassungskonform angesehen, jedoch offen gelassen, ob es seiner Umsetzung aus verfassungsrechtlicher Sicht bedarf 418. Demnach läge ein zustimmungspflichtiger Zusammenschluss auch dann vor, wenn der Kabelnetzbetreiber zulassungspflichtig selbst Rundfunk veranstaltet oder einen Veranstalter als eigenständiges Unternehmen ausgründet und dann dessen Zulassung beantragt. Für eine solche Zusammenschlussfiktion spricht, dass damit den Schwächen des Kartellrechts, nämlich Marktmacht durch internes Wachstum nur schwerlich unterbinden zu können, zumindest ansatzweise begegnet wird. Da andererseits eine Zulassung nach § 26 Abs. 3 RStV bei vorherrschender Meinungsmacht nicht erteilt werden darf, und vorherrschende Meinungsmacht oftmals mit Marktbeherrschung zusammenfällt, wird aber die Fusionsfiktion in den meisten Fällen zu Doppelprüfungen – ohne erkennbar bessere Ergebnisse als bei alleiniger Anwendung des § 26 RStV – führen 419. Hinzukommt, dass das Verbot internen Wachstums dem deutSiehe im Einzelnen z. B. Emmerich 264 ff. Wie hier: Emmerich 268; a. A. Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, § 37 Rn. 40. 413 Emmerich 280; Bechtold, § 37 Rn. 36 f., jeweils mit Hinweis auf die Gesetzesbegründung. 414 Näher dazu Trute, in: Hahn/Vesting, § 28 Rn. 11 ff. 415 Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, Vor § 35 Rn. 28. 416 Ebenso Bender 218 f., der auf die Unterschiede zum US-amerikanischen Kartellrecht aufmerksam macht. 417 Siehe z. B. Monopolkommission Rn. 557. Zustimmend z. B. Engel, Medienordnungsrecht, 32; Trafkowski 27. 418 BVerfGE 73, 118, 175 f. 419 A. A. Trafkowski, 26 f., der ausführt, durch die Fusionsfiktion würden Doppelprüfungen vermieden. Das leuchtet de lege lata nicht ein, denn wenn der Anwendungsbereich der kartellrechtlichen Kontrolle ausgedehnt u. damit die Prüfungstätigkeit des Kartellamtes begründet 411 412
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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schen Kartellrecht fremd und volkswirtschaftlich fragwürdig ist 420. Schließlich ist im Zeitpunkt der Zulassung der Erfolg eines Programms nur schwer vorherzusagen 421. Die Fusionsfiktion ist deshalb wenig hilfreich und mit der h. M. abzulehnen 422; allenfalls kann sie dann in Betracht gezogen werden, wenn man § 26 RStV mit dem dann veränderten Kartellrecht harmonisierte 423. Abschließend ist noch auf den Vorrang der europäischen Fusionskontrolle 424 hinzuweisen, § 35 Abs. 3 GWB. Nach dieser Vorschrift unterfällt ein Zusammenschluss vorrangig, d. h. unter vollständiger Verdrängung des nationalen Kartellrechts, europäischer Zusammenschlusskontrolle, wenn die FKVO 425 die Kompetenz der Kommission eröffnet. Das bestimmt sich in erster Linie danach, ob ein Zusammenschluss von „gemeinschaftsweiter Bedeutung“ im Sinne der Art. 1 Abs. 2 und 3 FKVO vorliegt 426. Zunächst ist festzuhalten, dass Rundfunk in allen seinen wirtschaftlichen Erscheinungsformen dem Gemeinschaftsrecht und damit der europäischen Zusammenschlusskontrolle unterfällt 427; gleiches gilt für die Verbreitung von Rundfunk als eine Dienstleistung im Sinne des EGV428. Gleichwohl dürfte die europäische Fusionskontrolle bei den hier inmitten stehenden vertikalen Fusionen die nationale Zusammenschlusskontrolle nicht etwa vollständig verdrängen. Denn zum einen wird oftmals die 2/3-Klausel 429, wonach ein Zusammenschluss dann keine gemeinschaftsweite Bedeutung besitzt, wenn die beteiligten Unternehmen jeweils mehr als zwei Drittel ihres Umsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat tätigen, die europarechtliche Fusionskontrolle ausschalten 430. Zum anderen müssen nach der FKVO sehr hohe Umsatzschwellenwerte erfüllt sein431, wobei die Umsätze im Medienbereich auch nicht etwa wie im Rahmen des § 38 Abs. 3 GWB zu erhöhen wird, ohne dass gleichzeitig die Prüfung nach § 26 RStV entfällt, kommt es gerade zu einem mehr an Prüfung. Anderes mag für die Landesmediengesetze gelten, die auf das Ergebnis der kartellrechtlichen Prüfung abstellen, z. B. § 17 Abs. 4 TRG, § 8 Abs. 3 SächsPRG. 420 Spieler 162 ff.; siehe auch Bender 234. 421 Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, Vor § 35 Rn. 93. 422 Ablehnend z. B: Scholz, AfP 1983, 262 ff.; Hendriks, ZUM 1988, 209 ff.; in neuerer Zeit Tschon 293. 423 Einen ersten Schritt in diese Richtung ist die KEK gegangen, indem sie für das Tatbestandsmerkmal „marktbeherrschend“ in § 26 Abs. 2 Satz 2 Fall 1 RStV der Entscheidung des Kartellamtes Tatbestandswirkung beimisst, KEK, Konzentrationsbericht, 6. 424 Zur europäischen Fusionskontrolle unter Berücksichtigung medienrechtlicher Besonderheiten Trafkowski 111 ff.; Bender 237 ff. 425 Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21.12.1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (abgedruckt bei Bechtold, Anhang D 3). 426 Näher dazu Commichau/Schwartz Rn. 790 ff. 427 Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, Vor § 35 Rn. 71 f. 428 Siehe oben B. II. 1. b) bb) aaa) (3). 429 Art. 1 Abs. 2 u. 3 FKVO jeweils a. E. 430 Zu dieser – aufgrund der kulturell bedingten stark nationalen Ausrichtung – häufigen Konstellation im Medienbereich Trafkowski 114; die 2/3-Regel griff auch im Fall Liberty (BKartA, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 8), so dass das Bundeskartellamt zuständig war. 431 Im Einzelnen Art. 1 Abs. 2 u. Abs. 3 FKVO, siehe dazu Emmerich 462.
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
sind 432. Allein aus diesen Gründen 433 verbleibt der nationalen Zusammenschlusskontrolle noch ein erheblicher Anwendungsbereich434.
(b) Eingreifkriterien Sind die Aufgreifkriterien erfüllt, ist im Rahmen der Zusammenschlusskontrolle zu beurteilen, ob durch das Zielunternehmen eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt wird. Ist dies der Fall, so hat das Bundeskartellamt den Zusammenschluss grundsätzlich zu untersagen, § 36 Abs. 1, 1. Hs. GWB; nur ausnahmsweise ist von einem Verbot abzusehen, wenn die wettbewerblichen Vorteile überwiegen, § 36 Abs. 1, 2. Hs. GWB.
(aa) Prognose der Marktstruktur Da die Fusionskontrolle präventiv greift, muss eine Prognoseentscheidung getroffen werden 435; die Wettbewerbsbedingungen vor und nach dem Zusammenschluss sind im Voraus zu vergleichen 436. Wegen der Unsicherheit, die in einer solchen zukunftsgewandten Prüfung liegt, ist in erster Linie auf die mit dem Vollzug sogleich eintretenden Folgen abzustellen. Darüber hinaus müssen aber auch Entwicklungen in fernerer Zukunft berücksichtigt werden, soweit sie aufgrund von nachweisbaren Tatsachen mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten werden 437. Maßgebliches Beurteilungskriterium für die mit der Fusion einhergehenden Gefahren ist die Veränderung der Marktstruktur, weniger das unternehmerische Verhalten auf Commichau/Schwartz Rn. 800. Daneben ist noch zu beachten: Art. 9 FKVO erlaubt die Rückverweisung an die nationalen Kartellbehörden, wenn der Zusammenschluss besonders den Markt eines Mitgliedstaates betrifft, der alle Merkmale eines „gesonderten“ Marktes aufweist. Dies dürfte insbesondere im Medienbereich mit seinen kulturellen u. sprachlichen Barrieren häufig der Fall sein, wenngleich die Kommission von Art. 9 FKVO nur zurückhaltend Gebrauch macht (siehe näher bei Mestmäcker, in: Immenga/ders., Vor § 35 Rn. 76). Der Vorrang europäischer Zusammenschlusskontrolle wird bei Fusionen im Rundfunkbereich weiterhin durch Art.21 Abs. 3 FKVO eingeengt, der nationale Maßnahmen zum Schutz berechtigter Interessen zulässt u. als berechtigte Interessen u. a. die „Medienvielfalt“ nennt. Daraus wird gefolgert, dass die nationalen Behörden, solche Zusammenschlüsse – unter den engen Voraussetzungen der Geeignetheit u. Verhältnismäßigkeit u. nur aus medienrechtlichen Gründen – verbieten dürfen, die die Kommission nach allein am Maßstab der Wettbewerbsfreiheit ausgerichteter Prüfung genehmigt hat (Mestmäcker, in: Immenga/ders., Vor § 35 Rn. 73 f.). 434 Siehe auch Emmerich 250, wonach allgemein die deutsche Fusionskontrolle bisher nur wenig an Bedeutung eingebüßt habe. 435 Das ergibt sich auch aus dem Wortlaut („erwarten“), Emmerich 284; Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 Rn. 128. 436 Bechtold, § 36 Rn. 2. 437 Grundlegend BGHZ 71, 102, 116 ff.; noch restriktiver z. B. Zagouras 119 f. 432 433
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dem Markt; es kann ohnehin kaum eingeschätzt werden438. Kurzum: die Fusionskontrolle ist struktur-, nicht verhaltensorientiert 439. (bb) Betroffene Märkte Kommt also Analyse und Prognose der Marktstruktur nach dem Gesagten überragende Bedeutung für die Fusionskontrolle zu, so rückt wiederum die Marktabgrenzung in den Mittelpunkt der Untersuchung. Denn Marktstrukturen und – aus ihnen abgeleitet – die Feststellung der Marktbeherrschung können sich immer nur auf einen bestimmten Markt beziehen. Bei der hier interessierenden vertikalen Fusion eines Veranstalters mit einem Netzbetreiber kommen mehrere Märkte in Frage 440: zum einen sind die den Kabelnetzbetreiber, zum anderen die den Veranstalter betreffenden Märkte abzugrenzen. Was den Netzbetrieb angeht, gilt Folgendes: Da die relevanten Märkte im Rahmen der Fusionskontrolle wie im Bereich der Missbrauchskontrolle, nämlich nach § 19 Abs. 2 GWB abzugrenzen sind 441, kann auf die obigen Ausführungen zur Marktabgrenzung verwiesen werden. Auch hier wird man also – wenn auch nicht unbestritten – sinnvollerweise wieder von einem auf die Kabelweiterverbreitung beschränkten Endkunden- 442 und Einspeisemarkt 443 auszugehen haben. Wie die Märkte im Bereich der Programmveranstaltung im Einzelnen abzugrenzen sind, steht ebenfalls im Streit 444: So ist fraglich, ob für den Bereich des kostenfreien Fernsehens 445, des „FreeTV“, überhaupt ein Zuschauermarkt anzunehmen ist. Dies wird von einer im Vordringen begriffenen Meinung bejaht 446. Ihr zufolge erfülle der zwischen den Veranstaltern bestehende Qualitätswettbewerb die Funktion des Preiswettbewerbs, der naturgemäß im „FreeTV“ so nicht entstehen könne. Auch erbringe der Zuschauer ein Zeitopfer und damit eine dem finanziellen Austausch vergleichbare Leistung 447. Dem wird von der wohl noch herrschenden Meinung 448 – zu Zum Ganzen: Emmerich 284 f.; Bunte 264. Commichau/Schwartz Rn. 502. 440 Derartige Fusionen sind deshalb wesentlich schwieriger zu beurteilen als horizontale Fusionen, bei denen regelmäßig nur ein einziger Markt betroffen ist. 441 Commichau/Schwartz Rn. 503; Bunte 263. 442 Siehe oben E. IV. 1. c) cc) aaa) (1) (a). 443 Siehe oben E. IV. 1. c) cc) aaa) (1) (b). 444 Siehe zu diesem Problem vor allem Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, vor § 35 Rn. 79 ff.; Buchholtz ZUM 1998, 108 ff. passim, jeweils m. w. N. 445 Pay-TV-Programme – hier wird aufgrund der entgeltlichen Austauschbeziehung zum Abonnenten unstreitig ein Zuschauermarkt angenommen – spielen dagegen aufgrund derzeit geringer Zuschauerquoten vor allem im Hinblick auf den Meinungspluralismus noch keine große Rolle; sie sollen deshalb aus Gründen der Vereinfachung unberücksichtigt bleiben. 446 Trafkowski 34; Schmidt, ZUM 1997, 472 ff.; Mailänder 261; Degenhart, in: Dolzer/Vogel/Graßhof, BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 876. 447 Schmidt, ZUM 1997, 474; Mailänder 261. 438 439
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Recht – entgegengehalten, dass die dem Marktbegriff des GWB immanente entgeltliche Austauschbeziehung beim Zuschauermarkt fehle, da der Zuschauer im Hinblick auf die privaten Veranstalter nichts bezahle und im Hinblick auf die öffentlichrechtlichen Veranstalter die Gebühr für das Bereithalten des Empfangsgerätes, nicht aber für die konkrete Nutzung fällig werde. Allgemein anerkannt wird dagegen ein Fernsehwerbemarkt, auf dem sich die Nachfrage der werbenden Unternehmen nach Sendezeit bzw. nach Zuschauerkontakten und deren Angebot durch die Veranstalter gegenüberstehen 449. Damit kann ein vertikaler Zusammenschluss im Wesentlichen drei Märkte strukturell verändern: den Fernsehwerbemarkt, den Endkunden- und den Verbreitungsmarkt. (cc) Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung Sind die betroffenen Märkte festgelegt, ist auf die Tatbestandsalternativen der Begründung einer marktbeherrschenden Stellung oder deren Verstärkung einzugehen. Die Beherrschung ist dabei ebenfalls unter Rekurs auf § 19 Abs. 2 GWB zu bestimmen 450, so dass auf die obigen Ausführungen zum Beherrschungstatbestand zurückgegriffen werden kann. Ausschlaggebend – sowohl für die Begründung als auch die Verstärkung – ist demnach, ob und inwieweit für das Zielunternehmen ein übermäßiger, vom Wettbewerb nicht mehr kontrollierter Verhaltensspielraum – erstmalig oder verstärkt – besteht 451. Eine Begründung der marktbeherrschenden Stellung ist also dann anzunehmen, wenn die zusammengeschlossenen Unternehmen erstmalig und kausal durch die Fusion einen Verhaltensspielraum im Sinne einer marktbeherrschende Stellung erreichen 452. Die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung setzt dagegen eine schon vorhandene Marktbeherrschung voraus und dient insofern lediglich dem Schutz des Restwettbewerbs bzw. potentiellen Wettbewerbs 453. Dieser ist umso nachhaltiger zu schützen, je weiter die Vermachtung bereits vorangeschrit448 Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, vor § 35 Rn. 80; Parlasca, WuW 1994, 214; für die wegen methodengleicher Marktabgrenzung (Bedarfsmarktkonzept) vergleichbare europäische Fusionskontrolle Frey, ZUM 1998, 987 f., so auch die Kommission in den Entscheidungen 94/922/EG, ABl. L 364, Rn. 32 f. (MSG Media Service) u. 99/153/EG, ABl. L 53 v. 27.2.1999, Rn. 18 (Bertelsmann/Kirch/Premiere), anders wohl dagegen in der Entscheidung Endemol (WuW/E EV 2371, 2374 f.) v. 20.9.1995. 449 Mestmäcker, in: Immenga/Mestmäcker, vor § 35 Rn. 81; Trafkowski 37 f., der davon ausgeht, dass in Zukunft noch nach Spartenprogrammen zu differenzieren sein wird. 450 Commichau/Schwartz Rn. 503; Trafkowski 60. Dabei überwiegen Marktstrukturkriterien des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Emmerich 287. 451 So BGHZ 79, 62, 67 ff. (Klöckner/Becorit); Emmerich 287; siehe auch schon oben, E. IV. 1. c) cc) aaa) (2), zu § 19 GWB. 452 Siehe auch Bechtold, § 36 Rn. 6; Bunte 267. 453 Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 Rn. 184.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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ten ist 454. Nach der hier vertretenen engen Marktabgrenzung beim Kabelrundfunk, liegt auf Seiten des Kabelnetzbetreibers stets Marktbeherrschung vor, so dass jedenfalls im Hinblick auf die Kabelmärkte die erste Alternative des § 36 GWB, nämlich die Begründung der Marktbeherrschung, von vornherein entfällt. Wird es damit in der Regel auf die Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung ankommen, sind die besonderen Gefahren vertikaler Integration für etwaigen Substitutionswettbewerb durch andere Übertragungswege und gegebenenfalls auch für den potentiellen Wettbewerb durch Markteintritt neuer Netzbetreiber 455 zu berücksichtigen. Auch im Fernsehwerbemarkt wird es angesichts der hohen Konzentration – bislang erfüllen die beiden größten Anbietergruppen RTL und ProSiebenSat.1 die Schwellenwerte der Marktbeherrschungsvermutung des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GWB 456 – eher um die Verstärkung marktbeherrschender Stellung als um erstmalige Marktbeherrschung gehen. Anders liegt dies allenfalls bei kleinen, unabhängigen Sendern außerhalb des derzeit herrschenden Oligopols. (dd) Insbesondere durch vertikale Fusion Da sich bei vertikaler Fusion zwei Unternehmen, die auf verschiedenen Märkten auftreten, zusammenschließen, führt dies auf dem jeweiligen (Einzel-)Markt zunächst zu keinen größeren Marktanteilsverschiebungen. Während bei der horizontalen Fusion die einfache Addition der Marktanteile bereits einen Aufschluss über die veränderte Marktstellung des Zielunternehmens geben kann457, erweist sich die Prognose bei vertikalen Zusammenschlüssen damit als ungleich schwerer458: Die besonderen Gefahren, die sich für den Wettbewerb aus der Verknüpfung zweier Märkte ergeben, sind zahlenmäßig nicht leicht zu erfassen, eher qualitativer denn quantitativer Natur. Ausschlaggebend sind deshalb marktstrukturelle Vorteile jenseits von Marktanteilsgewinnen. In der Literatur werden abstrakt vor allem folgende Wettbewerbsvorteile genannt: Kostensenkungen bei Einkauf und Vertrieb, erleichterter Zugang zu Absatz- und Beschaffungsmärkten, insbesondere auch Bezugsvorteile in Knappheitssituationen 459. Dass sich diese Vorteile gerade auch beim integrierten Netzbetreiber einstellen, liegt auf der Hand 460: dem Netzbetreiber erwachGrundlegend BGHZ 82, 1, 10. Dies scheint aber allenfalls in sehr dicht besiedelten Gebieten überhaupt denkbar u. insgesamt nicht sehr wahrscheinlich; der Substitutionsdruck insbesondere durch Satellit ist dagegen nicht unerheblich. 456 In seiner Premiere-Entscheidung hat das BKartA auch erstmals offengelassen, ob die Vermutung aufgrund wesentlichen Binnenwettbewerbs der Oligopolisten widerlegt ist, BKartA WuW/E DE-V 53, 61; siehe auch KEK, Konzentrationsbericht, 203 ff.; sowie Jochimsen, K & R 1999, 437 u. v. Danwitz, ZUM 2002, 769. 457 Emmerich 312. 458 Zagouras 122. 459 Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 Rn. 224. 460 Siehe auch die oben, E. II., beschriebenen Vorteile vertikaler Integration. 454 455
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sen Vorteile durch kostenminimierten, gegebenenfalls sogar andere Wettbewerber ausschließenden Zugriff auf Programminhalte, dem Veranstalter durch gesicherte und kostengünstige Zugangswege zum Kunden. Hinzukommt die – durch die Carry-Rules allerdings eingeschränkte Möglichkeit – Wettbewerber auf dem Fernsehwerbemarkt durch Nichteinspeisung zu behindern (Gatekeeper-Position) 461. Die geringer integrierten Konkurrenten auf dem Fernsehmarkt sind im Ergebnis für den Absatz ihrer Endprodukte (Rundfunkprogramme) auf die eigenen Wettbewerber angewiesen 462. Diese geballten tatsächlichen Vorteile können auf aktuelle oder potentielle Wettbewerber darüber hinaus abschreckend und entmutigend wirken (Abschreckungseffekt) 463. Die vertikale Integration verstärkt die Marktbeherrschung des Netzbetreibers auf dem Kabelmarkt nicht nur bei Zusammengehen mit einem marktstarken Veranstalter, sondern selbst bei einer asymmetrischen Fusion mit einem marktschwachen Veranstalter. Denn einmal wird sich dessen Marktstärke im Fernsehmarkt allein durch den verbesserten Zugang zum Einspeisemarkt regelmäßig wesentlich erhöhen 464, zum anderen genügen angesichts der Monopolstellung des Netzbetreibers bereits geringe wettbewerbliche Vorteile, eine Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung anzunehmen 465. Gerade auf vermachteten Märkten ist jede weitere Verschlechterung der Marktstruktur zu Lasten potentieller Wettbewerber zu verhindern und die Markteintrittsbarriere möglichst niedrig zu halten 466. Auch wird man zu berücksichtigen haben, dass durch die Fusion der Substitutwettbewerb beeinträchtigt werden kann 467. Die dargestellten Überlegungen zur Marktveränderung bei vertikalen Fusionen werden durch die Entscheidungspraxis des Bundeskartellamtes und der Gerichte bestätigt: Diese hatten sich mehrmals mit vertikalen Fusionen im Medienbereich zu befassen 468. So war der Versuch des Axel Springer Verlages zu beurteilen, durch Erwerb eines großen Zeitschrifteneinzelhandelsunternehmens469 oder einer Bahnhofs461 Siehe auch Trafkowski 64; v. Danwitz, ZUM 2002, 771; Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 Rn. 225. 462 Siehe Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 Rn. 227. 463 Emmerich 294 sowie BGHZ 71, 102, 115 ff. (Kfz-Kupplungen), 82, 1, 10 (Zeitungsmarkt München), u. 119, 346, 364 (Pinneberger Tageblatt); das Abstellen auf den Abschreckungs- u. Entmutigungseffekt wird von Bechtold mangels empirischen Nachweises seiner Existenz abgelehnt, Bechtold, § 36 Rn. 7. 464 Davon ist auch das BKartA in der Liberty-Entscheidung ausgegangen, BKartA, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 18. 465 Nach der Rechtsprechung muss die Verstärkung nicht einmal spürbar sein, BGHZ 76, 55, 72 ff.; a. A. Bechtold, § 36 Rn. 8. 466 Siehe auch BKartA, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 38. 467 Siehe insbesondere die Erfahrungen auf dem US-amerikanischen Markt, wo durch die exklusive Bindung beliebter Sportprogramme der Wettbewerb zwischen den Übertragungsmitteln erheblich beeinflusst wurde, oben E. III. 2. b). 468 Zu den zahlreichen Entscheidungen über vertikale Fusionen außerhalb des Medienbereiches siehe näher Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 Rn. 228. 469 BKartA (Springer/PSG), WuW/E BKartA 2909 ff.
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buchhandelskette 470 in den Pressevertrieb einzudringen. In beiden Fällen wurde die vertikale Fusion untersagt. Das Zusammengehen eines Inhalteanbieters mit der Ebene des Vertriebes verbessere den Zugang zu den Absatzmärkten. Dies verstärke die Marktbeherrschung des Presseunternehmens, indem es seine Marktposition zum Nachteil aktueller und potentieller Wettbewerber und bei gleichzeitiger Verschlechterung der Marktstruktur konsolidiere 471. Die Beeinflussung des Vertriebes erlaube eine bevorzugte Präsentation eigener und eine Zurücksetzung fremder Produkte472; der Kontakt zum Endkunden sichere einen Wissens- und mithin Marketingvorsprung 473. Diese Argumente sind auf das Zusammengehen von Veranstalter und Netzbetreiber ohne weiteres übertragbar. Im Fall Liberty ging es nur bedingt um eine vertikale Fusion, vielmehr stand die Fusion eines vertikal integrierten Netzbetreibers (Liberty 474) mit einem anderen, marktbeherrschenden Netzbetreiber (Breitbandsparte Telekom 475) im Mittelpunkt. Die sich aus dem Zugriff Libertys auf eigene Inhalte (Programmressourcen) ergebenden Auswirkungen auf die Marktstruktur wurden gleichwohl vom Bundeskartellamt berücksichtigt. Liberty könne seinen Einfluss auf die ihm zurechenbaren Veranstalter gezielt in der Weise nutzen, dass sein Kabelnetz bevorzugt beliefert werde; weiterhin könne das Zielunternehmen bei diesen Veranstaltern günstiger einkaufen als potentielle Wettbewerber 476. Der verbesserte Zugang zu Inhalten erlaube attraktivere Programmangebote und erschwere damit den Markteintritt anderer Netzunternehmen 477. Schließlich mache der Zugriff auf eigene Inhalte von den Angeboten fremder Veranstalter unabhängig und erhöhe damit den Verhaltensspielraum auf dem Einspeisemarkt 478. Auch diese Argumentation ist auf die direkte Fusion von Veranstalter und Netzbetreiber übertragbar. Im Ergebnis wird – Marktbeherrschung des Kabelnetzbetreibers vorausgesetzt – jede denkbare Konstellation vertikaler Integration wegen Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung von § 36 Abs. 1 GWB erfasst: Geht der Netzbetreiber mit einem auf dem Fernsehwerbemarkt dominierenden Veranstalter zusammen, so 470 BKartA (Springer/Stilke), WuW/E DE-V1 ff., bestätigt durch KG v. 28.10.1998, WuW/E DE-R 270 ff. sowie BGH v. 21.11.2000, WuW DE-R 607 ff. 471 KG, WuW/E DE-R 276. 472 BKartA WuW/E BKartA, 2909, 2912. 473 BKartA WuW/E BKartA 2909, 2911. 474 Liberty Media Corporation, Sitz: Englewood, Colorado, USA. 475 Das von Liberty zu erwerbende Unternehmen war die VIOLA Kabelgesellschaft Deutschland GmbH; in diese Holdinggesellschaft hatte die DTAG zuvor die zu übertragenden Vermögensgegenstände eingebracht, insbesondere die der Telekom Tochtergesellschaft Kabel Deutschland GmbH gehörenden sechs regionalen Netzgesellschaften der Netzebene 3 sowie die Anteile der die Netzebene 4 betreibenden Telekom-Töchter; zu den Einzelheiten siehe BKartA, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 5 f. 476 BKartA, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 18. 477 BKartA, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 19 f. 478 BKartA, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 22.
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führt dies zu einer verstärkten Marktbeherrschung durch das Zielunternehmen sowohl auf dem Fernsehwerbemarkt als auch auf den Kabelmärkten Endkunden und Einspeisung. Aber auch das Zusammengehen mit einem auf dem Fernsehwerbemarkt nicht dominanten Veranstalter verfestigt die Marktposition auf dem Kabelmarkt und ist deshalb an sich ebenfalls unzulässig; zu denken ist hier allerdings an strukturelle Verbesserungen auf dem Fernsehwerbemarkt, die im Rahmen der nachfolgenden Abwägung nach § 36 Abs. 1, 2. Hs. GWB zu berücksichtigen sein werden. (ee) Abwägungsklausel, § 36 Abs. 1, 2. Halbsatz GWB Nach dieser sog. Abwägungsklausel des § 36 Abs. 1, 2. Hs. GWB hat das Kartellamt einen Zusammenschluss trotz der erwarteten Verstärkung der Marktbeherrschung freizugeben, wenn die beteiligten Unternehmen nachweisen, dass durch den Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten und dass diese Verbesserungen die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen. Die geforderten Verbesserungen müssen einmal marktstruktureller Natur sein, bloße Veränderungen des Marktverhaltens sind irrelevant 479; sie müssen darüber hinaus rein wettbewerbsbezogen sein. Gesamtwirtschaftliche Vorteile, so etwa im Fall Liberty Schaffung von Arbeitsplätzen und hohe Investitionen in die Netzinfrastruktur (Digitalisierung), bleiben außer Betracht 480. Auch publizistische Vorteile einer Fusion, wie eine Stärkung der Meinungsvielfalt, müssen als nicht-wettbewerbliche Vorteile unberücksichtigt bleiben 481. Weiterhin müssen die Verbesserungen kausale Folge der Fusion sein 482 und mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb eines absehbaren Prognosezeitraumes eintreten 483. Verbesserungsmarkt kann jeder beliebige – ebenfalls vermachtete 484 – Markt sein 485. Im Hinblick auf die vertikale Fusion 479 Unstr., z. B. Emmerich 302; BGH v. 8.2.1994, WuW/E BGH 2899, 2902 (Anzeigenblätter II). 480 Allgemein: Commichau/Schwartz Rn. 535; Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 Rn. 292; im Hinblick auf Liberty BKartA, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 23. 481 Trafkowski 66. 482 Bechtold, § 36 Rn. 23; Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 Rn. 288; Zagouras 125 f. 483 BGHZ 73, 65, 81; Emmerich 303; in der Liberty-Entscheidung hat das BKartA den Prognosezeitraum für den Verbesserungsmarkt „Internetzugang“ auf drei Jahre beschränkt u. damit von Liberty vorgetragene Verbesserungen für die entferntere Zukunft außer Acht gelassen, BKartA, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 40. 484 So hat das Bundeskartellamt in der Entscheidung Liberty eine Verbesserung auf dem Fernsehwerbemarkt durch Liberty-eigene Programme u.a. bezweifelt, da die Vermachtung des Fernsehwerbemarkts nicht nachgewiesen worden sei (epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 33); dies erscheint angesichts der dort herrschenden oligopolistischen Verhältnisse sehr fragwürdig; siehe auch KEK, Konzentrationsbericht, 203 ff. Darüber hinaus soll von den Programmen kein ausreichender Wettbewerbsdruck ausgehen, um die Marktstruktur des Fernsehwerbemarktes zu verbessern. 485 Siehe auch Bechtold, § 36 Rn. 26; Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, § 36 Rn. 294.
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von Netzbetreiber und Veranstalter sind Verbesserungen vor allem auf dem Fernsehwerbemarkt denkbar 486 und zwar in der Konstellation, dass der Netzbetreiber einen nicht-marktbeherrschenden Veranstalter erwirbt. Durch die wettbewerbliche Stärkung des Veranstalters könnte das hoch konzentrierte Oligopol auf dem Fernsehwerbemarkt strukturell abgeschwächt werden 487. Als letzte Voraussetzung müssen die nachgewiesenen Verbesserungen die Nachteile der Fusion nicht nur ausgleichen, sondern vielmehr „überwiegen“ 488. Die damit notwendige Abwägung der wettbewerblichen Vor- und Nachteile leidet daran, dass es letztlich an handhabbaren und objektiven Maßstäben fehlt 489. Jedenfalls wird man Gewicht und Bedeutung der betroffenen Märkte zu vergleichen haben 490. Im Hinblick auf die hier zu untersuchende Konstellation hat man in die Abwägung einzustellen, dass der Kabelmarkt einen Schlüsselmarkt (bottleneck) für die Programmveranstaltung darstellt und ihm deshalb als Verschlechterungsmarkt besonderes Gewicht zukommt 491. Dementsprechend bedeutsam müssen die wettbewerblichen Vorteile auf dem Verbesserungsmarkt ausfallen. Eine derartige Verbesserung auf dem Fernsehwerbemarkt wäre nur anzunehmen, wenn der Netzbetreiber das Oligopol aufgrund eigener Marktstärke aufzubrechen vermag. Ein Netzbetreiber, dem dies gelingen könnte, ist jedenfalls derzeit nicht erkennbar. In der Entscheidung Liberty hat das Kartellamt weiterhin angenommen, dass solche Märkte, die wie Rundfunkvertrieb an Endkunden oder auch Rundfunkveranstaltung dem § 38 Abs. 3 GWB unterfielen, besonderes Gewicht besäßen 492. Im Fall einer Fusion von Netzbetreiber und Veranstalter neutralisiert sich dieser Einfluss indes weitgehend, da beide betroffenen Märkte der Medienklausel unterfallen. Schließlich dürfte allein angesichts der strengen Anforderungen an eine Verbesserung, deren Vorliegen noch dazu im Sinne formeller und materieller Beweislast von den beteiligten Unternehmen nachzuweisen ist493, die Abwägungsklausel bei einer Fusion zwischen Netzbetreiber und Veranstalter – wie in der kartellrechtlichen 486 Das Bundeskartellamt hat in seiner Entscheidung Liberty (epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 24 ff.) daneben Verbesserungen auf den Märkten für Sprachtelefonie, für Pay-TV, für Pay-TVPlattformen, für die Lieferung von TV-Filmen an Netzbetreiber u. für den Internetzugangsmarkt geprüft u. nur auf letzterem Markt positiv festgestellt. Dies ist aber auf die hier zu untersuchende vertikale Fusion von einem Netzbetreiber mit einem Rundfunkveranstalter nicht übertragbar, da es sich – wie bereits erwähnt – im Fall Liberty im wesentlichen um eine Fusion zweier Netzbetreiber handelte. 487 A. A. BKartA, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 33. 488 Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich dieser hohen Hürde meldet Bechtold, § 36 Rn. 22, an. 489 Siehe Emmerich 303. 490 Zagouras 126; siehe auch die Ausführungen des Bundeskartellamtes in der Entscheidung Liberty, BKartA, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 34 sowie BGHZ 82, 1, 12. 491 BKartA, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 35. 492 Unter Hinweis darauf, die Norm lasse erkennen, dass der Gesetzgeber diesen Bereich für besonders schützenswert halte; BKartA, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 35 f. u. 42. 493 Bechtold, § 36 Rn. 24.
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
Praxis überhaupt 494 – keine Rolle spielen. Dies bedeutet zugleich: das Schutzpotential der Fusionskontrolle wird nicht wesentlich geschwächt. (c) § 42 GWB, Ministererlaubnis Das Steuerungspotential des Kartellrechts könnte aber schließlich noch durch die Möglichkeit einer sog. Ministererlaubnis eingeschränkt sein. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 GWB kann der zuständige Bundesminister 495 einen vom Bundeskartellamt versagten Zusammenschluss erlauben, wenn im Einzelfall die von der Fusion ausgehenden Wettbeschränkungen von deren gesamtwirtschaftlichen Vorteilen aufgewogen werden oder der Zusammenschluss durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Im Kern geht es also darum, ob das Gemeinwohl die Wettbewerbsbeschränkung aufwiegt 496. Berücksichtigungsfähig sind in erster Linie wirtschaftspolitische Gründe wie etwa die Sicherung von Arbeitsplätzen 497, daneben aber auch nicht-ökonomische, gesellschaftspolitische Gründe, insbesondere die Sicherung der Voraussetzungen, unter denen Grundrechte verwirklicht werden 498. Damit können auch rundfunkpolitische Gründe, etwa die Meinungsvielfalt, Beachtung finden 499. Ein öffentliches Interesse an einer vertikalen Fusion zwischen Rundfunk und Netzbetrieb, das per Saldo die Verschlechterung der Marktverhältnisse auszugleichen vermag, ist nicht erkennbar. Zwar kann das Oligopol auf dem Fernsehmarkt gegebenenfalls abgeschwächt werden, dies ist aber wiederum mit Gefahren für den Meinungspluralismus verbunden. Hinzu kommt, dass auch mit an sich zulässigen Nebenbestimmungen zum Erlaubnisverwaltungsakt, der Zugang der Wettbewerber zum Netz nicht dauerhaft gesichert werden kann; es handelte sich nämlich um eine unzulässige Verhaltenskontrolle, § 42 Abs. 2 Satz 2 i.V. m. § 40 Abs. 3 Satz 2 GWB 500. Weiterhin sind an die Vorteile umso strengere Anforderungen zu stellen, je höher die Konzentration auf einem Markt ausfällt 501. Da der Netzbetreiber regelmäßig ein Netzmonopol besitzt, ist auch so gesehen kein Raum für eine Ministererlaubnis. Stets berücksichtigt werden muss auch der – Wortlaut („im Einzelfall“) und Systematik zu entnehmende – Ausnahmecharakter der Erlaubnis, der „rigorose“ Erlaubnismaßstäbe verlangt 502. Eine letzte Schranke bildet schließ494 Emmerich 301; so hat auch im Fall Liberty die Abwägungsklausel an der Ablehnung nichts geändert, BKartA, epd Nr. 17 vom 6.3.2002, 42 f. 495 Der Bundesminister hat in Person zu entscheiden, was seine persönliche politische Verantwortlichkeit betont u. einer exzessiven Nutzung der Ministererlaubnis vorbeugen soll, näher Möschel, BB 2002, 2078. 496 Emmerich 307, Bechtold, § 42 Rn. 6. 497 Z. B. BMWi v. 22.7.1997 WuW/E BMW 225, 228; Bechtold, § 42 Rn. 8; Bunte 270; sehr kritisch dazu Emmerich 309 f. 498 Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, § 42 Rn. 27. 499 Trafkowski 67; Mestmäcker, GRUR Int. 1983, 557; kritisch dagegen Tschon 303. 500 Siehe auch Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, § 42 Rn. 47 f. 501 BMWi v. 24.1., WuW/E BMW 207, 208 f.; Emmerich 308. 502 Möschel, BB 2002, 2079.
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lich § 42 Abs. 1 Satz 3 GWB, wonach eine Ministererlaubnis dann ausscheidet, wenn die marktwirtschaftliche Ordnung gefährdet wird 503. Alles in allem vermag die Möglichkeit einer Ministererlaubnis das bestehende Schutzpotential der Zusammenschlusskontrolle nur unwesentlich abzuschwächen; das zeigt auch die geringe Anzahl der Ministererlaubnisse in der Vergangenheit, zumal im Medienbereich 504. (d) Ergebnis Die gesetzlichen Regeln zur Fusionskontrolle erscheinen aufs Ganze gesehen gut geeignet, die Gefahren einer vertikalen Fusion zwischen einem marktdominierenden Netzbetreiber und einem Programmveranstalter zu beherrschen. So gut damit externes Wachstum eines Netzbetreibers gesteuert werden kann, so wirkungslos bleibt das kartellrechtliche Instrumentarium gegenüber internem Wachstum: Fälle, in denen der Netzbetreiber selbst Rundfunkveranstalter gründet, werden von der Zusammenschlusskontrolle in ihrer heutigen Ausprägung schon gar nicht erfasst. ccc) Bewertung des allgemeinen Kartellrechts Führt man sich die einzelnen Instrumente des allgemeinen Kartellrechts noch einmal vor Augen, so ergibt sich ein uneinheitliches Bild. In Teilen erscheint das GWB geeignet, vor den Gefahren vertikaler Integration zu schützen. So sichert § 20 Abs. 1 GWB angesichts ungenutzter Kapazitäten einen diskriminierungsfreien Zugang. § 36 GWB schützt darüber hinaus wirkungsvoll vor wettbewerbsfeindlichen vertikalen Fusionen. § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB erlaubt, die vertikale Integration bei der Beurteilung, ob Marktbeherrschung vorliegt, als Marktstrukturkriterium zu berücksichtigen. Überwiegend aber erweist sich das Kartellrecht eher wirkungsschwach: Denn die essential-facility-doctrine greift erst dann, wenn der Netzbetreiber auch den Fernsehwerbemarkt dominiert und damit aus rundfunkrechtlicher Sicht zu spät. Die Fusionskontrolle erfasst darüber hinaus kein internes Wachstum. Schließlich gewährt § 20 Abs. 1 GWB fremden Veranstaltern in der Mangellage keinen gleichrangigen Zugang. Vielmehr darf der Netzbetreiber seinen eigenen Bedarf jedenfalls insoweit vorrangig decken, als dies zur Sicherung seines Wettbewerbsvorsprunges auf dem abgeleiteten Markt erforderlich erscheint. Insgesamt darf also der Schutz vor den Gefahren vertikaler Integration, den das allgemeine Kartellrecht bietet, nicht überbewertet werden. 503 Näher dazu Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, § 42 Rn. 40; die hierfür notwendigen Dimensionen dürften durch die hier inmitten stehenden Fusionen aber kaum erreicht werden. 504 Im Medienbereich wurde in der Vergangenheit nur ein Antrag auf Ministererlaubnis gestellt (Burda/Springer), der aber wegen mangelnder Erfolgsaussicht zurückgenommen wurde, siehe Emmerich 307, Fn. 5; Mestmäcker/Veelken, in: Immenga/Mestmäcker, § 42 Rn. 6.
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dd) Dienstbarmachung des bereichsspezifischen Kartellrechts (TKG) Im Folgenden soll deshalb ergänzend untersucht werden, inwieweit die Gefahren vertikaler Integration mit den Mitteln des sektorspezifischen Kartellrechts zu beherrschen sind. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob netzbetreiberfremde Fernsehveranstalter mittels des TKG eine Einspeisung erzwingen können und zwar auch und insbesondere gegenüber „eigenen“ Programmen des integrierten Netzbetreibers. Ein solcher Anspruch auf Netzzugang könnte sich aus §§ 33 und 35 TKG ergeben. aaa) Anwendbarkeit des TKG auf Fernsehsignalübertragung in Kabelnetzen Zwar wird von keiner Seite bezweifelt, dass das TKG grundsätzlich auf die Rundfunkweiterverbreitung anwendbar ist 505 und auch den Übertragungsweg Breitbandkabel an sich erfasst 506. Dies gilt jedenfalls dem Wortlaut nach auch für die §§ 33, 35 TKG 507. Eine Mindermeinung 508 in der Literatur möchte aber gerade diese für den Netzzugang entscheidenden Regelungen nicht auf die Fernsehsignalübertragung anwenden. Insbesondere Bullinger hält eine teleologische Reduktion der Netzzugangsvorschriften für erforderlich 509: Er führt an, dass die inhaltsneutrale kommunikationsrechtliche Offenheitspflege von inhaltsbezogenen Regelungen des Medienrechtes zu unterscheiden sei. Letztere fielen nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes in die Kompetenz der Länder. Regele der Bund mit dem TKG auch die medienrechtliche Offenheitspflege für das Kabelfernsehen, so sei dies verfassungswidrig 510. Darüber hinaus verwiesen die beiden Zugangsvorschriften 511, was die Rechtfertigung einer Zugangsverweigerung angehe, auf die ONP-Richtlinie 512, die aber un505 Dies ergibt sich schon aus einigen seiner Vorschriften: So nennt z.B. § 2 Abs. 2 Nr. 5 TKG „die Sicherstellung einer effizienten u. störungsfreien Nutzung von Frequenzen, auch unter Berücksichtigung der Belange des Rundfunks“ als Regulierungsziel. Weiterhin macht § 47 Abs. 3 TKG die medienrechtliche Genehmigung der Landesbehörden zur Bedingung einer Frequenzzuteilung. Schließlich findet der Rundfunk auch noch in § 42 TKG u. § 97 Abs. 5 Satz 2 TKG Berücksichtigung. 506 § 45 Abs. 2 Satz 3 TKG erstreckt beispielsweise die Frequenzbereichszuweisung auch auf Frequenznutzungen „in u. längs von Leitern“ u. damit auf die Kabelweiterverbreitung. 507 Siehe dazu näher unten E. IV. 1. c) dd) ccc) (1). 508 Hierzu zählen: Bullinger, ZUM 1997, 294 ff.; Schütz, MMR 1998, 15 f.; ders., jedoch dann offen gelassen, MMR-Beilage 2/2001, 26; Bartosch, CR 1997, 522 f.; Börner, K & R 1998, 348. 509 Bullinger, ZUM 1997, 294 ff. 510 Bullinger, ZUM 1997, 293. 511 Siehe § 33 Abs. 1 Satz 2 u. § 35 Abs. 2 Satz 2 TKG. 512 Richtlinie 90/387/EWG des Rates zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste durch Einführung eines offenen Netzzuganges (Open Network Provision – ONP) v. 28.06.1990 (ABl. L 192/1).
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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streitig 513 nicht für Fernsehsignale gelte 514. Schließlich betont Bullinger, dass der Hauptanwendungsfall des Netzzugangs, nämlich die Zusammenschaltung von Netzen, ausweislich § 36 TKG auf die „Kommunikation der Nutzer verschiedener öffentlicher Kommunikationsnetze untereinander“ ziele; ein solcher Austausch zwischen den Nutzern sei aber bei den Kabelnetzen mit ihrer „Baumstruktur“, die auf Verteilung, nicht aber wie „Sternstrukturen“ auf Vermittlung gerichtet sei, gerade nicht möglich 515. Mit der überwiegenden Meinung ist hingegen die Anwendbarkeit der §§ 33 ff. TKG auch auf die Rundfunksignalübertragung zu bejahen516. Zum einen hat der Bund das Recht auf Grundlage der ihm zustehenden Kompetenzen, insbesondere aufgrund von Art. 73 Nr. 7 und Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 und Nr. 16 GG, den Wettbewerb auf dem Gebiet der Telekommunikation – auch soweit zugleich der Medienbereich betroffen ist – zu regeln; die Länderkompetenz für den publizistischen Wettbewerb steht dem – insbesondere wegen abweichender Regelungsziele – grundsätzlich nicht entgegen 517. Allein im Konfliktfall geht – aus den oben genannten Gründen – die landesgesetzliche Regelung vor. Für den hier zu untersuchenden Bereich des § 52 Abs. 4 Nr. 2 RStV, in dem der Rundfunkgesetzgeber bewusst auf eigene Regeln verzichtet, bestehen gegenüber dem Bundeskartellrecht entgegen Bullinger deshalb keine verfassungsrechtlichen Bedenken 518. Auch die ONP-Richtlinie kann nicht als Argument für eine teleologische Reduktion der §§ 33 ff. TKG dienen; vielmehr spricht das Fehlen einer entsprechenden Bereichsausnahme gerade für eine bewusste Einbeziehung des Rundfunks durch den deutschen Gesetzgeber519. Außerdem enthalten die §§ 33 ff. TKG auch keinen Generalverweis auf die ONP-Richtlinie, sondern beziehen sich allein auf konkrete Versagungsgründe 520. Was schließlich das Argument der unterschiedlichen Netzstrukturen angeht, so erscheint auch dieses 513 So heißt es schon in den Erwägungsgründen, dass die Richtlinie „die Übertragung u. Verteilung von Fernsehprogrammen über Fernmeldeeinrichtungen, insbesondere Fernsehkabelnetze“ nicht betrifft; weiters werden in Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie Telekommunikationsdienste definiert als Übertragung u. Weiterleitung von Signalen „mit Ausnahme von Rundfunk und Fernsehen“; siehe dazu auch Rudolf 86 f. 514 Bullinger, ZUM 1997, 294 f. Dieses Argument verliert in Zukunft an Bedeutung, da die ONP-RL gem. Art.26 RL 2002/21/EG zum 25.7.2003 aufgehoben wird u. die an ihre Stelle tretende Zugangsrichtlinie unstreitig auf die Übertragung von Fernsehsignalen anwendbar sein wird, siehe v. Bonin, K & R 2002, 567. 515 Bullinger, ZUM 1997, 295. 516 Gersdorf, Kabeleinspeisung von Programmbouquets, 78 ff.; Libertius, K & R 1999, 259 f.; Thierfelder 63 f.; Trafkowski 80; Weisser/Meinking, WuW 1998, 831 ff.; Jüngling 201 f.; unter besonderer Berücksichtigung europarechtlicher Aspekte Rudolf 85 ff.; einschränkend Wagner, K & R 1998, 236. 517 Siehe dazu schon oben, E. IV. 1. c) aa) sowie Libertus, K & R 1999, 260; Gersdorf, Kabeleinspeisung von Programmbouquets, 81 f. 518 So auch Trafkowski 80. 519 Libertus, K & R 1999, 260; Weisser/Meinking, WuW 1998, 834. 520 Gersdorf, Kabeleinspeisung von Programmbouquets, 83.
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
nicht stichhaltig: einmal stellt – wie der Wortlaut des § 35 Abs. 1 Satz 3 TKG zeigt – die eine Sternstruktur voraussetzende Zusammenschaltung nur einen Unterfall des Netzzuganges dar 521. Zum anderen sind die technischen Strukturen der Kabelnetze nicht statisch, sondern verändern sich im Rahmen ihrer Aufrüstung in Richtung einer Sternstruktur 522. Im Ergebnis sind also die §§ 33, 35 TKG im hier zu untersuchenden Bereich des § 52 Abs. 4 Nr. 2 RStV dem Grundsatz nach auf Fernsehkabelnetze anwendbar; dies entspricht auch am ehesten der gesetzgeberischen Intention, mit den §§ 33 ff. TKG alle Bereiche der Telekommunikation, die zuvor einem Monopol unterlagen, zu liberalisieren 523. bbb) § 33 TKG § 33 TKG verpflichtet einen marktbeherrschenden Anbieter, Wettbewerbern diskriminierungsfreien Zugang zu seinen Leistungen zu eröffnen. Anspruchinhaber können also nur Wettbewerber des Netzbetreibers sein. Der Programmveranstalter steht zwar auf dem Fernsehwerbemarkt mit dem vertikal integrierten Netzbetreiber in Wettbewerb, regelmäßig aber nicht auf dem Angebotsmarkt für Programmweiterverbreitung. Fraglich ist, ob dieses Wettbewerbsverhältnis genügt, einen Zugangsanspruch zu begründen. Der Wortlaut der Vorschrift ist unklar, da sich die Worte „auf diesem Markt“ auf das Tatbestandsmerkmal „Wettbewerber“ oder auf „diskriminierungsfreien Zugang“ beziehen können. Nach h.M. sind zugangsberechtigt nur „Wettbewerber auf diesem“, also dem beherrschten Markt, nicht Wettbewerber auf beliebig anderen Märkten 524. Dem ist zu folgen. Denn im Gegensatz zu §35 TKG will §33 TKG nur den chancengleichen Wettbewerb von Telekommunikationsanbietern untereinander 525, nicht aber Dritte schützen; er dient insofern dem Regulierungsziel des § 2 Abs. 1 TKG (Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs auf den Märkten der Telekommunikation) 526. Im Ergebnis sind mithin Rundfunkveranstalter als Inhalteanbieter, die gerade keine Telekommunikationsleistungen anbieten, nicht anspruchsberechtigt nach §33 TKG 527. Anderes kann nur dann Gersdorf, Kabeleinspeisung von Programmbouquets, 84. Weisser/Meinking, WuW 1998, 832; Trafkowski 81; Rudolf 85. 523 Libertus, K & R 1999, 260. 524 Glahs, in: Scheurle/Mayen, §33 Rn.25 f. mit Hinweis auf die Gesetzesbegründung; OVG Münster, CR 2000, 369, 371. 525 § 33 TKG könnte deshalb zum Einfallstor des sog. Durchleitungswettbewerbs zwischen mehreren Rundfunk-Weiterverbreitern werden; angesichts der besonderen technischen Umstände im Bereich der Rundfunkweiterverbreitung erscheint Durchleitungswettbewerb aber weder als erstrebenswert noch als praktisch durchführbar; siehe auch Ladeur, ZUM 2002, 258 f. 526 Piepenbrock, in: Büchner u. a., § 33 Rn. 20. 527 So auch Gersdorf, Kabeleinspeisung von Programmbouquets, 87 ff.; ders., Regulierung des Zugangs, 304 f.; Trafkowski 81; Jüngling 203 ff. 521 522
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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gelten, wenn die Veranstalter neben der Programmherstellung auf die Weiterverbreitung bezogene technische Dienstleistungen erbringen und – kumulativ – diese der Öffentlichkeit anbieten 528. Während die Erbringung zusätzlicher (fernmelde-)technischer Dienstleistungen in Zukunft häufiger vorkommen wird (zu denken ist an Multiplexing oder den Betrieb eigener EPGs), wird das Angebot an fremde Dritte auch in Zukunft eher die Ausnahme denn die Regel sein 529. Das Augenmerk muss sich für den die Einspeisung nachfragenden Veranstalter deshalb auf § 35 TKG richten. ccc) § 35 TKG Stand bei § 33 TKG wie gezeigt allein der Schutz vollgültiger Wettbewerber auf dem Markt für Telekommunikationsdienstleistungen im Mittelpunkt, schützt § 35 TKG unterschiedslos alle Nachfrager solcher Leistungen530. (1) Der Normadressat (Zugangsverpflichteter) Normadressat der Vorschrift ist der Betreiber eines Kommunikationsnetzes, der Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit anbietet und diesen Markt beherrscht. Die Fernsehkabelnetze stellen Kommunikationsnetze im Sinne des Gesetzes (§ 3 Nr. 21 TKG) dar, da es sich bei ihnen um eine Gesamtheit technischer Einrichtungen handelt, die der Erbringung von (gewerblichen oder nichtgewerblichen) Telekommunikationsdienstleistungen als dem Angebot des Aussendens von Bildern und Tönen (§ 3 Nr. 18 i.V. m. Nr. 16 TKG) dient. Die Kabelnetzunternehmen betreiben diese Netze auch, da sie die Funktionsherrschaft über sie ausüben, § 3 Nr. 2 TKG. Dementsprechend sind Kabelnetzbetreiber – Marktbeherrschung vorausgesetzt – Normadressaten des § 35 TKG 531. Dies gilt jedoch uneingeschränkt nur, soweit der Netzbetreiber – zumindest auch – nach dem Transportmodell arbeitet. Verpflichteter nach § 35 TKG ist nämlich allein, wer der Öffentlichkeit eine Leistung „anbietet“. Daran fehlt es jedoch beim Vermarktungsmodell in seiner idealtypischen Ausprägung: hier ist der Netzbetreiber gegenüber den ProgrammveranstalGersdorf, Kabeleinspeisung von Programmbouquets, 88 f. Dies gilt umso mehr als auch sog. geschlossene Benutzergruppen (Corporate Networks) nicht als Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit gelten. Bei Corporate Networks handelt es sich um Netze von Teilnehmern, die in gesellschaftsrechtlicher oder schuldrechtlicher Dauerbeziehung stehen. Darunter fallen auch juristisch selbstständige Unternehmen, die im Rahmen eines Outsourcings ausgegründet werden. Das bedeutet, dass auch von Veranstaltern ausgründete Töchter nicht zu den Wettbewerbern gehören, solange sich ihr Angebot an technischen Dienstleistungen allein an das Mutterunternehmen richtet. Zum Ganzen: Piepenbrock, in: Büchner u. a., § 33 Rn. 20 ff. 530 Thierfelder 65 f.; zum umstrittenen Verhältnis von § 33 zu § 35 TKG siehe Glahs, in: Scheurle/Mayen, § 33 Rn. 45 ff. 531 Weisser/Meinking, WuW 1998, 835; Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 306 f.; Zimmer/Büchner, CR 2001, 167. 528 529
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
tern Nachfrager von Inhalten, nicht aber Anbieter von Dienstleistungen der Telekommunikation. Dies manifestiert sich auch wirtschaftlich: der Netzbetreiber zahlt den Veranstaltern für deren Programminhalte, Einspeiseentgelte erhält er nicht. Im Ergebnis ist der Netzbetreiber beim Vermarktungsmodell gegenüber Programmveranstaltern nicht Normadressat des § 35 TKG. Das Steuerungspotential des §35 TKG wird dadurch aber nicht wesentlich gemindert, da das reine Vermarktungsmodell in der Praxis kaum verwirklicht werden und der Netzbetreiber folglich auch in Zukunft Weiterverbreitung als Dienstleistung „anbieten“ wird. Weiterhin muss der Kabelnetzbetreiber „auf einem solchen Markt über eine marktbeherrschende Stellung nach § 19 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ verfügen. Dabei kann auf die bereits gewonnenen Erkenntnisse zurückgegriffen werden, da – wie sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt – die Marktabgrenzung und Marktmachtbestimmung im TKG der im GWB im Wesentlichen entspricht 532. Nach hier vertretener Auffassung gelangt man wieder über eine enge sachliche (Kabelnetzsignalübertragung) und räumliche (das einzelne Kabelnetz) Marktabgrenzung zur Marktbeherrschung des jeweiligen Netzbetreibers 533.
(2) Der Normbegünstigte Normbegünstigter bzw. Anspruchsteller ist der „andere 534 Nutzer“. Nutzer ist nach § 3 Nr. 11 TKG ein Nachfrager nach Telekommunikationsdienstleistungen, wozu auch die Übermittlung von Fernsehsignalen zählt 535. In der hier untersuchten Konstellation ist Anspruchsteller also der netzbetreiberfremde Programmveranstalter, der die Weiterübermittlung seiner Fernsehprogramme nachfragt536. Auch bei diesem Tatbestandsmerkmal wird nochmals deutlich, dass § 35 TKG nur beim Transportmodell greift: Denn beim Vermarktungsmodell nutzt nicht der Veranstalter die Infrastruktur des Netzbetreibers, sondern umgekehrt der Netzbetreiber die Programme des Veranstalters als Vorprodukt eines dem Kunden versprochenen Unterhaltungs- und Informationsangebotes. 532 Siehe bezüglich der Marktabgrenzung, Mayen, MMR 2001, 496 f., u. bezüglich der Marktbeherrschung ders., MMR 2001, 649 ff.; der in beiden Fällen zu Recht für eine strikte Anlehnung an das GWB plädiert mit dem richtigen Hinweis, der Gesetzgeber habe einen eigenen Begriff der Marktbeherrschung in der Telekommunikation gerade nicht schaffen wollen u. deshalb auf das GWB verwiesen; ähnlich Immenga, MMR 2000, 141 („Dieser Ansatz zur Auslegung des Marktbeherrschungsbegriffs im TKG ist zutreffend“), der aber für den allgemeinen Netzzugang den Schwerpunkt auf das Marktverhalten legen will, 144. 533 Siehe allgemein oben E. IV. 1. c) cc) aaa) sowie speziell für §35 TKG auch: Gersdorf, Kabeleinspeisung von Programmbouquets, 97 ff.; ders., Zugang zum digitalen Kabel, 312 ff.; Thierfelder, 68 ff.; Schütz, MMR-Beilage 2/2001, 25; Bartosch, CR 1997, 523. 534 Dem Wort „andere“ kommt keine Bedeutung zu; Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 306 f., m. w. N. 535 Gersdorf, Kabeleinspeisung von Programmbouquets, 91. 536 Weisser/Meinking, WuW 1998, 835 f.; Jüngling 234 f.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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(3) Anspruch auf Gewährung von Netzzugang als Rechtsfolge Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen vor, so hat der Netzbetreiber dem Anspruchsteller „Zugang zu seinem Telekommunikationsnetz zu ermöglichen“; Anspruchsgegenstand ist also der Netzzugang 537. Dieser kann nach § 35 Abs. 2 Satz 2 TKG in Form eines allgemeinen oder eines besonderen Netzzuganges gewährt werden. Die Vorschrift selbst enthält keine Abgrenzung beider Zugangsarten; diese findet sich jedoch im untergesetzlichen Normenwerk, nämlich in § 1 Abs. 2 NZV 538. Der besondere Netzzugang ist demnach nicht anschluss- oder leistungsbezogen, sondern wird über die Festlegung des Nutzerkreises sowie die Zweckrichtung der Nachfrage definiert 539: Er wird nur solchen Nutzern ermöglicht, die den Zugang – sei es in der Eigenschaft als Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen oder als Betreiber eines Telekommunikationsnetzes – nachfragen, um selbst solche Dienstleistungen zu erbringen. Daraus ergibt sich, dass Programmveranstalter keinen besonderen Netzzugang beanspruchen können. Denn weder sind sie Anbieter dieser Leistungen oder gar selbst Netzbetreiber noch verlangen sie Netzzugang, um selbst wiederum Telekommunikationsleistungen anderen anzubieten 540. Offen bleibt jedoch die Frage, ob die Veranstalter damit einen allgemeinen Netzzugang verlangen können. Dabei wird von Schütz die Ansicht vertreten, die Veranstalter als Inhalteanbieter unterfielen nicht der Legaldefinition des allgemeinen Netzzuganges als eines über „für sämtliche Nutzer bereitgestellte Anschlüsse“ gewährten Zuganges (§ 35 Abs. 1 Satz 2 TKG), da es sich bei den Inhalteanbietern im Vergleich mit den angeschlossenen Zuschauern um eine wesensverschiedene, „spezifische Nachfragegruppe“ handele 541. Im Ergebnis unterstellt er damit, dass es neben dem besonderen und dem allgemeinen Netzzugang noch andere gesetzlich nicht erfasste Zugangsformen gibt. Die wohl h. M. sieht dagegen im allgemeinen Netzzugang einen Auffangtatbestand, dem alle nicht dem besonderen Netzzugang zugehörigen Fälle 537 Die Legaldefinition des Netzzuganges findet sich in § 3 Nr. 9 TKG, wonach eine physische u. logische Verbindung den Zugang ausmacht. Beide Voraussetzungen sind bei einer Programmeinspeisung in das Breitbandkabelnetz zu bejahen, insbesondere muss die physische Verbindung zwischen Netzbetreiber u. Programmveranstalter nicht unmittelbar sein u. ist auch bei Zwischenschaltung von dritten, technischen Dienstleistern noch zu bejahen, so zu Recht Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 308 f.; a. A. wohl Schütz MMR 1998, 15, ihm folgend Wille/Schulz/Fach-Petersen, in: Hahn/Vesting, § 52 Rn. 36. 538 Verordnung über besondere Netzzugänge (Netzzugangsverordnung – NZV) v. 23.10.1996 (BGBl. I, 1568); zur Abgrenzung siehe auch Rudolf 92 f. 539 Piepenbrock, in: Büchner u. a., § 35 Rn. 16 f.; siehe auch Glahs, in: Scheurle/Mayen, § 35 Rn. 19 ff. 540 So im Hinblick auf die öffentlich-rechtlichen Veranstalter Gersdorf, Kabeleinspeisung von Programmbouquets, 95; ders. für Rundfunkveranstalter allgemein, Regulierung des Zugangs, 310 f.; i. E. auch Schütz, MMR 1998, 16; Trafkowski 82; Zimmer/Büchner, CR 2001, 167. 541 Schütz, MMR 1998, 16; ders. offen gelassen in MMR-Beilage 2/2001, 26; gegen ein Verständnis der Einspeisung als allgemeiner Netzzugang auch Wille/Schultz/Fach-Petersen, in: Hahn/Vesting, § 52 Rn. 36.
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
zugeordnet werden 542. Dies folge aus dem gesetzlichen Normengefüge, das keine andere, dritte Art des Netzzuganges erkennen lasse, sowie aus der untergesetzlichen Norm des § 13 TKV. Diese Vorschrift stelle keine weiteren Anforderungen an den allgemeinen Netzzugang 543. Richtig erscheint es hier der h. M. zu folgen: Denn einmal spricht schon der Wortlaut „allgemeiner“ im Gegensatz zu „besonderer“ Netzzugang für eine weite Auslegung des Begriffs des allgemeinen Netzzuganges im Sinne eines Auffangtatbestandes. Zum anderen konkretisiert § 35 Abs. 1 Satz 2 TKG lediglich die in Satz 1 bereits angeordnete Rechtsfolge, nämlich den jedem Anspruchsteller gewährten „Zugang [zum] Kommunikationsnetz“. Die Konkretisierung kann aber den einmal gewährten Anspruch nicht wieder nehmen; andernfalls würde jene die Rechtsfolge konkretisierende Regelung selbst zum Tatbestandsmerkmal der Anspruchsnorm. Im Ergebnis kann der Veranstalter also einen allgemeinen Netzzugang beanspruchen 544. (4) Sachliche Rechtfertigung der Verweigerung des allgemeinen Netzzuganges Aus § 35 Abs. 2 TKG ersichtlich wird der Anspruch nach § 35 Abs. 1 TKG auf Netzzugang nicht uneingeschränkt gewährt. Liegen die Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 Satz 2 TKG vor, kann der Netzbetreiber den Zugang vielmehr verweigern 545. Die Anforderungen an die Zulässigkeit einer solchen Verweigerung sind an sich streng: der Netzzugang darf nur versagt werden aus Gründen, die auf den grundlegenden Anforderungen der ONP-Richtlinie 546 beruhen und (kumulativ) mit dem sonstigen EU-Recht in Übereinstimmung stehen547. Welche grundlegenden Anforderungen dies sind, kann Art. 2 Nr. 6 der ONP-Richtlinie entnommen werden: die Sicherheit des Netzbetriebs, die Aufrechterhaltung der Netzintegrität und der Interoperabilität der Dienste, der Datenschutz, der Umweltschutz, die Raumordnung sowie eine effektive und störungsfreie Nutzung des Frequenzspektrums. Während teilweise diese Aufzählung als abschließend angesehen wird548 und damit die Möglichkeit der Rechtfertigung sehr begrenzt ist, sieht die h. M. in diesen Vorgaben zu Recht nur eine bloße „Wertigkeitsgrenze“ und erkennt – über den Wortlaut hinaus – weite542 Gersdorf, Kabeleinspeisung von Programmbouquets, 96; ders., Regulierung des Zugangs, 311 ff.; für eine weite Auslegung des Begriffs des allgemeinen Netzzuganges auch Rudolf 92 f. sowie Zimmer/Büchner, CR 2001, 168. 543 Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 311. 544 Ebenso Glahs, in: Scheuerle/Mayen, § 35 Rn. 8; mit anderer Begründung auch Jüngling 238 f. 545 Dabei wird der Meinung gefolgt, dass § 35 Abs. 2 Satz 1 TKG das „Wie“ u. Satz 2 das „Ob“ des Zuganges – nur dieses interessiert hier – regelt, so Spoerr MMR 2000, 680; a. A. Jüngling 241 f. 546 Siehe Art.3 Abs.2 der Richtlinie 90/387/EWG des Rates v. 28.06.1990 (ABl.Nr.L192/1). 547 Damit sind in erster Linie die Wettbewerbsregeln der Art. 81, 82 EGV gemeint, Piepenbrock, in: Büchner u. a., § 35 Rn. 36. 548 So Rudolf 114 für die gleich gelagerte Frage bei § 33 TKG.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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re Rechtfertigungsgründe an 549. Sie stützt sich dabei auf die Strukturverwandtschaft von §§ 33, 35 TKG mit § 20 GWB. Schon aus der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass der Gesetzgeber die Regelungen über den Netzzugang als Ergänzung u. a. des § 20 GWB gesehen habe 550. Demzufolge sei auch im Rahmen des § 35 TKG anhand einer Interessenabwägung festzustellen, welche Zugangsbeschränkungen sachlich gerechtfertigt und damit zulässig seien; die zu §20 GWB in Rechtsprechung und Literatur entwickelte Systematik könne – unter Berücksichtigung der Besonderheiten des TKG – übernommen werden 551. Folgt man dementsprechend der Struktur des § 20 Abs. 1 GWB, ist zwischen dem Begehungstatbestand (insbesondere Diskriminierung in Form der ungleichen Behandlung) und der normativen Bewertung dieses Tatbestandes (sachliche Rechtfertigung) zu unterscheiden 552. Was den Begehungstatbestand angeht, soll hier die gänzliche Zugangsverweigerung, auch Abschlussverweigerung genannt 553, im Mittelpunkt stehen, da sie den Veranstalter am stärksten behindert und deshalb den Prüfstein für die Wirkkraft einer Regulierung nach dem TKG darstellt; die anderen Begehungstatbestände 554 sind demgegenüber nur ein Minus. In einem zweiten Schritt, der normativen Bewertung, sind entsprechend § 20 GWB die Interessen auf Seiten der Beteiligten zu ermitteln und dann unter besonderer Berücksichtigung der Zielsetzung des TKG gegeneinander abzuwägen 555. Bei Übertragung der für § 20 GWB geltenden Grundsätze auf das Telekommunikationsrecht ist jedoch zu beachten, dass das TKG als Normziel nicht nur die Erhaltung und Sicherung des Wettbewerbs verfolgt, sondern ganz überwiegend erst dessen Schaffung; das TKG erfordert insofern im Hinblick auf die sachliche Rechtfertigung grundsätzlich einen strengeren Maßstab 556. 549 Der Begriff der Wertigkeitsgrenze findet sich bei Etling-Ernst, § 33 Rn. 25. Demnach bedeutet Wertigkeitsgrenze, dass über die gesetzlich angeführten Ausnahmen hinaus, weitere Ausnahmetatbestände möglich sind, soweit sie nur von mindestens eben solchem Gewicht, eben solcher „Wertigkeit“ sind wie die explizit angegebenen Gründe. Gründe außerhalb der ONP-Richtlinie erkennen i. E. außerdem an: Weisser/Meinking, WuW 1998, 842 ff.; Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 320. Teilweise wird das Problem auch durch eine weite Auslegung der ONP-Anforderungen gelöst; so sehen Fuhr/Kerkhoff, MMR 1998, 8, beispielsweise den Kapazitätsengpass als Unterfall der „Sicherheit des Netzbetriebs“. 550 Gersdorf, Kabeleinspeisung von Programmbouquets, 113; siehe auch Weisser/Meinking, WuW 1998, 842. 551 Für eine strukturell gleiche Prüfung auch Gersdorf, Kabeleinspeisung von Programmbouquets, 113; ders., Regulierung des Zugangs, 320; siehe auch Jüngling 242. 552 Weisser/Meinking, WuW 1998, 842 f. 553 Siehe die Terminologie bei Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 318; Weisser/Meinking, WuW 1998, 843; inhaltlich dürfte dies der Liefersperre bei § 20 GWB entsprechen, siehe zu dieser Fallgruppe oben E. IV. 1. c) cc) bbb) (2) (bb). 554 Die anderen Begehungstatbestände sind u. a. dargestellt bei Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 319. 555 Weisser/Meinking, WuW 1998, 843 f.; siehe auch Bechtold, § 20 Rn. 47. 556 Piepenbrock, in: Büchner u.a., § 33 Rn. 51 (auf § 35 übertragbar, siehe § 35 Rn. 35); Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 321; Weisser/Meinking, WuW 1998, 845.
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
Wie bei § 20 GWB so wird erst recht im Rahmen des TKG angesichts freier Kapazitäten eine Zugangsverweigerung nicht zu rechtfertigen sein 557, jedenfalls solange der Einspeisung nicht wesentliche publizistische Interessen des Kabelnetzbetreibers entgegenstehen 558. Damit ist zumindest bei ausreichenden Kapazitäten ein angemessener Schutz vor möglichen Diskriminierungen eines vertikal integrierten Netzbetreibers zugunsten seiner „eigenen“ Sender gewährleistet. Wesentlich schwieriger wird aber die Abwägung, wenn der vertikal integrierte Netzbetreiber dem „fremden“ Programmveranstalter den Zugang angesichts knapper Kapazitäten – und die werden bis in absehbare Zeit die Regel sein – verweigert und stattdessen „eigene“ Programme bevorzugt einspeist. In der vergleichbaren Situation sichert – wie oben bereits dargelegt – § 20 GWB dem Netzbetreiber einen Wettbewerbsvorsprung: er darf vorrangig ihm zurechenbare Programme einspeisen, soweit dies zur Erhaltung der Wettbewerbsposition auf dem abgeleiteten Markt notwendig ist 559. Da aber das TKG – jedenfalls dem Grundsatz nach – nicht nur auf Erhaltung von Wettbewerb sondern auch auf dessen Schaffung zielend einen strengeren Maßstab fordert 560, kann das zu § 20 GWB gewonnene Ergebnis nicht ohne weiteres übernommen werden. In der Literatur hat sich vor allem Gersdorf – jedoch ohne abschließendes Ergebnis 561 – mit der Frage näher beschäftigt, ob eine vorrangige Einspeisung der dem Netzbetreiber zurechenbaren Programme nach §35 TKG zu rechtfertigen ist 562. Seine Untersuchung stützt Gersdorf auf einen Vergleich mit der Regelung in § 33 TKG sowie auf die Entscheidung einmal des Bundesverwaltungsgerichtes zum entbündelten Teilnehmeranschluss 563 als auch des Bundeskartellamtes zur Stromdurchleitung 564. Während die Entscheidung des Bundeskartellamtes bereits im Rahmen der Ausführungen zu § 19 Abs. 4 GWB erörtert wurde und insofern auf die dortigen Ausführungen zu verweisen ist 565, sollen die beiden anderen Argumentationsstränge im Folgenden kurz erörtert werden: Gegen eine Auslegung des § 35 Abs. 2 Satz 2 TKG, wonach der Netzbetreiber zugunsten „eigener“ Programme die Einspeisebegehren fremder ProgrammveranstalJüngling 243; Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 322 f. Die aus Art. 5 GG folgenden Rechte des Netzbetreibers dürfen m. E. hier nicht ausgeblendet werden; jedenfalls rufschädigenden Programmen wird der Kabelnetzbetreiber die Durchleitung verweigern können; Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 322 f. geht darauf nicht ein. 559 Siehe oben E. IV. 1. c) cc) bbb) (2) (a) (bb); sowie zusammenfassend Rixen, in Glassen u. a., § 20 Rn. 212. 560 Piepenbrock, in: Büchner u. a., § 33 Rn. 51. 561 Siehe Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 329 f. 562 Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 326 ff.; siehe daneben auch noch (recht vage) Jüngling 244 f., wonach dem Netzbetreiber keine Vorrangstellung eingeräumt werden dürfe, er aber gewisse Vorrechte besitze, sowie Piepenbrock, in: Büchner u. a., § 33 Rn. 56 u. Glahs, in: Scheurle/Mayen, § 33 Rn. 59 a f. 563 BVerwG MMR 2001, 681 ff. 564 BKartA WuW/E DE-V 151 ff. 565 Siehe oben E. IV. 1. c) cc) bbb) (1) (d). 557 558
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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ter ablehnen darf, spricht laut Gersdorf das systematische Zusammenspiel von § 33 und § 35 TKG 566. Da § 35 TKG nur eine Konkretisierung des in § 33 GWB verankerten Diskriminierungsverbotes darstelle, könnten die Wertungen des § 33 TKG im Wesentlichen auf § 35 TKG übertragen werden. Bei § 33 TKG sei anerkannt, dass der Netzunternehmer die Nutzungsinteressen eines jeden Nachfragers gleich behandeln müsse; aus dem Grundsatz des § 33 TKG, dass interne und externe Ansprüche gleich zu bedienen seien, folge mithin auch für § 35 TKG das Verbot der vorrangigen Berücksichtigung eigener Einspeiseinteressen. In der Tat wird von der Literatur – angesichts der verfassungsrechtlichen Positionen des Netzbetreibers nicht unbedenklich 567 – teils anerkannt, dass § 33 TKG eine strikte Festlegung dahingehend enthalte, dass der marktbeherrschende Anbieter sich selbst gegenüber seinen Mitbewerbern nicht bevorzugen dürfe 568, was bereits aus dem Wortlaut 569 und der ratio legis, nämlich der Herstellung wirksamen Wettbewerbs 570, folge. Fraglich ist aber, ob dies auf § 35 TKG insoweit übertragen werden kann, als der Petent eines allgemeinen Netzzuganges kein Wettbewerber auf dem Gebiet der Telekommunikation ist. Diese Frage dürfte letztlich zu verneinen sein. Die in § 33 TKG festgelegte Rechtsfolge, nämlich unbedingte Gleichbehandlung fremder und eigener Leistungsbegehren, ist auf das engste mit der Tatbestandsvoraussetzung „Wettbewerber auf diesem Markt“ verknüpft. Ebenso wenig wie schon allgemein die Rechtsfolge einer Norm von ihren Tatbestandsvoraussetzungen abstrahiert werden kann, kann auch im vorliegenden Fall die Rechtsfolge des § 33 TKG nicht auf den – soweit § 35 TKG auch Nichtwettbewerber erfasst – deckungsverschiedenen Tatbestand des § 35 TKG übertragen werden. Mit der Wettbewerberstellung des Petenten entfällt nämlich zugleich die sachliche Begründung des strikten Gleichbehandlungsgrundsatzes nach §33 TKG. Zum gleichen Ergebnis gelangt man auch unter Berücksichtigung der ratio legis des § 33 TKG. Dient dieser in erster Linie der Herstellung von Wettbewerb auf dem Gebiet der Telekommunikation, so können dessen Wertungen nicht auf § 35 TKG übertragen werden, soweit diese Vorschrift auch Anspruchsteller erfasst, bei denen eine derartige Wettbewerberstellung gerade ausscheidet. Ob beide Normen auch insoweit unterschiedlich auszulegen sind, als ein Wettbewerber auf dem Markt für Telekommunikationsdienstleistungen einen Anspruch nach § 35 TKG geltend macht, kann dagegen offen bleiben 571. Im Ergebnis Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 326 f. Stern/Dietlein, RTkom 1999, 4 ff. 568 Piepenbrock, in: Büchner u. a., § 33 Rn. 56, insoweit soll auch der vom BGH aufgestellte Grundsatz nicht gelten, niemand müsse Wettbewerb zum eigenen Schaden fördern, ders., § 33 Rn. 9; offen gelassen von Glahs, in: Scheurle/Mayen, § 33 Rn. 59 a. 569 § 33 Abs. 1 S. 1 TKG „zu den Bedingungen, die er sich selbst einräumt“. 570 § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG. 571 Auch auf das Verhältnis von § 33 TKG zu § 35 TKG (dazu Glahs, in: Scheurle/Mayen, Vor 33–39 Rn. 45 ff.; Holzhäuser, MMR 2000, 471 sowie BVerwG, MMR 2001, 681, 685 ff.) kommt es nicht an, da sich der Zugang begehrende Veranstalter – wie gezeigt – allein auf § 35 TKG stützen kann. 566 567
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wird also für die Beantwortung der Frage, ob § 35 TKG eine vorrangige Einspeisung „eigener“ Programme erlaubt oder verhindert, aus § 33 TKG wenig gewonnen. Weiterhin behandelt Gersdorf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes 572 zur entbündelten Teilnehmeranschlussleitung (TAL) 573. Das Urteil erörtert im Schwerpunkt die Frage, ob die DTAG ihren Wettbewerbern die TAL ohne weitere Dienstleistungen überlassen muss (sog. blanker Draht) oder ob sie berechtigt ist, diesen Anschluss nur gekoppelt mit zusätzlicher eigener Übertragungstechnik anzubieten. Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass die DTAG den entbündelten Zugang grundsätzlich zu gewähren, im konkreten Einzelfall aber sachlich gerechtfertigt verweigern dürfe, wenn sie die Leitung selbst nutze, dritte Wettbewerber die Leitung zu nutzen wünschten oder Kapazitätsengpässe aufträten574. Daraus ist zu folgern, dass in diesen Fällen kein entbündelter Anschluss verlangt werden kann. Für den – hier zu beurteilenden – Fall, dass lediglich Durchleitung, also keine Entbündelung verlangt wird, ist aber damit noch nichts endgültig entschieden575. Gleichwohl klingt an, dass den Interessen des Netzbetreibers an der Nutzung der eigenen Infrastruktur hohes Gewicht zukommt, wenn das Gericht einen Standardvertrag „als in Übereinstimmung mit dieser Rechtslage“ bezeichnet, in dem es heißt, der eigene Bedarf der DTAG habe stets Vorrang vor dem Bedarf des Wettbewerbers. Hinzu kommt noch, dass es in diesem Fall wiederum um das Verhältnis des Marktbeherrschers zu seinen Wettbewerbern auf dem Gebiet der Telekommunikation ging. Wenn bereits in dieser Konstellation dem Netzinhaber ein Vorrang zugebilligt wird, müsste dies erst recht dann gelten, wenn der den Zugang begehrende Nutzer kein Wettbewerber auf dem Kommunikationsmarkt, sondern auf dem Fernseh(werbe)markt ist. Auch die verfassungsrechtlichen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts sprechen eher für eine weite Auslegung der Verweigerungsgründe des § 35 TKG und einen Vorrang des eigenen Bedarfs. So betont das Gericht, der Eingriff in die Wirtschaftsfreiheiten des Netzbetreibers sei im engeren Sinne u. a. deshalb verhältnismäßig, weil eine Beschränkung des Zuganges aus sachlichen Gründen wie z. B. zur „Nutzung für eigene Zwecke“ weiterhin möglich sei 576. Nach hier vertretener Ansicht muss sich die Auslegung des § 35 Abs. 2 TKG von zwei Überlegungen leiten lassen. Zum einen ist mit dem GWB insofern Gleichklang herzustellen als beide Gesetze – TKG und GWB – die gleichen Regelungsziele verfolgen. Dies ist im Hinblick auf die Programmveranstalter der Fall. Sie sind nicht Wettbewerber des Netzbetreibers, so dass das Regulierungsziel „Schaffung von Wettbewerb“ hier ausscheidet. Es geht bei § 35 TKG in der hier zu untersuchenden Konstellation vielmehr um den gleichberechtigten Zugang zu einer Leistung des 572 BVerwG MMR 2001, 681 ff.; siehe auch dazu auch Reinersdorf, MMR 2001, 690; Geppert/Ruhle/Schuster, Rn. 551 ff. 573 Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 327 f. 574 BVerwG MMR 2001, 681, 689. 575 So auch Gersdorf, Regulierung des Zugangs, 328. 576 BVerwG MMR 2001, 681, 690.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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Marktbeherrschers, eine Fallgestaltung also, die auch § 20 GWB regelt. Dementsprechend sind die Rechtfertigungsgründe des § 20 GWB – z. B. Sicherung des Wettbewerbsvorsprunges auf dem abgeleiteten Markt auch in der Mangellage – für § 35 TKG ebenfalls maßgebend. Zum zweiten müssen die Verweigerungsgründe auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen (verfassungskonforme Auslegung). Nach den obigen Ausführungen zu Art. 14 GG 577 bedeutet dies, dass dem Netzbetreiber die Nutzung zum Eigenbedarf nicht übermäßig erschwert werden darf; eine Auslegung, welche den Willen des Eigentümers, sein Eigentum selbst zu nutzen, nicht berücksichtigte, wäre nicht mit Art. 14 Abs. 1 GG zu vereinbaren 578. Im Ergebnis stellt mithin der Eigenbedarf einen Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 35 Abs. 2 TKG dar; in der Mangelsituation wird also der „netzbetreiberfremde“ Veranstalter mit seinen Zugangswünschen zurücktreten müssen. ddd) Bewertung des bereichsspezifischen Kartellrechts Das sektorielle Kartellrecht, genauer § 35 TKG, gewährt Programmveranstaltern grundsätzlich Zugang zum Breitbandkabelnetz und kommt deshalb als Instrument zum Schutz vor den Gefahren vertikaler Integration in Frage. Bei genauer Betrachtung erscheint die Vorschrift jedoch eher wirkungsschwach. Sie greift zum einen nur, wenn der Netzbetreiber den Markt für Rundfunkweiterverbreitung beherrscht und nicht ausschließlich nach dem Vermarktungsmodell arbeitet. Zum anderen – und darin ist der entscheidende Nachteil zu sehen – vermag auch § 35 TKG keinen dem Eigenbedarf des Netzbetreibers gleichrangigen Zugangsanspruch zu vermitteln. Angesichts freier Kapazitäten schützt § 35 TKG indes wirksam vor der Diskriminierung netzbetreiberfremder Programmveranstalter. d) Rundfunkkonzentrationsrecht Während die dargestellten Regelungen des GWB und TKG vor Marktmacht schützen und Medienvielfalt nur in der Nebenfolge sichern, steht der Schutz der Meinungsvielfalt im Mittelpunkt des Rundfunkkonzentrationsrechts. Sollen Instrumente zum Schutz des Meinungspluralismus vor den Gefahren der vertikalen Integration untersucht werden, so liegt es deshalb nahe, die Aufmerksamkeit auf die §§ 25 ff. RStV – die staatsvertragliche Regelung des Rundfunkkonzentrationsrechts – zu richten. Dabei werden zunächst die Tatbestandsvoraussetzungen des Marktanteilsmodells im Allgemeinen, dann in ihrer Anwendung auf den vertikal integrierten Netzbetreiber dargestellt. Anschließend sind die Rechtsfolgen des § 26 RStV zu erläutern und endlich das Steuerungspotential des Medienkonzentrationsrechts zu bewerten. 577 578
Siehe dazu ausführlich oben D. II. 2. c) bb) eee). Siehe nochmals BVerfGE 79, 292, 304.
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aa) Das Zuschaueranteilsmodell und die Regelungssystematik der §§ 25 ff. RStV Das Marktanteilsmodell wurde ursprünglich durch den Dritten Rundfunkänderungsstaatsvertrag 579 in den RStV aufgenommen; es stellt eine bewusste Abkehr von der Programmzahlbegrenzung 580 und damit eine Wende im materiellen Rundfunkkonzentrationsrecht dar 581. Eine wichtige Änderung erfuhr das Zuschaueranteilsmodell in Folge des Sechsten Rundfunkänderungsstaatsvertrages, durch den insbesondere die 25 %-Grenze des § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV – allerdings mit erheblichen Boni für die Rundfunkveranstalter (§ 26 Abs. 2 Satz 3 RStV) – neu eingeführt wurde 582. § 26 RStV erfasst gemäß § 39 RStV nur bundesweit verbreitete Programme und ist deshalb auf Regionalsender nicht anwendbar 583. Der Grundgedanke des Marktanteilsmodells kommt in § 26 Abs. 1 RStV zum Ausdruck: ein Unternehmer darf beliebig viele Programme veranstalten, soweit er mit den ihm zurechenbaren Programmen insgesamt nicht vorherrschende Meinungsmacht erlangt. Der Begriff der vorherrschenden Meinungsmacht wird damit zum Schlüsselkriterium für die konzentrationsrechtliche Zulässigkeit der Rundfunkveranstaltung. Das ist folgerichtig aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes abgeleitet: wenn nämlich oberstes Ziel der positiven Rundfunkordnung Schutz vor vorherrschender Meinungsmacht ist, dann muss vorherrschende Meinungsmacht auch tatbestandlicher Anknüpfungspunkt staatlichen Eingreifens sein 584. Da es sich bei dem Tatbestandsmerkmal der vorherrschenden Meinungsmacht um einen in hohem Maße unbestimmten Rechtbegriff handelt, wird dessen Nachweis durch drei – widerlegliche 585 – Vermutungsregeln in Abs. 2 erleichtert: Erreichen die einem Unternehmen zurechenbaren Programme im Durchschnitt eines Jahres einen Zuschaueranteil von 30 %, so wird vermutet, dass vorherrschende Meinungsmacht gegeben ist (Satz 1). Diese 30 %-Vermutung wird durch zwei weitere Vermutungsregeln ergänzt, die bereits ab 25 % Zuschauermarktanteil greifen 586, soweit 579
Dritter Rundfunkänderungsstaatsvertrag v. 26.08. bis 11.09.1996, z.B. Bay. GVBl. 1996,
480. 580 Gem. § 21 RStV a. F.; das Modell wurde auch Beteiligungsmodell genannt, siehe Hain, MMR 2000, 537; zum alten Regelungssystem z. B. Platho, ZUM 1993, 278 ff. 581 Zum Systemwechsel allgemein z. B. Hess, AfP 1997, 680 ff.; Kreile, CR 1998, 24 ff. 582 Sechster Rundfunkänderungsstaatsvertrag v. 20.12.2001. Das 25 %-Kriterium ersetzt den unbestimmten Rechtsbegriff einer „geringfügigen Unterschreitung“ der 30 %-Marke. Der Streit, ab welchem Marktanteil eine solche geringfügige Unterschreitung vorliegt, hat sich damit erledigt (siehe dazu noch die unterschiedlichen Ansichten z. B. bei Bork, K & R 1998, 183 ff.; Kreile/Stumpf, MMR 1998, 193 f.; Kuch, ZUM 1997, 15). Allgemein zu den neuen Änderungen Bornemann, K & R 2002, 301 ff.; Janik, AfP 2002, 104 ff. 583 Siehe auch Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 26 Rn. 3. 584 Zum verfassungsrechtlichen Hintergrund der Regelung auch Trute, in: Hahn/Vesting, § 26 Rn. 7 f. 585 Hess, AfP 1997, 682; Zagouras 256; Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 26 Rn. 9. 586 Zu beachten sind aber die Abschläge nach § 26 Abs. 2 Satz 3 RStV, dazu sogleich.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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weitere Tatbestandsmerkmale erfüllt sind: Einmal wird ab einem Zuschauermarktanteil von 25 % vermutet, dass vorherrschende Meinungsmacht vorliegt, wenn nur der Rundfunkunternehmer zugleich auf einem medienrelevanten verwandten Markt eine marktbeherrschende Stellung hat (Satz 2, Alt. 1). Zum anderen greift die Vermutung vorherrschender Meinungsmacht ab 25 % Marktanteil auch dann, wenn eine Gesamtbeurteilung der Unternehmensaktivitäten im Fernsehen und auf medienrelevanten verwandten Märkten ergibt, dass der dadurch erzielte Meinungseinfluss dem eines Unternehmens mit einem Zuschaueranteil von 30 % im Fernsehen entspricht (Satz 2, Alt. 2). Der Gesetzgeber hat jedoch die Bedeutung der 25 %-Schwelle erheblich abgeschwächt durch die modifizierte Berechnung der relevanten Marktanteile gemäß Satz 3 (sog. Bonusregelung) 587. Danach erhalten Unternehmen Boni in Form von Abzugspunkten vom tatsächlichen Zuschauermarktanteil, wenn sie Fensterprogramme (§ 25 Abs. 4 RStV) oder Sendezeit für Dritte (§ 26 Abs. 5 RStV) in ihr Programmangebot aufnehmen. Da derzeit beide großen privaten Anbietergruppen diese vielfaltssichernden Maßnahmen ergriffen haben, 588 wird durch die Bonusregelung de facto der Anwendungsbereich der Vermutungstatbestände geschmälert und damit der Nachweis vorherrschender Meinungsmacht gegenüber der alten Regelung erschwert 589. Noch größere Bedeutung kommt damit dem Streit zu, in welchem Verhältnis die gesetzlichen Vermutungen des Abs. 2 zum Grundtatbestand des Abs. 1 stehen 590. Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass sich vorherrschende Meinungsmacht nur an den Zuschaueranteilen des Abs. 2 festmachen lassen dürfe, also rein quantitativ zu bestimmen sei 591. Dem steht die Ansicht gegenüber, dass der Tatbestand vorherrschender Meinungsmacht nach Abs. 1 auch unabhängig von den Vermutungsregeln 587 Allgemein zur Bonusregelung Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 26 Rn. 11 ff.; kritisch Janik, AfP 2002, 110 sowie Trute, in: Hahn/Vesting, § 26 Rn. 46 a. E. 588 Fensterprogramme sind teilweise sogar verpflichtend, siehe § 25 Abs. 4 Satz 1 RStV. 589 Dies soll anhand eines Fernsehveranstalters mit einem Zuschauermarktanteil von 29,5 % u. marktbeherrschender Stellung auf einem medienrelevanten Markt, der zugleich ein Fensterprogramm sowie Sendezeit für Dritte in notwendigem Umfang in sein Programm aufgenommen hat, beispielhaft verdeutlicht werden. Nach § 26 Abs. 2 RStV n. F. werden Boni i. H. v. von fünf Prozentpunkten abgezogen (Satz 3; durch Aufnahme eines Fensterprogramms nach § 25 Abs. 4 RStV zwei Prozentpunkte, durch gleichzeitige Aufnahme von Sendezeit für Dritte nach Maßgabe des §26 Abs.5 RStV weitere drei Prozentpunkte), so dass wegen Unterschreitung der Eingriffsschwelle (nur 24,5 % Marktanteil) die Vermutung nicht greift. Nach § 26 Abs. 2 a. F. lag mit 29,5 % Marktanteil eine „geringfügige Unterschreitung“ der 30%-Grenze vor (h. M.); vorherrschende Meinungsmacht wurde damit – das Vorliegen der weiteren Tatbestandsmerkmale unterstellt – vermutet. Dazu auch Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 26 Rn. 11 u. 16; Janik, AfP 2002, 110. 590 Der Streit hat sich also nicht etwa mit dem Sechsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag im Sinne einer rein quantitativen Lösung erledigt (a. A. Bornemann, K & R 2002, 302), da sich an der Struktur des Abs. 2 als gesetzlicher Vermutung durch die Novelle nichts geändert hat; wie hier wohl auch Janik, AfP 2002, 111, der zu Recht noch auf den Streit eingeht. 591 So DLM-Beschluß vom 7.11.1998, ZUM 1998, 1054, 1057 ff. In der Literatur z. B. Thaenert 100 ff.; Hepach ZUM 1999, 607 ff.
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des Abs. 2 vorliegen könne, also auch qualitativ zu bestimmen sei 592. Dieser Streit ist hier relevant. Denn folgte man der Ansicht, dass vorherrschende Meinungsmacht qualitativ zu bestimmen sei, eröffneten sich weitere Möglichkeiten, vertikale Integration – auch unterhalb der Schwellenwerte des Abs. 2 – zu berücksichtigen 593. Für die Ansicht, vorherrschende Meinungsmacht könne auch unabhängig von den Voraussetzungen des Abs. 2 vorliegen, spricht zunächst dessen rechtstechnische Ausgestaltung: Eine Vermutung erleichtert den Nachweis, dass ein Tatbestand erfüllt ist, ersetzt ihn an sich aber nicht 594. Auch die amtlich Begründung zu § 26 RStV weist in diese Richtung: „Die Ausgestaltung der 30-vom-Hundert-Grenze als Vermutungsgrenze schließt ... nicht aus, dass die KEK vorherrschende Meinungsmacht im Fernsehen auch unterhalb dieser Grenze feststellt“595. Außerdem verbietet dieser Meinung zufolge eine verfassungskonforme Auslegung des Begriffes, diesen allein auf quantitative Aspekte zu verengen: das vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 5 Abs. 1 GG entwickelte Verbot vorherrschender Meinungsmacht könne in bestimmten Konstellationen, namentlich angesichts von „cross ownership“, auch diesseits der 30 %-Schwelle eingreifen 596. Die KEK prüft demnach zuerst, ob die Beweiserleichterungen des Abs. 2 greifen, und untersucht dann in einem zweiten Schritt, ob nicht – unabhängig von den Zuschauermarktanteilen – vorherrschende Meinungsmacht vorliegt 597. Die Gegenansicht erblickt in der Regelung des Abs. 2 eine Grundsatzentscheidung für ein quantitatives Modell. Davon dürfe nicht durch eine freie Auslegung des Begriffes der vorherrschenden Meinungsmacht wieder abgegangen oder gar das Gegenteil der vom Gesetzgeber angestrebten Regelung erreicht werden. Auch der Wortlaut des Abs. 1, „vorherrschende Meinungsmacht nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen“ schließe ein Abweichen vom quantitativen Modell aus 598. Ebenso wenig könne aus der amtlichen Begründung etwas anderes gelesen werden, 592 Z. B. KEK Beschlüsse, ZUM-RD 1999, 241, 248 f. sowie ZUM-RD 1999, 251, 258 ff., beide vom 3.2.1999; Beschluss v. 21.09.1999, ZUM-RD 2000, 41, 50 f.; so auch z. B. Hain, MMR 2000, 539; Renck-Laufke, ZUM 2000, 108; Dörr/Janik/Zorn 224; Lerche, in: FS Henrich, 410 f. 593 Diese erweiterte Möglichkeit wird z. B. gefordert von Kübler, MP 1999, 383, der ausführt, man führe die Konzentrationskontrolle „ad absurdum“, wenn man vertikale Konzentration nicht neben den Zuschauermarktanteilen berücksichtige. 594 KEK, Konzentrationsbericht, 55; Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 26 RStV Rn. 8. 595 Abgedruckt bei Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, vor der Kommentierung des § 26 RStV. 596 Hain, MMR 2000, 539 f.; Kübler, MP 1999, 383; Janik, AfP 2002, 111. 597 Hess, AfP 2000, 62. 598 KDLM Beschluss v. 7.11.1998, ZUM 1998, 1054, 1057; da der zu entscheidende Antrag bereits unzulässig war, handelt es sich bei den Ausführungen der KDLM nicht um die Entscheidung tragende Gründe. Die Ansicht, wonach der Begriff „vorherrschende Meinungsmacht“ durch Abs. 2 abschließend definiert werde, vertreten in der Literatur Thaenert 100 ff.; Neft, ZUM 1998, 459 f. u. 462 f.; Hepach ZUM 1999, 608 f.; zustimmend Bamberger, AfP 2000, 131.
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da die Bezugnahme auf quantitative Kriterien („unterhalb dieser Grenze“) gerade Ausdruck des quantitativen Ansatzes sei 599. Gefolgt werden soll hier im Ansatz der erstgenannten Meinung: Angesichts der rechtstechnischen Ausgestaltung – Vermutungsregel und materiellrechtlicher Tatbestand sind stets zu trennen – und der verfassungsrechtlichen Anforderungen, erscheint es nicht möglich, das Tatbestandsmerkmal der vorherrschende Meinungsmacht vollständig auf die quantitativen Vorgaben des Abs. 2 zu beschränken. Gleichwohl wird man an den Nachweis vorherrschender Meinungsmacht durch die KEK jenseits der quantitativen Grenzen des Abs. 2 – auch im Sinne der amtlichen Begründung 600 – besonders hohe Anforderungen zu stellen haben. In Anbetracht der großen Investitionen, mit denen Programmveranstaltung verbunden ist, und im Hinblick auf die weitreichenden Folgen, die eintreten, wird vorherrschende Meinungsmacht festgestellt, bedarf der grundrechtsbetroffene Veranstalter nämlich in besonderer Weise des Verfahrensschutzes. Weiterhin kann ein so unbestimmter Rechtsbegriff wie „vorherrschende Meinungsmacht“ rechtsstaatlich, insbesondere angesichts des Bestimmtheitsprinzips, nur hingenommen werden, wenn er in einem Mindestmaß konkretisiert wird. Das gilt umso mehr, wenn seine inhaltliche Ausfüllung 601 allein der aus sechs Personen (§ 35 Abs. 3 RStV) bestehenden KEK anvertraut und mit Hinweis auf einen Beurteilungsspielraum der gerichtlichen Nachprüfung in weiten Teilen entzogen sein soll 602. Die vom Gesetzgeber in Abs. 2 festgelegten Grenzwerte geben deshalb zwar nicht eine – wie die Gegenansicht meint – absolute Größenordnung vor, zumindest aber eine Richtgröße. Unabhängig von den Vorgaben des Abs. 2 wird die KEK deshalb nur in besonderen Ausnahmefällen und bei besonders schwerwiegenden Gefahren für die Meinungsvielfalt das Tatbestandsmerkmal der vorherrschenden Meinungsmacht bejahen können 603. Im Ergebnis legt § 26 Abs. 2 RStV daher praktisch abschließend die Kriterien fest, nach denen vorherrschende Meinungsmacht zu bestimmen ist. Die demnach entscheidenden Zuschauermarktanteile werden im Übrigen nach § 27 RStV bestimmt 604.
KDLM, ZUM 1998, 1054, 1057. In der amtl. Begr. heißt es: „Die Ausgestaltung der 30-vom-Hundert-Grenze als Vermutungsgrenze schließt umgekehrt nicht aus, dass die KEK vorherrschende Meinungsmacht ... auch unterhalb dieser Grenze feststellt. Allerdings wird dies an die KEK besondere Anforderungen an den Nachweis stellen.“, abgedruckt bei Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, vor der Kommentierung des § 26 RStV. 601 Vielsagend spricht Hain, MMR 2000, 541, davon, es handele sich „weniger... [um] hochgradig determinierten (Nach-)Vollzug bereits auf Normebene getroffener konkreter Entscheidungen denn ... [um] schöpferische Umsetzung prinzipieller Leitgedanken ...“. 602 Für einen solchen Beurteilungsspielraum Hain, MMR 2000, 543 f. 603 Ähnlich wie hier Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 26 RStV Rn. 8. 604 Zu den Einzelheiten Neft, ZUM 1998, 462; zu der geringfügigen Änderung der Vorschrift durch den 6. Änderungsstaatsvertrag Bornemann, K & R 2002, 303. 599 600
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bb) Anwendung der §§ 25 ff. RStV auf vertikal integrierte Kabelnetzbetreiber Die publizistische Relevanz des vertikal integrierten Kabelnetzbetreibers liegt in der Verbindung von Netz und Nutzung. Das Phänomen vertikaler Integration wird also nur dann vom Medienkartellrecht richtig erfasst, wenn die Aktivitäten des Netzbetreibers sowohl auf dem Gebiet der Rundfunkveranstaltung als auch auf dem Gebiet der Rundfunkübertragung Berücksichtigung finden. aaa) Der Netzbetreiber auf dem Fernsehmarkt Der Netzbetreiber kann auf dem Fernsehmarkt in zweierlei Weise aktiv werden: er kann einmal selbst Rundfunk veranstalten; er kann sich zum anderen an Veranstaltern beteiligen. Eine wirksame Vielfaltssicherung muss beide Erscheinungsformen erfassen. Ob dies den Regelungen nach §§ 25 ff. RStV gelingt, wird im Folgenden geprüft. (1) Veranstaltung durch den Netzbetreiber (Eigenveranstaltung) Bei der Ermittlung der Marktanteile sind einem Unternehmen sämtliche Programme zuzurechnen, die es selbst veranstaltet, § 28 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 RStV 605. Kennzeichnend für das Tatbestandsmerkmal „veranstalten“ ist in materieller Hinsicht die Übernahme der redaktionellen Verantwortung für die Zusammenstellung des konkreten Programms 606. So hat auch das Bundesverfassungsgericht solche Unternehmer als Veranstalter angesehen, die ein Programm – also eine auf längere Dauer angelegte, planmäßige und strukturierte Abfolge von Beiträgen – in seiner Struktur festlegen, seine Abfolge planen, die Sendungen zusammenstellen und unter einheitlicher Bezeichnung dem Publikum anbieten607. In formeller Hinsicht – die hier ausschlaggebend sein soll 608 – ist Eigenveranstalter, wer eine Sendeerlaubnis nach § 20 RStV besitzt 609. Der Netzbetreiber ist also dann selbst Veranstalter, wenn er mit medienrechtlicher Zulassung in eigener Verantwortung und in eigenem Namen ein Programm produziert. Schon oben wurde dargestellt, dass sich die Geschäftsmodelle der Netzbetreiber nicht mehr auf reinen Transport der Programmprodukte fremder Veranstalter beschränken werden; Eigenveranstaltung durch den Netzbetreiber wird deshalb in Zu605 606 607 608 609
Sog. Eigenveranstaltung; siehe dazu Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 28 Rn. 3. Beucher/Leyendecker/v. Rosenberg, § 1 RStV Rn. 14. BVerfGE 97, 298, 310. Trute, in: Hahn/Vesting, § 28 Rn. 4. Beucher/Leyendecker/v. Rosenberg, § 28 RStV Rn. 2.
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kunft – insbesondere in der Form der Zusammenstellung fremder Beiträge unter eigenem Namen – eine größere Rolle spielen. Der Schwerpunkt der vertikalen Integration wird aber auf Beteiligungen an rechtlich selbstständigen Programmveranstaltern liegen. Von der konzentrationsrechtlichen Erfassung solcher Beteiligungen im weitesten Sinne handelt der folgende Abschnitt.
(2) Veranstaltung durch andere Unternehmen Während § 28 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 RStV wie erläutert die Eigenveranstaltung des Netzbetreibers erfasst, regeln insbesondere § 28 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 sowie Abs. 2 RStV die Zurechnung von Programmen fremder Veranstalter 610. Ist ein Kabelnetzbetreiber mit 25 % oder mehr an einem Veranstalter (nach Kapital oder Stimmen) beteiligt, wird ihm dessen Programm zugerechnet gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 RStV 611. Die Grenze von einem Viertel wurde vom Gesetzgeber in bewusster Ablehnung einer 10 %-Schwelle gewählt, da gesellschaftsrechtlich erst Beteiligungen ab 25 % eine Sperrminorität mit der Folge relevanten Einflusses auf die Beteiligungsgesellschaft begründen 612. Daneben sind einem Unternehmen (Netzbetreiber) nach § 28 Abs. 1 Satz 2 RStV auch Programme solcher Veranstalter zuzurechnen, an denen er nur mittelbar beteiligt ist (mittelbare Beteiligung). Dies aber nur unter den weiteren zwei Bedingungen, dass einmal das dazwischengeschaltete Unternehmen mit dem Kabelnetzbetreiber ein verbundenes Unternehmen im Sinne des § 15 AktG (dazu sogleich) bildet und zum zweiten dieses dazwischengeschaltete Unternehmen wiederum mit 25 % an dem Veranstalter beteiligt ist. Nach § 15 AktG ist der Tatbestand des verbundenen Unternehmens vor allem in folgenden Konstellationen gegeben: ein Unternehmen steht in Mehrheitsbesitz des anderen (§ 15 Alt. 1 i.V. m. § 16 AktG) oder aber beide Unternehmen sind zu mehr als einem Viertel wechselseitig aneinander beteiligt (§ 15 Alt. 1 i.V. m. § 19 AktG) 613. Da aber die Anknüpfung an formale Beteiligungshöhen die Gefahr von Umgehungen birgt, hat der Gesetzgeber mit § 28 Abs. 2 RStV einen Auffangtatbestand geschaffen 614, der die starren Grenzen des Abs. 1 ergänzt. Bei einem mit den soeben dargestellten Beteiligungshöhen vergleichbaren Einfluss auf einen Veranstalter wird dessen Programm ebenfalls dem Einflussnehmenden zugerechnet. Dabei genügt für das Vorliegen des vergleichbaren Einflusses bereits eine Interessenkoordination 615. Die Anwendung der Formel vom vergleichbaren Einfluss wird erleichtert 610 Allgemein zu den Zurechnungsvorschriften des § 28 RStV Zagouras 258 ff.; Beucher/ Leyendecker/v. Rosenberg, § 28 RStV Rn. 2 ff.; Trute, in: Hahn/Vesting, § 28 Rn. 5 ff. 611 Sog. unmittelbare Beteiligung. 612 Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 28 Rn. 4. 613 Siehe auch Trute, in: Hahn/Vesting, § 28 Rn. 6 f. 614 Zagouras 260; siehe auch Hess, AfP 1997, 684. 615 Schweitzer, ZUM 1998, 612.
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
durch die Einführung von zwei unwiderleglichen 616 Vermutungen in Abs. 2 Satz 2: Ein vergleichbarer Einfluss eines Unternehmens ist demnach zu vermuten, wenn der Veranstalter einen wesentlichen Teil der Sendezeit mit zugelieferten Programmteilen gestaltet (Nr. 1) 617 oder wenn der Unternehmer kraft vertraglicher Abrede oder in sonstiger Weise wesentliche Programmentscheidungen (Gestaltung, Einkauf oder Produktion) von seiner Zustimmung abhängig gemacht hat (Nr. 2) 618. Im Rahmen der Nr. 2 wird auch zu prüfen sein, ob eine Einflussmöglichkeit („in sonstiger Weise eine Stellung inne hat“) des Netzbetreibers nicht darin zu sehen ist, dass er mit den Übertragungswegen eine Schlüsselressource der Programmveranstaltung in seinen Händen hält. Bei Abhängigkeit des Veranstalters von der Kabelweiterverbreitung könnte man nämlich daran denken, dass dem Netzbetreiber die für § 28 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 RStV typische Veto-Position 619 zukommt. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass auch ausländische Unternehmen bei der Zurechnung von Programmen – ebenfalls als Schutz vor Umgehung 620 – miteinzubeziehen sind, § 28 Abs. 3 RStV. Im Ergebnis dürften die dargestellten Zurechnungsregeln geeignet sein, den publizistischen Einfuß des Netzbetreibers auf dem Gebiet der Fernsehveranstaltung sichtbar zu machen. Problematisch ist allein der Umstand, dass Beteiligungen unter 25 % ausgeblendet werden, da auch unterhalb dieser gesellschaftsrechtlichen Grenze publizistische Einflussnahme nicht ganz auszuschließen ist.
bbb) Der Netzbetreiber auf „medienrelevanten verwandten Märkten“ Werden damit die inhaltlichen Aktivitäten des Netzbetreibers jedenfalls im Wesentlichen erfasst, soll nun geprüft werden, ob auch die Aktivitäten im Bereich der Rundfunkübertragung rundfunkkonzentrationsrechtlich berücksichtigt werden können. Insoweit kommt § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV in Betracht, der es erlaubt, angesichts sog. cross-ownership auch unterhalb der Schwelle von 30 % das vielfaltssichernde Instrumentarium der §§ 25 ff. RStV anzuwenden. Dabei soll nur die erste Alternative des Satz 2 untersucht, die zweite Alternative hingegen ausgeblendet werden. Diese zweite Alternative nämlich, die – wie erläutert – dann eingreift, wenn eine Gesamtbeurteilung der Aktivitäten des Veranstalters ergibt, dass der dadurch erzielte Meinungseinfluss dem eines Unternehmens mit eiZur Legitimation dieser Unwiderleglichkeit, Lerche, FS Henrich, 412 f. Dazu Trute, in: Hahn/Vesting, § 28 Rn. 12 ff. 618 Näher dazu Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 28 Rn.9.; Beucher/Leyendecker/v. Rosenberg, § 28 RStV Rn. 17. 619 Begriff bei Trute, in: Hahn/Vesting, § 28 Rn. 15. 620 Zagouras 262. 616 617
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nem Zuschaueranteil von 30 % im Fernsehen entspricht, erscheint in der praktischen Anwendung weder handhabbar 621 noch notwendig 622. Hinzukommen schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken 623. Die erste Alternative erlaubt es, bei der Beurteilung der Meinungsmacht eines Unternehmens dessen marktbeherrschende Stellung auf einem „medienrelevanten verwandten Markt“ zu berücksichtigen. Zu fragen ist deshalb dem Thema der Arbeit gemäß, ob der Betrieb von Breitbandkabelnetzen einen „medienrelevanten verwandten“ Markt darstellt. Die Antwort ist in der Literatur umstritten und gerichtlich nicht geklärt. Die amtliche Begründung nennt als medienrelevante verwandte Märkte „Werbung, Hörfunk, Presse, Rechte, Produktion und andere ... Märkte.“ 624 Dem lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber die Art und Zahl der Märkte bewusst offen gelassen hat, geht er eben auch von „anderen“ Märkten aus 625; aus der Nichterwähnung der für die (digitale) Verbreitung von Rundfunk notwendigen Märkte kann deshalb kein Umkehrschluss gezogen werden. Ein Teil der Literatur nimmt an, dass die Übertragungswege keine vergleichbaren Märkte im Sinne der Vorschrift darstellen 626. Dies wird insbesondere damit begründet, dass nur solche Märkte erfasst sein könnten, die in inhaltlich-publizistischem Kontakt zum Fernsehen stünden 627, die „spezifisch publizistische Relevanz“ aufwiesen 628 und nicht wie etwa der Netzbetrieb allein die äußeren Bedingungen des Rundfunks beträfen 629. Weiterhin werden systematische Bedenken geltend gemacht: Technische Regeln des Zuganges fänden sich in den §§ 52 ff. RStV und nicht 621 Die Schwierigkeit liegt darin begründet, dass der Meinungseinfluss eines Veranstalters mit einem Zuschauermarktanteil von 30 % keine messbare Größe ist. Die zweite Alternative verlangt also vom Normanwender gleich zwei Variablen miteinander in Bezug zu setzen, was nicht rechtssicher zu leisten ist, Hess, AfP 1997, 683; Neft, ZUM 1998, 464. 622 Denn die Meinungsrelevanz auf dem verwandten Markt muss so erheblich sein, dass bei ihrem Vorliegen zugleich auch eine marktbeherrschende Stellung im Sinne des Kartellrechts anzunehmen sein dürfte; dann greift aber bereits die erste Alternative ein, Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 26 Rn. 26; siehe auch Trute, in: Hahn/Vesting, § 26 Rn. 50, der die Vorschrift als weitgehend funktionslos bewertet. 623 Tschon ausführlich 407 ff., insbesondere 506 f.; gegenüber Satz 2 insgesamt äußern Bedenken Ricker/Schiwy, E Rn. 57 b. 624 Abgedruckt bei Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, vor der Kommentierung des § 26 RStV. 625 Gegen die Annahme einer abschließenden Aufzählung auch Kreile/Stumpf, MMR 1998, 194. 626 Jedenfalls gegen die Einbeziehung technischer Dienstleistungen, wozu wohl der Netzbetrieb zu rechnen ist Hepach, ZUM 1999, 607 sowie Neft, ZUM 1998, 464 u. Beucher/Leyendecker/v. Rosenberg, § 26 RStV Rn. 11. 627 Hepach, ZUM 1999, 607. 628 Neft, ZUM 1999, 100. 629 Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 26 Rn. 21, was allerdings nicht für den Fall von Zugangsengpässen gelten soll.
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
im Abschnitt über die Medienkonzentration 630. Richtigerweise wird man jedoch den Netzbetrieb mit einem Großteil der Literatur, jedenfalls soweit er – wie in der Mangellage – eine Schlüsselressource darstellt, als medienrelevanten verwandten Markt einzustufen haben 631. Ausschlaggebend muss dabei die teleologische und verfassungskonforme Auslegung sein. § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV hat zum Ziel, vorherrschende Meinungsmacht, wie sie sich aus marktübergreifenden Strukturen ergibt, zu unterbinden. Er erfüllt damit verfassungsrechtliche Vorgaben der Pluralismussicherung. Ausschlaggebend für die Zuordnung einer Aktivität zu einem verwandten Markt muss deshalb die von ihr ausgehende Gefahr für die Meinungsvielfalt sein 632. Der Kabelnetzbetreiber, der nicht lediglich wie im Must-Carry-Bereich meinungsneutral Transportdienstleistungen erbringt, sondern auch publizistisch relevante Auswahlentscheidungen trifft, besitzt Meinungsmacht 633. Die Beherrschung der Schlüsselressource „Übertragungskapazität“ ist außerdem geeignet, den von der Rundfunkveranstaltung ausgehenden publizistischen Einfluss des Kabelnetzbetreibers weiter zu erhöhen 634. Deshalb erscheint es gerechtfertigt, im Kabelmarkt als Zugangsmarkt einen medienrelevanten verwandten Markt zu sehen. Die Argumente der Gegenmeinung vermögen indes nicht zu überzeugen. Zwar ergibt sich aus dem Tatbestandsmerkmal „verwandte Märkte“ durchaus die Notwendigkeit einer Nähe zur Fernsehveranstaltung. Diese kann aber auch in ihren technischen Kommunikationsbedingungen gesehen werden 635, zumal der Rundfunkbegriff – als Ausdruck enger Verwandtschaft – die Weiterverbreitung neben der Veranstaltung umfasst (siehe § 2 Abs. 1 Satz 1 RStV). Auch die Systematik des RStV spricht nicht gegen eine weite Auslegung. Denn die §§ 25 ff. RStV schützen als erfolgsbezogene Regelung vor vorherrschender Meinungsmacht völlig unabhängig davon, wie der Veranstalter diese Machtsstellung erlangt hat. Die §§ 52 f. RStV sind dagegen handlungsbezogen; sie greifen bereits weit unterhalb der Schwelle vorherrschender Meinungsmacht und unabhängig von ihr 636. Sie stellen insofern keine abschließende Regelung der mit Übertragungswegen einhergehenden – medienkonzentrationsrechtlichen – Fragen dar. Mithin lässt sich festhalten: Der Markt der Signalweiterverbreitung wird, soweit ihm durch Auswahlrechte des Netzbetreibers und/oder Knappheit von Übertragungskapazitäten publizistische Bedeutung zuwächst, als medienrelevanter verwandter Markt von den Vorschriften über die Sicherung der Meinungsfreiheit erfasst. 630 Siehe Neft, ZUM 1998, 464, der jedenfalls für zugangsrelevante technische Dienstleistungen digitaler Rundfunkverbreitung auf § 53 RStV verweist. 631 Wie hier Janik, AfP 2002, 110 f.; Renck-Laufke, ZUM 2000, 112 f.; Schellenberg 44; Zagouras 272 f.; Trafkowski 187 f.; Trute, in: Hahn/Vesting, § 26 Rn. 49. 632 Siehe auch Tschon 348. 633 So auch Renck-Laufke, ZUM 2000, 112. 634 Auf die Bedeutung der vertikalen Integration weist das BVerfG ausdrücklich hin, E 95, 163, 173. 635 Siehe Zagouras 272 f. 636 Siehe auch Trafkowski 187.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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Die Aktivitäten jenseits der Rundfunkveranstaltung können aber nur berücksichtigt werden, wenn das Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung auf dem medienrelevanten verwandten Markt innehat. Der Begriff der marktbeherrschenden Stellung ist dem Kartellrecht entnommen und deshalb kartellrechtlich, genauer nach §19 Abs.2, 3 GWB zu bestimmen 637. Das darf jedoch nicht zu einer undifferenzierten Übertragung wettbewerbsrechtlicher Bewertungen auf das Medienkartellrecht führen 638. Insbesondere bei der Marktabgrenzung wird man zu berücksichtigen haben, dass § 26 RStV allein Meinungsmacht auf Bundesebene zu begrenzen sucht 639. Man wird deshalb bei der räumlichen Marktabgrenzung auf das Bundesgebiet abzustellen haben. Ansonsten könnte ein Veranstalter bundesweit empfangbarer Programme allein durch den Erwerb eines kleineren Kabelnetzes, das nach hier vertretener Ansicht aus Perspektive des GWB den räumlichen Markt darstellt und zu einer Marktbeherrschung auf dem – räumlich engen – Kabelmarkt führt, die Kriterien des Satz 2 erfüllen. Richtigerweise wird deshalb nur die Beherrschung eines bundesweit gedachten Marktes für Kabeleinspeisung die Rechtsfolgen des §26 RStV auslösen können. cc) Rechtsfolgen vorherrschender Meinungsmacht Stellt die KEK vorherrschende Meinungsmacht fest, greifen die Sicherungen des Rundfunkkonzentrationsrecht, wie sie insbesondere in § 26 Abs. 3 und 4 RStV festgelegt sind. Dabei sind zwei Konstellationen zu unterscheiden: einmal kann vorherrschende Meinungsmacht durch den Erwerb weiterer eigener Programmlizenzen oder weiterer Beteiligungen an anderen Lizenznehmern entstehen (externes Wachstum); zum anderen können indes auch bei unverändertem Lizenzbestand – etwa durch publizistischen Erfolg eines Programms oder Wegfall eines Konkurrenten – die Marktanteilsgrenzen überschritten werden (sog. internes Wachstum) 640. Im Falle externen Wachstums dürfen dem Unternehmen keine weiteren neuen Lizenzen verliehen werden (§ 26 Abs. 3 Fall 1 RStV). Darüber hinaus darf dem Unternehmer auch keine Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt werden (§ 26 Abs. 3 Fall 2 RStV). So wird verhindert, dass er durch Anteilserwerb an anderen Veranstaltern seinen Lizenzbestand mittelbar aufstockt 641. Komplizierter gestaltet sich der Sanktionsmechanismus, wird vorherrschende Meinungsmacht durch internes Wachstum erlangt. Den verfassungsrechtlichen Po637 So auch Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 26 Rn. 20, der aber – wohl ein Redaktionsversehen – auf § 22 GWB verweist sowie Trute, in: Hahn/Vesting, § 26 Rn. 47 f. 638 Siehe auch Tschon 369. 639 Siehe auch Beucher/Leyendecker/v. Rosenberg, § 26 RStV Rn. 11, wonach regionaler Hörfunk wegen seiner Irrelevanz auf Bundesebene nicht berücksichtigt werden kann. 640 Tschon 338; Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 26 Rn. 27 f. 641 Der Erwerb u. die Veränderung von Beteiligungen dürfen nämlich nur bei Vorliegen einer Unbedenklichkeitsbescheinigung vollzogen werden, § 29 RStV. Zu den Details Beucher/Leyendecker/v. Rosenberg, § 29 RStV Rn. 2 ff.; Tschon 339.
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
sitionen des Veranstalters gemäß 642 verfolgt der Rundfunkstaatsvertrag ein „Konzept des einvernehmlichen Handelns“ 643. Zwangsmaßnahmen sind daher nur unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und nur insoweit möglich, als eine einvernehmliche Regelung mit dem Betroffenen scheitert. Die möglichen Maßnahmen der Vielfaltssicherung finden sich in § 26 Abs. 4 RStV: sie reichen von der Einräumung von Sendezeit an unabhängige Dritte (§ 26 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 i.V. m. § 30 Nr. 1, § 31 RStV) und der Einrichtung eines Programmbeirates (§ 26 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 i.V. m. § 30 Nr. 2, § 32 RStV) 644 über die Verminderung der Marktstellung auf den verwandten Märkten 645 (§ 26 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 RStV) bis zur Aufgabe von Veranstalterbeteiligungen (§ 26 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 RStV) 646. Als ultima ratio kann schließlich die zuständige Landesmedienanstalt die Zulassung von so vielen dem Unternehmen zurechenbaren Programmen widerrufen, bis keine vorherrschende Meinungsmacht mehr gegeben ist, § 26 Abs. 4 Satz 2 RStV 647. Aufs Ganze gesehen steht damit ein wirksames Instrumentarium zur Verfügung, vorherrschende Meinungsmacht zu beschränken. dd) Bewertung des Rundfunkkonzentrationsrechts nach dem RStV Das Medienkonzentrationsrecht nach den §§ 25 ff. RStV unterscheidet sich wesentlich von den zuvor dargestellten Schutzmechanismen. Während diese tatbestandlich an verschiedene – mehr oder weniger meinungsrelevante – Handlungsweisen des Netzbetreibers anknüpfen, insbesondere an die Zugangsverweigerung, setzt das Zuschauermarktanteilsmodell erfolgsbezogen bei der Meinungsmacht selbst an. Dies erscheint in zweierlei Hinsicht vorteilhaft: Zum einen sind Zuschaueranteile der beste Gradmesser für den Meinungseinfluss 648. Zum anderen entledigt sich der Gesetzgeber mit der Steuerung von Zielgrößen auch der vielfältigen Probleme einer Detailgesetzgebung in einem sich technisch rasant entwickelnden Umfeld. Hinzukommt, dass die für die vertikale Konzentration kennzeichnende Verknüpfung von Netz und Nutzung durch die Rechtsfigur des verwandten medienrelevanten Marktes – wie gezeigt – erfasst wird. Jedenfalls dem Grundsatz nach erscheint deshalb das Marktanteilsmodell gut geeignet, die von der vertikalen Integration für den Meinungspluralismus ausgehenden Gefahren zu beherrschen 649. Schließlich stehen auf der Rechtsfolgenseite wirksame Instrumente einschließlich eines Widerrufs der Zulassung zur Verfügung. Siehe Degenhart, in: BK, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 855. Zagouras 275; § 26 Abs. 4 Satz 2 RStV. 644 Zu beiden Konstellationen näher Zagouras 276 f. 645 Denkbar wäre hier etwa, dass der Netzbetreiber zusätzliche Transportkapazität für „fremde“ Veranstalter bereitstellt. 646 Dazu Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, § 26 RStV Rn. 31. 647 Auch Trute, in: Hahn/Vesting, § 26 Rn. 68 ff. 648 So im Hinblick auf die Veranstalter: Kuch, ZUM 1997, 13. 649 In diese Richtung auch Roßnagel/Hilger, MMR 2002, 448. 642 643
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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Besitzt damit das Marktanteilsmodell dem Grunde nach hohes Steuerungspotential, so sind doch angesichts seiner konkreten Ausgestaltung durch den Rundfunkstaatsvertrag deutliche Schwächen erkennbar. An erster Stelle ist hier die 25 % Klausel des § 28 RStV zu nennen. Denn auch unterhalb einer solchen Beteiligungshöhe, kann durchaus eine – wenn auch nicht gesellschaftsrechtlich vermittelte – meinungsrelevante Beeinflussung vorliegen. Zum zweiten kann das marktanteilsbezogene Modell mit seiner bundesweiten Perspektive die gerade für den Netzbetrieb relevanten regionalen – z. B. netzbezogenen – Fälle vorherrschender Meinungsmacht nicht erfassen. Schließlich hat durch Einführung der Bonusregelung (§ 26 Abs. 2 Satz 3 RStV) die Berücksichtigung verwandter medienrelevanter Märkte und damit die Erfassung vertikaler Integration nicht unerheblich an Bedeutung verloren. Aufs Ganze gesehen dürfte das Rundfunkkonzentrationsrecht damit als einziger Schutzmechanismus nicht genügen. Es bietet aber eine Grundsicherung vor vorherrschender Meinungsmacht integrierter Netzbetreiber: Jedenfalls dann, wenn die dem Netzbetreiber zurechenbaren Programme 30 % Zuschauermarktanteil erreichen, greifen hinreichend wirksame Mechanismen zum Vielfaltsschutz. Die 30 %-Grenze zeigt aber auch, ab welcher Größenordnung erst vorherrschende Meinungsmacht aus Sicht des Gesetzgebers vorliegt. Die den Netzbetreibern zurechenbaren Programme sind von solchen Dimensionen jetzt und in absehbarer Zukunft noch weit entfernt 650. 2. Tatsächliche Schutzmechanismen Im vorhergehenden Kapitel wurden die vorhandenen rechtlichen Schutzmechanismen dargestellt und bewertet. Über diese zahlreichen rechtlichen Sicherungen darf aber nicht vergessen werden, dass auch im Tatsächlichen der Handlungsspielraum des integrierten Netzbetreibers beschränkt ist. Das Augenmerk hat sich dabei auf die Zugangsalternativen zu richten, wie sie in Kapitel B dargestellt wurden 651. Die Gefahren der vertikalen Integration liegen im Wesentlichen in der Gatekeeper-Stellung des Netzbetreibers begründet, die es ihm erlaubt „eigene“ Programme gegenüber den Produkten „netzbetreiberfremder“ Veranstalter zu bevorzugen. Denklogisch kann diese Schlüsselposition auf zwei Weisen abgeschwächt werden. Der Netzbetreiber kann zum einen verpflichtet werden, bestimmten „fremden“ Programmen Zugang zu seinen Netzen zu gewähren. Dies setzt ein – im vorhergehenden Abschnitt bereits dargestelltes – kompliziertes Regelungsgefüge voraus, das zudem ständiger Kontrolle und Nachbesserung bedarf. Die zweite Möglichkeit besteht darin, auf Wettbewerb zwischen dem Kabelnetz und anderen Infrastrukturen zu setzen, 650 Siehe z. B. die Feststellungen des BKartA zu den Liberty zurechenbaren Programmen, epd Nr. 17 v. 6.3.2002, 18, wonach die zurechenbaren Programme im Verfahrenszeitpunkt geringe Reichweiten aufwiesen u. relativ unbekannt seien. 651 Siehe oben B. II.
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
sog. Infrastruktur- oder auch Netzwettbewerb 652. Die disziplinierende Wirkung geht dabei allein von den Marktakteuren selbst aus; der Netzzugang bedarf folglich – jedenfalls dem Grundsatz nach – keiner regulatorischen Überwachung durch den Staat 653. Infrastrukturwettbewerb kommt zudem für die Rundfunkweiterverbreitung besondere Bedeutung zu: Denn Rundfunksignale sind nicht notwendig leitergebunden. Darin unterscheiden sie sich grundlegend von anderen über Netze verteilten Gütern wie beispielsweise Strom oder Gas. Während die Duplizierung des erdverbundenen Stromnetzes wegen der immensen – noch dazu „versunkenen“ 654 – Kosten marktrational nicht möglich wäre, kann z. B. durch die Positionierung eines Satelliten mit überschaubaren Investitionen eine enorme Zahl potentieller Zuschauer erreicht werden. Wie die obigen Ausführungen gezeigt haben, stehen denn auch mit der Satelliten- und der DVB-T-Technik langfristig zwei zunehmend konkurrenzfähige Infrastrukturen zur Verfügung 655. Die (inselweise) Einführung von DVB-T hat gerade erfolgreich begonnen 656, der Zugang zur bereits etablierten Satellitentechnik wird – insbesondere mit Hinblick auf die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben – in Zukunft weiter erleichtert. Weitere Zugänge z. B. über die DSL-Technik sind zumindest technisch möglich. Zwar ist der Wechsel zwischen diesen Alternativen für Programmveranstalter und Zuschauer derzeit noch nicht so einfach, dass im Sinne des Kartellrechts bereits von einem einheitlichen Markt gesprochen werden kann657, allein die Existenz dieser alternativen Zugänge beschränkt aber den Handlungsspielraum des Netzbetreibers. In wirtschaftswissenschaftlicher Terminologie kann man davon sprechen, dass aufgrund tatsächlicher Umstände das Monopol der Netzbetreiber zukünftig stärker „angreifbar“ 658 sein wird. Die Alternativen zum Kabelnetz reduzieren indes nicht nur die allgemein mit einem Monopol einhergehenden Nachteile, sondern (mittelbar) gerade auch die von vertikaler Integration ausgehenden Gefahren. So wird ein integrierter Netzbetreiber z. B. nicht auf die Weiterverbreitung attraktiver Programme „fremder“ Veranstalter zugunsten „eigener“ verzichten, wenn die Nutzer leicht auf andere Empfangstechniken ausweichen können, die das attrak652 Z. B. Holzhäuser 23; teilweise wird auch von Inter-System-Wettbewerb gesprochen, so Klimisch/Lange, WuW 1998, 18. 653 Infrastrukturwettbewerb würde die Regelungsnotwendigkeit im gesamten MultimediaBereich reduzieren, so zu Recht Möschel, Beilage MMR 2/2001, 17; siehe auch Engel, MMR Beilage 3/1999, 8. 654 Sog. sunk costs, das heißt Aufwendungen die irreversibel sind u. deshalb eine Markteintrittsschranke darstellen, Klimisch/Lange, WuW 1998, 17; Möschel, MMR 2001, 3; siehe auch Holznagel 12 ff. 655 Siehe auch schon oben die Ausführungen zur Parallelproblematik des Substitutwettbewerbs, E. IV. 1. c) cc) aaa) (2) (a). Zur Theorie der angreifbaren Märkte Knieps, 8 ff. 656 Die Länder Berlin u. Brandenburg haben zum 1.11.2002 mit der Umstellung von analoger auf digitale terrestrische Verbreitung nach dem DVB-T-Standard begonnen, die mittlerweile mit Erfolg abgeschlossen ist. 657 Dazu ausführlich oben E. IV. 1. c) cc) aaa) (1). 658 Zur Theorie der Netze als angreifbare (contestable) u. nicht angreifbare Monopole, Klimisch/Lange, WuW 1998, 17 f.; Martenczuk/Thomaschki, RTKomm, 1999, 16 f.
IV. Sind zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich?
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tive Fremdangebot zugänglich machen. Die alternative Infrastruktur reduziert also die publizistisch relevante Angebotsmacht des Netzbetreibers zugunsten der Nachfragemacht der Zuschauer. Der Infrastrukturwettbewerb ist damit bereits heute ein nicht unwesentlicher Schutzmechanismus, dessen Bedeutung in Zukunft noch erheblich zunehmen wird.
3. Keine Erforderlichkeit neuer Schutzmaßnahmen Die eingangs gestellte Frage, ob die vom vertikal integrierten Netzbetreiber ausgehenden Gefahren, derzeit und mit Regelungen de lege lata ausreichend zu beherrschen sind, kann nun abschließend beantwortet werden. Zwar haben sich einige Regelungsmechanismen als eher wirkungsschwach erwiesen: So dürfte eine strikte Trennung von Veranstaltung und Netzbetrieb angesichts der Grundrechtspositionen des Netzbetreibers ausscheiden. Sie wäre darüber hinaus auch kontraproduktiv, da die in der vertikalen Integration für die Entwicklung der Netze liegenden Chancen von vornherein ungenutzt blieben. Auch die in der Literatur häufig als Schutzmechanismus benannte essential-facility-doctrine erweist sich als ungeeignet, da sie erst bei Beherrschung des abgeleiteten Marktes und damit zu spät greift. Die kartellrechtlichen Vorschriften, wie § 20 GWB oder § 35 TKG schützen ebenfalls nur lückenhaft, da in der Knappheitssituation eine bevorzugte Einspeisung fremder Veranstalter mit der aus dem Netzeigentum folgenden Rechtsposition nicht zu vereinbaren ist. Die an sich wirksame Fusionskontrolle nach § 36 GWB büßt an Steuerungspotential ein, da sie internes Wachstum gerade nicht erfasst. Gleichwohl zeigt sich in der Gesamtschau ein hohes Schutzniveau. Eine zentrale Rolle kommt dabei den Carry-Rules zu. Die Must-Carry-Vorschriften sichern jedem Zuschauer den Zugang zu den Programmen der Grundversorgung. Da diese die Vielfalt der Meinungen darstellen und auch Minderheiten angemessen zu Wort kommen lassen, sind die möglicherweise von vertikaler Integration ausgehenden vielfaltsverengenden Effekte wesentlich abgeschwächt. Hinzu kommen die Anforderungen des § 52 Abs. 4 Nr. 1 RStV, die über die Programme der Grundversorgung hinaus eine weitere Vielzahl von Programmen netzbetreiberfremder Veranstalter fordern. In ihrer Gesamtheit reduzieren diese Vorschriften die Schlüsselstellung des Netzbetreibers erheblich. Der Netzbetreiber ist in Hinblick auf einen nicht geringen Teil seiner Übertragungskapazität kein „gatekeeper“ mehr. Die vertikale Integration kennzeichnende Fähigkeit, Marktbeherrschung auf einem Schlüsselmarkt auf den abgeleiteten Markt zu übertragen, ist dem Netzbetreiber mit den Carry-Rules genommen, da eine Monopolisierung der Programmveranstaltung in Deutschland allein angesichts der starken Stellung öffentlich-rechtlicher Programme ausgeschlossen erscheint.
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E. Der Kabelnetzbetreiber als Inhalteanbieter
Das Steuerungspotential der Carry-Rules wird weiterhin ergänzt durch das Zuschauermarktanteilsmodell (§ 26 RStV). Mit dieser Regelung wird der publizistische Einfluss des Netzbetreibers auf maximal 30 % Zuschauermarktanteil beschränkt. Die Regelung erfasst darüber hinaus wirkkräftig Beteiligungsverhältnisse an Veranstaltern und kann als erfolgsbezogener Mechanismus auch als umgehungsfest bezeichnet werden. Schließlich schwächen auch die tatsächlichen Umstände der Rundfunkweiterverbreitung die Meinungsmacht des integrierten Netzbetreibers erheblich ab. Infrastrukturwettbewerb und Nachfragemacht der Zuschauer sind hier als wesentliche Faktoren zu nennen. Im Ergebnis erscheinen weitere Regelungen zum Schutz vor den Gefahren vertikaler Integration verzichtbar. Zusätzliche gesetzliche Gebote und Verbote sind damit zwar nicht ausgeschlossen; mit Hinweis auf die Erfordernisse des Vielfaltsschutzes dürften sie jedoch kaum zu legitimieren sein. Der Rundfunkgesetzgeber steht also unter erhöhtem Rechtfertigungsdruck, wollte er die Rechtspositionen des Netzbetreibers über das bestehende Maß hinaus einschränken.
F. Zusammenfassung in Thesen 1. Die BK-Netze in der Bundesrepublik verändern sich durch technischen Ausbau sowie durch die Digitalisierung des Netzbetriebes grundlegend. In Zukunft können über die BK-Netze mehrere Hundert Fernsehprogramme ebenso angeboten werden wie Telefonie und Internet 1. 2. Während in der Vergangenheit die BK-Netze nach dem sog. Transportmodell betrieben wurden, d. h. nach einem Geschäftsmodell, bei dem ausschließlich die Dienstleistung „Weiterverbreitung“ vom Veranstalter und/oder Endkunden bezahlt wurde, muss der Netzbetreiber neue Wertschöpfungsstufen erschließen. Die Netzbetreiber werden deshalb aller Voraussicht nach ihren Geschäftsbetrieb auf das „Vermarktungsmodell“ umstellen. Danach erwirbt der Netzbetreiber Programme vom Veranstalter, um sie an seine Endkunden weiterzuvertreiben; er partizipiert damit auch an den Erlöspotentialen der Inhalte 2. 3. Der Netzbetreiber sieht sich zunehmendem Konkurrenzdruck alternativer Übertragungswege ausgesetzt. An erster Stelle steht hierbei der Satellitenempfang 3. 4. Für den Endverbraucher ergeben sich aber häufig rechtliche Schwierigkeiten, möchte er das Empfangssystem wechseln. Zunächst zu nennen sind öffentlich-rechtliche (Parabol-)Antennenverbote. Diese sind jedoch – richtig verstanden – mit der grundrechtlich verbürgten Informationsfreiheit, die auch und insbesondere den freien Empfang von über Satellit verbreiteten Fernsehdiensten schützt, nicht vereinbar 4. 5. Schwierigkeiten ergeben sich auch für Mieter, die eine Parabolantenne nutzen möchten. Nach ständiger Rechtsprechung der Obergerichte, fordert die mittelbare Drittwirkung des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG regelmäßig keinen Zugang zum Satellitenempfang, soweit ein Anschluss an das BK-Netz besteht. Vielmehr überwiegt das Eigentumsrecht des Vermieters. Diese Abwägung berücksichtigt nicht ausreichend die neu gewonnenen Freiheiten der BK-Netzeigentümer bei der Kabelbelegung. Nach hier vertretener Ansicht fällt die Abwägung deshalb zugunsten der Informationsfreiheit des Mieters aus. Dieses Ergebnis ist auf den Wohnungseigentümer übertragbar 5. 6. Ist danach wohl allein schon dem nationalen Recht ein Anspruch auf Satellitenempfang zu entnehmen, so muss jedenfalls unter Berücksichtigung gemein1 2 3 4 5
Siehe oben B. I. 1. Siehe oben B. I. 2. Siehe oben B. II. 1. a). Siehe oben B. II. 1. b) aa) aaa). Siehe oben B. II. 1. b) aa) bbb) u. ccc).
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schaftsrechtlicher Vorgaben ein solches „Recht auf Parabolantenne“ angenommen werden. Denn öffentlich-rechtliche Antennenverbote beschränken in unzulässiger Weise den freien Dienstleistungsverkehr im Binnenmarkt. Sie erschweren nämlich die Weiterverbreitung EU-ausländischer Fernsehdienste, bei denen es sich um Dienstleistungen im Sinne des Art. 49 EGV handelt, ohne dass dafür eine gemeinschaftsrechtlich anerkannte Rechtfertigung erkennbar ist 6. 7. Soweit Mieter Parabolantennen nutzen möchten, ist danach zu differenzieren, ob ihnen dies individualvertraglich oder durch AGBs untersagt ist oder ob keine vertragliche Regelung getroffen wurde 7. 8. Individuelle, privatautonome Vereinbarungen, die den Satellitenempfang beschränken, nimmt das Gemeinschaftsrecht hin. Denn einmal ist eine unmittelbare Drittwirkung der Dienstleistungsfreiheit im Verhältnis Mieter-Vermieter zu verneinen, da die für das Verhältnis Staat-Bürger geschaffenen Grundfreiheiten nicht auf dieses Verhältnis, das durch privatautonomen Ausgleich gekennzeichnet ist, übertragen werden können. Darüber hinaus ist auch eine aus der Dienstleistungsfreiheit abgeleitete staatliche Garantenpflicht dahingehend, dass privatautonome Beschränkungen zu unterbinden wären, abzulehnen. Denn der – vom Gemeinschaftsrecht anerkannte – privatautonome Ausgleich zwischen den Bürgern kann dem Grundsatz nach keine mitgliedstaatlichen Eingriffspflichten auslösen 8. 9. Soweit die Parteien indes keine Regelung getroffen haben, richtet sich die Nutzungsmöglichkeit einer Satellitenantenne nach BGB-Mietrecht. Dieses ist gemeinschaftsrechtskonform auszulegen, wobei die Generalklauseln zum Einfallstor der Grundfreiheiten werden. Dementsprechend hat der Vermieter den Satellitenempfang zu dulden 9. 10. Auch die Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes und jene über allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemeinschaftsrechtskonform auszulegen. Demnach sind AGB-Antennenverbote ebenso wenig mit gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in Einklang zu bringen wie eine Auslegung der WEG-Bestimmungen, die dem einzelnen Wohnungseigentümer einen Anspruch auf eine Parabolantenne bei vorhandenem Kabelanschluss versagt 10. 11. Als weitere alternative Übertragungswege sind die digitale terrestrische Verbreitung (DVB-T) sowie solche Techniken zu nennen, die über das schmalbandige Telefonnetz arbeiten. Im Gegensatz zum Satelliten zeigen diese Techniken aber für den Endverbraucher deutliche Schwächen gegenüber dem Kabelempfang 11. Siehe oben B. II. 1. b) bb) aaa). Siehe oben B. II. 1. b) bb) bbb). 8 Siehe oben B. II. 1. b) bb) bbb) (1) (a) u. (b). 9 Siehe oben B. II. 1. b) bb) bbb) (2). 10 Siehe oben B. II. 1. b) bb) bbb) (3) u. ccc). 11 Siehe oben B. II. 2. bis 4. 6 7
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12. Für den Netzbetreiber ist angesichts der vielfältigen technischen Nutzungsmöglichkeiten von Interesse, ob er seine Infrastruktur notwendig für die Weiterverbreitung von Rundfunkdiensten zu verwenden hat. Neben entsprechenden einfachgesetzlichen Vorgaben für die BK-Netznutzung ist auch zu untersuchen, ob die in Art. 87 f GG festgeschriebene Gewährleistungsverantwortung des Bundes eine entsprechende Netznutzung verfassungskräftig fordert und dem Gesetzgeber demzufolge Ingerenzpflichten auferlegt 12. 13. Für Auslegung und Anwendung des Art. 87 f GG sind die Begriffe Grundversorgung und Universaldienst abzugrenzen. Der Begriff der rundfunkrechtlichen Grundversorgung ist inhaltlich durch das Bundesverfassungsgericht geprägt und umfasst nach dessen Auslegung drei Elemente: technisch eine Empfangsmöglichkeit für jedermann, inhaltlich ein breites Angebot im Sinne des klassischen Rundfunkauftrages, das – drittens – den Anforderungen gleichgewichtiger Vielfalt gerecht wird. Dementsprechend dürfte die Grundversorgung die beiden bundesweiten öffentlich-rechtlichen Vollprogramme sowie die jeweiligen öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkprogramme umfassen. Der Begriff Universaldienst bezeichnet demgegenüber einen Grundstock an Dienstleistungen im Fernmeldebereich13. 14. Die Weiterverbreitung von Rundfunk unterfällt dem in Art. 87 f Abs. 1 GG verwendeten Begriff der Dienstleistung im Bereich der Telekommunikation 14. 15. Verfassungsrechtlich ist eine Dienstleistung nach Maßgabe folgender Kriterien dem Universaldienst zugeordnet: Der Universaldienst umfasst eine Mindestversorgung, keine Maximalversorgung. Ob eine konkrete Leistung zum Universaldienst zählt, ist im Wege einer Abwägung festzustellen. Dabei sind die Bedürfnisse der Nutzer solcher Leistungen mit der sich aus dem Grundsatz privater Leistungserbringung ergebenden Rechtsposition der Dienstleister in schonenden Ausgleich zu bringen 15. 16. In Anwendung dieser Grundsätze ist die Rundfunkweiterverbreitung an sich dem Universaldienst zuzuordnen. Dies folgt aus den Bedürfnissen der Nutzer ebenso wie aus den objektiv-rechtlichen Gehalten der Rundfunkfreiheit 16. 17. Der Umfang des Universaldienstes entspricht den Kapazitätserfordernissen der Grundversorgung. Denn eine Kapazität im Umfang der Grundversorgung stellt den schonenden Ausgleich zwischen den Interessen der Nutzer sowie den Erfordernissen der Rundfunkfreiheit auf der einen und der Netzbetreiberfreiheit auf der anderen Seite dar 17. 12 13 14 15 16 17
Siehe oben C. Einleitung. Siehe oben C. I. 1. a). Siehe oben C. I. 2. Siehe oben C. I. 3. a). Siehe oben C. I. 3. b) aa). Siehe oben C. I. 3. b) bb).
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18. Der Universaldienst umfasst dagegen nicht verfassungsnotwendig die Weiterverbreitung von Rundfunk gerade über BK-Netze; es genügt vielmehr, wenn der Nutzer überhaupt einen ausreichenden und angemessenen Zugang zu Rundfunkdiensten im Umfang der Grundversorgung besitzt. Dieser wird derzeit vollumfänglich terrestrisch gewährleistet 18. 19. Auf einfachgesetzlicher Ebene bestehen keine Bundesgesetze, die den Netzbetreiber verpflichten würden, Rundfunkdienste über seine Infrastruktur anzubieten. Einige landesrechtliche Vorschriften geben ihm jedoch die Nutzung seines Netzes für Rundfunkzwecke auf 19. 20. Diese landesrechtlichen Vorgaben begegnen aber verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn die Kompetenz zur Festlegung der Nutzungsart von Telekommunikationsnetzen steht dem Bund zu. Dies folgt aus Art. 87 f GG. Verpflichtet dieser den Bund einen gewissen Grundstock an Telekommunikationsdienstleistungen zu gewährleisten, so kann diese Verpflichtung nur dann vom Bund erfüllt werden, wenn er auch Vorgaben für die Netznutung machen darf, d. h. die entsprechende Gesetzgebungskompetenz besitzt 20. 21. Wesen und Inhalt der vom Grundgesetz in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG garantierten Rundfunkfreiheit sind nicht unbestritten. Das Bundesverfassungsgericht betont in ständiger Rechtsprechung die objektiv-rechtlichen Gehalte gegenüber der subjektiven Dimension der Rundfunkfreiheit. Diese sei ihrem Träger nicht zu beliebigem Gebrauch gewährt, sondern diene der Meinungsbildung im demokratischen Verfassungsstaat. Diese Funktion könne der Rundfunk nur erfüllen, wenn er nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen, sondern in eine positive Ordnung eingebunden sei. Ein bedeutender Teil des Schrifttums schließt sich dieser Ansicht an21. 22. Eine im Vordringen begriffene Meinung in der Literatur betont demgegenüber die abwehrrechtlich-individuelle Seite der Rundfunkfreiheit. So soll beispielsweise die systematische Nähe zur unbestritten allein subjektiv-rechtlich verstandenen Pressefreiheit für überwiegend subjektiv-rechtliche Gehalte auch der Rundfunkfreiheit sprechen 22. 23. Für die Sicht des Bundesverfassungsgerichtes spricht das besondere Bedürfnis eines jeden demokratischen Staates nach einem freien, von vorherrschender Meinungsmacht einzelner gesellschaftlicher Gruppen unbeeinflussten öffentlichen und privaten Diskurs. Gleichwohl streitet für eine Annäherung auch der Rundfunkfreiheit an die allgemeine grundrechtliche Dogmatik vor allem das Bedürfnis einer Angleichung an die Verhältnisse auf europäischer Ebene, da dort sowohl die Rund18 19 20 21 22
Siehe oben C. I. 3. b) cc). Siehe oben C. II. 1. Siehe oben C. II. 2. Siehe oben D. I. 1. a) u. b). Siehe oben D. I. 1. c).
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funkfreiheit der EMRK als auch die gemeinschaftsrechtliche Rundfunkfreiheit abwehrrechtlich konzipiert sind. Im Ergebnis kann die Frage für die vorliegende Arbeit jedoch offen bleiben, da der grundrechtliche Schutz des Netzbetreibers schwerpunktmäßig in seiner Wirtschaftsfreiheit zu suchen ist 23. 24. Rundfunkweiterverbreitung durch den Veranstalter selbst fällt in den Schutzbereich der Rundfunkfreiheit 24. 25. Verbreitet der Netzbetreiber Rundfunk weiter, so dürfte auch er mit dieser Tätigkeit dem Schutzbereich unterfallen. Im Hinblick auf die Pressegrosso-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes gilt dies auch, wenn der Netzbetreiber keine Auswahlentscheidung trifft, da er selbst dann eine für das Funktionieren eines freien Rundfunks notwendige Hilfstätigkeit ausübt. Soweit er selbst Programme zur Einspeisung auswählt, fällt er aufgrund dieser publizistischen Entscheidung erst recht in den Schutzbereich 25. 26. Aus Perspektive des Bundesverfassungsgerichtes und der ihm folgenden Literaturmeinung sind Belegungsregeln als bloße Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit nicht an Art. 5 Abs. 2 GG zu messen. Nach anderer Ansicht liegt jedoch ein Eingriff in die Rundfunkfreiheit vor. Zu prüfen ist deshalb, ob dieser gerechtfertigt werden kann 26. 27. Die Belegungsregeln besitzen regelmäßig die von Art. 5 Abs. 2 GG geforderte Meinungsneutralität auch dann, wenn sie Programme aufgrund einer gewissen Programmstruktur oder der Art ihrer Entstehung zur Einspeisung vorschreiben. Bedenklich sind hingegen Regeln über die Einspeisung konkreter privater Programme 27. 28. Belegungsregeln dienen einem ausgewogenen, vielfältigen Gesamtangebot im Kabel und damit den objektiv-rechtlichen Vorgaben der Rundfunkfreiheit. Gleichzeitig sollen sie anderen Grundrechtsträgern die Verwirklichung ihrer Grundrechte erleichtern 28. 29. Belegungsregeln verstoßen unter Achtung des dem Gesetzgeber eingeräumten weiten Beurteilungsspielraums nicht gegen die rechtsstaatlichen Gebote der Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit 29. 30. Eingriffe in die Rundfunkfreiheit des Netzbetreibers zugunsten der Veranstalter sind hinzunehmen, da der Netzbetreiber in der Regel und vor allem bei Tätigkeit nach dem Transportmodell im Vergleich zum Veranstalter eher am Rande der Rund23 24 25 26 27 28 29
Siehe oben D. I. 1. d). Siehe oben D. I. 2. a). Siehe oben D. I. 2. b) aa). Siehe oben D. I. 3. Einleitung. Siehe oben D. I. 3. a). Siehe oben D. I. 3. b). Siehe oben D. I. 3. c) aa).
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funkfreiheit steht. Ähnliches gilt, schützen die Belegungsregeln die Rundfunkfreiheit in ihrer objektiv-rechtlichen Dimension. Hier kann sich die subjektive Rundfunkfreiheit des Netzbetreibers gegenüber dem bedeutenden Schutzzweck regelmäßig nicht durchsetzen 30. 31. Die Wirtschaftsfreiheiten und die Rundfunkfreiheit stehen zueinander in Idealkonkurrenz; jedenfalls muss dies für den Netzbetreiber gelten, der sich aus Art. 87 f GG ersichtlich auf die seine privatwirtschaftliche Tätigkeit schützenden Grundrechte, namentlich Art. 12 und 14 GG, berufen können muss. Art. 87 f GG selbst ist hingegen kein Grundrecht 31. 32. In sachlicher Hinsicht fällt die Nutzung des dem Netzbetreiber zustehenden zivilrechtlichen Eigentums an den BK-Netzen in den Schutzbereich des Art.14 GG, in persönlicher Hinsicht genießt auch die juristische Person den Schutz der Eigentumsgarantie 32. 33. Die Belegungsregeln stellen keine Enteignung, sondern vielmehr einen Eingriff in Form einer einheitlich zu verstehenden Eigentumsbestimmung dar. Die Tatsache, dass durch die Belegungsregeln die Substanz der Netze unberührt bleibt, ändert daran nichts. Denn gerade auch Nutzungsbeschränkungen erfüllen den Eingriffstatbestand 33. 34. Ob die Belegungsregeln auch einen angemessenen Eingriff in das Eigentum darstellen kann nur im Wege der Abwägung beurteilt werden. Damit diese indes nicht beliebig wird, sind Maßstäbe der Beurteilung zu bilden. Zu fragen ist insbesondere nach der Eigenart des betroffenen Eigentums, nach der Eingriffsintensität sowie nach dem Maß der sozialen Verflochtenheit 34. 35. Das Eigentum am Netz steht dem Grundrechtsträger unmittelbar zu; es handelt sich um Eigentum des Unternehmens, nicht am Unternehmen. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes zum gesellschaftsrechtlich vermittelten Eigentum können deshalb auf das Netzeigentum nicht übertragen werden. Das Netzeigentum ist aber keine persönliche Habe, sondern Betriebseigentum, so dass insofern höhere Bindungen zu rechtfertigen sein können 35. 36. Aus der Entstehung der Netze – mit Steuergeldern und unternehmerisch risikofrei – können keine besonderen Bindungen für die derzeitigen Netzbetreiber hergeleitet werden. Denn mit dem Kaufpreis hat der Fiskus den Marktwert der Netze vollständig erstattet bekommen 36. 30 31 32 33 34 35 36
Siehe oben D. I. 3. c) bb). Siehe oben D. II. 1. Siehe oben D. II. 2. a). Siehe oben D. II. 2. b). Siehe oben D. II. 2. c) bb) Einleitung. Siehe oben D. II. 2. c) bb) aaa) (1). Siehe oben D. II. 2. c) bb) aaa) (2).
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37. Der Umstand, dass bis 1996 ein (rechtliches) Netzmonopol bestand, verliert nach der Marktöffnung und mit Zeitablauf zunehmend an Bedeutung. Weiterhin dürfen die sich aus dem TKG ergebenden Vorteile, insbesondere ein (entschädigungspflichtiges) Recht zur Nutzung fremder Grundstücke, nicht überkompensiert werden 37. 38. Die Eingriffsintensität von Belegungsregeln bemisst sich vor allem danach, inwieweit diese Regeln eine nicht marktrationale Nutzung des Netzes fordern. Dabei ist marktrationales Verhalten inhaltlich durch das vom Betreiber gewählte Geschäftsmodell geprägt 38. 39. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums ist umso größer, je mehr das Eigentum in sozialem Bezug steht. Der Grad dieser sozialen Verflochtenheit bestimmt sich nach der Angewiesenheit Dritter auf das Eigentumsobjekt. Daraus folgt: Der soziale Bezug des Netzeigentums sinkt je mehr die Nutzer auf andere Übertragungswege ausweichen können 39. 40. Die Frage nach der Angemessenheit des Eingriffs (Proportionalität) ist auch eine Frage nach dem abstrakten Rangverhältnis von Rundfunkfreiheit und Eigentum 40. 41. Ein Vorrang der Rundfunkfreiheit wird im Schrifttum teils aus der Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nach der Rechtsprechung immanenten Schutzpflicht, teils aus dem Wesen der Rundfunkfreiheit als „Rundumfreiheit“ abgeleitet. Beide Ansätze begegnen dogmatischen Bedenken 41. 42. Auch der Versuch, die für die Rundfunkfreiheit entwickelte Sonderdogmatik der (allein) dienenden Freiheit auf das Eigentum zu übertragen, überzeugt kaum. Denn weder liegt im Hinblick auf das Eigentum die für den Rundfunk kennzeichnende Sondersituation vor noch ließe sich eine solche funktionelle Deutung mit der Rechtsprechung zu Art. 14 GG in Einklang bringen 42. 43. Gleichwohl kann die Rundfunkfreiheit aufgrund ihrer essentiellen Funktion für die demokratische Willensbildung einen gewissen Vorrang beanspruchen (funktional-demokratischer Bonus) 43. 44. Dieses Übergewicht der Rundfunkfreiheit wird begrenzt durch die Entscheidung der Verfassung für einen privatwirtschaftlichen Netzbetrieb (Art. 87 f GG) 44. 37 38 39 40 41 42 43 44
18*
Siehe oben D. II. 2. c) bb) aaa) (3) u. (4). Siehe oben D. II. 2. c) bb) bbb). Siehe oben D. II. 2. c) bb) ccc). Siehe oben D. II. 2. c) bb) ddd) Einleitung. Siehe oben D. II. 2. c) bb) ddd) (1). Siehe oben D. II. 2. c) bb) ddd) (2). Siehe oben D. II. 2. c) bb) ddd) (3). Siehe oben D. II. 2. c) bb) ddd) (4).
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45. Die Abwägung zwischen Rundfunkfreiheit und Netzeigentum bedarf besonderer Sorgfalt, wenn dem Betreiber die Nutzung seiner BK-Netze für eigene Inhalte untersagt werden soll, da dann der Wesenskern der grundrechtlichen Eigentumsverbürgung berührt sein kann. Im Ergebnis ist der Eigennutzung des Netzbetreibers in der Mangellage ein Vorrang einzuräumen, da das Eigentum ansonsten – mit der Rechtsprechung zu Art. 14 GG unvereinbar – überwiegend fremden Interessen zu dienen hätte 45. 46. Der Netzbetrieb fällt in den Schutzbereich des Art. 12 GG. Belegungsregeln greifen in diesen Schutzbereich auch ein 46. 47. Die Belegungsregeln sind anhand der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Stufentheorie zu rechtfertigen. Es handelt sich bei ihnen um Berufsausübungsregeln 47. 48. Berufsausübungsregeln können dem Grundsatz nach durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls legitimiert werden. Die unterschiedliche Eingriffsintensität verschiedener Belegungsvorschriften bleibt aber beachtlich. Während demnach negative Belegungsregeln eher zu rechtfertigen sind, muss die Verpflichtung, bestimmte Programme weiterzuverbreiten, der Fallgruppe der Indienstnahme Privater zugeordnet werden. An die Rechtfertigung von Indienstnahmen sind höhere Anforderungen zu stellen, die jedenfalls bei der Verpflichtung zum kostenlosen Transport von Programmen mit geringer Zuschauerresonanz nicht mehr erfüllt werden 48. 49. Art. 10 EMRK schützt als Abwehrrecht – insoweit anders dogmatisch strukturiert als Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in der Auslegung des Bundesverfassungsgerichtes – die Rundfunkfreiheit einschließlich der Rundfunkweiterverbreitung über BKNetze. Der Schutz ist indes nicht vorbehaltlos, so dass Eingriffe – allerdings nach strenger Prüfung ihrer Notwendigkeit – möglich sind. Die EMRK bietet damit dem Netzbetreiber einen mit dem Grundgesetz mindestens vergleichbaren Schutz vor übermäßigen Beschränkungen durch Belegungsregeln 49. 50. Auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene erscheint der Schutz durch die Gemeinschaftsgrundrechte in seiner Wirkung beschränkt, da sie den Mitgliedstaat im Wesentlichen nur bei der Anwendung von Gemeinschaftsrecht binden, nicht aber bei Erlass rein nationaler Regeln, wozu auch die Belegungsvorschriften zählen. Auch die Grundfreiheiten, hier in Gestalt der Dienstleistungsfreiheit, vermitteln keinen weitergehenden Schutz. Denn Regelungen im Herkunftsstaat unterliegen nur einer eingeschränkten Kontrolle, die bei Belegungsregeln üblicherweise nicht greift 50. 45 46 47 48 49 50
Siehe oben D. II. 2. c) bb) eee). Siehe oben D. II. 3. a). Siehe oben D. II. 3. b) aa). Siehe oben D. II. 3. b) dd). Siehe oben D. III. 1. Siehe oben D. III. 2.
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51. Unter vertikaler Integration versteht man die Vereinigung separierbarer, vorund nachgelagerter Produktionsstufen in einer wirtschaftlichen Einheit. Übertragen auf den Rundfunkbereich und dem Thema der Arbeit gemäß bedeutet dies die Bündelung von Rundfunkveranstaltung und Rundfunkweiterverbreitung in einer Hand 51. 52. Die vertikale Integration erlaubt, Kosten-, Bündelungs- und Qualitätsvorteile zu realisieren 52. 53. Die vertikale Integration birgt vor allem die Gefahr, dass über die Beherrschung der Schlüsselressource Netz Einfluss auf die inhaltliche Ebene zugunsten eigener Programme genommen wird. Dies könnte sich insbesondere im Ausschluss konkurrierender Sender vom Weitertransport äußern. Derartiges Verhalten gefährdet die rundfunkverfassungsrechtlich geforderte Meinungsvielfalt. Die Gefahren bestehen nicht nur abstrakt, sondern sind in den USA, wo vertikale Integration fortgeschritten ist, tatsächlich feststellbar 53. 54. Die strikte Trennung zwischen Netzbetrieb und Fernsehveranstaltung, wie sie beispielsweise § 6 Abs. 3 Nr. 4 SächsPRG verwirklicht, begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken. Jedenfalls schützt die sächsische Regelung aufgrund von Umgehungsmöglichkeiten nur unzureichend vor den Gefahren vertikaler Integration 54. 55. Die Must-Carry-Regelung des Rundfunkstaatsvertrages stellt, soweit sie eine Einspeiseverpflichtung für die Programme der Grundversorgung begründet, einen gelungenen, angemessenen Ausgleich zwischen Rundfunkfreiheit und Netzeigentum dar. Rechtlich bedenklich im Hinblick auf die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Chancengleicheit von Programmen jenseits der Grundversorgung und der dem Staat auferlegten publizistischen Neutralitätspflicht erscheint aber der Must-Carry-Status für öffentlich-rechtliche Programme der Zusatzversorgung sowie für private Programme innerhalb der öffentlich-rechtlichen Bouquets (invited channels) 55. 56. Der Must-Carry-Status regio-lokaler Angebote kann im Ergebnis ebenso verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden wie der von Offenen Kanälen, soweit deren Weiterverbreitung nicht unentgeltlich zu erfolgen hat 56. 57. § 52 Abs. 4 Nr. 1 RStV fordert die Einspeisung von Programmen einer Vielzahl von Programmveranstaltern und sichert damit die Einspeisung von anderen, netzbetreiberfremden Veranstaltern. Rundfunkveranstalter, an denen der Netzbetreiber mit mehr als 25 % beteiligt ist, können bei systematischer Auslegung nicht als andere Veranstalter gewertet werden 57. 51 52 53 54 55 56 57
Siehe oben E. I. Siehe oben E. II. Siehe oben E. III. Siehe oben E. IV. 1. a). Siehe oben E. IV. 1. b) aa) aaa). Siehe oben E. IV. 1. b) aa) bbb). Siehe oben E. IV. 1. b) aa) ddd).
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58. Die Must-Carry-Verpflichtungen des Rundfunkstaatsvertrages leisten de lege lata einen wirksamen Schutz vor den Gefahren vertikaler Integration. Dies folgt aus der Einspeisung der Grundversorgungsprogramme mit der ihnen eigenen, besonderen Meinungsvielfalt und der Verpflichtung zur Einspeisung einer Vielzahl verschiedener Veranstalter 58. 59. Kartellrecht kommt im Medienbereich grundsätzlich zur Anwendung. Der Kartellgesetzgeber wird aber durch eine Kompetenzausübungsschranke begrenzt, soweit der (Landes-)Mediengesetzgeber spezifisch medienrechtliche Regelungen getroffen hat. Diese sind dann zu achten. Entsprechend gilt das Kartellrecht nur für den Bereich des § 52 Abs. 4 Nr. 2 RStV 59. 60. Um wirkkräftig den Wettbewerb im Bereich Telekommunikation zu sichern, sind TKG und GWB grundsätzlich nebeneinander anzuwenden60. 61. Zur Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung nach § 19 Abs. 2 GWB ist das Bedarfsmarktkonzept anzuwenden. Im Hinblick auf die Rundfunkverbreitung können grundsätzlich zwei Märkte unterschieden werden: Zum einen der Endkundenmarkt, auf dem die Fernsehzuschauer die Marktgegenseite darstellen, zum anderen der Einspeisemarkt, auf dem die Veranstalter die Bedarfsdisponenten ausmachen 61. 62. Der Endkundenmarkt ist sachlich auf den Kabelempfang zu begrenzen, da andere Empfangswege derzeit nicht vollständig funktionell austauschbar sind. In räumlicher Hinsicht stellt das jeweilige BK-Netz den relevanten Markt dar 62. 63. Der Einspeisemarkt ist ebenfalls sachlich eng abzugrenzen und auf die Rundfunkweiterverbreitung mittels BK-Netzen beschränkt. Denn die mehreren Übertragungswege werden von den Veranstaltern in der Regel nicht gegeneinander ausgetauscht, sondern kumuliert. Räumlich ist der Markt auf das jeweilige Netz beschränkt 63. 64. Die Netzbetreiber nehmen stets eine marktbeherrschende Stellung ein, da sie auf dem eng abgegrenzten Markt ohne Wettbewerb sind. Daneben kann bei der Untersuchung der Marktbeherrschung auch die vertikale Integration als zusätzlicher Marktmachtfaktor berücksichtigt werden 64. 65. Die Kabelnetze stellen ein Netz im Sinne des § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB dar, der die sog. essential-facility-doctrine in deutsches Recht umsetzt. Der Netzbetreiber ist 58 59 60 61 62 63 64
Siehe oben E. IV. 1. b) bb). Siehe oben E. IV. 1. c) aa). Siehe oben E. IV. 1. c) bb). Siehe oben E. IV. 1. c) cc) aaa). Siehe oben E. IV. 1. c) cc) aaa) (1) (a). Siehe oben E. IV. 1. c) cc) aaa) (1) (b). Siehe oben E. IV. 1. c) cc) aaa) (2).
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jedoch auf dem – nach der Vorschrift entscheidenden – abgeleiteten Fernseh(werbe)markt regelmäßig nicht marktbeherrschend 65. 66. Weiterhin besteht grundsätzlich kein Zugangsgrund, da auch ohne Zugang zum jeweiligen Netz ein Eintritt in den (bundesweiten) Fernseh(werbe)markt nicht ausgeschlossen ist 66. 67. Schließlich ist der Netzbetreiber auch gerechtfertigt, soweit er in der Mangellage eigenen Bedarf vorrangig bedient. Dies folgt in erster Linie aus seiner grundrechtlich geschützten Eigentümerstellung 67. 68. Die essential-facilitiy-doctrine erscheint – jedenfalls in der Ausformung des GWB – wenig geeignet, die Gefahren vertikaler Integration wirkungsvoll zu steuern 68. 69. Das Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB untersagt dem marktbeherrschenden Unternehmen, andere Unternehmen ohne sachlich rechtfertigenden Grund unterschiedlich zu behandeln. Im Ansatz ist damit der Netzbetreiber verpflichtet, alle Veranstalter gleich zu behandeln 69. 70. Probleme ergeben sich aber insoweit, als solche dem Netzbetreiber zurechenbare Veranstalter möglicherweise nicht Vergleichsmaßstab im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB sein können; es fehlt dann an einem „anderen“ Unternehmen70. 71. Liegt eine Ungleichbehandlung gleichwohl vor, so ist nach deren Rechtfertigung zu fragen. Die dann notwendige Abwägung ist typisiert vorzunehmen, wobei für den Netzbetreiber die Fallgruppe der Liefersperre in Betracht kommt, soweit er nach dem Transportmodell, die Fallgruppe der Bezugsperre, soweit er nach dem Vermarktungsmodell arbeitet. An eine Liefersperre sind hohe Anforderungen zu stellen, so dass der Netzbetreiber angesichts freier Kapazitäten Durchleitungsbegehren grundsätzlich nicht ablehnen darf. Anderes gilt jedoch in der Mangellage. Hier ist dem Netzbetreiber insbesondere angesichts seiner Eigentumsposition das Recht einzuräumen, seinen eigenen Bedarf vorrangig zu decken, um einen Wettbewerbsvorsprung zu sichern. An eine Bezugssperre sind geringere Anforderungen zu stellen; der Netzbetreiber ist in dieser Situation wesentlich freier71. 72. Im Ergebnis bietet § 20 Abs. 2 GWB den Veranstaltern keinen über den Abs. 1 hinausgehenden Schutz, da der Netzbetreiber ohnehin regelmäßig marktbeherrschend ist 72. 65 66 67 68 69 70 71 72
Siehe oben E. IV. 1. c) cc) bbb) (1) (a) u. (b). Siehe oben E. IV. 1. c) cc) bbb) (1) (c). Siehe oben E. IV. 1. c) cc) bbb) (1) (d). Siehe oben E. IV. 1. c) cc) bbb) (1) (e). Siehe oben E. IV. 1. c) cc) bbb) (2) (a). Siehe oben E. IV. 1. c) cc) bbb) (2) (a) (aa). Siehe oben E. IV. 1. c) cc) bbb) (2) (a) (bb). Siehe oben E. IV. 1. c) cc) bbb) (2) (b).
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73. In der Gesamtschau ist § 20 GWB nur bedingt geeignet, vor den Gefahren vertikaler Integration zu schützen 73. 74. Die Fusionskontrolle nach dem GWB erfasst einen Zusammenschluss zwischen einem Veranstalter und einem Netzbetreiber, wenn die Umsatzschwellen überschritten werden. Dabei sind die nach HGB zu ermittelnden Umsätze sowohl des Veranstalters als auch des Netzbetreibers, der richtig verstanden dem Tatbestandsmerkmal „Vertrieb von Rundfunkprogrammen“ unterfällt, gemäß § 38 Abs. 3 GWB zu verzwanzigfachen. Internes Wachstum wird durch die Fusionskontrolle jedoch nicht begrenzt 74. 75. Die Fusionskontrolle erfordert eine an der Marktstruktur orientierte Prognose, ob das Zielunternehmen eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt. Da der Netzbetreiber nach der auch hier maßgeblichen Marktabgrenzung gemäß § 19 Abs. 2 GWB bereits marktbeherrschend ist, kann es bei der Prüfung des Zusammenschlusses nur um den Verstärkungstatbestand gehen 75. 76. Bei einer vertikalen Fusion zwischen Netzbetreiber und Veranstalter dürfte sich die Marktbeherrschung des Netzbetreibers regelmäßig verstärken. Angesichts dessen Monopolstellung genügen dabei nämlich schon geringfügige marktstrukturelle Vorteile, die z. B. im erleichterten Zugang zu Programminhalten zu sehen sind. Hinzukommen die sich aus seiner „Gate-Keeper-Position“ ergebenden tatsächlichen oder auch nur potentiellen (Abschreckungseffekt) Vorteile gegenüber den Wettbewerbern 76. 77. Die Abwägungsklausel des § 36 Abs. 1, 2. Hs. GWB greift nicht. Gewisse Vorteile sind zwar in der vorliegenden Konstellation dann erkennbar, wenn durch den Zusammenschluss ein Fernsehveranstalter außerhalb des derzeitigen Oligopols auf dem deutschen Fernsehwerbemarkt gestärkt wird. Angesichts der Stellung des Netzbetreibers auf dem Verschlechterungsmarkt überwiegen diese – durch die Fusionspartner nachzuweisenden – Vorteile indes nicht 77. 78. Angesichts der Beherrschung eines Schlüsselmarktes durch den Netzbetreiber ist auch kein Raum für eine Ministererlaubnis gemäß § 42 GWB 78. 79. Die Steuerungsmöglichkeiten des Kartellrechts im Hinblick auf die vertikale Integration dürfen nicht überbewertet werden. Das Kartellrecht verliert vor allem deshalb an Wirkung, da es dem Marktbeherrscher in der Mangellage einen Wettbewerbsvorsprung zugesteht und internes Wachstum nicht erfasst 79. 73 74 75 76 77 78 79
Siehe oben E. IV. 1. c) cc) bbb) (2) (c). Siehe oben E. IV. 1. c) cc) bbb) (3) (a). Siehe oben E. IV. 1. c) cc) bbb) (3) (b) (aa) bis (cc). Siehe oben E. IV. 1. c) cc) bbb) (3) (b) (dd). Siehe oben E. IV. 1. c) cc) bbb) (3) (b) (ee). Siehe oben E. IV. 1. c) cc) bbb) (3) (c). Siehe oben E. IV. 1. c) cc) bbb) (3) (d).
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80. Das TKG als Sonderkartellrecht ist auf die Weiterverbreitung von Rundfunk über BK-Netze anwendbar. Das gilt auch für solche Regelungen, die Zugangsansprüche begründen 80. 81. § 33 TKG gewährt den Veranstaltern keinen Anspruch auf Netzzugang, da nur Wettbewerber im Bereich der Telekommunikation Anspruchsteller sein können 81. 82. Dem Grunde nach verpflichtet § 35 TKG den Netzbetreiber, interessierten Rundfunkveranstaltern Zugang in Form eines allgemeinen Netzzuganges zu gewähren 82. 83. Dieser Zugangsanspruch wird jedoch nicht vorbehaltlos eingeräumt, vielmehr kann der Netzbetreiber unter gewissen Bedingungen den Netzzugang verweigern; es zeigt sich insofern eine Strukturverwandtschaft zu § 20 Abs. 1 GWB. Von besonderem Interesse für die Prüfung, inwieweit das TKG die Gefahren vertikaler Integration beherrschen kann, ist die Frage, ob sich der Netzbetreiber in der Mangellage gegenüber fremden Nutzungspetenten selbst bevorzugen darf. Im Hinblick auf die grundrechtlich geschützte Eigentümerposition wird man diese Frage zu bejahen haben. Anderes ergibt sich auch nicht aus der systematischen Stellung des § 35 TKG zu § 33 TKG oder aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Zugangsproblematik im Bereich der Telefonie („blanker Draht“) 83. 84. Insgesamt erscheint das TKG als Schutzmechanismus vor den Gefahren vertikaler Integration eher wirkungsschwach 84. 85. Das Rundfunkkonzentrationsrecht dient dem Schutz der Meinungsvielfalt und ist in §§ 25 ff. RStV geregelt. Tatbestandlicher Anknüpfungspunkt für staatliches Eingreifen ist das Merkmal „vorherrschende Meinungsmacht“. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff wird handhabbar durch die Vorgabe von Zuschauermarktanteilen (§26 Abs. 2 RStV). Dabei handelt es sich zwar rechtstechnisch um eine Vermutungsregel. Dennoch geben die Grenzwerte zumindest Richtgrößen vor, von denen angesichts der weitreichenden Folgen einer Annahme vorherrschender Meinungsmacht nur in besonderen Fällen abgewichen werden kann 85. 86. Das Medienkonzentrationsrecht erfasst sicher die Eigenveranstaltung des Netzbetreibers sowie dessen Beteiligungen oberhalb von 25 % an anderen Veranstaltern. Auch entsprechender, nicht gesellschaftsrechtlich vermittelter Einfluss wird erfasst. Nicht auszuschließen ist aber meinungsrelevanter Einfluss auch unterhalb der 25 %-Schwelle, der nach § 28 RStV unberücksichtigt bleiben muss 86. 80 81 82 83 84 85 86
Siehe oben E. IV. 1. c) dd) aaa). Siehe oben E. IV. 1. c) dd) bbb). Siehe oben E. IV. 1. c) cc) ccc) (1) bis (3). Siehe oben E. IV. 1. c) cc) bbb) (4). Siehe oben E. IV. 1. c) cc) ddd). Siehe oben E. IV. 1. d) aa). Siehe oben E. IV. 1. d) bb) aaa).
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87. Die Kabelweiterleitung stellt angesichts der Auswahlrechte des Netzbetreibers und knapper Übertragungskapazitäten einen medienrelevanten verwandten Markt im Sinne von § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV dar 87. 88. Wird vorherrschende Meinungsmacht eines Unternehmens festgestellt, gibt der RStV den Behörden ein wirksames Instrumentarium an die Hand, die Meinungsmacht zu begrenzen oder – falls notwendig – zu verringern 88. 89. Die erfolgsbezogene Regelung des Rundfunkkonzentrationsrechtes stellt an sich einen wirksamen Mechanismus zum Schutz vor den Gefahren der vertikalen Integration dar, zumal die Rechtsfigur des meinungsrelevanten verwandten Marktes die Berücksichtigung auch der Netzaktivitäten eines Unternehmens erlaubt. Die Bonusregelung des § 26 Abs. 2 Satz 3 RStV sowie die Zurechnungsschwelle von 25 % nach § 28 RStV schwächen jedoch die Wirkkraft in gewissem Grad wieder ab 89. 90. Neben rechtlichen Regelungen können auch tatsächliche Umstände vor den Gefahren vertikaler Integration schützen. In Frage kommt insoweit der Netz- oder Infrastrukturwettbewerb. Mit Satelliten- und terrestrischer DVB-Technik stehen zwei zunehmend gleichwertige Zugänge zur Verfügung. Sie werden zumindest langfristig die Angebotsmacht des Netzbetreibers reduzieren90. 91. In der Gesamtschau erscheinen die Gefahren der vertikalen Integration mit dem vorhandenen rechtlichen Instrumentarium beherrschbar. Insbesondere die Carry-Regelungen in Kombination mit dem Zuschaueranteilsmodell leisten einen ausreichenden Schutz. Neue gesetzliche Regelungen dürften insofern verzichtbar sein 91.
87 88 89 90 91
Siehe oben E. IV. 1. d) bb) bbb). Siehe oben E. IV. 1. d) cc). Siehe oben E. IV. 1. d). Siehe oben E. IV. 2. Siehe oben E. IV. 3.
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umfassend
verwirklichen,
XII. Hauptgutachten
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Sachwortverzeichnis Allgemeine Gesetze 26, 98 Anlaufsubvention 166 Anschlussklausel 229 Antennensteuer 36 Antennenverbote siehe Recht auf Parabolantenne 25 Apothekenurteil des BVerfG siehe Berufsfreiheit 143 ARD 177, 179 – Bouquet ARDdigital 178 – Gemeinschaftsprogramm Erstes Deutsches Fernsehen 56 – vertikale Integration 168 Arte 178 Astra-Satellit 22 Ätherpolizei 72 Außenpluralismus 103, 186, 189 Autronic AG siehe EMRK 152 Baden-Württemberg-Beschluss des BVerfG 55 Bagatellgrenze siehe Kartellrecht, allgemeines, Zusammenschlusskontrolle 229 Bargaining Power 41 Baumstruktur 17, 19, 243 Bedarfsdisponent 199 Bedarfsmarktkonzept siehe Kartellrecht, allgemeines 198 Berufsfreiheit – Apothekenurteil des BVerfG 143 – Belegungsvorschriften als Berufsausübungsregeln 144 – Berufsbild des Netzbetreibers 141 – Eingriff 142 – Indienstnahme 148 – Investitionsfreiheit 142
– Kassenarzt-Entscheidung des BVerfG 144 – persönlicher Schutzbereich 142 – Rechtfertigung des Eingriffs 147 – sachlicher Schutzbereich 140 – Stufentheorie des BVerfG 143 – Teilfreiheiten 141 – Trennung Netzbetrieb und Veranstaltung 174 – Vertragsfreiheit 142 Betriebseigentum siehe Eigentumsgewährleistung 122 Bewag 214 Bezugssperre siehe Kartellrecht, allgemeines, Diskriminierungsverbot 224 Bidirektionalität 18, 50 Binnenpluralismus 98, 191 blanker Draht siehe Teilnehmeranschlussleitung 252 Blickkontakt 23 Bonusregelung 255 bottleneck 169, 239 Bouquet 90, 99, 164, 180 – als Must-Carry-Programm 177 – als Schutzgut der Rundfunkfreiheit 95 – invited channels 182 – öffentlich-rechtlich veranstaltet 178 – Zulässigkeit der Entbündelung 182 Bundeskartellamt 196, 197, 203, 204, 236 – Berliner Stromdurchleitung 214, 223, 250 – Entscheidung Liberty 168, 198, 203, 207, 228, 237 – Zusammenschlusskontrolle 227 Bundespost 17, 28, 122, 212 Bundling 21 – one-stop-shopping 21
Sachwortverzeichnis CA-Systeme siehe Conditional Access 170 CNBC 183 Conditional Access 170 cross ownership 256, 260 Dassonville-Formel 33 Defizit des Netzbetriebs 19 Dienstbarkeit, demokratische 81 Dienstleistungsfreiheit 34, 158 digital suscriber line siehe DSL 50 Digitale Teilnehmer-Anschlussleitung siehe DSL 50 Digitalisierung 18 – Datenreduktion 18 – Zahlensystem, binäres 18 Diskriminierungsverbot siehe Kartellrecht, allgemeines 216 Drittwirkung der Grundfreiheiten, unmittelbare 37, 38 DSF-Entscheidung des BVerfG 167 DSL 50, 73, 201, 266 DTAG 17, 50, 113, 252 Duldungsanspruch, telekommunikationsrechtlicher 124 Duplizierbarkeit der Netze 212 Durchleitungswettbewerb siehe Kartellrecht, allgemeines 202 DVB-C 18 DVB-S 18 DVB-Standard 18, 23 DVB-T 18, 49, 199, 266 effet-utile 44 Eigentumsgewährleistung 110 – als dienende Freiheit 134 – Angewiesenheit Dritter auf fremdes Eigentum 128 – Betriebseigentum 122 – Eigentumsbestimmung 113 – eigentumstypische Zwecke 125 – Eingriff 113, 117 – Enteignung 113 – funktionaler Bonus der Rundfunkfreiheit 136 – Inhaltsnorm 115
– – – –
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Kabeleigentum 115 Kaufpreis der Netze als Leistung 123 Leistungseigentum 122 Monopolstellung des Netzbetreibers 123 – Netzeigentum als knappe Resource 127 – personaler Bezug des Netzeigentums 122 – persönlicher Schutzbereich 112 – Privatnützigkeit 120 – sachlicher Schutzbereich 110 – Schrankennorm 115 – Schutzpflicht 130 – Sonderrechte beim Netzaufbau 124 – sozialer Bezug 126 – Sozialpflichtigkeit des Eigentums an Kabelnetzen 118, 120 – Verhältnis zur Rundfunkfreiheit 129 – Vorrang des Eigenbedarfs 138 Einspeisemarkt siehe Kartellrecht, allgemeines 202 EMRK – Autronic AG 152 – Groppera Radio AG 152 – margin of appreciation 154 – Rechtserkenntnisquelle des Gemeinschaftsrechts 155 – Rundfunkfreiheit 151, 154 Endkundenmarkt siehe Kartellrecht, allgemeines 199 EPG 170, 245 Erforderlichkeit 103 essential-facility-doctrine siehe Kartellrecht, allgemeines 210 Europäische Grundrechtecharta 87 externes Wachstum 263 Fernmeldewesen 59 Fernsehrichtlinie 32 Fernsehwerbemarkt 234, 239 First Amendment 96 Fixkostendegression 21 Footprint 35 FreeTV 233 Frequenzbelegung 17 Full-Service-Netz 21 funktionelle Austauschbarkeit 201
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Sachwortverzeichnis
Funktionsauftrag des Rundfunks 56 Fusionskontrolle siehe Kartellrecht, allgemeines, Zusammenschlusskontrolle 227 Gatekeeper 169, 192, 236, 265 Geeignetheit 102 Gefahrenabwehr, frequenztechnische 72 Gemeinschaftsgrundrecht – Anwendungsbereich 156 – Berufsfreiheit 156 – Eigentumsgewährleistung 156 – Rundfunkfreiheit 156 gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung 44 Geschäftsmodell 16, 18, 19, 20, 21, 70, 126, 141, 144, 163, 186, 221, 258 – Wertschöpfungsstufe 19 Gesetzeskonkurrenz 106 Gewährleistungsverantwortung 53 Glasfasertechnologie 17 gleichgewichtige Vielfalt 56, 188 Groppera Radio AG siehe EMRK 152 Grundrechtsbeachtungsanspruch 79 Grundrechtskollision 101 Grundrechtsprägung 115 Grundversorgung, rundfunkrechtliche 55, 185, 267 – Integrationsfunktion 57 – Must-Carry 177 – Übertragungstechnik 55 – Umfang 56 Hausverteilanlage siehe Netzebenen 17 Herkunftslandprinzips, gemeinschaftsrechtliches 160 Horizontale Integration 165 Hyperband 17 Idealkonkurrenz 106 Informationsfreiheit – EMRK 36, 152 – EuGRCH 37 – gemeinschaftsrechtliche 37, 46 – GG 25, 26, 27, 63, 65, 122, 129
Informationsgesellschaft 53 Infrastrukturwettbewerb 266, 268 interaktives Fernsehen 21 internes Wachstum 263 Internet 21, 23 invited channel siehe Must-Carry 182 Kabeleigentum 115 Kabeleigentum siehe Eigentumsgewährleistung 115 Kabelengpass 222 Kartellrecht 192 – Verhältnis sektorspezifisches zu allgemeinem 195 – Verhältnis zum Rundfunkrecht 193 Kartellrecht, allgemeines 197 – Anpassungslasten bei Wechsel des Übertragungsweges 200 – Austauschbarkeit der Empfangswege 199 – Bedarfsmarktkonzept 198 – BGH-Entscheidung „Pay-TV-Durchleitung“ 202 – Bronner-Entscheidung des EuGH 210 – Diskriminierungsverbot 216 – Diskriminierungsverbot, „innergesellschaftlicher“ Vorgang 217 – Diskriminierungsverbot, Bezugssperre 224 – Diskriminierungsverbot, Liefersperre 221 – Diskriminierungsverbot, Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung 218 – Diskriminierungsverbot, unbillige Behinderung 217 – Diskriminierungsverbot, ungerechtfertigte Ungleichbehandlung 217 – Diskriminierungsverbot, Vorrang des Eigenbedarfs 223 – Durchleitungswettbewerb 202, 207 – Einspeisemarkt 202 – Endkundenmarkt 199 – essential-facility-doctrine 210, 267 – essential-facility-doctrine, Infrastruktureinrichtung 211
Sachwortverzeichnis – essential-facility-doctrine, Rechtfertigung 214 – essential-facility-doctrine, Zugangsgrund 212 – internes Wachstum 230 – kein Wettbewerb 206 – Marktabgrenzung 198 – Marktbeherrschung 197, 205 – Marktstruktur 232 – Missbrauchsverbot 209 – nachfragebedingte Abhängigkeit 225 – potentieller Wettbewerb 207 – relative Marktmacht 224 – Restwettbewerb 234 – Substitutionswettbewerb 201 – überragende Marktstellung 207 – Verhaltenskontrolle 240 – Verhaltensspielraum 208 – Zusammenschlusskontrolle 227 – Zusammenschlusskontrolle, Abwägungsklausel 238 – Zusammenschlusskontrolle, Aufgreifkriterien 228 – Zusammenschlusskontrolle, Bagatellgrenze 229 – Zusammenschlusskontrolle, Eingreifkriterien 232 – Zusammenschlusskontrolle, Ministererlaubnis 240 – Zusammenschlusskontrolle, Umsatzschwellen 228 – Zusammenschlusskontrolle, vertikale Fusion 235 Kartellrecht, sektorspezifisches – § 33 TKG 244 – Analogie §§ 33, 35 TKG 251 – Anwendbarkeit 242 – Eigenbedarf des Netzbetreibers 250 – funktionsfähiger Wettbewerb 244 – Interessenabwägung 249 – Netzzugang, allgemeiner 247 – Netzzugang, besonderer 247 – Normadressat des § 35 TKG 245 – ONP-Richtlinie 242, 248 – Steuerungspotential 253 – verfassungskonforme Auslegung 253 – Wertigkeitsgrenze 248
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– Zugangsanspruch der Inhalteanbieter 245 – Zugangsarten 247 – Zugangsberechtigter 246 – Zuschauermarktanteilsmodell 268 Kassenarzt-Entscheidungen des BVerfG siehe Berufsfreiheit 144 Keck-Rechtsprechung 33, 34 Kinderkanal - KI.KA 178 Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich 256 Kompetenzausübungsschranke 194 Korrespondenzdienstleistung 34 Kreuz-Preis-Elastizität 200 Kurzberichterstattung 145 Lebach-Urteil des BVerfG 85 letzte Meile 212 Liberty 163, 168 – Entscheidung des BKartA 203, 207 – Zusammenschlusskontrolle 237 lock-in-Effekt 200 Make-or-Buy-Entscheidung 164 margin of appreciation siehe EMRK 154 Marktanteilsmodell siehe Rundfunkkonzentrationsrecht 254 Mediendienste 188 Medienrechtsklausel 229 medienrelevanter verwandter Markt siehe Rundfunkkonzentrationsrecht 261 Meinungspluralismus siehe Pluralismus 153 Meinungsvielfalt siehe Pluralismus 84 Monopol, angreifbares 266 Multichannel Video Programming Distributor 141, 172 Multiplexing 60, 164, 170, 245 Musikkanäle 190 Must-Carry 177, 267 – allgemeines Gesetz 98 – Bouquets 181 – Grundversorgung 179
304 – – – – – – – – –
Sachwortverzeichnis
Indienstnahme Privater 180 invited channels 182 Meinungspluralismus 180 Offener Kanal 185 Programmbouquets 178 Programme der Grundversorgung 177 Regio-lokale Angebote 185 Rundfunkgebühren 181 Schutzpotential für Rundfunkfreiheit 191
Nachrichtenkanäle 190 network 172 Netzebenen 17, 199 – Hausverteilanlage 17 Netzeigentum siehe Eigentumsgewährleistung 111 Netzwettbewerb 266 Netzzugang siehe Kartellrecht, sektorspezifisches 247 Niederlassungsfreiheit 161 Non-Must-Carry 177 Offener Kanal 99, 125, 150 – Must-Carry 185, 186 one-stop-shopping siehe Bundling 21 Parabolantenne 23 Parabolantenne siehe auch Recht auf Parabolantenne 22 Pflichtexemplarentscheidung 150 Phoenix. Ereignis- und Dokumentationskanal 178 Pluralismus 67, 84, 102, 105, 108, 119, 133, 145, 147, 150, 154, 155, 165, 167, 175, 180, 181, 183, 189, 202, 222, 240, 253, 262 Postreform II 53 Powerline 51 Pressegrosso-Entscheidung des BVerfG 91 Pressesubventionen 183 Privatisierungsziel 136 Prognosespielraum des Gesetzgebers 103 Programmäquivalente 18
Programmveranstalter, Definition 188 ProSiebenSat.1 166, 211, 235 Recht auf Parabolantenne 24 – Anonymität der Rezeption 30 – Antennenverbote 25 – Denkmalpflege 26, 36 – Dienstleistungsfreiheit 34 – Duldungspflicht des Vermieters 41 – Eigentümer 25, 32 – europarechtliche Herleitung 31 – europarechtskonforme Auslegung 44 – Fernsehrichtlinie 32 – Garantenpflicht des deutschen Gesetzgebers 42 – individualvertragliche Regelungen zwischen Mieter und Vermieter 38 – Informationsfreiheit des Mieters 28 – Mieter 27, 37 – mittelbare Wirkung von Grundrechten 27 – Must-Carry 29 – praktische Konkordanz 28 – Regelung durch AGB 47 – vertragsgemäßer Gebrauch der Mietsache 27, 45 – Warenverkehrsfreiheit 33 – Wohnungseigentümer 30, 48 Recht auf Spielraum siehe Rundfunkuniversaldienst 68 Regio-lokale Angebote siehe Must-Carry 185 Regulierungsbehörde 196, 197 – Marktabgrenzung 203 – us-amerikanische 173 Revenue Sharing 20 richtlinienkonforme Auslegung 44 RTL 166, 211, 235 Rundfunk – Defintion 89 – Faktor der Meinungsbildung 80 Rundfunk, Pflicht zur Nutzung des Kabels für – Bundeskompetenz, ausschließliche 74 – Bundesvorschriften 71 – Gesetzgebungskompetenz 72 – landesrechtliche Vorschriften 71
Sachwortverzeichnis Rundfunkfreiheit – als Abwehrrecht 79, 82 – Angleichung an EMRK 86 – Ausgestaltung 97 – Auswahlentscheidung des Netzbetreibers 94 – Bouquet 95 – Demokratiegebot 85 – dienende 80 – Eingriff 81, 105 – Genese 83 – Grundrechtsträgerschaft des Netzbetreibers 91 – objektive Ordnung 81 – positive Ordnung 80 – prozedurale 81 – Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 79 – Schutzbereich 88 – subjektiv-rechtliche 82 – systematische Stellung 83, 85 – Verbreitung und Schutzbereich 89 – Verhältnis zum Kartellrecht 193 – verhältnismäßiger Eingriff 102 – Vorrang vor Art. 14 GG 136 – Vorrang vor Art. 14 GG 129 – Wesentlichkeitstheorie 84 – Wortlautauslegung 82, 83 Rundfunkgebühr 181 Rundfunkkonzentrationsrecht 253 – 25%-Grenze 254 – Beurteilungsspielraum der KEK 257 – Eigenveranstaltung 258 – Ermittlung der Marktanteile 258 – Interessenkoordination 259 – Marktanteile, Beteiligungshöhen 259 – Marktanteile, Zurechnung fremder Programme 259 – Marktanteilsmodell 254, 265 – medienrelevante verwandte Märkte 260 – quantitatives Modell 256 – Rechtsfolgen vorherrschender Meinungsmacht 263 – Steuerungspotential 264 – Vermutungsregeln 254 20 Bauer
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– vertikale Integration 258 – Weiterverbreitung als medienrelevanter verwandter Markt 262 Rundfunkuniversaldienst 54, 59, 65 – bestimmter Übertragungsweg 68 – Dienstleistung 60 – Informationsfreiheit 67 – Kapazität 67 – Recht auf Spielraum 68 – Rundfunkfreiheit 67 – Telekommunikation 59 – Umfang 67, 68 Rundfunkurteile 79 Rundumfreiheit 130 RWE AG 214 Satellit 14, 69, 124, 166, 266 – § 19 RStV 178 – als Konkurrent des Kabelempfangs 22 – Footprint 35 – Kosten 23 – Marktabgrenzung 199, 203 – regio-lokale Programme 23 – Substitutionsdruck 13, 201, 206 Scheinbestandteil 112 Schlüsselressource 169 Schrankendivergenz 107 Schutzpflicht 130 Set-Top-Box 23 Sonderabgaben 149 Sozialstaatsprinzip 132 Spartenprogramme 190 Springer Verlag 236 Sternstruktur 19, 243 Stockholmer Wellenplan 50 Substituierbarkeit 212 Substitutionswettbewerb 206 Substitutionswettbewerb siehe Kartellrecht, allgemeines 201 Technik des Kabelnetzbetriebs 17 – Baumstruktur 17 Teilnehmeranschlussleitung 252 Telefonie 21 Telefonnetz als Übertragungsweg 50 Teleshopping 190 Tendenzprogramm 99
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Sachwortverzeichnis
Transparenzgebot 187 Transportmodell 19, 104, 126, 144, 245 Trennungsmodell 173 triple play 21 Unbedenklichkeitsbescheinigung, medienrechtliche 263 Universaldienst – Nutzungsgrad der Technik 64 – Qualität und Quantität 61 Universaldienstleistung 58 Upstream 18 Verbundvorteil 169 Vermarktungsmodell 20, 104, 144, 245 – USA 20 Vertikale Integration 163, 192, 207 – als Geschäftsmodell 20 – Beispiel USA 171 – Definition 164 – Gefahren 168, 171 – kartellrechtliche Berücksichtigung 209, 236, 241 – medienkartellrechtliche Berücksichtigung 256 – Must-Carry 191 – Rundfunkkonzentrationsrecht 258 – Vorteile 165
Vielfaltsreserve 186 Vielzahl von Programmveranstaltern 188 Warenverkehrsfreiheit 33 Wechselwirkungslehre 26, 100, 147 Wertigkeitsgrenze siehe Kartellrecht, sektorspezifisches 248 Wertschöpfungsstufe siehe Geschäftsmodell 19 Wesentlichkeitslehre 183 Wettbewerb, publizistischer 167 Wireless Local Loop 51 Wirtschaftsfreiheiten – Idealkonkurrenz 109 – Verhältnis zu Art. 2 GG 108 – Verhältnis zu Art. 87f GG 109 – Verhältnis zueinander 109 – Verhältnis zur Rundfunkfreiheit 106 workable competition 206 Zahlensystem, binäres siehe Digitalisierung 18 ZDF 56, 99, 177 – Theaterkanal 180 – Vision 99, 178 Zugangsalternativen 127 Zuschauermarkt 234