Mythos Prinz Eugen: Inszenierung und Gedächtnis 9783205792680, 9783205795018


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Mythos Prinz Eugen: Inszenierung und Gedächtnis
 9783205792680, 9783205795018

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Elisabeth Großegger

Mythos Prinz Eugen Inszenierung und Gedächtnis

2014 Böhlau Verlag Wien. Köln. Weimar

Gefördert von der Kulturabteilung der Stadt Wien – MA 7 Wissenschafts- und Forschungsförderung

Umschlagabbildung : Eiserner Vorhang ( Theater in der Josefstadt ), nach dem Öl­ gemälde von Bernardo Bellotto genannt Canaletto „Wien , vom Belvedere aus gesehen“ © 2014 by Böhlau Verlag Ges. m. b. H & Co. KG , Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1 , A-1010 Wien , www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Umschlaggestaltung : Michael Haderer Lektorat und Register : Mag. Josef Schiffer ( Graz ) Herstellung und Satz : Carolin Noack Druck und Bindung : Dimograf Druckerei GmbH Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Poland ISBN 978-3-205-79501-8

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

I. Geschichte und Gesellschaft . . . . . . . . . . 15 Orte des Gedächtnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Prinz Eugen als Gedächtnisort . . . . . . . . . . . . . . . . 16

II. Arbeit am Gedächtnis . . . . . . . . . . . . . . . 21 Der Feldherr als Instrument Gottes . . . . . . . . . . . . . . Das Judas-Makkabäus-Spiel . . . . . . . . . . . . . . . . . Judas Makkabäus und Prinz Eugen . . . . . . . . . . . . . . Inszenierung des Gedächtnisses . . . . . . . . . . . . . . . . Ambivalenz des Gedächtnisses . . . . . . . . . . . . . . . . Herakles und Apoll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitgenössische Dichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lebensende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21 23 25 32 37 41 44 46

III. Überführung ins Funktionsgedächtnis . . . 63 Referenzpunkt Prinz Eugen . . . . . . . . . . . . . . . . . Eugen der Zweyte , der Held unserer Zeit . . . . . . . . . . . Dualismus Österreich und Deutschland . . . . . . . . . . . . Der ruhende Löwe und der bürgerliche Beitrag für Ehre und Vaterland . . . . . . . . . . . . . . . . Bürgerfreuden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 66 70 72 76

IV. Helden und Heldenverehrung . . . . . . . . . 81 Deutschlands Hort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 Stereotypen des Fremden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Das Lied vom Prinzen Eugen . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Prinz Eugen betritt die Bühne . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Prinz Eugen privat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

V. Geteiltes Gedächtnis . . . . . . . . . . . . . . 107 Therese von Megerle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Preßburg 1849 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Bürgerlicher Tugendkatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Der Soldatenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Arena in Hernals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .120 Der Waldmichel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Leonore – Gattentreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . .126 Antisemitismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Franzosenfeindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Zum zweihundertsten Geburtstag . . . . . . . . . . . . . . 139

VI. Denkmal und Öffentlichkeit . . . . . . . . . 149 18. Oktober als Palimpsest . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Viribus unitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Österreichische Staatsidee – deutsche Reichsidee . . . . . . . 160 Geschichtsdramen als immaterielle Denkmäler . . . . . . . . .162 Anton Langer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .164 Ungehorsam ist der bessere Österreicher . . . . . . . . . . . 170 Georg Franz Koltschizky . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Deutschlands Einheit und Österreichs Größe . . . . . . . . . .179 Das goldene Wiener Herz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Gedächtnis und Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Joseph Weilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 „Ein großer Feldherr , ausgezeichneter Staatsmann und Abgott der Soldaten !“ . . . . . . . . . . . . 191

Worte , die im Gebrauch ihre Bedeutung gewinnen . . . . . . . 195 Vielfalt in der Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .197 Barock und Belvedere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Authentisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Performativ gewendeter Blick . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Die Wiedereröffnung des Burgtheaters 1914 . . . . . . . . . . 214 Performative Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

VII. Deutscher Held . . . . . . . . . . . . . . . . . .221 Martin Greif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .225 Burgtheaterehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Das vaterländische Schauspiel . . . . . . . . . . . . . . . 230 Regie und Darsteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .238 Publikum und Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Konkurrenz der Narrative . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 1883 und 1936 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Prinz Eugen für den Unterricht . . . . . . . . . . . . . . . .256 Der „vaterländische“ „kerndeutsche“ Dichter . . . . . . . . . .261 Grenzsicherung zwischen Ost und West . . . . . . . . . . . 262

VIII. Prinz Eugen im Ersten Weltkrieg . . . . . 267 Eskapismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Hugo von Hofmannsthal . . . . . . . . . . . . . . . . . .273 Kinderbuch und Militarismus . . . . . . . . . . . . . . . 276 Felix Salten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Georg Terramare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Christlich-germanisches Schönheitsideal . . . . . . . . . . . 286 Der alternde Prinz Eugen . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Zwischen neun und neun . . . . . . . . . . . . . . . . . 294

IX. Vom Ständestaat in die Zweite Republik . . 297 Das Radio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 Spiel mit Mehrdeutigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 302 Mit Geschichte will man etwas . . . . . . . . . . . . . . . 306 Hans Sassmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 Stolze keusche Scheu vor allem , was sich Tatsachen nennt . . . . 312 Karl VI. oder Prinz Eugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 200. Todestag des Prinzen Eugen . . . . . . . . . . . . . . . 325 Der einsame Prinz Eugen . . . . . . . . . . . . . . . . . .330 Josef Feiks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .336 Reichspropaganda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Der Held hat seine Schuldigkeit getan , der Held kann gehen . . . 343 1963 – Tradition als Schicksal Österreichs . . . . . . . . . . . 351 1983 Türkenbefreiungsfeiern . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 1986 – 250. Todestag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Prinz Eugen am Scheideweg . . . . . . . . . . . . . . . . . 356

X. Postmoderner Held . . . . . . . . . . . . . . . .361 Nach der Schlacht ist vor der Schlacht . . . . . . . . . . . . .363 Archetypen des Männlichen . . . . . . . . . . . . . . . . .368

Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 Personen- und Stücktitelregister . . . . . . . . . . . . . . . . 395

Vorwort

Prinz Eugen von Savoyen wurde am 18. Oktober 1663 in Paris geboren. Da sein Vater früh verstarb und seine Mutter bald darauf wegen giftmischerischer Verdächtigungen Paris fluchtartig verlassen musste , hatte er alles andere als eine wohlbehütete Jugend. Als jüngstes Kind der Familie war er für den geistlichen Stand bestimmt. Allerdings verließ er noch vor seinem zwanzigsten Geburtstag heimlich Paris. Frankreich schien keinen Platz zu bieten für seine Ambitionen. Am 7. September 1683 trat er dem kaiserlichen Heer als Volontär bei und fünf Tage später war er beim Entsatz von Wien gegen die osmanischen Eroberer unter den siegreich in die Stadt einziehenden Befreiern. Seine militärische Karriere in österreichischen Diensten gleicht einer einzigen Erfolgsgeschichte : im Dezember 1683 erhielt er ein eigenes Dragonerregiment , vier Jahre später wurde er zum Feldmarschall-Leutnant ernannt und mit dem Orden vom Goldenen Vlies ausgezeichnet. Noch nicht dreißigjährig und nach kaum zehnjähriger Dienstzeit wurde er kaiserlicher Feldmarschall und als Vierzigjähriger Hofkriegsratspräsident ( 1703 ). Siegreich gegen Habsburgs Feinde im Osten wie im Westen schlug er elf große Schlachten und wurde neunzehn Mal zum Teil schwer verwundet. Durch seine Eroberungen in Ungarn erreichte die Monarchie ihre größte Ausdehnung. Sympathie und Bewunderung aus ganz Europa galten dem Kriegshelden , Friedensverhandler und Staatsmann gleichermaßen wie dem Philosophen , Förderer der Wissenschaft und Künste und dem Bauherrn. Über seine Lebenszeit hinaus gehört die Erinnerung an Prinz Eugen einem kollektiven Gedächtnis an. Durch das Lied vom edlen Ritter und das Monumentaldenkmal auf dem Heldenplatz wurde er Bestandteil einer kulturellen Identität Österreichs. Kulturelle Identität , das Zugehörigkeitsgefühl von Individuen zu einem zumeist national definierten Kollektiv  , kennzeichnet alle sozial ausdifferenzierten Gesellschaften. Sie beruht auf der generationen- und manchmal sogar epochenübergreifenden geschichtlichen Existenz einer Gesellschaft. An der Formung dieser gemeinschaftlichen Identität sind die verschiedensten sozialen Praktiken maßgeblich beteiligt. Sie überliefern Traditionen , prägen Erfahrung und formen das Gedächtnis von Gruppen. 9

Vorwort

Tragende Elemente des gesellschaftlichen Selbstbildes werden produziert und reproduziert. An den verschiedensten Orten lebensweltlicher Kommunikation , auf den Straßen und Plätzen , in Museen und im Theater beteiligt sich Publikum am Entwurf dieser gesellschaftlichen Selbstbilder. Die Vermittlung von Lerninhalten in der Schule , das Abfeiern von Festund Erinnerungstagen bedeutender Persönlichkeiten sind ebenfalls solche kulturellen , politischen und sozialen Praktiken. Besonders Gedenkfeiern eignen sich zum Anbot von Personen oder Ereignissen als bekräftigender Bestandteil der eigenen Gruppenidentität. Kulturelle Identität ist somit aber auch immer ein kollektives Konstrukt.1 Ob diese Angebote akzeptiert werden , sich in Identität niederschlagen , ist performativen Akten , Aushandlungen geschuldet ; diese erfolgen z. B. in ästhetischen und strategischen Prozessen , in Inszenierungen : Auf der Basis von ( Macht- )Interessen werden Objekte im weitesten Sinn , aber auch Diskurse vor der Öffentlichkeit arrangiert. Besonders in komplexen kulturellen Systemen , wie die Habsburgermonarchie es war und heutige von Migrationen geprägte Gesellschaft es wieder sind , dienen performative Akte wie Inszenierungen der Durchsetzung einer ( Herrschafts- ) perspektive auf die gesellschaftliche Wirklichkeit. In der Rezeption , Wahrnehmung und Akzeptanz oder Ablehnung durch Publikum bzw. Öffentlichkeit verändern sich nicht nur Kontexte ( die Gesellschaft ), sondern auch Inhalte ( Objekte und Diskurse ). Dabei formt sich kulturelle Identität , nicht als fixiertes Ergebnis , sondern als permanenter Prozess. Überlieferungen , Traditionen , Erfahrungen werden auf ihre Eignung für die jeweilige Gegenwart überprüft und in ihrem Deutungsmuster angepasst. Durch die Aktualisierung kultureller Erinnerung bilden sich Kristallisationspunkte , sogenannte Orte des Gedächtnisses , an denen sich gemeinsame Assoziationen bündeln. Diese Orte liegen neben dem realen vor allem im metaphorischen Bereich. Ein solcher metaphorischer Ort gemeinsamer Assoziationen ist auch die historische Gestalt des Prinzen Eugen. Seine ungebrochene Präsenz im Gedächtnis der Nachwelt lässt ihn als Mythos erscheinen. Prinz Eugen hatte bereits zu Lebzeiten sein Gedächtnis ( in Bauwerken , Archiven , Tapisserien , Plastiken etc. ) umfassend präfiguriert. Er selbst 1

Said ( 2001 ), S. 39–57.

10

Vorwort

iden­ti­fizierte sich mit dem Beschirmer und Beschützer Alexander dem Großen , der das Abendland gegen die asiatische Weltmacht verteidigt und mit Caesar , der als Feldherren des Heiligen Römischen Reiches über die Gallier gesiegt hatte. Und ließ sich in den Darstellungen von Herkules und Apoll feiern. Die nachfolgenden Jahrhunderte konnten auf die unterschiedlichsten Teilbereiche zurückgreifen und über die verschiedenen Medien der Erinnerung „nationales Gedächtnis“ konstituieren. Besonders in Krisenzeiten wurde Prinz Eugen als Identitätsangebot an das Publikum , unter immer neuen , sogenannten Brandings vorgestellt , die bestimmte Elemente dieser Erinnerung ins Zentrum rückten , andere aber auch ausblendeten. In diesem Prozess der Umdeutung und Aktualisierung spielt Theater eine wesentliche Rolle. Die auf der Bühne , in Allianz von Kunst und Geschichte , erzeugten Bilder hinterließen Spuren im kulturellen Gedächtnis der sozialen Gemeinschaften und trugen zur Formung von Weltbild und Mentalität bei.2 Dramen , deren Protagonisten historische Persönlichkeiten darstellen , transponieren diese Personen in einen neuen , dem Publikum vertrauten Kontext ; sie erinnern relevante Aspekte der vergangenen Existenz und überantworten sie einer zeitgemäßen Reflexion. Für die Dauer der Aufführung eines historischen Dramas wird für das anwesende Publikum ein immaterielles Denkmal errichtet. Diese immateriellen Denkmäler sind nie ein Abbild des Realen , sondern vielmehr als Visualisierungen eines Identitätsangebotes entworfen. Die Inszenierung des Gedächtnisses in immer neuen serpentinengleichen Varianten. In den vergangenen zwei Jahrhunderten prägten mehrere Erinnerungs­ traditionen gleichermaßen das Gedächtnis Prinz Eugens in der Öffentlichkeit. Als Sieger auf den Kriegsschauplätzen des Spanischen Erbfolgekrieges war Prinz Eugen ebenso präsent wie durch seine erfolgreichen Eroberungen gegen die Osmanen. Das Siegesnarrativ dominierte alle Inszenierungen. Ursprünglich gehörte Prinz Eugen den gesamtstaatlichen Erinnerungskonzepten an. Er galt als Inkarnation der übernationalen österreichischen Staatsidee : seine italienisch-deutsch-französische Unterschrift „Eugenio von Savoye“ wurde als „europäisches Österreichertum“ gedeutet und seinem Stammhaus Italien , seiner französischen Erziehung und seiner öster2

Heindl ( 2005 ), S. 56.

11

Vorwort

reichischen Gesinnung zugeordnet. Nationale Ausrichtungen wurden in der offiziellen Erinnerungspolitik des multinationalen Habsburgerstaates dem Gesamtstaatspatriotismus untergeordnet. Selbst als deutscher Held stand er bis 1938 immer im Kontext der Habsburgermonarchie. Daraus entwickelte sich eine duale Erinnerungstendenz des entweder und oder. Die Erinnerung als Türkensieger wurde als christlich-ideologisches Narrativ , das die Türken als Ungläubige brandmarkte , die es um jeden Preis zu bekämpfen und vernichten galt , von der Kirche befördert.3 Mit der narrativen Verfestigung und Popularisierung des Türken als Erzfeind wurde Prinz Eugen immer stärker mit der Erinnerung an die Entsatzschlacht von 1683 verknüpft und rückte als Exponent der siegreichen „Vertreibung“ der Türken ins Zentrum des öffentlichen Interesses. Auch das populäre Lied vom edlen Ritter unterstützte die Tendenz , seine Person fast ausschließlich mit der Türkenerinnerung zu verbinden. Durch die Geschichtserzählung des „österreichischen Heldenzeitalters“, das 1933 auch als Prinz Eugen’sches Zeitalter bezeichnet wurde , scheint Prinz Eugen im kulturellen Gedächtnis bis heute überwiegend mit seinen Siegen gegen die Osmanen verknüpft. Er wurde zu einem Code des kollektiven Gedächtnisses , mit dem sich allgemein verständliche populäre Inhalte transportieren lassen. In der zweiten Republik strebte die offizielle Erinnerungspolitik nach Entflechtung der beiden Gedächtnisorte 1683 und Prinz Eugen. In der großen Ausstellung Die Türken vor Wien 1983 war Prinz Eugen nicht Gegenstand der Erinnerung. Erst 1986 wurde Prinz Eugen und das barocke Österreich in den damals neu renovierten Marchfeldschlössern Schloßhof und Niederweiden Protagonist einer großen Ausstellung. In historischen Darstellungen wird Prinz Eugen bis heute vielfach dem Gedächtnisort 1683 eingeschrieben.4 Und auch in der medialen Berichterstattung dominiert nach wie vor die Gedächtnistradition des Türkensiegers : in der Ausstellung im Belvedere 2010 bildete die Präsentation von Jacob von Schuppens großformatigem Reiterbildnis Prinz Eugens – als über die Osmanen siegreich hinwegreitender Feldherr von einer himmlischen Apotheose be3 4

Csáky ( 1982 ), S. 227–229. Vgl. dazu Monika Flacke ( Hg. ), Mythen der Nationen : ein europäisches Panorama. München – Berlin 1998 , 22001 , S.  279–283 ; Etienne François /  Hagen Schulze ( Hg. ), Deutsche Erinnerungsorte I. München 2001 , S. 391–406.

12

Vorwort

wacht – zusammen mit seinem Kürass das medial fast ausschließlich zitierte Bildmotiv.5 Jahrzehntelang war Prinz Eugen mit diesem Siegesnarrativ verknüpft gewesen. Als siegreicher Feldherr und Diplomat der Habsburger sollte er die Kriegsausgänge der jeweiligen Gegenwart oder moderne Feindbildkonstruktionen narrativ unterstützen. Mit der Akzeptanz eines staatlichen Opfernarrativs , das Österreich ab 1945 als erstes Opfer des Nationalsozialismus markierte , begann in den 1960er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts ein neues Prinz-Eugen-Narrativ die Erinnerung zu dominieren : das des Kunstsammlers und Mäzens. Die Ausstellungen spiegeln diese neue Erzähltradition : zum 300. Geburtstag 1963 stand die Tradition als Schicksal Österreichs im Zentrum und zum 250. Todestag 1986 wurde sein kulturelles Erbe reinszeniert. Die 350. Wiederkehr seines Geburtstages erkor den Prinzen bereits im Neujahrskonzert 2013 durch die aus Schloßhof eingeblendeten Balletteinlagen zum Jahresregenten. Die Ausstellung Triumph und Passion setzt den Feldherrn , Bauherrn und Sammler Prinz Eugen anlässlich des runden Geburtstages als „Popstar des Barock“ ins Bild. Im Oktober erfolgt die Eröffnung des ehemaligen Finanzministeriums im Prinz Eugen’schen Winterpalais als Barockmuseum. So geht es 2013 vor allem darum , das kulturelle Erbe des Prinzen Eugen , seine Bauten und Kunstschätze für die Gegenwart publikumsorientiert zu aktivieren und zu nutzen; mit Events anzureichern und den Mehrwert spielerisch zu vermitteln.6 Vorliegende Studie versucht , an historisch markanten Eckpunkten die Inszenierungen des Gedächtnisses Prinz Eugens von seinen ersten militärischen Erfolgen bis zur Gegenwart als performative Akte zur Durchsetzung und Ausformung kultureller Identität darzustellen. Mit Augenmerk auf sozial dominante Denkmodelle werden neben den Anlässen für Inszenierungen vor allem die universalistischen Zielsetzungen der jeweiligen 5

6

Salzburger Nachrichten , 13. Februar 2010 , S. 10 ; http://diepresse.com/home/kultur/ kunst/538754/index.do ; http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/2300387_Prinz-Eugen-Ausstellung-in-Wien-Der-Unbezwingbarste. html ; http://derstandard.at/1265828183540/Apotheose-eines-Selfmademans [ 3.  April 2013 ]. Auch das interaktive Stationentheater in Schloßhof ( verfasst von Olivia Lichtscheidl ) wird Prinz Eugen im Kriminalfall II zum Protagonisten haben.

13

Vorwort

Akteure in den Blick genommen. Im Sinne der historischen Publikumsforschung soll zuletzt auch immer der Frage nachgegangen werden , ob die inszenierten Wunschkonzepte als Identitätsangebote von der Öffentlichkeit angenommen wurden. Abschließend möchte ich noch Dank aussprechen : Moritz Csáky für die Anregungen , diese Studie in Angriff zu nehmen ; den Kolleginnen und Kollegen am Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte und an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften für fachliches Interesse und Hinweise auf thematische Zusammenhänge ; dem wissenschaftlichen Personal der Sammlungen und Archive für ihre Hilfestellungen bei der oft intensiven Recherche ; und last but not least Professor Christian H. Ehalt und der Stadt Wien für die finanzielle Unterstützung des Projektes. Wien , im Juni 2013

Elisabeth Großegger

14

I. Geschichte und Gesellschaft

Von der Vergangenheit kennen wir immer das , „was die Gesellschaft in jeder Epoche in ihrem gegenwärtigen Bezugsrahmen rekonstruiert“.7 Das Interesse einer Gesellschaft an Geschichte , die Auswahl dessen , was den gegenwärtigen Bedürfnissen einer Gesellschaft entspricht , und der gesellschaftliche Nutzen der durch erinnerte Historie gezogen wird , ist epochen- und ortsabhängig ebenso wie kulturellen und gruppenspezifischen Kriterien unterworfen.8 Geschichtsbilder werden durch die verschiedensten Medien wie Schulbücher , Romane , Erzählungen und nicht zuletzt durch Theateraufführungen geprägt. Besonders im 19. Jahrhundert speisten sich diese Medien aus den zu einer sozialen Leitdisziplin avancierten Geschichtswissenschaften. Geschichtsbildern liegen vielfach Mythen oder Mythisierungen zugrunde. Jede Nation verfügt über ein geschichtsmythisches Reservoir , das von den Akteuren der Gesellschaft übernommen wurde und wird. Auf der Basis dieser Geschichtsmythen konstituieren Nationalstaaten die Konstruktion einer nationalen Identität. Eine „große Vergangenheit“ – Helden , Vordenker , Eroberer etc. – wird dafür instrumentalisiert , zu „historischen Stoffen“ nationaler Epen , Opern , Dramen überhöht und an nationalen Gedenktagen liturgisch und theologisch inszeniert. Der Umgang mit Geschichte : wer , wie und zu welchem Zweck Vergangenes vergegenwärtigt , gibt Aufschluss über das Selbstbild einer Gesellschaft. Die empirische Erinnerungsarbeit ist identitätskonstitutiv im positiven ( ‚das sind wir‘ ) wie im negativen Sinn ( ‚das sind nicht wir‘ ). Geschichte ist in diesem Sinn eine Ressource , aus der Menschen Orientierungen ableiten können. Die soziokulturelle Gegenwarts- und Zukunftsorientierung , die Gesellschaften aus der Aufbereitung von Geschichte ziehen , fundieren die kollektive Identität. Das kollektive Gedächtnis ist die „symbolische Ausdrucksform von kollektiver Identität“.9 7 8 9

Halbwachs ( 1985 ), S. 390. Schmid ( 2009 ). Assmann ( 1988 ), S. 16.

15

I. Geschichte und Gesellschaft

Orte des Gedächtnisses Diese kollektive Identität beruht auf einem kollektiven Gedächtnis , in dem es „Fixpunkte“ eines kollektiv geteilten „Wissens“ über die Vergangenheit gibt. Durch soziale Praxis im weitesten Sinn wird es kommuniziert und tradiert. Es ist kein abrufbarer Bestand an Kenntnissen , es sind vielmehr Orte , Ereignisse und Personen , die zu bestimmten Zeiten einer emotional-affektiven kulturellen Formung unterworfen werden. Sie fungieren gleichsam als metaphorische Orte des Gedächtnisses , die auf ihren Gegenwartswert befragt werden. Gesellschaftliche Erinnerung erfährt dabei eine Ritualisierung und Institutionalisierung. Orte des Gedächtnisses in der Definition von Pierre Nora sind jene Orte , „in denen sich das Gedächtnis der Nation Frankreich in besonderem Maße kondensiert , verkörpert und kristallisiert hat“.10 Sie sind Bestandteil eines stabilen ( aber auch veränderbaren ) Kanons im Sinne der longue durée. Orte des Gedächtnisses der paradigmatisch heterogenen zentraleuropäischen Region verweigern sich jedoch nationaler Zuschreibung , sie sind prinzipiell vieldeutig und komplex , was sich an der jeweiligen Dekonstruktion des Mythenrepertoires zeigen läßt.11

Prinz Eugen als Gedächtnisort Während „Heldenplatz“ ( wo Prinz Eugen als gusseisernes Standbild seit 1865 gen Osten blickt ) und die „Türken vor Wien“ ( als Prinz Eugen erstmals 1683 als Freiwilliger im österreichischen Heer sich an einer Schlacht beteiligte ) als „Deutsche Erinnerungsorte“ firmieren12 , ist in der dreibändigen Memoria Austriae diesen Orten ebenso wenig wie „Prinz Eugen“ ein Kapitel gewidmet.13 Beide – „Deutsche Erinnerungsorte“ und „Memoria Austriae“  – sind als Bestandsaufnahme der Gedächtnisorte einer Nation entworfen und mit dem framing nationaler Identitätsstiftung versehen. 10 11 12 13

Nora ( 1990 ), S. 7. Csáky ( 2002 ), S. 25–50. François /  Schulze ( 2001 ). Brix /  Bruckmüller /  Steckl ( 2004–05 ).

16

Prinz Eugen als Gedächtnisort

Bis zur Jahrtausendwende war Prinz Eugen als metaphorischer Ort des Gedächtnisses bereits zwei Jahrhunderte lang präsent. Waren es im 20. Jahrhundert vor allem Romanbiographien , Ausstellungen und Feierlichkeiten , so erinnerte man sich im 19. Jahrhundert vorrangig durch die Denkmalserrichtung mit reichem Rahmenprogramm ( 1865 ) an den siegreichen Feldherren. Immer spielte jedoch auch die Bühne , Theaterstücke , in denen Prinz Eugen entweder als Protagonist auftrat oder nur als Referenzperson erwähnt wird , einen wesentlichen Faktor der Erinnerungsarbeit. Prinz Eugen wurde als metaphorischer Ort des Gedächtnisses immer wieder nationalen Instrumentalisierungen unterworfen. In Krisenzeiten , „wann immer dieses Staatswesen ins Schwanken geriet und Identitätsprobleme hatte , klammerte man sich an den schmalwüchsigen Savoyer wie an einen gütigen und schützenden Riesen“.14 Dem kulturorientierten Gedächtnisbegriff ( Jan und Aleida Assmann ) muss bei der Beschäftigung mit Prinz Eugen als Ort des Gedächtnisses auch das Konzept eines Gedächtnisses als Politik zur Seite gestellt werden. Die Visualisierung von Prinz Eugen auf der Bühne , die nationale Instrumentierung seiner Person , lassen den historischen Bezugspunkt nicht als stabilen Fixpunkt erkennen , sondern zeigen , dass die Position immer veränderbar und vorläufig ist. Die Inszenierung der Vergangenheit auf der Bühne , das „Staging the Past“15 im wortwörtlichen Sinn , rückt das Geschichtsbild eines Kollektivs ins Zentrum und verweist auf die Konstruktion kollektiver Identitäten im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Machtverhältnissen. Diskursive über die Vergangenheit , zu denen auch Dramentexte und deren Realisierung auf der Bühne zu rechnen sind , spiegeln die Perspektive gesellschaftlicher Gruppen mit unterschiedlicher Definitionsmacht. In Konkurrenz zu anderen Gruppen soll die jeweils eigene Position ( der Wir-Gemeinschaft ) durchgesetzt werden. Prinz Eugen ist in dieser Beziehung ein interessantes Beispiel der Transformation gesellschaftlicher Erinnerung. Aus heutiger Perspektive scheint er als Gedächtnisort verblasst , seine soziale Energie erschöpft , sein Streitwert und Konfliktpotenzial weitgehend erkaltet. Im Beobachtungszeitraum des vergangenen Jahrhunderts lassen sich die Vorgänge des Ver14 Trost ( 1985 ), S. 16. 15 Bucur /  Wingfield ( 2001 ).

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I. Geschichte und Gesellschaft

blassens und Erkaltens auch mit den Metaphern des Überschreibens und Überlagerns durch neue Perspektiven auf die Vergangenheit betrachten. Schon zu Lebzeiten war Prinz Eugen ein Mythos. Verschwunden ist er – auch dank des im Volk lebendigen Liedes Prinz Eugen der edle Ritter – aus dem kollektiven Gedächtnis nie und konnte darum umso leichter bei Bedarf , bei Kriegsbränden und anderen nationalen Nöten ins „Funktionsgedächtnis“ überführt werden.16 So erscheint das Gedächtnis an Prinz Eugen auch als „soziales Palimpsest“, das über die Jahrzehnte durch affektive und emotionale Steuerung dynamische Veränderungen erfuhr.17 Zahlreiche Städte in Österreich und Deutschland haben nach Prinz Eugen benannte Straßen oder Hotels ; es gibt Prinz Eugen-Torten , -Züge und -Schiffe ; in Kroatien ist sogar ein Dorf nach ihm benannt.18 Nach wie vor wird ein nach ihm benannter Preis verliehen.19 In Wien ( auf dem heutigen Heldenplatz ) und in Zentraleuropa wurden Denkmäler errichtet. Eines steht im Palazzo Reale in Turin ; ein anderes steht auf Wunsch Kaiser Franz Josephs , der die Finanzierung übernahm , nachdem der Auftraggeber , die Stadt Zenta , die Kosten nicht tragen konnte , auf dem Budapester Burgberg , wo es 1899 im Rahmen der 1000-Jahr-Feier Ungarns vor der Kunsthalle aufgestellt wurde. Im Zuge der Renovierungs- und Wiederaufbauarbeiten des Budapester Schlosses nach dem Zweiten Weltkrieg gab es eine letzte Diskussion um den Standort des Prinz-Eugen-Reiterstandbildes. Einige Patrioten wollten nicht Prinz Eugen , sondern Matthias , den letzten Nationalkönig der Ungarn , vor dem Schloss sehen. Heute gilt es als eines der schönsten Reiterdenkmäler in Ungarn.20 Anders als in der österreichischen offiziellen Erinnerungspolitik und Geschichtsschreibung ist in der Historiographie unserer Nachbarländer das Bild des Prinzen Eugen von „unterschiedlichsten Akzenten geprägt , je nach Überwiegen des militärischen , politischen , wirtschaftlichen oder 16 Vgl. die Unterscheidung von Speicher- und Funktionsgedächtnis in : Assmann ( 2001 ), S.  15–29. 17 Vgl. dazu Uhl ( 2009 ), S. 45–46. 18 Lindner ( 2012 ), 30. 1. 2012. 19 Z. B. den Prinz-Eugen-Preis , den der Bund Deutscher Pioniere ( BDPi ) an Absolventen der Pionier- und Fachschule des Heeres für Bautechnik in Ingolstadt verleiht. – Vgl. Thomsen ( 2012 ), S. 184. 20 Benda ( 1986 ), S. 118.

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Prinz Eugen als Gedächtnisort

kulturellen Aspekts“.21 Die ungarische Geschichtsschreibung , die kein explizit negatives Türkenbild tradierte , anerkannte , dass Prinz Eugens Siege bei Zenta , Peterwardein und schließlich Belgrad Ungarn nach 150 Jahren unter türkischer Herrschaft wieder vereint haben.22 Durch den Beitrag an Steuern und Soldaten , die Böhmen und Mähren leisteten , identifizierten sie sich stark mit den militärischen Erfolgen des Prinzen Eugen und feierten sie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit pompösen Theaterund Barockfesten. Prinz Eugen bekam auch einen symbolischen Platz im Programm der Barock-Ikonographie des Prager Trojaschlosses der Familie Starhemberg. Die dem Habsburgerreich durch Prinz Eugens Siege zugewonnenen Gebiete wurden an das absolutistische Staatssystem angeschlossen , mit Steuern , Kontributionen und Einquartierungen ; Wien gab nun auch handelspolitische Maßnahmen vor und die katholische Missionierung stieß auf Widerstand der protestantischen Kirche der Magyaren und der orthodoxen Kirche der Serben. Mit dem erwachenden Nationalstaatsgedanken verblasste in Ungarn wie in den böhmischen Ländern die Erinnerung an Prinz Eugen ; positive Würdigung widerfuhr ihm nur in der Wirtschafts- und Kulturgeschichtsschreibung.23 Trotz der Denkmalserrichtung für Prinz Eugen im Palazzo Reale in Turin fanden die Italiener „wenig Motive , ihn zu lieben“.24 1986 , vor dem Fall des Eisernen Vorhanges waren die zahlreichen Legenden um Prinz Eugen auch „in sehr einseitige nationalistische Urteile eingebettet“. Prinz Eugen wurde dem habsburgischen Absolutismus zugerechnet : er habe „die Türken wohl verjagt , das Land aber an Habsburg angeschlossen.“25 Prinz Eugen hatte damit einen vergrößerten Kommunikationsraum geschaffen , der jahrzehntelang wirksam blieb. Im Jahr der Erinnerung an seinen 250. Todestag stellte sich für die Veranstalter der Jubiläumsausstellung und Symposien als Desiderat , diesen Kommunikationsraum wieder zusammenwachsen zu lassen , auch mit Hilfe eines zentraleuropäischen gemeinsamen Prinz-Eugen-Bildes , dem die vielen Gegensätze wie ein Konfliktgeflecht produktiv eingewoben sind. 21 22 23 24 25

Suppan ( 1986 ), S. 114. Benda ( 1986 ), S. 117 f. Pánek ( 1986 ), S. 118–119. Verrecchia ( 1986 ), S. 120. Sebestyén ( 1986 ), S. 125.

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II. Arbeit am Gedächtnis

Prinz Eugen von Savoyen wurde 1663 in Paris ohne Vermögen , aber mit großem Namen geboren ; am kaiserlich-habsburgischen Hof wurde er zu einem der reichsten und mächtigsten Männer seiner Zeit. Als Zwanzigjähriger verließ er heimlich Frankreich : Der französische König hatte ihn nicht ernst genommen , seine Berufswahl als Offizier belächelt. Ihm und dem über ihn in Paris verbreiteten Vorurteil des „schmutzigen Buben“, der „gar keine Hoffnung zu nichts Rechts gab“26 war er damit entflohen. So kam er nach Österreich , ein Habsburger-Urenkel und -Neffe ( Kaiser Leopolds  I. ) und auch Flüchtling. Als Volontär beteiligte er sich in der Entsatzschlacht von Wien im September 1683 und in den folgenden Kämpfen , um die Türken nach Osten zurückzudrängen. Der kaiserliche Dank ließ nicht auf sich warten : im Dezember desselben Jahres wurde er zum Obristen ernannt und erhielt ein eigenes Dragonerregiment , das als Savoyen-Dragoner unter der Nummer 13 bis 1918 bestand.

Der Feldherr als Instrument Gottes Die katholische Kirche , allen voran die am Wiener Hof sehr einflussreichen Jesuiten verfügten mit den von ihnen veranstalteten Theateraufführungen über ein Propagandainstrument , das weite Bevölkerungsschichten erreichen konnte. Seit 1654 stand ihnen dafür ein festliches kleines Theater „mit seltenen und kunstreichen Maschinen“, einem zwölf Dekorationseinheiten umfassenden Satz von Kulissenpaaren sowie aufwändigen Kostümen und Requisiten zur Verfügung. Kaiser Leopold I. besuchte das Theater der ( oberen ) Jesuiten Am Hof , wann immer es ihm möglich war. Aufführungen im Beisein der kaiserlichen Familie wurden als „Kaiserspiele“ bezeichnet. Solche „Kaiserspiele“ fanden auch – allerdings seltener – im repräsentativen Festsaal der ( unteren ) Jesuiten in der heutigen Bäckerstraße statt. Auch am Neujahrstag 1702 besuchte Kaiser Leopold mit seiner Familie das alljährliche Kaiserspiel. Als Zuschauer befanden sich Kaiser Leopold I. 26 Bodemann ( 1891 ), I , S. 307. Zit. nach Oehler ( 1944 ), S. 108.

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II. Arbeit am Gedächtnis

und seine Gemahlin Kaiserin Eleonore Magdalena aus dem Hause PfalzNeuburg im Theater ; zwei zukünftige Kaiser und die Erzherzoginnen : Joseph ( 1678–1711 ) als Neunjähriger 1687 zum König von Ungarn , als Elfjähriger zum Römischen König , 1705 zum Deutschen Kaiser ( Joseph I. ) gekrönt ; Wilhelmine Amalie ( 1673–1742 ), aus dem Hause BraunschweigLüneburg , seit 1699 Gemahlin von König Joseph ; Karl ( 1685–1740 ), Prätendent der spanischen Königskrone , ab 1711 Deutscher Kaiser ( Karl VI. ); sowie die Erzherzoginnen Maria Elisabeth ( 1680–1741 ), später in der Nachfolge Prinz Eugens von 1725–1741 Statthalterin in den Spanischen Niederlanden ; Maria Anna ( 1683–1754 ), 1703 mit König Johann V. von Portugal verheiratet ; Maria Josepha ( 1687–1703 ); und Maria Magdalena ( 1689–1743 ), die unverheiratet am Wiener Hofe lebte. Zur Aufführung kam ein „politisch-historisch[ es ]“ Spiel um Judas Makkabäus , die alttestamentarische Gestalt des auf Gottes Hilfe vertrauenden Feldherrn , der im zweiten Jahrhundert vor Christus einen Aufstand der Juden gegen die griechisch-syrische Armee anführte. Judas Makkabäus verlangte keinen großen Einsatz an Kulissen ; in diesem Drama der Spätzeit der Jesuiten bestimmten die klassischen Drei-Einheiten-Regeln des französischen Theaters ( die Einheit des Ortes , der Zeit und der Handlung ) die Dramaturgie. Um das hohe literarische Niveau des Textes zur Geltung zu bringen , wirkten auch Schüler aus der Oberstufe und Studierende als Rollenträger mit.27 Dieses politisch-historische Spiel wurde vom einem Team verantwortlicher und durch jahrelange gemeinsame Arbeit erfolgreicher Patres in Szene gesetzt : vom Autor und Regisseur Johann Baptist Adolph , dem Komponisten Johann Bernard Staudt , und dem Choreographen Antonius Verlét. Giovanni und Ludovico Burnacini oblag als Theaterarchitekten am Hof auch die Betreuung der Jesuitenbühne. Johann Baptist Adolph ( 1657–1708 ) schrieb als scholarum praefectus Dramen für Schüleraufführungen , in denen er Glaubensinhalte szenischanschaulich , berührend und religiös bildend vermittelte ; er war ein kritischer Beobachter seiner Zeit und wusste jeweils die Haltung des Ordens zum Zeitgeschehen einzubringen. Er hinterließ 34 Dramen in fünf Handschriftenbänden Dramata. Augustissimo Caesari Leopoldo I. Exhibita. 27 Dietrich ( 2001 ).

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Das Judas-Makkabäus-Spiel

Viennae Austriae. In Gymnasio Domûs Professae S. I. A.P : Joannes Baptista Adolph Scholarum Praefecto , die jeweils im Beisein des Kaisers aufgeführt niemals zum Druck bestimmt waren.28

Das Judas-Makkabäus-Spiel Das auf dem biblischen Text beruhende Spiel um „Jude des Machabeers Ehrenvolles Vertrauen auf Gott /  Das ruhmwürdige Gottvertrauen des Judas Makkabäus“ 29 wurde entsprechend der Jesuitentheatertradition mit einem allegorischen Vor- und Nachspiel gerahmt : Die Allegorie der Tapferkeit bittet um Beistand bei der Allegorie der Göttlichen Hilfe , denn „Der Krieg ist nicht schön , ist ein stetiger Kampf zwischen Kriegsnot und Ehre. [ … ] Schenk uns den Frieden wieder in deiner großen Macht.“ ( 34 ) Durch ihre ausgestreckte Hand sichert die Allegorie der Göttlichen Hilfe Beistand zu. In den folgenden Akten werden die Zuschauer mit Nicanor , dem Feldherrn des syrischen Königs Demetrius , „ein aufgeblasener Mensch“ bekannt , der Judas , den Herzog der Makkabäer , an einem Sabbat zu überfallen plant. Juden , die „Nicanor nur unfreiwillig gefolgt sind“ überlegen , wie sie sich diesem Befehl widersetzen können und beginnen sich innerlich gegen die Fremdherrschaft der Syrer aufzulehnen.30 Unter dem Vorwand , am Sabbat nicht kämpfen zu dürfen , hoffen sie , ihn umzustimmen. Nicanor jedoch verhöhnt sie und ihren Gott , der im Himmel regieren mag. Hier auf Erden kenne er nur seinen Gott „die Macht und mein Heer von bewaffneten Kriegern“. ( 48 ) Zwischen den einzelnen Szenen verdeutlichten Personifizierungen , wie der Tanz des Ehrgeizes und das chorische Zwiegespräch von Hochmut und Vergeltung die Folgen des selbstgerechten Handelns : „wer sich selbst zu hoch erhebt , wird aller Welt zum Spott“. ( 52 ) Judas , der um die übermächtige Bedrohung seiner Männer durch Nicanor weiß , bittet in seiner Not um Gottes Hilfe. Der Prophet Jeremias überreicht ihm ein goldenes Schwert als Gottesgeschenk , mit dem er die 28 Adel ( 1957A ), S. 7 ; Adel ( 1960 ), S. 83–112. 29 Adel ( 1957 ) hat das handschriftliche Manuskript übersetzt und herausgegeben. Die Seitenangaben beziehen sich auf die Übersetzung. 30 Perioche ( Programmheft der Aufführung ) Judae Machabaei , NB Mus. Hs. 18922 Leopoldina.

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II. Arbeit am Gedächtnis

„Zunge des Gotteslästerers treffen , den Hochmut der Feinde zerschmettern“ und seine Makkabäer im Gottvertrauen stärken will. „Von Furcht , von Sorge für das Vaterland tief bedrückt , fühlte ich die hilfreiche Hand unsres gnädigen Gottes.“ ( 57 ) Ein symbolischer Freudentanz der über Jerusalem hereinbrechenden Schrecknisse beendet die Szene. – Nicanor unterdessen beklagt zwar die Treulosigkeit seiner Gefolgsleute , vertraut aber auf den Schutz des Kriegsgottes , der ihm „den Kampfplatz bereitet zum sicheren Sieg“. ( 61 ) Der Gott der Juden gilt ihm nichts. Das zentrale Problem der Theodizee berührend , fragt er nach der Vereinbarkeit des Bösen und Unvollkommenen in der Welt mit dem Dasein und der Allmacht Gottes : „Wo war denn dieser Gott unlängst , [ … ] als der Syrer in wilder Kampfgier bis an die Mauern Jerusalems vordrang , [ … ] und das Feld mit Toten bedeckte ?“ ( 63 ) Als Sieger sieht er sich schon „dem besiegten Judas den Fuß auf den Nacken setzen“. ( 64 ) – Judas hingegen bittet vor dem „Kampf auf Leben und Tod“ noch einmal um die schützende Hand Gottes und einen siegreichen Ausgang der Schlacht. Das Zusammentreffen der beiden kämpfenden Parteien wird durch ein chorisches Zwiegespräch symbolisiert , in dem der Genius der Makkabäer unter der Maske der Furcht die Freude findet. Die Makkabäer kehren als Sieger mit Nicanors Leiche zurück. „Freuen wollen wir uns ! Aber zugleich auf Gott nicht vergessen , denn Er ist die Ursache unserer Freude.“ ( 71 ) Die Arme und das Haupt des Nicanor werden als „Siegestrophäen“ nicht „aus Rache“, sondern um der „rächenden Gerechtigkeit“ willen nach Jerusalem gebracht ; des Feindes Arm am Schandpfahl am Marktplatz aufgehängt , damit jeder „die rächende Hand Gottes erkenne“; das Haupt auf den Zinnen der Burg „als sichtbares Zeichen der Hilfe des Herrn“ befestigt ; die „ruchlose Zunge“ im Sinne einer rituellen allegorischen Vernichtung herausgeschnitten , als Realsymbol für „das Instrument des Bösen im Herzen des Tyrannen“.31 Nicanors Fall sollte als Warnung dienen ; Narses lässt die „Stimme der Vernunft“, im Sinne der Argumentationsbereitschaft der frühen Aufklärung hören : Er könnte noch leben und wirken , und hochberühmt könnte er , der Erste des Reiches nach dem Herrscher selbst , in seinem Bereiche mächtig regieren. Aber er hat [ alle ] Mahnungen in den Wind geschlagen. Wer auf vernünftige Ratschläge 31 Dietrich ( 2001 ), S. 46.

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Judas Makkabäus und Prinz Eugen nicht hört , sondern seinen Begierden die Zügel schießen läßt , der hat den ersten Schritt zu seinem Untergang getan. Was hilft Stärke der Leidenschaft , Heeresmacht , aufbrausender Zorn , wenn ein tieferer Grund den Untergang fordert. – Aber wie wenn das Recht einmal verletzt werden müßte ? Würde das Interesse eines Reiches das Unerlaubte erlaubt machen ? – Die Göttin des Rechts ist nicht so wankelmütig , dass sie das glücksbringende Los nach dem Wunsche dessen austeilt , dessen einziges Recht seine Macht ist.32

Judas indessen wurde hoch geehrt. „Strohkränze flicht die öffentliche Meinung dem Feind , dir aber Kränze und Kronen von Lorbeer und Palmzweigen. Unsterblich wird dein Name sein.“ ( 76 ) Die von Nicanor bereits vor der Schlacht abgefallenen Juden kehren zu Judas zurück , der sie „in Gnaden aufnimmt“. Im Epilog schließlich überreicht die Tapferkeit der österreichischen Kriegsmacht das Schwert des Judas Makkabäus als Geschenk zum Neuen Jahr „in ihm ruht Gottes Kraft , es brachte Heil den Juden , Verderben dem Feind. Nun ist es dein zu neuem Krieg , zu Kampf und Sieg“. ( 86 )

Judas Makkabäus und Prinz Eugen Kurt Adel , der das Stück übersetzt und herausgegeben hat , erkennt im Vergleich des Textes mit den Ereignissen des Jahres 1701 eine allegorische Personifizierung der Protagonisten. In einer Deutung des Spiels33 setzt er den Verschwörer „Rakoczy , hinter dem Ludwig XIV. steht“, mit Nicanor gleich.34 „Prinz Eugen wäre demnach Österreichs Judas Makkabäus.“ Das Spiel wäre durch die „Nikandor unterstellten Juden“ auch eine „Warnung an alle jene , die sich Frankreich anschließen könnten ( Bayern )“. Margret Dietrich schließt sich dieser Auffassung nicht nur an , sondern argumentiert darüber hinaus die Aufführung in Wien „zu Ehren von Eugen , Prinz von Savoyen“. In einem nachgelassenen Aufsatz vergleicht sie 32 Adel ( 1957 ), S. 74. 33 Adel ( 1957 ), S. 89–90. 34 Der Plan des Fürsten Rákóczi , den kaiserlichen Hof bei der Übersiedlung nach Laxenburg „mit 10 000 Mann zu überfallen und zu massicrieren“ konnte 1701 vereitelt werden. Rinck ( 1709 ), 2 Band , S. 1334. – zit. nach Adel ( 1957 ). S. 89.

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den Wiener Judas Makkabäus von 1702 mit einem 1652 in Brügge zu Ehren Erzherzog Leopold Wilhelm aufgeführten Stück gleichen Titels. Erzherzog Leopold Wilhelm ( 1614–1662 ) war der jüngste Sohn Ferdinand II. und Bruder Kaiser Ferdinand III. Auch er war , wie Prinz Eugen Feldherr : er hatte zweimal den Oberbefehl über das kaiserliche Heer im Dreißigjährigen Krieg ( September 1639 bis Februar 1643 , und Mai 1645 bis Dezember 1646 ), während seiner Statthalterschaft in den Spanischen Niederlanden ( Februar 1647 bis Mai 1656 ) kämpfte er für Spanien gegen die Franzosen.35 Die Zueignung an Leopold Wilhelm ist dem Titelblatt des Judas Makkabäus 1652 eingeschrieben. Nicht so 1702 : Weder auf dem Titel des Stückes noch in der Perioche ist Prinz Eugen namentlich erwähnt. Nur im das Stück beschließenden Epilog wird der „historische“ Makkabäer-Stoff zeitlich in die Gegenwart des Anlasses überführt : Fortitudo , die Tapferkeit , überreicht das Schwert des Judas Makkabäus als göttliche Siegestrophäe der österreichischen Kriegsmacht ( dem österreichischen Mars – Militaris Marti Austriaco ) als Festgeschenk zum Neuen Jahr mit der Verheißung des Sieges und „unsterblichen Ruhmes“.36 Mars dankt und fügt hinzu : Doch was dem Krieg Gelingen gibt , ist die gerechte Sache , Umsicht und Wage­mut , Vortrefflichkeit der Waffen … Es ist der Zukunft Bürge und meiner Hoffnung Stab. Ich will es mutig schwingen , stets für das Recht bedacht … Mit göttlicher Kraft stehe Österreich bei und gewähre uns ruhmreichen Sieg.37

Die historischen Ereignisse der Jahre 1701 /  02 , der beginnende Spanische Erbfolgekrieg bilden den politischen Hintergrund. Das Reich der Habsburger umfasste bis zum Tod des spanischen Königs im November 1700 neben den österreichischen Erblanden die aus dem burgundischen Erbe stammenden Niederlande und die zur spanischen Krone gelangten Teile Italiens. Während es für Leopold unvorstellbar war , auf irgendwelche Rechte zu verzichten , handelten Frankreich und England mit Hollands Zustimmung bereits einen Teilungsvertrag für die Nachfolge des spani35 Schreiber ( 2004 ). 36 Adel ( 1957 ), S. 85. 37 Ebda , S. 87.

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Judas Makkabäus und Prinz Eugen

schen Königs aus. Die französische Diplomatie hatte zudem dem letzten spanischen Habsburger den zweiten Sohn des französischen Dauphins , Philipp von Anjou , als Erben suggeriert. Auf Grundlage des Testamentes proklamierte Ludwig XIV. seinen Enkel als Philipp V. zum König Spaniens. Am Wiener Hof waren keinerlei militärische Vorkehrungen getroffen worden. Im angrenzenden Oberitalien waren die österreichischen Interessen aufgrund des Dynastiewechsels am unmittelbarsten bedroht : Prinz Eugen war , nachdem Nachricht vom Tod und Testament des letzten spanischen Habsburgers am 17. November in Wien eingetroffen waren , mit Schreiben des Hofkriegsrates vom 21. November 1700 mit der Unternehmung in Oberitalien betraut worden.38 Mit der Equipe , mit der er den Türkenfeldzug von 1697 geführt hatte , plante er , den Krieg noch vor dem Winter zu eröffnen , und Mailand ( vor allem aus politischen Gründen ) in Besitz zu nehmen. Aufgrund des Wintereinbruchs verzögerte sich der Aufbruch bis zum Frühjahr 1701.39 Prinz Eugen war zu diesem Zeitpunkt vom Volontär , als der er sich im Türkenjahr 1683 dem österreichischen Heer angeschlossen hatte , zum Offizier , General und Feldmarschall aufgestiegen ; als „titolo per ornamentum“ war er auch zum Mitglied des geheimen Rates ernannt worden. Anfang Februar 1701 hatte er sich auch um die vakant gewordene Stelle im Hofkriegsrat beworben , was Gegner und Neider ( vielleicht auch mit Hinweis auf seinen bevorstehenden Feldzug ) zu verhindern wussten.40 Der französische Botschafter war vor Kriegsbeginn überzeugt , dass Prinz Eugen mit dem Italienfeldzug in sein Verderben renne. Nach den ersten Siegen ( Capri und Chiari ) begann man ihn in Frankreich allerdings zu fürchten. Gleichzeitig konnte er sich Sympathie von politischer Bedeu38 Braubach ( 1963–65 ) I , S. 301–368. 39 Nachdem am 26 April 1701 seine Savoyen Dragoner auf dem Marsch nach Italien bei der Favorita vor dem Kaiserpaar , dem römischen König und Gemahlin , dem Erzherzog Karl und Erzherzoginnen defiliert waren , verließ er selbst am 14. Mai Wien. Braubach ( 1963–65 ) I , S. 314. 40 Braubach ( 1963–65 ) I , S. 312 – weist auf Zeit-Dokumente hin , die diese Bewerbung in Zusammenhang mit der Nachfolge des gesundheitlich angeschlagenen ( ruhmvollen Verteidigers von Wien 1683 ) Ernst Rüdiger Starhembergs ( † 4. 6. 1701 ) als Kriegsratspräsidenten stellten.

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II. Arbeit am Gedächtnis

tung in jenen Ländern erwerben , wo man der französischen Hegemonie ablehnend gegenüberstand.41 Kurz nach seinem Aufbruch von Wien war Ernst Rüdiger Graf Starhemberg ( † 4. Juni 1701 ) gestorben und der Kaiser hatte „wider besseres Wissen [ … einen ] Menschen seiner Generation [ dem ] er sich irgendwie aus vergangenen Zeiten verbunden fühlte“42 , den Grafen Heinrich Franz Mansfeld ( 1640–1715 ), als Hofkriegsratspräsidenten eingesetzt. Mansfeld galt als „Mann des höfischen Parketts und der politischen Intrige“, und hatte eine persönliche Abneigung gegen Prinz Eugen. Im Verein mit dem „unfähigen [ Gotthard Heinrich Graf ] Salaburg ( 1618–1707 ) als Hofkammerpräsident“ führte er ein finanzielles und militärisches Fiasko herbei.43 Prinz Eugen war am Neujahrstag 1702 nicht unter den Zuschauern des Spiels Judas Makkabäus. Er lag nach erfolgreicher Überwindung der Alpen  – die mit dem Alpenübergang Hannibals verglichen wurde  – und zwei moralisch wichtigen Schlachtensiegen ( bei Capri und Chiara ) im Winterquartier in Oberitalien. Zur Jahreswende 1701 /  02 sandte er jedoch unterrichtete hohe Offiziere ( General Graf Guttenstein , Oberstleutnant Graf Mercy ), um in Wien seine Klagen mangelnder Unterstützung vorzubringen.44 Nach den Erfolgen des Jahres 1701 würde er die Ziele , die man ihm gestellt hatte , 1702 nicht mehr erreichen , weil dafür die Kräfte , die ihm zur Verfügung standen , zu gering waren. Wenn nun am Theater der Jesuiten im Beisein der kaiserlichen Familie symbolisch dem Repräsentanten der österreichischen Kriegsmacht am Neujahrstag 1702 das mit Gottes Kraft versehene Schwert zum Verderben des Feindes überreicht wird , ist dies eine eindeutige Unterstützungserklärung für Prinz Eugen. Denn im Grunde erschien allen Wohlmeinenden schon zur Jahreswende 1700 /  01 nur Eugen von Savoyen und Gundaker Starhemberg als Alternative zu Mansfeld und Salaburg.45

41 Ein französischer Offizier meinte , dass er „den Krieg ebenso als Fuchs wie als Löwe zu führen verstand“. In der Einschätzung Englands „kam ihm kein Alexander und kein Caesar gleich“. Braubach ( 1963–65 ) I , S. 328 , 334 , 366. 42 Braubach ( 1963–65 ) I , S. 361. 43 Braubach ( 1963–65 ) I , S. 315 , S. 360. 44 Braubach ( 1963–65 ) I , S. 352. 45 Braubach ( 1963–65 ) I , S. 367.

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Judas Makkabäus und Prinz Eugen

Dem symbolisch Vorgeführten folgten Taten allerdings erst mit einjähriger Verzögerung. Zwischenzeitlich verblasste der „im Vorjahr so strahlend gewordene Nimbus des Prinzen“ am Kaiserhof.46 Prinz Eugen formulierte Eingabe um Eingabe an den Kaiser , sandte Vermittler an den Wiener Hof , um Unterstützung und finanzielle Mittel für seine Kriegsführung zu erhalten , vergeblich. Lediglich sein Aufgabenbereich im Kampf gegen Frankreich wurde erweitert , 1702 wurde ihm das Gouvernement der Spanischen Niederlande ( bis 1725 ) übergeben , das er allerdings niemals persönlich antrat. Im Juni 1702 hieß es „seine Haare seien schon fast grau geworden“.47 Nachweislich spätestens zu dieser Zeit übergab er einen Brief an einen der einflussreichsten Jesuiten aus der Umgebung des Kaisers , den P. Engelbert Bischoff ( 1654–1711 ) zur Weiterleitung. Auch zu zwei weiteren Jesuiten , P. Menegatti und P. Miller , dem Beichtvater der Kaiserin , wurde „Freundschaft kultiviert“ und die „Verbindung zu den Jesuiten ein wichtiger Faktor in den Plänen des Prinzen“.48 Denn die größte Schuld an mangelnden Erfolgen trugen jene Männer , „die mit unzureichenden Kenntnissen und fehlender Energie das Kriegswesen des Kaiserstaates leiteten.“49 Ende des Jahres 1702 übergab Prinz Eugen Guido Starhemberg ( 1657– 1737 ) das interimistische Kommando über die Armee und kam in der Nacht vom 7. auf den 8. Jänner 1703 in Wien an.50 Trotzdem der Krieg in Oberitalien weiterging , man mit Versuchen der Vereinigung von Bayern mit Frankreich rechnen musste und eine Erhebung unzufriedener Ungarn unter der Führung Franz Rákóczys nicht ausgeschlossen schein , blieb Prinz Eugen von Jänner bis Juli in Wien. Unmittelbar nach seiner Ankunft hatte er eine Zusammenkunft mit dem Jesuitenpater Bischoff , denn der Pater sei „der einzige Mensch , durch den man manchmal den Kaiser noch zu einem Entschluß zu bringen vermöge“. Prinz Eugen hatte es aufgegeben , „sich an Leopold persönlich zu wenden , ging aber häufig zu Bischoff , um ihm Material über den üblen Zustand der Armee zwecks ‚Sollizitationen‘ an höchs46 47 48 49 50

Braubach ( 1963–65 ) I , S. 348. Braubach ( 1963–65 ) I , S. 353. Braubach ( 1963–65 ) I , S. 354 f. Braubach ( 1963–65 ) I , S. 349. Braubach ( 1963–65 ) I , S. 356.

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II. Arbeit am Gedächtnis

ter Stelle zu liefern“.51 Als Folge der Konkurserklärung über dem Nachlass des Armeelieferanten Samuel Oppenheimer ( 1630–1703 ) Anfang Mai 1703 , der dem Kaiser die Rückzahlung der geliehenen Gelder ersparte52 , legte der bisherige Hofkammerpräsident seine Charge nieder und Gundaker Graf Starhemberg konnte dessen Nachfolge antreten. Ende Juni 1703 konnte auch Graf Mansfeld durch Einfluss des Jesuiten-Paters Bischoff unter Ernennung zum Oberstkämmerer mit erhöhten Bezügen seines Amtes als Hofkriegsratspräsident enthoben worden.53 Prinz Eugen wurde zu seinem Nachfolger ernannt. So war Prinz Eugen , der nach rastloser und zweckvoller Tätigkeit drängte , im Frühsommer 1703 an die entscheidende Stelle für die Kriegsführung gelangt und hatte Zugang zur hohen Politik gewonnen : als Hofkriegsratspräsident war er ständiges Mitglied der geheimen Staatskonferenz und hatte auch andere politische Agenda , wie Führung aller Verhandlungen mit der Türkei und anderen Staaten des Ostens.  – Mit Hilfe der Jesuiten hatte er jene Machtposition erreicht , die in der Darstellung auf der Bühne am Neujahrstag 1702 ihm in absentio als Zukunft und Hoffnung verheißen worden war. Prinz Eugen bedankte sich , indem er bis ins hohe Alter ganz im Sinne des auch von den Zeitgenossen übernommenen Gedankengutes der Jesuiten sich und sein Handeln ausschließlich als erfolgreiches Instrument Gottes darstellte. Die Meldung an den Hofkriegsrat in Wien nach dem letzten großen Schlachtensieg bei Belgrad 1717 beschloss Prinz Eugen mit folgenden Worten : „Demnach Gott der Allmächtige denen allgerechten Kaiserlichen Waffen anheut morgen einen vollkommenen Sig gegen den Erbfeind … verliehen hat , alß schicke Ich mit dißer erfreulichen Zeittung … und verbleibe eines löblichen Mittels schuld- , dienst- und freundtwilliger Eugenio von Savoy.“54 Ebenso formulierte es der produktivste Prinz-Eugen-Dichter , Johann Valentin Pietsch im gleichen Jahr als Kampf „de[ s ] Gott[ s ] der Christenheit durch den Arm Prinz Eugens“.

51 Braubach ( 1963–65 ) I , S. 367. 52 Im September 1701 brachte Oppenheimer zuletzt innerhalb von zwei Tagen 40. 000 Gulden auf und schickt sie Prinz Eugen nach Italien. Braubach ( 1963–65 ) I , S. 332. 53 Braubach ( 1963–65 ) I , S. 366. 54 HHStA , Kriegsarchiv , Hofkriegsrat 1717 August 293 Exp. Fol. 1–2. Zit.nach : Prinz Eugen Katalog ( 1963B ), S. 191.

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Judas Makkabäus und Prinz Eugen

Dieses Gedankengut wurde auf der Bühne bis ins 20. Jahrhundert tradiert. 1863 wird Prinz Eugen dieses Bild des Wirkens in Gottes Auftrag von der Vorstadtbühne herab bestätigen. 1880 wird auf der Burgtheaterbühne der Dramatiker Martin Greif mit den Worten Karl VI. Prinz Eugen als ein ‚Geschenk der Allmacht‘ beschreiben und der ungenannte Rezensent der Wiener Abendpost bewundernd hinzufügen : „Er ist wie Gottes Hammer gegen alle Erbfeinde dieses herrlichen Österreich , das seine einzige große Liebe und für das er so groß gewesen. ‚Österreich über Alles‘ , dieser Wahlspruch ist in den ewigen Glanz gewoben , der Eugens Haupt umstrahlt.“55 Mit dem Code des Genies wird diese Tradition fortgeschrieben. „Vertrauen wir dem Glück und Genie des Prinzen !“, lautet die wiederholt ausgesprochene Hoffnung in bedrängter Lage.56 „Seine Machtposition im Staate beruhte nicht auf der physischen Kraft einer Armee , die hinter ihm stand , seine Macht war der Geist , das Genie , die körperlose Gewalt , der sich die Heere ebenso wie die Herrscher unterordneten“, mutmaßten die Zeitgenossen des Ständestaates.57 Auf der Burgtheaterbühne fehlte dem Publikum darstellerisch diese Kategorie : Die „Schicksalserwähltheit“58 , das „volle Genieformat“59 vermisste es an Franz Herterichs Darstellung. 1937 ist dann auch das Publikum zufriedengestellt. Vom Prinzen Eugen sagen seine Anhänger : „Der Fürst ist ein schneidiger Soldat , der Prinz ein Genie !“– und das Publikum nickte dazu : „er ist ja der militärische Künstler , das Genie unter den Routiniers.“ 60 Herterich konnte diesmal mit seiner Darstellung der „Einsamkeit des Genies , das trotz aller äußeren Erfolge , trotz des Aufstieges bis an die Spitze eines siegreichen Heeres , menschlich oft weniger oder gar keine Erfüllung findet“,61 überzeugen.

55 Wiener Abendpost , Beilage zur Wiener Zeitung 84 , 13. April 1880 , S. 2. 56 Braun ( 1873 ), S. 1. 57 Paul Frischauer , Ein Bibliophiler : Prinz Eugen ! In : Berliner Tagblatt , 22. 2. 1933 , zit. nach Prutsch /  Zeyringer ( 1997 ), S.  93. 58 Die Stunde 3075 , 13. Juni 1933 , S. 6 ( Siegfried Geyer ). 59 Wiener Allgemeine Zeitung , 13. Juni 1933 , S. 5. 60 Neues Wiener Tagblatt 271 , 1. Oktober 1937 , S. 2. 61 Die Stunde 4370 , 1 Oktober 1937 , S. 4.

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II. Arbeit am Gedächtnis

Inszenierung des Gedächtnisses Während seines Lebens übernahm Prinz Eugen zahlreiche Ämter : Er war oberster Feldherr und erster Minister : 43 Jahre lang diente er als Feldmarschall und 33 Jahre war er Präsident des Hofkriegsrates. Nach Auffassung seines Bibliothekars , Jean-Baptiste Rousseau ( 1670 / 1–1741 ) hatte er die „Last fast aller öffentlichen Geschäfte Europas auf seinen Schultern“.  – Eine Ansicht , die auch König Friedrich II. von Preußen teilte , der Prinz Eugen als „Atlas“ der Habsburger-Monarchie bezeichnete.62 Eine Seite von Prinz Eugens Persönlichkeit war der erfolgreiche Feldherr , der Kämpfer gegen die Türken und gegen den französischen König im Spanischen Erbfolgekrieg , der diplomatische Friedensverhandler und kaiserliche Berater , das , was wir heute seinen Beruf nennen würden , Tätigkeiten , die ihm – neben seinen reichen Einkünften aus den kirchlichen Pfründen , Schenkungen und Ämtern – halfen , jenes Vermögen zu „verdienen“, um damit die andere Seite seiner Persönlichkeit , sein Mäzenatentum als „Freund der Künste und Wissenschaften“ zu leben. Dabei organisierte er auch  – wie kaum eine andere historische Persönlichkeit vor ihm  – das Gedächtnis seiner Leistungen. Die mit Gottfried Wilhelm Leibniz ( 1646–1716 ) projektierte Gründung einer Akademie der Wissenschaften in Wien kam zu seinen Lebzeiten nicht zustande. Der an Wissenschaften und allen Erkenntnissen interessierte Prinz Eugen hatte ein ausgeprägtes Geschichtsbewusstsein. Im dritten Band seines Bibliothekskatalogs umfassen die Foliowerke zur neueren Geschichte 700 Nummern.63 Allerdings war er sich auch der Schwierigkeiten der Geschichtsforschung wie kaum ein anderer Zeitgenosse bewusst : „Es ist viel gefährlicher , Geschichte als Poesie zu schreiben , da , wenn man über vergangene Zeiten arbeitet , es viel Mühe kostet , die Quellen zu erschließen , um sich seiner Aufgabe gut zu entledigen , und wenn man sich der Gegenwart zuwendet , es schwierig ist , jedermann zu befriedigen , und nicht zu viel oder zu wenig in einer Materie zu sagen , die um so delikater ist , als sie noch lebende Personen betrifft.“ 64 62 Regele ( 1963 ), S. 32. 63 Braubach ( 1963–65 ) V, S. 111 , 115. 64 Eugen an Rousseau 8. Dezember 1723. Zit. nach Braubach ( 1963–65 ) V, S. 177 f.

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Inszenierung des Gedächtnisses

Abb. 1 Balthasar Perlmoser , Apotheose des Prinzen Eugen.

Wie in Balthasar Perlmosers berühmter Statue „Franz Eugen , Prinz von Savoyen und Piemont , Markgraf von Salusso , Ritter des goldenen Vlieses , Kaiser Karls VI. und des Hl. Röm. Reiches oberster , unbesiegter Feldherr“ versinnbildlicht , wollte er seine Taten für sich sprechen lassen , statt Famas Lobgesängen zu vertrauen. In der überlebensgroßen , 230 cm hohen Apotheose aus weißem Marmor , auf der Prinz Eugen als Herkules mit der Keule in der rechten Hand und Löwenfell über der linken Schulter dargestellt ist , verschließt er mit seiner linken Hand die Posaune der ( seinen Ruhm verkündenden ) Fama. Ihm zu Füßen ein besiegter Türke , in dem sich der Bildhauer verewigt hat ; Engel deuten auf die Sonne als Symbol

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II. Arbeit am Gedächtnis

der Unsterblichkeit.65 In einem die Darstellung erläuternden Gedicht aus dem 18. Jahrhundert stand die Ewigkeit symbolisierende Sonne „ihm zur Unsterblichkeit mit eigner Hand zu leiten“.66 Nicht Fama , das Gerücht , die Nachrede , sondern untrügliche Quellen sollten seine Erinnerung legitimieren. Im 1711 auf seinen Antrag gegründeten Kriegsarchiv wurden alle militärischen Akten und Dokumente gesammelt. Außerdem zog er die besten Künstler seiner Zeit zur künstlerischen Dokumentation seiner Leistungen heran. Jan van Huchtenburgh ( 1647–1733 ), seit 1708 in seinen Diensten , malte nach seinen genauen sachlichen Angaben bis 1719 große Gemälde der bedeutendsten , siegreichen Schlachten wie Zenta ( 1697 ), Chiari ( 1701 ), Luzzara ( 1702 ), Höchstädt ( 1704 ), Cassano ( 1705 ), Turin ( 1706 ), Oudenarde ( 1708 ), Malplaquet ( 1709 ), Peterwardein ( 1716 ) und Belgrad ( 1717 ). Diese Gemälde fanden große Bewunderung und wurden vielfach kopiert. Es entstand eine Tapisserieserie von Judocus de Vos in Brüssel , Huchtenburgh selbst gab eine Serie dieser zehn Schlachtendarstellungen als Kupferstich heraus , die 1725 einen Prachtband über Eugens größte militärische Erfolge illustrierten.67 Auch die Portraitbilder des Prinzen von Johann Kupetzky ( 1667–1740 ) und anderer Künstlern fanden als Druckgraphiken weite Verbreitung. Ebenso weite Verbreitung fanden durch ihre hohen Auflagen Hunderte zu Lebzeiten des Prinzen geprägte Medaillen , die im Sinne historisch tagesaktueller Berichterstattung herausragende politische Ereignisse seiner Karriere in Wort- und Bildzitaten festhielten.68 Nicht zuletzt sind auch die Gebäude , Palais und Schlösser Prinz Eugens durch die thematische , plastische und gemalte Dekoration und Ausstattung auf die Person des Bauherrn bezogen. So wurde er in barocker Art auf den für das Belvedere geschaffenen Gemälden dem Helden Achilles gleichgesetzt.69 Giuseppe Maria Crespi , gen. Lo Spagnuolo schuf im Auftrag Prinz Eugens ein Gemälde , auf dem der Kentaur Chiron den jungen

65 Die Apotheose steht heute im Unteren Belvedere. Mraz ( 1985 ), S. 253. 66 Ulrich von König erläuterte die Darstellung in einem Gedicht. Dresden 1745. – zit. nach : Prinz Eugen Katalog ( 1963A), S. 27. 67 Dumont ( 1725 ). 68 Prinz Eugen Katalog ( 1986B ). 69 Prinz Eugen Katalog ( 1963A ), S. 22.

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Inszenierung des Gedächtnisses

Achilles das Bogenschießen lehrt. Prinz Eugen wurde , vielleicht schon 1683 , sicher 1684 vom damaligen kaiserlichen Feldmarschall Ludwig Wilhelm von Baden in die Kriegskunst eingeführt. Bereits als Dreißigjähriger ( 1694 /  95 ) erwarb Prinz Eugen mehrere Häuser in der Himmelpfortgasse , die er durch den damals berühmtesten Architekten , Johann Bernhard Fischer von Erlach ( 1656–1723 ) zu einem Stadtpalais umbauen ließ. Ab 1700 übernahm Lukas von Hildebrandt nicht nur die Bauführung des Stadtpalais , er legte auch Pläne für Schloss Ráckeve vor , auf der unterhalb von Budapest gelegenen Donauinsel Csepel , die Prinz Eugen 1698 erworben hatte. Gleichzeitig ( 1693 ) begann Prinz Eugen , einen Gartenpalast zu errichten ( Belvedere hieß die Anlage erst seit Mitte des 18. Jahrhunderts ; Zeitgenossen nannten die Anlage nur den „Printz Eugenischen Garten“70 ). 1700 wurde der französische Park angelegt , 1714–16 entstand das sommerliche Wohnschloss ( das heutige Untere Belvedere ), fünf Jahre später ( 1721–23 ) das obere Schloss als Fest- und Repräsentationsbau , 1725 war die Anlage vollendet , die mit der zeltartigen Dachlandschaft und den Pavillons „das Heerlager eines zweiten Alexander des Großen hypostasiert“; eine Identifizierung mit dem Makedonenkönig findet sich auch in den Reliefs des Treppenhauses des oberen Belvedere.71 Im Garten und in beiden Schlössern ließ sich Prinz Eugen mit den Bildern des Apoll und des Herkules feiern.72 In diesen beiden antiken Göttern versinnbildlichte Prinz Eugen die beiden Sphären seines Wirkens und seines Gedächtnisses : der Feldherr spricht aus dem Herkules der Waffen , der Förderer von Kunst und Wissenschaft aus dem Musengott Apoll. Das Sommerpalais ( Belvedere ), samt Garten , war bereits zu Lebzeiten Prinz Eugens hochberühmt. Er hatte die Abbildung in hundert Kupferstichen nach Zeichnungen Salomon Kleiners ( 1703–1761 ) in Auftrag gegeben , die in zehn Lieferungen in Augsburg unter dem Titel : „Wunder-

70 Tagebucheintragung vom 30. Jänner 1744. In : Grossegger ( 1987 ), S. 26. 71 Stephan ( 2010 ), S. 218. 72 Nach der Befreiung Turins ließ auch die Stadt Mailand für Prinz Eugen einen Triumphbogen errichten , auf dem er u. a. als Phoebus Austriacus , als Achilles und Samson bezeichnet wurde. „Serenissimo Francisco Eugenio Sabaudiae Principi , Caesareae militae Archistratego , ac Insubriae Vindici , in urbe Mediolanensi , erectus.“

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II. Arbeit am Gedächtnis

würdiges Kriegs- und Siegs-Lager des unvergleichlichen Heldens unserer Zeiten [ … ]“ erschienen. Ähnlich wie über Versailles wurde eine reiche Literatur an barocken Lob- und Preisgedichten über das Bauwerk und dessen Erbauer gedruckt. Im Winterpalais waren Eugens berühmte Bibliothek , die Gemälde­samm­ lung , das Kupferstichkabinett , historische Portraits und astronomische Geräte sowie auch zahme und wilde Tiere untergebracht. Durch seine Sammlungen legitimierte er eine Vergangenheit , die über die Gegenwart in die Zukunft wies. Mit antiquarischem Interesse erwarb er römische Karten für seine kartographische Sammlung , mittelalterliche Geschichtsbücher und zeitgenössische Grabungsberichte , und alles was ihm an den modernen Erkenntnissen von Wissenschaft und Kunst wichtig erschien. In dekorativer Pracht ordnete er seine geistige Welt , baute einen Kosmos nicht zuletzt als Konzept und Basis seiner Erinnerung in der Zukunft. Mit der kaiserlichen Schenkung der Herrschaft Obersiebenbrunn „zu einer beliebigen Excursion und Landtsdistraction“ im Jänner 1725 begann Prinz Eugen seine Bautätigkeit in der Höhenlage über der March. Er erwarb zusätzlich die Herrschaft Schloßhof , ließ deren Festungscharakter , da er die Gefahr heranrückender Feinde ja gebannt hatte , umgestalten und vor allem durch künstlerische Formung der Landschaft eine großzügige Anlage errichten. 1727 erwarb er auch das Jagdschloss Niederweiden , das Johann Bernhard Fischer von Erlach ursprünglich für Ernst Rüdiger Graf Starhemberg , den Verteidiger Wiens in der Zeit der Türkenbelagerung 1683 , erbaut hatte und ließ es durch Lucas von Hildebrandt aus- und umbauen. Durch eine lange Allee verband er Schloßhof mit Niederweiden zu einer Einheit. Binnen vier Jahren war die Anlage mit einem enormen Aufwand an Arbeitskräften , zum Großteil arbeitslose Soldaten nach dem Frieden von Passarowitz , fertiggestellt. Auch Schloßhof barg eine reiche Gemäldesammlung. Eugens Sammlung von Tieren und Pflanzen , die teils Geschenke , teils Ankäufe oft auch von ehemaligen Gegnern waren , stellten die praktische Ergänzung seiner reichen naturkundlichen Literatur dar. Die Menagerie war , nach der Versailler Vorlage gestaltet , größer als die kaiserliche in Schönbrunn und galt als die schönste nach ihrem Versailler Vorbild. Menagerie und Orangerien wurden von Fremden und Einheimischen als Wunder besucht. Die Wiener Zeitung berichtete immer wieder darüber. 36

Ambivalenz des Gedächtnisses

Ab 1732 ließ Prinz Eugen von Salomon Kleiner auch die Fauna und Flora abbilden und in einer Stichserie in Augsburg veröffentlichen.73 Das Weiterleben Prinz Eugens im Gedächtnis der Nachwelt wird wiederholt auch in den Dramen des 19. Jahrhunderts thematisiert. Therese Megerle lässt Prinz Eugen sagen , dass die „Ehre nach dem Tode , [ … ] mehr wert als Ehre im Leben , die oft unverdient erteilt wird“. Die Nachwelt wäre hingegen „ein gerechterer Richter , das wahre Verdienst erkennt und nur das wahrhaft groß nennt , das es in der Wirklichkeit gewesen“.74 Und Anton Langer lässt Prinz Eugen gar davon träumen , ein Werk hinterlassen zu können wie Caesar seinen De bello gallico , das seine Geschichte „unverfälscht“ erzählen würde.75

Ambivalenz des Gedächtnisses Prinz Eugen baute an seiner Identität , nicht zuletzt auch in Konkurrenz zu den habsburgischen Kaisern und zum französischen König. Es mag Zufall oder ausgleichende Ambivalenz der Geschichte sein , dass alle seine Anlagen früher oder später in kaiserlichen Besitz übergingen , einige aber über Turin , wohin seine Erbin , Prinzessin Viktoria von Sachsen-Hildburghausen , sie verkauft hatte , kam während der napoleonischen Zeit nach Frankreich. 1737 ging Eugens berühmte Bibliothek gemeinsam mit dem Belvedere , wo sie ursprünglich untergebracht war , für eine Leibrente von 10. 000 Gulden aus dem Besitz der Erbin in den Besitz Kaiser Karl VI. über und bildet heute den Grundstock der Nationalbibliothek , aufbewahrt im Prunksaal am Josefsplatz in Wien. Es sind dies Bücher , gleichmäßig gebunden in verschiedenen Farben je nach Wissensdisziplin , mit dem auf dem Deckel eingeprägten Wappen Eugens. Die zum Belvedere gehörige Menagerie wurde – bis auf einen weißköpfigen Geier , der bis zu seinem Tod 1823 dort verblieb – in den kaiserlichen Tiergarten in Schönbrunn überführt.

73 „Vorbildung aller ausländischen Thiere so in dem Thiergarten … Eugenii Francisci Hertzgen von Savoyen und Piemont vor der Stadt Wien aufbewahrt werden. Welche daselbst nebst einigen rahrsten und fremden Gewächßen nach dem Leben gezeichnet worden durch Herrn Salomon Kleiner …“ Prinz Eugen Katalog ( 1963A ), S. 16. 74 Megerle ( 1849 ), S.  4 /  6. 75 Langer ( 1865 ), S. 43.

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Schloßhof erwarb 1755 Maria Theresia und ließ es klassizistisch umbauen. Im Mai 1766 fand in der dortigen Schlosskapelle die Trauung ihrer geliebten Tochter Erzherzogin Maria Christina statt , die als einziges kaiserliches Kind den Mann ihrer Wahl heiraten durfte : Prinz Albert von Sachsen-Teschen , der 1776 die Albertina begründete , wo das Kupferstichkabinett Prinz Eugens seine bleibende Gedächtnisstätte fand. Prinz Eugens Sommerresidenzen , die Schlösser Schloßhof und Niederweiden , wurden 1986 anläßlich der großen Gedenkausstellung „Prinz Eugen und das barocke Österreich“ prachtvoll restauriert und seither mehrfach zu Sommerausstellungen genützt ; 2005 wurde auch der barocke Garten in seiner ursprünglichen Form wieder eröffnet , ganz im Sinne der Widmung der Zeit Prinz Eugens „zu einer beliebigen Excursion und Landtsdistraction“. Die Nutzung des Doppelbaus des Belvederes von Lukas von Hildebrandt durch die Unterbringung der Österreichischen Galerie mag dem Kunstsammler Eugen gerecht werden. Eugen hätte gerne größere Ressourcen für die Ausstattung der Armee zur Verfügung gehabt. Ihm war es jedoch als Oberbefehlshaber der Armee nicht erlaubt , sich „mit den Finanzangelegenheiten zu beschäftigen“, wie man ihm im März 1706 „ins Gesicht gesagt“ hatte , denn „seit dem Friedländer sei es Maxime des Hauses Österreich , nie mehr in die Hand eines Mannes Schwert und Börse zu geben“, wie er selbst es ausdrückte. Prinz Eugen fügte etwas gekränkt hinzu : „Mein ganzes Leben und vielleicht auch mein Tod wird es beweisen , daß ich nicht verdient habe , in die Klasse der Mansfeld von heute , noch der Friedländer von einst gerechnet zu werden.“76 – Als Ambivalenz oder Ironie der Geschichte mag es heute erscheinen : die jahrzehntelange Unterbringung des Finanzministeriums in seinem einstigen Winterpalais in der Himmelpfortgasse. Das Winterpalais war nach Prinz Eugens Tod von 1752 bis 1837 Standort des Wiener Münzamtes , ab 1848 war die oberste Finanzbehörde dort untergebracht. 2007 wurde eine Generalsanierung des Gebäudes erforderlich. Das Finanzministerium bezog als Ausweichquartier das dafür adaptierte Gebäude der Statistik Austria. Fast wurde das Provisorium zum Definitivum ; im Mai 2013 erfolgte dann doch eine teilweise Rückübersiedlung. 76 Brief des Prinzen Eugen an den Obersthofmeister Fürst Salm aus dem Jahre 1707. Zit. nach : Prinz Eugen Katalog ( 1933 ), S. 9.

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Ambivalenz des Gedächtnisses

Mit Abschluss der Sanierungsarbeiten im November 201277 wurde die Zukunft des Winterpalais ( im Besitz der BIG – Bundes Immobilien Gesellschaft der Republik Österreich ) durch ein neues Nutzungskonzept der Österreichischen Galerie Belvedere geregelt. Ab Oktober 2013 werden die Prunkräume des Winterpalais als Barockmuseum einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die nutzungstechnische Vereinigung von Sommer- und Winterpalais im Geist von Barock und österreichischer Gegenwart fügte sich harmonisch in den Prinzen Eugen’schen Gedächtniskanon. Auch die Unterzeichnung des Staatsvertrages 1955 im Marmorsaal des Oberen Belvedere lässt sich mühelos einem Credo Prinz Eugens zuordnen : jeder Krieg soll nur als Vorstufe zur Friedenssicherung dienen. Zu seiner Zeit hat er als siegreicher Feldherr auch die Friedensverhandlungen geführt. Manchmal , wie anläßlich des Friedens von Rastatt 1714 , gemeinschaftlich mit dem gegnerischen Feldherren Marschall Villars.78 Für die Wahl des Marmorsaales als Ort der Unterzeichnung des Staatsvertrages mag die durchwegs positiv besetzte Botschaft des Ortes den Ausschlag gegeben haben , dem Belvedere gegenüber dem mit negativen Anschluss-Erinnerungen konnotierten Hofburg-Heldenplatz-Komplex den Vorzug zu geben. Auch die „historische Unberührtheit“ des Ortes war hilfreich : Der Marmorsaal diente zur Zeit Prinz Eugens und auch danach als Antichambre. Bei der großen Prinz-Eugen-Ausstellung des Jahres 1933 , die im Oberen Belvedere stattfand , blieb der Marmorsaal als „Hauptraum des Schlosses“ unbespielt. Die Prinz-Eugen-Ausstellung des Jahres 1963 fand zur Gänze im Unteren Belvedere statt. Lediglich 1941 hatte der Marmorsaal als Kulisse für eine Vertragsunterzeichnung der Achsenmächte gedient , als das Königreich Bulgarien dem Dreimächtepakt ( zwischen Deutschland , Italien und Japan ) beitrat. Der Marmorsaal wird von einem mächtigen Deckenfresko von Carlo Carlone ( 1686–1775 ) umwölbt. Es zeigt als „Allegorie des Ruhmes“ wie Prinz Eugen unter die Götter des Olymps aufgenommen wird. In den Ent77 Weder Zeit- noch Kostenplan konnten eingehalten werden. Laut Medienberichten überstiegen die Kosten mit 200 Millionen Euro die Kalkulation um mehr als das Doppelte. – Salzburger Nachrichten , 16. August 2011 , S. 2 und 19. November 2012 , S. 8. 78 Prinz Eugen Katalog ( 1986 ), S. 207.

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würfen zum Deckenfresko war noch die allegorische Gestaltung als Herkules angedacht , in der Ausführung wurde Prinz Eugen in eigener Gestalt portraitiert , erkennbar am Savoyer-Kreuz.79 Dennoch blieb die ursprüngliche Bild-Konzeption von Herakles am Scheideweg erhalten , der siegreich der Versuchung widersteht. Während alle früheren Darstellungen den siegreichen Waffenhelden in Gestalt des Herkules mit der Keule in der rechten Hand und Löwenfell über der linken Schulter symbolisierten , so thematisierte die HerkulesDarstellung im Deckenfresko von Carlone erstmals Herkules am Scheideweg. Dass sich Prinz Eugen in einer Weiterentwicklung der ersten Entwürfe in eigener Gestalt an die Stelle der Herkules-Allegorie ins Bild setzte , könnte seinen beruflichen und privaten Erfahrungen der Jahre 1719 und 1724 geschuldet sein. Zweimal war er höfischen Intrigen ausgesetzt , und stand damit gewissermaßen am Scheideweg seiner Karriere. Er hatte sich seinerzeit dank seiner ausreichenden Einkünfte und den guten Büchern in seiner Bibliothek bereits den Rückzug ins Private als Option vorgestellt.80 Dass es dann doch nicht dazu kam , wird mit der „Allegorie des Ruhmes“ im Deckenfresko des Marmorsaales thematisiert. Als Apotheose an der Decke wohnte Prinz Eugen somit 1955 dem feierlichen Augenblick der Staatsvertragsunterzeichnung bei. Zufall oder Ambivalenz des Gedächtnisses ? Dienten Prinz Eugen die antiken Götter Apoll und vor allem Herakles als Maßstab des eigenen Strebens , als überprüfbare Projektionen von Identität , so benützte 1955 das neu erstandene Österreich Prinz Eugens Gedächtnis als Basis der Selbst-Präsentation als friedvoller Staat mit großer Vergangenheit. Die Bild-Konzeption von Herakles am Scheideweg drang nicht in die offiziellen Deutungsversionen des Freskos. Der Scheideweg , die Tatsache , einmal noch davongekommen zu sein angesichts der überwundenen nati79 Auf dem früher auch als „Triumph des Prinzen Eugen“ bezeichneten Deckengemälde sind seit der Restaurierung 2005 einzelne Details wieder erkennbar , so auch das Savoyer-Kreuz auf dem rund 400 Quadratmeter großen , 1721 bis 1723 errichteten Deckenfresko. – Für den Hinweis dankt die Autorin Susa Cerepak. 80 „Avec 10 000 fl. de rente , dit-il , je puis finir mes jours tranquillement et sans embarras et j’ai une assez grande provision de bons livres pour ne pas m’ennuyer.“ Saint-Saphorin , Relation de la situation interne de la Cour de Vienne , 12.IX.1719 , L 80 /  39. Zitiert nach Braubach ( 1963–65 ) V, S. 114 und 399 ( Anm. 351 ).

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onalsozialistischen Gefahr , wurde völlig ausgeblendet. Das Fresko wurde einzig als Verherrlichung des Bauherrn , als friedvolle Botschaft eines nunmehr kleinen Staats mit einstiger großer Vergangenheit gelesen : Prinz Eugen „thront als Held in antiker Pose , von Mars gekrönt , umgeben von den Allegorien der Fürstentugenden , während Fama seinen ewigen Ruhm verkündet und die Geschichte seiner Taten verzeichnet ; in der Gestalt des Apollo vertreibt er die Laster , seine Siege bringen Frieden , Freude und Schönheit.“81

Herakles und Apoll Im Garten und in den Gebäuden des Belvedere gibt es zahlreiche Darstellungen von Apoll und Herakles als mythologische Reflexionen Prinz Eugens. Die Verwendung antiker Gestalten , die Erzählungen antiker Mythen als Spiegelung der eigenen Person hat eine lange Tradition. In der bildenden Kunst ebenso wie am Theater.82 Der Rückgriff auf mythologische Gestalten und Vorstellungen des klassischen Altertums gehört zu den Konstanten frühneuzeitlicher Propaganda und Repräsentationskunst. Apollo galt bereits den Griechen als Lichtgott , sowie als Garant der sittlichen Ordnung und des edlen Maßes. Er wurde als Gott der Künste , insbesondere der Musik und als Führer der Musen ( Musagetes ) verehrt. Seine Waffe ist der Bogen. Von Apoll stammt nicht nur der zielsichere Pfeil , sondern auch das „treffende“ Lied. Er galt als Förderer der Wissenschaft und Künste. Dass es gerade auch ein Lied ist , das die Erinnerung an Prinz Eugen wachhält , mag die apollinische Spiegelung zusätzlich rechtfertigen. Das äußerst heterogene Wesen der Heraklesgestalt führte zu den verschiedensten Deutungen. Die Vielfalt von Motiven und damit verbundenen Interpretationsmöglichkeiten ließ Herakles einmal als tapferen 81 Der zitierte Text aus dem Jahr 1971 reflektiert das noch ungebrochen lebendige Gedankengut der Nachkriegszeit und des Wiederaufbaus. Auch das an den Audienzsaal angrenzende Konferenzzimmer feierte in einem allegorischen Deckengemälde ( von Giacomo del Pó ) die Tugenden des Feldherren , „der mit Hilfe der Götter Sieg und Frieden erringt , das Böse in der Welt überwindet und eine Welt der Gerechtigkeit und Schönheit aufbaut“. Aurenhammer ( 1971 ), S. 62–63. 82 Sommer-Mathis ( 2004 ), S.  237–263 ; Seeger ( 2008 ), S.  182–195 ; Polleross ( 1998 ), S.  37–61 ; Matsche ( 1981 ).

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Helden und Kulturbringer , dann wieder als gewalttätigen Kraftprotz und primitiven Genußmenschen erscheinen. Im Anschluss an die Deutung der Prodikos-Parabel wurde er auch zum Tugendhelden stilisiert. Besonders wichtig wurde , weit über die Antike hinaus , seine kultische Verehrung als Sieg- und Friedenbringer , als ‚Hercules Victor /  Invictus‘ und ‚Hercules Pacifer‘. Die Identifizierung mit Herakles diente den Mächtigen zur Legitimation der eigenen Herrschaft. Zur Darstellung kam Herakles immer wieder auch mit den bekannten Attributen Löwenfell , Keule oder den Äpfeln der Hesperiden. Als Identifikationsfigur war Herakles auch von besonders großer Bedeutung für die österreichischen Habsburger. Namens- und Geburtstagsfeste und Hochzeitsfeierlichkeiten waren die offiziellen Anlässe für Opernaufführungen und Trionfi , festliche Aufzüge in antiker Manier.83 Vielen dieser Feste des kaiserlichen Hofes hat mit Sicherheit auch Prinz Eugen beigewohnt. Bei der 1668 anläßlich der Hochzeitsfeierlichkeiten für Kaiser Leopold I. mit der spanischen Infantin Margarita Teresa aufgeführten glanzvollen Huldigungsoper Il pomo d’oro war Prinz Eugen nicht anwesend. Allerdings befand sich die Prachtausgabe des Librettos in seinem Besitz. 1690 wurde Joseph zum römischen König gekrönt und damit zum Nachfolger seines Vaters Leopold auf dem Kaiserthron designiert. Bis zur tatsächlichen Thronübernahme 1705 wurde Joseph mehrfach auf der Bühne des Wiener Hoftheaters als Herakles gefeiert , so 1702 anläßlich seines Namenstages mit L’Enigma del Fato ( sciolto da Giove ). Der Subtext dieser Oper betraf die Legitimität der Dynastie ebenso wie der Schaffung eines Ursprungsmythos. Kaiser Leopold I. und sein Sohn Joseph wurden mit dem Obersten der Götter , mit Jupiter , und mit seinem Sohn , Herakles , identifiziert , wodurch sie ihre Ahnenreihe nicht nur auf die römischen Kaiser , sondern darüber hinaus bis in die mythische Vorzeit zurückführten. Die Herkules-Typologie als wesentliches Element der habsburgischen

83 Die mythologischen Handbücher des 16. Jahrhunderts bildeten die Basis der literarischen und bildlichen Überlieferungen der griechischen und römischen Antike , aus denen die Veranstalter der Hochzeitsfeste und Trionfi des 17. Jahrhunderts schöpften. Um die höchst komplexen Darstellungen auch breiteren Publikumsschichten verständlich zu machen , wurden ausführliche Erläuterungen veröffentlicht. Sommer-Mathis ( 2004 ).

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Herrscherideologie war erstmals von Maximilian I. verwendet worden und erlebte bei den sogenannten Barockkaisern Leopold I. , Joseph I. und vor allem Karl VI. eine besonders intensive Pflege. Karl VI. unterstrich mit der Herkules-Symbolik im Rahmen der höfischen Repräsentationskultur vor allem auch seinen Anspruch auf Spanien , umso mehr als 1704 Gibraltar , der Standort der Säulen des Herakles , von Karls alliierten Truppen erobert worden war. Zwar dominierten in den Darstellungen des 17. und 18. Jahrhunderts die Bilder des Hercules Victor und des Hercules Romanus , des militärisch erfolgreichen , friedens- und ordnungsstiftenden Feldherren und Kaisers , doch fand auch die Prodikos-Parabel von Herakles am Scheideweg musikdramatische Umsetzungen als individuelle Entscheidung für die Tugend ( virtú ) und gegen das Laster ( piacere ). Der Sieg über das Laster sicherte dabei auch als Vorbildcharakter für alle künftigen Helden Unsterblichkeit.84 Die politisch-propagandistische Funktionalisierung von Antikebezügen blieb allerdings nicht das Privileg der herrschenden Habsburger. Was Prinz Eugen , der Zeit Lebens seine Identität auch in Konkurrenz zu den habsburgischen Kaisern und zum französischen König konstruierte , an der Herakles-Gestalt angesprochen haben mag , war einerseits der Hercules Victor , der militärisch erfolgreiche , friedens- und ordnungsstiftende Feldherr ; daneben kommt auch der Gestaltung als Herakles am Scheidweg große Bedeutung zu : die Möglichkeit der individuellen Entscheidung für die Tugend und gegen das Laster mag seinem Selbstverständnis entsprochen haben. Zwei Frauen von verschiedener Gestalt treten an Herakles heran : die personifizierte Lust malt ihm das Bild eines Lebens voll üppiger Freude ; die personifizierte Tugend zeigt ihm den steilen und mühevollen Weg zum Ruhm. Darüber hinaus gibt es eine mythologische Konstante , die Prinz Eugen an Herakles angezogen haben mag : dessen Streben nach Unsterblichkeit. Alle Heldentaten des Herakles dienten letztendlich dem 84 Im 18. Jahrhundert spiegelte die ethische Funktionalisierung der Herakles-Figur , die zum Träger philosophisch-ethischen Gedankenguts wurde , den sogenannten aufgeklärten Absolutismus. In späterer Zeit diente der mythologische Stoff immer mehr als Vorwand und wurde beliebig austauschbar , bis er schließlich in mythologischen Parodien und Travestien an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert auf den Wiener Vorstadtbühnen ein breites bürgerliches Publikum erheiterte. SommerMathis ( 2004 ).

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II. Arbeit am Gedächtnis

Zweck , Unsterblichkeit zu erlangen , seinen unüberwindlichen Heldenmut in unterschiedlichen Begebenheiten darzutun und sich als sieghaft zu bewähren. Bei der Identifizierung der Habsburger mit Herakles bedeutete das Attribut der Unsterblichkeit immer gesicherte Nachkommenschaft ; Prinz Eugens Unsterblichkeit liegt im Erinnern : als Teil eines kulturellen Gedächtnisses erinnert zu werden.

Zeitgenössische Dichtung Wie Vergil , der Aeneas unsterblich gemacht hatte , wünschten sich die Zeitgenossen einen Dichter , der die Heldentaten des Prinz Eugen besingen sollte. Zu seinen Lebzeiten huldigten ihm Dichter aus allen Ständen ; in Wien allerdings weitaus später als im übrigen Europa. Im Zentrum des Interesses stand immer der berühmte Krieger und Stratege , den auch die Bildhauer , Kupferstecher und Maler verherrlichten. Von Prinz Eugens Siegen gegen die Türken predigten auch die Kirchenvertreter von den Kanzeln : Während Abraham a Sancta Clara in seinen Predigten Eugen ausklammerte , liegen in Stift Klosterneuburg in dickten Folianten lateinische Predigten auf Eugen verwahrt.85 Ab 1703 berichtete das Wienerische Diarium über weltbewegende Ereignisse und in Amsterdam erschien die erste Lebensgeschichte Prinz Eugens.86 1705 erschien der erste Versuch einer epischen Gestaltung der siegreichen Feldzüge. Georg Wilhelm von Hohendorf ( 1670–1719 ) kannte Prinz Eugen aus nächster Nähe. Er hatte an den Feldzügen teilgenommen und war 1706 Überbringer der Nachricht vom Sieg bei Turin an den kaiserlichen Hof. Im Jahr davor hatte der bibliophile Soldat seinem Feldherren und Freund ein episches „Ehren Mal Ihro Hochfürstlichen Durchlauchtigkeit dem Heldenmuethigen Eugenio Printzen von Savoyen , seiner Roem. Kaiserl. Majestät. Armee , Commandierender General in Italien , Unterthaenigst Aufgerichtet.“87 Ein Jahrzehnt später beschrieb der produktivste der Prinz-Eugen-Dichter Johann Valentin Pietsch ( 1690–1733 ) seinen Namen als siegreichste Waffe : 85 Dvorak ( 1935 ), S. 79. 86 Anonymus ( 1703 ). 87 Hohendorf ( 1706 ).

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Zeitgenössische Dichtung

Der Name allein schlägt schon den Feind , und wer immer ihn kämpfen gesehen , staune über seine Kräfte und Tapferkeit. Durch seine bloße Gegenwart bedeute er Deckung für das Heer. Feindeslist scheitere an seinem Verstand. Ein Wink genüge und ein riesiges Heer gehorche. Nie habe er sich mit dem Blut Unschuldiger befleckt , nie persönliche Gewinnsucht und Ruhmbegierde gekannt. Die Pflicht gegen Kaiser Karl und die Liebe zum Deutschen Reich seien seine Leitsterne. Für dieses Epos über den ungarischen Feldzug des Prinzen Eugen , „Ihrer hoch-Fürstl. Durchl. /  Printzen /  Eugenii /  Von /  Savoyen /  Siegreicher Feldzug /  Wider die Türken /  Entworfen /  Von /  D. Johann Valentin Pietsch“ erhielt Pietsch eine Poetik-Professur. 1717 markiert mit der Schlacht bei Belgrad den Höhepunkt in Prinz Eugens Karriere , der sich in Historiographien und eben auch in zahlreichen Dichtungen niederschlug. In Italien wurden die Türkensiege mit großem Pomp , Illuminationen und stundenlangem Glockgeläute sowie Lobreden gefeiert. Nach der Eroberung Belgrads war für 16. August 1717 sogar die Aufführung einer Festoper geplant ; da die aufwendigen neuen Bühnenbilder aber nicht schnell genug angefertigt werden konnten , verlegte man die Premiere in den November und widmete sie gleichzeitig dem Namenstag Kaiser Karls VI.88 Apostolo Zeno ( 1668–1750 ), der ab 1718 als Hofdichter am Wiener Hof wirkte , hatte Prinz Eugen bereits sein 1709 in Mailand uraufgeführtes Drama L’amor generoso gewidmet.89 Von 1709 bis zum Todesjahr des Prinzen Eugen erschienen sechs Biographien und unzählige Heldengedichte. Künstler und Dichter verbreiteten den Ruf des Prinzen in ganz Europa.90 Reaktionen des Prinzen Eugen auf panegyrische Literatur sind kaum bekannt , es existiert allerdings ein Beleg , in dem er dem Dichter Curini für sein Lobgedicht dankt , ihn aber bittet , es nicht drucken zu lassen „da Sie meiner Person zuviel Lob gewidmet haben , das ich durchaus nicht verdiene , so könnte ich das Gedicht nicht mit Wohlgefallen veröffentlicht sehen. Ich hoffe , daß sich Ihrem Talent andere Gelegenheiten bieten werden , sich hervorzutun.“ 91 88 Der letzte Versuch Trajanus ( 1717 ). Marx /  Schröder ( 1995 ), S.  123 ; Schröder ( 1998 ), S. 156–173. 89 Oehler ( 1944 ), S. 230. 90 Baratta-Dragono ( 1960 ). 91 Eugen an Curini , Wien 11. November 1719. Arneth ( 1858 ) III , S. 75.

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Lebensende Zweimal war der erfolgreiche Aufstieg Prinz Eugens jedoch auch gefährdet. 1719 führte eine höfische Intrige ( ausgelöst vom Grafen Nimptsch und Abbé Tedeschi , bei der der angebliche Einfluss der Gräfin Lori Batthyany auf Prinz Eugen von seinen Gegnern argumentativ benutzt wurde ) zu einer schweren Krise , und 1724 demissionierte Prinz Eugen aufgrund von Anschuldigungen ( gegen seinen Stellvertreter in Brüssel Marquis de Prié durch den einstigen Mitstreiter im Spanischen Erbfolgekrieg Graf Alexander von Bonneval ) erzürnt als Generalstatthalter Belgiens. Es war dies auch das Ende der Freundschaft mit Jean-Baptiste Rousseau.92 Beide Male war es ihm möglich , seine Rehabilitation zu erreichen , allerdings nicht ohne bedeutenden Machtverlust am Wiener Hof. Im hohen Alter von fast 70 Jahren zog er noch einmal in einen erfolglosen Krieg. Aufgrund des stetigen körperlichen und geistigen Abbaus in den 1730er Jahren konnte er seiner nunmehrigen politischen Entmachtung allerdings nichts mehr entgegensetzen. Kaiser Karl VI. überging zunehmend den einstigen verlässlichen Berater , indem er mehr und mehr den bereits in die Krise 1719 verwickelten Staatsreferendar und ( ab 1724 ) Hofrat der Hofkanzlei Johann Christoph Bartenstein ( 1689–1767 ) ins Vertrauen zog. Ab 1733 war der Einfluss Prinz Eugens im Schwinden. In der Nacht zum 21. April 1736 starb Prinz Eugen. Sein Begräbnis fünf Tage später folgte einem staatstragenden Ritual : Der Kaiser hatte , um seine „Hochachtung dieses unvergleichlichen Heldens der ganzen Welt zu erkennen zu geben“ und um den „ohnsterblichen durch so viele glückliche Schlachten und Eroberungen erworbenen Ruhm und Ehre gebührend zu erheben“, sich entschlossen , ein prächtiges und aufwändiges Begräbnis mit dreitägigen Exequien in einem nur durch die kaiserliche Präsenz selbst redimensionierten Ausmaß „so viel das Ansehen Dero Allerhöchsten Gegenwart in dieser Dero Kaiserlicher Residenz-Stadt immer zulasset“ auf eigene Kosten zu veranlassen. Nach dreitägiger Aufbahrung im Stadtpalais brachte der Leichenzug den Sarg von der Himmelpfortgasse über den Umweg der Kärntnerstraße bis zum Kärntnertor , die Augustinerstraße , Kohlmarkt und Graben zum Stephansdom , wo er 92 Braubach ( 1963–65 ) IV S. 67–87 , 177–215 und V S. 114 , 149 , 179 , 205.

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in der Gruft der Kreuzkapelle , in der auch sein Neffe Emanuel Thomas v. Savoyen ( † 1729 ) bestattet war , beigesetzt wurde.93

Abb. 2 Plan der Stadt Wien 1736. Die Markierung kennzeichnet den Weg des Trauerzuges.

Die Beschreibung der herzlichen Trauer- und Leich-Begängnuß in einem vierseitigen Extra-Blatt des Wienerischen Diariums schildert alle stimmungsvollen Einzelheiten dieses Leichenzuges detailgenau. Jene , die nicht am zweistündigen Zug unter fortwährendem Glockengeläut durch die Innenstadt teilnehmen konnten , hatten Gelegenheit diese spektakulär inszenierte kollektive Trauer nachzulesen.94 93 Den würdigen Begräbnisort verdankte er der Witwe seines Neffen , Tochter und Erbin von Fürst Johann Adam von Liechtenstein , die die seinerzeit geerbte Kapelle zur Grabstätte ihrer Familie bestimmte. Sie setzte dem Helden 1754 hier auch ein dauerhaftes Denkmal. Schemper-Sparholz ( 2005 ), S. 362–364. 94 Wienerisches Diarium Anno 1736 ( Extra-Blatt zu Num. 34. ) 28. April. – Diese Beschreibung des Begräbnisses des Prinzen Eugen wurde auch wörtlich übernommen in : Anonymus ( 1746 ).

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Hatte zu Beginn der politischen Karriere von Prinz Eugen Pater Engelbert Bischoff ( 1654–1711 ) die Weichen gestellt , so regelte zu Ende seines Lebens abermals ein Jesuitenpater die Karriere post mortem. Seit 1705 war der Jesuit Vitus Georg Tönnemann ( 1659–1740 ) Beichtvater des damaligen Erzherzogs , späteren Kaisers Karl VI. Tönnemann galt neben Prinz Eugen von Savoyen und dem Hofkammerpräsidenten Graf Gundacker von Starhemberg ( 1663–1745 ) als dritte Person „am kaiserlichen Hof [ … ], die völlig unzugänglich seien für die Bestechung.“95 Tönnemanns Rat galt dem Kaiser viel ; die Veranlassungen zur Totenfeier des Prinzen Eugen wurden abgesprochen. Auf den Trauerzug , die dreitägigen Exequien mit kostbarem Castrum Doloris und umfassender Trauerrede folgte der Auftrag – abermals auf Kosten des Ärars – am Begräbnisort in der Kreuz-Kapelle „dem verstorbenen Printzen zum ewigen Gedächtnuß ein marmor steinernes Grab-Mahl mit behörigen Stylo Lapidali96 fassenden Inschriften“ zu errichten. All diese Erinnerungsmemorabilien hatten nur ein Ziel : sie sollten dem Vergessen entgegenwirken und dem Gedanken der Unsterblichkeit Ausdruck verleihen : Denn der Kaiser und sein Beichtvater und Berater Vitus Georg Tönnemann wollten ein Zeichen setzen , dass „Deroselben /  dem Heil. Röm. Reich /  und dem Durchlauchtigsten Erz-Haus /  ja der ganzen Christenheit von dem verstorbenen Printzen geleistete grosse Verdiensten /  und andurch erworbenen ohnvergleichlichen Ruhm für ohnsterblich halten“97 – und schufen einen Mythos. 95 Schreiben des britischen Gesandten in Wien 1721 an Lord Townshend nach London. Thonemann ( 2008 ). 96 Stylo Lapidali meint den „Stil einer Inschrift , die die traditionellen äußeren und inneren Merkmale einer antiken ( römischen ) Denkmalsinschrift aufweist. Namensgebend waren die an staatlichen oder privaten ( luxuriösen ) Denkmälern aller Art ( monumenta ) angebrachten ( Stein )-Inschriften der römischen Antike , wie sie sich in der späten Republik und in der augusteischen Zeit ausgebildet hatten und fortan vorbildlich geblieben sind. Das äußere Merkmal dieser ‚Monumentalinschriften‘ ist die Ausgestaltung der Schrift an sich ( Art der technischen Behandlung der Buchstaben , deren vollkommene Ausgeglichenheit , Ausgewogenheit in deren Anordnung , Verwendung von Abkürzungen etc. ), das innere Merkmal ist die präzise , kurze ( also im heutigen Sinn „lapidare“ ) Ausdrucksweise , die , dem Inhalt entsprechend , den Eindruck von Erhabenheit und Würde vermitteln soll.“ – Die Autorin dankt Hubert Reitterer für die präzise erklärenden Ausführungen. 97 Wienerisches Diarium Anno 1736 ( Extra-Blatt zu Num. 34. ) 28. April.

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Abb. 3 Aufbahrung Prinz Eugens. Zur Linken die päpstlichen Ehrenzeichen Hut und Schwert ; zur Rechten der Herzogshut , Orden vom Goldenen Vlies , Degen , Kommandostab und Handschuhe ; am Kopfende Brust- und Rückenkürass.

Nachdem die Todesmeldung am Sonntag , dem 21. April bekannt worden war , wurde – auf allerhöchste Anordnung – der Körper des Prinzen geöffnet und einbalsamiert. In der rot-schwarz-goldbordüren-verzierten Uniform seines Regimentes mit Stiefeln und Sporn wurde er ab 23. April für drei Tage öffentlich „in der ersten Anticamera“, dem schwarz verhangenen Schlachtenbildersaal seines Stadtpalais , auf einem erhöhten Bett unter schwarzem Baldachin im Licht von 63 weißen Kerzen auf Silberleuchtern aufgebahrt. Umgeben von den weltlichen Insignien seiner Erfolge auf schwarz-samtenen Kissen ( dem Harnisch , dem herzoglichen Hut und der Kette des Goldenen Vlieses , dem Kommandostab , Degen , Hut und Handschuhen , sowie päpstlichem Hut und Schwert ), an die Wand gehefteten Wappen und Orden und je vier Altären an den beiden Seiten des Raumes , wurden  – da der Prinz überraschend , ohne zuvor die heiligen Sakramente empfangen zu haben , verstorben war98 – jeden Morgen heili98 In seiner Lob- und Trauerrede versuchte Pater Peikhart diesbezüglichen Spekulationen entgegenzuwirken , indem er darauf hinwies , dass Prinz Eugen einen jähen Tod

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ge Messen im Beisein der ihm nächststehenden Personen für sein Seelenheil gelesen , und wurde auf einer Kniebank zu Füßen des Bettes Tag und Nacht ununterbrochen wechselweise von zwei geistlichen Ordensleuten für den Verstorbenen gebetet. Um den Zustrom der Menschen zu regeln , standen beim Eingangstor und auf der Treppe Mannschaften des kaiserlichen Leib- und Stadt-Garde-Regiments , wie auch ein Ober-Offizier der Savoyen Dragoner im Trauerzimmer Wache hielt. Täglich ab 12 Uhr Mittags läuteten eine Stunde lang sämtliche Glocken der Stadt. Das Begräbnis selbst war für 26. April 1736 ab 4 Uhr nachmittags angesetzt. Der Sarg des Prinzen Eugen wurde vom Palais in der Himmelpfortgasse abgeholt und in einem hierarchisch gruppenweise arrangierten Begleitzug auf einem Rundweg durch die Stadt zur Begräbnisstätte in der Kreuzkapelle im Stephansdom gebracht : An der Spitze des Zuges fuhren zwei berittene kaiserliche Einspänner Kutschen , gefolgt von 694 kerzentragenden altgedienten Soldaten und Beamten dreier Wiener Spitäler zu Fuß.99 Jedem der Spitäler , ebenso wie den darauffolgenden geistlichen Orden , vorangetragen wurde das mit Trauerflor behangene Crucifix , umgeben von zwei mit dem Wappen des Prinzen geschmückten Fackelträgern. Von den verschiedenen Orden folgten insgesamt 556 Patres und 131 Geistliche mit Kerzen im Zug. Daran schlossen an : 145 Kürassiere zu Pferd angeführt von ihrem Oberst-Leutnant mit zwei Pauken und Standarten , das von ihrem Hauptmann angeführte 124 Mann starke kaiserliche Leib- und Stadt-Garde-Regiment zu Fuß ( das bereits bei der dreitägigen öffentlichen Aufbahrung im Einsatz gewesen war ), 29 Hauptmänner , Feldzeugdiener , Büchsenmeister , sechs begleitete und von je vier Zugpferden gezogene leichte Artilleriegeschosse , sogenannte „Feldstucken“, dann folgten Hauptleute , zwei Fähnriche , die ihre mit Flor behangenen Fahnen zu Boden neigten , und abermals 284 Männer des kaiserlichen Leib- und Stadt-Garde-Regiments ; fünf kaiserliche Adjutanten in der Uniform des verstorbenen Prinzen zu Pferd ; 26 kaiserliche Musiker in Trauerkleidung mit brennenden Kerzen ; 17 Hilfspfarrer und zehn Domherren der Metropolitankirche St. als „Gnade Gottes“ gestorben wäre und „zwey Wochen vor seinem zeitlichen Hintritt [ … ] mit Göttlichen Geheimnussen versehen“ worden war. Peikhart ( 1736 ), S. 28. 99 Die drei Spitäler waren das Armenhaus auf der Alserstraße , das Johann-NepomukSpital auf der Landstraße , und das Hofspital ( Kaiserspital ) am heutigen Ballhausplatz.

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Stephan mit großen Kerzen , von zwei Fackelträgern begleitet und gefolgt vom Weihbischof und der übrigen Geistlichkeit ; in ihrer Mitte endlich folgte der auf einer besonderen Bahre gleichsam schwebende Sarg des Prinzen , den ein bis zum Boden reichendes überaus kostbar mit Goldkreuz besticktes samtenes Tuch zur Gänze bedeckte ; auf dem Sarg mitgeführt wurden ein silbernes Crucifix und die schon bei der Aufbahrung rund um den Leichnam ausgestellten Insignien ; 14 ohne Rangordnung neben dem Sarg gehende kaiserliche Feldmarschall-Leutnante hielten die Enden und Zipfel des bodenlangen Tuches , unter ihnen Wenzel Fürst Liechtenstein und der durch die 1738 erfolgte Verehelichung mit der Erbin und Nichte des Prinzen Eugen zu Vermögen gelangende Prinz Joseph Friedrich von SachsenHildburghausen ; 36 kerzentragende kaiserliche Feldkriegs-Kanzleibeamte säumten die Gruppe. Auf die Sarggruppe folgte das den kostbaren Harnisch des Prinzen tragende und von zwei von Kopf bis Fuß geharnischten Reitern geleitete Leibpferd des Prinzen Eugen ; neun Pagen und Reitknechten in Trauerkleidung führten neun Pferde an der Hand. Zu Fuß schlossen sich 77 kerzentragende Hofkriegsräte , darunter Joseph Lothar Graf von Königseck , Konferenzräte , Kammerfeldmarschalle etc. an ; sowie 51 Hausoffiziere , 20 Bediente , sechs Jäger des Prinzen mit Fackeln und in Trauerkleidung und 19 „andere ohne Mantel“; 368 Cavaliere , Militärs , Offiziere von Stand , 96 „Personen von geringerem Stand“ mit brennenden Kerzen in Händen schlossen sich an ; abschließend führte ein Leutnant 40 Mann des kaiserlichen Kürassier-Regiments mit Harnisch und Pickelhauben zu Pferde , gefolgt von acht Reitknechten der Offiziere zu Pferd. Fast 3. 000 Männer gingen im Zug ( 2094 vor dem Sarg , 50 als Sargbegleitung und 646 nach dem Sarg ), dazwischen hunderte Pferde ; tausende Kerzen und Fackeln erhellten den Weg bei hereinbrechender Dunkelheit ; sämtliche Infanterie und Kavallerie trug die Gewehre abgewendet ; die Offiziere hatten an den Schultern oder an ihren Armen Trauerbinden ; auch die Standarten und Spontons waren mit Trauerflor geschmückt , sowie die Pauken und Trommeln schwarz überzogen ; die Trompeten wurden mit Dämpfern geblasen. Zwei Stunden dauerte der vom Glockengeläut sämtlicher Kirchen begleitete Weg vom Stadtpalais in der Himmelpfortgasse über die Kärntnerstraße bis zum Kärntnertor , vorbei am Augustinerkloster und der im Vorjahr fertiggestellten Winterreitschule durch die Augustinergasse , über Kohlmarkt , Graben und Stock im Eisen-Platz in die Stephanskirche. Dort 51

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erwarteten die Ritter vom Goldenen Vlies , die geheimen Räte und Minister den Sarg und begleiteten ihn durch das Hauptschiff zum Altar und an der linken Seite wieder zurück zur Kreuzkapelle , wo er „mit denen gewöhnlichen Ceremonien zur Erden bestattet“ während die aufgestellte Infanterie und Kavallerie mit dreimaligen Salven das letzte Ehrenzeichen gab. Der Publikumszustrom war außerordentlich ; auch viele , denen Prinz Eugen durch seine vielfältigen Tätigkeiten Aufträge und Arbeit verschafft hatte , waren unter ihnen. Von den Fenstern und Balkonen sahen die Menschen den Zug vorüberziehen , in den Straßen waren sie zusammengelaufen , trotzdem lief alles „ohne eintzige Unordnung“ ab.100 In den folgenden Tagen wurden in der neu erbauten Winterreitschule unter den Armen der Stadt 2. 000 Gulden aus der kaiserlichen Schatulle verteilt ; ebenso viele heilige Messen sollten für die Seele des verstorbenen Prinzen gelesen werden. In den auf das Begräbnis folgenden Wochen schlossen sich „gelehrte Federn“ dem Trauergedenken an ; im Wienerischen Diarium erschienen zahlreiche Gedichte zu Ehren des Verstorbenen.101 Anfang Juli sollten die dreitägigen Exequien stattfinden. Einladungen ergingen an die Botschafter , Ritter des Goldenen Vlieses , Minister , Adel und hochrangige Beamte. Der langjährige Baumeister des Prinzen , Lukas von Hildebrandt , war beauftragt worden , in der schwarz ausgekleideten „Metropolitan Kirche zu St. Stephan ein zierlich sinnreiches / Auf des abgelebten Printzen hohe Geburt /  Würden /  und Helden Thaten mit seinen Inschriften abzielendes Trauer-Gerüst“ zu errichten.102 Den kaiserlichen Exequien Leopold I. von 1705 nachempfunden103 , blieb dieses prächtige Castrum Doloris bis 16. Juli stehen und wurde in einem Kupferstich auf die Nachwelt überliefert : „Die jenige /  welche nicht gegenwärtig seyn können /  werden von dem gedruckten Kupfer und beygefügter Explication alles deutchlich zu vernehmen haben.“104 Salomon Kleiner , der bereits die Innen- und Außenansichten der Besitzungen sowie die Schlachtenbilder des Prinzen in Kupfer gestochen hatte , hat dieses für die feierlichen Exequien vom Kaiser erstmalig für einen Un100 101 102 103 104

Wienerisches Diarium Anno 1736 ( Extra-Blatt zu Num. 34. ), 28. April. Wienerisches Diarium Anno 1736 , Nummer 35 vom 2. Mai. Wienerisches Diarium Anno 1736 ( Extra-Blatt zu Num. 34. ), 28. April. Popelka ( 1994 ), S. 95. Wienerisches Diarium Anno 1736 , Nummer 55 , 11. Juli.

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tergebenen – „desgleichen bishero niemals geschehen“ – in Auftrag gegebene Trauergerüst in einer Radierung festgehalten. Der Druck konnte von „jedermann“ zur Erinnerung einschließlich einer Erklärung der Zeichen und Codes um drei Siebzehner , das waren 51 Kreuzer und in heutiger Währung ungefähr fünf Euro , entweder direkt beim Zeitungsverlag oder aber „in den Ruckenbaumischen Haus bey denen Fleisch-Bänken im anderen Stock“ in der Kramergasse erworben werden.105 Um vier Siebzehner bot der Zeitungsverlag den Kupferstich mit zweisprachiger Beschreibung an.106 Um 17 Kreuzer waren „die Lob- und Leich-Schriften“ nebst vollständigen Beschreibung und Abbildung zu bekommen.107 Auch die beauftragte Lob- und Trauer-Rede über den Todt des … Printzen Eugenii-Francisci Hertzogen von Savoyen und Piemont erschien noch im gleichen Jahr in der unter der Obhut der Jesuiten stehenden Universitäts-Druckerei in deutscher und lateinischer Sprache in einer Rekordauflage von 4. 000 Exemplaren.108 Der päpstliche Nuntius , „Feind der Jesuiten“109 und langjähriger Freund des Prinzen , Domenico Passionei ( 1682–1761 ) verfasste in italienischer Sprache ebenfalls eine Trauer-Rede , die als Leitmotiv den Triumph des Todes über die Eitelkeit abhandelte und zwei Jahre später „wegen ihrer ausbündigen Schönheit ins Teutsche“ übersetzt wurde. 105 Wienerisches Diarium Anno 1736 Num. 65 , 15. August. 106 Wienerisches Diarium Anno 1736 Num. 57 , 18. Juli. 107 Wienerisches Diarium Anno 1736 Num. 57 , 18. Juli. 108 Vertrieben wurde die Predigt vom Universitäts-Buchdrucker Johann Ignatz Heyinger in verschiedenen Ausgaben und Preisklassen von vergoldet bis ungebunden unter dem Titel : „Lob- und Trauer-Rede über den Todt des Durchleuchtigen Printzen Eugenii-Francisci Hertzogen von Savoyen und Piemont , etc. etc. Ihro Römisch – Kayserlichen Majestät und des Heil. Röm. Reichs General-Lieutnant , etc. etc. Da Seine Hohe Leich-Besingnuß mit Drey-Tägigen grossen Ehren-Gepräng in der allhiesigen Metropolitan-Kirchen bey St. Stephan gehalten worden ; verfasset und vorgetragen von P. Francisco Peikhart , aus der Gesellschaft Jesu /  der besagten Metropolitan-Kirchen Dom-Prediger. Mit Genehmhaltung Einer Hohen Obrigkeit. Wien 1736. Sauber eingebunden / Auf dem Schnitt vergoldet /  und in GoldPapier / Auch harter decken /  eines à 40 kr. /  in schwartzem papier überzogen à 30 kr. /  ordinari eingebunden aber à 11 kr. das Stück. es seynd ebenfalls ungebundener zu bekommen“ – wie das Wienerische Diarium seine Leserschaft informierte. Wienerisches Diarium Anno 1736 , Anhang zu Num. 56 , 14 Juli. 109 Braubach ( 1963–65 ) V, S. 169.

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II. Arbeit am Gedächtnis

Abb. 4 Francisco Peikhart , Lob- und Trauer-Rede. Über den Todt des Durchleuchtigen Printzen Eugenii Francisci , Hertzogen von Savoyen. Wienn , Universitäts-Buchdruckern 1736.

Drei Tage vom 11. bis 13 Juli 1736 dauerten die Exequien , die jeden Morgen um 9 Uhr mit habstündigem Geläut sämtlicher Glocken der Stadt begannen und sich eines großen Zulaufes an Menschen aus allen Ständen erfreuten. Am ersten Tag feierte der Wiener Erzbischof und Kardinal Sigismund von Kollonitz ( 1677–1751 ) die Seelenmesse. Mit Abfassung der Lob- und Trauer-Rede war der Jesuitenpater und Domprediger zu St. Stephan Franz Peikhart ( 1684–1752 ) beauftragt worden. Pater Peikhart trug die einstündige Rede zu Beginn der Exequien in der Stephanskirche vor. Er entwarf ein Bild des Verstorbenen , das gänzlich mit jenem in Überein54

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stimmung stand , das Prinz Eugen Zeit seines Lebens zu verbreiten suchte , und das Zeitgenossen und Freunde ihm zuschrieben , das Idealbild des „honnête homme“. Als Kanzelspruch zitierte Peikhart abermals den „historischen“ Makkabäer-Stoff und bezog ihn auf das Leben , Wirken und die Hinterlassenschaft des Prinzen Eugen : „Also ist dieser aus dem Leben geschieden /  und hat dem ganzen Volk die Gedächtnuß seines Todts zum Beyspiel der Tugend und der Stärke hinterlassen.“110 Als dialektisches Grundelement seiner Rede setzte Peikhart wiederholt die Größe des göttlichen Willens der Unbedeutendheit des menschlichen Wollens gegenüber. Das Leben des Prinzen Eugen sei in diesem Sinne als Instrument Gottes zu verstehen : „Er ward von seinen Eltern zum Altar bestimmet /  und GOTT hat Ihn zu denen Waffen auserkiesen.“ Selbst Peikharts Lobrede entspringe nicht dem Irdischen , sondern sei gottgewollt : „Weilen ja GOTT diese Sternen an das Firmament gesetzet hat / Auf daß man sie sehe“. Den ersten Teil seiner Rede widmet Peikhart Eugens Stärke : Als Beginn seiner militärischen Karriere nennt er das für das christliche Europa  – für das Heilige Römische Reich , dessen oberste Repräsentanten ja die Habsburger Kaiser in Wien waren – bedeutsame Jahr 1683 : „In dem Jahr 1683 ist dieses martialische Gestirn dem Teutschen Kayserthum aufgegangen /  und muste in kurtzer Zeit der gantze Horizont des Römischen Reichs-Boden davon beleuchtet seyn.“ Eugen war keine gottbegnadete Krone bestimmt , wie August Kurfürst von Sachsen ( 1670–1733 ), der 1697 als Friedrich August I. zum König von Polen gekrönt worden war , sondern im gleichen Jahr der „Kriegs-Stab eines obersten Befehlhaber[ s ]“, mit dem er elf Schlachten in Ungarn , Italien , den Niederlanden und auf „teutschem Boden“ gewann und keine verlor. Mit dem Degen hatte er verlorene Länder gewonnen und Ruhm und Ehre sich „zwischen dem Euxi110 Das zweite Buch der Makkabäer , Kapitel 6 , Vers 31 : So starb er ; durch seinen Tod hinterließ er nicht nur der Jugend , sondern den meisten aus dem Volk ein Beispiel für edle Gesinnung und ein Denkmal der Tugend. Bibel in der Einheitsübersetzung http://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/bibel/2makk1.html ( 4. April 2013 ). – Im 18. Jahrhundert wurde das Buch der Makkabäer wiederholt für katholische Kanzelreden zum Tod hochherrschaftlicher Personen herangezogen. Im Fall des Prinzen Eugen erhält dieser Bezug eine zusätzliche Bedeutungskomponente durch die oben dargestellte Referenz aus dem Jahre 1702.

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nischen See /  und Baltischen Meer“ erworben , die weit bis über „den großen Ozean“, nach Amerika reichten. Die türkische Übermacht bei Zenta , die Gebirgsüberschreitung in Italien waren legendär , seine Bereitschaft „die Ottomanische Pforte [ … ] aus den Angeln“ zu heben war bekannt. „Er erfrischte den Muth deren Soldaten mit seinem Beyspil /  und mäßigte die Hitz deren Officiren mit seinen Verordnungen.“ Seine Bündnisfähigkeit mit den Alliierten in den Niederlanden war ehrenvoll , er wusste „die Hertzen [ vieler freyer Völkerschaften im Römischen Reich ] zu gewinnen“ und sie zum Wohle aller „mit dem Haupt zu vereinigen“. Zahlreich sind die Gebietseroberungen , die Peikhart nennt : Serbien , Neapel , Sardinien , Sizilien , Mailand , Brabant , Mantua , Flandern , Hennegau , Artesien , Temeswar und die Wallachei … „er konnte andern die Cronen ab- und aufsetzen /  ob er schon selber deren keine getragen hat“. Und so stellt Peikhart abermals die rethorische Frage : Und wer solte anjetzo zweiffeln /  daß die Hand GOTTes selber EUGENIUM in alle diesen gefährlichen Verrichtungen bedecket habe ? … Fürwahr mit solchem Glück versehen /  und darbey alles Unglücks befreyet seyn /  ist keine Gaab deren Menschen …. Sehr merkwürdig ist dieses : keine Feld-Schlacht hat EUGENIUS jemahls dargebotten /  oder angenommen /  wo er nicht zuvor GOTT in seinem Hertzen zu Rath gezogen hätte. Ein schöner Kunstgriff eines Christlichen Heldens /  sich in so viel tausend Sorgen zertheilen /  und dannoch allzeit mit GOTT vereinget bleiben.

Mit irdischen Ehrenzeichen  – dem päpstlichen Hut und Schwert , dem spanischen Goldenen Vlies , dem goldenen Degen , Kürass und Regiments-Stab des „Teutschen Kaysertums – und zahlreichen Ehrenämtern – Feldmarschall ; Gouverneur in Mailand und Niederlande ; Reichsvikar in Italien ; Hof-Kriegs-Rats-Präsident ; General-Leutnant aller Kayserlichen und Reichs-Armeen“ – wurde Eugen ausgezeichnet. Trotzdem war er „untüchtig Gnaden zu begehren /  und Belohnungen anzunehmen“, jedoch „begierig selbe zu verdienen“. An seinen Soldaten schätze er das Feuer der „Teutschen“ und die Säbel der Ungarn. „Er hat keinen Feind verachtet /  und keinen Freund jemahls verschmähet.“ Krieg zu führen galt ihm gleich viel , wie Frieden zu stiften.

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Lebensende So groß das Ansehen EUGENII in dem Krieg unter den Feinden /  so groß ware das Vertrauen auf ihme in der Zeit des Friedens. Es wollte weder Franckreich zu Rastatt /  noch die Ottomanische Pforten zu Passarovez ohne seiner einen Frieden machen.

Der zweite Teil von Peikharts Rede galt Eugens Tugenden. Durch diese wurde er zu einem „Werkzeug unserer Zeiten /  mit welchem GOTT gantze Völkerschafften beglückseeligen wollte.“ Recht und Ehre , Billigkeit und Tapferkeit , Klugheit ( „als Geschenk des Himmels“ ), Sanftmut , Eifer und Verschwiegenheit , Vorsicht und Weitblick. „Das Zukünfftige war ihm so gegenwärtig / Als das Verflossene“. Als militärischer und ein christlicher Held wusste er , „daß aller Krieg eine Thorheit seye /  welcher sich nicht den Frieden zum Zihl setzen lasset“. Er wusste seine Neigungen zu mäßigen , widrige Leidenschaften zu bezwingen , war der Mitwelt gegenüber bescheiden , kannte keinen Neid , war niemals zornig oder rachgierig. Und um auch die repräsentativen Bauten dem göttlichen Instrumentarium unterzuordnen , betonte Peikhart Eugens Barmherzigkeit gegen die Armen , sein Mitleid und , seine „grosse Seele“. „Seine prächtige Lust-Gebäu /  mit welchen er gantz Teutschland gezieret /  hatten zum Ziel nicht so viel seine Erquickung in müßigen Stunden / Als in denen theuren Zeiten die Versorgung vieler tausend Menschen.“ Er gab den Taglöhnern Arbeit , auch 1714 , im Jahr der Pest und des Ernteausfalls : „Es wäre Un-Christlich /  daß man Leuthe /  die ohne dem mit dem Todt ringen musten / Auch mit dem Hunger wollte kämpffen lassen.“ Peikhart war überzeugt , dass „Die Geschichten seiner Helden-Thaten [ … ] ihn jederzeit von der Vergessenheit schützen [ werden ]“ und schloss seine Rede mit jenen Worten , die dem „steinernen Aschen-Krug“ eingeschrieben waren und die Vergänglichkeit des herrlichen Trauergerüsts überdauern würden : Eugenius der theure Held /  der allezeit obsiget /   Der niemahls überwunden war / Allhier im Grabe liget. Er ist nun todt : doch wer er war /  wird dieser Grabstein melden /   Ein Sieger aller Siegenden /  ein Helde aller Helden.

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II. Arbeit am Gedächtnis

In den darauffolgenden Tagen sorgte das prächtige Castrum doloris als „unsterbliche[ s ] Dank- und Denkmahl“ für unablässigen Trauerbesuch.111 Mit einer Höhe von 70 Schuh bzw. über 22 Metern112 im Mittelschiff der mit schwarz-goldenem Tuch verhängten Stephans-Kirche aufgestellt ähnelte es „mehr einem Sieg- als einem Leich-Gepränge“. Zwölf mit Palm- und Lorbeerzweigen umwundene , an Kapiteln und Füssen vergoldete und mit Ehrenzeichen verzierte dorische Säulen trugen den reich mit SiegesFahnen , Gestirnen , und zwei flugbereiten Adlern geschmückten blauen Himmel , unter dem der mit den mehrmals erwähnten weltlichen Insignien belegte Sarg des Helden stand. Vier Seiten waren mit den Wappen und Waffen des Feldherrn geschmückt. Rings um den Sockel , auf dem die zwölf dorischen Säulen standen , erzählten acht goldene Bilder von seinen Tugenden : Auf Virtus , das Bild der Tugend , folgte Honor , das Bild der Ehre ; dann Religio , das Bild des aufrichtigen Gottes-Dienstes ; und Prudentia , das Bild der Vorsichtigkeit ; sowie Moderatio , das Bild der Mäßigkeit und Gelassenheit ; Felicitas , das Bild der Glückseligkeit ; Gloria , das Bild der Herrlichkeit ; und schließlich Aeternitas , das Bild der Verewigung. Weiters zierten den Sockel die sieben freien Künste113 , denen als achte die „Kriegs-Bau-Kunst“ hinzugefügt wurde ; alle acht vergossen Tränen über den Tod ihres Mäzens. Auf dem Dach des Ehrenmals thronte Prinz Eugen in römischer Feldtracht zu Pferd , den lorbeerumwundenen Degen in der Hand und mit der Krone der Unsterblichkeit gekrönt. 36 Schuh oder fast 11,5 Meter hoch umstanden vier ebenfalls lorbeergeschmückte dorische Ehren-Säulen den Katafalk , auf denen vier gekrönte Löwen das aus dem Stammwappen genommenen weiße Savoyen-Kreuz hochhielten. Cajetan Rosa hatte zehn große Schlachten Prinz Eugens gezeichnet und auf vier vergoldeten Platten waren die „mit einer durchgängigen Gelehrsamkeit eingetragene[ n ] Lob- und Leich-Schriften“ zu lesen. Schon beim Haupt-Eingang der Kirche trugen zwei Löwen das SavoyenWappen und die weltlichen Insignien des Verstorbenen. An den Pfeilern der 111 Wienerisches Diarium anno 1736 Num. 57 , 18. Juli. 112 Mozhnik ( 1848 ), S. 131 gibt für den Wiener Schuh als Umrechnung 0,316102 m an. 113 Die sieben freien Künste setzten sich zusammen aus Grammatik ( zu der die Literatur gehörte ), Logik oder Dialektik , Rhetorik ( die Recht und Ethik umfasste ), Arithmetik , Geometrie ( mit Geographie und Naturgeschichte ), Musik und Astronomie.

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Lebensende

Kirche hingen ebenfalls die mit Windlichtern beleuchteten Bilder der zehn siegreichen Schlachten „nemlich zu Zenta 1697 /  zu Chiari 1701 /  zu Luzara 1702 /  zu Höchstätt 1704 /  zu Cassano 1705 /  zu Turin 1706 /  zu Oudenarde 1708 /  zu Noms 1709 /  zu Peterwardein 1716 /  und zu Belgrad 1717“.114

Abb. 5 Johann Lukas von Hildebrandt , Castrum Doloris für Prinz Eugen in der Wiener Stephanskirche.

In den folgenden Tagen vermeldete das Wienerische Diarium noch weitere formale Details des Castrum doloris und veröffentlichte poetische Zugaben der Hofdichter.115 Mitte August schließlich schaltete die Zeitung ein letztes Avertissements des Kupferstichs samt Erklärungen zum „im114 Wienerisches Diarium Anno 1736 Num. 57 , 18. Juli. – In der Trauerrede hatte Pater Peikhart elf siegreiche Schlachten genannt ; bei der Bildgebung wurde die erste siegreiche Schlacht bei Capri mit jener zweiten bei Chiara zusammengezogen. 115 Wienerisches Diarium Anno 1736 , Anhang zu Num. 58 , 21. Juli und Num. 59 , 25. Juli.

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II. Arbeit am Gedächtnis

merwährende[ n ] Gedächtnuß des unvergleichlichen in den Herren selig entschlafenen Printzen Eugenii“.116 Prinz Eugen hätte die verschiedenen Ausgaben mit Sicherheit erworben , hatte er doch in seiner Sammlung von Bildbänden ( Imagines ) zehn Foliobände mit Kupferstichen von Festen und Zeremonien , darunter allein zwei Bände Pompes funèbres.117

Abb. 6 Grabmal des Prinzen Eugen in der Kreuzkapelle in der Wiener Stephanskirche. 1754.

Ein Jahr nach seinem Tod wurde Prinz Eugen in einem panegyrischen Totengespräch repersonalisiert : Extraordinaires Gespräch in dem Reiche der Todten zwischen dem heldenmüthigen und unvergleichlichen Eugenio Francisco , Printzen von Savoyen [ … ] und dem berühmten französischen General , Grafen von Gramont [ … ].118 Bis heute wird jährlich am Todes116 Wienerisches Diarium Anno 1736 Num. 65 , 15. August. 117 Popelka ( 1994 ), S. 9. 118 Pausch ( 1986 ), S. 335.

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Lebensende

tag des Prinzen Eugen in der Kreuzkapelle ( an seinem Grab ) eine Messe gelesen in jener Kasel , die bereits bei den Begräbnisfeierlichkeiten 1736 Verwendung fand.119 Prinz Eugen war bereits zu Lebzeiten eine europäische Berühmtheit ; selbst im feindlichen Lager war die Gestalt des Helden mythisch geworden. Von der europäischen männlichen Bevölkerung wurden seine Taten am Biertisch debattiert ; ohne Sachverstand wurde politisiert , ob der Aufbruch mit seinem Lager aus Italien ( 1712 ) verantwortunsgvoll gewesen sei , ob man es selber genauso gemacht hätte oder es einem ganz „schwarz vor den Augen geworden“ sei , als man die Nachricht hörte. Der dänisch-norwegische Dichter Ludvig Holberg ( 1684–1754 ) hat der „politischen Kannegießerei“ ( 1722 ) auch über Prinz Eugen ein Denkmal gesetzt.120 Bis Mitte des 18. Jahrhunderts hielten die Zeitgenossen des Prinzen sein Andenken in Memoiren und Briefen lebendig.121 Zahlreiche historische Werke würdigten seine Verdienste , zu seiner Lebenszeit und umso mehr danach. Bereits kurz nach seinem Tod erschienen italienische und französische Lebensbilder , eine zweibändige Histoire de François Eugène Prince de Savoye von einem ungenannten Verfasser , der sich als Zeitzeuge im kaiserlichen Lager zu erkennen gab , und Sanvitales Vita e campeggiamenti del serenissimo Principe Francesco Eugenio Savoya. Bis weit ins 19. Jahrhundert wirkungsvoll blieb allerdings nur jene Histoire du Prince François Eugène de Savoie , die Eléazar Mauvillon ( 1712–1779 ) 1740 erstmals veröffentlicht hatte. Neuauflagen in deutscher Übersetzung erschienen auch in Wien. Beinahe alles , was vor 1860 über Prinz Eugen geschrieben wurde , ist mittel- oder unmittelbar Mauvillons Histoire verpflichtet ; als Historiker ist er in seiner Zeit durchaus ernst zu nehmen , trotzdem sind seine Schilderungen originell und manches lässt sich wegen der Ausschmückungen wie theatralische Szenen lesen.122 Auf die inszenatorische Aktivierung des Gedächtnisses des Dieners des Hauses Habsburg und der Casa Austriaca , dessen Todesnachricht Kaiser 119 Die Kreuzkapelle mit dem Grab des Prinzen Eugen diente auch wiederholt als Aufbahrungsstätte berühmter Persönlichkeiten Österreichs , z. B. am 23. Juli 1975 für Karl Schleinzer ( 1924–1975 ). 120 Die politischen Kannegießer 2 Akt , 3. Szene. 121 Wie Voltaire und Montesqieu oder Charlotte d’Orléans in ihren oft zitierten Lob und Tadel spendenden Briefen. 122 Oehler ( 1944 ), S. 183–198 , Anm. 246–257.

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II. Arbeit am Gedächtnis

Karl VI. in seinem Tagebuch verzeichnet hatte , verzichtete man im Kaiserreich jahrzehntelang.123 Hier überschattete der „Bruderkampf zwischen Maria Theresia und Friedrich dem Großen“ früh die Erinnerung an die Großtaten des Prinzen Eugen. Anders in den Niederlanden , wo das Volk den einstigen Statthalter des Kaisers weiterhin verehrte. Dort lebte Prinz Eugen in der Volksdichtung und auf den Bühnen der Spielgesellschaften des Volkstheaters. Kaiser Karl VI. und sein Feldherr „schritten noch am Ende des Jahrhunderts über die flämische Volksbühne“.124 In Wien erinnerten die jährlichen großen Feuerwerke im Prater , die Massenspektakel des 18. Jahrhunderts , ebenso wie vereinzelte „historisierende“ Theaterstücke vorrangig an die Entsatzschlacht und Befreiung Wiens 1683. Und selbst das 1717 entstandene Lied Prinz Eugen , der edle Ritter fand seine weite Verbreitung erst nach der Schlacht bei Waterloo.125

123 Ein in seinem Todesjahr auf der Belgrader Festung errichtetes Prinz-Eugen-Tor zur Erinnerung an den Sieg 1717 wurde wenige Jahre später für Kaiser Karl VI. umbenannt. Bis heute ist die serbische Bevölkerung unsicher in der Bezeichnung. Thomsen ( 2012 ), S. 187. 124 Oehler ( 1944 ), S. 375–378 , 376. 125 Fischer ( 2008 ), www.liederlexikon.de/lieder/prinz_eugen_der_edle_ritter.

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III. Überführung ins Funktionsgedächtnis Aleida Assmann definierte das Gedächtnis als „die Dispositionsmasse , aus der die Erinnerung auswählt , aktualisiert , sich bedient.’126 Durch die Aktualisierung der Erinnerung wird sie aus dem „Speicher des Gedächtnisses“ in das „Funktionsgedächtnis“ überführt. 127 Leben und Wirken , das Andenken und Gedächtnis an Prinz Eugen von Savoyen diente einer jeweiligen Gegenwart als „Dispositionsmasse“ für ihre Erinnerung. Die im Speicher des Gedächtnisses verwahrten Module fanden ihre Funktionalisierung. Aus der ausgewählten und aktualisierten Erinnerung zogen die Zeitgenossen immer Orientierung und Identifikation für ihre Gegenwart.

Referenzpunkt Prinz Eugen Zu Ende des 18. Jahrhunderts , zur Zeit der Koalitionskriege , als die österreichische Armee unter dem jungen Reichsfeldmarschall Erzherzog Karl 1796 die französische Armee erfolgreich zurückdrängen konnte , riefen die österreichischen Waffenerfolge die Erinnerung an den vor 60 Jahren verstorbenen unbesiegbaren Feldherrn und Strategen Prinz Eugen wach. Der aus Württemberg stammende Wahlwiener Karl Friedrich Hensler ( 1759–1825 ) verfasste ein einaktiges „österreichisches Bürgergemälde“ mit dem Titel Eugen der Zweyte , der Held unsrer Zeit ; mit der Musik des Hauskomponisten und Kapellmeisters des Leopoldstädtertheaters Wenzel Müller ( 1767–1835 ) wurde der Einakter im Winter 1796 zehn Mal aufgeführt , was als guter Theatererfolg zu werten ist. Die ein Jahr später angesetzte Fortsetzung unter dem Titel Bürgerfreuden gefiel dem Publikum weniger und wurde nach drei Vorstellungen Anfang März 1797 wieder abgesetzt. Karl Friedrich Hensler war seit 1786 Verfasser zahlreicher Stücke für das Theater in der Leopoldstadt , in denen die Figur des Kasperl einen kleinen , aber wichtigen , weil gegenpositionellen Auftritt hatte. Grundsätzlich 126 Assmann ( 1996 ), S. 22. 127 Assmann ( 2001 ), S. 15–29.

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III. Überführung ins Funktionsgedächtnis

waren seine Stücke der Humanitätsideologie des Rationalismus verpflichtet. Toleranz , Menschenliebe , Judenemanzipation waren seine Themen , er vertrat die Ideale der Freimaurerei und verteidigte die Rechte und Würde des Bürgertums , immer allerdings im Rahmen des aufgeklärten Absolutismus. Gegen die Französische Revolution hat er in einer Reihe von Zeitstücken angeschrieben.128 Das Hensler’sche Zeitstück Eugen , der Zweyte reflektiert die auf die Französische Revolution folgenden Koalitionskriege. Die Kriege wechselnder Koalitionen europäischer Staaten gegen das revolutionäre bzw. das napoleonische Frankreich dauerten von 1792 bis 1807. Zur Entstehungszeit des Einakters 1796 errang Österreich unter der Führung Erzherzog Karls einige Siege in Süddeutschland. – Später , als sich das Kriegsgeschehen nach Italien verlagerte und Napoleon dort zum Oberbefehlshaber der französischen Truppen ernannt worden war , besiegte er innerhalb eines knappen Jahres die Österreicher und besetzte Oberitalien und die Toskana. Der erste Koalitionskrieg endete im Herbst 1797 mit dem Frieden von Campo Formio , bei dem Österreich größere Gebietsverluste hinnehmen musste.

Abb. 7 Zuschauerraum des Leopoldstädter Theater , Wien ( 1845 ). Blick gegen die Bühne. 128 Rommel ( 1952 ), S. 442 f.

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Referenzpunkt Prinz Eugen

Seinem Einakter Eugen der Zweyte , der Held unsrer Zeit hatte Hensler eine patriotisch-staatstragende Widmung vorangestellt : „geweiht dem glorreichen Nahmensfeste unseres tapferen Erzherzogs Karl“. Der angesprochene Erzherzog Karl wird als „Eugen der Zweyte“ und als „Held unserer Zeit“ zu Prinz Eugen von Savoyen in Beziehung gesetzt. Man erinnerte sich in der Kriegsnot an Prinz Eugen , der durch seine im Lied gepriesenen Siege präsent geblieben war ; sein Gedächtnis wurde als Folie für die Gegenwart aktualisiert und als patriotischer Verstärker des zum damaligen Zeitpunkt siegreichen Erzherzogs Karl aufgerufen. „Held Eugen rettete einst unser Vaterland vor dem Einfall der Muselmänner , und Karl rettet Deutschland vor den Frankreichern.“129 Programmatisch wird Prinz Eugen als Retter im Osten Erzherzog Karl als Retter im Westen gegenübergestellt. Erzherzog Karl ( 1771–1847 ), der dritte Sohn Kaiser Leopold II. , war – wie vor ihm auch Prinz Eugen – für den geistlichen Stand bestimmt gewesen ; seine militärischen Neigungen wurden , nach dem Tod seiner Eltern , von seinen Adoptiveltern Erzherzogin Marie Christine und Albert von Sachsen gefördert. 1796 hatte er von seinem Bruder Kaiser Franz II. /  I. den Oberbefehl über die deutschen Truppen in Süddeutschland erhalten. Später wurde er – abermals wie Prinz Eugen hundert Jahre zuvor – Präsident des Hofkriegsrates und Generalissimus der Armee. Durch seinen Sieg über Napoleon , der bis dahin als unbesiegbar gegolten hatte , in der Schlacht von Aspern schrieb er sich endgültig dem österreichischen kulturellen Gedächtnis ein. Honos , Nomenque tuum , Laudesque manebunt. – Dir soll Ehre und Name und Ruhm in Ewigkeit bleiben ! Dieser Wunsch , den Hensler dem Stückdruck 1796 beifügte , erfüllte sich weniger durch die Siege von 1796 , sondern vor allem durch die siegreiche Schlacht bei Aspern 1809 : heute steht sein gusseisernes Reiterstandbild auf dem Heldenplatz nach Westen gewendet dem des ( nach Osten gewendeten ) Prinzen Eugen als materialisiertes Programm gegenüber.

129 Hensler ( 1796 ), S. 36. – Zehn Aufführungen vom 3. November bis 9. Dezember 1796.

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III. Überführung ins Funktionsgedächtnis

Eugen der Zweyte, der Held unserer Zeit Für die Unterhaltung des Publikums , nicht für die Kunst , zu schreiben , darin sah Hensler seine Aufgabe. Das Drama Eugen der Zweyte , der Held unserer Zeit spielt in der Entstehungszeit 1796 in einem „Städtchen einige Poststationen von Wien entfernt“. Das Dorfgespräch wird vom baldigen Kriegseinsatz junger Burschen , die sich als Freiwillige melden , beherrscht. Während die Mädchen sich schweren Herzens dem patriotischen Gebot der Stunde fügen , da sie von ihren Liebhabern Abschied nehmen müssen , kommen die jungen Männer ihrer patriotischen Pflicht mit Begeisterung nach und folgen dem großen Rekrutierungsaufruf : „Söhne , großer Lohn wartet eurer , der Dank eures Kaisers , der Segen eurer Mitbürger folgt euch.“ ( 13 ) Im Mittelpunkt der Handlung steht die mehrere Generation umspannende Fleischhacker-Familie Rehm. Das Bindeglied zu Prinz Eugen von Savoyen ist der achtzigjährige Großvater , Bernhard Rehm , der am Tag der Schlacht bei Belgrad – bei der auch sein Vater als Dragoner mitgekämpft hatte – geboren worden war , und seine eigene Soldatenlaufbahn 1734 unter Prinz Eugen begonnen hatte. Er ist gewissermaßen – in Übereinstimmung mit der Gedächtnistheorie Jan Assmanns130 – der letzte Zeitzeuge , der Prinz Eugen noch persönlich erlebt hatte. Er gibt den jungen Soldaten auch die patriotisch-militärische Haltung mit : Wichtig ist der Soldatenstand , ehrwürdig vor jedem anderen , denn das Wohl Tausender hängt davon ab. Brich nie den Eid , dem du deinen Kaiser schwörst – ehre die Befehle deiner Obern , und sey auch menschlich gegen den Feind , wenn er überwunden ist. ( 36 )

Rehms hohes Alter und seine Autorität verbürgen die gute Sache , in deren Namen der Krieg geführt wird. Im Gespräch mit dem örtlichen Kreishauptmann versichern die beiden Herren einander der Vaterlandsliebe und Untertanentreue der Österreicher : O Österreich ! Noch nie untreu deinem Monarchen ! Du vereinigst dich mit hoher Kraft , dich dem wütenden Einfall der Feinde entgegen zu stemmen , 130 Assmann ( 1997 ), S. 51.

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Eugen der Zweyte, der Held unserer Zeit deinen Glauben fest zu halten , und die heiligen Gesetze unverfälscht deinen Nachkommen zu überliefern. ( 11 )

Bernhard Rehms Enkel Franz ist bereits seit drei Jahren im Krieg , der als „Glaubenskrieg“ für Gesetz und Gesinnung in nationaler Abgrenzung geführt wird : in diesem Krieg müssen die Untertanen das Vaterland retten. Es gilt nicht mehr um eine Provinz , oder um eine Strecke Landes zu erobern , es gilt für unseren Glauben , für die Aufrechterhaltung der Gesetze , für die Sicherheit unserer Gesinnungen. ( 8 )

Kasper , der Fleischhackerknecht , bricht mit seinem kurzen Auftritt das Pathos. Frech , schlau und fröhlich darüber , als Passauer nicht in den österreichischen Krieg ziehen zu müssen , ist er vorrangig um sein leibliches Wohl besorgt. Werte wie Ehre und Ruhm und Kriegsfreude sind ihm fremd : ihn „kruselts durch den ganzen Leib“, wenn er ans „Totschießen“ denkt. Anton Rehm , Sohn und Erbe des Familienbetriebes , der „Fleischhackerei“, wird gemeinsam mit einem vornehmen Gast aus der Stadt zurück erwartet. Er bringt die guten Neuigkeiten mit. Die Erzählung dient dabei als vormoderne Nachrichtenverbreitung : Die Wiener Bevölkerung schwelgt in Begeisterung über die fast täglichen Siegesnachrichten der Österreicher , an deren Spitze Erzherzog Karl steht. Groß ist die Freude , um so mehr als der alte Postmeister sich erinnert , dass dies nicht immer so war : noch vor einem halben Jahr sah die Situation ganz anders aus : Niedergeschlagenheit beherrschte damals die Wiener Bevölkerung. Mit einer großen patriotischen Feier im Redoutensaal , bei der „etliche tausend gute Menschen beysammen [ waren ], die zum Besten der Freiwilligen ihr Scherflein beitrugen“ und gemeinsam versprachen für „Gott , Gesetz und Vaterland“ zu fechten , schien sich das Kriegsglück gewendet zu haben. Als Retter in Gefahr danken sie „Gott und Erzherzog Karl“. Ganz wie die Städter will Anton Rehm nun ein Freudenfest feiern , denn der 4. November , der Namensfesttag Erzherzog Karls ist nah : Da seh er einmal nach , was der 4te November für ein wichtiger Tag für uns ist – [ … ] – daß jeder brave Deutsche Gott dankt , der uns in unserem Karl ei-

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III. Überführung ins Funktionsgedächtnis nen Helden gab , der unsere Gränzen vor feindlichem Überfall schützte , und die Feinde der deutschen Nation in ihre Gränzen zurückdrängte. ( 24 )

Der immer wieder angekündigte große Gast , ist – das Bildnis Erzherzog Karls. Zur Feier des jungen Helden , der Deutschlands betrogene Unterthanen von ihren raubsüchtigen Gästen befreyte – der seine kriegerische Laufbahn mit Thaten begann , worüber unsere Nachkommen staunen , und die der Genius der Zeit mit ehernem Griffel in die Tafeln der Geschichte eingraben wird ( 26 )

soll das Bild am Namenstag aufgestellt werden , beleuchtet von einer nächtlichen Illumination und begleitet vom Gesang eines eigens in der Stadt eingekauften Liedes auf den Gefeierten. Und der alte Bernhard Rehm will gar , dass dieser Tag zum jährlichen Feiertag erklärt werde. Vergiß ja nicht diesen Tag jährlich zu feiern , erzähl deinen Enkeln die Thaten des jungen Helden , daß sein Andenken fortgepflanzt werde auf späte Zeiten , und Karls Nahme im Segen bleibe für unsere Nachkommen. ( 27 )

Und rechtzeitig zur patriotischen Feierstunde kommt auch die gute Nachricht und private Freude : Franz hat sich tapfer im Krieg geschlagen , „bei Würzburg eroberte er eine feindliche Fahne“. Er wurde zum Offizier ernannt und darf an der Tafel des kommandierenden Generals speisen. Zur Freude seiner Familie und seiner Verlobten hat er eine Dienstreise nach Wien genützt , um für eine Stunde zu Hause vorbeizuschauen , seine Lieben zu umarmen. Die im Stückkontext verhandelte Feier soll am 4. November stattfinden , ein Festtag im Kalender , der Namenstag Karls. Die Uraufführung selbst fand am 3. November statt , am Vorabend des Namensfestes , wodurch Bühnenwirklichkeit und die Wirklichkeit außerhalb des Theaters deckungsgleich wurden. Das Publikum erlebte an zehn Abenden im Theater ( 3. November bis 9. Dezember ) zuerst die Vorbereitungen und schließlich als Höhepunkt ein patriotisches Fest : die Huldigung in einem „prächtigen Rittersaal“, in dessen Zentrum „mitten auf einer Kriegstrophäe des Erzherzogs [ Karl ] Bildnis mit einem Lorbeerkranz umwunden“ stand. 68

Eugen der Zweyte, der Held unserer Zeit

Blumenbekränzte Schulkinder , Bürgermädchen und Soldaten huldigten auf der Bühne gemeinsam mit den Protagonisten ( dem ikonographisch anwesenden ) Erzherzog Karl an seinem Namenstag ; mit dem unumwunden geäußerten Ehrgeiz der Provinz sind sie überzeugt , die Huldigung der Metropole bei weitem zu übertreffen. Und als emotionaler Höhepunkt ist auch die Familie Rehm mit ihrem jungen Offizier Franz für diesen weihevollen Augenblick vereint. Ihm kommt zusätzlich die Aufgabe der Tradierung zu. Zurück bei seinem Kommandanten soll er die Nachricht von den treuen Untertanen verbreiten : sag ihm , was du hier siehst und hörest , erzähl ihm , daß ein treues Volk für ihn bethet , ein Volk , das seinen Monarchen liebt , Gut und Blut aufopfert für das Vaterland. – oh , wenn er sehen , hören könnte , wie wir ihn alle so lieb haben. – Glücklich der Heerführer , der für ein solches Volk ficht – denn glühender Dank folget seinen Thaten. – Und glücklich das Volk , wo Kaisersöhne an der Spitze des Heeres stehen , die mit deutschem Muth und deutscher Kraft bewaffnet , Deutschlands Ehre retten. – Und dieser Retter Deutschlands ? – Ist Erzherzog Karl – der Allgeliebte ! ( Trompetenschall ). ( 40 )

Das Stück begann mit einem militärischen Chor und endete mit einem Preislied auf Erzherzog Karl und die patriotischen Bürger. Wir sind vereint , /  Fürs Vaterland zu streiten …. /  Doch eilen wir , um Hand in Hand , /  zu tilgen Deutschlands Schande. Feyerlicher Chor : Karl ! Den Retter in der Kriegsgefahr ! /  Er befreyte unser Vaterland , /  segnend bringen wir den Dank ihm dar. Canon : Gott ! Der du aus deiner Hand /  Spendest Siegesglück ! /  Führ ihn bald ins Vaterland /  Siegbekrönt zurück ! Schlußgesang. 1. B  ey Amberg ist der Sieg erkämpft ! /  Karl hat mit Muth und Kraft vereint Der Franken eitlen Stolz gedämpft , /  Geschlagen ist der kühne Feind ! Sie fochten muthig Hand in Hand , /  Gerettet ist das Vaterland ! Alle. Sie fochten muthig Hand in Hand /  Gerettet ist das Vaterland ! 2.Die bange Furcht ist nun zerstreut , /  Karl that in kurzer Zeit so viel – Dem Retter Deutschlands Dank geweiht ! /  Er führt uns bald zum Friedensziel.

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III. Überführung ins Funktionsgedächtnis Groß steht er da in früher Zeit , /  Ein Bild erhabner Thätigkeit ! Alle. Groß steht er da in früher Zeit , /  Ein Bild erhabner Thätigkeit ! 3. N  icht fremde Länder – eitler Ruhm /  Bezielet unser Kaiser Franz ; Für Bürgerglück und Eigenthum /  Kämpft Karl mit im Siegesglanz ! Wer’s gut mit seinem Kaiser meint , /  Der ziehe mutig vor den Feind. Alle. Wer’s gut mit seinem Kaiser meint , /  Der ziehe mutig vor den Feind. 4. D  ie deutsche Redlichkeit und Treu , /  Die alle Herzen warm durchdringt , Wird nun in Österreichs Bürgern neu , /  Weil uns der Eintracht Band umschlingt. Wo ist ein Volk an Treue gleich , /  Dem edlen Volke Österreich ? Alle. Wo ist ein Volk an Treue gleich , /  Dem edlen Volke Österreich ? 5. K  aum weckt die Noth des Bürgers Muth , /  So stehen ihre Söhne da ; Sie opfern alles – Gut und Blut /  Für Franz und Für Theresia. Sie schwören treu mit deutschem Sinn /  Dem Kaiser und der Kaiserin ! Alle. Sie schwören treu mit deutschem Sinn /  Dem Kaiser und der Kaiserin ! 6. A  uf , Brüder ! ehrt bis in den Tod /  Gott und Gesetz und Vaterland ! Und jeder geb als Patriot /  Für seinen Kaiser Herz und Hand. Und alles rufe hier und im Feld : /  Es lebe Karl , der junge Held ! Alle. Und alles rufe hier und im Feld : /  Es lebe Karl , der junge Held ! ( Trompetenschall. )

Dualismus Österreich und Deutschland Wesentlicher Aspekt bei der Beschreibung historischer Phänomene in Österreich ist ein Begriff von Identität , der sich aus dem 18. Jahrhundert ableitet , im 19. Jahrhundert seine Schärfung erfuhr und bis weit ins 20. Jahrhundert seine Gültigkeit behielt : Da Österreich ein wesentlicher Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation war , ist dem österreichischen Identitätsbegriff eine Nähe zur deutschen Geschichtstradition inhärent. Daraus erwuchs eine Mehrfachidentität , die jede Eindeutigkeit vermissen lässt. Diese Offenheit und Mehrdeutigkeit der Interpretation spiegelt eine pluralistische Verfasstheit des Österreichischen. Vom 18. bis ins 20. Jahrhundert liefen die Narrative neben- und ineinander mit breitester identitätsstiftender Gültigkeit. Bei der österreichischen Regierung stieß der „deutsche Einheitsgedanke“ auf Ablehnung und die Zensur wur70

Dualismus Österreich und Deutschland

de zum probaten Mittel erklärt , ihn aus Österreich auszusperren , obwohl er nie im Gegensatz zum Herrscherhaus stand. Denn die Zeitgenossen hatten kein Problem beim Erkennen der Zugehörigkeiten ; ihre Loyalität zu Österreich , zum Vaterland , dem habsburgischen Gesamtstaat , war ungebrochen. Doch daneben bestand eben auch ein Zugehörigkeitsgefühl zu „Deutschland“, das als Kurzformel die Gebiete des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation umfasste. So wie der regierende Habsburger König zahlreicher nicht zum Heiligen Römischen Reich gehörender Fürstentümer und deutscher Kaiser eben jenes Heiligen Römischen Reiches war. „Deutschlands Schande“ beschreibt einen möglichen Verlust dieser deutschen Kaiserkrone. Wenn Erzherzog Karl als „Dem Retter Deutschlands“ gehuldigt wird , so meint dies den Erhalt der deutschen Kaiserkrone , die sein Bruder Kaiser Franz II. /  I. trug. Die Gefahr , sie an den kriegführenden ( im Stück nicht genannten ) Napoleon zu verlieren , war so ferne nicht , legte sie doch Franz II. /  I. 1806 aus eigenen Stücken ab , um eben die Inanspruchnahme durch Napoleon zu verhindern. Napoleons Krieg zielte auf Gebietsgewinn , der ihm  – nach Ansicht der Kriegsgegner – nicht zustand , was in der positiven Spiegelung „Nicht fremde Länder  – eitler Ruhm , Bezielet unser Kaiser Franz“ der dritten Strophe zum Ausdruck kommt. Österreich führte , in verschiedenen Koalitionen , einen Verteidigungskrieg , dazu angetan „Bürgerglück und Eigenthum“ als Werte der deutschen Aufklärung zu erhalten und zu sichern. Das identitätsstiftende Moment der deutschen Aufklärung eröffnete eine abermalige Pluralisierung der Identitäten , die in den folgenden Jahrzehnten vielfach mit der simplen Bezeichnung deutsch umschrieben wurde. Auf die Werte der deutschen Aufklärung bezog sich Hensler auch in der Schilderung der großen patriotischen Feier im Wiener Redoutensaal , bei der sich tausend Menschen – „ohne Ansehn der Person , reich und arm , vornehm und gering“ – zum Besten der Freiwilligen solidarisiert hatten. Gleichermaßen ermöglichte die Romantik des Soldatenlebens die Darstellung der Überbrückung der ständischen Gegensätze , die als Aufklärungsideal vorformuliert worden , von der die bürgerliche Wirklichkeit jedoch noch weit entfernt war. Aus Zensurrücksichten durften viele von Henslers  – auch allerloyalsten – Zeitstücken nicht in Österreich aufgeführt werden ; vor allem die Titel wurden einer genauen Überprüfung unterzogen. Die Koalitionskrie71

III. Überführung ins Funktionsgedächtnis

ge schufen ein Zeitfenster. Durfte Hensler 1796 Eugen der Zweyte als österreichisches Bürgergemählde untertiteln , so war 1797 erstmals auch ein Titel wie Die getreuen Österreicher zulässig.131

Der ruhende Löwe und der bürgerliche Beitrag für Ehre und Vaterland Österreich wird in Henslers Stück mit einem schlafenden Löwen verglichen ; der dem Stücktext vorangestellte Stahlstich zeigt ebenfalls einen ruhenden Löwen mit weißer Fahne. Der schlafende Löwe steht für die noch unerweckte Kraft der wehrhaften männlichen Bevölkerung Österreichs , die sich als Teilhaber am staatlichen Gewaltmonopol mit ihrem Staat identifizierte.

Abb. 8 Titelvignette von Eugen der Zweyte , der Held unserer Zeit. Wien 1796. „Geweiht dem glorreichen Namensfeste unseres tapferen Erzherzogs Karl. Für die k. k. priv. Marinellische Schaubühne von Karl Friedrich Hensler.“

Bereits im Altertum galt der Löwe als Symbol des Heldentums. Im Alten Testament war die Löwensymbolik Judas Makkabäus zugeordnet132 , je131 Rommel ( 1952 ), S. 444. 132 „[ … ] Er glich im Kampf einem Löwen , einem jungen Löwen , der sich brüllend auf die Beute stürzt. [ … ]“ ( I Makk. 3 , 4 ).

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nem siegreichen Feldherrn , der auf dem Jesuitentheater 1702 aus seiner Historizität aktualisiert als Zukunftsversprechen Prinz Eugens erschien. Im Hochmittelalter kam es zu einer Häufung von Löwenbeinamen , -vergleichen und -identifikationen von Herrschern , die im Spätmittelalter allerdings wieder aus der Mode kamen.133 Der Löwe verkörperte dabei monarchisch beanspruchte Herrschaft. Löwensymbolik und Herrschaft bildeten seit dem frühen Hochmittelalter eine Symbiose. „Dieses dauerhafte Symbolwissen wurde vor allem dann aktiviert , wenn es galt , konkurrierende Herrschaftsansprüche zurückzuweisen.“134 Die Habsburger führten seit dem 13. Jahrhundert Löwen im Wappenschild ; der Löwe galt als habsburgisches Symbol bis hin ins ferne Indien , wohin es den Weg über Maximilians Sohn , Philipp den Schönen gefunden hatte.135 Die moralischen Qualitäten der Bezeichnung als Löwe lassen mehrere Deutungsebenen zu : neben der Tapferkeitsmetaphorik ist es vor allem das Sinnbild des gerechten Herrschers , der Frieden stiftet und die Schwachen beschützt. Allen als Löwen beschriebenen Herrschern , den löwengleichen mesopotamischem , dem Pharao des Alten Ägypten und den als Löwen propagierten mittelalterlichen , ist eines gemeinsam : „Sie erzwingen Frieden im eigenen Herrschaftsraum , der als Zivilisation begriffen wird , und zeigen ihre kriegerischen Qualitäten gegenüber den bedrohlichen Mächten an den äußeren und inneren Grenzen dieser Zivilisation.“136 Ein wacher und ein ruhender Löwe begrüßten auch die Gäste im Eingangsbereich von Schloßhof. Und auch das Grabmal Prinz Eugens in der Stephanskirche ziert ein Löwe : „Auf dem Sarkophage das Wappen des Feldherrn mit einer Siegesgöttin und einem Löwen , dem Sinnbild von Kraft , Mut und Großmut. Darüber steigt ein Obelisk auf“ – deutete die Wiener Abendpost die Darstellung.137 133 Im 12. bis ins 14. Jhd. wurde der Löwe zunehmend feudalisiert ; auch nicht-fürstliche Herrschaftsträger wurden zum Löwen in Beziehung gesetzt. Im 14. Jhd. wurde die Löwensymbolik auf jeden guten Christen übertragen. Jäckel ( 2006 ), S. 329. 134 Jäckel ( 2006 ), S. 326. 135 Gall ( 1977 ), S. 407 ff. 136 Jäckel ( 2006 ), S. 328. 137 Zu Beginn des Ersten Weltkriegs rückten „Österreichs Heldengräber“ verstärkt in den Blick. Am Vorabend des Allerseelentages 1914 gedachte die Wiener Zeitung

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III. Überführung ins Funktionsgedächtnis

Zeitgleich mit der Entstehung des Stückes wurde die Franzensburg in Laxenburg ( Planung 1798–1801 ; Errichtung 1801–1836 ) konzipiert ; dort begegnet uns der ruhende Löwe im Durchgangsbogen zum Lothringersaal auf einem Gemälde , das zumeist als eine Allegorie der Familie Habsburg und Lothringen gelesen wird : Habsburg sei durch den ruhenden Löwen und Lothringen durch den wachen Löwen dargestellt. 1850 schließlich gab Erzherzog Albrecht den Auftrag , ein Denkmal zur Erinnerung an die Gefallenen der Schlacht von Aspern zu errichten , der ersten Niederlage Napoleons auf dem Schlachtfeld. Der ruhende „Löwe von Aspern“ wurde vom Bildhauer Anton Dominik Fernkorn im Jahre 1858 fertiggestellt und erinnert mit der Inschrift „Dem Andenken der / Am 21 und 22 May 1809 ruhmvoll gefallenen österreichischen Krieger“ an jene , die für die Wiederherstellung der Ruhe von Kaiser und Vaterland gefallen waren.

Abb. 9 Denkmal auf dem Asperner Heldenplatz im 22. Wiener Gemeindebezirk. „Dem Andenken der / Am 21 und 22 May 1809 ruhmvoll gefallenen österreichischen Krieger.“

Auch in Hinblick auf die Osmanen kam der Löwensymbolik Bedeutung zu. 1883 , anlässlich der 200-Jahr-Gedenkfeier der Befreiung Wiens finden wir den ruhenden Löwen auch als Code in der Türkenerinnerung. In Vorbereitung des Gedenkens 1883 wurden zwei Denkmäler in Auftrag „den entschlafenen großen Heerführern“ durch Beschreibung ihrer Grabstätten. Wiener Abendpost 250 , 30. Oktober 1914 , S. 3.

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gegeben. Das im Stephansdom seitens der Obrigkeit errichtete Türkenbefreiungsdenkmal sollte an alle ‚Helden‘ erinnern , die an der ‚Errettung des christlichen Abendlandes‘ mitgewirkt hatten. Das Liebenberg-Denkmal , in Erinnerung an den die Wiener Bürger heldenhaft zum Durchhalten anfeuernden Wiener Bürgermeister Johann Andreas Liebenberg ( 1627–1683 ), ist dem Anteil der Bürger an der Verteidigung der Stadt gewidmet. 138 Da das in der Gemeinderatssitzung vom 14. Oktober 1879 vom GR Karl Borromäus Landsteiner ( 1835–1909 ) in Antrag gebrachte Denkmal sich aufgrund der beschränkten finanziellen Möglichkeiten verzögerte , verherrlichte Landsteiner Liebenberg für das Gedenkjahr in einem dem Gemeinderat gewidmeten Bühnenstück Der Bürgermeister von Wien ; aufgrund seiner zwei Seiten umfassenden Personenliste war das Drama wohl nie zur Aufführung gedacht , fand jedoch – was dem Professor am Piaristen Gymnasium wichtig gewesen sein dürfte – Aufnahme in die pädagogische Zentralbücherei der Stadt Wien.

Abb. 10 Der ruhende Löwe mit dem Türkenschild auf den Sockelstufen des späthistoristischen Liebenberg-Denkmals vor der Mölker Bastei. Enthüllung am 12. September 1890.

Am 12. September 1890 schließlich wurde vor den Resten der Kurtine der Basteibefestigung der Stadtmauer , an der während der Zweiten Türkenbelagerung Wiens heftigst umkämpften Stelle ( der Kreuzung Mölkerbastei 138 Vgl. http://www.tuerkengedaechtnis.oeaw.ac.at/?p=731 ( 4. April 2013 ).

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III. Überführung ins Funktionsgedächtnis

und Schreyvogelgasse gegenüber der Wiener Universität ), in einem Festakt unter Anwesenheit der Bürger und Vertreter der seit der Belagerung existierenden Gewerbe das Liebenberg-Denkmal enthüllt. Das Hauptwerk des Bildhauers Johann Silbernagls zeigt am Fuße des mit der vergoldeten Siegesgöttin Victoria gekrönten Obelisken einen auf den Sockelstufen ruhenden Löwen mit dem Türkenschild in seinen Pranken.139 Mit dem ruhenden Löwen wurde ebenso wie mit der rückwärtig angebrachten bronzenen Kartusche mit dem Doppeladler der bürgerliche Beitrag am Entsatz im Kontext der Verbundenheit Wiens mit Fürstenhaus und Vaterland betont. Im Stückkontext von Eugen der Zweyte rechtfertigt sich ein junger Kadett seinem Vater gegenüber mit dem Hinweis auf Österreich als schlafender Löwe , um seinen Beweggrund zur Kriegsteilnahme zu erklären. Wie oft sagten Sie schon selber , daß Österreich einem schlafenden Löwen gleiche , der sich lange necken ließe , bis er endlich die Mähne schüttelt , und seine sorglosen Hüter zerreißt. ( 29 )

Die Löwen-Symbolik mit weißer Fahne verweist hier auf die dynastische Legitimität , die Rechtmäßigkeit des Krieges als friedensichernde Maßnahme gegenüber dem Usurpator Napoleon unter Einsatz der wehrhaften männlichen Bevölkerung.

Bürgerfreuden Im Frühling 1797 wurde eine Fortsetzung von Henslers Eugen der Zweyte mit dem Titel Bürgerfreuden aus Anlass „der glorreichen Zurückkunft unsers tapfern Erzherzogs Karl“ auf den Spielplan der Marinellischen Bühne in der Leopoldstadt gesetzt. Abermals versetzt die Nachricht von der Durchreise Erzherzog Karls , der an der Poststation sechzehn Postpferde bestellt habe , den kleinen ( ungenannten ) Ort in der Provinz in allgemeine Aufregung und Vorfreude. Wieder soll diese Gelegenheit für patriotische Freudenbezeugungen genutzt werden. Die Häuser werden zur Illumination vorbereitet , der Dorflehrer mit der Abfassung eines Preis-Gedichtes betraut , das wohlverwahr139 Telesko ( 2008 ), S. 36–39.

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te Bild der Namenstagsfeier wird mit einem neuen festlichen Rahmen geschmückt. Die Vorbereitungen werden ungeachtet des provinziellen Standortes in den urbanen und internationalen Kontext gestellt , Vergleiche mit den Veranstaltungen in Wien und Brüssel werden gezogen , „die Thronbesteigung Kaiser Franz vor vier Jahren“ wird als vorbildlich erinnert. Als alle Vorbereitungen abgeschlossen sind , kommt die überraschende Meldung , dass Erzherzog Karl bereits „durchgefahren“ ist. Man tröstet sich damit , „wie freundlich er aus dem Wagen herausgelächelt hat“ und beschließt , ihm zu Ehren ein Bürgerfest zu feiern. 140 Die Referenz auf Prinz Eugen ist außer durch den achtzigjährigen Bernhard Rehm , der noch unter Prinz Eugen gekämpft hatte , auf den Vergleich beschränkt , dass es „dazumal noch keine Medaillen [ wie den „goldenen Denkpfennig“ gab ], die die tapferen Soldaten auf diese Art lohnten“.141 Das Gedächtnis an Prinz Eugen ist als patriotischer Verstärker des siegreichen Erzherzogs Karl nicht mehr notwendig. Erzherzog Karl – „ein Jüngling an Jahren , ein Greis an Erfahrung“ – hatte in dem halben Jahr seit der Aufführung von Eugen der Zweyte ausreichend identitätsstiftende Qualität erreicht , sodass er einem heutigen Popstar ähnlich verehrt wurde : die Frauen in Wien tragen statt des Bildes ihrer Liebsten sein Bild auf der Brust , Stickereien werden zu seinem Lob und seiner Ehre angefertigt. Die Bürger verehren ihn als göttliches Geschenk – als Instrument Gottes , wie einst auch Prinz Eugen in der Jesuitenpropaganda festgemacht worden war – und als wiedergeborenen Caesar , denn gab ihnen Gott einen Helden , bestimmt von der Vorsehung , ihre Gränze [ sic ! ] zu sichern vor dem feindlichen Einfall , die Habe des Bürgers zu schützen , und den Landmann in Ruhe den Preis seines Tagwerkes genießen zu lassen. [ … ] er kam , sah und siegte – der Stolz unseres Vaterlandes , der Schrecken für die Feinde. ( 17 / 18 )

Auch in diesem Hensler’schen Einakter bricht der Fleischhackerknecht Kasper die patriotische Euphorie. Seine Freude und Zufriedenheit darüber , als Passauer nicht in den österreichischen Krieg ziehen zu müssen , 140 Hensler ( 1797 ), S. 53. – Drei Aufführungen vom 2 bis 4. März 1797. 141 Hensler ( 1797 ), S. 49.

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wird nur dadurch getrübt , dass er in die Tochter des Hauses Rehm verliebt ist , die er jedoch – nach dem Willen des Vaters , der ja aus einer alten Soldatenfamilie stammt – nur heiraten dürfe , wenn er vorher einige Jahre dem Vaterland gedient habe. Kasper wünscht sich jedoch etwas , was sich erst ein Jahrhundert später durch den Zusammenbruch der Monarchie 1918 und die staatliche Neugründung 1945 /  55 erfüllen sollte daß Österreich auch so ein kleines Land wär’ wie Passau , da gäb’s doch keinen Krieg auszufechten , und man braucht keine Soldaten als zur Wachtparade ( 25 )

und verzichtet unter diesen Umständen lieber auf ein Weib. – Dem Pazifisten Kasper gegenübergestellt wird der kriegsversehrte Soldat Joseph , der sich für seine Tapferkeit zwar einen „goldenen Denkpfennig“ mit dem Bildnis des Kaisers erworben , dabei jedoch ein Auge und ein Bein verloren hat. Seine Verlobte ist – als sie ihrem versehrten Verlobten gegenübersteht  – erst unter Androhung des Klosters zur Ehe bereit. Auf der Theaterbühne wird die Invalidität als Mummenschanz zur Prüfung der Verlobten aufgelöst ; Hensler hatte damit aber einen Möglichkeitshorizont aufgemacht , der das Publikum in erschreckender Wahrheit vor die Realität außerhalb des Theaters stellte. Denn die Versehrungen der Soldaten prägten während und noch Jahrzehnte nach der napoleonischen Herrschaft das europäische Straßenbild.142 Trotzdem das Stück unter patriotischer Absingung des vom Dorflehrer für Erzherzog Karl komponierten Chorgesangs endet , dürfte dieser kritische Einbruch der Realität und die parodierte Heldeneuphorie der Dorfbewohner der Grund gewesen sein , warum nur zwei Wiederholungen stattfanden. Die gemeinsame Traditionslinie , die sich von Prinz Eugen zu Erzherzog Karl eröffnet hatte , wurde am Heldenplatz in den beiden bronzenen Reiterdenkmälern materialisiert ; eine subtile Fortsetzung dieser kulturellen Gedächtnistradition lässt sich noch beim Enkel des „Siegers von Aspern“, Erzherzog Eugen von Österreich-Teschen ( 1863–1954 ) ausmachen. Der Feldmarschall sowie Hochmeister des deutschen Ordens ( 1894–1923 ) und damit Inhaber des berühmten Infanterieregiments „Hoch- und Deutschmeister“ Nr. 4 schenkte dem Verfasser des 1880 am Burgtheater urauf142 Napoleon ( 2010 ).

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geführten Prinz Eugen-Dramas , Martin Greif ( 1839–1911 ), sein signiertes Bild , das jener zeitlebens an einem „Ehrenplatz“ in seiner „guten Stube“ aufbewahrte.143 In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts finden wir Prinz Eugen nicht auf der Bühne. Der 150. Geburtstag des Prinzen Eugen überlagerte sich mit den Siegesfeiern der Schlacht bei Leipzig ( 16. bis 19. Oktober 1813 ). Am Spielplan des Theater an der Wien stand zeitgleich ein großes militärisches Gemälde mit Arien und Chören nach Schillers Wallensteins Lager : Das österreichische Feldlager wurde vom 4. Oktober bis zum 22. November 1813 zehn Mal gezeigt. Die Musik hatte Ignaz Xaver von Seyfried ( 1776–1841 ) eingerichtet , Texte und Bühnenbild stammten von Heinrich Schmidt. In der Bayrischen Staatsbibliothek hat sich das gedruckte Libretto erhalten , das „wahlweise auch“ unter dem Titel Das preußische Feldlager zur Aufführung gebracht werden konnte. Im Wesentlichen ging es darin um die Soldaten motivierende Durchhalteparolen „Auf ! Auf ! zum Kampf fürs Vaterland , /  [ … ] / Aus Ruhm und Habsucht kämpfen wir nicht , /  Wir kämpfen für Ehre , wir kämpfen für Pflicht.“ 144

143 Fuchs ( 1909 ), S. 414. 144 Bayrische Staatsbibliothek Signatur Slg.Her 505 ( Digitalisiert von www.europeana. eu ).

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In jenem Jahr als Napoleon erstmals Wien eingenommen hatte ( 1809 ) setzte mit Charles Josèphe Prince de Lignes in Weimar erschienener Biographie La vie du Prince Eugène de Savoie , Géneralissimé des armées Autrichiennes écrite par lui-même et publiée pour la première fois en 1809 eine Prinz-Eugen-Renaissance ein. Als Quelle hatte de Ligne vor allem Mauvillons Histoire ( 1740 ) herangezogen. Innerhalb nur eines Jahres kamen fünf Auflagen dieses Werkes heraus. In der Folge erschienen zahlreiche , vor allem auch gefälschte Quelleneditionen , so z. B. die erst viel später als Fälschung enttarnte Sammlung hinterlassener politischer Schriften Prinz Eugens in vier Bänden145 und eine darauf beruhende zweibändige Biographie Das Leben des Prinzen Eugen von Savoyen , hauptsächlich aus dem militärischen Gesichtspunkte , nach den zuverlässigsten und neuesten , zum Theil noch nicht benützten Quellen von Friedrich von Kausler. Wirkungsmächtig für das Prinz-Eugen-Bild blieb weiterhin Eléazar Mauvillons Histoire du Prince François Eugène de Savoie , die im 18. Jahrhundert mehrere Auflagen und auch eine Übersetzung ins Deutsche erfahren hatte. Zur Jahrhundertmitte ( 1858 ) schuf der Archivar und spätere Direktor des Haus- , Hof- und Staatsarchivs in Wien , Alfred von Arneth ( 1819–1897 ) schließlich in seiner nach handschriftlichen Quellen verfassten dreibändigen Biographie die historisch fundierte Grundlage einer erwachenden Erinnerungsarbeit. Im Mai 1840 hatte der schottische Schriftsteller und Historiker Thomas Carlyle ( 1795–1881 ) in London vor kleinem , aber enthusiasmierten Publikum sechs Vorträge über das Thema On Heroes , Hero-Worship And The Heroic In History gehalten , die im darauffolgenden Jahr ebenda erstmals auch in Druck erschienen. In zahlreiche Sprachen übersetzt , wurden die Vorträge 1853 unter dem Titel Helden und Heldenverehrung auch in Berlin herausgebracht ; in Neu-Übersetzungen , Interpretationen und Neuauflagen wurde das Werk bis ins 20. Jahrhundert nachgedruckt und rezipiert. Carlyle war ein Kenner der großen europäischen Kulturen , der französischen , deutschen und englischen , gleichzeitig als sozialpolitischer Schrift145 Anonymus ( 1811 ). Böhm ( 1900 ).

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IV. Helden und Heldenverehrung

steller aber auch ein Kritiker seiner Zeit. Mit seinen Vorträgen versuchte Carlyle eine „Ehrenrettung von großen Geistern der Vergangenheit , die seine Zeit nicht mehr verstand“. Die Singularität des Helden stand im Widerspruch zu den anonymen sozialen Massen der industriellen Revolution und zum biedermeierlich zurückgezogenen Lebensstil der Epoche. – Das Bild , das Carlyle vom wahren Heldentum an sechs Prinzipien veranschaulichte : der Gottheit ( Odin ), dem Propheten ( Mohammed ), dem Priester ( Luther und Knorr ), dem Dichter ( Dante und Shakespeare ) und dem König ( Cromwell und Napoleon ) sowie dem Schriftsteller ( Johnson , J. J. Rousseau und Burns ), zeichnete den Helden als großen aufrichtigen und zugleich demütigen Menschen , „der als ein Erwählter Gottes für Wahrheit und Wirklichkeit gegen Schein , Lüge und Eigennutz auftritt und durch seine unermüdliche Arbeit die anderen Menschen zu verehrender Anerkennung und Nachfolge zwingt“.146 Gleichzeitig ( 1840 ) formulierte Michail Jurjewitsch Lermontov ( 1814–1841 ) in Ein Held unserer Zeit eine Kritik am inhaltsleeren Ehrbegriff und dessen Wiederherstellung durch Duelle. Dieses andere , kritische Heldenbild gewinnt jedoch erst im 20. Jahrhundert weiteren Raum. Prinz Eugen entsprach sowohl durch sein verbreitetes Selbstverständnis als honnête homme wie auch in der ab der Jahrhundertmitte des 19. Jahrhunderts entstandenen dramatischen Belletristik genau dem von Carlyle entworfenen Bild. Mit dem aufkommenden Nationalismus allerdings verschwamm der humanistische Anspruch zusehends und seine Person wurde mehr und mehr instrumentalisiert , um eigenes territoriales Begehren durch Vergangenheit bzw. Historizität zu rechtfertigen und zu untermauern. Auch dazu fanden die Zeitgenossen ihre Bestätigung bei Carlyle , indem sie die These auf das Recht des Genius , die Welt zu gestalten , herauslasen. In der Epoche beginnender Heldenverehrung entstanden unterstützt von biographischer Aufarbeitung die ersten Dramen , die Prinz Eugen als Protagonisten auf die Bühne stellen. Otto Prechtler ( 1813–1881 ), Beamter bei der allgemeinen Hofkammer , Redakteur der Zeitung Der Patriot und seit 1842 vielgespielter Burgtheaterautor und Opernlibrettist , verfasste 1846 ein simpel mit Prinz Eugen betiteltes Drama , das heute verloren ist.147 Prechtlers Freund und Förderer , 146 Brie ( 1948 ), S. 5 , 8. 147 Schneider ( 1907 ), S. 84. Aufführungsdaten sind keine bekannt.

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Franz Grillparzer ( 1791–1872 ) urteilte im gleichen Jahr – möglicherweise angeregt durch Gespräche mit Prechtler ( beide gehörten nicht nur der Hofkammer als Beamte an , sondern waren auch Mitglieder des 1841 gegründeten juridisch-politischen Lesevereins ) – über Prinz Eugen : „Dieser Prinz Eugen von Savoyen war wirklich ein außerordentlicher Mensch. Es ist eine Vorurteilsfreiheit und Klarheit der Ansichten in ihm , die durchaus nicht seiner abgeschmackten Zeit angehört , Friedrich der Große steht nicht so isoliert da , als man gewöhnlich anzunehmen geneigt ist.“148 Grillparzers Äußerung verweist auf den historischen Repräsentanten Preußens als Vergleichsgestalt Prinz Eugens. Die Ausbildung eines populären Bildes von Friedrich dem Großen war bereits in der Zeit der Restauration nach 1815 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt erfüllte Eugen der Zweite , Erzherzog Karl , eine vergleichbare identitätsstiftende Funktion. Während der „nationalen Stimmung“ nach 1870 wurde das Bild Friedrich des Großen durch unzählige Anekdoten und eine volkstümliche Ikonographie popularisiert. Der große Popularisierungsschub für ein kollektives PrinzEugen-Bild erfolgte mit der Denkmalsenthüllung 1865. Wie Friedrich der Große gehörte auch Prinz Eugen durch die Verbreitung im kanonisierten Bildungsgut ( auch in der Schule ) zu Ende des Jahrhunderts zum kollektiven Allgemeingut. Einen letzten Höhepunkt erlebte die Instrumentalisierung Friedrich des Großen durch die NSDAP. „Die Diffusion dieses Geschichtsbildes endet[ e ] 1945 – sowohl durch Verbote wie durch Vergessen.“149 Auch Prinz Eugen hatte seine Auftritte auf den Bühnen der NS-Machthaber , gemeinsam mit Friedrich II. auch zur Legitimierung des Führers. Anders als Friedrich der Große wurde sein Bild allerdings bis zur Jahrtausendwende in Aktualisierungen tradiert.

Deutschlands Hort Am 30. April 1847 war Erzherzog Karl Ludwig Johann von HabsburgLothringen gestorben. Der Generalfeldmarschall und Sieger von Aspern war bereits in einem Theaterstück Henslers aus dem Jahr 1797 als Eugen der Zweite bezeichnet worden. Jetzt entstand rund um seinen Tod wie148 Franz Grillparzer : Eugen von Savoyen ( 1846 ), in : Grillparzer ( 1887 ), S. 75. 149 Schenk ( 1994 ), S. 83.

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IV. Helden und Heldenverehrung

der eine Reihe von Prinz-Eugen-Stücken , vor allem für die Opern-Bühne. Der Komponist und Dirigent Gustav Schmidt ( 1816–1882 ) reichte eine dreiaktige Oper zu Prinz Eugen der edle Ritter bei der Wiener Hofoper ein , die allerdings nicht zur Aufführung kam.150 Eine Vorreiterrolle in der Aufführungstradition von Prinz-Eugen-Stücken nahmen die Vorstadttheater ein. Der Theaterimpresario Franz Pokorny ( 1797–1850 ), der neben seinen Theaterdirektionen in Preßburg , Baden und dem Wiener Josefstädter Theater 1845 auch das Theater an der Wien gekauft und unter großem Publikumszuspruch am 30. August 1845 renoviert eröffnet hatte , war unzweifelhaft ein Dominanzfaktor im Wiener Theaterleben dieser Zeit. Im gemischten Programm , das er seinem Publikum an sämtlichen seiner Wirkungsstätten bot , nahm die Oper einen bedeutenden Platz ein. Franz Pokorny war nicht nur ein Förderer des jungen Franz von Soupé , er hatte auch Albert Gustav Lortzing und Anton Emil Titl als Opernkomponisten verpflichtet. Und die regelmäßigen mehrmonatigen Gastspiele der „schwedischen Nachtigall“ Jenny Lind ( im Frühling 1846 und 1847 ) erfreuten sich beim Publikum trotz dreieinhalbfacher Eintrittspreise einer ungebrochenen Nachfrage.151 Zu dieser Zeit hatte Pokorny auch die vieraktige Oper Prinz Eugen , oder die Belagerung von Belgrad des deutschen Komponisten und Musiktheoretikers ( Constantin ) Julius Becker ( 1811–1859 ) für das Theater an der Wien angenommen. Am 20. September 1847 reichte er sie bei der Zensur ein.152 Pokorny musste sich von dem Werk großes Publikumsinteresse erwarten. Theatertechnisch bietet die Oper opulente Bühnenbilder , die durch rasanten Ortswechsel und exotisches Kolorit faszinierten ; Chorund Soliszenen , dramatische Höhepunkte und Massenszenen wechselen einander ab , Tanzeinlagen ergänzen das vielfältige Bühnenangebot. Stark mag die Wirkung der Gegenüberstellung des männlich Martialischen und der weiblichen Naturverbundenheit gewesen sein. Die größte Faszination dürfte aber von der musikalischen Kontrastierung des Eigenen ( Soldatenchöre ) mit dem Fremden ( Sarazenentänze ) ausgegangen sein.

150 Hadamowsky ( 1975 ), S. 361. 151 Bauer ( 1952 ), S. 141–155. 152 Becker ( 1847 ), S. 1.

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Abb. 11 Julius Becker , Prinz Eugen , oder die Belagerung von Belgrad. Titelblatt der Oper. Theater an der Wien 1847.

Im als Handschrift erhaltenen Libretto geben die auch im Prinz-EugenLied überlieferten Ereignisse von Belgrad nur den historischen Hintergrund für eine rein fiktive Erzählung , in der sich eine Wir-Gemeinschaft von den Fremden , den others , abgrenzt. Das Identifikationsangebot trifft sich mit dem master narrative der Türkenbefreiungserzählung von 1683 : Sieg des Christentums durch den Sieg des Heldentums. Becker erzählt aus zweifacher Perspektive von der Schlacht bei Belgrad , im Jahre 1717. Dem Lager der österreichischen Truppen , angeführt vom kaiserlichen österreichischen Generalfeldmarschall Prinz Eugen und dem Husarenoffizier Guido von Starhemberg , außerhalb der Stadtmauern von Belgrad steht als zweiter Schauplatz der maurische Palast des Paschas von Belgrad gegenüber. Die österreichischen Truppen haben zu Beginn des Stücks einen Sieg errungen , den Pascha verwundet und in die Stadt zurückgedrängt. „Von allen Seiten nahten Soldatenabteilungen mit erbeuteten türkischen Waffen , Kopfschmuck , welche von den Truppen in Trophäen gewendet werden.“ Unmittelbar nach dem Aufziehen des Vorhangs wird das Publikum in seiner Identität als Türkensieger bestärkt : durch die Wendung der Alltags-Objekte zu Symbolen – die Waffen und der Kopfschmuck der Türken werden in der Hand der Sieger zu Trophäen – werden sie dem Publikum 85

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als Zeichen der eigenen Ermächtigung und der Erniedrigung des Feindes vorgeführt. Musikalisch wird dieses Bild durch einen Triumphmarsch bekräftigt. Prinz Eugen erscheint als Sieger mit seinem Kommandostab , im Gefolge seine Offiziere , auch Guido von Starhemberg mit der Reichsfahne. Die Devise nach errungenem Sieg lautet : „Belgrad muß fallen !“ Guido von Starhemberg ist unter Einsatz seines Lebens zu einer Kriegslist bereit : Durch eine von Kanonen geschlagene Lücke in der Mauer will er in die Stadt der Feinde eindringen. In der Stadt , im maurischen Palast Achmed Paschas von Belgrad , gesteht seine Tochter Leila ihrer Vertrauten , der Zigeunerin Stella , dass sie Christin ist : durch ihre Mutter ist sie lange schon der „Lehre von Mariens Sohn“ zugetan und wird zwischen der Sorge und Angst um ihren Vater und der Hoffnung auf den Sieg über den „falschen Glauben“ aufgerieben. Der Kontrast könnte nicht schärfer sein : auf die martialischen Gesänge der Belagerer folgt das Duett der beiden Mädchen und das naturverbundene Lied der Zigeunerin , die versucht , ihre Herrin aufzuheitern. Begleitet von türkischer Trauermusik wird der schwer verwundete Pascha Achmed umgeben von Sarazenen in türkischer und serbischer Tracht hereingetragen : „Mein Name erlischt /  In Wolkennacht /  Der Christen Stern geht auf in Pracht.“ Gleichzeitig haben Janitscharen Guido von Starhemberg gefangen genommen. Der verwundete Pascha ermahnt zum fairen Kampf. Guido und Achmed erkennen im jeweils anderen den Helden , den sie achten. Dennoch wird Guido als Kriegsfeind gefangen genommen. Der Christ soll als rituelles Opfer für die heilige ( Heilungs- )Zeremonie dienen , mit der Allah günstig gestimmt werden soll. Leila fleht den Vater um Gnade für den Gefangenen an. Der Kampf der Völker und Religionen wird in die Seele des Mädchens projiziert. Personell wird die heidnische Zauberwelt durch Aladin , den Arzt , und Stella , die Zigeunerin , verkörpert. Akustisch wird das Fremde durch den Tanz der Derwische inszeniert ; optisch durch die „maurische“ Architektur und den „morgenländischen“ Garten in Szene gesetzt. Während die akustischen und optischen Mittel versöhnlich und vertraut wirken , wird mit Sprache der Konflikt verbalisiert. Der Chor der Derwische tradiert den alten Mythos der muslimischen Menschenopfer : Des Christen Blut /  In heiliger Nacht /  Zum Opfer sei /  Es dargebracht ! /  Mit Spruch und Tanz /  Beim Myrterauch /  Sei es gereicht /  Nach altem Brauch. ( 43 )

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Mit einer List versucht Leila , die Zeremonie zu stören ; Sie gibt sich als Stimme Allahs aus und beginnt , das christliche Ethos im Islam zu verkünden. Haltet ein ! / Allah spricht durch mich ! /  Vernehmt sein Wort /  „Verdammt auf ewig ist /  wer sinnt auf Mord !“ ( 45 )

Außerhalb der Stadt befiehlt Prinz Eugen , den errungenen Sieg mit einem Fest , mit Tanz und Spiel , zu feiern. Schwert- und Zigeunertänze , -chöre und -ballette zeigen eine fröhliche Gesinnungs-Gemeinschaft. Dem gegenüber werden aber die einzelnen Soldaten und Offiziere nicht als für eine Gemeinschaft tätige Menschen , sondern als für abstrakte Ideen ( wie Gott und Vaterland  ) instrumentalisierbare Figuren beschrieben  , entsprechend der Kriegsideologie des 19. Jahrhunderts. Als Prinz Eugen von Stella , die ihre Herrin zu retten sucht , einen – die erste Feldherrntugend „Vorsicht“ überzeugenden  – Beweis von der Gefangenschaft Guido von Starhembergs erhält , befiehlt er die Stadt zu stürmen. Kriegslärm in der Stadt und brennende , einstürzende Befestigungswerke begleiten den Angriff der österreichischen Truppen. Österreichische Soldaten schießen auf die über die Bühne fliehenden Janitscharen. Unter Trommelwirbel und Trompetenfanfaren , Kanonendonner etc. werden Guido und Leila befreit. Mit Trompetenfanfaren bricht der Triumphmarsch der Österreicher los. An der Spitze des Heeres erscheint Prinz Eugen. Er kann den Sieg , die Eroberung Belgrads verkünden : der Pascha Achmed wird der fürsorglichen Pflege seiner Tochter Leila übergeben , stirbt jedoch in ihren Armen. Leila wird Guido von Starhemberg anvertraut. Dem Happy End steht nichts im Wege , vollzogen wird es auf der Bühne allerdings nicht : „Er wird dir Rat und Schutz verleihen ! Dir mehr als Freund und Vater sein !“ Stella wird mit militärischen Ehren ausgezeichnet , mit einer Kette oder Prinz Eugens Feldbinde. Unter dem Gesang des Prinz-Eugen-Liedes , den zusammenstürzenden Festungsmauern und dem Jubel der Soldaten , die Prinz Eugen huldigen , endet das Stück. Im Schlussgesang wird die bereits früher angesprochene Mehrfachidentität Österreich und Deutschland abermals verbalisiert. Prinz Eugen figuriert als multivalentes Identitätsangebot für Europa , Österreich und Deutschland : Als Friedensbringer steht er für ganz Europa , als Kriegsführer des 87

IV. Helden und Heldenverehrung

österreichischen Heeres wird er Österreich zugerechnet und als Wahrer des christlich fundierten Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation ( des Herrschaftsbereiches der römisch-deutschen Kaiser vom Mittelalter bis zum Jahre 1806 ) ist er „Deutschlands Hort“. Die Betonung Prinz Eugens als Deutschlands Hort ist als historischer Ausdruck von Kaisertreue , Treue zum habsburgischen Herrscher , der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation in Personalunion war , lesbar. Nach Prinz Eugens Tod begannen die beiden größten Territorialkomplexe des Reiches , die habsburgischen Erblande und Brandenburg-Preußen , aus dem Reichsverband herauszuwachsen. Nach dem Sieg über die Türken 1683 konnte das Haus Österreich durch Prinz Eugens Siege große Gebiete außerhalb des Reiches erwerben , wodurch sich der Schwerpunkt der habsburgischen Politik nach Südosten verschob. Im Zuge der Napoleonischen Kriege hatte Kaiser Franz II. die Kaiserwürde niedergelegt ; der 1815 am Wiener Kongress eingesetzte Deutsche Bund war lediglich ein Zusammenschluss der Einzelstaaten aus ökonomischen Gründen ( Zollunion ). Von Österreich gehörten nur jene Teile zum Deutschen Bund , die bereits zuvor Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gewesen waren. Die Metternich’sche Zensurpolitik hatte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts den intellektuellen Austausch durch Büchereinfuhrverbote unterbunden. Im Jahr 1847 bedeutet der Rekurs auf Deutschland auch eine Intervention gegen den auseinanderdriftenden Kommunikationsraum des einstigen Reiches ; eine Intervention , die in den Revolutionstagen des Jahres 1848 mit der schwarz-rot-goldenen Fahne auf dem Stephansdom ihre Erfüllung erfahren sollte. Prinz Eugen der edle Ritter , /  Der durch Kampfes Ungewitter , Uns geführt , ein starker Held ; /  Der der Türken Macht gebrochen Und der Christen Schmach gerochen /  Preis dir , du starker Held ! Prinz Eugen der edle Ritter , /  Der nach Krieges Ungewitter Frieden gab Europia , /  Dir dem Sproß von Österreichs Thronen , Dir der Stolz von Österreichs Kanonen , /  Huldigt ganz Europia ! Von den Belte bis zum Rheine /  bis zum fernen Alpenfuß Tönt ein Name , ist’s der deine /  Deutschlands Hort Eugenius. ( 80–81 )

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Stereotypen des Fremden

Stereotypen des Fremden Die Bühnenfigur des Generalfeldmarschalls Prinz Eugen in dieser Oper entspricht dem Stereotyp des Helden ; die Figur des Prinzen Eugen verkörpert das eingebürgerte Vorurteil mit festen Vorstellungsklischees der Gesellschaft zu Mitte des 19. Jahrhunderts : Prinz Eugen ist der Held ohne persönliches Schicksal ; er personifiziert den Sieg und die Ordnungsmacht und verbalisiert die militärischen Codes der Kriegsideologie des 19. Jahrhunderts. Gleichzeitig ist er aber auch ein Autostereotyp ; er verkörpert das Urteil , das sich Österreich von sich selber macht. Und er bildet die Folie , auf der das Heterostereotyp seine Wirkung entfalten kann : Die Betrachtung Prinz Eugens als das Eigene in Abgrenzung zum Anderen macht alle Vorstellungen , Vorurteile sichtbar , die die Mitglieder einer Gruppe oder Gemeinschaft ( „Österreich“ ) von einer anderen Gruppe ( Türken , Muslime ) besitzen : die heidnische Zauberwelt , in der auch Menschenopfer ihren Platz finden. Während auf der einen Seite der Konflikt und die Differenz verbalisiert werden , wird gleichzeitig durch Nonverbales ( Tänze , Melodien , Architektur ) Diversität inszeniert und Alterität assimiliert ; während also immer auf den „Türken“ als Feind rekurriert wird , werden auf der Bühne die „maurische“ Architektur und der „morgenländische“ Garten als amalgamierte Teile der türkischen Kultur in Szene gesetzt. Diese Teilung in Böse ( Türke ) und Gut ( maurisch und morgenländisch ) ist ein Spiegel der postkolonialen Veränderung der Kultur der Dominanten durch Krieg und Eroberung. Am 20. September 1847 hatte Pokorny das Stück bei der Zensur eingereicht. Da kein Zensurakt vorhanden ist – beim Brand des Justizpalastes 1927 wurde ein großer Teil der dort gelagerten Akten vernichtet – lässt sich nicht mehr mit Bestimmtheit sagen , ob die Aufführung durch die Zensur verhindert worden war. Oder ob Pokorny selbst seinen Plan ad acta legte , da er im Herbst des Jahres aufgrund der hohen Kosten den Opernbetrieb im Theater an der Wien wieder einzustellen plante , was nicht nur dem Publikum , sondern auch der Presse Sorge bereitete.153 Ein Aufführungsverbot durch die Polizeihofstelle ist durch den Aktenverlust 1927 zwar nicht nachweisbar ; allerdings liegen unter den ver153 Wiener Zeitschrift für Kunst , Literatur , Theater und Mode 183 , 13. September 1847 , S. 731.

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IV. Helden und Heldenverehrung

kohlten Restakten der Polizeihofstelle zwei Dokumente , die ein Verbot denkbar erscheinen lassen. Zu Beginn des Jahres 1847 kam der „am k. k. Hoflager beglaubigte osmanische Botschafter Schebik Efendi“ über Venedig und Rom nach Wien.154 „Aus Anlaß der zwischen der hohen Pforte und dem heiligen Stuhle in der letzten Zeit stattgehabten Annäherung“ sollte ihm im Frühjahr von mehreren Bürgern und Hausinhabern der Vorstadt Landstraße – wo die „jeweiligen Gesandten der ottomanischen Pforte durch lange Jahre [ … ] wohnen“ – eine „Ehrenbezeugung“ im Rahmen eines kleinen Konzertes überreicht werden. Josef Graf Sedlnitzky ( 1778– 1855 ), der seit 1817 ( –1848 ) als Präsident der Polizei- und Zensurhofstelle vorstand , hatte auf persönliche Anfrage „des ottomanischen Botschafters , ob er die beabsichtigte Ehrenbezeugung annehmen dürfe“ zustimmend geantwortet , da besagter Absicht sowohl religiöse Gefühle als Achtung für einen mit Österreich befreundeten Nachbarstaat zu Grunde zu liegen scheint , und deren Ausführung nur einen vergnüglichen Eindruck auf die hohe Pforte zur Folge haben kann , daher [ … ] dagegen kein Anstand obwalten dürfte.155

Da die Annäherung und nachbarschaftliche Freundschaft zwischen Österreich und dem Osmanischen Reich sich zunehmend verbesserte und der gute Eindruck auf die Hohe Pforte im Interesse des Staates gelegen war , ist anzunehmen , dass ein Theatertext , in dem die Feindschaft derart akzentuiert dargestellt worden wäre wie in Beckers Prinz Eugen , oder die Belagerung von Belgrad , vom Polizeipräsidenten nicht zur Aufführung freigegeben worden wäre. Die Verortung des negativen Türkenbildes im kollektiven Gedächtnis lag nicht im Interesse der Realpolitik ; es war vielmehr ein christlich-ideologisches Narrativ , das die Türken als Ungläubige brandmarkte , die es um jeden Preis zu bekämpfen und vernichten galt.156 Unter dem Titel Die Erstürmung von Belgrad wurde die Oper schließlich am 21. Mai 1848 in Leipzig uraufgeführt. 154 AVA , PHSt Zl 1553 / 1847. 155 AVA , PHSt Zl 4728 / 1847. Dem gegenüber ist Mehmet Sekip Pasa als amtierender türkischer Botschafter ( von September 1846 bis September 1848 ) verzeichnet. 156 Csáky ( 1982 ), S. 227–229.

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Das Lied vom Prinzen Eugen

Das Lied vom Prinzen Eugen Zum Zeitpunkt der Entstehung der Oper waren neunzehn Lieder bekannt , die sich auf Prinz Eugens militärische Erfolge bezogen. Das bekannteste , das Volkslied Prinz Eugenius , der edle Ritter , das auch als Lied vom Prinzen Eugen oder Prinz-Eugen-Lied geläufig ist , beschreibt die Belagerung und Einnahme der Stadt Belgrad durch Eugen von Savoyen im Jahr 1717 während des sechsten Österreichischen Türkenkriegs. Die älteste bekannte Aufzeichnung des Liedes findet sich in einem 1719 begonnenen handschriftlichen Liederbuch. Der Textdichter ist unbekannt. Musikalisch beruht es auf der älteren Melodie Als Chursachsen das vernommen von 1683 und ist für ein deutsches Volkslied ungewöhnlich , da es im Fünf-ViertelTakt steht.157 In der Prinz-Eugen-Ausstellung 1933 wurde die in der Leipziger Stadtbibliothek verwahrte Handschrift „musikalische Rüstkammer auff der Harffe“ von 1719 erstmals im Original öffentlich präsentiert.158 Breite Verbreitung fand das Lied mit der Aufnahme in die Sammlung Deutsche Lieder für jung und alt ( 1818 ) nach dem Ende der Koalitionskriege gegen Frankreich.159 Im 19. Jahrhundert hat das Lied vom Prinzen Eugen weitere Lieder und musikalische Werke beeinflusst. Bis in den Zweiten Weltkrieg sind unzählige Bearbeitungen bekannt. Für den Rundfunk wurde 1941 eine Fanfare geschaffen , die auf der Liedmelodie beruht. Auch Militärmärsche nahmen sich das Volkslied zum Vorbild. Das Lied erschien auf Flugblättern , in Liederbüchern und auf Liedpostkarten. Die Melodie wurde auch immer wieder anderen Liedtexten unterlegt. Die breite Wirkung wird auch durch eine große Anzahl von Parodien unterstrichen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren humoristische Verse im Umlauf , die das militärische Pathos durch subversive Narrative brachen : Prinz Eugen , der edle Ritter , /  Springt beim Gewitter mit der Zither /  Zum Konditer um ein Liter /  Magenbitter … Prinz Eugen , der edle Ritter , /  schaut mim [ sic ! ] Arsch durchs Fenstergitter , /  hat im Hintern einen Splitter … 157 Redlich ( 1935 ), S. 17–25 ; Jung ( 1935A ), S. 25–32. 158 Raum IV, Nr. 40. Prinz Eugen Katalog ( 1933 ). 159 Fischer ( 2008 ). www.liederlexikon.de/lieder/prinz_eugen_der_edle_ritter.

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IV. Helden und Heldenverehrung

Auf YouTube ist das Prinz-Eugen-Lied alten Militäraufnahmen aus dem Ersten Weltkrieg ebenso wie Bildern des Belvederes unterlegt. Die letzte bekannte Bearbeitung des Prinz-Eugen-Liedes schuf 2012 der Instrumentenbauer und Musiker Hans Christian Tschiritschs. Er versieht das Lied mit einer neuen , noch komplizierteren Taktart ; durch die „neue rhythmische Dimension , fängt [ es ] an zu schweben“. Und es scheint , dass Prinz Eugen vom Heldenplatz „abhebt und entschwindet im Wiener Nachthimmel blinkend wie ein Kreuzfahrtschiff.“160 Dieses fast dreihundert Jahre alte Volkslied vom edlen Ritter hat großen Anteil am Mythos des Prinzen Eugen. Julius Becker hatte in seiner Oper auf die identitätsstiftende Verwendung des Liedes nicht verzichtet. Auch der Dramaturg des Regensburger Theaters Johann Priem ( 1815–1890 ) empfahl die Verwendung des Liedes in seinem zweiten Theaterstück Prinz Eugen von Savoyen ( 1845 ); darüber hinaus suchte er Fragen der Forschung rund um das Prinz-Eugen-Lied dramaturgisch in sein Drama einfließen zu lassen. Und der in Weimar geborene Komponist und Theaterkapellmeister Gustav Schmidt ( 1816–1882 ) widmete der Entstehung des Liedes Prinz Eugen der edle Ritter eine gleichnamige Oper.161 Gustav Schmidt war nach seiner Musikdirektion in Brünn ( 1842–1846 ) zur Entstehungszeit der Oper Theaterkapellmeister in Frankfurt am Main ( 1846–1849 ), wo sein Erstlingswerk am 27. Juli 1847 zur Uraufführung kam und ab 1848 auch in Weimar auf dem Spielplan stand ; der Einreichung an der Wiener Hofoper folgte keine Aufführung.162 Die eindeutig die „Einheit Deutschlands“ feiernden Soldatenchöre widersprachen der pluralen Verfasstheit der Habsburgermonarchie. Mit einem Trinklied besingen die sich betrunken gebenden Soldaten die Einheit Deutschlands : 1. Wir trinken den Wein /  Ob vom Rhein oder Main /  Aus dem Deutschen Reich /  Gilt Alles uns gleich. /  Und wer uns wollt wagen den Wein abzustreiten , /  Ob Türken , Franzosen , ob Russen ob Heiden , /  Die jagen wir alle zum Lande hinaus , /  Den Wein , den trinken wir selber aus.

160 Albert Hosp in „Spielräume“, Dienstag 6. November 2012. http://oe1.orf.at/programm/319370 ( 4. April 2013 ). 161 Schmidt ( 1848A ). Die Textzitate folgen dem Text im Klavierauszug. 162 Hadamowsky ( 1975 ), S. 361.

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Das Lied vom Prinzen Eugen 4. D  rum halten wir treu am Vaterland frei , /  Des Feindes Gewalt vertreiben wir bald. /  Wer wollte zum Raubtier erkoren sich wähnen , /  Ob Türken , Franzosen , ob Russen und Dänen , /  Die jagen wir alle zum Lande hinaus , /  Daß einig und frei sei das deutsche Haus.

Bis zum Ausbruch der Revolution 1848 galt eine selbstverständliche Präponderanz der Deutschen in der Monarchie. Der deutsche Einheitsgedanke war im Entstehungsjahr der Oper ein weit verbreitetes Narrativ in den deutschen Gebieten , in und außerhalb der Habsburgermonarchie ; während des Revolutionsjahres  – zu diesem Zeitpunkt wehte auch die schwarz-rot-goldene Fahne vom Stephansdom  – könnte kurzfristig eine Aufführung der Oper für Wien angedacht worden sein. Schmidt wählte als Ort der Handlung die mehrmals umkämpfte Festung Landau und Schloss Weinsheim. Als Feind der ersehnten „Einheit Deutschlands“ schien Frankreich , der einstige Gegner des Spanischen Erbfolgekrieges ( 1701–1714 ) eher geeignet als die Türken. Landau war ein hart umkämpfter Schauplatz. 1702 hatten die kaiserlichen Truppen bereits die Festung erobert , allerdings mussten sie im darauffolgenden Jahr wieder den Franzosen weichen. Durch das Bündnis des Kaisers mit England wurde das Heer Prinz Eugens durch Hilfstruppen unter der Führung von General Marlborough verstärkt. Mit diesem konnte Prinz Eugen nach dem Sieg bei Höchstädt ( 1704 ) abermals die Festung Landau erobern. Im Zuge der Kämpfe um die belagerte Festung war 1702 Eugens Bruder , Ludwig Thomas Graf von Soissons , tödlich verwundet worden.163 Dieses biographische Detail könnte ebenfalls für die Wahl des Schauplatzes ausschlaggebend gewesen sein , da es die letzte Strophe des Prinz-EugenLiedes erklären hilft , die von der wissenschaftlichen Forschung bislang inhaltlich nicht zugeordnet werden konnte. Vor dem Hintergrund der Belagerung der Festung werden die Schicksale dreier Protagonisten abgehandelt. Der Brandenburger Dragoner Jakob Venns , Wachtmeister beim Leibregiment Prinz Eugens , und treu ergebener Begleiter des Feldherren , mit dem er „alle Feldzüge mitgemacht [ hat ], draußen in Ungarn , in Italien , in der Türkei“, führte „ein wildes wüstes Leben“ und die Liebe zur Marketenderin Engelliese hat aus ihm nun einen 163 Braubach ( 1963–65 ) I , S. 357.

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IV. Helden und Heldenverehrung

„ordentlichen Kerl“ gemacht. Engelliese ist dem Prinzen ebenfalls treu ergeben. Zum Lohn für ihre Wohltätigkeit den verwundeten Feinden gegenüber hat sie Prinz Eugen zu seiner Obermarketenderin ernannt. Jakob will Engelliese heiraten , sie stellt jedoch eine Bedingung : Er soll ein deutsches Soldatenlied komponieren. Einer der verwundeten Feinde , die Engelliese labte , ist der Uhrenhändler Conrad , der seine Retterin ebenfalls liebt. Er wird , als er sich dem österreichischen Lager nähert , als Spion festgenommen , kann sich Prinz Eugen jedoch durch ein verabredetes Zeichen als Abgesandter des General Malborough zu erkennen geben und nennt Schloss Weinsheim als Treffpunkt mit dem englischen General. Dort wird er Zeuge eines verräterischen Planes : der Castellan des Schlosses und der französische Major Lamarques konspirieren , den „Prinzen mit seiner ganzen Gefolgschaft auszuheben“, indem sie die österreichischen Soldaten mit Wein betrunken machen wollen , während die französischen Truppen das Schloss umstellen. Als Conrad den österreichischen Truppen den Verrat melden will , droht der Castellan , ihn als Verräter zu denunzieren. Er erinnert ihn daran , dass er ihn „aufnahm wie ein Vater , als die Heimat dich ausgestoßen , den ich gepflegt , erquickt habe , wie einen Sohn“, und Conrad wird „aus Dankbarkeit zum Verräter“; durch einen Sprung über die Mauer entzieht er sich der Verantwortung. Engelliese soll mit ihm fliehen , die sich aber standhaft weigert. „Wo die Pflicht und die Liebe mich hingestellt , /  Da bleibe ich fest und gelte es die Welt.“ Sie informiert Jakob über die Falle , die den Prinzen und sein Gefolge erwartet. Die Soldaten willigen zum Schein in die Freundlichkeit des Castellan ein und besingen mit einem Trinklied „in vino veritas“ die Einheit Deutschlands. Mit Hilfe der Truppen des Generals Marlborough gelingt es , die Festung einzunehmen. Engelliese und Jakob werden als Retter Prinz Eugens und Jakob als „Mann , der den Helden erhielt dem Vaterland“ gefeiert. Conrad , der als Verräter mit dem Tode bestraft werden soll , wird als Jakobs vermisster Bruder erkannt und von Prinz Eugen begnadigt. Als Jakob das Soldatenlied zu Ende bringt , ist auch Engelliese bereit , ihr Versprechen zu halten. Prinz Eugen wird als mehrfache Vaterfigur geschildert. Im Feld trägt er einen einfachen Überrock , wodurch er seinen Soldaten gleicht und nicht als Feldherr erkannt wird. Sein Auftreten ist bescheiden , uneitel und ohne heroischen Ehrgeiz. Er nimmt es in Kauf , dass die seit mehreren Wochen andauernde Belagerung Mutmaßungen aufkommen lässt , der Mut könnte 94

Das Lied vom Prinzen Eugen

ihn verlassen haben. Wie eine autoritäre Vaterfigur begegnet er Fragen oder Erklärungen ausweichend : „Davon versteht er nichts !“ Er belohnt humanes Handeln , indem er die Marketenderin für ihre Obsorge den feindlichen Verwundeten gegenüber zu seiner Obermarketenderin ernennt. Und er ist milde dem vermeintlichen Verräter Conrad gegenüber , als er von dessen Unschuld überzeugt wird. Schließlich bittet er sogar im Namen seines Wachtmeisters um die Hand der schönen Marketenderin. Dieser Vaterfigur gegenübergestellt sind seine „Kinder“: Jacob , Engelliese und Conrad. Sie sind  – wie Prinz Eugen  – Heimatlose , Vertriebene und als ihm treu ergebene Begleiter im Feld als seine „Familie“ erkennbar : Jakob ist „in [ s ] einem vierzehnten Jahr [ … ] [ s ]einen Eltern davongelaufen und ging unter die Soldaten“; seine verwüstete Heimat hat er danach nur einmal wiedergesehen. Conrad wurde „in seiner Heimat schlecht behandelt“, seine Eltern hatte er früh verloren , ein Franzose nahm sich seiner an „und ward ihm ein zweiter Vater“. Als geborener Deutscher , der von einem Franzosen aufgenommen und erzogen worden war , gerät Conrad in Gewissenskonflikt und wird „aus Dankbarkeit zum Verräter“. Ganz anders der Corporal Peter Kurzbein , der in französischer Gefangenschaft von der Kultur der Feinde derart eingenommen ist , dass er sich „perfektioniert und französisiert“ hat. Er hat kein Verständnis dafür , dass Conrad „unter den Franzosen gedient hat und nicht einmal französisch versteht“. Er ist in der Lage , die Kultur des Feindes von der Person des Feindes zu trennen. Als Pierre Petitchambon spricht er ein französisch-deutsches Kauderwelsch. Seid ein deutscher Reitersmann /  und stimmt ein welsches Kriegslied an ! Je suis ein Mann von Bildung und Welt /  darum mir dies Liedchen gefällt.

Aus dramaturgischen Gründen bediente sich Schmidt auch mehrerer musikalischer Anachronismen ; zum Zeitpunkt , als die Schlacht bei Belgrad ( die das Prinz-Eugen-Lied zum Inhalt hat ) siegreich geschlagen worden war , war die Festung Landau bereits wieder unter französischer Herrschaft. Auch das in der Oper zitierte Kriegslied Malborough s’en va-t-en guerre wird vor dessen eigentlicher Entstehung ( 1709 ) eingesetzt. Die gesamte Oper hindurch hörte das Publikum vor allem das PrinzEugen-Lied. Da die Marketenderin die Komposition eines Soldatenliedes als Bedingung ihrer Einwilligung in die Ehe stellte , bemüht sich der um 95

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sie werbende Jakob das begonnene Lied fertig zu komponieren. Über die drei Akte verteilt vervollständigt er es. Im ersten Akt ( erste Szene ) singt Jakob die beiden ersten Strophen , im zweiten Akt ( sechste Szene ) zwei weitere Strophen als Rezitativ sowie die fünfte Strophe als Melodram. Im dritten Akt ( dritte Szene ) trägt Jakob Engelliese zwei weitere Strophen vor , in welche er sich selbst – als Prinz Ludwig – hineindichtet : „Der Prinz Ludwig , das bin ich !“ Die offene Textfrage der letzten Strophe , beantwortete Schmidt mit einer neuen Textstrophe : Prinz Eugenius auf der Rechten /  Thät als wie ein Löwe fechten Als General und Feldmarschall. /  Prinz Ludwig ritt auf und nieder : Halt Euch brav ihr deutschen Brüder , /  greift den Feind mir herzhaft an.

Als er allerdings im vermeintlichen Verräter Conrad seinen eigenen Bruder erkennt , entsteht aus Empathie für den Prinzen Eugen die letzte Strophe Da kam mir’s zu Sinn , daß es dem Feldherrn auch damals vor Belgrad so zu Muthe gewesen sein müsse , als er seinen treuesten Freund und Bruder , den Prinzen Ludwig von Baden , in der Schlacht verloren hatte [ … ] und da sang ich meinen Schmerz so vor mich hin. ( singt mit gerührter , später erstickter Stimme schluchzend ): Prinz Ludewig , der mußt’ aufgeben /  Seinen Geist und junges Leben , Ward getroffen von dem Blei ; /  Prinz Eugen war sehr betrübet , Weil er ihn so sehr geliebet , /  Ließ ihn bringen nach Peterwardein. Jawohl , Peterwardein ! Hieß es doch lieber : Jakob ward dein !

Die Oper ist inhaltlich um dieses Lied herumkonstruiert , um mit der dramaturgischen Wende Bruder-findet-Bruder die musikhistorisch unbeantwortete Frage nach der realen Persönlichkeit des Prinzen Ludwig in der letzten Strophe des Liedes zu stellen.164 Prinz Eugen hatte zwei Brüder mit Namen Ludwig : der 1702 in der Schlacht von Landau gefallene Ludwig Thomas Graf von Soissons und Ludwig Julius Chevalier de Savoye , dessen Todesnachricht 1683 Eugen die Flucht aus Frankreich antreten ließ.165 164 Redlich ( 1935 ), S. 17–25. 165 Braubach ( 1963–65 ) 1 , S. 84–85.

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Prinz Eugen betritt die Bühne

Mit der Schlussstrophe des Liedes , dessen drei letzte Zeilen vom Chor wiederholt werden , teilte sich der Vorhang , in der Ferne sah man die Festung ; „Prinz Eugen sprengt zu Pferde über eine Brücke , die dahin führet ; aus der Festung kommen ihm Magistratspersonen , die ihm die Schüssel überbringen , Volk etc. entgegen. Wo der Chor einstimmt , reicht Engelliese Jakob ihre Hand. Der Vorhang fällt.“ Der Seraskier mußt’ ergeben /  Sich im Kampf auf Tod und Leben , Mußte aus der Festung gehen. /  Hoch zu Rosse über’n Brucken That in Belgrad dann einrucken /  Der Generalissimus Prinz Eugen.

Prinz Eugen , der zu Pferde über eine Brücke sprengt , erscheint wie ein vorweggenommenes Zitat des Wiener Denkmals von Fernkorn.

Prinz Eugen betritt die Bühne Von 1830 bis 1880 war Wien eines der Hauptzentren des Theaterlebens auf dem Kontinent. In dieser Zeit entstand eine unglaubliche Fülle neuer Stücke. Die Privattheater folgten Gesetzen der Rentabilität , sie wurden wie wirtschaftliche Unternehmen geführt ; ästhetische Standpunkte waren weniger ausschlaggebend ; Geld und Sorgfalt flossen vor allem in Ausstattungen sowie geschickt und bühnengerecht arrangierte Plots. Durch diesen Druck der „äußeren Verhältnisse“ bestand – im Unterschied zum Burgtheater  – „keine unmittelbare , intime Beziehung mehr zwischen Bühne und Publikum“.166 Der in Nürnberg geborene Johann Priem ( 1815–1890 ), der seit 1843 bis zum Brand des Theaters 1849 als Dramaturg am Theater in Regensburg tätig war , hatte mit Prinz Eugen von Savoyen 1845 sein zweites Theaterstück vorgelegt. Ebenso wie sein erstes Werk Ludwig der Bayer in Nürnberg war es am königlichen Theater in Regensburg uraufgeführt und an mehreren Theatern erfolgreich nachgespielt worden. Dieser Erfolg veranlasste den Autor , seinen Theatertext „als Manuskript“ drucken zu lassen und den Bühnenintendanten zur Ansicht mitzuteilen.167 166 Valentin ( 1988A ), S. 9. 167 Priem ( 1847 ). Das Königsstädtische Theater verzeichnet vom 16. April bis 8. Mai

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In seinen drei ersten Dramen , den beiden oben genannten und dem 1848 zur Uraufführung gebrachten Die Dänen in Holstein oder : Der Freiheitskampf bei Hemmingstädt , nahm sich Priem eine historische Vorlage , die er mit frei erfundenen biographischen Ereignissen unterfütterte. Aus diesem Grund wurde es in Wien auch nicht – wie vom Autor aufs Druckexemplar gesetzt – als „historisch-romantisches Originalschauspiel“, sondern als „historisch-romantisches Charaktergemälde“ angekündigt. Obwohl die Textvorlage durchaus spannende Momente enthält , dürfte es bei der Aufführung in Wien nicht gelungen sein , diese entsprechend umzusetzen. Die Vor-Ankündigungen beschäftigten die Stadt über einen Monat lang , höchste Erwartungen wurden beim Publikum geschürt , „es wurde wie eine Errungenschaft ausposaunt , der Berg kreiste , man glaubte : er müsse eine neue Welt gebären , es gab Proben und Verheißungen in Menge“.168 Im k. k. priv. Carl-Theater erlebte Prinz Eugen von Savoyen dennoch nur zwei Aufführungen am 28. und 29. Mai 1851. Wenn nicht der Publikumsmangel – sogar bei der Premiere war das Haus schlecht besucht – , so hat wohl die vernichtende Kritik in Bäuerles Theaterzeitung weitere Aufführungen verhindert.169 Nur noch ein drittes Mal , am 12. März 1852 , setzte die Direktion des Carl-Theater Prinz Eugen von Savoyen auf den Spielplan.170 Priem hatte seinem Stück eine Bemerkung und Anweisungen zur Umsetzung des Textes auf der Bühne vorangestellt. Für ihn stand eine realistische und historisch getreue Inszenierung im Zentrum seiner Vorstellungen. Kostümkunde und Bilder aus der Zeit sollten als Vorlage dienen , er empfahl „Portraitähnlichkeit“ für den Darsteller des Prinzen Eugen , „falls sich die Persönlichkeit des Darstellers der Titelrolle dafür eignet“; er sollte „klein und mager“ sein , und „eine etwas erhöhte linke Schulter“ vorweisen. Das Militär sollte Uniformen der österreichischen Armee tragen. Für das Kostüm der beiden Marketenderinnen , Gretchen und Else , empfahl er „am besten einen schwarzsamtenen Spencer , gelben oder rothen Rock , 1848 vier Aufführungen. 168 Wiener Allgemeine Theaterzeitung für Theater , Musik , Kunst , Literatur , geselliges Leben , Conversation und Mode 126 , 31. Mai 1851 , S. 506. 169 Wiener Allgemeine Theaterzeitung 126 , 31. Mai 1851 , S. 506. 170 1851 , 28. Mai – 12. März 1852 , 3 Aufführungen „Prinz Eugen von Savoyen“ ( Theatermuseum Wien , Nachlass Max Glossy , verschiedene Akten , Theater 1 Handschriftliche Notiz ).

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und grünen Tirolerhut“. Mussir sollte „vollkommen griechisch gekleidet [ sein ], mit hohem rotem Feß , mit blauer Troddel“. Für den Armeelieferanten Süß Oppenheimer war „ein Rokoko-Civilkleid“ vorgesehen.

Abb. 12 Johann Priem , Prinz Eugen von Savoyen. Handschriftlicher Theaterzettel der Premiere am 28. Mai 1851 im Carl-Theater.

Während der Autor somit ein historisches Drama vorlegte , das auf Authentizität durch Textzitate großen Wert legte – „Einige dem Prinzen in den Mund gelegte Worte erscheinen vielleicht etwas auffallend , sind aber geschichtlich“,171 – versuchte man bei der Wiener Aufführung diese Authentizität durch komische Szenen zu brechen. Die am Komischen geschulte Darstellungskunst des Ensembles des Carl-Theaters hatte  – aus Ermangelung einer eigenen komischen Figur – das für realistische Darstellungskunst angelegte Drama durch Karikaturen der Figuren aufzulockern versucht : Priem hatte z. B. dem Darsteller des Mussir freigestellt , „wenn 171 Priem ( 1847 ), Vorbemerkung.

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es [ ihm ] gut dünkt , in der 11ten Szene des 5ten Aktes , beim Gehen an der Thüre , in Folge der schnellen Wirkung des Giftes zusammensinken“. Einzelne Szenen , wie z. B. der Abgang Mussiers , nachdem er Gift getrunken , erzeugten geradezu Gelächter. [ … ] Herr Wolff als Mussier wußte nichts Besseres zu thun , als sich auf die sonderbarste und unnatürlichste Art zu winden und zu drehen. Sein Herausstoßen der Worte fällt sehr unangenehm auf. [ … ] Die Darstellung war sehr mangelhaft. Außer Frl. Dub ( Gretchen ) konnte keiner der Darsteller Interesse erwecken. Der Kriegsrath nahm sich fast wie eine Parodie aus.

Im Wissen um die Bedeutung der Soldatenlieder , vor allem aber des Prinz-Eugen-Liedes , für die Wirkung einer Aufführung hatte Priem sogar die dazugehörigen Noten seinem Text vorangestellt. Auch das bekannte Lied : „Malborough s’en va t’en guerre“ sollte , hinter der Szene als Feldmusik gespielt , Fröhlichkeit und Zuversicht verbreiten. Zu Beginn des fünften Aktes , nach der Eroberung von Belgrad , singt der Komponist und Trompeter mit den Soldaten das Prinz-Eugen-Lied beim Aufgehen des Vorhanges. Dazu bemerkte der Autor : Es versteht sich von selbst , daß von dem , dem Stück einverleibten alten Volkslied nur drei oder vier Verse , jedenfalls aber der letzte , gesungen zu werden brauchen , und zwar abwechselnd vom Trompeter und dem Chor , oder nach Umständen vom Trompeter und Constabler , mit Wiederholung der letzten Zeilen vom Chor. Als Begleitung dürften Blechinstrumente am wirksamsten sein.

Den Abschluss des Dramas bildete ebenfalls eine Strophe des Prinz-Eugen-Liedes : Prinz Eugenius , der edle Ritter , /  Der im Schlachtenungewitter Vor uns her zum Streite zog. /   Held im Kampfe , Mensch im Siege Groß im Frieden , groß im Kriege. /  Prinz Eugenius lebe hoch !  : /  ( 46 )

Dieser „auf anderen Bühnen sehr beifällig aufgenommene“ Chorgesang wurde sehr zum Leidwesen des Publikums auf der Bühne des Carl-Theaters nicht gesungen , wodurch sich das Theater um den sicheren Erfolg der Aufführung brachte. 100

Prinz Eugen privat

Die äußerst komplizierte Handlung , die von 15. bis 18. August 1717 vor Belgrad spielt , entwickelt sich in den ersten drei Akten , kulminiert im vierten und wird schließlich im fünften einer Lösung zugeführt. „Vieles [ wurde ] gestrichen“172 wodurch die Erzählung zwar abgekürzt , aber sicher nicht verständlicher geworden sein dürfte. Die Situation im Lager vor Belgrad ist realistisch geschildert : mangelnde Verpflegung und Hunger quälen die Soldaten ; dank der Kräutermedizin der jungen Marketenderin Margarethe konnte der grassierenden Seuche Einhalt geboten werden. Trotz der zahlenmäßigen Übermacht des türkischen Heeres , die der Spion Mussir meldet , und der gebotenen Zurückhaltung des Wiener Hofkriegsrates will Prinz Eugen den Angriff auf Belgrad wagen. Die Ereignisse folgen den im Lied Prinz Eugen , der edle Ritter geschilderten Tatsachen. Auch manche Fragen der Forschung rund um das Prinz-Eugen-Lied hat Priem dramaturgisch in sein Drama einfließen lassen. Die im Lied genannte und späterhin als unglaubwürdig bezeichnete Größe des türkischen Heeres mit „drei mal hunderttausend Mann“ erklärt er im Drama durch eine Intrige des Hofkriegsrates , der Prinz Eugen von den Kampfhandlungen abhalten möchte. Der Spion , der von „zwei mal hunderttausend“ sprach , wird dazu angehalten , die Zahl zu vergrößern.173 Der in der letzten Strophe des Liedes genannte ( der Forschung unbekannte ) Prinz Ludwig verweist durch Prinz Eugens Kommentar „er ruhe in Frieden“ auf einen ihm nahestehenden Menschen.

Prinz Eugen privat Prinz Eugen steht als Feldherr vor den Mauern von Belgrad. In Monologen reflektiert er jedoch mehr sein persönliches Schicksal als die bevorstehenden Kriegshandlungen. Durch diese dramaturgische Technik wird die Figur mehrfach privatisiert und dem Publikum der Held entzogen. Der Zuschauer erfährt von seiner Flucht aus Frankreich , Weil mich das Vaterland von sich gestoßen , /  und weil ich eine Heimat lieben wollte /  wie jeder Bettler der die Scholle liebt / Auf der er seinen harten 172 Wiener Allgemeine Theaterzeitung 126 , 31. Mai 1851 , S. 506. 173 Priem ( 1847 ), S. 8 , 37.

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IV. Helden und Heldenverehrung Lebensgang /  begonnen neben tausend Glücklichen – /  so mußt ich eine zweite Heimat suchen /  die erste war der Liebe ja nicht werth. ( 12 f )

Daneben steht seine durch Neider und Intrigen bedrohte Position am Wiener Kaiserhof : [ … ] Was werden sie in Wien darüber sagen /  daß ich erreicht , was sie nicht glauben wollten ? /  Sie werden mich ob meines Glücks beneiden , /  Das haben sie ja immer gern gethan. /  Nun können sie des Kaisers Gnade mir /  Die ihnen stets ein Dorn im Auge war , /  noch weniger rauben als im vorigen Jahr. /  Und das ist Sr. Majestät von Frankreich /  Nicht ganz nach Wunsch ( 39 )

Auf einer dritten Ebene privatisiert der Autor den Feldherren Prinz Eugen abermals und macht ihn mit Blick nach Westen zum Marginalisierten ( Robert E. Park ), der sich rächt. [ … ] Fließt auch französisch Blut in meinen Adern /  So wird dies Herz doch nie für Frankreich schlagen , /  Ich hab ihm abgesagt für immerdar. /  Es ist der Erbfeind meines Herrn und Kaisers /  Und meines schönen zweiten Vaterlands , /  das freundlich den Verstoßnen aufgenommen ! /  Läg’s nur an mir dieses schöne Straßburg sollte /  Nicht lange mehr in ihren Händen sein , /  Die Perle , die sie aus des Reiches Krone /  Erobert nicht , – o nein , – gestohlen nur , /  Stammt diesem Blüthenhain von Lothringen. /  [ … ] Krieg ist auf ewig zwischen dir und mir /  Vierzehnter Ludwig. – [ … ] /  Doch wie ich siegreich meines Glaubens Feind bekämpfte /  Gedenk ich deine Macht noch zu zertreten. ( 39 )

Schlussendlich erscheint Prinz Eugen nach der gewonnenen Schlacht von Belgrad auch privat als Sieger : die Marketenderin Margarethe , von den Soldaten verehrt , vom reichen Juden , Süß Oppenheimer zur Frau begehrt und vom Rittmeister des Prinzen geliebt , entpuppt sich als Tochter Prinz Eugens aus einer frühen Ehe ( seine Ehegattin hatte ihn verlassen ). Der Spion Mussir , der in ihr seine lang gesuchte Tochter zu erkennen glaubte , geht leer aus , und Prinz Eugen kann durch die Zusammenführung der Liebenden eine Ehe stiften. Den Sieg bei Belgrad verdankte er göttlicher Vorsehung : zweifach errettet – vor der Seuche durch Margarethes Kräutertrank und vor dem Giftan102

Prinz Eugen privat

schlag durch rechtzeitige Warnung – kann er durch taktisch klug platzierte Falschmeldungen über einen geplanten Rückzug , den die Belagerten hinsichtlich des anbrechenden Ramadan gerne glauben wollen , die Schlacht von Belgrad schlagen. Mit Hilfe der bayrischen Verbündeten gelingt der siegreiche Ausgang. Dem deutschen Bündnispartner lässt er bei den Kriegszügen nach Osten wie nach Westen gleichermaßen große Bedeutung zukommen. Die Deutschen sind das erste Volk /  wenn sie sich einig nur die Hände bieten. /  Ich darf doch auf Sie rechnen Graf , wenn etwa /  Ein anderer Feind einst wäre zu bekämpfen / Als der , dagegen wir uns hier vereint ? /  Sie gehen mit nach Westen wie nach Osten ? ( 41 )

Als Eroberer von Belgrad , als Sieger über die türkischen Glaubensfeinde , mit Blick nach Osten begreift sich Prinz Eugen als Werkzeug des christlichen Gottes : Ich konnte zweifeln Herr , ich konnte zweifeln / An Dir , und war’s auch nur ein Augenblick , /  er lastet ums so schwerer auf der Seele , /  je reicher Deine Gnade Du mir spendest. /  Gerettet ist Dein Kreuz , wie leuchtend strahlt es / Auf allen Türmen dieser Stadt , die gestern /  Der Schmuck des falschen Glaubens noch beschimpfte. /  Und das hast du getan durch deinen Knecht. ( 38 )

Daneben erzählt Priem die antisemitisch gefärbte Geschichte des Armeelieferanten Süß Oppenheimer , dessen Sprache „einigermaßen den geborenen Isrealiten verraten“ musste. Er betrügt die kaiserliche Armee ebenso „im Dienste Mammons“, wie er den türkischen Sultan bestiehlt. Gemeinsam mit dem Spion Mussir , der aus persönlicher Rache und Hass handelt , schmieden sie ein Mord-Komplott gegen Prinz Eugen. – Der historische Samuel Oppenheimer ( 1630–1703 ) war Geldleiher , Armeelieferant und Oberhoffaktor. 1701 hatte er für den Italienfeldzug des Prinzen Eugen 40. 000 Gulden aufgebracht. Nach seinem Tod 1703 ließ der Kaiser den Konkurs über seinen Nachlass erklären und ersparte sich damit , die geliehenen Gelder zurückzuzahlen.174 Lange Jahre hielt sich ein Gerücht , 174 Braubach ( 1963–65 ) I , S. 332 und S. 362.

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IV. Helden und Heldenverehrung

dass Prinz Eugen aus Dankbarkeit für diese finanzielle Unterstützung ihm seine Sammlung hebräischer Manuskripte übergeben haben soll , die über seinen Neffen , den böhmischen Oberrabbiner David Oppenheim ( 1664– 1736 ), Teil der heute in der Bodleian Library verwahrten Oppenheim Collection wurde.175 In der Oppenheim Collection ließ sich allerdings eine solche Provenienz an keinem Manuskript nachweisen.176 Das Carl-Theater , in dem Priems Schauspiel zur Aufführung kam , war 1847 auf der Jägerzeile ( heute : Praterstrasse 31 ) im 2. Wiener GemeindeBezirk anstelle des Leopoldstädter Theaters eröffnet worden. Aufgrund des Zuzugs von Juden aus den Ostgebieten , die sich in der Nähe des Nordbahnhofes ansiedelten , saßen mit Sicherheit auch zahlreiche von ihnen im Publikum. Da die Kritik gerade zur Figur des Süß Oppenheimer gar keine Stellung bezieht , muss die Frage unbeantwortet bleiben , wie dieses jüdisch durchmischte Publikum diese Figur aufnahm. Ob die Regie – wie auch bei vielen anderen – sich nicht an die Anweisungen des Textbuches hielt ? Oder ob der Darsteller der Figur des Süß Oppenheimer ebenso auf die Karikatur oder Parodie auswich wie der Darsteller des Mussir ? Die Darstellung des Fremden bleibt in Priems Vorlage in einem Verkleidungsspiel verborgen. Mussir , der durch sein Kostüm „mit hohem rotem Feß , mit blauer Troddel“ als Grieche und Fremder gekennzeichnet wird , gibt sich im letzten Akt als Graf Mustrini zu erkennen , der diese Verkleidung nur annahm , um unerkannt Rache üben zu können. Süß Oppenheimer wiederum erscheint im barocken Alltagskleid , nur durch seinen Akzent und durch die ihm zugeschriebene stereotype Handlungsweise als Jude erkennbar.

175 Frankl ( 1855 ) berichtet von der Verwunderung von Nathan Adler , beim Besuch der Wiener Hofbibliothek in den 1780er Jahren dort kaum hebräische Manuskripte gefunden zu haben. Diese wären laut Auskunft des Bibliothekars seinerzeit von Prinz Eugen bereits Samuel Oppenheimer überlassen worden. – Auch der Historiker Reinhold Lorenz hielt in seinem Beitrag zu Prinz Eugen fest , dass Eugen Samuel Oppenheimer regelmäßig „aus seiner Türkenbeute hebräische Bücher für seine Bibliothek anwies“. Lorenz ( 1942 ), S. 41. 176 Auskunft des Kurators der Bodleian Library , César Merchán-Hamann vom 23. 12. 2012.

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Abb. 13 Carl-Theater , Wien. Photographie um 1870.

Die Kritik bemängelte vor allem die Vermischung der Genres. Als historisches Drama war das Stück nicht historisch getreu genug , zu viel Raum wurde der psychologischen Deutung eingeräumt. Auch vermisste man die kathartische Wirkung , die Vermittlung der einfachen sittlichen Ordnung , dass das Gute belohnt , das Böse bestraft wird. Wir wissen nicht in welches Genre wir diese dialogisierte Fadenscheinigkeit einreihen sollen , [ … ] es ist kein historisches Drama , denn weder der Held des Stücks wird in seiner historischen Bedeutung hingestellt , noch der stoffliche Inhalt bietet für dieses Genre einen Anhaltspunkt. Die Geschichte dreht sich nach fünf langen Acten einzig darum , daß Prinz Eugen eine Tochter hat , die ihm am Ende zugeführt wird , und die er wie jeder gute Hausvater unter die Haube bringt. Daß sich bei einer solchen Handlung kein historischer Character entwickeln könne , liegt auf der flachen Hand. Der Bau des Stückes ist höchst mangelhaft und verräth keine Bühnenkenntnis. [ … ] Das Loos der schurkischen Armeelieferanten bleibt ganz unentschieden , was doch auch nicht von Besonnenheit des Dichters zeigt.177 177 Wiener Allgemeine Theaterzeitung 126 , 31. Mai 1851 , S. 506.

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IV. Helden und Heldenverehrung

Publikum und Kritik goutierten diese Form des historischen Dramas nicht : Priem hatte mit seinem Text ein Prinz-Eugen-Stück geschaffen , das dem Protagonisten ein privates Schicksal zugestand. Er hatte eine Privatisierung des Helden vorweggenommen , die auf den Wiener Bühnen erst im Zuge der Erinnerung anlässlich des 200. Geburtstags 1863 einsetzte. Auch Therese Megerle erfuhr gleichermaßen Ablehnung im Publikum , als sie Prinz Eugen als Privatperson auf die Bühne stellte.

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Prinz Eugen diente den Habsburgern durch militärische und diplomatische Erfolge gegen Osmanen wie Franzosen und bemühte sich um ein umfassendes Gedächtnis seines Lebens und Wirkens. Die Nachwelt teilte die Erinnerung an ihn : die Siege über die Osmanen gelten bis heute rechten Kreisen als herausragendes Moment der Heldenverehrung Prinz Eugens. Die Erfolge auf dem Schlachtfeld gegen die Franzosen hingegen haben ihren Erinnerungswert weitgehend verloren. Bis ins 20. Jahrhundert war die Erinnerung an die Erfolge gegen Frankreich gemeinschaftsbindendes Element einer gesamtdeutschen politischen Ausrichtung , die sich pluralistisch neben der Loyalität zu Österreich , dem habsburgischen Gesamtstaat , artikulierte. So besangen im Vorfeld der 1848-Revolution Prinz Eugens Soldaten in Julius Beckers Oper „Deutschlands Hort“ und Priems Prinz Eugen ( 1847 ) versicherte sich der Unterstützung des deutschen Bündnispartners nach der gewonnenen Schlacht auch für zukünftige Kämpfe „nach Westen wie nach Osten“. Und der Fabrikant und Armeelieferant Josef Gottfried Pargfrieder ( 1787–1863 ) errichtete in Kleinwetzdorf einen Heldenberg , wo er militärische Protagonisten , darunter auch Prinz Eugen , aus den verschiedensten Nationen im Dienst des übernationalen Hauses Österreich versammelte.

Therese von Megerle Die Schriftstellerin Therese Megerle ( 1813–1865 ) hatte sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Erzählungen und Novellen einen Ruf als „Preßburger Pichler“ erworben. Wie Caroline Pichler ( 1769–1843 ) berief sie sich auf eine Zeitzeugen-Quelle , die ihren Werken ( z. B. ihrem ersten Roman über Maria Theresia ) Kolorit und Glaubwürdigkeit verlieh. Sie befand sich „in dem angenehmen Falle , persönliche Details von dem Hofe der Kaiserin [ Maria Theresia ], bei der ihre Großmutter , wie die Mutter Karoline Pichlers , Kammerfrau gewesen ist , zu besitzen“.178 178 Sonntagsblätter 33 , 15. Oktober 1845 , S. 781. Zit. nach Marinelli-König ( 2004 ), S. 158.

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Durch ihre Ehe mit dem Zahnarzt und Chirurgen Georg Wilhelm Megerle von Mühlfeld179 ( 1802–1854 ), der zuerst das Preßburger Theater und später bis zu seinem Konkurs ( 1854 ) das Wiener Theater in der Josefstadt geleitet hatte , begann sie für die Bühne zu schreiben. Sie dramatisierte Romane – wie den 1847 „unter vielem Beifall“ in Preßburg aufgeführten „Graf von Monte Christo“ – und wurde bald „als eine werdende gefährliche Nebenbuhlerin der Birch-Pfeiffer bezeichnet“.180 Sie verfasste wie Charlotte Birch-Pfeiffer ( 1800–1868 ) über 100 Dramen , „ohne auf künstlerischen Wert Anspruch zu erheben“, zumeist Bearbeitungen französischer Vorlagen. Birch-Pfeiffer und Megerle verband außerdem , dass sie durch ihren ausgeprägten Geschäftssinn ein sicheres Einkommen zu erlangen verstanden , mit dem sie ihre mittellosen Ehemänner unterstützen bzw. erhalten konnten. Sie erfüllten die Wünsche des Publikums nach leichter , sentimentaler und spannender Unterhaltung. In den Jahren 1850–65 gehörte Birch-Pfeiffer zu den meistgespielten Autoren des Burgtheaters , Megerle hingegen dominierte den Spielplan des Josefstädter Theaters ; Megerles Bühnenmanuskripte waren Alltagsware , nur wenige wurden gedruckt , manche sind handschriftlich erhalten. Die Direktoren der privaten Theater waren auf Publikumszuspruch angewiesen und hielten ihre Autoren oder Autorinnen an , gängige Theaterware zu produzieren , deren Themen und Helden bekannt waren , und beim Publikum „ziagen“ sollten. In den Kriegsjahren war das Publikumsinteresse an Spektakelstücken militärischen Charakters „mit Schlachten­ lärm und Pulverdampf“ groß ; die Einführung lokaler Typen erhöhte eben­ falls die Besucherzahlen.181 Megerles Wahl des Protagonisten Prinz Eugen war wohl diesem Erfolgsdruck geschuldet. Ihr militärisches Volks-Drama in vier Aufzügen mit Einlagen deutscher Volkslieder Prinz Eugen der edle 179 Die Nobilitierung erfolgte eigenmächtig 1849 , kurz vor der Übersiedlung nach Wien , „um den Wienern eine Verwandtschaft mit Johann Karl von Mühlfeld vorzutäuschen , der sich zwischen 1835 bis 1840 durch ein kleines Privattheater in Währing , genannt Mühlfeldtheater , Beliebtheit und Anerkennung bei den Wienern erworben hatte“. Vgl. Elfriede Müll , Die Familie Megerle und ihre Beziehung zum Wiener Theater. 2 Bände. Diss Wien 1949 , I /  7 f. Die Dissertation enthält Stammtafeln der beiden nicht miteinander verwandten Familien Megerle und Megerle von Mühlfeld. 180 Sonntagsblätter 32 , 8. August 1847. Zit. nach Marinelli-König ( 2004 ), S. 450. 181 Pilz ( 1935 ) I , S. 11.

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Ritter ist handschriftlich überliefert. Für die erste Aufführung ist die Arena zu Preßburg am 24. Juni 1849 vermerkt.

Preßburg 1849 Im Sommer 1849 war Preßburg Kriegsschauplatz : die österreichische Armee kämpfte , verstärkt durch russische Truppen , gegen die aus Osten eindringenden magyarischen Insurgenten ( Aufständischen ). Im Österreichischen Courier waren von Mitte bis Ende Juni 1849 täglich die Kriegsberichte nachzulesen. Österreicher und Russen wetteiferten , ihren alten Ruhm zu bewähren , der Feind wurde [ wiederholt ] zurückgeworfen. [ … ] das ist nun freilich nicht genug um die allgemeine Angst ganz zu heben. Die Leute begreifen nicht , daß eine Armee , welche den Plan hat , bis zu einem gewissen Moment die Defensive zu halten , nichts anderes thun könne , wenn sie in ihren festen Stellungen angegriffen wird , als den Feind eben zurückzuwerfen , und daß sie großes gethan , wenn ihr das gelungen.182

An dem Tag , an dem dieser Bericht im Österreichischen Courier erschienen war , wäre – nach Aufzeichnung des Kapellmeisters auf der Partitur – Megerles Volksstück über Prinz Eugen in der Preßburger Arena erstmals aufgeführt worden. Drei Tage später hatte sich die Situation dank der Unterstützung zusätzlicher russischer Truppen , die von Oberungarn aus vordrangen , deutlich entspannt , sodass am 27. Juni bereits die Truppe , die gestern unsere Stadt durchzogen [ hat ], sich auf die geebnete grüne Flur in der Nähe des Auwäldchens ein Lager aufgeschlagen [ hat ] um daselbst die Nachtruhe zu pflegen. Ein sanftes kühles Lüftchen wehte über die Ermüdeten und zahllose Bewohner strömten herbei , um die Krieger zu begrüßen. Um 4 Uhr morgens waren die Krieger wieder gerüstet und sie setzen ihren Marsch mit klingendem Spiele gegen Wieselburg fort. Das Hauptquartier hat uns gleichzeitig verlassen und ist nach Ungarisch Altenburg abgegangen.183

182 Österreichische Courier , vormals Theaterzeitung 151 , 24. Juni 1849 , S. 602. 183 Österreichische Courier , vormals Theaterzeitung 155 , 30. Juni 1849 , S. 619.

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V. Geteiltes Gedächtnis

Eine Woche später war „mit einem Schlage auf dem politisch bewegten Erdenrund Friede“.184 – Im Nationaltheater in Wien wurde dies mit der Anwesenheit der kaiserlichen Familie „mit Ausnahme des Kaisers , der sich noch bei der Armee befand“ gefeiert : „Das Publikum brach in einem enthusiastischen Jubelruf aus , der zeigte , wie wohl ihm wieder geworden , seitdem die hochgeliebte kaiserliche Familie wieder unter uns weilt.“185 Die im Österreichischen Courier geschilderte Atmosphäre könnte dem Schauspiel von Therese von Megerle entnommen sein. Sollte tatsächlich in den turbulenten Tagen eine Aufführung in der Arena von Preßburg stattgefunden haben , so fand das Publikum auf der Bühne eine Spiegelung der Realität , eine hoffnungsvolle Verheißung des guten Ausgangs. Andernfalls könnten die Ereignisse dieser Tage die Autorin zu ihrem Drama inspiriert haben. In den Oktobertagen 1849 fand sich auf dem Spielplan des Theaters in der Josefstadt Peterwardein , ein zeitgenössisches Gemälde in österreichischer Mundart mit Gesang vom ebendort geborenen Volksdichter Anton von Klesheim ( 1812–1884 ).186 Megerle wählte ihrerseits als Schauplatz ihres Prinz-Eugen-Dramas nicht die auch im Preßburger kulturellen Gedächtnis verankerten Kriege , die Prinz Eugen gegen die Türken führte , sondern sie orientierte sich nach Westen und wählte einen entfernten Schauplatz während des Spanischen Erbfolgekrieges : „eine Stadt und Festung am Rhein“. Nachweislich wurde ihr Werk am 7. Juli 1850 in der Sommerdependance des Theaters in der Josefstadt , in der Arena in Hernals , aufgeführt. Das deutsche Volksstück sollte zur Veredelung der Volkssitten beitragen und zugleich harmlose Unterhaltung bieten. Die Handlungen waren aus dem Alltag gegriffen , lokal und historisch eingefärbt. Megerle erzählt in ihrem Volksstück die fiktive Einnahme der Festung Münster durch die kaiserlichen Truppen 1709 unter der Führung Prinz Eugens , die vor allem dank der Unterstützung zweier unerschrockener junger Menschen glückt. Durch diesen Kunstgriff konfrontiert sie die Vertreter des Adels 184 Österreichische Courier , vormals Theaterzeitung 160 , 6. Juli 1849 , S. 640. 185 Österreichische Courier , vormals Theaterzeitung 162 , 8. Juli 1849 , S. 648. 186 Die Premiere war am 7. Oktober 1849. Da der Text verschollen ist , kann nur vermutet werden , dass sich das Stück auf jene erfolgreiche Schlacht Prinz Eugens ( 1716 ) bezog , die die Niederlage des Osmanischen Reiches einleitete.

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mit Vertretern des Bürgertums. Sie stellt dabei den zeitgenössischen bürgerlichen  – auch durch Missbräuche gefährdeten  – Tugendkatalog vor , ohne andererseits Adelskritik einfließen zu lassen. Der Adel ( in der Person des Prinzen Eugen ) wird nicht  – wie in vielen Theaterstücken der Zeit üblich187  – zum Bürger modelliert , sondern behauptet seine abgehobene Position. In der Form des Corporal Pitsch , der sich als „Seiner Durchlaucht des Prinzen Eugenius allerhöchster untertänigster und außerordentlichster Leibordonnanz Ober- und Unterkorporal im berühmten Regimente Hoch und Deutschmeister , als Freiherr geboren von und zu Lauschenfeld Viertel unterm und obern etc. etc.“188 vorstellt , wird der Anspruch ohne Anrecht karikiert. Der historische Pi[ e ]tsch war ein Zeitgenosse Prinz Eugens : Johann Valentin Pietsch ( 1690–1733 ) gilt als der „produktivste Eugen-Dichter“ der Zeit. Für seine Versdichtung auf den „siegreichen ersten Feldzug des letzten Türkenkrieges“, den ungarischen Feldzug , erhielt er eine Professur als Poetiklehrer in Königsberg.189 In Kongruenz mit dem historischen Original ist der Corporal Pitsch in Megerles Dichtung poetisch und musikalisch gebildet : er trägt die musikalischen Einlagen vor.190 Prinz Eugen wird bereits vor seinem ersten Auftritt als „unschlagbar“ heroisiert. Das „Prahlen mit patriotischen Heldentaten und Huldigung der augenblicklichen Stimmung und herrschenden Meinung“ galt als kassenförderndes Geheimrezept.191 Prinz Eugens leibhaftiger Präsenz eilen die Mythen voraus : Käthchen weiß aus vielen Erzählungen , „die Kaiserlichen können gar nicht geschlagen werden , weil der tapfere Prinz Eugen die Soldaten anführt , der ist noch niemals geschlagen worden , am allerwenigsten von so luftigem Franzosenvolke“. Aber über dem Stolz auf ihren eigenen Stand stehen immer noch gleichsam als soziale Zurücksetzung die Armee und der Adel : 187 Vgl. Fischer-Lichte /  Schönert ( 1999 ). 188 Megerle ( 1849 ), I /  2. 189 „Ihrer hoch-Fürstl. Durchl. /  Printzen /  Eugenii /  Von /  Savoyen /  Siegreicher Feldzug /  Wider die Türken /  Entworfen /  Von /  D. Johann Valentin Pietsch.“ ( 6 Bl. ) – Dvorak ( 1935 ), S. 36. 190 Der österreichische Komponist , Kapellmeister Julius Hopp ( 1819–1885 ) hat mehrfach mit Therese Megerle zusammengearbeitet. 191 Müll ( 1949 ) II , S. 111.

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V. Geteiltes Gedächtnis – J a Taler hat der Vater in Menge , nebst bei ist er noch Handelsherr , Kirchenvater und Armenpfleger. – S onst ist er nichts mehr ? –E  r ist ja ohnehin die erste Person in der Stadt , Bürgermeister , was kann man denn noch mehr sein ? –D  eutschmeister , wenn man die Ehre hat unter Prinz Eugen zu dienen , so sieht man alles unter sich. –A  ch den Prinzen würde ich wohl gerne einmal sehen , das muß ein schöner Herr sein. –M  it der Schönheit ist es vorbei , die Durchlaucht ist alt geworden , aber die Tapferkeit ist noch genug. –E  r hat gewiß schon recht große Heldentaten verübt ? –D  as will ich meinen. ( I /  3 )

Das Prinz-Eugen-Lied als Ariengesang unterstreicht die Erzählung seiner Heldentaten. Der aufschneiderische Corporal Pitsch bringt es der Bürgermeisterstochter als Ständchen dar. Solcher Art eingeführt , kündigt er die Einquartierung Prinz Eugens im Haus des Bürgermeisters an und befiehlt die Verköstigung seiner Leute. Trotz vorauseilender Huldigung entsprach die auf der Bühne vorgestellte Figur des Prinzen Eugen nicht der Vorstellung des Publikums. „Der Titel ‚Liebe findet ihre Wege‘ wäre passender als ‚Prinz Eugen‘ , weil dieser weniger als Mars auftritt , der strategisch wirkt , wie vielmehr als Amor , der den Liebenden als Schützling zur Seite steht.“192 Die Kritik des Rezensenten ist nicht von der Hand zu weisen , denn Prinz Eugen unterstützt das Liebespaar , schätzt ihre Bescheidenheit und Ehrlichkeit , wird aber nicht als der große Stratege gezeichnet , als der er sich Ruhm auf dem Schlachtfeld erworben hat. Prinz Eugen zieht nicht die Fäden , er plant nicht und setzt nichts um , er begegnet uns in Megerles Stück vielmehr als einer , der aufgrund von vorgefundenen Situationen reagiert. Der Darsteller des Eugen , Wilhelm Kle[ e ]mann „war ohne Portraitähnlichkeit , vielmehr ein Spiegelbild des Sohns der Wildnis“193 von Friedrich Halm.

192 Wiener Allgemeine Theaterzeitung 161 , 9. Juli 1850 , S. 642. 193 Wiener Allgemeine Theaterzeitung 161 , 9. Juli 1850 , S. 642.

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Eligius Franz Joseph Freiherr von Münch-Bellinghausen , der Schriftsteller Friedrich Halm ( 1806–1871 ) gehörte zur Gruppe österreichischer Juristen , die neben ihrer Beamtenlaufbahn im Staatsdienst auch schriftstellerisch tätig waren. Bereits sein erstes Drama Griseldis ( 1834 ) war ein Sensationserfolg. Der Sohn der Wildnis ( 1842 ) hielt sich vierzig Jahre lang auf dem Spielplan des Wiener Burgtheaters ( 136 Aufführungen ). Hatte Halm in Griseldis das neue aus Frankreich übernommene Thema der Frauenemanzipation aufgegriffen , so thematisierte er im Sohn der Wildnis die zivilisatorische Kraft „zarter Weiblichkeit gegen die rauhe Männlichkeit“194. Wenn der Rezensent den Darsteller des Prinz Eugen als „Spiegelbild des Sohns der Wildnis“ beschreibt , so spielt er damit auf das unerschrockene und subordinationsfreie Verhältnis der weiblichen Protagonistin Käthchen zu Prinz Eugen an. Prinz Eugen belagert seit Wochen erfolglos die von den Franzosen besetzte Festung. Er weiß , daß „die Besatzung des Forts [ … ] schon längst vor Hunger umgekommen sein [ müßte ], wenn ihnen nicht Fourage zugeführt würde. Und wie ist dies anders möglich als durch Verrat ?“ kann sich dem jedoch nicht strategisch und kraftvoll entgegensetzen. Er rät im Gegenteil : „Wir dürfen mit dem Schwerte nicht draufschlagen , sondern müssen uns durch Freundlichkeit und charmantes Wesen die Herzen zu gewinnen suchen.“195 Sein Plan , den Verräter auf frischer Tat zu ertappen , schlägt insoferne fehl , als er nur Käthchen erwischt , die für ihren Hermann die Wache übernommen hat , damit Herrmann den Spion , den sie ausgeforscht hat , fassen kann. Eugen : … also wahrscheinlich ein schlechter Streich , und sie hat die Hand dazu gegeben ; weiß sie leichtsinnige Person , daß der Soldat sein Leben verwirkt hat. Käthchen. Um Gotteswillen Eure Durchlaucht. Eugen. Ich werde diesen Unfug strenge bestrafen. Marsch Jungfer und entehre sie mir nicht länger den ehrlichen Soldatenrock , ( Käthchen entfällt die Pikelhaube und der Mantel ). Ihrem Liebsten kann sie morgen eine Visite im Strohhaus machen.

194 Nagl /  Zeidler /  Castle ( 1914 ) II , S.  813. 195 Megerle ( 1849 ), II / 1.

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V. Geteiltes Gedächtnis Käthchen. Hermann wird gleich da sein , er setzt nur einem Franzosen nach. Eugen. Ausflüchte , da braucht man nicht solche Streiche zu machen und Fastnachtsspäße aufzuführen. Sie sollte sich schämen , die Nächte leichtsinniger Weise auf diese Art hinzubringen während ihr ehrlicher Vater seine Tochter daheim im Bette wähnt. Pfui über das Weibsvolk es ist doch zu gar nichts nütze als Übles anzufangen. ( III / 13 )

Prinz Eugen wird nicht nur als schlechter Menschenkenner dargestellt , der dem Spion , der ihn hintergeht , vertraut und die reine Absicht der beiden jungen Menschen verkennt ; er wird auch als Verächter des weiblichen Geschlechtes vorgeführt , wie um den ihm zugeschrieben Ausspruch , mit dem er Frauen als unnütze Möbel bezeichnete , zu belegen. Er ist auch nicht in der Lage , die verwickelte Situation richtig einzuschätzen , erst Käthchen kann ihn aufklären und sein Vertrauen in Hermann wieder herstellen. Mit der ausgeforschten Losung kann Prinz Eugen die letzte Festung in französischem Besitz dem Kaiser zurückerobern. Eugen. Weiß du den Soldat in den sauberen Geschäften ? Käthchen. Das ist’s ja eben , ich behorchte das Komplott , und weil ich mir nicht zu helfen wußte , so lief ich hin und teilte Hermann die Entdeckung mit ; [ … ] Not kennt kein Gebot , er ließ mich auf dem Posten und lauerte dem Franzosen auf. Euer Durchlaucht wissen , was weiter geschehen war. Hermann wollte nicht reden um den Vater nicht ins Unglück zu bringen , auch mir hat er verboten bei Euer Durchlaucht für ihn zu bitten und erst nach seinem Tode sollt ich die Wahrheit entdecken damit seine Ehre gerechtfertigt werde , aber ich dachte mir was nützt die Ehre nach dem Tode. Eugen. Ehre nach dem Tode , mein Kind ist mehr wert als Ehre im Leben , die oft unverdient erteilt wird , während die Nachwelt ein gerechterer Richter , das wahre Verdienst erkennt und nur das wahrhaft groß nennt , das es in der Wirklichkeit gewesen. Käthchen. Euer Durchlaucht werden einer von denen sein , man wird euch groß nennen in alle Ewigkeit. Aber seid auch gütig , schenkt dem armen Hermann das Leben , es ist gewiß kein Soldat der es treuer meint als er. ( IV /  6 )

Megerle opferte für die Darstellung eines festen , emanzipierten weiblichen Charakters die Glaubwürdigkeit Prinz Eugens ; es gelingt ihr auch 114

Bürgerlicher Tugendkatalog

nicht , sie wieder durch ihn verherrlichende Lieder am Ende der Akte oder unmittelbar vor seinen Bühnenauftritten herzustellen. Denn durch Käthchens Mut wird nicht nur der Spion enttarnt ; sie kann auch ihren Vater überreden , durch ein Geständnis und Reuebezeugungen Prinz Eugens Wohlwollen zu erlangen , und Hermanns Dienstverfehlung erklären. Schlussendlich gelingt auch die Überwindung des französischen Widerstandes durch ihren mutigen Einsatz , denn sie wird  – als Trojanisches Pferd – mit den Papieren des Spions ins französische Lager geschickt. In der Schlussapotheose weht die österreichische Fahne von den Wällen der seit Wochen belagerten Burg : Wie Hermann die Fahne auf dem Walle aufsteckt , geht der Prinz-Eugen-Marsch in die letzten Takte der ( als Anachronismus eingesetzten ) Volkshymne über. Eugen und alle Generäle nehmen die Hüte ab. Zum kollektiven „Vivat Joseph I.“ fällt der Vorhang.

Bürgerlicher Tugendkatalog Dem Adel , mit Prinz Eugen und den Generälen , gegenübergestellt werden die Bürgerlichen , das herrschaftliche Haus des Bürgermeisters Fuchspraller mit seiner Tochter Käthchen und derem Vetter Hermann. Sie repräsentieren den bürgerlichen Tugendkatalog , der als Werte Aufrichtigkeit und Toleranz , Sittlichkeit ( „das schickt sich nicht“ wiederholt die Zofe Beate mehrmals ), Vernunft , Bescheidenheit , Arbeitsamkeit und Wagemut umfasst. Die Tochter des Bürgermeisters , Käthchen , und ihr Cousin , der Halbwaise Hermann , sind gemeinsam aufgewachsen. Hermann möchte Käthchen heiraten , doch ihr Vater lehnt den armen „Habenichts“ als Schwiegersohn ab. Er schmeißt ihn aus dem Haus. Der Bürgermeister ist das Negativbild des bürgerlichen Tugendkatalogs. Das Fehlverhalten wird durch seine Gier exemplifiziert. Seine Habgier , die Negierung von Gefühlen und sein Standesdünkel bedrohen das Familienglück und sind Ziel der Gesellschaftskritik. Über die Einquartierung Prinz Eugens in seinem Haus ist er wenig erfreut , hat er doch mit den Franzosen gute Geschäfte gemacht. Geld ist das Wichtigste in seinem Leben , jedoch nicht so sehr für sich selbst , sondern um ihn durch eine vornehme Verheiratung seiner Tochter zu erhöhen. Seinen Neffen Hermann lehnt er als künftigen Schwiegersohn ab ; erst wenn 115

V. Geteiltes Gedächtnis

er Reichtum vorweisen könne , würde er seine Einwilligung zur Hochzeit geben , obwohl er sich widerrechtlich dessen Erbe , ein Gut und Wertpapiere , einverleibt hat. Geld ist mein Leben. Mit Geld ist man vornehm , man hat Verdienste , ja man bekommt sogar durch Geld Verstand , ohne Geld ist man ein Niemand sein Leben lang. ( 1 /  5 )

Prinz Eugen fasst seine Kritik hingegen nationalstaatlich : Man merkt’s , daß man sich den Niederlanden nähert , das zählt die Verdienste nur nach Gold und Silber. Mein lieber Wirt das gefällt mir von ihm nicht. ( I /  6 ) Diese Rheinländer sind ein abscheuliches Volk , das sich nach allen Winden dreht , heut sind sie französisch , morgen deutsch , und paßt’s in ihren Kram , übermorgen türkisch gesinnt. ( II /  2 )

Dem bürgerlichen Standesdünkel , der Habgier und Gefühlskälte des Bürgermeisters entgegengestellt hat Megerle das junge Liebespaar Käthchen und Hermann. Ihr Umgang exemplifiziert die einzelnen Werte des Tugendkatalogs. So repräsentieren sie beide die im Tugendkatalog verankerte Bescheidenheit. Hermann will wie sein verstorbener Vater Soldat werden und in der Armee zu Ruhm und Ehre kommen , um „als Rittmeister oder gar als Offizier oder General“ heimzukommen. Käthchen jedoch gibt ihm zu bedenken : „Aber hör , bis zum General gehen meine Wünsche nicht. Da wäre ich für dich ja viel zu schlecht. Eine Generalsdame muß vornehm sein und die Reden setzen daß unsereins gar nichts dagegen versteht. Du sollst im Herzen Soldat werden , höchstens Wachtmeister , dann werd ich deine Frau Wachtmeisterin , so viel Ansehen kann ich mir schon geben ; und wenn du dann so einen Denkpfenning oder Ehrenzeichen mit heim bringst , da werd ich recht hochmütig sagen , der Kriegsmann da ist mein Hermann und ich bin mit Schuld dran , daß er ein braver Soldat geworden ist.“ ( I / 1 )

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Der Soldatenstand

Ebenso wenig ist sie am Reichtum des Vaters interessiert : „ich bin mit wenig zufrieden Vater wenn’s nur ehrlich erworben ist. Für mich braucht er seine Geschäfte nicht zu machen.“196 Auch die Soldaten tragen einfache Uniformen , „aus Bescheidenheit [ … ], im Felde nimmt man es nicht so genau , die goldbestickten Uniformen sind bei der Bagage“, was sich so nebenbei auch auf die Ausstattungskosten der Theater günstig ausgewirkt haben mag. Neben der Bescheidenheit kommt der Ehrlichkeit große Bedeutung zu. Es ist vor allem Hermann , der durch seine Aufrichtigkeit und Zuneigung Käthchen mehr und mehr dem väterlichen Einfluss entzieht : Ich zähle zwar die Minuten , wo wir uns ungestört sehen können , zu den glücklichsten meines Lebens , aber einer Lüge möcht ich sie doch nicht danken ; wir müssen ja miteinander wahr und aufrichtig sein , wir wollen uns ja heiraten , unsere Liebe ist kein Versteckspiel. ( I / 1 )

Der Bürgermeisters repräsentiert nicht nur die Habgier , auch die mehrfache Unehrlichkeit findet sich in seiner Person versammelt. Er konspiriert mit dem Spion Frontin , beliefert die Franzosen mit Lebensmitteln und Munition und hintreibt dadurch den für die Österreicher siegreichen Ausgang der Belagerung. Entsprechend der im 18. Jahrhundert entwickelten neuen Ethik und Moralvorstellung des Bürgertums werden Ehrlichkeit und Bescheidenheit exemplarisch vorgeführt. Die aus der Ordnung gefallene Haltung des Bürgermeisters wird durch seine Einsicht in Form einer Umwandlung von Fremd- in Selbstzwang korrigiert.

Der Soldatenstand Dramen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts , die auch die Theaterkasse füllten , scheinen in der Zusammenschau einer Regel zu folgen : „von größter Wirksamkeit war es z. B. den edlen und guten Helden des Stückes in eine österreichische Freiwilligenuniform zu stecken , den Bösen hingegen

196 Megerle ( 1849 ), I /  5.

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mit französischem oder italienischem Akzent sprechen zu lassen.“197 Der Soldatenstand bot zu dieser Zeit gesellschaftliche Anerkennung und reale Aufstiegschancen : Eugen. Ich höre ja daß er Soldat werden will , da wird er dann schon etwas sein , und hält er sich brav , so kann er schon zu etwas bringen in der Welt. Käthchen. Nicht wahr bis zum Wachtmeister , Euer Durchlaucht ? Eugen ( lachend ). Jawohl und noch höher hinauf. Es kommt auf die Fortune und auf seine Courage an. ( I /  6 )

Hermann wird ohne Ansehen seiner Person im Soldatenstand als „Kamerad bleibt Kamerad“ aufgenommen und mit der Gemeinschaftlichkeit und Soldatenromantik vertraut gemacht : Lied des Pitsch 1. K  rieg dem Durst und Krieg dem Kummer / Auf ins Hindernis mit dem Wein Krieg der Nacht und Krieg dem Schlummer /  Er schenkt mir Muth und Feuer ein 2. Wohlig sitzen wir im Weinhaus /  Dieser Krieg ist wie ein Traum Und die Welt das alte Weinhaus /  Hat Respekt und rührt sich kaum 3. P  rinz Eugenius hat geschlagen /  Unsere Feinde kreuz und quer Und nun stehen wir und fragen /  Gibt’s denn keine Feinde mehr. 4. U  nd das Ende von dem Liede /  Ei was machen wir uns draus Alles Strebens Frucht ist Friede /  Wir , wir gehen im Sturm nach Haus ! Chor der Soldaten. ( Refrain ) Das Schwert in der rechten /  Die Flasche in der linken So wollen wir fechten /  So wollen wir sinken ( I /  9 )

Hermann verlässt sein Käthchen , um als Soldat sein Glück zu machen ; ihr Talisman soll ihn „hieb- und schussfest machen“. Wie auch schon bei Hensler fünfzig Jahre zuvor – wird mit einer auch nur als Möglichkeit angedeuteten Invalidität ein Wirklichkeitshorizont aufgemacht , der als Begleiterscheinung der Kriege Tagesrealität war : 197 Müll ( 1949 ) II , S. 110.

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Der Soldatenstand – Wenn ich als Korporal zurückkomme , wenn mir ein Arm oder ein Bein fehlt – Wenn mir dein Herz ganz geblieben ist , mich wirst du immer unverändert finden. ( sie entreißt sich seinem Arme und eilt ins Haus )

Wenig galt den Soldaten das Leben , alles war Ehre und Ansehen , auch und vor allem nach dem Tod. An die Gefahr denken hieß ein schlechter Soldat zu sein. Hermann. Der Soldat fragt nicht nach der Gefahr wenn er seine Schuldigkeit tut [ … ]. Käthchen. Gibt’s denn so schlechte Soldaten die daran denken ? Hermann. Es kommt zum Glück selten vor , aber es trifft sich doch zuweilen. Sieh Käthchen , es ist nicht jeder zum Soldat geboren und das Kanonenfieber ist eine gar böse Krankheit. Käthchen. Du hast doch noch nicht daran gelitten ? Hermann. Als ich sie das erste Mal kommen hörte , da wurde mir förmlich etwas kurios , ich dachte an dich und an den Denkpfennig den ich mir verdienen wollte , sah auf die Fahnen , die uns den Weg zeigten , sprach ein Stoßgebet , und fort ging’s mitten ins Feuer hinein. Käthchen. Und Gott hat dich beschützt und hat dich keine Kugel getroffen. ( II /  6 )

Erschossen zu werden , galt in jedem Fall als ehrenvoll : Von Feindeshand wäre die Kugel freilich besser , aber kommt sie wo immer her , sie geht durchs Herz und hat man sich dort keinen Vorwurf zu machen , so stirbt man ehrlich. ( III /  2 )

Hermann gibt sich unerschrocken und ist für das Ansehen seines Käthchens gleichermaßen bereit , sein Leben zu opfern wie für sein Land. Wichtiger als das Leben galt die Unversehrtheit der Ehre. Dem männlich dominierten Streben nach jenseitigem Gedächtnis hält Megerle einen weiblich dominierten diesseitigen Tugendkanon als Realitätsspiegel gegenüber : Käthchen. Hermann wollte nicht reden um den Vater nicht ins Unglück zu bringen , auch mir hat er verboten bei Euer Durchlaucht für ihn zu bitten und

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V. Geteiltes Gedächtnis erst nach seinem Tode sollt ich die Wahrheit entdecken damit seine Ehre gerechtfertigt werde , aber ich dachte mir was nützt die Ehre nach dem Tode. Eugen. Ehre nach dem Tode , mein Kind ist mehr wert als Ehre im Leben , die oft unverdient erteilt wird , während die Nachwelt ein gerechterer Richter , das wahre Verdienst erkennt und nur das wahrhaft groß nennt , das es in der Wirklichkeit gewesen. Käthchen. Eure Durchlaucht werden einer von denen sein , man wird euch groß nennen in alle Ewigkeit. Aber seid auch gütig , schenkt dem armen Hermann das Leben , es ist gewiß kein Soldat der es treuer meint als er. ( IV /  6 )

Arena in Hernals Das seit Wochen angekündigte Drama sollte die Sommersaison der Arena in Hernals publikumswirksam einleiten. „Dieses Schauspiel erwarten wir seit länger als einem Monate , es wurde wie eine Errungenschaft ausposaunt.“ Zahlreich hatte sich das Publikum in freier Natur eingefunden : „Der Schauplatz war in allen Räumen überfüllt.“ 198 Ein Garten mit Baumgruppen bildete die Bühne , die ein teilbarer Vorhang aus rotem Tapetensamt verhüllen konnte. Der Zuschauerraum bestand aus zehn Logen , einem großen Parterre und zwei Galerien. Holzwände waren durch einen Überzug aus blumig bedruckter Wachsleinwand belebt und „ein Leinwanddach schützte gegen Sonnenstrahlen“.199 So präsentierte sich im Sommer 1850 inmitten von Gärten die Arena in der Bergsteiggasse in Hernals , für die einige entlassene Schauspieler des Josefstädter Theaters 1848 , später der Theaterdirektor selbst , Konzession und Baubewilligung erhalten hatten. Sechs Sommer lang , bis zu ihrer Versteigerung zu Ende des Sommers 1854 und ihrem Abbruch im darauffolgenden Jahr pilgerten die Wiener in die Bergsteiggasse zum sommerlichen Schauspielvergnügen unter freiem Himmel. Die hohen Erwartungen , die das Publikum mit dem Titel Prinz Eugen der edle Ritter verbunden hatte , wurden allerdings nur zum Teil erfüllt , zudem spielte auch das Wetter nicht mit : 198 Wiener Allgemeine Theaterzeitung 161 , 9. Juli 1850 , S. 642. Bauer /  Kopatschek ( 1988 ), S.  263. 199 Hernals ( 1924 ), S. 184.

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Arena in Hernals Bei der Darstellung dieser Novität waren alle vier Elemente in Thätigkeit versetzt. Das Stück wurde nämlich auf bloßer Erde , unter freier Luft , bei sanftem Regen und brillantem Schlußfeuer zu Aufführung gebracht. [ … ] Das Publikum bestand die Wasserprobe mit aller Geduld , wahrscheinlich aus Vorliebe für das Gebotene [ … ] Die Darstellung genügte im Ganzen den Anforderungen in einer Arena. Das liebende Paar , Herr Kroßek und Frau Schwarz , erhielt die meiste Aufmerksamkeit. Nach diesen die etwas drolligen Gestalten des Corporals Pitsch ( Herr Saag ) und des Bürgermeisters ( Herr Posinger ), Herr Klemann war als Eugen ohne Portraitähnlichkeit , vielmehr ein Spiegelbild des Sohns der Wildnis. Der Regen in der Naturdecoration trug zur Erhöhung der Illusion bei , zerstörte dieselbe aber wieder , wenn er in die Zimmer niederrieselte , die sich überhaupt in einer Arena wie Ruinen eines abgebrannten Hauses ausnehmen.200

Inhaltlich verglich der Rezensent das Stück „welches [ als ] eine andere Art ‚Waltron‘ mit Märchen- , Lager- und Schlachtszenen , aber auch mit Ensembletänzen und Gesangspiecen ausgestattet ist“, mit jenem zwanzig Jahre lang die Bühnen Europas beherrschenden Sensationserfolg Heinrich Ferdinand Möllers ( 1745–1798 ) Graf Waltron oder die Subordination ( 1776 ). Graf Waltron hatte größten Einfluss auf die Bühnenpraxis der Zeit , sodass in der Folge zu jener Zeit manche Schauspiele fast nur „aus Gewehr präsentieren , Salutieren , Trommelschlag , Reveille und Schießen bestanden. Einen andern Menschen als Soldaten wurde man gar nicht gewahr“. 201 Er räumte jedoch ein , dass obzwar Megerles Stück über militärisches Personal verfügte , sie die Personen jedoch zu einer über das Militärspiel hinausgehenden Erzählung verdichtete : „Die Grundidee bildet ein Liebespa[ a ]r , das dem Prinzen Eugen durch Entdeckung eines Spions einen wichtigen Dienst leistet und somit den Weg in Hymens Reich findet. Der Liebhaber wird Soldat und soll eines Subordinationsvergehens halber den Tod durch Pulver und Blei erleiden. Frau Megerle bekundet Talent , obwohl sich das Ganze hinsichtlich der Erfindung und Ausführung als kein Meisterwerk preisen läßt.“202 200 Wiener Allgemeine Theaterzeitung 161 , 9. Juli 1850 , S. 642. 201 Ludwig Tieck , Die verkehrte Welt , 2. Akt 4. Szene http://www.zeno.org/Literatur/M/ Tieck,+Ludwig/Dramen/Die+verkehrte+Welt ( 4. April 2013 ) 202 Wiener Allgemeine Theaterzeitung 161 , 9. Juli 1850 , S. 642.

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V. Geteiltes Gedächtnis

Noch einmal , fast zehn Jahre später , treffen wir in einem Volksstück von Therese Megerle auf Prinz Eugen , und es scheint , als habe sie manche Anregungen des Rezensenten bei der Abfassung bedacht. In Der Waldmichel nach Theodor Scheibes Roman „Der Klosterknecht“ weist weder der Titel noch das Personenregister auf Prinz Eugen. Megerle lässt ihren Helden , den Waldknecht Michel – abweichend von der Vorlage , um die Sympathie des Publikums für ihn zu verstärken – durch Heldentaten im Heere des Prinzen Eugen zu Rang und Namen kommen.203 Anerkennung wurde ihr dafür nicht zuteil , abgehoben urteilte der Kritiker :

Abb. 14 Der Zuschauerraum des Theaters in der Josefstadt , Wien ( ca. 1850 ). Dieser Titel schon überhebt uns der Mühe , über das Stück viele Worte zu machen. Es ist nicht schlechter und nicht besser als die früheren der genannten Verfasserin und die Gallerien schienen sich an den ernsten und heiteren Szenen recht zu erbauen. Fr. Hoffmann-Baumeister spielte ganz tüchtig und die übrigen Mitwirkenden entledigten sich ihrer Aufgabe in gewohnter Weise.204

203 Megerle ( 1861 ). 204 Recensionen und Mittheilungen über Theater und Musik 4 , 27. Jänner 1861 , S. 58.

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Arena in Hernals

Abb. 15 Therese Megerle , Der Waldmichel. Besetzungszettel der Premiere im Theater in der Josefstadt am 19. Jänner 1861 in der Zeitschrift Zwischen-Akt.

Die Josefstadt lag zur Mitte des 19. Jahrhunderts zwischen Linienwall und Stadtmauer „eingeschlossen“ und war verkehrstechnisch kaum aufgeschlossen. Während in den übrigen Vorstädten der Personentransport per Pferdebahn geregelt war , stand den Josefstädtern der Stellwagen als einziges Transportmittel zur Verfügung. Das Publikum des Josefstädter Theaters kam somit zu einem großen Teil aus der engeren Umgebung des Theaters. Auf dieser „durch Lage und Räumlichkeiten wenig begünstigte[ n ] 123

V. Geteiltes Gedächtnis

Bühne“205 erfreute sich Der Waldmichel nach und nach regeren Publikumsinteresses ; nach der Premiere am 19. Jänner 1861 fanden noch 16 Wiederholungen statt. Schon bei der Premiere waren die zweite und letzte Gallerie mit zahlreichen Zuschauern [ besetzt ] während die Logen und schmalen Sperrsitze des Parterres von der in diesem Jahre leider ungewohnten Last der Besucher auch an diesem Abende verschont blieben. Der Beifall , der dem Stücke sowohl , als auch der Darstellung gestern zu Theil wurde , ward von der dankbaren Menge in umfangreichstem Maße gespendet.206

In Übereinstimmung mit den Publikumsreaktionen lobte ein Kritiker „die wirksame Handlung“, die er sogar als „kurzweilig“ empfand , auch dank der Darsteller „die alle ganz an ihrem Platze waren“. Die „teilweise neue Musik“ von Anton M. Storch ( 1813–1887 ) und die „geschmackvollen Saaldekorationen“ des Hoftheatermalers Moritz Lehmann ( 1819–1877 ) fanden ebenso „rühmende“ Erwähnung.207

Der Waldmichel Leonore , die schöne Tochter des Grafen Rothenstein , gab dem Waldknecht Michel , der ihre Schönheit anbetungsgleich bewundert , aus purem Übermut das Versprechen , ihn zu heiraten , wenn er es zustande brächte , ein vornehmer Herr zu werden. Und so beschließt Michel , auf ihr Wort vertrauend , Soldat zu werden und in der Armee seine Karriere zu machen. Die seit 1683 vor Österreichs Grenzen omnipräsenten Türkenkriege boten für Freiwillige die patriotische Basis für Ansehen und Ehre. Seit 1697 hatte Prinz Eugen den Oberbefehl. In Ungarn gibt’s Krieg mit den Türken , da lass’ ich mich anwerben und werd Soldat. Ich werde mich schon brav halten und d’rein schlagen , was Zeug halt. Es wird doch kein’ Kugel so dumm sein und mich treffen , bevor ich’s zum

205 Recensionen und Mittheilungen über Theater und Musik 41 , 13. Oktober 1861 , Kritische Rundschau. 206 Zwischen-Akt 21 , 21. Jänner 1861 , S. 3. 207 Zwischen-Akt 21 , 21. Jänner 1861 , S. 3.

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Der Waldmichel Generalen bracht’ hab , denn das muß ich wenigstens sein , wenn ich meine Braut abholen komm. [ … ] Sie hat mir ja ihr Wort gegeben , und je vornehmer der Mensch ist , desto fester muß er halten , was er verspricht. ( 11 )

Seit der römischen Kaiserzeit bot das Militär eine effiziente Basis sozialer Aufstiegsszenarios. Über den sozialen Aufstieg als Rangerhöhung hinaus projiziert Megerle – abweichend von der Romanvorlage – auf ihren Helden die Ideale der bürgerlichen Aufklärung , die mit dem sozialen Aufstieg nicht nur ein materielles , sondern auch ein ideelles Glücksversprechen gab. Der Waldknecht Michel , der in der österreichischen Armee unter dem Generalissimus Prinz Eugen zum Leutnant aufsteigt , ist ein Vertreter jener , die sich mit dem militärischen Rang auch Bildung im weitesten Sinne , als Bildung zum Menschen idealiter aneignen. Darüber hinaus ist Michel Waldau auch ein Repräsentant jenes von Jean-Jacques Rousseau in Emile ou de l’éducation 1762 entwickelten Grundgedankens , dass der Mensch von Natur aus gut ist , aber die Kultur , die negativen Begleiterscheinungen der Stadt ihn nur verderben können. Rousseaus Forderung Zurück zur Natur ! als Erziehungsreform , die den natürlichen Zustand des Menschen bewahrt , exemplifiziert Megerle in der Figur ihres Helden , der seine Kindheit und Jugend im Wald verbrachte. Er ist ungeschliffen , aber klug und schlagfertig , sowie treu in seinen Reden und Handlungen. Langenfeld : Pack dich fort , deine Gegenwart ist mir zuwider. Michel : Du brauchst nur selbst fortzugehen , so wirst mich gleich los sein. Langenfeld : Ungeschliffener Tropf , ich glaube , du unterstehst dich , mich zu duzen ? Michel : Wie man in’ Wald eini schreit , hallt’s z’ruck ! Du sagst ja a nit gnädiger Herr zu mir. ( 3 )

Leonores Scherz , ihn als Bräutigam anzunehmen , wenn er „mit vier Pferden auf unser Schloß gefahren kommt“, nimmt Michel als Aufforderung , sein Leben in die Hand zu nehmen :  … der Mensch kann viel , wenn er nur einen festen Willen hat , und ich bin net so dumm als ich auschau. Ich hab im Wald ganz allein aus ein’ alten Betbüchel

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V. Geteiltes Gedächtnis lesen gelernt , ich hab zwei starke Händ’ und ein paar offene Augen , das Herz sitzt mir auf ’n rechten Fleck und im Kopf wird a was eini geh’n , wann i nur erst in der Welt draußen bin. ( 7 )

Durch seine Tätigkeit als Soldat , in der Armee im Umfeld des Prinzen Eugen , will er seine unverstellte Herzensbildung mit Verstandesbildung ergänzen. Sechs Jahre später ist aus Michel der elegante und gewandte Leutnant Waldau geworden. Die Kenntnis der Welt weist ihn allerdings in seine Standesschranken. Waldau trifft Leonore auf dem Ball des Kurfürsten August von Sachsen , dem er Briefe Prinz Eugens zu überbringen hatte , wieder und entlässt sie aus dem einstigen Versprechen. Das Bild des schönen Mädchens schwebte wie ein Stern vor mir und zeigte mir den Weg zu Eugens Siegeslager. Das Mitleid der Soldaten nahm mich auf , ich wurde Troßbube. [ … ] Ein glückliches Ungefähr ließ mich den Feldherren aus einer Lebensgefahr retten. Er wurde mir geneigt und was anfangs ein Traum meiner kindlichen Fantasie war , wurde nach und nach zur Wirklichkeit. Ich habe die erste Stufe zu Rang und Ansehen erstiegen , ich bin Leutnant in Eugens Leibregiment. [ … ] Ein Theil der Bedingung ist also erfüllt. Aber denke ich denn noch daran ?  – Ich habe längst aufgehört nach einem Besitz zu ringen , der , je mehr sich mein Verstand erweitert , in immer größere Ferne rückt ; ( 15 )

Leonore – Gattentreue In der dem Theaterstück zugrunde liegenden Romanvorlage , die Megerle für ihr Drama adaptierte , hieß die weibliche Protagonistin Maria Theresia. Megerle änderte den Namen in Leonore und knüpfte damit an eine nominale Tradition an. Seit sich Joseph von Sonnenfels in seiner Wochenschrift Theresie und Eleonore ( 1766 ) an alle „tugendhaften Frauenspersonen“ gewandt hatte , stand der Name repräsentativ für die Idee der wahren Liebe und Treue ; in diesem Wirkungsbewusstsein hatte ihn auch Beethoven als Titel für die erste Fassung ( 1806 ) seiner Oper Fidelio verwendet , die zum „wegweisenden ‚exemplum‘ triumphierender eheli-

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Leonore – Gattentreue

cher Liebe mutierte“.208 Die Leonore des Megerle’schen Dramas hält ihr Versprechen , während die Heldin der Romanvorlage längst verheiratet ist , als es zum Wiedersehen des zu Ansehen gekommenen Waldmichel mit seiner Angebeten kommt. Megerle verstärkt das Vertrauen ihres Protagonisten Michel ebenso wie das Vertrauen des Publikums in die anfangs unwahrscheinlich scheinende Erfüllung des Versprechens durch die Namensänderung der weiblichen Protagonistin. Leonore ist zwar stolz und abweisend Waldau gegenüber ; allerdings auch eifersüchtig , denn sie betrachtet ihn als ihre Schöpfung : Leonore : Er ist mein Geschöpf , ich habe ihn zu dem gemacht was er ist , ich bin seine Gottheit und dulde keine anderen Götzen neben mir. [ … ] Warum besucht der Hauptmann Waldau das Haus der Juden und in welchem Verhältnis steht er zu Dir ? Judith : Er kommt zu uns , weil Ihr , seine Glaubensgenossen , ihm Eure Häuser verschließt. Weil Euch der Emporkömmling , der durch seine eigene Kraft etwas geworden , geringer dünkt , als Derjenige , den bloß der Zufall zum Sohne seines Vaters gemacht hat , gesellt sich der Verstoßene zu den Verstoßenen , um mit ihnen zu klagen. ( 34–35 )

Erst das ihr zurückgegebene Versprechen , macht eine Annäherung möglich : Waldau : Gräfin , ich habe Sie um Verzeihung zu bitten wegen eines lächerlichen Auftrittes , den ich vor sechs Jahren durch meine Unwissenheit herbeiführte. Sie erschienen mir damals als eine Heilige , die mir den Himmel offenbarte und ich dankte Ihnen dafür , indem ich Sie in meine Sphäre herabziehen wollte. Verzeihen Sie dies dem ungebildeten , rohen Sohne der Natur. Jetzt , wo ich die Schranken , die den Niedriggeborenen von dem Grafenkinde trennen , kennen gelernt , gebe ich Ihnen das mir damals im Scherze gegebene Wort zurück , denn es könnte eine Zeit kommen , wo ich in Versuchung geführt würde , Sie daran zu mahnen. Leonore : Sie geben Ihre Ansprüche auf. Sie wollen aufhören , nach einem Gute zu ringen , das Ihnen bisher den Weg zu Glück und Ehre gezeigt hat ? 208 In der Fidelio benannten Fassung von 1814 wurde die Protagonistin „zur Repräsentantin einer Idee“. – Vgl. Telesko ( 2005 ), S. 9.

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V. Geteiltes Gedächtnis Waldau : Ich werde nie aufhören mich Ihrer Achtung würdiger zu machen , aber ich verzichte auf einen Preis , den man mir nur mit Widerwillen gereicht hätte. ( 36 )

Die am Ende des Stücks glückliche Eheschließung zwischen Eleonore und Waldau entspricht der seit der Aufklärung vorherrschenden Tendenz der „Familiarisierung der Welt“209 und verspricht die soziale Schranken überwindende Utopie , dass der Charakter eines Menschen sein Schicksal entscheidet.

Antisemitismus Ein anderer wesentlicher Topos in Megerles Drama stellt die Rechtlosigkeit der Juden im Wien der Zeit dar. In ihren Bürgerrechten waren sie bis ins 18. Jahrhundert im Vergleich zur nichtjüdischen Bevölkerung schlechter gestellt. Es gab ein Ausgehverbot nach Einbruch der Dunkelheit , das ihnen untersagte , zu „so später Zeit noch in der Stadt“ unterwegs zu sein ; die dem Edelmann auferlegte Pflicht des Schutzes von Frauen fand im Falle der Jüdin „keine Anwendung“; im Gegenteil machten Nötigung und Androhung von Kerker die Rechtlosigkeit offenbar. Seit dem Toleranzpatent Joseph II. ( 1782 ) erhielten die Juden Wiens und Niederösterreichs zwar weitgehende Gewerbefreiheit und Zugang zu den Schulen und Hochschulen ; Einwanderung ebenso wie der Erwerb von Haus- und Grundbesitz blieb ihnen allerdings verboten. Erst 1867 wurde im Zuge des österreichisch-ungarischen Ausgleichs die Judenemanzipation vollendet und ihnen ungehinderter Aufenthalt , Grunderwerb und freie Religionsausübung gestattet. Die Unterhaltung zwischen der schönen Jüdin Judith und ihrem Vater , dem Geldverleiher Aron , bedient alle gängigen Vorurteile und zeigt gleichzeitig wie , in Abwandlung der postkolonialen Theorie Edward Saids ( 1935–2003 ), Vorurteile wechselseitig wirken und das vorverurteilte Verhalten generieren. Auch die Sprache des Juden folgt diesem Muster. Fremden gegenüber stülpt er sich seine sprachliche Maske über und verstärkt seinen Akzent : 209 Borchmeyer ( 2005 ), S. 14.

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Antisemitismus Aron zu Judith : Meine kriechende Demuth ist die Leimruthe , auf welcher die Thörichten bleiben kleben , bis ich komme um ihnen das Genick einzudrücken. Geld regiert die Welt , denn wenn auch der Jude jetzt tief unten an der Tafel des Lebens , hängen doch von ihm ab die Großen und Mächtigen , weil er hat das Geld und sie den leeren Beutel. ( 16 ) Aron zu Hanns : Ich bin der Aron Leeb aus der Leopoldstadt , wenn Sie sollten brauchen Geld ; ich will’s ihnen geben ohne Prozent. ( 19 )

Auch Waldaus Diener Hanns kennt für Judith und ihren Vater gemäß den gängigen Vorurteilen nur Verachtung. Waldau jedoch hilft den Juden , als sie vom portugiesischen Gesandten und dem kaiserlichen Kammerherren überfallen werden und behandelt sie – zu ihrem großen Erstaunen – mit Respekt und Menschlichkeit. Der Rechtlosigkeit gegenüber dem Gesetz setzt Waldau das Menschenrecht entgegen ; seinen getreu dem gesellschaftlichen Konsens handelnden Diener Hanns schilt er aus : – Judith : Wir sind Juden und deshalb jeder Verfolgung ausgesetzt. ( 17 ) – Waldau : Ihr seid Menschen und deshalb meine Brüder. ( 19 ) – Waldau : Dummkopf ! Es wird eine Zeit kommen , wo auch dieses Vorurteil , wie so viele andere fallen wird , wo alle Untertanen eines Staates , sei es Christ oder Jude , Edelmann oder Bürger , nur ein Volk ausmachen , und dann erst werden wir groß und mächtig sein. ( 20 )

Megerles oben zitierte Sätze , 1861 von der Bühne des Josefstädter Theaters herab verkündet , haben wohl mitgeholfen , den Boden zu bereiten für eine Akzeptanz der Judenemanzipation 1867. Megerle betonte auch die Verbundenheit vieler Juden zu „ihrem Vaterland“, die die Möglichkeit , sich durch Verrat zu bereichern , entschieden ablehnen : Aron : Wenn ich auch bin a Jüd , und sie uns oft treten mit den Füßen , bin ich doch schuldig treu zu sein dem Land , wo ich bin geboren , und ich werde meine Hand niemals hergeben , um es zu verderben. ( 33 )

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V. Geteiltes Gedächtnis

Megerle greift da ein Narrativ auf , das auch bei Joseph Samuel Bloch ( 1850– 1928 ) in Der nationale Zwist und die Juden in Österreich ( 1886 ) und bis zum Ende der österreichisch-ungarischen Monarchie weiterverfolgt werden kann. Franz Theodor Csokors ( 1885–1969 ) greift es nochmals in seinem berühmten Drama Dritter November 1918 ( 1936 ) auf , in dem er den Zusammenbruch des Habsburgerreiches durch den Zerfall in Nationalstaaten zu Ende des Ersten Weltkrieges schildert : Als letzte Ehrenbezeugung versammeln sich sechs Offiziere der österreichischen Armee um ihren Oberst am offenen Grab zu verabschieden , bevor sie in ihre Heimat ( nach Laibach und Arad , Krakau , Prag , Trient und Wien ) zurückkehren. Als einziger wirft der jüdische Regimentsarzt Dr. Grün „Erde aus Österreich“ ins Grab.

Franzosenfeindlichkeit Während das Publikum durchaus Sympathie für die in Megerles Drama vorgestellten Juden empfinden konnte , wird die französische Diplomatie durch ihr Interesse an Österreichs Niederlage im Türkenkrieg durchwegs negativ gezeichnet. Drahtzieher einer anti-österreichischen Konspiration ist der portugiesische Gesandte Marquis d’Arouches , der unter dem Decknamen eines Chevalier d’Emeronde als französischer Spion von König Ludwig XIV. akkreditiert und mit der Vollmacht ausgestattet wurde , „alle Diejenigen , welche Frankreichs Interessen unterstützen , der Gnade des großen Königs zu versichern und ihre Dienste freigebig zu belohnen“. Zu seinem Glück gibt es genug „ruinierte Leute“, die zum Verrat „hilfreich die Hand bieten“. Einen Verbündeten findet er in Baron Langfeld , der als „armer Teufel , dennoch wie ein Chevalier leben“ will und eingesteht : „wenn ich Vermögen besäße , würde es mir nicht einfallen , mein Vaterland um schnöden Lohn zu verkaufen.“210 Langfeld soll ihm als Kammerherr vom Dienst „eine genaue Abschrift aller Briefe , die aus dem Kabinet des Kaisers in das Hauptquartier des Prinzen Eugen gehen“ besorgen.211 Denn Das Interesse Frankreichs fordert , daß Prinz Eugen nicht als Sieger aus diesem Krieg hervorgeht ; dies kann nur bewerkstelligt werden , wenn es uns gelingt , 210 Megerle ( 1861 ), S. 14. 211 Megerle ( 1861 ), S. 17.

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Franzosenfeindlichkeit alle Schlachtpläne des Prinzen , die er an den Hofkriegsrat einschicken muß , sogleich ins türkische Lager zu liefern …. Wenn Prinz Eugen die Schlacht verloren hat , muß Waldau ( dieser elende Emporkömmling ) für den Verräther gelten …. unser Wahlspruch sei : Vor keinem Mittel zurückschrecken , wenn es auf Frankreichs Vortheil und Vergrößerung ankommt. ( 27–29 )

Die bis in die Sprachverwendung ausgetragenen Feindlichkeiten prallen in den auf der Bühne vorgeführten Figuren aufeinander. Das seit dem 17. Jahrhundert mit Frankozismen durchsetzte Wiener Deutsch wird dabei instrumentiert und germanisiert : Aus dem Fourierschützen wird der Kalfakter , „der Chevalier von der Bürsten und der Ausklopfstaberl“, wie es der Diplomat Longueval umschreibt. Den Franzosen und ihrem fremden Lebensstil wird selbstbewusst entgegengetreten : Hanns : Der Herr ist ein Franzos , ich trau ihm nicht. Longueval : Pourquoi ? Warum ? Hanns : Weil’s mir vorkommen wie die Katzen ; mit der einen Pratzen schmei­ cheln’s , mit der anderen kratzen’s. Longueval : Das sein ein ungerechter Vorurtheil , wir haben es immer gemeint aufrichtig mit der Deutschen , aber sie wollen uns nicht verstehen. Hanns : Und blöcken die Zähn’ und bellen , mit der Zeit werden’s zum beißen anfangen. Longueval : Oh wir sein klug und wissen sie zu behandeln ; dem Genäschigen werfen wir einen Brocken hin , damit er sich sattfrißt , und den bissigen legen wir an der Kette. ( 25 )

Auf die Bestellung von Champagner in der Weinstube kontert die Wirtin : „Ich führ kein so französisches G’fraßt und hab nur Österreicher in mein Keller.“ Während Waldau dem Antisemitismus offen entgegentritt , kann er die Spionagepläne nicht vereiteln , im Gegenteil : Der Kammerherr kann Pläne Prinz Eugens entwenden und überdies den Verdacht auf Waldau lenken , der verhaftet und zum Tode verurteilt wird. Von seiner Unschuld überzeugt , verabreden Judith und Gräfin Leonore einen gemeinsamen Plan , die wahren Verräter zu überführen. Leonore bittet um Aufschub des Todesurteils , Prinz Eugen bürgt für seinen Hauptmann. Judith kann nach 131

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dem Vorbild ihrer biblischen Namensgeberin , die Holofernes überführte , den wahren Verräter , den Kammerherrn des Kaisers , Baron von Langfeld , als Spion Ludwig XIV. entlarven. Die zahlreichen politischen Anspielungen wurden vom Publikum dankbar angenommen und „sämmlich auf Unkosten der Franzosen beklatscht“.212 Obwohl Prinz Eugen nie auf der Bühne erscheint , ist er durch den Protagonisten Waldau und seine Handlungen präsent. In Prinz Eugens Regiment wurde der ungeschliffene Waldbub Michel aufgenommen und konnte zum Leutnant und Hauptmann von Waldau aufsteigen. Mit dichterischer Freiheit führt Megerle den Kurfürsten August von Sachsen , in dessen Haus es zum ersten Wiedersehen zwischen Leonore und Waldau kommt , als Oberbefehlshaber der österreichischen Armee während der Türkenkriege ein. Der historische Kurfürst von Sachsen ( 1670–1733 ), der lange Jahre den Oberbefehl im Türkenkrieg führte , war seit 1697 , nach dem Tode König Sobieskis , als August II. König von Polen. Als sein Nachfolger war Prinz Eugen von Rüdiger Graf Starhemberg , dem Verteidiger Wiens während der Zweiten Wiener Türkenbelagerung und damaligen Präsident des Hofkriegsrates , zum Oberbefehlshaber vorgeschlagen worden. Mit dem Kunstgriff , August von Sachsen weiterhin als Prinz Eugens Vorgesetzten vorzuführen , erreichte Megerle Mehrfaches : sie unterband , dass Prinz Eugen leibhaftig auf der Bühne erschien und von ihrem strahlenden Helden Waldau ablenkte. Er war nur durch die Namensnennung gleichsam mit allen Konnotationen performativ anwesend. Waldaus Persönlichkeit wurde durch die Regimentszugehörigkeit zu Prinz Eugen verstärkt. Alle Handlungen Waldaus erscheinen als die eines verlängerten Armes von Prinz Eugen. Und als Waldau als Spion verdächtigt und zum Tode verurteilt wird , ist es ebenfalls Prinz Eugen , der durch seine schützende Hand , indem er für ihn bürgt , einen Aufschub der Vollstreckung des Urteils bis zum Erweis seiner Unschuld erwirkt. Waldaus Charakter , sein Eintreten für die Menschenrechte , decken sich mit Prinz Eugens Interessen und Beziehungen zur Früh-Aufklärung. Waldau , der sich aus eigener Kraft hochgearbeitet hat , wird von der vornehmen Gesellschaft als Emporkömmling verstoßen ; sein Schicksal als Marginalisierter deckt sich mit Prinz Eugens eigener Marginalisierung am französischen Hof. 212 Zwischen-Akt 21 , 21. Jänner 1861 , S. 3.

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Darüber hinaus wird Prinz Eugen als der unumstrittene und siegreiche Feldherr gezeichnet , der nur durch Verrat daran gehindert werden kann , als Sieger aus dem Türkenkrieg hervorzugehen. Nicht einmal die zögerliche Rücksichtnahme des Hofkriegsrates , der die Schlachtpläne abzusegnen hatte , könne ihn hindern , er wisse den Augenblick und die Gelegenheit für unerwartete und überraschende Kriegsführung siegreich zu nutzen. Die österreichische Armee kannte für hervorragende Verdienste im Kriege seit 1757 den Maria-Theresien-Orden , der bis zum Ende der Habsburgermonarchie vom jeweils regierenden Monarchen verliehen wurde , zur Anerkennung „für aus eigener Initiative unternommene , erfolgreiche und einen Feldzug wesentlich beeinflussende Waffentaten , die ein Offizier von Ehre hätte ohne Tadel auch unterlassen können“.213 Der Orden wurde auch bei erfolgreicher Befehlsverweigerung verliehen. Hätte es den Orden bereits zu Lebzeiten Prinz Eugens gegeben , wäre er ein erster Träger gewesen , suggeriert der Dramentext. Waldau : Wie ich seine Hoheit den Prinzen kenne , ist er nicht der Mann , der sich eine Gelegenheit entschlüpfen läßt. Er wird die Türken schlagen , wenn er auch vom Hofkriegsrat nicht dazu ermächtigt ist. Kurfürst : Und verfällt damit dem Kriegsgericht , verliert , wenn die Sache schlimm abläuft , den Kopf , und gibt seinen Namen der Brandmarkung preis ! Das ist’s , was mir den Kommandostab verleidet hat ; dieses Federfuchsen , das jedem aufstrebenden Genie die Flügel bindet und die Nase in alles steckt , wenn es auch den Teufel davon versteht ; diese alten von Podogra [ Gicht ] geplagten Räthe haben keine Idee von den Funken , der sich plötzlich im Gehirn eines genialen Feldherren entzündet ; sie referieren und relationieren , und deshalb gehen die meisten Schlachten verloren und eine Provinz nach der anderen holt der Teufel. Waldau : Unsere Truppen haben eine sehr günstige Position eingenommen , während die Türken Moräste der Theiß im Rücken haben. Der Prinz braucht nur eine kühne Wendung zu machen , um einen vollkommenen Sieg zu erfechten. Kurfürst : Wenn nicht wieder dienstfertige Spione dem Feinde die ganze Stellung verrathen. Die Türken wären schon lange aus dem Lande geschlagen , wenn sie nicht hier am Hofe ihre wirksamsten Verbündeten hätten. ( 29–30 )

213 http://de.wikipedia.org/wiki/Milit%C3%A4r-Maria-Theresien-Orden ( 4.  April 2013 ).

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Andeutungsweise wird Prinz Eugen auch als der geistige Vater eines vereinten Europas vorgestellt. Die Österreichsektion der internationalen , überparteilichen und christlich-abendländischen Wertvorstellungen verpflichteten Paneuropa Union , ist – Ambivalenz der Geschichte ? – in der Prinz-Eugen-Straße untergebracht.214 [ Waldaus Diener ] Hanns : … Mein Geheimnis ist gar wichtig. Die Einigkeit von ganz Europa hängt davon ab. [ Die Wirtin ] Fr. Waserl : Die Einigkeit ! Das ist gar zu dumm ! Wenn ein Deutscher , ein Böhm , ein Ungar und ein Kroat in mein Wirtshaus zusamm’kommen , will ein jeder bei ein Extra-Tischel sitzen und die sollten sich doch von Rechtswegen vertragen. Hanns : Deswegen kann sich doch einer einbilden , daß alles nach seiner Pfeifen tanzen muß. Fr. Waserl : Du bist aber derjenige nicht ? Hanns : Na !

Mit Der Waldmichel bringt Megerle den Bildungsroman auf die Bühne. Ihr Held durchlebt von Akt zu Akt die Stufen einer von Normen freien individuellen Entwicklung zu einem höheren , positiven Ziel. Prinz Eugen bildet die positive Folie im Hintergrund. Daneben thematisiert die Autorin die durch Prinz Eugen erfolgreich geschlagenen Türkenkriege als für Österreich identitätsstiftenden Topos. Im Erinnerungsstreit zwischen nach Osten orientierten Türkenkriegen und nach Westen ausgerichteten Kriegen gegen die französischen Hegemonialbestrebungen findet Megerle einen beide Erinnerungstraditionen vereinenden Weg , indem sie die französische Diplomatie als Widerpart Österreichs auch während der Türkenkriege thematisiert. Megerle konnte damit die Mehrfachidentität ihres Publikums bedienen ;215 eine Mehrfachidentität , die sich den mehrfachen historischen Zugehörigkeiten schuldet – hie das Heilige Römische Reich mit der deutschen Geschichtstradition , da die zentraleuropäische Region mit der habsburgischen Herrschertradition. Weite Kreise der deutschsprachigen Bevölkerung des Habsburgerreiches verstanden sich gleicherma214 http://www.paneuropa.org/others.html ( 17. Juni 2013 ) 215 Zur Mehrfachidentität vergleiche : Csáky ( 2002 ), S. 25–49.

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ßen als Deutschsprachige dem deutschen Sprachraum ebenso wie als Österreicher den Ländern der Habsburgerkrone zugehörig und verbunden. Die Betonung der einen oder der anderen Erinnerungstradition war nie ausschließlich , sondern immer einschließlich zu sehen. Therese Megerles unzählige und heute vielfach verschollene Stücke wurden am Theater in der Josefstadt in über 700 Vorstellungen gezeigt. Auch ihr Sohn , Julius Megerle ( 1837–ca.1890 ), setzte die Familientradition fort und verfasste für das größere und ausstattungstechnisch elaboriertere Theater an der Wien elf Dramen , darunter zwei Volksstücke mit historischem Hintergrund , mit denen er ebenfalls die Mehrfachidentitäten des Publikums zu bedienen suchte. Allerdings sind die Verweise auf Prinz Eugen nur sehr indirekt. 1863 wurde im Theater an der Wien überaus erfolgreich Julius Megerles Der Spion von Aspern gezeigt ; zurückzuführen war der Erfolg unter anderem auch darauf , dass Megerle „einen Stoff aus der vaterländischen Geschichte , welcher an und für sich erhebend wirkt“216 für sein „Volksstück“ gewählt hatte ; die Schlacht von Aspern , mit der Erzherzog Karl Napoleon die erste entscheidende Niederlage zugefügt hatte , als „historischer Hintergrund [ gehört ] zu den populärsten Erinnerungen Österreichs“.217 Hensler hatte Erzherzog Karl bereits zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts in zwei Einaktern gehuldigt. Die Inszenierung im Theater an der Wien sparte nicht am Einsatz authentisierender Mittel bei Kostümen , Dekorationen und Statisten : „Die Ausstattung ist eine ebenso sorgfältige als splendide ; Uniformen , Kostüme und Ausrüstungsgegenstände sind aufs Genaueste mit historischer Treue nachgebildet. Die lebenden Bilder sind mit Geschmack arrangiert , und namentlich ist das nach Kraffts bekanntem Gemälde arrangierte Schlachtfeld sehenswert.“218 „Die Tableaux und die Pferde dürfen wir zu erwähnen 216 Constitutionelle Österreichische Zeitung Morgenblatt 273 , 18. Juni 1863. Wiener Tageschronik. 217 Recensionen und allgemeine Bemerkungen über Theater und Musik , 21. Juni 1863 , S. 397. – Der Spion von Aspern. Volksstück mit Gesang , Tableaux und Gefechten in 3 Akten und 12 Bildern von Julius Megerle. Musik von Adolf Müller. Erstaufführung am 17. 6. 1863 im Theater an der Wien ( bis 1864 , 32x ). Der Text ist nicht überliefert. 218 Constitutionelle Österreichische Zeitung Morgenblatt 273 , 18. Juni 1863. Wiener Tageschronik.

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nicht vergessen [ … ]. Das Publikum der oberen Ränge schien sehr befriedigt , wenigstens klatschte es reichen Beifall.“219 Die Authentisierung ging über den Vorgang auf der Bühne noch hinaus ; durch die Verteilung von Freikarten an „zwanzig Pensionäre des hiesigen k. k. Invalidenhauses , [ … ] welche die erste Balkonreihe einnahmen“ waren Zeitzeugen im Publikum anwesend. „Mit großer Aufmerksamkeit folgten die Grauköpfe der Handlung , die bei manchen von ihnen wohl theure Erinnerungen wachrief.“220

Abb. 16 Johann Peter Krafft , Erzherzog Karl mit seinem Stab in der Schlacht von Aspern 1809. Öl auf Leinwand 192 × 268 cm.

Die im Publikum anwesenden Invaliden kannten das erwähnte Gemälde von Krafft genau : Johann Peter Kraffts ( 1780–1856 ) monumentales Wandgemälde „Erzherzog Karl mit seinem Stab in der Schlacht von Aspern“ schmückte den Ehrensaal des Invalidenhauses seit der Fertigstellung 1819.221 Im darauffolgenden Jahr wiederholte der Künstler das Bild in einer kleineren Fassung für Fürst Johann I. Liechtenstein. Krafft zeigt in seinem 219 Recensionen und Mittheilungen über Theater und Musik 25 , 21. Juni 1863 , S. 397–398. 220 Constitutionelle Österreichische Zeitung Morgenblatt 273 , 18. Juni 1863. 221 Das Monumentalgemälde ( 418 × 683 cm ) befindet sich heute im Heeresgeschichtlichen Museum.

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Bild „die Korona der österreichischen Heerführung“ mit Erzherzog Karl an der Spitze , gefolgt von Fürst Liechtenstein. Die einzelnen Feldherrn sind detailreich geschildert und in ihren weißen Uniformen , mit sämtlichen Orden dekoriert dargestellt. Daneben verweist er als zweite Ebene der Darstellung auf das Elend der Schlacht , die Verletzten und Sterbenden. Im Hintergrund sind die brennende Kirche von Aspern und der Stephansdom zu sehen. Erzherzog Karl , den Karl Friedrich Hensler bereits 1796 als Eugen der Zweyte feierte , auf seinem Schimmel ist die zentrale Figur. Kraffts Realismus in der Darstellung wird von der Kunstgeschichtsschreibung als singulär und als großer Fortschritt in der Gattung der Schlachtenbilder gewertet. Auf Grund der zahlreichen Porträts gilt das Gemälde auch als wichtiges Zeitdokument und weist neben seiner kunstgeschichtlichen auch eine besondere geschichtliche Bedeutung auf. 1864 versuchte sich Julius Megerle abermals , jedoch weit weniger erfolgreich mit einem einen österreichischen Gedächtnisort zitierenden Volksstück : Die Belagerung von Wien anno 1683 wurde vom 14. bis 21. August 1864 zwar täglich aufgeführt , fiel jedoch bei den Rezensenten total durch , denn es erschien ihnen „nicht allein [ als ] ein Attentat auf die Geschichte , sondern [ … ] beleidigte auch den gesunden Menschenverstand aufs gröblichste“. Kritisiert wurden vor allem die „Verzettelungsmanie des Verfassers“ und sein Text , der ohne „Zusammenhang und logischen Halt [ … ] das in ein Dutzend Bilder zerrissene Stück Geschichte zusammenzukleistern sich bemüht“.222 Sie beurteilten Text und Zusammenstellung der Szenen als „Mißgeburt“. Die eingeführten Persönlichkeiten trugen zwar berühmte historische Namen , „standen aber mit denselben in gar keiner näheren Verbindung , sie bildeten bloß die Etikette einer leeren Weinflasche.“223 Kara Mustafa z. B. war lediglich „von seinem fliegenden Serail umflattert“. Ebenso wenig Gefallen erregte die Musik , „denn die ganze Partitur weist nichts als Csardse auf“. Auch „falsches , vom slawischen Dialekt unterwühltes Pathos , ewiges Jammern und Racheschnauben“ stieß auf Ablehnung. Lob spendeten die Kritiker einzig den zwölf „Tableaux , [ sie ] waren sehr geschmackvoll arrangiert und fanden so wie die lebenden Bilder und der vom Ballettcorps hübsch aufgeführte Tanz 222 Blätter für Theater , Musik und Kunst. X. Jg. , Nr. 66 , vom 17. August 1864 , S. 262–263. 223 Blätter für Theater , Musik und Kunst. X. Jg. , Nr. 66 , vom 17. August 1864 , S. 262–263.

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stürmischen Beifall. [ Auch ] Ausstattung und Kostüme ließen gar nichts zu wünschen übrig.“224 Entsprechend fielen die Publikumsreaktionen aus : die hohen Erwartungen wurden im Laufe des Geschehens mehr und mehr enttäuscht : „Das ob des Regentages über die Massen gefüllte Haus war jubelselig und rief anfangs den Verfasser und die Pferde , verstummte aber im Verlauf , bis es schließlich zu Zischen wieder den Mund öffnete.“225 Julius Megerle bediente mit diesen beiden historischen Volksstücken beide Erinnerungsebenen und Identitätskonstruktionen des österreichischen Publikums : habsburgisch und deutsch. Heeresgeschichtlich dienen Schlachten generell einer österreichisch-habsburgischen Identitätskonstruktion. Differenzierter funktionieren Schlachtenerinnerungen allerdings beim breiten Publikum. Die siegreiche Schlacht bei Aspern bedeutete Napoleons erste militärische Niederlage. Sie zerstörte den Ruf seiner Unbesiegbarkeit und wurde in Österreich – obwohl sie realpolitisch durch die wenig später für Österreich vernichtende Schlacht bei Wagram nur eine Episode im Verlauf der Napoleonischen Kriege war – bald zum Mythos und Erzherzog Karl von Politik und Militär zur Apotheose österreichisch-habsburgischen Heerführertums hochstilisiert. 1683 bezeichnet den erfolgreichen Abwehrkampf Wiens gegen das Türkenheer des Großwesirs Kara Mustafas ; gleichzeitig beschreibt es den Zeitpunkt des Eintritts von Prinz Eugen in die österreichische Armee. 1683 gilt als metaphorischer Ort des Türkengedächtnisses , das auf der Theaterbühne allerdings anders funktioniert als im öffentlichen Raum. Im öffentlichen Raum fungierte der Türke auf den wiederkehrenden Erinnerungsfeiern von 1683 als je nach Bedarf umgedeutete Feindbild­scha­ blone : 1783 gegen die Aufklärer , 1883 gegen die Liberalen und 1933 gegen Nationalsozialisten und Bolschewiken.226 Auf dem Theater , das seine Entstehung im 18. Jahrhundert der Aufklärung und seine Blüte im 19. Jahrhundert dem bürgerlichen Liberalismus verdankte , fand diese Feindbildschablone eine Leerstelle , die es zu füllen galt. 224 Neue Wiener Theater-Zeitung Nr. 101 , 17. August 1864 , S. 1 f. 225 Blätter für Theater , Musik und Kunst. X. Jg. , Nr. 66 , vom 17. August 1864 , S. 262–263. 226 Johannes Feichtinger in : Martin Adel , Ostwestlicher Diwan , Ö1 14.–18. März 2010 , 9 :30–9 :45 Uhr.

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Zum zweihundertsten Geburtstag

Obwohl diese historisierenden Volksstücke von Julius Megerle scheinbar beide Erinnerungsebenen anzusprechen suchten , wurden sie vom Publikum einseitig wahrgenommen. Die abwertende Beurteilung der Musik , die „nichts als Csardse“ aufweise und die Kritik am „falschen , vom slawischen Dialekt unterwühlten Pathos“ verweisen in der Rezeption von 1683 auf einen deutschnationalen Zusammenhang. Das vom breiten Publikum freundlich aufgenommene Aspern ist als Gedächtnisort der Franzosenkriege ohnedies dem deutschnationalen Erinnerungskontext zuzurechnen. Der Logik der politischen Bündnispolitik folgend , suchte man durch französische Feindbildkonstruktionen die Nähe zu Deutschland ; und umgekehrt ist die vermehrte Aufführung französischer Dramen immer auch als anti-deutschnationale Spitze zu lesen. Die Publikumsreaktionen zeigen , dass die dem deutschnationalen Konnex zugehörigen Erinnerungsebenen 1864 mehr Zuspruch fanden.

Zum zweihundertsten Geburtstag Der allerhöchste Auftrag , ein Reiterstandbild des Prinzen Eugen zu entwerfen , erging bereits ein halbes Jahr nach der Enthüllung des Denkmals für Erzherzog Carl , im November 1860 an Anton Dominik Fernkorn ( 1813– 1878 ). Obwohl die Vorarbeiten rasch vonstatten gingen , fand die Enthüllung des Denkmals nicht im Oktober 1863 , zum 200. Geburtstag des Helden , statt , sondern erst zwei Jahre später , am 18. Oktober 1865. Der 200. Geburtstag Prinz Eugens im Jahre 1863 verstrich im offiziellen Gedenken weitgehend ungenützt. Das Hofburgtheater ( zu diesem Zeitpunkt noch am Michaelerplatz ) reagierte mit seinem Spielplan nicht darauf. Das damals größte und schönste Wiener Theater , das Theater an der Wien , bot mit den Volksstücken von Julius Megerle rund um die Schlacht von Aspern und Die Belagerung Wiens 1683 einen um historische Authentizität bemühten Blick auf eine nicht mit Prinz Eugen assoziierte Vergangenheit. Carl Treumann ( 1823–1877 ), Schauspieler und einstiger „Mitdirektor“ von Johann Nestroy am Carl-Theater , reichte für das Kai-Theater die Operette Prinz Eugen der edle Ritter bei der Zensur ein , die im April 1863 die Aufführungsbewilligung als „ganz unbedenklich“ erhielt.227 227 Niederösterreichische Statthalterei-Präsidium , Theaterzensur Zl.1748 ( 1863 ).

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Abb. 17 Das Theater am Franz-Josefs-Kai , Wien 1860.

Karl Treumanns Theaterprivileg , das ihm 1860 erteilt worden war , umfasste „Wiener Posse mit Gesang und Tanz , Schau- und Lustspiel , Pantomime und Singspiel“. Zum Unterscheid von den Vorstadttheatern benötigte er für die Aufführung von Opern eine Zusatzbewilligung. Dies wohl auch deshalb weil Treumanns Theater am Franz-Josefs-Kai als privates Unterhaltungstheater erstmals in die innere Stadt vorgedrungen war und gleichzeitig die „magische“ Zahl der fünf stehenden Theater aufbrach. Das Theater am Franz-Josefs-Kai war ein auf den Stadterweiterungsgründen 1860 errichtetes Interimstheater mit Holzriegelwänden , das nach dreijähriger Übergangsphase durch ein repräsentatives Haus , ein monumentales Stadttheater als „Zierde der Residenz“ und beispielgebend für andere Bauunternehmungen ersetzt hätte werden sollen.228 Kennzeichnend für den Spielplan des Treumann’schen Theaters war eine konsequente Aufsplitterung der Theaterabende in mehrere kurze , meist einaktige Stücke ; er folgte damit einer Mode , von der auch das Burgtheater unter Laube nicht unbeeinflusst blieb. Die einaktige Operette Prinz Eugen der edle Ritter wurde im Mai 1863 an sechs Abenden in verschiedener Kombination aufgeführt. In fünf Vorstellungen bildete Prinz Eugen den durch 228 Hüttner ( 1970 ), S. 100.

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Zum zweihundertsten Geburtstag

eine Apotheose gekrönten Abschluss des Theaterabends ; in der letzten Vorstellung stand die Operette am Beginn der Einakterserie.229 Das Textbuch stammte vom Registraturdirektor der Stadt Wien Hippolyt-Joseph Kneissler ( 1831–1883 ), der unter dem Pseudonym Erik Nessl zahlreiche Lustspiel und Operettentexte , vor allem für den Komponisten und Kapellmeister Karl Ferdinand Konradin ( 1833–1884 ) verfasste. „Das [ Treumann- ]Theater erfreute sich  – ungeachtet sein Repertoire zum größten Theile nur aus einaktigen Lustspielen und Operetten zusammengesetzt ist , des lebhaftesten Zuspruchs. Es ist – um es mit einem Worte zu bezeichnen – Mode geworden. Es kann wohl nicht in Abrede gestellt werden , daß dieser glückliche Erfolg zum großen Theile auch der D[ irekti ]on zuzuschreiben ist , die für Mannigfaltigkeit im Repertoire eifrigst sorgt u[ nd ] was sie bringt  – in möglichst sorgfältiger , ja eleganter Ausstattung dem Publikum vorführt“, gab sich die Niederösterreichische Statthalterei dem Polizeiministerium gegenüber zufrieden.230 Treumanns Theater war „allabendlich überfüllt“231 , besonders geschätzt wurde vom Publikum die gediegene Ausstattung. Im Falle der Prinz-Eugen-Operette erregten die neuen Dekorationen des österreichischen Feldlagers und der Schluss-Apotheose des auch für die Hoftheater tätigen Dekorationsmalers Hermann Burghart ( 1834–1901 ) und die Kostüme besonderes Aufsehen. Für die Ausstattung hat die Direction in jeder Beziehung auf das reichste und geschmackvollste gesorgt. Sämtliche Costüme sind nicht nur geschichtlich und national richtig , sondern auch stofflich echt. Die mise-en-scène gab ein lebendiges Bild des Lagerlebens , es wurde graziös und schwungvoll gespielt und gesungen. Die Leistungen der Damen Grobecker und Fischer , und der Herren Treumann und Knaak fanden vielen , mitunter rauschenden Beifall. Der gut und perspektivisch gemalten Lagerdecoration von Burghart gebührt lobende 229 Hüttner ( 1970 ), S. 160 f. – Von 13.–17. Mai blieb die Einakterfolge unverändert : Drei Freunde und ein Rock – Hoffen und Harren – Prinz Eugen. Am 22. Mai war die Kombination neu : Wunderdoktor – Umsonst – Prinz Eugen. In der letzten Vorstellung am 31. Mai stand Prinz Eugen am Beginn gefolgt von : Vom Juristentage – Narrenabend. 230 Präsidialakten der nö. Statthalterei 1153 /  P3 ad 172 ex 1861 , Konzept vom 18. September 1861. zit. nach Hüttner , ( 1970 ), S. 105. 231 Rezensionen und Mittheilungen über Theater und Musik , 1862 , S. 700.

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V. Geteiltes Gedächtnis Erwähnung ; auch das Standbild des Prinzen [ als Schluß-Apotheose , das im Hintergrunde bei benaglischer Beleuchtung erschien ] machte Effekt.232

Der Inhalt der Operette erzählt wie gleichzeitig enstandene Opern und Operetten desselben Titels die Legende um die Entstehung des Prinz-Eugen-Liedes : Der Komponist , ein treu ergebener Verehrer Prinz Eugens wird als Spion verkannt und mit dem Tode bedroht. Erst das Erscheinen des Feldherrn , der die „türkische Schrift“ als Notenschrift erkennt , rettet dem jungen Musiker das Leben.233 Prinz Eugen hat auch in dieser Operette kein eigenes Schicksal ; er erscheint fast priesterlich als Instrument in Gottes Hand : Mein Leben steht in des Allmächtigen Hand. Morgen schon kann ein Stürmchen meinem Wirken ein schnelles Ziel setzen. ( hält die Hände gegen Himmel ) Wie es ihm gefällt. ( mit umständlicher Handbewegung ) Gott mit Euch Kindern. ( mit Gefolge ab. Soldaten salutieren. Generalmarsch ) ( 91 )

Und kaum hat Prinz Eugen die Bühne verlassen , singt ihm der Spielmann Guntram das Lied seiner „Unsterblichkeit“: Kein tückisches Blei darf seine Laufbahn enden /  Für Österreichs Größe bleibt der Held gefeit. /  Des Reiches Schutzgeist wird die Pfeile wenden /  Von seinem Leben das dem Ruhm geweiht. /  Noch mancher Sieg wird ihn mit Lorbeer krönen /  Sein Auge soll noch lenken manche Schlacht /  Und nach Jahrtausenden wird stolz ertönen /  Das deutsche Lied zu seiner Ehr gemacht. ( 92 )

Im Polizeiakt , der bei der Beurteilung ausschließlich auf den Text angewiesen war , wurde anlässlich der Erteilung der Aufführungsbewilligung die Darstellung des wohltätiges Wirkens des Prinzen Eugens hervorgehoben : Der Spielmann Guntram kommt aus Wien in Eugens Lager bei Belgrad um die Marketenderin Regine , sein Liebchen , heimzusuchen. Ein eifersüchtiger Wachtmeister behandelt den jungen Ankömmling als Spion , wozu ihm ein 232 Blätter für Theater , Musik und Kunst 39 , 16. Mai 1863 , S. 155. 233 Nessl ( 1863 ), S. 85.

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Zum zweihundertsten Geburtstag Papier , das der Spielmann beschrieben und in seinen Händen hatte , Anlaß gab. Der geängstigte Guntram begegnet zu guter Zeit dem geliebten Feldherrn , den er eben in einem Liede verherrlicht hatte und wird von demselben nicht nur sofort in Schutz sondern auch samt Regine in seinen Dienst genommen , wie es sein Wunsch gewesen war.234

Die Blätter für Theater , Musik und Kunst konzentrierten ihre Inhaltsangabe der Theateraufführung auf die Liebesgeschichte : Ein junger Wiener Spielmann ( Frau Grobecker ), der in des Prinzen Lager kommt , um da seine von verschiedenen Liebhabern , besonders dem Dragoner Wachtmeister Flammberg ( Herr Treumann ) und dem Feldscherer Frosch ( Herr Knaak ) umschwärmte Geliebte ( Frl. Fischer ), die als Marketenderin zwar durstige Kehlen labt , aber treu ihrem Spielmanne allen Liebesbewerbungen widersteht , aufzusuchen , dichtet und komponiert in einem Augenblicke der Muße und Begeisterung das Loblied auf Eugen , wird dabei von dem eifersüchtigen Wachtmeister und Feldscherer überrascht , die das in ihnen unbekannten Zeichen geschriebene für verräterische Aufzeichnungen , den Spielmann sodann für einen Spion halten und verhaften. Die Dazwischenkunft des Feldherren ( Herr Weichelberger ( sic )) klärt das Mißverständnis auf , der Spielmann muß das Lied singen , in dessen Refrain der Chor einfällt. Der Spielmann bekommt das Mädchen und eine gute Anstellung beim Prinzen.235

Während die Wiener Theater-Chronik den Spionagevorwurf in den Mittel­ punkt ihrer Aufführungs-Rezension stellte : Der Spielmann Guntram , der seine geliebte Landsmännin , die Marketenderin Regine , aus dem Feldlager abholen will , wird von dem Wachtmeister Flammberg und dem Feldscherer Frosch , welche beide sich vergeblich um Reginens Gunst bewerben , für einen Spion gehalten. Sie beobachten ihn , wie er ein Papier beschreibt , hören ihn einige Worte rufen , welche sie in ihrem Verdacht bestärken , entreißen ihm das Papier , sehen ihn im Geiste schon am Galgen baumeln und erwarten für sich Avancement und Belohnung , als Prinz Eugen , der den jungen 234 Niederösterreichische Statthalterei-Präsidium , Theaterzensur Zl. 1748 ( 1863 ). 235 Blätter für Theater , Musik und Kunst 39 , 16. Mai 1863 , S. 155.

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V. Geteiltes Gedächtnis Spielmann , ohne daß dieser ihn kannte , ins Lager geleitet hatte , erscheint , in den auf das Papier geworfenen Zeilen ein auf „Prinz Eugen , den edlen Ritter“ gedichtetes Lied erkennt und aus dem Spielmann und der Marketenderin ein glückliches Paar macht.236

Abb. 18 Erik Nessl und Karl Ferdinand Konradin , Prinz Eugen der edle Ritter. Theaterzettel der Erstaufführung im Theater am Franz-Josefs-Kai am 13. Mai 1863 in der Zeitschrift Zwischen-Akt. Vom 13. bis 31. Mai 1863 fanden sechs Aufführungen statt. Am 18. Oktober 1865 gab es eine Reprise als Festvorstellung im Thalia Theater.

Den Spielmann Guntram gab die „Königin der Hosenrollen“ Anna Grobecker ( 1827–1908 ), die erst im Vorjahr „als erste Operettensängerin zu einem Konzert am Wiener Kaiserhof“ eingeladen worden war , als Benefizvorstellung ; sie spielte den Guntram „mit gewohnter Sorgfalt“ und sang ihre beiden Lieder so prächtig , dass sie die letzten Strophen wiederholen musste ; vom minutenlangen Schluss-Applaus war sie „sichtlich gerührt“. 237 Neben Anna Grobecker bildeten der Komiker Wilhelm Knaack 236 Wiener Theater-Chronik 21 , 21. Mai 1863 , S. 83. F. St. 237 Wiener Theater-Chronik 21 , 21. Mai 1863 , S. 83 und Blätter für Theater , Musik und Kunst 39 , 16. Mai 1863 , S. 155.

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Zum zweihundertsten Geburtstag

( 1829–1894 ) als Feldscherer Frosch und Carl Treumann als Wachtmeister Flammberg , sowie Fräulein Fischer „ein meisterliches Ensemble“.238 Generell fand die Operette eine gute Aufnahme , „obgleich weder das Sujet noch die Musik besonders hervorragende Momente aufzuweisen haben“. Wie in der Handlung bildete auch in der Musik das Eugen-Lied den Kern ; „dasselbe klingt schon in der Ouverture an , taucht dann im Verlaufe einigemale bruchstückhaft auf , bis es zuletzt in rauschender Instrumentenpracht vollständig zum Vorschein gelangt“. Die übrigen Nummern , Couplets und einige mehrstimmige Gesangsstücke , „unter welchen selbstverständlich ein Trinklied mit Chorrefrain nicht fehlen durfte“, sowie ein Zigeunertanz „sind recht anständig gemacht , wenngleich sie an das Muster , das dem Componisten überall vor Augen schwebte , nämlich Offenbach , weder hinsichtlich der Leichtigkeit der Erfindung noch des Reizes der Mache und Instrumentierung heranreichen“.239 Karl Ferdinand Konradin „hat die Gelegenheit , die ihm diese Handlung für sein musikalisches Talent wiederholt bot , im Ganzen zu benützen gewußt und wenn auch keine neuen Melodien , so doch ein paar frische Soldatenchöre , ein schönes Spielmannslied und ein hübsches Quintett komponiert.“240 Nach dem finanziell mageren Benefizabend für Anna Grobecker , der „hinter den gerechten Erwartungen“ zurückgeblieben war , wurde die Operette mit eingeflochtenen Volksliedern durch ihre „sorgfältige Inszenesetzung , prachtvolle Ausstattung und unübertreffliche Darstellung“ schnell zum „Zugstück“. Die „allgemeine Publikumsgunst“ sicherte vom 13. bis 31. Mai 1863 sechs Aufführungen im Theater am Franz-Josefs-Kai.241 Im Juli gastierte die Inszenierung mit Anna Grobecker als Star im Neustädter Theater in Prag.242 Die Prager hatten bereits im Juli und September 1860 mit Prinz Eugen auf der Bühne Bekanntschaft gemacht. Verfasser des 1860 in Prag gezeigten fünfaktigen Schauspiels Prinz Eugen war Gustav von Meyern-Hohenberg ( 1820–1878 ), der Intendant des Herzog-

238 Zwischen-Akt 126 , 16. Mai 1863 , S. 3. 239 Blätter für Theater , Musik und Kunst 39 , 16. Mai 1863 , S. 155. 240 Wiener Theater-Chronik 21 , 21. Mai 1863 , S. 83. 241 Zwischen-Akt 124 , 14. Mai 1863 , S. 2 ; Zwischen-Akt 126 , 16. Mai 1863 , S. 3. 242 Das Gastspiel fand am 28. Juli 1863 statt. ( Unpubliziertes Repertoire-Verzeichnis von Jiří Hilmera , mitgeteilt von Alena Jakubcová , Prag ).

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V. Geteiltes Gedächtnis

lichen Coburger Hoftheaters ( 1860–1868 ). Das Neustädter Theater zeigte das historische Schauspiel erstmals am 23. Juli 1860 ; das Ständetheater als Abonnementvorstellung am 27. September 1860.243 Prinz Eugen gab Konrad Adolf Hallenstein ( 1835–1892 ), der späterhin auch als vielbeschäftigtes Mitglied des Burgtheaterensembles in Martin Greifs Prinz Eugen als Graf Althan mitwirkte.244

Abb. 19 Das Thaliatheater in Ottakring , das 1856 bis 1870 als Sommertheater des Theaters in der Josefstadt bespielt wurde. Nessl und Konradins Prinz Eugen der edle Ritter wurde dort am 18. Oktober 1865 als Festvorstellung angesetzt.

Anlässlich der Enthüllung des Denkmals von Fernkorn 1865 hatte der Direktor des dem Theater in der Josefstadt angegliederten Thaliatheaters eine Reprise der Konradin-Operette als Festvorstellung angesetzt. 245 Dass diese Reprise überhaupt möglich wurde , ist umso erstaunlicher , als das 243 Unpubliziertes Repertoire-Verzeichnis von Jiří Hilmera , mitgeteilt von Alena Jakubcová , Prag. 244 Bohemia Abendblatt 172 , 23. Juli 1860 , S. 180. 245 Fremdenblatt 291 , 21. Oktober 1865 , S. 6.

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Treumann-Theater in der Nacht vom 9. Juni 1863 zur Gänze abbrannte. Zu Schaden kam niemand , Treumann pachtete das Carl-Theater und kündigte einen Theater-Neustart für 15. August 1863 an.246 Allerdings befanden sich „unter den mit dem Archive des Treumanntheaters verbrannten Büchern , Manuskripten und Partituren [ … ] mehrere , die wirklich nicht mehr ersetzt werden können , zumal weder die Verfasser noch die Compositeure diesbezügliche Duplikate besitzen“.247 Mit Hilfe der Polizeidirektion wurde eine Lösung gefunden ; sie war geneigt „die bei ihr als Pflichtexemplar hinterlegten Lustspiele einstweilen herzuleihen“.248 Diese Pflichtexemplare wurden allerdings nie mehr in den Bestand der Polizeidirektion zurückgegeben. Bis 1865 , dem Jahr der Enthüllung des Denkmals für Prinz Eugen auf dem Äußeren Burgplatz ( ab 1878 : Heldenplatz ) lassen die auf der Bühne realisierten Stücke eine einheitliche Linie erkennen : vorwiegend auf den Vorstadtbühnen aufgeführt , waren einfache Soldaten und Bürger die Helden. Großer Beliebtheit erfreuten sich auch die Szenen im Lager , die das Soldatenleben ausstellten , eine resche Marketenderin , die sich inmitten der männlichen Ordonnanzen zu behaupten verstand. Prinz Eugen wirkte im Hintergrund und erschien als Deus ex machina. Er löste die durch Verdächtigungen brenzligen Umstände für den Helden in Wohlgefallen auf und führte das Liebespaar ( manchmal auch gegen dessen Wollen ) zusammen. Er ist die personifizierte Gerechtigkeit , die die Ordnung väterlich wieder herstellt , die Guten belohnt und die Bösen milde bestraft. Sein eigenes persönliches Schicksal , seine Privatisierung und Vermenschlichung wurde vom Publikum nicht angenommen ; erst in dem Augenblick , als mit der Enthüllung des Denkmals und einem aus diesem Anlass aufgeführten Einakter am Burgtheater Prinz Eugen sozusagen hoftheaterfähig wird , wird er auch schicksalsfähig. Weder in der Vorstadt noch auf der Hofbühne konnte allerdings auf eine Ingredienz verzichtet werden : immer bot das Lied vom Prinzen Eugen , dem edlen Ritter die Basis des Zusammengehörigkeitsgefühls. Es war der alle gesellschaftlichen Schichten emotional einigende Kitt ; es fungierte als allgemein verständlicher Code des kollektiven Gedächtnisses. 246 Wiener Theater-Chronik 26 , 25. Juni 1863 , S. 103. 247 Wiener Theater-Chronik 25 , 18. Juni 1863 , S. 100. 248 Wiener Theater-Chronik 25 , 18. Juni 1863 , S. 97–98.

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VI. Denkmal und Öffentlichkeit

Die Errichtung von Denkmälern unterlag in den habsburgischen Ländern des 19. Jahrhunderts einem aus der Frühen Neuzeit übernommenen Spezifikum : es herrschte eine „deutlich geringere Motivation , Personen und Herrschern Denkmäler zu errichten“.249 Dennoch lassen sich einige Wiener Beispiele monarchischer Repräsentation nennen. Nie jedoch waren diese Denkmäler von für die Gemeinschaft erinnerungswürdigen Menschen ein Abbild des Realen , sondern immer vielmehr die Visualisierungen eines Identitätsangebotes. Der allerhöchste Auftrag für ein Reiterstandbild für Prinz Eugen erging – auf Basis des bereits 1859 modellierten Modells von Anton Dominik Fernkorn ( 1813–1878 ) – im Oktober 1860 , der Vertrag wurde am 13. November 1860 unterzeichnet. Im darauffolgenden Jahr stand das lebensgroße Hilfsmodell , zwei Jahre später war das „für den Guss bestimmte zwei und ein halb mal lebensgroße Ton- und Gipsmodell“ als Vorlage für die Kunsterzgießerei vollendet. Der an keiner Stelle der Einweihungs-Berichterstattung erwähnte Schüler Fernkorns , Franz Pönninger ( 1832–1906 ) hatte die Arbeiten bereits kurz nach Auftragsvergabe übernommen , sodass Formen , Guss und Ziselierung „so rasch gefördert [ wurden ], daß die Aufstellung , ungeachtet der längeren Krankheit und Abwesenheit des Herrn von Fernkorn noch vor der contractlich bedungenen Zeit erfolgen konnte“.250 Die Feier des 18. Oktober brachte ab 8 Uhr „ganz Wien auf die Beine“,251 um sich auf dem Äußeren Burgplatz zu versammeln und der Enthüllung des mit weißen Tüchern bedeckten Prinz-Eugen-Monumentes um 11 Uhr beizuwohnen. Die kaiserliche Familie , geladene Hof- und Staatswürdenträger , die Spitzen der Behörden , die Vertreter der Stadtgemeinde Wien , der Universität , der Akademie der Wissenschaften , der bildenden Künste

249 Telesko ( 2007 ), S. 147. 250 Die Presse , Local-Anzeiger. Beilage zu 288 , 18. October 1865 , mit Verweis auf die Wiener Zeitung. 251 Neue Wiener Theater-Zeitung 43 , 25. Oktober 1865.

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und der Presse fanden sich in einem wohlgeordneten Kosmos situiert.252 Für die kaiserliche Familie wurde ein thronartiger Pavillon vor der Burg errichtet , mit Teppichen und vergoldeten Möbeln wohnlich geschmückt. Weiters gliederten ein Altar nahe am Denkmal für den Pontifikaten und an der Seite des Kaisergartens eine Estrade für den Männergesangsverein den Platz. Dort wurde auch das Militär ( Generäle , Stabsoffiziere , Militärbeamte und Pensionäre ) untergebracht. Das Publikum wurde durch Militärspaliere in „entsprechender Entfernung“ vom Denkmal auf zur Bellaria und zum Palais des Erzherzog Albrecht führenden Rampen verteilt ; die Errichtung eigener Tribünen für einige Tausend Zuseher unterblieb. Der „ausdrücklich ausgesprochene Wunsch Sr. Majestät des Kaisers , mit möglichster Sparsamkeit dabei vorzugehen , [ fand ] seine volle Berücksichtigung [ … ], wenn wir den Apparat im Auge haben , der zur Enthüllung des Karl-Monuments entfaltet wurde.“253 Diesen Sparplänen wäre fast das Gedächtnis der feierlichen Enthüllung , die Presseberichterstattung , zum Opfer gefallen. Seitens der Hofbeamten war „anfangs gar nicht an eine Betheiligung der Journale mit Eintrittskarten zu den Schautribünen gedacht“ gewesen ; erst die energische Intervention „eines persönlichen Freundes des Künstlers“ am Vortag der Enthüllung konnte den vorbereiteten „allgemeinen Berichterstatter-Streik“ verhindern.254 Die Enthüllungsfeier folgte einer öffentlichen Inszenierung nach strengem Zeremoniell : Mit dem Auftritt der kaiserlichen Familie durch das Tor des großen Zeremoniensaales präsentierten die Truppen , und die Trompeter der Hofkapelle bliesen die Intrade. Nachdem der Kaiser in Marschallsuniform mit den Prinzen die ausgerückten Truppen besichtigt hatte , begab er sich in den Pavillon , wo ihn die Kaiserin mit den Erzherzoginnen erwartete. In diesem Augenblick gab der erste Generaladjutant , Feldmarschall Graf de Crenneville , das Zeichen zur Enthüllung des Monumentes. Festlich gekleidete Arbeiter in altdeutscher Tracht setzten die mit vier Säulen verspannte Maschinerie in Bewegung : in wenigen Sekunden war die Hülle gefallen und „das eherne Standbild glänzte in hellem Sonnen252 Der Wanderer. Morgenblatt 288 , 18. Oktober 1865 , S. 2. 253 [ Grazer ] Tagespost. Abendblatt 239 , 18. Oktober 1865. 254 L. , Das Prinz-Eugen Denkmal in Wien , in : [ Grazer ] Tagepost. Abendblatt 239 , 18. Oktober 1985.

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schein“. Kanonendonner und Gewehrsalvenkrachen machten den Akt weit über den Platz hinaus hörbar. Die Musikkapellen spielten den ersten Teil der Volkshymne. Nach einer feierlichen Pause intonierte der Hofpfarrer gemeinsam mit der Hofkapelle das Tedeum. Bei den einzelnen Absätzen gaben die Bataillone des Regimentes Jelĉić und die auf der Löwelbastei aufgestellten Batterien „in der Art Salven , daß jeder Infanteriecharge eine Geschützessalve folgte“.

Abb. 20 Enthüllung des Prinz-Eugen-Denkmals am 18. Oktober 1865. Zeitgenössische Zeichnung.

Nach der Segnung stimmte der Männergesangsverein in Begleitung einer Regiments-Kapelle das Prinz-Eugen-Lied „mit neuem , dem festlichen Anlaß angemessenem Text“ an. „Die bekannte und volkstümliche Weise klang in dem präzisen und markigen Vortrag weithin über den Platz.“ Beim Standbild wurden die aus diesem Anlass ausgezeichneten Personen dem Kaiser vorgestellt. Dorthin begaben sich auch die Generäle , Stabsund Oberoffiziere , während sich gleichzeitig die Truppen zur Defilierung in Richtung des Äußeren Burgtores formierten. Dem Dragonerregiment Prinz Eugen an der Spitze folgten die Fußtruppen und Batterien unter der musikalischen Begleitung des Defiliermarsches ‚Prinz Eugen der edle Ritter‘. Nach Beendigung der Truppenrevue kehrte der Kaiser in den Pavillon zurück , um die Kaiserin abzuholen und in die Hofburg zurückzukehren. Nachdem die Absperrung frei gegeben worden war , besichtigten die In151

VI. Denkmal und Öffentlichkeit

validen und „eine kleine Schar Leipziger Veteranen im Zivilgewande“ als erste das Monument. Der Hof und die Gäste entfernten sich , um dem „von allen Seiten zuströmenden Publikum den Platz zu räumen“. Auf den Straßen wurden Biographien des Prinzen Eugen und Denkmünzen an die Enthüllungsfeierlichkeit verkauft.255

Abb. 21 In Erinnerung an die Umhüllung des Prinz-Eugen-Denkmals zum Schutz vor Bombentreffern 1945 wurde es im Rahmen der Kunstaktion 25 pieces 2005 abermals eingemauert.

Das Publikum wurde durch Vorberichte eingestimmt und durch Abbildungen des Reitermonumentes in den Schauläden aller Kunsthandlungen informiert. Der Sockel der Reiterstatue für Prinz Eugen wurde wie beim Erzherzog-Karl-Denkmal aus Untersberger Marmor gefertigt. In programmatischen Inschriften ist der umfassenden Erinnerungsanspruch des Auftraggebers festgehalten , der auch die in Gold , Silber und Bronze geprägten

255 Im Morgenblatt war das ausgegebene Zeremoniell veröffentlicht worden ; im Abendblatt konnte man nachlesen dass die praktische Realisierung die Strenge überwunden hatte. Der Wanderer 288 , 18. October 1865 , S. 2 ; Wiener Abendpost 239 , 18. October 1865 , S. 1 ; Fremdenblatt 289 , 19. October 1865 , S. 3. – Kundmachung behufs Aufrechterhaltung der Ordnung bei der am 18.d.M. stattfindenden feierlichen Enthüllung des Prinz Eugen-Monumentes. Wiener Zeitung 238 , 17. Oktober 1865 , S. 1.

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VI. Denkmal und Öffentlichkeit

Eugen-Medaillen schmückte , vorne : ‚Von Kaiser Franz Joseph I. errichtet 1865‘ , auf der rechten Seite : ‚Dem ruhmreichen Sieger über Österreichs Feinde‘ , auf der linken : ‚Dem weisen Rathgeber dreier Kaiser‘. Den rückwärtigen Schild bildet das Savoyer-Familienwappen. Im oberen Teil der ornamentalen Verzierungen sind vorne die Anfangsworte des Volksliedes : ‚Prinz Eugen , der edle Ritter‘ eingeschrieben sowie ringsherum die siegreichen Schlachten genannt : ‚Zenta 1697‘ , ‚Höchstädt 1704‘ , ‚Turin 1706‘ , ‚Malplaquet 1709‘ , ‚Peterwardein 1716‘ , ‚Belgrad 1717‘.“256 Lob erfuhr Fernkorns Bemühen , Prinz Eugen „ein sprechendes Bild der Individualität“ zu geben und ihn in „selbstbewußter charaktervoller Abgeschlossenheit“ darzustellen , wohingegen das Pferd als zu derb und massiv kritisiert wurde. Anders als beim Monument Erzherzog Karls , das dem des Prinzen Eugen gegenübersteht , konnte der Bildhauer nicht auf einen „äußerlich wirksamen [ biographischen ] Moment“ zurückgreifen.257 Prinz Eugen ist als Marschall des Reiches auf einem spanischen Vollblutpferd dargestellt. „In der rechten den Marschallstab haltend , spannt er mit der linken die Zügel des Pferdes , welches wie im Paradeschritt stolz einherschreitend die Vorderfüße gleichmäßig emporhebt. Dadurch erhielt dasselbe eine ähnliche Stellung wie das sich bäumende Roß des KarlDenkmals.“258 Das „fehlende Pathos“ wurde zwar beklagt , die „würdige und einfach schlichte Haltung“ aber als vorteilhaft empfunden. „Meister Fernkorn ist , man gestatte mir einen Vergleich aus einer anderen Kunstsphäre , zwar kein Schiller und kein Goethe , er ist auch kein ästhetischer Himmelsstürmer , wie Friedrich Hebbel , er versteht es aber wie Laube und Gutzkow , ein geistreich gebautes Stück bühnengerecht und handlich einzurichten und erzielt damit günstigere Erfolge , als eine scheinbar weit großartiger angelegte Natur , die den gegebenen Bedingungen Rechnung zu tragen versteht.“259 256 Der Wanderer. Morgenblatt 288 , 18. Oktober 1865 , S. 2. Fremdenblatt 289 , 19. Oktober 1865 , S. 3. 257 Das 1848 entworfene und 1860 enthüllte Denkmal für Erzherzog Karl von Anton Dominik Fernkorn stellt den Erzherzog in der Schlacht von Aspern dar und gilt als „technische Meisterleistung“, weil die 20 Tonnen schwere Metallstatue nur auf den beiden Hinterbeinen des Pferdes ruht. 258 Wiener Abendpost 240 , 19. Oktober 1865 , S. 959. 259 [ Grazer ] Tagepost. Abendblatt 239 , 18. Oktober 1865.

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VI. Denkmal und Öffentlichkeit

Das Denkmal war keineswegs ein Abbild der Realität , sondern vielmehr ein Sinnbild der Verehrung. Die Öffentlichkeit akzeptierte es weitgehend als der allgemeinen Vorstellung entsprechend. Nur das humoristische Volksblatt Kikeriki kritisierte die Diskrepanz zwischen historischer Realität und Abbild. Und unterließ nicht darauf hinzuweisen dass die geschichtliche Treue den künstlerischen Interessen geopfert worden war , denn Fernkorn hatte „aus dem schmächtigen Prinz Eugen einen kolossalen Riesen gemacht.“260 Um der Wahrheit wieder zu ihrem Recht zu verhelfen , fügte man als optische Korrektur eine Skizze des edlen Ritters im richtigen Verhältnis zum Pferd an.

Abb. 22 Karikatur des Prinz-Eugen-Denkmals im humoristischen Volksblatt Kikeriki am 26. Oktober 1865.

18. Oktober als Palimpsest Die Enthüllungsfeier am 18. Oktober 1865 fiel auf den 202. Geburtstag des Prinzen Eugen und den 52. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig. Seit den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts stand dieser Tag vorrangig als 260 Kikeriki. Humoristisches Volksblatt 43 , 26. Oktober 1865.

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18. Oktober als Palimpsest

Erinnerungsdatum der Völkerschlacht von Leipzig im Zentrum des Gedenkens. 1824 wurde an diesem Tag das von Pietro de Nobile entworfene Äußere Burgtor feierlich eröffnet.261 1863 zum 50. Jahrestag berichtete auch die Wiener Presse ausführlich und mahnte den Erinnerungswert dieses Datums ein : „Man möge sich heute am Haupttage des Leipziger Festes in Wien und Berlin und in allen Residenzen deutscher Fürsten daran erinnern , daß es die vereinte Macht Österreichs und Preußens war , welche in dem großen Kampf den Sieg errang und Deutschland[ s nationale Unabhängigkeit ] wieder herstellte.“262 In Erinnerung und „zur Feyer des Jahrestages der Schlacht von Leipzig“ waren die Abendeinnahmen vom 18. Oktober in beiden Hoftheatern seit 1821 den „Aushilfskassen des hiesigen k. k. Invalidenhauses“ zugeflossen ; im Burgtheater wurde aus diesem Anlass sogar meistens eine Premiere angesetzt. Nach der Revolution von 1848 entfiel der Hinweis auf den Jahrestag ; die Benefizeinnahmen des 18. Oktober zugunsten der „Aushilfskassen des hiesigen k. k. Invalidenhauses“ blieben allerdings bis zur Übersiedlung der Hoftheater in die neuen Häuser an der Ringstraße gewahrt.263 1865 wurde der Erinnerungstopos der Völkerschlacht von Leipzig am 18. Oktober mit der Enthüllung der Reiterstatue Prinz Eugens in Wien als Gedächtnisort bewusst überschrieben : Der Erinnerungstag der deutschen Freiheit wurde vom habsburgischen Gesamtstaats-Konzept überlagert. Symbolträchtig hatte sich nur „eine kleine Schar Leipziger Veteranen im Zivilgewande“ zur Enthüllungsfeier am Fuß der zweieinhalb Mal lebensgroßen Statue eingefunden. Der 18. Oktober stand ab nun in Wien ganz im Zeichen Prinz Eugens :264 261 Kisch ( 1883 ) 1 , S. 243. 262 Die Presse 286 , 18. Oktober 1863. Das Vaterland 239 , 18. Oktober 1865 , S. 1. 263 Die Hofoper setzte letztmalig die Vorstellung vom 18. Oktober 1869 , das Burgtheater jene im Jahr 1888 für die „Aushilfskasse“ an. 264 Demgegenüber besann man sich in Leipzig des eigenen Gedächtnisses : Dort wurde 1865 erstmals zur Erinnerung an die Leipziger Völkerschlacht ein bereits in Berlin gezeigtes Schauspiel von Wilhelm Schröder Studenten und Lützower aufgeführt , das enthusiastischen Beifall errang. Am 19. Oktober wurde zur Goethefeier Tasso gegeben. „Das Orchester hatte sich mit Guirlanden und Kranzrosetten geschmückt , von denen jede den Namen eines Goetheschen Dramas umschloß. In der Mitte erhob sich die hellerleuchtete Büste des Dichters auf einem Piedestal , welches die Titel der beiden in Leipzig verfaßten Stücke Die Launen der Verliebten und Die Mitschuldigen trug.“

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VI. Denkmal und Öffentlichkeit Der Tag , welcher vor zwei Jahrhunderten die Welt mit einem der größten Männer aller Zeiten beschenkte und an den sich zugleich die Erinnerung an den glorreichen Kampf des wieder geeinigten Deutschlands für seine Freiheit , für seine Existenz knüpft , hat für Österreich eine neue schöne Bedeutung erhalten ; [ … ] der Donner der Kanonen , welcher so oft schon die Wiederkehr dieses Tages begrüßte , weckt heute zweifaches freudiges Echo , so weit Herzen schlagen für die Größe und Ehre des Vaterlandes , und mit erhöhtem Stolze wird von nun an der Österreicher den Platz betreten , auf welchem die Burg seines Kaisers , die Gestalten seiner größten Helden und der erhabene Wahlspruch der Herrscher Österreichs niederblicken.265

Viribus unitis Die Feuilletons der Zeitungen brachten neben der Schilderung der Enthüllungsfeier ausführliche Darstellungen zu „Prinz Eugen und sein Zeitalter“ ( Neue Freie Presse ) und „Prinz Eugen und sein Wien“ ( Die Presse ). Die kaiserliche Privatsammlung stellte dreizehn Bildnisse des Prinzen für eine Ausstellung im Österreichischen Museum zur Verfügung. Berichte von der Denkmalsenthüllung füllten die Zeitungsspalten noch in den folgenden Tagen ; „photographische Moment-Aufnahmen“ der Feierlichkeiten konnten käuflich erworben werden. Die Schüler des Schottengymnasiums – manch anderer Schulen vielleicht auch – mussten anlässlich der Feier einen Aufsatz beitragen : „Wodurch hat sich Prinz Eugen , der edle Ritter , die Bewunderung der Welt und den Dank Österreichs verdient ?“266 Zahlreiche Romane und Festgedichte , Festgaben und Festschriften belebten das kollektive Erinnern. Allerorten erklang des PrinzEugen-Lied : auf dem Heldenplatz , im Konzertsaal und auf den Theaterbühnen. Für Pianoforte zwei- und vierhändig , sowie für Pianoforte und Gesang konnte man für Hauskonzerte die neu aufgelegten Noten zum Preis von 27 Kreuzern erwerben. Josef Strauß ( 1827–1870 ) spielte seinen „mit Benutzung der Volksmelodie“ komponierten Prinz Eugen Marsch 265 Wiener Abendpost 239 , 18. October 1865 , S. 1. 266 Jahresbericht des kais. kön. Ober-Gymnasiums zu den Schotten in Wien am Schlusse des Schuljahres 1866 , veröffentlicht von dem Direktor desselben. Wien 1866 , S. 62.

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Viribus unitis

bei einem Benefiz-Konzert im Volksgarten bereits am 8. Oktober 1865. Im Burgtheater war das Lied dramaturgisch verflochten mit der Handlung des Festspiels Am Tag von Oudenarde. Im Carl-Theater vertrat Anton Langer in seinem Volksstück mit Gesang in vier Bildern Prinz Eugen der edle Ritter die Ansicht , das Volk habe seinem Helden durch das Lied längst ein Denkmal gesetzt. Das Lied machte denn auch „die mächtigste Wirkung“.267 Das Lied vom Prinzen , dem edlen Ritter , erhielt Zusatzstrophen zur Feier des Tages , wie z. B. von Johann Gabriel Seidl ( 1804–1875 ), der Prinz Eugen als Lehrmeister der Kriegsführung apostrophierte : „gleichwie um uns zu instruieren , /  wie man sollt die Truppen führen“268 – wozu ihn die Denkmals-Inschrift „weiser Ratgeber dreier Kaiser“ inspiriert haben mag ; oder noch direkter mit Anspielungen auf Franz Josephs unglückliche Heerführung bei Solferino wie in dem Text eines ungenannten Verfassers , der Josef Haupt zugeschrieben wird.269 Den auf „hohen Wunsch“ von Joseph von Weilen verfassten Text des Liedes wählte Kaiser Franz Joseph für die offizielle Aufführung.270 Während die ersten Strophen die Erinnerung an den edlen Ritter für die Gegenwart aktualisierten , rief ihn die letzte Strophe für zukünftige Kriegsfälle zu Hilfe und stimmte das versammelte Publikum , wie die Leserschaft der Zeitungen , auf drohende „neue Kriegsgewitter“ ein.271 Prinz Eugen , der edle Ritter , /  Österreichs Blitz im Kriegsgewitter  – / Also ­kennet die Welt ihn wohl ;  /  Ob im Westen , ob im Ostern / Ausgestellt er seinen Posten : /  Sie war immer die Parol ! Dreier Kaiser treuer Diener , /  Darum lieben ihn die Wiener , /  Darum Öster­ reichs Krieger all’. /  Und sie fleh’n : „Herr Gott im Himmel , /  Gib uns stets im Schlachtgetümmel /  Einen solchen Feldmarschall !“

267 Wiener Abendpost 242 , 21. Oktober 1865. 268 Zit. nach Kapner ( 1973 ), S. 14. 269 Neue Freie Presse , Abendausgabe 469 , 18. Oktober 1965. 270 [ Grazer ] Tagespost. Abendblatt 239 , 18. Oktober 1865 ; Kapner ( 1973 ), S. 14. 271 Wanderer. Morgenblatt 288 , 18. Oktober 1865 , S. 2.

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VI. Denkmal und Öffentlichkeit Dreier Kaiser treuer Diener , /  war der kleine Capuziner , /  Der so groß war als Soldat ! /  Österreich schließt mit solchen Pfaffen /  Für Soldaten aller Waffen , /  stets das beste Concordat ! Prinz Eugen , der edle Ritter /  In der Schlacht der Feinde Schnitter , /  In dem Sieg voll Menschlichkeit ! /  Und die Türken und die Franken /  Waren  – wenn auch ohne Danken“ - /  Zeugen seiner Herrlichkeit. Länger ist’s als ein Jahrhundert , /  Daß vor Österreich , vielbewundert , /  Trüb der Halbmond sich verkroch : /  Prinz Eugen , du edler Ritter : /  „ Ach fürwahr , es wär’ nicht bitter , /  Hätten wir dich heute noch.“ Prinz Eugen , der edle Ritter , /  Österreichs schönste Schlachten stritt er , / Als General und Feldmarschall ; - /  Hielt das Schwert in seiner Rechten , /  That für Österreichs Ehre fechten /  So im Feld wie vor dem Wall. „Dreier Kaiser treuer Diener“ /  In der Schlacht ein Löwe schien er , /  Nach dem Siege – mild gesinnt ; - /  War den Künsten hold nicht minder , /  hatt’ nicht Weib und hat nicht Kinder , /  Österreich war ihm Weib und Kind. Weil er thät zu allen Tagen , /  Weise rathen , tapfer schlagen , /  Und dabei so treu als kühn ; /  Unser Kaiser thät befehlen , /  Daß man sollt ein Erzbild stellen /  Vor die Kaiserburg zu Wien. Stein und Erz sind fest verbunden , /  So wird auch zu allen Stunden /  Deines Namens Ruhm bestehen ! - /  Steig dann auf im Sonnenglanze /  Held du aus dem Waffentanze , /  Edler Ritter Prinz Eugen. Und droht neues Kriegsgewitter ,  /  Flieg voran , du edler Ritter ,  /  uns’rer ­tapferen Kriegerschar  ! /  Treue hast du stets geübet , /  Österreich so sehr geliebet , /  Österreich hoch ! – für immerda.

Der Auftrag für ein Prinz-Eugen-Monument 1860 war ein neoabsolutistisches Zugeständnis an den Liberalismus ; mit dem Auftrag für ein Denkmal für Feldmarschall Carl Philipp Fürst zu Schwarzenberg ging man noch einen Schritt weiter : erstmals wurde auf kaiserliche Initiative für 158

Viribus unitis

ein Mitglied eines noch existierenden adeligen Hauses ein Denkmal auf einem öffentlichen Platz errichtet.272 Der ursächliche Zusammenhang zwischen verlorenen Schlachten der Gegenwart und der Errichtung von Denkmälern siegreicher Feldherren der Vergangenheit beunruhigte nun bereits die Presse anlässlich der Enthüllungsfeier Vor dem dritten Denkmal : Drei Denkmäler großer Heerführer , welche einst die österreichischen Waffen zum Siege führten , sind im Verlauf weniger Jahre in dem Weichbilde unserer Stadt errichtet worden. [ … ] In die Festklänge des Reiterbildes Erzherzog Carls … die frische Erinnerung an Magenta und Solferino … der Aufrichtung des Monuments für Prinz Eugen folgte die Schlacht von Königgrätz. Im Interesse des Reiches und der Armee hoffen wir , daß wir nicht in die Lage kommen werden , an den Namen Schwarzenberg in ähnlicher Weise den eines unglücklichen Führers knüpfen zu müssen.273

Auch die verschiedenen neuen Textfassungen des Prinz-Eugen-Liedes lassen Auftragsvergabe wie Enthüllungsfeier des Denkmals als Kompensationsversuch des außen- wie innenpolitischen Vertrauensverlustes anlässlich der Schlacht bei Solferino ( 1859 ) erscheinen. Die blutige militärische Niederlage bei Solferino hatte nicht nur zur Gründung des Roten Kreuzes durch Henry Dunant geführt ; Kaiser Franz Joseph hat danach nie wieder den Oberbefehl in einer Schlacht übernommen. Zur Feier der Denkmalsenthüllung erschien der Kaiser in Marschallsuniform ; der im Monument verewigte Prinz hält den Marschallstab in seiner rechten Hand. Für im Lied anklingende kriegerische Eventualitäten waren die vereinten Kräfte gefragt. Zu den Viribus unitis zählten auch die bereits lange Verstorbenen , die materialisierte Gegenwart im Denkmal stellte eine vertrauensbildende Maßnahme dar : Prinz Eugen wurde zum „Ersatz-Florian bei Kriegsbränden“.274

272 Kapner ( 1973 ), S. 15 f. 273 Neues Wiener Tagblatt , 20. Oktober 1867. 274 Trost ( 1985 ), S. 16.

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VI. Denkmal und Öffentlichkeit

Österreichische Staatsidee – deutsche Reichsidee Die Reiterstatue materialisierte die „Zusammenfassung der zu dieser Zeit aktuellen politischen Ansprüche und Zielsetzungen des Hauses Habs­ burg.“275 In seiner semiotischen Deutung ist das Denkmal als Personifizierung der „Heldenzeit Österreichs“ im siegreich Volk und Armee einenden Feldherrn lesbar ; ebenso aber auch als Antwort auf die politischen Ansprüche der Nationalitäten der Monarchie , vor allem Ungarns , das in weiten Teilen durch die militärischen Erfolge Prinz Eugens aus türkischer Herrschaft erst dem Habsburgerreich zugewachsen war ; und außerdem als Verkörperung der apostolischen Funktion des Hauses Österreich als Beschützer und Verteidiger des christlichen Glaubens , hatte Prinz Eugen doch weite Teile Südosteuropas von den muslimischen Osmanen erobert.276 Prinz Eugen war wirkungsmächtiger Zeichenträger , der , von den gesellschaftlichen Deutungsinstanzen in mehrfacher Hinsicht lesbar gemacht , kollektive Vorstellungen prägte. Das Fest , das Wien mit der Enthüllung des Monuments feierte , lieferte zumindest zwei sinnstiftende Erzählungen , parallel zu den damals aktuellen gesellschaftlichen Diskursen. Vorherrschend mag 1865 noch die habsburgische Lesart gewirkt haben , Prinz Eugen als „glänzendsten Repräsentanten der österreichischen Staatsidee“ zu sehen , der weder für die Stephanskrone noch für die Wenzelskrone , weder für Deutsche noch für Magyaren oder Czechen , sondern für Österreich und die Österreicher seine Siege auf dem Schlachtfelde und im Rathe der Staatsmänner und Diplomaten erfochten.277

Entsprechend ausgewogen hatte der kaiserliche Auftraggeber die Daten der siegreichen Schlachten Prinz Eugens gewählt : drei lassen sich den sogenannten Türkenkriegen zuordnen ( Zenta , Peterwardein und Belgrad ), drei stehen für die Erfolge im gegen Frankreich geführten Erbfolgekrieg ( Höchstädt , Turin und Malplaquet ). 275 Stachel ( 1998 ), S. 636. 276 Stachel ( 1998 ), S. 639. 277 Ost-Deutsche Post , Zeitungsschau Wiener Abendpost 239 , 18. Oktober 1865.

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Österreichische Staatsidee – deutsche Reichsidee

Daneben bestand jedoch auch jene Lesart , die den deutschsprachigen Kommunikationsraum als Einheit im politisch überholten , aber in den Köpfen nach wie vor existenten Raum des einstigen Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation sah. Auch als deutscher Held war Prinz Eugen präsent : So sei es das Princip der äußeren Politik Eugens gewesen , daß Österreich in Deutschland sich stärken müsse … seinen Einfluß im römischen Reiche immer mehr auszudehnen , daß es dort Einigkeit zu stiften und dann mit dieser gesammten Wucht auf den Orient zu drücken habe , um ein wahres Österreich zu werden.278

Eindeutiger noch formulierte man es im Local-Anzeiger. In der Vorstadt war man der Meinung , Prinz Eugen lebte in „aller Gedächtnis , und die Geschichte seiner Heldenlaufbahn pflanzt sich fort von Mund zu Munde , wohin kein Buch als der Kalender dringt. Prinz Eugenius ist der Held des deutschen Volkes.“279 Die Rezeption der am Festtag der Enthüllung des Denkmals angesetzten Dramen Am Tag von Oudenarde ( im Burgtheater ) und Prinz Eugen der edle Ritter ( im Vorstadttheater ) folgten diesen beiden Narrativen. Im kleinen Redoutensaal bestaunte im Oktober 1865 eine zahlreiche Menge das Monumentalgemälde „Prinz Eugen’s Sieg über die Türken bei Zentha“ vom ehemaligen Direktor der Prager Akademie , Eduard Engerth ( 1818–1897 ), der sich damit in seiner neuen Position als Professor der Akademie der bildenden Künste in Wien vorstellte. Die Kritik lobte an Engerths Bild vor allem die dramatische Erzählung , die Darstellung und Betonung des „rein Menschlichen“, die der Künstler „trotz der getreuen Wiedergabe des historischen Momentes“ im Auge behielt , und die auch die wesentliche Brücke bildete für das breite Publikum „zum Verständnis und deutlichen Erfassen des Bildes“. Das Interesse des Publikums wurde vor allem durch die Dramatisierung des Geschehens entfacht. Auf der einen Seite stand die getreue Darstellung der Historie , auf der anderen die Person des Prinzen Eugen , verlebendigt durch die „poesiereichen Worte Eugens“ in dessen Siegesbericht an den Kaiser : „Es war als ob die Sonne selbst nicht hätte früher 278 Neue Freie Presse , Zeitungsschau Wiener Abendpost 239 , 18. Oktober 1865. 279 Local-Anzeiger der Presse 288 , 18. October 1865.

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untergehen mögen , bis sie mit ihrem glänzenden Auge den vollständigen Sieg von Eurer Majestät glorreichen Waffen mitangesehen hat.“280 Der Kaiser kaufte das Gemälde um 15. 000 fl. und bestimmte es für das „Vorzimmer“ des Thronsaales der Ofener Burg , lesbar als Zeichen der erfolgreichen habsburgischen Heeresführung gegen das Osmanische Reich , die das jetzt in Ausgleichsverhandlungen sich distanzierende Ungarn einst befriedet hatte.281

Geschichtsdramen als immaterielle Denkmäler Die bildungsbürgerliche Begeisterung des Publikums für die Darstellung „angemessener geschichtlicher Momente“ der in Bilder gefassten Biographie wurde umgehend in das Medium des Bildungsbürgertums , auf die Bühne , verlagert. Die Forderung im Sinne des „ästhetischen Historismus“, geschichtliche Momente in Bilderreihen aufzulösen , historische Vergangenheit durch dramatische Präsenz zur ästhetischen Gegenwart werden zu lassen , hatte erstmals Franz Grillparzer mit König Ottokars Glück und Ende ( 1823 ) eingelöst. Er hatte alle ihm nur irgend zugänglichen Werke zur österreichischen und böhmischen Geschichte studiert , vor allem auch die in Mittelhochdeutsch verfaßte Reimchronik Ottokars von Hornek. Wissen geht dabei in Erinnern über , Geschichte wird zum Erinnerungsraum. Die „Ästhetisierung von Geschichte“ trifft auf die „Historisierung der Kunst“. Die Funktion des Kunstwerkes ist seine historische Bestimmung.282 Auch Weilen und Langer versuchten , mit ihren anlassgerechten Dramen die Forderung nach Errichtung eines immateriellen Denkmals , das im Sinne des „ästhetischen Historismus“ Bilderreihen geschichtlicher Momente im Drama als ästhetische Gegenwart erscheinen lässt , einzulösen. Weilen , dessen Stück am Hofburgtheater zur Aufführung kam , stellte den Spanischen Erbfolgekrieg , Langer fürs Vorstadttheater verfasste Drama den großen Türkenkrieg ins Zentrum. Löste die Popularität beim Publikum die Wahl des Sujets aus oder verstärkte die Wahl des Sujets dessen 280 Blätter für Theater , Musik und Kunst XI. 83 , 17. October 1865. 281 Das Gemälde befindet sich heute im Magyar Nemzeti Múzeum in Budapest und ist darüber hinaus durch den Stich Eugen Dolbys „Prinz Eugen sendet dem Kaiser die Botschaft vom Sieg bei Zentha“ überliefert. – Vgl. Telesko ( 2008 ), S. 23. 282 Schlaffer ( 1975 ). S. 16–17.

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Geschichtsdramen als immaterielle Denkmäler

Popularität beim Publikum ? Während also das Volk sich an den deftigen , durch das Heidentum legitimierten Ausfällen gegen die Osmanen ergötzte , frönten Adel und Bürgertum im Spanischen Erbfolgekrieg der Franzosenfeindlichkeit. Geschichtsdramen transponieren historische Personen in einen neuen , dem Publikum vertrauten Kontext , erinnern relevante Aspekte der vergangenen Existenz und überantworten sie einer zeitgemäßen Reflexion. Unsichtbar außerhalb des Theaters , immateriell , flüchtig , performativ für die Theaterbesucher wird für die Dauer der Aufführung eines historischen Dramas ein immaterielles Denkmal errichtet ; in der Wahrnehmung der Rezipienten mag es prägendere Wirkung haben als der flüchtige Blick auf ein steinernes Monument in der Mitte des Stadtplatzes.283 Am Abend der Denkmalsenthüllung mit umfangreichem Rahmenprogramm und Festakten am heutigen Heldenplatz , versammelten sich die Festgäste im Burgtheater zur Errichtung des immateriellen Denkmals in Form des einaktigen dramatischen Gemäldes Am Tag von Oudenarde von Joseph von Weilen. In den Vorstädten erfolgte die immaterielle Denkmalssetzung im Leopoldstädter Carl-Theater mit Anton Langers Volksstück mit Gesang Prinz Eugen der edle Ritter , im Neulerchenfelder Thaliatheater mit Erik Nessls einaktiger Operette Prinz Eugen als Festvorstellung.284 In Wien herrscht gegenwärtig aller Orten der Prinz Eugen Cultus , in Wort , Schrift und Zeichnung , in Erz , Gyps und Öl ; in den unzähligsten Variationen tritt uns der gefeierte Held entgegen , Alles befaßt sich mit dem „edlen Ritter“ und so können denn wohl auch die Theater hinter den Kundgebungen des allgemeinen Enthusiasmus nicht zurück bleiben. Das Carltheater hat noch vor der feierlichen Enthüllung des Prinz Eugen Monuments ein dreiactiges Volksstücke von Anton Langer „Prinz Eugen , der edle Ritter“ betitelt zur Aufführung gebracht , das entschieden gefiel.285

283 Großegger ( 2007 ). S. 293–310. 284 Nessl ( 1863 ). 1863 , zum 200. Geburtstag des Prinzen Eugen hatten vom 13. Mai bis 31. Mai sechs Vorstellungen im Theater am Franz-Josefs-Kai stattgefunden ; anlässlich der Denkmalsenthüllung 1865 hatte der Direktor des Thaliatheaters eine Reprise der Operette als Festvorstellung angesetzt. 285 Neue Wiener Theater-Zeitung 42 , 18. Oktober 1865.

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Während im Burgtheater Ensemble und Spielplan eine enge Publikumsbindung förderten , bestand in den Vorstadttheatern „keine unmittelbare , intime Beziehung mehr zwischen Bühne und Publikum“.286 Anders als das hoch subventionierte , durch Abonnements abgesicherte Hoftheater mussten die Privattheater als wirtschaftliche Unternehmen ihr Publikum allabendlich von neuem gewinnen. Prunkvolle Ausstattung , immer neue Stücke sowie spannend und gut arrangierte Plots überlagerten ästhetische Standpunkte. Die Alt-Wiener Volkskomödie hatte ähnlich wie die moralischen Wochenschriften einen Stellenwert des öffentlichen Raisonnierens ( Habermas ), der Selbstvergewisserung und der Konsensstiftung. Aus dem Gedankengut des deutschen Idealismus kommende Wien-Besucher warfen ihr allerdings vor , zersetzend zu sein , „da sie nicht dem utopischen Ideal einer allgemeinen Bildung gehorche , welche alle sozialen Widersprüche auflösen könne“.287 Anton Langer entwarf mit seinen Gelegenheitswerken „vorliterarische“ Lebensbilder und genrehafte Lokalgemälde. Er folgt einer Dramaturgie der Bilderreihen , die sich zu einem Lebensbild formten und mit einer inneren psychologisierenden Dynamik , einer psychologischen Diskursstruktur versehen wurden. Diskursiv-analytische Fähigkeiten waren beim Wiener Publikum – anders als in Berlin – weniger vorhanden.

Anton Langer Der Journalist , Übersetzer und Schriftsteller Anton Langer ( 1824–1879 ) war Vielschreiber. Er verfaßte ab 1846 rund 120 Theaterstücke , 100 Romane und übersetzte 150 Romane aus dem Französischen. Langers PrinzEugen-Stück wurde  – am Vorabend der Enthüllung des Denkmals  – im Carl-Theater zur Uraufführung gebracht. Direktor war zu diesem Zeitpunkt zum zweiten Mal Karl Treumann ( 1823–1877 ). Nach dem Brand des Theaters am Franz-Josefs-Kai hatte er die Direktion am 19. August 1863 mit einem auf 15 Jahre abgeschlossenen Pachtvertrag angetreten.288 Anton 286 Valentin ( 1988a ), S. 9. 287 Neuber ( 1988 ), S. 29. 288 Durch die Kriegswochen 1866 ging das Theater schlecht ; da die Carl’schen Erben nicht bereit waren , die Pacht herabzusetzen , musste Treumann seinen Vertrag noch 1866 abtreten. Kirchschlager ( 2002 ), S. 74.

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Langer war ein verlässlicher Partner der Direktion. Für Treumanns Direktionsantritt hatte er einen Prolog und vier Novitäten , die alle eine längere Aufführungsserie erreichten , verfasst.289 Langer verstand es , treffende Situationen , charakteristische Personenzeichnungen und Dialogwitze zu schaffen , und wenn verfügbar , auch aktuellste Berichte einzuflechten.290 Das Repertoire des Carl-Theaters weist 31 Stücke aus Anton Langers Feder aus. Langers Volksstück in drei Akten mit Gesang Prinz Eugen der edle Ritter spannt einen historischen Bogen von zwanzig Jahren und führt das Publikum in kontrastreichen Bildern vom Zeltlager der Schlacht von Zenta , der entscheidenden Schlacht im großen Türkenkrieg ( 1683–1699 ) ins Wien des Jahres 1698 und 1718. Prinz Eugen wird dem Publikum als historische Person mit persönlichem Schicksal vorgestellt ; seine Taten auf dem Kriegsschauplatz von Zenta bilden den Ausgangspunkt , um seine Beziehungen zu den Soldaten , zum Wiener Hof und zum breiten Volk zu exemplifizieren. In Dialogen eingeflochtene Wiener Lokalgeschichten banden das Publikum emotional an die Figuren : Sagen , Legenden und Wertigkeiten des 19. Jahrhunderts werden im Stückkontext rückprojiziert. Dies betrifft vor allem die ( im 19. Jahrhundert ) berühmten Deutschmeister , die erstmals 1696 , ein Jahr vor der Schlacht bei Zenta , rekrutiert worden waren ; als zweites Beispiel der Rückprojektion steht die Figur des „Kaffeesieders Kolschitzky“. Die Verflechtung der historisch-biographischen Ereignisse mit wienerischen Elementen garantierte den Publikumserfolg : Das erste Bild stellte „Die Schlacht von Zentha“ dar. Darin schildert Langer „die Intrigen des Hofkriegsrates und des Helden eiserne Tatkraft , die Liebesepisode eines Soldaten geschickt einwebend“; dieses sowie das zweite und dritte Bild , die „die Gefahr entrollen , die dem Helden durch Verhaftung droht , und die Einmischung der Wiener Bürger gegen dieselbe , worin die Tochter Kolschitzky’s als Retterin erscheint“, machte beim Publikum den meisten Effekt.291

289 Kirchschlager ( 2002 ), S. 51. 290 Das Charaktergemälde mit Gesang in 2 Bildern Österreicher in Schleswig nahm Bezug auf den Preußisch-dänischen Krieg um Schleswig-Holstein , an dem auch Österreich beteiligt war. Langer hatte sein Stück mit Hilfe neuester Berichte vom Kriegsschauplatz angefertigt. Kirchschlager ( 2002 ), S. 55. 291 Blätter für Theater , Musik und Kunst 83 , 17. October 1865 , S. 331.

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Abb. 23 Anton Langer , Prinz Eugen. Theaterzettel der Erstaufführung im Carl-Theater am 14. Oktober 1865 in der Zeitschrift Zwischen-Akt. Vom 14. bis 22. Oktober 1865 fanden sieben Vorstellungen statt.

Vom 14. bis 22. Oktober 1865 fanden sieben Vorstellungen statt. Die „Festvorstellung“ am Abend der Denkmalsenthüllung war „nur von militärischem Publikum“ besucht.292 Der Erfolg des Stückes verdankte sich vor allem der „gelungenen Darstellung und der splendiden Ausstattung.“293 Lob erhielt auch Kapellmeister Anton M. Storch ( 1813–1887 ); er war mit seinen Kompositonen bereits am Erfolg von Megerles Der Waldmichel 1861 beteiligt gewesen. Karl Wilhelm Fischer ( 1800–1873 ) stellte den Prinzen Eugen in „historischer Treue“ dar ; seine Maske und seine Kostüme waren „richtig gewählt“, entsprachen also dem Bild , das die Zuschauer sich vom Helden gemacht hatten. Der 65-jährige Schauspieler gab den 35-jährigen Prinzen Eugen „mit historischer Treue und hingebendem Eifer“, auch seine Haltung und sein Ton wurden gelobt. Die Kritiker bescheinigten ihm , den „Charakter geistig aufzufassen , und ihn mit Ruhe , konsequent und prägnant“ und „ohne Effekthascherei“ auszuführen.294 Ihm ebenbürtig war vor allem die wandlungsreiche Darstellungskunst von Josefine Gallmeyer ( 1838–1884 ), sie verband „Altes mit Neuem , Historisches und Modernes in schmackhafter Melange“, vom jungen Mädchen , das ihrem Ge292 Zwischen-Akt 235 , 21. Oktober 1865 , S. 3. 293 Blätter für Theater , Musik und Kunst 83 , 17. October 1865 , S. 331. 294 Wiener Theater-Chronik 42 , 19. Oktober 1865 , S. 167.

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liebten ins Feld nachreist , bis zur betagten Matrone und ( von manchem auch als „ordinäre“295 kritisierten ) Kaffeesiedersgattin zwanzig Jahre später. 296 „Frl. Gallmeyer ließ ihrer Laune zwar freien Lauf , überschritt aber nie das rechte Maß , ihr Spiel war fesch kokett und ausdrucksvoll , sie ist ein Magnet , das alles anzieht und fesselt.“297 Carl Treumann , der Direktor des Carl-Theaters , verkörperte die Identitätsfigur des Publikums und war „als Wiener und Feldwebel bei Hochund Deutschmeister [ Breinböck ] prächtig anzusehen mit seinem gesunden unverwüstlichen Humor“.298 Die Repräsentanten des Volkes waren durchwegs mit Publikumslieblingen besetzt : Joseph Matras ( 1832–1887 ) „lieferte mit dem ‚Speck‘ eine höchst gelungene , originelle und ergötzliche Figur eines Wienerbürgers und Ratsherren von vor 150 Jahren.“ Louis Grois’ ( 1809–1874 ) ‚Kulcziczky‘ war um so verdienstlicher , weil er nicht übertrieb. 299 Aber auch die Darsteller der adeligen Figuren gewannen die Herzen des Publikums. Allen voran , Marie Fontelive ( 1842–1879 ), die spätere Gattin des Prinzen Otto von Thurn-Taxis „verriet als ‚Gräfin de la Motte‘ einen Schatz von Wärme , Gefühl und Innigkeit“.300 „Herr Aubertin ‚Junker von der Raute‘ , wirkte recht brav , die erregte Rede im 3 Akt war schön und schwungvoll gesprochen.“ „Herr Julius gab den ‚Graf Starhemberg ‘ mit recht gefälligem , kräftigem Ausdruck ; sonst sind noch die Herren [ Joseph ] Roehring und Dreßler lobend zu erwähnen.“ Gar nicht gefiel Gustav Heinrich Braunmüller ( 1811–1881 ), „der statt des geschmeidigen hinterlistigen Italieners und Hofmannes ‚Marchese Gondola‘ einen brüsken , polternden Rummelpuff produzierte“.301 Die geschickte Zeichnung der Personen , die bühnengewandte Bearbeitung , der anspruchslose aber gute Dialog und die obwohl mitunter alten aber ausgezeichneten Couplets werden hinreichen das Publikum zu unterhalten und für eine 295 Wiener Theater-Chronik 42 , 19. Oktober 1865 , S. 167. 296 Blätter für Theater , Musik und Kunst 83 , 17. October 1865 , S. 331. 297 Wiener Theater-Chronik 42 , 19. Oktober 1865 , S. 167. 298 Wiener Theater-Chronik 42 , 19. Oktober 1865 , S. 167. 299 Wiener Theater-Chronik 42 , 19. Oktober 1865 , S. 167. Katalog ( 1894 ), S. 590 , 566. 300 Wiener Theater-Chronik 42 , 19. Oktober 1865 , S. 167. Katalog ( 1894 ), S. 558. 301 Wiener Theater-Chronik 42 , 19. Oktober 1865 , S. 167. Katalog ( 1894 ), S. 546.

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VI. Denkmal und Öffentlichkeit Reihe von Vorstellungen um so größere Zugkraft ausüben als doch die Mehrzahl des Publikums den großen Helden verkörpert zu sehen Verlangen trägt.302

Prinz Eugen war seit Jahrzehnten immer wieder als Volksheld auf der Vorstadtbühne präsent gewesen. Umso mehr durfte anlässlich der Errichtung des Denkmals durch das Kaiserhaus die Vorstadt mit einer Personifizierung des Helden nicht nachstehen : „Es ist recht schön , wenn auch die Volksbühne sich an der Feier eines Helden betheiligt , dessen Leben und Thaten das Volk getreuer in seinem Gedächtnisse bewahrt hat , denn von einem seines gleichen.“303 Die Aufführung des Stückes auf einer Privatbühne in Konkurrenz zur kaiserlichen Hofbühne wurde sogar als „Ehrenpflicht“ erachtet , auch die inhaltlich lose aneinander gefügten vier Bilder aus dem Leben Prinz Eugens fanden Zustimmung in der Auswahl , führten sie doch „den genialen Feldherrn , den tapferen Krieger , den Vater seiner Soldaten , den Freund der Bürger , den treuen Österreicher , den liebenswürdigen Cavalier , den Pfleger der Wissenschaften und Künste“ vor und errichteten ein reich verziertes Relief an dem „Postament des Heldendenkmals“. Gelobt wurde auch Langers Charakterisierung Prinz Eugens , dem passend zum Aufführungsort „unter der Rüstung nicht nur das größte , sondern auch das leutseligste Herz schlug“.304 Die meisten Kritiken waren angesichts der Publikumsbegeisterung milde und wohlwollend. Strenger urteilten einzig die Blätter für Theater , Musik und Kunst. „Anachronismussünden“, durch Unwahrscheinlichkeiten auffallende historische Fehlgriffe , wurden ebenso angeprangert wie schauspielerische Mängel : „Eugen spricht , als wenn er seinen eigenen Nekrolog gelesen hätte.“ Bei den Couplets fiel unangenehm auf , dass sie „mit Privatbeziehungen , Zweideutigkeiten und Zoten untermengt waren.“ Ganz missfallen hatte dem Rezensenten entgegen dem allgemeinen Publikumsjubel „die Zeichnung des Eugen-Monumentes sammt Umgebung“.305 Obwohl am Erstaufführungstag das Denkmal am Heldenplatz noch gar nicht enthüllt worden war und dahingehende Vergleiche noch nicht gezogen 302 Neue Wiener Theater-Zeitung 42 , 18. Oktober 1865. 303 Wiener Theater-Chronik 42 , 19. Oktober 1865 , S. 167. 304 „Prinz Eugen in der Vorstadt“. Local-Anzeiger der Presse 288 , 18. October 1865. 305 Blätter für Theater , Musik und Kunst 83 , 17. October 1865 , S. 331.

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werden konnten , hatte der Kritiker doch eine Vorstellung im Kopf : die Pläne und Entwürfe des Fernkorn’schen Guss-Denkmals waren schon seit 1863 bekannt , in diesem Jahr war auch erstmals die Schlussapotheose : „Das Standbild des Prinzen Eugen“306 auf die Vorstadt-Bühne gestellt worden. Durch die Allgegenwärtigkeit der historischen Biographie des Prinzen Eugen entstand auch eine kritische Öffentlichkeit. Die Kritiker , die aufgrund des Anlasses zahlreich zur Premiere in die Vorstadt geeilt waren urteilten anders als das Stammpublikum. So wurde der auf dem Carl-Theater aufgeführte Prinz Eugen im Feuilleton als „Tendenzstück“ rezipiert und der Überprüfung durch Historiker unterzogen : Die Wiederaufwärmung „des abgeschmackten Märchens“, Prinz Eugen habe die Schlacht bei Zenta gegen den ausdrücklichen Befehl des Kaisers geschlagen , kritisierte Alfred von Arneth , der 1858 eine nach den handschriftlichen Quellen der kaiserlichen Archive erarbeitete dreibändige Prinz-Eugen-Biographie und auch die Inschriften des Denkmals verfasst hatte. Und auch der Rezensent der Presse gestand dem Dramatiker das ansonsten gültige dramatische Privileg , mit „geschichtlicher Wahrheit eigenmächtig zu verfahren“, nicht zu. Das Motiv des Ungehorsams war erstmals 1708 noch zu Lebzeiten Prinz Eugens in eine Lebensbeschreibung Kaiser Leopolds aufgenommen worden.307 Auch wenn Arneth dieser Auslegung als „Wiederaufwärmung des abgeschmackten Märchens“308 widersprochen hatte , so vermochte er nichts gegen die Bühnenwirksamkeit der Tradierung ; auch Martin Greif nahm das Motiv 1880 in sein Prinz-Eugen-Drama auf. Und Wilhelm Maximilian Kisch ( 1827–1893 ) erweiterte diese Episode und fügte sie ebenfalls dem kaum zwei Seiten umfassenden Kapitel zu Prinz Eugen von Savoyen in den Alten Straßen und Plätzen von Wien bei : Als nämlich Eugen den glorreichen Sieg über die Türken bei Zenta erfocht , wollte der Hofkriegsrat ihn zur Verantwortung und Strafe ziehen , weil er ohne Erlaubnis zum Angriffe schritt. Dieser Fall hatte später in der militärischen Gesetzgebung die Feststellung einer Bestimmung zur Folge , die als Curiosum zu

306 Louis Selars Theaterwelt 17 , 20. Mai 1863 , S. 66. Wiener Bühnen. Treumanntheater. 307 Rink ( 1708 ); danach auch bei Sanvitale ( 1738 ), der den Wahrheitsgehalt bezweifelt. Weiter überliefert von Mauvillon ( 1740 ) und Kausler ( 1838 ). 308 „Prinz Eugen in der Vorstadt“. Local-Anzeiger der Presse 288 , 18. October 1865.

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VI. Denkmal und Öffentlichkeit betrachten ist. Während nämlich der blinde Gehorsam die Seele des Militärwesens ist , und als der eigentliche Kitt der ganzen Kriegsmaschine angesehen werden muß , kam durch den Sieg bei Zenta dennoch die Frage zur Sprache : wann der Untergebene auf dem Schlachtfelde seinen Vorgesetzten nicht zu gehorchen brauche , vielmehr auf eigene Faust handeln dürfe. Die Lösung dieser Frage war so einzig in ihrer Art , daß sie bei Codifizirung des Gesetzes eine Flut von Nachtragsverordnungen und zuletzt sogar die Gründung des Maria-TheresienOrdens zur Folge hatte.309

Ungehorsam ist der bessere Österreicher Was erzählte also Langers Drama ? Im Feldherrenzelt des Prinzen Eugen im Hauptquartier vor Zenta halten die Generäle , die Grafen Rabutin und Starhemberg Kriegsrat. Prinz Eugen lasse „Bedachtsamkeit , Reserve , Vorsicht“ vermissen und setze wie ein „Spieler [ … ] alles auf eine Karte“ lautet der Vorwurf. Graf Starhemberg jedoch ist zuversichtlich , die Türken zu besiegen : „Soll mir ein Gaudium werden , die Heiden im Moraste zu ersticken.“310 Dem Prinzen Eugen treu ergeben ist seine Leibordonnanz , der Feldwebel bei den Deutschmeistern , Leopold Breinböck , Es war jene Rolle , die beim Publikum am besten ankam. „Direktor Treumann gestaltete sie auch mit gewohntem Geschicke und brachte so die heiteren Partien des Stückes , welche vorherrschen , zu entsprechender Geltung.“311 Breinböck stellt sich dem Publikum mit „militärischem Lied“ und „fidelem Refrain“ vor , aus dem vor allem seine Anhänglichkeit an seine Vaterstadt spricht : „weil i a Weaner – a schneidiger bin …. Weil i a Weaner – a lustiger bin …. Weil i a Weaner , a Deutschmeister bin.“ Beim Refrain „bewegt sich Breinböck auf die Hüfte schaukelnd , und streicht die Haare nach den Schläfen , nach echter Wiener Manier.“312 Breinböck ist – mit seinem Dialekt – eine lustige Gegenfigur zu den adeligen Offizieren , eine Art Hofnarr , ein Hans Wurst ohne Kostüm. Durch seine Treue , Anhänglichkeit und Schlauheit 309 Kisch ( 1883 ). II , S. 483. 310 Langer ( 1865 ). S. 3 f. 311 Wiener Theater-Chronik 42 , 19. Oktober 1865 , S. 167. 312 Langer ( 1865 ), S. 4.

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Ungehorsam ist der bessere Österreicher

ist er die Identifikationsfigur für das Publikum. Breinböcks auch sprachlich markierter Gegenspieler ist Graf Pisani , der die Wiener Konspiration gegen Prinz Eugen mit Nachrichten und Informationen versorgt und den Topos Wien als Schmelztiegel bediente : Pisani. „Was findet sich in Wien an Gelehrten. Savants Professeurs ? nichts – rein nichts. Italien schickt Euch Singmeister , Musikmeister , Zeichenmeister , Paris , das göttliche Paris gibt euch Küchenmeister , Stallmeister , Sprachmeister , Fechtmeister ! Und Wien ? He ! Welche Meister erzeugt Wien ?“ Breinböck. „Deutschmeister , und die sein a nit zu verachten.“ Prinz Eugen ( tritt dazwischen ). „Besonders wenn sie wie du mit der Zunge und mit dem Säbel gleich gut zu parieren wissen.“ ( 5 )

Im Feldlager vor Zenta erscheint der Kaffeesieder Kolschitzky mit seiner Tochter Margarethe um Martin Speck , der sich aus verschmähter Liebe zu den Deutschmeistern gemeldet hatte , für seine Tochter wiederzugewinnen. Dieses Ansinnen , unmittelbar vor der Schlacht muss Prinz Eugen allerdings ablehnen. Selbstsicher weiß er , wem er vertrauen kann und wem er misstrauen muss. Er ist der Mann , „auf den wir Österreicher stolz sind“. Mit seinen Soldaten pflegt er ein kameradschaftliches Verhältnis , er betrachtet sie „als seine Kinder“. Höher als persönlicher Ehrgeiz wiegt sein „gegebenes Wort“. Die Deutschmeister sind ihm treu ergeben und hochmotiviert , gegen die Türken in die Schlacht zu ziehen. Prinz Eugen ist volksnah , seine Nähe zu den Soldaten ist auch der Grund der Ablehnung durch die Hofbeamten , die in Wien , fern der Ereignisse „mit dem Zirkel Feldzugspläne machen , unfehlbar , wunderschön coloriert“. Sprachliche Differenzierung kennzeichnet Eugens Umgang mit den verschiedenen gesellschaftlichen Schichten : mit dem Volk spricht er umgangssprachliche Prosa , dem Überbringer der Kriegsrats-Depeche Marchese Gondola antwortet er in Versen. Und – zu melodramatischer Musikuntermalung – erfährt das Publikum die eigene Marginalisierung als Motor erfolgreichen Handelns. Eugen. Es wär’ der Wunsch des Kaisers ? /  Schiebt nicht den Kaiser vor , um Eure Pläne , /  die hinterlistigen pfiffig zu maskieren. /  Des Kaisers Wunsch ist seines Österreichs Größe , /  Ist Österreichs Glück , und das wird wahrlich nicht /  Erreicht durch Büchermänner , Schulgedanken , /  Durch Emigranten ohne Herz fürs

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VI. Denkmal und Öffentlichkeit Volk , /  Die sich im fetten Lande Österreich / An Pfründen und Pensionen nur erfreuen , /  Der Kaiser gäb’ sein Herzblut für sein Volk , /  Und wenn dies Volk vom Erbfeind , von den Türken , /  befreit auf immer , neu ersteht aufathmend , /  Im langen Frieden , im erwachten Wohlstand , /  So ist des Kaisers schönster Wunsch erfüllt. Gondola. Sie wollen also , Hoheit ? Eugen ( trotzig ). Ja , ich will ! /  Ich will den Wiener Staatsperücken zeigen , /  Was Österreich kann , wenn es nicht zweifelnd schwankt , /  Nicht rechts und links laviert , nein , treu und mutig /  Mit starkem Arm Europas Wagen lenkt. /  Geh’n Sie , Herr Oberst , melden Sie in Wien , /  Daß ich die Schlacht geschlagen ; eh Sie noch /  Im Rath erscheinen , ist die Tat vollbracht. [ … ] Eugen ( alleine ). Ich weiß man traut mir eben noch nicht recht. /  Den Italiener fürchten sie in Wien. /  Heut zeig ich der Welt es im Gefecht , /  Daß ich ein guter Österreicher bin. /  Und eh der Abend sinkt , hat Gott entschieden ; /  Der Halbmond liegt besiegt im Staub darnider /  Der Adler Österreichs steigt zur Sonne wieder /  Und meinem Vaterland bring ich den Frieden. ( 14–15 )

Mit einem publikumswirksamen Schlussprospekt schließt der erste Akt : Die Musik geht in Schlachtmusik über , beim Fortissimo fliegt die Pro­ spektwand des Zeltes in die Höhe , man erblickt ein großes Tableau , einen intermedialen Verweis : Die Schlacht von Zenta gemalt nach dem Bild im Arsenal. Im Vordergrund wurde ein Tableau vivant arrangiert : „ein türkischer Roßschweifträger ist von Deutschmeistern niedergerissen“. Breinböck hat ihm den Rossschweif mit dem Halbmond entrissen , und „hält triumphierend über den zur Erde Gesenkten die kaiserliche Fahne“. Martin Speck hält den Türken rückwärts am Kragen und schwingt den Säbel über ihm. Während Kolschitzky einen anderen Türken , der auf Breinböck anlegt , mit einem Bajonett ersticht. „Die lebendigen Figuren müssen so gestellt sein , daß sie mit dem Gemalten zu einem Bilde zusammenpassen.“313

313 Langer ( 1865 ), S. 16 ; Blaas ( 1876 ), S. 242–245.

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Georg Franz Koltschizky

Abb. 24 Karl von Blaas , Die Schlacht von Zenta. Wandbogen der Ruhmeshalle. 1856 war die Schlusssteinlegung im Wiener Arsenal erfolgt. Für die Ausgestaltung der Räume malte Karl von Blaas ( 1815–1894 ) fünfundvierzig Fresken im Zeitraum von elf Jahren. Für die vier großen Wandbögen der Ruhmeshalle schuf er Gemälde der großen Siege der kaiserlichen Armee : neben der Schlacht bei Zenta 1697 , die Schlacht bei Nördlingen 1634 , den Kriegsrat in der Schlacht bei St. Gotthard 1664 und den Entsatz von Turin 1706.

Die Beglaubigung der Bühnenhandlung durch Ikonen der bildenden Kunst setzte das Publikum in Erstaunen und rief Begeisterung hervor : „Ja , wenn man nach dem jeden Acte erfolgten Hervorrufen des Verfassers und der Darsteller schließen dürfte , so hätte das Stück dem Publikum , welches das Haus in allen Räumen füllte , recht gefallen. Den meisten Beifall fanden das Schlachtenbild und das Eugenmonument , sowie ein Couplet im letzten Akt , dessen einzelne Strophen von jedesmaligem Hervorrufe Anton Langers begleitet waren.“314

Georg Franz Koltschizky Neben dem Schlachtengemälde von Zenta und einer naturgetreuen Nachbildung des Denkmals ( am Schluss der Inszenierung ) zeigte Langer vor allem auch die Figur des „Kaffeesieders Kolschitzky“ in einem im kollektiven Bildgedächtnis präsenten Ambiente. Zusätzlich stattet er ihn biogra314 Wiener Theater-Chronik 42 , 19. Oktober 1865 , S. 167.

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VI. Denkmal und Öffentlichkeit

phisch mit allen Attributen des legendären Bildes aus , das etwa hundert Jahren davor literarisch fixiert worden war. Der Armenier Georg Franz Koltschitzky ( 1644–1694 ) war Kaufmann und Kundschafter und hat niemals ein Kaffeehaus besessen.315 Jahrzehnte nach seinem Tod erinnerte der Paulanermönch Matthias Fuhrmann durch ein Flugblatt aus dem Jahre 1683 aufmerksam gemacht , in seinem Geschichtswerk „Alt- und Neues Wien“ ( 1738 ) an den Kundschafter des Türkenkrieges. In den darauf folgenden Jahrzehnten verschmolzen „verblassende Erinnerungen an die Rolle der Armenier als Kundschafter , Kuriere und Kaffeesieder allmählich mit seiner ( Koltschitzkys ) Person.“316 Anlässlich der Säkularfeier der Türkenabwehr fixierte der Piarist Gottfried Uhlich die Rolle der Kundschafter und Kaffeesieder literarisch als eine Person und verstärkte sie noch zusätzlich durch die Übernahme des alten Titelkupfers der Flugschrift von 1683 mit hinzugefügtem WienHintergrund.317 Zuletzt vergaß man endlich auch nicht den berühmten Koltschützky , dessen Muth , daß er sich mitten durch das feindliche Lager zu dem Herzog von Lothringen hinaus wagte , dadurch belohnt wurde , daß man ihm die Erlaubniß ertheilte , das erste Cafeehaus zu Wien zu errichten ; nebstbei wurde ihm von der Stadt ein neben dem kleinen Bischofshof bey dem rothen Kreuz genanntes Haus als freyes Quartier eingeräumet ; das erste Cafeehaus aber eröffnete er nicht ferne von St. Stephan , wo sich nun das Posamentierer Gewölb befindet , welches er nachher mit jenem bey der blauen Flasche rückwärts im Schlossergässel verwechselte. Man hieß ihn gemeiniglich Bruder Herz , weil er mit diesen Worten jedweden Gast zu bewillkommen pflog. Um sein Angedenken auf die Nachwelt fortzupflanzen , ist jedweder Obervorsteher der Cafeesieder verbunden , sein Bildnis in einem schönen Rahmen bey sich zu verwahren.318

315 Karl Teply ( 1980 ) kommt aus der Überprüfung der rekonstruierbaren Frühgeschichte des Wiener Kaffeehauses und der Biographie Koltschitzkys zu diesem eindeutigen Schluss. 316 Teply ( 1980 ), S. 58. 317 Uhlich ( 1783 ). S. 205. – Teply ( 1980 ), S. 58. 318 Uhlich ( 1783 ), S. 205. – zit. nach Teply ( 1980 ), S. 59.

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Georg Franz Koltschizky

Diese Einbürgerung der Kaffeetradition wurde nun von Geschichtswerk zu Geschichtswerk weitertradiert.319 Mit anekdotischen Zusätzen angereichert wurde Koltschitzky zur vertrauten Gestalt der Wiener historischen Überlieferungen : Kolschitzky hieß er von nun an im Volksmund. Zu den anekdotischen Zusätzen zählte auch die Zusicherung Starhembergs Koltschitzky für seine treuen Dienste , „jeden Wunsch , den er aussprechen würde , zu erfüllen“.320 Ein anderer anekdotischer Zusatz betraf die Art und Weise der Kaffeezubereitung , denn den Wienern wollte „dieser Trank nicht recht munden. Kolschitzky verbesserte daher den Geschmack , indem er Syrup und später Zucker zusetzte und den Satz abseihen ließ ; erst nach zwei vollen Jahren milderte er den Geschmack , indem er gute Milch beigab.“321

Abb. 25 Das Kaffeehaus zur blauen Flasche nach einer beim „Vorstand der Kaffee-Sieder“ aufbewahrten Original-Darstellung ( um 1900 ).

Die legendäre Zuschreibung als erster Kaffeehausbetreiber war zur Entstehungszeit von Langers Drama bereits zur Volksgewissheit geworden. Die 319 Teply ( 1980 ), S. 59–60 nennt die Provinzialnachrichten vom 15. Oktober 1783 – Anton von Geusau 1783 – Franz Gräffer 1822 und Joseph von Hormayr 1825. 320 Kisch ( 1885 ) V, S. 99. 321 Kisch ( 1885 ) V, S. 100.

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VI. Denkmal und Öffentlichkeit

Bühnenfigur Kolschitzky vereint in seiner Person diese Legenden : er betreibt im „Schlossergassl“ durch Zugabe von Milch zu Kaffee erfolgreich das erste Kaffeehaus „zur blauen Flasche“– wird das kollektive Wissen im Publikum abgesichert. Sein Erscheinen am Schlachtfeld von Zenta ist zwar historisch völlig ausgeschlossen , wird aber durch die stimmige Verquerung der Legendenpartikel beim Publikum legitimiert. Zudem lag dem Publikum weniger an historischer Wahrheit , als vielmehr an emotional abgesicherter Wahrscheinlichkeit. Die Verortung in der Stadt weist dem Schlossergassl heute in etwa den Stock im Eisen-Platz 4 zu. Im historischen kollektiven Gedächtnis sind Kolschitzky und „die blaue Flasche“ jedoch über die ganze Stadt verteilt : Eine Gedenktafel „für die Gründung des ersten Wiener Kaffeehauses in Wien durch Georg Franz Kolschitzky“ ist an der Adresse Singerstraße 11 angebracht. Im vierten Wiener Gemeindebezirk wurde an der Ecke Kolschitzkgasse und Favoritenstraße ein figurales Metalldenkmal am Jahrestag der Entsatzschlacht am Kahlenberg ( am 12. September ) 1885 enthüllt. Aquarelle ( 1850 ), Glasplatten ( 1907 ) und Photographien ( 1925 ) zeigen das Wein- und Bierhaus „zur blauen Flasche“ in der Lerchenfelder- und auch in der Josefstädterstraße. 322 Im zweiten Akt übernimmt Kolschitzky den Schauplatz. Nach Aufgehen des Vorhanges sieht das Publikum „das Innere des Kaffeehauses zur blauen Flasche nach dem bekannten Bilde“. Wilhelm Maximilian Kisch ( 1827–1893 ) druckt dieses Bild zwanzig Jahre später in seinem Standardwerk der alten Straßen und Plätze Wiens ab und gibt zudem eine eingehende Beschreibung , wie er sie als Besucher der Vorstellungen im Carl-Theater empfunden haben könnte : Es war eine große geräumige , etwas finstere Stube , in der rückwärts auf einem ausgebreiteten Herde stets ein gewaltiges Feuer brannte. Hier standen die großen und kleinen Kochtöpfe und die blank gescheuerten kupfernen Kessel und Kannen , aus denen der köstliche Mocca quirlte und qualmte. Von der Mitte der Zimmerdecke herab hing ein Luster mit sechs Armen in alt venetianischem Geschmacke , der die Stube nur spärlich mit Talgkerzen erleuchtete.Um die weißgetünchten Wände herum liefen rohgezimmerte hölzerne Bänke und schwere 322 Vergleiche ÖNB , Bildarchiv Signaturen LW 71464-C , A 138 , ST 2642 F.

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Georg Franz Koltschizky Tische aus Eichenpfosten und der mittlere Raum war frei für die Stehgäste. Nicht blos Bürgersleute sprachen hier fleissig ein , sondern auch Personen vom Adel , ja selbst der kaiserl. Hofkriegs-Präsident Feldmarschall Ernst Graf Rüdiger von Starhemberg verschmähte es nicht , manchmal hierherzukommen , um mit seinem „alten Waffengefährten“, wie er ihn nannte , zu plaudern , oder Prinz Eugen von Savoyen , um sich mit ihm über die Türken zu besprechen und über sie Neues und Nützliches zu erfahren. Auch der hochberühmte KapuzinerMönch Marcus Avian ging nie vorbei , ohne über Kolschitzky’s Haupt segnend seine zitternden Hände auszubreiten.323

Das Bühnenbild entsprach vollständig in allen Kleinigkeiten Kischs oben zitierter Beschreibung und umrahmte die Vorgänge des zweiten Aktes mit Lokalkolorit : ein Jahr nach der erfolgreichen Schlacht bei Zenta ist Kolschitzkys Tochter , Margarete mit Martin Speck verheiratet. Sie betreiben gemeinsam das Kaffeehaus zur blauen Flasche. Dort trifft sich klein und groß. Die „kleinen Leute“ beklagen ihre Sorgen ; die durch den Krieg bedingten Preiserhöhungen , die auch in Friedenszeiten nicht mehr geringer werden. Die „großen Leut“ suchen ihr Vergnügen : Prinz August von Sachsen , der spätere August der Starke – wie mit Verweis auf die WeltHistorie fürs Publikum antizipatorisch hingewiesen wird  – , ein Freund des Kronprinzen Josef , hat ein Auge auf Margarethe geworfen und macht ihr pathetische Liebeserklärungen ganz im Stil der „weltberühmten , schlesischen Dichterschule , alexandrinisch-allegorisch“. Und als dies nicht die gewünschte Wirkung hat , schwenkt er um in die „österreichische Allegorie , [ die ] noch viel deutlicher [ ist ], als die des Herren Gryphius“. Auch die neugierigen Nachbarsfrauen , die dem Prediger Abraham a Sancta Clara recht geben , „wenn er predigt , die Wiener Frauen sein wie die Wetterfahnen“ sind zugegen , um etwas aufzuschnappen , das sie weitererzählen können an ihre Freundinnen im „Schustergassel“, „Freisingerhof“ oder im „Paternostergassel“. Zusammen mit dem Bänkelsänger Augustin , „der sie aufhetzt“, erscheint eine Gruppe Bürger und berichtet aufgeregt , dass Prinz Eugen verhaftet und vors Kriegsgericht gestellt werden soll , weil er „die Schlacht gewonnen hat“.324 So sieht sich das Publikum einer Viel323 Kisch ( 1885 ) V, S. 100. 324 Langer ( 1865 ), S. 20–23.

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VI. Denkmal und Öffentlichkeit

zahl von Wiener Typen gegenüber und begegnet gleichzeitig performativ verschwundenen Lokalitäten des alten Wien. Das Lied , das der liebe Augustin anlassgerecht abwandelt , rahmt den Wiener Kosmos musikalisch : Der Prinz Eugen wird bald wie ich singen können : /  Ei , du lieber Augustin , / Alles ist hin ! /  Ehr dahin , Glanz dahin , /  Das ist der Dank von Wien ; /  Ei , du lieber Augustin , / Alles ist hin. ( 23 )

Beim weinseligen Volk das die Behandlung für den „Wohltäter“, den „Türkensieger“, als ungerecht empfindet , herrscht größte Aufregung über den kaiserlichen Undank. In Erinnerung an die realen Bedrohungen Anno 1683 planen die Bürger den Aufstand : Margarete. Dem Mann , dem wir unser Glück danken , der den Türken g’schla­ gen hat , will man so belohnen ? Frau Geramb. I war no fast ein Kind bei der Belagerung – vor meinen Augen haben die Türken mein’ Vatern , meine Mutter niederg’haut und mich hat der Rauwaschel in die Gschlaverei schleppen wollen. Sollen die Zeiten wieder kommen ? Frau Rath. Mir haben die Türken nix than  – aber mein’ Bruder haben’s erschossen. Martin. Der Prinz Eugen hat uns an dem Erbfeind gerächt , für all das Elend , das der Türk über Österreich gebracht. Vivat Eugenius ! Alle. Vivat Eugenius ! Martin. Wenn’s ihr Männer , wenn’s ihr noch dieselben Bürger von Wien seid’s , die Anno 83 die Mauern unserer Stadt so muthig verteidigt haben , so zeigt’s jetzt und laßt’s den Mann nit im Stich , dem Wien und Österreich so viel verdankt. [ … ] Jeder nimmt sein Schießprügel , seine Partisan oder Hellebarden. Wir marschieren in die Himmelpfortgassen , stellen uns vor dem Palais des Prinzen auf , nachher wollen wir sehen , ob – ( trinkt ) ah ! Ob ihm wer was thut ! [ … ] Augustin. Und i sing Enk das Sturmlied von Anno 83 : Frisch angepackt , unverzagt , heut noch wird der Feind verjagt. ( 24 )

Kolschitzky behält als einziger einen klaren Kopf und warnt davor , sich mit Waffen der Verhaftung Eugens zu widersetzen , denn das wäre „Rebellion , und wir sind ja treue Untertanen und gute Bürger von Wean“. Er beruft sich auf ein „alte[ s ] privilegium , daß ein Weaner Burger nur von Bur178

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gern verhaftet , nur im Bürgerstüberl festgesetzt werden darf“ und schlägt vor , den Prinzen in „Gewahrsam in den rothen Thurm“ zu bringen. Margarete hingegen will ihren Verehrer , den Prinzen August von Sachsen , gewinnen , dass er seinen Einfluss beim Erzherzog Josef und beim Kaiser für Eugen geltend machen soll. Weinselig schließt die Szene mit einem Couplet über die Wirkung von Alkohol.

Deutschlands Einheit und Österreichs Größe Als der Vorhang abermals , zum dritten Akt aufgeht , sieht sich das Publikum einem „geräumige[ n ] Salon im Rokoko-Stil im Palais des Prinzen Eugen [ gegenüber ]. Breite Flügeltüren rechts und links , in der Mitte eine breite Doppelflügeltüre , die , wenn sie offen bleibt , in eine Enfilade von Zimmern den Blick gestattet. Im Salon keine Möbel“. Gräfin Lamotte-Banneval , vom Plan der bevorstehenden Verhaftung informiert , überbringt ein den Prinzen vor dem Zugriff des österreichischen Militärs rettendes Abwerbungsangebot Frankreichs. Prinz Eugen allerdings schlägt das verlockende Angebot Frankreichs ohne zu zögern aus. Seine Liebe und Treue gehört dem Hause Österreich und durch Gottes Segen ( als Instrument Gottes ) konnte er seine Siege erringen. Gräfin. Ist das der Dank von jenem Österreich , das Sie dem schönen Frankreich vorgezogen haben ? Eugen ( warm ). Ich wählte Frankreich ja zuerst , um ihm zu dienen , doch es verschmähte mich. Als Seine Majestät Ludwig XIV. mich maß mit seinem Blick , den seine Verse-Schmeichler Europas Sonne nannten , um mir zu sagen , ich tauge nicht für seinen Dienst , da kochte mein italienisch Blut , da schwur ich Gräfin , dies Land nur wieder zu betreten mit dem Degen in der Faust ; und diesen Degen trug ich dem Kaiser zu. Der Gott da oben , der den Hochmut haßt , hat diese Klinge gesegnet. An dieser Spitze hängt das Türken-Reich , und Frankreich soll Eugen noch kennen lernen. Gräfin ( innig ). Es kennt Sie schon , mein Prinz – es würdigt Sie – Beweise hier ! ( zieht aus dem Busen ein Schreiben ). Eugen ( langt danach ). An mich ? ( nimmt und erbricht es ) von Louvois ? Er bietet einen Marschall-Stab und fünf Millionen Livres ( verächtlich ). Das Geld mag Herr Louvois den Pfälzern schenken , die seine Mordbrenner zu Bettlern machten. Den

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VI. Denkmal und Öffentlichkeit Marschallstab werd’ ich mit Gott aus Frankreich holen. Gräfin. Für dieses Österreich , das Sie in Ketten legt. Eugen ( ruhig ). Noch ist es nicht soweit. Gräfin. Ihre Feinde sind Ihre Richter. Eugen. Mein höchster Richter ist der Kaiser. Gräfin. Denken Sie an Wallenstein. Eugen ( zerreißt den Brief ). Er war ein Hochverräter. Ich bin des Kaisers treuester Untertan. Gräfin. O diese Treue , sie setzt eine Liebe voraus. Eugen. Die ich dem Hause Österreich geweiht. [ … ] Gräfin. [ … ] Es war ein Mann , wie ich ihn mir gedacht , ein Held an Ehren reich , ein Kind an Herzensgüte , ein Mann , der des Italieners Feuer , des Franzosen Liebenswürdigkeit , des Deutschen Biedersinn vereinend [ … ] Eugen. [ … ] ich bin des Kaisers Offizier , der weiße Rock der Ehre , den ich trage , er duldet keinen Flecken , und Prinz Eugen wird nie durch eine schnöde That die kaiserlichen Farben schänden. [ … ] Gräfin. [ … ] Wo findet Österreich , wo Frankreich einen zweiten Mann wie Dich. ( 27 )

Mit uneingeschränkter Zustimmung wurde dieses Identitätsangebot vom Publikum angenommen , das Prinz Eugen als wahren Österreicher betonte , unabhängig davon , „wo auch seine Wiege gestanden haben mag , seine Thaten und des Volkes Liebe haben ihm den Heimatschein geschrieben. Und wenn der Schiffer an der Nord- und Ostsee den Helden von Belgrad als den seinigen hochhält , wie viel tiefer muß sein Andenken gewurzelt sein in der Stadt , in welcher er lebte und starb , wo der Feldherr zum Staatsmann , zum Bürger , zum Beschützer der Wissenschaften und Künste wurde !“325 Das Publikum erlebt – empathisch eingestimmt – die unmittelbar bevorstehende Verhaftung Prinz Eugens und demgegenüber seinen unerschütterlichen Glauben an seine Mission : „man hält [ … ] der Weltgeschichte Rad , das vorwärts rollt , nicht auf durch Gondola’s und ihres Gleichen.“ Seine triumphierenden Feinde ( wie Gondola ) und widerwillig gehorchenden Freunde ( wie Graf Starhemberg und der Adjutant von Zenta , Breinböck ) sind beauftragt , ihn zu verhaften. Mit „einem herzlichen Kernfluch“, 325 „Prinz Eugen in der Vorstadt“. Local-Anzeiger der Presse 288 , 18. October 1865.

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der manchem Zuschauer aus der Seele gesprochen haben mag , erleichtert sich Breinböck seinen Auftrag , ohne gegen die Subordination zu verstoßen : Breinböck ( schnell mit wienerischer Volubilität ). Ein Pech hab i , Hoheit , ein so schandvolles Pech wie’s noch nie ein geborener Ratzenstadler g’habt hat. Da lieg i schon bei Zentha auf der Erd’ , hat mich der Waschel bei die Haar , setzt mir sein Balbiersichel an die Gurgel – an Schnitt – und es wär Pfirt di Gott , Agatha ! Da kommt eine Kugel , fliegt dem Waschel da hinein , wo andere Leut , die keine Türken sein , ’s Hirn haben ; er macht ein türkischen Mumekezer und ist todt. Is des net a Pech ? Wenn die Kugel um an Alzel von aner Sekunden später kommt , so macht der Türck an mir sein Schnitt – i lieget jetzt schon a Jahr in der großen Gruben bei Zentha , und dürft net dasteh’n , um – Kreuzmillion Krawaten und Janitscharen , Stabs-Dragoner- und Kamehl-Schabraken , dreimal z’sammdrahter türkischer Roßschweif – bitt allerunterthänigst um Verzeihung , Hoheit , aber das hat aussi müssen , sonst hätt’s mir Lungel und Leber abdruckt. ( 29 )

Die Bürger versuchen , „altertümlich“ bewaffnet , angeführt vom lieben Augustin die Verhaftung „nicht des Soldaten , aber des Bürgers von Wien und Hausherrn in der Himmelpfortgasse“ zu verhindern. Breinböck wird ordentlich beschimpft , dass er sich dazu hergibt den Prinzen Eugen , „den Sieger von Zentha , den Vater der Soldaten“ zu verhaften. Zur Exemplifizierung stimmt der liebe Augustin auch gleich das berühmte Prinz-EugenLied an ; das er allerdings – wie der Deutschmeister Breinböck lästert – als Bänkelsänger nicht richtig vortragen kann , und singt es selbst mit Ergriffenheit und Begeisterung und neuem Text : Prinz Eugen , der edle Ritter ! /  Für den Feind ein Ungewitter. /  Ja , ein wahrer Wetterstreich ! /  Türke , Du mußt unterliegen , /  Denn der Adler fliegt zum Siegen. /  Hoch Eugen , hoch Österreich !

Eugen unterwirft sich der „erste[ n ] Pflicht des Soldaten [ dem ] Gehorsam“ und vertraut auf die Gerechtigkeit des Kaisers. Und durch die Unterstützung des Prinzen von Sachsen , der zwischenzeitlich beim Kaiser interveniert hat , wird „die Quelle des Rechts“, der Urteilsspruch des Hofkriegsrates 181

VI. Denkmal und Öffentlichkeit

„einkassiert“ und Prinz Eugen im Wege des Prinzen von Sachsen zum ersten Generalissimus seiner Armeen ernannt. Durch die „vorbildliche“ Haltung des Prinzen Eugen wird auf der Bühne der Ungehorsam durch Gehorsam neutralisiert und gleichzeitig der Kaiser als oberste Rechtsinstanz eingesetzt : Eugen. Ich wußt’ es ja , es kann die Majestät , /  Was Unrecht , nimmer mehr als Recht erkennen , /  Es mag in Österreich manches nicht so sein /  Wie es sein sollte , Manches so , wie’s nicht sein sollte , /  Doch endlich bricht sich Bahn das Recht , das Licht , / Am guten Willen fehlt’s wahrhaftig nicht. ( 33 )

Zu den ersten Klängen des Prinz-Eugen-Liedes versichert sich der neue Generalissimus von der Bühne herab der Tapferkeit der Soldaten zur Abwehr zukünftiger Bedrohungen ; als Fahnenträger Österreichs steht er unter dem Jubel der Soldaten bereit. Mein Österreich ! Mein neues Vaterland ! /  Mag’ Dir der Feind von Osten nah’n , von Westen /  Du wirst bestehen in dem Sturm der Zeit /  Und Deine Völker wird in Ewigkeit /  Man zählen zu den tapfersten , den besten. /  Schon steigt herauf ein drohendes Gewitter /  Von Frankreich her , der alte Erbfeind wacht , /  Zeig’ , altes Österreich , deine alte Macht /  Denn deine Fahne trägt ein edler Ritter. /  Mit einem Heer von Deinen besten Söhnen , /  Und durch Europa soll das Schlachtlied tönen ! Breinböck (  singt mit Begeisterung  ). Jeder Feind soll unterliegen  , /  Adler  , flieg zu neuen Siegen , /  Hoch Eugen ! Hoch Österreich ! ( Jubelnde begeisterte Huldigungsgruppe ). ( 33 )

Damit wurde das Publikum in die Pause entlassen. Das ausgeschlagene Abwerbungsangebot Frankreichs , das Gottvertrauen Prinz Eugens in die kaiserliche Gerechtigkeit und die Jubelphrasen auf den Türkensieg bestärkten das Publikum martialisch in seinem Vertrauen auf Österreichs Unschlagbarkeit im Falle eines heraufziehenden neuen Krieges. Vor allem die Standhaftigkeit Prinz Eugens , das verlockende Angebot auszuschlagen , ein Motiv , das auch im am Burgtheater aufgeführten Dramolett enthalten ist ,326 fand vor dem politischen Hintergrund der preußischen 326 Langer ( 1865 ), S. 27 – Weilen ( 1865 ), S. 30–35.

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Das goldene Wiener Herz

Hegemoniekonkurrenz den größten Publikumszuspruch. Wie nahe die Entscheidung dieser Frage bereits war , dessen war sich der Autor allerdings nicht bewusst. In einer der Couplet-Strophen werden die Zeichen falsch gedeutet : Erst wenn ganz Deutschland einig ist , /  steht Kaiser Friedrich auf , /  Na , wenn auf das einige Deutschland er wart , /  Da wird ihm noch ziemlich lang wachsen der Bart. ( 40 )

Das goldene Wiener Herz Nach der Pause findet sich das Publikum mit den um zwanzig Jahre gealterten Protagonisten „im bürgerlichen Zimmer im Hause des Ratsherren Speck“. Beim Aufziehen des Vorhanges stehen sämtliche Darsteller ( in Festkleidern des Jahres 1718 ) mit dem Rücken zum Publikum und schauen durch die Fenster hinunter auf den Graben , um den Einzug Prinz Eugens als Sieger von Belgrad nach St. Stephan zu sehen. Das Vorüberziehen hinter den Kulissen wird mit gedämpfter , feierlich altertümlicher Marschmusik angedeutet. Kanonendonner und Glockengeläut kündigen von der Ankunft der hohen Herrschaften vor der Kirche. Aus Anlass des Sieges bei Belgrad wird dort in Anwesenheit der kaiserlichen Familie „ein förmliches Te Deum gefeiert“. Durch Teichoskopie erfahren das von der Sicht ausgeschlossene Publikum und die etwa zwanzigjährige Tochter des Hauses , die keinen Fensterplatz mehr ergattern konnte , von den Vorgängen auf der Straße. Zwanzig Jahre nach den Ereignissen von Zenta hat nicht nur Prinz Eugen die Türken bei Belgrad endgültig geschlagen , auch die Familie Speck ist aufgestiegen : Als Ratsherren logieren sie am Graben und sprechen eine hoffärtig gespreizte Sprache. Für ihre Tochter Veronika ist der alte Geheimschreiber Pisani als gute Partie willkommen. Dem ebenfalls in Veronika verliebten Studenten Anton Zinner hat Margarete bereits die Türe gewiesen. Zinners Oheim , Breinböck  – in abgewetzter Deutschmeisteruniform – erhält als Invalide der Schlacht bei Peterwardein im Speck’schen Haus das Gnadenbrot.  – Die Errichtung eines Invalidenhauses zur Versorgung jener Soldaten , die versehrt und erwerbsunfähig aus den Kriegen 183

VI. Denkmal und Öffentlichkeit

heimgekehrt waren , war jedoch erst 1727 erfolgt. Damals hatte Erzbischof Kardinal Sigismund Graf Kollonitsch ein mit Unterstützung von Gönnern erworbenes Palais zum Armenhaus umgebaut , das nach Erweiterungen 1784 bis 1909 als ‚Invalidenhaus‘ für die Unterbringung von Invaliden und Armen zur Verfügung stand. Breinböck erinnert den nunmehrigen Ratsherren Martin Speck an die alte Kameradschaft im Feld und kann sein Einverständnis zur Eheschließung zwischen seinem Mündel Toni und Specks Tochter Vroni erlangen ; Specks Frau ist  – trotz Breinböcks Erzählung ihrer eigenen Liebesgeschichte ( sie reiste dem Martin Speck bis ins Türkenlager nach , wie dem Publikum aus dem ersten Akt bekannt ist )  – nicht bereit nachzugeben. Erst der Vorwurf ein „schlechtes Herz“ zu haben – als Verletzung des Topos vom goldenen Wiener Herz – lässt sie „als Weanerin , die kein schlechtes , sondern ein gutes Herz hat“ ihre Einwilligung geben , umso mehr als auch Toni Zinners Zukunft als Garten-Inspektor des Prinzen Eugen gesichert ist. Er hat „in Belvedere für den Prinz Eugen den Park angelegt , im neusten Geschmack , lauter Rasen und Blumen , nirgends so viel Schatten ; dafür will der Baumeister Fischer von Erlach“ ihn dem Prinzen als „Garten-Inspektor vorschlagen. Zum mehrstrophigen Coupletlied , das Martin Speck über die gegenwärtigen veränderten Zeitläufe zum besten gibt , verwandelt sich die Bühne abermals zum Rokokosaal beim Prinzen Eugen.

Gedächtnis und Erinnerung Das letzte Bild von Langers Volksstück rekurriert auf das potenzielle Nachleben Prinz Eugens : Dieser sitzt nach den zahlreichen Repräsentationspflichten , dem Einzug in die Stadt , dem Te deum in St. Stephan , dem Empfang bei Hof in „enger Uniform“ „mehr ermüdet als [ nach ] manchem Schlachttag“ in seinem Salon , der „quer über die Mitte [ mit ] ein[ em ] große[ n ] Bild im breiten Gold-Rahmen , den Triumph Caesars vorstellend“ markiert ist. Mit diesem Bild hält der gealterte Feldherr Zwiesprache.327 Caesar konnte seinen Ruhm bei den Nachgeborenen durch seine selbstverfasste Schrift De bello gallico „unverfälscht“ erhalten. Prinz Eugen sorgt sich ob seiner Erinnerung bei den Nachgeborenen , 327 Langer ( 1865 ), S. 41–44.

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Gedächtnis und Erinnerung

da er selbst nicht über solche literarische Fähigkeiten verfüge und von seinen zahlreichen Feinden missgünstige Darstellungen erwarte. Seine Sorge wird auf der Vorstadtbühne zerstreut , er erfährt Unsterblichkeit beim Volk durch das Prinz-Eugen-Lied. Feldwebel Breinböck singt dem Schlafenden die Erinnerungsode , welche die in den Schlachtengemälden Huchtenburghs dargestellten Orte zitiert. Wie im Traum öffnet sich für den schlafenden Prinzen Eugen der Schlussprospekt der Hinterbühne und gibt als Ausblick in die Zukunft zu den Klängen des Volksliedes das neu errichtete Denkmal frei : Eugen. Die Natur besiegt den größten Helden , und wenn der Schlaf kommt , fallen einem Cäsar die Augen zu wie dem letzten Troßknecht. Hab ich nicht recht , Freund Cäsar ? Sieh mich nicht so verwundert an mit Deinen großen Römer Augen. Du freilich hast es klüger angestellt als ich. Du führtest wie das Schwert die Feder. Das Leben Cäsars schriebst du , Cäsar , nieder. Zweimal unsterblich , als Feldherr durch das Schwert , und durch den Griffel , den dir Clio lieh. So gut wird mir’s nicht werden nach meinem Tode. Meine Feinde werden , was ich gethan , verfälscht , entstellt der Nachwelt überliefern , und die Historie vom Prinzen Eugen zum Fabelbuche machen , wie Cendrillon und Farterluehe [ sic ! ]. Wer denkt dann meiner ? – So nach Jahrhunderten einen Blick in’s Wien der Nachwelt. – Ob sie vom Eugen noch reden werden. Ach die Welt ist so vergeßlich ? Wer wird meiner gedenken ? Ich frage wer ? Breinböck ( in der Hand einen Lorbeerkranz ; tritt mit bloßem Haupte ein , ohne Eugen zu sehen , und spricht für sich , doch so , daß es wie die feierliche Antwort auf des Prinzen Frage klingt ). Das Volk – das ganze Volk hängt an dem Prinzen. Er ist ein gar ein guter Herr – er hat mir mein Toni zum Garten-Inspector g’macht , und sein erstes G’schäft war , daß er mir aus dem Lorbeerbusch im Treibhaus den Kranz da hat machen müssen. Den will ich meinem Feldherren bringen ; er wird ihn nicht verschmähen , den grünen Lorbeer aus der Hand seines alten Feldwebels. ( Erblickt den Schlummernden ). Habt Acht – richt’ Euch – da ist er. ( Tritt ehrfurchtsvoll nieder. ) Entschlummert ! Bist auch gealtert , du großer Held , /  Es ist halt so amal der Lauf der Welt , Es kann ja nichts ewig fortbesteh’n , /  Der Stern , der aufgeht , muß untergeh’n ; Weit hinter uns liegt die köstliche Zeit , /  Wo ich gefochten an deiner Seit’ , /  Bei Zentha zuerst , in der Türkenschlacht , /  die deinen Namen unsterblich ge-

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VI. Denkmal und Öffentlichkeit macht. /  Dann ging’s hinein ins wälische Land , /  Bei Crecy , wo der Franzose stand , /  Erfuhren’s zuerst des Franzmanns Schaaren , /  Was früher bei Zentha die Türken erfahren. /  Wie Spreu vor dem Winde stoben sie hin , /  Bei Luzern , Cremona und bei Turin. /  Und wieder ging’s hinaus an den Rhein , /  Mit Englands Marlborough im treuen Verein , /  Bei Hochstätt schrie der Franzose „o weh !“ /  Bei Oudenarde und Malplaquet , /  Wir haben den Prahlern das Maul gestopft , /  Die blauen , wo wir sie fanden , geklopft. /  D’rum hetzten den Türken sie uns aufs Genick ; /  Gleich ging’s wieder nach Ungarn zurück. /  Da kamen wir gerade noch recht hinein , /  Zum großen Siege bei Peterwardein. /  So gaben dem Erbfeind wir endlich den Rest , / Als Prinz Eugen sein gewaltiges Nest , /  Als der edle Ritter Stadt Belgrad , /  für den Kaiser wieder erobert hat. ( Eugen-Lied leise ) /  So war dein Leben so schön und lang , /  Ein einziger großer Sieges-Gang. /  Und während der Kaiser die Orden beschied , /  belohnte das Volk dich durch ein Lied , /  und wird für dich einst in späten Tagen , /  in Wien ein Denkmal , ein ehernes , wagen. /  So werden die Männer der späteren Zeit , /  Das Denkmal umstehen voll Dankbarkeit. /  Sie werden den Lorbeerkranz Dir bringen , /  Ein Volkslied vom Prinzen Eugenius singen. ( Fortissimo des Eugen Liedes. Das Bild des Triumphzuges geht in die Höhe , und in dem Rahmen zeigt sich hellbeleuchtet das Denkmal Eugens auf dem Burgplatze  , umstanden von Soldaten und Volksgruppen  , Invaliden usw. Breinböck ist zu Eugen getreten und hält den Lorbeer über ihn , als ob er ihm denselben aufsetzen wollte. Die Musik verrauscht immer leiser werdend – das Bild schließt sich. ) ( 43 )

Eugen erlebt – in Anlehnung an Kleists traumwandlerischen Prinz Friedrich von Homburg , dem der König den Lorbeer reichte – die Szene ebenfalls wie im Traum und erwacht , als er tatsächlich den Lorbeer fasst. Dass sich Prinz Eugen dabei nicht als Held stilisierte , sondern die Unterstützung seiner Soldaten hervorhob – „Ward ich der Kopf , ward ihr der starke Arm [ … ] halb mir , halb euch gebührt der Lorbeerkranz“ – gewann ihm die Herzen des Vorstadtpublikums. Nach allgemeiner Danksagung für die Förderung des Glücks des jungen Liebespaares an den „Vater Eugen“ spricht Prinz Eugen die Schlussapotheose der Untertanen- und Fürstentreue , eine Art Gründungsmythos des durch gemeinsam überwundene Gefahr im Kaiser geeinigten Volkes :

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Gedächtnis und Erinnerung ich lieb es auch , /  Dies wackere Volk von Österreich /  Mög’ stets sein Werth die Anerkennung finden , /  Die ihm gebührt , mög’ Volk und Fürst /  In Lieb und Treu stets zusammen stehn , /  Und nie die Zwietracht giftige Drachensaat , /  Dies schöne Land , dies wackre Volk entzwei’n , /  Drum merkt den Spruch , ob alt , doch immer neu , /  Soll eines Reiches Kraft sich gut bewähren , /  So halte stets das Volk zum Fürsten treu , /  Wie auch der Fürst hält stets sein Volk in Ehren. ( 44 )

Angesichts der hegemonialen Konkurrenz Preußens um die deutschen Länder und der seit 1848 offenen Entscheidung zwischen einer kleindeutschen ( Vereinigung der Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes unter Preußens Führung und Ausschluss des Kaiserreiches Österreich ) oder großdeutschen Lösung ( Vereinigung unter Einschluss der deutschsprachigen Bevölkerung des Habsburgerreichs ) klingen diese Schlussworte Prinz Eugens ambivalent und sind je nach Standort les- und deutbar. Den Standort bestimmte , wie „dies wackre Volk von Österreich“, wie „dies schöne Land , dies wackre Volk“ zu verstehen waren. War es die deutschsprachige Bevölkerung des Habsburgerreiches , die die kulturelle Hegemonie beanspruchte ? War es das multiethnische Habsburgerreich ? Oder war es das „deutsche Volk“, das Land des ehemaligen Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation ? Und worauf bezog sich jenes „dies wackre Volk entzwei’n ,“ ? Auf das Habsburgerreich ? Oder auf das deutsche Volk ? So oder so gelesen konnte es eine Mahnung , eine Bedrohung , eine Verheißung sein und es blieb dem einzelnen Zuschauer überlassen , wie er sich im kollektiven Rezeptionsprozess positionierte. Eine Mahnung waren die Worte für die österreichischen Anhänger einer großdeutschen Lösung , da die großdeutsche Lösung die Konsequenz des Ausschlusses der nicht-deutschsprachigen Gebiete des Habsburgerreiches , eine ( fast undenkbare ) Teilung des Habsburgerreiches in sich barg. Gleichzeitig aber bedeutete die kleindeutsche Lösung für sie eine Bedrohung , da nun ihr eigener Ausschluss ( aus dem Deutschen Bund ) zur Disposition stand. Für jene , die sich nicht über die deutschsprachige Bevölkerung definierten , mag die kleindeutsche Lösung allerdings eine Verheißung gewesen sein , die kulturelle hegemoniale Stellung der Deutschen zu brechen und das Habsburgerreich als einigende Entität zu begreifen. Urteilt man nach den die Rezeption spiegelnden Kritiken , so ist keine eindeutige Position auszumachen : 187

VI. Denkmal und Öffentlichkeit Das Publikum zeichnete die Hauptdarsteller durch reichen Beifall aus und applaudierte auch lebhaft bei den vielen Stellen von wohlfeilem Patriotismus , Loyalität , Hingebung für Österreich , Aufopferung von Gut und Blut , kühnen Flug von Österreichs Doppelaar , Kampf , Sieg etc. ; in vorbenannten Species wird sehr stark im Prinz Eugen gearbeitet , es kostet ja auch nichts und macht doch mehr oder weniger Effekt ! 328

Langers Stück wurde am Carl-Theater im Oktober und November 1865 acht Mal gezeigt. Aufführungen wurden auch aus anderen Städten der Monarchie gemeldet : aus Znaim , wo gleichzeitig auch Weilens Einakter gegeben wurde , aus Brünn , Graz , Klagenfurt und Temesvar.329 In Znaim – wo man das Prinz-Eugen-Denkmal nicht aus eigener Anschauung , nur von Beschreibungen kannte , wurde das Schlusstableau „stürmisch da capo verlangt“. Die Ausstattung „dem Zeitalter angemessen , war lobenswerth“.330 Nach diesem Prinz Eugen gewidmeten Drama wandte sich Langer wieder seiner eigentlichen Sphäre , der Lokalgeschichte und den Wiener Typen zu. In den siebziger Jahren verfasste er ein einaktiges Genrebild rund um die zweite Türkenbelagerung In der Brigittenau 1683 , das er im Illustrirten Hans-Jörgel Volkskalender 1878 veröffentlichte.331 1884 ließ Langer im gleichen Medium das vaterländische Volksstück mit Gesang in 4 Bildern Die Türken vor Wien folgen. Als Kenner der Lokalgeschichte Wiens führt er den „Prototyp des alten gemüthlichen ‚Oesterreicherthums‘ mit dessen Eigenheiten und Schwächen“ vor.332 Im weit verbreiteten Kalender fanden die Stücke ihr Lesepublikum beim einfachen Volk : Prinz Eugen spielt in diesen Texten nur eine periphere Rolle ; er ist keine Rollenfigur , tritt nicht persönlich auf , seine Teilnahme im Entsatzheer 1683 , das Wien befreien sollte , wird jedoch mit ( das Wissen um den späteren Erfolg vorwegneh328 Neue Wiener Theater-Zeitung 42 , 18. Oktober 1865. 329 Beilage zur Wiener Theater-Chronik 46 , 1865 , S. 185 und 50 , 14. Dezember 1865 , S. 201. Wiener Theater-Chronik 43 , 26. Oktober 1865 , S. 172 und 49 , 7. Dezember 1865 , S. 196. Fremden-Blatt 291 , 21. Oktober 1865 , S. 5–6. 330 Beilage zur Wiener Theater-Chronik 50 , 14. Dezember 1865 , S. 201. 331 Seit 1851 gab Langer die satirische , in niederösterreichischem Dialekt verfasste Wochenschrift Hans-Jörgel aus Gumpoldskirchen heraus , die er mit einem „Volks-Kalender für Humor und Ernst“ für denselben Leserkreis ergänzte. 332 Anton Schlossar , Langer , Anton , in : ADB 17 ( 1883 ), S. 674–676.

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mender ) Bewunderung vermeldet : „ein junger Franzose , Prinz Eugenius von Savoyen geheißen , noch nicht 20 Jahre alt , aber Schneid hat das junge Herrlein , wie ein Dutzend Teufel“.333

Joseph Weilen Während sich das Vorstadtpublikum am Abend der Denkmalsenthüllung kollektiv an Prinz Eugens Siege im Türkenkrieg erinnerte – die ersten drei Bilder spielten unmittelbar vor und nach der Schlacht bei Zenta , das letzte Bild nach der Schlacht bei Belgrad  – versammelten sich die Festgäste , unter ihnen auch der Kaiser mit einem „großen Teil der kaiserlichen Familie“334 , im Burgtheater zum kollektiven Gedenken an den siegreichen Feldherren gegen Frankreich im Spanischen Erbfolgekrieg : Am Tag von Oudenarde von Joseph Weil erinnert an die Schlacht , mit der die Niederlande an Österreich kamen.

Abb. 26 Das k. k. Hoftheater nächst der Burg am Michaelerplatz in Wien ( 1742–1888 ). 333 Langer ( 1880 ), S. 17. 334 Zwischen-Akt 322 , 19. Oktober 1865 , S. 3.

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Joseph Weil , seit 1874 Ritter von Weilen ( 1828–1889 ), war nach Jahren als Wanderschauspieler und einer militärischen Laufbahn seit 1861 Scriptor an der Wiener Hofbibliothek und Professor für Geschichte und deutsche Literatur. Für das Burgtheater hatte er seit 1859 drei abendfüllende historische Tragödien und Dramen verfasst. Seinen Ruf als „Meister des Festspiels“ ( Ludwig Speidel ) hatte er 1852 anlässlich der Feier der Anwesenheit Kaiser Franz Josephs in Preßburg begründet : Unter dem Titel Der Blumen Huldigung hatte am 14. August 1852 eine „Anzahl festlich gekleideter Töchter Preßburgs“ auf dem prachtvoll gezierten Treppengang des Primatialpalais „Blumen ausgestreut [ und den Kaiser ] herzlich begrüßt“.335 Ab 1873 war Weilen Direktor der von ihm ( gemeinsam mit Salomon Hermann Ritter von Mosenthal ) gegründeten Schauspielschule am Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Daneben blieb er auch weiterhin schriftstellerisch tätig , verfasste Dramen und Festgedichte für das Burgtheater , wie das einaktige Festspiel Aus dem Stegreif zur Säkularfeier des Hofburgtheaters am 17. Februar 1876. Er war Präsident des Schriftstellerverbands Concordia und hatte ab 1884 die Redaktion des Kronprinzenwerkes „Die österreich-ungarische Monarchie in Wort und Bild“ inne. Er gehörte zur Gruppe der Vertreter der Einheit des habsburgischen Reichsgedankens , die 1908 die grundlegende Idee zur Verwirklichung des Kaiserhuldigungsfestzuges lieferten. In diesem Sinne hatte er auch das einaktige Festspiel Am Tag von Oudenarde für die Burgtheaterbühne verfasst. Anfang des Jahres 1865 hatte Weilen den Auftrag erhalten , „ein Festspiel für die Enthüllung des Prinz-Eugen-Denkmals zu schreiben. In wenigen Tagen hatte er die Aufgabe gelöst.“336 Ende Juni wurde die Annahme des Festspiels noch unter dem Titel Prinz Eugen zur Aufführung am 18. Oktober „zum Besten der Invaliden“ bekannt gegeben.337

335 Wiener Zeitung , 17. August 1852 , S. 2252. – Der Blumen Huldigung. Festspiel zur Feier der Anwesenheit Sr. Majestät des Kaiser Franz Joseph I. in Preßburg , 14. August 1852. Preßburg 1854. 336 Weilen ( 1912 ), S. XXVIII. 337 Wiener Theater-Chronik 26 , 29. Juni 1865 , S. 103.

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Abb. 27 Joseph von Weilen , Am Tag von Oudenarde. Theaterzettel der Premiere im k. k. Hofburgtheater am Michaelerplatz am 18. Oktober 1865. Bis 28. Dezember 1867 fanden elf Vorstellungen statt.

„Ein großer Feldherr, ausgezeichneter Staatsmann und Abgott der Soldaten!“ Bereits 1853 hatte sich Joseph von Weilen mit der historischen Gestalt des Prinz Eugen von Savoyen auseinandergesetzt. In der Versdichtung Männer vom Schwerte. Heldenbilder aus Österreich , die innerhalb von zwei Jahren drei Auflagen erlebte , fasste Weilen Prinz Eugens Lebensgeschichte in Verse.338 Für sein Festspiel , das dramatische Gedicht in einem Aufzug Am Tag von Oudenarde stellte er den „großen Feldherrn , ausgezeichneten Staatsmann und Abgott der Soldaten“ am Beispiel der „herrlichen und blutigen Siege bei Oudenarde“339 einem Theaterpublikum vor. Gemeinsam mit Marlborough hatte Prinz Eugen im Spanischen Erbfolgekrieg 1706 mit Hilfe der vereinigten englischen und österreichischen Truppen die Franzo338 Weilen ( 1853 ), S. 91–108. 339 Weilen ( 1853 ), S. 91.

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sen siegreich geschlagen. An diesem Schauplatz lässt Weilen das historisch nicht belegte Zusammentreffen des Prinzen Eugen mit seiner seit Jahren auf einem nahen Schloss auf Befehl Ludwig XIV. gefangen gehaltenen Mutter Olympia stattfinden. Olympia , die absichtlich über die Zeitereignisse getäuscht worden war , erfährt erst durch das Treffen mit ihrem Sohn nach der Schlacht von Oudenarde von seinen Siegen gegen den französischen König. Der Einakter spielt im von hohen Mauern umgebenen französischen Garten des Renaissanceschlosses Bruan , auf dem die einstige Jugendgefährtin des späteren französischen Königs und Mutter des Prinzen Eugen seit 20 Jahren versteckt und gefangen gehalten wird. Wegen seiner strategischen Lage nahe der Stadt Oudenarde hat Prinz Eugen nach dem Sieg Marquis Torcy , den französischen Friedensbevollmächtigten Ludwig XIV. , dorthin zur Unterredung beschieden. Während seine Ordonnanz Franz Horak das diplomatische Treffen auf dem Schloss ankündigt versucht der die Gefangene bewachende Kastellan Leclerc vergebens mit allerlei Ausflüchten dieses Zusammentreffen , das sein feingesponnenes Lügennetz mit einem Male durchreißen würde , zu verhindern. Selbstbewusst weist ihn Horak zurecht : Der französische Gesandte wird kommen , vom Frieden schwatzen , uns die Niederlande aufdringen wollen , vielleicht auch noch Neapel dazu und all die Lande da hinten in Amerika. Wir aber sagen : Nichts da , Herr französischer Gesandter , wir trauen eurem Könige nicht. Er ist falsch und hält nie Wort. Wir belagern Lille , wir rücken gegen die französische Grenze , wir marschieren nach Paris und diktieren den Frieden. Alles oder nichts ! So wird es kommen , darauf könnt Ihr Euch verlassen. ( 11 )

Olympia Mancini , die den nahen Kanonenlärm gehört hat , wird ein letztes Mal von ihrem Bewacher in Umkehr der wahren Verhältnisse vom Sieg der französischen Truppen über die Kaiserlichen unterrichtet. Um ihr Leben , das sie nur ihrem Sohn , der „Ludwigs treuester Diener und der Kirche frömmster Priester sei“ verdanke , zu sichern , will der Kastellan sie wegschaffen. Olympia widersetzt sich misstrauisch geworden hartnäckig einer Wegbringung. So kommt es zum Zusammentreffen mit den kaiserlichen Soldaten und zur Aufklärung der Situation. Horak durchschaut 192

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die Intrige und lässt Leclerc gefangen nehmen , um herauszufinden „warum diese Frau hier festgehalten , getäuscht , belogen und unsere Kriegsehre niederträchtig durch Verleumdungen gekränkt“ wurde. Von Horak über die Siege der kaiserlichen Truppen unterrichtet dankt Olympia ihrem „gerechten unbestechlichen Richter“, der „die Welt nicht verloren sein“ lässt und sie nicht „als Spielball dem selbstsüchtigen Ehrgeize eines einzigen , und wäre dieser einzige selbst der mächtigste und stolzeste König der Erde [ hingibt ]“. Der Auftritt des Prinzen – der schon als „so ernst und so freundlich , so schlicht und so groß , so sanft und so kühn !“ angekündigt worden war – führt einem erwartungsvollen Publikum alle Eigenschaften des honnête homme vor , die in Übereinstimmung mit dem Selbstbild Prinz Eugens und seiner Totenrede tradiert wurden : Tugend und Stärke , Recht und Ehre , Billigkeit und Tapferkeit , Klugheit , Sanftmut , Eifer und Verschwiegenheit , Vorsicht und Weitblick. Sie schwingen mit in jedem Wort , das Weilen seinen Prinz Eugen sprechen lässt , in seinem Bedauern über die Verluste der eigenen Männer , seiner Achtung vor der Menschenwürde des gefangenen Feindes , seiner eigenen Bescheidenheit und seiner Anerkennung der Leistungen des verbündeten Marlborough ; auch in seiner Haltung , privates Schicksal von beruflichem Handeln zu trennen , keinem Revanchismus gegen den französischen König zu verfallen , sowie seine Fähigkeit , über all den Dienstpflichten auch Fragen der Kunst zu reflektieren. Die Friedensgespräche , die Prinz Eugen unmittelbar nach der Schlacht mit Marquis Torcy führt , weisen ihn als freimütigen und aufrechten Diplomaten aus : Das müsste ein herzloser Soldat sein , der eben vom Schlachtfeld zurückgekehrt ist , der noch vor seinen Augen das entsetzliche Bild niedergebrannter Dörfer , verstümmelter Menschen , getöteter Waffenbrüder hat , und in solcher Stunde nicht gerne einen ganzen Wald von Lorbeern für eine einzige Friedenspalme wechselte. ( 30 )

Dennoch , um einen ehrlichen , dauerhaften Frieden zu erreichen , ist Prinz Eugen nicht mehr zu Nachgiebigkeit und Länderabtretungen bereit. Im Gegenteil , nur der Verzicht auf die spanische Erbschaft durch den franzö193

VI. Denkmal und Öffentlichkeit

sischen König für sich und sein Haus könne einen langfristigen Frieden sichern. Dafür verfügt der französische Gesandte über keine Vollmachten. Mit einem Abwerbungsangebot versucht er vergebens den Prinzen Eugen auf die Seite des französischen Königs zu locken. In einem großen Österreich-Monolog gelobt Prinz Eugen seine Verbundenheit mit der pluri-nationalen Donaumonarchie , dem Land und den Soldaten , die aus allen Landesteilen stammen. Nach Österreich führte mich ein glückliches Geschick ; dort , wo die Donau majestätisch hinflutet , ein Weltstrom , Morgen- und Abendland verbindend , dort fand ich zu einem großen Reiche verbunden Völker verschiedener Sprachen und Zungen , in ihrer Mannigfaltigkeit sich ergänzend , in dieser Ergänzung eine Einheit , in dieser Einheit stark und unüberwindlich ! [ … ] Einen Kaiser und Herrn , der mir zugleich Vater und Freund ist , Völker voller Kraft und Frische und Zukunft , ein Heer voller Treue und Tapferkeit [ … ] und zu all diesem noch das erhebende Bewußtsein , daß ich hier niemals in die Lage kommen kann , mein Schwert für eine Sache ziehen zu müssen , die keine edle und gerechte ist. Dieses Österreich wuchs in mich hinein , bis es jeden Raum meines Herzens , jede Regung meiner Seele füllte , bis ich ganz das wurde , was ich bin : Ein Sohn Österreichs. ( 38 f )

Entsprechend wird er auch von seinen Soldaten verehrt. Der Invalide Waller , der in den Türkenkriegen mitgekämpft und seither dem siegreichen Feldherren manche Papierarbeiten abnimmt , dichtet an einem Lied auf die Türkenschlachten. Nur mehr die erste Zeile des Liedes fehlt ; in seiner Suche nach dem rechten Text werden dem Publikum abermals die Charakterqualitäten des Helden vorgeführt : ‚Eugenius der große Prinz‘ – heißt nichts , auf den Prinzen bildet er sich nicht viel ein. ‚Eugen der brave Mann‘ – Unsinn , brav sind wir alle , er aber der bravste ! ‚Eugen der stolze Krieger‘ – dumm ! er ist nicht stolz ! ‚Kühner Führer‘ – töricht , er ist nicht nur kühn , auch weise. ‚Eugen der Soldatenvater‘ – ist gut , gut , das Rechte ist’s aber auch noch nicht.

Schließlich führt die Wiedervereinigung von Sohn und Mutter Wallner die richtige Beschreibung zu. „ ‚Edler Ritter !‘ – das ist das Wort wie ich es 194

Worte, die im Gebrauch ihre Bedeutung gewinnen

brauche ! Das fasst alles in sich ! Alles !“, sodass der glückliche Ausgang mit dem Lied besungen werden kann. Prinz Eugens Unsterblichkeit als militärisches und menschliches Leitbild für alle kriegsführenden Generationen mündet in einem Segensspruch , den Olympia Mancini mütterlich für einrückende junge Männer am Vorbild ihres Sohnes formuliert : Und wenn in fernsten Zeiten eine Mutter ihren Sohn , der für Österreichs Macht und Recht in den Kampf zu ziehen sich rüstet , wird segnen wollen , – keinen höheren Segen , keine edlere Siegesweihe kann sie finden , als wenn sie die Hände über ihn breitet und spricht : sei menschlich , sei tapfer , sei weise , sei treu , wie Eugen von Savoyen ! ( 45 )

Worte, die im Gebrauch ihre Bedeutung gewinnen „Worte“, schrieb Ludwig Wittgenstein , „gewinnen im Gebrauch ihre Bedeutung.“ Sprache ist – nach Ruth Wodak – durch ihre Funktionsweise wesentlich an der kommunikativen Konstruktion von Identität beteiligt. Das Adjektiv deutsch änderte vom 18. bis ins 20. Jahrhundert seine Bedeutung stufenweise. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts , zur Zeit der deutschen Aufklärung , markierte deutsch den Versuch , Sprache als In­ strument der Emanzipation zu definieren. Zu einer Zeit , als neben Latein als Kirchen- und Urkundensprache vor allem Französisch als Adels- und Hofsprache gebräuchlich war , sollte Deutsch neben den adelig-dynastischen und kirchlich-päpstlichen Netzwerken ein bürgerliches Netzwerk etablieren. Anders als die exklusiven hierarchischen Gesellschaften des Adels und der Kirche war es einem Programm der Inklusion und Gleichheit verbunden : jedem stand die Gemeinschaft offen , der ‚strebend sich bemühte‘ , mit Bildung zum Bürger zu werden , zum  – heute in seiner ursprünglichen Bedeutung schwer fassbaren  – Bildungsbürger. Mit dem aufkommenden Nationalismus im 19. Jahrhundert erweiterte das Adjektiv deutsch seine Bedeutung. Mit der nationalen Konnotierung war eine Distanzierung von anderen Nationen verbunden. Die ursprüngliche Bedeutungsebene blieb erhalten. Der Rekurs auf die Aufklärungsutopie und die Identifizierung mit dem bildungsbürgerlichen Ideal leistete im nati195

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onalen Kontext einem Elitedenken Vorschub. Diese Doppelbedeutung von deutsch im Nationalismus des 19. Jahrhunderts mündete in einer begrifflichen Unschärfe , die zum Übermenschentum des Nationalsozialismus im 20. Jahrhundert führte ; mit den schwachen Spuren des inklusiven Aufklärungsdiskurses behaftet , behauptete das Adjektiv deutsch nun eine irrationale Exklusion. Noch bevor Prinz Eugen die Bühne betritt , wird das Publikum durch seine Leibordonnanz , den Savoyen-Dragoner Wachtmeister Horak , den am Burgtheater Bernhard Baumeister ( 1827–1917 ) gab , mit seinem Charakter vertraut gemacht : er sei uneitel , bescheiden , nüchtern und frei von unsachlicher Emotionalität. „Der kleine Kapuziner“, wie seine Soldaten ihn nennen , hat – wie nicht anders erwartet – die Schlacht gewonnen. Das versteht sich von selbst , wenn der kleine Kapuziner uns führt und im Himmel droben ein ehrlicher Herrgott sitzt , der deutsch versteht ! ( 8 )

Den Ruhm der Schlacht läßt Prinz Eugen „seinem treuen Freund und Waffengenossen , dem Herzog von Marlborough“. Er selbst „habe nur [ s ]eine Pflicht getan“, und verweist damit auf den ihm anvertrauten kaiserlichen Dienst , einschließlich der Befehlshierarchie beim Militär. „Ich habe meine Pflicht getan“ hat als Formel der Bescheidenheit bis zum Ende der Monarchie Gültigkeit bewahrt. Als Formel der Entschuldigung oder gar Rechtfertigung , vor allem der Taten des Zweiten Weltkrieges , verkam sie zur heftig befehdeten Floskel.340 Noch an anderer Stelle , nämlich als Prinz Eugen vom französischen Gesandten als Basis des Friedensschlusses den Verzicht auf die spanische Erbschaft fordert , eine Forderung , die jener als „entehrende Friedensvorschläge“ von sich weist , begegnen wir jenem deutschen Diktum wieder , als Prinz Eugen antwortet :

340 Anläßlich der Bundespräsidentenwahl 1986 wurden Kurt Waldheims Kriegsvergangenheit am Balkan und die Mitgliedschaft in NS-Organisationen ( SA-Reitersturm und NS-Studentenbund ) zum Wahlkampfthema. Seine Verteidigung : „Ich habe im Krieg nichts anderes getan , als Hunderttausende andere Österreicher , nämlich meine Pflicht als Soldat erfüllt“ löste einen Sturm der Empörung aus und dekonstruierte Österreichs bis dahin gültigen Opferstatus. ( zitiert nach Uhl 2001 , S. 26 ).

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Vielfalt in der Einheit Entehrend , Herr Marquis , mir ist das Gesetzbuch der Staatsmoral unbekannt , welches die Rückerstattung unrechtmäßig erworbenen Landes als entehrend bezeichnet. Deutsch mindestens dürfte dieses Buch kaum geschrieben sein. –( 33 )

Deutsch bezeichnet in beiden Fällen einen moralischen Anspruch , der sich aus der deutschen Aufklärung im 18. Jahrhundert ableitete. Der Rekurs auf die deutsche Aufklärung und die damit verbundenen Ideale erlaubte bis ins 20. Jahrhundert bildungsbürgerliche Identifizierung neben nationalen Zuschreibungen. Dies verursachte einen „Knoten im Denken“ ( Wittgenstein ), eine dem ursprünglichen Inhalt zuwiderlaufende Akzeptanz : der Nationalismus im 19. und der Nationalsozialismus im 20. Jahrhundert forderten und praktizierten mit dem ursprünglich dem inklusiven Aufklärungskontext verbundenen Adjektiv deutsch Exklusion.

Vielfalt in der Einheit Manche Vertreter der ( deutschen ) Historiographie versuchten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts , Prinz Eugen als Staatsmann und Diplomat mit dem Reich in Bismarcks nationaler Ausprägung zu identifizieren. Prinz Eugen dachte zu seiner Lebenszeit allerdings immer gesamteuropäisch , im Wissen um die Notwendigkeit eines europäischen Gleichgewichtes. Als Europäer im Denken , als Präsident des Hofkriegsrates und Mitglied der Geheimen Konferenz entfaltete er eine gesamteuropäische Politik mit der habsburgischen „Gesamtstaatsidee“ im Zentrum.341 Die bis in unsere Tage immer wieder diskutierte Frage der Zugehörigkeit zu Nation oder Staatsgefüge als Geburtsrecht oder -pflicht beantwortet Joseph Weilen für seinen Prinz Eugen in Übereinstimmung mit Schiller mit dem Erwerbsrecht durch Dienste und Leistungen am Staat. Der gebürtige Franzose Prinz Eugen argumentiert seine österreichische Nationalitätszugehörigkeit als durch Arbeit , Mühe , Blut und Wunden , als durch Schlacht und Sieg erworbenes Recht. Gegen seinen ( zufälligen ) Geburtsort setzt er sein tatenreiches Leben. Auf die Frage , was ihn denn so an Österreich fesseln könne , antwortet Prinz Eugen mit oben zitiertem Österreich-Monolog. 341 Vgl. Csáky ( 1986 ), S. 88–89.

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Prinz Eugen , der mit der Schreibung seines Namens „Eugenio von Savoye“, einer Mischung aus italienisch , deutsch und französisch , die multilinguale Ergänzung als Einheit demonstrierte , wird von Weilen in dieser Textstelle die habsburgische Identitätspolitik in den Mund gelegt. Dieser Einheit in der Vielheit stellt er die absolute , dem adeligen Kodex entnommene Trennung von Privatem und Öffentlichem gegenüber : All [ … ] meine persönlichen Erinnerungen bleiben mein trauriges geheimes Eigenthum in einsamen Stunden , sie haben mit dem Manne nichts gemein , der an der Spitze dieser Tapferen steht , auf das Schlachtfeld sie führt , oder die Feder in der Hand den Frieden vermittelt. Dieser Mann kennt gegen Frankreich und seinen König weder Liebe noch Haß , weder Furcht noch Groll. Dieser Mann hat nur eine Richtschnur für sein Handeln : seines Kaisers Befehl ; hat nur einen Leitstern vor dem Auge : Österreichs Ehre ; nur einen Anker in seiner Seele : Österreichs Recht. Dieser Mann bleibt in Glück und Unglück , bis der Tod ihn von seinem Posten abruft , Eugenio von Savoye , des Kaisers treuester und gehorsamster Soldat. ( 40 f )

Gleichzeitig argumentiert Weilen die persönlichen Erfahrungen , die Zurückweisung und Zurücksetzung Eugens durch den französischen König entsprechend der Marginalisierungstheorie von Robert E. Park als Quelle der außerordentlichen Kraft für seine Karriere , ein Motiv , das immer wieder in den Dramen Eingang fand und auch Langer verwendete. „Ich danke ihm sogar , und segne die Stunde , in der er mich von sich wies , denn alles , was ich bin , mein Name , mein Glück , meine Heimath , keimte mir empor aus jener Stunde.“342

Barock und Belvedere Während Prinz Eugen den Italienern als Renaissancemensch erscheint343 , sieht ihn die österreichische Historiographie als Barockmenschen , aufgrund seines lebensbejahenden und weltoffenen Weltbildes ebenso wie

342 Weilen ( 1865 ), S. 40. 343 Verrecchia ( 1986 ), S. 120.

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Barock und Belvedere

durch seine hinterlassenen Baudenkmäler.344 Bereits Joseph von Weilen nahm da eine eindeutige Zuordnung vor : die Renaissance-Burg von Oudenarde , die den Prospekthintergrund der Burgtheaterbühne bildete , wurde vor den Augen und Ohren des Publikums einer Kunstkritik unterzogen. Jahre vor der Rehabilitierung des Barock , die mit der Wiederentdeckung und Neuschätzung des Barockstils durch die Rezeption der 1880 erschienenen Kunstepistel Albert Ilgs Die Zukunft des Barockstils sowie Heinrich Wölfflins Renaissance und Barock ( 1888 ) erfolgte , lässt Weilen seinen Protagonisten auf der Bühne des Burgtheaters seine Wertschätzung des barocken Baustils begründen. An der Renaissance-Burg empfindet er die Linien zu einförmig , zu starr und kalt. Ich liebe bei Menschen wie bei Ge­ bäuden die selbständigste und freieste Entfaltung in den Gränzen eines edlen und schönen Maßes ! Mein Belvedere wird davon Zeugnis geben. [ … ] In meinem Schloße , in meinem lieben Belvedere wirst du mit mir wohnen. Liebliche Berge , von der Hand der Geschichte geweiht , grüßen dich dort von Ferne , und die vielthürmige , weit sich dehnende Kaiserstadt breitet sich zu deinen Füssen aus. ( 30 , 44 )

Abb. 28 Eiserner Vorhang , Theater in der Josefstadt nach dem Ölgemälde von Bernardo Bellotto genannt Canaletto , Wien vom Belvedere aus gesehen. 344 Gutkas ( 1986 ) und Plechl ( 1986 ) in : Prinz Eugen Symposium ( 1986 ), S. 121–122.

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VI. Denkmal und Öffentlichkeit

Bereits in seinem Österreich-Monolog lässt Weilen Prinz Eugen die „majestätische Donau“, den „Morgen- und Abendland verbindendenden Weltstrom“ als Ort des Gedächtnisses aufrufen. Mit dem Belvedere und der Blickachse wurden für das Publikum performativ zwei weitere Orte des Gedächtnisses zitiert : zum einen erinnerten die angesprochenen „von der Hand der Geschichte geweihten Berge“ an den vom Kahlenberg her geführten Entsatz von Wien bei der zweiten Türkenbelagerung 1683. Als ein Ort des wehrhaften Türkengedächtnisses sind sie auch mit dem Eintritt Eugen von Savoyens in das österreichische Heer verbunden. Zum anderen ist der auch von Canaletto festgehaltene Blick Wien vom [ oberen ] Belvedere gesehen ( 1758 ) ein emotional hoch besetzter Ort des Gedächtnisses , auf den regelmäßig verwiesen wird , wenn es um die Verhinderung von die Blickachse störenden Hochhausbauten geht. Seit 1924 schmückt das Gemälde auch den Eisernen Vorhang des Theaters in der Josefstadt.

Authentisierungen Der Invalide Wallner , den der Komiker Karl Wilhelm Meixner ( 1815– 1888 ) typengerecht vorstellte , ist Prinz Eugens persönlicher Diener aus Dankbarkeit , dafür dass er ihn in der Schlacht bei Zenta vor dem Feind gerettet hat. Seine persönlichen Erinnerungen zielen allein auf die Türkenkriege „Türken ! Türken ! Das bleibt doch allein das Wahre !“345 Er bedient damit jenes im kollektiven Gedächtnis bis heute prädominante Erinnerungssegment , welches das Prinz-Eugen-Gedächtnis mit dem Türkengedächtnis verbindet. Diese Erinnerungen an den Türkenkrieg hat der Invalide Wallner in dem erwähnten , fast fertig gestellten Lied festgehalten , die lang gesuchte erste Zeile , die der Charakterisierung Eugens dienen soll , schenkt ihm das unerwartete Zusammentreffen von Mutter und Sohn , der ihr verspricht „Ritterlich will ich dein Recht verfechten“. Sodass auch am Burgtheater die Vorstellung mit der Melodie des Eugenliedes ausklingen kann , das die auf dem Schlossbalkon und auf der Gartenmauer versammelten Soldaten singen :

345 Weilen ( 1865 ), S. 19.

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Authentisierungen Prinz Eugenius , der edle Ritter /  ha , er bricht wie Ungewitter /  In der Feinde Reihen ein , / Und der Name , den er führet /  Österreich’s Heer für immer zieret /  Er wird stets unsterblich sein.

Abb. 29 Joseph Lewinsky als Prinz Eugen , Burgtheater 1865. Zeitgenössische Photographie.

Bei der Denkmalsenthüllung „war jener Altar von Silber in Gebrauch [ gewesen ], den Prinz Eugen seinem Regimente Savoyen-Dragoner geschenkt hatte , und in dessen Besitz sich dieser Altar noch bis auf den heutigen Tag befindet“.346 Um die Authentizität der Erinnerung zu verstärken , ließ man zur Festvorstellung im Burgtheater „mit Genehmigung Seiner Majestät des Kaisers wirkliche Trophäen des Prinz Eugen auf der Bühne paradiren“.347 Vom Premierentag , dem 18. Oktober fanden bis 9. No346 Fremdenblatt 291 , 21. Oktober 1865 , S. 4. 347 Local-Anzeiger der Presse 288 , 18. October 1865.

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vember 1865 insgesamt sieben Vorstellungen statt. Weilen wurde für sein dramatisches Gedicht vom Kaiser mit dem Ritterkreuz des Franz-JosephOrdens ausgezeichnet ; der damalige Vize-Hofkapellmeister und spätere Operndirektor Johann ( Ritter von ) Herbeck ( 1831–1877 ) erhielt für die Instrumentierung des Eugen-Liedes „als Zeichen der allerhöchsten Anerkennung einen Brillantring“.348 Für die Dauer der Aufführung erblickte das Publikum im Theater im Darsteller der Rolle des Prinzen Eugen , in Joseph Lewinsky ( 1835–1907 ), der rein äußerlich gar nichts mit dem gefeierten Helden gemein hatte , einen „Revenant“, einen aus einer anderen Welt wiedergekehrten Geist , die Auferstehung des vor fast 130 Jahren Verstorbenen , dessen vereinheitlichte , von der historischen Wahrheit abweichende Physiognomie sich durch eine zahlreiche Ikonographie , zuletzt durch das Reiterstandbild am Heldenplatz , dem kollektiven Gedächtnis eingeschrieben hatte. Spiel und Maske als Prinz Eugen waren trefflich , wie denn überhaupt seine ganze Persönlichkeit für diese Rolle wie geschaffen scheint.349 – Herr Lewinsky war nach Gestalt , Tracht und Gesichtsmaske ein so treuer Prinz Eugen , daß man , als er die Bühne betrat , wie vor einem Revenant erschrecken konnte. Überdies spielte er seine Rolle meisterhaft.350

Wie schon das Denkmal keineswegs ein Abbild der Realität darstellte , sondern vielmehr als der allgemeinen Vorstellung entsprechend akzeptiert wurde , vermochte auch Josef Lewinsky durch seine Haltung , Gebärde und Stimme ein stimmiges Sinnbild der Verehrung zu gestalten. In der 1861 gegründeten k. k. priv. Kunsthandlung Miethke & Wawra in der Plankengasse 7 konnte das Publikum eine Photographie des Schauspielers in Kostüm und Maske zur Erinnerung erwerben.351 Diese Photographie lag auch als Exponat in der Prinz-Eugen-Ausstellung 1933 im Belvedere.

348 349 350 351

Blätter für Theater , Musik und Kunst 85 , 24. Oktober 1865 , S. 338. Neue Wiener Theater-Zeitung 43 , 25. Oktober 1865. Neue Freie Presse 412 , 21. Oktober 1865. Hugo Othmar Miethke ( 1834–1918 ) führte die Kunsthandlung gemeinsam mit Carl Josef Wawra von 1861 bis 1872. – Vgl. Natter ( 2004 ).

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Authentisierungen In Herrn Lewinsky besaß das Burgtheater eine nach Erscheinung und Ton für den ‚Eugen‘ wie geschaffene Persönlichkeit. Wenn man etwas vermißte , so die Hoheit , welche an dem Prinzen doch etwas sichtlicher hervortreten sollte , wenn etwas vom Überflusse war , so das zweimalige , gar zu auffallende , verächtliche Messen des französischen Gesandten von der Zehe bis zum Wirbel. Doch diese kleinen Fehler verschwanden völlig vor der stylvollen Haltung und energischen Durchführung des Gesamtbildes.352 – Die allgemeine und genaue Bekanntschaft mit dem Charakter und den Schicksalen der Hauptperson , das bestimmte Bild , welches jeder sich von derselben gemacht hat , die unauslöschliche Begeisterung für dieselbe würden das Publikum zu einem um so strengeren Urtheil bestimmt haben , wenn es nicht eben diese Persönlichkeit in dem Gedichte wiedererkannt hätte.353

Auch die Ästhetik des Historismus als Ästhetik der Illusion trug das Ihre zur Rezeption des Gesehenen unter dem Aspekt der Authentizität bei , wie auch die historistischen , dem Biedermeier verhafteten Kostümfigurinen ( Abb. 30–41 ) des Hoftheater-Figurinen-Zeichners Albert Decker ( 1817– 1871 ) belegen.354

352 Wiener Theater-Chronik 43 , 26. Oktober 1865 , S. 171. 353 Wiener Abendpost 242 , 21. Oktober 1865. B. 354 Albert Decker war vom 1. 2. 1859 bis 1. 7. 1868 provisorisch als Kostümzeichner am Burgtheater angestellt. Gregor /  Hadamowsky ( 1930 ), S. 14.

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Abb. 30 Josef Lewinsky als Eugen , Prinz von Savoyen.

Abb. 31 Bernhard Baumeister als Franz Horak , Wachtmeister der Savoyen Dragoner , Ordonanz des Prinzen Eugen.

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Authentisierungen

Abb. 32 Ludwig Gabillon als Marquis Torcy , französischer Minister und Friedensbevollmächtigter Ludwig XIV.

Abb. 33 Emil Franz als Leclerc , Kastellan des Schlosses Bruan

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Abb. 34 Carl Wilhelm Meixner als Josef Wallner , Invalide

Abb. 35 Christine Enghaus-Hebbel als Olympia Mancini , Gräfin von Soissons

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Authentisierungen

Abb. 36 Alois Berger als Soldat

Abb. 37 Friedrich Wilhelm Bayer als Soldat

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Abb. 38 Matthias Jehly als Soldat

Abb. 39 Trompeter

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Abb. 40 Füselier – Heyduck – Husar – Artillerist

Abb. 41 Eduard Leuchert als Baron Hohendorff , General-Adjutant

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Die größte Wirkung hatten jene Szenen zwischen Prinz Eugen und Marquis Torcy , dem französischen Minister und Friedens-Bevollmächtigten Ludwig XIV. , die die Frage der Staatszugehörigkeit berühren. Ludwig Speidel , der der zweiten Aufführung am 19. Oktober in „erhobener Stimmung“ beiwohnte , schildert die tiefe Wirkung dieser Begegnung zwischen Eugen und Torcy : Hier läßt der Dichter das herrliche Gemüth , den edlen Geist Eugen’s wie transparent erscheinen. Hier läßt er ihn Worte reden , die in der Seele jedes guten Österreichers den kräftigsten Widerhall wecken müssen. Wie kann man eindringlicher und einleuchtender Österreichs Einheit lehren , als er es thut ; wie das von allen Völkerschaften des Reiches gleichmäßig verstandene deutsche Commandowort ‚Vorwärts‘ schöner verherrlichen ? Und als der Marquis Torcy dem Prinzen vorhält , daß er kein Österreicher , daß er nach Frankreich , dessen Sohn er sei , zurückkehren solle , wie erschütternd wirken da Eugen’s ‚mit Hoheit‘ gesprochene Worte : ‚Mein Herr , ich glaube mir durch Jahre voll Arbeit und Mühe , durch Blut und Wunden , durch Schlacht und Sieg das Recht erkauft zu haben , ein Österreicher zu sein.‘ Überhaupt sind nur mit flüchtigen Worten ein paar locale Beziehungen eingeflochten , die unmittelbar packender wirken , als es die höchste Poesie vermag. Wie schlagen nur , einfach hingeworfen , die Worte ‚Wien‘ und ‚Belvedere‘ ein ! Und dann ist man ganz selig in unserer begeisterungsarmen Zeit , eine Heldengestalt , wenn auch nur auf der Bühne zu finden , der man aus voller Seele zujauchzen darf.355

Einstimmigkeit herrschte in der Vorstadt wie auf der kaiserlichen Bühne über jenes Identitätsangebot , das Prinz Eugen als wahren Österreicher betonte. Und beiden Stücken gemeinsam ist das abwerbende Angebot Frankreichs , das Prinz Eugen ausschlägt. Durch Abgesandte des französischen König Ludwig XIV. soll Prinz Eugen für die einstige Zurückweisung Genugtuung widerfahren. Langers Prinz Eugen weist die angebotenen Verlockungen – fünf Millionen Livres und den Marschall-Stab – zurück , denn den werde er sich ohnehin „mit Gott aus Frankreich holen“.356 Weilens Prinz Eugen kann auf die Ehrenbezeugungen , die ihm in Aussicht gestellt wer355 Neue Freie Presse 412 , 21. Oktober 1865. 356 Langer ( 1865 ), S. 27.

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Authentisierungen

den , ebenfalls verzichten : Ein Freudentag in ganz Frankreich , der Jubel des Volkes , der inszenierte Empfang durch Adel und Hof , all diese Äußerlichkeiten weist er zugunsten der wirklichen Zuneigung seiner Soldaten zurück : Torcy. [ … ] Der Tag Ihrer Wiederkehr , welch ein Freudentag würde er für ganz Frankreich sein. Ein jauchzendes Volk würde Ihnen freudig entgegenströmen , Armee , Adel und Hof Sie jubelnd empfangen , das stolze Paris zu Ihrer Ankunft sich schmücken , wie das weltbezwingende Rom niemals einen siegreichen Triumphator empfangen hat. Das bietet Ihnen Frankreich ! – Was fesselt Sie an Österreich ? Eugen. Was mir Österreich bietet ? Was mich an dieses mein Österreich fesseln kann ? Was  ? ( nach kurzem Besinnen zur Türe tretend , ruft er : ) Soldaten ! ( 34 )

Vor dem realpolitischen Hintergrund der hegemonialen Konkurrenz Preußens um die deutschen Länder fand diese Standhaftigkeit Prinz Eugens , das verlockende Angebot auszuschlagen , den größten Publikumszuspruch. „Möge die patriotische Perspektive , welche in dieser Szene eröffnet wird , glückverheißend für alle Zeiten sein !“ stoßseufzte der Rezensent des Fremdenblattes.357 Das Identitätsangebot wurde vom Publikum mit „rauschendem Beifall“ aufgenommen. Nicht nur die festliche Stimmung , vor allem war es „der Name , die Gestalt des Helden und der Wiederklang , welchen die angeschlagenen Töne in der Brust jedes Österreichers“ wachriefen , die den Erfolg ausmachten. Denn Weilen hatte jenen Augenblick zur Darstellung gewählt , „um in Eugen den Soldaten und den Diplomaten , den trefflichen Menschen und den treuen Patrioten“ darzustellen.358 Nicht nur in Wien , auch in anderen Städten der Monarchie stand Prinz Eugen in den Tagen der Denkmals-Enthüllung im Oktober 1865 auf der Bühne. Mehrheitlich wurde dort Anton Langers Schauspiel gezeigt. Im südmährischen Znaim ( Znojmo ) wurde alternierend mit Langers Stück auch Weilens Einakter gegeben.359 Und überall konnte Prinz Eugen das seit Solferino angekratzte Vertrauen in die Monarchie und den Monarchen wieder aufrichten. 357 Fremden-Blatt 289 , 19. Oktober 1865. 358 Wiener Abendpost 242 , 21. Oktober 1865. 359 Wiener Theater-Chronik 49 , 7. Dezember 1865 , S. 196.

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Performativ gewendeter Blick Das bronzene unbewegliche Monument auf dem Heldenplatz richtet in seiner Materialität den Blick bis heute unverändert gegen Osten ; die immaterielle Personifizierung des Helden im Theater gewährte im Laufe der Aufführungen des Dramas dem Publikum die Möglichkeit , seinen Blick auch nach Norden zu richten. Abseits der politischen Ansprüche und Ziel­setzungen des Hauses Habsburg wurde ein anderer Diskurs immer wir­kungs­mächtiger. Denn angesichts der preußisch hegemonialen Vorgangsweise schien die Gesamtsicht des deutschsprachigen Kommunikationsraumes als Einheit immer mehr gefährdet. In dieser neuen Kontextualisierung erhielt auch das Weilen’sche Festspiel eine neue Deutungsdimension. Jene Sicht hob auch Alexander von Weilen hervor , als er das Festspiel anlässlich der Herausgabe im Rahmen der „Deutsch-Österreichischen Klassiker-Bibliothek“ mit dem Attribut des „unhöfischen Patriotismus“ charakterisierte : „ohne Chauvinismus atmet jede Zeile echten , unhöfischen Patriotismus , wie die Kritik nahezu einhellig ihren Beifall kundgebend , hervorhob.“360 Der „höfische Patriotismus“ orientierte sich an der habsburgischen Staatsidee , der „unhöfische Patriotismus“ richtete sein Augenmerk auf den deutschsprachigen Kommunikationsraum. Am 23. Mai 1866 hatte Heinrich Laube ( 1806–1884 ) am Burgtheater abermals Weilens kleines Festspiel angesetzt , das nach Meinung der Rezensenten sowieso „nie vom Repertoire des Burgtheaters verschwinden sollte“.361 An diesem Abend wurde die Aufführung anders gelesen als an zahlreichen Aufführungsabenden davor. Der Kontext der Schauspieler , ebenso wie jener Menschen , die im Theater versammelt waren , hatte sich geändert. Die Erfahrungen waren geprägt vom „deutsch-preußischen“ Konflikt362 und die Aufführung glich einer politischen Demonstration : 360 Weilen ( 1912 ), Vorwort S. XXX. 361 Fremden-Blatt 139 , 23. Mai 1866. 362 Der möglicherweise bevorstehende Krieg hatte auch Einfluss auf den Theateralltag in Böhmen , Mähren und Schlesien. Für den Herbst 1866 abgeschlossene Engagementverträge enthielten den zusätzlichen Passus : „Der Contract verliert die Gültigkeit , wenn bis 1. September d. J. die drohende Kriegsgefahr nicht vorüber oder der Krieg ausgebrochen ist.“ Zellner’s Blätter für Theater , Musik , Kunst 42 , 25. Mai 1866 , S. 168.

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Performativ gewendeter Blick

„jede Stelle , die nur einigermaßen in eine Beziehung zur erregten Gegenwart gebracht werden konnte , ward förmlich bejubelt.“ Die Aufführung fand gleichsam unter antipreußischem Jubel statt.363 Die Stimmung des 23. Mai 1866 spiegelte sich auch in den Zeitungen. Das humoristische Volksblatt Kikeriki veröffentlichte auf Seite eins eine Personenbeschreibung Bismarcks , die an Schärfe nicht zu wünschen übrig ließ.364 Und Sätze , die im Stück gegen den französischen König Ludwig , den Mann , welcher „die ganze Welt in einen Kerker“ verwandeln , „ganz Europa knechten“ will , gesprochen werden , wurden aus tagespolitischer Aktualität am Vorabend des Krieges vor allem gegen Bismarck und Preußen instrumentiert und interpretiert. „Jede Gelegenheit , und Weilens Schauspiel bietet deren gar viele , wurde benützt , um zwischen der Zeit Eugens und unseren Tagen Analogien zu finden.“365 Besonders die Rede der Olympia , Prinz Eugens Mutter , dass Gott die Welt niemals „als Spielball dem selbstsüchtigen Ehrgeiz eines Einzigen“ hingebe , wurde heftig akklamiert , ebenso Prinz Eugens schwungvolle Rede über Österreich und die Hingebung der Armee für Kaiser und Herrn. Mit vielstimmigem Bravo und lautem Händeklatschen wurde auch Eugens Liebe zu Österreich bedacht , die er damit begründete , dass er hier „niemals in die Lage komme , mein Schwert für eine Sache zu ziehen , die keine edle und gerechte ist“. In den Beifall , der bei diesen Worten ausbrach , stimmte das gesamte Parterre- und Logen-Publikum und auch der in der Hofloge anwesende Herzog von Modena mit ein. Immer wieder ließ sich das Publikum zu spontanem Applaus hinreißen , der „den Gang des Stücks minutenlang unterbrach“, wodurch die Wirkung vielleicht noch größer war als am Festtag des Vorjahres.366 Die Emotionen des Publikums waren dermaßen aufgeheizt , dass nicht nur das Prinz-Eugen-Stück , sondern auch bei anderen Vorstellungen , „die 363 Wurzbach , Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich. 54. Theil , Wien 1886 S. 4 f. 364 Kikeriki 21 , 24. Mai 1866 : Personenbeschreibung des Grafen von Bismarck. Statur : als Verräther groß , als Mensch klein. Augen : dreiäugig : zwei Katzenaugen , einen Zwicker. Mund : großmaulig. [ … ] 365 Local-Anzeiger der Presse 139 , 23. Mai 1866. 366 Fremden-Blatt 139 , 23. Mai 1866 ; Neue Freie Presse , Beilage zu 621 , 24. Mai 1866 ; Local-Anzeiger der Presse 139 , 23. Mai 1866.

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harmlosesten Stücke im Burgtheater dem Publikum Gelegenheit geben zu stürmischen Demonstrationen“. Worte , welche „fünfmal gesprochen worden waren , ohne Beifall zu erregen“, fanden plötzlich „ein vielhundertstimmiges Echo“. Sie brachten die allgemeine Wut zum stürmischen Ausbruch , „welche das Vorgehen unseres lieben Bundesgenossen in unseren Herzen entzündet“. Aussagen fanden begeisterte Zustimmung , in dem Sinne , dass man sie als „an die Adresse der Fürsten und Stämme Deutschlands gerichtet“367 empfand.

Die Wiedereröffnung des Burgtheaters 1914 Am 18. Oktober 1914 stand das kleine Stück – nach 47 Jahren – abermals auf dem Spielplan. Es war dies nicht nur Prinz Eugens Geburtstag und der Jahrestag der Denkmals-Enthüllung auf dem Heldenplatz , sondern auch der „Jahrestag der Leipziger Völkerschlacht“ und der Tag der Wiedereröffnung des Burgtheaters nach der durch Ausbruch des Ersten Weltkrieges verlängerten Sommerpause. Um den Bewohnern Wiens „in dieser an ernsten Eindrücken überreichen Zeit [ … ] die Möglichkeit [ zu geben ] geistige Erholung und seelische Anregung“ zu finden , hatte der Kaiser nach langem Zögern die Wiedereröffnung bei eingeschränktem Spielbetrieb gestattet. Dem Ernst der Stunde wurde auch insofern Rechnung getragen , als „im Burgtheater von nun ab der Einlaß zu den Sperrsitzen nach dem Beginn des Spiels untersagt“ war.368 Da ein erheblicher Teil des Stammpublikums , vor allem die eingerückten Soldaten , ausbleiben würde , sollten herabgesetzte Eintrittspreise „weiteren Volkskreisen“ den Besuch ermöglichen.369 Binnen fünf Stunden nach Eröffnung des Vorverkaufs waren sämtliche Sitze verkauft. Optimisten erwarteten sich eine „Renaissance der ersten deutschen Bühne“. Denn nun würde das Burgtheater „nicht mehr ausschließlich ein Theater der „Oberen Zehntausend“ sein“; nicht rein „gesellschaftliche Bühne“, sondern „geistiger Bildner und Führer der Nation“.370 Neben dem Krieg „erblühe“ dem Burgtheater „die Aufgabe für 367 Neue Freie Presse Abendblatt 620 , 23. Mai 1866. 368 Neues Wiener Abendblatt 287 , 17. Oktober 1914 , S. 5. 369 Wiener Zeitung 243 und Neues Wiener Tagblatt , Nr. 283 , vom 15. Oktober 1914. 370 Wiener Allgemeine Zeitung 10958 , 19. Oktober 1914.

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den Frieden gerüstet zu sein : dem neuen Geist , nicht zuletzt dem neuen Österreich den künstlerischen Ausdruck zu finden“.371 Das Repertoire änderte sich tatsächlich : „mit Ausnahme von Shakes­ peare’schen Werken , die ja der Weltliteratur angehören“ wurden Stücke von Engländern , Franzosen , Belgiern und Russen , also cirka 50 Prozent der Repertoirestücke und Aufführungen beiseite gelassen.372 Kriegerisches im Klassikergewand stand im Mittelpunkt : neben der Wiederaufnahme von Lessings Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglück bereitete das Burgtheater auch die Erstaufführung von Kleists Hermannschlacht „als Verbrüderung alles Deutschtums“373 vor. Für den Wiedereröffnungsabend hatte Direktor Thimig drei Programmteile zu einer „Botschaft [ mit ] symptomatischer Bedeutung“ zusammengestellt.374 Mit einem FeldherrenProgramm und mit Feldherren-Musik wurde die erste Kriegsspielzeit am Burgtheater eingeleitet. Es war Abbild jener „heldischen Zeit , [ die ] aufgegangen ist“375 , „vom Ernst und der Größe der Stunde durchschauert“.376 Drei große Feldherren formierten sich zu immateriellen Denkmalen am Eröffnungsabend : Radetzky , Wallenstein und Prinz Eugen. Auf Grillparzers Verse an Feldmarschall Radetzky als gegenwartsabbildender szenischer Prolog vor dem nachgebildeten erleuchteten Kriegsministerium mit der Radetzky-Statue in der Abenddämmerung folgte Schillers Wallenstein[ s Lager ] mit dem „kühnen Reiterlied“ und abschließend als Epilog Weilens Am Tag von Oudenarde. Gespielt wurde in „einem lebendigen , fortreißenden Tempo , wie sie die Aufführung von Schillers Werk noch nie erreicht hatte“.377 Zur Freude der Kritik hatte man Weilens Text nach vielen Jahren aus dem „Staub des Archivs“ hervorgezogen : „Die saubere Arbeit enthält alle jene Stichworte , welche das Publikum jetzt verlangt.“378 „Jede anzügli-

371 Neues Wiener Journal 7537 , 19. Oktober 1914 , S. 3. 372 Neues Wiener Journal 7336 , 18. Oktober 1914 , S. 10 und Illustrirtes Wiener Extrablatt 293 , 23. Oktober 1914 , S. 10. 373 Kronfeld ( 1917 ), S. 20. 374 Wiener Allgemeine Zeitung 10958 , 19. Oktober 1914. 375 Wiener Allgemeine Zeitung 10958 , 19. Oktober 1914. 376 Reichspost 489 , 19. Oktober 1914. 377 Wiener Abendpost 240 , 19. Oktober 1914 , S. 2. 378 Wiener Allgemeine Zeitung 10958 , 19. Oktober 1914.

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che Verszeile“ wurde freudig beklatscht.379 Ein wenig beeinträchtigte den „aktuellen Reiz des Stückes“ nur , dass Prinz Eugen „mit Hilfe und zugunsten der Engländer“ bei Oudenarde gekämpft hatte.380

Abb. 42 Josef von Weilen , Am Tag von Oudenarde. Theaterzettel der Wiedereröffnung des Burgtheaters am 18. Oktober 1914. 379 Neues Wiener Tagblatt 289 , 19. Oktober 1914 , S. 15. 380 Neue Freie Presse 18016 , 20. Oktober 1914 , S. 1–2.

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Hatte man 1866 das immaterielle Denkmal des Prinz-Eugen-Textes noch in abwehrende Stellung gegen Preußen gebracht , so gestaltete es sich 1914 zur „Hymne der verbündeten Reiche“381 und zum Lobgesang Österreichs. Denn was das Publikum „diesem Stück geradezu freudig in die Arme treibt , sind seine seltsam treffenden Beziehungen zu dem Kampf unserer Tage. Die Worte , die über Österreich fallen , klingen wie Glockenklang.“382 Nach dem Prolog erklang die Volkshymne , „alles erhebt sich , setzt sich , erhebt sich abermals , da der österreichischen Hymne die deutsche folgt“.383 Bejubelt wurden die Schmetterworte des Savoyen-Dragoners : ‚Wir belagern Lille , wir rücken gegen die französische Grenze , wir marschieren nach Paris und diktieren dort den Frieden. Alles oder nichts.‘ Nicht minder große Begeisterung erregte die feierliche Erklärung der Soldaten des Prinz Eugen , mit ihm zu sterben und sterbend zu rufen : ‚Es lebe Österreich , es lebe der Kaiser !‘ Und als dann zum Schluß alle das Eugenlied sangen , erzitterte das Haus in seinen Grundfesten.384

Seit der Enthüllung des Prinz-Eugen-Denkmals vor fast einem halben Jahrhundert waren zahlreiche Romane erschienen , wodurch sich das Bild von Prinz Eugen im kollektiven Gedächtnis – die historische Authentizität vernachlässigend – verfestigt hatte. Anders als 1865 , als man den großwüchsigen Josef Lewinsky als Inkarnation des Prinzen Eugen gefeiert hatte , spielte ihn 1914 Albert Heine ( 1867–1949 ) „teils von oben herab , teils von unten hinauf“ und man wünschte sich „eine tiefere Charakteristik des genialen Prinzen Eugen , der sich zum Bühnenhelden seinem Äußeren nach gewiß wenig empfiehlt“.385 Zu sehr wich die Vorstellung von Prinz Eugens Erscheinung ( wie sie auch vom Reiterstandbild geprägt worden war ) von der „Persönlichkeit dieses Künstlers ab“ und auch „seine hastige , stoßweise Sprache“ mochte sich das Publikum nicht mit der Vorstellung

381 382 383 384 385

Reichspost 489 , 19. Oktober 1914. Reichspost 489 , 19. Oktober 1914. Neue Freie Presse 18016 , 20. Oktober 1914. Illustrirtes Wiener Extrablatt 289 , 19. Oktober 1914. Neues Wiener Tagblatt 289 , 19. Oktober 1914.

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eines „Feldherrn von klarer Ruhe“ denken.386 Dennoch , das Gelegenheitswerk , „geschrieben zu einer Gelegenheit von vorgestern , aber dem Tag angepaßt , als wär’s soeben bestellt und fertig geworden“ tat seine Wirkung , „der Eröffnungsabend tat seine Schuldigkeit“.387 Der musikalische Abschluss des Abends , das Prinz-Eugen-Lied , „sein unsterblicher Sang bei Fackelbeleuchtung“ ließ das immaterielle Denkmal noch einmal erstrahlen in den Köpfen des „freudig überraschten Publikums“.388 Der ganze Abend war wie eine „Festvorstellung“.389 Tönende Siegeshoffnungen erklangen mit O du mein Österreich und dem Radetzkymarsch. Gott erhalte und Heil dir im Siegerkranz „besiegelten musikalisch die volkstümliche Allianz“. Wuchtig und feierlich erschallte zum Schluss „das alte , rhythmisch so merkwürdige Eugenius-Lied“.390 Der Austausch sozialer Energie ergriff alle , die gekommen waren , ihre Sehnsucht „nach einem bindenden Gemeinschaftsgefühl“391 wurde gestillt. Das Burgtheater war wieder „Nationaltheater“392 und „erstes Theater des Reiches“393. Bald schon nach Beginn der Vorstellung hatte sich das Schauspiel „von der Bühne nach dem Zuschauerraum verschoben“.394 Auf der Bühne zogen in edler dramatischer Belebung fast drei Jahrhunderte Kriegsgeschichte vorbei : Wallenstein , Prinz Eugen , Radetzky ! Alle drei an einem Abend , andere Lieder stets derselbe Grundton. Die Zeiten wechselten und in jeder spiegelte sich die lebendige Gegenwart unter dem Jubel des Publikums. Bleibt denn nur zu wünschen und zu hoffen , daß der rauschende dröhnende Beifall im Donner unserer Kanonen bald seinen sieghaften Widerhall finden werde.395

386 Reichspost 489 , 19. Oktober 1914. 387 Neues Wiener Journal 7537 , 19. Oktober 1914. 388 Neues Wiener Tagblatt 289 , 19. Oktober 1914. 389 Neue Freie Presse 18016 , 20. Oktober 1914. 390 Neue Freie Presse 18016 , 20. Oktober 1914. 391 Wiener Allgemeine Zeitung 10958 , 19. Oktober 1914. 392 Wiener Abendpost 240 , 19. Oktober 1914 ( Alexander von Weilen ). 393 Reichspost 498 , 19. Oktober 1914. 394 Neue Freie Presse 18016 , 20. Oktober 1914. 395 Neue Freie Presse 18016 , 20. Oktober 1914.

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Performative Prozesse

Performative Prozesse Die widersprüchlichen Reaktionen auf die Aufführungen des Einakters von Joseph von Weilen 1865 und 1866 sowie 1914 zeigen , wie jede Botschaft erst in den Köpfen des Publikums sich formt. Vermutungen darüber stellte schon der konstruktivistische Philosoph Heinz von Foerster ( 1911–2002 ) an ; neue psychologische Studien in den USA lassen erste Beweise dafür erkennen.396 In dieser Studie wurden gut informierte Gruppen mit den gleichen Fakten / Aussagen konfrontiert und kamen zu völlig verschiedenen Schlussfolgerungen. Besonderes Gewicht wurde auf jene Fakten / Aussagen gelegt , denen die Testpersonen zustimmten. Sichtbar gemachte Vorgänge im Gehirn weisen darauf hin , dass das Ausblenden von Widersprüchen Stresszentren deaktiviert  ; Zustimmung hingegen gleichzeitig Zentren für positive Emotionen aktiviert. Die Weitergabe der Information und Aktualisierung der Präferenz im Gehirn geht dabei mit großer Geschwindigkeit vor sich und überspringt jene Schaltkreise , die der Reflexion zur Verfügung stehen. Sie scheinen damit außerhalb der Reichweite bewusster Kontrolle. Parteigängerschaft und kollektive Informations-Grundlagen blenden intellektuelle Widersprüche aus und erzeugen homogene Zustimmung. Die Ergebnisse dieser Studie weitergedacht erlauben Rückschlüsse auf das Theaterpublikum : Auf die Zeitachse umgelegt lassen sich die Ergebnisse der Studie mit den unterschiedlichen Reaktionen des Theaterpublikums von 1865  – 1866  – 1914 vergleichen : Die Zuschauer werden als „gut informierte Gruppe“ mit dem theatral Dargestellten , den unveränderten „gleichen Fakten und Aussagen“ der Theateraufführung konfrontiert und gelangen zu unterschiedlichen Akklamationen. Diese gänzlich verschiedenen Reaktionen auf einen unveränderten Text 1865 und 1866 sind ausschließlich durch den kollektiv geänderten politisch bevorzugten Standort aller an der Aufführung Beteiligten erklärbar : Schauspieler ebenso wie Publikum. Denn die kollektiven Überzeugungen in die eine oder andere Richtung sind nicht unveränderbar ; sie werden durch geänderte Umstände modelliert und unterbewusst gesteuert. Theateraufführungen sind – entsprechend der Performativitätstheorie von Fischer-Lichte – per396 British Medical Journal 2010. 340 : c2276.

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VI. Denkmal und Öffentlichkeit

formative , dynamische Prozesse , die die Wirklichkeit , auf die sie verweisen , zu allererst hervorbringen. Sie sind wirklichkeitskonstituierend ; sie stellen die soziale Wirklichkeit her , von der sie sprechen. Oder – um es mit Hugo von Hofmannsthal zu formulieren – „[ … ] ein Buch ist zur größeren Hälfte des Lesers Werk , wie ein Theater des Zuschauers“.397

397 Hofmannsthal : Deutsches Lesebuch. Vorrede des Herausgebers zur ersten Auflage. In : Hofmannsthal ( 1979 ): Reden und Aufsätze II , S. 169–175 , S. 175.

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VII. Deutscher Held

Nach der Niederlage bei Königgrätz ( 1866 ) und dem ungarischen Ausgleich ( 1867 ), mit dem des Kaisertum Österreich in zwei Reichshälften ( das deutsch-slawische Cisleithanien und das ungarische Transleithanien ) zerfiel , waren die Deutschen der Monarchie bis zur Jahrhundertwende in der Illusion gefangen , als „wahre Österreicher“ einzig die Monarchie als Ganzes zusammenhalten zu können. Die Errichtung des Deutschen Reiches ( 1871 ) schloß als Verwirklichung der „kleindeutschen Lösung“ die Deutschen der Habsburger Monarchie aus und hatte negative Auswirkungen auf den bis dato gemeinsamen kulturellen Kommunikationsraum. 1878 kamen auf Einladung Bismarcks alle Vertreter der damaligen Großmächte ( Deutschland , Österreich-Ungarn , Frankreich , Großbritannien , Italien , Russland und Osmanisches Reich ) beim Berliner Kongress zur Verhandlung einer Friedensordnung für Südosteuropa zusammen. Österreich-Ungarn wurde mit der Okkupation und Administration der Provinzen Bosnien und Herzegowina beauftragt. Der Einmarsch der österreichisch-ungarischen Truppen in Bosnien hatte am 29. Juli 1878 begonnen. Bosnien wurde unter österreichisch-ungarische Verwaltung gestellt. Bis 1880 waren österreichisch-ungarische Truppen auf dem Balkan präsent. Die Okkupation endete mit der Integration ins österreichische Zollgebiet ; 1881 wurde nach österreichischem Muster ein Wehrgesetz mit allgemeiner Wehrpflicht eingeführt. 15 Jahre nach der Denkmalsenthüllung riefen diese realpolitischen Ereignisse , Kriegshandlungen und Truppenbewegungen nach Osten Prinz Eugen erneut in die kollektive Erinnerung zurück. Die Abteilung für Kriegsgeschichte des k. k. Kriegsarchivs in Wien gab die „Feldzüge des Prinzen Eugen“ als Geschichte der Kämpfe Österreichs in 21 Bänden heraus ; auch in Gedichtzyklen , Erzählungen und Romanen wurde Prinz Eugen nun wieder verstärkt thematisiert. Die Heimkehr der Truppen , die sich „auf den alten bosnischen Schlachtfeldern neue Ruhmeslorbeeren gepflückt hatten“ wurde in Wien auch mit dramatischen Bühnenbearbeitungen gefeiert , die „die Erinnerungen [ … ] an die alten Türkenkriege und an die vor nicht gar langer Zeit Wien und Österreich wiederholt lang und hart bedräuende Türkennoth“ wach221

VII. Deutscher Held

riefen.398 Diese Erinnerungen umfassten auch „den gefeierten Namen des Siegers von Zenta und Belgrad , [ … ] dessen Kriegsthaten für jene Türkennoth den ersehnten Anfang vom rasch kommenden Ende bedeuteten , und dessen Siege aus dem schwer bedrängten Vertheidiger einen durch nichts gehinderten Angreifer machten“.399 Für die jährliche Theater-Vorstellung , die die Kadetten der k. k. Infantrie Kadettenschule in Prag einstudierten , wählte man 1880 Weilens Am Tag von Oudenarde ; die Aufführung vor dem kommandierenden General und einer ausgewählten Gesellschaft diente nicht so sehr der Unterhaltung , sondern vornehmlich der „Prüfung der deutschen Sprache , des Gesangs und der Haltung“ der Zöglinge. Für die musikalische Rahmung sorgte eine Abschrift der vom Kapellmeister des Burgtheaters Julius Sulzer ( 1834–1891 ) eingerichteten Instrumentierung des Prinz-Eugen-Liedes.400 Für Österreich , besonders für Wien , war der Name des Prinzen Eugen zu diesem Zeitpunkt bereits ungemein populär. Er lebte „in der SoldatenLegende , in der Anekdote , in der volksthümlichen Geschichts-Überlieferung ; er ist uns auch hier sinnlich vors Auge gerückt , im plastischen und architektonischen Denkmal  – dem stattlichen Reiterbildnis aus Erz auf dem Burgplatz und den Bauwerken seiner eigenen Gründung.“401 Aber es war vor allem „das Volkslied , das wahre und echte nicht nur gedruckte , sondern auch gesungene und in seiner Singweise überall bekannte Volkslied“, das die Erinnerung an ihn lebendig erhalten hat und dafür sorgte , dass er im „Volksbewusstsein [ … ] über General Laudon , Erzherzog Karl und Vater Radetzky nicht vergessen“ wurde.402 Hatte man 1865 die historischen Dramen um Prinz Eugen als Gelegenheitswerke aus Anlass der Denkmalsenthüllung uneingeschränkt begrüßt , so wurde seine tatsächliche Eignung als Bühnenheld in der Folge hinterfragt. Bis 1865 hatte Prinz Eugen seinen Weg auf die Theaterbühne meist als episodische Figur oder als deus ex machina , der in einem entschei-

398 Das Vaterland 105 , 16. April 1880 , S. 1–3. 399 Das Vaterland 105 , 16. April 1880 , S. 1–3. 400 HHStA , Burgtheater Karton 20 , Zahl 635 ex 1880. – Sulzer war von 1875–85 Kapellmeister des Burgtheaters. 401 Die Presse 103 , 14. April 1880 , S. 1–3. 402 Das Vaterland 105 , 16. April 1880 , S. 1–3.

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Performative Prozesse

denden Augenblick als Retter erschien , gefunden. Obwohl er als „Held , der unserem Volksherzen so teuer [ war und ] hell in unserer Geschichte leuchtet“403 , schien die Darstellung seines Lebens auf der Bühne abseits des Anlasses ungeeignet. Denn Prinz Eugens Biographie schien „gradlinig und grandios“, seine Tätigkeit in der Staats- wie in der Kriegskunst ließ jenes „Helldunkel , aus dem sich dramatische Kollisionen entwickeln“ vermissen.404 So galt Eugens Leben als Stoff für ( auch tatsächlich zahlreich vorliegende ) Romane , er galt als „eine glänzende epische , aber eine schwache dramatische Figur“.405 Von „tiefgehenden Conflicten“ blieb sein ganzes Leben frei : „Prinz Eugen ist also trotz der voll und ganz bewiesenen Eignung zum wirklichen Helden kein Bühnenheld in der Bedeutung dieses Wortes.“406 „Was soll der Dramatiker bei allen großen Eigenschaften mit ihm beginnen ? Wie soll er den bedeutenden , aber sehr complicirten Begriff , der sich an seine strategischen und politischen Thaten knüpft , ins rein menschliche , einfach fassliche Interesse hinüberführen ?“407 Eine Frage , die sich bei jedem neuerlichen Erscheinen des Prinzen Eugen auf der Bühne stellte : „Was ist dramatisch im Leben des Prinzen Eugen ?“ Auch zweihundert Jahre nach dem Tode des „größten Österreichers“ gab es kein Stück , das ihn dauernd dramatisch verewigte , nur Gelegenheitswerke aus erinnerungspolitischem Anlass verfasst. Man vermisste das tragische Ende eines heroischen Lebenslaufes wie bei Caesar , bei Wallenstein , bei Napoleon. „Eugens sechzigjähriges Dasein endet mehr als eine frostige Idylle denn als tragische Katastrophe. Was voranging sind nur Episoden , dramatische Szenen zuweilen , aber kein Drama , denn in keiner von ihnen faßt sich dieses epochale Leben zur sinnbildenden Einheit zusammen , die der Dramatiker braucht und nach der der Zuschauer im Theater verlangt.“408 Das Bedürfnis nach historischer Authentizität im Drama unterminierte die schon in der Poetik des Aristoteles ausformulierte Trennung von Geschichte und Dichtung. Und auch die weit verbreitete Kenntnis des Le-

403 Wiener Abendpost , Beilage zur Wiener Zeitung 84 , 13. April 1880 , S. 2. 404 Die Presse 103 , 14. April 1880 , S. 1–3. 405 Fremden-Blatt 103 , 14. April 1880 , S. 11. 406 Das Vaterland 105 , 16. April 1880 , S. 1–3. 407 Die Presse 103 , 14. April 1880 , S. 1–3. 408 Neue Freie Presse Morgenblatt 24692 , 11. Juni 1933 , S. 1–3.

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VII. Deutscher Held

bens und Wirkens des Prinzen Eugen sprach somit gegen eine Darstellung auf der Theaterbühne. Die kathartischen Wirkungsparameter einer Aufführung Furcht und Mitleid würden dadurch außer Kraft gesetzt. „Jeder Theaterbesucher [ kennt ] das Leben des Prinzen Eugen und weiß daß für diesen schlechterdings nichts zu fürchten steht und die ganze Verwicklung doch nur eine scheinbare , schließlich im Sande verlaufende ist. So nimmt der Zuschauer von vornherein den Fall nicht ernst genug , sondern Schuld wie Sühne mehr als Formalität , und das ist einer echten dramatischen Wirkung stets am gefährlichsten.“409 Prinz Eugen ist , wie so viele geniale Sonntagskinder des Glückes [ … ] eine schwache dramatische Figur. Sein sonniges Leben entbehrt des schwarzen Schlagschattens , es fehlt ihm die tragische Weihe des Schmerzes , die Verklärung der Thräne ; in der Geschichte seiner Seele steht kein tiefgreifender , den ganzen Charakter bis in seine heimlichsten Wurzelfasern erschütternder psychologischer Konflikt , der allein als echte dramatische Aussteuer einer Figur gelten kann.410

Martin Greif hatte dessen ungeachtet den Versuch unternommen , ihn zum „Mittelpunkt eines dramatischen Zeitgemäldes“ zu machen und sämtliche Erzählstränge auf seinen Protagonisten zusammenlaufen lassen.411 Dennoch schien das Stück den Theaterkritikern „undramatisch“, sie vermissten „den lebendigen und treibenden Lebenskeim , welchem ein historisches Schauspiel entsprießen soll“.412 Statt pralles , tragisches Leben sahen sie nur „Dekoration , Pulverdampf , Anekdoten und Portraitmasken der Schauspieler“.413 Greifs Theatertext sei wie auch Weilens Einakter 1865 vielmehr als „Festspiel“ zu beurteilen , weil es eben „mehr aus den populären als den dramatischen Eigenschaften eines Helden herausgearbeitet“ wurde ; es schien eine prunkvolle Rede aus festlichem Anlass , „mehr panegyrisch als cha409 Fremden-Blatt 103 , 14. April 1880 , S. 11. 410 Fremden-Blatt 103 , 14. April 1880 , S. 11. 411 Fremden-Blatt 103 , 14. April 1880 , S. 11. 412 Wiener Theater-Chronik 16 , 16. April 1880 , S. 63. 413 Wiener Theater-Chronik 16 , 16. April 1880 , S. 63.

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Martin Greif

rakteristisch“, „mehr Ruhmesschilderung als Handlung“ und verdankte seine Wirkung zu einem guten Teil der „entgegenkommende Haltung des Publicums , die in solchem Fall auf die Stichworte des Localbewußtseins merkt“.414 Das ‚vaterländische‘ Schauspiel von Martin Greif brauchte bei allen beachtenswerten poetischen Vorzügen einen Anlass für seine Darbietung.

Martin Greif Der Bayer Martin Greif ( 1839–1911 ), der sich als Lyriker bereits früh einen Namen gemacht hatte , lebte seit 1869 in Wien und verdiente als Feuilletonist für die Presse ( 1869–1872 ), die Deutsche Zeitung ( 1872–1874 ) und die Neue Freie Presse ( 1874–1879 ) seinen Lebensunterhalt. Über Vermittlung von Alexander Strakosch ( 1840–1909 ) verkehrte er bald auch in Heinrich Laubes Salon am Stock im Eisen Platz , der ihm in Wien eine aufstrebende Theaterkarriere eröffnete : dort lernte er nicht nur die Kritiker Ludwig Speidel , Ludwig Hevesi und Hugo Wittmann kennen ; er begegnete auch Joseph von Weilen und wurde mit den Schriftstellerinnen Wilhelmine Gräfin Almásy-Wickenburg ( 1845–1890 ) und Betty Paoli ( 1814–1894 ) bekannt. Zur Unterstützung seiner schriftstellerischen Tätigkeit vermittelte ihm Hofrat von Weilen auch eine Subventionen aus der SchwesternFröhlich-Stiftung 415 , die die „ewige“ Verlobte Franz Grillparzers Katharina Fröhlich ( 1800–1879 ) kurz vor ihrem Tod ins Leben gerufen hatte. Nach der Uraufführung seines Corfiz Ulfeld 1873 am Münchner Hoftheater und des erfolgreichen Festspiels Walters Rückkehr in die Heimat am Innsbrucker Hof- und Nationaltheater zur Feier der Enthüllung einer Gedenktafel am ( vermeintlichen ) Bozener Geburtshaus Walthers von der Vogelweide416 zeigte Laube ab 1875 Greifs Dramen im  – von ihm mitbegründeten und geleiteten  – Wiener Stadttheater.417 Nach den antiki414 Die Presse 103 , 14. April 1880 , S. 1–3. 415 Fuchs ( 1909 ), S. 401. 416 Reichspost 166 , 18. Juni 1909 , S. 1–2. 417 Am 27. Oktober 1875 hatte Laube das fünfaktige Trauerspiel Corfiz Uhlfeld mit Siegwart Friedmann ( 1842–1916 ) in der Titelrolle unter „lebhafter Anerkennung“ gezeigt ( 8 Wiederholungen ). Im darauffolgenden Jahr am 11. Dezember gab er im Stadttheater Greifs Trauerspiel Nero „welcher zu Gunsten der akademischen Lese-

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sierenden ( Corfiz Ulfeld und Nero ) und romantischen Dramen ( Marino Falieri ), die Laube erfolgreich aufgeführt hatte , widmete ihm Greif verehrungsvoll die Buchausgabe des Nero in der „Wallishauserschen Sammlung deutscher Bühnenwerke“. 418 1879 nahm Laube auch Greifs erstes vaterländisches Schauspiel für das Stadttheater an ; Theodor Lobe sollte wieder die Titelrolle spielen. Greifs Stellung zum Stadttheater glich zu dieser Zeit immer mehr der eines Artist in Residence : Der Schauspieler Lobe hatte sich auch am Dialog zwischen Kaiser Karl VI. und Prinz Eugen ( Ende des 4. Aufzugs ) theaterpraktisch eingebracht , Greif schrieb „unter genauester Kenntnis und Berücksichtigung der Bühnenbedürfnisse“.419 Da erfolgte Laubes Rücktritt von der Direktion. Aufgrund der veränderten Verhältnisse schien weder ein künstlerischer noch ein materieller Erfolg zu erwarten. Mit einer Widmung „Seiner kaiserlichen und königlichen Hoheit dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Rudolph , Kronprinz von Österreich-Ungarn in tiefster Ehrfurcht zugeeignet“, ließ Martin Greif Prinz Eugen 1880 in der Königlichen Hof- Buch- und Kunsthandlung , im Verlag von Theodor Kay erscheinen. Graf Albrecht Wickenburg ( 1839–1911 ) hatte bei Kronprinz Rudolf die Annahme der Widmung des Dramas vermittelt.420 Im Jahr davor hatte sich dieser anlässlich der silbernen Hochzeit seiner Eltern im historischen Kostüm des Prinzen Eugen abbilden lassen.

halle mit Erfolg aufgeführt wurde“ ( 4 Wiederholungen ). Am 24. September 1878 kam sein Marino Falieri mit Theodor Lobe ( 1833–1904 ) in der Hauptrolle heraus ( 4 Wiederholungen ). Tyrolt ( 1889 ), S.  86 , 105 , 134. 418 Greif blieb zeitlebens ein dankbarer Verehrer von Heinrich Laube ; zu dessen 70. Geburtstag am 18. September 1876 schrieb er das Festspiel Ein Ehrentag , zu Laubes 100. Geburtstag 1906 widmete er ihm ein persönliches Gedicht : „Nicht den Kranz durft’ ich erringen , /  Den er einst mir zugedacht : – /  Rührung , in mir neu erwacht , /  Schwer wird mir’s , sie zu bezwingen. /  Doch es kann der Tag noch kommen , /  Da die Wage nicht mehr schwankt /  Und man für die Tat ihm dankt , /  Daß er mich in Schutz genommen.“ 419 Prem ( 1895 ), S. 129 ; Sahr ( 1904 ), S , 130–131. 420 Reichspost 166 , 18. Juni 1909 , S. 1–2.

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Burgtheaterehren

Abb. 43 Rollenbildnis Prinz Eugen. Kronprinz Rudolf im historischen Kostüm mit Federhut anlässlich der silbernen Hochzeit seiner Eltern am 24. April 1879.

Burgtheaterehren Durch diese Zueignung an den Kronprinzen sah sich der Direktor des Burgtheaters Franz von Dingelstedt ( 1814–1881 ) veranlasst , das Schauspiel wenn möglich für das Burgtheater zu erwerben. Er wandte sich am 13. Jänner 1880 an Ludwig Speidel als Vermittler , da das Burgtheater „bei dem Umstande , dass unser durchlauchtigster Kronprinz dessen Widmung anzunehmen geruht hat – abgesehen von allen übrigen Vergleichspunkten – doch zunächst berufen erscheint , das in hervorragender Weise vaterländische Werk zur Darstellung zu bringen“. Ausdrücklich versicherte Dingelstedt , dass er „die Zulassung durch die oberste Hoftheaterdirektion und die Zensurbehörde als unzweifelhaft vorausgesetzt [ … ] das Stück so gut wie möglich , [ … ] sobald als möglich“ aufführen werde.421 421 Briefwechsel : Dingelstedt an Speidel und Greif an Dingelstedt vom 13. und 16. Jänner 1880. In : Glossy ( 1925 ), S. 240–241.

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VII. Deutscher Held

Bereits 1872 hatte Martin Greif versucht , mit dem Burgtheater in eine Arbeitsbeziehung zu treten. Über Speidels Vermittlung hatte er Direktor Dingelstedt seinerzeit einen Prolog für die 100. Vorstellung von Shakespeares Romeo und Julia angeboten. In neuer Bearbeitung und Besetzung hatte Dingelstedt die Vorstellung mit Greifs Prolog für den 23. April 1872 angekündigt ; die Aufführung war jedoch sang- und klanglos unterblieben. Martin Greif veröffentlichte den Prolog dann an Shakespeares Geburtstag , dem 23. April „in Verbindung mit einem Angriff gegen Dingel­ stedt“ in der Deutschen Zeitung.422 Am 16. Jänner 1880 versprach Greif dem Direktor des Burgtheaters , Franz Dingelstedt , seinen vom Stadttheater bereits angenommenen Prinz Eugen für die Erstaufführung am Burgtheater zu überlassen , „da das Stück inzwischen unerledigt geblieben , ich mich vollkommen berechtigt erachten muß , dasselbe vom Stadttheater zurückzuziehen und dem k. k. Hofburgtheater zu übergeben“. Bereits am darauffolgenden Tag übersandte Dingelstedt Greif den Tantieme-Vertrag mit der Zusage der Aufführung bis 1. April 1880 und ersuchte , weitere Exemplare des Textes beim Verlag zu bestellen. Da eine Pressemitteilung die geplante Premiere bereits bekannt gemacht hatte , übergab Dingelstedt den ihm vorliegenden Dramentext in revidierter Fassung – vor allem Eigennamen noch lebender Adelsgeschlechter wurden eliminiert oder ersetzt – eiligst der Hoftheaterverwaltung zur Zensurierung. Dingelstedt wusste , dass man „Personen aus dem Kaiserhause oder aus noch bestehenden Adelsgeschlechtern“ nicht so gerne auf der Bühne des Hofburgtheaters sah ; mit Hinweis auf Grillparzers König Ottokars Glück und Ende und Ein Bruderzwist in Habsburg sowie auf das „günstigste Licht“, in dem „weiland Seiner Majestät Kaiser Karl VI. vor dem Zuschauer erscheint“ argumentierte er für die Aufführung. Denn die Annahme für das Hofburgtheater schien Dingelstedt aus mehrfachen Gründen „unerlässliche Pflicht“: Bei der eminent patriotischen Gesinnung , welche aus dem Stücke spricht und bei dessen vorzugsweiser Eignung für ein volkstümliches Schaustück , welches für Fest- und Militärtheater , wie für Gedächtnis-Feierlichkeiten im Allerhöchsten Kaiserhause erfolgreich wird verwertet werden können , glaubt man eine vorteilhafte Acquisition an dem Werk gemacht zu haben und auch die 422 Deutsche Zeitung 111 , 23. April 1872 ; Reichspost 166 , 18. Juni 1909 , S. 1–2.

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Burgtheaterehren Verantwortung der vergleichsweise nicht unbeträchtlichen Ausstattungskosten übernehmen zu können.423

Der Hoftheaterzensor Leopold Freiherr von Hofmann ( 1822–1885 ) unterstützte Dingelstedt in seiner Entscheidung und ließ das Stück zur Aufführung auf dem Hofburgtheater zu : Greifs Prinz Eugen habe „eine edle patriotische Tendenz und bietet eine Reihe effektvoller Szenen , welche auch äußerlich auf das Publikum zu wirken geeignet erscheinen.“ Auch stimmte er mit dem Theaterdirektor darin überein , dass im gegebenen Fall nicht „die frühere strenge Praxis“, die „der Allerhöchster Dynastie angehörenden Persönlichkeiten auf der Bühne“ zu zeigen verbot , anzuwenden sei. Ganz im Gegenteil wies er darauf hin , dass eine Ähnlichkeit mit noch lebenden Adelsgeschlechtern auf „dem so überaus dankbaren Feld der vaterländischen Geschichte“ nicht zu vermeiden sei. Dadurch „daß es sich um jedem Gebildeten ohnehin bekannte historische Momente handelt“, sollte man Namensänderungen , zu denen der Autor sich bereit erklärt hatte , vermeiden , da „dadurch der historische Rahmen des Stücks in bedauerlicher Weise alteriert würde.“424 – Am Tag vor der Premiere wurde die „seit einiger Zeit erwartete“ Ernennung des Hoftheaterzensors Freiherr von Hofmann zum Generalintendanten beider Hoftheater bekannt gemacht.425 Auf Greifs Wunsch nach einer Aufführung seines Prinz Eugen am Burgtheater hatte Laube die Freigabe des angenommenen Stücks im Stadttheater erwirkt. „Die Erlaubnis ist [ … ] unter Bedauern gewährt worden.“426 Greif sagte seine geplante Auslandsreise ab und blieb in Wien.427 Die Premiere war für die zweite Hälfte des März angesetzt ; eine „besonders soignierte Wiederholung“ war für den Namenstag des Kronprinzen am 17. April geplant.428 Der Kronprinz hatte sein Erscheinen zur Premiere in 423 Zit. nach Geelen ( 1934 ), S. 338. 424 Gutachten des Hoftheaterzensors Freiherr von Hofmann vom 4. Februar 1880. Glossy ( 1925 ), S. 462–463. 425 Fremden-Blatt 109 , 11. April 1880 , S. 12. 426 Schreiben Laubes an Greif vom 17. Jänner 1880. Geelen ( 1934 ), S. 337 f. 427 Greif an Dingelstedt , 21. Jänner 1880. Geelen ( 1934 ), S. 340. 428 Dingelstedt an Karl Graf Bombelles , 20. Jänner 1880. – Karl Graf von Bombelles , einst Spielkamerad von Kaiser Franz Joseph und seiner Brüder , war Obersthofmeister des Kronprinzen Rudolf. Geelen , ( 1934 ), S. 339.

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VII. Deutscher Held

Aussicht gestellt.429 Nachdem am 4. Februar die Genehmigung der Zensur eingelangt war und am Folgetag die Theaterkonferenz im Burgtheater die hohen Kosten von 5. 000 Gulden für die Ausstattung genehmigt hatte430 , fand ein Monat später , am 4. März 1880 , die erste Leseprobe im Theater statt ; sie dauerte zwei Stunden und 45 Minuten. Um die Aufführungsdauer von maximal zwei Stunden zu erreichen , „habe es lange , ermüdende Proben gegeben , denen auch der Dichter beiwohnte“, wie man sich in Wiener Theaterkreisen erzählte.431

Das vaterländische Schauspiel In der Zeit vornationaler Staatenbildungen bezeichnete vaterländisch nationale Begebenheiten als für das Vaterland bedeutsame identitätsstiftende Ereignisse. Auf die im Stück enthaltenen „ruhmvollen geschichtlichen Erinnerungen“ ebenso wie auf die „dynastischen und localen Anklänge“432 hatte sich auch die Annahme des Stückes durch die Zensur und den Burgtheaterdirektor begründet. Im Revolutionsjahr 1848 hatte vaterländisch allerdings noch eine weitere gesamtdeutsche Bedeutung bekommen , einen „bedenklichen Beigeschmack“ wie Sigmund Schlesinger ( 1832–1918 ) in einer den Stücktext rezensierenden „politischen Glosse“ warnend in Hinblick auf deutschnationale Instrumentierungen anmerkte : „Martin Greif wäre doch vielleicht , wenn er die ‚vaterländische‘ Geschichte dieser Etikette ‚vaterländisch‘ gekannt hätte , dem zum mindesten überflüssigen Epitheton  – der Titel „Prinz Eugen“ ist doch wahrhaftig schon Inhaltsprogramm genug – lieber aus dem Wege gegangen.“433 Eine gesamtdeutsche Etikettierung war es dann auch , die in den folgenden Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg politisch instrumentalisiert wurde. Wertneutral naiv interpretierte hingegen die patriotische Presse die Bezeichnung als vaterländisches Schauspiel. Dort fand man sie „wohl verdient , da es eine

429 Bombelles an Dingelstedt , 23. Jänner 1880. Geelen ( 1934 ), S. 340. 430 HHStA , Burgtheater SR Karton 15 , Protokoll der 75. Theaterkonferenz Burgtheater 5. Februar 1880. 431 Soffé ( 1909 ), S. 466. 432 Das Vaterland 105 , 16. April 1880 , S. 1–3. 433 Neues Wiener Tagblatt 102 , 13. April 1880 , S. 1–2.

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Das vaterländische Schauspiel

wahrhaft patriotische Tendenz verfolgt , die Treue für Kaiser und Reich hochhält , den österreichischen Staat und den Ruhm der österreichischen Armee in begeisterter Weise feiert“.434 Für Schlesinger enthüllte die Bezeichnung vaterländisch darüber hinaus auch eine sich als Ausgleich und Versöhnung tarnende Gesinnungsschlamperei. Er erkannte in diesem Schauspiel „einen tiefinnerlichsten Charakterzug unseres Staats- und unseres Parteiwesens“, den er als Charakterzug des „Vertuschens der Konflikte , des gemütlichen Hinweggleitens über dieselben , der ruheliebenden Angewöhnung , einen akutesten und inhaltschwersten Prinzipienzwiespalt mit einem flüchtig gut macherischen Worte abzuthun“ brandmarkte und als bequeme und „allhelfend gewährte Ausgleicherei“ ablehnte.435 Von allen Wirkungsbereichen Prinz Eugens  – Feldherr , Staatsmann , Pfleger von Kunst und Wissenschaft – besaß auf Martin Greif , der selbst als Soldat militärische Erfahrungen gesammelt hatte , der Feldherr Eugen die größte Anziehungskraft. Den Hintergrund von Martin Greifs Schauspiel bildete die auch im Volkslied Prinz Eugen , der edle Ritter besungene Schlacht bei Belgrad 1717 , die Prinz Eugen trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit seines Heeres erfolgreich schlug. Er war zu diesem Zeitpunkt 54 Jahre alt und hatte bereits alle Stufen seiner Karriereleiter erklommen. Greif benützte als Vorlage für seinen Text und die wesentlichsten Personen alle ihm zur Verfügung stehenden historischen und biographischen Quellen. Seine Primärquelle war die nach den handschriftlichen Aufzeichnungen der kaiserlichen Archive gearbeitete dreibändige Biographie Alfred von Arneths. Details und Überlieferungen zu denen Arneth schwieg , entlehnte Greif den älteren Biographien Mauvillons und Kauslers.436 Manche Vorfälle der Schlacht bei Zenta ( 1697 ) hatte Greif in das Jahr 1717 ( Schlacht bei Belgrad ) verlegt.437 Auch der überlieferte Text des Liedes bot mit der letzten Strophe zum Tod des ( historisch nicht zuordenbaren ) Prinzen Ludewig einen die Persönlichkeit des Prinzen Eugen beleuchtenden Handlungsstrang. Aus dramaturgischen Gründen fügte Greif auch 434 435 436 437

Das Vaterland 102 , 13. April 1880 , S. 9. Neues Wiener Tagblatt 102 , 13. April 1880 , S. 1–2. Mauvillon ( 1740 ); Kausler ( 1838 ); Arneth ( 1858 ). Geelen ( 1934 ), S. 148.

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das in Legenden überlieferte Motiv des ‚Ungehorsams‘ und zur Steigerung des dramatischen Konfliktes ein werbendes Angebot des französischen Königs ein. Greif lässt sein Schauspiel im Garten des Landhauses des Grafen Althan mit Blick auf den Kahlenberg beginnen. Der Kahlenberg ist ein wesentlicher Ort des kulturellen Gedächtnisses der Stadt und ihrer Bewohner , zuletzt wurde er sogar als „Schicksalsberg“ bezeichnet.438 1683 , im Jahr der zweiten Türkenbelagerung Wiens , kam das rettende Entsatzheer unter der Führung von Jan Sobieski zur Befreiung Wiens „vom Kahlenberg herab“; in diesem Jahr schloss sich auch der junge , aus Frankreich entflohene Prinz Eugen dem kaiserlichen Heer als Volontär an. Als Ort des kulturellen Gedächtnisses der Stadt erfuhr der Kahlenberg allerdings eine geographische Verschiebung. Denn der Berg , den das Theaterpublikum 1880 und die heutigen Stadtbewohner als Kahlenberg kennen , bekam erst zehn Jahre nach der Befreiung Wiens seine Bezeichnung zugewiesen. Die steil zur Donau abfallende ursprünglich als Kahlenberg bezeichnete Erhebung erhielt mit der Errichtung einer Kapelle durch Leopold I. , die 1693 dem Heiligen Leopold geweiht wurde , seine bis heute übliche Bezeichnung als Leopoldsberg. Um den Ort des Türken-Gedächtnisses nicht zu verlieren , erhielt fortan der benachbarte Hügel , die als Sauberg und später als Josephsberg bekannte Erhebung , den Namen Kahlenberg. An einem Spätsommernachmittag im Garten des Grafen Althan mit Blick auf den Kahlenberg erinnert sich Kaiser Karl VI. unter einem Granatapfelbaum an seine Jugend in Spanien und an das Reich seines Vaters , in dem „die Sonne niemals untergeht“. Für den Folgetag ist sein Aufbruch ins Lager des Prinzen Eugen vor Belgrad geplant. Das gibt der Hausherrin Gelegenheit , ihre Vorbehalte gegen Prinz Eugen zu äußern : „Ein deutsches Dorf galt mehr ihm als ganz Spanien.“439 Auch Graf Goltsch , der einen Absagebrief des Prinzen Eugen auf seine Werbung um die Nichte der Gräfin Batthyany erhalten hatte , unterdrückt mühsam seinen 438 Helmut Schliesselberger in der Schwerpunkt-Reihe der Salzburger Nachrichten „Schicksalsorte Österreichs“, 5. November 2012 , S. 12. – Auch im Schlachtenepos „September Eleven 1683“ ( Italien /  Polen 2012 ) werden der Kahlenberg und Wien im September 1683 anspielungsreich zur Filmkulisse. 439 Greif ( 1880 ), S. 6.

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Groll über diese Zurückweisung. Einzig Kaiser Karl VI. lobt im Wissen , „was Prinz Eugen wir danken“ seine Kriegskunst , seine Überlegenheit gegen vielfache Übermacht , seine erfolgreiche Tätigkeit im Staatsrat wie im Felde : „Ein Anker , der unser kämpfend Schiff im Sturm bewahrt.“440 Graf Starhemberg überbringt Nachricht vom verhängnisvollen Zustand der Truppen vor Belgrad und das Gesuch des Prinzen Eugen , vom Feldbesuch Abstand zu nehmen , um die feindlichen Truppen nicht zusätzlich herauszufordern. Dem Rat Starhembergs folgend , befiehlt der Kaiser den Rückzug der Truppen und beauftragt Graf Goltsch , Prinz Eugen den Befehl zu überbringen. Gräfin Batthyany , die Kaiser Karl das Testament des Prinzen überbringt , sorgt sich bezüglich des Rückzugsbefehls um einen möglichen „Ungehorsam , den die Noth gebietet“ und beschließt selbst nach Belgrad zu reisen. Der Kaiser übergibt ihr ein Bildnis , das sie Prinz Eugen mit dem Auftrag „daß er sein Allen kostbar’ Leben schont“441 überbringen soll. Unter akustischer Begleitkulisse verwandelt sich die Bühne in das Zelt des Prinzen Eugen vor Belgrad und das Publikum wird Zeuge der auch aus dem Volkslied bekannten Kriegsratsszene , in der die feindliche Übermacht und Prinz Eugens Überraschungsangriff besprochen werden. Alle Vorbereitungen sind getroffen , im Hintergrund sind Angriffssignale und Kanonenschüsse zu vernehmen , als Graf Goltsch den Rückzugsbefehl des Kaisers übergibt , den Prinz Eugen überfliegt und einsteckt. Im zweiten Akt finden sich die Zuschauer direkt auf dem Schlachtfeld wieder. Wie im antiken und später im barocken Theater sind links und rechts vom Zuschauer Heimat ( die Deutschen ) und Fremde ( die Türken ) positioniert. Abermals vermitteln akustische Signale ( Schlachtenlärm , Schüsse , Kanonendonner ) auf der Hinterbühne das im Nebel auf der Vorderbühne verborgene Geschehen. Die Soldaten warten auf die Ordre des Feldmarschalls ; im Kampf fallen die besten Offiziere , es gibt zahlreiche Verwundete. Der Widerstand der Soldaten ist allerdings ungebrochen , denn sie alle wollen ihr „Vaterland nicht türkisch sehen“.442 Graf Goltsch eilt nach Wien , um die Missachtung des Rückzugsbefehls beim Kriegsge440 Greif ( 1880 ), S. 7. 441 Greif ( 1880 ), S. 17. 442 Greif ( 1880 ), S. 37.

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richt anzuzeigen. Als der aus dem Volkslied bekannte ( Neffe und Erbe des Prinzen Eugen ) Prinz Ludewig tödlich getroffen zusammensinkt , lichtet sich der Nebel und die Sonne bricht hervor. Mittlerweile sind die Gräfin Batthyany und ihre Nichte Stephanie im Zelt des Prinzen Eugen eingetroffen und werden vom Volontär im kaiserlichen Heer , Graf Hamilton vom Hergang der Schlacht unterrichtet. Im Drama kommt ihm damit eine zentrale Rolle als „Chorredner und poetischer Berichterstatter über die ganze Kriegsaction“ zu.443 Stephanie bekränzt ihren Krieger mit einem Eichenzweig. Gräfin Batthyany überreicht dem eintretenden Prinzen Eugen das Medaillon des Kaisers , das er über seinen Ungehorsam sinnend betrachtet. Graf Palffy meldet , dass sich auch die Stadt Belgrad ergeben habe und nun endlich „frei durch Ungarns Triften strömt die Donau“.444 Die Donau – ja ihr nennt das rechte Wort ! /  Sie werden leichter atmen nun in Wien , /  Wenn diese Ader ungehemmter fließt. / Auf ihrem Rücken trägt sie Österreich’s Glück.

Mit dem Verweis auf die Donau , die durch die heimliche österreichische Hymne , den von Johann Strauß im Fasching 1867 uraufgeführten Chorund Orchesterwalzer An der schönen blauen Donau 445 , zum zentralen Ort des österreichischen Gedächtnisses wurde , wurde der Sieg identitätsstiftend verstärkt und plurinational durch die an die Donau grenzenden Länder erweitert. Nach der Schlüsselübergabe der Stadt Belgrad und dem Dank für den Sieg im ( mit zwei Takten angedeuteten ) Tedeum fiel der Vorhang. In einem Saal des kaiserlichen Lustschlosses Favorita meldet Graf Goltsch dem Kaiser die Nachricht von der verlorenen Schlacht : „Muthwillig ward ein ganzes Herr geopfert , /  Vor Belgrad lagern keine Christen mehr.“446 Glockengeläut und Kanonenschüsse kündigen hingegen vom Sieg , den Graf Hamilton umringt von Wiener Bürgern dem erleichterten Kaiser überbringt : „Ich atme auf von Dank bewegt zu Gott , /  Der die 443 Die Presse 103 , 14. April 1880 , S. 1–3. 444 Greif ( 1880 ), S. 54. 445 Linke ( 1982 ), S. 82 f. 446 Greif ( 1880 ), S. 59.

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Gefahr zu unserm Heil gewendet /  Und Wien vor neuer Türkennoth bewahrt !“447 von seiner ersten malerischen Schilderung des Türkenlagers [ … ] bis zu dem gloriosen Siegesbericht , den er unter Geläute und Salutschüssen vor dem Kaiser in Wien erstattet , folgt er als lebendige Chronik allen Wendungen des Feldzuges und flicht die einzelnen Ruhmesblätter des Prinzen Eugen zu einem vollen Kranz.448

Der Schlachtbericht an den Kaiser „als Denkmal von Eugenius’ Ruhm [ … ] getreu verwahrt für ewige Zeiten“ schließt mit dem post scriptum für den Ungehorsam , den der Kaiser großmütig zu verzeihen bereit wäre : „Auch wiegt der Sieg in reichem Maß die Übertretung auf.“449 Die „spanische Partei“, Graf Goltsch und der Erzbischof von Valencia , hingegen betont die Insubordination und nennt diese Übertretung „ein Majestätsverbrechen“. Mit Berufung auf den Kommandostab , den er , solange er ihn in Händen hält , auch zum Besten des Heeres verwenden wird , verteidigt Prinz Eugen sein Vorgehen , das der Kaiser so nicht akzeptieren kann. Die „spanische Partei“ kann ihren Jubel nur mühsam unterdrücken. Martin Greif stellte diesen machtpolitischen Interessenskonflikt ins Zentrum seines Dramas : die „spanische Partei“, die Anhänger der im Spanischen Erbfolgekrieg verlorenen einstigen habsburgischen Besitzungen , versucht Prinz Eugen als Anhänger einer reichsmäßigen Segregation zu denunzieren  – da er die spanischen Gebietsverluste den deutschen Gebietsgewinnen unterordne  – und das Vertrauen seines kaiserlichen Herren zu untergraben. Zwei biographisch freie , dem Publikum aber durch Legenden bekannte Motive ( Ungehorsam und Tod des Neffen ) erhöhen die dramaturgische Spannung. Das Motiv des Ungehorsams , die vom Kaiser ausgegebene Rückzugsordre wurde erstmals 1708 noch zu Lebzeiten Prinz Eugens von Eucharius Gottlieb Rink in seiner Lebensbeschreibung Kaiser Leopolds aufgenommen.450 Der Tod des Prinzen Ludwig , mit dem 447 Greif ( 1880 ), S. 63. 448 Die Presse 103 , 14. April 1880 , S. 1–3. 449 Greif ( 1880 ), S. 65 , 72. 450 Sanvitale ( 1738 , S 27 ) brandmarkte sie als „verantwortungsloses Geschwätz“. Mauvillon ( 1740 , 1 S. 211 f ), und Kausler ( 1838 , 1 S. 224 , 226 f ) behandeln sie ausführlich.

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Prinz Eugen einen Verwandten und seinen Erben verliert , ist der letzten Strophe des Volksliedes entnommen. Beide Motive erhöhen die subjektive Leiderfahrung des Helden und die Publikumsbindung durch Identifikation. Identitätsbestärkend wirkten auch die beiden Wiener Topographien , Kahlenberg und Donau als evozierte Orte des Gedächtnisses sowie die malerischen verbalen wie materiellen Türkencodes. Die Erinnerung eines Wiener Bürgers an die Türkenschlacht 1683 wurde in der Aufführung am Burgtheater gestrichen. Statt dessen setzte Dingelstedt auf die Wirkung des Wortes in Hamiltons Bericht – die Schilderung des Türkenlagers , das sich ‚den Halbmond auf den farbigen Zelten von Strom zu Strom im weiten Bogen dehnte‘ – und auf die Wirkung der türkischen Trophäen , die das Volk im Bühnenhintergrund schwenkte. Nach der Pause im Arbeitszimmer Prinz Eugens im Belvedere hängen die lebensgroßen Portraits von Kaiser Leopold , Josef I. und Karl VI. an der Wand. Die Portraits der Kaiser lassen den Prinzen über seine Stellung im Kaiserhaus reflektieren : „Leopold war mein Vater – Josef Bruder  – Doch Kaiser Karl der sechste ist mein Herr.“451 Die überlieferten Aussprüche des Prinzen Eugen waren dem Publikum als Zitate bekannt und vertraut. Dem von der Gräfin Althan hinterbrachten Gerücht einer Eheschließung hält er die öffentliche Meinung entgegen : „man sagt , ich sei der Mars , doch ohne Venus.“452 Und die Ankunft seines Regimentes in der Stadt verkünden neben Pferdegetrab , Säbelgerassel , Kommandorufe drei von den Dragonern in unterschiedlicher Lautstärke vorgetragene Strophen des Volksliedes Prinz Eugen der edle Ritter : herannahend sang das Regiment die allseits bekannte erste Strophe. Direkt unter den Fenstern des Belvedere erklang forte eine Strophe , die die Vertreibung der „Türken und Heiden“ durch die Geschütze besang , und schließlich piano verhallte mit der letzten Strophe über den Tod des Prinzen Ludewig der Gesang :

Bei Arneth ( 1864 , 1 S. 458. Note 28 zu Kapitel 5 ) kommt sie nicht vor. – Vgl. Geelen ( 1934 ), S. 136 , 143 , 147. Öhler ( 1944 ), S. 282. 451 Greif ( 1880 ), S. 103. 452 Greif ( 1880 ), S. 100.

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Das vaterländische Schauspiel Prinz Eugen der edle Ritter /  wollt dem Kaiser wied’rum kriegen /  Stadt und Festung Belgerad. /  Er ließ schlagen eine Brucken /  Daß man kunnt hinüberrucken /  Mit d’r Armee wohl für die Stadt Ihr Constabler auf der Schanze , /  Spielet auf zu diesem Tanze , /  Mit Karthaunen groß und klein , - /  Mit den großen , mit den kleinen / Auf die Türken auf die Heiden , /  Daß sie laufen all davon /  Prinz Ludewig , der mußt’ aufgeben /  Seinen Geist und junges Leben , /  Ward getroffen von dem Blei. Prinz Eugen ward sehr betrübet , /  Weil er ihn so sehr geliebet : /  Ließ ihn bringen nach Peterwardein.“–

Der Verehrung Prinz Eugens durch die Soldaten stellt Greif die scheinbare kaiserliche Geringschätzung gegenüber : Prinz Eugen ist enttäuscht darüber , dass Graf Hamilton aufgrund eines Gerüchtes , er sei ein Protegé der Gräfin Batthyany , von der Liste der ( anlässlich der Schlacht ) Ausgezeichneten gestrichen wurde. „Schickt ihr den Jungen weg , geht der Alte auch !“453 Das abwerbende Angebot des französischen Königs lehnt er dennoch ab und erinnert an seinen Schwur , nur mit dem Degen in der Faust zurückzukehren , als ihn König Ludwig seinerzeit abwies. Gleichwie er anlässlich der Aufnahme ins österreichische Heer gelobte „ihm [ dem Kaiser ] und seinem Haus zu dienen so lange ich athme und ich halte Wort.“454 So steht , als der Kaiser in cognito sich „das Wort der Abbitte“ holen kommt – nach Zugeständnissen von beiden Seiten – der Versöhnung nichts mehr im Wege. Beim Volksfest im Wiener Prater wird der Sieg über Belgrad mit einer Ehrenpforte gefeiert und die Versöhnung öffentlich gemacht. Das Volk strömt in festlicher Kleidung heran. Eine Musikkapelle intoniert das Lied vom lieben Augustin. Vier Paare tanzen Csardas.455 Der zum Stadtwachtmeister avancierte Sergeant Eschenauer , eine wirkungsvolle Episodengestalt , repräsentiert die volksnahe Amtsperson. Prinz Eugen in Festparade leistet Abbitte für seinen Ungehorsam und betont die unabdingbare Notwendigkeit des Befehlsgehorsams. Die Intriganten Goltsch und Heister werden vom Kaiser zur Festungshaft verurteilt. Die „spanische Partei“ wurde damit in ihre Schranken gewiesen. Mit der vom Kaiser gelobten Frucht 453 Greif ( 1880 ), S. 85. 454 Greif ( 1880 ), S. 90. 455 Illustrirtes Wiener Extrablatt 103 , 14. April 1880 , S. 3.

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vom Apfelbaum wird der Übergang „vom alten zum neuen habsburgischen Staatsgedanken“ demonstriert.456 Beim Fallen des Vorhangs steht Prinzen Eugen in bengalischem Licht und das Eugenius-Lied wird abermals angestimmt. Beim Publikum insinuierten die letzten Szenen die wiederhergestellte Ordnung und die damit verbundene Freude. Optisch unterstrichen die Kostüme den festlichen Augenblick , akustisch produzierten das lokalkoloristische Wienerlied vom lieben Augustin und der ( hier anachronistisch eingesetzte ) Csardas als Bestandteil der ungarischen Volksmusik die Verbindung der beiden Kulturen und bestätigten für die Zeitgenossen die gegenwärtige politische Realität Österreich-Ungarns.

Regie und Darsteller Die Inszenierung Dingelstedts wirkte durch „szenische Bilder voll malerischer Kraft“ in den Schlachtepisoden , den Salon- und Volksszenen im Prater. Sie beeindruckte durch historisch getreue , imposante und prächtige Kostüme. Das Goldbrokat-Kostüm Karl VI. zitierte das „imposante Porträt Karl’s VI. in der akademischen Galerie“.457 Auch die „Portrait-Ähnlichkeit“ des Prinzen Eugen , die „außerordentlich frappierenden Gesichtsmasken“458 erzeugten „Gestalten , lebendig aus unserer Geschichte herausgetreten“.459 Sie unterstützten Wiedererkennen und Vertrautheit beim Publikum. Dank Dingelstedts „Poesie des Auges“460 fand alle Pracht und historische Treue ihr rechtes Maß. Das Bild der Schlacht mit allen ihren Vorbereitungen wurde als „Meisterstück anschauungswürdiger Vergegenwärtigung“ gelobt „vom Morgennebel auf dem Schlachtfeld angefangen bis zum Victoria-Ruf zum Schluß , wo die Zinnen Belgrads in hellem Sonnenlicht erglänzen“.461 Der Charakter- und Intriganten-Darsteller des Burgtheaters Josef Lewinsky gab abermals den 456 Josef Nadler in : Greif ( 1909 ), S. 69. 457 Fremden-Blatt 103 , 14. April 1880 , S. 11. 458 Fremden-Blatt 103 , 14. April 1880 , S. 11 , Wiener Sonn- und Montags-Zeitung 32 , 18. April 1880 , S. 1–2. 459 Wiener Abendpost , Beilage zur Wiener Zeitung 84 , 13. April 1880 , S. 2. 460 Neue Freie Presse , Morgenblatt 5617 , 18. April 1880 , S. 1–3 ( Ludwig Speidel ). 461 Die Presse 103 , 14. April 1880 , S. 1–3.

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Regie und Darsteller

Prinz Eugen , der fast gleich alte Adolf Sonnenthal spielte gefühlsbetonter Kaiser Karl VI. Mit Friedrich Mitterwurzer als Verräter ( Goltsch ) und den Herren Hartmann , Bernhard Baumeister , Meixner , Schöne , Schreiner und Gabillon waren auch die Nebenrollen hochkarätig besetzt. Dingelstedt versuchte , neben allem äußerlichen Prunk vor allem die vorbildliche moralische Haltung der Protagonisten ins Zentrum der Inszenierung zu stellen. Striche und Regieanweisungen – wie zum Beispiel für den in cognito Auftritt des Kaisers am Ende des 4. Aufzuges – wurden auch in spätere Druckfassungen übernommen. Dadurch erfuhr vor allem die SchulAusgabe ( 1909 ) eine erhöhte Plastizität.

Abb. 44 Jan Kupecký , Karl VI. Öl auf Leinwand 1716.

Josef Lewinsky ( 1835–1907 ), der Darsteller des Prinzen Eugen , hatte 1858 am Burgtheater debütiert ; die Rollen , mit denen er die Wiener begeisterte , Franz Moor ( Die Räuber ), Carlos ( Clavigo ) und Wurm ( Cabale und Liebe ), blieben ihm 40 Jahre im Rahmen seiner Rollenfachverpflichtung als Charakter- und Intriganten-Darsteller erhalten. Als Carlos in Goethes 239

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Clavigo malte ihn 1895 Gustav Klimt. Seit 1861 Ensemblemitglied wurde er bereits 1865 zum „wirklichen Hofschauspieler“ auf Lebenszeit ernannt und wirkte am Burgtheater auch als Regisseur. Dem Publikum galt er als großer Sprecher. Lewinsky war hoch gebildet ; er erfasste seine Rollen nicht intuitiv , sondern studierte und formte sie. So charakterisierten auch die Kritiker seine Rollengestaltung des Prinzen Eugen : gelobt wurde die „individuelle Charakteristik“, die markanten „äußerlichen Details , wie der rasche Griff nach der Dose“462 , die Realität der Figur inmitten der „Kriegsromantik“, der nicht im Text enthaltene Nuancenreichtum der Rollengestaltung , als „Sieger und Schnupfer wie später Napoleon“. Prinz Eugen ist als „eine neue Rolle auf ein golden Lorbeerblatt des LewinskyKranzes einzugraben“.463 Lewinsky , der bereits 1865 den Prinzen verkörpert hatte , galt mittlerweile als „geborener Eugen , wie ihn die Geschichte nach Gestalt , Sprache und Temperament überliefert hat“464. Lewinsky blieb in dieser Rolle jahrzehntelang Maßstab für die Gestaltung des Prinzen Eugen auf der Bühne des Burgtheaters , jeder spätere Darsteller des Prinzen Eugen hatte sich auch an diesem Vorbild zu messen. Den jüngeren Habsburger Kaiser Karl VI. gestaltete der um ein Jahr ältere Schauspieler Adolf Sonnenthal ( 1834–1909 ), der ebenfalls von Heinrich Laube entdeckt , 1856 debütiert und das lebenslängliche Burgtheaterengagement zum Zeitpunkt von Lewinskys Eintritt ins Ensemble bereits erhalten hatte. Sonnenthals Kunst als „Helden- und Charakterdarsteller“ ruhe  – so empfanden die Zeitgenossen  – „auf dem festen Grunde edler Menschlichkeit.“465 Im Vergleich mit Josef Lewinsky  – beide gaben am Burgtheater nacheinander den Nathan  – war Sonnenthals Darstellung intuitiver und gefühlsbetonter. Sein Kaiser Karl war „edel , fromm und menschlich“466 , voll vornehmer Wärme und Güte , „die die Intention des Dichters weit überragt“.467 Das Publikum erlebte eine „lebendige aus 462 Die Presse 103 , 14. April 1880 , S. 1–3. 463 Wiener Abendpost , Beilage zur Wiener Zeitung 84 , 13. April 1880 , S. 2. Zu Lewinskys Rollenrepertoire gehörten zum Zeitpunkt der Prinz Eugen-Premiere auch der Habsburger Rudolf II. in Grillparzers Ein Bruderzwist im Hause Habsburg. 464 Wiener Theater-Chronik 16 , 16. April 1880 , S. 63. 465 Speidel ( 1911 ), S. 179. 466 Wiener Abendpost , Beilage zur Wiener Zeitung 84 , 13. April 1880 , S. 2. 467 Wiener Theater-Chronik 16 , 16. April 1880 , S. 63.

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unserer Geschichte herausgetretene“ Gestalt.468 Sonnenthal verstand den Übergang in eine neue Zeit , die Handreichung von Tradition und Moderne in seiner Rollengestaltung zu portraitieren : „Herr Sonnenthal gab seinem Kaiser die vornehme Haltung , die genaues Einhalten der Etikette zu fordern scheint , aber dabei zugleich den natürlich sich äußernden Ton der Wärme und Herzlichkeit , der im entscheidenden Moment wieder die Etikette vergißt.“469

Abb. 45 Josef Lewinsky als Eugenio von Savoye in Martin Greifs vaterländischem Schauspiel. Burgtheater Wien 1880. Zeitgenössische Photographie.

Publikum und Presse Seit Probenbeginn Mitte März 1880 schürte die Presse die Erwartungen des Publikums , indem Details der Umsetzung von Greifs Prinz Eugen bekannt wurden. Die aufwändigen neuen Dekorationen Hermann Burg468 Die Presse 102 , 13. April 1880 , S. 10. 469 Die Presse 103 , 14. April 1880 , S. 1–3.

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harts ( 1834–1901 ) „Wien darstellend“ und die „brilliante Ausstattung“ mit prächtigen Kostümen von Joseph Fux ( 1842–1904 ) begeisterten bereits den bei den Proben anwesenden Verfasser.470 Bei der Umsetzung wurde nicht gespart , ein Drittel der pro Saison bewilligten Dekorationsausgaben flossen in die Ausstattung des Prinz Eugen.471 Als „Festgewand“ beschrieben die Kritiker den äußeren prachtvollen Eindruck , der dem als „Festspiel“ empfundenen Stück gerecht zu werden schien. Die Verwendung des ( von Ludwig Speidel dem Direktor übersandten ) Prinz-Eugen-Liedes in der Bearbeitung von Johann Herbeck ( 1831–1877 ) aus dem Jahr 1865 hatte großen Anteil am „militärisch-festlichen“ Gelingen der Aufführung.472 In den Zeitungsbesprechungen wurde es jedoch nicht erwähnt. Zu groß war die Übermacht der optischen Opulenz. Zur Premiere am 12. April war „das Haus übervoll“ und das Interesse „durch den populären Stoff und die häufig vorangegangenen Anzeigen“ merklich gespannt. In Vertretung von Kronprinz Rudolf wohnten „Ihre k. Hoheiten die Herren Erzherzöge Carl Ludwig und Albrecht [ … ] der Aufführung bei“.473 Das Publikum wurde in seiner Erwartungshaltung nicht enttäuscht. Die „ebenso charakteristische wie geschmackvolle Ausstattung“474 garantierten Greifs Debüt am Burgtheater einen „äußeren Erfolg“, der sich auch an den Hervorrufen nach Aktschluss bemaß ; wiederholte Hervorrufe ertönten „schon nach dem ersten und zweiten Acte [ … ], die nur nach dem dritten ausblieben , aber nach dem vierten und letzten sich abermals , und noch entschiedener einstellten“.475 Die Schlussszene machte auf das Publikum den stärksten Eindruck , drei Mal wurde

470 Hermann Burghar[ d ]t ( 1834–1901 ) war seit 1863 Mitglied des Künstlerhauses Wien , von 1874–1882 Bühnenbildner und Dekorationsmaler an den beiden k. k. Hoftheatern. Joseph Fux ( 1842–1904 ) war Historienmaler und seit 1879 Vorstand des Ausstattungswesens am k. k. Hofburgtheater. Er malte auch den Hauptvorhang des 1888 eröffneten neuen Burgtheaters mit dem Titel „Aus der Büchse der Pandora verbreiten sich die Leidenschaften in die Welt“. 471 Illustrirtes Wiener Extrablatt 99 , 10. April 1880 , S. 5 und 103 , 14. April 1880 , S. 3. 472 Brief Ludwig Speidel vom 11. Februar 1880. Glossy ( 1925 ), S. 242. 473 Das Vaterland 102 , 13. April 1880 , S. 9. 474 Die Presse 102 , 13. April 1880 , S. 10. 475 Die Presse 102 , 13. April 1880 , S. 10.

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der Autor vor den Vorhang gerufen.476 Eduard von Bauernfeld umarmte und beglückwünschte Martin Greif nach der Vorstellung und Alfred von Arneth sprach ihm seine volle Anerkennung aus.477

Abb. 46 Martin Greif , Prinz Eugen. Theaterzettel der Premiere im Burgtheater am 12. April 1880. Bis 22. September 1883 fanden acht Vorstellungen statt.

Der spätere Literaturhistoriker , Schriftsteller und Lehrer Emil Ludwig Soffé ( 1851–1922 ) hatte als 29-Jähriger der Premiere im Burgtheater mit Studentenkollegen beigewohnt und in seinem Tagebuch „den Triumph eines Dichters“ festgehalten.478 Martin Greif hat mich mit seinem ‚Prinz Eugen‘ gepackt , begeistert. Alles ist so einfach und mit bescheidenen Mittel erzielt. Gleich zu Anfang die wunderschöne Gartenszene im Landhaus des Grafen Althan , die schon auf den kommenden 476 Neue Freie Presse 5612 , 13. April 1880 , S. 6–7. 477 Prem ( 1895 ). 478 Emil Soffé ( 1909 ), S. 466 f.

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VII. Deutscher Held Konflikt vorbereitet ; dann die Zeltszene vor Belgrad , der Konflikt spitzt sich zu. Lewinsky hatte eine prächtige Maske , er hielt sich zuwartend. Der Akt machte gute Wirkung. Die Leute klatschten Beifall , wir waren nicht faul , der Dichter dankte. Prächtig war das Schlachtbild. Schöne als pedantischer General Heister war köstlich , aber Baumeister übertrumpfte ihn mit seinem Eschenauer. Und die Wessely als Stephanie ! Dingelstedt ist doch ein ganzer Kerl. Die Schlachtenszene war meisterhaft inszeniert. Riesiger Beifall , Greif wurde hervorgejubelt. Kam zweimal auf die Bühne. Im dritten Akte blieb die Wirkung aus , und doch ist die kurze Szene zwischen dem Kaiser und dem Feldherrn dramatisch. Dafür fand der vierte Akt um so größeren Beifall. Sonnenthal und Lewinsky großartig. Sonnenthal ganz Fürst , hoheitsvoll und gütig. Lewinsky einfach und groß. Auch das nebensächliche war vortrefflich. Bei dem Vorbeiritt des Dragonerregimentes war der Hufschlag der Pferde gut nachgeahmt. Greif kam dreimal und verbeugte sich nach allen Seiten. Die Schlußszene ist kurz. Prater. Es ist ein Gegenspiel zum ersten Akt. Da ist der Sergeant Eschenauer wieder mit seinem stereotypen Fluch : ‚Stern , Ramassan und Tschibuck aufeinander‘. Baumeister , mein lieber Baumeister , hat eine prächtige Figur daraus gemacht. Ich habe schon lange keine so gute Darstellung gesehen. [ … ] Es war eine Freude.

Dingelstedt hatte das Stück seinerzeit angenommen , weil er erwartete , dass es sowohl dem Kaiserhaus wie auch den Mitgliedern der Armee und dem Publikum im Allgemeinen „manch froh bewegten Abend“ bescheren würde.479 Die hohen Ausstattungskosten sah er dadurch gerechtfertigt , dass das Burgtheater damit ein für „Fest- und Militärtheater , wie für Gedächtnis-Feierlichkeiten im Allerhöchsten Kaiserhause“ geeignetes Tool immer bereit hätte. Auch der Theaterzensor hatte ihn in der Wirksamkeit des Stücks bestärkt. Die Aufführungsserie spricht allerdings eine ganz andere Sprache. Nach der erfolgreichen Premiere vor „erwartungsvoll und fast weihevoll versammeltem“ Publikum480 und Wiederholungen am Folgetag sowie am 18. April fanden die nächsten Wiederholungen am 21. und 26. April vor halbleerem Haus statt. Auch die Benefizvorstellung am 18. Oktober , dem Geburtstag des Prinzen Eugen , die traditionell zu Gunsten des Invalidenhauses angesetzt wurde , brachte nicht den erhoff479 Dingelstedt an Graf Bombelles , 20.Jänner 1880. Geelen ( 1934 ), S. 339 f. 480 Soffé ( 1909 ). S. 466.

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ten Publikumszustrom. Die Einnahmen aus den Vorstellungen zu Lebzeiten Dingelstedts ( abzüglich der Benefizvorstellung ) addierten sich kaum einmal zusammen auf die Ausgaben für die Ausstattung. Dingelstedt versprach dem enttäuschten Autor eine Wiederaufnahme für den 12. September 1883. Zu diesem Zeitpunkt war er allerdings nicht mehr Direktor des Burgtheaters und sein Nachfolger Adolf Wilbrandt ( 1837–1911 ) „feierte“ den 200. Jahrestag der Türkenbefreiung mit der Wiederaufnahme des vom ihm neu eingerichteten , bis dato wenig erfolgreichen Stückes 1683 von Hippolyt August Schaufert , das ihm zum selbstbewussten bürgerlichliberalen Zeitgeist von 1883 passender schien : im Mittelpunkt stand nicht mehr der singuläre Held Prinz Eugen , sondern die kollektiven Leistungen der Wien verteidigenden Bürger. Aber zurück zum Jahr 1880 und Prinz Eugen am Burgtheater. Nach den positiven Premierenkritiken und zwei gut besuchten Wiederholungen verlor Prinz Eugen die Publikumsgunst. Was war geschehen ? Zeitgleich mit Probenbeginn im März 1880 war die Verlobung von Kronprinz Rudolf mit Prinzessin Stephanie von Belgien ( 1864–1945 ) bekannt gemacht worden. Zweieinhalb Wochen dominierte dieses freudige Ereignis aus dem Kaiserhaus die Nachrichten. In einer kurz vor Probenbeginn herausgebrachten Neuauflage des Textes war die Zueignung des Prinz Eugen an den „Erzherzog Rudolph , Kronprinz von Österreich“ aufgenommen worden. Dieses Zusammenspiel von Verlobung , Widmung und Erstaufführung verstärkte beim Publikum den Eindruck , der Premiere eines Festspiels beizuwohnen. Durch die prachtvolle Ausstattung hatte das Burgtheater dieser Erwartung Rechnung getragen. Bei der Premiere am 12. und der ersten Wiederholung am 13. April war diese Rechnung denn auch aufgegangen. Danach konkurrierten andere Veranstaltungen aus Anlass der Verlobung des Kronprinzen – die Generalprobe am 15. April und die Vorstellungen des prächtigen „Wohltätigkeits-Carroussel“ in der Hofreitschule am 17. , 18. und 19. April – die Prinz Eugen-Vorstellung und bescherten dem Burgtheater ein Aufmerksamkeitsdefizit. Die „abnehmende festliche Stimmung des Publikums , die aus verschiedenen Anlässen in jüngster Zeit erregt ward“, werde das Stück „zu einem Mißerfolge stempeln“ prophezeite die fachkompetente Wiener Theater-Chronik.481 481 Wiener Theater-Chronik 16 , 16. April 1880 , S. 63.

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Konkurrenz der Narrative Darüber hinaus entstand auch eine Konkurrenz der Narrative. Der Anlassgeber Kronprinz Rudolf stand für eine Politik der friedvollen Gleichberechtigung der Nationen. Er unterstützte die Forderung der Tschechen nach einem Ausgleich , wie ihn Ungarn bereits erhalten hatte. Diese Ausgleichsforderung der Tschechen war allerdings ein Tabuthema in der österreichischen Öffentlichkeit. Davon zu sprechen war streng untersagt : Einen Tag vor der dritten Vorstellung von Prinz Eugen am Burgtheater war die beliebte Volksschauspielerin und Prinzipalin Josefine Gallmeyer ( 1838–1884 ) zu 50 Gulden Strafe verurteilt worden , weil sie einen durch die Zensur gestrichenen Satz , der den böhmischen Dialekt als „Ausgleichssprache“ bezeichnete , kaum dass sie ihn gesprochen hatte auch noch durch den Hinweis „uijeh , das is gstrichen“ markierte.482 Das Drama Prinz Eugen vertrat hingegen auf der Textebene ein in der österreichischen Öffentlichkeit weit verbreitetes deutschnationales Narrativ , das die Inszenierung auf der Bühne allerdings zugunsten der Unterstreichung der österreich-ungarischen Realverfassung483 zu retouchieren suchte. Neben dem äußeren Prunk der ersten Vorstellungen von Prinz Eugen stand der menschlich sittliche Konflikt der Protagonisten , den Lewinsky und Sonnenthal psychologisch und sensitiv herausgearbeitet hatten , im Zentrum. Den sinnlichen Mittelpunkt des Schauspiels bildet die Affaire von Belgrad , den sittlichen der Conflikt zwischen dem Kaiser und dem Prinzen Eugen , der daraus entsteht , daß der Prinz eine kaiserliche Contre-Ordre umgeht. Nach einigen harten Worten von hüben und drüben wird dieser Conflict in der mildesten Weise geschlichtet , und Eugen wird von dem Kaiser und dem Wiener Volke als der „edle Ritter“ gefeiert.484

482 Illustrirtes Wiener Extrablatt 106 , 17. April 1880 , S. 1. 483 Gemeint sind damit Regeln , die sich aufgrund der realen Machtverhältnisse herausgebildet haben – ohne ausdrücklich durch Gesetze definiert oder normiert zu sein – und die doch von den Beteiligten weitgehend akzeptiert und als legitim angesehen werden. 484 Neue Freie Presse 5612 , 13. April 1880 , S. 6–7.

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Konkurrenz der Narrative

Der aus Kleists Friedrich von Homburg dem Theaterpublikum vertraute Subordinations-Konflikt schien „aus der Strenge der märkischen Kriegs­ artikel ins Österreichisch-Gemüthliche übersetzt“.485 Genau genommen lag die Übersetzung allerdings anderswo : Während Prinz Eugen die Contre-Ordre in vollem Verantwortungsbewusstsein unterdrückt , versäumt Prinz Friedrich den Befehl aufgrund seiner Unaufmerksamkeit ( durch seine Beschäftigung mit dem Handschuh ). Der verträumten Unachtsamkeit des Prinzen von Homburg stand die eigenverantwortliche Achtsamkeit des Prinzen Eugen gegenüber. Vom Publikum wurde die daraus resultierende Auseinandersetzung des Prinzen mit seinem kaiserlichen Herren denn auch „als [ beiderseitige ] Verstimmung und Kampf der berechtigten Empfindlichkeit“ gelesen , der „durch einen schönen Durchbruch der Wärme und Herzlichkeit gelöst“ wurde. Die Lösung des Konfliktes entschied den Erfolg des Dramas , „der im dritten Act ein wenig ins Schwanken zu geraten schien“.486 Denn an dieser Stelle waren die Zuschauer in ihrer Erwartung enttäuscht worden , Greif hatte es unterlassen , das sittliche Problem des Stücks [ „die Pflicht des Gehorsams und die Pflicht des Ungehorsams“ ] in der Auseinandersetzung des Kaisers mit seinem Feldherren in einer „erschöpfenden Szene“ zu gestalten.487 Die Zuschauer , das Volk blieben ausgeschlossen , wo sich die beiden hohen Herren „handelseins“ wurden. Auch die anderen Figuren des Dramas erhielten persönliche Charakterisierungen zur dramaturgischen Polarisierung. Die beiden Antagonisten des Prinzen Eugen , Cardinal Cardona und General Heister waren in der Inszenierung bewusst mit nicht in Greifs Dramentext angelegten Persönlichkeitsmerkmalen gezeichnet worden. Cardinal Cardona politisches Motiv der Gegnerschaft zu Prinz Eugen , seine Verbundenheit mit seinem spanischen Vaterland , zu dessen Thronverzicht Prinz Eugen den Kaiser bewogen hatte , wurde vom Darsteller der Rolle , Louis Nötel ( 1837–1889 ), mit „augenverdrehende[ r ], heuchlerische[ r ] Hinterlist“ publikumswirksam ergänzt.488 Auch durch die schauspielerische Ausschmückung der Figur 485 Die Presse 102 , 13. April 1880 , S. 10. 486 Die Presse 102 , 13. April 1880 , S. 10. 487 Fremden-Blatt 103 , 14. April 1880 , S. 11. 488 Das Vaterland 105 , 16. April 1880 , S. 1–3 ,

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des General Heister durch den im volkstümlich-komischen Rollenfach beliebten Darsteller Hermann Schöne ( 1836–1902 ) wurde einer historischen Figur die „Fratze [ eines ] dumm-täppischen Ignoranten“ aufgesetzt.489 Daneben war Greifs Prinz Eugen ein „militärisches Repräsentationsspiel“, das wie „jedes militärische Schauspiel“ die Wiener anzog.490 Die zahlreichen lokalen Identifikationsangebote – allesamt „aus dem fettesten Wiener Boden aufgewachsen“ – ermöglichten den Zuschauern , „sich von vornherein in dem Stück zu Hause [ zu fühlen ]“.491 Auch die altertümlich anmutende Sprache , „eine eigenthümliche , aus dem geschraubten Kanzleistil jener Zeit geschickt herausdestillierte und jambenfähig gemachte Sprache“ und die zahlreichen Zitate , „Eugen-Reminiszenzen mannigfacher Art , wie sie noch heute im österreichischen Volke leben“ sollten „Gewähr des theatralischen Erfolges [ sein ]“.492 Die Kritiker waren sich einig , dass der Erfolg weniger der dramatischen Handlung als vielmehr der „gewählte[ n ] Sprache“ und der „anheimelnde[ n ] Wahl der ganzen Szenerie , die ihm im Vorhinein das Interesse des Wiener Publikums sicherte“, geschuldet war.493 Das deutschnationale Narrativ verschwand auf der Bühne des Burgtheaters weitgehend im Hintergrund. In den ersten Besprechungen , denen lediglich das Textbuch vorgelegen sein mag , wurde es jedoch herausgestrichen. Dem „Volksbewußtsein“ galt Prinz Eugen als „Held , schlicht wie Eisen , treu wie Gold , ein Liebling dreier Kaiser , ein ‚Geschenk der Allmacht‘ , wie Karl VI. [ im Stückkontext ] sagt“ 494. Er „schwingt [ … ] das Schwert des Reiches nach allen Seiten , ein Racheblitz nach Ost , ein Wahrer des Rechtes nach Westen. Er ist wie Gottes Hammer gegen alle Erbfeinde dieses herrlichen Österreich , das seine einzige große Liebe und für das er so groß gewesen.“ 495 In diesem Lichte galt „Eugen’s Sieg bei Belgrad und die Eroberung dieses Bollwerkes , schwerwiegend in seinen Folgen und

489 Das Vaterland 105 , 16. April 1880 , S. 1–3. 490 Fremden-Blatt 103 , 14. April 1880 , S. 11. 491 Fremden-Blatt 103 , 14. April 1880 , S. 11. 492 Fremden-Blatt 103 , 14. April 1880 , S. 11. 493 Wiener Sonn- und Montags-Zeitung 32 , 18. April 1880 , S. 1–2. 494 Wiener Abendpost , Beilage zur Wiener Zeitung 84 , 13. April 1880 , S. 2. 495 Wiener Abendpost , Beilage zur Wiener Zeitung 84 , 13. April 1880 , S. 2.

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denkwürdig für die fernere Geschichte Österreichs“.496 Dem kriegerischen Blick auf Prinz Eugen konnten nach Besuch der Vorstellung wenige folgen. Ludwig Speidel hielt dem in seiner Aufführungs-Besprechung sogar ein alternatives kulturphilosophisches Bild des Prinzen Eugen entgegen , das bereits das wachsende bürgerlich liberale Selbstbewusstsein spiegelt. Aus dem Lärm der Signale , der Geschütze und des Festjubels trat mir die friedliche Gestalt Eugen’s , wie Wien sie gekannt hat , liebenswürdig entgegen. Und wie man einen Helden gern an die Stelle setzt , für die man Neigung hat , so sah ich den Prinzen Eugen , wie er in Wien mit Leibniz verkehrte. Ich denke mir sie , wie sie in einem der geräumigen Gemächer des Belvedere am Fenster sitzen , Kaffee trinken , Tabak schnupfen und in Gesprächen , welche die Höhen und Tiefen der Welt berühren , ihren Blick über Wien schweifen lassen bis zu dem Kloster auf dem Kahlenberge und der Nase des Leopoldsberges , die sich gegen die Donau senkt. Sie reden von den Monaden , jenen wunderlichen Geschöpfen der spekulativen Einbildungskraft , von denen die Welt , als von lebendigen Kraftmittelpunkten , erfüllt ist ; sie reden von der fein ausgedachten Verzahnung des Reiches der Natur und des Reiches der Gnade ; sie sprechen von der Möglichkeit den Protestantismus , nachdem er sich in seinen beiden Hauptbekenntnissen selbst geeinigt , mit der alten Mutterkirche zu vereinigen ; dann wieder scherzen und lachen sie , denn beide sind innerlich heitere Naturen. So geistreich und weitausgreifend waren die Gedanken in dem classischen Jahrhundert des Tabakschnupfens und des Kaffeetrinkens. [ … ] Da kam auch wohl die Gründung einer Akademie der Wissenschaften zur Sprache , ein Plan , den Eugen mit Leibniz eifrig betrieb. Wie gut Leibniz sein Österreich kannte , geht aus einem Schreiben an Eugen hervor , worin er die Einführung von gestempeltem Papier empfiehlt , dessen Erträgnis der Akademie sollte zugewendet werden. [ … ] Und lange nach dem Tode des Philosophen sehe ich wieder den gealterten Prinz Eugen , wie er jeden Abend zu seiner Frau der Batthyany fährt , um Piquet mit ihr zu spielen. Ein alter Kutscher und ein alter Bedienter auf dem Bocke , ein alter Held im Wagen , zwei alte Pferde an der Deichsel. Manchmal schläft alles unterwegs , der Wagen bleibt stehen ; dann humpelt er wieder weiter , die Pferde halten gewohnheitsmäßig an dem Palais der Gräfin auf der Freiung. Alles schläft wieder. Da rührt sich der Eine , der Andere wird wach , und endlich 496 Das Vaterland 102 , 13. April 1880 , S. 9.

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VII. Deutscher Held steigt Prinz Eugen aus dem Wagen um sein Spielchen zu machen. Das tritt nun alles wieder zurück vor dem Kriegslärm und dem Festjubel im Burgtheater.497

Den selbstbewussten liberalen Bürgern lag der enge heroisch-kriegerische Blick bereits fern. „Eigentlich müßte man zuvor militärisch angeregt sein , um das Schauspiel voll zu genießen“498 oder aber in „patriotischer Stimmung“499 sein. Im April 1880 erschien Greifs Prinz Eugen als „Gelegenheitsstück ohne Gelegenheit , ein Festspiel ohne Fest. Das ist ein Mangel für den Augenblick , aber [ … ] wann immer Österreich sein Selbstgefühl auf eigenem Boden bewirten will , wird es Greif ’s ‚Prinz Eugen‘ herbeirufen.“ 500

1883 und 1936 Greif kehrte noch im Jahr 1880 nach München zurück. Dort fand 1883 , im Jahr der 200-jährigen Türkenbefreiungsfeiern , sein Prinz Eugen am Münchner Hoftheater ein dankbares Publikum.501 Die Titelrolle zählte zu den beliebtesten Leistungen des Intendanten und Hofschauspielers Ernst Possart ( 1841–1921 ), der sich mit ihr auch vom Münchner Publikum 1887 zu seinem Gastspielaufenthalt in die USA verabschiedete. Den Charakter eines offiziösen Repräsentationsschauspiels haftete dem Drama auch in München an : im Herbst 1886 wählte Possart Prinz Eugen für die Wiedereröffnung der Münchner Hoftheater nach der Hoftrauer um Ludwig II.502 Prinzessin Gisela , die eine der frühen Münchner Vorstellungen gesehen hatte , hatte Greif „ihre gnädigste Anerkennung“ ausgesprochen und brieflich ihrem Bruder dem Kronprinzen Rudolf vom Münchner Erfolg berichtet. 1884 erfuhr Greif anlässlich eines Besuchs bei Hofrat Weilen in Wien von diesem Brief , der allerdings folgenlos geblieben war. „Der Kronprinz nahm sich des Stückes nicht an und so blieb dieses österreichi497 Neue Freie Presse , Morgenblatt 5617 , 18. April 1880 , S. 1–3. 498 Neue Freie Presse , Morgenblatt 5617 , 18. April 1880 , S. 1–3. 499 Wiener Morgenpost 102 , 13. April 1880. 500 Neue Freie Presse , Morgenblatt 5617 , 18. April 1880 , S. 1–3. 501 Erstaufführung am 12. April 1883 , sieben Wiederholungen , bis 1911 am Spielplan. 502 Am 17. Juni 1909 wurde das Stück zum 70. Geburtstag des Autors wiederaufgenommen ; ebenso am 12. Juni 1911 zu Greifs Totenfeier , und am 29. Juni 1911 als „Volksvorstellung“. Possart ( 1916 ).

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sche Volksdrama , [ … ] vom Burgtheater verschwunden.“503 Auch Greifs persönliche und schriftliche Vorsprachen beim neuen Direktor des Burgtheaters Adolf Wilbrandt blieben erfolglos.504 Dessen noch am 20. April 1883 gegebenes Versprechen , das Stück „zur Jubiläumsfeier im September seines Sujets willen wieder aufzuführen“ hielt der Direktor nur indirekt ein.505 Erst am 22. September 1883 sozusagen „post festum wurde während der Abwesenheit des Direktors , der sich auf einer Dienstreise befand , mein ‚Prinz Eugen‘ klanglos und die erfahrene Zurückweisung auf der Stirn tragend , noch einmal aufgeführt und danach hastig begraben.“506 Die nach dem September 1883 nicht mehr verwendete kostbare Ausstattung der Wiener Inszenierung von Prinz Eugen kam nochmals bei einer Aufführungsserie in Prag zur Verwendung. Das deutsche Landestheater in Prag ( Ständetheater ) setzte das Drama am 13. Dezember 1883 , am Vorabend der Festlichkeiten anlässlich der „Feier des 200-jährigen NamensJubiläums des k. k. Dragoner-Regimentes ‚Prinz Eugen von Savoyen‘ “ an. Der Arrangeuer und Leiter der Festlichkeiten des Dragonerregimentes Nr. 13 , Major Viktor Freiherr von Kraus , hatte sich das Regiebuch im November 1883 von der Burgtheaterdirektion erbeten.507 Die „tschechische Sarah Bernhardt“ Julie Schamberger ( 1846–1892 ) sprach einen Festprolog von Friedrich Schwab „treffend und schwungvoll“. Jene Stelle „wo [ sie ] von der durch den Prinzen Eugen geschaffenen Heereseinheit sprach“, machte auf das Publikum den größten Eindruck. Als Abschluss ihres Vortrags erschien auf der Hinterbühne ein lebendes Bild mit Prinz Eugen umgeben von seinen Generalen und Soldaten , vom Reichsadler und den Landeswappen bekrönt. Die Volkshymne wurde vom Publikum stehend angehört und so stürmisch akklamiert dass sie wiederholt werden musste. 508 Für diese Prager Festvorstellung war Martin Greifs Drama „ganz passend gewählt“. Am Schluss , beim Praterfest , bei dem die Marketenderin das Regiment Savoyen hoch leben ließ , stimmte das versammelte Publi-

503 Reichspost 166 , 18. Juni 1909 , S. 1–2. 504 Brief vom 16. April 1883. Geelen ( 1934 ), S. 341. 505 Brief Wilbrandt an Greif vom 20. April 1883 , in : Geelen ( 1934 ), S. 343. 506 Greif , Mein Schauspiel „Prinz Eugen“ ( 1895 ), in : Geelen ( 1934 ), S. 349–350. 507 HHStA , Burgtheater Karton 30 , Zahl 732 ex 1883. 508 Prager Tagblatt 346 , 14. Dezember 1883 , S. 2.

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kum in den Hochruf ein und „begleitete denselben mit minutenlangem Applaus“.509 Größere Schwierigkeiten bereitete der Regie allerdings das Schlachtenbild von Belgrad mit seinen variablen Lichtstimmungen und der anschaulichen Darstellung des Kampfes.510 Prinz Eugen gab der hoch angesehene Schauspieler Volkmar Kühns ( 1832–1905 ), dessen Darstellung sich durch durchdachte und scharfe Charakteristik auszeichnete. In Übereinstimmung mit den Pressemeldungen konnte der Direktor des Prager Theaters Edmund Kreibig ( 1851–1894 ) Greif über die enthusiastische Aufnahme dieser Festvorstellung durch eine „auserlesene Gesellschaft [ berichten ], welche den Schönheiten der Dichtung die größte Empfänglichkeit entgegenbrachte und bei offener Scene sowie bei den effektvollen Aktschlüssen mit dem stürmischsten Beifall nicht gespart , die sich sogar , hingerissen von den hervorragenden Momenten der Dichtung zum Enthusiasmus steigerte“. So eingestimmt begab sich die Festgesellschaft zu den Festlichkeiten am folgenden Tag : nach morgendlichem Festgottesdienst und Kirchenparade folgte das „farbensatte , buntbewegte und doch abgerundete“ Fest-Caroussel ; den Abend beschloß ein Fest-Bankett im „Hotel de Gore“. Kaiser und Kronprinz hatten Glückwunschschreiben übersandt.511 Den beiden Wiederholungen von Greifs Schauspiel am Abend des 15. und am Nachmittag des 16. Dezember „blieb der Beifall [ … ] in gleichem Grade treu“.512 Danach hatte „Prinz Eugen sein Lager in Prag abgebrochen und ist nach Wien ausmarschiert. Die gesamte Ausrüstung und Bagage befindet sich heute schon wieder am Michaeler-Platz in Wien“, meldete augenzwinkernd das Prager Tagblatt am 17. Dezember. Am Festtag der Säkularfeier wurde im Burgtheater 1683 von Hippolyt August Schaufert ( 1834–1872 ) ausgegraben. Wilbrandt hatte das fünfaktige Schauspiel , das 14 Jahre davor bei der Uraufführung ausgiebige Kritikerschelte und nur zwei Vorstellungen erlebt hatte , für den patriotischen Augenblick eingerichtet. In neuer Bearbeitung sollte es dem selbstbewuss-

509 Prager Tagblatt 346 , 14. Dezember 1883 , S. 2. 510 Prager Tagblatt , Beilage zu 345 , 13. Dezember 1883 , S. 5. 511 Prager Tagblatt 347 , 15. Dezember 1883 , S. 3–4 und Prager Tagblatt 348 , 16. Dezember 1883 , S. 3. 512 Martin Greif in : Geelen ( 1934 ), 345 f. und Fuchs ( 1909 ), S. 404 f., der allerdings Theatersekretär Kern als Quelle des Berichtes nennt.

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ten bürgerlich-liberalen Zeitgeist von 1883 entsprechen : im Mittelpunkt standen die am Entsatz beteiligten Wiener Bürger von 1683.513 Für die Deutsche Zeitung offenbarten sich jetzt „die geistigen Kräfte der Zeit“ mit dem Wiener Bürgertum als „weitstrahlende Leuchte des Abendlandes“. Das Illustrierte Wiener Extrablatt resümierte , dass die seinerzeit mehrheitlich „lebensfrohen Atheisten“ im Publikum durch die anhaltende Baisse „geängstigter und bußfertiger“ waren , wodurch das Stück nun aktueller schien.514 Adolf Wilbrandt musste allerdings zur Kenntnis nehmen , dass auch unter dem Anlass gerechten Umständen die positive Aufnahme durch das Burgtheaterpublikum nicht gewährleistet war : die „Kritik war stärker als der Patriotismus“.515 1883 zur Zentenarfeier der Belagerung Wiens durch die Türken wurden die Leser von Zeitungen und Zeitschriften , Almanachen und Kalendern mit einer großen Anzahl von Gebrauchspanegyrik versorgt : „patriotische Festgedichte , mit Lithographien geschmückte Festblätter und ein auf die Melodie des Prinz-Eugen-Liedes zu singendes Gedicht von Johann Georg Obrist ( 1843–1901 ) ‚Kara Mustapha , der Türke , hält die Wienerstadt umzingelt‘.“516 Auffallend ist die Annäherung der beiden bis dahin getrennten Gedächtnisorte Türkenbefreiung 1683 und Prinz Eugen , die mit der anlässlich des bevorstehenden Jahrestages gestellten Frage „wann tritt Prinz Eugen von Savoyen in die österreichische Armee ein ?“ ihren Anfang genommen hatte.517 Diese Annäherung der beiden Gedächtnisorte verfestigte sich dann im Ersten Weltkrieg. 513 Im Rahmen der Vorbereitungen zu den umfangreichen Feierlichkeiten rund um die Säkularfeier des Entsatzes vom 12. September 1683 war auch die Absicht entstanden , Johann Andreas von Liebenberg im Wiener Stadtbereich ein Denkmal zu setzen , das 1890 an prominenter Stelle , direkt an der Wiener Ringstraße vor der 1683 heftig umkämpften Mölkerbastei , feierlich enthüllt wurde. http://www.tuerkengedaechtnis. oeaw.ac.at/ort/das-liebenberg-denkmal-vor-der-molkerbastei /  ( 4.  April 2013 ) 514 Got ( 1983 ), S. 50. 515 Wilbrandt ( 1905 ), S. 94. 516 Obermaier ( 1982 ), S. 326. 517 Aus Anlass des bevorstehenden Jahrestages 1883 versuchte Marcus Landau anhand neuer Dokumente das Eintrittsdatum Prinz Eugens in die österreichsiche Armee möglichst präzise mit August 1683 zu datieren. Beilage zur Allgemeinen Zeitung , München 1882 , 8. Juli 1882 , S. 2769–2770.

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Im katholisch-neuromantischen Festspiel von Richard Kralik Die Türken vor Wien hat der junge Prinz Eugen einen Auftritt bei den Kämpfen 1683. Der Tod seines Bruders bei Petronell wird für ihn zur Initialzündung einem höfischen Leben zu entsagen und seinen Bund mit Gott zu erneuern : Dann weih ich mich an dieses Todten Bahr /  Dem Rachegott ! Krieg sei mein heiliger Gottesdienst , /  Kampf mein Gebet , das Schlachtfeld mein Altar , / Auf dem ich jede Lust der Erde opfern will , /  Die mich von meinem Amte je verlocken wollt ! 518

1936 aus Anlass des 200. Todestages des Prinzen Eugen überließ die Burgtheaterdirektion dem Grazer Stadttheater „die prächtigen historischen Kostüme“ für eine Neuinszenierung des Prinz Eugen von Greif : Am 19. April 1936 nach Feier und Feldmesse vor geladenen Ehrengästen am Trabbrennplatz , und anschließendem Defilee vor dem Theater , fand am Abend eine Festvorstellung der Vaterländischen Front im Stadttheater statt. Nach einer Festrede des Landesrates Dr. Alfons Gorbach , Prinz Eugen-Fanfaren und Festprolog von Franz Karl Ginzkey folgte das „an die gesunden Instinkte [ … ] appellierende vaterländische Schauspiel“ vor einem „der christlichgermanischen Kultur“ zugetanen Publikum.519 Greifs Drama schien , „als sei es erst heute entstanden“, denn es zeigte „Eugen , wie er in der Phantasie des Volkes lebt , einen vereinfachten Eugen , einen jovialen alten Kriegshelden , der nichts anderes ist als ‚edler Ritter‘.“520 Franz Reichert besorgte „mit hingebender Sorgfalt“ die prächtige Inszenierung ; Franz Scharwenka „brachte die starke Persönlichkeit des Prinzen Eugen zur Geltung“521 und das Publikum bedankte sich „mit stürmischem Applaus“.522 Wie ein halbes 518 Kralik ( 1883 ), S. 38. – Kralik begründete den Eintritt Prinz Eugens in die österreichische Armee auch späterhin als brüderlichen Racheakt. Auch im Festspiel Die Rettung der Heimat ( 1907 ) erhält der junge Prinz Eugen den Auftrag , im linken Flügel an der Entsatzschlacht 1683 mitzukämpfen , um „seines edlen Bruders Tod zu rächen“. 519 Grazer Mittag des Grazer Volksblattes 91 , 20. April 1936 , S. 3–4 ; Kleine Zeitung ( Graz ) 110 , 21. April 1936 , S. 5–6. Die Grazer Tagespost ( Abendblatt ) 109 , S. 3 nannte die Ehrengäste namentlich. 520 Kleine Zeitung ( Graz ) 110 , 21. April 1936 , S. 5–6. 521 Grazer Mittag des Grazer Volksblattes 91 , 20. April 1936 , S. 4. 522 Kleine Zeitung ( Graz ) 110 , 21. April 1936 , S. 6.

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Jahrhundert nach der Uraufführung nicht nur Greifs Schauspiel , sondern und vor allem die historische Gestalt des Prinzen Eugen für die Gegenwart aktualisiert und akklamiert wurde , und dadurch das auf der Bühne Dargestellte präfigurierte , spiegeln die Zeitungskommentare eindringlich wider. Neben der Bestätigung der offiziösen Ständestaat-Doktrin stehen unverblümte Ausblicke auf den großdeutschen Reichsgedanken in changierender Beleuchtung. Mit der Klage über den „kleindeutschen Dualismus“ wird die deutsche Reichgründung 1871 aufgerufen : Dem „Blutmythos“, der den Einschluss der multinationalen Gebiete der Habsburgermonarchie in den Reichsverbund verhinderte , wird die assimilierte Persönlichkeit des Prinzen Eugen entgegengestellt. Sein Wahlspruch ‚Österreich über alles , wenn es nur will‘ wird in diesem Zusammenhang zu einem startbereiten Motor der sehnsüchtig erwarteten Veränderung. Und Prinz Eugen selbst zum Trumpf der Anschluss bereiten Spieler , die den Frieden beschwören um Eroberungstendenzen im Südosten zu kaschieren : Prinz Eugen focht auf allen Kriegsschauplätzen des Römischen Reichs Deutscher Nation [ … ] So glänzend Prinz Eugens Feldherrnruhm war , so führte er doch nicht Krieg um des Krieges willen , sein Ziel war der Frieden Europas und das Glück seines Volkes gesichert durch ein friedlich schaffendes Deutsches Reich unter Habsburgs Führung. Damit hat er nicht nur Österreich und dem Herrschergeschlecht der Habsburger , sondern dem ganzen Deutschen Volk ein dauerndes politisches Ziel , als Programm gegeben , von dem es nicht abweichen darf , wenn es seine weltgeschichtliche Aufgabe erfüllen und der Friedenshort der europäischen Völker bleiben will. Prinz Eugen war ein Österreicher mit Leib und Seele. Er erklärte sich eins mit der gewählten Heimat und mit jedem , der in ihr wohnt , ebenso mit dem Kaiser , in dessen Person sich die Gemeinschaft repräsentiert , mit dem einfachen Mann aus dem Volke , der ein Teil der Gemeinschaft ist. Er hatte in Österreich große Schwierigkeiten zu überwinden und mußte oft sein ganzes Ansehen in die Waagschale werfen , um sich durchzusetzen , aber er glaubte an Österreich , und sein Wahlspruch lautete : ‚Österreich über alles , wenn es nur will.‘ Prinz Eugen ist in Österreich und als Österreicher auch ein vorbildlicher Deutscher geworden , denn hier war stets der klassische Boden der großdeutschen Reichs­ gesinnung unter Habsburg Führung und er verwies das deutsche Volk auf den

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VII. Deutscher Held Südosten , wo er immer mehr deutsches Neuland schaffen wollte , um die Kraft zu gewinnen , die deutschen Fürsten an das Reich zu binden und ihnen das beliebte Paktieren mit den Reichsfeinden abzugewöhnen. Ja er war ein Deutscher , nicht aus dem Blute , sondern aus dem Geiste , und er widerlegt damit einen Blutmythos , der 200 Jahre später im deutschen Volk erstand. Was Prinz Eugen in friedlichem Schaffen für Österreich geleistet hat , seine hochsinnige Pflege von Kunst und Wissenschaft , sein Eintreten für die Ordnung der Finanzen , die Hebung der Wirtschaft , die Bekämpfung der überwuchernden Bürokratie , seine Sorge um das Gemeinwohl , all das mutet heute noch so zeitgemäß an und verdient unsere volle Bedeutung und Nachahmung. [ … ] Der Geist Prinz Eugen grüßt uns , die wir nach jahrhundertelangem blutigem und opfervollem Ringen um das Übernationale Reich der Deutschen dem kleindeutschen Dualismus weichen mussten , denn wir haben zurückgefunden zu ihm , haben ihm das Heimatrecht in Österreich erneuert und neigen uns in Ehrfurcht vor ihm mit seinem Leitspruch. ‚Österreich über alles , wenn es nur will.‘523

Prinz Eugen für den Unterricht Die Instrumentalisierung der historischen Gestalt des Prinz Eugen für eine Intervention im Sinne gegenwärtiger politscher Anliegen lässt sich auch an den Empfehlungen des Greif ’schen Schauspiels als Pflichtlektüre für den deutschen Unterricht nachverfolgen. Bereits 1865 waren die Schüler der Gymnasien in die Erinnerungsarbeit rund um den im Denkmal am Heldenplatz verewigten Feldherren eingebunden gewesen. Mit Greifs Schauspiel lag ein „österreichisches Nationaldrama“ vor , das darüber hin­ aus auch der seit den 1880er Jahren immer bedeutender werdenden antimodernen „kerndeutschen Gesinnung“ entsprach.524 Aufgabe des Dichters sei es nun einmal , die Geschichte „zu deuten und sie zur Beherzigung der Nachlebenden zu bringen“. Prinz Eugen eigne sich zur projektiven Bestätigung der eigenen Gegenwart , denn schon zur Zeit Eugens war Österreich „die führende Macht in Deutschland“ und Prinz Eugen „trotz 523 Grazer Tagespost Abendblatt 109 , 20. April 1936 , S. 3–4. Hervorhebungen im Original. 524 Klee ( 1890 ), S. 413.

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Prinz Eugen für den Unterricht

seiner ausländischen Geburt ein echter deutscher Nationalheld“.525 Aufgabe der Lehrer war es , diese Gesinnung den Schülern zu vermitteln. Bislang hatte Prinz Eugen nur mit „mageren Schilderungen“ in die Lehrbücher Eingang gefunden : denn er entsprach dem dort gerne vermittelten „strahlend deutschen Idealbild“ abstammungsmäßig nicht.526 Als historische Persönlichkeit und Heldenbild das den Schülern Vorbild war und „ethischen Halt bieten“ konnte eignete er sich allerdings sehr.527 Mit Greifs Drama als Lesestoff für den Unterricht schien sich beides vereinbaren zu lassen. Anders als die Theaterbesucher , die das Leben des Prinzen Eugen bereits kannten und die auf der Bühne entwickelten dramatischen Konflikte „mehr als Formalität“528 empfanden , konnte man junge Menschen , historisch unbedarfte Schüler mit dem Lesedrama noch fesseln. Den Empfehlungen der Lehrenden zu Ende des 19. Jahrhunderts , dass sich Greifs Schauspiel „ganz besonders zur Classen- oder Privatlektüre für die Oberstufe unserer höheren Schulen“ eigne529 , folgten Neuausgaben des dramatischen Textes als Sonderdrucke 1904 und 1909 in zahlreichen Auflagen. Die über das Fachspezifische weit hinausgehenden Anforderungen , die die Pädagogen an Lektüretexte für den deutschen Unterricht stellten , umfassten neben Ästhetik ( „äußere Vollendung“ ) und Poesie ( „frisch quellende Poesie“ ) auch Moral ( „sittliche Reinheit“ ) und einen patriotischen Impetus ( „vaterländischen Geist“ ).530 Greifs Prinz Eugen schien nun alle diese Anforderungen zu erfüllen : vor allem die von Anfang an sich zeigende „vorwiegend deutsche Gesinnung“ des Kaisers , seine „völlige Lösung [ … ] von der spanischen Umgebung“ rechtfertige die Bezeichnung als „vaterländisches Schauspiel“. Zu diesem vaterländischen Interesse kam als moralische Qualität die sittliche Haltung des Dramas , „der Geist kriegerischer Tüchtigkeit , [ der ] deutsche Jünglinge unwiderstehlich anziehen

525 Klee ( 1890 ), S. 414. 526 Heindl ( 1996 ), S. 59–61. 527 Instruktionen für den Unterricht an den Gymnasien in Österreich ( 1884 ). Zit. nach Heindl ( 1996 ), S. 59. 528 Fremden-Blatt 103 , 14. April 1880 , S. 11. 529 Klee ( 1890 ), S. 401 ; Sahr ( 1904 ), S. 130 ; Speyer ( 1909 ), S. 365. 530 Klee ( 1890 ), S. 403.

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muß“.531 Die ästhetischen Anforderungen waren durch den tadellosen dramatischen Aufbau und die individuelle Personencharakteristik erfüllt ; vor allem die Charakteristik Prinz Eugens rief nicht nur Bewunderung , sondern darüber hinaus echte Zuneigung hervor : „es ist vor allem der gute , reine Mensch , den wir lieben.“ Der Konflikt zwischen der taktischen Überzeugung Eugens und seiner Gehorsamspflicht gegen den Kaiser führe zu einem seelischen Konflikt , der den Stoff in „eine höhere allgemein menschliche Sphäre“ hebt.532 Besonderes Lob sprachen die Pädagogen dem Schlusstableau aus , das den Grundgedanken versinnbildlichte : „Das Schauspiel behandelt jenen glänzenden Sieg , den der edle Ritter , den Intrigen der Camarilla zum Trotz , der Christenheit zum Heil , sich selbst zu unvergänglichem Ruhme im Jahre 1717 bei Belgrad über die Türken davontrug.“533 Für den Schulunterricht könne darüber hinaus auch der Vergleich mit dem „Prinzen von Homburg“ fruchtbar gemacht werden ; Referate zu Themen wie „Überblick über Schicksale und Taten Prinz Eugens“ oder „Darstellung des Verhältnisses des Türkenreiches zum Occident“ würden sich ebenfalls anbieten. Für den Schulunterricht empfohlen wurde ein paar Jahre später auch die genaue Beobachtung der Sprachbehandlung , die französisierte , „arg verwelschte“ Sprache der Armee stünde neben reinem Deutsch und mundartlicher Färbung in den Volksszenen ; die sprachliche Mannigfaltigkeit stelle Ernst neben Humor , Pathos neben Scherz. Die Verwendung dieser besonderen Sprache unterstrich nicht nur das Zeitkolorit , sondern charakterisierte auch die handelnden Personen. „Die Reden des Kaisers und der Damen am Hofe sind von dem Kauderwelsch so gut wie ganz frei und rein deutsch ; ebenso die wiederholten , bisweilen umfänglichen Schlachtberichte Hamiltons. Nur in den Reden der Generale , vor allem des Prinzen Eugen selbst findet man [ … ] die Einmischung der Fremdwörter – und mit gutem Grund : es handelt sich hier gewissermaßen um die militärische Dienstsprache [ die durch ] ein erdrückendes Übergewicht Frankreichs unter Ludwig XIV.“ französisch oder stark französisiert war. Die Verwendung der französisierten Kriegskunstsprache sei berechtigt , 531 Klee ( 1890 ), S. 414. 532 Klee ( 1890 ), S. 416 ; Sahr ( 1904 ), S. 135. 533 Klee ( 1890 ), S. 415.

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Prinz Eugen für den Unterricht

und bei Prinz Eugen das soldatische Kennzeichen „als geborener Franzose“. Der Gegensatz zwischen französischer Herkunft und deutscher Gesinnung trete da hervor , „wo es sich nicht um den Dienst handelt , vor allem in der tiefen Erregung des Gemüts erhebt sich auch Prinz Eugens Sprache zu voller deutscher Reinheit , so z. B. in der Sterbeszene des Prinzen Ludwig.“  – Ein „durch und durch gesundes deutsches Werk“, das auch als Alternative zur „immer ekler werdenden ‚modernsten‘ Kost“ empfohlen schien. 534 Anlässlich des 70. Geburtstages von Martin Greif erschien 1909 eine überarbeitete Schulausgabe des Prinzen Eugen mit geschichtlichem Überblick und Erläuterungen von Josef Nadler. Besonderes Augenmerk legten die Pädagogen diesmal auf die Verwendung des Stimmung schaffenden Volksliedes vom Prinzen Eugen , das leitmotivisch Greifs ganzes Drama beherrsche : es steht im Mittelpunkt im 4. Akt und markiert Höhe und Umschwung. Mit dem Lied „ist der böse Bann gebrochen“ und es werde das „innig germanische Gemüt [ offenbart ]“. 535 Pädagogisch sei die Verwendung historischer Dramen für den Unterricht besonders zu empfehlen , denn „dem Volk mangelt der geschichtliche Sinn , es versteht nicht die Größe und Tragweite geschichtlicher Vorgänge , die Bedeutung geschichtlicher Persönlichkeiten zu würdigen und deshalb gibt es auch keine volksmäßig geschichtliche Überlieferung“.536 Zum Wallenstein , Tell , Götz und Ottokar gehöre auch der Prinz Eugen , um der Jugend „Lust und Weh des deutschen Volkes [ … ] im Spiegel der Dichtung“ zu zeigen.537 Den Vergleich mit dem Prinzen von Homburg brauche der Prinz Eugen nicht zu scheuen , dem Kleist’schen Kunstdrama stehe das Greif ’sche Volksstück breitbeinig gegenüber. Mit der komplizierten „psychologischen Analyse“ des Homburg sei der „sonnige Idealismus“ des Prinzen Eugen nicht zu vergleichen ; Prinz Eugen sei nie mit sich uneins ; nicht die „Liebe zum Weibe“ ist der Grundakkord des Dramas , sondern die „Liebe zum Vaterland“, das sich dem Helden in der Donau verkörpert. 534 Sahr ( 1904 ), S. 136 , 131. 535 Speyer ( 1909 ), S. 367. 536 Otto Böckel ( 1859–1923 ), Psychologie der Volksdichtung ( 1906 ), zit. in : Speyer ( 1909 ), S.  365. 537 Nadler im Nachwort zit. bei : Speyer ( 1909 ), S. 265.

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Greifs Prinz Eugen sei die Darstellung des Wendepunktes in der Entwicklungsgeschichte des Deutschtums. „Den deutschen Reichsgedanken vertritt Prinz Eugen und führt ihn zum Siege.“538 In seinen Erläuterungen bestätigte der Germanist , Literaturwissenschaftler und spätere Verfasser der Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Landschaften Josef Nadler ( 1884–1963 ) Prinz Eugen als singuläre einigende Kraft des deutschen Volkes : Als damals „neue historische Kraft“ am Wendepunkt der Schwerpunktsetzung der Monarchie „von Westen nach Osten“ hat er „seine Kräfte stets für Deutschland und Österreich eingesetzt“. Gegen die von der spanischen Partei ersehnte „spanische Utopie“, das Weltreich Karl V. , scharte Prinz Eugen „alle jene um sich , die aus dem Verlust der spanischen Monarchie eine Stärkung Deutschlands und eine machtvolle Entfaltung der Monarchie im Osten ersehnten. Bis auf die deutschen Befreiungskriege herauf gab es keinen Fürsten und keinen Feldherren in Deutschland , der die Kraft unseres Volkes so einheitlich machtvoll entfaltet und so berauschende Erfolge errungen hätte.“ Literarhistorisch sprach Nadler dem Greif ’schen Schauspiel „die größte Bedeutung zu“. Prinz Eugen „führt zu den deutschnationalen und den vaterländischen Schauspielen hinüber ; zu ersteren nach seinem Inhalt , seiner Tendenz , seinem Stoff , zu letzteren durch seine Form. [ … ] Prinz Eugen ist das erste Dokument für die neue starke Hinkehr des Dichters zur Romantik.“ 539

Der „vaterländische“ „kerndeutsche“ Dichter Martin Greifs 70. Geburtstag war seinen „jungen von der ‚Moderne‘ nicht verblendeten Verehrern“ Anlass und Gelegenheit , ihrer politischen Gesinnung literarhistorisch argumentativ Ausdruck zu verleihen. Unter Verweis auf das Auftreten der „ideellen Gemeinsamkeit“ des Geisteslebens Deutschlands und Österreich ab dem Augenblick der Trennung der „politischen“ Zu( sammen )gehörigkeit im Heiligen Römischen Reich durch Erhebung Österreichs zum Kaisertum ( 1804 ) und Verzicht auf die Reichskrone ( 1806 ) wird Martin Greif „zu den Deutschösterreichern in 538 Speyer ( 1909 ), S. 368. 539 Greif ( 1909 ), S. 78.

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Der „vaterländische“ „kerndeutsche“ Dichter

gewissem Sinn als Zugehöriger reklamiert“.540 Eine Subvention seitens der Schwestern-Fröhlich-Stiftung hatte seinerzeit über Vermittlung Joseph von Weilens ( 1828–1889 ), selbst Verfasser eines Prinz-Eugen-Dramas , die Arbeit am Schauspiel Prinz Eugen unterstützt. Aufgrund der volkstümlichen Stoffwahl und Lokaltreue , der psychologischen Motivierung und nuancenreichen Sprachbehandlung müsse es als „echt österreichisches Nationaldrama“ gelten.541 Eine Verbundenheit Deutschlands mit Österreich betonen auch andere Arbeiten Greifs , wie sein Ludwig der Bayer , da „die Hauptperson [ … ] nicht Ludwig der Bayer , sondern Österreichs Herzog , Friedrich der Schöne , der das seiner blinden Gattin gegebene Ehrenwort hält und dadurch den Schwerpunkt der geschilderten Gegebenheiten setzt.542 Die Wiener Moderne , die Kreise der „Verfeinerung und Überkultur“ der „internationalen Hochkultur“ standen Martin Greif fern. Im Streit der Meinungen glaubten „Volk und Jugend vor allem [ … ] an ihn und sein Werk“.543 Ihnen war er ein „urdeutscher“, ein „genialer kerndeutscher Dichter.“544 Sie bewunderten seine „echte Vaterlandsliebe und deutscheste Empfindung seiner Sprache“.545 Trotz vielfach beschworenen „großem Publikumsinteresse“ an den Aufführungen hielten sich seine Dramen nicht lange am Spielplan der Theater ; sie erreichten allerdings mehrfache Auflagen im Buchhandel. So galt er seinen Anhängern als der „richtige Mann einer nahen oder fernen Zukunft des deutschen Theaters [ … ] man müsse nur warten , bis die Bretter wieder frei werden von all dem Schmutz , der erotischen Sintflut , in der die Bühne heute erstickt“.546 Drei Jahrzehnte lang wurden den männlichen Jugendlichen die am Beispiel des Prinz Eugen exemplifizierten Ideale im Schulalltag vermittelt : neben der Einübung in den Kriegsfall stand das Bekenntnis zur deutschnationalen Gesinnung. Auf diese Weise indoktriniert war die Euphorie zu Beginn des Ersten Weltkrieges , der die großdeutsche Waffenbrüderschaft nun im Kriegsfall ausleben durfte , kaum verwunderlich. 540 Fuchs ( 1909 ), S. 400. 541 Fuchs ( 1909 ), S. 403 f. 542 Fuchs ( 1909 ), S. 408. 543 Lyon ( 1909 ), S. 337. 544 Bernhard Baumeister über Martin Greif in : Kosch ( 1909 ), S. 349. 545 Hofschauspieler Richard Stury ( München ) in : Kosch ( 1909 ), S. 355. 546 Adam Müller-Guttenbrunn in : Kosch ( 1909 ), S. 350 f.

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VII. Deutscher Held

Grenzsicherung zwischen Ost und West Auch im historischen Teil des Kaiserhuldigungsfestzuges 1908 war die Position Prinz Eugens als Anführer der verschiedensten Soldatenformationen festgeschrieben. Die Planung im Herbst 1907 und die Realisierung im Frühsommer 1908 anlässlich des 60. Regierungsjubiläums Kaiser Franz Josephs zeigen die Suche nach einem Prinz-Eugen-Narrativ , das Erfolg und Verfügbarkeit gleichermaßen suggerierte. Im ersten Festzugskonzept vom Oktober 1907 war eine dem MakartFestzug verwandte Gestaltung mit Wägen , die am Publikum vorbeigezogen würden , geplant. In einer Gruppe sollte ( vorne am Wagen ) Prinz Eugen neben Kaiser Leopold I. und „Türken“ als Erinnerung an die Zurückdrängung des Türkenheeres im Osten präsent sein ; in der gleichen Gruppe fuhr ( hinten am Wagen ) Erzherzog Karl neben Kaiser Franz II. und den Helden der Franzosenzeit mit. Gruppe 4. Wagen : Vorne Kaiser Leopold I. mit Prinz Eugen , Türken , Leibniz , Musiker , da der Kaiser Komponist war. In der Mitte des Wagens , erhaben thronend , Kaiser Karl VI. , Maria Theresia mit ihrem Gemahl Franz I. von Lothringen und ihrem Sohne Josef II. Die Helden des Siebenjährigen Krieges. Gluck , Haydn , Mozart. Rückseite des Wagens : Kaiser Franz II. mit Erzherzog Karl und den Helden der Franzosenzeit. Tross dieser Epoche entsprechend.547

Ein halbes Jahr später hatten die Veranstalter des Festzuges den Plan geändert. Die ursprünglich auf einem Wagen Versammelten wurden nun auf zwei Gruppen aufgeteilt , die die beiden siegreichen Eckpunkte im Türkenkrieg symbolisierten. Der Gedächtnisort 1683 sollte mit Leopold I. den Sieg der christlichen Kultur versinnbildlichen ; und die Siegesnachricht der Eroberung von Belgrad 1717 sollte Prinz Eugen als Garant der Großmachstellung Österreichs präsentieren. 2. Bild : Einzug Kaiser Leopold I. in das befreite Wien 1683 , da der Entsatz Wiens die endgültige Befreiung Mitteleuropas von der Türkengefahr und den Sieg der christlichen Kultur über den Islam verkörpert. 547 St.A. , H.A.Akten , Kl. Best. , Kart. 63 4 , Mappe 6. Großegger ( 1992 ), S. 31.

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Grenzsicherung zwischen Ost und West 3. Bild : Empfang des Prinzen Eugen als Sieger von Belgrad am Hofe Kaiser Karl VI. , 1717. Durch diese Schlacht wird die Großmachtstellung Österreichs , das um diesen Zeitpunkt seine größte Ausdehnung erreichte , für immer fest begründet.548

Tatsächlich realisiert wurde dann im Juni 1908 ein ganz neues Konzept. Die historische Vergangenheit zog nicht in lebenden Bildern einer fremden Welt am Publikum vorbei , es wurden vielmehr Personen aus der Vergangenheit ins Jetzt gestellt und wiedererweckt : die Festzugsteilnehmer , die mit besonderer Liebe zur Authentizität ausgewählt wurden – ein echter Nachkomme zu sein oder große physiognomische Ähnlichkeit aufzuweisen , vergrößerte die Chance für die Teilnahme – gingen , marschierten , ritten oder fuhren in Kutschen an den Zuschauern vorbei. Aus den geplanten zwei Bildern waren nun vier Gruppen geworden : zwei davon ( VIII und X ) waren den Türkenkriegen 1529 und 1683 zugedacht. Im Mittelpunkt der Gruppe ( XI ) aus der Zeit Karls VI. stand „Prinz Eugen , umgeben von seinen Generalen und Vertretern aller Truppengattungen , die sich in den Schlachten des Erbfolgekrieges hervorgethan haben“. Die Eroberungskriege im Osten , die Beilegung der Türkengefahr , wurden aus dem Erinnerungsort Prinz Eugen ausgeblendet zugunsten des nach Westen ausgerichteten Erbfolgekriegs. Die Koalitions-Kriege der Sicherung des Territoriums gegen Westen wurden zusätzlich mit der ( XVI ) Gruppe um Erzherzog Karl erinnert. Gruppe 8 : Heereszug Ende des 16. Jahrhunderts. [ … ] Eine Abteilung deutscher Kriegsleute , geführt von dem Feldhauptmann Lazarus von Schwendi , kehrt nach dem Kampfe an den Grenzbefestigungen der Monarchie gegen die Türken nach Wien zurück. [ … ] Gruppe 10 : Die zweite Belagerung Wiens durch die Türken. [ … ]. Am 13. De­ zember 1683 ziehen die Befreier Wiens aus der Türkennot in die Kaiserstadt ein. Sobieski von Polen und Graf Rüdiger von Starhemberg , die Kurfürsten von Bayern und Sachsen und viele andere deutsche Fürsten sind im Zuge zu sehen. Das reichaufgezäumte Pferd Kara Mustafas wird im Triumph mitgeführt. Die Wiener Bürgerschaft mit ihren Fahnen. Das bewaffnete Bürgerkorps , die Studentenkompagnie tun fröhlich mit. Die Bischöfe Kollonitz und Sinelli , die Kapuziner Marco d’Aviano mit großer geistlicher Begleitung ziehen vorbei. 548 HHStA , OMeA Karton 1838 ex 1908 , Mappe 133 /  2. Großegger ( 1992 ), S. 15.

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VII. Deutscher Held Gruppe 11 : Zeit Karls VI. [ … ]. Den Mittelpunkt der Gruppe bildet Prinz Eugen , umgeben von seinen Generalen und Vertretern aller Truppengattungen , die sich in den Schlachten des Erbfolgekrieges hervorgethan haben. [ … ] Gruppe 16 : Erzherzog Karl. [ … ]. Im Mittelpunkt der Gruppe steht die Figur des Siegers von Aspern umgeben von seinen Generalen.549

Abb. 47 Kaiserhuldigungsfestzug Wien 1908. Gruppe aus der Zeit Karl VI. In der Mitte Prinz Eugen.

Die Gruppe um Prinz Eugen bot ein farbenprächtiges Bild. Fanfarenbläser und Heerpauker eröffneten den Zug. Hinter ihnen ritt Prinz Eugen mit seinem Stabe. Dann folgte sein berühmtes Leibregiment , die Savoyen-Dragoner ( im roten Rock mit schwarzen Aufschlägen ), danach die Herberstein-Kürassiere ( in perlgrauen Röcken mit roten Aufschlägen ), gefolgt vom spanischen Kürassierregiment Cordova ( in perlgrauem Rock , rot eingefasst und mit roten Aufschlägen , mit gelber Borte auf schwarzem Hut ), abgelöst vom Infanterieregiment Los Rios ( im grünen Waffenrock mit dunkelroten Aufschlägen ); das Infantrieregiment Sachsen-Koburg ( in weißen Waffenröcken mit schwarzen Aufschlägen ) bildete den Abschluss. 549 Neues Wiener Tagblatt 74 , 15. März 1908 , S. 7. Großegger ( 1992 ), S. 34–35.

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Drei schwere Geschütze mit Bedienung , Trommler und Dudelsackpfeifer beendeten den Zug. Die Geschütze waren die original kunstreich verzierten „Karthaunen groß und klein des Prinzen Eugenius. Auf dem Rohre der einen [ … ] war unter anderem eine ganze Seeschlacht im Relief säuberlich ziseliert.“550 Bewundert wurde von Presse und Publikum gleichermaßen vor allem auch die lebenswirkliche Erscheinung Prinz Eugens , die entsprechend der großen Popularität , deren sich der Held beim Volk erfreute , mit großem Jubel begrüßt wurde. „Seine charakteristische Erscheinung wurde von Rittmeister von Mierka ungemein lebenswahr wiedergegeben , und diese historische Figur war eine der ersten , die vom Publikum sehr lebhaft begrüßt wurde.“551 Den Zuschauern erschien die Gruppe als lebensnahe , jederzeit einsatzbereite Kriegsmannschaft , denn „Der große Kriegsfürst führte seine Truppen feldmäßig , durchaus nicht parademäßig vor“. Die Faszination ging – sechs Jahre vor dem Ersten Weltkrieg – von der Verfügbarkeit der Soldaten aus , sah man in ihnen doch vor allem „lebendige Schachfiguren seines genialen Feldherrengeistes !“ „Die Savoyen-Dragoner , die Herberstein-Kürassiere – ein jeder Mann ein Held !“ – schwärmte die Presse.552 Man fühlte es in diesem Mittelpunkte des Festplatzes vibrieren , so oft ein Nerv des österreichischen Staates berührt wurde bei diesen und bei den folgenden Kriegsbildern. Die Helden von 1683 wurden stürmisch begrüßt , man erkannte neben dem Kaiser Leopold I. , Karl von Lothringen und Starhemberg , den Bischof Kollonitz , sowie den tapferen Polenkönig Sobieski. Alle waren verblüffend portraitgetreu. Und mit noch mehr Jubel wurden Prinz Eugen und General Laudon akklamiert. Man fühlte , all diese Männer leben noch heute , ihre Taten gaben diesem Staate ihr Gepräge.553

550 Der Huldigungs-Festzug. Eine Schilderung und Erklärung seiner Gruppen. In Gemeinschaft mit den Künstlern von Rudolf Junk und Emil Schiller. o. J. [ 1908 ] Großegger ( 1992 ), S. 188 f. 551 Neue Freie Presse. Abendblatt 15736 , 12. Juni 1908 , S. 4. Großegger ( 1992 ), S. 119. 552 Wiener Abendpost 136 , 13. Juni 1908 , S. 2. Großegger ( 1992 ), S. 119. 553 Neues Wiener Tagblatt 162 , 13. Juni 1908 , S. 4. Großegger ( 1992 ), S. 188.

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Die „leicht zu enthusiasmierende“ Wiener Bevölkerung hatte die mannig­ faltigen Gruppen und Abteilungen des Festzuges unterschiedlich aufgenommen. Ernst und Vornehmheit der historischen Gruppen verhinder­ten meistens laute Beifallskundgebungen. Erst die militärischen Formationen lösten – wie im Alltagsleben – Beifallsbekundungen bei der Bevölkerung , dem umstehenden Publikum aus. „Erst das Auftauchen weißer Waffenröcke und das Erscheinen der Deutschmeister brachten Leben und Bewegung ins Publikum. Prinz Eugenius wurde mit herzlichem Applaus und mit Hochrufen begrüßt , die ihren Höhepunkt erreichten , als Radetzky und sein Stab , die populärsten Gestalten unserer Armee , in die Reihe kamen.“554

554 Neue Freie Presse 15736 , 12. Juni 1908 , S. 6.

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Prinz Eugen blieb in den auf die Denkmalsenthüllung folgenden Jahrzehnten im kollektiven Gedächtnis omnipräsent und das Interesse an biographischen Erzählungen war ungebrochen. Im Verein mit Joseph II. wurde Prinz Eugen gar als Marker der Schönerer-Partei missbraucht : die Melodie des populären Liedes vom Edlen Ritter wurde dem offiziellen Lied der Schönerer-Partei „Ritter Georg hoch !“ unterlegt.555 Gymnasiallehrer , katholische Priester , protestantische Pastoren , Militärhistoriker  – sie alle stellten ihre schriftstellerische Tätigkeit in den Erinnerungs-Dienst des Prinzen. In Jugendbüchern und Lesedramen stand die Erinnerung an die Beilegung der Türkengefahr durch die Eroberungskriege im Osten im Zentrum. Für die vaterländische Jugendbücherei verfasste der protestantische Pfarrer Richard Weitbrecht ( 1851–1911 ) mit Prinz Eugen und seine Getreuen ein Lebensbild aus der Zeit der Türkenkriege , das in nur einem Jahr fünf Auflagen erreichte.556 Der katholische Geistliche Franz Josef Fischer veröffentlichte im gleichen Jahr ein historisches Schauspiel rund um die Schlacht bei Zenta ( 1697 ) mit dem Titel Prinz Eugen oder die Macht der Persönlichkeit. Greifs Prinz-Eugen-Drama aus dem Jahr 1880 wurde in den Gymnasien als Lesestoff der „einigenden Kraft des deutschen Volkes“ empfohlen , eine von Josef Nadler kommentierte Schulausgabe erschien 1909.557 1912 erreichte Martin Greifs Drama bereits die sechste Auflage. Neuauflagen und Neuerscheinungen von Volksbüchern , Erzählungen , Novellen und historische Romane widmeten sich dem edlen Ritter weiterhin in Hinblick auf seine Erfolge in den Türkenkriegen. Die meisten waren für ein breites jugendliches Publikum verfasst. Karl Theodor Griesigers ( 1809–1884 ) Volksbuch Prinz Eugen aus dem Jahre 1872 wurde neu aufgelegt. Die Journalistin und Übersetzerin Margarete von Schuch-Manki555 Kokoschka ( 1971 ), S. 49 ff ; Schorske ( 1994 ), S. 115. 556 Von 1898–1912 gab Julius Lohmeyer die Reihe Julius Lohmeyer’s Vaterländische Jugendbücherei für Knaben und Mädchen in 28 Bänden heraus. Der Prinz Eugen gewidmete Band 21 erfuhr 1908 fünf Auflagen. 557 Lyon ( 1890 ), S. 414.

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ewicz ( 1881– ? ) widmete eine ihrer fünf unter dem Titel Platz der Jugend verfassten Novellen Prinz Eugen. Der 250. Geburtstag des Prinzen Eugen 1913 bot ebenfalls Anlass für zahlreiche Neuerscheinungen. Der Theaterkritiker und Redakteur der Reichspost Hans Breĉka ( 1885–1954 ) veröffentlichte unter dem ( aus den beiden verehrten Dichtern Stifter und Rosegger zusammengesetzten ) Pseudonym Hans Stiftegger Erzählungen Unter den Fahnen des Prinzen Eugen , die 1913 als Band 4 auch in die Bücherei des Österreichischen Volksschriftstellervereins aufgenommen wurden. Bereits 1906 hatte der Pädagoge Leo Smolle ( 1848–1920 ) ein Lebens- und Zeitbild über Prinz Eugen als „Begründer von Österreichs Großmachtstellung“ in der Illustrierten Geschichtsbibliothek für jung und alt aufgelegt. 1913 folgte als Band 3 in der Reihe Mosers Erzählungen für Jugend und Volk das Jugendbuch Prinz Eugenius , der edle Ritter und seine Schützlinge. Für die Reihe Lebensbücher der Jugend , die Friedrich Düfel ( 1865–1936 ) in Braunschweig herausgab , verfasste 1913 Oskar Wiener ( 1873–1944 ) einen 23. Band zu Prinz Eugenius der edle Ritter. Der deutschnationale Schriftsteller , Bühnenautor und Theaterdirektor Adam Müller-Guttenbrunn ( 1852–1923 ) schrieb nach seinem Rückzug aus allen öffentlichen Ämtern Heimatromane , die die deutschen Minderheiten im Königreich Ungarn zum Thema hatten. Der große Schwabenzug ( 1913 ) erzählt die Geschichte der nach der erfolgreichen Zurückdrängung der Türken im Osten im 18. Jahrhundert aus Südwestdeutschland eingewanderten Donauländler. Der Militärhistoriker Anton Dolleczek ( 1831–1909 ) verfasste für den achten Band der Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens eine historische Skizze in 6 Bildern Unter Prinz Eugen in Belgrad. Zusätzlich wurde Prinz Eugens 250. Geburtstag am 18. Oktober 1913 durch die Jahrhundertfeier der Völkerschlacht bei Leipzig ( 1813 ) überhöht , „die im Zeichen des Bündnisses mit Deutschland stark in den Vordergrund trat“.558 Im Jahr des 60. Regierungsjubiläums Kaiser Franz Josephs ( 1908 ) waren im historischen Teil des Kaiserhuldigungsfestzugs noch Prinz Eugen und seine Siege gegen Frankreich im Spanischen Erbfolgekrieg einer davon unabhängigen Festzugs-Gruppe zur Erinnerung an 1683 gegenübergestanden. Als Versuch , die einseitig nach Osten ausgerichtete Prinz-Eugen-Erinnerung zu korrigieren , lässt sich die Straßenbenennungsrochade im Jahr 1911 558 Allmayer-Beck ( 1985 ), S. 10.

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deuten : die nahe der Türkenschanze gelegene Prinz-Eugen-Straße wurde in Felix-Mottl-Straße umbenannt. Die bislang als Heugasse bezeichnete Grenze zwischen dem 3. und 4. Wiener Gemeindebezirk , hinter dem oberen Belvedere , hingegen wurde nun als Prinz-Eugen-Straße bezeichnet. Im Ersten Weltkrieg verstärkte sich die Aktualisierung der Gedächtnisspuren , die Prinz Eugen als Eroberer der Gebiete im Südosten gelegt hatte. Einem unverhohlen artikulierten Kulturimperialismus versuchte das Osmanische Reich mit der Positionierung der türkischen Botschaft im 1916 erworbenen Fellner & Helmer-Stadtpalais auf Nummer 40 entgegenzuwirken ; gleichzeitig verstärkte die Verortung der türkischen Botschaft gegenüber dem oberen Belvedere aber auch die Markierung des Prinzen als Türkensieger.

Eskapismus Mit Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 fehlte das Prinz-Eugen-Lied in keinem Soldatenliederbuch. Die musikhistorische Zentrale des Kriegsministeriums veranstaltete regelmäßig im großen Saal des Konzerthauses zu Gunsten der Witwen und Waisen österreichischer und ungarischer Soldaten Aufführungen der Soldatenlieder , unter denen das Prinz-Eugen-Lied einen ganz besonderen Platz einnahm.559 Bildpostkarten aus dieser Phase des Krieges zeigten neben dem ästhetisch gestalteten Lied vor allem den Prinzen inmitten der Soldaten von 1914 , wie er ihnen den Weg „Auf nach Belgrad !“ wies. Prinz Eugen war zu einem – man könnte fast sagen : lebenswirklichen – Begleiter von symbolischer Kraft geworden. Mancher Burgtheaterbesucher mag sich an die Rollengestaltung durch den mittlerweile verstorbenen Josef Lewinsky wie an eine persönliche Begegnung erinnern. Ebenso die den Festzugsweg säumenden Zuschauer , als sie den vom Rittmeister von Mierka „lebenswahr wiedergegebenen“ Prinzen beim Vorüberreiten freudig begrüßten. In einer Neuinszenierung des Greif ’schen Schauspiels durch Josef Jarno im Prater stand Prinz Eugen vor einem volkstümlichen 559 Programmheft. Historisches Konzert von Soldatenliedern. Großer Saal des Konzerthauses veranstaltet von der musikhistorischen Zentrale des k. u. k. Kriegs-Ministeriums zu Gunsten der Witwen und Waisen österreichischer und ungarischer Soldaten. Wien 12. Jänner 1918.

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Publikum.560 Im Oktober hatte eine Neuinszenierung von Weilens PrinzEugen-Einakter – gemeinsam mit Grillparzers Radetzky und Schillers Wallenstein – die Spielzeit des Burgtheaters im Ersten Weltkrieg einbegleitet , bis Dezember hatten fünf Wiederholungen stattgefunden.

Abb. 48 Die Muskete. Humoristische Wochenschrift , 6. August 1914. Die Titelseite zeigt mit Verweis auf den Kriegsbeginn ( 28. Juli 1914 ) Prinz Eugen als Anführer der Soldaten zur musikalischen Begleitung des Prinz Eugen Liedes.

Nicht nur das Burgtheater , auch die musikalischen Unterhaltungsbühnen , wie das Theater an der Wien und das Metropoltheater eröffneten im Herbst 1914 mit aktuellen Kriegsstücken.561 Prinz Eugen wirkte dabei vor allem im zweiten Kriegsjahr – als der moderne Krieg den Alltag der Bevölkerung massiv erreichte  – eskapistisch als ferner Fluchtpunkt und inspirierender Geist. In Leo Falls ( 1873–1925 ) Operette Die Kaiserin – das 560 Theatermuseum Wien , Karteikartennotiz eines Druckexemplars Josef Jarnos. 561 Frey ( 2010 ), S. 140–148.

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Libretto verfassten Julius Brammer und Alfred Grünwald – führt die Erinnerung an den Prinzen und nach seinem Vorbild vollzogene Handlungen zum dramaturgischen Wendepunkt. Vorlage der Operette war Franz von Schönthans Schauspiel Maria Theresia , das ab 17. Oktober 1903 mit Katharina Schratt in der Titelrolle fast fünfzig Mal am Volkstheater gespielt worden war. Die beiden Librettisten ersetzten den ersten Akt des Schauspiels durch die Brautwerbung um die noch ungekrönte junge und eigensinnige „Fürstin“ Maria Theresia : Auf einem Maskenfest im Redoutensaal wollen drei Gesandte ( in gelb , rot und grün ) ausländischer Höfe um sie werben. Sie hat ihre Wahl aber bereits getroffen ; sie liebt Franz Stephan von Lothringen und es gelingt ihr , die Diplomaten zu überzeugen , dass sie nicht die Richtige für ihre Prinzen sei. Die Chancen stehen allerdings nicht gut für Franz Stephans Werbung um Maria Theresia : entgegen den Ratschlag des Hofkriegsrates hat er „nach Vorbild seines väterlichen Freundes , des Prinzen Eugen“ auf eigene Verantwortung einen strategischen Plan an den Kriegsschauplatz abgeschickt. Sein eigenmächtiges Tun wird auch prompt bestraft ; nach der Degenabnahme erhält er Hausarrest. Fast scheint es , als „haben 10 Perücken über einen Kopf gesiegt“. Da erreicht die Hofgesellschaft die Siegesmeldung : der Bassa und 400 weitere Feinde wurden gefangen genommen. Franz Stephan ist rehabilitiert ; er begehrt die Ehre allerdings nicht für sich ; denn Prinz Eugen stand ihm als Freund zur Seite. Mit der ersten Strophe des bekannten Prinz-Eugen-Liedes gibt er ihm die Ehre zurück. Der Kaiser sendet den Degen zurück und gibt der Werbung seinen Segen. Diese melodramatische zwölfte Szene bildet einen Höhepunkt der Operette. Die Uraufführung hatte am 16. Oktober 1915 im Berliner Metropoltheater mit Fritzi Massary ( 1882–1969 ) als Kaiserin unter großem Publikumszuspruch „als Beispiel deutsch-österreichischer Bundestreue auch in Dingen der Kunst“562 stattgefunden : „Das Zeitgemäße ist dem Historischen gewichen. Man hält es mit der Kaiserin Maria Theresia. Das ist nun wieder zeitgemäß. Und wird noch zeitgemäßer , wenn Prinz Eugen [ mit dem PrinzEugen-Lied ] als der Befreier von Belgrad gefeiert wird.“563 Beim „deutschen Bruder“ wurde Die Kaiserin allerorten nachgespielt. Bei der österreichischen 562 Berliner Börsen Courier , 17. Oktober 1915 , zit. nach Frey ( 2010 ), S. 147. 563 Berliner Tagblatt , 17. Oktober 1915. Zit. nach Frey ( 2010 ), S. 145.

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Zensurstelle , dem „Präsidium der k. k. niederösterreichischen Statthalterei“, stieß sie nach Einreichung im November 1915 auf wenig Gegenliebe : der Titel gefiel ebenso wenig wie „die Tendenz des Stückes“, die Kaiserin „weanerisch“ zu zeigen und als „Wäschermädel“ singend und tanzend auftreten zu lassen. Es erfolgte das gänzliche Verbot der Aufführung.564 Entscheidend für eine Aufführungserlaubnis in Wien waren Titel- und Namensänderungen : als Fürstenliebe durfte die „Operette aus dem fröhlichen Rokoko“ laut Erlass vom 18. Jänner 1916 gespielt werden. Intertextuell wurde die Zensurkritik zum besonderen Vergnügen des Publikums eingearbeitet : Franz Stephan alias August Franz von Baldringen erinnert seine nunmehrige Gemahlin : „Erinnerst du dich noch wie du in der Oper , die dein hochseliger Vater komponiert hat , gesungen hast – alle haben g’sagt , du könntest am Theater grossen Succès haben“, worauf sie ihn erinnert : „Na , ich hab ja auch so eine ganz schöne Karriere gemacht !“565 Die „Masken , die für die Wiener Aufführung allen Personen der Handlung in Form einer Namensänderung vorgebunden wurden“, wurden vom Publikum mit größter Heiterkeit quittiert.566 Am 1. Februar 1916 wurde die geschmackvoll luxuriöse Premiere von Fürstenliebe – als nun schon dritte Operette innerhalb eines Jahres , die zur Zeit Maria Theresias spielte – im Wiener CarlTheater zum „stürmisch begrüßten Ereignis“.567 Das Publikum begehrte „schier unersättlich fast alle Lieder und Tänze zur Wiederholung“.568 Die inhaltlich im 18. Jahrhundert verortete Operette bot Realitätsflucht in eine scheinbar glorreiche Vergangenheit und eröffnete dem Publikum gleichzeitig einen Horizont der Hoffnung für die Gegenwart. So wie Prinz 564 Nö. Landesarchiv Theaterzensur , Zensurakte P. B.215 T. P. – Zit. nach Frey ( 2010 ), S. 147 , 252. Der Zensurakt war am 24. November 1915 angelegt und erst am 2. Februar 1916 [  ! ] geschlossen worden. 565 Leo Fall , Die Kaiserin. Soufflier- und Regiebuch ( 1934 ), S. 99. – 1953 sprach in einer Aufnahme des WDR Paula Wessely die Rolle der Maria Theresia in den Dialogszenen der Operette ( Leo Fall , Die Kaiserin. Traumland der Operette 2007 ) 566 Neue Freie Presse , 2. Februar 1916 , S. 15. 567 Arbeiter Zeitung , Fremden-Blatt , Neue Freie Presse , Reichspost , Wiener Zeitung , Österreichische Volks-Zeitung , Prager Tagblatt , 2. Februar 1916. – Im Theater in der Josefstadt wurde seit 19. Februar 1915 Leo Aschers Botschafterin Leni und im Theater an der Wien seit 20. März 1915 Bruno Granichstaedtens Auf Befehl der Herzogin gezeigt. 568 Österreichische Volks-Zeitung , 2. Februar 1916 , S. 8.

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Hugo von Hofmannsthal

Eugen schon Franz Stephan inspirierte , so könnte er auch die gegenwärtigen Kriegsherren siegreich leiten. Siegesmeldungen auf der Bühne , auch wenn sie die Vergangenheit spiegelten , boten vertrauensbildende Interventionen in einer kriegerischen Gegenwart.

Hugo von Hofmannsthal Möglich , dass Hugo von Hofmannsthal ( 1874–1929 ) eine dieser Vorstellungen am Burgtheater oder am Carl-Theater gesehen hat. Hofmannsthal glaubte , „daß all die Vergangenheit , das gelebte Leben , irgendwo in uns versteckt ist – und daß man es hervorrufen könnte !“569 Er ist sich der Kraft des kollektiven Gedächtnisses bewusst , wenn er beim Grafen Lanckoronski von einer „aufgesammelte[ n ] Ahnenreihe in uns“, von „übereinander getürmten Schichten der aufgestapelten überindividuellen Erinnerung“ spricht.570 Im Dezember 1914 aktualisierte er in seinen Worten zum Gedächtnis des Prinzen Eugen den Helden als Zeitgenossen : „der Geist kennt nichts als Gegenwart. Dem Geiste nach ist Prinz Eugen ein Lebender unter uns , seine Taten erneuern sich in diesen Kriegstaten unseres Geschlechts , und seine unverweslichen Gedanken sind das einzige politische Arkanum in einer ungewissen zukunftsschwangeren Gegenwart.“571 Prinz Eugen galt ihm als Orientierungshilfe und Maßstab für gegenwärtiges Handeln , als „Verteidiger einer übernationalen humanen Gesinnung und Gegner nationalistischer Barbarei“.572 Hofmannsthal gehörte zu jenen Intellektuellen , die den Weltkrieg begrüßten , erhoffte er sich doch auf der Basis des siegreichen Krieges eine neue Hochkultur , die er in Parallele zu 1683 und der daran anschließenden barocken Hochkulturblüte argumentierte. „Der wahre Baugeist ist der Geist eines glücklichen Krieges“ schrieb er am 1. Jänner 1915 in der Presse.573 Sein Rekurs auf die Zeit des Barock , auf Maria Theresia und Prinz Eugen als heroisch geniale Persönlichkeiten

569 Leopold Andrian über Hugo von Hofmannsthal. Renner ( 1989 ), S. 13. 570 Zit. nach Pawlowsky ( 1960 ), S. 83. 571 Hugo von Hofmannsthal , Worte zum Gedächtnis des Prinzen Eugen , in : Hofmannsthal ( 1979 ), Reden und Aufsätze II , S. 375–383. 572 Stachel ( 1998 ), S. 640. 573 Hofmannsthal , Aufbauen , nicht einreißen. Die Presse , 1. Jänner 1915.

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ist ein Rekurs auf ein Wien der kulturellen Blüte , auf ein Gegenbild zur unbefriedigend empfundenen Gegenwart. Er zitiert wegweisende Initiativen und vorbildliche Leistungen , beruft sich auf geistige Autoritäten , um an die außerordentliche Kultiviertheit der Vergangenheit , die noch in Artefakten sichtbar ist , zum Leben zu erwecken.574 Sein Schwieriger und Rosenkavalier sind „authentischste Kondensate österreichischer Identität“.575 Durch die Künstlichkeit wurde eine historische Wahrheit erzeugt , die stärker wirkte als die minutiöse Nachbildung des Lebens der Vergangenheit. Ende 1914 war Hofmannsthal um Quellenmaterial zu Prinz Eugens Feldzügen bemüht : „Und bitte , verschaffen Sie mir irgendwie ( Heeresmuseum ) ein nicht gar zu umfangreiches Buch über die Feldzüge des Prinzen Eugen. Das brauche ich dringend.“576 – schrieb er an Max Mell , der einen Band über Prinz Eugen für die gemeinsam redigierte Österreichische Bibliothek verfasste. Seit 1892 lagen Die Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen nach den Feldakten und anderen authentischen Quellen herausgegeben von der Abteilung für Kriegsgeschichte des k. k. Kriegsarchives in 21 umfangreichen Bänden vor. Eine andere Quelle , die er sich zum Studium erbat , war die fingierte Selbst-Biographie Prinz Eugens von Charles Josèphe Prince de Ligne. Das Quellenstudium sollte die Aktualisierung der Vergangenheit für eine bessere Zukunft ermöglichen : „Alles was je war , ist immer noch da ; nichts ist erledigt , nichts völlig abgetan , alles Getane ist wieder zu tun ; das Gelebte tritt , leise verwandelt , wieder in den Lebenskreis herein. [ … ] Österreichs ganzes Dasein ist erschlossen , wenn man mit belebtem Blick die ganze deutsche Geschichte als Gegenwart auffasst.“577 Mit der symbolischen Kraft , dem „Glauben und der Zuversicht“, die Prinz Eugen , dem Sieger über Türken und Franzosen und Lorbeerbringer für Habsburgs Fahnen , im Augenblick des Zusammenbruches der Habsburgermonarchie zugeschrieben wurde , wurde allerdings auch die Basis

574 Vgl. auch Klaffenböck ( 2004 ), S. 219–224. – Kritiker wie Hermann Bahr lehnten diese Ästhetisierung und lebensferne Idealisierung als Realitätsverweigerung ab. 575 Le Rider ( 1997 ), S. 267. 576 Dietrich /  Kindermann ( 1982 ), Brief Nr. 71. – vgl. auch Berger ( 1989 ), S. 144–152. 577 Hugo von Hofmannsthal , Wir Österreicher und Deutschland. In : Hofmannsthal ( 1979 ) Prosa III , S. 228.

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gelegt für ein Großmacht-Denken „nach Osten und Süden“578 – , das unter anderen Vorzeichen zwanzig Jahre später aktualisiert werden konnte und würde. Beeinflusst von Friedrich Naumanns 1915 erschienenem Buch Mitteleuropa verknüpfte Hofmannsthal die alte „geschichtlich gegebene Wirklichkeit“, die „Kulturgemeinschaft“ Mitteleuropa579 mit Naumanns neuem „Imperialismus des wilhelminischen Reiches“580 zu einem im Ersten Weltkrieg propagandistisch eingesetzten imperialistischen Konzept der Raumerweiterung , das der „zivilisatorischen Mission“ ebenso zu Diensten sein sollte wie „prekären Selbstvergewisserungsmanövern“. 581 Hofmannsthal argumentierte mit der seiner Zeit immanenten Logik der Aktualisierung , die nach Relevanz und Interesse historischer Quellen für die Gegenwart fragte : „Prinz Eugen ist und bleibt die große Figur der älteren österreichischen Geschichte , als solche auch der deutschen politischen Geschichte wesentlich und glorreich. Sein Feldherrnruhm ist groß genug , sein staatsmännisches Vermächtnis aber geht darüber hinaus. Der politische Begriff ‚Mitteleuropa‘ , die Expansion nach Südost , der Donaulinie folgend , scheinen Konzeption der Stunde. In der Tat sind sie Wiederbelebung dessen , was vor zweihundert Jahren die Geburt seines Hirns und die Tat seines Schwertes war. Von ihm zu wissen , heißt in der Vergangenheit die Gegenwart aufzusuchen und erkennen , daß in großen Menschen ganze Zeiträume ihren geistigen politischen Gehalt zusammenfassen.“582 Beim Studium der Quellen fand Hofmannsthal die Kriegspolitik der Gegenwart durch die Vergangenheit legitimiert : Prinz Eugen „hat eine Einigung mit Ungarn geahnt , wie sie nun wirklich geworden ist , da Tiroler- , Kroaten- und Ungarnblut vereint am Isonzo fließt wie am Bug , ihm stand ein deutsches Reich vor der Seele , stark durch seine Volkskraft jedem Frankreich und England gewachsen , dies alles hat er kühn und ganz ausgesprochen , aus Hunderten seiner Briefe blitzt es auf und ergreift das Herz : wundervolle Bewältigung der Gegenwart und Ah578 Hugo von Hofmannsthal in einer Ankündigung des Prinz-Eugen-Bandes der Österreichischen Bibliothek. Neue Freie Presse , 15. August 1915. 579 Renner ( 1916 ), S. 156. 580 Le Rider ( 2008 ), S. 1. 581 Vgl. dazu Csáky ( 2009 ), S. 21–28 ; Csáky ( 2010 ), S. 55–87 ; Feichtinger ( 2011 ), S. 53– 74. 582 Hofmannsthal ( 1979 ), Reden und Aufsätze II , S. 441.

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nen der Zukunft.“583 Hofmannsthals Interesse an den Nationalitäten war zwar durch eigene Kenntnisse und Bekannte gestützt , aber die nationalen Besonderheiten waren ihm fremd. Unsicherheiten in der Schreibung ungarischer Wörter zeigen „deutlich seine Distanz zu Ungarn“.584

Kinderbuch und Militarismus Nachdem in Europa im 18. Jahrhundert erstmals die Kindheit als eigener Abschnitt menschlicher Entwicklung entdeckt worden war , bekamen kindergerechte Medien ( Spiele und Bücher ) einen neuen Stellenwert für die Erziehung , die Einübung in Normen und Werte der Erwachsenengesellschaft ; Kriegsspielzeug erfüllte eine pädagogische Funktion und sollte der physischen Ertüchtigung und Einübung in Patriotismus dienen.585 „Zinnsoldaten , vor allem Verwundete“, verlangte die gutbürgerliche Dame als Geburtstagsgeschenk für ihren Sohn in der Spielwarenhandlung Zauberklingel in Ödön von Horvath’s Geschichten aus dem Wiener Wald. Spielzeug und Kinderbücher unterstrichen damit die Behauptung , dass Militarismus ein normaler Bestandteil der Gesellschaft ist und Krieg eine Möglichkeit der Konfliktlösung. Ganz in der Tradition der Zeit verfasste Hofmannsthal ein Kinderbuch über Prinz Eugen , der edle Ritter ( 1915 ), in welchem er dessen „Persönlichkeit“ in zwölf Bilder zu fassen versuchte ; die Illustrationen und Lithographien steuerte der sezessionistische Maler Franz Wacik ( 1883–1938 ) bei , ein Schüler von Roller und Lefler , der neben seiner Illustrationstätigkeit für Kinder- , Jugend- und Volksbücher einer der produktivsten Mitarbeiter der humoristischen Wochenzeitschrift Die Muskete war. Franz Wacik gab den einzelnen Kapiteln durch „Eichenlaubumrandung“ nicht nur eine dem Ernst der Zeit angemessene Erscheinungsform586 , sondern erwies auch dem deutschen Bündnispartner seine Referenz.

583 Hofmannsthal ( 1979 ), Reden und Aufsätze II , S. 436. Österreichische Bibliothek ( 26 Bände , Insel Verlag 1915–17 ); Band 17 : Prinz Eugen. Aus seinen Briefen und Gesprächen. 584 Kerekes ( 2008 ), S. 62 , 64. 585 Ariès ( 1978 ); Frühstück ( 2010 ). 586 Hiebler ( 2003 ), S. 146.

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Kinderbuch und Militarismus

Die Annäherung der beiden Gedächtnisorte Türkenbefreiung 1683 und Prinz Eugen , die in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ihren Anfang genommen hatte , verfestigte sich im Ersten Weltkrieg und fand 1933 in der Eröffnung einer Prinz-Eugen-Ausstellung im 250. Gedenkjahr der Entsatzschlacht von Wien ihren sinnfälligen Ausdruck. 1914 führten die beiden Autoren von Prinz Eugen , der edle Ritter das „Schicksalsjahr in Österreichs Geschichte“ 1683 mit dem Ausbruch des Weltkriegs 1914 zusammen ; Wacik illustrierte diese Zusammenführung „Prinz Eugen ficht vor Wien im kaiserlichen Heer und hilft die Stadt befreien“ optisch durch den singulären Helden zu Pferd , der die Feinde vor den Müttern und Kindern zurückdrängt und mit seinem Schwert in die Flucht schlägt.

Abb. 49 Franz Wacik , Prinz Eugen ficht vor Wien im kaiserlichen Heer und hilft die Stadt befreien. Lithographie aus : Hugo von Hofmannsthal und Franz Wacik , Prinz Eugen der edle Ritter , 1915.

Hofmannsthal und Wacik verfolgten eine Art Vergegenwärtigungsstrategie : Prinz Eugen war ihnen „ein Lebender unter uns , seine Taten erneuern sich in diesen Kriegstaten“. Hofmannsthal parallelisierte die gegenwärtige 277

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Kriegssituation ( die im Attentat in Sarajewo ihren Auslöser hatte ) mit den von Eugen geführten Feldzügen. Mit der mehrfach betonten Mission „nach Osten und Süden“ und dem im letzten Kapitel nachgesetzten Prinz-Eugen-Lied unter der kämpferischen Überschrift Prinz Eugens Geist ist immer dort , wo unsere Soldaten fechten und siegen agierte er – optisch unterstützt durch Waciks Lithographien – tendenziell kriegshetzerisch gegen Russland.587 Vor allem „das suggestive Schlussbild Waciks , das die österreichisch-ungarischen Feldgrauen im Vormarsch“588 mit dem über ihnen aus den Wolken schattenhaft aufsteigenden Prinz Eugen zeigt , unterstreicht noch einmal die ideologische Botschaft.

Abb. 50 Franz Wacik , Prinz Eugens Geist ist immer dort , wo unsere Soldaten fechten und siegen. Lithographie aus : Hugo von Hofmannsthal und Franz Wacik , Prinz Eugen der edle Ritter. 1915.

587 Stachel ( 1998 ), S. 640. 588 Hiebler ( 2003 ), S. 146.

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Felix Salten

Neben dem Bezug auf die heroische Vergangenheit eignete sich das Buch bald auch als Immunisierung der Gegenwart. Anfängliche Absatzschwierigkeiten des in edler Ausstattung und hoher Auflage von 5. 000 Stück produzierten Kinderbuches589 dürften sich mit fortschreitendem Kriegsverlauf gelegt haben ; bereits 1915 erschien eine zweite Auflage. Ob der Band seine Leserschaft unter den Kindern oder doch vielleicht mehrheitlich unter den Erwachsenen fand , muss dahingestellt bleiben. Bereits parallel zur Erstauflage war eine repräsentative „Luxusausgabe von 50 nummerierten und von Autor und Künstler signierten Exemplaren auf Van Geldern Papier“ angekündigt worden. Im letzten Kriegsjahr öffnete Hofmannsthal seinen Blick nach Europa und betonte das Österreichische als übernationalen Geist und kulturelle Idee für ein friedliches Europa. Prinz Eugen war ihm dabei abermals Vordenker für eine übernationale Österreichidee , für ein Österreich als Mitteleuropa , als porta orientalis , das einen „Ausgleich mit dem Osten“, einen „Ausgleich der alteuropäischen lateinisch-germanischen mit der neu-europäischen Slawenwelt“ schaffen sollte , wie er in Die österreichische Idee festhielt.590 Koloniales Denken , um dem Nationalismus entgegenzuwirken : Hofmannsthal hat damit kulturell vorweg gedacht , was mit der europäischen Ost-Erweiterung heute wirtschaftlich verhandelt wird.

Felix Salten Auch Felix Salten veröffentlichte im ersten Kriegsjahr einen Roman über Prinz Eugen , der ebenfalls als Kinderbuch konzipiert in der Sammlung der Ullstein’schen Jugendbücher erschien. Die Illustrationen schuf Max Liebert ( 1874–1943 ), der den Prinzen in seiner authentischen Größe abbildete. Salten beschreibt die biographischen Stationen Prinz Eugens in kindergerechter Sprache und Form ohne Ideologisierung. Pädagogisch wertvoll wird Prinz Eugen charakterisiert , der uneigennützig und bescheiden im Dienste der Sache – als Feldherr – seine „Arbeit“ verrichtete. Salten schuf ein Charakter-Vorbild : er betont Eugens Selbstvertrauen , seine Unbeirr589 Lunzer ( 1981 ), S. 254 , S. 325 ( Anm. 15.67 ). 590 Pawlowsky ( 1960 ). Hofmannsthal ( 1979 ), Reden und Aufsätze II , S. 404.

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barkeit , seine Ruhe und Tapferkeit , seine Güte , Einfachheit und Milde , Menschlichkeit und Uneigennutz ebenso wie seine unbeugsame Gerechtigkeit nach oben wie nach unten. „Zu den hervorstechendsten Charaktereigenschaften des Prinzen Eugen gehörte , daß er immer sich selbst und das eigene Verdienst vergaß.“ Niemals begehrte er etwas für sich , weder Reichtum und Ehre , noch die Gunst der Mächtigen. Er war ohne Hochmut und Eitelkeit ; unbarmherzig nur gegen Unrecht , Protektionismus und Korruption und ablehnend gegenüber allen Projektemachereien.

Abb. 51 Max Liebert , Illustrationen zu Felix Salten , Prinz Eugen. 1915.

Das dem Entstehungsjahr geschuldete Kapitel Prinz Eugen und der junge Friedrich nimmt die österreichisch-preußische Beziehung ( Prinz Eugens zu Friedrich Wilhelm und Friedrich II. ) in den Blick , als frühe Begegnung des „Trägers einer ruhmreichen Vergangenheit“ mit dem „Träger einer ruhmvollen Zukunft“. Für den Osten , Ungarn hatte Salten kein nen280

Georg Terramare

nenswertes Interesse.591 „Immer hatte sich der Prinz Eugen Mühe gegeben , das Mißtrauen , das zwischen dem Hof von Berlin und dem von Wien bestand , zu beseitigen und ein freundlicheres Verhältnis herbeizuführen.“ Zu allen Zeiten und besonders in den letzten Jahren seines Lebens sei Prinz Eugen bemüht gewesen , „Freundschaft zwischen Österreich und Preußen zu stiften“. Die gegenseitige Wertschätzung des Prinz Eugen für Friedrich II. und Friedrich des Großen für Prinz Eugen hätte dies ermöglicht , schließt Salten das Kapitel mit einem Seitenblick auf den Bündnispartner im Ersten Weltkrieg und den gemeinsamen Buchmarkt. Eugen lockerte und löste vorsichtig die unselige Verbindung mit Spanien , den Plan , Maria Theresia mit einem spanischen Prinzen zu verheiraten , erstickte er im Keim , und immer wieder verwies er den Kaiser darauf , daß die deutschen Staaten seine besten und natürlichsten Verbündeten seien. Prinz Eugen , aus italienischem Blut und seiner Erziehung nach Franzose , ist um jene Zeit am österreichischen Kaiserhof der einzige gewesen , der eine aufrichtige deutsche Gesinnung hatte , der einzige Mann , der sein Bestreben darauf richtete , den deutschen Kaiserthron auf deutsche Völker und Fürsten zu stützen.592

Georg Terramare 1915 nahm jede dritte Publikation auf den Krieg Bezug. Lyrik war – in Zeitungen und Büchern – dabei die bevorzugte Gattung , sowohl zu Beginn als auch während des Krieges. Es wurden Kochrezepte „für die Kriegszeit“ aufgelegt , und auch Prinz-Eugen-Varia , wie Terramares Roman Die stille Stunde erschienen als „Dichtergrüße für unsere Krieger im Felde und Daheim“ .593 Bereits 1914 hatte Georg ( Eisler , Edler von ) Terramare ( 1889– 1948 ) beim für Kriegslyrik affinen Verleger Hugo Heller ( 1870–1923 ) ein

591 Salten deutete selbst in seiner Darstellung der Kaiserin Elisabeth ( 1910 ) Ungarn als biographischen Aspekt nicht einmal an. Kerekes ( 2008 ), S. 262. 592 Salten ( 1915 ), S. 145. 593 Hall ( 1989 ), S. 139–144.  – Die Weltkriegssammlung in der Wien Bibliothek ( L 70. 000 ) umfasst 24 Bände à 200 Seiten , in denen Gedichte , Erzählungen , Fortsetzungsromane in Zeitungsausschnitten gesammelt sind.

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Prinz-Eugen-Liedchen ( 1914 ) zur Melodie des bekannten Liedes veröffentlicht , in dem er ein amouröses Abenteuer des gealterten Prinzen schildert : in den Straßen Wiens spricht Prinz Eugen in Galauniform eine kleine Modistin an , die ihm angesichts seines Alters schließlich erlaubt , sie nach Hause zu begleiten. „Doch er schien nicht zu gefährlich /  bat so lieb und schien so ehrlich , /  Daß sie ihn doch mit sich nahm.“ Das unter ihrem Fenster vorbeiziehende Savoyen-Dragoner-Regiment beendet etwas abrupt das Schäferstündchen. Denn der Tambour , der vorne reitet ist ihr Liebster. „ ‚Prinz Eugen , der edle Ritter‘ /  Schmettert’s laut. Er lächelt bitter /  Mit verlegenem Gesicht. /  Belgrad konnt’ ich wiedergeben /  Meinem Kaiser , doch im Leben /  Selbst mir Lieb’ und Jugend nicht.“594 Im Juni und Juli 1914 entstand auch die Komödie unter dem Titel Die stille Stunde , die vom Autor beim Burgtheater zu Kriegsbeginn eingereicht , als Vorlage für die Inszenierung 1918 diente.595 Kaiser Karl höchstpersönlich hatte Erzherzog Josef Ferdinand ( 1872–1942 ) beauftragt , den Vorbereitungen der Aufführung auf den Proben beizuwohnen.596 Die Erstaufführung wurde zu erhöhten Preisen angesetzt und die Mehreinnahmen dem „patriotischen Hilfsverein vom Roten Kreuz für Niederösterreich“ zur Verfügung gestellt ; auch Terramare verzichtete zugunsten des Vereins auf seine Abendtantiemen.597 Sowohl der Roman wie auch die im gleichen Jahr veröffentliche Komödie Die stille Stunde haben den gealterten Prinzen Eugen zum Protagonisten. Nach ihrer Uraufführung am 5. Februar 1916 am Frankfurter Schauspielhaus wurde die dreiaktige Komödie im letzten Kriegsjahr im April 1918 auch am Burgtheater gezeigt. Auf allerhöchsten Befehl fand die Premiere am 28. April „bei erhöhten Preisen zu Kriegswohltätigkeitszwecken“ statt.598 Regie führte Otto Tressler , der zwanzig Jahre später selbst den Prinzen Eugen in Feiks’ Ein Reiterlied spielen wird. Vor- und Zwischenspiel bildeten 594 Terramare ( 1914A ). 595 Terramare ( 1914B ). Eingestrichenes Exemplar des Inspizienten Josef Wiesner , Archiv des Burgtheaters N 326. 596 Am 20. April 1918 legte Erzherzog Joseph Ferdinand dem Kaiser den mit 22. April beginnenden Probenplan „zur geneigten Einsichtnahme“ vor. HHStA , Burgtheater Karton 222 , Zahl 159 ex 1918. 597 HHStA , Burgtheater Karton 222 , Zahl 159 ex 1918. 598 Wiener Abendpost , Beilage zur Wiener Zeitung 98 , 30. April 1918 , S. 3.

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Teile aus der Sinfonie in G-Dur ( Nr. 13 ) von Joseph Haydn. Terramares Prinz Eugen gab der 61-jährige Charakterdarsteller Max Devrient ( 1857– 1929 ). Bei Terramare ist Prinz Eugen 60-jährig , „eine kleine , untersetzte Figur“, gütig und liebenswürdig in seinen Äußerungen , aber auch übellaunig und ärgerlich und manchmal schwermütig ; weltklug und scharfsinnig , aber auch eitel. Verlegenheit weiß er mit seinem Schnupftabak zu verbergen.

Abb. 52 Das k. k. Hofburgtheater in Wien kurz vor der Fertigstellung. Im Oktober 1888 übersiedelt das Burgtheaterensemble vom Haus am Michaelerplatz in das neue repräsentative Gebäude an der Ringstraße.

Terramare stützte die Handlung auf die biographische Episode , die Alfred von Arneth ebenso schilderte wie Carl Eduard Vehses Geschichte der deutschen Höfe und andere Historienbücher , auf die Intrige der Grafen Nimptsch und Tedeschi aus dem Jahr 1719 , die er psychologisch mit einer frei erfundenen späten Liebe Prinz Eugens zu seiner Nichte verknüpft. Diese „Verbesserung der Weltgeschichte“ fand allerdings kaum Zustimmung bei den Kritikern : Doch was die historischen Tatsachen ihm so freigiebig darboten , leider genügte es nicht dem Verfasser des neuen Stückes. [ … ] Die Bemühungen , die Weltgeschichte zu verbessern , müssen als durchaus mißglückt bezeichnet wer-

283

VIII. Prinz Eugen im Ersten Weltkrieg den , und nicht besser gelungen ist die Liebesgeschichte , die der Verfasser in das Ränkespiel einflicht.599

Abb.  53 Terramare , Die Stille Stunde. Theaterzettel der Premiere im Burgtheater am 28. April 1918. Bis 6. September 1918 fanden neun Vorstellungen statt.

In anonymen Briefen wird Prinz Eugen seit einiger Zeit vor einer höfischen Intrige gewarnt. Unerwartet erscheint seine Nichte , Marie von Savoyen , die aus Liebe zu einem Offizier heimlich das Kloster verlassen hat. Im Palais des Prinzen trifft sie ihn wieder. Als Angehörigem der SavoyenDragoner ist ihm , dem Adjutanten Graf Palffy , eine Eheschließung jedoch untersagt. Marie , die ihren Oheim verehrt , weil „er gut , klug und groß“ ist , 599 Neue Freie Presse , Morgenblatt 19281 , 30. April 1918 , S. 1–3.

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umschmeichelt den alten Prinzen , um ihn gnädig zu stimmen , was er allerdings gründlich missversteht : Ihre Anmut und Klugheit verführen ihn , und er will das ihrer Mutter gegebene Versprechen , für sie durch eine Eheschließung zu sorgen , persönlich einlösen. Er verspricht , sie in die Gesellschaft einzuführen und legt ihr zum Studium seine Bibliothek ans Herz. Eine – an die in den 1950er-Jahren populären Graf-Bobby-Witze erinnernde – schrullige Nebenfigur ist Graf Amberg , der die Nichte des Prinzen ebenfalls umwirbt. Auf Empfehlung seiner adeligen Tanten kommt er um ein Offizierspatent ein , das Prinz Eugen ihm jedoch verweigert , da er als Präsident des Hofkriegsrates die käuflichen Offizierspatente abgeschafft hat. Vom Friseur Stippenberger , der dem Dienst beim Grafen Althan aus Angst entflohen ist , erfährt der Prinz von geheimen Konferenzen des als Lakai verkleideten Grafen Althan mit Abbé Tedeschi beim Kaiser. Prinz Eugen erwirkt bei Hof eine öffentliche Untersuchung gegen Graf Althan und Abbé Tedeschi. An diese öffentliche Untersuchung knüpft der Kaiser allerdings eine Bedingung : Prinz Eugen dürfe keine Verbindung mit dem Hause Savoyen oder Soissons-Savoyen eingehen , um sicher zu stellen , ihn – über den er „als Fremden“ keine Macht hat – nicht zu verlieren. Der Prinz ist daraufhin bereit , alle Ämter zurückzulegen und sich ins Privatleben zurückzuziehen. Die schöne und lebenskluge Gräfin Batthyany , die seit Jahrzehnten täglich die Abendstunden mit dem Prinzen beim ‚Mariage‘ verbrachte ( einem deutschen Kartenspiel , das aus der Paarfindung von König und Königin gleicher Farbe Punkte lukrierte ), missversteht ihrerseits seine Eheabsichten. Wenig einfühlsam führt sie Prinz Eugen vor den Spiegel , um ihr ihr Alter zu verdeutlichen. Trotz aller Bemühungen den Prinzen zu überzeugen , dass seine Ämter , sein Gewand Teil seines Ruhmes und sein Ruhm ein Teil seiner Person sind , ist der Prinz fest entschlossen , seine Nichte zu heiraten und dem Grafen Palffy sein Regiment zu übergeben. Die Vergangenheit kann „mir nichts und niemand rauben“ und die Zukunft gibt er gerne „um still leuchtendes Glück“. Als unter dem Fenster seines Palais das Regiment Savoyen ins Winterquartier zieht und mit Paukenschlag der Kavallerie-Defiliermarsch Prinz Eugen erklingt verfängt sich Prinz Eugen in Erinnerungen an die Tapferkeit und Treue seiner Soldaten im Kampf um Belgrad. Gräfin Batthyany erkennt , dass sie den Knoten im Interesse aller Beteiligter lösen muss : sie würde ihren Freund verlieren , das junge Liebespaar sein Glück , die Hausbedienten ihre Ruhe. Mit großem Geschick weiß sie 285

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den Prinzen zu überlisten. Ihn der „bisher ein Weiberfeind war , die Ehe hasste , keine Hochzeit in seiner Umgebung duldete und das Weib als personifizierten Unfrieden bezeichnete“ führt sie vor Augen , wie sein Eheverbot dazu führte , dass seine Soldaten ihre Mädchen sitzen ließen. Ahnungslos befiehlt Prinz Eugen daraufhin , Graf Pallfy , seine Angelegenheit zu ordnen. Im „Buch der Zeit“ führt sie ihm anschließend seine Zukunft vor : wie er , der den Dienst Österreichs verlassen hatte , in den Dienst Frankreichs treten und wie die lachende Jugendlichkeit seiner Frau den Traum der stillen Stunden zunichte machen würde. Als das aus dem Arbeitszimmer des Prinzen Eugen verschwundene Dokument ( die Pragmatische Sanktion , die die Unteilbarkeit der habsburgischen Länder und die Erbfolge der Frauen nach Kaiser Karl VI. regelte ) beim Schreiber wieder auftaucht , kann auch die Intrige zur Gänze aufgeklärt werden. Prinz Eugen besinnt sich , verzichtet auf das Glück der stillen Stunde und übernimmt wieder seine Verpflichtungen gegenüber Österreich auf der weltgeschichtlichen Bühne. Georg Terramare hat , als ( der jüngere ) Sohn des Industriellen Josef Eisler von Terramare ( 1855–1913 ) nach dem Besuch des Schottengymnasiums an der Universität Wien studiert. 1911 war er in einen der ersten Autounfälle mit tödlichem Ausgang verwickelt gewesen.600 Die stille Stunde war sein erstes Werk , das eine breitere Öffentlichkeit fand. Ab 1919 verfasste er katholische Mysterienspiele und leitete ( 1922–27 ) die Schulspiele am Schottengymnasium. 1927 war er Spielleiter am Zürcher Stadttheater , später auch in Bern , Hamburg und Troppau ; 1931 inszenierte er am Burgtheater. Mit seiner jüdischen Frau Erna , geb. Beutel ( 1906–1985 ) emigrierte er 1939 nach Bolivien , wo er ein Exiltheater leitete und 1948 starb.

Christlich-germanisches Schönheitsideal Seit dem Rücktritt von Hugo Thimig im April 1917 leitete Max von Millenkovich ( 1866–1945 ) das Hofburgtheater in Wien. In seiner Antrittsrede hatte Millenkovich „das christlich-germanische Schönheitsideal“ für den Spielplan des Burgtheaters programmatisch verkündet und damit die Presse 600 Während die Fahrgäste Josef und Georg Terramare , sowie Marie Glossy ( *1859 ) und ihre Tochter Blanka ( 1893–1952 ) unverletzt blieben , starb der Chauffeur , der den Unfall verursacht hatte , vor Ort.

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Christlich-germanisches Schönheitsideal

gespalten. Kritisch sezierte die jüdisch-liberale Presse die Auswirkung einer solch restriktiven Spielplanvorgabe , während die deutschnationale Presse Millenkovichs Vorhaben pries. In diesem Kontext sind auch die Stellungsnahmen zu Terramares Die stille Stunde zu sehen. Kritiker wie Anhänger beurteilten das neue Repertoirestück in Hinblick auf Millenkovichs Programm : „Das falsche Historienbild einer nach Akademiemodellen drapierten Hofgesellschaft entspricht dem Herzschlag seines Burgtheaterideals“601 kritisierte Bertha Zuckerkandl die fehlende Modernität. Während der Kritiker des Deutschen Volksblattes sich zu distanzieren suchte : „So kann die jüngste Neuheit des Hofburgtheaters in keiner Beziehung als ein Gewinn für dasselbe bezeichnet werden. Auch mit dem ‚christlich-germanischen Schönheitsideal‘ [ … ] hat es nichts zu schaffen.“602 Der Weltkrieg , „die großen Ereignisse , die unser Geschlecht zu erleben das Glück hat“, war gleichsam Auftraggeber Terramares und das Burgtheater habe mit der Aufführung seine Pflicht erfüllt , gegenwartsrelevant zu sein , lobte die Arbeiter-Zeitung : „Da haben Sie eine Frucht des Weltkrieges. Denn nur der Weltkrieg hat das Prinz-Eugen-Lied wieder in die Mode gebracht und ohne diese Mode hätte der Herr Terramare nie sein Stück gedichtet.“ 603 Trotz Tagesaktualität habe Terramare aber „naheliegende Analogien aktuellen Charakters ebenso vermieden [ … ] wie prahlerische Trümpfe  , billige Prophezeiungen  , applausziehende Deklamationen.“604 Allerdings ist die Vermeidung der Analogien weniger Terramares Textfassung geschuldet als der Einrichtung durch die Burgtheaterregie : Textstellen zur tagesaktuellen Bündnispolitik wurden für die Aufführung abgemildert oder gestrichen : In der Textfassung wird wiederholt auf jene Berichte in der Bibliothek des Prinzen hingeweisen , „die im Feindesland , in Frankreich , und in den befreundeten Regionen , id est in den Generalstaaten und in England , geschrieben worden sind.“ Und auch das Lob der Soldaten im Kampf gegen das Türkenheer , das Prinz Eugen zum anschwellenden Marschlied „vor dem Fenster“ sprechen sollte , wurde gestrichen :

601 Wiener Allgemeine Zeitung 12007 , 29. April 1918 , S. 3. 602 Deutsches Volksblatt 10530 , 30. April 1918 , S. 7. 603 Arbeiter-Zeitung 114 , 29. April 1918 , S. 5. 604 Wiener Abendpost , Beilage zur Wiener Zeitung 98 , 30. April 1918 , S. 1–3.

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VIII. Prinz Eugen im Ersten Weltkrieg Vergessen Sie niemals die Taten unserer Truppen , wenn die Degen blitzen und lachen , wenn die Pferde in dickem Streu stehen , vergessen Sie nicht , daß einst diese Klingen matt waren von Blut und die Pferdehufe einsanken in Leichen , und vergessen Sie nicht , daß es einmal wieder die Aufgabe unserer Soldaten sein wird , für ihr Land zu kämpfen. [ … ] Die Soldaten werden kämpfen wie Helden , jeder Mann und werden siegen , und wenn sie heimkehren , soll sie nicht die Überraschung über unsere Victoire beleidigen. Und greift einmal die Angst euch an das Herz und hört ihr böse Narrationen von dem Kampfplatz , dann denkt , ein alter Herr hat euch den Sieg versprochen , ein alter Herr , den ihr geliebt und der’s Euch dankt und dessen Geist bei Euren Soldaten weilen wird , für alle Zeiten. ( 111 )

Wer vom Theater anderes und mehr erwartete als „transzendentale Abenteuer des Menschentums“ schalt allerdings die „Trägheit des Publikums“ und „die geistige Geringheit“ der meisten Theaterdirektoren für diesen „kostümierten Tagesbericht“.605 Terramare hatte mit dem gealterten Prinzen Eugen , mit der realistischen Belichtung dieser „monumentalen Figur der Geschichte“606 fast schon einen Antihelden auf die Bühne gestellt , der zwar die uneingeschränkte Bewunderung seiner Bühnenantagonisten erfährt , die Zuschauer aber teils als „tote Lustspielfratze“607 irritierte , teils „bleischwer“ langweilte.608 Terramare habe „freilich ganz unabsichtlich und unwissentlich , den Prinzen Eugen als einen alten Teppen hin[ gestellt ]“,609 wirklichkeitsfern und weltfremd.610 „Der große Mann erscheint im Schlafrock ; aber , wie es gewöhnlich geht , es bleibt mehr Schlafrock über als großer Mann.“611 Man vermisste „das Wesentliche , das Bestimmende seiner Größe“ und fürchtete um das Bild des kollektiven Gedächtnisses , „welches die Nachwelt von dem Großen übernommen hat und bewahrt“, das diese Darstellung

605 Wiener Allgemeine Zeitung 12007 , 29. April 1918 , S. 3. 606 Wiener Allgemeine Zeitung 12007 , 29. April 1918 , S. 3. 607 Wiener Allgemeine Zeitung 12007 , 29. April 1918 , S. 3. 608 Deutsches Volksblatt 10530 , 30. April 1918 , S. 7. 609 Arbeiter-Zeitung 114 , 29. April 1918 , S. 5. 610 Wiener Abendpost , Beilage zur Wiener Zeitung 98 , 30. April 1918 , S. 1–3. 611 Wiener Abendpost , Beilage zur Wiener Zeitung 98 , 30. April 1918 , S. 1–3.

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Der alternde Prinz Eugen

„sicher nicht ergänzend aufhellen , sondern eher verwischen“ würde.612 Die „Verminderung heldischer Größe“ irritierte , obwohl der Krieg bereits gelehrt hatte „Helden doch nicht so unbedingt feierlich zu nehmen“.613

Der alternde Prinz Eugen Der 61-jährige Charakterdarsteller Max Devrient ( 1857–1929 ) entsprach in Alter , aber weniger in der Statur den Anforderungen von Terramares Bühnenfigur. Seinem ersten Auftritt hatte der Autor eine minutiöse Beschreibung vorangestellt und – nach Zeugnis der Rezensenten614 – hat Devrient sie genau befolgt : Prinz Eugen ist eine kleine untersetzte Figur. Einen Fuß zieht er ein wenig nach , doch darf es kein störendes Hinken sein. In seinem Sprechen liegt ein Ton echter Güte und viel Liebenswürdigkeit , trotzdem er oft übler Laune ist und sich in der Äußerung derselben gefällt , weshalb er sich auch keinen Zwang antut. Trotz seiner Weltklugheit und seines Scharfsinnes ist er von kindlicher Eitelkeit nicht frei , wie ein Mensch der viel gearbeitet hat und sich wenig Zeit gönnte , auf sich zu sehen , sich zu erholen und sich zu zerstreuen. In großen Augenblicken spricht er selber hingerissen von Stimmung und Wort , Italiener und Franzose von Geburt und Abkunft. Nur sehr selten äußert sich in seiner Sprache diese seine Fremdheit. Dann sucht er einen Augenblick nach Worten. Auch echte Schwermut ist seiner Seele nicht fremd , doch ist sie seiner Umgebung nur sehr selten bemerkbar. Seinen Schnupftabak trägt er lose in der Tasche seines WestenKamisols und schnupft ziemlich häufig. Gewisse Verlegenheit weiß er damit zu verbergen. Auf seine Kleidung hält er nicht viel , aber in Staatskleid oder Gala erscheint er würdig.615

Widersprüchlich fiel die Beurteilung der Umsetzung aus. Jene Kritiker , denen Lewinskys Darstellung vergleichsweise nicht zur Verfügung stand , 612 613 614 615

Reichspost 195 , 29. April 1918 , S. 5. Fremden-Blatt , Morgen-Ausgabe 115 , 30. April 1918 , S. 1–2. Reichspost 195 , 29. April 1918 , S. 5. Terramare ( 1914 ), S. 12. Seit 1915 lagen die Rechte bei Felix Bloch Erben ; 1916 erschien eine erweiterte Textfassung.

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VIII. Prinz Eugen im Ersten Weltkrieg

lobten Devrient , wie er mit Stattlichkeit , fester Stimme und warmer Mensch­ lichkeit „die Starrheit einer historischen Statue mit wirklichem Blut belebt“.616 Wie er es schaffte „die veredelte Haltung des edlen Ritters“ hervorzukehren und den „Eugène intime – mit Größe zu überpudern.“617 Was sie lobten , war wie der Schauspieler gegen die Textvorlage das immaterielle Denkmal des kollektiven Gedächtnisses wiedererrichtete : Prinz Eugen so zu zeigen , dass er auch „durch seine nervösen Behinderungen nicht erheblich geschwächt wurde“. 618 Jene Kritiker , die Lewinskys Darstellung in den Dramen von Weilen und zuletzt Greif , als Wiedergeburt des Prinzen Eugen erlebt hatten , lehnten die Rollengestaltung durch Terramare ebenso ab wie die Umsetzung durch Max Devrient , der durch „eintöniges Poltern [ … ] Unsicherheiten des Gedächtnisses und der Sprache verdecken“ suchte sowie „jede lyrische Stimmung , wie sie die Liebesszenen brauchen“ vermissen ließ.619 Gemessen an Lewinsky , der „voll natürlicher Würde auch in der Aufregung und zugleich in der äußeren Erscheinung dem historischen Bilde des Savoyers täuschend ähnlich“ war , dem „man den Feldherrn und den Staatsmann“ glaubte , irritierte der Prinz Eugen Devrients , der „eben als alter Herr erscheint , bei dem man eine bedenkliche Abnahme der geistigen Kräfte wahrzunehmen“ meint. Ihnen schien das Stück verfehlt in seiner Hauptfigur : zu düster , zu unfreundlich war dieser Prinz Eugen , dem es nicht gelingen mag „die Herzen zu gewinnen“.620 Seine Liebesschmerzen , die so rasch vergehen als sie ihm auffliegen , haben mit einem tieferen Gefühle nichts gemein , und im übrigen poltert er als mürrischer Greis auf der Bühne umher , gibt sich dabei sehr realistisch , parliert aber [ … ] das verwelschte Deutsch jener Zeiten , schnupft , hantiert mit einem Lorgnon und hinkt ein wenig auf einem seiner Freiersfüsse. Von Liebeswürdigkeit zeigt der alte Mann keine Spur , und in der Spiegelszene wirkt er abstoßend.621

616 Reichspost 195 , 29. April 1918 , S. 5. 617 Wiener Allgemeine Zeitung 12007 , 29. April 1918 , S. 3. 618 Fremden-Blatt , Morgen-Ausgabe 115 , 30. April 1918 , S. 1–2. 619 Wiener Abendpost , Beilage zur Wiener Zeitung 98 , 30. April 1918 , S. 1–3. 620 Neue Freie Presse , Morgenblatt 19281 , 30. April 1918 , S. 1–3. 621 Neue Freie Presse , Morgenblatt 19281 , 30. April 1918 , S. 1–3.

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Der alternde Prinz Eugen

Gefallen beim Publikum fand der aristokratische Tagedieb „der mit sich und der Welt nichts anzufangen weiß und von einem ganzen Heer von Tanten – Tante Thun , Tante Larisch , Tante Rosenberg – in den verschiedensten Richtungen beraten wird. Eine echte Lustspielfigur , von Herrn Rhomberg in seiner diskreten , liebenswürdigen Dümmlingsmanier vortrefflich dargestellt.“622 Lob erfuhren von den Kritikern vor allem die Damenrollen , allen voran die Darstellerinnen der Gräfinnen Strattmann und Batthyany , Auguste Wilbrandt-Baudius ( 1843–1937 ) und Anna Kallina ( 1876–1948 ). „Frau Wilbrandt gab mit unnachahmlicher Anmut die alte Frau , die stets jung bleibt“623 , „eine weltkundige alte Dame“, die „die Gemeinplätze , die ihr der Dichter beschert hatte , so heraus[ brachte ], dass sie fast geistreich klangen“.624 Dicht daneben erwies sich „Frau Kallina als vollendete Meisterin des Dialogs und der feinen Pointe [ … ].“625 „Das Prachtstück der Aufführung war die Wilbrandt mit ihrer Gräfin Strattmann.“626 Sie erspielte „als eine alte diplomatische Gräfin so ziemlich den größten Erfolg des Abends“.627 Zweimal erklang bei offener Bühne „ein volltöniger Beifallssturm [ … ] als am Ende des zweiten Aktes unter den Fenstern des edlen Ritters das Eugeniuslied geblasen wurde und dann beim Abgang der Frau Wilbrandt. Das erste Mal gab eine patriotische Regung den Anlaß zum Applaus , das zweite Mal war es edelste Schauspielkunst , altes , ja ältestes Burgtheater , was man beklatschte“.628 Der zweite Aktschluss endet mit einer „aufrichtig gemeinten Ovation“629 für Prinz Eugen. An dieser Stelle wird das Stück immerhin „auf eine ge-

622 Neue Freie Presse , Morgenblatt 19281 , 30. April 1918 , S. 1–3. 623 Wiener Allgemeine Zeitung 12007 , 29. April 1918 , S. 3. 624 Arbeiter-Zeitung 114 , 29. April 1918 , S. 5. 625 Wiener Abendpost , Beilage zur Wiener Zeitung 98 , 30. April 1918 , S. 1–3. 626 Fremdenblatt Morgen-Ausgabe 115 , 30. April 1918 , S. 1–2. – Auguste WilbrandtBaudius ( 1843–1937 ), Hofschauspielerin und Ehrenmitglied des Burgtheaters , war 1861–1878 am Burgtheater unter Laube und Dingelstedt engagiert gewesen. Nach einem fulminanten Comeback ( ab 1889 ) auf der Operettenbühne des Theaters an der Wien und später des Raimundtheaters kehrte sie 1898 ans Burgtheater zurück. 627 Reichspost 195 , 29. April 1918 , S. 5. 628 Neue Freie Presse , Morgenblatt 19281 , 30. April 1918 , S. 1–3. 629 Fremden-Blatt , Morgen-Ausgabe 115 , 30. April 1918 , S. 1–2.

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wisse Höhe geführt , was Anerkennung verdient“.630 Eugen in Marschall­ uniform salutiert vom Fenster aus sein vorbeiziehendes Regiment. Die außerhalb der Sicht der Zuseher hörbare Militärmusik , die „den geliebten Reitermarsch bläst“, bescherte dem Publikum „jenes österreichische Gefühl [ … ] das jeder Österreicher ins Theater mitbringt“.631 So schuf die Musik , „die unausbleibliche Wirkung des alten Prinz Eugen-Marsches“632 die Aktvierung kollektiver Erinnerungen und performativer Bedeutungen : die größten Schlachten , die Prinz Eugen schlug , werden „geschickt aufgezählt und verwoben , das Leibregiment des Prinzen muß vor den Fenstern des Belvederes defilieren und den Prinz Eugen Marsch blasen und was derlei Mittel mehr sind , die Stimmung aufzupulvern“.633 „Müssen die Leute , wenn sie unter so heldischen Umständen das aufrüttelnde Lied hören , nicht bei offener Szene zu applaudieren anfangen ? Natürlich müssen sie das , wenn sie nur ein bißchen patriotisch fühlen.“634 Alles in allem hatte die Aufführung ein „zahlreiches wohlwollendes Publikum“ 635 versammelt und „wie der [ … ] Erfolg bewies , immerhin den Geschmack vieler Zuschauer getroffen“.636 Optisch bot das Bühnenbild den gewohnten barocken Rahmen. „Von einer tiefer greifenden Wirkung“ konnte allerdings keine Rede sein.637 Der Versuch , das Publikum durch Verdunkelung des Zuschauerraumes während der Zwischenaktmusik , „zu einer weihevollen Stimmung zu nötigen“ schlug ebenfalls gänzlich fehl.638 Trotzdem fanden in den drei Monaten nach der Premiere bis September 1918 neun Vorstellungen statt. Während die meisten Kritiker die Schauspielkunst der Beteiligten lobten , aber die Grundausstattung , mit der der Dichter den Prinzen Eugen vor sie hingestellt hatte , ablehnten , fand Alexander von Weilen prophetische Worte : „Aber kalt , eiskalt weht’s von der Bühne herab , auf der Ge630 Neue Freie Presse , Morgenblatt 19281 , 30. April 1918 , S. 1–3. 631 Reichspost 195 , 29. April 1918 , S. 5. 632 Wiener Abendpost , Beilage zur Wiener Zeitung 98 , 30. April 1918 , S. 1–3. 633 Reichspost 195 , 29. April 1918 , S. 5. 634 Arbeiter-Zeitung 114 , 29. April 1918 , S. 5. 635 Wiener Abendpost , Beilage zur Wiener Zeitung 98 , 30. April 1918 , S. 1–3. 636 Reichspost 195 , 29. April 1918 , S. 5. 637 Neue Freie Presse , Morgenblatt 19281 , 30. April 1918 , S. 1–3. 638 Fremden-Blatt , Morgen-Ausgabe 115 , 30. April 1918 , S. 1–2.

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spenster , den Gräbern der Vorzeit entstiegen , ihr Wesen treiben. Sie haben kein Blut getrunken , diese Schatten , und ihre stille Stunde wird nur so bald kommen.“639 – Im November 1918 war es so weit : das vielgestaltige Habsburgerreich zerfiel in seine Einzelteile , der Adel in Österreich wurde abgeschafft , die Republik ausgerufen.

Abb. 54 Terramare , Die Stille Stunde. Burgtheater 1918 , Szenenentwurf.

Terramares frühes Gedicht legt ebenso wie seine Komödie eine Interpretation nahe , die aus Zensurrücksichten wohl unausgesprochen bleiben musste. Das amouröse Liebesabenteuer des gealterten Prinz Eugen , der beim von der Straße heraufklingenden Prinz-Eugen-Marsch erkennt , dass das von ihm ersehnte junge Mädchen anderweitig gebunden ist und auch zu ihm nicht passen will , erscheint wie eine Metapher der Bündnispartner im Ersten Weltkrieg : Der alte Prinz Eugen als Symbol des alten Reichs ( Österreich ) versucht sich mit dem neuen Reich ( Deutsches Reich 1871 ), symbolisiert im jungen Mädchen , seiner Nichte , zu verbinden. Der Prinz Eugen der literarischen Vorlage erkannte den Wahnwitz dieser Verbindung und verzichtete zum eigenen und zum Wohl aller darauf. „Die Zustände bei Hof sind seltsam geworden in letzter Zeit“, resümiert der Protagonist 639 Wiener Abendpost , Beilage zur Wiener Zeitung 98 , 30. April 1918 , S. 1–3.

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VIII. Prinz Eugen im Ersten Weltkrieg

bei Terramare , ein Satz , der am Hofburgtheater selbstverständlich gestrichen wurde , ebenso wie jene Textstelle , die das „Feindesland“ namentlich benannte. Hinter der „historischen Treue“ der Sprache640 und der optischen „Freude am Zeitkolorit“641 leuchteten dennoch die Realitätspartikel hervor. Die barocke Metapher Die ganze Welt ist Bühne ist in der Spielvorlage ( 1914 ) nicht enthalten und erst der zwei Jahre später gedruckten Textvorlage für die Aufführungen an den deutschen Bühnen als intertextueller Verweis beigefügt. Die langjährige Freundin Gräfin Batthyany zeigt ihrem Freund , seinen Platz in Gegenwart und Zukunft : Ihre Position ist so mächtig , daß Ihr Leben allein schon eine wichtige Aktion ist. Ihre Bühne ist die Welt. Ihr Publikum die Menschheit. Der Vorhang ist aufgezogen ; erst bis Sie das letzte Wort gesprochen haben , sinkt er nieder ! [ … ] Still sind die Stunden , die nicht uns gehören. Aber jeder Augenblick Ihres Lebens gehört Ihnen. Die erste stille Stunde wird für Sie die sein , die nicht mehr die Ihre ist. Aber auch dann wird Sie das Publikum nicht vergessen. Agieren Sie gut. Man wird lange von Ihrem Spiele sprechen.642

Zwischen neun und neun Im November 1917 hatte Leo Perutz seinen mit Realitäts- und Erinnerungsebenen spielenden Roman Zwischen neun und neun fertig gestellt. Eine gelungene Dramatisierung war 2009 bis 2011 im Wiener Salon 5 zu sehen gewesen. Am dramaturgischen Wendepunkt erklingt einmal mehr das Prinz-Eugen-Lied. Im Weltkrieg hatte das Lied den Soldaten Mut gemacht , ihr Leben für das Vaterland zu opfern. Perutz’ Antiheld findet unter den Klängen des Liedes den Mut , einem scheinbar ausweglosen Schicksal zu entfliehen. Freiheit war auch der ursprüngliche Titel des erstmals im Berliner Tagblatt und der Prager Deutschen Zeitung erschienenen

640 Wiener Abendpost , Beilage zur Wiener Zeitung 98 , 30. April 1918 , S. 1–3. 641 Fremden-Blatt , Morgen-Ausgabe 115 , 30. April 1918 , S. 1–2. 642 Terramare ( 1916 ), S. 123 f.

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Zwischen neun und neun

Romans.643 Bis 1925 wurden von der Buchausgabe 13 Auflagen verkauft ; Übersetzungen in zahlreiche Sprachen erschienen bis 1930. Eigentlich hatte Perutz , wie er selbst bestätigte , ein „groteskes persönliches Schicksal“ geschildert , die Entwicklung der Dinge aber , der Zusammenbruch der staatlichen Ordnung nach dem Ersten Weltkrieg , ließ das Schicksal des Helden „als Symbol der in Schlingen verstrickten und in Ketten geschlagenen Menschheit erscheinen“. 644 Leo Perutz ( 1882–1957 ) schildert in Zwischen neun und neun den vergeblichen Versuch des durch einen Sprung aus dem Fenster einer Verhaftung gerade noch entkommenen Studenten Stanislaus Demba , seine ( „unsichtbaren“, da tunlichst verborgenen ) Handschellen wieder loszuwerden. Eine Haftverurteilung würde ihn nicht von den „Handschellen“ befreien ; als Vorbestrafter würde er in einer bürgerlichen Gesellschaft lebenslang als Verbrecher gelten. Seine kämpferischen , grotesken Versuche , sich durchzuschlagen und Geld aufzutreiben , ohne dass man seine Hände zu Gesicht bekommt , führen zu den verrücktesten Begegnungen und Situationen. Mit geradezu selbstmörderischer Zielsicherheit läuft er von einem Scheitern ins nächste. Bis er sich vor dem Dachbodenfenster wiederfindet , aus dem er am Morgen entkommen war. „Aus einem fernen Grammophon erklingt das Prinz-Eugen-Lied.“ Demba fühlt noch einmal den Mut zum Sprung in die Freiheit : Als die beiden Polizisten – kurz nach neun Uhr morgens – den Hof des Trödler­ hauses in der Klettengasse betraten , war noch Leben in Stanislaus Demba. Er erschrak und versuchte , aufzustehen. Er wollte fort , in die Freiheit – Er sank sogleich zurück. Seine Glieder waren zerschmettert , und aus einer Wunde am Hinterkopf floss Blut. Nur seine Augen irrten ruhelos durch die Strassen der Stadt , tauchten unter in der brausenden Wirrnis des Daseins , klammerten sich noch einmal an das rastlose Leben des ewig bewegten Tages , spielten , betteln , rauften um Geld und um Liebe , kosteten zum letztenmal von Glück und Schmerz , wurden sehr müde und fielen zu. 643 Berliner Tagblatt , Juni bis Juli 1918 , Prager Deutsche Zeitung Bohemia , August bis Dezember 1918. – Vgl. Müller ( 2007 ), S. 108–115. 644 Wiener Arbeiter-Zeitung 316 , 18. November 1921 ; Müller ( 2007 ), S. 109.

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VIII. Prinz Eugen im Ersten Weltkrieg Die Handschellen waren durch die Gewalt des Sturzes zerbrochen. Und Dembas Hände , die Hände , die in Verzweiflung mit dem Schicksal gehadert , in Trotz gegen die Ketten rebelliert hatten – Stanislaus Dembas Hände waren endlich frei.645

645 Perutz ( 2009 ), S. 37. Drei Aufführungsserien im Wiener Salon 5 Brick 5 ( Herbst 2009 bis März 2011 ).

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IX. Vom Ständestaat in die Zweite Republik Der Zusammenbruch der Monarchie folgte unmittelbar auf das Ende des Ersten Weltkrieges. Aus dem großen Habsburgerreich wurde binnen weniger Tage eine kleine Republik , ein „Rest“, der nach Autonomisierung der Nationalitäten übrig geblieben war. Die Zwischenkriegszeit war geprägt vom Kampf der weltanschaulichen Diskurse. Teile der Bevölkerung sehnten sich nach einer großösterreichischen Monarchie ; viele glaubten nach wie vor an das „heilige Reich [ deutscher Nation ]“. Der durch die Marginalisierung genährte Wunsch , der „bessere deutsche Staat“ zu sein , führte zu einem Erstarken deutschnationaler Elemente.646 Und als Reaktion auf den zunehmenden Einfluss des Deutschen Reiches rekurrierte der Ständestaat auf die eigene einstige Größe im Habsburgerreich.647 Im Theater dieser Zeit kulminierten Historiendramen , deren Protagonisten Größen des Habsburgerreiches waren.648 In dem Jahr , als Hitler in Deutschland an die Macht gekommen war , sorgte die Ausschaltung des Parlaments im März 1933 für den Beginn großer innenpolitischer Umwälzungen in Österreich. Der 250. Jahrestag der zweiten Türkenbelagerung Wiens bot dafür die willkommene inszenatorische Bühne. Ein zwei Jahre zuvor verhängtes Aufmarschverbot umgehende „Siegeszüge“ durchzogen im Mai – von Schönbrunn an den Denkmälern der Verteidiger Wiens vorbei – die Stadt : österreichische und sie unterstützende deutsche Nationalsozialisten ( 13. Mai ) und die Heimwehr ( 14. Mai ) benutzten das Gedenken an die Befreiung der Stadt 1683 als Podium für politische Manifeste und Manifestationen.649 Bei den „vaterländischen Weihestunden“ machten die Jugendlichen in Sprech-Chören das „Kulturgut in der Gemeinschaft zum Erlebnis“, san646 Bruckmüller ( 1996 ), S. 309 ; Heer ( 1981 ), S. 387. 647 Suppanz ( 1998 ), S. 103–112. 648 Historiendramen auf den Wiener Bühnen 1918–1938. Projekt des FWF am Institut für Theater- , Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien ( 1999–2002 ). 649 Ackerl ( 1984 ), S.  23. – Tomenendal ( 2010 ).

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gen das Prinz-Eugen-Lied und erinnerten an die Ereignisse „Als der Türk kam ins Land“.650 Und als der Türk besiegt vor Wien , /  zog Österreichs Heer nach Ungarn hin , /  befreite das Land und schützte das Reich , Prinz Eugenius führte den Streich – für Österreich ! /   – für Österreich !

Im Mittelpunkt der Erinnerung an die Türkenbefreiung stand 1933 in Konsens mit dem zentralen politischen Selbstbild des Ständestaates eines christlichen und deutschen Österreichs neben dem Verdienst des „vergessenen“ päpstlichen Legaten Marco d’Aviano vor allem Prinz Eugen. Anknüpfend an 1883 und eine bewusste Engführung 1914 wurde Prinz Eugen 1933 zur Gänze mit den Türkenbefreiungsfeiern verknüpft. Durch die Geschichtserzählung des „österreichischen Heldenzeitalters“651 amalgamierte man diese beiden Orte des Gedächtnisses zum bis heute wirksamen Code des kollektiven Gedächtnisses.652 Die „Aura der Türkenkriege“ sollte verbunden mit der Unbesiegbarkeit des Prinzen Eugen „auf das austrofaschichstische Regime übergehen“.653 Die „Heimwehr“ unter Ernst Rüdiger Starhemberg , einem direkten Nachkommen des Stadtkommandanten während der Türkenbelagerung 1683 , begleitete die Erinnerungsveranstaltungen durch Aufmärsche in Schönbrunn und Reden gegen „den roten Terror und die braune Pestilenz“ in Krems.654 Am 29. April wurde – im Beisein von Bundespräsident Miklas , Bundeskanzler Dollfuß , italienischer Regierungsvertreter , Kunsthistoriker und Schriftsteller , wie Paul Frischauer und Ferdinand Bruckner – die von 650 Vaterländische Sprech-Chöre ( 1935 ), S. 49–53. 651 Miklas ( 1933 ). 652 In der zweiten Republik wurde versucht , diese Erinnerungsorte wieder zu entflechten. In der großen Ausstellung Die Türken vor Wien 1983 war Prinz Eugen nicht Gegenstand der Erinnerung. Erst 1986 wurde Prinz Eugen und das barocke Österreich in den damals neu renovierten Marchfeldschlössern Schloßhof und Niederweiden Protagonist einer großen Ausstellung. Dennoch wird Prinz Eugen bis heute in historischen Darstellungen vielfach dem Gedächtnisort 1683 eingeschrieben. Flacke ( 1998 ), S.  279–283 ; François /  Schulze ( 2001 ) I , S.  391–406. 653 Suppanz ( 2011 ), S. 335. 654 Warren ( 1991 ), S. 278.

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Felix Oppenheimer ( 1874–1938 ) konzipierte und vom Verein der Museumsfreunde realisierte Prinz Eugen-Ausstellung im Belvedere eröffnet.655 Im Katalog der Ausstellung führte Oswald Redlich die beiden Erinnerungsmomente für die Besucher sinnfällig zusammen : In der Entsatzschlacht von Wien empfing der zwanzigjährige Prinz Eugen von Savoyen , der eben erst , flüchtig aus Frankreich , in das kaiserliche Heer aufgenommen war , seine Feuertaufe , von da an weihte er seine ganze Kraft dem neuen Vaterland , und er , von Abstammung Italiener , von Erziehung Franzose , wurde der größte und treueste Diener dreier deutscher Kaiser. Der Türkenkrieg wurde seine Schule …656

Je nach politischer Ausrichtung betonten die Zeitungen Prinz Eugen als verantwortlich für die Selbständigkeit des österreichischen Staates als „der große Staat , der etwas Selbständiges neben dem Heiligen römischen Reich deutscher Nation zu werden bestimmt war“.657 Oder sie vereinnahmten „Eugen [ als ] Held des ganzen deutschen Volkes und sein größter militärischer Erzieher. Nicht nur die österreichischen Kriegsvölker , sondern auch alle deutschen Kontingente riefen mit gleicher Begeisterung den Schlachtruf ‚Vivat Eugenius !‘ und vor Belgrad ersann ein brandenburgischer Wachtmeister das Lied vom ‚Prinzen Eugenius , dem edlen Ritter‘. Es ist ein deutsches Lied und gilt dem größten österreichischen Helden.“658 Am „gesamtdeutschen“ Katholikentag im September 1933 wurde ebenfalls auf 1683 Bezug genommen ; ebenso wie auch die Türkenbefreiungsfeier am Wiener Heldenplatz ( 12. September ) den Mythos Prinz Eugen als österreichische Identitätsfigur feierte. Das Gedenkjahr 1933 versuchte „mit teils kuriosen und historisch überhaupt nicht belegbaren Verknüpfungen aus dem einstigen ‚Heldenzeitalter Österreichs‘ eine direkte Brücke zum neuen sich anhebenden ‚Heldenzeitalter‘ zu schlagen“.659 655 656 657 658 659

Wiener Allgemeine Zeitung , 29. April 1933. Prinz Eugen Führer ( 1933 ), S. 3 ; Prinz Eugen Katalog ( 1933 ), S. 7. Die Stunde 3040 , 29. April 1933 , S. 5. Reichspost 120 , 30. April 1933 , S. 9. Ackerl ( 1984 ), S. 19.

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Das Radio Mit der Schaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks , der Ravag im Jahr 1924 , und der Verbreitung des Radios als Massenmedium verfügte der Staat über ein weitreichendes Informationsmonopol. Die Rundfunkteilnehmerzahlen stiegen kontinuierlich an. Waren es für den Raum Wien , Niederösterreich , Burgenland und Steiermark im Jahr 1924 nicht einmal 100. 000 , so gab es zehn Jahre später bereits mehr als 500. 000 Empfangsgeräte. Führende Theaterleute , wie Leopold Jessner oder Bert Brecht , verfassten Medien- und Hörspieltheorien , die allesamt die Technik als Magie und Zauber wahrnahmen und – wie auch Albert Einstein  – sich davon eine völkerverbindende Nutzung versprachen. Das Pendant des Berliner „Sendespiel“ war die Wiener „Radiobühne“; beide Abteilungen bereiteten Theaterstücke für die Radiosendung auf. Neben der Übertragung von Bühnenaufführungen wurden auch Dramen in Eigenproduktionen und Hörspielfassungen gesendet. Akustische Mittel ersetzten dabei die optische Komponente. Der Rundfunk wurde zum neuen Medium für Dramatiker , um ein breiteres Publikum zu erreichen. Besonders seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland setzte die Ravag auf eine Gestaltung des Programms „im österreichischen Gedanken“: „volkstümliche Darbietungen im Sinne des vaterländischen Gedankens“ sollten imstande sein , „alle Hörerkreise im gleichen Zeichen zu vereinen. Gegen 94 Prozent der Bevölkerung Österreichs sind katholisch und dieser Tatsache muss Rechnung getragen werden , wenn der Rundfunk mit der Bevölkerung verwachsen soll“. Die Gestaltung des Gesamtprogramms „im christlichen und österreichischen Gedanken“ war daher eine Selbstverständlichkeit.660 In den zwanziger Jahren galt der Rundfunk als ein „Instrument der Volksaufklärung und des Nachrichtenwesens“; seine Hauptaufgabe bestand in der „Vermittlung von Kunst und Bildung , sowie Nachrichten“; in den dreißiger Jahren hatte die Politik „im Rundfunk ein Mittel gefunden , das besonders geeignet erscheint , die Aufmerksamkeit der Staatsbürger auf lebenswichtige Aufgaben hinzulen660 Oskar Czeija über die Probleme des österreichischen Rundfunks. In : Radio Wien Heft 9–11 ( 1933 ), S. 14. – Ab 1. Jänner 1934 übertrug Radio Wien jeden Sonntag eine katholische Messe.

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ken , die unter der Führung zielbewußter Männer gelöst werden müssen , um den Wiederaufstieg unseres Vaterlandes zu sichern. Man hat also jetzt erst im Rundfunk ein unvergleichliches Werbemittel und wirksames publizistisches Organ entdeckt.“661 Der Rundfunkt sollte gezielt für politische Propaganda eingesetzt werden. Bis 1934 waren die Informationssendungen des österreichischen Rundfunks nicht politisch. In Deutschland wurde das Radio bereits 1933 durch die Übergabe an das „Ministerium für Volksaufklärung“ zum indoktrinierenden und politischen Instrument. Im Jahr 1938 erfolgte durch den gesamtdeutschen Reichsfunk die Gleichschaltung. In den Schulbüchern stand Prinz Eugen mit seiner „wichtigsten Leistung“ bereits „im Glorienschein“: die europäische Mission für das „österreichische Deutschtum“.662 Auch in den Schulfunksendungen ist die patriotische Linie vorbildlich verwirklicht. Zahlreiche Sendungen zum Türkenjahr und Prinz-Eugen-Gedenken wurden im Herbst 1933 angeboten. Ein Zwiegespräch unter Benützung zeitgenössischer Quellen beleuchtete das Türkenjahr 1683 einleitend.663 Prinz Eugen , der edle Ritter und sein Sieg über die Türken bei Belgrad wurde im Dezember als Lehrspiel gesendet. Aus historischen Berichten wurde ein Stimmungsbild aus dem Soldatenleben in Eugens Heer und die Entstehung des Liedes „aus dem Sinnen und Denken der Soldaten“ entwickelt.664 Zur besten „Hörzeit“ am Samstag dem 14. Oktober um 20 Uhr wurde eine Hörfolge zu Eugen von Savoyen. Ein Wille und seine Zeit gesendet , die „der heimische Dichter und bekannte Schriftstel661 Vortrag des Generaldirektors der Ravag anlässlich des 10jährigen Bestandjubiläums vor geladenen Gästen , „den Spitzen der Regierung und Behörden , Diplomatie und zahlreichen Vertretern der politischen Wirtschaft , Wissenschaft und künstlerischen Lebens“ am 21. November 1933 im Wiener Konzerthaus. In : Radio Wien. Heft 9 ( 1933 ), S. 14–15 ; Heft 10 ( 1933 ) S. 14–16 ; Heft 11 ( 1933 ), S. 14–15. ( Das von der Ravag – Radioverkehrsaktiengesellschaft – herausgebene Programmheft des Rundfunks Radio Wien hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine Auflage von 70. 000 Stück ). 662 Heindl ( 1996 ), S. 69. 663 Das Türkenjahr 1683. Schulfunksendung Mittwoch 4. Oktober 1933 für Schüler ab etwa 12 Jahren. In : Radio Wien. 4. Sonderheft. Der österreichische Schulfunk. Schulprogramm Oktober bis Dezember 1933 , S. 4–5. 664 Prinz Eugen der edle Ritter. Schulfunksendung am Montag , 4. Dezember 1933 für Schüler ab 11 Jahren. In : Radio Wien. 4. Sonderheft ( 1933 ), S. 22.

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ler Robert Michel“ gestaltet hatte. Ein Querschnitt der Taten des Prinzen und seiner Tage sollte vor dem inneren Auge des Hörers lebendig werden. „In abwechslungsreicher Fülle zogen die Bilder aus der ruhmreichen Vergangenheit des Vaterlandes vorüber , für die der Name Prinz Eugen von tiefer , gleichnishafter Bedeutung wurde.“665 Der Autor und Chefredakteur der Wiener Zeitung Rudolf Holzer ( 1875–1965 ) gestaltete ein Portrait von Ernst Rüdiger Graf Starhemberg und seinem Neffen Guidobald , der „seinerzeit , nach Eugen , als Österreichs größter Feldherr“ galt.666

Spiel mit Mehrdeutigkeiten Robert Michel hatte nicht nur oben erwähnte Hörfolge gestaltet ; er ist auch Verfasser eines Hörspiels zum Prinz-Eugen-Gedenken 1933. Der aus Böhmen gebürtige Offizier und Schriftsteller Robert Michel ( 1876–1957 ) war 1895 als Leutnant erstmals nach Wien versetzt worden und über Leopold von Andrian-Werburg mit dem Jung-Wiener Kreis in Berührung gekommen. Drei Jahre später kam er als Oberleutnant nach Mostar ; danach als Französischlehrer nach Innsbruck ( 1900–1907 ), wo er über Ludwig von Ficker Mitarbeiter der Literaturzeitschrift Der Brenner wurde ; 1907 hatte er einen ersten literarischen Erfolg mit „Szenen aus dem südslawischen Leben“ Die Verhüllte. Als Bibliothekar im Kriegsarchiv und Kriegsberichterstatter des Kriegspressequartiers in Galizien und Polen verfasste er den Roman Die Häuser an der Dzamija , für den er 1915 den Kleist-Preis erhielt. Kurz vor Kriegsende ging er als Leiter einer Filmexpedition nach Bosnien und saß neben Hermann Bahr und Max Devrient im Dreierkolleg unter dem Generalintendanten Leopold von Andrian-Werburg in der Burgtheaterdirektion. Seit 1919 war er freier Schriftsteller , Theaterkritiker , Rezensent und Feuilletonist mehrerer Zeitungen und Zeitschriften sowie Mitarbeiter der Ravag. 1926 hatte er den Künstlerpreis der Stadt Wien und 1927 für Jesus im Böhmerwald den Adalbert-Stifter-Preis erhalten. Das Wiener Akademietheater hatte 1930 die Uraufführung seines 665 Radio Wien. Heft 2 ( 1933 ), S. 6 , 24. Tages-Programm ( keine weiteren Angaben zu Sprechern ). 666 Vortrag von Rudolf Holzer , Dienstag 17. Oktober 18.05–18.30 Uhr. In : Radio Wien. Heft 3 ( 1933 ), S. 7.

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bereits 1917 entstandenen Lustspiels Der weiße und der schwarze Beg gebracht.667 Robert Michels Hörspiel Prinz Eugen von Belgrad entwickelt die Ereignisse vor Belgrad von Mitte Juni bis Mitte August im Sommer 1717 in zwölf Szenen.668 Die Belagerung von Belgrad wird mit Episoden um das PrinzEugen-Lied verflochten. Gleich in der ersten Szene ist die Melodie des Liedes präsent , das der einfache Soldat Nowotny aufgeschnappt hat und nachsingt. Da seit dem Ersten Weltkrieg auch despektierliche Umdichtungen des Liedtextes im Umlauf waren , wird es bei Michel als Verhöhnung des Prinzen verstanden und Nowotny wird angeklagt ; der väterliche und großzügige Prinz Eugen spricht ihn jedoch vom Verdacht der Verhöhnung frei : „Fürwahr es ist doch ein rebellisch Lied : es möge uns allen das Blut rebellisch machen , wenn wir gegen die Türken und gegen Belgrad losgehen.“ Aufgabe der Hörspielgestalter war es „bei der Gestaltung einer Darbietung ausschließlich akustisch zu denken und die Phantasie des Hörers rein durch Klang und Wort derartig anzuregen , daß er die Darbietung [ … ] geradezu sieht.“669 Um die Bilder der Handlung im Kopf entstehen zu lassen , wurden in Michels Hörspiel Pferdegetrab , Sporengeklirr , Säbelgerassel , Militärbefehle , ferne Detonationen und Stimmengewirr akustisch eingesetzt ; daneben ist vor allem das Prinz-Eugen-Lied mehrfach angeklungen : es wurde gesummt , gesungen , als ratata tatatata , als Marsch , von Ferne und aus der Nähe hörbar. Michel verknüpft entsprechend der Gedenkstrategie von 1933 seinerseits die beiden Erinnerungsorte der Türkenbefreiung 1683 und des Heldenge667 1938 trat er der Reichschriftumskammer bei , „ohne sich dem NS ideologisch auszuliefern“. Als Bestsellerautor der Zwischenkriegszeit geriet er nach 1945 fast in Vergessenheit. 1951 wurde ihm als letzte Ehrung die Ehrenmedaille der Stadt Wien verliehen. Delle Cave ( 1978 ); Handl ( 1990 ), S. 152–157. 668 Michels Hörspiel beruht auf der Novelle Eugen von Belgrad , oder ein Lied führt nach Belgrad , die ebenfalls im Nachlass liegt. Das Hörspiel liegt in zwei Fassungen vor ; in die Fassung II sind die Korrekturen der Fassung I eingearbeitet ; es fehlt in der Fassung II allerdings die Szene 1 ; in Fassung II sind die Textstellen des ersten Adjutanten rot eingestrichen. ( ÖNB , Österreichisches Literaturarchiv , Nachlass Robert Michel 125 /  W343 ). 669 Oskar Czeija über die Probleme des österreichischen Rundfunks. In : Radio Wien Heft 9–11 ( 1933 ), S. 14.

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denkens durch Erinnerungen des Prinz Eugen , als er „zum ersten Mal gegen die Türken den Degen ziehen durfte“ und zum „Retter der Christenheit“ wurde. Dem 19-jährigen Prinz Emanuel von Portugal , der sich ihm anschließt , gibt er sein Wissen und seine Erfahrung weiter : das Wichtigste sei immer , die Möglichkeiten des Feindes zu reagieren mitzudenken. Im Zentrum des Hörspiels steht die Rede des Prinzen vor dem Kriegsrat , seine Vision eines Groß-Österreich , das sich wie ein organisches Lebewesen räumlich entfaltet. Die Reichsidee der alten habsburgischen Völkervielfalt wird erweitert um die Idee des deutschen Führungsanspruchs ; durch diese Uneindeutigkeit konnten alle Publikumsschichten angesprochen werden : die Monarchisten ebenso wie die Anhänger der Idee eines großdeutschen Reiches. Prinz Eugen. Die Eroberung dieser Stadt [ Belgrad , die ] ein wichtiger Schluß­ s­tein zu dem Baue sein wird , an dem ich seit Jahrzehnten arbeite. Hier unten gegen den Balkan müssen wir die sichere Basis haben ; dann steht der Bau der Monarchie endlich fest … alle fernen Gebiete nur ein Beiwerk , flüchtige Geschenke der geschichtlichen Entwicklung. Aber ein Österreich , groß und mächtig , gut in sich geschlossen , das sehe ich daher an der Donau von Passau bis Belgrad. Schau dir nur an , wie ein merkwürdiges sitzendes Lebewesen , durchaus organisch , sieht es auf der Karte aus. Wien ist sein Herz und die Donau die Lebensader. Böhmen ist der Kopf , Prag das Auge. Die Karpaten sind die Wirbelsäule ; die darf nicht bloß liegen , [ ab hier : zuerst gestrichen , dann : bleibt ! ] ein Polster von Fettansatz ins polnische Land müßte ihr gut tun. Der Rücken rundet sich um Siebenbürgen herab. Die vorderen Gliedmaßen reichen bis an den Bodensee. So sitzt es gestützt von der Adria bis über dem Balkan und noch bequemer wäre seine Lage , wenn es sich noch an das schwarze Meer lehnen könnte. Das ist das endgültige Österreich , wie es mir vorschwebt. Eine wunderbare Legierung vieler Völkerschaften. Ein Staat soll allerdings aus einem Volke bestehen ; zwei Völker vertragen sich im gleichen Staate nie untereinander ; aber die Mischung mehrer Völker kann auch ein glückliches Ganzes ergeben , besonders wenn es von Natur aus so begünstigt und durch eine kraftvolle Führung geeint ist. Prinz Alexander. Und wenn einmal alle deutschen Lande sich mit diesem Völkergemisch , das sich um das deutsche Österreich kristallisiert hat , eng vereinen lassen …

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Spiel mit Mehrdeutigkeiten Prinz Eugen ( freudig ins Wort fallend ). Das ist der Traum meines Lebens. Dieses Bollwerk unter deutscher Führung inmitten Europas , das von den nördlichen Meeren bis an die südlichen Meeresküsten reicht , das zu erleben wäre die schönste Erfüllung meines Daseins !670

Derart wird Prinz Eugen dem Publikum als der Begründer der Monarchie in ihrer festen und stabilen Form , eines Bollwerks inmitten Europas , vorgeführt. Die ihm in den Mund gelegten Ausführungen sind Beispiel einer sich in der Moderne herausbildenden Dualidentität , in der beide Identitätsstränge abrufbar und ohne Widerspruch vereinbar sind ; das habsburgisch-zentraleuropäische Bild wird in ein deutschnationales hinübergeführt. Im Publikum konnte jeder genau das heraushören , was mit seinen Vorstellungen übereinstimmte. Entsprechend dem Umgang mit Mehrfachidentitäten wurde nichts ausgeschlossen , sondern alles gleichzeitig inkludiert : ein österreichisches entweder und oder.671 Im Hörspiel folgten eine Feldmesse und die Segnung der Truppen. Die lateinischen Worte des Geistlichen zur Wandlung wurden mit Kommandos zur Abgabe der Ehrensalve und dem Geräusch entsichernder Gewehre gemischt. Die Musik spielte den Prinz-Eugen-Marsch. „Vivat Prinz Eugenius !“ Nach einem – den glücklichen Ausgang verzögernden – Unwetter , beobachten zwei Adjutanten gemeinsam mit dem Prinzen Eugen von einer Anhöhe aus das Geschehen um die Eroberung der Stadt. In Form einer Teichoskopie , die gleichzeitig ablaufende Ereignisse auch gleichzeitig zu behandeln erlaubt , werden die feindlichen Bewegungen an der Donau , die Kämpfe und schließlich der Abzug der Türken beschrieben und besprochen. Ein erster Erfolg ist erzielt , aber die Festung noch nicht erobert. Ein ungarischer Spion unterrichtet Prinz Eugen vom bei den Türken erwarteten Nachschub an Truppen und übergibt ihm die Briefe , die er nach Belgrad hätte bringen sollen. Prinz Eugen lobt seine Arbeit , die „auch eines kaiserlichen Offiziers würdig“ wäre , und erfindet für ihn die Lüge , die er bei seiner Rückkehr ins türkische Lager erzählen kann. Erstmals wird die Lüge als Mittel zum Zweck im Charakterbild des Prinzen Eugen verankert. Für den honnête homme des 18. Jahrhunderts 670 Michel ( 1933 ), S. 20–21. 671 Müllner ( 1998 ).

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waren Lügen gänzlich ausgeschlossen und auch im 19. Jahrhundert wird Prinz Eugen in den besprochenen Werken immer mit vorbildlichem und tadellosem Charakter präsentiert. Die Einführung der Lüge , und sei es auch einer aus der Not der Situation geborenen , in das Charakterbild des Prinzen spiegelt die Realpolitik der dreißiger Jahre und den Versuch , Lügen und Täuschen salonfähig zu machen. In einer von barocken Färbungen sprachlich gereinigten , auf Alltagssprache gerichteten Rede des Prinzen Eugen an die Generale entfaltet Michel ( als Gegenbild zur oben fest gehaltenen Dualidentität ) eine kontextabhängige Mehrfachidentität des Prinzen als Feldherr , Soldatenvater und wissenschaftlich interessierter Philosoph : vor der Schlacht erwarteten ihn „noch einige Stunden Schlaf , aber vorher hätte ich noch einen Wunsch … ich würde mir jetzt ein gutes Gespräch mit meinem Freund , dem Philosophen Leibniz , wünschen … über Gott und das unendliche Weltall etwa … um meinen Geist recht abzurücken von all diesen Dingen , die mir morgen so nahe sein werden.“ Den Vater der Soldaten , den Väterlichkeit , Großzügigkeit , Mut und Unerschrockenheit auszeichnen , ergänzte Michel mit dem Retter der Christenheit , dem der Christengott zur Seite steht , und dem privaten Freund der Wissenschaft und Philosophie. – Am folgenden Morgen , nachdem die Sonne durch den dichten Nebel gebrochen ist , erfolgt der Angriff und rasche Sieg : Galopp , von Ferne das Prinz-Eugen-Lied und die Nachricht von der Flucht des Feindes , ‚Vivat Prinz Eugenius !‘ entlässt das Prinz-Eugen-Lied das Publikum in den glücklichen Ausgang.

Mit Geschichte will man etwas Auch Paul Frischauer ( 1898–1977 ) hatte sich nicht nur mit Theorie und Praxis des Hörspiels auseinandergesetzt672 , sondern auch die zur Biographie des Prinzen Eugen vorhandenen Quellen studiert. Mit einer Startauflage von 5. 000 Exemplaren erschien im Frühjahr gleichzeitig mit der Eröffnung der Prinz-Eugen-Ausstellung im Belvedere sein Roman. Der Erfolg des Prinzen Eugen lag für ihn vor allem in seiner suggestiven Kraft : „Seine Machtposition im Staate beruhte nicht auf der physischen Kraft einer Armee , die hinter 672 Neues Wiener Tagblatt , 4. Juni 1932. Paul Frischauer , Auf dem Rücken ein Pferd. Hörspiel , Theorie und Praxis.

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ihm stand , seine Macht war der Geist , das Genie , die körperlose Gewalt , der sich die Heere ebenso wie die Herrscher unterordneten.“673 Um eine breite Leserschaft zu erreichen , setzte er – vielleicht sogar unbewusst – Prinz Eugen in Analogie zu einer ( faschistoiden ) Führergestalt , die in Italien mit Mussolinis und in Deutschland mit Hitlers massengestütztem Aufstieg im Kommen war. Die Ankündigung des Zsolnay Verlages versprach den österreichischen Lesern „das abenteuerlich erregende Leben eines Genies , des Retters des von Ost und West schwer bedrohten Vaterlandes“.674 Ende Juni 1933 ergänzte Paul Frischauer seine Darstellung durch ein „Charakterbild“ des bibliophilen Eugen im Wiener und Breslauer Rundfunk.675 – Prinz Eugen war der Held der Stunde. In der performativen Wiederauferstehung des Prinzen konnte sich jeder einen Menschen evozieren , der im historisch schwierigen Augenblick seine Zukunftshoffnungen legitimierte. Angesichts der zu Macht und Ansehen aufsteigenden Nationalsozialisten im deutschen Nachbarland konnte er den Österreichern zum „Retter des bedrohten Vaterlandes“ wachsen. Wie sehr diese Sicht den Nerv der Zeit und die staatspolitischen Interessen traf , zeigt der persönliche Empfang des „Prinz-Eugen-Biographen beim Bundespräsidenten und beim Bundeskanzler“.676 Der österreichische Held , der „dem Staat diente ohne eigenes Inte­ resse“677 , war somit für fast alle politischen Richtungen als Legitimationsfigur einsetzbar. Er konnte „ebenso gut für Habsburg und das katholische Abendland wie für das Deutschtum gen Osten reiten“.678 Auch für die Österreich-Ideologie der Nachkriegsjahre war Prinz Eugen verfügbar. In diesem Sinne inspirierten Türkenfeier und Prinz-Eugen-Gedenken 1933 noch fünfzehn Jahre später den Sozialdemokraten und Mitverfasser des Filmdrehbuches 1.  April 2000 , Rudolf Brunngraber ( 1901–1960 ), zu einer „Türken-Feier“ im Belvedere in seinem Roman Der Weg durch das Labyrinth ( Wien 1949 ). 673 Paul Frischauer , Ein Bibliophile : Prinz Eugen ! In : Berliner Tagblatt , 22. 2. 1933 , zit. nach Prutsch /  Zeyringer ( 1997 ), S.  93. 674 Werbeeinschaltung des Paul Zsolnay Verlages im Prinz Eugen Führer ( 1933 ). 675 Paul Frischauer : Prinz Eugen. Ein Charakterbild. Vorlesung am Freitag , 30. Juni 1933 , in : Radio Wien 39 ( 1933 ). 676 Wiener Allgemeine Zeitung , 19. Mai 1933. 677 Prinz Eugen Führer ( 1933 ), S. 5. 678 Jarka ( 1981 ), S. 514.

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„Mit Geschichte will man etwas“, fasste Alfred Döblin die literarische Auseinandersetzung mit historischem Faktenmaterial zentral in seinem Essay Der historische Roman und wir ( 1937 ) zusammen. Geschichte wird zum „verfügbaren Material des Autors“; was für den historischen Roman gilt , gilt gleichermaßen für das historische Drama. Mit dem Unterschied , daß auf der Bühne – anders als in der Literatur – Prinz Eugen zusätzlich materialisierte Gestalt erhielt. Oswald Redlich hatte ihn für die Ausstellungsbesucher historisch getreu als „häßlich“ beschrieben : er war klein und schmächtig , mit seiner zu kurzen Oberlippe , welche die Zähne sehen ließ , seiner etwas aufgestülpten Nase , durch Tabakschnupfen noch mehr verunschönt , geradezu häßlich. Nur das schwarze Auge strahlte Geist und Feuer.679

Und auch Paul Frischauer weist darauf hin , daß Eugens Häßlichkeit so sprichwörtlich war , dass die zeitgenössischen Künstler sie idealisierten oder dem zeitgenössischen Schönheitssinn anpassten ; sie mussten ein vorsichtiges ( sic ! ) Kompromiß zwischen ihrem Gewissen und der Wirk­lich­ keit schließen. [ … ] Der zunehmende Mythos um den Prinzen Eugen begehrte für die Darstellung des Erhabenen ein immer gefälligeres Gesicht : der historische Ruhm schuf willigere Zeichenstifte und Pinsel.680

Der gleiche Vorgang der Entpersönlichung , den die bildende Kunst durch Berufung auf einen Gesichtstypus vornahm , vollzog auch die Bühne. Dort musste man mit der Besetzung der Titelrolle jeweils eine Entscheidung treffen , wollte man die historische Ähnlichkeit oder doch lieber eine Idealgestalt auf die Bühne stellen. Alle Inszenierungen entschlossen sich für die Idealisierung. 1865 und 1883 stand der Theatertext dem auch nicht entgegen ; weder Weilen noch Greif boten eine Beschreibung der Rollengestalt. Und in Lewinskys Darstellung , den man 1865 als „Revenant“, als Wiedergeburt der historischen Gestalt empfunden hatte , erkannte das Publikum auch 1880 seinen Helden. Als 1914 nach Lewinskys Tod , bei der Wiederaufnahme 679 Prinz Eugen Führer ( 1933 ), S. 4. 680 Frischauer ( 1933 ), S. 14.

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des Weilen’schen Festspiels Albert Heine ( 1867–1949 ) die Rolle übernahm , lehnte das Publikum seine Darstellung weitgehend ab. 1918 beschrieb Terramares Regieanweisung den 60-jährigen Prinzen erstmals als „klein und untersetzt“681. Und Max Devrients von seiner eigenen Körpergröße ausgehende Darstellungskunst befriedigte das Publikum weitgehend.

Abb. 55 Ewald Balser als Prinz Eugen im historischen Schauspiel von Hans Sassmann. Burgtheater 1933. Zeitgenössische Photographie.

Hans Sassmann beschrieb Prinz Eugen 1933 „mit seinem überlangen Kopf und seinen vorstehenden Zähnen“ als „Erscheinung von fast komischer Hässlichkeit“, dem er jedoch „schwarze zauberische Augen“ zubilligte.682 Ewald Balser , der der historischen Genauigkeit des Autors misstraute , beschäftigte sich ausführlich mit der darzustellenden Person , und stellte fest , 681 Terramare ( 1916 ), S. 123 f. 682 Sassmann ( 1933 ), S. 21.

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dass der „große Prinz Eugen“ körperlich nur 1,60 m klein war. Wie sollte er , der 1,80 Meter groß war , diese Rolle verkörpern ? Sassmann riet ihm ungerührt , den Prinzen Eugen eben „klein [ zu ] spielen“. 683 Balser versuchte dem dadurch gerecht zu werden , dass er , den Kopf vorne leicht übergebeugt , seinen Blick von unten her führte. Auf der feuchtfröhlichen Premierenfeier auf seine mangelnde Charakterfestigkeit angesprochen , erwiderte Sassmann : Was brauch ich einen Charakter , ich hab doch eh a Weltanschauung !“684

Abb. 56 Lisl Weil , Ewald Balser als Prinz Eugen in Hans Sassmanns historischem Schauspiel. Burgtheater 1933. Zeitgenössische Karikatur in Die Stunde.

Hans Sassmann Der mit Bearbeitung historischer Stoffe seit Ende der zwanziger Jahre erfolgreiche „Historienschreiber des Burgtheaters“685 Hans Sassmann ( 1882– 683 Cerha ( 2004 ), S. 101. 684 Cerha ( 2004 ), S. 101. 685 Neue Freie Presse Morgenblatt 24692 , 11. Juni 1933 , S. 1 – Seit 1920 standen seine Dramen auf dem Spielplan des Burgtheaters. Besondere Erfolge feierter mit sei-

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1944 ) hatte im Auftrag des Justiz- und Unterrichtsministers Kurt Schuschnigg ( 1897–1977 ) einen dem Anlass entsprechenden Bühnentext verfasst.686 Im Frühjahr 1933 war seine Bearbeitung von Mussolinis Napoleondrama Hundert Tage mit Werner Krauß in der Rolle Napoleon I. erfolgreich über die Bühne gegangen. Der dritte Akt war auf Veranlassung von Burgtheaterdirektor Hermann Röbbeling ( 1875–1949 ) im österreichischen und italienischen Rundfunk ausgestrahlt worden , um auch Mussolini einen Eindruck der Aufführung zu vermitteln.687 Werner Krauß war als Napoleon „die Sensation dieses Burgtheaterabends“.688 Mussolini verlangte daraufhin , die Hundert Tage in der Burgtheateraufführung zu sehen und lud das Theater für ein Gastspiel nach Italien ein.689 Mitte Juni flog Werner Krauß zu einem persönlichen Empfang zu Mussolini nach Rom.690 Wie schon Frischauer in seinem Roman , so hatte auch Sassmann dem Helden „die Ritterrüstung ausgezogen , in der er [ auch auf dem Heldenplatz ] paradierte.“ 691 Frischauers Prinz Eugen fehlte „jedes private und erotische Schicksal“.692 Charakterliche Unfehlbarkeit stand im Zentrum der Darstellung.693 „Während Frischauer zwar eindeutig gegen den Nationalsozialismus Partei ergriff , waren seine Berührungsängste gegenüber faschistischen Diktaturen [ wie bei den meisten bürgerlich-liberalen Schriftstellern ] äußerst gering.“694 Der ministerielle Auftrag und die Rener Österreich-Trilogie Metternich ( 1. 10. 1929–26. 2. 1932 , 73x ), Haus Rothschild ( 10. 1. 1931–22. 1. 1932 , 27x ) sowie 1848 ( 7. 12. 1932–5. 11. 1933 , 35x ). Seinem Prinz Eugen ließ Sassmann noch ein historisches Schauspiel zu Maria Theresia und Friedrich II. ( 10. 3. 1934–7. 12. 1934 , 18x ) folgen. 686 Wiener Sonn- und Montagszeitung 24 , 12. Juni 1933 , S. 9. 687 Wiener Allgemeine Zeitung , 29. April 1933. 688 Die Stunde 3036 , 25. April 1933 , S. 6. 689 Die Stunde 3039 , 28. April 1933 , S. 6. 690 Die Stunde 3075 , 13. Juni 1933 , S. 6. 691 Brief Stefan Zweig an Paul Frischauer , Arosa 1. Dezember 1932. zit. nach Prutsch / Zeyringer ( 1997 ), S. 91. 692 Brief Stefan Zweig an Paul Frischauer , Salzburg 24. März 1933 , zit. nach Prutsch / Zeyringer ( 1997 ), S. 91. 693 Frischauers Roman erschien auch in London , New York , Stockholm und Paris. Vor allem englische Rezensenten wiesen auf diesen Umstand hin. Prutsch /  Zeyringer ( 1997 ), S.  97 f. 694 Prutsch /  Zeyringer ( 1997 ), S.  95.

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zeption der Premiere des historischen Schauspiels Prinz Eugen von Savoyen als Festaufführung etikettierten Sassmanns Drama als austro-faschistische „Staatsauftrags-Arbeit“. Wie alle in den dreißiger Jahren erschienenen Werke über Prinz Eugen war auch Sassmanns historisches Schauspiel vom Standpunkt der Verwirklichung der „großdeutschen Politik“ geschrieben. Während das Drama , vor allem in der Aufführung am Burgtheater , durch seine Uneindeutigkeit für das Publikum mehrere Identitätsangebote bereithielt , äußerte sich Sassmann in Interviews ganz eindeutig in Bezug auf ein großesdeutsches Reich : in Parallelführung des Westfälischen Friedens mit den Versailler Verträgen nach dem Ersten Weltkrieg , die als Knebelverträge abgelehnt wurden , galt ihm Prinz Eugen als ein fanatischer Deutscher [ … ], der mit einer Vehemenz , [ … ], den Kampf um den Reichsgedanken führte , [ und hoffte ] das durch den Westfälischen Frieden zertrümmerte Deutsche Reich dadurch wieder zu einer Einheit [ zu ] bringen , daß er Österreich und Deutschland einen gemeinsamen großen Kampfgedanken gab , der Brandenburger , Sachsen , Bayern und die Deutschen Österreichs zwingen sollte , nach der Zerrissenheit des Reiches im Dreißigjährigen Krieg und über die religiöse Spaltung hinweg wieder unter einer gemeinsamen Fahne zu fechten. Dieser große gemeinsame Kampfgedanke war die Idee der Ausdehnung Österreichs und Deutschlands nach dem Balkan. Eugen ist also der Begründer der germanischen Balkanpolitik. Der Besitz Belgrads galt ihm als Lebensfrage für das Reich und die Habsburgermonarchie. 695

Stolze keusche Scheu vor allem, was sich Tatsachen nennt Sassmann schildert Prinz Eugen als unbeeinflussbaren , einzelkämpferischen und willensstarken Mann der Tat , der sein Tun im Einklang mit dem Kosmos sieht : „Taten haben ein stummes Leben. Doch sie allein füllen den leeren Raum der Zeit mit Sinn !“696 Ihm diametral gegenüber stellt er den Habsburger Karl VI. der handlungsresistent ist und Interesse nur an der Komposition seiner neuen Oper zeigt. Dieser empfindet die „mensch695 Wiener Sonn- und Montagszeitung 24 , 12. Juni 1933 , S. 9. Hervorhebungen im Original. 696 Sassmann ( 1933 ), S. 145.

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liche Tatkraft als das furchtbarste Geschenk , das die Natur uns gegeben. [ … ] Nur was ruht ist groß. Die Größe des Menschen kommt nicht aus der Tat.“697 Umgeben von den Anhängern des gegen Frankreich geführten Erbfolgekrieges träumt er mit ihnen vom einstigen Glanz der spanischen Krone. Prinz Eugen ist Mathematiker und Stratege und glaubt an Weltbeherrschung durch die „Schönheit der Strategie“, Karl VI. hingegen glaubt an Weltentsagung in der Musik. Dem Wunsch , sich aus allem heraushalten , neutral bleiben zu können , hält Prinz Eugen das „uralte Kriegsgesetz“ entgegen : Wenn man mit seinem Gebiet zwischen zwei Gegnern liegt und neutral bleibt , wird man vom Besiegten als Urheber seiner Niederlage gehasst und vom Sieger als Schwächling verachtet. Und schließlich von beiden angegriffen. [ … Die Monarchie und die Fürsten Deutschlands ] flankieren zwei feindliche Mächte , Frankreich und die Türkei. Wir müssen notgedrungen auf einer Flanke Frieden halten. Wendet Habsburg als das Haupt des Reiches seinen Kopf nach Westen , muss seine Politik notwendig schwankend sein [ … ] Halten wir im Westen Frieden und werfen uns mit aller Kraft auf die Osmanen , dann bekommt unsere Politik mit einem Schlag eine feste Richtung : die Strasse nach der Mündung des Stromes , an dessen Ufer wir durch Schicksalsmacht geworfen wurden. Auf unserem Wege nach dem schwarzen Meer , müssen uns ganz Europa , müssen uns unsere Feinde auch gegen ihren Willen folgen , denn wir erfüllen auf diesem Wege eine europäische , eine weltgeschichtliche Mission. 698

Wie Hofmannsthal bereits zwanzig Jahre zuvor legitimiert auch Sassmann die politischen Anliegen seiner eigenen Gegenwart , indem er Prinz Eugen zum Sprecher eines Großmacht-Denkens und der Expansion nach Osten entlang der Donaulinie macht. Sassmanns Prinz Eugen argumentiert , zwei Jahre vor der Schlacht bei Belgrad , den Türkenkrieg als östliche Mission und Kolonialisierungsprojekt. Er spricht vom „österreichischen Fernblick“ 1715 und meint die deutschnationalen politischen Vorstellungen der 1930er Jahre :

697 Sassmann ( 1933 ), S. 131. 698 Sassmann ( 1933 ), S. 116–119.

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IX. Vom Ständestaat in die Zweite Republik Österreich muss trachten , eine östliche Macht zu werden. Die Donau ist die Ader , die allein den vielen Völkersplittern an ihren Ufern den tätigen Impuls gibt , sie von der Notwendigkeit ihrer staatlichen Existenz überzeugt. Die Geistesflammen westlicher Welt , die müssen wir , allein wir , auf der Spitze unserer Degen nach Osten tragen [ … ] Österreich braucht den Fernblick durch das Tor von Levante.699

Abb. 57 Hans Sassmann , Prinz Eugen von Savoyen. Theaterzettel der Premiere im Burgtheater am 10. Juni 1933. Vierzehn Vorstellungen bis 3. September 1933.

Nationales Denken war im 18. Jahrhundert gänzlich territorialen Überlegungen untergeordnet. Dem Denkhorizont des 20. Jahrhunderts folgend , 699 Sassmann ( 1933 ), S. 28.

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Stolze keusche Scheu vor allem, was sich Tatsachen nennt

lässt Sassmanns Prinz Eugen immer wieder nationale Stereotypen und Anspielungen auf seine Gegenwart einfließen : Prinz Eugen liebe die „Deutschen , weil sie das einzige Volk der Welt sind , das unaufhörlich irrt und seine Irrtümer ergebener büßt als andere Völker“.700 Die Reparationszahlungen , die Deutschland seit dem Friedensvertrag von Versailles zu leisten hatte , galten als Hindernis , das Land nach dem Weltkrieg wirtschaftlich wieder aufzubauen ; mehr als ökonomisch trugen sie jedoch politisch zur Instabilität der deutschen Demokratie bei. Der Reichsbegriff des Sassmann’schen Prinz Eugen gleitet bewusst oszillierend vom [ Heiligen Römischen ] Reich deutscher Nation zum [ deutschen ] Reich der Zwischenkriegszeit. Verklausulierte großdeutsche Anspielung ist auch die „deutsche Mode“, die verbotenen „weißen Strümpfe“; weiße Strümpfe galten als Erkennungszeichen der Edelweißpiraten , einer NS-oppositionellen Jugendgruppe. Bei Sassmann führt Prinz Eugen seinen Krieg mit der Unterstützung Freiwilliger „aus halb Europa“: „Das Reich will den Feldzug nach Frankreich nicht. Man weiß , dass er nur habsburgischen Interessen dient und den spanischen Tellerleckern am Wiener Hof. [ … ] In Deutschland gilt der Krieg um Spanien nicht als Reichskrieg.“701 Die Anhänger der „spanischen Partei“ und deren Fürsprecherin Gräfin Althan als Geliebte des Kaisers nutzen ihre Nähe zum Kaiser , um die Pläne des Prinzen Eugen zu hintertreiben. Auch der Hofkriegsrat unterstützt den Feldzug gegen Spanien. Durch die Unschlüssigkeit des Kaisers , Entscheidungen zu treffen , suchen die spanischen Anhänger Mittel und Wege , den Prinzen Eugen zu kompromittieren. Ihre Anschuldigungen klingen allerdings wie Lobeshymnen : „er ist ein Meister der Politik und trotzdem ein ehrlicher Mann“, „von Kriegen umzuckt [ ist er ] wie ein Halbgott durch unseren Erdteil gegangen“, „Volk und Heer vergöttern den Savoyer“. Sie erwägen , ihn gegen die Türken ziehen zu lassen und ihm dann den Nachschub abzuschneiden. Oder ihm eine Frau zu „attachieren , die ihn sich gefällig macht“. Schließlich entwendet Gräfin Althan , die Zugang zu den kaiserlichen Gemächern hat , aus dem Tresor den Geheimvertrag mit Venedig , dem Bundesgenossen gegen die Türken und spielt eine Abschrift dem türkischen Sultan zu. Der dem Kaiser hierzu heimlich 700 Sassmann ( 1933 ), S. 60. 701 Sassmann ( 1933 ), S. 59.

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IX. Vom Ständestaat in die Zweite Republik

gestohlene Schlüssel soll den Prinzen kompromittieren , da nur er und der Kaiser Zugang zum Tresor hätten. Prinz Eugen soll wegen Hochverrat angeklagt werden. Unerwartet gibt der Kaiser ( im Hofkriegsrat , der nach Kritikermeinung besten Szene des Stücks ) seinen Widerstand auf und nimmt es auf sich , durch seinen Geheimagenten dem Sultan den Vertrag zur Kenntnis gebracht zu haben. Prinz Eugen erhält den Befehl , den Krieg gegen den Sultan zu führen. Später gesteht Karl VI. , dass er müde war , sich dem Prinzen , der gleichsam einer Naturgewalt gegen ihn anstürmte , zu widersetzen. Konsequent trennt er sich auch von Gräfin Althan , denn Spanien war für ihn ein Traum , in den er sich geflüchtet hat vor den „verhassten Projekten des Eugen“.

Abb. 58 Hans Sassmann , Prinz Eugen von Savoyen. Burgtheater 1933. Szene im Hofkriegsrat. Von links nach rechts : Graf Althan ( Hans Wengraf ), Don Perlas ( Paul Pranger ), Don Anderaz ( Wilhelm Heim ), Prinz Eugen ( Ewald Balser ), Graf Hohenfeld ( Hermann Wawra ), General Heister ( Franz Herterich ).

Nach gewonnener Schlacht öffnet Prinz Eugen jenen Brief , den er am Vorabend der Schlacht erhalten und ungeöffnet weggesteckt hatte. Das Motiv des aus der Situation geborenen Ungehorsams , das bereits Anton Langer und Martin Greif in ihren Dramen verarbeitet hatten , wird bei 316

Stolze keusche Scheu vor allem, was sich Tatsachen nennt

Sassmann zur schlauen Kalkulation dessen , der besser weiß , was zu tun ist. Denn dem kaiserlichen Befehl , das Lager vor Belgrad abzubrechen , könne er nach „Vernichtung der Türkenarmee und Eroberung Belgrads“ nicht mehr folgen. Ich frage mich oft , warum ich dieses Land liebe. Jetzt weiß ich mir die Antwort. Weil hier so eine stolze keusche Scheu vor allem herrscht , was sich Tatsachen nennt. Man hält die Dinge in ihrem Gang auf und bringt sie so dahin , dass sie rein von allem menschlichen Tun , und daher auch befreit von allem menschlichen Irrtum , so geschehen , wie es ihre Natur erzwingt , ( er lächelt ) von selbst !702

Bewusst hält Sassmann das Ende offen. Der anschwellende Chor der PrinzEugen-Fanfaren beendet die Aufführung. Reichtum der Kostüme und zwölf wiedererkennbare prunkvolle Schauplätze , im „echt österreichischen“ Barock blendeten das Publikum. Die Bühnenbilder Remigius Geylings überboten einander an Schönheit und Wirklichkeitstreue.703 „Im Fundus des Burgtheaters ist noch immer Öster­ reich.“704 Daneben erzeugten auch die bekannten Prinz-Eugen-Zitate Konsens : Prinz Eugen als Diener dreier Kaiser ( „Leopold war mein Vater , Joseph ein Bruder , und Kaiser Karl VI. ist mir ein Herr“ ), als „Mars ohne Venus“ und der Hinweis auf die bewusste Trennung von Staatsetat und Kriegskasse ( seit dem Wallensteiner ist es „Prinzip des Hofes , den Degen und den Geldbeutel nie mehr einem in die Hand zu geben“ ) um ihn in höfischer Abhängigkeit zu halten. Gleich in der ersten Szene , in der der Kaiser mit seiner Frau öffentlich speist , ironisierte Sassmann das überfeinerte spanische Hofzeremoniell in der geheimen Ratsstube. Jeder Teller durchwandert 24 Hände , bevor er aufgetragen wird. Ein kleiner Fehler bringt das wie ein Ballett still ablaufende Geschehen jäh ins Stocken. Als Kontrast wollte Sassmann das Publikum nach der Pause mit den Vorgängen im Palast des Sultans in Konstantinopel konfrontieren ; wüste Verwünschungen auf den „Sultan der Deutschen“ und Zornausbrüche sollten auf das Bekanntwerden des Ge702 Sassmann ( 1933 ), S. 155. 703 Reichspost 160 , 11. Juni 1933 , S. 2–3. 704 Die Stunde 3075 , 13. Juni 1933 , S. 6 ( Siegfried Geyer ).

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heimvertrags mit den Venezianern folgen. Treuebruch , Missbrauch des Ver­trauens und „Tücke gegen die glückselige Pforte“ waren die milderen Be­schimpfungen : „Sie kennen in der Politik kein Sittengesetz an , [ … ] und kein Walten des Herzens , sie folgen nur blind dem Zweck.“ – „Ich weiß [ … ] dass für die Christen die Kunst der Politik darin besteht , zur rechten Zeit zu lügen.“705 Die Türken , Achmed III. , Dama Ali , Murad Chan , die diese blumigen Orientalismen spannen , wurden allerdings für die Aufführung gestrichen. 706 Dazwischen mengte Sassmann mit der Stimme des Prinzen Eugen Kritik am Staatswesen und unterminierte damit subkutan die Staatstreue : „Man macht in Österreich zuviel Musik. Man verleumdet , heuchelt , meuchelt und alles wird Musik. [ … ] Man wendet bei uns immer sehr viel Scharfsinn , Zeit und Eifer auf , um etwas nicht zu tun , was mit halber Mühe leicht getan wäre.“ Besser wäre es gewesen , den Mut aufzubringen , „mit der Armee zuerst gegen Wien zu marschieren um den gesamten Hofkriegsrat aufzuknüpfen , und dann erst an den Feind zu gehen , der für Österreich seit jeher weniger gefährlich war , als seine Kriegshofräte und Minister. [ … ] Seit Jahrhunderten arbeiten nämlich seine Räte und Minister an seinem Untergang. Und haben ihren Zweck noch immer nicht erreicht.“707 Während die deutschnationale Reichspost sich dadurch in ihrer eigenen Meinung bestätigt fühlte : dass „in Österreich jeder aufrechte Mann [ … ] gar so große Mühe hat , sich durchzusetzen , und daß seine gefährlichsten Feinde nicht draußen auf den Schlachtfeldern stehen , sondern hinter den kaiserlichen Türen lauern“708 wurden vom liberalen Premierenpublikum vor allem jene selbstironischen , wienerisch „humorige[ n ] Worte , [ die ] Bonmots über Österreich“ des Fürsten Trautson positiv rezipiert : „Uns Österreichern glaubt man alles , weil wir noch nie unsere Gegner betrogen haben , ohne daß sie den Nutzen und wir den Schaden davon g’habt haben …“ 709 Der Standort des Betrachters relativierte jeweils die Österreichkritik. 705 Sassmann ( 1933 ), S. 81. 706 Neues Wiener Tagblatt 159 , 11. Juni 1933 , S. 2–3. 707 Sassmann ( 1933 ), S. 96 , 98 , 124 , 125. 708 Reichspost 160 , 11. Juni 1933 , S. 2–3. 709 Neues Wiener Tagblatt 159 , 11. Juni 1933 , S. 2–3.

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Karl VI. oder Prinz Eugen

In Sassmanns Historiendrama stehen einander zwei Prinzipien gegenüber. Vor dem Hintergrund der politischen Situation nach dem Weltkrieg repräsentierte der tatkräftige Prinz Eugen das neue Deutschland ; der tatenverweigernde Habsburger Karl VI. das kleine Österreich. „Ein Staat der seine Zukunft der Gegenwart zum Opfer bringt , verzehrt sein Lebenskapital“, ermahnt Prinz Eugen den Kaiser.710 Die Tat muss vollbracht werden , will man dem „Fluch künftiger Jahrhunderte“ entgehen.711 Dieser Prinz Eugen mahnt seine politischen Gegner , wenn er nicht „gegen die Türken zieht“, fegt das nächste Jahrhundert „dieses Reich hinweg und mit ihm Deutschland“. Die Handlung auf der Bühne im Kostüm des 18. Jahrhunderts meinte nichts anderes als das 20. Jahrhundert , die Gegenwart der im Theater Versammelten. Der Kaiser auf der Bühne versuchte , den Kriegsauftrag durch brieflichen Befehl zu widerrufen. Prinz Eugen hatte zum Zeitpunkt , als er den Brief öffnete , die Schlacht allerdings bereits gewonnen : es bliebe dem Kaiser offen , das Kriegsgericht anzurufen oder sich auf die Seite des Siegers zu stellen. Nicht zu handeln , lässt die Dinge eben auch geschehen. Die österreichische Politik hatte sich für eine isolierte ständestaatliche Position entschieden. Sich dem wirtschaftlich aufsteigenden Deutschen Reich anzunähern , blieb dennoch diskursfähig. Je nach persönlicher Positionierung gelang es den Menschen im Theater , sich entweder mit dem Habsburger Karl VI. ( Österreich ) und /  oder Prinz Eugen ( dem „besseren deutschen Staat“ und /  oder Deutschland ) zu identifizieren.

Karl VI. oder Prinz Eugen Die Rezensionen der Tageszeitungen bilden die Diskursmilieus in der Beurteilung der beiden Protagonisten ab. Grundsätzlich wurde das historische Drama als „theatralische Prinz Eugen-Ausstellung neben der idyllischen des Belvederes“712 , als „glänzendes Bühnen- und Trachtenbild neben der gleichnamigen Jubiläumsausstellung“713 zumeist wohlwollend aufgenommen. Es befriedige „die Sehnsucht nach der großen Vergangenheit 710 711 712 713

Sassmann ( 1933 ), S. 60. Sassmann ( 1933 ), S. 51. Wiener Zeitung 135 , 13. Juni 1933 , S. 11–12. Neue Freie Presse Morgenblatt 24692 , 11. Juni 1933 , S. 1–3 ( Raoul Auernheimer ).

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dieses Landes , [ die ] in jedem österreichischen Menschen lebt“.714 Allerdings gab es auch kritische Stimmen , die es als „Persiflage österreichischer Geschichte“ empfanden und als Missgriff beurteilten in einer Zeit , in der das Publikum rückwärtsgewandt „den konservativen Gedanken , die Tradition wieder zu schätzen beginnt“.715 Auch die Hüter der Burgtheatertradition lehnten es ab : „Unter der Leitung eines Österreichers , der wohl etwas von Dichtung und Österreich verstand , unter Anton Wildgans wäre dieses Stück nicht in die Burg gekommen.“716 Als „interessanteste Figur dieses Schauspiels“ galt dem Publikum denn auch nicht Prinz Eugen , sondern Karl VI. „der ( bei Saßmann ) sein Herrscheramt als echter Künstler verwaltet , [ … ] der weiß , daß nur die drückende Verantwortung des Monarchen ihn daran hindert , sein Reich in ein Paradies zu verwandeln , der vor jedem Entschluß zurückschreckt : nicht aus Schwäche , sondern in qualvoller Ungewißheit über die möglichen Folgen“.717 Ein „Philosoph in spanischer Tracht“, der das Publikum auch an Grillparzers Rudolf II. erinnerte , ein „musischer Denker [ … ] gefühlhaft bis zum Widerspruch , ein Mensch , der den Entschluß als Rohheit empfindet , der seine Gedanken schließlich zerdenkt und ein indisches Traumschweben des Geistes im Raum liebt“.718 Der jede Tat „haßt , verachtet und dennoch geschehen läßt , indem er sie zugleich verhöhnt und bedauert“.719 Raoul Aslan ( 1886–1958 ), der „Spezialist der komplizierten Habs­burger­ seele“720 spielte diesen musikalischen Habsburger „mit der gewissen lässigen Grazie , mit der seignoralen Welt- und Menschenverachtung eines Herrschers , dem das Melos wichtiger ist als das Ethos , der wirklich die tiefsten Beweggründe aller Menschenhandlungen kennt : Eigennutz und Bosheit.“721 Vom „Geistesgipfel des Burgtheaters“ zeigte er Karl VI. „fürstlich knapp und einsam [ … ] abweisend und [ … ] unvergleichlich und unnachahmlich in der sanften Wucht , mit der er lautlos zündende Worte 714 Neues Wiener Journal 14207 , 11. Juni 1933 , S. 25. 715 8 Uhr Blatt , Abendausgabe der Neuen Zeitung 10 , 12. Juni 1933 , S. 4. 716 8 Uhr Blatt , Abendausgabe der Neuen Zeitung 10 , 12. Juni 1933 , S. 4. 717 Neues Wiener Journal 14207 , 11. Juni 1933 , S. 25. 718 Neues Wiener Tagblatt 159 , 11. Juni 1933 , S. 2–3 ( Ernst Decsey ). 719 Wiener Zeitung 135 , 13. Juni 1933 , S. 11–12. 720 Die Stunde 3075 , 13. Juni 1933 , S. 6. 721 Neues Wiener Journal 14207 , 11. Juni 1933 , S. 25.

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Karl VI. oder Prinz Eugen

fallen läßt.“722 Seine „umschatteten“ Worte ließen das Publikum aufhorchen , da sie „mit naiver Treffsicherheit“ die eigene Verfasstheit anklingen ließen , die „angeborene und eingefleischte Wirrnis der Gefühle wie der Entscheidungen“, die „Schwermut der Kleingläubigkeit“, die „träumerische unerbittliche Bosheit“, die „erfinderische Verliebtheit in die Kabbala schöpferischen Nichtstuns“.723 Alle jene im Publikum , die in Karl VI. ihre Identifikationsfigur gefunden hatten , lehnten Prinz Eugen ab. Er „der eine Denkmalfigur hätte werden sollen“ erschien als blasse „Lesebuchfigur“, auf die kriegerischpolitische Sphäre beschränkt. Weder der große Bauherr , noch der Freund der Musen und Schätzer Leibniz’ war zu sehen. Verglichen mit Kaiser Karl schien Prinz Eugen nicht „lebendig“; „Er tritt dem Kaiser frei und fürstlich entgegen , er sagt den Herren im Hofkriegsrat ein paar unverblümte Grobheiten und er gewinnt die Schlacht bei Belgrad gegen ausdrücklichen kaiserlichen Befehl und die bessere Einsicht seiner Generale.“ 724 Die „Schicksalserwähltheit“725 , das „volle Genieformat“ 726 ging ihm jedoch ab. „Sakrosankte Führerschaft“ blieb ungespielt. Der Mythos blieb jenseits der historischen Wahrheit und daran anschließender Wiedererweckungsversuche unbeleg- und erneuerbar. „Der Name des Savoyers birgt eine Illusion , die weder Wirklichkeit der Geschichte noch die Burgtheaterdarstellung erfüllt haben“.727 Manche Rezensenten erwähnten die Hauptfigur und ihren Darsteller nicht , andere lobten besonders Karl VI. , der „durch Aslans Kunst [ zu einem ] anziehenden , geistigen Menschen glaubwürdig , ja sogar überhistorisch“ geworden war.728 So wäre es in der Publikumsrezeption beinahe ein Kaiser-Karl-Stück geworden ; aber Ewald Balsers „olivbrauner Eugenio , der die weiße Haut von Wiener Gräfinnen schätzt und der aus Mangel an deutschem Blut alles Deutsche verehrt , behält das letzte Wort.“729 Er führt jenen „gar 722 Wiener Allgemeine Zeitung , 13. Juni 1933 , S. 5 ( Ludwig Ullmann ). 723 Wiener Allgemeine Zeitung , 13. Juni 1933 , S. 5. 724 Neue Freie Presse Morgenblatt 24692 , 11. Juni 1933 , S. 1–3. 725 Die Stunde 3075 , 13. Juni 1933 , S. 6. 726 Wiener Allgemeine Zeitung , 13. Juni 1933 , S. 5. 727 Die Stunde 3075 , 13. Juni 1933 , S. 6. 728 Neues Wiener Extrablatt 1600 , 13. Juni 1933 , S. 7. 729 Neues Wiener Tagblatt 159 , 11. Juni 1933 , S. 2–3.

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nicht tragische[ n ] Abschluß [ von ] heiterer , echt wienerischer Anmut“ herbei und der Ausklang in das „spontan improvisierte Lied von ‚Prinz Eugen dem edlen Ritter‘ erweckt heute begreiflicherweise stürmische Begeisterung.“730 Dank des Liedes vom edlen Ritter war die „Heimatfront der Herzen“ gebildet und Jubel brauste durch die kaiserlichen Prunkräume des Burgtheaters.731 Prinz Eugens Anhänger priesen seine „Einmaligkeit in Österreich , einen zweiten Eugen hat es nicht gegeben , und seiner Eroberung von Belgrad folgte kein österreichischer Triumphzug nach dem Schwarzen Meer. Leider nicht.“732 Verglichen mit Karl VI. machte er die „weit klügere [ … ] österreichische Politik“: Belgrad nehmen , den Türken hauen und ans Schwarze Meer gehen. „Österreich muß das Tor nach dem Osten forcieren.“733 Besser „als die meisten Österreicher [ erfasste er ] die große Kulturmission“, „die Sendung Österreichs“.734 In der Audienzszene stellte er „einen kernhaften Kerl“ dem Thron gegenüber. Einen Soldaten , „der soldatisch denkt und der wie Napoleon alle Kriegsbureaukraten haßt“. Als „Projektemacher“ erinnerte er das Publikum an Franz Josephs Stellung zu Conrad. – Generaloberst Franz Freiherr Conrad von Hötzendorf ( 1852– 1925 ) war seit 1906 auf Vorschlag des Thronfolgers Franz Ferdinand Chef des Generalstabes und als solcher einzig Kaiser Franz Joseph als Oberbefehlshaber der Armee unterstellt gewesen. Von seinen Anhängern wurde er als größter Feldherr seit Prinz Eugen bezeichnet. – Jene im Publikum , die sich nach „frischerer kriegerischer Luft“ sehnten , betrübte , dass er sich erst im 4. Akt durchsetzen konnte.735 Und dass er in eine „Weiberintrige , die seiner Größe nicht würdig ist“, verwickelt wurde , wurde Sassmann ebenso negativ verbucht.736 Ewald Balser ( 1898–1978 ) spielte Prinz Eugen ; weder die Differenz der Erscheinung zwischen Schauspielerpersönlichkeit und Rolle noch der große Altersunterschied zwischen dem Prinzen und seinem Kaiser ( Balser war 730 Neues Wiener Journal 14207 , 11. Juni 1933 , S. 25. 731 Neues Wiener Journal 14207 , 11. Juni 1933 , S. 25. 732 Neues Wiener Tagblatt 159 , 11. Juni 1933 , S. 2–3. 733 Neues Wiener Tagblatt 159 , 11. Juni 1933 , S. 2–3. 734 Reichspost 160 , 11. Juni 1933 , S. 2–3. 735 Reichspost 160 , 11. Juni 1933 , S. 2–3. 736 Neues Wiener Tagblatt 159 , 11. Juni 1933 , S. 2–3.

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Karl VI. oder Prinz Eugen

12 Jahre jünger als Aslan ; Prinz Eugen um 22 Jahre älter als Kaiser Karl VI. ) beeinträchtigten für das Publikum die Glaubwürdigkeit der Darstellung. Auf der Bühne ordneten Kostümierung und Allongeperücke die Rollengestaltung dem barocken Code unter. Ein Szenenbild der Aufführung zeigt den Prinz-Eugen-Darsteller Ewald Balser in Größe und Gestalt allen anderen ebenbürtig , nur sein Ausdruck machte ihn als Protagonisten erkennbar. Balser schuf eine „Figur aus einem einzigen , herben , männlichen Guß“. Sein Eugen war „eine würdige brave gerade Mannesgestalt , jede Bewegung einfach , nobel , die Rede besonders eindrucksvoll in der Entrüstung , freundlich , schlicht in der galanten Konversation.“737 Und das alles „obgleich weder Gestalt noch Wesen auch nur annähernd an den Savoyer erinnern.“738 „Den kleinen knochigen Feldherrn mit der langen Oberlippe und dem Pferdekopf gestaltete der baumlange Ewald Balser als einen flotten und biederen Naturburschen.“739 Geradezu lächerlich schien seinen Anhängern die Frage , „ob er den für die Gestalt auch klein genug und ‚hässlich‘ genug sei.“ Die äußere Maske spiele keine Rolle , auf dem Theater galt „die innere Richtigkeit eines Menschen , die Erfassung und Erfüllung seiner geistigen Wesenheit“.740 Balser hätte das Talent bewiesen , „die geistige Erscheinung glaubhaft zu machen“. „Das Bezwingendste an ihm ist der weiche , dunkle Klang.“741 Bei seinem Debut am Burgtheater 1928 war der gebürtige Erfurter Balser davon ausgegangen , nur einen Wechsel innerhalb unterschiedlicher deutscher Bühnen vorgenommen zu haben. Dass dies eine Fehleinschätzung war , hatte er zu Beginn seiner Wiener Zeit schmerzlich erfahren. Er lernte das leidenschaftliche Interesse der Wiener an der darstellenden Kunst schätzen und seine „deutsche Sprachfärbung“ abzumildern. In Sassmanns Revolutionsdrama 1848 hatte er erstmals breite Zustimmung für die Verkörperung des Fürsten Windisch-Grätz in „menschlich-sympatischem Licht und nicht als Schlächter der Revolutionäre“ erhalten.742 Im

737 Wiener Zeitung 135 , 13. Juni 1933 , S. 11–12. 738 Neues Wiener Extrablatt 1600 , 13. Juni 1933 , S. 7. 739 Prager Tagblatt 137 , 13. Juni 1933 , S. 8. 740 Reichspost 160 , 11. Juni 1933 , S. 2–3. 741 Wiener Allgemeine Zeitung , 13. Juni 1933 , S. 5. 742 Cerha ( 2004 ), S. 97.

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Sommer 1933 hatte Reinhardt Balser nach Absage des Faust-Darstellers Eugen Klöpfer ( 1886–1950 ) für seine Felsenreitschul-Inszenierung nach Salzburg engagiert , und Balser hatte einen „vortrefflichen Faust , den Besten , den es gibt !“743 verkörpert. Wer im Publikum sich auf die Seite des Prinzen stellte , musste den Habsburger verachten : ihnen war er „ein bloßer Stein des Anstoßes , ein Nebel , der den Tag verdunkelt [ dem ] Aslan „eine höchst süffisante , kunstvolle Widerwärtigkeit“, Gestelztheit und „negative Größe“ verlieh , die als Schwäche „mehr Schauer als Mitleid“ weckte.744 Das Publikum , das sich anderes erwartet hatte , „hoffte bis zum letzten Augenblick und hielt [ sich ] an dem Prinz-Eugen-Lied schadlos , dessen sieghafte Kraft der erfahrene Dramatiker Hans Sassmann an den Schluß seines Werkes gestellt hatte.“745 „Bei dem unsterblichen Fünfvierteltakt geht das österreichische Herz auf.“746 Der Kapellmeister des Burgtheaters Franz Salmhofer ( 1900–1975 ) hatte das Werk musikalisch eingerichtet mit Tanzmusik , einer Bourrée , einem fugierten Streichersatz als Zwischenaktsmusik und am Schluss das „Prinz Eugen Lied im strahlenden Blechglanz“.747 „Dieses Lied ist in Österreich noch immer stärker als alles , was man darüber sagen und schreiben mag [ … ] ein Mann und ein Lied. Für die Unsterblichkeit genug , für ein Stück zu wenig.“748 1934 veröffentlichte der Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Professor für österreichische Geschichtsforschung Oswald Redlich ( 1858–1944 ) im Jahr seiner Emeritierung die erste wissenschaftliche Darstellung des Prinz-Eugen-Liedes. Auf seine Anregung dissertierte Helene Dvorak über Prinz Eugen in der Dichtung seiner Zeit. Für das Gedenkjahr des Prinzen Eugen waren damit erste wesentliche wissenschaftliche Grundlagen erarbeitet , die einem weiteren Leserkreis in Feuil743 So der Kritiker des Neuen Wiener Journals , zitiert nach Cerha ( 2004 ), S. 116. – Klöpfers Absage „aus politischen Gründen“ hatte ( nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland , Tausend-Mark-Sperre und beginnender Emigration von Regimegegnern ) in der österreichischen Presse als „politischer Affront“ ungeheure Aufregung verursacht. 744 Wiener Zeitung 135 , 13. Juni 1933 , S. 11–12. 745 Prager Tagblatt 137 , 13. Juni 1933 , S. 8. 746 Neues Wiener Tagblatt 159 , 11. Juni 1933 , S. 2–3. 747 Neues Wiener Tagblatt 159 , 11. Juni 1933 , S. 2–3. 748 Neue Freie Presse Morgenblatt 24692 , 11. Juni 1933 , S. 1–3.

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200. Todestag des Prinzen Eugen

letonartikeln nahegebracht wurden. Den andauernden Erfolg des PrinzEugen-Liedes schrieb Helene Dvorak seiner „aufmunternden Wirkung“ zu : „Nicht nur den ausziehenden Soldaten begleitet es in die Schlacht , es gibt auch den zurückgebliebenen frohe Zuversicht.“749

200. Todestag des Prinzen Eugen 1936 , im Jahr der Olympischen Spiele , wurde der 200. Todestag des Prinzen Eugen auch in Berlin mit einer Parade des Berliner Wachregiments auf dem Moabiter Exerzierplatz gefeiert , bei der der österreichischen Militärattaché mit zwei reichsdeutschen Generalen die Front abschritt ; zum anschließenden „hochoffiziellen Essen in der österreichischen Gesandtschaft“ mit Festvortrag waren österreichische und reichsdeutsche Militärs geladen.750 Prinz Eugen wurde als „deutscher Held“ zunehmend zum Symbol der Gemeinsamkeit aller Deutschen. In Italien beobachtete man die Gedenkfeiern genau.751 In Wien stand der Ehrentag des jungen österreichischen Bundesheeres , die Frühjahresparade am Heldenplatz , ebenfalls im Zeichen des Prinzen Eugen. Im Kriegsarchiv wurde eine Gedenktafel enthüllt , die ihn als Gründer feiert. Eine 2-Schillingmünze mit seinem Bildnis wurde neu geprägt. In der Kreuzkapelle im Stephansdom veranstaltete die „bewaffnete Macht Österreichs“ eine Gedenkfeier. Der 21. April 1936 mit einem Festakt vor dem Standbild am Heldenplatz war für die Schuljugend unterrichtsfrei. Im Jahr 1936 erschienen dreimal so viele Gedenkartikel wie zum 250. Geburtstag 1913.752 Auf dem Buchmarkt wurde eine schier unüberschaubare Zahl an Novellen , Dramen und Romanen um Prinz Eugen aufgelegt. Das Burgtheater zeigte – mit einiger Verspätung – am 30. September 1937 Josef Feiks’ fünfaktiges Schauspiel Ein Reiterlied , das vor dem Hintergrund des Spanischen Erbfolgekriegs und der Niederlage der Franzosen bei Turin 1706 eine frei erfundene Historie erzählt. Feiks’ Drama führt

749 Dvorak ( 1936 ), S. 8. 750 Neue Freie Presse , 21. April 1936 , S. 2. – Erstmals war auch der Geburtstag Adolf Hitlers am 20. April nicht in „schlichter , nicht viel Aufsehen erregender Form“ gefeiert worden. 751 Wiener Zeitung 110 , 21. April 1936 , S. 5. 752 Allmayer-Beck ( 1985 ), S. 10.

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damit thematisch von den Türkenkriegen und der dabei seit dem Ersten Weltkrieg mitgedachten Eroberungspolitik nach Osten weg. In der Spielplandramaturgie des Burgtheaters wurden Dramen französischer Autoren immer in Abgrenzung gegen Deutschland angesetzt. Kann die Thematisierung des Sieges gegen die Franzosen im Spanischen Erbfolgekrieg auch als Abgrenzung gegen Deutschland interpretiert werden ? Bis zum Geburtstag des Prinzen Eugen am 18. Oktober fanden neun Vorstellungen statt. Eine Aufführungsserie , die das Stück jeden zweiten Tag ansetzte , lässt auf eine erhöhte Nachfrage beim Publikum schließen.

Abb. 59 Josef Feiks , Ein Reiterlied. Theaterzettel der Premiere im Burgtheater am 30. September 1937. Bis 18. Oktober 1937 fanden neun Vorstellungen statt.

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Erst im dritten Akt des Reiterliedes erschien Prinz Eugen auf der Bühne. Davor wird das Publikum mit dem Unmut seiner Generäle über die unverständlichen Verzögerungen des Angriffs und den kursierenden Verdächtigungen über Unterhandlungen mit den Franzosen vertraut gemacht. Der Prinz wäre ein „ausgezeichneter Soldat und Stratege“, der mit den Menschen „mit raffinierter Klugheit“ spielt und mit ihnen rechnet wie mit Figuren ; „Jeder hält ihn für human – und ist doch nur Schachspieler.“753 Vor allem sein Amtsvorgänger Fürst Luitpold Imhof-Leuningen argumentiert immer wieder , dass der Prinz als geborener Franzose den Franzosen gar nicht so feindlich gegenüber stehen würde. „Was geht ihn in Wirklichkeit Österreich an oder das alte Deutsche Reich ?“ Man wolle den Kaiser informieren und so einen Wechsel im Oberkommando erreichen. Zu Aktschluss erklingt von Ferne das Prinz-Eugen-Lied. – Auf einem Erkundungsritt kommt Fürst Imhof zum Landsitz der gräflichen Familie Corregiani , wo ihn seine Braut Komtesse Mafalda bereits sehnsüchtig erwartet hat. Aus ihren guten Kontakten mit der Landbevölkerung hat sie viel über die Stellungen der Franzosen erfahren und zeichnet sie voll Unbefangenheit in die Karte des Fürsten. Eine herannahende feindliche Reiterschar zwingt die Soldaten zum eiligen Aufbruch. Die französischen Offiziere finden die zurückgelassene Karte , nehmen Mafalda fest und wollen sie vors Kriegsgericht in Alessandria bringen. – In seinem Quartier in einem italienischen Landhaus gibt Prinz Eugen ( „klein , in schlichtem Soldatengewand“ ) seinen Generälen „energiegelanden , beherrscht und ziemlich leise“ den bevorstehenden Angriff auf Turin bekannt. Die Stellungen der zahlenmäßig überlegenen Franzosen sollen in einem Überraschungsangriff erobert werden. Fürst Imhof , der erst von Prinz Eugen von der Gefahr , in der sich seine Braut befindet , erfährt , erhält das Oberkommando für den Angriff auf Alessandria. War Prinz Eugen dem Publikum mit Unterstellungen verdächtig gemacht worden , so hatte es jetzt Gelegenheit den „Soldatenvater“ und tatkräftigen „Führer“ kennenzulernen : Der Soldat kann in seiner Pflicht einmal irre werden – er ist ein einfacher Mann und ohne Bildung …. Wir können nur dann unbedingten Gehorsam verlangen , wenn wir selber unbedingt unsere Pflicht tun. Und das heißt für den Feldherrn , 753 Feiks ( 1937 ), S. 12.

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IX. Vom Ständestaat in die Zweite Republik für jeden Kommandanten : Für die Soldaten des Kaisers zu sorgen , soweit und so gut wir können ! [ … ] Wir haben nur ein Ziel vor uns : die Heere des Kaisers – des heiligen römischen Reichs deutscher Nation – ich gebrauche absichtlich den feierlichen und etwas umständlichen Titel – zum Sieg zu führen. [ Der Krieg sei ] Sache des guten Rechts [ … ] der abendländischen Gesittung [ … ] Das ist meine Auffassung vom Feldherren : wer sich mir und meiner einmal als gut erkannten Sache in den Weg stellt. Der muss weg. Da ist mir alles gleichgültig , da werde ich hart , wenn ich auf Widerstand stoße , auch brutal … das ist mein Bild des wahren Führers.754

Prinz Eugen ist jedoch ein Mann des Friedens , der schon an die Zeit nach den siegreichen Feldzügen und seinen Hausbau in Wien denkt : „Kriege , Schlachten , Heere , Soldatensorgen , das alles ist doch etwas das überwunden werden muss. Dann kommt erst wieder das Leben mit Kunst und Wissenschaft. Und meine schöne Bücherei !“755 Ein kaiserliches Handschreiben fordert ihn auf , den Krieg zu beschleunigen ; von seiner Leibordonanz wird er über die Konspiration der Generäle unterrichtet. „Für einen Verräter halten sie mich ! Keine Heimat , ein armer Hund , so bin ich gekommen … und hab eine Heimat gefunden und einen Dienst und einen Aufstieg wie wenige vor mir. Und in Kaiser Leopold einen Vater ! Und ich sollte seinen Sohn verraten , das Reich ?“756 Abgesandte des französischen Königs übringen ihm ein Abwerbungsangebot , das ihm alle Ehren , Würden , Stellungen und Besitzungen in seiner alten „Heimat“ zusichert. Nach dem als Misstrauen empfundenen kaiserlichen Handschreiben und dem Verdacht des Verrates durch seine Generäle hätten viele im Publikum verstanden , wenn Prinz Eugen es angenommen hätte. Das zum Fenster heraufklingende Prinz-Eugen-Lied der vorbeiziehenden Soldaten lässt ihn seine „Heimat“ bei seinen Soldaten erkennen. Prinz Eugen lehnt ab und „haut den Gesandten ein unschuldiges Buch vor die Füße“757 – Dieser effektvolle Aktschluss mit dem Wutausbruch Eugens und seinem Bekenntnis zu Österreich riss die Stimmung 754 755 756 757

Feiks ( 1937 ), S. 39 , 41 , 42. Feiks ( 1937 ), S. 44. Feiks ( 1937 ), S. 56. Reichspost 271 , 1. Oktober 1937 , S. 10

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im Publikum hoch.758 Der Autor dankte von der Bühne. – Nach der Pause stimmen sich die Soldaten mit den verschiedensten Prinz-Eugen-Liedern auf die bevorstehende Schlacht ein , die siegreich geschlagen wird. Bei Feiks unterlässt Fürst Imhof , um seine Braut vor der Hinrichtung zu retten , den befohlenen Angriff auf die Stadt. Diese Befehlsverweigerung und die milde Reaktion des Prinzen Eugen konnten unmöglich auf der Bühne des Burgtheaters gezeigt werden , und so hört der General durch einen Zufall „von der dringlichen Gefahr , in der seine Braut in der belagerten Festung schwebt , und er wagt es , diese gegen den Befehl anzugreifen“.759 Prinz Eugen hat sie aber „bei einem anderen Stadttor schon heimlich gegen einen französischen General ausgetauscht. Und jetzt , nachdem auch Alessandria gefallen ist , aber Marsalda darin nirgends zu finden war , führt der Prinz dem verzweifelten Fürsten die Braut in die Arme und kauft mit dieser edlen Tat seinem bittersten Feind alles Wilde ab. Auch die übrigen Generale , die er samt und sonders hinauswerfen könnte , überwältigt er durch seine Güte. So freut sich zum Schluss alle Welt , nur der edle Ritter sitzt einsam da und stellt wehmütige Betrachtungen an. Im übrigen aber gedenkt er demnächst das Belvedere zu bauen , weil man von dort so eine schöne Aussicht auf Wien hat.“760 Feiks hatte im letzten Akt ein Happyend zusammengefasst : den großen Sieg über die französische Armee 1706 , die Wiedervereinigung der beiden Liebenden und einen in cognito Besuch des Kaisers , der den verwundeten Prinzen Eugen seiner hohen Wertschätzung versichert „Ich bin Träger der Krone. Sie sind Macht.“761 Auch der im Manuskript vorgesehene Auftritt des Kaisers musste einer russischen Dépêche weichen. Prinz Eugen lehnt das Angebot des Zaren , die polnische Krone anzunehmen , ab : Ich könnte nie König eines fremden Landes sein. Ich weiss , was es heisst , heimatlos zu sein , sich einleben zu müssen. Heute wage ich zu sagen : Nun bin ich wahrhaft zu Hause in der neuen Heimat. Und da sollte ich von neuem gehen und einem Volk Führer sein , das ich nicht kenne ? Von dessen Sorgen und

758 Reichspost 271 , 1. Oktober 1937 , S. 10. 759 Neues Wiener Journal 15. 758 , 1. Oktober 1937 , S. 10 ( Joseph Gregor ). 760 Reichspost 271 , 1. Oktober 1937 , S. 10. 761 Feiks ( 1937 ), S. 97.

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IX. Vom Ständestaat in die Zweite Republik Hoffnungen ich so wenig weiss. [ … ] Ein Führer muss zutiefst verwurzelt sein mit dem Boden und mit seinem Werk.762

Der einsame Prinz Eugen Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland 1933 , Tausend-Mark-Sperre und anhaltender Emigration von Regimegegnern aus Deutschland stand Österreich 1937 zunehmend isoliert da. Der einstige „Bündnispartner“ Mussolini hatte Hitler im September am Obersalzberg besucht und lud auf seinem Rückweg aus Deutschland Hitler nach Italien ein. Am Tag nach der Premiere berichteten die Tageszeitungen ausführlich darüber. Feiks’ Prinz-Eugen-Stück „durch Kürzungen , handfest zusammengeschlossen“763 stand vom 30. September bis 18. Oktober 1937 jeden zweiten Tag auf dem Spielplan. Trotz der auch in diesem Drama erzählten großen Erfolge des Prinzen Eugen sah das Publikum jedoch nur den einsamen Menschen : Der einsame Prinz Eugen betitelte die Tageszeitung Die Stunde ihre Rezension.764 Regisseur Franz Herterich ( 1877–1966 ) ist der gesellschaftlichen Befindlichkeit , dem Gefühl der Isoliertheit einerseits und dem Wunsch nach Zugehörigkeit andererseits entgegengekommen. Die „draußen vorbeiziehenden Truppen , die begeistert das Reiterlied vom Prinzen Eugen singen : dort beim Heer , das immer bereit ist , sich aufzuopfern , ist seine einzige , seine wirkliche Heimat“, fasste es Herterich in einem Zeitungsinterview zusammen und setzte fort : „Über dieses private Schicksal hinaus zeigt Josef Feiks aber seinen Helden auch als den weitblickenden , die Forderungen der Zukunft durchschauenden Staatsmann , der tief um Österreich , seine Mission im Rahmen des heiligen römisch-deutschen Reiches weiß.“765 Die Rezensenten sahen auf der Bühne nur die Einsamkeit des Genies , das trotz aller äußeren Erfolge , trotz des Aufstieges „menschlich oft weniger oder gar keine Erfüllung findet.“766 „Prinz Eugenio von Savoy , dessen 762 Feiks ( 1937 ), S. 97. 763 Neues Wiener Tagblatt 271 , 1. Oktober 1937 , S. 2 ( Ernst Decsey ). 764 Die Stunde 4370 , 1 Oktober 1937 , S. 4. 765 Die Stunde 4370 , 1 Oktober 1937 , S. 4. 766 Die Stunde 4370 , 1 Oktober 1937 , S. 4.

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Name aus drei Sprachen besteht , [ … ] ist in aller Glorie ein heimatloser Mann. [ … ] Sehr schön leitet der Verfasser von diesem Gefühl die Baulust oder Bausucht Eugens ab. Ein Haus bauen , ist der „Schrei der Seele nach Heimat“.767 Und als ermatteter Feldherr und Mensch „überglänzte Melancholie des Herbstes sein Dasein“. Müde der Kämpfe , müde der Siege , müde des Aufstiegs „beschwört er in schönen Worten , die seine Rousseau-Sehnsucht ahnen lassen , die große Einsamkeit.“768 Gar nicht gefallen wollte diese Deutung des großen Feldherrn dem Kritiker der Neuen Freien Presse. Denn „das Gefühl der Heimatlosigkeit , der unrettbaren inneren Einsamkeit , geringes Selbstbewußtsein , das die Bedeutung der eigenen gigantischen Mission unterschätzt oder gar nicht zu erkennen scheint , müde Resignation und die Sehnsucht nach dem kleinen Glück der anderen“ stünde einem „Kriegshelden auf dem Gipfel seiner Laufbahn recht übel an“.769 „Von der menschlichen und geistigen Größe Eugens“ würde wenig spürbar „der Atem einer kriegerischen und bedeutenden Zeit weht uns nur ganz selten an“ – fasste die enttäuschte Reichspost die resignative Stimmung der Aufführung zusammen.770 Seit 1865 war nun „die Gestalt des Feldherrn von der Bühne nicht verschwunden.“ Sehr mit Recht – wie Joseph Gregor meinte – „denn zu ihrer vaterländischen Bedeutung gesellt sich ihre geistige , die eigentümliche Zwischenstellung zwischen den Völkern , zwischen den Zeitaltern , ja zwischen den Berufen , die den Kriegshelden zugleich zu der größten geschichtlichen Erscheinung seiner Epoche gemacht haben“.771 Erstmals wurde Prinz Eugen auf der Bühne als Genie bezeichnet – „Der Fürst ist ein schneidiger Soldat , der Prinz ein Genie !“, lassen seine Anhänger das Publikum im Auditorium wissen  – und vom Publikum ebenso rezipiert : „er ist ja der militärische Künstler , das Genie unter den Routiniers“772 bestätigte der Kritiker des Neuen Wiener Tagblattes für seine Leser. Begeisterung beim BurgtheaterPublikum lösten – wie schon 1865 , 1880 , 1914 , 1918 und 1933 – die vereitelte

767 Neues Wiener Tagblatt 271 , 1. Oktober 1937 , S. 2. 768 Die Stunde 4371 , 2. Oktober 1937 , S. 4. 769 Neue Freie Presse 26243 , 1. Oktober 1937 , S. 9. 770 Reichspost 271 , 1. Oktober 1937 , S. 10. 771 Neues Wiener Journal 15. 758 , 1. Oktober 1937 , S. 10. 772 Neues Wiener Tagblatt 271 , 1. Oktober 1937 , S. 2.

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Abwerbung des Prinzen durch König Ludwig von Frankreich und das PrinzEugen-Lied an dramaturgisch bedeutsamer Stelle aus. Feiks hatte diese beiden Elemente wirkungssicher kombiniert : Auf die barsche Verabschiedung der französischen Gesandten – „Sie glauben von mir , daß ich einfach desertiere und überlaufe wie jeder hergelaufene Lump ! Sie können geh’n !“ – war gleichsam als Antwort Reiterei hinter der Szene , Vivatrufe und das Lied vom edlen Ritter „das Lied der Treue“ zu hören. „Das ist die zweite starke Szene , gutes Theater , großer Beifallsaugenblick – jeder kann dem Heimatlosen nachfühlen , daß man Heimat nur durch Treue , nicht durch Verrat erwirbt – , kurz das Publikum ist erobert wie die Stadt Turin.“773 Die identitätsstiftende Wirkung des Liedes blieb auch diesmal nicht aus : „Endlich ist als Erfolgshelfer ein Unbekannter zu nennen : der Verfasser des Prinz-Eugen-Liedes , [ … ] es wäre schwer mit diesem Lied , das ein Stück Österreich ist , keinen Erfolg zu haben.“774 „Emmerich Reimers als jener Trompeter Höllriegel aus Meidling , dem der Prinz Eugen Marsch zu verdanken ist , [ … ] spielt ihn frisch , vergnügt , mit blanken Augen , die immer Treu und Redlichkeit üben“.775 Nach den Publikumsreaktionen zu urteilen , waren es „Treßler als Prinz Eugen und Reimers als Trompeter [ die ] das Stück“ trugen.776 – Lange galt mundartliche Sprache nicht als burgtheaterfähig. Zum ersten Mal war von der Bühne des Burgtheaters mundartliches Sprechen zu hören gewesen , als Alexander Girardi ( 1850–1918 ) als Valentin in Raimunds Verschwender 1885 für ein Gastspiel und 1918 als Ensemblemitglied die Bühne betrat. Auch Katharina Schratt spielte mit großer Natürlichkeit in Dialektstücken. In der Zwischenkriegszeit wurde Mundart zur Stimme des Volkes und Feiks’ Höllriegel sorgte beim Publikum für Spannung : „Es tut dem Hörer wohl nach so viel papierenen Reden der Generale die Stimme des Volkes in der „Originalmundart“ zu hören [ … ]. Das Volk versteht ihn [ … ], sie spüren Größe durch die Luft , da ist alles fest , ‚nix wackelt‘ , [ … ] die Natur ist immer beifallssicher.“777 Mit dem Höllriegel hatte Feiks eine echte Theaterfigur erfunden , für die ihm das Publikum 773 Neues Wiener Tagblatt 271 , 1. Oktober 1937 , S. 2. 774 Neue Freie Presse 26243 , 1. Oktober 1937 , S. 9. 775 Die Stunde 4371 , 2. Oktober 1937 , S. 4. 776 Neues Wiener Tagblatt 271 , 1. Oktober 1937 , S. 2. 777 Neues Wiener Tagblatt , 271 , 1. Oktober 1937 , S. 2.

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dankte , „am dankbarsten bleibt man dem Autor für die Bekanntschaft mit dem Herrn Michael Höllriegel aus Meidling bei Wien“.778

Abb. 60 Otto Tressler als Prinz Eugen in Josef Feiks , Ein Reiterlied. Burgtheater 1937. Zeitgenössische Photographie.

Das Spiel auf der Bühne in täuschend echtem Barock aktualisierte im kollektiven Gedächtnis Gespeichertes , führte dem Publikum „eine große geschichtliche Persönlichkeit , die in seinem Bewußtsein lebendig ist , in Fleisch und Blut“ neuerlich vor Augen.779 Die Abfolge der historischen Szenen mischte sich in der Erinnerung der Zuschauer und wurde für die Gegenwart lebendig. „Man sieht Soldatentheater , Feldwachen , Ordonnanzen , Lagerfeuer , kurz den ganzen Zauber des Barockkrieges in einer militärischen Schau des Burgtheaters.“780 Die inszenierte „Pracht der Uni778 Neues Wiener Tagblatt 271 , 1. Oktober 1937 , S. 2. 779 Neue Freie Presse 26243 , 1. Oktober 1937 , S. 9. 780 Neues Wiener Tagblatt 271 , 1. Oktober 1937 , S. 2.

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formen und des Kriegszeremoniells im Lager des Prinzen Eugen , [ … ] vom Kostümlichen und Szenischen her pompös anzusehen ,“781 strahlte „eine in ihrer Unaufdringlichkeit wohltuend berührende vaterländische Gesinnung“782 aus. „Vom Zauber der Vergangenheit umwittert“783 empfingen die Bilder aus der Vergangenheit ihre Aktualität in der Gegenwart als „Vorbild unserer Offiziere“. Allein die Zeit der Eroberungen war vorbei , und obwohl davon nichts in dem Stück steht , erkannte Ernst Décsey ( 1870–1941 ) die Gegenwart : „ ‚In den Stunden nächtlicher Zweifel , der Schlaflosigkeit und der Einsamkeit aber‘ , meint einer seiner neuesten Biographen , ‚habe sich Eugen die Erkenntnis aufgedrängt , daß dieses Österreich seiner Aufgabe nur gerecht werden kann , wenn es nicht über fremde Länder herrsche‘. Eugens Gedanken blickten also über den Rand seines Lebens , das 1736 endete , hinaus und sahen die Wendezeit von 1914 bis 1918 visionär voraus.“784 Diesen 43-jährigen Prinzen Eugen spielte der damals 62-jährige Otto Tressler ( 1871–1965 ), der bei Die stille Stunde von Terramare bereits Regie geführt hatte. Den Kritikern schien die Weitergabe der Tradition seit 1865 ungebrochen : seit Josef Lewinskys „markig-unerschrockene Gestalt im ‚Tag von Oudenarde‘ [ … ] ist die Gestalt des Feldherrn von der Bühne nicht verschwunden.“785 Otto Tressler war 1896 ans Burgtheater engagiert worden. Als „Amtsvorgänger“ in der Prinz-Eugen-Rolle hatte er Heine ( 1914 ), Devrient ( 1918 ) und Balser ( 1933 ) miterlebt. Tressler spielte ihn „in der Maske interessant , knapp in der Bewegung , eigenartig nuanciert in der Sprache“, was als Beleg dessen verstanden wurde , dass „der historische Eugen [ … ] nie wirklich deutsch gekonnt“ hatte. Man spürte „jugendlichen Elan [ … ], eine starke Persönlichkeit , und so ergibt sich eine Charakterstudie hohen Ranges“.786 Tresslers Darstellung , die auf der Bühne authentischer wirkte als jede noch so ebenbildmäßige Darstellung der bildenden Kunst , überschrieb im Gedächtnis der Zuschauer die Erinnerungen. Er

781 Die Stunde 4371 , 2. Oktober 1937 , S. 4. 782 Neues Wiener Tagblatt 271 , 1. Oktober 1937 , S. 2. 783 Wiener Zeitung 271 , 1. Oktober 1937 , S. 8. 784 Neues Wiener Tagblatt , 271 , 1. Oktober 1937 , S. 2. 785 Neues Wiener Journal 15. 758 , 1. Oktober 1937 , S. 10. 786 Neue Freie Presse 26243 , 1. Oktober 1937 , S. 9.

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spielte den Prinzen mit „einer Maske von hoher Geistigkeit“ und Tragik.787 In Spiel und Maske verblüffend „echt“, stellt Tressler eine Persönlichkeit auf die Szene , „von der stärkste Theaterwirkungen ausgehen“.788 Seine „zurückhaltende , auf leise Töne abgestellte Darstellung des Savoyers bringt durch sichtliche Vermeidung von Effekten um so sicherer Wirkungen hervor , formt eine Gestalt , der bei aller Geschlossenheit doch der nötige Beisatz des Geheimnisses bleibt , um zu interessieren“.789 Und wenn man Treßler nur mit seiner Eugen-Maske mit der Allongeperücke sieht , deren Locken auf die Schultern herabfallen , so verdrängt der Schauspieler das historische Bild , man denkt , so hätte der Prinz eigentlich aussehen müssen , und wahrscheinlich war er am Ende auch so reizend resigniert , so innerlich bescheiden und groß , die Stimme so voll verschluckter Tränen wie Treßler , und man wird ganz gerührt von der Wärme dieses Gefühlsverdrängers.790

Ein Menschenleben lang , über 72 Jahre hatte die verkörperte Gestalt des Prinzen Eugen von der Bühne des Burgtheaters herab nun bereits die Zuschauer begleitet. Seine vereinheitlichte , von der historischen Wahrheit abweichende Gestalt und Physiognomie hatte sich als barocker Code dem kollektiven Gedächtnis eingeschrieben. Vertrautheit schuf Vertrauen  , Wiederkennen brachte Selbstbestätigung. Vor Prinz Eugen hatte Tressler in Csokors Dritter November 1918 den Oberst von Radosin gegeben , den manche in einer Charakterlinie zum edlen Ritter , in einer „Reihe seiner meisterhaft gestalteten Rollen“ sahen.791 Von seinem Csokor’schen Pflicht-Obersten führt eine schöne Linie zum edlen Ritter , der Würde , soldatische Überlegung , französische Schmiegsamkeit und schließlich Demut vor dem Schicksal beinhaltet. Treßler trägt den grazilen Körper des Prinzen Eugen und macht seine geistige Welt glaubhaft , die Frankreich mit Österreich verband. Er spielt den Mann Rousseaus und der

787 Neues Wiener Journal 15. 758 , 1. Oktober 1937 , S. 10. 788 Illustrierte Kronen-Zeitung 13543 , 1. Oktober 1937 , S. 10. 789 Wiener Zeitung 271 , 1. Oktober 1937 , S. 8. 790 Neues Wiener Tagblatt 271 , 1. Oktober 1937 , S. 2. 791 Illustrierte Kronen-Zeitung 13543 , 1. Oktober 1937 , S. 10.

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IX. Vom Ständestaat in die Zweite Republik Schlachten , der Helden und romantischen Träumer. So tut Treßler für diesen Prinzen Eugen Besseres als sein Autor für ihn getan hat.792

Abb. 61 Szenenbild aus Josef Feiks , Ein Reiterlied. Burgtheater 1937. Zeitgenössische Photographie.

Josef Feiks Der „wirkliche Gymnasialprofessor“793 der Fächer Geschichte und Deutsch , Josef Feiks ( 1895–1971 ) hatte seit 1928 wiederholt Stücke beim Burgtheater eingereicht und versucht , seine vielfältigsten Dramen zur Aufführung zu bringen.794 Mit dem einzigen angenommenen Drama Ein Reiterlied hatte er trotz manch kritischer Töne , die das Drama auch als „fünf harmlose ,

792 Die Stunde 4371 , 2. Oktober 1937 , S. 4. 793 Die Stunde 4371 , 2. Oktober 1937 , S. 4. 794 „Demokratie“ ( 1928 ), „Elysium“ ( 1930 /  31 ), „Lord Baltimore“ ( 1935 /  36 ), „Ein Reiterlied“ ( 1935 /  36 ), „Sümpfe und Wälder“ ( 1936 /  37 ), „Insel der Toten“ ( 1937 /  38 ), „Völker am See“ ( 1937 /  38 ), „Der wilde Herzog“ ( 1938 /  39 ), „Der grüne Hügel“ ( 1938 /  39 ). HHStA , Archiv der Republik Amtsbücher 76 und 77.

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Reichspropaganda

geschichtlich unverbindliche Akte“795 abkanzelten , einen beachteten Erfolg erlebt und „wurde herzlich gerufen“.796 Wie seine einstige Studienkollegin und nachmalige Ehefrau , Emma Feiks-Waldhäusl ( 1899–1975 ), verarbeitet er historische Ereignisse als Grundlage von Romanen , Dramen und Hörspielen , wie etwa Der wilde Herzog.797 Im Wissen , dass historische Romane „mehrschichtig“, auf jeden Fall „doppelbödig“ sind , galten sie ihnen als Spiegel für die eigene Gegenwart. „Im historischen Roman wird für den innerlich mitlebenden Leser das Geschichtliche durchscheinend und symbolhaft.“798 Was für den Roman galt , gilt in vielleicht noch stärkerem Maß für die Aufführung historischer Dramen vor einem gleichgestimmten Publikum. Auch dieses erkannte sich und die eigene Gegenwart im historischen Gewand auf der Bühne wieder. Mit seinem Gedicht Deutschböhmens Opfer , veröffentlicht im Neuen Wiener Tagblatt im März 1919 , hatte Feiks in der Zwischenkriegszeit maßgeblich an der Konstruktion des 4. März 1919 als zentralen Erinnerungsort der Sudentendeutschen mitgewirkt.799 In der NS-Zeit diente dieses Gedicht propagandistisch für den politischen Entwurf einer Heimkehr ins Reich ( so auch der Titel großdeutscher Anthologien ). Die späten vierziger und frühen fünfziger Jahre setzten den Trend der dreißiger Jahre zu historischem Lesestoff fort ; nach dem Krieg konnte Feiks noch einmal mit dem Roman Der ewige Traum einen Erfolg erzielen.800

Reichspropaganda Im September 1937 hatte sich Hitler Mussolinis Stillhalten im Falle seines Einmarsches nach Österreich versichert. Nachdem Bundeskanzler Kurt Schuschnigg vergeblich weitgehende Zugeständnisse an Hitler gemacht 795 Die Stunde 4371 , 2. Oktober 1937 , S. 4. 796 Neue Freie Presse 26243 , 1. Oktober 1937 , S. 9. 797 Die Stunde 4370 , 1. Oktober 1937 , S. 4. 798 Emmy Feiks-Waldhäusl , Wir und der historische Roman. Wiener Zeitung 1974. – Zit. nach Eder ( 2005 ), S. 22. 799 Weger ( 2006 ), S. 63–75. 800 Zu Schillers 150. Todestag am 9. Mai 1955 hielt der mittlerweile zum Oberstudienrat ernannte Feiks die Festrede an seinem Gymnasium in der Fichtnergasse. Im Juni 1957 erfolgte krankheitsbedingt seine Pensionierung.

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hatte , erfolgte mit dem Einmarsch am 12. März 1938 der Anschluss der „Ostmark“ an das Großdeutsche Reich. Für die Ankunft des Führers am 15. März wurde die Bevölkerung mit einer gigantischen Inszenierung durch Umgestaltung des Straßenbildes in ein „Meer von Fahnen und mit schweren Gold- und Silbertransparenten“ geblendet. Am Ring und auf allen Plätzen „durch die der Führer kommen wird , stehen Pylonen und andere Schaumäler in für die Begriffe der Wiener gigantischer Zahl. Aus Brettern zusammengestellt , durch einen Mörtelüberzug aber den Eindruck von Steinbauten erweckend sind sie wirklich im Sinn des Wortes aus der Erde gewachsen.“801 Für die Schüler war unterrichtsfrei , die Angestellten hatten um 10 Uhr Dienstschluss , um ihre Anwesenheit bei der um 11 Uhr angesetzten Kundgebung Hitlers auf dem Heldenplatz sicherzustellen , der ebendort um 14 Uhr die Parade vor dem Führer folgte. Hitler stand bei der Ansprache an die Bevölkerung „Deutsche ! Männer und Frauen !“ auf dem Vorbau des erst nach 1918 fertiggestellten Hofburgtraktes ( der heute die Nationalbibliothek beherbergt ) nach Osten gewandt , direkt hinter und oberhalb des Reiterdenkmals Prinz Eugens , das „die Jugend dieser Stadt als Ausguck eingenommen“802 hatte , gleichsam auf dem Rücken des Feldherrn : Ich proklamiere nunmehr für dieses Land seine neue Mission. Sie entspricht dem Gebote , das einst die deutschen Siedler aus allen Gauen des Altreiches hieher berufen hat : Die älteste Ostmark des deutschen Volkes soll von jetzt ab das jüngste Bollwerk der deutschen Nation und damit des Deutschen Reiches sein. [ … ] Jahrhundertelang haben sich in den unruhevollen Zeiten der Vergangenheit die Stürme des Ostens an den Grenzen der alten Mark gebrochen. Jahrhundertelang , für alle Zukunft soll sie nunmehr ein eiserner Garant sein für die Sicherheit und Freiheit des Deutschen Reiches und damit ein Unterpfand für das Glück und für den Frieden unseres großen Volkes. [ … ] Und ich weiß : die alte Ostmark des Deutschen Reiches wird ihrer neuen Aufgabe genauso gerecht werden , wie sie die alte einst gelöst und gemeistert hat.803

801 Persche ( 1988 ), S. 290. 802 Lorenz ( 1942 ), S. 591. 803 Pfeifer ( 1941 ), S. 24 f.

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Reichspropaganda

Hitlers wohlgesetzte Worte von „Bollwerk“ und „alter Grenze“, an der sich die „Stürme des Ostens“ gebrochen hatten , aktualisierten die Erinnerung an die Türkenfeldzüge und Eroberungen des Prinzen Eugen. Mit dem Hinweis auf die „alte“, einst so gut „gelöste und gemeisterte“ Aufgabe , deren abermalige Erfüllung erwartet wurde , wurde das Land mit seinem Helden in die Pflicht genommen und der Feldherr als geistiger Ahnherr des Dritten Reichs instrumentiert. Hitler nahm den Helden ideologisch in Besitz ohne ihn explizit zu nennen ; Das Denkmal auf dem Heldenplatz ergänzte die ungenannte Leerstelle. – Durch die Bildinszenierung des Führers auf dem mit Hakenkreuzfahnen geschmückten Vorbau der neuen Burg mit Blick auf den Kahlenberg erschien er für die unten versammelte Menge wie der auf dem Fundament des „Heldenzeitalters“ stehende Heilsverkünder. Wer nicht am Heldenplatz dabei sein konnte , wurde über die Bilder in der Wochenschau indoktriniert.804 Von jenen Historikern , die die „Vollzugsmeldung der Heimführung der Ostmark“ am Heldenplatz miterlebt hatten , wurde der 15. März als „der größte Tag der Geschichte der Ringstraße“ in seinen weltgeschichtlichen Auswirkungen mit dem „12. September 1683 , an dem die Festung Wiens befreit wurde“, verglichen.805

Abb. 62 Hitler in Wien. Heldenplatz 15. März 1938. Zeitgnössische Photographie. 804 Petschar ( 2008 ), S. 176–183. – 1938 gab es in Wien 227 Kinos in 26 Bezirken. 805 Lorenz ( 1942 ), S. 591.

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Die imperialistische Balkanpolitik der Nationalsozialisten fand in den folgenden sieben Jahren ihre Legitimation durch die Aktualisierung Prinz Eugens als Bannerträger der „Reichsidee“, durch wiederholte Hinweise auf die alte Tradition der „Ostmission“.806 Mit dem „schweren Kreuzer“ Prinz Eugen , dem siebenten Kriegsschiff dieses Namens , sollte die Tradition der k. u. k. Kriegsmarine in der deutschen Kriegsmarine „als Tradition des alten gemeinsamen Reiches“ fortgeführt werden.807 Das Schiff überstand zahlreiche Einsätze fast unbeschadet. Es wurde deshalb auch „Der glückliche Prinz“ oder „Das glückhafte Schiff“ genannt808 und bekräftigte den Mythos der Unbesiegbarkeit. Auch die im April 1941 aufgestellte 7. SS-Freiwilligen Gebirgsdivision , der zahlreiche „volksdeutsche Jugoslawen angehörten“ trug den Namen des Prinzen.809 Für den Rundfunk wurde im gleichen Jahr eine Fanfare geschaffen , die die Melodie des Prinz-Eugen-Liedes variierte. Bei „besonders großartigen und weittragenden Erfolgsmeldungen“ sollte darüber hinaus eine Liedstrophe „in feierlicher Form“ erklingen.810 1942 stiftete die Stadt Wien eine Prinz Eugen Medaille in drei Klassen. Erstmals erstellte der Historiker Bruno Böhm eine 1. 800 Schriften umfassende Bibliographie des Schrifttums zu Prinz Eugen. Im darauffolgenden Jahr ließ Helmut Öhler eine Untersuchung zum Mythos des Prinzen Eugen und seinen Niederschlag in Dichtung und Geschichtsschreibung folgen. In den Jahren 1938 bis 1945 erschienen ungezählte Erzählungen und Romane in hohen Auflagen , die die historische Gestalt des Prinzen Eugen für aktuelle politisch-militärische Ziele missbrauchten und ihn als Vorläufer der großdeutschen Expansionspolitik feierten. Der „Schönerianer“ Karl von Möller ( 1876–1943 ) z. B. vermittelte in seinem Prinz-Eugen-Roman Der Savoyer ( 1939 ) die Vision vom „Hl. Römischen Reich deutscher Nation“ als das „Verlorene Paradies“ der Auslandsdeutschen. Der katholischkonservative Ex-Offizier und Schriftsteller Ludwig Mathar ( 1882–1958 ) propagierte in Der Reichsmarschall ( 1939 ) die Ziele der Nationalsozialis806 Suppan ( 1986 ), S. 106. 807 Völkischer Beobachter. Wiener Ausgabe , 23. August 1938 , S. 1–2 ; Völkischer Beobachter. Wiener Ausgabe , 16. Dezember 1938 , S. 4. 808 Bauernfeind ( 2011 ). 1946 kenterte der Kreuzer nach einem Atombombentest über Steuerbord und sank am Bikini-Atoll. 809 Für den Hinweis dankt die Autorin Richard Hufschmied. 810 Reichsrundfunk , 1941 /  42 , Heft 3 , S.  59.

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Reichspropaganda

ten in Bezug auf die Revision des Versailler Friedensvertrages. Der deutsche Militärhistoriker Walter Elze ( 1891–1979 ) bekannte sich im Vorwort zur zweiten Auflage seines mit ausgewählten historischen Dokumenten abgestützten Werkes offen zum Sinn und Zweck seiner Darstellung Der Prinz Eugen. Sein Weg – Sein Werk und Englands Verrat ( 1940 ): „Das Buch dient ebenso der gemeinsamen Erinnerung aller Deutschen an den Prinzen wie dem sittlichen Recht der Deutschheit und des Reiches.“ Der Historiker Viktor Bibl ( 1870–1947 ) eignete seinen Prinz Eugen. Ein Heldenleben ( 21941 ) sogar der „Wehrmacht des deutschen Reiches“ zu. Und Burgtheaterdirektor Mirko Jelusich ( 1886–1969 ) träumte seinen Traum vom Reich in einer 125. 000 Stück hohen Auflage nicht nur 1941 , sondern mit Neuauflagen als Lizenzausgabe der Deutschen Buchgemeinschaft 1956 und bis Ende der Siebziger Jahre. Nicht nur für die Expansionspolitik , auch für die Legitimität eines „Führers ohne Krone“ wurde Prinz Eugen im Dritten Reich instrumentiert. In Veit Harlans Film Der große König ( 1942 ) wurde der historische Stoff um die Schlacht bei Kunersdorf und die Rolle Friedrich II. im Siebenjährigen Krieg propagandistisch aufgearbeitet , „mit dem Ziel der Lenkung des aktuellen politischen Bewusstseins und Verhaltens der Rezipienten“.811 Der große König gilt als einer jener Filme , die am stärksten propagandistisch intendiert waren , wie auch die bombastisch inszenierte Uraufführung am 3. März 1942 nahelegt. Dennoch sind in diesem Film „wenig manifeste Wiedergaben von politischen Propagandaparolen des Jahres 1941“ erkennbar.812 Weitgehend verzichtet der Film auf die Festlegung einer Eindeutigkeit zugunsten von Mehrdeutigkeit. In einer zentralen Szene wird die Legitimität des Führungsanspruchs im Heiligen Römischen Reich abgehandelt , Habsburg gegen Preußen. Am Wiener Hof gibt sich Graf Kaunitz zufrieden : Kaunitz. Die Geschichte hätte ja ihren Sinn verloren , wenn Friedrich bei Kunersdorf nicht geschlagen worden wäre. [ … ] Nur bei Habsburg liegt die legitime Führerschaft in Deutschland. Der kleine Marquis aus Brandenburg bläht sich wie ein König auf. 811 Schenk ( 1994 ), S. 74. 812 Schenk ( 1994 ), S. 88.

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IX. Vom Ständestaat in die Zweite Republik Dem entgegnet General Laudon. Vielleicht haben Sie Recht , vielleicht ist die Legitimität seines Königtums nicht erwiesen. [ … ] Dass er der geborene König ist , hat er aber nicht nur auf dem Schlachtfeld bewiesen. Kaunitz. General Laudon ist geneigt dem Gegner so weitgehende Gerechtigkeit widerfahren zu lassen , dass die eigenen Verdienste darüber in den Schatten gestellt werden ; aber einem Räuber gegenüber scheint mir diese Ritterlichkeit nicht ganz am Platz zu sein und zudem auch sehr gefährlich. Laudon. Auch die Neigung den Gegner zu unterschätzen , lieber Graf , hat ihre Gefahren , wie mir scheinen will , sogar die größeren. Als das Reich in Todesgefahr war , hat es keines der gekrönten Häupter der legitimen Könige gerettet , sondern der da ! [ im Bild erschient das Ölportrait Prinz Eugens mit dem Marschallstab von Johann Kupetzky ] Prinz Eugen von Savoyen ! und in Ehrfurcht vor seinem Angedenken lassen sie uns mit Respekt von einem großen Manne reden. ( Ein Bote übergibt General Laudon eine Dépêche ). Kaunitz. Aber Excellenz , geht das nicht zu weit ? Den Sieger von Peterwardein und Belgrad , diesen treuesten Vasallen des Kaisers , dieses Feldherrengenie mit dem geschlagenen König zu vergleichen ? Laudon. Meine Herren , darf ich ihren historischen Exkurs unterbrechen. Die Preußen marschieren auf Torgau mit einer neuen Armee von 46. 000 Mann. Diener. Das Menuett hat begonnen , Ihre Majestät lassen bitten. Laudon. Wir tanzen und er marschiert.813

In dieser Szene konnte sich das österreichische Publikum im Topos der alten Kultur wiedererkennen : unter dem Eindruck des Sieges der österreichischen Truppen bei Kunersdrof am 18. Juni 1757 hatte Maria Theresia seinerzeit den Militär-Maria-Theresien-Orden gestiftet. Für das Dritte Reich sollte hingegen durch das Andenken an Prinz Eugen der legitime Führungsanspruch „des großen Mannes“ Adolf Hitler suggeriert werden. Prinz Eugen sollte – einmal mehr – als Ahnherr des Dritten Reichs , entsprechend der NS-Propaganda historische Kontinuität für Adolf Hitler generieren : beide wurden dem Publikum als „ungekrönte Könige“ und „Retter des Reiches“ suggeriert. „Als das Reich in Todesgefahr war , hat 813 Harlan ( 1942 ), Min. 50 :27–52 :35. http://www.youtube.com/watch?v=I1MA4Qz1uEo ( 4. Juni 2013 ) Das im Film gezeigte Portrait von Johann Kupetzky ist im Besitz des Bayreuther Schloßmuseums. – Prinz Eugen Katalog ( 1986 ), S. 105.

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Der Held hat seine Schuldigkeit getan, der Held kann gehen

es keines der gekrönten Häupter der legitimen Könige gerettet , sondern der da !“ Irmbert Schenk weist in seiner Studie darauf hin , dass bei den auf Wirkdimensionen der Tagespropaganda angelegten Filmen immer auch berücksichtigt werden müsse , dass private Alltagspraxis , wie ein Kinooder Theaterbesuch „in staatsfreien Sphären“ ablaufe und dass auch „die Schicht der vor- und unbewussten Gedanken des Zuschauers mit Anregungen versorgt“ wurde.814 Schenk vertritt deshalb die These , dass Filmwirkung weniger in „inhaltlich-motivlichen oder personen-bezogenen Identifikationen“ zu verorten sei , sondern vielmehr in der Aneignung „von prozessualen Verarbeitungsvorlagen für Konflikte“, die modifiziert nach eigenen Erfahrungskonstellationen vom Zuschauer in einer späteren Konfliktbearbeitung genutzt werden können.815 Prinz Eugen vertrat auf der Bühne bis dato ausnahmslos eine Grundhaltung der Konfliktlösung : er verzeiht alles und bringt auch das größte Chaos wieder in Ordnung. Läßt sich aus der jahrzehntelangen Versorgung der Zuschauer mit pardonnierendem Konfliktlösungspotenzial vielleicht auch die fast selbstverständliche Akzeptanz der Opferrolle der österreichischen Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg erklären ? Die Schuldfrage wurde nicht gestellt : Dem Opfer ist zu allererst zu verzeihen.

Der Held hat seine Schuldigkeit getan, der Held kann gehen Nach 1945 distanzierte sich Österreich von allem , was deutsch war. Nicht nur vom Nationalsozialismus , sondern auch vom Deutschtum schlechthin , mit dem man nichts mehr zu tun haben wollte.816 Ein wesentlicher Lernprozess der Österreicher betraf die Akzeptanz der Kleinstaatlichkeit. Die Verehrung Prinz Eugens durch deutschnationale Gruppierungen und Historiker der NS-Zeit als „deutscher Held“ beeinflusste sein Image nach 1945 , ganz im Gegensatz zu Maria Theresia , die ebenfalls als „deutsches Weib“ und „deutsche Hausfrau“ verehrt wurde.817 814 815 816 817

Schenk ( 1994 ), S. 88 f. Schenk ( 1994 ), S. 89. Kreissler ( 1984 ), S. 15 ; Heer ( 1981 ), S. 17 ; Stourzh ( 1990 ), S. 27. Telesko ( 2012 ).

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Historische Romane um den Prinzen Eugen wurden nach 1945 selten ; in manchen wirkte noch das NS-Bild des Prinzen als Deutscher nach818 , in anderen wurde er nach der Instrumentalisierung durch die NS-Ideologie nun privatisiert.819 Die offizielle Distanzierung zu Prinz Eugen wurde mit seinem Kinoauftritt in der selbstreferentiellen Filmsatire 1. April 2000 vollzogen. Unter Beteiligung der staatlichen Öffentlichkeit ( der österreichische Bundespräsident und Bundeskanzler waren ebenso anwesend wie die vier Hochkommissare ) und dem zeitgenössischen ‚Who is Who‘ fand am 19. November 1952 – im 1. 400 Gästen Platz bietenden – Apollokino die als Galavorstellung inszenierte Uraufführung von 1. April 2000 statt. Der im Auftrag der Bundesregierung produzierte Film war auf ein zweifaches Ziel gerichtet : nach innen sollte der Film der Bevölkerung Selbstvertrauen vermitteln und nach außen Österreich und seine Kultur optimal präsentieren. Das Filmdrehbuch lag in den Händen eines großkoalitionär zusammengesetzten Autorenduos : Rudolf Brunngraber ( 1901–1960 ) von der SPÖ und Ernst Marboe ( 1909–1957 ) von der ÖVP erarbeiteten in dreijähriger Zusammenarbeit ein Vergangenheitsbild unter den identitätsstiftenden Aspekten der Eigenart und der Dauer820 ; durch betonte Musikalität und Gemütlichkeit ( der Österreicher ) markierte dieses Selbstbild die Differenz nach außen ; nach innen wurde sie minimalisiert durch die kommentierende Anwesenheit des Volkes. Sprachlich wird die österreichische Färbung , das wienerische Idiom betont , der Dialekt als Stimme des Volkes eingesetzt. Im April 1952 wurde der bundesdeutsche , auch für den NS-Staat als Schauspieler und Regisseur erfolgreiche Wolfgang Liebeneiner ( 1905–1987 ) mit der Regie beauftragt ; am 1. Juli 1952 begannen die Dreharbeiten ; insbesondere die Wiener Zeitung begleitete den Filmdreh journalistisch. Mit einem Starensemble , deren Rollengeschichte zum sinnproduzierenden Element wurde und unter Beteiligung der österreichischen Bevölkerung ( in Massenszenen vor Schönbrunn und am Heldenplatz ) schuf Liebeneiner einen Heimat- und Historienfilm , der unter einer satirischen Science Fiction-Oberfläche auf ältere Identitätskonstrukte zurückgriff und sie um das Selbstbild Österreichs als Opfer ergänzte. Ziel dieser als Inszenierung 818 Srbik ( 1949 ); Csáky ( 1986 ), S. 88–89. 819 Brunner ( 1950 ). 820 Assmann ( 1997 ), S. 40.

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präsentierten Selbstverteidigung war der Freispruch von der Anklage der Aggression und des Weltfriedensbruches. Staatlicher Auftrag und propagandistisches Interesse öffneten der Produktion alle kulturellen staatlichen Einrichtungen , sicherten die Unterstützung durch Polizei und Gendarmerie bei den Filmaufnahmen , gewährten Sondertarife und die Beistellung von Devisen. Nebenrollen waren prominent und idealtypisch besetzt. Der Hinweis auf die Verwendung authentischer Requisiten ( wie Kaiserkrone und Krönungsmantel ) unterstrich die Legitimität der Inszenierung und des Rechtsanspruchs. Trotz aller Unterstützung stieß die Produktion an Grenzen und ironisierte – z. B. mit dem Hinweis auf nicht leistbare Versicherungskosten – die eigenen Produktionsbedingungen.821 Die ( aus dem Weltkrieg nur allzu bekannten ) Fanfaren aus dem schwarzen Off künden vom Prinzen Eugen und münden in ein beschwingtes Marschpotpourrie , zu dem der Filmvorspann in Form der viersprachigen Identitätsausweise läuft. Der neu gewählte Ministerpräsident hatte seine Amtseinführung am 1. April 2000 genützt , um das 1947 abgeschlossene Kontrollabkommen aufzukündigen und die Bezahlung der Besatzungskosten einzustellen , da all jene Zusagen des Abkommens ( wie Staatsvertrag , Freiheit und Selbständigkeit ) auch nach der 2850. Staatsvertragssitzung nicht eingelöst worden waren. Für seine Selbstfreisprechung werden Österreich und sein Präsident nun von der Weltschutzkommission822 wegen „Aggression und Weltfriedensbruch“ angeklagt und aufgefordert , sich mit ihrer 1000-jährigen Geschichte zu verantworten. Von der Union genehmigte Dokumentarfilme und Schauspieler sollen als Kronzeugen der Geschichte in diesem Gerichtsverfahren „der Wahrheit“ gemäß Zeugnis ablegen. In einer Parade historisch markanter Ereignisse , die mit melodischen Signaturen mythisch aufgeladen wurden , werden potpourriartig Geschichtsbilder vorgeführt. Schauplatz der Gerichtsverhandlung ist die 821 Vgl. dazu die umfassenden Beiträge in : Kieninger /  Langreiter /  Loacker /  Löffler ( 2000 ). 822 Der Weltschutzkommission , angeführt von einer Präsidentin , die genderkorrekt als Excellenza angesprochen wird , gehören je ein Vertreter eines Kontinentes ( mit Ausnahme Australiens ) an : eine Südamerikanerin , ein Nordamerikaner , Hatschi Halef Omar als Vertreter der iranischen Union , ein Italiener für Europa , ein Chinese für Asien und ein Schwarzer für Afrika , der durch seine Musikbegeisterung als erster für den Freispruch votiert.

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ehemalige kaiserliche Hofburg vor einer den Klimt-Stil zitierenden Allegorie der Justitia. Nach der Filmvorführung der Schlacht bei Akkon , der im Stephansdom re-inszenierten Doppelhochzeit der Enkel Kaiser Maximilians und des aus Geldnot nur angedeuteten Türkenbefreiungskampfes um Wien erscheint  – nachdem alle wieder im Gerichtssaal bei türkischem Kaffee ( zu Mozarts Alla Turca ) Platz genommen haben – auch Prinz Eugen als Kronzeuge. Sein Auftritt wird mit Trommel crescendo unterlegt und verweist auf die musikalische Funktionalisierung des Prinz-Eugen-Mythos im Radio der NS-Zeit. Während die Kommentare des Volkes Ehrfurcht und Demaskierung gleichzeitig markieren , werden die Anwürfe „alles Scheinpropaganda , ein Kriegsverbrecher , euer sogenannter edler Ritter“ mit Hilfe von Filmeinblendungen als NS-Vergangenheit zitiert : der Heldenplatz mit Menschenmassen rund um das Prinz-Eugen-Denkmal setzt den Anschluss 1938 ins Bild und spielt die Zustimmung der Bevölkerung gleichzeitig als ( jederzeit wiederholbare ) Inszenierung herunter.

Abb. 63 Das Denkmal am Heldenplatz umgeben von Menschenmassen im Nachkriegsfilm 1. April 2000.

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In dieser Szene wird die Strategie der beschwichtigenden Distanzierung offenbar. Während der Präsident Prinz Eugens Verfolgung der Feinde bis nach Belgrad zum Hausrecht erklärt und dem Helden ansonsten Friedfertigkeit und Kunstsinn zubilligt , formuliert Prinz Eugen selbst seine seinerzeitigen Interessen uneingeschränkt : der Weg nach Osten wäre Österreichs größte Chance gewesen , er hätte das kaiserliche Imperium bis Konstantinopel erweitern wollen. Nur die Weigerung des Kaisers , statt zu rekrutieren lieber zu dirigieren , habe seinen Vormarsch zu seinem größten Bedauern verhindert. Statt Krieg zu führen , hätte dieser Städte gebaut und aus seinen Dragonerpferden wurden Balletteusen. Die filmische Vorführung einer Lipizzaner-Kür ( zu einem musikalischen Potpourri , bei dem auch Brahms’ Ungarische Tänze nicht fehlten ) überzeugte nicht nur die Präsidentin im Filmkontext , sondern riss auch das bei der Galapremiere anwesende Publikum zu Spontanapplaus hin.

Abb. 64 Erik Frey als Prinz Eugen in 1. April 2000 ( 1952 ).

Im Legitimationsdiskurs hält der Präsident am narrativen Bild des Prinzen Eugen der Vorkriegszeit fest ; sowohl der musizierende handlungsresistente Kaiser wie der seine „Ostmission“ bestätigende Prinz Eugen sind dem 347

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Publikum aus der Zwischenkriegszeit bekannt. Indem der den Prinzen Eugen verkörpernde Schauspieler aber noch im Gerichtssaal seine Rolle ablegt , sich als Burgschauspieler für den Applaus bedankt und Autogramme verteilt , verschwindet diese Figur im Rollenfundus der Vergangenheit. Fred Liewehr ( 1909–1993 ) gab den melancholisch verträumten Habsburger , den er bereits in Filmen wie Maria Theresia ( 1951 ) und Der Engel mit der Posaune ( 1948 ) gespielt hatte. Erik Frey ( 1908–1988 ), der auf das Rollenfach der Bösewichte spezialisiert war , führte den seiner Wahrheit verpflichteten Prinzen Eugen auf der Prozessbühne vor. Subtext und Rollenbiografie konnten von den Zuschauern als Mehrwert abgerufen werden. Der Vertreter Nordamerikas : Sie wollen doch nicht behaupten , dass der türkische Kaffee das einzige ist , was Sie erbeutet haben. Hatschi Halef Omar : Millionen haben sie erbeutet , verfolgt haben sie uns bis nach Belgrad. Präsident : Was seid ihr denn erst hergekommen , wir haben euch nicht eingeladen. Hatschi Halef Omar : wir euch auch nicht , ihr Prinz Eugen … Präsident : unser bester General. Hatschi Halef Omar : ein Türkenfresser , ein Bluthund Präsident  : er hat nur von unserem Hausrecht Gebrauch gemacht. Das Hausrecht eines Menschen ist doch unbestritten. Sogar die Polizei respektiert das Hausrecht – meistens. So wie es im kleinen ein Hausrecht gibt , so gibt es auch ein Hausrecht im großen. Prinz Eugen hat nur die fremden Armeen aus dem Land gejagt. Und dann hat er sich dem Frieden und den Künsten gewidmet. ( Prinz Eugen betritt unter Trommelcrescendo den Gerichtssaal ) Stimme aus dem Volk : Da ist er der Prinz Eugen ! ( im Bild der Heldenplatz mit dem Denkmal des Prinzen Eugen umgeben von Menschenmassen ); Stimme aus dem Off : Hm , alles Scheinpropaganda , ein Kriegsverbrecher , euer sogenannter edler Ritter. Stimme aus dem Volk : Schau , der Prinz Eugen. Der hat lange Haar. Stimme aus dem Volk : San ja eh net echt. Prinz Eugen : Meine Freunde haben mir berichtet , dass Sie die Wahrheit suchen , Excellenza. Ich weiß Sie erhaben über Denunziation und Gerüchte. Die

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Der Held hat seine Schuldigkeit getan, der Held kann gehen Wahrheit ist , nach meinen Siegen bot ich dem Kaiser an , sein Imperium bis Konstantinopel zu erweitern. Ich sandte eine Abteilung meiner Leibdragoner zu ihm mit einer Botschaft. Majestät , schrieb ich ihm , der Weg nach Osten ist frei , geben Sie mir Befehl zu marschieren. Aber der Kaiser , der Kaiser liebte den Frieden und die Musik. ( Im Bild der Kaiser am Cembalo dirigierend ; heran reitende Dragoner überbringen die Nachricht ) Bote : Botschaft von seinem Fürsten dem Prinzen Eugen , Eure Majestät. Kaiser Leopold ( lesend ). Der Weg nach Osten … Österreichs größte Chance … neue Rekruten … da haben wir’s ( zum Boten /  Kamera ) Österreichs größte Chance liegt im Geiste und nicht auf dem Schlachtfeld. Nicht rekrutieren , dirigieren. Prinz Eugen : Nun stellen Sie sich vor , Excellenza , was das für einen General bedeutet. Mitten im Vormarsch muss ich den Krieg abbrechen. Statt Kanonen zu gießen haben sie Kirchen gebaut. Statt Kriegsschiffe Straßen , Handelsstraßen durch das ganze Land. Statt Säbel , Gewehre und Pistolen anzufertigen , haben sie neue Städte errichtet und alles barock. Und was der dirigierende Kaiser aus meinen Dragonerpferden gemacht hat , das sehen Sie sich am besten auf der Leinwand an. [ … ] Sehen Sie sich das an , ist das ein Pferd ? das ist doch eine Balletteuse ! ( Im Bild Filmvorführung der Lipizzaner zu Brahms Ungarischen Tänzen ). Excellenza : Wir haben genug gesehen , zur Abstimmung meine Damen und Herren. Prinz Eugen : Verzeihung Exc. Ich bin noch nicht fertig. Präsident : Es ist gut , Herr Burgschauspieler , Sie können gehen. Prinz Eugen : Einen Augenblick , Herr Präsident , meine Rolle geht ja noch weiter. Ich soll ja noch auf die Kaiserin Maria Theresia hinweisen , Excellenza. Excellenza : Sagen Sie Herr Burgschauspieler , ist das wahr , die Kaiserin hatte 16 Kinder und außerdem hat sie noch dirigiert. Präsident : 40 Jahre lang , sie war unsere größte Herrscherin. ( Im Bild als Tableaux vivante die Kaiserin umgeben von ihren Kindern , die alle dem kleinen Mozart am Cembalo lauschen ). ( Im Bild geht der Burgschauspieler ab und wird für seinen Auftritt vom im Gerichtssaal anwesenden Volk beklatscht und um Autogramme gebeten ). 823 823 1. April 2000. Filmarchiv Austria. 51 :01–57 :50.

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Nach weiteren szenischen Geschichtsbelegen in diesem Theater der Selbstinszenierung , in denen Österreich glaubhaft seine Kulturleistungen unter Beweis stellen kann , wird das Land von der Anklage , rückfällig zu sein , freigesprochen. Auch die Evakuierung der Bevölkerung in die Wüste Sahara und die Umwidmung des Landes in ein großes historisches Museum und in einen Naturschutzpark , den nur sachkundiges Bedienungspersonal betreuen dürfe , sowie die immerwährende Anwesenheit der Hochkommissare als Kontrollarchivare wird abgewendet. Mit einem großen Walzer aller im kulturellen Gedächtnis abrufbaren Ikonen der Geschichte und der bevorstehenden Verehelichung des österreichischen Präsidenten mit der Präsidentin der Weltschutzkommission , die als Schutzmantelmadonna ihr Welten-Cape über das Land breitet , endet diese Selbstverniedlichung schlussendlich doch als Allmacht- Phantasie.824

Abb. 65 Das Prinz-Eugen-Denkmal während der Frühjahrsparade des österreichischen Bundesheeres 1956. 824 Steiner ( 2000 ), S. 149–186.

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1963 – Tradition als Schicksal Österreichs

Nahezu jede österreichische Filmbesprechung gab der Hoffnung auf ein baldiges Ende der Besatzungszeit Ausdruck. Radikale Verrisse wurden vermieden , nur die kommunistischen Blätter waren negativ und die Bundesländerzeitungen kritisierten die „Wienlastigkeit“ des Dargestellten.825 Im Mai 1955 erhielt Österreich den Staatsvertrag und die Alliierten verließen bis zum Herbst das Land. Der seinerzeitige Staatssekretär in der provisorischen Regierung Renner ( 1945 ) und bis 1959 Abgeordneter zum Nationalrat Ernst Fischer ( 1899–1972 ) versuchte zu diesem Zeitpunkt gemeinsam mit seiner späteren Ehefrau Louise Eisler in einem umfassenden Prinz-Eugen-Roman in Dialogen , zu dem Lion Feuchtwanger ein Nachwort schrieb , dessen Rehabilitierung. Im wiedereröffneten Heeresgeschichtlichen Museum wurde erstmals ein Saal nach dem Prinzen Eugen benannt und ein Gedächtnisraum eingerichtet. Und anläßlich der Frühjahrsparade des österreichischen Bundesheeres 1956 wurde der Sockel des Prinz-Eugen-Denkmals mit Blattpfanzen geschmückt und von Wächtern in Barockkostümen bewacht.826 Zwei langjährig in Wien stationierte Mitglieder der Besatzungsmacht , der französische General Antoine Béthouart ( 1889–1982 ) – Oberkommandierender der französischen Besatzungstruppen ( 1945 ) und 1946–50 französischer Hochkommissar  – und Nicholas Henderson ( 1919–2009 ), der als junger britischer Diplomat 1945–55 in Wien akkreditiert und später Botschafter in Washington war , verfassten späterhin vielbeachtete EugenBiographien.

1963 – Tradition als Schicksal Österreichs Dank staatsvertraglich abgesicherter Neutralität , Wiederaufbauerfolge und Wirtschaftswunder hatte das Land zu diesem Zeitpunkt seine Kleinstaatlichkeit akzeptiert und das nationale Selbstbewusstsein weitgehend wiederhergestellt. Die Rückbesinnung auf die eigene große Vergangenheit vor 1918 825 Hochholdinger-Reiterer ( 2000 ), S. 73–111. 826 Die Affinität des österreichischen Bundesheeres zu Prinz Eugen ist auch noch 1997 erkennbar. Das Büro für Wehrpolitik des damaligen Bundesministeriums für Landesverteidigung warb mit einem Prinz-Eugenzitat für das durch die steigende Beliebtheit des Zivildienstes um Rekruten besorgte Heer : „Sie schreien nach uns um Hilfe , wenn ihnen das Wasser in das Maul rinnt und wünschen uns vom Hals kaum als einen Augenblick dasselbige verschwunden. Prinz Eugen von Savoyen 1704.“

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und der Beitrag des Prinzen Eugen , der „aus der Verteidigung heraus die raumgewinnende Offensive einleitete“ und als Ergebnis der fast dreißigjährigen Kriege der österreichischen Herrschaft die größte Ausdehnung „die es je gegeben hat“ verschafft hatte , nahmen dabei einen hohen Stellenwert ein.827 Anlässlich des 300. Geburtstags wurde erstmals das Erbe des Prinzen Eugen thematisiert : das Bewahren der Tradition als Schicksal Österreichs. In diesem Sinne organisierte das Heeresgeschichtliche Museum eine Ausstellung , die die militärische Seite seines Wirkens in den Mittelpunkt stellte , Kriegsschauplatz für Kriegsschauplatz thematisch umfangreich in zusammenhängender Chronologie abhandelte , und dabei nicht nur die Siege , sondern vor allem auch die Widerstände , die zu überwinden waren , und den „Widerhall seiner Taten“ mit Objekten veranschaulichte.828 Die Österreichische Galerie Belvedere präsentierte Prinz Eugen „als Mäzen , als Förderer und Beschützer der Künste und Wissenschaften“, um besonders jene „großen kulturellen Leistungen [ zu würdigen ], die zu oft im Schatten der militärischen und staatsmännischen Leistungen stehen“, aber „aus der Geschichte der österreichischen Kultur nicht wegzudenken“ sind.829 Eine neu geprägte 25-Schilligmünze nahm die Tradition der reichen barocken Medaillenkunst wieder auf. Die gesamte Bundesregierung hatte sich an diesem 18. Oktober zu einem Festakt im Belvedere versammelt. Festredner war der Historiker und Pfarrer Hugo Hantsch ( 1895– 1972 ), der als Resumée seines Festvortrages daran erinnerte , dass die Monarchia Austriaca des Prinzen Eugen zwar lange Vergangenheit sei , „das Herzstück dieses Reiches“ allerdings immer noch höher schlage „in der Erinnerung an eine rühmliche Vergangenheit [ … ] die sein kostbares Besitztum bleibt“.830 Und der Unterrichtsminister Heinrich Drimmel wies in seiner Rede auf die Verantwortung hin , die aus diesem Erbe erwachse : „Geschichte läßt sich nicht wiederholen und noch weniger unverändert erhalten. Geschichte ist aber auch Gegenwart , so wird Tradition zum Schicksal , das starken und schwachen Österreichern in der Gegenwart auferlegt ist.“ Auch die österreichischen Repräsentationen im Ausland or827 828 829 830

Hantsch ( 1963 ), S. 10. Prinz Eugen Ausstellung ( 1963B ), S. 9. Prinz Eugen Ausstellung ( 1963A ), S. 5. Hantsch ( 1963 ), S. 27.

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1983 Türkenbefreiungsfeiern

ganisierten ihre Kulturarbeit rund um den Geburtstag des Jubilars , wie das österreichische Kulturinstitut in Rom , wo der Generalstaatsarchivar Generalmajor i. R. Dr. Oskar Regele ( 1890–1969 ) am 23. Oktober 1963 über den Principe Eugenio di Savoia sprach. Am Wiener Heldenplatz vor dem Reiterstandbild fand der obligate Festakt statt. Belletristiker , Historiker , Offiziere und Diplomaten leisten monographische Beiträge aus ihrer subjektiven Perspektive. Der Widerstandkämpfer und Leiter des Fischer Verlages Janko Musulin ( 1916–1978 ) ebenso wie das ehemalige NSDAP-Mitglied , der Offizier und Diplomat Roland Krug von Nidda ( 1895–1968 ), der Universitätsprofessor Gustav Otruba und auch der Staatsarchivar im Kriegsarchiv Rudolf Kiszling. 1963 erschien auch der erste Band der auf fünf Bände angelegten bis heute gültigen Eugen-Biographie des deutschen Historikers Max Braubach ( 1899– 1975 ), in der Prinz Eugen unter Zuhilfenahme aller verfügbaren Quellen als großer Europäer zu seinem Recht kommt.

1983 Türkenbefreiungsfeiern Das Türkenbefreiungsfeier 1983 klammerte – anders als 1933 – die Erinnerung an Prinz Eugen weitgehend aus. Gefeiert wurde unter den Vorzeichen von Völkerverständigung und Versöhnung Jan III. Sobieski , der durch seinen entscheidenden Angriff am 12. September 1683 gegen die Türken zum „Retter Wiens“ wurde. Dreihundert Jahre danach herrschte in Polen Kriegsrecht als Folge des Aufbegehrens der Gewerkschaftsbewegung Solidarność , um politische und soziale Reformen durchzusetzen. Sobieski wurde so zur Schnittstelle des vom Bürgerkrieg geplagten Polen und Österreichs. Im Zuge des österreichischen Katholikentages besuchte der ( polnische ) Papst Johannes Paul II. als Höhepunkt der zahlreichen religiösen Veranstaltungen vom 10. bis 13. September Wien. Der Thron des Heiligen Vaters stand auf dem Heldenplatz unmittelbar neben dem Denkmal des Prinzen Eugen. Ziel der Veranstaltungen war es , „den Zusammenhalt der christlichen Länder Europas [ zu ] betonen , der in der Entsatzschlacht bewiesen worden sei“.831 Im Juni des gleichen Jahres besuchte 831 Dallinger ( 2012 ), http://www.tuerkengedaechtnis.oeaw.ac.at/feierlichkeit/marcodaviano-und-die-jubilaumsfeiern-von–1983 /  ( 4.  April 2013 ).

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der Papst auch Polen , im Juli wurde das Kriegsrecht aufgehoben. Für den neu ernannten Unterrichtsminister Helmut Zilk ( 1927–2008 ) galt 1683 nicht vorrangig als militärisches Ereignis , sondern vor allem als Zusammentreffen zweier Welten und ihrer Menschen , als „kurzfristige Nahtstelle zwischen Orient und Okzident“. 832 Dreizehn Ausstellungen in und um Wien luden die Bevölkerung ein zum „Türken schauen“ und zeigten alles , was wenigstens entfernt an Türkisches erinnerte : Turbane und Tamburine , Rossschweife und Krummsäbel. Für die große Ausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien ( heute : Wien Museum ) Die Türken vor Wien. Europa und die Entscheidung an der Donau 1683 wurde die dreistöckige Fassade des Künstlerhauses auf dem Wiener Karlsplatz zu einem Türkenzelt umgestaltet ; zur Schau gestellt wurden vor allem osmanischer Prunk und osmanische Zivilisation , und die Assimilierung der einst fremden Kultur in der nun eigenen : Kaffee und Kipferl , Flieder und Rosskastanie , Militärmusik und Opernstoffe. Das Kriegerische wurde wie in der Vorführung einer multimedialen Türkenschlacht kulturell sublimiert und ästhetisiert. Eine echte Janitscharen-Kapelle marschierte und spielte vor dem Rathaus auf. Und die Gastronomie gab sich kosmopolitisch : Als Süßspeise wurde „Türkenkoch mit Sultaninensauce“ serviert und das „Stierblut“ wurde in „TürkenblutWein“ umbenannt. Auch bei den Perchtoldsdorfer Sommerspielen standen die „gar köstlichen Folgen“ der Türkenbelagerung 1683 , Kaffee und Kipferl , ironisch im Zentrum. Franz Hiesel ( 1921–1996 ) hatte sein gleichnamiges Hörspiel für die Bühne adaptiert : In 1683  – Die gar köstlichen Folgen einer mißglückten Belagerung hat auch Prinz Eugen seinen Auftritt ; als er sich als Chevalier de Soissons zum Dienst meldet , wird ihm ( vom kundigen „Erzähler“ ) eine glückliche Hand gegen die Türken in späteren Feldzügen prophezeit.833

832 Zit. nach Cyrus ( 1983 ), S. 114. 833 Hiesel ( 1978 ), S. 32. Der Sender Freies Berlin SFB sendete das Hörspiel 1975 , Prinz Eugen sprach der Burgschauspieler Florian Liewehr. Die Uraufführung bei den Sommerspielen Perchtoldsdorf fand am 1. Juli 1983 statt. Regie führte der Intendant Jürgen Wilke.

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1986 – 250. Todestag

1986 – 250. Todestag Das Prinz-Eugen-Jahr 1986 begleiteten fünfundzwanzig einschlägige BuchNeuerscheinungen , auch seit den 1970er Jahren bereits am Buchmarkt etablierte Werke blieben verfügbar oder wurden neu aufgelegt.834 Drei Jahre vor dem Fall des Eisernen Vorhanges richtete sich das Interesse der Historiker auf den Donauraum als gemeinsamen Geschichtsraum und ein verstärktes Zusammenleben über alle ideologischen Gegensätze hinweg.835 Das offizielle Österreich schloss sich keinem der angebotenen Geschichtsbilder an , verzichtete aber auch auf neue eigene Überlegungen. Mit der Renovierung der Marchfeldschlösser Schloßhof und Niederweiden wurde die Vorgabe des Jahres 1963 umgesetzt , die Tradition als Schicksal angenommen und mit der Bewahrung eines Teils des Erbes begonnen. Mit der Eröffnung der Ausstellung der Republik und des Landes Niederösterreich Prinz Eugen und das barocke Österreich wurden die beiden Schlösser erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Auch die Repräsentationsräume seines Stadtpalais in der Himmelpfortgasse , damals der Sitz des Finanzministeriums , waren im Frühjahr 1986 zwei Wochen lang öffentlich zugänglich. Wie schon 1963 richtete sich auch 1986 das Interesse auf die Präsentation eines reichen kulturellen Erbes. Präsentiert wurde aber nicht nur das architektonische Erbe des Prinzen Eugens , sondern auch seine Sammlungen : Im Prunksaal der Nationalbibliothek , in dem die Bibliotheca Eugeniana verwahrt ist , und in der Albertina wurden die wertvollen bibliophilen und graphischen Sammlungen des Prinzen Eugen , die die Habsburger nach seinem Tod von seiner Nichte und Erbin erworben hatten , gezeigt. Die Ausstellungen in Schloßhof und Niederweiden sollten den Prinzen Eugen in seiner Zeit fassen und Geschichte nicht nur als die Aneinanderreihung „großer staatstragender Ereignisse“ zeigen , sondern als Sozialgeschichte die „gesamte , kulturelle und soziale Landschaft , in der die Menschen damals lebten“ vermitteln.836 Im Wissen um die ideologische Vereinnahmung durch nachkommende Generationen wurde das „Nachleben“ des Prinzen Eugen nachrangig behandelt , die Zeit der beiden Welt834 Oppenheimer ( 1979 ); McKay ( 1979 ); Stradal ( 1982 ). 835 Prinz Eugen Symposium ( 1986 ), S. 124. 836 Prinz Eugen Katalog ( 1986 ), S. XXVII.

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kriege ausgeblendet und ein „Schlussstrich“ bei den beiden Denkmälern auf dem Heldenplatz in Wien und auf dem Platz vor der Nationalgalerie in Budapest gezogen. Um über den Ausstellungsbesuch hinaus bleibende Erlebnismomente zu schaffen und das Publikum zu Teilnehmern barocker Inszenierungen zu machen , wurden die Wiener Innenstadt , der Garten des Belvedere und der Vorhof von Schloßhof zur Bühne. Die 90 Mitglieder umfassende Turiner Truppe Gruppo Pietro Micca demonstrierte im Kostüm des 18. Jahrhunderts , mit Uniformen und Ausrüstungen einer Infanterie-Abteilung mit Trommeln und Pfeifen , als Grenadiere des königlichen Leib-Regiments , als Kanoniere und Marketenderinnen , Ordonnanzen und Piemont-Dragoner Aufmärsche , Paraden und Scheingefechte im Stil der Zeit Prinz Eugens. Angesichts einer ersten Faschismus-Debatte in Österreich , die den seit 1945 gültigen Status als „Opfer des Nationalsozialismus“ brüchig werden ließ  – Der Spiegel hatte im Zuge der Berichterstattung zur WaldheimAffäre Mitte April das Bild eines sich über die Alpen zum Hitlergruß reckenden Armes auf den Titel gesetzt837 – wurden auch kritische Stimmen zum Umgang mit der Prinz-Eugen-Erinnerung laut : Johann Christoph Allmayer-Beck sah die Tradition zum Requisit verkommen ; und Adam Wandruszka versuchte für die Neue Zürcher Zeitung mit der Begriffsklärung der Zuschreibungen „Roi des honnêtes hommes“ und „Atlas der Monarchie“ eine moralische Erneuerung der Prinz-Eugen-Erinnerung.

Prinz Eugen am Scheideweg Das neue Jahrtausend ist gekennzeichnet vom Versuch der Entmythisierung und Dekonstruktion des „edlen Ritters“ durch Darstellungen seiner Zeit aus dem moralischen und sozialen Blickwinkel der Gegenwart. Prinz Eugen , der jahrhundertelang als Retter des Christentums gefeiert worden war , wird im Zuge der Abrechnung mit dem Christentum gleichfalls demontiert. Geldgier sei der Grund gewesen für alle kriegerischen Grausamkeiten dieses eiskalten Machtmenschen.838 Und als Privatperson sei er gekennzeichnet von Neurosen und Schwächen , ausgelöst durch traumatische Kind837 Der Spiegel 16 , 14. April 1986. 838 Deschner ( 2013 ).

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Prinz Eugen am Scheideweg

heitserfahrungen ; Unsicherheit und Unfähigkeit , sich dem gesellschaftlichen Kodex entsprechend zu kleiden , zu benehmen oder zu unterhalten standen seinem hohen Sozialprestige als siegreicher Feldherr und „Star“ der Gesellschaft diametral gegenüber. Letzendlich finden  – wie schon in den vergangenen Jahrhunderten – die politischen Themen der Gegenwart , als da gegenwärtig lauten : Kindesmissbrauch und Homosexualität im Prinzen Eugen ihre schillernde Folie.839 Jede Entmythisierung trägt gleichzeitig aber auch immer wieder bei zu erneuter Mythisierung durch Darstellung seiner „Übergröße“ als Verkörperung des Kosmos einer ganzen Epoche. Mit dem monologischen Theatertext Der Zorn der Eleonore Batthyány840 , in dem uns Prinz Eugen aus der Perspektive seiner langjährigen Freundin und Vertrauten , der schönen und selbstbewussten Eleonore Gräfin Batthyány vorgeführt wird , schuf Erwin Riess bereits 2003 einen Blick hinter die Erfolgsfassade des strahlenden Heldenbildes. Riess wählte dafür als historischen Hintergrund die sogenannte Nimptsch-TedeschiAffäre des Jahres 1719 , die als Wendepunkt die Möglichkeit des Scheiterns des erfolgsgewöhnten Prinzen durchaus in sich barg. Drahtzieher dieser höfischen Intrige waren Reichshofrat Graf Nimptsch und Abbé Tedeschi , die durch Bespitzelungen und Behauptungen , Prinz Eugen sei von Eleonore Gräfin Batthyány abhängig und deshalb nicht mehr vertrauenswürdig , bei Kaiser Karl VI. gegen ihn intrigierten. Am 25. August 1719 erschien Prinz Eugen vor dem Kaiser , legte ihm Schriftstücke vor , aus denen das Zusammenspiel des Kammerherren mit dem Abbé hervorging und verlangte volle Genugtuung für die ihm angetanen Beleidigungen.841 Riess spekuliert in seinem Theatertext , dass Eleonore , geborene Gräfin Stratman , seit 1703 verwitwete Gräfin Batthyány , als langjährige Freundin und Vertraute des Prinzen Eugen , ihn zur Audienz habe begleiten wollen , da sie ja ebenso verleumdet worden war wie er selbst. Als sie jedoch mit ihm in der Hofburg erschien , wird sie nicht zugelassen und in ein kleines

839 Kramer /  Mayrhofer ( 2013 ). 840 Riess ( 2003 ). Uraufführung 25. November 2003 ( bis 6. Dezember 2003 , zehn Aufführungen ) Die Theater Konzerthaus ( 1030 , Lothringerstraße 20 ). Weitere Aufführungen : 13. / 14. 12. 2003 , Behindertenhilfe Oberrohrbach. ( 2105 Oberrohrbach , Neusiedlgasse 1–5 ). Eleonore Batthyány wurde gespielt von Cornelia Scheuer. 841 Braubach ( 1963–65 ) IV, S. 78–79.

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Kabinett verwiesen. Im prunkvollen Kostüm gleichsam abgestellt , zürnt sie Prinz Eugen , dass er die Audienz ohne sie wahrnahm und fürchtet gleichzeitig um ihn. Dabei schweifen ihre Gedanken ab in die Vergangenheit , ihr Leben mit Prinz Eugen , dessen Geschäfte sie besorgt , den sie nur sieht , wenn der Krieg ruht , oder wenn sie seine Verletzungen pflegt. Und sie erinnert sich an gute Tage , die sie gemeinsam mit Kaiser Joseph , dem verstorbenen Bruder des jetzt regierenden Kaiser Karl verbrachten , und was alles aus diesem Reich hätte werden können. Versäumte Möglichkeiten , seltene Begegnungen und langes Warten. Gräfin Batthyány ist eine moderne , selbstbewusst liebende Frau , die – eine Vorkämpferin der Frauenbewegung – um ihren Platz in der Welt der männlichen Eitelkeiten kämpft und ihrer Unsichtbarkeit überdrüssig wird. Aus ihrem Zorn und ihrer Verzweiflung entsteht ein ganz privates Prinz-Eugen-Bild , das den Helden „hilflos in diesen Dingen“ zeigt , „viel zu höflich , viel zu vornehm“, kein bisschen argwöhnisch , und viel zu gutgläubig , aber auch einsam , wäre nicht sie. Nur durch die Hartnäckigkeit eines Bedienten hat er von der Intrige erfahren , eine Intrige , die mit einem Schlag das Denkmal des Helden zerstört hätte : „Eugen und hörig ! Hörig einer Frau ! Wo doch die Welt es anders herum lieber hört , weil sie ihn anders herum lieber mag !“ Ihr Zorn ist unermesslich , denn nur zu gerne würde sie wissen , dass er auf sie hört. Aber so ist es eben gerade nicht : Früher zu wissen als alle was vorgeht. Es geduldig und in wohlgesetzten Worten immer wieder vorzutragen. In der Hoffnung dass steter Tropfen den Stein höhlt , wenn schon der Verstand aussetzt. Ist das die Rolle der Frauen ? Selbst bei jenen Männern , denen man Klugheit und rasche Auffassungsgabe nachsagt. Für alle gilt : sie lassen sich nichts sagen. Wir dürfen der Katstrophe beiwohnen , aber verhindern dürfen wir sie nicht. Wir dürfen den Geliebten ins Feuer begleiten , aber löschen dürfen wir nicht. Schon gar nicht in der Hofburg. Wir dürfen ihn salben , wenn er müde ist , dürfen ihn pflegen , wenn er verwundet ist. Wir dürfen ihn bestatten , wenn er fällt. Wir dürfen sein Erbe verwalten. Wir dürfen alles hinnehmen und dürfen uns darüber auch nicht freuen. Er gibt und wir nehmen hin. Wenn er uns aufgibt , nehmen wir auch das hin.

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Prinz Eugen am Scheideweg Unsere Freiheit besteht darin , täglich darüber zu entscheiden , wie und wann wir uns selbst Gewalt antun. Wie ich dieses Lamento hasse ! Wie ich es hasse , meinen Gefühlen Gewalt anzutun ! Wie ich es hasse von ihnen abhängig zu sein , mon cher ! ( 9 )

Wie diese Aussprache ausgeht , ob Prinz Eugen seine vorbehaltlose Rehabilitierung erreichen kann oder eine Vertreibung als unerwünschter Ausländer aus Österreich und Verlust aller Besitzungen erleiden muss , bleibt bei Riess offen. Für Eleonore Batthyány ist dies alles unwichtig , wenn er sich nicht zu ihr bekennt. Sie verlässt die Hofburg , bevor die Audienz beendet ist. Das Monument des erfolgreichen Reiters hoch zu Pferd wird ergänzt um ein Menschenbild , das in einer Welt der Intrigen und Perfidien überlebte , aber auch jederzeit dem Scheitern preisgegeben war : Herakles am Scheideweg. Nur in einer bildlichen Darstellung rekurrierte Prinz Eugen zu Lebzeiten auf die Darstellung des Herakles am Scheideweg. In der plastischen Ausgestaltung der Schlösser symbolisierte Herakles mit der Keule in der rechten Hand und Löwenfell über der linken Schulter ausschließlich den siegreichen Waffenhelden. Im Carlones späterem Deckenfresko „Allegorie des Ruhmes“ im Belvedere wird Prinz Eugen – erkennbar am Savoyer-Kreuz – in einer Bild-Konzeption von Herakles am Scheideweg , der siegreich widersteht , unter die Götter des Olymps aufgenommen.

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X. Postmoderner Held

Zur Demonstration des Nationalen als Solidargemeinschaft wurden im Vorwahlkampf der Wiener Gemeinderatswahlen 2010 die Wiener Haushalte flächendeckend per Postwurfsendung mit neu erzählten Sagen aus Wien versorgt. Mit dem Rückgriff auf Historisches der Wiener Sagenwelt stellte sich die wahlwerbende FPÖ in eine Tradition , die die Vergangenheit für die Gegenwart in den Dienst nahm. In dieser Comic-Werbe­ broschüre wurde auch Prinz Eugen unter die Sagengestalten gereiht. Im Chor mit dem als Superman kostümierten HC Strache widmet Prinz Eugen in zerschlissenem Hemd mit Brustschild den „lieben Wienerinnen und Wienern“ diese „Gedichte aus Wiens Geschichte“ und setzt mahnend hinzu „denkt beim Lesen immer dran , /  dass vieles heut’ noch wahr sein kann …“842 In der zeichnerischen Darstellung werden die historischen Codes umgedeutet : Prinz Eugen hat seine kostbare Uniform gegen ein einfaches ­NS-braunes , durch seine unermüdliche Tätigkeit mehrfach zerrissenes Waffenhemd eingetauscht. Über dem kornblumenblauen Brustpanzer liegt eine den Orden des goldenen Vlieses andeutende zerrissene Kette. In Abwandlung des Marschallstabs hält er eine Holzkeule in der rechten Hand. Die graue Allongeperücke als barocker Code und der im Hintergrund hochragende Turm der Stephanskirche als christlicher Code ergänzen das Bild. Im dem Bild beigefügten Erklärungstext wird  – wie bereits im Jahre 1933 – die Türkenerinnerung 1683 mit jener an Prinz Eugen verknüpft , der sich in der Schlacht gegen die Belagerer „am frühen Morgen des 12. September [ … ] durch besondere Tapferkeit aus[ zeichnete ]. Die Türken wurden in die Flucht geschlagen. Wien war gerettet. / 1697 befehligte Prinz Eugen im Zuge des großen Türkenkrieges den Gegenstoß gegen die Türken in Ungarn. Am 11. September 1697 konnte er die Hauptmacht des türkischen Heeres vernichten.“843 842 Sagen ( 2010 ), S. 5. 843 Sagen ( 2010 ), S. 4.

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X. Postmoderner Held

Abb. 66 Prinz Eugen in den Sagen aus Wien. Postwurfsendung 2010.

Bevor sich die Broschüre tatsächlich der Wiener Sagenwelt widmet , wird auf zwölf Seiten die zweite Wiener Türkenbelagerung 1683 mit zahlreichen Seitenhieben auf die Wahlgegner 2010 nacherzählt und das ( multikulturelle , pluralistische und übernationale ) Reiterstandbild von Prinz Eugen von Savoyen am Wiener Heldenplatz844 als Darstellung „des siegreichen Feldherren und Bezwinger der Türken“ und als Verkörperung des Hauses „Österreich als Verteidiger des christlichen Glaubens gegen die Türken“ redimensioniert. Auch in der Bewerbung gleichzeitig erschienener popu844 Vgl. dazu Hanisch ( 2001 ), S. 112.

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Nach der Schlacht ist vor der Schlacht

lärwissenschaftlicher 99 Geschichten zur Geschichte wird Prinz Eugen auf die Schlagworte als „Türkenschreck“ und „deutscher Held“ reduziert.845

Abb. 67 In Wien lebt die Tradition. Zeugnisse vergangener Ereignisse in Wien. Sagen aus Wien Postwurfsendung 2010.

Nach der Schlacht ist vor der Schlacht Eine Antwort auf die Popularisierung des Prinz-Eugen-Mythos im Sinne der Ausländerfeindlichkeit – wie sie HC Strache durch die als Postwurf845 Flocken ( 2010 )  – http://www.welt.de/kultur/history/Article10629191/Tuerkenschreck-Prinz-Eugen-rettet-das-Abendland.html ( 4. April 2013 ).

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X. Postmoderner Held

sendung verteilten Sagen aus Wien im September 2010 versucht hatte – gaben Tac Romey , Don Schubert und Rupert Henning mit ihrer „multikultischen Komödie“ Kebab mit Alles ( 2011 ). Unter der Regie von Wolfgang Murnberger nimmt der mit Comicfiguren gestaltete Filmvorspann zum Prinz-Eugen-Lied Bezug darauf.846

Abb. 68 Michael Ostrowski als Prinz Eugen , Andreas Vitásek als Johann Stanzerl in Kebab mit Alles ( 2011 ).

Im altösterreichischen Cafe Prinz Eugen am Yppenplatz – die „letzte Bastion“ des Österreichischen im sonst großteils von Migranten bevölkerten Viertel des 16. Wiener Gemeindebezirks – erinnert neben Devotionalien vor allem ein lebensgroßes Ölbild an den barocken Helden. Die beiden Besitzer des Cafes , Johann und Sofie Stanzerl , und die dort regelmäßig versammelte Stammtischrunde werden eines Tages von der Neuigkeit überrascht , dass das leerstehende Lokal nebenan , das die Cafehaus-Be-

846 Romey /  Schubert /  Henning ( 2011 ). Erstsendung ORF eins am 15.  12. 2011 : 643. 000 Seher ; Wiederholungen auf ORF III und Arte am 20. 7. 2012 , ORF eins am 21. 3. 2013. Mit Andreas Vitásek , Tim Seyfi , Fanny Stavjanik und Sascha Ö. Soydan in den Hauptrollen und Michael Ostrowski als Prinz Eugen. Fernsehpreis der Erwachsenenbildung 2012 und Magnolia Award für „Bestes Drehbuch“ und „Beste Regie“ in der Kategorie „Best TV Film“ am 18. Shanghai TV Festival.

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Nach der Schlacht ist vor der Schlacht

sitzer als „Raucherzone“ gegen eine schwarz bezahlte Ablöse zugemietet hatten , nicht mehr verfügbar ist. Das gesamte Haus wurde an eine aus Deutschland zugereiste türkischstämmige Familie verkauft , die plant , in den Räumlichkeiten ein modernes türkisches Lokal zu eröffnen. Auf der Seite des Cafes Prinz Eugen waren polnische Arbeiter bestellt , den Durchbruch zu bewerkstelligen ; im angrenzenden Lokal versucht der neue Hausbesitzer , mit einem großen Hammer selbst die Wand einzureißen. Als sich eingesessener Wiener Cafetier und neuer türkischer Hausbesitzer am Mauerloch gegenüberstehen , ist die Überraschung groß : „Jetzt haben die Polen einen Türken geschickt !“ Beide Familien wurden von einem Betrüger , der aus seiner adeligen Abstammung symbolisch Kapital zu generieren suchte – sein „direkter Vorfahre [ ist ] während der Türkenkriege an der Seite vom Prinz Eugen geritten“ – und der auch tatsächlich größtes Ansehen genießt , durch gefälschte Unterschriften hintergangen worden. Da der gemeinsame Feind sich durch Flucht dem Zorn entzogen hat , geht der Cafetier gegen den Neuankömmling vor. Unterstützt wird er dabei von Prinz Eugen , der unerwartet durch den beiläufigen Fluch „Kruzetürken !“ zum Leben erwacht. Dass „der Türke“ nicht vor , sondern „mitten in Wien“ steht , beunruhigt ihn sehr. Aus dem Wandbild herausgestiegen gibt er strategische Anweisungen für den Sieg : „Bekämpfe sie mit gleichen Waffen , aber nimm’ er das größere Kaliber !“847 Unzufrieden , dass ihm wegen „Unstimmigkeiten in den eigenen Reihen“ nicht der siegreiche Ausgang gemeldet wird , rät er „Feiglinge und Meuterer [ noch ] am selben Tag hin[ zu ]richten“.848 Auch die Empfehlungen , den „Nachschub [ zu ] unterbrechen [ … ] und den Gegner immer Täuschen und Tarnen“849 ( 58 ) und „Zwietracht säen unter den gegnerischen Truppenteilen“ führen nicht zum Erfolg. Schließlich bleibt ihm nur noch , den Cafetier psychologisch zu motivieren : In Zeiten größter Not bedarf es Helden , die Kraft ihres unbändigen Willens das Unmögliche schaffen. [ … ] Versichere er mir seine unversehrte und standhafte Treue dem Hause Österreich ! Alle seine Kräfte soll er zu Österreichs Wohlfahrt 847 Romey /  Schubert /  Henning ( 2010 ), S.  35. 848 Romey /  Schubert /  Henning ( 2010 ), S.  40. 849 Romey /  Schubert /  Henning ( 2010 ), S.  58.

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X. Postmoderner Held mit unerschrockenem Mut bis auf den letzten Blutstropfen aufopfern ! Ich ernenne euch zum Retter des Abendlandes !850

Da alles nur zu persönlichem Familienleid auf beiden Seiten führt und das Cafe verwüstet zurückbleibt , verabschiedet Johann Stanzel den Prinzen – der ihm noch als Taktik für die nächste Schlacht rät , „dem geschlagenen Feind nachsetzen und auf der Flucht vernichtend schlagen“ – schließlich unsanft : „schleich dich , schwuler Franzos !“ Mit Prinz Eugen ist kein Staat mehr zu machen , so die subkutane Botschaft der Komödie. Seine strategischen Überlegungen sind anachronistisch. Seine seinerzeitig erfolgreichen Methoden zur Feindüberwindung schlagen im Jahr 2011 fehl. Zumal der Feind eigentlich nicht der Nachbar von nebenan ist , und der Kriegsschauplatz gegen die ökonomische Gier zu eröffnen wäre , gegen Betrug und Spekulation ( im Film repräsentiert durch den Realitätenbetrüger und einen auf EU-Fördergelder zielenden Spekulanten , der mit mafiosen Methoden zur Machtsicherung Angst und Schrecken verbreitet ). Der Film versuchte unter Verzicht auf politische Korrektheit eine realistische Darstellung , die dem Publikum eine unschädliche Verhaltensstrategie anbietet : wenn ein „miteinander nicht möglich“, ein „gegeneinander nicht zielführend“ ist , sollte ein „nebeneinander“ vielleicht doch klappen. Durch humorvolle Aktualisierung wird Xenophobie dekonstruiert : „jetzt haben uns die Polen einen Türken geschickt“ spielt ironisch an auf im kollektiven Gedächtnis verwahrte Lerninhalte ( der polnische König Johan Sobieski III. kam mit seinem Entsatzheer den von den Türken belagerten Wienern 1683 zu Hilfe ), die ohne aktuelle Kontextualiserung als conditio sine qua non tradiert wurden und vor allem vom rechtsextremen Lager aus angesprochen werden können. Durch Ironie , bzw. durch eine Aktualisierung , die die Gültigkeit des überlieferten Wissens für das Heute überprüft , werden die Codes dekonstruiert und für ihre xenophobe Verwendung unschädlich gemacht. Ähnlich verfährt auch ein Werbespot für Darbo Fruchtikus Museum 2012 851 , der mit den beiden Belvedere-Ikonen Klimt und Prinz Eugen 850 Romey /  Schubert /  Henning ( 2010 ), S.  84. 851 Demner , Merlicek & Bergmann für Darbo. Regie : Tracy Rowe. Instrumental-

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Nach der Schlacht ist vor der Schlacht

spielt : Johann Gottfried Auerbachs Prinz Eugen ( „Reiterportrait“ ) und die Geküsste von Gustav Klimt ( „Kuss“ ) steigen zu nächtlicher Stunde aus ihren Gemälden im Belvedere. Gemeinsam genießen die beiden dann „Fruchtikus , den kleinen Fruchtgenuss“. Beim Glockenschlag erkennen sie erschreckt , dass sie nicht alleine sind. Die Taschenlampen der Museumswärter werfen Lichtkegel an die Wände. Eilig suchen sie ihren Weg zurück ins Gemälde. Alles ist wieder ruhig : allerdings sitzt nun die Geküsste auf dem weißen Pferd und Prinz Eugen wird leidenschaftlich geküsst. Prinz Eugen erregte mit seiner realen Körpergröße gegenüber der übergroßen Geküssten von Klimt enttäuschte Reaktionen beim Seher-Publikum. Seine historisch belegte geringe Körpergröße wurde seit vielen Jahren durch ein anderes optisch vermitteltes Bild im kollektiven Gedächtnis erfolgreich überschrieben.

Abb. 69 Prinz Eugen und Gustav Klimts Geküsste. Werbespot für Darbo Fruchtikus ( 2012 ).

Musik Coin operated boy von Amanda Palmer /  Johannes Umlauft , Ausstrahlung seit 3. 1. 2012 ( 30 Sekunden ); als Beitrag zum Klimt- ( 150. Geburtstag 2013 ) und Prinz-Eugen-Jahr ( 350. Geburtstag 2013 ). http://www.darbo.at/werbung/fernsehspots/85 ,fruchtikus-2012-museum.html ( 4.  April 2013 ).

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X. Postmoderner Held

Archetypen des Männlichen Die Inszenierungen der historischen Gestalt des Prinzen Eugen und die Rezeption der diskursiven Aushandlungen lassen – wie oben ausgeführt – die gesellschaftlichen und politischen Interessen der jeweiligen Zeit erkennen. Sie offerierten Selbstbilder zur Orientierung in der Gegenwart und entwarfen Hoffnungsszenarien für die Zukunft. Sie sind aber auch Ausdruck einer Sehnsucht zur Herstellung von Zeitgenossenschaft. Darüber hinaus lassen sich die Entwicklungsstufen der Inszenierung des Gedächtnisses in vier verschiedenen Phasen den auf C. G. Jung ( 1875– 1961 ) basierenden vier Archetypen des Männlichen zuordnen : König , Krieger , Magier , Liebhaber.852 In der Organisation des Gedächtnisses sind diese vier Archetypen verfügbar. In den von den Jesuiten inszenierten Texten , in denen Prinz Eugen als Instrument Gottes vorgeführt wird , ebenso wie in den Markierungen als Feldherrengenie , tritt dem Publikum der Magier entgegen. Er ist introvertiert , hat göttlich inspiriertes Wissen und Einsicht und weiß in Krisenzeiten , die rohe Energie zum Nutzen des allgemeinen Wohls aufzubereiten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erscheint er auf der Bühne als Vaterfigur , als König , der Festigkeit , Zentrierung , Gelassenheit und innere Autorität ausstrahlt. Er sorgt sich um das Reich und seine Soldaten. Er ist der oberste Verwalter der Natur und menschlichen Gesellschaft. Auf der Bühne erscheint er als Vater der Soldaten ; auf dem Heldenplatz steht sein Denkmal. Spätestens mit dem Ende der Monarchie betritt der Krieger die Bühne , angriffslustig , kräftig , motiviert , mutig und furchtlos. Klar im Denken ist sein Handeln zielgerichtet. Der Krieger kennt seine Kraft , und wählt die Strategie , seinen Gegner entweder mit klassischen Methoden oder mit unkonventionellen Angriffen zu besiegen. Er vernichtet , was zerstört werden muss. Verbündet sich der Krieger mit dem König , dann dient er dem Reich. Nach dem Zweiten Weltkrieg tritt der Liebhaber , der Archetyp des Spiels und der sinnlichen Freude auf. Er empfindet Empathie mit der Welt der Dinge um ihn herum. Er hat ästhetisches Bewusstsein , sein ganzes Leben ist Kunst. Sein Engagement ist den Interessen von Krieger , Magier und Kö852 Moore /  Gilette ( 1992 ).

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nig scheinbar entgegengesetzt. Die Organisation und Pflege der Bauten , Gärten , der Kunstdenkmäler und überlieferten Kunstschätze wie Bilder und Bücher setzte den Liebhaber ins Bild. Die postmoderne Ironisierung der historischen Figur des Prinzen Eugen weist auf sein Wirkungspotenzial über den Liebhaber hinaus. Die affektiven Energien der gesellschaftlichen Grundsatzdebatten rund um Prinz Eugen stehen im Zeichen der Dekonstruktion des Männlichen durch Dekonstruktion des Geschlechts. Wie in jeder Epoche spiegelt die Aktualisierung des Gedächtnisses , die schlaglichartige Beleuchtung relevanter Aspekte seiner Biographie ausschließlich die aktuellen Themen der Gegenwart. Schon 2010 hatte die Grüne Andersrum Gruppierung die Ausstellung im Belvedere853 genutzt , um in Spezialführungen die „versteckte“ Homosexualität des „unbestritten größten Feldherren der österreichischen Geschichte“ zu befragen. Zur Aufarbeitung der gesellschaftlichen Defizite von Kindesmissbrauch ( in Kinderheimen der Nachkriegszeit ebenso wie in kirchlichen Seminaren ) und zur Durchsetzung gesellschaftlicher Utopien ( wie Familiengründungen gleichgeschlechtlicher Lebenspartner ) leistet die Thematisierung von traumatischen Kindheitserfahrungen und Homosexualität des Prinzen durch Neubewertung der barocken Quellen einen interessanten Diskussionsbeitrag. Und es wundert kaum , dass im Umfeld der weltweiten Finanzkrise der Blick besonders auch auf Prinz Eugen als ökonomisches Genie gerichtet wird.854 So bietet auch zu seinem 350. Geburtstag das vielfarbige Gedächtnis des Prinzen Eugen eine schillernde Inszenierungsfolie für gegenwartsrelevante Identitätskonstruktionen.

853 Prinz Eugen Katalog ( 2010 ). 854 Kramer /  Mayrhofer ( 2013 ).

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Bildnachweis

Abb.  4 ÖNB Wien 106. 240-D ; Abb.  5 HGM Wien [ Popelka ( 1994 ) , Abb.  136 ] ; Abb. 6 ÖNB Wien L53. 315-C ; Abb. 7 ÖNB Wien 604. 709-D ; Abb. 8 ÖNB Wien 440. 778-A.168 ; Abb. 11 Theatermuseum Wien [ Th.W.2530.Th.-S ] ; Abb. 12 Wien Bibliothek A 228923 ; Abb. 15 , 18 , 23 ÖNB Wien 399. 209-E.Th ; Abb. 13–14 , 19 , 26 , 52 IMAGNO Wien ; Abb. 16 LIECHTENSTEIN , The Princely Collections , Vaduz–Vienna ; Abb. 20 ÖNB Wien 436. 751-B ; Abb. 22 , 48 , 56 ÖNB Wien 399. 875-D Neu Per 1865 ; 449. 976-D Neu Per 1914 , 606. 233-D Neu Per 1933 ; Abb. 24 ÖNB Wien L 58. 928-C ; Abb. 29 , 45 , 54 , 55 , 58 , 60 , 61 Theatermuseum , Wien ; Abb. 27 , 46 ÖNB Wien o. Sign. 1865 , 1880 ; Abb. 30–41 ÖTM HZ_ HM2895-HZ_HM2906 ; Abb. 42 , 53 , 57 , 59 ÖNB Wien 773. 042-C.Th ; Abb. 43 ÖNB Wien Pk 499,2/63 ; Abb. 44 Wien Museum IN 51. 905 ; Abb. 62 ÖNB Wien H 4833/2 ; Abb. 63–64 Filmarchiv Austria ; Abb. 65 ÖNB Wien 136. 332-C ; Abb. 68 ORF / Allegro Film /  Petro Domenigg ; ; Abb.  69 Demner , Merlicek & Bergmann WerbegesmbH. ; Abb. 1–3 , 9–10 , 17 , 21 , 25 , 28 , 47 , 49–51 , 66–67 privat

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Bibliographie

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Personen- und Stücktitelregister

Abraham a Sancta Clara  44  , 177 Achilles 34  , 35 Achmed III. , türkischer Sultan  318 Adel , Kurt  25 Adler , Nathan  104 Adolph , Johann Baptist  22 Judas Makkabäus  22  , 23  , 26  , 28 Albert , Herzog von SachsenTeschen 38  , 65 Albrecht , Erzherzog von Österreich 74  , 150  , 242 Alexander der Große  11  , 28  , 35 Allmayer-Beck , Johann Christoph 356 Almásy-Wickenburg , Wilhelmine Gräfin 225 Althan( n ), Maria Anna Gräfin  315 , 316 Andrian-Werburg , Leopold von  302 Antoine III. , Herzog de Gramont  60 Aristoteles 223 Arneth , Alfred von  81  , 169  , 231 , 243  , 283 Ascher , Leo  272 Botschafterin Leni  272 Aslan , Raoul  320  , 321  , 324 Assmann , Aleida  17  , 63 Assmann , Jan  17  , 66 Aubertin , Schauspieler  167 Auerbach , Johann Gottfried  367 August II. , König von Polen  55  , 132 , 177

Bahr , Hermann  274  , 302 Balser , Ewald  309  , 310  , 316  , 321 , 322  , 323  , 334 Bartenstein , Johann Christoph  46 Batthyány-Strattmann , Eleonore  46 , 232  , 234  , 237  , 249  , 285  , 291 , 294  , 357  , 359 Bäuerle , Adolf  98 Bauernfeld , Eduard von  243 Baumeister , Bernhard  196  , 239 , 244  , 261 Becker , Constantin Julius  84  , 85 , 90  , 92  , 107 Die Erstürmung von Belgrad  90 Prinz Eugen , oder die Belagerung von Belgrad  84  , 87  , 88  , 89 , 90  , 92 Beethoven , Ludwig van  127 Berlichingen , Götz von  259 Bernhardt , Sarah  251 Béthouart , Antoine  351 Bibl , Viktor  341 Birch-Pfeiffer , Charlotte  108 Bischoff , Engelbert Pater  29  , 30  , 48 Bismarck , Fürst Otto von  197  , 213 , 221 Blaas , Karl von  173 Bloch , Joseph Samuel  130 Böhm , Bruno  340 Bombelles , Karl Graf von  229 Bonneval , Alexander Graf von  46 Brammer , Julius  271

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Personen- und Stücktitelregister

Braubach , Max  353 Braunmüller , Gustav Heinrich  167 Brecht , Bert  300 Breĉka , Hans  268 Bruckner , Ferdinand  298 Brunngraber , Rudolf  307  , 344 Burghart , Hermann  141  , 142  , 242 Burnacini , Giovanni  22 Burnacini , Ludovico  22 Burns , Robert  82 Bussy-Rabutin , Graf Roger de  170 Caesar , Gaius Julius  28  , 37  , 77 , 184  , 223 Canaletto , d. i. Bellotto , Bernardo 200 Carl Ludwig , Erzherzog von Österreich 242 Carlone , Carlo  39  , 40  , 359 Carlyle , Thomas  81  , 82 Charles Josèphe , Fürst de Ligne  81 , 274 Charlotte d’Orléans  61 Colbert , Jean-Baptiste Marquis de Torcy 194  , 210  , 211 Conrad von Hötzendorf , Franz Freiherr 322 Crenneville , Franz Graf de  150 Crespi , Giuseppe Maria , s. Lo Spagnuolo 34 Cromwell , Oliver  82 Csokor , Franz Theodor  130  , 335 Dritter November 1918  130  , 335 Curini , Biagio  45 Dante Alighieri  82 D’Aviano , Marco  177  , 264  , 298 Decker , Albert  203

Décsey , Ernst  334 Demetrios I. Soter , König von Syrien 23 Devrient , Max  283  , 289  , 290  , 302 , 309  , 334 Dietrich , Margret  25 Dingelstedt , Franz von  227  , 229 , 236  , 238  , 239  , 244  , 245  , 291 Döblin , Alfred  308 Dolby , Eugen  162 Dolleczek , Anton  268 Dollfuß , Engelbert  298 Dreßler , Schauspieler  167 Drimmel , Heinrich  352 Düfel , Friedrich  268 Dunant , Henry  159 Dvorak , Helene  324 Einstein , Albert  300 Eisler , Georg von , s. Terramare , Georg 281 Eisler , Louise  351 Eisler von Terramare , Josef  286 Eleonore Magdalene von PfalzNeuburg 22 Elze , Walter  340 Emanuel , Prinz von Portugal  304 Emanuel Thomas , Prinz von Savoyen 47 Engerth , Eduard  161 Eugen , Erzherzog von ÖsterreichTeschen 78 Fall , Leo  270 Die Kaiserin  270  , 272  , 273 Fürstenliebe 272 Feiks , Josef  282  , 325  , 328  , 330  , 331 , 332  , 333  , 336  , 337

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Personen- und Stücktitelregister

Demokratie 336 Der grüne Hügel  336 Der wilde Herzog  336  , 337 Ein Reiterlied  282  , 325  , 328  , 329 , 330  , 332  , 334  , 336 Elysium 336 Insel der Toten  336 Lord Baltimore  336 Sümpfe und Wälder  336 Völker am See  336 Feiks-Waldhäusl , Emma  336 Ferdinand III. , römisch-deutscher Kaiser 26 Ferdinand II. , römisch-deutscher Kaiser 26 Fernkorn , Anton Dominik  74  , 97 , 139  , 147  , 149  , 153  , 154 Feuchtwanger , Lion  351 Ficker , Ludwig von  302 Fischer , Ernst  351 Fischer , Franz Josef  267 Prinz Eugen oder die Macht der Persönlichkeit 267 Fischer , Frl.  142  , 143  , 145 Fischer , Karl Wilhelm  166 Fischer-Lichte , Erika  219 Fischer von Erlach , Johann Bernhard 35  , 36  , 184 Foerster , Heinz von  219 Fontelive , Marie  167 Franz Eugen , Prinz von Savoyen  33 Franz Ferdinand , Erzherzog von Österreich 322 Franz II. /  I. , römisch-deutscher Kaiser 65  , 70  , 71  , 77  , 262

Franz II. Rákóczi , Fürst von Siebenbürgen 25  , 29 Franz I. Stephan , römisch-deutscher Kaiser 262 Franz Joseph I. , Kaiser von Österreich 18  , 153  , 157  , 159 , 190  , 229  , 262  , 268  , 322 Franz Stephan , Herzog von Lothringen 271  , 273 Franz V. , Herzog von Modena  213 Frey , Erik  348 Friedmann , Siegwart  225 Friedrich August I. , Kurfürst von Sachsen 55  , 126  , 132  , 177  , 179 , 182 Friedrich II. , König von Preußen  32 , 62  , 83  , 341 Friedrich II. , Prinz von HessenHomburg 187  , 247  , 259 Friedrich III. der Schöne , Herzog von Österreich  261 Friedrich Wilhelm , König von Preußen 280 Frischauer , Paul  298  , 306  , 308  , 311 Fröhlich , Katharina  225 Fux , Joseph  242 Gabillon , Ludwig  239 Gallmeyer , Josefine  167  , 246 Geyling , Remigius  317 Ginzkey , Franz Karl  254 Girardi , Alexander  332 Gisela , Prinzessin von Bayern  250 Glossy , Blanka  286 Glossy , Marie  286 Glossy , Max  98 Gluck , Christoph Willibald von  262

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Personen- und Stücktitelregister

Goethe , Johann Wolfgang von  153 , 155  , 240 Clavigo 240 TorquatoTasso 155 Gorbach , Alfons  254 Granichstaedten , Bruno  272 Auf Befehl der Herzogin  272 Gregor , Joseph  331 Greif , Martin  31  , 79  , 146  , 169 , 224  , 225  , 226  , 227  , 228  , 229 , 231  , 241  , 242  , 243  , 247  , 248 , 250  , 251  , 254  , 256  , 259  , 260 , 261  , 267  , 290  , 308  , 316 Corfiz Ulfeld  225 Ein Ehrentag  226 Ludwig der Bayer  261 Marino Falieri  226 Nero 226 Prinz Eugen  79  , 146  , 226  , 228 , 229  , 231  , 232  , 234  , 235  , 236 , 238  , 242  , 243  , 245  , 246  , 248 , 250  , 251  , 252  , 254  , 255  , 256 , 257  , 259  , 260  , 261  , 267  , 269 , 308 Walters Rückkehr in die Heimat 225 Griesiger , Karl Theodor  267 Grillparzer , Franz  83  , 162  , 215  , 225 , 228  , 240  , 270  , 320 Ein Bruderzwist im Hause Habsburg 228  , 240 König Ottokars Glück und Ende 162  , 228 Grobecker , Anna  142 , 143 , 144 , 145 Grois , Louis  167 Grünwald , Alfred  271

Gryphius , Andreas  177 Gundacker von Althan , Ludwig Graf  146  , 232  , 243  , 285  , 316 Guttenstein , Graf  28 Gutzkow , Karl Ferdinand  153 Habermas , Jürgen  164 Hallenstein , Konrad Adolf  146 Halm , Friedrich  112  , 113 Griseldis 113 Hamilton , Johann Andreas Graf 234  , 236  , 237  , 258 Hannibal , karthagischer Feldherr  28 Hantsch , Hugo  352 Harlan , Veit  341 Der große König  341  , 342 Hartmann , Ernst  239 Haupt , Josef  157 Haydn , Joseph  262  , 282 Hebbel , Friedrich  153 Heim , Wilhelm  316 Heine , Albert  217  , 309  , 334 Heister , Sigbert Graf  238  , 244 , 247  , 316 Heller , Hugo  281 Henderson , Nicholas  351 Henning , Rupert  364 Hensler , Karl Friedrich  63  , 65  , 66 , 71  , 72  , 76  , 77  , 78  , 83  , 118  , 135 , 137 Bürgerfreuden 63  , 76  , 78 Die getreuen Österreicher  72 Eugen der Zweyte , der Held unsrer Zeit 63  , 65  , 66  , 68  , 69  , 72 , 76  , 77  , 83  , 137 Herbeck , Johann Ritter von  201 , 242

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Personen- und Stücktitelregister

Herterich , Franz  31  , 316  , 330 Hevesi , Ludwig  225 Heyinger , Johann Ignatz  53 Hiesel , Franz  354 1683 – Die gar köstlichen Folgen einer mißglückten Belagerung 354 Hildebrandt , Johann Lukas von  35 , 36  , 38  , 52  , 59 Hitler , Adolf  297  , 307  , 325  , 330 , 337  , 338  , 342 Hoffmann-Baumeister , Frau  123 Hofmann , Leopold Freiherr von  229 Hofmannsthal , Hugo von  220  , 273 , 274  , 276  , 277  , 279  , 313 Der Rosenkavalier  274 Der Schwierige  274 Prinz Eugen , der edle Ritter  276 , 277  , 279 Hohendorf , Georg Wilhelm von  44 Hohenfeld , Graf  316 Holberg , Ludvig  61 Die politischen Kannegießer  61 Holzer , Rudolf  302 Hopp , Julius  111 Horvath , Ödön von  276 Huchtenburgh , Jan van  34  , 185 Ilg , Albert  200 Jan Sobieski , König von Polen  132 , 232  , 264  , 266  , 353  , 366 Jarno , Josef  269 Jelusich , Mirko  341 Jeremias , jüdischer Prophet  23 Jessner , Leopold  300 Johannes Paul II. , Papst  353

Johann I. , Fürst von Liechtenstein 137 Johann V. , König von Portugal  22 Johnson , Samuel  82 Joseph Ferdinand , Erzherzog von Österreich 282 Joseph Friedrich , Prinz von SachsenHildburghausen 51 Joseph I. , römisch-deutscher Kaiser 22  , 42  , 43  , 115  , 177  , 179 , 236  , 317  , 358 Joseph II. , römisch-deutscher Kaiser 128  , 262  , 267 Judas Makkabäus  22  , 23  , 25  , 26 , 72 Julius , Schauspieler  167 Jung , C. G.  368 Kallina , Anna  291 Kara Mustafa  137  , 138  , 253  , 264 Karl , Erzherzog von Österreich  27 , 63  , 65  , 67  , 69  , 71  , 76  , 77  , 78 , 83  , 135  , 136  , 137  , 138  , 150  , 152 , 153  , 159  , 222  , 262  , 263  , 264 Karl Franz von Lothringen , Fürst von Commercy  265 Karl I. , Kaiser von Österreich  282 Karl V. , römisch-deutscher Kaiser 260 Karl VI. , römisch-deutscher Kaiser 31  , 33  , 37  , 43  , 45  , 46 , 48  , 62  , 226  , 228  , 232  , 236  , 238 , 239  , 240  , 248  , 262  , 263  , 264 , 286  , 312  , 316  , 317  , 318  , 319 , 320  , 321  , 322  , 357  , 358 Kaunitz , Wenzel Anton Graf  341 Kausler , Friedrich von  81  , 231

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Personen- und Stücktitelregister

Kay , Theodor  226 Kern , Theatersekretär  252 Kisch , Wilhelm Maximilian  169 , 176 Kiszling , Rudolf  353 Kle[ e ]mann , Wilhelm  112  , 121 Kleiner , Salomon  35  , 37  , 52 Kleist , Heinrich  187  , 215  , 247  , 259 Hermannschlacht 215 Prinz Friedrich von Homburg  187 , 247  , 259 Klesheim , Anton von  110 Peterwardein 110 Klimt , Gustav  240  , 366 Klöpfer , Eugen  323 Knaack , Wilhelm  142  , 143  , 145 Kneissler , Hippolyt-Joseph , s. Nessl , Erik 141 Knorr , Christian Friedrich  82 Kollonitz , Sigismund Graf  54  , 184 , 264  , 265 Kolschitzky , Georg Franz  165  , 171 , 172  , 174  , 175  , 177  , 179 Königseck , Joseph Lothar Graf  51 König , Ulrich von  34 Konradin , Karl Ferdinand  141  , 144 , 145  , 147 Prinz Eugen der edle Ritter  141 , 143  , 145  , 163 Krafft , Johann Peter  136 Kralik , Richard  254 Die Rettung der Heimat  254 Die Türken vor Wien  254 Krauß , Werner  311 Kraus , Viktor Freiherr von  251 Kreibig , Edmund  252

Kroßek , Schauspieler  121 Krug von Nidda , Roland  353 Kühns , Volkmar  252 Kupecký , Jan , s. Kupetzky , Johann 239 Kupetzky , Johann  34  , 342 Landau , Marcus  253 Landsteiner , Karl Borromäus  75 Der Bürgermeister von Wien  75 Langer , Anton  37  , 157  , 162  , 163 , 165  , 166  , 168  , 170  , 173  , 175 , 184  , 188  , 189  , 199  , 210  , 211  , 316 Die Türken vor Wien  189 In der Brigittenau 1683  189 Österreicher in Schleswig  165 Prinz Eugen der edle Ritter  157 , 161  , 163  , 164  , 165  , 167  , 169 , 170  , 172  , 174  , 176  , 177  , 179 , 180  , 181  , 183  , 184  , 187  , 188 , 189 Laube , Heinrich  141  , 153  , 212  , 225 , 226  , 229  , 240  , 291 Laudon , Johann Ludwig von  222 , 266  , 341 Lefler , Heinrich  276 Lehmann , Moritz  123 Leibniz , Gottfried Wilhelm  32 , 249  , 262  , 306  , 321 Leopold I. , römisch-deutscher Kaiser 21  , 26  , 42  , 52  , 169  , 232 , 235  , 236  , 262  , 263  , 265  , 317 , 328 Leopold II. , römisch-deutscher Kaiser 65

400

Personen- und Stücktitelregister

Leopold III. , Markgraf von Babenberg 232 Leopold Wilhelm , Erzherzog von Österreich 26 Lermontov , Michail Jurjewitsch  82 Lessing , Gotthold Ephraim  215 Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglück 215 Lewinsky , Josef  201  , 202  , 203  , 217 , 239  , 240  , 241  , 244  , 246  , 269 , 289  , 290  , 308  , 334 Liebenberg , Johann Andreas  75  , 253 Liebeneiner , Wolfgang  344 1. April 2000  344  , 347  , 349  , 351 Liebert , Max  279 Liechtenstein , Fürst Johann Adam 47 Liechtenstein , Wenzel Fürst  51 Liewehr , Florian  354 Liewehr , Fred  348 Lind , Jenny  84 Lobe , Theodor  226 Lohmeyer , Julius  267 Lorenz , Reinhold  104 Lortzing , Albert Gustav  84 Lo Spagnuolo  34 Louvois , François Michel Le Tellier Marquis de  180 Ludwig II. , König von Bayern  250 Ludwig IV. der Bayer , römischdeutscher Kaiser  261 Ludwig Julius von Savoyen  97 Ludwig Thomas von Savoyen  93  , 97 Ludwig Wilhelm , Markgraf von Baden-Baden 35  , 234  , 235  , 259

Ludwig XIV. , König von Frankreich 25  , 27  , 102  , 130 , 132  , 179  , 192  , 210  , 213  , 237 , 259  , 331 Luther , Martin  82 Makart , Hans  262 Mancini , Olympia  192  , 193  , 195 , 213 Mansfeld , Heinrich Franz Graf  28 , 30 Marboe , Ernst  344 Margarita Teresa , Infantin von Spanien 42 Maria Anna , Erzherzogin von Österreich 22 Maria Elisabeth , Erzherzogin von Österreich 22 Maria Josepha , Erzherzogin von Österreich 22 Maria Magdalena , Erzherzogin von Österreich 22 Maria Theresa von NeapelSizilien 70 Maria Theresia , Erzherzogin von Österreich 62  , 107  , 262  , 271 , 272  , 273  , 281  , 343 Marie Christine , Erzherzogin von Österreich 65 Marie von Savoyen  284 Marinelli , Karl von  72  , 76 Marlborough , Herzog von  93  , 94 , 100  , 186  , 192  , 193  , 196 Massary , Fritzi  271 Mathar , Ludwig  340 Matras , Joseph  167 Mauvillon , Eléazar  61  , 81  , 231

401

Personen- und Stücktitelregister

Maximilian I. , römisch-deutscher Kaiser 43  , 73 Megerle , Julius  135  , 137  , 138  , 139 Der Spion von Aspern  135  , 137 , 139 Die Belagerung von Wien anno 1683 137  , 138  , 139 Megerle , Therese  37  , 106  , 107  , 108 , 110  , 111  , 112  , 114  , 116  , 119  , 121 , 122  , 124  , 125  , 126  , 127  , 128 , 129  , 130  , 132  , 134  , 135  , 166 Der Waldmichel  122  , 124  , 126 , 127  , 128  , 129  , 131  , 132  , 134 , 135 Prinz Eugen der edle Ritter  109 , 110  , 112  , 114  , 115  , 117  , 118 , 120  , 121  , 122 Megerle von Mühlfeld , Georg Wilhelm 108 Mehmet Sekip Pasa  90 Meixner , Karl Wilhelm  200  , 239 Mell , Max  274 Menegatti , Franz Pater  29 Merchán-Hamann , César  104 Mercy , Claudius Florimund Graf  28 Metternich , Klemens Wenzel Fürst von 88 Meyern-Hohenberg , Gustav von  146 Prinz Eugen  146 Michel , Robert  302  , 303  , 306 Der weiße und der schwarze Beg 303 Prinz Eugen von Belgrad  303 , 304  , 305  , 306 Mierka , Emil von  265  , 269 Miethke , Hugo Othmar  203

Miethke & Wawra , Kunsthandlung 203 Miklas , Wilhelm  298 Millenkovich , Max von  286 Miller , Balthasar Pater  29 Mitterwurzer , Friedrich  239 Mohammed 82 Möller , Heinrich Ferdinand  121 Graf Waltron oder die Subordination 121 Möller , Karl von  340 Montesqieu , Charles-Louis de Secondat ,  61 Mosenthal , Salomon Hermann Ritter von  191 Mottl , Felix  269 Mozart , Wolfgang Amadeus  262 Mühlfeld , Johann Karl von  108 Müller , Adolf  135 Müller-Guttenbrunn , Adam  268 Müller , Wenzel  63 Münch-Bellinghausen , Eligius Franz Joseph Freiherr , s. Halm , Friedrich 113 Murnberger , Wolfgang  364 Kebab mit Alles  364  , 366 Mussolini , Benito  307  , 311  , 330 , 337 Hundert Tage  311 Musulin , Janko  353 Nadler , Josef  259  , 260  , 267 Napoleon Bonaparte  64  , 65  , 71 , 74  , 76  , 81  , 82  , 135  , 138  , 223 , 240  , 311  , 322 Narses , oströmischer Feldherr  24 Naumann , Friedrich  275

402

Personen- und Stücktitelregister

Nessl , Erik  141  , 144  , 163 Prinz Eugen der edle Ritter  140 , 141  , 142  , 144  , 163 Nestroy , Johann  140 Nicanor , syrischer Feldherr  23  , 24 , 25 Nimptsch , Johann Friedrich Graf 46  , 283  , 357 Nobile , Pietro de  155 Nora , Pierre  16 Nötel , Louis  247 Obrist , Johann Georg  253 Offenbach , Jacques  145 Öhler , Helmut  340 Oppenheim , David  104 Oppenheimer , Felix  299 Oppenheimer , Samuel  30  , 99  , 103 , 104  , 105 Ostrowski , Michael  364 Otruba , Gustav  353 Ottokar II. Přemysl , König von Böhmen 228 Ottokar von Hornek  162 Pálffy , Nikolaus Graf  234  , 284  , 286 Paoli , Betty  225 Pargfrieder , Josef Gottfried  107 Park , Robert E.  102  , 198 Passionei , Domenico  53 Peikhart , Franz Pater  49  , 53  , 54 , 56  , 57  , 59 Perlmoser , Balthasar  33 Perutz , Leo  294  , 295 Philipp I. der Schöne  73 Philipp V. , König von Spanien  27 Philipp von Anjou  27 Pichler , Caroline  107

Pietsch , Johann Valentin  30  , 44  , 111 Pó , Giacomo del  41 Pokorny , Franz  84  , 89 Pönninger , Franz  149 Posinger , Schauspieler  121 Possart , Ernst  250 Pranger , Paul  316 Prechtler , Otto  82 Prinz Eugen  82 Prié , Ercole Turinetti de Marquis  46 Priem , Johann  92  , 97  , 98  , 99  , 101 , 103  , 104  , 106 Die Dänen in Holstein oder Der Freiheitskampf bei Hemmingstädt 98 Ludwig der Bayer in Nürnberg  97 Prinz Eugen von Savoyen  92  , 97 , 98  , 101  , 103  , 104  , 107 Radetzky von Radetz , Josef Wenzel 215  , 218  , 222  , 266 Raimund , Ferdinand  332 Der Verschwender  332 Redlich , Oswald  299  , 308  , 324 Regele , Oskar  353 Reichert , Franz  254 Reimers , Emmerich  332 Reinhardt , Max  323 Renner , Karl  351 Riess , Erwin  357  , 359 Der Zorn der Eleonore Batthyány 357  , 358  , 359 Rink , Eucharius Gottlieb  235 Röbbeling , Hermann  311 Roehring , Joseph  167 Roller , Alfred  276 Romey , Tac  364

403

Personen- und Stücktitelregister

Rosa , Cajetan  58 Rosegger , Peter  268 Rousseau , Jean-Baptiste  32  , 46 Rousseau , Jean-Jacques  82  , 125 , 331  , 335 Rudolf II. , römisch-deutscher Kaiser 240  , 320 Rudolf , Kronprinz  226  , 227  , 229 , 242  , 245  , 246  , 250 Saag , Schauspieler  121 Said , Edward  128 Salaburg , Gotthard Heinrich Graf 28 Salmhofer , Franz  324 Salm , Karl Theodor Otto Fürst zu  38 Salten , Felix  279  , 281 Prinz Eugen der edle Ritter  279 , 281 Sanvitale , Jacopo  61 Sassmann , Hans  309  , 310  , 312  , 314 , 315  , 316  , 317  , 318  , 320  , 322  , 323 , 324 1848 311 Haus Rothschild  311 Maria Theresia und Friedrich II. 311 Metternich 311 Prinz Eugen von Savoyen  311  , 312 , 313  , 316  , 317  , 318  , 320  , 321 , 322  , 324 Schamberger , Julie  251 Scharwenka , Franz  254 Schaufert , Hippolyt August  245 , 252 1683 245  , 252

Schebik Efendi  90 Scheibe , Theodor  122 Schenk , Irmbert  342 Scheuer , Cornelia  357 Schiller , Friedrich  79  , 153  , 198 , 215  , 270 Cabale und Liebe  240 Die Räuber  240 Wallenstein 270 Wallenstein[ s Lager ]  215 Schleinzer , Karl  61 Schlesinger , Sigmund  230  , 231 Schliesselberger , Helmut  232 Schmidt , Gustav  84  , 92  , 93  , 95 , 96 Prinz Eugen der edle Ritter  84 , 92  , 94  , 96  , 97 Schmidt , Heinrich  79 Das österreichische Feldlager  79 Schöne , Hermann  239  , 244  , 248 Schönerer , Georg von  267 Schönthan , Franz von  271 Maria Theresia  271 Schratt , Katharina  271  , 332 Schreiner , Herr  239 Schröder , Wilhelm  155 Studenten und Lützower  155 Schubert , Don  364 Schuch-Mankiewicz , Margarete von 268 Schuppen , Jacob von  12 Schuschnigg , Kurt  311  , 337 Schwab , Friedrich  251 Schwarzenberg , Carl Philipp Fürst zu 159 Schwarz , Schauspielerin  121

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Personen- und Stücktitelregister

Schwendi , Lazarus von  263 Sedlnitzky , Josef Graf  90 Seidl , Johann Gabriel  157 Seyfi , Tim  364 Seyfried , Ignaz Xaver von  79 Shakespeare , William  82  , 228 Romeo und Julia  228 Silbernagl , Johann  76 Sinelli , Emerich  264 Smolle , Leo  268 Soffé , Emil Ludwig  243 Sonnenfels , Joseph von  126 Sonnenthal , Adolf  239  , 240  , 241 , 244  , 246 Soupé , Franz von  84 Soydan , Sascha Ö.  364 Speidel , Ludwig  190  , 210  , 225 , 227  , 242  , 249 Starhemberg , Adelsfamilie  19 Starhemberg , Ernst Rüdiger  298 Starhemberg , Ernst Rüdiger Graf 27  , 28  , 36  , 132  , 175  , 177 , 264  , 265  , 302 Starhemberg , Guido Graf  29  , 85 , 87  , 167  , 170  , 181  , 233  , 302 Starhemberg , Gundaker Thomas Graf 28  , 30  , 48 Staudt , Johann Bernard  22 Stavjanik , Fanny  364 Stephanie , Prinzessin von Belgien 245 Stiftegger , Hans , d. i. Breĉka , Hans 268 Stifter , Adalbert  268 Storch , Anton M.  123  , 166 Strache , Heinz Christian  361  , 363

Strakosch , Alexander  225 Stratmann , Eleonore Gräfin  291 Strauß , Johann Sohn  234 Strauß , Josef  156 Sulzer , Julius  222 Tedeschi , Giovanni Prospero Abbé 46  , 283  , 357 Tell , Wilhelm  259 Teply , Karl  174 Terramare , Erna  286 Terramare , Georg  281  , 283  , 286 , 287  , 289  , 290  , 293  , 294  , 309 , 334 Die stille Stunde  282  , 284  , 285 , 286  , 287  , 289  , 290  , 292  , 294 , 309  , 334 Thimig , Hugo  215  , 286 Thurn-Taxis , Prinz Otto von  167 Titl , Anton Emil  84 Tönnemann , Vitus Georg  48 Townshend , Charles Lord  48 Trautson , Johann Wilhelm Fürst  318 Tressler , Otto  282  , 332  , 333  , 334 , 335 Treumann , Karl  140  , 141  , 142  , 143 , 145  , 147  , 165  , 167  , 170 Tschiritschs , Hans Christian  92 Uhlich , Gottfried  174 Ulfeldt , Graf Anton Corfiz  226 Vehse , Carl Eduard  283 Vergil 44 Verlét , Antonius  22 Viktoria , Prinzessin von SachsenHildburghausen 37 Villars , Claude-Louis-Hector de  39 Vitásek , Andreas  364

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Personen- und Stücktitelregister

Vogelweide , Walther von der  225 Voltaire 61 Vos , Judocus de  34 Wacik , Franz  276  , 277  , 278 Waldheim , Kurt  197 Wallenstein , Albrecht Wenzel Fürst 79  , 180  , 215  , 218  , 223 , 259  , 317 Wallishauser , Johann Baptist  226 Wandruszka , Adam  356 Wawra , Carl Josef  203 Wawra , Hermann  316 Weichelberger , Moritz  143 Weilen , Alexander von  212  , 292 Weilen , Joseph Ritter von  157  , 162 , 163  , 188  , 190  , 192  , 193  , 198 , 200  , 201  , 210  , 211  , 213  , 215 , 219  , 222  , 224  , 225  , 250  , 261 , 270  , 290  , 308 Am Tag von Oudenarde  157  , 161 , 163  , 190  , 191  , 192  , 194  , 195 , 197  , 198  , 200  , 203  , 210  , 211 , 213  , 215  , 217  , 218  , 219  , 222 , 270  , 308 Aus dem Stegreif  191

Der Blumen Huldigung  190 Prinz Eugen  191 Weil , Joseph , d. i. Weilen , Ritter Joseph von  190 Weitbrecht , Richard  267 Wengraf , Hans  316 Wessely , Josephine  244 Wessely , Paula  272 Wickenburg , Graf Albrecht  226 Wiener , Oskar  268 Wilbrandt , Adolf  245  , 251  , 252  , 253 Wilbrandt-Baudius , Auguste  291 Wildgans , Anton  320 Wilhelmine Amalie von Braunschweig-Lüneburg 22 Wilke , Jürgen  354 Windisch-Grätz , Alfred I. Fürst  323 Wittgenstein , Ludwig  195  , 197 Wittmann , Hugo  225 Wodak , Ruth  195 Wölfflin , Heinrich  200 Zeno , Apostolo  45 L’amor generoso  45 Zilk , Helmut  354 Zuckerkandl , Bertha  287

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PETER STEPHAN

DAS OBERE BELVEDERE IN WIEN ARCHITEK TONISCHES KONZEPT UND IKONOGRAPHIE DAS SCHLOSS DES PRINZEN EUGEN ALS ABBILD SEINES SELBSTVERSTÄNDNISSES

Das Obere Belvedere des Prinzen Eugen präsentiert sich heute aufgrund zahlreicher nachträglicher Eingriffe als eine rein auf Fernansichtigkeit angelegte, dekorative Kulissenarchitektur. Im ursprünglichen Konzept des Architekten Lukas von Hildebrandt, das der Autor anhand alter Ansichten und Stiche rekonstruiert und analysiert, spielte die Dreidimensionalität jedoch ebenso eine entscheidende Rolle. Zum einen bildete Eugens Sommerresidenz ein Ensemble raumhaltiger Pavillons. Zum anderen durchdrangen sich Pavillons, Garten und Ehrenhof wechselseitig. Auf diese räumliche Verschränkung hatte Hildebrandt seine Fassadengliederung sorgfältig abgestimmt. Außerdem verlieh die einstige Offenheit dem Bau eine ganz besondere szenografische Wirkung. Nicht zuletzt erinnerte das Schloss an ein Feldherrnzelt, in dem sich Eugen als ein zweiter Alexander der Große inszenierte. 2010. 352 S. 157 S/W-ABB. GB. MIT SU. 170 X 240 MM. | ISBN 978-3-205-77785-4

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ULRIKE SEEGER

ULRIKE SEEGER STADTPALAIS UND BELVEDERE DES PRINZEN EUGEN ENTSTEHUNG, GESTALT, FUNKTION UND BEDEUTUNG

Die beiden Wiener Bauten des Prinzen Eugen von Savoyen, das Stadtpalais in der Himmelpfortgasse und die Vorstadtanlage Belvedere, wurden bislang, ungeachtet des gemeinsamen Auftraggebers, nicht als Einheit behandelt, stammen sie doch von zwei verschiedenen prominenten Barock-Architekten, Johann Bernhard Fischer von Erlach und Johann Lukas von Hildebrandt. Ausgangspunkt der gemeinsamen Betrachtung im vorliegenden Werk ist die Frage nach der von Prinz Eugen intendierten Selbstdarstellung. Dazu hat die Autorin anhand der gut erhaltenen Anlagen selbst und von Stichen Salomon Kleiners, die die Innenausstattung dokumentieren, die Raumfolgen, die Ausstattung der Räume und den konzeptionellen Zusammenhang von Wohngebäuden und Garten gleichberechtigt mit der Architektur untersucht und so die Bau- und Ausstattungsgeschichte der beiden Anlagen erhellt. Daraus ergibt sich u. a., dass sich Prinz Eugen zwar den Wiener Gegebenheiten und Traditionen einordnete, dabei aber nicht auf die ihm aus seiner Pariser Jugendzeit vertrauten französischen Wohn- und Ausstattungserrungenschaften verzichtete. 2004. 508 S. 185 S/W- UND 18 FARB. ABB. GB MIT SU. 170 X 240 MM ISBN 978-3-205-77190-6

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